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German Pages 256 [258] Year 2014
BEIHEFTE
Magnus Breder Birkenes
Subtraktive Nominalmorphologie in den Dialekten des Deutschen Ein Beitrag zur Interaktion von Phonologie und Morphologie
Germanistik
ZDL
Franz Steiner Verlag
zeitschrift für dialektologie und linguistik
beihefte
156
Magnus Breder Birkenes Subtraktive Nominalmorphologie in den Dialekten des Deutschen
zeitschrift für dialektologie und linguistik beihefte In Verbindung mit Michael Elmentaler und Jürg Fleischer herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt
band 156
Magnus Breder Birkenes
Subtraktive Nominalmorphologie in den Dialekten des Deutschen Ein Beitrag zur Interaktion von Phonologie und Morphologie
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014 Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10785-3 (Print) ISBN 978-3-515-10792-1 (E-Book)
VORWORT Die vorliegende Publikation stellt eine für den Druck leicht umgearbeitete Fassung meiner im Mai 2013 vom Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften der Philipps-Universität Marburg angenommenen Dissertation dar. Diese Arbeit ist wiederum eine Erweiterung meiner im Januar 2011 an der gleichen Universität eingereichten Masterarbeit, die den Titel „Subtraktive Nominalmorphologie im Westmitteldeutschen“ trug. Während die der Masterarbeit zugrundeliegenden Hypothesen beibehalten wurden, wurde das Untersuchungsgebiet der vorliegenden Arbeit auf das gesamte deutsche Sprachgebiet ausgedehnt (mit Einschluss von Binnen- und Außensprachinseln); der Analyseteil wurde unter Berücksichtigung des neu hinzugekommenen Materials (etwa die sechsfache Datenmenge) ebenfalls erheblich erweitert. Diese Arbeit wäre ohne die Hilfe und die Anregungen vieler Menschen in dieser Form nicht zu Stande gekommen. An erster Stelle ist meinem Erstgutachter, Jürg Fleischer, für seine Betreuung und Hilfsbereitschaft zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten und für seine Geduld mit einem Thema, das mich über vier Jahre intensiv beschäftigt und mit dieser Arbeit zu einem gewissen Abschluss kommt, zu danken. Ihm verdanke ich auch die sprachhistorische Ausrichtung dieser Arbeit. Meinem Zweitgutachter, Jürgen Erich Schmidt, danke ich für seinen Glauben an dieses Projekt von Anfang an und für seine Ratschläge bei der Sprachkartierung. Meinem Drittgutachter, Richard Wiese, danke ich für anspornende Kritik aus synchroner Sicht und Ausführungen zu seiner Analyse der subtraktiven Plurale im Zentralhessischen. Den Herausgebern der Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe ZDL-Beihefte. Mein Dank geht auch an die VG Wort für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Für Hilfestellungen und nützliche Hinweise möchte ich mich bei Phillip Alday, Peter Auer, Dennis Bock, Christine Breckler, Heinrich J. Dingeldein, Hans-Olav Enger, Volkert F. Faltings, Hanna Fischer, Heiko Girnth, Frédéric Hartweg, Sara Hayden, Joachim Herrgen, Simon Kasper, Paul Kerswill, Alfred Lameli, Michele Loporcaro, Slawomir Messner, Damaris Nübling, Mark Pennay (†), Rainer Perkuhn, Christoph Purschke, Anthony Rowley, Oliver Schallert, Lea Schäfer, Ricarda Scherschel, Johanna Schwalm, Guido Seiler, Paul Urschel, Alexander Werth und Paul Widmer bedanken. Ein besonderer Dank geht an Stephanie Leser für die Erstellung der Karten für die Druckfassung. Für Kommentare und Korrekturen zum Manuskript danke ich Phillip Alday, Simon Kasper, Alfred Lameli, Stephanie Leser, Oliver Schallert, Julia Schüler, Johanna Schwalm und Florian Sommer. Alle verbleibenden Fehler liegen natürlich in meiner Verantwortung. Marburg und Oslo, im August 2014
Magnus Breder Birkenes
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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ABBILDUNGSVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 TABELLENVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 VERZEICHNIS DER TABLEAUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1 EINLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.1 Motivation und Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2 PHÄNOMEN UND HYPOTHESE . . . 2.1 Der Begriff „subtraktive Morphologie“ 2.2 Sprachtypologie . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Tohono O’odham . . . . . . . . 2.2.2 Französisch . . . . . . . . . . . 2.3 Subtraktion in deutschen Dialekten? 2.3.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Arbeitshypothese . . . . . . . .
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3 SPRACHGEOGRAPHIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Datentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.1 Dialektgrammatiken . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Dialektwörterbücher . . . . . . . . . . . 3.1.2.3 Sprachatlanten . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Prinzipien der Darstellung . . . . . . . . . . . . 3.2 Auswertung des Datenkorpus . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Allgemeine Beobachtungen . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Apokope als dialektgeographisches Problem 3.2.3 Subtraktion bei Konsonantenclustern . . . . . . 3.2.3.1 /nd/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.1.1 Subtraktive Plurale . . . . . . 3.2.3.1.2 Subtraktive Dative . . . . . .
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35 35 35 36 38 42 43 44 46 46 50 56 56 58 63
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3.2.3.2 /Ng/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.2.1 Subtraktive Plurale . . . . 3.2.3.2.2 Subtraktive Dative . . . . 3.2.3.3 /ld/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.3.1 Subtraktive Plurale . . . . 3.2.3.3.2 Subtraktive Dative . . . . 3.2.3.4 /rd/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.4.1 Subtraktive Plurale . . . . 3.2.3.4.2 Subtraktive Dative . . . . 3.2.3.5 /mb/ . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.5.1 Subtraktive Plurale . . . . 3.2.3.5.2 Subtraktive Dative . . . . 3.2.3.6 /rg/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.6.1 Subtraktive Plurale . . . . 3.2.3.6.2 Subtraktive Dative . . . . 3.2.3.7 /md/ . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen 3.2.4.1 /Vg/ . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.1.1 Subtraktive Plurale . . . . 3.2.4.1.2 Subtraktive Dative . . . . 3.2.4.2 /Vd/ . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4.3 /Vx/: „Sprachliche Adoptivformen“ . 3.2.4.4 /Vb/: Sandhi-Phänomene . . . . . . 3.2.5 Produktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zusammenfassung: Verbreitungsgebiet . . . . . .
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65 66 68 68 70 70 72 74 75 76 77 78 79 79 81 81 82 82 85 88 89 91 93 94 96
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99 99 100 101 101 104 105 106
5 DIACHRONIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Numerusprofilierung und Kasusnivellierung . . . . . . . 5.1.1 Vom Indogermanischen zum Neuhochdeutschen . 5.1.2 Die Entwicklung in den Dialekten des Deutschen 5.2 Die Entstehung subtraktiver Formen . . . . . . . . . . 5.2.1 Das Schwa als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . 5.2.1.1 Unumstrittene Fälle . . . . . . . . . . . . 5.2.1.2 Ein Problem: Neutra der a-Deklination .
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109 109 110 114 116 117 117 118
4 DATIERUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Historische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Evidenz aus deutschen Sprachinseln . . . . . . . 4.2.1 Außensprachinseln des Deutschen . . . . . 4.2.1.1 Hochdeutsche Außensprachinseln . 4.2.1.2 Niederdeutsche Außensprachinseln 4.2.2 Binnensprachinseln des Deutschen . . . . 4.3 Deutung der Befunde . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
5.2.2 Konsonantische Abschwächungsprozesse . . . . . . . . 5.2.2.1 Typ I: Assimilationen in Konsonantenclustern . 5.2.2.1.1 ng-Assimilation . . . . . . . . . . . . 5.2.2.1.2 nd -Assimilation . . . . . . . . . . . . 5.2.2.1.3 ld - und rd -Assimlation . . . . . . . . 5.2.2.1.4 mb-Assimilation . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2 Degemination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.3 Typ II: Lenisierung . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.4 Zur Rolle der Auslautverhärtung . . . . . . . . 5.2.3 Schwa-Apokope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3.1 Die hochdeutsche Apokope . . . . . . . . . . . 5.2.3.1.1 Lindgren (1953) . . . . . . . . . . . 5.2.3.1.2 Wegera (1987) . . . . . . . . . . . 5.2.3.2 Die niederdeutsche Apokope . . . . . . . . . . 5.3 Einordnung der phonologischen Prozesse . . . . . . . . . . . 5.3.1 Verwandte Phänomene in den Dialekten des Deutschen 5.3.2 Exkurs: Nordfriesisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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120 120 121 122 123 124 124 126 130 131 133 133 134 136 137 139 142
6 VARIATION UND ABBAU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6.1 Älteste Quellen: Abbau subtraktiver Dative . . . . . . . . . . . . 148 6.2 20. Jahrhundert: Abbau subtraktiver Plurale . . . . . . . . . . . 150 7 SYNCHRONE ANALYSE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Subtraktion in strukturalistischen Morphologiemodellen . . . . . 7.1.1 Item-and-Arrangement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2 Item-and-Process . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3 Generative Morphologie: Distributed Morphology . . . . . 7.1.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Subtraktion in der Natürlichen Morphologie . . . . . . . . . . . 7.2.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.1 Natürlichkeitskonflikte und Systemangemessenheit 7.2.2.2 Markiertheitsumkehrungen . . . . . . . . . . . . . 7.3 Subtraktion in der Optimalitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Das Schwa und die Pluralbildung des Deutschen . . . . . . 7.3.2 Golston / Wiese (1996) und Knaus (2003) . . . . . . 7.3.3 Kritik: Holsinger / Houseman (1999) . . . . . . . . . 7.4 Subtraktion als Lexikalisierung: Haas (1988) . . . . . . . . . . . 7.5 Eigene Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1 Bybees Netzwerkmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1.1 Relevanz, Fusion und diagrammatischer Ikonismus 7.5.1.2 Frequenzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1.3 Zur Organisation des Lexikons . . . . . . . . . . . 7.5.2 Subtraktive Plurale im Netzwerkmodell . . . . . . . . . . 7.5.2.1 Tokenfrequenz und Subtraktion: Autonomie . . . .
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153 153 154 156 158 160 162 162 165 165 167 171 171 176 179 181 184 184 184 186 187 191 191
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Inhaltsverzeichnis
7.5.2.2 Typenfrequenz und Subtraktion: Schemata . . . . . 195 7.5.3 Subtraktive Dative im Netzwerkmodell . . . . . . . . . . . . 200 8 AUSBLICK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 8.1 Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 8.2 Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 9 ZUSAMMENFASSUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 LITERATURVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 A VERZEICHNIS DER BENUTZTEN DIALEKTGRAMMATIKEN . . 243 B VERZEICHNIS DER VERWENDETEN KARTEN . . . . . . . . . . 247 C LEXIKALISCHE TOKENFREQUENZ ALLER MIT SUBTRAKTION BELEGTEN LEXEME . . . . . . . . . . . . . . . . 249 D KATEGORIELLE TOKENFREQUENZ: SINGULAR VS. PLURAL . 253
ABBILDUNGSVERZEICHNIS 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Ortsnetz (Dialektgrammatiken) . . . . . . . . . . . . . . . Apokope bei ‘müde’ und ‘Hause’ . . . . . . . . . . . . . . . Die Apokope im Untersuchungsgebiet von Bock (1933) . . Verbreitungsgebiet der rg-Subtraktion . . . . . . . . . . . . Subtraktion bei Konsonantenclustern . . . . . . . . . . . . Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen . . . . . . . . Morphologische Struktur des indogermanischen Substantivs Assimilation mit Geminate und Degemination mit ambisyllabischem Konsonanten . . . . . . . . . . . . . . . Haas’ Ableitung der subtraktiven Plurale . . . . . . . . . Produktorientiertes Schema: die strung-Klasse . . . . . . . nd -Subtraktion im Netzwerkmodell . . . . . . . . . . . . . Vg-Subtraktion im Netzwerkmodell . . . . . . . . . . . . .
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41 52 55 80 97 98 110
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126 183 190 198 199
TABELLENVERZEICHNIS 1 2 3 4 5 6 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40
Subtraktive Formen in Tohono O’odham . . . . . . . . . . . . . Subtraktion bei französischen Adjektiven . . . . . . . . . . . . . Subtraktive Formen in den Dialekten des Deutschen . . . . . . . Datentypen: Belege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morphologische Signalisierung und Kategorie . . . . . . . . . . . Verteilung der Belege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Potenziell subtrahierende nd -Simplexwörter . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: nd -Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Subtraktion beim Lexem ‘Hand’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: nd -Subtraktion im Dativ . . . . . . . . . . . . Potenziell subtrahierende Ng-Simplexwörter . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: Ng-Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: ŋg-Subtraktion im Dativ . . . . . . . . . . . . Potenziell subtrahierende ld -Simplexwörter . . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: ld -Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: ld -Subtraktion im Dativ . . . . . . . . . . . . . Potenziell subtrahierende rd /t-Simplexwörter . . . . . . . . . . Lexemübersicht: rd -Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Belegübersicht: rd -Subtraktion im Dativ . . . . . . . . . . . . . Potenziell subtrahierende mb-Simplexwörter . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: mb-Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Belegübersicht: mb-Subtraktion im Dativ . . . . . . . . . . . . . Potenziell subtrahierende rg-Simplexwörter . . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: rg-Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Belegübersicht: rg-Subtraktion im Dativ in Ruhla . . . . . . . . Paradigma: ‘Tag’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Potenziell subtrahierende Vg-Simplexwörter . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: Vg-Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: Vg-Subtraktion im Dativ . . . . . . . . . . . . Potenziell subtrahierende Vd /t-Simplexwörter . . . . . . . . . . Lexemübersicht: Vd -Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: Vx -Subtraktion im Plural . . . . . . . . . . . . Lexemübersicht: Produktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung der Subtraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apokope als Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozentualer Anteil des Endungs-e in den deutschen Dialekten . Prozentualer Anteil der Apokope im Mittel- und Oberdeutschen Vokalkürzung im Ostfränkischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erklärung der Alternationen im Oberdeutschen . . . . . . . . .
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27 28 31 46 47 48 57 59 60 63 66 67 68 69 70 71 74 74 76 77 77 78 79 80 81 84 84 85 88 90 91 92 95 116 131 133 135 140 142
14
Tabellenverzeichnis
41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
Entwicklung der subtraktiven Formen im Nordfriesischen . . Nebeneinander subtraktiver Dative und indifferenter Formen Konstruktioneller Ikonismus in der Natürlichkeitstheorie . . Potenzielle Beispiele für Markiertheitsumkehrungen . . . . . Die Schichten des standarddeutschen Pluralsystems . . . . . Regeln der standarddeutschen Pluralbildung . . . . . . . . . Einige distinktive Merkmale des Hessischen . . . . . . . . . . Pluralbildung in Ebsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subtraktion und Tokenfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . Vg-Subtraktion und Tokenfrequenz . . . . . . . . . . . . . . Typenfrequenz in einzelnen Dialekten . . . . . . . . . . . . . Cluster im Zwirner-Korpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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144 149 163 168 172 173 177 182 194 194 196 201
VERZEICHNIS DER TABLEAUS 1 2 3 4
Subtraktion in der PF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subtraktion im Zentralhessischen . . . . . . . . . . . . . . . . Epenthese im Standarddeutschen . . . . . . . . . . . . . . . . Subtraktion im Modell von Holsinger / Houseman (1999)
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160 177 178 181
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Allgemeine Abkürzungen afries. ains.-nfr. ahd. Akk. anord. as. Dat. f. Gen. germ. hd. m. mhd. ml. mnd. n. b. nd. nfr. nhd. Nom. Pl. poln. russ. Sg. tsch. westgerm.
altfriesisch altinselnordfriesisch althochdeutsch Akkusativ altnordisch altsächsisch Dativ feminin Genitiv germanisch hochdeutsch maskulin mittelhochdeutsch mittellateinisch mittelniederdeutsch nicht belegt niederdeutsch nordfriesisch neuhochdeutsch Nominativ Plural polnisch russisch Singular tschechisch westgermanisch
Siglen für Dialektverbände (nach: Fleischer 2002, 7–8): BER BRB HOA
Berlinisch Brandenburgisch Hochalemannisch
18 HÖA HPR MBA MEV MFR MIA MPO NBA NFR NHE NIA NND NOS NPR OBS OFÄ OFR OHE OPO RFR RIP SBA SCL SCW SNF THÜ WFÄ ZHE
Abkürzungsverzeichnis
Höchstalemannisch Hochpreußisch Mittelbairisch Mecklenburgisch-Vorpommersch Moselfränkisch Mittelalemannisch Mittelpommersch Nordbairisch Niederfränkisch Nordhessisch Niederalemannisch Nordniederdeutsch Nordobersächsisch-Südmärkisch Niederpreußisch Obersächsisch Ostfälisch Ostfränkisch Osthessisch Ostpommersch Rheinfränkisch Ripuarisch Südbairisch Schlesisch Schwäbisch Südniederfränkisch Thüringisch Westfälisch Zentralhessisch Abkürzungen für Wörterbücher
BaWB BBW BMZ BWB DWB ElsWB HNWB Idiotikon Kluge
Badisches Wörterbuch Brandenburg-Berlinisches Wörterbuch Mittelhochdeutsches Wörterbuch (Benecke/Müller/Zarncke) Bayerisches Wörterbuch Deutsches Wörterbuch Elsässisches Wörterbuch Hessen-Nassauisches Wörterbuch Schweizerisches Idiotikon Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache von Friedrich Kluge
Abkürzungsverzeichnis
Lexer LothWB LWB MEWB MNHWB MWB NSSW NSWB OSWB PfWB PrWB PWB RhWB SDWB SHEWB SHWB SLWB SSW SWB ThWB WBÖ WFWB WMU
Mittelhochdeutsches Handwörterbuch von Matthias Lexer Lothringisches Wörterbuch Luxemburger Wörterbuch Mittelelbisches Wörterbuch Mittelniederdeutsches Handwörterbuch Mecklenburgisches Wörterbuch Nordsiebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch Niedersächsisches Wörterbuch Obersächsisches Wörterbuch Pfälzisches Wörterbuch Preußisches Wörterbuch Pommersches Wörterbuch Rheinisches Wörterbuch Sudetendeutsches Wörterbuch Südhessisches Wörterbuch Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch Schlesisches Wörterbuch Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch Schwäbisches Wörterbuch Thüringisches Wörterbuch Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich Westfälisches Wörterbuch Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache Abkürzungen für Sprachatlanten
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20 SOB SSA SUF VALTS
Abkürzungsverzeichnis
Sprachatlas von Oberbayern Südwestdeutscher Sprachatlas Sprachatlas von Unterfranken Vorarlberger Sprachatlas mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein, Westtirols und des Allgäus
1 EINLEITUNG In vielen nieder- und hochdeutschen Dialekten wird der Nominativ/Akkusativ Plural oder der Dativ Singular eines Substantivs in einigen Fällen nicht durch die Hinzufügung, sondern durch die Tilgung phonologischen Materials gebildet. In der morphologischen Theorie wird dieses Phänomen Subtraktion genannt. Subtraktive Pluralformen tauchen zum ersten Mal in Johann Andreas Schmellers „Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt“ auf: (1)
a. Bann @n Kêind ha@’t rede˜ lá’nt, só sòll m@r Wann ein Kind.nom.sg hat reden gelernt, so soll man @m Bád·lbród zo ásse˜ gá’. ihm Bettelbrot zu essen geben. ‘Wenn ein Kind reden gelernt hat, soll man ihm Bettelbrot zu essen geben.’ b. Bann dé Kên’ in d@r Tàuf schrêy@˜, so wá’n Wann die Kinder.nom.pl in der Taufe schreien so werden sé nét alt, on’ stárb@˜ bal’. sie nicht alt und sterben bald. ‘Wenn die Kinder in der Taufe schreien, werden sie nicht alt und sterben bald.’ (Hilders, Osthessisch; Schmeller 1821, 450)
In (1a–b) ist die Tilgung des stammauslautenden /d/ neben der Vokalveränderung auffälliges Pluralmerkmal. In konservativen Basisdialekten findet sich das gleiche Prinzip auch im Bereich der Kasusmorphologie. (2a–b) zeigt einen alten Beleg für einen subtraktiven Dativ im nördlichen Nordniederdeutschen: (2)
a. Dat Pęrd is hier to Hus un söcht den Stall Das Pferd.nom.sg ist hier zu Hause und sucht den Stall ‘Das Pferd ist hier zu Hause und sucht den Stall’ b. Doch hung he oppe Pęr, as weer he dun Doch hing er auf dem Pferd.dat.sg als wäre er betrunken ‘Doch hing er auf dem Pferd, als wäre er betrunken’ (Nordniederdeutsch; Groth 1856, 523, 203)
Den zwei Beispielen gemeinsam ist also die Kennzeichnung einer morphologischen Kategorie (Numerus oder Kasus) mittels der Tilgung des stammauslautenden Konsonanten. Auffällig ist daran, dass das jeweils markiertere semantische
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Einleitung
Konzept (Plural und Dativ) durch eine geringere phonologische Substanz gekennzeichnet wird als das unmarkiertere Konzept (Singular und Nominativ). Besonders beim Plural mag dies widersprüchlich erscheinen: Der Plural steht intuitiv für ein „Mehr“ an Inhalt, geht hier aber mit einem „Weniger“ an Sprache einher. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das Phänomen der Subtraktion im Allgemeinen und subtraktive Formen in den Dialekten des Deutschen im Besonderen auch unter theoretisch arbeitenden Linguisten auf großes Interesse gestoßen sind. Interessanterweise war das Phänomen aber bisher weder Gegenstand sprachhistorischer noch dialektgeographischer Untersuchungen. Die vorliegende Arbeit möchte hier ansetzen und eine empirisch fundierte Theorie subtraktiver Formen leisten, ausgehend von der Ansicht, dass Theoriebildung nicht im luftleeren Raum stattfinden kann, sondern immer auf möglichst viel Empirie fußen sollte (vgl. Harnisch 2000 und Seiler 2003). 1.1 MOTIVATION UND ZIELE DER ARBEIT Die deutsche Dialektologie hat sich in ihren Anfängen vor allem mit Phonologie und Lexikologie beschäftigt; demgegenüber haben die Morphologie und besonders die Syntax nicht die gleiche Aufmerksamkeit erfahren. Gleichzeitig hat die theoretische Linguistik, die über mehrere Jahrzehnte unter massivem Einfluss des Strukturalismus amerikanischer Prägung stand und die sich vor allem der in der älteren Linguistik eher vernachlässigten Syntax gewidmet hat, erst in den letzten Jahrzehnten die Morphologie wiederentdeckt. Daher wundert es nicht, dass die Dialektmorphologie – insbesondere eine solche, die auch eine theoretische Anbindung anstrebt – ein ziemlich junges Forschungsfeld ist. So schreibt Damaris Nübling in ihrem 2005 erschienenen Artikel „Forschungsperspektiven zur Nominalmorphologie deutscher Dialekte“, dass sich die Beschäftigung mit der dialektalen Flexionsmorphologie erst in jüngster Zeit durch die Veröffentlichung von Sprachatlanten wie dem „Mittelrheinischen Sprachatlas“ und dem „Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben“, die eigene Morphologiebände enthalten, eines gewissen Aufschwungs erfreut.1 Dabei gilt die Verbalmorphologie als besser erforscht als die Nominalmorphologie (vgl. Nübling 2005, 45). Ausgehend von der Tatsache, dass sich die Dialekte in viel größerem Maße als die Standardsprache nicht-verkettender Verfahren wie Umlaut oder Spirantisierung zur Signalisierung morphologischer Kategorien bedient, hebt Seiler (2008) die nicht-konkatenative Morphologie zu einer Forschungsaufgabe der Dialektologie hervor. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem ganz besonderen nichtkonkatenativen Phänomen deutscher Dialekte, allerdings mit einem, das auch in der theoretischen Linguistik eine nicht unwichtige Rolle gespielt hat. So hat 1
Der erste Sprachatlas im deutschsprachigen Raum mit einem eigenen Morphologieband war der „Sprachatlas der deutschen Schweiz“, dessen dritter Band aus dem Jahre 1975 sich der Flexionsmorphologie widmet.
Motivation und Ziele der Arbeit
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Wurzel (1984) subtraktive Plurale im Rahmen der Natürlichen Morphologie als ein morphologisches Phänomen und – aufgrund ihrer „Unnatürlichkeit“ – gleichzeitig als ein theoretisches Problem mit entsprechenden Regeln behandelt, während neuere optimalitätstheoretische Arbeiten (s. Golston / Wiese 1996; Knaus 2003) sie als eine primär morphophonologische Angelegenheit betrachten, die durch synchron wirksame Beschränkungen zu Stande kommt. Eine Kritik besonders der letzteren Richtung stellt der Aufsatz von Holsinger / Houseman (1999) dar, an dessen Kritikpunkte die vorliegende Arbeit anknüpft. Hat sich die bisherige Forschung nur mit subtraktiven Pluralen auseinandergesetzt, ist die Berücksichtigung subtraktiver Dative ein Novum der vorliegenden Arbeit, welche die Forschung zu den subtraktiven Pluralen in einem etwas anderen Licht erscheinen lässt. Ausgangspunkt ist dabei die Hypothese, dass in den deutschen Dialekten keine Subtraktion im morphologischen Sinne vorliegt, sondern eine weitgehend lexikalisierte morphophonologische Alternation, die ihre Existenz historischen, regulären Lautwandelprozessen verdankt (in der synchronen Linguistik oft „weak suppletion“ genannt, vgl. Dressler 2000, 583). Mein Ansatz stimmt insofern eher mit älteren Darstellungen überein (Alles 1907/1908; Haas 1988), als eine diachrone Perspektive eingenommen wird, jedoch bediene ich mich zur Erklärung der synchron vorhandenen Formen moderner Modelle (Bybee 1985b; 1988; 1995). Das Ziel der Arbeit ist ein doppeltes: Zunächst sollen das Verbreitungsgebiet und die Entstehungsbedingungen subtraktiver Formen systematisch herausgearbeitet werden. Aufgrund der gewonnenen Daten soll das Phänomen sodann in einem synchronen theoretischen Rahmen behandelt werden. Die Arbeit versteht sich somit als Beitrag sowohl zur Sprachgeschichte und Dialektgeographie als auch zur morphologischen Theoriebildung. Sie ist geschrieben aus der Ansicht, dass Dialektologie und Sprachgeschichte einander bedingen und dass erst die theoretischen Fragestellungen eine solch umfassende Untersuchung rechtfertigen (vgl. Seiler 2003, 16). Für den empirischen Teil wird auf das uns zur Verfügung stehende Material zurückgegriffen: Dazu gehören für die ältere Zeit historische Wörterbücher und elektronische Korpora, für die jüngere Zeit Dialektgrammatiken, Dialektwörterbücher, Sprachatlanten und Ton- und Textkorpora. Zur Bewältigung der großen Datenmengen werden computergestützte sprachgeographische und korpuslinguistische Methoden eingesetzt. Auf diese empirische Basis gestützt, wird sodann zu erklären versucht, wie die Morphologie mit einem „unnatürlichen“ Verfahren wie der Subtraktion umgeht. Das Phänomen ist nämlich vor allem in theoretischer Hinsicht interessant, da es aus der Sicht der Natürlichen Morphologie „kontraikonisch“ ist, sich traditionellen morphembasierten Analysen entzieht und auch in einem prozessorientierten Ansatz schwer fassbar ist. Auch die Ausgangsbasis ist relevant, denn zunehmend wird auch vonseiten der Sprachtheorie erkannt, dass Dialekte gleichsam „natürlicher“ sind als die Standardsprache, die erst langsam „naturalisiert“ wird (vgl. Weiß 1998). Eine Theorie sollte deswegen an natürlichen Sprachen getestet werden, wie dies in der deutschen Dialektologie wohl zuerst Harnisch (1987) im Rahmen der Natürlichen Generativen Phonologie getan
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Einleitung
hat. Das gleiche gilt für Haas (1988), eine dialektmorphologische Pionierarbeit, bei der das Pluralsystem eines einzelnen Dialektes systematisch erhoben und in einem generativen Rahmen ausgewertet wird. In diese Tradition möchte ich die vorliegende Arbeit stellen. 1.2 AUFBAU DER ARBEIT Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: In Kapitel 2 wird auf das Phänomen Subtraktion näher eingegangen und eine Definition vorgeschlagen; dabei wird ein Blick auf andere Sprachen geworfen, von denen man vermutet, dass sie Subtraktion aufweisen (dies ist oft gar nicht so klar). Anschließend werden Beispiele aus deutschen Dialekten gebracht und die Frage gestellt, ob es sich dabei um das gleiche Phänomen handeln könnte. In diesem Zusammenhang wird die Ausgangshypothese dieser Arbeit, wie es zu diesen Formen gekommen ist und wie sie synchron zu verstehen sind, erläutert. In Kapitel 3 erfolgt eine exhaustive dialektgeographische Untersuchung der subtraktiven Formen im gesamten geschlossenen deutschen Sprachgebiet. In Kapitel 4 wird der Versuch einer Datierung vor allem aufgrund von Sprachinselbefunden unternommen, während in Kapitel 5 die diachronen Entstehungsprozesse rekonstruiert werden. Kapitel 6 beschäftigt sich mit Fragen der Variation und des Abbaus subtraktiver Formen. Im Kapitel 7 wird, nach einer Darstellung der bisherigen Ansätze, eine synchrone Analyse der subtraktiven Formen auf Basis der Daten erarbeitet. Die Arbeit wird mit einem Ausblick auf zukünftige Forschungen (Kapitel 8) und einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse (Kapitel 9) abgeschlossen.
2 PHÄNOMEN UND HYPOTHESE 2.1 DER BEGRIFF „SUBTRAKTIVE MORPHOLOGIE“ Wolfgang U. Dressler definiert in seinem HSK-Überblicksartikel zum Phänomen Subtraktion prototypische subtraktive Morphologie als einen synchronen morphologischen Prozess, bei dem der Wortstamm von rechts um genau ein Phonem reduziert und die zu signalisierende morphologische Kategorie allein durch diese Reduktion markiert wird (vgl. Dressler 2000, 582–583).2 In weniger prototypischen Fällen können nur einzelne Merkmale eines Phonems oder mehrere (adjazente) Phoneme getilgt werden. In dieser Arbeit verwende ich die enge Definition von Subtraktion, d. h. nur Phonemtilgungen sollen hier betrachtet werden. Vokalkürzungen im Plural, wie wir sie etwa aus dem Ostfränkischen kennen (vgl. Seiler 2008), sind unter dieser Auffassung als modifikatorischer Prozess einzustufen, bei dem ein langes Vokalphonem durch ein kurzes ersetzt wird (vgl. Dressler 2000, 584). Weniger prototypisch, aber ebenfalls häufig, ist Subtraktion zusammen mit anderen morphologischen Verfahren wie Modifikation (z. B. Umlautung). Solche Fälle werden hier mit betrachtet, gerade, da sie in den deutschen Dialekten recht zahlreich sind. Morphologische Subtraktion wirft mehrere Probleme auf, die in der Literatur nicht immer beachtet wurden (vgl. Dressler 2000, 582–583): Erstens sollten die Fälle nicht isoliert sein, sondern eine gewisse Regularität besitzen. Oft ist in der irregulären französischen Adjektivflexion ein Fall von Subtraktion gesehen worden, bei der einige maskuline Formen kürzer sind als die femininen: vgl. m. petit /p@ti/ und f. petite /p@tit/ ‘klein’ (Beispiel nach: Dressler 2000, 582). Dies scheint jedoch nur bei Wörtern des Grundwortschatzes der Fall zu sein, weswegen Alternativtheorien vorgeschlagen worden sind (vgl. Kapitel 2.2.2). Eine wichtige Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es deswegen, die funktionale Belastung der subtraktiven Formen in den deutschen Dialekten zu bestimmen (vgl. Kapitel 7.5.2.2). Als eine weitere wichtige Bedingung für Subtraktion dient die Zugehörigkeit des zu tilgenden Elements zum Stamm: Nach allgemeiner Auffassung darf die Ab- bzw. Anwesenheit eines Affixes zur Signalisierung einer morphologischen Kategorie nicht als Subtraktion angesehen werden, wie die pluralische Genitivmarkierung in vielen slavischen Sprachen, vgl. tsch. hodiny – hodin ‘[die] Stunden, [der] Stunden’ oder die Pluralmarkierung in einigen 2
Die morphologische Diskussion über Subtraktion beginnt bei Leonard Bloomfield (vgl. ausführlich dazu Kapitel 7.1), der das Phänomen unter der Bezeichnung „minusfeature“ behandelt (vgl. Bloomfield 1933, 217). Der Begriff Subtraktion taucht wohl zum ersten Mal bei Hockett (1947, 340) auf, der von „subtraction morph“ spricht (vgl. Dressler 2000, 582).
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Phänomen und Hypothese
norditalienischen Dialekten, vgl. dona – don ‘Frau, Frauen’ (vgl. Schmid 1995, 284 und Rohlfs 1949, § 362).3 Insgesamt kommen also bei der Subtraktion nur systematische Stammtilgungen in Betracht. Zur Beschreibung der in dieser Arbeit zu betrachtenden morphologischen Formen werde ich, in Anlehnung an die prozessorientierte Morphologie, von Begriffen wie Addition, Modifikation, Subtraktion und Null oder, wo angebracht, einer Kombination von diesen, Gebrauch machen. Ich verwende diese Begriffe so wie sie in der Natürlichkeitstheorie, genauer: im Konzept des konstruktionellen Ikonismus (vgl. Kapitel 7.2), verstanden werden, einerseits um Konsistenz mit dieser für die vorliegende Arbeit wichtigen Theorie zu gewährleisten, andererseits um unglückliche Beschreibungen wie „subtraktiv + additiv“ (so etwa Nübling 2006, 121) bei Formen wie Band – Bänner ‘Band, Bänder’ zu vermeiden, die diachron vielleicht einen Sinn ergeben, synchron aber nicht. Dem Konzept des konstruktionellen Ikonismus ist es nämlich gleich, ob etwas abgezogen wird, solange auch etwas hinzukommt – es kommt auf das synchrone Verhältnis zwischen Input- und Outputform an. 2.2 SPRACHTYPOLOGIE Subtraktion, besonders in der hier vertretenen, engen Definition, stellt ein sehr seltenes und oft aus morphologischen Gründen umstrittenes Phänomen in den Sprachen der Welt dar: So ist mir kein Fall von Subtraktion bekannt, der von allen Linguisten anerkannt wird, was allerdings auch theorieinterne Gründe haben könnte. Im Bereich der Nominalmorphologie führt Corbett (2000, 150– 151) interessanterweise keine Sprache mit subtraktiver Pluralmarkierung an, sondern er verweist lediglich auf Golston / Wiese (1996) und die Diskussion über einen möglichen Fall von Subtraktion in den hessischen Dialekten. In „The World Atlas of Language Structures“ (WALS) ist Subtraktion unter den Pluralbildungsverfahren gar nicht vertreten (vgl. Dryer 2011), dafür das ebenfalls recht seltene Verfahren Reduplikation. Haspelmath (2002, 24) meint jedoch aufgrund der Beschreibung in Arensen (1982, 40–44) subtraktive Plurale in Murle, einer nilosaharanischen Sprache, feststellen zu können, wobei die genauen Bedingungen und der Umfang unklar sind. Subtraktive Pluralmorphologie wird auch in einem jüngeren Artikel von Nitz / Nordhoff (2010) für das Singhalesische behauptet: Allerdings hängt die Analyse dort von der Annahme eines relativ jungen Übergangs von einem Allgemein/Plural-vs.-Singular-System in ein Singular-vs.-Plural-System ab, der zu einer Reanalyse alter „Singulativ“-Suffixe als subtraktiver Plurale geführt haben soll (vgl. Nitz / Nordhoff 2010, 263).4 Doch ist bemerkenswert, dass die „subtraktive Operation“, die für die Klasse der Lehnwörter aus dem 3 4
Ich bedanke mich bei Michele Loporcaro (Zürich) für den Hinweis auf die Pluralbildung norditalienischer Dialekte. Die hier verwendete Typologie von Numerussystemen basiert auf Corbett (2000).
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Sprachtypologie
Englischen postuliert wird, eher in der Addition eines eka im Singular (bus eka – bus ‘Bus, Busse’) besteht, dessen syntaktischer Status genauer geklärt werden müsste. Es bedarf also meines Erachtens weiterer Untersuchungen, und vor allem größerer Datenkorpora, bevor das Singhalesische als eine Sprache mit richtiger, subtraktiver Morphologie klassifiziert werden darf. Im Folgenden schauen wir uns deswegen zwei weitere, in der Literatur besser untersuchte, mögliche Fälle von Subtraktion an. 2.2.1 Tohono O’odham Das am besten dokumentierte Beispiel für subtraktive Morphologie findet sich womöglich in der Verbalmorphologie der uto-aztekischen Sprache Tohono O’odham, die im Süden des US-Bundesstaats Arizona gesprochen wird (vgl. Golston 1995, 734). Mehrere prozessorientierte Analysen wurden hier vorgeschlagen, bei denen perfektive Verben durch Tilgung phonologischen Materials – meist eines Konsonanten, seltener einer ganzen Silbe – der Imperfektivform abgeleitet werden (vgl. Hale 1965, 300–301; Hill / Zepeda 1992, 378; Anderson 1992, 65). In Tabelle 1 finden sich einige repräsentative Beispiele aus Stonham (1994, 69): Imperfektiv
Perfektiv
Singular
Plural
Singular
Plural
him hi:nk hikčk gatwid Pelpig huks.an hehem čipkan med.
hihim hihink hihikčk gagtwid PePelpig huhuks.an hehem čičpkan wo:poPo
hi: hi:n hikč gatwi Pelpi huks.a hehe čipk me:
hihi hihin hihikč gagtwi PePelpi huhuks.a hehe čičpk wo:p
Lexem ‘gehen’ ‘bellen’ ‘schneiden’ ‘schießen’ ‘schälen’ ‘kratzen’ ‘lachen’ ‘arbeiten’ ‘laufen’
Tabelle 1: Subtraktive Formen in Tohono O’odham (nach: Stonham 1994, 69; in Anlehnung an: Anderson 1992, 65)
Die Subtraktion scheint hier relativ regulär zu sein und unterbleibt nur bei Verben, die auf Vokal enden, so dass eine einfache Tilgungsregel formuliert werden könnte (vgl. Hale 1965, 301 und Anderson 1992, 65). Allerdings ist auch diese Annahme von Subtraktion, die sprachtypologisch wohl am besten abgesichert zu sein scheint, nicht völlig unumstritten. Erstens wird aus den Beispielen ersichtlich, dass die Tilgung teilweise mit kompensatorischen Vokalverlängerungsprozessen einhergeht (vgl. Stonham 1994, 70), womit es problematisch ist, von Subtraktion zu sprechen, da synchron auch etwas hinzuge-
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Phänomen und Hypothese
fügt wird. Zweitens findet Stonham (1994, 70–74), gestützt auf ältere Arbeiten zu Tohono O’odham, etliche Hinweise auf kürzere Stammformen in mit diesen Verben verwandten Wortformen: Im Falle von hikčk ‘schneiden’ findet sich beispielsweise die verwandte Form hi:k ‘abtrennen’. Eine von Stonham (1994, 71–72) herangezogene Grammatik vom Beginn des 20. Jahrhunderts weist sogar darauf hin, dass Endungen zur Bildung der Imperfektivformen (die in den subtraktiven Analysen als Ausgangsformen betrachtet werden) hinzugefügt werden. Stonham (1994, 73) argumentiert deswegen dafür, dass hier keine subtraktive, sondern additive Morphologie vorliegen könnte, indem sowohl die perfektiven als auch die imperfektiven Formen auf einen gemeinsamen, minimaleren Stamm zurückgeführt werden können. So ist die Annahme morphologischer Subtraktion immer davon abhängig, von welcher zugrundeliegenden Form man ausgeht. 2.2.2 Französisch Die irreguläre französische Adjektivflexion dient als strukturalistisches Lehrbuchbeispiel für Subtraktion, wie z. B. bei Bloomfield (1933) und Nida (1949), was aber in der jüngeren morphologischen Literatur eher kritisch gesehen wird (vgl. Dressler 2000, 582). Ausgangspunkt der strukturalistischen Diskussion sind die Paare in Tabelle 2: Maskulinum plat [pla] laid [lE] distinct [distEn ] long [lon ] bas [bA] gris [gri] frais [frE] gentil [ˇzun ti] léger [leˇze] soul [su] plein [plEn ]
Femininum
Lexem
platte [plat] ‘flach’ laide [lEd] ‘hässlich’ distincte [distEn kt] ‘deutlich’ longe [lon g] ‘lang’ basse [bA:s] ‘niedrig’ grise [gri:z] ‘grau’ fraîche [frE:ˇs] ‘frisch’ gentille [ˇzun ti:j] ‘freundlich’ légère [leˇzE:r] ‘leicht’ soule [sul] ‘betrunken’ pleine [plE:n] ‘voll’
Tabelle 2: Subtraktion bei französischen Adjektiven (nach: Bloomfield 1933, 217)
Ersichtlich wird hier, dass die femininen Formen länger sind als die maskulinen. Bloomfield (1933, 217) schlägt dafür zwei Lösungen vor: 1) die femininen Formen werden durch eine additive Regel gebildet, 2) die maskulinen Formen werden von den femininen mithilfe eines „Minusmorphems“ abgeleitet (s. auch Kapitel 7.1). Bloomfield hält die zweite Lösung für die plausiblere, da sie ökonomischer ist. Beide Vorschläge von Bloomfield (1933) haben später Eingang in elaboriertere theoretische Analysen gefunden.
Sprachtypologie
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Notwendig ist zuerst eine Bemerkung zur Phonologie des Französischen: Die „Subtraktionen“ in Tabelle 2 müssen vor dem Hintergrund der Trunkierungsphänomene des Französischen gesehen werden, die traditionell unter den Begriffen Elision (= Vokaltilgung vor Wort mit initialem Vokal) und Liaison (= Auftreten eines sonst nicht [mehr] vorhandenen wortfinalen Konsonanten vor Vokal des Folgewortes) behandelt werden (vgl. Schane 1968, 1–4), wobei im letzteren Fall freilich die Abwesenheit von Liaison die Trunkierung ausmacht.5 Demnach heißt es /p@tit ami/ ‘kleiner Freund’, aber /p@ti kamarad/ ‘kleiner Kamerad’; der Konsonant wird also vor Vokal nicht „subtrahiert“. Wichtig ist nun, dass sich die Feminina unterschiedlich verhalten: Hier wird der Konsonant nämlich auch vor anlautendem Konsonanten des Folgewortes nicht getilgt: /p@tit ami/ ‘kleine Freundin’, /p@tit kamarad/ ‘kleine Kameradin’. Schane (1968, 5–6), der als Erster eine generative Tilgungsanalyse von Elision/Liaison herausgearbeitet hat, nimmt an, dass die von Liaison betroffenen Konsonanten in der Tiefenstruktur vorhanden sind, dass aber in der zugrundeliegenden Form der femininen Formen noch ein Schwa enthalten ist, das den Konsonanten vor Tilgung quasi schützt, und erklärt somit das unterschiedliche Verhalten der Maskulina und Feminina. Eine solche Annahme ist diachron plausibel, da dieses Schwa früher in der Nebensilbe stand (s. etwa Klausenburger 1984, 41). Es wird noch in höheren Registern des Französischen vor Konsonant ausgesprochen, vor Vokal aber immer getilgt (Elision). Eine Tilgungsanalyse mag auf den ersten Blick einfacher und ökonomischer als eine Epenthesenanalyse erscheinen, jedoch zeigen jüngere Arbeiten (u. a. Klausenburger 1974; Kaye / Morin 1978; Tranel 1981), dass die Annahme von zugrundeliegenden Schwas, die nur in den gehobenen Varietäten realisiert werden, der sprachlichen Realität der französischen Umgangssprache nicht gerecht wird. Die aufgestellten subtraktiven Regeln sind auch zu mächtig, da nur ein Teil des Wortschatzes davon betroffen ist (Optionalität von Liaison) und in einigen Fällen nur bestimmte Konsonanten der Liaison unterliegen. Morin / Kaye (1982, 316) sehen (3) historisch für Liaison verantwortlich (ab altfranzösischer Zeit): (3)
C → ∅ / _ (#)(#) C
(3) kann so gelesen werden: „Tilge den stammfinalen Konsonanten vor anlautendem Konsonanten eines Folgewortes, maximal zwei Wörter weiter nach rechts.“ Die Regel war in älteren Sprachstufen des Französischen völlig transparent, wurde aber mit der Apokope im 16./17. Jahrhundert opak. Ab diesem Zeitpunkt nehmen Morin / Kaye (1982) eine Morphologisierung von Liaison an, wobei
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Die Literatur zur Liaison ist kaum überschaubar: Dieses Sandhi-Phänomen ist äußerst komplex und stellt deswegen auch in der linguistischen Theoriebildung ein besonderes Problem dar (vgl. Walker 2001, 160).
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Phänomen und Hypothese
die phonologische Regel in (3) vor der Morphologisierung reversiert wurde, wie in (4a–d):6 (4)
˜ _V a. ∅ → n / V b. ∅ → p / _ V c. ∅ → t / _ V d. ∅ → k / _ V usw.
Aufgrund der Komplexität der Epentheseregeln vermuten Morin / Kaye (1982, 317), dass sie allmählich abgebaut werden, wofür sie in gesprochenen Varietäten des Französischen durchaus Unterstützung finden. Mel’čuk (1991, 283–284) zieht diese Analyse der Tilgungsanalyse vor, da sie erklären kann, warum neue feminine Adjektive von maskulinen durch Addition von Suffixen (Produktivität) abgeleitet werden können, und warum Aphasiker feminine Formen produzieren, die von den maskulinen abgeleitet zu sein scheinen: Beide Befunde sprechen gegen eine Basisform mit erhaltenem Konsonanten. Die Epentheseregel ist jedoch auch nicht unproblematisch: So bekommt sie v. a. bei der Unterscheidung von zugrundeliegenden Gleitlauten und Vokalen und deren Verhältnis zur Liaison Schwierigkeiten (vgl. Klausenburger 1984, 23– 24). Gleichzeitig wird in den meisten Analysen lexikalische Speicherung des Konsonanten für jedes Lexem angenommen und somit ein gewisser Grad an Suppletion vorausgesetzt. Deswegen findet Klausenburger (1984, 63–64) eine nicht regelbasierte, suppletive Analyse am attraktivsten. Für die dritte, suppletive Perspektive sprechen auch die Befunde von Fink (1985). Er stellt zunächst in einem Experiment mit Kunstwörtern fest, dass 89 Prozent der Antwortformen (maskuline und feminine Adjektive) phonetisch identisch sind. In den wenigen Fällen mit „Subtraktion“ oder „Addition“ konnte gezeigt werden, dass sowohl von den Maskulina wie auch von den Feminina ausgegangen wurde, was laut Fink (1985, 577) weder für eine Tilgungs- noch für eine Epenthesenanalyse spricht, sondern für eine bidirektionale Regel. Diese Annahme wird in meiner Analyse der subtraktiven Formen in den Dialekten des Deutschen wiederaufgenommen (vgl. Kapitel 7.5). Insgesamt werden wir im Laufe der vorliegenden Arbeit sehen, dass es viele Parallelen sowohl in Bezug auf die historische Entwicklung wie auch die synchrone Analyse der irregulären Adjektivformen im Französischen und der irregulären Pluralformen in den deutschen Dialekten gibt.
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Ein elaborierterer Regelformalismus als in (4a–d) findet sich in Tranel (1981, 238). Ternes (1977) schlägt ähnliche Regeln für die Anlautmutationen in vielen keltischen Sprachen vor.
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Subtraktion in deutschen Dialekten?
2.3 SUBTRAKTION IN DEUTSCHEN DIALEKTEN? Wie oben gezeigt wurde, ist Subtraktion in der Morphologie ein umstrittenes Phänomen: Für keine Sprache lässt sich völlig einwandfrei behaupten, dass sie subtraktive Morphologie besitzt. In der morphologischen Diskussion zum Deutschen hat besonders Wurzel (1984) in einigen hessischen Dialekten subtraktive Pluralmorphologie sehen wollen. Andere, etwa Haas (1988) und Golston / Wiese (1996), haben dies bestritten und die scheinbare Subtraktion als Produkt der Morphophonologie erklärt. Neben den subtraktiven Pluralen gibt es auch subtraktive Dative (Dativ-Singular-Formen), die zwar wesentlich seltener sind, sich aber prinzipiell ähnlich wie die Pluralformen verhalten. 2.3.1 Beispiele In Tabelle 3 sind einige repräsentative subtraktive Plural- und Dativformen aus verschiedenen deutschen Dialekten aufgelistet:7
N./A. Sg. D. Sg. N./A. Pl. Dialekt
‘Hund’
‘Tag’
‘Gang’
‘Pferd’
‘Wald’
hunt hun hun OPO
dâX d·¯ o. d·¯e. MFR
g¯aïg gaï gäï OFR
pęat pęa pęa NND
w¯ alt w¯al węl ZHE
‘Berg’ ´ bärk bärr bärr THÜ
‘Schuh’ schûk n. b. schû OBS
Tabelle 3: Subtraktive Formen in den Dialekten des Deutschen (vgl. Mahnke 1931, 39–40; Palgen 1931, 16–17; Dellit 1913, 129; Bernhardt 1892/1894, 29–32; Stroh 1928, 11; Regel 1868, 70–71/90; Goepfert 1878, 70)
Zunächst kann festgestellt werden, dass sich sämtliche Plural- und Dativformen durch den Verlust des stammfinalen Obstruenten kennzeichnen. Die Form des Nominativ Singular ist gegenüber der Plural- bzw. Dativform markiert. Die Tilgung des auslautenden Konsonanten tritt immer in Verbindung mit bestimmten Konsonantenclustern (hier: /nd/, /Ng/, /rd/, /ld/, /rg/) oder Vokal+KonsonantAbfolgen (hier: /Vg/, /Vx/) auf. Von diesen phonologischen Umgebungen ist die Subtraktion am häufigsten bei nd -Konsonantenclustern und Vg-Abfolgen. Gleichzeitig ist die Variation bezüglich dieser Formen sehr groß, sogar innerhalb einzelner Ortsdialekte: Sehr oft ist ein Nebeneinander subtraktiver und nicht-subtraktiver Formen festzustellen, vgl. [kIn] / [kIn5] ‘Kinder’ oder [hEn] / [hEnd] ‘Hände’. Neben [am dO:] ‘am Tag’ kann es auch – dies ist ˚ tatsächlich wesentlich häufiger der Fall – [am dO:g] heißen. Schließlich gibt ˚ 7
Belege in dieser Arbeit werden immer in der Originalschreibung wiedergegeben, da ich es für problematisch halte, gerade ältere Transkriptionen oder gar Orthographien in einheitliche IPA-Transkription umzuwandeln (vgl. Kapitel 3.1.3).
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Phänomen und Hypothese
es einige Wörter, die selten oder gar nicht subtrahieren, wie z. B. ‘Steg’ oder ‘Land’, obwohl sie die gleichen phonologischen Umgebungen aufweisen wie Wörter, die häufig von Subtraktion betroffen sind, z. B. ‘Weg’ oder ‘Hand’. Eine plausible Theorie der subtraktiven Formen müsste erklären können, wie es zu dieser Variation kommt. Eine einfache Regel nach dem Muster „Tilge den stammfinalen Obstruenten, um den Nominativ/Akkusativ Plural bzw. den Dativ Singular zu bilden“ greift hier zu kurz, da sie zu stark ist. 2.3.2 Arbeitshypothese Die beschränkte Vorhersagbarkeit und das Nebeneinander subtraktiver und nicht-subtraktiver Formen innerhalb eines einzelnen Dialektes lassen meines Erachtens nur eine Möglichkeit zu: dass es sich bei den subtraktiven Formen um Lexikalisierungen bzw. Fälle von schwacher Suppletion handelt, deren besondere Gestalt nicht durch eine synchrone morphologische Regel, sondern nur diachron erklärt werden kann. Die subtraktiven Formen sind dabei immer das Resultat von konsonantischen und vokalischen Schwächungsprozessen, die über mehrere Jahrhunderte hinweg gewirkt haben. Es handelt sich bei allen Belegen hauptsächlich um zwei phonologische Entwicklungen, bei denen ich in Übereinstimmung mit junggrammatischen Darstellungen und jüngeren Forschungen folgende Chronologie ansetze (vgl. Alles 1907/1908, 348 und Haas 1988, 47): 1. Wegfall des stammauslautenden Obstruenten bei Konsonantenclustern und Vokal+Konsonant-Abfolgen infolge von Assimilationsprozessen und Lenisierung in intervokalischer Umgebung zwischen Stammvokal und ehemaliger Flexionsendung ([hEnd@] > *[hEn@]) 2. Apokope des wortfinalen Schwa (*[hEn@] > [hEn]) Die umgekehrte Reihenfolge, also Obstruentenschwund erst nach der Apokope, ist demgegenüber ausgeschlossen, da die Nominativ-Singular-Formen vom Obstruentenschwund unberührt geblieben sind und nachweislich nur solche Wörter subtrahieren, die früher ein Schwa im Nominativ/Akkusativ Plural bzw. Dativ Singular aufgewiesen haben. Es gibt durchaus Dialekte, bei denen entsprechende Assimilationen und Lenisierungen auch im absoluten Auslaut gegriffen haben. Nur selten ist dies jedoch auf lautgesetzlichem Wege passiert, sondern es hat später ein analogischer Ausgleich stattgefunden (vgl. Schirmunski 1962, 392–400). Solche Dialekte weisen folglich keine Subtraktion auf: vgl. stän – stän ‘Stand, Stände’ (Schön 1908, 214 für Saarbrücken), bei dem sich auch der Umlaut auf den Singular ausgedehnt hat (ein Beweis für Analogie), oder daa – daa ‘Tag, Tage’ (Sütterlin 1892, 32 für Straßburg). Die Annahme, dass sich alle subtraktiven Formen historisch auf auslautendes Schwa zurückführen lassen, ist zentral für meine Argumentation in dieser Arbeit (vgl. auch Seiler 2008, 189). Dies ist bei den Dativformen zunächst trivial: Unter den starken Maskulina und Neutra gibt es seit mittelhochdeutscher Zeit
Subtraktion in deutschen Dialekten?
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neben der bloßen Nullmarkierung keine konkurrierenden Endungen. Bei den Pluralformen ist das Bild etwas komplexer, da das Deutsche in allen seinen Sprachstufen durch eine ausgeprägte Pluralallomorphie gekennzeichnet ist. So nehme ich an, dass sich die Tatsache, dass ein Lexem wie ‘Kind’ bald eine subtraktive, bald eine additive Endung aufweist, auf die einstige Koexistenz der Pluralallomorphe -e und -er bei diesem Lexem zurückführen lässt (eine ähnliche Variation finden wir im Standarddeutschen heute noch etwa beim Lexem ‘Wort’), von denen die -er -Endung von der Apokope unberührt geblieben ist. Dadurch bekommt eine Form wie [kIn5] ihre Erklärung, bei der die Apokope nicht gegriffen hat, der Assimilationsprozess aber sehr wohl. Obwohl das stammfinale /d/ hier also verschwindet, kommt immerhin ein Suffix hinzu, womit wir nach der Definition in Kapitel 2.1 nicht von Subtraktion sprechen dürfen. Subtraktive Formen dürfte es nach meiner Hypothese also nur in Dialekten geben, welche die Apokope und die einschlägigen Assimilations- und Lenisierungsprozesse kennen, also besonders im Mittel- und Niederdeutschen.8 Erst nach der Apokope geht die phonologische Umgebung, in der die Stammtilgung stattgefunden hat, verloren und der Reduktionsprozess wird intransparent. Ein wichtiger Unterschied zwischen den subtraktiven Formen in deutschen Dialekten und denen in einer Sprache wie Tohono O’odham – zumindest, wenn die Beschreibung in Anderson (1992, 65) zutrifft – besteht nun darin, dass die Lautwandelprozesse, die in Teilen des deutschen Sprachraums zur Subtraktion geführt haben, bis auf seltene Fälle nie morphologisiert wurden, also nicht auf weitere, phonologisch unbegründete Kontexte ausgedehnt wurden. Stattdessen entstanden lexikalisierte Alternationen (Nominativ Singular vs. Dativ Singular, Nominativ/Akkusativ Plural). Ein Faktor, der das Aufrechterhalten dieser Formen erklären könnte und deswegen in dieser Arbeit näher untersucht werden soll, ist die Tokenfrequenz der subtraktiven Lexeme und das Verhältnis der markierten Form zur unmarkierten Form. Demnach würden sich die subtraktiven Formen von häufigeren Lexemen besser halten als die von selteneren Lexemen. Ebenfalls könnte die Tatsache, dass Subtraktion oft bei Wörtern vorkommt, die häufiger im Plural verwendet werden als im Singular, dafür sprechen, dass die Singularformen synchron von den Pluralformen abgeleitet werden. Obwohl ich in meiner eigenen Analyse nicht von morphologischer Subtraktion ausgehen werde, erlaube ich es mir aus praktischen Gründen trotzdem, im Folgenden von Subtraktion bzw. subtraktiven Formen zu sprechen.
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Ein erster Hinweis darauf findet sich bei Schirmunski (1962, 417): „All diese durch Assimilation bedingten Arten des Wechsels [subtraktive Formen, M.B.B.] sind in den nieder- und mitteldeutschen Dialekten besonders stark vertreten.“
3 SPRACHGEOGRAPHIE 3.1 VORGEHENSWEISE Die im vorausgegangenen Kapitel aufgestellte Hypothese soll im Folgenden empirisch untermauert werden. Hauptanliegen dieses Teils ist die Rekonstruktion des Verbreitungsgebiets subtraktiver Plurale und Dative etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das gesamte geschlossene deutsche Sprachgebiet wird in Bezug auf diese Erscheinung hin untersucht. Als Quellenmaterial kommen dabei drei Datentypen zum Einsatz: 1) Dialektgrammatiken, insbesondere Ortsmonographien (von 1819 bis 1994), 2) großräumige Dialektwörterbücher und 3) Sprachatlanten. Die Belege aus den Ortsmonographien und den Wörterbüchern wurden in eine Datenbank eingegeben und sollen in Kapitel 3.2 mit den Sprachatlasdaten verglichen werden. 3.1.1 Datenbank Für die Eingabe der Daten wurde zunächst eine relationale Datenbank mithilfe des Programms Filemaker Pro 11 konzipiert, die aus insgesamt fünf miteinander verknüpften Tabellen besteht.9 Neben einer Tabelle mit den Belegdaten gibt es Tabellen zu den einzelnen Belegorten, Belegquellen, zu den Lexemen und eine sogenannte „ join table“, die die Mehrfachbeziehungen zwischen den Orten und den Quellen bewerkstelligt: Ein Ort kann einerseits von verschiedenen Quellen behandelt werden, eine Quelle kann aber andererseits mehrere Orte umfassen. Eine relationale Datenbank ist u. a. deshalb sinnvoll, weil damit eine Information nur einmal eingetragen werden muss und leicht korrigiert werden kann. So lassen sich Fehler, die bei einer solchen Datenmenge nie ausgeschlossen werden können, immerhin einfacher vermeiden. Es lassen sich auch sehr leicht Auszählungen vornehmen und komplexe Anfragen an das System stellen. Neben der einfachen Handhabung von großen Datenmengen war es ein wichtiges Ziel der Datenbank, aus beliebigen Anfragen sofort fertige Karten erstellen zu können. Dazu schrieb ich ein Python-Script, das Daten aus einer Filemaker-Anfrage in der Form einer tabulatorseparierten Datei exportiert und sie in das kostenlose und quelloffene Programm Quantum GIS 1.7.4 importiert.10 Die Erstellung einer Karte dauert auf diesem Wege nur wenige Sekunden. Das hierbei verwendete Kartenmaterial bezog ich aus dem vom North Ame-
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; Stand: 02.08.12. ; Stand: 02.08.12.
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rican Cartographic Information Society (NACIS) unterstützten, gemeinfreien Projekt Natural Earth.11 Für die Bereitstellung und Georeferenzierung einiger Rasterkarten bedanke ich mich bei Slawomir Messner und Lea Schäfer (Marburg). Für die Erstellung der Karten der vorliegenden Publikation mit ArcGIS danke ich Stephanie Leser (Marburg).12 Erforderlich für die erfolgreiche Kartierung war die genaue Verortung eines jeden Belegs und die geographische Identifizierung sämtlicher Belegorte. Nach der Eingabe sämtlicher Orte mit zugehörigen Landkreisen in die Ortstabelle mussten die geographischen Positionen ergänzt werden. Hierzu schickte ich eine Liste aller Belegorte an Slawomir Messner (Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas), der mir die geographischen Positionen aus dem im Entstehen begriffenen REDE-Informationssystem exportierte.13 So konnten etwa 2/3 der geographischen Positionen auf schnellem Wege in die Datenbank eingespeist werden; eine Überprüfung aller Positionen ist später erfolgt. Für das restliche Drittel mussten die Belegorte manuell identifiziert werden. Dies war gerade in den ehemaligen Ostgebieten eine große Herausforderung, da sich die Ortsnamen seit dem Zweiten Weltkrieg geändert haben. Eine große Hilfe waren dabei das Werkzeug „historische Ortsnamen“ vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie14 und das weniger offizielle, aber durchaus zuverlässige Suchportal „Genealogisches Ortsverzeichnis“ (GOV) des Vereins für Computergenealogie.15 Auch der große Datenpool im Kartenprogramm Google Earth erwies sich als sehr hilfreich.16 Mit einer gewissen Fehlerrate ist bei den vorgenommenen Verortungen jedoch zu rechnen. 3.1.2 Datentypen Da es mir um die Rekonstruktion des historischen Verbreitungsgebiets der subtraktiven Formen im deutschsprachigen Raum ging, wurde ausschließlich auf bereits veröffentlichte Quellen zurückgegriffen. Verschiedene Datentypen kamen dabei in Frage: Es waren dies Dialektgrammatiken (z. B. Ortsmonographien oder Zeitschriftenaufsätze), Dialektwörterbücher, Tonkorpora, phonetisch transkribierte Dialekttexte, historische Dialekttexte, Mundartliteratur und Sprachatlanten. Von diesen habe mich letztlich auf drei beschränkt: Dialektgrammatiken, Dialektwörterbücher und Sprachatlanten, wobei den Dialektgrammatiken der Vorzug gegeben wurde. Während die Dialektwörterbücher in der Regel kompilatorische Arbeiten mit einer sehr heterogenen Datengrundlage darstellen, wurden gerade viele ältere Ortsmonographien von einer Person an-
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; Stand: 02.08.12. ; Stand: 04.08.14. ; Stand: 26.12.12. ; Stand: 02.08.12. ; Stand: 02.08.12. ; Stand: 02.08.12.
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gefertigt, die sich mit einem Dialekt besonders gut auskannte (vgl. Fleischer 2002, 36).17 Der Wert der Dialektwörterbücher liegt demgegenüber darin, für möglichst viele, auch seltene Lexeme, die in den Ortsmonographien oft gar nicht aufgeführt werden, subtraktive Formen finden zu können. Schließlich sind Sprachatlanten in einer dialektgeographischen Untersuchung unabdingbar. Dieser Datentyp nimmt in meiner Untersuchung jedoch eine etwas andere Rolle ein als die Dialektgrammatiken und -wörterbücher, indem die Sprachatlanten uns meist nur über die phonologischen Prozesse, die in einem bestimmten Gebiet gewirkt haben, informieren. Wenn wir aber wie oben annehmen, dass Subtraktion in den deutschen Dialekten ein phonologisch bedingter Prozess ist bzw. mehrere phonologische Prozesse miteinander interagieren, könnte der Nachweis solcher Prozesse im Raum einen Hinweis darauf geben, wo wir subtraktive Formen erwarten könnten. Wenn dies dann in einem zweiten Schritt über die dialektologisch-grammatische Literatur bestätigt werden könnte, böte dies Unterstützung für meine Hypothese. Das Kartenmaterial enthält auch wertvolle Informationen zu Orten, zu denen keine Dialektgrammatiken vorliegen, und erst dadurch wird es möglich, das Verbreitungsgebiet der subtraktiven Formen vollständig zu rekonstruieren. Bevor wir mit einer eingehenderen Besprechung der einzelnen Datentypen anfangen, seien noch einige Bemerkungen zu den nicht herangezogenen Datentypen am Platze.18 Vor allem die Tatsache, dass Tonkorpora, wie die des Deutschen Spracharchivs (DSAv), v. a. das sogenannte „Zwirner-Korpus“ oder das „Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten“, fehlen, bedarf einer Begründung. Hierzu wurden von mir Pilotstudien durchgeführt, jedoch mit eher mäßigen Ergebnissen. Für das Untersuchungsgebiet des MRhSA (das linksrheinische Rhein- und Moselfränkische) – ein Gebiet, das sich sogar heute noch im hohen Maße durch subtraktive Formen kennzeichnet (vgl. Girnth 2000) – konnte ich beispielsweise für das Lexem ‘Kind’ nur sechs Belege für subtraktive Formen im Zwirner-Korpus finden, für ‘Hund’ gerade einmal einen Beleg. Ausschlaggebend sind hier die Länge der Aufnahmen und die gewählte Erhebungsmethode: Da das Zwirner-Korpus meistens aus freien Dialogen besteht, sind die Aufnahmen selten direkt vergleichbar. Nur in wenigen Fällen findet man dasselbe Lexem in jedem Ort, geschweige denn im Nominativ/Akkusativ Plural oder Dativ Singular zusammen mit dem Nominativ Singular. Auch das online zugängliche Material des Deutschen Spracharchivs ist beschränkt: Aufnahmen fehlen gerade zu vielen niederdeutschen Dialekten (besonders für das Gebiet der ehemaligen DDR und der Ostgebiete), so dass das Korpus klar hochdeutschlastig ist. Beim „Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten“ ist das deutsche Sprachgebiet
17 Eine möglichst homogene Datengrundlage ist besonders für eine Arbeit, die sich mit relikthaften Flexionsformen, die von Ort zu Ort, sogar von Sprecher zu Sprecher variieren können, wünschenswert. Bezüglich der Behandlung der subtraktiven Formen im deutschen Sprachraum hat dies vorher nur Knaus (2003, 5) richtig erkannt. 18 Für das Problem der historischen Dialekttexte sei auf Kapitel 4 verwiesen: Es sei hier nur erwähnt, dass die von mir untersuchten Texte keine subtraktiven Formen aufwiesen.
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demgegenüber denkbar gut abgedeckt, dafür sind die Aufnahmen zeit- und zweckbedingt zu kurz; durchschnittlich etwa drei Minuten gegenüber elf bei der Zwirner-Erhebung. Die phonetisch transkribierten Dialekttexte der „Lautbibliothek der deutschen Mundarten“ und deren Nachfolgerreihe „Phonai“, die zum großen Teil auf dem Unternehmen Eberhart Zwirners fußen, unterliegen dem gleichen Problem. Auf den Datentyp Dialektkorpus kommen wir aber im Analyseteil wieder zurück, wenn es um die Häufigkeit des Phänomens Subtraktion gehen soll. Gegen den Datentyp Mundartliteratur habe ich mich hauptsächlich aufgrund der Tatsache, dass diese Texte meist nicht digital vorhanden sind und somit nicht schnell durchsuchbar sind, weniger aufgrund ihrer Nicht-Authentizität, entschieden. Wie Fleischer (2002, 40–41) bemerkt, sind mundartliterarische Texte jedoch nicht völlig unumgänglich, da viele Literaturbelege in die großlandschaftlichen Dialektwörterbücher geflossen sind. Auch einige Ortsmonographien basieren schließlich auf mundartliterarischem Material: In meiner Untersuchung sind dies beispielsweise die Arbeiten Peter Jørgensens zur nordniederdeutschen Mundart Klaus Groths und die Arbeit Adolf Sütterlins zur Straßburger Mundart in Johann Georg Daniel Arnolds Lustspiel „Pfingstmontag“. In unserem Fall ist dies jedoch nicht so kritisch wie im Falle einer lexikographischen Untersuchung: Da Subtraktion ganz und gar nicht in der Standardsprache vorkommt und nur schwer als freie Erfindung vonseiten des Autors, höchstens als Übernahme aus einer nahestehenden (Prestige)varietät, eingeschätzt werden kann, wurden Belege für Subtraktion aus mundartliterarischen Quellen in dieser Arbeit als authentisch angesehen. 3.1.2.1 Dialektgrammatiken Den wichtigsten Datentyp in meiner Untersuchung stellen Dialektgrammatiken dar: Darunter verstehe ich alle dialektologisch-grammatischen Beschreibungen, die in der Zeit von ca. 1820 bis ca. 1990 erschienen sind und die meistens eine Varietät beschreiben, die man in der gegenwärtigen Forschung am ehesten „Basisdialekt“ nennen würde (vgl. Niebaum / Macha 2006, 5). Da es mir darum ging, das historische Verbreitungsgebiet subtraktiver Formen zu rekonstruieren, wurden für den empirischen Teil rezente Dialektstudien zu den modernen Regionalsprachen insgesamt ausgeklammert.19 Allerdings wurden ältere Arbeiten über Stadtsprachen herangezogen, da mich die Frage interessierte, ob subtraktive Formen früher in den Städten existiert haben. Ein Großteil der von mir herangezogenen Dialektgrammatiken gehört zur Kategorie „Ortsmonographie“; sie sind also nach 1876 erschienene, im junggrammatischen Paradigma geschriebene Arbeiten zum Dialekt eines bestimmten Ortes (vgl. Schmidt / Herrgen 2011, 90–97). Daneben finden sich viele Landschaftsgrammatiken aus der Marburger Reihe „Deutsche Dialektgeographie“ oder modernere 19
Für subtraktive Plurale in modernen Regionalsprachen s. Girnth (2000).
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strukturalistische Publikationen. Ein kleinerer Teil sind Zeitschriftenaufsätze, ältere großräumige Dialektgrammatiken hauptsächlich aus der Zeit vor der junggrammatischen Wende oder weniger umfassende Dialektbeschreibungen in Korrespondenz- und Heimatblättern. Insgesamt wurden 300 Dialektgrammatiken nach der obigen Definition für das gesamte geschlossene deutsche Sprachgebiet untersucht. Die Zahl aller vorhandenen Beschreibungen liegt natürlich wesentlich höher, es musste eine Auswahl getroffen werden.20 Mithilfe von GOBA (Georeferenzierte OnlineBibliographie Areallinguistik),21 die unter anderem auf Wiesinger / Raffin (1982) und Wiesinger (1987) basiert, wurden zunächst sämtliche in der Bibliothek des Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas in Marburg und im Internet zugänglichen Dialektgrammatiken innerhalb des geschlossenen deutschen Sprachgebiets identifiziert und, soweit möglich, gesichtet. Für diejenigen deutschen Dialekte, welche die in Kapitel 2.3.2 skizzierten phonologischen Entwicklungen (Konsonantenassimilationen bzw. Lenisierung einschließlich Apokope) durchgemacht haben, wurden sämtliche Ortsmonographien und sonstige Arbeiten herangezogen. Dieses Gebiet umfasst von den oberdeutschen Dialekten das Niederalemannische und das westliche Ostfränkische, sämtliche westmitteldeutschen Dialekte bis auf das nördliche Nordhessische, von den ostmitteldeutschen Dialekten das Südthüringische, das südwestliche Obersächsische und das Hochpreußische und schließlich von den niederdeutschen Dialekten den Großteil des Nordniederdeutschen, das Mecklenburgisch-Vorpommersche, das nördliche Brandenburgische, das Mittelpommersche, das Ostpommersche und das Niederpreußische. Das soeben festgelegte Gebiet nenne ich im Folgenden „hypothetisches Subtraktionsgebiet“, da nur innerhalb dieses Gebiets subtraktive Formen zu erwarten sind. Es ist dabei zu betonen, dass gerade die Apokopegrenzen je nach Lexem und morphologischer Funktion zum Teil unterschiedlich im Raum verlaufen. Deswegen sind die Übergänge zwischen Gebieten, welche die Apokope kennen, und solchen, die sie nicht kennen, fließend (vgl. Schirmunski 1962, 159–160). Punktuelle Entwicklungen, die zu subtraktiven Formen führen, sind auch nicht auszuschließen. Aus diesem Grund habe ich über das hypothetische Subtraktionsgebiet hinaus Ortsmonographien für die restlichen Teile des geschlossenen deutschen Sprachgebiets herangezogen, und zwar sämtliche Ortsmonographien, die eine Formenlehre enthalten. Grundsätzlich haben die morphologischen Darstellungen einen größeren Aussagewert, weil Subtraktion erst dann festgestellt werden kann, wenn man die Ausgangsform (also in unserem Fall den Nominativ Singular) kennt (für diese Problematik in der Dialektgeographie s. Dingeldein 1983, 1197). In schlechter erforschten Gebieten
20 Nach Auskunft von GOBA (Georeferenzierte Online-Bibliographie Areallinguistik) liegt die Zahl aller das deutsche Sprachgebiet betreffenden Publikationen, die als Dialektgrammatik bezeichnet werden könnten, bei etwa 1900. 21 ; Stand: 23.12.12.
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wie etwa dem nördlichen Moselfränkischen oder im Mittelpommerschen habe ich mich allerdings mit reinen Lautdarstellungen begnügen müssen. Die Belege wurden wie folgt gesammelt: Zuerst wurde die Formenlehre, soweit vorhanden, zurate gezogen und im Glücksfall, etwa bei Bertrang (1921) und Mischke (1936), wird hier die Pluralbildung sehr systematisch abgehandelt. In nicht wenigen Fällen musste ich aber leider feststellen, dass der Autor auf Dialektbeispiele verzichtete und sich bei der Behandlung eines bestimmten dialektmorphologischen Musters nur mit einer reinen Auflistung der hiervon betroffenen Lexeme zufriedengab. Solche „Belege“ konnten hier freilich nicht aufgenommen werden. Mit Kasus gehen gerade ältere Arbeiten eher sonderbar um: Viel Platz wird dem in den meisten deutschen Dialekten ausgestorbenen Genitiv gewidmet, der zum Teil noch lebendige Dativ findet aber oft keine Erwähnung. Aus diesen Gründen war es notwendig, auch die Lautlehre zu konsultieren. Hier konnten Belege in der Regel sehr bequem über das für den Konsonantismus verwendete westgermanische Bezugssystem (meist unter westgerm. *b, *d, *g) gefunden werden. Im Falle eines positiven Belegs wurde die Arbeit auch auf die entsprechende Ausgangsform hin untersucht, was gerade bei digital vorhandenen Beschreibungen sehr bequem war. Ich habe mich darum bemüht, für sämtliche Dialektgrammatiken den Bezugsort bzw. die Bezugsorte ausfindig zu machen. Dies ist mir weitgehend gelungen, zumal jener in der Regel im Titel oder in der Einleitung der jeweiligen Arbeit enthalten ist. Bei einigen älteren Dialektgrammatiken (wie z. B. Nerger 1869; Weinhold 1853; Wiggers 1858) ist dies aber nicht der Fall. Bei anderen ist das Gebiet zwar explizit festgelegt, der Autor verortet seine Belege aber nicht genauer. In diesen und ähnlichen Fällen wurde der Geburtsort des Autors oder ein sonstiger prominenter Ort innerhalb des Gebiets als Bezugsort gewählt. In einigen wenigen Fällen konnte gar kein Ort ermittelt werden. Abbildung 1 auf der nächsten Seite zeigt das Ortsnetz der herangezogenen Dialektgrammatiken, bei dem jedoch die nicht verortbaren Darstellungen noch zu ergänzen wären. Ins Auge fällt die größere Ortsdichte im Bereich der mitteldeutschen Dialekte, was mit der allgemeinen Schieflage bei der Erforschung der deutschen Dialekte zusammenhängt (vgl. Fleischer 2002, 37). Wichtige Arbeiten, wie Alles (1907/1908) für das Zentralhessische mit Übergangsgebieten zum Nordhessischen und Osthessischen, Bock (1933) für das Nordniederdeutsche, Brose (1955) für das mittelpommersch-brandenburgische Übergangsgebiet und Krause (1895; 1896) für das brandenburgisch-ostfälische Übergangsgebiet, sorgen auch für eine (auffällig) größere Dichte in ihren jeweiligen Untersuchungsgebieten. Da Anspruch auf Vollständigkeit weitestgehend erhoben wird, habe ich in Anhang A sämtliche von mir benutzten Dialektgrammatiken aufgeführt, geordnet nach Dialektverband (die hierin enthaltenen Literaturverweise sind alle im Literaturverzeichnis aufgelöst).
