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German Pages 526 Year 2000
ANDREAS C. FÖRSTER
System einer Insolvenzauslösung bei der GmbH
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 131
System einer Insolvenzauslösung bei der GmbH Liquiditätsorientierter Vorschlag für eine Refonn der Haftungsverfassung bei der GmbH und für eine Grenze wirksamer Kreditbesicherung zur Venneidung masseanner Insolvenzen
Von Andreas C. Förster
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Förster, Andreas C.: System einer Insolvenzauslösung bei der GmbH: liquiditätsorientierter Vorschlag für eine Refonn der Haftungsverfassung bei der GmbH und für eine Grenze wirksamer Kreditbesicherung zur Venneidung masseanner Insolvenzen / von Andreas C. Förster. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 131) Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09950-8
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-09950-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Für Ulrike in großer Dankbarkeit
Inhaltsübersicht A. Einleitung: Gegenstand, Ziel und Methode der Arbeit ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
B. Ausgangspunkt: Juristische und ökonomische Zustands beschreibung . . . . . . . . . . .
35
I. Rechtslage ............................... . .....................................
35
11. Realien ........................................................................
60
III. Insolvenzrechtsrefonn ........ . .......... . ............ . ........................
76
IV. Resümee: AufgabenstelJung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
C. Prämissen: Wirksamkeitsbedingungen f'lir ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. I ()() I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten ...................................... 101
11. luristische Rahmenbedingungen .................... . . . ..... . ........ . . . ... . ... 157 III. Praxisbezogene Rahmenbedingungen
168
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen ............................................ 176 V. Resümee: Erste Anhaltspunkte für einen sachgerechten Insolvenzauslöser ...... 197
D. Analyse: Tauglichkeit rechtlicher Lösungskonzeptionen zur Insolvenzbewältigung ............................................................................... 199 I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
256
III. Ziele und Schwächen infonnationsrechtlicher Regelungen
295
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 305 V. Resümee: Weitere Anhaltspunkte für einen sachgerechten Insolvenzauslöser ... 334
8
Inhaltsübersicht
E. Synthese: Begründung und Ausgestaltung des eigenen Lösungsvorschlags ...... 339 I. Grundlegung....................................................... . ........... 339
11. Finanzierungsregeln .......................... . ................................ 349 III. Insolvenzauslösung ............................. . . . ............................ 415 IV. Verhaltenssteuerung durch Haftung ............................................ 442 V. Ergebnis und Auswirkungen ............. . ..................................... 473
F. Resümee: Notwendigkeit und Programm für eine Reform der Haftungsverfassung bei der GmbH ................................................................ 481
Verzeichnis der Gesetzesmaterialien ......... . . . ....................... . ............. 483
Entscheidungsverzeichnis ........... . ........................... . .................... 485
Literaturverzeichnis .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 488
Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 522
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung: Gegenstand, Ziel und Methode der Arbeit ................. . .........
31
B. Ausgangspunkt: Juristische und ökonomische Zustandsbeschreibung ...........
35
I. Rechtslage .....................................................................
35
I. Begriff. Gegenstand und Modalitäten des Insolvenzverfahrens ...............
36
a) Begriff .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
b) Gegenstand ..............................................................
36
c) Modalitäten.............................................................. aa) Par condicio creditorum ........................ . ....................
37 37
bb) Effiziente VeIWertung ...............................................
38
cc) Existenzschonung ................................................... dd) Kostenminimierung ............................................... . .
38 39
d) Zwischenergebnis .................................................. . .....
39
2. Rechtliche Kategorien finanzieller Krisensituationen ........................
40
a) Unterbilanz ..............................................................
40
b) Hälftiger Verlust des Stammkapitals......................................
41
c) Vorliegen eines Insolvenztatbestandes ....................................
41
d) Massearmut ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Klärung des Massebegriffs .......................................... bb) Masseunzulänglichkeit .......... . .............. . .............. . ... . . cc) Masselosigkeit ................................. . ....................
42 42 45 45
e) Vermögenslosigkeit ......................................................
46
3. Massekostendeckung ........................................................
46
a) Problematik..............................................................
46
b) Kurzfristig fällige Verbindlichkeiten ............................. . .......
47
c) Massebestandteile . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
10
Inhaltsverzeichnis d) Unzulässige Gleichsetzung von Vermögen und Liquidität
50
e) Rechtsfolgenproblem bei Masselosigkeit .................................
51
4. Unklarheiten bei den Insolvenztatbeständen ......................... . .......
53
a) Zahlungsunfähigkeit ........... . ....................... . . . . . . . . . .........
54
b) Überschuldung........................ . ... . . . ... . ...... . . . . . . . ...........
56
c) Drohende Zahlungsunfähigkeit. . . . . . . . . . .. . ... . . . . . . . . .... .. . .. . . . . . . . . . .
59
11. Realien ... . ........................ . . . .......... . .......... . ..... . .............
60
1. Erkenntnisse der Insolvenzforschung .................... . ..... . .......... . ..
61
a) Statistische Angaben zur GmbH-Insolvenz........... . ..... . .......... . ..
61
b) Ursachen finanzieller Krisensituationen ... . .......... . ..... . .............
64
2. Phänomenologie finanzieller Krisensituationen ..............................
66
a) Das finanzwirtschaftliche Problem einer Unternehmung. . . . . . . . .. . . . . ... .
67
b) Finanzwirtschaftliches Gleichgewicht als Existenzbedingung .............
68
c) Der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß .............................
70
3. Möglichkeiten zur Finanzierung von Konkursverfahren......................
74
III. Insolvenzrechtsreform .........................................................
76
1. Bestandsaufnahme der Mängel nach bisherigem Recht ......................
77
a) Dingliche Sicherungsrechte ..... . ............................... . ........
77
b) Masseverbindlichkeiten ..................................................
78
aa) Finanzgerichtliche Rechtsprechung ............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
bb) Abwicklung von Dauerschuldverhältnissen ..........................
79
cc) Umqualifizierung von Konkursforderungen .........................
80
c) Verspätete Konkurseröffnung .................. . .........................
80
d) Leerlaufen des Anfechtungsrechts ........ . .... .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. .
82
e) Praktikabilität...... . .......... . ...................................... . ...
84
2. Abhilfe durch die Insolvenzordnung? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
a) Insolvenzeröffnung ........................... . ................ . . . .......
84
aa) Anreize zur Verfahrenseröffnung ....................................
84
bb) Übertragbarkeit der US-amerikanischen Regelung? ..................
85
cc) Keine Gewährleistung der Verfahrenseröffnung ............ . .........
86
Inhaltsverzeichnis
II
b) Verfahren bei Masseunzulänglichkeit ............... . .....................
87
c) Masseverbindlichkeiten .................................... . .............
88
d) Fortführungserleichterungen ....................... . ..... . .......... . ....
90
e) Massemehrung durch Insolvenzanfechtung ...............................
91
aa) Beweisschwierigkeiten .............................................. bb) Darlegungsschwierigkeiten ..........................................
91 92
cc) Kein wirksamer Schutz vor finanzwirtschaftlichem Erstickungsprozeß .................................................................. (I) Zweckverfehlung ................................ . .......... . .... (2) Mißachtung wirtschaftlicher Kalküle ............................
93 93 95
f) Einbeziehung gesicherter Gläubiger .............. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
g) Zwischenergebnis ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
IV. Resümee: AufgabensteIlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
C. Prämissen: Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht ............................................................................... 100 I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten ........... . .......................... 101
I. Gemeinsame Interessenlage aller Gläubiger ............... . . . ............... 102 a) Bestandteile des Ausfallrisikos ........................................... 103 b) Risiken aus der Kapitalstruktur haftungsbeschränkter Unternehmen...... 104 c) Alternativen zur Unterbindung des Ausfallrisikos ........................ 106 d) Zerschlagungsautomatismus? ............. . .............................. 106 e) Zwischenergebnis........................................................ 109 2. Interessenlage der gesicherten Gläubiger ...................... . . . ........... 110 a) Wirkungsmechanismus der Kreditsicherheiten ........................... 110 b) Besonderheiten bei Warenkreditgläubigem ............................... 112 c) Verhalten bei Insolvenzverdacht .......................................... 114 d) Situation nach Insolvenzeintritt ......... . ........ . ....... . ........ . . . . . .. 115 3. Interessenlage der ungesicherten Gläubiger.................................. 116 a) Prämisse ungesicherter Kreditvergabe ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Sanktionsfähigkeit ....................................................... 117 aa) Einzelzwangsvollstreckung? ........................................ 117 bb) InsolvenzantragsteIlung? ............................................ 118
12
Inhaltsverzeichnis (I) Rechtliche Hindernisse einer AntragsteIlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Ökonomische Hindernisse einer AntragsteIlung ...... . .......... 119 (a) Direkte Insolvenzkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . ... . . 120 (b) Indirekte Insolvenzkosten ................................... 122 (c) Auswirkungen ................ .. .. . ................... .. .... 122 (d) Folgerungen ................................................ 123 (3) Wirkung der par condicio creditorum .............. .. ............ 123 (4) Vorteile des Zuwartens mit der AntragsteIlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (5) Rechtstatsächlicher Befund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 cc) Resümee ............................................................ 125 (1) Das Dilemma ungesicherter Gläubiger...........................
126
(2) Wirtschaftlicher Zusammenbruch durch Forderungseinzug? ..... 126 (3) Notwendigkeit eines prospektiven Auslösetatbestandes .......... 127 c) Verhältnis zu den gesicherten Gläubigern............. .. .................. 128 aal Vor Insolvenzeröffnung ............................................. 128 (1) Risikoumverteilung durch Sicherheitenbestellung ...............
128 (2) Anpassungsmöglichkeiten ungesicherter Gläubiger? ......... . ... 129
bb) Nach Insolvenzeröffnung ............................................ 130 4. Gemeinsame Interessenlage der GmbH-Organe........................ . . . ... 131 a) Schutz vor ungerechtfertigt eingreifenden Gläubigersanktionen .......... 131 aal Das Ideal aus Sicht der ungesicherten Gläubiger ..................... 131 bb) Die Gefahren aus Sicht der GmbH-Organe .......................... 131 (I) Überflüssige Insolvenzauslösung ........................... .. ...
131
(2) Insolvenzauslösung als gefährliches Warnsignal ................. 132 cc) Auflösung des Zielkonflikts ........................... .. ............ 134 dd) Konsequenzen ...................................................... 134 (I) Zerschlagungsbedingte Schädigung des Schuldners? .............
134
(2) Insolvenzantrag mißbräuchlich bei geringer Forderungshöhe? ... 135 b) Lösung des Finanzierungsproblems ...................................... 136 aal Notwendigkeit ausreichender Kreditversorgung ............. . ....... 137 bb) Finanzierung in der Krise der Gesellschaft..................... . ..... 138 (I) Vermögensumschichtung mit Kapitalfreisetzung " . . . . . . . . . . . . . .. 139
(2) Auswirkungen auf die Gläubiger ................................ 140 (3) Flucht in die Masselosigkeit ..................................... 142 5. Interessenlage der Gesellschafter ............................................ 143 a) Verhalten im Vorfeld der Insolvenz....................................... 143 b) Rentabilitätsüberlegungen in der Unternehmenskrise ..................... 144 c) Wirksamkeit einer Insolvenzauslösedrohung ............................. 147
Inhaltsverzeichnis
13
d) Unterschiedliche Sicht der Fortführungswürdigkeit ....................... 149 e) Vorteile einer aussichtslosen Unternehmensfortführung ................... 150 6. Interessenlage der Geschäftsführer .......................................... 152 a) Einfluß der Gesellschafterinteressen auf die Insolvenzauslösung . . . . . . . . . . 152 b) Eigeninteressen der Geschäftsführer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Anreize zur Insolvenzauslösung? ................. . ... . ................... 154 7. Zwischenergebnis................................... . ... . .............. . . . .. 155 II. Juristische Rahrnenbedingungen ............ . .................................. 157 1. Dogmatische Orientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 157
2. Anspruch auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz ..................... 161 3. Dispositionsfreiheit der Gläubiger........................................... 162 4. Sozialbindung der GläubigersteIlung ........................................ 162 5. Schuldnerschutz ............... . ..................... . ....................... 163 6. Rechtssicherheit ............................................................. 164 7. Wettbewerbsneutralität ............. . . . . . .................................... 165 8. Grenzen zulässiger Kreditsicherung
166
III. Praxisbezogene Rahmenbedingungen .......................................... 168 1. Justiziabilität des Insolvenzauslösers .......... . . . .............. . ............ 169
a) Spezifische Anforderungen .............................................. 169 b) Diskrepanz zwischen Bestimmtheit und Effektivität...................... 169 c) Das Konkretisierungsproblem des Ideal auslösers ....... . ................. 172 2. Diskretion eventueller Sanierungsversuche ............ . ..................... 174 3. Notwendigkeit wirksamer Sanktionen ............. . ......................... 175 4. Wirtschaftlichkeit ............... . .......................................... . 176 IV. Ökonomische Rahmenbedingungen ........................ . .......... . ........ 176 1. Existenzbedingungen der Unternehmung ................ . .......... . ........ 177
a) Jederzeitige Liquidität ............................................. . ..... 177 b) Langfristige Aufwandsdeckung ............ . ............ . ... . ............ 178
14
Inhaltsverzeichnis c) Weitere Existenzbedingungen? ........................................... 180 2. Liquiditätsquellen der Unternehmung ....................................... 180 3. Nutzen und Notwendigkeit einer Finanzplanung ............. . ............... 182 a) Bilanzielle Ermittlung der Finanzlage? ................................... 182 b) Eignung der Finanzplanung zur Feststellung der Liquidität............... 183 c) Eignung der Finanzplanung zur Feststellung der Aufwandsdeckung ...... 184 d) Finanzplan als Steuerungsinstrument ..................................... 185 4. Insolvenzprophylaxe ........................................................ 186 a) Vorteile .......................... . ...... . . . .............................. 186 b) Problem ................................................................. 187 5. Wirkung einer Beschränkung von Kreditsicherheiten ........................ 188 a) Die Untersuchung von Drukarczyk ....................................... 189 aa) Gegenstand und Ergebnisse ......................... . ............... 189 bb) Stellungnahme..................... . . . ... . .......................... 190 b) Juristische Meinungsäußerungen ......................................... 191 c) Ökonomische Analyse ................................................... 193 6. Marktwirtschaftliche Bedingungen .......................................... 195 V. Resümee: Erste Anhaltspunkte für einen sachgerechten Insolvenzauslöser .. . . . . 197
D. Analyse: Tauglichkeit rechtlicher Lösungskonzeptionen zur Insolvenzbewältigong ................................ ............................................... 199 I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199
I. Insolvenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit ................................ 199 a) Zweck ................................................................... 200 b) Schwäche und Problem ....................... . .......................... 201 c) Problemsicht im juristischen Schrifttum. . . . . .. . . . ... . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. 202 d) Gesetzgeberischer Mangel ............................................... 203 e) Neuinterpretation der "fälligen Zahlungspflichten" ............... . ....... 204 f) Historische Fehlinterpretation des Fälligkeitsmerkmals ................... 206
g) Ungeeignete Anknüpfung an die Liquidierbarkeit ........ . ... . . . ......... 208 h) Zwischenergebnis ........................................................ 210
Inhaltsverzeichnis
15
2. Insolvenztatbestand der Überschuldung ........ .. ........................... 211 a) Zweck des Überschuldungstatbestandes .................................. 211 b) Das grundlegende Problem................................ . . . ...... . . . ... 214 c) Meßkonzepte zur Feststellung der Überschuldung ........................ 215 aa) Überschuldung nach statischer Bilanzauffassung? ................... 215 bb) Überschuldung nach dynamischer Bilanzauffassung? ... . . . .......... 219 cc) Überschuldung zu Handelsbilanzwerten? ............................ 221 dd) Überschuldung zu Wiederbeschaffungswerten? ...................... 223 d) Bewertungsprämisse als Vorfrage ........................................ 223 e) Meßkonzepte unter Einbeziehung der Bewertungsprämisse ..... . . . . . . . . .. 226 aa) Zweistufige alternative Prüfung ..................................... 226 bb) Modifizierte zweistufige Prüfung.................................... 227 f) Der Lösungsansatz der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 231
g) Folgerung....... . ............................................... . ........ 232 3. Insolvenztatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 233 a) Prinzipielle Eignung ........................... . ............ . ............ 234 b) Nachteil der eingeschränkten Antragstellung ............................. 235 c) Inkompatibilität mit dem Überschuldungstatbestand .......... .. ... . . . . . .. 236 d) Exkurs: Zahlungsunfähigkeit ohne Überschuldung? ...................... 237 e) Die ungelöste Frage der innergesellschaftlichen Abstimmung ........ . ... 238 f) Zwischenergebnis ........................................................ 239
4. An die Insolvenztatbestände anknüpfende Regelungen ...................... , 240 a) Insolvenzantragspflicht .... . .................................... . ........ 240 aa) Normzweck ........................... . ................ . ............ 240 bb) Dreiwochenfrist ........... .... ...................................... 241 b) Zivilrechtliche Haftung ......................................... . ........ 244 aa) Der Anspruch wegen Masseschmälerung ............................ 244 bb) Der Anspruch wegen Konkursverschleppung ... . ..... . . . . . .......... 246 c) Strafrechtliche Verantwortlichkeit ........................................ 251 d) Zwischenergebnis ............... . .......... . ............ . ................ 252 5. Anfechtungsrecht ................................... .. .. .. .... .. ..... .. ..... 252 a) Unzureichende Erfassung bestehender Risiken ........................... 253
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Inhaltsverzeichnis b) Zweifelhafter Anknüpfungspunkt für Unterscheidung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 254 11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen ..................... 256 I. Stammkapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung .................... 256 a) Begriffsklärung: Stammkapital - Eigenkapital - Nettovermögen ......... 257 b) Begründung des Gesetzgebers zu Grund und Höhe des Stammkapitals.... 258 c) Funktionen des Stammkapitals........ . .............. . ... . ............... 261 aa) Voraushaftung ....................................... . ........ . ...... 261 bb) Seriositätsschwelle ......................................... . ........ 262 cc) Mittelbar: Schutz vor Rückgewähr geleisteter Einlagen.............. 263 d) Stellungnahme ........................................................... 263 aa) Geringe Effizienz ................................................... 263 bb) Kein wirksamer Vermögensschutz, insbesondere im Vergleich zur Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 264 cc) Verzerrte Anreizstruktur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 265 e) Zwischenergebnis........................................................ 266 2. Eigenkapitalersatz ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 267 a) Rechtslage .......................................... . ..... . .......... . ... 267 aa) BGH-Regeln .................................................... . ... 268 bb) Novellen-Regeln.................................................... 269 cc) Konkurrenzverhältnis ............................................... 270 b) Rechtfertigung der Umqualifizierung in Eigenkapital..................... 270 c) Folgerungen ............................................................. 273 aa) Finanzwirtschaftliche Funktion des Kapitalersatzrechts .............. 273 bb) Andere Formen der Gewährung kapita1ersetzender Leistungen....... 275 (I) Wirtschaftliche Entsprechung i. S. d. § 32a Abs.3 GmbHG ...... 276
(2) Darlehensähnliche Rechtshandlungen und Sachdar1ehen ......... 278 (3) Nutzungsüberlassungen ......................................... 279 (4) Dienstleistungspflichten ................ . ........................ 280 cc) Belassen kapitalersetzender Leistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 281 dd) Die Bedeutung der Finanzplanung .. . .. . . . ... . . . .. . ... .. ... . . . . . . . . .. 285 d) Offene Fragen ........................................................... 288 aa) Kompetenzverschiebung in Finanzierungsfragen? ................... 289 bb) Einbeziehung verliehener Liquidität? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 290 e) Zwischenergebnis........................................................ 291
Inhaltsverzeichnis
17
3. Verlust des halben Stammkapitals ........................................... 291 a) Rechtslage ..... . ........................ . .................. . ...... . ...... 292 b) Normzweck ......................................................... . .... 292 c) Stellungnahme ........................................................... 294 III. Ziele und Schwächen informationsrechtlicher Regelungen ..... . .......... . . . .. 295 I. Funktionszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 296 2. Gesetzliche Regelung ............................... . ................ . . . .... 297 a) Rechtslage ............................................................... 297 b) Schwächen der gesetzlichen Regelung ................................... 298 aal Der anzulegende Maßstab ............................... . ........... 298 bb) Das Problem der Vergangenheitsorientierung ................ . ....... 299 cc) Eingeschränkte Analyse des Cash-F1ow ............................. 299 dd) Eingeschränkte Aussagekraft des Jahresabschlusses ................. 300 ee) Beschwerliche Beschaffung aktueller Informationen................. 301 3. Nichtkodifizierte informationsorientierte Ansätze ........................... 302 a) Möglichkeiten einer erweiterten Publizität ............... . ... . ...... . .... 302 b) Probleme und Gefahren einer erweiterten Publizität ...................... 303 4. Stellungnahme .... . ................. . .......... . .............. . . . ........... 305 IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 305 I. Funktionszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 306 a) Zurechnungsgrund einer Haftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 306 b) Zusammenhang zwischen haftungs- und anreizorientierten Regelungsansätzen .................................................................... 307 c) Fragestellungen für den Fortgang der Untersuchung...................... 308 2. Haftungsorientierte Ansätze ................................................. 308 a) Widersinniger Nutzen der Innenhaftung ....... . . . ........................ 308 b) Außenhaftung der Geschäftsführer....................................... 309 aal Vertragliche und vertragsähnliche Ansprüche ........ . ............... 309 bb) Deliktische Ansprüche .............................................. 310 c) Außenhaftung der Gesellschafter .......... . . . . . ............ . . . ........... 312 aal Vorbemerkung ...................................... . .......... . .... 312 bb) Haftung aus selbständigem Verpflichtungsgrund ..................... 315 2 Förster
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Inhaltsverzeichnis cc) Haftung wegen Unterkapitalisierung ................. . ..... . ......... 315 (1) Eingrenzung der Fragestellung .................................. 315
(2) Problemstellung...................... . . . ........................ 316 (3) Normzwecklehre ................. . .............................. 317
(4) Organhaftung ................................................... 320 (5) Anknüpfung an Kreditunwürdigkeit ................. . . . ......... 321 d) Zwischenergebnis ....... . ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 323 3. Enthaftungsorientierte Ansätze .............................................. 323 a) Grundgedanke ........................................................... 324 b) Problematik.......................................................... . ... 324 c) Diskussion ausgewählter Vorschläge zur Beschränkung der Sicherungskraft ..................................................................... 325 aa) Vorbemerkung ...................................................... 325 bb) Der Vorschlag von Henckel ........ . . . ... . ................ . ......... 326 cc) Der Vorschlag von Franke................................... . ....... 328 dd) Der Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 330 d) Folgerungen ...................................... . ...................... 333
V. Resümee: Weitere Anhaltspunkte für einen sachgerechten Insolvenzauslöser ... 334
E. Synthese: Begründung und Ausgestaltung des eigenen Lösungsvorschlags ...... 339 I. Grundlegung..................................................... . ............. 339
I. Gewährleistung der Verfahrensdurchführung ......... . ...................... 340 a) Notwendigkeit .............. . ............................................ 340 b) Das Prinzip: Kombination von Innen- und Außenfinanzierung ............ 341 c) Konkretisierung: Vierstufiges Verfahren zur Gewährleistung der Massehaltigkeit ................................................................ 342 2. Richtschnur für das weitere Vorgehen ....................................... 343 a) Ausgangspunkt ............................. . ................ . ........... 344 b) Maßgeblichkeit individueller Einschätzungen ................ . ........... 345 c) Gezielter Schutz vor Anreizverzerrungen ........... . . . . . ... . ...... . . . .... 347 d) Fallgruppen von Anreizverzerrungen ..................................... 349
Inhaltsverzeichnis H. Finanzierungsregeln
19
349
I. Pflicht der Gesellschafter zur Mindestfinanzausstattung ..................... 350 a) Einfluß der zerschlagungsbedingten Kosten .............................. 350 b) Schutzbedürftigkeit der Gläubiger............................ . . . . . ....... 352 c) Das zu inkriminierende Verhalten der Gesellschafter ............. . ....... 354 d) Diskussion verschiedener Lösungsansätze ....... . ........................ 356 e) Verantwortlichkeit für Massehaltigkeit ................................... 358 2. Konsequente Anwendung des Kapitalersatzrechts ........................... 360 a) Folgen der Gesellschafterfremdfinanzierung bei Kreditunwürdigkeit ..... 360 b) Unzulässige Gesellschafterfremdfinanzierung ............................ 362 c) Sale-and-Iease-back-Verfahren als Anwendungsbeispiel .................. 363 aa) Grenzen beim Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts .......... 363 bb) Voraussetzungen und Rechtsfolge einer Nutzungsüberlassung ....... 363 3. Grenze wirksamer Kreditbesicherung ........................................ 365 a) Folgen der Kreditsicherung für die Finanzierung von Insolvenzverfahren 365 b) Durch Kreditsicherungen hervorgerufene Anreizverzerrungen ............ 367 c) Unwirksamkeit von Kreditsicherungsgeschäften ................... . ...... 370 aa) Prämissen einer Lösung ............................................. 370 bb) Obergrenze für eine Inanspruchnahme gesicherter Gläubiger ........ 372 cc) Zusammenhang zwischen Krisenentwicklung und Masseannut ...... 373 dd) Retrograde Unwirksamkeit.......................................... 374 (I) Grundprinzip.................................................... 374 (2) Zeitpunkt einer Zuführung von verliehener Liquidität. . . . . . .. . . .. 375 (3) Einwendungen? ................................................. 377 ee) Rechtsgrund für retrograde Unwirksamkeit.......................... 378 (1) Ausgleichshaftung? ............................................. 379 (2) Vertrag zu Lasten Dritter? ....................................... 380 (3) Eigener Ansatz. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 382 (a) Lehre vom Institutsmißbrauch ............................... 382 (b) Vertragsfunktionen .......................................... 383 (c) Das Versagen des Vertragsmechanismus ............ . ..... . .. 384 (d) Abwägungsgebot ................................... . . . . . . . .. 385 (e) Konkretisierung und Abwägung ............................. 386
(0 Folgerungen ................................................ 389 2'
Inhaltsverzeichnis
20
(4) Dogmatische Verortung ................................ . ... . . . . (a) § 138 BGB: Kenntnis der Sittenwidrigkeit? ................
390 391
(b) Das Rechtsfolgenproblem .......................... . ........ 392 (c) Sittenwidrigkeit als Rechtsordnungswidrigkeit .............. 393 (5) Zwischenergebnis ...................................... . ... . .... 396 ff) Einzelfälle einer Zuführung von verliehener Liquidität .............. 396
(I) Einfacher Eigentumsvorbehalt bei Zug-um-Zug-Geschäften ..... 396 (2) Kontokorrent.................................................... 397 (3) Stundung gesicherter Forderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 397 (4) Globalzession künftiger Forderungen................. . . . ........ 398 (5) Verlängerungsformen von Sicherungsrechten .................... 400 gg) Ausnahme bei deckungsstockgebundenen Kreditsicherheiten
402
4. Umgehungsschutz bei sonstigen Fällen einer Masseauszehrung ..... . ....... . 403 a) Problematik .............. . . . .... . ..... . ........ . . . . . ...... . ......... . ... . 404 b) Lösungsansatz .......................................................... . 406 aal Liquiditätzuführungen aus Desinvestitionen .......... . ..... . .... . ... 406 bb) Liquiditätsersparnisse aus gestückelter Nutzung .............. . ...... 407 c) Einzelheiten ............................. . ..... . .......... . ..... . ........ 409 aal Echtes Factoring .......................... . ... . ............ . . . . . .... 409 bb) Sale-and-Iease-back- Verfahren ...................................... 410 cc) Finanzierungsleasing .......................... . ...... . ....... . ...... 410 5. Zwischenergebnis und Auswirkungen...................... . ..... . .......... 411
III. Insolvenzauslösung ............ . ...... . . . . . .......... . ... . ...............
415
I. Kein einheitlicher Auslösetatbestand
416
2. Einleitung eines Insolvenzverfahrens
417
a) Insolvenzantragsrecht der Insolvenzgläubiger ......... . ....... . .......... 418 aal Grundlegender Gedanke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 418 bb) Ausgestaltung ............................. . .......... . .............. 420 (1)
Widerlegbare Vermutung ........................................ 420
(2) Qualifizierte Mahnung mit Nachfristsetzung .... . . .. . . . . . . . . . . . .. 420 (3) Unstreitige oder vollstreckbare Forderung und Verfahren bei unberechtigten Einreden ........................................... 421 (4) Schuldnerschutz und Verhältnis zur Einzelzwangsvollstreckung 422
Inhaltsverzeichnis
21
(5) Nur Antragsrecht. keine Antragspflicht ............ . ...... . ... . .. 424 (6) Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts ....................... 424 cc) Auswirkungen des konzipierten Insolvenzantragsrechts .......... . ... 425 b) Keine Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer ....................... 425 aal Insolvenzantragspflicht zur Terminierung eines Insolvenzverfahrens? 426 bb) Insolvenzantragspflicht als Anknüpfungspunkt für Haftungssanktionen? ................................................................ 427 (I) Schutzwürdigkeit der Gläubiger ................................. 427 (a) Fehlende Schutzwürdigkeit bei Mißachtung der Kreditwürdigkeit ...................................................... 427 (b) Schutzwürdigkeit bei definitiv bevorstehender Zahlungsunfähigkeit ...................................................... 429 (2) Keine haftungsbewehrte Insolvenzantragspflicht trotz Schutzwürdigkeit ...................................................... 429 c) Insolvenzantragsrecht der Geschäftsführer .......... . .................... 430 d) Zwischenergebnis ......................... . ..... . ............ . . . . . .. . . ... 431 3. Vermeidung eines Insolvenzverfahrens durch Insolvenzprophylaxe .......... 432 a) Grundlegung.......................................... . .................. 432. aal Gesellschaftsinterner Charakter ..................................... 432 bb) Notwendige Kooperation zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern .............................................................. 433 cc) Konsequenzen für die rechtliche Grundstruktur ..................... 433 b) Frühzeitige Information der Gesellschaftsorgane .......... . .............. 434 aal Prämissen ................................................... . ....... 434 bb) Selbstprüfungspflicht der Geschäftsführer ........................... 435 cc) Haftungsbewehrte Anzeigepflichten gegenüber den Gesellschaftern 435 (I) Anzeige der drohenden Massearmut eines potentiellen Insolvenzverfahrens .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 436 (2) Anzeige einer drohenden Insolvenzreife ......................... 438 (3) Anzeige der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen .......... 440 c) Lagebeurteilung .......................................................... 441 d) Zwischenergebnis ........................................................ 441 IV. Verhaltenssteuerung durch Haftung ........ . ................................... 442 I. Haftung wegen Massearmut ........................................... . ..... 442 a) Haftungszurechnung an die Gesellschafter ............................... 443 aal Keine Bestandsgarantie zugunsten der Gesellschaft .................. 443 bb) Konstruktionsfehler bei der Abstimmung von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht ...................................................... 444
22
Inhaltsverzeichnis cc) Allgemeine tatbestandliche Voraussetzung des Haftungsprivilegs
445
dd) Verhältnis von Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung .......... 448 ee) Besonderheiten bei anfänglicher Massearmut ........................ 450 (I) Rechtsgrund für Haftung wegen anfänglicher Massearmut ....... 450 (2) Verstoß gegen das Verbot der Leistungsvermehrung? ............ 451 ff) Besonderheiten bei nachträglicher Massearmut ...................... 452
(1) Handlungsalternativen bei Anzeige einer drohenden potentiellen
Massearmut ..................................................... 452 (a) Untätigkeit der Gesellschafter ............................... 453 (b) Eingreifen der Gesellschafter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 453 (2) Übernahme der persönlichen Haftung auf die Masseverbindlichkeiten ........................................................... 454 (a) Problematik................................................. 455 (b) Rechtsgrund einer Haftung wegen nachträglicher Massearmut ......................................................... 456 (c) Beschluß über die Fortführung der massearmen Gesellschaft
458
(d) Ausgestaltung der Haftung .................................. 459 (e) Schicksal der überstimmten Gesellschafter .................. 460 gg) Zwischenergebnis ....................................... .. .......... 461 b) Haftungssystem .......................................................... 461 aa) Ansprüche wegen primärer Masseergänzung ........................ 462 (1) Anspruchsvoraussetzungen .................... .... .. .. .......... 462
(2) Prozessuales .................................................... 463 bb) Ansprüche wegen subsidiärer Masseergänzung ...................... 464 cc) Regreßansprüche der von retrograder Unwirksamkeit betroffenen Gläubiger ........................................................... 465 2. Haftung wegen Insolvenzreife ............................................... 466 a) Regelungszweck ......................................................... 466 b) Anspruchsvoraussetzungen ............................................... 467 aa) Anwendungsbereich ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. 468 bb) Haftungsbegrundung .................. . ............ . ................ 468 cc) Einwendungen ...................................................... 469 c) Unterschied zur Haftung wegen Konkursverschleppung .................. 469 3. Haftung wegen unberechtigter Einreden gegen Insolvenzantrag .............. 470 a) Anspruchsgrundlage ..................................................... 471 b) Schaden .................... . ........ . ................................... 472 c) Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 472 4. Haftung wegen Verletzung von Anzeigepflichten ............................ 473
Inhaltsverzeichnis V. Ergebnis und Auswirkungen
23
473
I. Effektiver Gläubigerschutz .................................................. 473 a) Gewährleistung der Verfahrensdurchführung ............................. 474 b) Materielle Mindestkapitalisierungsregel .................................. 474 c) Sanktionsfahige Gläubiger............................................... 475 d) Mitverantwortung der Gläubiger .......................... . .............. 476 e) Rückabwicklung von Reichtumsverschiebungen ......................... 477 f) Schutz der Neugläubiger ........................................ . ........ 477
g) Mehr Rechtssicherheit ........ . ................................. . ........ 477 2. Anreiz zur Insolvenzprophylaxe ............. . ... . ............ . ... . . . ........ 478 3. Entbehrlichkeit des Stammkapitals .......................................... 479 4. Bedeutung des Anfechtungsrechts ........................................... 480
F. Resümee: Notwendigkeit und Programm f"lir eine Reform der Haftungsverfassung bei der GmbH ............................................................... 481
Verzeichnis der Gesetzesmaterialien ................................................. 483
Entscheidungsverzeichnis ................... . ... . ........ . . . ..... . .......... . ... . . . .. 485
Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 488
Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. 522
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht; am Anfang
aaO.
am angegebenen Ort
Abb.
Abbildung
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
a. E.
am Ende
a. F.
alte Fassung
AFG AG
Arbeitsförderungsgesetz Amtsgericht; Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
AGBG
Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)
ahd. AktG
althochdeutsch Aktiengesetz
allg. M.
aIIgemeine Meinung
Alt.
Alternati ve
Anh.
Anhang
Anm.
Anmerkung
AO
Abgabenordnung
ArchBürgR
Archiv für Bürgerliches Recht
Art.
Artikel
BAG
Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht
BayObLG BB BBI.
Betriebs-Berater (Zeitschrift) Betriebswirtschafthche Blätter - Fachzeitschrift für Unternehmens führung in der Praxis, hrsg. vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband, Bonn
Bd.
Band
bestr.
bestritten
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BewG BFuP
Betriebswirtschaftliehe Forschung und Praxis (Zeitschrift)
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
Bewertungsgesetz
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ BRAGO
Entscheidungen des Bundesgerichthofes in Zivilsachen Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte
BR-Drs.
Bundesrats-Drucksache
Abkürzungsverzeichnis BSG BStBI BT-Drs. BuW BVerfG BVerfGE bzw. cic DB DBW ders. d.h. dies. Diss.
DJ DJT DM
DStR DZWir ebd. Ed. e.G. EGBGB EGlnsO einh.M. EStG EWG EWiR f. FAZ ff. FGG
FLF Fn. GE gern. GenG GewO GewStG GG ggf.
25
Bundessozialgericht Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Betrieb und Wirtschaft - Zeitschrift für Rechnungswesen, Steuern, Wirtschaft-, Arbeits- und Sozialrecht im Betrieb Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise culpa in contrahendo Der Betrieb (Zeitschrift) Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) derselbe das heißt dieselbe(n) Dissertation Deutsche Justiz (Amtsblatt) Deutscher Juristentag Deutsche Mark Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ebenda Edition Eingetragene Genossenschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (BGBI. 1994/1, S. 2911 ff.) einheitliche Meinung Einkommensteuergesetz 1990 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende; following Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzierung - Leasing - Factoring (Zeitschrift) Fußnote Geldeinheit(en) gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschafts genossenschaften (Genossenschaftsgesetz) Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz 1991 Grundgesetz gegebenenfalls
26
Abkürzungsverzeichnis
GKG
Gerichtskostengesetz
GmbH GmbHR
Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift)
GRUR
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)
HaustürWG
Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften
HGB
Handelsgesetzbuch
hrsg.
herausgegeben
Hs
Halbsatz
HypBG
Hypothekenbankgesetz
i. e. S.
im engeren Sinn
IG
Industriegewerkschaft
insbes. InsO
insbesondere Insolvenzordnung (BGB\. 1994/1, S. 2866 ff.)
i. S. i. S.d. i. S. v. i. V. m.
in Sachen im Sinne des (der) im Sinne von in Verbindung mit
i.w.S.
im weiteren Sinn
JfB
Journal für Betriebswirtschaft (Österreich)
JherJb
Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (ursprünglich: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts)
JoF
The Journal of Finance (US-amerikanische Zeitschrift)
JuS
Juristische Schulung (Zeitschrift)
JW JZ
Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
KAGG
Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften
Kap. KG
Kapitel Kommanditgesellschaft
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KO
Konkursordnung
KostVerz
Kostenverzeichnis gern. der Anlage I zum GKG
krp
Kostenrechnungspraxis - Zeitschrift für Kostenrechnung und Controlling
KStG
Körperschaftssteuergesetz 1991
KT
Konkurs- und Treuhandwesen (ursprünglicher Titel der Zeitschrift KTS)
KTS KuK
Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Zeitschrift; seit 1989: Konkurs,Treuhand, Sanierung Kredit und Kapital (Zeitschrift)
KWG
Gesetz über das Kreditwesen
Lfg.
Lieferung
Abkürzungsverzeichnis LG
Landgericht
Ii. Iit.
Litera
27
linke (Spalte)
LöschG
Gesetz über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. 10. 1934
LS
Leitsatz
LZ
Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
m.E. Mio
meines Erachtens Million
Mrd
Milliarde
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
m.z.w.N.
mit zahlreichen weiteren Nachweisen
n. F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR
NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht
No.
number
Nr. OHG
Nummer Offene Handelsgesellschaft ohne Angabe des Erscheinungsjahres bzw. des Jahrgangs (bei Zeitschriften)
0.1. OLG
Oberlandesgericht
öOGH
Österreichischer Oberster Gerichtshof
o. V. PfandbG
ohne Verfasserangabe Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten
pp.
pages
RAnz
Reichsanzeiger
RdA
Recht der Arbeit - Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts
re.
rechte (Spalte)
RefEInsO
Referentenentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts Regierungsentwurf Insolvenzordnung
RegEInsO RG RGBI. RGZ
Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RIW
Recht der Internationalen Wirtschaft - Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters
Rn.
Randnummer
Rpfleger
Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift)
RT-Drs.
Reichstags-Drucksache
S.
Seite
s.
siehe
28
Abkürzungsverzeichnis
sc.
scilicet
Sen.
Senat
SeuffArch
Seuffert's Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten
SGBX
Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (Verwaltungsverfahren)
sog.
sogenannte(r)
SozPlG
Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren (Sozialplangesetz)
Sp.
Spalte
StGB
Strafgesetzbuch
str.
strittig
Stw.
Stichwort
SZ
Süddeutsche Zeitung (Stadtausgabe)
Tab.
Tabelle
TDM
Tausend Deutsche Mark
Tz.
Textziffer
u. u. a. u. ä.
und
Univ.
Universität
VAG
Versicherungsaufsichtsgesetz
VerbrKrG
Verbraucherkreditgesetz
Verf.
Verfasser
und andere( s) und ähnliche(s)
VerglO
Vergleichsordnung
VersammlG
Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz)
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
VStG
Vermögensteuergesetz
VuB
Der Volks- und Betriebswirt - Offizielles Organ des Bundes verbandes Deutscher Volks- und Betriebswirte (bdvb) e.v.
VVaG
Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
WiB
Wirtschaftsrechtliche Beratung - Zeitschrift für Wirtschaftsanwälte und Unternehmensjuristen
WiSt
Wirtschaftswissenschaftliches Studium
WM
Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift)
WPg
Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
WPrax
Wirtschaftsrecht und Praxis: Beratungsreport für Anwälte und Unternehmer, hrsg. von Boden/Oppenhoff/Rasor/Raue, Berlin/Frankfurt/ Köln/Leipzig im Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, Herne / Berlin
WuW
Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift)
ZAP
Zeitschrift für die Anwaltspraxis, Herne
z. B.
zum Beispiel
Abkürzungsverzeichnis ZBB
Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZEuP
Zeitschrift für Europäisches Privatrecht
ZfB ZfbF
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZfK
Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
zfo ZGR
Zeitschrift Führung + Organisation Zeitschrift für U nternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht
zit.
zitiert
ZPO
Zivilprozeßordnung
Schmalenbachs Zeitschrift für betriebs wirtschaftliche Forschung
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZSEG
Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen
z.T.
zum Teil
zug\. ZWS
zugleich Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
ZZP
Zeitschrift für Zivilprozeß
29
"Selten, daß der Mensch fähig ist und daß es ihm das Schicksal zuläßt, nach einer Reihe von Leiden, nach einer Folge von Verbindungen mit sich selbst und andern ganz reine Wirtschaft zu machen; man entschließt sich so ungern zum Bankerotte wie zum Tode und sucht sich mit Borgen und Zahlen und Vertrösten, mit Palieren und Flicken so lange hinzuhalten als möglich." Goethe (1782/1984), IV, 16
A. Einleitung: Gegenstand, Ziel und Methode der Arbeit Je früher im Verlauf einer Unternehmenskrise ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, desto eher dürfen Gläubiger mit der Befriedigung ihrer Ansprüche rechnen, um so größer ist aber auch die Gefahr, daß unberechtigt in die Verfügungsrechte Dritter eingegriffen wird. Mögliche Sanierungen können dadurch erschwert oder gar vereitelt werden. Bei der Frage nach den Kriterien für eine Verfahrenseinleitung handelt es sich mithin um den "Zielkonflikt zwischen Effektivität und Rechtssicherheit" 1 . Es gibt viele Vorschläge, wie dieser Zielkonflikt durch eine entsprechende Ausgestaltung der gesetzlichen Insolvenztatbestände, insbesondere des Überschuldungstatbestandes aufgelöst werden könnte? Mit dieser Arbeit soll kein weiterer Vorschlag dieser Art unterbreitet werden. Denn es wird sich zeigen, daß ein solches Vorgehen nicht zielführend ist, da es von einem unzutreffenden Ansatz ausgeht. Dieser Ansatz beruht auf der Vorstellung des Gesetzgebers der KO von 1877, wonach "Kredit und Bestand (der Gesellschaft 3 ) auf dem Bestand ihres Vermögens (beruhen).,,4 Tatsächlich beruhen Kredit und Bestand der Gesellschaft jedoch nicht auf dem Bestand ihres Vermögens, sondern auf der dauerhaften Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft. Da auch die InsO - ungeachtet der Einführung der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Insolvenztatbestand - insoweit keinen Paradigmenwech1
K. Schmidt (1986), S. 188; vgl. auch Flessner (I98Ia), S. 116.
Vgl. etwa Pribilla (1958), S. 6 ff.; G. Kühn (1969); K. Schmidt (I 978a), S. 337 ff.; ders. (I 990a), S. 50; ders. (1991), II.VI.3.b); Fischer (1980); Haack (1980); Vormbauml Baumanns (1984), S. 1971 ff.; Kommission für Insolvenzrecht (1985), LS 1.2.6 Abs. I S. 2; Drukarcyk (1986), S. 230 f.; ders. (I994a), S. 1231 ff.; Klar (1987); RefElnsO (1989), Teil B, S. 20 (zu 21); Schwieters (1989), S. 184 ff.; Vonnemann (1989); RegElnsO (1992), S. 115 (zu 23); Wirtschaftsprüfer-Handbuch/W Müller/E. Th. Kraft (1992), Rn. T22 ff.; Burgerl Schellberg (I 995b), S. 265; Melchers (1995), S. 76 ff. - Näher hierzu und m.w.N. unten unter D.L2., insbes. unter c) und e). 3 Die Ausführungen betreffen die Aktiengesellschaft, gelten jedoch wegen §§ 213, 207 I KO i.Y.m. § 13 I GmhHG auch für die GmbH. 4 Hahn (1881), S. 390. 2
A. Einleitung
32
sei vollzieht 5 , ist absehbar, daß die Erwartungen, die der Gesetzgeber hinsichtlich einer früheren Verfahrenseröffnung hegt 6 , sich nicht erfüllen werden. Das rechtfertigt es, trotz der am 1. 1. 1999 in Kraft getretenen InsO, eine Arbeit zur Frage der Insolvenzauslösung vorzulegen. Die Auseinandersetzung mit den im Rahmen der Insolvenzrechtsreform häufig zu Einzelfragen geführten Diskursen war dabei eine wertvolle Hilfe, um zu ganzheitlichen Einsichten hinsichtlich der Systemprobleme7 einer Insolvenzauslösung zu gelangen. Was wird nun vorliegend unter Insolvenzauslösung verstanden? Insolvenzauslösung bedeutet nicht nur die Einleitung des gesetzlich geregelten Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Insolvenzeröffnungstatbestandes. Vielmehr meint Insolvenzauslösung - bewußt weit - alle Abwehrmaßnahmen auf eine Insolvenz. 8 Daher gehören auch Maßnahmen zur Vermeidung einer Insolvenz im Rahmen der Insolvenzprophylaxe, etwa durch Sanierung 9 oder Liquidation der Gesellschaft, dazu. 1O Insolvenz bezeichnet dabei einen ökonomischen Tatbestand, nämlich eine Untemehmenskrise, die die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens rechtfertigt." Da Insolvenzauslösung alle Maßnahmen zur Abwehr einer Insolvenz betrifft, können diese sowohl auf rechtlichen Normen als auch auf ökonomisch begründeten Kalkülen derjenigen beruhen, die von einer Insolvenz betroffen sind. Negativ ist der Gegenstand der Untersuchung dahin abzugrenzen, daß Fragen der Insolvenzabwicklung nur insoweit interessieren, als die Insolvenzauslösung einen Einfluß auf die Verwertung des Schuldnervermögens hat. Auch beschränke ich mich auf die Rechtsform der GmbH. Denn vor allem die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens wirft infolge der unterschiedlichen organisationsrechtlichen Ausgestaltung der einzelnen Rechtsformen eine Reihe rechtsformspezifischer FraVgl. im einzelnen unten unter B.II1.2. sowie unter 0.1.3. Vgl. die Allgemeine Begründung zum RegElnsO, BT-Drs. 12/2443, S. 84 ff. [sub 4.b)]. 7 Dazu Julius von Kirchmann (1848/1990), S. 9: "Die Aufgabe der Jurisprudenz ist (. .. ) dieselbe, wie die aller anderen Wissenschaften; sie hat ihren Gegenstand zu verstehen, seine Gesetze zu finden, zu dem Ende die Begriffe zu schaffen, die Verwandtschaft und den Zusammenhang der einzelnen Bildungen zu erkennen und endlich ihr Wissen in ein einfaches System zusammen zu fassen." Vgl. auch Canaris (1969), S. 11 ff., insbes. S. 18, wonach es die Aufgabe des Systembegriffs ist, "die wertungsmäßige Folgerichtigkeit und innere Einheit der Rechtsordnung darzustellen und zu verwirklichen." (Hervorhebung weggelassen). H Anders wird der Begriff im ökonomischen Schrifttum von Kölsch (1988), S. 51, verwandt, der darunter die Eröffnung eines förmlichen Insolvenzverfahrells versteht. Insoweit bestehen aber mit den Begriffen Insolvenzeröffnung bzw. Verfahrenseröffnung im juristischen Sprachgebrauch bereits eingebürgerte termini technici. Die Begriffsbildung von Kölsch soll daher nicht übernommen werden. 9 Der Begriff wird unterschiedlich verwandt; vgl. K. Schmidt (I982a), S. 018 ff. Vorliegend wird er im weitest möglichen Sinn verstanden, so daß etwa auch die Reorganisation dazuzählt. 10 Die präventive Aufgabe des Insolvenzrechts betont auch K. Schmidt (1980a), S. 234 m.w.N.; ders. (I982a), S. 017. 11 Vgl. K. Schmidt (I 982a), S. 017. S
6
A. Einleitung
33
gen auf. Das bedeutet keine Ablehnung der von K. Schmidt propagierten rechtspolitischen Bewegung hin zu einer Rechtsformunabhängigkeit des Unternehmensinsolvenzrechts. 12 Es erscheint jedoch angesichts der mit einer Neuorientierung verbundenen Schwierigkeiten sowie der außerordentlich hohen praktischen Relevanz der GmbH-Insolvenz l3 ratsam, die Untersuchung auf die GmbH zu konzentrieren. Das Ziel der Arbeit besteht in zweierlei: Erstens soll die Grenze festgelegt werden, bis zu der die Gesellschaftsorgane verfügungsberechtigt bleiben dürfen, ohne daß es zu ungerechtfertigten Gläubigerbenachteiligungen kommt. Falls diese Grenze überschritten wird, muß zweitens geklärt werden, wie die Rechte der Gläubiger durchgesetzt, insbesondere wie die für sie nachteiligen Folgen einer Massearmut vermieden werden können. Massearmut bezeichnet dabei sowohl die Masselosigkeit i.S.v. § 207 I 1 InsO als auch die Masseunzulänglichkeit i.S.v. § 208 I InsO. Rechtssystematisch geht es infolge des dargelegten weiten Verständnisses von Insolvenzauslösung um die Abstimmung und Weiterentwicklung von Insolvenz-, Gesellschafts- und Kreditsicherungsrecht hin zu einem Recht der Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. 14 Allerdings können die Wirkungszusammenhänge zwischen verschiedenen, bislang häufig isoliert betrachteten Rechtsgebieten nicht aufgezeigt werden, ohne die ökonomischen Aspekte der Insolvenzauslösung zu berücksichtigen. Wird nämlich die diesen Aspekten innewohnende Eigengesetzlichkeit vernachlässigt, kann das dargelegte Ziel allenfalls zufallig erreicht werden. Obgleich der Dialog zwischen Juristen und Ökonomen schwierig ist 15, soll er vorliegend versucht werden. In Abwandlung des Begriffes von der Forschungsrichtung der Ökonomischen Analyse des Rechts versteht sich vorliegende Arbeit als eine juristische Synthese der Ökonomie, gen au er: als eine juristische Synthese ökonomischer Erkenntnisse zur Insolvenzauslösung. Es soll damit auf juristischer Ebene ein Beitrag geleistet werden zu den bislang nicht befriedigend gelösten Fragen 16 der Unternehmensfinanzierung, der Unternehmensorganisation, des Gläubigerschutzes sowie der Wirksamkeit von Kreditsicherheiten. Zum Aufbau der Arbeit ist anzumerken, daß unter B. zunächst der Status quo unter juristischen und ökonomischen Aspekten betrachtet wird, um so einen tragfahigen Ausgangspunkt zu gewinnen. Daran anschließend werden unter C. die Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht erarbeitet. Es handelt sich insoweit um die Prämissen für die weiteren Überlegungen. Diese fühDazu etwa ders. (1980a), S. 233. Vgl. unten unter B.II. I.a). 14 Der Begriff entspringt dem französischen Rechtskreis ("droit des entreprises en difficultes"), vgl. Guyon (1995), Tz. 1001, sowie Kremer (1994), S. 5 m.w.N. 15 Vgl. Uhlenbruck (1975), S. 899; ders. (l983a), S. 104; Egner/Wolff(l978), S. 106; K. Schmidt (1978a), S. 335; R. H. Schmidt (1984), S. 726, 733; vgl. auch Hommelhoff (1984), S.703. 16 Vgl. K. Schmidt (I 990a), S. 154. 12
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3 Förster
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A. Einleitung
ren unter D. zu einer kritischen Analyse der bestehenden rechtlichen Lösungskonzeptionen zur Insolvenzbewältigung, gleich ob nonniert oder nicht. Nach diesen eher destruktiven Teilen wird aufbauend auf den daraus resultierenden Erkenntnissen unter E. ein de lege ferenda zu verstehender Lösungsvorschlag zur Frage der Insolvenzauslösung bei der GmbH entwickelt. Die Ergebnisse werden unter F. zusammengefaßt. Schlaglichter der Arbeit sind: die Darstellung der Phänomenologie des sog. finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses (Kap. B.ll.2) sowie der wirtschaftlichen Bedingungen für die Existenz eines Unternehmens (Kap. C.lY.l); der Nachweis der Unbrauchbarkeit der Insolvenzeröffnungsgründe Zahlungsunfähigkeit (Kap. D.Ll) und Überschuldung (Kap. D.L2) sowie der widersprüchlichen Rechtsetzung im Falle der Nonnierung der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO (Kap. D.I.3); die Forderung nach einer Abschaffung des Stammkapitals (zusammenfassend Kap. E.V.3 m.w.N.); die Darlegung der Widersinnigkeit von Insolvenzantragspflichten (Kap. E.llI.2.b); die konsequent weiter gedachten Prinzipien des Kapitalersatzrechtes (Kap. D.ll.2), die zu einem erweiterten Anwendungsbereich dieser Rechtsmaterie führen; das Aufzeigen einer dynamischen Regel für die materielle Mindestkapitalausstattung der GmbH, womit die Haftung wegen Unterkapitalisierung rechtssicherer werden könnte (Kap. E.IL1 und E.lV.l.a), insbes. ce); die Herausarbeitung einer Grenze bis zu der Kreditsicherheiten insolvenzfest sind bzw. - hilfsweise und vorübergehend - für eine Finanzierung von Insolvenzverfahren herangezogen werden sollten (Kap. E.II.3); ein neuer Lösungsansatz für das alte, bislang aber nicht befriedigend gelöste Konkurrenzproblem ,Verlängerter Eigentumsvorbehalt der Lieferanten versus Globalzession der Banken' (Kap. E.ll.3.c)ff)(5), dort die ausführliche Fn. 271); sowie ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Dogmatik des Sittenwidrigkeitstatbestandes in § 138 BGB (Kap. E.ll.3.c)ee)(4). Aufgrund des interdisziplinären und ganzheitlichen Ansatzes waren bei vorliegender Arbeit außergewöhnlich komplexe Zusammenhänge darzustellen. Ich habe versucht, diese durch Querverweise aufzuzeigen. Das ennöglicht es, die Arbeit auch von "hinten nach vorne" zu lesen und gleichwohl zur Begründung der jeweils interessierenden Frage vorzustoßen. Der Stand der Arbeit ist März 1997. Eine Aktualisierung der Arbeit war dem Verfasser aufgrund starker beruflicher Inanspruchnahme nicht möglich, doch dürfte das rechtspolitische Anliegen der Arbeit darunter kaum leiden. Die Arbeit wurde betreut von Herrn Professor Dr. iur. Christoph Paulus, Humboldt-Universität zu Berlin, dem mein herzlicher Dank für die Gewährung der notwendigen Freiheit und Unterstützung gilt.
B. Ausgangspunkt: Juristische und ökonomische Zustands beschreibung
In diesem Teil der Arbeit soll anhand einer Zustandsbeschreibung des Status quo bei der GmbH-Insolvenz ein Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen gewonnen werden. Die Beschreibung des Status quo konzentriert sich, dem Thema der Arbeit entsprechend, auf Fragen, die die Insolvenzauslösung betreffen oder mit ihr in Zusammenhang stehen. Da aber auch dies noch ein weites Feld ist, hierzu im Rahmen der Insolvenzrechtsreform viel gesagt und geschrieben wurde l , und um den Leser nicht zu langweilen, beschränke ich mich auf die Aspekte, die für das weitere Verständnis der Arbeit wichtig sind. Innerhalb dieser Vorgabe wird (unter 1.) zunächst die Rechtslage dargestellt. Da rechtliche Regelungen für sich beanspruchen, einen konkreten Lebenssachverhalt ordnend in bestimmte Bahnen lenken zu wollen, soll anschließend genauer betrachtet werden, wie sich der zu ordnende Lebenssachverhalt darstellt (unter TI.). Damit wird ein erster Maßstab geschaffen, an dem sich rechtliche Regelungen zur Insolvenzauslösung messen lassen müssen. Ein weiterer Maßstab ergibt sich (unter Ill.) aus der Bestandsaufnahme der Mängel, die dem bisherigen Recht im Rahmen der Diskussion um die Insolvenzrechtsreform angelastetet wurden. In diesem Zusammenhang wird auch die künftige Insolvenzordnung daraufhin überprüft, inwieweit sie funktionstüchtig erscheint. Schließlich mündet (unter IV.) das Fazit aus der Zustandsbeschreibung in der AufgabensteIlung für den weiteren Fortgang der Arbeit.
I. Rechtslage
Einige für das Verständnis der Arbeit grundlegende Rechtsfragen sollen im folgenden vorab erörtert werden. Dazu zählen (unter 1.) Begriff und Zweck des Insolvenzverfahrens sowie (unter 2.) verschiedene rechtliche Kategorien finanzieller Krisensituationen. Anschließend wird (unter 3.) auf das Problem der Massekostendeckung eingegangen. Schließlich werden (unter 4.) Unklarheiten bei der Definition der Insolvenztatbestände aufgezeigt.
1 Vgl. den umfangreichen Überblick über die Reformliteratur bei HesslGoetsch (1993), S. XIII -XXVI und bei B. Kübkerl Prütting (1994), S. 15 -41.
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B. Ausgangspunkt 1. Begriff, Gegenstand und Modalitäten des Insolvenzverfahrens
a) Begriff
Das Insolvenzverfahren 2 ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Abwicklung finanzieller Krisensituationen, soweit diese Abwicklung nicht außergerichtlich erfolgt. Das Insolvenzverfahren über das Vennögen einer GmbH dient der Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen der GmbH und ihren Gläubigem, sofern die GmbH ihre Zahlungspflichten nicht erfüllen kann. 3 Dabei ist zwischen dem Gegenstand und den Modalitäten eines Insolvenzverfahrens zu unterscheiden. 4 Zwar zielen die insolvenzverfahrensrechtlichen Regeln sowohl auf den Gegenstand als auch auf die Modalitäten der Insolvenzabwicklung, doch nur wenn insoweit deutlich unterschieden wird, lassen sich Mißverständnisse venneiden. b) Gegenstand
Materieller Gegenstand der Insolvenzabwicklung ist die Haftungsverwirklichung seitens der persönlichen Gläubiger der GmbH. 5 Dies ist letztlich Folge der Privatautonomie. Die Möglichkeit sich privatautonom zu verpflichten, beruht wesentlich auf dem Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Übernahme der Verantwortung für eben diese Verpflichtungen. 6 Wo dieses Vertrauen enttäuscht wird, kommt der zwangs weisen Durchsetzung der eingegangenen Verpflichtungen rechtsbewahrende Bedeutung zu. Daraus folgt, daß das Recht der Vennögenshaftung - unter Beachtung der Grenzen des Schuldnerschutzes - zwingendes Recht sein muß. Zu Recht beschreibt daher G. Paulus das Recht der Vennögenshaftung als ..eine klassische Domäne des rigor juris..7 • Aus dem genannten Grund steht das 2 Unter Insolvenzverfahren wird im folgenden auch das Konkursverfahren nach der KO verstanden, soweit nicht eigens differenziert wird. 3 Im Anschluß an F Weber (1977), S. 322. 4 Ebenso TIntelnot (1991), S. 15; im Ergebnis ähnlich Funke (1995), S. 27 (sub 2.). S V gl. § I InsO, § 3 I KO; aus den Gesetzesmaterialien zur KO Hahn (1881), S. 40 (.. Zweck ist, die verschiedenen Gläubiger wegen ihrer zusammentreffenden Ansprüche aus einem nicht zureichenden Vermögen zu befriedigen"); aus den Materialien zur InsO: BT-Drs. 12/2443, S. 108 (..einheitliches Hauptziel [ ... ]: die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger"); aus der neueren Literatur etwa Häsemeyer (1992), S. 14 ff.; Heilmannl Smid (1994), § I Rn. 16,27, § 2 Rn. 2; Henckel (1992), S. 202 f. et passim u. a. auch m.w.N. zum Gegenstand der Haftungsverwirklichung in der Reformgeschichte der InsO; ders. (1989), S. 493; TIntelnot (1991), S. 14 m.z.w.N. in Fn. 27. Für die ältere Literatur Kohler (1903), S. I ("retten, was zu retten ist"). - Da das US-amerikanische Insolvenzrecht maßgebenden Einfluß auf die Insolvenzrechtsreform gehabt hat (vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 105 f.) sei stellvertretend noch auf Jackson (1986), p. 3 verwiesen: "Bankruptcy law, at its core, is debt-collection law." Dazu Balz (1988), S. 1438 ff. 6 Ähnlich TIntelnot (1991), S. 12 ("Prinzip der Verantwortung als Kehrseite personaler Freiheit"). Vgl. G. Paulus (1956), S. 314 f; Schuh (1986), S. 71 f. 7 G. Paulus (1956), S. 315.
I. Rechtslage
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Vennögen einer insolventen GmbH auch weder für sozial- noch für wirtschaftspolitische Zwecke zur Verfügung. 8 Ebensowenig ist die Verwirklichung der dinglichen Haftung Zweck eines Insolvenzverfahrens. 9 Zwar geht es auch dabei um Haftungsverwirklichung, doch stehen den dinglich gesicherten Gläubigem einfachere Befriedigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Das bedeutet nicht, daß im Insolvenzverfahren die Verwirklichung der dinglichen Haftung belanglos ist, doch handelt es sich dabei nicht um den Zweck, sondern um eine Modalität des Insolvenzverfahrens. c) Modalitäten Bei den Modalitäten der Insolvenzabwicklung geht es darum, auf welche Art das Ziel der Haftungsverwirklichung erreicht wird. Vier Umstände erscheinen insoweit wichtig: aa) Par condicio creditorum Für das Insolvenzverfahren geradezu konstitutiv ist, daß aus Gründen des Rechtsfriedens das Prioritätsprinzip der Einzelzwangsvollstreckung dem Prinzip der par condicio creditorum weicht. 10 Da dieses sich historisch gesehen immer wieder durchgesetzt hat 11 , scheint es mit seiner dem Gleichheitsprinzip verpflichteten Konzeption den Maßstab für den Fall zu verkörpern, daß die Befriedigung aller Forderungen nicht möglich ist. Dies düfte, um einen Gedanken Friedrich A. von Hayeks aufzunehmen 12 , darauf zurückzuführen sein, daß das Gleichheitspostulat am ehesten dazu beiträgt, der Ungleichheit, die die Freiheit (zum Kontrahieren, und zwar mit einem sich später als insolvent herausstellenden Schuldner l3 ) notwendig erzeugt, das Verletzende zu nehmen. 14 Es handelt sich somit um ein Gerechtigkeitsaspekte berücksichtigendes Prinzip der Insolvenzabwicklung, mit dessen Hilfe die konfligierenden Interessen der Gläubiger zum Ausgleich gebracht werden könnenY So - al1erdings beschränkt auf Großunternehmen - Flessner (1982), S. 196 f. F. Weber (1977), S. 351. \0 Grundlegend zur rechtsdogmatischen Begründung Häsemeyer (1982b); zur ökonomischen Legitimation R.H. Schmidt (1980), S. 41 ff. Vgl. auch BaurlStürner (1991), § 1 I 1,11; HeilmannISmid(1994), § I Rn. 8 (S. 4) u. § 2 Rn. I; aus der älteren Literatur Kohler(l903), S. 2 (unter III.); Oetker (1891), S. 19 f. 11 Vgl. den Überblick bei Häsemeyer (1982b), S. 511 ff. 12 Hayek (1971), S. 105. 13 Soweit im folgendem von dem "Schuldner" die Rede ist, ist damit auch die GmbH als Schuldnerin gemeint. Mit der Diktion sol1 zum Ausdruck gebracht werden, daß die jeweiligen Ausführungen über den Bereich der GmbH hinaus zu verstehen sind. 14 Wilburg (1950), S. 7 spricht deshalb von einem "Verlegenheitsprinzip, das aus dem Mangel anderer Gesichtspunkte entstand". 15 Zum Verfahren als sozialem System, das sowohl der kooperativen Wahrheitssuche bei divergierenden Standpunkten als auch als Plattform für die Darstel1ung und Austragung von 8
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B. Ausgangspunkt
bb) Effiziente Verwertung Aus dem Ziel der Haftungsverwirklichung unter der Prämisse eines zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger unzureichenden Vermögens ergibt sich zwanglos eine weitere Modalität der Insolvenzabwicklung: So ist auf die "bestmögliche Verwertung des Schuldnervermögens und die optimale Abwicklung oder Umgestaltung der Finananzstruktur des Schuldners,d6 zu achten. Ob dies durch Liquidation oder durch Fortführung des bisherigen Unternehmensträgers geschieht, läßt sich nur im Einzelfall entscheiden. 17 Die Insolvenzpraxis ist bereits unter Geltung der KO so verfahren. Da durch die Erhaltung des organisatorischen Sachzusammenhangs eines Betriebs oftmals höhere Verwertungserlöse erzielt werden können, als durch seine Zerschlagung, hat sie eine Vielzahl möglicher Strategien zur Betriebserhaltung herausgebildet. 18 In dem Zusammenhang ist K. Schmidt zuzugeben, daß die sich hieraus ergebenden Probleme der Unternehmensfinanzierung, der Unternehmensorganisation und des Unternehmensschicksals in der Rechtswissenschaft bislang nicht befriedigend gelöst wurden l9 und daß ,,Insolvenzrecht mehr ist als Gesamtzwangsvollstreckung,,2o.
cc) Existenzschonung Ferner ist im Rahmen der Haftungsverwirklichung die wirtschaftliche Existenz der schuldnerischen GmbH tunlichst zu erhalten. 21 Denn die Haftungsverwirklichung rechtfertigt nicht die Zerschlagung lebensfähiger Unternehmen. Die Annahme des historischen Gesetzgebers der KO, daß infolge der zwangsvollstreckungsrechtlichen Natur der Haftungsverwirklichung der Konkurs auf die Liquidation des insolventen Unternehmensträgers ziele 22 , muß nach heutigen Erkenntnissen als überholt gelten. Doch auch die These, daß das Ziel der effizienten Vewertung Auswirkungen auf den Verfahrens zweck haben müsse, da es "um die Abwicklung nicht nur von Konflikten dient, vgl. grundlegend Luhmann (1969), s. 38 ff., insbes. S. 50 et passim. - Auf die Bedeutung von Beteiligtenrechten für die Rechtsunterworfenen weist Bottke (1991), S. 33 ff. hin. 16 BT-Drs. 12/2443, S. 77 (unter aa). 17 Balz (1989), S. 4. 18 Grundlegend Groß (1988); speziell zur Sanierung im Rahmen des außergerichtlichen Vergleichs Künne (1968). 19 Ders. (199Da), S. 154. 20 Ders., aaO., S. 153. 21 Ausführlich Häsemeyer (1992), S. 46 ff. - Bitz/ Hemmerde / Rausch (1986), S. 283 ff., analysieren, wie das Werterhaltungsprinzip in die KO und VglO Eingang gefunden hat. 22 Hahn (1881), S. 41; ebenso Jaeger/Lent (1958/1958), Einleitung III, III, S. LI. ("es handelt sich um eine zwangsweise Liquidation eines Unternehmens oder Vennögens").
I. Rechtslage
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Schulden. sondern um die Abwicklung eines Rechtsträgers,,23 gehe. erscheint mir nicht zweifelsfrei. Zum einen setzt Insolvenzabwicklung nicht zwingend die Abwicklung des Rechtsträgers voraus. etwa dann. wenn es gelingt. diesen zu sanieren. Vor allem aber werden bei dieser Argumentation Gegenstand und Modalitäten der Insolvenzabwicklung vennengt: Die •.Abwicklung eines Rechtsträgers" betrifft nämlich die Frage. wie der materielle Gegenstand der Insolvenzabwicklung. nämlich die Verwirklichung der Haftung. umgesetzt werden kann. während es bei der ..Abwicklung ( ... ) von Schulden" um diesen Gegenstand selbst geht. Die Art und Weise der Insolvenzabwicklung ändert aber nichts an der Haftungsverwirklichung als Gegenstand der Insolvenzabwicklung. Daher darf auch die Kritik am exekutorischen Charakter der Insolvenzverfahren 24 nicht auf den Gegenstand. sondern nur auf die Modalitäten der Insolvenzabwicklung bezogen werden?S
dd) Kostenminimierung Schließlich sollte im Rahmen der Haftungsverwirklichung auf eine Minimierung der Abwicklungskosten geachtet werden?6
d) Zwischenergebnis
Soweit die InsO neben der Haftungsverwirklichung weitere Ziele. wie etwa den Gleichrang von Liquidation. übertragender Sanierung und Sanierung des Schuldners 27 oder die flexible Insolvenzabwicklung durch Deregulierung28 hervorhebt. so geht es dabei um Modalitäten der Haftungsverwirklichung. Das Ziel der Haftungsverwirklichung als solches. bleibt davon unberührt. 29 Es ist jedoch in der Weise zu verwirklichen. daß die genannten Modalitäten der Insolvenzabwicklung dabei berücksichtigt werden. Für den weiteren Gang der Untersuchung ist mithin festzuhalten. daß das Insolvenzverfahren auf die gesetzlich geregelte Haftungsverwirklichung der persönlichen Gläubiger unter Beachtung der Grundsätze der Gläubigergleichbehandlung. der effizienten Verwertung des Schuldnervennögens. der Existenzschonung und der Kostenminimierung zielt. Dabei verhalten sich Gegenstand K. Schmidt (I 990a). S. 153. Bötticher (1973). S. 381; Berges (1960). S. 10; ders. (1982). S. 1457 f.; K. Schmidt (1982a). S. 018; ders. (1986). S. 183 (..Grundmangel des geltenden Rechts"); ebenso ders. (1988a). S. 6 ff.; ähnlich Flessner (1981 b). S. 1286. 2S Näher hierzu TIntelnot (1991). S. 15 ff. 26 Hierauf haben insbesondere betriebswirtschaftliche Stimmen hingewiesen. so etwa Drukarczyk (l982a). S. 15; ders. (1983). S. 336; Bitz/ Hemmerde/ Rausch (1986). S. 287 f. 27 Vgl. die Begründung des Gesetzgebers in BT-Drs. 12/2443. S. 77 f. (unter bb). 28 Vgl. die Begründung des Gesetzgebers in BT-Drs. 1212443. S. 78 (unter cc). 29 So ausdrücklich für die Regelungen hinsichlich des Insolvenzplans die Begründung des Gesetzgebers in BT-Drs. 12/2443. S. 91 (unter aa). 23
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B. Ausgangspunkt
und Modalitäten der Insolvenzabwicklung als Ziele des Insolvenzverfahrens zueinander wie Zweck und Mittel: Die Haftungsverwirklichung ist der Zweck des Insolvenzverfahrens. Ob dieser durch Sanierung des Rechtsträgers - und damit zumeist implizit des Betriebes -, durch Zwangsliquidation, gleich ob mit oder ohne Erhaltung des Betriebes oder einzelner Betriebsteile im Wege eines Betriebsübergangs, oder sonstwie verfolgt wird, bestimmen die konkreten Umstände und ist eine Frage des zweckmäßigen Mittels. 3o
2. Rechtliche Kategorien finanzieller Krisensituationen
Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits erwähnt, daß es im Insolvenzverfahren um die Abwicklung einer finanziellen Krisensituation geht. Je nach Schwere der finanziellen Krisensituation kennt unsere Rechtsordnung verschiedene rechtliche Kategorien, an die jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft sind. In der idealtypischen Reihenfolge einer zunehmenden Verschärfung lassen sich folgende rechtliche Kategorien finanzieller Krisensituationen unterscheiden: die Unterbilanz, der hälftige Verlust des Stammkapitals, das Vorliegen eines Insolvenztatbestandes, die Massearmut, und zwar entweder in der Form der Masseunzulänglichkeit oder der Masselosigkeit, und schließlich die Vermögenslosigkeit. Aus Gründen einer präzisen Begrifflichkeit sollen die einzelnen Kategorien kurz genauer betrachtet werden. a) Unterbilanz
Eine Unterbilanz liegt vor, wenn der Wert des Nettovermögens 31 der GmbH geringer ist als der Betrag des satzungsmäßig ausgewiesenen Stammkapitals. 32 Dazu kommt es, wenn das Stammkapital durch Verluste oder sonstige Eigenkapitalminderungen teilweise aufgezehrt ist. Das Nettovermögen berechnet sich aus der Summe der Aktiva abzüglich der Verbindlichkeiten unter Einschluß der Rückstellungen, aber ohne RÜcklagen. 33 Eine Unterbilanz führt zur Auszahlungssperre nach § 30 GmbHG. Darunter wird das für die Geschäftsführer bestehende Verbot verstanden, Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter auszuzahlen oder ihnen sonstige Leistungen zukommen zu lassen, die das Gesellschaftsvermögen verringern, sobald und soweit eine Unterbilanz vorliegt. Entgegen der Auszahlungssperre gefaßte Gesellschafterbeschlüsse sind entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nich30 Es verhält sich also genau umgekehrt wie von Tintelnot (I99\), S. 17, angenommen; zutreffend hingegegen Henckel (1992), S. 199. - Die Problematik wird unten unter C.1.l.d) vertieft. 31 Synonym wird auch von Reinvennögen gesprochen, vgl. HachenburglGoerdelerlW Müller (1989/ 1991), § 30Rn. 28. 32 HachenburglGoerdelerlW Müller (1989/1990), § 30 Rn. 28. 33 Überblick über Einzelheiten bei Baumbachl Hueckl Hueck (1996), § 30 Rn. 6 m.z.w.N.
I. Rechtslage
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tig. Im Falle einer Auszahlung sind die empfangenen Gegenstände nach § 31 GmbHG an die Gesellschaft zu erstatten. Dagegen sind die entsprechenden Verpflichtungs- und Verfügungs geschäfte nicht generell nach § 134 BGB nichtig. 34 Für die Bewertung zur Feststellung einer Unterbilanz sind die fortgeschriebenen Buchwerte der letzten Jahresbilanz maßgebend, da die Auszahlungen einen laufenden Geschäftsvorgang einer werbenden Gesellschaft darstellen. Mithin sind auch stille Reserven grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
b) Hälftiger Verlust des Stammkapitals Der hälftige Verlust des Stammkapitals ist der qualifizierte Fall einer Unterbilanz. Daher besteht auch hier die Auszahlungssperre. Zusätzlich sind die Geschäftsführer zur Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung verpflichtet, § 49 III GmbHG. Um den hälftigen Verlust des Stammkapitals feststellen zu können, ist es zwar rechtlich nicht Voraussetzung, aber praktisch regelmäßig erforderlich, eine Bilanz aufzustellen. Auf die dabei teilweise umstrittenen Ansatz- und Bewertungsfragen ist später noch näher einzugehen. 35
c) Vorliegen eines Insolvenztatbestandes
Das Vorliegen eines Insolvenztatbestandes führt zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Solche Insolvenztatbestände 36 sind Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung sowie nach neuem Recht zusätzlich drohende Zahlungsunfähigkeit. Das Vorliegen eines Insolvenztatbestandes ist Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, § 102 I, 213, 207 I KO bzw. § 16 InsO i.Y.m. § 131 GmbHG. Für den Fall, daß Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintreten, hat der Geschäftsführer der GmbH unverzüglich, spätestens aber binnen drei Wochen nach ihrem Eintritt, Insolvenzantrag zu stellen, § 64 1 GmbHG. Ferner ist das Vorliegen dieser Insolvenztatbestände für das Antragsrecht eines Gläubigers von Bedeutung: gelingt es ihm, das Vorliegen eines dieser Insolvenztatbestände glaubhaft zu machen, so kann er einen Insolvenzantrag darauf stützen, § 105 I, 213, 207 1 KO bzw. § 14 I InsO. Mit Insolvenzeröffnung wird die GmbH aufgelöst, § 60 I Nr. 4 GmbHG. Das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG hat der BGH auch auf die überschuldete GmbH erstreckt37 , da diese über noch weniger Vermögen verfügt als im Fall der Unterbilanz. Denn nach dem Gesetzeswortlaues liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen der GmbH die Schulden 34 35 36 37
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H.M., vgl. nur Baumbachl Hueckl Hueck (1996), § 30 Rn. 21 m.z.w.N. Vgl. unten unter D.II.3.C), Synonym wird auch von Eröffnungsgründen gesprochen, vgl. § 16 InsO. Urteil vom 29. 9. 1977 (11 ZR 157/76), in: 8GHZ 69, S. 274, 279. Vgl. § 64 I 2 GmbHG sowie künfig § 1911 InsO.
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B. Ausgangspunkt
nicht mehr deckt. Vermögen bezeichnet hier das Bruttovermögen 39 , also alle im Geschäftsbetrieb der GmbH eingesetzten Wirtschaftsgüter ohne Abzug der Verbindlichkeiten. Die Einzahlungen auf das Stammkapital sind also bei Überschuldung restlos aufgezehrt. Für die rechtliche Kategorisierung finanzieller Krisensituationen brauchen die Einzelheiten der Insolvenztatbestände hier noch nicht weiter vertieft zu werden; es wird aber darauf zurückzukommen sein. 4o
d) Masseannut
Das Gesetz selbst kennt den Begriff der Massearmut nicht. In dieser Arbeit wird er verstanden als Oberbegriff für die gesetzlichen Kategorien der Masseunzulänglichkeit sowie der Masselosigkeit. Bevor hierauf näher eingegangen wird, ist es jedoch angezeigt, näher auf die verschiedenen Massebegriffe einzugehen.
aa) Klärung des Massebegriffs Das Gesetz spricht von Konkurs- bzw. Insolvenzmasse, § 1 I KO bzw. § 35 InsO. Die Begriffe sind jedoch weder identisch 41 noch werden sie innerhalb des jeweiligen Gesetzes einheitlich verwandt. 42 Die Begrifflichkeit ist daher für die mit dieser Arbeit verfolgten Zwecke nicht hinreichend präzise. Die h.M. unterscheidet zwischen Istmasse und Sollmasse. Unter Istmasse versteht sie "den tatsächlichen Umfang der Konkursmasse" im Unterschied zum "rechtlichen Umfang der Konkursmasse", den sie als Sollmasse bezeichnet. 43 Aus der Ist39 Gleichbedeutend wird von Aktiva gesprochen. Nicht nur pleonastisch, sondern mißverständlich ist es dagegen, wenn im juristischen Schrifttum immer wieder von Aktivvermögen die Rede ist (so etwa Joost [1983], S. 286; BaumbachlHuecklSchulze-Osterloh [1996], § 63 Rn. 7; Kleffner [1994], S. 22). Weder der Gesetzgeber noch die betriebswirtschaftliche Literatur kennt diesen Begriff und in der Kaufmannssprache wird darunter - im Gegensatz zu der ihm im juristischen Schrifttum beigelegten Bedeutung - das wirkliche Vermögen, also das Netto- oder Reinvermögen als die Differenz zwischen Aktiva und Schulden verstanden (Deutsches Universalwörterbuch (1989), Stw. "Aktivvermögen", ebenso Scholzl K. Schmidt [1995], § 63 Rn. 10). 40 Im einzelnen unten unter B.1.4. und unter D.I.I. - 3. 41 Zu den Unterschieden zwischen Konkurs- und Insolvenzmasse vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 122 zu § 42 RegElnsO. 42 Vgl. für die KO: Jaeger I Henckel (1977 /1977), § I Rn 5. - Für die InsO findet sich in § 35 InsO eine Legaldefinition. Von dieser weicht der Begriff der Insolvenzmasse jedoch z. B. in folgenden Bestimmungen ab (die Hinweise in Klammern beziehen sich auf die sogleich vorzustellende Terminologie): § 80 I, 86 I Nr. I InsO (Insolvenzmasse als beschlagnahmte Masse), § 53, 170 I InsO (Insolvenzmasse als freie Masse) und § 38, 18711 InsO (Insolvenzmasse als Teilungsmasse). 43 Vgl. KuhnlUhlenbruck (1994), § I Rn. 3; ebenso JaegerlHenckel (197711977), § I Rn. 5; BaurlStürner (1991); S. 162, Jauernig (1990), § 47 111; Baumann (1981), S. 106 f.
I. Rechtslage
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masse werde durch massemehrende Anfechtungen und massemindemde Aussonderungen die Soll masse. Diese Begrifflichkeit ist aber sowohl rechtsdogmatisch irreführend 44 als auch hinsichtlich des Ziels eines Insolvenzverfahrens, nämlich der Abwicklung einer finanziellen Krisensituation, wenig zweckmäßig. Denn da die Haftungsansprüche der Gläubiger in Geld zu befriedigen sind45 muß das vom Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter nach § 117 I KO bzw. § 148 I InsO in Besitz und Verwaltung genommene Vermögen zunächst zu Geld gemacht werden. Aus den insoweit von der KO bzw. der InsO vorgegebenen Regeln ergibt sich eine Art Rechenschema für die Abwicklung. Die Begrifflichkeit sollte, um einen Nutzen stiften zu können, dieses durch das Recht vorgegebene Rechenschema widerspiegeln. Es wird deshalb vorgeschlagen das gesamte vom Beschluß über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfaßte und nach § 117 I KO bzw. § 148 I InsO vom Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter in Besitz und Verwaltung zu nehmende Vermögen als beschlagnahmte Masse oder Istmasse I zu bezeichen. 46 Entgegen der h.M., die unter Istmasse nur den tatsächlichen Umfang der Konkursmasse versteht, wird die Istmasse also als aus Sachen und Rechten bestehend verstanden. 47 Zu letzteren zählen neben Immaterialgüterrechten, die dem Geschäftsbetrieb der GmbH zugute kommen, vor allem Ansprüche auf Rückgewähr anfechtbar weggegebener Vermögensgegenstände, Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaftsorgane im Zusammenhang mit der Insolvenz der GmbH sowie Forderungen. 48 Diese Sichtweise hat den Vorteil, daß sie die Tätigkeit des Konkurs- bzw. Insolvenzverwalters hinsichtlich der Vermögensverwaltung auch insoweit erfaßt, als sie sich etwa auf die Geltendmachung von Anfechtungs-, Herausgabe-, Schadensersatz- und Erfüllungsansprüchen erstreckt. Vor allem aber korrespondiert diese Begrifflichkeit besser mit dem Ziel des Insolvenzverfahrens, nämlich der Abwicklung einer finanziellen Krisensituation. Die beschlagnahmte Masse wird - nach neuem Recht - gemehrt durch den Neuerwerb während des Insolvenzverfahrens (§ 35 InsO)49 und gemindert durch gutgläubigen Erwerb Dritter nach § 7 I, 2. Hs. KO bzw. 91 11 InsO sowie durch die Freigabe von Vermögensgegenständen durch den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter5o . 44 So K. Schmidt (1984a), S. 377 m.w.N. dazu, daß insbesondere die "schuldrechtliche Konstruktion der Konkursanfechtung ( ... ) zu dem Irrtum geführt (hat), hier sei einstweilen noch nichts in der Masse". 45 Vgl. § 149 KO ("bare Masse") bzw. § 187 II InsO ("Barmittel"). 46 In diesem Sinne verstehen GottwaldlGottwald (1990), § 40 Rn. 1 den Begriff der Istmasse. 47 Davon zu trennen ist die Frage, wie diese Gegenstände zu bewerten sind, denn zwischen dem nominalen und dem realen Wert eines Anspruchs kann eine beträchtliche Lücke klaffen. 48 Ebenso K. Schmidt (I 984a), S. 378; ders. in Kilger/ K. Schmidt (1993), § I Anm. 4.A. 49 Hierzu zählen auch Nutzungen der zur Masse gehörenden Gegenstände. Nach altem Recht fallen diese gern. § 99, 100 BGB in die Masse. 50 Dies soll in Anwendung der Regel, wonach der Insolvenzverwalter verlustbringende Gegenstände freigeben könne, nach h.M. auch für die Insolvenz einer juristischen Person
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B. Ausgangspunkt
Die so entstehende Masse wird vorliegend als Verwaltungsmasse oder lstmasse II bezeichnet. Als nächstes ist die Masse - entsprechend dem Zweck des Insolvenzverfahrens auf den Teil zu begrenzen, der für eine Haftungsverwirklichung zur Verfügung steht. Hier bestimmt zunächst die Aussonderung nach § 43 KO bzw. § 47 InsO die "Grenzen der haftungsrechtlichen Vermögenszuweisung,,51. Des weiteren zählen hierzu aber auch Aufrechnungslagen. Diese sind zum einen durch die Tilgungsbefugnis des aufrechnungsbefugten Gläubigers, zum anderen durch sein Befriedigungsrecht aus der Gegenforderung gekennzeichnet. 52 Mit letzterem hängt es zusammen, daß die Aufrechnung gelegentlich als Sonderfall der Absonderung bezeichnet wird 53 und nach h.M. wie ein Absonderungsrecht wirkt 54 . Dies berücksichtigt aber zu wenig, daß der Gläubiger in der Lage ist, der Masse "an Erfüllungs Statt die Aufopferung der Gegenforderung aufzudrängen,,55. Damit steht die Gegenforderung jedoch nicht mehr - zugunsten aller Gläubiger - für die Zwecke der Haftungsverwirklichung zur Verfügung. Demgegenüber mindert die Absonderung das für eine Haftungsverwirklichung zur Verfügung stehende Vermögen nicht von vornherein. Denn im Anschluß an Häsemeyer regelt die Absonderung die Frage, "unter welchen Voraussetzungen einzelne Gläubiger vom Gleichbehandlungsgrundsatz dispensiert werden, indem Sicherheiten, die sie vom Gemeinschuldner erlangt haben, trotz der Konkurseröffnung an massezugehörigen Rechten fortbestehen,,56. Diese Sichtweise kommt nunmehr auch in der InsO zum Vorschein, wonach die abgesonderte Befriedigung nicht mehr, wie nach § 4 II KO, unabhängig vom Konkursverfahren erfolgt, sondern zu weiten Teilen im Rahmen des Insolvenzverfahrens, § 50 I, 166 ff. InsO. Das für die Haftungsverwirklichung zur Verfügung stehende Vermögen wird vorliegend als Haftungsmasse oder Sollmasse 57 bezeichnet. Von der Sollmasse verbleibt nach Befriedigung der Absonderungsberechtigten die freie Masse. Aus ihr sind vorab die Masseverbindlichkeiten zu berichtigen, § 57 KO bzw. § 53 InsO. Verbleibt nach der Befriedigung der Masseverbindlichkeiten noch etwas, so ist das die Teilungsmasse 58 • Sie dient der Befriedigung der persönlichen Gläubiger. Die Teilungsmasse dividiert durch die Schuldenmasse, also die gelten; vgl. nur Gottwaldl Heilmannl Klopp (1990), § 28 Rn. 5 m.w.N. Mit guten Gründen dagegen K. Schmidt (1990a), S. 73 ff. 51 Häsemeyer (1992), S. 219. 52 Bötticher (1969), S. 96. 53 So etwa Baumann (1981), S. 132; Uhlenbruck (1979), Rn. 671. 54 Siehe nur KuhnlUhlenbruck (1994), § 53 Rn. 15 m.w.N. 55 Bötticher (1969), S. 96. 56 Häsemeyer (1992), S. 219; vgl. auch aaO., S. 33 ff., 45 f. 57 In diesem Sinne wird der Begriff der Sollmasse wohl auch von Häsemeyer (1992), S. 219, 265 verstanden. 58 Synonym wird auch der Begriff Aktivmasse verwandt, vgl. etwa Baur I Stürner (1991), S. 163. Untechnisch hingegen die Überschrift des dritten Titels des zweiten Buches der KO.
I. Rechtslage
45
Gesamtheit aller zur Tabelle angemeldeten und festgestellten Forderungen (§ 138 ff. KO bzw. § 174 ff. InsO), ergibt die Bejriedigungsquote.
bb) Masseunzulänglichkeit Masseunzulänglichkeit bezeichnet den Fall, daß zwar ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, daß die Masse aber nicht ausreicht, um sämtliche Masseverbindlichkeiten befriedigen zu können. Bei Masseunzulänglichkeit ist die Teilungsmasse gleich Null; die persönlichen Gläubiger gehen leer aus. Liegt Masseunzulänglichkeit vor, so ist das Insolvenzverfahren nach § 204 I KO bzw. nach § 207 I InsO einzustellen. Zuvor sind die vorhandenen Vermögensgegenstände zu verwerten. 59 Der Erlös ist nach der Reihenfolge des § 60 I KO bzw. des § 2091nsO an die Massegläubiger zu verteilen. Der wesentliche Unterschied zwischen altem und neuem Recht besteht insoweit darin, daß nach der InsO die Kosten des Insolvenzverfahrens an erster Rangstelle zu befriedigen sind (§ 209 I Nr. 1 InsO), während nach der KO wesentliche Teile der meist umfangreichen Masseschulden, allem voran die sog. oktroyierten Masseverbindlichkeiten aus § 59 I Nr. 2, 2. Alt. KO vorgehen (§ 60 I Nr. I KO). Dies hat namentlich Bedeutung für die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung und damit für die Frage, ob Masselosigkeit vorliegt.
cc) Masselosigkeit Masselosigkeit besteht, wenn die freie Masse die Kosten des Verfahrens nicht deckt. Die "Kosten des Verfahrens" berechnen sich nach der KO und der InsO unterschiedlich. Aus der in § 60 KO festgelegten Rangfolge der Masseverbindlichkeiten im Fall der masseunzulänglichen Insolvenz ergibt sich, daß die KO unter den Kosten des Verfahrens die Massekosten i. S. d. § 58 Nr. 1 und 2 KO sowie die Masseschulden i. S. d. § 59 I Nr. I und 2 KO versteht. 60 Damit muß die freie Masse nach der KO vor allem die häufig recht umfangreichen nach Insolvenzeröffnung entstandenen Ansprüche aus Dienst- und Mietverträgen decken (§ 59 I Nr. 2, 2. Alt. KO). Hingegen brauchen nach der InsO nur die Gerichts- und die Verwalterkosten gedeckt zu sein, § 26 I i.Vm. § 54 InsO. Falls die Massekostendeckung nicht gegeben ist, ist der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abzuweisen, § 107 I KO bzw. § 26 I InsO. Ein Insolvenzverfahren findet nicht statt. Mit der
59 Die KO regelt das Verfahren zur Abwicklung der Masseunzulänglichkeit nicht. Die Pflicht zur Verwertung der freien Masse ist aber allgM; vgl. nur Kilger/ K. Schmidt (\ 993), § 60 Anm. 4 m.w.N. Für das neue Recht vgl. § 208 III InsO. 60 So die h.M. Kilger / K. Schmidt (\ 993), § \07 Anm. 2 und § 204 Anm. I, Uhlenbruck/ Delhaes (\990), Rn. 406 jeweils m.w.N.; Henckel (\977), S. 172, 181; a.A. Kuhn/Uhlenbruck (\994), § 107 Rn. 4-4b.
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B. Ausgangspunkt
Abweisung des Eröffnungsantrags ist die GmbH aufgelöst. 61 Die Gesellschaft ist nach den § 66 ff. GmbHG zu liquidieren. 62 Eine mutmaßliche Masselosigkeit entbindet die Geschäftsführer nicht von der Insolvenzantragspflicht gern. § 64 I GmbHG. Denn die Feststellung der Masselosigkeit ist dem Insolvenzgericht vorbehalten. 63 Soweit sich die Masselosigkeit erst nach Verfahrenseröffnung herausstellt, wird das Insolvenzverfahren eingestellt, § 204 I KO bzw. § 207 I InsO.
e) Vermägenslosigkeit
Von Vermögenslosigkeit spricht man, wenn keine verteilungsfähigen Vermögensgegenstände (Aktiva) vorhanden sind. 64 Lediglich verschwindend geringes Vermögen beseitigt die Vermögenslosigkeit jedoch nicht. Die Grenze liegt dort, wo auch nicht mehr annähernd von einer sinnvollen Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger gesprochen werden kann. 65 Die Vermögenslosigkeit als solche führt nicht zur Beendigung der Gesellschaft. Vielmehr muß aus Gründen der Rechtssicherheit die Eintragung des Erlöschens der GmbH ins Handelsregister hinzukommen. 66
3. Massekostendeckung
a) Problematik
Bisher wurde davon ausgegangen, daß ein Insolvenzantrag mangels Masse abzuweisen ist, daß es also an der Massekostendeckung fehlt, wenn die "Kosten des Verfahrens" i.S.d. § 1071 KO bzw. § 261 InsO durch die freie Masse nicht gedeckt sind. Das scheint dem Grundsatz zu entsprechen, wonach ein Verfahren nicht eingeleitet werden soll, wenn der gesetzliche Verfahrenszweck67 nicht erreicht werden kann. 68 Gleichwohl darf daraus nicht geschlossen werden, daß immer dann, wenn 61 Nach altem Recht gern. § I I I LöschG; nach neuem Recht gern. § 60 I Nr. 5 GmbHG n.F. [vgl. Art. 48 Nr. 5 c) EGlnsO). 62 Auf die sich daraus ergebenden Unstimmigkeiten ist demnächst unter B.1.3. näher einzugehen. 63 GottwaldtlHeilmannlKlopp (1990), § 67 Rn. 14; JaegerlWeber (1958/1959), § 103 Rn. 11; Scholz / K. Schmidt, § 64 Rn. 15. 64 Vgl. zur Gesetzesbegründung die amtliche Erläuterung aus RAnz Nr. 234/1934 vom 17. 10. 1934, abgedruckt bei Crisolli I GroschuffI Kaemmel (1935), S. 142. 65 Bestr., vgl. BaumbachlHuecklSchulze-Osterloh (1996), Anhang zu § 60, dort § 2 Rn. 2 a.E. m.w.N. auch zur Gegenansicht. 66 Heute h.M., Baumbachl Hueckl Schulze-Osterloh (1996), § 60 Rn. 6 m.z.w.N. - Vgl. nach altem Recht § 2 I LöschG, § 31 II I HGB, nach neuem Recht § 141a FGG n.F. (gern. Art. 23 Nr. I EGInsO). 67 Dazu oben unter B.LI. 68 Dazu F. Weber (1977), S. 352. Vgl. auch Hahn (1881), S. 301 (.. Die Zulassung des Konkurses über eine Vermögensmasse, weiche voraussichtlich durch die Kosten des Verfahrens
I. Rechtslage
47
der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird, die freie Masse auch tatsächlich so geringwertig ist, daß der gesetzliche Verfahrenszweck nicht erreichbar ist. Der Wert der freien Masse kann sogar höher sein als der zur Massekostendekkung benötigte Betrag und dennoch kann - nach der gesetzlichen Regelung Masselosigkeit vorliegen. Dieses scheinbar paradoxe Ergebnis hängt damit zusammen, daß der Wert des vorhandenen Vermögens nichts über die Liquidität dieses Vermögens aussagt. Für die Massekostendeckung kommt es jedoch gerade auf die Liquidität des Vermögens an, da viele der in die Prüfung der Massekostendeckung einzubeziehenden Masseverbindlichkeiten kurzfristig fällig sind.
b) Kurljristig fällige Verbindlichkeiten
Sowohl nach der KO als auch nach der InsO sind als Massekosten zu berücksichtigen, die Gerichtsgebühren und -auslagen69 , ferner Vergütung, Auslagen und Umsatzsteuerausgleich für einen Sequester, den Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses sowie die vom Insolvenzverwalter aufgrund besonderer Qualifikation als Rechtsanwalt oder Steuerberater für entsprechende Dienstleistungen zu fordernden Gebühren. Nur nach der KO kommen als zusätzliche Massekosten diejenigen für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse hinzu, also etwa Versicherungsprämien für Massegegenstände, insbesondere Prämien zu Zwangsversicherungen wie Kfz-Haftpflicht- oder Gebäudebrandversicherung, Grundsteuer und andere öffentliche Abgaben, die Umsatzsteuer aus der Verwertung von Massegegenständen nach Insolvenzeröffnung, schließlich sämtliche Kosten der Massesicherung und der Masseverwertung?O Weiter machen nach der KO die sog. oktroyierten Masseverbindlichkeiten einen großen Teil der in die Prüfung der Massekostendeckung einzubeziehenden Verbindlichkeiten aus. Oktroyierte Masseverbindlichkeiten sind diejenigen kurzfristig zu erfüllenden Verbindlichkeiten aus Dienst und Mietverträgen? I , die nach Insolvenzeröffnung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fällig werden, § 59 I Nr. 2, 2. Alt. KO. Der Vergleich zwischen KO und InsO zeigt, daß die nach der InsO im Rahmen der Massekostendeckung einzubeziehenden Verbindlichkeiten deutlich geringer sind als die nach der KO. Gleichwohl können auch sie - ebenso wie die nach der KO - nur beglichen werden, wenn die Masse hierfür hinreichend liquide ist. 72 Das bedeutet, aufgezehrt werden wird, kann in der That Niemandem zum Vortheil gereichen [... ].") Vgl. auch die Begründumg zu §§ 30, 317 RegEInsO (= §§ 26, 207 InsO) in BT-Drs. 12/2443, S. 118, 218, wonach im Grundsatz die bisherige Regelung der §§ 107 I, 204 I KO beibehalten wird. 69 Näher dazu Kilger/ K. Schmidt (\ 993), § 58 Anm. 2. 70 V gl. im einzelnen Kilger/ K. Schmidt (\ 993), § 58 Anm. 3. 71 Dazu zählen auch die Verbindlichkeiten aus Leasingverträgen über Anlagevermögen, die gerade in der Krise der GmbH ein beliebtes Finanzierungsinstrument darstellen; näher hierzu unten unter C.I.4.b )bb)(1). 72 Uhlenbruck/ Delhaes (1990), Rn. 405.
48
B. Ausgangspunkt
daß die Masse entweder in bar vorliegen oder aber bis zum kurzfristigen Fälligkeitstermin in Barvermögen umgewandelt sein muß.
c) Massebestandteile
Wie noch näher ausgeführt werden wird 73 , setzt sich das Vermögen der GmbH jedoch dann, wenn es zur Stellung eines Insolvenzantrags kommt, nur zum geringsten Teil aus liquiden Mitteln, sondern vor allem aus - mehr oder weniger schwer zu realisierenden - Ansprüchen zusammen. Zu denken ist dabei an ein ganzes Arsenal von Ansprüchen: Rückgewähransprüche aus Anfechtungen (§ 37 KO bzw. § 143 InsO), einschließlich solcher aus der Anfechtung zurückgezahlter eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen (§ 32a KO bzw. § 135 InsO); Ansprüche auf Erstattung von entgegen der Auszahlungssperre des § 30 GmbHG geleisteter Ausschüttungen (§ 31 I, III GmbHG); Ansprüche auf Erstattung unzulässig zurückgezahlter, zu Eigenkapital umqualifizierter Gesellschafterdarlehen, soweit sie verlorenes Stammkapital oder eine über diesen Verlust hinausgehende Überschuldung abdeckten (§ 30, 31 GmbHG analog) 74; Ansprüche auf Freistellung bzw. auf Erstattung, soweit Dritte die Gesellschaft aus einem gesellschafterbesicherten Darlehen in Anspruch nehmen bzw. bereits in Anspruch genommen haben und soweit der Anspruch seiner Höhe nach erforderlich ist, um das verletzte Stammkapital in voller Höhe wieder herzustellen (§ 31 I GmbHG analog)75; Ansprüche auf Erstattung zurückgezahlter eigenkapitalersetzender gesellschafterbesicherter Drittdarlehen (§ 32b GmbHG); Ansprüche auf Erstattung von Entgelten für eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassungen 76 sowie auf Gewährung des Nutzungsrechts an eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassungen77 bzw. auf Herausgabe bereits abgezogener Nutzungsgegenstände 78 ; Ansprüche auf Einlageleistung wegen Differenzhaftung für die Überbewertung einer Sacheinlage bei Gründung (§ 9 I GmbHG) oder Kapitalerhöhung (§ 56 11 GmbHG); Ansprüche auf Einlageleistung wegen Vorbelastungshaftung 79 im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unten unter B.lI.2.c). Sog. Rechtsprechungs- oder BGH-Rege\n; dazu bereits das RG im Urteil vom 3. 12. 1938 (11 84/38), in: JW 1939, S. 355 f., später BGH im Urteil vom 14. 12. 1959 (11 ZR 187/57), in BGHZ 31, S. 258, 271 ff., grundsätzlich dann BGH im Urteil vom 24. 3. 1980 (11 ZR 213/77), in: BGHZ 76, S. 326 sowie zur Höhe des Erstattungsumfangs aaO, S. 335. 75 Näher hierzu LutterlHommelhoff(l995), § 32a/b Rn. 103 f. 76 Vor Insolvenzeröffnung nach § 31 I GmbHG analog, soweit eine Unterbilanz vorliegt: nach Insolvenzeröffnung nach § 32a I KO analog i.Y.m. § 37 KO bzw. § 135 InsO analog i.Y.m. § 143 InsO. Näher zu Tatbestand und Rechtsfolgen eigenkapitalersetzender Gebrauchsüberlassungen der Überblick bei Lutter I Hommelhoff (1995), § 32a 1b Rn. 115 ff. 77 Grundlegend BGH in den Urteilen vom 11. 7. 1994 (',Lagergrundstück m" - 11 ZR 146/92, in: BGHZ 127, S. I ff. und "Lagergrundstück IV" - 11 ZR 162/92, in: BGHZ 127, S. 17 ff.). 7R LutterlHommelhoff(l995), § 32a/b Rn. 120. 73 74
I. Rechtslage
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Unversehrtheit des Stammkapitals bei Eintragung der GmbH ins Handelsregister (§ 11 11 GmbHG); Ansprüche auf Leistung der Bareinlage im Fall einer unwirksamen verdeckten Sacheinlage (§ 5 IV, 19 V GmbHG)80, einer unwirksamen Aufrechnung oder eines unwirksamen Erlasses (§ 5, 19 11 GmbHG); Ansprüche auf Nachschüsse (§ 26 ff. GmbHG); Schadensersatzansprüche aus Treupflichtverletzungen wegen isolierbarer schädigender Eingriffe eines Gesellschafters in die Interessen der GmbH 81 ; dazu subsidiär Ansprüche auf Verlustausgleich bei nicht mehr isolierbaren 82 Eingriffen eines Gesellschafters (§ 302 AktG analog)83; Ansprüche aus Haftungsdurchgriff gegen die Gesellschafter im Fall der Unterkapitalisierung, der Vermögensvermischung, der Sphärenvermischung oder des Institutsmißbrauchs 84 ; Ansprüche aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher Schädigung der Gläubiger; Ansprüche auf Schadensersatz aus Verletzung der den Geschäftsführern obliegenden Pflicht zu rechtzeitiger und nachdrücklicher Einleitung einer möglichen Sanierung der GmbH (§ 43 I, 11 GmbHG)85; Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer wegen Masseschmälerung (§ 64 11 GmbHG); Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer wegen Konkursverschleppung (§ 64 I GmbHG i.Y.m. § 82311 BGB)86; Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers; im Vertragskonzern Ansprüche gegen die Geschäftsführer einer herrschenden Gesellschaft bei sorgfaltswidrigen Weisungen (§ 309 AktG analog)87; Ansprüche aus Forderungen gegen Debitoren 88 .
79 Grundlegend BGH im Urteil vom 9.3.1981 (II ZR 54/80), in: BGHZ 80,129, S. 140 ff. unter Aufgabe des bis dahin geItenden Vorbelastungsverbot der Vorgesellschaft. 80 Verdeckte Sacheinlagen dienen vor allem der Umgehung einer Prüfung durch das Registergericht nach § 9c GmbHG und damit verbunden einer Vermeidung der Differenzhaftug nach § 9 GmbHG. Vgl. auch den Überblick bei LutterlHommelhoff (1995), § 5 Rn. 36 ff. 81 Unbestritten seit BGH-Urteil vom 5. 6. 1975 ("ITI" - II ZR 23/74), in: BGHZ 65, S. 15. 82 Dazu ausdrücklich BGH im Urteil vom 29. 3. 1993 ("TBB" - II ZR 265/91), in: BGHZ 122, S. 123, 131 f. (soweit aaO. als Entscheidungsjahr 1992 angegeben ist, handelt es sich um einen Druckfehler). 83 Sog. Haftung im qualifizierten faktischen Konzern, vgl. BGH-Urteile vom 16. 9. 1985 ("Autokran" - II ZR 275/84), in: BGHZ 95, S. 330, 334 ff. und vom 20. 2. 1989 ("Tiefbau" - II ZR 167/88), in: BGHZ 107, S. 7, 15 ff. 84 Überblick m.w.N. bei LutterIHommelhoff(l995), § 13 Rn. 11 ff. 85 Dazu K. Schmidt (l988b), S. 1504 m.w.N. 86 Dabei hat der BGH mit seinem Urteil vom 6. 6. 1994 (II ZR 292/91), in: BGHZ 126, 181 jüngst zu Recht seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach den Gläubigern, die bei rechtzeitiger Insolvenzanmeldung überhaupt keinen Schaden erlitten hätten (sog. Neugläubiger), nur der sog. Quotenschaden, also der Schaden, um den sich die Masse und damit ihre Befriedigungsquote infolge der Konkursverschleppung verringert hat, zugestanden wurde. Nunmehr haben die Neugläubiger bei Rechtsgeschäften mit der GmbH nach Eintritt der Insolvenzreife Anspruch auf Ersatz des vollen negativen Interesses. 87 Dazu m.w.N. Hübner (\992), S. 60.
4 Förster
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B. Ausgangspunkt
d) Unzulässige Gleichsetzung von Vermögen und Liquidität
Vor dem Hintergrund der eben aufgezählten möglichen Massebestandteile ist denjenigen Stimmen in der Literatur89 und - in neuerer Zeit - auch in der Rechtsprechung90 zuzustimmen, die im Fall der Masselosigkeit typischerweise erhebliche Vermögenswerte vermuten. So meint K. Schmidt gar, daß die ,,Masselosigkeit einer GmbH durchweg nichts anderes ist als scheinbare Masselosigkeit,,91. Das wird verständlich, wenn man bei Masselosigkeit gedanklich zwischen vermögensmäßiger und liquiditätsmäßiger Masselosigkeit unterscheidet. Während bei vermögensmäßiger Masselosigkeit bereits von vornherein kein ausreichendes Vermögen zur Massekostendekung verfügbar ist, ist dieses bei liquiditätsmäßiger Masselosigkeit zwar dem Umfang nach vorhanden, aber nicht hinreichend liquide oder nicht genügend schnell liquidierbar, um die regelmäßig kurzfristig fälligen Masseverbindlichkeiten befriedigen zu können. Dabei darf sich der zuvor unter a) erwähnte Grundsatz, wonach ein Verfahren nicht eingeleitet werden soll, wenn der gesetzliche Verfahrenszweck nicht erreicht werden kann, nur auf die vermögensmäßige Masselosigkeit beziehen. Bei einer bloß liquiditätsmäßigen Masselosigkeit hat er keine Berechtigung, weil an sich genügend Vermögen existiert, um den Verfahrenszweck erreichen zu können. Demgegenüber führt die gesetzliche Regelung (§ 107 I KO bzw. § 26 I InsO) dazu, daß auch bei vermögensmäßig hinreichender und lediglich liquiditätsmäßig unzureichender freier Masse Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abgewiesen werden müssen. Das liegt daran, daß das Gesetz bei der Prüfung der Massekostendeckung nicht zwischen Vermögen und Liquidität unterscheidet. Stattdessen schließt es von der fehlenden Liquidität unausgesprochen auf fehlendes Vermögen. Da fehlende Liquidität jedoch das typische Charakteristikum einer finanziellen Krisensituation ist und da viele Insol-
88 Vgl. die rechtstatsächliche Untersuchung von Gessner/ Rhode / Strate /Ziegert (1977), S. 145 ff., wonach in den mangels Masse nicht durchgeführten Verfahren durch die Beitreibung der Außenstände ein ganz erheblicher Beitrag zur Mehrung der freien Masse geleistet werden könnte. 89 Henckel (1977), S. 171; K. Schmidt (\986), S. 206; ders. (I990a), S. 177; das. (\996), S. 221; Uhlenbruck (1996), S. 1650; das. (1990), S. I f.; das. (1975), S. 902; Schutz (\986), S. 10 ff. - Amold (1977), S. 389 (Fn. 53) weist überdies darauf hin, daß das "Auswuchern der Masseverbindlichkeiten ... zur Folge (hat), daß zahlreiche Konkurse mit unübersichtlichen MasseverhäItnissen nicht eröffnet werden, obwohl oft nicht unbeträchtliches Vermögen herangezogen werden könnte". Soweit Buchner (\988), S. 65, aufgrund seiner Auswertung von Konkursakten das Vorhandensein erheblicher Vermögenswerte im Fan der Abweisung mangels Masse verneint, ist dem entgegenzuhalten, daß das Vermögen zu großen Teilen aus Ersatzansprüchen besteht (zu den Gründen unten unter B.1I.2.c), die regelmäßig nicht bilanziert werden und denen auch von den InsolvenzverwaItern nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. 90 BVerG vom 30. 3. 1993 (1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381190, I BvL 11190), in: ZIP 1993, S. 838; AG Berlin-Charlottenburg vom 9. 12. 1993 (36 N 1612/93), in: ZIP 1994, S. 385, 386. 91 Ders. (1985a), S. 307.
1. Rechtslage
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venzmassen oft nur aus schwer oder nur allmählich zu liquidierenden Vermögensgegenständen bestehen, scheitern an dieser unzulässigen Gleichsetzung viele Insolvenzanträge. 92 Das hat zur Folge, daß eine insolvenz mäßige Haftungsverwirklichung nicht stattfindet, obgleich die Insolvenzmasse - rein vermögensmäßig betrachtet - einen Beitrag zur Befriedigung der Gläubiger leisten könnte. Hieran ändert auch die Möglichkeit zur Vorschußleistung des zur Massekostendeckung fehlenden Betrages durch einen Gläubiger nach § 107 I 2 KO bzw. § 26 I 2 InsO nichts. Für persönliche Gläubiger i. S. d. § 3 I KO bzw. des § 38 InsO spricht gegen eine Vorschußleistung, daß von der möglichen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst die Massegläubiger profitieren würden, § 57 KO bzw. § 53 InsO. Daneben sind die von den Gerichten festgesetzten Vorschüsse außerordentlich hoch. 93 Schließlich könnte zwar ein Massegläubiger den Vorschuß leisten94 , doch kann er die Insolvenzeröffnung dadurch nicht erzwingen, da er nicht antragsberechtigt ist. Auch ist nicht erkennbar, welches Interesse er an einer Verfahrensdurchführung haben sollte, bei der er erstens mit den Neumassegläubigern und zweitens mit den übrigen Altmassegläubigern konkurriert. 95
e) Rechtsjolgenproblem bei Masselosigkeit
Der Umstand, daß im Falle der nur liquiditätsmäßigen Masselosigkeit kein Insolvenzverfahren stattfindet, wird dadurch in seiner Wirkung gesteigert, daß das "Insolvenzrecht ( ... ) in sich unstimmig"96 ist. Dazu folgende Überlegung: Sobald die GmbH eine Unterbilanz aufweist, greift die Ausschüttungssperre nach § 30 GmbHG; ist die GmbH überschuldet, sind die Geschäftsführer zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet; und wenn die GmbH vermögenslos ist, kommt es sogar zur Löschung der GmbH. Zwischen diesen Tatbeständen und ihren Rechtsfolgen besteht ein Zusammenhang: über je weniger Vermögen die GmbH verfügt, desto rigider ist der Eingriff in die Verfügungsbefugnis. Damit sollen sowohl das Vermögen der Gesellschaft als Haftungssubstrat für die Gläubiger erhalten als auch Gefahren für den Rechtsverkehr vermieden werden. Die Masselosigkeit ist hinsichtlich des Vermögensumfangs der GmbH zwischen der Überschuldung und der Vermögenslosigkeit angesiedelt, allerdings mit letzterer - zumindest im Fall der nur liquiditätsmäßigen Masselosigkeit - keinesfalls gleichzusetzen. Man sollte meinen, daß diese Einordnung auch bezüglich der Rechtsfolgenabstimmung gilt. 97 Das ist jedoch nicht der Fall. 92 Nicht umsonst hält daher K. Schmidt (1991), S. 282, die Masselosigkeit für ein Liquiditätsproblem. 93 Ausführlich dazu unten unter C.I.3.b)bb)(2). 94 Kuhn/Uhlenbruck (1994), § 107 Rn. 4g. 95 Skeptisch auch K. Schmidt (1996), S. 220. 96 K. Schmidt (1985a), S. 306. 97 Ebenso K. Schmidt (l982b), S. 10.
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B. Ausgangspunkt
Kommt es mangels Masse zur Abweisung eines Insolvenzantrags - oder auch zur Einstellung eines Verfahrens -, führt dies zur konkursfreien Liquidation. 98 Hierbei gilt weder das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung noch der Grundsatz der par condicio creditorum 99 . Die Liquidatoren haben den Gläubigern gegenüber hinsichtlich der Art und Weise der Schuldentilgung keine besonderen Pflichten. Da die Liquidatoren regelmäßig die bisherigen Geschäftsführer sind, ist auch kaum zu erwarten, daß die Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschaftsorgane verfolgt werden. Außerdem ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß sich die Gesellschaftsorgane wegen angeblicher Restansprüche, etwa aus Geschäftsbesorgungs- oder Beraterverträgen, zunächst selbst bedienen. 100 Im übrigen sind masselose GmbHs selten bis zur vollständigen Abwicklung durch ihre bisherigen Geschäftsführer vertreten. Das Dienstverhältnis der ursprünglichen Geschäftsführer setzt sich zwar mit der Auflösung der GmbH infolge deren Masselosigkeit fort, doch wird jeder Geschäftsführer versuchen, die masselose GmbH schnellstmöglich zu verlassen, allein schon deshalb, weil die zukünftige Realisierbarkeit seines Vergütungsanspruchs in Frage steht. Nicht wenige fürchten auch den Staatsanwalt. 101 Den gesetzlichen Liquidatorenpflichten wird in diesen Fällen deshalb nur selten nachgekommen. Die GmbH ist dann faktisch geschäftsführerlos. 102 Die Geltendmachung von Anprüchen gegen die GmbH oder die Pfändung von Vermögensgegenständen bei ihr ist dadurch erheblich erschwert. 103 Für die Gläubiger besteht zwar die Möglichkeit, gern. § 29 BGB analog die Bestellung eines Notgeschäftsführers zu beantragen 1M, doch setzt dies voraus, daß sich jemand findet, der bereit ist, die Bestellung anzunehmen. Vor dem Hintergrund, daß sich der Vergütungsanspruch des Notgeschäftsführers gegen die masselose GmbH richtet 105, erscheint dies unwahrscheinlich. Damit bleibt für die Gläubiger nur, einen Prozeßpfieger nach § 57 ZPO zu beantragen. Dieser müßte seine Vergütung zwar auch von der masselosen GmbH erhalten, doch besteht für den Gläubiger die Möglichkeit der Vorschußleistung. 106 Allerdings ist auch der Prozeßpfleger nicht zur Übernahme des Amtes verpflichtet. 107 Selbst wenn dies aber geDazu ausführlich Schu/z (1986), S. 55 ff. So die h.M., vgl. etwa Hachenburg I Ulmer (198911992), § 60 Anh Rn. 11 Fn. 10; Rowedderl Rasner (1997), § 60 Anh Rn. 6; ausführlich m.w.N. Buchner (1988), S. 48 ff. 100 Scholzl K. Schmidt (1995), § 60 Anh Rn. 7. K. Schmidt (\ 988a), S. 16; ders. (\ 996), S. 222; Uhlenbruck (\ 996), S. 1646. 101 Vgl. Wellensiek (1995), S. 545. 102 Vgl. zur Zunahme der geschäftsführerlosen GmbH auch Hohlfeld (1986), S. 181. 103 Dazu Krause (1988), S. 100 f.; Uhlenbruck (1996), S. 1647 ff. 104 Zu den Einzelheiten der Bestellung eines Notgeschäftsführers siehe Hohlfeld (\ 986), S. 182 ff. m.w.N. lOS Hohlfeld (1986), S. 184. 106 Müchener Kommentar ZPO I Lindacher (1992), § 57 Rn. 24. 107 Heute ganz h.M., vgl. nur Münchener Kommentar ZPO I Lindacher (1992), § 57 Rn. 17 m.w.N. 98
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I. Rechtslage
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schieht, ist der praktische Nutzen der Einsetzung eines Prozeßpflegers gering: Für ein Klageverfahren oder auch nur ein Arrestverfahren fehlt die Zeit, denn wie Franz Merz lO8 zutreffend bemerkt, geht nach der Feststellung der Masselosigkeit das "unerfreuliche Rennen der Gläubiger nach den letzten Vermögens werten los, an dessen Ende bestimmt nichts mehr da ist, was zu liquidieren oder zu verteilen wäre". Im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung nach den § 899 ff. ZPO wird ein mit den Verhältnissen der GmbH nicht vertrauter Prozeßpfleger im übrigen nur selten substantiierte Angaben machen können. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Situation für die Gläubiger praktisch aussichtslos ist, wenn sie bei der masse losen GmbH, die ja sehr wohl noch über Vermögen verfügen kann, versuchen wollen, ihre Ansprüche im Rahmen der vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Verfahren zu realisieren. 109 Besonders bitter ist das im Bereich des Dienstleistungsgewerbes, wo "Baubetreuungsgesellschaften, gewerbliche Zwischenvermieter, Reiseveranstalter usw. nach Herzenslust gegründet und liquidiert werden,,110.
4. Unklarheiten bei den Insolvenztatbeständen
Insolvenztatbestände sind bei der GmbH Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§ 63 I GmbHG bzw. § 17 I, 19 I InsO) sowie nach neuem Recht zusätzlich drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 I InsO). Die inhaltliche Konkretisierung dieser Tatbestände ist vielfältig umstritten. Im Rahmen einer Bestandsaufnahme der Rechtslage kann es jedoch vorerst nur darum gehen, in die Problematik einzuführen. Eine eingehende Analyse samt Folgerungen erfolgt später. 111 Dieses Vorgehen ist methodisch geboten, da zuvor die Realien der GmbH-Insolvenz, insbesondere die Phänomenologie der massearrnen Insolvenz, sodann der Einfluß der Insolvenzrechtsreform und schließlich die Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten sowie weitere Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht genauer untersucht werden müssen 112, dies wiederum jedoch ohne Kenntnis der Problematik nicht möglich ist.
Merz (1987), S. 493. So auch Merz (1987), S. 493; Rowedder / Rasner (1997), § 60 Anh Rn. 6; Uhlenbruck (1996), S. 1641. - Der Vorschlag von Schutz (1986) in den Fällen der Masselosigkeit einen staatlich bezahlten Notliquidator einzusetzen (aaO., S. 41 ff., 106 ff.), dürfte in Zeiten leerer Kassen geringe Erfolgsaussichten haben. 110 K. Schmidt (1988a), S. 17. - Zur Beliebtheit der GmbH und der Vorgesellschaft einer GmbH bei unseriösen Schuldnern vgl. auch Krause (1988), S. 99 f. 111 Dazu unten unter D.I.1. - 3. 112 Dazu unter B.II. - III. und C. 108
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B. Ausgangspunkt
a) ZahLungsunfähigkeit
Zahlungsunfähigkeit i. S. d. KO ist vom Gesetzgeber - anders als nach der InsO - nicht definiert. Nach h.M. in Rechtsprechung 113 und Literatur II 4 liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn die GmbH aus Mangel an Zahlungmiueln voraussichtlich dauernd nicht in der Lage ist, ihre fälligen Geldverbindlichkeiten im wesentlichen zu erfüllen. Unbestritten ist insoweit, daß es sich um ein Unvermögen zur Erfüllung von Geldverbindlichkeiten handeln muß. Was das Tatbestandmerkmal angeht, wonach es sich um einen "Mangel an Zahlungmitteln" handeln müsse, so hält UhLenbruck dieses zu Recht für überflüssig, da das Unvermögen zur Erfüllung von Geldverbindlichkeiten immer auf einem Mangel an Zahlungmitteln beruht. 1l5 Durch das Merkmal des "dauerhaften" Unvermögens soll die Zahlungsunfähigkeit vor allem von der Zahlungsstockung abgegrenzt werden. 116 Letztere soll vorliegen, wenn das Zahlungsunvermögen nur vorübergehender Natur ist, beispielsweise weil Außenstände verzögert eingehen oder größere, sofort fällige Verbindlichkeiten unerwartet anfallen. 1l7 Die Schwierigkeit besteht jedoch in der Festlegung einer bestimmten Frist von der ab das Unvermögen dauerhaft ist. In Literatur und Rechtsprechung schwanken die Fristen zwischen zehn Tagen und sechs MonatenYs Darunter leidet die tatbestandliche Klarheit des Insolvenzauslösers Zahlungsunfähigkeit und damit die Haftungsfunktion des Insolvenzrechts. Darüber hinaus wird das Merkmal der Dauer in der Praxis dazu verwandt, um von einer Zeitpunkt- zu einer Zeitraumbetrachtung bei der Feststellung der Zah113 RG vom 17. 12. 1901 (VII 386/01, in: RGZ 50, S. 39,41 und RG vom 31. 3. 1931 (VII 518/30), in: RGZ 132, S. 281, 283, allerdings jeweils im Zusammenhang mit einer Zahlungseinstellung nach § 29 ff. KO; BGH vom 5. 11. 1956 (III ZR 139/55), in: WM 1957, S. 67, 68; BGH vom 11. 7. 1991 (IX ZR 230/90), in: WM 1991, S. 1570, 1571, ebenfalls im Zusammenhang mit einer Zahlungseinstellung; BayObLG vom 14.4. 1987 (RReg 4 St 34/ 87), in: BB 1988, S. 1840. 114 Jaeger I Weber (1958/1973), § 102 Rn. 2; Kuhnl Uhlenbruck (1994), § 102 Rn. 2; KilgerlK. Schmidt (1993), § 102 Anm. 2a; HachenburglUlmer (1989/1992), § 63 Rn. 15; Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 6; Baumbachl Hueckl Schulze-Osterloh (1996), § 63 Rn. 3; LutterIHommelho!f(1995), § 63 Rn. 2 jeweils m.w.N. 1lS Kuhnl Uhlenbruck (1994), § 102, Rn. 2. 116 KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 2b. Vgl. auch BGH vom 5. 11. 1956, aaO. (Fn. 113), S. 68; OLG Hamburg vom 27. 7.1972 (6 U 125171), in: MDR 1972, S. 959; OLG Nürnberg vom 6. 5.1966 (6 U 64/64), in: KTS 1966, S. 107, 109. 117 Vgl. JaegerlWeber (1977/1 991), § 30 Rn. 29; GottwaldlUhlenbruck (1990), § 9 Rn. 8 m.w.N. 118 Vgl. m.w.N. KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 2b. In seinem Urteil vom 27. 4. 1995 hat der BGH (WM 1995, S. 1113, 1115) "eine Überschreitung des letzten Zahlungsziels von rund einem Monat als gerade noch erträglich" angesehen.
1. Rechtslage
55
lungsunfähigkeit zu gelangen. 119 Der Unterschied liegt in folgendem: Bei der Zeitpunktbetrachtung werden die verfügbaren Zahlungsmittel nur mit den sofort zu erfüllenden, d. h. fälligen Geldschulden in Beziehung gesetzt. Reichen jene nicht hin, so liegt Zahlungsunfähigkeit vor. Hingegen werden bei der Zeitraumbetrachtung zusätzlich sowohl die Mehrungen der Zahlungskraft 120 durch künftige Einzahlungen als auch deren Minderungen durch künftige Auszahlungen 121 berücksichtigt. Danach ist ein Schuldner "schon heute zahlungsunfähig, wenn er die Mittel nicht besitzt und sich nicht zu verschaffen vermag, um eine morgen fällige Geldschuld zu zahlen" 122. Demgegenüber vertritt jedoch die wohl h.M. die Zeitpunktbetrachtung. 123 Sie begründet das damit, daß die in die Prüfung einzubeziehenden Verbindlichkeiten nach der eingangs erwähnten Tatbestandsdefinition "fällig" zu sein hätten. 124 Allerdings wurde auch von der h.M. inzwischen darauf verzichtet, daß die Geldschulden obendrein ernstlich eingefordert sein müssen. 125 Schließlich ist nicht geklärt, wann ein Schuldner seine Verbindlichkeiten im "wesentlichen,,126 nicht mehr begleichen kann. Der Nachteil auch dieses Tatbestands119 Kuhnl Uhlenbruck (1994), § 102 Rn. 2b, vgl. auch Rn. 2; Baumbachl Hueckl SchulzeOsterloh (1996), § 63 Rn. 3. 120 Gelegentlich wird statt von Zahlungskraft von Zahlungsmittelbestand gesprochen, so etwa bei Kilger (1982), S. 781. Das ist aber unscharf, weil unter Zahlungsmittelbestand lediglich die Summe aus Kassenbeständen und jederzeit verfügbaren Bankguthaben verstanden wird (Wähe [1993], S. 1(06). Zur Zahlungskraft gehören aber auch alle anderen Zahlungsmittel über die ein Unternehmen sofort verfügen kann und die es ihm ermöglichen, seine Zahlungen mit befreiender Wirkung zu leisten, wie etwa uneingeschränkt disponierbare Kredite und Zahlungsmittelsurrogate (z. B. erfüllungshalber von Dritten erhaltene Wechsel); vgl. Witte (1983), S. 25. 121 Zur Terminologie: Jeder Vorgang, der zu einer Zunahme der liquiden Mittel, also des Zahlungsmittelbestandes führt, ist eine Einzahlung, z. B. Bareinlage, Aufnahme eines Barkredits, Bartilgung eines von der Gesellschaft gegebenen Finanz- oder Lieferantenkredits, Vorauszahlung, Barverkauf. Umgekehrt ist jeder Vorgang, bei dem der Zahlungsmittelbestand abnimmt, eine Auszahlung. Davon klar zu trennen ist das Begriffspaar Einnahme -Ausgabe. Es bezieht sich auf Änderungen des Geldvennägens. also der Summe aus Zahlungskraft (dazu in Fn. 120) und dem Bestand an sonstigen Forderungen abzüglich des Bestandes an Verbindlichkeiten. Vgl. unter den entsprechenden Stichwörtern bei Gabler (1993) sowie ausführlich und mit Beispielen bei Wähe (1993), S. 1006 ff.; sehr anschaulich auch HummellMännel (1986), S. 63 ff., insbes. Abb. 2-1 (S. 65). 122 So bereits Oetker (1891), S. 180. Vgl. hierzu auch Uhlenbruck (1988), S. 249 ff., 262 ff. mit ausführlichen Beispielen zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit. 123 Vgl. etwa LutterlHommelhoff (1995), § 63 Rn. 2; ScholzlK. Schmidt (1995), § 63 Rn. 6; Meyer-Landrut I Meyer-Landrut (1987), § 63 Rn. 2; Hachenburg I Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 19 m.w.N. (soweit Ulmer die Zeitpunktbetrachtung jedoch unter Hinweis auf JaegerlHenckel [1977/1990], § 30 Rn. 25 als "ganz h.M." [aaO., Fn. 49] bezeichnet, übersieht er allerdings, daß Henckel [aaO., § 30 Rn. 22] seine Ausführungen ausdrücklich auf die Zahlungsunfähigkeit "im anfechtungsrechtlichen Sinn" beschränkt). 124 Insoweit wird unten unter D.Ll.e) aufzuzeigen sein, daß es sich dabei um einen Irrtum handelt. 125 Hierzu m.w.N. KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 2c. Anders allerdings jüngst der BGH, in: WM 1995, S. 1114.
56
B. Ausgangspunkt
merkmals liegt in seiner begrifflichen Unschärfe, ohne daß erkennbar wäre, woran sich die Wesentlichkeit orientiert. 127 Dadurch wird die erforderliche Konkretisierung der Zahlungsunfähigkeit als Insolvenztatbestand nahezu unmöglich. 128 Der Sache nach soll es darum gehen, daß der Schuldner nicht nur vereinzelt, sondern in der Regel nicht zahlt. 129 M.E. handelt es sich damit um ein qualitatives Element bei der Abgrenzung zur Zahlungs stockung im Gegensatz zum dauernden Unvermögen als einem zeitlichen Element. Hierauf ist später noch näher einzugehen. 130 Ein besonderer Fall der Zahlungsunfähigkeit ist die Zahlungseinstellung nach § 10211 KO. Sie liegt vor, wenn die im Sinne der h.M. verstandene Zahlungsunfähigkeit für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar wird. 131 In der InsO hat der Gesetzgeber die Zahlungsunfähigkeit in § 17 11 InsO definiert. Es wurde klargestellt, daß künfig weder eine andauernde Unfähigkeit zur Erfüllung der Zahlungspflichten erforderlich ist, noch daß die Unfähigkeit einen wesentlichen Teil der Verbindlichkeiten des Schuldners betreffen muß. 132 Zahlungsunfähigkeit i. S. d. InsO ist also das Unvermögen fällige Geldverbindlichkeiten zu erfüllen. b) Überschuldung
Der Insolvenztatbestand der Überschuldung ist eine Besonderheit haftungsbeschränkter Rechtsformen. 133 Zweierlei soll damit bezweckt werden: zum einen soll 126 Dazu BGH vom 5. 11. 1956 (III ZR 139/55), in: WM 1957, S. 67, 68 unter Bezugnahme auf RG vom 17. 12. 1901 (VII 386/01), in: RGZ 50, S. 39,41; GottwaldlUhlenbruck (1990), § 9 Rn. 3 m.w.N. 127 So hält das BayObLG (Beschluß vom 14.4. 1987 - RReg 4 St 34/87, in: BB 1988, S. 1840) eine Unterdeckung von 25% der ernsthaft geltend gemachten Forderungen für maßgebend, ohne daß hierfür aber sachliche Gründe angegeben werden. In der Literatur werden entweder bezogen auf das Verhältnis der verfügbaren Mittel zu den insgesamt fälligen Zahlungsverpflichtungen oder auf das Verhältnis sonstiger Zahlungen zu den offenen Verbindlichkeiten Werte zwischen 10% und 25% vertreten; vgl. dazu die Nachweise bei Kuhnl Uhlenbruck (1994), § 102 Rn. 2a. 128 Zweifelnd hinsichtlich des Nutze'ns der "Wesentlichkeit" daher auch Kuhnl Uhlenbruck (1994), § 102 Rn. 2a und Hachenburgl Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 16. 129 SoJaegerIHenckel(l977/1991), § 30 Rn. 28. Nachdem BGH(Urteil vom 11. 7.1991, in: WM 1991, S. 157\), ist zu prüfen, "ob das Ausbleiben der Zahlung die Regel und nicht nur die Ausnahme bildet, wobei das Verhältnis der bezahlten zu den unbezahlten Schulden bedeutsam ist." 130 Unter D.L1.e). 131 So die allgemeine Meinung, vgl. etwa Hachenburg I Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 17; Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 8, Uhlenbruck (1994b), § 102 Rn. 2 f.; Gottwaldl Uhlenbruck (1990), § 9 Rn. 3, jeweils m. w.N. 132 Vgl. § 17 II I InsO und die Begründung hierzu in BT-Drs. 12/2443, S. 114 zu § 20 und 21 RegElnsO. 133 Darüber hinaus bestehen weitere Besonderheiten bei Genossenschaften (vgl. § 98 I Nr. 2 und 4 GenG), Kreditinstituten (vgl. § 46 b KWG) und Versicherungsunternehmen (vgl. § 88 VAG).
1. Rechtslage
57
als Ausgleich für die Trennung des Haftungsvermögens von dem Privatvermögen der Person, die jenes privatautonom steuert, ein vermögensbezogener Insolvenztatbestand bereit stehen; zum anderen soll die Insolvenzreife gegenüber der Zahlungsunfahigkeit auf einen Zeitpunkt vorverlegt werden, zu dem das Gesellschaftsvermögen noch nicht soweit ausgezehrt ist, daß eine Gläubigerbefriedigung ausscheidet. 134 Nach altem Recht bestimmt § 64 12 GmbHG a.F. 135 , daß Überschuldung vorliegt, wenn "das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt". Das Gesetz läßt offen, was es unter "Vermögen" und unter "Schulden" versteht. Es ist deshalb sowohl umstritten, welche Positionen bei der Feststellung der Überschuldung im einzelnen anzusetzen sind 136 als auch wie diese bewertet werden müssen l37 . Einigkeit besteht, daß sich die Überlegungen am Zweck des Insolvenzgrundes der Überschuldung zu orientieren haben. 138 Das klingt plausibel, hilft jedoch kaum weiter, weil die Wertansätze im Überschuldungsstatus gerade davon abhängen, welche Prämissen über den Fortbestand des Unternehmens, das den Gegenstand der GmbH bildet, getroffen werden. 139 Dabei sind vom Prinzip her drei Konstellationen denkbar: das Unternehmen wird als ganzes zerschlagen oder als ganzes fortgeführt oder teils zerschlagen und teils fortgeführt. 140 Je nach dem welche Konstellation zugrunde gelegt wird, führt der Ansatz der entsprechenden Werte im Überschuldungsstatus entweder eher zur Feststellung oder eher zur Verneinung der Überschuldung. Die Frage, von welchen Wertansätzen zutreffenderweise auszugehen ist, versucht die heute wohl vorherrschende Meinung 141 durch eine zwei stufige Überschuldungsprüfung zu lösen. Danach liegt Überschuldung i. S. d. § 64 I 2 GmbHG vor, wenn eine Überschuldungsbilanz ergibt, daß das Vermögen nicht mehr die Schulden deckt und wenn eine Prognose über das weitere Fortbestehen des Unter134 Hahn (1881), S. 390 f.; HachenburglUlmer (1989/1992), § 63 Rn. 26; BaurlStürner (1991), § 7 V 4(S. 79); Häsemeyer(l992), S. 138 f. 135 V gl. Art. 48 Nr. 7 EGInsO. 136 Dazu ausführlich BuddelFörschlelKojahl (1994), Rn. I 110 ff., I 125 ff.; vgl. auch Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 13 - 33. 137 Ausführliche Darstellung des Meinungsstandes bei Hachenburg I Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 31 ff.; knapper Überblick bei Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 11 und bei Arians (1985), S. 235 f. 138 Aufschlußreich hinsichtlich des Bewertungsproblems Lutter (1979), S. 416 ff. 139 Vgl. dazu die Übersicht bei K. Schmidt (l990a), S. 48 f. m.w.N. Ferner ausführlich unten unter 0.1.2. 140 Zu den Zusammenhängen zwischen Zerschlagung bzw. Fortführung des Unternehmens einerseits und der Liquidation bzw. Fortsetzung der Gesellschaft andererseits vgl. unten unter C.I.l.d). 141 Erstmals K. Schmidt (l978a), S. 337 f., ferner ders. (l980a), S. 235 f.; ders. (l982c), S. 168 f.; ders. (1990a), S. 46 ff.; ScholzlK. Schmidt (1995), § 63 Rn. lO ff. Ihm folgend Hachenburg I Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 34; Baumbachl HuecklSchulze-Osterloh (1996), § 63 Rn. 8; LutterlHommelhoff (1995), § 63 Rn. 4 ff.; Meyer-LandrutlMillerlNiehus (1987), § 63 Rn. 4,jeweils m.w.N. auch zu den Gegenansichten.
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B. Ausgangspunkt
nehmens negativ ausfällt. Dabei soll keine bestimmte Prüfungsreihenfolge bestehen. 142 Bei der Überschuldungsbilanz handelt es sich um eine Vermögensaufstellung, bei der auf der Aktivseite alle Gegenstände aufzunehmen sind, die im Fall baldiger Insolvenzeröffnung als Massebestandteile verwertbar wären. 143 Auf der Passiv seite erscheinen alle Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren von Gläubigem geltend gemacht werden können. l44 Alle Bilanzpositionen sind mit ihren Zeitwerten anzusetzen. 14S Im Fall der Aktiven sollen dies die Liquidationswerte sein. 146 Dabei könne, müsse es sich aber nicht notwendig um Zerschlagungwerte handeln, denn es sei von der Abwicklung der Gesellschaft und nicht von der des Unternehmens auszugehen. 147 Ergibt eine solchermaßen aufgestellte Überschuldungsbilanz, daß die Schulden nicht gedeckt werden können, liegt nach der wohl vorherrschenden Ansicht sogenannte rechnerische Überschuldung vor. In einem weiteren Schritt ist dann zu überprüfen, ob die Gesellschaft trotz rechnerischer Überschuldung in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten im laufenden Geschäft weiterhin vollständig zu erfüllen. Dabei handelt es sich notwendigerweise um eine prognostische Prüfung l48 , die sog. Über lebens- oder Fortbestehensprognose. Sie ist anhand einer Liquiditätsplanung durchzuführen. Wie dies im einzelnen zu geschehen hat, darüber finden sich im juristischen Schrifttum jedoch allenfalls Ausführungen, die sich auf den Zeitraum der Prognose beziehen. 149 Im übrigen wird die Erarbeitung geeigneter Prognoseinstrumente der Betriebswirtschaftslehre zugewiesen. lSO Erst wenn auch die Fortbestehensprognose negativ ausfallt, soll Überschuldung i.S.v. § 64 I 2 GmbHG a.F. vorliegen. Dieser zweistufigen Überschuldungsprüfung hat sich inzwischen auch der BGH angeschlossen. 151 142 Hachenburgl Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 36; LutterIHommelhoff(1995), § 63 Rn. 7; Ulmer (1981), S. 478; Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 10 entgegen seinen ursprünglichen Ausführungen, vgl. K. Schmidt (1978a), S. 338 und ders. (1980a), S. 235 f. Zweifelnd an der Beliebigkeit der Prüfungsreihenfolge hingegen KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 5 f. und Meyer-Landrutl Meyer-Landrut (1987), § 63 Rn. 4. 143 ScholzlK. Schmidt (1995), § 63 Rn. 16; LutterIHommelhoff(1995), § 63 Rn. 7; Hachenburg I Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 40. 144 Lutterl Hommelhoff(1995), § 63 Rn. 7; Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 26. 145 Budde I Förschle I Kojahl (1994), Rn. I 100. - Sehr ausführlich zu den bei der Bewertung der Aktiva bzw. der Passiva zu berücksichtigenden Einflußfaktoren Plate (198\), S. 93 ff. bzw. S. 136 ff. 146 ScholzlK. Schmidt (1995), § 63 Rn. 11; LutterlHommelhoff (1995), § 63 Rn. 7; KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 6i; HachenburgI Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 43. 147 Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 11; Hachenburg I Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 39; KuhnlUhlenbruck (1994), § 63 Rn. 6i, 61. 148 Gegen die Einwände hierzu K. Schmidt (1990a), S. 54 f. 149 So etwa bei ScholzlK. Schmidt (1995), § 63 Rn. 12; LutterIHommelhoff(1995), § 63 Rn. 8; KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 6e. 150 Vgl. Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 12. Für Ulmer ist die Erarbeitung geeigneter Prognoseinstrumente aus juristischer Sicht "weder möglich noch notwendig", so Hachenburg I Ulmer (1989/1992), § 63 Rn. 37. - Kritisch zur Delegation der Regelungsverantwortung an die Betriebswirtschaftslehre W. Müller (1985), S. 199.
1. Rechtslage
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Die InsO definiert die Überschuldung in § 1911 InsO. Wie bisher soll Überschuldung vorliegen, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt, § 19 11 1 InsO. Nach § 19 11 2 InsO soll jedoch bei der Bewertung des Vermögens die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen sein, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Dieser Passus wurde während der Gesetzesberatung vom Rechtsausschuß eingefügt. Er soll verhindern, daß "eine Gesellschaft trotz fehlender persönlicher Haftung weiter wirtschaften (kann), ohne daß ein die Schulden deckendes Kapital zur Verfügung steht,,152, nur weil eine positive Fortbestehensprognose zugrunde gelegt wird. Der Gesetzgeber der InsO widerspricht damit dem zweistufigen Überschuldungsbegriff der heute wohl vorherrschenden Meinung. c) Drohende Zahlungsunfähigkeit
Der Insolvenztatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit existiert nur nach der InsO. Gemäß § 1811 InsO liegt er vor, wenn die GmbH voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Fälligkeitszeitpunkt zu erfüllen. Der Gesetzeswortlaut ist allerdings mißverständlich. Denn es geht nicht nur, wie es die Formulierung in § 18 11 InsO nahe legen könnte, um eine voraussichtliche Nichterfüllung bereits bestehender Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit. 153 Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung l54 sowie den betriebswirtschaftlichen Regeln zur Aufstellung eines Finanzplans 155, daß zwecks Feststellung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auch die im Zeitpunkt der Aufstellung noch nicht begründeten, aber mutmaßlich noch zu begründenden Verbindlichkeiten einzubeziehen sind 156 , sofern sie im Zeitpunkt der Fälligkeit der bereits "bestehenden Zahlungspflichten" voraussichtlich ebenfalls fällig sind. Der Gesetzgeber verwendet also den Begriff der "bestehenden Zahlungspflichten" , um dadurch eine zeitliche Begrenzung der in den aufzustellenden Finanzplan einzubeziehenden Einnahmen und Ausgaben zu erreichen, nicht aber um die einzubeziehenden Zahlungsverpflichtungen sachlich auf diejenigen zu beschränken, die im Zeit151 Urteil vom 13.7. 1992 ("Domier" - 11 ZR 269/91), in: BGHZ 119, S. 201 (LS. b), 213 ff.; Urteil vom 21. 2. 1994 (11 ZR 60/93), in: BGHZ 125, S. 141, 148 und Urteil vom 20.3. 1995 ("Girmes" - 11 ZR 205/94), in: BGHZ 129, S. 136, 153 f. - Zutreffend weist Uhlenbruck (1994a), S. 3 f. darauf hin, daß der BGH die Frage der Prüfungsreihenfolge von rechnerischer Überschuldung und Fortbestehensprognose noch nicht zweifelsfrei entschieden hat. 152 BT-Drs. 12/7302, S. 157 (Nr. 14 zu § 23 Abs. 2 RegElnsO); vgl. auch die Begründung des RegEln sO in BT-Drs. 12/2443, S. 115 (zu § 23 RegElnsO). Die Ansicht des Rechtsausschusses wird sich als nicht haltbar erweisen; dazu unten unter D.1.2.f). 153 So aber etwa Burger/Schellberg (1995b), S. 264; Melchers (1995), S. 64. 154 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 115 zu § 22 (li. Sp. oben). 155 Vgl. Vormbaum (1990), S. 148 ff., S. 605 ff., insbes. S. 607 ("Ermittlung der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben"; Hervorhebung durch A.F.) und S. 608 ff. 156 Ebenso K. Schmidt (l990a), S. 44.
60
B. Ausgangspunkt
punkt der Aufstellung des Finanzplans bereits bestehen. Die zeitliche Begrenzung ist erforderlich, um den Zeithorizont für den aufzustellenden Finanzplan abzustekken. 157 Der Insolvenztatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit gewährt nur der GmbH ein Insolvenzantragsrecht, § 18 I InsO. Weder statuiert drohende Zahlungsunfähigkeit für die Geschäftsführer eine Insolvenzantragspflicht noch können sich die Gläubiger der GmbH darauf berufen.
11. Realien Fikentscher 158 weist zu Recht darauf hin, daß "derjenige besser entscheidet, der die Tatsachen besser kennt". Deshalb sollen als nächstes (unter 1.) die tatsächlichen Auswirkungen der gegenwärtigen Regelung des Insolvenzverfahrens betrachtet werden. Sodann ist es (unter 2.) erforderlich, sich über die betriebswirtschaftlichen Sachzwänge, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Krise einer GmbH bestehen, im klaren zu werden. Dem kommt vor allem insoweit Bedeutung zu, als der Gesetzgeber die Insolvenztatbestände nicht im einzelnen vorgegeben hat 159 , so daß sie für eine weitere Ausformung durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft offen sind. l60 Schließlich werden (unter 3.) die Kunstgriffe vorgestellt mit deren Hilfe es der Praxis gelingt, trotz widriger Rahmenbedingungen Insolvenzverfahren durchzuführen.
Dies übersieht Uhlenbruck (1994b), S. 171, bei seiner Kritik an der Regelung. Fikentscher (1977), S. 192. 159 Dazu soeben unter B.I.4.a) - cl. 160 Vgl. dazu Coase (1960), S. 152 f. (unter VII.), der darauf hinweist, daß die Gerichte mit ihren Entscheidungen unmittelbar die ökonomischen Aktivitäten beeinflussen und daß es deshalb wünschenswert ist, wenn sie sich über deren ökonomische Konsequenzen bewußt sind und diese, wenn möglich, bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Auf die Wichtigkeit der Tatsachenkenntnis für "ein volles Verständnis und eine sachgemäße Anwendung der Normen" weist in seinem Plädoyer für eine Rechtstatsachenforschung bereits Arthur Nußbaum (1914), S. 6, hin. Fikentscher (1977), S. 193, spricht insofern von einer ,,Einengung der Wertungsmöglichkeiten aufgrund zur Kenntnis genommener Tatsachen." Vgl. auch A. H. Chroust (1957), S. 415: "Recht kann man definieren als ein realistisches, tatsachenbezogenes und tatsachenbewußtes Problem-Lösungsgleichgewicht, dem durch eine von der Gesellschaft ausgehende Autorität Rückhalt gegeben wird. ( ... ). Die Tatsachenwürdigung ... bei der Problemstellung ... bestimmt die richtige Balance im Hinblick auf die Grundsätze von Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Wahrscheinlichkeit." 157
158
11. Realien
61
1. Erkenntnisse der Insolvenzforschung
a) Statistische Angaben zur GmbH-Insolvenz Im Jahr 1995 kam es in der Bundesrepublik zu insgesamt 28.785 Insolvenzen, von denen starke drei Viertel, nämlich 22.344 auf Unternehmen entfielen. 161 Hierunter waren 13.933 GmbH-Insolvenzen I62 , was einem Anteil von gut 62 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen entspricht. Damit kommt der GmbH-Insolvenz eine erhebliche Bedeutung zu. Noch deutlicher wird diese, wenn man den Blick auf die Insolvenzanfilligkeit der GmbH lenkt. Die Insolvenzanfälligkeit wird gemessen in der Zahl der jährlichen Insolvenzen je 10.000 Unternehmen einer bestimmten Rechtsform. Sie belief sich bei der GmbH im Jahr 1995 auf 235 Insolvenzen; vergleichsweise bescheiden nimmt sich dagegen die Insolvenzanfälligkeit der AG mit 116, der eingetragenen Genossenschaften mit 80, der Personengesellschaften OHG und KG mit 38 sowie der Einzelunternehmen mit 37 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen aus. 163 Vor dem Hintergrund des hohen Anteils der GmbH-Insolvenzen an den Unternehmensinsolvenzen und der außergewöhnlich hohen Insolvenzanfälligkeit der GmbH soll im folgenden näher betrachtet werden, in welchem Umfang das gesetzliche Insolvenzverfahren als Mittel zur geordneten Abwicklung finanzieller Krisensituationen bei der GmbH wirksam ist. Dabei soll der Blick auf die GmbH-Insolvenzen im früheren Bundesgebiet beschränkt bleiben, um vereinigungsbedingte Sondereinflüsse in der Statistik der neuen Bundesländer auszuschalten. 164 Bei der Beurteilung der Wirksamkeit ist zwischen einem quantitativen und einem qualitativen Aspekt zu unterscheiden. Der quantitative Aspekt betrifft die Frage, in weIchem Umfang das gesetzliche Insolvenzverfahren überhaupt wirksam wird, der qualitative Aspekt die Frage, welches Ergebnis in den Fällen, in denen ein gesetzliches Insolvenzverfahren durchgeführt werden konnte, erzielt wurde. Die quantitative Beurteilung ergibt, daß 1995 im früheren Bundesgebiet 10.274 Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH gestellt wurden. 165 Die Bedeutung des Vergleichsverfahrens ist dabei gering: 1995 161 Insolvenzverfahren (\996), S. 11 (Übersicht 1.1 und 1.3). - Die Tendenz bei den Unternehmensinsolvenzen ist weiter steigend: Die Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung (\ 996), S. 2 ff., rechnet für 1996 mit 25.000 Unternehmenspleiten. 162 Insolvenzverfahren (\996), S. 13 (Übersicht 1.6). 163 So die amtliche Statistik Insolvenzverfahren (1996), S. 13 (Übersicht 1.6). Andere Ouellen gehen für die GmbH sogar von einer Insolvenzanfälligkeit von 387 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen aus. Für die AG geben sie 180 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen an, während die Zahlen im übrigen kaum abweichen, vgl. Allgemeine Kreditversicherung (1996), S. 14. 164 Im übrigen würde die wegen des unterschiedlichen Insolvenzrechts in Ost und West erforderlich werdende Differenzierung den Umfang dieser Arbeit sprengen. Ausführlich zur Entwicklung der Insolvenzen in Ost- und Westdeutsch land Reinhart Schmidt (1996), S. 195 ff. 165 Insolvenzverfahren (1996), S. 19 (Tabelle 5).
62
B. Ausgangspunkt
wurden nur 35 eröffnet. 166 Die übrigen 10.239 Insolvenzanträge betrafen ein Konkursverfahren l67 • dem somit die mit Abstand größte Bedeutung bei der Abwicklung finanzieller Krisensituationen zukommt. Für die quantitative Beurteilung der Wirksamkeit des Insolvenzrechts entscheidend ist nun. in welchem Umfang Verfahren nicht nur eröffnet. sondern auch tatsächlich durchgeführt. also nicht mangels Masse wieder eingestellt werden. Aussagefahige Ergebnisse kann dabei nur eine Betrachtung der Konkursverfahren erbringen. Dabei ist es allerdings erforderlich - anders als bislang - von den im Jahr 1993 eröffneten Konkursverfahren auszugehen. weil sich sonst wegen der langen Abwicklungsdauer von Konkursverfahren kein hinreichend genauer Überblick gewinnen läßt. wieviele Verfahren nach § 204 I KO mangels Masse wieder eingestellt wurden. 168 Danach kam es im Jahr 1993 im früheren Bundesgebiet zu insgesamt 7.825 GmbH-Insolvenzen. wobei in 7.795 Fällen ein Konkursverfahren beantragt wurde. 169 Von den 7.795 beantragten Konkursverfahren. unter denen 7 Anschlußkonkursverfahren waren. wurden 2.755 eröffnet; die übrigen 5.040 Eröffnungsanträge wurden nach § 107 I KO mangels Masse abgewiesen. 170 Dies entspricht einer Abweisungsquote von 64.66 Prozent 171. Bei fast zwei Dritteln aller beantragten Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH findet also von vornherein keine geordnete Schuldenabwicklung statt. 172 Positiv ausgedrückt liegt die Konkurseröffnungsquote bei 35.34 Prozent. Die bloße Eröffnung sagt aber noch nichts darüber aus. ob das Verfahren auch bis zur Schlußverteilung durchgeführt werden konnte. So konnten von den 2.755 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH 2.443 173 • also 88.7 Prozent bis Ende 1994 abgewickelt werden. Dabei stellte sich aber bei 345 Verfahren eine Masseunzulänglichkeit heraus 174 • so daß sie nach § 204 I KO eingestellt werden mußten. Bezogen auf die Zahl aller im Jahr 1993 beantragten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH gingen daher in 69.1 Prozent l75 dieser Fälle zumindest die ungesicherten Gläubiger. also diejenigen. derentwegen das Konkursverfahren überhaupt eröffnet wurde 176. leer aus. Insolvenzverfahren (1996). S. 19 (Tabelle 5). Insolvenzverfahren (1996). S. 19 (Tabelle 5). 168 Von den im Jahr 1993 insgesamt eröffneten Konkurs- und Vergleichsverfahren waren 87.6 Prozent bis Ende 1994 abgewickelt. vgl. Insolvenzabwicklung (1995). S. 7 (Tabelle 3). 169 Insolvenzverfahren (1994). S. 19 (Tabelle 4). 170 Insolvenzverfahren (1994), S. 19 (Tabelle 4). 171 Ein Jahr später lag diese bei 66,7 Prozent (Insolvenzverfahren [19951, S. 19 [Tabelle 4]). Die immer wieder genannte Quote von 75% mangels Masse abgewiesener Konkurse (vgl. etwa HesslGoetsch [19931. S. 14; Jauernig [19901. S. 168) bezieht sich - auch in anderen Jahren - auf den Durchschnitt aller Insolvenzen und trifft für die GmbH nicht zu. 172 Zu den Folgen oben unter B.I.3. 173 Insolvenzabwicklung (1995), S. 14 (Tabelle I). 174 Insolvenzabwicklung (1995), S. 14 (Tabelle I). m (5.040 abgewiesene Konkursanträge + 345 eingestellte Verfahren) x 10017.795 GmbH-Insolvenzen. 166
167
11. Realien
63
Aber auch das qualitative Element bei der Wirksamkeitsbeurteilung des gesetzlichen Insolvenzverfahrens, nämlich das finanzielle Ergebnis der Fälle, in denen tatsächlich ein Konkursverfahren durchgeführt werden konnte, nimmt sich bescheiden aus. So belief sich der Betrag der angemeldeten Forderungen aller im Jahr 1993 eröffneten und bis Ende 1994 abgewickelten massehaitigen Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH auf insgesamt etwas mehr als 5,80 Mrd. DM 177 ; hiervon fielen knapp 5,31 Mrd. DM 178 , also fast 91,5 Prozent, aus! Im einzelnen ergab sich für die (i.S. v. § 61 I Nr. 1 - 5 KO) bevorrechtigten Konkursgläubiger eine Befriedigungsquote von 36,6 Prozent, für die einfachen Konkursgläubiger (i.S.v. § 61 I Nr. 6 KO) eine solche von lediglich 3,9 Prozent. 179 Der durchschnittliche Gesamtforderungsverlust je GmbH-Insolvenz liegt in diesen Fällen bei gut 2,76 Mio. DM. Diese Zahl ist aber durch Großinsolvenzen verzerrt. Am häufigsten, nämlich in 36,7 Prozent aller Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH, belaufen sich die insgesamt angemeldeten Forderungen auf einen Betrag zwischen 100.000 und 500.000 DM. 180 Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, daß die Forderungsverluste der Gläubiger in immerhin 12,2 Prozent der Fälle mehr als 1 Prozent ihres Umsatzes ausmachen. 181 Die Gefahr, daß es unter diesem Umständen zu Folgekonkursen kommt, ist hoch. Denn bei einem Ausfall einer Forderung in Höhe von beispielsweise 10.000 DM ist bei einer angenommenen Umsatzrendite von 5 Prozent ein zusätzlicher Umsatz von 200.000 DM erforderlich, um den Ausfall zu kompensieren. Der volkswirtschaftliche Schaden liegt infolge zusätzlicher Folgekosten, wie Steuerausfällen, Beitragsausfällen in der Sozialversicherung, Ausgaben für Konkursausfallgeld, Umschulungen und Auffanggesellschaften oder Ausgaben des Pensionssicherungsfonds, weit über dem Betrag der Forderungsausfälle. Die Creditreform-Wirtschafts- und Konjunkturforschung schätzt die Höhe der gesamten Insolvenzschäden in Deutschland für 1996 auf 62 Mrd. DM. 182 176 Vgl. den Wortlaut des § 3 I KO ("persönliche Gläubiger") sowie § 4 11,43 KO, wonach die Aus- und Absonderungsberechtigten keine Konkursgläubiger sind. 177 Insolvenzabwicklung (1995), S. 14 (Tabelle I): 4,98 Mrd. DM nicht (i.S.v. § 61 I Nr. 1-5 KO) bevorrechtigte Forderungen + 0,82 Mrd. DM (i.S.v. § 61 I Nr. 1-5 KO) bevorrechtigte Forderungen. 178 Insolvenzabwicklung (1995), S. 15 (Tabelle I): 4,79 Mrd. DM nicht (i.S.v. § 61 I Nr. 1-5 KO) bevorrechtigte Forderungen + 0,52 Mrd. DM (i.S.v. § 61 I Nr. 1-5 KO) bevorrechtigte Forderungen. 179 Insolvenzabwicklung (1995), S. 15 (Tabelle I). Zum Vergleich: Der Vorjahreswert lag bei den bevorrechtigten Gläubigern bei 30,7 Prozent und für die einfachen Gläubiger bei 2,5 Prozent, vgl. Insolvenzabwicklung (1994), S. 13 (Tabelle I). 180 Insolvenzverfahren (1994) , S. 24 (Tabelle 7). AaO. auch dazu, daß sich die insgesamt angemeldeten Forderungen in 19,4 Prozent der FäHe auf einen Betrag zwischen einer und zehn Mill. DM belaufen, in 17,7 Prozent auf einen Betrag zwischen 10.000 und 100.000 DM und in 15,5 Prozent auf einen Betrag zwischen 500.000 und einer Mill. DM. 181 Creditreform (1996), S. 15 (Tabelle 20). 182 Creditreform (1996), S. 4.
B. Ausgangspunkt
64
Die statistischen Tatsachen zur GmbH-Insolvenz ergeben ein ernüchterndes Bild von der Wirksamkeit der gesetzlichen Insolvenzverfahren als Mittel zur geordneten Abwicklung finanzieller Krisensituationen bei der GmbH: sehr oft finden Insolvenzverfahren nicht statt; finden sie ausnahmsweise doch statt, dann stiften sie nur einen marginalen Nutzen. Bevor der Frage nachgegangen wird, warum dies so ist, soll aufgezeigt werden, worin die Ursachen liegen, daß eine GmbH in eine finanzielle Krisensituation gerät.
b) Ursachen finanzieller Krisensituationen
Zu Recht heißt es, daß Insolvenzen die "Symptome wirtschaftlicher Schwierigkeiten (sind), nicht dagegen deren Ursache.,,183 Gerade deshalb ist es jedoch für die Klärung der Frage, wann ein Insolvenzverfahren ausgelöst werden sollte, nützlich, kurz auf die Insolvenzursachen einzugehen. Dadurch wird ein Teil der wirtschaftlichen Gegebenheiten erhellt, auf die ein Insolvenzrecht zugeschnitten sein muß, wenn es sich in der Praxis bewähren soll.184 Die Insolvenz ist idealtypisch die Folge einer Unternehmenskrise. 185 Dabei entwickelt sich eine Unternehmenskrise von einer strategischen Krise (z. B. wegen des Fehlens von Nachfolgeprodukten oder drastisch schrumpfender Absatzmärkte in den nächsten Jahren), über eine Erfolgskrise (z. B. weil der Umsatzrückgang durch das Absterben eines "Renners" zum Lageraufbau führt, der zwangsweise fremdfinanziert werden muß, wodurch der Zinsaufwand steigt und die Ertragskraft sinkt) weiter zu einer Liquiditätskrise (z. B. wegen der Kreditrestriktionen von Gläubigem nachdem die Fremdfinanzierung stark ausgeweitet wurde). 186 Trotz dieses scheinbar klaren Ablaufs ist die Bestimmung der konkreten Krisenursachen schwierig, weil Ursachen und Symptome von Krisen schwer voneinander zu trennen sind. So kann zum Beispiel ein zu geringes Eigenkapital in dem einen Fall die Ursache einer finanziellen Krisensituation sein, weil es einen großen Fremdkapitalanteil und demzufolge hohe Fixkosten durch den regelmäßig zu leistenden Zinsendienst bedingt, während es in einem anderen Fall das Symptom aufgelaufender Verluste ist, die ihre Ursache an ganz anderer Stelle haben. 187 Die Komplexität wird noch dadurch erhöht, daß regelmäßig mehrere Ursachen gleichzeitig auftreten, die sich in ihrer Wirkung sowohl verstärken als auch aufheben können. IR8 Die Insolvenzforschung zeigt jedoch - ohne hier Gottwald/ Arnold (1990), § I Rn. 32. Ebenso Uhlenbruck (1981), S. 522 et passim. 185 Das Wort "Krise" wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur verwandt, um die existenzgefährdende Notsituation eines Unternehmens zu beschreiben, die entweder mit der Sanierung des Unternehmens überwunden wird oder aber in dessen Zusammenbruch endet. Vgl. etwa Gottwald/Maus (1990), § 2 Rn I ff. m.w.N.; Hess/Fechner (1991), A.II. Rn. 15. 186 Hess/Fechner(1991), B.I. Rn. 23. 187 Beispiel nach Grub/Rinn (1993), S. 1584; vgl. auch Steiner (1980), S. 101 f. 188 Günther/Scheipers (1993a), S. 452 m.w.N. 183
184
H. Realien
65
auf Einzelheiten eingehen zu können 189 -, daß zwei Aspekte im Vordergrund stehen: das Versagen des Managements und eine zu geringe Eigenkapitalausstattung. l90 Eine ungenügende Eigenkapitalausstattung 191 macht sich besonders in Zeiten schlechter konjunktureller Wirtschaftlage bemerkbar: Während in Boomzeiten betriebliche Mängel durch eine positive Umsatz- und Ertragssituation kompensiert werden (können), geraten solche Unternehmen bei schlechter Wirtschaftslage in eine zunehmend sich öffnende Schere aus einer weiterhin hohen Zinslast auf der einen Seite und Umsatz- und Ertragsrückgängen sowie einem in der Rezession regelmäßig verschlechterten Zahlungsverhalten ihrer Abnehmer auf der anderen Seite. Nicht selten führt dies zum sog. "Dominoeffekt", bei dem der vorleistende Lieferant, einen Forderungsausfall nicht verkraften kann und dadurch selbst insolvent wird. 192 Dennoch hat zumindest der Mittelstand die gute Konjunktur in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre nicht für eine Erhöhung der Eigenmittel genutzt. 193 Die Fehler des Managements liegen hauptsächlich im kaufmännischen Bereich. 194 So fehlt zum einen häufig die Marktkenntnis - etwa wenn Erfolge aus der Vergangenheit in die Zukunft übertragen und neue Marktentwicklungen dann zu spät erkannt werden l95 , zum anderen oft das Finanzierungswissen l96 - etwa hinsichtlich der Fragen der Finanzstruktur, Rechnungslegung, Kostenrechnung, Finanzplanung und Finanzkontrolle. Vor allem in mittelständischen Unternehmen wird das interne Rechnungswesen den Anforderungen an eine moderne Unternehmensführung nicht immer gerecht. 197 Dieses sollte auch der Se1bstprüfung der Unternehmensleitung dienen. 198 Gerade die hohe Zahl verhältnismäßig junger 189 Dazu ausflihrIich etwa Keiser (1966); Reske I Brandenburg I Mortsiefer (1976). Zusammenfassende Darstellungen finden sich bei GüntherlScheipers (1993a), S. 448 ff.; Steiner (1980), S. 105 ff.; Kressin (1990), S. 44 ff. 190 Vgl. Reskel Brandenburgl Mortsiefer (1976), S. 60 ff., 232; Keiser (1966), S. 114. 191 Im Jahr 1992 hatten 26.0% der Unternehmen ein Eigenkapital von weniger als 10% der Bilanzsumme, bei 34,3% der Unternehmen lag es unter 20% der Bilanzsumme, vgl. Creditreform (1994), S. 10. 192 Es wird geschätzt, daß der Stand der offenen Forderungen je nach Branche 25 bis 30 Prozent der Bilanzsumme ausmacht. Im Frühjahr 1994 meldeten 12,4% der mittelständischen Betriebe Forderungsausfalle in Höhe von mehr als I Prozent des Umsatzes (bei einer durchschnittlichen Umsatzrendite von 2 bis 3 Prozent!), Creditreform (1994), S. 11. - Vgl. auch Amold (1977), S. 390 m.w.N. sowie Drobnig (1976), S. 27. 193 Vgl. Creditreform (1994), S. 10. - Die Gründe hierfür dürften vor allem in der im Vergleich zu Fremdkapital schlechteren Rentabilität von Eigenkapital liegen; dazu näher unten unter C.I.4.b)aa). 194 Rinklin (1960), S. 55. 195 Töpfer (1990), S. 326 f.; Hauschildt (1988), S. 9; GüntherlScheipers (1993a), S. 452. 196 Creditreform (1994), S. 9; Hantschel (1993), S. 63, 66 m.w.N.; Kressin (1990), S. 73 ff. 197 Dazu die empirischen Untersuchungen von Kind (1986), S. 226 und H.P. Becker (1985), S. 604 ff. Vgl. auch Hantschel (1993), S. 43, 61 ff., jeweils m.w.N. 198 Vgl. Wöhe (1975), S. 625.