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Abbildung 1: Ortsnetz (Dialektgrammatiken)
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3.1.2.2 Dialektwörterbücher Alle großräumigen Dialektwörterbücher für das gesamte deutsche Sprachgebiet wurden, ausgehend von einer Lexemliste (s. Anhang C), komplett durchsucht. Diese Lexemliste setzt sich aus sämtlichen Lexemen zusammen, die in der dialektologisch-grammatischen Literatur mit einer oder mehreren subtraktiven Formen belegt sind. Insofern stellt die Wörterbuchrecherche nur eine Ergänzung zu den Dialektgrammatiken dar: Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Gerechtfertigt ist diese Herangehensweise insofern, als für das Nieder- und Hochdeutsche zum Teil unterschiedliche phonologische Umgebungen und Lexeme in Frage kommen, die nicht alle mit einer Lexemliste aus einem modernen rückläufigen Wörterbuch (wie Mater 1965 oder Ruoff 1981) abgedeckt werden konnten, da entsprechende Wörterbücher für das Niederdeutsche fehlen. Vollständige Lexemlisten für das Hochdeutsche habe ich jedoch zusammengestellt und diese werden im Laufe der Darstellung aus Gründen der Repräsentativität mit meinen Befunden verglichen. Dort wird sich zeigen, dass die meisten in Frage kommenden Lexeme auch von den Dialektgrammatiken abgedeckt werden.22 Belege konnten auf diesem Wege relativ schnell gefunden werden; die große Anzahl gerade von Pluralbelegen machte aber eine Auswahl erforderlich. So wurden immer die Leitformen aufgenommen und alle Beispiele in den eigenen Abschnitten zur Formengeographie. Bei den vielen Dialektbeispielen im Fließtext, die in vielen Fällen mit einer erst zu entschlüsselnden Ortssigle versehen sind, konnte ich nur die wesentlich selteneren Dativbelege aufnehmen. Dies ist zu bedauern, aber insofern gerechtfertigt, als die Ortsmonographien die Dativformen meistens außer Acht lassen. Die Dialektwörterbücher sind somit meine wichtigste Quelle zu den subtraktiven Dativen und ergänzen in diesem Punkt die Ortsmonographien denkbar gut. Probleme tauchten vor allem bei der Ortsfindung auf. Die Dialektwörterbücher arbeiten mit bisweilen sehr komplizierten Ortssiglen, die nicht immer in einem Ortsverzeichnis aufgelöst werden (s. auch Fleischer 2002, 38–39). Mittels des REDE-Informationssystems und Google Earth ist es mir aber meistens gelungen, die Orte ausfindig zu machen. Belege ohne oder mit sehr spärlichen Ortsangaben wurden ebenfalls aufgenommen und entsprechend in der Datenbank vermerkt; sie können aber naturgemäß nicht kartiert werden. Nicht alle Wörterbücher waren für eine morphophonologische Untersuchung wie diese geeignet: In vielen Fällen wird das Lemma im Belegtext abgekürzt und die morphologische Form bleibt somit im Dunkeln. Im Falle des „Schlesischen Wörterbuchs“ werden meist nur Angaben zur Semantik gemacht – dies ist besonders bedauerlich, als dieses Gebiet durch Ortsmonographien schlecht erschlossen ist, aber wahrscheinlich auch eine Folge davon. Einige Wörterbücher 22 Mir ist nur eine prominente Ausnahme aufgefallen: Interessanterweise kommt das Lexem ‘Mond’ in keiner meiner Dialektgrammatiken vor, obwohl eine Recherche in den Dialektwörterbüchern hier ein positives Resultat liefert.
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befanden sich zur Zeit meiner Untersuchung noch in Bearbeitung: Dies gilt z. B. für das „Bayerische Wörterbuch“, das „Ostfränkische Wörterbuch“ und das „Westfälische Wörterbuch“. Bei den unvollständigen Wörterbüchern wurden auch die letzten Faszikel berücksichtigt. 3.1.2.3 Sprachatlanten Wie bereits in Kapitel 3.1.2 erläutert, bilden Sprachatlanten das Vergleichsmaterial zu meiner Belegsammlung aus Grammatik- und Wörterbuchdaten. Ich beziehe mich dabei auf alle großräumigeren Sprachatlanten zum Deutschen, besonders aber auf den „Sprachatlas des deutschen Reichs“ (Wenker-Atlas), den späteren „Deutschen Sprachatlas“ (DSA) und den „Mittelrheinischen Sprachatlas“ (MRhSA).23 Die ersteren zwei Sprachatlanten, die beide auf der WenkerErhebung fußen, decken das gesamte geschlossene deutsche Sprachgebiet ab, jedoch sind in den Wenkersätzen selbst nur wenige Lemmata vorhanden, die Subtraktion bewirken würden. Aber immerhin kartieren die Wenker-Karten 48 „Pferde“ und 524 „Felde“ subtraktive Dative, was eine sehr gute Ergänzung zu den in Bezug auf nominale Kasusmorphologie meist weniger ergiebigen Ortsmonographien darstellt. Für die Pluralmorphologie ist die Lage weniger gut: Nur das Lexem ‘Berg’ auf Wenker-Karte 405 „Berge“ kommt hier in Frage, das Subtraktion in einem sehr kleinen Gebiet im Osthessischen und Thüringischen östlich und westlich der Fulda auslöst (s. hierzu Abbildung 4 auf Seite 80). Phonologisch bieten die Wenker-Karten natürlich mehr: Dank des WenkerMaterials wissen wir auch relativ gut Bescheid über die Verbreitung der Apokope, ohne die es unser Phänomen nicht geben würde. Etwas schwieriger ist die Lage bei den Assimilationen und Lenisierungen, da bei der Sprachatlaserhebung auf eine indirekte Abfragemethode mittels Laienschreibungen gesetzt wurde (vgl. Herrgen 2001, 1524), die das ganze Unternehmen zwar erst ermöglicht hat, bei der aber der genaue Lautwert nie mit Sicherheit festgestellt werden kann. Bei der Suche nach relevanten Wenker- und DSA-Karten halfen mir einerseits der Überblick in Mitzka (1952, 23–24) und die von Alfred Lameli erarbeiteten phonologischen und morphologischen Register im „Digitalen Wenker-Atlas“.24 Besonders ergiebig waren dabei die Wenker-Karten 141 „sagen“ und 232 „Ende“, indem sie ähnliche phonologische Umgebungen wie die der subtraktiven Formen (intervokalische Konsonantencluster und Vokal+Konsonant-Abfolgen) aufweisen und uns somit einen Hinweis darauf geben, wo subtraktive Formen vorgefunden werden können. Der MRhSA bietet als einer der ersten modernen Sprachatlanten einen eigenen Morphologieband, dessen Karten 549–561 Pluralisierungsverfahren im 23 Wenn ich die jeweiligen Kartenpublikationen zitiere, benutze ich die Bezeichnung „WenkerKarte“ für den „Sprachatlas des deutschen Reichs“ und „DSA-Karte“ für den späteren „Deutschen Sprachatlas“. 24 ; Stand: 24.01.13.
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Sprachgeographie
linksrheinischen Rhein- und Moselfränkischen zeigen, worunter sich die potenziell subtraktiven Lexeme ‘Hund’, ‘Kind’, ‘Pflug’, ‘Rad’, ‘Schuh’ und ‘Tag’ befinden. Für unsere Zwecke hat der Atlas zudem den großen Vorzug, dass sowohl die Singular- als auch die Pluralform mit erhoben wurden. Besonders nützlich ist dabei der Vergleich zwischen Datenserie I (die ältesten immobilen Sprecher) und Datenserie II (die jüngeren Nahpendler), allerdings liegen nicht Kontrastkarten zu sämtlichen abgefragten Lexemen vor, obwohl dieses Material erhoben wurde (etliche in der Kartenpublikation nicht enthaltenen Kontrastkarten werden allerdings in Girnth 2000 ergänzt).25 Ich beziehe mich neben dem Morphologieband auch auf Karten aus den MRhSA-Bänden zur Phonologie. Neben dem MRhSA waren besonders die Karten des „Atlas linguistique et ethnographique de l’Alsace“, des „Atlas linguistique et ethnographique de Lorraine Germanophone“, des „Sprachatlas von Südwestdeutschland“ sowie des „Sprachatlas von Unterfranken“ relevant, da sich diese im hypothetischen Subtraktionsgebiet befinden. Alle zu Vergleichszwecken verwendeten Karten sind in Anhang B aufgeführt. 3.1.3 Prinzipien der Darstellung Das von mir gesammelte Material wird in Kapitel 3.2 vorgestellt und mit Sprachatlasdaten und Listen von hypothetisch subtrahierenden Lexemen verglichen. Die Darstellung richtet sich nach der phonologischen Umgebung des zu tilgenden stammfinalen Konsonanten: In Anlehnung an Golston / Wiese (1996) und Knaus (2003) wird dabei zuerst grundsätzlich zwischen Subtraktion bei Konsonantenclustern und Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen unterschieden und dann auf die einzelnen Untergruppen eingegangen. Dies erschien mir sinnvoll, da sich die jeweiligen phonologischen Umgebungen in Bezug auf unser Phänomen unterschiedlich verhalten. Es soll je nach phonologischer Umgebung von unterschiedlichen „Subtraktionstypen“ die Rede sein; jedem Subtraktionstyp ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Zu Beginn eines jeden Kapitels wird eine möglichst exhaustive Liste der Simplexwörter, die im Hochdeutschen – und in den meisten Fällen auch im Niederdeutschen – auf die von Subtraktion betroffenen Konsonantencluster oder Vokal+Konsonant-Abfolgen enden, vorgestellt. Diese soll veranschaulichen, wie phonologisch die von mir betrachtete Erscheinung ist bzw. wie hoch die „cue validity“ eines Subtraktionstyps bzw. Schemas (s. morphologische Analyse in Kapitel 7.5) sein kann, d. h. für wie viele Simplexwörter mit einer bestimmten phonologischen Form subtraktive Formen tatsächlich nachgewiesen sind. Falls nicht anders angemerkt ist die Quelle dieser Auflistungen das rückläufige Wörterbuch von Ruoff (1981). Da mir kein umfassendes rückläufiges Wörterbuch zum modernen Niederdeutschen zugänglich war, sind die Lexemlisten eher hoch-
25
Für Auskünfte hierzu bedanke ich mich bei Heiko Girnth (Marburg).
Vorgehensweise
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deutschlastig, obwohl es viele Übereinstimmungen mit dem Niederdeutschen gibt, was sich auch aus der folgenden Darstellung ergeben wird. Subtraktive Plurale und Dative werden in der Regel getrennt voneinander behandelt. Nur in Fällen, bei denen sehr wenige Belege vorliegen, werden sie zusammen besprochen. Aus Platzgründen kann nicht das Material in seiner Gesamtheit dargestellt werden, sondern eine gewisse Abstraktion ist notwendig: Ich habe mich darum bemüht, sämtliche Substantive, die in den deutschen Dialekten zur Subtraktion führen, in die Darstellung aufzunehmen. Bei phonologischen Umgebungen mit sehr vielen Belegen wird stellvertretend nur ein Lexem aufgeführt (dies nenne ich Lexemübersicht): Dabei enthält die Spalte „Areale“ die Anzahl der Dialektverbände (nach Wiesinger 1983b), in denen das Lexem mit Subtraktion belegt ist. Wo hingegen nur wenige Belege vorliegen, wird jeder Beleg einzeln aufgeführt (dies nenne ich Belegübersicht). Komposita werden dabei nicht gesondert aufgeführt: Sie kommen in den von mir untersuchten Quellen sehr selten vor, aber wenn sie vorkommen, verhalten sie sich in Bezug auf Subtraktion immer wie die Simplexwörter. Aus diesen und in Kapitel 7.5 zu erörternden Gründen wurden sie in den Lexemlisten zum jeweiligen Grundlexem bzw. Stamm gezählt. Zur Statistik sei Folgendes gesagt: Da das Untersuchungsgebiet, bedingt durch die Forschungslage, unterschiedlich gut abgedeckt ist und meine Quellen insgesamt eine sehr heterogene Untersuchungsgrundlage darstellen, habe ich mich bewusst mit Statistiken zurückgehalten. Zahlen und Prozentangaben finden sich nur zur besseren Orientierung in den Tabellen, damit der Leser etwa einen Eindruck von der Größe der Belegsammlung und der Distribution der jeweiligen Subtraktionstypen bekommt. Dort gilt das, was bereits für die Dialektgrammatiken angemerkt wurde. In der Regel zählt eine subtraktive Form aus einer Ortsmonographie oder einem Wörterbuch als ein einziger Beleg, sofern nicht mehrere Belege genannt und entsprechend verortet werden. Dies gilt meistens auch für die großräumigeren Dialektgrammatiken, die leider nur selten darüber Auskunft geben, woher sie eine besondere morphologische Form beziehen, wenn sie überhaupt eine Formenlehre enthalten. In einigen wenigen Fällen war eine Verortung gar nicht zu bewerkstelligen; in solchen Fällen wird die Sigle [???] verwendet. Die Dialekteinteilung orientiert sich an Wiesinger (1983b), der besonders strukturelle Unterschiede im Vokalismus berücksichtigt. Daneben spielen aber auch die Reflexe der Zweiten Lautverschiebung und morphologische Kriterien eine Rolle. Im Unterschied zu früheren Dialekteinteilungen werden bei Wiesinger Übergangsgebiete angesetzt (vgl. Wiesinger 1983b, 808–814). Dies stellt ein potenzielles Problem dar, da es nicht immer ganz klar ist, zu welchem Dialektverband ein sich im Übergangsgebiet befindender Ort am ehesten gehört. In der tabellarischen Darstellung arbeite ich aus praktischen Gründen nicht mit Übergangsgebieten, sondern orientiere mich bei der Dialektzuordnung an den Angaben von Wiesinger / Raffin (1982) und Wiesinger (1987), die ebenfalls eine klare Zuordnung anstreben. In Fällen, bei denen keine genauen Angaben vorlagen, war die relative Nähe zu einem Dialektverband entscheidend
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Sprachgeographie
(zu diesem Problem s. Fleischer 2002, 42–43). Wir werden aber sehen, dass die Übergangsgebiete in Bezug auf unser Phänomen relevant sind, so dass bei der Diskussion der Belege im Fließtext nicht auf sie verzichtet werden kann. Bei den in den Tabellen benutzten Siglen für Dialektverbände orientiere ich mich an Fleischer (2002, 7–8); sie sind im Abkürzungsverzeichnis aufgeführt. Es wurde nicht angestrebt, die in der dialektologisch-grammatischen Literatur verwendete Lautschrift in moderne IPA-Transkription zu übersetzen, sondern die Belege werden wie im Original wiedergegeben, nur kleingeschrieben und kursiv gesetzt. Dies ist in einer dialektmorphologischen Arbeit weniger problematisch als in einer eher phonologisch orientierten, denn eigentlich kommt es uns ja hier nur auf die Ab- bzw. Anwesenheit eines zum Stamm gehörigen Konsonanten an. Ein weiterer Grund, auf moderne Transkriptionen zu verzichten, war die zu beobachtende Willkür in einigen älteren Arbeiten, die besondere Vorsicht erfordert (vgl. die Bemerkungen in Kapitel 3.2.4.1 zu Alles 1907/1908). Meistens handelt es sich bei den älteren Transkriptionen um die gut bekannte Teuthonista-Schrift (s. etwa Teuchert 1924/1925). In einigen Fällen – besonders bei den ältesten Darstellungen – werden aber auch idiosynkratische Transkriptionssysteme oder gar Orthographien verwendet. Alles in allem sind dies aber Transkriptionen, die unseren Zwecken vollauf genügen. IPA-Transkriptionen aus moderneren Arbeiten stehen je nach linguistischer Bewertung gewohnt zwischen eckigen Klammern oder Schrägstrichen. 3.2 AUSWERTUNG DES DATENKORPUS 3.2.1 Allgemeine Beobachtungen Insgesamt enthält meine Datenbank 2209 Belege für Subtraktion in den Dialekten des Deutschen, die in Tabelle 4 näher klassifiziert werden: Belege
Total
gesichert
ungesichert
Dialektgrammatiken Dialektwörterbücher
940 702
447 120
1387 (63 %) 822 (37 %)
Total
1642 (74 %)
567 (26 %)
2209
Tabelle 4: Datentypen: Belege
Hier wird zunächst – aus den in Kapitel 3.1.2 erörterten Gründen – zwischen Belegen aus Dialektgrammatiken und Belegen aus Dialektwörterbüchern unterschieden. Wir sehen, dass von der Gesamtmenge an Belegen solche aus den Dialektgrammatiken überwiegen; das liegt daran, dass die Dialektgrammatiken in dieser Arbeit als Datentyp bevorzugt wurden und nur großräumige Dialektwörterbücher herangezogen wurden. Sodann wird zwischen gesicherten
47
Auswertung des Datenkorpus
und ungesicherten Belegen gesondert: Gesicherte Belege sind solche, bei denen sowohl die Nominativ-Singular-Form als auch die Nominativ/Akkusativ-Pluralbzw. Dativ-Singular-Form ermittelt werden konnten. Unsichere Belege enthalten demgegenüber nur die jeweiligen Plural- oder Dativ-Singular-Formen und wurden nur in Fällen aufgenommen, bei denen ich in einer Ortsmonographie oder in einem Dialektwörterbuch sonstige Hinweise auf den Nominativ Singular (Lautgesetze, Wörter mit ähnlicher phonologischer Struktur) finden konnte. Das schlechtere Abschneiden der Dialektgrammatiken gegenüber den Dialektwörterbüchern ist bedingt durch die vielen Dialektgrammatiken, die nur eine Lautlehre oder eine sehr beschränkte Formenlehre enthalten. In der folgenden Auswertung werden alle Belege berücksichtigt (immerhin ist 3/4 der Datenmenge gesichert); sich daraus ergebende Probleme werden dabei im laufenden Text kommentiert. Plural
Dativ
Total
subtraktiv subtraktiv-modifikatorisch
493 1455
141 120
634 (29 %) 1575 (71 %)
Total
1948 (88 %)
261 (12 %)
2209
Tabelle 5: Morphologische Signalisierung und Kategorie
In Tabelle 5 wird der zahlenmäßige Unterschied zwischen den subtraktiven Pluralen und Dativen deutlich: Während 1948 Belege (88 Prozent) für subtraktive Plurale gefunden werden konnten, beträgt die Anzahl subtraktiver Dative lediglich 261 (12 Prozent). Angesichts dieser Tatsache überrascht es nicht, dass die subtraktiven Dative bisher nicht die Aufmerksamkeit der Forschung geweckt haben. Tabelle 5 veranschaulicht zusätzlich das Verhältnis zwischen morphologischer Signalisierung und Kategorie: Bei der morphologischen Signalisierung (Addition, Modifikation, Null, Subtraktion) unterscheide ich zwischen zwei Arten von Subtraktion: rein subtraktiven Formen und subtraktivmodifikatorischen Formen. Rein subtraktive Formen wären nach Dressler (2000) der prototypische Typ, wie er in Kapitel 2.1 definiert wurde. Beim subtraktiv-modifikatorischen Typ kommt eine zusätzliche Markierung, in der Regel Umlautung des Stammvokals, hinzu. Hier sehen wir, dass prototypische Subtraktion nur bei 25 Prozent der Pluralformen vorliegt, während beim Dativ Singular prototypische Subtraktion mit 54 Prozent knapp überwiegt. Kommen wir jetzt zu den phonologischen Umgebungen, die zur Tilgung des stammfinalen Konsonanten führen. Sie sind in (5) aufgelistet: (5)
Phonologische Umgebungen für Subtraktion in den deutschen Dialekten: a. ehemals inlautende Konsonantencluster: /-nd-/, /-Ng-/, /-rd-/, /-ld-/, /-mb-/ (/-rg-/, /-md-/) b. ehemals inlautende Vokal+Konsonant-Abfolgen: /-Vg-/, /-Vd-/, /-Vx-/ (/-Vb-/)
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Sprachgeographie
Die eingeklammerten Umgebungen stellen Sonderfälle dar, die nur in drei oder weniger Dialektverbänden belegt sind.26 Tabelle 6 enthält nähere Informationen: Umgebung
Belege
Prozent
Arealität
/-nd-/
1243
56,27 %
/-Vg-/
248
11,23 %
/-Ng-/
189
8,56 %
/-Vd-/ /-ld-/
154 103
6,97 % 4,66 %
/-rd-/
101
4,57 %
/-Vx-/
96
4,35 %
/-mb-/ Analogie /-rg-/ /-Vb-/ /-md-/
36 13 11 8 7
1,63 % 0,59 % 0,50 % 0,36 % 0,32 %
MIA, NIA, OFR, RFR, ZHE, OHE, NHE, MFR, RIP, SNF, THÜ, OBS, HPR, WFÄ, NND, MEV, BRB, MPO, OPO, NPR NIA, OFR, RFR, ZHE, OHE, MFR, RIP, THÜ, OBS, NOS, OFÄ, NND, BRB, MPO NIA, OFR, RFR, ZHE, OHE, NHE, MFR, RIP, SNF, THÜ, OBS, HPR, NND, MEV, OPO, NPR WFÄ, OFÄ, NND, MEV NIA, NBA, OFR, RFR, ZHE, OHE, NHE, MFR, RIP, SNF, THÜ, NND, MEV, BRB, OPO, NPR OFR, RFR, ZHE, NHE, MFR, THÜ, OBS, NND, MEV, BRB, MPO, OPR NIA, NBA, OFR, RFR, ZHE, OHE, NHE, MFR, THÜ, OBS OFR, RFR, MFR, RIP, OBS ZHE, OHE, NHE OHE, THÜ OHE, THÜ MFR, NND, MEV
Total
2209
100,00 %
MIA, NIA, NBA, OFR, RFR, ZHE, OHE, NHE, MFR, RIP, SNF, THÜ, OBS, HPR, WFÄ, OFÄ, NND, MEV, BRB, MPO, OPO, NPR
Tabelle 6: Verteilung der Belege auf phonologische Umgebungen und Dialektverbände
26 Mit einem einzigen Beleg ist die potenzielle Subtraktion bei einem rb-Konsonantencluster bezeugt: k¯ u@rp – kör@ ‘Korb, Körbe’ aus dem ostfränkischen Wasungen (vgl. Reichardt / Koch / Storch 1895, 114–116). Die Autoren betonen, dass es sich beim auslautenden Schwa nicht um eine Flexionsendung handelt, sondern um ein „Anhängsel“ des /r/, das nach kurzem Vokal nicht alleine stehen kann. Da ich sonst keine Belege für rb-Subtraktion habe und der Status des Schwa in der Wasunger Mundart nicht ganz klar ist (vgl. sch¯ uk ¯ ‘Schuh, Schuhe’), sehe ich hier von ihr ab. Bei Alles (1907/1908, 370) findet – schü@ sich die Form Kerr an einer Stelle in Klammern, jedoch ohne Ortsangabe. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass es rb-Subtraktion gibt, aber dann wahrscheinlich nur im Ostfränkischen, Osthessischen und Thüringischen.
Auswertung des Datenkorpus
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Tabelle 6 zeigt, wie sich meine Belege für subtraktive Plurale und Dative zahlenmäßig auf die erwähnten phonologischen Umgebungen (+ Analogiebildungen) verteilen und für welche Dialektverbände sie nachgewiesen sind. Meine Hypothese, dass nur im Apokopegebiet subtraktive Formen vorhanden sind, findet sich dabei bestätigt. Nur bei den Vokal+Konsonant-Abfolgen finden wir punktuell unerwartete subtraktive Formen in einem Gebiet, das die Apokope eigentlich nicht kennt (im West- und Ostfälischen und im südlichen Brandenburgischen). Ich werde im Folgenden aber dafür argumentieren, dass das vereinzelte Vorkommen subtraktiver Formen im „Schwagebiet“ kein direktes Problem für meine Hypothese darstellt, da das Schwa hier unter besonderen Bedingungen optional zu sein scheint, was sonst nicht der Fall ist. Bei den uns interessierenden subtraktiven Formen dringt die Apokope scheinbar durch, um einen durch Konsonantenschwund entstandenen, unerwünschten Hiatus zu verhindern. Dazu kommt, dass das Phänomen Apokope weder diachron noch synchron besonders gut erforscht ist, weswegen es unter Umständen problematisch ist, anhand der vorliegenden Studien und Daten von einem klar umrissenen „Apokopegebiet“ zu sprechen. Auf das dialektgeographische Problem der Apokope werde ich im anschließenden Kapitel 3.2.2 näher eingehen. Außerhalb des hypothetischen Subtraktionsgebiets finden wir, bis auf Sprachinseln, die Gegenstand von Kapitel 4.2 sind, ansonsten keine einschlägigen Formen. Während Subtraktion in allen niederdeutschen und mitteldeutschen Dialekten innerhalb des Apokopegebiets vorkommt, ist sie im Oberdeutschen auf das Niederalemannische und Ostfränkische (und vereinzelte Belege aus dem Mittelalemannischen und Nordbairischen) beschränkt, die beide nahe beim mitteldeutschen Gebiet sind. Das Oberdeutsche bedient sich an denjenigen Stellen, wo nieder- und mitteldeutsche Dialekte Subtraktion einsetzen, eher der Vokalmodifikation, oder seltener des Nullplurals:27 So lautet der Plural von ‘Hund’ im oberdeutschen Raum meistens hünd (vgl. etwa Weber 1948, 113 und Winteler 1876, 171 für das Hoch- und Höchstalemannische; Schleicher 1858, 40 für das Ostfränkische; Hain 1936, 20 und Lessiak 1963, 168 für das Nord- und Südbairische). Im Schwäbischen finden wir interessante Nullformen des Typs hun – hun; hier ist die Assimilation auch im etymologischen Auslaut erfolgt (vgl. Rall 1925, 96 für Neuenbürg). Ähnliche Assimilationserscheinungen begegnen auch im Mittelalemannischen (vgl. BaWB II, 546 für Pforzheim und Bötzingen). Wie ‘Hund’ verhält sich auch ‘Tag’, das fast überall zu täg wird (vgl. Fischer 1960, 201 für das Hochalemannische; Dreher 1919, 76 für das Schwäbische; Gütter 1959, 182, Hinterecker 1934, 42 und Winnicki 1965, 221 für das Nord-, Mittel- und Südbairische). Ausgleichsformen im Singular finden sich bei den Vokal+Konsonant-Abfolgen im Niederalemannischen (vgl. daa – daa, Sütterlin 1892, 32 für Straßburg) und Mittelbairischen (vgl. d¯ o– d¯ a, Wondratsch 1935, 127 für Dobšice in Südmähren). 27 Ausnahmen sind konservative höchstalemannische und südbairische Dialekte, die zum Teil noch das auslautende Schwa oder gar den vollen Nebentonvokalismus des Althochdeutschen erhalten haben (vgl. taga ‘Tage’, Wipf 1910, 122 für Visperterminen).
50
Sprachgeographie
3.2.2 Die Apokope als dialektgeographisches Problem Im vorausgegangenen Kapitel wurde die Problematik des Begriffs „Apokopegebiet“ kurz angesprochen. Der Schwund des wortfinalen Schwa in den Dialekten des Deutschen – eine Bedingung für die von uns betrachteten subtraktiven Formen – ist ein komplexes Phänomen und bedarf einiger einleitender Erörterungen. Leider gibt es bis jetzt keine gesamthafte diatopische Untersuchung, die sich mit der Entwicklung des Nebentonvokalismus in den deutschen Dialekten auseinandersetzt. Wir sind für den deutschen Sprachraum also nach wie vor auf den Sprachatlas, Wredes Berichte hierzu (s. etwa Wrede 1893a für ‘bald(e)’ und ‘Felde’; Wrede 1893b für ‘müde’; Wrede 1894 für ‘Hause’ und ‘Leute’) und die Erörterungen in Schirmunski (1962) angewiesen.28 Ab 2013 erscheinen die 2006 von Alfred Lameli (s. Lameli 2008) wiederentdeckten Schriften – v. a. viele Kartenkommentare – Wenkers, die für die Druckfassung dieser Arbeit rezipiert wurden.29 Dagegen beschäftigen sich die vielen junggrammatischen Ortsmonographien in der Regel nur am Rande und oft recht oberflächlich mit dem Nebentonvokalismus. Generalisierungen wie „das End-e wird meistens apokopiert“ sind häufig, ohne dass die Ausnahmen und Bedingungen der Apokope erörtert werden (s. besonders Lindgren 1953, 13–14 für diese Problematik). Aus älterer Zeit sind jedoch Friedrich (1900/1901) zu den Folgen der Apokope für die Nominalmorphologie und Mausser (1915) zur Apokope im Bairischen unter historischen Gesichtspunkten und aus jüngerer Zeit Denkler (2001) zur Apokope und davon betroffenen Phänomenen im nördlichen Münsterland als Spezialuntersuchungen zu nennen. Schließlich beleuchtet die computergestützte, onomastische Arbeit von Kunze / Kunze (2003) die Apokope anhand von Familiennamen. Schirmunski (1962, 159) bemerkt allgemein zur Apokope, dass sie im Westfälischen, im Großteil des Ostfälischen (bis zur Aller), im Nordwesten des Nordniederdeutschen, in der Südhälfte des Brandenburgischen, im Norden der hessischen Dialektgruppe (bis Marburg), im Großteil des Thüringischen (bis auf den Süden), im Obersächsischen (außer dem Südwesten) und im Schlesischen fehlt, ansonsten in allen anderen Dialekten durchgeführt ist. Dadurch ergeben sich zwei unzusammenhängende Apokopegebiete im Norden und Süden des deutschen Sprachraums.30 Bemerkt werden muss jedoch, dass diese hauptsächlich auf den Sprachatlaskarten beruhenden Einschätzungen des Apokopegebiets nicht völlig unkritisch zu betrachten sind: Bremer (1895, 78) merkt beispiels-
28 Außerdem setzt sich Bremer (1895, 71–84 und 101–111) in seiner Kritik des Sprachatlas mit der Apokopefrage auseinander. 29 An dieser Stelle möchte ich mich bei Alfred Lameli (Marburg) bedanken, der mir für die Auswertung ein Exemplar zur Verfügung gestellt hat. 30 Ansonsten fehlt die Apokope nur in einigen sehr konservativen Mundarten in der Südwestschweiz (vgl. Schirmunski 1962, 159). Auf mögliche Reste des Schwa im (nord)niederdeutschen Raum (vgl. Kapitel 5.2.3.2) geht Schirmunski nicht ein.
Auswertung des Datenkorpus
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weise an, dass gerade die Nordgrenze recht unsicher ist, da der Lautwandel hier „überall im Vordringen“ ist und bei einer Karte wie Wenker-Karte 188 „Gänse“ Fälle mit schwacher Flexion kartiert sind, bei denen das Schwa nach Abfall des /n/ bewahrt bleibt (vgl. Bremer 1895, 101–102).31 Unsicherheit herrscht auch in den Karten hinsichtlich des wohl erst in jüngerer Zeit entstandenen Apokopegebiets im Westfälischen (vgl. weiter unten und Kapitel 5.2.3.2). So fällt auf, dass auf den Sprachatlaskarten zum auslautenden -e im „Schwagebiet“ – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – Abweichungen vorkommen (vgl. etwa Wenker-Karte 188 „Gänse“ und dazu Wrede 1892, 408 und Wenker 2013a, 44; für einen Extremfall s. Wenker-Karte 35 „bald“ und dazu Wrede 1893a, 284 und Wenker 2013a, 148). Obwohl nicht wenige dieser Ausnahmen auf die Existenz hochdeutscher Binnensprachinseln (s. Kapitel 4.2.2) zurückgeführt werden können, ist es mitunter nicht unproblematisch, anhand der Sprachatlaskarten von einem allgemeinen „Schwagebiet“ versus „Apokopegebiet“ zu sprechen. Die Kartierung müsste einer statistischen Auswertung sämtlicher Fälle des Erhalts bzw. des Schwunds von Schwa folgen. Die Apokope wird durch phonologisch-prosodische und morphologische Faktoren beeinflusst, die sich auch in der Arealität des Phänomens widerspiegeln. Schirmunski (1962, 159) betont, dass bei den unterschiedlichen grammatischen Kategorien die Apokopegrenzen nicht zusammenfallen. Anhand von Abbildung 2 auf der nächsten Seite wird deutlich, dass die Apokope im Dativ Singular einen größeren Teil der deutschen Dialekte betroffen hat als die Apokope bei einem Adjektiv wie müde, bei dem die Schwa-Endung keine grammatische Funktion erfüllt. Alternativ könnte man Wenker-Karte 188 „Gänse“ heranziehen, deren Isoglosse parallel zur müde-Isoglosse verläuft. Die größere Ausdehnung der Apokope beim Dativ Singular betrifft primär das Brandenburgische, das im Dativ Singular kein Schwa mehr kennt (das zeigen auch meine Daten), im Gegensatz zum Plural, wo das Schwa noch relativ fest ist (s. auch Wenker 2013a, 162–163). Ähnlich ist die Lage auch im westfälischen Münsterland. Natürlich könnte man an dieser Stelle einwenden, dass das Dative hier aus vorwiegend morphosyntaktischen Gründen abgebaut worden sein könnte, wie man dies zum Beispiel für den Kasusabbau in der Sprachgeschichte des Norwegischen behaupten könnte (vgl. Enger 2013, 14). Allerdings lassen meine Daten diesbezüglich keine Aussagen zu, da das Brandenburgische dialektologisch schlecht erschlossen ist und nur wenige Belege vorliegen. Es sei aber erwähnt, dass ich im Brandenburgischen südlich der müd(e)-Isoglosse nur auf vollständig nach dem Nominativ/Akkusativ ausgeglichene Formen getroffen bin (vgl. etwa veX – veX in Neu-Golm, Siewert 1912, 133, 140), was für einen mor-
31 Eine ähnliche Bemerkung möchte ich zur Wenker-Karte 197 „heute“ machen: Diese scheint auf den ersten Blick besonders gut geeignet zu sein, da die Apokope hier weitgehend unabhängig von morphologischen Faktoren stattfindet. Jedoch heißt es in den niederdeutschen Bögen oft nicht ‘heute’, sondern ‘von Dag(e)’: Da hier ein Dativ vorliegt, dessen paradigmatischer Status allerdings zu beurteilen wäre, ist die Karte für das Niederdeutsche ungeeignet.
52
Sprachgeographie
phologisch bedingten Abbau sprechen könnte (vgl. die umsichtige Diskussion bei Wenker 2013a, 223). Im Unterschied zu anderen Dialektverbänden finden sich hier keine Reste des Dativ Singular in Form von Stammalternationen, die durch ein vorhandenes Schwa in der Nebensilbe hätten verursacht werden können.
) Hamburg "
ə
Ø ) Berlin " ) Posen "
) Frankfurt "
Ø
Legende
) Prag "
Apokopegrenze nach Wenker-Karte 336 'müde' Apokopegrenze nach Wenker-Karte 374 'Hause'
Abbildung 2: Apokope bei ‘müde’ und ‘Hause’ (siehe auch: König 2011, 159)
Weiter findet Schirmunski (1962, 160) insbesondere in Dialekten, die an der Apokopegrenze liegen, dass der vorangehende Konsonant einen Einfluss auf die Apokope hat: Einerseits schwindet das auslautende Schwa eher nach ehemals inlautender stimmhafter Konsonanz als nach stimmloser, was z. B. im westfälischen Remscheid der Fall ist. Hier findet sich die Apokope zwar bei ¯ ‘Mäuse’, aber nicht bei str¯ot@ ‘Straße’. Andererseits ist Apokope nach müs Liquiden und Nasalen (l, m, n, r ) häufiger als nach anderen Lauten. In dieser Umgebung ist sie bereits zu mittelhochdeutscher Zeit verbreitet (vgl. Klein 2005 und Kapitel 5.2.3). Allgemein scheint folgendes Gesetz zu gelten: Je sonorer der vorangehende Laut ist, desto wahrscheinlicher ist die Apokope des Schwa. Besonders günstig ist die Apokope im Falle eines Hiatus (entweder im Wort oder im Sandhi). Schließlich können prosodische Verhältnisse eine Rolle spielen (vgl. Wiese 2009, 169), indem vorwiegend in nicht-apokopierenden Dialekten ein trochäischer Fuß bevorzugt wird, vgl. mnd. kindere mit zwei aufeinanderfolgenden unbetonten Silben, was im Ostfälischen mithilfe von Apokope oder Synkope entweder durch ki˛nd@r(@) (vgl. Lange 1963, 246) oder ki˛nr@ (vgl. Löfstedt 1933, 69) erfüllt wird.
Auswertung des Datenkorpus
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Neues Licht auf die Apokopeverhältnisse im Nieder- und Hochdeutschen werfen Kunze / Kunze (2003) in ihrer computergestützten Untersuchung zur Apokope in Familiennamen. Anhand einer von ihnen erstellten Datenbank von Familiennamen basierend auf den im Jahr 1995 gemeldeten Telefonanschlüssen in der Bundesrepublik Deutschland können sie eine große Übereinstimmung zwischen den dialektalen Apokopegrenzen und den (historisch) auf Schwa auslautenden Familiennamen attestieren: Karte 8 in Kunze / Kunze (2003, 186–187) zeigt für 400 km, von Olbernhau im Erzgebirge bis Wiehl bei Gummersbach, eine verblüffende Parallelität der müd(e)-Isoglosse und der mehrheitlich apokopierenden Familiennamen (50-Prozent-Grenze). Im Rheinland geht die Schere allerdings deutlich auseinander. Kunze / Kunze (2003, 166–167) möchten dies nicht so sehr mit der großen Migration in dieses Gebiet im 19. und 20. Jahrhundert in Verbindung bringen, denn am Westrand des Gebiets, der von dieser Migration weniger betroffen war, ist der relative Anteil unapokopierter Formen größer als im Zentrum. Kunze / Kunze (2003) möchten die Raumbilder eher auf ein allgemein späteres Vordringen der Apokope in diese Gebiete zurückführen, was in der Sprachgeschichtsforschung durchaus Unterstützung findet. So ist die Apokope nach Wegera (1987, 184) im Ripuarischen um 1700 noch nicht zum Abschluss gekommen (s. auch Kapitel 5.2.3.1); Denkler (2001, 119–120) findet sogar, dass die apokopierenden Formen im nördlichen Münsterland zwischen der Wenker-Erhebung Ende des 19. Jahrhunderts und der Untersuchung von Borchert (1955) zugenommen haben. An der Nordgrenze der müd(e)-Isoglosse ist die Lage dagegen weniger klar, denn die apokopierenden niederdeutschen Dialekte weisen, im Unterschied zu den hochdeutschen, zum Teil große Variation auf. Dies kann einerseits darauf zurückgeführt werden, dass die Apokope im Niederdeutschen später einsetzt als im Hochdeutschen (und zwar erst ab etwa 1600), andererseits hängt es damit zusammen, dass im Zuge des Niedergangs des Niederdeutschen viele niederdeutsche Familiennamen verhochdeutscht wurden und somit das Schwa wieder restituierten. In neuerer Zeit kommt auch ein allgemeiner Standardisierungseffekt hinzu (vgl. Kunze / Kunze 2003, 168– 172), man vergleiche hierzu die Apokopegrenze des niederdeutsch verbliebenen Familiennamens Grot(e) (Karte 30), die der müd(e)-Isoglosse ziemlich genau folgt (vgl. Kunze / Kunze 2003, 206). Dialektgeographisch interessant sind die Grenzgebiete zwischen apokopierenden und nicht-apokopierenden Dialekten: Hier finden wir, teilweise sogar bei den gleichen Lexemen, ein Nebeneinander subtraktiver und additiver Formen (gemeint sind die etymologischen Schwa-Endungen, nicht die meist analogisch gebildeten -er -Endungen) vor.32 Im Folgenden sollen wir uns die Problema32 Ein solches Nebeneinander subtraktiver und additiver Verfahren ist in analogen Grenzzonen im sonstigen Sprachgebiet sehr wahrscheinlich. Im Laufe meiner Untersuchungen bin ich jedoch nicht auf weitere überzeugende Beispiele gestoßen. Darüber hinaus ist es charakteristisch für bestimmte Stadtsprachen und, wie Girnth (2000) zeigt, die modernen Regionalsprachen.
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Sprachgeographie
tik anhand von zwei solchen Grenzgebieten, dem Nordhessischen und dem Nordniederdeutschen, anschauen. Während das nicht-apokopierende nördliche Nordhessische subtraktiver Formen völlig entbehrt, gibt es im apokopierenden südlichen Nordhessischen solche Formen dagegen schon. Dass die Übergänge hier aber fließend sind, zeigt die Mundart von Rauschenberg (vgl. Bromm 1936, 26), das direkt an der Apokopegrenze liegt. So gibt es hier die subtraktiven Plurale hen ‘Hände’ und š¯ u ‘Schuhe’, aber sonst immer unapokopierte Formen wie hon@ ‘Hunde’ und d¯ o– G@ ‘Tage’. Ein ähnlicher Fall liegt in der Schwälmer Mundart vor, dokumentiert durch Schoof (1913/1914, 14–15). Hier finden wir bei ‘Hund’ eine unapokopierte Form (vgl. hoN@), bei ‘Kind’ allerdings nicht (keN). Auch für das Grenzgebiet im nordwestlichen Zentralhessischen lässt sich Ähnliches nachweisen: In der Mundart von Weidenhausen bei Gladenbach (vgl. Friebertshäuser 1961, 34) stelle ich ebenfalls ein Nebeneinander subtraktiver und additiver Formen fest, vgl. w¯ej@ ‘Wege’ und d¯o– @ ‘Tage’, daneben aber auch khi˛n ‘Kinder’. Gleiche Verhältnisse finden sich in der sich etwas nordwestlicher befindenden Mundart von Wissenbach (vgl. Kroh 1915, 120). Ein ähnliches Nebeneinander wie im Nordhessischen finden wir im nördlichsten Nordniederdeutschen in Südostschleswig vor, dokumentiert durch Bock (1933). Er behandelt in einem dichten Ortsnetz (insgesamt 110 Orte) die auf dänischem Substrat stehenden Dialekte in den heutigen Kreisen SchleswigFlensburg, Rendsburg-Eckernförde und Nordfriesland (einschließlich einer Ortsgrammatik der Stadt Husby). Systematisch erhoben wurden die Pluralformen von sieben potenziell subtrahierenden Lexemen (‘Blatt’, ‘Boot’, ‘Hand’, ‘Hund’, ‘Hut’, ‘Pferd’, ‘Wand’).33 Während der Norden (wozu auch die Stadt Husby zählt) keine Apokope und somit keine Subtraktion aufweist, ist sie im Süden vorherrschend (s. Abbildung 3 auf der nächsten Seite). Dazwischen finden wir ein Gebiet, das sowohl additive als auch subtrahierende Verfahren kennt. Ich zähle hierzu insgesamt 28 Orte (vgl. Bock 1933, 171–173). Am weitesten verbreitet scheint die Subtraktion bei ‘Hund’ (= hy¯ n ) zu sein, während ‘Hand’ oft, aber nicht immer, hen@ lautet. Allerdings ist das Nebeneinander nicht unbedingt, wie es auf den ersten Blick scheint, Resultat eines Kompromisses zwischen apokopierenden und nicht-apokopierenden Dialekten: Die Apokope fehlt weder in diesem Teil des Nordniederdeutschen noch im jütischen Substrat. Bock (1933, 213) nennt Erhaltung mittelniederdeutscher Formen oder hochdeutschen bzw. stadtsprachlichen Einfluss als mögliche Erklärungen. Der Erhalt (oder Restituierung) des Schwa könnte auch daran liegen, dass gerade in benachbarten südjütischen Dialekten Singular und Plural vieler maskuliner a-Stämme nur durch Stoßton voneinander unterschieden werden (vgl. Bjerrum 1944, 62), was dem Nordniederdeutschen jedoch nicht zur Verfügung steht.34 Alternativ können die additiven Belege als Beweis dafür genommen werden, 33 Leider fehlen in Bock (1933) die entsprechenden Singularformen; anhand der Lautlehre kann aber gefolgert werden, dass die Konsonanten im Singular nicht wegfallen. 34 Ähnliche morphologisch wiedereingeführte Endungen wies interessanterweise auch der dänische Dialekt von Viöl in Südschleswig auf, wie Bjerrum (1944, 60–66) zeigt.
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Auswertung des Datenkorpus
dass im nördlichsten Nordniederdeutschen die Apokope noch in den 1930er Jahren dabei war, sich auszubreiten (vgl. Kapitel 5.2.3.2).
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Abbildung 3: Die Apokope im Untersuchungsgebiet von Bock (1933)
Insgesamt möchte ich mit diesem kleinen Exkurs gezeigt haben, dass es sich bei der Apokope um ein Forschungsdesiderat der deutschen Dialektologie handelt, das uns auch bei der Beurteilung von morphophonologischen und morphologischen Phänomenen vor besondere Herausforderungen stellt. Einerseits muss die gesprochensprachliche, sporadische Apokope, die im Prinzip zu jeder Zeit in jedem Raum begegnen kann, von der historischen, (beinahe) lautgesetzlichen, wie wir sie z. B. aus frühneuhochdeutscher Zeit kennen, auseinandergehalten werden. Andererseits unterliegt die Apokope in bestimmten Dialekten, besonders in Grenzmundarten, bestimmten morphologischen Beschränkungen, indem sie bei Pluralformen eher verhindert wird als bei Dativformen. Zu guter Letzt kann die Apokope geduldet werden, um eine phonotaktisch unerwünschte Folge (Hiatus) zu verhindern (vgl. Kapitel 3.2.4.1); dies ist namentlich im Ost- und Westfälischen und im südlichen Brandenburgischen der Fall. Auf die Flüchtigkeit des Schwa im Niederdeutschen weist besonders Stellmacher (2000, 130) hin: Er hält eine allgemeine Abgrenzung des Nordniederdeutschen vom Westfälischen aufgrund des Kriteriums Apokope für problematisch, da Schwaformen auch nördlich der Apokopegrenze erhalten sind und vereinzelt auch südlich dieser Grenze schwalose Formen begegnen (ähnlich auch Wiesinger 1983b, 829).
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Sprachgeographie
Eine zukünftige Untersuchung zur Apokope im Niederdeutschen müsste die hierbei verantwortlichen Faktoren berücksichtigen. 3.2.3 Subtraktion bei Konsonantenclustern Von den Alternativstrategien und der Koexistenz subtraktiver und additiver Verfahren kommend, wenden wir uns jetzt den subtraktiven Formen im Untersuchungsgebiet zu. Tabelle 6 auf Seite 48 hat gezeigt, dass es einige phonologische Umgebungen gibt, die sehr häufig Subtraktion zur Folge haben: Vor allem sind dies die ehemals inlautenden nd - und Ng-Konsonantencluster und die Vg-Abfolgen. Daneben gibt es seltenere, zum Teil idiosynkratische Fälle, die sich nur in einem Dialektverband oder gar in einem einzigen Ort finden. Im Folgenden gehe ich auf die einzelnen phonologischen Kontexte ein, die in den deutschen Dialekten zur Subtraktion führen. Ich unterscheide gemäß den Erläuterungen in Kapitel 3.1.3 grundsätzlich zwischen Subtraktion bei Konsonantenclustern und Vokal+Konsonant-Abfolgen, da diese sprachhistorisch auf unterschiedliche Art und Weise zustandegekommen sind (s. Kapitel 5.2) und sich auch dialektgeographisch unterschiedlich verhalten. Die Reihenfolge der Darstellung innerhalb dieser zwei Gruppen richtet sich nach den in Tabelle 6 auf Seite 48 angegebenen Frequenzen. 3.2.3.1 /nd/ Bei /nd/ handelt es sich um denjenigen Konsonantencluster, bei dem die Subtraktion in meinen Daten am häufigsten erscheint. Dieser Art der Subtraktion liegt meistens eine Assimilation des /d/ an vorangehendes /n/ in ehemals intervokalischer Umgebung zugrunde, die im Auslaut unterbleibt. Die nd -Assimilation im ehemaligen Inlaut ist eine phonologische Regel, die allen nieder- und mitteldeutschen Dialekten bekannt ist und darüber hinaus im Ostfränkischen und teilweise auch im Nieder- und Mittelalemannischen und im Hochalemannischen begegnet (vgl. Schirmunski 1962, 394–399; vgl. auch Wenker-Karte 232 „Ende“, Wenker-Karte 546 „hinten“, DSA-Karte 17 „Kind“ und DSA-Karte 35 „Hund“). Jedoch bemerkt Schirmunski (1962, 395) allgemein mit Blick auf das Oberdeutsche: „Zum Unterschied vom Fränkischen kennen die eigentlichen oberdeutschen Dialekte (die alemannischen und bairischen) im wesentlichen keine Assimilation.“ Deswegen ist Subtraktion hier weniger zu erwarten als im Mitteldeutschen. Im Niederalemannischen, Ripuarischen, im Nordund Osthessischen, im Thüringischen (bis auf den Südwesten), Obersächsischen, Schlesischen, Hochpreußischen und im Niederdeutschen zwischen Oder und Elbe erscheint die nd -Assimilation meist nicht als Totalassimilation, sondern als Teilassimilation in der Art einer Velarisierung (besonders in der älteren Literatur auch Gutturalisierung genannt), d. h. aus dem dentalen Nasal entwickelt sich ein velarer Nasallaut [N] (vgl. Werlen 1983, 1130–1132). Die Velarisierung ist
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Auswertung des Datenkorpus
für das Ripuarische besonders charakteristisch, wo sie auch auf den absoluten Auslaut übertragen wird und nicht nur den nd -Konsonantencluster, sondern grundsätzlich alle Vorderzungenkonsonanten betrifft (vgl. Schirmunski 1962, 395). Eine wichtige Bedingung für die Subtraktion ist, dass die nd -Assimilation im ehemaligen Inlaut nicht auf den absoluten Auslaut übertragen wird, was in den uns interessierenden Dialekten auch nur sporadisch passiert, vgl. DSAKarten 17 und 35.35 Erst durch den Erhalt im Singular entsteht das subtraktive Verhältnis [hand] – [hEn]. Assimilation auch im absoluten Auslaut ist demgegenüber charakteristisch für die hochalemannischen Dialekte in der Westschweiz, weswegen sich Belege für Subtraktion hier nicht finden (vgl. SDS-Karte 120 „Hund“). In den velarisierenden Dialekten findet sich zwar eine entsprechende Assimilation auch im absoluten Auslaut: Während aber das /d/ im Inlaut in den Velarnasal aufgeht [hEN], wird es im absoluten Auslaut selbst anscheinend zu einem [g] velarisiert, das dann der Auslautverhärtung unterliegt: [haNk]. Die genauen Vorgänge werden im sprachhistorischen Teil näher erläutert (vgl. Kapitel 5.2.2.4). Mithilfe eines (rückläufigen) Wörterbuchs gesprochener Sprache (Ruoff 1981, 194–196), das auf dem Tonarchiv der Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“ beruht und deswegen für eine dialektgeographische Untersuchung besonders gut geeignet ist, finde ich insgesamt 29 Simplexwörter (lexikalische Stämme), die auf einen nd -Konsonantencluster enden und dadurch potenziell subtrahieren könnten (vgl. Lexemliste in Tabelle 8). Lexem Abend Band Brand Bund Dutzend Elend Feind Freund Fund Gegend
Subtraktion
Lexem
x √ √ √
Grind Grund Hand Hund Jugend Kind Land Mond Mund Pfund
x x √ √ √ x
Subtraktion √ √ √ √ x √ √ √ x√ ( ) √
Lexem
Subtraktion √ Rand √ Rind √ Sand √ Spind √ Spund √ Stand √ Strand √ Wand √ Wind
Tabelle 8: Potenziell subtrahierende nd-Simplexwörter
35 Schirmunskis Bemerkung, dass dies „im größten Teil des Hessischen“ der Fall sei (Schirmunski 1962, 394), kann ich nicht ganz nachvollziehen. In den Ortsmonographien und Wörterbüchern bin ich jedenfalls nicht darauf gestoßen; die Sprachatlaskarten ändern daran auch wenig, da die Assimilation im absoluten Auslaut auch in den hessischen Dialekten und im Rheinfränkischen nur punktuell begegnet.
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Sprachgeographie
Davon subtrahieren nachweislich 23 entweder im Nominativ/Akkusativ Plural oder im Dativ Singular. Insgesamt fällt dabei auf, dass es sich ausschließlich um Wörter des Erbwortschatzes handelt, dass sie alle einsilbig sind und auf einen stimmhaften Dentalplosiv /d/ enden, der aber im absoluten Auslaut in der Regel seine Stimmhaftigkeit durch Auslautverhärtung verliert. 3.2.3.1.1 Subtraktive Plurale Subtraktive Plurale gibt es bei diesem Konsonantencluster im ganzen hypothetischen Subtraktionsgebiet, also im: Mittelalemannischen, Niederalemannischen, Ostfränkischen, Rheinfränkischen, Zentral-, Ost- und Nordhessischen, Moselfränkischen, Ripuarischen, Südniederfränkischen (siehe unten), Thüringischen, Obersächsischen, Nordobersächsischen, Hochpreußischen, Westfälischen, Nordniederdeutschen, Mecklenburgisch-Vorpommerschen, Brandenburgischen, Mittelpommerschen, Ostpommerschen und Niederpreußischen. Die nd -Subtraktion im Plural ist damit der einzige Subtraktionstyp, der allen Subtraktion kennenden Dialekten gemeinsam ist. Darüber hinaus kennt interessanterweise das Südniederfränkische (Limburgische) auf niederländischer Seite, das in der vorliegenden Untersuchung ausgeklammert wurde, ebenfalls Subtraktion bei diesem Konsonantencluster, im Unterschied zu den anderen Dialekten des Niederländischen (vgl. Weijnen 1966 und Goossens 1988). Im Limburgischen finden sich subtraktive Plurale auf -nd, -Ng, -mb und -Vd, vgl. etwa ho.nt – hö:n ‘Hund, Hunde’ und draad – dröö ‘Draht, Drähte’ (Goossens 1988, 149–150, s. ferner Simons 1889, 44–45 für Roermond und Houben 1905, 55 für Maastricht). Leider sind die südniederfränkischen Dialekte morphologisch schlecht erschlossen. Hinskens (1996, 175), der sich in jüngerer Zeit mit Ausgleichsprozessen in diesem Raum eingehend beschäftigt hat, kennt kein Werk, das die Pluralmorphologie systematisch betrachtet. Dass sich diese Dialekte wie das Südniederfränkische auf bundesdeutschem Gebiet gleich verhalten, überrascht wenig, da hier historisch keine Sprachgrenze vorliegt, sondern ein Dialektkontinuum (vgl. Hinskens 1996, 74). Nübling (2005, 62) zufolge besitzen das Limburgische, Moselfränkische und Luxemburgische in der vielfältigen Pluralbildung „eine typologische Gemeinsamkeit“. In Tabelle 9 auf der nächsten Seite sind alle Lexeme aufgelistet, die auf -nd enden und im Untersuchungsgebiet einen subtraktiven Plural aufweisen.
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Auswertung des Datenkorpus
Lexem
Belege
Areale
Singular
Plural
Zitierte Quelle
Hund Hand Wand Kind Freund Grund Zahn Stand Band Wind Brand Pfund Bund Feind Rand Mund Schlund Land Spund Grind Rind Fund Spind
236 233 169 103 46 45 43 37 36 31 30 27 20 13 12 7 7 3 3 2 2 1 1
17 20 18 8 11 12 6 11 10 12 12 9 6 4 4 4 3 2 1 1 2 1 1
[hond] ˚ h¯and ˆ wånd k¯ınd frø¯ nt grunt tsònt štand bant w¯ent brand fuiït bu˛nt faind ra¯ nk moNk slunt l¯ ant šbo˛ind greind rint font spint
[hon] hän wäng kin frø·n. grünn tsên štën bEn weN brenn‘ fuiï bi N fain rę¯ n mø·N slünn lan šbön greng rin fo’n spin
Haas (1988, 86) Dellit (1913, 131) Regel (1868, 39, 76) Freiling (1914, 67) Palgen (1933a, 17) Nerger (1869, 177) ElsWB (II, 905a) Goepfert (1878, 70) Bertrang (1921, 284) HNWB (IV, 685) NSWB (II, 690–691) Stuhrmann (1896, 19) Mischke (1936, 48) Alles (1907/1908, 350) Jardon (1891, 18, 32) RhWB (VI, 1400) Nerger (1869, 177) PrWB (III, 759) ThWB (VI, 1429) Alles (1907/1908, 350) RhWB (VII, 432) Müller-W. (1930, 40) Kühl (1932, 21)
Tabelle 9: Lexemübersicht: nd-Subtraktion im Plural
Für die in meiner Belegsammlung häufigsten Lexeme ‘Hand’, ‘Hund’ und ‘Wand’ sind alle im (nahezu) gesamten hypothetischen Subtraktionsgebiet mit subtraktiven Formen belegt, bei ‘Hand’ tatsächlich in jedem in Frage kommenden Dialektverband; letzteres kann Tabelle 10 auf der nächsten Seite entnommen werden, der einen Beleg pro Dialektverband enthält. Der nördlichste sichere Beleg für pluralische nd -Subtraktion findet sich im südschleswigschen Steinberg (vgl. hy¯ n ‘Hunde’, aber hen@ ‘Hände’, Bock 1933, 172–173), der südlichste im badischen Mühlenbach (vgl. hand – häN ‘Hand, Hände’, BaWB II, 546). Der westlichste Beleg für pluralische nd -Subtraktion stammt aus dem belgischen Arlon (vgl. hOnt – hæn ‘Hund, Hunde’, Bertrang 1921, 285), der östlichste aus dem ostpreußischen Nordenburg, heute Teil der russischen Oblast Kaliningrad (vgl. frünt – frünn ‘Freund, Freunde’, PrWB II, 158). Im nördlichen Nordhessischen, wo zwar die inlautende nd -Assimilation bzw. -Velarisierung (zumindest teilweise) gewirkt hat, aber nicht die Apokope, lauten dagegen die entsprechenden Formen h¯ant – hęŋ@ ‘Hand, Hände’ bzw. hønt – høŋ@ ‘Hund, Hunde’ (Hofmann 1926a, 30, 37 für Oberellenbach). Das gleiche gilt für nichtapokopierende niederdeutsche Mundarten wie das Ostfälische (vgl. hunt – hun@
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Sprachgeographie
‘Hund, Hunde’, Schütze 1953, 46 für Neuendorf) und das Brandenburgische (vgl. want – weN@ ‘Wand, Wände’, Seelmann 1908, 23 für das direkt an der Apokopegrenze liegende Prenden). Ebenso finden sich südlich und östlich des Mittelalemannischen keine subtraktiven Formen, entweder, weil die Assimilation sowohl im ehemaligen Inlaut als auch im absoluten Auslaut gewirkt hat, wie etwa im schwäbischen Pforzheim: han – hen ‘Hand, Hände’ (BaWB II, 546) oder weil gar keine Assimilation vorhanden ist wie im mittelbairischen Pfarrkirchen: h¯ o– nd – hęnt ‘Hand, Hände’ (Steinbruckner 1976, 40).36 Dialektverband
Singular
Plural
Zitierte Quelle
MIA NIA OFR RFR ZHE OHE NHE MFR RIP SNF THÜ OBS HPR WFÄ NND MEV BRB MPO OPO NPR
hand ¯ hånt h¯ and hant hant h¯ ant haand hant h¯ aŋk hant ¯ hånd hand hant [hand] hand hant hand hand hant hant
häŋ häŋ hen hèn hęn hen heŋ hEn hęŋ ha·n hąŋ hänn häï hänn(e) ha¯ n henn hen hinn’ hi˛n hängh
BAWB (II, 546) Meng (1967, 275) Köhler (1931, 14) Kirchberg (1906, 44) Reuss (1907, 75) Salzmann (1888, 74) Schoof (1913/1914, 14) Bertrang (1921, 289) Welter (1929, 30) RhWB (III, 188) Spangenberg (1962, 18) Hertel (1887, 14) Stuhrmann (1898, 4) Born (1978, 12) Jørgensen (1928/29, 10) Nerger (1869, 184) MEWB (II, 34) PWB (I, 1060) Kühl (1932, 18) Fischer (1896, 1–2)
Tabelle 10: Subtraktion beim Lexem ‘Hand’
Von den Lexemen in Tabelle 9 auf der vorherigen Seite verdienen ‘Kind’ und ‘Zahn’ in Bezug auf ihre regionale Verbreitung besondere Aufmerksamkeit: Subtraktion bei ‘Kind’ ist nur in bestimmten mittel- und oberdeutschen Dialekten nachzuweisen, und zwar: im Niederalemannischen, Ostfränkischen, Rheinfränkischen, Zentral-, Ost- und Nordhessischen, Moselfränkischen und im Thüringischen. Sie fehlt interessanterweise im Ripuarischen und im Südniederfränkischen, 36 Der Beleg aus Born (1978, 12) in Tabelle 10 zeigt, dass das Schwa optional ist; insofern ist der Status der Subtraktion hier unsicher. Beim niederpreußischen Beleg aus Fischer (1896, 1–2) ist der phonologische Status des unklar (vgl. etwa Mitzka 1922, 127 für Narmeln: hui˛ŋ ´ ‘Hunde’), vielleicht liegt hier aber keine Subtraktion vor.
Auswertung des Datenkorpus
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wo, wie in den sonstigen Dialekten des Deutschen, additive Formen auf -er oder Nullplurale vorherrschen. Das Lexem ‘Kind’ ist gleichzeitig in allen denjenigen Dialekten, die hier subtrahieren, besonders der Variation ausgesetzt, indem auch in einem und demselben Dialekt sowohl subtraktive als auch additive -er -Plurale gebraucht werden können, wobei die subtraktiven oft die älteren sind (vgl. etwa Bräutigam 1934, 98 für Mannheim). Am besten belegt ist dieses Nebeneinander in den linksrheinischen mosel- und rheinfränkischen Dialekten: Man vergleiche hierzu MRhSA-Karte 559 „Kind/Kinder“ (Datenserie 1), die subtraktive Formen in einem breiten Streifen von Süden nach Norden ungefähr in der Mitte des Untersuchungsgebietes zeigt, während auf beiden Seiten hauptsächlich additive Formen vorzufinden sind. Im Zentral- und Osthessischen überwiegt dagegen die subtraktive Form; dies gilt auch für das südliche Nordhessische (die Schwalm). Dieses Nebeneinander bringt mich nun zur Annahme, dass die große Variation beim Lexem ‘Kind’ mit dessen ehemaligen Pluralendungen -∅, -e oder -er zusammenhängen könnte (für sprachhistorische Evidenz hierfür s. Kapitel 5.2.1). Der -e-Plural ist noch im nicht-apokopierenden Nordhessischen lebendig, vgl. khen@ (Bromm 1936, 27 für Rauschenberg; Hofmann 1926a, 37 für Oberellenbach). Diese Annahme wird von der Beobachtung gestärkt, dass sich subtraktive Plurale und additive -er -Endungen bei ‘Kind’ zu vertragen scheinen, eine subtraktive Form und eine additive Form auf -e beim gleichen Wort hingegen nirgends koexistieren (s. jedoch Kapitel 3.2.4.1 und 3.2.4.2 zum West- und Ostfälischen, wo das Schwa teilweise optional zu sein scheint). Im Niederdeutschen ist ein subtraktiver Plural bei ‘Kind’ hingegen nicht belegt. Dies hängt wohl mit der mittelniederdeutschen Form kinder(e) zusammen (vgl. MNHWB, 174 und Lasch 1914, § 371–373). Auf den -ere-Plural bin ich noch im Süden Brandenburgs und im West- und Ostfälischen gestoßen (vgl. etwa kind@r@, Siewert 1912, 142 für Neu-Golm oder ki˛N@r@ im westfälischen Rhoden, vgl. Martin 1925, 87), wobei das letzte Schwa vielerorts optional zu sein scheint (vgl. Lange 1963, 246). Die Situation im Niederdeutschen könnte auch für das Nicht-Vorhandensein subtraktiver Formen im Südniederfränkischen und Ripuarischen verantwortlich sein, denn hier lauten die älteren Formen ebenfalls historisch auf -ere aus (vgl. Paul 2007, § M 14, A4). In den nicht-apokopierenden niederdeutschen Dialekten wird ansonsten der -er -Plural verwendet, nur im Ostpommerschen finden sich scheinbare -e-Plurale, vgl. ki·nt – kiN@ (vgl. Mischke 1936, 28 für Rummelsburg). Es handelt sich aber dabei laut Kühl (1932, 19) und Mischke (1936, 49) um ehemalige -er -Plurale, die, wohl erst nach der Apokope, von /r/-Schwund betroffen sind. Das zweite Lexem, das sich dialektgeographisch interessant verhält, ist ‘Zahn’. Aus neuhochdeutscher Sicht mag die Subtraktion hier überraschen, denn im Standarddeutschen und in vielen Dialekten ist in der Tat kein nd Konsonantencluster mehr vorhanden. Wenn man aber die mittelhochdeutsche Form zant (Gen. zandes) zugrundelegt, ist die dialektale Form leichter zu erklären (das auslautende /d/ ist dabei zugrundeliegend stimmhaft, s. althochdeutsche Spirantenschwächung: germ. þ > [frühes] ahd. đ > ahd. d, vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 102a). Für Subtraktion – also Erhalt des
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Sprachgeographie
/d/ im Singular, Schwund desselben im Plural – finde ich in meiner Belegsammlung allerdings nur Belege aus dem Westmitteldeutschen und dem angrenzenden Übergangsgebiet zum Oberdeutschen im Nordelsass, genauer: aus dem Niederalemannischen, Rheinfränkischen, Zentralhessischen, Moselfränkischen, Ripuarischen und Südniederfränkischen, wobei das Phänomen besonders in den mittelfränkischen Dialekten häufig zu sein scheint. Leider gibt es zu diesem Phänomen keine Wenker-Karten, welche die Verbreitung im deutschen Sprachraum zeigen könnten. Aber zumindest für das Untersuchungsgebiet des MRhSA können meine Daten bestätigt werden. Karte 380 „Zahn(d)“ zeigt Beibehaltung des westgerm. þ für das ganze Moselfränkische bis auf den Südosten und das rheinfränkisch-moselfränkische Übergangsgebiet im Saarland. Im Rheinfränkischen findet sich hauptsächlich die standardsprachliche Form. In den anderen deutschen Dialekten finden wir entweder eine Assimilation im Singular wie im Plural oder der nd -Konsonantencluster hat sich in beiden Formen gehalten (letzteres scheint besonders in vielen oberdeutschen Dialekten der Fall zu sein). Es ist auffällig, dass Wörter wie ‘Land’ und ‘Mund’ mit äußerst wenig Belegen vertreten sind. Bei beiden spielen vorwiegend sprachhistorische Gründe eine Rolle, auf die ich im Kapitel 5.2.1 wieder zu sprechen kommen werde (wie bei ‘Kind’ ist die ehemalige Pluralendung oder das Fehlen derselben verantwortlich), beim zweiten ist neben dem selteneren Vorkommen des Wortes in den Dialekten v. a. wohl auch eine allgemeine Ungebräuchlichkeit des Plurals ausschlaggebend (man vergleiche dazu die relativ häufigeren Dativbelege im nächsten Abschnitt). Dies bestätigt auch eine Recherche im Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) über dessen Schnittstelle COSMAS II,37 in dem weniger als 4 Prozent der Wortformen von ‘Mund’ im Plural stehen, während die gleiche Zahl für ‘Zahn’ bei etwa 63 Prozent liegt (vgl. Kapitel 7.2.2.2 und Anhang D). Zu den mit nur wenigen Belegen vertretenen Lexemen möchte ich keine besonderen Aussagen machen. Sie sind zum Teil recht selten und fehlen auch in vielen Wörterbüchern und Ortsmonographien. So viel sei aber gesagt: Die Tatsache, dass ein Wort wie ‘Schlund’ in so unterschiedlichen Dialekten wie dem Mecklenburgisch-Vorpommerschen und dem Ostfränkischen belegt sind, zeugt vor allem von einer gewissen Lautgesetzlichkeit des Phänomens. Dieses Beispiel lehrt ebenfalls, dass man gerade bei den weniger häufigen Wörtern mit Angaben zur Arealität eher zurückhalten sollte. Eher sollte man von der Frage ausgehen, ob ein Lexem in einem bestimmten Dialekt überhaupt gebräuchlich ist. Die Chance, dass es subtrahiert, ist dann beim nd -Konsonantencluster groß. Auf einen problematischen Fall möchte ich an dieser Stelle hinweisen, der mir im Niederalemannischen und Zentralhessischen begegnet ist. Es handelt sich um sogenannte Nasaltilgungen im Singular, die sich mit Plosivtilgungen im Plural mischen, vgl. [ha:d] – [hen] ‘Hand, Hände’ (Haas 1988, 86 für Ebsdorf) und hû˛t ˚ (Mankel 1886, 42–43 für das Münstertal im Elsass). Die – hùin ‘Hund, Hunde’ Nasaltilgungen sind phonologisch sehr regulär und kommen nur nach velaren Vokalen vor; sie gehen gleichzeitig oft mit Nasalierung des vorangehenden 37
; Stand: 04.01.12.
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Auswertung des Datenkorpus
Vokals einher. Somit haben wir gleichsam zwei subtraktive Prozesse, und die Singular- und Pluralform enthalten jeweils unterschiedliche Segmente des alten Stamms. Rein quantitativ ist der Plural kein Mehr, aber auch kein Weniger als der Singular. Es ist folglich schwierig, hier von Subtraktion zu sprechen. Knaus (2003, 51–53) argumentiert ausgehend von solchen Formen dafür, dass der Singular nicht den Input für den Plural darstellt. 3.2.3.1.2 Subtraktive Dative Gab es ganze 1107 Belege für subtraktive Plurale bei diesem Konsonantencluster, finde ich nur 136 Belege für subtraktive Dative in der gleichen phonologischen Umgebung (s. Tabelle 11), und zwar im Ostfränkischen, Rheinfränkischen, Osthessischen, Moselfränkischen, Ripuarischen, Südniederfränkischen, Thüringischen, Hochpreußischen, Nordniederdeutschen, Mecklenburgisch-Vorpommerschen, Brandenburgischen, Ostpommerschen und im Niederpreußischen. Lexem
Belege
Areale
Nominativ
Dativ
Zitierte Quelle
Land Hund Kind Grund Mund Stand Sand Zahn(d) Rand Freund Wind Strand Pfund Bund Schund
36 16 15 13 12 10 9 8 4 3 3 3 2 1 1
11 7 7 8 5 8 5 4 3 3 3 1 1 1 1
land hOnt kint gråind moNk stant zant tsant raiït vrint weind strand pont boind schoind
lann’ hOn kin gron mo·N stann z¯ an tsa·n raï vrin weñg strann’ pon bonn schonn
BBW (III, 23) Bertrang (1921, 282) Wagner (1912, § 48) Dellit (1913, 129) RhWB (VI, 1400) Nerger (1869, 177) RhWB (VII, 731) RhWB (IX, 695) Stuhrmann (1896, 5) Mahnke (1931, 90) Hertel (1888, 90) MWB (VI, 936) Bruch (1954, 9) Regel (1868, 91) Regel (1868, 91)
Tabelle 11: Lexemübersicht: nd-Subtraktion im Dativ
Dies zeigt, dass subtraktive Dative bereits um 1900 relativ selten gewesen sein dürften. Ich finde in der Literatur sogar Hinweise darauf, dass der subtraktive Dativ beim nd -Konsonantencluster abgebaut bzw. mit dem Nominativ ausgeglichen wird (vgl. Bruch 1954, 10 für Luxemburg; Hertel 1888, 90–91 für das
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Sprachgeographie
osthessische Salzungen).38 Das ehemalige Verbreitungsgebiet der subtraktiven Dative bei Substantiven auf -nd ist historisch vermutlich genauso groß gewesen wie bei den subtraktiven Pluralen, denn phonologisch gelten hier die gleichen Regeln. Da die Dialektgrammatiken aber nur selten auf nominale Dativformen eingehen, lässt sich dies schwer überprüfen. So belegt etwa Alles (1907/1908), eine meiner wichtigsten Quellen zu den hessischen Dialekten, subtraktive Dative nur bei Vokal+Konsonant-Abfolgen, und auch dort nur einige wenige. Ich habe jedoch den Verdacht, dass entsprechende Formen auch bei Konsonantenclustern im Zentralhessischen verbreitet gewesen sind, zumal nd -Subtraktionen im Plural in diesem Gebiet sehr häufig sind. Meistens sind die gleichen Lexeme betroffen wie bei den Pluralen, jedoch sind die Vorkommenshäufigkeiten unterschiedlich: Wir haben oben schon festgestellt, dass ‘Land’ und ‘Mund’ unter den subtraktiven Pluralen recht selten waren, während sie unter den subtraktiven Dativen sehr gut vertreten sind. So sind die häufigsten subtraktiven Dative überhaupt in meiner Belegsammlung die vom Lexem ‘Land’. Dagegen dürfte der Dativ von ‘Mund’ im Vergleich zum Plural üblicher sein, wenn man an Ausdrücke wie in aller Munde usw. denkt. Schon eine einfache DeReKo-Recherche bestätigt dies: Die Dativform Munde kommt mit 13.851 Treffern deutlich häufiger vor als die Pluralendung Münder mit nur 1.582 Treffern. Dies gilt für die Lexeme ‘Sand’ und ‘Schund‘ umso mehr, als hier nur der Singular möglich ist. So sind die Lexeme der zwei Kategorien nicht ganz deckungsgleich. Auf das häufige Auftreten bestimmter Lexeme mit Dativpräpositionen (Kollokationen) komme ich bei der synchronen Analyse der subtraktiven Dative wieder zurück (vgl. Kapitel 7.5.3). So viel sei aber an dieser Stelle gesagt: An den subtraktiven Dativformen fällt auf, dass sie so gut wie nie als freie Kasus, sondern fast immer in festen Redewendungen zusammen mit Präpositionen vorkommen und deswegen gewissermaßen „erstarrte Formen“ darstellen. Ein interessanter Gegenbeleg findet sich aber trotzdem: Reichardt / Koch / Storch (1895, 99) zeigen für das ostfränkische Wasungen, dass subtraktive Dative dort auch zusammen mit dem analytischen possessiven Dativ auftreten können: d@n k˙en s¯ı sch¯ uk ‘der Schuh des Kindes’ (der Nominativ ¯ lautet dabei eindeutig käint). Wie im Laufe dieser Darstellung deutlich werden soll, ist gerade dieser Teil der untersuchten Dialekte in Bezug auf die Pluralund Kasusmorphologie einerseits besonders konservativ, andererseits aber auch besonders innovativ. Innovativ sind auch Dialekte, bei denen ein subtraktiver Dativ eine neue Bedeutung annehmen und vielleicht sogar den Sprung in den Nominativ machen kann. Beides ist belegt: So berichtet Bernhardt (1892/1894, 32) über die nordniederdeutsche Mundart von Glückstadt, dass opm lann ‘auf dem Land’ (im Gegensatz zur Stadt), während opt land ‘auf dem Acker’ heißt. Bemerkenswert ist auch der Artikelgebrauch: Im ersten Fall hat sich die alte klitisierte 38 Leider geht Bruch (1954) nicht darauf ein, wo er seine Dialektdaten erhoben hat. Da die Arbeit aber eine beträchtliche Menge subtraktiver Formen enthält, wurden seine Belege trotzdem aufgenommen.