5 Förster
B. Ausgangspunkt
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GmbHs, die einen Insolvenzantrag stellen müssen, paßt in dieses Bild. 199 Hier wird nach einer erfolgreichen Gründung eine Unternehmensgröße erreicht, die vom Gründer in kaufmännischer Hinsicht nicht mehr beherrscht wird?OO Begünstigt werden die genannten Managementfehler durch das bei einer GmbH-Gründung verhältnismäßig niedrige effektiv aufzubringende Stammkapital 201 sowie dadurch, daß aufgrund der beschränkten Haftung kein persönliches Risiko der Gründer zu bestehen scheint. 202 Dies kann zu leichtfertigen Gründungen (ver)führen. Jedenfalls werden "oft ... schon bei Gründung des Unternehmens Finanzierungsfehler begangen, die auf der Unterschätzung des Eigenkapitalbedarfs beruhen und über kurz oder lang zu einem Mißverhältnis zwischen eigenen und fremden Mitteln führen,,203, was dann zu "manchmal abenteuerlichen Finanzierungskonstruktionen,,204 führt. 205
2. Phänomenologie finanzieller Krisensituationen
Nachdem es eben um die Frage ging, warum es überhaupt zu finanziellen Krisensituationen kommen kann, soll im folgenden genauer dargestellt werden, was solche finanziellen Krisensituationen kennzeichnet. Besonderes Gewicht wird dabei auf die Frage gelegt, weshalb - wenn es infolge einer finanziellen Krisensituation zum Insolvenzantrag kommt - in zwei Dritteln aller beantragten Insolvenzverfahren die freie Masse 206 nicht hinreicht, um ein Insolvenzverfahren eröffnen zu können. Dabei geht es im Rahmen der Zustandsbeschreibung zunächst einmal nur darum, die beobachtbaren Erscheinungen einer finanziellen Krisensituation zu beschreiben, um so ein gesichertes Fundament für die weiteren Überlegungen zu gewinnen. Der methodische Ansatz folgt damit der phänomenologisch orientierten Devise von Edmund Husserl, wonach man zuerst auf "die ,Sachen selbst' zurückgehen,,207 muß. Da es sich bei einer finanziellen Krisensituation um ein Phänomen Eingehend hierzu m.w.N. Antwort (\995), S. 12 f. Dazu Albach (1976), S. 688 ff.; Jacobs (1986), S. 160; Kressin (1990), S. 60; Wieselhuber (1985), S. 16 ff. 201 Sobald die GmbH mehr als ein Gesellschafter hat, genügen DM 25.000; vgl. § 7 11 2 i.V.m. S. 3 GmbHG. 202 Vgl. aber etwa die Ansprüche wegen Differenzhaftung, Vorbelastungshaftung, wegen verdeckter Sacheinlage oder wegen eigenkapitalersetzender Darlehen oder Gebrauchsüberlassungen; s. auch die Übersicht oben unter B.I.3.c). 203 Grub/Rinn (\993), S. 1585; vgl. auch Rinklin (1960), S. 51. 204 Creditreform (\994), S. 10. 205 Nicht von ungefähr stammen daher in der Kaufmannssprache die Verballhornungen für die Abkürzung GmbH, wie etwa .. Gehst'e mit, bist'e hin", .. Gesellschaft mit beschränkter Hochachtung" oder .. Gesellschaft mit besonderen Hintergedanken". 206 Zum Begriff oben unter B.I.2.d)aa). 207 Husserl (1968), § 2 (S. 6). 199
200
11. Realien
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im Leben einer Unternehmung handelt, sind - unter a) und b) - erst zwei betriebswirtschaftliche Grundbegriffe einzuführen, bevor - unter c) - das eigentliche Phänomen beschrieben werden kann. a) Das finanzwirtschaJtliche Problem einer Unternehmung
Der Gesellschaftszweck der GmbH besteht regelmäßig in der Verfolgung bestimmter erwerbswirtschaftlicher Ziele. 208 Hierzu unterhält die GmbH einen oder mehrere Betriebe, verstanden als plan voll organisierte Wirtschaftseinheiten, in denen Sachgüter und Dienstleistungen erstellt und abgesetzt werden. 209 Der betriebliche Prozeßablauf selbst besteht aus der Beschaffung, der Leistungserstellung und der Leistungsverwertung?lO Man bezeichnet dies als den güterwirtschaftlichen Prozeß. Damit er ablaufen kann, werden finanzielle Mittel benötigt. Zu denken ist an den Einkauf von Rohmaterial, die Zahlung von Löhnen und Gehältern oder den Werbeaufwand bei einer Markteinführung. Die eingesetzten finanziellen Mittel werden erst mit der Leistungsverwertung wieder freigesetzt. 2Il Die Bindung und Freisetzung der finanziellen Mittel ist der finanzwirtschaftliche Prozeß. Das finanzwirtschaftliche Problem einer jeden Unternehmung besteht nun darin, daß innerhalb des gesamtbetrieblichen Leistungsvollzugs die Auszahlungen den Einzahlungen vorangehen. 212 An einem Gedankenexperiment soll das verdeutlicht werden: Stellt man sich den Beginn einer Unternehmung vor, so bedarf es zur Ingangsetzung und Inganghaltung des güterwirtschaftlichen Prozesses zunächst einmal solange und in dem Umfang finanzieller Mittel bis aus der Leistungsverwertung Einzahlungen in der Höhe resultieren, daß die weitere Aufrechterhaltung des betrieblichen Prozeßablaufs daraus finanziert werden kann?13 Diese anfanglich erforderlichen finanziellen Mittel sind während der gesamten Lebensdauer der Unternehmung in dieser als Kapital gebunden. Die Höhe der für die Ingangsetzung und Inganghaltung des 208 Zu anderen Zielen als Gesellschaftszweck vgl. Scholzl H.P. Westennann (1993). Einleitung. Rn. 32 ff. 209 Handwörterbuch der Betriebswirtschaft / Grochla (1993), Stw. ,,Betrieb, Betriebswirtschaft und Unternehmung" unter 1.1. 210 Gutenberg (1980), S. I. 211 Gutenberg (1980), S. I f.: "In ständiger Abfolge werden Kapitalbeträge gebunden und wieder freigesetzt. ausgelöst durch Beschaffungs- und Veräußerungsakte. die den Beginn und die Beendigung der Prozesse bedeuten. Mithin stellt sich die Güterbeschaffung, Herstellung und Veräußerung als ein Fluß von Kapitalteilchen durch die Unternehmung dar." 212 Die Strömungsgrößen Einzahlung bzw. Auszahlung beziehen sich auf die Bestandsgröße der Zahlungskraft, d. h. die Summe aller sofort verfügbaren Zahlungsmittel [vgl. die Anm. oben unter B.1.4.a) in Fn. 1201. während sich die Strömungsgrößen Einnahme bzw. Ausgabe auf die Bestandsgröße des Geldvermögens (= Zahlungskraft + Forderungen ./. Verbindlichkeiten) beziehen. Vgl. zur Bedeutung der Begriffspaare bereits oben unter B.I.4.a) in Fn. 121 sowie zu den Zusammenhängen Wähe (1993), S. 1006 ff. 213 WöhelBilstein (1994). S. 2.
5'
68
B. Ausgangspunkt
betrieblichen Prozeßablaufs benötigten finanziellen Mittel richtet sich einerseits nach der Höhe des Anlage- und Umlaufvennögens sowie den Aufwendungen für untergehende Produktionsfaktoren214 ; andererseits nach der Zeitdauer der Leistungserstellung und Leistungsverwertung sowie der Zeitdauer bis die Forderungen aus der Leistungsverwertung wieder zu Geld werden (sog. Geldwerdungsdauer). Dabei ist es zunächst gleichgültig, ob das in der Unternehmung gebundene Kapital, dieser als Eigen- oder als Fremdkapital zur Verfügung gestellt wird. Entscheidend ist, daß Auszahlungen zu einem Zeitpunkt anfallen, in dem noch keine Einzahlungen erfolgt sind. Das gilt prinzipiell für jedes Unternehmen, auch wenn es schon länger am Markt ist. Denn Einzahlungen resultieren regelmäßig aus Umsatzerlösen. Um aber überhaupt etwas umsetzen zu können, sind zuvor immer in irgendeiner Weise Auszahlungen erforderlich. Diese müssen von der GmbH finanziert werden?15
b) FinanzwirtschaJtliches Gleichgewicht als Existenzbedingung
Eine notwendige Bedingung für das dauerhafte Bestehen eines Unternehmens ist, daß ihm zumindest in Höhe der durch Beschaffung und Leistungserstellung verursachten Auszahlungen im Rahmen der Leistungsverwertung Einzahlungen zufließen müssen. Zwar ließen sich Einzahlungen außer im Rahmen der Leistungsverwertung auch durch die Zuführung von (neuern) Kapital bewirken?16 Langfristig können Einzahlungsdefizite dadurch jedoch nur solange ausgeglichen werden, wie sich Kapitalgeber - gleich ob Eigen- oder Fremdkapitalgeber - finden, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens darauf vertrauen, daß das eingesetzte Kapital bei Fälligkeit zurückbezahlt und daß es angemessen verzinst werden wird. Finden sich hingegen keine Kapitalgeber und bleiben auch die Einzahlungen hinter den Auszahlungen zurück, so wird das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen auf Dauer nicht fristgerecht nachkommen können. Da es zu den Grundvoraussetzungen jedes betrieblichen Leistungsprozesses gehört, daß er dauerhaft nur dann ablaufen kann, wenn es dem Betrieb gelingt, allen seinen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen 217 , kommt es in diesem Fall zur Existenzkrise der Unternehmung. Um sie zu verhindern ist deshalb die Beachtung des finanzwirtschaftlichen 218 Gleichgewichts zwingend erforderlich. 219 Das Unternehmen befindet sich im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht, 214
Z. B. Arbeitsentgelte, Energie.
m Vertiefend zum ganzen Bitz (1994), S. 192 ff. 216 Instruktiv Wöhe/Bilstein (1994), S. 21 f. - Dazu wie sich Ein- und Auszahlungen in der Bilanz des Unternehmens niederschlagen vgl. die sehr anschauliche Darstellung bei Wöhe (1993), S. 775 ff. 217 Wöhe (1993), S. 780; Wöhe/Bi/stein (1994), S. 21. 218 Synonym wird von finanziellem Gleichgewicht gesprochen, vgl. etwa Gutenberg (1980), S. 272 ff.
11. Realien
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"wenn die finanziellen Mittel gleich dem Bedarf für die fälligen Verbindlichkeiten oder größer als dieser Bedarf sind. Man kann auch sagen, die Zahlungsmitteldekkung muß in jedem Augenblick größer sein als der Zahlungmittelbedarf oder mindestens ihm gleich.,,22o Anders ausgedrückt geht es um der ,,Fähigkeit der Unternehmung, die zu einem Zeitpunkt zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt erfüllen zu können; sie muß während des Bestehens der Unternehmung zu jedem Zeitpunkt gegeben sein. ,,221 Dabei werden unter zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen solche verstanden, bei denen die Frist zur Zahlung nicht weiter hinausgeschoben werden kann, sei es, daß sie vertraglich vereinbart ist (etwa durch Lieferbedingungen oder Kreditverträge), durch Gesetz bestimmt ist (etwa bei Abgabenterminen) oder aus faktischen Gründen, beispielsweise bei betriebsnotwendigen Bareinkäufen?22 Die Summe aller sofort verfügbaren Zahlungsmittel, also die Summe aus Geldbeständen, Geldsurrogaten, Bank- und Postgiroguthaben sowie nicht zweckgebundenen Krediten 223 , ist die sog. Zahlungskraft. 224 Das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht ist tageweise zu ermitteln, weil nicht unterstellt werden kann, daß die Einzahlungs- und Auszahlungsströme zeitlich gleich strukturiert sind. Daher besteht die Gefahr, daß bei einer längeren Planungsperiode Auszahlungen vor den Einzahlungen liegen und Verbindlichkeiten dann nicht erfüllt werden können. 225 Befindet sich ein Unternehmen im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht, so ist es Iiquide. 226 Die neuere betriebswirtschaftliche Literatur versteht den Begriff des finanzwirtschaftlichen Gleichgewichts noch in einem weiteren Sinn als eben vorgestellt. Es käme nicht nur auf die Deckung des jederzeitigen Zahlungsmittelbedarfs an, sondern auch auf die Maximierung der Rentabilität. 227 Daran ist richtig, daß die ausschließliche Konzentration auf die Liquidität einer Unternehmung dem Ziel der Rentabilität widerspricht. Denn ein zu hoher Bestand an Zahlungsmitteln drückt die Rentabiltät einer Unternehmung, weil dadurch der Zinsaufwand steigt bzw. weil die Liquiditätsreserven meist nur gering verzinslich sind?28 Gleichwohl er219 Gutenberg (1980), S. 274: "Die AufrechterhaItung des finanziellen Gleichgewichts ist die Bedingung schlechthin für die Existenz der Unternehmen ( ... )." 220 Gutenberg (1958/ 1990), S. 114. 221 Witte (1963), S. 15. 222 Witte (1983), S. 25. 223 Hier kann es aus juristischer Sicht - anders als unter betriebswirtschaftlichen Aspekten - nicht auf die Einhaltung einer Kreditlinie ankommen. Stattdessen ist die tatsächliche Kreditinanspruchnahme maßgebend, da auch die Mittel aus einer Kreditüberziehung geeignet sind, zwingend fällige Verbindlichkeiten zu erfüllen. 224 Witte (1980), S. 25. 225 Wirte (1983), S. 26. 226 Gutenberg (1958/ 1990), S. 114. 227 So etwa Vormbaum (1990), S. 91 ff.; Wähe (1993), S. 782. Allerdings weist auch Gutenbe rg (1958/ 1990), S. 115 hierauf hin. 228 Vormbaum (1990), S. 94; Wähe (1993), S. 782 f.; Gutenberg (1958/ 1990), S. 115.
B. Ausgangspunkt
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scheint für die Zwecke dieser Arbeit der engere Begriff vom finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht besser geeignet. Denn da das Insolvenzverfahren der Regelung von Rechtsbeziehungen zwischen der GmbH und ihren Gläubigern dient, soweit die GmbH ihre Zahlungspflichten nicht erfüllen kann 229 , kommt es gerade auf die Deckung des Zahlungsmittelbedarfs an. Hingegen wird der Zustand, daß die GmbH ihre Zahlungspflichten nicht erfüllen kann, nicht durch Rentabilitätsprobleme gekennzeichnet, wie sie sich aus einem zu hohen Bestand an Zahlungsmitteln ergeben. Damit soll nicht bestritten werden, daß die Zahlungsschwierigkeiten sehr wohl auf Rentabilitätsproblemen des Unternehmens basieren können. Nur eben nicht auf solchen, die von zu hohen Liquiditätsreserven herrühren.
c) Der jinanzwirtschaJtliche Erstickungsprozeß
Störungen des finanzwirtschaftlichen Gleichgewichts (i.e.S.) können ihre Ursache sowohl im güter- wie im finanzwirtschaftlichen Bereich des Unternehmens haben. So kann sich etwa das Tempo des betrieblichen Leistungsvollzugs verlangsamen 230 , die Kunden des Unternehmens können längere Zahlungsziele in Anspruch nehmen oder dem Unternehmen wird Kapital entzogen231.232 Entscheidend ist, daß die Zeitpunkte zwischen Mittelbedarf und (späterer) Mittelfreisetzung weiter auseinanderrücken, so daß für die Aufrechterhaltung des betrieblichen Leistungsvollzugs ein vermehrter Bedarf an finanziellen Mittel entsteht. Wenn diese von den Gesellschaftern nicht als Eigenkapital bereitgestellt werden (können) und wenn es dem Unternehmen nicht gelingt das gestörte finanzwirtschaftliche Gleichgewicht dadurch wiederherzustellen, daß die durchschnittlichen Einnahmen auf Dauer mindestens die Höhe der durchschnittlichen Ausgaben erreichen, so kommt es zu dem, was Borup treffend als "finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß,,233 bezeichnet hat. Um den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß zu verstehen, ist es erforderlich, das typische 234 Verhaltensmuster eines Betriebs zu betrachten, dessen finanzwirtschaftliches Gleichgewicht gestört ist. Sobald die Zahlungskraft nicht mehr So bereits oben unter B .I. i. Etwa weil die Ablaufplanung versagt, im Materialfluß Stockungen auftreten oder maschinelle Störungen den Arbeitsablauf unterbrechen oder verzögern, eine geänderte Einkaufsdisposition zu längeren zeitlichen Abständen der Zu- und Abgänge in den Einkaufslägern führt oder weil - wie so oft - der Absatz eines Produkts schleppend verläuft. 231 Etwa durch Verluste, übermäßige Auszahlungen an die Gesellschafter oder die Kündigung eines (langfristigen) Darlehens. 232 Sämtliche Beispiele nach Gutenberg (1980), S. 274 ff. 233 Borup (1986), S. 1886. - Der Vorgang als solcher ist nichts Neues, vgl. z. B. H. Lehmann (1931), Sp. 100 f. 234 Nach den in der Praxis gemachten Beobachtungen von Borup (1986), S. 1885, verhalten sich die Unternehmen insoweit gleich. Ein Beispiel aus der Praxis dokomentiert Thießen (1994), S. 77 ff. 229
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11. Realien
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ausreicht, um sämtliche fälligen Zahlungs verpflichtungen des Betriebes erfüllen zu können, muß die Unternehmensführung zwangsläufig versuchen, Auszahlungen hinauszuschieben, etwa indem sie offene Rechnungen stehen läßt, Stundungen oder Ratenzahlungen vereinbart oder Wechsel begibt235 . Dabei richtet sich die Frage, welche Auszahlungen hinausgeschoben werden (können) zum einen nach persönlichen Vorlieben der Geschäftsführung, vor allem aber nach dem wirtschaftlichen Kriterium, welche Folge die (vorübergehende) Nichtbezahlung einer Forderung hat. Dabei ist maßgebend der Grad der Existenzbedrohung, der sich aus der Nichtbezahlung einer Forderung für das Unternehmen ergibt. 236 In hohem Grade existenzbedrohend sind etwa die Fälle, daß fällige und nicht prolongierte Wechsel nicht eingelöst werden, daß Verbindlichkeiten, deren Einforderungsstand bedrohlich geworden ist, oder daß Löhne nicht bezahlt werden. Ferner ist es in hohem Maße existenzbedrohend, wenn Pfandverwertungen bevorstehen, die eine weitere Leistungserbringung durch das Unternehmen verhindern würden oder wenn mit der Beantragung eines Insolvenzverfahrens oder eines Verfahrens auf Gewerbeuntersagung gedroht wird. 237 Hingegen wird etwa die vorläufige Nichtbezahlung einer Handwerkerrechnung wegen bereits durchgeführter Reparaturen zunächst kaum Auswirkungen auf den Fortbestand des Unternehmens haben. Aus den Beispielen ergibt sich, daß - abhängig von der Reaktionsgeschwindigkeit der Gläubiger und dem Geschick des Schuldners diese hinzuhalten - irgendwann jede Verbindlichkeit stark existenzbedrohende Züge annehmen kann. Je nachdem, über welchen Zeitraum fällige Verbindlichkeiten mangels hinreichender Zahlungskraft nicht erfüllt werden, erhöht sich mit jeder hinausgezögerten Zahlung der Bestand an Verbindlichkeiten. Die fälligen Zahlungsverpflichtungen werden gewissermaßen "aufgestaut". Regelmäßig wird in dieser Phase Überschuldung eintreten. 238 Da die endgültige Bezahlung fälliger Verbindlichkeiten aber nicht beliebig lange hinausgezögert werden kann, erweisen sich mit der Zeit immer mehr Zahlungen als nicht länger aufschiebbar. Das führt dazu, daß das Unternehmen bei wachsendem Verbindlichkeitenstand auf zusätzliche finanzielle Mittel die es jedoch bei fortbestehenden Krisenursachen nicht selbst erwirtschaften kann, m Borup (1986), S. 1887. Vgl. Borup (1986), S. 1885 f., der die verschiedenen Auszahlungsverpflichtungen de-
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tailliert ordnet. 237 Beispiele nach Borup (1986), S. 1885. 238 Kilger (1975), S. 151 berichtet von seinen praktischen Erfahrungen: ,,Es ist keine Seltenheit, daß Unternehmen jahrelang mit steigenden Verlusten gearbeitet haben, ihre Überschuldung von Jahr zu Jahr stieg und sie nach außen hin gleichwohl den Eindruck eines solventen Unternehmens erweckten". Nach K. Schmidt (l982a), S. 061 ist ,.zahlungsunfähigkeit spätes Symptom einer unerkannten Überschuldung". Uhlenbruck (1977), S. 317 bemerkt: ,,Nicht selten wird die Zahlungsunfähigkeit dadurch beseitigt, daß eine Überschuldung herbeigeführt wird." Vgl. auch Weibel (1973), S. 180 ff., 283; Uhlenbruck (1980), S. 79; Drukarezyk (1986), S. 218; ders. (1987), S. 82; ders. (1994a), S. 1247 (.. Untersuchungen zur Erkennung insolvenzgefährdeter Betriebe zeigen [ ... J, daß die Verschuldungsgrade gefährdeter Unternehmen im Vorfeld der Insolvenz steigen.").
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B. Ausgangspunkt
sondern die dann nur von außen kommen können - angewiesen ist. Somit laufen bei fortbestehender Krisenursache der Bedarf an Zahlungsmitteln einerseits und andererseits die Fähigkeit, die dazu erforderliche Zahlungskraft zu erwirtschaften, scherenförmig auseinander. 239 Im Verlauf der Unternehmenskrise wird die Geschäftsführung immer mehr Vermögensgegenstände an einzelne Gläubiger zur Sicherheit übereignen oder abtreten (müssen). Das geschieht zum einen zur Kreditbeschaffung, zum anderen dazu, solche Gläubiger, die in einer für das Unternehmen existenzbedrohenden Weise auf Zahlung drängen, die aber mangels vorhandener Zahlungskraft gerade nicht befriedigt werden können, weiter hinzuhalten. 24o Auch hierbei kommt es für die Entscheidung der Geschäftsführung, welchen Gläubigern sie Sicherheit gewährt, darauf an, wie existenzbedrohend für das Unternehmen die mutmaßliche Folge im Falle einer nicht gewährten Sicherheit ist. Bei fortbestehender Krisenursache werden so nach und nach immer mehr Vermögensgegenstände zur Kreditsicherung eingesetzt. Dieser Befund wird gestützt durch die empirische Untersuchung von Drukarczyk/Duttle/Rieger241 , wonach bei solventen Unternehmen der Anteil des durch Sicherheiten belegten Vermögens - seIbst unter der Prämisse einer fünfzigprozentigen Übersicherungsmarge bei Bankkrediten - nur bei 59,2 Prozent liegt. Die immer wieder beklagte Hypertrophie der Sicherheiten242 ist also offenbar ein Spezifikum des insolventen Unternehmens. 243 Auch die regelmäßig bei Konkursverfahren eine Rolle spielenden Kollisionen von sowohl aufgrund Vorausabtretungsklauseln als auch aufgrund von Globalzessionen abgetretenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen dürften ihre Ursache in dem Bestreben der Geschäftsführung haben, die Gläubiger durch Sicherheitengewährung hinzuhalten. 244 Auf die beschriebene Weise ist es einem Unternehmen möglich, über längere Zeit hindurch den Eindruck zu erwecken, daß es liquide ist. 245 Tatsächlich aber 239 Groß (1988), Kap. 11 Rn. 170 (S. 75). Anschaulich auch die sehr ausführlichen Darlegungen zum Sachverhalt im Beschluß des öOGH vom 10. 12. 1992 (6 Ob 656/90), in: ZIP 1993, S. 1871 f. 240 Uhlenbruck (1977), S. 317; Hanisch (1977), S. 8, bemerkt, daß "Sicherungen die wirtschaftliche Insolvenzschwelle zu verschleiern in der Lage sind und den häufig unvermeidlichen Zusammenbruch insbesondere in Hinblick auf den Konkursgrund der Zahlungseinste\lung nur hinauszögern." Das ist in der Sache zutreffend, nicht hingegen in der Formulierung, denn Zahlungseinstellung ist gerade kein Insolvenzgrund. - Vgl. auch aus der älteren Literatur H. Lehmann (193\), Sp. 101. 241 DrukarczyklDuttlel Rieger (1984), S. 53 ff. und S. 108 (unter 7.). 242 Vgl. etwa Kilger (1975), S. 148; Drobnig (1976), S. F27; Hanisch (1977), S. 3; Uhlenbruck (l983a), S. 108. 243 Gessner I Rhode 1Strate I Ziegert (1977), S. 145 f. kommen zu dem Ergebnis, "daß alles, was unter den Massegegenständen wertvoll ist, als Sicherheit dient und aus- oder abgesondert werden muß, und alles was nur geringen Verkehrswert besitzt, zur Masse gezogen werden kann, diese aber nur unbedeutend bereichert." Vgl. auch aaO., S. 146 f. 244 Kilger (1975), S. 152; Meyer-Cording (1979), S. 2127.
H. Realien
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schrumpft - bei anhaltendem finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht - die freie Masse eines - unter der Prämisse fortbestehender Krisenursachen - nicht zu vermeidenden späteren Insolvenzverfahrens immer mehr zusammen?46 Wo es aber bereits an einer hinreichend großen freien Masse fehlt, kann die für ein Insolvenzverfahren erforderliche Liquidität dieser Masse247 - die ja gewissermaßen nur einen bestimmten Aggregatzustand des freien Vermögens darstellt - erst recht nicht vorhanden sein. Ist in der Phase ho her aufgestauter Zahlungsverpflichtungen bei gleichzeitig ungenügender Zahlungskraft auch nur ein Gläubiger nicht mehr bereit, noch länger still zu halten, sondern greift er stattdessen zu Vollstrekungsmaßnahmen, dann erleidet das Unternehmen den "finanziellen Kollaps,,248. Denn wenn das Unternehmen "unfähig wurde, die existenzbedingenden Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen,,249 bricht der betriebliche Leistungsvollzug zusammen. 250 Zwangsläufig stellt das Unternehmen seine Zahlungen ein. Kilger spricht von der "totalen Illiquidität", die dadurch gekennzeichnet sei, "daß dem Unternehmen keine Geldmittel und keine kurzfristig in Geld umsetzbaren Vermögenswerte zur Verfügung stehen,,251. Insoweit ist es also zutreffend, wenn unter Zahlungseinstellung allgemein 252 die den beteiligten Verkehrskreisen offenbar gewordene Nichterfüllung von Verbindlichkeiten durch den Schuldner verstanden wird. Denn wenn dem Schuldner ein Weiterwirtschaften nicht mehr möglich ist, läßt sich die Nichterfüllbarkeit der bestehenden Verbindlichkeiten nicht länger kaschieren. Allerdings sollte nach der vorangegangenen Beschreibung des "finanzwirtschaftIichen Erstickungsprozesses" 245 Kilger (1975), S. 151, berichtet insofern von praktischen Erfahrungen. Sehr anschaulich beschreibt Groß (1988), Kap. I Rn. 5 ff. (S. 4 f.), die symptomatischen Verhaltensweisen der Geschäftsführung im Zusammenhang mit Liquiditätsschwierigkeiten. Charakteristisch sei, daß "die Angst vor den Kreditgebern größer ist als vor dem Finanzamt". So würden in den Bilanzen sogar Scheingewinne ausgewiesen, um Geldgeber zu Kreditvergaben zu veranlassen und die dadurch ausgelösten Steuerzahlungen bewußt in Kauf genommen. Uhlenbruck (1977), S. 317, bemerkt, "daß die Kreditwürdigkeit vielfach durch geschickte Bilanzfälschungen ,künstlich' aufrechterhalten" wird. Daneben spielen in der finanziellen Krisensituation auch Finanzierungsmißbräuche, etwa durch Wechsel- und Scheckreiterei eine Rolle; eindrucksvoll hierzu die Abhandlung von Goldbeck (1955). 246 Kilger (1975), S. 151; Burger (1988), S. 118 ("schrittweise Selbstliquidation"); Oetker (1891), S. 180: "Der Schaden der Gläubiger ist erfahrungsgemäß um so größer, je länger es dem faktisch bereits insolventen Schuldner gelingt, den Schein der Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten." 247 Dazu oben unter B.I.3. a) - d). 248 So Borup, (1986), S. 1886. 249 Borup (1986), S. 1886. Oft handelt es sich hierbei auch um Lohn- oder Abgabenforderungen gegen den Schuldner. 250 Dies könnte der Grund dafür sein, weshalb der größte Teil aller insolventen Unternehmen bereits still gelegt ist, wenn der Insolvenzantrag erfolgt; vgl. Gessner / Rhode / Strate / Ziegen (1977), S. 185. 251 Kilger (1989), S. 498. Ebenso Wellensiek (1995), S. 545 f. 252 Vgl. die Nachweise oben unter B.I.4.a) in Fn. 131.
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B. Ausgangspunkt
deutlich geworden sein, daß die Zahlungseinstellung wirtschaftlich zugleich den Zeitpunkt markiert, von dem ab der Schuldner - oft seit langem - fallige Zahlungsverpflichtungen nicht mehr weiter aufschieben kann. Die aufgezeigten Zusammenhänge sind für das weitere Verständnis elementar; auf sie wird noch des öfteren zurückzukommen sein.
3. Möglichkeiten zur Finanzierung von Konkursverfahren
Wie die Überschrift zeigt, soll der Blick im folgenden zunächst nur auf die Insolvenzabwicklung nach altem Recht gerichtet werden. Dies ermöglicht es, die Änderungen, die sich aus der Einführung der InsO ergeben haben, später im Gesamtzusammenhang darzustellen. 253 Der im letzten Abschnitt beschriebene Ablauf des finanzwirtschaftlichen Erstikkungsprozesses ist in der Rechtswirklichkeit der Regelfall. Denn die Zahlungseinstellung nach § 102 II KO ist die "weitaus wichtigste,,254 Erscheinungsform der Zahlungsunfähigkeit, während der Überschuldungstatbestand in der Insolvenzpraxis nur eine ganz untergeordnete Rolle einnimmt 255 . Damit ist aber auch verständlich, weshalb dann, wenn es erst einmal zur Zahlungseinstellung gekommen ist, häufig 256 weder ausreichend Liquidität noch kurzfristig liquidierbares Vermögen, das nicht mit Aus- oder Absonderungsrechten belastetet ist, vorhanden ist257 , um ein infolge der Zahlungseinstellung beantragtes Konkursverfahren über die Hürde der (liquiditätsbedingten) Masselosigkeit hinweg zubringen. Daher erscheint es bei dem heutzutage ernormen Umfang der Masseverbindlichkeiten 258 beinahe erstaunlich, daß 1994 noch in immerhin 30,9 Prozent 259 aller GmbH-Insolvenzen soviel Liquidität vorhanden war, daß ein Insolvenzverfahren bis zur Schlußverteilung durchgeführt werden konnte. Dies dürfte vor allem auf zwei, im folgenden näher darzulegende Umstände zurückzuführen sein. Zum einen führt der "finanzielle Erstickungsprozeß" nicht unbedingt dazu, daß dann, wenn es zur Zahlungseinstellung kommt, überhaupt keine flüssigen Mittel mehr vorhanden sind. Da sich das Unternehmen bei bestehendem finanzwirtschaftDazu unter B.III.2. JaegerlWeber (1958/1959), § 102 Rn. 2. Nach RowedderlRowedder (1997), § 63 Rn. 3 rnanifestiert sich die Zahlungsunfähigkeit "in aller Regel" in der Zahlungseinstellung; ebenso Kilger I Schmidt (1993), § 102 Anm. 3. 255 HacherburglUlmer (1989/ 1992), § 63 Rn. 14 Fn. 27 m.w.N. 256 Vgl. HesselmannlStejan (1990), S. 87; ferner aus erfahrener Praktikersicht Kilger 1989), S. 498: "Unter dem geltenden Recht stellt sich (... )dem Sequester (... ) sofort und in voller Schärfe das Problern der totalen Illiquidität. 257 Zu dieser Voraussetzung für die Eröffnung eines Konkursverfahrens vgl. oben unter B.I.3.d). 258 Vgl. im einzelnen oben unter B.I.3.b). 259 Vgl. dazu oben unter B.II.l.a). 253
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II. Realien
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lichen Ungleichgewicht nämlich auf die existenznotwendigen Zahlungsverpflichtungen konzentrieren muß, muß es die für diese Auszahlungen benötigten Mittel etwa solche zur Bezahlung der monatlichen Löhne - ansparen. Dabei hängt es von der zeitlichen Abfolge der Einzahlungen ab, welchen Zeitraum das Unternehmen benötigt, um die erforderlichen Mittel anzusparen. So können Unternehmen, die statistisch gesehen - sicher mit bestimmten Einzahlungen rechnen können - wie etwa Kaufhäuser, Tankstellen oder Hotels - die Beträge für existenznotwendige Auszahlungen kurzfristiger ansparen als Unternehmen, die nur sporadisch Einzahlungen erhalten - wie etwa Bauunternehmen oder Ingenieurgesellschaften. 260 Wird das Sparziel für die Auszahlung einer existenznotwendigen Zahlungsverpflichtung nicht rechtzeitig erreicht und kommt es infolgedessen zum finanziellen Kollaps, so können die bereits angesparten liquiden Mittel gleichwohl für eine Konkurseröffnung hinreichen. Vor allem aber dürfte der Nichteintritt der Masselosigkeit trotz des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses auf die gängigerweise während einer Sequestration getroffenen Maßnahmen zurückzuführen sein. 261 Die Sequestration dient in der Praxis der Feststellung des Masseumfangs und dem Abbau von Masseverbindlichkeiten. 262 Dabei handelt es sich allerdings um eine "rechtliche Grauzone,,263. Denn entgegen dem Wortlaut des § 106 I 2 KO wird die Masse nicht nur gesichert, sondern unter Ausschluß der gesetzlich vorgesehenen Gläubigerselbstverwaltung und der gesetzlichen Garantien des Konkursverfahrens bereits verwertet und verwaltet. 264 So senkt etwa die Kündigung der Mietverträge über nicht benötigte Gegenstände oder der Arbeitsverträge mit entbehrlichem Personal die Masseschulden des § 59 I Nr. 2, 2. Alt. KO ganz erheblich. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist werden die Arbeitnehmer zwecks der Abarbeitung halbfertiger Aufträge weiterbeschäftigt. Ihr Arbeitsentgelt für die letzten drei der Konkurseröffnung vorausgehenden Monate erhalten sie dabei von der Bundesanstalt für Arbeit als Konkursausfallgeld nach § 141b AFG?65 Entgegen der bislang vorherrschenden Meinung, wonach zur Deckung der Arbeitsbezüge die Vorfinanzierung des Konkursausfallgeldes durch ein Kreditinstitut nur bei absehbarem Sanierungserfolg zulässig sein sollte 266 , ist nach dem jüngst ergangenen Urteil des BSG eine Vorfinanzierung nur Beispiele z.T. nach Borup (1986), S. 1887. Instruktiv und aus Praktikersicht Grub (1993), S. 393 f. 262 Hess (1995), § 106 Rn. 9; Kilger (1977), S. 201. 263 B. Kübler (1982), S. M53; vgl. auch Gottwald/Uhlenbruck (1990), § 14 Rn. 8 ff. m.w.N. Ausführlich Herbert (1989) und Kleiner (1993). 264 Henckel (1977), S. 177. 265 Der Regreßanspruch der Bundesanstalt für Arbeit nach § 141m I AFG, der an sich Masseschuldanspruch wäre, wird nach § 59 11 KO zur (bevorrechtigten) Konkursforderung heruntergestuft, die im Konkursverfahren meist zu großen Teilen ausfällt. Im Ergebnis wird das Konkursausfallgeld daher von den Arbeitgebern getragen, von denen es im Umlageverfahren erhoben wird, § 186b ff. AFG; vgl. Hess (1995), Anh I, § 141a AFG Rn. 14 ff. 266 Vgl. Hess (1995), Anh I, § 14Ik AFG Rn. 45 ff. und Rn. 60 ff.; Kilger (1989), S. 499; a.A. Grub (1993), S. 394. 260 261
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B. Ausgangspunkt
dann mißbräuchlich, "wenn sie einzelnen Gläubigem oder Gläubigergruppen einen Sondervorteil auf Kosten der Konkursausfall-Versicherung verschafft,,267. Weitere Maßnahmen zur Senkung der Masseverbindlichkeiten bestehen in der Fälligstellung von Umsatzsteueransprüchen vor Konkurseröffnung, etwa durch die Übergabe halbfertiger Bauten, die nicht fertiggestellt werden können, oder durch die Verwertung von Vermögensgegenständen, die den Gläubigem sicherungsübereignet sind. Der Umsatzsteueranspruch des Fiskus wandelt sich dadurch von einer Masseschuld bzw. Massekosten in eine bloß bevorrechtigte Konkursforderung (§ 61 I Nr. 2 KO)?68 Oftmals kann durch derartige Maßnahmen während des Konkurseröffnungsverfahrens die Eröffnung eines Konkurses überhaupt erst erreicht werden. In den Fällen, wo dies nicht gelingt regiert das Chaos. Es kommt zum Konkurs im ursprünglichen Wortsinn: die Gläubiger laufen zusammen und die rücksichtslosesten unter ihnen nehmen sich das, wovon sie meinen, daß es ihnen zusteht. 269 Unter diesen Umständen ist der nach der Abweisung des Konkursverfahrens mangels Masse rechtlich vorgezeichnete Weg einer Singularvollstreckung nicht nur theoretisch mit Steinen gepfiastert 270, sondern praktisch unmöglich.
IH. Insolvenzrechtsreform Die ernüchternde Beschreibung des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses und seiner Folgen verlangt an sich danach, in die Analyse der Funktionsschwäche des Insolvenzrechts einzutreten. Im Rahmen der in diesem Abschnitt zu leistenden Zustandsbeschreibung wäre dies jedoch noch verfrüht. Vor allem aber wäre mit einer bloßen Analyse der Funktionsschwäche nicht unbedingt eine konstruktive Kritik gewährleitstet. Denn die Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht korrelieren zwar mit den Ursachen für ein weitgehend funktionsloses Insolvenzrecht, doch ist die Benennung der Ursachen nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Entwicklung eines funktionstüchtigen Insolvenzrechts. Gleichwohl erscheint es in zweifacher Hinsicht sinnvoll, die in der Reformdiskussion vorgebrachten Gründe für das Versagen des Insolvenzrechts (unter 1.) kurz zu betrachten. So können die Kemgedanken in die spätere Untersuchung mit einfließen. Außerdem kann (unter 2.) die neugeschaffene Insolvenzordnung daraufhin überprüft werden, ob sie mit den Ursachen, die für das Versagen der Konkursordnung genannt werden, aufräumt. 267 BSG vom 22.3. 1995 (10 RAR 1/94), in: ZIP 1995, S. 935, 938; dazu der Runderlaß der Bundesanstalt für Arbeit vom 11.5. 1995 (lIla 5 -7141k-A), in: ZIP 1995, S. 1053. 268 Dazu und zu weiteren Möglichkeiten die Konkursmasse von Masseverbindlichkeiten zu entlasten Castendiek (1978), S. 12 ff.; Henckel (1977), S. 176 f.; Kilger (1975), S. 159. 269 Vgl. die Beschreibungen masseloser Konkurse aus Praktikersicht bei Castendiek (1978), S. 12 und Kilger (1975), S. 156 f.; ders. (1976), S. 190; Uhlenbruck (1977), S. 314; ferner Hanisch (1977), S. 3; F. Weber (1977), S. 354 f. 270 Dazu bereits oben B.1.3.e).
III. Insolvenzrechtsreform
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1. Bestandsaufnahme der Mängel nach bisherigem Recht
Der Umstand, daß beim Konkurs der GmbH in fast 70 Prozent aller Fälle überhaupt keine geordnete Schuldenabwicklung stattfindet und daß auch in den verbleibenden Fällen die Konkursgläubiger i. S. d. § 3 I KO, also diejenigen deretwegen das Konkursverfahren stattfindet, nur mit Minimalquoten befriedigt werden27 I , kann - logisch gesehen - zwei Gründe haben: entweder ist die beschlagnahmte Masse 272 (im Zeitpunkt der Begründetheitsprüfung über den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens) von vornherein zu gering oder die beschlagnahmte Masse ist mit zuvielen Verbindlichkeiten belastet. Beide Gesichtspunkte spielen in der Konkurswirklichkeit eine erhebliche Rolle, wobei beiderseits mehrere Ursachen mitwirken.
a) Dingliche Sicherungsrechte Für die geringe Werthaltigkeit der Konkursmassen ist als wohl bedeutsamste Ursache die Auszehrung des schuldnerischen Vermögens durch dingliche Sicherungsrechte zu nennen. 273 Sie führen zu Aus- und Absonderungsrechten, die unabhängig vom Konkursverfahren zu befriedigen sind (§ 43, 4 TI KO). Die mit solchen Rechten belegten Gegenstände fallen nicht in die freie Masse, stehen also weder für eine Deckung der "Kosten des Verfahrens" i. S. d. § 107 I I KO noch für eine Verteilung an die Konkursgläubiger zur Verfügung. Dies macht sich insbesondere bei den Mobiliarsicherheiten, also beim Eigentumsvorbehalt samt seinen Erweiterungs- und Verlängerungsformen, bei der Sicherungsübereignung und der Sicherungsabtretung, bemerkbar?74 Denn diesen Sicherungsrechten fehlt die Publizität, wodurch es weder ungesicherten Gläubigem noch gesicherten oder an Besicherung interessierten Gläubigem möglich ist, für ihre Kreditvergaben Beleihungsgrenzen zu erkennen und - im Falle einer bereits übermäßigen Belegung des schuldnerischen (Umlauf-)Vermögens mit Sicherungsrechten - auch zu beachten. 275 Die publizitätslosen Sicherungsrechte höhlen die Masse aber nicht nur durch ihre Bestellung, sondern auch durch die nicht unerheblichen Kosten für ihre AusHinsichtlich der Einzelheiten vgl. oben unter B.II.I.a). Zur zugrundeliegenden Begrifflichkeit oben unter B.I.2.d)aa). 273 So etwa Uhlenbruck (\ 983a), S. \08; Kilger (\ 975), S. 148 ff.; Drobnig (\ 976), S. 27 f. Die Untersuchung von Gessnerl RhodelStratelZiegert (\977) ergab, daß 93% aller am Konkursgericht tätigen Richter und Rechtspfleger den wichtigsten Grund für die Massearmut von Konkursen in der Aushöhlung der Konkursmasse durch die Sicherungsrechte der Geld- und Warenkreditgläubiger erblicken (aaO., S. 112); zur gleichen Einschätzung gelangten die befragten Konkursverwalter (aaO., S. 214). 274 Einen Überblick über die Herausgabe, Verwertung und Nutzung von Sicherungsgut nach geltendem Recht gibt Henckel (1984), S. 25 ff., 34 ff. m Nach Adams (1980), S. 31 läuft das geltende Konkursrecht auf eine Verteilung des Mobiliarvermögens nach dem freien Willen des Schuldners hinaus. 271
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B. Ausgangspunkt
und Absonderung aus,z76 Ferner werden gerade in der Unternehmensinsolvenz durch die - bei rechtsgeschäftlich bestellten Sicherungsrechten die Regel darstellende - Realisierung von Absonderungsrechten durch den Sicherungsnehmer (§ 127 11 KO) unter Umständen betriebsnotwendige Gegenstände der Konkursmasse entzogen. Soweit es infolgedessen unmöglich wird, Erlöse aus der Fertigstellung von Halbfabrikaten zur Masse zu ziehen, kann die Verwaltungsmasse 277 dadurch in hohem Ausmaß vennindert werden. 278
b) Masseverbindlichkeiten
Masseverbindlichkeiten werden zum Teil durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung geschaffen, beruhen zum Teil auf der gesetzlichen Regelung der konkursmäßigen Abwicklung von Dauerschuldverhältnissen und schließlich auf der Umqualifizierung von Konkursforderungen.
aa) Finanzgerichtliche Rechtsprechung Die publizitätslosen Sicherungsrechte führen nicht nur zur Aushöhlung der freien Massen, sondern auch zu Masseverbindlichkeiten. Sie resultieren aus den bei der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände entstehenden Umsatzsteuerforderungen, ohne daß dem ein Vorsteuerabzug gegenüberstünde. Denn nach der sog. Doppelumsatztheorie des BFH liegt sowohl in der Bestellung der Sicherheit, also in der Übereignung des Sicherungsgegenstandes an den Sicherungsnehmer, als auch in der Verwertung des Sicherungsgegenstandes durch den Sicherungsnehmer eine umsatzsteuerliche Lieferung, wobei jedoch beide Lieferungen erst im Zeitpunkt der Verwertung, also nach Konkurseröffnung erfolgen. 279 Überhaupt läßt sich die Rechtsprechung bei der Umsatzsteuer auf die Fonnel bringen, daß "alles was nach Konkurseröffnung passiert, ( ... ) zu Lasten der Masse (§ 58 Nr. 2 KO),,280 geht. Dies gilt für Verwertung von unbelasteten Gegenständen durch den Konkursverwalter, die Verwertung von belasteten Gegenständen durch den Konkursverwalter oder Sicherungsgläubiger, die Vorsteuerberichtigungsansprüche nach § 15a UStG oder § 17 UStG und die Verwertung von Immobilien nach Steueroption gern. § 9 UStG. 281 Eindrucksvoll die Beispiele von Kilger (1975), S. 148 ff. I.S.d. oben unter B.I.2.d)aa) gegebenen Definition. 278 Vgl. etwa Drobnig (1976), S. 86 f. m.w.N. 279 Näher hierzu sowie zur Rechtsentwicklung Onusseit (1994), S. 3 ff. Kritisch auch Wellensiek (1995), S. 546. 280 Onusseit (1994), S. 3. 28\ Zu den Einzelheiten vgl. Onusseit (1994), S. 3 ff.; Frotscher (1990), S. 201 ff. Ferner BFH-Urteil vom 24. 8. 1995, ZIP 1996, S. 465 f. 276
277
III. Insolvenzrechtsreform
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Auch sonst ist die finanzgerichtliche Rechtsprechung in der Bejahung von Masseverbindlichkeiten nicht kleinlich: So werden im Bereich der Körperschaftsteuer Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven ungeachtet der Tatsache, daß diese bereits vor Konkurseröffnung in dem betreffenden Wirtschaftsgut angelegt und damit nach § 3 I KO begründet sein können, als Masseverbindlichkeiten eingeordnet, weil der BFH konkursrechtswidrig auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, statt auf den der Bildung der stillen Reserven abstellt. 282 Bei der Gewerbesteuer können, obwohl dies nicht dem Sinn der gesetzlichen Regelung der Dauerschulden entspricht, Bankverbindlichkeiten den Charakter von Dauerschulden annehmen und dadurch die Gewerbesteuerbelastung erhöhen, wenn und weil ihre Befriedigung nur im Rahmen des Verteilungsverfahrens nach § 149 ff. KO erfolgen kann. 283 Die Gewerbesteuer zählt dann nach § 58 Nr. 2 KO zu den Masseverbindlichkeiten.
bb) Abwicklung von Dauerschuldverhältnissen Oben 284 wurde bereits auf die Belastung der Konkursmasse durch aufgezwungene Verbindlichkeiten vor allem aus Dienst- und Mietverhältnissen hingewiesen, die der Konkursverwalter nach § 59 I Nr. 2, 2. Alt. KO erfüllen muß?85 Dabei entlastet auch eine Freistellung von Arbeitnehmern die Konkursmasse nicht. Zwar erhält der Arbeitnehmer gern. § 117 IV AFG Arbeitslosengeld soweit er Arbeitsbezüge tatsächlich nicht erhält 286 , doch geht der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt in Höhe des gezahlten Arbeitslosenentgelts nach § 115 I SGB X auf die Bundesanstalt für Arbeit über. Die nicht durch Arbeitslosenentgelt gedeckten Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers sind ebenso wie die auf das Arbeitsamt übergegangenen Ansprüche Masseschulden nach § 59 I Nr. 2 KO?87 Die Freistellung der Arbeitnehmer löst also nur das Liquiditätsproblem, weil mit ihr ein Stundungseffekt hinsichtlich der Vergütungsansprüche verbunden ist. Doch hat sie, da die Ansprüche dem Grunde nach bestehen bleiben, den masseschmälernden Nachteil, daß die Arbeitskraft der freigestellten Arbeitnehmer nicht zur Verfügung steht, um etwa durch die Fertigstellung von Halbfabrikaten die Erlöse für eine Befriedigung 282 BFH vom 29. 3. 1984 - IV R 271/83, in: SStSt. 11 1984, S. 602,603 f. S.147I,1472;dagegenFrotscher(l990),S.143ff. 283 Frotscher (1990), S. 196 f. 284 Unter B.I.3.b).
= BB
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285 Dazu Häsemeyer (1992), S. 142,268 f.; Uhlenbruck (I983a), S. 109; Kilger (1975), S. 152 f., der die Bestimmung des § 59 I Nr. 2, 2. Alt. KO als .. trojanisches Pferd" bezeichnet. 286 Das AFG geht davon aus, daß das Beschäftigungsverhältnis vor dem Arbeitsverhältnis enden kann, mit der Folge, daß auch vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entstehen kann. Zu weiteren Einzelheiten s. GottwaldlHeinze (1990), § 101 Rn. 12 f. 287 BSG vom 22. 4. 1986- 10 RAr 7/85, in: ZIP 1986, S. 853, 854 f.
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B. Ausgangspunkt
dieser Ansprüche zu erwirtschaften. Der Konkursverwalter muß also im Falle der Freistellung, zu der er wegen der in der Insolvenz angespannten Liquiditätssituation oftmals gezwungen sein wird, aus der Masse eine Arbeitsvergütung entrichten, ohne daß dieser hierfür eine Gegenleistung zufließt. Als Exkurs ist noch auf eine ähnliche Situation bei den Ansprüchen aus Interessenausgleich und Sozialplan nach § 111, 112 BetrVG hinzuweisen. Zwar sind diese Ansprüche nach § 4 S. 1 SozPlG nicht als Masseschulden, sondern im (bevorzugten) Rang des § 61 I Nr. 1 KO zu befriedigen, soweit der Sozialplan nach Konkurseröffnung oder drei Monate vor Konkurseröffnung aufgestellt worden ist. Gleichwohl entziehen aber auch die Ansprüche aus Interessenausgleich und Sozialplan der Teilungsmasse Vermögen, ohne daß dieser hierfür eine Gegenleistung zukommt. cc) Umqualifizierung von Konkursforderungen Hinzu kommt, daß die Rechtsprechung von einer Ausdehnung des Masseschuldbegriffs allgemein nicht ganz frei ist, weil sie das Begründetsein i. S. d. § 3 I KO teilweise auf die Entstehung der Forderung, statt auf die Entstehung des Rechtsgrundes der Forderung bezieht. 288 Um das funktionelle Synallagma im Konkursverfahren zu wahren 289 , genügt es aber, daß der Schuldrechtsorganismus, aus dem sich die Anspruchgrundlage ergibt, "begründet", d. h. dem Grunde nach angelegt, ist?90 c) Verspätete Konkurseröffnung
Aus den Ausführungen zum finanzwirtschaftlichen Erstikungsprozeß 291 ergibt sich, daß die Frage einer ausreichenden Werthaltigkeit der Konkursmasse darüber hinaus insofern ein dynamisches Problem ist, als das Gesellschaftsvermögen bei fortbestehenden Krisenursachen ständig weiter zusammenschrumpft. Deshalb ist die rechtzeitige Konkurseröffnung von großer Bedeutung. Häufig werden Konkursanträge jedoch zu spät gestellt. 292 Aus der Untersuchung von Gessner/Rhode / Strate /Ziegert ergibt sich, daß ein Konkursverfahren eher durchgeführt werden kann, wenn der spätere Gemeinschuldner den Konkursantrag selber stellt, weil er dann hinreichend früh erfolgt. 293 Hiermit korrespondiert, daß 56,2 Prozent der 288 So etwa gegenwärtig die Rechtsprechung zum Urlaubsabgeltungsanspruch, vgl. BAG vom 18. 12. 1986-8 AZR 481/84, in: ZIP 1987, S. 798; BAG vom 15.5. 1987-8 AZR 506/85, in: ZIP 1987, S. 1266 f. 289 Dazu ausführlich Häsemeyer (1973), S. 2 ff. 290 Vgl. Kilgerl K. Schmidt (1993), § 3 Anm. 4 mit Nachweisen zur Rechtsprechung. 291 Dazu oben unter B.II.2.c). 292 Hamelbeck (1975), S. 1497; GessnerlRhodelStratelZiegert (1977), S. 130; Uhlenbruck (1983a), S. 101. 293 GessnerIRhodeIStrateIZiegert(l977), S. 126.
III. Insolvenzrechtsreform
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befragten Konkursverwalter das Konkursrisiko als zu gering erachteten und deshalb neben der Heraufsetzung des haftenden Mindestkapitals und der Einführung eines zentralen Schuldnerregisters für die Erweiterung des Antragsrechts plädieren?94 Denn der Gläubiger wird bei der VOn der Rechtsprechung zugrunde gelegten Definition der Zahlungsunfähigkeit kaum jemals in der Lage sein, den vom Schuldner vorgebrachten Einwand der bloßen Zahlungsunwilligkeit zu entkräften 295 ; noch seltener wird er eine Überschuldung darlegen können. Hinzu kommt, daß nach § 109 KO die sofortige Beschwerde gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags nur demjenigen zusteht, der den Eröffnungsantrag gestellt hat. Ist also der Antrag der Gemeinschuldnerin mangels Masse abgewiesen worden, so ist ein Gläubiger selbst dann nicht beschwerdeberechtigt, wenn ihm vom Konkursgericht nicht berücksichtigte Vermögenswerte - etwa Anhaltspunkte für Ansprüche gegen Gesellschaftsorgane - bekannt sind, die im Zuge der durch die Masselosigkeit bedingten Auflösung der GmbH praktisch nicht mehr realisiert werden können?96 Des weiteren wirkt sich für eine "Flucht in die Masselosigkeit" begünstigend aus, daß die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen zur Durchsetzung der Konkursantragspflicht wenig wirksam sind. Was die zivilrechtlichen Sanktionen angeht, stehen dem Gläubiger zwar eine Vielzahl von Anspruchsgrundlagen zur Verfügung und er kann darüber hinaus die Ansprüche der Gesellschaft pfänden und sich abtreten lassen 297 , doch wird er regelmäßig an der Darlegungs- und Beweislast scheitern. 298 Denn die Interna der Gesellschaft, um beispielsweise einen Schaden im Rahmen des Anspruchs wegen Konkursverschleppung nach § 64 TI GmbHG oder des Anspruchs wegen verspäteter AntragsteIlung nach § 64 I GmbHG LY.m. § 823 TI BGB substantiieren zu können, sind ihm nicht bekannt. Was die strafrechtlichen Sanktionen angeht, so geben zwar 68 Prozent der Konkursverwalter an, daß sie im Rahmen ihrer Tätigkeit regelmäßig oder zumindest gelegentlich Wirtschaftsdelikte aufdecken 299 , doch steht das im Gegensatz dazu, daß nach Einschätzung der Konkursverwalter die Staatsanwaltschaften selten oder nie aktiv werden 3OO • Auch hierfür dürften tatsächliche Schwierigkeiten ausschlagGessner / Rhode / Strate / Ziegert (1977), S. 229. Dazu näher unten unter D.I.I.g). 296 Dazu oben unter B.I.3.e). - Immerhin ist jedoch nach einem - inzwischen rechtskräftigen - Beschluß des Landgerichts München II vom 4. 11. 1996 (7 T 6168/96), ZIP 1996, S. 1952 f., die Beschwerde einer GmbH unzulässig, mit der diese bezweckt, daß die von ihrem Geschäftsführer beantragte Konkurseröffnung mangels Masse abgewiesen wird. 297 Vgl. den umfangreichen Überblick bei Uhlenbruck (1988), S. 381 ff. und die Aufzählung oben in B.I.3.c) 298 Skeptisch auch K. Schmidt (1986), S. 194. 299 Gessner/Rhode/Strate/Ziegert (1977), S. 225. - Vgl. auch den Bericht in der FAZ vom 10. 4. 1995, in dem der bekannte Insolvenzverwalter Wellensiek die kriminellen Auswüchse bei Insolvenzfällen beklagt, o. V. (1995a). 294
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gebend sein: Uhlenbruck weist auf das Unbehagen hin, daß den Juristen bei der Befassung mit betriebswirtschaftlichen Problemen regelmäßig befällt, und daß der unterlassene Konkursantrag von den Gerichten deshalb nur in ganz offenkundigen Fällen bewältigt wird. 301 Ferner fühlen sich die Konkursverwalter nicht als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft und informieren diese daher nur in eklatanten Fällen. 302 Die Staatsanwaltschaften ihrerseits sind personell zu schwach besetzt, um von sich aus Nachforschungen anstellen zu können. Das führt dann in der Praxis dazu, daß in den Fällen, in denen das Verfahren eröffnet wurde, der Konkursverwalter die Buchführungsunterlagen auswertet und im Rahmen der zeugenschaftlichen Einvernahme alle Hinweise vorträgt, die den Verdacht auf ein Konkursvergehen begründen können. Nachdem in der masselosen Insolvenz niemand da ist, der der Staatsanwaltschaft zuarbeiten könnte, besteht für die Geschäftsführer ein gewisser Anreiz den Konkursantrag erst dann zu stellen, wenn die Massearmut "sichergestellt" ist. 303
d) Leerlaufen des Anfechtungsrechts
Was die Mehrung der freien Masse durch Anfechtungen des Konkursverwalters angeht, so werden diese vor allem durch die schwierige Beweislage für den Konkursverwalter, fehlende liquide Mittel zur Durchführung von Anfechtungsprozessen und die zu kurzen Anfechtungsfristen erschwert oder verhindert. 304 Im einzelnen: Der Nachweis der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 KO ist schwer zu führen. 305 Ferner scheitert die Beschaffung der zur klageweisen Geltendmachung erforderlichen Mittel an einer kaum praktikablen Regelung der Prozeßkostenhilfe nach § 116 Nr. 1 ZPO. Denn wirtschaftlich beteiligt i. S. d. § 116 Nr. 1 ZPO sind nur diejenigen Gläubiger, die bei erfolgreichem Abschluß des konkreten Rechtsstreits wenigstens mit einer teilweisen Befriedigung aus der Masse rechnen können. 306 Damit bleiben alle diejenigen Gläubiger außer acht, die ohnehin vollständig befriedigt werden, sowie diejenigen, die wegen der 300 GessnerlRhodelStratelZiegert (1977), S. 226. - Zu den in der Praxis einschlägigen Delikten ausführlich Weyand (1997); ferner Richter (1984), S. 115 ff., 137 ff. 301 Uhlenbruck (1975), S. 899. 302 GessnerlRhodelStratelZiegert (1977), S. 226. Hinzu kommt, daß sich ein Insolvenzverwalter durch die Drohung, die Staatsanwaltschaft über Unregelmäßigkeiten zu informieren, ein Druckmittel erhält, um die Beteiligten zu Zugeständnissen zu bewegen, vgl. Jensen (1995), S. 52. 303 So aus Praktikersicht Binzl Hess (1987), S. 9. 304 Gessnerl RhodelStratelZiegert (1977), S. 215; Binzl Hess (1987), S. 8. 3O~ Allerdings hat der BGH mit seinem Urteil vom 15. 12. 1994 (BGHZ 128, S. 196 ff.) die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises im Falle des § 30 Nr. 2 KO erschwert, indem er die subjektiven Voraussetzungen, von denen die Kenntnis einer Begünstigungsabsicht abhängen soll, neu bestimmt hat. Kritisch dazu Niesert (1996), S. 805 ff. 306 Thomas I Putzo (1995), § 116 Rn. 1.
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konkursrechtlichen Verteilungsregeln auch bei einem Prozeßgewinn nichts erhielten. Der Konkursverwalter müßte die wirtschaftlich Beteiligten zunächst ermitteln, sie dann - wegen der Zumutbarkeitsprüfung nach § I 16 Nr. I ZPO - auffordern, die Kosten aufzubringen oder darzulegen, weshalb ihnen dies nicht zumutbar ist. 307 Dieses Verfahren ist so umständlich, daß es nicht selten unterbleibt. 308 Dies hat zur Folge, daß Insolvenzverwalter in masse armen Verfahren mit aussichtsreichen Anfechtungslagen von den potentiellen Anfechtungsgegnern regelrecht "ausgehungert" werden können. 309 Außerdem ist wegen der Komplexität der Sach- und Rechtslage, insbesondere hinsichtlich undurchsichtiger Sicherungsgeschäfte, die Jahresfrist des § 41 KO zu kurz bemessen. 310 Daneben leiden die Anfechtungsvorschriften noch unter einem grundlegenden Fehler: in allen Fällen des § 30 KO sind nur solche Handlungen anfechtbar, die nach der Zahlungseinstellung oder zehn Tage zuvor erfolgten. 311 Wie mit der Beschreibung des finanziellen Erstickungsprozesses gezeigt wurde 312 , tritt aber Zahlungseinstellung - wegen der Möglichkeit, Verbindlichkeiten aufzustauen - unter Umständen erst geraume Zeit nach dem Eintritt der Überschuldung ein. Damit ist eine ins Gewicht fallende Masseauffüllung hinsichtlich solcher das Gesellschaftsvermögen schmälernder Handlungen, die nach Eintritt der Überschuldung, aber vor der Zahlungseinstellung bzw. dem Beginn der Zehn-Tage-Frist geschahen, nicht möglich. 313 Die insoweit verbleibende Möglichkeit einer Absichtanfechtung nach § 31 Nr. 1 KO ist hingegen mit dem schwierigen Nachweis der Benachteiligungsabsicht belastet.
307 Ausnahmsweise kommt es nicht auf die Zumutbarkeit an, wenn der Prozeß, für den Prozeßkostenhilfe beantragt wird, hauptsächlich im Interesse dritter, nicht zum Vorschuß verpflichteter Gläubiger geführt wird; vgl. BGH ZIP 1995, S. 660, 661; OLG München ZIP 1996, S. 512, 513 m.w.N.; vertiefend Pape (1990), S. 1530 ff., 1533, der vorschlägt, auf das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlich Beteiligten zu verzichten. 308 Vgl. auch Henckel (1982), S. 397 m.w.N. 309 Uhlenbruck (1970), S. 90 berichtet von einem Fall, in dem der Insolvenzverwalter im Besitz eines vollstreckbaren Titels in Höhe von TOM 300 war und in dem der Vollstrekkungsschuldner im Hinblick auf die ihm bekannte Masseannut Vollstreckungsgegenklage erhob. Obwohl der Konkursverwalter bat, die Klage auf einen Teilbetrag zu reduzieren und sich verpflichtete, für den Fall des Unterliegens auch für den Restbetrag von einer Vollstreckung abzusehen, bestand der Schuldner auf dem vom Landgericht festgesetzten Streitwert von TOM 300, wohl wissend, daß der Verwalter dieses Kostenrisiko im Hinblick auf die Massearmut nicht eingehen konnte. 310 Näher Hanisch (1977), S. 22 m.w.N. 311 Zusätzlich stellt § 30 KO auf den Zeitpunkt des Eröffnungsantrages ab, doch folgt dieser, sofern nicht ausnahmsweise wegen Überschuldung Konkursantrag gestellt wurde, dem Zeitpunkt der Zahlungseinstellung regelmäßig nach, so daß er bei der folgenden Überlegung unberücksicht bleiben kann. 312 Oben unter B.II.2.c). 313 Dazu Hanisch (1982), S. 392.
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B. Ausgangspunkt
e) Praktikabilität
Bei alledem kann es nicht verwundern, daß die Massezulänglichkeit nicht immer einfach festzustellen ist, und daß deshalb in zahlreichen Fällen die Konkurseröffnung auch aus Unsicherheit über die Massezulänglichkeit unterbleibt. 314 In diesem Zusammenhang ist auch noch auf den Mangel an guten Insolvenzverwaltern hinzuweisen, der mit dem Problem einer sachgerechten Festlegung der Verwaltervergütung eng zusammenhängt. 315
2. Abhilfe durch die Insolvenzordnung?
Die genannten Schwächen bei der Konkursabwicklung veranlaßten den Gesetzgeber zu einer groß angelegten Reform des Insolvenzrechts. Als deren Ergebnis löste die am 5. Oktober 1994 ausgefertigte Insolvenzordnung (InsO) am 1. Januar 1999316 die bisherige Konkursordnung ab. Es ist daher der Frage nachzugehen, ob es zukünftig wieder in einer Mehrzahl der Fälle zu einer geordneten Schuldenabwicklung kommen wird.
a) InsolvenzeröJfnung
Ein wichtiger Aspekt für den Erfolg eines Insolvenzverfahrens ist seine rechtzeitige Eröffnung. Wie bisher bedarf es dazu der Feststellung des materiellen Konkurses im Eröffnungsverfahren, § 16 InsO. Bei der GmbH liegt ein solcher außer bei Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO) zukünftig auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) vor. Die Insolvenztatbestände wurden dabei sämtlich im Gesetz definiert. 317 Ob dies auch zweckentsprechend geschah, ist später noch im einzelnen zu untersuchen. 318
aa) Anreize zur Verfahrenseröffnung Der Gesetzgeber verfolgte das Ziel, Anreize zu einer rechtzeitigen AntragsteIlung zu schaffen. Solche sollen insbesondere von der Restschuldbefreiung (§ 286 ff. InsO), von den Regelungen zum Insolvenzplan (§ 217 ff. InsO) einschließlich des Rechts des Schuldners zur Planinitiative (§ 218 I InsO) und von der Möglichkeit Arnold (1977), S. 389 Fn. 53. Ebenso Uhlenbruck (1975), S. 902. Gessner/Rhode/Strate/Ziegert (1977), S. 217 f.; H. Schmidt (1970), S. 147 ff. 316 § 335 InsO (BGB\. 199411, S. 2866 ff.) i.Vrn. Art. 110 I EGInsO (BGB\. 199411, S. 2911 ff.). 317 Dazu bereits oben unter B.I.4.a) - cl. 318 Dazu unten unter D.LI. - 3. 314
315
III. Insolvenzrechtsrefonn
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einer Eigenverwaltung durch den bisherigen Geschäftsführer (§ 270 ff. InsO) ausgehen. 319 Der behauptete Anreiz einer Restschuldbefreiung läuft jedoch bei der GmbH leer, weil sie bereits per definitionem nur beschränkt haftet. Beim PIaninitiativrecht soll der Anreiz im Zusammenwirken mit dem Recht zur Eigenverwaltung liegen, da der Geschäftsführer bei ihr seinen Posten behalte. 32o Das setzt aber voraus, daß sich der Insolvenzantrag als Ausdruck der unternehmerischen Fähigkeiten des Geschäftsführers darstellt, die er dann im Rahmen des Planintiativrechts einbringt. Denn anderenfalls wird bei einem Fremdgeschäftsführer durch eine Insolvenz das Vertrauen der Gesellschafter in ihn regelmäßig so erschüttert sein, daß er Gefahr läuft, seinen Posten entsprechend dem Grundsatz der freien Abberufbarkeit gern. § 38 I GmbHG zu verlieren. Ein geschäftsführender Gesellschafter ist hingegen vom Vertrauen der Gläubigerversammlung abhängig, § 272 I Nr. 1 InsO. 321 Der Eigenantrag wird daher praktisch nur in den (wenigen) Fällen in Frage kommen, wo ein vom Geschäftsführer nicht zu vertretendes Ereignis zur Insolvenz der GmbH führt, also etwa ein Zahlungsausfall infolge höherer Gewalt oder eine unvorhersehbare Inanspruchnahme aus Produkt- oder Umwelthaftung.
bb) Übertragbarkeit der US-amerikanischen Regelung? Demgegenüber verweist Smid darauf, daß in den USA ein Vorgehen der Schuldner nach Chapter 11 Bankruptcy Code zwecks Reorganisation und Sanierung des Unternehmens "Teil des ökonomischen Kalküls vieler Schuldner ist,,322. Doch scheinen mir die insolvenz-, haftungs-, gesellschafts- und bilanzrechtlichen Verhältnisse der jeweiligen Rechtssysteme zu unterschiedlich zu sein, um die amerikanischen Beobachtungen ohne weiteres auf Deutschland übertragen zu können. 323 Im Rahmen dieser Arbeit kann hierauf im einzelnen nicht eingegangen werden. Es sei aber daran erinnert, daß etwa das amerikanische Insolvenzrecht keinen materiellen Konkurs kennt, es erheblich flexibler ist und dem Insolvenzrichter eine mit unseren Vorstellungen von der Bestimmtheit des Gesetzes nicht vereinbare Gestaltungsfreiheit gewährt. Auch ist das Haftungsrecht bei den Körperschaften nicht Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 86 unter ii). Die Gesetzesbegründung sieht hierin einen "erheblichen Anreiz für den Schuldner, rechtzeitig den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen", BT-Drs. 12/2443, S. 223 (linke Sp. oben). Jordan (1993), S. 106 ff. sieht den Vorteil der Eigenverwaltung darin, daß sie die geringsten Kosten verursache und daß die Unternehmensleitung das Unternehmen am besten kenne. 321 Skeptisch auch der Gravenbrucher Kreis. ein Zusammenschluß überregional tätiger Konkursverwalter. Ders. (1990), S. 477: "Der Schuldner (wird) als gescheiterter Unternehmer zur Abwicklung seiner eigenen Insolvenz regelmäßig untauglich sein". Vgl. auch Hesselmann/ Stefan (1990), S. 85 f. 322 Heilmann/ Smid (1994), § 2 Rn. 86. 323 Zurückhaltend auch der Gravenbrucher Kreis (1990). S. 477; Perker (1994), S. 153 u. S. 181 m.w.N. 319 320
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B. Ausgangspunkt
vergleichbar. Genannt sei nur der Haftungsdurchgriff (piercing the veil)324, die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der zehn Gesellschafter mit den größten Beteiligungen für nicht bezahlte Gehälter 325 oder die einhundertprozentige Strafsteuer mit der die zuständigen Officers einer Corporation belegt werden, wenn die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsgemäß abgeführt wird 326 . Im Bereich des Gesellschaftsrechts hat der Revised Model Business Corporation Act (R.M.B.C.A.) von 1984 das Par-value-Konzept bei der Ausgabe von (Kapital-)anteilen aufgegeben, so daß heute nennwertlose Anteile üblich sind. 327 Auch gibt es in den USA in den meisten Staaten für die Business Corporation kein gesetzlich vorgeschriebenes Mindestkapital. 328 Beides Vorstellungen, die unserem Rechtsdenken bei der Regelung der Kapitalaufbringung und -erhaltung zuwider laufen. 329 Schließlich ist auf einen wesentlichen Unterschied bei der Rechnungslegung im lahresabschluß hinzuweisen, der darin besteht, daß in einer eigenen Finanzierungsrechnung die Entwicklung der Fonds der liquiden Mittel darzustellen ist, wodurch den Gläubigem gute Einblicke in die Entwicklung der finanziellen Lage des Unternehmens möglich sind. 33o cc) Keine Gewährleistung der Verfahrenseröffnung Die Absicht durch entsprechende Anreize die rechtzeitige AntragsteIlung zu fördern, ist sicher sinnvoll, aber auch nur so wirksam, wie die möglichen Maßnahmen Dritter, die für den Fall drohen, daß von den Anreizen nicht freiwillig Gebrauch gemacht wird. 33l So geht denn auch die Aufzählung von Maßnahmen in der Gesetzesbegründung 332 , die eine rechtzeitige und leichtere Eröffnung von Insolvenzverfahren sicherstellen sollen, von der unausgesprochenen Prämisse aus, daß der Schuldner eröffnen will. 324 Vgl. zu dem Mißtrauen der Amerikaner gegenüber der ,,Personalität" der juristischen Person Merkt (1991), S. 216 f. m.w.N. 325 So in dem Recht von New York, einem bevorzugten Inkorporationsstaat, § 630 Business Corporation Law. Die Vorschrift gilt nur für Gesellschaften deren Anteile, wie die der GmbH, nicht frei auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können. Ähnlich auch § 180.40 (6) Wisconsin Statutes Annotated. 326 Vgl. § 6672 Internel Revenue Code (Bundessteuergesetzbuch). 327 Merkt (1991), S. 129 Rn. 135. 328 Merkt (1991), S. 128 Rn. 135 m.w.N. in Fn. 127, S. 192. 329 Dazu näher unten unter 0.11.1. 330 Vgl. Statement of Financial Accounting Standards (SFAS) No. 95 des Financial Accounting Standards Board (FASB). Zwar verlangt auch § 264 11 HGB die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Wahrend jedoch die Vermögens- und Ertragslage durch die Bilanz bzw. die Gewinn- und Verlust-Rechnung abgebildet werden können, schreibt der deutsche Gesetzgeber für die Darstellung der Finanzlage kein geeignetes Instrument vor. Näher Haller I Jakoby (1994), S. 641 ff. 331 Ebenso HesslGoetsch (1993), S. 19. 332 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 84 ff.
III. Insolvenzrechtsrefonn
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Hiervon auszugehen, schafft aber für diejenigen Schuldner, die, aus welchen Gründen auch immer, zur Stellung eines Insolvenzantrags weniger hoch motiviert sind, Gestaltungsspielräume, die deren Gläubigern leicht zum Nachteil gereichen können. 333 Auch die Verfahrenskostenhaftung der Geschäftsführer nach § 26 III InsO für vorgeschossene Verfahrenskosten stellt keine sinnvolle Sanktion gegen Konkursverschleppung dar: Für Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO kommt eine Vorschußleistung ohnehin nicht in Betracht, weil sie von der dadurch bewirkten Durchführung eines masseunzulänglichen Verfahrens nichts zu erwarten haben (vgl. § 209 I InsO). Altrnassegläubiger hingegen werden das trotz Beweislastumkehr erhebliche Prozeßkostenrisiko 334 zum einen gegen ihre Chance abwägen, in einem anfänglich masse losen Verfahren nach den Neurnassegläubigern überhaupt etwas zu erhalten und ferner mit der Quote, die sich aus dem nach Befriedigung der Neurnassegläubiger verbleibenden Rest im Wettbewerb zu den übrigen Altmassegläubigern ergibt 335 . Diese Abwägung dürfte regelmäßig gegen einen Verfahrenskostenvorschuß sprechen. 336
b) Verfahren bei Masseunzulänglichkeit
Die InsO gewährleistet, daß in den Fällen, in denen die Eröffnung des Verfahrens erst verhältnismäßig spät beantragt wird, es voraussichtlich öfter als bislang eröffnet werden kann und / oder seltener wieder eingestellt werden muß. Denn nach § 26 I InsO brauchen für die Verfahrenseröffnung nur noch die Verfahrenskosten gedeckt zU sein. 337 Dies sind gern. § 54 InsO die Gerichtskosten sowie die Vergütungen und Auslagen im Rahmen der Insolvenzverwaltung. Stellt sich während des Verfahrens heraus, daß die Insolvenzmasse (§ 35 InsO) nicht ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken, muß das Verfahren mangels Masse eingestellt werden, § 207 I InsO. In diesem Fall ist der Verwalter zU keiner weiteren Verwertung von Massegegenständen verpflichtet, § 207 III InsO. Anders ist es im Fall der Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO. Sie liegt vor, wenn zwar die Verfahrenskosten gedeckt sind, nicht aber die sonstigen Massever333 Das übersehen Burger/Sche/lberg (1995d), S. 574, wenn sie künftig frühzeitigere Auslösungen vennuten. Vgl. auch die Ausführungen zum finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß oben unter B.II.2.c) und - wie hier - Franke (I984b), S. 693. 334 Uhlenbruck (1989), S. 435; ders.(I994b), S. 175; ders. (I995a), S. 67. 335 Nach § 209 I 1. Hs. InsO sind gleichrangige Massegläubiger anteilig zu befriedigen. 336 Als kontraproduktiv hinsichtlich der rechtzeitigen Verfahrenseinleitung stuft der Gravenbrucher Kreis (1990), S. 477, die Verfahrenskostenhaftung ein, weil sie die Geschäftsführer dazu anhalte, bei Eintritt der Krise zunächst ihr Privatvennögen beiseite zu schaffen. Skeptisch auch K. Schmidt (1996), S. 220 f. 337 Die in § 30 I RegElnsO (BT-Drs. 12/2443) enthaltene Regelung, wonach die Verfahrenskosten sogar nur bis zum Berichtstermin (§ 29 I Nr. 1 InsO) gedeckt zu sein brauchten, wurde durch den Rechtsausschuß gestrichen, vgl. BT-Drs. 1217302, S. 158 zu § 30 Abs. 1.
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B. Ausgangspunkt
bindlichkeiten im Sinne von § 55 InsO. Zu diesen zählen die bislang in § 58 Nr. 2 KO geregelten Massekosten und die in § 59 I Nr. 1, 2 und 4 KO geregelten Masseschulden, wobei allerdings wegen § 103 I i.Y.m. 108 I 1 InsO oktroyierte Masseverbindlichkeiten nicht mehr aus Nutzungsverhältnissen über bewegliche Gegenstände erwachsen können?38 Neu ist nun, daß mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter an das Insolvenzgericht für die Befriedigung der Massegläubiger eine geänderte Rangfolge in Kraft tritt, § 209 I InsO: zuerst sind die Verfahrenskosten zu berichtigen, dann die Neurnasseverbindlichkeiten, d. h. diejenigen, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, und schließlich die übrigen Masseverbindlichkeiten. 339 Dadurch ist es dem Verwalter möglich, auch bei Masseunzulänglichkeit die Verwertung zum Abschluß zu bringen, ohne befürchten zu müssen, wegen einer bloß anteiligen Befriedigung der Neurnassegläubiger von diesen haftbar gemacht zu werden. Den Massegläubigern steht also künftig ein geregeltes Verfahren zur Schuldenabwicklung zur Verfügung. 340 c) Masseverbindlichkeiten
Im Gegensatz zu den Insolvenzgläubigern braucht es die Massegläubiger vor dem Hintergrund des eben gesagten nur in Maßen zu beunruhigen, daß der Umfang der Masseverbindlichkeiten unter der Geltung der InsO tendenziell eher zunehmen wird. So wurde zwar der bisherige Masseanspruch der Arbeitnehmer gern. § 59 I Nr. 3 KO gestrichen, war aber auch nicht allzu bedeutsam. Ferner sind die Sozialplanforderungen, die künftig Masseverbindlichkeiten sind (§ 123 11 1 InsO)341, bei Masseunzulänglichkeit auf Null zu kürzen, weil sie der Höhe nach begrenzt sind auf ein Drittel des Betrages, der ohne Sozialplan für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO zur Verfügung stünde, § 12311 2, 3 InsO. Diese an sich wünschenswerte Beschränkung der Masseverbindlichkeiten wird jedoch an anderer Stelle zunichte gemacht. Eine gewisse zusätzliche Massebelastung aus den Ausgaben für Sicherung und Erhaltung der Insolvenzmasse wird sich daraus ergeben, daß der Handlungsspielraum des Verwalters bis zur Weichenstellung über das Verfahrensziel im Berichtstermin eingeschränkt ist, da der Verwalter den Entscheidungen der Gläubigerver338 Einführend Tintelnot (1995), S. 620 ff; Eckert (1996), S. 897 ff. Speziell zu den Folgen, die sich hieraus für das Leasinggeschäft ergeben Obermüller / Livonius (1995a), S. 27 ff.; Seifert (1995), S. 11 ff.; lilhn (1995), S. 1597 ff., 1649 ff. 339 Damit ist der Rechtszustand wieder hergestellt worden wie er bis zum Urteil des BGH vom 15. 2.1984 (VIII ZR 213/82), in: BGHZ90, S. 145, 152 ff. bestand. 340 U.a. ist in § 209 II InsO die Verfahrensweise bei oktroyierten Masseverbindlichkeiten in der masseunzulänglichen Insolvenz geregelt. § 90 InsO schützt das masseunzulängliche Verfahren durch ein Vollstrekungsverbot. 341 Aus rechtsdogmatischen Gründen zu Recht ablehnend Häsemeyer (1982b), S. 540.
III. Insolvenzrechtsreform
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sammlung nicht vorgreifen darf (argurnenturn ex § 157 InsO)?42 So kann er etwa von sich aus den Betrieb der GmbH nur dann ohne weiteres stillegen, wenn dadurch eine erhebliche Verminderung der Insolvenzmasse verhindert wird (§ 158 11 2 InsO). Ferner kann sich wegen der erwähnten Ausgaben eine Massebelastung aus einem Verwertungs- und Verteilungsstopp bei Vorlage eines Insolvenzplans ergeben, da die Verwertung und Verteilung des schuldnerischen Vermögens nach dessen Vorlage nur dann ausgesetzt wird, soweit anderenfalls erhebliche Nachteile für die Masse zu erwarten sind (§ 233 S. 2 InsO). Als erheblicher Nachteil soll dabei etwa geiten, wenn die günstige Veräußerung des Unternehmens scheitern würde. 343 Eine bloße Massebelastung wäre also wohl unerheblich. Auch sonst vermag die Vorlage eines Insolvenzplans die Masseverbindlichkeiten zu steigern, da der Status quo ante bis zum Beschluß über den Insolvenzplan beizubehalten ist (§ 233 S. 1 InsO). Der Beschluß kann aber frühestens im Prüfungstermin ge faßt werden (§ 236 InsO), was einige Zeit dauern kann. 344 Vor allem aber wird es künftig nicht mehr möglich sein, Masseverbindlichkeiten während der Sequestrationsphase in Konkursforderungen umzuqualifizieren 345 , da vom vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten nach Insolvenzeröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten, § 55 11 InsO. 346 Dies betrifft insbesondere die meist erheblichen Umsatzsteuerforderungen des Finanzamtes aus der Verwertung von Sicherungsgut. 347 Nur nebenbei soll noch auf die Masseverbind342 Vgl. UhlenbrucklBrandenburglGrublScluJaf/Wellensiek (1992), S. 1736; diesen folgend HesslGoetsch (1993), S. 47. - Nur nebenbei sei darauf hingewiesen, daß dies auch eine schnelle übertragende Sanierung, die oft die einzig sinnvolle Verwertungsmöglichkeit darstellt, vereiteln kann, da das Insolvenzgericht die Veräußerung - u. a. auf Antrag des Schuldners - vorläufig untersagen kann, § 161, 160 n Nr. 1 InsO. Ob die Gerichte dazu in der Lage sind, diese rein wirtschaftliche Abwägungsentscheidung immer sachgerecht auszuüben, z. B. die mutwillige Verzögerung einer Veräußerung zu durchschauen, erscheint fraglich; vgl. Gravenbrucher Kreis (1990), S. 477. 343 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 12/2443, S. 205 zu § 277. 344 Je nach verfahrensrechtlicher Konstellation kann der Prüfungstermin - samt Abstimmungstermin - frühestens eine Woche (§ 29 I Nr. 2 InsO) nach Niederlegung des Plans (§ 234 InsO) abgehalten werden, wenn nämlich die Anmeldefrist (§ 28 I InsO) schon abgelaufen ist und der Prüfungstermin mit kürzest zulässiger Frist terminiert wurde, oder aber auch erst in knapp fünf Monaten, nämlich dann, wenn das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluß die zulässigen Fristen für die Anmeldung und den Prüfungstermin voll ausgeschöpft hat und die Vorlage des Insolvenzplans erst kurz darauf erfolgt. Insbesondere bei obstruierenden PIanvorlagen durch den Schuldner ist zu hoffen, daß die Gerichte hierin einen Fall des § 232 I Nr. 2 InsO erkennen und den Plan wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit zurückweisen. 345 Vgl. dazu oben unter B.n.3. 346 An sich bezweckt § 55 n InsO die erleichterte Aufnahme von Neukrediten im Eröffnungsverfahren, um Liquidität für eine Sanierung zu erhalten; vgl. Uhlenbruck (1992), S. 284 f. 347 So die Gesetzesbegrundung in BT-Drs. 12/2443, S. 126 zu § 64. Zustimmend hinsichtlich der zu erwartenden Massebelastung Uhlenbruck (I994b), S. 180. Der Gravenbrucher Kreis (1990), S. 479 spricht insofern von einerm "Superprivileg" des Fiskus, daß sehr viel schwerer wiege als das bisherige Fiskurs-Vorrecht nach § 61 I Nr. 2 KO.
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B. Ausgangspunkt
lichkeiten hingewiesen werden, die aus der erweiterten Ersatzaussonderung nach § 48 InsO resultieren können. 348
d) Fortführungserleichterungen Die Durchführung eines Verfahrens bei Masseunzulänglichkeit dient zunächst einmal nicht den Insolvenzgläubigern, sondern den Massegläubigern. Nur wenn es im Zuge der Durchführung eines masseunzulänglichen Verfahrens gelingt, den Wert der Verwaltungsmasse über dasjenige Maß hinaus zu mehren, das durch die Forderungen der Massegläubiger absorbiert wird, nur wenn also aus dem masseunzulänglichen ein massehaltiges Verfahren wird, vennag das Insolvenzverfahren sein eigentliches Ziel, nämlich die - künftig gleichberechtigte 349 - Befriedigung aBer Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO zu erreichen. 35o Eine wichtige Methode der Massemehrung besteht in der Fortführung des Unternehmens. Gelingt es dem Insolvenzverwalter, den Betrieb bis zum Berichtstennin fortzuführen, ohne daß sich jener bis dahin in seine von Sicherungsrechten belegten Bestandteile auflöst, so wirkt sich das Zusammenhalten von Sachgesamtheiten günstig auf die Höhe des Verwertungserlöses aus?51 Daneben kann es sein, daß im Rahmen einer Fortführung bislang unbekanntes Schuldnervennögen ennittelt wird. Die Chancen für eine Fortführung verbessern sich unter der InsO. Die absonderungsberechtigten Gläubiger sind bis zum Berichtstennin, der regelmäßig bis zu sechs Wochen, höchstens aber bis zu drei Monaten nach dem Tag des Eröffnungsbeschlusses liegen darf, an der Verwertung ihrer Sicherungsgegenstände gehindert (argumentum ex § 159, 166, 172 InsO).352 Ebenso ist beim einfachen Eigentumsvorbehalt das Aussonderungsrecht des Verkäufers de facto suspendiert, weil der Insolvenzverwalter sich erst nach dem Berichtstennin darüber zu erklären braucht, ob er den Gegenstand behalten will, § 107 11 InsO. Positiv wirkt sich neben der Privilegierung eventueBer Massedarlehen nach § 55 11 InsO auch die Kündigungssperre nach § 112 InsO aus. Dabei ist aBerdings einschränkend anzumerken, daß eine Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter, sei es zwecks Sanierung der GmbH oder zwecks Übertragung des Geschäftsbetriebs auf einen neuen Rechtsträger, nur dann in Betracht kommen kann, wenn hierfür auch die ökonomischen Voraussetzungen gege348 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses in BT-Drs. 1217302, S. 160 Nr. 30 (zu § 55 RegEInsO). - Rechtsdogmatische Bedenken bei Häsemeyer (1982b), S. 535. 349 Die allgemeinen Konkursvorrechte des § 61 I Nr. 1-5 KO wurden beseitigt. Dazu BTDrs. 12/2443, S. 90 unter d). 350 Smid (1992), S. 504 spricht zu Recht davon, daß dies der "primäre Maßstab für die Vernünftigkeit und Angemessenheit aller Zielsetzungen des Gesetzgebers" ist. 351 Näher hierzu unten unter C.I.2.d). 352 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 12/2443, S. 87 unter ce).
III. Insolvenzrechtsrefonn
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ben sind. Dazu bedarf es zum einen eines Sanierungskonzeptes aus dem sich ergibt, wie die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verbessert werden kann und welche Absatzchancen künftig bestehen. Zum anderen müssen Dritte bereit sein, die regelmäßig nicht vorhandenen finanziellen Mittel für eine vorläufige Fortführung, etwa als Massedarlehen, aufzubringen, damit das Sanierungskonzept umgesetzt werden kann. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, hat die - nach neuem Recht den Regelfall darstellende - Fortführung bis zum Berichtstermin wegen der Ausgaben für Sicherung und Erhaltung der Insolvenzmasse keinen masseanreichernden, sondern einen massebelastenden Charakter.
e) Massemehrung durch InsolvenzanJechtung
Neben der Fortführung des Unternehmens kann sich im Rahmen der Insolvenzanfechtung eine Massemehrung ergeben. Der Gesetzgeber erwartet insofern eine "beträchtliche Anreicherung der Insolvenmassen,,353. Meines Erachtens sind aber trotz der Verschärfung des Anfechtungsrechts Vorbehalte angebracht. Zwar wurde die zu kurze Anfechtungsfrist nach § 41 I 1 KO auf zwei Jahre verlängert, § 146 InsO. Auch mag es sein, daß sich das Problem der fehlenden Mittel zur Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs, vor dem Hintergrund der im masseunzulänglichen Verfahren vorrangig zu befriedigenden Verfahrenskosten (§ 209 I Nr. 1 InsO), künftig nicht mehr stellt, obgleich die Vorschrift über die Prozeßkostenhilfe nicht geändert wurde. 354 Es bleiben aber genügend Schwachstellen, die eine signifikant masseanreichernde Wirkung des Anfechtungsrechts verhindern werden.
aa) Beweisschwierigkeiten Das Anfechtungsrecht wird auch künftig unter erheblichen Beweisschwierigkeiten leiden. Das beruht darauf, daß der Insolvenzverwalter subjektive Tatbestandsmerkmale auf seiten des Anfechtungsgegners nachweisen muß. 355 Dies betrifft zum einen die Anfechtung wegen kongruenter Deckung (§ 130 InsO). Entgegen § 145 I RegElnsO, der beim subjektiven Tatbestand den Nachweis der grob fahrlässigen Unkenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag genügen lassen wollte, ist es nach § 130 11 InsO stattdessen erforderlich, dem Anfechtungsgegner zumindest die Kenntnis von Umständen nachzuweisen, die zwin353 So die Begründung in BT-Drs. 12/2443, S. 85 unter gg). Ebenso sieht Gerhardt (1985), S. 582, den Ausbau und die Verschärfung des Anfechtungsrechts als das geeignete Mittel zur "Verhinderung der Masseannut" an. 354 A.A. Gravenbrucher Kreis (1990), S. 477. 355 Zu Recht weist Henckel (1982), S. 393 f. allerdings auf rechtssystematische Bedenken gegen eine vollständige Abschaffung subjektiver Anfechtungsvoraussetzungen hin.
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B. Ausgangspunkt
gend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Es wird aber nur selten gelingen, den Nachweis zu führen, daß die Umstände wirklich zwingend, also so waren, daß sie keinen anderen Schluß zuließen und daß der Schuldner diese Umstände dann auch noch kannte. Gleiches gilt für die Anfechtung nach § 132 InsO wegen unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen. Beweisschwierigkeiten werden auch bei der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung gemäß § 148 I InsO, der bisherigen Absichtsanfechtung nach § 31 Nr. 1 KO, weiterhin eine Rolle spielen: während der Benachteiligungsvorsatz des Gemeinschuldners schon nicht ganz einfach nachzuweisen ist, wird es wohl nur in seltenen Fällen gelingen, dem Anfechtungsgegner im Zeitpunkt der Vollendung der Rechtshandlung die Kenntnis (!) von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sowie von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung dieser Rechtshandlung nachzuweisen.
bb) Darlegungsschwierigkeiten Unabhängig von den besonderen Schwierigkeiten des Nachweises subjektiver Tatbestandsmerkmale 356 , stellt sich für den Verwalter bei allen Anfechtungstatbeständen das Problem der Informationsbeschaffung, um die anfechtungsrelevanten Tatsachen darlegen zu können. Anhaltspunkte ergeben sich insoweit vor allem aus den Geschäftsunterlagen und einer Sichtung der Eingangspost. Hinsichtlich der Geschäftsunterlagen setzt dies allerdings voraus, daß die Buchführung ordnungsgemäß, insbesondere so beschaffen ist, daß sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann (§ 238 I 2 HGB). Die Buchführung liegt jedoch, soweit nicht sogar vorsätzlich Akten beiseite geschafft wurden, bei insolventen Unternehmen regelmäßig im argen, wodurch die Informationsbeschaffung - nicht nur hinsichtlich anfechtungsrelevanter Vorgänge - erheblich erschwert wird. Soweit sich bislang Anhaltspunkte für eine Anfechtungslage aus einer Sichtung der Eingangspost ergaben, ist deren Kontrolle durch die Insolvenzrechtsreform erschwert worden. 357 Die vom Gesetzgeber vorgesehenen Auskunftsansprüche haben dagegen nur einen begrenzten praktischen Nutzen. Sie bestehen nur gegenüber organschaftlichen Vertretern und Angestellten der GmbH, § 97, 98, 101 InsO. Derartige Auskünfte, insbesondere die der vormaligen Geschäftsführer, sind meist sehr vage, nicht zu356 Diese entfallen bei den objektiv gefaßten Tatbeständen der Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung nach § 134 InsO (entspricht der Schenkungsanfechtung nach § 32 KO) und der Anfechtung wegen kapitalersetzender Darlehen nach § 135 InsO. Diese Vorschrift ersetzt § 32a KO, der in der Praxis jedoch kaum Bedeutung hat, weil er gegenüber § 31 GmbHG nahezu in jeder Hinsicht schwächer ist; vgI. Kilger / K. Schmidt (1993), § 32a Anm.5. 357 VgI. Uhlenbruck (l994b), S. 177, der wegen der künftig erforderlichen Anhörung des Schuldners nach § 99 I 2 InsO die praktische Ineffizienz der Postsperre befürchtet.
III. Insolvenzrechtsrefonn
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letzt wohl wegen der Sorge, selbst in Haftungslagen verstrickt zu werden. 358 Anhaltspunkte für eine Anfechtungslage ergeben sich daraus nur selten. Das liegt daran, daß der Insolvenzverwalter nur hinsichtlich solcher Umstände Auskünfte verlangen kann, von denen er zumindest ansatzweise bereits weiß. Solche Ansätze können sich aus Auskünften dritter Personen ergeben, denen gegenüber der Insolvenzverwalter einen bestimmten Verdacht hat, daß sie etwas in anfechtbarer Weise erlangt haben. Allerdings besteht gegen dritte Personen kein klagbarer Auskunftsanspruch. 359 Da hat es auch nur einen begrenzten Nutzen, daß für den Insolvenzverwalter die Beweissituation in den Fällen einfacher wird, in denen sich die Anfechtung gegennahestehende Personen i. S. d. § 138 InsO richtet. 360
cc) Kein wirksamer Schutz vor finanzwirtschaftlichem Erstickungsprozeß Das Hauptmanko besteht aber darin, daß die Insolvenzanfechtung die Gläubiger nicht wirksam vor den Masseauszehrungen infolge des finanzwirtschaftlichen Erstikungsprozesses 361 zu schützen vermag. Denn zum einen sind die wirtschaftlich maßgebenden Tatsachen nicht adäquat in juristische Tatbestände umgesetzt und zum anderen ist die Wirkung der einschlägigen Rechtsnormen auf die Kalküle und Handlungsweisen der Normadressaten nicht hinreichend berücksichtigt. Ohne im Rahmen der Beschreibung der Ausgangssituation bereits den Lösungsansatz vorwegzunehmen, soll dies anhand der praktisch wichtigen Anfechtung wegen kongruenter bzw. inkongruenter Deckung (§ 130, 131 InsO) erläutert werden. ( 1) Zweckverfehlung
Der Zweck der genannten Anfechtungstatbestände soll die Durchsetzung der Gläubigergleichbehandlung ab dem Zeitpunkt des Eintritts des materiellen Konkurses sein, indem anfechtbar erworbene Gegenstände wieder der Konkursmasse zugeführt werden, um so die Haftungsmasse anzureichern. 362 Es müßten mithin alle Masseminderungen in eine Anfechtung einbezogen werden, die ab dem Zeitpunkt des Eintritts des materiellen Konkurses, also regelmäßig der Überschuldung, dazu führen, daß eine bestehende Überschuldung weiter zunimmt. 363 Dies ist nicht m Die praktische Wirksamkeit von § 97 I 2 InsO muß daher trotz § 97 I 3 InsO bezweifelt werden; a.A. Val/ender (1996), S. 534. 359 Vgl. MohrbutterlMohrbutter (1990), Rn. 553 m.w.N.; HeilmannlSmid (1994), § 10 Rn. 35. 360 Dies betrifft die Fälle der Anfechtung nach § 130, 132 (vgl. dort jeweils Abs. 3) und nach 14811 InsO. 361 Dazu oben unter B.II.2.c). 362 So die h.M., vgl. nur Jaeger I Henckel (1977/1990), § 30 Rn. I f. und Rn. 190, GerhardtlMerz (1990), S. 103 f., jeweils m.w.N. Mit überzeugenden Gründen a.A. Häsemeyer (I 982b), S. 536 et passim. 363 So bereits Jaeger (1931), § 30 Anm. 12.
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B. Ausgangspunkt
der Fall. Vielmehr stecken beide Anfechtungstatbestände einen festen Zeithorizont von jeweils höchstens drei Monaten vor Stellung des Eröffnungsantrages ab. 364 Je nach dem Kredit über den eine bereits überschuldete Gesellschaft verfügt, kann diese bei zunehmender Überschuldung unter Umständen noch lange zahlungsfahig bleiben 365 , so daß der Anfechtungszeitraum häufig nicht den gesamten Zeitraum ab Eintritt der Überschuldung erfassen wird. Dadurch wird aber von vornherein nur ein Teil der Masseminderungen, die ab dem Zeitpunkt der Überschuldung eingetreten sind, erfaßt. 366 Wahrend man dieses Manko mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit der von einer Anfechtung betroffenen Gläubiger vielleicht noch hinnehmen mag, so ist jedoch die zukünftig unter Umständen eintretende Rechtsfolge, die daher rührt, daß der Gesetzgeber die Anfechtung - wie bisher - u. a. von einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger abhängig gemacht hat, vollends unverständlich. Wenn nämlich im masseunzulänglichen Verfahren die Masseanreicherung infolge einer beabsichtigten Anfechtung ausschließlich zu einer verbesserten Befriedigung der Massegläubiger führen sollte, die Insolvenzgläubiger also unbefriedigt blieben, so fehlt es nach dem Wortlaut von § 129 InsO an einer die Insolvenzgläubiger i.S.v. § 38 InsO benachteiligenden Rechtshandlung. 367 Die Anfechtung wäre ausgeschlossen. 368 Mit anderen Worten bringt die Insolvenzanfechtung den Insolvenzgläubigern unter der - nicht unwahrscheinlichen - Prämisse eines masseunzulänglichen Verfahrens nur dann etwas, wenn eine einzelne Anfechtungslage dazu führt, daß mindestens soviel Geld in die Kasse des Insolvenzverwalters kommt, daß die Masseunzulänglichkeit damit behoben wird. Es bleibt zu hoffen, daß diese Fehlleistung des Gesetzgebers durch die Rechtsprechung korrigiert wird.
364 Gleiches gilt für die Monatsfrist des § 88 InsO bei der Unwirksamkeit vorinsolvenzlicher Vollstreckungen. Allerdings stellt die Ipso-iure-Unwirksamkeit gegenüber der anderenfalls erforderlichen Anfechtung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eine begrüßenswerte Verfahrenserleichterung dar. 365 Vgl. oben unter B.II.2.c) und Henckel (1982), S. 392. 366 Noch weitergehend meint Kölsch (1988), S. 344, daß feste Fristen bei der Insolvenzanfechtung zu einer Verschleppung des Insolvenzantrags führen. Vgl. auch Kommission für Rechnungswesen (1981), S. 214. 367 Häsemeyer (I 982b), S. 541. 368 Fraglich ist, ob das auch dann gilt, wenn die Summe aller Masseanreicherungen aus mehreren Anfechtungslagen aus einem masseunzulänglichen ein massehaltiges Verfahren machen würde. Denn an sich ist jede anfechtbare Rechtshandlung eigenständig zu beurteilen. Anders wäre es nur bei einer entsprechenden Prozeßverbindung nach § 147 ZPO, was allerdings voraussetzt, daß - zufällig! - jeweils dasselbe Gericht zuständig ist. Selbst wenn das der Fall sein sollte, so bestehen doch fast unüberwindliche praktische Probleme: der Insolvenzverwalter hätte vorab umfangreiche Feststellungen zu treffen und ein erhöhtes Prozeßrisiko zu tragen.
III. Insolvenzrechtsrefonn
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(2) Mißachtung wirtschaftlicher Kalküle
Was die mangelnde Berücksichtigung der Wirkungen von Rechtsnormen auf die Kalküle und Handlungsweisen der Normadressaten angeht, so hat Drukarcz::yk zu Recht auf die fehlende Abschreckungswirkung der Anfechtungsnormen wegen kongruenter bzw. inkongruenter Deckung gegenüber Gläubigem hingewiesen, die bereit sind, sich in potentiell anfechtbarer Weise Sicherung oder Befriedigung ihrer Forderung zu verschaffen. 369 Sie riskieren in diesem Fall - neben der Verpflichtung zur Herausgabe - die Gerichtskosten und die unter Umständen verkürzte Konkursquote auf Ausfalle, wenn die eigenen Zugriffe bessere Verwertungsoptionen verkürzt haben sollten. Dieses Risiko ist vor dem Hintergrund der Chance, daß die erlangte Deckung den Anfechtungszeitraum überdauert und daß eine Anfechtung an Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten scheitert, nicht allzu hoch. Für einen sich wirtschaftlich sinnvoll verhaltenden Gläubiger, kann es also geradezu geboten sein, seine Forderung in anfechtbarer Weise zu decken.
f) Einbeziehung gesicherter Gläubiger Ob es für die Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO zu einer geordneten Schuldenabwicklung kommt, hängt aber nicht nur von der Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens ab, sondern auch davon, in welchem Ausmaß die insolvente GmbH hinsichtlich der Gegenstände, die die Verwaltungsmasse bilden, Eigen- oder Fremdbesitzerin ist. Je höher der Anteil des Fremdbesitzes, je mehr also aus- und abgesondert werden muß, desto geringer wird die Chance der Insolvenzgläubiger nach Befriedigung der Massegläubiger auch noch etwas zu erhalten. Trotzdem hat der Gesetzgeber der InsO die Vorwegverteilung von Vermögensgegenständen des Schuldners im Rahmen von Sicherungsverträgen nicht beschnitten 3?O, obwohl ihm bekannt war, "daß rund vier Fünftel des bei insolventen Schuldnern vorgefundenen und betrieblich genutzten Vermögens mit Aus- und Absonderungsrechten Dritter belastet sind,,3?1. Die Einbeziehung der gesicherten Gläubiger beschränkt sich nach der InsO auf den - bereits genannten - vorübergehenden Verwertungs stopp und auf einen - angeblichen 372 - Beitrag zu den Kosten der Feststellung und Verwertung des Sicherungsgutes (§ 170, 171 InsO). Dieser Beitrag wird aber zu keiner dauerhaften Effizienzsteigerung des Insolvenzverfahrens führen, denn die Sicherungsgläubiger können den Kostenbeitrag vertraglich in die Sicherungsabrede mit einbeziehen. 3?3 Das gilt auch für die nach § 171 11 3 InsO an sich vom SicherungsDrukarczyk (1987), S. 234 m.w.N. Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 84 unter b). Einzige Ausnahme ist das Verbot des Konzernvorbehalts in § 455 II BGB (vgl. Art. 33 Nr. 17 EGInsO). 371 So die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 12/2443, S. 86 unter c)aa). 372 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 86 unter c)aa) und S. 89 unter ee). 369
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B. Ausgangspunkt
gläubiger zu tragende Umsatzsteuer aus der Verwertung des Sicherungsgutes. Infolgedessen werden die Aus- und Absonderungsrechte im Umfang weiter zunehmen. Nachdem die Kosten der Feststellung und Verwertung auch bislang schon aus der freien Masse entrichtet werden mußten, ist von den genannten Regelungen also nur solange eine Entlastung zu erwarten bis sich die Formularpraxis bei der Sicherheitenbestellung auf die neue Rechtslage eingestellt hat. 374
g) Zwischenergebnis
Damit kann abschließend festgestellt werden, daß mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung zwar die Abwicklung masseunzulänglicher Insolvenzen praktikabel geregelt ist, daß aber die Masseverbindlichkeiten tendenziell zunehmen werden, daß wirksame Maßnahmen zur Masseanreicherung fehlen, und daß die rechtzeitige Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht sichergestellt ist. Demzufolge wird die Insolvenzpraxis trotz der begrüßenswerten Abschaffung der Konkursvorrechte künftig statt durch masselose Konkurse durch masseunzulängliche Insolvenzen gekennzeichnet sein. 375 Damit wird offensichtlich selbst im Bundesministerium der Justiz gerechnet. 376 Dort feiert man dies sogar als Fortschritt, ermöglicht doch die Tätigkeit des Insolvenzverwalters im masseunzulänglichen Verfahren die erleichterte Ahndung strafrechtlicher Vorgänge sowie - indem der Insolvenzverwalter die Lohnbuchhaltung aufarbeitet - Hilfe für die Arbeitnehmer bei der Stellung von Anträgen auf Insolvenzausfall- und Arbeitslosengeld. 377 Dabei wird jedoch offensichtlich übersehen, daß der aus diesen Aufgaben resultierende Vergütungsanspruch des Verwalters aus der Insolvenzmasse beglichen werden muß und daß die Insolvenzmasse, die nach § 38 InsO als Haftungssubstrat für die Insolvenzgläubiger dient, also deren Vermögen ist, zweckwidrig zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben eingesetzt wird?78 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die
373 Hierauf weist sogar die Gesetzesbegründung hin, vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 181 zu § 195 a.E. und S. 88 unter dd). Vgl. auch Burger/Schellberg (1995a), S. 59 f.; kritisch dies. (1995e), S. 418, 419 f. 374 Ebenso Baur / Stürner (1990), Rn. 4.48. - Bedenken äußert hingegen Obermüller (1992), S. 213 (unter 2.2.2); vgl. dazu jedoch Grub (1994), S. 1649 f. 375 Zweifelnd, ob das Hauptanliegen der Insolvenzrechtsreform erreicht werden kann, nämlich die Zahl der Abweisungen mangels Masse drastisch zu reduzieren, auch Uhlenbruck (1994b), S. 170; Heilmann/Smid (1994), § I Rn. 25; Maus (1995), S. 75; Wellensiek (1995), S. 547; K. Schmidt (1996), S. 219 f.; a.A. Hax (1995), S. 60 f.; Landfermann (1995), S. 61 f.; überzeugend dagegen Obermüller / Livonius (1995b), S. 63 f., 81; vgl. auch Hesselmann/ Stefan (1990), S. 120 und Drukarr:zyk (1995), S. 57. 376 So die Ausführungen von Landfermann, Mitglied der Arbeitgruppe Insolvenzrechtsreform im Bundesministerium der Justiz; ders. (1989), S. 786 oben. 377 Vgl. Landfermann (1989), S. 786. 378 Ebenfalls kritisch Grub (1993), S. 395: "Das Insolvenzverfahren sollte weiterhin ein Vollstreckungsverfahren und kein ,Erkenntnisverfahren' sein."
IV. Resümee: AufgabensteIlung
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Regelung des § 38 InsO, wonach die Insolvenzmasse i. S. d. § 35 InsO der Befriedigung der persönlichen Gläubiger dienen soll, kaum greifen wird.
IV. Resümee: AufgabensteIlung Der Hauptzweck des Insolvenzverfahrens, nämlich die Haftungsverwirklichung der persönlichen Gläubiger der GmbH 379 , wurde bislang und wird künftig nur höchst unvollkommen erreicht. Im Regelfall haben nur die gesicherten und die Massegläubiger eine Aussicht auf Befriedigung, während die Konkursgläubiger nach § 31 KO bzw. die Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO leer ausgehen. Das ist in mehrfacher Hinsicht mißlich: Es schadet dem Ansehen des Personalkredits. Davon sind vor allem Personengruppen betroffen, die auf diesen Kredit angewiesen sind, wie Handwerker, kleinere Lieferanten, Angehörige des Dienstleistungsgewerbes oder Kunden, die Anzahlungen oder Vorschüsse leisten mußten. 380 Ferner und das wiegt noch schwerer -, leidet das Vertrauen in das Konkurs- bzw. Insolvenzrecht als Rechtsinstitut. Denn dieses Rechtsinstitut ist in einer auf Privatautonomie gegründeten Wirtschaftsordnung ein unverzichtbares Sanktionsinstrument, falls sich privatautonom begründete Verpflichtungen nicht anderweit durchsetzen lassen, weil das schuldnerische Vermögen zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger nicht hinreicht. Schließlich führt die Unwirksamkeit dieses Rechtsinstituts zu erheblichen Steuermindereinnahmen, weil diejenigen, bei denen die ausgefallene Forderung zum Betriebsvermögen gehört, den infolge des Forderungsausfalls erforderlichen Wertberichtigungsbedarf als Betriebsausgabe geltend machen können. 381 Gleichwohl macht man es sich zu einfach, wenn man diesen Zustand unter Hinweis auf eine Verletzung der par condicio creditorum als ungerecht 382 brandmarkt. Denn die par condicio creditorum sagt nichts darüber aus, ob die Forderungen der gewöhnlichen, der gesicherten und der Massegläubiger auch tatsächlich gleichwertig und demzufolge gleich zu behandeln sind. Insofern helfen auch die Ausführungen Häsemeyers 383 zur austeilenden und zur ausgleichenden Gerechtigkeit im ariDazu oben unter B.LI. Letzeres ist etwa bei Reisebuchungen oder beim Einzelhandel mit Einrichtungsgegenständen verbreitet. - Meyer-Cording (1979), S. 2127 spricht von den "forgetten men". 381 V gl. o. V. (1994): "Schneider-Verluste muß der Steuerzahler mittragen". - Auf die steuerliche Ungleichbehandlung von Gläubigern je nachdem, ob die ausgefallene Forderung beim Gläubiger zum Betriebs- oder zum Privatvermögen gehört, kann hier nur hingewiesen werden. 382 Zum entsprechenden Rechtsgefühl und zu den begrenzten Möglichkeiten diese wichtige Quelle inhaltlicher Werterfahrungen in einer "offenen Gesellschaft" durch Rationalisierung operabel zu machen, vgl. den ausführlichen Überblick bei Zippelius (1982), S. 120 ff. m.w.N. 383 Ders. (1982b), S. 516 f. 379 380
7 Förster
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B. Ausgangspunkt
stotelischen Sinne nicht weiter, denn die Frage nach der Verteilungs gerechtigkeit ist vor allem eine Frage der Verteilungs grundlage, d. h. des Verteilungsschlüssels. 384 Gleichheit und Gerechtigkeit lassen sich nicht auf eine formale Gleichheit im Sinne einer möglichst einheitlichen Befriedigungsquote reduzieren. 385 Vielmehr sind "formale Gleichheit und begründete Ungleichheit (... ) Zwillingsschwestern - im Verfassungsrecht so gut wie im Insolvenzrecht".386 Es kommt deshalb entscheidend auf einen sachgerechten Differenzierungsmaßstab an. Insofern erscheint mir auch die Bezugnahme auf Art. 3 GG ohne die Angabe eines solchen Maßstabes wenig ziel führend. 387 Wenn man schon das Verfassungsrecht bemüht, so sollte man eher auf den grundrechtlichen Anspruch auf effektiven gerichtlichen Eigtentumsschutz nach Art. 14 GG abstellen?88 Danach unterfallen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG neben den dinglich gesicherten Ansprüchen 389 auch schuldrechtliche Ansprüche der gewöhnlichen Gläubiger390. Außerdem ist der Privatrechtsgesetzgeber aufgrund von Art. I m GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Er muß daher den bei den im Grundgesetz angelegten Elementen des Eigentums, nämlich der geschützen Privatnützigkeit (Art. 14 I 1 GG) und der Sozialpflichtigkeit (Art. 14 11 GG), Rechnung tragen und die grundrechtlichen Positionen der einzelnen Gläubigergruppen durch die Normen des Privatrechts zu einem Ausgleich bringen. Der Gesetzgeber wäre danach verpflichtet, ein Insolvenzrecht zu schaffen, daß in seiner praktischen Anwendung nicht darauf hinausläuft, daß die Forderungen der gewöhnlichen Gläubiger in aller Regel vollständig entwertet werden. Es müßte zumindest eine gewisse Befriedigungschance gegeben sein. Demgegenüber verstößt ein Insolvenzrecht, bei dem die gewöhnlichen Gläubiger in den meisten Fällen leer ausgehen, gegen den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz. Da nämlich die Konkurs- bzw. Insolvenzgläubiger ihre Forderungen ab der Verfahrenseröffnung nur noch nach den Vorschriften über das Konkurs- bzw. das Insolvenzverfahren verfolgen können (§ 6, 14 KO bzw. § 87 InsO), kommt zumindest das geltende, voraussichtlich aber auch das künftige Insolvenzrecht de facto einer Rechtsverweigerung gleich. 391 Dazu grundlegend Wil/iam K Frankena (1966), S. 135 ff. So zutreffend Stürner (1981), S. 269. 386 Stürner (1989), S. 56. 387 Etwa bei Heilmann/Smid (1994), § I Rn. 17 a. E. Für die Einbeziehung der Gläubigergleichbehandlung in den Schutzbereich des Art. 3 GG auch Kilger (1975), S. 155 und Jaeger / Henckel (1977 11990), § 30 Rn. I. 388 Dazu Vol/kommer (1980), S. 205 f.; Haag (1986), S. 100 ff. Vgl. auch Höfling (1991), S. 30 f.: "Weil der Staat den von Handlungen Dritter nachteilig Betroffenen weitestgehend das Recht zur Selbsthilfe und des Selbstschutzes genommen hat, trifft ihn auch die (grundrechtliche) Pflicht, in angemessenem Umfang (Justiz-)schutz zu gewähren."AaO. m.w.N. 389 Stern (1994), S. 741 m.w.N. 390 Vgl. Beschluß des BVerfG vom 31. 10. 1984 (1 BvR 35, 356, 794/82), in: BVerfGE 68,193,222; Beschluß des BVerFG vom 8. 6.1977 (2 BvR 499/74,1042/75), in: BVerfGE 45,142,179. 384
385
IV. Resümee: AufgabensteIlung
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Die verfassungsrechtlichen Überlegungen vennögen allerdings nur den Rahmen für eine gesetzliche Regelung abzustecken. Für eine konkrete Ausgestaltung geben sie zu wenig her. Es stellt sich daher die Aufgabe, die Insolvenzauslösung bei der GmbH rechtlich so zu ordnen, daß die Funktionsfähigkeit des Konkurs- bzw. Insolvenzrechts in höherem Maße gewährleistet ist, als dies gegenwärtig der Fall ist und trotz Insolvenzrechtsrefonn künftig sein wird. Dies soll, auf der Grundlage der bisherigen Zustandsbeschreibung, im folgenden versucht werden. 392
391 BaurlStürner (1983), Rn. I: "Verbot der Selbsthilfe ohne staatlichen Rechtsschutz würde praktisch Rechtlosigkeit bedeuten". - Vgl. auch die Glosse von Häsemeyer (1985), S. 583, der resigniert fragt, ob "der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz nicht auch der Haftungsfunktion des Privatrechts" gilt. 392 Insoweit handelt es sich um den von Höfling (1991), S. 59, für dringlich gehaltenen "Besonderen Teil", mit dessen Hilfe der "Allgemeine Teil" der von ihm vorgelegten Studie zur grundrechtlichen Verortung der Vertragsfreiheit operabel gemacht werden kann.
C. Prämissen: Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht Im folgenden Teil der Arbeit soll an die vorangegangene juristische und ökonomische Zustandsbeschreibung des Status quo bei der GmbH-Insolvenz angeknüpft werden. Oben I wurde bereits angemerkt, daß es zur Beseitigung der Funktionsschwäche des Insolvenzrechts nicht hinreicht, die Ursachen dieser Funktionsschwäche aufzuzeigen, sondern daß es notwendig ist, die Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht herauszuarbeiten. Das ist wichtig, weil die Interessen, die bei einer Unternehmenskrise hinsichtlich der involvierten Personen(gruppen) zum Ausgleich gebracht werden müssen, höchst unterschiedlich sind. Da sich das Verhalten der Beteiligten jeweils an dem orientiert, was ihnen nutzt 2 , ist eine Gefährdung der Wirksamkeitsbedingungen des Insolvenzrechts nicht von der Hand zu weisen. Dies braucht keineswegs aus böser Absicht zu geschehen, noch muß es den Beteiligten überhaupt bewußt sein. Das Verhalten der Beteiligten kann sogar vollkommen legal sein, wenn nämlich das Gesetz an den entsprechenden Stellen keine Vorkehrungen gegen eine Verletzung seiner Wirksamkeitsbedingungen vorsieht. Entscheidend ist allein, daß die Wirksamkeitsbedingungen des Insolvenzrechts verletzt werden können und daß dies zu Funktionseinbußen bis hin zum völligen Funktionsverlust des Insolvenzrechts führen kann. 3 Die hieraus resultierenden Folgen wurden schon erwähnt. 4 Deshalb kommt es entscheidend darauf an, daß die Wirksamkeitsbedingungen des Insolvenzrechts eingehalten werden. Sie bilden gewissermaßen den Rahmen, den ein Insolvenzrecht unVgl. die Einleitung zu B.lIl. Vonnbaum/Baumanns (1984), S. 1973 f.; ausführlich Schäfer/Olt (1995), S. 50 ff. - Zu der daraus folgenden Kritik an der theoretisch auf dem Aspekt der Marktkonformität beruhenden InsO vgl. Henckel (1989), S. 482 ff. 3 Eine Parallele zu diesem methodischen Ansatz findet sich in der Ökonomie unter der Stichwort "Property-Rights-Theorie". Sie versucht die Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Handeins aufgrund von property rights ökonomisch erklärbar zu machen: Die Erfolge marktwirtschaftIicher Prozesse werden dem Charakter der das Marktsystem tragenden Institutionen zugeschrieben. Gesetze gelten, da sie durch das Rechtssystem vorgegeben werden, als sog. äußere Institutionen, die die Grundstruktur der Handlungsmöglichkeiten durch die exklusive Zuordnung von property rights festlegen. Dagegen sind sog. imnere Institutionen, die von den Marktteilnehmern gewählten Anpassungsformen, um im Rahmen der äußeren Institutionen bestimmte exklusiv zugeordnete property rights zu nutzen oder zu tauschen. Näher hierzu bei Leipold (1978), S. 518 ff.; Gäfgen (1984), S. 43 ff.; Nacke (1988), S. 212 ff. 4 Vgl. insbesondere oben unter B.1.3., B.II. I. und B.IY. I
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I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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ter allen Umständen gewährleisten muß, wenn es seinem Zweck gerecht werden soll. Methodisch geht es insofern um die Herausarbeitung des Vorverständnisses. 5 Dazu ist es zunächst einmal erforderlich, die Konfliktstruktur, wie sie sich aus den Interessenlagen der von einer Unternehmenskrise betroffenen Personen(gruppen) ergibt, zu kennen. Daher wird (unter 1.) den Vorteilen und Risiken, die eine Unternehmenskrise bedingt, den sich daraus ergebenden mutmaßlichen Interessen der Beteiligten, dem Zusammenspiel dieser Interessen sowie deren Veränderungen im Ablauf einer Unternehmenskrise nachgegangen. Nachdem diese personenbezogenen Aspekte geklärt sind, wird den eher sachbezogenen nachgegangen. Dabei wird nach den juristischen (unter 11.), praxisbezogenen (unter III.) und ökonomischen (unter IV.) Rahmenbedingungen unterschieden. Gewisse Überschneidungen lassen sich wegen der vielfältigen Wechselbeziehungen gleichwohl nicht vermeiden. Die Gliederung versteht sich daher auch mehr als Hilfe zur Strukturierung eines komplexen Sachverhaltes, denn als eindeutige Systematisierung.
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
Die Interessenlagen bei einer Unternehmenskrise ergeben sich aus der Abwägung der Vorteile und der Nachteile, die bestimmte Verhaltensweisen - Handlungen oder Unterlassungen - für die Beteiligten zur Folge haben. Da es sich bei den Nachteilen um die Ungewißheit darüber handelt, wie sich bestimmte gegenwärtige Verhaltensweisen zukünftig auswirken, spreche ich statt von Nachteilen von Risiken. Für das Ausloten der Vorteile und der Risiken der Beteiligten im zeitlichen Ablauf einer Unternehmenskrise erweisen sich verschiedene betriebswirtschaftliche Untersuchungen, insbesondere aus dem Bereich der sog. Ökonomischen Analyse des Rechts 6 , als hilfreich. Zwar besagt das optimale Gläubigerkalkül wenig 5 Dazu grundlegend J. Esser (1970) sowie aus sozialwissenschaftlicher Sicht H. Albert (1967), S. 60, wiederabgedruckt bei H. Albert (1976), S. 93: ,,Eine kritische Diskussion normativer Auffassungen kann unter Umständen darin bestehen, daß die für das Wertverhaiten relevanten sachlichen Annahmen (... ) als unzutreffend herausgestellt werden oder daß schon die Klassifikation von Tatbeständen, an die die Wertung anknüpft, als fragwürdig, oberflächlich oder gar illusorisch erwiesen wird." Dazu Elsehen (1987), S. 232: "Ob sich die sachlichen Annahmen über die Wirkungen von Rechtsnormen oder die realwissenschaftiichen Klassifikationen von Tatbeständen als fragwürdig erweisen, läßt sich, abgesehen von inexakter Rechtsetzung und logischen Verstößen, erst ermitteln, wenn die Regelungsziele vorgegeben sind." 6 Diese Forschungsrichtung untersucht die ökonomischen Auswirkungen von Gesetzen und prüft, ob und wie diese zu einer optimalen Allokation der Ressourcen beitragen können. Die Gesetze, als äußere Institutionen i. S. d. Property-Rights-Theorie (vgl. den Hinweis in Fn. 3), werden als Variable mit allokativer Lenkungsfunktion verstanden. Wegbereitend Calabresi (1965), S. 239 ff.; Coase (1960), S. 129 ff.; Posner (1977), S. 79 ff.; einführend für das deutsche Zivilrecht Sehäfer/Ott (1995); grundlegend zu dem maßgeblichen Untersuchungsmaßstab der Effizienz Eidenmüller (1995); instruktiv zu den Vorwürfen, die gegen die Ökonomische Analyse des Rechts erhoben werden F. Kübler (1990), S. 687 ff.
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C. Prämissen
über den richtigen Zeitpunkt der Verfahrensauslösung. 7 Doch ergibt sich aus dessen Kenntnis zumindest der nützliche Hinweis, gegen welche Gläubigerkalküle ein Insolvenzrecht gewappnet sein muß, um von ihnen nicht unterlaufen zu werden. Um den Umfang dieser Arbeit gleichwohl nicht über Gebühr auszuweiten, wird wegen der zum Teil ausführlichen Herleitungen und Begründungen auf die einschlägigen betriebswirtschaftlichen Arbeiten verwiesen. Im folgenden werden (unter 1.) zunächst die gemeinsamen Interessen aller (Geld-)Gläubiger, sodann (unter 2.) die besonderen Interessen der gesicherten und (unter 3.) die der ungesicherten Gläubiger analysiert. Dabei werden als ungesichert diejenigen Gläubiger angesehen, die weder durch Individualrechte an Vermögensteilen der GmbH noch durch Haftungszusagen Dritter, insbesondere der Gesellschafter oder der Geschäftsführer, gesichert sind. Soweit Forderungen nur teilweise gesichert sind, werden die Gläubiger in Höhe der gesicherten Forderung als gesichert und im übrigen als ungesichert betrachtet. Weiter wird dann (unter 4.) den gemeinsamen Interessen der GmbH-Organe, anschließend (unter 5.) den besonderen Interessen der Gesellschafter sowie (unter 6.) denen der Geschäftsführer nachgegangen. Schließlich werden die Ergebnisse (unter 7.) zusammengefaßt. Für die Untersuchung der Konfliktstruktur bei der Insolvenzauslösung ist die Beschränkung auf die genannten Personen(gruppen) ausreichend, da deren Kalküle sowohl nach geltendem wie nach künftigem Recht für die Insolvenzauslösung maßgebend sind.
1. Gemeinsame Interessenlage aller Gläubiger
Im kaufmännischen Verkehr besteht das Wesen eines Darlehens regelmäßig in der Verschaffung und vorübergehenden Belassung von Kapital. Durch die Darlehensabrede wird der Darlehensempfänger zur Rückzahlung verpflichtet. Mit der Hingabe des Darlehens verliert der Darlehensgeber, sachenrechtlich gesehen, das Eigentum am Kapital und erhält stattdessen einen schuldrechtlichen Rückerstattungsanspruch. Dies erfordert der Zweck des Darlehens, denn von Geld kann der Darlehensempfänger nur Gebrauch machen, wenn er seinerseits darüber verfügen kann. Der Rückerstattungsanspruch vertritt also wirtschaftlich das hingegebene Kapital. s Seine bloß schuldrechtliche Natur macht ihn besonders anfällig für mehrere, ökonomisch begründete Risiken. Diese, ihr tieferer Grund sowie ein vermeintliches Risiko, nämlich das des Zerschlagungsautomatismus, sollen im folgenden dargestellt werden.
7 So die Kritik von K. Schmidt (l982b), S. 166, an den betriebswirtschaftlichen Beiträgen zur Problemlösung. - Vgl. auch Kölsch (1988), S. 28 ff., zu den Möglichkeiten und Grenzen der Entscheidungstheorie hinsichtlich der Festlegung eines geeigneten Insolvenztatbestandes. 8 Larenz (1986), § 51 I (S. 297).
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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a) Bestandteile des Ausfallrisikos
Im Anschluß an Drukarczyk9 lassen sich das Investitionsrisiko, Informationstransferrisiko, Vermögensverschiebungsrisiko, Finanzierungsrisiko und das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse voneinander unterscheiden. Es handelt sich dabei um die definitorische Zerlegung des Ausfallrisikos. Zum Investitionsrisiko: Bei Hingabe eines Darlehens geht ein Darlehensgeber davon aus, daß der Darlehensempfänger den Rückerstattungsanspruch erfüllen wird. Anderenfalls würde er sich nicht für eine Kreditvergabe entscheiden. 1O Er setzt dabei nämlich voraus, daß der Darlehensempfänger den Kapitalbetrag so rentabel investiert, daß er mit den aus der Investition fließenden Einzahlungen, die anfallenden Zins- und Tilgungszahlungen aufbringen kann. 11 Ist das nicht der Fall, so ist die Rückzahlung des Darlehens gefährdet. Der Gläubiger trägt daher bei der Entscheidung über die Kreditvergabe das Risiko, den Erfolg der Investition seines Schuldners zutreffend einzuschätzen, kurz das Investitionsrisiko. Bei der Kreditvergabe ist der Gläubiger vor allem auf die Informationen angewiesen, die er vom in Aussicht genommenen Schuldner erhält. Die Gefahr, daß diese Informationen unvollständig oder gar falsch sind, liegt darin begründet, daß der Schuldner zur Finanzierung des sog. güterwirtschaftlichen Prozesses l2 und zur Steigerung der Eigenkapitalrentabilität - dazu im folgenden unter b) - regelmäßig auf Fremdkapital angewiesen ist. Er wird deshalb bemüht sein, seine wirtschaftli che Lage in einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen. Selbst wenn aber alle seine Informationen zutreffend sein sollten, so ist dies für den Gläubiger dennoch nicht zuverlässig erkennbar, weil sich der Wahrheitsgehalt von Informationen Dritter ex ante nicht ohne weiteres feststellen läßt. Das Investitionsrisiko wird mithin vom Informationstransferrisiko überlagert. Investitions- und Informationstransferrisiken sind Risiken, die vor der Entscheidung über die Kreditvergabe wirksam werden. Ist der Kredit vergeben, können für die Gläubiger aus dem anschließenden Verhalten des Schuldners weitere Risiken entstehen. 13 Da ist zum einen das Vermögensverschiebungsrisiko: Verfolgt der Schuldner eine riskantere Untemehmenspolitik als sie ein Gläubiger seiner Kreditvergabeentscheidung zugrunde gelegt hatte, so wird sein Vermögen, nämlich der
Ders. (1987), S. 22 f. - Vgl. auch Bitz/ Hemmerde / Rausch (1986), S. 7 ff. Das ist eine Frage der sog. Kreditwürdigkeit. Eine Übersicht über den praktischen Ablauf einer Kreditwürdigkeitsprüfung geben Hagenmüller/ Diepen (1993), S. 418 ff. Zu der im Kreditgeschäft der Kreditinstitute besonders wichtigen Bilanzauswertung RiebeIl (1988). II Zur Terminologie bereits oben unter B.1.4.a) in Fn. 121. Vgl. auch unter B.II.2.a) zum finanzwirtschaftlichen Problem einer Unternehmung. 12 V gl. dazu oben unter B.II.2.a). 13 Näher zu dem Wandel der Motivation des Schuldners vor und nach Erhalt des Kredits, der sog. intertemporalen Interdependenz, R.H. Schmidt (1980), S. 32 f. - Vgl. auch Drukarczyk(1983), S. 331 m.w.N. in Anm. 9. 9
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C. Prämissen
Rückerstattungsanspruch, nachträglich mit einem Investitionsrisiko belastet, das er ursprünglich nicht übernehmen wollte. Der Schuldner verschiebt damit Risiken, die seinem Verantwortungsbereich entstammen, zu Lasten des Vermögens seiner Gläubiger. Der Anreiz hierzu ergibt sich für den Schuldner daraus, daß er etwas erhält, was er sonst eventuell nicht erhalten hätte, nämlich einen vergleichsweise riskanteren Kredit. 14 Des weiteren sind Gläubiger einem Finanzierungsrisiko ausgesetzt: Wenn ein Schuldner mehr Gläubiger als ursprünglich vorgesehen an der Finanzierung beteiligt, also eine Investition in erweitertem Umfang fremdfinanziert, so sinkt dadurch der Anteil des jeweiligen Gläubigers an dem durch die Investition erwirtschafteten Erfolg. 15 Die Wahrscheinlichkeit einer Erfüllung des Rückerstattungsanspruchs nimmt dadurch, verglichen mit der Situation bei Kredithingabe, ab. Schließlich besteht für Gläubiger das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse durch Ausschüttungen an die Gesellschafter, die entweder unmittelbar fremdfinanziert sind oder denen Desinvestitionen fremdfinanzierter Betriebsmittel vorausgehen. Da mit Ausnahme des Investitionsrisikos alle anderen Formen des Ausfallrisikos auf Entscheidungen des Schuldners zurückgehen, kann die Position der Gläubiger als ..ausbeutungsoffen,,16 gekennzeichnet werden. Ursächlich hierfür sind zum einen die heterogen verteilten Informationen über den einer Kreditvergabe zugrunde liegenden Sachverhalt, zum anderen die Kapitalstrukturen von Unternehmen deren Haftung beschränkt ist. 17 Wahrend ersteres offenbar ist, ist auf letzteres näher einzugehen.
b) Risiken aus der Kapitalstruktur haftungsbeschränkter Unternehmen Nachdem der Schuldner einen Kredit erhalten hat, ist er darauf bedacht, ihn möglichst effektiv zu nutzen. Dazu ist das Verständnis des sog. Leverage-Effektes erforderlich, der deshalb kurz erläutert werden SOIl.18 Das unternehmerische Ziel des Schuldners besteht in der Gewinnerzielung. Je höher sein Gewinn ausfallt, desto höher ist die Eigenkapitalrentabilität, d. h. die Verzinsung des im Unternehmen einVgl. C. Paulus (1985), S. 1454. Beispiel: Geplant ist, daß eine Investition von 100 GE einen Erfolg von 36 GE erwirtschafte. Wird die Investition mit 40 GE eigen- und von 6 Gläubigem zu je lOGE fremdfinanziert, so beträgt der Erfolgsanteil je Gläubiger (36: 6 =) 6 GE. Wird die Investition hingegen nur mit lOGE eigen- und von 9 Gläubigern zu je lOGE fremdfinanziert, so sinkt der Erfolgsanteil je Gläubiger auf (36 : 9 =) 4 GE. 16 So Drukarczyk (1983), S. 333; ders. (1986), S. 207. 17 Vgl. M. Kühn (1991), S. 21 ff. und S. 69 f., Drukarczyk (1979), S. 557, jeweils m.w.N.; Drukarczyk (1981), S. 252 f.; R.H. Schmidt (1980), S. 128. 18 Dazu ausführlich bei Vormbaum (1990), S. 95 ff.; vgl. auch Moxter (1976), Sp. 637, Wöhe (1993), S. 878 f., Wiedemann (1980), S. 555. 14
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gesetzen Kapitals. Soll sich der Eigenkapitaleinsatz im Unternehmen lohnen, dann muß der Zinssatz für die Verzinsung des Eigenkapitals über dem Zinssatz für anderweitige Kapitalanlagen, also auch über dem durchschnittlichen Zinssatz für Fremdkapital, liegen. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, dann läßt sich durch den Einsatz von Fremdkapital die Eigenkapitalrentabilität erhöhen, da der gesamte vom Fremdkapital über den festen Fremdkapitalzins hinaus verdiente Ertragsanteil dem Eigenkapital zufällt. Der Zinssatz für die Verzinsung des Eigenkapitals wird ceteris paribus umso höher, je kleiner der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital ist. Der Nutzen des Fremdkapitals liegt für den Kreditnehmer mithin nicht nur im Finanzierungsbeitrag, d. h. darin, den güterwirtschaftlichen Prozeß überhaupt erst zu ermöglichen, sondern auch darin, die Eigenkapitalrentabilität zu maximieren. 19 Hieraus ergeben sich aber bei schlechter Ertragslage des schuldnerischen Unternehmens für die Gläubiger erhebliche Risiken. Sollte nämlich die Gesamtrentabiltät des insgesamt eingesetzen Kapitals unter den Fremdkapitalzins sinken, verwandelt sich der eben dargestellte Vorteil in den Nachteil, daß der Zinsaufwand für den Einsatz des Fremdkapitals höher wird als derjenige Anteil am Gesamtertrag, der durch den Finanzierungsbeitrag des Fremdkapitals erwirtschaftet wird. 2o Dies geht zunächst zu Lasten der Verzinsung des Eigenkapitals und führt sodann zu Verlusten, d. h. einer Verminderung des Eigenkapitals. Dazu kommt es um so eher, je höher der Fremdkapitalanteil ist und je größer die Differenz zwischen dem Fremdkapitalzinssatz und der Gesamtrentabilität ist. Wegen der verlustbedingten Minderung des Eigenkapitals entsteht ein Kapitalbedarf, um den betrieblichen Leistungsprozeß am Laufen zu halten. Nimmt der Schuldner nun weiteres Fremdkapital auf, so realisiert sich für die Gläubiger das Finanzierungsrisiko, sofern - was die Regel ist - die Ansprüche der Neugläubiger gleichberechtigt oder gar bevorrechtigt neben die bestehenden Ansprüche der bereits vorhandenen Gläubiger treten. Ist das Eigenkapital bereits weitestgehend zusammengeschrumpft, kann für den haftungsbeschränkten Schuldner eine Alles-oder-nichts-Strategie sinnvoll sein: Da er praktisch nichts mehr zu verlieren hat, ist die Versuchung groß, durch eine riskante Unternehmenspolitik die schlechte Ertragslage doch noch zum besseren zu wenden. 21 Gelingt dies, kommen die Erlöse dem Schuldner zugute. Mißlingt es, sind die Verluste bei eingetretenem Eigenkapitalverlust von den Gläubigem zu tragen. 22 Das
19 Vgl. zur Zielsetzung der Rentabilitätssteigerung Vormbaum (1990), S. 92, 101 ff. sowie einführend in die Grundlagen der Rentabilitätsrechnung Küting (1984), S. 125 ff. 20 Sog. umgekehrter oder negativer Leverage-Effekt; dazu am praktischen Beispiel der Deutschen Lufthansa AG Kammerl (1993), S. 1532 ff. 21 Näher hierzu unten unter C.I.5. 22 Vgl. Dru!«Jrczyk (1980), S. 171 ff.; Swoboda (1991), S. 172 ff.; Hax/Marschdorj (1983), S. 123 ff., die die Ursache in der "Divergenz zwischen Verfügungsgewalt und Verlustrisiko" sehen; Bitz/Hemmerde/Rausch (1986), S. 275 m.w.N. - Es handelt sich dabei um einen sog. negativen externen Effekt: der Schuldner wälzt das Investitionsrisiko auf die Gläubiger ab, ohne diesen bei einem Fehlschlag dafür haftbar zu sein, vgl. R.H. Schmidt (1980), S.26f.
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C. Prämissen
Vennögensverschiebungsrisiko hat sich dann verwirklicht. Dieses Risiko spielt in der Praxis eine erhebliche Rolle. 23
c) Alternativen zur Unterbindung des Ausfallrisikos
Nach alldem liegt es auf der Hand, daß es eines Verfahrens bedarf, das die Rechtsbeziehungen zwischen Gläubigem und Schuldner so regelt, daß die beschriebenen Risiken unterbunden werden, eine Gefährdung der Gläubiger also vermieden wird. Eingangs wurde schon darauf hingewiesen, daß die Einhaltung der Wirksamkeitsbedingungen eines solchen Verfahrens wesentlich ist. Das ist unproblematisch, wenn zwischen Schuldner und Gläubigem auf freiwilliger Basis eine Verhandlungslösung zustande kommt, etwa ein außergerichtlicher Vergleich 24 oder auch wenn der Schuldner seinen Gläubigem in der Fonn von Kreditsicherheiten wirksame Sanktionsmittel gegen Gefährdungen einräumt 25 . Sollten sich Vorkehrungen gegen eine Gefährdung der Gläubigerpositionen aber nicht auf freiwilliger Basis erreichen lassen, dann ist wegen des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz nach Art. 14 GG 26 ein wirksames gerichtliches Verfahren zur Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Gläubigem und Schuldner unerläßlich. 27
d) Zerschlagungsautomatismus ?
Der Notwendigkeit eines wirksamen gerichtlichen Insolvenzverfahrens kann nicht der Einwand entgegengehalten werden, daß der "Zerschlagungsautomatismus" des Insolvenzrechts fortführungswürdige Unternehmen zerstöre?8 Der Ein23 Wie real diese Gefahr ist, ergibt sich aus der Untersuchung von Gessner/Rhode/Strate/Ziegert (1977), S. 27, über die Kapitalausstattung insolventer Unternehmen: Gerade in den Fällen, in denen ein Konkursverfahren mangels Masse nicht eröffnet werden konnte, nahmen die Fremdmittel im Vergleich der vorletzten zur letzen Bilanz vor Stellung des Konkursantrags um 60,46 Prozent zu, während in den Fällen, in denen ein Konkursverfahren durchgeführt werden konnte, die Fremdmittel um 40,38 Prozent abnahmen. Auch die Zahlen über die Umsatzentwicklung vor Insolvenzeintritt (aaO., S. 523) bestätigen die Gefahr gläubigerschädigender Strategien: So sank bei Unternehmen, die einen Vergleich erreichten, der Umsatz infolge vorsichtiger Disposition, während bei Unternehmen, die in Konkurs gingen oder über deren Vennögen ein Konkursverfahren mangels Masse nicht eröffnet werden konnte, der - nicht kostendeckende - Umsatz im letzten bilanzierten Geschäftsjahr gegenüber dem Vorjahr stieg. 24 Günstige Voraussetzungen hierfür liegen vor, wenn es um die Verteilung eines gemeinsamen Gewinns aus der Einigung geht und wenn dadurch kein Beteiligter schlechter steht als ohne die Einigung; vgl. R.H. Schmidt (1980), S. 30. 25 Näher hierzu unten unter C.I.2.a). 26 Dazu oben unter B.IV. 27 Berges (1983), S. 23 bezeichnet Insolvenzverfahren daher als "Kreditschutzeinrichtungen".
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wand stützt sich auf die praktische Erfahrung, daß unter dem geltenden Konkursrecht insolvente Unternehmen nur in wenigen Fällen erhalten werden können. Gleichwohl vermag er an der These von der Notwendigkeit eines wirksamen gerichtlichen Insolvenzverfahrens nicht zu rütteln. Denn das Insolvenzverfahren als solches hat mit dem Schicksal der Unternehmung im Grundsatz29 nichts zu tun. Die immer wieder geäußerte These, daß die Insolvenz die Zerschlagung der Unternehmung bedeute, verstellt vielmehr den Blick für die Zusammenhänge. 3o Ob ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, richtet sich nach den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Überschuldung bzw. der Zahlungsunfähigkeit. Diese bestimmen, wann ein Rechtsträger als solvent oder insolvent gilt. Ist er insolvent und gelingt es nicht, seine Solvenz im Rahmen des Insolvenzverfahrens wieder herzustellen, wird er liquidiert. Anderenfalls besteht er fort. Hingegen geht es bei dem Schicksal der Unternehmung darum, ob sie als Einheit der Leistungserstellung und -verwertung fortgeführt oder zerschlagen werden soll. Dabei kommt es auf den Vergleich zwischen Fortführungswert und Zerschlagungswert der Unternehmung an. Unter dem Fortführungswert der Unternehmung wird vorliegend der Zukunftserfolgswert des Leistungsbereichs verstanden, d. h. der Barwert31 aller im Leistungsbereich erwirtschafteten Überschüsse vor Abzug aller an Kapitalgeber, insbesondere an Gläubiger zu leistenden Zahlungen. Der Fortführungswert der Unternehmung ist somit unabhängig von der Finanzierung, vor allem auch vom Verschuldungsgrad. Der Zerschlagungswert ist gleich der Summe der zu erzielbaren Einzelveräußerungspreisen bewerteten Vermögensgüter ohne Berücksichtigung bestehender Verbindlichkeiten. 32 Aus Gründen der Gewinnmaximierung führen Ge28 Das beträfe dann vor allem das Interesse der Arbeitnehmer an der Erhaltung ihrer Arbeitsplätze. Dieses spezielle Erhaltungsinteresse wird im folgenden nicht näher thematisiert, da es maßgeblich von wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängt. Diese lassen sich aber nicht unmittelbar mit Hilfe rechtlicher Regelungen ordnen, sondern sind eher Reflex eines zweckentsprechenden Wirtschaftsrechts, wozu allerdings auch das Insolvenzrecht gehört. Soweit hingegen die Arbeitnehmer in ihren Interessen als Geldleistungsgläubiger betroffen sind, geiten die allgemein gemachten Ausführungen. Es erübrigt sich insofern, auf die Arbeitnehmerinteressen gesondert einzugehen. 29 Auf eine Ergänzung ist später unter C.I.4.a)cc) einzugehen. 30 Vgl. zum Zusammenhang von Insolvenz und Unternehmenszerschlagung den insofern instruktiven Beitrag von Haxl Marschdorf (1983), S. 115 ff.; ebenso, aber knapper R.H. Schmidt (1984), S. 721, der klarstellt, "daß es keinen Grund gibt, warum Illiquidität zu einer Unternehmenszerschlagung führen sollte." Ebenso ders. (1980), S. 117: "Es gibt keine sachlich zwingende Verknüpfung zwischen der Entscheidung über Zerschlagung oder Weiterführung und der Ursache der Illiquidität." 31 Mit Barwert wird die Summe künftiger Zahlungen bezeichnet, die auf einen bestimmten Zeitpunkt abgezinst werden. Maßgebend ist vorliegend der Zeitpunkt des Vergleichs zwischen Fortführungs- und Zerschlagungswert. 32 Hax I Marschdorf (1983), S. 115 f. - V gl. auch Drukarczyk (1987), S. 72 ff.; Kölsch (1988), S. 96 f., 216 ff.; - Der Fortführungswert darf nicht mit dem Ertragswert verwechselt werden; dieser bezieht sich auf die Nettoerträge, die das Unternehmen künftig erwirtschaften
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C. Prämissen
sellschafter die Unternehmung fort, falls der Fortführungswert größer als der Zerschlagungswert ist, oder zerschlagen sie, falls umgekehrt der Zerschlagungswert größer als der Fortführungswert ist. 33 Ebenso entscheidet ein Insolvenzverwalter, der sich um die bestmögliche Verwertung des Schuldnervermögens bemüht. 34 Festzuhalten ist, daß ,,klar unterschieden werden (muß) zwischen Fortführung oder Zerschlagung der Unternehmung ( ... ) einerseits und dem Fortbestand oder der Liquidation des Rechtsträgers dieser Unternehmung andererseits,,35, denn diese Entscheidungen richten sich nach verschiedenen Kriterien. 36 Betrachtet man nun eine Unternehmung einerseits unter dem Gesichtspunkt der Solvenz, andererseits unter dem der Fortführungswürdigkeit, so lassen sich vier Fälle unterscheiden: Im ersten Fall ist die Unternehmung solvent und fortführungswürdig; im zweiten Fall solvent, aber nicht fortführungswürdig; im dritten verhält es sich umgekehrt zum zweiten, die Unternehmung ist insolvent, aber fortführungswürdig; schließlich ist sie im vierten Fall weder solvent noch fortführungswürdig. Der erste Fall ist der Normalfall eines "gesunden" Unternehmens. Im zweiten Fall vermindert jede weitere Fortführung den Anteilswert der Gesellschafter. Sie sollten deshalb daran interessiert sein, die "Tätigkeit der Unternehmung zu beenden, bevor sie durch ein Insolvenzverfahren dazu gezwungen werden,,3? Im wird und ist damit von der Finanzierung abhängig, vgl. Flessner (1980), S. 112, mit anschaulichem Beispiel und Bitz/ Hemmerde / Rausch (1986), S 349 f. Der Vorteil einer finanzierungsunabhängigen, also auf das bloße Vermögen konzentrierten Betrachtungsweise liegt in ihrem Erkenntnisgewinn; dazu unten unter C.I.5.b) und E.II.1.a). 33 Auf die Besonderheiten des Entscheidungsverhaltens von Eigentümern bei hohen Verschuldungsgraden ist unten unter C.I.5.b) und - weiter vertiefend - unter E.II.1.a) näher einzugehen. 34 Flessner (1980), S. 187 f. hält den Vergleich von Fortführungswert und Zerschlagungswert - er spricht im Anschluß an Norman S. Buchanan (1950), pp. 371-378, von Reorganisations- und Liquidationswert - für gesamtwirtschaftlich unvollständig, weil eine optimale Allokation auch den Produktionsfaktor Arbeit berücksichtigen müsse; vgl. dazu den Hinweis in Fn. 28. 3S Hax/ Marschdoif(1983), S. 115. 36 Gegen die Richtigkeit dieser Unterscheidung spricht nicht der immer wieder gegebene Hinweis - etwa bei Siedschlag (1971), S. 31 -, wonach die Gläubigerinteressen inhomogen seien und weshalb die in einer Gläubigerversammlung über die Verwertung der Unternehmung abstimmenden Gläubiger auch sachfremde Erwägungen in ihre Entscheidung mit einfließen lassen würden, wie z. B. die Ausschaltung eines unliebsamen Konkurrenten. Denn die Interessen der Beteiligten in ihrer Funktion als Gläubiger sind gleich, nämlich auf möglichst vollständige Befriedigung gerichtet. Die Inhomogenität rührt vielmehr daher, daß die Interessen der Beteiligten als Gläubiger von unterschiedlichen anderen Interessen überlagert werden, die die Beteiligten in anderen Funktionen wahrnehmen, etwa als Konkurrent, Arbeitnehmer oder als an der Aufrechterhaltung der Lieferbeziehung interessierter Kunde. Es kommt deshalb für die Verwertungsentscheidung auf einen objektivierten Maßstab an, der sich an der Maximierung des Verwertungserlöses orientiert; vgl. dazu Marschdoif (1984), S. 7 ff., 184 ff. An diesem Ziel sollte m.E. auch die Auslegung des Obstruktionsverbots gern. § 245 InsO ausgerichtet werden. 37 Hax/Marschdoif(1983), S. 117.
1. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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dritten und vierten Fall ist jeweils ein Insolvenzverfahren erforderlich. Dabei ist im dritten Fall die Fortführung erreichbar, während im vierten Fall die Zerschlagung unabwendbar ist. Damit ist als wichtiges Zwischenergebnis festzuhalten, daß die Insolvenz nur dann zur Zerschlagung führt, wenn es an der Fortführungswürdigkeit fehlt. Deshalb kann auch das Argument eines "Zerschlagungsautomatismus" nicht gegen die Notwendigkeit eines wirksamen gesetzlichen Insolvenzverfahrens vorgebracht werden. Daß der dritte Fall - Unternehmen insolvent, aber fortführungswürdig dennoch praktisch so selten vorkommt, liegt daran, daß die meisten Unternehmen nicht sanierungsfähig sind, wenn es zur Insolvenz kommt. 38 Der dem Insolvenzrecht so oft vorgeworfene "Zerschlagungsautomatismus" ist daher dem Insolvenzrecht - anders als es der Begriff des "Automatismus" nahelegen könnte - keinesfalls immanent. 39
e) Zwischenergebnis
Damit bleibt festzuhalten, daß jeder Gläubiger an wirksamen Maßnahmen interessiert sein muß, um das Ausfallrisiko zu minimieren, daß sich aus dem Investitionsrisiko, dem Informationstransferrisiko, dem Vermögensverschiebungsrisiko, dem Finanzierungsrisiko und dem Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse ergeben kann. 4o Hat sich allerdings das Ausfallrisiko der Gläubigergesamtheit trotz aller Gegenmaßnahmen realisiert, dann kommt es für den einzelnen Gläubiger darauf an, den Wettlauf der Gläubiger um Befriedigungschancen zu gewinnen. Dieser Wettlauf findet statt, weil sich jeder einzelne Gläubiger davon den Vorteil der eigenen Befriedigung vor den jeweiligen Mitgläubigem erhofft, obgleich er den Gläubigem in ihrer Gesamtheit nichts bringt. 41 38
V gl. Hax (1995), S. 68.
Das immer wieder als Beleg für den vermeintlichen ,,zcrschlagungsautomatismus" verwandte Zitat von Ernst Jaeger (\932), S. 216, wonach der Konkurs "ein Wertvernichter schlimmster Art und obendrein das teuerste Schuldentilgungsverfahren" sei, beschreibt also das Erscheinungsbild. aber keine zwingende Eigenschaft des Konkurses. - Vgl. auch R.H. Schmidt (\ 980), S. 118 f. 40 V gl. auch das entscheidungstheoretisch fundierte Modell betreffend die Risiko- und Entscheidungssituation eines idealtypischen Gläubigers bei Bitz/ Hemmerde / Rausch (1986), S. 13 ff. 41 Diese eher intuitive Erklärung deckt sich mit den Erkenntnissen der Spieltheorie. Sie beschäftigt sich - was ihr harmloser Name nicht zu erkennen gibt - mit Problemen der strategischen Interdependenz von Individuen, denen verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung stehen, Schüßler (\ 990), S. 4. Danach sind die Chancen einer freiwilligen Kooperation in größeren Gemeinschaften gering (aaO., S. 54, 58). Kooperation setzt entweder einen zentralen (Bendor/ Mookherjee [1987], S. 144 ff.) oder einen dezentralen Mechanismus voraus, der sog. defektierende, d. h. nicht solidarische Spieler ausschließt. Das letztgenannte 39
110
C. Prämissen
2. Interessenlage der gesicherten Gläubiger
Bei der Betrachtung der Interessenlage der gesicherten Gläubiger ist - unter a) zunächst der ökonomische Grund für die Wirksamkeit von Kreditsicherheiten darzustellen. Anschließend sind - unter b) - Besonderheiten bei den Warenkreditgläubigern zu schildern, wie sie sich aus empirischen Untersuchungen ergeben. Danach ist - unter c) - aufzuzeigen, wie gesicherte Gläubiger auf den Verdacht einer bevorstehenden Insolvenz reagieren. Und schließlich soll - unter d) - auf die Situation nach Insolvenzeintritt eingegangen werden.
a) Wirkungsmechanismus der Kreditsicherheiten
Den besten Schutz gegen das Ausfallrisiko in all seinen Ausprägungen bieten wirksame Kreditsicherheiten. Die Wirksamkeit beruht auf einem ,,Abschreckungsgleichgewicht,,42 zwischen der Gefahr für die Gläubiger, daß der Schuldner Risiken zu ihren Lasten verlagert und der Gefahr für den Schuldner, daß Gläubiger hierauf von dem Sicherungs mittel Gebrauch machen. Mit anderen Worten erzeugt das Wissen des Kreditnehmers und Sicherungsgebers, daß Gläubiger durch Sanktionsausübung Selbstschutz betreiben können, bei ihm eine aus eigenem Interesse induzierte Selbstbindung.43 Die Sanktion heilt somit potentielle Ausfalle und unterbindet Versuche des Schuldners, Ausfalle geplant herbeizuführen. 44 Um dies auch und gerade im Insolvenzzusammenhang zu erreichen, muß die Kreditsicherheit so beschaffen sein, daß sie dem Sicherungsnehmer einen "privilegierten Rangplatz vor den vom Gesetzgeber in einer Rangordnung erfaßten Anspruchsberechtigten,,45 verschafft. Wesentlich für den Wirkungsmechanismus von Kreditsicherheiten ist, daß sie den Informationsbedarf eines Gläubigers zur Einschätzung des Investitionsrisikos beträchtlich senken. Ohne Kreditsicherheit müßte ein rational handelnder Gläubiger die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls, die Summe der Erlöse aus der Liquidation des schuldnerischen Vermögens, die Verfahrenskosten und die Summe der Forderungen aller übrigen Gläubiger, die ihre Forderungen anmelden, prognostizieren. Diese Prognose müßte obendrein den Zeitraum bis zur geplanten Kreditrückzahlung erfassen. Demgegenüber muß ein durch Kreditsicherheiten geschützModell setzt weiter voraus, daß Spieliterationen die Spieler dazu zwingen, kurzfristige Nutzeneffekte zugunsten zukünftiger Nutzeneffekte zurückzustellen. Genau daran fehlt es beim Wettlauf der Gläubiger, der spieltheoretisch einem sog. einfachen Spiel entspricht. Hierfür hat Olson (\ 968) nachgewiesen, daß Defektion die einzig dominante Strategie und die unkooperative Lösung unter rationalen Egoisten das zu erwartende Ergebnis ist. 42 R.H. Schmidt (\98Ib), S. 209. 43 Duttle (\ 986), S. 49. 44 Drukarrzyk (\ 987), S. 25. - V gl. auch ders. (1986), S. 211 f. und Kölsch (\ 988). S. 75. 45 Drukarrzyk (1983), S. 332 (Hervorhebung auch im Original).
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
III
ter Gläubiger lediglich prüfen, ob der Verwertungserlös seiner Sicherheit seine Nominalforderung und ggf. ausstehende Zinsen zu jedem Zeitpunkt der Kreditlaufzeit deckt. 46 Nachdem die Gläubiger den Umfang der im Insolvenzfall haftenden Masse im voraus praktisch nicht feststellen können, weil ihnen sowohl der Umfang des aufgrund von Mobiliarsicherheiten dislozierten Vermögens als auch die Belastung durch Masseverbindlichkeiten unbekannt sind, ist es, sofern keine günstigen Informationsmöglichkeiten bestehen, ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft, wenn irgend möglich, Kreditsicherheiten zu vereinbaren. 47 Denn dadurch sinken die Transaktionskosten für ein Kreditengagement ganz erheblich. 48 Hierbei wird ein grundlegendes Prinzip erkennbar: Die Risiken, die von Maßnahmen des Schuldners abhängen - also Informationstransfer-, Vermögensverschiebungs-, Finanzierungsrisiko und das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse49 - bleiben so lange gebannt, wie die zu ihrer Vermeidung aufzuwendenden Transaktionskosten von den Gläubigem niedriger veranschlagt werden als die aus diesen Risiken resultierenden Gefährdungen ihrer Kreditengagements. 50 Nachdem die Gefährdungen der Gläubiger aufgrund der Informationsasymmetrie und der Kapitalstruktur eine in gewissem Umfang feste Größe sind, kommt es maßgeblich auf die Höhe der Transaktionskosten an, die für Informationen über die Bonität des Schuldners bzw. für eine eventuell vorzeitige Beitreibung des Darlehensbetrages wegen Kreditverschlechterung aufzuwenden sind. Sind die Transaktionskosten zu hoch, lassen sich die Risiken, denen die Gläubiger ausgesetzt sind, weder mit Hilfe privatautonomer Regelungen 51 noch durch gesetzliche Vorschriften 52 bannen.
Burger/Schellberg (1995e), S. 416 f.; Drulwrczyk (1983), S. 329; Adams (1980), S. 155. Nach Drulwrczyk (1983), S. 335, ist der "Run der Gläubiger nach Sicherheiten rational". - Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob Vertragsgestaltungen, die der einzeIwirtschaftlichen Koordinationseffizienz genügen, nicht unter Umständen gesamtwirtschaftlich zu Fehlallokationen führen und ihnen deshalb der staatliche Rechtsschutz vorenthalten werden sollte; vgl. Schüller (1983), S. 152 ff. und ausführlich unten unter E.lI.3. 48 Genaugenommen handelt es sich hierbei um sog. laufende Transaktionskosten im Unterschied zu den sog. versunkenen Transaktionskosten, vgl. Wegehenkel (1980), S. 18 ff. Laufende Transaktionskosten sind Kosten, die bei den über Märkte abgewickelten, vertraglichen Tauschvorgängen von exklusiven Verfügungsrechten entstehen. Im Anschluß an Picot (1982), S. 270, lassen sich unterscheiden: I. Anbahnungskosten, z. B. bei der Informationssuche und -beschaffung über potentielle Transaktionspartner und deren Konditionen; 2. Vereinbarungskosten, z. B. aufgrund der Intensität und zeitlichen Ausdehnung von Verhandlungen, Vertragsformulierung und Einigung; 3. Kontrollkosten, z. B. für die Überwachung der Vertragseinhaltung; 4. Anpassungskosten, z. B. wegen notwendiger Abwicklungsaktivitäten bei Nichterfüllung; 5. Opportunitätskosten, die sich aus der nächstbesten Verwendung eines Gutes als entgangener Gewinn ergäben. 49 V gl. dazu oben unter C.I.l.a). 50 Vgl. Duttle (1986), S. 53 m.w.N. 51 Vgl. Duttle (1986), S. 54. - Der aufgezeigte Zusammenhang ist auch der ökonomische Grund für den beschränkten Nutzen von sog. Negativklauseln, die den Kreditnehmer schuldrechtlich verpflichten, keinem bisherigen oder künftigen Gläubiger bessere Rechte einzu46
41
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C. Prämissen
b) Besonderheiten bei Warenkreditgläubigern
Ein wichtiges Sonderinteresse besteht bei Warenkreditgläubigern (Lieferanten). Bei ihnen wird das Interesse an einer Minimierung des Ausfallrisikos von dem Interesse an Absatzförderung überlagert. 53 Denn die Zahlungs bedingungen sind oft ein wesentliches Verkaufsargument. Unter dem Druck der Konkurrenz und vor dem häufigen Hintergrund gesättigter Märkte können es sich nur wenige Lieferanten leisten, auf sofortiger Zahlung durch ihre Abnehmer zu bestehen. Der Lieferantenkredit ist dabei eine Art Beigabe zum Absatzgeschäft. Das zeigt sich in einer ganzen Reihe von Umständen: Die entsprechenden Kreditsicherheiten sind standardisiert und beruhen meistens auf den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers. Eine Prüfung auf Kollisionen mit Rechten Dritter findet nicht statt. 54 Vor Kreditgewährung ist die Informationsbeschaffung über die Bonität des potentiellen Abnehmers - meist unter Hinweis auf die in Aussicht genommenen Sicherheiten - eingeschränkt. 55 Die eingeräumten Zahlungsziele und die Wirksarnkeitsdauer der Sicherungsmittel sind häufig nicht hinreichend aufeinander abgestimmt. So ist es nicht ungewöhnlich, daß bei einem Verkauf unter einfachem Eigentumsvorbehalt das Zahlungsziel den Zeitraum der Lagerdauer der veräußerten Ware bis zu ihrem Weiterverkauf oder ihrer Weiterverarbeitung überschreitet. 56 Die Gefahr, daß der einfache Eigentumsvorbehalt dabei durch gutgläubigen Erwerb nach § 932 ff. BGB, durch Verbindung oder Vermischung gern. § 949 S. I BGB oder durch Verarbeitung gern. § 950 TI BGB erlischt, ist erheblich. Doch scheinen sich viele Warenkreditgeber dessen nicht bewußt zu sein. Oft kennen sie selbst jedenfalls nicht einmal den Inhalt der von ihnen mittels Allgemeiner Geschäftsbedin-
räumen als dem Vertragspartner, und von sog. Me-first-rules, die verhindern sollen, daß neue gleichberechtigte Gläubiger hinzutreten, wodurch der Anteil am Marktwert des Fremdkapitals vermindert würde. Vgl. zu diesen und weiteren Schutzbestimmungen in Kreditverträgen Stahlschmidt (1982), S. 48 ff. 52 Dazu unten unter C.I.3.b), insbesondere unter bb)(2). 53 Vgl. die empirischen Untersuchungen von GessnerlRhodelStratelZiegert (1977), S. 442,448 und von Drukarczykl Duttle I Rieger (1984), insbesondere S. 106 et passim. - Instruktiv zum Charakter der Lieferantenkredite "als unerwünschte aber notwendige Nebenleistung" zu den Absatzgeschäften Duttle (1986), S. 246 ff. 54 Vgl. Drobnig (1976), S. FI8 und F20jeweils m.w.N. 55 Vgl. Drukarczykl Duttle I Rieger (1984), S. 80 Tabelle U-43: Etwas mehr als 13 Prozent der Lieferanten verschaffen sich nie Informationen vor Kreditgewährung, immerhin knapp 43 Prozent nur vereinzelt. Dabei begründen neun Zehntel der Unternehmen ihr abstinentes Verhalten damit, daß die Sicherheiten als ausreichend erscheinen; vgl. aaO. S. 82 Tabelle U45. - Für Warenkreditgläubiger gilt, anders als für Kreditinstitute, auch nicht § 18 Satz 1 KWG, wonach sich diese vor Kreditvergabe in vielen Fällen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers offenlegen lassen müssen. Damit korrespondieren die Ergebnisse der Untersuchung von Hesselmannl Stefan (1990), S. 91 ff., wonach die befragten Konkursverwalter die Qualität der Kreditprüfung und der Kreditüberwachung bei den Kreditinstituten hervorhoben. 56 Vgl. Drukarczykl Duttlei Rieger (1984), S. 70 ff. und S. 110 bei (12) und (13).
1. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
113
gungen vereinbarten Kreditsicherungen. 57 Auffallend ist ferner, daß ein knappes Drittel der Unternehmen, die Leistungen kreditieren, keine laufende Kreditüberwachung vornimmt. 58 In den Erkenntnissen über die rechtzeitige Entdekung von Ausfallrisiken spiegelt sich das wider. Danach gibt es bei den Warenkreditgläubigem zwei verschiedene Gruppen, von denen die eine nur wenige Ausfallrisiken rechtzeitig entdeckt und entsprechende hohe Forderungsausfälle verzeichnet, während die andere sich durch rechtzeitige Anpassungsmaßnahmen weitgehend schützen kann. 59 Bei alldem ist bemerkenswert, daß sich die Warenkreditgläubiger im Vergleich zu den Geldkreditgläubigem (Kreditinstituten) für die besseren Kreditkontrolleure halten 60 , obgleich sie unter den gesicherten Gläubigem zu denjenigen mit den höchsten Ausfällen im Konkurs zählen. 61 Die mit großem Abstand häufigste Ausfallursache besteht darin, daß das Sicherungsgut nicht mehr vorhanden ist. 62 Das liegt wohl zum einen daran, daß beim Warenkredit der einfache Eigentumsvorbehalt überwiegt63 , obwohl diese Sicherungsform im Rahmen einer Kreditbeziehung, bei der der Schuldner regelmäßig auf die weitere Umsetzung des Sicherungsgutes angewiesen ist, um aus den Umsatzerlösen seine Gläubiger befriedigen zu können, als unzureichend erscheint. Zum anderen zeigt die Ausfallursache die Kehrseite der Mobiliarsicherheiten: der Vorteil, daß das Sicherungsgut beim Schuldner verbleibt und Dritten gegenüber von ihm unerkannt genutzt und veräußert werden kann, korrespondiert mit dem Risiko, daß er entgegen der Sicherungsabrede über das Sicherungsgut verfügt. Festzuhalten ist, daß das Absatzinteresse bei manchen Warenkreditgläubigem zu einer
Vgl. Drukarczykl Duttle I Rieger (1984), S. 88. Vgl. Drukarczykl Duttle I Rieger (1984), S. 82 f. und S. 111 bei (15). 59 Vgl. Drukarczykl Duttle I Rieger (1984), S. 83 f., insbes. Tab. U-48. 60 Vgl. Drukarczykl Duttlei Rieger (1984), S. 84, 92, 137 ff. 61 Nach der empirischen Untersuchung von Drukarczykl Duttle I Rieger (1984), S. 95 Tab. U-62, über die Befriedigungsquote bei mobiliargesicherten Lieferantenforderungen beträgt diese im Durchschnitt nur 37,9 Prozent; d. h. die durchschnittliche Ausfallquote betrug 62,1 Prozent. Dabei ging ein großer Teil der Warenkreditgläubiger, nämlich 40 Prozent, sogar vollständig leer aus. Vergleicht man diese Angaben mit denen über die Ausfallquoten mobiliargesicherter Kredite von Kreditinstituten ergibt sich eine durchschnittliche Ausfallquote von lediglich 39,8 Prozent (aaO., S. 158); nur 2,6 Prozent fielen vollständig aus (aaO., S. 157 Tab. K-50). Das Bild wird durch Angaben darüber bestätigt, in weIchem Ausmaß konkursbetroffene Waren- bzw. Geldkreditgläubiger überhaupt Ausfalle zu verzeichnen hatten: Bei den Warenkreditgläubigern waren dies bezogen auf alle gesicherten Kredite 86,7 Prozent der Gläubiger (aaO., S. 93), bei den Geldkreditgläubigern 79,3 Prozent (aaO., S. 154). 62 79,5 Prozent der Warenkreditgläubiger nennen das als Ausfallursache, vgl. DrukarczyklDuttlelRieger (\984), S. 97 Tab. U-64. Hingegen hat dieser Grund als Ausfallursache von Mobiliarsicherheiten bei Kreditinstituten mit 14,6 Prozent der Fälle nur eine untergeordnete Bedeutung; dort ist die wichtigste Ausfallursache, daß der Verwertungserlös die Forderung nicht deckt, aaO., S. 159 ff. 63 Vgl. DrukarczyklDuttlelRieger (1984), S. 59 Tab. U-22, und die zu deren Verständnis wichtigen Hinweise auf S. 88. sowie dort Tab. U-54. 57
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H Förster
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C. Prämissen
leichtfertigen Kreditierung des Kaufpreises führt, wobei sie die Vereinbarung einer Kreditsicherheit in einer trügerischen Sicherheit wiegt. 64
c) Verhalten bei Insolvenzverdacht
Gesicherten Gläubigem bietet das gesetzliche Insolvenzverfahren bei dem Verdacht einer bevorstehenden Insolvenz ihres Schuldners keinen Schutz: Solange der Verwertungserlös ihrer Sicherheiten die ausstehende Forderung deckt, solange sie also keine Ausfallforderung haben, sind sie nicht antragsberechtigt. 65 Doch auch dann, wenn sie infolge einer Ausfallforderung antragsberechtigt sind, sind sie kaum antragswillig. 66 Das dürfte an der jahrzehntelangen Erfahrung der Gläubiger mit Insolvenzverfahren liegen, wonach die Ausfallforderung als nicht bevorrechtigte Forderung, wenn überhaupt, dann nur in Höhe eines minimalen Bruchteils befriedigt wird. Demzufolge ist es für die Gläubiger höchst unsicher, ob das Insolvenzverfahren wenigstens die Kosten eines Insolvenzantrages und einer Teilnahme am Insolvenzverfahren deckt67 , zumal die Befriedigungsquote nur auf die Ausfallforderung, also regelmäßig nur auf einen Teil der Gesamtforderung, bezahlt wird. Hinzukommt noch das praktisch kaum lösbare Problem, festzustellen, inwieweit eigene Sicherheiten wegen möglicherweise kollidierender Sicherheiten zu einem Ausfall führen. Die genaue Feststellung der Höhe des eigenen Ausfalls ist aber erforderlich, um die Zulässigkeit eines Insolvenzantrags glaubhaft68 machen zu können. Es ist daher für gesicherte Gläubiger, auch dann, wenn sie mutmaßlich mit einem Ausfall rechnen müssen, sinnvoller, auf einen Insolvenzantrag zu verzichten und stattdessen auf eine wirtschaftliche Erholung des Schuldners, verbunden mit der Chance zu künftigen Folgegeschäften, zu hoffen. Allenfalls mittelbar führt das Verhalten gesicherter Gläubiger bei Insolvenzverdacht zu einem Insolvenzverfahren. Wenn Sie nämlich versuchen, ihren Kredit zurückzuführen, so entziehen sie dem Schuldner damit Liquidität. Ist dessen finanzwirtschaftliches Gleichgewicht gestört 69 , erhöhen sich dadurch dessen Zahlungsschwierigkeiten. Sind diese weder durch sonstige Kapitalzufuhr noch durch Zahlungsaufschübe zu beseitigen, tritt Zahlungseinstellung ein. 7o Der Schuldner wird 64 So auch Kölsch (1988), S. 59. Ausführlich zu den Entscheidungsproblemen bei einer Kreditvergabe unter Unsicherheit und den begrenzten Möglichkeiten, Unsicherheit in Sicherheit zu transformieren, bei Dorndorfl Frank (1985), S. 73 ff. 65 Zwar sind die gesicherten Gläubiger auch Konkursgläubiger i. S. d. § 3 I KO und damit an sich nach § 103 11 KO antragsbefugt, doch fehIt ihnen das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie auf einfachere Art Befriedigung erlangen können; vgl. Kilgerl K. Schmidt (1993), § 105 Anm. 2 m.w.N. Gleiches gilt gern. § 13 12, 14 I InsO. 66 Drukarczyk (1987), S. 134; Gessnerl RhodelStratelZiegert (1977), S. 126 (Tab. 1/46). 67 Näher hierzu unten unter C.I.3.b). 68 Vgl. § 105 I KO bzw. § 14 I InsO. 69 Dazu oben unter B.II.2.b).