Auswertung des Datenkorpus
65
Dativform erhalten, im letzten Fall ist der Dativ mit der Nominativ/AkkusativForm bereits zusammengefallen (vgl. hierzu auch Wenker 2013a, 164, der Formen wie up’n fell und up’t feld feststellt, aber nirgends up’t fell ). Ähnlich schreibt Bruch (1954, 10) für Luxemburg, dass das Wort ‘Tag’ in der ehemals subtraktiven Form do in der Bedeutung ‘die helle Zeit des Tages’ Eingang in den Nominativ gefunden hat. Auf ähnlichem Wege tritt laut Alles (1907/1908, 234) die subtraktive Dativform läi zunehmend an die Stelle des ursprünglichen Nominativs leib ‘Leib’ im Osthessischen. Im West- und Ostfälischen, also in Dialekten, die die Apokope eher nicht kennen, bin ich bei Lexemen auf -nd auf einmalige, scheinbar subtraktive Formen im Dativ Plural gestoßen, vgl. hunt – hu¯ n ‘Hund, Hunden’ (Schütze 1953, 46 für Neuendorf) und vint – vinn ‘Wind, Winden’ (vgl. Holthausen 1886, 83 für Soest). Der Nominativ/Akkusativ Plural von ‘Hund’ lautet dagegen hun@, der von ‘Wind’ vin@. Als Erklärung bietet sich eine Kontraktion der -en-Endung nach der nd -Assimilation an. Die Existenz dieser Formen stellt ein potenzielles Problem für meine Hypothese dar, dass subtraktive Formen immer auf auslautendes Schwa zurückgeführt werden können. Es ist in diesem Fall jedoch nicht ganz klar, ob ein silbisches /n/ vorliegt. Wenn dem so wäre, würde keine Subtraktion vorliegen, denn immerhin wäre ein Suffix vorhanden. Es handelt sich auch insgesamt nur um vier Belege aus drei Orten. 3.2.3.2 /Ng/ Bei der Alternation /Ng/ > /N/ handelt es sich um die zweithäufigste Subtraktionsart bei Konsonantenclustern. Sie ähnelt insofern dem subtraktiven Vorgang bei Substantiven auf -nd etwa im Ripuarischen und Niederalemannischen, als wir in beiden Fällen eine Velarisierung vorfinden, die allerdings bei -nd umfassender ist. Entscheidend für die Subtraktion, bei -nd wie bei -Ng, ist die Tatsache, dass der zweite Bestandteil des Clusters im ehemaligen Inlaut verschwindet, während er im absoluten Auslaut beibehalten wird. Dieser Auslaut unterliegt in den Dialekten, die hier Subtraktion kennen, in der Regel der Auslautverhärtung. Dadurch bekommt man die subtraktive Beziehung [riNk] – [riN] ‘Ring, Ringe’. Leider gibt es keine Wenker-Karten, die den Ng-Konsonantencluster in verschiedenen Positionen behandeln, jedoch geht Schirmunski (1962, 393–394) ausführlich auf die Lokalisierungsfrage ein. Er nennt die Beibehaltung des etymologischen g im absoluten Auslaut ein Charakteristikum des Niederdeutschen überhaupt – man vergleiche hierzu die norddeutsche Aussprache von ‘lang’ als [laNk] und ‘länger’ als [lEN5] auch in höheren Sprechlagen (vgl. Wiese 1996, 228). Während die Hochlautung das [N] im In- wie im Auslaut vorgibt, findet man in den hochdeutschen Dialekten die Beibehaltung des /g/ im absoluten Auslaut teilweise im Ostfränkischen, im größten Teil des Zentralhessischen, im Nordhessischen, Moselfränkischen und Ripuarischen. Dagegen sind viele oberdeutsche Mundarten hier konservativer; so findet man im Bairischen beispielsweise Erhalt des /g/ auch im (alten) Inlaut wie in tsuNg ‘Zunge’ und fi Ngr
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Sprachgeographie
‘Finger’, während hoch- und höchstalemannische Mundarten in der Schweiz im In- wie im Auslaut geminierte Assimilationsprodukte zeigen, vgl. ri NN ‘Ring’. Bei der Suche nach einschlägigen Formen bin ich auf ein besonderes Problem gestoßen, das bei der Bewertung der Belege nicht unterschätzt werden sollte: das Problem des phonologischen Status des /g/ und dessen graphische Wiedergabe in meinen Quellen. Viele Dialektwörterbücher, gerade solche, die auf Transkriptionen verzichten, schreiben ein auch dann, wenn es mit Sicherheit nicht gesprochen wird und umgekehrt. Deswegen wurden hier die Angaben der Ortsmonographien richtungsweisend, indem ich nur solche Wörterbuchbelege aufgenommen habe, die auch in der dialektologisch-grammatischen Literatur validiert werden konnten. Es gibt relativ viele Substantive, die auf diesen Konsonantencluster enden (vgl. Ruoff 1981, 215–220). Wenn man aber Komposita, Fremdwörter, -ing/ -ung-suffigierte Wörter und substantivierte Adjektive weglässt, bleiben lediglich 12 Simplexwörter übrig, von denen zehn mit subtraktiven Formen vertreten sind (vgl. Lexemliste in Tabelle 12). Lexem Ding Dung Fang Gang (Ge)sang Hang
Subtraktion √ x √ √ √ √
Lexem Hering Ring Schwung Sprung Strang Zwing
Subtraktion √ √ √ √ √ x
Tabelle 12: Potenziell subtrahierende Ng-Simplexwörter
Daher überrascht es nicht, dass dementsprechend wenige Lexeme unter meinen Daten vorhanden sind. Bei allen Belegen fällt auf, dass Subtraktion im Vergleich zum nd -Konsonantencluster nur äußerst selten alleiniges Pluralmerkmal ist, sondern dass auch weitere, modifikatorische Merkmale, meistens Umlaut, hinzukommen. 3.2.3.2.1 Subtraktive Plurale In Tabelle 13 auf der nächsten Seite sind die subtraktiven Plurale, die sich in meiner Belegsammlung finden, aufgelistet.
67
Auswertung des Datenkorpus
Lexem
Belege
Areale
Singular
Plural
Zitierte Quelle
Gang Strang Ring Sprung Pfennig Hang Fang Klang Gesang Ding Hering Rang
34 31 30 22 15 13 11 4 4 4 2 2
9 12 11 10 3 5 6 4 3 2 2 2
GaNk schtraïk reïk šbråuNg pfënk hãNg fangk klank gesangk dink hęir’i˛Nk raNg
G¸eN schtreï reï šbr ö˛N pfëng hęN feng kläng geseng ding hęir’i˛N ræN
Welter (1929, 72) Stuhrmann (1896, 5) ElsWB (II, 267b) ThWB (V, 1418) Goepfert (1878, 70) SHEWB (III, 105) Nerger (1869, 176) LWB (II, 370b) Nerger (1869, 176) Schleicher (1858, 12) Tessmann (1966/67, 142) Gerbet (1908, 191)
Tabelle 13: Lexemübersicht: Ng-Subtraktion im Plural
Schirmunskis Angaben zur Arealität werden dabei bestätigt, lediglich eine Erweiterung des hypothetischen Verbreitungsgebiets auf das Thüringische und Obersächsische scheint mir notwendig. Insgesamt finde ich subtraktive Plurale auf -Ng im nahezu gesamten hypothetischen Subtraktionsgebiet. Es fehlen nur Belege aus dem apokopierenden Teil des Westfälischen, Brandenburgischen und Mittelpommerschen, was angesichts des oben angesprochenen Problems des phonologischen Status von /g/ höchstwahrscheinlich Zufall ist: Bei den Belegen aus den nicht-apokopierenden Teilen der ersten zwei Dialektverbände findet sich immer auslautendes /g/ im Nominativ Singular. Das Mittelpommersche ist seinerseits vielleicht der am schlechtesten erforschte Dialektverband des Deutschen. Insofern überrascht es wenig, dass es gerade hier an Belegen mangelt. Bei den Wörtern ‘Pfennig’ und ‘Hering’ sind ein paar Bemerkungen am Platze. Das erste Wort mag aus standarddeutscher Sicht nicht als zu dieser Klasse zugehörig aussehen, allerdings ist ‘Pfeninng’ bereits im Althochdeutschen mit einem Ng-Konsonantencluster überliefert: pfending (vgl. auch as. penning oder anord. pengr ). Während die Herkunft des Wortes umstritten ist (meist lat. pondus ‘Gewicht’), ist die Ableitung auf -ing sicher germanisch (vgl. Kluge, 697). Das n schwindet in vielen Gegenden ab mittelhochdeutscher Zeit, nur offensichtlich gerade nicht in Teilen des Thüringischen und Obersächsischen, aus denen subtraktive Formen überliefert sind.39 Einmalig in meiner Belegsammlung ist das ostfränkische Beispiel pfänneck – pfänn (Regel 1868, 70–71 für Ruhla), bei dem eine ganze Stammsilbe wegfällt.40 Auf ähnliche Formen bin ich nirgends sonst gestoßen, auch im Niederdeutschen nicht. Nur für das Niederdeutsche 39 Die Bezeichnung pfenning erschien auf preußischen Münzen bis zur Einführung der Markwährung im Jahr 1873 (vgl. DWB XIII, 1665). 40 Leider geht Regel (1868) nicht darauf ein, ob eine ähnliche Pluralbildung beim Wort ‘König’ möglich ist. Der Singular lautet künnek oder künk (vgl. Regel 1868, 70).
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Sprachgeographie
sind dagegen subtraktive Formen beim Wort ‘Hering’ nachgewiesen und zwar – dies mag vielleicht wenig überraschen – im Mecklenburgisch-Vorpommerschen und im Niederpreußischen. Schwankungen im Gebrauch kommen im Nieder- und Hochpreußischen und im Obersächsischen vor. So lautet die Angabe des „Preußischen Wörterbuchs“ (V, 949) štran(k) ‘Strang’, was auf Variation hindeutet. Hausenblas (1914, 40) berichtet über die obersächsische Mundart von Brüx (Most) im heutigen Tschechien: „Die intervokalische Entsprechung ng – N macht sich öfter auch im Auslaut fühlbar [...], besonders natürlich vor anlautendem Vokal des folgenden Wortes“. Dies zeigt, dass Sandhi-Phänomene, wie sie sich besonders bei der französischen Adjektivflexion bemerkbar machen, auch in den deutschen Dialekten eine Rolle spielen könnten. Auf dieses Problem komme ich im Kapitel 3.2.4.4 zurück; leider lässt mein Material eine Analyse der Interaktion von Subtraktion mit Sandhi-Phänomenen nicht zu. 3.2.3.2.2 Subtraktive Dative Subtraktive Dative beim Ng-Konsonantencluster sind mit 17 Belegen gegenüber 172 Pluralbelegen eher rar gesät (vgl. Tabelle 14). Ich kann sie immerhin für sieben verschiedene Dialektverbände nachweisen: das Ostfränkische, Osthessische, Moselfränkische, Ripuarische, Thüringische, Nordniederdeutsche und Mecklenburgisch-Vorpommersche. Lexem
Belege
Areale
Nominativ
Dativ
Zitierte Quelle
Gang Ding Hang Sprung Ring
10 2 2 2 1
5 2 2 2 1
gank di˛ŋk haŋk sprungk räink
gang di˛ŋ ¯ ha’ŋ sprung reng
Jørgensen (1934, 87) MWB (II, 136) Müller-W. (1930, 38) Nerger (1869, 177) Regel (1868, 90)
Tabelle 14: Lexemübersicht: ŋg-Subtraktion im Dativ
3.2.3.3 /ld/ Bei der ld -Assimilation, der diese Art von Subtraktion zugrundeliegt, verliert der Konsonantencluster /ld/ seinen finalen Dentalplosiv in intervokalischer Umgebung. Schirmunski (1962, 400) stellt eine solche Art der ld -Assimilation im ganzen Nord- und Mitteldeutschen und teilweise im Ostfränkischen fest (s. auch Guentherodt 1983, 1142). Jedoch muss hinzugefügt werden, dass es gerade im Nordniederdeutschen und im Mecklenburgisch-Vorpommerschen oft ein Nebeneinander assimilierter und nicht-assimilierter Formen gibt (vgl. Wenker-
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Auswertung des Datenkorpus
Karte 35 „bald“ und Wrede 1893a, 283–285).41 Auch im Mitteldeutschen ist das Bild komplexer als Schirmunskis Beobachtungen zunächst suggerieren: So findet sich z. B. in der Adjektivflexion (vgl. die Wenker-Karten 44 „alte“ und 58 „kalte“) keine Assimilation für das Rheinfränkische. Bestätigung hierfür finden wir in der Adjektivflexion der Mundart von Kirn (vgl. Kirchberg 1906, 47): Die flektierte Form heißt hier durchgängig ald@. Gleichzeitig finden wir das Adverb bal und das Verb mèl@ ‘melden’ (vgl. Kirchberg 1906, 22–25). Also scheinen die Adjektivformen von der Assimilation nicht betroffen gewesen bzw. später wieder ausgeglichen worden zu sein. Beachtlich ist auch die Beibehaltung des Schwa ausgerechnet bei den attributiven Adjektiven; auch das ist typisch für die mitteldeutschen Dialekte. Noch seltener ist die ld -Assimilation beim Substantiv ‘Feld’, wie Wenker-Karte 524 zeigt. Wie wir aber unten sehen werden, sagt diese Karte weniger über die Verbreitung der ld -Assimilation aus, sondern vielmehr über den Abbau von nominaler Dativmarkierung. Im Allgemeinen müssen wir also davon ausgehen, dass die ld -Assimilation im ganzen hypothetischen Subtraktionsgebiet verbreitet ist, und folglich, dass subtraktive Formen überall vorkommen könnten. Südlich des Mitteldeutschen (mit Einschluss des nördlichen Ostfränkischen) ist die Assimilation nach Schirmunski (1962, 400) nur beschränkt vorhanden; am weitesten reicht sie beim schwachbetonten Wort ‘bald’ (vgl. Wenker-Karte 35), bei dem sie das ganze Niederalemannische, Ostfränkische und Nordbairische und den Nordwesten des Schwäbischen umfasst. Ansonsten findet sich in alemannischen und bairischen Mundarten überall die unassimilierte Form. Bei Ruoff (1981, 194) sind insgesamt nur acht Simplexwörter aufgelistet, die auf -ld enden (vgl. Tabelle 15): Lexem Bild Feld Geduld Geld
Subtraktion √ √ x √
Lexem
Subtraktion
Gold Schuld Wald Wild
x x √ x
Tabelle 15: Potenziell subtrahierende ld-Simplexwörter
Zwei davon sind feminin und scheiden deswegen aus, zwei weitere, ‘Wild’ und ‘Gold’, sind nicht mit subtraktiven Formen belegt. Lexeme wie ‘Held’ und ‘Schild’ kommen in dem von Ruoff bearbeiteten Korpus offensichtlich nicht vor. Ich finde keine Hinweise darauf, dass ‘Held’ subtrahiert, obwohl das Substantiv von alters her stark ist und bis ins Neuhochdeutsche hinein so deklinierte (vgl. DWB X, 930). So belegt BMZ (I, 678a) für das Mittelhochdeutsche DativSingular- und Pluralformen auf auslautendes -e. Dagegen wird im „Rheinischen 41 Die mittelhochdeutsche Ausgangsform lautet balde. Das auslautende Schwa ist, wie bei den subtraktiven Formen, später im Zuge der Apokope verschwunden.
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Sprachgeographie
Wörterbuch“ (VII, 1121) bemerkt, dass ein subtraktiver Dativ še·l. beim Lexem ‘Schild’ noch vorkommt. Im Plural ist dagegen nur die -er -Endung üblich. 3.2.3.3.1 Subtraktive Plurale Die 47 von mir verzeichneten subtraktiven Pluralformen bei diesem Konsonantencluster werden in Tabelle 16 zusammengefasst. Lexem Belege Wald
47
Areale Singular 6
waalt
Plural
Zitierte Quelle
węl
Reuss (1907, 74)
Tabelle 16: Lexemübersicht: ld-Subtraktion im Plural
Interessanterweise gibt es überhaupt nur ein Lexem auf -ld (‘Wald’), das einen subtraktiven Plural auslöst und dies auch nur im Westmitteldeutschen, und zwar in sämtlichen Dialekten bis auf das Mittelfränkische und das Südniederfränkische. In den anderen Dialekten ist die additive Pluralbildung auf -er bei dieser Klasse dominant. ‘Wald’ stellt sprachhistorisch eine Ausnahme dar: Es gehört diachron zur u/i -Deklination; es ist aber erst ab mittelhochdeutscher Zeit mit Umlaut im Plural belegt (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 216, Anm. 3). Im Zuge der Nebensilbenabschwächung wurde der Nebensilbenvokal zu einem Schwa, das letztlich der Apokope unterlag (s. Kapitel 5.2.1). Dies erklärt das Vorkommen von Plural-Subtraktion bei diesem Lexem. Viele westmitteldeutsche Dialekte haben wie die neuhochdeutsche Standardsprache bei ‘Wald’ später die apokoperesistente -er -Endung angenommen und weisen somit keine subtraktiven Plurale mehr auf. In anderen Dialekten, so in Wehingen und Diefflen (beide Moselfränkisch), findet sich ein Nebeneinander subtraktiver und additiver Formen auf -er (vgl. Müller-Wehingen 1930, 40 und Lehnert 1926, 93). Im nördlichen Nordhessischen jenseits der Apokopegrenze erscheint die Alternation w¯alt – węl@ (Hofmann 1926a, 37 für Oberellenbach), die belegt, dass die Ausgangsform der Subtraktion auf -e und nicht auf -er ausgelautet hat. Im ganzen Niederdeutschen ist ‘Wald’ dagegen scheinbar nicht gebräuchlich. Auch im Untersuchungsgebiet des „Rheinischen Wörterbuchs“ scheint es selten zu sein (vgl. RhWB IX, 207). 3.2.3.3.2 Subtraktive Dative Waren die subtraktiven Plurale bei diesem Konsonantencluster eher selten, zeigt Tabelle 17 auf der nächsten Seite subtraktive Dative bei vier verschiedenen Lexemen in den meisten Dialekten des hypothetischen Subtraktionsgebiets, und zwar im Ostfränkischen, Nordbairischen, Rheinfränkischen, Zentral- und Osthessischen, Moselfränkischen, Ripuarischen, Südniederfränkischen, Thüringischen, Mecklenburgisch-Vorpommerschen, Ostpommerschen und Niederpreußischen.
71
Auswertung des Datenkorpus
Lexem
Belege
Areale
Feld Wald Geld Bild
32 16 5 3
12 8 4 1
Nominativ Dativ fEilt v¯oult gãld bilt
fE·i.l v¯ oul gäll bil
Zitierte Quelle Maurmann (1898, 64) Tessmann (1966/67, 142) Regel (1868, 90) Semrau (1915, 254)
Tabelle 17: Lexemübersicht: ld-Subtraktion im Dativ
Bemerkenswert ist, dass z. B. ein Wort wie ‘Geld’ nur im Dativ Singular subtrahiert, während im Plural, der bei diesem Wort eher selten ist, ein additives Muster vorliegt. Am häufigsten ist jedoch die Subtraktion bei ‘Feld’: Das Fehlen entsprechender subtraktiver Pluralendungen mag daher rühren, dass das Lexem zur neutralen a-Deklination gehört und somit von Haus aus endungslos ist. Bereits für das Althochdeutsche kann jedoch ein (analogischer) -ir -Plural nachgewiesen werden, der in den Dialekten (wie in der Standardsprache) allgemein bevorzugt wird.42 Daneben findet sich selten ein -e-Plural, den ich nur für das Nordobersächsische nachweisen kann (vgl. Schönfeld 1958, 14, 33 für Salzfurtkapelle). Zum Vergleich kann hier Wenker-Karte 524 „Felde“ herangezogen werden, die für das ganze deutsche Sprachgebiet den Kontext eines subtraktiven Dativs kartiert.43 Daran wird ersichtlich, wie genau sich die Wenker-Areale (Ostfränkisch/Thüringisch, Mittelfränkisch, Ostpommersch) mit meinen Daten decken. Darüber hinaus finden sich v. a. im Mecklenburgisch-Vorpommerschen viele Belege, die auf der Wenker-Karte als Abweichungen mit blauen Punkten eingezeichnet sind. Insgesamt scheinen sich subtraktive Dative vor allem in der Peripherie und in kleinen Inseln des deutschen Sprachgebiets zu finden. Nur im Ostpommerschen erfassen sie den ganzen Dialektverband. Unter den hochdeutschen Dialekten sind subtraktive Dative in dieser Umgebung besonders im Westmitteldeutschen verbreitet: Viele Belege finden sich im Südniederfränkischen und im Kerngebiet des Moselfränkischen. Daneben treten sie im Osthessischen und im Hennebergischen häufig auf. Außerdem finden sich ein vereinzelter zentralhessischer Beleg aus Naunstadt (vgl. Stroh 1928, 11), der mit einem punktuellen Beleg aus Wetzlar im Wenker-Material ebenfalls bestätigt werden kann, und ein nordbairischer Beleg aus dem Egerland. Letzteres ist insofern nicht völlig unerwartet, als wir im benachbarten östlichen Ostfränkischen eine fell -Insel beobachten können. Für das Rheinfränkische und das rheinfränkisch-schwäbische Übergangsgebiet konnte ich dagegen keine subtraktiven Formen feststellen.
42 Es soll jedoch nicht unterschlagen werden, dass der -er -Plural gerade im Mittelhochdeutschen fehlt (vgl. Gürtler 1912/1913, 120). 43 Wenkersatz 38: „Die Leute sind heute alle draußen auf dem Feld(e) und mähen.“
72
Sprachgeographie
Einen in der dialektologischen Literatur überaus seltenen Kommentar über subtraktive Dative liefert Regel (1868), der die südthüringische Mundart von Ruhla beschreibt und der hier in voller Länge zitiert werden soll: Die ganze eben betrachtete Erscheinung ist zwar nicht consequent durchgeführt, bleibt aber immerhin als ein Zeugniss für den feinen lautlichen und grammatischen Sinn der ruhl. Mundart höchst beachtenswerth und bildet in ihrer vollen und mannigfaltigen Entwickelung gewiss eine sprachliche Zierde und ein originelles Besitzthum derselben, welches dem eigentlich thüring. Dialect ganz abgeht, im henneb., fränk. und bair. Gebiete dagegen zwar dem Princip nach und anklangsweise vorhanden ist [...], aber sich meines Wissens nirgends so schön und bedeutsam wie hier entfaltet hat (Regel 1868, 91–92).
ˆ ‘durch den Wald’, in wåld ˆ Regel nennt hierfür viele Beispiele: duirch d’n wåld ‘in den Wald’, aber in wall ‘im Walde’ und ussen wall ‘aus dem Walde’ (vgl. Regel 1868, 90). Syntaktisch bemerkenswert ist das scheinbare Fehlen des Artikels bei zwei Beispielen im Zusammenhang mit der Präposition ‘in’. Hier gewährleistet die Subtraktion die ganze Kasusmarkierung. Ein ähnlicher Fall ist aus der nordniederdeutschen Glückstädter Mundart bekannt, vgl. in lann ‘im Land’ (Bernhardt 1892/1894, 32), den Bernhardt (1892/1894, 20) mit Verkürzung des im Artikel und in der Enklise kontaminierten Konsonanten erklärt: inn lann > in lann (also ein ∅-Klitikon, vgl. Nübling 1992, 16). Eine ähnliche Erklärung könnte auch für die Ruhlaer Mundart in Frage kommen. Obwohl Regel (1868) bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die relative Seltenheit dieser Erscheinung attestiert, ist – da im nahezu ganzen hypothetischen Subtraktionsgebiet ld -Assimilation stattgefunden hat – davon auszugehen, dass die Inseln mit subtraktiven Dativen (u. a. im Thüringischen) letzte Reste alter Formen darstellen, die vor dem 19. Jahrhundert im ganzen Gebiet verbreitet waren. Hinweise darauf finde ich in der dialektologisch-grammatischen Literatur: So bemerkt Maurmann (1898, 64) für die Mundart von Mülheim an der Ruhr: „doch treten auch für diese Formen vielfach die Akkusativformen ein“. Eine ähnliche Bemerkung findet sich bei Stroh (1928, 11): Er stellt für die Mundart von Naunstadt subtraktive Dative nur noch in bestimmten Redewendungen mit Präpositionen fest, während sich sonst immer eine ausgeglichene Nominativform findet. Ähnlich bemerkt Alles (1907/1908, 234), ein guter Kenner der hessischen Dialekte, zu den subtraktiven Dativen, von denen er nur solche bei Vokal+Konsonant-Abfolgen aufführt: „Die Zahl der Beispiele kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen. Doch dürfte sie sich kaum erheblich vermehren lassen.“ Außerdem deutet die Tatsache, dass wir im ganzen zentralhessischen Gebiet subtraktive Plurale auf -ld finden, aber so gut wie keine subtraktiven Dative, auf einen Formenausgleich hin. Entsprechende Beispiele könnten aber auch durch Zufall in der Literatur fehlen. 3.2.3.4 /rd/ Die rd-Assimilation, auf die dieser Subtraktionstyp zurückgeht, ist v. a. für das Niederdeutsche charakteristisch (vgl. Schirmunski 1962, 400 und Guenthe-
Auswertung des Datenkorpus
73
rodt 1983, 1142). Unter den hochdeutschen Dialekten gibt es sie in größerem Umfang nur im Ostmitteldeutschen, während sich im Westmitteldeutschen, z. B. in den hessischen Dialekten, nur isolierte Beispiele finden. Punktuelle assimilierte Formen beim Verb ‘werden’, vęr@, die bis ins Hochalemannische reichen, möchte Schirmunski als Analogie zu den Formen der 2. und 3. Person Singular Präsens wirst, wird verstehen. Die rd -Assimilation bekommt von der Vokalisierung des /r/ vor Dentalen Konkurrenz, die im Niederdeutschen, in den fränkischen Dialekten und im Mittelbairischen verbreitet ist (vgl. Haas 1983, 1113). Gerade im Niederdeutschen tritt die Vokalisierung oft zusammen mit der rd -Assimilation auf; in der Regel ist sie sowohl im In- als auch im Auslaut durchgedrungen, jedoch gibt es hierzu auch Ausnahmen, was die Komplexität der Alternationen erhöht. Als besonders problematisch sollten sich die in vielen Fällen in Verbindung mit diesem Konsonantencluster auftretenden Rhotazismen in intervokalischer Stellung im Niederdeutschen erweisen, die besonders für die Kolonialmundarten im Osten charakteristisch sind (vgl. Schirmunski 1962, 317), und deren Interaktion mit der Vokalisierung des /r/ (vgl. Nerger 1869, 148–149).44 Ein paar Beispiele seien hier aufgeführt: pe·@(r)t – p¯e9ř ‘Pferd, Pferde’ und wo·@t – w¯e@ř ‘Wort, Wörter’ (Mischke 1936, 48 für das ostpommersche Rummelsburg) und p¯ęad – pęr ‘Pferd, Pferde’ (SHWB III, 984 für das nordniederdeutsche Angeln und Ostholstein). Hier könnte man einerseits den Eindruck gewinnen, dass der erste Teil des rd -Konsonantenclusters bewahrt wird, die Vokalisierung des /r/ also nur eine partielle ist, andererseits könnte man auch behaupten, dass das /d/ durch Rhotazismus zu einem /r/ wird. Im letzten Fall würde keine Subtraktion, sondern lediglich Modifikation vorliegen. Im Fall von Rummelsburg – das gleiche habe ich mangels Informationen für den oben zitierten Wörterbuchbeleg aus dem Nordniederdeutschen gelten lassen – handelt es sich bei ř ganz klar um einen Rhotazismus: Dieses ř wird zwar nach Mischke (1936, 35) im jungen Auslaut „kaum hörbar gerollt und schwindet meist ganz“, der Vorsichtigkeit halber habe ich diese Formen aber nicht als Belege für Subtraktion gewertet. Der Übergang d > r findet nur zwischen Vokalen statt, d. h. bei ‘Pferd’ zwischen vokalisiertem /r/ und der ehemaligen, später apokopierten Flexionsendung. Die Vokalisierung muss somit vor dem Rhotazismus erfolgt sein. In Ruoff (1981, 196, 271–272) finden sich acht Lexeme, bei denen historisch ein rd -Konsonantencluster angenommen werden kann (vgl. Tabelle 18).
44 Die Vokalisierung des /r/ ist in den deutschen Dialekten besonders häufig vor Dental (vgl. Haas 1983, 1113).
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Sprachgeographie
Lexem Subtraktion Lexem Subtraktion √ √ Bart Pferd Fahrt x Wert x √ Herd Wirt x √ √ Ort x( ) Wort Tabelle 18: Potenziell subtrahierende rd/t-Simplexwörter
In den hochdeutschen Dialekten ist wegen der Medienverschiebung d > t (z. B. in ‘Wort’ oder ‘Ort’) in den meisten Fällen keine Subtraktion zu erwarten. Lediglich bei zwei Lexemen, ‘Pferd’ und ‘Herd’, die auch in der neuhochdeutschen Orthographie das beibehalten haben, finden sich subtraktive Formen. Bei ‘Pferd’ handelt es sich um eine frühe Entlehnung aus dem Mittellatein (vgl. ml. paraveredus), bei ‘Herd’ um ein Wort, das ähnlich wie ‘Zahn’ auf germ. þ zurückgeht (vgl. Kluge, 411 und 697). Im Niederdeutschen, wo die Zweite Lautverschiebung nicht stattgefunden hat, kommen einige weitere Wörter dazu. Nach Subtraktion bei Lexemen, die nur im Niederdeutschen den stimmhaften Dentalplosiv erhalten haben, konnte jedoch nicht systematisch gesucht werden (vgl. Erörterungen zur Wörterbuchrecherche in Kapitel 3.1.2.2). Eine Stichprobe in einigen niederdeutschen Dialektwörterbüchern zeigt, dass es subtraktive Formen bei einem Lexem wie ‘Ort’ durchaus gibt: ort – ör ‘Ort, Orte’ (SHWB III, 903), jedoch finde ich keine Hinweise auf solche subtraktiven Formen im „Mecklenburgischen Wörterbuch“ oder im „Preußischen Wörterbuch“. 3.2.3.4.1 Subtraktive Plurale Die Pluralbelege in Tabelle 19 verteilen sich auf folgende zwölf Dialektverbände: Ostfränkisch, Rheinfränkisch, Zentral- und Nordhessisch, Moselfränkisch, Thüringisch, Obersächsisch, Nordniederdeutsch, Mecklenburgisch-Vorpommersch, Brandenburgisch und Mittel- und Ostpommersch. Lexem Pferd Wort Bart Bord Herd
Belege 72 18 3 2 1
Areale
Singular
11 4 3 1 1
e e
pf aard w¯ ort bart boort e h¯eat
Plural e e
pf aar ¯ wör börr böör e h¯ea
Zitierte Quelle Tetzner (1928, 19–20) Brose (1955, 30) NSWB (I, 670) Quistorf / Sass (1937, 23) Mackel (1905–1907, 55)
Tabelle 19: Lexemübersicht: rd-Subtraktion im Plural
Sie sind jedoch auf relativ wenige Orte in diesen Dialektverbänden beschränkt (viele niederdeutsche Belege stammen aus den Arbeiten von Bock 1933 und
Auswertung des Datenkorpus
75
Brose 1955), so dass dieser Subtraktionstyp durchaus als punktuell zu bezeichnen und keineswegs mit der nd -/Ng-Subtraktion zu vergleichen ist. Dies liegt einerseits daran, dass es, wie oben festgestellt, relativ wenige Lexeme gibt, die von der zugrundeliegenden Assimilation betroffen sind und im Hochdeutschen das einzige dort mit Subtraktion belegte Wort ‘Pferd’ mit ‘Gaul’ und ‘Ross’ konkurriert (vgl. DSA-Karte 8, die ‘Pferd’ für das ganze Niederdeutsche, das Mittelfränkische, den Westen des Rheinfränkischen und das ganze Ostmitteldeutsche zeigt). Dazu kommt noch, dass die rd -Assimilation selbst immer beschränkter wird, je weiter nach Süden man kommt. Einige mitteldeutsche Belege sind ungesichert, z. B. beim nordhessischen Plural pęr (HNWB II, 594 für Loshausen) oder beim thüringischen (b)fą (Spangenberg 1962, 18 für Unterellen) fehlt der entsprechende Singularbeleg. Bezüglich des nordhessischen Belegs bemerkt das „Hessen-Nassauische Wörterbuch“ allerdings, dass ‘Pferd’ im Plural häufiger erscheint als im Singular, während im Singular ‘Gaul’ im größten Teil des Untersuchungsgebiets dominiert.45 Das gleiche bemerkt Alles (1907/1908, 349) für das osthessische Unter-Wegfurth. Auch im ostfränkischen Coburg sei pfà ausschließlich im Plural gebräuchlich, während es im Singular nur die Diminutivform pfàlà ‘Pferdlein’ gebe (vgl. Hermann / Siegel 1957, 154). Da ich auch sonst auf keine etymologischen -rd -Stämme gestoßen bin, die das auslautende /d/ im Nominativ Singular eingebüßt haben (aber s. Schirmunski 1962, 400), ist Subtraktion hier plausibel, solange ‘Pferd’ noch im Singular überhaupt gebräuchlich ist. Einwandfreie Belege finden sich im zentralhessischen Wissenbach, p¯ard – p¯ar (HNWB II, 594), im Rhein- und Moselfränkischen, vgl. pha¯ed – pha¯e (Müller 1939, 173 für Lebach) sowie im Obersächsischen, so dass subtraktive Plurale auf -rd im Mitteldeutschen durchaus zu erwarten sind. Variation findet sich im ganzen Gebiet: So zeigt die nordniederdeutsche Mundart von Glückstadt ein laut Bernhardt (1892/1894, 29–30) durch hochdeutschen Einfluss bedingtes Nebeneinander subtraktiver und additiver ¯ und vota ‘Wort, Wörter’, die ostpommersche Mundart Formen: v¯oat – vöa ¨ von Saatzig dagegen ein Nebeneinander subtraktiver und modifikatorischer Formen: wot – wö und wöd (Kühl 1932, 21). Wie letztere verhält sich auch das Brandenburgische in der Neumark (vgl. BBW IV, 859). Das „Pommersche Wörterbuch“ (II, 423–424) belegt hingegen für sein Untersuchungsgebiet d Schwund manchmal auch im Singular, so dass hier ein Nullplural anzunehmen ist. 3.2.3.4.2 Subtraktive Dative Es finden sich nur fünf Belege für subtraktive Dative in dieser phonologischen Umgebung, und zwar im Moselfränkischen, Ripuarischen, Nordniederdeutschen 45 Dass dem heute noch so ist, kann mir Johanna Schwalm (Marburg), selber nordhessische Dialektsprecherin, bestätigen.
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Sprachgeographie
und Mecklenburgisch-Vorpommerschen (vgl. Tabelle 20). Im Ostpommerschen bin ich dabei nur auf ältere Formen mit Rhotazismus gestoßen (vgl. wo·@t – w¯o@ř ‘Wort, Wörter’, Mischke 1936, 50 für Rummelsburg), jedoch sind subtraktive Dative angesichts der Existenz subtraktiver Plurale im gleichen Gebiet nicht auszuschließen. Lexem
Nominativ
Singular
Dialekt
Zitierte Quelle
Pferd Pferd Pferd Pferd Pferd
pha¯ed p¯ęrt pęat pęrd e p¯eat
pha¯e p¯ęr pęa pęr e p¯ea
MFR RIP NND NND MEV
Müller (1939, 171) RhWB (VI, 709) Bernhardt (1892/1894, 29, 32) Jørgensen (1934, 87) Mackel (1905–1907, 77)
Tabelle 20: Belegübersicht: rd-Subtraktion im Dativ
Hier sind wir in der glücklichen Lage, dass es genau zu diesem Lexem in der Funktion eines Dativs eine Sprachatlaskarte gibt (vgl. Wenker-Karte 48 „Pferde“). Diese zeigt für das Niederdeutsche ein Gebiet mit punktuellen Belegen vom nordwestlichen Nordniederdeutschen bis ins Ostpommersche. Hier besteht allerdings in noch höherem Grade als bei der dialektologisch-grammatischen Literatur das Problem der Interpretation der Belege, da die Nominativform fehlt und die Vokalisierungs- und Rhotazismusverhältnisse somit im Dunkeln bleiben. Im hochdeutschen Gebiet (auch hier meist als Abweichungen kartiert) sind vertreten: das östliche Ostfränkische (sogar mit Ausläufern ins Nordbairische), das Moselfränkische einschließlich Übergangsgebiete (etwa vom Moseltal bis ins Nordelsass), das östliche Ripuarische, das südliche Obersächsische und punktuell auch das Schlesische (mit kleineren Inseln bei Löwenberg und Schönau).46 Obwohl die Atlasbelege allesamt problematisch sind, bestätigen sie immerhin meine Ergebnisse und weiten (bis auf die unsicheren ostmitteldeutschen Belege) das Gebiet auch nicht erheblich aus. 3.2.3.5 /mb/ Während die bisher behandelten Konsonantenassimilationen (bis auf /Ng/ > /N/) nur in den Dialekten vorkommen, handelt es sich bei der mb-Assimilation um eine, die auch in der Standardsprache erfolgt ist. Allerdings wurde sie dort sowohl im In- als auch Auslaut durchgeführt, weswegen Subtraktion hier ausgeschlossen ist. Dies gilt auch für weite Teile des deutschen Sprachgebiets: 46 Die schlesischen Belege sind insofern sehr interessant, als dieses Gebiet sonst eher subtraktionsfeindlich ist. Sie werden auch vom „Schlesischen Sprachatlas“ bestätigt (Karte 74 „Pferde“). Allgemein kennt das Schlesische die Apokope nicht, jedoch gibt es, wie etwa im Westfälischen und im Obersächsischen durchaus kleinräumigere Apokopegebiete (vgl. auch die Bemerkungen in Kapitel 3.2.2).
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Auswertung des Datenkorpus
Ausnahmslose mb-Assimilation zeigen zunächst alle niederdeutschen und viele mittel- und oberdeutsche Dialekte. Mundarten, in denen diese Assimilation völlig unterbleibt, sind dagegen äußerst selten. Es betrifft nur einige wenige konservative alemannische und bairisch-österreichische Dialekte (vgl. Schirmunski 1962, 392–393). In Teilen des West- und Ostmitteldeutschen und im Ostfränkischen – und hier wird es für uns interessant – ist die mb-Assimilation nur im ehemaligen Inlaut durchgeführt. Schirmunski beschränkt zwar seine Angaben auf die östlichen Dialekte des Hochdeutschen, jedoch zeigen meine Daten, dass die Beschränkung auf den ehemaligen Inlaut auch im Westmitteldeutschen üblich ist. Leider gibt es keine Wenker-Karten, die uns Aufschluss über diese Erscheinung geben könnten. Die MRhSA-Karte 362 „Kamm_“ zeigt aber die Beibehaltung des westgerm. *b im absoluten Auslaut für den Westen des Moselfränkischen und für das rheinfränkisch-moselfränkische Übergangsgebiet im Saarland. Es gibt nicht viele Substantive, die historisch auf -mb zurückgehen (vgl. Tabelle 21): Lexem
mhd. Form
Kamm Lamm Schwamm
kamp lamp swamp
Subtraktion √ √ √
Tabelle 21: Potenziell subtrahierende mb-Simplexwörter
Wenn man sich nach der heutigen Schreibung richtet, sind es genau drei (vgl. Ruoff 1981, 232 und Mater 1965, 325–327). Eine Recherche im rückläufigen Wörterbuch des Altniederdeutschen (vgl. Anreiter 1989) und des Mittelhochdeutschen (vgl. Bachofer / von Hahn / Möhn 1984) ergab auch keine weiteren Substantive. Interessanterweise sind sämtliche von diesen dreien mit subtraktiven Formen belegt. 3.2.3.5.1 Subtraktive Plurale Subtraktive Plurale beim mb-Konsonantencluster kann ich für das Ostfränkische, Rheinfränkische, Moselfränkische, Ripuarische und das Obersächsische (vgl. Tabelle 22) nachweisen. Lexem
Belege
Areale
Kamm Schwamm
24 7
5 2
Singular Plural kamp šw¯ amb
k¯´em šwęm
Tabelle 22: Lexemübersicht: mb-Subtraktion im Plural
Zitierte Quelle Engelmann (1910, 20) Kober (1962, 76–77)
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Sprachgeographie
Ich halte es ebenfalls für wahrscheinlich, dass solche Formen im Südniederfränkischen vorkommen; hierbei kann ich mich jedoch auf keine gesicherten Belege stützen (vgl. RhWB IV, 111). Zwischen den Lexemen ‘Kamm’ und ‘Schwamm’ zeichnen sich keine interessanten arealen Unterschiede aus. Sie finden sich beide in den zu erwartenden Gebieten, d. h. im Westen und Osten des mitteldeutschnordoberdeutschen Gebiets. Für den Westen werden die MRhSA-Daten insofern bestätigt, als ich in dessen Untersuchungsgebiet subtraktive Formen nur im Westen des Moselfränkischen und im rheinfränkisch-moselfränkischen Übergangsgebiet finde. Hinweise auf Ausgleich des auslautenden -p im Singular gibt es in allen Dialektverbänden, die hier Subtraktion kennen: Im ostfränkischen Waldau, wo die Form langsam schwindet (vgl. Bock 1965, 51), in Luxemburg (vgl. LWB II, 274b) und im obersächsischen Zwickau, wo sie nur bei den älteren Sprechern vorkommt (vgl. Bergmann 1965, 111). Im „Rheinischen Wörterbuch“ (IV, 111–112) wird angemerkt, dass manche Mundarten sowohl assimilierte als auch unassimilierte Formen kennen. In allen anderen Dialekten finden wir bereits ausgeglichene Formen, jedoch in Kombination mit anderen modifikatorischen Pluralisierungsverfahren wie Umlautung, vgl. kam – ki˛m (Friebertshäuser 1961, 34 für das zentralhessische Weidenhausen) oder Addition, vgl. kam – kem@ (Schütze 1953, 46 für das ostfälische Neuendorf). Einen besonders interessanten Hinweis finde ich im „Mecklenburgischen Wörterbuch“ (VI, 1130), laut dem eine ältere Form swamp bis ins 19. Jahrhundert noch vereinzelt belegt sei. Dies würde heißen, dass mb-Subtraktion früher auch in Teilen des Niederdeutschen bestanden hat. 3.2.3.5.2 Subtraktive Dative Die subtraktiven Dative auf -mb sind mit nur fünf Belegen aus dem moselfränkischen Raum recht selten (vgl. Tabelle 23). Lexem
Nominativ
Dativ
Dialekt
Zitierte Quelle
Kamm Kamm Lamm Lamm Lamm
kãmp kamp lamp lãmp lamp
kämm ka·m la·m lamm la·m
MFR ??? MFR MFR ???
Büsch (1888, 17) RhWB (IV, 111) Müller-Wehingen (1930, 38) Büsch (1888, 17) RhWB (V, 64)
Tabelle 23: Belegübersicht: mb-Subtraktion im Dativ
Leider ist es nicht ganz klar, woher das „Rheinische Wörterbuch“ seine Formen bezieht. Es wird an einer Stelle nur bemerkt, dass „die ältere Form mit schliessendem -mp“ noch im Moselfränkischen, Ripuarischen und Südniederfränkischen bis zur Ürdinger Linie geläufig sei, dass aber gleichzeitig ein ziemliches Nebeneinander alter und neuer Formen bestehe (vgl. RhWB IV, 111). Interessant ist,
Auswertung des Datenkorpus
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dass das häufigste Lexem dieser Klasse, ‘Lamm’, bei den subtraktiven Pluralen fehlte. Obwohl es auch von mb-Assimilation betroffen ist, hat es als ehemaliger iz/az -Stamm bereits im Althochdeutschen eine -er -Endung (s. Kapitel 5.2.1) und ist somit nicht von der Apokope betroffen. Deswegen ist ein subtraktiver Plural hier ausgeschlossen, ein subtraktiver Dativ dagegen nicht. Dies zeigt, dass die Dativformen nicht etwa in Analogie zu den Pluralformen entstanden sind, sondern dass sie ebenfalls völlig lautgesetzlich zu erklären sind. 3.2.3.6 /rg/ Die Assimilation /rg/ > /r/ ist im deutschen Dialektraum äußerst selten. Schirmunski (1962, 401) scheint gar ihre Nichtexistenz zu behaupten. Stattdessen sei bei diesem Konsonantencluster eine Vokalepenthese üblich: berç > beriç ‘Berg’. Immerhin finde ich in meinem Datenkorpus elf Belege für eine reguläre, inlautende rg-Assimilation, die Subtraktion zur Folge hat, jedoch nur in drei Orten. Mehrheitlich stammen diese Belege aus einer einzigen Ortsgrammatik, nämlich Regel (1868), zur thüringischen Mundart von Ruhla (dazu ein Wörterbuchbeleg aus dem „Thüringischen Wörterbuch“, das sich möglicherweise auf Regel 1868 bezieht). Ansonsten finden sich nur noch zwei osthessische Belege aus Fraurombach und Unter-Wegfurth (vgl. Alles 1907/1908, 350). Zwischen den zwei osthessischen Orten und dem thüringischen Ruhla liegen knapp 60 Kilometer, so dass man den Eindruck gewinnt, dass es sich um ein recht kleinräumiges Phänomen handelt. Auch nur wenige Substantive sind potenziell von dieser Assimilation betroffen, was ein Blick in Ruoff (1981, 220) verrät. Dort sind insgesamt vier aufgelistet, von denen zwei in meinen Daten subtrahieren (vgl. Tabelle 24).47 Lexem Subtraktion √ Berg Burg x √ Sarg Werg x Tabelle 24: Potenziell subtrahierende rg-Simplexwörter
3.2.3.6.1 Subtraktive Plurale Tabelle 25 auf der nächsten Seite zeigt, dass nur bei ‘Berg’ subtraktive Formen für zwei Dialektverbände, Osthessisch und Thüringisch, nachgewiesen werden können. 47
Man bemerke auch, dass das Lexem ‘Zwerg’ in der Liste von Ruoff (1981, 220) fehlt.
80
Sprachgeographie
Lexem
Belege
Areale
Singular
Plural
Zitierte Quelle
Berg Storch Sarg Zwerg
3 2 1 1
2 1 1 1
bärk stuirk soirk ´ zwärk
bärr stürr särr zwärr
Alles (1907/1908, 350) Regel (1868, 70–71) Regel (1868, 70–71) Regel (1868, 70–71)
Tabelle 25: Lexemübersicht: rg-Subtraktion im Plural
Wenker-Karte 405 „Berge“ zeigt für das ganze nieder- und hochdeutsche Gebiet unassimilierte rg-Formen im Inlaut. Nur im Osthessischen, vom Schlitzer Land bis an die Fulda und im Thüringischen im Raum Ruhla finden sich Assimilationsformen als Abweichungspunkte. Insgesamt finden sich nach meiner Zählung subtraktive Formen in 18 Orten (deren drei auch von meinen Dialektgrammatiken behandelt und validiert werden), so dass sich eine Verteilung wie in Abbildung 4 ergibt. Abermals wird die Rolle der Apokope bestätigt, indem wir nur im Apokopegebiet subtraktive Formen vorfinden. Während die Subtraktion bei ‘Berg’, ‘Sarg’ und ‘Zwerg’ sprachhistorisch unproblematisch ist, erfordert die Subtraktion bei ‘Storch’, die nach Regel (1868, 71) allerdings nur selten vorkommt, eine besondere Erklärung. In Kapitel 3.2.5 stelle ich die Frage, ob hier eine produktive Anwendung des subtraktiven Verfahrens vorliegt, was für meine theoretische Analyse in Kapitel 7.5 Folgen hätte.
" ) Kassel
! ( ! ( ! ( ! ( ! ( ! (
! (( ! ( ! ( ! (! ! ( ! ( ! ( ! ( ! ( ! (! ( ") Fulda
" ) Erfurt
Legende
! ( rɡ-Subtraktion
Apokopegrenze nach Wenker-Karte 374 ʻHauseʼ
Abbildung 4: Verbreitungsgebiet der rg-Subtraktion (nach Wenker-Karte 405 „Berge“ und meinen Daten)
81
Auswertung des Datenkorpus
3.2.3.6.2 Subtraktive Dative Ich finde insgesamt nur vier Belege für einen subtraktiven Dativ auf -rg, allesamt aus dem thüringischen Ruhla (vgl. Tabelle 26), interessanterweise dort bei sämtlichen Lexemen, die auch im Plural subtrahieren. Das Verbreitungsgebiet dieser Formen dürfte sich früher mit dem der Pluralformen gedeckt haben. Lexem Berg Sarg Storch Zwerg
Nominativ ´ bärk soirk stuirk ´ zwärk
Dativ
Dialekt
bärr sarr storr zwärr
THÜ THÜ THÜ THÜ
Zitierte Quelle Regel Regel Regel Regel
(1868, (1868, (1868, (1868,
90) 91) 71) 90)
Tabelle 26: Belegübersicht: rg-Subtraktion im Dativ in Ruhla
3.2.3.7 /md/ Ich schließe den Teil zur Subtraktion bei Konsonantenclustern mit einem Sonder- und einem Problemfall zugleich ab. Es handelt sich dabei um die Assimilation /md/ > /m/. Diese Assimilation weisen laut Schirmunski (1962, 393) einige nieder- und mitteldeutsche Dialekte auf, während oberdeutsche Dialekte dagegen oft /md/ > /nd/ haben. Das Problem besteht nun darin, dass die meisten nieder- und mitteldeutschen Dialekte, die diese Assimilation kennen, den md -Konsonantencluster vollständig zu m aufgelöst haben, da streng genommen nur mhd. fremede ‘fremd’ und hemede ‘Hemd’ davon betroffen sind und der Kontext für die Assimilation somit jeweils immer der Inlaut war. Ich finde jedoch Belege, die – quasi gegen die Lautgesetze – unassimilierte Formen im Nominativ Singular aufweisen, während im Dativ Singular und Nominativ/Akkusativ Plural assimilierte Formen begegnen. Im Falle von -md finden sich sieben Belege für subtraktive Plurale und Dative im Moselfränkischen, Nordniederdeutschen und Mecklenburgisch-Vorpommerschen. Es handelt sich dabei ausschließlich um das Lexem ‘Hemd’. So belegt Müller-Wehingen (1930, 30, 41) für den moselfränkischen Dialekt von Wehingen einen subtraktiven Dativ: himp – hi·m ‘Hemd, Hemde’. Hier wird das /d/ dem /m/ angeglichen, der Artikulationsort ändert sich also von dental zu bilabial. Diese Assimilation ist sonst für Dialekte im Rheinland, in der Schweiz und in Kärnten nachgewiesen (vgl. Guentherodt 1983, 1142), dort aber ohne Subtraktion. Ich kann solche Formen zusätzlich für das Nordniederdeutsche nachweisen, vgl. hemb – hem ¯ (SHWB II, 734) sowohl im Nominativ/Akkusativ Plural als auch im Dativ Singular.48 Gleichzeitig findet sich das Paar hemt 48 Im gleichen Dialekt hat sich die Pluralform zum Teil auf den Singular übertragen und im Plural -s agenommen, vgl. hemm – hemms (SHWB II, 734).
82
Sprachgeographie
– hemm (Bernhardt 1892/1894, 29, 32 für Glückstadt); dies ist auch die Situation im Mecklenburgisch-Vorpommerschen. Interessant und problematisch ist das unterschiedliche Verhalten des Nominativ Singular und des Nominativ/Akkusativ Plural, da beide historisch ein Schwa enthalten, vgl. mhd. hem(e)de – hem(e)de ‘Hemd, Hemden’. Jedoch sind schon für die frühneuhochdeutsche „Zimmerische Chronik“ bereits schwalose Nominativ-Singular-Formen wie hemet belegt (vgl. Lexer, 1245–1246). Eine mögliche Erklärung für das unterschiedliche Verhalten des Singulars und des Plurals könnte eine morphologische sein: Das Schwa des Nominativ Singular könnte früher apokopiert worden sein als das des Dativ Singular und des Nominativ/Akkusativ Plural. Auch die Standardsprache zeigt hier kein -e, obwohl sie die Apokope im Allgemeinen nicht kennt. 3.2.4 Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen 3.2.4.1 /Vg/ Nach Tabelle 6 auf Seite 48 ist Subtraktion bei Vg-Abfolgen mit 248 Belegen zwar der zweithäufigste Subtraktionstyp, aber bei weitem nicht so üblich wie die nd -Subtraktion. Während die bisher behandelten Subtraktionstypen alle in Verbindung mit dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von bestimmten Konsonantenassimilationen gebracht werden konnten, stellen die Subtraktionen bei allen Vokal+Konsonant-Abfolgen die Endstufe von Lenisierungen in intervokalischer Umgebung dar. Sie unterscheiden sich auch in einer anderen Eigenschaft grundsätzlich von den Konsonantenclustern: Während bei den ersteren die Apokope als Grundvoraussetzung gilt, kann bei den Vokal+Konsonant-Abfolgen Subtraktion in einigen Fällen auch in Dialekten erfolgen, welche die Apokope eigentlich so nicht kennen. Meine Erklärung hierfür ist, dass hier eine Trunkierung erfolgt, um einen unzulässigen Hiatus zu verhindern. Der Subtraktion bei Vg-Abfolgen liegt ein Phänomen zugrunde, das in der dialektologisch-grammatischen Literatur oft als „intervokalischer g-Schwund“ abgehandelt wird.49 Dort wird zudem oft darauf hingewiesen, dass die Arealität dieses g-Schwunds besonders schwer zu bestimmen ist (vgl. Frings 1967, 345), indem er in vielen Gegenden scheinbar nur sporadisch begegnet. Nach Schirmunski (1962, 308–311) fällt das intervokalische /g/ im Niederdeutschen nur vereinzelt aus, zum Teil im südlichen Braunschweig im Ostfälischen; weiter verbreitet ist es jedoch nur im Brandenburgischen (vgl. auch Simmler 49 Ich sehe im Folgenden vom intervokalischen g-Schwund des klassischen Mittelhochdeutschen zwischen engen Vokalen in den Abfolgen -igi -, -egi - und -age- mit anschließender Kontraktion ab, da er sich hauptsächlich auf Verben beschränkt: vgl. leite ‘legte’, seist ‘sagst’. Dieser g-Schwund ist v. a. in den oberdeutschen Dialekten verbreitet (vgl. Schirmunski 1962, 314–315 und Nübling 1995).
Auswertung des Datenkorpus
83
1983, 1123). Von den hochdeutschen Dialekten betrifft es in größerem Umfang nur das Mitteldeutsche: Hier fällt das /g/ intervokalisch grundsätzlich aus im Moselfränkischen, Lothringischen, Westpfälzischen, fast im ganzen Hessischen, Thüringischen und im Sächsischen. Der Ausfall scheint gerade im Ostmitteldeutschen etwas beschränkter zu sein als im Westmitteldeutschen. Die übrigen deutschen Dialekte kennen den g-Schwund grundsätzlich nicht und haben stattdessen stimmlose oder stimmhafte Frikative (g-Spirantisierung), Vokalisierung (mit Diphthong als Resultat) oder den Plosiv erhalten. Ausnahmen sind einige mittelbairische Mundarten, die sowohl im Aus- als auch im Inlaut das /g/ tilgen, vgl. d¯ o – d¯ a ‘Tag, Tage’ (Wondratsch 1935, 127 für Klein Tesswitz [tsch. Dobšice] in Südmähren). Offensichtlich hat sich Schirmunski bei seinen Recherchen an WenkerKarte 141 „sagen“ orientiert, die eine ähnliche areale Verbreitung des g-Schwunds zeigt wie oben skizziert. Jedoch ist nicht immer klar, ob der Laut tatsächlich völlig abfällt, denn es können Reste in Form von Hauchlauten oder Gleitlauten übrig bleiben. Da der intervokalische g-Schwund eine wesentlich punktuellere Erscheinung als etwa die nd -Assimilation ist, gilt für sämtliche Dialektverbände grundsätzlich, dass neben subtraktiven Formen auch modifikatorische vorkommen können. Dies stellte ein großes Problem bei der Bewertung meiner Quellen dar, so z. B. bei Alles (1907/1908) zur Substantivflexion des Zentral-, Nordund Osthessischen: Er verwendet in seiner Transkription ein , das sowohl ein Dehnungszeichen als auch einen Hauchlaut darstellen könnte. In einem Fall wie wäk – wäh ‘Weg, Wege’ könnte eine Spirantisierung gemeint sein (vgl. Alles 1907/1908, 350), im Falle von zwihk – zwih ‘Blumenstrauß, Blumensträuße’ ist dagegen eher als Dehnungszeichen anzusetzen. Kompliziert wird die Sache auch durch eine gewisse Willkür vonseiten des Autors: So finden sich bei Alles (1907/1908, 237) die entsprechenden Formen auch ohne . Bei der Auswertung habe ich mich deshalb an folgende Regel gehalten: Wo keine Alternation zwischen Plosiv und Frikativ stattfindet (vgl. krehk – kreh ‘Krieg, Kriege’), wurden die entsprechenden Formen als Subtraktion gewertet, bei vorhandener Alternation (stäk – stäh ‘Steg, Stege’) jedoch nicht. Golston / Wiese (1996, 146) haben in ihrer Transkription von Alles (1907/1908) auf den Hauchlaut völlig verzichtet (vgl. [vEk] – [vE] ‘Weg, Wege’), was insofern problematisch ist, als hier kein Lautschwund, sondern lediglich eine Lautreduktion vorliegen könnte, was für die morphologische Analyse Folgen hätte. In Fällen, bei denen wir einen Gleitlaut j vorliegen haben, ist ebenfalls keine Subtraktion anzusetzen, vgl. dååk – dååj ‘Tag, Tage’ (Schoof 1913/1914, 207 für die nordhessische Schwalm). Probleme bieten allerdings Fälle wie Sla:x – SlęI ‘Schlag, Schläge’ (Bertrang 1921, 285 für den moselfränkischen Dialekt von Arlon), wo man sich entscheiden müsste, ob es sich um einen Diphthong oder um eine Kombination von einem Vokal und einem Gleitlaut handelt. So kennt etwa das Luxemburgische Vokalalternationen im Plural, die der deutschen Standardsprache fremd sind, darunter auch die Alternation [A:] – [Ei] (vgl. Nübling 2006, 117), jedoch könnte es sich in diesem Fall auch um einen Reflex des intervokalischen /g/ handeln. Aufgrund der Tatsache, dass hier
84
Sprachgeographie
bloß Modifikation vorliegen könnte, habe ich mich in solchen Fällen gegen eine Subtraktionsanalyse entschieden; quantitativ sind die Formen auch gleich lang. Das Paradigma in Tabelle 27, das aus der moselfränkischen Mundart von Diefflen stammt, veranschaulicht die Konsequenzen des g-Schwunds und der Apokope für die Nominalmorphologie am Beispiel des Lexems ‘Tag’. Kasus
Singular
Nominativ dä dax Genitiv fo˛m dax / d¯a: Dativ d@m dax / d¯ a: Akkusativ d@n / d@ dax
Plural d@ d¯ a: fo˛n d@ d¯ a:n d@ d¯ a:n d@ d¯ a:
Tabelle 27: Paradigma für ‘Tag’ in der moselfränkischen Mundart von Diefflen (in Anlehnung an: Lehnert 1926, 90)
Wir sehen, wie regulär der phonologische Prozess des g-Schwunds dort gegriffen hat. Interessanterweise werden die Formen mit g-Schwund nach der Apokope beibehalten und leisten eine Unterscheidung zwischen obliquen (bis auf den Akkusativ) und nicht-obliquen Kasus im Singular einerseits und zwischen den Singular- und Pluralformen andererseits. Typisch ist dabei das Nebeneinander von subtraktiven Formen und Nullformen in den obliquen Singularformen, während die Pluralbezeichnung fest ist (vgl. hierzu Kapitel 5.1). Einen Genitiv gibt es nicht mehr; er ist durch eine analytische Form mit Präposition ersetzt, meistens ‘von’, das wiederum einen subtraktiven Dativ auslösen kann. Ruoff (1981, 213–220) listet 13 Simplexwörter auf, die auf -Vg zurückgeführt werden können. Acht davon sind in meinem Material mit Subtraktion belegt (vgl. Tabelle 28). Dass Massennomina wie ‘Teig’ oder ‘Honig’ nicht im Plural belegt sind, überrascht nicht. ‘Sieg’ dagegen müsste theoretisch subtrahieren, tut dies aber nicht. Lexem
Subtraktion Lexem Subtraktion √ Hag x Steg √ Honig x Tag √ Krieg Teig x √ √ König x (√ ?) Trog √ Pfennig Weg √ √ Schlag Zweig Sieg x Tabelle 28: Potenziell subtrahierende Vg-Simplexwörter
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Auswertung des Datenkorpus
3.2.4.1.1 Subtraktive Plurale Tabelle 29 enthält die insgesamt neun Lexeme auf -Vg, die in den deutschen Dialekten zur Subtraktion führen. Lexem Belege Tag Weg Schlag Pflug Trog Krug Steg Krieg Zweig
118 31 28 18 12 5 2 2 2
Areale
Singular
Plural
Zitierte Quelle
13 5 9 3 4 2 2 1 1
dax w¯eX šl¯ uk pl¯ox tro˛x krûk ´ stäk krehk zwihk
d¯ a w¯e šl¯ æ plö¯ trö krüˆ stä´ kreh zwih
Siewert (1912, 106, 108) RhWB (IX, 335) Salzmann (1888, 74) Seelmann (1908, 20–21) BBW (IV, 492) Regel (1868, 70–71) Regel (1868, 70–71) Alles (1907/1908, 350) Alles (1907/1908, 350)
Tabelle 29: Lexemübersicht: Vg-Subtraktion im Plural
Subtraktive Plurale finden sich hierbei im Niederalemannischen, Ostfränkischen, Rheinfränkischen, Zentral- und Osthessischen, Moselfränkischen, Ripuarischen (nur ein Beleg aus dem äußersten Südosten), Thüringischen, Obersächsischen, Nordobersächsischen, Ostfälischen, Brandenburgischen und Mittelpommerschen.50 Schirmunskis Angaben und das Wenker-Material können insofern bestätigt werden. Am weitesten verbreitet ist die Subtraktion beim Lexem ‘Tag’; sie findet sich praktisch im ganzen Gebiet bis auf das Niederalemannische. Ähnlich wie bei den Konsonantenclustern zeigt sich auch bei den Vokal+Konsonant-Abfolgen das Wirken der Apokope. Allerdings finden sich sporadisch im Thüringischen, Nordobersächsischen und Ostfälischen problematische Ge¯ genbelege, vgl. dax – då(@) ‘Tag, Tage (Lange 1963, 243 für das ostfälische Göddeckenrode und Isingerode). Ich möchte jedoch an dieser Stelle dafür argumentieren, dass hier der auslautende Vokal trotzdem apokopiert wird, um einen Hiatus zu verhindern. Fast allen diesen Dialekten ist gemeinsam, dass neben der subtraktiven schwalosen Form auch eine Schwaform existiert, wie im obigen Beispiel aus dem Ostfälischen. Ähnlich attestieren dies Hille (1939, 64) für Dingelstedt; für das Brandenburgische Siewert (1907, 9–10) für GroßBesten; Seelmann (1908, 20) für Prenden; Krause (1895, 61, 67) für das brandenburgisch-ostfälische Übergangsgebiet; für das Nordobersächsische Bischoff (1935, 58) für Aken (Elbe). Für diejenigen Orte des Thüringischen und Obersächsischen, die nördlich der Apokopegrenze liegen, kann ich ein solches 50 Ich finde im „Schleswig-Holsteinischen Wörterbuch“ (I, 651 und IV, 518) zwei Hinweise auf Subtraktion bei ‘Tag’ und ‘Schlag’. Ich kann diese jedoch über keine andere Quelle bestätigen. Da die Singularformen nicht aufgeführt und die Belege nicht verortet sind, habe ich sie weggelassen.
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Sprachgeographie
Nebeneinander allerdings nicht nachweisen. Aber immerhin gibt es Hinweise darauf, dass im Nicht-Apokopegebiet das Schwa tatsächlich optional sein kann (vgl. Kapitel 3.2.2). Auch im Apokopegebiet gilt für alle Dialekte, die Subtraktion bei VgAbfolgen kennen, dass es auch modifikatorische Nebenformen oder Nullformen gibt, vgl. t¯ok – t¯o (Salzmann 1888, 74 für das osthessische Hersfeld) und ¯ – dåi ¯ (Hertel 1888, 23 für das osthessische Salzungen) oder dåg ¯ – d¯ dåk æ (Dellit 1913, 56 für das ostfränkische Kleinschmalkalden) und dough – dough (Schleicher 1858, 39 für das ostfränkische Sonnenberg). Dieses Nebeneinander ist alt (wie der Schleicher-Beleg zeigt) und aus der Punktualität des g-Schwunds zu erklären und nicht erst in den letzten zwei Jahrhunderten durch Standardisierung entstanden, obwohl dies gerade in den Städten natürlich auch ein zusätzlicher Faktor ist. Interessant sind auch diejenigen westmitteldeutschen Dialekte, die sonst alle Subtraktionstypen kennen, aber Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen nicht dulden. Es sind dies das südliche Nordhessische, das Ripuarische und das Südniederfränkische: An deren Stelle tritt dort bei sämtlichen von mir berücksichtigten Dialektbeschreibungen eine modifikatorische (Vokalverlängerung und/oder Tonakzentmarkierung) oder additive Form (Schwa), vgl. dax – d¯a:x (Greferath 1922, 34 für das ripuarische Schelsen) und d¯ o– k – d¯ o– G@ (Bromm 1936, 26 für das nordhessische Rauschenberg). Für das linksrheinische Mosel- und Rheinfränkische kann zum Vergleich der MRhSA herangezogen werden. Meine Daten zeigen Subtraktion bei ‘Tag’ im Plural hauptsächlich im rheinfränkisch-moselfränkischen Übergangsgebiet und im südlichen Moselfränkischen (mit dem luxemburgischen Knaphoscheid als nördlichstem Belegort). Laut MRhSA-Karte 552 „Tag/Tage“ (Datenserie 1) verteilen sich die mit nur 27,8 Prozent der Belege doch relativ seltenen subtraktiven Plurale hauptsächlich auf einen ziemlich breiten Streifen, der von Südwesten nach Nordosten verläuft und das rheinfränkisch-moselfränkische Übergangsgebiet, den Nordwesten des Rheinfränkischen und den Südwesten des Moselfränkischen (bis Bollendorf) umfasst (vgl. Girnth 2000, 188). Je weiter nordöstlich man kommt, desto häufiger werden jedoch die Nullformen. Im Norden des Moselfränkischen findet sich der ripuarische Zustand mit einer Kombination aus modifikatorischen und Nullformen. In der Vorder- und Westpfalz gibt es ebenfalls keine subtraktiven Formen, was meine Quellen auch bestätigen: Hier dominieren modifikatorische Plurale mit Umlaut oder Nullformen: d¯ak – d¯ęk (Boger 1935, 26 für das Enz-Pfinz-Gebiet). In der Westpfalz kommt es zudem vor, dass die Pluralform auf den Singular übertragen wird, so dass es im Singular auch d¯a heißt (vgl. Altenhofer 1932, 29).51 Diese Nullformen reichen nach meinen Recherchen bis ins Niederalemannische (s. auch ALA-Karte 256 „Tag“); mein südlichster Belegort ist dabei Straßburg, vgl. daa – daa (Sütterlin 1892, 32). Sie sind dort gewiss nicht jüngeren Datums, denn sie kommen bereits in Johann Georg Daniel Arnolds mundartlichem Lustspiel „Pfingstmontag“ aus dem Jahr 1816 vor. 51
Dies bestätigen auch die MRhSA-Karten 393 „Tag“ und 394 „(Mon)-tag“.
Auswertung des Datenkorpus
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Die Tatsache, dass auch innerhalb des sonst so subtraktionsfreudigen rheinfränkisch-moselfränkischen Übergangsgebietes Nullformen vorliegen, könnte darauf hindeuten, dass der subtraktive Plural hier abgebaut wurde. Ein Vergleich mit der MRhSA-Karte 389 „Waage“ ist dabei besonders instruktiv: Hier haben wir es mit einem Lexem zu tun, das ungefähr die gleiche phonologische Umgebung aufweist wie ‘Tag’ im Plural.52 Die Karte zeigt allgemein g-Schwund für das südliche Moselfränkische, das ganze rheinfränkisch-moselfränkische Übergangsgebiet und das Rheinfränkische bis auf die Vorderpfalz. Auf der Karte 386 „Wagen“ umfasst der g-Schwund sogar fast das ganze Untersuchungsgebiet bis auf den äußersten Norden des Moselfränkischen und die Vorderpfalz. Anstatt Abbau anzunehmen, wäre aber auch denkbar, dass im Gebiet mit intervokalischem g-Schwund diese phonologische Regel im Plural nur beschränkt gegriffen hat. Die subtraktiven Plurale bei ‘Weg’ und ‘Schlag’ weisen eine relativ ähnliche areale Distribution auf wie der von ‘Tag’, nur kommt letzterer wesentlich häufiger vor. Diese Tatsache möchte ich nicht allein von der hohen Tokenfrequenz von ‘Tag’ ableiten, sondern auch mit bestimmten phonetisch-phonologischen Bedingungen in Verbindung bringen. Nach meiner Beobachtung fällt das /g/ dann wesentlich häufiger aus, wenn der davorstehende Laut ein Hinterzungenvokal ist (dies zeigen auch die soeben erwähnten MRhSA-Karten „Waage“ und „Wagen“). Subtraktion wäre dann bei ‘Weg’ wegen seines frontalen Wurzelvokals weniger präferiert und bei ‘Schlag’ und ‘Pflug’ ebenfalls nicht, weil sie in den Dialekten im Plural meistens umlauten und im letzteren Fall das Umlautprodukt in der Regel entrundet wird. Dagegen ist der Umlaut bei ‘Tag’ gerade in den mitteldeutschen Dialekten relativ selten und hauptsächlich auf Teile des Rheinund Moselfränkischen beschränkt: Das ist zunächst der Grund, warum bei ‘Tag’ in meinen Daten der prototypische, reine Subtraktionstyp dominiert: Nur 21 von insgesamt 118 subtraktiven Formen (18 Prozent) lauten hier zusätzlich um. Bei ‘Schlag’ liegt die Zahl der subtraktiv-modifikatorischen Formen dagegen bei 21 von insgesamt 28 Belegen (75 Prozent). Um die Hypothese von der bedeutsamen Rolle des vorangehenden Vokals zu testen, genügt der Blick ins Material. Viele Dialekte, die Subtraktion bei ‘Tag’ kennen, weisen bei ‘Schlag’ oder ‘Weg’ nur eine modifikatorische Form auf: vgl. [dO:g] – [dO:] ‘Tag, Tage’, aber [plug] – [plig] ‘Pflug, Pflüge’ oder ˚ 77–86˚für die Mundart von gar [we:g] – ˚ [we:j@] ‘Weg, Wege’ (Haas 1988, ˚
52 Der einzige Unterschied besteht in der Tatsache, dass bei Tage in mittelhochdeutscher Zeit Dehnung in offener Tonsilbe stattgefunden hat; bei Waage ist der Vokal seit alters her lang (vgl. ahd. w¯ aga). Da nach den Erörterungen in Kapitel 5.2.2.3 der g-Schwund vermutlich bereits ins 12./13. Jahrhundert zurückreicht, ist nicht völlig auszuschließen, dass die unterschiedliche Vokallänge bei Tage und Waage einen Einfluss auf den g-Schwund gehabt hat. Dies hängt von der angenommenen Chronologie der Lautwandelprozesse ab.
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Sprachgeographie
Ebsdorf bei Marburg).53 Bender (1938, 33) bemerkt fünfzig Jahre früher für Ebsdorf, dass /g/ nach mhd. -age, seltener nach -ëge ausfällt. In der Mainzer Stadtsprache wird ‘Tag’ zwar umgelautet, ‘Pflug’ aber nicht, mit der Folge, dass nur ‘Pflug’ subtrahiert: fl¯og – fl¯o, aber d¯ax – d¯eX (Pfeifer 1927, 60). Für viele moselfränkische Dialekte, die ‘Tag’ im Plural umlauten, gilt, dass sie nur im Dativ Subtraktion kennen: da:x – dę·ç ‘Tag, (die) Tage’, aber da:x – do˛: ‘Tag, (dem) Tage’ (Bertrang 1921, 282, 285 für Arlon). Das gleiche kann ich auch für Luxemburg (vgl. LWB I, 178a) nachweisen.54 Auch im Niederdeutschen meine ¯ ich ein ähnliches Muster erkennen zu können, vgl. dax – då(@) (Lange 1963, 243 für Göddeckenrode und Isingerode), aber v¯ęx – v¯ęj@. Auf g-Schwund gerade nach /a/ weist Siewert (1907, 18) für das brandenburgische Groß-Besten hin. 3.2.4.1.2 Subtraktive Dative Subtraktive Dative finden sich grundsätzlich nur bei den Lexemen ‘Tag’ und ‘Weg’, und zwar im Ostfränkischen, Rheinfränkischen, Zentralhessischen, Moselfränkischen, Thüringischen, Nordobersächsischen und im Ostfälischen (vgl. Tabelle 30). Lexem Belege Tag Weg Krug Schlag Steg
18 9 1 1 1
Areale 7 6 1 1 1
Nominativ Dativ dà’X w¯ek krûk ˆ schlåk ´ stäk
dá w¯e krû schlåˆ stä´
Zitierte Quelle Tarral (1903, 83) Stroh (1928, 11) Regel (1868, 91) Regel (1868, 91) Regel (1868, 91)
Tabelle 30: Lexemübersicht: Vg-Subtraktion im Dativ
Das Gebiet ist somit etwas kleiner als das für den Plural nachgewiesene Verbreitungsgebiet. Nur für das Thüringische, und zwar für die Ruhlaer Mundart,
53 Vgl. ebenfalls für das Zentralhessische: d¯ o– g – d¯ o– , aber šl¯ o– g – šl¯e– g (Alles 1993, 64 für Gießen). Friebertshäuser (1961, 34) zeigt für Weidenhausen bei Gladenbach, einen zentralhessischen Ort an der Apokopegrenze, das gleiche Muster, jedoch mit auslautendem Schwa: d¯ o– @g – d¯ o– @, aber w¯eg – w¯ej@. 54 Im September 2010 habe ich mit der freundlichen Hilfe von Christine Breckler (Université du Luxembourg) eine kleine Fragebogenuntersuchung mit neun jüngeren Gewährsleuten aus Luxemburg gemacht. Neben der Feststellung, dass bei ‘Tag’ im Plural nur die modifikatorische Form deech oder deeg verwendet wird, zeigt sich, dass die Dativformen am Substantiv abgebaut worden sind. Christine Breckler konnte mir aber versichern, dass es noch einen luxemburgischen Rundfunksprecher gibt, der bei der Wetteransage immer die subtraktive Form am do ‘am Tage’ verwendet. Diese Form können in älterer Zeit sonst Palgen (1931, 14–16) für Echternach und Palgen (1933b, 4–6) für Knaphoscheid belegen, ansonsten weist auch Bruch (1954, 9) darauf hin.
Auswertung des Datenkorpus
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die sich auch in anderer Hinsicht als besonders konservativ gezeigt hat, ist Subtraktion auch bei den Lexemen ‘Krug’, ‘Schlag’ und ‘Steg’ nachgewiesen. Der besondere Dativgebrauch unterliegt, fast allen Autoren zufolge, bestimmten Beschränkungen: So meint Lehnert (1926, 90), dass es sich dabei um eine „schwächere Form“ handelt (wobei die „stärkere Form“ mit dem Nominativ/Akkusativ gleichlautet), die scheinbar nur in Verbindung mit Präpositionen aufttritt. Tarral (1903, 83) findet die subtraktive Form ebenfalls nur im präpositionalen Ausdruck am dá ‘am Tage’. Das gleiche geben Alles (1907/1908, 234), Bertrang (1921, 282) und Stroh (1928, 11) an. Im Ripuarischen unterbleibt die Subtraktion, wie dies auch im Plural der Fall war (Maurmann 1898, 64 für Mülheim an der Ruhr und Greferath 1922, 36 für Schelsen geben hier Vokalverlängerung und Tonakzentmarkierung an). Im Ostfälischen kommt es gelegentlich zur Subtraktion, wie das „Mittelelbische Wörterbuch“ (I, 625) für das westliche Elbostfälische und Hille (1939, 64) für Dingelstedt zeigen können; jedoch steht sie hier in Konkurrenz mit dem Dativ-e, das ansonsten im Nordhessischen, Thüringischen, Obersächsischen, Westfälischen und Brandenburgischen lebendig ist. Während ich im letzten Kapitel hauptsächlich auf mögliche phonetisch-phonologisch bedingte Gründe für die Präferenz subtraktiver Formen bei bestimmten Lexemen eingegangen bin, möchte ich an dieser Stelle kurz auf den Faktor Vorkommenshäufigkeit zu sprechen kommen, der auch in Kapitel 7.5 eine wichtige Rolle spielen wird. Alles (1907/1908, 234) macht hierzu eine interessante Bemerkung: Während man om Wäh ‘am Wege’ sagen könne, heiße es niemals om Stäh ‘am Stege’, obwohl der Plural von ‘Steg’ so lautet.55 An anderer Stelle bringt er solche Unterschiede mit der Tokenfrequenz in Verbindung (vgl. Alles 1907/1908, 350), was hier durchaus plausibel klingt. ‘Weg’ befindet sich laut der Tabelle in Anhang C in den Häufigkeitsklassen 8 und 9 (ist also vergleichsweise häufig), während sich ‘Steg’ in Klasse 14 findet. Es liegen auch keine besonderen phonetischen Gründe vor, warum das /g/ eher bei ‘Weg’ als bei ‘Steg’ verschwinden sollte, da sich die Wörter ausschließlich im Anlaut unterscheiden. 3.2.4.2 /Vd/ Der intervokalische d -Schwund ist im deutschen Sprachraum v. a. ein Merkmal vieler niederdeutscher Dialekte. Viele Wenker-Karten dokumentieren diese Erscheinung; einschlägig ist z. B. die Karte 42 „gute“ und Wredes und Wenkers Berichte dazu (vgl. Wrede 1896, 114–116 und Wenker 2013a, 322–324). d Schwund nach Langvokalen mit folgender Kontraktion der Silbe ist demnach 55 Es sei noch daran erinnert, dass ich viele Belege aus Alles (1907/1908) wegen der zweideutigen Transkription nicht als subtraktiv eingestuft habe; das ist für diese Argumentation aber nebensächlich. Es geht mir hier allgemein um den Erhalt von Dativmorphologie am Substantiv.
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Sprachgeographie
besonders für den Westen des Niederdeutschen bis etwa zur Elbe charakteristisch, also für das West- und Ostfälische und das westliche Nordniederdeutsche (vgl. auch Schirmunski 1962, 316–319 und Simmler 1983, 1123–1224). In den Dialekten der ehemaligen Ostgebiete war anstelle von Schwund dagegen der Rhotazismus d > r verbreitet, was ebenfalls für viele mitteldeutsche Dialekte gilt (vgl. die Aussprache von ‘Wetterau’ im Zentralhessischen). Schwund des intervokalischen d scheint unter den hochdeutschen Dialekten sehr selten zu sein (vgl. Schirmunski 1962, 319) und kommt in der Regel dann in solchen Umgebungen vor, die für unsere Fragestellung nicht relevant sind (etwa vor Liquid wie in ‘Nadel’). Relativ viele Lexeme gehen auf westgerm. -Vd zurück. Da westgerm. d im Zuge der Zweiten Lautverschiebung, genauer: der Medienverschiebung, in einigen mitteldeutschen und in allen oberdeutschen Mundarten jedoch zu t verschoben wurde (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 88), ist dieser Subtraktionstyp in den hochdeutschen Mundarten kaum zu erwarten. Mangels eines angemessenen rückläufigen Wörterbuchs zum Neuniederdeutschen ist es mir nicht möglich gewesen, den Umfang der betroffenen Wörter dort zu ermitteln, aber Ruoff (1981, 193–196, 264–274) zeigt, dass der Anteil im Hochdeutschen auf -Vd/t endender Simplexwörter relativ hoch ist. Von den über 40 dort aufgeführten Simplexwörtern, können nach einer Recherche in Kluge ganze 34 (vgl. Tabelle 31) auf westgerm. d zurückgeführt werden. Lexem Bad Beet Bett Blatt Blut Boot Braut Brett Brot Brut Flut Gebot
Subtraktion Lexem Subtraktion √ Glied x x Glut x √ Gott x √ Grad x x Gut x √ Haut x √ √ Hut x Kleid x √ Kot x x Kraut x x Leid x x Neid x
Lexem
Subtraktion
Not Rad Rat Scheit Schritt Tat Tod Tritt Wut Zeit
x √ x x x x x x x x
Tabelle 31: Potenziell subtrahierende Vd/t-Simplexwörter
Subtraktive Plurale auf -Vd sind nun tatsächlich auch ein rein niederdeutsches Phänomen, was aus der vorausgehenden Übersicht zu erwarten ist. Sie finden sich im Westfälischen, Ostfälischen, Nordniederdeutschen und vereinzelt im Mecklenburgisch-Vorpommerschen (vgl. Tabelle 32).