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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dann häufig von sich aus Insolvenzantrag stellen. 7l Aus der Untersuchung von Gessner / Rhode / Strate /Ziegert72 ergibt sich dabei, daß die Kreditinstitute in ihrer Funktion als gesicherte Gläubiger ihre Stategie bei der Kreditvergabe von der wirtschaftlichen Situation des Schuldnerunternehmens abhängig machen: Je desolater sich diese darstellt, desto größere Zurückhaltung üben die Kreditinstitute bei der Neuvergabe gesicherter Kredite in der Vorphase der Insolvenz. Kreditinstituten ist es also offenbar möglich, Insolvenzsignale zu empfangen und ihr Verhalten danach auszurichten. Gleichwohl kritisieren nach der Untersuchung von Hesselmann/Stefan 73 viele Konkursverwalter, daß Kreditinstitute im Vorfeld der Insolvenz auch an notleidende Unternehmen Kredite vergeben und dabei, sofern sie nur ausreichende Sicherheiten erhielten, nicht genügend auf die Ertragsaussichten des Schuldners achten. Insofern zeigt sich bei den gesicherten Geldkreditgläubigern ein ähnliches Verhaltensmuster wie bei den gesicherten Warenkreditgläubigern. 74
d) Situation nach Insolvenzeintritt
Nicht vertieft werden kann im Rahmen dieser Arbeit das Verhalten gesicherter Gläubiger nach Eintritt einer Insolvenz, weil es sich hierbei nicht mehr um ein Problem der Insolvenzauslösung, sondern der Vermögensverwertung handelt. Dennoch ist kurz darauf einzugehen, um dem Eindruck vorzubeugen, daß die hier zugrunde gelegte - und in anderem Zusammenhang wichtige - Prämisse unzutreffend sei, wonach ein Unternehmen immer dann fortgeführt wird, wenn der Fortführungswert größer als der Zerschlagungswert ist. 7s Denn gesicherte Gläubiger scheinen sich an diese Entscheidungsregel nicht immer zu halten. Bei ihnen kommt es vor, daß sie bei der Entscheidung über die Verwertung des schuldnerischen Vermögens eine Fortführung ablehnen, obgleich dadurch nicht der maximale Verwertungserlös erzielt wird. Das beruht darauf, daß die einzelnen an einer Insolvenz beteiligten Gläubigergruppen - gesicherte und ungesicherte Fremdkapitalgläubiger sowie Eigenkapitalgläubiger - den Fortführungswert bzw. den Zerschlagungswert jeweils unterschiedlich einschätzen. Die erstrangige Gruppe der gesicherten Gläubiger trägt etwa bei einer Fortführung das Risiko der weiteren Entwertung ihrer Sicherheiten und wird daher dazu neigen, die Chancen aus einer 70 Sog. finanzwirtschaftlicher Erstickungsprozeß, vgl. dazu ausführlich oben unter B.II.2.c). 71 V gl. dazu auch die empirische Untersuchung von Drukilrczyk/ Duttle / Rieger (1984), S. 151, wonach Kreditinstitute bei Insolvenzverdacht neben der Kündigung und der Rückführung von Krediten auch damit reagieren, die Geschäftsleitungen zu beraten und entsprechenden Einfluß auf sie zu nehmen. 72 Dies. (1977), S. 255 (Tab. III 118), vgl. auch S. 257. 73 Dies. (1990), S. 94 ff. 74 Dazu oben unter C.1.2.b). 75 Zu diesem Entscheidungskriterium und seiner Bedeutung bereits oben unter C.I. I .d).
8'
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C. Prämissen
Fortführung eher geringer einzuschätzen als die zweitrangige Gruppe der ungesicherten Gläubiger. Umgekehrt wird diese, da sie bei einer Zerschlagung meist leer ausgeht, die Chancen einer Fortführung vergleichsweise höher bewerten. 76 Setzen sich die gesicherten Gläubiger durch, was ihnen wegen ihres erstrangigen Befriedigungsanspruchs leicht fällt, kann es zu einer Verwertungsentscheidung kommen, die - jeweils unter Zugrundelegung der angegebenen Entscheidungsregel - zwar für die Gruppe der gesicherten Gläubiger optimal ist, nicht aber für die Gesamtheit der Gläubiger. 77 Zur Lösung dieses Problems könnte das neue Insolvenzrecht eine wichtige Hilfe sein, da nach der InsO - anders als nach der KO - sämtliche Gläubiger, also einschließlich der gesicherten, über die Art der Verwertung zu entscheiden haben, ohne daß diese Entscheidung bereits zuvor durch die Vorabbefriedigung der Ansprüche aus Sicherungsrechten de facto auf die Zerschlagungsalternative festgelegt ist. 78 Dabei kann es im wirtschaftlichen Interesse nachrangiger Gläubigergruppen liegen, zu versuchen, vorrangigen Gläubigergruppen durch Kompensationszahlungen die Zustimmung zu einer von diesen sonst nicht akzeptierten Fortführungslösung gewissermaßen abzukaufen. 79 Voraussetzung ist allerdings, daß das Insolvenzverfahren eröffnet wird, bevor die Substanz eines Unternehmens so weit heruntergewirtschaftet ist, daß der Fortführungswert unter dem Zerschlagungswert liegt. Letzteres unterliegt allerdings erheblichen Zweifeln. 8o
3. Interessenlage der ungesicherten Gläubiger
Die Ausführungen zur Interessenlage ungesicherter Gläubiger betreffen drei Bereiche: zum einen - unter a) - die Frage, was eine ungesicherte Kreditvergabe voraussetzt, zum zweiten - unter b) - die Frage, welche Sanktionsmöglichkeiten Gläubiger haben, wenn sich diese Voraussetzung als nicht beständig erweist und zum dritten - unter c) - das Verhältnis der ungesicherten zu den gesicherten Gläubigem. 76 Die gesicherten Gläubiger verhalten sich mithin gemäß dem Sprichwort: "Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach." 77 Das läßt sich mathematisch nachweisen. Eine einfache Darstellung findet sich bei Drukarczyk (1987), S. 121 ff.; eine ausführliche, auch die personalabbaubedingten Belastungen beachtende, bei Marschdoif(l984), S. 175 ff. 78 Vgl. § 157,77 I, 28 I InsO sowie BT-Drs. 12/2443, S. 133 zu § 88, ferner oben unter B.III.2.d) und Burger/Schellberg (l995c), S. 693 ff. - In der Terminologie der InsO sind "Gläubiger" auch die absonderungsberechtigten; wenn die InsO die persönlichen Gläubiger meint, spricht sie von "Insolvenzgläubigern". 79 V gl. dazu das rechnerische Beispiel bei Drukarczyk (1987), S. 122 f. sowie C. Paulus (1985), S. 1454. - Voraussetzung hierfür ist, daß erstens für die Gesamtheit der Gläubiger der Fortführungswert größer als der Liquidationswert ist und daß zweitens für die nachrangigen Gläubiger der Vorteil einer Fortführung gegenüber einer Zerschlagung größer ist als der Nachteil den die vorrangigen Gläubiger aus einer solchen Verwertungslösung haben. 80 Vgl. dazu oben unter B.III.2.a).
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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a) Prämisse ungesicherter Kreditvergabe
Ein Gläubiger ohne Kreditsicherheiten, der ein Ausfallrisiko venneiden möchte, müßte bei seiner Entscheidung über eine Kreditvergabe die Insolvenzwahrscheinlichkeit des Schuldners abschätzen, ferner das Verhältnis von Schulden und Schuldendeckungspotential im Zeitpunkt eines möglichen Insolvenzeintritts und die Regeln nach denen das vorhandene Vennögen unter die verschiedenrangigen Gläubiger verteilt wird. Das ist praktisch unmöglich, denn er müßte die künftige Geschäftsentwicklung beim Schuldner in allen Einzelheiten vorhersehen können. Die ungesicherte Kreditvergabe beruht deshalb auf dem Vertrauen in die Solvenz des Schuldners. 81
b) Sanktionsfähigkeit
Sollte das Vertrauen in die Solvenz des Schuldners enttäuscht werden, sind die Gläubiger auf wirksame Sanktionen angewiesen. Insoweit kommt entweder eine Einzelzwangsvollstreckung oder die Stellung eines Insolvenzantrags in Frage.
aa) Einzelzwangsvollstreckung? Der Weg, über eine Einzelzwangsvollstrekung Befriedigung zu suchen, ist bei fortgeschrittener Krise kaum aussichtsreich: Hat der Gläubiger noch keinen Titel muß er sich diesen zuerst beschaffen. Krisenbetroffene Schuldner neigen aber dazu, Prozesse zu verzögern, um ihrer Zahlungspflicht und der Zwangsvollstrekkung zu entgehen. 82 Obendrein besteht in diesem Fall für den klagenden Gläubiger auch bei obsiegender Entscheidung ein nicht unerhebliches Risiko als Zweitschuldner für die Kosten der Klage zu haften (§ 49 S. 1 GKG). Doch auch wenn ein Gläubiger im Besitz eines vollstreckbaren Titels sein sollte, ist damit noch nicht viel gewonnen: Denn bei mangelnder Solvenz des Schuldners verfügt dieser nicht über bare Mittel, die gern. § 815 1lI ZPO beigetrieben werden könnten. Dem Gläubiger bleibt daher nichts anderes übrig, als die Ausbringung einer Pfandung, etwa gern. § 808 ff. oder § 828 ff. ZPO, oder die Eintragung einer Zwangshypothek gern. § 867 ZPO. Abgesehen von der Schwierigkeit, im fortgeschrittenen Krisenstadium einen von Rechten Dritter freien Gegenstand zu pfänden, bestehen dabei mehrere Risiken: Zum einen kann es sein, daß der Schuldner 81 Deshalb wird in der Bankpraxis auch davon gesprochen, daß der sicherste Kredit der ungesicherte sei, da es entscheidend auf den Ruf des Kreditnehmers ankommt; vgl. dazu auch Domdorf/ Frank (1985), S. 74 f. mit interessantem Hinweis auf das damit zusammenhängende Phänomen der "Hausbanken" und der häufig zu beobachtenden engen Bindung von Unternehmen an diese. 82 Instruktiv hierzu der Abschnitt über Schuldnertricks und Schuldnerstrategien bei David (1995), S. 411 ff. m. w.N. auf diverse Anleitungen für unredliche Schuldner.
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C. Prämissen
der Zwangsvollstreckung mit einem Eigenantrag zuvorkommt, um so das Vollstreckungsverbot des § 14 KO bzw. des § 89 InsO zu nutzen und dadurch die Chancen einer Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter zu verbessern. Oder es kommt zwar zu einer Zwangsvollstreckung, bei der der Gläubiger jedoch eine inkongruente Deckung i. S. d. § 30 Nr. 2 KO bzw. § 131 InsO erlangt. 83 Bricht der Schuldner nun infolge der Zwangsvollstreckung finanziell zusammen und wird Insolvenzantrag gestellt, so ist die von dem Gläubiger erlangte Sicherheit in hohem Maße anfechtungsgefährdet. Denn die gute Dokumentation von Vollstreckungsmaßnahmen erleichtert ihre Darlegbarkeit in einem Anfechtungsprozeß. Schließlich kann sich für einen Gläubiger, der bereits einen Gegenstand beim Schuldner gepfandet hat, die Rückschlagsperre ungünstig auswirken, § 28 I, 104 I VerglO bzw. § 88 InsO. 84
bb) InsolvenzantragsteIlung? Nach alldem kommt für Gläubiger, deren Vertrauen in die Solvenz des Schuldners enttäuscht wurde, als Sanktion allenfalls die Stellung eines Insolvenzantrags in Frage. 85 Wie im folgenden zu zeigen sein wird, ist dies aus Sicht der ungesicherten Gläubiger jedoch wenig opportun. ( 1) Rechtliche Hindernisse einer AntragsteIlung
Nach ganz h.M. 86 fehlt für einen Insolvenzantrag das Rechtsschutzbedürfnis, wenn er als Druckmittel zur Zahlung oder zur Erreichung von Ratenzahlungen dienen soll, weil der antragstellende Gläubiger dann nicht die gemeinsame und anteilige Befriedigung aller Gläubiger erstrebt, sondern seine eigene volle Befriedigung. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch, wenn der Insolvenzantrag gestellt wird, um zwecks Durchsetzung der eigenen Forderung Druck auf einen Schuldner auszuüben. 87 Außerdem kann eine unter dem Druck des Konkursantrages erfolgte 83 Vgl. Kilger I K. Schmidt (1993), § 30 Anm. 20 und Hess (1995), § 30 Rn. 64 jeweils m.w.N. 84 Zum Entscheidungsproblem Einzelzwangsvollstreckung versus Insolvenzantrag vgl. ausflihrIich Uhlenbruck (1983b), S. 60 ff. 85 So Drukarczyk (1987), S. 27. Ders. (1986), S. 209: "Die gesetzliche Lösung macht ( ... ) Gläubiger sanktionsfähig, denen der Zugang zu Sanktionen ansonsten versperrt wäre." - Vgl. auch Arnold (1977), S. 386. 86 Vgl. LG Münster vom 3.11. 1992 (5 T 722/92), in: ZIP 1993, S. 1103; LG Koblenz vom 16.5. 1975 (4 T 208175), in: RPfleger 1975, S. 318 f.; AG Burgsteinfurt vom 25. 9. 1967 (9 N 5167), in: MDR 1968, S. 1020; jeweils unter Berufung auf Krantz (1952), S. 291, dieser unter Bezugnahme auf Schumann (1938), S. 4 f. Zustimmend Kuhnl Uhlenbruck (1994), § 105 Rn. 6a und Kilgerl K. Schmidt (1993), § 105 Anm. 2. 87 Vgl. BGH vom 5.11. 1956 (III ZR 139/55), in: KTS 1957, S. 12, 14; GottwaldlUhlenbruck (1990), § 7 Rn. 10.
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"freiwillige" Befriedigung bei einer späteren Konkurseröffnung vom Konkursverwalter nach den § 29 ff. KO bzw. § 129 ff. InsO angefochten werden. 88 Ferner ist für einen Eröffnungsantrag der Eröffnungsgrund glaubhaft zu machen, § 105 I KO bzw. § 14 I InsO. Der Eröffnungsgrund der Überschuldung ist insofern gänzlich ungeeignet, weil der Gläubiger bei der Glaubhaftmachung der Tatbestandserfüllung auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt. 89 Aber auch ein auf Zahlungsunfähigkeit beruhender Eröffnungsantrag, der sich nicht auf die Vermutung der Zahlungseinstellung nach § 102 11 KO bzw. nach § 17 11 2 InsO stützt, ist kaum glaubhaft zu machen. 90 Denn sowohl nach altem wie nach neuem Recht müßte der Antragsteller zumindest das Unvermögen des Schuldners seine fälligen Geldverbindlichkeiten erfüllen zu können, darlegen. 91 Wenn der Schuldner - was nahe liegt - einwendet, daß es sich lediglich um eine vorübergehende Zahlungsstockung handele 92 , muß der Antragsteller das Unvermögen des Schuldners glaubhaft machen. Das ist ohne die Aufstellung eines Finanzplans nicht zu leisten. Die insoweit erforderlichen Daten sind dem Antragsteller aber in aller Regel nicht zugänglich. 93 Damit bleibt einem Gläubiger nur, seinen Eröffnungsantrag mit der Zahlungseinstellung des Schuldners zu begründen. Deren Glaubhaftmachung kann durch das Indiz der Nichtzahlung wesentlicher, rechtlich nicht zweifelhafter Schulden erfolgen. Wie oben bereits ausgeführt wurde 94 , ist dies aber bereits das Ende des sog. finanzwirtschaftlichen Erstikungsprozesses, bei dessen Eintritt für einfache Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens oft nichts mehr zu erlösen ist. Zudem wird mit einem derart begründeten Antrag - jedenfalls unter Geltung der KO - nur ein Gläubiger erfolgreich sein, dessen Forderung gegen den Schuldner betragsmäßig so hoch ist, das sie das - nicht näher bestimmte 95 - Wesentlichkeitskriterium erfüllt. (2) Ökonomische Hindernisse einer AntragsteIlung
Die Schwierigkeit bei der Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes liegt in dem Problem, die erforderlichen Informationen zu beschaffen. Die daraus resultierende Unsicherheit ist für die Entscheidungssituation eines ungesicherten Gläubigers, der Gottwald I Uhlenbruck (1990), § 7 Rn. 10. V gl. Gottwaldl Uhlenbruck (1990), § 13 Rn. 25; Uhlenbruck (1970), S. 99. 90 V gl. Gottwaldl Uhlenbruck (1990), § 13 Rn 23. 91 Näher oben unter B.I.4.a). 92 Uhlenbruck (1970), S. 100 f. stellt resigniert fest, daß man jedem Gemeinschuldner nur anraten könne, "entweder die Zahlungsunfähigkeit zu bestreiten oder sich wie folgt einzulassen: ,Ich habe zwar Geld, aber ich will nicht zahlen!' ". 93 Die Aufstellung eines Finanzplans erfordert Einblick in die Finanzbuchhaltung und das Controlling des Unternehmens. V gl. auch die Ausführungen zum finanzwirtschaftlichen Problem einer Unternehmung oben unter B.II.2.a), ferner unten unter C.IV.3. 94 Unter B.1I.2.c). 95 Vgl. dazu die Nachweise oben am Ende von B.I.4.a). 88
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C. Prämissen
vor der Frage steht, ob er Insolvenzantrag stellen soll, charakteristisch. 96 Sie führt dazu, daß er aus ökonomischen Gründen ein stark eingeschränktes Interesse an einer Insolvenzauslösung hat. Denn realistischerweise wird man davon ausgehen müssen, daß sich die Frage, was für einen ungesicherten Gläubiger rational ist, unter egoistischen Prämissen nicht von der des Erfolgs trennen läßt. Ein solcher Gläubiger wird also ein Insolvenzverfahren nur dann auslösen, wenn seine Befriedigungsquote bei umgehender Insolvenzauslösung höher ist als bei einem weiteren Zuwarten. 97 Sein Kalkül darf sich dabei nicht nur an der (zu engen) Fragestellung ausrichten, wie er die künftige wirtschaftliche Entwicklung des Schuldners einschätzt, sondern muß sich an der weiter gefaßten Frage orientieren, welche Folgekosten, die jeweilige Entscheidung auslöst. 98 Entscheidet sich der ungesicherte Gläubiger nämlich für ein weiteres Zuwarten, so muß er im schlimmsten Fall seine Forderung gegen den Schuldner abschreiben. Entscheidet er sich hingegen für die Stellung eines Insolvenzantrags, so können sich hieraus für ihn direkte und indirekte Insolvenzkosten ergeben, ohne daß er auch nur annähernd sicher sein kann, in der Schlußverteilung überhaupt etwas zu erhalten. In diesem Fall würde er also nicht nur die Forderung verlieren, sondern zusätzlich nutzlose Aufwendungen haben. 99 Im einzelnen sind folgende direkte und indirekte Insolvenzkosten zu berücksichtigen. (a) Direkte Insolvenzkosten Zu den direkten Insolvenzkosten zählen für den antragstellenden Gläubiger Gebühren, Auslagenhaftung und Massekostenvorschüsse. Dabei sind die Gerichtsgebühren, die der Antragsteller schuldet (§ 50 I 1 GKG), das geringste. Sie betragen eine halbe Gebühr, berechnet auf die Forderungshöhe oder die ggf. niedrigere Aktivmasse (§ 37 IV GKG), mindestens aber DM 200,- (Nr. 4211 KostVerz).loo Bedient sich der Gläubiger bei der Antragstellung der Hilfe eines Rechtsanwalts fällt des weiteren die auf den Nennwert der Forderung berechnete (§ 77 11 BRAGO) Hälfte der vollen Gebühr an (§ 72, 2. Hs. BRAGO). Dabei ist zu beachten, daß der Gläubiger diese Kosten im Konkursverfahren überhaupt nicht (§ 63 Nr. 2 KO) bzw. im zukünftigen Insolvenzverfahren regelmäßig lOi nicht geltend machen kann. Da auch ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gegen eine insolvente GmbH wertlos ist, bleiben diese Gebühren auf alle Fälle beim Gläubiger hängen. Vgl. Beeck (1979), S. 76 et passim. Vgl. Drukarczyk (1980), S. 284 ff. mit umfangreicher rechnerischer Darstellung des Entscheidungsproblems. 98 Vgl. auch die modell theoretische Untersuchug von Horne (1976), pp. 903 ff., über den AusfluB der Kosten einer Insolvenz auf die Auslösebereitschaft der Gläubiger. Die Motivation zu früher Auslösung nimmt danach ab, je höher die gegenwärtigen Kosten im Vergleich zu zukünftigen Kosten sind. 99 Uhlenbruck (1970), S. 90. V gl. auch Drukarczyk (1995), S. 40 ff. 100 Str., vgl. Uhlenbruck (1995b), S. 433 (bzw. 293) m.w.N. 101 Eine Ausnahme gilt für den äuBerst seltenen Fall, daß die Hauptforderungen aller Gläubiger VOllständig befriedigt werden (§ 39 I Nr. 2InsO). 96
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Hinzu kommt die mit einem besonders hohen Kostenrisiko belastete Einstandspflicht für die durch die AntragsteIlung verursachten Auslagen (§ 50 I 2 GKG), sofern der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen werden sollte. Hierzu rechnen zum einen die nach § 3 ZSEG zu erstattenden Aufwendungen eines Sachverständigen, den das Konkursgericht nach § 75 KO zur Aufklärung des Sachverhalts einsetzt, wenn der Schuldner das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes bestreitet. 102 Des weiteren können dem Gläubiger im Falle der masselosen Insolvenz die Kosten für Sicherungsmaßnahmen nach § 106 I KO, insbesondere also die für einen Sequester, auferlegt werden. 103 Und schließlich halten viele Konkursgerichte den Antragsteller ohnehin für kostentragungspflichtig, falls der Konkursantrag mangels Masse abgewiesen wird, was zur Folge hat, daß der Gemeinschuldner die Aufwendungen für einen Rechtsanwalt als erstauungsfähige Auslagen im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 103 ff. ZPO (i.V.m. § 72 KO) festsetzen lassen kann. Nach Uhlenbruck führt das dazu, daß sich in völlig masselosen Verfahren viele Gemeinschuldner anwaltlich vertreten lassen und sich hinsichtlich der Kosten später beim Antragsteller schadlos halten. 104 Schließlich werden vom Antragsteller häufig 105 Massekostenvorschüsse verlangt. Dies hängt mit den infolge des finanziellen Erstickungsprozesses ausgezehrten Insolvenzmassen zusammen lO6 , die sich ergeben, wenn Gläubiger ihren Insolvenzantrag praktisch nur auf eine durch Zahlungseinstellung indizierte Zahlungsunfähigkeit stützen können. So fordern manche Konkursgerichte unter Berufung auf die strenge Haftung des Konkursverwalters nach § 82 KO, Massekostenvorschüsse gern. § 107 I 2 KO von mehreren hunderttausend DM ein, die nicht nur die Massekosten i.S.v. § 58 Nr. 1 u. 2 KO abdecken, sondern zugleich auch die gern. § 60 I Nr. 1 KO vorgehenden Masseschulden i.S.v. § 59 I Nr. 1 u. 2 KO. 107 Doch selbst wenn die Masseschulden nach § 59 I Nr. 1 u. 2 KO bei der Vorschußberechnung nicht mit berücksichtigt werden, kann die Vorschußleistung immer noch erheblich sein, weil die Konkursgerichte die Kosten für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse (§ 58 Nr. 2 KO) großzügig bemessen, um eine unverzügliche Verfahrenseinstellung nach Konkurseröffnung gern. § 204 I KO zu vermeiden. 108 Die Richtigkeit der einen oder anderen Vorgehensweise kann hier dahingeEin solches Gutachten kostet in der Regel um die DM 1.000,-. Zu den regionalen Unterschieden sowie mit Nachweisen zum Streitstand vgl. GottwaldlUhlenbruck (1990), § 7 Rn. 18 und § 15 Rn. 5. 1()4 Ablehnend dazu ders. (1995b), S. 432 (bzw. 292). 105 Gessnerl RhodelStratelZiegert (1977), S. 134 f. 106 Näher hierzu oben unter B.II.2.c). 107 Vgl. (ablehnend) Uhlenbruck (1983b), S. 244; ders. (1990), S. 187 f. m.w.N. sowie Gottwaldl Uhlenbruck (1990), § 7 Rn. 19 und ablehnend zu dieser Praxis aaO., § 15 Rn. 5 m.w.N.; gegen die Einbeziehung der Masseschulden auch KilgerlK. Schmidt (1993), § 107 Anm.4m.w.N. 108 Vgl. GottwaldlUhlenbruck (1990), § 15 Rn. 5; GessnerlRhodelStratelZiegert (1977), S. 135 ff. 102 103
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C. Prämissen
stellt bleiben. Entscheidend ist, daß ein ungesicherter Gläubiger nur dann mit einer Befriedigung rechnen kann, wenn zuvor alle Masseverbindlichkeiten befriedigt wurden. Da diese im vorhinein nicht absehbar sind, bedeutet jede Bezahlung eines Massekostenvorschusses ein weiteres Ausfallrisiko. 109 (b) Indirekte Insolvenzkosten Zu den indirekten Insolvenzkosten rechnen diejenigen Belastungen, die vom Gläubiger nicht unmittelbar selbst zu tragen sind, die aber seine Befriedigungschancen senken, indem sie zu Lasten der Teilungsmasse gehen. Sofern bei AntragsteIlung überhaupt genügend Masse verfügbar ist, um die Kosten des Verfahrens decken und folglich das Verfahren eröffnen zu können, bleibt wegen fehlender Sanierungsfähigkeit oft nur die Zerschlagung der Unternehmung. 110 Zu den indirekten Insolvenzkosten zählen dann die Belastung der Insolvenzmasse mit neuen Verbindlichkeiten, wie Sozialplanforderungen oder oktroyierten Masseverbindlichkeiten nach § 59 I Nr. 2, 2. Hs. KO bzw. nach § 55 I Nr. 2, 2. Hs. InsO. Denn diese Verbindlichkeiten sind aus der Masse zu leisten, ohne daß dieser - wegen der Zerschlagungsprämisse - dafür entsprechende Einzahlungen zufließen. Die zerschlagungsbedingten Belastungen begünstigen daher eine Mentalität des Zuwartens mit einem Insolvenzantrag. 111 Darüber hinaus steigern sie die Gefahr, daß mangels Masse kein Insolvenzverfahren durchgeführt werden kann (§ 107 I, 204 I KO bzw. § 26 I, 207 I InsO), oder daß es - nach neuem Recht - zu einem masseunzulänglichen Verfahren (§ 208 I InsO) kommt. Beides ist für ungesicherte Gläubiger nutzlos. In diesem Fall implizieren die indirekten Insolvenzkosten dann weitere direkte Insolvenzkosten, und zwar sowohl als Massekostenvorschuß als auch - wenn dieser geleistet wurde - unter Umständen als Auslagenhaftung, falls das Verfahren dennoch mangels Masse nicht eröffnet werden kann oder wieder eingestellt werden muß. (c) Auswirkungen Da die Kostenrisiken für einen Gläubiger umso höher sind, je weiter das Unternehmen heruntergewirtschaftet ist 112, führen die direkten und indirekten Insolvenzkosten in der Praxis dazu, daß gerade in Fällen einer mutmaßlichen Masselosigkeit Insolvenzanträge unterbleiben. Dadurch können insolvenzreife Schuldner unter Umständen ad infinitum immer wieder Verbindlichkeiten mit neuen, zunächst noch arglosen Gläubigem begründen, die im Zweifel nie erfüllt werden. Das geht - wie Vgl. Uhlenbruck (1983b), S. 245. Vgl. zu dem Zusammenhang zwischen Insolvenzverfahren und dem Schicksal der Unternehmung bereits oben unter C.l.l.d}. 111 Vgl. ausführlich zu den Auswirkungen zerschlagungsbedingter Belastungen Haxl Marschdorf(1983}, S. 120 f. 112 Das wird durch die Erhebungen von Gessnerl Rhodei StratelZiegert (1977), S. 134 ff., bestätigt. 109 110
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mir aus eigener Erfahrung bekannt ist - nicht selten zu Lasten der Arbeitnehmer, da auch die Sozialversicherungsträger, insbesondere bei Kleinbetrieben als Schuldnern, die InsolvenzantragsteIlung scheuen und sich auch die Staatsanwaltschaften an diesen Fällen wenig interessiert zeigen. Außerdem gibt es nicht wenige sog. Sanierer, die sich die beschriebenen Zusammenhänge zunutze machen. Eine unverfängliche Kontaktaufnahme mit den zumeist anonym inserierenden Anbietern von GmbH-Sanierungen in den Tageszeitungen ist insoweit sehr lehrreich. (d) Folgerungen Für ungesicherte Gläubiger bestätigt sich die oben 113 gewonnene Erkenntnis, wonach sie sich nur dann gegen Ausfallrisiken schützen können, wenn die hierfür aufzuwendenden Transaktionskosten hinreichend niedrig sind. Für ungesicherte Gläubiger wäre dabei ein Insolvenztatbestamd ideal, der vorliegt, sobald die tatsächlich für eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehende Teilungmasse - also nach Abzug der Masseververbindlichkeiten 114 - kleiner wird als ihre Nominalforderungen. 1I5 Dadurch würde verhindert, daß die Forderungen der ungesicherten Gläubiger abgewertet würden. Es wird allerdings noch zu zeigen sein, daß einem solchen Idealauslöser gewichtige Bedenken entgegenstehen. 116 Zumindest aber sollte der Eröffnungstatbestand für ein Insolvenzverfahren so beschaffen sein, daß die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens im Regelfall gesichert ist. Denn nur so läßt sich vermeiden, daß die ungesicherten Gläubiger mit Transaktionskosten zur Herstellung der Massehaltigkeit belastet und dadurch letztlich von einer InsolvenzantragsteIlung - als dem einzig wirksamen Sanktionsmittel bei einem enttäuschten Vertrauen in die Solvenz des Schuldners - abgehalten werden. (3) Wirkung der parcondicio creditorum Bei der Frage, ob Insolvenzantrag gestellt werden soll, hat ein ungesicherter Gläubiger ferner die Wirkung der par condicio creditorum auf seine Befriedigungschancen in sein Kalkül einzubeziehen. Danach sinkt die Befriedigungsquote bei steigendem Verschuldungs grad unterproportional, also immer weniger, je mehr die Teilungsmasse mit Verbindlichkeiten belastet ist. 117 Da ein Gläubiger wegen seines Informationsdefizites regelmäßig erst bei fortgeschrittener Überschuldung von dieUnter C.I.2.a). V gl. zur zugrunde liegenden Begrifflichkeit oben unter B.I.2.d)aa). 1lS Vgl. dazu unter besonderer Berücksichtigung der Aufwendungen für Personalfreisetzungen Marschdorf(1984), S. 232 ff. 116 Vgl. unten unter C.I.4.a)bb). 117 Das hängt damit zusammen, daß neu hinzukommende Gläubiger einen steigenden Teil der von ihnen verursachten Forderungslast selbst tragen müssen; vgl. die mathematische Herleitung bei Adams (1980), S. 33 f. 113
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C. Prämissen
ser erfährt, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Befriedigungsquote bereits gering ist, wird hierdurch eine Mentalität des Zuwartens begünstigt, da der Einfluß weiterer Überschuldung unter diesen Umständen gering und damit kaum noch entscheidungsrelevant iSt. 118 Wenn demgegenüber vertreten wird II 9, die Gleichstellung der Gläubiger bewirke, daß Insolvenzaulöser von einzelnen Gläubigem im Interesse aller genutzt werden, so ist das nur theoretisch richtig. Praktisch fehlt es an der erforderlichen Prämisse. Nur wenn nämlich ein Gläubiger kurz nach Eintritt der Überschuldung Insolvenzantrag stellt, kann er mit einer Befriedigungsquote rechnen, die so hoch ist, daß sie einen Anreiz darstellt, unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen und dadurch auch den Interessen der übrigen Gläubiger zu dienen. Da aber der Eintritt der Überschuldung regelmäßig lange vor dem der Zahlungsunfähigkeit liegt 120 und da sich wirtschaftliche Schwierigkeiten selbst aufmerksamen Gläubigem erst durch Unregelmäßigkeiten im Zahlungsverhalten offenbaren, können sie den erforderlichen frühen Zeitpunkt für eine Insolvenzauslösung nicht erkennen. Selbst wenn sie ihn erkennen könnten, können sie ihn aber regelmäßig nicht i.S.v. § 294 ZPO glaubhaft machen. 121 Auch ein ggf. auf Verdacht gestellter Insolvenzantrag würde abgewiesen, da bei einem ungenügend glaubhaft gemachten Antrag keine eigene Ermittlungspflicht des Gerichts besteht. 122 Statt etwas zu gewinnen, handelt sich ein aufmerksamer und aufgrund bestimmter Wahrnehmungen mißtrauisch gewordener Gläubiger, der einen Insolvenzantrag stellt, also nur zusätzlich die Kosten für einen im Ergebnis nutzlosen Eröffnungsantrag ein. Daher ist es für einen aufmerksamen Gläubiger sinnvoller, seine Forderung im Alleingang einzutreiben. Das Risiko einer späteren Anfechtung wiegt dabei gering. Denn falls es dazu kommt, verliert er lediglich eine Forderung, die er sowieso verloren hätte, wenn er mit der AntragsteIlung solange zugewartet hätte, bis er einen Insolvenzgrund zuverlässig glaubhaft machen kann, nämlich die Zahlungsunfähigkeit bei Eintritt der Zahlungseinstellung. (4) Vorteile des Zuwartens mit der AntragsteIlung
Wegen der praktisch sehr geringen Befriedigungsaussichten erlangt die Alternative des Zuwartens auch dadurch an Wert, daß mit ihr das zumindest vorübergehende Fortbestehen des Unternehmens verbunden ist. Jede noch so geringe Chance Vgl. auch Kölsch (1988), S. 59. So etwa R.H. Schmidt (1980), S. 50 f. 120 Ursächlich hierfür sind die Phänomene im Schuldnerverhalten während des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses, vgl. dazu ausführlich oben unter B.II.2.c). 121 Die praktisch einzige, aber äußerst ungewöhnliche Möglichkeit besteht darin, daß der Buchhalter der überschuldeten GmbH an Eides Statt versichert, daß die GmbH überschuldet sei. 122 Vgl. KuhnlUhlenbruck (1994), § 105 Rn. 4; KilgerlK. Schmidt (1993), § 105 Anm.lc. 118
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zur Wiedererlangung von dessen Ertragsfähigkeit verbessert unter diesen Umständen die Situation eines Gläubigers. 123 Dies gilt in verstärktem Maß, wenn es sich bei dem Schuldner um einen für den Gläubiger besonders wichtigen Abnehmer handelt, dessen Wegfall ggf. den Eigenruin des Gläubigers bedeutet. Aber auch bei einem stärker diversifizierten Abnehmerkreis hat die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung einen eigenständigen Wert. Einerseits eröffnen nur weitere Umsätze die Chance, daß bisherige Verbindlichkeiten getilgt werden können l24 , andererseits kann ein Antrag auf Insolvenzeröffnung in den jeweiligen Verkehrskreisen rufschädigend wirken. (5) Rechtstatsächlicher Befund
Vor dem Hintergrund der geringen Befriedigungsaussichten und der erheblichen Kostenrisiken verwundern die Ergebnisse empirischer Untersuchungen nicht: Für die Mehrzahl der Gläubiger ist ein Insolvenzantrag kein probates Mittel, um fällige Forderungen einzutreiben. 125 In den Fällen, in denen nicht bereits der Schuldner einen Insolvenzantrag gestellt hatte, begründeten dies 31 Prozent mit Kosten-Nutzen-Überlegungen, weitere 22 Prozent damit, daß ein Insolvenzantrag hinsichtlich der Forderungshöhe unverhältnismäßig gewesen wäre. Auffallend ist dabei, daß nur ein gutes Fünftel der Gläubiger angab, zu wenig Informationen über den Schuldner gehabt zu haben. 126 Bezogen auf die Gesamtzahl der Gläubiger aus allen Verfahren - also auch derjenigen, in denen der Schuldner den Insolvenzantrag stellte - gaben sogar nur 11 Prozent der Gläubiger an, von der finanziellen Krisensituation des Schuldners zu wenig gewußt zu haben. 127 Insgesamt bevorzugen die meisten Beteiligten die Fortführung des insolventen Unternehmens, wobei die Fortführungswürdigkeit eine entscheidende Rolle spielt. 128
cc) Resümee Zur Frage, inwieweit die InsolvenzantragsteIlung eine wirksame Sanktion darstellt, falls das Vertrauen ungesicherter Gläubiger in die Solvenz ihres Schuldners sich als unberechtigt herausstellt, sind drei Ergebnisse festzuhalten. 123 R.H. Schmidt (1984), S. 724 et passim; Swoboda (1991), S. 228 ff.; vgl. auch M. Kühn (1991), S. 72 f. 124 V gl. ausführlich zu den insofern anzustellenden Überlegungen Beeck (1979), S. 98 ff. 125 Vgl. die empirische Untersuchung von Drukarczyk/DulIlelRieger (1988), S. 86 f. (Tab. U-51): Nur 6,6% der befragten Unternehmen betrieben die Ingangsetzung eines Konkursverfahrens. Viermal häufiger wurde hingegen die Forderung schlicht abgeschrieben und die Geschäftsbeziehung abgebrochen. 126 Vgl. Gessnerl RhodelStratelZiegert (1977), S. 448 f. und 137 f. 127 AaO. (Fn. 125). Vgl. auch o. V. (1993), S. 22. 128 Dies ergibt sich aus der Untersuchung von HesselmannlStefan (1990), S. 74, zur Einschätzung der Erhaltungsfähigkeit insolventer Unternehmen.
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( J) Das Dilemma ungesicherter Gläubiger
Ungesicherte Gläubiger haben praktisch keine Möglichkeit, ein enttäuschtes Vertrauen in die Solvenz ihres Schuldners zu sanktionieren. Die einzige vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit, nämlich einen Insolvenzantrag zu stellen, ist für sie allenfalls dann vorteilhaft, wenn die AntragsteIlung so frühzeitig erfolgt, daß die spezifischen Kostenrisiken bei Massearmut ausgeschlossen sind. Hierin zeigt sich aber das Dilemma, in dem sich ungesicherte Gläubiger befinden. Denn infolge ihres Infonnationsdefizites können sie die Insolvenzgründe zu einem derart frühen Zeitpunkt regelmäßig nicht glaubhaft machen. Vielmehr erfahren sie von den für die Glaubhaftmachung eines Insolvenzantrags erforderlichen Umständen meist erst zu einem Zeitpunkt, in dem eine AntragsteIlung wegen der damit verbundenen Kostenrisiken auf jedem Fall unvorteilhaft ist. 129 (2) Wirtschaftlicher Zusammenbruch durch Forderungseinzug?
Gelegentlich wird hervorgehoben, daß das Vorpreschen einzelner Gläubiger beim Forderungseinzug Nachteile zu Lasten aller Gläubiger hervorrufen könne, falls der Schuldner infolgedessen wirtschaftlich zusammenbreche. Ein gemeinsames Stillhalten aller Gläubiger könne da sinnvoller sein. 13o Wenn dem tatsächlich so ist, würde das eben vorgetragene Ergebnis weniger kraß erscheinen. An dem Argument ist zutreffend, daß jeder Forderungseinzug dem Schuldner Liquidität entzieht. Allerdings ist es nach dem oben gesagten unwahrscheinlich, daß einem ungesicherten Gläubiger der Forderungseinzug in einem Stadium, in dem ein Liquiditätsentzug den Zusammenbruch des Schuldners verursachen würde, überhaupt noch - dauerhaft - gelingt. Vor allem aber geht die Argumentation von der bereits oben als unzutreffend erkannten Prämisse aus, daß die Insolvenzeröffnung über das Vennögen des Rechtsträgers ipso iure die Zerschlagung der Unternehmung bedeuten muß. Die Insolvenzeröffnung hat aber nur dann die Zerschlagung zur Folge, wenn im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der Fortführungswert der Unternehmung unter deren Zerschlagungswert liegt. 131 Das Argument vom wirtschaftlichen Zusammenbruch infolge eines Forderungseinzugs kann seine Bedeutung allenfalls in einem anderem Zusammenhang haben. Wenn nämlich gesicherte Gläubiger 132 ihren Anspruch durch Verwertung ihrer Kreditsicherheit befriedigen, kann dies in der Tat den wirtschaftlichen ZusammenKölsch (1988), S. 43, spricht insoweit von einem "Teufelskreis". Vgl. R.H. Schmidt (1980), S. 28 f.; BitzIHemmerdeI Rausch (1986), S. 275. 131 Vgl. dazu bereits ausführlich oben unter C.I.l.d) bei der Auseinandersetzung mit dem vermeintlichen "Zerschlagungsautomatismus" des Insolvenzrechts. Vgl. auch Haxl Marschdoif (1983), S. 119 f., zu der Frage, inwieweit Rechtsstellung und Auswahl des Konkursverwalters zerschlagungsbegünstigend wirken. 132 Diese Differenzierung nehmen die in Fn. 130 Genannten nicht vor. Vgl. aber Franke (1983), S. 41 f. 129
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bruch des Schuldners verursachen, falls der Sicherungsgegenstand betriebsnotwendig ist. Der wirtschaftliche Zusammenbruch des Schuldners ist in diesen Fällen nahezu zwangsläufig, weil gesicherte Gläubiger die Sicherheitenverwertung erst dann erwägen, wenn die wirtschaftliche Lage des Schuldners so aussichtlos geworden ist, daß erstens eine Fortsetzung und Reaktivierung der Geschäftsbeziehung ausgeschlossen erscheint und zweitens eine Entwertung der Sicherheit droht. 133 In dieser Situation liegt der Fortführungswert wegen der schlechten Ertragslage und der nicht (mehr) vorhandenen Ertragsaussichten zumeist unter dem Zerschlagungswert der Unternehmung. 134 Im einzelnen kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da es sich insoweit nicht um einen Forderungseinzug ungesicherter Gläubiger handelt. (3) Notwendigkeit eines prospektiven Auslösetatbestandes
Die bisherigen Ausführungen könnten den Schluß zulassen, daß ungesicherten Gläubigem mit einer Senkung der Insolvenzkosten und der Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes bereits hinreichend gedient wäre, damit die Drohung mit einer Insolvenzantragstellung zu einem wirksamen Sanktionsmittel wird, falls sich ihr Vertrauen in die Solvenz ihres Schuldners als unberechtigt herausstellt. Das ist aber nicht der Fall, da es darüber hinaus eines prospektiven Auslösetatbestandes bedarf. Dazu folgende Überlegung anhand des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit. Er wird erst wirksam, wenn sich Zahlungen nicht weiter aufschieben lassen. Wegen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses 135 ist bis dahin regelmäßig eine erhebliche Überschuldung eingetreten. Forderungsausfälle der Gläubiger sind unter diesen Umständen unvermeidlich. Dem liegt - neben einem Versagen des Überschuldungstatbestandes l36 - das Problem zugrunde, daß ein auf Zahlungsunfähigkeit gestützter Insolvenzgrund eine künftige Zahlungsunfahigkeit nicht antizipieren kann, wenn er keine prospektiven Tatbestandselemente enthält. Er wird immer erst wirksam, nachdem die Gläubiger durch Zahlungsausfälle bereits geschädigt wurden. Die Schädigungsmöglichkeit ergibt sich daraus, daß der Schuldner während der Zeit der Kreditüberlassung Entscheidungen im Investitions- und Finanzierungsbereich der Unternehmung treffen kann, die bewirken, daß die Rückzahlungsansprüche der Gläubiger mangels hinreichender Liquidität bei Fälligkeit nicht erfüllt werden können. Das Vermögens verschiebungs- und / oder das Finanzierungsrisiko und ggf. auch das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse haben sich dann verwirklicht. 137 Das läßt sich nur verhindern, wenn man den GläubiVgl. dazu oben unter C.1.2.c). Vgl. dazu Hax/Marschdorj' 0 983), S. 118 f. (unter A.2 und A.3) m Dazu oben unter B.I1.2.c). 136 Dazu ausführlich unten unter 0.1.2. 137 Zu diesem Risiken oben unter C.1.1.a). 133
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C. Prämissen
gern ein Sanktionsmittel an die Hand gibt, das bereits dann wirkt, wenn sich eine Gefährdung ihrer Forderungen abzeichnet und nicht erst dann, wenn bereits vollendete Tatsachen geschaffen wurden. Dazu bedarf es prospektiver Elemente in der Tatbestandsdefinition eines Insolvenzauslösers. Nur sie vermögen das zukünftige Schadensereignis, das bei ungehinderter Entwicklung des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses eintritt, gedanklich bereits zu einem Zeitpunkt vorwegzunehmen, in dem der Eintritt des Schadens noch abgewehrt werden kann. Prospektive Insolvenzauslöser sind insoweit für die Gläubiger ein Mittel der Schadensminderung. Zugleich sind sie auch ein Mittel der Schadensabwendung. Denn die Drohung der Gläubiger, dem Schuldner bei sich abzeichnender Schädigung ihrer Forderungen mittels der Insolvenzauslösung die Entscheidungsgewalt hinsichtlich des weiteren Schicksals der Unternehmung zu entziehen, wirkt auf dessen Investitionsund Finanzierungsentscheidungen disziplinierend. 138 Im einzelnen kann dies erst später ausgeführt werden. Hier gilt es festzuhalten, daß der Mißbrauch des Vertrauens, das ungesicherte Gläubiger in die Solvenz ihres Schuldners gesetzt haben, nur mit Hilfe prognostisch orientierter Insolvenzauslöser verhindert werden kann.
c) Verhältnis zu den gesicherten Gläubigern
Zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigem besteht ein Interessengegensatz. Das betrifft zum einen die Situation vor und zum anderen die nach Insolvenzeröffnung.
aa) Vor Insolvenzeröffnung ( 1) Risikoumverteilung durch Sicherheitenbestellung
Vor Insolvenzeröffnung besteht der Interessengegensatz darin, daß sich die Sicherheitenbestellung zugunsten eines Gläubigers nachteilig auf die Stellung der ungesicherten Gläubiger auswirkt. Denn jede Sicherheitenbestellung reduziert die für die ungesicherten Gläubiger im Insolvenzfall zur Verfügung stehende Haftungsmasse. Dadurch wird das für die Gesamtheit aller Gläubiger bestehende Ausfallrisiko umverteilt: Der gesicherte Gläubiger, der infolge Sicherheitenbestellung nicht dem Solidarverband der ungesicherten Gläubiger angehört, wird von seinem Ausfallrisiko - bei entsprechend werthaItiger Kreditsicherheit - frei, während die übrigen ungesicherten Gläubiger dieses Ausfallrisiko infolge des nunmehr verringerten unbelasteten Vermögens anteilsmäßig mitzutragen haben. 139 Von der wirt138 Diesen Gedanken betonen auch Drukarcz:yk (1983), S. 333 und R.H. Schmidt (1980), S. 82. Vgl. dazu auch unten unter C.1.5.c). 139 Vgl. Drukarczyk (1983), S. 330 f.; R.H. Schmidt (1984), S. 728: "Kreditsicherheiten sind ... ,sharing rules', d. h. Regelungen zur Aufteilung des Risikos unter mehreren Gläubigern". - Adams (1980), S. 167 ff., weist nach, daß eine Erhöhung der gesicherten Forderun-
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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schaftlichen Funktion her ist deshalb die "Einräumung einer Sicherheit an einen von zwei Gläubigem durch den Schuldner einem Vertrag zwischen den beiden Gläubigem vergleichbar, durch den der unbesicherte den besicherten vor dem Ausfallrisiko versichert.,,14o Es geht deshalb bei Kreditsicherheiten, anders als der Name suggerieren könnte, auch weniger um die Besserstellung einzelner Gläubiger, als darum, daß verschiedene Gläubiger ungleich gestellt werden können. 141 Durch die Risikoumverteilung entstehen den ungesicherten Gläubigem erhöhte Informationskosten, wenn sie ihr Kreditschutzinteresse 142 wahren wollen. 143 Denn der Besitz belasteter Vermögensgegenstände ermöglicht es dem Schuldner, eine tatsächlich nicht gegebene Kreditwürdigkeit vorzutäuschen und dadurch wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Kredite zu erhalten. 144 (2) Anpassungsmöglichkeiten ungesicherter Gläubiger? Der Interessengegensatz zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigem vor Insolvenzeintritt wird gelegentlich bestritten. Ungesicherte Gläubiger werden darauf verwiesen, daß es ihnen doch freistünde, sich ebenfalls zu sichern. 145 Dem ist entgegenzuhalten, daß ein rational handelnder Schuldner seinem Vertragspartner eine Sanktion nicht zugestehen wird, wenn er infolge der Marktsituation den gleichen Finanzierungsbeitrag bei einem anderen Gläubiger ceteris paribus ohne dieses Zugeständnis erhalten kann. 146 Das Bestehen auf einer Besicherung vereitelt dann das in Aussicht genommene Geschäft. Andere behaupten, daß ungesicherte Gläubiger doch im Zeitpunkt der Kreditvergabe wüßten, daß sie im Insolvenzfall nichts erhalten würden und daß sie sich deshalb darauf einstellen könnten. 147 Als Anpassungsmaßnahme wird die Vereinbarung risikoadäquater Zinssätze oder die Nichtgewährung von Krediten vorgeschlagen. Wieder andere propagieren eine Leistung Zug um Zug oder eine Kreditversicherung. 148 Ferner meinen manche, daß lediglich kleinere Forderungen ungesichert blieben, deren Verlust nicht an die Existenz gehe. 149 Das alles kann nur als Kapitulation gegenüber der Aufgabe gesehen gen zu einer linearen Senkung der Konkursquote führt. Ebenso Burger/Schellberg (1995e), S.417f. 140 Vgl. R.H. Schmidt (1984), S. 728. - Auf diesen wichtigen Gedanke wird unten unter C.I1.8., C.IY.5.c) und E.I1.3.c)cc) zurückzukommen sein. 141 Vgl. R.H. Schmidt (1984), S. 729. 142 Der Begriff geht zurück auf H. Lehmann (1937), S. 15. 143 Zu den Infonnationskosten vgl. Drukarezyk (1983), S. 330 (unter 1. a.E.) und S. 337 (unter 2.) mit dem Hinweis, daß für alle Gläubiger zusammen eine klare insolvenzrechtliche Teilungsregel vorteilhafter sein könnte. 144 Vgl. Drobnig (1976), S. F 35; Duttle (1986), S. 163. 145 Serick (1977), S. 273 f. 146 Vgl. Drukarczyk (1987), S. 25. 147 Vgl. Adams (1980), S. 92 f., 194 f. et passim; Schildbach (1983), S. 2134 f. 148 So wohl Drukarzyk (1985), S. 62 f. 9 Förster
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werden, ein Insolvenzrecht zu schaffen, das dem Gläubiger zumindest eine Befriedigungschance gibt, wenn er in seinem Vertrauen in die Solvenz des Schuldners enttäuscht wurde. Denn die Vorschläge tragen nichts zur Lösung des Problems eines mißbrauchten Vertrauens in die Solvenz des Schuldners bei. Sie klammern den Konflikt vielmehr aus, indem sie die Faktizität des Problems für rechtens erklären. Sie verstoßen damit gegen das Gebot auch - und gerade - in der Insolvenz des Schuldners für einen effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz zu sorgen. ISO Praktisch ist insoweit zu beachten, daß 60 Prozent der mittelständischen und handwerklichen Unternehmen auf Gläubigerseite aufgrund ihres Absatzinteresses und zur Ausnutzung ihrer Produktionskapazitäten gezwungen sind, ein nicht vertragskonformes Zahlungsverhalten ihrer Kunden zu akzeptieren. ISI Eine solchermaßen erzwungene Kreditierung läßt sich mit den genannten Anpassungsmaßnahmen nicht bewältigen. Faktisch haben Gläubiger deren wirtschaftliche Macht zu gering ist, um eine Kreditsicherheit zu erhalten, nur die Chance, vor der Kreditierung einer Forderung die Kreditwürdigkeit ihres Schuldners möglichst zuverlässig einzuschätzen und entsprechend zu handeln. ls2 Irren sie sich hierbei, sind ihre späteren Befriedigungsaussichten sehr gering.
bb) Nach Insolvenzeröffnung Nach Insolvenzeintritt liegt der Interessengegensatz zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern darin begründet, daß die ungesicherten Gläubiger durch ein Herausgabeverlangen der gesicherten Gläubiger zu suboptimalen Verwertungsstrategien gezwungen werden können. Das Problem ist durch die Insolvenzrechtsreform jedoch entschärft. ls3 Ferner haben ungesicherte Gläubiger - zumindest unter der Prämisse, daß sie einen Großteil ihrer Forderung infolge einer späten Insolvenzauslösung bereits verloren haben - ein tendenziell größeres Fortführungsinteresse. Darauf und wie das entgegenstehende Zerschlagungsinteresse der gesicherten Gläubiger dennoch in Richtung einer Unternehmensfortführung gelenkt werden kann, wurde bereits oben hingewiesen. 154 Im übrigen sollen Fragen der Verwertung, soweit sie mit der Insolvenzauslösung in keinem Zusammenhang stehen, hier nicht vertieft werden.
Stümer (1981), S. 269 ff. Dazu oben unter B.lV. 151 Vgl. die Nachweise zu der empirischen Untersuchung des Verbands der Vereine Creditreform bei Duttle (1986), S. 250 f. 152 Praktische und beherzigenswerte Ratschläge hierzu bei Popp (1989). 153 Vgl. dazu bereits oben unter B.III.2.d). 154 Vgl. oben unter C.1.2.d). 149
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I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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4. Gemeinsame Interessenlage der GmbH-Organe
Bevor (unter 5. und 6.) die spezifischen Interessen der Gesellschafter und der Geschäftsführer dargestellt werden, soll zunächst deren gemeinsame Interessenlage erörtert werden. Dabei interessiert (unter a), wie sich die Gefahr ungerechtfertigt eingreifender Gläubigersanktionen bannen läßt und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, sowie (unter b) die Frage, welche Möglichkeiten es für die Gesellschaftsorgane gibt, um das mit dem Betrieb des Gesellschaftsuntemehmens verbundene Finanzierungsproblem zu lösen.
a) Schutz vor ungerechtfertigt eingreifenden Gläubigersanktionen
aa) Das Ideal aus Sicht der ungesicherten Gläubiger Es wurde herausgearbeitet, wie ein Insolvenzauslöser - aus Sicht der ungesicherten Gläubiger- idealerweise beschaffen sein sollte: Er müßte erstens bereits dann ansprechen, wenn im Fall einer - gedachten - Insolvenz die Teilungsmasse also nach Abzug der Masseverbindlichkeiten- geringwertiger ist als der Nominalbetrag der Gläubigerforderungen, da nur so deren Abwertung ausgeschlossen ist. 155 Und zweitens müßte ein solcher Insolvenzauslöser prospektiv orientiert sein, um bereits dann zu wirken, wenn sich eine Gefährdung der Forderungen ungesicherter Gläubiger abzeichnet und nicht erst dann, wenn sich die Gefahr, sprich der Forderungsverlust, bereits verwirklicht hat. 156 Ein so beschaffener Insolvenzauslöser brächte aber die Gesellschaft aus den im folgenden auszuführenden Gründen in die Gefahr einer ungerechtfertigt eingreifenden Gläubigersanktion. Wie sich dieser Zielkonflikt auflösen läßt, wird unter cc) gezeigt, bevor unter dd) weitere Konsequenzen gezogen werden. bb) Die Gefahren aus Sicht der GmbH-Organe Aus zwei Gründen erscheint der aus Sicht der ungesicherten Gläubiger ideale Insolvenzauslöser für die GmbH-Organe gefährlich. ( 1) Überflüssige lnsolvenzausläsung
Von der bloßen Gefährdung läßt sich nicht mit hinreichender Sicherheit auf den Eintritt der Gefahr schließen. Konkreter: Das Vennögensverschiebungsrisiko, das darin besteht, daß der Schuldner eine riskantere Unternehmenspolitik verfolgt, als sie der Gläubiger bei Kreditvergabe in seiner Abwägung des Investitionsrisikos zugrunde gelegt hat, muß nicht zwangsläufig im Fiasko der Zahlungsunfähigkeit en155 156
Vgl. oben unter C.I.3.b)bb)(2)(d). Vgl. oben unter C.I.3.b)cc)(3).
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C. Prämissen
den. Die riskantere Unternehmenspolitik kann unter - unerwartet günstigen und dementsprechend unwahrscheinlichen - Umständen auch erfolgreich sein. Das liegt in der Eigenart unternehmerischer Entscheidungen begründet. Der Erfolg oder Mißerfolg einer Unternehmung beurteilt sich nämlich letztlich danach, wie erfolgreich die Unternehmung am Markt ist. Die Reaktion des Marktes auf bestimmte unternehmerische Entscheidungen läßt sich dabei aber immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussagen, da das gesamte Marktgeschehen zu komplex und mit zu vielen Unsicherheitsfaktoren belastet ist, um mit Sicherheit vorausgesagt werden zu könnnen. 157 So läßt sich, um nur einige mögliche Einflußfaktoren herauszugreifen, die künftige Entwicklung der Rohstoffpreise, der Wechselkurse oder des Konsumverhaltens nur vage prognostizieren. Wollte man also bereits bei einer - wahrscheinlichen - Gefahrdung der Gläubigerpositionen den Gläubigern Sanktionsmöglichkeiten geben, so griffen diese auch in dem - dann zwar unwahrscheinlichen, aber möglichen - Fall, daß sich die Gefahr nicht verwirklicht. Sie wären dann überflüssig. Ebenso kann die prophylaktische Einbeziehung der Masseverbindlichkeiten in den aus Gläubigersicht idealen Insolvenzauslöser 158 in manchen Fällen ein überflüssiges Sanktionsmittel sein. So wäre es, wenn die Gläubigerpositionen lediglich bei Einbeziehung der Masseverbindlichkeiten für den Fall einer - gedachten - Insolvenz gefährdet wären, nicht aber dann, wenn diese unberücksichtigt blieben. Dabei ließe sich etwa an eine Situation denken, in der sich die Ertragslage nach einer überwundenen Krise zwischenzeitlich wieder so weit gebessert hat, daß eine Insolvenz gar nicht mehr zu erwarten ist und demzufolge die Gläubigerpositionen auch effektiv nicht gefährdet sind. 159 (2) Insolvenzauslösung als gefährliches Warnsignal
Aus der Sicht der Gesellschaftsorgane wäre der aus Gläubigersicht ideale Insolvenzauslöser aber nicht nur überflüssig, sondern obendrein gefährlich. Denn jedes Insolvenzverfahren hat den Nachteil, daß es als Signal einer drohenden Abwertung von Gläubigerpositionen überschießende Reaktionen der Geschäftspartner auslösen kann. 160 Das kann sich darin äußern, daß Lieferanten nur noch gegen Barzah1~7 Vgl. die Übersicht über die erfolgswirksamen Einflußgrößen einer Unternehmung bei Drukarczyk (1993), S. 121 ff. - Allgemein zu den Schwierigkeiten komplexer Entscheidungssituationen Dörner (1992). 1~8 Dazu oben unter C.I.3.b)bb)(2)(d). 1~9 Darüberhinaus würde durch die obligatorische Einbeziehung der im Insolvenzfall anfallenden Masseverbindlichkeiten in einen Insolvenzauslöser jedes Unternehmensvermögen mit einer Verbindlichkeit belastet, die nur für den verhältnismäßig seltenen Insolvenzfall Bedeutung hat. Da das Untemehmensvermögen finanziert werden muß, würde sich eine solche Belastung zumindest auf die Rentabilität negativ auswirken. 160 Dazu ausführlich und m.w.N. Marschdoif(l984), S. 195 f.; vgl. auch Kommissionfür Rechnungswesen (1981), S. 213; Duttle (1986), S. 49.
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lung oder Vorkasse zu liefern bereit sind oder die Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware verlangen, daß Kunden sich aus Griinden des Gewährleistungsrisikos nach anderen, längerfristig sicherer erscheinenden Bezugsquellen umsehen, daß qualifizierte Arbeitskräfte den bedroht erscheinenden Arbeitsplatz verlassen und sich anderweitig verdingen oder daß Kredite fällig gestellt werden. 161 Diese Vorgänge beeinträchtigen die Ertragskraft und senken damit den Fortführungswert der Unternehmung. Ihre Ursache haben sie darin, daß die heterogene Informationsverteilung über den wahren Zustand der Unternehmung eine gewisse Vorsicht im geschäftlichen Kontakt mit ihr ratsam erscheinen läßt. 162 Das gilt vor allem unter den Bedingungen des gegenwärtigen Insolvenzrechts, wonach Insolvenzen regelmäßig so spät ausgelöst werden, daß die Unternehmung oft nur noch zerschlagen werden kann. 163 Wegen des fehlenden Zwangs zu rechtzeitiger Insolvenzauslösung wird dies aber auch im künftigen Recht so sein l64 . Schlechte Erfahrungen prägen insofern das Verhalten der Geschäftspartner des Schuldners. Selbst wenn es aber gelänge, Insolvenzverfahren so friihzeitig auszulösen, daß Gläubiger durch eine Insolvenz nur geringe Verluste erleiden würden, so wird doch immer nur in einem Teil der Fälle eine Fortführung der Unternehmung möglich sein, während es im übrigen zur Zerschlagung kommt. Denn es gibt Unternehmenskrisen bei denen die Probleme so gelagert sind, daß sie durch eine Sanierung nicht beseitigt werden können. Zwar ließen sich die Abschläge beim Fortführungswert reduzieren, wenn das Insolvenzverfahren so ausgestaltet wäre, daß seine Eröffnung bei den Geschäftspartnern des Schuldners einen weniger dramatischen Eindruck hinterließe als dies gegenwärtig der Fall ist. Deren Reaktionen fielen dann weniger fortführungsschädlich aus. Doch müßte das Insolvenzverfahren dazu bereits eröffnet werden, wenn sich der Schuldner in einer Lage befindet, in der die Gläubigerpositionen zwar gefährdet, aber noch nicht in nennenswertem Umfang entwertet sind. Würden die insolvenzbedingten Abschläge beim Fortführungswert dadurch reduziert, so wäre auch deren Einfluß auf das Schicksal der Unternehmung geringer, weil der Fortführungswert dadurch seltener unter den Zerschlagungswert sinken würde. Gleichwohl wird die Insolvenzauslösung immer ein gewisses Warnsignal an die Geschäftspartner bleiben und infolgedessen stets nachteilige Auswirkungen auf den Fortführungswert der Unternehmung haben. Der Fortführungswert einer Unternehmung kann dann durch die Insolvenzeröffnung unter den Zerschlagungswert sinken, mit der Folge, daß die Insolvenzauslösung mittelbar zur Zerschlagung führt.
161 162 163
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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
HaxIMarschdorj(1983), S. 120; GottwaldlMaus (1990), § 2 Rn. 18. M. Kühn (1991), S. 25 f. m.w.N. die Ausführungen zum finanziellen Erstickungsprozeß oben unter B.II.2.c). dazu bereits ausführlich oben unter B.III.2.a).
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C. Prämissen
cc) Auflösung des Zielkonflikts Der Zielkonflikt zwischen dem aus Sicht der ungesicherten Gläubiger idealen Insolvenzauslöser und dessen Gefahren läßt sich nur lösen, indem erstens keinesfalls überflüssige Insolvenzverfahren ausgelöst werden. Damit sind solche Verfahren gemeint, die für den Schutz der Gläubiger nicht zwingend erforderlich sind, weil deren Position effektiv nicht gefährdet ist. Zweitens bedarf die oben gemachte Aussage 165 , wonach das Insolvenzverfahren mit dem Schicksal der Unternehmung "im Grundsatz" nichts zu tun habe, nunmehr der dort bereits angekündigten Ergänzung. Es scheint nämlich so, als gälte sie nicht für die Effekte, die auf Grund überschießender Reaktionen der Geschäftspartner des Schuldners dazu führen, daß der Fortführungswert infolge der Insolvenzauslösung sinkt. Denn es ließe sich einwenden, daß, wenn es um das Schicksal der Unternehmung geht, auch solche Effekte berücksichtigt werden müßten und daß es deshalb besser sei, auf die zeitige Auslösung eines Insolvenzverfahrens zu verzichten, weil die Insolvenzauslösung eben doch die Zerschlagung der Unternehmung verursachen könne. Eine solche Argumentation ließe aber unbeachtet, daß - wie aufgezeigt eine Insolvenzauslösung immer nur dann in Betracht kommen darf, wenn die Gläubigerpositionen gefährdet sind. Da aber die Gefährdung der Gläubigerpositionen die Folge eines finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts 166 ist, führt unter diesen Umständen jede weitere Fortführung der Unternehmung ohnehin zur Zahlungseinstellung. Zu den durch die Insolvenzauslösung bedingten Belastungen des Fortführungswertes kommt es daher in jedem Fall. 167 Der Gedankengang zeigt aber, daß die Aussage, wonach ein Insolvenzverfahren keinen Einfluß auf das Schicksal der Unternehmung habe, ergänzt werden muß, um als zutreffend gelten zu können. Sie gilt nur, sofern Insolvenzverfahren ausschließlich in Situationen ausgelöst werden, in denen die Gläubigerpositionen tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind. dd) Konsequenzen Aus der eben gewonnenen Erkenntnis ergeben sich Konsequenzen für zwei immer wieder diskutierte Fragen. ( 1) Zerschlagungsbedingte Schädigung des Schuldners?
Manche Stimmen in der Literatur meinen, daß dem Schuldner dadurch Schaden entstehen könne, daß Gläubiger die Zerschlagung des schuldnerischen UnternehVgl. dazu unter C.I.l.d). Dieses liegt vor, wenn die Auszahlungen dauerhaft höher sind als die Einzahlungen, vgl. ausführlich oben unter B.II.2.b). 167 Außerdem ist eine Fortführung (statt einer Zerschlagung) um so unwahrscheinlicher, je später es zu einem Insolvenzverfahren kommt, da die Sanierungschancen mit zunehmender Dauer der Unternehmenskrise sinken. 16S
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mens betreiben, ohne dessen Schaden in ihr Kalkül einzubeziehen. 168 Insofern ist zunächst einmal klarzustellen, daß Gläubiger an der Frage, ob die Unternehmung fortgeführt oder zerschlagen wird im allgemeinen nur sekundär interessiert sind. Soweit es sie interessiert, neigen sie tendenziell eher einer Fortführung zu, weil diese ihnen Gelegenheit gibt, die Geschäftsbeziehung aufrecht zu erhalten. 169 Ihr primäres Interesse richtet sich aber darauf, daß ihre Forderung vom Schuldner erfüllt wird. Falls die vollständige Erfüllung zweifelhaft wird, sind sie daran interessiert, daß die Erfüllung wenigstens in bestmöglicher Weise geschieht. Das vom Gesetzgeber bereitgestellte Mittel, um dies erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzen, ist das Insolvenzverfahren. Ob das Unternehmen des Schuldners dabei zerschlagen oder fortgeführt wird, richtet sich danach, welche Verwertungsart den höheren Erlös verspricht. Lediglich dann, wenn es - im zuvor genannten Sinne überflüssigerweise zu einem Insolvenzverfahren kommt, d. h. wenn die Gläubigerpositionen nicht tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind, kann die Insolvenzauslösung wegen der durch überschießende Reaktionen von Geschäftspartnern bedingten Auswirkungen auf den Fortführungswert zur Zerschlagung führen. Dieser Schaden für die Gesellschaft beruht aber darauf, daß der Insolvenzauslöser fehlerhafterweise so beschaffen ist, daß er überflüssige Insolvenzauslösungen zuläßt. Wenn demgegenüber behauptet wird, die Ursache für den Schaden der Gesellschaft läge darin, daß die Gläubiger die Zerschlagung des schuldnerischen Unternehmens betreiben, so liegt darin die unzulässige Vermengung von zwei verschiedenen Vorgängen. Denn, wie bereits gezeigt wurde 170, ist die Zulässigkeit eines Insolvenzverfahrens von der Entscheidung über das Schicksal der Unternehmung zu unterscheiden. (2) Insolvenzantrag mißbräuchlich bei geringer Forderungshöhe?
Das eben ausgeführte gilt auch für die Behauptung, daß der Schuldner davor geschützt werden müsse, daß wegen einer ..ganz kleinen Forderung", deretwegen ,,Jahre hindurch nichts unternommen" wurde, der Konkurs, die ..einschneidenste Zwangsvollstrekungsmaßnahme", die ..nicht einmal einen vollstreckbaren Titel voraussetzt" 171 , eröffnet werden kann. In der Vergangenheit war in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob in diesen Fällen das Rechtsschutzbedürfnis gegeben iSt. I72 Weil es sich bei der Geltendmachung einer Forderung um einen So etwa Bitz/ Hemmerde / Rausch (1986), S. 275; R.H. Schmidt (1980), S. 29. Dazu oben unter C.I.3.b)bb)(5). - Vgl. auch das Zahlenbeispiel bei Bitz/ Hemmerde/ Rausch (1986), S. 112 f., das belegt, daß es flir Altgläubiger sinnvoll sein kann ..gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen" und daß diese daher die ..idealen Sanierer" (so R.H. Schmidt [1984], S. 734) sind. 170 Oben unter C.I.1.d). 171 So Höver (1935), S. 517; ihm folgend Siedschlag (1971), S. 41. Schlosser (1984), Rn. 276 verlangt, daß Gläubiger nicht bevorrechtigter Forderungen die Aussicht auf eine .. nennenswerte Dividende im Konkurs" glaubhaft zu machen hätten. 168
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C. Prämissen
Anspruch auf Leistung handelt, hat der Gläubiger an sich ein Bedürfnis nach Rechtsschutz, wenn der Schuldner nicht freiwillig leistet, da Selbsthilfe verboten iSt. 173 Es könnte allerdings fehlen, wenn das Insolvenzverfahren zur Verfolgung zweckwidriger, nicht schutzwürdiger Ziele ausgenutzt werden soll. Das wäre etwa der Fall, wenn der Gläubiger seine Forderung auf schnellerem, einfacherem oder billigerem Weg eintreiben könnte. Nach dem oben gesagten 174 ist aber das gesetzliche Insolvenzverfahren das einzige, wenngleich höchst unvollkommene Mittel für die ungesicherten Gläubiger, falls ihr Vertrauen in die Solvenz des Schuldners enttäuscht wurde. Soweit es also darum geht, Forderungen zu realisieren, die im Vertrauen auf die Solvenz des Schuldners eingegangen wurden, ist nicht erkennbar, worin für einen Gläubiger ein anderer Rechtsschutzweg bestehen sollte. 175 Daß das Rechtsschutzbedürfnis gleichwohl teilweise verneint wird, erklärt sich denn wohl auch eher daraus, daß die infolge einer Insolvenzauslösung mögliche Zerschlagung der Unternehmung für unverhältnismäßig erachtet wird, wenn die Insolvenzauslösung nur der Befriedigung einer geringen Forderung dient. Diese Sichtweise wird aber dem Dilemma, in dem sich (ungesicherte) Gläubiger befinden, nicht gerecht. Denn so wie das Insolvenzrecht ausgestaltet ist, bleibt ihnen nach gegenwärtigem und künftigen Recht kaum etwas anderes übrig, als zunächst einmal abzuwarten. 176 Entschließen sie sich - aus weIchen Gründen auch immer dann doch zum Insolvenzantrag, so ändert - wie bereits dargelegt wurde 177 - ein infolgedessen eröffnetes Insolvenzverfahren nichts an dem Schicksal der Unternehmung, sofern das Verfahren nur in den Fällen eröffnet wird, in denen die Gläubigerpositionen tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind. Denn falls es dann zur Zerschlagung kommt, wäre es ohnehin dazu gekommen. Auch hier zeigt sich erneut, wie wichtig die beiden oben gewonnenen Erkenntnisse sind: Erstens ist die Frage der Zulässigkeit eines Insolvenzverfahrens von der nach dem Schicksal der Unternehmung klar zu trennen. Und zweitens dürfen Insolvenzverfahren nur in Situationen eröffnet werden, in denen die Gläubigerpositionen tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind. b) Lösung des Finanzierungsproblems
Neben dem Schutz vor ungerechtfertigten Gläubigersanktionen müssen die GmbH-Organe daran interessiert sein, das jeder Unternehmung zugrunde liegende 172 Vgl. die Nachweise bei Kilger/K. Schmidt (1993), § 105 Anm. 2; Kuhn/Uhlenbruck (1994), § 105 Rn. 6c. 173 Schellhammer (1996), Rn. 142. 174 Vgl. unter C.I.3.b).
175 Kilger / K. Schmidt (1993), § 105 Anm. 2, weist zu Recht darauf hin, daß die von den Gerichten angenommenen Grenzen der rechtsschutzbedürftigen Forderung durch das Gesetz nicht gedeckt sind und Kleingläubiger benachteiligen. 176 Dazu ausführlich oben unter C.I.3.b). 177 Oben unter C.I.4.a)cc).
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finanzwirtschaftliche Problem l78 zu lösen. Es geht dabei um die Frage, wie der erforderliche Kapitalbedarf gedeckt werden kann. Das erfordert zum einen eine ausreichende Kreditversorgung; dazu unter aa). Daneben bestehen noch andere Finanzierungsformen, die typischerweise in der Krise der Gesellschaft eine Rolle spielen; dazu und wie die Gesellschaftsorgane ihre Finanzierungsfreiheit insoweit mißbrauchen können, im folgenden unter bb).
aa) Notwendigkeit ausreichender Kreditversorgung Eine Unternehmung ist auf die Deckung ihres Kapitalbedarfs angewiesen. Das kann durch Eigen- oder durch Fremdkapital geschehen. 179 In der Praxis ist der Fremdkapitalanteil regelmäßig der größere. Das liegt teilweise daran, daß die Kapitalbasis der Gesellschafter nicht ausreicht, um dem Unternehmen genügend Eigenkapital zur Verfügung stellen zu können. Ferner führt der Einsatz von Fremdkapital bei einem gesunden Unternehmen wegen des bereits oben beschriebenen Leverage-Effekts l80 zu einer höheren Eigenkapitalrentabilität. Vor allem aber ist Fremdkapital aus steuerlichen Gründen wesentlich kostengünstiger zu beschaffen und zu nutzen als Eigenkapital. 181 Denn während der Zinsaufwand für Fremdkapital als Betriebsausgabe den steuerlichen Gewinn mindert und somit steuerermäßigend wirkt, ist der ,,Eigenkapitalzins", also der Gewinn, voll zu versteuern. 182 Ebenso bestanden bzw. bestehen für eine Eigenkapitalfinanzierung Nachteile bei der Vermögens- und der Gewerbesteuer, weil nur bei einer Fremdkapitalfinanzierung die jeweilige Bemessungsgrundlage zumindest teilweise verringert wird, indem die Verbindlichkeit bzw. der Zinsaufwand hierfür steuerermäßigend wirkt. 183 Dazu bereits oben unter B.II.2.a). Dazu näher oben unter B.II.2.a) und b). 180 Vgl. dazu unterC.I.l.b). 181 Grundlegend zur Besteuerung von Unternehmen Knobbe-Keuk (1993); vgl. insbesondere S. 5 f., S. 585, 737, 957,1031 f. Vgl. auch C. Esser (1986), S. 76 ff.; Tillmann (1987), S 329 ff. - In dem Kostenvorteil des Fremdkapitals dürfte ein wesentliche Grund für die geringe Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen liegen. Eine zu geringe Eigenkapitaldekke ist oft die Ursache für Unternehmenskrisen, vgl. oben unter B.II.l.b). - Zu den Möglichkeilen einer Verbesserung der Eigenkapitalquote durch steuerliche Maßnahmen im Rahmen der offenen Selbstfinanzierung sowie zu Einzelheiten der steuerlichen Diskriminierung des Eigenkapitals und einem Berechnungsbeispiel vgl. Jacobs (1985), S. 301 ff. 182 Vgl. § 23 I i.V.m. 7 11 i.Y.m. 8 I, III I KStG. - Einen guten Überblick über das Problem der übermäßigen Gesellschafter-Fremdfinanzierung aus steuerrechtlicher Sicht bietet Thiel (1992), S. 20 ff. 183 Vgl. für die (seit 1. 1. 1997 abgeschaffte) Vermögensteuer: § II Nr. 1 lit. a), 4 I Nr. 1 VStG i.V.rn. § 118 I Nr. 1,103 I, 98a BewG (voller Abzug der Schulden); für die Gewerbeertragssteuer: § 6,7, 8 Nr. I GewStG (voller Abzug der Entgelte für Schulden, ausgenommen die Hälfte der Entgelte für Dauerschulden); für die (ab 1. 1. 1998 abgeschaffte) Gewerbekapitalsteuer: § 6, 12 I GewStG i.Y.m. § 98a, 103 I BewG i.Y.m. § 1211 Nr. I GewStG (insbesondere Abzug der kurzfristigen Verbindlichkeiten; jedoch kein Abzug sog. Dauerschulden). 178
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C. Prämissen
Das fiel besonders bei der zum 1. 1. 1997 abgeschafften Vermögenssteuer ins Gewicht, da das in der Gesellschaft gebundene Vermögen zweimal der Besteuerung unterlag, nämlich einmal bei der Gesellschaft und zum anderen als Wert des Gesellschaftsanteils beim Gesellschafter. 184 Das erheblich billigere Fremdkapital wird der Gesellschaft aber nur zur Verfügung gestellt, wenn ein Kapitalgeber bereit ist, der Gesellschaft Kredit einzuräumen. Das setzt voraus, daß er sicher sein kann, sein Kapital zurückzuerhalten. Außerdem besteht seitens der Gesellschaftsorgane ein Interesse an einer größtmöglichen Erleichterung des Kreditverkehrs. 185 Soweit die Gesellschaft keinen ungesicherten Kredit erhält, sind Kreditsicherheiten ein wesentliches Mittel zur Kreditbeschaffung. Deren Existenz und Funktionsfähigkeit liegt mithin - auch im Interesse der Gesellschaftsorgane, da sie die "Voraussetzung für die Realisierung hoher Verschuldungsgrade" 186 sind. Besonders vorteilhaft sind solche Kreditsicherheiten, bei denen die Gesellschaft die Sicherungsgegenstände nutzen oder veräußern kann und gleichwohl für außenstehende Dritte verborgen bleibt, daß die Gegenstände im Insolvenzfall nicht zum Vermögen des Schuldners gehören. Auch bei bedenklich hohen Verschuldungsgraden bleibt so der für weitere Kreditgewährungen erforderliche gute Ruf zumindest denjenigen Gläubigem gegenüber unangetastet, die nicht über die Machtstellung verfügen, nähere Einsicht in die - möglicherweise bereits desolaten - Interna des Unternehmens verlangen zu können. Alle genannten Anforderungen erfüllen die publizitätslosen Mobiliarsicherheiten in hervorragender Weise. 187 Für die Gesellschaftsorgane ist ihr Erhalt daher von Interesse.
bb) Finanzierung in der Krise der Gesellschaft Eine Lehrmeinung in der Literatur besagt, daß es "nicht um das Ob der Finanzierungsleistung (gehe), sondern um das Wie,,188. Um eine Finanzierungsmethode beurteilen zu können, ist deshalb die Kenntnis ihrer Funktionsweise erforderlich. Eine bei insolvenzbedrohten Gesellschaften besonders beliebte Finanzierungsweise l89 soll hier vorgestellt werden. 184 Hinzukommt, daß die Belastung mit Vermögensteuer weder bei der Körperschaftsteuer der Gesellschaft (§ 10 Nr. 2 KStG) noch bei der Einkommensteuer des Gesellschafters (§ 12 Nr. 3 EStG) abzugsfähig war. 18S Drobnig (1976), S. F37. 186 So Drukarczyk (1982a), S. 7; ders. (1983), S. 332; vgl. auch Schildbach (1983), S. 2130; Hopt (1984), S. 747; Dorndorf/ Frank (1985), S. 75 f.; M. Kühn (1991), S. 89 ff. 187 Was deren Kreditkosten angeht, so ist eine eindeutige Aussage nicht möglich. Der mobiliargesicherte Lieferantenkredit ist im allgemeinen verhältnismäßig teuer, Duttle (1986), S. 247, während die mobiliargesicherte Objektfinanzierung eines Spezialkreditinstituts relativ günstig sein kann, Fittkau (1982), S. 238 f. 188 K. Schmidt (1983), S. 176 (Hervorhebung weggelassen); ebenso Ulmer (1977), S. 674; Fleck (1984), S. 109 f., 116; von Gerkan/Hommelhoff(1994), S. 15 (Rn. 1.26).
1. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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(1) Vermögensumschichtung mit KapitalJreisetzung
Insolvenzbedrohte Gesellschaften zeichnen sich durch Liquiditätsengpässe aus. Diese lassen sich durch das sog. Sale-and-Iease-back-Verfahren überwinden. Dabei werden Vermögensgegenstände der Gesellschaft an einen Leasingnehmer veräußert, von dem sie sofort im Leasingverfahren an die Gesellschaft zurückvermietet werden, so daß sie von ihr weiter genutzt werden könen. l90 Aus finanzwirtschaftlicher Sicht dient das Verfahren dazu, der Gesellschaft in Form der Veräußerungserlöse liquide Mittel zur Verfügung zu stellen. Da die Einzahlungen aus der Veräußerung der Vermögensgegenstände kurz- und mittelfristig höher sind als die Summe der Auszahlungen in Form von Mietzinszahlungen, wird das die Krise kennzeichnende finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht - vorübergehend - ausgeglichen. 191 Der Vorteil des Sale-and-Iease-back-Verfahrens gerade in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation liegt darin begründet, daß die Gesellschaft zusätzliche Finanzmittel erhält, ohne Eigen- oder Fremdkapitalgeber erst von einer Kapitalzufuhr überzeugen zu müssen. Denn gen au betrachtet handelt es sich nicht um eine Kapitalzufuhr, sondern um eine Vermögensumschichtung mit Kapitalfreisetzung. Dies kann denn auch dazu (ver-)führen die Vermögens umschichtung nicht so sehr zur Kapitalfreisetzung zu nutzen, sondern mehr dazu, bei sich abzeichnender Insolvenz die Vermögensgegenstände der GmbH vor dem Zugriff der Gläubiger zu retten. l92 Dazu werden die wesentlichen Vermögensgegenstände der SchuldnerGmbH auf eine deren Gesellschaftern nahestehende Besitzgesellschaft übertragen, die als Leasinggeberin fungiert. Die Schuldner-GmbH operiert als mehr oder weniger vermögenslose Betriebsgesellschaft. 193 Kommt es dann zur Insolvenz, so ist infolge der Veräußerung des Schuldnervermögens nicht nur die Haftungsmasse verkürzt und die Befriedigungsaussichten der Gläubiger dementsprechend gering l94 , sondern die alten Organe haben auch optimale Voraussetzungen, um den Betrieb der insolventen Gesellschaft aus dem Konkurs heraus zu erwerben. Da zu Zur Begründung vgl. die agencytheoretische Erklärung von Huber (1994), S. 63 ff. Vgl. den Überblick bei Strunz (1984), S. 102. 191 Dazu ausführlich oben unter B.II.2.b); vgl. auch Kressin (1990), S. 127 m.w.N. 192 Rechtsvergleichend hierzu Ullrich (1994). 193 Die Parallelen zu dem bekannten Fertighausfall sind offensichtlich; vgl. BGH vom 4.5. 1977 (VIII ZR 298175), in: BGHZ 68, S. 312 ff. - Vgl. auch den Hinweis von Braun (1983), S. 1175 f. (sub 2.), wonach masselose GmbH-Insolvenzen sehr oft solche der Betriebs-GmbHs seien. 194 Die in solchen Fällen naheliegenden anfechtungsrechtlichen Rechtsbehelfe sind bei "professionellem" Vorgehen entweder verfristet oder lassen sich nicht nachweisen, vgl. dazu ausführlich oben unter B.III.1.d) und B.III.2.e). Auch ein Anspruch aus Haftung im sog. qualifiziert faktischen GmbH-Konzern läßt sich bei entsprechender Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, insbesondere bei der Zwischenschaltung von Strohmännern, kaum begründen; vgl. dazu die Übersicht über die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen bei Lutter/Hommelhoff(1995), Anh § 13 Rn. 17 ff. 189 190
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C. Prämissen
den unbelasteten Vermögensgegenständen der insolventen GmbH nämlich im wesentlichen nur noch die Kundenbeziehungen und der betriebsorganisatorische Zusammenhang gehören, ist der Kaufpreis gering. Da die Gesellschaftsorgane zudem über das Anlagevermögen bzw. das unternehmensspezifische Know-how verfügen, sind sie auch die potentiell einzigen Erwerber, weil alle anderen Erwerbsinteressenten nicht über das betriebsnotwendige Anlagevermögen verfügen, um den betriebsorganisatorischen Zusammenhang wahren und damit nutzen zu können. Da obendrein die Verbindlichkeiten der insolventen GmbH mit dieser untergehen, ist die beschriebene Strategie ftir die Gesellschaftsorgane ein interessanter Weg zur Entschuldung und zum Erhalt der künftigen Einnahmen aus der insolvenzbedrohten Unternehmung. 195 (2) Auswirkungen auf die Gläubiger
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß sich die Minderung des Schuldnervermögens im Rahmen des Sale-and-lease-back-Verfahrens auf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger nachteilig auswirkt, falls die Schuldner-GmbH insolvent wird. Dazu kommt es, wenn die hinter dem finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht liegende eigentliche Krisenursache im betrieblichen Leistungsvollzug der Unternehmung nicht behoben wird. Das Sale-and-lease-back-Verfahren ist aber für die Interessen der Gläubiger über die Vermögensminderung hinaus schädlich, da es dazu führt, daß die Masseverbindlichkeiten anwachsen. Diese fallen an, weil jedenfalls die Verbindlichkeiten, die nach Insolvenzeröffnung bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist der Leasingverträge durch diese begründet werden, zu den Masseverbindlichkeiten zählen. 196 Das wirkt sich nachteilig aus, falls der Fortführungswert der Unternehmung niedriger als ihr Liquidationswert ist und als Verwertungsart daher nur die Zerschlagung in Frage kommt. 197 Denn die auf den Leasingverträgen beruhenden Masseverbindlichkeiten führen bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfristen zu Auszahlungen, denen - bei Zerschlagung keine Einzahlungen als Ausdruck eines irgendwie gearteten Nutzenäquivalents gegenüberstehen. 198 Besonders mißlich ist das, wenn es sich bei dem Veräußerungsbzw. Leasingobjekt um einen Geschäftsraum handelt, weil dann die Kündigungsfrist, je nach dem, wann die Kündigungserklärung zugeht, zwischen knapp sechs und fast neun Monaten betragen kann, § 565 Abs. la BGB. 195 Vgl. Fichtelmann (1984), S. 353 f.; HesselmannlHüfnerlPinkwart (1990), S. 13 f. m.w.N., 99 f.; Kaligin (1995), S. 23 ff., 203. - Dazu wie sich die Gläubigerbelange gleichwohl wahren lassen unten unter E.II.4.b) und c). 196 Vgl. § 59 I Nr. 2, 2. Alt. i.Y.m. § 19 S. 2 KO bzw. § 55 I Nr. 2, 2. Alt. i.Y.m. § 109 I I InsO; nach der InsO gilt das allerdings wegen § \08 I InsO nur für Nutzungsverhältnisse über unbewegliche Gegenstände. 197 Dazu ausführlich oben unter C.I.I.d). 198 Daran ändert auch die nachrangige Befriedigung solcher Masseverbindlichkeiten nach § 209 I Nr. 3 InsO nichts, da diese Regel den Fall der Masseunzulänglichkeit betrifft, in dem die Insolvenzgläubiger ohnehin leer ausgehen.
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
141
Aber auch dann, wenn der Fortführungswert höher als der Zerschlagungswert ist, das Unternehmen also fortgeführt werden kann, wirken sich die Leasingzahlungen für die Befriedigungsaussichten der Gläubiger nachteilig aus. Sofern ein Leasinggegenstand nicht betriebsnotwendig ist, belastet der Aufwand für die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als Masseverbindlichkeiten zu zahlende Leasingrate die Ertragskraft, ohne daß dies durch entsprechende Erträge kompensiert würde. Ist der Gegenstand hingegen betriebsnotwendig, wird er also für die Fortführung benötigt, dann wird die zukünftige Ertragskraft durch den Aufwand für die Leasingraten stärker belastet als dies dann der Fall wäre, wenn der Leasinggegenstand nicht veräußert worden wäre und stattdessen der Aufwand für die Abschreibungen in Rechnung zu stellen wäre. Das hängt zum einen damit zusammen, daß in den Leasingraten nicht nur ein - dem Abschreibungsaufwand entsprechender - Tilgungsanteil, sondern auch ein - im Vergleich zu anderen Finanzierungsformen höherer - Zins- und Kostenanteil enthalten iSt. 199 Zum anderen liegt es daran, daß der Leasingaufwand im Unterschied zum Abschreibungsaufwand tatsächlich zu einer Auszahlung, also zu einer Verringerung des Zahlungsmittelbestandes, führt, so daß in der Fortführungsphase - zusätzlich zur Überwindung der Insolvenz - weitere Liquidität bereitgestellt werden muß. Jede Belastung der Ertragskraft führt aber dazu, daß der Fortführungswert gemindert wird. Selbst dann, wenn dieser - wie angenommen - nicht unter den Zerschlagungswert sinkt, wird dadurch der Verwertungserlös der Gläubiger reduziert, da - im Fall der Fortführung - der Fortführungswert für den Verwertungserlös maßgebend ist. Schließlich entgeht dem Unternehmen und damit mittelbar den Gläubigem die Möglichkeit künftige Investitionen aus dem durch Abschreibungen freigesetzten Kapital zu finanzieren?OO Zusammenfassend gesagt, entstehen also aus dem Sale-and-Iease-back-Verfahren für die Gläubiger drei Risiken, die sich für den Fall, daß es zur Insolvenz kommt, auch realisieren: das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse liegt in der Verminderung des Schuldnervermögens und - im Falle einer Fortführung - in der Belastung der Ertragskraft; das Finanzierungsrisiko darin, daß mit dem Leasinggeber zusätzliche Gläubiger an der Finanzierung der schuldnerischen Unternehmung beteiligt werden;201 schließlich besteht das erweiterte Kostenrisiko - zusätzlich zu dem ohnehin bereits erheblichen Kostenrisik0 202 - darin, daß durch die Erhöhung der Masseverbindlichkeiten die Insolvenzkosten vergrößert werden.
199 Demgemäß wird im Steuerrecht der Leasinggegenstand beim Sale-and-Iease-back-Verfahren dem Leasingnehmer zugerechnet und die Leasingrate in einen erfolgsneutral zu behandelnden TiJgungsanteiJ und in einen sofort abzugsfähigen, erfolgswirksamen Zins- und Kostenanteil zerlegt; vgl. L. SchmidtlWeber-Grellet (1996), § 5 Rn. 741 m.w.N. 200 Das kann hier nicht vertieft werden. V gl. aber Gutenberg (1958/1990), S. 126 f. m.w.N. und einem anschaulichen Beispiel; Vormbaum (1990), S. 121 f. 201 Vgl. zu den beiden Risiken oben unter C.I.l.b). 202 Vgl. dazu ausführlich oben unter C.I.3.b)bb)(2).
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C. Prämissen
(3) Flucht in die Masselosigkeit Die eben erwähnte Erhöhung der Masseverbindlichkeiten im Rahmen eins Saleand-lease-back-Verfahrens wird durch Masseverbindlichkeiten aufgrund zu erfüllender Dienstverträge unter Umständen noch gesteigert. Das kann die Flucht in die Masseiosigkeit 203 zu einer - aus Sicht der Gesellschaftsorgane - unter Umständen interessanten Finanzierungsmethode werden lassen, allerdings zumeist am Rande der Legalität. Ein typisches Symptom einer Unternehmenskrise sind Absatzschwierigkeiten. Sie führen zu Produktionsrückgängen, so daß weniger Arbeitskräfte als bislang benötigt werden. Der Abbau von von Arbeitnehmern wäre unter diesen Umständen wirtschaftlich geboten. 204 Wegen der erheblichen Kosten mit denen der Abbau von Arbeitskräften belastet ist, wird er jedoch oftmals hinausgeschoben. Bei zu lange hinausgezögertem Abbau, d. h. bei fortgeschrittener Krise, führt das dazu, daß sich das Unternehmen, obwohl dies wirtschaftlich an sich dringend nötig wäre, selbst den Abbau der Arbeitskräfte nicht mehr leisten kann. 205 Kommt es dann notgedrungen zur Insolvenz, so resultieren aus den nach Insolvenzeröffnung fälligen Lohn- und Gehaltszahlungen wegen der verhältnismäßig langen Kündigungsfristen hohe Masseverbindlichkeiten. 206 Das kann bewußt mißbräuchlich zu einer Flucht in die Masselosigkeit eingesetzt werden. Sobald die Masselosigkeit eines Insolvenzverfahrens absehbar ist, stellt die Geschäftsführung einen Antrag auf Insolvenzeröffnung. Er dient dazu, "entweder unter dem Deckmantel der Vollstrekungssperre des § 14 [KO; A.F.] u.U. jahrelang weiterarbeiten zu können, um schließlich über § 187 [KO; A.F.] einen Zwangsvergleich mit entsprechender Schuldbefreiung (discharge) zu erreichen" oder "um eine Konkursabweisung mangels Masse (§ 107 [KO; A.F.]) zu erreichen, um anschließend ungestört weiterwirtschaften zu können.,,207 Der Ansicht, daß "niemand ( ... ) sich selbst ohne Grund in die Rolle des Gemeinschuldners begeben,,208 werde, kann daher in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. 209 Falls die Gesellschaftsorgane in der beschriebenen Weise eine Dazu bereits oben unter B.III.l.c). Vgl. Franke (1983), S. 40. Ausführlich zu den damit verknüpften arbeitsrechtlichen Fragen Hanau (1982). 205 Wüst (1985), S. 819 Fn. IO berichtet, daß Abfindungsbeträge zwischen TOM 15 und TOM 22 je Arbeitnehmer genannt werden. Die Höhe orientiert sich an der Regelung der § 9, IO KSchG, ist aber letzlich Verhandlungssache. 206 Vgl. § 59 I Nr. 2, 2. Alt. KO LV.m. § 22 I KO LY.m. § 622 BGB bzw. § 55 I Nr. 2, 2. Alt. InsO i. V.m. § 113 I InsO. 207 So UhlenbrucklDelluJes (1990), Rn. 203 auf Grund einschlägiger praktischer Erfahrungen; vgl. auch aaO., Rn. 172. 208 BaurIStürner(1990), Rn. 7.15. 209 Ebenso Uhlenbruckl Delhaes (1990), Rn. 203, die ferner darauf hinweisen, daß die Prüfung der Massezulänglichkeit "in den meisten Fällen allzu oberflächlich" geschieht: Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer (z. B. nach § 64 II 3 LY.m. § 43 III 2, 9b I I GmbHG), Haftungsansprüche (z. B. Gründerhaftung nach § 9a GmbHG) oder Rückzah203
204
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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"Flucht in die Masselosigkeit" beabsichtigen, wird das durch die Bestimmung des § 109, 2. Hs. KO zusätzlich begünstigt. Denn danach steht den Gläubigem kein Rechtsmittel zu, wenn ein vom Schuldner selbst gestellter Eröffnungsantrag abgelehnt wird. 210 Hieran wird sich auch unter der Geltung der InsO nichts ändern, § 34 InsO.
5. Interessenlage der Gesellschafter
Im folgenden soll - unter a) - zunächst das beobachtbare Verhalten der Gesellschafter im Vorfeld der Insolvenz beschrieben werden. Anschließend wird hierfür - unter b) - eine ökonomisch begründete Erklärung gegeben. Mit ihrer Hilfe läßt sich feststellen, wovon die Wirksamkeit einer Insolvenzauslösedrohung abhängt; dazu unter c). Danach wird - unter d) - der unterschiedlichen Sicht von Gesellschaftern und Gläubigem zur Frage der Fortführungswürdigkeit eines Gesellschaftsunternehmens nachgegangen, bevor - unter e) - die Vorteile dargestellt werden, die die Gesellschafter von einer - aus Sicht der Gläubiger - aussichtslosen Unternehmensfortführung haben.
a) Verhalten im Vorfeld der Insolvenz
Es wurde bislang immer davon ausgegangen, daß ein Gesellschafter aus Gründen der Gewinnmaximierung - oder daß, falls es zur Insolvenz gekommen ist, der Insolvenzverwalter aus Gründen einer bestmöglichen Verwertung - für die Fortführung der Unternehmung plädiert, falls der Fortführungswert höher als der Zerschlagungswert ist, und umgekehrt für deren Zerschlagung, falls der Fortführungswert niedriger als der Zerschlagungswert ist. 2Il Dem steht nun die tatsächliche Beobachtung gegenüber, daß es häufig auch dann nicht zur Zerschlagung der Unternehmung durch die Gesellschafter kommt, wenn der Fortführungswert der Unternehmung niedriger als ihr Zerschlagungswert ist. Im Gegenteil berichten Konkursverwalter von der "geradezu kriminellen Neigung, auf Kosten der Gläubiger bis zur Verwirtschaftung des ,letzten Knopfes' keine andere Existenz zu suchen.,,212 Wie erklärt sich nun dieser Widerspruch? lungsansprüche gegen Gesellschafter (z. B. nach § 31 GmbHG) sowie aussichtsreiche Anfechtungslagen nach § 29 ff. KO würden ebensowenig geprüft wie konzernrechliche Ansprüche; vielfach stünden auch die Leistungen auf die Stammeinlage (§ 19 GmbHG) noch aus; aaO., Rn. 204 m.w.N. 210 Bereits Jaeger (1936), § 109 Anm. I, hat darauf hingewiesen, daß der Schuldner die Konkurseröffnung oft genug in unlauterer Absicht erwirke. Der Ausschluß der Gläubigerbeschwerde sei um so empfindlicher fühlbar, als Konkursgläubiger auf den Schuldnerantrag nicht gehört würden. 211 Vgl. erstmals oben unter C.I.I.d). 212 Vgl. bei Gessner/Rhode/Strate/Ziegert(1977). S. 215 unter 2.3.2.
144
C. Prämissen
Er liegt zum Teil darin begründet, daß - insbesondere bei Familiengesellschaften - bislang erfolgreiche Unternehmer um ihre Reputation bangen und die Krise der Unternehmung deshalb nicht wahrhaben wollen?13 Infolgedessen erkennen sie den Eintritt der fraglichen Entscheidungssituation entweder zu spät oder gar nicht. Auch die - an sich berechtigte 214 - Furcht, daß überschießende Reaktionen der Geschäftspartner bei Bekanntwerden einer Krise den Fortführungswert der Unternehmung senken könnten, spielt eine Rolle. Allerdings kann diese Befürchung - wie schon gezeigt wurde 215 - nur maßgeblich sein, solange der Fortführungswert tatsächlich (noch) über dem Zerschlagungswert liegt. Insoweit schätzen die Gesellschaftsorgane den Fortführungswert allerdings vielfach zu optimistisch ein. 216 Dies sowie überhaupt die Neigung eine Unternehmung fortzuführen, obwohl deren Fortführungswert unter ihren Zerschlagungswert gesunken ist, hat vor allem ökonomische Gründe. Die erwähnte Entscheidungsregel, wonach es auf einen Vergleich von Fortführungs- und Zerschlagungswert ankomme, bedarf daher im folgenden einer eingehenderen Betrachtung.
b) Rentabilitätsüberlegungen in der Unternehmenskrise
Sowohl Fortführungswert als auch Zerschlagungswert beziehen sich auf den Wert der Vermögensgegenstände der Unternehmung. Dabei werden diese einmal unter der Prämisse bewertet, daß das Unternehmen fortgeführt wird, während das andere Mal davon ausgegangen wird, daß das Unternehmen zerschlagen wird. Beide Werte berücksichtigen hingegen - nach der in dieser Arbeit zugrunde gelegten Begrifflichkeit217 - nicht die bestehenden Verbindlichkeiten. Im Fall der Zerschlagung gehen darüber hinaus die zerschlagungsbedingten Kosten nicht in den Zerschlagungswert ein. 218 Statt vom Zerschlagungswert spricht DrukarcZye19 in dem Zusammenhang vom Liquidationswert des Unternehmens. M.E. ist diese Terminologie unglücklich gewählt, denn liquidiert wird nicht das Unternehmen als solches, sondern der 213 So etwa Gottwaldl Maus (1990),2 Rn. 18, mit dem Hinweis, daß manche Unternehmer vor einerSanierung mehr Angst haben als vor einem Konkurs. Franke (1983), S. 38, bemerkt des weiteren zu Recht, daß gerade geschäftsführende Gesellschafter ihre Selbständigkeit so hoch schätzen, daß dabei Fragen der Kompetenz verdrängt werden. Vgl. auch Hesselmann/ Ste/an (1990), S. 49; Kressin (1990), S. 93. 214 Dazu ausführlich oben unter C.1.4.a)bb )(2). 215 Oben unter C.1.4.a)cc). 216 Vgl. K. Schmidt (1980a), S. 235: "die Gesellschaftsorgane (improvisieren) oft genug, vom Überschuldungstatbestand unbeeindruckt, in unrealistischer Sanierungserwartung vor sich hin"; HaxlMarschdorf( 1983), S. 119. 217 Dazu oben unter C.I.I.d). 218 Zur gen auen Definition der Begriffe vgl. oben unter C.I.I.d) bei Fn. 32. 219 Ders. (1981), S. 242.
1. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
145
Rechtsträger des Unternehmens, § 65 I 1 GmbHG. Der Unterschied wird offenbar, wenn die Liquidation des Rechtsträgers darin besteht, daß das Unternehmen als ganzes an einen anderen Rechtsträger veräußert wird, das Unternehmen also gerade nicht "liquidiert" wird?20 Um Mißverständnisse zu vermeiden, spreche ich deshalb im folgenden vom Liquidationswert des Rechtsträgers und vom Zerschlagungswert der Unternehmung. Wenn der Zerschlagungswert der Unternehmung höher ist als ihr Fortführungswert, so bedeutet das für sich genommen, daß bei einer weiteren Fortführung der Unternehmung bezüglich des eingesetzten Kapitals nur noch eine - im Vergleich zu anderen Anlageformen - unterdurchschnittliche oder überhaupt keine Rendite mehr erwirtschaftet wird. Würden die Gesellschafter das bei einer Zerschlagung frei werdende Kapital anderweit investieren, so stünden sie sich besser. Sie würden dann entweder eine höhere Verzinsung des eingesetzten Kapitals erreichen oder vermeiden, daß das eingesetzte Kapital infolge von Verlusten der Unternehmung weiter aufgezehrt wird. Dabei wurde bislang unterstellt, daß bei der Zerschlagung einer Unternehmung keine Kosten anfallen. Das entspricht aber nicht der Realität. Für den Fall, daß es tatsächlich zur Zerschlagung kommt, ist der Zerschlagungswert mit erheblichen zerschlagungsbedingten Kosten - insbesondere infolge des oft erforderlichen Personalabbaus 221 - belastet. Der Zerschlagungswert abzüglich der zerschlagungsbedingten Kosten wird im folgenden als Nettozerschlagungswert bezeichnet. Für das Kalkül der Gesellschafter, ob die Unternehmung fortgeführt oder zerschlagen werden soll, kommt es also genaugenommen auf den Vergleich zwischen Fortführungswert und Nettozerschlagungswert an. Denn nur, wenn nicht bloß der Zerschlagungswert, sondern auch der - die zerschlagungsbedingten Kosten berücksichtigende - Nettozerschlagungswert über dem Fortführungswert liegt, läßt sich das in der Unternehmung gebundene Kapital im Falle einer tatsächlichen Zerschlagung mit einer besseren Ertragsaussicht als bisher reinvestieren. Wegen der erheblichen Kosten mit denen der Nettozerschlagungswert regelmäßig belastet ist, wird dieser allerdings nur dann über dem Fortführungswert liegen, wenn letzterer infolge nachhaltig schlechter Marktchancen für die Produkte der Unternehmung kaum noch erwarten läßt, daß das Unternehmen seine Ertragskraft jemals wieder zurückerlangt, demzufolge also gering ist, und wenn zugleich der Zerschlagungswert bzw. Nettozerschlagungswert wegen der Werthaltigkeit des Unternehmensvermögens relativ hoch ist. Derartige Konstellationen sind zwar theoretisch denkbar, praktisch aber höchst unwahrscheinlich. Denn regelmäßig wird ein etwa vorhandenes Vermögen entweder durch auflaufende Verluste nach und nach aufgezehrt oder für die Überwindung der Ertragsschwäche benötigt. 220 Auch umgekehrt muß die Zerschlagung einer Unternehmung nicht zwingend die liquidation ihres Rechtsträgers bedeuten, etwa dann, wenn der Zerschlagungserlös nicht an die Gesellschafter ausgekehrt wird, sondern weiter in der Gesellschaft gebunden bleibt und anderweit investiert wird. - Vgl. auch K. Schmidt (1989), S. 275 ff. 221 Dazu bereits m.w.N. oben unter C.1.4.b)bb)(3).
10 Förster
146
C. Prämissen
Der Gedankengang ist damit aber noch nicht abgeschlossen, denn er ließ bislang noch den Einfluß der Höhe des in der Unternehmung investierten Fremdkapitals auf das Kalkül der Gesellschafter unberücksichtigt. Selbst wenn nämlich der Nettozerschlagungswert der Unternehmung höher als ihr Fortführungswert sein sollte, so ist es für die Gesellschafter gleichwohl nur dann sinnvoll die Unternehmung zu zerschlagen, wenn sie sich dabei anschließend tatsächlich besser stehen als bei einer unveränderten Fortführung. Das ist aber nur solange der Fall, wie der Nettozerschlagungswert mindestens so hoch ist wie der Wert des Fremdkapitals bei vertragskonfonner Zins- und Tilgungsleistung. Denn nur dann können die Gesellschafter bei einer Zerschlagung mit einem Zerschlagungserlös rechnen. Ist der Wert des Fremdkapitals hingegen höher als der Nettozerschlagungswert so wird der Nettozerschlagungswert dadurch aufgezehrt, daß er für die Befriedigung der bestehenden Forderungen eingesetzt werden muß. Die Gesellschafter haben dann von einer Zerschlagung keine Vorteile zu erwarten, und zwar obwohl der Nettozerschlagungswert der Unternehmung höher als ihr Fortführungswert ist. 222 Ist der Nettozerschlagungswert der Unternehmung erst einmal geringer als der Wert der Forderungen bei vertragskonfonner Bedienung dann leidet darunter aber nicht nur die Bereitschaft der Gesellschafter eine unternehmerische Betätigung freiwillig zu beenden, sondern auch ihre Sanierungsbereitschaft. Das liegt daran, daß Sanierungen regelmäßig weitere Kapitaleinlagen erfordern, die jedoch bei der beschriebenen Relation vor allem den Gläubigem zugute kämen. 223 Damit ergibt sich nun folgendes Bild: Von dem Zeitpunkt ab, da der Fortführungswert unter den Zerschlagungswert sinkt, wäre es für die Gesellschafter im Grundsatz rentabler, ihre finanziellen Mittel anderweit als in der Unternehmung anzulegen. Das ist aber nur möglich, wenn sie die Unternehmung zerschlagen. Denn unter der Prämisse ,Fortführungs wert kleiner Zerschlagungswert' wird sich kaum jemand finden lassen, der die Unternehmung als ganzes erwirbt und den bisherigen Gesellschaftern dadurch ennöglicht, ihr investiertes Kapital unter Venneidung zerschlagungsbedingter Kosten zu desinvestieren. Da mit der Zerschlagung zerschlagungsbedingte Kosten anfallen, werden die Gesellschafter mit der Zerschlagung solange zuwarten, bis der Fortführungswert nicht nur unter den Zerschlagungswert, sondern auch 224 unter den Nettozerschlagungswert gesunken ist. Denn erst dann kann das eingesetzte Kapital auch unter Berücksichtigung der zerschlagungsbedingten Kosten tatsächlich rentabler als bisher investiert werden. Entscheidend für das Verhalten der Gesellschafter ist nun aber, wie sich zwischenzeitlich der Wert des Fremdkapitals entwickelt hat. Nur wenn dieser auch jetzt noch 222 Für die Verwertungsüberlegungen im Insolvenzverfahren - dazu oben unter C.I.1.d) gilt die eben erläuterte Einschränkung der Entscheidungsregel nicht, weil dort im Gläubigerund nicht im Gesellschafterinteresse entschieden wird. 223 Vgl. Franke (1983), S. 42, 50. 224 Der Nettozerschlagungswert liegt definitionsgemäß immer unter dem Zerschlagungswert.
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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unter dem Nettozerschlagungswert liegt, können die Gesellschafter überhaupt mit einem reinvestierbaren Zerschlagungserlös rechnen. Da die Relation ,Fortführungswert kleiner Nettozerschlagungswert' jedoch eine tiefgreifende Krise der Unternehmung signalisiert, die häufig mit einem erheblichen Fremdkapitalbedarf einhergeht 225 , wird der Wert des Fremdkapitals zu diesem fortgeschrittenen Krisenstadium nur in den seltensten Fällen unter dem Nettozerschlagungswert liegen. Anders ausgedrückt: zu dem Zeitpunkt, in dem das in der Unternehmung investierte Kapital sich bei einer tatsächlichen Zerschlagung der Unternehmung rentabler als bislang investieren ließe, scheitert die Zerschlagung häufig daran, daß der Wert des Fremdkapitals mittlerweile so stark angewachsen ist, daß eine Zerschlagung den Gesellschaftern keinen Zerschlagungserlös mehr bringt. Aus diesem Zusammenhang 226 erklärt sich der oben aufgezeigte Widerspruch, weshalb die Unternehmung in der Praxis auch dann fortgeführt wird, wenn der Fortführungswert längst unter den Zerschlagungswert gesunken ist. 227
c) Wirksamkeit einer Insolvenzauslösedrohung
Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wie die eben aufgezeigten Zusammenhänge die Wirksamkeit der Drohung eines Gläubigers beeinflussen, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH zu stellen. Oben 228 wurde gezeigt, daß prospektive Insolvenzauslöser für die Gläubiger ein Mittel der Schadensabwendung sind. Der Grund hierfür bestand darin, daß die Drohung der Gläubiger, dem Schuldner mittels der Insolvenzauslösung die Entscheidungsgewalt hinsichtlich des weiteren Schicksals der Unternehmung zu entziehen, auf die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen des Schuldners disziplinierend wirkt. Für den Fall, daß der Schuldner eine GmbH ist, ist diese Aussage zunächst zu präzisieren. Der GmbH gegenüber kann als solcher nämlich nicht gedroht werden. Denn die Drohung bezeichnet das Inaussichtstellen eines Übels, dessen Verwirklichung davon abhängen soll, daß der Bedrohte nicht nach
225 Vgl. dazu die Ausführungen zum finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß oben unter B.II.2.c). 226 Der Zusammenhang ist grundlegender Natur; es wird später unter E.II.1.a) darauf zurückzukommen sein. 227 Auf die steuerlichen Vorteile einer solchen Fortführung kann hier nur am Rande hingewiesen werden. Sie bestehen zum einen in der Verwertung des steuerlichen Verlustvortrags im Rahmen des sog. Mantelkaufs - vgl. Gottwald/1imm/Körber (1990), § 82 Rn. 9 m.w.N. -, zum anderen in der Anrechnung des Auflösungsverlustes aus der Auflösung der GmbH, entweder nach § 17 IV EStG, wenn der GmbH-Anteil im Privatvermögen gehalten wird - vgl. Steemann (1984), S. 507 ff.; Jülicher (1994), S. 305 ff. - oder als Abschreibungsaufwand, wenn sich der GmbH-Anteil im Betriebsvermögen des Gesellschafters befindet. Ausführlich zur Sanierung von Kapitalgesellschaften durch Verlustverwertung Layer (1990); Kräußlein (1992). 228 Unter C.I.3.b)cc)(3).
10'
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C. Prämissen
dem Willen des Drohenden reagiert. 229 Das setzt voraus, daß die Drohung nur jemandem gegenüber wirksam sein kann, der einen eigenen Willen hat und dessen Willen sich folglich mit der Drohung beeinflussen läßt. Die GmbH als solche hat aber keinen eigenen Willen. Nur Menschen können Objekt einer Drohung sein. Die GmbH kann allenfalls Drohungsadressatin sein, die die Drohung den hinter ihr stehenden Menschen vermittelt. 23o Es kommt also auf die Menschen an, die einen Einfluß auf die Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen der GmbH haben, also auf die Geschäftsführer und Gesellschafter. Im Rahmen dieses Abschnitts interessieren dabei die Gesellschafter. Zwar obliegt die konkrete Umsetzung von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen nicht ihnen, sondern den Geschäftsführern, doch sind die Gesellschafter jenen gegenüber qua Beschlüssen der Gesellschafterversammlung weisungsbefugt. 231 Da sie die Geschäftsführer darüberhinaus ebenfalls qua Beschluß der Gesellschafterversammlung jederzeit abberufen können (§ 38 I GmbHG), können die Gesellschafter einen ganz erheblichen Einfluß auf die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen der GmbH nehmen. Sie können damit das Finanzierungs- und das Vermögensverschiebungsrisik0 232 der Gläubiger maßgeblich beeinflussen. Unter welchen Umständen wirkt nun die Drohung mit einer Insolvenzauslösung auf die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen eines GmbH-Gesellschafters disziplinierend? Ohne das hier schon konkretisieren zu können, wird für die Lösung der Frage angenommen, daß die Insolvenzauslösung aufgrund eines prospektiven Insolvenzauslösers erfolgen soll, der das zukünftige Schadensereignis, das bei ungehinderter Entwicklung des sog. finanziellen Erstickungsprozesses 233 eintritt, gedanklich bereits zu einem Zeitpunkt vorwegnimmt, zu dem der Schaden noch abgewehrt werden kann. Anders ausgedrückt sollen prospektive Insolvenzauslöser bereits dann wirken, wenn sich eine Gefahrdung der Gläubigerpositionen abzeichnet, diese sich aber noch nicht verwirklicht hat. Weiter wird davon ausgegangen, daß aus Sicht der Gesellschaft ein prospektiver Insolvenzauslöser nur dann eingreifen darf, wenn die Position der Gläubiger tatsächlich und unabwendbar gefährdet ist. 234 Die zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage entscheidungsrelevanten Größen sind - ebenso wie bei den Rentabilitätsüberlegungen der Gesellschafter in der Unternehmenskrise 235 - der Fortführungs- und der Nettozerschlagungswert der Unternehmung sowie der Wert des Fremdkapitals bei vertragskonformer BedieVgl. Schönke/Schröder/ Eser (1991), Rn. 30 vor § 234 ff. Vgl. die Paralle im Strafrecht bei § 241 StGB. 231 Vgl. Lutter/ Hommelhof!(1995), § 37 Rn. 17 ff.; Scholz/Schneider (1993), § 37 Rn. 10 und 30ff. 232 Vgl. zu diesen Risiken oben unter C.I.I.a). 233 Dazu oben unter B.II.2.c). 234 Zur Notwendigkeit dieser Prämisse oben unter C.I.4.a)cc). m Soeben unter C.I.5.b). 229 230
1. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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nung. Ausgangspunkt der Überlegung ist, daß die Drohung mit einer Insolvenzauslösung solange disziplinierend wirkt, wie die Gesellschafter noch etwas zu verlieren haben. Sobald sie nichts mehr zu verlieren haben, läuft die Drohung mit einer Insolvenzauslösung hingegen leer. Letzteres ist dann der Fall, wenn der Wert des Fremdkapitals größer ist als das Maximum aus Fortführungs- oder Nettozerschlagungswert. Wenn nämlich der Nettozerschlagungswert das Maximum ist, dann erhalten die Gesellschafter - wie oben 236 bereits dargelegt wurde - keinen Zerschlagungserlös. Wenn hingegen der Fortführungswert das Maximum ist, dieses aber den Wert des Fremdkapitals gleichfalls nicht deckt, dann gehören die gesamten künftigen Nettoeinzahlungen der Unternehmung den Gläubigem. Da sie wirtschaftlich Eigentümer sind, ist das von den Gesellschaftern eingebrachte Eigenkapital auch in diesem Fall vollständig entwertet. 237 Dagegen ist die Drohung mit einer Insolvenzauslösung wirksam, wenn der Wert des Fremdkapitals kleiner ist als das Maximum aus Fortführungs- oder Nettozerschlagungswert. Dabei darf diese Konstellation aber nicht zu dem Fehlschluß verleiten, daß bei ihr in Wahrheit gar keine Gefährdung der Gläubigerpositionen vorliege, da die Gesellschaft doch noch nicht überschuldet sei. Eine solche Betrachtung würde nur isoliert auf den gegenwärtigen Zeitpunkt abstellen, würde jedoch den dynamischen Vorgängen bei der Unternehmensfinanzierung im Zusammenhang mit dem sog. finanziellen Erstickungsprozeß nicht gerecht werden. Denn entscheidend ist nicht, ob gegenwärtig schon eine Überschuldung vorliegt - denn dann ist es nach allem bisher gesagten zu spät -, sondern ob zukünftig eine Überschuldung eintritt. Entscheidend ist also, daß ein prospektiv orientierter Insolvenzauslöser ergibt, daß die Position der Gläubiger in Zukunft tatsächlich und unabwendbar gefährdet ist.
d) Unterschiedliche Sicht der Fortführungswürdigkeit
Die angegebenen Beziehungen zwischen den entscheidungsrelevanten Größen für die Wirksamkeit einer Insolvenzauslösedrohung erhellen die unterschiedliche Sicht von Gesellschaftern und Gläubigem zur Frage der Fortführungswürdigkeit eines Unternehmens. Ich fasse noch einmal zusammen: Aus Sicht eines Insolvenzverwalters wird die Unternehmung fortgeführt. wenn ihr Fortführungswert größer als ihr Zerschlagungswert ist, und zerschlagen, wenn ihr Zerschlagungswert größer als ihr Fortführungswert ist. Anders sieht es aus Sicht der Gesellschafter aus: Der Gedankengang zu den Rentabilitätsüberlegungen der Gesellschafter zeigte, daß Ebd. (Fn. 235). Einen ähnlichen Ansatz hat Drukarczyk (1981), S. 242 ff.; näher zu den hier abgeleiteten Ergebnissen aaO. bei Relation (7) der erste Absatz und ausführlich bei Relation (5). Vgl. auch knapper ders. (1987), S. 73. - Drukarczyk spricht allerdings vom Liquidations- statt vom Nettozerschlagungswert, weil er die zerschlagungsbedingten Kosten nicht berücksichtigt; dazu und zur Kritik am Begriff des Liquidationswertes, vgl. oben unter C.1.5.b). 236 237
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c. Prämissen
diese die Unternehmung auch dann noch fortführen, wenn der Fortführungswert längst unter den Zerschlagungswert gesunken ist und nur noch den - die zerschlagungsbedingten Kosten berücksichtigenden - Nettozerschlagungswert erreicht. Aber selbst dann zerschlagen sie die Unternehmung nur, wenn der Wert des Fremdkapitals geringer ist als der Nettozerschlagungswert. Ist der Wert des Fremdkapitals hingegen größer als der Neuozerschlagungswert, werden die Gesellschafter trotz der Relation ,Fortführungs wert kleiner als Neuozerschlagungswert' die Unternehmung von sich aus nicht zerschlagen, weil sie unter diesen Umständen keinen Zerschlagungserlös zu erwarten haben. Allerdings ist bei dieser - den Regelfall darstellenden - Konstellation die vollständige Tilgung des Fremdkapitals ausgeschlossen. Die Gläubiger erleiden daher Forderungsausfalle. Im wirtschaftlichen Sinne ist die Gesellschaft damit insolvent. Kommt es für den Fall, daß die vollständige Tilgung des Fremdkapitals unmöglich wird, nicht zu einer Insolvenzauslösung, wird die für das Schicksal des Unternehmens sonst maßgebliche Entscheidungsregel, wonach es auf einen Vergleich von Zerschlagungswert und Fortführungswert ankommt, dispensiert. Denn für die Gesellschafer bestimmt sich die Fortführungswürdigkeit des Gesellschaftsunternehmens nach einem Vergleich von Nettozerschlagungswert und Fortführungswert sowie der Höhe des Fremdkapitals.
e) Vorteile einer aussichtslosen Unternehmensfortführung
Eine weitere Fortführung der Unternehmung ist aussichtslos, wenn die Tilgung der eingegangenen Verbindlichkeiten unter gar keinen Umständen mehr gewährleistet ist. Das ist der Fall, sobald der Wert des Fremdkapitals bei vertragskonformer Bedienung größer ist als das Maximum aus Neuozerschlagungswert oder Fortführungswert und wenn keine Aussicht auf eine gebesserte Ertragslage besteht, d. h. bei - in der Tendenz - sinkendem Fortführungswert. Trotz einer - aus Sicht der Gläubiger - aussichtslosen Fortführung kann es für die Gesellschafter wirtschaftlich vorteilhaft sein, das Unternehmen fortzuführen?38 Sie können nämlich nichts mehr verlieren, da der Wert des von ihnen investierten Eigenkapitals bereits vollständig verloren ist. 239 Hingegen können sie bei Fortführung der Unternehmung etwas gewinnen, wenn es ihnen gelingt, den lau238 Vgl. Drukarczyk (1980), S. 171 ff.; ders. (1981), S. 248; ders. (1983), S. 335; ders. (1986), S. 228; Hax/Marschdorf(1983), S. 119 (unter b); R.H. Schmidt (1984), S. 725; aus agencytheoretischer Sicht Swoboda (1987), S. 60 ff. m.w.N.; Beeck (1979), S. 42; instruktiv auch das Zahlenbeispiel bei Marschdorf(1984), S. 175 ff. 239 An sich ist dies die Situation, in der die Geschäftsführer dazu verpflichtet wären, ein Insolvenzverfahren wegen Überschuldung zu beantragen, § 64 I 2 GmbHG, was aber oft unterbleibt, da die Zukunftsaussichten überbewertet werden; vgl. R.H. Schmidt (1984), S. 725. Außerdem leidet der Überschuldungstatbestand, wie - unten unter 0.1.2 - noch zu zeigen sein wird, an einer systemimmannenten Perplexität und ist deshalb nicht fixierbar.
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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fenden Betrieb solange wie möglich - zu Lasten der weniger gut informierten oder der durch nicht einhaltbare Sicherungszusagen getäuschten Gläubiger - mit Fremdmitteln zu finanzieren. 24o Dieses Etwas kann zum einen in der Hoffnung auf den Wegfall der Prämisse einer aussichtslosen Unternehmensfortführung liegen, daß sich nämlich die Ertragslage der Unternehmung noch einmal bessert. 241 Den Gesellschaftern bliebe dann das Unternehmen als Einkommensquelle erhalten. Vor allem aber ist dem Einfallsreichtum für reichtumsverschiebende Geschäfte zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft kaum eine Grenze gesetzt. Wenn die Gesellschafter etwa zugleich angestellt sind, lassen sich trotz Krise stattliche Gehälter sowie die Beiträge zu Pensionsversicherungen kassieren. 242 Auch die Übername der Kosten für das Leasing eines Dienstwagens oder die Miete einer Dienstwohnung sind denkbar. Beliebt ist auch der Abschluß gut dotierter Beraterverträge. Auf die Möglichkeiten des Sale-and-lease-back-Verfahrens wurde oben bereits hingewiesen. 243 Allgemein eignen sich all die Vorgehensweisen, die im Steuerrecht unter dem Stichwort der verdeckten Gewinnausschüttung diskutiert werden.244 Dabei ist die Gefahr, daß diese Geschäfte angefochten werden, gering. Geschickt eingefädelt, endet die Krise der Unternehmung nämlich in der masselosen Insolvenz, also ohne ein Insolvenzverfahren in dem Anfechtungsanprüche durchgesetzt werden könnten. 245 Aber auch dann, wenn es zu einem Insolvenzverfahren kommt, scheitert die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen, soweit Anhaltspunkte dafür überhaupt erkannt werden, oft an Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten. 246 Es ist deshalb festzuhalten, daß selbst dann, wenn eine weitere Fortführung der Unternehmung aussichtslos ist, d. h. die Gläubiger gefährdet, die Versuchung groß ist, dennoch weiterzuwirtschaften. 247
Vgl. dazu die Ausführungen zum finanziellen Erstikungsprozeß oben unter B.I1.2.c). Vgl. Franke (1983), S. 40 f. 242 Ungünstig ist nur eine Anstellung als Geschäftsführer wegen der eventuellen Haftungsfolgen aus § 64 II GmbHG bzw. aus § 823 II BGB i.Y.m. § 64 I GmbHG. Vgl. auch Bauder (l993a), S. 369 ff., zur Herabsetzung unangemessen hoher Bezüge von Gesellschafter-Geschäftsführern. 243 Vgl. dazu unter C.I.4.b)bb)(I). 244 Vgl. dazu den umfangreichen Katalog mit Beispielen bei Knobbe-Keuk (1993), S. 648 ff. 245 Vgl. zur Flucht in die Masselosigkeit bereits oben unter B.III.l.c) und unter C.I.4.b)bb)(3). 246 Dazu oben unter B.III.2.e)aa) und bb). 247 Vgl. R. H. Schmidt (1980), S. 121; BitzlHemmerdelRausch (1986), S. 72 ff. - Immer wieder finden sich entsprechende Beispiele aus der Tagespresse, etwa bei Reim (1997), Uhlmann (1995), Metzger (1994) oder Grundner (1994). Das Phänomen als solches ist alt, vgl. etwa Bartsch (1914), S. 424. 240 241
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C. Prämissen 6. Interessenlage der Geschäftsführer
Abschließend ist im Rahmen der Untersuchung über die Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten noch auf die Umstände einzugehen, die die Kalküle der Geschäftsführer48 hinsichtlich einer sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindenden GmbH bestimmen. Es geht dabei zum einen - unter a) - um den Einfluß der Gesellschafterinteressen auf die Geschäftsführer, zum zweiten - unter b) - um die Eigeninteressen der Geschäftsführer und zum dritten - unter c) - um die Frage möglicher Anreize für eine Insolvenzauslösung.
a) Einfluß der Gesellschafterinteressen auf die Insolvenzauslösung
Die Geschäftsführer sind nach § 64 I GmbHG verpflichtet, unverzüglich, spätestens aber binnen drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfahigkeit oder der Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens bzw. zukünftig auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens 249 zu stellen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich aus der mangelnden tatbestandlichen Präzision der Eröffnungsgründe ,Zahlungsunfähigkeit' bzw. ,Überschuldung' erhebliche Beurteilungsspielräume für die Geschäftsführer ergeben?50 Wie sie diese nutzen, hängt maßgeblich davon ab, welche Ziele sie verfolgen. Hierbei ist zu unterscheiden, ob die Geschäftsführer zugleich Gesellschafter, oder ob sie Fremdgeschäftsführer sind. Sind sie zugleich Gesellschafter, werden sie nach dem oben 251 gesagten bestrebt sein, die Unternehmung so lange wie irgend möglich fortzuführen. Dabei werden sie den bestehenden Beurteilungsspielraum zu ihren Gunsten nutzen. Die Versuchung ist groß, in diesem Zusammenhang die - äußerst vagen und schwer bestimmbaren - Grenzen des Erlaubten zu überschreiten. Denn die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Bewehrungen der Antragspflicht 252 entfalten ihre Präventions wirkung wegen der erwähnten Beurteilungsspielräume und - für den Fall, daß die Aucht in die Masselosigkeit gelingt - wegen der Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung 253 nur in Extremfällen.
248 Vgl. dazu den umfangreichen Katalog mit Beispielen bei Knobbe-Keuk (1993), S. 648 ff. 249 Vgl. zur Flucht in die Masselosigkeit bereits oben unter B.III.1.c)und unter C.I.4.b)bb)(3). 250 Dazu oben unter B.III.2.e)aa) und bb). 251 Vgl. R. H. Schmidt (1980), S. 121; Bitz/Hemmerde/Rausch (1986), S. 72 ff. - Immer wieder finden sich entsprechende Beispiele aus der Tagespresse, etwa bei Reim (1997), Uhlmann (1995), Metzger (1994) oder Grundner (1994). Das Phänomen als solches ist alt, vgl. etwa Bartsch (1914), S. 424. 252 Soweit im folgenden von der Geschäftsführung oder den Geschäftsführern gesprochen wird, so gilt dies auch für den Fall eines einzelnen Geschäftsführers. 253 Vgl. Art. 48 Nr. 7 EGBIsO.
1. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
153
Sind die Geschäftsführer hingegen Fremdgeschäftsführer, so ist zu beachten, daß sie bei der Zielsetzung, wie der Beurteilungsspielraum bei den Eröffnungsgründen genutzt werden soll, in der Praxis nicht unabhängig sind. 254 Zwar obliegt ihnen die Geschäftsführung der GmbH, doch sind die Gesellschafter weisungs befugt. 255 Da deren Interesse auf eine möglichst lange Fortführung der Unternehmung gerichtet ist, befinden sich Fremdgeschäftsführer in einer schwierigen Situation, wenn sie den Beurteilungsspielraum entgegen der Ansicht der Gesellschafter für ausgeschöpft halten: Falls sie nämlich einen Insolvenzantrag befürworten, riskieren sie den Widerruf ihrer Bestellung als Geschäftsführer, was nach § 38 I GmbHG jederzeit möglich ist. 256 Der im Falle einer unberechtigten Abberufung an sich bestehende Schadensersatzanspruch der Geschäftsführer ist dabei wegen der weiten Beurteilungsspielräume hinsichtlich der Frage, ob tatsächlich ein Eröffnungsgrund vorliegt, mit einem erheblichen Prozeßrisiko belastet. Warten sie hingegen - der mutmaßlichen oder ausdrücklichen Erwartungshaltung der Gesellschafter entsprechend - weiter zu, so setzen sie sich in gewissem Umfang der Gefahr zivil- und strafrechtlicher Sanktionen aus. 257 Auf die Entscheidungsfindung der (Fremd-)Geschäftsführer wirkt ferner ein, daß sie nach § 43 I GmbHG im Innenverhältnis der Gesellschaft verpflichtet sind, wenn irgend möglich die wirtschaftlich angeschlagene GmbH zu sanieren. Eine diesbezügliche Pflichtverletzung macht ebenfalls schadensersatzpflichtig, § 43 11 GmbHG?58
b) Eigeninteressen der Geschäftsführer
Selbst wenn die Gesellschafter sich aus der Frage, ob Insolvenzantrag gestellt werden soll, vollständig heraushalten, kann es sein, daß Fremdgeschäftsführer insoweit ihre eigenen Interessen - ggf. auch über das durch den weiten Beurteilungspielraum gesteckte Maß hinaus - berücksichtigen. 259 Dabei spielt die Frage der ei-
254 Oben unter B.L4. Vgl. auch unten unter D.I.I., D.1.2. und D.1.4.b), ferner bei Beeck (1979), S. 22 ff., 37 ff. Soeben unter C.L5.b), d) und e). 255 § 64 II GmbHG und § 64 I GmbHG i.Y.m. § 823 II BGB sowie § 84 I Nr. 2 GmbHG und §§ 283 ff. StGB. 256 Dazu oben unter B.L3, insbes. unter e) und unter B.III.l.c). 257 Besonders extrem zeigt sich dies im Urteil des BGH vom 16.9. 1985 ("Autokran" - II ZR 275/84), in: BGHZ 95, S. 330. AaO., S. 336 heißt es, daß der Gesellschafter mehrerer GmbHs den jeweiligen Fremdgeschäftsführern "nur die Befugnisse eines untergeordneten Angestellten mit minimaler Entscheidungsmacht" beließ; sie waren verpflichtet, dem Gesellschafter Generalhandlungsvollmacht zu erteilen. Die gesamte Buchführung und Finanzierung war vom Gesellschafter in der Weise organisiert worden (im einzelnen aaO., S. 337), daß die jeweiligen GmbHs keine Möglichkeit hatten, "aus eigenen Erträgnissen Liquidität zu bilden und damit aus eigener Kraft wirtschaftliche Selbständigkeit herzustellen oder zu erhalten" (aaO., S. 341). 258 Vgl. im einzelnen Lutter/Hommelhoff(1995), § 37 Rn. 17 ff.
154
C. Prämissen
genen Arbeitsplatzerhaltung eine wesentliche Rolle. 260 Hinzu kommen Fragen eines eventuellen Imageverlustes: ein Geschäftsführer der seinen Arbeitsplatz im Zuge eines Insolvenzverfahrens verloren hat, wird es schwer haben, bei der Suche nach einer neuen Stelle mit seiner unternehmerischen Tüchtigkeit zu werben.2 61 Aber auch ganz allgemein das menschliche Beharrungsvermögen führt dazu, daß die Insolvenzauslösung nur zögerlich erfolgt oder ganz unterbleibt. 262 So mutmaßt denn auch HommelhoJf63, daß die Geschäftsführer oft gar nicht bemerken, daß die Gesellschaft schon längst überschuldet ist, weil sie, dem Prinzip Hoffnung folgend, versuchen, sich über die bittere Wahrheit hinwegzutäuschen.
c) Anreize zur Insolvenzauslösung ?
In der Diskussion zur Reform des Insolvenzrechts ist wegen der dargelegten Zusammenhänge immer wieder gefordert worden, Anreize für die rechtzeitige Auslösung eines Insolvenzverfahrens zu schaffen.264 Die Verfasser der InsO behaupten in der Begündung zum RegElnsO, daß dies geschen sei?65 Ich habe oben schon dargelegt, daß der in der InsO gewählte Ansatz zwar ein verdienstvolles Vorhaben ist, aber praktisch kaum etwas bringen wird. 266 Denn das Problem sind nicht die gesetzestreuen und auslösewilligen Geschäftsführer, sondern diejenigen die das gerade nicht sind. 267 Die Möglichkeiten eine mangelnde Motivation zur Insolvenzauslösung durch Belohnungen in einem Insolvenzverfahren zu steigern, sind aber dadurch begrenzt, daß solche Maßnahmen den Gläubigerschutz aushöhlen.2 68 Insofern wird auch der neue Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO nur wenig nutzen. Denn auch in der Vergangenheit dürften auslöse259 Zu weiteren Einwirkungsmöglichkeiten auf die Insolvenzantragspflicht der Gschäftsführer vgl. Haack (1980), S. 144 ff. 260 Ebenso EgnerIWolff(1978), S. 106. 261 Dazu jeweils m.w.N. ScholzlK. Schmidt (1995), § 64 Rn. 12; LutterlHommelhoff (1995), § 64 Rn. 6; HachenburglUlmer (1989/ 1992), § 64 Rn. 21; GottwaldlMaus (1990), § 4 Rn. 2; GottwaldlUhlenbruck (1990), § 10 Rn. 5. 262 Franke (1984a), S. 161 m.w.N., führt dies auf das Auseinanderfallen von Verfügungsmöglichkeiten und Haftungsfolgen bei den Geschäftsführen zurück. - Das Problem wird in der Betriebswirtschaftslehre unter dem Stichwort des ,Manageralismus' diskutiert; vgl. dazu ausführlich Kaufer (1980), S. 402 ff. m.w.N. 263 Flessner (1981a), S. 116: ..Geschäftsleitungen haben ( ... ) konstitutionell die Tendenz das gerichtliche Insolvenzverfahren so lange wie möglich zu venneiden." Vgl. auch Wüst (1985), S. 819. 264 Hierauf weist Kölsch (1988), S. 64 f., hin. 265 So auch Kölsch (1988), S. 67, sowie eingehend zum menschlichen Verhalten in komplexen, vemetzten und dynamischen Handlungssituationen Dörner (1992). 266 Hommelhoff(1984), S. 700 f. 267 Vgl. etwa Franke (1983), S. 53 ff. 268 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 86 unter ii).
I. Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten
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willige Geschäftsführer kaum das Problem gehabt haben, den Konkursrichter nicht vom Vorliegen des Eröffnungsgrundes überzeugen zu können. Es hätte genügt, die Geldgläubiger der Unternehmung über die düsteren Zukunftsaussichten der Unternehmung zu informieren, um diese zur Kürzung ihrer Kreditlinien zu veranlassen und dadurch Zahlungsunfähigkeit herbeizuführen?69 Sowohl nach geltendem wie nach künftigem Recht besteht kein wirksamer Anreiz zur Insolvenzauslösung. Auf die Frage, wie Geschäftsführer, die nicht ohnehin auslösewillig sind, zur Insolvenzauslösung angehalten werden können, wird aber zurückzukommen sein. 27o
7. Zwischenergebnis
Im folgenden sollen die wesentlichen Ergebnisse aus der vorangegangenen Untersuchung zu der zwischen den Beteiligten bestehenden Konfliktstruktur zusammengefaßt werden. Sie bilden - dem methodischen Ansatz entsprechend - wichtige Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht.
CI) Aus den heterogen verteilten Informationen über den einer Kreditvergabe zugrunde liegenden Sachverhalt und aus den Besonderheiten der Kapitalstruktur haftungsbeschränkter Unternehmen ergeben sich Schädigungspotentiale zu Lasten der Gläubiger. Demgegenüber beruht ungesicherte Kreditvergabe auf dem Vertrauen in die Solvenz des Schuldners. (2) Für ungesicherte Gläubiger ist die Stellung eines Insolvenzantrags die einzig mögliche Sanktion bei einem enttäuschten Vertrauen in die Solvenz des Schuldners. Dem stehen jedoch sowohl nach der KO als auch nach der InsO erhebliche rechtliche und ökonomische Hindernisse entgegen. (3) Ein wirksamer Insolvenztatbestand müßte prospektiv orientiert sein, d. h. greifen, sobald für die Gläubiger die Gefahr künftiger Schäden besteht. Allerdings darf er nur dann zu einem Insolvenzverfahren führen, wenn die Gläubigerpositionen tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind. Anderenfalls kommt es für die GmbH zu schädlichen Gläubigersanktionen. Wird die genannte Prämisse beachtet, hat die Durchführung eines Insolvenzverfahrens insbesondere keine Auswirkungen auf das Schicksal der Unternehmung; ein Zerschlagungsautomatismus besteht insoweit nicht. Sofern und soweit Insolvenzverfahren rechtzeitig eröffnet werden würden, verhindert die InsO zerschlagungsfördernde Verwertungen, die sich nur an dem Interesse der gesicherten Gläubiger orientieren. (4) Die Wirkung von Kreditsicherheiten beruht darauf, daß sie die Transaktionskosten für die Beschaffung von Informationen über die Bonität des Kredit269
270
Vgl. unter B.III.2.a)aa). Vgl. auch Franke (1984a), S. 163.
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C. Prämissen
nehmers über das Maß hinaus senken, das sich aus dem Risiko eines Forderungsausfalls ergibt. Der Gedanke kann verallgemeinert werden: Die Transaktionskosten zur Kreditüberwachung bzw. zur eventuell vorzeitigen Beitreibung des Darlehensbetrages sollten so gering wie möglich sein, weil sich Gläubiger nur dann gegen Ausfallrisiken schützen können. (5) Durch die Bestellung einer Kreditsicherheit zugunsten eines Gläubigers wird das insgesamt bei einem Schuldner bestehende Ausfallrisiko zu Lasten aller ungesicherten Gläubiger umverteilt. (6) Kreditsicherheiten können bei den gesicherten Gläubigem zu einer leichtfertigen Kreditvergabe führen. (7) Gesicherte Gläubiger reagieren auf den Verdacht einer bevorstehenden Insol-
venz regelmäßig mit der Rückführung ihres Kreditengagements. (8) Um das jeder Unternehmung zugrunde liegende finanzwirtschaftliche Problem zu lösen, sind die Gesellschaftsorgane an einer einfachen und ausreichenden Kreditversorgung interessiert. Speziell in der Krise der Gesellschaft erlangen darüber hinaus Leasingfinanzierungen Bedeutung. Von diesen kann für die Gläubiger eine besondere Gefahr ausgehen. (9) Aus Sicht der Gesellschafter ist die freiwillige Beendigung einer - aus Sicht der Gläubiger - aussichtslosen Fortführung des Gesellschaftsunternehmens in den seltensten Fällen sinnvoll. Das liegt zum einen an dem Einfluß, den die zerschlagungsbedingten Kosten und das Fremdkapital auf einen möglichen Zerschlagungserlös der Gesellschafter haben. Außerdem können sich infolge einer solchen Fortführung geldwerte Vorteile für die Gesellschafter ergeben. (10) Die Möglichkeit eines Gläubigers einen Insolvenzantrag zu stellen, verliert ihre das Finanzierungsverhalten der Gesellschafter steuernde Wirkung, sobald die Gesellschafter nichts mehr zu verlieren haben. Für die Gläubiger ist deshalb - unter Beachtung der unter 3. genannten Prämisse - nur eine zeitige Antragstellung vorteilhaft. Allerdings befinden sie sich aufgrund der bisherigen und künfigen Ausgestaltung des Antragsverfahrens insoweit in einem Dilemma: Die für eine zeitige AntragsteIlung erforderlichen Informationen sind ihnen in aller Regel nicht zugänglich. Sie sind daher zur AntragsteIlung meist erst zu einem Zeitpunkt in der Lage, zu dem eine AntragsteIlung für sie nachteilig oder nutzlos ist. (11) Für die Geschäftsführer besteht sowohl nach der KO als auch nach der InsO eher ein Anreiz zur Verzögerung als zur Stellung eines Insolvenzantrags.
11. Juristische Rahmenbedingungen
157
11. Juristische Rahmenbedingungen Aus dem bisher gesagten ergibt sich, daß ein Insolvenzauslöser einer komplexen Beziehungsstruktur gerecht werden muß. Im folgenden soll daher versucht werden, weitere - nunmehr eher sachbezogene - Rahmenbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht abzustecken, um so die Bandbreite möglicher Lösungsansätze einzugrenzen. Es wird dabei zwischen juristischen (unter 11.), praxisbezogenen (unter III.) und ökonomischen Rahmenbedingungen (unter IV.) unterschieden. Was die juristischen Rahmenbedingungen angeht, so folgen (unter 11.1.) zunächst einige Ausführungen zu deren dogmatischer Orientierung. Daran anschließend werden mehrere lösungsrelevante Aspekte der juristischen Rahmenbedingungen näher betrachtet (unter 11.2. - 8.). Dabei wird der Leser allerdings vergeblich Ausführungen zum Grundsatz der par condicio creditorum suchen. Denn wie oben bereits dargestellt wurde, handelt es sich bei diesem insoweit um ein fonnales Prinzip, als die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit vor allem eine solche nach der Verteilungsgrundlage ist. Es kommt damit entscheidend auf einen sachgerechten Differenzierungsmaßstab an. 271 Dessen juristische Bestandteile sollen im folgenden herausgearbeitet werden.
1. Dogmatische Orientierung
Der Gegenstand dieser Arbeit, nämlich die Schaffung eines Systems der Insolvenzauslösung, ist rechtstechnisch ein Problem der Nonnsetzung. Es geht dabei um die Frage, wie ein bestimmter Nonnenkomplex zu fassen ist, damit bestimmte Fälle in einer bestimmten Weise erfaßt werden, während andere unberücksichtigt bleiben. 272 Daraus folgt, daß die Überlegungen nicht den Beschränkungen unterworfen sein können, die im Falle eines Problems der Nonnanwendung wirksam wären. Insbesondere kann das (bereits) gesetzte Recht weder (alleiniger) Maßstab noch Grenze der Gedankenführung sein, sondern bedarf vielmehr ebenfalls der Reflexion. Eine positivistische Methode scheidet aus?73 Damit stellt sich aber die Frage, woran rechtliche Rahmenbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht festgemacht werden sollen. Insoweit hat Flessner zutreffend darauf hingewiesen, daß die ökonomische Analyse des Rechts "kein Konzept für eine allgemeine Insolvenzpolitik, geschweige denn Ziele oder Gestaltungsvorschläge für die Insolvenzgesetzgebung,,274 biete. Ökonomische Kriterien vennögen für sich genommen noch keine rechtliche Konzeption zu ersetzen. 275 Denn der Markt führt nicht zwangsläufig zu gerechten Er271
Kölsch (1988), S. 74 f.
272
Vgl. auch Franke (1983), S. 54. Siehe unten unter E.III.3. Näher hierzu oben unter B.IV.
273 274
158
C. Prämissen
gebnissen. Hierzu wäre etwa Voraussetzung, daß zwischen den unterschiedlichen Interessen der Marktteilnehmer ein gewisses Macht- und damit Verhandlungsgleichgewicht besteht. 276 Das zentrale Problem besteht mithin darin, einen Maßstab zur Bewertung möglicher Ausgestaltungen von Verfügungsrechten zu finden?77 Es erscheint daher hilfreich, sich auf zwei Systemgedanken zu besinnen, die unser Privatrecht durchziehen, nämlich "an den Ausbau und an den Schutz des Wirkungsbereichs der Einzelpersonen durch die Zuteilung subjektiver Rechte und an die Entfaltung und Sicherung der unser gesellschaftliches Leben durchziehenden Institutionen durch die Ausbildung entsprechender Rechtsinstitute kraft objektiven Rechts.'.278 Subjektive Rechte und objektives Recht zusammen sind für unserere Rechtsordnung bestimmend. Während subjektive Rechte individuelle und exklusive Handlungs- und Verfügungsrechte zuteilen 279 , gewährt das objektive Recht den zur Umsetzung der subjektiven Rechte erforderlichen Freiheitsraum 28o . Beide Gruppen stehen zueinander in einem "dialektischen Spannungsverhältnis, scheinen sich grundsätzlich zu widersprechen wie allgemeine Freiheit und individuelle Schranken und bedingen sich doch gegenseitig wie zwei Brennpunkte einer Ellipse, um die das evolutive Entdeckungsverfahren Wettbewerb kreist.',281 Dabei besteht grundsätzlich die Gefahr, daß die privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen den durch das objektive Recht intendierten Zwecken zuwiderläuft, so daß die Freiheit des einzelnen die Freiheit aller aufhebt. Denn die "privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen ist nicht Rechtsetzung.',282 Da nun "dem priNoll (1973), S. 18. Noll (1973), S. 20 faßt die Irrtümer, denen ein Rechtspositivismus insoweit erläge, wie folgt zusammen: ,,Zum einen erhöht es nicht, sondern vermindert es die Wissenschaftlichkeit einer juristischen Aussage, wenn gerade das Gesetz als nicht weiter reflektiertes Kriterium der Richtigkeit einer Aussage und damit als oberste undiskutierte Autorität gewählt wird, ohne daß diese Wahl selbst eine rationale Begründung erfahrt. Zum anderen verkennt diese Haltung den Unterschied zwischen Handlungswissenschaften, die zu Wertungen dauernd gezwungen sind, und rein empirischen Seinswissenschaften, bei denen dies nur sehr begrenzt der Fall ist, nämlich hinsichtlich der Wahl des Forschungsgegenstandes und der Methode. Die ( ... ) Beschränkung auf das empirisch Feststellbare ist für Handlungs- und Entscheidungswissenschaften, jedenfalls soweit sie zugleich Handlungs- und Entscheidungslehren sein wollen, überhaupt nicht nachvollziehbar. Empirisch feststellbar ist immer nur, wie gehandelt und entschieden wurde, nicht auch, wie zu handeln und zu entscheiden sei." 277 Ders. (1982), S. 189 (Hervorhebungen weggelassen). Grundlegend zur Effizienz - dem entscheidenden Maßstab der ökonomischen Analyse des Rechts - als Rechtsprinzip Eidenmüller (1995). 278 Vgl. etwa Henckel (1989), S. 483 ff., sowie die Glosse von Häsemeyer (1985), S. 583. 279 Das Weubewerbsparadigma erfordert eine Reihe wichtiger Annahmen, von denen viele im Kontext der Probleme der realen Welt versagen; vgl. Polinsky (1974), S. 127. 280 So R.H. Schmidt (1984), S. 718. Vgl. hierzu auch ders. (1980), S. 16 ff.; Duttle (1986), S. 55 ff.; M. Kühn (1991), S. 59 ff. 281 L Raiser (1963), S. 148. 282 Z. B. Eigentumsrechte, Patent-, Warenzeichen- oder Urheberrechte. 275 276
H. Juristische Rahmenbedingungen
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vatautonomen Akt die materiale Qualifikation des Rechts fehlt und dennoch die durch ihn bewirkte Gestaltung rechtens sein soll[,] ( ... ) bestehen die vielfachen inhaltlichen Bestimmungen und Begrenzungen der Rechtsordnung für das privatautonome Handeln,,283. Die Gewährung subjektiver Rechte bemißt sich also nach dem Bedingungsrahmen des objektiven Rechts. 284 Damit scheint auf den ersten Blick allerdings nur eine Fragestellung durch eine andere ersetzt worden zu sein. Denn nunmehr stellt sich die Frage, wie der Bedingungsrahmen des objektiven (lnsolvenz-)Rechts ermittelt werden kann. Gleichwohl ist man jetzt der Antwort auf die Ausgangsfrage, woran nämlich rechtliche Rahmenbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht festgemacht werden können, einen Schritt näher. Anknüpfend an die Ausführungen von Canaris zum Systembegriff in der Jurisprudenz besteht dessen Aufgabe darin, "die wertungsmäßige Folgerichtigkeit und innere Einheit der Rechtsordnung darzustellen und zu verwirklichen. ,,285 Der Bedingungsrahmen des objektiven (Insolvenz-) Rechts ist also in der Weise zu entwickeln, daß er konsequent und widerspruchslos dem Gerechtigkeitspostulat entspricht. Freilich ergeben sich bei einer derart komplexen Materie wie dem Insolvenzrecht286 insoweit Schwierigkeiten, denn es läßt sich nicht auf einen einheitlichen Systemgedanken zurückführen. 287 Gleichwohl muß versucht werden, die (rechtlich) wirksamen Kräfte in einem System zu integrieren. Dazu ist es zunächst erforderlich, sie im einzelnen darzustellen. 288 Was dann später die Zusammen führung dieser Einzelaspekte angeht, so wird sich noch zeigen, daß der Komplexität der Materie am ehesten die Gestaltungsmöglichkeit des beweglichen Systems im Sinne von Wilburg gerecht wird. 289 Kennzeichnend für das bewegliche System ist, daß ein Rechtsgebiet oder daß eine bestimmte Rechtsfolge "sich nicht auf einen einheitlichen Gedanken, sondern [nur; A.F.] auf ein Zusammenspiel von Gesichtspunkten zurückführen läßt, die als Elemente oder ( ... ) als bewegliche Kräfte wissenschaftlich und gesetzlich erfaßt werden können.,,290 Der Sinn des Vorschlags, Gerechtigkeitskriterien in ein bewegliches System zu integrieren, besteht darin, "zu vermeiden, daß das Gericht nur auf Billigkeit, auf jeweiliges Rechtsempfinden, auf gute Sitten oder auf ähnlich inhaltslose Begriffe verwiesen wird.,,291 Denn "ein Gesetz, das elastisch die maßgebenden Gesichtspunkte bestimmt, kann ( ... ) eine festere Stütze sein, ebenso wie ein elasti283 Z. B. mit der Privatautonomie, der allgemeinen Gewerbefreiheit, der Berufs- oder der Vereinigungsfreiheit. 284 M. Lehmann (1992), S. 200. 285 Flume (1979), § 1.4 (S. 5) m.w.N. 286 Flume (1979), § 1.4 (S. 6). 287 Eingehend zum Problem der Bändigung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Macht mit den Mitteln des Rechts L. Raiser (1963), S. 161 ff. 288 Ders. (1969), S. 18; zur Begründung S. 1l ff. 289 Vgl. nur die Ausführungen unter c.l. 290 M. Lehmann (1992), S. 206, merkt an, daß dies im Wirtschaftsrecht öfter der Fall sei. 291 Hierzu im folgenden unter C.H.2. - 8.
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C. Prämissen
sches Band oft besser hält als ein starres Gefüge, das nicht die Fähigkeit besitzt, den Bewegungen zu folgen. ,,292 Bei der späteren Gestaltung eines beweglichen Systems der Insolvenzauslösung 293 dürfen allerdings nicht nur die rechtlich wirksamen Kräfte einfließen. Denn wie Schwintowski dargelegt hat, können "Ökonomie und Recht ( ... ) letziich nur sinnverknüpft (synästhetisch) betrieben werden.,,294 Denn "Recht und Ökonomie (sind) in einem gemeinsamen, nämlich funktionalen, Methodenverständnis,,295 miteinander verbunden. Daraus folgt, daß "eine juristische Regel ohne den ihr innewohnenden ökonomischen Bezug nicht sinnvoll entstehen kann 296 , und umgekehrt, daß eine ökonomische Theorie ohne Berücksichtigung normativ-rechtlicher Gegebenheiten sich notwendig falsifiziert.,,297 Dabei vermag allerdings auch eine noch so gute juristische Regel kein risikoloses Leben zu gewährleisten. 298 Vielmehr kann das Recht nur das Instrumentarium zur Bewältigung von Konflikten bereitstellen, die im Verhandlungsweg nicht gelöst werden können. Hinzu kommt, daß gerade das Insolvenzrecht derart in das Gesamtgefüge des Rechts eingebettet ist, daß die Fortentwicklung des Rechts außerhalb des Insolvenzrechts sich regelmäßig auch auf dieses auswirkt. 299 Von außerhalb des Insolvenzrechts kommende Entwicklungen dürfen aber nicht dazu führen, daß das Insolvenzrecht selbst wirkungslos wird. Mit anderen Worten sind die Wirksamkeitsbedingungen des Insolvenzrechts gegen den Versuch ihrer Aushebelung zu schützen. 3OO Es wird sich zei-
292 Grundlegend ders. (1950) in seiner Grazer Rektoratsrede. - Das bewegliche System Wilburgs ist nach Carwris (1969), S. 85, zu den "bedeutenden juristischen ,Entdeckungen' zu zählen". 293 Wilburg (1950), S. 12. - Canaris (1969), S. 78 f., nennt als Beispiel für ein bewegliches System im geltenden deutschen Schadensersatzrecht § 254 BGB: "der Richter darf zweifelsohne nicht den Familienstand oder die Staatsangehörigkeit der Beteiligten berücksichtigen ( ... ), sondern nur spezifische, generell feststehende Zurechnungskriterien wie die Höhe des Verschuldens, die Gefahrlichkeit eines Betriebes oder einer Sache, den Grad der Adäquanz oder die ,Nähe' des Kausalzusammenhangs". 294 Wilburg (1950), S. 22. - Vgl. näher zum Problem der Rechtssicherheit unten unter C.II.6. 295 Wilburg (1950), S. 22. - Wilburg, aaO., erblickt daher "den Mangel der herrschenden Lehre [im Privatrecht; A.F.] darin, daß sie zu sehr an absolute Prinzipien denkt und die gegebenen Kräfte an bestimmte historisch gewordene Zusammenhänge bindet. Sie gleicht einem Feldherrn, der über seine strategischen Mittel nicht beweglich und souverän verfügt." 296 Zu den Strukturprinzipien unten unter E.I., zu den Einzelheiten unter E.II. - IV., zusammenfassend unter E. V. 297 Schwintowski (1992), S. 43. 298 Schwintowski (1992), S. 37. 299 Aus ökonomischer Sicht sieht Duttle (1986), S. 58 f., daher drei Funktionen des Rechts: I. Minimierung der laufenden Transaktionskosten; 2. Internalisierung externer Effekte; 3. Schadensbegrenzung durch Prävention und Kompensation. 300 Schwintowski (1992), S. 43. - Zu den herkömmlichen Differenzen im Rollenverständnis von Juristen und Betriebswirten, Hopt (1984), S. 744 f.
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gen, daß ein entsprechend ausgestaltetes bewegliches System auch diesbezüglich vorteilhaft ist.
2. Anspruch auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz
Die schuldrechtlichen Ansprüche der Konkurs- bzw. Insolvenzgläubiger unterfallen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. 301 Dazu wurde oben bereits dargelegt, daß die Eigentumsgewährleistung auch bedeutet, daß das Insolvenzrecht zumindest eine gewisse Befriedigungschance sicherstellen muß. 302 Dies ist zunächst als juristische Rahmenbedingung festzuhalten. Des weiteren wurde bereits erläutert, daß sowohl die bisherige als auch die künftige VerfahrensausgestaItung dieser Rahmenbedingung nicht gerecht wird. Damit nämlich für die Konkurs- bzw. Insolvenzgläubiger eine Befriedigungschance besteht, müßte zumindest die Massehaltigkeit der Insolvenzverfahren gewährleistet sein. Gerade hieran fehlt es aber. Auch die Insolvenzordnung bleibt hinter diesem Erfordernis zurück. Sie regelt nur die Verfahrensabwicklung bei Masseunzulänglichkeit, §§ 208 f. InsO. Die Durchführung eines masseunzulänglichen Verfahrens verschafft den Insolvenzgläubigern aber keine Befriedigungschance. Man mag einwenden, daß die Sicherung des Gesellschaftsvermögens als Haftungsgrundlage für die Gläubiger ein gesellschaftsrechtliches Problem darstelle 303 und deswegen im Zusammenhang mit dem Problem der Insolvenzauslösung unbeachtlich ist. Eine solche Sichtweise ließe aber die bereits beschriebenen Probleme bei der Finanzierung eines Insolvenzverfahrens 304 unberücksichtigt und muß deshalb ausscheiden. Vielmehr ist gerade die Insolvenz der Unternehmenszustand, in dem sich die Sicherung des Gesellschaftsvermögens als Haftungsgrundlage für die Gläubiger dadurch zu bewähren hat, daß es zu einem massehaItigen Insolvenzverfahren kommt. Anderenfalls würden die gläubigersichemden Regelungen des GeseIlschaftsrechts ihren eigentlichen Zweck verfehlen. Es wird also darauf ankommen, die Insolvenzauslösung bei der GmbH in der Weise zu konstruieren, daß dadurch dem Anspruch auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz insoweit zur Geltung verholfen wird, daß zumindest die Massehaltigkeit der Insolvenzverfahren gewährleistet ist.
301 So ausdrücklich für den Anspruch eines Käufers aus dem Kaufvertrag, insbesondere auf den Kaufpreis der Beschluß des BVerfG vom 8. 6. 1977 (2 BvR 499174, 1042175), in: BVerfGE 45,142,179. Vgl. auch Seuffert (1986), S. 1157. 302 Vgl. unter B.lY. 303 Demgemäß ist dort das Spektrum gläubigersichemder Regelungen kontinuierlich erweitert worden, vgl. Hasemeyer (1992), S. 739 ff. 304 Dazu oben unter B.I.3 und B.II.3.
11 Förster
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C. Prämissen
3. Dispositionsfreiheit der Gläubiger
Weiter muß der Lösungsansatz die Dispositionsfreiheit der Gläubiger berücksichtigen. Darunter wird vorliegend verstanden, daß es einem Gläubiger freistehen muß, zu entscheiden, ob und bejahendenfalls, wann ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden soll. Somit scheidet etwa eine amtswegige Verfahrenseinleitung aus. 305 Die Dispositionsfreiheit hängt dabei insoweit mit dem Anspruch auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz zusammen, als die Zulässigkeits- und Begründetheitserfordemisse für eine Ausübung der Dispositionsfreiheit nicht so hoch geschraubt werden dürfen, daß die Dispositionsfreiheit faktisch nicht mehr gegeben ist. 306 4. Sozialbindung der GläubigersteIlung
Die Dispositionsfreiheit und der Anspruch auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz werden durch die Sozialbindung der GläubigersteIlung beschränkt. Denn ebenso wie die EigentümersteIlung unterliegt auch die GläubigersteIlung der Sozialbindung. 307 Was das Ausmaß der Sozialbindung angeht, kommt es grundsätzlich auf den Einzelfall an. 308 Jedoch kann zur näheren Bestimmung an bereits gemachte Darlegungen angeknüpft werden. 309 Danach wäre das Insolvenzrecht so auszugestalten, daß Insolvenzverfahren keinem anderen Zweck dienen, als dem, den Gläubigem im Fall eines enttäuschten Vertrauens in die Solvenz ihres Schuldners ein Mittel zur Verwirklichung der Haftung310 an die Hand zu geben. Mit anderen Worten muß eine Forderung im Vertrauen auf die Solvenz des Schuldners begründet worden sein, um sie mit Hilfe eines Insolvenzverfahrens durchsetzen zu dürfen. Der rechtsethische Grund hierfür ist derselbe, der auch für den Vorrang des Schutzes der Fremdkapitalgeber (Gläubiger) gegenüber den Interessen der Eigenkapitalgeber (Gesellschafter) maßgebend ist. Er "liegt in der Verteilung der Verlustgefahr unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung.,,311 Ein Gläubiger, der dem Schuldner Kredit gewährt, ohne daß dies im Vertrauen auf dessen Solvenz geschieht, steigert damit nämlich das Risiko "aufgestauter Verbindlichkeiten,,312, 3O~
Vgl. BaurIStümer(1991), § 6 II I (S. 55
0, sowie GottwaldlUhlenbruck (1990), § 7
Rn. 3. 306
Siehe dazu die Ausführungen oben unter C.1.3.b)bb)(I) und (2).
PalandtlHeinrichs (1997), Einleitung vor § 241 Rn. 5; MaunzlDüriglDürig (1994), Art. 2 Rn. 25. So auch bereits Otto von Gierke (1889), u. a. S. 17: "Kein Recht ohne Pflicht." 308 Dazu und zu einigen abstrakten Grenzen MaunzlDüriglDürig (1994), Art. 2 Rn. 62307
65. Vgl. oben unter C.L4.a). Unter Beachtung der oben unter B.Ll.c) genannten Modalitäten. 311 Wiedemann (1980), S. 515. 312 Zu diesem Phänomen im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses bereits oben unter B.II.2.c). 309
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II. Juristische Rahmenbedingungen
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womit die Chance auf die Durchführung eines Insolvenzverfahrens sinkt. 313 Er kann damit zumindest auf die Höhe des Forderungsverlustes der übrigen Gläubiger Einfluß nehmen. 314 Dabei ist davon auszugehen, daß kein Gläubiger trotz fehlenden Vertrauens in die Solvenz des Schuldners diesem Kredit gewähren wird, wenn dieses Risiko nicht auf andere Art kompensiert wird. Zu denken ist insoweit etwa an die Vereinbarung konkursfester Sicherheiten oder eines risikoäquivalenten - unter der gesetzten Prämisse also weit überdurchschnittlichen - Zinssatzes. Hiermit nimmt ein solcher Gläubiger aber auf die Verteilung der Verlustgefahr Einfluß, indem er von der Kreditgewährung wirtschaftlich profitiert 315 , während durch eben diese Kreditgewährung die Forderungen derjenigen Gläubiger, die in die Solvenz des Schuldners vertrauen, im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses abgewertet werden. Auf diesen Gedanken wird später ausführlich zurückzukommen sein. 316 Hier genügt es festzuhalten, daß das Insolvenzverfahren von denjenigen Gläubigern nicht in Anspruch genommen werden darf, die dem Schuldner nicht im Vertrauen auf dessen Solvenz Kredit gewährt haben. 317
5. Schuldnerschutz
Der Gedanke der Sozialbindung der GläubigersteIlung steht in engem Zusammenhang mit dem des Schuldnerschutzes. In beiden Fällen geht es um Vollstrekkungsschutz. Während dieser jedoch bei der Sozialbindung in der Sphäre des Gläubigers begründet ist, entspringt er beim Schuldnerschutz der Sphäre des Schuldners. Dabei muß vor allem vermieden werden, daß es zu überflüssigen Insolvenzverfahren kommt, also solchen, die für den Schutz der Gläubiger nicht unbedingt erforderlich sind. Denn nur dann, wenn Insolvenzverfahren ausschließlich in Situationen ausgelöst werden, in denen die Gläubiger tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind, hat dies keinen Einfluß auf das Schicksal der Unternehmung. 318 Nur dann ist die Gefahr einer Zerschlagungsautomatik gebannt. Anderenfalls wird die 313 Zur Begründung vgl. die Ausführungen zur Phänomenologie finanzieller Krisensituationen oben unter B.II.2., insbesondere zum finanzwirtschaftlichen Erstikungsprozeß, aaO. unter c). 314 Vgl. zu dem Gedanken der Risikotragung desjenigen, der die Vermögensverhältnisse seines Schuldners nicht beachet hat, auch Canaris (1973), S. 803 und 814 f. 315 Vgl. C. Paulus (1995), S. 186, der darauf hinweist, daß es "keineswegs notwendigerweise der Schuldner [ist], der von dem Kredit profitiert", sondern daß ,,[ü]blicherweise beide Seiten aus dem Geschäft Nutzen (ziehen), so daß auch die Interessen beider Seiten grundsätzlich gleichrangig zu bewerten sind." (Hervorhebungen weggelassen). 316 Unten unter E.II.3.; vgl. auch unter E.III.2.b)bb)(1 )(a). 317 Vgl. auch Schildbach (1983), S. 2133, der die Gefahr prognostischer Insolvenzauslöser darin sieht, daß Gläubiger aufgrund des Eintritts solcher Risiken Insolvenzantrag stellen, die sie zum Zeitpunkt der Kreditvergabe bereits kannten und die sie sich in den Kreditkonditionen bereits hatten abgelten lassen (sog. Risikoabgeltungsthese; dazu und zur Gegenthese der Kreditrationierung, Drukarczyk (1980), S. 221 ff.). 318 Dazu bereits oben unter C.I.4.a)cc).