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Auswertung des Datenkorpus
Lexem
Belege
Areale
Singular
Plural
Zitierte Quelle
Blatt Boot Hut Brot Braut Draht Rad
52 49 47 2 1 1 1
3 2 1 2 1 1 1
blat boot ? br¯od br¯ ut dr¯at rat
bl¯a bö hø¯ brø¯ ¯ brü[@] dr¯ę r¯ a
Holthausen (1886, 84) PWB (I, 394) Bock (1933, 172) SHWB (I, 525) Hille (1939, 65) Hille (1939, 64) Holthausen (1886, 84)
Tabelle 32: Lexemübersicht: Vd-Subtraktion im Plural
Viele der nordniederdeutschen Belege stammen aus Bock (1933), bei dem allerdings das Problem besteht, dass die Singularformen nicht systematisch erhoben wurden. Da ich aber weder in seiner Landschaftsgrammatik (vgl. Bock 1933, § 398) noch sonst in seinem Untersuchungsgebiet auf Ausfall im absoluten Auslaut gestoßen bin (vgl. hierzu Wenker-Karte 243 „gut“), habe ich die Formen aufgenommen. Für drei Lexeme sind subtraktive Plurale nur aus dem Gebiet überliefert, das die Apokope eigentlich nicht kennt. Charakteristisch ist hier, wie wir auch früher gesehen haben, ein Nebeneinander subtraktiver und additiver Formen. So gibt es im westfälischen Soest neben der subtraktiven Form r¯a ‘Räder’ auch die additive Form r¯e.a (Holthausen 1886, 84). Neben der subtraktiven Form dr¯ę ‘Drähte’ gibt es in Dingelstedt die additive Form ¯ dr¯ęt@, und schließlich neben brü[@] ‘Bräute’ die jüngere Form br¯ utn (Hille ˚ 1939, 64–65). Nur ein subtraktiver Dativ ist für diese Umgebung nachzuweisen: bad – b¯ a ‘Bad, Bad(e)’ (MEWB I, 286) für den ostfälischen Ort Ohrsleben. 3.2.4.3 /Vx/: „Sprachliche Adoptivformen“ Von den bisher besprochenen Arten von Subtraktion hat wohl die Alternation [SUk] – [SU] ‘Schuh, Schuhe’ als am eigenartigsten zu gelten. Sie verhält sich zwar synchron wie die Vg-Subtraktion, im Gegensatz zu dieser haben wir es hier aber nicht primär mit phonologischem Wandel im ehemaligen Inlaut zu tun, sondern im absoluten Auslaut (sprich: in der Singularform). Diese Art von Subtraktion betrifft nur zwei Lexeme, ‘Schuh’ und ‘Floh’, die im Mittelhochdeutschen auf einen stimmlosen velaren Frikativ auslauteten (mhd. schuoch und vl¯och), der in der Standardaussprache des Deutschen aber in der Regel verlorengegangen ist (aber: hoch – höher ), und der sich in vielen Dialekten in dieser Position zu einem Plosiv gewandelt hat.56 Der alte konsonantische Auslaut in ‘Schuh’ und ‘Floh’ 56 Im Falle von hoch – höher ist der velare Frikativ im absoluten Auslaut bewahrt, während dieser inlautend bereits im Zuge der althochdeutschen Frikativschwächung zu einem Hauchlaut (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 102a) geworden ist, der ab mittelund frühneuhochdeutscher Zeit zunehmend ausfällt, aber immer noch in schreibungsorientierter Aussprache existiert (vgl. Ebert et al. 1993, § L 57).
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Sprachgeographie
geht auf germ. x zurück (ein Produkt der ersten Lautverschiebung); dieser Laut unterliegt sodann in einigen Dialekten, vermutlich in frühneuhochdeutscher Zeit, dem Wandel zum Plosiv [g], der aber nicht lautgesetzlich ist, da er sich nur auf wenige Lexeme beschränkt (vgl. Schirmunski 1962, 364–365). Im Inlaut der Pluralformen schuohe und flœhe ist im Mittelhochdeutschen dagegen noch ein Hauchlaut anzunehmen (vgl. Paul 2007, § L 63), der in den Dialekten nach Abfall des finalen Schwa verschwunden ist. Somit bekommen wir das subtraktive Verhältnis: šuk – š¯ u ‘Schuh, Schuhe’. Wrede (1924) hat mit Bezug auf diese Entwicklung den Begriff „sprachliche Adoptivformen“ – man könnte auch von Hyperformen sprechen – geprägt, der den analogischen Charakter des Phänomens betonen soll. Durch die dialektgeographische Konkurrenz der auslautverhärteten Form dak und der spirantisierten Form dax , beide ‘Tag’, ist es zu einem ähnlichen Nebeneinander von šux und šuk ‘Schuh’ gekommen: šuk stellt somit eine „falsche Analogie“ auf dialektgeographischer Grundlage dar (vgl. Wrede 1924, 85 und Mitzka 1952, 85–86). Solche Adoptivformen weisen nach Schirmunski (1962, 365) viele mitteldeutsche Dialekte auf. Es sind dies die hessischen Dialekte, das Thüringische und das Obersächsische. Wichtig ist, dass die Entwicklung nicht nur das Substantiv betrifft, sondern auch z. B. bei Adjektiven (hok ‘hoch’) und ¯ ‘sah’) auftritt, bei letzterer Kategorie sogar in Fällen, bei denen Verben (såk im Mittelhochdeutschen kein Frikativ vorlag: dug ‘tu’ und gig ‘geh’. In anderen mittel- und oberdeutschen Dialekten ist dagegen der velare Frikativ erhalten geblieben. Im ganzen Niederdeutschen wurde der velare Frikativ auslautend bereits ab altniederdeutscher Zeit abgebaut, so dass subtraktive Formen dort nicht zu erwarten sind (vgl. Lasch 1914, § 351).57 Subtraktive Dative finden sich in dieser Umgebung interessanterweise nicht, allerdings war es schwer, hier zum Vergleich überhaupt Dativformen zu finden, so dass ich subtraktive Dativformen nicht ausschließen kann. Subtraktive Plurale sind dagegen recht häufig (vgl. Tabelle 33). Lexem Belege Schuh Floh
50 46
Areale
Singular
Plural
Zitierte Quelle
10 8
schûk fl¯ok
schû’ flø¯
Hertel (1887, 12) Heilig (1898, 60)
Tabelle 33: Lexemübersicht: Vx-Subtraktion im Plural
Sie finden sich im Niederalemannischen, Nordbairischen, Ostfränkischen, Rheinfränkischen, Zentral-, Ost- und Nordhessischen, Moselfränkischen, Thüringischen und Obersächsischen. In allen diesen Dialekten (bis auf das Nordbairische, 57 Davon zeugt auch ein Blick in die niederdeutschen Dialekte: Hier finde ich keine Adoptivformen und auch keine subtraktiven Formen in dieser Umgebung. Repräsentative Beispiele sind: šau – šau (Tita / Schönfeldt 1965, 73 für Bublitz) oder š¯ o – š¯ o (Bock 1933, 70 für Husby).
Auswertung des Datenkorpus
93
für das nur ein Beleg vorliegt) konkurriert im Nominativ Singular der alte velare Frikativ mit der Adoptivform, wobei nicht ganz klar ist, ob in diesen Fällen eher die Adoptivform spirantisiert wird. Somit ist auch nicht sicher, ob die Adoption eine Bedingung der Subtraktion ist, aber es ist immerhin interessant, dass subtraktive Formen in dieser Umgebung nur in dem Gebiet, das die Adoptivform grundsätzlich kennt, vorkommen. Die Adoptivformen sind höchstwahrscheinlich mitteldeutscher Herkunft: So bemerkt das „Elsässische Wörterbuch“ (I, 163b), dass die Adoptivformen vor allem im Westen des Untersuchungsgebiets vorkommen, der in lothringischfränkischen Zusammenhängen stehe. Diese Angabe kann auch über den ALA bestätigt werden, dessen Karten 206 und 207 ‘Floh’ im Singular und Plural kartieren. Ähnlich schreibt das „Obersächsische Wörterbuch“ (I, 655), dass es sich bei den Formen mit auslautendem Plosiv um ein typisch mitteldeutsches Phänomen handele, das von Lothringen bis Schlesien verbreitet sei. Dort findet man vor allem im Süden des Bearbeitungsgebiets, also an der Grenze zum Nordbairischen, ausgeglichene Formen. Die MRhSA-Karte 551 „Schuh/Schuhe“ verzeichnet subtraktive Plurale für das rheinfränkisch-moselfränkische Übergangsgebiet und das rheinfränkische Kerngebiet außer der Vorderpfalz, die ja eher in oberdeutschen Zusammenhängen steht, des Weiteren vereinzelt im Süden des Moselfränkischen. Wenn man dies mit dem Lexem ‘Floh’ vergleicht (s. die Karten 411 und 421), schrumpft das Areal der subtraktiven Plurale wesentlich auf die Westpfalz und das ehemalige Rheinhessen ein. Im Norden des Moselfränkischen finden wir ausgeglichene Formen, vgl. SuN – SuN (Bertrang 1921, 287 für Arlon). Von den übrigen mitteldeutschen Dialekten finden sich nur im Ripuarischen und Südniederfränkischen durchgängig ausgeglichene Formen wie schou – schou (Holthaus 1887, 435 für Ronsdorf) und ˘s¯o:n – ˘s¯o:n (Greferath 1922, 33 für Schelsen). Wie wir wissen, duldet das Ripuarische grundsätzlich keine Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen. Durch die unterschiedlichen Reflexe des germ. x im absoluten Auslaut und ehemaligen Inlaut unterscheidet sich die Subtraktion bei ‘Schuh’ und ‘Floh’ von der Vg-Subtraktion bei ‘Tag’ und ‘Pflug’. Es handelt sich historisch wohl nicht um eine analogische Ausdehnung des subtraktiven Verfahrens nach dem Vorbild von ‘Tag’: Dies belegen Dialekte in der Schwalm, welche die Adoptivform zwar aufweisen, den g-Schwund aber nicht kennen: fleck – flee ‘Floh, Flöhe’, aber dååk – dååj ‘Tag, Tage’ (Schoof 1913/1914, 16 und 207). Die Subtraktion ist deswegen auch in diesem Fall als historischer Zufall einzustufen. 3.2.4.4 /Vb/: Sandhi-Phänomene Wir haben gesehen, dass die Variation bei Vokal+Konsonant-Abfolgen in Bezug auf Subtraktion besonders groß ist. In einigen Dialekten wird der stammauslautende Plosiv nur dann getilgt, wenn der vorausgehende Laut ein Hinterzungenvokal ist. In anderen, eigentlich nicht-apokopierenden Mundarten wird das Schwa in einigen Fällen getilgt, um einen unerwünschten Hiatus zu vermeiden.
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Sprachgeographie
Die so entstandenen subtraktiven Formen sind folglich als Resultat von rein phonologischen Prozessen zu erklären. Einen möglichen dritten phonologischen Faktor möchte ich an dieser Stelle ins Spiel bringen: Sandhi-Phänomene. Konkret betrifft das die Tilgung eines intervokalischen /b/ im Osthessischen und Thüringischen. Es handelt sich um acht Belege aus dem ehemaligen oberhessischen Landkreis Lauterbach und aus dem thüringischen Ruhla. Das Lexem ‘Leib’ lautet in Unter-Wegfurth und Fraurombach im Nominativ Singular laib, im Plural lai (vgl. Alles 1907/1908, 350). Der subtraktive Dativ lautet läi, wobei er allerdings fast nur in Verbindung mit der Präposition ‘in’ auftritt. Alles (1907/1908, 234) bemerkt zwar an anderer Stelle, dass die subtraktive Dativform zum Teil auf den Nominativ übertragen wird, führt dies jedoch nicht weiter aus. Das gleiche scheint auf den ersten Blick auch in Ruhla der Fall zu sein, jedoch macht Regel (1868, 68) hierzu eine sehr interessante Bemerkung: In Übereinstimmung mit dem Hennebergischen habe die Ruhlaer Mundart besonders bei Substantiven im Dativ Singular „das b eingebüsst“, vgl. liwwer ˆ ˆ än darm in l î verränkt, als d’n wirt än häller geschänkt ‘lieber ein Darm im Leib zersprengt, als dem Wirt einen Heller geschenkt’ (Regel 1868, 130), aber vor Vokal des Folgewortes interessanterweise nicht, vgl. mit lîb un sêl ‘mit Leib und Seele’ (Regel 1868, 68). Die Ruhlaer Mundart scheint diese Art des b-Schwunds auch bei ‘Weib’, ‘Hieb’ und ‘Grab’ zu kennen. Sie weist schließlich auch das Parallelphänomen zur französischen Liaison auf, nämlich „Subtraktion“ ˆ ‘lieb und teuer’ in der Adjektivflexion: lî keng ‘liebe Kinder’, aber lîb un dür (Regel 1868, 68–69). Meines Erachtens handelt es sich bei diesen wenigen Belegen für Vb-Tilgung nicht um Subtraktion: Gerade vor dem Hintergrund, dass auch Konrad Alles bei dieser phonologischen Umgebung Variation im Nominativ Singular beobachtet, ist es wahrscheinlich, dass im Osthessischen und Thüringischen das /b/ eingefügt (oder beibehalten, je nach theoretischer Analyse) wird, um einem Hiatus im Sandhi vorzubeugen. Obwohl Regel (1868, 68) betont, dass der Schwund besonders häufig im Dativ Singular passiert, wo „eine vocalische Flexionssilbe zu erwarten wäre“, führt er an anderer Stelle lî als Nominativ Singular auf (vgl. Regel 1868, 7). Natürlich ist zu fragen, ob Sandhi-Phänomene auch bei den anderen Vokal+Konsonant-Abfolgen oder gar Konsonantenclustern eine Rolle für die Wahl einer bestimmten Form spielen könnten. Dazu bietet mein Belegmaterial jedoch bedauerlicherweise keinen Anlass. 3.2.5 Produktivität Bei der Auswertung der dialektologisch-grammatischen Literatur bin ich auf einige Fälle gestoßen, bei denen man von einer produktiven Anwendung des subtraktiven Verfahrens sprechen könnte (vgl. Tabelle 34 auf der nächsten Seite). Es betrifft nur den Osten des Zentralhessischen, das Übergangsgebiet zum Nord- und Osthessischen und den Westen des Thüringischen.
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Auswertung des Datenkorpus
Lexem
Belege
Areale
Singular
Plural
Zitierte Quelle
Ende Pinne Span
9 2 2
3 1 1
end [pe:@nd] spunk
enn [pen] spin
Alles (1907/1908, 350) Haas (1988, 86) Alles (1907/1908, 365)
Tabelle 34: Lexemübersicht: Produktivität
Am meisten Belege gibt es dabei für die Subtraktion bei ‘Ende’. Sie ist hier deswegen nicht zu erwarten, da der Stamm auf einen Vokal (-i ) endet, der in althochdeutscher Zeit den Umlaut auslöste, später zu @ abgeschwächt und in vielen Dialekten apokopiert wurde. In allen anderen Dialekten, die nd Assimilation und Apokope kennen, verschwand hier der stammauslautende Plosiv. Alles (1907/1908, 350) vermutet deshalb, dass im Zentralhessischen eine Analogiebildung vorliegt. Wenker-Karte 232 „Ende“ zeigt für das ganze Zentralhessische sporadisch auslautende Konsonantencluster, jedoch ist der Plural dabei unbekannt. Da ‘Ende’ in älterer Zeit Nullplural aufweist, kann hier ein Bedürfnis nach einer eindeutigen Pluralform bestanden haben, genauso wie im Hochdeutschen die an die femininen Pluralendungen angelehnten Analogieformen Betten und Enden entstanden sind. Es ist dabei aber unklar, ob der Erhalt des /d/ oder der Schwund desselben die Analogiebildung ausmacht. Aus Ebsdorf (vgl. Haas 1988, 86) und Allertshausen etwa 10 Kilometer südlich von Ebsdorf (vgl. Alles 1907/1908, 365) ist das Dialektwort pind ‘Schuhnagel’ überliefert, dessen Plural pinn lautet. Das Wort kommt von mnd. pin(ne), vgl. nhd. Pinne. Interessant ist dabei, dass das /d/ des zentralhessischen Lehnworts nicht etymologisch ist, und laut Alles (1907/1908, 365) wahrscheinlich nach dem Muster von wind – winn ‘Wind, Winde’ analogisch gebildet ist. Es verhält sich somit synchron wie die subtrahierenden Lexeme auf -nd. Diese einmalige Analogiebildung scheint auf den Raum Ebsdorfergrund/Rabenau beschränkt zu sein. Im Untersuchungsgebiet des „Hessen-Nassauischen Wörterbuchs“ heißt es im Singular sonst überall pin oder pin@ (vgl. HNWB II, 635). Schließlich findet sich in zwei zentralhessischen Orten, Diebach a. H. und Langenbergheim, beim Lexem ‘Span’ eine vermutlich nach dem Vorbild von ‘Zahn’ analogisch gebildete Singularform spunk (vgl. Alles 1907/1908, 365). Solche Formen sind sonst im Bearbeitungsgebiet des „Hessen-Nassauischen Wörterbuchs“ nicht belegt (vgl. HNWB III, 635). Ein letzter, potenzieller Fall von einer produktiven Anwendung des subtraktiven Verfahrens findet sich in Ruhla (vgl. Regel 1868, 70–71), aus dem subtraktive Formen auf -rg wie soirk – särr ‘Sarg, Särge’ und stuirk – stürr ‘Storch, Störche’ überliefert sind. Während sich die Subtraktion bei ‘Berg’, ‘Sarg’ und ‘Zwerg’ lautgesetzlich erklären lässt, endet ’Storch’ ursprünglich auf einen stimmlosen Plosiv (vgl. germ. *sturka, anord. storkr, vgl. Kluge, 888), der im Zuge der Zweiten Lautverschiebung im Großteil des hochdeutschen Sprachgebiets zu einem Frikativ wird (vgl. ahd. storah). Dass dies gerade hier nicht passiert, hängt vermutlich mit der Abwesenheit eines Sproßvokals zusammen:
96
Sprachgeographie
Die germanische Form *sturka hat Konsonantencluster, die althochdeutsche Form storah dagegen Sproßvokal, andererseits ist ahd. stork auch belegt, ohne Sproßvokal und Lautverschiebung (vgl. Schirmunski 1962, 273–274). Synchron wäre auch an eine Adoptivform zu stark zu denken, wofür Wrede (1921) bei der schwäbischen Form milk ‘Milch’ argumentiert hat. Erklärungsbedürftig in unserem Fall ist aber vor allem die Tatsache, dass ein stimmloser Plosiv getilgt werden kann, was sonst nirgends passiert. Wahrscheinlich scheint mir deswegen eher eine Analogie zu den lautgesetzlichen, ebenfalls in diesem Gebiet verbreiteten subtraktiven Formen bei ‘Berg’ und ‘Sarg’. Obwohl die oben erwähnten Formen durchaus selten sind, billige ich ihnen in meiner theoretischen Analyse der subtraktiven Formen jedoch eine gewisse Aussagekraft zu (s. Kapitel 7.5.2.2). 3.3 ZUSAMMENFASSUNG: VERBREITUNGSGEBIET Die Ergebnisse der vorausgegangenen dialektgeographischen Untersuchung möchte ich in zwei Karten zusammenfassen. Auf den Karten dargestellt sind die Belegorte aller vorgefundenen Subtraktionsformen bei Konsonantenclustern (Abbildung 5 auf der nächsten Seite) und Vokal+Konsonant-Abfolgen (Abbildung 6 auf Seite 98). Es wird dabei nicht zwischen subtraktiven Pluralen und Dativen unterschieden, da ihre Verbreitungsgebiete deckungsgleich sind.58 Die auf den Karten eingezeichnete Apokopegrenze folgt Wenker-Karte 374 „Hause“; somit wird hier vom größtmöglichen Apokopegebiet ausgegangen (s. Problematisierung in Kapitel 3.2.2). Ein Kreis heißt, dass es in einem Ort minimal einen subtraktiven Beleg gibt. Da ich Negativbelege nicht systematisch erhoben habe, sind Abweichungen innerhalb des belegten Subtraktionsgebiets und entsprechende additive oder modifikatorische Flexionsformen außerhalb dieses Gebiets nicht kartiert. Ein Vergleich mit dem Ortsnetz (s. Abbildung 1 auf Seite 41) ist jedoch instruktiv: In den sonstigen Orten bin ich entweder ausschließlich auf nicht-subtraktive Formen oder gar nicht fündig geworden. Ein eigenes Symbol haben die Abweichungen im Nicht-Apokopegebiet bei Vokal+Konsonant-Abfolgen bekommen (vgl. Abbildung 6): Da das Schwa hier optional zu sein scheint, handelt es sich um ein etwas anderes Phänomen als bei den „richtigen“ subtraktiven Formen, bei denen Alternationen mit Schwa ausgeschlossen sind.
58 Des Weiteren wäre theoretisch nur im Brandenburgischen das Verbreitungsgebiet der subtraktiven Dative signifikant größer als das der subtraktiven Plurale.
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Subtraktion bei Konsonantenclustern Apokopegrenze nach Wenker-Karte 374 ʻHauseʼ
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Legende
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Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen (Kontraktion zur Hiatusvermeidung) Apokopegrenze nach Wenker-Karte 374 ʻHauseʼ
Legende
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98 Sprachgeographie
4 DATIERUNG Im vorigen Kapitel habe ich versucht, anhand von Dialektdaten aus dem 19. und 20. Jahrhundert das ehemalige Verbreitungsgebiet der subtraktiven Formen zu rekonstruieren. Daraus ergab sich, dass sich solche Formen in allen Dialekten finden, welche die einschlägigen Assimilations- und Lenisierungsprozesse sowie die Apokope kennen. In diesem Kapitel soll zunächst der Versuch einer Datierung anhand von historischen Quellen und Befunden aus Sprachinseln vorgenommen werden, bevor im nächsten Kapitel die diachronen Abläufe rekonstruiert werden. 4.1 HISTORISCHE QUELLEN Am günstigsten für eine genaue Datierung sind natürlich direkte Belege aus älterer Zeit: Um solche zu finden, habe ich bereits digitalisierte Urkunden („Heidelberger historische Bestände – digital“),59 Urkundendatenbanken („Corpus altdeutscher Originalurkunden“,60 „Digitale Monumenta Germaniae Historica“,61 „das virtuelle Preußische Urkundenbuch“)62 und historische Korpora („Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank“,63 „Bonner Frühneuhochdeutschkorpus“)64 auf Flexionsformen der häufigsten subtraktiven Lexeme hin untersucht. Diese Recherchen förderten jedoch keine historischen Belege für Subtraktion zu Tage: Offensichtlich waren die subtraktiven Formen zu dialektal, als dass sie verschriftlicht wurden. Mottausch (1999; 2001), der die rheinfränkische Mundart von Lorsch und Worms u. a. anhand von Urkunden untersucht hat, hat ebenfalls keine älteren Belege für subtraktive Formen vorgefunden. Das Fehlen solcher Formen in der Überlieferung könnte mit einem Wandel in der Schriftlichkeit zusammenhängen: Während alt- und mittelhochdeutsche Texte relativ viel über die dialektale Staffelung der damaligen Zeit verraten, wird dies in frühneuhochdeutscher Zeit immer schwieriger, da seit der frühen Neuzeit eine eigene Schriftsprache an die Stelle der mittelalterlichen Tradition der Oralität tritt: Mit Reichmann (1990, 141–142) kann man zu dieser Zeit vom Übergang von einer „Sprache ohne Leitvarietät“ zu einer „Sprache mit Leitvarietät“ sprechen. Erst ab dem 19. Jahrhundert verfügen wir über Belege
59 ; Stand: 18.12.12. 60 ; Stand: 18.12.12. 61 ; Stand: 18.12.12. 62 ; Stand: 18.12.12. 63 ; Stand: 18.12.12. 64 ; Stand: 18.12.12.
100
Datierung
zum gesprochenen Dialekt, die diesmal in einem linguistischen, dialektologischen Kontext entstanden sind. Der älteste Beleg für Subtraktion findet sich bezeichnenderweise in Johann Andreas Schmellers „Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt“ aus dem Jahre 1821, der ersten modernen dialektologischen Arbeit überhaupt: Er wurde in (1) auf Seite 21 zitiert. Für das Niederdeutsche sind die ältesten mir bekannten Belege aus der Gedichtsammlung „Quickborn“ von Klaus Groth aus dem Jahre 1853, wovon ein Dativbeleg in (2) auf Seite 21 wiedergegeben ist. Die Tatsache, dass ich in der dialektologisch-grammatischen Literatur und in den Dialektwörterbüchern sonst keine Hinweise auf historische Belege gefunden habe, lässt auch vermuten, dass sie, soweit überhaupt vorhanden, eher selten sein dürften. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Seiler (2003, 229–233) für die präpositionale Dativmarkierung im Oberdeutschen, für welche er sprachhistorisch äußerst wenig und meist nicht einwandfreie Evidenz findet, obwohl triftige Gründe dafür sprechen, dass es sich um eine ältere Konstruktion handelt. Allein die große Verbreitung der präpositionalen Dativmarkierung, wie auch der subtraktiven Formen, spricht für ein relativ hohes Alter. Weiter in Bezug auf eine genauere Datierung hilft uns das Vorkommen solcher Formen in Sprachinseln des Mittelalters und der frühen Neuzeit, zu denen wir jetzt übergehen. 4.2 EVIDENZ AUS DEUTSCHEN SPRACHINSELN Unter Sprachinseln verstehe ich mit Wiesinger (1983a, 901) „punktuell oder areal auftretende, relativ kleine geschlossene Sprach- und Siedlungsgemeinschaften in einem anderssprachigen, relativ größeren Gebiet.“ Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen Binnen- und Außensprachinseln, bei denen sich erstere in einem anderen Dialektraum, letztere im fremdsprachigen Gebiet befinden. Der Wert der Sprachinseln für die vorliegende Arbeit liegt vor allem in der sprachhistorischen Datierung und der linguistischen Bewertung der subtraktiven Formen. Sprachhistorisch könnte der bloße Hinweis auf subtraktive Formen in Sprachinseln als Zeichen gedeutet werden, dass es die Formen schon zur Zeit der Auswanderung in der Herkunftsmundart gab. Oder – dies wäre dann eher bei den mittelalterlichen Sprachinseln zu erwarten – es könnte als eine spätere Entwicklung ausgelegt werden, die im Dialekt prinzipiell veranlagt war. Dazu kommt, dass die meisten Sprachinseln in Mittel- und Osteuropa mehr oder weniger heterogene Sprachgemeinschaften waren, in denen Sprecher aus verschiedenen Gegenden zusammenkamen und eine Ausgleichssprache schaffen mussten. Besonders in ihrer Funktion als „sprachwissenschaftliches Laboratorium“ sieht Viktor Schirmunski, wohl derjenige Germanist, der in methodologischer und empirischer Hinsicht am meisten zur deutschen Sprachinselforschung beigetragen hat, den größten Wert der Sprachinseln. Dies gilt besonders auch für die Sprachgeschichtsforschung, da in Sprachinseln „prinzipielle und methodische Fragen der Sprachgeschichte am leichtesten aufgestellt und beantwortet werden
Evidenz aus deutschen Sprachinseln
101
können“ (Schirmunski 1930, 113). So könnte der Beibehalt von subtraktiven Formen in so einer dynamischen Umgebung darauf hinweisen, dass sie nicht so markiert sind, wie viele Forscher besonders vonseiten der Natürlichen Morphologie behauptet haben. Sie würden nach Schirmunski (1928/1929, 166) nicht zu den „primären“ Merkmalen gehören, die dem Sprecher auffällig sind und die dem Abbau besonders ausgesetzt sind, sondern zu den „sekundären“ Merkmalen. In der modernen Linguistik würde man von einer geringeren Salienz subtraktiver Formen sprechen (vgl. Trudgill 1986 und Lenz 2010). Ich habe mich bewusst nur auf solche Sprachinseln beschränkt, die sich in Mittel- und Osteuropa befinden oder befanden – die meisten sind heute nicht mehr existent oder akut bedroht – und bei denen die Zuordnung zum niederoder mitteldeutschen Raum nach Wiesinger (1983a) zumindest teilweise möglich war. Ich habe auch die wenigen (hoch)deutschen Binnensprachinseln, die es gibt, untersucht. Bei den nicht berücksichtigten Sprachinseln in Übersee (Nord- oder Südamerika, Australien) handelt es sich insgesamt um jüngere und oft auch wesentlich heterogenere Sprachgemeinschaften. Eine Kombination aus älteren und jüngeren, vergleichsweise homogenen Sprachinseln könnte dagegen im günstigen Fall Aussagen über das Alter der subtraktiven Formen in den Ursprungsmundarten erlauben. Allerdings sollte man dabei immer die Möglichkeit offen halten, dass es sich um spätere Entwicklungen handeln könnte, die sich in der Sprachinsel schneller als im Herkunftsgebiet vollzogen haben könnten (vgl. Schirmunski 1930, 113). Hier ist also besondere Vorsicht bei der Interpretation des Materials geboten. 4.2.1 Außensprachinseln des Deutschen Bei den zahlreichen hochdeutschen Außensprachinseln habe ich mich auf drei Sprachinseln des Mittelalters und der Neuzeit (Siebenbürgen in Rumänien, Schönhengst in Tschechien und die Wolgadeutsche Republik in Russland) beschränkt, deren Zuordnung zum einschlägigen mitteldeutschen Dialektgebiet möglich ist. Dagegen sind die niederdeutschen Sprachinseln insgesamt weniger zahlreich als die hochdeutschen; sie sind zudem schlecht erforscht (vgl. Stellmacher 2000, 162): Bei allen handelt es sich um Sprachinseln der Neuzeit und viele davon sind durch Auswanderungen von Mennoniten entstanden. Für die vorliegende Untersuchung habe ich mir zwei ehemalige Sprachinseln in Mittelund Osteuropa, das Lipnoer Land im heutigen Mittelpolen und Chortitza in der Südukraine, näher angesehen. 4.2.1.1 Hochdeutsche Außensprachinseln Eine der ältesten Außensprachinseln des Deutschen ist Siebenbürgen in Rumänien, eine Kolonie des Mittelalters, die ab 1150 besiedelt wurde. Die Sprache ist nach Wiesinger (1983a, 910) wahrscheinlich mittelfränkisch, sie weist je-
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Datierung
doch auch ostmitteldeutsche Merkmale auf, wohl aufgrund eines Zwischenhalts östlich der Saale. Die Landschaft teilt sich grundsätzlich in Nord-, Südsiebenbürgen und das Burzenland im äußersten Südosten auf, wobei innerhalb des Südsiebenbürgischen noch drei weitere Dialekträume unterschieden werden. Ähnlich wie die mittelfränkischen Dialekte kennt das Siebenbürgische allgemein Apokope und zumindest der Süden Velarisierung (vgl. Scheiner 1895, 173–178 und 183–184), was für Subtraktion zumindest beim nd -Konsonantencluster sprechen könnte. Die Velarisierung findet sich dabei nach SDSA-Karte 23 „Hund“ im ganzen Süden, während der Dental im Norden erhalten ist. Im Süden wie im Norden können aber trotzdem nur modifikatorische Pluralformen in unseren Umgebungen nachgewiesen werden: h¯ąnt – häNt ‘Hand, Hände (SSW IV, 47 für Hermannstadt) oder g¯ąnk – gingk ‘Gang, Gänge’ (NSSW II, 910 für Bistritz). Diese Formen werden für den Süden ebenfalls durch Scheiner (1887, 148) für die Mediascher Mundart bestätigt. Es scheint also so, als habe die Siebenbürger Sprachinsel eine andere Entwicklung eingeschlagen als die vermuteten mittelfränkischen Ursprungsdialekte. Dies ist für die Datierung der subtraktiven Formen in diesem Raum ein wichtiger Hinweis: Es macht es zumindest unwahrscheinlich, dass es sie im mitteldeutschen Raum vor dem 13. Jahrhundert gegeben hat. Eine weitere Sprachinsel des Mittelalters ist der Schönhengst in Nordböhmen und Nordmähren, der die größte deutsche Sprachinsel auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik war. Sie wurde nach Wiesinger (1983a, 909) „etwa zwischen 1240 und 1290 hauptsächlich aus dem oberostfränkischen Raum an der oberen Saale unter mittelbairischer und schlesisch-nordmährischer Beteiligung“ besiedelt. Der Schönhengst umfasste 125 Gemeinden und teilte sich in eine westliche (Rothmühl, Zwittau, Landskron) und eine östliche Hälfte (Mährisch-Trübau, Kornitz-Dörfles, Altstadt und Müglitz). 1945 erfolgte die Aussiedlung der deutschsprachigen Bewohner des Schönhengsts. Die wichtigsten Arbeiten sind Matzke (1911/12) und Benesch (1938). Sie zeigen, dass diese mittelalterliche Sprachinsel im Gegensatz zu Siebenbürgen subtraktive Formen gekannt hat: Matzke (1911/12, 58, 74), der die Mundart von Rathsdorf (tsch. Skuhrov u České Třebové) behandelt, listet subtraktive Plurale nur beim NgKonsonantencluster auf: r˜ıNg – r˜ıN ‘Ring, Ringe’ und štr õ˛Ng – štr˜ęN ‘Strang, Stränge’. Interessant ist an diesen Formen, dass dieser Subtraktionstyp auch in der Nähe des angenommenen Ausgangspunkts der Siedler vorkommt (vgl. den älteren Beleg aus Schleicher 1858 in Tabelle 13 auf Seite 67). Bei Benesch (1938, 133) findet sich nur der Hinweis, dass ‘Hund’ im Nominativ Singular auf einen Plosiv auslautet, während dieser in anderen Wörtern inlautend schwindet: štun ‘Stunde’ und wun ‘Wunde’. Dies ist aber vorerst keine hinreichende Evidenz, um allgemein Subtraktion beim nd -Konsonantencluster anzunehmen. Waren die zwei älteren Arbeiten eher unbefriedigend, werfen zwei jüngere Untersuchungen (Muzikant 2006 und Halo 2007) teilweise neues Licht auf die Pluralmorphologie der ehemaligen Mundarten im Schönhengst. Sie entstanden im Rahmen des Projekts „Atlas der historischen deutschen Mundarten auf dem Gebiet der Tschechischen Republik“ (ADT), dessen Material auf Befra-
Evidenz aus deutschen Sprachinseln
103
gungen der letzten nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgebliebenen deutschen Dialektsprecher beruht. Darin findet sich interessanterweise Evidenz für nd und rd -Subtraktion, vgl. hund – hin ‘Hund, Hunde’ (Halo 2007, 81) und bv¯ a.d – bv¯ a. ‘Pferd, Pferde’ (Muzikant 2006, 60), allerdings kann in einigen Orten der Vokal oder der Konsonant des Plurals lang sein, so dass in diesen Fällen keine Subtraktion vorliegt. Während rd -Subtraktion nur in einem Dorf (Ketzelsdorf, tsch. Koclířov) belegt ist, entnehme ich den Ortsangaben von Halo (2007, 80–83), dass nd -Subtraktion sowohl in der West- wie auch in der Osthälfte des Schönhengsts vorkommt, jedoch jeweils nur im Süden. Im Norden bei Libchavy und in der Mitte der Sprachinsel bei Dětřichov finden sich nur modifikatorische oder additive Formen.65 Die Mundart von Kornitz (tsch. Chornice) weist schließlich eine Subtraktionsart auf, die mir sonst in keinem anderen Dialekt begegnet ist: n-Tilgung im Plural, vgl. zwain – zwai ‘Schwein, Schweine’ (Halo 2007, 81).66 In anderen Orten ist der Nasalausfall zwar ebenfalls belegt, dort geht er jedoch gleichzeitig mit Nasalierung und/oder Dehnung des Wurzelvokals einher (s. auch Muzikant 2006, 60). Ungeachtet dieses letzten Typs kann für den Schönhengst zumindest Subtraktion bei nd -, Ng- und rd -Konsonantenclustern nachgewiesen werden, bei Vokal+KonsonantAbfolgen ist Subtraktion hingegen nicht belegt. Es stellt sich die Frage, ob die nd -Subtraktion, die kein Pendant im Osten des Ostfränkischen hat (vgl. hend – hend ‘Hand, Hände’, Schleicher 1858, 42), sich im Schönhengst selbstständig entwickelt hat oder ob hier Einfluss eines anderen Dialekts anzunehmen ist. Diese Frage kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden. Die letzte zu untersuchende hochdeutsche Außensprachinsel, das Wolgadeutsche, ist sprachlich heterogener als die zwei bisher besprochenen und zudem schlechter erforscht (vgl. Wiesinger 1983a, 926 und Schirmunski 1930). Sie geht auf die Einladung mitteldeutscher Einwanderer durch Katharina II. zurück, die sich zwischen 1764 und 1773 in den Steppengebieten an der mittleren Wolga ansiedelten. Die Dialekte sind bis auf einige niederdeutsche Mennonitenorte alle mitteldeutsch, hauptsächlich westmitteldeutsch. Eine der wenigen Quellen zu diesen heute so gut wie ausgestorbenen Mundarten stellt Unwerth (1918) dar: In der oberhessischen Mundart von Neu-Norka, einer Tochterkolonie, wie wir bei Dinges (1924/25, 302) erfahren, finden sich subtraktive Formen bei ‘Kind’: kent – ken und ‘Hand’: hant – hen (Unwerth 1918, 17–22), jedoch nicht bei ‘Feld’, was gut zu den hessischen Dialekten passt (das gleiche Muster findet sich z. B. in Ebsdorf). Die Vogelsberger Mundart von Köhler kennt einen subtraktiven Plural bei ‘Hund’, die westpfälzische Mundart von Schäfer bei ‘Hund’ und ‘Hand’. Für die eher nordelsässisch-südostpfälzisch geprägte Mundart von Mannheim gilt dies interessanterweise nicht (vgl. Unwerth 1918, 78), was verblüffend zu den heutigen Dialektverhältnissen passt. 65 Das Nord-Süd-Gefälle mag damit zusammenhängen, dass der Norden des Schönhengsts von Schlesien aus besiedelt wurde, der Süden von Ostfranken (vgl. Halo 2007, 28–29). 66 Die in Halo (2007) verwendete, nicht näher erläuterte SAMPA-inspirierte Transkription wurde hier vereinfacht: Der Plural zeige „nur Konsonantenausfall“ (Halo 2007, 81).
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Datierung
Nirgends im Unwertschen Material finden sich Belege für Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen, allerdings finden sich auch keine Gegenbelege. 4.2.1.2 Niederdeutsche Außensprachinseln Die niederdeutsche Sprachinsel im Lipnoer Land entstand im Zuge der neuzeitlichen Ostsiedlung, einer Bewegung, die im 17. Jahrhundert anfing und bis ins 19. Jahrhundert andauerte, die jedoch im 18. Jahrhundert gipfelte (vgl. Foss 1971, 11 und Riehl 2008, 4).67 Die ältesten Siedlungen im Lipnoer Land sind sogenannte Holländerkolonien oder Holländerdörfer, was einen mennonitischen Ursprung vermuten lässt. Die hier vorhandenen niederdeutschwestpreußischen Dialekte sind nicht Teil des geschlossenen deutschen Sprachgebiets: Von den sich nach Osten verdünnenden deutschen Siedlungen werden in der Regel nur diejenigen zum Binnengebiet gezählt, die vor 1918 westlich der preußisch-kongresspolnischen Grenze lagen (vgl. Wiesinger 1983a, 914). Für die niederdeutsche Siedlungsmundart im Lipnoer Land bezeugt Foss (1971, 126) subtraktive Plurale, und zwar bei Lexemen auf -nd und -ŋg, vgl. v¯ant – vEn ‘Wand, Wände’ und štrank – štrE´ ŋ ‘Strang, Stränge’. In dieser Mundart konkurrieren subtraktive Plurale mit -s-Pluralen: frynt – fryn / fryn@s ‘Freund, Freunde’ (Foss 1971, 129), was anderorts nicht belegt ist. Die Kolonie Choritzta entstand zwischen 1788 und 1800 durch Auswanderung von Mennoniten aus Westpreußen (vgl. Quiring 1928, 2–3 und Wiesinger 1983a, 928). Es handelt sich nach Wiesinger um einen niederpreußischen Dialekt mit resthaften friesischen und niederländischen Anteilen. Ähnlich wie in Lipno stelle ich in Chortitza subtraktive Plurale auf -nd und -ŋg fest: hunt – huŋ ‘Hand, Hände’ und riŋk – riŋ ‘Ring, Ringe’ (Quiring 1928, 86). Den niederpreußischen Anteil erkennt man an der im ehemaligen Inlaut durchgeführten Velarisierung. In zwei femininen Wörtern, ‘Spinne’ špand und rand ‘Rinne’ tritt ein nicht-etymologisches /d/ auf, das stark an die Analogiefälle im Zentralhessischen erinnert (vgl. Quiring 1928, 72). Ob es sich hierbei tatsächlich um produktive subtraktive Morphologie handelt, muss in Ermangelung entsprechender Pluralformen dahingestellt sein. Ausgehend von Choritzta wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Tochterkolonien gegründet (vgl. Wiesinger 1983a, 928), die bis nach Sibirien reichten. In einer dieser Sprachinseln, bei Slawogorod im Altai, finden sich ebenfalls subtraktive Plurale, vgl. håunt – hän’ ‘Hand, Hände’ und wåunt – wän’ ‘Wand, Wände’ (Jedig 1966, 64).
67 Die neuzeitliche Ostsiedlung ist von der mittelalterlichen Ostsiedlung ab dem 12. Jahrhundert abzugrenzen (vgl. Riehl 2008, 4–8). Die mittelalterliche Ostsiedlung erstreckte sich nicht auf die Weichselgebiete, sondern blieb vornehmlich auf Pommerellen und Schlesien beschränkt (vgl. Foss 1971, 11).
Evidenz aus deutschen Sprachinseln
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4.2.2 Binnensprachinseln des Deutschen Die Binnensprachinseln des Deutschen sind ausschließlich hochdeutsch (vgl. Wiesinger 1983a, 902–903; Stellmacher 2000, 160); deren Zahl ist auch beschränkt. Für die vorliegende Untersuchung habe ich mir sämtliche angeschaut: pfälzische Kolonien am Niederrhein, in Braunschweig und in Pommern und die erzgebirgische Kolonie im Oberharz. Bei der im 16. Jahrhundert entstandenen erzgebirgischen Sprachinsel im Oberharz sind die wenigen Lexeme, die potenziell subtraktiv sind, mit einem Schwa versehen, wie Borchers (1927, 63) zeigt. Nur die umlautenden Plurale sind schwalos. Dies könnte heißen, dass in dieser Mundart neben Affixen nur Vokalmodifikation als alleiniger Pluralmarker auftreten darf. Unsicher bleibt, ob es sich beim Schwa um eine restituierte Endung handelt. Die Apokopegrenze durchquert das Erzgebirge, aber die Verhältnisse zur Auswanderungszeit sind unsicher: Die Auswanderung erfolgte zu einer Zeit, in der die Apokope auch im obersächsischen Raum um sich gegriffen hat (vgl. Kapitel 5.2.3). Fördernd für den Erhalt der Schwa-Endung könnte eventuell auch die nicht-apokopierende ostfälische Umgebung sein. Ergiebiger sind die Ergebnisse zu den später entstandenen pfälzischen Kolonien am Niederrhein, in Braunschweig und in Pommern. Eindeutige Belege für subtraktive Formen finden sich bei der pfälzischen Sprachinsel am Niederrhein: Hierbei handelt es sich um eine relativ junge Kolonie, die 1743 von an der niederländischen Grenze gestrandeten pfälzischen Auswanderern aus Kreuznach und Simmern auf dem Weg nach Amerika gegründet wurde. Die Sprachinsel ist nach Wiesinger (1983a, 903) „rheinfränkisch-nordwestpfälzisch in niederfränkischer Umgebung“ und besteht aus drei Dörfern: Pfalzdorf bei Kalkar, Louisdendorf und Neulouisendorf. Die umfassendste Arbeit dazu ist Böhmer (1909), der alle drei Dörfer behandelt: Dort finde ich drei Beispiele für subtraktive Plurale auf -nd : hunt – hunn ‘Hund, Hunde’, hant – hen ‘Hand, Hände’ und khint – khin ‘Kind, Kinder’ (Böhmer 1909, 66–72).68 Interessant an diesen Formen ist einerseits, dass sie unbeeinflusst von der niederfränkischen Umgebungssprache sind, indem ihnen die hier maßgebliche Velarisierung völlig abgeht. Andererseits fehlt, wie wir in Kapitel 3.2.3.1.1 gesehen haben, Pluralsubtraktion bei ‘Kind’ vollständig im Ripuarischen und Südniederfränkischen, dagegen ist sie gerade im Rheinfränkischen sehr häufig. Hier liegt also höchstwahrscheinlich sprachhistorische Evidenz vor, dass die subtraktiven Plurale auf -nd im Rheinfränkischen bereits Ende des 17. Jahrhunderts verbreitet gewesen sind.
68 Diese Arbeit ist allerdings, wie Veith (1969, 67–68) feststellt, nicht ganz unproblematisch: Böhmer (1909, 2) stellt die relativ gewagte Behauptung auf, dass die Sprache der Siedler durch Dialektmischung per Zufall einem Dialekt ähnele, und zwar dem der Stadt Kusel, die nachweislich keinerlei Anteil an der Auswanderung hatte. Veith (1969) gelingt es dagegen, auf Basis des „Deutschen Sprachatlas“ und des „Deutschen Wortatlas“, auf sämtlichen sprachlichen Ebenen größte Gemeinsamkeiten mit den Mundarten von Kreuznach und Simmern festzustellen.
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Datierung
Auf Einladung des Herzogs Karl I. von Braunschweig erfolgte Mitte des 18. Jahrhunderts eine weitere pfälzische Auswanderung aus dem Gebiet zwischen Mannheim und Schwetzingen nach Braunschweig-Veltenhof (vgl. Wiesinger 1983a, 903), deren Sprache dem rechtsrheinischen Ostpfälzischen am nächsten kommt (vgl. Karch 1976, 150–152). Aus dem vorausgegangen sprachgeographischen Teil (Kapitel 3) wissen wir, dass sowohl das Herkunftsgebiet am Mittelrhein als auch die ostfälische Umgebung der Sprachinsel eher subtraktionsfeindlich sind. Das bestätigt sich teilweise auch in dem von Karch (1977) bearbeiteten Material: So findet sich beispielsweise keine Subtraktion bei Vg-Abfolgen, vgl. [da:k] – [da:x@] ‘Tag, Tage’ (Karch 1977, 103). Für die nd -Konsonantencluster ist die Situation jedoch unklar: ‘Kind’ bildet den Plural durchgängig mit -er -Endung, aber immerhin mit d -Schwund: [kinr] (Karch 1977, 51); da auslautendes -nd grundsätzlich bewahrt zu sein scheint (vgl. ‘Wind’, ‘Kind’ in Karch 1977, 51, 59) und die Apokope ebenfalls vorhanden ist (vgl. ‘Tag’ oben), ist Subtraktion bei anderen Lexemen auf -nd nicht ausgeschlossen. Um die gleiche Zeit wie die Auswanderung nach Braunschweig folgten, auf Aufruf Friedrichs des Großen, weitere Auswanderungen nach Brandenburg und Pommern. Eine bis in das 20. Jahrhundert erhaltene Sprachinsel war Wilhelmine-Coccejendorf bei Schlawe (poln. Slawno), bei der jedoch die genaue Herkunft der pfälzischen Auswanderer unklar ist (vgl. Mahnke 1931, 105 und Wiesinger 1983a, 903). In der einzigen Arbeit, die auf diese im Jahr 1945 aufgelöste Sprachinsel eingeht (vgl. Mahnke 1931, 104–107), finden sich auch nur äußerst spärliche Angaben zur Mundart nebst einigen Beispielsätzen. Die Frage, ob Subtraktion hier vorgelegen hat, kann somit nicht beantwortet werden. Da wir es aber hier mit einer Binnensprachinsel zu tun haben, deren niederdeutsche Umgebung auch Subtraktion kennt, wäre deren Erhalt eher zu erwarten. 4.3 DEUTUNG DER BEFUNDE Bei der Datierung des Phänomens sind wir aufgrund fehlender historischer Belege allein auf die Sprachinselbefunde angewiesen. Zusammengefasst ist dabei der Ertrag der hochdeutschen Binnen- und Außensprachinseln größer als der der niederdeutschen Sprachinseln. Einerseits haben wir gesehen, dass die älteste für uns relevante Sprachinsel, Siebenbürgen, Subtraktion nicht kennt. Dies könnte damit zusammenhängen, dass sich die subtraktiven Formen in der Ursprungsmundart zur Zeit der Auswanderung noch nicht entwickelt hatten und dass die Sprachinsel in dieser Hinsicht andere Wege gegangen ist. Für den Schönhengst konnten sich aber, trotz des mittelalterlichen Ursprungs, subtraktive Formen finden. Hier stellt sich die Frage nach einer möglichen späteren Entwicklung in der Sprachinselmundart. Für die neuzeitlichen Sprachinseln, die pfälzische Kolonie am Niederrhein und die wolgadeutsche Sprachinsel, ist anzunehmen, dass die subtraktiven Formen seit der Auswanderungszeit weitertradiert wurden (für die pfälzischen Sprachinseln in Braunschweig und Pommern ist prinzipiell
Deutung der Befunde
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das gleiche zu erwarten, jedoch waren die Ergebnisse hier aufgrund geringer Materialmenge unschlüssig). Anhand der Sprachinselbefunde wäre somit eine Datierung frühestens ins 13. Jahrhundert, allerspätestens aber ins 18. Jahrhundert für das hochdeutsche Gebiet wahrscheinlich. Subtraktive Formen finden sich sowohl in Binnen- als auch in Außensprachinseln, so dass die Kontaktsituation keinen unmittelbaren Einfluss auf den Erhalt solcher Formen zu haben scheint; jedoch müsste hier mehr Material in Betracht genommen werden, um zu sicheren Schlüssen zu gelangen. Für das Niederdeutsche ist bemerkenswert, dass sich subtraktive Formen in beiden für diese Arbeit untersuchten Sprachinseln finden, die zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert entstanden sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Mennoniten dieses Merkmal vor der Auswanderung aus Westpreußen aufgenommen haben und dass die subtraktiven Formen somit schon im 17. Jahrhundert im Niederdeutschen vorhanden waren.
5 DIACHRONIE Gegenstand dieses Kapitels ist die Entstehung der subtraktiven Formen in den Dialekten des Deutschen. Das Phänomen soll dabei in einen größeren historischen Rahmen eingeordnet werden. Allerdings muss betont werden, dass es sich hierbei um eine Rekonstruktion handelt: In historischen Dokumenten bleiben uns die tatsächlichen Formen, wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, verborgen. Bevor wir uns den Prozessen widmen, die zur Entstehung der subtraktiven Formen geführt haben, wird auf einige Tendenzen der deutschen Nominalmorphologie eingegangen. Dabei soll ein besonderer Blick auf die Dialekte geworfen werden, die seit der frühen Neuzeit als eine eigene Größe neben der sich herausbildenden Standardsprache wahrnehmbar sind. 5.1 NUMERUSPROFILIERUNG UND KASUSNIVELLIERUNG In der historischen Morphologie des Deutschen wird die Entwicklung der Nominalmorphologie oft auf zwei Grundtendenzen reduziert (s. etwa Hotzenköcherle 1962; Nübling et al. 2008, 58 und darin zitierte Arbeiten), die meist unter den Begriffen „Numerusprofilierung“ und „Kasusnivellierung“ zusammengefasst werden.69 Darunter versteht man nach Nübling et al. (2008, 58–63) die „Entkoppelung“ von Numerus- und Kasusinformation am Substantiv. Die Kategorie Numerus erfährt dort einen Ausbau, während die Kategorie Kasus abgebaut und dem Artikel bzw. dem Kontext überlassen wird. Die damit in Zusammenhang stehenden phonologischen und morphologischen Prozesse beginnen schon in althochdeutscher Zeit, jedoch muss als entscheidende Periode die frühneuhochdeutsche Zeit angesehen werden. Der knappe historische Überblick in Kapitel 5.1.1, der sich v. a. auf die Darstellung in Werner (1969) und Nübling (2005) stützt, richtet sich nach den Entwicklungen im hochdeutschen Raum, da dieser für die Begriffsbildung prägend war; jedoch soll auf Parallelen im Niederdeutschen eingegangen werden.70
69 Vergleiche hierzu auch Schirmunski (1962, 414): „Die Reduktion der Kasusflexion wird im Mittelhochdeutschen und besonders im Frühneuhochdeutschen von einer Verallgemeinerung der morphologischen Kennzeichen für die Kategorie des Plurals begleitet.“ 70 Beim Vergleich von Entwicklungen im hoch- und niederdeutschen Raum sei daran erinnert, dass Mittelhochdeutsch und Mittelniederdeutsch nicht zeitlich parallel verlaufen: Aufgrund der Überlieferungslücke von 150 Jahren zwischen Alt- und Mittelniederdeutsch setzt die mittelniederdeutsche Periode erst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein und endet um etwa 1600 (vgl. Peters 1973, 67). Das Mittelniederdeutsche steht dem Frühneuhochdeutschen somit zeitlich näher als dem Mittelhochdeutschen.
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Diachronie
5.1.1 Vom Indogermanischen zum Neuhochdeutschen Das indogermanische Substantiv weist eine dreigliedrige morphologische Struktur auf (vgl. Werner 1969, 107; Fortson 2010, 83), die aus einer lexikalischen Wurzel, einem stammbildenden Element (außer bei einer bestimmten Gruppe, den sogenannten Wurzelnomina) und einer Flexionsendung besteht (vgl. Abbildung 7). Wurzel + (stb. Suffix) + Endung | {z } Stamm Flexion ‘lexikalische Bedeutung’ ‘Kasus/Numerus’ Abbildung 7: Morphologische Struktur des indogermanischen Substantivs (nach: Werner 1969, 107).
In der Flexionsendung überlagern sich Kasus- und Numerusinformation in einem sogenannten Portmanteau-Morphem, so dass wir bereits beim Indogermanischen von einer flektierenden Sprache sprechen müssen.71 Das stammbildende Element kann ein Vokal oder ein Konsonant sein: Es ist möglich, dass diese stammbildenden Elemente früher eine semantische Funktion erfüllt haben, was am ehesten noch an der r -Deklination ersichtlich ist, die im Germanischen nur Verwandtschaftsbezeichnungen enthält (Vater, Mutter, Schwester, Bruder etc.). Obwohl im Indogermanischen das stammbildende Element in den meisten Fällen noch isolierbar ist, gilt bereits hier, dass die postulierten Stammklassen (o-Stämme, ¯a -Stämme, n-Stämme etc.) nicht so durchsichtig sind, wie sie besonders in der älteren Forschung dargestellt werden, da zusätzliche Faktoren wie Akzent und Ablaut das Bild komplizieren (s. etwa Ringe 2006, 44–50). Für unsere Zwecke ist es nun wichtig, dass die Singular- und Pluralform im Indogermanischen beide eine eigene Endung tragen (dies gilt auch für das Verhältnis zwischen Nominativ und Dativ). Kasus und Numerus eines Substantivs werden nicht, wie dies heute in den germanischen Sprachen üblich ist, durch das Hinzufügen eines Suffixes, sondern durch dessen Austausch mit einem anderen Suffix markiert (vgl. *dhogho-s ‘der Tag’ vs. *dhogho-m ‘den Tag’.). Man spricht hierbei gerne von sogenannter Stammflexion im Gegensatz zur heutigen Grundformflexion. Dabei ist das Pluralsystem noch vergleichsweise einfach, indem es auf lediglich zwei Pluralallomorphe im Nominativ reduziert werden kann: -es für Maskulina und Feminina, und -h2 für Neutra (vgl. Werner
71 Ob und inwieweit das Indogermanische auch Reste eines ursprünglich agglutinierenden Systems zeige, worauf der Akkusativ Plural *-ns hinweist, der aus Akkusativ Singular *m und dem Pluralmorphem *-(e)s zusammengesetzt sein könnte (vgl. Meier-Brügger 2010, 295), sei hier dahingestellt.
Numerusprofilierung und Kasusnivellierung
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1969, 106; Meier-Brügger 2010, 327–336; Fortson 2010, 117–119).72 Diese (rekonstruierten) Allomorphe schmelzen dann bei der Affigierung bei thematischen Stämmen zunehmend mit dem stammbildenden Element zusammen, vgl. idg. *dhogho-es > *dhogh¯os ‘Tage’ oder *urdhe-h 2 > *urdh¯a ‘Wörter’, so dass “˚ die dreigliedrige morphologische Struktur“˚ bereits im Spätindogermanischen an Transparenz einbüßt. Im Germanischen wird dieses System immer intransparenter (vgl. Werner 1969, 107–109): Das ehemalige Flexionssuffix fällt bis auf wenige Reste (z. B. Dativ Plural) weg, während das stammbildende Element, das auch im Spätindogermanischen keine motivierbare Funktion mehr hatte, die Rolle als Flexionsendung übernimmt.73 Man könnte in diesem Fall mit Lass (1990) von einer Reanalyse nutzlos gewordener phonologischer Masse („ junk“) sprechen (vgl. Nübling 2005, 47; für ein jüngeres Beispiel aus dem Niederdeutschen s. Rohdenburg 1998). Der Grund für diesen Wandel ist ein phonologischer: Es ist der Übergang vom freien Wortakzent im Indogermanischen zum Initialakzent im Germanischen, der mit einem Verfall der nebenbetonten Silben einhergeht („germanische Auslautgesetze“) und zu einer „Krise des Flexionssystems im Germanischen“ führt (vgl. Ramat 1981, 62, zitiert in: Dammel / Kürschner / Nübling 2010, 591). Die Reanalyse der ehemaligen stammbildenden Elemente als Flexionssuffixe hat einen Anstieg potenzieller Pluralendungen zur Folge, da die Anzahl stammbildender Elemente viel höher ist als die Anzahl der ehemaligen Pluralallomorphe: Von nur zwei Nominativ-Plural-Allomorphen im Indogermanischen steigt die Zahl auf sechs im Althochdeutschen. In Bezug auf die Kategorie Numerus ist deswegen von keiner Reduktion, sondern von erhöhter Komplexität im Althochdeutschen zu sprechen (vgl. Werner 1969, 109–110). Reduktion ist dagegen bei der Kategorie Kasus ganz deutlich der Fall: Von insgesamt acht Kasus im Indogermanischen weisen das Altniederdeutsche und das Althochdeutsche nur noch vier bzw. fünf Kasus auf, wenn man den bereits defektiven Instrumental noch dazu zählt. Das Schöpfen von Flexionsendungen aus phonologischem „ junk“ stößt dort an seine Grenzen, wo die phonologische Reduktion zu weit vorangeschritten bzw. wo nur die lexikalische Wurzel übriggeblieben ist (vgl. Nübling 2005, 48). Dies gilt z. B. für die Neutra der a-Deklination und für die Wurzelnomina, die in althochdeutscher Zeit keine Pluralendung mehr aufweisen: wort – wort
72 Jedoch stellt sich die Frage, ob das, was hier als „Neutrum Plural“ bezeichnet ist, im Indogermanischen ursprünglich eine Art Kollektivbildung ist, und dass es sich folglich um ein anderes Morphem handelt (vgl. Fortson 2010, 131–132). Das Neutrum stellt ein klassisches Problem der Indogermanistik dar, das im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden kann. 73 Während die indogermanischen Kasus/Numerus-Allomorphe phonemisch unterschiedlich groß waren (Nom. Sg.: *-s, Nom. Pl.: *-es, Dat. Pl.: *-mis bei *dhoghos ‘Tag’), war die Tilgung phonologischen Materials immer gleich groß (vgl. Werner 1969, 109).
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‘Wort, Wörter’, man – man ‘Mann, Männer’.74 Gleichzeitig – und vielleicht aus diesem Grund – sehen einige Forscher bereits im Althochdeutschen erste mögliche Anzeichen einer Stärkung der Numeruskategorie: Dies fällt zeitlich mit einem rein phonologischen Prozess zusammen, der allen germanischen Sprachen gemeinsam ist: dem i -Umlaut, bei dem ein velarer Stammvokal (/a/, /o/ oder /u/) bei vorhandenem /i/, /i:/ oder /j/ der Folgesilbe palatalisiert bzw. gehoben wird. Ein solcher phonologischer Kontext ist in der i -Deklination und bei den ehemaligen iz/az -Stämmen vorhanden, und zwar im Plural in sämtlichen Kasus sowie im Dativ und Genitiv Singular (in der i -Deklination allerdings nur bei den Feminina) und führt dort zur Umlautung, vgl. gast – gesti ‘Gast, Gäste’ und lamb – lembir ‘Lamm, Lämmer’. Beim i -Umlaut wird das indogermanische Idealbild einer morphologischen Dreigliedrigkeit noch weiter verwischt, indem Numerus- und Kasusinformation in die Wurzel verlagert werden (vgl. Nübling 2005, 47–48). Damit ist der Übergang von der Außen- zur Binnenflexion und somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu subtraktiven Formen vollzogen, die auch hochgradig wurzelflektierend sind. Interessant ist nun, dass die lautgesetzlichen Kasusumlaute des Dativ und Genitiv Singular bei einigen n- und ehemaligen iz /az -Stämmen im Laufe des Althochdeutschen wieder abgebaut werden, während sich der Umlaut als Pluralkennzeichen durchsetzt. Hierin bereits erste Anzeichen der Kasusnivellierung und Numerusprofilierung zu sehen, wie dies Nübling (2013, 29) macht, ist allerdings nicht unproblematisch: Der Abbau von Kasusumlauten bei den ehemaligen iz /az -Stämmen wie in lemb-ire > lamb-e lässt sich nur anhand von Resten in wenigen Ortsnamen und zwei Belegen aus dem Reichenauer Glossar nachvollziehen (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 197). Überhaupt zeigen neuere Studien, dass die Korrelation zwischen iz /az -Stamm und ir -Plural weniger klar ist als bisher angenommen (vgl. Luiten et al. 2013, 18).75 Der gleiche Abbau bei Maskulina der n-Deklination – han-o, hen-in > han-in ‘der Hahn, dem Hahn’ – kann durchaus als analogischer Ausgleich interpretiert werden (vgl. Robinson 1980, 450), jedoch handelt es sich dabei nicht um Numerusprofilierung, da der Plural von Anfang an keinen Umlaut aufweist (s. auch Nübling 2005, 50). Im Übergang vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen führt ein weiterer, mit dem germanischen Akzentwandel in Verbindung stehender phonologischer Reduktionsprozess, die Nebensilbenabschwächung, zu neuen Umstrukturierungen in der Nominalmorphologie. Der gleiche Prozess kann auch im Übergang zum Mittelniederdeutschen beobachtet werden. Während das 74 Im Altniederdeutschen hat sich die Pluralendung der neutralen a-Deklination jedoch teilweise erhalten, aber meist nur bei kurzsilbigen Wörtern, vgl. word – word ‘Wort, Wörter’, aber graf – graău ‘Grab, Gräber’ (vgl. Gallée 1910, § 297). 75 Schließlich verbirgt sich hinter dem Begriff „ehem. iz/az -Stamm“ eine heterogene Gruppe von Lexemen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Etymologien. Laut Schenker (1971, 57) lässt sich kein einziges Wort, das im Althochdeutschen einen ir -Plural aufweist, einem idg. es/os-Stamm zuordnen, weswegen man sich fragen müsse, ob es sich bei der iz /az -Flexion um eine germanische Innovation handele.
Numerusprofilierung und Kasusnivellierung
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Althochdeutsche und das Altniederdeutsche in den Nebensilben noch fünf Vokalphoneme kannten, erscheint im Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen in dieser Stellung nur noch der Reduktionsvokal Schwa. Dieser Lautwandel sollte größere Folgen für die Kasusmorphologie als für die Pluralmorphologie haben; besonders war die schwache Deklination davon betroffen (vgl. Werner 1969, 114–115). Zusammen mit der Nebensilbenabschwächung vollzieht sich nach der vorherrschenden Lehrmeinung eine Verschiebung der Flexionsgrenze (dazu kritisch aber Harnisch 2001): Das reduzierte stammbildende Element wird in den Stamm integriert, vgl. ahd. bot-o > mhd. bote ‘Bote’. Der Nominativ Singular weist somit in keinem Paradigma eine overte Endung mehr auf und alle weiteren Formen werden von dieser Grundform durch das Hinzufügen von Flexionssuffixen (in diesem Fall: -n) abgeleitet. Mit dem Abbau der Substantivflexion geht der Ausbau des Artikels einher, der bereits in althochdeutscher Zeit begonnen hatte. Die Substantivflexion spielt aber weiterhin eine Rolle bei der Numerusmarkierung, die in mittelhochdeutscher Zeit jedoch nur mäßig ausgebaut wird (vgl. Werner 1969, 116): Dies geschieht vor allem bei den Wurzelnomina naht ‘Nacht’ und man ‘Mann’. Im ersten Fall treten Sekundärumlaut und (ein nicht etymologisches) Suffix (-e) hinzu (nehte), im zweiten nur das -e (manne). Erst in frühneuhochdeutscher Zeit findet der Ausbau der Numeruskategorie statt, der es uns erlaubt, von Numerusprofilierung zu sprechen (vgl. Werner 1969, 118–120; Nübling 2005, 52). Der i -Umlaut verliert im Laufe der mittelhochdeutschen Zeit seinen Status als phonologische Regel. Ursache hierfür ist die Nebensilbenabschwächung. Es findet folglich eine Phonemisierung der Umlautprodukte statt, da diese nicht mehr vorhersagbar sind. Der Umlaut kann jetzt für morphologische Zwecke angewendet werden, und besonders produktiv wird er im hochdeutschen Raum dabei zusammen mit der -er -Endung, nach dem Vorbild der ehemaligen, lautgesetzlich umlautenden iz/az -Stämme. In Konkurrenz dazu tritt die -e-Endung, die besonders im Mittelniederdeutschen produktiv ist und sich nach der maskulinen a-Deklination richtet. Somit kommt es zu einem Nebeneinander von -er - und -e-Pluralen (vgl. Wegera 1987, 177), das teilweise noch bis ins Neuhochdeutsche besteht, vgl. Wort : Worte / Wörter, Land : Lande / Länder.76 Von diesen zwei Pluralendungen hat die -er -Endung den Vorteil, dass sie erstens nicht von der Apokope bedroht ist (vgl. Kapitel 5.2.3) und dass sie zweitens nicht zugleich eine Kasusendung ist wie das Dativ-e (vgl. Nübling 2005, 50). Weitere analogische Ausdehnungen, wie die Generalisierung des -n-Suffixes im Plural der ehemals schwachen Feminina, zusammen mit dessen gleichzeitigem Abbau in den obliquen Singularformen
76 Die Klasse von Wörtern, die im Althochdeutschen eine -ir -Endung (ehem. iz/az -Stämme, s. Fußnote 75 auf der vorherigen Seite) aufweisen, hat schätzungsweise nur zehn semantisch nahverwandte Lexeme umfasst, die auf Tiere und Landwirtschaft beschränkt waren. Ab frühneuhochdeutscher Zeit steigt diese Anzahl auf ungefähr 100 Lexeme in der Standardsprache (vgl. Nübling 2005, 50).
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Diachronie
(Dat. Sg.: der wochen → der Woche), stärken in frühneuhochdeutscher Zeit ebenfalls die Kategorie Numerus (vgl. Nübling et al. 2008, 60–63). In neuhochdeutscher Zeit erlangt mit -s eine weitere Pluralform Produktivität. Die Herkunft dieses Allomorphs ist eine der umstrittensten Fragen der historischen Morphologie des Deutschen (s. Öhmann 1924). Es ist schon im Altsächsischen belegt und gilt als Merkmal v. a. der niederdeutschen Dialekte. Jedoch ist der -s-Plural interessanterweise in der schriftlichen Überlieferung des Mittelniederdeutschen nicht belegt, weshalb eine direkte Herleitung aus dem Niederdeutschen zumindest problematisch ist. Im Neuniederdeutschen zeigt er sich vor allem bei zweisilbigen Substantiven, die auf Liquid oder Nasal enden (vgl. Lindow et al. 1998, 147–150). In der neuhochdeutschen Standardsprache ist er dagegen besonders bei unassimilierten Fremdwörtern (Cafés, Autos), heute vor allem bei Anglizismen, aber auch bei Onomatopoetika (Wauwaus), Trunkierungen (Studis), Akronymen (LKWs), Produktnamen (Kadetts) oder unflektierbaren Wurzeln wie nominalisierten Konjunktionen (Wenns) produktiv (vgl. Marcus et al. 1995, 240).77 Studien zeigen auch, dass der -s-Plural bei Kindern übergeneralisiert wird und dass er auch bei Sprachstörungen häufiger auftritt (s. Clahsen / Rothweiler / Woest 1992 und Clahsen 1999, 1008–1009). Einige Linguisten gehen deswegen davon aus, dass dieser Plural so etwas wie einen „Default“ darstellt, der dann zum Einsatz kommt, wenn keine andere Pluralform möglich ist (vgl. Kapitel 7.3.1). Andere betonen dagegen eine gewisse Bindung an Substantiven mit (voll)vokalischem Auslaut (aber: Kadetts). 5.1.2 Die Entwicklung in den Dialekten des Deutschen Synchron stellt man fest, dass die oben skizzierten Tendenzen sowohl für die Standardsprache als auch für die Dialekte gelten, dass sie sich in den jeweiligen Varietäten aber unterschiedlich manifestieren. Für die Kasusnivellierung gilt zunächst, dass sie in den Dialekten weiter vorangeschritten ist als in der Standardsprache, besonders im niederdeutschen Raum (vgl. Schirmunski 1962, 432). Dialektal wird Kasus nur noch selten am Substantiv selbst markiert. Dafür hat sich das Kasussystem bei den Pronomen und am Artikel (vgl. Shrier 1965) etwas besser erhalten als in den meisten anderen germanischen Sprachen (außer Isländisch). Der adnominale und adverbiale Genitiv ist bis auf wenige konservative Reliktgebiete im Süden und Norden des deutschen Sprachgebiets verschwunden. Erste sichere Belege für den Genitivschwund gibt es seit dem 13. Jahrhundert; an die Stelle des adnominalen Genitivs treten periphrastische Formen wie der possessive Dativ oder von-Periphrasen (vgl. Schirmunski 1962, 432–434; Koß 1983, 1242; Fleischer / Schallert 2011, Kap. 6). Der Akkusativ, der auch in der Standardsprache nur noch im Maskulinum Singular 77 Sie bleibt aber bis heute vergleichsweise selten: Je nachdem, wie man zählt, hat sie nie mehr als eine Typenfrequenz von 10 Prozent (vgl. Marcus et al. 1995, 229).
Numerusprofilierung und Kasusnivellierung
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eindeutig markiert wird, fällt in den Dialekten häufig mit dem Nominativ oder Dativ zusammen. Im Zuge der Apokope wird der Dativ Singular beim Substantiv (starke Maskulina und Neutra) weitgehend beseitigt. Der Dativ hat sich aber, wie es Schirmunski (1962, 438) ausdrückt, zum Teil über „sekundäre Wechselerscheinungen“ in Akzentuierung (mittelfränkische Tonakzente), Länge (Überlänge im Niederdeutschen), Kürze sowie Qualität von zum Stamm gehörenden Vokalen und Konsonanten teilweise erhalten, wozu auch die subtraktiven Dative gehören. Der Dativ Plural wird im Vergleich zum Singular wesentlich häufiger markiert (oft mit n-Schwund bei erhaltenem Schwa): in den niederdeutschen Dialekten nur in festen Redewendungen, in vielen mittelund oberdeutschen Dialekten dagegen systematisch (vgl. Schirmunski 1962, 440–441). Sonst wird der Dativ Plural der Nominativform angeglichen. Während die Standardsprache noch vier Kasus kennt, ist in den Dialekten maximal mit einem Zwei- bzw. Drei-Kasussystem zu rechnen (vgl. Shrier 1965, die allerdings nur das Pronomen und modifikatorische Begleiter des Substantivs systematisch betrachtet). Bei der Numerusprofilierung ist das Bild etwas komplexer (vgl. allgemein Dingeldein 1983): Im Ost- und Westfälischen und im Ostmitteldeutschen überwiegen wie in der Standardsprache die additiven Verfahren deutlich, während sich die übrigen Dialekte viel häufiger der Stammmodifikation bedienen. Auslöser ist hier v. a. die e-Apokope, die eine Gefahr für die Schwa-Endung darstellt. Als Antwort auf die Apokope wird erstens zum Teil auf andere additive Endungen ausgewichen: In den hochdeutschen Dialekten erfreut sich besonders der analogische -er -Plural großer Beliebtheit, in den niederdeutschen dagegen der -s-Plural. Zweitens haben die Dialekte als Reaktion auf die e-Apokope stärker von der Wurzelflexion Gebrauch gemacht: In den oberdeutschen Dialekten kommt es dabei häufig zu nicht lautgesetzlichem Umlaut an Stellen, wo die Standardsprache additive Flexion hat, z. B. bei Einsilblern: tag – täg. Vor allem in vielen niederdeutschen und mitteldeutschen Mundarten – das ist das Thema dieser Arbeit – ändert sich die Qualität des stammauslautenden Konsonanten, oder jener schwindet ganz. Allerdings stellt Haas (1988, 13–14) anhand eines Samples von 651 Substantiven aus dem zentralhessischen Ebsdorf fest, dass ungefähr der Hälfte davon jegliche Pluralmarkierung fehlt (vgl. Kapitel 7.4). Hier ist es also schwierig, von einer „Tendenz“ der Numerusprofilierung zu sprechen. Haas behauptet deswegen, dass Numerusprofilierung eher für die Standardsprache – und man könnte vielleicht hinzufügen: für die Dialekte vor der e-Apokope – typisch ist als für die heutigen Dialekte. Bei der Frage, ob subtraktive Plurale ein Resultat der Numerusprofilierung sind, ist daher Vorsicht geboten. Es handelt sich wohl vielmehr um Reste additiver Pluralmarkierung (vgl. Nübling 2006, 121), indem alle subtraktiven Plurale, wie bald gezeigt werden soll, historisch auf ehemals vorhandene SchwaEndungen zurückgeführt werden können. Diese Reste additiver Pluralmarkierung haben sich zwar besser gehalten als die Reste additiver Dativmarkierung – hier treten die beiden Tendenzen Numerusprofilierung und Kasusnivellierung also sehr wohl zu Tage –, sie verlangen jeodch hauptsächlich nach einer phonolo-
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Diachronie
gischen Erklärung. Deswegen ist Dressler (2000, 585) zuzustimmen, wenn er bei der Entstehung subtraktiver Formen wie in deutschen Dialekten von einer „constellation of historical accidents“ ausgeht. Wie dieser historische Zufall zu Stande gekommen ist, möchte ich nun im Folgenden skizzieren. 5.2 DIE ENTSTEHUNG SUBTRAKTIVER FORMEN Wie sind die subtraktiven Formen entstanden? Ich werde in diesem Teil dafür argumentieren, dass die gleichen phonologischen Abschwächungsprozesse, die zur Umgestaltung des morphologischen Systems in mittelniederdeutscher und frühneuhochdeutscher Zeit geführt haben, im Prinzip auch für die Entstehung von Subtraktion geltend gemacht werden können, dass die nieder- und hochdeutschen Dialekte, die Subtraktion kennen, aber andere Wege eingeschlagen haben als etwa die Standardsprache oder der Großteil der oberdeutschen Dialekte. Man kann sich die Entwicklung in drei Etappen vorstellen (vgl. Haas 1988, 47; Dressler 2000, 585 und Nübling 2006, 121): 1. Konsonantische Abschwächungsprozesse: Assimilationen und Lenisierung 2. Quantitätswandel: Degemination (nur bei Konsonantenclustern) 3. Vokalische Abschwächungsprozesse: e-Apokope Tabelle 35 zeigt einen rekonstruierten Ablauf der Prozesse anhand von vier Lexemen mit unterschiedlicher phonologischer Umgebung, wobei von sonstigen Wandelprozessen wie Dehnung in offener Tonsilbe und späterer Analogiedehnung abgesehen wird. Obwohl hier der Einheitlichkeit halber nur Pluralformen dargestellt sind, gilt genau der gleiche Ablauf für die Dativ-Singular-Formen. Im Folgenden wird genauer auf die einzelnen Etappen eingegangen. Zunächst müssen wir uns aber die Frage stellen, wie die mittelniederdeutschen und mittelhochdeutschen Ausgangsformen ausgesehen haben könnten, da jene für die historisch-phonologische Analyse unabdingbar sind.
Ausgangsform (1) Assimilation/Lenisierung (2) Degemination (3) e-Apokope Ergebnisse
‘Hund’ Sg. Pl.
‘Kind’ Sg. Pl.
‘Ring’ Sg. Pl.
‘Tag’ Sg. Pl.
hunt hund@ = *hun:@ = *hun@ = hun
kint kind@ = *kin:@ = *kin@ = kin
riNk riNg@ = *riN:@ = *riN@ = riN
dak = = =
dag@ *da:@ = da:
hunt
kint
riNk
da:k
da:
hun
Tabelle 35: Entstehung der Subtraktion
kin
riN
Die Entstehung subtraktiver Formen
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5.2.1 Das Schwa als Ausgangspunkt In Kapitel 2.3.2 behauptete ich, dass sich alle subtraktiven Formen auf finales Schwa zurückführen lassen. Bei den Dativen bedarf eine solche Behauptung des Beweises nicht. Starke Maskulina und Neutra werden im Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen im Dativ immer mit einem Schwa versehen.78 Es wundert daher nicht, dass subtraktive Dative ausschließlich bei diesen zwei Flexionsklassen vorkommen. Die Lage ist dagegen bei der Pluralbildung etwas schwieriger, zumal es deutlich mehr Pluralallomorphe als Dativallomorphe gibt und die Kategorie Numerus ausgebaut wird. Bei den starken Substantiven – und nur solche kommen bei den subtraktiven Formen in Frage – gibt es hier vor allem eine Variation zwischen den additiven Formen -e und -er einerseits und den Nullformen andererseits. Damit meine Hypothese auch eine sprachhistorische Gültigkeit haben soll, gilt es daher, plausibel zu machen, dass alle subtraktiven Plurale auf zugrundeliegendes Schwa zurückgehen. Eine Auswertung von diachronen Wörterbüchern, Grammatiken zu älteren Sprachstufen des Deutschen und Spezialaufsätzen zum Thema diachrone Pluralbildung kann dies für sämtliche Lexeme, die Subtraktion aufweisen, bestätigen. 5.2.1.1 Unumstrittene Fälle Unproblematisch sind zunächst alle Maskulina der a-Deklination, da jene im Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen alle auf Schwa enden (vgl. Paul 2007, § M6 und Lasch 1914, § 363). Genauso wenig Probleme bereiten Maskulina und Feminina der i -Deklination (bzw. alte u-Deklination), die im Althochdeutschen und Altniederdeutschen vom Umlaut betroffen sind (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 220d und Gallée 1910, § 328) und deren mittelhochdeutsche und mittelniederdeutsche Formen ebenfalls auf Schwa auslauten (vgl. Paul 2007, § M7 und Lasch 1914, § 363), wobei Spuren der alten u-Deklination in einem umlautlosen Plural wie hande ‘Hände’ noch zu finden sind, v. a. im Mittelniederdeutschen (vgl. Lasch 1914, § 381, Anm. 6). Dies gilt auch für die Maskulina der u/i -Deklination, zu der ‘Wald’ gehört: Der Plural kommt nur einmal im Althochdeutschen (bei Notker) als walda vor (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 216, Anm. 3 und DWB, Bd. 27, Sp. 1074).79 Im Mittelhochdeutschen lautet er walde oder umlautend welde (Lexer, Bd. 78 Im Unterschied zum Neuhochdeutschen weist auch eine kleine Gruppe von Feminina, und zwar die der alten i -Stämme, mittelhochdeutsch und mittelniederdeutsch noch teilweise eine -e-Endung im Dativ auf (vgl. Paul 2007, § M 17 und Lasch 1914, § 380). Ich habe aber keine subtraktiven Formen von diesen Lexemen in den heutigen Dialekten finden können. Dies liegt wohl daran, dass diese Dativformen früh abgebaut worden sind (vgl. etwa Wipf 1910, 127 für das konservative Höchstalemannische, das keine besonderen Formen mehr kennt). 79 Nicht alle Substantive der i -Deklination weisen im Althochdeutschen schon Umlaut auf, besonders die Maskulina nicht (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 216, Anm. 3).
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3, Sp. 657–658). Die standardsprachliche Form Wälder wird im „Deutschen Wörterbuch“ als eine Analogiebildung zu Felder (vgl. die Redewendung in Wäldern und Feldern) erklärt: Sie ist im 15./16. Jahrhundert noch selten, wird aber im 17. Jahrhundert immer häufiger, wobei der e-Plural nach wie vor oft begegnet (vgl. DWB, Bd. 27, Sp. 1074; s. auch Wegera 1987, 210–212). Genauso instruktiv sind Beispiele, bei denen es aus sprachhistorischen Gründen nicht zur Subtraktion kommen kann: Es gibt relativ wenige starke Substantive, die bereits im Althochdeutschen eine konsonantische Pluralendung tragen. Hier kommen nur die ehemaligen iz/az -Stämme in Betracht. Das Lexem ‘Lamm’, das immer zu dieser Deklinationsklasse gehört hat, weist nirgends einen subtraktiven Plural auf, weil es schon immer eine apokoperesistente -er Endung getragen hat. Im Dativ ist eine subtraktive Form hingegen durchaus nachzuweisen, da die obliquen Singularformen der Substantive der ehemaligen iz/az -Stämme schon im Laufe der althochdeutschen Zeit einen Stammausgleich erfahren haben: lembire > lambe (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 197 und oben). Von den ehemals konsonantischen Stämmen waren auch die ehemaligen Partizipialstämme auf -nt (‘Freund’ und ‘Feind’) ursprünglich unmarkiert im Plural; allerdings weisen sie bereits im Althochdeutschen teilweise eine Endung auf (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 237), im Niederdeutschen ab mittelniederdeutscher Zeit (vgl. Lasch 1914, § 386, 2), weswegen diese Substantive in den modernen Dialekten auch grundsätzlich Subtraktion aufweisen. 5.2.1.2 Ein Problem: Neutra der a-Deklination Schwieriger sind die Neutra der a-Deklination, die aufgrund der germanischen Auslautgesetze zu Beginn der hoch- und niederdeutschen Überlieferung bis auf Reste im Altniederdeutschen (vgl. Fußnote 74) keine Pluralendung mehr aufweisen. Ab mittelhochdeutscher und mittelniederdeutscher Zeit findet sich hier Variation zwischen lautgesetzlicher Nullendung und durch Analogie entstandenen -er - und -e-Endungen (vgl. Kapitel 5.1.1). Veranschaulichen möchte ich die Problematik anhand des Lexems ‘Kind’: Hier ist eine analoge -ir Endung schon vereinzelt im Althochdeutschen ab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts als chindir überliefert und erscheint auch in den von Gürtler (1912/1913) untersuchten literarischen mittelhochdeutschen Denkmälern als kinder neben der flexionslosen Form, ohne dass sich dabei eine Regel ausmachen ließe (vgl. Gürtler 1912/1913, 502–514). Das häufige Auftreten der -er -Formen in den mittelhochdeutschen Handschriften könnte aber auch, wie Gürtler (1912/1913, 515) quellenkritisch bemerkt, „auf conto der späteren abschrift“ fallen. Deswegen gehe ich davon aus, dass sich die heutige -er -Form erst in frühneuhochdeutscher Zeit durchgesetzt hat (etwa in der 1545-Ausgabe der Lutherbibel, vgl. DWB, Bd. 11, Sp. 707–708). Im Mittelniederdeutschen sind analogische, nach den ehemaligen iz/az -Stämmen gebildete -er -Plurale insgesamt eher selten: Bei ‘Kind’ findet sich aber in den Quellen die -er -Endung
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ab dem 13. Jahrhundert neben der Nullendung und ist dort der üblichere Plural (vgl. Lasch 1914, § 373 und MNHWB II, 561). Parallel zu der analogen -er -Endung entwickelt sich jedoch auch, in Anlehnung an die Maskulina der a-Deklination, ein -e-Plural bei den starken Neutra (vgl. Wilmanns 1909, 392). Für das Hochdeutsche ist dieser neutrale -e-Plural nach Hartweg / Wegera (2005, 155) ein Charakteristikum des Mitteldeutschen und zum Teil des Elsässischen; er begegnet ab dem 13./14. Jahrhundert und ist gerade im Hessischen des 15. Jahrhundert sehr prominent (vgl. Wegera 1987, 187).80 Im Oberdeutschen findet die analogische Entwicklung aufgrund des früheren Auftretens der Apokope nach Hartweg / Wegera (2005, 155) „nur in Ausnahmefällen“ statt. Eine von mir durchgeführte Recherche im „Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache“ und in dem diesem Wörterbuch zugrundeliegenden „Corpus der altdeutschen Originalurkunden“ ergibt jedoch nicht wenige Belege für den -e-Plural für das Ende des 13. Jahrhunderts: Interessanterweise sind sämtliche Belege dem oberdeutschen Raum zuzuordnen und verteilen sich nahezu auf das gesamte oberdeutsche Gebiet. Somit muss die -e-Endung auch im Oberdeutschen wirksam gewesen sein, wobei die Endung hier aufgrund der von diesem Raum ausgehenden Apokope früher verschwunden ist (vgl. Wegera 1987, 182, der die Frage nach der Produktivität des -e-Plurals im Oberdeutschen offen lässt). Für den westmitteldeutschen Raum findet sich Evidenz für einen -e-Plural bei ‘Kind’ in den von Gürtler (1912/1913, 533–534) untersuchten frühneuzeitlichen hessischen, rheinfränkischen und mittelfränkischen Urkunden (s. auch Mottausch 2001, 6 für die Stadt Lorsch). Insgesamt ist dort aber ein Nebeneinander von ∅-, -er - und -e-Endungen zu beobachten, was ein Ausdruck der arealen oder vielleicht auch der vertikalen Variation der Pluralendungen dieses Lexems sein könnte. Dass subtraktive Plurale von ‘Kind’ gerade aus dem Ripuarischen nicht überliefert sind, mag damit zusammenhängen, dass dort eine ganz besondere Pluralform kindere dominiert hat, die dem Ostmittelniederländischen und dem Mittelniederdeutschen entspricht (vgl. Paul 2007, § M 14, Anm. 4), deren finales Schwa im Zuge der Apokope wieder verschwunden ist.81 Für das Ostmitteldeutsche findet Ahlsson (1965, 43–44) Belege für einen -e-Plural von ‘Kind’ im Eisenacher Rechtsbuch, das vor 1400 verfasst wurde. Auch im mittelhochdeutschen Prosalancelot, der erst in der gegen Mitte oder Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Heidelberger Handschrift P (nahezu) vollständig überliefert ist, halten sich nach eigenen Recherchen die -er - und -e-Plurale die Waage. Neben diesen historischen Belegen zeigt, wie wir gesehen 80 In Paul (2007, § M 14, Anm. 2) findet sich nur der Hinweis, dass -e-Plurale bei den Neutra der a-Deklination im Mittelhochdeutschen noch recht selten sind. 81 Das Standardniederländische kennt, im Unterschied zum Standarddeutschen, zwar die Apokope (vgl. Marynissen 2009, 166–169), weist aber trotzdem keine subtraktiven Plurale auf (für niederländische Dialekte, s. Kapitel 3.2.3.1.1). Booij (2002, 21–34) reduziert das Pluralsystem des Standardniederländischen auf zwei Suffixe, -s nach unbetonter und -en nach betonter Silbe. Daneben existieren für kleinere Gruppen lexikalisierte Pluralallomorphe, wie -eren, analog zu -er im Deutschen.
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haben, das Nordhessische noch auslautendes Schwa in diesem Fall, was für eine weitere Verbreitung in den Dialekten spricht. Lasch (1914, § 372, Anm. 2) weist für das Niederdeutsche darauf hin, dass (analog gebildete) Formen auf -e im Laufe der mittelniederdeutschen Zeit vordringen, „stärker als die schriftsprache erkennen lässt“. Dabei ist der analog zu den i -Stämmen gebildete Umlaut, der für das Hochdeutsche typisch ist, ˆ ‘Boote’. Im Niederdeutschen scheinen die analogischen seltener, vgl. aber böte -e-Endungen, anders als im Hochdeutschen, gegenüber dem -er -Plural Vorrang zu haben (vgl. Lasch 1914, § 372–373 und Schirmunski 1962, 427–428). Interessanterweise fehlt aber der -e-Plural im Niederdeutschen ausgerechnet bei ‘Kind’, während er noch in rezenten Dialekten für das Hochdeutsche nachgewiesen werden kann. Dass ‘Kind’ im Niederdeutschen weder diachron noch synchron mit einem -e-Plural belegt ist, passt gut zum dialektgeographischen Befund: Subtraktive Plurale von ‘Kind’ finden sich nirgends im niederdeutschen, sondern ausschließlich im hochdeutschen, v. a. mitteldeutschen Raum. Von diesem Problemfall abgesehen, könnte man allgemein die Frage stellen, ob der besonders im Mitteldeutschen produktive analogische -e-Plural aus dem niederdeutschen Gebiet stammt bzw. durch niederdeutschen Einfluss gestärkt wurde (vgl. Wegera 1987, 181–182). Ich halte dies jedoch für weniger wahrscheinlich, da auch im Oberdeutschen vor der Apokope -e-Endungen nicht selten gewesen zu sein scheinen (vgl. die obige WMU-Recherche). 5.2.2 Konsonantische Abschwächungsprozesse Wir wissen jetzt, dass alle subtraktiven Plurale und Dative in den deutschen Dialekten historisch auf auslautendes Schwa zurückgeführt werden können und wenden uns nun den phonologischen Prozessen zu, die tatsächlich zur Subtraktion geführt haben. Am Anfang der Entwicklung stehen zwei phonologische Abschwächungsprozesse, die den Konsonantismus betreffen: Konsonantenassimilationen in bestimmten Konsonantenclustern und Lenisierung mit Schwund eines Konsonanten. Der erste Typ führt letztendlich zur Subtraktion bei Konsonantenclustern, der zweite zur Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen. Da es sich um zwei unterschiedliche Wandelerscheinungen handelt, werden sie im Folgenden getrennt behandelt. 5.2.2.1 Typ I: Assimilationen in Konsonantenclustern Bei einer Assimilation wird ein Laut in einen anderen Laut durch den Einfluss der lautlichen Umgebung umgewandelt (vgl. Guentherodt 1983, 1139). Wenn unmittelbar benachbarte Laute einander beeinflussen, spricht man von Kontaktassimilation, wenn sich mehrere Laute dazwischen befinden, von Fernassimilation. Man unterscheidet dabei zwischen antizipativen (regressiven) und perseverativen (progressiven) Assimilationen (vgl. Guentherodt 1983, 1139
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und Hock 1991, 62–63): Im ersten Fall werden Merkmale des Folgelautes vorweggenommen (z. B. fünf > fümf ), im zweiten für den Folgelaut beibehalten (z. B. haben > habm). Im letzten Beispiel findet auch eine Kontraktion (das Schwa der Nebensilbe schwindet) statt, was nicht unüblich ist. Mit Assimilationen kann der Schwund eines Lautes einhergehen: In einem solchen Fall spricht man von Totalassimilation, sonst von partieller Assimilation. Über die Ursachen von Assimilationen hat sich die ältere Linguistik kühner geäußert als die jüngere: Lautphysiologische Erklärungen wie Ausspracheerleichterung oder gar Lässigkeit vonseiten des Sprechers werden in der jüngeren Linguistik oft kritisch gesehen, allerdings stellt die Theorie der Natürlichen Phonologie eine moderne Variante dieser ältesten explanativen phonologischen Theorie dar (vgl. Donegan / Stampe 1979, 126 und Kapitel 5.3). Es handelt sich bei den in dieser Arbeit beobachteten Assimilationsvorgängen (/nd/ > /n/, /ng/ > /ŋ/, /rd/ > /r/, /ld/ > /l/, /mb/ > /m/, /rg/ > /r/, /md/ > /m/) um sowohl perseverative als auch antizipatorische Kontaktassimilationen.82 Allen diesen Konsonantenassimilationen ist gemeinsam, dass sie erst in inlautender Stellung stattgefunden haben – zwischen Stammvokal und ehemaliger Flexionsendung – und in den allermeisten Fällen sind sie auch auf den Inlaut beschränkt geblieben. Die davon betroffenen Konsonanten teilen ferner folgende Eigenschaften: Sie sind immer homoorganisch, d. h. der Artikulationsort ist gleich, und immer historisch stimmhaft (deswegen gibt es zum Beispiel keinen subtraktiven Plural von ‘Bank’).83 Nicht zu allen Assimilationsvorgängen kann ich genaue historische Angaben machen, zumal die nicht in die neuhochdeutsche Standardsprache eingegangenen Assimilationsprozesse in den Handbüchern kaum behandelt werden: Alle Assimilationen waren jedoch höchstwahrscheinlich bis zum Ende der mittelhochdeutschen bzw. mittelniederdeutschen Zeit abgeschlossen. Die Darstellung ist, so weit wie möglich, chronologisch geordnet. 5.2.2.1.1 ng-Assimilation Der älteste einschlägige Assimilationsprozess ist vermutlich die Assimilation [ng] > [ŋg], die in allen germanischen Sprachen (auch bereits im Gotischen, vgl. Braune / Heidermanns 2004, § 50) stattgefunden hat. Man hat sie sich in zwei Schritten vorzustellen: Zuerst findet eine partielle, antizipative Kontaktassimilation statt, indem der Dentalnasal /n/ das Merkmal [velar] des folgenden /g/ vorausgreift und somit zum Velarnasal [N] wird. Der Velarnasal
82 Zur Diachronie der seltenen Assimilation /rg/ > /r/ kann ich leider nichts sagen, da weder die Handbücher noch die von mir berücksichtigten Ortsmonographien hierzu Informationen enthalten. 83 Als einzige Ausnahme weisen die Substantive der ehemaligen Partizipialstämme auf -nt (‘Freund’, ‘Feind’), deren auslautende Plosive ursprünglich stimmlos waren (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 236), ebenfalls Subtraktion auf.
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hat aber zunächst nur allophonischen Status, indem er immer vor /g/ auftritt. Russ (1982, 107–108) nimmt diesen Zustand noch für das Mittelhochdeutsche an (s. auch Paul 2007, § L 95): Darauf deuten Schreibungen wie dinge und dinc hin. Für eine ähnliche Distribution im Mittelniederdeutschen spricht die Beschreibung in Lasch (1914, § 344). Im Niederdeutschen hat sich der Konsonantencluster /ng/ auch bis auf den heutigen Tag auslautend grundsätzlich erhalten, so dass es nicht überrascht, dass aus diesem Gebiet besonders viele subtraktive Plurale dieser Art überliefert sind. Besonders im Hochdeutschen hat sich ab mittelhochdeutscher Zeit aber eine Totalassimilation des /g/ an den Velarnasal [N] ereignet, und zwar zuerst im Inlaut.84 Erste Hinweise auf eine Assimilation im Inlaut findet Russ (1982, 108) in bairischen Texten des 11. Jahrhunderts. In vielen hochdeutschen Dialekten und in der Standardsprache wurde die Assimilation später analogisch auf den Auslaut übertragen, jedoch ist der auslautende Konsonantencluster laut Schirmunski (1962, 393–394) im Mittelfränkischen, in den hessischen Dialekten und teilweise im Ostfränkischen bewahrt geblieben, was meine Daten auch bestätigen (vgl. Kapitel 3.2.3.2). 5.2.2.1.2 nd -Assimilation Auch die (nicht in die Standardsprache eingegangene) Assimilation /nd/ > /n/, die besonders viele subtraktive Formen erzeugt hat, ist früh belegt. Diese Assimilation gibt es in zwei Varianten: Entweder als perseverative Totalassimilation des /d/ an unmittelbar vorausgehendes /n/ oder als Velarisierung zu /N/ (vgl. Werlen 1983, 1130). Das erste Zeugnis für die Totalassimilation finden wir bereits im spätalthochdeutschen Physiologus als un (= und ) aus dem späten 11. Jahrhundert (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 126, Anm. 4).85 Für das Mittelhochdeutsche führt Weinhold (1883, 184–185) Belege aus dem mitteldeutschen Raum auf. Ansonsten sind die Aussagen in der einschlägigen Literatur eher spärlich: Behaghel (1928, 360) gibt keine Datierung an; das gleiche gilt für Russ (1982, 109–110).86 Mottausch (1999, 540–542), der sich mit der rheinfränkischen Mundart von Lorsch unter Berücksichtigung der „südhessischen“ Umgebung beschäftigt hat, behauptet, dass die nd -Assimilation dort um das Jahr 1100 stattgefunden haben muss. Im Mittelniederdeutschen ist nach Lasch (1914, § 323) die nd -Assimilation „von anfang an für einen teil des 84 Andere germanische Sprachen, wie das Englische oder Isländische, gehen nicht so weit wie viele deutsche Dialekte und die Standardsprache, indem sie das /g/ noch morphemintern (Englisch) oder stammfinal bzw. prävokalisch (Isländisch) erhalten haben (vgl. Harbert 2007, 53). 85 Beim Lexem ‘Zahn’ sind schon zu althochdeutscher Zeit Doppelformen vorhanden: zan, zand (Paul 2007, § M9 2, Anm. 3). 86 Russ (1982, 109–110) behauptet, dass diese Assimilation „not so widespread as the other assimilations“ sei und womöglich deswegen keine Aufnahme in die Standardsprache gefunden habe. Diese Annahme ist jedoch nach dem Befund des sprachgeographischen Teils zu revidieren (vgl. Kapitel 3.2.3.1).
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gebiets anzunehmen“, obwohl die Schreibung -nn- „niemals schriftsprachlich“ ist. Vereinzelte Belege bei Namen finden sich bereits für das Altniederdeutsche (vgl. Gallée 1910, § 274). Was die nd -Velarisierung angeht, nimmt Lasch (1914, § 324) für das Niederdeutsche eine Entstehung im Mittelniederdeutschen an. Dort wie in den heutigen Dialekten bleibt sie aber auf die inlautende Position beschränkt. Sie sei später als die Auslautverhärtung, die am Anfang der mittelniederdeutschen Periode vollständig durchgeführt ist (vgl. Peters 1973, 97), anzusetzen, da auslautverhärtete Formen von der Velarisierung nicht betroffen sind (vgl. Lasch 1910, 275–276). Heinrichs (1955, 237–240) datiert die nd -Velarisierung für das mittelfränkische Gebiet schon ins 10. Jahrhundert; als konsensfähig rechnet man allerdings nur die Annahme, dass sie vor der Zeit der Ostkolonisation abgeschlossen gewesen sein müsste, da sie auch in der siebenbürgischen Sprachinsel vorkommt (vgl. Werlen 1983, 1133). Einen kontinuierlichen Fluss schriftlicher Belege gibt es erst ab dem 14. Jahrhundert. Angenommen wird eine Verbreitung vom Ripuarischen ins Nord- und Osthessische und ins Thüringische (vgl. Schirmunski 1962, 397). Was die Entstehung betrifft, gibt es mehrere Hypothesen, über die Werlen (1983, 1133–1134) genauer informiert. Heinrichs (1955, 242) spekuliert über einen möglichen Zusammenhang mit der niederfränkischen Palatalisierung (also in unserem Fall: hunde > hunje > huNe). Eigenartig bei der nd -Velarisierung ist die Tatsache, dass sie im westmitteldeutschen Gebiet in der Regel auch auf den absoluten Auslaut übertragen wurde, wo der Phonemfolge dann laut Heinrichs (1955, 241) Auslautverhärtung (N > Nk ) unterliege, wogegen ich in Kapitel 5.2.2.4 argumentieren werde. 5.2.2.1.3 ld - und rd -Assimlation Grundsätzlich laufen die ld - und rd -Assimilation ähnlich ab wie die nd -Assimilation. Zumindest für /ld/ ist eine zeitliche Nähe zur nd -Assimilation und somit eine frühe Datierung anzunehmen (vgl. Lasch 1914, § 323; Weinhold 1883, 184–185; Mottausch 1999, 541–542). Zur rd -Assimilation, die sich vorwiegend auf niederdeutschem Gebiet findet, macht Lasch (1914, § 322) keine eindeutige Aussage; sie zitiert nur einen Beleg aus dem Jahre 1585, also relativ spät. Nerger (1869, 149) zufolge könnte es sich im Niederdeutschen in der Tat um eine jüngere Entwicklung handeln, denn „[d]ie Sprachentwicklung ist gerade hier in vollem Fluße begriffen.“ Die Verhältnisse sind zudem wesentlich komplexer als bei den anderen Assimilationen, indem die rd -Assimilation mit Rhotazismus und Vokalisierung des /r/ interagiert (vgl. Kapitel 3.2.3.4). Folglich handelt es sich um ein Problem, bei dem die handschriftlichen Schreibungen oft wenig aussagekräftig sind.
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5.2.2.1.4 mb-Assimilation Was den selteneren mb-Subtraktionstyp angeht, finden sich nur im hochdeutschen Raum entsprechende Belege. Für das Niederdeutsche attestiert Lasch (1914, § 267) mb-Assimilation im beschränkten Umfang bereits im Altniederdeutschen und deren Durchsetzung, im In- wie im Anlaut, im Mittelniederdeutschen. In den heutigen Dialekten gibt es keine Reste des Plosivs mehr, weshalb Subtraktion auch nicht (mehr) vorkommt.87 Für das Hochdeutsche ist mb-Assimilation nach Russ (1982, 105) ab dem 13. Jahrhundert im Alemannischen belegt (zu ihrer geographischen Verbreitung in den heutigen Dialekten, s. Kapitel 3.2.3.5). Vielleicht hat sie sich vom Alemannischen aus ins Mitteldeutsche verbreitet (im Bairischen unterblieb sie lange Zeit); sie dürfte in beiden Sprachräumen etwa bis Ende des 13. Jahrhunderts durchgeführt worden sein. In Russ’ Korpus von mittelhochdeutschen Texten gibt es die Assimilation jedoch nur im Inlaut, während im Auslaut noch ausschließlich unassimilierte Formen anzutreffen sind. Die Übertragung auf den absoluten Auslaut hat wahrscheinlich erst in frühneuhochdeutscher Zeit stattgefunden bzw. ist erst ab dieser Zeit schriftlich bezeugt. Diese Assimilation ist in die Standardsprache, sowohl im In- als auch im Auslaut, eingegangen. Sie muss aber noch zu frühneuhochdeutscher Zeit wieder unproduktiv geworden sein, was sich an neuen Lehnwörtern wie ‘Bombe’ (ab etwa 1600 belegt) zeigt, die den Konsonantencluster /mb/ wieder zulassen (vgl. Russ 1982, 108). 5.2.2.2 Degemination Die oben behandelten Konsonantenassimilationen führten aller Wahrscheinlichkeit nach zuerst zu Geminaten (Langkonsonanten): /n:/, /N:/, /l:/, /r:/ usw. (vgl. Paul 2007, § L 74 und Lasch 1914, § 232), die später gekürzt wurden. Einen Beweis für diese Zwischenstufe liefert u. a. die neuhochdeutsche Standardsprache für die dort durchgeführte mb- und Ng-Assimilation, indem vor den vereinfachten Verbindungen nur Kurzvokale vorkommen (vgl. Schirmunski 1962, 392 und Russ 1982, 108). Nach den Quantitätsgesetzen des Mittelhochdeutschen müsste der nachfolgende Konsonant in diesen Fällen lang oder der Vokal gedehnt worden sein. Diese und ähnliche Geminaten werden dann zum Neuhochdeutschen bzw. zu den niederdeutschen Dialekten hin gekürzt. Systematisch erhalten sind Geminaten nur noch im Süden des Oberdeutschen, am ausgeprägtesten wohl im Hoch- und Höchstalemannischen (vgl. Schirmunski 1962, 269 und Kraehenmann 2001).
87 Im „Mecklenburgischen Wörterbuch“ (VI, 1130) finde ich jedoch einen Hinweis darauf, dass eine b-haltige Singularform swamp ‘Schwamm’ im 19. Jahrhundert noch vereinzelt belegt ist, was für eine verhältnismäßig späte Assimilation im absoluten Auslaut und damit die Existenz subtraktiver Formen auf -mb im Niederdeutschen sprechen könnte.
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Im Hochdeutschen beginnt der Prozess der Degemination schon zu althochdeutscher Zeit, indem Geminaten im Auslaut allgemein einer Kürzung unterliegen und Geminaten, die im Zuge der Zweiten Lautverschiebung entstanden waren, nach Langvokal zumindest teilweise gekürzt werden (vgl. Braune / Reiffenstein 2004, § 92–93). Das Mittelhochdeutsche weist laut Paul (2007, § L 71, 2) Geminaten nur noch im Inlaut auf. Ab mittelhochdeutscher Zeit werden auch die inlautenden Geminaten gekürzt, worauf Einfachschreibung für frühere Doppelschreibung hindeutet. Umgekehrt werden Kurzkonsonanten, die im Althochdeutschen nach Kurzvokal standen, mit Doppelschreibung wiedergegeben, vgl. gottes, gotte. Da die Doppelschreibungen für ehemalige Geminaten aber noch zu 90–100 Prozent dominieren, kann auf eine allgemeine Degemination schon im Mittelhochdeutschen noch nicht geschlossen werden (vgl. Paul 2007, § L 71, 1–2). Insgesamt stellt die Degemination ein besonders schwieriges sprachhistorisches Problem dar, da wir nicht über phonetische Daten zu den älteren Sprachstufen verfügen. Im Neuhochdeutschen wird die Doppelschreibung in vielen Fällen bewahrt, obwohl synchron keine Geminate mehr vorliegt. Je nach theoretischem Ansatz wird die Doppelschreibung dann als Bezeichnung des scharfen Silbenschnitts nach Kurzvokal oder des ambisyllabischen Status des Konsonanten bewertet (vgl. Paul 2007, § L 71, 1). Zu einem bestimmten Zeitpunkt, vermutlich in frühneuhochdeutscher Zeit, müssen die Doppelschreibungen als graphematisches Mittel zur Bezeichnung der Kürze des vorangehenden Vokals reanalysiert worden sein. Jedoch bedarf es weiterer graphematischer Untersuchungen, um hier eine genaue Datierung vornehmen zu können. Dies gilt umso mehr für das Niederdeutsche, zu dem wir jetzt kommen. Für das Mittelniederdeutsche nimmt Lasch (1914, § 232–234) ebenfalls an, dass Geminaten im Auslaut der Degemination allgemein unterliegen und zunehmend auch im Inlaut, zunächst nach Langvokal. Fraglich ist allerdings, wie die Verhältnisse im ehemaligen Inlaut nach der Apokope zu beurteilen sind. Viele der Transkriptionen, die ich in der dialektologisch-grammatischen Literatur gefunden habe, deuten hier auf Erhalt des im Zuge der Assimilation entstandenen Langkonsonanten hin, vgl. hu˛nt – hu˛¯ n ‘Hund, Hunde’ (Jørgensen 1928/29, 5 für Heide). Nerger (1869, 140–141) ist der Meinung, dass eine ehemals inlautende Geminate nach der Apokope zumindest teilweise erhalten geblieben sei, „um die Nachwirkung des verstummten oder stillen e fühlbar zu machen“, fügt aber gleich im nächsten Satz hinzu, dass diese „Nachwirkung“ des Schwa bisweilen verloren gehe und die Geminate auch im jungen Auslaut gekürzt werde. Prehn (2010, 192) kann die Annahme eines langen Nasals zumindest im heutigen Nordniederdeutschen (Schwerpunkt: Altenwerder) bestätigen: Sowohl in Fällen mit Apokope (/kan/ ‘Kanne’) als auch mit Synkope (/kann/ ‘Kannen’) – und zwar sowohl nach Kurz- wie Langvokal – ist der Nasal " signifikant länger als sonstige Nasale in der gleichen Stellung. Die Frage, ob der Langkonsonant in einigen Fällen bewahrt geblieben ist, ist für unsere Fragestellung nicht unwichtig. Die Degemination stellt bei Konsonantenclustern den eigentlichen subtraktiven Prozess dar: Hier wird ein Segment vom Stamm abgezogen, und dadurch – vorausgesetzt, die Apokope
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folgt der Degemination – wird der sonore Laut ambisyllabisch: Er verhält sich phonologisch wie eine Geminate, indem er sowohl der Koda der ersten als auch dem Onset der folgenden Silbe angehört, phonetisch durch seine synchrone Kürze aber nicht mehr (vgl. Paul 2007, § L 71,1).88 Für unsere Rekonstruktion der Entstehung subtraktiver Formen zeigt Abbildung 8 (a) das ältere Sprachstadium mit erhaltener Geminate, (b) das jüngere Sprachstadium mit angenommenem ambisyllabischem Konsonanten (vgl. auch Wiese 1996, 35–37). Bei der Annahme eines Langkonsonanten wäre nun der Singular dagegen theoretisch gleich lang wie der Plural und somit würde kein subtraktives, sondern lediglich ein modifikatorisches Verhältnis vorliegen. In der dialektgeographischen Auswertung wurden diese Fälle aber trotzdem als subtraktiv eingestuft, da mir phonetische Daten nicht vorlagen. (a)
(b)
ř
ř F
F σv
σv
σv
σv
C
V
C
C
V
C
V
C
V
h
u
n
n
@
h
u
n
@
Abbildung 8: Assimilation mit Geminate und Degemination mit ambisyllabischem Konsonanten (in Anlehnung an: Szczepaniak 2007, 50)
5.2.2.3 Typ II: Lenisierung Unter dem Begriff „binnenhochdeutsche Konsonantenschwächung“ wird allgemein der Wandel der mittelhochdeutschen Fortisverschlusslaute p, t, k zu den (stl.) Lenes b, d, g verstanden (vgl. Paul 2007, § L 73). Oft, so etwa ˚ ˚˚ bei Lessiak (1933), der den Begriff geprägt hat, werden auch die Reflexe von germ. f, s, h und von germ. b, d, g dazu gezählt (vgl. Simmler 1983, 1122), wovon uns im Folgenden nur letztere Plosivlaute beschäftigen werden, da nur diese von Subtraktion betroffen sind. Das Attribut „binnenhochdeutsch“ soll zum Ausdruck bringen, dass dieses Phänomen über eine großräumige zusammenhängende Fläche im hochdeutschen Raum verbreitet ist und nur in Randgebieten, die diese Fläche umgeben, unterblieben ist. Allerdings ist der 88 Wiese (1996, 229–232) behandelt Degemination, in Anlehnung an die Autosegmentale Phonologie, als einen Fall von „delinking“: Dabei handelt es sich um einen Prozess, bei dem eine sogenannte Assoziationslinie zwischen CV-Knoten und Segment getrennt wird.
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Begriff selber problematisch und in vielerlei Hinsicht unklar. So ist zum Beispiel umstritten, ob ähnlich feststellbare Lenisierungsprozesse im Niederdeutschen mit denen im hochdeutschen Raum zu einer „binnendeutschen“ oder gar einer „deutschen Konsonantenschwächung“ (vgl. Mitzka 1954) zusammengefasst werden können, oder ob hier vielmehr eine eigene, autonome Entwicklung vorliegt (vgl. Simmler 1983, 1123). Unklarheit besteht auch darüber, worin die Schwächung bzw. der noch erhaltene Fortis-Lenis-Kontrast (meist nur noch im Anlaut) phonetisch überhaupt besteht (vgl. Haas 1988, 37). Faktoren, die in der wissenschaftlichen Diskussion bisher erwähnt wurden, sind beispielsweise Stimmbeteiligung, Aspiration, Druck und Dauer, wobei heute als konsensfähig gilt, dass die Stimmbeteiligung synchron keine Rolle spielt (vgl. Keller 1961, 45; Braun 1988, 43 und Willi 1996, 62).89 Aus diesen Gründen verzichten wir im Folgenden auf den Begriff „binnenhochdeutsche Konsonantenschwächung“ und bevorzugen den allgemeineren, aber weniger vorbelasteten Begriff der Lenisierung, der die Schwächung eines Konsonanten bis zum Schwund bedeutet (vgl. Hock 1991, 86). Ich möchte in dieser Arbeit keine Stellung zu den phonetischen Korrelaten der Fortes und Lenes in den deutschen Dialekten nehmen; hier finden sich in der Literatur zum Teil recht divergierende Ansichten. Für meine Fragestellung ist dies auch weniger wichtig, da nicht die bloße Reduktion, sondern nur der völlige Schwund eines Konsonanten Subtraktion zur Folge hat. Lenisierung ist hier also im weitesten Sinne zu verstehen. Während die wichtige Arbeit von Lessiak (1933) nur das Hochdeutsche berücksichtigt, geht besonders Mitzka (1954) ausführlich auf die Lenisierungen im niederdeutschen Raum ein. Er stellt die ältere Literatur zu diesem Phänomen zusammen und schlussfolgert, dass sich Lenisierungsprozesse synchron in großen Teilen des Nordniederdeutschen und Ostfälischen und im Südwesten des Westfälischen finden (vgl. Schirmunski 1962, 332). Wiesinger (1983b, 879–880) fügt noch das Mecklenburgische hinzu. Auf Lenisierungen im weitesten Sinne, also den völligen Ausfall eines Plosivlautes, stößt man bei mnd. g im Brandenburgischen und Ostfälischen sowie bei mnd. d im Westfälischen, Ostfälischen und im Westen des Nordniederdeutschen, worauf Schirmunski (1962, 308–311) und Simmler (1983, 1123) hinweisen. Problematisch an den Lenisierungen im Niederdeutschen ist, dass sie bisher nicht systematisch untersucht wurden: Sie sind zunächst nicht oder kaum in der mittelniederdeutschen Überlieferung vorhanden, aber bestimmte Formen v. a. in Namen deuten auf eine Entstehung im 10. Jahrhundert hin (vgl. Foerste 1957, 1781). Für den d -Ausfall im Ost- und Westfälischen führt Lasch (1914, § 326) mittelniederdeutsche Belege an, und obwohl sich die Belege erst im 16. und 17. Jahrhundert häufen, „muss der ausfall schon in älterer zeit sehr weit gegangen sein“. Ent89 Braun (1988, 172–175) kann in ihrer experimentalphonetischen Untersuchung zum zentralhessischen Dialekt von Moischt bei Marburg insgesamt bestätigen, dass es in beiden Plosivreihen (Fortes und Lenes) im Anlaut keine Stimmbeteiligung gibt, dass allerdings wichtige Unterschiede in der Aspirationsdauer zu verzeichnen sind.
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Diachronie
sprechende Angaben zum g-Ausfall finden sich leider nicht. In Ermangelung einschlägiger Studien halte ich die Datierungsfrage deswegen offen – ganz sicher sind die Lenisierungen jedoch vor der Apokope anzusetzen. Auch in den Ortsmonographien finden sich nur wenige, oft widersprüchliche Angaben dazu und die einschlägigen Sprachatlaskarten sind aufgrund der Laienschreibungen gerade bei Lenisierungen nicht unproblematisch (vgl. Simmler 1983, 1123). Ähnlich wie Holsinger / Houseman (1999) nehme ich an, dass Lenisierung die eigentliche Ursache für die Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen ist. Zur Überprüfung dieser Hypothese für das Niederdeutsche soll im Folgenden in Ermangelung geeigneteren Materials auf Sprachatlaskarten zurückgegriffen werden: DSA-Karte 122 zeigt die Reflexe des germ. g in intervokalischer Position am Beispiel des Verbs ‘fliegen’ (s. auch die leicht vereinfachte Karte in Simmler 1983, 1124, auf der die folgenden Erörterungen basieren): Wir sehen, dass dieses /g/ in den meisten Gebieten als Plosiv erhalten wird, wobei wir nichts über dessen genaue phonetische Realisation wissen. Dann finden wir Gebiete mit zunehmender Sonorisierung: Frikativ (vermutlich: [ç]) und Gleitlaut, v. a. im Süden, aber auch im äußersten Norden des Niederdeutschen. In den schraffierten Zonen begegnet nur Hauchlaut oder gar Ausfall des Konsonanten. Wenn man diese Karte nun mit der von mir erstellten Karte zur Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen (vgl. Abbildung 6 auf Seite 98) vergleicht, stellt man fest, dass die Subtraktionsgebiete mit den Schwundgebieten weitgehend übereinstimmen, und zwar im Brandenburgischen und Ostfälischen.90 Vg-Subtraktion begegnet in meinen Daten nur im Westfälischen nicht (während die Vd -Subtraktion dort sehr häufig ist), aber dies mag auch damit zusammenhängen, dass für das besagte, verhältnismäßig kleine Schwundgebiet keine geeigneten Quellen vorlagen oder dass die Formen bereits abgebaut wurden. Augenfällig ist, wie die Lenisierungsformen zusammen Cluster bilden, deren Zentren Schwundzonen sind – eine Korrelation, auf die wir gleich wieder zurückkommen werden. Kommen wir jetzt zur Frage, was der Ursprung der Lenisierungsprozesse im Niederdeutschen sein könnte. Lessiak (1933, 24) sieht die der hochdeutschen ähnliche Lenisierung im Niederdeutschen im Zusammenhang mit der Lenisierung im Dänischen und Südwestnorwegischen und lehnt eine Verbindung zur hochdeutschen Lenisierung ab. Mitzka (1954, 86) hält dagegen anhand dialektgeographischer Befunde aus dem „Deutschen Sprachatlas“ einen Zusammenhang der hochdeutschen Konsonantenschwächung mit der niederdeutschen für wahrscheinlich, wobei er die Möglichkeit einer Polygense durchaus offenlässt (vgl. Simmler 1983, 1127): Mitzka nimmt dabei das Dänische als Ausgangspunkt an, von wo aus sich die Lenisierungen bereits ab dem 11. Jahrhundert in Richtung Süden ins Hochdeutsche ausgebreitet haben sollen – eine Annahme, die von den meisten Sprachhistorikern als äußerst spekulativ angesehen wird (vgl. Sonderegger 1958/59, 151; Penzl 1971, 164; Schützeichel 1976, 90 Zum nördlichsten Schwundgebiet nördlich von Flensburg kann ich nichts sagen, da mir hierfür keine Ortsmonographien vorlagen.
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245, zitiert in: Simmler 1983, 1127), da Lenisierung ein phonologischer Prozess ist, der im Prinzip zu jeder Zeit in jedem Gebiet auftreten kann. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass es sich bei den Lenisierungen in deutschen Dialekten um polygenetische Prozesse handelt: Der g-Schwund im nördlichsten Nordniederdeutschen könnte jedoch im Zusammenhang mit der dänischen Lenisierung stehen, die Schwundgebiete im Brandenburgischen und Ostfälischen haben dagegen eine auffällige Nähe zum mitteldeutschen Gebiet und stehen vielleicht in Verbindung zu der hochdeutschen Konsonantenschwächung. Für den hochdeutschen Raum lassen sich allgemein zwei Lenisierungsgebiete ausmachen: Das Mitteldeutsche und das Mittel- bzw. Nordbairische, von denen uns nur das Mitteldeutsche beschäftigen wird. Innerhalb des Mitteldeutschen gibt es einige Randzonen, die nur sehr beschränkt oder keine Lenisierung zeigen. Es sind dies innerhalb des Westmitteldeutschen das Ripuarische und das westliche Moselfränkische (s. aber Mitzka 1967), innerhalb des Ostmitteldeutschen das Nordthüringische und das Schlesische (vgl. Simmler 1983, 1122). Der Beginn der hochdeutschen Lenisierung ist nach Paul (2007, § L 73) im 12./13. Jahrhundert anzusetzen, allerdings ist sie anhand der mittelhochdeutschen Überlieferung selbst schwer nachzuvollziehen. Sie könnte vom Südrheinfränkischen und dem westlichen Ostfränkischen ausgegangen sein, aber bereits Lessiak (1933, 3) hält aufgrund „grundlegende[r] Sprachgewohnheiten“ eher eine Polygenese für wahrscheinlich (vgl. Simmler 1983, 1127). Die Rolle der Lenisierung für die Subtraktion in den hochdeutschen Dialekten kann am besten am Beispiel des g-Schwunds veranschaulicht werden, da nur jene Lenisierung für den Großteil des hochdeutschen Subtraktionsgebiets in Frage kommt. Dieser Lautwandel ist graduell: Innerhalb des Mitteldeutschen ist die mittelhochdeutsche Lenis g nach Simmler (1983, 1122) „in medialer intervokalischer Position ausgefallen und in postkonsonantischer Position nach r, l zur stimmhaften palatalen (Lenis-)Frikativa [j] geworden“ und als Beispiele hierfür nennt er le@ ‘legen’ und gålj@ ‘Galgen’. Gelegentlich finden sich aber in meinem Material auch Spirantisierung (vgl. d¯a:x, Mülheim an der Ruhr, Maurmann 1898, 61) oder Halbvokalisierung (vgl. plęI, für das moselfränkische Arlon; Bertrang 1921, 285) und etwas seltener Erhalt des Plosivs wie in d¯eg (Bräutigam 1934, 86 für das rheinfränkische Mannheim).91 Diese graduellen Unterschiede – Erhalt des Plosivs, Spirantisierung, Halbvokalisierung und Schwund – machen es wahrscheinlich, dass wir es tatsächlich mit einem Fall von Lenisierung zu tun haben, ähnlich wie im Niederdeutschen. Die unterschiedlichen Stadien können mit Holsinger / Houseman (1999, 169) im Rahmen der sogenannten „weakening hierarchy“ dargestellt werden (vgl. Hock 1991, 82–83), die sich hauptsächlich aus einer Kombination von steigernder Stimmhaftigkeit und Sonorität ergibt. Es ist nun interessant, dass gerade im ganzen Ripuarischen und zum Teil im westlichen Moselfränkischen die g-Subtraktion gar nicht begegnet. Dies ist angesichts des Fehlens entsprechender Lenisierungsprozesse in dieser Region zu erwarten. Der g-Schwund ist 91
Für eine detaillierte Darstellung sei auf Schirmunski (1962, 310–316) verwiesen.
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in meinem Material im Nordhessischen ebenfalls völlig abwesend, während er im Zentral- und Osthessischen recht häufig ist. Darüber, ob das Nordhessische diesbezüglich in mittelfränkischen Zusammenhängen steht, will ich hier nicht spekulieren. Der Lenisierungsprozess ist also graduell und nicht in allen Orten zum Abschluss (Schwund) gekommen. Dies erklärt, warum sich die Subtraktion bei Vokal+Konsonant-Abfolgen nicht so leicht kartieren lässt wie etwa die nd -Subtraktion. Schon im dialektgeographischen Teil (s. Kapitel 3.2.4.1) wurde darauf hingewiesen, wie schwer sich die Arealität des intervokalischen gSchwunds bestimmen lässt. So betont auch Mottausch (1999, 503), der sich mit dem g-Schwund im Rheinfränkischen (am Beispiel der Stadt Lorsch) intensiv beschäftigt hat, dass es „zu unterschiedlichen, oft kleinräumig eingegrenzten Ergebnissen [kam], die auch zu unterschiedlichen Zeiten erreicht wurden.“ Anhand der Befunde Lessiaks kann ich hier nur eine sehr allgemeine Datierung des Phänomens ins 12. oder 13. Jahrhundert annehmen; viel früher dürfte nach derzeitigem Kenntnisstand der g-Schwund nicht stattgefunden haben, jedoch ist je nach Ort eine spätere Datierung, theoretisch bis zum Einsetzen der Apokope, möglich. 5.2.2.4 Zur Rolle der Auslautverhärtung Es wurde im sprachgeographischen Teil schon darauf hingewiesen, dass die subtraktive Relation in einigen Fällen erst durch Auslautverhärtung des auslautenden Konsonanten des Nominativ Singular (im absoluten Auslaut) zu entstehen scheint, beim gleichzeitigen Unterbleiben derselben im Nominativ/Akkusativ Plural bzw. Dativ Singular (im ehemaligen Inlaut), vgl. etwa riŋk – riŋ ‘Ring, Ringe’ und froŋk – froŋ ‘Freund – Freunde’. Auf eine mögliche Rolle der Auslautverhärtung weist Heinrichs (1955) hin, wogegen ich im Folgenden argumentieren möchte. Zwei Fälle sind dabei voneinander zu unterscheiden: 1) Ng-Konsonantencluster und 2) nd -Konsonantencluster. Beim Ng-Konsonantencluster ist die Sache zunächst klar: Hier gab es seit jeher ein etymologisches /g/. Gemäß den Ausführungen in Kapitel 5.2.2.1.1 hat sich dieses /g/ im Niederdeutschen, in den hessischen Dialekten und im Mittelfränkischen im absoluten Auslaut erhalten. Die Auslautverhärtung dieses /g/ > [k] trägt zwar zur besseren Unterscheidung vom alleinstehenden Velarnasal im Plural bei, jedoch hat die Auslautverhärtung selbst keinen Einfluss auf das subtraktive Verhältnis. Dagegen ist beim ehemaligen nd -Konsonantencluster im ripuarischen Velarisierungsgebiet die Entwicklung schwieriger zu verfolgen. Heinrichs (1955) nimmt diachron im Singular des Wortes hoNk ‘Hund’ Auslautverhärtung des Velarnasals bzw. einer hypothetischen Phonemverbindung /ng/ an: „Durch Analogie trat dann die Velarisierung auch in den isoliert stehenden Nom., Akk. Sing. ein, es wurde also *hond > hoN, das dann durch Auslautverhärtung zu hoNk wurde“ (Heinrichs 1955, 240–241). Jedoch zeige die Pluralform hoN, dass
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die Auslautverhärtung bereits vor der e-Apokope ihre Wirksamkeit verloren haben müsse. Gegen diese Erklärung spricht meines Erachtens die Geschichte der Auslautverhärtung in den Dialekten des Deutschen, die bereits in althochdeutscher Zeit begonnen hat und im Mittelhochdeutschen lautgesetzlich wurde. Als Ursache für die spätere Aufgabe der Auslautverhärtung in den Dialekten wird oft die binnenhochdeutsche Konsonantenschwächung vermutet (s. Kapitel 5.2.2.3); jedoch hat sich die Lenis/Fortis-Opposition gerade im Ripuarischen und westlichen Moselfränkischen weitgehend erhalten, so dass hier, wie in Teilen des Niederdeutschen, eine gewisse Kontinuität hin zur neuhochdeutschen Auslautverhärtung, wie sie bei Siebs kodifiziert ist, festzustellen ist (vgl. Mihm 2004, 197–198). Deswegen ist es zumindest beim derzeitigen Forschungsstand gar nicht so klar, warum die Auslautverhärtung hier nach Durchführung der Apokope verhindert werden sollte. Ich vermute stattdessen, dass der Unterschied zwischen hoNk und hoN nur in einem sehr indirekten Zusammenhang mit der Auslautverhärtung steht. Wahrscheinlicher scheint mir, dass nach der Velarisierung des /n/ zu [N] eine Konsonantenepenthese eines [k] stattgefunden hat, um den Übergang zum stammfinalen /d/ zu erleichtern: hoNt > hoNkt. Dieses /d/ (mit Auslautverhärtung [t]) ist später weggefallen (s. auch Jardon 1891, 18 für einen ähnlichen Ansatz). Für eine Konsonantenepenthese sprechen auch Zwischenformen wie hoNkt ohne t-Schwund, die unter anderem an der Südgrenze des Ripuarischen und im mittelfränkisch geprägten Siebenbürgen belegt sind (vgl. Münch 1904, 41 und Schirmunski 1962, 396). Wegen der größeren konsonantischen Stärke des auslautverhärteten /d/ > [t] hat diese Konsonantenepenthese jedoch nur im absoluten Anlaut stattfinden können, während im ehemaligen Inlaut das /d/ früh in den Velarnasal aufgegangen ist. 5.2.3 Schwa-Apokope Obwohl die Assimilations- und Lenisierungsprozesse (bei Konsonantenclustern mit zusätzlicher Degemination) rein phonetisch zur Subtraktion (= Stammtilgung) führen, stellt morphologisch die Schwa-Apokope die letzte Bedingung für Subtraktion dar (= Abwesenheit eines Affixes). Ohne Apokope wäre der Nominativ/Akkusativ Plural bzw. der Dativ Singular immerhin additiv markiert, auch wenn Material vom Stamm abgezogen worden wäre. Tabelle 36 zeigt den Unterschied anhand zweier hessischer Dialekte: ‘Kind’
Zentralhessisch (Ebsdorf)
Nordhessisch (Oberellenbach)
Singular Plural
ke@nd ke@n˚
kęnt kęn@
Tabelle 36: Apokope als Bedingung (vgl. Haas 1988, 86 und Hofmann 1926, 37)
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Diachronie
Im Zentralhessischen finden wir Konsonantenschwund und Apokope, folglich auch subtraktive Formen; im nördlichen Nordhessischen findet sich ebenfalls Konsonantenschwund, aber keine Apokope und deswegen liegen additive Formen vor. Die Apokope stellt diachron auch den entscheidenden Punkt dar, nach dem man bei den subtraktiven Formen von morphophonologischen Alternationen sprechen muss, denn erst dann werden die phonologischen Kontexte der Konsonantenassimilationen und -lenisierungen intransparent (s. auch Seiler 2008, 188). Synchron ist nicht mehr einsichtig, dass es sich um ehemals inlautende Kontexte handelt: Es ist daher am Platze, dieses Phänomen etwas eingehender zu behandeln. Dabei kommt es auf eine möglichst genaue Datierung der Apokope an, denn genau seit dieser Zeit gibt es nach meiner Hypothese subtraktive Formen. Der Terminus Apokope bezeichnet den Verlust eines oder mehrerer Laute am Ende eines Wortes, im Gegensatz zur Synkope, die im Wortinneren stattfindet. In der Regel versteht man unter Apokope den Schwund eines unbetonten Vokals bzw. eines Schwa (vgl. Paul 2007, § L 52), mitunter können aber auch Konsonanten zur Apokope, wie die sogenannte n-Apokope (machen > mache) in vielen mittel- und oberdeutschen Dialekten, gerechnet werden (so etwa bei Paul 1920, 258). Um vokalische von konsonantischer Apokope zu trennen, könnte man im ersteren Fall von e-Apokope oder Schwa-Apokope sprechen. Da die n-Apokope bei dem von mir behandelten Phänomen aber keine Rolle spielt, halte ich mich in dieser Arbeit an die engere Definition, die nur Vokale erfasst. Vor dem Hintergrund ihrer Folgen für das Sprachsystem des Deutschen – dies gilt im besonderen Maße für die Dialekte, aber auch für die Standardsprache – ist es ein Paradoxon, dass die Apokope noch als relativ schlecht erforscht gelten muss. Zitiert wird für den hochdeutschen Sprachraum nach wie vor meistens die Pionierarbeit des Helsinkier Germanisten Kaj Lindgren (s. Lindgren 1953). In jüngerer Zeit müssen vor allem die Arbeiten an der „Grammatik des Frühneuhochdeutschen“, zur Interaktion mit der Morphologie insbesondere die des Bonner Projekts „Flexionsmorphologie des Frühneuhochdeutschen“ um Werner Besch, hervorgehoben werden (s. Wegera 1987). Letztere Arbeit ist insofern wichtig, als dort im Unterschied zu Lindgren (1953) mehr Daten zum mitteldeutschen Raum berücksichtigt wurden. Für das Niederdeutsche ist der Zustand denkbar ungünstig: Hier finden sich keine einschlägigen, flächendeckenden Arbeiten zur Apokope. Dort bin ich deswegen auf die meist spärlichen Angaben in den Handbüchern angewiesen. Die vorliegende Arbeit geht von der Annahme einer Polygenese der Apokope im hoch- und niederdeutschen Raum aus, wie dies in der Forschung üblich ist (vgl. König 2011, 159).92 Ähnlich wie Lenisierung stellt Apokope einen phonologischen Prozess dar, der theoretisch 92 Mir ist auch keine Arbeit bekannt, die eine Monogenese annimmt. Vielmehr wurde in der älteren Forschung ein Zusammenhang zwischen e-Apokope und Diphthongierung im hochdeutschen Raum postuliert (vgl. Wrede 1895, 266), der allerdings als überholt gelten muss, da besonders von Lindgren (1953; 1961) gezeigt werden konnte, dass die Prozesse nicht parallel verlaufen (vgl. Paul 2007, § L 17).
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überall zu jeder Zeit entstehen könnte. Dabei fangen wir mit der hochdeutschen Apokope an, die der Apokope im Niederdeutschen um mehrere Jahrhunderte vorausgeht. 5.2.3.1 Die hochdeutsche Apokope 5.2.3.1.1 Lindgren (1953) Den Beginn der systematischen Erforschung der hochdeutschen Apokope markiert Lindgren (1953) – eine Arbeit, die zu ihrer Zeit auch in der internationalen Forschung auf positive Resonanz gestoßen ist (vgl. Collinson 1955) und die besonders durch ihre Anwendung statistischer Methoden als äußerst innovativ gelten muss (vgl. Klein 2005, 121). Lindgren nahm sich vor, das Zusammenspiel von Lautgesetz und Funktion am Beispiel der Apokope systematisch zu untersuchen, denn schon seit den Arbeiten am „Deutschen Sprachatlas“ war den meisten Dialektologen klar, dass die Apokope nicht als reines Lautgesetz im junggrammatischen Sinne aufgefasst werden kann (vgl. Lindgren 1953, 13–14). Der Autor verfolgt in seiner diachronen Untersuchung den Verlauf der Apokope anhand von 142 Texten aus dem hochdeutschen Gebiet. Sein Schwerpunkt liegt dabei ganz deutlich auf den oberdeutschen Dialekten, wo die Apokope angefangen hat und am konsequentesten durchgeführt worden ist. Von den westmitteldeutschen Dialekten untersucht er nur zehn Quellen aus dem rheinfränkischen Raum (nach der traditionellen Definition auch die hessischen Dialekte enthaltend) und einige mittelfränkische Urkunden (vgl. Lindgren 1953, 133–147), während das Ostmitteldeutsche aufgrund des weitgehenden Fehlens der Apokope in den dortigen Dialekten insgesamt nur anhand von acht Quellen untersucht wird (s. kritisch Erben 1954, 532 und unten). Nach der Übersicht in Tabelle 37 finden sich erste Spuren der Apokope im Bairischen zu Beginn des 13. Jahrhunderts, also bereits in mittelhochdeutscher Zeit. Dabei tritt Apokope des Schwa bei dreisilbigen oder schwachbetonten Wörtern am frühesten ein (vgl. Lindgren 1953, 219 und Paul 2007, § L 53). %
Bair.
Ofr.
Schw. Obal.
Ndal.
Böhm.
Rhfrk.
Omd.
90 50 10
1200 1275 1375
1300 1375 1425
1300 1375 1425
1325 1425 1450
1350 1400 —
1400 1425 —
— — —
1325 1400 1425
Tabelle 37: Prozentualer Anteil des Endungs-e in den deutschen Dialekten (nach: Lindgren 1953, 178)
Vom Bairischen aus verbreitet sich die Apokope um etwa 1300 nach Norden ins Ostfränkische und nach Westen ins Schwäbische. Erst Anfang des 15. Jahrhunderts erreicht sie das Westmitteldeutsche und ist dort auch zu Beginn
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Diachronie
des 16. Jahrhunderts, wo Lindgrens Untersuchung aufhört, nur zu 50 Prozent durchgeführt worden. Im Ostmitteldeutschen unterbleibt sie ihm zufolge völlig (vgl. Lindgren 1953, 178–179). Es deutet sich also eine Verbreitung aus dem Südosten in nördlichere und westlichere Gebiete an: Am weitesten verbreitet ist die Apokope im Entstehungsgebiet, je weiter man an die Ränder kommt, desto schwächer die Tendenz, was vor allem darauf hindeutet, dass die Apokope noch zu Ende der Untersuchungsperiode um 1600 ein aktiver Prozess ist. Das wohl wichtigste Ergebnis Lindgrens ist der Befund, dass die Apokope je nach morphologischer Funktion unterschiedlich stark gegriffen hat. Was die Nominalmorphologie angeht, hat die Apokope den Dativ Singular der maskulinen und neutralen a/i-Stämme schneller abgebaut als den Nominativ/Akkusativ Plural derselben (vgl. Lindgren 1953, 193). Dass dabei die Tendenzen der deutschen Nominalmorphologie, Numerusprofilierung und Kasusnivellierung, mitwirken, steht wohl außer Zweifel. Die Adjektivflexion blieb dagegen von der Apokope weitgehend unberührt, und da, wo das Schwa verschwunden war, wurde es später meistens wiederhergestellt (vgl. Lindgren 1953, 204). Lindgren schlussfolgert am Ende, dass die Apokope zwar ein Lautgesetz darstellt, dass dieses aber anfänglich von der Morphologie gehemmt wurde und auch spätere Analogieentwicklungen (wie in der Adjektivflexion) stattgefunden haben (vgl. Lindgren 1953, 211). Aus heutiger Sicht ist die Grundlage der Untersuchung nicht unproblematisch, da nur Editionen herangezogen wurden: Handschriften standen dem in Helsinki wirkenden Germanisten nicht zur Verfügung. Gegen kritische Editionen hat er sich jedoch zu Recht entschieden, da Schwas in den normalisierten Editionen oft gegen die Handschriften eingefügt oder weggelassen werden (vgl. Lindgren 1953, 18–19 und Paul 2007, § L 53, Anm), Stattdessen hat er nur solche Editionen benutzt, die möglichst genau einer Einzelhandschrift folgen. Weiter wurden für die ältere Zeit gemäß der mediävistischen Tradition hauptsächlich Reimtexte untersucht, die (zugegeben) selteneren Prosadenkmäler dabei außer Acht gelassen. Dies ist besonders kritisch: Gerade für eine Erscheinung wie die Apokope, bei der sich die Silbenzahl verringert, sind metrisch gebundene Texte ungeeignet. Es sei fairerweise erwähnt, dass sich Lindgren (1953, 179) dessen vollends bewusst ist, was gerade in der älteren Sprachgeschichtsschreibung nicht selbstverständlich war (s. auch Ebbinghaus 1954, 231). 5.2.3.1.2 Wegera (1987) Eine Untersuchung, die eine in Bezug auf Textsorten besser abgestimmte Textgrundlage hat und der breit gestaffelten Dialektlandschaft des Hochdeutschen in einem höheren Ausmaß Rechnung trägt als die Arbeit Lindgrens, ist die computergestützte Auszählung der Schwa-Apokope in der „Grammatik des Frühneuhochdeutschen“ (Wegera 1987), die auf dem inzwischen im Internet öffentlich zugänglichen „Bonner Frühneuhochdeutschkorpus“ basiert. Obwohl
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Die Entstehung subtraktiver Formen
dieses Korpus altersbedingt nicht ohne Mängel ist – so beschränkt es sich z. B. auf nur 30 Normalseiten von insgesamt 40 Quellen –, bieten die im Rahmen dieses Projekts entstandenen Arbeiten die derzeit besten Einsichten in die Sprachwandelprozesse der frühneuhochdeutschen Zeit. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Ergebnisse zur Apokope in der Nominalmorphologie. Tabelle 38 zeigt den prozentualen Anteil der Durchführung der Apokope in vier Zeitstufen in jeweils vier der uns interessierenden Dialektverbände je nach morphologischer Funktion: Zeitstufe 1350–1400 1450–1500 1550–1600 1650–1700
Ostfränkisch
Hessisch
Ripuarisch
Obersächsisch
Pl.
D. Sg.
Pl.
D. Sg.
Pl.
D. Sg.
Pl.
D. Sg.
48 % 76 % 58 % 0%
60 % 92 % 89 % 96 %
3% 44 % 90 % 0%
6% 72 % 99 % 82 %
11 % 5% 50 % 80 %
9% 65 % 94 % 98 %
5% 23 % 0% 2%
10 % 47 % 47 % 3%
Tabelle 38: Prozentualer Anteil der Apokope bei Maskulina der a- und i-Stämme im mittel- und oberdeutschen Raum nach morphologischer Funktion (in Anlehnung an: Wegera 1987, 117 und 184)
Hiernach finden sich erste Anzeichen der Apokope im Subtraktionsgebiet bereits im 14. Jahrhundert; bemerkbar macht sie sich aber erst richtig im 15. Jahrhundert, wie dies auch Lindgren (1953) zeigt. Dabei fällt auf, dass der Dativ Singular schneller abgebaut wird als der Nominativ/Akkusativ Plural, und zwar in allen Dialektverbänden. Lindgrens Daten werden insofern bestätigt, als die Apokope zuerst im oberdeutschen Raum belegt ist und sich dann ins Westmitteldeutsche ausdehnt, bei dem das Hessische dem Ripuarischen vorangeht (zur Sonderstellung des Mittelfränkischen in Bezug auf die Apokope, s. auch Klein 2005, 133). Im Vergleich zu Lindgren (1953) sehen wir aber, dass auch das Ostmitteldeutsche zumindest beschränkt von Apokope betroffen ist, was auch unsere synchronen Dialektdaten gezeigt haben. Auffällig sind die Werte in der vierten Zeitstufe (1650–1700): In allen Dialekträumen außer dem Ripuarischen schrumpft der Anteil der Apokope ein, im Hessischen sogar von 90 Prozent auf 0 Prozent im Nominativ/Akkusativ Plural. Man spricht hier gerne von einer „Restituierung“ des Schwa (Wegera 1987, 177). Beachtenswert ist jedoch, dass das Schwa beim Dativ Singular nur teilweise restituiert wird (so etwa im Obersächsischen). Die „Restituierung“ des Schwa – und dies muss betont werden – ist eine schriftsprachliche Entwicklung, bei der man annehmen muss, dass sie auf die Dialekte nur wenig und erst in jüngerer Zeit einen Einfluss gehabt hat. Diese Tendenz geht laut Wegera (1987, 195) ab dem 17. Jahrhundert vom Obersächsischen aus, was vor dem Hintergrund der Herausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache eben in diesem Gebiet wenig überrascht. Die meisten Grammatiker des 17. Jahrhunderts fordern Schwa zur deutlichen Numerusunterscheidung
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(Stieler, Ritter, Schottelius, Girbert), nur bei Schoepf finden sich noch mehrheitlich schwalose Formen. Diese Normierung setzt sich auch bei den Grammatikern des 18. Jahrhunderts fort (vgl. Wegera 1987, 195). Die Restituierung des Schwa betrifft dabei nur das mitteldeutsche Sprachgebiet bis auf das Ripuarische; sie lässt die oberdeutschen Dialekte außer dem Ostfränkischen und Elsässischen unberührt. Ansonsten ist damit zu rechnen, dass die schriftlichen Zeugnisse der gesprochenen Sprache hinterherhinken, so dass die Apokope spätestens um das Jahr 1500 fester Bestandteil der hochdeutschen Dialekte gewesen sein dürfte. 5.2.3.2 Die niederdeutsche Apokope Die Apokope im Niederdeutschen muss sprachhistorisch wie dialektgeographisch als besonderes Forschungsdesiderat gelten. In ihrer Einteilung der niederdeutschen Mundarten klammern Panzer / Thümmel (1971, 46) den Nebensilbenvokalismus aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinung vollständig aus; dies gilt im Wesentlichen auch für Wiesinger (1983b). Im Folgenden sind wir deshalb auf die meist recht allgemeinen Aussagen der Handbücher und Sprachstufengrammatiken angewiesen. Als sicher gilt, dass die niederdeutsche Apokope später entstanden ist als die hochdeutsche. Nach Lasch (1914, § 216) begegnet Apokope im Mittelniederdeutschen nur beschränkt und zwar v. a. in unbetonten, auf sonore Laute endenden pronominalen Genitiv- und Dativformen, während sich in der Substantivflexion die Formen mit Schwa meistens erhalten haben. Wie im Hochdeutschen scheint die Apokope gerade „in dritter silbe nach nasal oder liquida nach starkem oder schwachem nebenton“ (Lasch 1914, § 216, II) häufig gewesen zu sein, ferner im Hiatus. Volle Apokopierung sei dagegen eine junge, mundartliche Erscheinung. Nach Foerste (1957, 1806) reicht sie bis ins Spätmittelniederdeutsche zurück: Sie ist ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Mecklenburgischen belegt (s. auch Nerger 1869, § 21), wo sie „am frühesten und nachhaltigsten“ gewirkt habe. Ab dem 17. Jahrhundert verbreitet sie sich ins Nordniederdeutsche, wo sie „heute noch im Vordringen ist“. Bestätigt wird diese Aussage Foerstes durch Bock (1933), bei dem die Pluralformen vieler Substantive im Norden des Untersuchungsgebiets noch Schwaformen aufweisen, im Süden dagegen nicht (vgl. Kapitel 3.2.2). Im westfälischen Münsterland ist ein Zusammenhang mit der hochdeutschen Apokope am ehesten denkbar, obwohl Bremer (1895, 80–81) sie eher mit der Apokope im Nordniederdeutschen in Verbindung sehen möchte. Problematisch an der letzteren Ableitung ist jedoch, dass es kein zusammenhängendes Apokopegebiet dazwischen gibt, zum hochdeutschen Apokopegebiet aber schon (vgl. Denkler 2001, 113, der hierfür jedoch keine Erklärung bietet). Ähnlich wie Lindgren (1953) für das Hochdeutsche betont Foerste (1957, 1806), dass die Apokope durch die funktionale Belastung der SchwaEndung und phonetische Bedingungen beschränkt wird. Besonders weit habe die
Einordnung der phonologischen Prozesse
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Apokope beim Dativ Singular um sich gegriffen, bei dem sie sich auch auf das gesamte Brandenburgische und Ostpommersche ausgedehnt habe: Neben der rein phonologischen Entwicklung (Apokope) müssen aber auch morphologische Faktoren am Werk sein: Man vergleiche brandenburgisch: up det felt ‘auf dem Felde’, wo auch der Artikel eine synkretische Form aufweist (vgl. Shrier 1965, 426–427). Freilich lässt sich nicht in jedem Fall sagen, welche Entwicklung welche bedingt (vgl. Kapitel 3.2.2). Mit dem Abschluss der Apokope ist die Subtraktion vollzogen. Die subtraktiven Formen im niederdeutschen Gebiet müssten demnach wenigstens 400 Jahre alt sein. Dabei ist die chronologische Reihenfolge der phonologischen Prozesse entscheidend: Wie im hochdeutschen Raum haben die inlautenden Assimilationen und Lenisierungen alle vor der Apokope stattgefunden. 5.3 EINORDNUNG DER PHONOLOGISCHEN PROZESSE Die Wandelprozesse, die zur Subtraktion geführt haben – Assimilation, Lenisierung, Degemination und Apokope –, können in der Terminologie von Donegan / Stampe (1979) zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Sprachgeschichte des Deutschen als natürliche phonologische Prozesse bezeichnet werden, genauer fallen sie alle unter „lenition processes“.93 Die Prozesse sind natürlich, da sie auf biologischen bzw. physiologischen Faktoren beruhen und prinzipiell jedem Menschen angeboren sind, d. h. sie können auch theoretisch überall zu jeder Zeit auftreten. Natürliche phonologische Prozesse sind von phonologischen und morphophonologischen Regeln zu unterscheiden: Die Prozesse sind rein synchroner Natur und sind immer klar phonetisch motiviert; Regeln können dagegen Generalisierungen von früher wirksamen Prozessen sein (vgl. Donegan / Stampe 1979, 143–144). Die Prozesse, die im deutschen Sprachraum zur Subtraktion geführt haben, lassen sich auch mit der Metapher der sprachlichen Erosion beschreiben: Sie sind sehr regulär, so dass man fast von Lautgesetzlichkeit sprechen kann. Die Verbreitung der besonderen, Subtraktion bedingenden Pluralendungen auf -e läuft dagegen in bestimmten Fällen (vgl. ‘Kind’) über Analogie und ist somit eher ein Fall von lexikalischer Diffusion, wenn man mit Kiparsky (1995) darin übereinstimmt, dass lexikalische Diffusion in der Tat Analogie ist (vgl. Seiler 2009a, 234). Die oben abgehandelten, einschlägigen phonologischen Prozesse sind in den germanischen Sprachen bekannt und können auch als direkte Folgen des germanischen Akzentwandels interpretiert (vgl. Harbert 2007, 79) oder mit
93 Nach Donegan / Stampe (1979, 142–143) gibt es drei Typen von natürlichen Prozessen: „prosodic processes“, „fortition processes“ und „lenition processes“. Während die prosodischen Prozesse syntaktische Strukturen wie Wörter, Phrasen und Sätze auf prosodische Strukturen abbilden, stärken bzw. schwächen die Fortisierungs- und Lenisierungsprozesse die salienten Merkmale einzelner Segmente. Zu den Fortisierungen gehören im weitesten Sinne auch Epenthesen, zu den Lenisierungen auch Tilgungsprozesse.
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Diachronie
einer typologischen Drift von Silben- zu Wortsprachen (vgl. Szczepaniak 2007) in Verbindung gebracht werden. Letztere Theorie läuft darauf hinaus, dass in der Sprachgeschichte des Deutschen das phonologische Wort optimiert, die Silbe dagegen vernachlässigt wird: Während Silben in Silbensprachen zu einfachen CV-Strukturen neigen, sind Silben in Wortsprachen dagegen oft in Abhängigkeit von der Betonung unterschiedlich komplex, wobei es in unbetonten Silben gar zu Vokaltilgungen kommen kann. Szczepaniak (2007, 3–5) sieht das Althochdeutsche als Silbensprache, das Neuhochdeutsche jedoch als Wortsprache an, wobei die Umbruchphase ins Mittel- und Frühneuhochdeutsche datiert wird. In unserem Fall finden vom Mittelhochdeutschen bis hinein ins Frühneuhochdeutsche wortsprachliche Prozesse wie Konsonantenschwächung, Degemination und Apokope statt: Bei der inlautenden Konsonantenschwächung kommt es laut Szczepaniak (2007, 204) zu einer „wortpositionsbezogenen Distribution“ der Fortes/Lenes, bei denen die Fortes die Wortränder, die Lenes dagegen das Innere des Wortes markieren. Prozesse wie Synkope oder Apokope werden auch als klar wortsprachlich eingestuft, da sie zu komplexen Silbenkodas führen, vgl. mhd. dienest > dienst (vgl. Szczepaniak 2007, 177–178). Konsonantenassimilationen sind dagegen in beiden Sprachtypen zu beobachten, wobei in Wortsprachen Assimilationen vornehmlich auf den Inlaut, also das Wortinnere, beschränkt sind (vgl. Szczepaniak 2007, 136). Die Prozesse, die zur Subtraktion geführt haben, sind also typisch wortsprachlich. In einem Artikel zu den mittelfränkischen Tonakzenten sieht Gussenhoven (2000, 229) die Entstehung dieses Phänomens vor dem allgemeinen Hintergrund des germanischen Akzentwandels bzw. des damit zusammenhängenden, in vielen germanischen Sprachen zu beobachtenden Quantitätswandels (vgl. Riad 1995). Der Akzentwandel hat zunächst phonologische Wandelprozesse in Gang gesetzt, die zu einer Neutralisierung morphologischer Kategorien wie Singular und Plural oder Nominativ und Dativ geführt haben. Um dieser für die Morphologie schicksalhaften Entwicklung entgegenzusteuern, bedienen sich die Dialekte verschiedener phonologischer, im Zusammenhang mit Unterschieden zwischen betonten und unbetonten Silben stehender „Gegenmaßnahmen“, die bereits Schirmunski (1962, 416) als „sekundäre lautliche Differenzierung[en]“ identifiziert hat. Zu diesen „Gegenmaßnahmen“ zählt auch die Subtraktion. Ich möchte diesen diachronen Teil abschließen, indem ich in Kapitel 5.3.1 anhand von eigenen Belegen näher auf einige der von Gussenhoven (2000, 229–230) genannten Phänomene eingehe, um damit das Phänomen Subtraktion in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Diese Bestandsaufnahme soll gleichzeitig als Ausblick auf mögliche weitere dialektmorphologische Forschungsvorhaben dienen, die in Verbindung mit den obengenannten Prozessen stehen und die einer genaueren sprachhistorischen Untersuchung bedürfen. Abschließend wird in einem Exkurs (Kapitel 5.3.2) ein Blick auf das benachbarte Nordfriesische geworfen, das Spuren subtraktiver Formen zeigt, und dabei nach deren Zusammenhang mit den deutschen Formen gefragt.