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C. Prämissen
Insolvenzauslösung als Signal einer drohenden Abwertung von Gläubigerpositionen verstanden, was regelmäßig zu überschießenden Reaktionen der Geschäftspartner verbunden mit einer Wertminderung der Unternehmung führt. 319 Dies kann im Extremfall sogar zu deren Existenzvernichtung führen und greift damit empfindlich in die Eigentumsrechte der Gesellschafter und der übrigen Gläubiger sowie in das Interesse der Arbeitnehmer auf Erhaltung ihres Arbeitsplatzes ein. Ein solcher Eingriff läßt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, daß das Versagen des Insolvenzrechts - wie gegenwärtig und wohl auch nach der InsO - in hohem Maße durch unzulängliche Insolvenzauslösetatbestände bedingt ist. 320 In Anbetracht der Folgen einer ungerechtfertigten Insolvenzauslösung, ist es vielmehr wichtig, den Auslösemechanismus so zu gestalten, daß ungerechtfertigte Insolvenzauslösungen ausgeschlosssen sind. Insbesondere darf eine vorübergehende Krise nicht dazu führen, daß infolge einer voreiligen Insolvenzauslösung die Existenz der Unternehmung gefährdet wird. Es wird deshalb sehr darauf ankommen, die Sanktionsregel der Insolvenzauslösung möglichst unmittelbar an die tatsächliche und unabwendbare Gefährdung der Gläubiger zu koppeln, da ansonsten die Gefahr besteht, daß übervorsichtige oder auch falsch bzw. unvollständig informierte Gläubiger zur Unzeit zu diesem Sanktionsmittel greifen. 321
6. Rechtssicherheit
Bei der Rechtssicherheit können nach Wiedemann drei Facetten unterschieden werden. 322 Das sind die Rechtsbestimmtheit, d. h. die Vorhersehbarkeit einer bestimmten Rechtsfolge, der Rechtsfrieden, d. h. die Stabilität einer einmal eingeführten Ordnung und die Rechtsrnacht, d. h. die praktische Verwirklichung der geltenden Verhaltensregeln. Was die Rechtsbestimmtheit angeht, so hat sie für die Kalkulationen der am Wirtschaftsleben Beteiligten eine wesentliche Rolle. Insofern taucht unter Hinweis auf die Rechtssicherheit in der Diskussion um eine Einschränkung der Kreditsicherheiten immer wieder das Argument auf, daß diese sich gerade im Konkurs zu bewähren hätten 323 oder wird bei der Diskussion um eine Durchgriffshaftung der GmbH-Gesellschafter oft herausgestellt, daß § 13 11 GmbHG durch eine solche an Klarheit verliere. Gleichwohl darf aber nicht übersehen werden, daß gerade das Wirtschaftsleben von einem hohen Maß an Dynamik geprägt ist, die schnell dazu führen kann, daß die gesetzlichen Regelungen den Bedürfnissen der Praxis hinterherhinken. 324 Die Gefahr, daß die "Differenz zwischen Vgl. oben unter C.I.4.a)bb)(2). Vgl. M. Kühn (1991), S. 9. 321 Dazu auch Duttle (1986), S. 49. 322 Ders. (1973), S. 204 rn.w.N. 323 Etwa Drukarczyk (1983), S. 342. 324 Radbruch (\ 956), S. 39: ,,Die Rechtssicherheit wird durch die Starrheit des Rechts erkauft." 319 320
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dem Soll- und dem Ist-Schutzbereich infolge rascher Entwicklung zu unerträglicher Ungerechtigkeit,,325 führt, ist dabei nicht zu leugnen. Diese Gefahr spricht gegen ein zu hohes Maß an Bestimmtheit in der Formulierung eines Insolvenzauslösetatbestandes. Stattdessen ist für ein ausreichendes Maß an Anpassungsvermögen zu sorgen. Wenn darunter jedoch die Vorhersehbarkeit einer bestimmten Rechtsfolge nicht mehr als erforderlich leiden soll, so läßt sich dieses Dilemma wohl nur dadurch lösen, daß die der Regelung zugrunde liegende Wertung klar hervortreten muß. 326 So wird sowohl dem Normadressaten als auch dem Richter für ihre Entscheidungsfindung ein Leitbild an die Hand gegeben, daß es ihnen ermöglicht, im Einzelfall eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Die bei der komplexen Regelungsmaterie der Insolvenzauslösung hervorzuhebenden Wertungen, die dabei der Sache nach nichts anderes sind als die Strukturierung des Insolvenzauslöseproblems, lassen sich besonders gut in einem beweglichen System327 verdeutlichen. Hierin liegt sein wesentlicher Vorteil.
7. Wettbewerbsneutralität
Eine weitere juristische Rahmenbedingung rur einen sachgerechten Insolvenzauslöser besteht darin, daß er wettbewerbsneutral sein muß. Das hängt mit dem Mechanismus der Allokation von Güter- und Faktorströmen in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem zusammen. Danach vollzieht sicht die Allokation "dezentral im Wege der Abstimmung individueller Einzelwirtschaftspläne über Märkte,,328. Die Spielregeln auf diesen Märkten werden durch die Rechtsordnung festgelegt. Damit "entfalten Rechtsregeln nicht lediglich distributive Wirkungen, sondern beeinflussen immer auch die Ressourcenallokation.,,329 Bezogen auf die Anforderungen an einen Insolvenzauslöser bedeutet das, daß von ihm keine den Leistungswettbewerb 330 verzerrenden Anreize ausgehen dürfen. So dürfen etwa "kranke Unternehmen nicht auf Kosten von gesunden saniert werden,,33\ für junge Unternehmen dürfen sich die Marktzutrittsschranken nicht in einem vom Schutzzweck des Insolvenzrechts nicht geforderten Maß 332 erhöhen 333 ; ebensowenig darf Wiedemann (1973), S. 214. Ebenso Wiedemann (1973), S. 215. - Vgl. auch Noll (1973), S. 19 und J. Esser (1970), S. 142 ff. zur Zweckorientierung der Rechtsprechung. 327 Dazu oben unter C.II.I. 328 Schwieters (1989), S. 37. 329 AaO. (Fn. 328), S. 3. Vgl. auch die Nachweise oben unter C.I. vor I. in Fn. 6. 330 Vgl. hierzu als maßgebendem ordnungspolitischen Prinzip Immenga/ Mestmäker /Markert (1992), § 26 Rn. 65 ff. m.w.N. 331 Melchers (1995), S. 53. 332 Diese Einschränkung wird häufig übersehen, womit dann jede Erschwerung einer Kreditaufnahme als die Wettbewerbs neutralität verletzend angesehen wird. Von einern solchen Standpunkt aus lassen sich dann trefflich alle noch so kleinen Beschränkungen einer Kreditfinanzierung rügen. 325
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es für junge Unternehmen ein gemildertes Insolvenzrecht geben, das ihnen ungerechtfertigte Wettbewerbs vorteile verschafft 334 .
8. Grenzen zulässiger Kreditsicherung
Das Sicherungsrecht soll gesicherten Gläubigern einen Befriedigungsvorrang verschaffen?35 Hingegen besteht der Zweck gesicherter Kreditvergabe nicht in der Benachteiligung ungesicherter Gläubiger. Dazu kann es aber kommen, wenn der finanz wirtschaftliche Erstickungsprozeß durch die Zuführung finanzieller Mittel noch zu einem Zeitpunkt perpetuiert wird, in dem dies wirtschaftlich bereits nicht mehr gerechtfertigt ist, so daß es am Ende selbst an der Massehaltigkeit des Insolvenzverfahrens fehlt. 336 Nach h.M. verläuft die Grenze einer zulässigen Kreditsicherung jedoch nicht entlang dieser Scheidelinie, sondern orientiert sich an den zu § 138 BGB entwickelten Fallgruppen der Übersicherung, der Gläubigergefährdung und der Schuldnerknebelung. 337 Die Grenzen der Kreditsicherung werden demnach primär als ein Problem der Sittenwidrigkeit gesehen. Allerdings gelangt man auf die Art nicht immer zu einsichtigen Ergebnissen. So führt etwa in dem Konkurrenzproblem ,Globalzession der Bank versus verlängerter Eigentumsvorbehalt der Warenkreditgläubiger' die wegen Schuldnerknebelung unwirksame Globalzession zu einer Bevorzugung der Warenkreditgläubiger. 338 Das Beispiel belegt, wie wichtig gerade bei der Bestimmung der Grenzen zulässiger Kreditsicherung die oben339 geforderte synästhetische Betrachtung von Recht und Ökonomie ist. Allgemeine (juristische) Formeln, wie die, daß "die rechtlichen Grenzen einer Absicherung für den Einze\gläubiger allenfalls dort gesehen werden [können], wo sich das Gläubigerverhalten mit der geltenden Rechtsordnung schlechterdings nicht mehr vereinbaren läßt,,34o, helfen insoweit kaum weiter. Vielmehr kommt es darauf an, die Probleme der Insolvenzauslösung und der Kreditsicherung in ihrer Gesamtheit, d. h. in ihrem Zusammenspiel, und zwar unter Beachtung der jeweiligen juristischen und ökonomischen Aspekte zu sehen: die Frage nach der 333 Etwa infolge erschwerter (und nicht durch den Schutzzweck des Insolvenzrechts gerechtfertigter) Möglichkeiten zur Kreditaufnahme. 334 Dem Vorschlag von Kölsch (1988), S. 249, bei jungen Unternehmen eine gemilderte Insolvenzauslösepflicht anzunehmen, kann daher nicht gefolgt werden; ebensowenig dem Vorschlag von Haack (1980), S. 183, den Rechtsgedanken des § 98 I Nr. 2 GenG anzuwenden. 335 Vgl. oben unter c.I.2.a) sowie Flessner (1981 a), S. 117. 336 Vgl. oben unter B.II.2.c). 337 Vgl. den Überblick bei Medicus (1994), Rn. 696 ff. m.w.N. 338 C. Paulus (1995), S. 190 f.; Medicus (1994), Rn. 699; vgl. auch die pointierte Kritik bei Dorndorf/ Frank (1985), S. 70 f. - Der unter E. entwickelte Lösungsvorschlag läßt sich auch für dieses Problem nutzbar machen; vgl. dort den ausführlichen Hinweis in Fn. 271. 339 Unter C.II.1. 340 So z. B. Uhlenbruck (1970), S. 93.
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zulässigen Grenze einer Kreditsicherung kann nicht hiervon losgelöst betrachtet werden. Es erscheint deshalb sinnvoll im vorliegenden Zusammenhang die bereits oben 341 getroffene Feststellung noch einmal aufzugreifen, wonach es bei Kreditsicherheiten nicht um die Besserstellung einzelner Gläubiger, sondern um die Ungleichstellung verschiedener Gläubiger geht: Kreditsicherheiten dienen der Umverteilung von Risiken. 342 Denn es ist unmöglich, "einen Gläubiger durch die Einräumung einer Sicherheit besser zu stellen, ohne zugleich die Befriedigungschancen anderer Gäubiger zu schmälern. ,,343 Dies verkennt etwa Seuffert, wenn er meint, daß sich für "Eingriffe in die Eigentumsrechte anderer [als der ungesicherten] Gläubiger ( ... ) aus dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls keine Begründung und keine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage finden,,344 läßt. Es wäre vielmehr umgekehrt zu fragen, worin die Rechtsgrundlage dafür besteht, daß sowohl nach gegenwärtigem als auch nach künftigem Recht solange Risiken zu Lasten der ungesicherten Gläubiger umverteilt werden dürfen, bis deren Eigentumsrecht schließlich leerläuft. Es ist daher festzuhalten, daß Kreditsicherheiten - unter der Prämisse ihrer Werthaltigkeit - lediglich aus der Perspektive des einzelnen (gesicherten) Gläubigers "Quellen der Sicherheit,,345 sind. Das sollten sie im Regelfall auch bleiben. Wenn es allerdings wegen der Mißachtung der für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens notwendigen Liquiditätsprämisse 346 zur Wiedereinführung des Prioritäts prinzips durch die Hintertür kommt 347 , dann muß es, wenn das Insolvenzverfahren nicht ad absurdum geführt werden so1l348, Ausnahmen von diesem Rege\fall geben. Dabei muß die Antwort auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen solche Ausnahmen wirksam werden sollen, wegen der Sinnverknüpfung von Recht und Ökonomie noch solange offen bleiben, bis auch die ökonomischen Rahmenbedingungen des Problems der Insolvenzauslösung dargelegt worden sind. 349 Vgl. unter c.I.3.c)aa)(l). Zu Recht bemerkt daher F. Weber (1977), S. 357, daß "nicht nur zu fragen ( ... ) [ist], ob die Privilegierung gerechtfertigt ist, sondern auch ob es die durch sie bedingte Zurücksetzung ist." Ausführlich vertieft hat diesen Gedanken Häsemeyer (1982b), insbesondere S. 531, 558 ff. 343 R. H. Schmidt (1984), S. 728 f. - Das Argument ist auch Hommelhoff(1984), S. 710, entgegenzuhalten, wenn er es ablehnt, den (gesicherten) Gläubigern eine Sachwalter-Rolle bei der Frage der Insolvenzauslösung zuzuweisen. 344 Ders. (1986), S. 1158, 1160. 345 Hopt (1984), S. 747 f. 346 Dazu oben unter B.I.3.d). 347 Siehe Hanisch (1977), S. 3; vgl. auch Meyer-Cording (1979), S. 2127, Drobnig (1976), S. F28, und Häsemeyer (1982a), S. 21. 348 Vgl. zum Gegenstand des Insolvenzverfahrens oben unter BJ.1.b) sowie zu seiner Notwendigkeit oben unter BJY. und c.I. I.c). 349 Dazu unten unter CJY., insbesondere unter 5.c). 341
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C. Prämissen
Vorläufig ist erst noch auf eine weitere rechtliche Rahmenbedingung im Zusammenhang mit den Grenzen einer Kreditsicherung hinzuweisen. Diese Grenzen müssen nämlich so gestaltet sein, daß von ihnen keine Anreize ausgehen, die zu suboptimalen Entscheidungen der Beteiligten führen. So geht etwa von einem generellen Verfahrensbeitrag der gesicherten Gläubiger für diese ein Anreiz aus, es unter gar keinen Umständen zu einem massehaltigen Insolvenzverfahren kommen zu lasen, sondern allenfalls zu einem mangels Masse abgelehnten, in dem sie sich den Verfahrensbeitrag ersparen. 350 Durch solche Verhaltensanreize können aber die eigentlichen Ziele des Insolvenzverfahrens 351 konterkariert werden. Allerdings darf daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß sich das Insolvenzrecht jeglicher Verschiebung der Relationen der Gläubiger untereinander zu enthalten habe. 352 Denn damit würde der Schutzzweck des Insolvenzrechts in unzulässiger Weise relativiert. 353 Deshalb kann auch denjenigen nicht gefolgt werden, die den Konflikt zwischen der Wirksamkeit von Kreditsicherheiten und der Massehaltigkeit von Insolvenzverfahren einseitig zu Gunsten der Kreditsicherheiten lösen wollen?54 Denn sie übersehen, daß das Kreditsystem nicht unabhängig vom Insolvenzrecht existiert. So kann ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht einerseits einen wesentlichen Beitrag zur Kreditsicherung leisten. Andererseits können bei heterogenen Erwartungsstrukturen negative externe Effekte von Kreditsicherheiten ausgehen, etwa indem die Umverteilung des Ausfallrisikos in der Masselosigkeit endet. 355
IH. Praxis bezogene Rahmenbedingungen Mit den im folgenden zu erläuternden praxisbezogenen Rahmenbedingungen des Systems einer Insolvenzauslösung sollen die in der Realität auftretenden und daher im Rahmen der Lösungskonzeption zu beachtenden praktisch relevanten Lösungsbedingungen aufgezeigt werden. Es geht dabei (unter 1.) zunächst um die lustiziabilität eines Insolvenzauslösers, anschließend (unter 2.) um das Erfordernis der Diskretion von Sanierungsmaßnahmen, danach (unter 3.) um die Notwendigkeit wirksamer Sanktionen und schließlich (unter 4.) um die Frage der Wirtschaftlichkeit.
Hierauf weist C. Paulus (1985), S. 1458, hin. Dazu oben unter B.I.1.b). 352 So aber die Studie von D. Baird und Th. Jackson, zit. nach C. Paulus (1985), S. 1454 ff., hier S. 1455 bei Anm. 66. 353 Ähnlich Gottwald (1989), S. 206 m.w.N.; vgl. auch den Hinweis in Fn. 342. 354 V gl. etwa Stümer (198\), S. 271 Fn. 32: ,,Ein funktionierendes Kreditsystem ist aber wichtiger als die verteilende Gerechtigkeit in der Katastrophe!" 355 M. Kühn (199\), S. 108. 350
351
III. Praxisbezogene Rahmenbedingungen
169
1. J ustiziabilität des Insolvenzauslösers
Im folgenden soll - unter a) - zunächst klargestellt werden, was unter lustiziabilität verstanden wird. Sodann ist - unter b) und c) - auf zwei Schwierigkeiten hinsichtlich der lustiziabilität eines Insolvenzauslösers einzugehen.
a) Spezifische Anforderungen
Selbst wenn das Insolvenzverfahren nicht als justizförmiges Verfahren auszugestalten sein sollte, müßte ein Lösungsvorschlag justiziabel sein. Denn ein für den Schuldner so bedeutsamer Eingriff wie eine Insolvenzauslösung muß gerichtlich überprütbar sein. 356 Die lustiziabilität stellt mehrere form·ale Anforderungen an einen Insolvenzauslöser: Aus Sicht eines antragstellenden Gläubigers sollte er möglichst eindeutig und einfach dLzrzulegen sowie gegebenenfalls· zu beweisen sein; das korrespondiert - aus Sicht des Insolvenzgerichts - mit einer guten FeststeIlbarkeit und - aus Sicht des Schuldners - mit einem hohen Maß an Rechtssicherheit hinsichtlich seiner insolvenzrechtlichen Pflichten 357 . Damit hängt zusammen, daß der Insolvenzauslöser des weiteren weitgehend resistent gegen Manipulationen sein sollte und außerdem wohldefiniert. Unter letzterem wird verstanden, daß unter gleichen Sachverhaltsbedingungen die Subsumtion unter den Tatbestand der Norm zu möglichst einheitlichen Ergebnissen führt?58 Darüber hinaus kommt es für die Gläubiger aus Gründen ihrer Sanktionsfähigkeit359 darauf an, daß die Umstände, die eine Insolvenzauslösung begründen können, für sie erkennbar sind. 36O
b) Diskrepanz zwischen Bestimmtheit und Effektivität
Oben361 wurde bereits auf die Notwendigkeit prospektiver Elemente in der Tatbestandsdefinition eines Insolvenzauslösers hingewiesen, weil nur sie in der Lage sind, die durch einen finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß 362 ausgelöste Gläubigerschädigung rechtzeitig zu verhindern. Damit ist die Effektivität eines Insolvenzauslösers angesprochen. Vgl. Hohloch (1982), S. 149 f. u. 187 ff. Das ist nicht zuletzt ein Gebot der Rechtsstaatsprinzips; vgl. dazu den Beschluß des BVerfG vom 7. 4.1964 (1 BvL 12/63), in: BVerfGE 17,306,318, der sich ausführlich mit den Anforderungen an eine rechtsstaatliche Gesetzesgestaltung auseinandersetzt. 358 Kölsch (1988), S. 104; Bitz/Hemmerde/Rausch (1986), S. 96 (unter 1.), sprechen von ..intersubjektiv überprütbaren Regeln zur Darstellung der tatsächlichen Risikosituation" . 359 Dazu Drukarczyk (1986), S. 207. 360 Dazu Kölsch (1988), S. 68. 361 Vgl. unter C.I.3.b)cc)(3). 362 Dazu oben unter B.II.2.c). 356 357
170
C. Prämissen
Demgegenüber wird immer wieder der Einwand erhoben, daß im Rahmen eines Insolvenzauslösetatbestandes eingebundene Prognosen "einer richterlichen Beurteilung weitestgehend entzogen,,363 seien und daß die richterliche Überprüfbarkeit darunter leide. 364 Konkreter wird befürchtet, daß eine "reine Prognoseentscheidung, die auf die Indizwirkung der Nichterfüllung schon fälliger Verbindlichkeiten verzichtet, ( ... ) den Schuldner nicht gegen unbegründete Konkursanträge zu schützen (vermag).,,365 Diese Einwände betreffen das Kriterium der Bestimmtheit. 366 Zwischen der Effektivität und der Bestimmtheit einer Norm besteht ein Zielkonflikt, wenn - wie vorliegend - die zu regelnde Materie komplex ist und Voraussagen erforderlich macht. 367 Konkret: Ein Höchstmaß an Bestimmtheit gewährleistet die Zahlungseinstellung; allerdings geht sie auch mit einem Minimum an Effektivität einher368 . Umgekehrt wurde schon dargelegt, daß nur ein prognostischer Insolvenzauslöser effektiv sein kann, wobei aber noch offen ist, wie er bestimmt werden kann. Überdies wurde am Beipiel der Überschuldung gezeigt, daß mangelnde Bestimmtheit ihrerseits zu Lasten der Effektivität eines als effektiv konzipierten Insolvenzauslösers geht. Da also Effektivität und Bestimmtheit schwer miteinander vereinbar sind, stellt sich die Frage, wie diese Dilemmasituation aufgelöst werden kann. Dabei sind zunächst in zwei Richtungen Klarstellungen erforderlich: Zum ersten sind prognostische Tatbestandsmerkmale zwar nur in Maßen bestimmbar, aber doch nicht so unbestimmbar, wie das gelegentlich unterstellt wird. 369 Außerhalb des Zivilrechts finden sich zahlreiche Beispiele, in denen der Prognosecharakter eines Tatbestandsmerkmals dessen lustiziabilität nicht hindert: So beurteilt sich etwa die Strafaussetzung zur Bewährung u. a. nach der Resozialisierungsprognose des Taters 370 , eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit hat auch das künftige geschäftliche Verhalten zu berücksichtigen 37l und ob eine Versammlung im vorhinein verboten werden kann, ist eine Frage der zu erwartenden Störun363 So etwa Franke (l984a), S. 162. Ähnlich meint B. Kübler (1982), S. M55, daß eine Prognose nicht "zweife1sfrei objektiviert" werden könne. 364 So Stürner (1982), S. 766 und Heinze (1985), S. 514 f. 365 Häsemeyer (1992), S. 138. 366 Näher zu den Begriffen Effektivität und Bestimmtheit Vonnbauml Baumanns (1984), S. 1973. 367 Flessner (1981a), S. 116; K. Schmidt (1982c), S. 165; ders. (1982a), S. D60; pointiert ders. (1986), S. 188 f.; ausführlich ders. (1990a), S. 37 f.; Müchler (1993), S. 85 ff., 142. Vgl. auch R. H. Schmidt (1984), S. 725 f. 368 Zur Begründung vgl. die Darstellung des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses oben unter B.II.2.c). 369 Ebenso Schildbach (1983), S. 2132; Hommelhoff(1984), S. 701. 370 Schönke I Schröder I Stree (1991), § 56 Rn. 14 ff. 371 Vgl. die Kommentierung zu § 35 GewO, etwa bei LandmannlRohmerlMarcks (1995), § 35 Rn. 28 ff., 31 ff.
III. Praxisbezogene Rahmenbedingungen
171
gen 372 . Für die lustiziabilität eines prognostischen Insolvenzauslösetatbestandes folgt daraus, daß er "auf einer geeignet erscheinenden Wenn-dann-Hypothese beruhen (muß), wobei speziell das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Wenn-Komponente intersubjektiv nachprüfbar (sein muß) und bei Eintritt der Wenn-Komponente mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden darf, daß das Unternehmen in Zukunft nicht in der Lage sein wird, seine Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigem zu erfüllen. ,,373 Insoweit kann auch die Verteilung der Beweislast Bedeutung gewinnen, wenn das Prognoserisiko dadurch in die Risikosphäre der Partei f.mt, die aufgrund materiellrechtlicher Wertungen für das Prognoserisiko einzustehen hat. Zum zweiten sollte man nicht meinen, daß sich die Effektivität einer Rechtsnonn an Maximalforderungen messen läßt. Entscheidend ist vielmehr das faktisch Mögliche. 374 So besteht zwar das Regelungsziel des Insolvenzrechts primär in der Abwendung der Insolvenz, also in der Venneidung von Kapitalgeberverlusten. Gleichwohl werden sich Forderungsausfalle nie vollkommen ausschließen lassen, da sich das wirtschaftliche Risiko nicht ausschließen läßt. Es kann daher nur darum gehen, daß stets eine den Gesamtwert der Unternehmung maximierende Unternehmenspolitik betrieben wird?75 Das Ziel ist also nicht, in allen Fällen zu einer rechtzeitigen Insolvenzauslösung zu gelangen, sondern nur in möglichst vielen zu einer möglichst rechtzeitigen. Praktisch läßt sich damit an folgende Lösung des Dilemmaproblems denken: Es ist nicht nur die Gläubigerperspektive beachtlich, sondern auch die des Schuldners. 376 Daher muß - wie oben bereits ausgeführt wurde 377 - unbedingt vennieden werden, daß es zu ungerechtfertigten Insolvenzverfahren kommt. Genauer: solange eine Fortführung der GmbH ohne Schädigung der Gläubiger möglich erscheint, dürfen diese kein Antragsrecht haben. Denn anders läßt sich nicht verhindern, daß von einem Insolvenzantrag im Wege des sog. Signaling Warnsignale ausgehen, die für den Fortbestand des Unternehmens gefährlich werden können?78 Selbst wenn
372 Vgl. die Kommentierung zu §§ 5 Nr. 3, 15 I VersammlG, etwa bei Ridderl Breitbachl Rühll Steinmeier (1992), § 5 Rn. 49 ff.; § 15 Rn. 107 ff. 373 Schildbach (1983), S. 2132 m.w.N. 374 So auch Haack (1980), S. 182. - Vgl. auch Wiedemann (1980), S. 516: "Kapitaleigner und Kreditgeber beteiligen sich zwar in Form von Eigen- und Fremdkapital beide am Unternehmensrisiko, indes mit unterschiedlicher Rangordnung. Seiner Funktion nach soll das Fremdkapital Verluste nur an letzter Stelle und mit einem zur Zeit der Kreditgewährung geringen Wahrscheinlichkeitsgrad auffangen. ( ... ) Das Gesellschaftsrecht kann mit seinen Organisationsregeln einen relativen Schutz lediglich bilden, indem es die Architektur des Verbandes und seines Vermögens so anlegt, daß das Verlustrisiko zwischen Kapitaleigner und Kapitalgeber gerecht verteilt wird: Fremdkapital muß dem endgültigen Verlust mit einem wesentlich geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad ausgesetzt sein als Eigenkapital." 375 Ebenso HaxIMarschdorj(1983), S. 123 f.; vgl. auch Berges (1977), S. 365. 376 Einen ähnlichen Denkansatz verfolgt K. Schmidt (1990a), S. 38 ff. 377 Unter C.I.4.a). 378 Die Problematik ist oben unter C.I.4.a)bb)(2) dargestellt.
172
C. Prärni ssen
nämlich ein unberechtigter Insolvenzantrag etwa haftungsrechtlich sanktioniert würde, so gingen doch zunächst einmal die für den Fortbestand des Unternehmens gefährlichen Wirkungen von ihm aus. Allerdings sind, soweit die Gläubigerinteressen dadurch ins Hintertreffen geraten können, geeignete Mechanismen in das System einer Insolvenzauslösung zu integrieren, um dem vorzubeugen oder es erforderlichenfalls zu sanktionieren. Erst wenn die Gläubigerinteressen tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind379 , darf das Antragsrecht auch den Gläubigem zustehen. Der Gedankengang zeigt, daß die Regelung den finanzwirtschaftlichen Erstikkungsprozeß berücksichtigen muß. Da dieser sich dynamisch vollzieht, muß der Insolvenzauslösemechanismus so konstruiert sein, daß er den je nach Entwicklungsstufe des finanzwirtschaftlichen Erstikungsprozesses unterschiedlichen Anforderungen adäquat ist. Im Ergebnis muß es also darum gehen, ein sorgfältig abgestuftes System zu etablieren, das auf die in dem jeweiligen Zustand der Krise bestehenden Interessen der Beteiligten Rücksicht nimmt und diese sachgerecht ordnet. Eine solche Sichtweise wird zum einen dem dynamischen Charakter einer Unternehmenskrise gerecht. Zum anderen läßt sich so der Konflikt zwischen Bestimmtheit und Effektivität entschärfen, indem je nach Gefährdungspotential für die Interessen der Beteiligten die Gewichte zwischen Betimmtheit und Effektivität unterschiedlich verteilt werden.
c) Das Konkretisierungsproblem des Idealauslösers
Im Rahmen der Überlegungen zur lustiziabilität der Insolvenzauslösung ist des weiteren auf ein Problem einzugehen, daß bislang vernachlässigt werden konnte. Die Rede ist von der Meßbarkeit des Fortführungs- und des Zerschlagungswertes. Für die abstrakten Überlegungen hinsichtlich der Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten 380 genügten die oben gegebenen Definitionen, wonach unter dem Fortführungswert der Zukunftserfolgswert des Leistungsbereichs und unter dem Zerschlagungswert die Summe der zu Einzelveräußerungspreisen bewerteten Vermögensgüter verstanden werden sollte. 381 Die Überlegungen mündeten in die Aussage, daß für einen sachgerechten und wirksamen Insolvenzauslöser die Relation "Wert des Fremdkapitals größer als das Maximum aus Fortführungs- oder Nettozerschlagungswert" maßgebend sei. 382 Dieses Ergebnis ist für die praktische Rechtsanwendung aber nur dann brauchbar, wenn es gelingt, die zugrunde gelegten Werte im Einzelfall wenigstens annähernd exakt zu bestimmen. Dies erscheint nicht möglich. 383 Zu diesem Erfordernis oben unter C.I.4.a)cc). Oben unter C.I. 381 Näher unter C.I.I.d). 382 Vgl. oben unter C.I.5.c). 383 Ebenso Drukarczyk (1986), S. 212 f. Ursächlich hierfür ist, daß in der Praxis keine vollkommenen Kapitalmärkte bestehen, so Marschdorj (1984), S. 259 et passim, vgl. auch aaO. S. 232 f. und S. 243 ff. 379 380
III. Praxisbezogene Rahmenbedingungen
173
Denn das Durchrechnen der Fortführungs-Zerschlagungs-Alternative setzt eine Fülle von Daten voraus, die faktisch nur schwer zu ermitteln sind. Das gilt in erster Linie für die Feststellung des Fortführungswertes?84 Seine Objektivierung setzt die Bestimmung der Zahlungsreihe der Einzahlungen, die Bestimmung des diesbezüglichen Zeithorizontes sowie die Bestimmung des Kalkulationszzinsfußes voraus. 385 Die Feststellung der Einzahlungsreihe wiederum erfordert Annahmen über die künftige Geschäftspolitik und insbesondere bei einem notleidenden Unternehmen über die Fortführungsstrategie. 386 Vor allem aber die Wahl des Diskontierungsverfahrens und des Zinssatzes führt zu einem erheblichen Spielraum in der Beurteilung des Fortführungswertes. 387 Doch auch die Feststellung des Zerschlagungswertes ist nicht unproblematisch. Denn dazu bedarf es in zahlreichen Fällen der einigermaßen zutreffenden Bewertung von Vermögensgegenständen für die weder Taxwerte noch Marktpreise bestehen. Hinzukommt, daß die verschieden Gruppen der von einer Insolvenz Betroffenen die maßgebenden Berechnungsfaktoren entsprechend ihrer individuellen Risikobeurteilung unterschiedlich wählen werden. 388 Mithin bleibt festzuhalten, daß sich der theoretisch gefundene Idealauslöser, der zu einer sowohl die Gläubiger- als auch die Schuldnerinteressen sachgerecht berücksichtigenden Entscheidung über eine Insolvenzauslösung führen würde, praktisch nicht anwenden läßt, weil er nicht hinreichend genau objektiviert werden kann. Auch insofern begegnet uns also das Problem der Diskrepanz zwischen Bestimmtheit und Effektivität. 389 So bezeichnet der Idealauslöser zwar den Zeitpunkt einer Insolvenzauslösung theoretisch exakt, ist aber letztlich zu unbestimmt, um auch praktisch effektiv sein zu können. Trotzdem sind die Überlegungen zum Idealauslöser nicht wertlos. Denn mit dem Idealauslöser liegt ein Maßstab vor, dem eine praxistaugliche Lösung gerecht werden muß. Ein Insolvenzauslöser, der auch praktisch effektiv sein soll, muß sich daher an Anknüpfungspunkten orientie-
384 Ebenso Flessner (1982), S. 189 f., und Th. Wolf (1995), S. 861, zu dem parallel gelagerten Problem der Bestimmung des Ertragswertes. 385 Ausführlich hierzu Rausch (1985), S. 166 ff. 386 Hierauf weisen Hesselmann/ Stefan (1990), S. 43, hin; vgl. auch R. J. Becker (1988), S. 562 ff., der eine Methode zur Bewertung der gesamten Stärken und Schwächen des Unternehmens sowie seiner Erfolgs- und Risikopotentiale vorstellt. 387 Aufschlußreich sind die rechnerischen Beispiele bei Haack (1980), S. 88 f., und Flessner (1982), S. 112; ausführlich zum Problem des Kapitalisierungszinsfußes W Müller (1974), S. 426 ff. - Kölsch (1988), S. 101, weist zu Recht darauf hin, daß der "gewinnträchtige Großauftrag des übernächsten Jahres" besonders dann mit hohem Gewicht eingeht, wenn der Kalkulationszinsfuß niedrig angesetzt wird. Beispiel: Erwartete Einzahlung von 100.000 GE zum Ende von Jahr 03. Bei einem Kalkulationszinsfuß von 5 Prozent bedeutet das (ohne Zinseszinseffekt) im Jahr 01 einen Zukunftserfolgswert von ca. 667.000 GE, bei 7 Prozent von nur noch von ca. 476.000 GE. 388 Hesselmann/ Stefan (1990), S. 50. 389 Dazu soeben unter C.III.I.b).
174
C. Prämissen
ren, die sowohl bestimmbar sind als auch in ihrer Wirkung dem Idealauslöser möglichst nahe kommen, ihn also gewissermaßen simulieren.
2. Diskretion eventueller Sanierungsversuche
Neben der lustiziabilität des Insolvenzauslösers ist eine weitere wichtige praxisbezogene Rahmenbedingung, daß eventuelle Sanierungsversuche so diskret wie irgend möglich stattfinden müssen. 390 Die Problematik wurde bereits im Rahmen der Untersuchung über die Konfliktstruktur zwischen den Beteiligten angesprochen. 391 Ebenso wie jede Insolvenzauslösung bedeutet nämlich auch jede publik werdende Sanierungsbemühung ein Warnsignal an die Geschäftspartner der GmbH. Hingegen vermeiden Sanierungsversuche, die im Stillen abgewikelt werden, die Störung des Betriebsablaufs durch eine Beunruhigung von Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmern und Gläubigem. Sie sind daher regelmäßig erfolgreicher. 392 Maßgeblich auf diesen Zusammenhang dürfte auch die minimale Bedeutung des Vergleichsverfahrens nach der VerglO zurückzuführen sein, denn bei ihm ist eine Beeinträchtigung der Reputation des Schuldners nicht zu vermeiden. 393 Zudem spricht für eine stille Sanierung, daß die Gesellschaftsorgane die wirtschaftliche Lage der Unternehmung oftmals am ehesten kennen und damit über die besten Voraussetzungen verfügen, entsprechende Sanierungsbemühungen einzuleiten. Dabei muß das Ziel allerdings darin bestehen, die Gesellschaftsorgane möglichst frühzeitig zu Sanierungsbemühungen anzuhalten. Keinesfalls darf das Erfordernis der Diskretion von Sanierungsversuchen dazu führen, daß es als Ausrede für verzögerte oder unterlassene Sanierungsmaßnahmen herhalten muß. Wegen des Diskretionserfordernisses ist ein dem eigentlichen Insolvenzverfahren vorgeschaltetes Insolvenzverhütungsverfahren abzulehnen. 394 Denn auch von ihm gehen Warnsignale an die Geschäftspartner aus. Das gilt auch für ein der Insolvenzabwicklung vorgeschaltetes Sanierungsverfahren, von dem Flessner meint, daß dort die Rentabilität des Unternehmens in Ruhe geprüft werden könne. 395 Damit soll nicht gesagt werden, daß es keines Verfahrens bedarf, in dem überlegt und geprüft wird, wie die Insolvenz am besten abgewehrt werden kann. Doch sollte man sich nicht dem Irrglauben hingeben, daß dies in Ruhe geschehen könne. Denn auch ein noch so perfekt ausgestaltetes Verfahren wird immer eine gewisse Verun390 So etwa K. Schmidt (I 982a), S. D98; Hommelhoff(1984), S. 704; Hopt (1984), S. 753; Mertens (1984), S. 546. 391 Oben unter C.1.4.a)bb)(2). 392 Schwieters (1989), S. 48. 393 Ebenso Kommission für Rechnungswesen (1981), S. 214; BitzlHemmerdelRausch (1986), S. 115 Fn. 1. 394 Ebenso K. Schmidt (1982a), S. D97 ff.; dort auch näher zum Begriff des Insolvenzverhütungsverfahrens; vgl. auch unten unter C.IV.4.a). 395 Ders. (1982), S 228.
III. Praxisbezogene Rahmenbedingungen
175
sicherung außenstehender Beteiligter bewirken und damit zu mehr oder weniger großen Fortführungserschwernissen führen. Aus all dem folgt, daß bei der Konstruktion des Insolvenzauslösers darauf geachtet werden muß, daß die Gesellschaftsorgane einerseits zur frühzeitigen Sanierungsprüfung angehalten werden müssen, andererseits hierfür aber auch solange Gelegenheit haben sollten, wie dies ohne nennenswerte Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen möglich ist.
3. Notwendigkeit wirksamer Sanktionen
Für einen funktionstüchtigen Insolvenzauslöser kommt es nicht nur darauf an, daß er den Zeitpunkt der sachgerechten Insolvenzauslösung zutreffend festlegt, sondern daß diese Regelung im Falle eines Falles auch eingehalten wird. Wahrend bei den Personenhandelsgesellschaften die "List der Idee darin besteht, daß die persönliche Einstandspflicht ein wirsames Regulativ ordentlicher Verwaltung bildet,,396, versagt dieser Gedanke bei der GmbH. Zwar sind auch die meisten GmbHs personalistisch strukturiert 397 , doch ist das geltende und - insofern unverändert - auch das künftige Recht zu einseitig auf Schadensbegrenzung nach Eintritt der Insolvenz ausgerichtet. Regelungen zur Insolvenzprophylaxe, zur Durchsetzung rechtzeitiger Verfahrenseröffnungen oder zur ausreichenden Kapitalausstattung fehlen demgegenüber weitgehend. Gegen das Informationstransfer-, das Vermögensverschiebungs- und das Finanzierungsrisik0 398 und damit gegen einen Mißbrauch des Vertrauens in die Solvenz des Schuldners hat der Gesetzgeber keine wirksamen Sanktionen vorgesehen. 399 Der ungesicherte "Gläubiger steht daher einem potentiell übermächtigen Gegner gegenüber,,4oo. Abhilfe versprächen Sanktionen, deren Auswirkungen so hoch sind, daß sie gläubigerschädigende Strategien 401 unvorteilhaft werden lassen. 402 Denn ein rationaler Schuldner wird nur dann vertragsbrüchig, wenn die Kosten der Zahlungseinstellung kleiner sind als die Rückzahlungsverpflichtungen. 403 Wenn nun - wie gezeigt - Gesellschafter, Geschäftsführer und gesicherte Gläubiger von sich aus kein Interesse an Insolvenzverfahren haben und es aber gleichwohl zu Reichtumsverschiebungen kommt, so bedarf es der Schaffung wirksamer Sanktionen, die solche Reichtumsverschiebungen unterbinden. 404 Denn anderenfalls wirken "Eigentümer (Manager) und voll geWiedemann (1980), s. 539 m.w.N. Gessner/ Rhode/ Strate/Ziegert (1977), S. 28. 398 Zu diesen Risiken oben unter C.I.I.a). 399 So bereits zusammenfassend oben unter C.1.3.b)cc)(1). - Vgl. auch Drukarczyk (1980), S. 171 ff., 241 ff. 400 Schildbach (1983), S. 2132. 401 Dazu insbesondere oben unter C.I.4.b)bb) und C.I.5.d) - e). 402 R. H. Schmidt (l98Ib), S. 191 f.; Duttle (1986), S. 49. 403 Duttle (1986), S. 43; ausführlich Nahr (1980), S. 322 ff. 404 Vgl. nur M. Lehmann (1986), S. 357 ff. 396 397
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C. Prämissen
sicherte Gläubiger ( ... ) wie eine schweigende Koalition zu Lasten der ungesicherten Gläubiger.,,405 Dabei sollten die Sanktionen so ausgestaltet sein, daß ihr bloßes Bestehen einen Anreiz darstellt, sich vertragskonform zu verhalten. 406
4. Wirtschaftlichkeit
Schließlich ist als letzte praxis bezogene Rahmenbedingung zu erwähnen, daß der Lösungsvorschlag auch Wirtschaftlichkeitskriterien genügen muß. Dabei stellt sich das Problem der Wirtschaftlichkeit unter drei verschiedenen Blickwinkeln: Aus Sicht insolvenzantragswilliger Gläubiger, sollten Hindernisse vermieden werden, die eine mit nicht kalkulierbaren Kostenrisiken einhergehende InsolvenzantragsteIlung für die Gläubiger mit sich bringt. Denn ein unüberblickbares Kostenrisiko kann jede InsolvenzantragsteIlung vereiteln. 407 Aus der Sicht der öffentlichen Hand sollte der Insolvenzauslösemechanismus möglichst kostenneutral sein. Vorschläge, die, wie der von W. Schuh. darauf zielen, der Staatskasse die Kosten für die Durchführung massearmer Verfahren aufzuerlegen 408 , dürften nämlich nicht nur wegen der gegenwärtigen Haushaltssituation schlechte Realisierungschancen haben. Sie leiden auch darunter, daß bei ihnen die Externalisierung privatautonom zustande gekommener negativer Effekte legalisiert und damit sozialisiert wird. Die Aufgabe des Rechts sollte aber gerade darin bestehen solche negativen Effekte zu internalisieren. Begreift man schließlich auch die Insolvenzprophylaxe als eine Aufgabe des Insolvenzrechts, so kommt es aus Sicht der Gesellschaftsorgane darauf an, daß der Aufwand für eine Insolvenzprophylaxe in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen muß. 409
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen Im Zuge der Beschreibung der Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht sind nach Durchleuchtung der zwischen den Beteiligten bestehenden Konfliktstruktur sowie der Darstellung der juristischen und der praxisbezogenen Rahmenbedingungen als letztes noch die ökonomischen Rahmenbedingungen zu erläutern. Die Notwendigkeit hierfür ergibt sich aus der synästhetischen 405 So zu Recht Drukarczyk (1987), S. 102. - Aus dem gleichen Grund halten Gessner / Rhode / Strate /Ziegert (1977), S. 229, das Konkursrisiko für zu gering. 406 Dieses sog. Selbstregulierungstheorem ist ein wichtiges Grundprinzip der Gesetzgebung, vgl. dazu Bender (1976), S. 486 f. 407 Vgl. dazu oben unter C.I.3.b)bb)(2). 408 Ders. (1986), S. 41 ff. 409 Hierzu Jacobs (1986), S. 161.
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
177
Existenz von Recht und Ökonomie. 410 Im folgenden interessiert insoweit zunächst die Frage nach den wirtschaftlichen Existenzbedingungen der Unternehmung (unter 1.) und nach nach der Herkunft von Liquidität (unter 2.). Sodann geht es (unter 3.) darum, was eine Finanzplanung im Hinblick auf die Einhaltung der unternehmerischen Existenzbedingungen leisten kann. Anschließend ist (unter 4.) kurz auf die Vorteile und Probleme einer Insolvenzprophylaxe einzugehen, bevor (unter 5.) untersucht wird, weIche Wirkung bestimmte Formen einer Beschränkung von Kreditsicherheiten haben.
1. Existenzbedingungen der Unternehmung
Zur Wahrung des finanzwirtschaftlichen Gleichgewichts als Existenzbedingung der Unternehmung wurde oben bereits kurz Stellung genommen. Das ist jetzt - unter a) - zu vertiefen. Außerdem ist - unter b) - auf eine zweite Existenzbedingung, nämlich die der langfristigen Aufwandsdeckung, einzugehen. Hingegen wird - unter c) - vermeintlichen Existenzbedingungen entgegengetreten.
a) Jederzeitige Liquidität Im Rahmen der Beschreibung der Phänomenologie finanzieller Krisensituationen wurde das finanzwirtschaftliehe Problem einer Unternehmung damit gekennzeichnet, daß innerhalb des gesamtbetrieblichen Leistungsvollzugs die Auszahlungen den Einzahlungen vorangehen. 411 Ferner wurde als Existenzbedingung der Unternehmung das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht erkannt. Es ist die "Entscheidungsgrundlage für die betriebliche Finanzierungspolitik unter realen Bedingungen.,,412 Es liegt vor, wenn die Zahlungskraft in jedem Augenblick größer als der Zahlungsmiuelbedarf ist oder mindestens ihm gleich. 413 Es geht also darum, daß der Kapitalfond des Unternehmens jederzeit ausreicht, um die aus der zeitlichen Verschiebung der Auszahlungs- und Einzahlungsreihen sich ergebenden Kapitalbindungen zu finanzieren. 414 Anderenfalls ist die Unternehmung nicht liquide, wodurch der betriebliche Prozeßablauf in Stocken gerät und der Wert der Eigentümerpositionen gegen Null sinkt. 415 Um jederzeit liquide zu sein, muß die Dazu oben unter c.n.l. a.E. V gl. oben unter B.II.2.a). 412 Vonnbaum (1990), S. 85. 413 Näher hierzu oben unter B.II.2.b). 414 Vgl. Gutenberg (1980), S. 280. 415 R. H. Schmidt (1980), S. 109, sieht daher in den von den Gläubigern geforderten Rückzahlungen ein "Lösegeld ( ... ), das den Gläubigern mit fälligen Forderungen gezahlt wird, um sie von ihrer Drohung, den Ertragswert des Eigentümers ( ... ) zu zerstören, abzubringen." 410 411
12 Förster
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C. Prämissen
Unternehmung in ausreichendem Maß über liquide Mittel, d. h. über solche, die zur Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen geeignet sind, verfügen. Regelmäßig fallen darunter Bargeld, Sichtguthaben bei Kreditinstituten und kurzfristig disponierbare Kredite. Die Möglichkeit, über liquide Mittel zu verfügen, wird im folgenden als Liquidität bezeichnet. Liquidität ist somit eine Eigenschaft der Unternehmung. Die Sicherung einer jederzeit ausreichenden Liquidität ist mithin ein notwendiges Entscheidungsziel bei der finanziellen Führung eines Unternehmens. 416 K. Schmidt spricht insoweit von einer "unternehmensrechtlichen Normativbestimmung,,417. Da die exakte Ermittlung des jeweiligen tageweisen418 Zahlungsmittelbedarfs praktisch schwierig ist und sich die Höhe des erforderlichen Zahlungsmittelbedarfs daher nicht genau voraussagen läßt, gleichwohl aber seine Deckung jederzeit gegeben sein muß, ist eine gewisse Liquiditätsreserve unerläßlich. Diese Forderung konkurriert mit dem Ziel einer möglichst hohen Rendite des im Unternehmen investierten Kapitals. Denn wegen des Erfordernisses der jederzeitigen Verfügbarkeit der Liquiditätsreserve läßt diese sich nur kurzfristig und damit nur in Maßen rentabel anlegen. 419 Gleichwohl ist die Gefahr einer unrentablen Überliquidiät bei einer notleidenden Unternehmung nicht gegeben, da es bei ihr um die Sicherung der Minimalliquidität geht. 42o Daher kann das Problem des richtigen Verhältnisses von Liquidiät und Rentabilität hier ausgeklammert bleiben.421 b) Langfristige Aufwandsdeckung
Neben der jederzeitigen Liquidität ist das Vorliegen der Aufwandsdeckung die zweite wichtige Existenzbedingung der Unternehmung. Sie besagt, daß "zumindest langfristig alle Aufwendungen durch Erträge422 gedeckt sein müssen.,,423 Durch 416 417
Wirte (1983), S. 26; Vormbaum (1990), S. 116, 119. Ders. (1990a), S. 44.
418 Das AbsteHen auf den Tag als Einheit des für die Zahlungsmineldeckung jeweils maßgebenden Zeitpunktes ist an sich ungenau, denn die Zahlungsmitteldeckung muß jederzeit vorliegen, also nicht nur täglich, sondern stündlich, minütlich, sekündlich etc. Eine solche Vorgehensweise ist aber praktisch nicht durchführbar. Wegen des Prinzips der Tagfertigkeit in der Buchfuhrung, wonach aHe Geschäftsvornille am Tag ihres Anfalls verbucht werden sollen, rechtfertigt sich eine tageweise Betrachtung. 419 Etwa als täglich kündbare Tenningeldeinlage. Bei debitorischer Kontoführung fallen für die Liquiditätsreserve sogar Kosten in Form der Bereitstellungsgebühren für einen Überziehungskredit an. 420 So bereits oben unter B.II.2.b) a.E. 421 Ausführlich dazu etwa Vormbaum (1990), S. 94 ff. 422 Aufwand und Ertrag sind Begriffe der Erfolgsrechnung und bezeichen den Wertverbrauch (= Venninderung des Nettovermögens) bzw. Wertzuwachs (= Erhöhung des Nettovermögens) innerhalb einer bestimmten Abrechnungsperiode; instruktiv zu den Grundbegriffen des betrieblichen Rechnungswesens Wöhe (1993), S. 1006 ff. 423 Vormbaum (1990), S. 92.
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
179
die Einhaltung der Aufwandsdeckung soll verhindert werden, daß bei der GmbH mittel- bis langfristig ein vollständiger Werteverzehr eintritt, wodurch es ihr unmöglich würde, ihren vertraglichen Verpflichtungen auf redliche Weise424 nachzukommen. 425 Aufwandsdeckung ist nicht das gleiche wie Ertragsfähigkeit. 426 Denn darunter könnte verstanden werden, daß auch eine angemessene Eigenkapitalverzinsung gefordert sei. 427 Das kann aber bei einer notleidenden Unternehmung keine Existenzbedingung sein. Ferner darf die Bedingung der Aufwandsdeckung nicht mit der Liquiditätsbedingung verwechselt werden. Denn diese besagt nur, daß der Zahlungsmittelbedarf überhaupt gedeckt sein muß, aber nicht auf welche Art dies geschehen soll. Auf letzteres kommt es aber deshalb an, weil ein Unternehmen dauerhaft nur existieren kann, wenn es ihm langfristig gelingt, seine sämtlichen Aufwendungen zu finanzieren. Da eine Außenfinanzierung durch Einlagen oder Kredite nur solange in Frage kommt, wie sich Kapitalgeber finden, die in die Rückzahlung ihres Kapitals vertrauen 428 , ist die GmbH langfristig auf eine ausreichende Innenfinanzierung429 angewiesen. Das bedeutet, daß aus dem Prozeß der Leistungsverwertung zumindest die Mittel zurückfließen müssen, die zuvor investiert wurden. Soll dabei kein Werteverzehr eintreten, so ist es obendrein erforderlich, daß die Mittel aus leistungswirtschaftlichen Umsatzerlösen stammen und nicht etwa aus finanzwirtschaftlichen Vermögensumschichtungen 43o • Die Bedingung der Aufwandsdeckung besagt daher, daß den Aufwendungen für die Leistungserstellung langfristig zumindest gleich hohe Erträge aus der Leistungsverwertung gegenüberstehen müssen. Denn - aus Sicht der Gläubiger - kommt es für eine Fremdkapitalfinanzierung darauf an, daß nicht nur die Liquiditätsbedingung, sondern (langfristig) auch die Aufwandsdekungsbedingung eingehalten wird. Anderenfalls kann, sofern die Gesellschafter nicht permanent Kapital nachschießen, Liquidität für die vereinbarungsgemäße Bedienung der bereits ausgereichten Kredite nur in der Art eines 424 D.h. ohne das Aufstauen nicht gedeckter Verbindlichkeiten wie im finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß; näher dazu oben unter B.II.2.c). 425 Vgl. Drukarczyk (1987), S. 81. 426 Auf diese möchte K. Schmidt (1982a), S. 064, für das prognostische Tatbestandselement des Überschuldungstatbestandes abstellen. 427 So Drukarczyk (1987), S. 81. Mißverständlich ist daher die Begriffsbildung der Kommission für Insolvenzrecht (1985), LS 1.2.6 (S. 112), zumindest soweit der Begriff der Ertragsfähigkeit nicht unter Bezugnahme auf die aaO. gegebene Definition verwandt wird. In der Sache entspricht der dortige Begriff der Ertragsfähigkeit nämlich einer bloßen Aufwandsdeckung. Vgl. auch Arens (1991), S. 185 ff. m.w.N. 428 Vgl. dazu oben unter B.II.2.b). 429 Hierunter werden Maßnahmen zur Kapitalbeschaffung innerhalb der Unternehmung, insbesondere aus dem Umsatzprozeß, verstanden, vgl. Gabler (1993), Stw. ,Innenfinanzierung'. 430 Ein Beispiel ist die Veräußerung des Anlagevermögens im Rahmen des Sale-and-Ieaseback-Verfahrens; dazu oben unter C.I.4.b)bb)(I).
12'
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C. Prämissen
Schneeballsystems durch die Aufnahme immer neuen Fremdkapitals gewonnen werden. Sind die daraus resultierenden Zinsaufwendungen aber nicht durch entsprechende Erträge gedeckt, kommt es zwangsläufig zum finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß mit seinen forderungsvernichtenden Folgen. 431
c) Weitere Existenzbedingungen?
Aus der Geltung der Aufwandsdeckungsbedingung ergibt sich auch, daß eine ausreichende Ausstattung mit Eigenkapital für sich genommen keine Existenzbedingung der Unternehmung darstellt. Denn wenn das Unternehmen hinreichend hohe Erträge erwirtschaftet, dann kann auch der Zinsaufwand aus einer überdurchschnittlich hohen Fremdkapitalfinanzierung gedeckt werden, ohne daß die Existenz der Unternehmung dadurch bedroht wird. Zu einer Existenzkrise kommt es erst, wenn die Erträge nicht (mehr) die Höhe der (Zins-)Aufwendungen erreichen. Und dann sind Unternehmen mit einem hohen Fremdkapitalanteil in der Tat deutlich gefährdeter als solche mit einem geringeren. 432 Es ist wichtig, sich darüber im klaren zu sein, daß Aussagen zur Insolvenzgefährdung von Unternehmen infolge zu geringer Eigenkapitalausstattung, nur in diesem Zusammenhang relevant sind. Auch hinsichtlich einiger herkömmlicher Finanzierungsregeln muß vor Mißverständnissen gewarnt werden. So kursieren Kapitalstrukturregeln, wonach zwischen Eigen- und Fremdkapital ein bestimmtes Verhältnis, z. B. von eins zu eins, einzuhalten sei. Ebenfalls recht geläufig ist die sog. goldene Finanzierungsregel anzutreffen, die besagt, daß die Fristigkeit des Kapitals der Umschlagsdauer des damit finanzierten Vermögens entsprechen sol1.433 Solche Regeln vermögen aber die Existenz einer Unternehmung nicht wirklich zu sichern, weil sie die Einhaltung der entscheidenden Existenzbedingungen - jederzeitige Liquidität und langfristige Aufwandsdeckung - nicht gewährleisten können. 434
2. Liquiditätsquellen der Unternehmung
Im folgenden soll näher untersucht werden, woher die Liquidität stammt, die erforderlich ist, um die Existenzbedingung der jederzeitigen Liquidität einzuhalten. Liquidität darf dabei nicht mit Liquidierbarkeit verwechselt werden. Wie schon gesagt, bezeichnet Liquidität eine Eigenschaft der Unternehmung, nämlich jederzeit zahlungsfähig zu sein. Unter Liquidierbarkeit wird hingegen die Eigenschaft von 431 Dazu ausführlich oben unter B.II.2.c). 432 Vgl. zur Begründung die Ausführungen zum negativen Leverage·Effekt oben unter C.I.l.b). 433 Oft verkürzt auf die Fonnel, daß das Anlagevennögen langfristig und das Umlaufver· mögen kurzfristig zu finanzieren sei. 434 Das kann hier nicht vertieft werden. Höchst instruktiv dazu Vormbaum (1990), S. 85 ff. m.w.N.; vgl. auch Gutenberg (1980), S. 277 ff.
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
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Vennögensgegenständen verstanden. Es geht dabei um die Umwandelbarkeit von Teilen des Sachvennögens eines Unternehmens in liquide Mittel. In einer Insolvenzsituation hängt die Liquidierbarkeit maßgeblich davon ab, ob, und bejahendenfalls in welchem Umfang, das Unternehmen fortgeführt wird, und ob, und bejahendenfalls wie, der Unternehmenszweck geändert wird. 435 Hinsichtlich der Herkunft von Liquidität müssen vier verschiedene Vorgänge unterschieden werden. Die aufgrund der Liquidierbarkeit von Vennögensgegenständen gewonnene Liquidität wird im folgenden als güterwirtschaJtliche Liquidität bezeichnet. 436 Denn als Liquiditätsquelle wird die Veräußerungsfähigkeit von Gütern genutzt. Güter können dabei auch Forderungen sein, etwa wenn sie im Rahmen des Factoring veräußert werden. Güterwirtschaftliche Liquidität kann in zweierlei Weise vorkommen: zum einen kann sie der Ausfluß von Umsatzgeschäften im Rahmen des regelmäßigen Geschäftsbetriebs sein; zum anderen kann sie die Folge einer Desinvestition von Betriebsvennögen sein. Dabei kann es sich im letzgenannten Fall sowohl um Betriebsvennögen handeln, das nicht oder nicht mehr benötigt wird, als auch um solches, das der Gesellschaft im Rahmen eines Sale-and-lease-backVerfahrens 437 weiterhin wirtschaftlich zur Verfügung steht. Neben der Veräußerung kann Liquidität auch durch die Beleihung vorhandener Güterbestände gewonnen werden. Ein typischer Fall ist etwa der gesicherte Warenkredit, also die vorübergehende Stundung der Kaufpreisforderung bei vorbehaltenem Eigentum des Lieferanten oder der Geldkredit gegen sicherungsweise Abtretung von Forderungen des Kreditnehmers. Daß dabei im Fall des Warenkredits, anders als beim Geldkredit, kein Geld fließt, ist unter Liquiditätsgesichtspunkten unerheblich. Denn indem beim Warenkredit der Kaufpreis gestundet ist, wird die andernfalls fällige Auszahlung aufgeschoben. Die damit ersparte Liquidität steht jetzt für andere Auszahlungen zur Verfügung. Die Beleihung von Güterbeständen ist in der wirtschaftlichen Praxis eine wichtige Fonn der Liquiditätsschöpfung. Die daraus resultierende Liquidiät wird im folgenden verliehene Liquidität genannt. 438 Sie ist rechtlich bislang nicht erfaßt, wird aber für den mit dieser Arbeit zu unterbreitenden Lösungsvorschlag eine zentrale Rolle spielen. 439 Außer den bei den bereits genannten Liquiditätsquellen, die durch die Menge der Vennögensgegenstände determiniert sind, über die ein Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügt, gibt es noch zwei weitere Liquiditätsquellen. Sie 435 Vormbaum (1990), S. 112 f. Hinsichtlich weiterer maßgebender Kriterien für die Umwandelbarkeit vgl. Drukarczyk (1982b), S. 562. - Auf die Unterscheidung zwischen liquidität und Liquidierbarkeit ist unten unter D.1.1.g) zurückzukommen. 436 Ebenso Drukarczyk (1996), S. 27 ff.; ders. (1982b), S. 562 im Anschluß an Stützel (1975), Sp. 2516. 437 Dazu oben unter C.I.4.b)bb)(1). 438 Ebenso Drukarczyk (1996), S. 29 f.; ders. (1982b), S. 563, im Anschluß an Stützel (1975), Sp. 2519. Vgl. auch Drukarczyk (1993), S. 26 f. 439 Ausführlich unten unter E.II.3.
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C. Prämissen
gründen beide auf der Fähigkeit eines Unternehmens, in der Zukunft finanzielle Überschüsse zu erzielen, indem die vorhandenen Vermögensgegenstände wirtschaftlich genutzt werden. Man unterscheidet die zukünftige und die antizipierte Liquidität. Die zukünftige Liquidität440 hängt davon ab, inwieweit zu der gegenwärtig vorhandenen Zahlungskraft441 in künftigen Zeitpunkten Einzahlungen zufließen oder Auszahlungen von ihr abfließen. 442 Die antizipierte Liquidität443 bestimmt sich danach, inwieweit es gelingt, künftige finanzielle Überschüsse zu beleihen. 444 Es findet also eine Kreditierung statt "gegen das unbesicherte Versprechen des Schuldners, Zins- und Tilgungsraten in Zukunft vertragskonform zu leisten.,,445 Jede ungesicherte Kreditvergabe bedeutet für den Schuldner die Zuführung antizipierter Liquidität. Die vorstehende Unterscheidung verschiedener Liquiditätsquellen dient dazu, sich Klarheit über die Herkunft der Liquidität des Schuldners zu verschaffen. Zwar ist es diesem weitgehend gleich, woher seine Liquidität stammt, solange er nur liquide ist und jederzeit bleibt. Doch kann anhand der begrifflichen Unterscheidung später besser nach einem Anknüpfungspunkt für einen in der Praxis effektiven Insolvenzauslöser gesucht werden, der in seiner Wirkung dem Idealauslöser möglichst nahe kommt. 446 Es wird dabei darum gehen, den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß nicht bis zum bitteren Ende ablaufen zu lassen, sondern bereits zu einem Zeitpunkt beenden zu können, in dem die weitere Zuführung von Liquidität diesen nur noch verlängert, aber nicht mehr verhindert.
3. Nutzen und Notwendigkeit einer Finanzplanung
Im folgenden geht es um die Frage, wie das Unternehmen die Einhaltung der unternehmerischen Existensbedingungen - jederzeitige Liquidität und langfristige Aufwandsdeckung - gewährleistet werden kann. Es wird sich zeigen, daß die Finanzplanung insoweit ein unentbehrliches Instrument darstellt.
a) Bilanzielle Ermittlung der Finanzlage? Eine wesentliche Voraussetzung zur Anknüpfung eines prospektiven447 Insolvenzauslösers an die fehlende Liquidität des Schuldners ist, daß ein in der Zukunft 440
441 442 443 444 445 446 447
Begriff im Anschluß an Drukarczyk (1996), S. 30 f.; ders. (1982b), S. 563. Zu diesem Begriffvgl. oben unter B.II.2.b) bei Fn. 224. Witte (1983), S. 25 f.; Drukarczyk (1982b), S. 563. Begriff im Anschluß ann Drukarzyk (1996), S. 31 f.; ders. (1982b), S. 563. Die antizipierte Liquidität stellt insoweit eine Parallele zur verliehenen Liquidität dar. Drukarczyk (1982b), S. 563. Vgl. zu diesem Erfordernis bereits oben unter C.III.l.c). Zum Erfordernis der Prospektivität siehe oben unter C.I.3.b)cc)(3).
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
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eintretender Liquiditätsmangel, also eine künftige Illiquidität, bereits möglichst früh im voraus feststellbar ist. Ungeeignet sind insoweit die aus der Bilanz des Schuldners abgeleiteten Liquiditätskennzahlen, bei denen die Verbindlichkeiten des Schuldners in ein Verhältnis zu bestimmten, nach dem Grad ihrer Liquidierbarkeit geordneten Gruppen von Vermögensgegenständen gesetzt werden. 448 Denn diese Liquiditätskennzahlen besagen nichts über die erforderliche zeitliche Kongruenz von Einzahlungen und Auszahlungen. Dieser Mangel haftet auch einer Gegenüberstellung von Vermögens- und Schuldpositionen an. Selbst wenn man nur die sofort fälligen Verbindlichkeiten den aktuell vorhandenen Zahlungsmitteln gegenüberstellen würde, so würde dies doch nur etwas über die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens für den Tag aussagen, auf den diese Gegenüberstellung aufgestellt wird. Hinzukommt, daß sämtliche Liquiditätsmessungen, die auf Bilanzen basieren, unter deren Vergangenheitsorientierung leiden. Zukünftige Zahlungsströme werden darin nur unzureichend erfaßt. Insbesondere werden schwebende Geschäfte, also solche, die zwar verpflichtend abgeschlossen, zum Bilanzierungszeitpunkt aber von keiner Vertrags partei erfüllt sind, nicht bilanziert, obwohl von ihnen künftig Zahlungsverpflichtungen ausgehen. Schließlich wirkt sich auf eine bilanzorientierte Liquiditätsmessung das Problem der Bewertung von Bilanzpositionen immer störend aus. Die erforderliche Feststellung der jederzeitigen Liquidität läßt sich daher - zumindest in der Praxis - nicht anhand von Bilanzen ermitteln. 449 Soweit also gelegentlich vertreten wird, daß die Bilanz das "wichtigste Instrument zur Darstellung der Finanzlage,,450 sei, so kann dem nur insoweit zugestimmt werden, als diese Aussage, die damit allerdings erheblich relativiert wird, lediglich auf die gegenwärtig vom Gesetzgeber vorgesehenen Instrumente der Rechnungslegung bezogen wird.45I
b) Eignung der Finanzplanung zur Feststellung der Liquidität
Da sich die Liquiditätssituation einer Unternehmung durch die täglich anfallenden Ein- und Auszahlungen in kürzester Zeit ändern kann, handelt es sich bei der Feststellung der Liquidität um ein hoch dynamisches Problem. Insbesondere können Ein- und Auszahlungsströme einer unterschiedlichen Periodizität unterliegen. 452 Zuverlässig kann die Liquidität daher nur durch eine tageweise Gegenüber448 Z. B. Liquidität ersten Grades (Barliquidität) = Zahlungsmittel: kurzfristige Verbindlichkeiten x 100; Liquidität zweiten Grades (Zahlungsmittel + kurzfristige Forderungen) : kurzfristige Verbindlichkeiten x 100; Liquidität dritten Grades (Zahlungsmittel + kurzfristige Forderungen + Vorräte) : kurzfristige Verbindlichkeiten x 100. 449 Zum Ganzen Vormbaum (1990), S. 113 Cf.; vgl. auch Leffson (1984), Rn. 43 Cf.; Arians (1985), S. 174; Kalinski (1986), S. 60 Cf.; Kölsch (1988), S. 85 f., jeweils m.w.N. 450 Beck'scher Bilanzkommentar I Budde / Karig (1995), § 264 Rn. 37. 451 Ausführlich zur Ableitung von Geldgrößen aus der Bilanz und den dabei vorzunehmenden umfassenden Modifikationen K. H. Weber (1983), S. 70 Cf. 452 Vgl. dazu die Beispiele oben unter B.II.3.; ferner Plate (1980), S. 222.
=
=
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C. Prämissen
stellung der Ein- und Auszahlungsreihen ermittelt werden. Die Betriebswirtschaftslehre ist sich darin einig, daß das hierzu geeignete Instrument der Finanzplan ist. 4s3 Mit seiner Hilfe kann die Liquiditätssituation eines Unternehmens festgestellt werden. Dabei soll nicht verkannt werden, daß auch insoweit praktische Schwierigkeiten bestehen. Das betrifft vor allem das Prognoserisiko, nämlich die zutreffende Einschätzung, wann und in welcher Höhe Ein- oder Auszahlungen in Ansatz zu bringen sind. 4s4 Zumindest an der prinzipiellen Eignung von Finanzplänen zur Feststellung der künftigen Liquidität ändert das aber nichts.
c) Eignung der Finanzplanung zur Feststellung der Aufwandsdeckung
Die Finanzplanung ist aber darüber hinaus auch geeignet, die Einhaltung der Existenzbedingung "langfristige Aufwandsdeckung" zu kontrollieren. Zwar ließe sich diese auch durch eine Plan-Gewinn-und-Verlust-Rechnung feststellen 455 , doch müßte dazu eine an sich überflüssige weitere Rechnung erstellt werden. Es bietet sich daher an, auch insoweit auf die "direktere Ebene der Zahlungen,,456 im Finanzplan zurückzugreifen, zumal dessen Aufstellung zwecks Sicherung der jederzeitigen Liquidität ohnehin erforderlich ist. Gegen die Feststellung der Aufwandsdeckung im Rahmen einer Finanzplanung ließe sich einwenden, daß sich nicht sämtliche Aufwendungen und Erträge in Zahlungen niederschlagen, mit anderen Worten, daß nicht alle erfolgswirksamen Vorgänge auch zahlungswirksam sind. 457 Denn selbst wenn man unterstellt, daß Güter- und Zahlungsmittelbewegungen zusammenfallen 458 , verbleiben zeitliche und 453 Drukarczyk (1979), S. 562; Gutenberg (1958/1990), S. 115 ff.; ders. (1980), S. 296; Kressin (1990), S. 133 ff., 220 ff.; Leffson (1984), Rn. 56; Vodrazka (1977), S. 68 f., 84 f.; Vonnbaum (1990), S. 115 f.; H. K. Weber (1983), S. 74 ff.; vgl. auch Hopt (1986), S. 30; Hodemacher (1956), S. 84. 454 Nach dem Verdikt von Uhlenbruck (1984), S. 1951, sind daher ,,Finanzpläne notleidender Unternehmen ( ... ) wie Kriegsberichte: In Einzelheiten exakt, im ganzen falsch." Vgl. auch ders. (1988), S. 239, und Drukarczyk (1979), S. 562 m.w.N. 455 Die insoweit von Drukarczyk (1987), S. 82, vorgetragene Kritik überzeugt nicht, da die Frage, ob eine Plan-Gewinn-und-Verlust-Rechnung ausgeglichen ist, maßgeblich von der Wahl des Prognosezeitraums abhängt. Dies ist auch dem Beispiel von Kölsch (1988), S. 217, entgegenzuhalten, in dem ein junges Unternehmen in der letzten Phase der Entwicklung seiner Produkte hohe Investitionen tätigt, deren Abschreibungsbedarf zu Planverlusten führt, ohne daß dadurch aber die Liquidität gefährdet wird. Denn bei entsprechend langer Planungsperiode wären dann eben auch die in späteren Jahren zu erwartenden Plangewinne zu erfassen, womit die Plan-Gewinn-und-Verlust-Rechnung längerfristig wieder ausgeglichen wäre. Vgl. auch Arens (1991), S. 185 ff. 456 Kölsch (1988), S. 219. Ebenso und mit konkreten Vorschlägen zur Gliederung eines entsprechenden Kontenplans M. Kühn (1991), S. 252 ff. 457 Auch umgekehrt sind nicht sämtliche Zahlungen erfolgswirksam. Beispiele: Beschaffung (und Bezahlung) der zur Leistungserstellung benötigten Gegenstände; Zahlungseingang für auf Kredit gelieferte Waren.
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
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sachliche Diskrepanzen. Soweit zeitliche Diskrepanzen bestehen 459 , fallen Erfolgsund Zahlungswirksamkeit jedoch lediglich in unterschiedliche Perioden. Da die Aufwandsdeckung aber nur langfristig gegeben sein muß, spiegeln sich auch solche Vorgänge in einem längerfristigen Finanzplan wider. Sachliche Diskrepanzen bestehen zunächst insoweit, als es rein finanzwirtschaftliche Einzahlungen und Auszahlungen gibt, die aber nicht erfolgswirksam sind. 460 Hierdurch wird aber die Bedingung der Aufwandsdeckung überhaupt nicht berührt und die Zahlungswirksamkeit spiegelt sich ohnehin im Finanzplan wider. Schwieriger scheint es mit den Vorgängen zu sein, die zu sachlichen Diskrepanzen zwischen Erfolgs- und Zahlungswirksamkeit führen, bei denen umgekehrt zwar Erfolgswirksamkeit, aber keine Zahlungswirksamkeit vorliegt. Denn diese Vorgänge erscheinen nicht im Finanzplan. Zu denken ist hierbei an zwei Konstellationen: zum einen den (außerordentlichen) Ertrag aus der Auflösung einer nicht in· Anspruch genommenen Rückstellung, zum anderen an die Herstellungskosten, die bei selbsterstellten Anlagen und anderen aktivierten Eigenleistungen als Aufwand anzusetzen sind461 . Was die Auflösung von Rückstellungen angeht, so ist deren fehlende Zahlungswirksamkeit unerheblich, da bereits die Bildung der Rückstellung nicht zahlungswirksam war. Bei den Aufwendungen für aktivierte Eigenleistungen handelt es sich hingegen um einen "Korrekturposten für ( ... ) aufgewendete Personal- und Materialkosten,,462. Da diese ihrerseits bereits zahlungs wirksam waren, sind auch diese Aufwendungen bereits in den Finanzplan eingeflossen. Bei alledem ist festzuhalten, daß die für die Frage der langfristigen Aufwandsdeckung wichtigsten Aufwendungen und Erträge, nämlich die Personal- und Sachaufwendungen sowie die Umsatzerlöse, auf jeden Fall zahlungswirksam sind und daher in den Finanzplan eingehen. d) Finanzplan als Steuerungsinstrument
Die eben gemachten Ausführungen haben ergeben, daß anhand eines Finanzplans die Einhaltung der beiden Existenzbedingungen der Unternehmung kontrolliert werden kann. Der Finanzplan stellt damit ein wichtiges Instrument zur Steuem Diese Annahme wirkt sich auf die Argumentation nicht aus, erspart es aber, zusätzlich die Begriffe Einnahme und Ausgabe einführen zu müssen, auf die wegen der zeitlichen Diskrepanzen zwischen Güterabgang und Zahlungsmittelzugang bzw. Güterzugang und Zahlungsmittelabgang sonst nicht verzichtet werden könnte. Vgl. zum Problem etwa bei Hummel/Männel (1986), S. 66. 459 So führen etwa die Aufwendungen für Abschreibungen oder Rückstellungen nicht sofort zu einer Auszahlung, sondern zu einer solchen kommt es erst, wenn die Ersatzinvestition tatsächlich angeschafft und annahmegemäß bezahlt werden muß bzw. wenn sich der Grund für die Rückstellung realisiert. 460 Hummel/ Männel (1986), S. 68, 79. Schulbeispiel ist die Hingabe oder die Tilgung eines ehedem gewährten Darlehens. 461 Beck'scher Bilanzkommentarl Förschle (1995), § 275 Rn. 80. 462 AaO. (Fn. 461).
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C. Prämissen
rung eines Unternehmens dar. Da der Finanzplan zudem angibt, wann "die weitere Zielerreichung der Unternehmung unmöglich ist oder wenigstens in Frage gestellt wird,,463, erscheint er prinzipiell geeignet, den Zeitpunkt einer Insolvenzauslösung zu bestimmen. Insolvenzrechtlich interessant ist der Finanzplan darüber hinaus, weil ohne ihn die Herausführung eines Unternehmens aus der Krise praktisch nicht möglich ist, so daß er für die Krisenbewältigung unentbehrlich ist und insoweit, falls es zur Krise kommt, bereits eine wertvolle Vorarbeit darstellt. 464
4. Insolvenzprophylaxe
Das Thema Insolvenzprophylaxe kann vorerst nur angeschnitten werden, indem - unter a) - ihre Vorteile und - unter b) - das Problem ihrer praktischen Umsetzung angesprochen werden. Darauf, wie eine wirkungsvolle Insolvenzprophylaxe aussehen kann, komme ich später465 zurück.
a) Vorteile
Zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Insolvenzauslösung zählt die Erkenntnis, daß es besser ist, Insolvenzen zu vermeiden, als Insolvenzen abzuwickeln. Denn aufgrund der möglichen Diskretion unterbleiben Warnsignale an die Geschäftspartner, die sonst zu Abschlägen beim Unternehmenswert führen. 466 Insolvenzprophylaxe ist daher "eine Aufgabe, die mit der Unternehmensgründung einsetzt und permanent latent vorhanden,,467 bleibt. 468 Das darf nicht mit einem Insolvenzverhütungsverfahren verwechselt werden, wie es in der Diskussion über die Insolvenzrechtsreform gelegentlich gefordert wurde. 469 Der Unterschied besteht darin, daß die Insolvenzprophylaxe eine unternehmensinterne Aufgabe ist, von der daher noch keine Warnsignale an außenstehende Dritte ausgehen. 47o Sie dient vielmehr der Vorwarnung derjenigen, die für die Geschicke der Unternehmung verantwortlich sind. 463 Wirte (1963), S. 77; ebenso Vodrazka (1977), S. 69. Folgerichtig heißt es bei Gutenberg (1980), S. 292: ..Finanzierungsschwierigkeiten sind mehr das Ergebnis unzureichender Finanzplanung auf nahe und weite Sicht als das Resultat von Verstößen gegen Bilanzregeln." 464 Vgl. Me1chers (1995), S. 130. 465 Unten unter E.III.3. 466 Vgl. dazu oben unter C.III.2. sowie unter C.I.4.a)bb)(2). 467 Hantschel (1993), S. 31. 468 Ähnlich K. Schmidt (1982a), S. 0122: ..Jnsolvenzverhütung ist in erster Linie unternehmerische Führungsaufgabe." Vgl. auch Schmalenbach (1956), S. 33 f.; Jacobs (1986), S. 166; Hantschel (1993), S. 31. 469 So insbesondere die Thesen 4-6 der JG Metall, in: IG-Metall (1982), S. 9 f. 470 Ausführlich gegen ein Insolvenzverhütungsverfahren Kommission für Insolvenzrecht (1985), S. 154 f., und K. Schmidt (1990a), S. 196 ff.
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
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Die Selbstprüfung darf aber auch nicht verwechselt werden mit der insbesondere von K. Schmidt aus § 43 GmbHG abgeleiteten Pflicht der Gesellschaftsorgane zur rechtzeitigen und energischen Einleitung von Maßnahmen zur Rettung eines sanierungsbedürftigen und sanierungsfähigen Unternehmens. 471 Denn diese Pflicht ist etwas anderes als die hier geforderte Selbstprüfung. Letztere geht der Pflicht zur Einleitung von Sanierungsmaßnahmen nämlich insofern voraus, als sie dazu anhält, sich überhaupt erst einmal einen zutreffenden Informationsstand zu verschaffen. Erst wenn dieser vorliegt, können Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit beurteilt werden. Und erst dann ist die Frage spruchreif, ob Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden sollen und ob die Gesellschaftsorgane gegebenenfalls hierzu verpflichtet sind. Neben einer frühzeitigen Information der Gesellschaftsorgane über den tatsächlichen Zustand des Gesellschaftsunternehmens, könnte eine Selbstprüfung dazu beitragen, den nach allgemeiner Meinung bestehenden Mangel zu beheben, wonach die Drei-Wochen-Frist gern. § 64 I I GmbHG zu kurz bemessen sei, um eventuelle Vergleichsaussichten zur Abwendung eines Konkursverfahrens beurteilen zu können. 472 Denn bei permanenter Selbstprüfung wird die wahre Lage nicht erst mit Eintritt der Insolvenzreife offenbar, sondern bereits lange zuvor.
b) Problem
Entscheidend ist allerdings, daß die Aufgabe der Insolvenzprophylaxe auch tatsächlich wahrgenommen wird. 473 Es bedürfte dazu einer ständigen Selbstprüfung durch die Verantwortlichen. 474 Zu einer Selbstprüfung wird es allerdings nur kommen, wenn ein Anreiz besteht, sich über die wirkliche Lage der Unternehmung ein zutreffendes Bild zu machen, um so dem schlimmsten Feind eines jeden Kaufmannes, nämlich der Zuversicht in die am seidenen Faden hängende Hoffnung, entgegenzuwirken. Hier müßten Bemühungen um eine Insolvenzprophylaxe ansetzen. Entsprechende Anreize fehlen jedoch im deutschen Recht. 475 So ist etwa die Dar471 Ders. (l982a), S. 0122 f.; ders. (l978b), S. 663; ders. in ScholzlK. Schmidt (1995), § 64 Rn. 12. 472 So GottwaldlUhlenbruck (1990), § 7 Rn. 4. 473 Vgl. Hopt (1986), S. 31 ff., der zur Durchsetzung an Strafvorschriften, Berufsverbote, Schadensersatzpflichten und eine Durchgriffshaftung denkt. Vgl. auch K. Schmidt (1982c), S. 173; Hodemacher (1956), S. 84. 474 K. Schmidt (1990a), S. 195 f.; Kölsch (1988), S. 64; Wöhe (1993), S. 780. - Bretzke (1985), S. 414 ff., sieht eine entsprechende Verpflichtung mit der Aufnahme des Tatbestandsmerkmales der drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 283 StGB bereits nach geltendem Recht als gegeben an. Allerdings begegnet es erheblichen systematischen Zweifeln, ob das Konkursstrafrecht der Ort sein kann, an dem der Gesetzgeber eine Selbstprüfungspflicht im Wege der prospektiven Finanzplanung normieren wollte. 475 Anders das französiche Recht: In Frankreich sind zumindest größere Unternehmen zu einer vorausschauenden Finanzplanung verpflichtet, vgl. loi No. 84-148 du ler mars 1984
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C. Prämissen
stellung der Finanzlage, obwohl ihr hinsichtlich einer Selbstprüfung zentrale Bedeutung zukommt 476 , in den §§ 264 I 2, 297 11 2 HGB nur rudimentär geregelt477 , während die Wiedergabe der Vermögenslage in der Bilanz und der Ertragslage in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung bis ins einzelne vorgeschrieben ist. Dies führt, wie ich in Gesprächen mit Praktikern des Rechnungswesens immer wieder bestätigt fand, dazu, daß zahlreiche Unternehmen, und zwar bei weitem nicht nur Kleinbetriebe, eine ungenügende Finanzplanung betreiben.
5. Wirkung einer Beschränkung von Kreditsicherheiten
Im Rahmen der Reformdiskussion um die neue InsO ist im Zusammenhang mit einer möglichen Beschränkung von Kreditsicherheiten immer wieder der Einwand erhoben worden, daß in folge der damit einhergehenden Steigerung der Kreditkosten die Finanzierungsmöglichkeiten für die Wirtschaft, zumal der mittelständischen, eingeschränkt würden. 478 Argumentationshilfe bietet dabei für manche479 eine 1992 veröffentlichte Untersuchung von Drukarczyk. 480 Sie dient im folgenden als Ausgangspunkt, um sich mit dem erwähnten Einwand näher auseinanderzusetzen. relative a la prevention et au reglement amiable des difficultes des entreprises, abgedruckt im: Journal Officiel, 2 mars 1984, p. 751, Art. 4 - 6; Einzelheiten im Decret No. 85 - 295 du 1er mars 1985, abgedruckt im: Journal Officie1, 5 mars 1985. Im einzelnen haben die Unternehmen vier Planunterlagen zu erstellen und vorzulegen: ein Verzeichnis der flüssigen Vermögenswerte der Gesellschaft sowie ihrer fälligen und fällig werdenden Verbindlichkeiten; eine auf das abgelaufene Geschäftsjahr bezogene Finanzierungsübersicht, aus der hervorgeht, mit welchen Mitteln die Auszahlungen gedeckt wurden; eine vorausschauende Erfolgsrechnung, aus der sich die voraussichtlichen Erträge und Aufwendungen des nächsten Geschäftsjahres ergeben und die im zweiten Geschäftshalbjahr gegebenenfalls anzupassen ist; und einen Finanzplan, der angibt, wie der im laufenden Geschäftsjahr zu erwartende Finanzbedarf gedeckt werden kann (vgl. zu den Einzelheiten Kremer [1994], S. 25 ff. m.z.w.N.). Um sicherzustellen, daß "bei einer ( ... ) erkennbar werdenden wirtschaftlichen Krise des Unternehmens so lange die ,Alarmglocken' läuten, bis die Geschäftsleiter die erforderlich werdenden Sanierungsmaßnahmen getroffen haben" (Kremer [1994], S. 29), sind den Absch1ußpTÜfern, dem Betriebsrat, der Gesellschfterversammlung und dem Präsidenten des Handelsgerichts Initiativrechte zugewiesen, um das Vorwamsystem auslösen zu können (vgl. Kremer [1994], S. 29 ff.). Das Gesetz mißt damit der frühzeitigen internen Kenntnisnahme einer drohenden Unternehmenskrise entscheidende Bedeutung bei. Dabei ist es bestrebt, das Verfahren so diskret wie irgend möglich ablaufen zu lassen. - Vgl. auch Balz (1983), S. 1154 ff., sowie Storp (1984), S. 939 ff., mit einem vollständigen Überblick über das Gesetz Nr. 84-148 vom I. 3. 1984. 476 Vgl. oben unter C.lV.3. 477 Ebenso Jacobs (1986), S. 164. 478 So etwa Fittkau (1982), S. 239; Stoppok (1982), S. 236; Wacket (1992), S. 164 ff.; Karsten (1993), S. 21. 479 Vgl. Obermüller (1993), S. 396; Karsten, aaO. (Fn. 478). 480 Ders. (1992), S. 1139 ff.
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
189
a) Die Untersuchung von Drukarczyk
aa) Gegenstand und Ergebnisse Drukarczyk vergleicht für drei verschiedene Konstellationen einer Kreditvergabe die Barwerte der jeweiligen Deckungsbeiträge481 miteinander. Gemäß seinen Annahmen482 beträgt im ersten Fall bei einem Ausfallrisiko von Null der Barwert des Deckungsbeitrages 75,82. Im zweiten Fall geht er von einem Ausfallrisiko von zwei Prozent und der zusätzlichen Vereinbarung einer voll werthaltigen Kreditsicherung aus. Der Barwert beläuft sich dann auf 73,12. 483 Der dritte Fall unterscheidet sich von Fall 2 nur dadurch, daß er bei einer Insolvenz nach den von der Kommission für Insolvenzrecht vorgeschlagenen Regeln abgewickelt wird. Diese sehen als wesentliches Element zur Beseitigung der Massearmut insbesondere einen Verfahrensbeitrag der mobiliargesicherten Gläubiger in Höhe von 25 Prozent aus dem Minimum des Verwertungserlöses des Sicherungsgutes oder des (niedrigeren) Forderungsbetrages vor. 484 Dabei ergibt sich ein Barwert von nur noch 49,04. 485 Drukarczyk sieht in dem gesunkenen Barwert den "Gewinnverzicht, der ( ... ) dem Kreditgeber allein durch die geplanten Regelungen ( ... ) [sc. zur Einschränkung von Mobiliarsicherheiten] entstünde.,,486 Er unterstreicht seine Ausführungen weiter dadurch, daß er, insoweit zutreffend, die Insolvenzwahrscheinlichkeit als wichtigsten Parameter einstuft und sodann vorrechnet, daß im Fall 3 der Barwert bei einem Ausfallrisiko von 4 Prozent auf 24,07, von 6 Prozent auf 0,81 und von 10 Prozent gar auf -40,97 Prozent sinkt. 487 Daraus folgert er, daß - entgegen der Annahme der Kommission für Insolvenzrecht488 - Kreditverteuerungen als Anpassungsreaktion professioneller Kreditgeber "besonders naheliegend,,489 seien. Um nämlich den gleichen Erfolgsbeitrag wie im Fall 2 mit seinen zwölf Prozent Kreditzinsen zu erwirtschaften, müsse ein risikoneutraler Kreditgeber im Fall 3 bei einer Insolvenzwahrscheinlichkeit von zwei Prozent einen Kreditzinssatz von 481 Damit wird der Überschuß der Einzelerlöse über die Einzelkosten des jeweiligen Kreditengagements bezeichnet. 482 AaO., S. 1139: Kredit in Höhe von 1000, fünfjährige Laufzeit, endfällige Tilgung, Kapitalbeschaffungskosten von 10%, Kreditzinssatz von 12%. 483 Die Reduzierung des Barwerts trotz vollwertiger Sicherung erklärt sich aus den entgangenen Deckungsbeiträgen des Kredits, falls dieser vor dem vereinbarten Endfalligkeitszeitpunkt infolge eines Insolvenzeintritts glattgestellt werden muß. 484 Kommission für Insolvenzrecht (1985), LS. 3.3.2. 485 Bei folgenden weiteren Annahmen: Wahrscheinlichkeit für Reorganisationsverfahren 10%, für Liquidationsverfahren 90%; Verwertungs- und Zinsstopp für ein Jahr; Kosten für Verfahrensteilnahme in Höhe von 1% der Forderung; Kürzung der Forderung gern. Reorganisationsplan um 10%. 486 Ders. (1992),S.1140. 487 Ders. (1992), S. 1140 (Tab. I). 488 Dies. (1985), S. 300 ff. 489 Ders. (1992), S. 1140.
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C. Prämissen
12,67% fordern, der dann bei einer Steigerung der Insolvenzwahrscheinlichkeit auf vier, sechs bzw. zehn Prozent sprunghaft auf 13,33%, 14,01 % bzw. 15,39% steige. 490 Schließlich untennauert er seine Aussage mit einer empirischen Untersuchung, die auf der hypothetischen Prämisse beruht, daß die Regeln der Kommission für Insolvenzrecht bereits in Kraft seien. 491 Darin kommt er zu dem Ergebnis, daß - unter der gesetzten Prämisse - 62,1 Prozent des in die Untersuchung einbezogenen Kreditvolumens "als von Anpassungsmaßnahmen der Kreditinstitute bedroht" gelten müßten. 492
bb) Stellungnahme Es muß bezweifelt werden, ob die von Drukarczyk gezogenen Folgerungen zutreffend sind. So beruht das von Drukarcyk entwickelte Szenario eines Absinkens der Barwerte für den Deckungsbeitrag eines Kredits bei eingeschränkten Kreditsicherheiten ganz maßgeblich auf einer höchst unwahrscheinlichen Annahme über das Ausfallrisiko. Denn selbst bei der äußerst insolvenzanfälligen Rechtsfonn der GmbH kamen in dem - einen Insolvenzboom verkörpernden - Jahr 1995 auf 10.000 GmbHs nur 235 Insolvenzen, was einem Insolvenzwahrscheinlichkeit von lediglich 2,35 Prozent entspricht. 493 Soweit also Drukarczyk mit weit höheren Ausfallrisiken operiert, entbehren die daraus gezogenen Folgerungen, insbesondere hinsichtlich der erheblichen Kreditverteuerungen, des Realitätsbezuges. Doch auch bezüglich der empirischen Untersuchung bestehen Bedenken. Diese gründen sich vor allem auf das methodische Vorgehen. Drukarczyk versucht nämlich, die durch Befragung von Kreditanalysten - unter Zugrundelegung einer hypothetischen Prämisse - gewonnenen empirischen Daten zu objektivieren, um so dem "Vorwurf interessengebundener Zuordnungsentscheidungen,,494 entgegenzutreten. Sein Objektivierungsversuch besteht darin, daß er mit Hilfe der sog. linearen Diskriminanzanalyse bestrebt ist, eine "Trenn funktion zu konstruieren, die die Zuordnungsentscheidungen der Analysten ( ... ) begrundbar nachzeichnet.,,495 Damit handelt es sich aber um eine petitio principii, da die Wahrheit der empirisch gewonnenen Aussage als Prämisse vorausgesetzt wird. Die erforderliche Objektivierung empirisch gewonnener Antworten auf eine Frage, die einen hypothetischen Sachverhalt zugrunde legt, kann so nicht erreicht werden. Vers. (1992), S. 1141 (Tab. 2). Vers. (l992),S.1141 ff. 492 Zitat und Beleg bei Vrukarezyk (1992), S. 1144. 493 Vgl. die Angaben oben unter B.II.I.a). 494 Vers. (1992), S. 1142. 495 Ebd. (Hervorhebung durch A.F.). - Ebenso aaO., S. 1143: Erst "entschieden Kreditana1ysten ( ... ) über die Zuordnung der ( ... ) Kreditnehmer ( ... ). Im Anschluß erfolgte die Rekonstruktion der getroffenen Zuordnungsentscheidungen mittels der Diskriminanzana1yse." (Hervorhebung durch A.F.). 490
491
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
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Des weiteren besagt die Feststellung, daß ein erheblicher Prozentsatz der Kreditengagements von Anpassungsmaßnahmen betroffen sei, für sich genommen kaum etwas aus, so lange nicht gesagt wird, welcher Art diese Anpassungsmaßnahmen sind. Drukarczyk spricht hier nur allgemein von "veränderten Konditionen".496 Diese können aber zum Beispiel auch darin bestehen, daß der Kreditnehmer aufgrund ansonsten steigender Kreditkosten veraniaßt wird, andere als die bisherigen Informationen für die Kreditvergabe und -kontrolle zur Verfügung zu stellen. 497 Im übrigen sind Anpassungsmaßnahmen ja gerade das Ziel einer Beschränkung der Kreditsicherheiten. Um nicht mißverstanden zu werden: Es sollen weder die konkreten Vorschläge der Kommission für Insolvenzrecht gutgeheißen werden 498 , noch soll einer Kreditverteuerung das Wort geredet werden. Es geht aber darum, zu einer Kreditvergabepraxis zu kommen, bei der gesicherte Gläubiger durch ihre Kreditvergabe einen unabwendbaren finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß nicht noch weiter verlängern. Denn es vermag nicht einzuleuchten, weshalb es in einer solchen Situation den gesicherten Gläubigem möglich sein soll, an einer Kreditvergabe zu verdienen, während die Befriedigungsansprüche der ungesicherten Gläubiger zugleich gegen Null sinken. Mit anderen Worten: das bloße Erfordernis von Anpassungsmaßnahmen besagt noch nichts über deren Qualität. Insofern erscheint es voreilig, wenn Drukarczyk davon spricht, daß Kreditengagements von Anpassungsmaßnahmen "bedroht,,499 seien, und damit ausschließlich Kostensteigerungen meint. In dem Zusammenhang stört auch, daß Drukarczyk, der seine empirische Untersuchung bei drei verschiedenen Kreditinstituten vornahm, nicht erläutert, wie sich die zum Teil erheblichen Abweichungen zwischen den einzelnen Instituten erklären. 5OO
b) Juristische Meinungsäußerungen
Aus der Vielzahl der Aussagen des juristischen Schrifttums zu der Wirkung einer Einschränkung von Kreditsicherheiten werden im folgenden stellvertretend vier herausgegriffen. 50l So meint K. Schmidt, daß ein die "Kreditgewährungspraxis Ders. (1992), S. 1142. Zu denken ist an Informationen, die eine verbesserte Einschätzung des Kreditrisikos erlauben. Drukarczyk (aaO., S. 1144) erwähnt insofern Informationen über die Kapitalstruktur, Umschlagsgeschwindigkeiten oder Leistungen bei der Generierung von Zahlungsüberschüsen (Cash-f1ow). 498 Sie werden unten unter D.IV.3., insbes. unter c)dd) diskutiert. 499 Ders. (1992), S. 1144. 496
497
500 Vgl. dazu ders. (1992), S. 1143 (Tab. 3 und 4). So schwankt die Einordnung von Kreditengagements, bei denen es zu keiner Änderung der Konditionen komme (Klasse I), gemessen am Kreditvolumen zwischen 51,2% bei Bank I und 23,2% bei Bank 3 (aaO., Tab. 4). Ursächlich hierfür kann etwa eine unterschiedliche Risikobereitschaft der jeweiligen Bank und ein entsprechend unterschiedliches Kreditportefeuille sein. Bei risikoreichem Portefeuille sind Anpassungsmaßnahmen dann eher wahrscheinlich, aber womöglich auch sinnvoll.
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C. Prämissen
vereitelnder Eingriff in die Institutionen des Kreditsicherungsrechts rechtspolitisch nicht vertreten werden kann.,,502 Ähnlich bemerkt Hanisch, daß "berechtigter Kredit mangels Sicherheit nicht abgeschnürt,,503 werden dürfe. So wird denn auch von Binzl Hess der entscheidende Vorzug der Mobiliarsicherheiten - zu Recht - darin gesehen, daß "sie es einem Personenkreis, der nicht über ausreichendes eigenes Kapital verfügt, ermöglichen, sich Kredit zu verschaffen, um ein Unternehmen gründen und notwendige Investitionen tätigen zu können.,,504 Und schließlich meint Stürner, daß die Finanzierungsbeiträge zugunsten des Schuldners nur von gesicherten Gläubigem kämen, weshalb die Kreditsicherheiten nicht angetastet werden dürften, um die Leichtigkeit des Kapitalflusses nicht zu beeinträchtigen. 50s Denn es handele sich bei den ungesicherten, nur um ",trittbrettfahrende' Gläubiger ( ... ), die ( ... ) ohne die Kapitalvorgabe überhaupt nie Gelegenheit zum Geschäft gehabt hätten. ,,506
Was die Ansicht von Stürner angeht, ist darauf hinzuweisen, daß er sie ohne jede empirische Absicherung äußert. Demgegenüber ergibt eine zwischenzeitlich durchgeführte empirische Untersuchung, daß bei gesunden Unternehmen - selbst unter der Prämisse einer fünfzigprozentigen Übersicherungsmarge bei Bankkrediten - der Anteil des durch Sicherheiten belegten Vermögens nur bei 59,2 Prozent liegt. 507 Das Kapital kommt also zu erheblichen Teilen auch von ungesicherten Gläubigem. Stürners Argument für eine Unangreifbarkeit der Kreditsicherheiten ist demnach nicht haltbar. Was die Ansichten von K. Schmidt und Hanisch angeht, so kann man ihnen in ihrer Allgemeinheit kaum widersprechen. Nur lassen sie infolgedessen auch offen, unter welchen Umständen denn ein "vereitelnder Eingriff' oder ein "berechtigter Kredit" vorliegt. Zur näheren Einkreisung des Problems, ob, oder bejahendenfalls wann, eine Beschränkung der Kreditsicherheiten negative Auswirkungen auf die Kreditvergabepraxis habe, geben sie daher wenig her. Auch sonst sucht man im juristischen Schrifttum vergeblich nach Konkreterem, das über die Aussage, daß eine Abschaffung der Kreditsicherheiten ausscheidet, hinausgeht. Es wird daher im folgenden versucht, dem Problem von betriebswirtschaftlicher Seite beizukommen.
501 Es ergeben sich dabei Überschneidungen zu den rechtlichen Grenzen zulässiger Kreditvergabe; vgl. insoweit oben unter C.II.8. 502 Ders. (1982a), S. D54 (Hervorhebung auch im Original). 503 Ders. (1977), S. 13 (Hervorhebung durch A.F.). 504 Dies. (1987), S. 8. 505 Ders. (1981), S. 270 f. 506 Stürner (1981), S. 270. 507 Drukarczyk/Duttle/Rieger (1984), S. 53 ff. und S. 108 (unter 7.); vgl. auch bereits oben unter B.l1.2.c).
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
193
c) Ökonomische Analyse
Die Beantwortung der Frage, ob eine Beschränkung von Kreditsicherheiten zu eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten führt, hat im betriebswirtschaftlichen Schrifttum einige Beachtung gefunden. so8 Soweit dabei modelltheoretische Überlegungen dazu führen, daß eine weitgehende Beibehaltung der Kreditsicherheiten empfohlen wird, beruht dies jedoch auf Modellannahmen, in denen "das zu lösende Problem von vornherein wesentlich abgeschwächt ist. "S09 SO wird mit der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes operiert, ferner soll es etwa möglich sein, ein Unternehmen auch in der Insolvenz zum Fortführungswert zu verkaufen oder es wird eine kosten- und problemlose Aufteilung eines gegebenen Marktwertes angenommen. SIO Vor solcher Maßen wirtschaftswissenschaftlich begründeten rechtspolitischen Empfehlungen ist daher Vorsicht geboten. Eher erscheint es sachgerecht, an eine bereits oben getroffene Feststellung anzuknüpfen. 511 Danach sind Kreditsicherheiten nur aus der Perspekive des einzelnen gesicherten Gläubigers "Quellen der Sicherheit"s12. Auf die Gesamtheit der Gläubiger gesehen sind sie jedoch vor allem Regelungen der Risiko(um)verteilung. Es ist das - zu wenig beachtete - Verdienst von R. H. Schmidt darauf hingewiesen zu haben, daß die Frage nach den Auswirkungen eingeschränkter Kreditsicherheiten auch eine zeitliche Dimension hat und daß sich daraus eine wichtige Erkenntnis ergibt. S13 Es muß nämlich eine Ex-ante- und eine Ex-post-Sicht unterschieden werden: "Ex post, d. h. vom Insolvenzzeitpunkt her betrachtet, ist die Entscheidung über die Abschwächung von Gläubigerrechten eine Entscheidung in einem Konflikt zwischen Personen, hier zwischen Gläubigergruppen. Ex ante [d. h. vom Zeitpunkt der Finanzierung aus betrachtet] ist die Frage der Abschwächung von Gläubigerrechten aber kein interpersonaler Konflikt, sondern ein Abwägen zwischen zwei gegenläufigen Effekten."s14 Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß Vermögen, das den gesicherten Gläubigem als Haftungssubstrat zugewiesen ist, den ungesicherten Gläubigem nicht zur Verfügung steht und umgekehrt diese den Zugriff haben, soweit Vermögen den gesicherten Gläubigem entzogen ist. Anders ausgedrückt, konkurrieren ex ante zwei unterschiedliche Risikoverteilungsregeln miteinander: zum einen die Gleichverteilungsregel der par condicio creditorum, zum anderen die "Prioritätsregel"S15 der Kreditsicherheiten. Wenn nun behauptet wird, 508 Vgl. Drukarczyk (1983), S. 328 ff.; Schildbach (1983), S. 2131 ff.; R.H. Schmidt (1984), S. 728 ff.; Swoboda (1983), S. 19 ff. 509 R.H. Schmidt (1984), S. 732. 5\0 Ausführlich hierzu R.H. Schmidt (1984), S. 730 ff.; vgl. auch ders. (1980), S. 41 ff. Methodenkritisch auch EIsehen (1987), S. 215 ff. 511 Unter C.II.8.; vgl. auch unter c.I.3.c)aa)(1). 512 Hopt (1984), S. 747 f. 513 Ders. (1984), S. 732 f. 514 R.H. Schmidt (1984), S. 732. m Burger/Schellberg (1995e), S. 416.
13 Förster
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C. Prämissen
eine Beschränkung der Kreditsicherheiten beschneide die Finanzierungsmöglichkeiten, so bezieht sich diese Aussage ausschließlich auf die Ex-post-Sicht der gesicherten Gläubiger. Sie mißachtet, daß das Volumen der Fremdfinanzierungsmöglichkeiten nicht vom Volumen der konkurs festen Kreditsicherheiten abhängt, denn diese sind aufs ganze gesehen gerade keine Quellen der Sicherheit, sondern Risikoverteilungsregeln. Entscheidend ist vielmehr das Risiko, das die Gläubiger insgesamt zu tolerieren bereit sind. Dieses hängt aber von der künftigen Schuldendeckungsfähigkeit, d. h. der Ertragsstärke des Unternehmens ab. Mit anderen Worten: Sofern Kreditsicherheiten werthaltig sein sollen, kann die Gesamtverschuldungsfähigkeit einer Unternehmung durch Kreditsicherheitenvergabe nicht gesteigert werden. Die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, Kreditsicherheiten einzuschränken, hängt damit davon ab, welches Mindestmaß an Rechten man den ungesicherten Gläubigern zugestehen will. Insoweit wurde bereits herausgearbeitet, daß zumindest sichergestellt sein muß, daß es zu einem Insolvenzverfahren kommt. 516 Gegen den Gedanken, wonach es bei der Abschwächung von Sicherungsrechten lediglich um die Abwägung gegenläufiger Effekte geht, läßt sich verschiedenes zum Teil berechtigt - einwenden. Der Gedanke kann dadurch weiter konkretisiert werden. So besteht ein möglicher Einwand darin, daß durch eine Beschränkung der Kreditsicherheiten der Art nach der Kreditspielraum nachteilig eingeschränkt würde. Formuliert man das Argument so, sticht es allerdings nicht. Denn eine Beschränkung des Kreditspielraums der gesicherten Gläubiger erweitert zugleich den der ungesicherten. Der Einwand ließe sich allerdings modifizieren, indem man sagt, daß wegen der mit ungesicherten Krediten einhergehenden höheren Informationsbeschaffungskosten der Kredit teurer würde. Das ist wohl zutreffend. Der Art nach sollte man die Kreditsicherungsmöglichkeiten also nicht einschränken. Weiter ließe sich einwenden, daß eine Beschränkung der Wirksamkeit von Kreditsicherheiten zu erhöhten Kreditkosten infolge gesteigerter Überwachungsmaßnahmen für Kreditengagements führt und daß dadurch die Finanzierungsmöglichkeiten verschlechtert würden. 51 ? Hier ist zu unterscheiden. Der Einwand ist zutreffend, soweit er sich auf gestiegene Überwachungsmaßnahmen infolge einer möglicherweise eintretenden Unwirksamkeit der Kreditsicherheit während der Kreditlaufzeit, also nach Kreditvergabe, bezieht. Denn hier senken Kreditsicherheiten die Transferkosten für die Informationsbeschaffung erheblich. 518 Dieser Effekt würde durch eine nach Kreditvergabe eintretende Unwirksamkeit von Kreditsicherheiten zunichte gemacht. ~16 Vgl. oben unter B.lV. - Zur Obergrenze für eine Einschränkung von Kreditsicherheiten siehe unten unter E.II.3.c)bb). m Vgl. etwa Adams (1980), S. 25 f.: "Der Zwang zu erhöhter Wachsamkeit ist deshalb unerwünscht, da er für die Gläubiger mit erhöhtem realen Kostenaufwand verbunden ist, der auch gesamtwirtschaftlich eine sinnlose Ressourcenverschwendung darstellt." ~18 Dazu oben unter C.I.2.a).
IV. Ökonomische Rahmenbedingungen
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Soweit es allerdings darum geht, daß Kreditsicherheiten - in Abhängigkeit von einem bestimmten kritischen Unternehmenszustand - bezogen auf den Zeitpunkt der Kreditvergabe von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr wirksam bestellt werden können, liegen die Dinge anders. Hier sollte auch ein Gläubiger, der sich besichern möchte, die Kreditwürdigkeit seines Schuldners und die Werthaltigkeit der angebotenen Sicherheiten überprüfen, wenn er vermeiden möchte, daß er trotz Vereinbarung einer Kreditsicherheit letztlich leer ausgeht. 519 Darüber hinaus hängt die Frage, ob es zu Kreditverteuerungen kommt, nicht allein davon ab, ob in der Sache zusätzliche oder erweiterte Kreditprüfungen erforderlich sind. Denn maßgeblich bestimmen sich deren Kosten auch nach dem Aussagehalt der vom Schuldner zur Verfügung gestellten Informationen, insbesondere deren Umfang und Verläßlichkeit. Je mehr es - etwa aufgrund entsprechender Rechtsetzung - gelingt, den Schuldner dazu anzuhalten, insoweit geeignete Informationen zur Verfügung zu stellen, desto geringer fällt der Aufwand für entsprechende Kreditprüfungen aus. Der Gedanke zeigt, daß "vielfältige Anpassungsreaktionen,,520 möglich sind, die keinesfalls nur in der Verteuerung von Krediten bestehen müssen. 521 Zumindest soweit man eine Beschränkung von Kreditsicherheiten in ihrem zeitlichen Wirksamkeitsbereich erwägt und dabei auf den Zeitpunkt der Kreditvergabe abstellt, muß dem nicht der Einwand verschlechterter Finanzierungsbedingungen entgegenstehen. Das Argument von den verschlechterten Finanzierungsmöglichkeiten infolge abgeschwächter Kreditsicherheiten ist daher jedenfalls in seiner Pauschalität ein "ökonomisches Scheinargument,,522.
6. Marktwirtschaftliehe Bedingungen
Innerhalb der Darstellung der ökonomischen Rahmenbedingungen für einen wirksamen Insolvenzauslösemechanismus soll als letztes auf zwei spezifisch marktwirtschaftlichen Aspekte hingewiesen werden. Der eine ließe sich schlagwortartig mit ,Recht als wirtschaftlicher Ordnungsrahmen • beschreiben. Denn das "Erfordernis, Verfügungsrechte 523 präzise zu bestimmen sowie Exklusivität und Durchsetzbarkeit zu gewährleisten, ist eine notwendige Bedingung für das Funktionieren sämtlicher Märkte,,524, auch der Kreditmärkte. Zwar stellt sich nach dem 519 Vgl. zur Begründung am Beispiel der Warenkreditgläubiger oben unter C.I.2.b) sowie Kilger (1975), S. 157: "Der Konkurs des Konkurses verschlingt auch die Rechte derjenigen, die durch extreme Ausdehnung von Sicherungsrechten ( ... ) das Konkursverfahren selbst pervertiert haben." 520 R.H. Schmidt (1984), S. 732. 521 Vgl. auch Franke (1984a), S. 172, zu den mit einer derartigen Rechtsänderung verbundenen Antizipationseffekten. sn R. H. Schmidt (1984), S. 732. 523 Im Sinne des Property-Rights-Ansatzes, dazu oben vor C.!. in Fn. 3. 524 Dorndorj/Frank(l985), S. 71. 13'
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C. Prämissen
Coase-Theorem S2S unabhängig von der ursprünglichen Zuordnung der Verfügungsrechte immer eine ressourceneffiziente Verteilung ein, doch gilt dies nur bei niedrigen Transaktionskosten. Da es aufgrund der schon erwähnten Informationsasymmetrien zwischen Gläubigem und Schuldner hieran fehlt, werden negative externe Effekte begünstigt. Einzelne Wirtschaftssubjekte versuchen dabei, ihr Geschäftsrisiko auf Dritte zu verlagern. Ein wirksames Mittel um das zu verhindern, besteht in der Kongruenz von Verfügungs möglichkeit und HaftungS26 , indem nämlich die Haftung präventiv der Abwehr von Schädigungsmöglichkeiten dient S27 . Allerdings darf die Haftung nicht dazu führen, daß die Effizienzvorteile, wie sie sich aus der Haftungsbeschränkung bei der GmbH ergeben, ihrerseits zunichte gemacht werden. s28 Vielmehr ist eine Lösung zu suchen, die für die Gesamtheit der Beteiligten möglichst effizient ist.s29 Der zweite Aspekt der unter marktwirtschaftlichen Vorzeichen zu beachten ist, besteht darin, daß die Funktionen von Angebot und Nachfrage auf privatautonomen Entscheidungen beruhen. Diese Entscheidungen sind wirtschaftlicher Natur. Das bedeutet, der "Unternehmer entscheidet ins Ungewisse".s3o Dabei kann es zu Irrtümern und Fehleinschätzungen kommen. Daher sind auch ,,(s)trukurelle Bedingungen ( ... ) der Grund für Insolvenzen, die sich auch bei höchster (Markt-)Transparenz, bei individuellem Vermögensrisiko und / oder optimalem Management einstellen."s31 Mit anderen Worten: Insolvenzen sind nicht vollständig vermeidbar. Es gilt, sich des Umstandes bewußt zu sein, daß der Unternehmer ex ante entscheiden muß, während "der später urteilende Jurist weiß, wie die Dinge gelaufen sind."s32 Der Lösungsvorschlag muß daher einen Weg zwischen Laissez-faire und pedantischer Besserwisserei finden.
Dazu Schäfer/Ott (1995), S. 80 ff. Vgl. dazu R. H. Schmidt (1980), S. 61 ff.; Hax/ Marschdorf(l983), S. 125; Marschdorf (1984), S. 188 f.; M. Lehmann (1986), S. 357; Roth (l993a), S. 180 f.; ausführlich m.z.w.N. Wiedemann (1980), S. 543 ff., insbes. S. 545 f. 527 Dieser Gesichtspunkt wird von Hommelhoff(l984), S. 700, außer acht gelassen. 528 Vgl. dazu das Beispiel bei Schäfer/Ott (1995), S. 181, das sich sinngemäß auf die GmbH übertragen läßt. 529 Ähnlich auch Adams (1980), S. I: "Die entscheidende Aufgabe einer Rechtsordnung, die sich der Freiheit ihrer Mitglieder verpflichtet hat, besteht darin, dafür zu sorgen, daß ein Preissystem entstehen kann, das verhindert, daß privater und sozialer Ertrag der Individuen auseinanderfallen." Vgl. auch Schäfer / Ott (1995), S. 100 m. W.N. 530 Wüst (1985), S. 818. Ähnlich Dorndorf/ Frank (1985), S. 72: "Auf allen Märkten ( ... ) stellt sich das Problem von Entscheidungen unter Unsicherheit." 531 Knieper (1977), S. 625. m Wüst (1985), S. 818. S2S
526
V. Resümee
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V. Resümee: Erste Anhaltspunkte für einen sachgerechten Insolvenzauslöser
Bislang wurden die Rahmenbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht erörtert. Dadurch wurden Maßstäbe gewonnen, anhand derer die Regelungen, die für eine rechtliche Bewältigung von Insolvenzsituationen bestehen, im weiteren Verlauf der Arbeit auf ihre Tauglichkeit untersucht werden können. Bevor ich damit beginne, sollen die bisherigen Ergebnisse, soweit noch nicht geschehen s33 , zusammengefaßt werden. I. Aus Gründen der Rechtssicherheit muß einerseits vorhersehbar sein, unter welchen Voraussetzungen es zu einem Insolvenzverfahren kommt; andererseits erfordert der permanente Wandel des Wirtschaftslebens die Anpassungsfahigkeit eines Insolvenzauslösers. Dieser Zielkonflikt läßt sich nur lösen, indem die zugrunde liegenden Wertungen in ein beweglichen System eingebunden werden. Recht und Ökonomie müssen dabei synästhetisch betrachtet werden. 2. Der Anspruch auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz erfordert, daß zumindest die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens gewährleistet ist. 3. Sofern Kreditsicherheiten werthaltig sein sollen, kann die Gesamtverschuldungsfähigkeit einer Unternehmung durch die Bestellung von Kreditsicherheiten nicht gesteigert werden. 4. Wenn es nicht durch die Hintertür zur Wiedereinführung des durch die Gesamtvollstreckung beseitigten und die Einzelzwangsvollstreckung kennzeichnenden Prioritätsprinzips kommen soll, kann die Besicherbarkeit von Krediten nur innerhalb bestimmter Grenzen zulässig sein. 5. Bei einer Beschränkung von Kreditsicherheiten muß auf den Zeitpunkt der Bestellung abgestellt werden. 6. Einem Gläubiger muß es freistehen, zu entscheiden, ob und bejahendenfalls, wann ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden soll. 7. Die lustiziabilität eines Insolvenzauslösers erfordert, daß dieser eindeutig und einfach darzulegen und zu beweisen, resistent gegen Manipulationen, wohldefiniert und für die Gläubiger erkennbar ist. 8. Aus Gründen des Schuldnerschutzes darf es nur dann zu einem Insolvenzverfahren kommen, wenn die Gläubiger tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind. 9. Die Sozialbindung der GläubigersteIlung verlangt, daß die Forderung, auf die ein Insolvenzantrag gestützt wird, im Vertrauen auf die Solvenz der GmbH begründet wurde. 533 Vgl. insoweit die Zusammenfassung der Untersuchung über die zwischen den Beteiligten bestehende Konfliktstruktur oben unter C.!.7.
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C. Prämissen
10. Der theoretisch sachgerechte und durch die Relation "Wert des Fremdkapitals größer als das Maximum aus Fortführungs- oder Nettozerschlagungswert" gekennzeichnete Insolvenzauslöser ist praktisch nicht zu konkretisieren. 11. Zwischen den Merkmalen Bestimmtheit und Effektivität eines Insolvenzauslösetatbestandes besteht ein Zielkonflikt. Er kann gelöst werden, indem je nach Situation des Gesellschaftsunternehmens entweder der eine oder der andere Aspekt im Rahmen des Insolvenzauslösemechanismus stärker gewichtet wird. 12. Ein rational handelnder Schuldner wird nur dann vertragsbrüchig, wenn die Kosten der Zahlungseinstellung kleiner sind als seine Rückzahlungsverpflichtungen. Bei der Ausgestaltung von Sanktionen muß dieser Zusammenhang beachtet werden. 13. Das Regelungssystem zur Insolvenzauslösung muß wettbewerbsneutral sein. 14. Aus der Sicht insolvenzantragswilliger Gläubiger, der öffentlichen Hand und der Gesellschaftsorgane sollten die Kosten für die Ingangsetzung eines Insolvenzverfahrens möglichst niedrig sein. 15. Zu den entscheidenden Existenzbedingungen einer Unternehmung gehört die jederzeitige Liquidität und die langfristige Deckung aller Aufwendungen. 16. Anhand eines Finanzplans kann im vorhinein der Zeitpunkt bestimmt werden, zu dem die Existensbedingungen der Unternehmung nicht mehr eingehalten werden können, weil die zwingend flilligen Zahlungsverpflichtungen dauerhaft größer werden als die verfügbare Zahlungskraft. Dadurch ist es prinzipiell möglich, einen finanzwirtschaftlichen Erstikungsprozeß bereits zu einem Zeitpunkt zu beenden, in dem die weitere Zuführung von Liquidität diesen nur noch verlängert, aber nicht mehr verhindert. 17. Je nach Herkunft der für den Betrieb des Gesellschaftsunternehmens erforderlichen Liquidität kann zwischen güterwirtschaftlicher, verliehener, zukünftiger und antizipierter Liquidität unterschieden werden. Für die Zwecke dieser Arbeit ist die güterwirtschaftliche Liquidität aus der Desinvestition von Betriebsvermögen und die verliehene Liquidität, nämlich die Beleihung vorhandener Güterbestände durch gesicherte Kreditvergabe, von besonderem Interesse. 18. Sanierungsversuche und Insolvenzprophylaxe müssen möglichst diskret stattfinden. Denn nur so unterbleiben Warnsignale an die Geschäftspartner des GeseIlschaftsunternehmens, die sonst zu Abschlägen beim Untemehmenswert führen können. 19. Insolvenzprophylaxe setzt eine ständige Selbstprüfung der Gesellschaft voraus.
D. Analyse: Tauglichkeit rechtlicher Lösungskonzeptionen zur Insolvenzbewältigung In die nachfolgende Analyse rechtlicher Lösungskonzeptionen zur Insolvenzbewältigung werden diejenigen Ansätze einbezogen, die für den Fall, daß sich ein Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, wirksam werden können. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich mit dem dieser Arbeit zugrunde gelegten weiten Insolvenzrechtsbegriff, wonach das Insolvenzrecht nicht nur auf die Abwicklung von Insolvenzen, sondern, soweit möglich, auch auf deren Abwendung zielt. Die Gesamtheit der einbezogenen Ansätze kann daher als Regelungssystem zur Bewältigung von Unternehmenskrisen verstanden werden. Die zentrale Frage ist im folgenden, inwieweit die einzelnen Systembausteine den dargelegten Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht 1 gerecht werden. Dabei werden zuerst die insolvenzrechtlichen Regelungen überprüft (unter 1.), danach (unter 11.) die gesellschaftsrechtlichen, anschließend (unter ill.) die infonnationsrechtlichen und darauf (unter IV.) die haftungsrechtlichen Nonnenkomplexe. Die Einteilung dient dabei mehr der Übersichtlichkeit als einer präzisen Systematik. Schließlich werden die Ergebnisse (unter V.) zusammengefaßt.
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
Wegen ihrer zentralen Bedeutung für die Insolvenzauslösung werden zu Beginn die Insolvenzeröffnungsgründe Zahlungsunfahigkeit (unter 1.), Überschuldung (unter 2.) und drohende Zahlungsunfähigkeit (unter 3.) analysiert. Daran anschließend betrachte ich (unter 4.) die an die Eröffnungsgründe anknüpfenden Regelungen, wie die Insolvenzantragspflicht und die haftungs- und strafrechtlichen Sanktionen und schließlich wird (unter 5.) das Anfechtungsrecht einer Überprüfung unterzogen. 1. Insolvenztatbestand der Zahlungsunf"lihigkeit
Die Analyse des Insolvenztatbestandes der Zahlungsunfahigkeit beginnnt - unter a) - mit einer Untersuchung über den Zweck, den der Gesetzgeber mit der Normierung dieses Tatbestandes verfolgt. Anschließend wird - unter b) - die Schwä1
Unter C.
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D. Analyse
che dieser Zweckbestimmung und das daraus erwachsende Problem aufgezeigt. Es folgt dann - unter c) - ein kurzer Überblick über die Problemsicht im juristischen Schrifttum, bevor dem gesetzgeberischen Mangel - unter d) - genauer nachgegangen wird. Sodann wird - unter e) - dargelegt, daß das Tatbestandsmerkmal der "fälligen Zahlungspflichten" anders als bisher verstanden werden sollte. Wie es zu der bisherigen Interpretation kommen konnte, ergibt sich aus den Ausführungen unter f). Auf einen weiteren Mangel bei der Auslegung des Tatbestandes wird unter g) hingewiesen. Schließlich werden die gewonnenen Erkenntnisse unter h) zusammengefaßt. a) Zweck
Mit dem Inkrafttreten der KO am I. Oktober 1879 wurde der Insolenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit als allgemeiner Konkursgrund eingeführt? Bis dahin galt Zahlungsunfähigkeit nach den meisten deutschen Konkursgesetzen lediglich für Kaufleute als Konkursgrund, während es bei Nichtkaufleuten auf den Nachweis der Vermögensinsuffizienz 3 ankam. 4 Aus den Materialien zur KO ergibt sich als tragender Gesichtspunkt für die allgemeine Einführung der Zahlungsunfähigkeit, daß "den andringenden Gläubigern nicht damit gedient sein (kann), daß ihr Schuldner ein selbst wohlhabender Mann ist, wenn derselbe nicht die Mittel zur Zahlung seiner fälligen Schulden herbeizuschaffen vermag; sie brauchen sich nicht mit dem Einwande der Vermögensinsuffizienz abfinden zu lassen, wo sie Zahlung zu fordern berechtigt sind. Diese Erwägungen führen mit Nothwendigkeit auf das Requisit der Zahlungsunfähigkeit. ,,5 Folglich ging es im Kern darum, den Schuldner zwingen zu können, sein gegebenenfalls vorhandenes Vermögen zu liquidieren und aus dem Liquidationserlös die fälligen Forderungen seiner Gläubiger zu befriedigen. Sollte er hierzu nicht in der Lage sein, so war er zahlungsunfähig. Damit war die jederzeitige Liquidität als Existenzbedingung der Unternehmung 6 rechtlich festgeschrieben. Folgerichtig heißt es denn auch im Ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, daß an der ,,zahlungsunfähigkeit als dem allgemeinen Eröffnungsgrund ( ... ) festzuhalten (ist) ( ... ); denn der ,materielle Konkurs' ist die innere Rechtfertigung dafür, daß die Gläubigerinteressen nicht mehr im Wege der Einzelrechtsverfolgung, sondern in einem Gesamtverfahren wahrzunehmen sind, 2 § 94 KO vom 10. 2. 1877 (RGBI. S. 351). Die Nonn wurde in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. 5. 1898 (RGBI. S. 612) unverändert als § 102 KO übernommen. In dieser Fassung besteht sie bis heute fort. 3 Wir sprechen heute von Überschuldung. 4 Vgl. Hahn (1881), S. 291 m.w.N. 5 Hahn (1881), S. 292. - Soweit also Klebba (1959), S. 18, meint, daß es nur vorübergehende Zahlungsunfahigkeit sei, "wenn ein Kaufmann genügend absetzbare Warenbestände besitzt, diese aber nicht verkaufen will, weil er die Preise ennäßigen müßte", so steht dem entgegen, daß dies gerade das Verhalten beschreibt, das durch die Einführung der Zahlungsunfahigkeit unterbunden werden sollte. 6 Dazu oben unter C.lV.l.a).
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
201
welches das zur Befriedigung der Gläubiger nicht mehr ausreichende Schuldnervermögen als Ganzes erfaßt.,,7 Weitere ausdrückliche Stellungnahmen zum Zweck der Zahlungsunfähigkeit finden sich in späteren Gesetzesmaterialien zum Insolvenzrecht nicht mehr. Allerdings klingt in der Begründung zum Referentenentwurf der InsO sowie in der Begründung zum Regierungsentwurf an, daß an der bisherigen Zwecksetzung festgehalten wird. 8 Das ergibt sich im übrigen auch aus dem Regelungszusammenhang der §§ 16 und 17 InsO, wonach allgemeiner Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren die Zahlungsunfähigkeit ist und diese vorliegt, wenn der Schuldner "nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen" (§ 17 11 1 InsO). Das Insolvenzverfahren als Instrument der Haftungsverwirklichung9 soll den Gläubigem also dann zur Verfügung stehen, wenn der Schuldner die Gläubigeransprüche nicht mehr vollständig befriedigen kann. 10
b) Schwäche und Problem Zahlungsunfähigkeit bedeutet, daß der Schuldner nicht über die Liquidität verfügt und sie sich auch nicht zu verschaffen vermag, um die fälligen Verbindlichkeiten erfüllen zu können. 11 Was insbesondere die Verschaffung von Liquidität angeht, so ist es dem Schuldner nicht mehr möglich, im erforderlichen Umfang Einzahlungen zu erlangen. 12 Solche Einzahlungen können aus der Leistungsverwertung der von ihm angebotenen Güter und Dienstleistungen stammen, aus dem Verkauf nicht mehr benötigter Produktionsfaktoren, aus der Zuführung von Eigenoder Fremdkapital, aus der Vereinnahmung von Gewinnen im Rahmen von Gewinnabführungsverträgen mit Tochtergesellschaften oder aus dem Ausgleich von Verlusten im Rahmen einer Verlustübernahme durch eine Muttergesellschaft. Die Schwäche des Insolvenztatbestandes der Zahlungsunfähigkeit besteht nun darin, daß er erst wirkt, wenn der Schuldner zuvor sämtliche Möglichkeiten zur Generierung von Einzahlungen vollständig ausgeschöpft hat. 13 Anders ausgedrückt: SolanKommission für Insolvenzrecht (1985), S. \09. So heißt es in der Begründung zu § 19 RefElnsO (Referentenentwurf [1989],3. Teil, S. 18): "Wenn eindeutig ist, daß nur eine vorübergehende Illiquidität vorliegt, kann sich der Schuldner durch einen Bankkredit neue flüssige Mittel beschaffen; gelingt ihm dies nicht, ist es in aller Regel für die Gläubiger nachteilig, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinausgezögert wird." Gleichlautend die Begründung zu §§ 20, 21 RegElnsO, in: BT-Drs. 12/2443, S. 114. 9 Dazu oben unter BJ.1.b). 10 Ebenso Plate (1980), S. 218. Dessen Anmerkung (aaO.), daß der "zum Vorschein kommende Grundgedanke des Gläubigerschutzes geradezu als trivial" erscheine, ist zwar aus ökonomischer Sicht zutreffend (vgl. K. H. Weber [1983], S. 77), wegen der Entstehungsgeschichte des Insolvenztatbestandes aber gleichwohl unberechtigt. 11 Vgl. R. H. Schmidt (1980), S. 109; Kölsch (1988), S. 217. 12 Zu den unterschiedlichen Liquiditätsquellen der Unternehmung oben unter CJV.2. 13 So etwa K. Schmidt (1977), S. 263; ders. (l982a), S. D61; Drukarczyk (l982b), S. 565; Wüst (1985), S. 818; BitzlHemmerdelRausch (1986), S. 313 f.; M. Kühn (1991), S. 117. 7
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D. Analyse
ge es dem Schuldner möglich ist, Liquidität zuzuführen, indem er nicht (mehr) benötigtes Betriebsvermögen veräußert (Liquidität aus Desinvestition) oder gegen Beleihung von Gegenständen seines Betriebsvermögens Kredit aufnimmt (verliehene Liquidität)14, ist er nicht zahlungsunfähig. Allerdings läßt sich das Problem nicht dadurch lösen, daß man die genannten Formen der Liquiditätsgewinnung kurzerhand verbietet. Denn sie sind in ihrer Wirkung ambivalent. Einerseits können sie einen Schuldner, der nur vorübergehend in Zahlungsschwierigkeiten ist, davor schützen, daß unberechtigterweise ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wird. Andererseits können sie dazu führen, daß bei einem dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht 15 der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß 16 unnötig verlängert wird, mit der Folge, daß die ursprünglich vorhandene Haftungsmasse weiter verkürzt wird und sich die Verbindlichkeiten weiter erhöhen, ohne daß dadurch neues haftendes Vermögen geschaffen wird. 17 Im letztgenannten Fall ist Zahlungsunfahigkeit dann der "Endpunkt einer Entwicklung fortschreitend abnehmender Zahlungsfähigkeit." 18 Praktisch besteht das Problem also darin, ein vorübergehendes von einem dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht abzugrenzen. Wie soeben dargestellt, vermag die bisherige Ausformung des Insolvenztatbestandes der Zahlungsunfähigkeit diese Abgrenzung allerdings nicht zu leisten.
c) Problemsicht im juristischen Schrifttum
Im juristischen Schrifttum wird das Problem des schleichenden Liquiditätsverlustes nur gelegentlich thematisiert. 19 Angedeutet wird es bei C. Hahn: "Wo es keinen Kredit gibt, da ist überhaupt ein Konkurs kaum denkbar.,,2o Die Ambivalenz des Kredits verdeutlicht L Levy, wenn er feststellt: "Die Quelle der Konkurse ist der Kredit. Aus dem Kredit schöpfen Industrie, Handel und Gewerbe neue LebensZur Begrifflichkeit oben unter C.IY.2. Dazu oben unter B.II.2.b). 16 Dazu oben unter B.II.2.c). 17 Vgl. Drukarr::zyk (1982a), S. 565. - Treffend heißt es bei Plate (1980), S. 218: "Im Extremfall kann ( ... ) die Fähigkeit zur Leistung von Zahlungen durch schrittweise Liquidation des Unternehmensvennögens aufrecht erhalten werden, bis das letzte Vennögensteil veräußert worden ist, mit der Folge, daß den bis dahin ungedeckt gebliebenen Gläubigerforderungen überhaupt keine Vennögenswerte mehr gegenüberstehen." 18 Kressin (1990), S. 214. 19 Das darf nicht mit der häufigen Erwähnung der dinglichen Sicherheiten als Ursache für die Auszehrung des schuldnerischen Vennögens (dazu oben unter B.III.I.a) verwechselt werden. Denn aus der Existenzbedingung der langfristigen Aufwandsdeckung (vgl. oben unter C.IV.l.b) ergibt sich, daß die Dislozierung von Vennögen im Rahmen gesicherter Kreditaufnahme nur und erst dann bedenklich ist, wenn die Erträge der Unternehmung nicht mehr hinreichen, um den Kapitaldienst zu leisten; dazu bereits oben unter C.IY.l.c). 20 Ders. (1881), S. 292. 14 15
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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kraft, an einem krankhaften, wucherischen Kredit gehen sie zu Grunde.,,21 Hanisch spricht daher auch von der "Gewährung falschen Kredits,,22 und Uhlenbruck meint, daß die Rolle der Kreditgeber "dann gefährlich wird, wenn die wirtschaftliche Agonie eines notleidenden Unternehmens durch weitere - ausschließlich juristisch motivierte - Kredite eine künstliche Verlängerung erfährt.'m Bei Häsemeyer und Uhlenbruck findet sich schließlich die Brücke zu dem ökonomisch maßgebenden Begriff der Liquidität des Schuldners, durch deren Wiederherstellung die Einleitung eines Insolvenzverfahrens unter Umständen nur aufgeschoben werde. 24 Ansonsten wird dieser wichtige Zusammenhang selten betont. Darauf aufbauende, weiterführende Ansätze fehlen gänzlich.
d) Gesetzgeberischer Mangel
Der Gesetzgeber der InsO meint das Problem der Ambivalenz einer Liquiditätszuführung in der Krise dadurch lösen zu können, daß er für das Vorliegen der Zahlungsunfahigkeit auf zwei der bislang vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale verzichtet: so muß künftig weder ein "dauerhaftes" Unvermögen vorliegen noch muß dieses einen "wesentlichen" Teil der Verbindlichkeiten betreffen?5 Hierbei handelt es sich aber nur um notwendige, nicht um hinreichende Maßnahmen, um eine erwünschte Liquiditätszufuhr von einer unerwünschten Verlängerung des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses abgrenzen zu können?6 Denn die Begründung zum RegElnsO geht selbst davon aus, daß keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn es dem Schuldner gelingt, sich durch einen Bankkredit neue flüssige Mittel zu beschaffen. 27 Hingegen kann der Gesetzgeber, ohne daß dies allerdings klargestellt wird, die Zufuhr neuer flüssiger Mittel nur unter der Prämisse gewollt haben, daß das zugrunde liegende finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht nur vorübergehender Natur ist. Denn anderenfalls widerpräche die Zuführung von Liquidität dem vom Gesetzgeber selbst genannten Ziel, die auf Zahlungsunfähigkeit gestützte Insolvenzeröffnung vorzuverlegen. 28
21 Ders. (1926), Einleitung, S. 2; zustimmend Amold (1977), S. 388 Fn. 37. Ähnlich Kahler (1891), S. 95. 22 Ders. (1977), S. 20; vgl. auch aaO., S. 14 und 28. 23 Ders. (1977), S. 313 f. Vgl. auch Berges (1983), S. 23. 24 Vgl. Häsemeyer (1982b), S. 518; Uhlenbruck (1988), S. 252. 25 Vgl. die Begründung zu §§ 20,21 RegElnsO, in: BT-Drs. 12/2443, S. 114. 26 Das übersehen Burger / Schellberg (1995b), S. 263, 266, dies. (l995d), S. 569, wenn sie resümieren, daß der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit zeitlich vorverlagerte Insolvenzauslösungen erwarten läßt. 27 AaO. (Fn. 25) 28 In der Begründung zu §§ 20, 21 RegElnsO heißt es: ,,(E)ine über Wochen oder gar Monate fortbestehende Illiquidität zur rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung zu erklären ( ... ) würde das Ziel einer rechtzeitigen Verfahrenseröffnung erheblich gefährden."
204
D. Analyse
Da der Gesetzgeber die Bedingungen, unter denen eine weitere Liquiditätszufuhr zulässig sein soll, nicht angibt, ist es aber auch künftig möglich, daß der Insolvenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit erst dann greift, wenn der Schuldner zuvor sämtliche Möglichkeiten, Einzahlungen zu generieren, vollständig ausgeschöpft hat. Es fehlt damit weiterhin an einem Maßstab zur frühzeitigen Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, nämlich bereits zu einem Zeitpunkt, in dem feststeht, daß eine weitere Liquiditätszufuhr den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß nicht mehr aufhält, sondern nur noch verlängert. Stattdessen greift der Insolvenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit zuverlässig erst dann, wenn der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß im finanziellen Kollaps endet. 29
e) Neuinterpretation der "fälligen Zahlungspflichten "
Aus dem eben gesagten folgt, daß es entscheidend darauf ankommt, ob ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht vorübergehender oder dauerhafter Natur ist. Dies läßt sich nur anhand einer Prognose der zukünftigen Zahlungsströme beurteilen. Konkret muß dabei untersucht werden, ob der Schuldner voraussichtlich wieder zu einem ausgeglichenen Verhältnis seiner Zahlungskraft und seiner Zahlungsverpflichtungen gelangen wird. Hinsichtlich der Zahlungsverpflichtungen kommt es dabei zum einen auf al1e bereits begründeten, gegenwärtig fälligen oder künftig fällig werdenden Verbindlichkeiten an. Aufgrund der zuletzt flilligen Verbindlichkeit ergibt sich zugleich der maßgebende Prognosehorizont. Zum anderen sind - zur Vermeidung von Manipulationen - darüber hinaus auch die Zahlungsverpflichtungen einzubeziehen, die zwar noch nicht entstanden sind, die aber innerhalb des durch den Prognosehorizont festgelegten Zeitraums begründet werden müssen, wenn nicht die Existenz des Gesel1schaftsunternehmens gefährdet werden soll. Hinsichtlich der Zahlungskraft ist entsprechend zu verfahren, d. h. es ist die gegenwärtig verfügbare und die künftig zu erwartende Zahlungskraft in die Prü·· fung einzubeziehen, ob Zahlungskraft und Zahlungsverpflichtungen dauerhaft in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen werden. Nur wenn die Zahlungskraft die Zahlungsverpflichtungen zumindest deckt, läßt sich im vorhinein verhindern, daß ein Schuldner fällige Zahlungen später aufschiebt, obwohl mit deren künftiger Bezahlung im Zeitpunkt des Aufschubs bereits nicht mehr zu rechnen ist. Dies zu verhindern ist wichtig, weil der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß 30 ansonsten durch den Aufschub (über-)fälliger Verbindlichkeiten lediglich in die Länge gezogen wird. 31 Vgl. hierzu Plate (1980), S. 218; Schwieters (1989), S. 157. Dazu oben unter B.II.2.c). 31 Hierzu Borup (1986), S. 1887: "Ursache der verspäteten Konkursanmeldung ist regelmäßig, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens nicht beantragt wird, wenn eine Unfahigkeit besteht, fällige Zahlungen zu leisten, sondern daß dieser Antrag erst dann gestellt wird, wenn der Schuldner überhaupt nichts mehr zahlen kann, also in oder nach dem finanzwirtschaftlichen Kollaps." 29
30
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
205
Es stellt sich nun die Frage, ob und gegebenenfalls wie, der eben beschriebene Umfang der Zahlungsverpflichtungen, die in die Prüfung einzubeziehen sind, ob ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht vorübergehender oder dauerhafter Natur ist, sich mit der Legaldefinition der Zahlungsunfähigkeit in § 17 11 I InsO deckt. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als dürften nur die im Zeitpunkt der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit fälligen Zahlungsverpflichtungen in diese Prüfung einbezogen werden. Künftig fällig werdende Zahlungspflichten blieben damit außen vor. Zahlungsunfähigkeit würde dann erst eintreten, wenn zuvor alle Möglichkeiten der Liquiditätsschöpfung restlos ausgeschöpft worden sind, sich der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß also in einem vorgerückten Stadium befindet. Ursächlich hierfür ist, daß bei einer bloßen Einbeziehung der gegenwärtig fälligen Verbindlichkeiten die entscheidende Frage nach dem vorübergehenden oder dauerhaften Charakter des finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts nicht beantwortet werden kann. Hat man aber erst einmal erkannt, daß diese Unterscheidung das maßgebende Kriterium darstellt, um einen unabwendbaren finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß frühzeitig zu beenden, so stellt sich die Frage, ob § 17 11 I InsO nicht auch in einem anderen Sinn verstanden werden kann. Der entscheidende Ansatzpunkt ist auch insoweit das Tatbestandsmerkmal der Fälligkeit der Zahlungspflichten. Dazu darf Fälligkeit nicht in einem zeitlichen Sinn verstanden werden, als ein Begriff, der die sofortige Leistungspflicht des Schuldners kennzeichnet, sondern in einem sachlichen Sinn, als Begriff, der diejenigen in die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit einzubeziehenden Verbindlichkeiten kennzeichnet, auf die gegenwärtig oder künftig das Merkmal der Fälligkeit zutrifft. 32 Nach dem zuvor gesagten dürfen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nämlich nicht nur die Verbindlichkeiten einbezogen werden, die im Zeitpunkt der Prüfung fällig sind, sondern es müssen auch die Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die nach diesem Zeitpunkt fällig werden. Das deckt sich nicht notwendig mit dem Begriff der entstandenen Verbindlichkeiten. Es ist insoweit weniger, als der Durchsetzung einer entstandenen Verbindlichkeit eine Einrede entgegenstehen kann. Es ist insoweit mehr, als auch noch nicht entstandene Verbindlichkeiten in die Prüfung, ob ein finanzwirtschaftliches Gleichgewicht vorliegt, einbezogen werden müssen, sofern diese Verbindlichkeiten vor Ablauf des oben bezeichneten Prognosehorizontes fällig werden. Nur wenn man den Begriff der Fälligkeit in dem dargelegten sachlichen Sinn versteht, können die Zahlungspflichten eindeutig bezeichnet werden, die bei der Prognose zu berücksichtigen sind, ob das finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht vorübergehender oder dauerhafter Natur ist. § 17 11 I InsO ist daher wie folgt zu lesen: Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die gegenwärtig fälligen und künftig fällig werdenden Zahlungspflichten zu erfüllen; zu den künftig fällig werdenden Zahlungspflichten zählen auch diejenigen, die noch nicht entstanden sind, aber innerhalb des Prognosehorizontes, der durch die künftige Fälligkeit der gegenwärtig bereits entstandenen Ver32
Vgl. auch Kressin (\ 990). S. 215.
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D. Analyse
bindlichkeiten bestimmt wird, fällig werden. Da der Gesetzgeber in § 17 11 1 InsO nicht sagt, ob die Zahlungspflichten gegenwärtig oder künftig fällig sein müssen, d. h. auf auf welchen Zeitpunkt sich das Erfordernis die Fälligkeit der Zahlungspflichten bezieht, erscheint mir die hier vorgeschlagene Auslegung der Norm auch mit deren Wortlaut vereinbar. Auch unter systematischen Gesichtspunkten läßt sich nicht einwenden, daß der Gesetzgeber die Einbeziehung der künftig fällig werdenden Zahlungspflichten nur fakultativ im Rahmen der drohenden Zahlungsunfähigkeit gern. § 18 InsO vorsieht. Denn wie noch zu zeigen sein wird, handelt es sich dabei um einen Fall von perplexer Rechtsetzung. 33 In der gleichen Weise wie der Begriff der fälligen Zahlungs pflichten eben für die InsO ausgelegt wurde, kann das auch unter Geltung der KO geschehen. Insoweit wird in der Literatur bereits seit längerem gefordert, daß bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit von einer Zeitpunktbetrachtung zu einer Zeitraumbetrachtung übergegangen werden sollte. 34
f) Historische Fehlinterpretation des Fälligkeitsmerkmals
Das ungeachtet des eben Ausgeführten gleichwohl die zeitliche Fälligkeit der in die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit einzubeziehenden Verbindlichkeiten gefordert wird, ist wohl nur historisch erklärbar. Wie bereits erwähnt, wurde die Zahlungsunfähigkeit mit der KO von 1877 als allgemeiner Konkurgrund eingeführt. Aus den Motiven ergibt sich, welche praktischen Vorteile man sich von einer Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gegenüber dem Nachweis einer Vermögensinsuffizienz versprach: "Die Feststellung der Vermögens-Unzulänglichkeit setzt eine Schätzung der Aktiva des Gemeinschuldners und eine Prüfung der Schulden desselben zum Zwecke gegenseitiger Abwägung voraus. Ohne die entgegenkommende Mitwirkung des Gemeinschuldners oder Zuhülfenahme bedenklicher Fiktionen und Präsumtionen ist eine derartige Vermögensübersicht kaum zu erlangen. Die obligatorischen Beziehungen des Gemeinschuldners entziehen sich fremden Einblick; das greifbare Aktivvermögen ist vielfach an verschiedenen Orten zerstreut; der Werth desselben unterliegt fortwährenden Schwankungen; wechselnde Konjunkturen und der unberechenbare Ausfall schwebender Spekulationen verändern in jedem Augenblick das Verhältnis zwischen der Aktiv- und Passivmasse ... 35 Man ging also davon aus, daß die Anknüpfung eines Insolvenzauslösers V gl. unten unter D.I.3.c). Vgl. Flessner (198Ia), S. 117; Kilger (1982), S. 781; Stürner (1982), S. 766; Drukarczyk (1986), S. 218 m.w.N.; wohl auch Schlosser (1991), S. 17; ferner K. Schmidt (1982a), S. 60 f. ("Insolvenzgrund ist die nicht nur vorübergehende Unfahigkeit des Schuldners, seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen."), unklar dagegen ders. (1986), S. 194 ("ein Fall der Zeitraum-Illiquidität, in dem nicht auch Überschuldung vorläge, ist schwerlich denkbar") und ders. in Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 7. Vgl. auch den Beschluß Nr. 3a der Abteilung "Sanierung von Unternehmen" des 54. DJT, abgedruckt in: KTS 1982, S. 611. 33
34
1. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
207
an äußerlich erkennbare Tatsachen den besseren Verkehrsschutz gewährleisten würde. Insbesondere die Normierung der Zahlungseinstellung - verstanden als die nach außen in Erscheinung tretende Zahlungsunfähigkeit - in § 94 11 KO a.F. 36 ist hierauf zurückzuführen. 37 Dabei war man sich allerdings darüber im klaren, daß die Zahlungseinstellung nicht alle Fälle der Zahlungsunfahigkeit decken würde. 38 An welchen Tatsachen die Zahlungsunfähigkeit - in den Fällen, in denen nicht bereits Zahlungseinstellung vorlag - festgemacht werden sollte, wollte man bewußt der Rechtsprechung überlassen. 39 Hierbei schlich sich dann der bis heute nachwirkende Irrtum ein, daß die in die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit einzubeziehenden Verbindlichkeiten - im zeitlichen Sinn - fallig zu sein hätten. Das RG 40 begründete dies lapidar mit dem Hinweis auf den "gesetzlichen Sprachgebrauch", der sich aus der Zahlungseinstellung gern. § 94 11 KO a.F. als dem Hauptfall der Zahlungsunfähigkeit ergebe. Das ist jedoch ein unzulässiger Umkehrschluß. Denn aus dem Umstand, daß in dem Hauptfall der Zahlungsunfähigkeit, nämlich der Zahlungseinstellung, aus tatsächlichen Gründen die fälligen Schulden nicht bezahlt werden können, folgt nicht, daß in den übrigen - nicht unter die Zahlungseinstellung fallenden - Fällen der Zahlungsunfähigkeit die Fälligkeit der Verbindlichkeit von Rechts wegen vorausgesetzt wird. Eine solche Betrachtung übersieht, daß der Gesetzgeber die Zahlungseinstellung lediglich als Regelbeispiel konzipiert hat, weil er sie als die wichtigste Erscheinungsform der Zahlungsunfahigkeit ansah. So könnte es in den Fällen, in denen nicht bereits Zahlungseinstellung vorliegt, ebensogut deren Besonderheit sein, daß die Fälligkeit der Verbinbindlichkeiten gerade noch nicht eingetreten ist. Die von der Sache her nicht geforderte Einführung der Fälligkeit als Tatbestandsmerkmal des Zahlungsunfähigkeitstatbestandes 41 ist wohl nur mit dem der Entstehungszeit entspringenden Wunsch nach äußerlich erkennbaren Tatsachen für eine Anknüpfung der Insolvenzgründe erklärbar. Offensicht-
=
35 Motive (1874) zu § 94 KO a.F. (S. 156/1502) Hahn (1881), S. 291. Vg!. auch Ende/1umn (1889), S. 31 f.: "Die Zahlungsunfähigkeit entscheiden zu lassen, ist besser erschienen, weil sie eine einfache Thatsache darstellt, leichter und sicherer konstatiert werden kann, als die Überschuldung." 36 In der Fassung der Bekanntmachung vom 10.2. 1877 (RGB!. S. 35\). Der § 94 II a.F. stimmt wörtlich mit dem heutigen § 102 II KO in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.5.1898 (RGB!. S. 612) überein. 37 V g!. Dernburg (1897), § 113 I 4 (S. 278), wonach "diejenigen neueren Rechte, welche in höherem Maße im Flusse eines lebendigen Verkehrslebens standen und aus ihm Impuls und Richtung erhielten, wiederum mehr äußerlich hervortretende Thatbestände, insbesondere die Zahlungseinstellung zum Konkursgrund bestimmt" haben. - Jaeger/Weber (195811959), § 102 Rn. 2, meint denn auch, daß in der Erkenntnis, wonach die Zahlungseinstellung die wichtigste Erscheinungform der Zahlungsunfähigkeit sei, ein ,,höchst bedeutsamer Fortschritt" der Gesetzgebung gesehen werden müsse. 38 Motive (1874) zu § 94 a.E. (S. 158/1504); Hahn (1881), S. 295. 39 Motive (1894) zu § 94 (S. 157/1503). 40 RG vom 15.3.1888 - VI 9/88, in: SeuffArch Bd. 43 Nr. 192. 41 Ausdrücklich dagegen Oetker (1891), S. 180: "Dass die Forderungen bereits fällig seien, ist nicht nothwendig."
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D. Analyse
lieh versprach man sich nach den Schwierigkeiten, die man mit einer Feststellung der Vermögensunzulänglichkeit gehabt hatte, eine einfachere Feststellung der Konkursreife. 42 Hinzu kam, daß bei Einbeziehung auch der noch nicht fälligen Schulden in den Zahlungsunfähigkeitstatbestand, dieser vom Ergebnis her in die Nähe des Überschuldungstatbestandes gerückt wäre. 43 Dies wollte man aber gerade nicht, weil der Schuldner "sich durch Kredit helfen und bis zur Zahlbarkeit seiner Verbindlichkeiten das Deficit durch Thätigkeit und Erwerb ausgleichen,,44 können sollte. g) Ungeeignete Anknüpfung an die Liquidierbarkeit
Die Rechtsprechung hat leider nicht nur das Tatbestandsmerkmal der "fälligen Zahlungspfliehten" eingeführt, sondern stellt bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit überdies auf die Liquidierbarkeit des Vermögens, statt auf die Liquidität des Schuldners ab. So hat der BGH45 entschieden, "daß sich der Konkursrichter die erforderliche Überzeugung von einer bestrittenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in der Regel dadurch verschafft, daß er sich eine geordnete und vollständige Vermägensübersicht vorlegen läßt,,46. Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit betrifft die Frage, ob es dem Unternehmen dauerhaft an Liquidität, d. h. an dem konkreten Vorhandensein flüssiger Mittel, mangelt. Die vom BGH geforderte Vermögensübersieht vermag diese Frage aber allenfalls für einen einzelnen Stichtag zu beantworten. 47 Daher ist sie zur Liquiditätsermittlung gänzlich ungeeignet. 48 42 Vgl. Petersen (1878), § 94 I 1 (S. 334). - Aufschlußreich die Erläuterungen zur ReichsKonkursordnung von Wilmowski (1906), Vorbemerkungen zu § 102 (S. 329): "Ob begrifflich und theoretisch eine Zahlungsunmöglichkeit schon, wenn sie noch nicht erkennbar ist oder nicht fällige Schulden betrifft, als Insolvenzgrund zu bezeichnen ist, hat für die Begründung und Realisirung eines Konkurses keinen Werth." Interessant auch der Meinungswandel bei Demburg. Während es bei Demburg (1878), § 113 I 3 b (S. 244), heißt, daß ein Schuldner zahlungsunfähig ist, "dessen Mittel nicht ausreichen, seinen gegenwärtigen Verbindlichkeiten Genüge zu leisten", ist nach Demburg (1897), § 113 I 4 b (S. 278), ein Schuldner zahlungsunfähig, "wenn durch seine Erklärung oder durch Thatsachen offenkundig wurde, daß seine Mittel nicht ausreichen, seinen fälligen und sofort zahlbaren Verbindlichkeiten unmittelbar Genüge zu leisten." Demgegenüber vertrat Kohler (1891), S. 94 f., geradezu eine moderne Auffassung, wenn er darlegte, daß Zahlungsunfähigkeit "auch durch andere Dinge als die Zahlungseinstellung dargethan werden kann. Es kann die Zahlunsunfähigkeit insbesondere dann erhellen, wenn jemand zwar noch zahlt, aber nur zahlt, indem er sich auf unsolide Weise Geld verschafft und sich den Wucherern in die Hände wirft. Dies ist kein gesunder Kredit mehr, es ist ein zeitweises Fortvegetieren, nachdem die Lebenskraft des Kreditors bereits erloschen und damit die Unfähigkeit zu zahlen eingetreten ist." 43 Zum Verhältnis zwischen Zeitraum-Illiquidität und Überschuldung näher unten unter D.J.3.d). 44 Demburg (1897), § 113 I 4 b (S. 278). Ebenso RG vom 23. 3. 1887 (3. Sen.), in: SeuffArch, Bd. 43 Nr. 22. 45 Urteil vom 5. 11. 1956 (111 ZR 139/55), in: WM 1957, S. 67ff. 46 BGH, aaO. (Fn. 45), S. 69 (Hervorhebungen von A.F.). 47 Dazu bereits oben unter C.lY.3.a) m.w.N.
1. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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Zwar kann sich Liquidität möglicherweise aus der Liquidierbarkeit schuldnerischen Vermögens ergeben und dieses wiederum kann aus einer Vermögensübersicht ersichtlich sein. 49 Doch kann es bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht darum gehen, ob - erst noch zu liquidierende - Vennögensgegenstände im Fall ihrer Liquidation genügend flüssige Mittel einbringen, um die schulnerischen Verbindlichkeiten erfüllen zu können. Dies festzustellen, ist vielmehr die Aufgabe eines für Sanierungszwecke sinnvollerweise aufzustellenden Liquiditätsstatus. 5o Stattdessen betrifft die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit die Frage, ob der Schuldner gegenwärtig und tatsächlich über die flüssigen Mittel verfügt, seinen Zahlungspflichten nachzukommen. Anderenfalls würde der durch den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit bezweckte Gläubigerschutz ad absurdum geführt. Denn der Schuldner könnte einem Insolvenzantrag damit begegnen, daß er entweder die Zahlungsunfähigkeit bestreitet und im übrigen behauptet, nur nicht zahlen zu wollen oder sich dahin einläßt, zwar gegenwärtig gerade nicht liquide zu sein, aber in ausreichendem Umfang über liquidierbares Vermögen zu verfügen. 51 Solche Einlassungen sind von Gläubigem, die einen Insolvenzantrag gestellt haben, nicht zu widerlegen. Sie zwingen die Gläubiger, "einen Schuldner restlos kahlzupfanden und sein Vermögen im Wege der Singularvollstreckung zu verwerten, um damit die materielle Voraussetzungen für eine Konkurseröffnung zu schaffen.,,52 Die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers bei der Einführung der Zahlungsunfähigkeit als allgemeinem Eröffnungsgrund 53 wird so geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Mit dem Grundsatz, wonach der Schuldner bei Geldschulden das Beschaffungsrisiko trägt 54 , ist dies ebenfalls nicht vereinbar. Der BGH55 stellt deshalb zu Unrecht auf die Liquidierbarkeit des Vermögens statt auf die Liquidität des Schuldners ab. 56 Ablehnend zur Entscheidung des BGH auch Uhlenbruck (1970), S. 100. Zur Erinnerung: Die Liquidierbarkeit betrifft die Eigenschaft von Vermögensgegenständen, Liquidität hingegen die Eigenschaft eines Unternehmens. Vgl. oben unter C.lY.l.a) und C.lY.2. 50 Im Liquiditätsstatus werden die Vermögenswerte eines Unternehmens - einschließlich des "Überschußvermögens", also der überzähligen oder für das Weiterbestehen des Betriebes nicht lebensnotwendigen Teile des Anlagevermögens - nach dem Grad ihrer Liquidierbarkeit geordnet und den Schulden in der Reihenfolge ihrer Fälligkeit gegenübergestellt, vgl. Groß (1988), Kap. 11 Rn. 171 (S. 75). S. auch Kressin (1990), S. 218 ff., und Vonnbaum (1990), S. 115. 51 Ebenso Uhlenbruck (1970), S. 100 f. - Die Einlassung nur gegenwärtig nicht zahlen zu können wurde vom OLG Rostock in seinem Urteil vom 2. 5. 1929, KT 1929, S. 94 f., in der Tat akzeptiert. 52 Uhlenbruck (1970), S. 100. 53 Vgl. Motive (1874), S. 156/1502 (Textwiedergabe oben bei Fn. 35). 54 Vgl. nur EsserlSchmidt (1993), § 22 V 2 (S. 16). 55 AaO. (Fn. 45). 56 Auch der Hinweis im Urteil des BGH vom 4. 11. 1964 (VIII ZR 292/62), in: WM 1965, S. 16, 17 (unter cl, wonach "die Höhe der Verbindlichkeiten ( ... ) als solche nichts über die Liquidität" besagen, bedeutet insofern keine KlarsteIlung. 4K
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14 Förster
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D. Analyse
Der Gesetzgeber der InsO hat dem bezeichneten Mangel nur insofern abgeholfen, als künftig der Einwand der Zahlungs stockung, also die (angeblich) nur vorübergehende Zahlungsmittelverlegenheit, nicht mehr in dem Umfang wie bisher durchgreift. 57 Denn der Schuldner ist verpflichtet, sich "durch einen Bankkredit neue flüssige Mittel (zu) beschaffen".58 Wenn man davon ausgeht, daß der Schuldner im eigenen Interesse für eine gewisse Liquiditätsreserve zu sorgen hat 59 , so wird man den Einwand der Zahlungsstockung allenfalls bei größeren Beträgen und auch dann nur für wenige Bankarbeitstage anerkennen können. 60 Wenig sachgerecht ist es daher, wenn es in der Begründung zum RegEInsO heißt, daß "selbstverständlich ( ... ) ganz geringfügige Liquiditätslücken außer Betracht bleiben müssen.,,61 Denn wenn der Schuldner sogar für geringfügige Liquiditätslücken die Liquidität nicht mehr aufzubringen vermag, so muß er seine Fähigkeit zur Liquiditätsgewinnung bereits weitgehend ausgeschöpft haben. Eine Zahlungsstockung würde unter diesen Umständen lediglich zum Anwachsen weiterer Verbindlichkeiten führen, ohne daß erkennbar wäre, wie diese jemals abgetragen werden können.
h) Zwischenergebnis
Sowohl nach altem wie nach neue m Insolvenzrecht ist nicht sichergestellt, daß ein Gläubiger das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit mit Aussicht auf Erfolg beantragen kann, bevor der Schuldner sämtliche Möglichkeiten der Liquiditätsbeschaffung restlos ausgeschöpft hat. Konkret ist das der Fall, wenn die Gesellschafter nicht mehr bereit sind, weiteres Eigenkapital einzuschießen; wenn neues Fremdkapital nicht mehr zu erhalten ist, weil kein Kreditgeber an die Wiedergewinnung der Ertragskraft glaubt und weil sämtliche Vermögensgegenstände bereits zur Sicherheit beliehen sind; wenn altes Fremdkapital wegen des eingetretenen Vertrauenverlustes nicht weiter prolongiert wird; wenn alle nicht unbedingt betriebsnotwendigen Güter veräußert sind; und wenn trotz und nach alledem aus dem eigentlichen Prozeß der betrieblichen Leistungsverwertung immer noch geringere Einzahlungen fließen als Auszahlungen für die Beschaffung und Leistungserstellung erforderlich sind. Der Schuldner kann dann in der Tat nicht mehr zahlen. Notgedrungen muß er seine Zahlungen einstellen. Das Vorhandensein liquiden oder kurzfristig liquidierbaren Vermögens, wie es für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens zwingend benötigt wird 62 , ist unter diesen Bedingungen nicht gewähr57 Vgl. die Nachweise bei KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 2e: Bis zu zwei Monaten sollte den Gläubigem ein Zuwarten zuzumuten sein. 58 So die Begründung zu §§ 20, 21 RegElnsO, in: BT-Drs. 12/2443, S. 114. 59 Vgl. oben unter C.lY.l.a). (,() Ebenso BurgerlSchellberg (1995b), S. 262 f. 61 Begründung zu §§ 20, 21 RegElnsO, in: BT-Drs. 12/2443, S. 114. - Ablehnend auch Müchler (1993), S. 95. 62 Dazu oben unter B.I.3.a) und b).
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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leistet. Solange jedoch die Ambivalenz einer Zuführung von Liquidität in der Krise nicht (an)erkannt wird, wird die Zahlungseinstellung das Symptom masseloser oder masseunzulänglicher Insolvenzverfahren bleiben. Erforderlich wäre es daher, anhand einer frühzeitig vorgenommenen Prognose künftiger Zahlungsströme festzustellen, ob ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht vorübergehender oder dauerhafter Natur ist.
2. Insolvenztatbestand der Überschuldung
Nachdem sich der Insolvenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit in der Ausprägung, die er nach der KO und der InsO gefunden hat, praktisch als wenig effizient erwiesen hat, soll der Blick nunmehr auf den Insolvenztatbestand der Überschuldung gerichtet werden. Dazu wird - unter a) - zunächst der Zweck des Überschuldungstatbestandes dargelegt, bevor - unter b) - das mit jeder Überschuldungsmessung verbundene grundlegende Problem aufgezeigt wird. Anschließend werden - unter c) - verschiedene Ansätze zur Lösung dieses Problems diskutiert. Sie münden - unter d) - in einer zentralen Erkenntnis hinsichtlich der inhaltlichen Konkretisierung des Überschuldungstatbestandes. Unter e) werden dann weitere Lösungsansätze darautbin untersucht, ob sie die gewonnene Erkenntnis beachten. Vor diesem Hintergrund kann - unter f) - auch das Meßkonzept der InsO gewürdigt werden. Die Überlegungen führen schließlich - unter g) - zu einer für den weiteren Gang der Arbeit wesentlichen Folgerung.
a) Zweck des Überschuldungstatbestandes
Entgegen dem eben propagierten System des Gläubigerschutzes im Wege der Prognose künftiger Zahlungsströme, hat sich der Gesetzgeber der KO von 1877 für eine Vermögensentzugssperre als gläubigerschützender Regelung entschieden. So heißt es in den Materialien zur KO hinsichtlich der Aktiengesellschaft - und damit sinngemäß auch für die GmbIf3: "Kredit und Bestand derselben beruht auf dem Bestand ihres Vermögens.,,64 Der dahinter stehende Gedanke erscheint zunächst plausibel: Eine Liquiditätsschöpfung durch Beleihung des Vermögens (sog. verliehene Liquidität) bzw. durch Veräußerung von Vermögensgegenständen (sog. güterwirtschaftliche Liquidität65 ) sollte solange zulässig sein, bis das Nettovermögen kleiner als Null wird. 66 Anders ausgedrückt: das Unternehmen sollte keine LiquidiVgl. §§ 207 I. 213 KO i.V.m. § 13 I GmbHG. Hahn (1881), S. 390. M Zu den verschiedenen Liquiditätsbegriffen bereits oben unter C.rY.2. 66 Die beiden anderen Liquiditätsquellen (vgl. insoweit oben unter C.rV.2.) sind in dem Zusammenhang ohne Bedeutung. So ist zukünftige Liquidität nicht bilanzwirksam und wird daher bei einer Überschuldungsmessung überhaupt nicht erfaßt. Antizipierte Liquidität hin63
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tät mehr schöpfen dürfen, sobald die infolge einer Zuführung von verliehener Liquidität steigenden Verbindlichkeiten größer geworden sind als das infolge von Desinvestitionen geschmälerte Bruttovermögen 67 . Damit sollte erreicht werden, daß für die Gläubiger stets eine angemessene Haftungsmasse zur Verfügung steht. 68 Die Zwangsliquidation soll danach sogar dann stattfinden, wenn der überschuldete Vermögensträger noch zahlungsfähig ist. 69 Offensichtlich sah der Gesetzgeber in der Überschuldung der Gesellschaft einen "Gefährdungstatbestand für die Gläubiger,,7o. Es fällt allerdings auf, daß der Gesetzgeber der KO von 1877 mit der Überschuldung gerade das Mittel zum Gläubigerschutz bei den Kapitalgesellschaften erkor, dem er in demselben Gesetz die Eignung zum aIlgemeinen Konkursgrund wegen der damit verbundenen "praktischen Inkonvienzen,,71 abgesprochen hatte. Er rechtfertigt das damit, daß all die Mängel, die dem Konkursgrund der Vermögensunzulänglichkeit, respektive der Überschuldung, anhingen 72 und die daraus resultierenden "Schwierigkeiten, mit denen Gläubiger sonst zu kämpfen haben, um eine Überschuldung ihres Schuldners nachzuweisen, ( ... ) durch Veröffentlichung der Bilanzen ( ... ) gehoben (werden).,,73 Sieht man einmal davon ab, daß dieser Hinweis für den Bereich der GmbH nicht zu überzeugen vermag, weil deren Bilanzen seinerzeit weder veröffentlicht noch zum Handelsregister eingereicht werden mußten 74, so zeigt er doch, daß der Gesetzgeber davon ausging, daß die Kreditwürdigkeit einer Kapitalgesellschaft vor allem von deren Vermögenslage bestimmt wird. 75 Denn anders ist es nicht zu erklären, daß der Gesetzgeber trotz der Kehrtwende beim allgemeinen Konkursgrund, nämlich weg von der Vermögensinsuffizienz hin zur Zahlungsunfähigkeit, für die Konkursauslösung bei den Kapitalgesellschaften erneut an den zuvor mit guten Gründen verworfenen Insuffizienztatbestand - wenn auch unter anderem Namen - der Sache nach anknüpfte. gegen ist zwar bilanzwirksam, indem ihre Zuführung immer zu einer Bilanzverlängerung führt (Buchungssatz z. B ...per Warenbestand an Verbindlichkeiten aus Lieferungen"), läßt aber gerade deshalb den Bestand des Nettovermögens unberührt und hat daher keinen Einfluß auf eine mögliche Überschuldung. 67 Zu der Definition von Netto- und Bruttovermögen oben unter B.1.2.a) bei Fn. und unter B.I.2.c) bei Fn. 39. 68 Kressin (1990), S. 166, vergleicht das zugrunde liegende Denkmodell mit der ehemaligen Golddeckung einer Währung. Danach war jede ausgegebene Banknote durch bei der Zentralbank lagerndes Gold gedeckt und konnte jederzeit gegen dieses eingetauscht werden. 69 So F. Weber (1973), S. 6; ders. in Jaeger/Weber (195811970), §§ 207, 208 Rn. 19 a.E. 70 Drukarezyk (1979), S. 555. 71 Hahn (1881), S. 291. 72 Vgl. dazu bei Hahn (1881), S. 291, wiedergegeben oben bei Fn. 35. 73 Hahn (1881), S. 390. 74 V gl. Wiesner (1906), S. 308. 75 Vgl. hierzu und zu den historischen Hintergründen für die unterschiedliche Behandlung der Kapitalgesellschaften und der persönlich haftenden Schuldner hinsichtlich der Konkursgründe Kressin (1990), S. 163 ff.
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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Der Gesetzgeber verband mit dieser Anknüpfung die Hoffung, daß Konkursverfahren früher beantragt werden könnten, als das bei einer Anknüpfung an die Zahlungsunfahigkeit möglich erschien. Es sollte dadurch "einer fortschreitenden Untergrabung der Gesellschaft Einhalt gethan werden können.,,76 Hierin besteht der zentrale Zweck der Überschuldungsregelung. 77 Dabei wurde die gesteigerte Gläubigergefährdung in der beschränkten Haftung der Kapitalgesellschaften gesehen, da bei ihnen eine Nachhaftung gern. § 164 KO ausscheide. 78 Daneben fehle bei den Kapitalgesellschaften der persönliche Anreiz, um auf die Gläubigerinteressen Rücksicht zu nehmen. 79 Mit anderen Worten: eine wichtige Funktion der Überschuldungsregelung besteht darin, Anreizen zu Vermögensverschiebungen - zu Lasten der (ungesicherten) Gläubiger und zugunsten der Gesellschaftsorgane - entgegenzuwirken. 8o Nach dem was oben zur Konfliktstruktur der am Insolvenzverfahren Beteiligten gesagt wurde 81 , mutet diese Zielsetzung geradezu modem an. Denn sie wirkt dem Umstand entgegen, daß es für die Gesellschaft bereits lange bevor es für die Gesellschafter Sinn macht, sie zu liquidieren, unmöglich sein kann, die Forderungen ihrer Gläubiger vertragsgemäß zu bedienen. 82 Der Insolvenztatbestand der Überschuldung entspricht damit dem Idealauslöser, der durch die Relation "Wert des Fremdkapitals größer als das Maximum aus Fortführungsoder Nettozerschlagungswert" bestimmt ist. Mithin scheint sich mit seiner Hilfe dem Vermögensverschiebungs-, dem Finanzierungsrisiko und dem Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse 83 entgegenwirken zu lassen.
76 Hahn (1881), S. 390 f. Ebenso aaO. S. 390: "Bei eingetretener Überschuldung dürfen die Gläubiger nicht darauf verwiesen werden, abzuwarten, bis auch eine Zahlungsunfahigkeit der Gesellschaft ausbricht." 77 Vgl. Egner/Woif.f(l978), S. 105; Haack (1980), S. 34; K. Schmidt (1978a), S. 334 ff.; ders. (1980a), S. 234; ders. (1982c), S. 168; Drukarczyk (1979), S. 559 f., mit ausführlicher Begründung; ders. (1981), S. 248; ders. (1994a), S. 1233 f.; Rowedder / Rowedder (1997), § 63 Rn. I a.E.; Melchers (1995), S. 67. 78 Hahn (1881), S. 390: "Wahrend ein Schuldner sonst mit seinem zukünftigen Vermögen den Gläubigem verhaftet bleibt, ( ... ), sind die Gläubiger einer Aktiengesellschaft ausschließlich auf das Vermögen des Kapitalvereins angewiesen." 79 Häsemeyer (1992), S. 135, sieht daher als gesetzgeberischen Leitgedanken für den Insolvenzgrund der Überschuldung, daß die "Identität der persönlichen Verantwortung mit der persönlichen Haftung" aufgehoben ist. Dazu bereits oben unter C.IY.6. - Vgl. auch R. H. Schmidt (1980), S. 116. - Plate (1980), S. 220, bezweifelt hingegen, ob der persönliche Anreiz bei natürlichen Personen als Schuldnern tatsächlich besteht. 80 Vgl. Drukarczyk (1981), S. 252 f.; ders. (1986), S. 228 f. 81 Vgl. insbesondere unter C.I.4.b)bb), C.I.5.b), d) und e). 82 Dazu oben unter C.I.5.d). - Vgl. auch M. Kühn (1991), S. 125 ff.; Drukarczyk (1986), S. 214; Bitz/Hemmerde/Rausch (1986), S. 108; R. H. Schmidt (1980), S. 127 f. 83 Zu diesen Risiken oben unter C.I.I.a).
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D. Analyse
b) Das grundlegende Problem
Entscheidend für die Wirksamkeit eines Insolvenztatbestandes ist jedoch neben einer überzeugenden theoretischen Fundierung, die praktische Umsetzbarkeit. Die vom Gesetzgeber mit Gesetz vom 25. 3. 193084 in den § 240 TI HGB - heute § 92 TI AktG bzw. § 64 11 GmbHG - eingefügte, bereits zuvor anerkannte, Definition spricht davon, daß Überschuldung vorliege, wenn "das Vermögen nicht mehr die Schulden deckt." Es scheint also an sich ganz einfach zu sein: man ermittelt den Wert des Vermögens und den der Schulden und wenn letzterer höher ist, dann liegt Überschuldung vor. Was den Wert der Schulden angeht, so steht dessen Messung in der Tat keine unüberwindliche Schwierigkeit im Weg. Denn die für jede Messung erforderlichen Parameter Maßzahl und Maßeinheit 85 sind aus der Buchführung ablesbar. Allenfalls läßt sich darüber streiten, weIche Schuldpositionen im einzelnen angesetzt werden sollen. 86 Nachgerade vertrackt ist es aber, wenn es darum geht, den Wert des Vermögens zu ermitteln. Denn es besteht in aller Regel 87 nicht in Geld. Vielmehr muß, um das Vermögen mit den Schulden vergleichbar zu machen 88 , für die unterschiedlichsten Vermögensgegenstände festgestellt werden, weIchen Wert sie - in Geldeinheiten ausgedrückt - haben. Es geht dabei um den Vorgang der Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände. Insoweit macht es einen erheblichen Unterschied, ob ein Gegenstand mit dem Wert angesetzt wird, der bei seiner Liquidation zu erzielen ist, oder mit dem Wert, den er im Falle einer Fortführung des Gesellschaftsunternehmens für dieses hat. 89 Dieser Unterschied in der Bewertung eines Vermögensgegenstandes kann maßgeblich die Frage beeinflussen, ob eine Gesellschaft überschuldet ist. Denn wenn für die Bewertung der Vermögensgegenstände des Gesellschafsunternehmens niedrige Werte angesetzt werden, so ist eine Überschuldung tendenziell eher zu erwarten, als beim Ansatz höherer Werte. Das grundlegende Problem beim Überschuldungstatbestand ist daher, mit weIchem Wert die Vermögensgegenstände des Gesellschaftsunternehmens bewertet werden sollen. Erst wenn hierüber Klarheit besteht, ergibt sich aus dem im Zusammenhang mit dem Überschuldungstatbestand normierten Vergleich von Vermögen und Schulden ein schlüssiges Meßkonzept. 84 85
RGBI. I, S. 93, 94 (sub Art. III Nr. 1). Bei einer Verbindlichkeit über DM 100,- ist ,,100" die Maßzahl und "DM" die Maßein-
heit. 86 V gl. etwa Drukarczyk (1979), S. 570 ff.; Haack (1980), S. 99 ff.; Kölner Kommentar / Mertens (1988), § 92 Rn. 31 a.E. m.z.w.N.; Sender (1992), S. 157 ff.; Häuselmann (1993), S. 1552 ff.; Vollmer/Maurer(1993), S. 2315 ff. 87 Eine Ausnahme bilden Kreditinstitute. 88 Vergleichbar sind nur Werte mit gleicher Maßeinheit. 89 Man denke etwa an eine Spezialmaschine, die nur für das Gesellschaftsunternehmen von Bedeutung ist. Im Falle einer Liquidation ist für diese Maschine nur ein Schrottwert zu erlösen, für das Gesellschaftsunternehmen kann sie hingegen von unter Umständen existenzieller Bedeutung sein und wäre dann entsprechend höher zu bewerten.
1. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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c) Meßkonzepte zur Feststellung der Überschuldung
Was die Art und Weise der Bewertung angeht, ergeben sich bereits aus den Materialien zur Konkursordnung grundlegend verschiedene Ansichten. Während es in der Begründung des Entwurfs heißt, daß der Bestand der Kapitalgesellschaft von dem ,,Bestande ihres Vermögens,,90 abhängt, heißt es in den Protokollen der vom Reichstag zur Beratung eingesetzten Kommission, "daß es nicht auf den augenblicklich zu realisirenden Werth ankomme, sondern möglicherweise ein späterer Zeitpunkt ins Auge gefaßt,,91 werden müsse. Der Unterschied besteht darin, ob man einer statischen (dazu unter aa) oder einer dynamischen Bilanzauffassung (dazu unter bb) folgt. Während es bei einer statischen Bilanzauffassung, um die Frage geht, ob bei einer Liquidation des Vermögens der Liquidationserlös hinreicht, um die Gläubiger befriedigen zu können, steht bei der dynamischen Bilanzauffassung die Frage inmitten, "ob das jeweilige Unternehmen unter Einsatz seines Vermögens noch in der Lage ist (,es vermag'), seine Verbindlichkeiten zu erfüllen,,92. Die bei den Bilanzauffassungen unterscheiden sich also hinsichtlich der Prämisse, wie das vorhandene Vermögen zur Befriedigung der Gläubiger eingesetzt werden soll. Außerdem sollen Meßkonkonzepte analysiert werden, die versuchen die Überschuldung zu Handelsbilanzwerten (dazu unter cc) bzw. zu Wiederbeschaffungswerten (dazu unter dd) festzustellen.
aa) Überschuldung nach statischer Bilanzauffassung? Die Vertreter93 der statischen Bilanzauffassung wollen zur Feststellung der Überschuldung Liquidationswerte ansetzen, also solche, die bei einer Veräußerung aller Vermögensteile zu erzielen sind. Sie begründen dies mit einem Höchstmaß an Sicherheit für die Gläubiger94 wegen der durch den Ansatz von Liquidationswerten bewirkten Vorverlegung der Insolvenzauslösung95 und der vermeintlichen Objektivierbarkeit von Liquidationswerten. 96 Gerade am letztgenannten Argument bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Denn die Liquidationswerte schwanken stark mit den real vorhandenen Veräußerungsmöglichkeiten. Grob klassifiziert, ist dabei Hahn (1881), S. 390. So der Abgeordnete Dr. Goldschmidt in der 11. Sitzung der 1. Lesung, abgedruckt bei Hahn (1881), S. 575. 92 Plate (1980), S. 221; vgl. auch aaO., S. 222. - Der Unterschied spiegelt sich etymologisch wider; dazu Kluge (1989), Stw. ,Vermögen'; "substantivierter Infinitiv zu vermügen, vermugen, ahd. furimugan ,imstande sein'. Aus ,Können, Kraft' ist die heutige Bedeutung ,Geldmittel' spezialisiert." 93 Dazu zählen etwa Dahl (1964), S. 113; G. Kühn (1970), S. 551; Egner/Woljf(l978), S. 101; R. H. Schmidt (1980), S. 126 ff., 129. Vgl. auch Vonnemann (1991), S. 867 et passim. 94 Ausführlich zum Gläubigerschutz als Rechtsprinzip Wiedemann (1980), S. 516 f. 95 Vgl. zur Begründung Rausch (1985), S. 142 ff. 96 Insoweit zustimmend Drukarczyk (1979), S. 575 m. w.N. 90 91
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eine Veräußerung des gesamten Unternehmens, die Veräußerung größerer zusammenhängender Teile oder die totale Zerschlagung samt Einzelverkauf zu unterscheiden. Neben der Auflösungsintensität kommt es auch noch auf die Auflösungsgeschwindigkeit an. Je größer der Zeitdruck, desto geringer sind im allgemeinen die erzielbaren Liquidationserlöse. Daher ist, um zu einer einigermaßen zutreffenden Bewertung zu gelangen, eine Prognose über die Art der Vermögensverwertung erforderlich. 97 Die Höhe des Liquidationserlöses kann sich daher "in einem sehr breiten Spektrum bewegen,,98 und gibt dem Bilanzierenden, also der Geschäftsführung, einen weiten Ermessensspielraum. 99 Kölsch hält die Probleme der Wertfindung in einer Liquidationsbilanz daher bislang noch nicht für abschließend gelöst. 100 Selbst wenn man aber mit Drukarczyk meint, daß der Liquidationswert immerhin weniger manipulationsanfäIIig sei als andere Meßkonzepte und diesen daher vorzuziehen sei 101, so begegnet der Ansatz von Liquidationswerten in der Überschuldungsbilanz gleichwohl einer Reihe weiterer Bedenken. So wurde in der Literatur verschiedentlich nachgewiesen, daß bei Ansatz von Liquidationswerten die Mehrzahl der Kapitalgesellschaften überschuldet wäre. 102 Nach Egner/Wolffwürde eine durchschnittliche Wertdifferenz für alle Vermögensgegenstände zwischen Buchwert und Liquidationswert von gut 30 Prozent ausreichen, damit Überschuldung eintritt. 103 Bedenkt man welche oftmals sehr viel höheren Preisnachlässe bei der Verwertung von Insolvenzmassen hingenommen werden müssen, erscheint die 30-Prozent-Marge äußerst gering. 104 Insbesondere junge Unternehmen wären bei solchen Wertansätzen häufig überschuldet. 105 Ferner ist bei Ansatz von Liquidationswerten die Gefahr überflüssiger Insolvenzauslösungen 106 relativ hoch. Wenn nämlich die Gläubiger ein Insolvenzverfahren bereits beantragen dürften, falls die Gesellschaft zu Liquidationswerten überschuldet ist, so stünden sie sich bei einer Insolvenzeröffnung in etwa ebenso 97 Vgl. Egnerl Wolf.f (1978), S. 104 f. m.w.N.; Leffson (1984), S. 27 (Rn. 34); Wüst (1985), S. 819; HesselmannlStejan (1990), S. 45 m.w.N.; HachenburglUlmer (1989/1991), § 63 Rn. 39; Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 11. 98 BurgerlSchellberg (1995b), S. 266; dies. (1995d), S. 571; vgl. auch Melchers (1995), S.70f. 99 So EgnerIWolf.f(1978), S. 105; vgl. auch Rausch (1985), S. 151 ff.; Uhlenbruck (1986), S. 42 f. 100 Ders. (1988), S. 149 m.z.w.N. 101 Ders. (1979), S. 569. 102 Ausführlich hierzu Rausch (1985), S. 142 ff., der zu dem Ergebnis kommt, daß "über die Hälfte al1er Unternehmen als überschuldet gelten würde" (aaO., S. 146). Vgl. auch Drukarczyk (1979), S. 575; Wüst (1985), S. 819; Meyer-Cording (1986), S. 416; Klar (1990), S. 2078 und Melchers (1995), S. 70. 103 Dies. (1978), S. 105. 104 Vgl. Moxter (1976), Sp. 635. 105 Vgl. HundertmarklHerms (1972), S. 1119. 106 Siehe dazu näher oben unter C.I.4.a)bb)(1).
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gut wie bei einer Fortführung. Damit besteht für sie aber ein hoher Anreiz zur Auslösung unter Umständen überflüssiger Insolvenzverfahren. Da dieses von Dritten jedoch fast immer als gefährliches Warnsignal verstanden wird 107, geht hiermit die Gefahr einher, daß es zu Abschlägen beim Fortführungswert kommt. Das hat den Nachteil, daß dadurch die Position derjenigen beeinträchtigt wird, die an einer Fortführung interessiert sind, also insbesondere die Gesellschafter und Arbeitnehmer, aber auch solche Gläubiger, die den Erhalt ihres Geschäftspartners wünschen. Das kann dazu führen, daß auch kleinste Verluste der antragstellenden Gläubiger erhebliche Verluste der an einer Fortführung Interessierten bedingen. 108 Und das, obwohl das Unternehmen bei Eintritt einer Überschuldung zu Liquidationswerten durchaus noch fortführungswürdig sein kann. 109 Das liegt daran, daß im Ansatz von Liquidationswerten - ökonomische betrachtet - ein Denkfehler liegt. Plate hat diesen auf den Punkt gebracht: ,,(M)an kann einem an sich ertrags fähigen Unternehmen, das laufend Einnahmeüberschüsse zu verzeichnen hat und ohne Schwierigkeiten zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen in der Lage ist, nicht deshalb die Insolvenzreife zusprechen, weil sich nur seine Leistungen, nicht jedoch auch sein Produktivvermögen schuldendeckend veräußern lassen.,,110 Durch eine Bewertung zu Liquidationswerten wird also - unter der Prämisse, daß die Gesellschaft ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommt - das Risiko einer sachlich nicht gerechtfertigten Insolvenzauslösung verlagert auf Gesellschafter, Arbeitnehmer und diejenigen Gläubiger, die eine InsolvenzantragsteIlung nicht gutheißen. 111 Das ist insofern besonders mißlich, als eine Überschuldung zu Liquidationswerten nicht zwingend eine Gläubigergefährdung indizieren muß, ihr also die ökonomische Legitimation fehlen kann. 112 Denn es fehlt an einem Zusammenhang zwischen dem, was eine Überschuldungsbilanz zu Liquidationswerten tatsächlich mißt und dem, was sie vorgibt zu messen. 113 107 Dazu oben unter C.I.4.a)bb)(2); vgl. auch Fischer (1981), S. 1346; Drukarczyk (1986), S. 226 (zu These 1). 108 Vgl. Drukarczyk (1979), S. 578 (zu Fall 4); ders. (1986), S. 226 f. (zu These 2); ders. (l994a), S. 1237. 109 Vgl. Hanisch (1977), S. 27 m.w.N.; Haack (1980), S. 32; Wüst (1985), S. 819; Schlosser (1991), S. 14; K. Thomas (1983), S. 83; zurückhaltend K. Schmidt (1986), S. 189 f. 110 Ders. (1980), S. 219 (grammatisch korrigiert). 111 Vgl. auch R. H. Schmidt (1984), S. 725 f.; BitzlHemmerdelRausch (1986), S. 344 m.w.N.; Schwieters (1989), S. 176; Schaub (1993), S. 1484; Melchers (1995), S. 71. 112 Für die Personenhandelsgesellschaften ist dies seit jeher anerkannt, vgl. Kahler (1891), S.96. 113 Ähnlich Drukarczyk (1982b), S. 564: Eine Bilanz zu Einzelveräußerungspreisen mißt die "güterwirtschaftliche Liquidität der Vermögensgegenstände des Unternehmens. Diese information ist nicht ohne Bedeutung für die Gläubiger, da sie an einer soIchen Bilanz erkennen könnten, in weIcher Relation das so definierte Vermögen zu den Ansprüchen der Gläubiger steht, eine Information, die dann relevant wäre, wenn es zur Zerschlagung käme. Eine mindestens ebenso wichtige Frage ist die, ob und wenn ja, mit weIcher Wahrscheinlichkeit es zur Zerschlagung kommen kann. Hierüber kann eine so konzipierte Bilanz keine präzisen informationen geben." (Hervorhebungen weggelassen). - Moxter (1962), S. 220: "Der Niedergang
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Dagegen ließe sich einwenden, daß der betriebs wirtschaftliche Gesichtspunkt der Erhaltung fortführungswürdiger Unternehmen gegenüber der gesetzgeberischen Absicht, einen Haftungsfond zu sichern, zurückzutreten habe. 114 Dabei würde aber übersehen, daß die Schaffung eines Haftungsfonds nur Mittel zum Zweck ist. Primär muß es jedoch auf den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck ankommen. Dieser besteht darin, Anreizen zu Vermögensverschiebungen entgegenzuwirken. 115 Erweist sich nun das vom Gesetzgeber gewählte Mittel als nicht zweckentsprechend, weil es im Übermaß wirksam ist und daher andere vom Gesetzgeber vorgegebene Ziele verletzt, so muß die Aufgabe darin bestehen, nach einem besser geeigneten Mittel zur Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks zu suchen. Der vorgebrachte Einwand erscheint daher sehr positivistisch und verstößt gegen das oben l16 dargelegte Prinzip, wonach Recht und Ökonomie nur synästhetisch betrieben werden können. 117 Der gegen den Ansatz von Liquidationswerten zur Feststellung der Überschuldung häufig vorgebrachte Einwand 1l8 , wonach dann, wenn es infolge dieses Ansatzes tatsächlich zum Insolvenzverfahren kommt, dadurch eine Fortführung der Gesellschaft enorm erschwert würde, erscheint mir hingegen weniger überzeugend. Der Einwand stützt sich darauf, daß die Chance auf eine relativ hohe Befriedigungsquote es für die Gläubiger wenig opportun erscheinen läßt, im Rahmen von Sanierungsverhandlungen allzu große Zugeständisse zu machen. Dabei wird aber übersehen, daß es ja gerade der Sinn der Überschuldungsregel ist, angemessene Zugriffsmassen für die Gläubiger festzuschreiben. Sofern die Gesellschafter in einer Fortführung tatsächlich Chancen sehen, können sie den Gläubigem die Zustimmung zur Fortführung aber durch Kompensationszahlungen abkaufen. 1l9 Dabei würde die Bereitschaft zu Kompensationszahlungen das geltend gemachte Fortführungsinteresse überzeugend bestätigen. Damit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, daß die Überschuldung nicht anhand einer Bilanz gemessen werden darf, die für die Feststellung des Wertes der Vermögensgegenstände von deren Liquidation ausgeht.
eines Unternehmens kann ( ... ) nicht daran erkannt werden, daß die Schulden von den Liquidationswerten der Vermögensgegenstände nicht mehr gedeckt werden." - Vgl. auch Klar (1987), S. 186; Kölsch (1988), S. 175. 114 So Vonnemann (1991), S. 868. llS V gl. oben unter D.1.2.a). 116 Unter C.II.l. 117 V gl. auch Uhlenbruck (1970), S. 94. 118 Etwa bei Drukarczyk (1979), S. 577; ders. (1980), S. 291; ders. (1981), S. 253; ders. (1994a), S. 1240 f. (unter 5); Rausch (1985), S. 146; Schwieters (1989), S. 175. 119 Hierzu Drukarczyk (1994a), S. 1240 f. (unter 5).
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bb) Überschuldung nach dynamischer Bilanzauffassung? Wie bereits erwähnt l20 , geht es bei der Überschuldung nach dynamischer Bilanzauffassung um die Frage, ob das Vermögen des Unternehmens diesem ermöglicht, seine künftigen Verbindlichkeiten vertragsgemäß zu erfüllen. Daher sind die "Vermögensgegenstände entsprechend ihrem Leistungsbeitrag im betrieblichen Kombinationsprozeß zu bewerten.,,121 Dieser ist abhängig von den zukünftigen Einzahlungen der Unternehmung. Um sie mit den Schulden vergleichen zu können, müssen sie auf ihren Barwert abgezinst werden. Dieser entspricht dem Fortführungswert. 122 Ist er kleiner als der Wert des Fremdkapitals bei vertragskonformer Bedienung, so liegt Überschuldung vor. Theoretisch ist das unproblematisch. Oben wurde jedoch bereits auf die praktischen Schwierigkeiten bei der Feststellung des Fortführungswertes hingewiesen. 123 Zusammengefaßt bestanden sie darin, daß sich die künftigen Einzahlungen nur schwer abschätzen lassen, daß unsicher ist, für welche Dauer dies erfolgen soll und daß es vor allem nicht möglich ist, einen wirklich zutreffenden Kalkulationszinsfuß anzugeben, obgleich bereits geringe Schwankungen desselben zu erheblichen Veränderungen des Fortführungswertes führen. Außerdem bedarf es eines Verfahrens zur Verteilung des Fortführungswertes auf die einzelnen Vermögensgegenstände. 124 Mit jeweils unterschiedlichen Konzepten haben Haack 125 , Fischer l26 und Klar l27 versucht diese Probleme zu lösen. Haack meint, da das Gesetz einen einheitlichen Überschuldungsbegriff zugrunde lege 128 , bei der Bewertung des Unternehmensvermögens nur von Fortführung ausgehen zu dürfen, weil das Unternehmen im Zeitpunkt der Bewertung noch eine werbende Tätigkeit entfalte. 129 Dabei will er auf die "Summe der Verkehrswerte,,130 abstellen, weil diese durch die zur Feststellung einer Insolvenz verpflichteten Geschäftsführer am wenigsten manipuliert werden könnten. 13 I Der Verkehrswert orientiere sich am Marktpreis, da dieser
Oben unter D.I.2.c) vor aa). Burger/Schellberg (1995b), S. 265. 122 Dazu bereits oben unter C.I.1.d). Vgl. auch § 252 I Nr. 2 HGB, wonach regelmäßig von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist. 123 Vgl. unter c.m.1.c). 124 Vgl. Egner/Wolff(1978), S. \03. 125 Ders. (1980). 126 Ders. (1980) sowie (1981). 127 Ders. (1987) sowie (1990). 128 Ders. (1980), S. 95. 129 Ders. (1980), S. 96: "Ab dem Zeitpunkt seiner Gründung streitet die Vermutung seiner Existenzfähigkeit für das Unternehmen solange, bis deren unwiederbringlicher und zum Konkurs führender Verlust festgestellt ist." 130 Haack (1980), S. 96. 131 Haack (1980), S. 93; vgl. auch aaO., S. 87 ff. 120
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das "Gegenleistungsinteresse eines Käufers von Vennögensbestandteilen,,132 ausdrücke. Eindeutig spricht er sich gegen Elemente in der Bewertung aus, die das Erfolgspotential des Unternehmens berücksichtigen, weil er hierin die "große Gefahr einseitig zu Lasten der Gläubiger ausgerichteter Wahrscheinlichkeitsrechnungen" erblickt. 133 Gleichwohl löst Haacks Ansatz das Problem der Objektivierung von Fortführungswerten nicht. Er räumt selbst ein, daß der Verkehrswert "auch bei marktgängigen Waren nicht problemlos,,134 zu ennitteln ist. Noch schwieriger ist es allerdings bei all den zahlreichen Vennögensgenständen, für die es keinen Markt gibt. Zu denken ist dabei insbesondere an Halbfertigwaren, an Spezialmaschinen oder an für einen speziellen Betriebszweck eingerichtete Gebäude 135. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, daß die Verkehrswerte nichts über den Leistungsbeitrag von Vennögensgegenständen im betrieblichen Kombinationsprozeß aussagen können, weil sie den betriebsorganisatorischen Zusammenhang, in den diese Gegenstände eingefügt sind, unberücksichtigt lassen. Verkehrswerte sind daher nicht geeignet, um eine Überschuldung nach dynamischer Bilanzauffassung festzustellen. Anders als Haack will Fischer auf reine Ertragswerte abstellen. Diese sollen ermittelt werden durch die "Addition und Abdiskontierung der zukünftig zu erwartenden Jahreserträge.,,136 Dabei ergeben sich allerdings praktisch dieselben Probleme wie bei der Feststellung von Fortführungswerten. 137 Das wird von Fischer selbst eingeräumt. 138 Hier setzt der Vorschlag von Klar an. Danach kennzeichnet der Vennögensverbund das "für die Durchführung betrieblicher Leistungsprozesse zur Verfügung stehende Produktionspotential" 139. Dieses sei allerdings nur "Grundlage der Erfolgserzielung, seine Bereitstellung aber noch nicht Erfolg selbst.,,14o Dieser ergebe sich erst aus dem "Einsatz der Güter im Produktionsprozeß.,,141 Klar versucht nun, die ,,Nutzungen, die tatsächlich aus dem Produktionsprozeß gezogen werden,,142, zu ennitteln. Dabei wird der "Nutzungswert eines Produktionspotentials ( ... ) durch den Grad seiner Ausschöpfung bestimmt.,,143 Zu ennitteln sei deshalb "die sich unter Berücksichtigung von Ausbringungsmengen und Kosten ergebende Haack (1980), S. 94. Zitat und Beleg bei Haack (1980), S. 90. 134 Haack (1980), S. 97. 135 Haack (1980), S. 97, erwähnt selbst das Beispiel eines auf spezielle Zwecke ausgerichteten Sanatoriums. 136 Fischer (1981), S .. 1348; ausführlich ders. (1980), S. 62 ff. 132 133
Dazu bereits oben unter C.III.I.c). Vgl. ders. (1980), S. 83 f.; ders. (1981), S. 1351. 139 Klar (1990), S. 2080; ausführlich ders. (1987), S. 98 ff. 140 Ebd. 141 Ebd. 142 Ebd. 143 Ebd. 137
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relative Vorteilhaftigkeit der tatsächlichen gegenüber der normalen Kapazitätsausnutzung.,,144 Die Anschaffungskosten der einzelnen Vermögensgegenstände werden dann entsprechend nach oben oder unten korrigiert. Vonnemann hat auf die entscheidende Schwäche dieses Ansatzes hingewiesen: Danach kommt es nicht auf die Ausnutzung des vorhandenen Produktionspotentials an, sondern darauf, "ob die Ausschöpfung dieses Produktionspotentials zu einem wirtschaftlichen Erfolg am Markt führt.,,145 Abgesehen davon, kommt auch dieses Verfahren nicht ohne Prognosen aus. Denn die Kapazitätsausnutzung ist erst meßbar, nachdem die jeweiligen Vermögensgegenstände im Produktionsprozeß eingesetzt worden sind und damit als solche nicht mehr bestehen. Soweit nun also Vermögensgegenstände bewertet werden sollen, die den Produktionsprozeß noch nicht vollständig durchlaufen haben, sind daher abermals Schätzungen erforderlich. Auch Klar räumt ein, daß die Kapazitätsausnutzung in diesem Fall "nur mit erheblichem Aufwand und auch dann nur näherungsweise zu bestimmen,,146 sei. Ferner erfordert der Vorschlag eine gut funktionierende Kostenrechnung und damit ein Instrument, das in Klein- und Mittelbetrieben, die den Großteil der GmbH-Insolvenzen ausmachen 147 , nur selten vorhanden sein dürfte. Bedenkt man, daß der Vorschlag mit erheblichem Rechenaufwand verbunden ist 148 , so erscheint er kaum praktikabel, vor allem da die Messung der Kapazitätsausnutzung in kürzeren Abständen erfolgen müßte, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll. Damit bleibt festzuhalten, daß eine auf Fortführungswerte abstellende Überschuldungsbilanz entweder nicht praktikabel oder aber nicht justiziabel ist, weil sie das Kriterium der Wohldefiniertheit nicht erfüllt. 149 Die vom Gesetzgeber der KO angesprochenen Meßkonzepte zur Feststellung der Überschuldung 150 sind mithin ungeeignet. Im folgenden sollen daher weitere Meßkonzepte daraufhin untersucht werden, inwieweit eine Überschuldung mit ihrer Hilfe festgestellt werden kann.
cc) Überschuldung zu Handelsbilanzwerten? Mehrere Autoren wollen die Überschuldung feststellen, indem sie in der Überschuldungsbilanz Handelsbilanzwerte - zumindest in modifizierter Form - zugrunde legen. 151 Sie begründen das vor allem damit, daß es auf Basis der handelsrecht144 Klar (1990), S. 2081. V gl. hierzu die Beispiele aaO. und bei Klar (1987), S. 152 ff. sowie bei Th. Woif(l995), S. 860. 145 Ders. (1991), S. 869. 146 Ders. (1987), S. 118. 147 Vgl. die Angaben oben unter B.ILI.a). 148 Ebenso Vonnemann (1991), S. 869. 149 Dazu oben unter C.III.l.a) - V gl. auch Marschdorf(l984), S. 237 f. 150 Dazu oben unter D.L2.c) vor aal. 151 Vgl. etwa Kölner KommentarlMertens (1988), § 92 Rn. 31; Vonnemann (1991), S. 869 ff.; ders. (1989), S. 21 ff.; Schwieters (1989), S. 184 ff.; Melchers (1995), S. 76 ff.;
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lichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften gern. §§ 242 ff., 264 ff. HGB möglich sei, an einen objektiven Tatbestand anzuknüpfen. Dadurch steige die Transparenz der Feststellung. Ferner argumentieren sie, daß im System der Vermögensentzugssperren sichergestellt sein müsse, daß durch den Überschuldungstabestand keine höheren Eigenkapitalbestände erzwungen werden, als sie die Kapitalausstattungsregeln für solvente Unternehmen fordern. 152 Auch dürfe die Berichtspflicht nach § 49 III GmbHG keinesfalls vor der Überschuldung eintreten. Dieses Ziel lasse sich nur erreichen, indem man einheitlich auf Handelsbilanzwerte abstelle. Was die behauptete Objektivität der Überschuldungsfeststellung angeht, ist jedoch einzuwenden, daß der gesetzliche Bewertungsgrundsatz gern. § 252 I Nr. 2 HGB wonach im Regelfall von der Fortführung der Unternehmentätigkeit auszugehen ist, nur gilt, "sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.,,153 Dabei ist die "Gesamtsituation des Unternehmens zu würdigen; außerdem ist eine Prognose über die Fortführung der Unternehmenstätigkeit unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Gegenbenheiten zu erstellen.,,154 Solche Prognosen schränken die Objektivität allerdings ein. 155 Hinzukommt, daß teilweise versucht wird, die Handelsbilanzwerte durch Modifikationen den Zeitwerten anzunähern. 156 Dadurch soll dem Einwand begegnet werden, daß die Handelsbilanz keine "auch nur halbwegs zutreffende Beurteilung der Vermögens lage der Gesellschaft" 157 zulasse. Der Einwand beruht auf der Begrenzung des Wertansatzes auf Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Höchstwert (§ 253 I 1 HGB), auf der Vorwegnahme negativer und der Unterdrückung positiver Einflüsse durch das Imparitätsprinzip i58, auf dem Vorhandensein von Ansatz- 159 und Bewertungswahlrechten 160 sowie auf dem Einfluß steuerlicher Bewertungsregeln. 161 Gibt man dem Th. Wolf (1995), S. 862 f.; vgl. auch Drukarczyk (1986), S. 230 f.; ferner Kommission für Insolvenzrecht (1985), LS 1.2.6 Abs. I S. 2. 152 V gl. Kölner Kommentar I Mertens (1988), § 92 Rn. 31; Drukarczyk (1986), S. 230 m.w.N.; ders. (l994a), S. 1238 f. 153 § 252 I Nr. 2 HGB, letzter Hs. 154 Beck'scher Bilanzkommentar I Budde IGeißler (1995), § 252 Rn. 10 (Hervorhebungen weggelassen). 155 Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar I Budde I Geißler (1995), § 252 Rn. 13: "Das rechtzeitge Erkennen des Zeitpunkts, in dem sich die Frage nach der Fortführung des Unternehmens stellt, ( ... ) gehört ( ... ) zu den schwierigsten Fragen der Bilanzierung überhaupt." 156 So etwa Schwieters (1989), S. 184 ff.; Vonnemann (1991), S. 869 ff.; Melchers (1995), S. 76 f.; Th. Wolf (1995), S. 862 ff. 157 Baumbachl Hueckl Schu/ze-Osterloh (1996), § 63 Rn. 10a. 158 So bleibt etwa ein höherer Verkaufserlös außer Ansatz, vgl. § 253 I I HGB. 159 Aktivierungswahlrechte sind etwa §§ 250 III, 255 IV, 269, 274 II HGB; Passivierungswahlrechte finden sich in §§ 249 I 3, Ir, 273 i.Y.M. 247 III HGB. 160 Vgl. etwa §§ 253 Ir (S. 3 i.Y.m. § 279 I), III, 254 i.V.m. 279 Ir, 255 I, Ir, III, IV 3, 256, 269 i.Y.m. 282,280 Ir HGB. 161 Näher hierzu EgnerlWolff(l978), S. 101 f.; Haack (1980), S. 67 ff. Schulze-Osterloh (1985), S. 246 f.; Klar (1987), S. 165, 180 ff.; ders. (1990), S. 2080; Kölsch (1988), S. 87.
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Einwand allerdings nach, dann schwindet durch die Annäherung der Handelsbilanzwerte an die Zeitwerte die erstrebte Objektivität vollends dahin. 162 Das Ziel objektiv nachprüfbare Werte zu erhalten, wird daher weder durch den Ansatz der gesetzlichen noch der modifizierten Handelsbilanzwerte erreicht. dd) Überschuldung zu Wiederbeschaffungswerten? Der Ansatz von Wiederbeschaffungswerten 163 wird wegen ihrer Manipulationsimmunität diskutiert. Ihnen haftet jedoch der Nachteil an, daß sie "weder etwas über das Ausmaß der Gefährdung von Gläubigem noch die Möglichkeiten zu ihrer Befriedigung auszusagen"l64 vermögen. Denn aus der "Mitteilung jenes Betrages, der für eine Reproduktion des Betriebes erforderlich ist, kann nicht auf die künftigen Erfolgschancen und auf die Fähigkeit der Schuldendeckung geschlossen werden.,,165 Offensichtlich wird das insbesondere bei Fehlinvestitionen: nicht absetzbare Lagerbestände oder überflüssige Maschinen würden das Vermögen gegenüber den Schulden aufblähen, ohne daß damit eine Sicherung der Gläubiger einherginge. Umgekehrt würden ertragsstarke Dienstleistungsunternehmen mit einem geringen Vermögensbestand unterbewertet, obgleich die Gläubiger nicht gefährdet wären. d) Bewertungsprämisse als Vorfrage Es könnte im folgenden noch auf eine Reihe weiterer Bewertungsverfahren zur Feststellung der Überschuldung eingegangen werden. 166 Jedoch wäre dem Ziel dieser Arbeit damit nicht gedient. Das, worauf es ankommt, ist nämlich bereits deutlich geworden: Solange nicht geklärt ist, unter welcher Prämisse bewertet wird, ist eine Bilanzerstellung nicht möglich. 167 Bezogen auf die bilanzielle Fest162 Zu den sich daraus ergebenden gewaltigen Manipulationsspielräumen siehe nur Barth (1953), S. 147 ff., mit seiner Darstellung der Zustände, die herrschten als tatsächlich noch zu Zeitwerten bewertet wurde; vgl. auch aaO., S. 52 f. 163 Vgl. dazu die umfangreichen Nachweise bei Fischer (1981), S. 1346 Fn. 19. 164 Plate (1980), S. 221. 165 BurgerlSchellberg (I 995b), S. 266. 166 Vgl. insofern - jeweils m. w.N. - die Übersichten zu den verschiedenen Bewertungsverfahren bei Haack (1980), S. 77 ff.; Vlmer (1981), S. 473 ff.; Kupsch (1984), S. 161 ff.; Rausch (1985), S. \09 ff.; BitzlHemmerdelRausch (1986), S. 327 ff.; sehr ausführlich bei Klar (1987), S. 17 ff., sowie aaO., S. 177 ff., anhand eines umfangreichen Zahlenbeispiels; Kölsch (1988), S. 169 ff.; Vonnemann (1989), Rn. 12 ff.; Kressin (1990), S. 171 ff.; K. Schmidt (1990a), S. 48 f.; Schaub (1993), S. 1484 f.; Drukarczyk (I994a), S. 1235 f.; Melchers (\ 995), S. 70 ff. 167 Vgl. Stützel (\ 967), S. 321; EgnerlWolj (1978), S. 102 (Eine Bewertungsregel ist "so lange eine völlige Leerformel, die keinen konkreten Anweisungscharakter hat, als nicht hinzugefügt wird, zu welchem Zweck bewertet wird."); Drukarczyk (\ 979), S. 561; Burger (1988), S. 125 ("Ein Wert kann immer nur in bezug auf einen mit der Bewertung verfolgten
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stellung der Überschuldung einer Gesellschaft bedeutet das, daß vor Bilanzerstellung geklärt sein muß, von welcher Bewertungsprämisse ausgegangen wird. Je nach dem sind entweder Fortführungs- oder Liquidationswerte anzusetzen. Letztere können gleich Null sein, wenn sich einzelne Vermögensgegenstände nicht veräußern, sondern nur verschrotten lassen und wenn der Schrottwert geringer ist als die Verschrottungskosten, etwa für Demontage, Transport oder Entsorgung. Ob nun von Fortführungs- oder Liquidationswerten auszugehen ist, beurteilt sich nach den geschäftlichen Perspektiven des Gesellschaftsunternehmens. Sind die geschäftlichen Perspektiven gut, sind Fortführungswerte anzusetzen, sind die geschäftlichen Perspektiven schlecht, muß mit Liquidationswerten gerechnet werden. Nachdem es der Zweck des Überschuldungstatbestandes ist, festzulegen, wann ..einer fortschreitenden Untergrabung der Gesellschaft Einhalt gethan werden,,168 muß, weil sich die geschäftlichen Perspektiven derart verschlechtert haben, daß die Rückforderungsanspriiche der Gläubiger entwertet werden, bedeutet der Versuch, die Überschuldung einer Gesellschaft anhand einer Bilanz feststellen zu wollen, einen Zirkel schluß. 169 Denn als Bewertungsprämisse muß eine Annahme über die geschäftliche Perspektive des Gesellschaftsunternehmens zugrunde gelegt werden, die sich ihrerseits - nach der gedanklichen Konzeption des Überschuldungstatbestandes - erst als Ergebnis der Überschuldungspriifung ergeben kann. Kurz gesagt hängt die Bewertungsprämisse vom Ergebnis der Überschuldungsprüfung und das Ergebnis der Überschuldungsprüfung von der Bewertungsprämisse ab. Ob wegen Überschuldung ein Insolvenzverfahren eröffnet werden soll, ergibt sich mithin nicht ohne weiteres aus der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, sondern ist von der vorgängigen Festlegung der Bewertungsprämisse abhängig. Dabei ist die Bewertungsprämisse gewissermaßen der Maßstab mit dem das Meßinstrument Bilanz für die jeweilige Aufgabe, nämlich die ..Bestimmung der Zusammenbruchsgefahr von Unternehmungen,,170, geeicht wird. 171 Anders ausgedrückt: Mit BilanZweck als ,richtig' oder ,falsch' eingestuft werden."); Schwieters (1989), S. 173 ("Erst die Explikation der Verwertungsprämisse - Unternehmensfortführung oder Unternehmenszerschlagung - schafft die Voraussetzung für die Konstruktion eines theoretisch wie praktisch befriedigenden Meßkonzepts zur Überschuldungsmessung. " [Hervorhebungen weggelassen]); K. Schmidt (1990a), S. 49 (.. struktureller Mangel"); Müchler (1993), S. 83 (,,Ein Vermögensvergleich läßt [ ... ] erst dann einen Schluß auf eine Gläubigergefahrdung zu, wenn eine bestimmte Verwertungsform der Vermögensgegenstände vorab unterstellt wurde."). 16K AaO. (Fn. 76). 169 Vgl. auch Klar (1990), S. 2078. 170 Moxter (1976), Sp. 635. 171 An der Verkennung dieser Zusammenhänge macht auch die von ökonomischer Seite geäußerte grundsätzliche Kritik am Überschuldungstatbestand fest; vgl. Drukarczyk (1979), S. 565 ("die Entscheidung über die Fortführungswürdigkeit der Gesellschaft [ ... ] ist in der Konzeption des Gesetzgebers TUlch Erstellung der Überschuldungsbilanz und Würdigung des Ergebnisses zu treffen"); R.H. Schmidt (1984), S. 723; Arians (1985), S. 233 ("Deutlich hingewiesen sei [ ... ] darauf, daß die Frage nach der Erhaltungsfähigkeit der Unternehmung nicht durch die Überschuldungsbilanz eine Antwort findet, sondern vor deren Erstellung muß die Unternehmung in dieser Hinsicht begutachtet bzw. geprüft werden."), s. auch aaO., S. 207 f.
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zen läßt sich zwar durchaus quantitativ feststellen, ob "das Vermögen nicht mehr die Schulden deckt" (§ 64 I 2 GmbHG), aber eben nur unter der Bedingung, daß zuvor qualitativ festgelegt wurde, welcher Maßstab für die Messung des Vermögens - aber auch der Schulden - anzulegen ist. Für die Festlegung dieses Maßstabs gibt eine Bilanz hingegen nichts her. Der Hinweis von K. Schmidt, daß die Unternehmensbewertung "als Rechtsproblem normativ determiniert ist,,172, ist in diesem Zusammenhang so lange eine Leerformel, wie nicht klar gesagt wird, welcher Bewertungsmaßstab anzulegen ist. Zwar erkennt auch K. Schmidt an, daß das "Bewertungsziel ( ... ) der Bewertung als Rechtsfrage vorgegeben,,173 sei, doch ist Gross/eld zuzustimmen, daß das nicht mehr bedeutet, als "daß die für eine Bewertung maßgeblichen Daten nur aus dem von der Rechtsordnung gebilligten ( ... ) Bereich gewonnen werden können.,,174 Bewertungsziele geben mithin rechtlich vor, an welchen Erfordernissen sich die Bewertung zu orientieren hat. Bei K. Schmidt wird aber nicht deutlich, daß der "konkrete rechtliche Zusammenhang die Wertermittlung ( ... ) prägt".175 Denn er legt zwei, sich einander ausschließende Bewertungsziele zugrunde. So geht sein erste Bewertungsziel von der Fortführung der Unternehmung aus. 176 Sein zweites Bewertungsziel orientiert sich dagegen an der Liquidation des Unternehmens. 177 Bei sich einander widersprechenden Bewertungsvorgaben ist aber unklar, an welchem rechtlichen Erfordernis die Bewertung im Zweifel gemessen werden soll. Der Fall offenbart das Dilemma all derer, die die Frage nach der Fortführung oder Liquidation eines Unternehmens von einer Überschuldungsprüfung abhängig machen wollen: Sie müssen als Bewertungsziel etwas voraussetzen, was sie erst als Ergebnis einer Bewertung erhalten können. Dabei ist es auch keine Lösung, sowohl unter der Fortführungsprämisse als auch unter der Liquidationsprämisse zu bewerten. 178 Denn gesetzt den Fall, die Bewertung zu Fortführungswerten ergäbe, So K. Schmidt (1982c), S. 170; ähnlich ders. (1980a), S. 235. Ders. (1980a), S. 235 (Hervorhebung des Originals weggelassen). 174 Ders. (1981), S. 642; aaO., S. 642 ff., auch eingehend zu dem Zusammenhang von Recht und Unternehmensbewertung. 175 Grassfeld (1981), S. 643 (Hervorhebung durch A.F.). Ders., aaO.: "Es stellt sich nicht die allgemeine Frage, was ein Unternehmen ( ... ) wert ist. Vielmehr ergibt sich die Frage innerhalb und nur für eine bestimmte rechtliche Sonderbeziehung: es geht um Wertennittlung im Rahmen eines bestimmten Rechtsverhältnisses zwischen bestimmten Personen! Entscheidend ist, daß zwischen diesen Personen bereits eine rechtliche Sonderbeziehung im Hinblick auf das zu bewertende Unternehmen besteht." 176 K. Schmidt (1980a), S. 235, sieht dieses Ziel durch die Frage bestimmt: ,,Ist aufgrund gegenwärtiger Daten zu befürchten, daß das Unternehmen zahlungsunfahig wird?" (Hervorhebungen durch A.F.). 177 K. Schmidt (1980a), S. 235, macht es an der Frage fest: "Würde eine sofortige Liquidation zu vollständiger Gläubigerbefriedigung führen?". 178 Etwas anderes ist das im Fall von § 151 II InsO, denn dort dienen die unterschiedlichen Wertangaben der Vorbereitung einer Entscheidung der Gläubiger, d. h. deren Entscheidungsfindung. Die Entscheidung selbst wird jedoch nicht vorherbestimmt. 172 173
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daß fortgeführt werden darf, die Bewertung zu Liquidationswerten hingegen würde eine Überschuldung anzeigen, so wüßte man damit immer noch nicht, ob nun fortgeführt oder liquidiert werden soll. Das Beispiel zeigt, daß es entscheidend darauf ankommt, zunächst das Ziel zu ermitteln, das mit der Bewertung verfolgt werden soll. Die Bewertungsprämisse ist daher die notwendige Vorfrage einer jeden Bewertung und damit auch jeder bilanziellen Messung von Überschuldung. Wenn dem aber so ist, dann kommt es entscheidend darauf an, wovon die Bewertungsprämisse abhängt. Dabei sind - wegen der synästhetischen Verknüpfung von Recht und Ökonomie 179 - die ökonomischen Rahmenbedinungen 180 bei der Festlegung der Bewertungsprämisse unbedingt zu beachten. 181
e) Meßkonzepte unter Einbeziehung der Bewertungsprämisse In der Literatur werden zwei Auffassungen vertreten, die versuchen, das Problem der vorrangig festzulegenden Bewertungsprämisse in die Messung der Überschuldung zu integrieren. Es handelt sich dabei um die zwei stufige alternative Prüfung und die modifizierte zweistufige Prüfung. Die beiden Methoden sollen im folgenden auf ihre Eignung überprüft werden. 182
aa) Zwei stufige alternative Prüfung Bei der zwei stufigen alternativen Prüfung 183 wird in einem ersten Schritt "aufgrund sorgfaltiger betriebs wirtschaftlicher Analyse der Rentabilität des Unternehmens, seiner Finanzierung sowie fundierter Erwartungen hinsichtlich der künftigen Entwicklung,d84 eine Fortbestehensprognose erstellt. In Abhängigkeit von dem Ergebnis des ersten Schrittes wird anschließend in einem zweiten Schritt das Vermögen der Gesellschaft entweder zu Fortführungswerten 185 oder zu Liquidationswerten 186 bewertet. Dazu oben unter C.II. I. Dazu ausführlich oben unter c.rY. 181 Unzutreffend ist es daher, wenn etwa Hesselmann/Stejan (1990), S. 45, meinen, daß aufgrund der Schwierigkeiten bei der Feststellung des Ertrags- oder Liquidationswertes das oberste Ziel die Fortführung des insolventen Unternehmens sein müsse. Das Problem wird auch von Schlosser (1991), S. 16, verkannt, wenn er behauptet, daß die Fortführungsprognose nicht Hilfsmittel der Vennögensbewertung sei, sondern der Überschuldungsstatus nur eines der Elemente zur Erstellung der Fortführungsprognose. 182 Vgl. auch den Überblick bei Th. Wolf (I 995), S. 859. 183 Sie wird vertreten von Pribilla (1958), S. 6 ff.; Zilias (1977), S. 447 ff.; Wirtschaftsprüfer-Handbuch! W Müller/ E. Th. Kraft (1992), Rn. T22 ff. Zu weiteren Nachweisen vgl. Drukarr:zyk (1979), S. 564 Fn. 35. Auch der Referentenentwurf zur Insolvenzordnung (1989), Teil B, S. 20 (zu § 21), hatte sich dem zwei stufig alternativen Prüfungsverfahren angeschlossen; ebenso der RegElnsO (vgl. BT-Drs. 12!2443, S. 115 [zu § 23]). 1804 Wirtschaftsprüfer-Handbuch!W Müller/E. Th. Krajt(l992), Rn. T23. 179 180
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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Die Vertreter dieser Methode meinen, daß trotz "positiver Fortführungsprognose ein Überschuldungsstatus auch unter ,going-concern'-Gesichtspunkten eine Überschuldung ergeben" 187 könne, mit der Folge, daß ein Insolvenzverfahen einzuleiten sei. Gerade hieran bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Denn wenn man die Ertragsfähigkeit so hoch einschätzt, daß man zu einer positiven Fortbestehensprognose kommt, so sind die Fortführungswerte nolens volens so hoch, daß sich beim Vergleich der Summe der Fortführungswerte mit dem Wert des Fremdkapitals keine Überschuldung ergeben kann, weil man ansonsten nicht zu einer positiven Fortführungsprognose gekommen wäre. Mit anderen Worten gelangt man mit dieser Methode zu dem Ergebnis, das man in der Bewertungsprämisse zugrunde legt. 188 Die Überschuldungsrechnung wird mithin "zu einer bloßen Bestätigungsrechnung degradiert" I 89. Schaub erhebt daher auch den "Vorwurf eines Zirkelschlusses"l90 und K. Schmidt sieht in der zweistufigen alternativen Prüfung einen "Verstoß gegen das Gebot der Methodenehrlichkeit,,191. Der Kritik ist zuzugeben, daß die Überschuldungsrechnung in der Tat überflüssig ist. Davon abgesehen verdient der Ansatz jedoch insoweit Beachtung, als er die notwendige Bewertungsprämisse in den Mittelpunkt rückt.
bb) Modifizierte zwei stufige Prüfung Aus der Kritik an der zweisstufig alternativen Überschuldungsprüfung heraus, ist die modifizierte zwei stufige Prüfung hervorgegangen. l92 Nach ihr liegt Überschuldung im Rechtssinne vor, wenn kumulativ sowohl ein Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten ergibt, daß die Passiven die Aktiven überwiegen (sog. rechnerische Überschuldung) als auch die Fortführungsprognose negativ ausfällt. 193 185 Maßgeblich soll dabei sein, "ob die Gesellschaft auf die Dauer in der Lage ist, ihren gegenwärtigen Verpflichtungen aus dem vorhandenen Vermögen nachzukommen"; so Wirtschaftsprüfer-Handbuch/W MüllerlE. Th. Kraft (1992) Rn. TI3; weitere Einzelheiten aaO., Rn. TI5. 186 Zu den Einzelheiten vgl. Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1 W Müller I E. Th. Kraft (1992), Rn. T26. 187 Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1 W Müller I E. Th. Kraft (1992), Rn. TI2. 188 Vgl. EgnerIWolf!(l978), S. 104; am aaO. findet sich auch ein Rechenbeispiel. 189 Egner I Wolf! (1978), S. 104. 190 Ders. (1993), S. 1484. 191 Ders. (l982c), S. 170. 192 Vgl. K. Schmidt (I 978a), S. 337 ff.; ders. (l990a), S. 50. 193 Diese Ansicht geht zurück auf K. Schmidt (l978a), S. 337 f.; vgl. auch ders. (l980a), S. 233; ders. (l982a), S. D63; ders. (l982c), S. 168 f.; ders. (l985b), S. 719 f.; ders. (1986), S. 192 f.; ders. (1991), § II.VI.3.b). Der modifiziert zwei stufigen Überschuldungsprüfung haben sich u. a. angeschlossen Baumbauchi Hueckl Schulze-Osterloh (1988), § 63 Rn. 10; RowedderlRowedder (1997), § 63 Rn. 10 ff.; HachenburglUlmer (1989/1991), § 63 Rn. 34 ff.; LuuerlHommelhoff(l995), § 63 Rn. 5 ff. Ferner hatte sich die Kommission für 15'
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D. Analyse
Dabei soll keine feste Prüfungsreihenfolge bestehen. 194 Ziel der modifiziert zweistufigen Prüfung ist es, von einem "rein statisch gedachten Insuffizienztatbestand (schlichter Vergleich der Aktiven mit den Passiven),,195 zu Eröffnungstatbeständen zu gelangen, die "untemehmensrechtliche Verbotstatbestände,,196 darstellen. 197 Die modifizierte zwei stufige Prüfung ist vor allem zwei Einwänden ausgesetzt. 198 Zum einen wird bestritten, daß die Prüfungsreihenfolge der beiden Elemente ,,rechnerische Überschuldung" und ,,Fortführungsprognose" beliebig sei, zum anderen ergeben sich offene Fragen hinsichtlich des Inhalts der Fortführungsprognose. Was die Prüfungsreihenfolge angeht, so ist nicht wirklich einsichtig, warum K. Schmidt entgegen seiner urprünglichen Absicht Ulmer später "mit Recht,,199 darin folgte, daß diese beliebig sein sol1.2oo Denn das Argument von UlmeT,
wonach die Prüfungsreihenfolge beliebig sei, wenn nur die Geschäftsführer die Prognose in nachprüfbarer Weise vollzögen 201 , will in dem Zusammenhang nicht Insolvenzrecht (1985), LS 1.2.6 (Abs. I), die modifiziert zweistufige ÜberschuldungspTÜfung zu eigen gemacht. - Methodisch liegt eine teleologische Reduktion einer zu Liquidationswerten festgestellten Überschuldung auf diejenigen Fälle vor, in denen keine Aussicht auf eine Fortführung besteht; vgl. K. Schmidt (l978a), S. 337 f., und deutlicher Ulmer (1981), S. 478. - Drukarczyk (1986), S. 216, weist zurecht darauf hin, daß mit dieser Methode versucht wird, die beiden Elemente des Idealauslösers, nämlich Auslösung, wenn der Wert des Fremdkapitals größer wird als das Maximum aus Fortführungs- oder Nettozerschlagungswert, einzufangen. Dabei soll die Schwierigkeit der Feststellung des Fortführungswertes durch die Fortführungsprognose geleistet werden. 194 Vgl. nur HachenburglUlmer (1989/1991), § 63 Rn. 36; ScholzlK. Schmidt (1995), § 63 Rn. 10 (S. 3067 unten), allerdings aaO., Fn. 40 mit unzutreffenden Nachweis auf Kuhnl Uhlenbruck (1994), § 102 Rn. 5 f. (vgl. dort S. 1339: "Das Abgehen von einer vorgeschriebenen Prüfungsreihenfolge begegnet rechtlichen Bedenken"). 195 ScholzlK. Schmidt (1995), § 63 Rn. 10; vgl. auch ders. (l982a), S. D61; ders. (l982c), S. 169 f. und 171. 196 K. Schmidt (1990a), S. 42 (Hervorhebung des Originals weggelassen). 197 Dazu ausführlich bei K. Schmidt (l990a), S. 37 ff.; ders. in ScholzlK. Schmidt (1995), § 63 Rn. 10. 198 Ein weiterer, aber in diesem Zusammenhang eher nebensächlicher Einwand, besteht in der Schwierigkeit der Feststellung von Liquidationswerten - dazu oben unter D.I.2.c)aa) -, so daß entgegen K. Schmidt (l990a), S. 50, auch die rechnerische Überschuldung nicht ohne weiteres feststellbar ist (so auch ScholzlK. Schmidt [1995], § 63 Rn. 18). Denn insbesondere zur Feststellung des Liquidationswertes bei Gesamtveräußerung bedarf es seinerseits erst wieder der vorgängigen Festlegung der Bewertungsprämissen, was aber eine Bilanzierung allein nicht leisten kann (vgl. soeben unter D.I.2.d) sowie Uhlenbruck [1994a], S. 3). 199 K. Schmidt (l990b), S. 50 Fn. 58. 200 K. Schmidt (1978a), S. 338 sowie (l980a), S. 235 f., hatte ursprünglich dafür plädiert zuerst einen Überschuldungsstatus zu Liquidadtionswerten aufzustellen und eine danach ggf. vorliegende rechnerische Überschuldung durch eine positive Fortführungsprognose zu korrigieren. Auf die Kritik von Ulmer (1981), S. 478, hat er diese Ansicht jedoch aufgegeben (vgl. K. Schmidt [1982c], S. 170 Fn. 80). 201 Ulmer (1981), S. 478.
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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einleuchten. Allenfalls könnte man darauf abstellen, daß nach dem vorgeschlagenen Meßkonzept rechnerische Überschuldung und fehlende positive Fortführungsprognose kumulativ vorzuliegen hätten, und das es von daher doch gleich sei, welches Element zuerst geprüft werde. Einer solchen Betrachtung wäre jedoch entgegenzuhalten, daß die Geschäftsführer erst dann Veranlassung zur Aufstellung einer Fortbestehensprognose sehen werden, wenn sich Liquiditätsengpässe ergeben. Wenn es jedoch dazu kommt, dann sind zuvor bereits sämtliche Möglichkeiten der Liquiditätsschöpfung ausgenutzt worden. Eine rechnerische Überschuldung ist infolgedessen längst eingetreten.2°2 Unter diesen Umständen verliert die Überschuldungsbilanz zu Liquidationswerten also ihre ,,Wamfunktion,,203. Was den Inhalt der Fortführungsprognose angeht, so ist zu differenzieren. Unbeachtlich ist der Einwand, daß die Fortführungsprognose "dem subjektiven Ermessen der antragspflichtigen Organe ausgesetzt,,204 sei. Denn K. Schmidt hat immer wieder darauf hingewiesen, daß die "Prognose ( ... ) auf objektivierbares Material gestützt sein,,205 muß. Problematisch ist hingegen, daß bislang nicht abschließend geklärt ist und sich aus systematischen Gründen auch nicht abschließend klären läßt, was genau prognostiziert werden sol1. 206 K. Schmidt will dafür neuerdings nur noch auf eine Liquiditätsplanung abstellen 207 , nachdem er früher wohl eher eine Ertragsfähigkeitsprognose präferierte?08 Jedoch hat Drukarezyk nachgewiesen, daß dann, wenn man die Prognose auf künftige Zahlungsunfähigkeit stützt, der Tatbestand der Überschuldung mit dem der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO inkompatibel ist, obwohl es sich bei Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit in der Sache um die gleichen Phänomene handelt?09 Denn während Überschuldung nach § 64 I GmbRG die Geschäftsführer zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet, sind diese bei drohender Zahlungsunfähigkeit hierzu nicht verpflichtet, sondern lediglich berechtigt. Drukarczyk will die Überlebensfähigkeit daher als künftige Ertragsfähigkeit mittels einer Plan-Gewinn-und-Verlust-Rechnung messen?lO Auf die Art könne außerdem auf einen in der Praxis gut 202 Vgl. zur Begründung bereits oben unter D.I.l.b). - Ebenso Drukarezyk (1986), S. 217 f.; ders. (1994a), S. 1246 f.; ders. (1994b), S. 1742. Vgl. auch Hähner (1988), S. 445. 203 So Uhlenbruck in KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 5 f.; vgl. auch Hommelhoff (1988), S. 248 f. 204 SO Z. B. Th. Wolf (1995), S. 860; aber auch Hähner (1988), S. 449; Meyer-Cording (1989), S. 485. 205 Ders. (1980a), S. 236. Ähnlich ders. (1982c), S. 170 f.; ders. (1990a), S. 53 ff. 206 Vgl. Drukarezyk (1986), S. 216 ff.; R.H. Schmidt (1984), S. 727. 207 Ders. in Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 12. So wohl auch Ulmer in Hachenburg I Ulmer (1989/1991), § 63 Rn. 37, der allerdings die ,,Erarbeitung geeigneter Prognoseinstrumente weder (für) möglich noch (für) notwendig"(!) hält. 208 Das ergibt sich aus dem Zusammenhang zur zweistufig alternativen Prüfung, vgl. K. Schmidt (1982a), S. D62 f., bzw. aus der Formulierung bei K. Schmidt (1982c), S. 170 f., wonach er von ,,Liquiditäts- und Erfolgsprognosen" spricht. 209 Drukarezyk (1994a), S. 1248 f. =ders. (1994b), S. 1743. Näher unten unter D.I.3.c). 210 Ders. (l994a), S. 1249 =ders. (1994b), S. 1743.
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bekannten Satz an Regeln zur Erstellung von Gewinn-und-Verlust-Rechnungen zurückgegriffen werden?ll Der Vorschlag überzeugt jedoch nicht. 212 Zwar wäre eine Plan-Gewinn-und-Verlust-Rechung grundsätzlich geeignet, eine Ertragsfähigkeitsprognose zu treffen. Doch ist nicht einzusehen, weshalb neben der ohnehin im Rahmen der laufenden Existenzsicherung des Unternehmens erforderlichen Finanzplanung noch zusätzlich eine Plan~Gewinn-und- Verlust-Rechnung erstellt werden SOU?13 Im übrigen sticht auch das Argument von den in der Praxis eingeführten Regeln nicht. Denn das Problem sind vorliegend nicht die Regeln, sondern die Sachverhalte auf die diese angewandt werden sollen. Hier stellt sich aber erneut das Prognoseproblem, weil die der Plan-Gewinn-und-Verlust-Rechnung zugrunde zu legenden Zahlen auf zukünftigen Vorgängen beruhen und daher noch nicht festliegen. Dabei ist auch das Manipulationspotential nicht geringer als bei einer Finanzplanung. 214 Nur gehen die Interpretationsspielräume nicht unmittelbar in die Prognose der künftigen Zahlungsströme ein, sondern über deren gleichwohl erforderlich bleibende Schätzung mittelbar in die Aufwands- und Ertragsgrößen. Schließlich ist nicht einzusehen, warum der Bereich der Außenfinanzierung für die Prognose ausgeklammert werden sol1.215 Denn immerhin besteht hierin eine legitime Möglichkeit künftige Einzahlungsdefizite auszugleichen. Vor allem aber wird auch von Drukarczyk anerkannt, daß die modifizierte zweistufige Überschuldungsprüfung dann, wenn man die Prognose von der künftigen Ertragsfähigkeit abhängig macht, mit den geltenden Kapitalerhaltungsvorschriften nicht mehr vereinbar iSt. 216 Denn die Überschuldungsregel kann unter diesen Umständen wegen der unterschiedlichen Bewertungsprämissen vor dem Warnkriterium der Berichtspflicht nach § 49 III GmbHG eingreifen. 217 Damit ist zur modifiziert zweistufigen Überschuldungsregelung festzuhalten, daß die Prognose aus systematischen Gründen weder auf eine Zahlungsfähigkeitsnoch auf eine Ertragsfähigkeitsprognose gestützt werden kann. Hinzu kommt, daß in der Praxis erst dann Veranlassung besteht, die Prognose aufzustellen, wenn zuvor sämtliche Möglichkeiten der Liquiditätsgewinnung ausgeschöpft sind. Das Warnkriterium der rechnerischen Überschuldung läuft mithin weitgehend leer?18 Selbst wenn man jedoch die Geschäftsführer zu einer vorgängigen Prüfung der rechnerischen Überschuldung verpflichten würde, so käme es im Ergebnis doch Drukarczyk (l994a), S. 1250 =ders. (l994b), S. 1743. Ablehnend auch Burger/Schellberg (l995b), S. 266. 213 Dazu oben unter C.Iy'3., insbes. unter c). 214 So aber Drukarczyk (l994a), S. 1250 =ders. (l994b), S. 1743. 215 So Drukarczyk (l994a), S. 1250 =ders. (l994b), S. 1743. 216 Ders. (1994a), S. 1250 f. =ders. (1994b), S. 1743 f. 217 Vgl. das Beispiel aaO. (Fn. 216). Soweit Drukarczyk infolgedessen für die Überschuldungsbilanz an Handelsbilanzwerte anknüpfen will, sind dem allerdings die oben unter D.I.2.c)cc) gemachten Einwände entgegenzuhalten. 218 Drukaczyk (l994a), S. 1244, spricht von der "theoretischen wie praktischen Irrelevanz der rechnerischen Überschuldung". 211
212
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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wieder auf die Prognose an. 219 Die Methode erscheint somit als ungeeignet zur rechtzeitigen und sachgerechten Feststellung einer Überschuldung. 22o
f) Der Lösungsansatz der InsO
Entgegen dem geltenden Recht und dem Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält die vom Bundestag verabschiedete Gesetzesfassung auf Vorschlag des Rechtsausschusses in § 19 II 2 InsO eine Norm zur Bewertung des Vermögens. Danach ist das Vermögen zu Fortführungswerten zu bewerten, sofern die Fortführung den Umständen nach überwiegend wahrscheinlich ist. 221 Dem liegt das Konzept der oben 222 verworfenen zweistufig alternativen Überschuldungsprüfung zugrunde?23 Daß sich der Rechtsausschuß gleichwohl auf diese Methode verlegte, ist nur vor dem Hintergrund des BGH-Urteils vom 13. Juli 1992224 und den daraus - irrtümlich - gezogenen Folgerungen zu verstehen. Im Ansatz zutreffend 225 ging der Gesetzgeber davon aus, daß sich der BGH mit dem erwähnten Urteil der modifiziert zwei stufigen Prüfungsmethode 226 angeschlossen habe. 227 In diesem Urteil war der BGH zu der Annahme einer positiven Fortführungsprognose gelangt und hatte damit eine möglicherweise 228 bestehende rechnerische Überschuldung für unerheblich gehalten. Die Besonderheit des Falles bestand nun darin, daß sich die ursprüngliche Prognose später als unzutreffend erwies, was sich in der Folge für die Gläubiger nachteilig auswirkte. Der Rechtsausschuß distanzierte sich ausdrücklich von diesem Ergebnis, denn ,,(w)enn eine positive Prognose stets zu einer Verneinung der Überschuldung führen würde, könnte eine Gesellschaft trotz fehlender persönlicher Haftung weiterwirtschaften,,229. 219 Vgl. Drulwrczyk (l994a), S. 1248: "Im Kern ist die modifizierte Methode somit einstufig." Ähnlich ders. (1994b), S. 1742. 220 Drulwrczyk (1994a), S. 1233 = ders. (1994b), S. 1237, bezeichnet die modifizierte zweistufige Methode als ,,fehlerbehaftetes Produkt". Ablehnend auch Plate (1980), S. 221; Klar (1987), S. 49; ders. (1990), S. 2077; Schwieters (1989), S. 183. 221 Die Vorschrift erinnert an § 252 I Nr. 2 HGB; inwieweit hiervon im einzelnen Abweichungen bestehen, kann vorliegend dahinstehen. 222 Unter D.I.2.e)aa). 223 A.A. BurgerlSchellberg (1995 f.), S. 227, die aus dem Wort ,jedoch" in § 1911 21nsO folgern, daß grundSätzlich unter der Auflösungsprämisse zu bewerten sei. M.E. wird das ,jedoch" nur aus der Gesetzgebungsgeschichte verständlich; dazu sogleich. 224 11 ZR 269/91 ("Dornier"), in: BGHZ 119, S. 201 ff. 225 Zweifelnd allerdings Uhlenbruck (1994a), S. 3 f.; ders. in KuhnlUhlenbruck (1994), § 102 Rn. 5 f. (S. 1339). 226 Dazu soeben unter D.I.2.e)bb). 227 Vgl. aaO. (Fn. ) LS. b) sowie in den Gründen S. 213 ff. (unter III.). Bestätigt durch BGH-Urteil vom 20.3.1995 ("Girmes" - II ZR 205/94), in: BGHZ 129, S. 136 ff., 138 [LS h)], 153 f. [sub 3.a)]. 228 Der BGH, aaO. (Fn. ), S. 215, läßt die Frage letztlich dahinstehen. 229 Beleg und Zitat in BT-Drs. 12/7302, S. 157 (zu § 23 11 RegElnsO).
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D. Analyse
Bemerkenswert ist nun, wie die Mitglieder des Rechtsausschusses ihren Gesetz gewordenen Änderungsvorschlag begründen. Sie meinen, "daß auch bei einer positiven Prognose für die Fortführung des Unternehmens nicht von vornherein ausgeschlossen ist, daß Überschuldung vorliegt.,mo Diese Begründung zu der Bewertungsnorm des § 19 11 2 InsO geht also davon aus, daß das Risiko einer sich nachträglich als falsch herausstellenden Prognose dadurch vermieden werden kann, daß bei der Bewertung des Vermögens Fortführungswerte angesetzt werden. Diese Betrachtungsweise wird dem Problem der sich nachträglich als falsch herausstellenden Prognose jedoch nicht gerecht. Denn zum einen verfällt sie damit dem gleichen Zirkelschluß, der oben 231 zur Ablehnung der zweistufig alternativen Überschuldungsprüfung führte. 232 Zum anderen liegt es geradezu im Wesen von Prognosen, daß sie sich nachträglich als unzutreffend herausstellen können. Es ist also unsinnig, nach einer Lösung zu suchen, die versucht, dies apriori auszuschließen. Vielmehr wäre zu fragen, woran es liegt, daß sich eine Prognose als unzutreffend erweist. Tut man dies in dem vom Rechtsausschuß abgelehnten BGH-Urteil, so erkennt man, daß sich die Prognose dort deshalb als falsch erwies, weil die Gesellschafter von den Prämissen, auf die die Prognose gegründet war, nachträglich abgerückt waren. 233 Hierin aber liegt das eigentliche Problem. Im Rahmen dieses Abschnitts kann es nur angeschnitten werden. Darauf, wie es sich lösen läßt, ist später zurückzukommen. 234 Hier genügt es festzuhalten, daß auch der Lösungsansatz der InsO zur Bewältigung des Bewertungsproblems, ungeeignet ist. 235
g) Folgerung
Das vom Gesetzgeber beabsichtigte Ziel, bei Kapitalgesellschaften mit der Einführung des Überschuldungstatbestandes zu einer früheren Insolvenzauslösung Vgl. BT-Drs. 12/7302, S. 157 (zu § 23 Abs. 2 RegElnsO). Vgl. unter DJ.2.e)aa). 232 Dem Rechtsausschuß sind wohl selbst Zweifel gekommen. Denn in seiner Begründung heißt es, daß sein Ansatz "häufig dazu führen wird, daß der Wert des Vermögens die Summe der Verbindlichkeiten übersteigt" (BT-Drs. 12/7302, S. 157 [zu § 23 II InsO]). Es fragt sich daher, worin denn dann eigentlich der Nutzen dieses Ansatzes liegen soll. Vgl. auch W Müller (1983), S. 483 (unter 2.), der plausibel darlegt, daß es sich insoweit um einem systemimmanenten "Widerspruch" handelt. 233 Konkret waren die Familiengesellschafter nicht bereit, eine verhältnismäßig geringe Rückbürgschaft zu erbringen, weil es unter ihnen zu Meinungsverschiedenheiten über die weitere Ausgestaltung und die Aufgabenverteilung in der Gesellschaft gekommen war. An dem der Prognose zugrunde gelegten, aber aufgrund der Meinungsverschiedenheiten verweigerten Finanzierungsbeitrag scheiterte die Gesellschaft, deren Zweck in der bis dahin erfolgversprechenden Entwicklung eines Amphibienflugzeuges bestand. Vgl. BGH, aaO. (Fn. 224), S. 215 f. 234 Unten unter D.II.2.c)dd). 235 Zu Recht spricht Schlosser (1991), S. 13, von der "F1ucht in die begriffliche Unverbindlichkeit" . 230 231
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233
und mithin zu massehaitigeren Insolvenzmassen zu gelangen, läßt sich mit keinem der vom Gesetzgeber, der Literatur oder der Rechtsprechung vorgeschlagenen Meßkonzepte realisieren. Dies liegt daran, daß eine Überschuldungsprüfung die wertmäßige Feststellung des Vermögens voraussetzt. Dazu muß dieses bewertet werden, wozu es wiederum einer Bewertungsprämisse bedarf. Diese läßt sich aber erst festlegen, wenn bereits bekannt ist, ob die Gesellschaft eigenverantwortlich weiter existieren soll oder nicht. Damit müßte als Bewertungsprämisse etwas vorausgesetzt werden, was durch die Überschuldungsmessung gerade erst festgestellt werden soll. Das Problem des Insolvenztatbestandes der Überschuldung liegt mithin darin, daß sich die eigentlich entscheidungserhebliche Situation damit nicht diagnostizieren läßt. Nur wenn das gesamte Vermögen bereits in Geldform vorläge, wäre die Überschuldung problemlos bestimmbar?36 Anders ausgedrückt fließt mittels der Bewertung immer eine Prämisse in die Überschuldungsprüfung ein, die an sich erst das Ergebnis eben dieser Prüfung sein darf. Der Insolvenztatbestand der Überschuldung ist daher ein denkbar ungeeigneter Ansatzpunkt, um den vom Gesetzgeber vorgegebenen Zielen näher zu kommen. 237 Dies erklärt auch seine geringe praktische Bedeutung. 238 Wegen der systemimmanenten Schwächen die der Überschuldungsprüfung anhaften, wird daher vorgeschlagen, auf die Überschuldung als Insolvenztatbestand zu verzichten. 239
3. Insolvenztatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit
Im folgenden wird - unter a) - zunächst die prinzipielle Eignung des Insolvenztatbestandes der drohenden Zahlungsunfähigkeit dargelegt. Sodann geht es - unter b) - um die nachteiligen Auswirkungen, die das auf die Geschäftsführer beschränkte Recht zur Stellung eines Insolvenzantrags hat. Danach wird - unter c) die Inkompatibilität des Insolvenzgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit mit dem der Überschuldung dargelegt. Anschließend kann - unter d) - das Verhältnis von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung geklärt werden. Außerdem stellt sich - unter e) - die Frage nach den innergesellschaftlichen Zuständigkeiten von Gesellschafern und Geschäftsführern in Zusammenhang mit einer Insolvenzauslösung. Schließlich werden die Ergebnisse - unter f) - zusammengefaßt. Vgl. R. H. Schmidt(1984), S. 725. Ebenso Plate (1980), S. 221. Vgl. auch Flessner (1982), S. 228 (..Fehlanbindung des Verfahrens"); R. H. Schmidt (1980), S. 131 ( .. Überschuldung als Konkursgrund ist eine Fehlkonstruktion"); Kölsch (1988), S. 90, 101; Arens (1991), S. 185. Kritisch auch Bitz/Hemmerde / Rausch (1986), S. 368 ff. ( .. Überschuldungstatbestand entzieht sich weitgehend der Objektivierung"); Schlosser (1991), S. 13 ff., und Burger/Schellberg (1995 f.), S. 231. Vgl. auch G. Müller (1993), S. 1538, der von der Überschuldung als einem ..amorphen und rechtstechnisch kaum faßbaren" Begriff spricht. 238 Vgl. auch Vonnemann (1989), Rn. 53. 239 Ebenso Pahl (1996), S. 60; Egner/Wolff(l978), S. 105; Schürer (1963), S. 91 ff. Dies gibt auch M. Kühn (1991), S. 240, 265, zu bedenken. Vgl. auch Drukarczyk (I 994a), S. 1257. 236 237
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D. Analyse
a) Prinzipielle Eignung Mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit gern. § 18 InsO existiert neben Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung künftig ein dritter Eröffnungsgrund. Die InsO geht damit "über die Betrachtung der stichtagsbezogenen Gegenwartsliquidität hinaus und verlangt eine zeitraumbezogene Betrachtung der künftigen Zahlungsfähigkeit.,,24o Infolgedessen entfällt bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit das Problem, das beim Insolvenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit bestand, nämlich festzustellen, ob ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht vorübergehender oder dauerhafter Natur iSt. 241 Dies konnte dort nur anhand einer eigenen Prognose geklärt werden, die dem Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit bereits immanent ist. Festgestellt wird die drohende Zahlungsunfähigkeit mit Hilfe eines Finanzplans, in dem die vorhandenen liquiden Mittel und die Einzahlungen einerseits sowie die Auszahlungen andererseits einander zeitlich geordnet gegenübergestellt werden. Die drohende Zahlungsunfähigkeit scheint daher geeignet, einen bevorstehenden finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß frühzeitig anzuzeigen. Soweit Uhlenbruck kritisiert, daß der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit einer wissenschaftlichen Beschreibung und praktikablen Handhabung entbehre 242 , weil ungeklärt sei, wie eine mehr als fünfzigprozentige Ruinwahrscheinlichkeit festgestellt werden soll, geht diese Kritik zu weit. Zwar erfordert die Legaldefinition des Gesetzgebers in § 18 11 InsO eine betriebs wirtschaftliche Analyse, ob der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung. 243 Auch wird sich in der Tat von Fall zu Fall trefflich darüber streiten lassen, welche Prognose die zutreffende ist,z44 Doch verkennt Uhlenhrucks Sichtweise, daß es immer nur auf eine Plausibilitätskontrolle der zugrunde gelegten Annahmen - und zwar zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung - ankommen kann, hingegen nicht darauf, ob sich die Prognose im Ergebnis als richtig oder falsch erweisen wird. Insoweit wird sich aber relativ einfach entscheiden lassen, ob von Wunschvorstellungen ausgegangen wurde oder ob die angenommenen Prämissen einen realistischen Gehalt hatten. Die Anwendung des Tatbestandes wäre allerdings erleichtert worden, wenn sich der Gesetzgeber zur Aufstellung von Regelbeispielen entschlossen hätte, wann eine drohende Zahlungsunfähigkeit widerlegbar vermutet wird. Äußere Anzeichen hierfür sind etwa, wenn ein Unternehmen keinen Bankkredit mehr erhält245 , wenn 240 Burger / Schellberg (1995b), S. 264. - Vgl. zum erfaßten Zeithorizont bereits oben unter B.L4.c). 241 Vgl. oben unter D.Ll.b), D.Ll.e) und D.I.l.h). 242 Ders. (1994b), S. 172. 243 Vgl. die Begründung zum Tatbestandmerkmal "voraussichtlich" in § 18 II InsO in BTDrs. 12/2443, S. 115 (zu § 22 RegElnsO). 244 W Müller (1983), S. 483, merkt aus Praktikersicht an, daß "im Streitfall soviel Prognosen als vertretbar angesehen werden, wie Gutachter eingeschaltet werden". 245 Vgl. insoweit die Ausführungen unten unter D.I.3.d).
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtIicher Regelungen
235
es zu Wechsel prozessen, erfolglosen Pfandungen oder zur Ladung zwecks Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO kommt. 246 Denn in allen diesen Fällen ist es dem Schuldner trotz des mit solchen Maßnahmen in aller Regel verbundenen gefahrlichen Imageverlustes nicht möglich gewesen, sie durch entsprechende Kreditaufnahme abzuwenden. Das dies nicht möglich war, zeigt aber, wie prekär es um den Schuldner steht.
b) Nachteil der eingeschränkten AntragsteIlung Die prinzipielle Eignung des Insolvenztatbestandes der drohenden Zahlungsunfähigkeit leidet allerdings darunter, daß weder die Gläubiger berechtigt sind, einen Eröffnungsantrag auf drohende Zahlungsunfahigkeit Zu stützen 247 , noch der Schuldner verpflichtet ist, im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, daß "Außenstehende den Schuldner schon im Vorfeld der Insolvenz durch einen Insolvenzantrag unter Druck setzen können.,,248 Damit hat er den ungesicherten Gläubigem - andere ,,Außenstehende" kommen nämlich nicht in Betracht - allerdings das einzig wirksame Sanktionsinstrument genommen. Denn, wie oben gezeigt wurde 249, ist die Drohung mit einem Insolvenzantrag nur so lange wirksam, wie der Schuldner (noch) etwas zu verlieren hat. Nur so lange wie den Gläubigem Sanktionsinstrumente zur Verfügung stehen, sind sie sicher vor den Gefahren aus dem Vermögensverschiebungsrisiko, dem Finanzierungsrisiko und dem Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse 25o . Die Gesetzesbegründung, wonach ,,Bemühungen um eine außergerichtliche Sanierung ( ... ) in diesem Stadium nicht behindert werden können,,251 sollen, bedeutet also im Klartext, daß es Schuldnern nicht erschwert werden soll, ihre Gläubiger zu (weiteren) Forderungsverzichten zu zwingen. Dem Gedanken des Gläubigerschutzes spricht das Hohn. Auch die Ausführungen Häsemeyers vermögen den nur fakultativen Charakter der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht zu stützen. Häsemeyer führt aus, daß eine "reine Prognoseentscheidung, die auf die Indizwirkung schon falliger Verbindlichkeiten verzichtet, ( ... ) den Schuldner nicht gegen unbegründete Konkursanträge zu schützen,,252 vermag. Abgesehen davon, daß die Gefahr unbegründeter
Vgl. Jäger (1986), S. 1442. Ablehnend auch K. Schmidt (l990a), S. 45. Anders insoweit der Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht (1985), LS 1.2.5 Abs. 3, sowie die entsprechende Begründung aaO., S. 110. 248 BT-Drs. 12/2443, S. 114 (zu § 22 RegElnsO). 249 Vgl. unter C.I.5.c). 250 Zu diesen Risiken oben unter C.I.l.a). 251 BT-Drs. 12/2443, S. 114 (zu § 22 RegElnsO). 252 Ders. (1992), S. 138. 246 247
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D. Analyse
Insolvenzanträge durch Gläubiger praktisch sehr gering ist 253 , vennengt diese Ansicht nämlich die Frage nach der Zu lässigkeit, konkret der Antragsbefugnis, mit der nach der Begründetheit eines Insolvenzantrags, d. h. ob tatsächlich eröffnet wird. Vor allem aber scheint der Gesetzgeber das Verhältnis von drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung nicht zutreffend gesehen zu haben. Denn anderenfalls hätte entweder die Überschuldung ebenfalls als fakultativer Insolvenztatbestand ausgestaltet werden müssen oder aber die drohende Zahlungsunfähigkeit als obligatorischer Insolvenztatbestand. Dazu im folgenden.
c) Inkompatibilität mit dem Überschuldungstatbestand
Um zu verstehen, weshalb drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung nicht miteinander kompatibel sind, ist zunächst auf die bisher offen gelassene Frage einzugehen, in weIchem Verhältnis Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zueinander stehen. Beide hängen nämlich enger miteinander zusammen, als dies ihre unterschiedlichen Anknüpfungspunkte erwarten lassen. So knüpft Zahlungsunfähigkeit an die Liquidität 254 und Überschuldung an das Vennögen eines Schuldners an. Liquidität und Vennögen sind dabei zwei vollkommen verschiedene Kategorien bei der Beschreibung eines Unternehmenszustandes, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Doch wurde bereits darauf hingewiesen, daß es dem Schuldner möglich ist, unter Zuhilfenahme seines Vennögens Liquidität zu schöpfen, etwa indem er gegen Beleihung von Vennögensgegenständen Kredit erhält (verliehene Liquidität) oder indem er Vennögensgegenstände liquidiert (güterwirtschaftliche Liquidität aus Umsatzgeschäften bzw. Desinvestitionen).255 Auch der Vorstellung des Gesetzgebers ist diese Überlegung, wenn schon nicht bewußt, so doch zumindest immanent. Denn Überschuldung soll vorliegen, wenn eine weitere Liquiditätsschöpfung dazu führt, daß die infolge einer Zuführung von verliehener Liquidität steigenden Verbindlichkeiten größer werden als das infolge von Desinvestitionen geschmälerte Bruttovennögen. 256 Während also Zahlungsunfähigkeit den Unternehmenszustand der mangelnden Liquidität unmittelbar erfaßt, nimmt der Überschuldungstatbestand mittelbar darauf Bezug. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung bezeichnen daher dasselbe Phänomen, nämlich die "Unfähigkeit zur Auszahlungsdeckung im Zeitablauf,257. Vgl. dazu oben unterC.I.3.b)bb)(4) und (5). Näher zu diesem Begriff oben unter C.IY.2. 255 Vgl. insbesondere oben unter C.Iy'2., D.I.l.b) und D.I.2.a). 256 Hierzu bereits oben unter D.I.2.a). Vgl. auch Arens (1991), S. 96 ff., insbes. S. 106. 257 So die oft zitierte Formulierung bei Moxter (1976), Sp. 635 (Hevorhebung weggelassen). - Zustimmend Plate (1980), S. 222; R.H. Schmidt (1980), S. 114 f.; ders. (1984), S. 720 f.; Bitz/Hemmerde/Rausch (1986), S. 388; Kölsch (1988), S. 214; Arens (1991), S. 161 ff.; im Ansatz zustimmend, aber nicht ganz klar K. Schmidt (I 990a). S. 55. 253
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1. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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In der Betriebswirtschaftslehre wird dabei allenfalls noch nach der Fristigkeit unterschieden: Überschuldung soll danach langfristiger zu prüfen sein als Zahlungsunfähigkeit. 258 M.E. ist diese Differenzierung abzulehnen. Denn wie oben bereits aufgezeigt wurde, kann die Frage, ob in einem konkreten Fall Zahlungsunfähigkeit vorliegt, nur entschieden werden, wenn anhand einer Prognose geklärt ist, ob der Zustand der Illiquidität vorübergehender oder dauerhafter Natur ist. 259 Hierzu ist aber in jedem Fall eine Prognose über die künftige Unternehmensentwicklung erforderlich. LetzIich kann das Problem einer gegebenenfalls unterschiedlichen Fristigkeit bei der Prüfung von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit aber dahinstehen, weil es vorliegend um die Inkompatibilität von Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit geht. Für drohende Zahlungsunfähigkeit ergibt sich aber bereits aus der ratio legis, daß ein längerfristiger Prüfungshorizont gemeint ist. Wenn nun Überschuldung und drohende Zahlungsunfähigkeit dasselbe Phänomen bezeichnen, so liegt die Inkompatibilität bei der Tatbestände darin, daß sie widersprüchliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Während bei der Überschuldung die Geschäftsführer zur InsolvenzantragsteIlung verpflichtet sind und auch die Gläubiger berechtigt sind, einen Insolvenzantrag zu stellen, ist dies bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit gerade nicht der Fall. Es handelt sich mithin um einen Fall von perplexer Rechtssetzung. Praktisch wird sich dies gegenüber der bisherigen Rechtslage allerdings kaum auswirken. Denn der Überschuldungstatbestand wird wegen des nicht lösbaren Problems einer praktikablen Meßkonzeption auch weiterhin bedeutungslos bleiben 260 und die drohende Zahlungsunfähigkeit ist wegen ihres nur fakultativen Charakters ebenfalls ein stumpfes Schwert.
d) Exkurs: Zahlungsunfähigkeit ohne Überschuldung?
Ungeachtet der soeben aufgezeigten sachlichen Identität zwischen Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit - nämlich der Unfähigkeit zur Auszahlungsdeckung im Zeitablauf - findet sich in der juristischen Literatur immer wieder der Hinweis, daß zwischen beiden Tatbeständen "klar zu differenzieren,,261 sei. Ulmer begründet das damit, daß sowohl Zahlungsunfähigkeit ohne Überschuldung als auch Überschuldung trotz noch vorhandener Zahlungsfähigkeit denkbar sei. Zwar sei letzteres der Regelfall, doch könne es zumindest in Sonderfällen zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit auch ohne Überschuldung kommen?62 Leider So etwa Loistl (1986), S. 443; Arens (1991), S. 203. Näher hierzu unter D.LI.d) und D.I.I.e). 260 Dazu oben unter D.L2., insbesondere unter d) und g). 261 So etwa Ulmer in Hachenburg / Ulmer (1989/1991), § 63 Rn. 13 (Hervorhebung weggelassen). 262 AaO. (Fn. 261). 258
259
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D. Analyse
bleibt offen, worin diese bestehen sollen. Ähnlich bemerkt K. Schmidt, daß Zahlungsunfähigkeit vorliegen könne, auch wenn z. B. wegen hochwertiger Betriebsanlagen, Überschuldung nicht gegeben sei. 263 Manche Autoren gehen auch davon aus, daß es dem Schuldner nicht gelingt, sein Vermögen zur Aufnahme von Krediten einzusetzen und dadurch die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. 264 Die genannten Ansichten können sich zwar auf ältere Vorbilder berufen 265 , doch stammen diese aus einer "Zeit starker Kreditnot,,266. Unter der gegenwärtig in der Bundersrepublik geltenden Voraussetzung funktionierender Kreditmärkte ist die Annahme, daß Zahlungsunfähigkeit eintreten könne, ohne daß zugleich Überschuldung vorliegt, jedoch nicht haltbar. Vielmehr dokumentiert der Umstand, daß kein Kreditgeber bereit ist, Kredit zu gewähren, daß der Kreditsuchende sich in einem Zustand befindet, in dem seine Ertragskraft mangelhaft ist und er auch keine werthaitigen Sicherheiten bereitstellen kann. 267 Nur wem niemand darlehensweise Geld anvertrauen möchte, verfügt über keinen Kredit mehr. 268 Konkret bedeutet das, daß der Kreditsuchende niemanden von seiner Bonität zu überzeugen vermag. Hält dabei der Kreditsuchende einen Gegenstand für werthaltig, potentielle Kreditgeber hingegen nicht, so ist dies der beste Beleg dafür, daß der Kreditsuchende sein Vermögen zu hoch einschätzt. Denn entscheidend für den Wert eines Gegenstandes ist nicht das Wunschdenken seines Besitzers, sondern daß sich der Wert am Markt realisieren läßt. Gegenstände bei denen dies nicht der Fall ist, haben keinen wirtschaftlichen Wert. Ein gegebenenfalls buchmäßig ausgewiesener höherer Wert wäre daher im Rahmen einer Einzelwertberichtigung zu korrigieren. Sofern die übrigen Möglichkeiten unter Einsatz des Vermögens Liquidität zu schöpfen bereits ausgereizt sind, tritt dann aber Überschuldung ein. Die Ansicht, daß Überschuldung gegeben sein könne, ohne daß zugleich Zahlungsunfähigkeit vorliegt, ist mithin nicht haltbar. Sie ignoriert die wirtschaftlichen Zusammenhänge und verstößt damit gegen das Gebot der synästhetischen Betrachtung von Recht und Ökonomie?69
e) Die ungelöste Frage der innergesellschaftlichen Abstimmung Ulmer hat die Frage aufgeworfen, ob im Fall der Antragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit, diese nicht zusätzlich von einer entsprechenden Be-
263 264 265 266 267
Ders. in Scholzl K. Schmidt (1995), § 63 Rn. 3. So etwa Jauernig (1990), § 53 I 4 (S. 221); BaurlStürner (1991), § 7 V 3, (S. 78). Vgl. etwa Kohler (1891), S. 95; Gutenberg (1958/1990), S. 114; Klebba (1959), S. 41. Klebba (1959), S. 42. Vgl. R. H. Schmidt (1980), S. 114; BitzlHemmerdel Rausch (1986), S. 101.
268 Das deutsche Wort Kredit leitet sich vom lateinischen creditum, also dem leihweise Anvertrauten, ab. 269 Dazu oben unter C.I1.I.
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
239
schlußfassung der Gesellschafter abhängig gemacht werden sollte. 27o Denn die Geschäftsführer hätten mit der Entscheidung über die AntragsteIlung einen gewissen Handlungsspielraum, der im Fall einer erfolgreichen AntragsteIlung zur Auflösung der Gesellschaft führen kann, obwohl die Gesellschafter zu einer Sanierung der Gesellschaft bereit und in der Lage gewesen wären. Hieraus könne den Gesellschaftern aber ein Schaden erwachsen, weil sie auf Schadensersatzansprüche der GmbH gegen die Geschäftsführer aus § 43 GmbHG beschränkt seien?71 Der Rechtsausschuß des Bundestages hat aus demselbem Grund § 22 III Nr. 1 RegElnsO inhaltlich verengt. 272 Nunmehr heißt es in § 18 III InsO, daß im Falle mehrerer Geschäftsführer, ein auf drohende Zahlungsunfähigkeit gestützter Insolvenzantrag von diesen nur gemeinsam gestellt werden kann, wenn nicht der antragstellende Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt ist. Damit soll verhindert werden, daß "voreilige, nicht ausreichend abgestimmte Anträge,,273 gestellt werden. M.E. geht die Begründung des Gesetzgebers an der Sache vorbei. Denn Abstimmungsbedarf besteht weniger zwischen den Geschäftsführern, als vielmehr zwischen Geschäftsführern und Gesellschaftern. Denn der Gesellschafterversammlung obliegt die Entscheidung, ob Leistungen zur Sanierung der GmbH erbracht werden sollen. Daraus folgt aber die Notwendigkeit, daß die Gesellschafterversammlung in die Frage einer InsolvenzantragsteIlung mit einzubinden ist. Es soll hier zunächst nur auf das Problem hingewiesen werden. Darauf, wie diese Einbindung realisiert werden kann, wird später eingegangen. 274 Hier gilt es lediglich festzuhalten, daß § 18 III InsO den Anwendungsbereich des Insolvenzgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit zusätzlich einschränkt, ohne daß dadurch das innergesellschaftliche Abstimmungsproblem gelöst wird.
f) Zwischenergebnis
Der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist prinzipiell geeignet, einen bevorstehenden finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß frühzeitig anzuzeigen. Allerdings wirken sich die eingeschränkten Möglichkeiten der AntragsteIlung nachteilig aus, ohne daß diese Einschränkungen sachlich gerechtfertigt wären. Besonders deutlich zeigt sich das an der durch die Einschränkungen bewirkten Inkompatibilität zwischen Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit, da der gleiche Sachverhalt unterschiedlichen Rechtsfolgen unterworfen wird.
270 271
272 273 274
Ders. (1989), S. 125 (unter 1.4.). Vgl. Ulmer (1989), S. 124 f. Vgl. BT-Drs. 12/7302, S. 157 (Nr. 13 zu § 22 Abs. 3 RegEln sO). BT-Drs. 12/7302, S. 157 (Nr. 13 zu § 22 Abs. 3 RegElnsO). Vgl. unten unter E.III.3. und unter E.IV.1.a).
240
D. Analyse 4. An die Insolvenztatbeslände anknüpfende Regelungen
Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die an die Insolvenztatbestände anknüpfenden Regelungen, wie die Insolvenzantragspflicht - dazu unter a) -, die zivilrechtliche Haftung - dazu unter b) - und die strafrechtliche Verantwortlichkeit - unter c) - den Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht genügen.
a) Insolvenzantragspjlicht
Im Rahmen der Insolvenzantragspflicht ist - unter aa) - zuerst auf deren Normzweck näher einzugehen. Zweitens ist - unter bb) - das Augenmerk auf die Dreiwochenfrist des § 64 I GmbHG zu richten.
aa) Normzweck Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags besteht in den Fällen, in denen der Vermögensträger dem Überschuldungstatbestand unterliegt. 275 Da die Überschuldung als solche eine weitere Unternehmensfortführung nicht apriori ausschließt, sondern - unabhängig von den praktischen Schwierigkeiten ihrer Feststellung - lediglich ein finanztheoretisches Datum ist, folgt daraus zum einen, daß die auf Überschuldung gestützte Insolvenzantragspflicht die Gesellschaft zur permanenten Selbstprüfung verpflichtet. Denn anders läßt sich der Gefährdungszustand, den der Gesetzgeber - in Verkennung der Unmöglichkeit ihn bestimmen zu können 276 - mit Überschuldung bezeichnet hat, nicht feststellen. Insoweit entspricht die Insolvenzantragspflicht der Forderung nach Insolvenzprophylaxe. 277 Daneben ist die Insolvenzantragspflicht eine "notwendige Ergänzung des Konkursgrundes der Überschuldung,m8. Ohne sie wäre nämlich der mit dem Überschuldungstatbestand bezweckte Gläubigerschutz ziemlich wirkungslos, weil die Gläubiger die Überschuldung eines zahlungsfähigen, aber überschuldeten Schuldners nur in den seltensten Fällen erkennen bzw. glaubhaft machen können?79 Folgerichtig hat der BGH im Anschluß an Ulme?80 vor nicht allzu langer Zeit festgestellt, daß der Normzweck der gesetzlichen Konkursantragspflichten darin besteht, "konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vorn Geschäftsver275 Vgl. §§ 4211,1980,148911 i.Y.m. 1980 BGB; 9211, 283 Nr. 14 i.Y.m. Nr. 3 AktG; 641 GmbHG; 99 I GenG. 276 Dazu oben unter D.1.2. 277 Dazu oben unter C.lY.4. 278 F. Weber (1973), S. 12 (Hervorhebung weggelassen). 279 Ebenso Hanisch (1977), S. 29. 280 Ders. in Hachenburg / Ulmer (1989/1991), § 64 Rn. I.
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
241
kehr femzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefahrdet werden,,281. Was den Präventionszweck einer an die Überschuldung anknüpfenden Insolvenzantragspflicht angeht, ist dies allerdings ein "zweischneidiges Schwert,,282. Denn der primär dem Gläubigerschutz gewidmete Überschuldungstatbestand läßt sich - wie oben ausführlich dargestellt wurde 283 - nicht objektiv bestimmen. Soweit Ulmer daher meint, daß sich die Antragspflicht nach den "objektiven Tatbestandsmerkmalen der ( ... ) Überschuldung,,284 richte, geht er daher von einer unzutreffenden Prämisse aus. Ob eine Gesellschaft überschuldet ist oder nicht, richtet sich vielmehr nach der zugrunde gelegten Bewertungsprämisse. Diese aber ist abhängig von den subjektiven Einschätzungen der Geschäftspartner der GmbH hinsichtlich der Erfolgsaussichten des von dieser betriebenen Unternehmens. 285 Daher kann auch K. Schmidt nicht gefolgt werden, wenn er eine potentielle Sanierungsfeindlichkeit der Insolvenzantragspflicht mit dem Argument bestreitet, die Insolvenztatbestände, also auch der Überschuldungstatbestand, bezeichneten den Zeitpunkt, "von dem ab das Finanzierungsgebaren des Unternehmens ( ... ) nicht mehr von der Schuldnerstrategie ( ... ) abhängig gemacht werden darf.,,286 Denn da die Überschuldung als präventiver Gläubigerschutztatbestand objektiv nicht bestimmbar ist, ist letziich jede Festlegung willkürlich. Damit einher geht aber in zwei Richtungen eine Gefahr: entweder werden Sanierungen vereitelt oder aber Zusammenbruche gefördert. 287 Das soll nicht heißen, daß eine Insolvenzantragspflicht per se abzulehnen ist. Bedenklich ist es nur, wenn diese an dem letztlich nicht justiziablen 288 Überschuldungstatbestand festgemacht wird. Neben der Verpflichtung zur Selbstprufung und dem Präventionszweck besteht schließlich eine weitere wichtige Funktion der Insolvenzantragspflicht darin, daß die Normierung einer Verhaltenspflicht es ermöglicht, im Falle einer Pflichtverletzung hieran zivil- und strafrechtliche Sanktionen festzumachen; dazu demnächst mehr. bb) Dreiwochenfrist Ein GmbH-Geschäftsführer muß bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich, spätestens aber binnen drei Wochen nach Eintritt 281 So das grundlegende Urteil vom 6.6. 1994 (II ZR 292/9\), in: 80HZ 126, S. 181 ff. (194). Ebenso bereits Jaeger/Weber (195811959), § 103 Rn. 11. 282 Jaeger (1936), § \03 Anm. 5. 283 Unter 0.1.2. 284 Ders. in Hachenburg/Ulmer (1989/1991), § 64 Rn. 14. Ebenso ders. (198\), S. 483. 285 Insoweit zutreffend Schlosser (1991), S. 16. 286 Ders. (1982a), S. 0107. 287 Vgl. Jaeger /Weber (1958/1959), § \03 Rn. 11. 288 Zu diesem Erfordernis oben unter C.III.l.a). 16 Förster
242
D. Analyse
dieser Insolvenztatbestände, Insolvenzantrag stellen, § 64 I GmbHG. Nach altem Recht handelt sich bei der Dreiwochenfrist nach allgemeiner Meinung um eine Bedenkfrist, die der Geschäftsführung die Prüfung der Frage ermöglichen soll, ob der wegen Eintritt der Insolvenzreife an sich angezeigte Antrag auf Konkurseröffnung durch einen Antrag auf Vergleichseröffnung (§ 1 VerglO) oder durch außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen abgewendet werden kann.2 89 Nachdem der die Dreiwochenfrist betreffende Passus des § 64 I 1 GmbHG n.F. von der Änderung nach Art. 48 Nr. 7 EGInsO unberührt bleibt, ist auch nach neue m Recht davon auszugehen, daß die Dreiwochenfrist den Geschäftsführern eine Bedenkzeit einräumen soll, ob Insolvenzantrag gestellt werden muß oder ob die Insolvenzreife anderweit abgewehrt werden kann. Treffend bemerkt K. Schmidt daher, daß es bei der Insolvenzantragspflicht daher im Kern nicht um ein Gebot geht, auf jedem Fall Insolvenzantrag zu stellen, sondern um das "Verbot, die Gesellschaft in der Insolvenzsituation fortzuführen. ,,290 Voraussetzung der Insolvenzantragspflicht ist objektiv das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Zusätzlich hält die h.M. für den Beginn der Antragspflicht positive Kenntnis des Geschäftsführers vom Eintritt der Insolvenztatbestände für erforderlich.29\ Damit wird erreicht, daß die für ,,reichlich kurz,,292 gehaltene Bedenkfrist des § 64 I GmbHG relativ spät zu laufen beginnt. 293 Dies sei wünschenswert, um erfolgreiche Sanierungsbemühungen nicht zu vereiteln. Die Dreiwochenfrist bestünde nämlich auch im Interesse der Gläubiger und für diese sei eine mögliche Sanierung vorteilhaft. Die Dreiwochenfrist dürfe daher erst zu laufen beginnen, nachdem die Geschäftsführer von ihrem durch die Insolvenzreife bedingten Handlungsspielraum erfahren hätten. Demgegenüber plädiert G. Kühn 294 bereits für einen Fristbeginn bei fahrlässiger Nichtkenntnis vom Vorliegen eines Insolvenztatbestandes, während K. Schmidr95 und ihm folgend Roth 296 und Lutter / Hommelhoff297 darauf abstellen wollen, ob dem Geschäftsführer der Eintritt eines Insolvenztatbestandes aufgrund "zutage liegender" Fakten erkennbar war. 289
Vgl. nur Hachenburg I Ulmer (1989/1992), § 64 Rn. 24; Scholzl K. Schmidt (1995),
§ 64 Rn. 16 m.w.N. auf die Gesetzesbegründung. 290 Ders. in ScholzlK. Schmidt (\995), § 64 Rn. 13. Vgl. auch ders. (\986), S. 189; ders. (I 990a), S. 41 f. 291 Vgl. BGH vom 9. 7. 1979 ("Herstatt" - II ZR 118177), in: BGHZ 75,97, 110 f.; HachenburglUlmer (\989/1991), § 64 Rn. 25; RowedderlRowedder (1997), § 64 Rn. 7; BaumbachlHuecklSchulze-Osterloh (\996), § 64 Rn. 9; Meyer-LandrutIMeyer-Landrut (1987), § 64 Rn. 10; Schulze-Osterloh (1984), S. 142 f. 292
293
2904
295 296 297
So etwa GodinlWilhelmi (1971), § 92 Anm. 7. Vgl. auch K. Schmidt (I 980b), S. 329. Ders. (\ 969), S. 81 ff. Ders. in Scholzl K. Schmidt (1995), § 64 Rn. 18. Ders. (1985), S. 141 f., und ders. (1987), § 64 Anm. 2.2.2. Dies. (1995), § 64 Rn. 3
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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M.E. ist die Forderung nach positiver Kenntnis vom Eintritt eines Insolvenztatbestandes mit dem Selbstprüfungs- und Präventionszweck der Insolvenzantragspflicht nicht vereinbar. 298 Denn wenn man für den Beginn der Dreiwochenfrist die positive Kenntnis des Geschäftsführers vom Eintritt eines Insolvenztatbestandes verlangt, so entscheidet dessen jeweilige individuelle Sorgfalt über den Fristbeginn. Die Dreiwochenfrist ließe sich so spielend umgehen. Außerdem verkennt das zur Begründung der h.M. angeführte Argument von den möglichen Vorteilen für die Gläubiger die Situation, sobald ein Insolvenztatbestand eingetreten ist: wird dieser nämlich erst verspätet bemerkt, so ist in aller Regel kein Raum mehr für eine Sanierung - sowie daraus resultierender Vorteile für die Gläubiger?99 Denn innerhalb der drei wöchigen Karenzfrist muß die Sanierung nicht nur geplant, sodem es muß auch der Sanierungserfolg eingetreten sein. 3OO Für den Beginn der Dreiwochenfrist kann es demnach nicht auf die positive Kenntnis des Geschäftsführers vom Eintritt eines Insolvenztatbestandes ankommen. Vielmehr ist im Interesse möglichst manipulationsarmer Auslöser für ein Insolvenzverfahren 301 der Beginn der Antragspflicht an die fahrlässige Nichtkenntnis vom Eintritt eines Insolvenzgrundes zu binden. Dies hat gegenüber der vermittelnden Ansicht von K. Schmidt den Vorzug, daß damit der im Zivilrecht auch sonst geltende objektive Fahrlässigkeitsmaßstab 302 zugrunde gelegt wird, während "zutage liegende" Fakten beispielsweise vom Sorgfaltsniveau der betrieblichen Organisation abhängen können und damit erneut Manipulationsspielräume eröffnen. Zugleich zeigt sich, daß die Dreiwochenfrist nicht in erster Linie für eine Sanierung bestimmt sein kann. Hierfür ist es, wenn ein Insolvenzgrund bereits eingetreten ist, in aller Regel zu spät. 303 Das bedeutet aber nicht, daß eventuelle Sanierungschancen dadurch verschlechtert würden. Das Gegenteil ist der Fall: nachdem die Geschäftsführung einer permanenten Selbstpcüfungspflicht unterliegt, ist es ihr möglich, die bevorstehende Insolvenzreife einer Unternehmung vor deren tatsächlichen Eintritt zu erkennen. Denn die Insolvenzreife einer Unternehmung tritt regelmäßig nicht plötzlich auf, sondern ist das Endstadium einer durch die Begriffe Verschuldung - Unterkapitalisierung - Verlust - Unterbilanz - Verlust - Insolvenzreife gekennzeichneten Entwicklung. 304 Sanierungsbemühungen sind daher nicht erst mit der Insolvenzreife, sondern bereits sehr viel früher möglich. Gleichzeitig steigen damit ihre Erfolgsaussichten. Haben die Sanierungsbemühungen bis zum Eintritt der Insolvenzreife jedoch nicht zum Erfolg geführt, so erscheint ein weiteres Zuwarten nicht angebracht, da sich hierdurch der finanzwirtschaftliche ErDazu soeben unter D.I.4.a)aa). Ausführlich dazu oben unter B.II.2.c); ebenso mit Beispielen aus der Praxis MeyerCording (1981), S. 1243 f. 300 Vgl. HesselmannlStefan (1990), S. 4 m.w.N. 301 Näher hierzu oben unter C.III.I.a). 302 Fikentscher (1991), § 53 III 2 (S. 314). 303 Vgl. H.-P. Müller (1987), S. 36. 304 Vgl. Haack(l980), S. 60. 298 299
16"
244
D. Analyse
stickungsprozeß lediglich weiter zuspitzt. Es liegt dann eher im Interesse der Gläubiger, wenn der bisherigen Geschäftsführung möglichst bald die Verfügungsbefugnis entzogen wird. Unter diesem Blickwinkel erscheint die Dreiwochenfrist daher verzichtbar. Hierfür spricht auch, daß die Dreiwochenfrist ursprünglich eingeführt wurde, um die Chancen für einen Vergleichsantrag gegenüber einem Konkursantrag zu prüfen. 305 Nachdem es künftig ein einheitliches Insolvenzverfahren geben wird, ist diese Notwendigkeit aber entfallen.
b) Zivi/rechtliche Haftung
An den Eintritt der Insolvenzreife sind zwei Schadensersatzansprüche gekoppelt: erstens die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft nach § 64 TI GmbHG wegen Masseschmälerung infolge pflichtwidrig erbrachter Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen - dazu unter aa); zweitens die Haftung des Geschäftsführers gegenüber einzelnen Gläubigem nach § 823 II BGB i.Y.m. § 64 I GmbHG wegen Konkursverschleppung für den Schaden, der den Gläubigem infolge verspäteter Stellung des Insolvenzantrags entsteht - dazu unter bb).
aa) Der Anspruch wegen Masseschmälerung Die Haftung wegen Masseschmälerung nach § 64 II GmbHG flanldert die Insolvenzantragspflicht. Wahrend deren Zweck darin besteht, die Gläubiger vor insolvenzreifen Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds dadurch zu schützen, daß diese aufgelöst werden 306 , soll die Haftung nach § 64 II GmbHG dem Abwicklungszweck widersprechende Zahlungen verhindern, oder sie, fa11s bereits eingetreten, ausgleichen. 307 Dabei sind nach h.M. über den Wortlaut hinaus, mit Zahlungen a11e Leistungen gemeint, die das Gesellschaftsvermögen schmälern. 308 Der Gesetzgeber des GmbH-Gesetzes nahm mithin nicht den im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten gemachten Vorschlag des Deutschen Handelstages 309 und der Preußischen Handelskammern 310 auf, wonach die Gesellschafter bei einem verspäteten Antrag auf Konkurseröffnung unmittelbar für die Ausfalle haften sollten, die die Gläubiger im Konkurs erleiden. Stattdessen entschied er sich mit § 64 II GmbHG für eine mittelbare Form des Gläubigerschutzes. 311 30~ Vgl. ScholzlK. Schmidt (1995), § 64 Rn. 16 m.w.N. auf die Gesetzesbegründung (aaO., Fn. 56). 306 Vgl. § 60 I Nr. 4 GmbHG sowie oben unter D.I.4.a)aa). 307 Ausführlich Wilhelm (1993), S. 1835 f. 308 Vgl. nur HachenburglUlmer (1989/1991), § 64 Rn. 39 f., und ScholzlK. Schmidt (1995), § 64 Rn. 24, jeweils m.w.N. 309 Vgl. Gutachten (1888), insbes. S. 102 und in der Anlage Nr. 12 (aaO., S. \05). 310 Vgl. Gutachten (o.J.), S. 113 (unter VI.7.).
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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Der Hintergrund hierfür dürfte wohl das gesetzgeberische Ziel gewesen sein, daß die "Gesellschaft ( ... ) stets einen rechtlich selbständigen Organismus bilden muß,,312. Damit wurde eine Mittelstellung zwischen den streng individualistischen Gesellschaftsformen des Handelsrechts und der Aktiengesellschaft erstrebt, um die Gesellschaftsform der GmbH für möglichst verschiedene Zwecke verwenden zu können. 313 Wegen der bloß auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung hielt man es insbesondere für ausgeschlossen, daß die Gesellschaft kraft Gesetzes durch die Gesellschafter vertreten wird. Dieses Recht sollte den "streng individualistischen Gesellschaftsformen" vorbehalten bleiben. 314 Daraus ergab sich zwingend, daß die Vertretung und Geschäftsführung der Gesellschaft einem eigenen Organ, dem Geschäftsführer, zugewiesen werden mußte. Waren die Überlegung aber so weit gediehen, so war es naheliegend, die für die Aktiengesellschaft und Genossenschaft bereits existierenden Vorschriften bezüglich einer Haftung des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans bei verspäteter Konkurseröffnung kurzerhand auf die GmbH zu übertragen. 315 Daher besteht auch für den Fall, daß die Gesellschaft ihr Vermögen, d. h. ihre Legitimationsgrundlage, verwirtschaftet hat, die gesetzliche Folge nicht in der persönlichen Haftung der Gesellschafter, sondern in der haftungsbewehrten Pflicht der Geschäftsführer zur Insolvenzanmeldung. 316 Allerdings läuft das gesetzliche Haftungskonzept nach § 64 11 GmbHG leer, falls es mangels Masse zu keinem Insolvenzverfahren kommt, weil dann kein Insolvenzverwalter da ist, der den Anspruch zugunsten der Insolvenzmasse einklagen könnte. Zwar könnten die Gläubiger den Anspruch der Gesellschaft pfänden und selbständig geltend machen, doch können sie die Schadenshöhe infolge der erforderlichen Berechnung des Quotenschadens 317 praktisch nicht feststellen. 318 Denn dazu müßten sie darlegen und nötigenfalls beweisen, daß nach Eintritt der Insolvenzreife durch den Geschäftsführer oder auf seine Veranlassung, Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen erbracht wurden, wobei die Leistungen zusätzlich nach Leistungszeit, Leistungshöhe und Leistungsempfänger bezeichnet werden 311 Der Erstattungsanspruch steht zwar der Gesellschaft zu, jedoch handelt es sich nach heute ganz h.M. um einen Ersatzanspruch eigener Art zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. Auf den Nachweis eines Schadens der Gesellschaft kommt es daher nicht an, vgl. Hachenburg/ Ulmer (1989/1991), § 64 Rn. 37 m.w.N. 312 Vgl. die amtliche Begründung zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in: RT-Drs. Nr. 660, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/92, S. 29. 313 AaO. (Fn. 312). 314 Zitat und Beleg aaO. (Fn. 312), S. 36. 315 Vgl. aaO. (Fn. ), S. 36 und insbesondere S. 86 (unter § 64). 316 So auch das Urteil des BGH vom 6. 6. 1994 (11 ZR 292191), in: BGHZ 126, S. 181 ff., 196 f. 317 Die Schadenshöhe bestimmt sich aus einem Vergleich der Konkursquote bei rechtzeitiger Insolvenzanmeldung mit der tatsächlich erzielten Konkursquote. 318 Ebenso BGH, aaO. (Fn. 316), S. 197 f. m.w.N. - Ausführlich zu den Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten des mittelbaren Zugriffs StapelJeld (1990), S. 68 ff. m.w.N.
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D. Analyse
müßten. 319 Der anteilige Ersatzanspruch eines geschädigten Gläubigers ist ferner um die fiktiven Konkursquoten zu kürzen, die den unstatthafterweise befriedigten Gläubigern zustehen würden, falls sie nicht befriedigt worden wären. Um ihr Prozeßrisiko abzuschätzen, müßten die Anspruchsteller schließlich - unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung - den Betrag der nach Insolvenzreife erfolgten Leistungen um den Wert der Gegenleistungen kürzen, die infolge der aus dem Gesellschaftsvermögen erbrachten Leistungen in die Masse gelangt sind. Derartige Hypothesen sind aber praktisch nicht durchführbar. 32o
bb) Der Anspruch wegen Konkursverschleppung Schon bislang war daher anerkannt, daß die Insolvenzantragspflicht nach § 64 I GmbHG ein Schutzgesetz i. S. d. § 82311 BGB ist 321 , wodurch die Gläubiger einen unmittelbaren Anspruch gegen den Geschäftsführer erhalten. Der Anspruch schützt gleichermaßen die Gläubiger, die bei Eintritt der Insolvenzreife bereits Gläubiger der GmbH sind (Altgläubiger), wie diejenigen, die das erst später werden (Neugläubiger).322 Dabei war der Schaden sowohl für die Alt- als auch für die Neugläubiger auf den sog. Quotenschaden begrenzt, d. h. die Schadenshöhe bestimmte sich aus einem Vergleich der Konkursquote bei rechtzeitiger Insolvenzanmeldung mit der tatsächlich erzielten Konkursquote. Abgesehen von den bereits dargelegten Schwierigkeiten der Ermittlung des Quotenschadens brachte es dieses Vorgehen vor allem für die Neugläubiger mit sich, daß sie nur einen - in aller Regel geringen - Bruchteil des Schadens geltend machen konnten, der ihnen dadurch entstanden war, daß sie einer bereits insolventen, entgegen der Insolvenzantragspflicht aber noch am Geschäftsverkehr teilnehmenden Gesellschaft Kredit gewährt hatten. Ihre Rechtfertigung fand diese Rechtsansicht in einer Begrenzung des sachlichen Schutzbereichs von § 64 I GmbHG: dieser wolle die Gläubiger nicht allgemein vor den Gefahren bewahren, die sich aus dem Fortbestehen einer überschuldeten GmbH ergeben, sondern die Norm wolle lediglich verhindern, daß der Gesellschaft das zur Befriedigung der Gläubiger erforderliche Vermögen entzogen wird?23 Im Ergebnis wurden die Neugläubiger damit nur in ihrem Vertrauen auf das Bestehen einer bestimmten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen Insolvenzmasse geschützt, nicht jedoch vor dem Abschluß eines Rechtsgeschäfts mit einer insolVgl. Hachenburg/Ulmer (l989/199\), § 64 Rn. 38; Fleck (1974), S. 231. Vgl. eingehender Mertens (1992), S. 577, diesem folgend Schanze (1993), S. 380, sowie die Berechnungsbeispiele bei Fleck (1974), S. 231. - Die sachlichen Probleme sind mit denjenigen vergleichbar, die bei der Unwirksamkeit von Dauerschuldverhältnissen auftreten und dort zu einer bloßen Rückabwicklung ex nu nc führen. 321 Vgl. nur Hachenburg/Ulmer (1989/199\), § 64 Rn. 47 m.z.w.N. Eingehend Wilhelm 319 320
(1981), S. 362 ff.
BGH-Urteil vom 16. 12. 1958 (VI ZR 245/57), in: BGHZ 29, S. 100 ff., 103 f. Vgl. grundlegend BGH, aaO. (Fn. 322), S. 104 ff.; ferner BGH-Urteil vom 3. 2. 1987 (VI ZR 268/85), in: BGHZ 100, S. 19 ff., 23 ff. 322
323
1. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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venzreifen GmbH. 324 Bedenkt man hingegen, daß den Neugläubigern bei rechtzeitiger Insolvenzanmeldung überhaupt kein Schaden entstanden wäre, so erscheint die enge Begrenzung des sachlichen Schutzbereichs unverständlich. Denn sie ignoriert, daß der historische Gesetzgeber das Problem des Neugläubigerschadens überhaupt nicht gesehen hat, und daß die vorgefundene gesetzliche Regelung von daher nicht ohne weiteres anwendbar sein muß. Es ist deshalb nur zu begrüßen, daß der BGH in seinem Urteil vom 6. 6. 1994 seine Rechtsauffassung geändert hat und den Neugläubigern nunmehr den vollen Ersatz des negativen Interesses zuspricht. 325 Dadurch, daß die Neugläubiger künftig nicht mehr den Quotenschaden, sondern nur noch ihren Vertrauenschaden darzulegen brauchen, wird ihre RechtsteIlung erheblich verbessert, weil sie nicht mehr von der ihnen unbekannten, meist wenig sorgfältig geführten Buchhaltung des Schuldners abhängig sind, um die Schadenshöhe beziffern zu können. Ferner ist die Geltendmachung des Anspruchs aus § 823 11 BGB i.Y.m § 64 I GmbHG künftig nicht mehr durch das Insolvenzverfahren gesperrt. Denn infolge der Änderung der Rechtsprechung des BGH zum Schutzzweck des § 64 I GmbHG hinsichtlich der Neugläubiger, fehlt dem Insolvenzverwalter künftig die Aktivlegitimation für die Geltendmachung des diesen entstandenen Vertrauenschadens. 326 Gleichwohl ist zweifelhaft, ob diese Verbesserungen die Geschäftsführerhaftung wesentlich effektiver machen wird. Denn auch der Anspruch der Neugläubiger auf Ersatz des Vertrauenschadens knüpft an die Insolvenzreife der GmbH an. Sofern von dem Anspruch eine wirksame Verhaltenssteuerung ausgehen soll, kann sich die Insolvenzreife dabei nur auf den Überschuldungstatbestand beziehen, da dem Zahlungsunfähigkeitstatbestand so gut wie keine gläubigerschützende Wirkung zukommt 327 . Wie bereits dargelegt wurde 328 , ist der Überschuldungstatbestand jedoch denkbar ungeeignet zur Feststellung der Insolvenzreife. Die Schwächen, die dem Überschuldungstatbestand anhaften, werden daher durch eine Haftung, die diesen Tatbestand zugrunde legt, perpetuiert. Damit befinden sich die Neugläubiger hinsichtlich ihres Anspruchs auf Ersatz des Vertrauenschadens in einem akuten Darlegungs- und Beweisnotstand hinsichtlich der eine Überschuldung begründenden Tatsachen. 329 Gleiches gilt auch bislang schon für die Altgläubiger, wenn, wie so oft, mangels Masse kein InsolvenzverfahSo treffend LutterIHommelhoff(1995), § 64 Rn. 15. 11 ZR 292/91, in: BGHZ 126, S. 181 ff., 192 ff. Vgl. zu den Einwänden hiergegen und deren Relevanz die Übersicht bei Flume (1994), S. 339 ff. m.w.N., sowie Lutter (1994), S. 134 f. 326 So überzeugend Eyber (1994), S. 1622 ff. m.w.N., vgl. auch Lutter (1994), S. 135; a.A. wohl Uhlenbruck (1994c), S. 1154. - Der BGH hatte die Frage ursprünglich offen gelassen, vgl. BGHZ 126, S. 201, sich in einer späteren Entscheidung aber ebenfalls für eine Aktivlegitimation des jeweiligen Neugläubigers ausgesprochen, vgl. Urteil vom 7. 11. 1994 (11 ZR 108/93), in: ZIP 1995, S. 211, 212 f.; zustimmend Karollus (1995), S. 270 f. 327 V gl. oben unter D .1.1. 328 Oben unter D.L2. 329 Vgl. Ulmer(1981), S. 482. 324 325
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D. Analyse
ren stattfindet. Für letztere stellt sich in dieser Lage darüber hinaus das Darlegungs- und Beweisproblem hinsichtlich der Substantiierung des Quotenschadens. Da die Ansprüche von Alt- und Neugläubigern nunmehr ein unterschiedliches Schicksal teilen 33o , vermag der Einwand von Müsgen nicht zu überzeugen, wonach der Gesamtschadenausgleich nach § 64 11 GmbHG und der Individualschadenausgleich nach § 82311 BGB i.Y.m. § 64 I GmbHG unvereinbar seien, weil sich Gesellschafts- und Gläubigerschaden deckten. 331 Müsgen meint, der Gläubigerschaden nach § 823 11 BGB beruhe maßgeblich auf den Leistungen, deren Ausgleich gegenüber dem Gesellschaftsvermögen von § 64 11 GmbHG angeordnet werde. Damit würden aber inhaltlich teilidentische Ansprüche unterschiedlichen Rechtssubjekten zugeordnet. 332 Dies könne zu einem Wettlauf zwischen dem Insolvenzverwalter und einzelnen Neugläubigern führen, da der Insolvenzverwalter den Schaden regelmäßig zugunsten bevorrechtigter Gläubiger333 geltend machen wird. Müsgen übersieht dabei, daß der Individualschadenausgleich auf Ersatz des Vertrauenschadens nur von den Neugläubigern geltend gemacht werden kann, während bezüglich der Altgläubiger auch der Anspruch nach § 82311 BGB i.V.m. § 64 I GmbHG wie bisher nur den Quotenschaden umfaßt, für dessen Geltendmachung der Insolvenzverwalter zuständig ist. 334 Von einer Teilidentität kann demnach keine Rede sein. Ungeachtet der Erleichterungen bei der Haftung wegen Konkursverschleppung besteht jedoch ein wesentlicher Nachteil darin, daß der Kreis der Normadressaten auf die Geschäftsführer und Liquidatoren der GmbH begrenzt ist. Zwar hat die Rechtsprechung auch die sog. faktischen Geschäftsführer in die Haftung einbezogen, doch sind davon nur diejenigen Personen betroffen, die die Gesellschaft tatsächlich wie ein Geschäftsführer führen, ohne daß dazu die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt zu werden braucht. 335 Wie der Fall des BGH-Urteils vom 21. 3. 1988 zeigt 336 lassen sich damit indes nur die besonders krassen Fälle einer Einflußnahme auf die Geschäftsführung in den Griff bekommen. 337 Hingegen wird es dem Insolvenzverwalter bzw. den Gläubigern in den in der Praxis sehr viel häu330 So Eyber (1994), S. 1623. Zu weitgehend K. Schmidt (l993b), S. 2934, wenn er kritisiert, daß § 64 GmbHG damit die ,,Erfüllungserwartung für die Neugläubiger" sichere. 331 Vgl. das. (1994), S. 457 ff. 332 Vgl. Müsgen (1994), S. 457. Dazu auch Wilhelm (1993), S. 1836. 333 Solche wird es Le.S. nach der InsO nicht mehr geben, doch zählen Lw.S. auch die Massegläubiger dazu. 334 Vgl. Hachenburg/Ulmer (1989/1991), § 64 Rn. 56 m.w.N. 335 Vgl. Urteil des BGH vorn 21. 3. 1988 (11 ZR 194/87), in: BGHZ 104, S. 44 ff., 46 ff. m.w.N., ferner K. Schmidt (1988b), S. 1500 f. 336 Vgl. aaO. (Fn. 335), S. 48 f. 337 Der Beklagte stellte u. a. eigenverantwortlich Personal ein, führte mit den wichtigsten Kreditgebern Verhandlungen unter Ausschluß der ordentlichen Geschäftsführer, trat diesen gegenüber als Vorgesetzter auf oder unterzeichnete anstatt derer Inventar und Bilanz. Von den ordentlichen Geschäftsführern konnten so gut wie keine zur Geschäftsleitung gehörenden Maßnahmen mehr getroffen werden.
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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tiger vorkommenden Fällen, in denen insbesondere einflußreiche Gesellschafter als graue Eminenzen agieren, kaum jemals gelingen, den Nachweis der tatsächlichen Geschäftsführung dieser Personen zu erbringen, obgleich gerade deren Direktiven oftmals die "maßgeblichen, für den wirtschaftlichen Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens entscheidenden Maßnahmen,,338 sind. 339 Dabei ist vor allem zu bedenken, daß die Gesellschafter die eigentlichen Nutznießer der Fortführung einer insolvenzreifen Gesellschaft sind. 340 Nachteilig ist auch, daß die Geschäftsführer künftig einem gesteigerten Haftungsrisiko ausgesetzt sind. 341 Stellen sie den Insolvenzantrag zu spät, setzen sie sich der - aus ihrer Sicht gefährlicher gewordenen - Haftung bei Konkursverschleppung aus. Stellen sie den Insolvenzantrag vorsorglich früher und dabei eventuell zu früh, so machen sie sich der GmbH gegenüber aus § 43 GmbHG schadensersatzpflichtig, denn sie sind dieser gegenüber zur Sanierung verpflichtet. 342 Das ist vor allem insofern mißlich, als die Geschäftsführer weisungsabhängig sind und nur eingeschränkte Regreßmöglichkeiten haben?43 Zwar werden die Geschäftsführer durch gesetzwidrige Weisungen nicht gebunden 344 , doch ist der Geschäftsführer gerade in den insolvenz sensiblen kleinen und mittleren GmbHs auf ein auskömmliches Verhältnis zu den Gesellschaftern, insbesondere den einflußreichen, angewiesen. Die gesetzliche Regelung kann ihn daher in erhebliche Bedrängnis bringen. 345 Hier zeigt sich, daß die Übertragung der für die Aktiengesellschaft geltenden Regelungen zur InsolvenzantragsteIlung und zur Haftung bei deren Unterlassung auf die GmbH durch den historischen Gesetzgeber346 nicht sachgerecht ist. Denn im Unterschied zum GmbH-Geschäftsführer, handelt der Vorstand der Aktiengesellschaft nach § 76 I AktG in eigener Verantwortung und ist weisungsunabhängig?47 Den Geschäftsführern der GmbH wird daher vom Gesetz eine Verant338 Hierauf kommt es nach Ansicht des BGH, aaO. (Fn. ), S. 49, entscheidend an. Demgegenüber sei die tatsächliche Anwesenheit am Geschäftssitz der Gesellschaft unerheblich. 339 Wie die Praxis zeigt, sind diese Personen - aus ihrer Sicht! - im allgemeinen auch juristisch erheblich "besser beraten", als der Beklagte in dem vom BGH entschiedenen Fall. 340 Dazu ausführlich oben unter C.I.5., insbes. unter e). 341 Vgl. zusammenfassend MaserlSommer (1996), S. 65 ff. 342 Vgl. ScholzlK. Schmidt (1995), § 64 Rn. 12; Lutter (1994), S. 134 f. - Bauder (l993b), S. 2473, rät angesichts des Ausmaßes der dem Geschäftsführer drohenden Haftung dazu, dieses Amt nur noch anzunehmen, wenn "die Gefahr des Konkurses zuverlässig ausgeschlossen werden kann", was aber "namentlich beim kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht möglich ist". Vgl. auch Canaris (l993b), S. 652; Roth (l993b), S. 1096. 343 Hierauf weist Schanze (1993), S. 380, hin; vgl. auch oben unter C.I.6.a). 344 Vgl. Hachenburg I Ulmer (198911991), § 63 Rn. 54; Scholzl K. Schmidt (1995), § 64 Rn. 4 u. 22; Grüneberg (1988), S. 43. 345 Wohl a.A. K. Schmidt (l988b), S. 1505 f., der hierfür nicht das Gesetz, sondern die drohende oder eingetretene Insolvenz für verantwortlich hält. Das erscheint allerdings zu monokausal gedacht. 346 Dazu zuvor unter D.I.4.b )aa). 347 Vgl. ausführlich Th. Raiser (1992), S. 86 ff.
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D. Analyse
wortung auferlegt, ohne daß ihnen der erforderliche Freiheitsraum garantiert wird, um dieser Verantwortung auch gerecht werden zu können. Sollen sich die Geschäftsführer den Gesellschaftern gegenüber aber durchsetzen können, so wäre von Gesetzes wegen ein klares Organisationsstatut vorzugeben. 348 Damit verlöre die Gesellschaftsform der GmbH aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Flexibilität. Es zeigt sich an dieser Stelle, daß hier verschiedene gesetzgeberische Leitgedanken miteinander konkurrieren, die noch nicht optimal aufeinander abgestimmt sind. Insbesondere sind die Verantwortungsbereiche der Geschäftsführer und der Gesellschafter bei Sanierungsmaßnahmen unzureichend aufeinander abgestimmt. So bestehen im Falle der Insolvenzreife eines Unternehmens dem Grunde nach drei mögliche Verhaltensweisen: erstens die Zufuhr von Eigenmitteln, zweitens außergerichtliche Verhandlungen mit den Gläubigem und drittens der Antrag auf Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Gesellschaft. 349 Wahrend die Verhandlungen mit den Gläubigem und der Antrag auf Insolvenzeröffnung Sache der Geschäftsführer ist, sind sie hinsichtlich einer Eigenmittelzufuhr auf die Mitwirkung der Gesellschafter angewiesen. Bedenkt man nun, daß eine Unternehmensfortführung in manchen Fällen auch dann Sinn machen kann, wenn der Haftungsfonds der Gesellschaft bereits erschöpft ist 350 , und daß die Gesellschafter die eigentlichen Nutznießer einer solchen Fortführung sind, so erscheint es in hohem Maße unbefriedigend, daß gleichwohl die Geschäftsführer das volle Risiko einer solchen Fortsetzung tragen sollen. 351 Hier zeigt sich, daß die Sanierungspflicht der Geschäftsführer und die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter352 nicht ausreichend aufeinander abgestimmt ist. Die herrschende Literaturmeinung ignoriert dieses Abstimmungsdefizit, indem sie behautet, daß eine "noch so nachhaltige und berechtigte Hoffnung auf eine Krisenbeseitigung ( ... ) die Insolvenzantragspflicht nicht (beseitigt).,,353 Hierbei handelt es sich aber um den widersinnigen Versuch, im Ergebnis sinnvolle und ökonomisch legitimierte wirtschaftliche Bedürfnisse mit den Mitteln des Rechts zu unterbinden. Im Rahmen der hier zu leistenden Analyse kann es bei dieser Feststellung bewenden; auf die Problematik ist jedoch später zurückzukommen. 354 348 Wie mir bekannt ist, legen daher manche Großunternehmen bei der Gründung von Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH, im Gesellschaftsvertrag für die Frage der Geschäftsführung Aktienrecht zugrunde. 349 Vgl. Drukarczyk (1979), S. 558 f. 350 Vgl. R. H. Schmidt(1980), S. 127. 351 Dazu Roth (1993b), S. 1096: "Das Risiko einer Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit nach Erschöpfung des Haftungsfonds sollte letzIich weniger den Funktionsträger als den Träger des wirtschaftlichen Interesses, also den (maßgeblich beteiligten) Gesellschafter, treffen, auch ihn freilich nur, wenn er die Fortführung trotz Überschuldung persönlich zu verantworten hat." Vgl. auch Wilhelm (1993), S. 1837; Müsgen (1994), S. 457. 352 Ausführlich Th. Raiser (1992), S. 309 ff.; vgl. auch HachenburglUlmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 8 m.w.N. 353 So etwa GottwaldlUhlenbruck (1990), § 10 Rn. 5 m.w.N. in Fn. 7. 354 Vgl. unter E.I.2.b), E.III.3. und E.IY.l.a).
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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Abschließend ist nur noch darauf hinzuweisen, daß das auf § 823 II BGB abstellende Haftungskonzept des BGH gegenüber der bisher favorisierten Vertreterhaftung des Geschäftsführers aus c.i.c. den weiteren Nachteil hat, daß die Haftung des Geschäftsführers für Hilfspersonen, deren er sich bei der Geschäftsleitung bedient, nunmehr unter engeren Voraussetzungen besteht. 355
c) Strafrechtliche Verantwortlichkeit
Wenn es ein Geschäftsführer entgegen § 64 I GmbHG unterläßt 356 , mit Eintritt der Insolvenzreife Insolvenzantrag zu stellen, so kann er deswegen nach § 84 I Nr. 2 GmbHG bestraft werden. Es handelt sich um ein echtes Sonderdelikt, denn nur Geschäftsführer (oder Liquidatoren) können taugliche Tater sein. 357 Gleichwohl können Gesellschafter oder andere Personen, die auf die Geschäftsführer Einfluß nehmen, gern. §§ 26, 27 StGB Teilnehmer (Anstifter, Gehilfen) sein, sofern seitens des Geschäftsführers eine tatbestandsmäßig-rechtswidrige und vorsätzlich begangene Haupttat vorliegt. Voraussetzung ist allerdings, daß der Teilnahmevorsatz bewiesen werden kann, da fahrlässige Teilnahme straflos ist. Die hierbei auftretenden, praktisch nur selten zu überwindenden Probleme, ließen sich umgehen, sofern auch faktische Geschäftsführer taugliche Täter wären. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Strafbarkeit nach § 84 I Nr. 2 GmbHG ein echtes Unterlassen voraussetzt, es "also um ein Nichts-Tun geht, welches nur aufgrund normativer Erwartungen als rechtlich relevant erscheint. ,,358 Eine Strafbarkeit setzt mithin die Möglichkeit des HandeIns voraus. Da aber lediglich der ordnungsgemäße Geschäftsführer zur Stellung eines Insolvenzantrags berechtigt ist, scheitert hieran eine Strafbarkeit Dritter, die auf den Geschäftsführer lediglich - wenngleich unter Umständen auch maßgeblichen - Einfluß nehmen. 359 Damit ergibt sich aber auch von seiten des Strafrechts kein Ansatzpunkt, um das oben360 festgestellte Abstimmungsdefizit des Gesetzes bei der Frage der Zuweisung von Verantwortungsbereichen an Geschäftsführer und Gesellschafter im Zusammenhang mit einer Unternehmenskrise bzw. Sanierung zu beheben. Hinzukommt, daß für die Zwecke des Strafrechts die Anknüpfung an die Überschuldung noch weit größere Probleme mit sich bringt, als im Zivilrecht. Nach im Strafrecht h.M. soll Überschuldung wegen der erforderlichen Bestimmtheit des Tatbestandes (Art. 103 II GG) nur dann vorliegen, "wenn und soweit alle im konkreten Fall einschlägigen betriebswirtschaftlichen Theorien und BetrachtungsweiVgl. § 831 BGB sowie Goette (1994), S. 1053. Gleiches gilt nach § 71 IV GmbHG für Liquidatoren. 357 Vgl. ScholzlTiedemann (1995), § 84 Rn. 18 ff. 358 ScholzlTiedemann (1995), § 84 Rn. 32 (S. 3577). 359 Str., vgl. m.w.N. ScholzlTiedemann (1995), § 84 Rn. 27 ff.; LutterlHommelhoff (1995), § 84 Rn. 3. 360 Vgl. unter D.I.4.b)bb). 355
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D. Analyse
sen zu dem gemeinsamen Ergebnis der Überschuldung gelangen.,,361 Im Ergebnis bedeutet das, daß Überschuldung erst dann angenommen wird, wenn auch die schuldnerfreundlichste Methode bei der Feststellung der Überschuldung eine solche signalisiert. Bei der großen Bandbreite hinsichtlich der Ergebnisse der einzelnen Methoden, höhlt diese Vorgehensweise den Straftatbestand aus. Denn wenn die genannte Ansicht vor dem Hintergrund der im Zivilrecht bestehenden - und systemimmanenten 362 - Unsicherheit darüber, wie der Begriff der Überschuldung zu bestimmen ist, auch nur allzu verständlich ist, so wird damit doch der generalpräventive Zweck, der mit einer Pönalisierung der unterlassenen Insolvenzanmeldung verbunden ist, de facto aufgehoben.
d) Zwischenergebnis
In der Insolvenzantragspflicht liegt zum einen das Verbot, die Gesellschaft in der Insolvenzsituation fortzuführen, zum anderen das Gebot zur permanenten Selbstprüfung der Gesellschaft. Damit soll verhindert werden, daß insolvenzreife GmbHs am Geschäftsverkehr teilnehmen. Allerdings darf die Insolvenzantragspflicht nicht am Überschuldungstatbestand festgemacht werden, da dessen mangelnde Eignung zur Bestimmung der Insolvenzreife anderenfalls dazu führt, daß sowohl die zivil- als auch die strafrechtlichen Bewehrungen der Insolvenzantragspflicht leer laufen. Ferner ist die Insolvenzantragspflicht an die fahrlässige Nichtkenntnis eines Insolvenzgrundes zu binden. Auch sollte nach dem von der InsO vorgegebenen Eröffnungsverfahren auf die Dreiwochenfrist verzichtet werden. Organisationsrechtlich ist festzuhalten, daß die Insolvenzantragspflicht noch nicht hinreichend in das flexible Organisationsgerüst der GmbH integriert ist. Insbesondere sind die Sanierungs pflicht der Geschäftsführer und die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter nicht aufeinander abgestimmt. Hiermit hängen auch die Schwierigkeiten zusammen, einflußreiche, aber formal nicht an der Geschäftsführung beteiligte Personen in die Verantwortung zu nehmen.
5. Anfechtungsrecht
Zu den insolvenzrechtlichen Regelungen, die der Insolvenzbewältigung dienen können, zählen auch die anfechtungsrechtlichen Normen. An sich wären sie daher im folgenden auf ihre entsprechende Tauglichkeit hin zu analysieren. Allerdings kann diesbezüglich weitgehend auf die obigen Ausführungen unter B.llI.l.d) und vor allem unter B.III.2.e) verwiesen werden. Zwar bezogen sich diese darauf, die Notwendigkeit der vorliegenden Arbeit trotz der Änderungen des Anfechtungsrechts durch die Insolvenzrechtsreform zu begründen, doch gelten die dort getrof361 Zitat und Beleg bei ScholzlTiedemann (\995), § 84 Rn. 47 m.z.w.N. 362
Vgl. ausführlich oben unter D.I.2.
I. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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fenen Feststellungen auch im vorliegenden Zusammenhang. Zusammengefaßt bestanden sie darin, daß das Anfechtungsrecht unter erheblichen Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten leidet und daß es auf die Mechanismen der Masseauszehrung im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses nicht wirksam reagiert. Dieser Befund ist nun noch um zwei weitere Aspekte zu ergänzen.
a) Unzureichende Erfassung bestehender Risiken Wie bereits dargelegt zerfällt das Ausfallrisiko der Gläubiger in das Investitions-, Informationstransfer-, Vermögensverschiebungs- und Finanzierungsrisiko sowie das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse. 363 Demgegenüber hat das Anfechtungsrecht die Aufgabe, den "Bestand des den Gläubigem haftenden Schuldnervermögens dadurch wiederherzustellen, daß Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden, die insbesondere in der Zeit der Krise vor der Verfahrenseröffnung zum Nachteil der Gläubiger vorgenommen worden sind.,,364 Es ist daher zu klären, ob und inwieweit das Anfechtungsrecht auf die genannten Risiken abgestimmt ist. Dabei können das Investitions- und das Informationstransferrisiko von vom herein unberücksichtigt bleiben, weil es insoweit nicht um Vermögensverschiebungen des Schuldners geht und das Anfechtungsrecht gar nicht den Anspruch erhebt, diesen Risiken beikommen zu wollen. Beim Vermögensverschiebungs-, Finanzierungs- und Masseverkürzungsrisiko handelt es sich hingegen jeweils um bestimmte Formen der Vermögensverschiebung durch den Schuldner, so daß - dem Anspruch des Anfechtungsrechts gemäß - dessen Anwendungsbereich eröffnet ist. Damit es aber auch tatsächlich zur Anwendung gelangt, ist Voraussetzung, daß die einzelnen Anfechtungstatbestände so gefaßt sind, daß sie die erwähnten Risiken erfassen. Die §§ 130, 131 Ins0 365 betreffen Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine kongruente bzw. ingkongruente Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen. Die Anfechtbarkeit dieser Rechtshandlungen ergibt sich aus dem Zusammenhang bzw. der Nähe zur Krise der Unternehmung, d. h. zum materiellen Konkurs der Gesellschaft. Dabei wird das Vermögensverschiebungsrisiko, also das Risiko, das der Schuldner eine riskantere Unternehmenspolitik verfolgt als sie der Gläubiger seiner Kreditvergabeentscheidung zugrunde gelegt hatte, allenfalls zufällig tangiert. Gleiches gilt für das Finanzierungsrisiko, also das Risiko, das ein Schuldner eine Investition in einem weiteren Umfang fremdfinanziert als ursprünglich vorgesehen. Lediglich das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse wird, soweit ein Insolvenzgläubiger begünstigt wurde, von den Anfechtungstatbeständen der §§ 130, 131 InsO erfaßt. 363 364 365
Vgl. näher oben unter c.I.l.a). BT-Drs. 12/2443, S. 156 (Einleitung vor § 144 ff. RegElnsO). Vgl. nach altem Recht §§ 30 Nr. I Fall 2 und 30 Nr. 2 KO.
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D. Analyse
Anders als bei §§ 130, 131 InsO werden das Vennögensverschiebungs- und das Finanzierungsrisiko durch § 132 Ins0 366 nicht einmal zufallig berührt. Denn es genügt nicht, daß zwischen der Vornahme der Rechtsgeschäfts i. S. d. § 132 InsO und der Gläubigerbenachteiligung irgendein ursächlicher Zusammenhang besteht, sondern die Benachteiligung muß "unmittelbar" durch die Vornahme des Rechtsgeschäfts eingetreten sein. Das Wesen von Vennögensverschiebungs- und Finanzierungsrisiko besteht aber gerade in dem Zusammenwirken mehrerer Kausalverläufe. Allerdings ist der Tatbestand des § 132 InsO auf das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse zugeschnitten. Nach § 133 Ins0 367 sind alle Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar, die die Gläubiger benachteiligen sollen, wenn der Anfechtungsgegner von dem entsprechenden Vorsatz des Schuldners weiß (sog. Absichtsanfechtung). Der objektive Tatbestand dieser Fonnel beschreibt sämtliche Verhaltensweisen des Schuldners, die das Vennögensverschiebungs-, Finanzierungs- oder Masseverkürzungsrisiko der Gläubiger erhöhen. Der Insolvenzverwalter ist jedoch gehalten auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale darzulegen und zu beweisen. Dazu zählt nicht nur der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Benachteiligungsvorsatz, zumindest aber dessen Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfahigkeit des Schuldners und der drohenden Benachteiligung der Gläubiger (§ 133 I 2 InsO). Das ist eine praktisch nur sehr schwer zu überwindende Hürde. Im Ergebnis führt sie dazu, daß die Absichtsanfechtung keinen nennenswerten Beitrag zur Eindämmung des Vennögensverschiebungs-, Finanzierungs- und Masseverkürzungsrisikos leisten wird. Soweit durch § 133 11 InsO Beweislasterleichterungen eingeführt werden, werden zumindest das Vennögensverschiebungs- und das Finanzierungsrisiko nicht erfaßt, weil § 133 11 InsO im Gegenzug, ebenso wie § 132 InsO, eine unmittelbare Benachteiligung fordert. Selbt wenn man also von den eingangs bereits erwähnten Schwierigkeiten absieht, erfassen die anfechtungsrechtlichen Regelungen im wesentlichen nur das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse. Zu einer wirksamen Eindämmung des Vennögensverschiebungs- und des Finanzierungsrisikos tragen sie nichts bei, obgleich beide Risiken in der Praxis eine erhebliche Rolle spielen.
b) Zweifelhafter Anknüpfungspunktjür Unterscheidung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung Eine Anfechtbarkeit wegen inkongruenter Dekung nach § 131 InsO bzw. § 30 Nr. 2 KO liegt nicht vor, wenn der Sicherungsnehmer die Sicherheit während der kritischen Zeit in der Art erhält, wie sie geschuldet war, und sein Sicherungsan366 367
Vgl. nach altem Recht § 30 Nr. 1 Fall 1 KO. Vgl. nach altem Recht § 31 KO.
1. Ziele und Schwächen insolvenzrechtlicher Regelungen
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spruch zeitlich vor dieser kritischen Zeit entstanden ist. 368 Für diesen Fall ist stattdessen eine Anfechtung wegen kongruenter Dekung nach § 130 InsO bzw. § 30 Nr. 1 Fall 2 KO in Betracht zu ziehen. Sie ist jedoch von vergleichsweise strengeren Voraussetzungen abhängig. Der Gesetzgeber begründet die unterschiedliche Behandlung damit, daß ein "Gläubiger, der eine ihm nicht zustehende Leistung erhält, ( ... ) weniger schutzwürdig (erscheint) als ein Gläubiger, dem eine kongruente Deckung gewährt wird.,,369 Es fragt sich allerdings, ob die Anknüpfung an das Bestehen des Sicherungsanspruchs bzw. den Entstehungszeitpunkt des Sicherungsanspruchs für die Unterscheidung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung sachgerecht ist. Zur Begründung muß noch einmal an den Wirkungsmechanismus bei der Zufuhr von sog. verliehener Liquidität erinnert werden. 37o Er besteht darin, daß der Schuldner durch die Beleihung von Güterbeständen die Einhaltung der unternehmerischen Existenzbedingung ,jederzeitige Liquidität" sicherstellen kann. Im Falle des Warenkredits geschieht dies durch eine vorübergehende Stundung der Kaufpreisforderung. Zugleich wird die Kaufpreisforderung durch das am Kaufgegenstand vorbehaltene Eigentum gesichert. Dabei macht es für den Schuldner und Sicherungsgeber - anders als für den potentiellen Anfechtungsgegner - keinen Unterschied, ob der Sicherungsanspruch vor oder während der kritischen Zeit nach § 131 InsO bzw. § 30 Nr. 2 KO entstanden ist. Für ihn ist lediglich entscheidend, daß durch die Zufuhr der (verliehenen) Liquidität der betriebliche Leistungsprozeß überhaupt aufrechterhalten werden kann. Wiederum anders kann sich die Situation für die übrigen Gläubiger darstellen: Wenn nämlich die Zufuhr verliehener Liquidität dazu führt, daß ein ohnehin unabwendbarer finanzwirtschaftlicher Erstickungsprozeß 371 nur noch weiter in die Länge gezogen wird, die Insolvenzmasse also lediglich weiter ausgezehrt wird, so werden deren (Insolvenz-)Forderungen durch die - vorübergehende! - Zufuhr verliehener Liquidität verkürzt. Im Extremfall ist die Insolvenzmasse so ausgezehrt, daß nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt sind, so daß ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt werden kann. Der Sicherungsanspruch, der der Zuführung der verliehenen Liquidität zugrunde liegt, hat den Bestand des Schuldnervermögens in diesem Fall in besonderem Maße belastet. Vom Zweck der Anfechtungsregeln her gesehen, würde unter diesen Umständen 372 eine relativ einfache Anfechtbarkeit wünschenswert erscheinen. Die gesetzgeberische Unterscheidung zwischen einer Anfechtbarkeit wegen kongruenter Deckung einerseits und wegen inVgl. Serick (1970), § 35 IV 3 b (5.327) m.w.N. BT-Drs. 12/2443, S. 158 (zu § 146 RegElnsO). 370 Vgl. dazu bereits oben unter C.IV.2. 371 Dazu oben unter B.II.2.c). 372 Die Zuführung von verliehener Liquidität muß nicht unbedingt Teil eines finanzwirtschaftlichen Erstikungsprozesses sein, sondern stellt bei intaktem finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht (dazu oben unter B.II.2.b) eine in keiner Weise zu beanstandende Finanzierungsmaßnahme dar. 368 369
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D. Analyse
kongruenter Deckung andererseits stellt jedoch stattdessen auf das Bestehen bzw. den Entstehungszeitpunkt eines Sicherungsanspruchs ab. Das Bestehen des Sicherungsanspruchs bzw. der Zeitpunkt der Entstehung des Sicherungsanspruchs sagt jedoch nichts darüber aus, ob der Bestand des Schuldnervermögens infolge der Zuführung verliehener Liquidität zu Lasten der Gläubiger geschmälert wurde oder nicht. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, daß die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit potentieller Anfechtungsgegner, auf die allein der Gesetzgeber bei seiner Unterscheidung abhebt, beachtet werden muß. Nur eben nicht ausschließlich. Die möglichen Auswirkungen, die die Zuführung verliehener Liquidität auf die Durchführbarkeit eines Insolvenzverfahrens haben kann, erscheinen jedenfalls mindestens ebenso beachtlich. Indem der Gesetzgeber ausschließlich die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger ins Kalkül zieht, verengt er die Problemsicht in unzulässiger Weise. 3?3
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen Wahrend die bisherigen Analysen rechtlicher Lösungskonzeptionen zur Insolvenzauslösung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Insolvenzreife einer Unternehmung standen, geht es in den folgenden Abschnitten mehr um die Analyse solcher Regelungen, die der Abwendung oder Vermeidung von Insolvenzen dienen. Dabei muß die primäre Zielrichtung der Regelungen nicht unbedingt der Gläubigerschutz sein. Vielmehr kann dieser sich auch mittelbar daraus ergeben, daß das Gesetz die Gesellschaft schützt und diese dadurch in der Lage bleibt, ihren Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern nachzukommen. Im folgenden soll es daher um die Frage gehen, inwieweit die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen den Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht genügen. Im einzelnen wird untersucht, ob die Regelungen über das Stammkapital, die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung (unter 1.) sowie über die kapitalersetzenden Leistungen (unter 2.) den Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht entsprechen. Ein eigener Abschnitt ist sodann der Analyse der Regelung gewidmet, wonach die Geschäftsführer bei Verlust des halben Stammkapitals eine Gesellschafterversammlung einzuberufen haben (unter 3.).
1. Stammkapital, Kapitalaulbringung und Kapitalerhaltung
Da unter den Begriffen Stammkapital, Eigenkapital und Nettovermögen nicht immer das gleiche verstanden wird, ist - unter a) - zunächst deren Bedeutung klar373 Auch Tintelnot (1991), § 3 (S. 61 ff.), meint, daß die Tatbestände der Gläubiger- und Konkursanfechtung die Grenze, innerhalb derer die Vertragspartner ihre Rechtsverhältnisse haftungsrelevant zu gestalten vermögen, nicht abschließend ziehen.
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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zustellen. Sodann wird - unter b) - der Begründung des Gesetzgebers zu Grund und Höhe des Stammkapitals nachgegangen, bevor - unter c) - die möglichen Funktionen des Stammkapitals analysiert werden. Daran schließt sich - unter d) eine Stellungnahme an.
a) Begriffsklärung: Stammkapital- Eigenkapital- Nettovermögen Nach § 5 I GmbHG muß das Stammkapital einer GmbH mindestens 50.000 DM betragen. Damit bezeichnet das Stammkapital die durch den Gesellschaftsvertrag zu bestimmende feste Größe der von den Gesellschaftern entweder in Geld oder in geldwerten Vennögensgegenständen mindestens aufzubringenden Gesellschaftereinlagen. Die einzelnen Gesellschaftereinlagen heißen in der Sprache des Gesetzes Stammeinlage. Um die GmbH beim Handelsregister anmelden zu können, müssen die in bar übernommenen Stammeinlagen allerdings nicht voll, sondern nur zu mindestens einem Viertel eingezahlt sein. Auf das gesamte Stammkapital brauchen nur mindestens 25.000 DM einbezahlt zu sein (§ 711 GmbHG).374 Es handelt sich dabei um die gesetzlich geforderte Mindesteinlageleistung. Für den Fall einer Einmanngründung muß für den nicht einbezahlten Teil Sicherheit geleistet werden. Der Begriff des Stammkapitals darf nicht mit dem des Eigenkapitals verwechselt werden. Hingegen sind Eigenkapital und Nettovennögen lediglich zwei Begriffe für den gleichen Sachverhalt. Das Eigenkapital bzw. Nettovennögen errechnet sich aus dem Bruttovennögen abzüglich aller Verbindlichkeiten gegenüber Fremdkapitalgläubigern. 375 Es ist demzufolge vom wirtschaftlichen Erfolg oder Mißerfolg der Gesellschaft abhängig und unterliegt dauernden Wertschwankungen. Das Ergebnis dieser Berechnung besagt, wie hoch der Wert der Gesellschaft. ausgedrückt in Geldeinheiten, ist. Demgegenüber ist das Stammkapital, wie bereits erwähnt, eine statische Größe. Es wird zusammen mit anderen Eigenmitteln der Gesellschaft, wie etwa Rücklagen oder Gewinnvorträgen, sowie sämtlichen Fremdkapitalposten auf der Passivseite der Bilanz aufgeführt. Da die Passivseite darüber infonniert, woher die finanziellen Mittel der Gesellschaft stammen, läßt sich aus dem Betrag des Stammkapitals, vor allem in Relation zu den übrigen Posten der Passivseite, ersehen, in welchem Umfang die Gesellschafter der Gesellschaft eigene finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt haben. 376 Daher entspricht, sofern die Stammeinlagen bei Gründung in bar geleistet werden, das voll einge374 Unzutreffend ist es daher, wenn Kleffner (1994), S. 19, schreibt, daß das Stammkapital die Summe der Vermögenswerte kennzeichne, die die Gesellschafter "zur Bildung eines Gesellschaftsvermögens" (Hervorhebung durch A.F.) mindestens aufzubringen haben. 375 Zu dem Unterschied zwischen Netto- und Bruttovermögen bereits oben unter B.1.2. bei Fn. 31 und 39. - Mißverständlich Kleffner (1994), der zwar das Nettovermögen meint, aber vom Bruttovermögen spricht. 376 Vgl. Scholzl Winter (1993), § 5 Rn. 10; ferner zu den zahlreichen Finanzierungsquellen einer Gesellschaft den Überblick bei Drukarczyk (I 994a), S. 1245; ders. (I 994b), S. 1741.
17 Förster
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D. Analyse
zahlte Stammkapital in seiner Höhe nur solange dem Eigenkapital bzw. Nettovermögen, wie diese Gelder von der Gesellschaft unverändert als Barmittel gehalten werden. Sobald diese Mittel aber von der Gesellschaft in irgend einer Weise verwandt (investiert) werden, ändert sich die Relation zwischen Stammkapital und Eigenkapital bzw. Nettovermögen je nach wirtschaftlichem Erfolg oder Mißerfolg der jeweiligen Mittelverwendung. Die Relation der Höhe des Eigenkapitals bzw. Nettovermögens zu der des Stammkapitals gibt mithin Auskunft über die Qualität der Mittelverwendung in der Gesellschaft.
b) Begründung des Gesetzgebers zu Grund und Höhe des Stammkapitals Der Gesetzgeber des GmbH-Gesetzes von 1892 begründete die Notwendigkeit eines Stammkapitals im einzelnen mit vier Gesichtspunkten: erstens sollte die ,,Entstehung einer Ueberzahl unbedeutender" Gesellschaften verhindert werden; zweitens war die Verhütung "ungenügend fundirter Gesellschaftsbildungen" beabsichtigt; drittens sollte "ein gewisses Interesse der Theilnehmer an den Schicksalen des gemeinsamen Unternehmens" gewährleistet werden;377 und viertens hatte der Gesetzgeber die "Sicherheit der Gesellschaftsgläubiger,,378 im Auge. Gerade die "Verbesserung des Gläubigerschutzes,,379 hatte auch den Gesetzgeber der 1980 abgeschlossenen kleinen GmbH-Reform dazu bewogen, den Betrag des Stammkapitals von DM 20.000 auf DM 50.000 zu erhöhen 380. Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die genannten Argumente stichhaltig sind. Wie Fabricius überzeugend dargelegt hat 381 , entspringt die erste Begründung für ein Stammkapital der Furcht des Gesetzgebers vor unerwünschter Machtentfaltung infolge einer staatlich nicht kontrollierten und nicht kontrollierbaren Körperschaftsbildung im Bereich nicht wirtschaftlicher Vereine, insbesondere solcher mit (sozial-)politischer Zwecksetzung. Die Festsetzung einer Stammeinlage von mindestens 500 Mark und eines Stammkapitals von 20.000 Mark machte es "Habenichtsen" unter den damaligen wirtschaftlichen Verhältnissen unmöglich, sich zu einer GmbH zusammenzuschließen. Somit ging es primär um eine "Beschränkung der Vereinigungsfreiheit,,382. Dieses Ziel ist unter der Geltung des Grundgesetzes allerdings nicht mehr haltbar (Art. 9 I GG). Vgl. zu den drei vorgenannten Gesichtspunkten Entwurf (1892), S. 40 (zu § 5). Entwurf (1892), S. 31. 379 So die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des GmbH-Gesetzes, BT-Drs. 8/1347, S. 29 (zu Nr. 3); vgl. dazu auch die Beschlußempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/3908, S. 68 f. (zu Nr. 3 lit. a). 380 Vgl. Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4. Juli 1980, BGBI. I, S. 347, Art. I Nr. 3 lit. a). 381 Ders. (1970), S. 138 f. 382 F. Fabricius (1970), S. 139. 377
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II. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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Was den Gesichtspunkt der Verhütung "ungenügend fundierter Gesellschaftsbildungen" angeht, so beruht er zum einen auf obrigkeitsstaatlicher Fürsorge hinsichtlich der Finanzierungsmodalitäten 383 , zum anderen schwingt der Gedanke des Gläubigerschutzes mit. Ähnliches gilt für den dritten Begründungsansatz. Nur daß sich die Fürsorge hier - überflüssigerweise! - ganz allgemein auf das Interesse der Gesellschafter an ihrer Gesellschaft bezieht. Allerdings kann dieses Interesse der Gesellschafter mittelbar auch dem Gläubigerschutz dienen. Festzuhalten ist zunächst jedoch, daß der Gedanke der bloß fürsorglich motivierten staatlichen Einmischung in Unternehmensinterna heute ebenfalls nicht mehr trägt. Damit bleibt als wesentlicher Begründungsaspekt der Gläubigerschutz. Der Gesetzgeber ging davon aus, daß die "nothwendige Unterlage der Gesellschaft nicht anders als durch die Aufbringung eines bestimmten jedermann kenntlichen Gesellschaftskapitals zu beschaffen (sei), weIches den dauernden Grundstock des Unternehmens und zugleich ein bestimmtes Befriedigungsobjekt für die Gesellschaftgläubiger bildet. ,,384 Er handelte damit in bewußter Abkehr von dem seinerzeit bei den bergrechtlichen Gewerkschaften bestehenden System, das in den Beratungen zum GmbHG mehrfach als Vorbild angeregt worden war. Dort ist es zur Gründung nicht erforderlich, daß ein bestimmtes Stammkapital aufgebracht wird. Stattdessen sind die Mitglieder fallweise zu sog. Zubußen verpflichtet. 385 Der Gesetzgeber lehnte dieses System bei der GmbH mit der Begründung ab, daß diese - anders als die bergrechtliche Gewerkschaft - "für sehr verschiedenartige, nicht einmal nothwendig an dauernde Betriebsanlagen irgend weIcher Art gebundene Unternehmungen geeignet sein,,386 sollte. Diese Sichtweise ist jedoch wenig überzeugend. Konkret hat der Gesetzgeber die Begriffe Bruttovermögen und Stammkapital verwechselt. 387 Denn Befriedigungsobjekt für die Gläubiger kann immer nur das Bruttovermögen der Gesellschaft, aber nie deren Stammkapital sein. Deshalb ist zwar die Annahme zutreffend, daß bei der Gewerkschaft "das Bergwerk selbst" den "dauernden Stamm ihres Vermögens bildet,,388 und dieses daher das Befriedigungsobjekt für die Gläubiger ist. Unzutreffend ist jedoch die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß die GmbH wegen des bei ihr eo ipso nicht vorhandenen Befriedigungsobjekts ohne "Aufbringung eines ( ... ) Gesellschaftskapitals,,389 nicht errichtet werden darf. Denn anders als ein seiner Natur nach eine gewisse Gewähr Vgl. Entwurf (1892), S. 32: Stammkapital als "Grundstock des Unternehmens". Entwurf (1982), S. 32. - Wiedemann (1980), S. 558, spricht insoweit von einer "Kulturleistung ersten Ranges". 385 Knapp zur bergrechtlichen Gewerkschaft Entwurf (1892), S. 31 f.; Fritl (1970), S. 169 f.; ausführlich Veelken (1966). 386 Entwurf (1892), S. 32. 387 Dies ist dem Gesetzgeber auch an verschiedenen anderen Stellen passiert, dazu Joost (1983), S. 285 f. 388 Entwurf (1892), S. 32. Für die Gewerkschaft ist der Besitz eines Bergwerks Gründungsvoraussetzung. 389 AaO. (Fn. 384). 383
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D. Analyse
für seine Werthaltigkeit bietendes Bergwerk ist das in eine Gesellschaft eingebrachte Stammkapital regelmäßig in hohem Maße flüchtig. 390 Je nach dem ob es gut oder schlecht in bestimmte Vermögens werte investiert wird, bilden diese für die Gläubiger gute oder schlechte Befriedigungsobjekte. Anders ausgedrückt: Je nach dem wie gut oder schlecht die Geschäfte laufen, steigen oder sinken die Befriedigungsaussichten der Gläubiger. Denn nur die von den Einzahlungen auf das Stammkapital angeschafften Vermögensgüter dienen den Gläubigern als Befriedigungsobjekt, nicht aber das Stammkapital. 391 Der Gedanke des Gesetzgebers im Falle nicht bereits originär vorhandenen Vermögens, stattdessen auf einem Stammkapital zu bestehen, macht die Befriedigungsaussichten der Gläubiger daher vom Geschäftsgang ihres Schuldners abhängig und bietet somit nur sehr begrenzt ein werthaltiges Befriedigungsobjekt. Es ließe sich einwenden, daß durch die Verpflichtung zur Aufbringung eines Stammkapitals sowie dessen anschließende Investition doch zumindest mittelbar ein Befriedigungsobjekt für die Gläubiger geschaffen worden sei. Damit dem so ist, müßte aber des weiteren dafür gesorgt werden, daß die vom Stammkapital im Rahmen der Mittelverwendung erworbenen Vermögensgegenstände nicht durch Verluste oder Fehlinvestitionen in ihrem Wert unter den Betrag des Stammkapitals sinken können. Gerade hieran fehlt es jedoch. Es erscheint insoweit zweifelhaft, ob die Erwartungen hinsichtlich eines Gläubigerschutzes, die der Gesetzgeber mit der Einführung eines Stammkapitals bei der GmbH verband, berechtigt sind. Die Zweifel werden verstärkt, wenn man bedenkt, daß es keine Methode gibt, um festzulegen, in welchem Ausmaß ein Unternehmen mit eigenen Mitteln der Gesellschafter ausgestattet sein sollte. Denn die Erscheinungsformen der einzelnen in der Rechtsform der GmbH geführten Unternehmen ist nicht nur von Branche zu Branche, sondern auch von Unternehmen zu Unternehmen zu verschieden, als das sich eine allgemein verbindliche Regel formulieren ließe. 392 Auch in den kontroversen Beratungen des Rechtsausschusses zu einer Erhöhung des Stammkapitals im Rahmen der GmbH-Novelle versprach sich selbst die Mehrheit von einer Anhebung des Stammkapitals keinen gläubigerschützenden Effekt. 393 Für eine Erhöhung des Stammkapitals von DM 20.000 auf DM 50.000 wurden letztlich ordnungspolitische Gründe vorgebracht. Denn ,,(e)s gehe nicht so sehr um Gläubigerschutz in dem Sinne, daß die Haftungsmasse im Fall des Konkurses vergrößert werde ( ... ), sondern darum, die Schwelle der Inanspruchnahme der beschränkten 390 Das gilt selbst dann, wenn in eine GmbH als Sacheinlage ein Bergwerk eingebracht wurde, denn die GmbH kann das Bergwerk wieder veräußern. 391 Vgl. Hemmerde (1985), S. 122 m.w.N. 392 Vgl. F. Fabricius (1970), S. 140; Lutter (1983), S. 169; Hemmerde (1985), S. 124 ff.; Kommission für Insolvenzrecht (1985), S. 450 in der Begründung zu LS 6.5; Wüst (1985), S. 818; Drukarczyk (I994a), S. 1240; ausführlich zu diversen Versuchen der Bestimmung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung Bitzl Hemmerdel Rausch (1986), S. 140 ff. 393 Vgl. die Begründung zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/ 3908, S. 68 f. (zu Nr. 3 lit. a) m.w.N. auf die Ausschußprotokolle.