Einordnung der phonologischen Prozesse
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5.3.1 Verwandte Phänomene in den Dialekten des Deutschen In einigen hoch- und niederdeutschen Dialekten, die noch einen Lenis/FortisKontrast kennen, kann der Unterschied zwischen ehemals auslautendem und inlautendem stammfinalem Konsonanten nach Apokope der Numerus- bzw. Kasussignalisierung dienen (vgl. Gussenhoven 2000, 229; Wiesinger 1983b, 872 und Schirmunski 1962, 416–417). Die Auslautverhärtung wird gleichsam im Plural bzw. Dativ Singular aufgehoben, oder eher, kann synchron nicht mehr den Status einer Regel beanspruchen (vgl. Kapitel 5.2.2.4). Hierzu gehört v. a. das Hochpreußische: tâk – tâg ‘Tag, Tage’ (Stuhrmann 1896, 3), aber ich bin auch im Niederpreußischen, Ostpommerschen und MecklenburgischVorpommerschen fündig geworden. Es lassen sich auch aus älterer Zeit viele Belege finden: Im mittelhochdeutschen Prosalancelot ist dies recht systematisch, wie eine kleine Recherche von mir zeigt: 209 Nominativ/Akkusativ-Formen von ‘Wald’ mit auslautendem stehen 149 Dativ-Singular-Belegen mit auslautendem gegenüber. Nur vier Belege in einem eigentlichen DativSingular-Kontext sind bereits zugunsten des Nominativs ausgeglichen. Ähnlich kann sich eine spirantisierte Form im Nominativ Singular erhalten, im Nominativ/Akkusativ Plural oder Dativ Singular aber noch der inlautende Plosiv bewahrt sein. Diese Erscheinung wurde von mir nicht systematisch untersucht, aber sie findet sich sowohl im nieder- als auch im hochdeutschen Raum. Im Nordniederdeutschen und Mecklenburgisch-Vorpommerschen entsteht bei Langvokalen und Diphthongen in Verbindung mit stimmlosen und stimmhaften Plosiven und Frikativen ein neuer Quantitätskontrast lang – überlang, der nach e-Apokope und späterem Stimmtonverlust phonologisch distinktiv werden kann: deif – d¯eif ‘Dieb, Diebe’ (vgl. Wiesinger 1983b, 829) und dach – d¯ag ‘Tag, Tage’ (vgl. Nerger 1869, § 224). Während Auer (1991, 24–25), mit der älteren Lehrmeinung durchaus übereinstimmend (s. etwa Schirmunski 1962, 171), von einer Art Ersatzdehnung mit Übertragung einer More des Schwa auf den Stammvokal ausgeht (Überlänge = dreimorige Silbe), argumentiert Kohler (1984; 2001) dafür, dass die Quantitätsunterschiede in einem phonetischen Universale wurzeln, nach dem Vokale vor Lenisobstruenten grundsätzlich länger sind als vor Fortisobstruenten. Die e-Apokope trägt in seiner Analyse nur dazu bei, dass eine stimmhafte Lenis in den Auslaut tritt, wo sie desonorisiert wird, bei gleichzeitigem Erhalt des Längenunterschieds (vgl. Kohler 2001, 397–398). Kompliziert wird die Erscheinung durch die Interaktion mit tonalen Eigenschaften bzw. Tonakzent 2 („Schleifton“), obwohl neuere Studien (vgl. Prehn 2011) darauf hindeuten, dass der Unterschied zumindest im heutigen Nordniederdeutschen nur mit Dauer und nicht mit Ton zu tun hat. Tonakzente weisen dagegen die mittelfränkischen Dialekte (vgl. Schmidt 1986) unbestritten auf und diese sind auch auf morphologischer Ebene wirksam. Viele Ortsmonographien listen Singular- und Pluralformen auf, die sich nicht (nur) segmental, sondern (auch) prosodisch unterscheiden, indem der Singular Tonakzent 2, der Plural Tonakzent 1 aufweist (im sogenannten Regel A-Gebiet, und meist umgekehrt im Regel B-Gebiet). Dabei gehen einige jüngere
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Diachronie
Arbeiten (etwa de Vaan 1999 und Schmidt 2002) davon aus, dass eine alte allophonische Distribution intrinsischer F0-Differenzen (= Zugehörigkeit zu einer historischen Lautklasse) infolge silbenstruktureller Entwicklungen wie Dehnung in offener Silbe und Apokope gestört wurde, was eine Phonologisierung mit sich brachte. Gussenhoven (2000), dessen Erklärung etwas von der traditionellen abweicht, möchte die Entstehung des lexikalischen Tonkontrasts vor allem in analogischen Dehnungsprozessen nach vollendeter Apokope zur Aufrechterhaltung von Numerusdistinktionen sehen. Allerdings ist die Typenfrequenz der Klasse, die Numerus ausschließlich über Tonakzent markiert (vgl. [dO:2 x] – [dO:1 x] ‘Tag, Tage’), relativ gering. Gussenhoven (2000, 230) zitiert eine Studie zum Dialekt von Tegelen (Niederlande), in dem dies insgesamt nur neun Lexeme betrifft. Zehn weitere Lexeme weisen sowohl Umlaut- als auch Tonakzentmarkierung auf, während 59 Lexeme den Singular/Plural-Unterschied über Umlaut allein markieren. Die funktionale Auslastung der mittelfränkischen Tonakzente müsste also noch genauer untersucht werden. Am meisten gemeinsam mit den subtraktiven Formen haben die Vokalkürzungen im Plural in vielen oberdeutschen Dialekten (s. Schirmunski 1962, 417 und Dingeldein 1983, 1198). Dies gilt auch für den Dativ Singular, soweit er nicht zugunsten der Nominativ/Akkusativ-Form ausgeglichen wurde. Truax (1991) untersucht Vokalkürzung im Plural in sieben ostfränkischen Orten; in Tabelle 39 sind repräsentative Formen aus zwei der dort behandelten Orte dargestellt: Oberschefflenz Umgebung Singular /-VS/ /-nd/ /-Ng/ /-rg/
diiS haan d Sraan k beerig
Kupfer
Plural
Singular
Plural
diS hen Srenk berig
tiiS wiind šdro˛uNg beerg
tiS wind šdreN berg
Tabelle 39: Vokalkürzung im Ostfränkischen (Sample aus: Truax 1991, 74–76, ergänzt mit: Eberle 1938)
Wir sehen, dass Vokalkürzung nur vorkommt, wenn das Substantiv auf einen Konsonanten bzw. einen Konsonantencluster endet. Interessanterweise finden wir in Oberschefflenz und in den Mundarten um die Kupfer die in dieser Arbeit behandelten segmenttilgenden Subtraktionen neben den segmentverkürzenden Prozessen. Sie können gar zusammen auftreten, wie bei /-nd/ und /-Ng/. Truax (1991) sieht alle in Tabelle 39 erfassten Formen als subtraktive Formen an; sie definiert den Begriff Subtraktion jedoch an keiner Stelle.94 Seiler (2008, 94 Sie setzt Subtraktion aber offensichtlich mit „kontraikonisch“ gleich, indem auch der endungslose Genitiv Plural in vielen slavischen Sprachen als ein Fall von Subtraktion behandelt wird (vgl. Truax 1991, 67).
Einordnung der phonologischen Prozesse
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183) spricht nicht von Subtraktion bei Vokalquantitätsunterschieden, sondern nennt als Beispiele hierfür nur die segmenttilgenden Plurale. In Nübling (2005, 61) ist aber von einer „milderen“ Form der Subtraktion die Rede (zum Subtraktionsbegriff, s. Kapitel 2.1). Aber unabhängig davon, wie man die Phänomene morphologisch-synchron betrachtet, könnte man diachron dafür argumentieren, dass die zwei Pluralisierungsverfahren beide unterschiedliche Resultate ähnlicher phonologischer Wandelprozesse sind. Bei den segmentverkürzenden Pluralen findet eigentlich diachron eine Dehnung in geschlossener Silbe statt: Somit wird ein Vokal, der sprachhistorisch kurz war, lang. Bei den „echten“ subtraktiven Formen dagegen, die diese Arbeit zum Thema hat, verschwindet etwas durch Reduktionsprozesse. Während das eine also eine Verstärkung der Akzentsilbe ist, ist das andere eine Abschwächung der Nebensilbe. Truax (1991, 2) behauptet deswegen zu Recht, dass der Terminus Vokalverkürzung aus diachroner Sicht irreführend ist. Die Dehnung in geschlossener Silbe kann laut Schirmunski (1962, 188) im Ostschwäbischen, Bairischen, Ostfränkischen, im Süden des Thüringischen und im Schlesischen nachgewiesen werden, jedoch sind die für uns relevanten Formen nur im Schwäbischen, im Ostfränkischen und im Süden des Thüringischen vorzufinden. Während das Schlesische aufgrund der fehlenden Apokope ausscheidet, wird im Nord- und Mittelbairischen die Dehnung in geschlossener Silbe durch das sogenannte Pfalzsche Gesetz kompliziert. Dieses Gesetz besagt komplementäre Länge von Vokalen und Konsonanten in Abhängigkeit von der phonologischen Umgebung, indem nur Kombinationen von Langvokal + Kurzkonsonanten und Kurzvokal + Langkonsonanten zulässig sind, wie in den skandinavischen Sprachen (vgl. Seiler 2008, 185 und Seiler 2009a, 243). Deswegen heißt es hier fi:˚ Z – fiSS ‘Fisch, Fische’, während eine Kombination aus Langvokal und -konsonanten und Kurzvokal und -konsonanten ausgeschlossen ist. Die komplementäre Länge von Vokalen und Konsonanten wirft die Frage auf, welches Element kontrastbildend ist. Seiler (2009a, 244) spricht diese Eigenschaft dem Konsonanten zu, so dass nach dieser Analyse in dem oben genannten Beispiel wahrscheinlich keine Subtraktion vorliegt.95 Die unterschiedlichen Singular- und Pluralformen bei konsonantisch auslautenden Substantiven im Oberdeutschen kann Seiler (2009b, 10) durch einige einfache Regeln erklären, die in Tabelle 40 auf der nächsten Seite dargestellt sind.96
95 So verhalten sich nach Seiler (2009a, 244) sogenannte „fake geminates“ – also das Zusammenprallen zweier Kurzkonsonanten, die eigentlich verschiedenen Morphemen angehören – wie echte Geminaten, indem sie keine Vokallängung auslösen, was bei allen anderen Konsonantenendungen der Fall ist (s. auch Kufner 1957, 178). 96 Ich möchte mich bei Guido Seiler (Freiburg) für ausführliche Auskünfte zu den oberdeutschen Verhältnissen bedanken.
142
Diachronie
Ostfr. Sg. Pl. Ausgangsform (1) finale Degemination (2) monosyllabische Dehnung (3) Apokope (4) totale Degemination
fiSS fiS fi:S -
Ergebnis
fi:S
Mittelbair. Sg. Pl.
fiSS@ fiSS fiS fi:S fiSS fiS nein fiS
fi:S
Höchstalem. Sg. Pl.
fiSS@ fiSS nein
fiSS fiS nein fiS nein
fiSS@ nein fiSS nein
fiSS
fiS
fiSS
Tabelle 40: Erklärung der Alternationen im Oberdeutschen (in Anlehnung an: Seiler 2009b, 10)
Allen Dialekten gemeinsam ist die finale Degemination. Angenommen wird zuerst, dass /S/ im Mittelhochdeutschen ein Langkonsonant war, entstanden aus der Assimilation des /k/ an das vorhergehende /s/. Ab hier gehen die oberdeutschen Dialekte unterschiedliche Wege, indem das Ostoberdeutsche Vokale in monosyllabischen, auf Konsonanten auslautenden Silben dehnt, während dieser Prozess im Westoberdeutschen unterbleibt. Eine totale Degemination ist nur im Ostfränkischen erfolgt, so dass nur hier Vokalreduktion als alleiniger Pluralmarker auftreten kann. Die Natur dieser Prozesse wird durch die Apokope, die alle oberdeutschen Dialekte kennen, intransparent, indem der Gegensatz zwischen geschlossener und offener Silbe, ein- und mehrsilbigen Formen und der Position des stammauslautenden Konsonanten verschwindet (vgl. Seiler 2008, 188; s. auch Seiler 2012). 5.3.2 Exkurs: Nordfriesisch Von den friesischen Dialekten kennt nur das Inselnordfriesische die Apokope uneingeschränkt. Die anderen friesischen Dialekte kennen die Apokope entweder nur bei afries. e oder bei afries. a und e nach schweren Silben: VC:V bzw. V:CV (vgl. Übersicht bei Versloot 2001, 770 und Versloot 2008, 133). Die vollständige Apokope von afries. a ist dagegen eine Erscheinung der inselnordfriesischen Dialekte und des Mittelgoesharder Friesischen (vgl. Århammar 2001, 756). Leider ist die Entwicklung der Nebentonvokale im Nordfriesischen relativ schlecht erforscht, was wohl auch damit zusammenhängt, dass die Überlieferung des Nordfriesischen erst spärlich um 1600 einsetzt (vgl. Wilts 2001, 22). Zur Diachronie kann angeführt werden, dass sich noch um etwa 1600 im Ostföhringer Katechismus Variation zwischen -e und -∅ findet; der Prozess wird wie allgemein in den germanischen Sprachen als Folge der Verlagerung des Akzents auf die erste Silbe angesehen. Zumindest für die Apokope nach schwerer Silbe im Ostfriesischen, deren Entstehung im 17. Jahrhundert vermutet und die im Laufe des 19. Jahrhunderts regelhaft wird, legt Versloot (2008, 133) einen Zusammenhang mit der niederdeutschen Apokope nahe.
Einordnung der phonologischen Prozesse
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Die Apokope hat zur Folge, dass die Pluralbildung im Inselnordfriesischen und im Festlandnordfriesischen recht unterschiedlich ist. Festlandnordfriesisch hat in der Regel -e, Inselnordfriesisch dagegen analogisches -er bei Maskulina und -en bei Feminina/Neutra (vgl. Hofmann 1956, 85 und Walker / Wilts 2001, 289); man vergleiche etwa für die a-Stämme hün – hüne im Mooring und hünj – hünjer ‘Hund, Hunde’ im Fering. Spuren eines früher vorhandenen Vokals finden sich an vielen Stellen in den inselnordfriesischen Mundarten. Da sind z. B. die modifikatorischen Plurale glees [s] – glees [z] ‘Glas, Gläser’ zu nennen (Wilts 1995a, 14), mit Sonorisierung des /s/ in ehemals intervokalischer Umgebung. Analog finden sich in der Kasusflexion alte Reste nominaler Dativmarkierung wie in uun hüüs [z] ‘im Haus’ vom Nominativ Singular hüs [s] (Walker / Wilts 2001, 290). Spuren eines Vokals (genauer afries. a) zeigen sich nun interessanterweise auch im Fering in Form von subtraktiven Pluralen.97 ¯ – m¯ez ‘Mast, Masten’ und bemerkt, Hofmann (1956) zitiert das Beispiel mäst dass dieses, neben staf – st¯ew ‘Stab, Stäbe’, zeige, daß hier ursprünglich ein Vokal, also wohl -a, folgte, der in den Inseldialekten lautgesetzlich apokopiert worden ist, ohne daß infolge der lautlichen Differenzierung der Pluralform daraufhin die Anfügung einer neuen Pluralendung erforderlich war (Hofmann 1956, 85).
Dies ist vor dem Hintergrund interessant, dass sonst in den inselnordfriesischen Mundarten die Endungen -er und -en analogisch gebildet worden sind, wo früher allein -e stand. So scheint es also, dass im Fering Lexeme, die auf einen st-Konsonantencluster enden, subtrahieren können. Neben dem Plural von ‘Mast’ bin ich auch auf das Beispiel neest – nees [z] ‘Nest, Nester’ (Wilts 1995a, 14) gestoßen. Diese subtraktiven Pluralformen finden sich nach Århammar (2001, 756) auf Föhr und Amrum. Sie sind als subtraktiv-modifikatorisch einzustufen, indem auch die stimmhafte Form des ehemaligen inlautenden Konsonanten im neuen Auslaut bewahrt wird. In den nordniederdeutschen Mundarten ist dieser Subtraktionstyp interessanterweise unbekannt. t-Ausfall begegnet zwar auch im Nordniederdeutschen, dort aber nach meinen Recherchen immer in sämtlichen Umgebungen, also auch im absoluten Auslaut (vgl. Jørgensen 1934, 64).98 So gibt das „Schleswig-Holsteinische Wörterbuch“ (III, 785) für ‘Nest’ die Formen nes – nis an. Es ist bemerkenswert, dass das Nordfriesische den t-Ausfall auf den ehemaligen Inlaut beschränkt, gerade wenn man bedenkt, dass die im ganzen Nordfriesischen verbreitete ld - und nd -Assimilation im In- wie im Auslaut stattgefunden hat (vgl. Århammar 2001, 762). Offensichtlich liegt hier eine phonologisch andere Erscheinung vor als bei den sonstigen Subtraktionstypen. Das erkennt man allein an der Tatsache, dass etymologisch stimmlose Laute 97 Für den Hinweis auf subtraktive Formen im Nordfriesischen bedanke ich mich bei Sara Hayden (Marburg). 98 Der Fall erinnert an den t-Ausfall im Ripuarischen (s. Herrgen 2005). Leider sind die Informationen zu diesem Ausfall im Niederdeutschen spärlich; bei Schirmunski (1962, 402–403) wird er gar nicht besprochen.
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Diachronie
wegfallen, während es sonst nur die etymologisch stimmhaften sind, die in deutschen Dialekten getilgt werden. Leider habe ich in der Literatur nur wenige Angaben zum t-Ausfall im Nordfriesischen gefunden. Ich möchte ihn an dieser Stelle als Sonderfall der nordfriesischen Konsonantenschwächung deuten:99 In den nordfriesischen Mundarten werden – vielleicht unter dänischem Einfluss – die Tenues /p, t, k/ zu /b, d, g/ oder zu den Spiranten /w, z, G/, die auch weiter abgeschwächt oder völlig ausfallen können (vgl. Versloot 2001, 774). Im Unterschied zum Dänischen, wo alle stimmlosen postvokalischen nicht-geminierten Konsonanten von diesem Prozess betroffen sind, werden im Nordfriesischen jedoch nur die intervokalischen Konsonanten in kurzstämmigen Wörtern leniert. ‘Mast’ und ‘Nest’ erfüllen diese Bedingung durch ihren etymologisch kurzen Stammvokal, gleichzeitig scheint der Konsonantencluster /st/ nach Hofmann (1961, 25) oft als „einfacher kurzer Konsonant behandelt worden zu sein.“ 100 Unter diesen Umständen sei laut Hofmann das /t/ zu /d/ abgeschwächt worden und später sekundär ausgefallen. Gleichzeitig ist der Stammvokal im Zuge zweier Dehnungsprozesse, Dehnung in offener Silbe und spätere Dehnung bzw. Senkung von /e/, lang geworden (vgl. Århammar 2001, 746–747). An die Dehnung in offener Silbe anschließende Apokope sorgt dann für eine phonologisch kürzere Pluralform. Ich habe den Ablauf in Tabelle 41 dargestellt. ‘Mast’
‘Nest’
Sg.
Pl.
Sg.
Pl.
ains.-nfr. Ausgangsform (1) nfr. Konsonantenschwächung (2) sekundärer t-Ausfall (3) Dehnung in offener Silbe (4) Apokope (5) Dehnung/Senkung von /e/ > /E:/
*mest = = = = m¯äst
*mesta *mezda *meza *m¯eze m¯ez =
*nest = = = = n¯äst
*neste *nezde *neze *n¯eze n¯ez =
Ergebnisse
[mE:st]
[me:z]
[nE:st]
[ne:z]
Tabelle 41: Entwicklung der subtraktiven Formen im Nordfriesischen (in Anlehnung an: Hofmann 1961, 25–26)
Das Beispiel Nordfriesisch lehrt uns noch einmal, dass dort, wo die entsprechenden phonologischen Gegebenheiten vorhanden sind, subtraktive Plurale entstehen können. Im Falle des Inselnordfriesischen sind es die nordfriesische Konsonantenschwächung mit sekundärem t-Ausfall im ehemaligen Inlaut und
99 Ich möchte mich bei Volkert F. Faltings (Alkersum auf Föhr und Flensburg) für seine freundliche Unterstützung bei der Rekonstruktion der Abläufe herzlich bedanken. 100 So auch in den Adjektiven w¯ezdreng ‘westerland-föhringisch’ und ¯ azdreng ‘osterlandföhringisch’ (vgl. Hofmann 1961, 25).
Einordnung der phonologischen Prozesse
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die Apokope. Im Festlandnordfriesischen sind dagegen keine subtraktiven Formen zu erwarten: Im Mooringer Friesisch finden sich hauptsächlich unapokopierte Formen und somit keine subtraktiven (vgl. Bauer 1925, 107–109 und Jörgensen 1978, 14–16). Wie das Mooringer Friesisch scheinen sich auch die festlandnordfriesischen Mundarten der Wedingharde und Nordergoesharde zu verhalten (vgl. Wilts 1993, 12–13 und Wilts 1995c, 14–16). Aber auch auf Sylt, das historisch und sprachlich eng mit Föhr verbunden ist, konnten entsprechende Formen nicht gefunden werden (vgl. Wilts 1995b, 12–14).
6 VARIATION UND ABBAU Wir wissen nun, wie wir uns die Verbreitung der subtraktiven Formen im 19. und frühen 20. Jahrhundert vorzustellen haben; auch die sprachhistorischen Bedingungen, unter denen sie sich entwickelt haben, dürften klarer geworden sein. In diesem Kapitel möchte ich auf zwei weitere Aspekte – die synchrone Variation und den Abbau subtraktiver Formen – näher eingehen, die in der vorausgegangenen Darstellung weniger prominent waren. Diese Situation ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass die für diese Arbeit herangezogenen Dialektgrammatiken, insbesondere die junggrammatischen Ortsmonographien, ein in sich homogenes System suggerieren und die synchrone Variation und den Abbau von Flexionsformen eher ausklammern (vgl. Schmidt / Herrgen 2011, 242). Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Dynamik der Dialekte gerade am Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der Alphabetisierung der Bevölkerung in der sich seit dem 16. Jahrhundert herausbildenden Leitvarietät der Standardsprache stark zunimmt. Der Einfluss der Standardsprache führt nicht zum Aussterben der Dialekte, sondern zur Restrukturierung der Dialektlandschaft in Richtung großräumigerer Varietäten (Regionalsprachen). Nur wurden diese Regionalsprachen in der älteren Forschung eher vernachlässigt, während sie heute Gegenstand zahlreicher Arbeiten sind (vgl. Girnth 2000; Lenz 2003; Peters 2006; Purschke 2011). In diesem Kapitel soll deswegen auch auf die Frage, wie in den modernen Regionalsprachen mit subtraktiven Formen umgegangen wird, zumindest ansatzweise eingegangen werden. Diese zwei miteinander verbundenen Aspekte – Variation und Abbau subtraktiver Formen – sollen hier anhand zweier Quellentypen untersucht werden: einerseits anhand von längeren, möglichst authentischen Dialekttexten, andererseits anhand von Sprachatlanten, die den Vergleich zwischen mehreren Generationen erlauben. Als Dialekttexte wurden Schmellers Sprachproben zu den von ihm untersuchten mittel- und oberdeutschen Dialekten Bayerns (Schmeller 1821) und Groths Gedichtsammlung „Quickborn“ in nordniederdeutscher (dithmarsischer) Mundart ausgewählt (Groth 1856). Durch den Rückgriff auf die jeweils ältesten Dialekttexte, die subtraktive Formen enthalten (s. dazu ausführlicher Kapitel 4), sollte der standardsprachliche Einfluss minimiert werden. Die Frage an diese Texte lautet: Gibt es bereits im 19. Jahrhundert Variation bezüglich der Verwendung subtraktiver Plurale und Dative? Zeichnen sich dabei bestimmte Abbautendenzen ab? Die Entwicklung im 20. Jahrhundert wird sodann in einem kleineren Gebiet, dem linksrheinischen Rhein- und Moselfränkischen, verfolgt, zu dem ältere und rezente flächendeckende Daten und die Studie von Girnth (2000) vorliegen.
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Variation und Abbau
6.1 ÄLTESTE QUELLEN: ABBAU SUBTRAKTIVER DATIVE Feststellen lässt sich anhand der ältesten Quellen für das Hoch- und Niederdeutsche zunächst, dass der Abbau subtraktiver Dative zeitlich dem Abbau der subtraktiven Plurale vorausgeht. Interessanterweise enthalten die Mundarttexte Johann August Schmellers von 1821 keine subtraktiven Dative, sehr wohl aber subtraktive Plurale. Man vergleiche hierzu den bereits zu Beginn der Arbeit zitierten ältesten subtraktiven Plural (6) mit den in (7) und (8) wiedergegebenen, ebenfalls aus dem osthessischen Hilders stammenden nicht-subtraktiven Dativen: (6)
Bann dé Kên’ in d@r Tàuf schrêy@˜, so wá’n Wann die Kinder.nom.pl in der Taufe schreien so werden sé nét alt, on’ stárb@˜ bal’. sie nicht alt und sterben bald. ‘Wenn die Kinder in der Taufe schreien, werden sie nicht alt und sterben bald.’ (Hilders, Osthessisch; Schmeller 1821, 450)
(7)
so nemt m@ dám Kêind di Ró, dàs ·s nimm@ so nimmt man dem Kind.dat.sg die Ruhe dass es nicht mehr schlèfft. schläft ‘so nimmt man dem Kind die Ruhe, dass es nicht mehr schläft’ (Hilders, Osthessisch; Schmeller 1821, 450)
(8)
Bár mit ’@m lêink@˜ Fós zoèrst uiß ’@m Bátt stight, dám Wer mit dem linken Fuß zuerst us dem Bett steigt dem gêt àn dám Tàg all@s v@rkè@rt. geht an dem Tag.dat.sg alles verkehrt. ‘Wer mit dem linken Fuß zuerst aus dem Bett steigt, dem geht an dem Tag alles verkehrt.’ (Hilders, Osthessisch; Schmeller 1821, 450)
(7) und (8) zeigen zwei potenzielle syntaktische Kontexte für subtraktive Dative, in denen diese tatsächlich nicht begegnen: einerseits als Dativobjekt bzw. freier Dativ, wofür ich auch keine sonstigen Belege habe, und andererseits nach Präposition. Auffällig ist vor allem, dass bei einer sehr häufigen Kollokation wie ‘an dem Tag’ die Subtraktion unterbleibt, obwohl sie gerade hier sonst sehr häufig ist. Die Belege, die ich aufgrund der kurzen Länge der Texte jedoch vorsichtig interpretieren möchte – so ist die Pluralform von ‘Tag’ in Schmellers Material beispielsweise nicht vorhanden –, deuten zumindest an, dass auch in einem Gebiet, in dem Subtraktion sehr üblich ist, die subtraktiven Dative schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Abbau befindlich waren und zu einem großen Teil abgebaut worden waren.
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Älteste Quellen: Abbau subtraktiver Dative
Der Abbau subtraktiver Dative lässt sich deutlicher in den niederdeutschen Schriften Klaus Groths verfolgen: Er kennt sowohl subtraktive Plurale als auch subtraktive Dative. Interessanterweise findet sich bei den Dativen jedoch eine gewisse Variation (subtraktive Formen vs. Nullformen), die bei den Pluralformen nicht vorhanden ist, vgl. to P ęr vs. to P ęrd ‘zu Pferde’ in (9) und (10): (9)
Hoch to Pęr un bestaben, mit rode Röck un Hoch zu Pferd.dat.sg und bestäubt, mit roten Röcken und mit Säweln mit Säbeln ‘Hoch zu Pferde und bestäubt, mit roten Röcken und mit Säbeln’ (Nordniederdeutsch; Groth 1856, 125)101
(10) En Mann is dat, to Pęrd, en Mantel um, Ein Mann ist das, zu Pferd.dat.sg, einen Mantel um, De ritt, as weer de Dod em oppe Hacken der reitet, als wäre der Tod ihm auf den Fersen ‘Ein Mann ist es, zu Pferde, einen Mantel um, der reitet, als wäre der Tod ihm auf den Fersen’ (Nordniederdeutsch; Groth 1856, 523) Das Nebeneinander subtraktiver Dativformen und indifferenter Formen in diesem Fall beobachtet auch Jørgensen (1934, 87); das gleiche gilt für ‘Land’. Anhand einer digitalen Version des „Quickborn“, die ich über eine kommerzielle DVD-ROM – die „Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky: Großbibliothek“ (siehe Digitale Bibliothek) – beziehe, habe ich das Verhältnis der subtraktiven und indifferenten Formen bei den Lexemen ‘Pferd’, ‘Land’ und ‘Hand’ zueinander ermittelt. Zu Vergleichszwecken wurden auch die Pluralformen, die keine Variation aufweisen, erhoben. Die Belege wurden in einer gedruckten Ausgabe (Groth 1856) überprüft. Das Ergebnis kann Tabelle 42 entnommen werden. ‘Pferd’ Dat. Sg. Pl.
‘Land Dat. Sg. Pl.
‘Hand’ Dat. Sg. Pl.
subtraktiv indifferent
3 9
22 0
2 7
0 0
0 28
42 0
Total
12
22
9
0
28
42
Tabelle 42: Nebeneinander subtraktiver Dative und indifferenter Formen bei Groth (1856)
101 bestaben (= Part. II): vgl. nd. stuwen ‘stäuben, stieben’ (SHWB IV, 920–921) und hd. bestäuben (DWB I, 1658).
150
Variation und Abbau
Die Kategorie „Dativ Singular“ ist dabei diachron zu verstehen, indem sich die darin verzeichneten Formen auf historische Dativkontexte beziehen. Synchron liegen entweder suppletive (= subtraktiv) oder synkretische, d. h. mit dem Nominativ/Akkusativ zusammengefallene Formen (= indifferent) vor. Nur bei einem Lexem, ‘Pferd’, sind sowohl subtraktive Dativ- als auch Pluralformen überliefert. Bei ‘Hand’ finden sich erwartungsgemäß nur Pluralformen, während der Dativ nicht (mehr) am Substantiv markiert wird; bei ‘Land’ sind dagegen ausschließlich Singularformen belegt. Dabei wird deutlich, dass Variation jeweils nur bei den Dativformen in Erscheinung tritt, während der Plural, wenn er auftritt, immer subtraktiv ist. Bei ‘Pferd’ ist das Verhältnis subtraktiver Dative zu indifferenten Formen 3 : 9, bei ‘Land’ 2 : 7, so dass sich ein subtraktiver Dativ nur in etwa 1/4 bis 1/3 der Fälle findet. Die subtraktiven Dativformen sind also bereits bei Groth in der Minderheit. Jørgensen (1928/29, 4), der sich mit der Formenlehre der modernen dithmarsischen Mundart beschäftigt, führt interessanterweise keine subtraktiven Dativformen mehr auf, sehr wohl aber subtraktive Plurale. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Dativformen bis Ende des 19. Jahrhunderts abgebaut worden waren. Angesichts dieser älteren Belege deute ich den Abbau subtraktiver Dative als natürliche, dialektinterne Entwicklung, die nicht direkt in Verbindung mit standardsprachlichem Einfluss steht. Der Prozess war schon Ende des 19. Jahrhunderts sehr weit vorangeschritten, wie auch die Wenker-Karte 524 „Felde“ und meine Belege für ld -Subtraktion im Dativ Singular gezeigt haben (vgl. Tabelle 17 auf Seite 71). Subtraktive Dative finden sich hier v. a. in kleineren Inseln in der Peripherie (Reliktgebiete), obwohl anzunehmen wäre, dass sie früher auf dem ganzen Subtraktionsgebiet verbreitet waren. Ich vermute, dass der Abbau schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den meisten Gebieten zum Abschluss gekommen ist. Das zeigt auch eine Arbeit wie Alles (1907/1908), die eine Fülle subtraktiver Plurale aufweist, die dafür aber nur noch äußerst wenige Dativformen aufführt (vgl. Kapitel 3.2.3.1.2). 6.2 20. JAHRHUNDERT: ABBAU SUBTRAKTIVER PLURALE Demgegenüber halten sich die subtraktiven Plurale wesentlich besser. Ihr Untergang ist vor allem mit dem immer größer werdenden Einfluss der Standardsprache ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Verbindung zu bringen. Zu dieser Zeit bemerken einige aufmerksame Dialektologen, dass die jüngere Generation in Übereinstimmung mit der Schriftsprache eine additive oder modifikatorische Form bevorzugt (vgl. Wenz 1911, 67–68 und Kroh 1915, 237). In den meistens von den Städten ausgehenden Regionalsprachen des 20. Jahrhunderts werden subtraktive Plurale immer seltener. Dabei kommt es oft zu Kompromissformen, die weder den alten Basisdialekt noch die Standardsprache repräsentieren: Nullplurale. Girnth (2000) beschäftigt sich im Rahmen eines grammatikalisierungstheoretischen Ansatzes mit Pluralbildungsmustern im Untersuchungsgebiet des MRhSA und analysiert dabei die Nullplurale, die hier
20. Jahrhundert: Abbau subtraktiver Plurale
151
offensichtlich das Ziel des dialektalen Wandels sind, als letzte Stufe der Grammatikalisierung des Plurals. Subtraktive Plurale bilden bei Girnth lediglich eine Art „Zwischenstation“ auf dem Weg hin zu Nullpluralen. Sie sind auf der Grammatikalisierungsskala zwischen dem additiven und dem modifikatorischen Verfahren anzusetzen, da sie im Vergleich zu den modifikatorischen Formen und den Nullformen in Bezug auf den auslautenden Konsonanten zumindest teilweise segmentierbare Elemente aufweisen (vgl. Girnth 2000, 181–182).102 Ungeachtet des theoretischen Gehalts dieser Analyse für die Morphologie – sie ist meines Erachtens für das richtige Verständnis der subtraktiven Formen zu sehr der morphembasierten Perspektive verpflichtet (s. besonders Kapitel 7.1) – enthält die Arbeit wichtige Beobachtungen zu den Sprachwandelprozessen in diesem Gebiet. Die noch im Basisdialekt (Datenserie 1) verbreiteten subtraktiven Plurale werden im Regiolekt (Datenserie 2) sehr oft durch Nullplurale ersetzt. Dies ist im hohen Maße bei den Lexemen ‘Tag’ und ‘Schuh’ der Fall, während die Klasse der subtraktiven Formen bei ‘Hund’ stabil bleibt bzw. sogar leicht zunimmt (39 auf 43 Belege): In meiner eigenen Analyse werde ich dafür argumentieren, dass die Stabilität bei ‘Hund’ durch die hohe „cue validity“ der nd -Subtraktionsklasse unterstützt wird (vgl. Tabelle 8 auf Seite 57 und Kapitel 7.5.2.2). Ansonsten ist eine Zunahme subtraktiver Formen sehr selten: Nur bei ‘Tag’ entstehen in wenigen Fällen in der Vorderpfalz neue subtraktive Formen (vgl. Girnth 2000, 192). Da es sich dabei um ein sehr frequentes Wort handelt, wäre eine lexikalische Entlehnung nicht undenkbar (vgl. Kapitel 7.5.2.1). Der Abbau von subtraktiven Pluralen kann besonders gut am Beispiel der MRhSA-Karte 551 „Schuh/Schuhe“ verfolgt werden. War das subtraktive Verfahren noch in Datenserie 1 in großen Teilen des Rheinfränkischen und im rheinfränkisch-moselfränkischen Übergangsgebiet verbreitet, wird es im Übergang zur Datenserie 2 flächendeckend abgebaut. Fast sämtliche subtraktiven Formen werden dabei durch Nullplurale ersetzt (82mal, vgl. Girnth 2000, 192– 195) bzw. die markierte Singularform (die „Adoptivform“, s. Kapitel 3.2.4.3) wird der Pluralform angeglichen. Auslöser dieses Wandels ist wahrscheinlich die Standardsprache, jedoch gibt es von alters her im Untersuchungsgebiet des MRhSA die Nicht-Adoptivform bzw. die der Standardsprache entsprechende Form, die diesen Wandel begünstigt. Sie dringt von den Rändern des Untersuchungsgebiets in das Gebiet der Adoptivformen bzw. subtraktiven Plurale ein. Das Resultat – der Nullplural – entspricht jedoch der Standardsprache nicht: Der Nullplural ist mit Girnth (2000, 206–207) als dialektinterne, zum Teil punktuelle Entwicklung zu verstehen und gehorcht dem Ökonomieprinzip, da der Plural schon am Artikel markiert wird.
102 Diachron sind Nullplurale älter als subtraktive Plurale: Subtraktion als „Zwischenstation“ auf dem Grammatikalisierungspfad ist deswegen diachron – und die Grammatikalisierungstheorie ist diachroner Natur – irreführend.
7 SYNCHRONE ANALYSE Wir haben bisher das Phänomen Subtraktion in den deutschen Dialekten aus sprachgeographischer und sprachhistorischer Sicht betrachtet. Jetzt wenden wir uns der synchronen grammatischen Analyse zu: Im Mittelpunkt dieses letzten Kapitels wird die Frage stehen, welche Rolle die subtraktiven Formen in der synchronen Grammatik einnehmen und wie sie zu analysieren sind. Wenn hier von Analyse die Rede sein soll, muss jedoch betont werden, dass diese Arbeit in erster Linie eine Korpusarbeit darstellt und dass das hier verwendete Material sehr heterogen ist. Gewisse Fragen können daher von Anfang an nicht geklärt werden. Zum Beispiel kann aufgrund des meist in Form von Paradigmen vorgefundenen, schriftlichen Belegmaterials nach der Rolle der Prosodie oder des Sandhi bei der Produktion subtraktiver Formen leider nicht gefragt werden. Ideal für eine grammatische Analyse wäre demgegenüber die genaue Untersuchung eines einzelnen Dialekts, bei der nicht nur einzelne Substantive abgefragt (s. Haas 1988), sondern bei der auch dieselben Substantive in unterschiedliche Satzkontexte eingebaut würden. Eine solche Analyse, die bisher fehlt, muss allerdings einer zukünftigen Arbeit vorbehalten bleiben. In diesem Teil stelle ich zunächst Grammatikmodelle vor, in deren Rahmen Subtraktion bisher behandelt wurde, und fange dabei mit den klassischen strukturalistischen Ansätzen an. Eine besonders prominente Rolle spielen in der Diskussion zwei Modelle: Erstens die Natürliche Morphologie, da die morphologische Diskussion über subtraktive Plurale im Deutschen von Vertretern dieser Schule angeregt wurde, und zweitens die Optimalitätstheorie, da die ausführlichsten Analysen zu subtraktiven Pluralen anhand dieses Modells durchgeführt wurden. Am Ende möchte ich meinen eigenen Analysevorschlag im Rahmen von Bybees Netzwerkmodell vorstellen. Allen bisherigen Ansätzen ist gemeinsam, dass nur subtraktive Plurale betrachtet werden. Bei der Vorstellung der Theorien werde ich deshalb darauf eingehen, inwieweit die jeweilige Theorie auch mit subtraktiven Dativen umgehen kann. 7.1 SUBTRAKTION IN STRUKTURALISTISCHEN MORPHOLOGIEMODELLEN Bekanntlich spielte die Morphologie bereits in den älteren Ausprägungen der Generativen Grammatik eine geringe Rolle, was zu einer „Wiedergeburt“ der Morphologie in den 1970er Jahren – zunächst in einem generativen Rahmen – geführt hat. Dies geschah aus der Erkenntnis, dass morphologisch konditionierte Variation nicht bloß auf phonologische Regeln reduziert werden kann und dass die Wortstruktur nicht mit der Satzstruktur gleichgesetzt werden darf (vgl.
154
Synchrone Analyse
Anderson 1982b, 571–572; Wurzel 1984, 9–11; Matthews 1991, 1–9). Jedoch findet sich im älteren amerikanischen Strukturalismus, beginnend mit Bloomfield (1933), eine rege Diskussion über Morphologie, bei der auch die in dieser Arbeit behandelten subtraktiven Formen zur Sprache kommen. In einem wichtigen Artikel beschreibt Charles Hockett, einer der prominentesten Vertreter des Strukturalismus amerikanischer Prägung vor der generativen Wende, zwei Morphologiemodelle, die beide charakteristisch für ihre Zeit waren (vgl. Hockett 1954): Diese nennt er Item-and-Arrangement (IA) und Itemand-Process (IP). Im Folgenden sollen diese Modelle vorgestellt und deren Behandlung von Subtraktion erläutert werden, da sie auch für die spätere Theoriebildung relevant sind. Zuerst sei jedoch eine Bemerkung zum historischen Hintergrund der beiden Modelle am Platze: Die IA- und IP-Modelle haben einen grundsätzlich unterschiedlichen Ausgangspunkt: Das IA-Modell geht von sprachlichen „items“ (Elementen) aus, deren Organisation Aufgabe der Morphologie ist. Das IP-Modell sieht demgegenüber nicht die Elemente als grundlegend, sondern Prozesse, die auf diesen Elementen operieren. Was genau diese Elemente sind, ist nicht immer klar. In klassischen IA-Modellen ist es in der Regel das Morphem, während es in IP-Modellen meistens der Stamm ist – andere Varianten sind aber auch möglich. Die IP-Modelle sind historisch die älteren: Hockett (1954, 210–211) sieht etwa in den Arbeiten Franz Boas’ und Edward Sapirs deren Anfang. Prozessbasierte Modelle haben eine gewisse Ähnlichkeit zu junggrammatischen Lautgesetzen: Ein sprachliches Element ändert sich unter bestimmten Bedingungen zu einem anderen, nur ist der Auslöser synchron die Morphologie und nicht die Phonetik/Phonologie, obwohl dies diachron umgekehrt gewesen sein mag. Vor allem diese implizite „Historizität“ prozessbasierter Modelle führte laut Hockett (1954, 211) zur Formulierung des IA-Modells, das den synchronen Umständen gerechter wird, indem es die Flexionsformen „as words in their own right“ (Bloch 1947, 399) segmentieren und klassifizieren will. 7.1.1 Item-and-Arrangement Das Item-and-Arrangement-Modell findet sich bereits in Ansätzen in Bloomfield (1933) – so spricht er z. B. bei der Plural- oder Präteritalbildung des Englischen von „simple morphologic arrangements“ (Bloomfield 1933, 210) – es wird jedoch in den 1940er Jahren ständig verfeinert (wichtige Arbeiten sind etwa Bloch 1947 und Harris 1948). Ausgangspunkt ist das Morphem: Grundlegend für die Schule des frühen amerikanischen Strukturalismus war die Auffassung, dass sich alle Wörter in Morpheme zerlegen lassen, die wiederum
Subtraktion in strukturalistischen Morphologiemodellen
155
aus phonologischem Material bestehen (vgl. Anderson 1988, 151–152).103 In Bezug auf die Pluralbildung könnte eine einfache Analyse in etwa so aussehen: Im englischen Wort books ‘Bücher’ steht das /s/ für das Pluralmorphem, das an das lexikalische Morphem book angehängt wird. Das erste Morphem denotiert eine besondere Entität, das zweite Pluralität. In dieser Anordnung ergibt sich dann die Bedeutung („constructional meaning“) ‘Entität im Plural’ (s. etwa Bloch 1947, 400). Das Wort verhält sich in dieser Hinsicht ähnlich wie der Satz, der sich mithilfe von Kombinationsregeln aus Phrasen zusammensetzt. Tatsächlich hat das IA-Modell einen Anspruch über die Wortebene hinaus: Meistens ist in früheren Arbeiten des amerikanischen Strukturalismus nicht von Morphologie, sondern von „Morphotaktik“, also der Anordnung von Morphemen in Wörtern und Phrasen, die Rede. Unterschiede zwischen Varianten eines Morphems, also den Allomorphen, gehören dagegen in den Bereich der „Morphophonemik“ (Morphophonologie) oder der Phonologie. Im IA-Modell, wie es Hockett formuliert, werden die Anfänge des generativen Programms Chomskys deutlich, indem es „sets forth principles by which one can generate any number of utterances in the language“ (Hockett 1954, 217). Morphologie wird zunehmend nicht als selbstständiger Teilbereich der Sprache betrachtet, sondern zum Epiphänomen von Syntax und Phonologie – eine Tendenz, die in den verschiedenen Stadien der Generativen Grammatik noch verstärkt wird (vgl. Anderson 1988, 146–147). Eine Sichtweise jedoch, welche die Anordnung von Morphemen zur Aufgabe der Morphologie bzw. Morphotaktik macht, bringt auch viele Probleme mit sich. Es fängt mit Nullpluralen wie fish – fish ‘Fisch, Fische’ an, bei denen für das IA-Modell nur eine Analyse fish + ∅ möglich ist. Hier wird also ein sprachliches Element angenommen, das phonologisch gar nicht realisiert wird. Noch schwieriger wird es bei modifikatorischen Pluralbildungen wie mouse – mice ‘Maus, Mäuse’ oder Präteritalbildungen wie take – took ‘nehmen, nahm’, wo ein Plural- oder Präteritalmorphem nur schwer isoliert werden kann. Hockett (1954, 223) diskutiert fünf Lösungsvorschläge für das letztere Problem und hält dabei die Annahme eines diskontinuierlichen Allomorphs für am besten vereinbar mit dem IA-Modell: took wäre demnach ein diskontinuierliches Allomorph /t...k/ des lexikalischen Morphems take und ein infigiertes Allomorph /u/ des Präteritalmorphems /ed/. Man merkt aber, dass diese Analyse nicht ganz intuitiv ist; der Morphembegriff stößt an seine Grenzen. Die leichtere Analyse, dass sich der Vokal im Präteritum ändert, wäre dagegen im IA-Modell nicht zulässig, weil hier ein Prozess angenommen wird. Nicht nur Vokalveränderungen,
103 Der Ausgangspunkt für die strukturalistische Diskussion über den Morphembegriff findet sich in Bloomfield (1933). Während aber Bloomfield unter Morphem eher das versteht, was man heute als Morph bezeichnen würde (also eine bestimmte lautliche Ausprägung), betrachten seine Nachfolger (Harris, Hockett, Nida), beginnend in den 1940er Jahren, das Morphem zunehmend als eine Abstraktion, als eine Klasse von Morphen, die dieselbe Bedeutung haben (vgl. Anderson 1988, 151–153).
156
Synchrone Analyse
sondern weitere nicht-konkatenative Phänomene wie Metathese, Reduplikation und Haplologie bereiten dem IA-Modell große Schwierigkeiten. Zu den Problemen gehören auch die in dieser Arbeit behandelten subtraktiven Formen, was bereits Bloomfield (1933, 217) erkannt hat. Er sieht für die französische Adjektivflexion (s. Kapitel 2.2.2) zwei Möglichkeiten: Die erste Lösung besteht darin, die maskulinen Formen als Basis und die femininen als abgeleitet zu betrachten. Dies führt, wie er zugibt, zu sehr komplexen Beschreibungen, denn die Allomorphe wären nicht vorhersagbar. Für die deutschen Dialekte würde dies z. B. heißen, dass bis zu elf Plural- bzw. Dativ-SingularAllomorphe angenommen werden müssten, von denen jedes für kleine oder sogar minimale Klassen an Substantiven definiert wäre. So kommt Truax (1991, 32) für die vokalverkürzenden Plurale des Ostfränkischen zur Schlussfolgerung, dass die Annahme eines diskontinuierlichen Allomorphs /f...S/ für ‘Fisch’ mit einem Infix /i/ für den Plural die entscheidende Tatsache vernachlässigt, dass der Singular einen langen, bimoraischen Vokal enthält. Die zweite Lösung, die Bloomfield bevorzugt, besteht dagegen darin, die maskulinen Formen von den femininen durch die Annahme eines „minus-feature“ (Harris 1942, 171: „minus morpheme“) abzuleiten. Eine solche Analyse für die Subtraktion in den hessischen Dialekten stellen Bergenholtz / Mugdan (1979, 66) vor: (11) /hon/ – ‘Hunde’ = /hond/ – ‘Hund’ + /–Cn / – ‘Plural’ (11) kann so gelesen werden: Der Plural von ‘Hund’ wird gebildet durch das lexikalische Morphem /hond/ und das grammatische Minusmorphem /-Cn /, das dafür sorgt, dass ein oder mehrere Konsonanten wegfallen (das n ist fehl am Platze, da immer nur ein Konsonant getilgt wird). Obwohl dies mathematisch gesehen unproblematisch ist, handelt es sich streng genommen nicht mehr um ein Morphem, denn es enthält weder phonologische Information noch ist es ein Nullelement; vielmehr impliziert der Terminus Minusmorphem eine Operation, die besser im Rahmen eines IP-Modells beschrieben werden sollte (vgl. Bergenholtz / Mugdan 1979, 108, die von „verkleidete[n] Anweisungen“ sprechen). Zwicky (1988, 322) kommt ebenfalls zu dieser Schlussfolgerung und meint, dass die Annahme eines phonologisch leeren Autosegments, dessen einzige Aufgabe es ist, eine Tilgung auszulösen, „metatheoretically distasteful“ sei. 7.1.2 Item-and-Process Im historisch älteren Item-and-Process-Modell wird die morphologische Struktur durch Regeln oder Prozesse aufgebaut. Zur Bildung des Plurals von mouse ‘Maus’ könnte etwa die Regel „ersetze /aU/ durch /aI/!“ angesetzt werden. Die zentrale Idee ist, dass komplexe Formen von einfacheren Formen abgeleitet werden. Parallel zu Entwicklungen in der generativen Grammatik erlangte das IP-Modell große Beliebtheit, besonders nach der Begründung der Generativen Phonologie in Chomsky / Halle (1968): Hier konnten Probleme
Subtraktion in strukturalistischen Morphologiemodellen
157
der englischen Morphologie wie Ablaut und Umlaut als der PF-Komponente („phonological form“) zuzuweisende phonologisch bedingte Allomorphie – sogenannte „readjustment rules“ – erklärt werden (vgl. Anderson 1988, 181; Spencer 1991, 62–67). Subtraktion könnte durch Modifikation der Regel in (11) so umformuliert werden: „Um den Plural zu bilden, tilge den stammfinalen Konsonanten!“, oder formalisiert, wie in (12 a–b): (12) (a) C → ∅ / VC_# (b) C → ∅ / V_# Diese Regeln sind jedoch eindeutig zu stark formuliert, denn sie würden auch subtraktive Formen, die in deutschen Dialekten gar nicht belegt sind, produzieren, wie Bank – Ban und Buch – Bu. Offensichtlich brauchen wir also eine striktere Regel, und zwar eine solche, die besagt, dass nur ein zugrundeliegend stimmhafter Plosiv getilgt werden darf, der einem sonoren Laut (entweder Nasal oder Liquid bei Konsonantenclustern oder Vokal) folgt. Die zwei Subtraktionstypen könnten so unter (13) zusammengefasst werden: +obstruent (13) −continuant → ∅ / −obstruent _#104 +voice Problematisch an dieser Regel ist nun, dass sie noch immer im Falle der Vokal+Konsonant-Abfolgen zu weit greift. Allerdings ist es hier nicht so leicht, die genauen phonologischen Bedingungen zu formulieren. Zwar haben wir gesehen, dass bei Vg-Abfolgen Subtraktion nach hinteren Vokalen präferierter ist als bei mittleren oder vorderen, aber dies gilt keineswegs immer. Golston / Wiese (1996) behaupten, wie wir in Kapitel 7.3.2 sehen werden, dass alle Vokale das Merkmal [dorsal] tragen und dass nur solche Konsonanten, die dieses Merkmal auch aufweisen, getilgt werden dürfen. Es wird sich aber später zeigen, dass diese Annahme vor dem Hintergrund der Dialektdaten zu revidieren ist. So lassen sich viele Subtraktionsfälle auch mithilfe strikterer Regeln nur schwer fassen. Der große Vorzug des IP-Modells und somit (13) gegenüber dem IA-Modell und (11) ist die Möglichkeit, auch Stammveränderungen wie Umlaut oder Subtraktion mittels einfacher Operationen zu erklären. Während subtraktive Formen im IA-Modell nur durch die Annahme additiver Regeln analysierbar sind, sind sie in prozessbasierten Modellen im Prinzip rekonstruierbar. Ein Nachteil des IP-Modells ist allerdings, dass es weniger restriktiv als das IAModell ist. So können auch unnatürliche Formen, die in Sprachen gar nicht belegt sind, vorhergesagt werden (vgl. Anderson 1992, 63). Für die Analyse der subtraktiven Formen in dieser Arbeit versagt das IP-Modell, da es die subtraktiven Formen übergeneralisiert (s. auch Truax 1991, 34), denn es 104 Bei der Annahme zugrundeliegender phonologischer Merkmale lehne ich mich an Wiese (1996, 19–26) an.
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Synchrone Analyse
kann nicht zwischen produktiven und nicht-produktiven und phonologisch und morphologisch konditionierten Alternationen unterscheiden (vgl. Bybee 1988, 120). Die Annahme, dass der Singular vom Plural abgeleitet wird, dass die Relation zwischen den zwei Formen also keine subtraktive, sondern eine additive ist, stellt auch im IP-Modell ein schwieriges Unterfangen dar: Beim Hinzufügen eines Obstruenten wäre eine große Anzahl von Regeln mit vielen Ausnahmen erforderlich. Ohne maximal elf lexikalisch beschränkte Klassen anzunehmen, würde dies sowohl bei Konsonantenclustern als auch bei Vokal+Konsonant-Abfolgen zu Problemen führen, da es in den deutschen Dialekten viele nicht-subtraktive Pluralformen gibt, die auf einem Vollvokal enden, z. B. [bi:] ‘Bienen’ oder [Sde:] ˚ ‘Steine’ in Ebsdorf (Beispiele aus: Haas 1988, 66 und 73). Eine additive Regel würde ohne weitere Spezifizierung an dieser Stelle die falschen Singularformen *[Sde:g] oder *[bi:g] produzieren, im ersten Fall mit möglicher Homonymie mit ˚ ‘Steg’ zur Folge. Ähnlich würde bei Substantiven, die im Plural auf -n und -r enden (beides häufige Pluralsuffixe), falsche Singularformen entstehen. Dann bliebe nur die Annahme lexemspezifischer Regeln übrig. Der hohe kognitive Aufwand solcher Regeln macht diese jedoch zu einer unattraktiven Analyse für ein traditionelles Morphologiemodell (s. auch Martin 1988, 233). 7.1.3 Generative Morphologie: Distributed Morphology Seit den 1970er Jahren ist ein erhöhtes Interesse an der Morphologie auch vonseiten generativ arbeitender Linguisten zu spüren. In den frühen 1990er Jahren wurde die Theorie der Distributed Morphology (DM) entwickelt, parallel zum minimalistischen Programm (s. Halle / Marantz 1993). Es handelt sich dabei um ein morphembasiertes Modell, in dem ein generatives System sowohl für die Phrasen- als auch für die Wortebene postuliert wird (vgl. Embick / Noyer 2007, 290). Die Vertreter der DM-Theorie gehen davon aus, dass sich die syntaktischen Operationen auch auf die Wortstruktur übertragen lassen, dass in einigen Fällen aber zusätzliche phonologische Prozesse die syntaktische Struktur verändern können („readjustment rules“). Die Morphologie ist in diesem Modell gleichsam „distribuiert“ zwischen der Syntax einerseits und der Phonologie andererseits. Eine wichtige Annahme ist dabei, dass grammatische Morpheme („abstract morphemes“) bei der syntaktischen Derivation noch nicht über eine phonologische Form verfügen (= „syntax first“). Eine solche bekommen sie erst nach dem Prinzip „late insertion“ in der PF-Komponente zugewiesen. Die DM ist somit eine syntaktische Morphologietheorie (vgl. Embick / Noyer 2007, 289–301). Bye / Svenonius (2012) legen dar, wie nicht-konkatenative Morphologie im Rahmen einer Distributed Morphology behandelt werden kann, und gehen dabei explizit auf die subtraktiven Plurale im Hessischen und die Studie von Golston / Wiese (1996) ein (s. hierzu Kapitel 7.3.2). Subtraktive Formen sind laut Bye / Svenonius (2012, 489) besonders interessant, weil es eine
Subtraktion in strukturalistischen Morphologiemodellen
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relativ verbreitete Ansicht sei, dass sie sich nur mithilfe eines prozessbasierten Ansatzes beschreiben ließen. In Ermangelung solider Beispiele für subtraktive Morphologie nehmen deswegen fast alle morphembasierten Modelle an, dass es echte Subtraktion eigentlich gar nicht gibt, sondern dass sie immer Ausdruck für etwas anderes ist. Dies ist bei Bye / Svenonius (2012, 441) nicht anders: Alle nicht-konkatenativen Prozesse werden hier als Epiphänomene der Phonologie angesehen. Bye / Svenonius (2012, 490) stellen fest, dass der Ansatz von Golston / Wiese (1996) in ihrem Modell nicht anwendbar ist, da syntaktische und phonologische Merkmale in einer Beschränkung (Son|PL) gemischt werden.105 Sie gehen stattdessen davon aus, dass die subtraktiven Plurale im Hessischen suppletiv sind und eine geschlossene Klasse bilden, die nicht auf neue Wörter ausgedehnt werden kann. Sie schlagen vor, Subtraktion als eine besondere Art von autosegmentaler Affigierung zu behandeln, bei der dem letzten Konsonantensegment des Stammmorphems ein Merkmal („floating feature“) hinzugefügt wird, das zur Folge hat, dass ein ganzes Segment „objectionable“ wird und somit von der Phonologie getilgt werden muss. Für das Hessische stellen sich Bye / Svenonius (2012, 491) vor, dass dieses Merkmal, den Befund von Golston und Wiese aufgreifend, [+sonorant] ist. Man könnte eine Regel wie in (14) aufstellen: (14) [F] : rt} ⇔ Regel (14) ist wie folgt zu lesen: Füge dem letzten Knoten (rt = root = VCKnoten) vor der Wortgrenze ein Merkmal hinzu.106 Da wir es mit suppletiven Formen zu tun haben, muss im Lexikon festgelegt sein, mit welchen Stämmen dieses Pluralallomorph verbunden werden kann. Ferner muss die Position des einzufügenden Merkmals lexikalisch spezifiziert sein, sonst ist das Resultat nicht zwangsläufig subtraktiv. Das Einfügen dieses Merkmals bringt in der PF Reduktionsprozesse mit sich (Konsonantenassimilation, Degemination): //faind+C[son] // → /fainn/ → [fain], die als „readjustment rules“ beschrieben werden (vgl. Bye / Svenonius 2012, 491). Wie man sich diesen Prozess in der PF vorzustellen hat, habe ich anhand der Erörterungen der Autoren zum Tohono O’odham in OT-Tableau 1 auf der nächsten Seite darzustellen versucht.
105 Auf Knaus (2003), der dieses Problem gelöst hat, gehen sie nicht ein. 106 Die Regel in (14) und OT-Tableau 1 beziehen sich auf eine frühere, im Jahr 2010 veröffentlichte Vorabversion des Papers (vgl. Bye / Svenonius 2010).
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Synchrone Analyse
hond
*C[F ]
Ident[F]
Max
F hond
*!
F hond
+
*!
hon
*
Tableau 1: Subtraktion in der PF (in Anlehnung an: Bye / Svenonius 2010, 51)
Das Einfügen des Merkmals [+sonorant] muss phonologische Konsequenzen haben; dies stellt die Beschränkung *C[F] sicher, die am höchsten gerankt ist. Es gibt zwei Möglichkeiten, sie zu erfüllen: Entweder wird das Positionsattribut getilgt, was eine Nullform ähnlich der Inputform zur Folge hat, oder das Segment, mit dem das Merkmal verbunden ist, wird getilgt, was zur Subtraktion führt. Da die Treuebeschränkung Ident[F](= „entsprechende Segmente haben identische Werte für das Merkmal F“) höher gerankt ist als Max (= „ jedes Element im Input hat eine Entsprechung im Output“), ist der subtraktive Kandidat optimal (vgl. Bye / Svenonius 2012, 493–494). Die Analyse von Bye / Svenonius (2012) zeigt, dass subtraktive Formen (wenn auch auf Umwegen) in einem generativen Modell abgeleitet werden können. Die Analyse ist vom Grundprinzip her ähnlich der im IA-Modell (s. Beispiel 11), bei dem ein Morphem postuliert wird, dessen einzige Aufgabe es ist, phonologisches Material zu entfernen. Sie geht aber etwas darüber hinaus, indem sie Einsichten von Golston / Wiese (1996) und Holsinger / Houseman (1999) zusammenführt. Die Autoren machen nämlich die zusätzliche Annahme, dass nur bestimmte Plurale das Merkmal [+sonorant] zugewiesen bekommen. Da dies aber nur für eine geschlossene Klasse von Pluralen angenommen wird und nicht als ein Merkmal der deutschen Pluralbildung (Golston / Wiese 1996) oder ein sprachübergreifendes Wohlgeformtheitsprinzip für Silben (Knaus 2003) angeführt wird, bleibt die Analyse weitgehend stipulativ. Auch die Prämisse, dass Plurale im Deutschen auf einem Sonoranten enden sollen, ist nicht problemlos, was in Kapitel 7.3.2 näher erörtert wird. 7.1.4 Diskussion Die obige Gegenüberstellung von klassischen strukturalistischen Item-and-Arrangement- und Item-and-Process-Modellen und späteren generativen Ansätzen hat gezeigt, dass ein prozessbasierter Ansatz einem itembasierten vorzuziehen ist, da bei subtraktiven Formen kein phonologisches Material isoliert werden kann, sondern im Gegenteil etwas abgezogen wird. Somit ist die traditionelle Vorstellung vom Morphem als kleinster bedeutungstragender Einheit mit dem
Subtraktion in strukturalistischen Morphologiemodellen
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Phänomen grundsätzlich nicht vereinbar. Morphembasierte Modelle können zwar durch affigierende Analysen gerettet werden (z. B. durch die Annahme, dass der Singular vom Plural abgeleitet wird), doch verstößt dies gegen das Ideal eines möglichst minimalen Sets an Morphemen, mit denen man eine (praktisch) unendliche Anzahl an Äußerungen generieren kann (vgl. Hocketts fünftes Kriterium für eine adäquate Grammatiktheorie, s. Hockett 1954, 233). Die Annahme eines Minusmorphems sollte dagegen definitiv aufgegeben werden: Nicht nur kollidiert sie mit dem traditionellen Morphembegriff, sie suggeriert auch eine Operation, also eine prozessbasierte Morphologie. Aber auch bei prozessbasierten Modellen haben wir gesehen, dass sie unser Phänomen nicht adäquat erfassen, weil die postulierten Regeln entweder zu stark sind und zu viele falsche Formen generieren würden oder zu restriktiv sind, so dass man nach deren Ökonomie fragen muss. Bekanntlich erwähnt Hockett (1954, 210) auch ein drittes Modell, Wordand-Paradigm (WP), das wesentlich älter ist und sich an die schulgrammatische Tradition anlehnt. Dieses Modell wurde später von Robins (1959), Matthews (1972) und Anderson (1992) weiterentwickelt und ist besonders bei der Beschreibung von flektierenden Sprachen mit kumulativer Exponenz geeignet. Da aber Analysen zur Subtraktion im Rahmen dieses Modells meines Wissens nicht vorliegen, wurde es in diesem Teil außer Betracht gelassen. Das WP-Modell macht allerdings eine wichtige Annahme, die in meiner Analyse und in jüngeren, gebrauchsbasierten Morphologiemodellen zentral ist: Die Morphologie arbeitet nicht mit Morphemen als Basiseinheiten, sondern mit vollen Wortformen und den Beziehungen zwischen diesen Wortformen. Da ältere WP-Modelle diese Beziehungen jedoch als Regeln erfassen, ist zunächst unklar, ob ein WP-Ansatz in diesem Fall bessere Voraussagen macht als ein IP-Ansatz. Eine wichtige Frage, die die Natur der Subtraktion in den deutschen Dialekten betrifft, ist schließlich, ob sie überhaupt als morphologisches Phänomen betrachtet werden darf. Viele Morphologiemodelle scheitern wohl nicht zuletzt deswegen an subtraktiven Formen, weil – wie oben gezeigt worden ist – der phonologische Anteil zumindest rein diachron größer ist als der morphologische. Viele Arbeiten zu subtraktiven Formen im Deutschen rücken sie deswegen eher in den Aufgabenbereich der sogenannten Morphophonologie (so z. B. Haas 1988 und Golston / Wiese 1996) und verstehen sie somit als lautliche Alternationen, die auf bestimmte morphologische Umgebungen beschränkt sind. Obwohl eine solche Alternation in der Regel ursprünglich rein phonologisch bedingt ist, kann sie synchron nicht mit einer phonologischen Regel beschrieben werden, da sie nicht (mehr) in allen Umgebungen greift. Mit morphophonologischen Alternationen ist also ein gewisser Grad an Suppletion (bzw. Lexikalisierung) gemeint (vgl. Haspelmath 2002, 181–206). Der Suppletionsaspekt wird in meiner eigenen Analyse eine wichtige Rolle spielen: Strukturalistische Morphologietheorien tun sich allerdings mit diesem Bereich der Morphologie eher schwer.
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Synchrone Analyse
7.2 SUBTRAKTION IN DER NATÜRLICHEN MORPHOLOGIE 7.2.1 Theoretische Grundlagen Die Theorie der Natürlichen Morphologie, die in den 1970er Jahren entworfen, zuerst in Mayerthaler (1981) einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgelegt und von Wurzel (1984) und Dressler (1985) weiterentwickelt wurde, versucht sich vom strukturalistischen Paradigma zu lösen, indem der Morphologie neben der Phonologie und der Syntax eine zentrale Rolle in den Sprachen der Welt eingeräumt wird. Der Kerngedanke ist, dass gewisse morphologische Prozesse und Strukturen natürlicher sind als andere: Natürlich ist ein morphologischer Prozess bzw. eine morphologische Struktur laut Mayerthaler (1981, 2) dann, „wenn er/sie a) weit verbreitet ist und/oder b) relativ früh erworben wird und/oder c) gegenüber Sprachwandel relativ resistent ist oder durch Sprachwandel häufig entsteht etc.“ Dabei spielt eine auf die Prager Schule zurückgehende Vorstellung von Markiertheit eine wichtige Rolle, wobei Markiertheit und Natürlichkeit umgekehrt proportional zueinander stehen: „Ein morphologisches Phänomen ist um so weniger markiert, je natürlicher es ist, und um so mehr markiert, je weniger natürlich es ist“ (Wurzel 1984, 21). Der zentrale explanative Anspruch der Natürlichen Morphologie besteht darin, morphologischen Wandel als Abbau unnatürlicher Strukturen zu charakterisieren. Das Markiertheitskonzept wird bereits in Mayerthaler (1981, 4–39) ausführlich behandelt. Er spricht von drei verschiedenen Markiertheitstypen, die voneinander zu unterscheiden sind. 1) semantische Markiertheit (Kategorienmarkiertheit) und 2) formale Markiertheit (Symbolisierungsmarkiertheit). Über Markiertheitswerte (sem-Wert für semantische Markiertheit, sym-Wert für formale Markiertheit) ergibt sich sodann 3) die abgeleitete Markiertheit für kodierte/symbolisierte Kategorien (m-Wert). Diese Markiertheitswerte sind jedoch nicht Teil des eigentlichen Sprachsystems, sondern sie stellen „Bewertungsprädikate“ dar, die mit bestimmten „unbewussten Bewertungsprozeduren“ der Sprecher korrelieren (Wurzel 1984, 21). Die semantische Markiertheit berücksichtigt, inwiefern morphologische Kategorien die sogenannten „prototypischen Sprechereigenschaften“ widerspiegeln: Konzepte, die dem prototypischen Sprecher nahestehen, sind semantisch unmarkiert, während Konzepte, die ihm ferner sind, auch semantisch markiert sind. So ist z. B. die 1. Person dem Sprecher näher als etwa die 2. oder 3. Person, das Subjekt näher als das Objekt und der Singular näher als der Plural. Was die letztere Anordnung betrifft, führt Wurzel (1984, 22) an, dass der prototypische Sprecher in der Regel einzeln spreche; ferner sei der Singular dem Sprecher auch perzeptiv leichter zugänglich, da nichtkomplex. Bei der Symbolisierungsmarkiertheit handelt es sich dagegen um die Art und Weise, wie morphologische Kategorien symbolisiert werden. Eine Symbolisierung ist laut Mayerthaler (1981, 22) dann optimal bzw. maximal natürlich, wenn sie „konstruktionell ikonisch, uniform und transparent ist, andernfalls mehr oder minder unnatürlich.“ Mayerthaler (1981, 21) gibt zu, dass der Begriff „optimale Symbolisierung“ ein rein theoretisches Konstrukt
Subtraktion in der Natürlichen Morphologie
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darstelle, das v. a. die Frage beantworten solle, wie die Morphologie in einer hypothetischen Sprache beschaffen wäre, wenn die Morphologie dort völlig autonom und isoliert agieren würde. Zusammen bilden die drei Prinzipien konstruktioneller Ikonismus, Uniformität und Transparenz – in dieser Reihenfolge – eine Natürlichkeitshierarchie (vgl. Mayerthaler 1981, 160). Für unsere Zwecke ist das Prinzip des konstruktionellen Ikonismus relevant, das die zwei Markiertheitstypen semantische und formale Markiertheit zusammenführt.107 Es besagt, dass eine semantisch unnatürliche Kategorie bzw. ein semantisches Mehr (der Plural repräsentiert intuitiv ein Mehr gegenüber dem Singular) auch mit einem morphologisch größeren Ausdruck (mit größerer Symbolisierungsmarkiertheit) einhergehen sollte (vgl. Mayerthaler 1981, 23–27). Für konkrete Beispiele sei auf Tabelle 43 hingewiesen. Eine bestimmte Pluralmarkierung ist demnach maximal ikonisch, wenn sie segmental-additiv merkmalhaft ist (vgl. Wurzel 1984, 23), d. h. wenn Segmente hinzugefügt werden, und weniger als maximal ikonisch, wenn bestehende Segmente gedehnt werden (modulatorisch-additiv). Sodann nimmt die Natürlichkeit deutlich ab: Modulatorische Prozesse wie Umlaut sind nur minimal ikonisch, Nullmarkierungen nichtikonisch. Die in dieser Arbeit behandelten subtraktiven Formen sind kontraikonisch: Einem semantischen Mehr entspricht ein phonologisches Weniger. Formen
Ikonizität
Hund – Hund-e, vir – vir-¯ı mest-o – mest-om
maximal ikonisch
hunt – hint, Vater – Väter mest-o – mest-a fót-r – fø´t-r
minimal ikonisch
Spiegel – Spiegel, sheep – sheep mest-o – mest-o
nichtikonisch
hond – hon equ-us – equ-¯ı mest-o – mest
kontraikonisch
Tabelle 43: Konstruktioneller Ikonismus in der Natürlichkeitstheorie (nach: Wurzel 1984, 59)
Für kontraikonische Plurale im Standarddeutschen gibt Wurzel (1984, 23) nur das weniger einleuchtende Beispiel Elternteil – Eltern an. Allerdings ist dabei 107 Stark vereinfacht besagen die Prinzipien der Uniformität und Transparenz, dass eine Funktion nur durch eine Form symbolisiert werden soll und umgekehrt (one function → one form, one form → one function). Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Mayerthaler (1981, 34–37) und Wurzel (1984, 23). Für eine aus meiner Sicht berechtigte Kritik dieses unnötig komplizierten Begriffspaares s. Haas (1988, 20–21).
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Synchrone Analyse
anzumerken, dass Eltern genauer betrachtet ein Pluraletantum darstellt (ahd. eltiron, altiron; Plural des Komparativs von ‘alt’, vgl. Kluge, 243), dessen Singularform durch Komposition gebildet wird (man vergleiche die eher fachsprachliche Singularform Elter, die ins Schema des konstruktionellen Ikonismus passt). Man könnte auch vom Singulativ (= der Singular wird segmental-additiv markiert) sprechen, wobei man diesen Begriff eher für Sprachen reservieren sollte, bei denen merkmalhafte Singularformen üblich sind (vgl. Mayerthaler 1981, 51; s. auch Corbett 2000, 16–18).108 Mayerthaler (1981, 48–53) erklärt Singulativformen allgemein mit sogenannter Markiertheitsumkehrung: In bestimmten, markierten Kontexten kann es dazu kommen, dass die Markiertheitswerte „umgekehrt“ werden, was sowohl inner- als auch außergrammatische Gründe haben mag. In diesem besonderen Fall ist der Plural offensichtlich weniger markiert als der Singular. Mayerthaler (1981, 52) stützt sich dabei auf die Beobachtung, dass alle Sprachen, die Singulativformen mehr oder weniger systematisch bilden, auch den Kollektivplural kennen. In bestimmten Denotatsbereichen, so Mayerthaler, könne dieser Kollektivplural dann primär werden. Dies böte eine Erklärung für die in Kapitel 2.2 besprochenen subtraktiven Formen im Singhalesischen, vorausgesetzt, dass die Annahmen von Nitz / Nordhoff (2010) richtig sind. Im Gegensatz zu Mayerthaler (1981) arbeitet Wurzel (1984) mit Beispielen aus deutschen Dialekten. Grundlage der Diskussion ist Schirmunski (1962).109 Wurzel nennt die Trias standarddeutsch Hund – Hund-e, südfränkisch hunt – hint und oberhessisch hont – hon und sieht die oberhessische Pluralform als ein Beispiel für subtraktive Morphologie an. Subtraktive Regeln haben laut Wurzel (1984, 53) grundsätzlich die Form in (15): S +F Km (15) →∅/ X]w1 . +Ki +Kj Die Regel ist so zu lesen: In einer Flexionsklassem wird eine Kategoriej durch die Tilgung eines oder mehrerer Segmente der Inputform markiert.110 Wurzel sieht dabei die Morphologie prinzipiell als prozessbasiert an: Der Pluralmarker ergibt sich nur indirekt durch das Verhältnis zwischen Input- und Outputform (vgl. Wurzel 1984, 53). Für die hessischen Pluralformen stellt er die Regel in (16) auf: +kons (16) → ∅ / [+Sub − P l]]s +P lur
108 Interessanterweise gibt es laut Corbett (2000, 16–18) keine Sprache, in der das System Kollektivplural vs. Singular (bei Corbett: general/plural vs. singular) konsequent durchgeführt ist, was er auf Markiertheitseffekte zurückführt. 109 Im Rahmen der Natürlichkeitstheorie wurden die subtraktiven Formen in deutschen Dialekten wohl zum ersten Mal in Wurzel (1981) diskutiert (vgl. Mel’čuk 1991, 289). 110 X ist der Abstand zwischen alternierendem Segment und Wortgrenze (vgl. Wurzel 1984, 52). In unserem Fall ist er gleich 0.
Subtraktion in der Natürlichen Morphologie
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Diese morphologische Regel besagt, dass bei einem Substantiv der subtraktiven Klasse der Plural dadurch symbolisiert wird, dass der stammfinale Konsonant getilgt wird. Sie ist aber offensichtlich zu stark formuliert, wie auch Knaus (2003, 56) bemerkt. 7.2.2 Diskussion Aus der Sicht der Natürlichen Morphologie sollten subtraktive Formen aufgrund ihrer Unnatürlichkeit eigentlich gar nicht existieren. Wo es sie dennoch gibt, so die Vorhersage, sind sie akut bedroht. Aus synchroner Sicht stimmt dies teilweise: Wie wir in Kapitel 6 gesehen haben, ist ein flächendeckender Abbau subtraktiver Formen zumindest im westmitteldeutschen Raum zu beobachten, aber vermutlich nicht nur aus innermorphologischen Gründen. Allerdings ist es für die Natürlichkeitstheorie ein grundsätzliches Problem, dass diese kontraikonischen Formen seit 400 bis 500 Jahren bestehen (vgl. Kapitel 4). Offensichtlich waren sie „natürlich“ genug, um sich so lange zu halten. Da Suppletion in der Natürlichen Morphologie keine nennenswerte Rolle spielt (vgl. Mayerthaler 1981, 39, der sie ausklammert), bleiben ihren Vertretern grundsätzlich nur zwei Erklärungen für den Erhalt subtraktiver Formen: Natürlichkeitskonflikte und Markiertheitsumkehrungen (vgl. Mayerthaler 1981, 123 und Truax 1991, 37–38), beides Annahmen, die weder mit der Theorie noch mit den Daten wirklich vereinbar sind. Dressler (1984) bringt eine dritte Erklärung, Systemangemessenheit im Sinne von Wurzel (1984), ins Spiel, die im Zusammenhang mit den Natürlichkeitskonflikten zu sehen ist. 7.2.2.1 Natürlichkeitskonflikte und Systemangemessenheit Neben der morphologischen Natürlichkeit wird von Mayerthaler (1981) und Wurzel (1984) ein Prinzip der phonologischen Natürlichkeit angenommen (s. Kapitel 5.3). Die zwei Prinzipien haben jedoch unterschiedliche Ziele, was zu sogenannten Natürlichkeitskonflikten führen kann: Während die phonologische Natürlichkeit eine Optimierung der Produktion oder Verarbeitung sprachlicher Formen anstrebt, ist das Ziel der morphologischen Natürlichkeit die optimale Symbolisierung grammatischer Kategorien (vgl. Wurzel 1984, 30). Ein Maximum an beidem ist nicht möglich. Beim Postulieren von Natürlichkeitskonflikten greift die Schule der Natürlichen Morphologie den alten, junggrammatischen Dualismus von Lautgesetz und Analogie wieder auf. Was gut für die Phonologie ist, ist nicht notwendigerweise gut für die Morphologie. In diesem Spannungsfeld finden wir die Triebkraft des Sprachwandels (vgl. Wurzel 1984, 34). Das Vorkommen subtraktiver Formen könnte man nun dadurch erklären, dass sich phonologische Natürlichkeit (Vereinfachung von Konsonantenclustern, Tilgung von Schwa) zulasten der morphologischen Natürlichkeit durchsetzt (vgl. Nübling 2006, 121).