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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Haftung zu erhöhen.,,394 Konkret solle "das Privileg der Haftungsbeschränkung ( ... ) nur demjenigen zugute kommen, der bereit sei, als Kompensation dafür eine gewisse Mindesthafung zu übernehmen,,395. Damit reduziert sich die Einzahlung auf das Stammkapital aber auf ein Lösegeld zur Vermeidung der persönlichen Haftung. Mit Gläubigerschutz hat die Festsetzung eines Stammkapitals dann nichts mehr zu tun. Denn wer es auf die persönliche Haftungsbeschränkung anlegt, wird daraus regelmäßig mehr Nutzen ziehen als ihn das Haftungsprivileg kostet. 396
c) Funktionen des Stammkapitals
aa) Voraushaftung Ungeachtet der soeben vorgetragenen Erkenntnisse wird die Funktion des Stammkapitals aber selbst in der neueren 397 Literatur noch häufig mit den Begriffen Garantiekapital oder (Mindest -)Haftungsfonds gekennzeichnet. 398 Das ist insoweit unzutreffend, als den Gläubigem in der Insolvenz der Gesellschaft keine bestimmte Zugriffsmasse garantiert ist. 399 Denn die Einzahlungen auf das Stammkapital werden von der Gesellschaft nicht etwa hinterlegt, um für den Fall der Insolvenz darauf zurückgreifen zu können, sondern, wie jede andere Kapitalzuführung, in bestimmte Vermögensgegenstände investiert. Gelingt es der Gesellschaft nicht, diese Investitionen so zu nutzen, daß die investierten Mittel im Rahmen der Leistungsverwertung wieder zurückfließen, wird ihr Vermögen nach und nach weniger Vgl. aaO. (Fn. ), S. 69. AaO. (Fn. ), S. 68. 396 Vgl. F. Fabricius (1970), S. 143: "die Ausweisung eines geringen Stammkapitals bei der Gründung (stellt) sich im Hinblick auf die Gläubigersicherung weitgehend als Ideologie (dar)." Ebenso aaO., S. 140. Skeptisch-nachdenklich zum "Gläubigerschutzmythos" Wiethölter (1970), S. 15 ff. 397 Zur älteren Literatur vgl. die Nachweise bei Kleffner (1994), S. 21, und bei Joost (1983), S. 285. 398 Vgl. A. Fabritius (1980), S. 631 f.; U. H. Schneider (1984), S. 509 (',Mindesthaftungsfonds" mit dem "bei der Liquidation der Gesellschaft das Verwertungsrisiko gedeckt werden soll"); Baumbach/Hueck/Hueck (1996), § 3 Rn. 16 (Stammkapital legt als "Garantieziffer den Betrag fest, der mindestens als Reinvermögen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehen soll"); Hachenburg/Ulmer (198911989), § 5 Rn. 6 ("Haftungsfonds, der den Gesellschaftsgläubigern Aussicht auf Befriedigung ihrer Forderungen aus dem Gesellschaftsverrnögen [ ... ] bieten soll."); ders., aaO., § 11 Rn. 81 m.w.N. ("ungeschriebener Rechtsgrundsatz, die Aufbringung des Stammkapitals als Mindesthaftungsfonds der Gesellschaft zu gewährleisten"); Ketzer (1989), S. 4 ("den Gesellschaftsgläubigern in Form des Stamm- bzw. Grundkapitals einen Mindesthaftungsfonds zur Verfügung zu stellen"); Bauer/ Stürner (1991), § 7 V 4 (Gesetz verlangt "in den Vorschriften über die Aufbringung eines Grundkapitals, daß ein ,Haftungsstock' für die Gläubiger gebildet wird"). 399 Vgl. ausführlich Joost (1983), S. 285 ff.; ferner Hemmerde (1985), S. 116 ("Terminus ,Garantiefonds' mehr als irreführend"); Kleffner (1994), S. 21 (Begriffsbildung "zumindest mißverständlich"); ebenso Scholz/ Winter (1993), § 5 Rn. 10. 394 395
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D. Analyse
wert. Würde man es jetzt liquidieren, so ließe sich das ursprünglich eingesetzte (Stamm-)Kapital nicht mehr in voller Höhe erlangen. Es wäre - zumindest teilweise - durch Verluste aufgezehrt. Sobald das Stammkapital und die sonstigen Eigenmittel der Gesellschaft vollständig aufgezehrt sind, wird auch das von Fremdkapitalgläubigern eingesetzte Kapital 400 allmählich entwertet. Die Funktion des Stammkapitals besteht daher in einer Voraushaftung der Gesellschafter, indem es verhindert, daß Verluste der Gesellschaft sogleich auf die Fremdkapitalgläubiger durchschlagen. 401 Damit jedoch "vertauscht die Ansicht, das Kapital sei garantiert oder bilde einen Haftungsfonds, unausgesprochen den Kapitalbegriff mit dem Vermögensbegriff,402. Denn nicht das Kapital, sondern das Bruttovermögen dient der Gläubigerbefriedigung. bb) Seriositätsschwelle Neben der soeben dargelegten Voraushaftungsfunktion403 wird dem Stammkapital ferner eine "Seriositätsschwelle,,404 zugeschrieben: Mittellosen Gründern soll es erschwert werden, ohne einen gewissen Mindesteinsatz, in den Genuß der persönlichen Haftungsbefreiung zu kommen. Berücksicht man jedoch, daß die Gesellschafter das Stammkapital nur zur Hälfte einbezahlen müssen, die Mindesteinlageleistung also nur DM 25.000 beträgt und sich aus einer Schwindelgründung gegebenenfalls erheblich höhere Gewinne erzielen lassen, so erscheint die Seriositätsschwelle nicht allzu hoch bemessen. 405 Außerdem bestehen bei der Gründung einer GmbH zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten406 , denn die Prüfung durch das Registergericht beschränkt sich im Grundsatz auf die nach § 8 GmbHG beizufügenden Anmeldungsunterlagen. 407 Zwar haften die Gründungsgesellschafter und -geschäftsführer für ordnungsgemäße Angaben bei der Anmeldung nach § 9a Etwa als Bankdarlehen oder als Warenkredit. Anschaulich spricht Wiedemann (1980), S. 557, von einem "Verlustpolster". Häufig wird auch die Pufferfunktion betont, vgl. Lutter (1983), S. 168; DomdorjlFrank (1985), S. 74; Hemmerde (1985), S. 115 ff.; Wüst (1985), S. 817; BitzlHemmerdelRausch (1986), S. 405; H.-P. Müller (1987), S. 32; Vormbaum (1990), S. 35 ff.; K. Schmidt (1991), § 1811 2 b (S. 419 ff.); Roth (1993a), S. 177.; Kleffner (1994), S. 21 f., 24 ff. - Grundlegend zur rechtlichen Natur des Stammkapitals Lutter (1964), S. 42 ff., 49 ff., 52 ff. 402 So Joost (1983), S. 285. Gleiches ist auch dem Gesetzgeber des GmbH-Gesetzes passiert, vgl. oben unter D.II.l.b). 403 So Vormbaum (1990), S. 36. 404 Vgl. Wiedemann (1980), S. 565; Lutter (1983), S. 168. 40S In der Tat sind drei Viertel aller neueingetragenen GmbHs nur mit dem Mindeststammkapital ausgestattet, vgl. Creditreform (1994), S. 30. 406 Dazu im einzelnen Krause (1988), S. 97 f., vgl. auch Hemmerde (1985), S. 194 f. Kleffner (1994), S. 23, nimmt an, daß bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen durch die Registergerichte nur die wenigen Gesellschaftsgründungen herausgefiltert werden, die "ganz offensichtlich unseriös" sind. 407 Vgl. HachenburgI Ulmer (1989/1989), § 9c Rn. 11 ff. 400
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H. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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GmbHG, doch ist die Pfändung eines solchen Anspruchs bei der GmbH und seine Durchsetzung in der Praxis ein domenreicher, wenn nicht aussichtsloser Weg. 408
cc) Mittelbar: Schutz vor Rückgewähr geleisteter Einlagen Zusätzlich zur Voraushaftungsfunktion und der Seriositätsschwelle hat das Stammkapital bei der GmbH eine mittelbare Funktion: Es dient dazu, die Höhe des Nettovermögens zu ermitteln, das dem Auszahlungsverbot nach § 30 I GmbHG, dem Verbot des Erwerbs eigener Anteile nach § 33 11 GmbHG sowie dem Verbot der Kreditgewährung an Geschäftsführer nach § 43a GmbHG unterfällt. Die Gläubiger der GmbH werden dadurch vor einer Rückgewähr geleisteter - und nicht durch Verluste geminderter! - Gesellschaftereinlagen geschützt. Hierauf beschränkt sich denn aber auch die mittelbare Funktion des Stammkapitals. Soweit die Gesellschafter das Stammkapital nicht in ihrer Funktion als Gesellschafter, sondern etwa als Vermieter, Verpächter, Darlehensnehmer409 oder Berater durch den Abschluß entsprechend gestalteter Verträge mindern, versagt der Schutz des Stammkapitals bereits wieder. 4IO Denn die "gesetzlichen Regeln sind keineswegs positiv auf die Erhaltung und Bereitstellung eines haftungsrechtlich relevanten Vermögensstocks gerichtet, sondern rein negativ auf die Verhinderung bestimmter Maßnahmen der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern.,,411 LetzIich ist dies Ausfluß der nur formellen Festlegung des Mindestkapitals412 und der nur mittelbaren Form des Gläubigerschutzes bei der GmbH413 .
d) Stellungnahme
aa) Geringe Effizienz Das Gesetz betreibt einen gewaltigen Aufwand, um die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals zu sichern. Erinnert sei nur an das Verbot der UnterpariEmission41 \ die Erlaß-, Stundungs- und Aufrechnungsverbote (§ 1911 GmbHG), die Vorschriften zur Sacheinlage (§§ 9, 56 GmbHG), zur Kaduzierung von Geschäftsanteilen (§§ 21 ff. GmbHG), zur Ausfallhaftung bei Rückständen auf die Näher zu den Schwierigkeiten bereits oben unter B.1.3.e). Vgl. Scholz/Schneider (1993), § 43a Rn. 61 f. 410 Zu weiteren Möglichkeiten wie verbotene Ausschüttungen entgegen dem Grundsatz von der nominellen Kapitalerhaltung versucht werden können, Wiedemann (1980), S. 562 ff. 411 loost (1983), S. 285. 412 Ausnahmen hiervon bestehen bei Kreditinstituten, Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungen, vgl. § 10 KWG, insbes. Abs. 6b; § 2 II KAGG; § 5 IV VAG. 413 Dazu bereits oben unter D.1.4.b)aa). 414 Vgl. LutterIHommelhoff(I995), § 5 Rn. 8 u. § 9c Rn. 14. 408
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D. Analyse
Stammeinlage (§ 24 GmbHG), zur Kapitalerhöhung (§§ 55 ff. GmbHG) und dergleichen mehr. Stellt man dem gegenüber, worin der Nutzen des Stammkapitals liegt, so ergibt sich ein ernüchterndes Mißverhältnis. So vermag die Voraushafungsfunktion nicht zu verhindern, daß über 91 Prozent aller Forderungen in der GmbH-Insolvenz ausfallen. 415 Und trotz der "Seriositätschwelle" ist die GmbH von allen Rechtsformen diejenige, bei der die mit großem Abstand höchste Insolvenzanfälligkeit vorliegt. 416 Offensichtlich sind die vom Gesetz vorgesehenen Instrumente des Gläubigerschutzes wenig effizient.
bb) Kein wirksamer Vermögensschutz, insbesondere im Vergleich zur Aktiengesellschaft Die geringe Effizienz hängt wesentlich damit zusammen, daß das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nur unter engen Voraussetzungen geschützt ist. Die lediglich formelle Festlegung des Stammkapitals kann weder eine angemessene Eigenkapitalbasis sichern, noch greift sie in dem Fall, daß das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen durch Verluste aufgezehrt worden ist. Gerade Verlustphasen gehen der Insolvenz aber regelmäßig voraus. Hinzukommt bei der GmbH, im Gegensatz zur Aktiengesellschaft, daß bei ihr Ausschüttungen auf die Stammeinlage sogar dann möglich sind, wenn die Bilanz einen Verlust ausweist. 417 Denn während bei der Aktiengesellschaft durch die §§ 57, 58 V AktG das gesamte Gesellschaftsvermögen mit Ausnahme des Bilanzgewinns vor Auschüttungen an die Gesellschafter geschützt ist, sind bei der GmbH Aus- und Rückzahlungen nicht auf gegenwärtige oder frühere Gewinne beschränkt. 418 Dabei umfaßt der Schutz des gesicherten Vermögens bei der Aktiengesellschaft zusätzlich die zur Erhaltung der gesetzlichen Rücklage (§ 150 AktG) erforderlichen Vermögensgegenstände. 419 Auch muß der Jahresabschluß, der den verteilungsfähigen Bilanzgewinn ausweist, zuvor vom Aufsichtsrat gebilligt werden (§ 172 AktG). Da der Aufsichtsrat den Gesellschaftern (Aktionären) gegenüber obendrein verantwortlich ist420 , besteht bei der Aktiengesellschaft, anders als bei der GmbH, bei 415 Der Gesamtbetrag der Forderungsausfalle allein über das Vermögen derjenigen GmbHs, bei denen im Jahr 1993 das Insolvenzverfahren eröffnet und bis Ende 1994 beendet wurde, betrug über 5,8 Mrd. DM! Näher hierzu oben unter B.lI.l.a). 416 Vgl. oben unter B.lI.l.a). 417 Ausführlich hierzu Wilhelm (1978), S. 348 ff.; vgl. auch Fleck (1982), S. 398 f. m.w.N. 418 Vgl. Wiedemann (1980), S. 561. - K. Schmidt (I 982a), S. D128 m.w.N., setzt sich daher für verschärfte Ausschüttungssperren bei der GmbH ein. 419 Vgl. zur gläubigerschützenden Funktion einer gesetzlichen Rücklage Bitz/Hemmerde/ Rausch (1986), S. 208 ff. 420 Vgl. §§ 116,93 i.Y.m. 111 I AktG; eingehend auch K. Schmidt (l99\), § 28 III I d (S. 693 ff.), mit Beispielen aus der Praxis. Das einzelne Aufsichtsrat ist im übrigen dafür beweispflichtig, ob es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters walten ließ.
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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der lediglich ein Stammkapitalschutz existiert, in der Tat ein wirksamer Vermögensschutz. Hierauf gerade kommt es aber für einen wirkungsvollen Gläubigerschutz an. 421 So erklärt sich auch, weshalb die Insolvenzanfalligkeit der Aktiengesellschaft sowie die von ihr ausgehenden Insolvenzschäden erheblich niedriger sind als die der GmbH. Zugleich wird abermals deutlich, daß der Gesetzgeber einen Fehler machte, als er die für die Aktiengesellschaft bestehenden Insolvenzauslösemechanismen auf die ihrer Struktur nach anders geartete GmbH übertrug. 422 Obendrein krankt die Ansicht des Gesetzgebers, daß die §§ 24, 31 GmbHG ein wirksamer Ersatz für die durch eine umfassende Publizität gesicherte Verwaltungstruktur der Aktiengesellschaft seien423 , daran, daß diese Normen, anders als die Vorschriften des Aktienrechts, erst zu einem sehr späten Zeitpunkt ihre gläubigerschützende Wirkung entfalten können. 424 Von ihnen geht daher kein Anstoß in Richtung einer rechtzeitigen Selbstkontrolle der Gesellschaft aus, weshalb sie für die notwendige Insolvenzprophylaxe nicht taugen.
cc) Verzerrte Anreizstruktur
Im Ergebnis entsteht dadurch für die Gesellschafter eine verzerrte Anreizstruktur für ihre untemehmerischen Entscheidungen, die durch drei verschiedenen Zustände gekennzeichnet ist. Erstens: Solange das Unternehmen der Gesellschaft mit Ertrag arbeitet, ist auch die Einlage der Gesellschafter in die Gesellschaft ren tabel. 425 Zweitens: Macht das Unternehmen hingegen Verluste, so verlieren die Gesellschafter zwar auch, aber im äußersten Fall den Wert ihrer Einlage. Drittens: Ist der Wert der Einlage jedoch erst einmal auf Null gesunken, weil das entsprechende Vermögensäquivalent infolge der Verluste aufgezehrt ist, dann tritt der groteske Fall ein, daß der Geschäftsanteil wieder rentabel werden kann. 426 Da zugleich der für diesen Fall an sich konzipierte Insolvenzgrund der Überschuldung wegen der 421 Zutreffend bemerkt Drukarczyk (1986), S. 228, daß die Festschreibung von Mindesthaftungsmassen eine wirksame Vorkehrung gegen Strategien der Reichtumsverschiebung ist. - Vgl. auch Beschluß des BVerfG vom 3.7.1973 (1 BvR 153/69), in: BVerfGE 35, S. 348 ff., 356: Die Kapitalgesellschaft "bietet den hinter der Gesellschaft stehenden Personen wirtschaftliche Vorteile, insbesondere eine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen. Demgemäß ist die Rechtsträgerschaft an ein ausreichendes Vermögen gebunden. Dies ist Voraussetzung sowohl für ihre Gründung als auch für ihre weitere Existenz." 422 Die Problematik wurde bereits oben unter D.I.4.b)aa) bei Fn. und unter D.I.4.b)bb) bei Fn. angeschnitten. - Vgl. auch Gurke (1982), S. 21 ff. 423 Vgl. Entwurf (1892), S. 32 f. 424 Vgl. auch Moxter (1991), S. 93: "eine Ausschüttungssperre (ist) ungeeignet, um die Auszehrung des Gesellschaftsvermögens durch im Geschäftsbetrieb entstehende Verlust zu vermeiden". 425 Selbst wenn die Gewinne nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, erhöht sich der Wert des Geschäftsanteils. 426 Dazu bereits oben unter C.I.5.b) und e).
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D. Analyse
ihm immanenten Konstruktionsfehler nicht funktioniert 427 , kommt es in der Folge zu den gewaltigen Gläubigerverlusten. 428 Gleichwohl kann die Lösung nicht darin bestehen, daß die Gesellschafter zu ständiger Verlustdeckung gezwungen sind, denn dies liefe auf eine unbegrenzte Haftung hinaus. Interessant ist jedoch, wie andere Rechtsordnungen versuchen, das Problem der Anreizverzerrung zu lösen. 429 So kennt etwa der anglo-amerikanische Rechtskreis das Institut des gebundenen Vermögens nicht. 43o Dort versucht man den Gläubigerschutz stattdessen durch entsprechende bilanzrechtliche Verhaltensregeln und eine unmittelbare Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter zu verwirklichen. 431 Letzteres gibt es auch in Frankreich.432 Hier sei nur angemerkt, daß jedenfalls die von Lutter vorgestellte kalifornische Regelung, wonach Ausschüttungen erst möglich sind, wenn Eigen- und Fremdkapital zueinander mindestens in einem Verhältnis von 1:3 stehen433 , Bedenken begegnet. Sie läuft auf eine Kapitalstrukturregelung hinaus, die einen ausreichenden Gläubigerschutz ebenso wenig zu sichern vermag, wie die bestehende deutsche Regelung. 434
e) Zwischenergebnis
Die Regeln zur Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals sichern den Gläubigem kein adäquates Befriedigungsobjekt. Zwar kann die Bereitstellung eines Stammkapitals eine gewisse Voraushaftung der Gesellschafter bewirken, doch nur, sofern das dem Stammkapital entsprechende Vermögensäquivalent noch nicht durch Verluste aufgezehrt ist und soweit das Stammkapital in hinreichender Höhe festgesetzt wurde. Die Einhaltung dieser Prämissen ist jedoch nicht gewährleistet. Die aufwendig geregelte Mindesteinzahlung auf das Stammkapital ist daher im Vgl. oben unter 0.1.2. Zutreffend bemerkt H.-P. Müller (1987), S. 35: die von der Rechtsordnung entwickelten "Spielregeln erscheinen geradezu etwas naiv." 429 Rechtsvergleichend zum Stammkapital als Prämie für den Genuß der persönlichen Haftungsbefreiung Lutter (1983), S. 167 ff.; speziell zur personalistischen GmbH Immenga (1970), S. 349 ff. 430 Der amerikanische Revised Model Business Corporation Act von 1984 z. B. hat das Par-value-Konzept bei der Ausgabe von Kapitalanteilen aufgegeben, so daß heute nennwertlose Anteile üblich sind. Näher hierzu m.w.N. bereits oben unter B.IIL2.a)bb). 431 Vgl. Wiedemann (1980), S. 558,568; Schlosser (1991), S. 15 f. 432 Vgl. zur action en comblement de passif Art. 180 des Gesetzes 85-98 vom 25. Januar 1985, auf den das Gesetz 66-537 über die Handelsgesellschaften vom 24. Juli 1966 in seinem Art. 54 über die SARL (GmbH) verweist. Nach Art. 180 des Gesetzes 85-98 kann das Gericht bei Vermögensinsuffizienz (insuffisance d'actif) bestimmen, daß die Schulden der GmbH ganz oder teilweise von den in der Gesellschaft einflußreichen Personen (dirigeant) getragen werden müssen, sofern ein Fehler in der Betriebsführung zu der Vermögensinsuffizienz beigetragen hat. 433 Ders. (1983), S. 174,185. 434 Vgl. bereits oben unter C.IY.l.c). 427 428
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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Ergebnis der - ziemlich niedrige - Preis, um sich von der persönlichen Haftung loszukaufen. Für den vom Gesetzgeber beabsichtigten Gläubigerschutz wäre statt des Stammkapitalschutzes ein wirksamer Vermögensschutz erforderlich. Denn Befriedigungsobjekt für die Gläubiger der Gesellschaft ist deren Bruttovermögen. 435
2. Eigenkapitalersatz
Das Recht des Eigenkapitalersatzes 436 soll im folgenden daraufhin analysiert werden, inwiefern es unter dem dieser Arbeit zugrunde gelegten weiten Insolvenzrechtsbegriff einen Beitrag zur Abwendung oder Abwicklung von Insolvenzen leistet. 437 Dabei erscheint es angebracht - unter a) - zunächst kurz die Rechtslage zu referieren. Daran anschließend ist - unter b) - der Frage nachzugehen, worin die Rechtfertigung für eine Umqualifizierung von schuldrechtlichen Leistungen der Gesellschafter in kapitalersetzende liegt. Hieraus ergeben sich - unter c) - eine Reihe von Folgerungen; zunächst hinsichtlich der finanzwirtschaftlichen Funktion kapitalersetzender Regelungen - unter c)aa) -, dann für die Frage, welche Geselschafterleistungen im einzelnen kapitalersetzenden Charakter haben können - unter c)bb) bis dd) -. Anschließend sind - unter d) - zwei für die weitere Arbeit wichtige Fragen aufzuwerfen, bevor die Ergebnisse - unter e) - zusammengefaßt werden. a) Rechtslage
Die Gesellschafter einer GmbH unterliegen in der Frage, in welchem Verhältnis sie "ihre" Gesellschaft mit Eigenkapital oder mit Fremdkapital ausstatten, grundsätzlich keinen rechtlichen Beschränkungen.438 Leistungen der Gesellschafter, die sie der Gesellschaft wie fremde Dritte zuführen, sind an sich legal. 439 Für eine Fremdfinanzierung, vor allem, aber nicht nur, im Rahmen von Darlehenshingaben, spricht im allgemeinen, daß dies einfacher, flexibler und publizitätsfrei zu handhaben ist und auch im steuerrechtlichen Belastungsvergleich regelmäßig besser abschneidet 440 als eine Zuführung von Eigenkapital mittels einer Erhöhung des Vgl. auch unten unter 0.11.3., insbes. unter c) und unter E.Y.3. Aus sprachlichen Gründen wird im folgenden statt von Eigenkapitalersatz, Eigenkapitalersatzrecht oder eigenkapitalersetend von Kapitalersatz, Kapitalersatzrecht oder kapitalersetzend gesprochen. 437 Die von ScholzlK. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 15, behandelte Frage, ob die §§ 32a, b GmbHG gesellschaftsrechtliche oder konkursrechtliche Vorschriften seien, erscheint mir demgegenüber eher akademischer Natur und wird hier nicht verfolgt. 438 Vgl. Hueck (1991), § 3611 4 (S. 362); ScholzlK. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 4 m.w.N. - Zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Wiedemann (1993), S. 894 ff. 439 Vgl. Scholzl K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 7 m.w.N. 440 Vgl. dazu bereits oben unter C.I.4.b)aa) m.w.N. 435
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D. Analyse
Stammkapitals. 441 Kritisch wird ein solches Verhalten immer erst dann, wenn die Gesellschafter versuchen, ihren mit der GesellschaftersteIlung regelmäßig verbundenen beträchtlichen Informationsvorteil gegenüber den übrigen Gläubigem für ihre Stellung als Gläubiger nutzbar zu machen. Besonders deutlich wird dies an dem Fall, daß sich Gesellschafter kurz vor Eintritt der Insolvenz ihre Fremdkapitalleistungen von der Gesellschaft zurückzahlen lassen, während die übrigen Gläubiger die insolvenzbedingten Forderungsverluste akzeptieren müssen. Die Rechtsprechung des RG 442 und des BGH443 haben daher bestimmte Formen der Gesellschafterfremdfinanzierung besonderen Regeln unterstellt (sog. BGH-Regeln; dazu im folgenden unter aa). Mit der GmbH-Novelle von 1980 unternahm der Gesetzgeber den fehlgeschlagenen Versuch jene zu normieren; fehlgeschlagen deshalb, weil er nicht die BGH-Regeln normierte, sondern sowohl in Tatbestand wie Rechtsfolgen etwas Neues schuf'44 (sog. Novellen-Regeln; dazu im folgenden unter bb). Mittlerweile ist daraus ein "zweistufiges Schutzsystem für den Eigenkapitalersatz..445 geworden. 446 aa) BGH-Regeln Nach dem grundlegenden Urteil des BGH vom 24. 3. 1980447 können Darlehen und ähnliche Leistungen, die ein Gesellschafter der sonst nicht mehr lebensfähigen GmbH anstelle von Eigenkapital zuführt oder beläßt, unter zwei Voraussetzungen wie gebundenes Stammkapital nach den Vorschriften der §§ 30, 31 GmbHG zu behandeln sein: erstens muß die Leistung bei ihrer Hergabe oder Stundung Eigenkapitalersatzcharakter haben und zweitens muß ihre Rückgewähr zu Lasten des nach §§ 30, 31 GmbHG geschützen Stammkapitals der GmbH gehen. 448 Was den Eigenkapitalersatzcharakter angeht, so liegt dieser vor, "wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können und deshalb ohne die Leistung hätte liquidiert werden müssen ( ... ). Ebenso verhält es sich mit einem noch unter wirtschaftlich gesunden Verhältnissen gegebenen Darlehen, das der Gesellschafter bei Eintritt der Kredit441 Eingehender zu den wirtschaftlichen Anlässen einer Fremdkapitalfinanzierung Wiedemann (1993), S. 899 f.; vgl. auch LutterIHommelhoff(l979), S. 52. 442 RG-Urteil vom 3.12.1938 (II. Zivilsenat 84/38), in: JW 1939, S. 355 ff. 443 Vgl. BGH-Urteil vom 14. 12. 1959 ("Lufttaxi" - II ZR 187/57), in: BGHZ 31, S. 258 ff., 271 ff.; grundlegend BGH-Urteil vom 24. 3. 1980 (11 ZR 213177), in: BGHZ 76, S. 326 ff. 444 Zur tieferen Begründung im folgenden unter D.II.2.c)aa). 445 LutterIHommelhoff(1995), §§ 32a/b Rn. I. 446 Ein guter Überblick findet sich bei LutterIHommelhoff(l995), §§ 32a/b Rn. 7 ff.; vgl. ferner Glahs (1994), S. 257 ff.; tabellarisch Klaus (l994b), S. 249; Schaub (1993), S. 1487 f.; mit Beispielen Mayer (1990), S. 1935 ff. jeweils m.w.N. 447 II ZR 213177, in: BGHZ 76, S. 326 ff. 448 AaO. (Fn. 447), S. 328 f.
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtIicher Regelungen
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unfähigkeit449 stehen läßt, so daß die sonst notwendige Liquidation unterbleibt.,,45o Wegen der zweiten Tatbestandsvoraussetzung sind kapitalersetzende Leistungen nur insoweit gebunden, als sie verlorenes Stammkapital - oder eine über dessen Verlust hinaus bestehende Überschuldung - abdecken. 451 Denn nur in diesem Umfang werden sie zur Erhaltung des Stammkapitals benötigt. Folgerichtig besteht der Erstattungsanspruch der GmbH auf Rückgewähr kapitalersetzender Leistungen aus §§ 30,31 GmbHG analog auch unabhängig von der Gesellschaftsinsolvenz.
bb) Novellen-Regeln Während die BGH-Regeln die Gesellschaftsgläubiger mittelbar schützen, indem sie für eine Wiederauffüllung des Stammkapitals sorgen, sofern dieses aufgezehrt und durch Gesellschafterfremdmittel ersetzt wurde, haben die Novellen-Regeln einen unmittelbaren Gläubigerschutz für den Fall der Insolvenz im Visier. Sofern die Leistungen der Gesellschafter einem Drittvergleich452 nicht standhalten, können diese von den Gesellschaftern in einem Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden. 453 Hatten sie kapitalersetzende Leistungen bereits zurückerhalten, so kann der Insolvenzverwalter dies anfechten, sofern die betreffende Rechtshandlung nicht länger als ein Jahr vor Insolvenzeröffnung (§ 32a S. 2 KO) bzw. dem Antrag auf Insolvenzeröffnung (§ 135 Nr. 2 InsO) vorgenommen wurde. Der Gesellschafter muß die kapitalersetzenden Leistungen dann in vollem Umfang, also nicht nur soweit dies, wie bei den BGH-Regeln, zur Abdeckung des Stammkapitals erforderlich ist, in die Insolvenzmasse zurückgewähren, § 37 I KO bzw. § 143 InsO.
449 Gemeint ist Kreditunwürdigkeit. Kreditflihigkeit ist nämlich vor allem eine Frage der Rechts- und Geschäftsfähigkeit. 450 AaO. (Fn. 447), S. 330 f. 451 Beispiel: Ist eine GmbH mit einem Stammkapital von DM 50.000 mit DM 30.000 überschuldet und hat sie von ihren Gesellschaftern in Höhe von DM 100.000 einen Kredit erhalten, den Dritte ihr nicht gewährt hätten, so unterliegt dieser nur in Höhe von DM 80.000 den BGH-Regeln. 452 Das Gesetz spricht in § 32a I I GmbHG von einer Situation, in der die Gesellschafter ihrer Gesellschaft als ordentliche Kaufleute Eigenkapital hätten zuführen müssen. Um diesen normativen Maßstab zu konkretisieren, wird allgemein auf die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft bei gesellschaftsfremden Dritten abgestellt. Vgl. ausführlich Hachenburg I Ulmer (\98911990), § 32a, b Rn. 45 ff.; ferner LutterIHommelhoff(\995), §§ 32a/b Rn. 20 ff.; Scholzl K. Schmidt (\ 993), §§ 32a, 32b Rn. 35 jeweils m.z.w.N.; speziell zu den Kriterien einer Kreditunwürdigkeit Schaub (1993), S. 1488 f.; Mayer (1990), S. 1937 f. - Nur nebenbei sei darauf hingewiesen, daß auch das Steuerrecht in § 8a I I Nr. 2 KStG hinsichtlich der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital bei der Darlehensfinanzierung durch gebietsfremde Gesellschafter für die Höhe des angemessenen Eigenkapitals ebenfalls auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft abstellt. Maßgebend ist, ob die Gesellschaft das "Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten (hätte) erhalten können". 453 Vgl. § 32a I I GmbHG, ggf. i.Y.m. Abs. 3
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D. Analyse
cc) Konkurrenzverhältnis Seit dem Urteil des BGH vom 26. 3. 1984454 ist geklärt, daß die BGH-Regeln neben den Novellen-Regeln auch auf solche kapitalersetzenden Leistungen anzuwenden sind, die nach dem 1. 1. 1981 gewährt worden sind. 455 Dabei steht jedoch in der Praxis einer Anwendung der BGH-Regeln, auch dann wenn lediglich kapitalersetzende Leistungen bis zur Höhe des Stammkapitals zurückgefordert werden sollen, die Schwierigkeit entgegen, festzustellen, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe das Stammkapital tatsächlich angegriffen ist. 456 Die Voraussetzungen der Novellen-Regeln sind insofern einfacher darzulegen und zu beweisen. Die BGHRegeln haben ihren Anwendungsbereich daher vor allem in den Fällen, in denen die Jahresfrist des § 32a S. 2 KO bzw. § 135 Nr. 2 InsO bereits verstrichen ist.
b) Rechtfertigung der Umqualijizierung in Eigenkapital
Sowohl für die BGH-Regeln als auch für die Novellen-Regeln ist Voraussetzung, daß die Leistung des Gesellschafters bei ihrer Hergabe oder Stundung Eigenkapitalersatzcharakter hat. Es wurde bereits gesagt, daß dies der Fall ist, wenn die Gesellschaft nicht mehr kreditwürdig ist. Im folgenden soll diesem Zusammenhang näher nachgegangen werden, warum das so ist. Dazu ist es sinnvoll, sich zunächst am Beispiel eines Gesellschafterdarlehens 457 - zu vergegenwärtigen, was die Zufuhr finanzieller Mittel in einer Situation, in der fremde Dritte nicht mehr bereit sind, der Gesellschaft Kredit zu gewähren, praktisch bedeutet. Es muß dazu noch einmal an die Mechanismen des oben bereits ausführlich dargestellten finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses erinnert werden. 458 Er ist geprägt durch ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht459 , welches sich dadurch auszeichnet, daß die Auszahlungen des Unternehmens auf Dauer höher sind als die Einzahlungen. Je nach dem wie kräftig das finanzielle Fundament der das Unternehmen tragenden Gesellschaft ist, gefährdet dieser Umstand früher oder später die unternehmerische Existenzbedingung der jederzeitigen Liquidität460 . Soll die Gesellschaft gleichwohl fortbestehen, ist sie auf die Zufuhr "frischen Geldes" angewiesen. Dabei ist es an sich gleich, ob es sich insoweit um finanzielle Mittel fremder Dritter oder um II ZR 14/84, in: BGHZ 90, S. 370 ff. AaO. (Fn. 454), S. 376 ff. m.z.w.N. auf die Gesetzesmaterialien. 456 Vgl. v. Ger/um (1990), S. 385. - Klaus (I994b), S. 255 f., weist außerdem zutreffend nach, daß es den Gesellschaftern bei alleiniger Anwendung der BGH-Regeln möglich ist, einen Teil der verursachten Reichtumsverschiebungen zu Lasten der übrigen Gläubiger zu realisieren. 457 Zu anderen Formen der Gewährung kapitalersetzender Leistungen unten unter D.II.2.c)bb). 458 Vgl. unter B.II.2.c). 459 Dazu oben unter B.II.2.b). 460 Dazu oben unter C.IY.I.a). 454 455
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solche der Gesellschafter handelt. Sind fremde Dritte zu einer Mittelzufuhr jedoch nicht (mehr) bereit, so bedeutet dies, unter der hierzulande realistischen Prämisse funktionierender Kreditmärkte, daß sie kein Vertrauen (mehr) haben, in die Fähigkeit der Unternehmung, die zur Rückzahlung erforderlichen Mittel zu erwirtschaften. Potentielle Gläubiger halten die Eigenkapitaldecke der Gesellschaft für so dünn, daß sie darin keinen ausreichend großen Puffer für gegebenenfalls weiter eintretende Verluste sehen. 461 Ihr Verlustrisiko wird damit so hoch, daß es einer Kreditvergabe entgegensteht. Führen nun die Gesellschafter gleichwohl finanzielle Mittel zu, so tun sie etwas, was unter diesen Umständen kein gesellschaftsfremder Gläubiger machen würde, weil es einer Vermögensverschleuderung gleichkäme. Wenn die Gesellschafter der Gesellschaft trotzdem "frisches Geld" zuführen, so deshalb, weil sie an das unternehmerische Konzept der Gesellschaft glauben und darauf vertrauen, daß sich ihr Einsatz lohnt. Dieses Motiv ist legitim. Nur müssen sie sich daran auch dann festhalten lassen, wenn es sich nachträglich als unrealistisch herausstellt. Das bedeutet: Wenn die Gesellschafter in einer Situation in der kein gesellschaftsfremder Gläubiger bereit gewesen ist, der Gesellschaft finanzielle Mittel zuzuführen, ebendies tun, dann können sie sich für den Fall, daß ihre damit verbundenen Erwartungen, sich im nachhinein als unzutreffend herausstellen, nicht darauf berufen, dies als Gläubiger getan zu haben. Denn "echte" Gläubiger, also solche, die in ihren Kalkülen unbeeintlußt sind von Überlegungen, wie sie sich für die Gesellschafter-Gläubiger lediglich aus ihrer zusätzlichen GesellschaftersteIlung ergeben, hätten eben gerade keine finanziellen Mittel mehr zugeführt. Würden sich die Gesellschafter unter den genannten Umständen darauf berufen dürfen, ihren Mitteleinsatz als Gläubiger und nicht als Gesellschafter geleistet zu haben, so würde dadurch die Haftungsordnung bei der GmbH verletzt. Das ergibt sich aus folgender Überlegung: Ohne die Zufuhr neuer Finanzmittel durch die Gesellschafter wäre die kreditunwürdige GmbH wegen des damit implizit verbundenen finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts wirtschaftlich zusammengebrochen, weil sie nicht mehr über die Mittel verfügt hätte, um den betrieblichen Leistungsprozeß des von ihr betriebenen Unternehmens aufrechtzuerhalten. Es wäre dann entweder der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder der der Überschuldung wirksam geworden. 462 Indem jedoch die Gesellschafter finanzielle Mittel zuführen, verhindern sie den Eintritt eines Insolvenztatbestandes. Die Situation, in der sich ohne Mittelzufuhr der Gesellschafter die Haftungsfunktion des Insolvenzrechts 463 entfaltet hätte, wird überwunden. Soweit das mit einer Sanierung des angeschlagenen Unternehmens einhergeht, ist das an sich begrüßenswert. Falls nicht, 461 Zur Voraushaftungsfunktion des Stammkapitals, nämlich der von den Gesellschaftern zugeführten eigenen Mittel der Gesellschaft, vgl. oben unter D.II.I.c)aa). 462 Vgl. Bitz/Hemmerde/Rausch (1986), S. 397 ff., die darlegen, daß für eine Regelung der Fremdfinanzierung durch Gesellschafter überhaupt erst dann eine Notwendigkeit besteht, wenn die Insolvenzantragspflichten nicht beachtet werden. 463 Dazu oben unter B.I.l.b).
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D. Analyse
oder falls diese nicht gelingt, kommt es allerdings dann, wenn die Gesellschafter ihre Finanzmittel nicht als Gesellschafter, sondern als Gläubiger gewährt haben, bei einer später dennoch eintretenden Insolvenz zu einer Konkurrenz zwischen ihren Forderungen und denen der eigentlichen Gläubiger. Diese müßten sich dann die Insolvenzmasse mit jenen teilen, obwohl die Gesellschaft ohne die Mittelzufuhr der Gesellschafter bereits zu einem früheren Zeitpunkt insolvent gewesen wäre. Ihre Befriedigungsaussichten würden dadurch geschmälert. Die Haftungsfunktion des Insolvenzrechts käme dann auch den Gesellschafter-Gläubigem zugute. Deren - einem Drittvergleich nicht standhaltenden - Mittel dürfen im Rahmen einer Insolvenz aber erst dann wieder an sie zurückfließen, wenn zuvor alle übrigen Gläubiger befriedigt worden sind. 464 Denn anderenfalls würde die vom Gesetz vorgesehene Voraushaftung derjenigen Mittel unterlaufen, die der Gesellschaft von den Gesellschaftern zwecks Erlangung des Haftungsprivilegs zur Verfügung gestellt werden. 465 Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß die Voraushaftung ursprünglich nur für das dem Stammkapital entsprechende Verrnögensäquivalent geregelt war. 466 Es kann nämlich nichts anders gelten, wenn die Gesellschafter der Gesellschaft in einer Situation Mittel zuführen, in der ohne diese Zuführung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens das Ende des Haftungsprivilegs bedeutet hätte. 467 Denn nur so können die Gläubiger vor der Gefahr geschützt werden, daß die Gesellschafter zwar die· Insolvenz abwenden, dabei aber zugleich in die Rechte der Gläubiger eingreifen, indem sie nicht nur deren Befriedigungsaussichten verringern, sondern im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses auch einer weiteren Verrnögensauszehrung Vorschub leisten. Ferner besteht die Gefahr, daß neue Gläubiger zum Geschäftsabschluß mit der maroden Gesellschaft veranlaßt werden. 468 Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, daß Leistungen der Gesellschafter, die sie einer kreditunwürdigen GmbH zuwenden, deshalb Eigenkapitalersatzcharakter annehmen müssen, weil anderenfalls die für haftungsbeschränkte Rechtssub464 Dieses Prinzip kommt nunmehr auch in der InsO durch die letztrangige Stellung von Forderungen gern. § 39 I Nr. 5 InsO zum Ausdruck. 465 Vgl. auch Hill/ Schäfer (1989), S. 461: ,,§ 32a GmbHG (ist) eine Ausprägung des übergeordneten Grundsatzes, daß sich das Finanzierungsverhalten des Gesellschafters, sofern es nicht in der Zufuhr nominellen Eigenkapitals besteht, nicht schädigend für den Rechtsverkehr auswirken darf." 466 Siehe oben unter D.II.l.c)aa). 467 Deutlich Rausch (1985), S. 376: "Gesellschafter, die sich im Konkurs- oder Vergleichsverfahren auf ihre Stellung als Gläubiger berufen, (müssen) sich auch bei der Darlehensgewährung wie Gläubiger verhalten. Vollständig informierte Gläubiger geben keinen Kredit mehr, wenn die Gesellschaft überschuldet ist. In einer solchen Situation wäre also der Sachlage nach entweder die Zuführung von Eigenkapital oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geboten." 468 Trotz des inzwischen vom BGH anerkannten Ersatzes des Vertrauensschadens - dazu oben unter D.I.4.b)bb) - bleibt das Bonitätsrisiko eines soIchen Anspruchs.
II. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtIicher Regelungen
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jekte geltende Haftungsordnung verletzt würde. 469 Indes darf daraus nicht geschlossen werden, daß die Gesellschafter verpflichtet wären, in der Unternehmenskrise über den ursprünglich bedungenen Betrag der Stammeinlage hinaus, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Denn wenn die Gesellschafter die Insolvenz der GmbH vermeiden wollen, steht es ihnen frei, anstatt einer Zuführung finanzieller Mittel die Liquidation der Gesellschaft zu beschließen, § 60 I Nr. 2 GmbHG. Entscheidend ist lediglich, daß "ein Gesellschafter, der die not leidende Gesellschaft durch die Zufuhr anderer Mittel als des sonst dringend benötigten Eigenkapitals zu bewahren sucht, das damit eingegangene Finanzierungsrisiko nicht auf die Gläubiger abwälzen darf,47o. Das ist der Inhalt des Grundsatzes von der (Mit-)Verantwortung des GmbH-Gesellschafters für eine ordnungsgemäße Untemehmensfinanzierung. 471
c) Folgerungen Daraus, daß der Normzweck des Kapitalersatzrechts in der Erhaltung der Haftungsordnung haftungsbegrenzter Rechtssubjekte begründet liegt, ergeben sich Folgerungen sowohl hinsichtlich der Frage, welche finanzwirtschaftliche Funktion das Kapitalersatzrecht hat - dazu unter aa) -, als auch für die Frage, welche Gesellschafterleistungen als kapitalersetzend einzuordnen sind. Insoweit wird - unter bb) - zuerst auf die dem Grundfall der Darlehensgewährung gleichgestellten Formen bei der Gewährung kapitalersetzender Leistungen eingegangen, dann wird - unter cc) - untersucht, von welchen Voraussetzungen es abhängt, daß das Belassen einer kapitalersetzenden Leistung seiner Gewährung gleichgestellt ist. Schließlich geht es bei der Frage, welche Gesellschafterleistungen als kapitalersetzend zu behandeln sind, - unter dd) - um die Bedeutung der Finanzplanung.
aa) Finanzwirtschaftliche Funktion des Kapitalersatzrechts Was die Höhe angeht, bis zu der kapitalersetzende Gesellschafterleistungen umqualifiziert werden, so wurde bereits gesagt, daß zwischen den Novellen-Regeln und den BGH-Regeln zu unterscheiden ist. Während letztere das Nettovermögen nur bis zur Höhe der Stammkapitalziffer schützen 472 , wird durch die Novellen-Re469 Entgegen Lutter I Hommelhoff (1979), S. 38 f., braucht für die dogmatische Grundlage daher nicht auf die "objektive Enttäuschung veranlaßten Vertrauens im allgemeinen Geschäftsverkehr" (Hervorhebung weggelassen) zurückgegriffen zu werden. 470 BGH-Urteil vom 24. 3. 1980 (II ZR 213177), in: BGHZ 76, S. 327 ff., 329. 471 Heute h.M., vgl. BGH, Urteil vom 26. 3. 1984 ("BuM" - II ZR 171/83), in: BGHZ 90, S. 381 ff., 388 f. (sub 4); Urteil vom 19. 9. 1988 ("Hamburger Stahlwerke" - II ZR 255/87), in: BGHZ \05, S. 168 ff., 175 f.; HachenburgIUlmer(1989/1990), §§ 32a, b Rn. 8; Scholzl K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 5; Lutter I Hommelhoff (1995), §§ 32a/ b Rn. 3; von Gerkiln IHommelhoff (I 994), Rn. 1.49 ff., jeweils m.w.N. 472 Zur Begründung ausführlich das BGH-Urteil vom 24. 3. 1980 (II ZR 213177), in: BGHZ 76, S. 326 ff., 333 ff.
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geln das Vermögen in dem Umfang gebunden, wie es zum Betrieb des Gesellschaftsunternehmens mindestens erforderlich ist, um sie in den Augen potentieller Gläubiger kreditwürdig erscheinen zu lassen. Das kann je nach Art des Unternehmens das von der GmbH betrieben wird, erheblich mehr sein als nach den BGHRegeln, insbesondere dann, wenn die Gesellschaft nur mit dem Mindestsstammkapital ausgestattet ist. Sofern die Gesellschafter "ihrer" GmbH also überhaupt Mittel zuführen, kommt es durch die Novellen-Regeln zum Schutz einer betriebsnotwendigen Mindestfinanzausstattung. 473 Führen die Gesellschafter hingegen keine Mittel zu, so spricht man von sog. materieller Unterkapitalisierung 474 , d. h. daß die Gesellschafter der Gesellschaft die für ihren Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel weder als Eigen- noch als Fremdkapital zur Verfügung stellen. 475 Materielle Unterkapitalisierung ist von §§ 32a, 32b GmbHG mithin tatbestandlich nicht erfaßt. 476 Gleichwohl besteht zwischen materieller Unterkapitalisierung bzw. einer darauf beruhenden Haftung einerseits und den gesetzlichen Kapitalersatzregeln andererseits ein Zusammenhang. 477 So werden die Gesellschafter durch eine Umqualifizierung in Kapitalersatz zwar nicht unmittelbar zu einer ausreichenden Kapitalausstattung der Gesellschaft veranIaßt, doch besteht für sie eine zwingende wirtschaftliche Notwendigkeit die Gesellschaft mit den erforderlichen Finanzmitteln auszustatten, wenn sie die Existenz der Gesellschaft nicht gefährden wollen. Denn sobald von außenstehenden Gläubigern keine Finanzmittel mehr zu zu erlangen sind, würden sie sonst die Existenz der Gesellschaft, respektive ihre damit verbundenen Gewinnchancen, gefährden. Damit ergibt sich aber aus dem Kapitalersatzrecht ein erster Anhaltspunkt für eine materielle Kapitalisierungspflicht: Wollen die Gesellschafter "ihre" Gesellschaft erhalten, müssen sie ihr zumindest in solchem Umfang finanzielle Mittel zuwenden, wie diese benötigt, um solche auch von gesellschaftsfremden Dritten zu erlangen. Voraussetzung ist dabei allerdings, daß die Finanzierungsentscheidungen der gesellschafts fremden Dritten sich tat473 Wohlgemerkt, keines Mindestkapitals! Zu eng daher die Ansicht von K. Schmidt (199Ob), s. 74; ders. in Scholz (1993), §§ 32a, 32b Rn. 99; näher hierzu unten unter D.II.2.c)bb)(1). - Wie hier Lutter (1983), S. 182: ,,Durch Verweisung auf den potentiellen Kreditgeber, seine Erfahrung und seine beruflichen Regeln wird eine Untergrenze fixiert, bis zu der eine ordnungsgemäßte Finanzierung im Rechtssinn vorliegt" (Hervorhebung auch im Original). 474 Zur Analyse der Frage, inwieweit eine daran geknüpfte Haftung etwas zur Insolvenzbewältigung beizutragen vermag, vgl. unten unter D.IY.2.c)cc). 475 Vgl. Hachenburg/Ulmer (1989/1991), Anh § 30 Rn. 21; ScholzlEmmerich (1993), § 13 Rn. 82, sowie Scholz/ K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 3. 476 Insoweit zutreffend Scholz/ K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 16; Rowedder/ Rowedder (1997), § 32a Rn. 7 . • 77 Ausdrücklich in Abrede gestellt wird ein Zusammenhang von Scholz/K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 3, 16; wohl auch von Altmeppen (1994b), S. 2354. Einen Zusammenhang bejahend, aber im Ansatz und Ergebnis a.A. Lutter/ Hommelhoff(1979), S. 33 f., 57 ff., insbes. S. 64.
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sächlich an der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft orientieren und nicht von sachfremden Erwägungen überlagert werden. 478 Ökonomisch basiert der dargestellte Sachzwang auf dem sog. finanzwirtschaftlichen Problem der Unternehmung, wonach innerhalb des gesamtbetrieblichen Leistungsvollzugs die Auszahlungen den Einzahlungen vorangehen und daher zwangsläufig vorfinanziert werden müssen. 479 Die Erkenntnis, daß die Kapitalersatzregeln die Gesellschafter in ihrem eigenen Interesse zu einer betriebsnotwendigen Mindestfinanzausstattung verpflichten - rechtlich handelt es sich insoweit um eine Obliegenheit - belegt erneut die Notwendigkeit einer synästhetischen Betrachtungsweise von Recht und Ökonomie48o . Im übrigen liegt in dieser Erkenntnis der tiefere Gehalt der oben 481 noch nicht näher begründeten Aussage, daß der Gesetzgeber mit den Novellen-Regeln etwas gänzlich Neues geschaffen hat: wie gezeigt wurde, gehen die Novellen-Regeln weit über die BGH-Regeln hinaus. Ein Legitimationsproblem ist damit gleichwohl nicht verbunden. Denn, wie bereits dargelegt wurde482 , sind die Kapitalersatzregeln lediglich die logische Konsequenz aus der Haftungsordnung haftungsbeschränkter Rechtssubjekte. Nur nebenbei ist noch darauf hinzuweisen, daß die Kapitalersatzregeln ferner die oben erwähnten Anreizverzerrungen 483 beheben können, die für den Fall bestehen, daß das Stammkapital nicht mehr durch entsprechende Vermögenswerte gedeckt ist. 484 Voraussetzung hierfür ist, daß die Gesellschafter kapitaIersetzende Leistungen zugeführt haben und daß es gelingt, eine erfolgreiche Flucht in die Masselosigkeit485 wirksam zu verhindern.
bb) Andere Formen der Gewährung kapitalersetzender Leistungen Bislang wurde als kapitalersetzende Leistung immer von dem Fall ausgegangen, daß ein Gesellschafter ein Darlehen gewährt hat. Finanzielle Zuwendungen der Gesellschafter an die Gesellschaft sind jedoch noch in einer Vielzahl anderer For478 Das Problem kann an dieser Stelle noch nicht vollständig entwickelt werden. Es wird unten unter E.I.2.c) wieder aufgenommen. 479 Vgl. oben unter B.II.2.a). 480 Dazu bereits oben unter C.II.1. 481 Unter D.II.2.a) vor aa). 482 Oben unter D.II.2.b). 483 Vgl. unter D.II.I.d)cc). 484 Vgl. Klaus (1994b), S. 250 ff., 253 ff. Vgl. auch ders. (I 994a) mit einer grundlegenden ökonomischen Analyse der Gesellschafterfremdfinanzierung und des Eigenkapitalrechts, in der er nachweist, daß die gesetzlichen Kapitalersatzregeln im Ergebnis zweckgerecht sind, da für die Gesellschafter der Anreiz, das Unternehmen trotz fehlender Fortführungswürdigkeit fortzuführen, auf das Maß reduziert wird, das auch bei einer Finanzierung mit Eigenkapital vorliegt. 485 Dazu vor allem oben unter C.I.4.b)bb)(3), aber auch unter B.III.l.c), C.I.5.e) und C.I.6.a).
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men denkbar. In Frage kommen darlehensähnliche Rechtshandlungen und Sachdarlehen - dazu unter (2) -, Nutzungsüberlassungen - dazu unter (3) - und Dienstleistungspflichten - dazu unter (4) -. Ob diese Gesellschafterhandlungen ebenfalls dem Verdikt der Umqualifizierung in Kapitalersatz unterfallen, hängt davon ab, ob § 32a III GmbHG auf sie anwendbar ist. Insoweit ist Voraussetzung, daß die Rechtshandlung des Gesellschafters der Darlehensgewährung nach § 32a Abs. 1 (bzw. Abs. 2486 ) "wirtschaftlich entsprechen" muß; dazu sogleich.
( 1) Wirtschaftliche Entsprechung i. S. d. § 32a Abs. 3 GmbHG Um herauszufinden, weIche Rechtshandlungen des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft - das ist das Kennzeichen der Fallkonstellation nach § 32a I GmbHG - einer Darlehensgewährung "wirtschaftlich entsprechen", sind methodisch zwei Schritte erforderlich. Zuerst ist Klarheit darüber zu gewinnen, was mit der Formel von der wirtschaftlichen Entsprechung inhaltlich gemeint ist. Es geht also darum, das Tertium comparationis von Gesellschafterdarlehen und zu vergleichender Rechtshandlung festzulegen. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob der Rechtshandlung, die mit der Darlehensgewährung verglichen werden soll, das Tertium comparationis innewohnt. Ist das der Fall, so liegt wirtschaftliche Entsprechung i. S. d. § 32a III GmbHG vor. Aus der Gesetzesgeschichte läßt sich ersehen, daß § 32a III GmbHG sicherstellen soll, daß die Regelungen des § 32a Abs. 1 (und 2) GmbHG nicht umgangen werden. 487 Die Vorschrift erinnert daher zunächst an verschiedene Umgehungs verbote, wie etwa § 7 AGBG, § 5 I HaustürWG, § 18 S. 2 VerbrKrG oder § 42 AO im Steuerrecht. Wahrend diesen Verboten jedoch weithin nur klarstellende Wirkung beigemessen wird, weil die betreffenden Fälle entweder durch direkte Subsumtion, durch Auslegung oder im Wege des Analogieschlusses zu lösen sind488 , kommt § 32a III GmbHG eine eigenständige Bedeutung zu. Denn es geht nicht nur schlicht darum, daß § 32a Abs. 1 (und 2) GmbHG nicht umgangen werden sollen, sondern es sollen - darüber hinaus - Rechtshandlungen erfaßt werden, die denen nach § 32a Abs. 1 (und 2) GmbHG "wirtschaftlich entsprechen".489 Damit ist aber ein bestimmtes Ziel vorgegeben bei der Frage, weIche Umgehungen von § 32a III GmbHG erfaßt werden sollen. Wahrend das Kennzeichen von 486 Die FäJ1e des § 32a 1I GmbHG bleiben im weiteren unberücksichtigt. Ihre Einbeziehung ist für den mit dieser Arbeit verfolgten Zweck entbehrlich und würde deren Rahmen sprengen. 487 Vgl. die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/3908, S. 74 (Nr. 15 zu § 32a a.E.) 488 Vgl. etwa Ulmer/Brander/ Hensen (1993), § 7 Rn. 4; Münchener Kommentar / Ulmer (1992/1995), Bd. 3, § 5 HaustürWG Rn. 3; Münchener Kommentar / Habersack (1992/ 1995), Bd. 3, § 18 VerbrKrG Rn. 7; grundlegend Teichmann (1962), S. 15 ff., 67 ff. 489 Vgl. auch Wiedemann (1986), S. 1299.
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Umgehungen allgemein darin besteht, daß die Normadressaten um des von ihnen erstrebten Zieles willen versuchen, die rechtliche Gestaltung so zu wählen, daß sie weder vom Gesetzeswortlaut noch vom Gesetzeszweck erfaßt wird, ist das bei § 32a III GmbHG anders. Wegen der in § 32a III GmbHG ausgesprochenen Zielvorgabe unterfallen dem Umgehungschutz - über die Grenzen der Auslegung und des Analogieschlusses hinaus - all die Konstellationen, die winschaftlich das gleiche Ziel haben, wie die Darlehensvergabe nach § 32a I GmbHG. Abzustellen ist daher auf das wirtschaftliche Ergebnis, das mit einer anderen rechtlichen Gestaltung erreicht werden soll. Es muß dem entsprechen, das bei der Hingabe oder dem Stehenlassen eines in Kapitalersatz umqualifizierten Gesellschafterdarlehens erzielt wird. Dort besteht das wirtschaftliche Ergebnis darin, daß das Gesellschafterdarlehen für den Fall, daß es nicht in Eigenkapitalersatz umqualifiziert worden wäre, die Haftungsordnung der GmbH verletzt hätte. 490 Das ist daher der Maßstab, der auch an andere Formen der Finanzierung durch Gesellschafter anzulegen ist. Sobald solche Finanzierungsformen dazu führen, daß die Haftungsordnung der GmbH verletzt wird, sind sie in Kapitalersatz umzuqualifizieren. 491 Zu eng ist es daher, wenn K. Schmidt meint, daß es sich bei dem Maßstab, der für das Merkmal des wirtschaftlichen Entsprechens anzulegen sei, "um eine Kapitalüberlassung an die GmbH zur zeitweisen Nutzung handeln,,492 müsse. Er begründet das damit, daß der Gesetzeswortlaut die Ersatzformen für ein Gesellschafterdarlehen als "die der Darlehensgewährung nach Abs. 1 und 2 wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen" umschreibt. Diese Begründung ist nicht schlüssig. Denn in § 32a III GmbHG ist eben gerade nicht schlicht von Darlehensgewährung die Rede, sondern von einer Darlehensgewährung nach Absatz 1. 493 In § 32a I 1 GmbHG geht es aber nicht allgemein um Darlehen, sondern um kapitalersetzende Darlehen. Wie gezeigt wurde494 ist das Charakteristikum kapitalersetzender Darlehen aber nicht primär eine Kapitalüberlassung zur zeitweisen Nutzung, als vor allem die Zuführung von Finanzmitteln unter Mißachtung der GmbH-typischen Haftungsordnung. So besteht das Prinzip des Kapitalersatzrechts eben gerade nicht "in der Behandlung eigenkapitalersetzenden Fremdkapitals wie Eigenkapital" und § 32a III GmbHG ist deshalb nicht nur dort anzuwenden, "wo Eigen- und Fremdkapital abzugrenzen sind,,495. Sondern es geht allgemeiner um Anforderungen an eine betriebsnotwendige Mindestfinanzausstattung. 496 Soweit K. Schmidt daher meint, daß das "Gesetz ( ... ) die Regeln über Gesellschafterdarlehen also keineswegs auf alle Kreditpositionen eines Gesellschafters gegenüber der GmbH ( ... ) 490 491
492 493 494 495 496
Dazu oben unter D.II.2.b). Ausführlich hierzu A. Fabritius (1988), S. 77 ff. Scholzl K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 99 (Hervorhebungen weggelassen). Bzw. nach Absatz 2, was aber für die hier anzustellende Überlegung belanglos ist. Oben unter D.II.2.b). So aber K. Schmidt (I 990b), S. 74. Dazu bereits oben unter D.II.2.c)aa).
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D. Analyse
(erstreckt),,497, ist diese Schlußfolgerung mithin so nicht haltbar. 498 Im übrigen ist zu beachten, daß § 32a III GmbHG nach dem Willen des Gesetzgebers den Umgehungsschutz sicherstellen soll und dementsprechend weit auszulegen ist. 499 (2) Darlehensähnliche Rechtshandlungen und Sachdarlehen
Als Finanzierungsformen kommen außer dem Darlehen noch andere Arten der Zuwendung barer Mittel in Betracht, etwa im Rahmen einer stillen Beteiligung, der Hingabe von Genußrechtskapital oder auch der Forderungsstundung. Diese Fälle sind unproblematisch; für sie gilt das zum Gesellschafterdarlehen gesagte. 5OO Die Gesellschafter müssen den Finanzbedarf der Gesellschaft jedoch nicht unbedingt durch die unmittelbare Zufuhr barer Mittel decken, sondern können stattdessen auch sogleich die Sachen zuwenden, die anderenfalls mit den baren Mitteln erworben worden wären. Ulmer spricht anschaulich von Finanzierungsgeschäften mit Sachwerten. 501 Dabei kann es auf das zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bestehende Kausalverhältnis nicht ankommen. 502 Maßgeblich ist vielmehr, ob die insolvenzmäßigen Befriedigungsansprüche der übrigen Gläubiger durch solche Zuwendungen geschmälert werden, weil es infolge der Zuwendung nicht zu dem anderenfalls angesagten Insolvenzverfahren gekommen ist. Sobald das der Fall ist, nehmen die Sachzuwendungen Kapitalersatzcharakter an. 503 Das gilt auch bei einem Verkauf unter Eigentumsvorbehalt mit Stundung des Kaufpreises. Der an sich bestehende Aussonderungsanspruch kann nicht geltend gemacht werden. 504
497
Ders. in Scholzl K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 99.
498 Gleiches gilt rur die ablehnende Haltung von K. Schmidt (1993a), S. 161 ff., zur Einbeziehung von Nutzungsüberlassungen in den Bereich kapitalersetzender Leistungen, die er damit begründet, daß die "bloße Ersparnis von Aufwendungen ( ... ) keine der Darlehensgewährung entsprechende Kapitalzuführung dar(stellt)" (aaO., S. 162). Denn es geht eben gerade nicht um die Darlehensgewährung als solche. Näher hierzu sogleich unter D.II.2.c)bb)(3). 499 Vgl. auch Hachenburg I Ulmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 82 ff. soo Vgl. nur HachenburgI Ulmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 93 ff. m.z.w.N. 501 Ders. in Hachenburg I Ulmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 98. 502 Zu denken ist etwa an Leihe, Miete oder Kauf unter Eigentumsvorbehalt bei Stundung des Kaufpreises. Besondere praktische Bedeutung haben Leasinggeschäfte, insbesondere in der Form des Sale-and-Iease-back-Verfahrens; dazu bereits oben unter C.IA.b)bb)(1). 503 Ganz h.M., vgl. nur HachenburglUlmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 101 Fn. 211, sowie Hueck (1989), S. 227 Fn. 27, jeweils m.z.w.N. 504 Vgl. LutterIHommelhoff(1979), S. 49 f.; HachenburglUlmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 102, jeweils m.w.N.
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(3) Nutzungsüberlassungen
Größere Schwierigkeiten bereiten die sog. Nutzungsüberlassungen. 505 Hierbei geht es um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Überlassung von Gegenständen des Gesellschafters zur Nutzung durch die Gesellschaft als kapitalersetzend zu qualifizieren ist. Die Nutzungsüberlassung unterscheidet sich von den eben behandelten Finanzierungsgeschäften dadurch, daß der Gesellschaft weder die Substanz einer Sache selbst noch die finanziellen Mittel zur Beschaffung der Sachsubstanz gewährt werden, sondern lediglich das Nutzungsrecht an einem bestimmten Gegenstand. Der Unterschied ist jedoch bei der erforderlichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise - nach § 32a III GmbHG kommt es auf die wirtschaftliche Entsprechung an - weniger groß, als er auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn wirtschaftlich geht es auch in den Fällen, in denen die Gesellschaft über die Sachsubstanz verfügt, immer darum, diese im Rahmen des betrieblichen Leistungsprozesses zu nutzen. Anders lassen sich nämlich die zur Erhaltung des finanzwirtschaftlichen Gleichgewichts506 erforderlichen Einzahlungen nicht erwirtschaften. Mit anderen Worten: die Zuwendung von Finanzmitteln zur Anschaffung betriebsnotwendiger Gegenstände bzw. die unmittelbare Zuwendung dieser Gegenstände erfolgt nicht um ihrer selbst willen, sondern deshalb, um daraus Nutzungen (§ 100 BGB) zu ziehen. Bei den genannten Zuwendungen handelt sich daher - wirtschaftlich betrachtet - mittelbar um Nutzungsüberlassungen. Wenn aber schon hierfür die Kapitalersatzregeln anwendbar sind, so müssen sie dies erst recht für unmittelbare Nutzungsüberlassungen sein. 507 Anderenfalls würde nämlich der von § 32a III GmbHG beabsichtigte Umgehungs schutz unterlaufen. Daher sind unmittelbare Nutzungsüberlassungen dann als kapitalersetzend zu behandeln, wenn und soweit sie ansonsten zu einer Störung der durch die gesetzlichen Insolvenztatbestände begründeten Haftungsordnung bei der GmbH führen würden. Allerdings kann es hinsichtlich der Rechtsfolge einer kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung nicht darum gehen, den Substanzwert des zur Nutzung überlassenen Gegenstandes zu erfassen, weil eben gerade nicht die Substanz, sondern nur das Nutzungsrecht zugewandt wurde. 50S Was dabei die Dauer angeht, für die das Nutzungsrecht der Gesellschaft zusteht509 , ist vorrangig auf die Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter abzustellen, jedoch nur, soweit dadurch nicht der Grundsatz von der (Mit-) Verantwortung des GmbH-Gesellschafters für 505 Eingehend A. Fabritius (1988); Ziegler (1989), S. 27 ff., 104 ff.; von Gerlwnl Hommelhoff (I 994), S. 175 ff. 506 Dazu oben unter B.II.2.b). 507 Ausführlich zur wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Darlehen und Nutzungsüberlassungen BüscherlKlusmann (1991), S. 10 ff. Vgl. auch BGHZ 109, S. 55, 58 f. und Braun (1983), S. 1178 ff. 508 Ausführlich hierzu Hueck (1989), S. 216 ff. 509 Vgl. zu diesem Zentralproblem der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung Ulmer (1991), S. 499 ff.; HommelhofflKleindiek (1992), S. 436; LutterlHommelhoff (1995), §§ 32a/b Rn. 122 ff. Siehe auch unten unter D.II.2.c)dd).
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eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung SIO verletzt wird. sl1 Da es vorliegend um die Frage geht, inwieweit die Kapitalersatzregeln den Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht gerecht werden, können die Details der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung hier nicht weiter vertieft werden. S12 Es ist lediglich festzuhalten, daß die Regelung des § 32a III GmbHG auch insofern sachgerecht ist, weil sie eine nicht durch die GmbH-typische Haftungsordung gedeckte Auszehrung der Insolvenzmassen verhindert. (4) Dienstleistungspflichten Abschließend ist noch auf die Frage einzugehen, ob auch die Verpflichtung eines Gesellschafters zu bestimmten Dienstleistungen gegenüber seiner GmbH, eine kapitalersetzende Gesellschafterleistung sein kann. S13 Vor allem Priester hat sich hiermit bislang ausführlicher auseinandergesetzt. s14 Er verneint die Frage, weil Dienstleistungen nicht einlagefähig seien. S1S Dem liegt die Prämisse zugrunde, daß nur solche Leistungen in Kapitalersatz umqualifizierbar seien, die auch Gegenstand einer Stammeinlage sein können. S16 M.E. wird damit ein unzulässiger Ausgangspunkt gewählt. Maßgeblich dafür, ob eine Gesellschafterleistung kapitalersetzenden Charakter bekommt, ist die Frage, ob sie dem kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht (§ 32a III GmbHG). Wie dargelegt S17 ist das der Fall, sobald durch eine bestimmte Form der Gesellschafterfinanzierung die Haftungsordnung der GmbH verletzt wird, indem der finanzwirtschaftliche Erstikkungsprozeß zu Lasten der Gläubiger in die Länge gezogen, statt beendet wird. Insoweit sind prinzipiell zwei Gestaltungsweisen denkbar. Die Gesellschafter können der Gesellschaft entweder weitere Finanzmittel zuführenS18 oder der Gesellschaft den Abfluß weiterer Finanzmittel ersparen. S19 Daher geht es - entgegen Priesternicht "allein um die Behandlung zugeführten Kapitals "S20. Vielmehr ist die ZufühDazu oben unter D.Il.2.b). Hilfsweise ist der hypothetische Parteiwillen maßgebend, wobei auf einen inhaltsgleichen Vertrag mit einem fremden Dritten abzustellen ist; vgl. Hachenburg / Ulmer (19891 1990), § 32a, b Rn. 116, sowie BGH-Urteil vom 11. 7. 1994 ("Lagergrundstück III" - Il ZR 146/92), in: BGHZ 127, S. I ff., 10. m Vgl. insoweit unten unter E.Il.2.c). 513 Insoweit können sowohl Arbeitsleistungen zugunsten der Gesellschaft als auch andere Dienstleistungen, wie etwa Transport-, Service-, EDV- oder Lagerleistungen in Frage kommen. 514 Ders. (1993a), S. 1173 ff.; vgl. aber auch K. Schmidt (l990b), S. 72 f. m Ihm folgend Lutter/ Hommelhoff(l995), §§ 32a/b Rn. 128. 516 V gl. Priester (1 993a), S. 1175. 517 Vgl. oben unter D.Il.2.c)bb)(I). 518 Das ist der Fall bei den oben unter D.Il.2.c)bb)(2) behandelten Fällen. 519 So liegt es bei der Nutzungüberlassung; dazu soeben unter D.Il.2.c)bb)(3). 520 So ders. (1993a), S. 1175 (Hervorhebung auch im Original). 510
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rung von Kapital nur eine von mehreren Möglichkeiten, den betrieblichen Leistungsprozeß des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens zu finanzieren. In Anbetracht der von § 32a III GmbHG geforderten wirtschaftlichen Entsprechung können deshalb auch Dienstleistungspflichten kapitalersetzenden Charakter haben. cc) Belassen kapitalersetzender Leistungen Das Stehenlassen eines Kredits oder allgemeiner, das Belassen einer Zuführung von Finanzmitteln 521 kann der Gewährung einer kapitalersetzenden Leistung gleichstehen. Dabei ist umstritten, ob für ein Belassen eine Vereinbarung oder zumindest eine auf "WiIIensübereinstimmung ohne RechtsfolgewiIIen beruhende Einigung,,522 erforderlich ist, sowie ob, und bejahendenfalls weIcher subjektiven Voraussetzungen es bedarf. Es geht also um die Frage, unter weIchen Voraussetzungen einem Gesellschafter das Belassen einer potentiell kapitalersetzenden Leistung tatsächlich zurechenbar ist. Im Schrifttum wird teilweise eine zumindest konkludente Finanzierungsabrede für erforderlich, aber auch für genügend gehalten. 523 Das wirkt sich vor allem bei bloßer Nichtgeltendmachung des Rückforderungsanspruchs nach vorheriger Zuwendung von Finanzmitteln aus, wenn die GmbH zwischenzeitlich in eine Krise gekommen ist. Das Stehenlassen eines Darlehens etwa, fällt danach selbst dann nicht in den Anwendungsbereich von § 32a GmbHG, wenn der Gesellschafter von dessen kapitalersetzender Eigenschaft weiß. Diese Ansicht wird damit begründet, daß es "um eine Gleichstellung von Kreditmitteln mit einer Eigenkapitalfinanzierung" gehe, was ,jedenfalls eine Kredit-,Gewährung' ([§ 32a] Abs. 1 [GmbHG]) oder eine gleichgestellte Fremdfinanzierung ([§ 32a] Abs. 3 [GmbHG]) voraus (_setzt).,,524 Da es um ein aktives Tun und nicht lediglich um ein Unterlassen gehe, könne ein "einseitiges Nicht-Abziehen des Kredits oder ein bloß einseitiges NichtAbziehen-Wollen seitens des Gesellschafters nicht genügen,,525. Denn eine "Rechts pflicht des Gesellschafters, das Darlehen pünktlich (sc. rechtzeitig vor Konkurseröffnung) zurückzufordern, läßt sich nicht begründen.,,526 521 Zu den einzelnen Formen vgl. von Gerkan/Hommelhoff(l994), Rn. 4.31 ff.; Rowedder/ Rowedder (1997), § 32a Rn. 42 ff. m Hachenburg / Ulmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 27. 523 So etwa Scholz/ K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 46; Th. Raiser (1992), § 38 Rn. 19; K. Schmidt (1991), § 37 IV 2 b (S. 959 f.); Jaeger/Henckel (197711990), § 32a Rn. 18 m.z.w.N.; Hachenburg/Ulmer (198911990), § 32a, b Rn. 30 f.; Hüffer (1989), S. 335; Baumbach/ Hueck/ Hueck (1996), § 32a Rn. 38. 524 Sclwlz/K. Schmidt (1993), §§ 32a, 32b Rn. 44 (S. 1109); ebenso Hachenburg/Ulmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 91 (überzeugend dagegen Wiedemann [1986], S. 1299). - Gegen die genannte Prämisse bereits oben unter D.II.2.c)bb)(I) a.E. 525 Ebd. 526 Jaeger/Henckel (197711990), § 32a Rn. 18. Ebenso Hachenburg/Ulmer (1989/ 1990), § 32a, b Rn. 90; Ulmer (1984b), S. 1170 (li. Sp. oben); Hüffer (1989), S. 335.
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D. Analyse
Demgegenüber will die Rechtsprechung des BGH527 für eine Umqualifizierung von Gesellschafterleistungen, die der Gesellschaft in der Krise belassen werden, daran anknüpfen, ob "der Gesellschafter die wirtschaftlichen Verhältnisse ,seiner' Gesellschaft, die den Eintritt der Krise begründen, kennen kann oder kennen muß,,528. Dies ergäbe sich aus seiner "Finanzierungs- oder präziser, weil der Gesellschafter nicht positiv zum Nachschuß von Kapital verpflichtet, sondern nur am Abzug von in der Krise gewährten oder belassenem Kapital gehindert wird, Finanzierungsfolgenverantwortung,,529. Voraussetzung sei allerdings, daß "der Gesellschafter mindestens objektiv in der Lage ist, auf den Eintritt der Krise durch Abzug der Mittel oder Liquidation der Gesellschaft zu reagieren ( ... ), weil anderenfalls in seinem Verhalten keine Finanzierungsentscheidung läge, an welche die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln anknüpfen könnte.,,53o Dem Gesellschafter müsse daher für seine Entscheidung auch eine angemessene Überlegungszeit eingeräumt werden. 53l Die Finanzierungsfolgenverantwortung folge "allein aus der Übernahme der Stellung eines Gesellschafters,,532. Denn ,,(d)ie Verantwortung, die der Gesellschafter mit seiner Entscheidung eingeht, die Gesellschaft über seine Einlage hinaus zu finanzieren, kann nicht dadurch unterlaufen werden, daß ihm gestattet wird, geltend zu machen, er sei nicht fähig oder willens gewesen, diese Verantwortung wahrzunehmen und sich über den wirtschaftlichen Stand der Gesellschaft auf dem laufenden zu halten. ,,533 Anders als die zuvor erwähnte Ansicht im Schrifttum, will der BGH also das Belassen von zugeführten Finanzmitteln von der doppelten Voraussetzung abhängig machen, daß "der Gesellschafter die Krise wenigstens erkennen und seiner Verantwortung gemäß handeln konnte,,534. Ein Teil des Schrittums teilt diese Ansicht. 535 Ein dritter Teil des Schrifttums will weder an eine irgendwie geartete Finanzierungsabrede noch an subjektive Voraussetzungen anknüpfen, sondern lediglich an objektive Kriterien, das heißt daran, ob die Finanzzuführung des Gesellschafters 527 Grundlegend BGH-Urteil vom 7. 11. 1994 ("Früchte-GmbH" - 11 ZR 270/93), in: BGHZ 127, S. 336, 342 ff. 528 BGH-Urteil vom 7.11. 1994, aaO. (Fn. 527), S. 343 f. 529 Ebd., S. 344 f. m.z.w.N. auf die Rspr. des BGH. 530 Ebd., S. 345 m.w.N. 531 Ebd., S. 341,345 f. Vgl. auch BGH-Urteil vom 24. 9.1990 (11 ZR 174/89), in: NJW 1991, S. 357 (re. Sp. mitte). 532 BGH-Urteil vom 7. 11. 1994, aaO. (Fn. 527), S. 346. Ausführlich dazu bereits BGHUrteil vom 19.9.1988 ("Hamburger Stahlwerke" - 11 ZR 255/87), in: BGHZ 105, S. 168, 175 ff. 533 BGH-Urteil vom 9. 3. 1992 (11 ZR 168/91), in: NJW 1992, S. 1763, 1764 (Ii. Sp. oben); bestätigt durch BGH-Urteil vom 7. 11. 1994, aaO. (Fn. 527), S. 346 f. - Prozessual führt das dazu, daß die Erkennbarkeit der Krise vermutet wird. Der Gesellschafter muß also darlegen und ggf. beweisen, weshalb er die Krise ausnahmsweise nicht kannte. 534 BGH-Urteil vom 7.11. 1994, aaO. (Fn. 527), S. 346. 535 Vor allem Lutter / Hommelhoff (1995), §§ 32a / b Rn. 45 ff. ("Kennen- und Hande\nmüssen"); ebenso Geißler (1994), S. 155; Fleck (1985), S. 686.
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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"aus betriebs wirtschaftlicher Sicht infolge der eingetretenen Krise verlorenes Eigenkapital ersetzt,,536. Begründet wird dies damit, daß es auch beim Grundtatbestand der kapitalersetzenden Leistung, nämlich der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft schon im Zeitpunkt der Hingabe, weder auf eine Finanzierungsabrede noch auf subjektive Voraussetzungen 537 ankommt und daß dies auch im Fall des Belassens nicht anders sein könne. 538 Denn das Gesetz stelle auf das Finanzierungsverhalten ordentlicher Kaufleute ab, § 32a I I GmbHG. Die Zurechnung beruhe daher auf der Folgenverantwortung, falls über das Stammkapital hinaus Fremdmittel zugeführt wurden. 539 Ferner ergebe sich aus der Forderung des BGH, daß der Gesellschafter zumindest objektiv in der Lage sein müsse, auf den Eintritt der Krise durch Abzug der Mittel oder Liquidation der Gesellschaft zu reagieren, ein Widerspruch zur Wertung des § 31 11 GmbHG. 54o Denn auch bei der ursprünglichen Regelung des Kapitalersatzrechts gern. §§ 30, 31 BGB analog (BGH-Regeln), sei der Gesellschafter selbst dann zur Erstattung verpflichtet, wenn die Krise für ihn nicht erkennbar war. Im übrigen habe jeder Gesellschafter die Möglichkeit die Bilanzen einzusehen (§ 51a GmbHG 541 ) und die Krise zu erkennen. 542 Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Denn entscheidend ist, ob durch das Belassen einer zur Finanzierung der Gesellschaft geeigneten Gesellschafterleistung ein sonst gebotenes Insolvenzverfahren in einer gegen die Haftungsordnung bei der GmbH verstoßenden Weise weiter hinausgeschoben wird. 543 Ist das der Fall, so dürfen sich Gesellschafter nicht darauf berufen, wie außenstehende Drittgläubiger gehandelt zu haben, weil sie ansonsten deren Befriedigungsansprüche in einem Insolvenzverfahren gefährden. Das betrifft auch den Fall, der der Entscheidung des BGH vom 7. 11. 1994544 zugrunde lag. Hier hatte ein Gesellschafter für Verbindlichkeiten seiner GmbH eine Bürgschaft übernommen. Aufgrund der vom Steuerberater der GmbH, der auch deren Buchhaltung besorgte, erstellten betriebswirtschaftlichen Auswertungsbögen ging der Gesellschafter davon aus, daß die GmbH wirtschaftlich gesund sei. Tatsächlich aber hatte der Steuerberater die 536 Altmeppen (I994a), S. 1940; ebenso ders. (1995), S. 26; Hill/Schäfer (1989), S. 462; von Gerkan (1986), S. 220 f.; Wiedemann (1986), S. 1297; im Ergebnis wohl auch Rowedder/ Rowedder (1997), § 32a Rn. 43 f. 537 Ganz h. M., vgl. nur Hachenburg/Ulmer (1989/1990), § 32a, b Rn. 56 m.w.N. 538 Vgl. Altmeppen (I994a), S. 1941. 539 Vgl. von Gerkan (1986), S. 221, der eine Kenntnis oder Kenntnismöglichkeit des Gesellschafters für nicht erforderlich hält, weil "die §§ 32a, 32b GmbHG keine Sanktion rur ein irgendwie geartetes subjektives Fehlverhalten sind, sondern lediglich Folgerungen aus der objektiven Funktion der zugeführten Mittel als Kapitalersatz ziehen". 540 Vgl. Altmeppen (I994a), S. 1941. 541 Aufschlußreich zur Rechtsentwicklung K. Schmidt (1992), S. 559 ff. 542 Rowedder / Rowedder (1997), § 32a Rn. 44, spricht sogar von einer "Informationspflicht". 543 Zur Begründung bereits oben unter D.n.2.b). 544 AaO. (Fn. 527).
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D. Analyse
Buchhaltung nicht ordnungsgemäß geführt, und die GmbH befand sich in einer tiefen Krise. Der BGH will das Verschulden des Steuerberaters dem Gesellschafter nicht zurechnen. § 278 BGB sei nicht anwendbar, denn auch ein Geschäftsführer hafte nach § 43 GmbHG nur für die ordnungsgemäße Auswahl, Einweisung, Information und Überwachung von Mitarbeitern. 545 Die Tür zu Einreden hinsichtlich einer Inpflichtnahme von Gesellschaftern wegen Belassens einer Finanzzuführung ist damit weit geöffnet. Der Ansatz ist jedoch nicht nur rechtspolitisch, sondern auch dogmatisch verfehlt. Denn der Gesellschafter ist nicht verpflichtet, der Gesellschaft über den Betrag der Stammeinlage hinaus Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Tut er es trotzdem und kommt es in der Folge zu einer Krise der GmbH, so darf der Gesellschafter sich nicht darauf berufen können, diese Finanzmittel als Gläubiger zur Verfügung gestellt zu haben. Denn er würde dadurch sein Finanzierungsrisiko auf die Gläubiger abwälzen und dadurch die bei der GmbH bestehende Haftungsordnung verletzen. 546 Will er die Umqualifizierung vermeiden, muß er entweder die Liquidation der Gesellschaft betreiben oder sich in der Krise wie ein Nichtgesellschafter-Gläubiger verhalten 547 , indem er seine ausstehende Forderung beitreibt. Das Risiko eine Krise nicht beizeiten zu erkennen, teilt er dabei mit den übrigen Gläubigem. Will er es vermeiden, dann muß er sich mit seinem Finanzierungsbeitrag auf den Betrag der Stammeinlage beschränken. Anderenfalls dienen in der Krise auch die Mittel, die der Gesellschafter als Gläubiger zur Verfügung gestellt hat, dazu, eine aus eigener Kraft nicht mehr lebensfahige Gesellschaft am Leben zu erhalten. Zu derartigen Finanzierungsbeiträgen sind aber außenstehende Gläubiger nicht zu bewegen; werden sie von den Gesellschaftern dennoch erbracht, so deshalb, weil sie sich daraus Vorteile aus ihrer Stellung als Gesellschafter versprechen. Dementsprechend sind solche Finanzierungsbeiträge dann aber auch als Kapitalersatz und nicht als Forderung zu behandeln, weil sie wirtschaftlich der Gewähr eines kapitalersetzenden Darlehens entsprechen, § 32a III GmbHG. 548 In diesem - objektiven! - Zusammenhang besteht der Grund für die Zurechnung im Falle des Belassens der durch die Gesellschafter zugeführten Finanzmittel. Daher kommt es auch nicht darauf an, unter welchen Voraussetzungen sich Gesellschafter das Verschulden anderer Personen, wie etwa das des "untüchtigen Steuerberaters" zurechnen lassen müssen. Sitzt ein Gesellschafter dem Unvermögen solcher Personen auf, so ist er stattdessen auf seinen Regreßanspruch gegen diese zu verweisen. 549 Dadurch wird nicht nur sichergestellt, daß die GesellschafEbd., S. 347. Zur Begründung oben unter D.1I.2.b); vgl. auch Hili/Schäfer (1989), S. 461. 547 Vgl. dazu BGH-Urteil vom 28. 11. 1994 (ll ZR 77/93), in: ZIP 1995, S. 23, 25 (unter 3.a) m.w.N. 548 Dazu oben unter D.II.2.c)bb)(1). - Wiedemann (1986), S. 1297, spricht anschaulich von der ,,Folgeverantwortung" der Gesellschafter: "Wenn sie kein Eigenkapital bereitstellen und kein Fremdkapital aufnehmen, sondern die Doppelrolle des Gesellschafter-Darlehensgebers spielen, müssen sie das Risiko dieses Einsatzes tragen, das heißt im Verlustfall auf die Geltendmachung der Kapitalrückgewähr verzichten." 549 Ebenso Altmeppen (1994a), S. 1941. 545 546
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ter bei der Auswahl, Einweisung, Information und Überwachung die erforderliche Sorgfalt obwalten lassen, sondern auch erreicht, daß die Verantwortlichkeiten klar zugewiesen sind. dd) Die Bedeutung der Finanzplanung Das im folgenden zu behandelnde Problem wurde im Zusammenhang mit der auch von der InsO ungelösten Bewertungsproblematik bei der Überschuldungsprüfung bereits angeschnitten, konnte aber noch nicht vertieft werden. 55o Zur Erinnerung: Im sog. Dornier-Fa1l 551 hatte die Fortführungswürdigkeit der Unternehmung ursprünglich bestanden, sich aber später als doch nicht gegeben herausgestellt, weil die Prämissen auf denen die ursprüngliche Entscheidung über die Fortführungswürdigkeit beruhte, sich als nicht haltbar erwiesen. Dem lag zugrunde, daß es unter den Gesellschaftern zwischenzeitlich zu Meinungsverschiedenheiten über die weitere Ausgestaltung und Aufgabenverteilung innerhalb der Gesellschaft gekommen war. Die an sich Erfolg versprechende Entwicklung eines Amphibienflugzeuges scheiterte schließlich daran, daß die Gesellschafter den Finanzierungsbeitrag, auf dem die ursprüngliche Prognose über die Fortführungswürdigkeit basierte, nämlich eine verhältnismäßig geringe Rückbürgschaft, verweigerten. 552 Der Rechtsstreit betraf die Frage, ob der Konkursverwalter der Gesellschaft einen Anspruch auf Erstattung eines Betrages hat, den ein Gesellschafter der Gesellschaft ursprünglich als Darlehen zur Verfügung gestellt hatte und der ihm vor Konkurseröffnung zurückgewährt worden war. Nach Meinung des Konkursverwalters hatte das Darlehen kapitalersetzenden Charakter. Der BGH verneinte dies. Seiner Ansicht nach war die Gesellschaft bei Gewährung des Darlehens noch kreditwürdig, weil sie "über beträchtliche Finanzierungszusagen von dritter Seite, insbesondere der öffentlichen Hand, die auch tatsächlich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Darlehensgewährung ( ... ) eingelöst worden sind,,553 verfügte. Des weiteren habe das Darlehen auch infolge Belassens keinen kapitalersetzenden Charakter angenommen. 554 Der BGH begründet das damit, daß die Gesellschaft auch im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens noch kreditwürdig gewesen sei, weil die Hausbank der Gesellschaft die Rückführung ihrer Kreditlinie, die sie der Gesellschaft kurz nach Eingang der öffentlichen Zuschüsse eingeräumt hatte, erst verlangt habe, nachdem das streitbefangene Darlehen an den Gesellschafter zurückgewährt worden war. 555 M. E. greift die Argumentation des BGH zu kurz: So führt der BGH selbst aus, daß nach der Finanzplanung der Gesellschaft der Eigenkapitalanteil der Gesell550 551 552 553 554 555
V gl. oben unter D.1.2.f). BGH-Urteil vom 13.7.1992 (11 ZR 269/91), in: BGHZ 119, S. 201 ff. Näher zum Sachverhalt aaO. (Fn. 551), S. 203, 206, 215 f. BGH, aaO. (Fn. 551), S. 204 f. Vgl. BGH, aaO. (Fn. 551), S. 210. Ebd.
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D. Analyse
schafter ganz überwiegend in Form kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen finanziert werden sollte und daß diese Finanzplanung erst infolge der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern nicht verwirklicht wurde. 556 Nach dem Finanzplan sollten die Gesellschafter von dem gesamten Investitionsvolumen in Höhe von DM 118,8 Mio. einen Anteil in Höhe von DM 53 Mio., also von knapp 45 Prozent, aufbringen; DM 23 Mio. waren als öffentliche Zuschüsse eingeplant, weitere DM 14,6 Mio. waren von der öffentlichen Hand verbürgt, DM 10 Mio. sollten durch einen langfristigen Bankkredit der Hausbank finanziert werden und DM 19,2 Mio. durch kurz- bis mittelfristiges Fremdkapital. Der BGH verkennt m.E. die Bedeutung der Finanzplanung für die Kreditvergabeentscheidungen der einzelnen Kreditgeber. Denn sie bildet für die Kreditgeber die Grundlage, auf der ihre Kreditvergabeentscheidungen fußen. Das betrifft vor allem Fälle wie den vorliegenden, in dem mehrere Finanziers beteiligt sind, die jeweilige Finanzierungsentscheidung des einen daher von der des anderen abhängt und sich alle Finanzierungsentscheidungen wechselseitig bedingen. Der BGH scheint dies auch so zu sehen, denn er sagt, daß für die Frage der Kreditwürdigkeit die "Beurteilung der gesamten finanziellen Situation der Gesellschaft,,557 maßgebend sei. Nur zieht er daraus nicht die gebotene Konsequenz. Denn die bereits erwähnten "beträchtIiche(n) Finanzierungszusagen von Dritter Seite" bestehen doch nicht um ihrer selbst willen, sondern weil Kredit etwas mit Vertrauen zu tun hat, vorliegend dem Vertrauen der außenstehenden Finanziers in die Verläßlichkeit der Finanzplanung. Mit der Finanzplanung bekunden die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter ihren Willen, ein bestimmtes unternehmerisches Konzept zu realisieren. Soweit sie sich hierfür der finanziellen Hilfe fremder Gläubiger bedienen, müssen sie sich an diesem Willen festhalten lassen. Kein fremder Gläubiger würde sich nämlich an der Finanzierung beteiligen, wenn er bereits zu Beginn wüßte, daß die Gesellschafter als Initiatoren der Unternehmung nicht bereit sind, den von ihnen versprochenen Finanzierungsbeitrag auch tatsächlich zu erbringen. 558 Die Gesellschaft wäre unter diesen Umständen nicht kreditwürdig. Daher hat der von den Gesellschaftern vorgesehene Finanzierungsbeitrag die Aufgabe, Dritten zu zeigen, daß die Gesellschafter die Gesellschaft für kreditwürdig halten. Hieran müssen sich die Gesellschafter dann aber auch festhalten lassen. Das bedeutet nicht, daß die Gesellschafter damit rechtlich zu einer über das Stammkapital hinausgehenden Einlage verpflichtet wären. Es bedeutet nur, daß dann, wenn sie ihren betriebsnotwendigen Mindestfinanzierungsbeitrag 559 nicht als Einlage, sondern als Darlehen erbringen wollen, verhindert wird, daß das Risiko eines Scheiterns einseitig auf die Gläubiger verlagert werden kann. Wegen des BGH, aaO. (Fn. 55\), S. 203. BGH, aaO. (Fn. 55\), S. 204. 558 Vgl. dazu auch BGH, aaO. (Fn. ), S. 210, wo der BGH in den Urteilgründen ein Schreiben der Hausbank erwähnt, in dem die Sicherstellung der weiteren Finanzierung angemahnt wird, "von der man bei Einräumung der bisher gewährten Finanzierung ausgegangen" sei. 559 Dazu oben unter D.II.2.c )aa). 556 557
H. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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Vertrauenstatbestandes, den die Gesellschafter mit dem Finanzplan schaffen, können daher auch nur solche Darlehen in Kapitalersatz umqualifiziert werden, die sich innerhalb des von den Gesellschaftern im Finanzplan versprochenen Rahmens halten. Da in dem vom BGH entschiedenen Fall die Gesellschafter erst knapp die Hälfte des von ihnen versprochenen Finanzierungsbeitrags geleistet hatten 560, wäre das Darlehen deshalb als kapitalersetzend zu qualifizieren gewesen. Selbst wenn - wie der BGH annimmt - das streitbefangene Darlehen des Gesellschafters ,,keine planmäßige Aufstockung des Beitrages des Beklagten im Rahmen der bis dahin offensichtlich gewählten Finanzierung der Gesellschaft durch Gesellschafterdarlehen,,561 gewesen sein sollte, so hat die Finanzplanung gleichwohl Bedeutung für die Überschuldungsfeststellung und damit abennals für die Frage der Umqualifizierung in Kapitalersatz. 562 Denn - entgegen der Ansicht des BGH - beruht die "erfolgreiche Überlebensprognose,,563 für das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen nicht nur auf den "entsprechenden Absatz- und Gewinnchancen,,564 des flugzeugs. Um diese realisieren zu können, ist nämlich zunächst einmal der erfolgreiche Abschluß der Entwicklung des flugzeugs Voraussetzung, und diese wiederum ist maßgeblich davon abhängig, daß die dafür erforderliche Finanzierung auch wie geplant durchgehalten werden kann. Mit anderen Worten beruht die "erfolgreiche Überlebensprognose" ganz maßgeblich auch auf dem der Unternehmung zugrunde gelegten Finanzierungskonzept. Erweist sich das Finanzierungskonzept als nicht haltbar, weil die Gesellschafter von ihren ursprünglichen Finanzierungsabsichten abrücken, und wird es nicht durch ein anderes tragfähiges Finanzierungskonzept ersetzt, so erweist sich die einst "erfolgreiche Überlebensprognose" als auf tönernen Füßen stehend 565 . Anders als bei § 19 I GmbHG, wo die Gesellschafter zur Leistung auf die versprochene Stammeinlage verpflichtet sind, können die Gesellschafter zur Erbringung der im Finanzplan darlehensweise versprochenen Finanzierungsleistungen nonnalerweise nicht gezwungen werden. Doch sind diese Leistungen dann in Kapitalersatz umzuqualifizieren und infolgedessen auch erzwingbar, wenn sie die Grundlage für eine positive Fortführungsprognose und damit auch für eine Einschätzung der Gesellschaft als kreditwürdig darstellen. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Gesellschafter in einem Finanzplan in Aussicht stellen, bestimmte Finanzierungsleistungen erbringen zu wollen. Der hier vertretene StandBGH, aaO. (Fn. 55\), S. 211. AaO. (Fn. 55\), S. 211 f. 562 Nach Ansicht der h.M. liegt Überschuldung vor, wenn die Gesellschaft rechnerisch überschuldet ist und eine Fortführungsprognose negativ ausfällt; vgl. näher oben unter D.I.2.e)bb). Damit ist die Gesellschaft aber auch nicht mehr kreditwürdig, was die entscheidende Voraussetzung für eine Umqualifizierung in Kapitalersatz ist; zur Begründung s. oben unter D.H.2.b). 563 BGH, aaO. (Fn. 551), S. 215. 564 Ebd. 565 Vgl. Altes Testament, Daniel, 2. Kap., Verse 31-35. 560 561
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D. Analyse
punkt mag auf den ersten Blick als zu weitgehend erscheinen. Er ist jedoch die logische - und bislang nicht gezogene - Konsequenz aus dem Wesen des Kapitalersatzrechts. Denn § 32a III GmbHG will verhindern, daß die Gesellschafter in Finanzierungsformen ausweichen, die den vom Gesetz an sich vorgesehenen Gläubigerschutz leerlaufen lassen und dadurch die bei der GmbH bestehende Haftungsordnung konterkariert wird. Hierzu zählt auch der Fall, daß mit der Finanzplanung bei den Gläubigem ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, an dem sich die Gesellschafter später nicht festhalten lassen wollen. Dem BGH ist darin zuzustimmen, daß die "Kreditwürdigkeit der Gesellschaft ( ... ) nicht rückblickend, sondern allein anhand der Umstände im Zeitpunkt der Gewährung oder Belassung der möglichweise eigenkapitalersetzenden Leistung zu beurteilen"s66 ist. Dem steht jedoch der hier eingenommene Standpunkt nicht entgegen. Denn maßgeblich ist insoweit nicht, daß es zwischen den Gesellschaftern nachträglich zu Meinungsverschiedenheiten kam, sondern - wie bereits ausgeführt -, daß ihre Finanzplanung zur Grundlage für die Finanzierungsentscheidungen der übrigen Kreditgeber geworden war. Im Zeitpunkt der Gewährung des streitbefangenen Gesellschafterdarlehens hatte die Finanzplanung für die übrigen Kreditgeber diese Qualität, so daß die Gesellschaft sowohl für kreditwürdig als auch für fortführungswürdig gehalten wurde. Die dargelegt Problemsicht führt zu der Frage, ob auch solche Finanzierungsleistungen in Kapitalersatz umqualifiziert werden können, die zwar im Finanzplan angekündigt, aber tatsächlich von den Gesellschaftern noch nicht erbracht wurden. Die Antwort ergibt sich zwanglos aus dem bereits gesagten. Soweit solche Finanzierungszusagen zur Grundlage für eine positive Fortführungsprognose bzw. für die Einschätzung als kreditwürdig geworden sind, sind sie in Kapitalersatz umzuqualifizieren. Die ursprünglich zugesagte Finanzierungsleistung der Gesellschafter ist also der Höhe nach auf den Betrag beschränkt, der erforderlich ist, um die Gläubiger zu befriedigen, die im Vertrauen auf die Finanzplanung eigene Leistungen erbracht haben. Innerhalb dieser Grenze behalten die Gesellschafter die Freiheit, von einer Finanzplanung abzurücken, wenn oder soweit ihnen diese als nicht mehr sinnvoll erscheint. 567 d) Offene Fragen Im folgenden ist auf zwei mit dem Kapitalersatzrecht zusammenhängende Probleme hinzuweisen, die allerdings erst im weiteren Verlauf der Arbeit gelöst werden können. Sie betreffen zum einen - unter aa) - die innergesellschaftliche Zuständigkeitsordnung in Finanzierungsfragen, zum anderen - unter bb) - solche Finanzierungsformen, die vom Kapitalersatzrecht nicht erfaßt werden, obgleich SGH, aaO. (Fn. 55\), S. 207 m.w.N. Der eben unterbreitete Vorschlag vermag zugleich das Problem der tatbestandlichen Fassung sog. Finanzplankredite zu lösen. Vgl. dazu etwa Altmeppen (1996), S. 910 f. 566 567
H. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
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auch sie zu einer Verlängerung des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses beitragen können.
aa) Kompetenzverschiebung in Finanzierungsfragen?
Am Beispiel des Kapitalersatzrechts zeigt sich abermals, daß die innergesellschaftliche Zuständigkeitsordnung, die der Gesetzgeber des GmbH-Rechts in Finanzierungsfragen vorsieht, Unzulänglichkeiten aufweist. 568 So f,illt die Ausstattung mit Eigenkapital in den Zuständigkeitsbereich aller Gesellschafte~69, während die gegebenenfalls kapitalersetzende Darlehensgewährung oder sonstige GeseIlschafterleistung Sache des einzelnen Gesellschafters ist. Damit entscheidet aber über die Kapitalbasis der Gesellschaft nicht mehr die Gesamtheit der Gesellschafter. Das widerspricht der Vorstellung des Gesetzes darüber, wie der Fall, daß die Gesellschafter der Gesellschaft über den Betrag der Stammeinlage hinaus Kapital zuführen wollen oder müssen, zu lösen ist. Die insoweit vorgesehene Nachschußpflicht nach §§ 26 bis 28 GmbHG betrifft nämlich sämtliche Gesellschafter. 570 Darüber hinaus kann die Verschiebung der Kompetenz in Finanzierungsfragen Auswirkungen auf den Schutz von Minderheitsgesellschaftern haben. Denn die Ausstattung mit Finanzmitteln der Gesellschafter hat wesentlichen Einfluß auf künftige Investitionen, Art und Umfang der Geschäftsbetriebs und die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft. Die Minderheit wird durch das Maß der Finanzausstattung der Gesellschaft aber weit effektiver geschützt, als dies durch die Festlegung des Unternehmensgegenstandes gern. § 3 I Nr. 2 GmbHG möglich ist. 571 Daneben kann es dazu kommen, daß einzelne Gesellschafter zunächst unabhängig voneinander Finanzleistungen zuführen, wodurch eine latent vorhandene Unternehmenskrise überspielt wird. Daraus erwächst dann aber die Gefahr, daß die jeweiligen Gesellschafter nicht bemerken, von wann ab ein weiteres Belassen ihres Finanzierungsbeitrags kapitalersetzenden Charakter annimmt. Lutter / Hommelhoff haben daher vorgeschlagen, daß die Gewährung potentiell kapitalersetzender Gesellschafterleistungen der gleichen qualifizierten Mehrheit zu unterwerfen sei, wie sie in der betreffenden Gesellschaft für Kapitalerhöhungen gelte. 572 Zumindest unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes scheint mir das jedoch nicht erforderlich zu sein, da die Gesellschafter ausreichend dadurch geschützt sind, daß sie über den Betrag der Stammeinlage hinaus keine weiteren Leistungen erbringen müssen. 568 Vgl. zu dieser Problematik bereits oben unter D.I.3.e) und D.I.4.b)bb). 569 Vgl. §§ 3 I Nr. 3,53 I u. III GmbHG; für die Zuweisung zu den Rücklagen auch § 46 Nr. I GmbHG. 570 Vgl. §§ 26 H, 27 I, 28 I LV.m. 21 ff. GmbHG. 571 Ebenso Lutter/ Hommelhoff(1979), S. 43. 572 Dies. (1979), S. 43 f. 19 Förster
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D. Analyse
bb) Einbeziehung verliehener Liquidität? Die Kapitalersatzregeln betreffen den Fall, daß die Gesellschafter der GmbH Finanzmittel zuführen, die ihrer rechtlichen Natur nach nicht als eigene Mittel der Gesellschafter, sondern als fremde gelten sollen. Das Kapitalersatzrecht untersagt diese Vorgehensweise, soweit es infolgedessen zu einer unzulässigen Haftungskonkurrenz zwischen Gesellschaftern und Gläubigem kommt. Zu einer solchen Haftungskonkurrenz kommt es jedoch noch in einem anderen Bereich. Denn auch die Gruppe der Gläubiger ist in sich nicht homogen. Es bestehen beträchtliche Interessenunterschiede zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigem. 573 Diese führen im Verlauf einer Unternehmenskrise dazu, daß zunehmend mehr Gesellschaftsvermögen sicherungsweise in Beschlag genommen wird. 574 Gleichzeitig sinken die Befriedigungsaussichten ungesicherter Gläubiger gegen Null. 575 Im hier zu untersuchenden Zusammenhang entscheidend ist aber vor allem, daß die GmbH durch den Besitz sicherungs weise belasteter Vermögensgegenstände sowie der daraus fließenden sog. verliehenen Liquidität576 imstande ist, ihren Gläubigem eine Prosperität, respektive Kreditwürdigkeit vorzuspiegeln, die in Wirklichkeit nicht besteht. Die Situation ist insoweit derjenigen vergleichbar, wie sie bei der kapitalersetzenden Zuführung von Fremdmitteln durch die Gesellschafter besteht. Beide Male wird der bevorstehende Eintritt der Insolvenz durch die Zufuhr von Liquidität hinausgeschoben, beide Male wird versucht, aus der Mittelzuwendung zugunsten einer an sich nicht mehr kreditwürdigen Gesellschaft den eigenen Vorteil zu nähren, und beide Male geht diese Verhaltensweise, wenn es dann doch zur Insolvenz kommt, zu Lasten der ungesicherten Gläubiger. Der Unterschied besteht darin, daß das eine Mal Fremdmittel der Gesellschafter, das anderer Mal Fremdmittel der gesicherten Gläubiger zugeführt werden. Der für die Leistungen der Gesellschafter maßgebliche Gedanke einer Verletzung der Haftungsordnung bei der GmbH577 , scheint daher für den Fall der Zuführung verliehener Liquidität durch die gesicherten Gläubiger nicht anwendbar zu sein. Im Rahmen der an dieser Stelle zu leistenden Analyse des Kapitalersatzrechts muß es vorerst dabei bewenden, auf die Parallelität bei der Zuführung von kapitalersetzenden Leistungen durch die Gesellschafter und von verliehener Liquidität durch gesicherte Gläubiger hingewiesen zu haben, sowie darauf, daß letzteres durch das Kapitalersatzrecht nicht erfaßt wird. Das Problem kann abschließend 578 erst gelöst werden, wenn zuvor die Frage einer Mindestkapitalausstattung579 untersucht wurde. sn Dazu ausführlich oben unter C.I.2. und c.I.3. 574 Vgl. die empirische Untersuchung von Drukarczyk/ Duttle / Rieger (1984), S. 53 ff., sowie Drukarczyk (1985), S. 58. m Dazu oben unter C.I.3.c)aa)(1). 576 Dazu bereits oben unter C.IY.2. m Vgl. D.II.2.b). 578 Dazu unten unter E.II.3.
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e) Zwischenergebnis
Das Kapitalersatzrecht leistet unter dem Blickwinkel der für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht bestehenden Wirksamkeitsbedingungen einen sachgerechten Beitrag zur Bewältigung von Unternehmenskrisen. Es ist die logische Konsequenz aus der für die haftungsbeschränkte Rechtsform der GmbH bestehenden Haftungsordnung. Es kommt allerdings nur dort zur Anwendung, wo die Gesellschafter ihr finanzielles Engagement bei der GmbH über den Betrag der im Gesellschaftsvertrag bedungenen Stammeinlage hinaus ausgedehnt haben. Ist das der Fall, werden alle Leistungen der Gesellschafter erfaßt, die dazu führen, daß das Haftungsprivileg der GmbH über den Zeitpunkt hinaus wirkt, zu dem die Gesellschaft nicht mehr kreditwürdig und demzufolge potentiell gläubigergefährdend ist. Dabei paßt sich das Kapitalersatzrecht den im Einzelfall höchst unterschiedlichen, jedoch grundsätzlich zulässigen Finanzierungsweisen der Gesellschafter in hervorragender Weise an. Neben Darlehensgewährungen, darlehensähnlichen Rechtshandlungen und Sachdarlehen können auch Nutzungsüberlassungen und Dienstleistungspflichten sowie in Finanzplänen zugesagte Leistungen, auf die die übrigen Gläubiger vertrauen durften, kapitalersetzenden Charakter annehmen. Denn nach § 32a m GmbHG will der Gesetzgeber verhindern, daß die Gesellschafter in Finanzierungsformen ausweichen, die den vom Gesetz an sich vorgesehenen Gläubigerschutz leerlaufen lassen und dadurch die bei der GmbH vom Gesetz vorgezeichnete Haftungsordnung konterkariert wird. Maßgeblich ist jeweils, ob die insolvenzmäßigen Befriedigungsansprüche der übrigen Gläubiger infolge der durch die Gesellschafter zugewandten bzw. - im Fall der Vertrauen begründenden Finanzpläne - zugesagten Finanzierungsbeiträge objektiv geschmälert wurden, weil es infolge der Zuwendung bzw. Zusage nicht zu dem ansonsten angezeigten Insolvenzverfahren gekommen ist. Daher kommt es auch für das Belassen einer Gesellschafterleistung weder auf eine Finanzierungsabrede noch auf die Möglichkeit des Erkennenoder Handelnkönnens an. Im Ergebnis folgt daraus, daß für die Gesellschafter eine Obliegenheit zu einer betriebsnotwendigen Mindestfinanzausstattung besteht: im eigenen ökonomischen Interesse sollten sie die Gesellschaft so ausstatten, daß sie bei Dritten kreditwürdig ist.
3. Verlust des halben Stammkapitals
Zu den Normen die im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten des von der GmbH betriebenen Unternehmens wirksam werden können, gehört auch § 49 III GmbHG. Zur Erörterung der Frage, inwiefern diese Norm den Anforderungen an ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht gerecht wird, wird im folgenden - unter a) zunächst kurz die Rechtslage dargestellt. Anschließend wird - unter b) - der Normzweck dargelegt und - unter c) - erfolgt eine Stellungnahme. 579
19·
Dazu unten unter D.lY.2.c)cc).
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D. Analyse
a) Rechtslage Sobald die Gesellschaft nur noch über die Hälfte ihres ursprünglichen Stammkapitals verfügt, haben die Geschäftsführer nach § 49 III GmbHG unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Über den Wortlaut hinaus besteht diese Verpflichtung nicht nur, wenn sich der entsprechende Verlust aus einer Jahres- oder Zwischenbilanz ergibt, sondern auch dann, wenn die Geschäftsführer bei pflichtgemäßem Erme~sen einen solchen Verlust annehmen müssen. 580 Denn der Geschäftsrührer hat "in Erfüllung seiner Pflicht, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 I GmbHG), die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und sich bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung durch Aufstellung einer Zwischenbilanz oder eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen.,,581 Die Verletzung der Pflicht aus § 49 III GmbH kann einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft nach § 43 II GmbHG und strafrechtliche Folgen nach § 84 I Nr. 1 GmbHG 582 auslösen.
b) Normzweck Die ganz h.M. geht davon aus, daß § 49 III GmbHG keine unmittelbar gläubigerschützende Wirkung hat. 583 Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut 584 , der sich auf den Wortlaut des § 49 II GmbHG bezieht. Diese Vorschrift stellt nicht auf das Interesse der Gläubiger, sondern auf das der Gesellschaft ab. Dabei kann das Interesse der selbst nicht willensfähigen Gesellschaft nur das der Gesellschafter sein. Hierfür spricht auch die Ausgestaltung des Infonnationstransfers als Anzeigepflicht. In diesen Fällen wird der auskunftsberechtigten Person die Kenntnis der Information "unmittelbar aufgedrängt,,585. Denn die Infonnationsquelle ,Anzeigepflicht' zeichnet sich durch ihre "inhaltliche Spezifikation, durch die Bestimmtheit 580 AllgM., vgl. BGH-Urteil vom 20. 2. 1995 (11 ZR 9/94), in: ZIP 1995, S. 560, 56l. m.w.N.; Baumbachl HuecklZöllner (1996), § 49 Rn. 16; Scholzl K. Schmidt (1995), § 49 Rn. 23; LutterlHommelhoff (1995), § 49 Rn. 14; W. Müller (1985), S. 212; Hommelhoff (1984), S. 708; ders. (1983), S. 390 f.; Gurke (1982), S. 42 ff., jeweils m.w.N. 581 So der BGH, aaO. (Fn. ). 582 Für § 84 I Nr. I GmbHG kommt es allerdings nicht nur auf die pflichtwidrig unterlassene Einberufung an, sondern allgemein auf die pflichtwidrig unterlassene Anzeige vom Verlust des halben Stammkapitals. 583 Vgl. HachenburglHüffer (1989/1990), § 49 Rn. 29 u. 31; Scho/z/ K. Schmidt (1995), § 49 Rn. 21; RowedderlKoppensteiner (1997) § 49 Rn. I; Meyer-LandrutIMeyer-Landrut (1987), § 49 Rn. 15; Ulmer (1984a), S. 260; vgl. (für § 92 I AktG) auch BGH-Urteil vom 9.7. 1979 (11 ZR 211176), in: NJW 1979, S. 1829,1831 (unter 2.). 584 "Insbesondere muß berufen ... werden". 585 Martens (1972), S. 255. Dort auch näher zu Grund und legislatorischem Anknüpfungspunkt einer Anzeigepflicht.
11. Ziele und Schwächen gesellschaftsrechtlicher Regelungen
293
und das besondere Sachinteresse des Adressaten aus.,,586 Hätte der Gesetzgeber daneben oder stattdessen eine unmittelbar gläubigerschützende Wirkung gewollt, so hätte es nahegelegen (auch) die Gläubiger als Informationsadressaten zu benennen. Durch die Anzeige wird der Gesellschafter "in seiner Rolle als gesellschaftsleitender Entscheidungsträger angesprochen.,,587 Dabei besteht keine Entscheidungspflicht der Gesellschafterversammlung. 588 Es geht lediglich darum, den Gesellschaftern ein Krisenwarnsignal zu geben. 589 Sie sollen dadurch in die Lage versetzt werden, über Konsequenzen zu beschließen. Denn der Verringerung des Stammkapitals auf weniger als die Hälfte seines ursprünglichen Wertes "indiziert nicht nur die Gefahr der weiteren Eigenkapitalauszehrung durch Verluste, sondern auch eine Beschränkung oder den Verlust der Möglichkeit, Liquiditätslücken durch Außenfinanzierung [d. h. durch außenstehende Gläubiger] zu decken.,,590 Damit bildet der Verlust des halben Stammkapitals die Vorstufe zur Kreditunwürdigkeit mit der daraus gegebenenfalls resultierenden Folge einer Umqualifizierung von - neben der Stammeinlage erbrachten - Finanzleistungen der Gesellschafter in Eigenkapital. Für die Gesellschafter kann somit Handlungsbedarf bestehen. Entgegen der h.M. sprechen sich einige Autoren dafür aus, daß § 49 m GmbHG unmittelbar dem Interesse der Gesellschaftsgläubiger diene. 59 ! Wäre dem so, käme § 49 m GmbHG für die Gläubiger als Schutzgesetz i.S.v. § 823 11 BGB in Betracht. Das ist jedoch abzulehnen. Zwar ist die Voraushaftungsfunktion592 des Stammkapitals aufgrund der sehr oft nur minimalen Eigenkapitalausstattung der Gesellschaften eng begrenzt, so daß der Zeitpunkt, zu dem die Anzeigepflicht wirksam wird, häufig durchaus einen kritischen Unternehmenszustand beschreiben würde 593 , doch kennzeichnet der Verlust des halben Stammkapitals noch nicht den Punkt, von dem ab die Gläubigerpositionen tatsächlich und unabwendbar gefährdet sind. Damit widerspräche aber eine an § 49 m GmbHG anknüpfende Haftung aus 586
Ebd.
Martens (1972), S. 261; zustimmend W Müller (1985), S. 194. 588 Vgl. Nowotny (1993), S. 247 ff.; W Müller (1985), S. 195, spricht von der "Möglichkeit einer Handlungsalternative", s. auch aaO., S. 197; Hommelhojf(1983), S. 390; eingehender ders. (1978), S. 126 f. 589 Vgl. Scholz/K. Schmidt (1995), § 49 Rn. 21; W Müller (1985), S. 193 u. 195; Martens (1972), S. 256 u. 261. 590 W Müller (1985), S. 195. Vgl. auch oben unter D.II.2.c)aa). 591 Vgl. Lutter/Hommelhojf(l995), § 49 Rn. 2; H.-P. Müller (1987), S. 39 ff., insbes. mit Hinweisen auf andere europäische Rechtsordnungen; Bitz/ Hemmerde / Rausch (1986), S. 370. Wohl auch Wiedemann (1980), S. 564, der "flankierende Maßnahmen zum Schutz der Kapitalsicherung" vermißt und bei Untätigkeit der Gesellschafter deren persönliche Haftung vorschlägt. 592 Dazu oben unter D.II.l.c )aa). 593 Ebenso Hopt (1986), S. 31; W Müller (1985), S. 197. 587
294
D. Analyse
Schutzpflichtverletzung der oben 594 herausgearbeiteten Lösungsprämisse. Die Folge könnte eine unerwünschte Zerschlagungsautomatik sein. 595
c) Stellungnahme
Für die Ansicht der h.M., die den Normzweck von § 49 III GmbHG in der Information der Gesellschafter sieht, spricht, daß dadurch die Insolvenzprophylaxe in den Kreis der unternehmensinternen Aufgaben einbezogen wird. 596 So ist weitgehend anerkannt, daß § 49 1lI GmbHG zwingendes Recht ist. 597 Der Geschäftsführer hat seinen Informationspflichten sogar dann nachzukommen, wenn die Buchhaltung ausgelagert ist oder in die Veranwortung eines anderen Mitgeschäftsführers fällt. 598 Ist die Krise aber den Gesellschaftern erst einmal bekannt, kann sich aus der ökonomisch begründeten Obliegenheit der Gesellschafter zu einer Mindestfinanzausstattung 599 ein präventiver Gläubigerschutz ergeben. 600 Voraussetzung ist insoweit allerdings, daß die Warnpflicht so zeitig eingreift, daß sie von einer wie auch immer gearteten Regelung der Insolvenzauslösung keinesfalls "überholt" werden kann. 601 Denn anderenfalls wird das Recht der Gesellschafter verletzt, in der Krise der Gesellschaft die Entscheidungsverantwortung an sich zu ziehen. Die Einhaltung der genannten Prämisse erscheint indes zweifelhaft, da § 49 III GmbHG an eine bilanzmäßige Darstellung der Vermögenssituation anknüpft. Selbst wenn man dabei aus Gründen der erforderlichen Objektivierung die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften zugrunde legt602 , so bleibt
Vgl. unter C.I.4.a), insbes. unter cc). Vgl. unter C.I.4.a), insbes. unter bb)(2). 596 Zu diesem Erfordernis oben unter C.IY.4. 597 Vgl. nur HachenburglHüffer (198911990), § 49 Rn. 31 m.z.w.N.; a.A. Rowedderl Koppensteiner (1997), § 49 Rn. 14. 598 BGH-Urteil vom 20. 2. 1995 (II ZR 9/94), in: ZIP 1995, S. 560, 561. 599 Zur Begründung vgl. oben unter D.II.2.c)aa) 600 Ebenso HachenburglHüffer (1989/1990), § 49 Rn. 31, der zur Begründung allerdings darauf abstellt, daß ein öffentliches Interesse besteht, daß "die Geschäftsführer den Gesellschaftern eine krisenhafte Entwicklung offenbaren, bevor das in § 64 (GmbHG) umschriebene Stadium erreicht wird." Dabei bleibt aber offen, warum ein öffentliches Interesse bestehen soll. 601 Vgl. dazu DrnkiJrczyk (I994a), S. 1250 f. ders. (I 994b), S. 1743 f.; ders. (1986), S. 230 f. Nicht überzeugend demgegenüber Kupsch (1982), S. 275. 602 So für den Verlust des hälftigen Stammkapitals die ganz überwiegende Meinung, vgl. nur HachenburglHüffer (1989/1990), § 49 Rn. 23 ff.; BaumbachlHuecklSchulze-Osterloh (1996), § 84 Rn. 11 jeweils m.w.N. - Allerdings sind Verbindlichkeiten, die nur aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind, also inbesondere solche bei denen die GmbH mit ihren Gläubigern einen Rangrücktritt vereinbart hat, anders als bei der Aufstellung der Jahresbilanz auch dann zu passivieren, wenn die Verbindlichkeit das Gesellschaftsvermögen am Bilanzstichtag in keiner Weise belastet; a.A. die h.M. vgl. etwa BaumbachlHuecklSchulze-Osterloh (1996), 594
595
=
III. Ziele und Schwächen informationsrechtlicher Regelungen
295
doch die entscheidende Frage offen, von welchen Umständen es konkret abhängen soll, daß der - üblichen - Bewertung zu Fortflihrungswerten "tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen" (§ 252 I Nr. 2 GmbHG), die zu geänderten Wertansätzen zwingen. Die Frage kann auch nicht dahingestellt bleiben, indem stattdessen immer von Fortführungswerten ausgegangen wird. Denn dann bestünde in der Tat die Gefahr, daß der Zustand, der zur Anzeige verpflichtet, erst nach Insolvenzeintritt eintritt. Ihren prophylaktischen Zweck würde die Anzeige damit verfehlen. Der Verlust des halben Stammkapitals ist daher kein geeignetes Krisenwarnsignal, an das eine Wampflicht der Geschäftsführer gekoppelt werden sollte. Nachdem oben schon gezeigt wurde, daß von der Normierung eines Stammkapitals nur ein höchst unvollkommener Schutz der Gläubiger ausgeht, vor allem weil das dem Stammkapital entsprechende Vermögensäquivalent nicht vor einer Aufzehrung durch Verluste geschützt ist6()3, verstärken sich mit dem Befund zu der Regelung des § 49 1lI GmbHG die Zweifel, ob es der Regelungen zum Stammkapital überhaupt bedarf. Die Frage ist jedoch noch nicht entscheidungsreif: zuvor muß erst noch geklärt werden, inwieweit der bezeichnete Mangel möglicherweise durch eine Haftung der Gesellschafter ausgeglichen wird 604 und inwieweit die von der Stammkapitalregelung bewirkte Seriositätsschwelle605 auch anderweit gewährleistet werden kann. Dabei wird sich - um das Ergebnis, des systematischen Zusammenhangs wegen, vorwegzunehmen - zeigen, daß die Regelungen zum Stammkapital in der Tat entbehrlich sind. 606
III. Ziele und Schwächen infonnationsrechtlicher Regelungen
Nach dem bislang insolvenzrechtliche und gesellschaftsrechtliche Regelungen auf ihre Tauglichkeit zur Insolvenzbewältigung hin untersucht wurden, sollen nunmehr informationsrechtliche Regelungen analysiert werden. Darunter werden die Normen verstanden, die ihre Wurzeln im Bilanz- oder Publizitätsrecht haben und § 84 Rn. 11 u. § 42 Rn. 215; Hachenburg/Hüffer (1989/1990), § 49 Rn. 24 jeweils m.w.N.). Denn während es in der Jahresbilanz um eine periodengerechte Gewinnermittlung geht und obendrein eine fortdauernde Passivierung den Sanierungserfolg verhindern würde, besteht die Pflicht zur Information der Gesellschafter bzw. zur Einberufung der Gesellschafterversammlung darin, sicherzustellen, daß die Gesellschafter frühzeitg von einer Krise der Gesellschaft erfahren. Das ist aber besser gewährleistet, wenn in der Bilanz zur Feststellung eines hälftigen Stammkapitalverlustes auch die Verbindlichkeiten angesetzt werden, für die Rangrücktritte, Forderungsverzichte mit Besserungsklauseln oder ähnliches bestehen, zumal solche Vereinbarungen typischerweise mit Unternehmenskrisen einhergehen. 603 Vgl. unter D.II.1. sowie zusammenfassend dort unter e). 604 Dazu unten unter D.Iy'2.c), insbesondere unter cc). 605 Dazu oben unter D.II.I.c )bb). 606 Vgl. unten unter E.V.3.
296
D. Analyse
die auf eine Infonnation der an einer Unternehmenskrise beteiligten Personen (-gruppen) abzielen. Dazu wird (unter 1.) zunächst der Frage nachgegangen, worin der Zusammenhang zwischen solchen Nonnen und der Aufgabe der Insolvenzbewältigung besteht. Daran anschließend wende ich mich (unter 2.) der bestehenden gesetzlichen Regelung zu, bevor ich (unter 3.) auf bislang nicht Gesetz gewordene Vorschläge zur Infonnation der Insolvenzbeteiligten eingehe. Abschließend erfolgt (unter 4.) eine Stellungnahme.
1. Funktionszusammenhang
Im vorliegenden Zusammenhang interessieren nur die Nonnen, die auf eine Infonnation der Gesellschaftsorgane oder der Gläubiger über wirtschaftliche Vorgänge abzielen. Daher bleibt die Registerpublizität unbeachtet, da es bei ihr um die Offenlegung der rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft geht. 607 Demgegenüber dient die Rechnungslegungspublizität608 der "Unterrichtung der Öffentlichkeit über das Betriebsgeschehen, die Lage und den Erfolg eines Unternehmens sowie über die Ursachen seiner geschäftlichen Entwicklung"609. Das Gesetz hat dabei zwei Schutzrichtungen: es geht zum einen um Individualschutz, zum anderen um Funktionenschutz. 610 Der Individualschutz soll den Gläubigem die Möglichkeit geben, etwaige Gefährdungen ihrer Vennögensansprüche rechtzeitig zu erkennen. 611 Insoweit geht es also um den Abbau von Infonnationsasymmetrien 612 . Demgegenüber bezweckt der Funktionenschutz, das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu stärken. Denn "Publizität ist das Mittel, um jedennann die gleichen Infonnationen zu geben und damit die gleichen Startchancen im Wettbewerb um die individuelllukrative und eben deshalb volkswirtschaftlich allokativ beste Anlage der Spargelder.,,613 Mittelbar wirkt der Funktionenschutz daher auf das Verhalten der Gesellschaftsorgane zurück. Denn die Veröffentlichungspflicht kann "von vornherein zu einem seriöseren Geschäftsgebaren führen ( ... ), das Gläubigerrisiken gar nicht erst entstehen läßt.,,614 Die bei den Schutzzwecke der Rechnungslegungspublizität
fiJ7 Das gilt auch, soweit die Registerpublizität das Stammkapital der Gesellschaft namhaft macht, vgl. oben unter 0.11.1. fiJ8 Ausführlich zur historischen Entwicklung der Publizitätspflicht haftungsbeschränkter Unternehmensformen Buschmeyer (1993), S. 62 ff., 83 ff. - Seit jeher wollte der Gesetzgeber die GmbH mit weniger Publizität ausstatten als die Aktiengesellschaft, vgl. Entwurf (1892), S.33. 609 Wiedemann (1980), S. 579. 610 Vgl. Hopt (1980), S. 234 ff.; Buschmeyer (1993), S. 171; Schredelseker (1996), S. 11. Grundlegend kritisch zur Erreichbarkeit der angegebenen Ziele ders .• aaO., S. 29 ff. 611 Vgl. Drukarczyk (1986), S. 229 f.; ders. (1987), S. 24. 612 Zu diesen oben unter c.I. 613 Hopt (1980), S. 236. 614 Schulze-Osterloh (1992), S. 518 m.w.N.
III. Ziele und Schwächen informationsrechtlicher Regelungen
297
erhellen die Bedeutung informationsrechtlicher Regelungen, wenn es um die rechtliche Bewältigung des Insolvenzgeschehens geht. Hingegen ist die Information der Gesellschaftsorgane keine Aufgabe der Publizität, sondern ergibt sich bereits aus der bilanzrechtlichen Pflicht zur Rechnungslegung. Da die Unkenntnis über die wahre Finanz- und Ertragslage häufig die Schieflage eines Unternehmens begründet615 , kommt der frühzeitigen und wahrheitsgemäßen Information der Geschäftsführer und Gesellschafter besonderes Gewicht zu. Nur dann ist es ihnen nämlich möglich, wirksam gegenzusteuern. Das kann im äußersten Fall auch bedeuten, so rechtzeitig zu liquidieren, daß nach Abzug der Liquidationskosten noch ein Liquidationserlös verbleibt. 616 Da die bilanzrechtlichen Pflichten Teil der Insolvenzprophylaxe sind617 , sind auch sie für die Frage einer wirksamen Insolvenzbewältigung bedeutsam ..
2. Gesetzliche Regelung
Es folgt - unter a) - zunächst eine kurze Darstellung der Rechtslage. Daran anschließend lege ich - unter b) - die Schwächen der gesetzlichen Regelung dar.
a) Rechtslage
Die Rechnungslegungspublizität für die GmbH ist seit dem BilanzrichtlinienGesetz 1985618 ausführlich im Dritten Buch des HGB sowie in §§ 42, 42a GmbHG geregelt. Danach bestehen für die GmbH je nach Höhe der Bilanzsumme, der Umsatzerlöse oder der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich der Publizität. Das Gesetz unterscheidet insoweit kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften, § 267 HGB. Die nach § 41 GmbHG zur ordnungsgemäßen Buchführung verpflichteten Geschäftsführer sind nach § 264 I 2 HGB gehalten, den Jahresabschluß, also die Bilanz und die Gewinn-und-Verlust-Rechnung (§ 242 HGB), sowie den Lagebericht (§ 289 HGB) innerhalb von drei Monaten nach Abschluß eines Geschäftsjahres aufzustellen. Dabei sind die Bilanzen von kleinen GmbHs nur grob zu gliedern, § 266 I 3 HGB. Jahresabschluß und Lagebericht sind den Gesellschaftern unverzüglich nach der Aufstellung bzw. nach dem gegebenenfalls erforderlichen Testat eines Wirtschaftsprüfers vorzulegen, § 42a I GmbHG. Spätestens innerhalb von acht Monaten nach Abschluß des betreffenden Geschäftsjahres, bei kleinen GmbHs allerdings erst nach elf Monaten, müssen die Gesellschafter über die Feststellung
615 616
617 618
Vgl. Schmalenbach (1956), S. 33 f.; Jacobs (1986), S. 164. Vgl. zum Problem oben unter C.I.5.b). Vgl. auch oben unter C.IV.4.a) BGBI. 1985, Teil I, S. 2355.
298
D. Analyse
des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung beschließen, § 42a II GmbHG. Unabhängig davon 619 haben kleine und mittelgroße GmbHs den Jahresabschluß, den Lagebericht, den Prüfbericht eines eventuell bestehenden Aufsichtsrates sowie in der Regel 620 den Vorschlag und Beschluß zur Ergebnisverwendung innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres zum Handelsregister einzureichen und die Einreichung im Bundesanzeiger bekanntzumachen, § 325 I HGB. Dabei ist für mittelgroße GmbHs die Offenlegungspflicht an das bei der Aufstellung von Bilanzen kleiner GmbHs geltende grobe Gliederungsraster angenähert, § 327 Nr. I HGB. Hingegen müssen große GmbHs den Inhalt der bezeichneten Unterlagen bekanntmachen und diese ebenfalls zum Handelsregister einreichen, § 325 II HGB. Bei großen und mittelgroßen GmbHs sind darüber hinaus der Jahresabschluß und der Lagebericht nach § 316 I HGB prüfungspflichtig; auch der Prüfvermerk ist offenzulegen. Eine Besonderheit der Rechnungslegung bei der GmbH besteht darin, daß nach § 42 III GmbHG Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern gesondert auszuweisen sind. Umstritten ist die Frage, wie eigenkapitalersetzende Leistungen in der Bilanz auszuweisen sind. 621 Hingegen gilt für den Ausweis von sicherungs weise übertragenen Vermögensgegenständen der GmbH, daß sie regelmäßig bei der GmbH auszuweisen sind, § 246 I S. 2 u. 3 HGB. Nach h.M. braucht die GmbH Vermögenswerte, die durch Sicherungs übereignungen und -abtretungen gebunden sind, im Jahresabschluß nicht in besonderer Weise kenntlich zu machen. 622 Lediglich im Anhang zum Jahresabschluß ist der Gesamtbetrag der dinglich gesicherten Verbindlichkeiten anzugeben (§ 285 Nr. lb HGB), wobei jedoch "branchenübliche und für die Lage der Gesellschaft nicht bedeutsame Besicherungen" unberücksichtigt bleiben. 623 Die nach § 285 Nr. 2 HGB vorgeschriebene Aufgliederung der dinglich gesicherten Verbindlichkeiten brauchen kleine und mittelgroße GmbHs nicht offenzulegen, § 327 Nr. 2 HGB.
b) Schwächen der gesetzlichen Regelung
aa) Der anzulegende Maßstab Der Maßstab für eine Kritik der gesetzlichen Regelung unter dem Blickwinkel der Tauglichkeit zur Insolvenzbewältigung ergibt sich daraus, ob die den Beteiligten zur Verfügung gestellten Informationen deren notwendige Informationsbedürf619 Bestr., vgl. die Nachweise bei BaumbachlHuecklSchulze-Osterloh (1996), § 41 Rn. 135. 620 Zur Umgehung vgl. Buschmeyer (1993), S. 206. 621 Vgl. dazu bei LutterlHommelhoff(1995), § 42 Rn. 34 ff.; BaumbachlHuecklSchulzeOsterloh (1996), § 42 Rn. 226, jeweils m.w.N. 622 Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar I Buddel Karig (1995), § 246 Rn. 16. 623 Zitat und Beleg aaO. (Fn. ), § 285 Rn. 12 m.w.N.
111. Ziele und Schwächen infonnationsrechtlicher Regelungen
299
nisse hinreichend befriedigen. Diese ergeben sich aus den Existenzbedingungen der Unternehmung, nämlich den Erfordernissen der jederzeitigen Liqidität und der langfristigen Aufwandsdeckung. 624 Um die künftige Einhaltung dieser Parameter abschätzen zu können, sind die Informationsempfänger auf eine prospektive, zahlungstromorientierte Rechnung, wie sie etwa ein Finanzplan darstellt, angewiesen. 625
bb) Das Problem der Vergangenheitsorientierung Die Geschäfsführer sind von Gesetzes wegen nicht zur Erstellung eines prospektiven Rechenwerkes verpflichtet. Auch ergeben sich aus dem Jahresabschluß aufgrund seiner Vergangenheitsorientierung nicht ohne weiteres Aussagen für das künftige Unternehmensschicksal. 626 Es läßt sich allenfalls aus Daten der Vergangenheit, deren Verhältnis zueinander sowie im Zeit- und Branchenvergleich auf die künftige Entwicklung der Unternehmung schließen. Diese Vorgehensweise geht jedoch unausgesprochen von der anfechtbaren Prämisse aus, daß sich der Entwicklungstrend der Vergangenheit in der Zukunft unverändert fortsetzt.
cc) Eingeschränkte Analyse des Cash-Flow Läßt man den Einwand der Vergangenheitsorientierung unberücksichtigt, so wäre im Hinblick auf die genannten Existenzbedingungen der Unternehmung eine sog. Cash-Flow-Analyse besonders aussagekräftig. 627 Darunter versteht man den aus der Umsatztätigkeit des Unternehmens erwirtschafteten Zahlungs- oder Einnahmeüberschuß einer Periode. Er gibt an, ob das Unternehmen in der Lage war, die zur Aufrechterhaltung des Betriebsprozesses erforderliche Liquidität im Rahmen der regelmäßigen Geschäftstätigkeit zu erwirtschaften. 628 Anders ausgedrückt besagt der Cash-Flow, ob die Einzahlungen innerhalb einer bestimmten Periode die Auszahlungen über- oder unterschreiten. Ersterenfalls spricht man von einem positiven Cash-Flow, letzterenfalls von einem negativen. Langfristig kann das Unternehmen nur existieren, wenn der Cash-Flow positiv oder zumindest ausgeglichen ist. Um den Cash-Flow aus den von der Gesellschaft offenzulegenden Daten ermitteln zu können, muß der Jahresüberschuß oder der Vgl. oben unter C.IV.1.a) und b). Zur Begründung oben unter C.IY.3. 626 Vgl. Müchler (1993), S. 151 ff., 174, 179 ff. 627 Vgl. Scheffler (1993), S. 1570 f. 628 Zur Ennittlung des Cash-F1ow und seiner Analyse vgl. Drukarczyk (1996), S. 74 ff., 83 ff.; Quick (1995), S. 777 ff.; Siegwart (1994); CoenenberglGünther (1993), Sp. 301 ff.; Siener (1991); !.eutiger (1990). 624 625
300
D. Analyse
Jahresfehlbetrag in einem ersten Schritt um die nicht zahlungswirksamen Aufwendungen erhöht und um die nicht zahlungswirksamen Erträge vermindert werden. 629 Um zu einer Analyse des aus der regelmäßigen Geschäftstätigkeit erwirtschafteten Cash-Flows zu kommen, muß das Jahresergebnis ferner um außerordentliche, einmalige, periodisch nicht wiederkehrende und um periodenfremde Vorgänge bereinigt werden, was zum sog. operativen Cash-Flow führt. Der für das Unternehmensschicksal besonders aussagekräftige Cash-Flow ist jedoch von unternehmensexternen Bilanzlesern, soweit sie nicht über die Verhandlungsmacht verfügen, interne Unterlagen einsehen zu können, nur höchst bruchstückhaft zu ermitteln. 63o Dabei wirken sich die eingeschränkten Aufstellungs- bzw. Offenlegungspflichten bei kleinen bzw. mittelgroßen GmbHs besonders nachteilig aus, weil die dort fehlende Detaillierung der Angaben im Jahresabschluß es vollends unmöglich macht, den ergebnisorientierten Jahresabschluß in eine zahlungsorientierte Cash-Flow-Analyse umzurechnen. 631
dd) Eingeschränkte Aussagekraft des Jahresabschlusses Dem Mangel der eingeschränkten Cash-Flow-Analyse ließe sich entgegenhalten, daß Insolvenzprognosen und Bonitätsprüfungen auch anhand des Jahresabschlusses erstellt werden können. 632 Das ist jedoch aus mehreren Gründen zu verneinen. Zum einen können die "aus dem Jahresabschluß ersichtlichen Symptome einer Krise ( ... ) durch eine unterschiedliche Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten gegenüber externen Bilanzlesern (zeitweise) verdeckt werden.,,633 Das gilt in hohem Maß bei dem Wahlrecht für Aufwandsrückstellungen nach § 249 11 HGB. Besonders sinnfcillig ist auch die Verschleierung der Ertragslage durch die stille Aufdeckung stiller Reserven. 634 Des weiteren bildet der 629 Dadurch wird der Einfluß von Bewertungsvorgängen auf das Jahresergebnis, etwa durch Abschreibungen, Wertberichtigungen oder Zuschreibungen, rückgängig gemacht. 630 Umgekehrt führt das dazu, daß die Gläubiger, die sich bei der Bonitätsprüfung auf Finanzpläne stützen können und infolge ihrer Verhandlungsposition im allgemeinen auch über die besten Sicherungen verfügen, wegen ihrer guten Datenbasis erst relativ spät an der Einleitung von Insolvenzverfahren interessiert sind. Vgl. Steiner (1980), S. 189, der anmerkt, daß es ..(f)ür die übrigen Gläubiger ( ... ) dann meist bereits zu spät (ist), da die Konkursmasse an weitgehender Auszehrung leidet." 631 Vgl. etwa Selchen (1993), S. 758 f.; Scheffler (1993), S. 1571. - Speziell kleine GmbHs sind nach § 326 S. 2 HGB außerdem davon entbunden, den Anhang zur Gewinnund-Verlust-Rechnung einzureichen. 632 So meint etwa Wiedemann (1980), daß sich wegen der sog. Goldenen Bilanzregel aus einer horizontalen Bilanzanalyse auf die Liquidität schließen lasse. Dagegen bereits oben unter C.IV.l.c). 633 Scheffler (1993), S. 1570. Eingehend dazu Kütingl Kaiser (1994), S. 1 ff. 634 Am Beispiel der Verbuchung von Forderungsverlusten aus dem Schneider-Konkurs im Deutsche Bank-Konzern wird das von Hoffmann (1994), S. 1208 ff., eindrucksvoll demonstriert.
III. Ziele und Schwächen informationsrechtlicher Regelungen
301
Jahresabschluß aufgrund zwingender gesetzlicher Normen nur einen Teil der bonitätsrelevanten Sachverhalte ab. 635 Wurde es etwa in der Vergangenheit unterlassen für die Zukunft zu forschen und ist daher, wenn die Weubewerbsfähigkeit erhalten werden soll, künftig ein höherer Forschungsaufwand zu erwarten, dürfen hierfür keine Aufwandsrückstellungen gebildet werden. 636 Ebenso sind zwar nach § 421II GmbHG sämtliche Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern auszuweisen, doch gilt das nicht für künftig erst entstehende Verbindlichkeiten, etwa für die künftige - gerade bei krisenbetroffenen GmbHs häufige - miet- oder pachtweise Überlassung von Vermögensgegenständen. Auch die Gesellschafter unangemessen begünstigende Kreditkonditionen bleiben im Dunkeln. Ferner erscheinen keine Angaben über Kreditspielraum, Abnahmeverpflichtungen, schwebende Geschäfte oder Auftragsbestand der Gesellschaft. Systemimmanente Grenzen der Aussagekraft des Jahresabschlusses sind das Stichtagsprinzip, das Anschaffungswertprinzip, das Imparitätsprinzip und das Vorsichtsprinzip.637 "Eine detaillierte Abbildung der betreffenden Zahlungsströme ist durch die Realisierung der gesetzlich auferlegten Rechnungslegungspflichten (daher) nicht gewährleistet.,,638 Vielmehr hängt die Eignung von Jahresabschlüssen als Diagnose- und Prognose instrument für außenstehende Bilanzleser entscheidend von dem Umfang der darüber hinaus zur Verfügung stehenden Informationen ab. 639
ee) Beschwerliche Beschaffung aktueller Informationen Jahresabschlüsse leiden aber nicht nur unter ihrer Vergangenheitsorientierung und ihrer beschränkten Aussagekraft für externe Bilanzleser, sondern darüber hinaus an fehlender Aktualität und dem hohen Aufwand zur Informationserschließung. Was die fehlende Aktualität angeht, so können die Jahresabschlüsse bereits bei ordnungsgemäßer Einreichung zum Handelsregister, also spätestens neun Monate nach Ende des Geschäftsjahres, weitgehend überholt sein. In der Praxis reichen viele Gesellschaften ihre Jahresabschlüsse trotz gesetzlicher Vorschriften überhaupt nicht oder stark verspätet ein. 64o Das ist in der Regel sanktionslos: das vom Gesetz vorgeEingehend dazu Meier-Schatz (1989), S. 182 ff., sowie Buschmeyer (1993), S. 203 ff. Vgl. §§ 249 III I i.Y.m. 249 II HGB. Die Forschungsaufwendungen können weder dem gegenwärtigen noch einem früheren Geschäftsjahr zugeordnet werden, weil eine Beziehung zu den Erträgen der Vergangenheit nicht hergestellt werden kann. Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar I Clemm/ Nonnenmacher (1990), § 249 Rn. 323 Stw. ,Forschung und Entwicklung'. 637 So Scheffler (1993), S. 1569; vgl. auch Seicht (1994), S. 274 ff. 638 M. Kühn (1991), S. 249 m.w.N. (Hervorhebung weggelassen; Klammerzusatz von A.F.). 635
636
639 Vgl. Scheffler (1993), S. 1569; ferner Schmalenbach (1956), S. 37; Steiner (1980), S. 189 et passim. 640 Vgl. Kölsch (1988), S. 95 m.w.N. Auch eine probeweise Akteneinsicht beim Handelsregister ist insoweit sehr aufschlußreich.
302
D. Analyse
sehene Zwangs geld verfahren nach § 335 HGB kommt nämlich nur auf Antrag einer der Gesellschaft nahestehenden oder an Geschäften mit ihr interessierten Person zustande. Von diesem Personenkreis ist aber aufgrund seiner wirtschaftlichen Interessen kaum ein entsprechender Antrag zu erwarten. Hinsichtlich des Aufwandes zur Informationserschließung wurde bereits gesagt, daß sich die relevanten Daten nicht aus einem Jahresabschluß allein gewonnen werden können, sondern daß ein Vergleich mit Abschlüssen des Vorjahres und anderen Branchenunternehmen erforderlich ist. Sofern die entsprechenden Daten überhaupt beim Handelsregister beschafft werden können, ist dieser Weg relativ mühselig. Es verwundert daher nicht, wenn die Gesellschaftsorgane immer wieder dem Anreiz erliegen, die Informationsnachteile der Gläubiger bewußt zu deren Nachteil auszunutzen, so daß sich für die Gläubiger das Vermögensverschiebungsrisiko, das Finanzierungsrisiko oder das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse64I realisiert. 642
3. Nichtkodifizierte inConnationsorientierte Ansätze
Wegen der Schwächen der im Gesetz verankerten informationsrechtlichen Regelungen, werden in der Literatur immer wieder Vorschläge zu deren Behebung unterbreitet. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen davon im folgenden - unter a) - einige aufgegriffen werden, bevor - unter b) - auf die damit verbundenen Probleme und Gefahren aufmerksam gemacht wird.
a) Möglichkeiten einer erweiterten Publizität Die Vorschläge für eine erweiterte Publizität lassen sich unterteilen in solche, mit denen allgemein eine verbesserte Information aus dem Jahresabschluß erstrebt wird, und in solche, die speziell die Informationslage hinsichtlich des Bestehens dinglicher Sicherungsrechte verbessern wollen. Die Bestrebungen den Informationsgehalt des Jahresabschlusses allgemein zu verbessern, zielen zum einen auf eine verbesserte Auswertung der bestehenden Informationen, zum anderen auf die Ausweisung zusätzlicher Informationen. Was die verbesserte Auswertung angeht, so haben in den letzten Jahren vor allem mathematisch-statistische Analyseverfahren an Bedeutung gewonnen. Bei ihnen geht es darum, anhand bestimmter rechnerischer Verfahren Kennzahlen zu ermitteln, die aufgrund empirischer Befunde mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Insolvenzrisiko anzeigen. 643 Bei einer anderen Forschungrichtung geht es um die Klassifikation von Unternehmen mit Hilfe von Neuronalen Netzen. 644 Zu diesen Bestandteilen des Ausfallrisikos oben unter C.I.l.a). Vgl. Buschmeyer (1993), S. 165. 643 Vgl. etwa Günther/Scheipers (1993b), S. 1077; Wöhe (1992), S. 910 ff.; Bundesbank (1992), S. 30 ff. Zur theoretischen Fundierung vgl. Schellberg (1994). 64\
642
III. Ziele und Schwächen infonnationsrechtlicher Regelungen
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Hinsichtlich der Ausweisung zusätzlicher Informationen besteht der Vorschlag, daß die Gesellschaft auch über ihren eventuellen Liquidationswert berichten muß. 645 Das leitet auch schon über zu den Ansätzen, die die Gläubiger über bestehende dingliche Sicherungsrechte informieren wollen. Dadurch soll den Gläubigem ein Instrumentarium zum Selbstschutz an die Hand gegeben werden. Für den Fall, daß das Gesellschaftsvermögen durch Kreditsicherheiten ausgehöhlt ist, soll es ihnen ermöglicht werden, sich von ihren Kreditengagements zu lösen oder solche gar nicht erst einzugehen. 646 Für die Offenlegung der bestehenden Sicherungsrechte werden verschiedene Modelle diskutiert: die einen wollen eine Registerpublizität, andere präferieren ein Schriftformerfordernis für die Bestellung von dinglichen Sicherheiten, wieder andere halten eine Anzeige der Bestellung an den Drittschuldner für geeignet, manche plädieren für eine Publizität durch Briefbestellung oder Eintragung in ein Sicherungsbuch oder für eine Erweiterung der Bilanzpublizität. 647
b) Probleme und Gefahren einer erweiterten Publizität
Die Informationsnachteile der Gläubiger lassen sich nicht ohne weiteres dadurch beheben, daß die Publizitätsanforderungen verschärft werden. Denn von den im Rahmen der Publizität herausgegebenen Informationen können nicht nur die Gläubiger Gebrauch machen, sondern auch eventuelle Konkurrenten der Gesellschaft. 648 Für sie ergeben sich dadurch aber wertvolle Rückschlüsse auf wettbewerbsrelevante Informationen, etwa über künftige Entwicklungen oder die Geschäftsstrategie des Konkurrenten. Die gezie1te Verwertung solcher Informationen kann aber gerade kleineren Mitbewerbern erhebliche Nachteile zufügen. 649
644 Neuronale Netze sind Rechnerarchitekturen deren Struktur und Funktion sich an den Nervennetzen lebender Organismen orientiert. Derartige Netze zeichnen sich dadurch aus, komplexe Strukturen bzw. Zusammenhänge schnell zu erkennen und sich wesentliche Merkmale zu merken. Zu praktischen Ergebnissen mit dieser Untersuchungsmethode Erxlebenl BaetgelFeidickerlKochlKrauselMertens (\992), S. 1237 ff. 645 So insbesondere Drukarczyk (\987), S. 97; ders. (\986), S. 228 ff.; vgl. auch Steiner (\ 980), S. 195 f., und Uhlenbruck (\ 983a), S. \05 f. 646 Vgl. Henckel (1976), S. 018; Steiner (\980), S. 191; DorndorjlFrank (1985), S. 68, 70; vgl. auch Drukarczyk (1987), S. 195; ders. (1986), S. 229 f. 647 Vgl. eingehend Drukarczyk (\987), S. 169 f., 183 f., 185 ff., 195 ff.; Duttle (\986), S. 262 ff.; Drobnig (\ 976), S. FI4, F58 ff., F64 ff., F78, jeweils m.z.w.N. Insbesondere zur Publizität durch Registereintragung: Meyer-Cording (1979), S. 2128, und DorndorjlFrank (\ 985), S. 78, sowie zur Erfassung in der laufenden Geschäftsbuchhaltung Melchers (\ 995), S. 92 f. Vgl. auch Wiedemann (1980), S. 520, mit Hinweisen auf die englische Rechtslage. 648 Vgl. Buschmeyer (\993), S. 212. - Vgl. auch ders .• aaO., S. 191 ff., zu Kriterien und zum Kreis der berechtigterweise an Infonnationen interessierten Publizitätsadressaten. 649 Vgl. Weilbach (1992), S. 955, 957.
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D. Analyse
Im übrigen bliebe immer noch das Informationstransferrisiko bestehen, da die Validität der publizierten Information von Außenstehenden nicht zu kontrollieren ist. 65o Auch eine noch so ausgefeilte Regelung wäre nicht in der Lage, alle reichtumsverschiebenden Strategien vollständig vorauszusehen. Der Hinweis, daß Berichtspflichten leichter durchzusetzen seien, als Insolvenzauslösepflichten651, geht damit am Problem vorbei. 652 Selbst wenn man jedoch das Wettbewerbs- und Informationstransferproblem ausklammert, bleibt immer noch das Problem der schwierigen Informationserschließung. Das Dilemma besteht darin, daß aussagekräftige Informationen nicht einfach strukturiert sind, einfach strukturierte Informationen hingegen nicht aussagekräftig sind. 653 Wenn die schwierige Informationserschließung aber dazu führt, daß allzu viele Gläubiger sich nicht eingehend informieren, ist der gesamte Aufwand zur Erstellung und zur Verbreitung der Information nutzlos, weil von den publizierten Informationen dann keine positiven Signale ausgehen können. Umgekehrt können jedoch von den offengelegten Daten negative Signale ausgehen, wenn sie infolge drohender Abwertungserwartungen überschießende Reaktionen der Geschäftspartner auslösen. 654 Denn von "schlechten" Zahlen läßt sich immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf den Eintritt einer Insolvenz schließen, kaum je kann dafür jedoch ein exakter Zeitpunkt angegeben werden. 655 Die Publizität bietet daher keine Gewähr, daß eine eventuelle Insolvenzauslösung auch ökonomisch legitimiert ist. Gänzlich ungelöst ist das Problem der fehlenden Aktualität der publizierten Daten. Das gilt auch und gerade für die Offenlegung bestehender dinglicher Sicherheiten. Hier wäre wohl obendrein mit einer hohen Fehlerquote zu rechnen, insbesondere bei verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalten oder - wegen des fehlenden Gutglaubensschutzes beim Forderungserwerb - bei Sicherungsabtretungen. 656 650 Vgl. M. Kühn (1991), S. 27. - Eingehend zum daraus resultierenden Problem der Informationsverzerrung Schredelseker (1996), S. 31 ff.: FalIs die vom lahresabschluß gelieferte Informationsteilmenge bezogen auf die Gesamtmenge alIer zur Beurteilung eines Unternehmens zur Verfügung stehenden und gut informierten Gläubigern zugänglichen Informationen verzerrt ist, so führt ihre Auswertung zu einem anderen Wissen, als dem, das man auf der Grundlage eines höheren Informationsniveus gebildet hätte. Die Nutzer der öffentlich gemachten Information machen dabei systematische Fehler, die ihnen nur zum Nachteil gereichen können. Das führt zu dem paradoxen Ergebnis, daß von einer Verschärfung der Publizität die bereits gut Informierten profitieren, während die "Begünstigten" verlieren. 651 Bei Drukarczyk (I 994a), S. 1241. 652 Zu den praktischen Problemen R.H. Schmidt (1981a), S. 146 f. 653 Vgl. Müchler (1993), S. 87; Kölsch (1988), S. 26; Beeck (1979), S. 210 f., sowie die grundSätzliche Kritik bei D. Schneider (1985), S. 1491 ff. 654 Dazu bereits oben unter C.1.4.a)bb)(2), vgl. auch Kölsch (1988), S. 120. - Unberucksichtigt bleibt das bei Steiner (1980), S. 197. 655 Vgl. Kommission für Rechnungswesen (1981), S. 213; Wöhe (1992), S. 912 ff.; Scheffler (1993), S. 1571.
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen
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Schließlich besagt das Bestehen von dinglichen Sicherungsrechten nichts über deren Valutierung. Von Immobiliarsicherungsrechten ist das bereits heute bekannt. Eine Offenlegung der dinglichen Sicherungsrechte erlaubt daher nur sehr mittelbar die Kapitalstruktur eines Schuldners abzuschätzen. 657
4. Stellungnahme
Das Ergebnis der Analyse informationsrechtlicher Regelungen ist scheinbar paradox: Obwohl die im Rahmen vieler Insolvenzen zu beobachtenden Reichtumsverschiebungen weitgehend auf Informationsnachteilen der Gläubiger beruhen, muß vor einer Ausweitung informationsrechtlicher Regelungen gewarnt werden. Die damit verbunden Probleme und Gefahren wären erheblich. 658 Für die kontrovers diskutierte Frage, ob bei der Insolvenzauslösung auf das interne Wissen der Gesellschaftsorgane (sog. Innenlösung) oder auf das externe Wissen der Gläubiger abgestellt werden sollte (sog. Außenlösung)659, heißt das, daß man auf die Effektivierungsmöglichkeiten einer Außenlösung keine zu großen Hoffnungen setzen sollte. Sinnvoller erscheint es demgegenüber die Anreize für eine frühzeitige Selbstinformation der Gesellschaftsorgane zu erhöhen, um so zu einer effizienteren Insolvenzprophylaxe zu gelangen. 660 Hierauf wird zurückzukommen sein. 661
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen Die Notwendigkeit einer Analyse haftungsrechtlicher Regelungen auf ihre Eignung zur Insolvenzbewältigung ergibt sich aus folgendem Spannungsverhältnis: einerseits besteht der materielle Gegenstand von Insolvenzabwicklungen in der Haftungsverwirklichung 662 ; andererseits ist bei der GmbH der Haftungsumfang gegenständlich beschränkt auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 11 GmbHG). An sich schließen sich diese Vorgaben gegenseitig aus. So hat wegen der beschränkten Haftung die Kautelarjurisprudenz eine Fülle von Konstruktionen entwickelt, um ein656 Vgl. insoweit die Hinweise oben unter C.I.2.b), insbes. bei Fn. zur Unkenntnis der Sicherungsgeber über den Inhalt der vereinbarten Kreditsicherheiten. 657 Vgl. Adams (1980), S. 179 ff.; Stürner (1981), S. 269 f. 658 Zusätzlich zu den genannten Problemen macht Schulze-Osterloh (1992), S. 517 ff., auf verfassungsrechtliche Bedenken aufmerksam. 659 Für eine Innenlösung spricht sich K. Schmidt (1982c), S. 166, aus; kritisch dazu Durkilrczyk (1983), S. 346 bei Fn 21; ders. (1986), S. 219. 660 In diese Richtung zielt etwa der Vorschlag von Jacobs (1986), S. 164, kleine GmbHs wegen der häufigen Unkenntnis der Untemehmensleitung über die wahre Unternehmenslage, entgegen der gesetzlichen Regelung zwar prüfungspflichtig aber publizitätsfrei zu stellen. 661 Vgl. unten unter E.III.3. 662 Vgl. oben unter B.I.l.b).
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D. Analyse
zeinen Gläubigem trotz beschränkter Haftung im Insolvenzfall ein Höchstmaß an persönlicher Befriedigung zu sichern. Umgekehrt fehlt es nicht an möglichen Anspruchsgrundlagen, wie die durch diese Eckdaten geprägte Rechtswirklichkeit dem ursprünglichen Leitbild des Insolvenzrechts, nämlich der par condicio creditorum, wieder angenähert werden könnte. Die Vorschläge hierzu werden der besseren Übersicht halber im folgenden in haftungsorientierte (unter 2.) und enthaftungsorientierte Ansätze (unter 3.) eingeteilt. Dabei sind mit haftungsorientierten Ansätzen solche gemeint, bei denen das mit dem Prinzip der beschränkten Haftung einhergehende Trennungsprinzip dadurch relativiert wird, daß auch auf das Privatvermögen der Gesellschaftsorgane zugegriffen wird. Demgegenüber werden unter enthaftungsorientierten Ansätzen solche verstanden, die den Befriedigungsvorrang, den sich einzelne Gläubiger mit Hilfe privatautonomer Regelungen verschafft haben, aufheben wollen. Bevor hierauf im einzelnen eingegangen wird, ist jedoch (unter I.) zunächst die Wirkungsweise haftungrechtlicher Regeln im Hinblick auf das Insolvenzgeschehen darzulegen.
1. Funktionszusammenhang
a) Zurechnungsgrund einer Haftung Bei der GmbH ist die "Identität der persönlichen Verantwortung mit der persönlichen Haftung aufgehoben,,663. Wegen der dadurch möglichen Anreizverzerrungen auf seiten der Gesellschaftsorgane 664 bekommt die Frage des Gläubigerschutzes überhaupt erst ihr Gewicht. Die Antwort des Gesetzgebers besteht vor allem in der Einführung des Überschuldungstatbestandes als Insolvenzgrund. Wie bereits dargelegt wurde, leidet dieses Konzept aber an einer systemimmanenten Schwäche, nämlich daran, daß ohne Angabe der Bewertungsprämisse eine Überschuldung nicht feststellbar ist, die Bewertungsprämisse aber nur angegeben werden kann, wenn zuvor feststeht, ob eine Überschuldung vorliegt oder nicht. 665 Wegen dieses unauflöslichen Widerspruchs läuft die Überschuldungsregelung faktisch leer. Entgegen der gesetzgeberischen Leitidee spiegelt sich die persönliche Verantwortung der Gesellschaftsorgane damit nicht in der Bereitstellung eines den GeseIlschaftsverbindlichkeiten entsprechenden Haftungsfonds wider. Haftungsrechtlichen Regelungen kommt daher eine wichtige verhaltenssteuernde Wirkung zu, wenn es darum geht, die Identität von Verantwortung und Haftung dadurch herzustellen, daß die für den Haftungsfonds Verantwortlichen durch das Inaussichtstellen persönlicher Nachteile zu normgerechten Verhalten angehalten werden. Dabei geht es jedoch wegen des - zu beachtenden! - Prinzips der Haftungsbeschränkung weniger darum, den Gläubigern eine zusätzliche Vollstreckungsmöglichkeit für 663 664 665
Häsemeyer (1992), S. 135; vgl. dazu auch oben unter C.IY.6. Vgl. oben unter C.l.l.b), C.1.5.b), d) und e) sowie unter D.Il.l.d)cc). Dazu ausführlich oben unter D.1.2.
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen
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den Fall der Uneinbringlichkeit ihrer Forderungen gegen die GmbH zu geben. Denn die Aufgabe der Haftung ist nicht die Leistungserzwingung, sondern die Gewährleistung eines den Gesellschaftsverbindlichkeiten entsprechenden Haftungsfonds. Ihrem Wesen nach ist die Haftung also nicht Erfüllungshaftung, sondern Verhaltenshaftung, da sie "auf dem Gedanken der Zurechnung einer selbsgewählten Aufgabe,,666 beruht. Damit steht die Präventionswirkung im Vordergrund. 667
b) Zusammenhang zwischen haftungs- und anreizorientierten Regelungsansätzen
Das eben erläuterte Verständnis einer Haftung ähnelt dem Ansatz der Insolvenzrechtsreform, wonach Anreize zu einer rechtzeitigen InsolvenzantragsteIlung geschaffen werden sollen, insoweit, als es jeweils um Verhaltenssteuerung geht. 668 Allerdings erscheint der anreizorientierte Ansatz insoweit weniger streng als der haftungsorientierte. Es ist jedoch zu bedenken, daß die Wirksamkeit eines Anreizes davon abhängt, daß zwischen der gegenwärtigen und der intendierten künftigen Situation des Anreizadressaten ein hinreichend großes "Motivationsgefälle" besteht, um den Adressaten zu dem intendierten Verhalten veranlassen zu können. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so wird der Adressat des Anreizes in seinem gegenwärtigen Verhaltensmuster verharren. Konkret bedeutet das, daß drei Konstellationen denkbar sind, in denen der Adressat eines Anreizes sein Verhalten in die intendierte Richtung zu ändern bereit ist: erstens, wenn er von einer Verhaltensänderung eine noch angenehmere als seine gegenwärtige Position zu erwarten hat; zweitens, wenn seine Verhaltensänderung ihm zumindest seine gegenwärtig angenehme, aber von Verlust bedrohte Position erhält; und drittens, wenn er durch seine Verhaltensänderung künftig eine Position erlangt, die, verglichen mit seiner gegenwärtigen, zwar unangenehmer ist als diese, aber besser als die ohne Verhaltensänderung zu erwartende. Da in der Insolvenzsituation für die möglichen Anreizadressaten, d. h. die Gesellschaftsorgane, die Konstellationen eins und zwei ausscheiden - man denke nur an die Gefahr infolge der Insolvenz als Geschäftsführer den Arbeitsplatz bzw. als Gesellschafter die Verfügungsrechte über eine Einnahmequelle zu verlieren - kann der Anreiz nur in der Meidung unangenehmer Folgen bestehen. Zu solch unangenehmen Folgen zählt auch eine persönliche Haftung. Hier zeigt sich nun, daß zwischen anreiz- und haftungsorientierten Lösungsansätzen zur Insolvenzbewältigung tatsächlich ein enger Zusammenhang besteht. Da sich der Anreiz jedoch erst mittelbar aus der möglichen Haftungsfolge ergibt, diese also eine notwendige Voraussetzung für einen Anreiz darstellt, liegt der Schwerpunkt der folgenden Erörterungen bei der Frage, inwieweit bestehende bzw. vorgeschlagene Wiedemann (1980), S. 537. Eingehend zu den unterschiedlichen Aufgaben der Haftung Wiedemann (1980), S. 535 ff. V gl. auch Roch (1986), S. 378; M. Kühn (1991), S. 13; Schlosser (1991), S. 17 f. 668 Dazu - zweifelnd - bereits oben unter B.III.2.a)aa). 666
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D. Analyse
haftungsrechtliche Regelungen taugliche Konzepte zur Insolvenzbewältigung darstellen.
c) Fragestellungen für den Fortgang der Untersuchung
Um die eben dargelegte Aufgabe bewältigen zu können, bedarf die Frage nach der Eignung haftungsrechtlicher Konzepte zur Insolvenzbewältigung der weiteren Präzisierung. So folgt aus der erforderlichen verhaltenssteuernden Wirkung einer Haftung ein ganzes Bündel weiterer Fragen: Wie kann erreicht werden, daß die Verhaltenshaftung im praktischen Ergebnis nicht doch einer Erfüllungshaftung gleichkommt? Ferner muß eine Haftung, die verhaltenssteuernde Wirkung haben soll, an eine bestimmte Pflichtverletzung anknüpfen. Eine Pflichtverletzung setzt aber voraus, daß ein bestimmtes Verhalten als normgerecht akzeptiert wird. Diese Norm muß daher zunächst einmal festgelegt werden. Worin besteht also normgerechtes Verhalten?669 Welches Verhalten ist infolgedessen pflichtwidrig? Des weiteren müßte die Verletzung normgerechten Verhaltens den Gesellschaftsorganen zurechenbar sein. Unter welchen Voraussetzungen soll das der Fall sein? Schließlich, wie läßt sich verhindern, daß die mit der Antwort auf all die vorgenannten Fragen in prozessualer Hinsicht verbundenen Darlegungs- und Beweisprobleme dazu führen, daß eventuelle Haftungsansprüche gleichwohlleerlaufen? Bei der nun folgenden Analyse haftungs- und enthaftungsorientierter Ansätze zur Insolvenzbewältigung werden diese Fragen als Prüfsteine dienen.
2. Haftungsorientierte Ansätze
Die folgende Analyse behandelt zunächst - unter a) - die Fälle der Innenhaftung, danach - unter b) - die Außenhaftung der Geschäftsführer und dann - unter c) - die Außenhaftung der Gesellschafter.
a) Widersinniger Nutzen der Innenhajtung
Rechtsprechung und Lehre haben eine ganze Reihe von Ansprüchen hervorgebracht, um bei der GmbH trotz der Trennung von Gesellschafts- und Privatvermögen im Falle der Insolvenz auf das Privatvermögen von deren Hintermännern zugreifen zu können. 67o Dabei sind allerdings alle Ansprüche, die gegenüber der Gesellschaft bestehen (sog. Innenhaftung) wenig geeignet, die potentiellen An669 Roth (1986), S. 374, weist zu Recht auf die Gefahr hin, die darin besteht, daß das Recht "die ursprünglich ausgehandelte und mit Risikoprämien .bezahlte' Risikoverteilung zugunsten einer Partei (verschiebt) und dieser so einen windfal1 profit" verschafft. 670 Vgl. die Übersicht oben unter B.I.3.c).
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen
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spruchsgegner ZU nonngerechtem Verhalten anzuhalten. Das beruht darauf, daß in der großen Mehrzahl der Insolvenzfälle mangels Masse ein Insolvenzverfahren nicht bis zur Schlußverteilung durchgeführt werden kann. Haftungsansprüche der GmbH gegen ihre Gesellschaftsorgane liegen mithin in weitem Umfang brach. Die davon ausgehende verhaltenssteuernde Wirkung läuft daher den mit der Haftung an sich beabsichtigten Bestrebungen nach mehr Gläubigerschutz geradewegs zuwider, weil die Nichtdurchsetzbarkeit der Haftungsansprüche im Falle der Masselosigkeit die Aucht in die Masselosigkeit begünstigt. Zwar könnten die Gläubiger die innergesellschaftlichen Ansprüche pfänden, doch steht dem ein entscheidender Einwand gegenüber: Die haftungsbegründende Pflichtverletzung der Gesellschaftsorgane betrifft das Innenverhältnis der Gesellschaft. In dieses haben die Gläubiger aber in aller Regel keinen Einblick, so daß sie in erhebliche Darlegungsund Beweisnot gerieten. Das beträfe nicht nur die anspruchsbegründenden Umstände, sondern auch die Verteidigung gegen mögliche Einwände, wie insbesondere die, daß der Anspruch erlassen worden sei, daß die Gesellschaft verzichtet habe oder daß gegen den Anspruch aufgerechnet worden sei. Infolge der schwierigen Durchsetzbarkeit gepfändeter innergesellschaftlicher Ansprüche ist deren verhaltenssteuernde Wirkung im Hinblick auf Aspekte des Gläubigerschutzes eher schädlich als nützlich.
b) Außenhaftung der Geschäftsführer
aa) Vertragliche und vertragsähnliche Ansprüche Vertragsgläubiger der GmbH haben in aller Regel keine vertraglichen Ansprüche gegen die Geschäftsführer der GmbH. In Ausnahmefällen kann sich allerdings nach Rechtsscheingrundsätzen eine Haftung ergeben, wenn der Geschäftsführer zurechenbar den Anschein erweckt, als oder für einen Einzelkaufmann oder eine Personenhandelsgesellschaft zu handeln, und dadurch das Vertrauen auf die volle persönliche Haftung mindestens einer natürlichen Person begründet wird. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die GmbH im Geschäftsverkehr ohne GmbH-Zusatz finniert. Von dieser Haftung geht hinsichtlich der mit der Haftungsbeschränkung unter Umständen einhergehenden Anreizverzerrung aber nur unter den genannten engen Voraussetzungen eine verhaltenssteuernde Wirkung aus. Ein Anreiz, reichtumsverschiebende Verhaltensweisen zu Lasten der Gläubiger allgemein zu unterlassen, ist damit nicht verbunden. Umstritten ist, ob den Geschäftsführer eine Haftung aus culpa in contrahendo wegen der schuldhaften Verletzung vorvertraglicher Warn pflichten trifft, wenn die GmbH trotz bereits eingetretener Insolvenztatbestände weiter am Geschäftsverkehr teilnimmt. In der Literatur werden dem Geschäftsführer zum Teil entsprechende Wampflichten zugeschrieben und demselben deren Verletzung zugerechnet, wenn dieser persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat. Teilweise wird auch
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D. Analyse
darauf abgestellt, daß der Geschäftsführer eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, etwa dann, wenn er an der GmbH beteiligt ist oder eigene Sicherheiten für Verbindlickeiten der GmbH zur Verfügung gestellt hat. 67 ! Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 6. 6. 1994 672 klargestellt, daß der letztgenannte Gesichtspunkt nicht trägt, weil die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen zwar das Interesse des Geschäftsführers an einem Wohlergehen der GmbH stärkt, dieses Interesse jedoch erst in Insolvenznähe mit den Interessen der Gläubiger in Konflikt geraten kann. Für diesen Fall seien die Interessen der Gläubiger aber bereits durch das Kapitalersatzrecht ausreichend geschützt. 673 Dem ist zuzustimmen, zum al ein Durchgriff auf die Geschäftsführer gegen das Prinzip der Haftungstrennung nach § 13 11 GmbHG verstieße. 674 Der BGH ist darüber hinaus der Auffassung, daß ein Anspruch aus culpa in contrahendo auch nicht darin begründet liegt, daß der Geschäftsführer besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt, wenn er den Geschäftspartnern der GmbH verschweigt, daß die GmbH die eingegangenen Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht wird erfüllen können. M.E. zutreffend stellt er fest, daß persönliches Vertrauen voraussetzt, daß der Geschäftsführer "beim Verhandlungspartner ein zusätzliches, von ihm selbst ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen hervorgerufen hat" und daß es sich dabei "im allgemeinen um Erklärungen im Vorfeld einer Garantiezusage handeln,,675 wird. Demnach übt die Haftung aus culpa in contrahendo nur in besonderen Fallgestaltungen einen Anreiz auf den Geschäftsführer aus, reichtumsverschiebende Verhaltensweisen zu unterlassen. Für eine allgemeine Verhaltenssteuerung ist sie ebenfalls ungeeignet.
bb) Deliktische Ansprüche Den Geschäftsführer trifft eine deliktische Haftung aus § 823 11 BGB i.Y.m. § 64 I GmbHG, wenn er gegen die Insolvenzantragspflicht verstößt. Nachdem der BGH den Neugläubigern nunmehr den vollen Ersatz ihres Vertrauensschadens zuerkennt, scheint dieser Ansatz in hohem Maß dazu geeignet, die Geschäftsführer zu einer rechtzeitigen Insolvenzauslösung zu veranlassen. Voraussetzung für eine präventive Wirkung gegen unerwünschte Reichtumsverschiebungen ist allerdings auch bei diesem Haftungsanspruch, daß die Gläubiger in der Lage sind, ihn durchzusetzen. Dabei stellt sich ein gewichtiges praktisches Problem. Für die Neugläu671 Vgl. K. Schmidt (1988b), S. 1503 f.; ders. (1991), § 3611 5 c (S. 907); ders. (1993), S. 2935; Flume (1994), S. 337 ff. Ferner m.w.N. Baumbach/Hueck/Zöllner (1996), § 43 Rn. 4c; Lutter/ Hommelhoff(1995), § 43 Rn. 28 ff. Differenzierend Lutter (1994), S. 133; ablehnend Rowedder (1993), S. 315 ff.; zurückhaltend auch G. Müller (1993), S. 1532 ff. 672 11 ZR 292/91, in: SGHZ 126, 181, 183 ff. 673 AaO. (Fn. 672) S. 187 f. 674 Vgl. Wiedemann (1984), S. 2286 f. 675 Seide Zitate aaO. (Fn. 672), S. 189.
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biger gehört nämlich zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr Vertragsverhältnis mit der GmbH entstanden ist, der Geschäftsführer bereits verpflichtet war, Insolvenzantrag zu stellen. Es müßte also entweder Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorgelegen haben. Zahlungsunfähigkeit ist dabei kein geeigneter Anknüpfungspunkt, weil sie sowohl nach geltendem wie nach künftigem Recht erst eintritt, wenn zuvor im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses sämtliche Möglichkeiten der Liquiditätsbeschaffung restlos ausgeschöpft wurden. 676 Die Gefahr, daß die Reichtumsverschiebungen, denen durch die Haftung gerade begegnet werden soll, bereits eingetreten sind, hat sich dann regelmäßig bereits realisiert. Die durch Zahlungsunfähigkeit vermittelte Insolvenzantragspflicht wirkt daher als haftungsbegründender Tatbestand zu spät, als daß von ihm die gewünschte Verhaltenssteuerung ausgehen könnte. Was die nach h.M. theoretisch früher einsetzende - auf Überschuldung beruhende Insolvenzantragspflicht betrifft, macht die - wie dargelegt - mangelnde Eignung des Überschuldungstatbestandes zur Feststellung einer Insolvenzlage 677 es unmöglich, die Geschäftsführer wegen Konkursverschleppung in Anspruch zu nehmen. Die geschädigten Neugläubigem wären nämlich verpflichtet den Eintritt der Insolvenzantragspflicht anhand eines Insolvenztatbestandes darzulegen und nötigenfalls zu beweisen, der, wie der Überschuldungstatbestand, wegen seiner inneren Widersprüchlichkeit überhaupt nicht in der Lage ist, die für die Insolvenzantragspflicht entscheidungserhebliche Situation anzuzeigen. Eine solche Verpflichtung ist absurd. Selbst wer die in dieser Arbeit zur Überschuldung gemachten Ausführungen nicht teilt, wird gleichwohl einräumen müssen, daß es für Außenstehende eine erhebliche Hürde darstellt, die Überschuldung der GmbH zu einem bestimmten Zeitpunkt darlegen und nötigenfalls beweisen zu müssen, weil ihnen die zugrunde liegenden Bilanzpositionen kaum jemals bekannt sein dürften. 678 Somit ist festzuhalten, daß die mit dem Anspruch aus § 823 11 BGB i.Y.m. § 64 I GmbHG einhergehende verhaltenssteuernde Wirkung zwar vom Prinzip her an der richtigen Stelle ansetzt, daß diese Wirkung aber mit erheblichen Problemen bei der Durchsetzbarkeit des Haftungsanspruchs belastet ist. Im Ergebnis erscheint es daher äußerst zweifelhaft, ob von der Haftung wegen Konkursverschleppung ein hinreichend großer Anreiz ausgeht, Insolvenzverfahren rechtzeitig zu beantragen. Die Probleme der Durchsetzbarkeit scheinen bei dem Erstattungsanspruch nach § 26 III 1 InsO durch die Umkehr der Beweislast beseitigt. Abgesehen von dem
Problem, ob sich überhaupt jemand findet, der einen entspechenden Massekostenvorschuß erbringt679 , ist jedoch der gesetzliche Anknüpfungspunkt, nämlich daß "entgegen den Vorschriften des Gesellschaftsrechts de(r) Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens pflichtwidrig und schuldhaft nicht gestellt" wurde, verfehlt. Ausführlich dazu oben unter D.Ll. Vgl. zur Begründung oben unter D.I.2. 678 Instruktiv insoweit der vom BGH mit Urteil vom 13. 4. 1994 (II ZR 16/93; BGHZ 125, S. 366, 370 f., sub 11.1) entschiedene Fall. 679 V gl. dazu oben B.III.2.a)cc). 676 677
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Denn auch hier gilt, daß, soweit auf die Insolvenzantragspflicht bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit abgestellt wird, dieser Insolvenzgrund zu spät wirkt, und, soweit die Insolvenzantragspflicht bei Eintritt der Überschuldung gemeint sein sollte, diese nicht meßbar ist. Immerhin bietet sich aber durch eine Weiterentwicklung der in Bezug genommenen "Vorschriften des Gesellschaftsrechts" womöglich die Chance, der Vorschrift einen gewissen Anwendungsbereich zu verschaffen. Neben dem Anspruch aus § 823 11 BGB i.Y.m. § 64 I GmbHG können für eine Haftung des Geschäftsführers aus § 823 11 BGB noch andere Schutzgesetze einschlägig sein. Zu denken ist insbesondere an die §§ 263, 265b StGB. Allerdings setzen diese Haftungstatbestände voraus, daß der Geschäftsführer vorsätzlich gehandelt hat, vor allem aber, daß dem geschädigten Gläubiger auch der entsprechende Nachweis gelingt. Das gleiche Problem stellt sich bei dem Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Zwar kommt die Rechtsprechung dem Gläubiger insoweit entgegen, als sie den Schluß von einem besonders leichtfertigen Verhalten auf ein Handeln mit bedingtem Vorsatz zuläßt 680, doch hilft dies gleichwohl nur im Einzelfall weiter. Ein über die Extremfälle hinausgehender Anreiz, reichtumsverschiebende Verhaltensweisen zu unterlassen, geht hiervon nicht aus.
c) Außenhaftung der Gesellschafter
aa) Vorbemerkung Die Gesellschafter haften grundsätzlich nicht für die Verbindlichkeiten, die die GmbH gegenüber ihren Gläubigern hat, § 13 11 GmbHG. Herkömmlicherweise wird hiervon in zwei Fallgruppen eine Ausnahme gemacht: zum einen wenn für eine Haftung der Gesellschafter ein selbständiger Verpflichtungsgrund besteht dazu unter bb) -, zum anderen wenn das Prinzip der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung unter besonderen Voraussetzungen durchbrochen wird. 681 Hinsichtlich der letztgenannten Fallgruppe wird hier bewußt nicht von einer Durchgriffshaftung gesprochen. Denn "weder die höchst vielfältigen Zurechnungsfragen noch die Frage einer Haftung des Gesellschafters wegen Verletzung des Organisationsrechts der GmbH (lassen sich) auf der Basis von Wertungen lösen ( ... ), die einem einheitlichen und normunabhängigen Konzept einer Re\ativierung der juristischen Person entlehnt werden könnten; ( ... ). Verbindet sich mit dem Wort Durchgriff weder eine normativ bedeutsame Argumentationsgrundlage noch eine in ihren Voraussetzungen oder Folgen definierte juristische Operation und sind die möglichen Fälle einer Relativierung der juristischen Person so vielfältig, daß ihre Systematisierung von einem bestimmten Prinzip her nicht möglich er680 Vgl. etwa Urteil des BGH vom 18. lO. 1993 (I1 ZR 255192), in: ZIP 1993, S. 1785, 1786 m.w.N. 681 Vgl. etwa Baumbach/Hueck/Hueck (1996), § 13 Rn. 9.
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scheint, so kann dem Begriff des Durchgriffs heute nicht mehr als eine Stichwortfunktion zugewiesen werden.,,682 Wenn mit der Durchbrechung der beschränkten Haftung aber kein spezifisches, das Trennungsprinzip relativierendes Rechtsinstitut verbunden ist, so ist die erwähnte Einteilung der Fallgruppen, in denen von dem Prinzip der Haftungstrennung eine Ausnahme gemacht wird, problematisch. Denn auch für die Durchbrechung der beschränkten Haftung mit der Folge einer Gesellschafterhaftung ist danach ein selbständiger Verpflichtungsgrund erforderlich. Der Wert der Einteilung besteht allenfalls darin, unter der Stichwort ..Durchbrechung der beschränkten Haftung" bestimmte Fallgruppen zusammenzufassen, für die ein bestimmter Verpflichtungsgrund noch nicht allgemein anerkannt ist. Insoweit werden in der Literatur gängigerweise die Unterkapitalisierung, die Vermögens- und die Sphärenvermischung und der Institutsmißbrauch genannt. 683 Man wird aber auch die Fälle der Konzernhaftung dazu zählen müssen. 684 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird - unter cc) - nur auf die Fälle der Unterkapitalisierung näher eingegangen. Diese Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes rechtfertigt sich mit der besonderen Relevanz dieser Fallgruppe für das Insolvenzgeschehen. 685 Denn wie bereits mehrfach betont wurde, ist die Insolvenz eines Unternehmens durch ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht gekennzeichnet, weiches weder durch eine Annäherung der Aus- und Einzahlungsströme im regelmäßigen Geschäftsverkehr noch durch die Zufuhr neuen Kapitals beseitigt werden kann. Unterkapitalisierung erscheint unter diesem Blickwinkel als mögliche Ursache für ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht. Zwar kommt hierfür im GmbH-Konzern auch eine Verletzung der Eigeninteressen einer abhängigen GmbH durch die Ausübung der Leitungsmacht eines herrschenden Unternehmens in Betracht, doch gelten hierfür die besonderen Regeln der Konzernhaftung. Ziel der hier angestellten Überlegungen ist hingegen die Analyse allgemein anwendbarer Haftungsregeln, um so Anhaltspunkte für die erforderliche Beschaffenheit eines Insolvenzauslösers auch in den Fällen zu gewinnen, in denen es an den Voraussetzungen einer Konzernhaftung fehlt. Der Anspruch aus Konzernhaftung auf Schadensersatz entsprechend § 303 AktG an die geschädigten Gläubiger wird daher nicht näher untersucht. 686
682 So zusammenfassend Hachenburg I Mertens (1989/1989), Anhang nach § 13 Rn. 36 (Hervorhebungen weggelassen), ausführlich aaO., Rn. 28 ff. Ebenso ScholzlWestermann (1993), Einleitung Rn. 10; K. Schmidt (1991), § 9 I, II (S. 186 ff.). 683 Ein ausführlicher Überblick findet sich bei Hachenburg I Mertens (1989/1989), Anhänge nach § 13 und § 30, sowie bei Scholzl Emmerich (1993), § 13 Rn. 75 ff.; knapper bei LutterlHommelhoff(1995), § 13 Rn. 11 ff. und bei BaumbachlHuecklHueck (1996), § 13 Rn. 15; vgl. auch Lutter (1982), S. 248 ff.; Wiedemann (1980), § 4 III 1 (S. 224 ff.). 684 Ebenso HachenburglMertens (1989/1989), Anhang nach § 13 Rn. 4. 685 Ebenso K. Schmidt (1991), § 9 IV 4 (S. 205). 686 Der unter dem Gesichtspunkt der Konzemhaftung ebenfalls denkbare Anspruch auf Verlustausgleich entsprechend § 302 AktG an die Gesellschaft begründet lediglich eine Innenhaftung und bleibt daher bereits wegen der unter D.IV.2.a) genannten Kritik unbeachtet.
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D. Analyse
Desgleichen wird auf die Fälle der Vermögensvermischung687 nicht eingegangen. Insoweit hat Drax gezeigt, daß das Merkmal der gegenständlichen Vermögensvermischung als Anknüpfungspunkt ungeeignet ist, sondern daß auf die in diesen Fällen unzureichende Buchführung und Bilanzierung abzustellen ist, als deren Folge die dingliche Zuordnung von Vermögensgegenständen unmöglich ist. 688 Zwar trifft die Buchführungspflicht die Geschäftsführer und nicht die Gesellschafter (§ 41 GmbHG), so daß auch eine Verletzung der Buchführungspflicht in der Regel nur Haftungsansprüche gegen die Geschäftsführer auszulösen vermag. 689 Doch ist eine Teilnehmerhaftung der Gesellschafter nach § 830 II BGB denkbar, falls sie bei der Verletzung der Buchführungspflicht mitgeholfen oder zu ihr angestiftet haben. Damit besteht aber ein anerkannter Verpflichtungsgrund, so daß die Vermögensvermischung gar keinen eigenständigen Fall einer Durchbrechung der beschränkten Haftung darstellt. Aus dem gleichen Grund bleiben die Fälle der Sphärenvermischung690 unberücksichtigt. Denn dabei handelt es sich um eine im Bereich der Vertrauens- und Erklärungshaftung liegende Problematik691 , also um Fälle, für die ebenfalls bereits ein Verpflichtungs grund anerkannt ist. Schließlich erscheint auch der Rückgriff auf die Fallgruppe des Institutsmißbrauchs zweifelhaft. Institutsmißbrauch soll vorliegen, wenn die Haftungsfreistellung des Gesellschafters bewußt zum Nachteil der Gläubiger eingesetzt wird. 692 Hier kommt aber bereits ein Haftungsanspruch aus § 826 BGB in Betracht. 693
687 Sie liegt vor, wenn "Vermögens gegenstände der GmbH mit dem Privatvermögen des oder der Gesellschafter oder mit dem Vermögen einer von dem gleichen Gesellschafter abhängigen Schwestergesellschaft dergestalt vermischt werden, daß eine zuverlässige dingliche Zuordnung der Vermögensgegenstände zu dem einen oder anderen Rechtsträger nicht mehr möglich ist" (Drax [1992], S. 80). 688 Vgl. ders. (1992), S. 87 ff. 689 Im Rahmen einer Außenhaftung ist zu denken an Ansprüche aus § 823 II BGB i.Y.m. §§ 283 I Nr. 5 -7, 283b, 14 I Nr. I StGB bzw. § 331 Nr. I HGB. Hingegen führt § 43 II GmbHG zu einer Innenhaftung. Noch anders verhält es sich mit § 41 GmbHG: die Buchführungspflicht ist nach h.M. kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 II BGB; vgl. m.z.w.N. Baumbachl HuecklSchulze-Osterloh (1996), § 41 Rn. 3; mit guten Gründen a.A. Biletzki (1997), S. 11 f. Zu Hinweisen auf eine möglicherweise bevorstehende Änderung der diesbezüglichen Rechtsprechung des BGH K. Schmidt (I994a), S. 842. 690 Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß "die rechtliche Verschiedenheit der GmbH und ihrer Gesellschafter im Bereich der Organisation, im äußeren Erscheinungsbild und im Auftreten gegenüber Dritten nicht oder nicht ausreichend konsequent hervorgehoben wird" (Drax [1992], S. 54 m.w.N). 691 Vgl. Drax (1992), S. 55 f. m.w.N., S. 85; BGH NJW 1985, S. 740 a.E. 692 LutterIHommelhoff(1995), § 13 Rn. 17. 693 Vgl. BGH WM 1979, S. 230; BGH ZIP 1992, S. 695 a.E.
IV Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen
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bb) Haftung aus selbständigem Verpflichtungsgrund Ein selbständiger Verpflichtungsgrund kann sich aus einer eigenen vertraglichen Verpflichtung des Gesellschafters, aus Rechtsscheinhaftung, aus culpa in contrahendo 694 oder aus den deliktischen Ansprüchen gern. § 82311 BGB i.Y.m. §§ 263 bzw. 265b StGB und § 826 BGB ergeben. Hinsichtlich dieser Ansprüche gilt sinngemäß das gleiche, was bereits für die Geschäftsführer als Anspruchsgegner ausgeführt wurde695 : Die verhaltenssteuemde Wirkung im allgemeinen ist gering, da von den genannten Ansprüchen nur ein sachlich eng begrenzter Anreiz ausgeht, reichtumsverschiebende Verhaltensweisen zu unterlassen. Ein weiterer deliktischer Verpflichtungsgrund ergibt sich, wenn ein Gesellschafter den oder die Geschäftsführer an der Stellung eines Insolvenzantrags hindert. Hier kommt eine Haftung des Gesellschafters als Anstifter oder Gehilfe gern. § 830 11 BGB zu der vom Geschäftsführer verwirkten Haftung wegen Konkursverschleppung nach § 823 11 BGB i.Y.m. § 64 I GmbHG in Betracht. 696 Allerdings befreit § 830 BGB den geschädigten Gläubiger nur von dem Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität. Eine unerlaubte Handlung bleibt indessen Voraussetzung. Die oben beschriebenen Schwierigkeiten des Geschädigten im Zusammenhang mit der Darlegung des Tatbestandsmerkmals der eingetretenen Insolvenzantragspflicht bei dem Haftungsanspruch aus § 823 11 BGB i.Y.m. § 64 I GmbHG 697 bestehen daher auch bei einer Inanspruchnahme des Gesellschafters aus § 830 11 BGB als Anstifter oder Gehilfe. Hinzukommt, daß der Gesellschafter wenigstens vorsätzlich gehandelt haben müßte, was für den Geschädigten ebenfalls nicht ohne Schwierigkeiten darzulegen und zu beweisen ist. Auch von diesem Anspruch geht daher kaum ein wirksamer Anreiz aus, reichtumsverschiebende Verhaltensweisen zu unterlassen.
cc) Haftung wegen Unterkapitalisierung ( 1) Eingrenzung der Fragestellung
Die Haftung wegen Unterkapitalisierung betrifft die materielle Unterkapitalisierung, also den Fall, daß die Gesellschafter die erforderlichen finanziellen Mittel weder als Einlage noch als Kapitalersatz zur Verfügung stellen. Insoweit greifen die §§ 32a, 32b GmbHG nicht. 698 Hinsichtlich einer Haftung der Gesellschaf-
694 So zumindest Baumbach I Hueckl Hueck (1996), § \3 Rn. 9, § 64 Rn. 37; Schoh/ Emmerich (1993), § 13 Rn. 64 und Scholz/ K. Schmidt (1995), § 64 Rn. 56. 695 Soeben unter D.IV2.b). 696 Eingehend dazu Scholz/ K. Schmidt (1995), § 64 Rn. 45; vgl. auch Baumbach/Hueck/ Schulze-Osterloh (1996), § 64 Rn. 36 m.z.w.N., sowie Karollus (1995), S. 272. 697 V gl. unter D.IV2.b )bb). 698 V gl. dazu bereits oben unter D.II.2.c)aa).
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D. Analyse
ter wegen Unterkapitalisierung sind an sich vier Fragenkomplexe auseinanderzuhalten. Erstens: Woran knüpft die Haftung an? Ist die Haftung verschuldensabhängig oder besteht eine objektive Einstandspflicht? Zweitens: Wer haftet? Alle Gesellschafter? Oder nur einzelne von ihnen? Drittens: Wem gegenüber wird gehaftet? Handelt es sich um eine Innenhaftung gegenüber der Insolvenzmasse oder um eine Außenhaftung gegenüber einzelnen Gläubigern? Und viertens: In weIchem Umfang wird gehaftet? Auf den Ausfallschaden oder den Differenzschaden? Die Antworten, die in der Literatur auf diese Fragen gegeben werden, sind außerordentlich vielfältig. 699 Im Rahmen dieser Arbeit ist es weder möglich noch beabsichtigt einen einigermaßen vollständigen Überblick zu geben. 7OO Vielmehr muß es für den im Rahmen dieses Kapitels verfolgten Zweck, nämlich einer Analyse der Haftung wegen Unterkapitalisierung auf ihre Eignung zur Insolvenzbewältigung, zunächst genügen, den Anknüpfungspunkt für eine Haftung zu untersuchen. Erst wenn sich insoweit ein sachgerechter Haftungstatbestand finden läßt, macht es Sinn, sich mit den die Haftungsausgestaltung betreffenden Fragen zwei bis vier zu befassen. (2) Problemstellung
Nur wenn die Gesellschafer in hinreichendem Ausmaß eigenes Risiko tragen, läßt sich verhindern, daß die Gesellschafter "die ökonomischen Vorteile der beschränkten Haftung für sich in Anspruch nehmen, ohne die damit ( ... ) verbundenen Kosten, etwa einer angemessenen Eigenkapitalausstattung, zu tragen.,,701 Denn anderenfalls müssen die Gläubiger der Gesellschaft damit rechnen, daß von den Gesellschaftern "die Möglichkeit ausgenutzt wird, Erfolge zum eigenen Vorteil abzuschöpfen, Mißerfolge aber zu Lasten des Fremdkapitals zu externalisieren.,,702 Das Erfordernis einer hinreichenden Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft ergibt sich ferner aus der ,,Notwendigkeit, den außenstehenden Fremdkapitalgebern ein glaubwürdiges ,Signal' über die Qualität der von den Unternehmerpersönlichkeiten angebotenen Informationen über die zukünftigen Unternehmensprojekte zu vermitteln.,,703 Die Frage, inwieweit sich einzelne Vorschläge für eine Haftung wegen Unterkapitalisierung zur Insolvenzbewältigung eignen, beantwortet sich also danach, ob und gegebenenfalls inwieweit sie etwas zu einer Internalisierung negativer externer Effekte beitragen. Dabei können die Vorschläge zu einer 699 V gl. die ausführlichen Schrifttumsnachweise bei Hachenburg I Ulmer (1989/1991), Anh § 30 vor Rn. 1; Scholzl Emmerich (1993), § 13 vor Rn. 53. 700 Vgl. insoweit HachenburglUlmer (1989/1991), Anhang nach § 30 Rn. 35 ff.; Weitbrecht (1990), S. 35 ff. 701 M. Lehmann (1986), S. 361; vgl. auch ders. (1992), S. 204 f. 702 Roth (1993a), S. 181; aaO., S. 180 f., eingehend zum sog. Opportunismusrisiko m.z.w.N. insbes. auf das amerikanische Schrifttum. Ausführlich auch Adams (1991a), S. 34 ff. 703 Adams (1991a), S. 40 m.w.N.; vgl. auch Drukarczyk (1994a), S. 1247; ders. (1987), S. 25 m.w.N.
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen
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Haftung wegen Unterkapitalisierung in drei Ansichten eingeteilt werden. Im folgenden analysiere ich - unter (3) - zunächst die Normzwecklehre, dann - unter (4) - die Theorie der Organhaftung und schließlich - unter (5) - die Lehre von der Anknüpfung an die Kreditunwürdigkeit. (3) Normzwecklehre Die rechtsdogmatische Begründung der wohl herrschenden sog. Normzwecklehre scheint der eben skizzierten Problemstellung gerecht zu werden: Die Gesellschafterhaftung beruhe auf dem "im GmbHG zum Ausdruck kommenden Zusammenhang zwischen Kapitalsicherung und Ausschluß der Gesellschafterhaftung,,704. Wenn das Eigenkapital im Verhältnis zu den unternehmerischen Aktivitäten der GmbH so gering sei, daß es quasi kein Verlustpolster für Verluste der GmbH bilde, so würde dadurch der Sinn und Zweck der Vorschriften über die Bereitstellung und Erhaltung eines Haftungskapitals vereitelt. 705 Das etwas ältere Schrifttum befürwortete daher eine Durchgriffshaftung bei jedem einfachen Grad von Unterkapitalisierung. 706 Das läßt sich allerdings nicht kurzerhand damit begründen, daß sich die Gesellschafter in der Satzung zum Betreiben eines gemeinsamen Unternehmens verpflichtet haben 707 , denn in der Satzung ist auch festgelegt, bis zur welchem Betrag sie sich höchstens an der Gesellschaft beteiligen wollen. 708 Hinzu kommt das praktische Problem, daß sich schlechterdings nicht sagen läßt, welche Eigenkapitalausstattung für ein Unternehmen angemessen ist. 709 Neuere Ansätze versuchen diesem Problem auszuweichen, indem sie sich auf die Formel zurückziehen, daß nur die evidente, sog. qualifizierte Unterkapitalisierung haftungsbegründend sei?1O Damit ist jedoch noch nicht gesagt, unter welchen Voraussetzungen genau und mit welchen Rechtsfolgen eine Haftung wegen Unterkapitalisierung greift. 7I1 Denn ob eine bestimmte Eigenkapi704
Hachenburgl Vlmer (198911991), Anh § 30 Rn. 52.
Deutlich Stimpel (1987), S. 608; grundlegend O. Kuhn (1964), S. 207 ff., 214 ff.; vgl. auch Hachenburgl Vlmer (1989/1991), Anh § 30 Rn. 38 m.w.N. 706 So etwa Wiedemann (1980), S. 572; Immenga (1970), S. 403; Winkler (1969), S. 1207. 707 So aber Erman (1959), S. 132; Winkler (1969), S. 1205 f. 708 Ebenso Wüst (1985), S. 822. Zutreffend daher auch der BGH vom 18. 10. 1993 (ZIP 1993, S. 1787), wenn er bemerkt, daß "die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen ihre Rechtfertigung verloren hat, wenn der Haftungsfonds vollständig verwirtschaftet und die Gesellschaft deshalb zu liquidieren ist. Die daraus zu ziehende Konsequenz besteht aber nicht in der persönlichen Haftung der Gesellschafter, sondern in der Pflicht der Geschäftsführer, durch Konkursanmeldung für eine rechtzeitige Beseitigung der Gesellschaft zu sorgen." 709 Vgl. HachenburgI Vlmer (1989/ 1991), Anh § 30 Rn. 6; K. Schmidt (1991), § 9 IV 4 a (S. 187); ders. (l984b), S. 777 f.,jeweils m.w.N. 710 Vgl. Stimpel (1987), S. 608; HachenburglVlmer (1989/ 1991), Anh § 30 Rn. 23, 55; LutterIHommelhoff(l995), § 13 Rn. 12 ("Höhe des Kapitals [muß] wenigstens in äußersten Grenzen [ ... ] dem wirtschaftlichen Risiko der betreffenden GmbH entsprechen"). 705
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D. Analyse
talausstattung bereits haftungsbegründend wirkt, hängt von den "konkreten Gegebenheiten und Entwicklungsperspektiven einer GmbH, wie etwa der Risikoträchtigkeit der Geschäftstätigkeit und der Ertragserwartung,,712 ab. Welcher Richter aber soll das beurteilen? Selbst wenn man, bereits um einiges konkreter, wie Wiedemann neben Unternehmens umfang und Unternehmensart auf "die internen Finanzierungspläne samt Tilgungs- und Zinsplänen für das Fremdkapital"713 abstellt, ist damit nur das Mittel, aber noch nicht der Maßstab für die Feststellung einer Unterkapitalisierung bezeichnet. Dieser aber wird durch eine Hafung für qualifizierte Unterkapitalisierung willkürlich zu Lasten der Gläubiger verschoben, denn das Evidenzerfordernis resultiert ja gerade aus der Notwendigkeit eine "Pufferzone" zu schaffen, um die Gesellschafter trotz des unscharfen Tatbestandes keinesfalls ungerechtfertigt in Anspruch zu nehmen. 714 Die mangelnde tatbestandliche Präzisierung ist denn wohl auch einer der Hauptgründe, weshalb die Haftung wegen Unterkapitalisierung praktisch bedeutungslos iSt. 715 Jedenfalls ist die Rechtsprechung in der Bejahung entsprechender Haftungsansprüche bisher äußerst zurückhaltend gewesen. 716 Sie betont stattdessen die Wertung des Gesetzes, daß "nicht eine am Bedarf ausgerichtete, dem jeweiligen Geschäftsumfang wechselnd angepaßte Kapitalausstattung ( ... ), sondern lediglich einen durch Satzung und Handelsregister betragsmäßig genau festgelegten Vermögensfonds,,717 verlangt. Dem folgt ein Teil der Literatur. 718 Gleichwohl kommen weder diese Stimmen noch die Rechtsprechung an dem Faktum vorbei, daß manche Gesellschaften mit einem derart niedrigen Kapital ausgestattet sind, daß das unternehmerische Risiko im wesentlichen von den Gläubigem getragen wird. In diesen Fällen sollen die Gesellschafter dann nach § 826 BGB haftbar sein. Die ho711 Vgl. insoweit den Überblick bei Weitbrecht (1990), S. 46 ff., bei von GerkLJn/ Hommelhoff (1994), Rn. 1.15 ff. (S. 10 ff.), Rn. 1.18 ff. (S. 12 ff.) und bei Wilhelm (1981), S. 314 ff.; speziell zur Rechtsfolgenseite Nirk (1985), S. 457 ff., jeweils m.z.w.N. 712 So Drax (1992), S. 115. 713 Ders. (1980), S. 568. 714 Vgl. Bitz/Hemmerde/Rausch (1986), S. 411; s. auch von GerkLJn/Hommelhoff(1994), Rn. 1.16 (S. 11). 715 Vgl. Roth (1993a), S. 176; K. Schmidt (1984a), S. 778. Wilhelm (1981), S. 314, verweist die Haftung wegen Unterkapitalisierung deshalb aus dem Bereich der Rechtsanwendung in den der Rechtspolitik. 716 Vgl. Drax (1992), S. 105 ff.; Weitbrecht (1990), S. 58 ff.; Wilhelm (1981), S. 316 ff.Vgl. auch BOHZ 68, S. 312, 316 ff. ("Fertighausfall"); BOHZ 31, S. 258, 268. Von den Bundesgerichten hat lediglich das BSO in einem vereinzelt gebliebenen Judikat (ZIP 1984, S. 1217, 1219 ff.) eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung bejaht; dazu ablehnend Kahler (1985), S. 296 f. 717 BOHZ 76, S. 326,334. Vgl. auch BFH vom 5.2. 1992, BStB\. 11 1992, S. 532. - Zumindest der Steuergesetzgeber hat sich diese Sichtweise zu eigen gemacht, indem er mit dem Standortsicherungsgesetz den § 8a KStO einführte, um trotz einer erheblichen Fremdfinanzierung die Dividendenbesteuerung sicherzustellen, vgl. dazu Franz/ Rupp (1993), S. 18 ff. 718 Vg\. etwa Baumbach/Hueck/Hueck (1996), § 5 Rn. 6; Rowedder/Schmidt-Leithoff (1997), § 5 Rn. 9; Meyer-Landrut / Meyer-Landrut (1987), § 5 Rn. 8.
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hen subjektiven Hürden des § 826 BGB werden dabei überwunden, indem von einer materiellen Unterkapitalisierung auf den Schädigungsvorsatz geschlossen wird. Damit taucht aber die Frage, wann genau eine materielle Unterkapitalisierung vorliegt, d. h. das Problem der mangelnden tatbestandlichen Präzision, in gewandelter Form erneut auf. 719 Die Vertreter der Normzwecklehre verkennen m.E. darüber hinaus den personalen Schutzbereich der Vorschriften über das Stammkapital. Das ergibt sich aus folgender Überlegung zu der Ansicht von Ulmet; als einem der Protagonisten der Normzwecklehre. Ulmer folgert - durchaus nachvollziehbar - aus dem "institutionellen Zusammenhang zwischen Aufbringung eines Haftungsfonds zugunsten der GmbH-Gläubiger und Ausschluß der persönlichen Gesellschafterhaftung,,720 die Notwendigkeit zu einer hinreichenden Eigenkapitalausstattung 721. Aufschlußreich ist nun allerdings, was mit Haftungsfonds gemeint sein soll. Denn im gleichen Kontext ist vom "Sinnzusammenhang zwischen Stammkapital und HaftungsbesChränkung,,722 die Rede. Dieser Sinnzusammenhang bilde eine "institutionelle Schranke,,723. Ulmer begründet das damit, daß "die Garantiefunktion des Stammkapitals zugunsten der Gesellschaftsgläubiger dann verfehlt wird, wenn die Eigenkapitalausstattung der GmbH so gering ist, daß sie den Gläubigern im Krisenfall keine hinreichende Sicherheit bietet"724. Es wird also ein Zusammenhang zwischen Eigenkapitalausstattung und Gläubigerschutz behauptet. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch nicht. Denn wie oben bereits dargelegt wurde, dient als Befriedigungsobjekt für die Gläubiger nicht das von den Gesellschaftern in die Gesellschaft eingelegte Kapital, also das Nettovermögen der Gesellschaft, sondern deren Bruttovermögen. 725 Dem eingelegten Kapital kommt hingegen lediglich eine Voraushaftungsfunktion ZU. 726 Insoweit läßt sich aber - entgegen Ulmer - weder von einem "Haftungsfonds" noch von einer "Garantiefunktion" zugunsten der Gläubiger sprechen. Vielmehr schützt die Eigenkapitalausstattung die Gesellschaft. indem ein Puffer in Form des Nettovermögens geschaffen wird, der verhindert, daß anderenfalls bei auftretenden Verlusten das Insolvenzverfahren wegen Überschuldung eröffnet werden muß. 727 Auch mittelbar entfaltet selbst eine um719 Bezeichnend die Kommentierung bei ScholzlEmmerich (1993), § 13 Rn. 89, wonach die Voraussetzungen des § 826 BGB ,,regelmäßig erfüllte sein (dürften), wenn die Gesellschafter mit einem eindeutig unzureichenden Stammkapital besonders riskante Geschäfte auf Kosten der Gläubiger betreiben." (Hervorhebungen durch A.F.). 720 Ders. in Hachenburgl Ulmer (1989/1991), Anh § 30 Rn. 53. 721 Nach HachenburglUlmer (1989/1991), Anh § 30 Rn. 55, ist die "wichtigste Haftungsvoraussetzung ( ... ) das Bestehen ( ... ) einer eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichenden Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft". 722 Hachenburg I Ulmer (1989/1991), Anh § 30 Rn. 52 (Hervorhebung von A.F.). 723 Ebd. (Hervorhebung weggelassen). 724 Ders. in Hachenburg (1989/1991), Anh § 30 Rn. 52. 725 Vgl. unter D.II.l.b) und D.II.l.c)aa). 726 Dazu oben unter D.II.I.c )aa).
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fangreich bemessene Eigenkapitalausstattung keinen wirksamen Gläubigerschutz, etwa in dem Sinne, daß ein Schutz der Gesellschaft im Ergebnis auch den Gesellschaftsgläubigern zugute kommt. Das liegt daran, daß das das Eigenkapital verkörpernde Nettovermögen 728 nicht davor geschützt ist, durch Verluste aufgezehrt zu werden. Im Ergebnis bedeutet das, daß die Normzwecklehre nicht haltbar erscheint. Denn wegen der Art der Kapitalsicherung bei der GmbH vermag der behauptete Zusammenhang von Kapitalsicherung und Haftungsbeschränkung gerade keine Haftung zugunsten der Gläubiger zu begründen. (4) Organhaftung
Wegen der Schwächen der Normzwecklehre wird von einigen Autoren eine Haftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft vorgeschlagen, wenn sie schuldhaft der Gesellschaft gegenüber bestehende Sorgfaltspflichten verletzen. 729 Im Kern geht es darum, die Rechtssubjektivität der juristischen Person zu respektieren, statt sie mit ihren Mitgliedern zu identifizieren. Die Gesellschafter handeln zwar nach wie vor für die GmbH, üben aber ihr gegenüber fremde Macht aus. Dies macht die GmbH schutzbedürftig, woraus sich Sorgfaltspflichten der Gesellschafter ergeben. 730 Es wird deshalb auch von einer Organhaftung gesprochen. 731 Deren Inhalt hat K. Schmidt auf folgende Formel gebracht: "So wenig, wie die Gesellschafter einerseits gezwungen sind, Nachschüsse zu leisten, die Geschäftsführung zu überwachen oder die Auflösung der Gesellschaft zu verhindern, so wenig sind sie auf der anderen Seite berechtigt, die Gesellschaft durch eigenes Tun zu ruinieren.,,732 An dem Konzept der Organhaftung besticht, daß sie durch die Begründung von Sorgfaltspflichten sowie durch die Anknüpfung an ein Verschulden der Gesellschafter einen Weg aufzeigt, um das Problem der Zurechenbarkeit einer Haftung wegen Unterkapitalisierung an die Gesellschafter zu lösen. 733 Das ist insofern verdienstvoll, als es gerade das Kennzeichen des GmbH-Rechts ist, daß die persönliche Haftung der GmbH-Gesellschafter an sich auf die Einlage und auf gegebenen727 50 zumindest die insoweit maßgebliche gesetzliche Konzeption. Zu den diesbezüglichen Ungereimtheiten s. oben unter D.I.2. 728 Zu dem Zusammenhang zwischen Eigenkapital und Nettovermögen oben unter D.II.I.a). 729 V gl. Wilhelm (1981), 5. 335 ff., 354 ff.; Flume (1983), § 3 III 3 (5. 85 ff.); K. Schmidt (I 988b), 5. 1505 ff.; vgl. auch Scholzl Emmerich (1993), § 13 Rn. 93. 730 Grundlegend Wilhelm (1981),5. 336 ff. 731 Gegen eine Organhaftung allerdings Flume (1983), § 3 III 3 (5. 85 ff.), der nur die beherrschenden Gesellschafter unter dem Gesichtpunkt der Leitung fremder Geschäfte in die Verantwortung ziehen will (aaO., 5. 90). 732 Ders. (I 988b ), 5. 1506; ebd. auch zu Herleitung und Konsequenzen. 733 V gl. Weitbrecht (1990), 5. 47 f., 75 ff.
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falls erbrachte kapitalersetzende Leistungen beschränkt ist. Problematisch erscheint dabei allerdings noch die Herausarbeitung geeigneter Sorgfaltspflichten. Zwar hat die Theorie von der Organhaftung positive und negative Merkmale aufgezeigt, bei denen der Haftungstatbestand verwirklicht ist, und wodurch immerhin eine gewisse Konkretisierung der Haftungsvoraussetzungen erreicht wird. Doch bleibt auch bei ihr, von Extremfällen abgesehen 734, letztlich offen, von welchem Maßstab es abhängen soll, damit ein Gesellschafterverhalten als gesellschaftsruinierend zu qualifizieren ist. (5) Anknüpfi,mg an Kreditunwürdigkeit
Die Schwierigkeiten der Normzwecklehre und der Theorie von der Organhaftung einen trennscharfen Maßstab anzugeben, unter welchen Voraussetzungen es zu einer Haftung der Gesellschafter wegen mangelnder Kapitalausstattung der Gesellschaft kommt, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Problem der Risikoverlagerung zu Lasten der Gläubiger infolge mangelnder Kapitalausstattung tatsächlich besteht. Um es zu lösen, ist vorgeschlagen worden, die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft mit deren Unterkapitalisierung gleichzusetzen. 735 Danach soll die Gesellschaft unterkapitalisiert sein, wenn "unter den gegebenen Verhältnissen unter Berücksichtigung der Kapitalgrundlage der Gesellschaft, (k)ein Dritter bereit gewesen wäre, der Gesellschaft die benötigten langfristigen Mittel zu annehmbaren Bedingungen als Kredit zur Verfügung zu stellen.,,736 Fehle es hieran "eindeutig und offensichtlich,,737, so hätten die Gesellschafter für die Unterkapitalisierung einzustehen. Es soll hier nur der Frage nachgegangen werden, inwiefern das Kriterium der Kreditunwürdigkeit als Maßstab für eine Haftung wegen Unterkapitalisierung geeignet ist. 738 Dazu ist noch einmal auf die Zusammenhänge bei der Unternehmensfinanzierung zurückzukommen: Für die Werthaltigkeit der den GmbH-Gläubigem Vgl. dazu die Beispiele bei K. Schmidt (1988b), S. 1506. Vgl. Erlinghagen (1962), S. 174; Weitbrecht (1990), S. 24 f., 27 f., 84 f.; Adams (1991a), S. 67 ff.; weitgehend inhaltsgleich ders. (1991b), S. 208 ff.; dazu Roth (1991), S. 229 ff.; vgl. auch ders. (1993a), S. 182 ff. - Unklar demgegenüber Hachenburg/Ulmer (1989/ 1991), Anh § 30 Rn. 16, der für die Definition der Unterkapitalisierung zunächst an die "fehlende Kreditfähigkeit" - gemeint ist Kreditwürdigkeit - anknüpft, wobei er allerdings zusätzlich auf den Finanzbedarf der Gesellschaft abstellt. Später (aaO., Rn. 55) rückt er bei der konkreten Benennung der Haftungsvoraussetzungen hiervon jedoch wieder ab, und hält das Eigenkapital dann für unzureichend, sofern es "einen Mißerfolg zu Lasten der Gläubiger bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher, das gewöhnliche Geschäftsrisiko deutlich übersteigender Wahrscheinlichkeit erwarten läßt." 736 So bereits Erlinghagen (1962), S. 174, dessen Folgerungen hinsichtlich des Schadensumfangs einer Haftung wegen Unterkapitalisierung allerdings das Prinzip der beschränkten Haftung unbeachtet lassen. 737 Ebd. 738 Ablehnend Lutter/Hommelhoff(1995), § 13 Rn. 12. 734 735
21 Förster
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zustehenden Rückzahlungsansprüche ist die Höhe des Eigenkapitals der Gesellschaft nicht primär entscheidend. 739 Sowohl der Ansatzpunkt der Normzwecklehre als auch der der Organhaftungstheorie ist insofern zu sehr vermögensorientiert. 740 Es kommt stattdessen darauf an, daß die GmbH über die erforderliche Liquidität verfügt, um die Rückzahlungsanprüche bedienen zu können. Das ist unproblematisch, wenn sich die GmbH im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht befindet. 741 Befindet sich die GmbH hingegen nicht im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht, so müssen, wenn die Rückzahlungsansprüche gleichwohl befriedigt werden sollen, die Einzahlungsdefizite durch entsprechende Kapitalzuführungen ausgeglichen werden. Unter der Prämisse eines fehlenden finanzwirtschaftlichen Gleichgewichts werden Fremdkapitalgeber allerdings kaum zu einer Kapitalzufuhr bereit sein. Denn sie können unter der genannten Prämisse nicht darauf vertrauen, daß sie ihr eingesetztes Kapital - zuzüglich Zinsen - bei Fälligkeit zurückerhalten. Die GmbH ist demnach kreditunwürdig. Die bereits entstandenen Rückzahlungsansprüche lassen sich infolgedessen nur auf zwei Arten befriedigen. Entweder führen die Gesellschafter weitere Finanzmittel, gleich in welcher Form, zu oder die Gesellschaft schöpft Liquidität, indem sie vorhandenes Betriebsvermögen veräußert (Liquidität aus Desinvestition). Sind die Gesellschafter nicht bereit, einen Finanzierungsbeitrag zu erbringen, gelangt der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß dadurch in ein für die Gläubiger gefährliches Stadium. Denn die Zuführung von Liquidität aus Desinvestitionen vermag unter der Prämisse eines finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts - den Eintritt der Insolvenz nur zu verzögern, nicht aber abzuwenden. Außerdem stehen die im Rahmen der Desinvestition veräußerten Vermögenswerte, wenn es dann schließlich doch zur unvermeidbaren Insolvenz kommt, weder für die Finanzierung eines Insolvenzverfahrens noch für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung. 742 Und soweit sich die Gesellschaft an den veräußerten Gegenständen zur Aufrechterhaltung des betrieblichen Leistungsprozesses, etwa im Rahmen eines Sale-and-leaseback-Geschäftes743 , das Nutzungsrecht vorbehalten hat, führen die Nutzungsentgelte zu zusätzlichen Masseverbindlichkeiten, § 59 I Nr. 2 Hs. 2 KO bzw. § 55 I Nr. 2 Hs. 2 InsO. Vor dem Hintergrund all dessen erscheint es in der Tat plausibel, eine Haftung wegen Unterkapitalisierung an den Eintritt der Kreditunwürdigkeit zu binden. 739 Vgl. nur Roth (I993a), S. 177 m.w.N.: "Eigenkapital ist überflüssig, wenn die Erfolgserwartung des Unternehmens hinreichend groß ist." 740 Zweifelnd auch K. Schmidt (I984b), S. 777 ("Unterkapitalisierung [ ... ] nicht bilanziell zu messen"). 741 Vgl. insoweit oben unter B.II.2.b). 742 Weitbrecht (1990), S. 24, bemerkt dazu: ,,Ernst wird es für die Gläubiger ( ... ) erst, wenn es der Gesellschaft nicht nur an Eigenkapital mangelt, sondern auch an der Fähigkeit neue GläubigersteIlungen zu begründen. Dieser Ernst der Lage wird in dem Begriff der Kreditunwürdigkeit deutlich." 743 Vgl. oben unter C.IV.2.
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen
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Es stellt sich jedoch noch ein weiteres Problem. Aus den Nachteilen die eine Liquiditätszuführung aus Desinvestitionen für die Gläubiger - unter der Prämisse eines finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts - hat, darf nämlich nicht der Schluß gezogen werden, daß die Gesellschafter deshalb verpflichtet sind, der Gesellschaft über ihre Einlage hinaus weitere Finanzmittel zuzuführen und daß sie wegen Unterkapitalisierung haften müßten, falls sie kein Kapital zuführen. Denn das käme einer unbegrenzten Nachschußpflicht gleich. Die Haftung der GmbH-Gesellschafter ist aber auf ihre Einlage beschränkt, § 13 II GmbHG. Zu irgendeiner Form von Nachschüssen sind sie regelmäßig nicht verpflichtet. Vielmehr besteht das Wesen der beschränkten Haftung - und ihre Bedeutung für das Wirtschaftsleben - gerade darin, daß die Gesellschafter nicht für die Erfüllung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft verantwortlich sind. Will man an diesem Grundsatz festhalten, so kann das zu sanktionierende Verhalten daher nur darin bestehen, daß die Gesellschaft in einem Zustand, in dem die Insolvenz bereits unvermeidbar war, gleichwohl noch Vermögensgegenstände zwecks Liquiditätsgewinnung veräußert hat. 744 Zumindest für sich allein genommen ist die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft deshalb kein geeignetes Kriterium, um daran eine Haftung wegen Unterkapitalisierung anzuknüpfen.
d) Zwischenergebnis
Um für die Gesellschaftsorgane der GmbH die Anreize zu gläubigerschädigenden Reichtumsverschiebungen, wie sie aus der beschränkten Haftung resultieren können, möglichst gering zu halten, ist in den Fällen, in denen es tatsächlich zu solchen Verhaltensweisen gekommen ist, eine haftungsrechtliche Sanktion erforderlich. Dabei sind als Innenhaftung ausgestaltete Ansprüche eher schädlich als nützlich, solange die Massehaltigkeit von Insolvenzverfahren nicht sichergestellt ist. Doch auch die gesetzlichen Haftungstatbestände, die zu einer Außenhaftung führen, entfalten nur in eng begrenzten Sonderfällen die ihnen zugedachte verhaltenssteuemde Wirkung. Gleichwohl scheidet eine unspezifische Durchbrechung des Trennungsprinzips aus. Die Durchbrechung der beschränkten Haftung bedarf vielmehr eines selbständigen Verpflichtungsgrundes. Ein geeigneter Anknüpfungspunkt konnte insoweit jedoch nicht gefunden werden.
3. Enthaftungsorientierte Ansätze
Im folgenden sollen Vorschläge auf ihre Eignung zur Insolvenzbewältigung untersucht werden, die die Möglichkeiten beschränken wollen, sich entgegen dem Grundsatz der par condicio creditorum für den Insolvenzfall einen Befriedigungs744 Die Frage kann hier nicht vertieft werden. Sie wird aber unten unter E.II.4 .. dort insbesondere unter b)aa), wieder aufgenommen.
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D. Analyse
vorrang qua privatautonomer Regelung einräumen zu lassen. Ich spreche dabei deshalb von enthaftungsorientierten Ansätzen, weil es darum geht, einzelne Gegenstände, die nach dem Willen der Parteien für die Forderungen bestimmter Gläubiger haften sollen, also Kreditsicherheiten, aus dieser Haftung herauszulösen. a) Grundgedanke
Der Grundgedanke, auf denen enthaftungsorientierte Ansätze basieren ist einfach: Je mehr Massebestandteile vorab verteilt werden, desto weniger freie Masse steht zur Verfügung, um im Falle der Insolvenz die Masseverbindlichkeiten decken zu können?45 Können diese aber nicht gedeckt werden, kommt es zu keinem Insolvenzverfahren: zumindest die ungesicherten Gläubiger gehen dann leer aus und die im Vorfeld der Insolvenz oft erfolgten Reichtumsverschiebungen verfestigen sich, weil die entsprechenden Ansprüche auf Rückabwicklung brachliegen. Das Insolvenzrecht als Mittel zur Haftungsverwirklichung wird auf die Art ausgehebelt. Hinzukommt, daß nach bisherigem Recht die für die Verteilung an die ungesicherten Gläubiger zur Verfügung stehende Masse mit den durch die Kreditsicherheiten verursachten Abwicklungskosten belastet ist, obwohl nur die gesicherten Gläubiger von der Verwertung profitieren. Künftig haben die Sicherungsgläubiger zwar an sich einen Beitrag zu den Verwertungskosten zu leisten, können diese Kosten aber in die Sicherungsabrede einbeziehen. 746 Da die zur Verteilung an die ungesicherten Gläubiger bereitstehende Masse dadurch ebenfalls gemindert wird, tragen diese im wirtschaftlichen Ergebnis auch weiterhin die Abwicklungskosten. Auch unter diesem Gesichtpunkt haben die enthaftungsorientierten Vorschläge daher ihre Berechtigung. b) Problematik
Vorschläge zur Einschränkung der Kreditsicherheiten beschränken die Möglichkeit der GmbH, durch die Bestellung von Kreditsicherheiten verliehene Liquidität zu sChöpfen747 , solange sie noch über unbesicherte Vermögensgegenstände verfügt. Dabei ist die Liquiditätsschöpfung im Rahmen besicherter Kredite für sich genommen nichts Anstößiges. Problematisch ist nur, daß sie in ihrer Wirkung ambivalent ist. Denn je nach dem, ob ein Schuldner nur vorübergehend in Zahlungsschwierigkeiten ist, oder ob es sich um ein dauerhaftes finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht handelt, wird durch die Zuführung verliehener Liquidität entweder die Solvenz des Schuldners bewahrt oder aber ein unabwendbarer finanzwirtschaftlicher Erstickungsprozeß unnötig verlängert?48 Werden letzterenfalls nach 745 Vgl. auch oben unter B.III.2.f); zusammenfassend zu der weiteren Kritik des Schrifttums an der Wirkung von Kreditsicherheiten DrukarclYk (1987), S. 170 f. 746 Vgl. hierzu bereits oben unter B.III.2.f) a.E. 747 Näher hierzu oben unter C.lY.2.
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen
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und nach sämtliche Vennögensgegenstände der GmbH zur Sicherheit an die Gläubiger übertragen, so fehlt es schließlich an dem liquiden oder kurzfristig liquidierbaren Vennögen, das für die Insolvenzeröffnung zwingend erforderlich ist. 749 Die Schwierigkeit besteht nun darin, die legitime Zuführung verliehener Liquidität bei vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten von der wegen Verlängerung des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses unerwünschten Zuführung verliehener Liquidität abzugrenzen. Gleichwohl müssen sich Vorschläge zur Enthaftung von Kreditsicherheiten an dieser Grenzziehung orientieren. Nur so läßt sich nämlich venneiden, daß ein berechtigtes Kreditbedürfnis infolge einer Verteuerung oder Verknappung von Krediten vereitelt wird. Insoweit wurde oben 750 bereits herausgearbeitet, daß mit diesbezüglichen Anpassungsmaßnahmen der potentiellen Kreditgeber dann am wenigsten zu rechnen ist, wenn Vorschläge zu einer Enthaftung von Kreditsicherheiten an den Zeitpunkt der Kreditvergabe anknüpfen. Im folgenden sollen nun die wesentlichen Vorschläge für eine Enthaftung von Kreditsicherheiten daraufhin überprüft werden, ob und inwiefern sie den genannten Anforderungen gerecht werden.
c) Diskussion ausgewählter Vorschläge zur Beschränkung der Sicherungskraft
aa) Vorbemerkung Im folgenden bleiben alle Vorschläge unberücksichtigt, die die Lösung des Kollisionsproblems zum Ziel haben, also den Fall, daß mehrere Kreditsicherungsrechte in sich einander ausschließender Weise an demselben Gegenstand bestellt sind. 751 Denn vorliegend geht es um die Analyse der Funktionsfahigkeit des Insolvenzrechts und nicht der des Kreditsicherungsrechts. Desgleichen bleiben die Vorschläge unberücksichtigt, die den Herausgabeanspruch der aus- und absonderungsberechtigten Gläubiger auf das Sicherungsgut beschneiden wollen, um so die wirtschaftliche Einheit des von der GmbH betriebenen Unternehmens zu wahren. Denn insoweit handelt es sich vor allem um ein Problem der Masseverwertung, aber nicht der Insolvenzauslösung. 752 Vielmehr sollen im folgenden die Vorschläge un748 Eingehend zum Problem der ambivalenten Wirkung bei der Zuführung von verliehener Liquidität bereits oben unter D.LI., dort insbesondere bei b) - e) und h). 749 Näher hierzu oben unter B.L3.a) und b). 750 Unter C.IV.5.c). 751 Vgl. dazu die Vorschläge von Drobnig (1976), S. F68 f., F71 ff., von Adams (1980), S. 282, 286 f., 288 a.E., 315 f., und von Duttle (1986), S. 348 ff. Zur Analyse dieser Vorschläge vgl. Henckel (1976), S. 021 f.; Duttle (1986), S. 299 ff.; Drukarczyk (1987), S. 188 ff. Nur nebenbei sei darauf hingewiesen, daß sich der mit dieser Arbeit noch zu unterbreitende Vorschlag für ein System der Insolvenzauslösung auch zur Lösung des Kollisionsproblems eignet; vgl. dazu die ausführliche Anmerkung unten unter E.II.3.c)ff)(5) in Fn. 271. 752 Methodenkritisch zu der in diesem Zusammenhang immer wieder anzutreffenden Effizienzbeurteilung (etwa bei Duttle [1986], S. 299) äußert sich EIsehen (1987), S. 242.
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tersucht werden, die auf die Durchführung eines Insolvenzverfahrens zielen, indem sie für die Bereitstellung der dafür benötigten Mittel sorgen. Hierzu zählen die Vorschläge von Henckel - dazu unter bb) -, von Franke - dazu unter cc) - und von der Kommission für Insolvenzrecht - dazu unter dd).
bb) Der Vorschlag von Henckel Henckel hält diejenigen Gläubiger, die über die Verhandlungsmacht verfügen, sich Kreditsicherheiten einräumen zu lassen, auch zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrages für besonders geeignet, weil sie "am ehesten einen Überblick über die wirtschaftliche Situation des Schuldners haben,,753. Sie müßten daher an der Insolvenzeröffnung interessiert werden. Dies setze voraus, daß ihnen "trotz ihrer Sicherheiten im Konkurs ein Risiko verbleibt.,,754 Henckel hat insoweit vor allem die Inhaber besitzloser Mobiliarsicherheiten im Blick, weil die Kosten für die Abwicklung solcher Sicherheiten die Masse erheblich belasten und weil die Quoten der ungesicherten Gläubiger dadurch gemindert werden. 755 Er schlägt vor, daß Sicherungseigentümer und Sicherungszessionare ihr Absonderungsrecht verlieren sollten und ihnen stattdessen "eine bevorzugte Rangklasse unter den Konkursgläubigern ein(ge)räumt" wird. 756 Vorangehen sollen dieser Rangklasse allerdings die Massekosten nach § 58 KO, die Masseverbindlichkeiten nach § 59 KO und die Forderungen i. S. d. § 61 I Nr. 1,3,4 und 5 KO. Dabei gehen die Massekosten vor, weil die Verwaltung der Masse auch den gesicherten Gläubigem zugute kommt, und zwar insbesondere hinsichtlich der oft arbeitsaufwendigen Feststellung der Sicherungsrechte. Was den Vorrang der Masseschulden nach § 59 I Nr. 1 und 4 KO angeht, so würde die Masse dadurch nicht unberechtigt geschmälert, weil ihr entweder ein vorteilhafter Gegenwert zufließt oder aber ein ungerechtfertigter Vorteil herauszugeben ist. Hingegen seien die Masseschulden aus § 59 I Nr. 2 und 3 KO aus sozialen Gründen vorrangig, ebenso wie die bevorrechtigten Forderungen aus § 61 I Nr. 1,3,4 und 5 KO. 757 Das Kemproblem besteht nunmehr darin, festzulegen, in welcher Weise die mobiliargesicherten Gläubiger am Insolvenzrisiko teilnehmen sollen. Hierzu schlägt Henckel vor, mit den erwähnten vorrangigen Verbindlichkeiten sowohl die mobiliargesicherten als auch die ungesicherten Gläubiger zu belasten, indem die jeweilige Masse, die zur Befriedigung dieser Gläubigergruppen zur Verfügung steht, entsprechend gekürzt wird. Infolgedessen erhalten die mobiliargesicherten Gläubiger, selbst dann, wenn sie in voller Höhe ihrer Kapitalforderung gesichert sind, nur eiBeleg und Zitat bei Henckel (1976), S. 018. Ebd.; ebenso K. Schmidt (I982a), S. 054. m AaO. (Fn. 753), S. 019. 756 Beleg aaO. (Fn. 753), S. 022 f., mit rechtshistorischen und -vergleichenden Erwägungen; Zitat aaO., S. 023. 757 Näher aaO. (Fn. 753), S. 023 ff. 753
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nen bestimmten Anteil von dem Verwertungserlös ihres Sicherungsgutes. Im übrigen werden sie zu einfachen Gläubigern. Ferner ist, um eine Umgehung durch Übersicherungen auszuschließen, die Höhe des aus dem Sicherungsgut erzielten Erlöses auf die Höhe der Kapitalforderung begrenzt. Was nun den Anteil angeht, um den der gesicherte Anspruch des jeweiligen Mobiliarsicherungsgläubigers gekürzt werden soll, so steht der zum gesicherten Anspruch in dem gleichen Verhältnis, das zwischen der Summe der vorrangigen Forderungen i.S.v. §§ 58, 59, 61 I Nr. 1, 3-5 KO und dem Verwertungserlös der Gesamtmasse (einschließlich der Absonderungsrechte ) besteht. 758 Bei der Würdigung von Henckels Vorschlag ist festzuhalten, daß er durch die Beseitigung der Verwertungsbefugnis der Mobiliarsicherungsgläubiger, durch den veränderten Rang der mobiliargesicherten Forderungen sowie durch deren teilweise Rückstufung in ungesicherte Forderungen sein Ziel erreicht, die für eine Insolvenzeröffnung erforderliche Masse zu vergrößern. Auch berücksichtigt er das Gerechtigkeitsdefizit, daß die Mobiliarsicherungsgläubiger an den Abwicklungskosten nicht beteiligt sind. Gleichwohl ist die Art und Weise, in der sich Henkels Vorschlag auf die Mobiliarsicherungsgläubiger auswirkt, problematisch. Für die Gläubiger mobiliargesicherter Forderungen verursacht Henckels Vorschlag erhebliche Informationskosten, wenn sie die Werthaltigkeit einer Mobiliarsicherheit für den Insolvenzfall vorausschätzen wollen. Sie müßten dazu nämlich sowohl den Wert der gesamten - nach Henckel - vorrangigen Forderungen als auch den Verwertungserlös der gesamten Masse einigermaßen zutreffend antizipieren können. Das aber ist ausgeschlossen, denn diese Faktoren sind vom künftigen Verhalten des Schuldners, des Insolvenzverwalters und anderer Dritter abhängig und damit einer Beurteilung durch die Mobiliarsicherungsgläubiger entzogen. Die Mobiliarsicherheiten würden somit als Sicherungsmittel erheblich entwertet, was mutmaßlich negative Konsequenzen für eine preiswerte Kreditversorgung hätte. Dem Nachteil der erschwerten Risikoantizipation läßt sich nicht entgegenhalten, daß darin gerade der Anreiz für die Mobiliarsicherungsgläubiger läge, sich infolge des überbürdeten Risikos für eine rechtzeitige Insolvenzauslösung zu interessieren. Denn dem steht entgegen, daß die Mobiliarsicherungsgläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das Vermögen der GmbH im Rahmen der Einzelzwangs758 Vgl. Henckel (1976), S. 026 f.; ders. (1981), S. 1300 f. Zur Verdeutlichung sei noch das von Henckel jeweils aaO. aufgeführte Beispiel wiedergegeben: Ein Mobiliarsicherungsgläubiger hat eine Forderung von DM 8.000. Selbst wenn die ihm hierfür bestellten Sicherheiten mit DM 10.000 verwertet worden sind, ist von einem Verwertungserlös der Sicherungsgutes (VS) von DM 8.000 auszugehen. Erbringt die Verwertung der gesamten Insolvenzmasse - einschließlich aller Mobiliarsicherheiten - (VG) einen Betrag von DM 100.000 und beträgt die Summe aller vorrangig zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten (VV) DM 25.000, so berechnet sich der Anteil der Belastung des Sicherungsrechts (A) nach der Formel: A = (VS x VV) : VG =(8.000 x 25.(00) : 100.000 = DM 2.000. Die ursprünglich gesicherte Forderung des Mobiliarsicherungsgläubigers über DM 8.000 ist danach nur noch in Höhe von (8.000 ./. 2.000 =) DM 6.000 als gesicherte Forderung zu behandeln. Mit den übrigen DM 2.000 wird er zum ungesicherten Gläubiger.
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vollstreckung zugreifen können, um dabei den vollen Erlös ihrer Sicherheiten zu vereinnahmen. Für die mobiliargesicherten Gläubiger besteht dann aber kaum ein Anreiz, ein Insolvenzverfahren zu beantragen, von dem sie wissen, daß sie bei seiner Durchführung einen erheblichen Teil ihrer Sicherungsrechte einbüßen werden. 759 Im Ergebnis besteht das Verdienst von Henckel darin, vom Prinzip her einen Weg aufgezeigt zu haben, wie die Massehaltigkeit von Insolvenzverfahren besser gewährleistet werden kann, ohne daß vereinbarte Kreditsicherheiten ihren Wert im Insolvenzfall gleich vollständig verlieren. 76O Der konkret vorgeschlagene Weg kann allerdings nicht empfohlen werden.
cc) Der Vorschlag von Franke Auch Franke will die gesicherten Gläubiger stärker in die Verantwortung für die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags einbinden, indem er die Konkursbeständigkeit der Mobiliarsicherheiten aufweicht. Er schlägt vor, den ungesicherten Gläubigern einen gewissen Mindestanteil am schuldnerischen Vemögen zu reservieren. 761 Dieser Mindestanteil soll so hoch sein, wie eine gesetzlich festzulegende Quote762 derjenigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die diese einen Monat vor Eintritt der Insolvenz hat. Rechte aus Verträgen über Mobiliarsicherheiten sollen für die entsprechend gesicherten Gläubiger nur dann Bestand haben, wenn der eben definierte Mindestanteil am Vermögen des Schuldners für die Befriedigung der ungesicherten Gläubiger zur Verfügung steht. Anderenfalls soUen die Ansprüche aus den Sicherungsverträgen auf die Hälfte des ursprünglichen Wertes beschränkt werden. Dabei soll dieser Wert höchstens die Hälfte der Kapitalforderung betragen dürfen, um Umgehungen durch Übersicherungen vorzubeugen. 763 Das besondere an Frankes Vorschlag ist, daß die Bezugsgröße für die Quote, die den Mindestanteil der ungesicherten Gläubiger am Vermögen des Schuldners festlegt, an einen Zeitpunkt anknüpft, der vor demjenigen des Insolenzeintritts liegt. Dadurch wird erreicht, daß die mobiliargesicherten Gläubiger - anders als bei dem Vorschlag von Henckel - von einer früheren Verfahrensauslösung Vorteile haben, da anderenfalls - infolge des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses - "die Wahrscheinlichkeit einer Kürzung ihrer Sicherheiten bei Abwarten wächst.,,764 759 Vgl. Drukilrczyk (1983), S. 342 ff.; ders. (1987), S. 203 ff.; Duttle (1986), S. 321 ff.; A. Weber (1992), S. 1134 (sub b); ferner Franke (I 984a), S. 167. 760 So aber der Vorschlag von Münzel (1951), S. 134. 761 Vgl. Franke (l984a), S. 167. 762 Später hat Franke s~inen Vorschlag einer festen Quote noch um eine flexible Variante ergänzt, ders. (l984b), S. 695. Danach sollen die ungesicherten Gläubiger von den mobiliargesicherten generell die Hälfte des Betrages erhalten, mit dem sie ausfallen. 763 Vgl. Franke, aaO. (Fn. 761), S. 167. 764 AaO. (Fn. 761), S. 168; dort auch mit eingehender Begründung.
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Die Mobiliarsicherungsgläubiger müssen also daran interessiert sein, so rechtzeitig Maßnahmen gegen den drohenden finanziellen Kollaps des Schuldners zu ergreifen, daß die ungesicherten Gläubiger zumindest ihren Mindestanteil erhalten. Bei diesen Maßnahmen muß es sich nicht um einen Insolvenzantrag handeln. In Frage kommt auch die Aufnahme von Sanierungsverhandlungen oder die Glattstellung von Krediten. Entscheidend ist, daß die Mobiliarsicherungsgläubiger dazu angehalten werden, die Bonität der GmbH im Auge zu behalten. Da dies voraussetzt, daß den Mobiliarsicherungsgläubigern eine Frühwarnung zugeht, schlägt Franke vor, daß die Mobiliarsicherungsgläubiger in den Sicherungsverträgen mit der GmbH für den Fall, daß diese in Schwierigkeiten gerät, auf die Vereinbarung von Warnpflichten dringen sollten. 765 Zu Frankes Konzeption ist kritisch anzumerken, daß sich nicht sicherstellen läßt, daß sich die Geschäftsführung der GmbH tatsächlich an die vereinbarte Warnpflicht hält. 766 Insoweit besteht die gleiche Unsicherheit wie bei der Einhaltung der Insolvenzantragspflicht durch die Geschäftsführer. Dieser Unsicherheit soll das Initiativrecht der Gläubiger zur InsolvenzantragsteIlung entgegenwirken. Daß bei Frankes Vorschlag gerade diejenigen, deren Geschäftsgebaren überwacht werden soll, dazu verpflichtet sein sollen, mitzuteilen, wann ein besonderer Überwachungsbedarf angezeigt ist, verkehrt das Ziel des Initiativrechts ins Gegenteil. Dies vor allem deshalb, weil Franke nichts darüber sagt, wie Verletzungen der Warnpflicht sanktioniert werden sollen. Die Gläubiger sind somit gut beraten, wenn sie ihren Schuldner fortlaufend überwachen. 767 Damit aber läuft Frankes Vorschlag einer wichtigen Funktion von Kreditsicherheiten zuwider, nämlich die Gläubiger von der Last der fortlaufenden Überwachung zu befreien. 768 Auch bei Frankes Vorschlag ist daher mit Kreditverteuerungen zu rechnen. Hinzukommt, daß dann, wenn die Gläubiger im Rahmen dieser Überwachung eine wirtschaftliche Situation der GmbH bemerken, die dazu führen könnte, daß ihre Sicherungsrechte in der vorgesehenen Weise gekürzt werden, sie entweder im Rahmen des Einzelzugriffs versuchen werden, zu retten, was zu retten ist, oder einen Insolvenzantrag lieber jetzt als später zu stellen. Beide Verhaltensweisen bergen jedoch die Gefahr in sich, daß es - bei Einzelzugriffen mittelbar über den Liquiditätsentzug, sonst unmittelbar - zu einer zu frühen Verfahrensauslösung kommt. 769 Aus rechtlicher Perspektive vermag zudem nicht einzuleuchten, weshalb gerade die Mobiliarsicherungsgläubiger für die rechtzeitige InsolvenzantragsteIlung als Vgl. aaO. (Fn. 761), S. 168 ff. Ausführlich dazu Drukarczyk (1987), S. 105 f. 767 Das hält auch Franke, aaO. (Fn. 761), S. 168 (sub H., dort zu 4.), für eine denkbare Gläubigerreaktion. 768 Das räumt er selbst ein, vgl. aaO. (Fn. 761), S. 175. 769 Eindringlich weist hierauf Hommelhoff (1984), S. 702, hin. Vgl. auch Drukarczyk (1987), S. 107. 765
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einzige dadurch in die Pflicht genommen werden sollen, daß sie mit dem Verlust eines Teils ihrer Sicherungsrechte bedroht werden, falls sie die ihnen auferlegten Sachwalterpflichten verietzen. 770 Frankes Vorschlag krankt somit noch an erheblichen Schwächen. Wie noch zu zeigen sein wird77 ), ist allerdings seine Idee ausbaufähig, für die Frage der Unwirksamkeit von Sicherungsgeschäften nicht auf die Verhältnisse abzustellen, die bestehen, wenn der finanzielle Kollaps nach Ablauf des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses schlußendlich eintritt, sondern insoweit einen früheren Zeitpunkt zu wählen. Denn durch die Integration der zeitlichen Komponente, die jedem finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß innewohnt, in das Konzept einer Enthaftung von Kreditsicherheiten, werden die gesicherten Gläubiger dem Grunde nach zu vorausschauendem Verhalten angehalten.
dd) Der Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht Wegen der skizzierten Schwierigkeiten einen dynamisch definierten Verfahrensbeitrag sachgerecht festzulegen, hat sich die Insolvenzrechtskommission für einen pauschalen Verfahrensbeitrag ausgesprochen. Danach soll den Mobiliarsicherungsgläubigern ein Betrag in Höhe von 25 Prozent des aus dem Sicherungsgut erzielten Verwertungserlöses abgezogen werden. Um Umgehungen durch Übersicherungen zu vermeiden ist die Höhe des Verwertungserlöses auf den Betrag der Kapitalforderung begrenzt. 772 Von den Grundpfandläubigern soll, bezogen auf den Verwertungserlös des Grundstückszubehörs, ein Verfahrensbeitrag in Höhe von 10 Prozent verlangt werden. 773 In bei den Fällen sollen die Gläubiger durch den Verfahrensbeitrag an den Kosten für die Feststellung und Abwicklung der Sicherheiten beteiligt werden. 774 Bei dem Verfahrensbeitrag für die mobiliargesicherten Gläubiger kommt noch ein weiterer Zweck hinzu: er soll "den ungesicherten Insolvenzgläubigern einen gewissen Ausgleich dafür bieten, daß die Anerkennung von Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung sowie verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt durch die Rechtsprechung zu einer drastischen Einschränkung ihrer Befriedigungsaussichten geführt hat. ,,775 Es fragt sich allerdings, weshalb dieser Ausgleich lediglich von den Mobiliarsicherungsgläubigern und nicht auch im gleichen Umfang von den Inhabern der Be770
Eingehend hierzu Hommelhoff(1984), S. 705 ff.
m Unten unter E.II.3.c), dort unter ce), dd)(1) und dd)(3); vgl. auch unten unter D.IY.3.d)
(sub viertens). 772 Vgl. Kommission für Insolvenzrecht (1985), LS 3.3.2 (S. 312); vgl. auch LS 2.3.9 (S. 215 f.). 773 Vgl. Kommission für Insolvenzrecht (1985), LS 3.5.1, Abs. I (S. 333). 774 Vgl. Kommission für Insolvenzrecht (1985), S. 312 (Begründung zu LS 3.3.2) und S. 334 (Begründung zu LS 3.5.1). 775 Kommission für Insolvenzrecht (1985), Begründung zu LS 3.3.2 (S. 312).
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sitz- und Grundpfandrechte erbracht werden soll. Denn auch durch die mit Besitzund Grundpfandrechten besicherten Kreditverträge wird dem Schuldner verliehene Liquidität zugeführt, die für den Fall, daß es sich um ein dauerhaftes finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht handelt776 , den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß unnötig verlängern kann 777 . Das verkennt die Insolvenzrechtskommission, wenn sie den unterschiedlich hohen Verfahrensbeitrag bei Mobiliarsicherheiten und Grundstückszubehör mit der "besonderen Bedeutung des langfristigen Bodenkredits,,778 rechtfertigt. Im Gegenteil, wenn dem Schuldner im Zustand eines dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts langfristig Geld zugeführt wird, so wird der unerwünschte finanzwirtschaftliehe Erstickungsprozeß damit sogar besonders nachhaltig verlängert. Auch soweit die Insolvenzrechtskommission den Belastungsunterschied mit der "stärkeren Publizität der Zubehörhaftung,,779 erklärt, überzeugt das nicht. Denn wie Stürner dargelegt hat, setzt dieses Argument voraus, daß die ungesicherten Gläubiger ausfallen, weil die fehlende Publizität der Mobiliarsicherheiten ursächlich für ihre Kreditvergabe war. An dieser Ursächlichkeit fehlt es jedoch, denn zum einen ist mit Mobiliarsicherheiten im Geschäftsleben regelmäßig zu rechnen und zum anderen besteht eine wirtschaftliche Notwendigkeit zur Kreditgewährung, um miteinander ins Geschäft zu kommen. 78o Hinzukommt, daß durch den Belastungsunterschied denjenigen Schuldnern der Marktzugang erschwert wird - etwa Existenzgründern -, die (noch) nicht über beleihbares Grundvermögen verfügen?81 Es erscheint mithin nicht sachgerecht, die Ausgleichsbeträge zur Verbesserung der Befriedigungsaussichten ungesicherter Gläubiger lediglich den Mobiliarsicherungsgläubigern aufzubürden. Sofern solche Beiträge überhaupt gerechtfertigt sind782 , müßten sie von sämtlichen Sicherungsnehmern durch eine anteilige Enthaftung ihrer Kreditsicherheiten entrichtet werden. 783 Durch den Vorschlag der Insolvenzrechtskommission soll der Sicherungsnehmer ferner veraniaßt werden, "bei der Vergabe eines Kredits die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Schuldners genauer zu prüfen als bisher und gegebenenfalls den Umfang des Kredits einzuschränken.,,784 Die Anknüpfung an die Kreditvergabe ist sachgerecht gewählt. 785 Denn wie bereits gezeigt wurde 786, kommt es darauf an, Zur Problematik vgl. oben unter D.IV.3.b). Nicht ,,muß", denn den Geschäftsführern steht es frei, Insolvenzantrag zu stellen, bevor der finanzielle Kollaps eintritt. 778 Kommission für Insolvenzrecht (1985), S. 334 (Begründung zu LS 3.5.1). 779 Ebd. 776 777
780 Vgl. ders. (1981), S. 269; ihm folgend Drobnig (1986), S. 269 m.w.N.; dazu auch oben unter C.I.2.b). Vgl. auch Dorndorf(1986), S. 33 f. 781 Vgl. C. Paulus (1985), S. 1459. 782 Ablehnend insoweit unten unter E.II.3.c)bb). 783 Ebenso Stürner (1981), S. 269 f.; C. Paulus (1985), S. 1449; Drobnig (1986), S. 269. 784 Kommission für Insolvenzrecht (1985), S. 300. 785 Vgl. auch die Hinweise bei Landfermann (1986), S. 285.
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D. Analyse
ob sich der Schuldner im Zeitpunkt der Zufuhr verliehener Liquidität, also im Zeitpunkt der Kreditvergabe, in einem dauerhaften oder aber nur in einem vorübergehenden finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht befindet. Nur wenn das finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht dauerhafter Natur ist, droht den Gläubigem ein Ausfallrisiko, falls sie im bloßen Vertrauen auf die Konkursfestigkeit ihrer Kreditsicherheit besicherten Kredit gewähren. Damit wird ein wirksamer Anreiz geschaffen, auf Liquiditätszuführungen zu verzichten, die zwar dem eigenen Geschäftsinteresse als Kreditgeber dienen, die aber den alle belastenden finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß lediglich verlängern. Besteht hingegen nur ein vorübergehendes finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht, dann ist es auch unwahrscheinlich, daß es zu einer Insolvenz kommt, so daß insoweit kein Ausfallrisiko infolge einer Belastung mit Verfahrenskosten droht. Leider hat die Insolvenzrechtskommission das beabsichtigte Ziel, gesicherte Gläubiger zu vermehrter Sorgfalt bei der Kreditvergabe anzuhalten, nicht umgesetzt. Vielmehr werden alle Gläubiger, und nicht nur diejenigen, die bei der Kreditvergabe zu leichtfertig vorgegangen sind, mit dem Verfahrenskostenbeitrag belastet. Damit entfällt aber zum einen die Steuerungswirkung, nämlich gezielt diejenigen Gläubiger in die Verantwortung zu nehmen, die durch die von ihnen bewirkte Liquiditätszufuhr, den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß unnötig verlängert haben. Zum anderen wird dadurch den mobiliargesicherten Gläubigem, ebenso wie bei dem Vorschlag von Franke, die ständige Überwachung der schuldnerischen GmbH auferlegt. Hinsichtlich der mit einer gesicherten Kredithingabe verbundenen Kosten macht es aber einen gravierenden Unterschied, ob die Kreditwürdigkeit des Schuldners nur einmal im Zeitpunkt der Kreditvergabe oder aber während der gesamten Kreditlaufzeit immer wieder erneut überprüft werden muß?87 Festzuhalten ist, daß der Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht das selbst gesteckte und sachgerechte Ziel, nämlich für die Enthaftung von Kreditsicherheiten an den Zeitpunkt der Kreditvergabe anzuknüpfen, verfehlt. Ferner darf eine Enthaftung - entgegen dem Vorschlag - nicht nur die Mobiliarsicherungsgläubiger treffen.
Oben unter D.IY.3.b). Ähnlich Drukarczyk (1985), S. 59, der zu Recht darauf hinweist, daß durch den Vorschlag der Kommission für Insolvenzrecht, Verfahrensbeiträge von den Mobiliarsicherungsgläubigern zu verlangen, die ,,Eigenschaft von Mobiliarsicherheiten, Ausfallrisiken zu vernichten, ( ... ) in jedem Sicherungsvertrag verkürzt (wird). Der Nutzen ( ... ) tritt aber nur in der vergleichsweise geringen Zahl von Insolvenzfällen ein." (aaO., Hervorhebung auch im Original). 786 787
IV. Ziele und Schwächen haftungsrechtlicher Regelungen
333
d) Folgerungen Aus dem bislang gewonnenen Problemverständnis hinsichtlich einer Enthaftung von Kreditsicherheiten lassen sich für den weiteren Fortgang der Arbeit wesentliche Erkenntnisse gewinnen. Erstens: Kreditsicherheiten sind für den jeweiligen Sicherungsgläubiger ein legitimes Mittel, um sein Ausfallrisiko zu minimieren. Daß einzelne Gläubiger über die Verhandlungsmacht verfügen, Kreditsicherheiten zu erhalten, ist auch Ausdruck einer unterschiedlichen Wettbewerbsposition der Gläubiger. 788 Entgegen Henckel kann die bloße Eigenschaft als gesicherter Gläubiger daher noch nicht geeignet sein, als Anknüpfungspunkt für spezifische Warn- und / oder Überwachungspflichten im Falle einer drohenden Insolvenz des Schuldners zu dienen. Zweitens: Soweit die freie Masse 789 nicht hinreicht, um die Verfahrenskosten zu berichtigen, ist es dem Grunde nach möglich, die zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens erforderliche freie Masse dadurch zu schaffen, daß die Ansprüche der - an sich vorrangig zu befriedigenden - gesicherten Gläubiger gekürzt werden. Der infolgedessen ersparte Betrag kann dann zur Deckung der Verfahrenskosten verwandt werden. 790 Drittens: Sofern die Ansprüche gesicherter Gläubiger zwecks Finanzierung der Verfahrenskosten gekürzt werden sollen, dürfen nicht nur die Gläubiger von Mobiliarsicherheiten davon betroffen sein. Vielmehr müßten einer solchen Maßnahme alle Gläubiger unterliegen, die dem Schuldner gesicherten Kredit gewährten. Viertens: Indem für die Beurteilung einer eventuellen Unwirksamkeit von Kreditsicherheiten auf die Bonität der GmbH in einem Zeitpunkt vor Insolvenzeintritt abgestellt wird, läßt sich auch für die Gläubiger gesicherter Kredite ein Anreiz schaffen, bei der Kreditvergabe nicht nur auf die Konkursfestigkeit ihrer Sicherheit zu vertrauen, sondern auch die Kreditwürdigkeit der GmbH im Auge zu behalten. Fünftens: Maßgebend dafür, welche gesicherten Ansprüche zwecks Deckung der Verfahrenskosten gekürzt werden müssen, ist, ob das finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht, das schließlich zur Insolvenz der GmbH führte, im Zeitpunkt der Hingabe des gesicherten Kredits nur vorübergehender oder aber dauerhafter Natur war?91 Nur so können Kreditverteuerungen vennieden werden. Zu diesen käme es, wenn diejenigen, die bereits gesicherten Kredit erteilt haben, nach dem Zeitpunkt ihrer Kreditvergabe über den bisherigen Umfang hinaus zu Überwachungs-
788 Vgl. insoweit Flessner (\98Ia), S. \17. Daher kann entgegen Häsemeyer (\982b), S. 529 et passim, auch nicht das .. Maß ( ... ) des Gläubigereinflusses" angeben, in welchem Umfang einzelne Forderungen im Konkurs zurückzustehen haben. 789 Im Sinne der oben unter B.I.2.d)aa) gegebenen Definition. 790 V gl. auch Smid (\ 992), S. 504. 791 Zur Wünschbarkeit eines solchen objektiven Maßstabes vgl. F Weber (\ 959), S. 85, sowie Drobnig (\ 976), S. F85.
D. Analyse
334
maßnahmen genötigt wären. Zugleich gewährleistet das genannte Kriterium, daß gerade diejenigen gesicherten Gläubiger in die Verantwortung genommen werden, die durch die von ihnen bewirkte Liquiditätszufuhr den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß trotz dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts verlängert haben. Durch den möglicherweise drohenden Ausfall ihrer gesicherten Ansprüche werden Gläubiger vor einer leichtfertigen, gegebenenfalls eigennützigen, vor allem aber drittschädigenden Kreditvergabe gewarnt. Sechstens: Gläubiger, die in der Lage sind, für Ihren Kredit Sicherheiten zu verlangen, können zwar in der eben beschriebenen Weise zu vorsichtiger Kreditvergabe veranIaßt werden. Doch ist nicht erkennbar, wie sie - sofern sie ein Insolvenzantragsrecht hätten - darüber hinaus zu einer Insolvenzauslösung angehalten werden könnten, die weder zu früh noch zu spät greift. Lediglich mittelbar können sie durch vorsichtige Kreditvergabe dazu beitragen, daß der GmbH während eines finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts keine weitere Liquidität zugeführt wird, so daß ihre Insolvenz früher als sonst offenbar wird. 792
V. Resümee: Weitere Anhaltspunkte für einen sachgerechten Insolvenzauslöser
Die zentrale Frage der im Kapitel D. in den Abschnitten I. bis IV. durchgeführten Untersuchung war, inwieweit die einzelnen Systembausteine zur rechtlichen Bewältigung einer Insolvenzsituation bei der GmbH den im Kapitel C. dargelegten Wirksamkeitsbedingungen für ein funktionstüchtiges Insolvenzrecht gerecht werden. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchung sollen nun zusammengefaßt werden, um so - gemeinsam mit den bereits unter C.V. zusammengefaßten Ergebnissen - den Rahmen abzusteken, innerhalb dessen sich die weiteren Überlegungen zu bewegen haben. 1. Die Fähigkeit der GmbH ihre Zahlungspflichten vereinbarungsgemäß zu erfüllen, hängt entscheidend davon ab, ob sich die GmbH im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht befindet, d. h. ob die Höhe der Einzahlungen mindestens die der Auszahlungen erreicht. Befindet sich die GmbH nicht im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht dann sind die Rückzahlungsansprüche der Gläubiger potentiell gefährdet. Akut wird diese Gefahr, wenn das finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht nicht nur vorübergehender, sondern dauerhafter Natur ist. Ist das der Fall, dann vermögen weitere Liquiditätszuführungen den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß zwar zu verzögern, aber nicht aufzuhalten. In den herkömmlichen Termini der bilanzmäßigen Vermögensrechnung ausgedrückt bedeutet das, daß sich die Verbindlichkeiten weiter erhöhen, ohne daß dadurch neues haftendes Vermögen geschaffen wird.
792
Vgl. auch Franke (I984a), S. 164.
V. Resümee: Weitere Anhaltspunkte
335
2. Drei Formen der Liquiditätszuführung können insoweit problematisch sein. Erstens das Problem der Liquiditätszuführung durch kapitalersetzende Leistungen, nämlich der Fall, daß die Gesellschafter ihren Finanzierungsbeitrag anders als in Form der Stammeinlage erbringen. Zweitens die Fälle der Liquiditätsschöpfung aus Desinvestitionen, in denen die Gesellschaft Vermögensgegenstände veräußert und sich gegebenenfalls, sofern sie die veräußerten Vermögensgegenstände für ihren betrieblichen Leistungsprozeß weiter benötigt, das Nutzungsrecht daran vorbehält. Und drittens die Zuführung verliehener Liquidität durch gesicherte Gläubiger, indem diese gegen Kreditgewährung sicherungsweise Eigentum an Vermögensgegenständen der Gesellschaft erhalten. a) Das Problem der Liquiditätszuführung durch kapitalersetzende Leistungen läßt sich im Rahmen des Kapitalersatzrechts befriedigend lösen. Es konnte gezeigt werden, daß dessen Zweck darin besteht, zu verhindern, daß die Gesellschafter in Finanzierungsformen ausweichen, die die bei der GmbH gesetzlich vorgegebene Haftungsordnung konterkarieren und damit den beabsichtigten Gläubigerschutz leerlaufen lassen. Infolgedessen werden vom Kapitalersatzrecht alle Leistungen der Gesellschafter erfaßt, die dazu führen, daß deren Haftungsprivileg über den Zeitpunkt hinaus wirkt, von dem ab die Gesellschaft nicht mehr kreditwürdig und demzufolge gläubigergefährdend ist. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Regelung des § 32a III GmbHG zu. Entscheidende Voraussetzung für die Wirksamkeit des Kapitalersatzrechts ist allerdings, daß es nicht zu einer Flucht in die Masselosigkeit kommt, weil anderenfalls mangels Durchführung eines Insolvenzverfahrens die Ansprüche auf Rückgewähr oder Belassen kapitalersetzender Leistungen brachliegen. Außerdem gingen hiervon unerwünschte Anreizverzerrungen aus, weil ein Geschäftsanteil dann trotz vollständigen Verlustes der Einlage für die Gesellschafter rentabel sein kann. b) Im Fall der Zuführung von Liquidität aus Desinvestitionen stehen die veräußerten Vermögensgegenstände weder für die Finanzierung eines Insolvenzverfahrens noch für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung. Da die Insolvenz der GmbH - unter der Prämisse eines finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts - letztlich unabwendbar ist, bewirkt eine Liquiditätsschöpfung aus Desinvestitionen lediglich, daß der Eintritt der Insolvenz zu Lasten der Gläubiger verzögert wird. Hinzukommt, daß die Verkürzung der Haftungsmasse für die Gläubiger regelmäßig nicht erkennbar ist. Insoweit erfüllen die bestehenden Regelungen zum Schutz des Gesellschaftsvermögens als Haftungssubstrat für die Gläubiger ihre Aufgabe nur höchst unvollkommen. Das beruht ganz wesentlich darauf, daß diese Regelungen, wie etwa die Insolvenzantragspflicht oder die Haftung wegen Konkursverschleppung gern. § 823 11 BGB LY.m. § 64 I GmbHG, einen praktikablen Überschuldungstatbestand voraussetzen, den es aber nicht gibt und auch nicht geben kann (näher hierzu sogleich unter 3.).
336
D. Analyse
c) Was schließlich die Zuführung verliehener Liquidität angeht, so konnte gezeigt werden, daß Kreditvergaben von dem Zeitpunkt ab, da das für die spätere Insolvenz der GmbH ursächliche finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht dauerhafter Natur ist, die dann nicht mehr abwendbare Insolvenz der GmbH lediglich hinausschieben. Der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß wird dadurch zu Lasten der übrigen Gläubiger verlängert. Bislang bietet das Recht dem keinen Einhalt. Eine Lösung kann insoweit nur darin bestehen, daß die bezeichneten Kreditvergaben mit einem Ausfallrisiko bedroht werden. Wie eine solche Enthaftung im einzelnen ausgestaltet werden sollte, ist noch offen. Entscheidend ist allerdings, daß der Beurteilungsmaßstab für die Unwirksamkeit jedweder Kreditsicherheit nur darin liegen kann, ob im Zeitpunkt der Hingabe des gesicherten Kredits, also dem der Zuführung verliehener Liquidität, das für die Insolvenz der GmbH ursächliche finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht vorübergehender oder dauerhafter Natur war. Anderenfalls wären von einem Eingriff in die Wirksamkeit von Kreditsicherheiten negative Auswirkungen auf eine preiswerte Kreditversorgung zu befürchten. 3. Die Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind weder unter Geltung der KO noch der InsO geeignet, auf die soeben beschriebenen Gefährdungen der Rückzahlungsansprüche von Gläubigem sachgerecht zu reagieren. So krankt die Zahlungsunfähigkeit an einer Fehlinterpretation des Fälligkeitsmerkmals. Indem dieses bislang in einem zeitlichen statt in einem sachlichen Sinn verstanden wird, ist es unmöglich, ein vorübergehendes von einem dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht zu unterscheiden. Demgegenüber leidet die Überschuldung an einer systemimmanenten Perplexität. Für die im Rahmen der Überschuldungsprüfung vorzunehmende VermögensfeststeIlung ist nämlich zwingend eine Bewertungsprämisse erforderlich. Diese ist davon abhängig, ob die GmbH insolvent ist oder nicht. Damit wird für die Überschuldungsprüfung aber etwas vorausgesetzt, was durch die Überschuldungsprüfung gerade erst herausgefunden werden soll. 4. Von dem durch die InsO eingeführten Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit werden die Gefährdungen, denen die Rückzahlungsansprüche der Gläubiger ausgesetzt sind, vom Ansatz her richtig erfaßt. Da drohende Zahlungsunfähigkeit sachlich dasselbe Phänomen bezeichnet wie der Überschuldungstatbestand, nämlich die "Unfähigkeit zur Auszahlungsdeckung im Zeitabablaur,793, ist unverständlich, daß bei drohender Zahlungsunfähigkeit die Geschäftsführer nicht zum Insolvenzantrag verpflichtet sind und daß den Gläubigem kein Insolvenzantragsrecht zusteht. Soweit der Gesetzgeber dessen ungeachtet unterschiedliche Rechtsfolgen an die bei den Insolvenzgründe knüpft, liegt ein Fall widersprüchlicher Rechtsetzung vor.
793
Moxter (1976), Sp. 635.
y. Resümee: Weitere Anhaltspunkte
337
5. Das Anfechtungsrecht erfaßt im wesentlichen nur das Risiko einer Verkürzung der Haftungsmasse. Vor den (soeben unter 2.) genannten problematischen Formen einer Liquiditätszuführung bietet es hingegen keinen wirksamen Schutz. Abgesehen von erheblichen Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten, beachten die Anknüpfungspunkte für eine Anfechtbarkeit die Mechanismen der Masseauszehrung und die ihr innewohnende von Fall zu Fall unterschiedliche zeitliche Dynamik im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses zu wenig. Das gilt insbesondere für die praktisch wichtige Unterscheidung zwischen einer Anfechtbarkeit wegen inkongruenter bzw. kongruenter Dekkung. 6. Die umfangreichen Regelungen zum Schutz des Stammkapitals sind wenig effizient. Entgegen der h.M. haben sie keinen wirksamen Gläubigerschutz zur Folge. Zwar kann die Bereitstellung eines Stammkapitals eine gewisse Voraushaftung der Gesellschafter bewirken, doch nur, sofern das dem Stammkapital entsprechende Vermögensäquivalent noch nicht durch Verluste aufgezehrt ist und sofern das Stammkapital in hinreichender Höhe festgesetzt wurde. Infolge des - systembedingt - unwirksamen Überschuldungstatbestandes hängt die erste Prämisse unglücklicherweise vom Wohlwollen der Gesellschaftsorgane ab. Da mithin ein wirksamer Vermögensschutz nicht gewährleistet ist, sind - nebenbei gesagt - auch die Vorschriften zur Erhaltung des Stammkapitals letztlich nutzlos. Die zweite Prämisse scheitert an der lediglich formalen Festlegung des Mindeststammkapitals. Infolgedessen ist für den Fall, daß die Rückzahlungsansprüche der Gläubiger nicht erfüllt werden, nicht gewährleistet, daß die Voraushaftungsfunktion tatsächlich greift. Sowohl nach der Rechtslage unter der KO als auch nach der unter der InsO entspricht die Einzahlung auf das Stammkapital daher lediglich einem Lösegeld zur Befreiung von der persönlichen Haftung. 7. Was die Finanzausstattung der GmbH durch ihre Gesellschafter angeht, so ergab sich bei der Analyse des durch die GmbH-Novelle geschaffenen Kapitalersatzrechts ein erster Anhaltspunkt für eine materielle Kapitalisierungspflicht: Sofern die Gesellschafter die Existenz der Gesellschaft nicht gefahrden wolJen, führen die Novellen-Regeln, wegen der Maßgeblichkeit der Kreditwürdigkeit für eine Umqualifizierung in Kapitalersatz, zum Schutz einer betriebsnotwendigen Mindestfinanzausstattung durch die GeselJschafter. 8. Infolge der mangelnden Eignung der gesetzlichen Insolvenzgründe, läuft auch die an diese gekoppelte Insolvenzantragspflicht leer. Gelänge es, eine Insolvenzantragspflicht sachgerecht zu normieren, so würde dies im Falle einer Pflichtverletzung ermöglichen, hieran zivil- und / oder strafrechtliche Sanktionen festzumachen. Dabei sollte allerdings auf die fahrlässige Nichtkenntnis vom Eintritt der Insolvenzantragspflicht abgestelJt werden, denn eine Insolvenzantragspflicht erfordert permanente Se1bstprüfung. Ferner ist eine Frist wie die in § 64 I GmbHG entbehrlich. 22 Förster
338
D. Analyse
9. Regelungen zur Infonnation gesellschafts fremder Gläubiger sollten nicht ausgeweitet werden. Sinnvoll wäre es demgegenüber für die Gesellschaftsorgane, die Anreize zu einer frühzeitigen Selbstinfonnation zu erhöhen. Wegen seiner Vennögensbezogenheit und den damit verbundenen Meßbarkeitsproblemen ist § 49 1lI GmbHG insoweit allerdings nicht geeignet. 10. Eine Haftung der GmbH-Organe ist grundsätzlich erforderlich, um die infolge der Haftungsbeschränkung bei der Rechtsfonn der GmbH möglichen Anreize zu gläubigerschädigenden Reichtumsverschiebungen zu kompensieren. Haftungstatbestände, die dem geschädigten Gläubiger auferlegen, Umstände im Innenbereich der Gesellschaft darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die nicht offenbar sind, sondern sich nur buchhalterisch ennitteln lassen, sind insoweit allerdings nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich. Denn insbesondere im Fall der Massearmut scheitern sie regelmäßig an unüberwindbaren Darlegungs- und Beweislastproblemen und stellen damit einen Anreiz zur Flucht in die Masselosigkeit dar. Erforderlich ist vielmehr ein objektiv erkennbarer Haftungstatbestand, der obendrein so klar ge faßt sein muß, daß er die Grenzen des haftungsrechtlichen Trennungsprinzips bei der GmbH verdeutlicht. Hiervon ginge ein Anreiz aus, diese zu respektieren. 11. Nicht hinreichend geklärt ist bis jetzt, wie sich die Verantwortungsbereiche von Gesellschaftern und Geschäftsführern im Hinblick auf eine drohende Insolvenz zueinander verhalten. Insbesondere ist die Insolvenzantrags- und Sanierungspflicht der Geschäftsführer nicht mit der Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter abgestimmt. Auch die Fälle einer Einflußnahme der Gesellschafter auf die Geschäftsführung werden mit dem bisherigen haftungsrechtlichen Instrumentarium nicht angemessen erfaßt.
E. Synthese: Begründung und Ausgestaltung des eigenen Lösungsvorschlags Aufbauend auf den Ergebnissen der bisherigen Überlegungen soll im folgenden ein Lösungsvorschlag entwickelt werden, der konsequent an den komplexen Anforderungen ausgerichtet ist, wie sie sich aus der Insolvenzsituation bei der GmbH ergeben. Der Lösungsvorschlag hat dabei, wie im Titel der Arbeit bereits angedeutet, den Charakter eines Systems. Systeme zeichnen sich durch eine Vielzahl einzelner Teile aus, die untereinander in Wechselbeziehung stehen und einen ganzheitlichen Zusammenhang bilden. Da ein System nur bei Kenntnis aller seiner Teile verständlich wird, sich deren Bedeutung jedoch erst bei Kenntnis des Gesamtsystems erschließt, ergibt sich hieraus ein Darstellungsproblem. Denn die wechelseitige Abhängigkeit einzelner Teile des Systems macht es erforderlich, bei der Darstellung eines bestimmten Teils - möglicherweise zunächst unverständlich anmutende - Ergebnisse eines anderen Teils vorwegzunehmen, ohne diese sogleich erläutern zu können. Als Ausweg aus diesem Dilemma folgt die Darstellung dem Prinzip des hermeneutischen Zirkels 1: zunächst wird (unter 1.) das Fundament für die weiteren Betrachtungen gelegt und dabei zugleich die Struktur des Gesamtsystems grob skizziert. Damit soll ein Vorverständnis für die (unter IT. - IV.) folgende eingehende Darstellung der einzelnen Teile des Systems vermittelt werden. Im einzelnen geht es dabei (unter IT.) um die Aufstellung von Finanzierungsregeln, (unter ITI.) um die Ausgestaltung der Insolvenzauslösung und (unter IV.) um die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung bei insolvenzerheblichen Entscheidungen sowie deren haftungsrechtlicher Absicherung. Nach und nach werden so die einzelnen Teile des Systems zusammengefügt, so daß schließlich das System einer Insolvenzauslösung in seiner Gesamtheit vorliegt. Schließlich werden (unter V.) die Auswirkungen eines solchen Systems zusammengefaßt.
I. Grundlegung
Im folgenden sind zwei Gedanken zu erläutern, auf denen alles weitere gründet. Der Ausgangspunkt besteht darin, daß - wenn irgend möglich - für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens gesorgt werden muß. Insoweit wird eine Konzeption vorgestellt, wie das erreicht werden kann (dazu unter 1.). Hieran anknüpfend I
22·
Zu dieser Methode des Verstehens vgl. Larenz (199\), S. 206 ff. ffi.w.N.
340
E. Synthese
wird (unter 2.) der Grundgedanke dargelegt, der für die Umsetzung der vorgestellten Konzeption maßgebend ist.
1. Gewährleistung der Verfahrensdurchführung
a) Notwendigkeit
Wenn das Insolvenzrecht seine Haftungsfunktion erfüllen soll, ist es erforderlich, daß es auch zur Anwendung kommt. Diese Erkenntnis mag trivial erscheinen, wird aber bislang zu wenig beachtet. Weder nach der K0 2 noch nach der Ins0 3 ist die Durchführung eines Insolvenzverfahrens zuverlässig gewährleistet. Damit wird aber der verfassungsrechtliche Anspruch der (ungesicherten) Gläubiger auf effektiven gerichtlichen Eigentumsschutz mißachtet. 4 Denn nur, wenn die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens sichergestellt ist, haben die Gläubiger zumindest eine Befriedigungschance. Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens ist außerdem erforderlich, weil die Realisierung der Anspruche gegen Gesellschaftsorgane zur Rückabwicklung von vorinsolvenzlichen Reichtumsverschiebungen anderenfalls faktisch unmöglich ist. 5 Das erscheint nicht nur ungerecht, sondern schafft für die Gesellschaftsorgane auch einen Anreiz, aus der Fortführung der GmbH, solange als irgendmöglich Vorteile zu ziehen, statt beizeiten Insolvenzantrag zu stellen. Denn nur, wenn es den Gesellschaftsorganen gelingt, die GmbH soweit herunterzuwirtschaften, daß ein Insolvenzverfahren mangels Masse ganz bestimmt scheitert, erlangen sie nicht nur die Vorteile aus der ungerechtfertigten Fortführung, sondern entgehen auch den daraus resultierenden Haftungsanspruchen. 6 Wenn das Insolvenzverfahren seine Aufgabe der Haftungsverwirklichung einbüßt, wirkt sich das auch nachteilig auf das Verhalten derjenigen Gläubiger aus, die in der Lage sind, Kreditsicherheiten zu vereinbaren. Denn die geringe Aussicht auf Haftungsverwirklichung im Zuge der Durchführung eines Insolvenzverfahrens, macht es zu einem Gebot wirtschaftlicher Vernunft, wenn irgendmöglich Kreditsicherheiten zu vereinbaren. Indem diese vereinbart werden, wird die für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens erforderliche Masse aber zusätzlich verringert. Die Chancen auf die Durchführung eines Insolvenzverfahrens sinken dadurch weiter. Das trifft diejenigen, denen es für den Fall der Nichterfüllung ihrer Forderungen nicht möglich ist, durch die Vereinbarung von Kreditsicherheiten die Haftungsver2 3
4 5 6
Vgl. oben unter B.lII.\., insbes. unter cl. Vgl. oben unter B.III.2., insbes. unter a). Dazu oben unter B.lY. Vgl. oben unter B.I.3.e). Vgl. auch oben unter 8.III.l.c), C.I.4.b)bb), C.1.5.d) - e), C.III.3. und D.lV.2.
I. Grundlegung
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wirklichung selbständig zu organisieren und für die das Insolvenzverfahren daher das einzige Mittel zur Haftungsverwirklichung ist. Indem die Rechtsordnung die Durchführung eines Insolvenzverfahrens nicht zuverlässig gewährleistet, stel1t sie einen Personenkreis, der ihres Schutzes besonders bedürfte, im Ergebnis rechtlos. Aus diesem Befund ergibt sich die Notwendigkeit, daß - zumindest im Regelfall für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens Sorge getragen sein muß.
b) Das Prinzip: Kombination von Innen- und Außenfinanzierung
Entscheidend für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens ist, daß die Masseverbindlichkeiten gedeckt werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, bieten sich prinzipiel1 zwei Wege an: entweder werden die erforderlichen Mittel aus der vom Insolvenzverwalter beschlagnahmten Masse 7 entnommen (Innenfinanzierung) oder sie werden von außen zugeführt (Außenfinanzierung). 8 Beide Lösungen haben miteinander korrespondierende Vor- und Nachteile: Bei der Innenfinanzierung kann aus der beschlagnahmten Masse immer nur soviel entnommen werden, wie in dieser zum Zeitpunkt des Konkursbeschlags noch vorhanden ist. Da auch die aus ge feilste Sicherung zur Gewährleistung der Massehaltigkeit versagen kann, besteht immer das Risiko, daß das Insolvenzverfahren mangels Masse scheitert. Andererseits besteht der Vorteil der Innenfinanzierung darin, daß die Mittel zur Befriedigung der zumeist kurzfristig fal1igen Masseverbindlichkeiten, sofern sie denn überhaupt vorhanden sind, auch kurzfristig zur Verfügung stehen. Hierin besteht zugleich der Nachteil der Außenfinanzierung. Denn angenommen, man würde die Gesel1schafter oder die Geschäftsführer verpflichten, für die Deckung der Masseverbindlichkeiten aufzukommen, so ließe sich nicht gewährleisten, daß der Anspruch auch so zügig erfül1t wird, daß die Mittel daraus für eine Finanzierung der Masseverbindlichkeiten tatsächlich zur Verfügung stehen. Zumindest dann, wenn der Anspruch zwangsweise durchgesetzt werden muß, würde die Durchführung eines Insolvenzverfahrens wohl regelmäßig an der dazu erforderlichen Liquidität9 scheitern. Hingegen hat die Außenfinanzierung den Vorteil, daß die Mittel zur Deckung der Masseverbindlichkeiten nicht von vornherein auf den Bestand der bei der GmbH beschlagnahmten Masse beschränkt sind, sondern daß auf ein unbeschränkt haftendes Rechtssubjekt zurückgegriffen werden kann. Zwar ist die Werthaltigkeit eines solchen Masseergänzungsanspruchs nicht unabhängig von den Vermögensverhältnissen der Anspruchsverpflichteten, doch könI.S.d. oben unter B.1.2.d)aa) vorgenommenen Begriffsbildung. Zur Vermeidung von Mißverständnissen: Die Begriffe Innen- und Außenlösung werden in der Literatur gelegentlich bei der Diskussion der Frage verwandt, ob für eine Insolvenzauslösung bei den Gesellschaftsorganen (Innenlösung) oder bei den Gläubigem (Außenlösung) anzusetzen ist. Darum geht es hier nicht. Es steht vielmehr die Frage inmitten, woher die finanziellen Mittel zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens beschafft werden können. 9 Dazu oben unter B.1.3.a) - b). 7
8
342
E. Synthese
nen sich diese, anders als die beschränkt haftende GmbH, ihrer Verantwortung nicht einfach dadurch entziehen, daß sie von der Teilnahme am Rechtsleben ausscheiden und dadurch den Haftungsanspruch zunichte machen. Um das Ziel der Massehaltigkeit von Insolvenzverfahren zu erreichen, gilt es, in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation, die Wahl zwischen Innen- oder Außenfinanzierung danach zu treffen, welche spezifische Anforderung im Vordergrund steht: geht es mehr um die kurzfristige Verfügbarkeit von Mitteln zur Finanzierung des Insolvenzverfahrens, dann läßt sich das besser mit der Innenfinanzierung bewältigen, ist es hingegen das vorrangige Ziel, die notwendigen finanziellen Mittel überhaupt aufzubringen, so ist das eher mit der Außenfinanzierung zu realisieren. Die situationsspezifischen Anforderungen führen dabei zu einem vierstufigen Verfahren.
c) Konkretisierung: Vierstufiges Verfahren zur Gewährleistung der Massehaltigkeit
Grundsätzlich sollten die Masseverbindlichkeiten aus der freien Masse lO gedeckt werden können. Dazu ist auf einer ersten Stufe festzulegen, daß die Geschäftsführer, sobald eine Situation droht, in der das Vermögen der GmbH nicht mehr hinreicht, um in einem Insolvenzverfahren die Masseverbindlichkeiten aus der freien Masse decken zu können, dies den Gesellschaftern anzeigen müssen. 11 Geschäftsführer und Gesellschafter haben dann in einem noch näher darzulegenden Verfahren 12 darüber zu entscheiden, ob sie wegen der möglicherweise drohenden Insolvenz, die Gesellschaft liquidieren bzw. das Unternehmen zerschlagen wollen oder ob sie es fortführen wollen. Unterbleibt die Anzeige an die Gesellschafter oder entscheiden sich die Gesellschaftsorgane für eine Fortführung und kommt es zu einem Insolvenzverfahren, in dem die Masseverbindlichkeiten nicht gedeckt sind, so trifft die Gesellschaftsorgane auf einer zweiten Stufe die persönliche Haftung für die Masseverbindlichkeiten. 13 Der Nachteil, daß infolge der Innenfinanzierung auf Stufe 1 die Masseverbindlichkeiten möglicherweise nicht gedeckt werden können, wird so vermieden, weil auf Stufe 2 der Vorteil der Außenfinanzierung nutzbar gemacht wird. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter hat also die Gesellschaftsorgane auf die Masseverbindlichkeiten in Anspruch zu nehmen. Leisten diese kurzfristig, so steht der Durchführung eines Insolvenzverfahrens nichts mehr im Wege. Kann der Anspruch auf Deckung der Masseverbindlichkeiten hingegen nicht genügend schnell realisiert werden, so würde ein Insolvenzverfahren trotz des An10
11 12
13
I.S.d. oben unter B.I.2.d)aa) gegebenen Definition. Näher hierzu unten unter E.III.3., insbes. unter b)cc)(1). Näher hierzu unten unter E.III.3.c) und E.IV.l. Näher hierzu unten unter E.II.l., E.III.3.b )cc)( 1) und E.IY.l.
1. Grundlegung
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spruchs gegen die Gesellschaftsorgane auf Deckung der Masseverbindlichkeiten scheitern. Diesem Risiko läßt sich - auf einer dritten Stufe - nur durch ein abermaliges Umschalten auf die Innenfinanzierung begegnen. Will man rasch liquide oder kurzfristig liquidierbare Masse 14 beschaffen - und die Notwendigkeit zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens zwingt dazu - so bleibt nur eine - vorübergehende - Einbeziehung der gesicherten Gläubiger 15 sowie anderer Fälle einer Masseauszehrung l6 . Denn wenn gesicherte Gläubiger ihre bevorzugten Befriedigungsmöglichkeiten aus den von ihnen mit Sicherungsrechten in Beschlag genommenen Vermögensgegenständen des Schuldners verlieren, so vergrößert sich dadurch die freie Masse, so daß die Masseverbindlichkeiten eher gedeckt werden können. 17 Dabei dürfen die von Sicherungsrechten in Beschlag genommenen Vermögensgegenstände nur insoweit zur Masse gezogen werden, als dies erforderlich ist, um die Masseverbindlichkeiten decken zu können. 18 Die Einbeziehung der gesicherten Gläubiger - und anderer Fälle einer Masseauszehrung - kann jedoch, von Ausnahmen abgesehen l9 , nur dazu dienen, das Problem der zur Deckung der Masseverbindlichkeiten kurzfristig erforderlichen Mittel zu überbrücken. Es handelt sich gewissermaßen um eine Zwischenfinanzierung der zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens erforderlichen finanziellen Mittel. Letztlich haben jedoch, wie bereits erwähnt, die Gesellschaftsorgane die Deckung der Masseverbindlichkeiten sicherzustellen. Daher ist denjenigen Gläubigem, die mit ihren Sicherungsrechten ausgefallen sind, in einer vierten Stufe ein Regreßanspruch gegen die Gesellschaftsorgane zuzuerkennen. 2o
2. Richtschnur für das weitere Vorgehen
Die im vorangegangenen Abschnitt vorgestellte Konzeption zur Bewältigung der Massearmut - und damit einer Befriedigungschance für die Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO - erfordert eine ganze Reihe von Verhaltensnormen. Sie dürfen von denjenigen, die durch ihr Verhalten die Möglichkeit haben, den Verlauf einer Unternehmenskrise zu beeinflussen, keinesfalls hintertrieben werden können. Durch entsprechende Sanktionen im Falle einer Verletzung der aufzustellenden Verhaltensnormen muß das sichergestellt werden. Bevor nun Verhaltensnormen und Sanktionen im einzelnen erarbeitet werden, erscheint es zweckmäßig, aufbauZu diesem Erfordernis oben unter B.1.3.b). Ausführlich hierzu unten unter E.II.3.; zum Prinzip der retrograden Unwirksamkeit für eine Inanspruchnahme dort unter c)dd)(I). 16 Zu diesen unten unter E.II.4. 17 Vgl. insoweit auch die empirischen Untersuchungsergebnisse von GessnerlRhodel StratelZiegert (1977), S. 147 ff. 18 Vgl. unten unter E.II.3.c)bb). 19 Dazu unten unter E.II.3.c)gg) und E.IVl.b)cc). 20 Näher hierzu unten unter E.IV.l.b)cc). 14
15
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E. Synthese
end auf den bisherigen Untersuchungsergebnissen, eine Richtschnur für das weitere Vorgehen festzulegen, um den Überlegungen zur Aufstellung einzelner Verhaltensnonnen ein Ziel zu geben. Hierzu wird - unter a) - zunächst an den Ausgangspunkt erinnert, wie er sich aus der bisherigen Untersuchung ergibt. Danach wird unter b) - die für die weiteren Überlegungen grundlegende Erkenntnis dargestellt. Die Folgerungen hieraus werden unter c) gezogen. Anhand letzterer kann schließlich - unter d) - konkretisiert werden, inwieweit Verhaltensnonnen zu erarbeiten sind.
a) Ausgangspunkt
Die Überlegungen zu den bestehenden Insolvenzgründen haben gezeigt, daß Zahlungsunfähigkeit erst dann greift, wenn der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß mit der Zahlungseinstellung im finanziellen Kollaps endet 21 und daß der Überschuldungstatbestand wegen seiner systemimmanenten Perplexität ebenfalls ungeeignet ist 22 . Hingegen ergab sich bezüglich des in der InsO vorgesehenen Insolvenzgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit, daß dieser vom Meßkonzept her prinzipiell in der Lage ist, einen bevorstehenden finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß frühzeitig anzuzeigen?3 Zahlungsunfähigkeit droht, sobald sich abzeichnet, daß ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht nicht nur vorübergehender, sondern dauerhafter Natur ist. 24 Weitere Liquiditätszuführungen können den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß dann nicht mehr aufhalten, sondern nur noch verlängern. Sollte dennoch Liquidität zugeführt werden, etwa indem die Gläubiger weitere Darlehen gewähren, so sind die daraus resultierenden Rückzahlungsansprüche je nach Krisenstadium von Anfang an mehr oder weniger wertlos. Auch Rückzahlungsansprüche aus bereits zuvor gewährten Darlehen sinken in ihrem Wert. Bislang ist allerdings noch offen, wie das Meßkonzept der drohenden Zahlungsunfähigkeit in geeigneter Weise in die Praxis umgesetzt werden kann. Die Schwierigkeit liegt dabei in der Komplexität der für einen funktiontüchtigen Insolvenzauslöser zu beachtenden Wirksamkeitsbedingungen. Diese wurden bereits erarbeitet25 und sollen deshalb hier nur rekapituliert werden. So handelt es sich bei der Frage, ob ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht dauerhafter oder nur vorübergehender Natur ist, um eine prognostische Entscheidung. 26 Sie ist als Bestandteil eines Insolvenzauslösers nur dann operabel, wenn sie auf einer geeig-
21 22 23
24 25 26
V gl. oben unter D.I.1. Vgl. oben unter D.L2. V gl. oben unter D.I.3.a). Vgl. oben unter D.I.l.b) - e), D.Ll.h) und D.lY.3.b). V gl. oben unter C.L - IV. Dazu oben unter D.I.l.e) und h).
I. Grundlegung
345
neten Wenn-dann-Hypothese beruht. Es geht dabei um die zutreffende Festlegung von Tatbestand und Rechtsfolge. Formal ist der Tatbestand geeignet, wenn er intersubjektiv nachprüfbar ist. 27 Materiell muß beachtet werden, daß der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß 28 ein dynamischer Vorgang ist. Damit die tatbestandliche Fassung dem gerecht wird, kommt es entscheidend darauf an, festzulegen, wer bis zu welchem Zeitpunkt befugt ist, über die Insolvenzauslösung zu entscheiden und wem, quasi komplementär dazu, die entsprechende Überprüfung dieser Entscheidung obliegt. 29 Dabei konnte als Richtschnur für die erforderlichen Festlegungen herausgearbeitet werden, daß ein Insolvenztatbestand materiell dann geeignet ist, wenn ein Insolvenzverfahren ausgelöst wird, sobald der Wert des Fremdkapitals größer ist als das Maximum aus Fortführungs- oder Nettozerschlagungswert. 30 Allerdings leistet diese Entscheidungsregel nur eine Hilfestellung bei den im Rahmen der Lösungskonzeption zu treffenden Wertentscheidungen, ist aber wegen der mit ihr verbundenen Objektivierungsprobleme für die praktische Rechtsanwendung ungeeignet. 31
b) Maßgeblichkeit individueller Einschätzungen
Bei der Suche nach einem geeigneten Meßkonzept, um den prinzipiell geeigneten Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit operabel zu machen, ist ein gedanklicher Rückgriff auf die Möglichkeiten der Finanzplanung hilfreich. Anhand eines Finanzplans kann nämlich· im vorhinein der Zeitpunkt bestimmt werden, zu dem die zwingend falligen Zahlungsverpflichtungen dauerhaft größer werden als die verfügbare Zahlungskraft, zu dem also ein dauerhaftes finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht eintritt. 32 Der Finanzplan ist damit - theoretisch geeignet, über das für eine drohende Zahlungsunfähigkeit entscheidende Merkmal Auskunft zu geben. Praktisch besteht das zentrale Problem allerdings in der "Zukunftsbezogenheit und damit in der Subjektivität und in der Mehrwertigkeit aller Prognosen".33 So gibt es zwar Methoden zur Prognoseerstellung 34, aber "keine allgemein anerkannten Grundsätze ordnungsgemäßer Prognoserechnung,,35. Daher bestehen auch "zur Erfassung des Illiquiditätsrisikos ( ... ) keine befriedigenden Maßstäbe einfacher Art.,,36 Letztlich kann es immer nur um die Glaubwürdigkeit Dazu oben unter C.III.I.a). Zu dessen Phänomenologie oben unter B.I1.2.c). 29 Vgl. oben unter C.I.3.b). 30 Vgl. insweit oben unter C.1.5.c). 31 Vgl. oben unter C.IIl.l.c). 32 Vgl. oben C.IV.3.b) und d). 33 Beleg und Zitat (Hervorhebung weggelassen) W Müller (1983), S. 482. Vgl. auch oben unter C.IV.3.b). 34 V gl. etwa Schaub (1993), S. 1485 ff.; Fischer (1981), S. 1349 ff. 35 W Müller (1983), S. 483. V gl. auch Kölsch (1988), S. 93. 27
28
346
E. Synthese
oder Plausibilität der Aussagen gehen. 37 Damit wird aber "Illiquidität ( ... ) zu einer Frage individueller Einschätzungen von künftigen Entwicklungen.,,38 Die Erkenntnis, daß Illiquidität eine "Frage individueller Einschätzungen,,39 ist, ist für das Verständnis des mit dieser Arbeit unterbreiteten Lösungsvorschlags grundlegend. Solange sich nämlich Gläubiger bzw. Gesellschafter finden, die die künfige Entwicklung der GmbH so einschätzen, daß sie die Werthaltigkeit ihrer Rückzahlungsansprüche bzw. ihrer Geschäftsanteile für gegeben halten, kann eine Illiquidität der GmbH nicht eintreten. Anders ausgedrückt unterliegt also sowohl die Gewährung von Fremdkapital als auch die Ausstattung der GmbH mit Eigenkapital der individuellen Einschätzung. 4o Bezogen auf die Gläubiger entspricht das dem Vorsichtsprinzip des caveat creditor. Jedem steht es mithin frei, ob und in welchem Umfang er der GmbH seine eigenen Finanzmitteln überläßt bzw. ursprünglich gewährte Finanzmittel - abgesehen von bestehenden Vereinbarungen - wieder entzieht. 41
36 Moxter (1976), Sp. 636. Und weiter aaO.: "Wer wünscht, diesen zentralen Wert auf einer Art Instrumententafel jederzeit ablesen zu können ( ... ), der hat wenig Verständnis für die Komplexität solcher Sachverhalte." 37 Vgl. Müchler (1993), S. 266 m.w.N., vgl. auch aaO., S. 269, sowie Moxter (1976), Sp.636. 38 Moxter (1976), Sp. 636 (Hervorhebung auch im Original). - Die Finanzplanung bleibt gleichwohl bedeutsam, vgl. unten unter E.III.3.b)cc)(1) und (2). 39 AaO. (Fn. 38). 40 Vgl. auch Nacke (1988), S. 266: "Wegen der Nichtausschaltbarkeit des aBgemeinen Risikos eines wirtschaftlichen Mißerfolgs ist die optimale Risikoverteilung dort, wo jeder etwas Risiko trägt." Ebenso aaO., S. 259, jeweils unter Hinweis auf EasterbrooklFischel (1985), 101: ,,Limited liability is ( ... ) a risk-sharing arrangement." 41 Vgl. auch Schmidt-Rimpler (1941), S. 155 f., zu dem Funktionszusammenhang zwischen dem vertraglichen Einigungsprozeß und dem vertraglichen Interessenausgleich. Grundlegend zur Selbstbestimmung im Vertragsrecht M. Wolf(1970), S. 8 ff., 31 ff.; vgl. zur Beurteilungsautonomie der Beteiligten auch Schmidt-Salzer (1971), S. 9 f. - Nebenbei führt die Maßgeblichkeit der individuellen Einschätzung über die künftige Entwicklung der GmbH tiefer in die Problematik hinein, derentwegen der Insolvenztatbestand der Überschuldung als zur Feststellung der Insolvenzreife ungeeignet abgelehnt wurde; vgl. oben unter 0.1.2., insbesondere unter g). Sie bestand darin, daß es für die Überschuldungsfeststellung entscheidend darauf ankommt, von welcher Bewertungsprämisse ausgegangen wird; vgl. oben unter D.L2.d). Dabei war bislang noch offen geblieben, wie die Bewertungsprämisse zu ermitteln ist. Es wurde lediglich festgestellt, daß die Bewertungsprämisse im Rahmen der Überschuldungsprüfung nicht bestimmbar ist. Bei der Bewertungsprämisse handelt es sich um die Frage, mit welchen Wertansätzen die einzelnen Bilanzpositionen in die Überschuldungsbilanz eingehen soBen. Die Antwort hängt davon ab, wie diejenigen, die über eine Überschuldung zu entscheiden haben, die künftige Entwicklung der GmbH - genauer: des von ihr betriebenen Unternehmens - einschätzen. Gläubiger, die ihren Rückforderungsanspruch gefahrdet sehen, werden insoweit zu einer vorsichtigeren Betrachtung neigen, als Gesellschaftsorgane, die infolge einer Überschuldung ihre Erwerbsquelle verlieren (ausführlich zur Konfliktstruktur zwischen den am Insolvenzgeschehen Beteiligten oben unter C.L). Hieraus folgt, daß sich auf die Frage, mit welchen Wertansätzen die einzelnen Bilanzpositionen in eine Überschuldungsbilanz eingehen sollen, keine objektivierbare Antwort geben läßt, sondern daß auch
I. Grundlegung
347
c) Gezielter Schutz vor Anreizverzerrungen
Welche Finanzierungsentscheidungen die jeweiligen Gläubiger bzw. Gesellschafter treffen, hängt - im Falle eines Gläubigers - maßgeblich davon ab, ob er darauf vertraut, sein eingesetztes Kapital bei Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs zuzüglich Zinsen zurückzuerhalten bzw. - im Falle eines Gesellschafters ob er an den wirtschaftlichen Erfolg des von der GmbH betriebenen Unternehmens glaubt. Letztlich kann die Frage nach dem jeweils wirksamen Kalkül jedoch dahinstehen. Denn im Regelfall sorgen die Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage dafür, daß die prinzipiell knappen finanziellen Mittel dorthin fließen, wo sich ihnen die beste Anlageform bietet, so daß es zu einer sachgerechten Allokation der verfügbaren finanziellen Mittel kommt. 42 Worin besteht dann aber die Aufgabe des Rechts? Zunächst einmal ist in negativer Hinsicht klarzustellen, daß die Aufgabe des Rechts nicht darin bestehen kann, sämtliche Finanzierungsentscheidungen einer Richtigkeitskontrolle zu unterziehen. 43 Mit einer solchen Richtigkeitskontrolle wäre das Recht nämlich völlig überfordert, da es sich bei Finanzierungsentscheidungen immer um Ex-ante-Entscheidungen über wirtschaftliche Fragen handelt, die unter Unsicherheit getroffen werden müssen, weil sie auf dem erwarteten Verlauf künftiger Ereignisse beruhen. 44 Unsicherheit über tatsächliche künftige Entwicklungen läßt sich aber mit den Mitteln des Rechts nicht beseitigen. Die Aufgabe des Rechts kann folglich nicht darin bestehen, den Geldgebern die Einschätzung des Bonitätsrisikos abzunehmen. Das gilt unabhängig davon, ob Geldgeber sich finanziell als Gläubiger oder als Gesellschafter engagiert haben oder dieses zu tun beabsichtigen. Es handelt sich hierbei gewissermaßen um die Kehrseite der Privatautonomie, daß nämlich die Geldgeber ihre Finanzierungsentscheidungen nicht nur in freier Selbstbestimmung treffen können, sondern daß sie auch für die hieraus folgenden Konsequenzen verantwortlich sind. Irrtümer und Fehleinschätzungen hinsichtlich der Bonität der GmbH müssen sich die Geldgeber somit grundSätzlich zurechnen lassen. 45 Mit der Formulierung ,grundsätzlich zurechnen lassen' ist angedeutet, daß es insoweit Ausnahmen gibt. Sie greifen durch, wenn Irrtümer oder Fehleinschätzungen der Gläubiger hinsichtlich der Bonität der GmbH nicht auf dem Eintritt ungewisser, künftiger Ereignisse beruhen, sondern wenn bereits im Zeitpunkt der Überlassung von Finanzmitteln an die GmbH feststeht, daß der aus der Überlassung resulinsoweit die individuelle Einschätzung maßgeblich ist. Wie das im Rahmen einer Überschuldungsprüfung geschehen soll, ist nicht ersichtlich. 42 Instruktiv zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gerechtigkeit der Überblick bei Canaris (1993a), S. 881 ff. m.w.N. 43 Ähnlich Canaris (1993a), S. 883 f.; M. Wolf (1970), S. 68, 73 f. Vgl. auch Zöllner (1976), S. 246, und Habersack (1992), S. 48 und 164 ff. 44 V gl. oben unter C.lY.6. 45 Kritisch zum Gläubigerschutz als Selbstzweck auch C. Paulus (1996), S. 2145; ders. (1997).
E. Synthese
348
tierende Rückzahlungsanspruch nicht werthaltig ist oder sein wird. Denn unter solchen Umständen kann es im Rahmen der Angebote für die Anlage finanzieller Mittel zu Fehlinformationen kommen, weil die Versuchung groß ist, die bestehenden Informationsasymmetrien 46 zu nutzen, um durch geschönte Informationen Finanzmittel zu erlangen, die ein Geldgeber bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht hergeben würde. Fehlinformationen führen also zur Unwirksamkeit der Marktmechanismen bei der Allokation von Finanzmitteln, wenn und weil die Marktteilnehmer bei ihrer Einschätzung der Bonität von falschen Voraussetzungen ausgehen. Ist das der Fall, dann sind Fehlallokationen vorprogrammiert. Das aber sollte vermieden werden, um sowohl den einzelnen Gläubigem als auch der Volkswirtschaft als ganzes Kapitalverluste zu ersparen.
Fehlinformationen oder falsche Signale über die Bonität der GmbH sind immer dann zu erwarten, wenn einzelne hiervon Vorteile haben, ohne daß andere die damit für sie einhergehenden Nachteile erkennen können. In diesen Fällen könnnen Geschäftsrisiken unbemerkt auf Dritte verlagert werden. Ökonomisch gesprochen werden negative Effekte externalisiert. Das zu verhindern, sollte die Aufgabe des (lnsolvenz-)Rechts sein. Denn anderenfalls wird derjenige belohnt, der anderen zum eigenen Vorteil Schaden zufügt. Um nicht mißverstanden zu werden: Es geht nicht darum, den Wettbewerb um die Allokation finanzieller Mittel aufzuheben. Jedoch kann dieser Wettbewerb nur dann funktionieren, wenn die Informationen über die Verhältnisse am Markt hinreichend transparent sind. Daher muß vermieden werden, daß in irgendeiner Weise Fehlinformationen über die Bonität des Schuldners verbreitet werden. In Frage kommen insoweit sämtliche Verhaltensweisen, die für andere Gläubiger den - unzutreffenden - Anschein erwecken, daß die Bonität des Schuldners einwandfrei ist. Wird die Verbreitung von Fehlinformationen über die Bonität der GmbH nicht sanktioniert und lassen sich hieraus Vorteile ziehen, so geht davon aufgrund des individuellen Nutzenkalküls der einzelnen Teilnehmer am Rechtsverkehr ein Anreiz aus, an den Vorteilen aus der Verbreitung von Fehlinformationen zu partizipieren. Soweit dies zu Nachteilen für Dritte führt, entstehen hieraus unerwünschte Anreizverzerrungen. Es müssen daher Rechtsregeln entwickelt werden, die Anreizverzerrungen entgegenwirken. Das Ziel besteht insoweit darin, durch ordnungsgemäße Finanzierung den Gläubigerschutz zu gewährleisten. Bestünden solche Rechtsregeln, so hätten sie eine dreifache Wirkung: Erstens würde verhindert, daß Informationen über die Bonität der GmbH verbreitet werden, die andere Gläubiger zu für sie nachteiligen Dispositionen veranlassen. Zweitens würde - gewissermaßen als Kehrseite hierzu - die Rechtssicherheit erhöht, weil niemand befürchten muß, daß seine Einschätzung der Bonität bereits auf einer unzutreffenden Entscheidungsgrundlage beruht. Dadurch würde drittens, weil die einzelnen Bonitätseinschätzungen zueinander in Wechselbeziehungen stehen, der Kreditmarkt insgesamt transparenter. 46
V gl. oben unter c.I.l.a)
11. Finanzierungsregeln
349
d) Fallgruppen von Anreizverzerrungen Situationen, in denen es zu Anreizverzerrungen kommt und auf die die zu schaffenden Rechtsregeln zugeschnitten sein müssen, wurden im Laufe der Arbeit bereits verschiedentlich aufgezeigt. Im folgenden sollen sie zu vier Fallgruppen zusammengefaßt werden. In allen Fällen sind zu Lasten der Gläubiger Fehlallokationen finanzieller Mittel vorprogrammiert. Bei Fallgruppe 1 wird die freiwillige Beendigung einer verlustbringenden unternehmerischen Betätigung dadurch verhindert, daß es für die Gesellschafter rentabler sein kann, das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen auch dann fortzuführen, wenn dessen Fortführungswert unter seinen Zerschlagungswert gesunken ist. 47 Die drei übrigen Fallgruppen, in denen es zu Anreizverzerrungen kommt, beruhen jeweils auf bestimmten Arten von Liquiditätszuführungen. 48 Dabei wird in Fallgruppe 2 die gesetzliche Haftungsordnung bei der GmbH konterkariert, wenn bestimmte Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft dazu führen, daß die Gesellschaft jenseits des Zeitpunktes fortbesteht, von dem ab sie nicht mehr kreditwürdig ist. Es geht insoweit um den Bereich der kapitalersetzenden Leistungen. 49 Fallgruppe 3 betrifft das Problem, daß, sofern ein dauerhaftes finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht vorliegt, die Zuführung von verliehener Liquidität durch gesicherte Gläubiger die Insolvenz der GmbH lediglich hinausschiebt, aber letztlich nicht abwendet. 5o Die gleiche Wirkung hat, ebenfalls unter der Voraussetzung, daß ein dauerhaftes finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht vorliegt, bei Fallgruppe 4 die Zuführung von Liquidität aus Desinvestitionen. In den beiden letztgenannten Fällen kommt es dabei jeweils zu einer Verkürzung der Haftungsmasse. 51
11. Finanzierungsregeln Im folgenden sollen nun für die eben erwähnten Fallgruppen jeweils Rechtsregein entwikelt werden, die den in diesen Fall gruppen bestehenden Anreizverzerrungen entgegenwirken. Es handelt sich dabei um Regeln, die bei der Überlassung von finanziellen Mitteln an die GmbH zu beachten sind, damit es nicht zu Finanzierungsformen kommen kann, die einen unabwendbaren finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß zu Lasten der Gesamtheit aller übrigen Geldgeber unnötig verlängern. Die Darstellung orientiert sich an den zum Schluß des letzten Kapitels gebildeten vier Fallgruppen. Der Lösungsvorschlag zu Fallgruppe 1 findet sich unter 1., zu Fallgruppe 2 unter 2. usw. Schließlich werden unter 5. die Ergebnisse zusam-
47
48 49 50 51
Dazu ausführlich oben unter C.1.5.b) und C.1.5.e). Vgl. zusammenfassend oben unter D.Y. (sub 2.). Dazu ausführlich oben unter 0.11.2., insbes. unter b). Zur Problematik oben unter D.lY.3.b). Dazu oben unter D.lY.2.c)cc)(S), vgl. auch unter C.1.4.b)bb)(I).
350
E. Synthese
mengefaßt und die mutmaßlichen Auswirkungen der unterbreiteten Finanzierungsregeln dargestellt.
1. Pflicht der Gesellschafter zur Mindestfinanzausstattung
Um die Anreizverzerrung zu beseitigen, die zur Fortführung nicht fortführungswürdiger Gesellschaften durch die Gesellschafter führt, wird im folgenden die Grundlage für eine materielle Regel zur Mindestfinanzausstattung bei Kapitalgesellschaften entwickelt. Sie beruht im wesentlichen auf der Analyse des Einflusses, den die zerschlagungsbedingten Kosten auf das Kalkül der Gesellschafter haben; dazu unter a). Wie sich die bei dieser Analyse ergebende Erkenntnis auf die Schutzwürdigkeit der Gläubiger auswirkt, ist den Ausführungen unter b) vorbehalten. Vor diesem Hintergrund kann als nächstes - unter c) - das zu inkriminierende Verhalten der Gesellschafter genau beschrieben werden. Das ermöglicht es, unter d) verschiedene Lösungsansätze zu diskutieren, wie dieses unerwünschte Gesellschafterverhalten verhindert werden kann. Schließlich wird - unter e) - ein gänzlich neuer Ansatz für eine Pflicht der Gesellschafter zur Mindesfinanzausstattung vorgeschlagen.
a) Einfluß der zerschlagungsbedingten Kosten
Sobald eine GmbH sich wirtschaftlich betätigt, ist dem die Möglichkeit eines Mißerfolges immanent. Kommt es zu Verlusten, so schmälern diese zunächst das von den Gesellschaftern eingesetzte Eigenkapital der Gesellschaft. Mittelbar sinkt dadurch der Wert der Geschäftsanteile der Gesellschafter an der GmbH. Ist das Eigenkapital erschöpft, so wirken sich die Verluste der GmbH als nächstes bei den Gläubigem aus, indem deren Rückzahlungsansprüche nach und nach entwertet werden. Dieses Szenario läuft allerdings nur dann so ab, wenn weder die Gesellschafter noch die Gläubiger dagegen einschreiten. Nicht einzuschreiten bedeutet in jedem Fall eine Kapitalvernichtung und ist daher unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten an sich nicht zweckmäßig. Gleichwohl kommt es in der Praxis zu derartigen Formen der Kapitalvernichtung. Denn wie bereits dargestellt, gibt es für die Gesellschafter in der Tat Situationen, in denen es für sie auch ökonomisch Sinn macht, daß die Gesellschaft das Unternehmen fortführt, obwohl das von den Gesellschaftern in der GmbH investierte Kapital dadurch geschmälert und unter Umständen sogar vollständig aufgezehrt wird. 52 Diese Überlegungen sind hier nochmals aufzunehmen: An sich möchte man meinen, daß es sowohl für die Gesellschaft als auch mittelbar für die Gesellschafter die erfolgversprechendere Kapitalverwendung wäre, wenn das von der 52 Ausführlich zu den Rentabilitätsüberlegungen der Gesellschafter in der Unternehmenskrise oben unter C.I.5.b) und e).
11. Finanzierungsregeln
351
Gesellschaft betriebene Unternehmen zerschlagen würde, sobald sein Fortführungswert unter seinen Zerschlagungswert sinkt. 53 Ob es tatsächlich zur Zerschlagung kommt, hängt allerdings von den zerschlagungsbedingten Kosten und der Höhe der von der GmbH begründeten Verbindlichkeiten ab. Was die Kosten angeht, so fließt der Gesellschaft bei einer Zerschlagung nicht der volle Zerschlagungswert zu, sondern nur der um die Zerschlagungskosten geminderte Nettozerschlagungswert. Dabei kann der Nettozerschlagungswert entweder über oder unter dem Fortführungswert liegen, je nach dem, wie hoch die Zerschlagungskosten sind und wie groß der Wertunterschied zwischen (relativ niedrigerem) Fortführungswert und (darüber liegendem) Zerschlagungswert ist. Liegen die Verhältnisse so, daß der Nettozerschlagungswert unter den Fortführungswert sinkt, dann ist eine Zerschlagung wirtschaftlich uninteressant, obgleich der Zerschlagungswert selbst über dem Fortführungswert liegt. Aber auch dann, wenn der Nettozerschlagungswert nicht unter den Fortführungswert sinkt, ist eine Zerschlagung nur dann lukrativ, wenn der Nettozerschlagungswert höher ist als die Summe der von der GmbH für den Betrieb des Unternehmens begründeten Verbindlichkeiten. Nur dann hat nämlich die Gesellschaft einen Zerschlagungserlös zu erwarten. Um ihn zu realisieren, müssen die Gesellschafter die GmbH nicht unbedingt liquidieren, es genügt, wenn die Gesellschaft den Betrieb des unrentablen Unternehmens einstellt. Der Zerschlagungserlös kann dann von der GmbH zur Vermögensverwaltung gehalten werden. Daß die Gesellschafter gegen das eingangs geschilderte Szenario der Kapitalvernichtung nicht öfter einschreiten, liegt wesentlich an dem Einfluß der zerschlagungsbedingten Kosten auf die im Verlauf einer Unternehmenskrise wirksamen Kalküle der Gesellschafter. Denn läßt man einmal die Meßbarkeitsprobleme beiseite54 , so ist die Wertdifferenz zwischen (höherem) Zerschlagungswert und (niedrigerem) Fortführungswert zu Beginn der Unternehmenskrise noch ganz gering. In dieser Phase führt dann die Einbeziehung der Zerschlagungskosten in das Entscheidungskalkül dazu, die Fortführung zu präferieren, weil der Fortführungswert regelmäßig über dem Nettozerschlagungswert liegen wird. Auch wenn die Wertdifferenz zwischen Zerschlagungs- und Fortführungswert im Verlauf der Unternehmenskrise immer größer wird, so liegt doch der Fortführungswert solange über dem Nettozerschlagungswert, wie die Wertdifferenz zwischen (niedrigerem) Fortführungswert und (höherem) Zerschlagungswert kleiner ist als die Höhe der Zerschlagungskosten. Entgegen dem Signal, nach dem aus der Relation ,Zerschla53 Zur Erinnerung: Fortführungs- und Zerschlagungswert werden in dieser Arbeit als Zukunftserfolgswert bzw. als Summe der erzielbaren Einzelveräußerungspreise verstanden. Mithin lassen beide Werte sämtliche an Kapitalgeber zu leistende Zahlungen, insbesondere solche aus Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigem, unberücksichtigt (vgl. oben unter C.1.1.d). Die Verbindlichkeiten werden stattdessen erst in einem eigenen Denkschritt berücksichtigt. Durch die vom Unternehmenswert unabhängige Betrachtung der Verbindlichkeiten ist es möglich, den Einfluß der zerschlagungsbedingten Kosten auf das Kalkül der Gesellschaftsorgane aufzuzeigen. 54 Dazu oben unter C.III.I.c).
352
E. Synthese
gungswert größer Fortführungswert' an sich die Zerschlagung der Unternehmung zu folgern wäre, ist also unter Einbeziehung der Zerschlagungskosten zu Beginn der Unternehmenskrise die Fortführung vorteilhafter. Erst wenn im weiteren Verlauf der Unternehmenskrise der Fortführungswert nicht nur kleiner als der Zerschlagungswert, sondern auch kleiner als der Nettozerschlagungswert wird, führen beide Entscheidungsregeln wieder zu dem übereinstimmenden Ergebnis, die Unternehmung zu zerschlagen. Wenn aber der Fortführungswert kleiner ist als der die Zerschlagungskosten bereits berücksichtigende Nettozerschlagungswert, so signalisiert das eine fortgeschrittene Unternehmenskrise. In dieser Phase ist wegen der Mechanismen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses 55 in erheblichem Umfang mit aufgestauten Verbindlichkeiten zu rechnen. Kommt es nun zur Zerschlagung, dann wird der Nettozerschlagungswert zu großen Teilen, wenn nicht gar vollständig, dazu benötigt, die Verbindlichkeiten abzudecken. Ein eventuell verbleibender Zerschlagungserlös ist regelmäßig so niedrig, daß er den Gesellschaftern selten als angemessenes Äquivalent des einstmals eingesetzen Kapitals vorkommen wird. Unter diesen Umständen erscheint es dann aus Sicht der Gesellschafter wenig sinnvoll, den finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozeß von sich aus durch eine Zerschlagung des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens bzw. durch eine Liquidation der Gesellschaft zu beenden. 56 Als Ergebnis dieser Überlegungen ist festzuhalten, daß es - entgegen der gängigen Ansicht - für das Kalkül der Gesellschafter hinsichtlich ihres Verhaltens in einer Unternehmenskrise nicht auf einen Vergleich von Zerschlagungs- und Fortführungswert ankommt. Das gilt auch dann, wenn man - anders als hier - die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in diese Werte miteinbezieht. Entscheidend ist vielmehr ein Vergleich von Nettozerschlagungswert und Fortführungswert. Denn nur der Nettozerschlagungswert berücksichtigt die von den Gesellschaftern realistischerweise zu beachtenden Konsequenzen aus der Zerschlagung eines von der GmbH betriebenen Unternehmens, nämlich die dafür erforderlichen Kosten.
b) Schutzbedürjtigkeit der Gläubiger
Der Einfluß der zerschlagungsbedingten Kosten auf das Verhalten der Gesellschafter wäre kaum weiter erwähnenswert, wenn er nur die Gesellschafter beträfe. Denn da diese die Auswirkungen ihres Verhaltens selbst bestimmen, wären sie insoweit nicht schutzbedürftig. Der Einfluß der zerschlagungsbedingten Kosten auf das Verhalten der Gesellschafter hat jedoch auch Auswirkungen auf die Gläubiger der GmbH. Denn im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses wird nicht nur nach und nach die Einlage der Gesellschafter entwertet, sondern es kommt auch zur Anhäufung von Verbindlichkeiten, um den Liquiditätsbedarf der Dazu oben unter B.II.2.c). Zu den Vorteilen, die sich darüber hinaus aus einer. wenn auch schließlich aussichtslosen Unternehmensfortführung ergeben. vgl. oben unter C.1.5.e). 55
56
11. Finanzierungsregeln
353
Gesellschaft zu stillen. Wegen des dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts kann der Großteil dieser Verbindlichkeiten später nicht erfüllt werden. Die betreffenden Gläubiger gehen leer aus. Namentlich die ungesicherten Gläubiger sind diesem Mechanismus bislang schutzlos ausgeliefert. Denn den Gesellschaftern gegenüber ist eine Drohung mit einer Insolvenzauslösung wirkungslos, sobald der Wert des Fremdkapitals den Nettozerschlagungswert erreicht, weil diese von da ab nichts mehr zu verlieren haben. 57 Und einer tatsächlichen Auslösung des Insolvenzverfahrens stehen die erheblichen Kostenrisiken im Fall der Massearmut entgegen. 58 Auch können die Gläubiger die spezifischen Kostenrisiken bei Massearrnut kaum vermeiden, weil sie nur selten in der Lage sind, den Insolvenzantrag bereits zu einem Zeitpunkt zu stellen, in dem noch keine Massearmut vorliegt. Der Grund hierfür liegt in dem Informationsdefizit der (ungesicherten) Gläubiger. Sie erfahren von einer Unternehmenskrise oft erst dann, wenn es für die Stellung eines Insolvenzantrags wegen der damit verbundenen Kosten bereits zu spät ist. 59 Es ist allerdings auch kein Ausweg, die Gläubiger früher über eine Unternehmenskrise informieren zu wollen. Drei Gründe sprechen dagegen: Die Information kann nur von der Gesellschaft gegeben werden, weil sie nur dort verfügbar ist. Die Gesellschaft bzw. die sie vertretenden Organe müßten also zur Information verpflichtet werden. Dabei müßte sichergestellt sein, daß die Gesellschaft einer Informationspflicht immer in sachgerechter Weise nachkommt. Und zwar auch und gerade dann, wenn es in dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen kriselt, die Gesellschaft also kaum ein Interesse daran haben kann, ihre Situation durch entsprechende Berichte zusätzlich selbst zu verschlechtern. Wie das erreicht werden soll, ist nicht ersichtlich. Der zweite Grund wurde eben schon angeschnitten. Von der Information über eine Unternehmenskrise gehen, zumindest dann, wenn sie nicht erwartet wurde - und anderenfalls erübrigt sich die Information - immer negative Signale aus. Vor allem künftige Gläubiger der GmbH - und auf diese ist die GmbH angewiesen, um den Beschaffungs- und Verarbeitungsprozeß des von ihr betriebenen Unternehmens aufrechterhalten zu können - müssen befürchten, Forderungsausfiille zu erleiden und werden daher kaum noch bereit sein, anders als gegen Vorauskasse zu leisten. 60 In einer Krisensituation ist das eine sichere Methode, die Gesellschaft vollends in den Ruin zu treiben. Drittens ist gänzlich ungeklärt, wie die Informationen der Gläubiger über eine Unternehmenskrise beschaffen sein müßten. Die Informationen, die sich anhand der handelsrechtlichen Vorschriften zum lahresabschluß gewinnen lassen, sind jedenfalls nicht geeignet. 61 57 Dazu bereits oben unter C.1.5.c); im vorliegenden Zusammenhang bildet der Nettozerschlagungswert das Maximum gegenüber dem Fortführungswert. Vgl. auch oben unter D.II.I.d)cc) zur verzerrten Anreizstruktur, der die Gesellschafter unterliegen. 58 Dazu oben unter C.I.3.b)bb)(2). 59 Zu dem Dilemma in dem sich ungesicherte Gläubiger befinden oben unter C.I.3.b), insbes. unter cc)(I). 60 Vgl. oben unter C.1.4.a)bb)(2). 61 Dazu im einzelnen oben unter D.III.2.b).
23 Förster
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E. Synthese
Und auch gegenüber erweiterten Publizitätsanforderungen ist Skepsis angebracht.62
c) Das zu inkriminierende Verhalten der Gesellschafter
Indem der Einfluß der Zerschlagungskosten auf das Verhalten der Gesellschafter in der Rechtswissenschaft bislang unberücksichtigt blieb, konnte auch auf die dadurch induzierten Anreizverzerrungen nicht angemessen reagiert werden. Sie bestehen in zweierlei: Erstens ist, wenn der Fortführungswert des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens unter dessen Zerschlagungswert sinkt, aber noch über dem Nettozerschlagungswert liegt, aus Sicht der Gesellschafter nicht einzusehen, weshalb sie sich ohne Not um den daraus resultierenden Vorteil der Fortführung bringen sollten. Zweitens ist für die Gesellschafter eine Zerschlagung selbst dann, wenn der Fortführungswert unter dem Nettozerschlagungswert liegt, eine Zerschlagung nur dann sinnvoll, wenn sie davon einen angemessenen Zerschlagungserlös zu erwarten haben. Wegen der Mechanismen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses dürfte das aber nur selten der Fall sein. Wenn aber die Gesellschafter von einer an sich angezeigten Zerschlagung keinen oder nur einen geringen Zerschlagungserlös zu erwarten haben, dann brächten sie sich durch eine Zerschlagung lediglich um die Vorteile, die eine weitere Fortführung für sie haben kann. 63 Hinzukommt, daß für das Entscheidungsverhalten der Gesellschafter wohl auch psychologische Momente eine maßgebende Rolle spielen: eine Zerschlagung ist das endgültige Aus der Unternehmung, d. h. es besteht keinerlei Hoffnung mehr, sie in irgendeiner Weise fortführen zu können. Sind bei den Gesellschaftern persönliche Ehre, Sozialprestige, Familientradition oder eigene Berufstätigkeit eng mit dem Unternehmen verknüpft, so kann mit einer Zerschlagung durchaus das frustrierende Gefühl einhergehen, als Unternehmer versagt zu haben. Die genannte Anreizverzerrung ist durch vier verschiedene Einflußfaktoren gekennzeichnet: Zerschlagungswert, Fortführungswert, die in den Nettozerschlagungswert eingehenden Zerschlagungskosten sowie die Verbindlichkeiten, die die GmbH für den Betrieb des Unternehmens begründet hat. Es handelt sich gewissermaßen um eine Rechnung mit vier Unbekannten. Wegen der damit verbundenen Komplexität sowie der zumindest für den Fortführungswert, häufig aber auch für den Zerschlagungswert nicht lösbaren Meßbarkeitsprobleme64 scheidet eine Regelung aus, die unmittelbar bei den genannten Einflußfaktoren für die Anreizverzerrung ansetzt, um dieselbe dadurch zu kompensieren. Ein Ansatzpunkt für eine Regelung ergibt sich aber, wenn man den Blick auf die Auswirkungen der beschriebenen Anreizverzerrung lenkt. Sie führen bei den Ge62
63 64
Dazu oben unter D.m.3.b). Vgl. oben unter C.I.5.e). Näher dazu oben unter C.lII.l.c).
11. Finanzierungsregeln
355
sellschaftern dazu, daß sie im Falle einer unabwendbaren Unternehmenskrise von einer frühzeitigen Beendigung der unternehmerischen Tatigkeit der Gesellschaft bzw. von deren frühzeitigen Liquidation abgehalten werden. Dabei bedeutet frühzeitig im vorliegenden Zusammenhang, daß die Verbindlichkeiten zu Beginn einer Unternehmenskrise typischerweise geringer sind als in einem fortgeschrittenen Stadium, weil die mit jeder Unternehmenskise einhergehenden Liquiditätsprobleme den Stand der Verbindlichkeiten noch nicht in dem Maß haben anschwellen lassen. Folglich sind die Gläubigerverluste bei frühzeitigem Handeln geringer. Das Verhalten der Gesellschafter trägt also - neben anderen Ursachen65 - zum Ablauf des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses bei.66 Um das zu verhindern, sollte man daher beim Grundsatz der (Mit-)Verantwortung der GmbH-Gesellschafter für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung anknüpfen. 67 Formuliert man ihn unter Beachtung der im vorangegangenen Abschnitt angesprochenen Schutzbedürftigkeit der Gläubiger, dann läßt sich das zu inkriminierende Verhalten der Gesellschafter wie folgt beschreiben: Die Gesellschafter dürfen das Finanzierungsrisiko aus der Aufnahme einer unternehmerischen Betätigung der Gesellschaft nicht in der Weise auf die Gläubiger verlagern. daß die (künftig) fälligen Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur noch durch die Eingehung immer umfangreicher werdender neuer Verbindlichkeiten erfüllt werden können. Denn eine solche - nach der Art eines Schneeballsystems arbeitende - Finanzierungsmethode muß früher oder später zusammenbrechen: zum einen, weil die zur Deckung der Rückzahlungsansprüche erforderliche Liquidität wegen des dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts niemals erwirtschaftet werden kann, zum anderen, weil sich die Unternehmenskrise irgendwann so weit zuspitzt, daß sich schließlich kein Gläubiger mehr finden lassen wird, der bereit ist, weiterhin stillzuhalten oder neuen Kredit zu gewähren. Die geforderte Eingrenzung bei der Verlagerung des Finanzierungsrisikos von den Gesellschaftern auf die Gläubiger steht in keinem Widerspruch zu der oben68 postulierten Beachtung der individuellen Gläubigereinschätzungen hinsichtlich der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft. Denn bei der Kreditgewährung an eine Gesellschaft, deren finanzwirtschaftliche Situation die Tilgung der bereits eingegangenen Verbindlichkeiten nur durch die Eingehung immer umfangreicher werdender neuer Verbindlichkeiten zuläßt, ist die Befriedigung der Rückzahlungsansprüche auf Dauer ausgeschlossen. Es handelt sich damit um einen Fall, bei dem die Fehlallokation der von den Gläubigern eingesetzten Finanzmittel bereits bei Überlassung der Finanzmittel feststeht. 69 Daß dabei unter Umständen noch einzelne Rückzahlungsansprüche befriedigt werden können, ist insoweit unerheblich. Entscheidend
65 66 67 68 69
23·
Dazu im folgenden unter E.1I.2. - 4. Zu diesem oben unter B.II.2.c). Vgl. zu dessen Inhalt oben unter D.1I.2.b) a.E. Unter E.I.2.b). Zu diesem Kriterium oben unter E.I.2.c).
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E. Synthese
ist, daß die GmbH sich in einem dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleich gewicht befindet, so daß wegen des damit verbundenen Einzahlungsdefizits die für die Auszahlungen benötigte Liquidität nur durch neue Kreditaufnahmen oder durch Finanzzuführungen der Gesellschafter beschafft werden kann. Wenn die Gesellschafter trotz des dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts weder Finanzzuführungen leisten noch sich für eine Zerschlagung der Unternehmung entscheiden, so werden dadurch die Rückzahlungsansprüche aller übrigen Gläubiger in ihrem Wert geschmälert. Da für die Gläubiger ein dauerhaftes finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht der GmbH von außen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, haben sie auch keine Möglichkeit sich davor zu schützen. Es muß daher die Aufgabe des Rechts sein, der Anreizverzerrung, wie sie für die Gesellschafter wegen des Einflusses der zerschlagungsbedingten Kosten wirksam wird 70, zu begegnen.
d) Diskussion verschiedener Lösungsansätze
Mit der eben erfolgten Beschreibung des zu inkriminierenden Verhaltens der Gesellschafter ist noch nicht gesagt, wie dieses Verhalten konkret verhindert werden kann. Eindeutig ist nur, daß die Lösung bei den Gesellschaftern ansetzen muß. Denn sie sind es, bei denen die Anreizverzerrung wirksam wird. Allerdings muß die Lösung das vom Gesellschaftsrecht vorgegebene Organisationsstatut bei der GmbH beachten. Danach fällt die Geschäftsführung bei der GmbH nicht in den Aufgabenkreis der Gesellschafter. Es scheidet daher etwa eine Lösung aus, die den Gesellschaftern für den Fall, daß das Finanzierungsrisiko in unzulässiger Weise auf die Gläubiger verlagert würde, eine Zerschlagungspflicht auferlegt. 7 ! Denn um eine solche Pflicht erfüllen zu können, müßten die Gesellschafter den Zeitpunkt bestimmen können, von dem ab künftige Verbindlichkeiten nur noch durch die Eingehung immer neuer Verbindlichkeiten erfüllt werden können. Dazu müßten sie hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des von der GmbH betriebenen Unternehmens über die Kenntnis eines Geschäftsführers verfügen. Mit der Geschäftsführung haben sie aber in ihrer Stellung als Gesellschafter gerade nichts zu tun. Im übrigen ist ein Schaden aus der möglichen Verletzung der Zerschlagungspflicht praktisch nicht zu berechnen. Das Anreizverzerrungsproblem läßt sich auch nicht dadurch lösen, daß bei den Gesellschaftern unmittelbar die Vorteile abgeschöpft werden, die sie daraus erlangen, daß sie das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen über den Zeitpunkt hinaus fortführen, von dem ab das Finanzierungsrisiko in unzulässiger Weise verlagert wird. Denn auch insoweit müßten sie über die Kenntnis eines GeschäftsfühDazu soeben unter E.II.l.a). Hierauf würde der Vorschlag von Roth (1993a), S. 207 f., hinauslaufen, wonach es der Gesellschaft möglich sein soll, den Vermögensverlust zu liquidieren, "der ihr dadurch entstanden ist, daß eine Sanierungschance vertan, eine vorteilhaftere Liquidation versäumt wurde." 70 71
11. Finanzierungsregeln
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rers verfügen. Hinzu kommt, daß die Vorteile, die die GeseJlschafter aus einer unzulässigen Fortführung ziehen, sich weder dem Grunde noch der Höhe nach zuverlässig feststeJlen lassen würden. Daher könnte die angedachte Lösung dem Ziel einer Kompensation der Anreizverzerrung sogar zuwiderlaufen, indem sie die GeseJlschafter veranlaßt, durch eine gezielte Flucht in die Masselosigkeit72 die FeststeJlung der Vorteile zusätzlich zu erschweren und die erlangten Vorteile dadurch zu behalten. Denn je nach dem, welches unternehmens politische Konzept die GeseJlschafter verfolgen, können die in einem Insolvenzverfahren zu erwartenden Masseverbindlichkeiten in der Höhe erheblich differieren. Die Entscheidungen und Vorgaben der GeseJlschafter haben insoweit einen großen Einfluß. Wenn etwa die GeseJlschafter die Finanzausstattung der GmbH so knapp bemessen, daß der Geschäftsbetrieb eines von der GmbH getragenen Unternehmens in gemieteten Räumen und mit geleasten Maschinen stattfindet, dann resultieren daraus in einem Insolvenzverfahren ungleich höhere Masseverbindlichkeiten als wenn mit eigenen Maschinen in eigenen Räumen produziert wird (§ 59 I Nr. 2, 2. Alt. KO bzw. § 55 I Nr. 2, 2. Alt InsO).73 Der eben erwähnte Gesichtspunkt verbietet es auch, zur Kompensation der Anreizverzerrung, denen die GeseJlschafter durch den Einfluß der Zerschlagungskosten auf ihr Entscheidungskalkül ausgesetzt sind, an die Zerschlagungskosten anknüpfen zu woJlen. So ließe sich daran denken, die GeseJlschafter im Insolvenzverfahren auf die Zerschlagungskosten in Anspruch zu nehmen, die sie hypothetisch hätten erbringen müssen, wenn sie das Unternehmen freiwillig außerhalb eines Insolvenzverfahrens zerschlagen hätten. Dadurch würde zwar für den FaJl, daß der Fortführungswert unter den Zerschlagungswert gefaJlen ist und daher eigentlich eine Zerschlagung sinnvoJl wäre, verhindert, daß für die GeseJlschafter unter Einbeziehung der Zerschlagungskosten gleichwohl eine Fortführung vorteilhafter ist. 74 Denn da die GeseJlschafter die Zerschlagungskosten dann in jedem FaJl zu tragen hätten, verlieren diese ihren Einfluß auf das Entscheidungskalkül der GeseJlschafter und die dadurch bewirkte Anreizverzerrung entfiele. Dennoch würde dieser Vorschlag nicht verhindern, daß GeseJlschafter das Finanzierungsrisiko aus der Aufnahme einer unternehmerischen Betätigung der GeseJlschaft in der Weise auf die Gläubiger verlagern können, daß künftige Verbindlichkeiten der GeseJlschaft nur noch durch die Eingehung immer umfangreicher werdender neuer Verbindlichkeiten erfüJlt werden können. Denn zum einen besteht, wie bereits erwähnt, durch die Wahl der Finanzausstattung und durch die Vorgabe einer entsprechende Unternehmenspolitik die Gefahr einer Flucht in die Masselosigkeit. Selbst wenn - was bezweifelt werden muß - dessenungeachtet der angedachte Anspruch auf die Leistung der Zerschlagungskosten durchgesetzt werden könnte, so ist doch zum anderen nicht sichergesteJlt, daß eine bestehende Massearmut dadurch beho-
72 73 74
Dazu bereits oben unter B.III.l.c), C.1.4.b)bb)(3), C.1.5.e) und C.1.6.a). Vgl. auch oben unter C.1.4.b)bb)(2). V gl. oben unter E.Il.l.a).
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E. Synthese
ben würde. Der Fall träte ein, wenn die Zerschlagungskosten geringer sind als die Masseverbindlichkeiten. Dazu kann es ohne weiteres kommen, da zwischen den Zerschlagungskosten außerhalb eines Insolvenzverfahrens und der Höhe der Masseverbindlichkeiten in einem Insolvenzverfahren kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Es ließe sich sogar vorstellen, daß dieser Fall durch entsprechende Gestaltung gezielt herbeigeführt wird, um die Chancen, die eine Flucht in die Masselosigkeit bietet, zu nutzen. Schließlich ist mit dem Vorschlag, die Anreizverzerrung dadurch zu kompensieren, daß die Gesellschafter auf die Kosten der Zerschlagung außerhalb eines Insolvenzverfahrens in Anspruch genommen werden, noch die Schwierigkeit verbunden, diese Kosten zu beziffern. Die zerschlagungsbedingten Kosten hängen nämlich zu einem großen Teil von den Aufwendungen ab, die für Abfindungen und Sozialpläne an Arbeitnehmer entstehen. Da diese Beträge weitgehend Verhandlungssache sind, lassen sie sich in einem Verfahren gegen die Gesellschafter auf Leistung der (fiktiven) Zerschlagungskosten nicht bestimmen.
e) Verantwortlichkeitfür Massehaltigkeit
Die eben diskutierten Vorschläge können nicht verhindern, daß die Gesellschafter das Finanzierungsrisiko aus einer unternehmerischen Betätigung der Gesellschaft in unzulässigerweise auf die Gläubiger verlagern. Konkret besteht das Risiko darin, daß Einzahlungsdefizite infolge eines finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts von den Gesellschaftern nicht ausgeglichen werden, sondern dadurch gedeckt werden, daß die Gesellschaft immer neue Verbindlichkeiten eingeht. Wegen des bestehenden finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts kann die Liquidität zur Befriedigung der sich daraus ergebenden Rückzahlungsansprüche ebenfalls nicht durch die Umsatztätigkeit der Gesellschaft erwirtschaftet werden, sondern wiederum nur durch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten. So wächst nach und nach der Stand der Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Daß es dazu kommt, setzt freilich voraus, daß sich Gläubiger finden lassen, die die Gesellschaft für kreditwürdig halten und ihr Finanzmittel zur Verfügung stellen. Gleichwohl kann das der bereits begründeten Schutzbedürftigkeit der Gläubiger75 nicht entgegengehalten werden. Ein solche Sichtweise ließe den Einfluß der Massearmut unbeachtet. Denn da Massearmut die ungesicherten Gläubiger im Ergebnis rechtlos stellt, muß sie nach Kräften verhindert werden. 76 Außerdem kann im Falle einer potentiellen Massearmut, wenn also für den Fall eines gedachten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Masseverbindlichkeiten nicht gedeckt wären, der Selbstschutz versagen, der von einer fehlenden Kreditwürdigkeit der Gesellschaft für die Gläubiger ausgeht. Das ergibt sich aus folgender Überlegung: Potentielle Massearmut und fehlende Kreditwürdigkeit sind zwei verschie75
76
V gl. oben unter E.II.l.b). V gl. oben unter E.I.l.a).