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Synchrone Analyse
Es ist aber nicht klar, wieso sich phonologische Natürlichkeit über ein halbes Jahrtausend in einer bestimmten Kategorie hat durchsetzen können, ohne die universelle Theorie der Natürlichen Morphologie zu schwächen. Dass eine Reaktion vonseiten der Morphologie durchaus möglich ist, zeigen die deklinationsklassenspezifischen kontraikonischen Genitiv-Plural-Markierungen in vielen slavischen Sprachen.111 Diese Formen sind durch teils ähnliche Prozesse wie die subtraktiven Formen in den Dialekten des Deutschen entstanden, und zwar durch Schwund von wortfinalem urslavischem *i und *u (vgl. Fortson 2010, 422–423). Jedoch zeigt sich, dass in vielen polnischen und tschechischen Dialekten das Genitivsuffix von anderen Deklinationsklassen in diesen Fällen generalisiert wird, womit die „Kodierungsstörung“ abgebaut wird (vgl. Mayerthaler 1981, 43). Im Sorbischen scheint sich diese Entwicklung sogar durchgesetzt zu haben (vgl. Wurzel 1998, 58). Dies ist jedoch in den deutschen Dialekten nicht passiert: Hier korreliert der im 20. Jahrhundert zu beobachtende rapide Abbau subtraktiver Formen primär mit standardsprachlichem Einfluss (vgl. Kapitel 6), einem Faktor, der von den Theoremen der Markiertheitstheorie explizit ausgeschlossen wird (vgl. Wurzel 1984, 24–25). Die Entstehung subtraktiver Formen wie in den deutschen Dialekten kann man problemlos als Natürlichkeitskonflikt auslegen, bei dem sich phonologische Natürlichkeit durchgesetzt hat. An dieser Stelle muss man aber zwischen Synchronie und Diachronie sauber trennen (s. auch Ronneberger-Sibold 1988, 459): Die phonologischen Regeln, die zu den subtraktiven Formen geführt haben, sind synchron nicht mehr wirksam. Es ist deswegen unwahrscheinlich, dass es sich synchron um einen Natürlichkeitskonflikt handelt. Dieser Meinung scheint auch Dressler (1984, 80–83) zu sein: Er spricht bei den subtraktiven Formen von „historical accidents“. Die Entstehung subtraktiver Formen sei dabei Resultat eines Natürlichkeitskonflikts, synchron könnten sie durch typologische und einzelsprachliche Systemangemessenheit im Sinne von Wurzel (1984) erklärt werden. Letztere Annahme braucht ein wenig Kontext. Dresslers Ausgangspunkt sind die Ableitungen von bestimmten lateinischen und griechischen Berufsbezeichnungen in vielen slavischen Sprachen: russ. kritika – kritik ‘Kritik, Kritiker’, fonetika – fonetik ‘Phonetik, Phonetiker’. Diese sind laut Dressler (1984, 81) diachron durch Natürlichkeitskonflikte entstanden: /fonetik-a-ik/ (Derivation durch Affigierung) → /fonetik-ik/ (Trunkierung des femininen Stammvokals a) → /fonetik/ (Haplologie). Synchron haben sich die Formen erhalten, da sie typologisch und einzelsprachlich systemangemessen sind (vgl. Dressler 1984, 82–83): typologisch, weil subtraktive Formen in agglutinierenden Sprachen nicht vorkommen, in den flektierenden Sprachen, zu denen das Russische gehört, aber schon. Einzelsprachlich sind sie systemangemessen, weil agentive Maskulina oft ein ähnliches Suffix tragen (-nik, -čik usw.). Für das Deutsche ist aber zunächst nicht klar, warum die Formen systemangemessen sein sollten. Die Annahme, 111 Wir erinnern uns aber, dass diese Formen nach der Definition in Kapitel 2.1 nicht subtraktiv sind.
Subtraktion in der Natürlichen Morphologie
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dass Plurale in einen Sonoranten enden, bietet sich hier an, aber dies wäre kein Parameter im Sinne von Wurzel (1984, 82). Eine solche morphophonologische Regel lässt sich in einem anderen Modell, der Optimalitätstheorie, besser darstellen, wie in Golston / Wiese (1996) (s. Kapitel 7.3). 7.2.2.2 Markiertheitsumkehrungen Während Natürlichkeitskonflikte – die übrigens eine frappierende Ähnlichkeit zu den Annahmen der im nächsten Kapitel vorzustellenden OT-Modelle aufweisen – meines Erachtens die synchrone Existenz subtraktiver Formen nicht erklären können (und auch wenn dies der Fall wäre, würden sie die Aussagekraft der Theorie erheblich schwächen), ist die zweite Erklärung – Markiertheitsumkehrung – auf den ersten Blick wesentlich attraktiver. Die Annahme einer Markiertheitsumkehrung wäre jedoch nur bei Lexemen, bei denen man eine Art Kollektivverwendung im Plural nachweisen könnte, plausibel. Um dies zu überprüfen, bin ich rein statistisch verfahren, so dass subjektive Urteile über Lexembedeutungen vermieden werden konnten. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass Tokenfrequenz in der Natürlichkeitstheorie keine Rolle spielt. Sie besitze laut Mayerthaler (1981, 137) keinen explanativen Wert, sondern sei „partiell ein Epiphänomen von Natürlichkeit.“ Umgekehrt könnte aber eine höhere Tokenfrequenz der Wortform eines bestimmten Lexems in einer prototypisch markierten als in einer unmarkierten Kategorie im günstigen Fall auf eine Markiertheitsumkehrung hindeuten. Da das Verhältnis von Singular- und Pluralformen in einem Häufigkeitswörterbuch wie Ruoff (1981) nicht behandelt wird, habe ich, um eine zumindest annähernd vergleichbare dialektale Grundlage wie in den von mir untersuchten Dialektgrammatiken und -wörterbüchern zu bekommen, im Deutschen Spracharchiv, genauer: in den Transkripten der sogenannten Zwirner-Aufnahmen, nach Singular- und Pluralformen aller im dialektgeographischen Teil vorgefundenen subtrahierenden Lexeme gesucht. Das Zwirner-Korpus deckt das Gebiet der alten Bundesrepublik (einschließlich angrenzender Gebiete in den Niederlanden, Frankreich, Liechtenstein und Österreich) gleichmäßig ab, verteilt auf sogenannte Planquadrate.112 Die von mir für die Korpusrecherche bearbeiteten Zwirner-Transkripte, die leider nicht für das gesamte Korpus (zu den insgesamt 5857 Tonaufnahmen sind nur 2133 transkribiert und online zugänglich) und in unterschiedlicher Qualität vorliegen, haben immerhin etwa 3.500.000 Tokens.113 Das Zwirner-Korpus ist allerdings nicht annotiert, so dass eine Suche 112 vgl. ; Stand: 13.02.2014. 113 Die Datengrundlage in Ruoff (1981), 1500 Tonaufnahmen aus 400 Orten in BadenWürttemberg, Bayerisch-Schwaben, Vorarlberg und Liechtenstein, umfasst dagegen etwa 2.500.000 Tokens, von denen man sich bei der Erstellung des Wörterbuchs auf 500.000 beschränkte (vgl. Ruoff 1981, 9–10).
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Synchrone Analyse
mithilfe des Programms AntConc 3.2.4 (siehe Anthony 2011) und regulärer Ausdrücke notwendig war. Da die Belegzahlen teilweise gering sind, habe ich die gleiche Suche im Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) über dessen Schnittstelle COSMAS II gemacht. Detaillierte Informationen zum Vorgehen und eine vollständige Liste finden sich in Anhang D.114 Während der Durchschnittswert für Plural bei den von mir untersuchten Lexemen (s. Anhang D) bei 29,7 Prozent liegt (vgl. Corbett 2000, 281–286 für andere Sprachen), finden sich bei insgesamt elf Lexemen teils wesentlich höhere Werte für den Plural im DeReKo, was auf eine Markiertheitsumkehrung deuten könnte. Im Zwirner-Korpus sind es sogar 15 Lexeme, wobei die absoluten Zahlen teilweise sehr gering sind. Die wesentlichen Resultate habe ich in Tabelle 44 zusammengetragen und dabei auf solche Lexeme verzichtet, die selten bis sehr selten subtrahieren (z. B. ‘Ding’ oder ‘Rind’). Lexem
Singular Plural Kind Schuh Freund Zahn Pferd Tag Blatt Span Floh
DeReKo
Zwirner 585 93 141 12 687 3540 29 2 0
2946 283 73 55 1519 2554 86 10 8
% Plural
Singular
Plural
% Plural
83,43 % 75,27 % 34,11 % 82,09 % 68,86 % 41,91 % 74,78 % 83,33 % 100,00 %
498661 38457 223483 28223 75631 1399732 86976 2804 5517
2652930 74807 415772 47193 92977 1271130 78058 2104 2736
84,18 % 66,05 % 65,04 % 62,58 % 55,14 % 47,59 % 47,30 % 42,87 % 33,15 %
Tabelle 44: Potenzielle Beispiele für Markiertheitsumkehrungen
Besonders bei ‘Kind’, ‘Schuh’ und ‘Pferd’ scheint eine Markiertheitsumkehrung als Erklärung zunächst plausibel zu sein: ‘Kinder’ und ‘Pferde’ kommen oft in Gruppen, ‘Schuhe’ in Paaren, vor. Bei ‘Freund’ und ‘Zahn’ sieht man einen ähnlichen Effekt. Bei ‘Tag’, nach ‘Jahr’ dem höchstfrequenten Substantiv im Deutschen in der Zählung von Ruoff (1981, 354), ergeben sich auch überdurchschnittlich hohe Pluralwerte, obwohl der Singular trotzdem etwas häufiger ist. Bei den einmaligen produktiven Anwendungen im Zentralhessischen, ‘Span’ und ‘Pinne’, könnte man auch von kontextuell, also außergrammatisch, bedingter Markiertheitsumkehrung sprechen (vgl. Mayerthaler 1981, 49).115 Der Schuster arbeitet in der Regel mit vielen Schuhen und Schuhnägeln; ähn-
114 Für die Bereitstellung des Zwirner-Korpus und der Zwirner-Transkripte möchte ich mich an dieser Stelle beim Institut für Deutsche Sprache in Mannheim bedanken. 115 Da pind ‘Pinne’ ein Dialektwort ist, das in dieser Form meines Wissens nur im Zentralhessischen belegt ist, konnte ich hierzu keine Statistiken ermitteln.
Subtraktion in der Natürlichen Morphologie
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lich arbeitet der Sägewerkarbeiter mit Holzspänen. Das wäre eine mögliche Motivation für eine längere Form für den seltener gebrauchten Singular. Dass der tokenfrequentere Plural bei solchen Wörtern den morphologischen Wandel steuern kann, hat Tiersma (1982) u. a. für das Westfriesische gezeigt. Im Westfriesischen gleichen sich die Singularformen von Substantiven, die natürlich in Gruppen oder Paaren vorkommen, der Pluralform an: kies – kjizzen ‘Zahn, Zähne’ in der älteren Generation wird zu kjizzel – kjizzen in der jüngeren.116 Tiersma (1982, 834–835) spricht in diesen Fällen von „local markedness“, d. h. lokaler Markiertheit als Ausnahme von allgemeiner Markiertheit, bei der aufgrund semantischer Gegebenheiten der Plural unmarkierter ist als der Singular. Weitere Beispiele für die Rolle lokaler Markiertheit findet Tiersma (1982, 838) im Niederländischen: So dringt in vielen niederländischen Varietäten der Plural von ‘Schuh’ in den Singular ein: schoen – schoenen, wobei der mittelniederländische Singular schoe lautete. Ich stelle den gleichen Prozess im Westmitteldeutschen, besonders im Ripuarischen, ˘so¯:n – ˘so¯:n (Greferath 1922, 33), fest. Das Lexem ‘Span’ hat auch im Niederländischen eine interessante Entwicklung genommen: Ähnlich wie ‘Kind’ weist es einen „Doppelplural“ auf: kind-er-en, spand-er-en. Die Addition eines zweiten Suffixes -en oder später -s mag daher rühren, dass die älteren Formen kinder oder spaander nicht mehr als Plural aufgefasst wurden. Beweis dafür findet man in Varietäten, in denen die -er -Endung in den Singular eingedrungen ist: spaander – spaanders (vgl. Tiersma 1982, 839). Ich meine hier eine Parallele zu den subtraktiven Formen auf ‘Schuh’ und ‘Span’ gefunden zu haben: Besonders interessant sind die Wörter ‘Schuh’ und ‘Span’ in meinem Datenkorpus deswegen, weil hier die Singularform durch Adoptivformen bzw. Analogie verstärkt wurde. Ein potenzielles Problem für Markiertheitseffekte stellt die Existenz subtraktiver Dative dar; beim Kasus ist eine Markiertheitsumkehrung schwieriger zu begründen als beim Numerus. Zum Problem lokale Markiertheit und Kasus finden sich bei Tiersma (1982, 843–845) nur einige tentative Überlegungen: Nach Greenberg (1966, 37–38) gilt, dass direkte Kasus (Nominativ, Akkusativ, Vokativ) weniger markiert als oblique Kasus (Dativ, Lokativ, Instrumental, Genitiv etc.) sind (s. auch Jakobson 1936 und die Diskussion in Blake 2001, 34–46). Tiersma (1982, 843) behauptet im Hinblick auf slavische und finnougrische Sprachen, dass Beispiele für lokale Markiertheit oft im Zusammenhang mit solchen Substantiven vorzufinden seien, die auf Orte hinweisen und im Lokativ oder in einem lokativischen Kasus stehen oder mit solchen, die auf Werkzeuge oder Hilfsmittel referieren und im Instrumental stehen. So scheint sich der bereits besprochene merkmallose Genitiv Plural in vielen slavischen Sprachen besonders bei geographischen Namen und Substantiven gegen Analogietendenzen durchzusetzen (vgl. Tiersma 1982, 844). Im Deutschen setzt nun bekanntlich der Dativ unter anderem den Lokativ und den Instrumental fort 116 Die phonologischen Alternationen sind Resultat von Brechung, d. h. morphophonologischer Variation zwischen fallenden /i@ I@ u@ o@/ und steigenden Diphthongen /jI jE wo wa/ (vgl. Tiersma 1982, 833).
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Synchrone Analyse
(vgl. Dal / Eroms 2014, 36). Bemerkenswert an meinem Korpus ist, dass viele der Lexeme, die im Dativ Singular subtrahieren, oft mit einer lokativischen Bedeutung verbunden sind: ‘auf dem Feld’, ‘im Wald’, ‘auf dem Weg’, ‘im Land’ etc. Instrumentale Funktionen sind auch möglich, wenngleich weniger häufig: ‘mit dem Pferd’, ‘mit dem Kamm’. Neben den Lokativbedeutungen sind Kommitativfunktionen am häufigsten: ‘mit dem Kind’, ‘mit dem Freund’ usw. (vgl. Kapitel 7.5.3). Es bleibt jedoch unklar, ob Markiertheitsumkehrungen im Bereich der Kasusmorphologie angenommen werden können. Die vorausgegangene Diskussion hat gezeigt, dass Markiertheitsumkehrungen in einigen, auch gerade prominenten, Fällen für den Erhalt subtraktiver Formen verantwortlich gemacht werden können. Aber können Markiertheitsumkehrungen alle Fälle erklären? Die Antwort ist leider negativ, was eine genauere Auseinandersetzung mit den Zahlen in Anhang D deutlich macht. Besonders offensichtlich ist dies bei den am häufigsten mit Subtraktion belegten Lexemen: So fällt auf, dass ‘Hand’ vorwiegend im Singular gebraucht wird; auch das Lexem ‘Hund’ ist durchaus häufiger im Singular als Plural. ‘Wald’, ebenfalls häufig mit Subtraktion vertreten, kommt so gut wie gar nicht im Plural vor. Insgesamt nur 15 der insgesamt 72 mit subtraktiven Pluralen belegten Lexeme sind im Zwirner-Korpus tatsächlich häufiger im Plural als im Singular. Ähnlich ist die Situation bei den vokalverkürzenden Pluralen im Ostfränkischen, wie Truax (1991, 43) feststellt. Es ist auch nicht möglich, die restlichen Lexeme auf einen gemeinsamen semantischen Nenner zu bringen, etwa Belebtheit (vgl. ‘Hund’ vs. ‘Wand’), wenn man wie Corbett (2000) annimmt, dass eindeutige Pluralmarkierung mit zunehmender Belebtheit auf der Animacy Hierarchy korreliert (vgl. Nitz / Nordhoff 2010, 260). Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass die Tokenfrequenzen in diesen Fällen nicht absolut zu nehmen sind und dass eine Markiertheitsumkehrung trotzdem anzunehmen ist: ‘Hand’ wäre hier ein mögliches Beispiel, da der prototypische Sprecher zwei Hände besitzt und der Plural somit naheliegender ist als der Singular. Es gibt aber gute Gründe, dies nicht für alle Lexeme zu tun: So äußert sich Wurzel (1984, 25) insgesamt kritisch zu diesem Konzept Mayerthalers, indem es einen zu mächtigen Mechanismus darstelle, der das ganze Natürlichkeitskonzept außer Kraft setzen könne (s. auch CarstairsMcCarthy 1992, 222–223). Mayerthaler (1981, 48–49) erkennt auch, dass Markiertheitsumkehrungen ohne Restriktionen leicht zum „Deus ex Machina“ werden können – die von ihm postulierten Beschränkungen sind aber nicht streng genug. Die Natürliche Morphologie hat zwar den Anstoß zur morphologischen Diskussion über subtraktive Plurale gegeben, sie bringt uns aber in Bezug auf die Existenz solcher Formen in den Dialekten des Deutschen nicht sehr viel weiter (vgl. auch Truax 1991, 68). Ihre synchrone Existenz kann kaum durch Natürlichkeitskonflikte erklärt werden, und auch wenn Fälle von Natürlichkeitsumkehrungen durchaus zu Recht angenommen werden können, sollte man damit eher vorsichtig sein, da subtraktive Formen der Theorie der Natürlichen Morphologie eigentlich zutiefst widersprechen. Wie wir in Kapitel
Subtraktion in der Optimalitätstheorie
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7.5 sehen werden, wird die Existenz der in dieser Arbeit behandelten „kontraikonischen“ Plural- und Dativformen besser durch allgemeine Prinzipien der Organisation des Lexikons, insbesondere Frequenzeffekte, erklärt (vgl. auch Haspelmath 2006, 58–60). Dabei werden die in diesem Kapitel festgestellten Frequenzumkehrungen allerdings eine nicht unwichtige Rolle spielen. 7.3 SUBTRAKTION IN DER OPTIMALITÄTSTHEORIE Im Folgenden werden Arbeiten vorgestellt, die im Rahmen der Optimalitätstheorie (OT) entstanden sind. Es handelt sich zunächst um zwei synchrone Arbeiten, Golston / Wiese (1996) und Knaus (2003), die aufeinander aufbauen und sich primär mit subtraktiven Pluralen in den hessischen Dialekten beschäftigen, die dann in einer OT-Analyse den Pluralisierungsverfahren der Standardsprache gegenübergestellt werden. Hier wird der Versuch unternommen, subtraktive Plurale mit universellen, synchron wirksamen phonologischen und morphologischen Wohlgeformtheitsprinzipien in Verbindung zu bringen. Die dritte OT-Arbeit (Holsinger / Houseman 1999) stellt eine Kritik dieses synchronen Ansatzes dar. Da die zu behandelnden Arbeiten auf bestimmten Annahmen beruhen (z. B. Schwa-Epenthese, Präferenz für trochäische Füße), die im Wesentlichen in Wiese (1986; 1988; 1996) erarbeitet worden sind, soll für das bessere Verständnis der synchronen Analysen zunächst auf diese eingegangen werden. 7.3.1 Das Schwa und die Pluralbildung des Deutschen Das Schwa ist seit dem Strukturalismus Gegenstand der phonologischen Diskussion zum Deutschen (vgl. Wiese 1988, 141). Ausgangspunkt war dabei die Frage, ob das Schwa als eigenständiges Phonem anzusehen ist oder nicht. So nimmt Moulton (1962, 67–68) an, dass es sich beim Schwa um ein selbstständiges Phonem handelt, das nur in unbetonten Silben erscheint und gleichsam ein „Subsystem“ für sich bildet. Es habe ihm zufolge zwei Allophone, [@] und „Silbizität des nachfolgenden Konsonanten“ vor /m, n, N, l, r/, die freie Variation aufwiesen, also stilistisch bedingt sind. Die Annahme, dass das Schwa ein eigenständiges Phonem sei, ist jedoch problematisch, da das Schwa in seinen Auftretensbedingungen beschränkt ist und somit ein gewisses Maß an Vorhersagbarkeit gegeben ist (vgl. Wiese 1986). Auch sind die Minimalpaare bei einer phonemischen Analyse meist unbefriedigend: Entweder sie vernachlässigen die Tatsache, dass anstelle des Schwa oft silbischer Konsonant steht wie in Freundin [föOIndIn] – Freunden [föOInd@n/föOIndn] oder dass Fremdwörter zum " – Polo, im letzteren Fall ist Teil anders betont werden als native Wörter: Pole die Betonung gleichmäßiger auf die zwei Silben verteilt (vgl. Wiese 2009, 141). Wenn das Schwa aber kein Phonem des Deutschen ist, müsste es in der traditionellen phonologischen Theorie Allophon eines anderen Phonems sein, wobei unklar ist, um welches Phonem es sich dabei handeln könnte: In der Literatur
172
Synchrone Analyse
wurden bisher /E/ oder /e/ vorgeschlagen (vgl. Wiese 1996, 16). Aber auch eine solche Analyse bringt uns nicht viel weiter, da es (Fast)-Minimalpaare gibt, die gegen eine solche Distribution sprechen: Gebein – geben und fehlend – elend. Aus diesem Grund sind zunächst generativ arbeitende Linguisten zur Schlussfolgerung gekommen, dass das Schwa synchron nicht mehr Teil der zugrundeliegenden Repräsentation (also vorhersagbar) sein kann, sondern stattdessen durch eine Epentheseregel eingefügt wird (vgl. Wurzel 1970, 170–171). Da das Schwa jedoch in vielen Fällen mit ∅ alterniert (vgl. Atem vs. atmen) oder optional ist (vgl. [a:t@m] vs. [a:tm], bedient sich Wurzel „einer Batte" (Wiese 1988, 141). Demgegenüber rie von Epenthese- und Tilgungsregeln“ nimmt Wiese (1986), einen Vorschlag von Giegerich (1985) aufgreifend, an, dass solche Tilgungsregeln auch im Rahmen einer Epenthesenanalyse nicht notwendig sind, da sich das Auftreten des Schwa größtenteils mit Wohlgeformtheitsbedingungen für Silben und Interaktion mit der Morphologie erklären lässt (vgl. Wiese 1986, 698). So ist die „Flüchtigkeit“ des Schwa im Falle von Atem : atmen laut Wiese (1986, 703–712) phonotaktisch zu erklären, indem die Konsonantenverbindung /tm/ am Silbenende nicht erlaubt ist, was im Falle von Atem durch eine Schwa-Epenthese gelöst werden kann, im zweiten Fall durch Resilbifizierung nach der Affigierung des Infinitivsuffixes. Nur bei schön+e, Ros+e, glaub+e etc. kann das Schwa aufgrund seiner Nicht-Vorhersagbarkeit nicht Resultat einer Epenthese sein, sondern hier muss zugrundeliegendes phonologisches Material angenommen werden (vgl. Wiese 1996, 243–246). Im Folgenden beschränken wir uns auf das Schwa in der Pluralbildung. Aufbauend auf Arbeiten, die der sogenannten Dual-Route-Theorie verpflichtet sind (vgl. etwa Marcus et al. 1995), entwirft Wiese (1999) ein dreischichtiges Modell des standarddeutschen Pluralsystems, wie in Tabelle 45 dargestellt. Pluraltyp
Suffixe
irregulär sub-regulär default
-er, -(e)nmasc./n. , -ef em. , „∅“ f em. -(e)nf em. , -emasc./n. , „∅“ masc./n. -s
Tabelle 45: Die Schichten des standarddeutschen Pluralsystems (nach: Wiese 2009, 142, vereinfacht)
Vertreter von Dual-Route-Theorien gehen davon aus, dass reguläre Formen ein sprachliches Regelsystem erfordern, während irreguläre Formen im mentalen
173
Subtraktion in der Optimalitätstheorie
Lexikon gespeicherte Ausnahmen zu diesen Regeln darstellen.117 So ist laut Wiese (1996, 137–138) im Deutschen nur der -s-Plural völlig regulär, der produktiv und bei Abkürzungen, Eigennamen, Fremd- und Kunstwörtern von unterschiedlichen phonologischen Umgebungen anwendbar ist.118 Auf der entgegengesetzten Seite finden wir die irreguläre Schicht: Sie umfasst die im Althochdeutschen noch sehr seltenen, sodann im Zuge der Numerusprofilierung rasch verbreiteten -er -Plurale, die -e-Endung bei Feminina, die historisch vokalisch auslautende starke Substantive fortsetzt und eine Nullendung bei Feminina der alten, ursprünglich flexionslosen r -Deklination. Keines dieser Pluralmuster ist produktiv und die Typenfrequenzen sind allesamt niedrig. Zwischen diesen regulären und irregulären Pluralmustern finden wir eine Klasse, die Wiese aufgrund von Ausnahmen und genusspezifischen Unterschieden „sub-regulär“ nennt. Diese Klasse ist zugleich die bedeutendste, indem sie den Großteil der Substantive des historisch gewachsenen deutschen Wortschatzes enthält (vgl. Wiese 2009, 142–143). Wiese (2009) versucht, wie in Tabelle 46 dargestellt, die Wahl der Pluralform bei der sub-regulären Klasse auf zwei einfache Regeln zurückzuführen: Stammprosodie volle stammfinale Silbe reudizerte stammfinale Silbe
Genus + feminin - feminin -en -n
-e 0
Tabelle 46: Regeln der standarddeutschen Pluralbildung (nach: Wiese 2009, 143).
Die erste Regel geht von der Stammprosodie aus: Wenn eine volle stammfinale Silbe vorliegt, findet eine Schwa-Epenthese statt, sonst nicht, vgl. Tisch – Tische vs. Wagen – Wagen. Die zweite Regel ist eine Zusatzregel morphologischer Natur: Bei den Feminina wird immer ein -n hinzugefügt: Frau – Frauen. Dies gilt auch dann, wenn die Singularform auf einer reduzierten Silbe endet: Gabel – Gabeln. Maskulina und Neutra zeigen demgegenüber nur Schwa oder kein Schwa. Unter dieser Analyse bedient sich das Deutsche nur dreier Pluralsuffixe, der Phoneme /r/, /n/ und /s/. Den Rest erledigt die Prosodie: Sie determiniert unter der Vorgabe „Plurale enden auf einer reduzierten Silbe rechts in einem binären 117 Darunter darf man sich jedoch kein statisches Lexikon oder, primitiv ausgedrückt, eine „Liste von Wörtern“ vorstellen: Im Dual-Route-Modell von Pinker (1991) stellt das Lexikon ein „associative memory“ (also: ein assoziatives Gedächtnis) dar. Zur Kritik des Dual-Route-Ansatzes und seiner Anwendung auf das Deutsche, s. Bybee (1995) und Hahn / Nakisa (2000). 118 Zur Kritik dieses Ansatzes s. Wegener (1999). Oft, aber nicht immer, wird der -s-Plural eingesetzt, wenn der Stamm auf einen Vollvokal endet (vgl. Köpcke 1988, 311), was gerade bei Fremdwörtern häufig der Fall ist. Die Kontroverse um den -s-Plural ist nicht neu, auch seine Herkunft stellt ein großes Problem der älteren wie jüngeren diachronen Linguistik dar (s. Öhmann 1924).
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Synchrone Analyse
Fuß!“ die phonetische Form der Suffixe (-[@r], -[@n]) und das bloße Auftreten von Schwa oder ∅.119 Wichtig ist nun, dass diese prosodische Bedingung, die zur Schwa-Epenthese führt, nicht für den Default-Plural gilt, was für eine Schichteneinteilung des Lexikons wie in der Lexikalischen Phonologie sprechen könnte (vgl. Wiese 2009, 143–144). Die obengenannten Subregularitäten sind auch sprachhistorisch nachvollziehbar. Das -n ist im Laufe des Mittel- und Frühneuhochdeutschen zu einem Merkmal der Pluralbildung der Feminina geworden, ausgehend von der schwachen Deklination. Nullplurale hingegen sind vor allem ein Merkmal der starken Neutra gewesen. Im Mittelhochdeutschen dringt zudem die Apokope nach Liquid durch, so dass viele Substantive wie ‘Lehrer’, die auf eine reduzierte stammfinale Silbe enden, kein Schwa mehr aufweisen (vgl. Klein 2005). Das Schwa selbst lässt sich auf mehrere Phoneme (/a/, /e/, /i/, /o/, /u/) zurückführen, die im Zuge der Nebensilbenabschwächung im Übergang vom Alt- zum Mittelhochdeutschen zusammengefallen sind. Zu dieser Zeit darf noch keineswegs von einer Schwa-Epenthese gesprochen werden, denn seine Auftretensbedingungen sind alles andere als transparent. Wann nun der Punkt erreicht wurde, ab dem das Auftreten des Schwa rein prosodisch gesteuert wurde, ist noch eine ungeklärte Frage. Vieles spricht aber dafür, die Zeit der Standardisierung des Deutschen als Ursprung anzunehmen. Adelung, der wohl wichtigste Sprachkritiker des Deutschen im 18. Jahrhundert, spricht sich grundsätzlich für die Beibehaltung des Schwa aus, u. a. um „der Häufung einsylbiger Wörter vorzubeugen“ (Adelung 1785 [1974], 1, 236 zitiert in: Fleischer / Kuhmichel / Speyer 2012, 347). Wichtig könnte auch die Tatsache sein, dass sich die zwei für die Herausbildung der deutschen Standardsprache für maßgeblich erachteten Dialekträume Ostmitteldeutsch und Nordoberdeutsch in Bezug auf das Schwa diametral unterschiedlich verhalten. Eine Tilgungsanalyse mag zunächst diachron attraktiver als die oben dargestellte Epenthesenanalyse erscheinen: Eine reine Tilgungsanalyse wie die von Strauss (1982), in der in allen möglichen Positionen zugrundeliegendes Schwa angenommen wird, das genau dann getilgt wird, wenn ein Segment im gleichen Wort folgt, ist laut Wiese (1988, 143) jedoch nicht in der Lage, die von ihm aufgezeigten Korrespondenzen zwischen der Silbenstruktur und dem Auftreten von Schwa zu erklären. Sie ist auch gezwungen, ein zugrundeliegendes Schwa dort anzunehmen, wo es sprachhistorisch nicht hingehört, vgl. böser aus böse+er. Aus diesen Gründen ist Wiese (1988, 163–164) zuzustimmen, wenn er behauptet, dass nur die Annahme einer Epenthese den synchronen Umständen der Standardsprache gerecht wird. Ausgehend vom obigen Pluralmodell entwirft nun Wiese (2009) eine optimalitätstheoretische Analyse des deutschen Pluralsystems, in der auch die Dialekte mit einbezogen werden. Die oben beschriebene Präferenz für trochäische Füße wird mit einer Markiertheitsbeschränkung Trochee berücksichtigt, 119 Der Umlaut wird von Wiese (1996) als eine (lexikalische) phonologische Regel betrachtet und deswegen im Pluralmodell nicht berücksichtigt.
Subtraktion in der Optimalitätstheorie
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die eine Treuebeschränkung Dep-Seg (= „Segmente an der Oberfläche hängen von zugrundeliegenden Segmenten ab“) verletzen kann. Diese Beschränkung kann auf eine bestimmte morphologische Kategorie bezogen werden, so dass Epenthese im Plural weniger fatal ist als im Singular (vgl. Wiese 2009, 144– 148).120 Mithilfe dieser und ähnlicher Beschränkungen werden die Unterschiede zwischen den Dialekten und der Standardsprache einerseits und zwischen verschiedenen Dialekten andererseits modelliert. Ich bin mir jedoch unsicher, ob die Analyse den dialektalen Umständen vollkommen gerecht wird. Wiese (2009, 160–162) sieht dialektale Evidenz für einen trochäischen Fuß in schwahaltigen, in Verbindung mit Präpositionen auftretenden Dativ-Plural-Formen im Niederalemannischen. Jedoch ist die Beibehaltung des Schwa in diesem Fall sprachhistorisch sehr gut nachvollziehbar (gedeckte Stellung vor später getilgtem /n/); das Erfüllen der Trochäusbeschränkung ist hier bestenfalls ein glücklicher Zufall, ähnlich wie bei den nicht-obliquen Pluralformen der schwachen Deklination im Beispieldialekt von Kirn (Rheinfränkisch). Dies ist auch der Grund, warum nicht nur einsilbigen, sondern auch bereits im Singular trochäischen Lexemen ein Schwa im Dativ Plural hinzugefügt wird, was der Annahme eines prosodisch gesteuerten Schwa in diesem Dialekt zusätzliche Probleme bereitet.121 Problematisch sind auch Dialekte, die im Artikel nicht berücksichtigt sind: So gehen einige ostmitteldeutsche, nicht-apokopierende Dialekte weiter als die Standardsprache in der Bewahrung des Schwa, nämlich auch bei mehrsilbigen Wörtern: ep@l@ ‘Äpfel’, f¯ed@r@ ‘Väter’, näm@n@ ‘Namen’. In der Leipziger Stadtsprache gibt es sogar Uhue ‘Uhus’ (vgl. Schirmunski 1962, 416). Aus diesen Gründen halte ich die Trochäusbeschränkung für problematisch bezüglich der Distribution des Schwa in den Dialekten des Deutschen. Meines Erachtens kann man nur für das Ost- und Westfälische, welche die Apokope so nicht kennen, von einer solchen Präferenz sprechen. Hier scheint das Auftreten von Schwa, wie in der Standardsprache, teilweise prosodisch gesteuert zu sein (vgl. Kapitel 3.2.2). Wiese (2009, 155–157) geht auch auf subtraktive Plurale ein, aber leider hat er das Subsystem der subtraktiven Formen in dieses Modell noch nicht integriert, weswegen das Modell hier nicht weiter erörtert werden soll. Anstelle dessen sollen zwei ältere Spezialarbeiten, die gewissermaßen als Vorarbeiten zu Wieses „Gesamtmodell“ der deutschen Pluralbildung eingestuft werden können, näher betrachtet werden: Golston / Wiese (1996) und Knaus (2003). Beide Arbeiten gehen von einer Beobachtung aus, die sich wohl zuerst in Wiese (1988, 172) findet, nämlich die, dass „im Süddeutschen“ eher Konsonantencluster (mit 120 Eine Teilung ist nur bei Treuebeschränkungen möglich, nicht bei Markiertheitsbeschränkungen. Die Idee ist, dass Treue immer Treue gegenüber etwas ist, während Markiertheit universell ist (vgl. Wiese 2009, 146). 121 Der Grund, warum die Beispiele in Lienhart (1891) immer monosyllabische Stämme involvieren, kann wohl mit Wieses treffender Bemerkung, dass sich die Dialektgrammatiken tendenziell auf den Erbwortschatz beschränken und die Tatsache vernachlässigen, dass auch in den Dialekten Wortentlehnungs- und Sprachwandelprozesse stattfinden (vgl. Wiese 2009, 155), in Verbindung gebracht werden.
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Synchrone Analyse
ambisyllabischen Konsonanten) auftreten, während „im Norddeutschen“ das Schwa der Aufbrechung des Konsonantenclusters dient. Im „Mitteldeutschen“ – könnte man hinzufügen, und dabei sind wir beim Kern der subtraktiven Plurale – wird in diesen Fällen anscheinend phonologisches Material getilgt. 7.3.2 Golston / Wiese (1996) und Knaus (2003) Golston / Wiese (1996) argumentieren im Rahmen der Optimalitätstheorie dafür, dass die angeblich subtraktiven Formen in den hessischen Dialekten eigentlich eine Antwort auf mehrere, miteinander in Konflikt stehende Beschränkungen für phonologische und morphologische Wohlgeformtheit sind. Wichtig ist, dass diese Beschränkungen sowohl in der Standardsprache als auch in den Dialekten gelten, jedoch unterschiedlich gewichtet sind (vgl. Golston / Wiese 1996, 143). Mithilfe einer für diesen Zweck zusammengestellten Belegsammlung aus der dialektologisch-grammatischen Literatur sowie einer eigenen Erhebung meinen die Autoren zeigen zu können,122 dass es sich bei diesen auffälligen Formen nicht etwa um einen Fall von subtraktiver Morphologie, sondern um einen phonologischen Oberflächeneffekt eines Nullpluralverfahrens handelt. Sie beobachten nämlich, dass subtraktive Plurale und Nullplurale in den Dialekten, die Subtraktion kennen, komplementär verteilt sind, indem die Nullplurale keinen der für subtraktive Plurale typischen Kontexte (Konsonantencluster, Vokal+Konsonant-Abfolgen) aufweisen (vgl. Golston / Wiese 1996, 148–149). Die OT-Analyse besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: 1) die Markiertheitsbeschränkung Son|PL (= „Plurale enden in einen Sonoranten“ und 2) die Treuebeschränkung ParseFeat (= „zugrundeliegende Merkmale müssen an der Oberfläche realisiert werden“). Son|PL führt zur Subtraktion, die wiederum von ParseFeat beschränkt wird. Das Prinzip, dass Plurale möglichst in eine unbetonte sonorant-finale Silbe bzw. Fuß enden sollen, kennen wir bereits aus den obigen Erörterungen.123 In den Dialekten des Deutschen müssen Plurale aber nicht in einer unbetonten Silbe enden und können trotzdem die Sonoritätsbedingung erfüllen. Golston / Wiese (1996, 152) sehen sich deswegen gezwungen, diese Generalisierung in zwei Beschränkungen aufzuteilen, von denen Son|PL die eine ist und die zweite, Non-Finality, vorsieht, dass flektierte Wörter nicht auf eine betonte Silbe enden. Von diesen zwei Beschränkungen interessiert uns aber im Folgenden nur Son|PL, da Non-Finality im Hessischen keine Rolle spielt und nur die Pluralmorphologie des Standarddeutschen beschränkt. Son|PL wird in der Standardsprache in der Regel durch 122 Golston / Wiese (1996) beziehen sich auf Alles (1907/1908) und Haas (1988) sowie eine Gewährsperson, „a native of the area“ (Golston / Wiese 1996, 146) [aus Lauterbach; Richard Wiese, persönliche Mitteilung]. 123 In Wiese (1996) ist von Silbe die Rede, in späteren Versionen von trochäischem Fuß (vgl. Wiese 2009, 145).
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Subtraktion in der Optimalitätstheorie
das Hinzufügen eines Suffixes, etwa eines Schwa, erfüllt; im Hessischen besteht jedoch meist nicht die Möglichkeit, ein Schwa hinzuzufügen, dafür kann in gewissen Fällen ein stammfinaler Obstruent getilgt werden. Der Kerngedanke ist also, dass die Standardsprache und die Dialekte unterschiedliche Wege gehen, um das gleiche Grundprinzip zu erfüllen. Da die Tilgung aber nicht willkürlich ist, nehmen Golston / Wiese (1996, 150–151) an, dass bestimmte phonologische Bedingungen erfüllt werden müssen. Sie behaupten, dass in allen von ihnen festgestellten subtraktiven Umgebungen nur solche Phoneme, die sich innerhalb eines Morphems mit dem vorangehenden Phonem ihre distinktiven Merkmale teilen, getilgt werden können. Einige laut den Autoren distinktive Merkmale des hessischen Phonemsystems können Tabelle 47 entnommen werden. Vokale sonorant nasal cont spread glottis labial coronal dorsal
b
p
d
t
g
k
s
+ + + + +
+ + +
+ + +
+ +
n
l
+ + +
+ + +
Tabelle 47: Einige distinktive Merkmale des Hessischen (nach: Golston / Wiese 1996, 150)
Drei Annahmen sind dabei wichtig: 1) Vokale werden immer mit dem Zungenrücken produziert und weisen deswegen das distinktive Merkmal [dorsal] auf. 2) Von den Konsonanten weisen nur palatale, velare und uvulare Konsonanten das Merkmal [dorsal] auf. 3) Für die Unterscheidung der Obstruenten ist das Merkmal [spread glottis] (Aspiration) entscheidend und nicht [voice], was mit der Lenisierung (s. Kapitel 5.2.2.3) in Verbindung gebracht werden kann (vgl. Golston / Wiese 1996, 150). Tableau 2 zeigt die Ableitung eines subtraktiven Plurals beim Lexem ‘Hund’ im Zentralhessischen; Tableau 3 auf der nächsten Seite die eines additiven Plurals beim gleichen Lexem in der Standardsprache. ParseFeat +
hon hond hond[E] ho
*!
Fill
*!
Son|PL *!
ParseSeg * **
Tableau 2: Subtraktion im Zentralhessischen (nach: Golston / Wiese 1996, 154)
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Synchrone Analyse
ParseFeat +
hun.d[E] hun hund hu
*!
Son|PL
*!
ParseSeg *!*
Fill *
***
Tableau 3: Epenthese im Standarddeutschen (nach: Golston / Wiese 1996, 156)
In beiden Varietäten ist die Treuebeschränkung ParseFeat am höchsten gerankt. Der Unterschied zwischen den zwei Varietäten besteht in der verschiedenen Gewichtung der Beschränkungen Fill (= „Epenthese ist verboten“) und ParseSeg (= „alle zugrundeliegenden Segmente müssen an der Oberfläche realisiert werden“). Im Zentralhessischen ist Vokalepenthese nicht erlaubt; dafür können Segmente, die sich mit anderen Segmenten ihre distinktive Merkmale teilen, getilgt werden. Dies ist bei /d/ der Fall, das beim nd -Konsonantencluster das Merkmal [Koronal] mit dem vorangehenden Nasal /n/ gemeinsam hat. In der Standardsprache ist diese Art, einen sonoranten Plural zu bilden, nicht erlaubt. Dafür gibt es hier eine höhere Toleranz für Vokalepenthesen (vgl. Golston / Wiese 1996, 152–156). Für die weiteren subtraktiven Umgebungen gilt das Gleiche: So teilt z. B. das /g/ das Merkmal [Dorsal] mit dem vorangehenden [N] beim Ng-Konsonantencluster und kann somit im Plural getilgt werden. Durch die von den Autoren vertretene, freilich nicht völlig unumstrittene Annahme, dass alle Vokale ebenfalls das Merkmal [Dorsal] aufweisen (vgl. Gussenhoven / Jacobs 2005, 68–69), kann das /g/ in ‘Tag’ getilgt werden, weil dieses Segment ebenfalls das Merkmal [Dorsal] aufweist. Der Ansatz von Golston / Wiese (1996) wird von Knaus (2003) weiterverfolgt: Knaus bezieht zwar mehr Dialektmaterial ein, kommt aber grundsätzlich zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie Golston und Wiese. Nur am Modell werden einige Änderungen vorgenommen: Knaus (2003, 16–27) führt statt Son|PL die Beschränkung son|σ ein, die besagt, dass alle Silben in einen Sonoranten enden. Ein großer Vorteil dieser Beschränkung ist, dass sie nicht morphemspezifisch, sondern rein phonologisch ist. Für son|σ gibt es darüber hinaus mehr sprachtypologische Motivation als für Son|PL, für welches Golston / Wiese (1996, 151) nur auf Evidenz aus dem Altgriechischen hinweisen. Da die Beschränkung aber nur für den Plural gelten soll, wird eine Treuebeschränkung Max-Seg (= „tilge kein Segment“) eingeführt, die in Bezug auf die morphologische Umgebung gespalten ist: Sie ist höher gerankt im Singular als im Plural. Die Erweiterung des Wohlgeformtheitsprinzips auf alle Silben erlaubt es, im Rahmen dieser Theorie subtraktive Dative zu erfassen, obwohl bisher nur subtraktive Plurale behandelt wurden. Demnach wäre der Nominativ Singular höher gerankt als der Dativ Singular. Ein weiterer Unterschied zu Golston / Wiese (1996) ist die Annahme, dass der Input für den Plural nicht der Singular ist, weil der Singular durch Auslautverhärtung geändert
Subtraktion in der Optimalitätstheorie
179
wird (vgl. Knaus 2003, 39–43). Entscheidend bei den subtraktiven Formen ist die zugrundeliegende Stimmhaftigkeit des zu tilgenden finalen Obstruenten. In dieser letzten Annahme ist Knaus prinzipiell zuzustimmen: Analogieprozesse, die nur den Singular betroffen haben, bestätigen dies. Unabhängig von der Prämisse, ob subtraktive Formen vorhersagbar sind (s. Kritik unten), möchte ich zwei Kritikpunkte am Modell von Golston / Wiese (1996) anführen, die mit den rein phonologischen Bedingungen für Subtraktion zu tun haben, und einen möglichen Lösungsvorschlag präsentieren. In diesem Modell wird angenommen, dass Vokale zugrundeliegend [dorsal] sind. Dadurch fallen aber gerade viele niederdeutsche Subtraktionsformen durch das Raster, nämlich diejenigen auf /-Vd/ wie in blat – bl¯ę ‘Blatt, Blätter’ (Bock 1933, 171), da /d/ [koronal] ist. Eine mögliche Lösung wäre anzunehmen, dass vordere Vokale das distinktive Merkmal [koronal] tragen, hintere dagegen [dorsal] (vgl. Clements / Hume 1995, 292; Holsinger / Houseman 1999, 163; Hall 2007, 327–328). Evidenz hierfür liefert u. a. die Beobachtung aus dem dialektgeographischen Teil, dass gerade /g/ nach hinteren Vokalen verschwindet. Probleme bereiten jedoch /d/-Tilgungen nach /a/ im Westfälischen, und zusätzlich die Tatsache, dass der Status des Merkmals [koronal] in vielen Phonologietheorien umstritten ist. Ein zweites Problem stellt die Analyse der Subtraktion bei ‘Schuh’ und ‘Floh’ dar, die von Golston / Wiese (1996, 146–147) auf historisches /-Vg/ zurückgeführt werden.124 Dies ist, wie wir in Kapitel 3.2.4.3 gesehen haben, nicht der Fall. In der Tat kann man für gewisse Dialekte behaupten, dass eine spätere Reanalyse des zugrundeliegenden /x/ als /g/ stattgefunden hat, jedoch haben einige Dialekte auch den ursprünglichen velaren Frikativ anscheinend bewahrt. Das, was also aus synchroner Sicht wie eine g-Spirantisierung aussehen könnte, ist wohl in Wirklichkeit keine. Eine Tilgung des /x/ würde ParseFeat verletzen, da dieses Phonem weitere Merkmale aufweist, [cont] und [spread glottis], die es nicht mit dem vorangehenden Vokal teilt und die folglich nicht getilgt werden dürfen (vgl. Merkmalsübersicht bei Knaus 2003, 28). Somit ist das Modell von Golston / Wiese (1996) nicht in der Lage, alle Fälle von Subtraktion zu erklären.125 7.3.3 Kritik: Holsinger / Houseman (1999) Holsinger / Houseman (1999) kritisieren den Ansatz von Golston / Wiese (1996) dahingehend, dass Subtraktion nicht Resultat einer morphophonologischen, sondern einer rein phonologischen Regel sei. Sie beziehen sich auf Ortsmonographien zum Westmitteldeutschen, in denen sie die gleichen „sub124 Golston / Wiese (1996, 158, Fn. 7) sind sich aber bewusst, dass dies ein Problem ist. 125 Auch die Subtraktionen in den Umgebungen /rg/, /Vb/ und /md/ stellen ein Problem dar, allerdings sind sie recht peripher und zum Teil auch wegen potenzieller SandiPhänomene (vgl. Kapitel 3.2.4.4) problematisch.
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Synchrone Analyse
traktiven“ Formen in ähnlichen phonologischen Umgebungen finden, z. B. in der Verbalmorphologie der zentralhessischen Mundart von Wissenbach. Hier heißt es hal ‘ich halte’, aber hald ‘halt!’ (vgl. Holsinger / Houseman 1999, 166–169). Ähnlich lautet das Substantiv ‘Ende’ in den meisten westmitteldeutschen Dialekten [en] oder [eN] (s. Wenker-Karte 232 „Ende“); somit wäre auch der Nominativ quasi von Haus aus „subtraktiv“. Aufgrund dieser Beobachtung schlussfolgern Holsinger und Houseman, wie dies auch in der vorliegenden Arbeit angenommen wird, dass die subtraktiven Formen in den Dialekten des Deutschen diachron Resultat von Konsonantenassimilationen bzw. -lenisierungen in intervokalischer Umgebung mit anschließender Apokope sind. Eine wichtige Folge hiervon ist, dass subtraktive Plurale synchron nicht vorhersagbar sind (vgl. Holsinger / Houseman 1999, 164), während Golston / Wiese (1996, 147) das Gegenteil behaupten. Denn um alle subtraktiven Plurale korrekt abzuleiten, müsste man die ehemalige Pluralendung vor der Apokope um 1500 kennen. Dass die Dialektsprecher dies nicht tun, liegt auf der Hand. Das synchrone Modell von Golston und Wiese kann nicht erklären, warum bei einigen subtraktiven Lexemen mancherorts statt Subtraktion lediglich Modifikation oder Nullflexion vorliegt oder gar eine additive -er -Endung vorhanden ist. Subtraktive Plurale und Nullplurale sind nicht komplementär verteilt:126 Ein Beispiel liefert Stuhrmann (1898, 7) für das hochpreußische Preußisch Holland, wobei ‘Hund’ Modifikation aufweist (hunt – hund ), ‘Hand’ dagegen Subtraktion (hant – häï). Ein weiteres Beispiel gibt Haas (1988, 81– 86): in Ebsdorf findet sich bei /-Vg/ sowohl Subtraktion als auch Modifikation: [dO:g] – [dO:] und [plug] – [plig]. Golston / Wiese (1996, 149) argumentie˚ dafür,˚dass der stammfinale Konsonant als [+spread ren ˚in ähnlichen Fällen glottis] reanalysiert wurde, was ich jedoch für problematisch halte, da dies allein aufgrund der problematischen Transkriptionen von Alles (1907/1908) angenommen wird und keinerlei Unterstützung bei Haas (1988) findet. Überdies bietet das Modell keine Handhabe für die Koexistenz zweier Varianten im gleichen Dialekt, was mir in meinem Datenkorpus auch nicht selten begegnet ist (vgl. Holsinger / Houseman 1999, 163–169). Der Lösungsvorschlag von Holsinger / Houseman (1999, 171) ist in Tableau 4 auf der nächsten Seite dargestellt:
126 Golston / Wiese (1996, 147–148) verstehen unter „Nullplural“ alle Pluralformen, bei denen kein phonologisches Material hinzugefügt wird, also auch modifikatorische Plurale.
181
Subtraktion als Lexikalisierung: Haas (1988)
MCat=PCat
+
hond-@ hont hon hon@
*!
ClusterConstraint *!
Fill * *!
Tableau 4: Subtraktion im Modell von Holsinger / Houseman (1999, 171)
Statt einer Beschränkung Max-Seg wird eine prosodisch-morphologische Beschränkung MCat=PCat eingeführt, die sicherstellt, dass eine bestimmte prosodische Kategorie Exponent einer bestimmten morphologischen Kategorie ist, im Falle des Plurals ein trochäischer Fuß. Alle Kandidaten mit Schwa-Suffix erfüllen die Beschränkung MCat=PCat, da hier ein trochäischer Fuß vorliegt, verletzen jedoch Fill und scheiden somit aus dem Rennen. Aus synchroner Sicht ist nicht völlig klar, warum der subtraktive Kandidat hon optimal ist, denn wir haben es hier mit einem Einsilbler wie dem Singular zu tun. Holsinger und Houseman verstehen diese Form als Resultat eines Ableitungsprozesses, bei dem die subtraktive Form in der Tiefenstruktur immer noch einen trochäischen Fuß bildet, dass ihr Schwa aber durch Fill nicht mehr an der Oberfläche realisiert werden darf. Somit versuchen sie, einen diachronen Prozess (Apokope) in einem synchronen Modell nachzubilden (vgl. Holsinger / Houseman 1999, 169–171). Knaus (2003, 14) betont zu Recht, dass dies eigentlich nicht möglich ist: Die von Holsinger und Houseman angeführten Beschränkungen sind zum großen Teil stipulativ und werden nicht unabhängig von der Subtraktion im Westmitteldeutschen begründet; das gilt besonders für Cluster Constraint und G-Reduction. Angesichts der in der vorliegenden Arbeit nachgewiesenen Existenz von Vd - und vielleicht auch Vb-Subtraktion müssten auch weitere Beschränkungen eingeführt werden, deren universeller Status fraglich wäre. Obwohl ich die Kritikpunkte von Holsinger / Houseman (1999) an Golston / Wiese (1996) fast uneingeschränkt teile, ist ihr Analysevorschlag synchron unplausibel. Der Schlüssel zum richtigen Verständnis der subtraktiven Formen findet sich meines Erachtens eher bei Haas (1988), auf den ich im folgenden Kapitel eingehe. 7.4 SUBTRAKTION ALS LEXIKALISIERUNG: HAAS (1988) Walter Haas beschäftigt sich in einer dialektmorphologischen Pionierarbeit mit der Pluralbildung der zentralhessischen Mundart von Ebsdorf bei Marburg. Die Daten wurden 1983 von ihm selbst in Ebsdorf bei zwei älteren Gewährsleuten (ortsfestes Ehepaar, 1918/1919 geboren) anhand des Fragebuchs des „Südwestdeutschen Sprachatlas“ erhoben. Unter den Daten befinden sich insgesamt 1034 Substantive, von denen „die Zusammensetzungen mit bereits
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Synchrone Analyse
belegtem Grundwort“, Diminutive und Substantive, die jeweils nur im Singular und Plural vorkommen, abgezogen wurden. Grundlage der Untersuchung bilden damit 651 Substantive (vgl. Haas 1988, 7 und 17). Sein Ansatz ist eher „taxonomisch-induktiv“ geprägt, jedoch bedient er sich generativer Formalismen zur Beschreibung der Regeln, die bei der Pluralbildung gelten (vgl. Haas 1988, 18 und 26). Die Verteilung der im Sample enthaltenen 651 Substantive auf die jeweiligen Pluralisierungsverfahren ist in Tabelle 48 wiedergegeben: Basistechnik
Absolute Zahl
Prozentzahl
∅ Modifikatorisch Additiv Rest Total
306 178 149 18 651
47 % 27,3 % 22,9 % 2,8 % 100 %
Tabelle 48: Pluralbildung in Ebsdorf (in Anlehnung an: Haas 1988, 12)
Es fällt zunächst auf, wie viele Pluralformen Nullflexion aufweisen. Der Nullplural ist nach Haas (1988, 14) „systemdefinierend“ geworden, was auch gut zum Befund von Girnth (2000) passt. Aufgrund dieses Befunds bezweifelt Haas (1988, 22–23) die Tendenz einer Numerusprofilierung im Zentralhessischen: Der „Unfall“, den die Apokope ausgelöst habe, werde nur selten gerettet. Interessanterweise geschieht dies weniger durch die in den oberdeutschen Dialekten vorherrschende Umlautung, sondern durch die Modifikation des konsonantischen Auslauts (54,5 Prozent der durch Modifikation pluralisierten Lexeme), vgl. [Swo:G@r] – [Swo:G@n] ‘Schwager, Schwäger’ (Haas 1988, 23). Gerade konsonantische Alternationen, wie dies auch bei den subtraktiven Formen der Fall ist, sind also in der Mundart von Ebsdorf recht häufig. Die subtraktiven Plurale selbst, die unter die Kategorie „Rest“ fallen, machen mit einer Typenfrequenz von lediglich acht aber eine vergleichsweise geringe Zahl aus. Die Undurchsichtigkeit des Ebsdorfer Pluralsystems spricht laut Haas (1988, 11–12) gegen eine „mechanistische“ Auslegung der Natürlichen Morphologie. Da morphophonologische Regeln in dieser Mundart großen Raum einnehmen, favorisiert er eine prozessorientierte Morphologie. Dies führt dazu, dass das Morphem in seinen Beschreibungen nur heuristischen Status hat. In den Regeln, die Haas im Formalismus der generativen Phonologie aufstellt, finden sich nur Formative (Inhaltsseite des Morphems) und Allomorphe (Ausdruckseite des Morphems), d. h. kein Morphem muss identifiziert werden (vgl. Haas 1988, 25–27). Wegen der Intransparenz der Pluralisierungsverfahren muss jeder Lexikoneintrag eine Spezifizierung des Pluralallomorphs enthalten. Zu den morphologischen Regeln zählen die additiven Pluralbildungen -e und -er und die Nullendung. Daneben werden morphophonologische Regeln für Umlautung angesetzt, d. h. phonologische Regeln, die in Verbindung mit bestimmten morphologischen Kategorien auftreten. Uns interessieren die von
Subtraktion als Lexikalisierung: Haas (1988)
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Haas aufgestellten sogenannten „morphonologischen“ Regeln (man beachte die Anführungsstriche): Es handelt sich hierbei eigentlich um rein phonologische Regeln, die zwar der Signalisierung des Plurals dienen, jedoch auch in anderen Umgebungen erhalten geblieben sind (vgl. Haas 1988, 26–35). Im Bereich der segmenttilgenden „morphonologischen“ Regeln finden wir, so Haas (1988, 44–47), die „auffälligsten Alternationen“ der Ebsdorfer Pluralmorphologie. Er beschreibt die von ihm erhobenen subtraktiven Plurale als Zusammenwirken von nd -Assimilation bzw. Lenisierung und Apokope. Seine Ableitung der nd -Subtraktion findet sich in Abbildung 9:
Abbildung 9: Haas’ Ableitung der subtraktiven Plurale (nach: Haas 1988, 47)
Dabei nimmt er an, dass sich die Subtraktion zunächst durch eine rein additive morphologische Regel „Füge dem Stamm ein Schwa hinzu!“ erklärt, wobei das Pluralallomorph im Lexikoneintrag spezifiziert sein muss. Diese additive Form unterliegt dann den phonologischen Regeln nd -Assimilation und Konsonantenschwächung. Die apokopierte Variante – sprich: die subtraktive Form – ist laut Haas (1988, 47) lexikalisch gespeichert. Er hält diese Annahme aufgrund der synchron teilweise recht unsystematischen Verhältnisse in Ebsdorf für wahrscheinlicher als eine morphophonologische Apokopierungsregel. Die Annahme einer additiven Regel, die phonetisch reduktive Prozesse initiiert, passt gut ins generative Paradigma (s. die DM-Analyse in Kapitel 7.1.3). Man kann aber Haas selbst durchaus – in seinen eigenen Worten – „einen unerlaubten Rückgriff auf historisches Wissen“ (Haas 1988, 37) vorwerfen, indem er behauptet, dass die Sprecher in ihrem Lexikoneintrag noch die additive, eigentlich frühneuhochdeutsche Pluralendung gespeichert haben müssen. Diese Annahme scheint mir etwas unökonomisch zu sein. Richtig scheint mir dagegen seine Behauptung, dass das Endprodukt mit Apokope lexikalisch gespeichert ist, da die Apokope nach seinen Befunden nicht mehr zu den synchronen phonologischen Regeln zählen kann. Im Folgenden möchte ich meine eigene Analyse vorstellen, die ebenfalls Lexikalisierung historischer phonologischer Regeln voraussetzt. Dabei werde ich aufzuzeigen versuchen, wie diese Formen synchron verarbeitet werden.
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Synchrone Analyse
7.5 EIGENE ANALYSE In diesem Kapitel möchte ich meine eigene Analyse im Rahmen der Morphologietheorie Bybees vorstellen. In Übereinstimmung mit Haas (1988) sind subtraktive Formen meiner Ansicht nach als weitgehend lexikalisierte morphophonologische Alternationen zu verstehen. Sie sind unzweifelhaft Bestandteil der Morphologie, werden aber synchron nicht durch Regeln abgeleitet. 7.5.1 Bybees Netzwerkmodell Joan Bybee hat Mitte der 1980er Jahre eine neue morphologische Theorie – das sogenannte Netzwerkmodell („network model“) – herausgearbeitet, die zu der etwas vorher entstandenen Natürlichen Morphologie in Konkurrenz tritt (vgl. Bybee 1985b; 1988; 1995). Programmatisch für dieses wortbasierte Modell ist die Annahme, dass morphologische Eigenschaften von Wörtern, Paradigmen und Mustern in den Beziehungen zwischen phonologisch und semantisch verwandten Wortformen im Lexikon entstehen und nicht durch Regeln abgeleitet werden (vgl. Bybee 1995, 428). Ähnlich der Natürlichen Morphologie versucht auch Bybees Netzwerkmodell der sprachlichen Realität gerecht zu werden, indem viele Sprachen für die Analyse herangezogen werden. So untersucht Bybee (1985b) die Verbalmorphologie von insgesamt 50 nicht-verwandten Sprachen. Das Netzwerkmodell ist selbst Teil einer größeren gebrauchsbasierten Sprachtheorie, die inzwischen sowohl auf die Phonologie (Bybee 2001) als auch auf die Syntax (Bybee 2010) ausgedehnt wurde, und die besonders die Rolle von Frequenz in den Mittelpunkt stellt. 7.5.1.1 Relevanz, Fusion und diagrammatischer Ikonismus Ein wichtiger Teil des Netzwerkmodells sind die Konzepte „Relevanz“ und „Fusion“ und deren Interaktion: Ein sprachliches Element ist nach Bybee (1985b, 13) gegenüber einem anderen dann relevant, wenn jenes den semantischen Inhalt des anderen direkt betrifft oder ändert.127 So ist in der Verbalmorphologie, die Untersuchungsgegenstand von Bybee (1985b) ist, Aspekt relevanter als Person: Aspekt bezieht sich auf den internen zeitlichen Verlauf einer Handlung oder eines Zustands und ist somit gegenüber dem Verbstamm relevant, da auch dieser einen Zustand oder eine Handlung beschreibt. Demgegenüber ist die Personenmarkierung weniger relevant, da sich diese auf ein Argument des Verbs bezieht und nicht direkt auf den lexikalischen Gehalt des Verbs (vgl. Bybee 1985b, 15). In der Nominalmorphologie ist Numerus relevanter als Kasus, da nur 127 Bybees Relevanzkonzept ist, wie Enger (2012, 255) bemerkt, nicht neu, sondern eine morphologische Interpretation von Behaghels Erstem Gesetz, das besagt, „daß das geistig eng Zusammengehörige auch eng zusammengestellt wird“ (Behaghel 1932, 4).
Eigene Analyse
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der Numerus einen direkten Einfluss auf den Referenten der zugrundeliegenden Basis hat. Kasus ändert demgegenüber nichts am Konzept, sondern nur dessen Beziehung zu anderen Elementen im Satz (vgl. Bybee 1985b, 34 und Nübling et al. 2008, 47). Bybee (1985b, 29–33) beobachtet nun in ihrem Sample von 50 nichtverwandten Sprachen, dass relevantere Kategorien über einen stärkeren morphologischen Fusionsgrad verfügen als weniger relevante. Dieser variiert von eigener lexikalischer Repräsentation (stark fusionierend), über Derivation und Flexion hin zu freien grammatischen Einheiten/Morphemen wie Klitika und syntaktischer Repräsentation (schwach fusionierend). So stellt Bybee (1985b, 36–37) fest, dass die Kategorie „Aspekt“ wesentlich mehr Stammveränderungen bewirkt als alle anderen untersuchten Flexionskategorien; am wenigsten Fusion weisen hingegen die Kategorien „Numerus“ und „Person“ auf, die sich eher freier grammatischer oder syntaktischer Einheiten bedienen. Diese Interaktion von Relevanz und morphologischer Fusion nennt Bybee (1985a) „diagrammatic iconicity.“ Der diagrammatische Ikonismus Bybees unterscheidet sich von dem an sprachlicher Quantität orientierten konstruktionellen Ikonismus der Natürlichkeitstheorie, bei dem einem semantischen Mehr ein phonologisches Mehr entspricht. Die Vorhersage des diagrammatischen Ikonismus ist, dass morphologisch relevante Kategorien näher an der Wurzel stehen (eine größere Fusion aufweisen) als weniger relevante Kategorien (vgl. Bybee 1985b, 24 und Nübling / Dammel 2004, 179–180). Das Prinzip des diagrammatischen Ikonismus kann die Prozesse der Numerusprofilierung und Kasusnivellierung im Deutschen gut erklären, wie von Damaris Nübling und Kolleginnen in zahlreichen Arbeiten gezeigt werden konnte (s. etwa Nübling 2005, 68–73 und Nübling et al. 2008, 63): Die weniger relevante Kategorie „Kasus“ wird eher in den Artikel (syntaktische Realisierung, schwache Fusion) verlagert als die relevantere Kategorie „Numerus“. Kasus modifiziert nie die Wurzel (zum Abbau der Kasusumlaute, s. Kapitel 5.1.1), Numerus hingegen schon (stark fusionierend). Gleichzeitig scheint es eine gewisse Korrelation zwischen der Relevanz einer Kategorie und ihrer Allomorphie zu geben (vgl. Nübling / Dammel 2004, 183), d. h. je relevanter die Kategorie, desto mehr Allomorphie. Auch dies ist im Deutschen der Fall: In Bezug auf die Dativmarkierung gibt es sehr wenig Allomorphie, die überdies sukzessive zugunsten von Nullendungen abgebaut wird. Die Pluralmorphologie ist dagegen ausgeprägt allomorph. Das Konzept des diagrammatischen Ikonismus lässt sich folglich auch anhand der dialektalen subtraktiven Formen gut veranschaulichen: Das Phänomen Subtraktion, das ein hochgradig fusionierendes Verfahren darstellt, hält sich bei einer relevanten Kategorie wie dem Numerus eher, ja kann hier sogar produktiv werden, als bei einer weniger relevanten Kategorie wie dem Kasus, der eher in den Artikel verlagert oder gar abgebaut wird (vgl. Kapitel 6).
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Synchrone Analyse
7.5.1.2 Frequenzeffekte Ein wichtiger Bestandteil von Bybees Netzwerkmodell ist neben Relevanz und diagrammatischem Ikonismus der Einfluss des Sprachgebrauchs auf das Sprachsystem und somit die Rolle von Frequenz. Grundsätzlich müssen dabei zwei Arten von Frequenz auseinandergehalten werden: Token- und Typenfrequenz. Tokenfrequenz ist die Vorkommenshäufigkeit einer sprachlichen Einheit (z. B. eines Phonems in allen seinen Realisierungen, eines Lexems in allen seinen Wortformen, einer Phrase usw.) in einem Text bzw. in einem Sprachsystem. Typenfrequenzen beziehen sich dagegen auf sprachliche Muster: Die Typenfrequenz eines Musters (Lautfolgen, Pluralbildungsmuster, schwache vs. starke Verben usw.) ist gleich alle distinkten sprachlichen Einheiten, die dieses Muster aufweisen (vgl. Bybee 2007, 9–10). Wir brauchen im Folgenden beide Maße, da gezeigt werden kann, dass sie unterschiedliche Folgen für das Sprachsystem haben. Der Einfluss von Frequenz auf das Sprachsystem ist in der Linguistik nicht unumstritten: So sehen Vertreter der Generativen Grammatik wie der Natürlichen Morphologie in der Frequenz ein Epiphänomen von etwas anderem, sei es Kompetenz oder Natürlichkeit (vgl. die Diskussion in Kapitel 7.2.2.2). Allerdings haben Vertreter der Ökonomietheorie (vgl. Werner 1989; FenkOczlon 1991) darauf hingewiesen, dass Tokenfrequenz zwar keine unabhängige Größe ist, sondern immer durch reale Verhältnisse beeinflusst wird, aber trotzdem unterschieden werden muss zwischen der Vorkommenshäufigkeit eines sprachlichen Zeichens in einem Text und der seines Denotats in der realen Welt (vgl. Werner 1989, 42; Haspelmath 2006, 45). Konträr zur Annahme, dass statistische Größen für das Kind keine Rolle bei der Internalisierung sprachlicher Regeln spielen (vgl. Mayerthaler 1981, 140), haben empirische Untersuchungen ergeben, dass Sprachbenutzer Häufigkeiten tatsächlich sehr gut einschätzen können (vgl. Fenk-Oczlon 1991, 365). Auch deuten weitere sprachhistorische, sprachtypologische und psycholinguistische Arbeiten darauf hin, dass die Frequenz selber eine Rolle spielt. So können in diachronen Untersuchungen zwei scheinbar gegenläufige Frequenzeffekte beobachtet werden: Ein Reduktions- und ein Konservierungseffekt (vgl. Bybee 2007, 10–13, s. auch Mańczak 1980). Was den ersteren Effekt betrifft, beruft sich Bybee auf Schuchardt (1885), der zeigen konnte, dass tokenfrequente Wörter regulärem Lautwandel stärker ausgesetzt sind als tokeninfrequente, was er als einen Beweis gegen das junggrammatische Postulat der „Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze“ ansah. So beobachtet Nübling (2000, 189–190) für Kontraktionsverben im Mittelhochdeutschen (vgl. hâben > hân, lâzen > lân), dass neben dem Faktor „konsonantische Stärke des Kontraktionskonsonanten“ besonders die Gebrauchsfrequenz des Verbs eine Kontraktion begünstigt. Andererseits – und das ist der zweite, auf den ersten Blick widersprüchliche Effekt – sind aber tokenfrequente Wörter in einem höheren Ausmaß vor analogischem Ausgleich (morphologischem Wandel) geschützt als tokeninfrequente, so dass sie oft ältere Verhältnisse bewahren (s. auch schon Paul 1920,
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115). In Bezug auf die Nominalmorphologie ist für die germanischen Sprachen die Bewahrung der Kasusflexion bei den sehr tokenfrequenten Pronomina, aber deren Abbau am Substantiv, ein instruktives Beispiel (vgl. Bybee 2001, 11–12). Dass dies für die subtraktiven Formen teilweise auch gilt, werde ich in Kapitel 7.5.2.1 zeigen. Sprachtypologisch stellt Greenberg (1966) eine Korrelation zwischen Unmarkiertheit und hoher Frequenz fest, was auch durch Befunde der jüngeren Sprachtypologieforschung gestützt wird (vgl. Haspelmath 2006). Demnach ist der Plural meist deswegen merkmalhaft, weil er seltener verwendet wird als der Singular. In vielen Fällen, bei denen der Singular markiert ist, kann dies wiederum auf eine höhere Frequenz des Plurals zurückgeführt werden (vgl. Tiersma 1982). Psycholinguistische Studien zeigen, dass häufig benutzte Wörter schneller abgerufen und erkannt werden als Wörter, die seltener benutzt werden (vgl. Bybee 1988, 131 und Hare / Ford / Marslen-Wilson 2001). Jedoch ist es umstritten, ob die irregulären Formen vor allem aufgrund ihrer hohen Tokenfrequenz schneller erkannt werden oder ob lexikalische Speicherung gegenüber morphologischer Zerlegung zum schnelleren Abruf führt (vgl. Pinker 1991). In den letzten 30 Jahren wurde in der Psycho- und Neurolinguistik unter dem Titel „past-tense debate“ sehr kontrovers diskutiert, inwiefern Frequenzeffekte (Typenfrequenz) im regulären Bereich eine Rolle spielen (vgl. Pinker 1991; Bybee 1995; Marcus et al. 1995). Die verschiedenen Positionen hängen dabei oft von der Frage ab, ob ein Type einem Lemma oder einem Stamm entsprechen soll, da gerade eine Sprache wie das Deutsche viele präfigierte Verben und Komposita kennt. In dieser Arbeit wird in Übereinstimmung mit Bybee (1995) vom Stamm ausgegangen: Dies hat aber wenig Konsequenzen für die Ergebnisse, da Komposita in meinen Quellen kaum vorkommen. 7.5.1.3 Zur Organisation des Lexikons Bybee (1985b, 117–119) nimmt im Unterschied zu den IA- und IP-Modellen eine radikale Position ein und behauptet, dass sämtliche Wortformen im Lexikon gespeichert sind. Gestützt auf Befunde aus der kognitiven Psychologie (v. a. Rumelhart / McClelland 1986) nimmt Bybee (1988) an, dass morphologische Regeln und lexikalische Repräsentationen nicht zwei verschiedene Mechanismen sind (entgegen den Annahmen der Dual-Route-Theorie), sondern dass sich morphologische und morphophonologische Regeln aus der Organisation des Lexikons ergeben („emergent structure“). Die Morphologie besteht also aus lexikalischen Repräsentationen, die generalisiert werden. Somit gibt es keine sprachlichen Regeln, sondern nur Regularitäten. Die Idee ist, dass Sprache nicht anders gespeichert wird als nicht-linguistische Information (vgl. Bybee 1988, 125–128). Bybee teilt dadurch gewisse Grundannahmen des Konnektionismus, nach dem sich Sprache nicht von den allgemein-kognitiven Mechanismen der höheren Kognition unterscheidet (vgl. Joanisse / Seidenberg 1999, 7592), und ihr Modell weist gewisse Ähnlichkeiten zu neuronalen Netzen auf, jedoch
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Synchrone Analyse
unterscheiden sie sich in der Definition von Tokenfrequenz und in der Art der erlaubten Generalisierungen (vgl. Bybee 1995, 432–433). Das Lexikon in Bybees Modell wird als eine dynamische Größe und nicht bloß als eine „Liste von Wörtern“ wie in den klassischen strukturalistischen Theorien verstanden. Nach Bybee (1995, 428) weisen alle Wörter eine unterschiedliche lexikalische Stärke („lexical strength“) auf, die hauptsächlich mit ihrer Tokenfrequenz korreliert. Wörter mit einer höheren lexikalische Stärke zeichnen sich v. a. dadurch aus, dass sie schnell abgerufen werden können; des Weiteren stellen sie in der Regel die morphologischen Ausgangsformen dar und sind weitgehend „autonom“, also weniger von anderen Wortformen abhängig und dadurch von (internem) Sprachwandel geschützt. Eine weitere wichtige Eigenschaft des Bybeeschen Lexikons ist, dass sprachliche Einheiten aufgrund identischer oder ähnlicher semantischer und phonologischer Merkmale eine gewisse Anzahl Beziehungen oder Verbindungen zu anderen Einheiten („lexical connections“) bilden, welche die lexikalische Stärke unterstützen (vgl. Bybee 1995, 428–429). Semantisch können Wortformen miteinander verbunden sein, indem sie dem gleichen Wortfeld angehören oder in Bedeutungsrelationen wie Synonymie/Antonymie zueinander stehen; phonologisch, indem sie etwa das gleiche initiale Segment oder die gleiche Silbenstruktur aufweisen (vgl. Bybee 1988, 125). Die lexikalischen Beziehungen ermöglichen qua Abstraktion die morphologische Analyse komplexer Wörter, ohne dass Morpheme angenommen werden müssen. Morphologische Generalisierungen werden im Modell als Schemata (für die Übertragung dieses Konzepts auf das standarddeutsche Pluralsystem, s. Köpcke 1988; 1993) beschrieben, deren Produktivität sich aus hauptsächlich zwei Faktoren ergibt: erstens aus den definierenden Eigenschaften des Schemas (je nachdem, auf wie viele phonologische Umgebungen es zutrifft, kann es offen oder geschlossen sein) und zweitens aus dessen Typenfrequenz (vgl. Bybee 1995, 429–430). Hier spielt die Tokenfrequenz keine nennenswerte Rolle: Aus dem Zipfschen Gesetz (vgl. Perkuhn / Keibel / Kupietz 2012, 84–85) folgt, dass eine sehr hohe Tokenfrequenz in der Tat eher mit einer eher niedrigen Typenfrequenz verbunden ist (vgl. Bybee 1995, 434). Ein dritter Faktor, „cue validity“, könnte auch für die Produktivität wichtig sein: Ein Schema hat genau dann eine hohe „cue validity“, wenn es möglichst viele für eine bestimmte phonologische Umgebung in Frage kommende Wortformen enthält (vgl. Bybee 1988, 138). Die Faktoren „lexikalische Stärke“ und „lexikalische Verbindungen“ interagieren auf unterschiedliche Art und Weise miteinander. Wörter mit hoher lexikalischer Stärke (sprich: die irregulären) verfügen über eine größere Autonomie als Wörter mit geringer lexikalischer Stärke (sprich: die regulären), d. h. sie sind durch weniger Verbindungen zu anderen Wörtern gekennzeichnet, ja können gar ein eigenes Schema für sich bilden (vgl. Bybee 1995, 429–430). Dies stimmt mit der allgemeinen Tendenz von Sprachen überein, dass mit hoher Tokenfrequenz auch ein hoher Grad an morphologischer Fusion einhergeht, d. h. häufig benutzte Wörter sind viel stärker suppletiv als seltener gebrauchte
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Wörter (vgl. Bybee 1988, 132–134). Diese Beziehungen können sich jedoch jederzeit ändern. Änderungen in lexikalischer Stärke lösen Sprachwandel aus: Eine Abnahme der Frequenz, wie dies z. B. bei einigen starken Verben in den germanischen Sprachen beobachtet werden kann, führt nachweislich zu Regularisierung, indem das Schema an Autonomie verliert und die Wortformen einem allgemeineren Schema zugeordnet werden. Eine Zunahme der Frequenz kann dagegen eine Irregularisierung hervorrufen (vgl. Nübling 2000, 260–265; darüber hinaus: quantitativ Lieberman et al. 2007 für das Englische, Alday 2010 und jüngst Carroll / Scare / Salmons 2012 für das Deutsche). Es gibt laut Bybee (1995) zwei Arten von Schemata bzw. Generalisierungen. Schemata können quellen- oder produktorientiert sein oder auch beides zugleich: Quellenorientierte Schemata sind Generalisierungen über zugrundeliegende und abgeleitete Formen wie wait, waited. Sie sind den Regeln in prozessorientierten Modellen sehr ähnlich, indem sie eine Anweisung implizieren: „Füge dem Stamm eine Endung hinzu.“ Produktorientierte Schemata stellen dagegen Generalisierungen über komplexe oder abgeleitete Formen wie strung, stung, flung, hung usw. dar, bei denen die Merkmale der abgeleiteten Formen zwar klar hervortreten, aber ohne dass dabei die zu diesen Formen führenden Verarbeitungsschritte stipuliert werden müssen (vgl. Bybee 1995, 430–431). Ausschlaggebend für die Teilhabe an einem produktorientierten Schema sind nicht die An- und Abwesenheit von Merkmalen, sondern die Ähnlichkeit zu anderen Mitgliedern. Produktorientierte Schemata haben kein Pendant in strukturalistischen Morphologiemodellen. Sie haben auf den ersten Blick mehr mit dem junggrammatischen Konzept der Analogie gemeinsam, jedoch können besonders irreguläre Muster in einer proportionalen Analogie nicht adäquat erfasst werden (vgl. Bybee / Moder 1983, 255). Im Folgenden werden wir uns mit produktorientierten Schemata näher beschäftigen. Bybee / Moder (1983) untersuchen produktorientierte Schemata anhand der string/strung-Klasse im Englischen. Es handelt sich dabei um eine Unterkategorie der starken Verben des Englischen, die im Präteritum und Partizip II immer ein /2/ enthält, während der Stammvokal im Präsens meistens, aber nicht immer, gleich ist. Die definierenden Eigenschaften des Schemas sind somit eher in der Output- und nicht in der Inputform zu suchen. Ein produktorientiertes Schema hat mehrere Mitglieder, unter welchen es in der Regel eines oder mehrere gibt, die für das Schema besonders prototypisch sind, während andere weniger prototypisch sein können (vgl. Bybee / Moder 1983, 255– 256). Für die string/strung-Klasse scheint besonders der Auslaut wichtig zu sein, indem Verben, die auf einen Velarnasal enden, sehr oft zu diesem Muster neigen. Weiter gibt es eine gewisse, historisch bedingte Präferenz für /I/ im Präsens und initiales /s/, gefolgt von einem oder mehreren Konsonanten. In einem Experiment konnten Bybee / Moder (1983, 257–262) zeigen, dass eigens für die Untersuchung konstruierte Verben, die nahe am Prototypen lagen, besonders zur Irregularisierung neigten. Dabei war der Auslaut wichtiger als der Stammvokal, so dass die Vorhersage des IP-Modells „Tausche das /I/ durch /2/ aus“ nicht auf alle Fälle zutreffen würde. Auch eine proportionale Analogie
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hätte die Präsensform strike allerdings nicht vorhersagen können, bevor es diese Form in der Klasse bereits gibt (vgl. Bybee / Moder 1983, 262–263). Es wurde bereits auf die Tatsache hingewiesen, dass eine besonders hohe Tokenfrequenz die Produktivität eher hemmt als fördert. Für die strung-Klasse, die laut Bybee (1995, 434) nur 13 Mitglieder enthält, gilt dies ebenfalls. Sie vermutet, dass die strung-Klasse im Gegensatz zur swept-Klasse mit 14 Mitgliedern deswegen produktiver ist, weil die jeweiligen Mitglieder der letzteren Klasse insgesamt wesentlich häufiger sind als die der ersteren. In der Zählung von Francis / Kučera (1982) hat die strung-Klasse eine Tokenfrequenz von 199, die swept-Klasse dagegen 656. So ist es wahrscheinlicher, dass die häufigen Mitglieder der swept-Klasse eigene autonome Schemata für sich bilden, während für die strung-Klasse überzeugend argumentiert werden kann, dass sie ein eigenes produktives Schema bildet.128 Abbildung 10 zeigt eine Modellierung dieses Schemas:
Abbildung 10: Produktorientiertes Schema: die strung-Klasse (nach: Bybee 1995, 431)
Dicke Linien stellen phonologische und semantische Beziehungen zwischen den Wortformen dar, dünne Linien nur phonologische und gestrichelte Linien 128 Die string/strung-Klasse im Englischen hat eine Parallele in der Ablautreihe IIIa des Deutschen (singen – sang – gesungen), die etwa 15 Typen aufweist: Ähnlich wie in englischen Dialekten kann auch im deutschen Sprachraum, v. a. im Rheinfränkischen und Niederalemannischen (vgl. Schmidt / Herrgen 2011, 158–164), diese Klasse auf das ursprünglich gemischte Verb ‘bringen’ ausgedehnt werden (bringen – brang – gebrungen), das von alters her primären Berührungseffekt und Nasalausfall vor h mit anschließender Ersatzdehnung des vorangehenden Vokals zeigt (vgl. Bergmann / Pauly / Moulin 2007, 106).