11. Finanzierungsregeln
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dene Kategorien. 77 In dem bereits genannten Beispiel, in dem eine GmbH in gemieteten Räumen mit geleasten Maschinen arbeitet, kann für den Fall eines Insolvenzverfahrens ohne weiteres Massearmut vorliegen, da das Nettovermögen der GmbH in diesem Fall gering und der Umfang der Masseverbindlichkeiten hoch ist, so daß eine Deckung der Masseverbindlichkeiten eher unwahrscheinlich ist. Dennoch kann die GmbH kreditwürdig sein, nämlich dann, wenn aus der Leistungsverwertung des von ihr getragenen Unternehmens in dem Maß Einzahlungen fließen, daß die bestehenden Rückzahlungsansprüche der Gläubiger daraus jederzeit befriedigt werden können. 78 Kommt das Unternehmen jedoch in eine wirtschaftliche Krise und kann es infolge des nunmehr eintretenden finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts die Rückzahlungsansprüche nicht mehr vollständig aus der Leistungsverwertung erwirtschaften 79, so kann das Einzahlungsdefizit nur durch GeseIlschafterzuschüsse oder durch neue Kredite gedeckt werden. Wird das Einzahlungsdefizit nicht durch Gesellschafterzuschüsse, sondern durch eine Aufblähung des Kreditvolumens ausgeglichen, so ist das für die Gläubiger regelmäßig erst dann erkennbar, wenn ihre Rückzahlungsansprüche nicht mehr fristgerecht erfüllt werden können, weil die dafür notwendige Liquidität infolge des finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts nicht erwirtschaftet wird. Zumeist wird dann aber der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß soweit fortgeschritten sein 8o , daß die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens nicht mehr gewährleistet ist. Dadurch daß die Gesellschafter ein aus einem finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht resultierendes Einzahlungsdefizit nicht ausgleichen, können also die Gläubiger geschädigt werden. Sie sind mithin auch dann schutzbedürftig, wenn die GmbH - zumindest aus ihrer Sicht 81 - noch kreditwürdig erscheint. Aus der Schädigungsmöglichkeit der Gesellschafter infolge Nichtausgleichung eines Einzahlungsdefizits darf allerdings nicht gefolgert werden, daß die Gesellschafter zum Ausgleich eines Einzahlungsdefizit verpflichtet sein müßten. Denn dies käme einer unbegrenzten Nachschußpflicht gleich und würde dem Prinzip der beschränkten Gesellschafterhaftung (§ 13 II GmbHG) widersprechen. Es kann nur darum gehen, daß es infolge der Nichtausgleichung eines Einzahlungsdefizits zur Massearmut kommt. Denn dadurch wird den ungesicherten Gläubigem die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens genommen, in dem überprüft werden kann, ob die Gesellschaftsorgane im Vorfeld der Insolvenz unzulässige Handlungen zum Nachteil der Gläubiger vorgenommen haben und in dem solche Nachteile nötigenfalls rückabgewickelt werden können. 82 Wenn die Gesellschaftsorgane fest mit der
V gl. auch oben unter C.I.4.a)bb)( I) a.E. Vgl. zur Existenzbedingung der jederzeitigen Liquidität oben unter C.lV.l.a). 79 Der negative Leverage-Effekt wird in dieser Situation voll wirksam, vgl. dazu oben unter C.1.l.b) bei Fn. 20. 80 V gl. oben unter B.lI.2.c). 81 Näher zu dieser Einschränkung unten unter E.III.2.b)bb). 82 Vgl. zur Vielzahl möglicher Ansprüche oben unter B.I.3.c). 77
78
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E. Synthese
Durchführung eines Insolvenzverfahrens rechnen müssen, so werden dadurch Anreize zu reichtumsverschiebenen Verhaltensweisen, die anderenfalls unerkannt oder zumindest ungesühnt blieben, von vornherein unterbunden. Es kommt mithin entscheidend auf die Sicherung der Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens an. Die Schädigungsmöglichkeit der Gesellschafter infolge Nichtausgleichung eines Einzahlungsdefizits muß deshalb dort ihr Ende haben, wo die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens nicht mehr gewährleistet ist. Daraus folgt als Finanzierungsregel, daß die Freiheit der Gesellschafter bei der Ausstattung "ihrer" GmbH mit Finanzmitteln dann enden muß, wenn für den Fall eines Insolvenzverfahrens die Masseverbindlichkeiten nicht mehr gedeckt sind. Die Gesellschafter müssen deshalb für die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens verantwortlich sein. Wie die Haftung der Gesellschafter auf die Masseverbindlichkeiten im einzelnen auszugestalten ist, kann an dieser Stelle noch nicht weiter ausgeführt werden, weil dazu erst noch andere Komponenten für das System einer Insolvenzauslösung entwickelt werden müssen, die mit der Haftung der Gesellschafter auf die Masseverbindlichkeiten in engem Zusammenhang stehen. 83 Der eben entwickelte Lösungsansatz, die Gesellschafter auf die Masseverbindlichkeiten haften zu lassen, wird daher erst unten unter E.lY.l.a) weiter verfolgt.
2. Konsequente Anwendung des Kapitalersatzrechts
Die eben dargelegte Finanzierungsregel betraf die Frage, in welchem Umfang die Gesellschafter die GmbH mindestens mit Kapital ausstatten müssen. Im folgenden geht es um die Frage, wie es sich verhält, wenn die Gesellschafter über diesen Mindestbetrag hinaus Finanzierungsbeiträge erbringen.
a) Folgen der Gesellschafterfremdfinanzierung bei Kreditunwürdigkeit
Im Rahmen der Analyse des Kapitalersatzrechts wurde gezeigt, daß Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft dann Eigenkapitalcharakter annehmen müssen, wenn gesellschaftsfremde Dritte nicht mehr bereit sind, das infolge eines finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts bestehende Einzahlungsdefizit auszugleichen, indem sie der Gesellschaft Kredit gewähren. 84 Denn unter diesen Umständen verhindert eine Mittelzufuhr der Gesellschafter den Eintritt der Insolvenz und damit die Auslösung eines Insolvenzverfahrens. Würden die Finanzzuführungen der Gesellschafter keinen Eigenkapitalcharakter annehmen, so würden die Gläubiger dadurch in zweierlei Hinsicht geschädigt.
83
84
Dazu unten unter E.III.3.b)cc)(l) und E.IY.l. Oben unter 0.11.2., insbesondere unter b).
II. Finanzierungsregeln
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Erstens käme es zur Haftungskonkurrenz zwischen Gläubigem und Gesellschaftern, wenn die Mittel der Gesellschafter nicht als haftende Eigenmittel der Gesellschaft gelten würden, da die Mittel der Gesellschafter dann nicht mehr der Voraushaftung unterfielen. 85 Damit würde aber eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt des Haftungsprivilegs bei der GmbH unterlaufen. Das Gesetz geht nämlich davon aus, daß über das Vermögen einer GmbH das Insolvenzverfahren zu eröffnen ist, sobald die Forderungen der Gläubiger nicht mehr durch das GmbH-Vermögen gedeckt sind (§ 64 I 2 GmbHG a.P. bzw. § 64 I 2 GmbHG n.P. i.Y.m. § 1911 1 InsO). Ob die Forderungen durch das Vermögen gedeckt sind, ist vornehmlich eine Frage der Bewertung des Vermögens. 86 Sie orientiert sich daran, ob es der GmbH gelingt, ihr Vermögen so einzusetzen, daß dadurch die Forderungen der Gläubiger befriedigt werden können. Gelingt ihr das nicht, so ist sie insolvent. 87 Wegen der an die Insolvenz gekoppelten Verpflichtung zur Auflösung der Gesellschaft, sind nun in der Insolvenzsituation nur zwei Handlungweisen zulässig: entweder es wird tatsächlich Insolvenzantrag gestellt oder es wird die Insolvenzsituation überwunden, indem das haftende Vermögen der GmbH durch die Zufuhr von Eigenmiueln über das bisherige Maß hinaus verstärkt wird. Mit der gesetzlichen Regelung soll also für den Fall der Insolvenz gerade verhindert werden, daß es zu einer Haftungskonkurrenz zwischen Gläubigem und Gesellschaftern kommt. Wenn die Gesellschafter die Insolvenz der Gesellschaft anders als durch die Zufuhr haftender Eigenmiuel beseitigen dürften, würden die Gläubiger zum zweiten dadurch geschädigt, daß sie dann über das bereits vorhandene Maß weitere Forderungsausfälle erleiden würden. Denn wenn im Zustand der Kreditunwürdigkeit die Insolvenz der GmbH anders als durch die Zufuhr haftender Eigenmiuel überwunden wird, dann führt der Aufschub eines Insolvenzverfahrens dazu, daß infolge des der Insolvenz zugrunde liegenden finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts die Verbindlichkeiten anwachsen, ohne daß dadurch in entsprechendem Umfang haftendes Vermögen geschaffen wird. Wegen des - relativ zu den Verbindlichkeiten schrumpfenden Vermögens sinken aber zugleich die Befriedigungsaussichten der Gläubiger. 88 Für die Gesellschafter hat die Umqualifizierung ihrer Leistungen in Kapitalersatz den Nachteil, daß sie ihre Leistungen nicht abziehen dürfen, solange die GmbH kreditunwürdig ist bzw. daß sie Leistungen, die sie dennoch zurückerhalten haben, zurückgewähren müssen. Das gilt nach den sog. Novellen-Regeln der §§ 32a GmbHG, 32a KO bzw. 135 InsO bis zu der Höhe wie diese Leistungen einem Driuvergleich nicht standhalten. 89 Für die Gesellschafter ist hiermit immer Vgl. oben unter D.II.l.c )aa). Vgl. oben unter D.I.2.d). 87 V gl. zum Zusammenhang von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit oben unter D.I.3.c) und d). 88 V gl. zum Mechanismus des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses oben unter B.II.2.c). 85
86
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E. Synthese
eine Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit verbunden. In dem Umfang, wie es ihnen gelingt sich dieser aus Gründen des Gläubigerschutzes notwendigen Beschränkung zu entziehen, führt das aber zu Anreizverzerrungen und in der Folge zu den beschriebenen Gläubigerschädigungen. Wenn das Recht seiner Aufgabe gerecht werden will, Anreizverzerrungen abzuwehren 90, muß es daher zuverlässig verhindern, daß die Gesellschafter die Gesellschaft dann, wenn diese nicht mehr kreditwürdig ist, anders als durch die Zufuhr von Eigenmitteln finanzieren.
b) Unzulässige Gesellschafterfremdfinanzierung Im einzelnen wurde schon gezeigt, daß - bereits nach geltendem Kapitalersatzrecht, allerdings zum Teil entgegen der h.M. - Finanz- und Sachdarlehen, darlehensähnliche Rechtshandlungen, Nutzungsüberlassungen oder auch Dienstleistungspflichten als kapitalersetzende Leistung zu werten sein können. 91 Aus den eben erläuterten Schädigungspotentialen bei einer Fremdfinanzierung durch die Gesellschafter im Falle der Kreditunwürdigkeit der GmbH läßt sich nun eine allgemeine Regel für den Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts ableiten: Sobald die Gesellschaft bei gesellschaftsfremden Dritten nicht mehr kreditwürdig ist, ist entscheidend, daß das (tätige) Finanzierungsverhalten der Gesellschafter weder zu einer Haftungskonkurrenz zwischen Gesellschaftern und Gläubigern führen darf, noch dazu, daß die BeJriedigungsaussichten der Gläubiger gemindert werden. Es müssen also alle Finanzierungsformen, die diesem Erfordernis nicht genügen, dem Risiko ausgesetzt sein, daß sie im Falle einer Insolvenz so behandelt werden, als wären statt der tatsächlich gewählten Finanzierungsform Eigenmittel zugeführt worden. Das Kapitalersatzrecht kann mithin als Finanzierungsregel für die Gesellschafter verstanden werden: Sofern die Gesellschaft bei gesellschaftsfremden Dritten nicht mehr kreditwürdig ist, werden die Gesellschafter durch das Risiko einer Umqualifierung ihrer Finanzierungsbeiträge in Eigenkapitalersatz dazu angehalten, gläubigergefährdende Finanzierungsbeiträge entweder zu unterlassen - und die GmbH dadurch der Insolvenz preiszugeben - oder Finanzierungsbeiträge in der Weise zu leisten, daß sie nicht gläubigergefährdend wirken. Dabei können unzulässige Finanzierungsbeiträge sowohl darin bestehen, daß die Gesellschafter der GmbH finanzielle Mittel zuführen, ohne daß es sich dabei um die Zufuhr haftender Eigenmitteln handelt, als auch darin, daß die Gesellschafter, wie etwa im Fall kapitalersetzender Dienstleistungen, der GmbH den Abfluß finanzieller Mittel ersparen.
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Näher hierzu oben unter D.II.2.a)bb). Vgl. oben unter E.I.2.c). Vgl. oben unter D.II.2.c)bb).
11. Finanzierungsregeln
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c) Sale-and-lease-back- Veifahren als Anwendungsbeispiel
Die eben dargestellte Finanzierungsregel soll im folgenden an einem Beispiel verdeutlicht werden, anhand dessen weitere Fragen bei der Anwendung des Kapitalersatzrechts geklärt werden können. Bei dem Beispiel handelt es sich um einen Spezialfall des Sale-and-lease-back-Verfahrens 92 , nämlich um den, daß der Erwerber und Leasinggeber zugleich GmbH-Gesellschafter ist. 93 Der Fall kann sich insbesondere im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ergeben. Dabei führt das Saleand-lease-back-Verfahren für die (Betriebs-)GmbH zu einer Liquiditätszufuhr und dem Nutzungsrecht an den für den Betrieb des Unternehmens erforderlichen Gegenständen.
aa) Grenzen beim Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts Was die Liquiditätszufuhr angeht, so resultiert diese aus einer bloßen Vermögensumschichtung: die GmbH erhält liquides Vermögen gegen die Hingabe von weniger liquidem Vermögen. Hingegen wird das Vermögen der GmbH per Saldo nicht gemehrt, weil die Gesellschafter über ihren bisherigen Finanzierungsbeitrag hinaus keine weiteren Finanzmittel zuführen. Bilanztechnisch gesprochen handelt es sich um eine Aktivtausch. 94 Daher kann das Kapitalersatzrecht auf einen solchen Tauschvorgang m.E. nicht angewandt werden. Mit anderen Worten setzt eine Finanzzuführung der Gesellschafter, die in Kapitalersatz umqualifiziert werden soll, voraus, daß es dadurch bei der Gesellschaft per Saldo zu einer Vermögensmehrung kommt.
bb) Voraussetzungen und Rechtsfolge einer Nutzungsüberlassung Anders als mit der Liquiditätszufuhr verhält es sich mit der Einräumung des Nutzungsrechts an den verleasten Gegenständen. Dabei braucht auf die Frage, ob Nutzungsüberlassungen überhaupt kapitalersetzenden Charakter haben können, hier nicht mehr eingegangen zu werden. Denn die wirtschaftliche Vergleichbarkeit (§ 32a III GmbHG) zwischen Darlehensgewährungen nach § 32a I GmbHG und Nutzungsüberlassungen wurde bereits oben begründet. 95 Offen ist aber noch, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Rechtsfolge eine Nutzungsüberlassung umzuqualifizieren ist.
V gl. zur Funktionsweise oben unter C.I.4.b )bb)( 1). Soweit das nicht der Fall ist, vgl. unten unter E.II.4.c)bb). 94 Soweit die Liquidität in bar zugeführt wird, würde der Buchungssatz lauten ,per Kasse an Betriebs- und Geschäftsausstattung •. 95 Vgl. unter D.J/.2.c)bb)(3). 92
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E. Synthese
Dazu ist auf die Überlegungen zur Bedeutung der Finanzplanung im Rahmen des Kapitalersatzrechts zurückzukommen. 96 Sie mündeten in der Aussage, daß Leistungen der Gesellschafter im Falle einer Insolvenz der GmbH dann in Kapitalersatz umqualifiziert werden müssen, wenn sie für die Kreditgeber der Gesellschaft zur Grundlage dafür geworden sind, die Gesellschaft als kreditwürdig einzuschätzen. Das ist aber nicht nur dann der Fall, wenn die Gesellschafter unmittelbar durch die Finanzplanung einen Vertrauenstatbestand setzen, sondern auch dann, wenn die Gläubiger durch die Existenz von Vermögensgegenständen, die der Gesellschaft von den Gesellschaftern zur Nutzung überlassen worden sind, über die Kreditwürdigkeit der GmbH getäuscht werden. Dazu kommt es, wenn für die Dauer, während derer die Vermögensgegenstände in dem von der GmbH getragenen Unternehmen für dessen betrieblichen Leistungsprozeß benötigt werden, nicht mit einem finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht gerechnet werden kann und die GmbH infolgedessen insolvent wird. Denn unter diesen Umständen hätten gesellschaftsfremde Dritte der GmbH keine Vermögensgegenstände zur Nutzung überlassen, weil ihr Anspruch auf das Nutzungsentgelt von vornherein gefahrdet gewesen wäre. Indem also die Gesellschafter betriebsnotwendige Gegenstände zur Nutzung an die GmbH überlassen, schaffen sie ein Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der GmbH. Es verhält sich insoweit ebenso, wie wenn die Gesellschafter den Kreditgebern der GmbH gegenüber in einem Finanzplan kundgetan hätten, in welchem Umfang sie sich an der Finanzierung der Gesellschaft beteiligen wollen. An der Setzung eines solchen Vertrauenstatbestandes müssen sich die Gesellschafter festhalten lassen. Die Nutzungsüberlassung ist daher in dem Umfang als kapitalersetzend anzusehen, wie die Gläubiger - entgegen dem gesetzten Rechtsschein - nicht darauf vertrauen können, daß die GmbH kreditwürdig ist. Konkret ist eine Nutzungsüberlassung daher kapitalersetzend, sobald und soweit die finanzwirtschaftliche Situation der GmbH es nicht mehr zuläßt, die für das Nutzungsentgelt falligen Auszahlungen an die Gesellschafter so zu finanzieren, daß diese dadurch weder in Haftungskonkurrenz zu den Gläubigem treten noch daß dadurch die Befriedigungsaussichten der Gläubiger gemindert werden. 97 Dabei ist im letztgenannten Fall von den Befriedigungsaussichten auszugehen, wie sie für die Gläubiger im Zeitpunkt der Nutzungsüberlassung bestanden haben. Ist die Gesellschaft im vorbezeichneten Sinne nicht mehr kreditwürdig, so müssen die Gesellschafter die Nutzungsentgelte in dem Umfang an die Insolvenzmasse erstatten, wie die durch die Nutzungsentgelte bewirkten Auszahlungen zu dem für die Insolvenz ursächlichen finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht beigetragen haben. Denn in diesem Umfang haben die Gesellschafter die Gläubiger durch die Nutzungsüberlassung von Vermögensgegenständen an die GmbH über deren Kreditwürdigkeit getäuscht. Der Erstattungsbetrag ist also nach oben entweder durch die Höhe der empfangenen Nutzungsentgelte oder durch die Höhe des Einzah-
96 97
V gl. oben unter D.II.2.c )dd). Zur Herleitung dieser Kriterien oben unter E.II.2.b).
11. Finanzierungsregeln
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lungsdefizits begrenzt. Der Insolvenzverwalter kann die Zahlung der entsprechenden Nutzungsentgelte anfechten, § 32a S. 2 KO bzw. § 135 Nr. 2 InsO i.Y.m. § 32a I und III GmbHG. Gleiches gilt, wenn, etwa infolge fehlender Liquidität, für die Nutzungsüberlassungen keine Auszahlungen erfolgten. Hierbei handelt es sich um einen Finanzierungsbeitrag der Gesellschafter, bei dem der GmbH der Abfluß finanzieller Mittel erspart und dadurch ihre Insolvenz vermieden wurde. Kein gesellschaftsfremder Dritter hätte das ceteris paribus getan. In diesem Fall sollten die Gesellschafter daher zur nachträglichen Leistung des Betrages verpflichtet sein, den ein Dritter für die Nutzungsüberlassung angemessenerweise verlangt hätte.
3. Grenze wirksamer Kreditbesicherung
Durch eine sicherungs weise Überlassung von Vermögensgegenständen an ihre Gläubiger ist es der GmbH möglich, sog. verliehene Liquidität zu sChöpfen. 98 Infolge der ausgeprägten Vermögensbezogenheit des Insolvenzrechts ist der Einfluß aus der Zuführung von verliehener Liquidität auf die Finanzlage der Gesellschaft in der Insolvenz bisher unbeachtet geblieben. 99 Im folgenden sollen daher Finanzierungsregeln erarbeitet werden, die verhindern, daß infolge der Bestellung von Kreditsicherheiten, d. h. der Zuführung von verliehener Liquidität, ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt werden kann. Dazu wird - unter a) - zunächst der Einfluß von Kreditsicherungen auf die Finanzierbarkeit von Insolvenzverfahren dargestellt. Als nächstes wird - unter b) - erläutert, inwieweit sich daraus Anreizverzerrungen ergeben können, bevor dann - unter c) - ausführlich dargelegt wird, wie diesen zu begegnen ist.
a) Folgen der Kreditsicherung für die Finanzierung von Insolvenzverfahren
Durch die Bestellung von Kreditsicherheiten an Vermögensgegenständen der GmbH kann die freie Masse 100 derart zusammenschrumpfen, daß sie zur Berichtigung der Masseverbindlichkeiten nicht mehr hinreicht. Der behauptete Zusammenhang ist empirisch belegbar: Betrachtet man bei insolventen Unternehmen den Anteil der freien Masse bezogen auf den Verkehrswert der Aktiva des Unternehmens anhand der vom Insolvenzverwalter zu erstellenden Eröffnungsbilanz, so zeigt Dazu bereits oben unter C.lY.2. Allgemein ist das deutsche Recht der kaufmännischen Rechnungslegung eher vermögens- und ertragsorientiert. Nach § 264 " I HGB soll der lahresabschluß einer Kapitalgesellschaft zwar ein Bild von der "Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage" der Gesellschaft vermitteln, doch finden sich Vorschriften zur Feststellung der Finanzlage nur spärlich und in recht allgemeiner Form, vgl. etwa § 285 Nr. 3 HGB. Demgegenüber bestehen zahlreiche und eingehende Vorschriften dazu, wie die Vermögens- und Ertragslage festzustellen ist, vgl. nur §§ 242-256, 264-288 HGB. 100 I.S.d. oben unter B.I.2.d)aa) eingeführten Begrifflichkeit. 98 99
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E. Synthese
sich, daß die freie Masse bei den mit Schlußtermin beendeten, also vollständig durchgeführten Insolvenzverfahren 23 Prozent des Verkehrswertes beträgt. Bei den zwar eröffneten, nach § 204 KO aber wieder eingestellten Verfahren beträgt die freie Masse nur noch neun Prozent. Und bei den Verfahren, die nach § 107 I KO bereits nicht eröffnet werden können, schrumpft der Anteil der freien Masse gar auf sechs Prozent des Verkehrswertes der Aktiva zusammen. 101 Der jeweilige Rest des Vermögens ist in Folge von Aus- und Absonderungsrechten an die Sicherungsgläubiger disloziert. Die Zahlen zeigen, daß die Chancen für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens um so kleiner sind, je mehr Vermögensgegenstände der Gesellschaft durch Aus- und Absonderungsrechte belegt sind. Je nach dem, ob lediglich die sonstigen Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 InsO nicht gedeckt sind, oder ob auch die Kosten des Insolvenzverfahrens i. S. d. § 54 InsO nicht gedeckt werden können, kommt es entweder zur Masseunzulänglichkeit (vgl. § 208 I 1 InsO) oder zur Masselosigkeit. Zusammenfassend wurde bislang schon und wird im folgenden von Massearmut gesprochen. Sie führt in jedem Fall dazu, daß diejenigen Gläubiger, deren Befriedigung das Insolvenzverfahren eigentlich dienen soll (vgl. § 38 i.V.m. § 35 InsO), von vornherein keine Befriedigungschance haben, §§ 207 I, 208 I, 211 I InsO. Das ist vor allem insoweit bedenklich, als es oft nur deshalb zur Massearmut kommt, weil die Insolvenzmasse nicht hinreichend liquide ist, um die Masseverbindlichkeiten decken zu können. 102 Denn wegen der Mechanismen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses 103 ist die Insolvenz gerade durch einen Mangel an Liquidität gekennzeichnet. Fehlende Liquidität der Insolvenzmasse besagt aber nichts über deren Werthaltigkeit. Rein vermögensmäßig betrachtet kann es sein, daß die Insolvenzmasse - über die Deckung der Masseverbindlichkeiten hinaus - durchaus etwas zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO beizutragen vermag. Denn neben den nicht liquiden Aktiva des insolventen Unternehmens, etwa Ansprüchen gegen Debitoren, kann die Insolvenzmasse darüber hinaus zu erheblichen Teilen aus erst noch zu realisierenden Ansprüchen bestehen, die sich erst infolge des Insolvenzverfahrens ergeben. 104 Je geringer jedoch im Falle der Insolvenz aufgrund von Aus- und Absonderungsrechten die freie Masse ist, desto geringer sind auch die Aussichten, daß sich in dieser Masse in hinreichendem Umfang liquide oder kurzfristig liquidierbare Vermögensgegenstände befinden, um ein Insolvenzverfahren finanzieren zu können. Kann wegen fehlender 101 Die Prozentzahlen basieren auf der empirischen Untersuchung von Gessner/Rhode/ Strate / Ziegert (1977), S. 146 f. (Tab. 1/66 und 1/67). Zur Berechnung: Es wurden für die jeweiligen Verfahrenstypen die angegebenen Beträge für die erwartete freie Masse aus der Verwertung der einzelnen Massegegenstände aufaddiert und die Summe ins Verhältnis gesetzt zu der Summe der Verkehrswerte der einzelnen Massegegenstände. - Vgl. auch Drukarczyk/ Duttle / Rieger (1984), S. 13. 102 Dazu oben unter B.I.3.a) - c). 103 Dazu oben unter B.1I.2.c). 104 Vgl. die umfangreiche Aufzählung oben unter B.I.3.c).
H. Finanzierungsregeln
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Liquidität der Insolvenzmasse kein Insolvenzverfahren durchgeführt werden, so können auch die in der Insolvenzmasse gleichwohl vorhandenen, allerdings nicht liquiden Vermögenswerte nicht realisiert werden. \05 Mögliche Befriedigungschancen gehen damit endgültig verloren.
b) Durch Kreditsicherungen hervorgerufene Anreizverzerrungen
Der Verlust möglicher Befriedigungschancen beruht auf Anreizverzerrungen, denen die ungesicherten Gläubiger nicht entgehen können. Denn es ist für sie nicht erkennbar, welche Anteile des Vermögens der GmbH aufgrund von Kreditsicherungen disloziert sind und ab wann demzufolge die Massearmut droht. 106 Die Anreizverzerrungen sind zum einen bei den gesicherten Gläubigem, zum anderen bei den Gesellschaftern wirksam. Bei den gesicherten Gläubigem folgt die Anreizverzerrung daraus, daß sie bei einer werthaitigen Sicherung die Konsequenzen ihrer gesicherten Kreditvergabe nicht zu tragen haben. Indes ist es nicht unproblematisch, wenn der Gesellschaft durch die gesicherte Kreditvergabe in einem Stadium verliehene Liquidität lO7 zugeführt wird, in dem sie aufgrund eines dauerhaften finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts bereits nicht mehr in der Lage ist, die Liquidität zu erwirtschaften, die erforderlich ist, um ihre (künftig) fälligen Verbindlichkeiten erfüllen zu können. Denn sobald die Liquidität zur Deckung der fälligen Verbindlichkeiten nur noch durch die Zuführung immer neuer Finanzmittel beschafft werden kann, kommt es zum Beginn des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses. 108 Von diesem Zeitpunkt an sinken die Befriedigungsaussichten ungesicherter Gläubiger bzw. solcher mit nicht werthaitigen Kreditsicherheiten. Da die Gläubiger werthaitiger Kreditsicherheiten diesem Risiko nicht ausgesetzt sind, sie vielmehr die Chance haben, aus der Kreditvergabe an die GmbH ihren eigenen Vorteil zu nähren, ermöglichen sie es der GmbH, nolens volens den Schein der Kreditwürdigkeit aufrechtzuerhalten, obwohl diese objektiv nicht mehr kreditwürdig ist. Die Anreizverzerrung bewirkt somit, daß das Verhalten der gesicherten Gläubiger sich auch dann an ihrem eigenen Vorteil orientiert, wenn die übrigen Gläubiger nur noch verlieren können und daher eine Insolvenzeröffnung angezeigt wäre. Daß dieser Befund zumindest auf einen Teil der gesicherten Gläubiger zutrifft, ergibt sich etwa daraus, daß sich 13 Prozent der gesicherten Warenkreditgläubiger vor Kreditgewährung nie Informationen über die wirtschaftliche Lage ihres Dazu oben unter B.I.3.e). Ablehnend zu möglichen Vorschlägen, die Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger durch mehr Information über die wirtschaftliche Situation des Schuldners zu verbessern, bereits oben unter D.III.3.b) und D.III.4. 107 Zum Begriff oben unter C.lV.2. 108 Dazu oben unter B.II.2.c). 105
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E. Synthese
Schuldners verschaffen und immerhin weitere knapp 43 Prozent nur vereinzelt. Neun Zehntel begründen ihr Verhalten mit der Sicherungsfunktion der Kreditsicherheiten. 109 Auch ist die Bereitschaft zur Verlängerung des ursprünglich vereinbarten Zahlungsziels relativ hochYo Daß auch die Kreditkontrolle, also die Überwachung des Kreditengagements nach Kreditgewährung teilweise im argen liegt, wurde schon hervorgehoben. 111 Insbesondere führen bei den gesicherten Kreditinstituten fast 57 Prozent keine Überwachung des Zahlungsverkehrs durch. 1I2 Gerade durch eine Kontrolle des Zahlungsverkehrs lassen sich aber am ehesten Zahlungsaufschübe feststellen, die eine Geldverlegenheit anzeigen. I 13 Die Anreizverzerrung die von Kreditsicherungen auf Gesellschafter ausgeht, besteht darin, daß es den Gesellschaftern erleichtert wird, das Finanzierungsrisiko aus der Aufnahme einer unternehmerischen Betätigung der Gesellschaft auf die Gläubiger zu verlagern. Insoweit muß noch einmal an die Finanzierungsregel über die Mindestfinanzausstattung erinnert werden: Danach müssen die Gesellschafter die Verantwortlichkeit für die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens tragen, weil sie sonst das Finanzierungsrisiko aus der Aufnahme einer unternehmerischen Betätigung der Gesellschaft in unzulässiger Weise auf die Gläubiger verlagern könnten. 114 Unzulässig ist die Verlagerung des Finanzierungsrisikos, wenn ein finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht vorliegt, so daß die Liquidität, die zur Erfüllung der (künftig) fälligen Verbindlichkeiten der GmbH erforderlich ist, nur gewonnen werden kann, indem immer umfangreicher werdende neue Verbindlichkeiten eingegangen werden und wenn es infolge der damit einhergehenden (siche109 Vgl. die empirische Untersuchung von DrukarczyklDuttlelRieger (1984), S. 80 Tabelle U-43, und S. 82 Tabelle U-45. Ferner m.w.N. oben unter C.I.2.b). 110 DrukarczyklDuttlelRieger (1984), S. 68, haben festgestellt, daß bei 41,8 Prozent aller Abnehmer die Zahlungsfrist um durchschnittlich 46,5 Tage verlängert wird, bei 11,4 Prozent um 90 Tage und bei 5 Prozent um mehr als 90 Tage. Ferner kommt es in sieben Prozent aller befragten Unternehmen zu nicht vereinbarten Überschreitungen des Zahlungsziels von mehr als 20 Tagen (aaO., S. 69). Daß unter diesen Umständen die häufigste Ausfallursache mobiliargesicherter Gläubiger darin liegt, daß das Sicherungsgut nicht mehr vorhanden ist (aaO., S. 97), verwundert nicht, wenn einige weitere Eckdaten der empirischen Forschung in die Überlegung mit einbezogen werden. Danach schwankt die durchschnittliche Lagerdauer zwischen 52,5 Tagen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (aaO., S. 69) und 67,3 Tagen für Waren (aaO., S. 71); das ursprünglich vereinbarte Zahlungsziel beträgt durchschnittlich 25,8 Tage (aaO, S. 67) und beim Warenkredit wird in der Mehrzahl der Fälle zur Kreditsicherung ein einfacher Eigentumsvorbehalt vereinbart (vgl. auch die Hinweise in Fn. 63 oben unter C.I.2.b). Somit überschreitet die Zeit bis zum tatsächlichen Zahlungseingang in nicht wenigen Fällen die Wirksamkeitsdauer des vereinbarten Sicherungsmittels. 111 Oben unter C.I.2.b) bei Fn. 58. 112 Vgl. Drukarczykl Duttlei Rieger (1984), S. 149 Tabelle K-41. 113 Ausführlich und instruktiv zur Bonitätsprüfung von Kundenunternehmen aus Sicht der Praxis Popp (1989), S. 61 ff., 71 ff. Zusammenfassend aaO., S. 113: "Das wirksamste Mittel zur Verhinderung vermeidbarer Forderungsausfälle sind neben einer verläßlichen Prüfung der Aufträge und Anfragen auf ihre Plausibilität die exakte Kontrolle der Konten auf Einhaltung des Zahlungsziels und die konsequente Reaktion auf Ziel überschreitungen." 114 Dazu oben unter E.II.I.e).
11. Finanzierungsregeln
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rungsweisen) Disloszierung von Vermögensgegenständen der GmbH zur Massearmut kommt. 115 Denn zum einen können die Gläubiger unter diesen Umständen nur noch verlieren, weil die Gesellschaft die Liquidität zur Erfüllung der Rückzahlungsansprüche wegen des bestehenden finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts nicht mehr erwirtschaften kann. Und zum anderen manifestieren sich bei der Nichtdurchführung eines Insolvenzverfahrens mögliche Reichtumsverschiebungen, die im Vorfeld der Insolvenz vorgenommen wurden, etwa aus der unberechtigten Rückgewähr kapitalersetzender Leistungen. Wie schon gesagt, erleichtern es nun Kreditsicherheiten, Finanzierungsrisiken - entgegen der Regel von der Verantwortlichkeit der Gesellschafter für die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens auf die Gläubiger zu verlagern. Denn sie ermöglichen es der Gesellschaft, bereits vorhandene Gläubiger durch nachträgliche Einräumung einer Kreditsicherheit weiter hinzuhalten - und dadurch den Abfluß knapper Liquidität zu vermeiden - bzw. potentielle Gläubiger durch das Angebot von Kreditsicherheiten zur Kreditvergabe, d. h. zur Liquiditätszuführung zu veranlassen. Damit geht aber die Gefahr einher, daß die freie Masse aufgrund der im Rahmen von Kreditsicherungsgeschäften dislozierten Vermögensgegenstände der GmbH so gering wird, daß kein Insolvenzverfahren durchgeführt werden kann. Den Gesellschaftern kommt das entgegen, da dann eine Überprüfung unterbleibt, inwieweit sie ihr Finanzierungsrisiko möglicherweise zu Unrecht auf die Gläubiger verlagert haben. Kreditsicherungen können somit aus ihrer Sicht ein Mittel zur rettenden Flucht in die Masselosigkeit sein. 1I6 Selbst wenn die Flucht in die Masselosigkeit nicht beabsichtigt ist, so hat doch die Aufblähung des Kreditvolumens, die durch die Vereinbarung von Kreditsicherungen ermöglicht wird, unerwünschte Einwirkungen auf das Entscheidungskalkül der Gesellschafter. Denn wenn die Verbindlichkeiten so hoch werden, daß ein Zerschlagungserlös nicht zu erwarten ist, dann ist es für sie nicht mehr attraktiv, die unternehmerische Betätigung der Gesellschaft von sich aus zu beenden bzw. die Gesellschaft zu liquidieren. Das gilt sogar dann, wenn der Fortführungswert unter den Nettozerschlagungswert fällt und von daher auch aus Sicht der Gesellschafter an sich eine Zerschlagung angezeigt wäre. 117 Kreditsicherungen wirken also auch insoweit anreizverzerrend. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Zufuhr von Liquidität zum Ausgleich eines auf einem finanzwirtschaftlichen Ungleichgewicht beruhenden Einzahlungsdefizits auch von den Gesellschaftern geleistet werden könne, so daß der Einfluß der Kreditsicherungen auf das Entscheidungsverhalten der Gesellschafter nicht wirksam würde. Denn zum einen würde insoweit regelmäßig das Kapitalersatzrecht greifen. Und zum anderen ist für die Gesellschafter eine weitere Zufuhr von Liquidität praktisch kaum verlockend, solange das finanzwirtschaftli115 116 117
Vgl. oben unter E.II.l.c) und e). Vgl. auch oben unter C.I.5.e). Vgl. oben unter E.II.l.a).
24 Förster
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E. Synthese
che Ungleichgewicht besteht. Solange dieses besteht, bedeutet nämlich jede Zufuhr von Liquidität nur einen vorübergehenden Aufschub des letztlich unvermeidbaren finanziellen Kollapses. Eine Liquiditätszufuhr durch die Gesellschafter wäre also herausgeworfenes Geld. Um aber an den Vorteilen einer Fortführung gleichwohl partizipieren zu können, ist es für die Gesellschafter sinnvoller, die erforderliche Liquidität stattdessen durch die Gläubiger zuführen zu lassen. Das es dadurch zu einer unzulässigen Verlagerung des Finanzierungsrisikos kommen kann, wurde schon gesagt.
c) Unwirksamkeit von Kreditsicherungsgeschäften
Die Frage, wie die durch die eben beschriebenen Anreizverzerrungen verursachten negativen Folgen der Kreditbesicherung für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens beseitigt werden können, ist bislang ungelöst. Es fehlt zwar nicht an Lösungsvorschlägen, doch werden diese den komplexen Anforderungen, die sowohl in juristischer als auch in ökonomischer Hinsicht bestehen, nicht gerecht. 118 Gleichwohl handelt es sich bei der aufgeworfenen Frage um "eine Lebensfrage des Konkurses als Rechtsinstitution.,,1l9 Im folgenden soll nun ein Vorschlag entwikkelt werden, der sich einem ganzheitlichen Ansatz verpflichtet fühlt. Dazu werden - unter aa) - zunächst die für die weitere Gedankenführung wesentlichen Ergebnisse der bisherigen Untersuchung in Erinnerung gerufen. Als nächstes wird - unter bb) - das der Ausgangsfrage zugrunde liegende Problem näher eingegrenzt, um so das Regelungsziel klarer vor Augen zu haben. Danach wird - unter cc) - der Zusammenhang zwischen Krisenentwicklung und Massearmut analysiert. Dabei ergibt sich ein Anknüpfungspunkt, der - unter dd) - zum Kern meines Lösungsvorschlages für eine Einbeziehung der Kreditsicherheiten ausgebaut wird. Anschließend wird - unter ee) - ausführlich der Frage nachgegangen, worin der Rechtsgrund für den zunächst induktiv entwickelten Lösungsvorschlag liegt, wobei - unter ee)(3) - die Lehre vom Institutsmißbrauch und - unter ee)(4) - dogmatische Probleme des § 138 BGB eine wichtige Rolle spielen werden. Dann wird das Lösungskonzept - unter ff) - anhand mehrerer typischer Anwendungsf.iIIe veranschaulicht und weiter verfeinert. Schließlich wird - unter gg) - eine Ausnahme erläutert. aa) Prämissen einer Lösung Für die Lösung ist entscheidend, daß die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens gewährleistet wird 120 und daß die Anreizverzerrungen, die dem entgegensteVgl. oben unter D.IY.3.c). So bereits F. Weber (1959), S. 84 f. 120 Vgl. al1gemein zur Begründung oben unter E.I.l.a), sowie zur konkreten Problematik im vorliegenden Zusammenhang oben unter E.I1.3.a). 118 119
II. Finanzierungsregeln
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hen, ausgeschaltet werden 121. Sobald ein Insolvenzverfahren an der Massearmut zu scheitern droht, muß daher verhindert werden, daß die Gesellschaft gegen Zuführung verliehener Liquidität weiter Teile ihres Vermögens disloziert, ohne daß zugleich neues haftendes Vermögen geschaffen wird. Da die Anreizverzerrungen sowohl auf die gesicherten Gläubiger wirken als auch auf die Gesellschafter, bietet es sich für die Kompensation der Anreizverzerrungen an, bei den genannten Personengruppen anzusetzen. Dabei ist zu beachten, daß die Gesellschafter, wie bereits dargelegt wurde, für die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen "ihrer" GmbH verantwortlich sind. 122 Sie sind daher primär in die Pflicht zu nehmen. 123 Indes wurde schon erwähnt, daß durch eine solche Inpflichtnahme noch nicht zuverlässig gewährleistet ist, daß die Mittel für eine Finanzierung der Masseverbindlichkeiten auch rechtzeitig zur Verfügung stehen. 124 Hierzu kann es kommen, sofern das Insolvenzverfahren erst beantragt wird, wenn die Massehaltigkeit nicht mehr vorliegt und wenn die Gesellschafter die Massehaltigkeit nicht von sich aus umgehend herstellen. In diesem Fall sind nicht nur Finanzmittel zur Herstellung der Massehaltigkeit erforderlich, sondern auch, um die Verantwortung der Gesellschafter für die Massehaltigkeit durchzusetzen. Die erforderlichen Finanzmittel lassen sich nur durch eine - vorübergehende - Einbeziehung der gesicherten Gläubiger beschaffen. 125 Denn je weniger Vermögensgegenstände im Rahmen der Aus- und Absonderung aus der Insolvenzmasse auszuscheiden sind, desto größer ist die freie Masse und desto eher ist die zur Erfüllung der Masseverbindlichkeiten erforderliche Liquidität in der freien Masse vorhanden oder kann zumindest aus dieser gewonnen werden. Als Prämisse für den hier zu unterbreitenden Lösungsvorschlag kann hingegen nicht die Ansicht des Gesetzgebers der InsO anerkannt werden, wonach die "alleinige (sie!) Rechtfertigung für die Einbeziehung der Sicherungsgläubiger ( ... ) darin (liegt), daß für die Verwertung des Schuldnervermögens im ganzen möglichst günstige Bedingungen geschaffen werden sollen.,,126 Der Gesetzgeber begründet seine ablehnende Haltung gegenüber "Eingriffe(n) in die Wertsubstanz der Sicherheiten" damit, daß solche den Anforderungen an ein "marktkonforme(s) Insolvenzverfahren,,127 widersprächen. Das überzeugt nicht. Denn das Argument der Marktkonformität setzt voraus, daß die Markttransparenz so hoch ist, daß die Marktteilnehmer wissen, was sie tun. Soweit aber Anreizverzerrungen bestehen, die den Marktteilnehmern, zumindest aber einer größeren Gruppe von ihnen, ein unzutref121 Vgl. al1gemein zur Notwendigkeit oben unter E.I.2.c) sowie zu den relevanten Anreizverzerrungen im einzelnen soeben unter E.II.3.b). 122 Zur Begründung vgl. oben unter E.II.1. 123 V gl. zu den Einzelheiten unten unter E.1Y.I. 124 Vgl. oben unter E.I.l.b) und c). 125 Ebd. 126 RegElnsO unter 4.c)aa) der Al1gemeinen Begründung, S. 86. 127 Ebd.
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E. Synthese
fendes Bild von den Verhältnissen am Markt vermitteln, muß das Recht diese Anreizverzerrungen zunächst einmal beheben, bevor es sich marktkonform zeigen darf. 128 Der Gesetzgeber konzentriert sich daher zu einseitig auf die Frage der Verwertung des Schuldnervermögens. So wichtig diese Frage ist, so ist doch auch zu berücksichtigen, daß es infolge der auf die gesicherten Gläubiger wirkenden Anreizverzerrungen zu Massearmut, damit zu weiteren Anreizverzerrungen für die Gesellschaftsorgane 129 und in der Folge zu massiven Gläubigerschädigungen kommen kann. Der Standpunkt des Gesetzgebers ignoriert vollständig das Problem der Vorabverteilung der Insolvenzmasse durch Kreditbesicherungen und vor allem das dadurch verursachte Problem der Finanzierung massearmer Insolvenzverfahren, und zwar von solchen, die nicht nur der Abwicklung bei Masseunzulänglichkeit dienen (vgl. §§ 208 III, 209 InsO), sondern auch - dem Anspruch des § 38 InsO gerecht werdend - einer möglichen Befriedigung der persönlichen Gläubiger. Indem die Schädigungen ungesicherter Gläubiger als Folge der Anreizverzerrungen, die mit Kreditbesicherungen einhergehen, in Kauf genommen werden, leidet die Ansicht des Gesetzgebers an einem erheblichen Gerechtigkeitsdefizit. Anstatt die Auswirkungen der von Kreditbesicherungen ausgehenden Anreizverzerrungen zu beseitigen, nämlich etwas gegen die Massearmut zu tun, wird diese lediglich verwaltet. Dem Gesetzgeber ist allerdings zugute zu halten, daß er aus Mangel an besseren Alternativen handelte. 130
bb) Obergrenze für eine Inanspruchnahme gesicherter Gläubiger Daß die Inanspruchnahme der gesicherten Gläubiger nur in dem Umfang erfolgen darf, wie das erforderlich ist, um die Masseverbindlichkeiten und gegebenenfalls die Rechtsdurchsetzung gegen die Gesellschafter finanzieren zu können, versteht sich wegen des Zwischenfinanzierungscharakters von selbst. Diese Obergrenze für eine Inanspruchnahme der gesicherten Gläubiger ergibt sich aber auch noch aus einer anderen Überlegung. Die gesicherten Gläubiger dürfen nämlich keinesfalls dazu herangezogen werden, den ungesicherten Gläubigern von vornherein eine bestimmte Mindestbefriedigungsquote zu verschaffen. 131 Denn zum einen widerspräche das dem Prinzip, wonach für die Frage nach der Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs die individuelle Einschätzung des jeweiligen Gläubigers maßgebend sein muß und die Gläubiger nur vor den Auswirkungen solcher Anreizverzerrungen zu schützen sind, die ihre Einschätzung gegenstandslos werden lasssen. 132 Und zum anderen könnten die ungesicherten GläubiAusführlicher oben unter E.I.2.c). Dazu oben unter E.IJ.3.b). Vgl. auch C.I.4.b)bb), C.I.5.d) - e) und C.I.6.a) - b). 130 Vgl. oben unter D.Iy'3., insbesondere unter c), wo die in der Reformdiskussion gemachten Vorschläge zur Beseitigung der Massearmut diskutiert wurden. 131 Mindestbefriedigungsquoten werden erwogen von Drobnig (1976), S. F89, und Duttle (1986), S. 376 ff. 128
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II. Finanzierungsregeln
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ger bei Gewährung einer Mindestbefriedigungsquote ermutigt werden, "das Insolvenzverfahren aus taktischem Kalkül ( ... ) zu beantragen,,133. Verlieren Sicherungsrechte hingegen nur in dem Umfang ihre Wirksamkeit, wie das zur Herstellung der Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahrens erforderlich ist, so hat das auf die Höhe der von den ungesicherten Gläubigern zu erwartenden Befriedigungsquote keinen Einfluß. Vielmehr kommt diesen die Durchführung eines Insolvenzverfahrens nur in dem Umfang zugute, wie Reichtumsverschiebungen, die den hier entwickelten Finanzierungsregeln widersprechen, rückabgewickelt werden.
cc) Zusammenhang zwischen Krisenentwicklung und Massearmut Ausgangspunkt der Erörterung, welche Sicherungsrechte konkret von einer Unwirksamkeit betroffen sein sollten, ist ein grundlegender - bislang aber nicht nutzbar gemachter - Zusammenhang zwischen dem Fortgang der Unternehmenskrise und der Massearmut eines Insolvenzverfahrens. Dabei kann auf bereits erarbeiteten Ergebnissen aufgebaut werden. Es ist insoweit noch einmal daran zu erinnern, daß das - ordnungsgemäß bedienbare - Volumen der Fremdfinanzierungsmöglichkeiten der GmbH nicht vom Volumen der konkursfesten Kreditsicherheiten abhängt. Denn Kreditsicherheiten sind zwar aus der Perspektive der gesicherten Gläubiger Quellen der Sicherheit, auf die Gesamtheit der Gläubiger gesehen, aber sind sie eine Regelung zur Risikoverteilung zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern. Die Gesamtverschuldungsfähigkeit der GmbH kann durch die Bestellung von Kreditsicherheiten nicht erhöht werden. Denn die GmbH kann in Abhängigkeit ihrer finanziellen Leistungskraft immer nur ein gewisses Quantum an Rückzahlungsansprüchen befriedigen. 134 Solange wie die Rückzahlungsansprüche dieses Quantum nicht übersteigen und I oder die Einzahlungen so hoch sind, daß die Rückzahlungsansprüche dauerhaft befriedigt werden können 135, befindet sich die GmbH im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht. 136 Die Bestellung von Kreditsicherheiten ist unter diesen Umständen unproblematisch. Befindet sich die GmbH allerdings nicht im finanzwirtschaftlichen Gleichgewicht, dann kommt es darauf an, ob das ein vorübergehender oder ein dauerhafter Zustand ist. 137 Ist der Zustand vorübergehend, so ist gegen die Zuführung verliehener Liquidität im Rahmen von besicherten Kreditgeschäften nichts einzuwenden, weil dadurch die Existenzbedingungen des Dazu oben unter E.I.2.b) und c). Auf diese Gefahr weist C. Paulus (1985), S. 1455, unter Bezugnahme auf eine amerikanische Analyse hin. Ablehnend auch Gotrwald (1989), S. 207 f. m.w.N. 134 Näher zum ganzen oben unter C.IY.5.c). 135 Diese Prämissen ergeben sich aus den Existenzbedingungen der Unternehmung, nämlich dem Erfordernis der jederzeitigen Liquidität und dem der langfristigen Aufwandsdekkung; vgl. oben unter C.IY.l.a) und b). 136 Dazu oben unter B.II.2.b). 137 Näher zur Problematik oben unter D.IY.3.b). 132 133
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von der GmbH betriebenen Untemehmens l38 nicht in Frage gestellt werden können. Problematisch ist jedoch die Zuführung von verliehener Liquidität, wenn das finanzwirtschaftliche Ungleichgewicht dauerhafter Natur ist. Denn der unvermeidbare finanzielle Kollaps wird dann durch die Zuführung verliehener Liquidität lediglich hinausgezögert, kann aber nicht mehr abgewendet werden. Es beginnt dann der finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß l39 , in dessen Verlauf nach und nach sämtliche Vermögensgegenstände der GmbH an die Gläubiger disloziert werden, so daß schließlich nicht einmal mehr die Massehaltigkeit gegeben ist. Aus dem gesagten ergibt sich, daß die Bestellung von Kreditsicherheiten mit zunehmender Verschärfung einer Unternehmenskrise nachteiligere Folgen für die Durchführbarkeit eines Insolvenzverfahrens hat: Werden Kreditsicherheiten vor oder zu Beginn der Unternehmenskrise bestellt, so ist regelmäßig erst in einem geringen Umfang Vermögen an die Gläubiger disloziert. 140 Bei einer gedachten Insolvenzeröffnung, wäre genügend Vermögen vorhanden, um daraus die Masseverbindlichkeiten finanzieren zu können. Wird das Insolvenzverfahren hingegen erst zu einem fortgeschritteneren Zeitpunkt der Unternehmenskrise eröffnet, so sind wegen des damit einhergehenden finanzwirtschaftlichen Ungleichgewichts inzwischen weitere Teile des Vermögens an die Gläubiger disloziert, weil nur so die für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes benötigte Liquidität erlangt werden kann. Je mehr Vermögen im Verlauf der Unternehmenskrise an die Gläubiger disloziert wird, desto unwahrscheinlicher wird die Durchführung eines Insolvenzverfahrens, weil das nicht-dislozierte Vermögen, aus dem die Masseverbindlichkeiten bestritten werden könnten, immer kleiner wird. Es besteht also ein sachlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, die Durchführung eines Insolvenzverfahrens finanzieren zu können, und dem Fortgang der Unternehmenskrise.
dd) Retrograde Unwirksamkeit Der eben beschriebene Zusammenhang läßt sich nun für die Frage, nach welchen Kriterien Kreditsicherheiten zur Zwischenfinanzierung eines Insolvenzverfahrens herangezogen werden sollten, nutzbar machen. ( 1) Grundprinzip
Das Grundprinzip besteht darin, daß diejenigen Kreditsicherheiten heranzuziehen sind, die erst zu einem Zeitpunkt bestellt wurden, in dem der finanzwirtschaftV gl. insoweit oben unter C.IY.l. Näher zu dessen Phänomenologie oben unter B.II.2.c). 140 Belegt wird das durch die empirische Untersuchung von Drukarczyk/ Dutt/ei Rieger (1984), S. 53 ff., 108, wonach bei gesunden Unternehmen höchstens sechzig Prozent des Vermögens mit Sicherungsrechten belegt sind. 138
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liche Erstickungsprozeß bereits soweit fortgeschritten war, daß die Bestellung eben dieser Kreditsicherheiten (mit-)ursächlich für die Masseannut eines Insolvenzverfahrens ist. Bildlich gesprochen handelt es sich bei diesen Kreditsicherheiten um diejenigen, die das Faß zum Überlaufen bringen, die nämlich aus einem (potentiell) massehaitigen Insolvenzverfahren ein masseannes werden lassen. Dabei sind die Kreditsicherheiten in umgekehrter Reihenfolge ihrer im Rahmen der Zuführung verliehener Liquidität erfolgten Dislozierung zur (Zwischen-)Finanzierung eines masseannen Insolvenzverfahrens heranzuziehen. Kurz: Soweit das Insolvenzverfahren massearm ist, sind Kreditsicherungsgeschäfte retrograd zur Gewährung verliehener Liquidität unwirksam. 141 In einem masseannen Insolvenzverfahren müßten also diejenigen gesicherten Gläubiger am ehesten mit einer Inanspruchnahme des ihrer Kreditsicherung zugrunde liegenden Vermögensgegenstandes rechnen, die der GmbH als letzte gesicherten Kredit gewährten. Falls das zur Herstellung der Massehaltigkeit nicht reicht, wären als nächstes diejenigen Gläubiger heranzuziehen, die der GmbH als vorletzte gesicherten Kredit gewährten. Falls auch das nicht reicht, würden die Kreditsicherheiten derjenigen Gläubiger der Unwirksamkeit unterfallen, die der GmbH als vorvorletzte gesicherten Kredit gewährten. In der Weise wäre solange fortzufahren, bis die freie Masse soweit angereichert ist, daß aus ihr die Masseverbindlichkeiten beglichen werden können. 142 (2) Zeitpunkt einer Zuführung von verliehener Liquidität
Für die Anwendung der Regel von der retrograden Unwirksamkeit kommt es entscheidend darauf an, wann genau der Tatbestand einer Gewährung gesicherten Kredits oder, was dem entspricht, einer Zuführung von verliehener Liquidität vorliegt. Rechtlich besteht die Gewährung gesicherten Kredits aus einem Grundgeschäft - etwa einer Darlehenshingabe oder der Stundung des Kaufpreises - und einem Sicherungsgeschäft - nämlich der Übereignung von Sachen, der Abtretung von Forderungen oder der Vereinbarung eines vorbehaltenen Eigentums. Für die Frage, ob bei der Gewährung des gesicherten Kredits bereits Masseannut vorlag, können daher zwei verschiedene Zeitpunkte in Frage kommen. Es könnte zum einen auf den Zeitpunkt ankommen, in dem die zu sichernde und auf Rückzahlung gerichtete Forderung aus dem Grundgeschäft entsteht. Denn das ist der Zeitpunkt in dem der GmbH - im Fall des Geldkredits - Liquidität zugeführt oder, was dem wirtschaftlich gleichsteht, in dem ihr - im Fall des Warenkredits - der Abfluß von Liquidität erspart wird. Es könnte zum anderen aber auch der Zeitpunkt Bedeutung haben, zu dem der Sicherungsvertrag abgeschlossen wird, zu dem also der Rechtsgrund dafür gelegt wird, daß ein bestimmter Vermögensgegenstand der GmbH, für den Fall von deren Insolvenz, aus dem Vermögen der GmbH ausscheidet. Letztlich Zum Rechtsgrund unten unter E.II.3.c)ee)(3). Auf den Zeitfaktor für eine Enthaftung weist auch Häsemeyer (1982b), S. 559, hin. Dabei kommt es jedoch nicht auf die Fristigkeit des gesicherten Kredits an; so aber R.H. Schmidt (1984), S. 733 m.w.N. 141
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maßgebend ist eine kumulative Betrachtungsweise: Der Tatbestand einer Zuführung von verliehener Liquidität liegt vor, sobald sowohl die auf Rückzahlung gerichtete Forderung aus dem Grundgeschäft als auch der Anspruch aus dem Sicherungsvertrag entstanden ist. In weIcher Reihenfolge das geschieht ist gleichgültig. Entscheidend ist von den beiden genannten Zeitpun~ten vielmehr derjenige, der zuletzt eintritt. Denn erst dann hat die Zuführung von verliehener Liquidität nachteilige Auswirkungen auf die Massehaltigkeit einer Insolvenzverfahrens: solange wie der Anspruch aus dem Sicherungsvertrag nicht besteht, werden keine Vermögensgegenstände disloziert, so daß auch keine Masseaushöhlung eintritt, und solange wie die auf Rückzahlung gerichtete Forderung aus dem Grundgeschäft nicht entstanden ist, steht dem Anspruch aus dem Sicherungsvertrag die Sicherungseinrede entgegen. Verliehene Liquidität wird also beispielsweise in dem Moment zugeführt, in dem eine bereits bestehende Forderung nachträglich be sichert wird oder in dem, etwa bei einem Sicherungsvertrag zur Sicherung einer Geschäftsverbindung, die Forderung entsteht. 143 Um den maßgeblichen Zeitpunkt in der Praxis feststellen zu können, müßten diejenigen Gläubiger, die Aus- oder Absonderungsrechte aus Sicherungsvereinbarungen geltend machen, verpflichtet werden, den Zeitpunkt der Forderungsentstehung und den der Sicherungsabrede glaubhaft zu machen, damit die einzelnen Zuführungen von verliehener Liquidität in eine zeitliche Reihenfolge gebracht werden können. Die eben entwickelte Regel von der retrograden Unwirksamkeit deckt sich mit den bislang gewonnenen Erkenntnissen, zu der Frage, weIche Maßgaben bei einer Beschränkung von Kreditsicherheiten zu beachten sind. Denn nicht jede Beschränkung von Kreditsicherheiten ist sachgerecht. Es muß insbesondere vermieden werden, daß die mit der Vereinbarung von Kreditsicherheiten einhergehende Transaktionskostenersparnis zunichte gemacht wird. 144 Sollen die gesicherten Gläubiger bei ihren Kreditentscheidungen gleichwohl dazu angehalten werden, die Bonität der GmbH im Auge zu behalten und die Anreizverzerrung, der die gesicherten Gläubiger ausgesetzt sind l45 , legt das nahe l46 , so kommt nur eine Lösung in Betracht, die auf den Zeitpunkt der Kreditvergabe abstellt. 147 Das ist vorliegend der Fall. Durch die Gefahr, daß ihre Kreditsicherheiten zur Zwischenfinanzierung eines Insolvenzverfahrens herangezogen werden, falls die GmbH während der Lauf143 Zu weiteren Einzelheiten bei der Zuführung von verliehener Liqidität unten unter E.II.3.c)ff). 144 Näher hierzu oben unter C.I.2.a). Die Nichtbeachtung dieses Erfordernisses ist der entscheidende Nachteil des sog. Henckel-Modells (dazu oben unter D.lY.3.c)bb). 145 Vgl. oben unter E.II.3.b). 146 Ebenso aus dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum Franke (1984a),S. 178 in Anm. 28 m.w.N. 147 Sobald nämlich eine Beschränkung der Wirksamkeit von Kreditsicherheiten zu gesteigerten Überwachungsmaßnahmen während der Kreditlaufzeit führt, ist mit unerwünschten Kreditverteuerungen zu rechnen; näher oben unter C.lV.5.c). Vgl. auch oben unter D.lY.3.b) und D.lY.3.c)dd).
H. Finanzierungsregeln
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zeit des Kredits insolvent wird und es sich um ein massearmes Verfahren handelt, werden auch die gesicherten Gläubiger dazu angehalten, sich über die Kreditwürdigkeit der GmbH Gedanken zu machen. Allerdings brauchen sie die Kreditwürdigkeit der GmbH im wesentlichen nur für den Zeitpunkt der Vergabe des gesicherten Kredits zu beurteilen. Denn das Risiko der Inanspruchnahme einer bereits gewisse Zeit bestehenden Kreditsicherheit ist gering, da die Kreditsicherheiten in umgekehrter Reihenfolge ihrer Entstehung zur Massefinanzierung herangezogen werden. Je länger demnach eine gesicherte Kreditvergabe zurückliegt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß das Sicherungsrecht im Falle einer massearmen Insolvenz der retrograden Unwirksamkeit verfällt. (3) Einwendungen?
Der Einwand, den Hommelhoff 48 gegen das sog. Franke-Modell l49 vorgebracht hat, wonach bei diesem die Gefahr einer generell zu frühen Verfahrensauslösung bestehe, weil die (mobiliar-)gesicherten Gläubiger befürchten müßten, einen Teil ihrer Forderung zu verlieren, greift für den hier unterbreiteten Lösungsvorschlag nicht durch. Denn vorliegend dürfen all diejenigen gesicherten Gläubiger, die ihre Kredite nach Kreditprüfung an einen solventen Schuldner vergeben haben, auf den Bestand ihrer Sicherheit vertrauen. Für sie besteht daher kein Anreiz die GmbH durch voreilige Sicherheitenverwertung in die Insolvenz zu treiben. Auch der entgegengesetzte Einwand von Drukarczyk 150 gegen das sog. Henckel-Modell l5l , wonach die (mobiliar-)gesicherten Gläubiger die Insolvenzeröffnung eher verzögern werden, sticht im vorliegenden Fall nicht. Drukarczyks Einwand beruht darauf, daß beim Henckel-Modell die Kreditsicherheiten außerhalb des Insolvenzverfahrens ungeschmälert bleiben sollen und daß die gesicherten Gläubiger deshalb versuchen werden, sich möglichst lange durch Einzelzwangsvollstrekungen zu befriedigen. 152 Indem der hier unterbreitete Lösungsvorschlag die gesicherten Gläubiger bei der Kreditvergabe in die Mitverantwortung für die Kreditwürdigkeit der GmbH nimmt, wird ein anderer Weg beschritten. Dieser besteht darin, daß die GmbH von dem Zeitpunkt an keine verliehene Liquidität mehr erhalten wird, von dem ab sie nicht mehr kreditwürdig ist. Denn die gesicherten Gläubiger, die dennoch verliehene Liquidität zuführen, müssen damit rechnen, daß ihre Kreditsicherheiten im Fall einer massearmen Insolvenz zur Massefinanzierung Ders. (1984), S. 702. Dazu oben unter D.lV.3.c)cc). 150 Ders. (1983), S. 344. 151 Dazu oben unter D.lV.3.c)bb). 152 Von Drukarczyk nicht eigens erwähnt, muß insoweit als Prämisse hinzugedacht werden, daß die gesicherten Gläubiger die Einzelzwangsvollstreckung nur dann betreiben können, wenn dem nicht die Sicherungseinrede entgegensteht, wenn also die gesicherte Forderung aus dem Grundgeschäft bereits fällig ist. Auf diesen Fall ist unten unter E.II.3.c)ff)(3) näher einzugehen. 148
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herangezogen werden. Das erscheint angemessen, da ihr Verhalten (mit-)ursächlich für den verhängnisvollen Ablauf des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses ist. Im Ergebnis wird dadurch erreicht, daß die Vermögensgegenstände der GmbH, die von Kreditsicherheiten in Beschlag genommenen sind, in dem Umfang und in der Reihenjolge 153 zur vorläufigen Zwischenfinanzierung der Masseverbindlichkeiten in die Insolvenzmasse zurückgeführt werden, wie die Dislozierung dieser Vermögensgegenstände dazu geführt hat, daß ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH an der Massearmut scheitert. Es läßt sich auch nicht einwenden, daß die Massearmut eines künftigen Insolvenzverfahrens für die gesicherten Gläubiger nicht erkennbar ist und daß sie von daher gar nicht einschätzen können, ob ihre Kreditsicherheit hält oder ob diese zur Massefinanzierung herangezogen wird. Denn die Frage der Massearmut ist nur dann relevant, wenn es zum Insolvenzverfahren kommt, wenn die GmbH also gerade nicht kreditwürdig war. Es ließe sich nun weiter einwenden, daß damit das Risiko einer unzutreffenden Prognose der Kreditwürdigkeit auf die gesicherten Gläubiger verlagert wird und daß die Vereinbarung einer Kreditsicherheit auch und gerade hiergegen schützen soll. An dem Einwand ist zutreffend, daß es trotz größter Sorgfalt bei der Kreditvergabe zu einer unzutreffenden Bonitätsprognose kommen kann. Es ist insofern jedoch zu beachten, daß die Inanspruchnahme der Kreditsicherheiten nur zur Zwischenfinanzierung des Insolvenzverfahrens dient und das die eigentlich Verantwortlichen für die Massehaltigkeit die Gesellschafter sind. 154 Außerdem ist - wie sogleich zu zeigen sein wird - aus Rechtsgründen eine zumindest vorübergehende Einbeziehung der Kreditsicherheiten erforderlich, soweit ihre Bestellung für die Massearmut mitursächlich ist und die Massehaltigkeit nicht anderweitig hergestellt werden kann.
ee) Rechtsgrund für retrograde Unwirksamkeit Im folgenden soll nach dem Rechtsgrund für die retrograde Unwirksamkeit von Kreditsicherungsgeschäften im Fall einer massearmen Insolvenz gesucht werden. Dabei setze ich mich - unter (1) und (2) - zunächst mit zwei im Schrifttum diskutierten Ansätzen auseinander. Unter (3) stelle ich den eigenen Ansatz vor, der unter (4) dogmatisch verortet wird. Die Ergebnisse werden unter (5) zusammengefaßt.
153 Vgl. zum zeitlich-sachlichen Zusammenhang zwischen der Entwicklung einer Unternehmenskrise und der Massearmut oben unter E.II.3.c)cc). 154 Zur Begründung oben unter E.II.I., insbesondere unter e). Zu der Frage, wie die endgültige Finanzierung der Masseverbindlichkeiten geschieht, wie also die gesicherten Gläubiger von der Last der Zwischenfinanzierung wieder befreit werden, vgl. unten unter E.IY.l.b)cc).
II. Finanzierungsregeln
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(1) Ausgleichshaftung ?
Wie bereits in anderem Zusammenhang dargelegt wurde, bewirkt die Bestellung von Kreditsicherheiten nicht nur eine Besserstellung einzelner Gläubiger(gruppen), sondern auch eine Ungleich stellung verschiedener Gläubiger(gruppen).155 Denn sobald es zur Insolvenz kommt, "wirkt jedes Rechtsverhältis mit dem Gemeinschuldner über den Rahmen der Zweiseitigkeit hinaus,,156, weil es sich als "Akt der Einflußnahme" 157 auf das Vermögen des Schuldners darstellt. 158 Im Ausgangspunkt ist daher Häsemeyer zuzustimmen, daß zwei Aspekte zu trennen sind, nämlich das Verhältnis zwischen dem Gemeinschuldner und den einzelnen Gläubigem einerseits und das Verhältnis der Gläubiger zueinander andererseits. 159 Auch der rechtsdogmatische Ansatz Häsemeyers, für den letztgenannten Aspekt anzunehmen, daß die "Konkursforderungen ( ... ) im Verhältnis der Gläubiger untereinander einer sekundären gegenständlich beschränkten Haftung dafür unterworfen (sind), daß alle Konkursgläubiger aus der Konkursmasse befriedigt werden"I60, überzeugt. Denn eine solche Ausgleichshafung vermag die anteilsmäßige "Inanspruchnahme der einzelnen Konkursforderungen für die Gleichbehandlung der Konkursgläubiger" 161 zu erklären. 162 Zu weit geht es allerdings, wenn Häsemeyer unter Berufung auf die Ausgleichshaftung folgert, daß die "Bestellung einer Sicherheit nichts für die Enthaftung der gesicherten Forderung gegenüber den anderen Gläubigern"163 besage, weil der Gemeinschuldner über die Ausgleichshaftung unter den Konkursgläubigern nicht im voraus disponieren könne 164. Denn schon nach Häsemeyers eigener Diktion bezieht sich die Ausgleichshaftung nur auf die Konkursforderungen. Die gesicherten Forderungen sind aber gerade keine Konkursforderungen. Doch selbst wenn man sich hierüber hinwegsetzt, erscheint es zweifelhaft, ob die gesicherten Forderungen Vgl. oben unter C.I.3.c)aa)(I) und C.II.8. TIntelnot (1991), S. 18. IS7 Smid (1992), S. 505 (Hervorhebung weggelassen); ebenso Häsemeyer (1982b), S. 517. IS8 Zutreffend bemerkt F. Weber (1977), S. 357, "daß in einem Verfahren zur Haftungsverwirklichung aus einem unzureichenden Haftungsvermögen der Privilegierte auf Kosten der Zurückgesetzten Befriedigung findet, also letztlich von ihnen dadurch bezahlt wird, daß sie mit ihren Forderungen ausfallen." IS9 Ders. (l982b), S. 525 ff. 160 Ders. (I 982b ), S. 528. 161 Ebd. 162 Vgl. auch Berges (1957), S. 57, der zwar zutreffend erkannte, daß sich ,,(d)ie Frage des Rechts oder Vorrechts, des Gleichrangs oder Vorrangs eines Befriedigungsanteils ( ... ) allein aus dem Verhältnis von Gläubiger zu Mitgläubiger (ergibt)", der die "Vergemeinschaftung der ( ... ) auf einen bestimmten, unzulänglichen Vorrat bezogenen Befriedigungsrechte der Gläubiger" aber noch auf die "tatsächliche Verdichtung der Vermögenshaftung" zurückführte. 163 Ders. (l982b), S. 532. 164 Ebd. ISS
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Gegenstand der Ausgleichshaftung sein können. 165 Denn der Zweck dinglicher Sicherheiten besteht gerade darin, dem Rechtsinhaber auch dann ein vorrangiges Befriedigungsrecht zu verschaffen, wenn es zur Insolvenz kommt. Es müßte also gesagt werden, warum dieser Zweck von dem der Ausgleichshaftung verdrängt werden soll. Die Antwort auf diese Frage bleibt Häsemeyer schuldig. 166 Allein aus der von Häsemeyer propagierten Ausgleichshaftung ergibt sich daher kein Rechtsgrund für eine Unwirksamkeit von Kreditsicherungsverträgen.
(2) Vertrag zu Lasten Dritter? Verträge zu Lasten Dritter sind "mit dem Prinzip der Selbstbestimmung unvereinbar,,167. Es ließe sich nun argumentieren, daß es sich bei den Sicherungsverträgen, die nach der hier vertretenen Ansicht von der retrograden Unwirksamkeit erfaßt werden sollten, um Verträge zu Lasten Dritter handelt. Denn von der retrograden Unwirksamkeit sind diejenigen Sicherungsverträge erfaßt, durch die Vennögensgegenstände der GmbH noch zu einem Zeitpunkt disloziert werden, in dem ein Insolvenzverfahren über das Vennögen der GmbH bereits an Massearmut leiden würde. 168 Die Insolvenzgläubiger (i. S. d. § 38 InsO) haben somit nicht einmal mehr die Chance auf ein Insolvenzverfahren. Sie erleiden dadurch einen Rechtsnachteil, weil ihnen die Haftungsfunktion des Insolvenzrechts 169 von vornherein vorenthalten wird. Ferner werden rechtswidrige Maßnahmen im Vorfeld der Insolvenz 170 bestandskräftig. 171 Die betreffenden Kreditsicherungsverträge erlauben es also den gesicherten Gläubigem, die Folgen eigenen Handeins auf andere abzuschieben.
Zweifelnd auch Kuhnl Uhlenbruck (1994), § 3 Rn. 2. Es ist unsicher, ob Häsemeyer den kritisierten Standpunkt später aufrecht erhalten hat. Denn er schreibt an anderer Stelle, daß die Absonderung, also das Rechtsinstitut, das in großem Umfang für die Masseaushöhlung infolge von Sicherheitenbestellungen verantwortlich ist, die Frage regle, "unter welchen Voraussetzungen einzelne Gläubiger vom Gleichbehandlungsgrundsatz dispensiert (sie!) werden, indem Sicherheiten, die sie vom Gemeinschuldner erlangt haben, trotz der Konkurseröffnung an massezugehörigen Rechten fortbestehen" (ders. [1992], S. 219). Diese Ansicht ist mit der kritisierten unvereinbar. 167 Larenz (1987), § 17 IV (S. 233). Vgl. auch BGHZ 58,216,220; 61, 359, 361; 78, 369, 374f. 168 Näher zum Grundprinzip oben unter E.II.3.c)dd)(1). 169 Dazu oben unter B.l.l.b). 170 Mehr als zwei Drittel aller Konkursverwalter decken ihm Rahmen ihrer Tätigkeit regelmäßig oder doch zumindest gelegentlich Wirtschaftsde1ikte auf (vgl. die empirische Erhebung von GessnerlRhodelStratelZiegert [1977], S. 225). Bedenkt man, daß es sich bei den strafrechtlich sanktionierten Verhaltensweisen nur um die besonderes schwerwiegenden handelt, kann man in etwa erahnen, in welch großem Ausmaß rechtswidrige Handlungen das Vorfeld der Insolvenz bestimmen. 171 Zu den Schwierigkeiten und der praktischen Unmöglichkeit einer Rechtsdurchsetzung außerhalb eines /nsolvenzveTjahrens vgl. oben unter B./.3.e). 165
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Gleichwohl läßt sich auch gegen eine solche Betrachtungsweise einwenden, daß sie nicht erklärt, warum die Haftungsfunktion des Insolvenzrechts den Sicherungsinteressen der gesicherten Gläubiger vorgehen soll. Der Umstand, daß anderenfalls rechtswidrige Maßnahmen im Vorfeld der Insolvenz bestandskräftig werden, erklärt nämlich noch nicht, warum gerade bestimmte Sicherungsverträge allein aufgrund des objektiven Vorliegens einer Masseannut die Bestandskraft verlieren sollen, ohne daß die Sicherungsgläubiger hiervon Kenntnis haben müssen. 172 Insoweit besteht die Gefahr, daß die masseauffüllende Unwirksamkeit von Kreditsicherheiten auf einen unzulässigen Konkurrentenschutz hinausläuft. Ferner bestehen gegen die Annahme eines unzulässigen Vertrages zu Lasten Dritter rechtssystematische Bedenken. Denn in der retrograden Unwirksamkeit von Sicherungsgeschäften, liegt ein Verfügungsverbot: Sobald die Massehaltigkeit eines potentiellen Insolvenzverfahrens nicht mehr gegeben ist, darf über die dann noch vorhandenen Vermögensgegenstände der GmbH nicht mehr wirksam verfügt werden. Unabhängig davon, ob man hierin ein relatives Verfügungsverbot i. S. d. § 135 I BGB zugunsten der Insolvenzgläubiger sieht oder ein absolut wirkendes Verfügungsverbot i. S. d. § 134 BGB, ergeben sich Schwierigkeiten, die retrograde Unwirksamkeit in das bestehende Zivilrecht zu integrieren: bei einem relativen Verfügungsverbot ist der gutgläubige Sicherungsnehmer nach § 135 11 BGB geschützt, obwohl die retrograde Unwirksamkeit gerade auch in diesem Fall durchgreifen müßte, wenn der Zweck erreicht werden soll, die Finanzierung eines Insolvenzverfahrens auf jedem Fall sicherzustellen. Bei einem absoluten Verfügungsverbot fehlt zwar der Gutglaubensschutz, aber nur deshalb, weil jenes öffentlich bekannt gemacht werden muß. 173 Die öffentliche Bekanntgabe einer ein Insolvenzverfahren vereitelnden Masseannut scheidet aber aus, weil sie sich nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit gewährleisten ließe. Wie wichtig ein klar herausgearbeiteter Rechtsgrund ist und wie irreführend das Argument vom Vertrag zu Lasten Dritter sein kann 174 , wird an den Ausführungen von Dorndorf deutlich, wonach die "Bestellung eines Sicherungsrechts kein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter,,175 sei. Denn ,,(i)n Wahrheit hat die rechtliche Anerkennung der Sicherungsrechte gerade die Funktion, eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung von Drittinteressen (seil. der Sicherungsnehmer!) abzuwehren.,,176 Da jeder die Möglichkeit habe, sich ein Sicherungsrecht einräumen zu lassen 177, 172 Daher hält Hommelhoff(l984), S. 706 f., eine Sachwalter-Rolle gesicherter Gläubiger nur dann für vertretbar, wenn diese über die Lage des Schuldnerunternehmens informiert sind. 173 Näher hierzu Henckel (1982), S. 393 f., im Hinblick auf einen rein objektiv formulierten Tatbestand bei der Gläubigeranfechtung. 174 Vgl. zum Meinungsstand, unter weIchen Voraussetzungen ein Vertrag zu Lasten Dritter vorliegt, Habersack (1992), S. 19 und S. 26 ff. m.w.N. 175 Ders. (\ 986), S. 26. 176 AaO. CFn. 175), S. 28 f. 177 AaO. (Fn. 175), S. 28.
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läge in der Beschränkung von Kreditsicherheiten eine rechtliche Beschränkung der Vertragsfreiheit. 178 Demgegenüber sei ,,(d)ie Tatsache, daß um knappe Güter (seil. Kreditsicherheiten) Konkurrenz herrscht, ( ... ) keine rechtliche, sondern eine wirtschaftlich-faktische Beschränkung der Vertragsfreiheit" 179, die unbeachtlich sei. Auch wenn es sich bei Dorndorfs Äußerungen um eine Petitio principii handelt, weil es gerade um die Frage geht, ob und inwieweit Sicherungsrechte anzuerkennen sind und deren Anerkennung daher nicht vorausgesetzt werden darf, erhellen seine Ausführungen gleichwohl das eigentliche Problem: es geht um die Grenzziehung zwischen der Vertragsfreiheit der Sicherungsnehmer und dem Selbstbestimmungsrecht der potentiellen Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO. 180 (3) Eigener Ansatz
Was die eben bezeichnete Abgrenzung und außerdem die Angabe eines Rechtsgrundes für die retrograde Unwirksamkeit von Kreditsicherungsverträgen angeht, so kann auf der grundlegenden Arbeit von Habersack, ob und inwieweit Drittinteressen bei den Vertragspartnern zu einer Einschränkung der Inhaltsfreiheit führen können, aufgebaut werden. 181 Habersack weist nach, daß die Interessen Dritter eine Einschränkung der Vertragsfreiheit l82 gebieten können, wenn es infolge fehlender Interessenpolarität zwischen den Parteien des Vertrages zu einer funktionswidrigen Verwendung des Rechtsinstituts des Vertrages kommt. (a) Lehre vom Institutsmißbrauch Ausgangspunkt der Überlegungen von Habersack ist die Lehre vom Institutsmißbrauch. 183 Danach "gilt für jedes Handeln im Recht, daß es nicht rechtswirksam werden kann, wenn es den Zweck des Instituts verfehlt, innerhalb dessen oder AaO. (Fn. 175), S. 30. AaO. (Fn. 175), S. 29. 180 So auch Dorndorf (1986), S. 27: Es ist "ein für jede Marktgesellschaft typisches Problem, zwischen dem Schutz von Rechten vor unerlaubten Eingriffen Dritter einerseits und der Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Werts von Rechten durch erlaubte Maßnahmen im Wirtschaftsleben andererseits zu unterscheiden." 181 Ders. (1992). Habersack konzentriert sich auf die Reflexwirkungen, also auf die Rechtsgeschäfte, bei denen "der Wille der Parteien ( ... ) nicht ursächlich für die Drittbelastung ist" (Ders. [1992], S. 29; Hervorhebung weggelassen; aaO. auch mit anschaulichem Beispiel), sondern bei denen sich die "Beeinträchtigung Dritter infolge des Inhalts einer vertraglichen Regelung" (Ders. [1992], S. 26; Hervorhebung weggelassen) ergibt. 182 Vgl. zu deren verfassungsrechtlicher Gewährleistung die grundrechtsdogmatische Studie von Höfling (1991). 183 Instruktiv zur Lehre vom Institutsmißbrauch L. Raiser (1963), S. 161 ff.; vgl. auch SoergellTeichmann (1987/1990), § 242 Rn. 14; EsserlSchmidt (1992), § 10 III I (S. 172 ff.); grundlegend zur Problematik Böhm (1933/1964), S. 187 ff. - Aus Raumgrunden soll hier auf die Einwände gegen die Lehre vom Institutsmißbrauch nicht eingegangen werden; auch insoweit kann aber auf die Darstellung bei Habersack (1992), S. 38 f. verwiesen werden. 178
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für dessen Verwirklichung gehandelt wird.,,184 Dem liegt die Einsicht in das Zusammenspiel von Wirtschaftsordnung und Privatrechtsordnung zugrunde. 18s Dieser Zusammenhang bewirkt, "daß schrankenlose Freiheit zur Gefährdung und Aufhebung der Freiheit führt und eine freiheitsverbürgende Rechtsordnung nur Bestand hat, wenn die Freiheit im Rechtlichen gebunden ist.,,186 Zu Recht bezeichnet es Mestmäker daher als "eine Lebensfrage der Privatrechtsordnung, ob es gelingt, die rechtsgeschäftliche Privatautonomie als Mittel individueller Gestaltung zu bewahren,,187. Der Vertrag ist also "nicht lediglich Quelle der vertraglichen Ansprüche, sondern auch Mittel zur Verwirklichung bestimmter Funktionen. Dementsprechend kann der aus dem Vertrag Berechtigte nicht nur das ihm zustehende Forderungsrecht mißbräuchlich in Anspruch nehmen, sondern ein oder beide Vertragspartner können den Vertrag als Mittel für Zwecke einsetzen, die über die von der Rechtsordnung zugewiesenen Funktionen hinausgehen. Die Lehre vom Institutsmißbrauch führt somit zur Begrenzung der möglichen Inanspruchnahme des Instituts durch dessen Funktion, indem sie einem funktionswidrigen Gebrauch die rechtliche Anerkennung versagt."188 (b) Vertragsfunktionen Es kommt also entscheidend darauf an, worin die Funktion des Vertrages besteht. Nur dann läßt sich sagen, was einen funktionswidrigen Gebrauch von Verträgen ausmacht. Herkömmlich gesehen sind Verträge zum einen ein Mittel zur Selbstbestimmung l89 und zur Herbeiführung einer - zumindest von den Parteien so empfundenen 190 - gerechten Regelung, indem einander zunächst widersprechende Verhandlungspositionen einander an geschliffen werden 191. Unter Beach184
L. Raiser (1963), S. 163f.
Hierzu etwa Eucken (1960), s. 304 ff. et passim; Böhm (1937), S. 104 ff.; Mestmäcker (1964), S. 441 ff.; vgl. auch oben unter C.1I.1. 186 Habersack (1992), S. 39 m.w.N. (Hervorhebung auch im Original). 187 Mestmäcker (1964), S. 443. 188 Habersack (1992), S. 37 m.z.w.N. (Hervorhebung auch im Original). 189 Hierauf liegt die Betonung, wenn Savigny (1840), § 140 (S. 309), den Vertrag definiert, als "die Vereinigung Mehrerer zu einer übereinstimmenden Willenserklärung, wodurch ihre Rechtsverhältnisse bestimmt werden." Vgl. m.w.N. Habersack (1992), S. 41 f. 190 Zu dieser Einschränkung auch Schmidt-Rimpler (1955), S. 6. 191 Vgl. Schmidt-Rimpler (1941), S. 152: ,,(W)enn sich Vorteil und Nachteil auf beiden Seiten gegenüberstehen, verbürgt dies entsprechende gegenseitige Einwirkung zum Richtigen hin." Technisch sei die Vertragsfonn insofern am zweckmäßigsten. Ebenso bereits von Jhering (1904), S. 103: "Dem Egoismus des einen stellt sich der des anderen entgegen, jener darauf gerichtet, möglichst viel zu nehmen, dieser darauf, möglichst wenig zu geben. Der Indifferenz- oder Nullpunkt, bei dem beide ins Gleichgewicht kommen, ist das Äquivalent. ( ... ) Das Äquivalent ist die Verwirklichung der Idee der Gerechtigkeit auf dem Gebiete des Verkehrslebens . .. Vgl. ferner m.w.N. Habersack (1992), S. 42 ff.; aaO., S. 47 ff., auch ausführlich zur Komplementarität zwischen dem Vertrag als Mittel zur Selbstbestimmung sowie als Mittel zur Richtigkeitsgewähr; zum letzteren auch M. Wolf (1970), S. 31 ff. 185
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tung des Zusammenspiels von Wirtschaftsordnung und Privatrechtsordnung hat der Vertrag darüber hinaus aber auch volkswirtschaftliche 192 Bedeutung. 193 Diese beruht darauf, daß .. sich die marktwirtschaftliehe Ordnung durch das Fehlen eines Gesamtplans auszeichnet, die Einzelpläne der Wirtschaftssubjekte statt dessen durch die Privatrechtsinstitute koordiniert werden" 194. Das entscheidende Mittel hierzu ist der Vertrag. Hält man sich vor Augen, in welch großer Zahl tagtäglich Verträge abgeschlossen werden und wie das Verhalten der daran Beteiligten infolge der Bindung an den Vertrag hierdurch gesteuert wird, so läßt sich die immense Bedeutung des Vertrages als Koordinationsmittel ennessen. Dabei darf die Koordinationsfunktion nicht mit der Gerechtigkeitsfunktion des Vertrages verwechselt werden. Wahrend letztere das einzelne Rechtsverhältnis zwischen den jeweiligen Vertragspartnern betrifft, geht es bei der Koordinationsfunktion um das Rechtsinstitut. Vennittelt wird die Koordinationsfunktion durch die Vielzahl der Einzelrechtsverhältnisse im Geltungsbereich eines Rechtsinstituts, nämlich durch deren Auswirkung auf das Verhältnis bestimmter Gruppen der am Rechtsverkehr Beteiligten zueinander. 195 Die Gerechtigkeitsfunktion wirkt also inter partes, die Koordinationsfunktion inter omnes. (c) Das Versagen des Vertragsmechanismus Was nun den funktionswidrigen Gebrauch von Verträgen angeht, so ist ebenfalls zu unterscheiden: Für den Vertrag als Rechtsverhältnis kommt es darauf an, daß zwischen den Vertragsparteien hinsichtlich des Vertragsgegenstandes eine Interessenpolarität besteht. 196 Nur insoweit diese besteht, kann es nämlich zu einem Anschleifen einander zunächst widersprechender Verhandlungspositionen kommen. 192 Habersack (1992), S. 51, spricht im Anschluß an eine gängige Terminologie von wirtschaftsrechtlicher Bedeutung. Das ist zwar in der Sache zutreffend, greift aber m.E. zu kurz, weil dieser Begriff nur das an gewandte Mittel, aber nicht das zu realisierende Ziel bezeichnet (vgl. zur Definition des Wirtschaftsrechts Rittner [1987), § I Rn. 42). Wenn Recht nicht nur l'art po ur l'art sein soll, kommt es nämlich darauf an, anzugeben, was mit ihm erreicht werden soll. Nur so kann hinreichend klar erkannt werden, weIche rechtlichen Mittel erforderlich sind, um zu sachgerechten Lösungen zu gelangen. 193 Vgl. Habersack (1992), S. 45 ff., 51 ff. 194 Habersack (1992), S. 53. Ders. spricht im Anschluß an Rebe (1978), S. 165, insofern von der "Planfunktion" des Vertrages. Vgl. auch Rebe (1978), S. 163 ff.; Rittner (1987), § I Rn. 57 f. 195 Besonders anschaulich wird das etwa anhand des Boykotts von Shell-Tankstellen im Zusammenhang mit der von Shell geplanten Versenkung der Ölplattform ,Brent Spar' im Atlantik (dazu etwa o.v. [1995b), o.v. [1995c)). - Allgemein und eindringlich zur ,.Entmachtungswirkung" des Wettbewerbs Böhm (1956), S. 179 ff. Es geht dabei um nichts Weniger als im Bereich des Wirtschaftslebens den philosophischen Satz zu entfalten, wonach die Freiheit des einzelnen ihre immanente Grenze in der Freiheit aller übrigen hat. Vgl. auch Rebe (1978), S. 170 f. 196 Hierauf wurde bereits von Schmidt-Rimpler (1955), S. 7, und ders. (1974), S. 12 ff., hingewiesen.
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Die Gerechtigkeitsfunktion kann daher insbesondere nicht gewährleisten, daß die Interessen Dritter hinreichend berücksichtigt werden, jedenfalls soweit und sofern die Interessenpolarität der Vertragspartner nicht auch hinsichtlich der beeinträchtigten Drittinteressen besteht. 197 Habersack stellt insoweit fest, daß "die Richtigkeitsgewähr des Vertrages ( ... ) insoweit begrenzt ist, als es an einem Gleichlauf zwischen den Vertrags partner- und den Drittinteressen fehlt und die Vertragspartner deshalb typischerweise - trotz Interessenpolarität - einen Ausgleich zu Lasten Dritter finden.,,198 Hierin liegt ein Versagen des Vertragsmechanismus. Soweit das nur in Einzelfällen vorkommt, hat das auf den Vertrag als Rechtsinstitut keine Auswirkungen. Auch ist aus Gründen der Rechtssicherheit lediglich eine nachträgliche Überprüfung des Einzelfalls angesagt. Anders ist es aber, wenn der Vertragsmechanismus typischerweise gestört ist. Dann wird hiervon auch die Koordinationsfunktion des Vertrages und damit der Vertrag als Rechtsinstitut betroffen. Denn da die Koordinationsfunktion durch die Vielzahl der EinzeIverträge vennittelt wird, schlägt ein massenhaft funktionswidriger Gebrauch des Vertrages als Rechtsverhältnis, nämlich der Ausgleich der Vertragspartnerinteressen zu Lasten Dritter, auf den Vertrag als Rechtsinstitut durch: Kommt es typischerweise zur Beeinträchtigung von Drittinteressen, so wird dadurch der Geltungsanspruch des Rechtsinstituts, nämlich im Einzelfall eine gerechte Regelung herbeizuführen, untergraben, weil das Rechtsinstitut seinem eigenen Anspruch nicht genügt. 199 Praktisch bedeutet das, daß der Vertrag als Rechtsinstitut seine allokationssteuernde und effizienzfördernde Wirkung einbüßt. Das ist insofern bedenklich, als die Effizienzvorteile, die sich aus der dezentralen Steuerung einer Marktwirtschaft ergeben, nur wirksam werden können, wenn sie nicht durch eine funktionswidrige Verwendung von Verträgen zunichte gemacht werden. Dem Recht kommt mithin erhebliche Bedeutung für das Wohlergehen einer Volkswirtschaft zu. (d) Abwägungsgebot Was nun die Rechtsfolge eines funktionswidrigen Vertragsgebrauchs angeht, so kann diese nicht darin bestehen, die zugrunde liegenden Verträge generell für unwirksam zu erklären. Denn das würde zu Lasten der Selbstbestimmungsfunktion des Vertrages gehen. 2oo Erforderlich ist vielmehr eine Abwägung, bei der "das Interesse der Vertragspartner an der Regelung ihres Verhältnisses, andererseits die im Grundsatz berechtigte Erwartung des Dritten, daß seine Rechtslage von dem fremden Vertrag nicht negativ beeinflußt wird, zu einem Ausgleich zu führen (sind), der beide Anliegen in möglichst effektiver Weise verwirklicht.,,201 Die Anwen-
Ausführlich hierzu m.z.w.N. Habersack (1992), S. 66 ff. Ders. (1992), S. 68 (Hervorhebung auch im Original). 199 Vgl. Habersack (1992), S. 167 f., 171 m.w.N. 200 Plastisch spricht Habersack (1992), S. 167, davon, daß sonst die "Wirksamkeit eines Vertrages ( ... ) von der Nichtausübung eines Vetorechts Dritter abhängig" wäre. 197 198
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dung des an sich dem öffentlichen Recht zuzurechnenden Verhältnismäßigkeitsmaßstabes rechtfertigt sich damit, daß "die Wirkungen des Rechtsgeschäfts sich nicht in der selbstbestimmten Regelung des Verhältnisses zwischen den Beteiligten erschöpfen, sondern einen Beteiligten oder unbeteiligte Dritte in rechtlich erheblicher Weise gegen deren Willen und somit heteronom erfassen.,,202 Die Abwägung der betroffenen Interessen führt dazu, daß zu differenzieren ist, ob der Vertragsmechanismus lediglich im Einzelfall oder unter bestimmten Voraussetzungen typischerweise versagt. Soweit er nämlich lediglich im Einzelfall versagt, so ist hiervon "nur" die Gerechtigkeitsfunktion betroffen. Es wurde schon gesagt, daß in diesen Fällen eine Einzelfallüberprüfung angezeigt, aber auch ausreichend, ist. Versagt der Vertragsmechanismus jedoch typischerweise, so schlägt dies auf die Koordinationsfunktion durch. Es besteht dann die Gefahr, daß das Rechtsinstitut und damit die Rechtsordnung als ganzes Schaden nimmt. In diesen Fällen ist daher eine generalisierende Regelung erforderlich. Auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, als Argument gegen einen Eingriff in die Wirksamkeit von Verträgen, wiegt hier weniger schwer. Denn die Typizität dieser Fälle markiert eine deutliche Grenze bis zu der die selbstbestimmte Gestaltung von Rechtsverhältnissen zulässig ist. Diese Grenze ist zwar ungeschrieben, gleichwohl aber aus Gründen der allgemeinen Erhaltung des Rechtsinstitus unverzichtbar. Anders ausgedrückt geht es um eine immanente Grenze der selbstbestimmten Gestaltung von Rechtsverhältnissen, die um der Erhaltung dieser Gestaltungsfreiheit willen nicht überschritten werden darf. (e) Konkretisierung und Abwägung Für die Frage nach dem Rechtsgrund der oben 203 vorgeschlagenen Rechtsfolge, wonach Kreditsicherungsverträge retrograd zur Gewährung verliehener Liquidität unwirksam sein sollten, sofern es infolge der mit einer solchen Liquiditätszufur einhergehenden Dislozierung von Vermögensgegenständen der GmbH zu einem massearmen Insolvenzverfahren kommt, ergibt sich nun folgendes: Die Parteien des Kreditsicherungsvertrages sind die gesicherten Gläubiger und die GmbH. Das Interesse der gesicherten Gläubiger ist primär auf das dem Kreditsicherungsvertrag zugrunde liegende Grundgeschäft und auf dessen vertragsgemäße Erfüllung gerichtet. Das Interesse der GmbH orientiert sich zum einen an ihrem Liquiditätsbedarf204 , zum anderen an der Nutzung der Gegenstände, auf die sich das Sicherungsrecht bezieht. Keine der Parteien des Kreditsicherungsvertrages hat hingegen 201 Habersack (1992), S. 70. Ähnlich bereits Jhering (1871). S. 312 ff., 316 ("Es ist der Gedanke der Billigkeit, die verständnißvolle Beurtheilung der beiderseitigen gerechtfertigten Interessen ... "); vgl. auch Martens (1977), S. 175 ff., sowie Canaris (1989), S. 161 ff., 164 ff. 202 Habersack (1992), S. 71 m.w.N. Vgl. auch ders., aaO, S. 71 ff., mit Anwendungsbeispielen für eine Interessenabwägung. 203 Unter E.II.3.c)dd)(1). 204 V gl. zur Notwendigkeit oben unter C.IY.I.a).
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ein Interesse an der Massehaltigkeit eines potentiellen Insolvenzverfahrens. Gerade hierauf kommt es aber für die ungesicherten Gläubiger an, weil sie anderenfalls Rechtsnachteile erleiden. 205 Es fehlt also an einem Gleichlauf zwischen den Vertragspartner- und den Drittinteressen. Werden nun Vermögensgegenstände der GmbH infolge von Kreditsicherungsverträgen disloziert, so kommt es zu einem Ausgleich der Interessen der Parteien des Kreditsicherungsvertrages zu Lasten der ungesicherten Gläubiger. Für die Abwägung der betroffenen Interessen ist zu unterscheiden, ob die Dislozierung dazu führt, daß in einem Insolvenzverfahren lediglich die Befriedigungsquoten der ungesicherten Gläubiger geringer ausfallen oder ob es infolge von Massearmut gar nicht erst zur Durchführung eines massehaitigen Insolvenzverfahrens kommt, so daß für die ungesicherten Gläubiger von vornherein keine Befriedigungschancen bestehen. Soweit nicht andere unzulässige Anreizverzerrungen wirksam werden 206 , ist, sofern es nur zu einem massehaitigen Insolvenzverfahren kommt, gegen die Dislozierung von Vermögensgegenständen nichts einzuwenden. Denn zum einen ist die Möglichkeit, Kredite zu besichern, von der Rechtsordnung anerkannt. 207 Zum anderen bleibt den ungesicherten Gläubigem das Insolvenzverfahren als Mittel zur Haftungsverwirklichung dem Grunde nach erhalten. Daß sie der Höhe nach Einbußen hinnehmen müssen, steht dem nicht entgegen. Denn sie könnten das verhindern, indem sie das Insolvenzverfahren eher beantragen. Wenn sie das nicht getan haben, so deshalb, weil sie auf die Werthaltigkeit ihres Rückzahlunganspruches vertraut haben. Das Vertrauen in die Bonität des Schuldners ist aber nicht geschützt. 208 Anders ist es, wenn infolge von Massearmut kein Insolvenzverfahren stattfindet. Das Insolvenzrecht, daß an sich der Haftungsverwirklichung für den Fall dienen soll, daß das Schuldnervermögen für eine vollständige Befriedigung sämtlicher Gläubiger nicht mehr hinreicht 209 , kommt dann überhaupt nicht zur Anwendung. Das gilt auch soweit nach § 208 III InsO bestimmt ist, daß der Insolvenzverwalter auch bei Masseunzulänglichkeit verpflichtet bleibt, die Insolvenzmasse weiter zu verwerten. Denn die dadurch bewirkte Haftungsverwirklichung kommt nicht den Insolvenzgläubigem i. S. d. § 38 InsO, sondern den Gläubigem der sonstigen Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 InsO zugute. Auch sonst haben die Insolvenzgläubiger praktisch keine Möglichkeit, ihre Ansprüche gegen die fallierte GmbH durchzusetzen. 2IO Bedenkt man, daß die Bindungswirkung von Verträgen auf dem Zur Begründung oben unter E.I.I.a). sowie unter E.I1.3.c)ee)(2). Zu dieser Einschränkung oben unter E.1.2.c). 207 V gl. nur §§ 1113 ff., 1191 ff., 1204 ff., 1273 ff. BGB 208 Zu letzterem oben unter E.1.2.c); zum - neu zu konzipierenden - Insolvenzantragsrecht der Gläubiger unten unter E.I1I.2.a). 209 Vgl. oben unter B.I.l.b). 210 Vgl. oben unter B.I.3.e), C.I.3.b), insbes. unter cc)(l), und unter c.I.3.c)aa)(2), ferner unter E.l.I.a). 205
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E. Synthese
Vertrauen des Rechtsverkehrs beruht, daß die aus ihnen resultierenden Ansprüche in aller Regel 211 auch dann durchgesetzt werden können, wenn einer der Vertragspartner hierzu nicht mehr freiwillig bereit ist, so wird dieses Vertrauen im Fall der Insolvenzgläubiger in der großen Mehrzahl aller Fälle enttäuscht. So kam es, bezogen auf die in 1993 eröffneten und bis Ende 1994 beendeten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH, in 69,1 Prozent aller Fälle zu einer Zweckverfehlung des Insolvenzrechts, weil das Insolvenzverfahren infolge nicht gedeckter Masseverbindlichkeiten entweder nicht eröffnet werden konnte oder wieder eingestellt werden mußte. 212 Bei der Insolvenz einer GmbH handelt es sich dabei wegen der bestehenden Anreizverzerrungen 213 um ein typischerweise auftretendes Phänomen. Auch ist die Zweckverfehlung des Insolvenzrechts geeignet, das Vertrauen der Insolvenzgläubiger in die Funktionstüchtigkeit der Rechtsordnung zu erschüttern. Denn gerade die rechtliche Regelung, die vom Gesetzgeber für den Fall vorgesehen ist, daß ein Schuldner seine Gläubiger nicht mehr vollständig befriedigen kann und auf die die Gläubiger zur Rechtsdurchsetzung besonders dringend angewiesen sind, gelangt in der großen Mehrzahl aller Fälle nicht zur Anwendung. Demgegenüber wiegt das Interesse der von einer retrograden Unwirksamkeit ihrer Kreditsicherungsgeschäfte betroffenen Gläubiger gering. Denn es handelt sich dabei um diejenigen Gläubiger, deren Verhalten im Verlauf des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses214 infolge des sachlich-zeitlichen Zusammenhangs von Unternehmenskrise und Massearmut 215 ursächlich für die Massearmut geworden ist. Von der retrograden Unwirksamkeit sind also gerade diejenigen Gläubiger betroffen, die der GmbH im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz gesicherten Kredit gewährten. Wegen des besonderen Gefährdungspotentials solcher Kreditvergaben für die Gesamtheit der Gläubiger, hat das Interesse der von einer Unwirksamkeit betroffenen Gläubiger an der Bestandskraft ihrer Kreditsicherheiten zurückzutreten. Da das hier vertretene Lösungskonzept vorsieht, daß im allgemeinen lediglich eine vorübergehende Inanspruchnahme der gesicherten Gläubiger erfolgt 216 , und da die Finanzierung eines Insolvenzverfahrens anders nicht sicher gestellt werden kann 217 , dies aber zwingend erforderlich ist 218 , ist die vorgeschlagene Unwirksamkeit von Kreditsicherheiten auch der geringst mögliche Eingriff in die Rechtsposition der betroffenen Gläubiger. Er beachtet auch das Gebot der praktischen Konkordanz 219 , wonach weder die Interessen der Vertragspartner noch die der Dritten gänzlich zugunsten der jeweils anderen geopfert werden dürfen, sondern bei den 2ll 212 213 214
215 216 217 218 219
Ausnahmen ergeben sich etwa aus § 888 11 ZPO. Vgl. m.w.N. oben unter B.II.l.a). Dazu oben unter E.I.2.d) und E.II.3.b). Dazu oben unter B.II.2.c). Dazu oben unter E.II.3.c)cc). Vgl. oben unter E.l.l.c) und unten unter E.IY.l.b)cc). Dazu oben unter E.I.l.b) und cl. Dazu oben unter E.I.l.a). Grundlegend hierzu Lerche (1961), S. 19 ff.
11. Finanzierungsregeln
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ein effizienter Anwendungsbereich zu erhalten ist, weil die Unwirksamkeit auf das "untragbare Übennaß,,220 beschränkt ist. (f) Folgerungen
Sofern und soweit ein Insolvenzverfahren masseann ist, sind Kreditsicherheiten retrograd zur Zuführung von verliehener Liquidität unwirksam, weil nur so der funktionswidrige Gebrauch von Kreditsicherungsverträgen unterbunden werden kann?21 Den von der Unwirksamkeit eines Kreditsicherungsvertrages betroffenen Gläubigern ist zwar zuzubilligen, daß die dargelegte immanente Grenze für eine zulässige Kreditsicherung nicht in jedem Fall einfach zu erkennen ist, doch ist diese Grenze aus dem übergeordneten Interesse an der Erhaltung des Vertrages als Rechtsinstitut gerechtfertigt. 222 Zum Schutz der gesicherten Gläubiger können diese allerdings nicht verpflichtet sein, von dem Zeitpunkt ab, da eine weitere Dislozierung von Vennögensgegenständen der GmbH zur Masseannut eines Insolvenzverfahrens führen würde, keine Sicherheiten mehr zu akzeptieren. Denn sonst könnten die ungesicherten Gläubiger Schadensersatzansprüche gegen jene begründen. 223 Die Sanktion besteht aber nicht in einer pflichtbezogenen Schadensersatzhaftung der gesicherten Gläubiger, sondern in dem (Teil-)Verlust ihrer Kreditsicherheiten. 224 Es besteht also nur eine Obliegenheit der gesicherten Gläubiger. Auf die Art kann auch das Problem der gesicherten Sanierungskredite angemessen gelöst werden: Ist die Sanierung erfolgreich, werden die Gläubiger des Sanierungskredits nicht in Anspruch genommen. Scheitert sie, wird verhindert, daß Reichtumsverschiebungen sich manifestieren. Im Ergebnis werden die Geber von gesicherten Sanierungskrediten dadurch, ebenso wie alle anderen gesicherten Gläubiger, zu einer sorgfältigen Kreditvergabe angehalten und der Mißbrauch von gesicherten Sanierungskrediten verhindert. Von der Unwirksamkeit des Sicherungsgeschäfts ist nicht nur der schuldrechtliche, sondern auch der dingliche Teil betroffen. Nur so ist nämlich gewährleistet, 220
Höfling (1991), S. 60.
221 Canaris (1984), S. 210 ff., ders. (1989), S. 162 f., weist nach, daß die beschränkte verfassungs gerichtliche Überprüfung von Zivilrechtsurteilen dogmatisch nicht haltbar ist. Zu überprüfen sei nicht nur die "Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht" (BVerfGE 7, 198,207 - "Lüth-Urteil"), also die grundrechtskonfonne Auslegung des materiellen Rechts, sondern auch die von der Privatrechtsrechtsprechung entwickelten ,,Normen", soweit diese einer Gesetzesnonn ,,funktionell entsprechen". Es bietet sich damit ein verfahrensrechtlicher Ansatzpunkt, um die hier entwickelte Lösung einer Begrenzung des Kreditsicherungsrechts und einer Revitalisierung des Insolvenzrechts auf dem Weg über eine Verfassungsbeschwerde praktisch umzusetzen. 222 Soweit F Kühler (1990), S. 687 ff., daher die Frage erörtert sehen möchte, inwieweit es wirtschaftlich sinnvoll oder geboten ist, dem Gläubiger die Last eigener Erkundungen über die Zahlungsfähigkeit seines Vertragsschuldners zu ersparen, kann die Antwort hierauf nur im Rahmen der hier dargelegten rechtlichen Grenzen relevant sein. 223 Vgl. RGZ 136, S. 247,253. 224 Vgl. auch Hommelhoff(1984),S. 707.
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E. Synthese
daß die von der Unwirksamkeit betroffenen Gegenstände auch tatsächlich für eine Finanzierung der Masseverbindlichkeiten zur Verfügung stehen?25 Daraus, daß es sich bei der retrograden Unwirksamkeit von Kreditsicherungsverträgen um Schranken der Inhaltsfreiheit handelt, folgt, daß die Tatbestandsmerkmale für eine Unwirksamkeit von Kreditsicherungsverträgen rein objektiv zu bestimmen sind. Denn hinsichtlich der Schranken der Inhaltsfreiheit kann es nicht auf die Kenntnis einzelner von bestimmten Umständen ankommen, weil sonst die Wirksamkeit bestimmter Rechtsinstitute von der jeweiligen Sorgfalt der Rechtsunterworfenen abhängig wäre. Für das Verhältnis zu anderen Vorschriften, die in die Rechte gesicherter Gläubiger eingreifen, ist zu sagen, daß die Wamfunktion, die von dem Risiko einer retrograden Unwirksamkeit von Kreditsicherheiten ausgeht, auch der Rückschlagsperre nach §§ 28, 87, 104 VglO bzw. § 88 InsO zu eigen ist. Deren Nachteil ist aber die Festlegung einer starren Frist. Denn damit kann das Problem der Dislozierung von Vermögens gegenständen im Rahmen der Zuführung von verliehener Liquidität nicht angemessen erfaßt werden, weil der sachlich-zeitliche Zusammenhang zwischen Unternehmenskrise und Massearmut226 unbeachtet bleibt. Was das Verhältnis zur Insolvenzanfechtung angeht, so unterscheidet diese sich von der retrograden Unwirksamkeit hinsichtlich des Anwendungsbereiches und des Prüfungsmaßstabes. Wahrend die Insolvenzanfechtung die Bestandskraft von Rechtsgeschäften im Fall der Massehaltigkeit betrifft 227 , geht es bei der retrograden Unwirksamkeit um die Bestandskraft von Kreditsicherungsgeschäften im Fall der Massearmut. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Prüfungsmaßstäbe: Da es bei der Insolvenzanfechtung um den "Vorrang unter den bei den Gruppen der durch die anfechtbare Handlung beeinträchtigten Gläubiger und der Gläubiger des Anfechtungsgegners,,228 geht, ist ein viel differenzierterer Beurteilungsmaßstab anzulegen, als im Fall der retrograden Unwirksamkeit. Denn bei ihr geht es nicht um die Frage, in weIchem Umfang bestimmte Gegenstände zur Insolvenzmasse gezogen werden sollen, sondern um das vorgelagerte Problem, ob die insolvenzrechtliche Haftungsfunktion überhaupt zur Anwendung gelangt. (4) Dogmatische Verortung
Nicht ganz einfach zu beantworten ist die Frage, auf weIche Norm die retrograde Unwirksamkeit von Kreditsicherungsgeschäften gestützt werden soll. Die Schwierigkeiten resultieren vor allem aus dem nicht hinreichend geklärten dogmatischen Verständnis des § 138 BGB. Im Rahmen dieser Arbeit kann diese Klärung allerdings nur ansatzweise geleistet werden. 225 226 227 228
Vgl. auch Habersack (1992), S. 183. Dazu oben unter E.II.3.c)cc). Zum Problem Häsemeyer (1982b), S. 541, sowie oben unter B.III.2.e)cc)(1). G. Paulus (1956), S. 279.
H. Finanzierungsregeln
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(a) § 138 BGB: Kenntnis der Sittenwidrigkeit? Bedenken an einer Anwendung des § 138 BGB ergeben sich daraus, daß diese Nonn das "Verdikt einer gewissen Unanständigkeit,,229 zu implizieren scheint und daher von einer verbreiteten Meinung verlangt wird, daß die Beteiligten zumindest die Tatumstände kennen müssen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt. 23o Da es für die Schranken der Inhaltsfreiheit aber allein auf objektive Merkmale ankommt, wäre § 138 BGB somit der falsche Ausgangspunkt. Das zwingende Erfordernis subjektiver Tatbestandsmerkmale bei der Prüfung von § 138 BGB wird jedoch seit einiger Zeit bezweifelt. 231 Danach soll es nur dann auf subjektive Tatbestandsvoraussetzungen ankommen, wenn sich die Sitten widrigkeit des Rechtsgeschäfts aus subjektiven Kriterien, wie Zweck oder Beweggrund, ergibt. 232 M.E. streiten hierfür gute Gründe. Zum einen ergibt sich bereits aus der Gesetzgebungsgeschichte, daß es bei dem Begriff der guten Sitten auch um den ,,richtigen objektiven Maßstab für die Handhabung des Gesetzes" gehen sollte?33 Vor allem aber hat die Rechtsentwicklung gezeigt, daß in einem freiheitlich-pluralistischen Gemeinwesen der Maßstab für die guten Sitten nicht aus dem ,,Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden,,234 gewonnen werden kann, weil eine einheitliche Sittenordnung nicht existiert. Auch weist Sack zutreffend darauf hin, daß es "bei der Anwendung von § 138 [BGB] ( ... ) nicht um die Bewertung des Verhaltens einer Person (geht), sondern um die Bewertung eines Rechtsgeschäfts,.235, so daß ein persönlicher Sittenvorwurf nicht zwingend ist. Da es keine Rechtsordnung zulassen kann, die funktionswidrige Inanspruchnahme der von ihr bereitgestellten Institute nicht zu verhindern 236 , sollte daher für die Auslegung von § 138 BGB auch an rein objektive Merkmale angeknüpft werden dürfen. 237 Dadurch wird auch verhindert, daß die Schranken der Inhaltsfreiheit davon abhängen, ob der Nachweis der subjektiven Tatbestandsmerkmale gelingt. Denn dadurch würde ein Anreiz ge-
So Canaris (1984), S. 235. Vgl. die Nachweise bei Staudinger/Sack (1993/ 1996), § 138 Rn. 61; Soergel/Hefermehl (1987), § 138 Rn. 34, oder Münchener Kommentar / Mayer-Maly (1992/1993), § 138 Rn. 111. 231 Vgl. Sack (1970), S. 502; Mayer-Maly (1971), S. 25 ff.; Esser (1971), S. 330 ff.; ferner Staudinger / Sack (1993/ 1996), § 138 Rn. 62; Soergel/ Hefermehl (1987), § 138 Rn. 37 ff. 232 V gl. etwa Staudinger / Sack (1993/ 1996), § 138 Rn. 63; Soergel/ Hefermehl (1987), § 138 Rn. 38. 233 Protokolle (1897), S. 124; ausführlich zu dem Gesetzgebungsverfahren des § 138 BGB Schricker (1970), S. 186 ff. 234 So die gerne gebrauchte Formel der Rechtsprechung. Vgl. dazu m.w.N. Staudinger/ Sack (1993/ 1996), § 138 Rn. 13. 235 Ders. in Staudinger / Sack (1993/ 1996), § 138 Rn. 65. 236 Vgl. Soergel/ Hefermehl (1987), § 138 Rn. 39. 237 Mit dem Wortlaut des § 138 BGB ist das vereinbar. Lindacher (1973), S. 131, hat darauf hingewiesen, daß der Text der Norm auch so gelesen werden kann, daß ein Rechtsgeschäft nichtig ist, soweit es gegen die guten Sitten verstößt. 229
230
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E. Synthese
schaffen, möglichst keine beweisbaren Spuren zu hinterlassen, womit aber unberechtigterweise diejenigen begünstigt würden, die insoweit besonders gerissen vorgehen. (b) Das Rechtsfolgenproblem Gegen eine Anwendung von § 138 BGB spricht außerdem dessen starre Rechtsfolge. 238 Das ergibt sich aus folgender Überlegung: Nur soweit es zu einer funktionswidrigen Verwendung von Kreditsicherungsverträgen kommt, ist die hier vorgeschlagene Unwirksamkeit von Kreditsicherungsverträgen gerechtfertigt. Es kann nun aber sein, daß in einem ursprünglich massearmen Insolvenzverfahren, dessen Masseverbindlichkeiten unter Inanspruchnahme von Kreditsicherheiten finanziert wurden, im Laufe des Verfahrens mehr freie Masse erwirtschaftet wird, als zur Finanzierung der Masseverbindlichkeiten erforderlich ist. Dabei kann der ursprüngliche Sicherungsgegenstand - etwa eine sicherungsübereignete Maschine - sehr wohl noch im Vermögen der Gesellschaft vorhanden sein?39 Bei einer Nichtigkeit des Sicherungsübereignungsvertrages ex tunc hätte der von der Unwirksamkeit seines Kreditsicherungsvertrages betroffene Gläubiger keine Möglichkeit, aus dieser Maschine durch Geltendmachung seines ursprünglichen Absonderungsrechts vorzugsweise befriedigt zu werden, obwohl das Verfahen zwischenzeitlich massehaltig geworden ist und deshalb eine Inanspruchnahme von Kreditsicherheiten zur Massefinanzierung nun nicht mehr gerechtfertigt wäre. Statt dessen käme der Verwertungserlös aus der Maschine allen Insolvenzgläubigem zugute. Das Problem besteht darin, daß Kreditsicherheiten nur dann zur vorübergehenden Zwischenfinanzierung der Masseverbindlichkeiten eingesetzt werden dürfen, wenn die Finanzierung eines Insolvenzverfahrens nicht anders bewältigt werden kann. Auch § 139 BGB hilft hier nicht weiter, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Parteien des Kreditsicherungsgeschäfts im Falle der masselosen Insolvenz nur die Gültigkeit des Grundgeschäfts, nicht aber die des Sicherungsgeschäfts gewollt haben würden. Es fehlt insoweit an der Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts. Besser geeignet erscheint daher die Rechtsfolge aus § 134 BGB mit ihrem Normzweckvorbehalt. Allerdings fehlt es insoweit an der Voraussetzung, wonach gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen werden muß. Denn zumindest solange die hier entwickelte Unwirksamkeit von Kreditsicherungsgeschäften retrograd zur damit verbundenen Zuführung von verliehener Liquidität nicht all238 Canaris (1989), S. 165, hält die Waffe des § 138 BGB daher auch für "zu scharf und zu plump, um die diffizile Problematik differenziert genug zu lösen und dem Gebot des ,schonensten Ausgleichs' und der ,praktischen Konkordanz' hinreichend Rechnung zu tragen." 239 Die zur Finanzierung der Masseverbindlichkeiten erforderlichen Einnahmen können nämlich außer durch Veräußerung der Maschine auch durch deren Nutzung, etwa bei einer Betriebsfortführung im Rahmen des Insolvenzverfahrens, erzielt werden. Werden währenddessen illiquide Ansprüche realisiert, kommt es zu einer Masseauffüllung.
II. Finanzierungsregeln
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gemein anerkannt ist, fehlt es an einem Gesetz i. S. d. Legaldefinition des Art. 2 EGBGB. Die retrograde Unwirksamkeit von Kreditsicherungsgeschäften könnte des weiteren auf § 242 BGB zu stützen sein. Doch bestehen auch insoweit Bedenken. Denn ohne daß hierauf weiter eingegangen werden kann, hat J. Schmidt überzeugend dargelegt, daß die Vorschrift so informationsarm ist, daß ihr "ein eigener normativer Gehalt für die praktische Begründungsarbeit nicht zu(kommt).,,24o Außerdem spricht die systematische Stellung von § 242 BGB im Gesetz dagegen, den Institutsmißbrauch dort zu verorten, weil es sich insoweit um eine Frage handelt, die sich nicht nur auf die schuldrechtliche Seite des unwirksamen Kreditsicherungsgeschäfts bezieht. (c) Sittenwidrigkeit als Rechtsordnungswidrigkeit Die Lösung kann nur darin bestehen, die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB ebenso wie bei § 134 BGB einzuschränken?41 M.E. ergibt sich das bereits aus dem Normzweck des § 138 BGB. Wie bereits ausgeführt, geht es bei § 138 BGB um den "richtigen objektiven Maßstab für die Handhabung des Gesetzes,,242. Das folgt auch aus dem Umstand, daß zur Zeit der Entstehung des BGB die Begriffe Recht, Sitte und Sittlichkeit noch nicht scharf getrennt wurden 243 und sowohl der Sitte als auch der Sittlichkeit normative Verbindlichkeit zuerkannt wurde?44 Da Sittenwid-
240 Ders. in Staudinger/J. Schmidt (1993/1994), §242 Rn. 133 a.E.; ausführlich zur Begründung aaO., Rn. 126 ff., 133 ff.; zusammenfassend Rn. 179 ff., 197 ff.; vgl. auch die methodenkritischen Hinweise in Rn. 182 ff. sowie bei Staudinger / Sack (1993/1996), § 138 Rn. 154 f. - Zur Gesetzgebungsgeschichte des Mißbrauchsverbotes sowie des Gebotes von Treu und Glauben vgl. Soergel/Teichmann (1987/1990), § 242 Rn. 11 ff. 241 Im Ergebnis übereinstimmend Sack in Staudinger/Sack (1993/1996), § 138 Rn. 92 ff. und Rn. 34 a.E. 242 Protokolle (1897), S. 124. 243 Vgl. Schricker (1970), S. 186 bei Fn. 3 m.w.N. 244 Vgl. für die Sitte etwa von Jhering (1916), S. 19: "Sitte ist also die im Leben des Volks sich bildende verpflichtende Gewohnheit." Die "als richtig und notwendig erprobte Ordnung ist die Sitte. Damit stellt sie sich als eine Norm hin, die der einzelne zu befolgen hat." (Hervorhebungen weggelassen). - Vgl. für die Sittlichkeit Eckstein (1915), S. 201: "Dem Wesen der Sache nach ( ... ) ist ein Rechtsgeschäft darum unsittlich, weil es den Begriff des Rechts zu einem Unbegriff machen würde, weil der Rechtszwang, als der eigentliche Inhalt des Rechts, nicht mit dem Rechte als der vom Staat geWährleisteten Ordnung des sozialen Lebens in Widerspruch treten darf." Ders. fährt dann - ganz im Sinne der oben vertretenen Ansicht zur Objektivierung des Sittenwidrigkeitstatbestandes, vgl. unter E.II.3.c)ee)(4.1) - fort: "Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt diejenigen Rechtsgeschäfte, die in anderer Weise als durch ihren Inhalt sittenwidrig sind, so läßt sich für sie eine Nichtigkeit aus ihrem Wesen nicht herleiten. Es mag in manchen Fällen unsittlich sein, ein bestimmtes Rechtsgeschäft einzugehen oder ein bestehendes zu erfüllen; ist objektiv die Eingehung oder Erfüllung nicht unsittlich, so haben wir es mit einer bloßen Frage der Moral zu tun, nicht des Rechts. " (Hervorhebungen auch im Original).
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E. Synthese
rigkeit insofern ein doppeldeutiger und damit mißverständlicher Ausdruck ist, sollte man heute besser von Rechtsordnungswidrigkeit sprechen?45 Der Begriff ist, soweit ersichtlich, bislang nicht eingeführt, ist aber sachdienlich. Denn zumindest in einem Rechtsstaat 246 , ist der "objektive Maßstab" für die Handhabung der Gesetze die Rechtsordnung, nämlich die verfassungsmäßige Ordnung i.S.v. Art. 2 I GG 247 , also ,jede formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm,,248. Rechtsordnungswidrigkeit darf nicht mit Rechtswidrigkeit verwechselt werden. Der Unterschied wird deutlich, wenn man - zur Vermeidung des mißverständlichen Begriffs der Sittenwidrigkeit - in § 138 I BGB, statt - wie vorgeschlagen von Rechtsordnungswidrigkeit, von Rechtswidrigkeit sprechen würde. § 138 I BGB würde dann lauten: "Ein rechtswidriges Rechtsgeschäft ist nichtig." In dieser Diktion bekäme § 138 BGB den Charakter einer uferlosen exceptio doli. Die im Falle der Rechtswidrigkeit oftmals fein abgewogenen Rechtsfolgenbestimmungen des BGB, etwa in den §§ 677 ff., 812 ff., 987 ff. BGB, könnten ausgehebeIt werden. Sittenwidrigkeit kann daher nicht bloße Rechtswidrigkeit sein. Vielmehr ist noch ein Zusatz erforderlich, der angibt, in welchen Fällen es trotz Rechtswidrigkeit nicht zur Nichtigkeit kommt. § 138 BGB wäre demnach wie folgt zu lesen: "Ein rechtswidriges Rechtsgeschäft, ist nichtig, soweit sich nicht aus bestehenden Rechtsnormen etwas anderes ergibt." Damit wird offenbar, daß auch § 138 BGB unter einem Normzweckvorbehalt steht. Daß dieser im Gesetz gleichwohl nicht ex pressis verbis niedergelegt ist, liegt daran, daß das Gesetz mit Sittenwidrigkeit nicht Rechtswidrigkeit, sondern Rechtsordnungswidrigkeit meint. Danach ist § 138 BGB so zu lesen: "Ein rechtsordnungswidriges Rechtsgeschäft ist nichtig." Bei dieser Lesart wäre ein Normzweckvorbehalt ("soweit sich nicht aus bestehenden Rechtsnormen etwas anderes ergibt") tautologisch. Denn Rechtsnormen, aus denen sich etwas anderes ergeben könnte, sind ebenfalls ein Teil der Rechtsordnung und sind deshalb auch ohne Normzweckvorbehalt zu berücksichtigen. Die Richtigkeit dieser Überlegung wird bestätigt, wenn man die Regelungen der § 134 und § 138 BGB vergleicht. Nur im Fall des Verstoßes gegen eine geschriebene Verhaltensnorm hat der Gesetzgeber einen Normzweckvorbehalt normiert. Entgegen der h.M. 249 darf daraus aber nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß 245 Zutreffend stellt Wiget (1939), S. 51, fest, daß ,,(d)er Tatbestand des Verstoßes gegen die guten Sitten ( ... ) von seiner sprachlichen Formulierung vollkommen unabhängig (ist)." Vgl. auch aaO., S. 54 ff. 246 Vgl. Art. 1 IIl, 20 IIl, 93 I Nrn. 2 und 4a sowie Art. 100 GG. 247 Dazu grundlegend BVerfGE 6, S. 32, 37 ff. 248 AaO. (Fn. 247), S. 38. Vgl. auch aaO., S. 41: Gesetze "müssen auch materiell in Einklang mit den obersten Grundwerten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als der verfassungsrechtlichen Wertordnung stehen, aber auch den ungeschriebenen elementaren Verfassungsgrundsätzen und den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen, vornehmlich dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und dem Sozialstaatsprinzip. Vor allem dürfen die Gesetze daher die Würde des Menschen nicht verletzen, die im Grundsatz der oberste Wert ist, aber auch die geistige, politische und wirtschaftliche Freiheit des Menschen nicht so einschränken, daß sie in ihrem Wesensgehalt angetastet würde."
II. Finanzierungsregeln
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§ 138 BGB deshalb nicht unter einem Normzweckvorbehalt steht und die Totalnichtigkeit daher in den Fällen, in denen es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, immer die zutreffende Rechtsfolge sei. Denn in der Sache macht es keinen Unterschied, ob gegen eine geschriebene oder eine ungeschriebene Verhaltensnorm verstoßen wird. Vor allem läßt sich nicht einwenden, daß es sich bei den Verstößen gegen ungeschriebene Verhaltensnormen um besonders schwere Rechtsverstöße handle, bei denen ein Normzweckvorbehalt entbehrlich sei. 25o Denn es kommen sowohl besonders schwere Rechtsverstöße gegen geschriebene Verhaltensnormen vor5! als auch relativ leichte gegen ungeschriebene 252 . Vielmehr liegt ,,(d)er Unterschied zwischen verbotswidrigen und sittenwidrigen Verträgen ( ... ) nicht in der Schwere des Verstoßes, sondern im Unterschied zwischen geschriebenen und ungeschriebenen Verhaltensnormen.,,253 Denn ungeschriebenen Verhaltensnormen ist die Beschränkung auf den Normzweck notwendig immanent, da dem Begriff der guten Sitten normative Verbindlichkeit zuerkannt wurde, er also im Sinne von ,der Rechtsordnung gemäß' verstanden wurde?54
Die oft gestellte Frage, "ob ein nichtiges Rechtsgeschäft mit Hilfe des § 242 BGB in seinen Wirkungen (teilweise) aufrecht erhalten werden kann"255, erscheint mir daher falsch gestellt. Denn auf eine Beschränkung der Nichtigkeitsfolge wegen "Vertoßes gegen Treu und Glauben" kann es nicht ankommen, wenn und weil ein Rechtsgeschäft nur insoweit nichtig sein kann, als es rechtsordnungswidrig ist. 256
Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Staudinger 1Sack, § 138 Rn. 89. So aber Mayer-Maly in Münchener Kommentar 1Mayer-Maly (1992/1993), § 138 Rn. 132, wonach die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts dieses generell unerträglich mache, weshalb bei § 138 BGB für Differenzierungen, wie etwa bei § 134 BGB, kein Raum sei. 251 Zu denken wäre etwa an einem Vertrag mit einem Killer, in dem diesem ein bestimmter Mordauftrag erteilt wird. Ein solcher Vertrag verstieße gegen die geschriebene und einen besonders schweren Rechtsverstoß beinhaltende Verhaltensnonn des § 211 StGB. 252 Als Beispiel kann hier die auf § 38 BGB gestützte Rechtsprechung des BGH zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eines GmbH-Geschäftsführers dienen, vgl. BGHZ 91, 1,5 ff. 253 So zutreffend Sack (1975), S. 176 f. (Hervorhebung weggelassen). 254 So legt bereits Eckstein (1915), S. 206, dar, daß "das Gesetz mit der Nichtigerklärung sittenwidriger Rechtsgeschäfte gar nicht eine neue Rechtsnonn setzen, sondern nur das ipso iUTe Rechte bestätigen will." (Hervorhebungen weggelassen). Ders. auch kritisch zur Methode bei der Auslegung von § 138 BGB, aaO., S. 199 ff., 203 ff. Vgl. auch von Thur (1914), S. 183: "Die Beschränkungen der Verpflichtungsmöglichkeit ( ... ) sind der Rechtsordnung immanent." 255 So etwa Soergel/Teichmann (1987/1990), § 242 Rn. 130; vgl. auch aaO., Rn. 28 m.w.N., ferner Münchener Kommentar 1Roth (1992/1994), § 242 Rn. 91 m.w.N., sowie die Nachweise bei Staudinger/ J. Schmidt (19931 1994), § 242 Rn. 270. 256 A.A. Hager (1983), S. 199 ("der Richter hat vielmehr das Mittelmaß zu ennitteln"). 249
250
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E. Synthese
(5) Zwischenergebnis Die schuldrechtliche und dingliche Unwirksamkeit von Kreditsicherungsverträgen retrograd zur Zuführung von verliehener Liquidität und in dem Umfang, wie das zur - vorübergehenden - Finanzierung eines sonst massearmen Insolvenzverfahrens erforderlich ist, folgt daraus, daß anderenfalls der Vertrag als Rechtsinstitut ad absurdum geführt würde (Lehre vom Institutsmißbrauch). Der dogmatisch zutreffende Standort für die Lehre vom Institutsmißbrauch ist § 138 BGB?57 SiUenwidrigkeit i. S. d. § 138 BGB ist als Rechtsordnungswidrigkeit zu verstehen. Entgegen der h.M. sind subjektive Tatbestandsmerkmale verzichtbar. Ebenfalls entgegen der h.M. steht die Rechtsfolge der Totalnichtigkeit unter einem ungeschriebenen Normzweckvorbehalt. Denn die Nichtigkeit kann nicht weiter gehen als es die Rechtsordnung bei Auslegung der einschlägigen Normen, also insbesondere des jeweils einschlägigen Normzwecks, gebietet.
ff) Einzelfälle einer Zuführung von verliehener Liquidität Wie bereits erwähnt, kommt es für die Frage, welche Kreditsicherungsgeschäfte von der retrograden Unwirksamkeit erfaßt werden, entscheidend darauf an, wann gen au die verliehene Liquidität zugeführt wurde?S8 Denn nur dann ist es möglich, die Kreditsicherungsgeschäfte in der erforderlichen Weise zeitlich zu ordnen. Da insoweit einige Besonderheiten bestehen, soll die Frage nach dem Zeitpunkt, zu dem verliehene Liquidität zugeführt wird, im folgenden vertieft werden. ( 1) Einfacher Eigentumsvorbehalt bei Zug-um-Zug-GeschäJten
Für die Kreditsicherung durch einfachen Eigentumsvorbehalt hat Adams darauf hingewiesen, daß jener beim zeitlichen Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung zu erheblichen Transaktionskostenersparnissen führt und daß die 1nkaufnahme dieses Auseinanderfallens vom willentlich eingeräumten kurzfristigen Kredit nur schwer abzugrenzen ist. 259 Die konsequente Anwendung der Regel von der retrograden Unwirksamkeit einzelner Kreditsicherheiten bei Massearrnut 260 würde nun dazu führen, daß der einfache Eigentumsvorbehalt seine Funktion zur Sicherung der Gegenleistung bei Zug-um-Zug-Geschäften verliert. Denn solange die Gegenleistung nicht erbracht ist, handelt es sich um die Gewährung von verliehener Liquidität. Um bei Zug-um-Zug-Geschäften die Gegenleistung dennoch 257 Habersack (1992), S. 87, kann daher nicht gefolgt werden, wenn er die Lehre vom Institutsmißbrauch im "Vorfeld" des § 138 BGB ansiedeln möchte, weil diese Norm in erster Linie auf Austauschgeschäfte zugeschnitten sei. 258 Vgl. oben unter E.1I.3.c)dd)(2); zum Prinzip der retrograden Unwirksamkeit oben unter E.1I.3.c)dd)( 1). 259 Ders. (1980), S. 162. 260 Vgl. oben unter E.Il.3.c)dd)(1) und (2).
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durch die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes sichern zu können, bedarf es daher einer Ausnahme von der Regel. Danach sollte ein einfacher Eigentumsvorbehalt trotz der Gewährung von verliehener Liquidität auch im massearmen Insolvenzverfahren wirksam bleiben, sofern die Gegenleistung entweder unverzüglich erbracht wird oder, wenn das nicht der Fall ist, sofern der Sicherungsgläubiger unverzüglich sein Sicherungsrecht durchsetzt. Was dabei das Erbringen der Gegenleistung angeht, so wird man diese nur dann als unverzüglich erbracht ansehen dürfen, wenn der Leistungsaustausch binnen weniger Tage stattgefunden hat. Konkret wären wohl ein bis drei Tagen für die schuldnerinterne Bearbeitung des Wareneingangs und die Erstellung der Zahlungsanweisung zu berücksichtigen und zwei bis vier Bankarbeitstage für deren Ausführung. Bei Zu sendung eines Schecks kämen noch zwei bis drei Tage für die Postlaufzeit und die Einreichung bei der Bank des Gläubigers hinzu. (2) Kontokorrent
Im Falle einer laufenden Geschäftsverbindung besteht häufig eine Kontokorrentabrede (§ 355 I HGB). Soweit nichts anderes vereinbart ist, handelt es sich bei der Verrechung des Kontokorrentkontos um ein Periodenkontokorrent (vgl. § 355 II HGB), bei dem die in Rechnung gestellten Leistungen erst nach bestimmter Zeit verrechnet und festgestellt werden. Bis dahin sind die ins Kontokorrent eingestellten Forderungen bloße Rechnungsposten über die nicht selbständig verfügt werden kann. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß im Falle einer das Kontokorrentverhältnis betreffenden Sicherungsvereinbarung und bei einem aus Sicht der GmbH debitorisch geführten Kontokorrent die verliehene Liquidität erst mit der Saldofeststellung zugeführt wird. Vielmehr ist auf die tatsächliche Zuführung der Liquidität abzustellen, daß heißt auf den Zeitpunkt, zu dem eine Forderung ins Kontokorrent eingestellt wird. Der Zweck des Kontokorrents - Verringerung der Geldbewegungen, Vereinheitlichung des rechtlichen Schicksals der verschiedenen Einzelforderungen durch Saldoanerkenntnis und die jeweilige Sicherung der wechselseitigen Leistungen - wird insoweit nicht betroffen. (3) Stundung gesicherter Forderungen
Zu einer Zuführung von verliehener Liquidität kann es auch dadurch kommen, daß eine gesicherte Forderung nicht bis zum vereinbarten Fälligkeitstermin erfüllt wird. Dazu muß man sich vergegenwärtigen, daß eine Stundung, gleich ob vereinbart oder lediglich geduldet, - wirtschaflieh betrachtet - einer zusätzlichen Kreditgewährung entspricht, da Kredit nicht nur eine Frage der Höhe des Kreditbetrages, sondern auch der Länge der Kreditlaufzeit ist. 261 Denn die für die rechtzeitige Er26\ Besonders anschaulich ist das bei dem Entgelt für die Inanspruchnahme von Kredit, nämlich den Kreditzinsen. Sie richten sich - neben dem Zinssatz - nach der Kredithöhe und der KreditIaufzeit.
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E. Synthese
füllung der fälligen Forderung vorübergehend ersparte Liqidität steht der GmbH zwischenzeitlich für die Begleichung anderer Zahlungsverpflichtungen zur Verfügung. Es vergrößert sich also ihr Kreditspielraum. Da die für den ursprünglichen Kredit vereinbarte Kreditsicherheit ihre Wirksamkeit nicht am Fälligkeitstermin der gesicherten Forderung verliert, sondern auch und gerade für den Fall gilt, daß nicht rechtzeitig erfüllt wird, liegen die Voraussetzungen für eine Überlassung von verliehener Liquidität an die GmbH vor. Sofern ein späteres Insolvenzverfahren massearm ist, ist daher im Falle der Stundung einer gesicherten Forderung für die Frage, ob die Kreditsicherheit aufgrund der Regel von der retrograden Unwirksamkeit 262 für die Zwischen finanzierung des Insolvenzverfahrens in Anspruch genommen werden kann, auf den der Stundung vorangegangenen Fälligkeitszeitpunkt abzustellen. Denn indem dieser überschritten wurde, wurde der GmbH erneut verliehene Liquidität überlassen?63 Die gesicherten Gläubiger werden auf die Weise dazu angehalten, sich im Falle eines Zahlungsverzuges nicht auf ihren Kreditsicherheiten auszuruhen und dadurch die Gefahr der Massearmut heraufzubeschwören, sondern entweder ihre Forderung oder aber die dafür bestellten Kreditsicherheiten zu realisieren. Dabei zeigt sich dann, ob die GmbH lediglich zahlungsunwillig oder tatsächlich zahlungsunfähig ist. Ist letzteres der Fall, weil weder die Gesellschafter noch irgendwe1che Gläubiger bereit sind, der GmbH über das bisherige Maß hinaus Geld zur Verfügung zu stellen, dann ist es auch kein Nachteil, wenn die Gesellschaft durch das beabsichtigte Verhalten der gesicherten Gläubiger zum Insolvenzantrag gezwungen wird. Denn der ansonsten eintretende und für alle nachteilige finanzwirtschaftliche Erstickungsprozeß wird so schon im Keim erstickt. (4) Globalzession künftiger Forderungen Im folgenden geht es um die Frage, wann der GmbH bei einer sicherungsweisen Globalzession von künftigen Forderungen verliehene Liquidität zugeführt wird. Der Zeitpunkt ist wichtig, weil Kreditsicherheiten in umgekehrter Reihenfolge ihrer im Rahmen der Zuführung von verliehener Liquidität erfolgten Dislozierung zur Zwischenfinanzierung eines masse armen Insolvenzverfahrens herangezogen werden sollten. 264 Wie bereits erläutert 265 setzt die Zuführung von verliehener Liquidität an die GmbH voraus, daß die zu sichernde und auf Rückzahlung gerichtete Forderung aus dem Grundgeschäft entstanden ist und daß es im Fall eines InsolVgl. oben unter E.II.3.c)dd)(l) und (2). Die Gefahr, daß gesicherte Gläubiger versuchen einer möglichen Unwirksamkeit von Kreditsicherheiten im Fall von Zahlungszielüberschreitungen dadurch zu entgehen, daß sie von vornherein lange Zahlungsziele vereinbaren, ist gering, weil sich dadurch auch das Risiko erhöht, daß Kreditsicherheiten aus Rechtsgründen (vgl. §§ 932 ff., 949 S. \, 950 II BGB) erlöschen. 264 Vgl. oben unter E.l1.3.c)dd)(l). 2M Oben unter E.I1.3.c)dd)(2). 262 263
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venzverfahrens durch die Vereinbarung eines Sicherungsrechts zur Masseaushöhlung kommt. Dabei bestimmt sich der maßgebende Zeitpunkt nach dem zuletzt eintretenden Tatbestandsmerkmal dieses zweigliedrigen Tatbestandes. 266 Wendet man diese Regeln auf die Globalzession künftiger Forderungen an, so verhält es sich bei dieser gerade umgekehrt wie bei der zuvor erörterten Stundung gesicherter Forderungen: Bei dieser wird eine - wirtschaftlich gesehen - neue Liquiditätszufuhr von der bestehenden Kreditsicherheit gesichert; bei jener soll eine bestehende Liquiditätszufuhr, nämlich die offene Forderung aus dem Grundgeschäft, durch einen neuen Sicherungsgegenstand, nämlich die künftige und im voraus abgetretene Forderung (im folgenden: Drittforderung), gedeckt werden. Dabei besteht die Besonderheit darin, daß ständig neue Drittforderungen entstehen, die jeweils erst im Zeitpunkt ihrer Entstehung als Kreditsicherheit taugen und diese Eignung mit ihrer Erfüllung durch den Drittschuldner wieder verlieren. Nur während dieser Zeitspanne führt die Zession einer künftigen Forderung zur Masseaushöhlung. Daher wird bei der Globalzession der zweigliedrige Tatbestand einer Zuführung von verliehener Liquidität immer wieder von neuem erfüllt. Da nun Kreditsicherheiten im Falle eines massearmen Insolvenzverfahrens retrograd zur Zuführung von verliehener Liquidität unwirksam werden sollten, müssen die jeweils als Kreditsicherheit wirksamen Drittforderungen in der umgekehrten Reihenfolge ihre Entstehung für die Zwischenfinanzierung der Masseverbindlichkeiten herangezogen werden. Die Vorausabtretung der zuletzt entstandenen und noch nicht erfüllten Drittforderung ist also als erstes zur Massefinanzierung heranzuziehen (sofern die GmbH nach diesem Zeitpunkt nicht noch von anderen Gläubigem verliehene Liquidität erhalten hat). Für den Sicherungsgläubiger besteht aber die Chance, daß die Drittforderung, die als letzte vor der nunmehr als Kreditsicherheit unwirksamen Drittforderung entstanden ist, als Kreditsicherheit hält. Ob das der Fall ist, hängt davon ab, zu welchem Zeitpunkt durch die Entstehung dieser Drittforderung die Zuführung von verliehener Liquidität bewirkt wurde. Haben nämlich der GmbH andere gesicherte Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt verliehene Liquidität zugeführt, so kann die Unwirksamkeit der Kreditsicherheiten, die diesen Liquiditätszuführungen zugrunde liegen, die freie Masse bereits in dem Umfang erhöht haben, daß sie ausreicht, um die Masseverbindlichkeiten begleichen zu können. Der als vorletztes entstandenen Drittforderung bedarf es dann nicht mehr zur Zwischenfinananzierung. 267 Falls die freie Masse jedoch noch nicht hinreichend aufgefüllt ist, so muß auch diese Drittforderung zur Finanzierung der Masseverbindlichkeiten herangezogen werden, indem die entsprechende Abtretung unwirksam ist. In entsprechender Weise besteht für den Gläubiger, der durch die Globalzession gesichert ist, dann aber die Chance, daß gegebenenfalls diejenige Drittforderung ihren Sicherungszweck erfüllt, die als drittvorletztes entstanden ist. 266
Ebd.
Zur Obergrenze für eine Inanspruchnahme gesicherter Gläubiger vgl. oben unter E.II.3.c)bb). 267
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E. Synthese
Es ließe sich einwenden, daß die Chancen eines durch eine Globalzession gesicherten Gläubigers, sich aus einer abgetretenen Drittforderung befriedigen zu können, um so mehr sinken, wie er infolge der retrograden Unwirksamkeit von Drittforderungen gezwungen ist, auf ältere Drittforderungen zurückgreifen zu müssen. Denn je älter eine Drittforderung ist, um so eher wird sie der jeweilige Drittschuldner bereits getilgt haben, so daß ihre Sicherungsfunktion nicht mehr besteht. Der Einwand übersähe jedoch den Zweck der hier angestellten Überlegungen. Danach müssen die von der Globalzession erfaßten Drittforderungen in dem Umfang und in der Reihenfolge 268 wieder der Insolvenzmasse zugeführt werden, wie deren Abtretung im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Erstickungsprozesses dazu beigetragen hat, daß ein Insolvenzverfahren an Massearmut scheitert. Das und nicht mehr wird erreicht. Keinesfalls wird die Globalzession künftiger Forderungen als Sicherungsmittel vollständig entwertet. (5) Verlängerungsformen von Sicherungsrechten Verlängerungsformen "erstrecken das ursprüngliche Sicherungsrecht in eine oder mehrere neue Aggregatforrnen.,,269 Dabei kann etwa an eine Vorausabtretung der Kaufpreisforderung oder eine Verarbeitungsklausel gedacht werden. Was bedeutet nun die Erstreckung des ursprünglichen Sicherungsrechts für die Festlegung des Zeitpunkts der Zuführung von verliehener Liquidität? Auch die Antwort hieraus folgt aus der allgemeinen Regel, wonach von den bei den Zeitpunkten, an denen die Forderung aus dem Grundgeschäft bzw. das Sicherungsrecht entstanden ist, derjenige maßgebend ist, der zuletzt eintritt. 27o Wendet man das auf den Fall der Verlängerungsformen an, so folgt daraus, daß es zweimal zu einer Zuführung von verliehener Liquidität kommt. Am Beispiel des verlängerten Eigentumsvorbehaltes soll das erläutert werden. Danach wird der GmbH das erste Mal in dem Zeitpunkt verliehene Liquidität zugeführt, in dem ihr der geschuldete Gegenstand unter Eigentumsvorbehalt und gegen Stundung des Kaufpreises geliefert wird. Sobald der Eigentumsvorbehalt etwa infolge von Weiterveräußerung erlischt, tritt als Kreditsicherheit an seine Stelle die Forderung gegen den Abnehmer. In dem Augenblick kommt es - rechtlich betrachtet - ein weiteres Mal zur Zuführung von verliehener Liquidität. Deren Voraussetzungen liegen vor, weil die Kaufpreisforderung aus dem Grundgeschäft noch unerfüllt ist und nunmehr ein weiterer Gegenstand, der im Falle eines Insolvenzverfahrens sonst zur Massefinanzierung bereitstünde, disloziert wird. Es verhält sich ebenso, als wäre ein ehedem unbesichertes Darlehen nachträglich besichert worden. Nur daß im Beispiel ursprünglich eine Kreditsicherheit bestanden hat, die aber untergegangen ist und deshalb durch eine andere ersetzt werden muß, wenn die Kreditvergabe gesichert bleiben soll. Hier zeigt sich 268 Vgl. zum zeitlich-sachlichen Zusammenhang zwischen der Entwicklung einer Unternehmenskrise und der Massearmut oben unter E.II.3.c)cc). 269 So die treffende Formulierung von Drobnig (1976), S. F39. 270 Näher oben unter E.II.3.c)dd)(2).
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erneut, daß Kredit auch eine Funktion der Zeit ist. Im übrigen käme es zu einer Hypertrophie der Verlängerungsformen, wenn die Ersetzung einer Kreditsicherheit durch eine andere nicht als erneute Zufuhr von verliehener Liquidität behandelt würde. 271 271 Es kann hier leider nicht vertieft werden, aber aus den Ausführungen, wann im Fall der Verlängerungsformen von Sicherungsrechten - dazu soeben - bzw. im Fall der Globalzession künftiger Forderungen - dazu oben unter E.II.3.c)ff)(4) - verliehene Liquidität zugeführt wird, ergibt sich ein neuer Ansatz, um das bislang nicht befriedigend gelöste Konkurrenzproblem ,Verlängerter Eigentumsvorbehalt der Lieferanten versus Globalzession der Banken' (vgl. Medicus [1996], Rn. 525 ff.; C. Paulus [1995], S. 190 f.; eingehend Serick [1976], S. 346 ff.) einer Lösung zuführen zu können. Soweit mehrere Gläubiger denselben Gegenstand als Kreditsicherheit beanspruchen, vorliegend also die Forderung aus der Weiterveräußerung des unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Gegenstandes (im folgenden: Drittforderung), so darf sich aus Gründen des vorn Gesetz vorgesehenen Prioritätsprinzips derjenige Gläubiger aus dem Gegenstand befriedigen, der sein Sicherungsrecht zuerst erworben hat. Im Falle einer Kreditgewährung durch Vorbehaltsverkäufer und Globalzessionar scheint dabei das Prioritätsprinzip zu versagen, weil es - ohne rechtfertigenden Grund - einseitig die im allgemeinen längerfristigen Kredit gewährenden Geldkreditgläubiger bevorzugt. Die Ursache hierfür liegt darin, daß die allgM für die Feststellung der Priorität auf den Zeitpunkt abstellt, zu dem der Anspruch aus dem Sicherungsvertrag entsteht, regelmäßig also auf den der Kreditvergabe und damit letztlich auf den, zu dem der Anspruch aus dem Grundgeschäft entsteht. Denn ohne Sicherungsabrede werden solche Kredit nicht gewährt und einern Anspruch aus dem Sicherungsvertrag ohne Kreditvalutierung steht entweder die Akzessorietät des Sicherungsrechts oder die Sicherungseinrede entgegen. M.E. ist es unzutreffend, auf den Zeitpunkt der Kreditvergabe abzustellen. Daß die allgM gleichwohl so verfahrt, beruht auf einer zu einseitig auf das Grundgeschäft fixierten Perspektive, die dem dynamischen Charakter einer Kreditsicherung durch Verlängerungsformen oder Globalzessionen nicht gerecht wird. Die Besonderheit dieser Sicherungsformen liegt darin, daß eine bestehende Forderung aus dem Grundgeschäft im Laufe der Zeit durch andere Sicherungsgegenstände unterlegt wird. Dabei wird das potentielle Vermögen des Schuldners, aus dem sich die gesicherten Gläubiger befriedigen können, aber nicht nur einmal, sondern jedes Mal erneut geschmälert, sobald ein weiterer Gegenstand an Vorbehaltsverkäufer oder Globalzessionare disloziert wird. Rechtlich wird dabei jeweils erneut der Tatbestand einer Zufuhr von verliehener Liquidität erfüllt. Es handelt sich so gesehen nicht um eine einzelne Kreditgewährung, sondern um mehrere aneinander gekettete Kreditgewährungen. Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß die Forderung aus dem Grundgeschäft doch nur einmal erfüllt werde und daher auch nur eine Kreditgewährung vorläge. Diese Betrachtung träfe nur zu, wenn die Grundforderung unbesichert geblieben wäre, wenn also antizipierte Liquidität zugeführt worden wäre (vgl. oben unter C.IY.2). Sobald die Grundforderung aber besichert wird, handelt es sich um die Zufuhr verliehener Liquidität. Bei ihr sind Grund- und Sicherungsgeschäft unteilbar miteinander verknüpft. Sachgerechter erscheint es daher, auf die Zeitpunkte abzustellen, in denen dem Schuldner im Rahmen eines durch verlängerten Eigentumsvorbehalt bzw. Globalzession gesicherten Kredits verliehene Liquidität zugeführt wird. Allerdings bedarf es dazu einer angemessenen Formulierung des Prioritätsprinzips. Soweit nämlich etwa auf den Zeitpunkt abgestellt würde, zu dem Vorbehaltsverkäufer und Globalzessionar dadurch verliehene Liquidität zuführen, daß die Drittforderung entsteht, hilft das Prioritätsprinzip nicht weiter, weil beide Gläubiger die abgetretene Drittforderung zur selben Zeit erlangen. Für den hier verfolgten Ansatz muß man das Prioritätsprinzip daher wie folgt formulieren: Eine Kreditsicherheit aus konkurrierenden Sicherungsverträgen gebührt nicht demjenigen. der dem Schuldner als letztes verlie-
26 Förster
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E. Synthese
gg) Ausnahme bei deckungsstockgebundenen Kreditsicherheiten Von der Regel, wonach Kreditsicherheiten bei Massearmut retrograd zur Zuführung von verliehener Liquidität zur vorübergehenden Finanzierung der Masseverbindlichkeiten herangezogen werden sollten, gibt es eine Ausnahme. Sie betrifft hene Liquidität zugeführt hat. Da nämlich dann, wenn Vorbehaltsverkäufer bzw. Globalzessionar eine Forderung aus dem Grundgeschäft stunden, - wie gezeigt - jeweils in mehreren Zeitpunkten verliehene Liquidität zugeführt wird, kommt es auf einen Vergleich der - aus Sicht des Vorbehaltsverkäufers und des Globalzessionars - jeweils letzten Zuführung von verliehener Liquidität an. Denn diese Zuführungen liegen der jeweils aktuell bestehenden Kreditgewährung zugrunde. Von den beiden genannten Zuführungen hat dann die frühere Priorität. Inhaltlich bleibt das Prinzip der Priorität damit unangetastet. Die Frage der Priorität wird lediglich an einem neuen Bezugspunkt festgemacht. Wendet man die eben dargelegte Formulierung des Prioritätsprinzips konkret an, so ergeben sich in Abhängigkeit des Liefertermins des Vorbehaltsverkäufers, des Entstehungszeitpunktes der Drittforderung sowie des Entstehungszeitpunktes sonstiger Forderungen des Schuldners gegen Dritte, die der Globalzession unterfallen, drei Fallgruppen: Sofern nach Entstehung der Drittforderung weitere Forderungen entstehen, die der Globalzession unterfallen, gebührt der Befriedigungsvorrang dem Vorbehaltsverkäufer. Denn unter diesen Umständen nimmt der Globalzessionar in der Rangordnung einer Zuführung verliehener Liquidität den letzten Platz ein. Hingegen steht dem Globalzessionar die Drittforderung zu, wenn der Vorbehaltsverkäufer als letztes verliehene Liquidität zugeführt hat. Das ist der Fall, wenn weder nach Entstehung der Drittforderung (und vor Vollstreckungsbeginn, im Falle der Insolvenz also der Insolvenzeröffnung) weitere Forderungen entstanden sind, die der Globalzession unterliegen, noch zwischen der Lieferung des Vorbehaltsverkäufers und der Entstehung der Drittforderung. Zwar könnte man meinen, daß im letzten Fall Vorbehaltsverkäufer und Globalzessionar dem Schuldner mit dem Entstehen der Drittforderung beide gemeinsam als letztes verliehene Liquidität zugeführt haben, so daß die angegebene Entscheidungsregel nicht greift. Doch kommt es dann wegen des Gleichrangs auf die nächstvorgängige Zuführung verliehener Liquidität an. Dann aber hat der Vorbehaltsverkäufer unter den genannten Umständen mit seiner Lieferung auf Kredit als letztes verliehene Liquidität zugeführt. Anders verhält es sich hingegen, wenn nach der Lieferung des Vorbehaltsverkäufers Forderungen entstanden sind, die der Globalzession unterliegen (sei es dadurch, daß der Schuldner eine im Rahmen der Globalzession abgetretene Forderung begründet hat und loder dadurch, daß die zu sichernde Forderung des Globalzessionars aus dem Grundgeschäft erst zu dem genannten Zeitpunkt entstanden ist), jedoch nach Entstehung der Drittforderung keine sonstigen Forderungen entstanden sind, die der Globalzession unterfallen. Würde man hier nur auf die Entstehung der Drittforderung abstellen, ließe sich der Konflikt zwischen Vorbehalts verkäufer und Globalzessionar wiederum nicht entscheiden. Auch hier kommt es daher auf die nächstvorgängige Zuführung von verliehener Liquidität an. Der Globalzessionar rutscht dadurch in die letzte Position derjenigen, die dem Schuldner verliehene Liquidität zugeführt haben. Indem also auf den Nachrang desjenigen abgestellt wird, der dem Schuldner als letztes verliehene Liquidität zugeführt hat, läßt sich das vom Gesetz vorgesehene Prioritätsprinzip wieder anwenden, ohne ihm durch Hilfserwägungen wie Schuldnerknebelung oder Verleitung zum Vertragsbruch Gewalt antun zu müssen. Auch werden weder Geld- noch Warenkreditgläubiger einseitig bevorzugt noch können sie die genannte Regel durch eigene Initiativen hinsichtlich des Vollstreckungsbeginns beeinflussen, weil sie das zur Bestimmung des letzten Ranges erforderliche Wissen wegen der Komplexität der Sachverhalte nicht haben. Letztlich besteht die List der Idee darin, den Vorgang einer verketteten Zuführung von verliehener Liquidität - hierum handelt es sich bei den Verlängerungsformen von Sicherungsrechten rechtlich nachzuvollziehen und darauf das Prioritätsprinzip anzuwenden.
11. Finanzierungsregeln
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den Fall, daß Kreditsicherheiten als Deckung für Hypothekenpfandbriefe (§ 6 HypBG) oder für Pfandbriefe (§ 2 PfandbG) genutzt werden. Es ist dann nämlich nicht nur das Interesse der von einer Unwirksamkeit betroffenen Gläubiger an der Bestandskraft ihrer Kreditsicherheiten gegen das Interesse der Rechtsgemeinschaft an der Massehaltigkeit von Insolvenzverfahren abzuwägen 272 , sondern zusätzlich ist das Interesse an der Sicherheit von deckungsstockgesicherten Darlehen in die Abwägung einzubeziehen. Die Kreditsicherheiten zugunsten letzterer werden dabei nur in ganz seltenen Fällen zur Masseannut eines Insolvenzverfahrens führen. Das ergibt sich bereits aus den strengen Anforderungen an dekungsstockgeeignete Sicherheiten (vgl. §§ 11 f. HypBG), die bei Schuldnern, die auf eine Insolvenz zusteuern, kaum zu erfüllen sein werden. Daher wird durch die Dislozierung dekkungsstockgebundener Kreditsicherheiten die Finanzierung eines Insolvenzverfahrens nur selten, jedenfalls nicht typischerweise vereitelt werden. Dann ist aber auch die Koordinationsfunktion des Vertrages als Rechtsinstitut nicht betroffen, so daß der Rechtsgrund, der sonst bei masseannen Insolvenzverfahren zu einer Unwirksamkeit von Kreditsichersicherungsgeschäften retrograd zur Zuführung von verliehener Liquidität führen sollte, bei deckungsstockgebundenen Kreditsicherheiten nicht vorliegt. Mithin dürfen sie zu einer Finanzierung von Insolvenzverfahren nicht herangezogen werden. Aus dem Umstand, daß deckungstockgebundene Kreditsicherheiten in aller Regel Immobiliarsicherheiten sind (vgl. §§ 6 I, IV, 40 I HypBG, 2 I, III, 9 I PfandbG), darf jedoch nicht geschlossen werden, daß die erläuterte Ausnahme generell für Immobiliarsicherheiten gilt. Denn zum einen wurde bereits festgestellt, daß in eine Enthaftung von Kreditsicherheiten nicht nur die Gläubiger von Mobiliarsicherheiten, sondern auch die von Immobiliarsicherheiten einzubeziehen sind. 273 Und zum anderen ist nur ein geringer Teil der Immobiliarsicherheiten deckungsstockgebunden.
4. Umgehungsschutz bei sonstigen Fällen einer Masseauszehrung
Soweit der Lösungsvorschlag die Durchführbarkeit von Insolvenzverfahren betrifft, hat er sich bislang neben der primären Verantwortlichkeit der Gesellschafter274 auf die subsidiäre Einbeziehung der Kreditsicherheiten konzentriert27S . Die als Sicherung der Verfahrensdurchführung gedachte Einbeziehung der Kreditsicherheiten 276 kann von den Parteien des Kreditsicherungsgeschäftes jedoch unter272 273 274
Vgl. oben unter E.II.3.c)ee)(3)(d) und (3)(e). Vgl. oben unter D.IY.3.c)dd). Dazu oben unter E.II.I., insbesondere unter e), sowie unter E.l1.2., insbesondere unter
b).
Dazu oben unter E.II.3., insbes. unter c)dd)(I). Vgl. zum zugrunde liegenden Prinzip und seiner Konkretisierung oben unter E.l.l.b) und cl. 275
276
26'
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E. Synthese
laufen werden, indem sie das jeder Kreditbesicherung zugrunde liegende Finanzierungsproblem anderweit lösen. 277 Dazu und wie das verhindert werden kann, im folgenden.
a) Problemntik
Finanzierungsprobleme zeichnen sich dadurch aus, daß die güterwirtschaftliche Liquidität, die aus Einnahmen im Rahmen der Leistungsverwertung resultiert, nicht hinreicht, um daraus die finanziellen Mittel zu thesaurieren, derer es bedarf, um die zur Aufrechterhaltung des betrieblichen Leistungsprozesses erforderlichen Auszahlungen leisten zu können. 278 Wenn die Gesellschafter das Einzahlungsdefizit nicht ausgleichen, muß sich die Gesellschaft das fehlende Geld entweder auf andere Weise beschaffen oder versuchen, die betriebsnotwendigen Auszahlungen zu senken, um mit den vorhandenen Einzahlungen zurecht zukommen. Was die Beschaffung fehlenden Geldes angeht, so bestehen zwei Möglichkeiten: Erstens kann die Gesellschaft vorhandene Vermögensgegenstände beleihen, wodurch ihr verliehene Liquidität zufließt. Hierzu und zu den systemimmanenten Grenzen einer solchen Finanzierung wurde bereits ausführlich Stellung genommen. 279 Zweitens kann die Gesellschaft - außerhalb des regelmäßigen Geschäftsbetriebs - vorhandenes Betriebsvermögen veräußern. Es kommt dann zur Liquidität aus Desinvestition. Dabei muß sie sich für diejenigen desinvestierten Vermögensgegenstände, die sie zur Durchführung des betrieblichen Leistungsprozesses weiterhin benötigt, das Nutzungsrecht vorbehalten. 28o Im Hinblick auf die Duchführbarkeit von Insolvenzverfahren kann nun nicht nur die Zuführung von verliehener Liquidität, sondern auch die Zuführung von Liquidität aus Desinvestitionen problematisch sein. Denn zum einen führen Desinvestitionen zu Masseschmälerungen, wodurch die Finanzierung der Masseverbindlichkeiten unmöglich werden kann, ferner resultieren, im Falle eines vorbehaltenen Nutzungsrechts, aus den Nutzungsentgelten zusätzliche Masseverbindlichkeiten und schließlich wird, sofern ein dauerhaftes finanzwirtschaftliches Ungleichgewicht besteht, der Eintritt der Insolvenz lediglich verzögert, aber letztlich nicht verhindert. 281 Um demgegenüber die aktuell betriebsnotwendigen Auszahlungen zu senken, besteht insbesondere bei Gegenständen des Anlagevermögens die Möglichkeit, an diesen nicht das Eigentum, sondern lediglich das Nutzungsrecht zu erwerben. Denn zur Durchführung des betrieblichen Leistungsprozesses ist letzteres in der 277 Vgl. - allgemein - Franke (1983), S. 48 f.; das. (l984a), S. 171, und - für das Factoring - Uhlenbruck (1983b), S. 217 f. 278 Näher zum finanzwirtschaftlichen Problem oben unter B.II.2.a). 279 Vgl. oben unter E.II.3., insbesondere unter c)dd)(1) und c)ee)(5). 280 Vgl. auch oben unter C.IY.2. 281 Dazu bereits oben unter D.IV.2.c)cc)(5).
H. Finanzierungsregeln
405
Regel ausreichend. Der Einspareffekt liegt darin, daß die Gesellschaft das Nutzungsrecht nicht gleich für die gesamte Dauer des Gebrauchs bezahlen muß, wie bei einem zu Eigentum erworbenen Gegenstand, sondern nur pro rata temporis. Es ließe sich insoweit von einer gestückelten Nutzung sprechen. Der Nachteil dieser Lösung des unternehmerischen Finanzierungsproblems liegt darin, daß die zur Nutzung überlassenen Gegenstände im Falle der Insolvenz nicht zur Masse gehören und daher weder für eine Finanzierung der Masseverbindlichkeiten noch für eine Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen. Vielmehr führen die Nutzungsentgelte zu weiteren Masseverbindlichkeiten, § 59 I Nr. 2 KO bzw. § 55 I Nr. 2 InsO. Selbstverständlich bestehen neben der gestückelten Nutzung noch andere Möglichkeiten zur Einsparung von Liquidität, doch haben diese keinen Einfluß auf die bei Insolvenz der Gesellschaft verfügbare Haftungsmasse und interessieren daher nicht weiter. Mit den eben dargelegten Finanzierungsmethoden läßt sich im wirtschaftlichen Ergebnis die gleiche Wirkung erzielen, wie mit einer gesicherten Kreditgewährung, also der Zuführung von verliehener Liquidität. Im einzelnen ist es gleich, ob Forderungen gegen sicherungsweise Abtretung beliehen oder ob sie gegen endgültige Abtretung im Rahmen des Factoring veräußert werden. Auch bei Gegenständen die die Gesellschaft zur Aufrechterhaltung des betrieblichen Leistungsprozesses nach Veräußerung benötigt, bietet sich statt einer Beleihung vorhandener Gegenstände gegen Sicherungsübereignung deren Veräußerung unter Vorbehalt des Nutzungsrechts im Rahmen eines Sale-and-lease-back-Verfahrens an. Dabei handelt es sich jeweils um eine Liquiditätsschöpfung aus Desinvestition. 282 Hingegen kommt bei Gegenständen, die erst angeschafft werden sollen, statt einer Lieferung unter Eigentumsvorbehalt gegen Stundung des Kaufpreises oder - falls Kreditgeber und Lieferant personenverschieden sind - einer Sicherungsübereignung der mit dem Kredit erworbenen Gegenstände auch eine Finanzierung im Rahmen des Finanzierungsleasings in Frage. Problematisch bei all diesen Finanzierungsalternativen ist, daß sie es den Finanzierungspartnern ermöglichen, die oben aufgezeigten systemimmanenten Grenzen der Kreditbesicherung bei einer Finanzierung durch verliehene Liquidität283 zu unterlaufen. Das kann dazu führen, daß Insolvenzverfahren trotz der vorübergehen282 Zur wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von verliehener Liquidität und Liquidität aus Desinvestitionen: Beide Male erhält der Schuldner die von ihm benötigte Liquidität zugeführt. Beide Male kann er, soweit erforderlich, den zur Finanzierung eingesetzten Gegenstand weiter nutzen. Und beide Male steht die Liquidität, die bei einer Liquidation des zur Finanzierung eingesetzten Gegenstandes aus diesem fließen könnte, dem Schuldner - und damit der Gesamtheit seiner Gläubiger - nicht mehr zur Verfügung. Bei der Zuführung von Liquidität aus Desinvestitionen, gegebenenfalls unter Einräumung eines Nutzungsrechts, ist das offensichtlich. Aber auch bei der Zuführung von verliehener Liquidität wird die Liquidität, die aus einer Liquidation des Sicherungsgegenstandes fließt, benötigt, um die durch Beleihung gesicherte Grundforderung tilgen zu können. Damit steht sie aber für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung. 283 Vgl. unter E.H.3.c), insbes. unter dd)(1) und ee)(5).
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E. Synthese
den Einbeziehung der Kreditsicherheiten nicht finanziert werden können. Selbst wenn sie aber unter Einbeziehung der Kreditsicherheiten finanziert werden können, ist es dennoch nicht zu rechtfertigen, daß nur die gesicherten Gläubiger mit der Zwischenfinanzierung eines Insolvenzverfahrens belastet werden sollen.
b) Lösungsansatz Für den Lösungsansatz ist zu unterscheiden, ob es sich um Liquiditätzuführungen aus Desinvestitionen - dazu unter aa) - oder um Liquiditätersparnisse im Falle der gestückelten Nutzung - dazu unter bb) - handelt.
aa) Liquiditätzuführungen aus Desinvestitionen Im Rahmen der Zuführung verliehener Liquidität kam es entscheidend darauf an, daß Vermögensgegenstände der GmbH nur in dem Umfang disloziert werden dürfen, wie die Möglichkeit zur Haftungsverwirklichung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht vereitelt wird.2 84 Soweit es doch dazu kommt, sind Kreditsicherheiten insoweit unwirksam, als sie retrograd zur Zuführung von verliehener Liquidität zur (Zwischen-)Finanzierung eines massearmen Insolvenzverfahrens benötigt werden. Der tragende Gesichtspunkt war dabei, daß der Vertragsmechanismus des Kreditsicherungsvertrages die Interessen der ungesicherten Gläubiger typischerweise nicht schützt, wodurch einzelne durch ihr Verhalten in großem Umfang den insolvenzrechtlichen Haftungsanspruch aller vereiteln können. Dadurch würde aber der Vertrag als Rechtsinstitut Schaden nehmen, weil die Koordinationsfunktion nicht mehr gegeben wäre. 285 Dieser Gedanke ist verallgemeinerungsfähig. Denn die Koordinationsfunktion des Vertrages (als Rechtsinstitut) kann nicht nur durch Kreditsicherungsverträge beeinträchtigt werden, sondern durch alle Verträge, durch die die freie Masse in einem potentiellen Insolvenzverfahren soweit geschmälert wird, daß dieses am Ende nicht mehr durchführbar ist. Da eine Beeinträchtigung der Koordinationsfunktion den Geltungsanspruch des Vertrages (als Rechtsinstitut) untergräbt, muß dem entgegengewirkt werden. Hierzu bietet es sich an, die Methode, die insoweit für Kreditsicherungsverträge vorgeschlagen wurde, auch auf andere Formen der Masseaushöhlung zu übertragen: Soweit die Durchführung eines Insolvenzverfahrens an Masseannut zu scheitern droht und dies durch die Verantwortlichkeit der Gesellschafter für die Massehaltigkeit eines Insolvenzverfahreni86 nicht kur