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partiell phonologische Merkmale. Bei diesem Analysevorschlag fällt ins Auge, dass der Auslaut immer auf einen Velarkonsonanten endet, der in der Regel zugleich ein Velarnasal ist. Dies ist die definierende Eigenschaft des Schemas. Für die Analyse der subtraktiven Formen in den Dialekten des Deutschen, zu der ich jetzt übergehe, ist aus dem Vorausgegangenen mitzunehmen, dass ein Schema besonders dann produktiv werden kann, wenn es viele Mitglieder hat und wenn diese Mitglieder jeweils eine nicht zu hohe Tokenfrequenz aufweisen (vgl. Bybee 1995, 438). 7.5.2 Subtraktive Plurale im Netzwerkmodell Im Folgenden wird der Rolle der lexikalischen Stärke und der lexikalischen Beziehungen bei der synchronen Existenz subtraktiver Formen nachgegangen und untersucht, ob bestimmte, in deutschen Dialekten belegte Subtraktionstypen eigene Schemata bilden können. Dabei werden die subtraktiven Plurale und Dative getrennt behandelt, da diese unterschiedlich lexikalisch repräsentiert sind. Den größten Raum werden die subtraktiven Plurale einnehmen, da diese wesentlich üblicher, ja sogar beschränkt produktiv sind. 7.5.2.1 Tokenfrequenz und Subtraktion: Autonomie Zunächst wenden wir uns der Frage zu, wie häufig die Lexeme, die zur Subtraktion im Plural führen, eigentlich sind. Dies könnte uns Aufschluss darüber geben, wie ihre lexikalische Stärke einzuschätzen ist. Sodann soll anhand der von mir erhobenen Daten untersucht werden, ob ein Zusammenhang zwischen Gebrauchsfrequenz und Abbauresistenz vorhanden sein könnte. In den von mir berücksichtigten dialektologischen Arbeiten finde ich tatsächlich Hinweise darauf, dass die subtraktiven Formen von häufigen Lexemen oder Lexemen, die besonders häufig im Plural verwendet werden, in einem bestimmten Dialekt öfter beibehalten werden als subtraktive Formen von selteneren Lexemen. So bemerkt Alles (1907/1908, 234), wie im sprachgeographischen Teil schon erwähnt, dass am Wäh neben am Wäk möglich sei, es jedoch niemals am Stäh heiße. Das gleiche gelte für den Plural: „Die geringere Verbreitung der ausgeglichenen Form [im Gegensatz zur lautgesetzlichen Form, d. h. Subtraktion, M.B.B.] bei Weg erklärt sich aus dem häufigeren Vorkommen dieses Wortes im Pl.“ (Alles 1907/1908, 355). Was die Apokope betrifft, ist festzustellen, dass sie sich bei tokenfrequenten Lexemen am besten erhalten hat: Dies zeigt Kroh (1915, 237) schön am Beispiel des Lexems ‘Gänse’, bei dem er auch in Gebieten, die die Apokope eigentlich kennen (Siegerland), allgemein eine Restituierung des Schwa nachweisen kann, was er mit der Aufgabe der Gänsezucht
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in der Region in Verbindung bringt.129 Als Beispiel wird das Dorf Dreisbach genommen, wo zur Zeit der Untersuchung Krohs offensichtlich wieder Gänse gehalten wurden. Die jüngere Generation habe aber, nachdem das Dialektwort außer Gebrauch geraten sei, das Wort samt seiner Flexionsendung (= Gäns-e) aus der Hochsprache entlehnt. Die Erkenntnis, dass Frequenzeffekte beim Sprachwandel wichtig sind, ist also keineswegs neu (auf Schuchardt 1885 wurde bereits verwiesen; auch bei seinem Widersacher Hermann Paul spielt Frequenz eine nicht unwichtige Rolle, vgl. etwa Paul 1920, 109). Allerdings ist man früher in Ermangelung quantitativer Daten eher ungenau damit umgegangen, was seinerzeit die Motivation für Arno Ruoffs „Häufigkeitswörterbuch gesprochener Sprache“ war (vgl. Ruoff 1981, 8). Um die Rolle von Frequenzeffekten – genauer: Tokenfrequenz – beim Erhalt subtraktiver Formen zu ergründen, habe ich Frequenzlisten aus drei Korpora zusammengestellt: Es handelt sich dabei um Ruoffs Häufigkeitswörterbuch (Ruoff 1981), die in Kapitel 7.2.2.2 behandelten, auf dem Zwirner-Korpus basierenden Frequenzlisten und die Wortformenlisten des Deutschen Referenzkorpus (DeReWo) des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim.130 Letzteres Korpus wurde nur aus Repräsentativitätsgründen aufgenommen: Während die zwei dialektalen Korpora auf einer relativ geringen Anzahl Tokens beruhen (Ruoff 1981: 500.000, Zwirner-Transkripte: 3.500.000), sind die DeReWo-Listen auf Basis des derzeit größten linguistischen Korpus des Deutschen erstellt (momentan 5,4 Milliarden Tokens). Dieses soll in der vorliegenden Arbeit eine standardsprachliche Vergleichsgröße zu den dialektalen Korpora darstellen. Mir ist natürlich bewusst, dass ein direkter Vergleich aufgrund von Unterschieden zwischen gesprochener und geschriebener Sprache problematisch ist. Jedoch wird sich zeigen, dass die Ergebnisse für die drei Korpora oft übereinstimmen. Damit die Häufigkeitsangaben vergleichbar sind, habe ich für das Ruoff- und Zwirner-Korpus logarithmische Häufigkeitsklassen nach der Formel der DeReWoListen berechnet (vgl. DeReWo, 7 und Perkuhn / Keibel / Kupietz 2012, 80).131 Die Formel findet sich in (17):132 F (R) K(W ) = log2 + 0, 5 (17) F (W )
129 Tiersma (1982, 835) bemerkt interessanterweise in Bezug auf dasselbe Lexem, dass auch die Kultur, die die Frequenz widerspiegelt, in die Betrachtung einbezogen werden muss: Während Gänse auf dem Land üblich sind und in Herden auftreten, sind sie in den Städten eher selten, woraus sich in einer städtisch geprägten Kultur eine häufigere Verwendung des Wortes im Singular ergeben könnte. 130 ; Stand: 25.01.13. 131 Für diese Arbeit wurde die finale Version der DeReWo-Listen herangezogen, die am 31. Dezember 2012 ins Internet gestellt wurde (siehe DeReWo). 132 An dieser Stelle möchte ich mich bei Rainer Perkuhn (IDS Mannheim) für ausführliche Auskünfte zur Berechnung der DeReWo-Listen bedanken.
Eigene Analyse
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Demnach befindet sich ein Wort W in der Häufigkeitsklasse K, „wenn im gegebenen Korpus das häufigste Wort R etwa 2K Mal so häufig vorkommt wie W “ (Perkuhn / Keibel / Kupietz 2012, 80). Mithilfe von Gausklammer + 0,5 wird der Wert auf die nächste ganze Zahl ab- bzw. aufgerundet (= kaufmännische Rundung). Unter „Wort“ verstehen wir hier das Lemma, d. h. das Substantiv in allen seinen Flexionsformen. Das Vergleichswort ist immer das häufigste Lemma innerhalb des Gesamtkorpus (in allen Fällen der bestimmte Artikel), und nicht, wie etwa bei Ruoffs ursprünglichen Prozentangaben, innerhalb der jeweiligen Wortart (ich habe Ruoffs Angaben umgerechnet). Dies führt dazu, dass in den Klassen 0–4 keine Substantiven repräsentiert sind, da innerhalb dieses Höchstfrequenzbereichs nur eng mit der Grammatik zusammengehörende Wörter wie Artikel, Verben (sein, haben) und Konjunktionen (und ) vorkommen. Frequenzen innerhalb einzelner Wortarten zu berechnen, war mir nicht möglich, da für das Zwirner-Korpus keine „part-of-speech tags“ vorliegen. Dies stellt aber für die folgenden Betrachtungen kein Problem dar, da für alle Korpora die gleiche Vergleichsgröße gewählt wurde. Eine exhaustive Liste der auf diesem Wege berechneten Häufigkeitsklassen findet sich in Anhang C.133 Die wichtigsten Ergebnisse sind in Tabelle 49 auf der nächsten Seite zusammengefasst. Hier finden sich die Frequenzangaben zu denjenigen subtraktiven Lexemen, die in meiner Datenbank mit mehr als 50 Belegen für Subtraktion im Plural vertreten sind (in absteigender Reihenfolge). Zunächst eine kleine Bemerkung: Mir ist klar, dass Lexeme, die besonders häufig vorkommen auch in der dialektologisch-grammatischen Literatur besonders häufig vertreten sein dürften. Potenziell zirkulären Schlüssen habe ich durch eine möglichst exhaustive Wörterbuchrecherche zu sämtlichen subtraktiven Lexemen entgegenzusteuern versucht (vgl. Kapitel 3.1.2.2), es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass ein gewisser Bias in den Zahlen vorhanden ist. Keineswegs dürfen die Belegzahlen als statistisch repräsentativ genommen werden, weswegen hier auf entsprechende Tests verzichtet wird. Es deuten sich zwar Tendenzen an, aber durch die unterschiedlich gute dialektologische bzw. dialektmorphologische Erschließung des Sprachgebiets sind Ungleichmäßigkeiten prädestiniert (z. B. durch besonders ergiebige Arbeiten in einigen Gebieten, weniger ertragreiche in anderen).
133 Man sollte sich bewusst sein, dass bestimmte Häufigkeitsangaben – gerade aus einem kleineren Korpus wie Ruoff (1981) – problematisch sein können. So ist z. B. das Wort ‘Krieg’ in den dialektalen Korpora mit einer Häufigkeit von 7 belegt (DeReWo: 9), was wohl damit zusammenhängt, dass der Zweite Weltkrieg in den Sprachaufnahmen des Deutschen Spracharchivs (DSAv) sehr häufig thematisiert wird. ‘Wald’ erreicht bei Ruoff (1981) sogar Häufigkeitsklasse 6 (DeReWo: 10), was sicherlich durch die Aufnahme des „Schwarzwald-Korpus“ und durch den hierin sehr prominenten Themenbereich „Waldarbeit“ bedingt ist (vgl. Ruoff 1981, 14).
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Synchrone Analyse
Lexem Hund Hand Wand Tag Kind Pferd Blatt Schuh
Umgebung Zwirner /-nd/ /-nd/ /-nd/ /-Vg/ /-nd/ /-rd/ /-Vd/ /-Vh/
Ruoff (1981)
DeReWo
11 7 11 5 6 10 12 9
11 9 11 7 7 11 11 12
9 8 11 6 6 7 11 10
Tabelle 49: Subtraktion und Tokenfrequenz
Das Ergebnis, das aufgrund des sehr heterogenen Materials also vorsichtig interpretiert werden sollte, ist, dass es sich bei den am häufigsten mit Subtraktion belegten Lexemen auch um per se häufige Lexeme handelt: 6 von 8 Lexemen in Tabelle 49 befinden sich in einem der dialektalen Korpora in einer Häufigkeitsklasse niedriger als 10 und können als frequent bis hochfrequent klassifiziert werden. Zwei Lexeme, ‘Tag’ und ‘Kind’, sind unter den Substantiven sogar höchstfrequent; sie gehören zu den häufigsten Substantiven (Rang 2 und 9 bei Ruoff 1981, 354) überhaupt. Die Korrelation stimmt aber nicht immer: Dies ist besonders bei ‘Hund’ und ‘Wand’ zu bemerken, die insgesamt seltener als ‘Hand’ sind, aber gleichzeitig besonders häufig mit Subtraktion belegt sind. Im Falle von ‘Hund’ könnte die Tatsache, dass dieses Lexem in den einschlägigen Dialekten nicht umgelautet wird, der Plural also nur durch Subtraktion angezeigt wird, von einer gewissen Bedeutung für den Erhalt sein, aber gleichzeitig kann dies natürlich für ‘Wand’ nicht gelten. Wenn man sich die einzelnen Subtraktionstypen ansieht, ist besonders im Falle der Vg-Subtraktion, wie in Tabelle 50 dargestellt, ein gewisser Zusammenhang zwischen Häufigkeit und dem Erhalt subtraktiver Formen zu beobachten. Lexem Zwirner Ruoff (1981) Tag Weg Schlag Pflug Trog
6 9 10 10 12
5 8 10 11 15
DeReWo 7 8 11 16 17
Tabelle 50: Vg-Subtraktion und Tokenfrequenz
Nicht nur die kumulierte Häufigkeit sämtlicher Wortformen eines Lemmas, sondern auch die kategorielle Tokenfrequenz des Plurals gegenüber dem Singular können Subtraktion begünstigen (vgl. Kapitel 7.2.2.2 und Anhang D). Hier könnte der Faktor „lokale Markiertheit“ (Tiersma 1982) bzw. „Häufigkeitsumkehr“ (Fenk-Oczlon 1991) eine Rolle spielen. Den eindeutigsten Fall
Eigene Analyse
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von Häufigkeitsumkehr finden wir, wie schon erwähnt, bei ‘Kind’. In meinen Daten finden sich zudem Hinweise darauf, dass in einem Ort die Subtraktion bei ‘Hund’ abgebaut wird, dass sie aber bei ‘Kind’ erhalten bleibt, dies gilt z. B. für das niederalemannische Auenheim (vgl. Meng 1967, 274–275), für das ostfränkische Berlichingen (vgl. Hohnerlein 1955, 110–112), für das ostfränkische Aschenroth (vgl. Köhler 1931, 12, 21) und für das osthessische Werra-Fulda-Gebiet (vgl. Weber 1959, 69). Dies könnte einerseits daher rühren, dass ‘Kind’ insgesamt häufiger ist als ‘Hund’, andererseits, dass ‘Kind’ im Vergleich zu ‘Hund’ im Plural häufiger vorkommt. Die Tatsache, dass in meiner Belegsammlung ‘Hund’ wesentlich häufiger mit Subtraktion belegt ist als ‘Kind’, darf in diesem Fall nicht verwirren. Wir erinnern uns, dass ‘Kind’ im Vergleich zum allgegenwärtigen ‘Hund’ nur in einem beschränkten Gebiet, nämlich im mittel- und oberdeutschen Raum, aufgrund eines dort früher vorhandenen, analogisch gebildeten Schwa in der Nebensilbe subtrahiert. Der letzte Fall hat gezeigt, dass mehrere Arten von Frequenzeffekten wirksam sind. An dieser Stelle muss aber betont werden, dass Frequenzeffekte nur einen von mehreren Faktoren (Flexionsklasse, phonologische und morphologische Prozesse) beim Erhalt subtraktiver Formen darstellen. So ist es bemerkenswert, dass ein überaus häufiges Lexem wie ‘Land’ fast gar nicht im Plural subtrahiert, im Dativ Singular aber schon (vgl. Kapitel 7.5.3). Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass sich die -er -Endung hier bereits zu einem frühen Zeitpunkt durchgesetzt hat. Die Präferenz für eine längere additive Endung könnte man vielleicht in der Tatsache begründet sehen, dass dieses Lexem im Dialekt äußerst selten im Plural verwendet wird. Der Fall ‘Land’ ist somit ein zusätzlicher Beweis dafür, dass subtraktive Formen nicht mithilfe von synchronen Regeln abgeleitet werden können. Insgesamt zeigt sich, dass der Faktor Tokenfrequenz und damit die lexikalische Stärke beim Erhalt subtraktiver Formen eine wichtige Rolle spielt. Gerade bei Lexemen, die insgesamt besonders häufig verwendet werden, kann dafür argumentiert werden, dass sie ein eigenes Schema für sich bilden. Dies gilt z. B. für ‘Kind’ oder ‘Tag’. Die Existenz einiger subtraktiver Formen kann aber über dieses Maß nicht erklärt werden; dies gilt namentlich für solche Lexeme wie ‘Hund’ und ‘Wand’. Im nächsten Kapitel werde ich dafür argumentieren, dass Lexeme wie diese ein Schema bilden, in dem nicht alle Mitglieder gleich tokenfrequent sein müssen, sondern sich gegenseitig unterstützen können. Dort soll allgemein untersucht werden, wie groß die Klasse der subtraktiven Formen in den jeweiligen Einzelmundarten ist und damit nach den lexikalischen Beziehungen und Schemata gefragt werden. 7.5.2.2 Typenfrequenz und Subtraktion: Schemata In meiner Belegsammlung finden sich insgesamt 72 Lexeme, zu denen subtraktive Plurale gebildet werden können. Diese Zahl ist relativ hoch, wenn man dabei bedenkt, dass die starken Verben im Neuhochdeutschen etwa 150 bis
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Synchrone Analyse
200 Mitglieder umfassen, wenn man Stämme zählt und nicht Lexeme (vgl. Bybee 1995, 435–438 und Nübling 2000, 251). Obwohl es insgesamt wesentlich mehr Substantive als Verben gibt, wären die subtrahierenden Lexeme keine unbedeutende Gruppe unter den Substantiven mit irregulärer Flexion. Die -er -Pluralklasse hat zum Vergleich eine Typenfrequenz von etwa 100 im Standarddeutschen (vgl. Nübling et al. 2008, 61). Jedoch haben wir gesehen, dass bei Haas (1988) nur 8 der 651 untersuchten Substantive in Ebsdorf mit subtraktiven Pluralen belegt sind – eine vergleichsweise kleine Gruppe. Die oben genannte Zahl bezieht sich dagegen auf das gesamte deutsche Sprachgebiet und ist nicht für eine einzelne Varietät wie die Mundart von Ebsdorf repräsentativ. Um zu ermitteln, wie viele Lexeme in den einzelnen Dialekten von Subtraktion betroffen sein könnten, habe ich meine Datenbank alle mit Pluralsubtraktion belegten Lexeme in jedem Ort zählen lassen. Dabei wurden nur Belege aus der dialektologisch-grammatischen Literatur ausgewertet und Wörterbuchbelege weggelassen, da die von mir herangezogenen großräumigen Dialektwörterbücher nicht eine exhaustive Behandlung von Ortsdialekten zum Ziel haben. Wenn man nur die Belege aus der dialektologisch-grammatischen Literatur berücksichtigt, liegen subtraktive Plurale aus insgesamt 254 (identifizierbaren) Orten vor. Interessant ist dabei zunächst, dass der berechnete Mittelwert pro Ort mit 5 subtraktiven Lexemen sogar etwas unter der Zahl von Haas (1988) liegt, was auf ein relativ marginales Phänomen deutet. Allerdings fällt auf, dass viele Orte nur jeweils mit einem Beleg vertreten sind, einige aber auch mit wesentlich mehr (Median = 3), was vor allem mit der Quellenlage zusammenhängt. Uns interessieren die besonders subtraktionsfreudigen Dialekte: Tabelle 51 zeigt die fünf Orte an, bei denen die Typenfrequenz am höchsten ist: Ort
Dialekt
Quelle
Lexeme
Wasungen Rostock Fraurombach Ruhla Ruppertenrod
OFR MVP OHE THÜ ZHE
Reichardt / Koch / Storch (1895) Nerger (1869) Alles (1907/1908) Regel (1868) Alles (1907/1908)
22 20 19 19 18
Tabelle 51: Typenfrequenz in einzelnen Dialekten
Die Spitze nimmt mit 22 belegten subtraktiven Lexemen das ostfränkische Wasungen ein. Interessanterweise bilden sich im Hoch- und Niederdeutschen jeweils Zentren, die wir in Analogie zu Seiler (2003) als „subtraktionsprominente Zonen“ bezeichnen könnten. Diese Zonen liegen demnach östlich und westlich der Fulda im Osthessischen, Zentralhessischen, Thüringischen und Ostfränkischen und zwischen Elbe und Ostsee im Mecklenburgisch-Vorpommerschen. Es gibt wenigstens zwei Gründe, warum diese Gebiete wesentlich mehr subtraktive Lexeme aufweisen als andere: Erstens sind die Arbeiten, auf die ich mich hierbei beziehe, zum Teil sehr alt; zwei davon (Regel 1868; Nerger 1869)
Eigene Analyse
197
sind sogar noch vor der junggrammatischen Zeit entstanden. Es ist naheliegend anzunehmen, dass die phonologischen Bedingungen der Subtraktion zum Erhebungszeitpunkt Mitte des 19. Jahrhunderts noch transparenter waren als im 20. Jahrhundert und dass seither ein Abbau, nicht nur, aber auch infolge standardsprachlichen Einflusses (vgl. Kapitel 6) stattgefunden hat: Diese Annahme wäre für Teile des Niederdeutschen zumindest nicht unplausibel, wo die Apokope zu dieser Zeit noch synchron aktiv war. Ein weiterer Grund mag sein, dass die hier vertretenen Arbeiten auch in sonstiger Hinsicht äußerst ergiebig sind und auf einem reichhaltigen empirischen Material fußen. Darüber hinaus ist meines Erachtens zumindest auffällig, dass die Schwerpunktgebiete der Subtraktion auch historisch diejenigen sind, bei denen die Apokope besonders früh belegt ist. Ein Fall von lexikalischer Diffusion, bei der ein phonologischer Prozess im Ursprungsgebiet besonders konsequent durchgeführt wurde, wäre denkbar.134 Allerdings sind die subtraktiven Formen durch mehrere Prozesse und nicht nur durch Apokope entstanden. Für eine adäquate theoretische Behandlung der subtraktiven Formen ist es naheliegend, von Gebieten auszugehen, die empirisch gut abgedeckt sind. Deswegen stellen wir uns im Folgenden ein Lexikon vor, wie es in vielen hessischen und ostfränkischen Dialekten aussehen könnte. In diesem Gebiet können – dies zeigt etwa die Wasunger Mundart – maximal 22 subtraktive Lexeme vorkommen, wovon jeweils fast 3/4 auf die häufigsten Subtraktionstypen /-nd/ und /-Vg/ fallen. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, sich hier auf diese zwei Typen zu beschränken. Während Kapitel 7.5.2.1 gezeigt hat, dass für viele Lexeme eine hohe Tokenfrequenz für den Erhalt der subtraktiven Formen verantwortlich gemacht werden kann, soll hier dafür argumentiert werden, dass gerade diese zwei Subtraktionstypen Schemata bilden, die sogar in seltenen Fällen (nd -Subtraktion) produktiv werden können. Ich nehme an, dass sie ein produktorientiertes Schema, wie die string/strung-Klasse im Englischen (s. Bybee / Moder 1983 und oben), bilden, denn einiges spricht dafür, dass der Singular markiert ist und von den Pluralformen abgeleitet wird. Ich habe in Kapitel 7.1 gezeigt, dass die Analyse des Plurals als zugrundeliegender Form, von welcher der Singular durch Addition gebildet wird, in einem morphembasierten Modell in vielerlei Hinsicht problematisch ist, da hierfür unzählige Regeln mit vielen Ausnahmen aufgestellt werden müssten. In einem assoziationsbasierten Modell aber, das keine Regeln kennt, sondern nur Regularitäten, spielt die Richtung der Ableitung keine Rolle. Auch ein bidirektionales Verhältnis, bei dem die Assoziationen in beide Richtungen gehen, ist in diesem Modell möglich. In Abbildung 11 auf der nächsten Seite habe ich darzustellen versucht, wie ein Schema des nd -Subtraktionstyps in einem hessischen Dialekt aussehen könnte: 134 Wir erinnern uns: Das Ostfränkische gehört zum oberdeutschen Dialektraum, von dem aus die Apokope im hochdeutschen Raum einst ausging. Im Niederdeutschen sind die frühesten Belege für Apokope dagegen im Mecklenburgisch-Vorpommerschen vorzufinden (vgl. Kapitel 5.2.3).
198
Synchrone Analyse
Abbildung 11: nd-Subtraktion im Netzwerkmodell
Wie in Abbildung 10 auf Seite 190 stellen die Linien lexikalische Verbindungen dar: Schlanke Linien symbolisieren phonologische Übereinstimmung, dicke Linien sowohl semantische als auch phonologische Übereinstimmung. Man beachte, dass die wortfinalen /d/-Segmente mit dicken Linien miteinander verbunden sind, d. h. semantisch übereinstimmen. Dies wurzelt in der Annahme, dass die Singularformen gegenüber den Pluralformen markiert sind und synchron von diesen abgeleitet werden. Somit signalisiert die Anwesenheit des /d/ den Singular, seine Abwesenheit dagegen den Plural. Motiviert ist diese Annahme durch das häufigere Vorkommen vieler Lexeme im Plural als im Singular (vgl. Kapitel 7.2.2.2) und besonders durch die beschränkte Produktivität in den hessischen Dialekten (vgl. Kapitel 3.2.5). Im letzteren Fall wird analog zu ‘Wind’, dessen Plural im Zentralhessischen win lautet, im Singular von pinn(e) ‘Pinne’ ein nicht etymologisches /d/ hinzugefügt, wie dies zuerst Alles (1907/1908, 365) festgestellt hat. Ähnliche Analogiebildungen, wie etwa das nicht lautgesetzliche spunk ‘Span’ (vermutlich in Anlehnung an zunk ‘Zahn’), ließen sich auf diesem Wege ebenfalls erklären. Nicht zuletzt ist die außerordentlich hohe „cue validity“ der nd -Subtraktion (vgl. Tabelle 8 auf Seite 57) ein guter Prädiktor für die Stabilität und die beschränkte Produktivität dieses Schemas: 23 von 29 der nach Ruoff (1981) auf /-nd/ endenden Substantive sind in deutschen Dialekten mit Subtraktion belegt. Abbildung 12 auf der nächsten Seite zeigt die lexikalische Repräsentation von Vg-Subtraktion:
Eigene Analyse
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Abbildung 12: Vg-Subtraktion im Netzwerkmodell
Diese Klasse hat insgesamt nur wenige Mitglieder und im Vergleich zur nd Subtraktion sind die lexikalischen Verbindungen hier schwächer. Die gestrichelten Linien stellen phonologische Ähnlichkeiten zwischen dem hinteren Vokal /O:/ und dem zentralen Vokal /3:/, wenn man davon ausgeht, dass diese im Vergleich zu frontalen Vokalen das Merkmal [dorsal] tragen (vgl. Kapitel 7.3.2). Letztere Analyse ist allerdings umstritten und möglicherweise dürfen hier gar keine Verbindungen angenommen werden. Die zwei Faktoren „niedrige Typenfrequenz“ und „schwache lexikalische Verbindungen“ tragen zur Nicht-Produktivität des Schemas bei. Es ist jedoch eine offene Frage, ob die sprachlichen Adoptivformen schuk ‘Schuh’ und flock ‘Floh’ als Beispiele für eine produktive Anwendung nach dem Vorbild von ‘Tag’ angesehen werden könnten, was gerade angesichts der lokalen Unmarkiertheit des Plurals in diesen Fällen plausibel ist. Es besteht allerdings das Problem, dass ähnliche Entwicklungen auch bei Adverbien und Verben festzustellen sind (vgl. Kapitel 3.2.4.3). Die „cue validity“ ist auch im Vergleich zur nd -Subtraktion deutlich geringer, da die meisten Dialekte nur Subtraktion bei ‘Tag’ kennen, während andere Lexeme auf /-Vg/ gar nicht subtrahieren. Auch ist fraglich, ob nicht ‘Tag’ aufgrund seiner sehr hohen Tokenfrequenz in den meisten Dialekten ein eigenes Schema bildet. Kurz zusammengefasst nehme ich für die synchrone Analyse der subtraktiven Plurale an, dass es sich um lexikalisierte morphophonologische Alternationen handelt. Diese gehen einerseits mit einer relativ hohen lexikalischen Stärke einher und sind somit vergleichsweise abbauresistent, andererseits bilden sie mit anderen subtraktiven Lexemen Schemata und können sich sogar in seltenen Fällen auf weitere Lexeme ausdehnen. Synchron gehe ich davon aus, dass die Singularformen von den Pluralformen abgeleitet werden. Die subtraktiven Formen in den deutschen Dialekten werden somit ähnlich analysiert wie in jüngeren Arbeiten die schwach suppletiven Adjektivformen im Französischen (vgl. Kapitel 2.1). Die Attraktivität meiner Analyse besteht darin, dass sie im
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Synchrone Analyse
Gegensatz zu den bisherigen Modellen die diachronen Fakten mit berücksichtigt und teilweise Sprachwandel vorhersagen kann. Darüber hinaus bietet sie auch für die subtraktiven Dative eine Erklärung, zu denen wir jetzt kommen. 7.5.3 Subtraktive Dative im Netzwerkmodell Insgesamt tendieren die subtraktiven Dative eher zum Abbau als die subtraktiven Plurale, da das Konzept Numerus für den Stamm relevanter ist und somit eher zur morphologischen Fusion neigt als das Konzept Kasus, das meistens in die Syntax (Artikelmarkierung) verlagert wird. Eine Eigenschaft subtraktiver Dative, die im dialektgeographischen Teil ausführlich besprochen wurde, ist die Tatsache, dass sie vorwiegend nach Präpositionen und oft in idiomatischen Wendungen vorkommen. Dies deutet darauf hin, dass subtraktive Dative lexikalisch anders repräsentiert sind als die subtraktiven Plurale, und zwar zusammen mit den Wörtern, mit denen sie in der Regel kookkurieren und Kollokationen bilden. Bewahrung archaischer Formen in festen Redewendungen ist keineswegs selten, was beispielsweise Enger (1998, 43) für starke Verben im Osloer Dialekt zeigt: Die historisch starken Verben skjære ‘schneiden’ und bære ‘tragen’ konjugieren synchron schwach, aber in idiomatischen Wendungen werden starke Formen mit Ablaut erhalten. Er plädiert vor diesem Hintergrund dafür, dass auch Idiome im Lexikon repräsentiert sein können. Für unsere Fragestellung ist die Beibehaltung des Dativ-e in idiomatischen Wendungen wie nach Hause oder im Jahre in der Standardsprache, aber dessen meist sonstiges Fehlen, relevant. Da meine Datenbank kein Korpus, sondern lediglich eine Belegsammlung darstellt und der Kontext für subtraktive Dative in meinen Quellen nur im seltenen Fall mit angegeben wird, können die genauen Auftretensbedingungen subtraktiver Dative nicht direkt untersucht werden. Es fiel mir aber während der Arbeit auf, wie häufig angemerkt wird, dass diese eigenartigen Formen nur nach Präpositionen auftreten (vgl. z. B. die Bemerkungen in Kapitel 3.2.4.1). Zumindest bin ich auf keinen Fall gestoßen, bei dem ein subtraktiver Dativ als indirektes Objekt auftritt, lediglich auf einen possessiven Dativ mit Subtraktion (vgl. Kapitel 3.2.3.1). Aus diachroner Sicht ist dies nachvollziehbar, da nominale Dativformen wenigstens im Singular in den meisten deutschen Dialekten verdrängt wurden. In der jüngeren dialektologischen Literatur finden sich auch Hinweise darauf, dass der Dativ als freier Kasus in vielen Dialekten nur noch selten vorkommt. So stellt Nübling (1992, 221) fest, dass Dative in ihrem alemannischen Korpus zu 92 Prozent nach Präpositionen vorkommen (s. auch Fleischer 2006, 215). Seiler (2003, 226–227) spricht wegen der häufigen Kookkurrenz der Dativform mit einer Präposition vom Dativ als „Präpositionalkasus“ vs. Nominativ/Akkusativ als „Normalkasus“. Er sieht die im Oberdeutschen vorzufindende präpositionale Dativmarkierung als einen Reflex von dieser syntaktischen Gebundenheit des Dativs.
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Eigene Analyse
Aus diesem Grund entschied ich mich, bei der Analyse subtraktiver Dative (wieder) von korpuslinguistischen Methoden Gebrauch zu machen. Um zu untersuchen, wie häufig die einschlägigen Lexeme (in ihrer jeweiligen Singularform) zusammen mit Dativpräpositionen auftreten, habe ich mithilfe des Programms AntConc 3.2.4 (siehe Anthony 2011) eine Kollokationsanalyse mit ausgewählten, relevanten Lexemen in den Zwirner-Transkripten gemacht. AntConc bietet die Möglichkeit, in einem Korpus sogenannte n-Gramme zu berechnen. Nach Kunze / Lemnitzer (2007, 190) ist ein n-Gramm „eine Folge von n linguistischen Elementen des gleichen Typs“. Mich interessierten dabei alle starken Cluster, die das Referenzwort bis zu drei weitere Wörter links von sich bildet (Postpositionen wurden somit ausgeklammert): Dies umfasst theoretisch die Fälle „Präposition mit klitisiertem Artikel + Adjektiv“ oder „Präposition + Artikel + Adjektiv“.135 Ich habe dann für die jeweiligen Lexeme alle im Korpus belegten Cluster, die eine höhere Tokenfrequenz als fünf aufwiesen, zusammengelegt. Alle weiteren Konstruktionen wurden aus Zeitgründen weggelassen, da aufgrund des nicht-annotierten Korpus keine vollautomatische Auswertung möglich war. Die Anzahl der Cluster wäre somit tendenziell etwas höher als hier angegeben. In Tabelle 52 findet sich die Anzahl einschlägiger Cluster für die am häufigsten mit Subtraktion belegten Lexeme und zum Vergleich für zwei Lexeme, die besonders selten mit Subtraktion belegt sind: Lexem
Cluster: Beispiele
Anz.
Sg.-Belege Prozent
Feld Wald Land Tag
{auf dem, im, vom} Feld {im, vom, aus dem} Wald {auf dem, vom, im} Land am {anderen, nächsten} Tag
367 330 343 712
1001 1096 1276 3540
36,66 % 30,11 % 26,88 % 20,11 %
Wind Geld
{mit, bei} Wind {mit dem, von dem} Geld
11 33
226 1983
4,87 % 1,66 %
Tabelle 52: Cluster im Zwirner-Korpus
Klar wird zunächst, dass im Falle des Dativ Singular grundsätzlich keine Frequenzumkehrungen anzunehmen sind: Im Unterschied zum Plural ist der Dativ bei den von mir untersuchten Lexemen nicht häufiger als andere Kasusformen (bis auf eine Ausnahme, auf die wir bald zurückkommen). Eine Analyse, in der der Nominativ Singular vom Dativ Singular abgeleitet würde, wäre also auch aus diesem Grund implausibel. Das häufigste mit Dativsubtraktion belegte Lexem ist ‘Feld’: Interessanterweise bilden fast 37 Prozent sämtlicher Singularbelege hier starke Cluster mit Dativpräpositionen, eine hohe Zahl im 135 Es stellte sich jedoch heraus, dass keine „four-gram“-Cluster mit einer Tokenfrequenz höher als fünf belegt waren. Alle von mir untersuchten Cluster sind bi- oder trigrammCluster.
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Synchrone Analyse
Vergleich zu ‘Wind’ und ‘Geld’, die sehr selten subtrahieren. Dies macht die Annahme plausibel, dass die subtraktiven Dative im Vergleich zu den subtraktiven Pluralen zusammen mit den mit ihnen kollokierenden Wörtern im Lexikon vollständig repräsentiert sind. Über den Erhalt dieser Formen entscheidet dann die Tokenfrequenz der Cluster. Während die Entstehung subtraktiver Dative diachron parallel zu der Entstehung subtraktiver Plurale verläuft, muss also synchron davon ausgegangen werden, dass die subtraktiven Dative nicht mehr frei abgeleitet werden, sondern an isolierte Kontexte gebunden sind. In Bybees Netzwerkmodell können nicht nur Wortformen unterschiedlicher Komplexität, sondern auch Phrasen, Konstruktionen und Idiome auf ähnliche Art und Weise repräsentiert sein (vgl. Bybee 1998). Bybee (2010, 33–45) spricht beim gleichzeitigen Auftreten mehrerer Wortformen nebeneinander von „chunks“, die im Falle von festen Redewendungen eine hohe Autonomie aufweisen können. Eine hohe lexikalische Stärke kann hier mit dem Erhalt älterer, sonst ausgestorbener morphophonologischer Alternationen einhergehen und synchron sind besonders häufige „chunks“ leichter der phonologischen Reduktion ausgesetzt. Bei den subtraktiven Dativen ist anzunehmen, dass sich zwar lexikalische Verbindungen zwischen den einzelnen Wörtern der Kollokation und ihren Basisformen im Lexikon finden, dass aber keine morphologische Analyse mehr stattfindet. Dass die Tokenfrequenz einer komplexen Form innerhalb eines „chunks“ nun auch die Basisform beeinflussen kann, zeigt Alles (1907/1908, 234) für das osthessische Unter-Wegfurth: Beim Lexem ‘Leib’ meint er eine analogische Übertragung des subtraktiven Dativs auf den Nominativ Singular feststellen zu können. Und in diesem singulären Fall könnte man den Grund vielleicht in einer Frequenzumkehrung sehen, was auch für das hier vorgestellte Modell spricht. Im Zwirner-Korpus finde ich insgesamt nur 62 Belege für die Singularform Leib, davon sind jedoch 41 Dativbelege, typischerweise in Redewendungen wie mit Leib und Seele oder in Präpositionalphrasen wie im, am Leib. Jedoch ist unklar, ob bei Vb-Abfolgen überhaupt von Subtraktion gesprochen werden darf oder ob hier vielmehr ein Sandhi-Phänomen vorliegt (vgl. Kapitel 3.2.4.4).
8 AUSBLICK Während die vorliegende Arbeit das Phänomen Subtraktion in den deutschen Dialekten in Bezug auf die sprachgeographischen und sprachhistorischen Aspekte ausführlich behandelt hat, bleiben mehrere Fragen grundsätzlicher Art offen, die vor allem den allgemeinen Forschungsstand der Sprachgeschichte und Dialektologie betreffen und die uns bei der synchronen Analyse gewisse Probleme bereitet haben. 8.1 EMPIRIE Zunächst dürfte die Arbeit gezeigt haben, wie schlecht wir nach wie vor über den synchronen Status des Schwa in den Dialekten des Deutschen und in den jüngeren Regionalsprachen informiert sind. Ich habe bereits in Kapitel 3.2.2 auf die Tatsache hingewiesen, dass der in der Sprachgeschichte und Dialektologie verbreitete Begriff Apokope problematisch ist und die Vorstellung eines „Apokopegebiets“ trotz klarer Tendenzen nie absolut zu verstehen ist, da die Apokope ein natürlicher phonologischer Prozess ist (vgl. Donegan / Stampe 1979). Der Variation, die wir im Ost- und Westfälischen vorfinden (vgl. Kapitel 3.2.4.1 und Kapitel 3.2.4.2), sollte stärker Rechnung getragen werden: In diesen Dialekten finden wir nämlich mögliche Hinweise auf eine prosodische Steuerung des Schwa vor, wie es Wiese (1996; 2009) für die Standardsprache und (teilweise) auch für die Dialekte annimmt, was für die Dialekte jedoch noch zu testen wäre. Es ist auch nicht so, dass das wortfinale Schwa jemals aus den apokopierenden Dialekten komplett geschwunden ist: z. B. finden wir es heute in sogenannter „geschützter Stellung“ vor, wo früher ein /n/ folgte, das durch regulären n-Schwund getilgt wurde, vgl. zentralhessisch [pAn] – [pAn@] ‘Pfanne, Pfannen’ (Haas 1988, 77). Diese synchrone Variation kommt in den meisten dialektologischen Arbeiten nie zur Sprache. Die „Restituierung“ des Schwa, die seit dem 19. Jahrhundert in vielen Studien prognostiziert wird und die auch nachweisbar ist, wird dagegen meist mit standardsprachlichem Einfluss in Verbindung gebracht (vgl. Bremer 1895, 76; Philipp 1897, 41; Wenz 1911, 67–68; Kroh 1915, 237; Köhler 1931, 24). So naheliegend dies auch sein mag, könnten auch sprachinterne Faktoren wie die soeben genannte synchrone Variation eine Rolle spielen. Nur eine empirisch fundierte Untersuchung zur Apokope in den Dialekten des Deutschen könnte diese Forschungslücke schließen und dabei auch wertvolle Einsichten in die Entstehung des standardsprachlichen Systems und die phonologische Theoriebildung bieten.
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Ausblick
Im Bereich des Konsonantismus ist das letzte Wort auch keineswegs gesprochen. So spielt das Phänomen, das traditionell „binnen(hoch)deutsche Konsonantenschwächung“ genannt wird (vgl. Lessiak 1933; Simmler 1983; Paul 2007) und in dieser Arbeit einfach als „Lenisierung“ bezeichnet wurde, eine nicht unwichtige Rolle beim Verlust bestimmter Konsonanten. Jedoch ist aus vielen Dialektbeschreibungen nicht ablesbar, ob der Konsonant wirklich verschwindet oder ob Reste übrigbleiben können (s. Diskussion in Kapitel 3.2.4.1). Einen Extremfall bildet die Vb-Subtraktion im Thüringischen (vgl. Kapitel 3.2.4.4), bei der wir gesehen haben, dass die Beschaffenheit des Folgewortes einen Einfluss auf das Auftreten bzw. Nicht-Auftreten des stammfinalen Konsonanten haben kann und somit eher ein Sandhi-Phänomen vorliegen könnte wie bei der französischen Liaison. Wenn dies auch bei weiteren Subtraktionstypen nachgewiesen werden könnte, hätte dies Folgen für die synchrone Analyse. Hier käme man um genauere phonetische Einzelstudien nicht umhin. Das gleiche gilt für die Degemination, über die wir besonders im niederdeutschen Raum unzureichende Kenntnisse haben. Hier wären neben phonetischen auch graphematische Studien wünschenswert, nicht nur für die in dieser Arbeit behandelte Problematik, sondern allgemein für die Sprachgeschichtsschreibung (vgl. etwa Szczepaniak 2007), indem sie uns nützliche Hinweise auf den Status des Phänomens und seine Datierung geben könnten. 8.2 THEORIE Welche Folgen hat nun die vorliegende Arbeit für die Sprachtheorie? Wir haben in Kapitel 7 gesehen, dass sich nahezu alle morphologischen Theorien mit subtraktiven Formen schwer tun, und dies vielleicht aus einem guten Grund: Morphologische Subtraktion ist hochgradig unnatürlich und deren Vorkommen sollte möglichst beschränkt sein. Die Daten zum Deutschen zeigen ganz deutlich, dass die „subtraktiven“ Formen hier eigentlich Ausdruck von etwas anderem sind: Sie sind historisch Resultat rein additiver Prozesse, auf die natürlicher phonologischer Wandel über mehrere Jahrhunderte hinweg gewirkt und morphologisch unnatürliche Formen erzeugt hat. Auch die Anzahl der hiervon betroffenen Lexeme ist in einem Einzeldialekt vergleichsweise gering. Von einem subtraktiven Prozess oder gar von einem subtraktiven Morphem sollte man deswegen nicht sprechen. Somit verhält sich das Deutsche nicht anders als andere Sprachen, in denen man subtraktive Formen vermutet hat, in denen aber genauso gut synchron minimalere Stammformen angenommen werden könnten (vgl. Kapitel 2.2.1 für Tohono O’odham und Kapitel 2.2.2 für das Französische). Trotzdem hat sich deutlich herausgestellt, dass es in einer morphologischen Theorie Raum für solche schwach suppletiven Formen, die Resultat diachroner Prozesse sind, geben muss. Wie Nübling (2000) für die starken Verben vieler germanischer Sprachen überzeugend gezeigt hat, gibt es auch Subregularitäten bei irregulären Formen, die in regelbasierten Morphologiemodellen nicht berück-
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sichtigt werden, obwohl sich herausstellt, dass sie produktiv angewandt werden können. Hierin zeigt sich die Stärke eines assoziativen Modells wie des in dieser Arbeit verwendeten Netzwerkmodells. Ich hoffe, in der vorliegenden Arbeit gezeigt zu haben, dass man auch mit teilweise sehr heterogenen Korpusdaten weit kommen kann. Allerdings sollte ebenfalls klar geworden sein, was diese Daten nicht leisten können: Eine quantitative, statistisch haltbare Überprüfung der hier vorgeschlagenen Analyse ist nicht möglich gewesen. Für entsprechende Untersuchungen anhand von einzelnen, in sich kohärenten Sprachsystemen sei an dieser Stelle plädiert.
9 ZUSAMMENFASSUNG Die vorliegende Arbeit hat das Phänomen Subtraktion – die Tilgung phonologischen Materials zur Signalisierung einer morphologischen Kategorie – zum Thema. Es handelt sich um eine dialektmorphologische Untersuchung, da solche Formen nur in deutschen Dialekten und nicht in der Standardsprache vorkommen. Dabei wurde das gesamte geschlossene deutsche Sprachgebiet auf diese Konstruktionen hin untersucht. Ziel war es, subtraktive Formen (gemeint sind subtraktive Plurale und Dative) dialektgeographisch, sprachhistorisch und sprachtheoretisch zu untersuchen. Die Erweiterung des Blicks auf die Kasusmorphologie stellt ein Novum dieser Arbeit dar, da subtraktive Dative bisher nicht Gegenstand einer Untersuchung waren. Ähnlich wie die meisten jüngeren Arbeiten zu subtraktiven Pluralen bin ich von der Hypothese ausgegangen, dass es sich um morphophonologische Alternationen handelt, die Resultat phonologischer Prozesse sind. Jedoch unterscheidet sich die vorliegende Arbeit in einem wesentlichen Punkt von diesen Ansätzen, indem behauptet wird, dass die einschlägigen phonologischen Prozesse nicht mehr synchron aktiv sind. Subtraktive Formen entziehen sich einem regelbasierten Ansatz, da sie nicht mehr vorhersagbar sind. Im sprachgeographischen Teil wurde anhand von drei Quellentypen (Dialektgrammatiken, Dialektwörterbücher und Sprachatlanten) das historische Verbreitungsgebiet der subtraktiven Plurale und Dative um 1900 rekonstruiert. Hier konnte gezeigt werden, dass Subtraktion überall dort vorkommt, wo die einschlägigen phonologischen Prozesse (Konsonantenassimilationen und -lenisierungen, Degemination und Apokope) gewirkt haben. Am weitesten verbreitet ist mit Abstand die nd -Subtraktion, die einen Großteil der mittel- und niederdeutschen Dialekte und einen Teil der oberdeutschen Dialekte erfasst, während andere Subtraktionstypen regional stärker beschränkt sind. Der wichtigste Befund ist der, dass subtraktive Formen grundsätzlich überall innerhalb des mittel- und niederdeutschen Apokopegebiets vorkommen können, also nirgends mit Schwa konkurrieren können, was diachron die Annahme rechtfertigt, dass alle subtraktiven Formen auf zugrundeliegendes Schwa in der Flexionssilbe zurückzuführen sind. Auf die wenigen Ausnahmen zu diesem Befund wurde ausführlich eingegangen: Subtraktive Formen können im Nicht-Apokopegebiet sporadisch entstehen, um einen durch Lenisierung verursachten, phonologisch unerwünschten Hiatus zu verhindern. Im sprachhistorischen Teil standen das Alter und die Entstehungsbedingungen der subtraktiven Formen im Mittelpunkt. Da Dialektdaten erst ab dem 19. Jahrhundert verfügbar sind und die frühneuzeitliche Schriftsprache im Unterschied zur mittelalterlichen zum Teil stark von der gesprochenen Sprache abweicht, konnte ihre Genese nur auf indirektem Wege erschlossen werden. So
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konnte aufgrund der Existenz subtraktiver Formen in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Sprachinseln geschlossen werden, dass subtraktive Formen im hochdeutschen Raum frühestens seit dem 13. Jahrhundert, im niederdeutschen Raum seit dem 17. Jahrhundert vorzufinden sind. Die rekonstruierten phonologischen Prozesse fallen ebenfalls in diesen Zeitraum: Zunächst finden vom 11. bis zum 13. Jahrhundert Konsonantenassimilationen statt, die in frühneuhochdeutscher und mittelniederdeutscher Zeit der Degemination unterliegen. In die gleiche Zeit fällt die binnendeutsche Konsonantenschwächung, die zum Ausfall des intervokalischen g und d führt. Diese konsonantischen Schwächungsprozesse sorgen für die tatsächliche Tilgung am Stamm. Der subtraktive Prozess wird sodann mit der Apokope abgeschlossen, die unter den hochdeutschen Dialekten um etwa 1600 zu Ende gekommen sein dürfte, im Niederdeutschen etwa dann anfängt und teilweise bis ins 20. Jahrhundert gewirkt hat. Nach der Apokope werden die Prozesse, die zur Stammtilgung geführt haben, intransparent. Im Anschluss an den sprachgeographischen und -historischen Teil wurden die Faktoren Variation und Abbau subtraktiver Formen in den jeweils ältesten Quellen und in rezenten Dialekten untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die subtraktiven Dativformen bereits in den ältesten Quellen abgebaut werden bzw. Variation aufweisen, während der Abbauprozess bei den subtraktiven Pluralen vom 20. Jahrhundert und bis in die Gegenwart stattfindet. Im Analyseteil wurde zunächst auf existierende Theorien zu subtraktiven Formen in deutschen Dialekten eingegangen, wobei besonderes Gewicht auf die Natürlichkeitstheorie, aus deren Sicht subtraktive Formen „kontraikonisch“ sind, und die optimalitätstheoretische Analyse von Golston / Wiese (1996) gelegt wurde. Beide Theorien möchten subtraktive Formen aufgrund von bestimmten morphologischen oder phonologischen Wohlgeformtheitsprinzipien ableiten, wobei in der Natürlichen Morphologie gewisse Zusatzannahmen gemacht werden müssen (Natürlichkeitskonflikte, Markiertheitsumkehrungen), während die optimalitätstheoretische Analyse nicht mit allen Subtraktionstypen fertig wird. Beide Theorien machen zudem teilweise falsche Vorhersagen, da subtraktive Formen synchron nicht (mehr) regelhaft sind. In meiner eigenen Analyse bin ich mit Haas (1988) davon ausgegangen, dass es sich synchron um Lexikalisierungen handelt. Dazu wurde ein wortbasiertes Morphologiemodell (das Netzwerkmodell von Bybee 1985b; 1988; 1995) verwendet, bei dem Sprachstruktur durch Regularitäten in lexikalischen Repräsentationen entsteht. So haben bereits für die vorliegende Arbeit wichtige Quellen wie Alles (1907/1908) auf eine Korrelation zwischen Tokenfrequenz und Erhalt von subtraktiven Formen hingewiesen. Gleichzeitig können Subtraktionstypen mit einer höheren Typenfrequenz und „cue validity“ teilweise sogar produktiv werden. Es konnte gezeigt werden, dass die Faktoren „lexikalische Stärke“ und „lexikalische Verbindungen“ und deren Interaktion das Phänomen Subtraktion in den deutschen Dialekten adäquat erklären können: Eine hohe Tokenfrequenz trägt zur Autonomie eines Schemas und somit zur Abbauresistenz bei, etwa bei den mit Subtraktion sehr häufig belegten Lexemen ‘Kind’ und ‘Tag’. Dabei
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kann besonders eine hohe Frequenz des Plurals gegenüber dem Singular („lokale Markiertheit“) für das subtraktive Verhältnis förderlich sein. Andererseits kann eine hohe Typenfrequenz – dies ist besonders bei der nd -Subtraktionsklasse der Fall – zum Erhalt mittelfrequenter subtraktiver Formen (etwa ‘Hund’, ‘Wind’) und zur Übertragung dieses Musters auf etymologisch nicht auf -nd endender Lexeme (‘Pinne’, ‘Span’) führen. Im letzteren Fall wird der Singular analogisch zu anderen Wörtern auf -nd (wind : win = pind : pin) gebildet, was synchron für eine Ableitung des Singulars vom Plural spricht. Bei der Subtraktion in den Dialekten des Deutschen handelt es sich meines Erachtens primär um ein morphophonologisches Phänomen, das in seltenen Fällen produktiv werden kann. Aufgrund der großen arealen Verbreitung der subtraktiven Formen und der Anzahl der betroffenen Lexeme dürfen sie nicht als Randphänomen abgetan werden. Folglich ist es auf den ersten Blick durchaus gerechtfertigt, von subtraktiver Nominalmorphologie in deutschen Dialekten zu sprechen. Wenn man aber wie in der vorliegenden Arbeit davon ausgeht, dass die Singularformen synchron von den Pluralformen abgeleitet werden und dass subtraktive Dativformen nur an isolierte Kontexte gebunden sind, dann ist „subtraktiv“ nur im deskriptiven Sinne zu verstehen.
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A VERZEICHNIS DER BENUTZTEN DIALEKTGRAMMATIKEN HOCHDEUTSCH Höchst- und Hochalemannisch Baumgartner (1922); Fischer (1960); Gabriel (1963); Hotzenköcherle (1934); Rothmund (1932); Stucki (1917); Weber (1923; 1948); Winteler (1876); Wipf (1910) Mittelalemannisch und Schwäbisch Dreher (1919); Eich (1925); Frey (1975); Heissel (1935); Hövemeyer (1927); Hofmann (1926b); Keinath (1930); Lang (1923); Rall (1925) Niederalemannisch Braunstein (1978); Burkart (1965); Ehret (1911); Günther (1967); Halter (1901); Henry (1900); Jäger (1903); Lienhart (1891); Mankel (1884; 1886); Meng (1967); Schläpfer (1956); Sütterlin (1892); Suter (1976); Weik (1913) Südbairisch Larcher (1963); Lessiak (1963); Rader (1966); Schatz (1897); Stranzinger (1951); Taschner (1969); Winnicki (1965) Mittelbairisch Hinterecker (1934); Lechner (1948); Leeb (1973); Merkle (1975); Micko-Repp (1933); Puhr (1969); Schuster (1956); Steinbruckner (1976); Steininger (1981; 1994); Wondratsch (1935) Nordbairisch Gebhardt (1907); Gütter (1959); Hain (1936); Kalau (1984); Keller (1976); Rowley (1997) Ostfränkisch Batz (1912); Bauer (1864); Bock (1965); Dellit (1913); Eberle (1938); Eckardt (1924); Gerbet (1896); Haupt (1865); Heilig (1898); Hermann / Siegel (1957); Hohnerlein (1955); Hornn (1968); Kaiser (1924); Knupfer (1912); Köhler (1931); Meisinger (1901); Reichardt / Koch / Storch (1895; 1914); Roedder (1936); Schleicher (1858); Schübel (1955); Spieß (1873) Rheinfränkisch Altenhofer (1932); Bauer (1957); Bertaloth (1935); Bertram (1937); Bescher (1933); Boger (1935); Bräutigam (1934); Dingeldein (1977); Freiling (1914); Grund (1935); Karch (1975; 1990); Kirchberg (1906); Krell (1927); Martin (1914); Münch (1923); Otters-
244
A. Verzeichnis der benutzten Dialektgrammatiken
tetter (1952); Pfeifer (1927); Reis (1910); Schmeller (1821); Schön (1908; 1922a;b); Steitz (1981); Wenz (1911) Zentralhessisch Alles (1907/1908; 1993); Bender (1938); Friebertshäuser (1961); Haas (1988); Hies (1972); Kroh (1915); Reis (1910); Reuss (1907); Schnellbacher (1963); Stroh (1928) Osthessisch Dietz (1954); Hasselbach (1971); Hertel (1888); Martin (1957); Noack (1938); Salzmann (1888); Weber (1959) Nordhessisch Bromm (1936); Corell (1936); Hofmann (1926a); Martin (1925); Möhn (1962); Schoof (1913/1914) Moselfränkisch Bertrang (1921); Bruch (1952; 1953; 1954); Büsch (1888); Cajot / Beckers (1979); Engelmann (1910); Hoffmann (1900b); Hommer (1915); Klar (1924); Lehnert (1926); Müller-Wehingen (1930); Müller (1939); Palgen (1931; 1933a;b; 1948); Protsch (1912); Scholl (1913); Schübel (1961); Tarral (1903); Weber (1915) Ripuarisch Bach (1932/32); Bubner (1935); Buchrucker (1910); Frings (1913); Greferath (1922); Hasenclever (1904); Holthaus (1887); Jardon (1891); Leihener (1908); Leithaeuser (1929); Lobbes (1915); Maurmann (1898); Münch (1904); Welter (1929); Zeck (1921) Südniederfränkisch
Bruijel (1901); Ramisch / Wrede (1908)
Thüringisch Döring (1912); Flex (1898); Harnisch (1987); Kober (1962); Liesenberg (1890); Pasch (1878); Regel (1868); Schachtschabel (1910); Schultze (1874); Spangenberg (1962); Trebs (1901/1903); Weise (1895; 1900) Obersächsisch Albrecht (1881); Bergmann (1965); Gerbet (1908); Goepfert (1878); Hausenblas (1914); Hertel (1887); Lang (1906); Philipp (1897); Pompé (1907); Protze (1957); Roth (1940); Schönfeld (1958; 1964); Schüter (1929); Tetzner (1928) Nordobersächsisch-Nordmärkisch Bischoff (1935); Bronisch (1862); Goessgen (1902); Günter (1960); Krug (1969); Langner (1970); Lasch (1927); Meyer (1965) Schlesisch Bellmann (1961); Bergmann (1953); Hoffmann (1900a); Prause (1927); Unwerth (1908); Weinhold (1853) Hochpreußisch Kuck (1925/1926; 1927/28; 1933; 1965); Stuhrmann (1896; 1898); Szulc (1959); Tessmann (1969); Wiesinger (1971)
A. Verzeichnis der benutzten Dialektgrammatiken
245
Niederdeutsch Westfälisch Böger (1906); Born (1978); Hellberg (1938); Hoffmann (1887); Holthausen (1886); Jellinghaus (1972); Kaumann (1884); Niblett (1913); Wix (1921); Woeste (1882) Ostfälisch Dahlberg / Rooth (1937); Hille (1939); Lange (1963); Löfstedt (1933); Schütze (1953) Nordniederdeutsch Bernhardt (1892/1894); Bock (1933); Bunning (1933); Feyer (1941); Heigener (1937); Heymann (1909); Hoopmann (1893); Horn (1955); Jørgensen (1928/29; 1934); Lasch (1918); Marahrens (1858); Pühn (1956); Quistorf / Sass (1937); Schmeding (1938); Schönhoff (1906); Sievers (1914) Mecklenburgisch-Vorpommersch Dietz / Seelmann (1894); Gilow (1868); Jacobs (1925/1926/1927); Kruse (1923); Mackel (1905–1907); Mussäus (1829); Nerger (1869; 1875); Schmidt (1912); Wiggers (1858) Brandenburgisch Bischoff (1954); Hildebrand (1913); Krause (1895; 1896; 1898); Kruse (1923); Langner (1970); Seelmann (1908; 1925; 1938); Siewert (1907; 1912); Teuchert (1907/08; 1964) Mittelpommersch
Brose (1955); Pfaff (1898)
Ostpommersch Kühl (1932); Mahnke (1931); Mischke (1936); Pirk (1928); Priewe / Teuchert (1927/28); Semrau (1915); Stritzel (1937); Teuchert (1913); Tita (1922); Tita / Schönfeldt (1965) Niederpreußisch Bink (1953/54); Fischer (1896); Hogrebe (1953); Kantel (1900); Kuck (1965); Mitzka (1922; 1924; 1928); Natau (1937); Tessmann (1966/67); Wagner (1912); Ziesemer (1924; 1928)
B VERZEICHNIS DER VERWENDETEN KARTEN Die hier verwendeten Abkürzungen sind im Literaturverzeichnis aufgelöst. Atlas ALA
Kartennummer / Lemma
142 „Hund“, 143 „Hunde“, 206 „Floh“, 207 „Flöhe“, 256 „Tag“, 257 „Tage“ ALLG 83 „Zahn“, 140 „Hand“, 142 „Hände“, 181 „Gang“, 248 „ jung“ DSA 8 „Pferd, Füße“, 17 „Kind“, 35 „Hund“ MRhSA 362 „Kamm_“, 380 „Zahn(d)“, 383 „Pflug“, 386 „Wagen“, 389 „Waage“, 393 „Tag“, 394 „(Mon)-tag“, 411 „Floh“, 421 „Flöhe“, 550 „Hund/Hunde“, 551 „Schuh/Schuhe“, 552 „Tag/Tage“, 555 „Pflug/Pflüge“, 559 „Kind/Kinder“, 560 „Rad/Räder“ SBS 37 „Kamm/Kämme“, 48 „Kinder“, 49 „Tage“, 51 „Hunde“, 146 „Wände“ SDS 120 „Hund“ SLSA 18 „Felde“, 74 „Pferde“ SMF 10 „Hund/Hunde“ SNiB 72 „Wände“, 134 „Hund“, 135 „Hunde“ SOB 77 „Hund/Hunde“, 82 „Zahn/Zähne“, 92 „Wand/Wände“, 100 „Feld/Felder“ SSA 102.00 „germ. g zwischenvokalisch“, 155.04 „Kind“, 2.000 „Wald/Wälder“ SUF 9 „Hand/Wand“ VALTS 200 „Tage“, 206a „Kind“ Wenker 35 „bald“, 42 „gute“, 44 „alte“, 48 „Pferde“, 58 „kalte“, 108 „Füße’“, 141 „sagen“, 188 „Gänse“, 197 „heute“, 232 „Ende“, 336 „müde“, 243 „gut“, 374 „Hause“, 405 „Berge“, 524 „Felde“, 546 „hinten“
C LEXIKALISCHE TOKENFREQUENZ ALLER MIT SUBTRAKTION BELEGTEN LEXEME Lexem Bad Band Bart Berg Bett Bild Blatt Boot Bord Brand Braut Brot Bund Ding Draht Ende Fang Feind Feld Floh Freund Fund Gang Geld Gesang Grab Grind Grund Hand Hang Hemd Herd Hering
Häufigkeitsklasse Zwirner
Ruoff (1981)
DeReWo
11 11 13 8 9 11 11 11 12 12 10 8 12 7 11 8 14 13 8 15 10 14 10 7 13 12 NA 10 8 13 11 12 12
12 11 13 8 8 11 12 12 NA 11 12 9 12 7 11 10 15 12 8 15 11 13 12 7 14 12 14 10 7 11 11 11 14
10 9 14 10 11 8 11 12 12 11 14 12 10 10 14 8 15 12 10 16 9 12 11 8 12 12 19 8 9 13 13 14 14
250
C. Lexikalische Tokenfrequenz aller mit Subtraktion belegten Lexeme
Hieb Hund Hut Kamm Kind Klang Korb Krieg Krug Laib Lamm Land Leib Mund Pfennig Pferd Pflug Pfund Pinne Rad Rand Rang Rind Ring Sand Sarg Schlag Schlund Schuh Schund Schwamm Span Spind Sprung Spund Stand Steg Storch Strand Strang Tag Trog Wald
13 9 11 14 6 14 10 7 12 13 13 8 12 12 9 7 10 10 NA 9 13 15 11 12 11 12 10 NA 10 18 15 15 17 13 NA 12 14 13 12 13 6 12 8
13 11 11 14 6 NA 10 7 14 NA NA 9 11 14 9 10 11 10 NA 10 14 NA 13 12 12 12 10 NA 9 NA NA 14 15 14 15 11 14 13 15 15 5 15 6
16 11 12 15 7 12 13 9 15 17 14 7 12 12 13 11 16 12 20 11 11 10 13 11 12 14 11 17 12 18 16 14 17 11 19 10 14 15 12 14 7 17 10
C. Lexikalische Tokenfrequenz aller mit Subtraktion belegten Lexeme
Wand Weg Weib Wind Wort Zahn Zweig Zwerg
11 9 11 10 10 12 13 17
11 8 9 11 11 13 12 NA
11 8 13 11 9 12 13 14
251
D KATEGORIELLE TOKENFREQUENZ: SINGULAR VS. PLURAL Lexeme
DeReKo
Zwirner Singular Plural % Plural
Band Bart Berg Blatt Boot Bord Brand Braut Brot Bund Ding Draht Ende Fang Feind Floh Freund Fund Gang Gesang Grab Grind Grund Hand Hang Hemd Herd Hering Hieb Hund Hut Kamm Kind
94 40 535 29 94 93 74 260 758 45 758 116 925 11 21 0 141 5 229 25 47 0 291 945 27 92 88 31 7 337 90 17 585
77 1 259 86 23 1 11 2 64 23 828 10 25 8 10 8 73 11 27 3 15 0 20 276 19 40 2 19 23 63 21 2 2946
45,03 % 2,44 % 32,62 % 74,78 % 19,66 % 1,06 % 12,94 % 0,76 % 7,79 % 33,82 % 52,21 % 7,94 % 2,63 % 42,11 % 32,26 % 100,00 % 34,11 % 68,75 % 10,55 % 10,71 % 24,19 % NA 6,43 % 22,60 % 41,30 % 30,30 % 2,22 % 38,00 % 76,67 % 15,75 % 18,92 % 10,53 % 83,43 %
Singular
Plural
% Plural
704975 18047 229240 86976 77391 101675 214962 24723 78695 368378 49893 20284 1912839 9429 30570 5517 223483 35391 156044 121113 66278 929 841542 516339 43322 18970 17053 28360 3522 140244 71104 14186 498661
49513 2220 118655 78058 36652 0 25898 2203 7038 14583 287694 5609 15196 4610 28612 2736 415772 39896 27833 18638 29494 160 411411 261844 15825 8051 ? 3619 2383 119584 10278 1520 2652930
6,56 % 10,95 % 34,11 % 47,30 % 32,14 % 0,00 % 10,75 % 8,18 % 8,21 % 3,81 % 85,22 % 21,66 % 0,79 % 32,84 % 48,35 % 33,15 % 65,04 % 52,99 % 15,14 % 13,34 % 30,80 % 14,69 % 32,84 % 33,65 % 26,76 % 29,80 % ? 11,32 % 40,36 % 46,02 % 12,63 % 9,68 % 84,18 %
254 Klang Krieg Krug Land Leib Mund Pfennig Pferd Pflug Pfund Pinne Rad Rand Rang Rind Ring Sarg Schlag Schlund Schuh Schwamm Span Spind Sprung Spund Stand Steg Storch Strang Tag Trog Wald Wand Weg Wind Wort Zahn Zweig Zwerg
D. Kategorielle Tokenfrequenz: Singular vs. Plural
12 2128 55 1276 62 75 394 687 198 365 0 304 44 9 45 57 44 188 0 93 7 2 2 10 0 66 10 16 13 3540 50 1096 97 528 226 205 12 14 0
1 13 8 40 1 0 157 1519 55 4 0 108 5 0 58 37 13 103 0 283 4 10 1 17 0 15 7 14 23 2554 1 57 24 241 19 105 55 21 2
7,69 % 0,61 % 12,70 % 3,04 % 1,59 % 0,00 % 28,49 % 68,86 % 21,74 % 1,08 % NA 26,21 % 10,20 % 0,00 % 56,31 % 39,36 % 22,81 % 35,40 % NA 75,27 % 36,36 % 83,33 % 33,33 % 62,96 % NA 18,52 % 41,18 % 46,67 % 63,89 % 41,91 % 1,96 % 4,94 % 19,83 % 31,34 % 7,76 % 33,87 % 82,09 % 60,00 % 100,00 %
43469 403308 20741 1477144 54883 86139 29156 75631 6351 44415 299 89276 168142 357550 9738 113546 13623 90546 2420 38457 5365 2804 1094 116833 390 318071 17099 9186 19511 1399732 1969 276742 92565 994848 166723 412361 28223 23414 9415
68221 38308 2481 535578 2314 3331 7403 92977 1961 5189 133 66669 9453 38922 26072 109171 4866 44682 78 74807 1900 2104 1234 29540 66 62838 4563 7370 3297 1271130 846 55478 79640 213555 25524 399138 47193 17270 14796
61,08 % 8,67 % 10,68 % 26,61 % 4,05 % 3,72 % 20,25 % 55,14 % 23,59 % 10,46 % 30,79 % 42,75 % 5,32 % 9,82 % 72,81 % 49,02 % 26,32 % 33,04 % 3,12 % 66,05 % 26,15 % 42,87 % 53,01 % 20,18 % 14,47 % 16,50 % 21,06 % 44,52 % 14,46 % 47,59 % 30,05 % 16,70 % 46,25 % 17,67 % 13,28 % 49,19 % 62,58 % 42,45 % 61,11 %
D. Kategorielle Tokenfrequenz: Singular vs. Plural
255
Bemerkungen zur Tabelle Die Frequenztabelle basiert auf eigenen Korpusrecherchen im Zwirner-Korpus und im Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) über dessen Schnittstelle COSMAS II. Die Zwirner-Transkripte habe ich für meine Recherchen bearbeitet, d. h. alle metasprachlichen Elemente wurden mithilfe regulärer Ausdrücke und Python-Scripts gelöscht. Auf dieser Grundlage habe ich dann mit der korpuslinguistischen Anwendung AntConc Suchabfragen gemacht. Kasusformen wurden, so weit wie möglich, bei der Abfrage berücksichtigt: Dies ist notwendig, weil im Deutschen Kasus- und Numerusinformationen oft am gleichen Morphem ausgedrückt werden und die Affixe oft homophon sind: Die -e-Endung beim Dativ Singular kommt zwar nicht sehr häufig vor, musste aber von der gleichlautenden Pluralendung unterschieden werden. Um dies zu erreichen, musste ich mich auf einen Kompromiss einlassen, da das Korpus gänzlich unannotiert ist: Nominale Dativ-Singular-Formen wurden, in den einschlägigen Flexionsklassen, durch vorangehendes identifiziert (dem, im, am usw.), Pluralformen durch das Fehlen des vorangehenden Zeichens. Dies konnte mithilfe regulärer Ausdrücke so formalisiert werden: (1) [^m] Tagen?\b (2) [m] Tage\b (1) findet alle Formen von ‘Tage’ ohne vorangehendes (also: Pluralformen, + optionales für den Dativ Plural), (2) findet alle Formen von ‘Tage’ mit vorangehendem (also: Dativformen). Mir ist natürlich klar, dass hierdurch bestimmte Fälle durch das Raster fallen, besonders nach Präpositionen ohne klitisierten Artikel (vgl. Nübling 1992). Andererseits gibt es nicht viele Fälle, bei denen ein einem Plural vorangestelltes Wort auf endet. Besonders bequem waren die Suchen mit regulären Ausdrücken bei den starken Neutra mit -er -Plural. Dort können alle Flexionsformen des Singulars/Plurals mit zwei Befehlen gefunden werden: (3) \bKinde?s?\b (4) \bKindern?\b (3) findet , , und , (4) findet und . In COSMAS II sind reguläre Ausdrücke aufgrund der riesigen Datenmenge des DeReKo von über 5 Milliarden Tokens nicht vorgesehen, da für jede Suchabfrage sämtliche Tokens in den Datenspeicher geladen werden müssten.136 Deswegen war bei der Ermittlung von Singular-/Pluralformen hier eine Berücksichtigung der Unterscheidung zwischen Dativ-e und Plural-e nur begrenzt 136 Siehe Stand: 29.12.12.
256
D. Kategorielle Tokenfrequenz: Singular vs. Plural
möglich. Bei der Suche nach Singular- und Pluralformen habe ich mich der Suche mit dem Operator & „Suche mit Flexionsformen“ bedient, bei dem sämtliche Flexionsformen, die mit einem Lemma verbunden sind, ausgespuckt werden.137 Fehler sind bei diesen Recherchen, wie bei jeder quantitativen, automatischen Auswertung, nicht zu vermeiden. So war es z. B. wegen der eingeschränkten Suchfunktionen des COSMAS II nicht möglich, ‘Herde’ (Plural von ‘Herd’) von dem gleichnamigen Substantiv ‘Herde’ zu unterscheiden, weswegen Zahlenangaben hier fehlen. Einige Singular- und Pluralangaben sind vermutlich auch irreführend: So wird die Pluralfrequenz des Lexems ‘Ding’ vor allem durch die Redewendung vor allen Dingen in die Höhe getrieben. Das Ergebnis der Recherchen findet sich in der oben stehenden Tabelle. In den Zahlenangaben sind auch die jeweiligen Kasusformen im Singular und Plural enthalten.
137 Siehe ; Stand: 29.12.12.
Die Pluralbildung gehört zu den schwierigeren Aspekten der deutschen Standardsprache – dies gilt noch in höherem Maße für die Dialekte des Deutschen. Während die Situation in der Standardsprache vor allem durch eine Konkurrenz verschiedener Endungen und deren An- oder Abwesenheit geprägt ist, kann in den Dialekten des Deutschen sprachliches Material der Singularform ausgetauscht oder gar entfernt werden, um den Plural zu bilden. Letzteres Phänomen, das in der sprachwissenschaftlichen Literatur meistens Subtraktion genannt wird, behandelt das vorliegende Buch. Außer der Pluralmor-
ISBN 978-3-515-10785-3
9
7835 1 5 1 07853
phologie wird auch die Kasusmorphologie thematisiert. Die Leitfrage lautet: Wie kommt es, dass sich die Dialekte des Deutschen anscheinend eines Verfahrens bedienen, das in den Sprachen der Welt äußerst selten ist? Anhand eines aus allen Dialekten des Deutschen zusammengestellten Datenkorpus wird das Phänomen sprachgeographisch, sprachhistorisch und sprachtheoretisch untersucht. Die Arbeit versteht sich somit als Beitrag sowohl zur Sprachgeschichte und Dialektgeographie als auch zur sprachwissenschaftlichen Theoriebildung.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag