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German Pages 444 [459] Year 2015
Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Konrad Schmid (Zürich) • Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)
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Hermann-Josef Stipp
Studien zum Jeremiabuch Text und Redaktion
Mohr Siebeck
HERMANN-JOSEF STIPP, geboren 1954; Studium der Kath. Theologie in Mainz; Promotion und Habilitation in Tübingen; ab 2000 Professor für Alttestamentliche Theologie in Mainz, seit 2004 in München; seit 2003 Honorarprofessor an der Universität Stellenbosch (Südafrika).
978-3-16-157827-4 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN 978-3-16-153497-3
ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2015 Mohr Siebeck Tübingen, www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Die vorliegende Sammlung enthält 14 Aufsätze zum Jeremiabuch aus den Jahren 1990 bis 2014, vermehrt um die deutsche Ausgabe einer zuvor auf Englisch veröffentlichen Arbeit und eine bislang unpublizierte Studie. Sie sollen vertiefte Begründungen liefern zu Thesen, die in meinen Kommentar zum Jeremiabuch in der Reihe „Handbuch zum Alten Testament" eingehen, dort aber nicht im wünschenswerten Detail gerechtfertigt werden können. Keine der wiederveröffentlichten Untersuchungen ist in der Originalfassung reproduziert, denn die Weiterarbeit am Gegenstand schafft unablässig Bedarf an Präzisierungen und Korrekturen, ein Prozess, der natürlich auch mit diesen Neudrucken nicht an sein Ende gelangt. Doch sollten die hier vorgelegten Versionen wenigstens den gegenwärtigen Stand meiner Versuche zur Urteilsbildung widerspiegeln. Drei Beiträge wurden für die Neuveröffentlichung streckenweise besonders stark umgeschrieben bzw. erweitert, wie unten in der Einführung angegeben. Ferner wurden die Abkürzungen biblischer Bücher sowie die biblischen Namen nach den Loccumer Richtlinien vereinheitlicht und die Orthographie auf die neue deutsche Rechtschreibung umgestellt. Weil die in diesem Band enthaltenen Fassungen folglich die Originalausgaben ersetzen, kam die Angabe der Seitenzahlen der Erstpublikationen nicht in Betracht. Beibehalten wurden allerdings die Überblicke über fundamentale Fakten und Schlussfolgerungen, die die meisten Aufsätze einleiten. Denn die Artikel bauen zwar fortwährend aufeinander auf, bleiben aber, da separat erschienen, gleichwohl selbstständig, summieren sich also nicht zu einer geschlossenen Monographie und sollten daher auch separat lesbar bleiben. Separate Lesbarkeit und Einbettung in größere Argumentationszusammenhänge waren indes nur verbindbar bei einem gewissen Maß an Wiederholungen; außerdem waren relativ viele Querverweise anzubringen, die mitteilen, wo in diesem Band oder andernorts in meinen Veröffentlichungen eine gegebene Frage näher behandelt wird. Für diese Kompromisse bitte ich die Leser um Nachsicht. Mein besonderer Dank gilt Juliane Eckstein, Anne Ekezie, Dominik Loy, Claudia Meinzold, Nicole Katrin Rüttgers und Gunilla Schachten für vielfaltige Hilfe bei der Erfassung, Formatierung und Indexierung der Texte. Den Herausgebern Konrad Schmid, Mark S. Smith und Hermann
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Vorwort
Spieckermann danke ich für die freundliche Bereitwilligkeit, mit der sie der Aufnahme dieser Sammlung in die Reihe „Forschungen zum Alten Testament" zugestimmt haben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verlags Mohr Siebeck haben die Editionsarbeit sachkundig unterstützt. Ein herzlicher Gruß geht an die Kolleginnen und Kollegen vom Departement Antieke Studie und von der Fakulteit Teologie der Universität Stellenbosch, bei denen ein großer Teil der hier versammelten Arbeiten entstanden ist und bei denen auch der vorliegende Band abgeschlossen wurde. München/Stellenbosch, März 2015 Hermann-Josef Stipp
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Einführung
1
Methodische Grundsatzfragen textgenetischer Studien Das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik in neueren alttestamentlichen Veröffentlichungen
11
Textkritik - Literarkritik - Textentwicklung. Überlegungen zur exegetischen Aspektsystematik
35
Der Text des Jeremiabuches Zur aktuellen Diskussion um das Verhältnis der Textformen des Jeremiabuches
57
Der prämasoretische Idiolekt im Jeremiabuch
83
Der prämasoretische Idiolekt des Buches Ezechiel und seine Beziehungen zum Jeremiabuch
127
Offene Fragen zur Übersetzungskritik des antiken griechischen Jeremiabuches
141
Die Jeremia-Septuaginta als theologische Programmschrift. Zur Kommentierung des griechischen Jeremiabuches in der „Septuaginta Deutsch" (LXX.D)
155
Interpretierende Übersetzung in der Jeremia-Septuaginta
175
VIII
Inhaltsverzeichnis
Gottesbildfragen in den Lesartendifferenzen zwischen dem masoretischen und dem alexandrinischen Text des Jeremiabuches 199 Die Perikope vom „Neuen Bund" (Jer 31,31-34) im masoretischen und alexandrinischen Jeremiabuch. Zu Adrian Schenkers These von der „Theologie der drei Bundesschlüsse" 237
Zur Redaktionsgeschichte des Jeremiabuches Probleme des redaktionsgeschichtlichen Modells der Entstehung des Jeremiabuches
261
Jeremias Zeichenhandlung mit dem leinenen Schurz (Jer 13,1-11). Zum Verfahren der Identifikation der deuteronomistischen Redaktion im Jeremiabuch 299 Das judäische und das babylonische Jeremiabuch. Zur Frage der Heimat der deuteronomistischen Redaktionen des Jeremiabuchs
325
Jeremia 24: Geschichtsbild und historischer Ort
349
Fragen der Auslegung Baruchs Erben. Die Schriftprophetie im Spiegel von Jer 36
381
Gedalja und die Kolonie von Mizpa
409
Verzeichnisse Verzeichnis der Erstveröffentlichungen Register Stellenregister (in Auswahl) Register der Namen und Sachen Wortregister
435 437 443 443
Einführung Die vorliegende Aufsatzsammlung konzentriert sich thematisch auf die grundlegenden Einleitungsfragen der Jeremia-Exegese, also die Entstehung des Buches. Der Schwerpunkt ist bedingt durch die Forschungslage: Bekanntlich ist die antike griechische Übersetzung des Werkes (JerG*, die ursprüngliche Fassung der Jer-Septuaginta) deutlich kürzer als die masoretische Edition (JerMT). In den vergangenen Jahrzehnten hat die Wertschätzung von JerG* als Zeugin für das Buchwachstum enorm zugenommen, doch fehlt es auch nicht an Gegenstimmen. Deshalb gilt es, die Beschreibung des Verhältnisses der beiden Ausgaben zu präzisieren und den Gewinn solcher textvergleichender Studien auszuloten. Ferner spiegelt dieser Band die Erfahrung, dass auch auf dem traditionell wohlbestellten Feld der Vorstufenrekonstruktion jenseits der materialen Textbezeugung - also dort, wo die Exegese ihre diachronen Schlüsse auf innere Kriterien stützt (Literar- und Redaktionskritik) - beim Jeremiabuch Bedarf an methodischer Neuorientierung besteht, die vor allem aufgrund einer kritischen Prüfung der textgenetischen Aussagekraft geprägter Sprache geboten erscheint. Diese Sachlage bestimmt die Auswahl und Reihenfolge der hier versammelten Arbeiten. Beim Jeremiabuch reichen die in der materialen Textbezeugung dokumentierten Textentwicklungsprozesse ungewöhnlich tief in den literarischen Werdegang zurück und nehmen Größenordnungen an, wie sie sonst normalerweise bloß bei Hypothesen auftreten, für die die Exegese auf textinterne Indizien angewiesen ist. Deshalb erscheint es angezeigt, vorweg unter der Rubrik Methodische Grundsatzfragen textgenetischer Studien das prinzipielle Problem anzuschneiden, ob und wie Grenzen zu ziehen sind zwischen jenen Methodenschritten, die sich mit diachronen Prozessen befassen und traditionell streng geschieden werden: nämlich einerseits Textkritik sowie andererseits Literar- und Redaktionskritik. Dazu sichtet der Aufsatz „Das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik in neueren alttestamentlichen Veröffentlichungen" den Stand der Debatte bei Erscheinen (1990). Der Befund ist negativ: Eine überzeugende Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten dieser Disziplinen wurde bis dahin nicht vorgeschlagen. Zwar konstituieren physisch belegte Vorstufen und textinterne Indikatoren diachroner Prozesse unterschiedliche Datenklassen,
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Einführung
was jedoch keine separate Behandlung rechtfertigt, zumal sie häufig erst im Verbund ihre volle Aussagekraft entfalten. Zudem ist die Reichweite der materiellen Textbezeugung immer rein zufallig und kann theoretisch jederzeit durch neue Textfunde zunehmen. Noch weniger lässt sich eine Grenzziehung auf unterschiedliche konzeptionelle (theologische, kanonische o. ä.) Status der jeweils erreichten Rekonstruktionsergebnisse gründen. Text-, Literar-, Redaktions- und Kompositionskritik bilden somit lediglich unscharf geschiedene Sektoren im Spektrum eines übergeordneten Aspekts, für den sich die Namen „Rekonstruktion schriftlicher Vorstufen" (oder kürzer: „Vorstufenrekonstruktion") bzw. - bei Einbezug der Nachgeschichte - „Textentwicklung" empfehlen. Die Rekonstruktionstiefe richtet sich dann nach der Indizienlage und dem Verwendungszusammenhang der auslegerischen Arbeit. Der Aufsatz „Textkritik - Literarkritik - Textentwicklung. Überlegungen zur exegetischen Aspektsystematik" untermauert das theoretisch gewonnene Ergebnis durch Beispielmaterial. Die größte Gruppe von Einzelstudien ist dem Text des Jeremiabuches gewidmet. Der Aufsatz „Zur aktuellen Diskussion um das Verhältnis der Textformen des Jeremiabuches" rückt die Zentralthese an den Anfang: Der kürzere alexandrinische Texttyp des Jeremiabuches (i erA IT), vertreten durch JerG* und die Qumran-Fragmente 4Q71 (früher: 4QJer b ) und 4Q72a (früher: 4QJer d ), hat gegenüber der masoretischen Ausgabe (JerMT) eine globale Priorität inne, da er nach der Gabelung der Texttradition nur geringfügig weiterentwickelt worden ist und deshalb dem gemeinsamen Ahnen der beiden Textformen nahesteht, der bei diachronen Untersuchungen zu Jer als verbindliche Zwischenetappe zu rekonstruieren ist. Den Hauptgrund für dieses Urteil bildet der prämasoretische Idiolekt, d. h. die starke sprachliche Eigenprägung des masoretischen Sonderguts, die die Hypothese nachträglicher Kürzung ausschließt. Weiterhin werden neuere Argumente zugunsten der masoretischen Priorität entkräftet. Der Aufsatz „Der prämasoretische Idiolekt im Jeremiabuch" präsentiert anschließend in Listen, die auch als Nachschlagewerk gedacht sind, das einschlägige Material und wägt Möglichkeiten seiner Erklärung gegeneinander ab. Dem Verzeichnis ist ein eigener Stellenindex beigegeben, über den sich rasch nachprüfen lässt, ob ein gegebener Passus masoretische Sonderlesarten mit Elementen des prämasoretischen Idiolekts enthält. Ergänzend erhebt der Artikel „Der prämasoretische Idiolekt des Buches Ezechiel und seine Beziehungen zum Jeremiabuch" ein vergleichbares, obwohl viel schmäleres Korpus aus dem masoretischen Sondergut des Buches Ez. Danach lässt sich auch in Ez die Sekundarität des (prozentual deutlich kleineren) masoretischen Sonderguts mit Rekurs auf seinen Idiolekt untermauern. Wie sich ferner herausstellt, weisen die jüngsten Zutaten zu den beiden Prophetenbüchern nicht nur keine Gemeinsamkeiten auf,
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sondern sind in mehreren Hinsichten geradezu konträr geartet. Dies spricht gegen die in jüngerer Zeit mitunter erwogene Hypothese, die Literargeschichte von Jer und Ez sei von einer buchübergreifenden Redaktion abgeschlossen worden. Auch dieser Liste ist ein separater Stellenindex beigefügt. Bei Textvergleichen ist das Gegenstück zu JerMT nicht JerG*, sondern deren Vorlage als hebräischsprachige Vertreterin von JerAIT. Die Vorlage muss allerdings erst aus JerG* per Rückübersetzung wiederhergestellt werden. Deshalb ist zu klären, in welchem Maße JerG* überhaupt den Blick auf ihre Vorlage freigibt. Eine Antwort lässt sich nur in Kenntnis ihrer Übersetzungstechnik erteilen, die somit eigener Analysen bedarf. Der Aufsatz „Offene Fragen zur Übersetzungskritik des antiken griechischen Jeremiabuches" befasst sich mit der Tatsache, dass in JerG* 29, also etwa in der Mitte von JerG* + Bar 1,1-3,8, mehrere Übersetzungsäquivalenzen wechseln. Für die Auffälligkeit werden zwei Erklärungen debattiert: Entweder geht die zweite Hälfte des Komplexes auf einen anderen Übersetzer zurück, oder sie wurde einer Rezension unterzogen, wie es in der Geschichte der griechischen Bibel wiederholt geschah. Übersetzungskritik, d. h. die Abgrenzung von Buchteilen oder -gruppen, die demselben Übersetzerikreis) entstammen, ist eine wichtige Präliminarie des Studiums der Übersetzungstechnik, weil sie die Grenzen der Vergleichsräume absteckt, die Einblicke in die Arbeitsweise, Sprachkenntnisse, Konventionen oder auch die Theologie eines Übersetzer(kreise)s erlauben. Wie der Aufsatz darlegt, begünstigen maßgebliche Indizien die These, dass JerG* auf einen einzigen Übersetzer zurückgeht, der sich gelegentlich für neue Äquivalente entschied, vielleicht einfach nachdem er seine Arbeit durch längere Pausen unterbrochen hatte. Die Fachwelt bescheinigt JerG* heute zumeist eine hochgradige Wörtlichkeit, die es ermöglicht, ihre nichtmasoretische Vorlage durchweg mit befriedigender Sicherheit zu rekonstruieren. Freilich wird neuerdings auch die radikale Gegenposition vertreten, dass die Vorlage praktisch mit MT identisch gewesen sei und nahezu alle Abweichungen aus interpretativen Eingriffen des Übersetzers resultierten, der den Text glätten und dem ägyptisch-hellenistischen Verständnishorizont seines Zielpublikums anpassen wollte. Darauf reagiert der Aufsatz „Die Jeremia-Septuaginta als theologische Programmschrift. Zur Kommentierung des griechischen Jeremiabuches in der ,Septuaginta Deutsch' (LXX.D)". Wie die massiven Hebraismen und die mitunter kaum verständlichen Wiedergaben bezeugen, sah sich der Übersetzer zuvörderst der Quellentreue verpflichtet, und er betrachtete es keineswegs als seine Aufgabe, den Lesern den Zugang zu dem Prophetenbuch zu erleichtern bzw. ihnen bestimmte Interpretationen nahezulegen.
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Dies bedeutet jedoch nicht, dass JerG* völlig frei wäre von interpretativen Elementen. Der Aufsatz „Interpretierende Übersetzung in der JeremiaSeptuaginta" stellt methodische Erwägungen an, unter welchen Bedingungen solche Einflüsse feststellbar sind, und diskutiert gesicherte Beispiele. Das kleine und disparate Korpus verrät allenfalls schwache Tendenzen, aber keine auslegerische Generallinie und schon gar keine übergreifenden theologischen Konzepte, von der Quellentreue abgesehen, die hiermit abermals bestätigt wird. So beglaubigt das Studium der Wiedergabetechnik das vom prämasoretischen Idiolekt gebotene Bild insoweit, als die Unterschüsse von JerG*, aber auch die relevanten Abweichungen überhaupt in der Regel nicht dem Übersetzer, sondern seiner Vorlage zuzuschreiben sind. Der Artikel „Gottesbildfragen in den Lesartendifferenzen zwischen dem masoretischen und dem alexandrinischen Text des Jeremiabuches" greift ein Korpus von Abweichungen heraus, das als Beleg dafür angeführt worden ist, dass der Übersetzer die Härten der Gottesvorstellungen in seiner Vorlage abgemildert habe. Die Überprüfung führt zum gegenteiligen Resultat: Es war die auf MF zulaufende Texttradition, die im Bestreben, die Macht und Geschichtssouveränität JHWHS zu betonen, mehrfach gerade solche Züge der Gottesbilder des Buches verstärkte, die heute nicht selten Anstoß erregen. Vergleiche der masoretischen mit der alexandrinischen Textform bergen die Chance, auf interessante theologische Entwicklungen in den jüngsten Phasen der Textgenese zu stoßen. Einen Vorschlag von besonderer theologischer und interreligiöser Brisanz erörtert der Aufsatz „Die Perikope vom ,Neuen Bund' (Jer 31,31-34) im masoretischen und alexandrinischen Jeremiabuch. Zu Adrian Schenkers These von der ,Theologie der drei Bundesschlüsse'". Die betreffende Theorie Schenkers lässt sich nicht diskutieren, ohne dabei methodische Fragen aufzuwerfen, die das Verfahren der Rückübersetzung sowie die Unterscheidung zwischen intendierten und zufalligen textgenetischen Prozessen anbelangen. Der Wiederabdruck bot überdies Gelegenheit, in den Anmerkungen auf die zwischenzeitlich veröffentliche Replik Schenkers einzugehen. Unter der Überschrift Zur Redaktionsgeschichte des Jeremiabuches folgt zunächst der für den Neudruck vor allem bei den Schlussfolgerungen stark aktualisierte Aufsatz „Probleme des redaktionsgeschichtlichen Modells der Entstehung des Jeremiabuches". Die Studie widmet sich grundsätzlichen Fragen der Methodik der Identifikation redaktioneller Strata in Jer, die heute weitgehend mit dem Kriterium der formelhaften Sprache operiert, vor allem wenn die deuteronomistische Redaktion des Buches erhoben wird. Während die vorstufenkritische Aussagekraft geprägter Terminologie nicht zu bezweifeln ist, ergibt die Überprüfung an Beispielmaterial gleichwohl, dass die redaktionsgeschichtliche Forschung häufig Fehl-
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schlüssen erliegt, wenn sie wie üblich Passagen in formelhafter Diktion als redaktionelle Zutaten separiert. Denn dabei werden häufig wichtige begleitende Faktoren verkannt. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass das buchtypische, meist als deuteronomistisch eingestufte Formelgut eine paränetische Signatur trägt, die seine Verwendbarkeit auf Reden geeigneter Sprecher zu geeigneten Themen einschränkt (sowie auf - seltene - Autorenkommentare). Will man daher einen formelhaften Passus als redaktionellen Nachtrag bewerten, bedarf es eines hinreichenden Maßes an zusätzlichen Indizien aus dem Kriterienkatalog der Vorstufenrekonstruktion (Dopplungen, Spannungen). Weiterhin ist die konzeptionelle Prägung betroffener Einheiten genauer zu beachten, denn nicht selten begegnet die buchtypische Phraseologie in Zusammenhängen, die eine nicht-dtr Theologie vertreten. Dies ist besonders augenfällig beim masoretischen Sondergut, das noch in der Endphase der Buchgenese die kennzeichnenden sprachlichen Traditionen weiterpflegt, aber keine unterscheidend deuteronomistischen Theologumena mehr verficht. Es veranschaulicht damit besonders eindrucksvoll die Langlebigkeit und konzeptionelle Polyvalenz der fraglichen Terminologie. Stellt man diese Gesichtspunkte in Rechnung, ist das herkömmliche redaktionsgeschichtliche Modell in mehreren Hinsichten zu modifizieren. Einheiten, die formelhafte Reden in einen narrativen Rahmen einbetten, sind in der Regel nicht redaktionell bearbeitet, sondern allererst von redaktioneller Hand geschaffen worden. Die redaktionelle Ebene in Jer fächert sich auf in ein Spektrum von Schichten, die bloß teilweise deuteronomistisch genannt werden können, soll das Adjektiv nicht nur ein sprachliches, sondern auch ein konzeptionelles Prägemuster bezeichnen. Deshalb wird als Sammelbegriff für die buchtypische formelhafte Terminologie und die davon zehrenden Texte das Etikett „deuterojeremianisch" vorgeschlagen, während die deuteronomistischen Redaktionen aus dieser Sphäre lediglich einen Ausschnitt darstellen. Der Aufsatz „Jeremias Zeichenhandlung mit dem leinenen Schurz (Jer 13,1-11). Methodische Erwägungen zur Identifikation der deuteronomistischen Redaktion im Jeremiabuch" untermauert diese Maximen an einem weiteren Beispiel. Der Bericht von Jeremias symbolischem Akt mit dem leinenen Schurz mündet in das Deutewort Vv. 9-11, das einen stark klischierten Stempel trägt und daher von neueren redaktionsgeschichtlichen Theorien größtenteils einer dtr Bearbeitung zugeschrieben wird. Wie hingegen die Überprüfung ergibt, ist die Separation der formelhaften Passagen weder begründbar noch auch nur möglich. Außerdem enthält die Perikope noch weitere, bislang unbeachtete einschlägige Terminologie, deren Ausscheidung erst recht einen Torso hinterließe. Passend dazu erweist sich der Erzählstoff als von unaufhebbar legendarischer Natur. Mithin bildet Jer
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13,1-11 keine dtr bearbeitete Ausgabe einer älteren Vorlage, sondern ein einheitliches dtr Werk. Die Schaffung neuer, in sich abgerundeter Einheiten erweist sich damit abermals als typisch für die Arbeitsweise der Redaktionen in Jer. Der Plural „Redaktionen" leitet über zur These des nächsten Artikels: „Das judäische und das babylonische Jeremiabuch. Zur Frage der Heimat der deuteronomistischen Redaktionen des Jeremiabuchs". Die Studie bestätigt anhand der dtr Anteile die alte These, dass eine Vorstufe des Werkes im Umfang von Jer * 1—25 nachträglich um die Kap. *26-45 vermehrt wurde. Die dtr Stücke enthalten Indizien, wonach die dtr Passagen in Jer 1-25 und 26—44 aus sukzessiven redaktionellen Schüben hervorgingen, die an unterschiedlichen Orten entstanden: Zunächst komponierte eine dtr Redaktion in Juda (JerDtr I) in Gestalt der Kap. * 1-25 das , judäische Jeremiabuch", bevor eine weitere dtr Redaktion in Mesopotamien (JerDtr II) die Kap. *26^44 hinzufügte und so das „babylonische Jeremiabuch" ins Leben rief. Eine dritte dtr Redaktion (JerDtr III), nun wieder in Juda beheimatet, ist in Jer 32 zu greifen. Doch neben mehreren dtr Redaktionen existieren in der deuterojeremianischen Sphäre weitere Schichten, die zwar sprachlich die dtr Erzeugnisse nachahmen, aber in diesem Gewand Ziele verfolgen, die sich nicht mehr deuteronomistisch nennen lassen. Ein Beispiel erörtert der Aufsatz „Jeremia 24: Geschichtsbild und historischer Ort". Jer 24 zehrt zwar massiv von der buchtypischen geprägten Diktion, hat sich aber von der theologischen Denkwelt der Deuteronomisten weit entfernt. Die Studie sucht Antworten auf die Fragen, wo, wann und zu welchen Zwecken die dem Kapitel eigene Absetzung der Jojachin-Gola von den übrigen Judäern aufgekommen sein mag. Die Eigenart des Textes deutet auf einen Ursprung in einer Epoche, als sich die Judäer bereits allesamt als Nachkommen von Exilsheimkehrern verstanden. Kap. 24 artikuliert einen Affekt gegen die (nicht-babylonische) Diaspora, indem es die Exilanten mit der Jojachin-Gola gleichsetzt, der der Heilswille JHWHS gilt, während die Diaspora - bei impliziter Leugnung weiterer Deportationen - auf jene Landsleute zurückgeführt wird, die seinerzeit unter Zidkija in der Heimat verblieben und von JHWH von vornherein zum Untergang in der Zerstreuung bestimmt worden waren. Unter der Rubrik Fragen der Auslegung geht der gegenüber der Originalfassung erweiterte Aufsatz „Baruchs Erben. Die Schriftprophetie im Spiegel von Jer 36" dem Problem nach, warum Jer 36 Ätiologien der Verschriftung und redaktionellen Bearbeitung von Prophetie zu einer Zeit entwirft, als diese Praktiken in Juda längst üblich geworden sein mussten. Den Ansatz zur Antwort liefert eine diachrone Entflechtung des Kapitels. Danach entstammen die genannten Ätiologien der sekundären Übermalung der Einheit durch die patrizische Redaktion (PR). Dieses Stratum suchte
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das desaströse Bild der judäischen Aristokratie (der O'Hty) in den älteren Schichten des Buches aufzuwiegen, indem es in mehreren Zusätzen darlegte, wie sich die judäischen Führungskreise seinerzeit um den Propheten verdient gemacht hatten. In Kap. 36 war PR zusätzlich bestrebt, die eigene Redaktionstätigkeit zu rechtfertigen, indem sie die Patrizier zu den Rettern der jeremianischen Prophetie adelte und in Jeremias Sekretär Baruch, nach seinem sozialem Status einer der Ihren, ein Musterbeispiel redaktioneller Treuhänderschaft entwarf. Dazu stilisierte man die von Jojakim verbrannte Schriftrolle zur ersten und einzigen Sammlung von Jeremiaworten, mithin zur „Urrolle", sodass die jeremianische Prophetie nur überlebt, weil die Patrizier Jeremia und Baruch rechtzeitig den Rat zum Untertauchen geben. Der Hinweis auf die Fortschreibung der neu erstellten Schriftrolle stellte die eigene Redaktionstätigkeit unter den Segen Jeremias und in die Nachfolge Baruchs. Das Ergebnis ist eine redaktionelle Autolegitimation der PR, die die judäischen Patrizier als die verdienten Retter der Prophetie Jeremias und die berufenen Hüter seines Buches zeichnet. Der ebenfalls erweiterte Aufsatz „Gedalja und die Kolonie von Mizpa" überprüft neuere Theorien zur Herrschaft Gedaljas an den biblischen Quellen, insbesondere Jer 39-41. Behandelt werden der Status Gedaljas, seine Regierungsdauer, ihm zugeschriebene Reformen, die Motive und Ziele seines Mörders Jischmael sowie die Loyalitäten der judäischen Bevölkerung und der Truppenführer (D^Tin "Hfr). Die Diskussion mündet in die Empfehlung, bei der Einschätzung der Bedeutsamkeit der wahrscheinlich sehr kurzen Regentschaft Gedaljas Nüchternheit walten zu lassen.
Methodische Grundsatzfragen textgenetischer Studien
Das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik in neueren alttestamentlichen Veröffentlichungen Das Verhältnis von Text- und Literarkritik ist in der atl. Wissenschaft Gegenstand der Diskussion. Das war nicht immer so. W. Richter schloss die Textkritik in seinem „Entwurf einer alttestamentlichen Literaturtheorie und Methodologie" 1971 aus dem Kreis der exegetischen Aspekte aus, weil sie Aufgaben erfülle, die „erst den Gegenstand der Literaturwissenschaft herstellen. Man kann sie unter dem Namen ,Philologie' unter die vorbereitenden Arbeiten einreihen". 1 Handbücher der exegetischen Methodik pflegen Text- und Literarkritik in getrennten Kapiteln zu behandeln. Wenngleich somit der systematische Ort der Textkritik unterschiedlich bestimmt wurde, war jeweils die eindeutige Trennbarkeit beider Disziplinen einschlussweise vorausgesetzt. Inzwischen ist es geradezu ein Topos, die Schwierigkeit der Grenzziehung zu betonen. 2 Der Wandel wurde ausgelöst 1
W. RICHTER, Exegese als Literaturwissenschaft. Entwurf einer alttestamentlichen Literaturtheorie und Methodologie, Göttingen 1971, 20. Vgl. ebd. 22. Ebenso unterbleibt die Behandlung der Textkritik bei K. KOCH, Was ist Formgeschichte? Methoden der Bibelexegese, Neukirchen-Vluyn 4 1981. 2 Vgl. z. B. D. BARTHÉLÉMY, Problématique et tâches de la critique textuelle de l'Ancien Testament hébraïque, in: Ders. (Hg.), Études d'histoire du texte de l'Ancien Testament (OBO 21), Fribourg - Göttingen 1978, 365-381, 371: „II est ... parfois difficile de distinguer de façon satisfaisante ces domaines"; B. ALBREKTSON, Diffïcilior lectio probabilior. A Rule of Textual Criticism and its Use in Old Testament Studies, in: Ders. (Hg.), Remembering all the Way ... (OTS 21), Leiden 1981, 5-18, 14: „(The boundary) is sometimes difficult to define"; E. ULRICH, Horizons of Old Testament Textual Research at the Thirtieth Anniversary of Qumran Cave 4, CBQ 46 (1984) 613-636, 617f.: „It is difficult at times to know whether the 'added commentary' is part of the composition (and thus an element of the 'original text' to be retained) or a secondary addition (and thus to be deleted from the text and relegated to the critical apparatus)"; G. VANONI, Literarkritik und Grammatik. Untersuchungen der Wiederholungen und Spannungen in 1 Kön 11-12 (ATS 21), St. Ottilien 1984, 23: „Die Grenze ... (ist) nicht leicht zu ziehen"; M. DIJKSTRA, The Glosses in Ezekiel Reconsidered. Aspects of Textual Transmission in Ezekiel 10, in: J. Lust (Hg.). Ezekiel and his Book. Textual and Literary Criticism and their Interrelation (BEThL 74), Leuven 1986, 55-77, 58: „A methodological delimitation between the two fields of criticism is highly impractical to work with"; J. LUST, The Use of Textual Witnesses for the Establishment of the Text, in: ebd., 7-20, 17: „The boundary between these two areas tends to blur". Die Beispiele ließen sich vermehren.
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Das Verhältnis von Textkritik und
Literarkritik
durch das neu erstarkte Interesse an der Textkritik des AT, angeregt durch die Manuskriptfunde von Qumran und den dadurch bedingten Zuwachs an Glaubwürdigkeit auf Seiten der Septuaginta als Zeugin einer nichtmasoretischen hebräischen Vorlage. Die Folge war ein vermehrtes Augenmerk auf solche nichtmasoretischen Textzeugen, die erheblich von MT abweichen, wie G* der Bücher Josua, Samuel, Könige, Jeremia und Ezechiel oder die Qumran-Manuskripte 4QSam a und 4QJer b . Die Divergenzen zwischen diesen Zeugen und MT erreichen sehr häufig Größenordnungen, wie sie sonst für literarkritische Theorien typisch sind. Ferner wurden auch kompliziertere Verschränkungen von Text- und Literarkritik sowie Textkritik und weiteren exegetischen Methodenschritten behauptet. 3 Dies hat einige Autoren veranlasst, das Verhältnis der beiden benachbarten exegetischen Aspekte näher zu bestimmen. Wie sich zeigen wird, wurde der Frage ein höherer Stellenwert als der eines rein innerexegetischen Problems der Systematik der Unterdisziplinen zugeschrieben. In fundamentalistischen Kreisen beispielsweise ist die Ansicht weit verbreitet, Textkritik sei theologisch legitim, Literarkritik jedoch illegitim bzw. gegenstandslos. 4 Natürlich sind gravierende Differenzen zwischen nichtmasoretischen und masoretischen Texten seit dem Beginn der systematischen textkritischen Auswertung der griechischen Tradition im 17. Jahrhundert bekannt. Dementsprechend wurden auch die Konsequenzen dieses Tatbestands 3
Vgl. den Diskussionsbericht bei E. ULRICH, Horizons (s. Anm. 2), 631-636. Neben den von Ulrich genannten Arbeiten vgl. zusätzlich F. LANGLAMET, David et la maison de Saül. Les épisodes „benjaminites" de II Sam., IX; XVI, 1-14; XIX, 17-31; I Rois, II, 3 6 46, RB 86 (1979) 194-213.385^36.481 513; RB 87 (1980) 161-210; RB 88 (1981) 321-332; P. K. MCCARTER, II Samuel (AncB 9), Garden City NY 1984; R. STAHL, Die Überlieferungsgeschichte des hebräischen Bibeltextes als Problem der Textkritik. Ein Beitrag zu gegenwärtigen textgeschichtlichen Hypothesen und zur Frage nach dem Verhältnis von Text- und Literarkritik, Masch. Diss. Jena 1978; H.-J. STIPP, Elischa - Propheten - Gottesmänner. Die Kompositionsgeschichte des Elischazyklus und verwandter Texte, rekonstruiert auf der Basis von Text- und Literarkritik zu 1 Kön 20.22 und 2 Kön 2 - 7 (ATSAT 24), St. Ottilien 1987; J. TREBOLLE BARRERA, La coronación de Joás (2 Re 11). Texto, narración e historia, EstB 41 (1983) 5-16; DERS., Glosas en 2 Re 11,6-10. De la crítica textual a la crítica literaria e histórica, EstB 41 (1983) 375-380; DERS., Jehú y Joás. Texto y composición literaria de 2 Reyes 9-11 (Institución San Jerónimo 17), Valencia 1984; DERS., La primitiva confesión de fe yahwista (1 Re 18,36-37). De la crítica textual a la teología bíblica, Salm. 31 (1984) 181-205; DERS., Recensión y redacción de 2 Re 17,7-23 (TM LXX B / L X X l VL), in: N. Fernández Marcos (Hg.), Simposio Bíblico Español (Salamanca, 1982), Madrid 1984, 215-228; DERS., El estudio textual y literario de Segundo Libro de Samuel. A proposito del comentario de P. KYLE MCCARTER, EstB 44 (1986) 5-24; DERS., En torno a las adiciones y omisiones de Samuel y Reyes (1 Sam 8,18 y 1 Re 21,29), EstB 44 (1986) 253-262; R. WONNEBERGER, Leitfaden zur Biblia Hebraica Stuttgartensia, Göttingen 1984, 7. 4
Vgl. J. BARR, Fundamentalism, Philadelphia 2 1981, 279-284; deutsch: Fundamentalismus, München 1981, 208-212.
Emanuel Tov
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erörtert. Über ausgewählte ältere Literatur zur Verzahnung von Text- und Literarkritik hat D. Barthélémy 1984 berichtet. 5 Ich diskutiere hier neuere Stimmen, die unter dem Eindruck der obengenannten Verwerfungen in der textkritischen Diskussionslage stehen. Es gilt zu erfahren, welche tragfahigen Gesichtspunkte zur Grenzziehung zwischen beiden Disziplinen dabei zutage getreten sind.
Emanuel Tov E. Tov greift in seinem Buch „The Text-Critical Use of the Septuagint in Biblical Research" die Frage auf, weil die herkömmliche Umschreibung der Zuständigkeiten von Text- und Literarkritik nicht dem Beobachtungsstand entspreche: „According to the prevailing view, textual criticism begins to operate at the point where literary criticism ends." 6 Die klare Scheidung zwischen einer Phase des literarischen, redaktionellen und kompositioneilen Wachstums einerseits, das von der Literar- sowie Redaktionsbzw. Kompositionskritik rekonstruiert werde, und einer Phase der Reproduktion eines verfestigten Endprodukts andererseits, wofür die Textkritik zuständig sei, lasse sich jedoch so nicht aufrechterhalten: „Since the written transmission of the biblical books started before the process of literary growth was completed, it is not surprising that some textual sources contain data deriving from the period when the books were still formulated." 7 Tov nennt eine Anzahl wichtiger Beispiele für diese Konstellation. 8 Weil seine Liste in übersichtlicher Form jene Fälle zugänglich macht, die die Diskussion prägen, sei sie kurz wiedergegeben: die Existenz einer kürzeren Ausgabe (edition) des Jeremiabuches in G* und 4QJer b neben einer weiterentwickelten Ausgabe in MT;9 die unterschiedlichen Fassungen der 5 D. BARTHÉLÉMY, L'enchevêtrement de l'histoire textuelle et de l'histoire littéraire dans les relations entre la Septante et le Texte Massorétique. Modifications dans la manière de concevoir les relations existant entre la LXX et le TM, depuis J. Morin jusqu'à E. Tov, in: A. Pietersma (Hg.), De Septuaginta (FS J. W. Wevers), Mississauga, Ont. 1984, 21-40. Barthélemys Referat reicht bis E. Tov, The Text-Critical Use of the Septuagint in Biblical Research (Jerusalem Biblical Studies 3), Jerusalem 1981. Weil Barthélémy den Beitrag Tovs zwar vorstellt, aber nicht näher analysiert, wird dieser hier in die Darstellung einbezogen. 6 E. Tov, Text-Critical Use (s. Anm. 5), 33; vgl. auch ebd. 307. 7 E. Tov, ebd. 294; vgl. die gleichbedeutende Formulierung S. 33. 8 Ebd. 296-306 (Lit.!). Vgl. ferner die Zusammenstellung bei E. Tov, Some Sequence Differences between the MT and LXX and Their Ramifications for the Literary Criticism of the Bible, JNWSL 13 (1987) 151-160. 9 Vgl. neben der bei E. Tov genannten Literatur TH. SEIDL, Texte und Einheiten in Jeremia 27-29. Literaturwissenschaftliche Studie. 1. Teil (ATSAT 2), St. Ottilien 1977, bes. 54-58; M. MARGALIOT, Jeremiah X 1-16: A Re-examination, VT 30 (1980) 295-
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Das Verhältnis von Textkritik und
Literarkritik
Goljatperikope 1 Sam 17,1-18,5 in MT und G*;'° die konkurrierenden Systeme von Chronologie und Textanordnung in MT und G* bzw. (/-Rezensionen in Kön; 11 der verschiedenartige Übergang von Jos zu Ri in MT und G*; ferner die Differenzen zwischen MT und G* in den Listen von Neh 11-12 und den chronologischen Angaben in Gen; die Unterschiede in Lesung und Textarrangement in Ex 35-40, 1 Kön 12 und Spr; 13 das Fehlen von Ez 36,23(ab Hin' UIN DNJ)-38 im griechischen Papyrus 967 und im 308; E. Tov, Some Aspects of the Textual and Literary History of the Book of Jeremiah, in: P.-M. Bogaert (Hg.), Le livre de Jérémie. Le prophète et son milieu, les oracles et leur transmission (BEThL 54), Leuven 1981, 145-167; DERS., The Literary History of the Book of Jeremiah in the Light of Its Textual History, in: J. H. Tigay (Hg.), Empirical Models for Biblical Criticism, Leiden 1985, 211-237; P.-M. BOGAERT, De Baruch à Jérémie. Les deux rédactions conservées du livre de Jérémie, in: P.-M. Bogaert (Hg.), Le livre de Jérémie. Le prophète et son milieu, les oracles et leur transmission (BEThL 54), Leuven 1981, 168-173; DERS., Les mécanismes rédactionnels en Jér 10,1-16 (LXX et TM) et la signification des suppléments: ebd., 222-238; A. SCHENKER, Nebukadnezzars Metamorphose vom Unterjocher zum Gottesknecht. Das Bild Nebukadnezzars und einige mit ihm zusammenhängende Unterschiede in den beiden Jeremia-Rezensionen, RB 89 (1982) 498-527; F. H. POLAK, Jer. 23:29 - An Expanded Colon in the LXX?, Textus 11 (1984) 119-123; R. D. WELLS, Indications of Late Reinterpretation of the Jeremianic Tradition from the LXX of Jer 21,1-23,8, ZAW 96 (1984) 405-420; W. McKANE, The History of the Text of Jeremiah 10,1-16, in: A. Caquot (Hg.), Mélanges bibliques et orientaux en l'honneur de M. M. Delcor (AOAT 215), Kevelaer 1985, 297-304; DERS., A Critical and Exegetical Commentary on Jeremiah, Bd. 1: Introduction and Commentary on Jeremiah I-XXV (ICC), Edinburgh 1986, xv-xxxi.txxxiii; S. SODERLUND, The Greek Text of Jeremiah. A Revised Hypothesis (JSOT.S 47), Sheffield 1985; R. P. CARROLL, Jeremiah (OTL), Philadelphia 1986, 50-55; B. GOSSE, La malédiction contre Babylone de Jérémie 51,59-64 et les rédactions du livre de Jérémie, ZAW 98 (1986) 383-399; L. STULMAN, The Other Text of Jeremiah. A Reconstruction of the Hebrew Text Underlying the Greek Version of the Prose Sections of Jeremiah With English Translation, Lanham 1986; DERS., The Prose Sermons of the Book of Jeremiah. A Redescription of the Correspondences with Deuteronomistic Literature in the Light of Recent Text-critical Research, Atlanta 1986. 10 Vgl. ferner E. Tov, The Composition of 1 Samuel 16-18 in the Light of the Septuagint Version, in: J. H. Tigay (Hg.), Empirical Models for Biblical Criticism, Philadelphia 1985, 97-130; D. BARTHÉLÉMY, D. W. GOODING, J. LUST, E. Tov, The Story of David and Goliath. Textual and Literary Criticism. Papers of a Joint Research Venture (OBO 73), Fribourg 1986. " Vgl. ferner H.-J. STIPP (s. Anm. 3) 63-87.447-450, und die dort zusammengestellte Literatur. 12 Vgl. ferner J. C. TREBOLLE BARRERA, Salomon y Jeroboán. Historia de la recensión y redacción de 1 Reyes 2-12,14, Salamanca 1980; DERS., Testamento y muerte de David. Estudio de historia de la recensión y redacción de I Rey., II: RB 87 (1980) 8 7 103; E. Tov, The LXX Additions (Miscellanies) in I Kings 2 (3 Reigns 2), Textus 11 (1984) 89-118; G. VANONI (S. Anm. 3); H.-J. STIPP, ebd. 418^*39. 13 Vgl. ferner O. PLÖGER, Sprüche Salomos (BK 17), Neukirchen-Vluyn 1984, XV. XXIXf.
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Codex Wirceburgensis der Vetus Latina sowie die andersartige Textanordnung von Ez 36-39 im Papyrus 967; 14 schließlich die divergenten Fassungen von Est in MT, G* und dem herkömmlicherweise „lukianisch" genannten griechischen Text. Tov belegt diese Differenzen mit der Bezeichnung „early readings" und formuliert den Grundsatz: "These early readings should not be evaluated by the usual textual criteria, as they were not created by textual transmission" (307). Sie werden von der Literarkritik erörtert. Nach Tovs Terminologie („early") soll also vordergründig für die Behandlung von Lesartdifferenzen durch entweder Text- oder Literarkritik weiterhin das Alter der Varianten den Ausschlag geben. Tov hält offenkundig an der Unterscheidbarkeit einer Phase des Textwachstums und einer Phase der Textüberlieferung fest; 15 es wird lediglich angenommen, dass beide einander überlappen können. „Early" ist eine Lesart dann, wenn sie nicht der Stufe der „textual transmission", sondern der Phase des „literary growth" entstammt. Weil aber das literarische Wachstum bis in eine Epoche reichen kann, in der die „textual transmission" bereits im Gange war, kann „early" faktisch auch einen sehr späten absoluten Entstehungszeitpunkt bezeichnen, erweist sich somit als ein bis zur Inhaltsleere dehnbarer Begriff. Woran erkennt man nun, dass eine Variante „early" ist? Die Frage wird bei Tov nicht unmittelbar beantwortet. Eine Lesart gilt jedenfalls nicht einfach dann als alt, wenn sie sich in einem Textzeugen findet, in dem „early readings" reichlich anzutreffen sind wie in JerG*. In dem Abschnitt seines Buches, der die „evaluation of readings" und damit Prioritätsurteile behandelt, 16 gibt Tov drei Lesungen von JerG* gegen MT den Vorzug, obwohl sie im selben Textzeugen vorliegen wie die zahlreichen JerG*-Textunterschüsse, die als „early readings" außerhalb der Zuständigkeit der Textkritik liegen sollen, 17 und es folglich der Begründung bedürfte, warum sie einer anderen Phase zugehören sollen als jene: Jer 23,33 (MT NtoQTDp'nK, G * - V o r l a g e NtoQH DFIN), 2 9 / 3 6 , 2 6 {MT Hin; r r a D H p ? n r n b ,
G*-Vorlage
nirr n n a T p a nrn"?) und 41/48,9 ( M T n i h -in^-rrTa: G*-Vorlage Vna t d Nin). Im Falle von Jer 23,33 und 29/36,26 könnte man zwar darauf verweisen, dass dort die G*-Lesarten - anders als die G*-Unterschüsse in Jer 14
Vgl. ferner J. Lust, De samenhang von Ez. 36-40. Theologische relevantie van het ontbreken van Ez. 36,23c-38 in enkele handschriften, TTh 20 (1980) 26-39; ders., Ezekiel 36-40 in the Oldest Greek Manuscript, CBQ 43 (1981) 517-533; E. Tov, Recensional Differences between the MT and LXX of Ezekiel, EThL 62 (1986) 89-101, 99ff. 15 Vgl. auch E. Tov, Text-Critical Use (s. Anm. 5), 31: "OT textual criticism does not aim at one of the stages preceding the completion of the books, but at the finished compositions." 16 E. Tov, ebd. 28Iff. 17 Vgl. insbesondere E. Tov, ebd. 297f.308.
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Literarkritik
- von weiteren antiken Übersetzungen geteilt werden (vgl. BHS), doch dieses Argument wird von Tov nicht verwendet. Bei Jer 41/48,9 würde es freilich auch nicht helfen: G* enthält hier als einziger nichtmasoretischer Zeuge die Fassung, nach der laut Tov zu rekonstruieren ist. Man fragt sich, warum die Stelle eine andere Behandlung erfahrt als die „early readings", obwohl in beiden Fällen die Überlieferungssituation die gleiche Struktur aufweist. Der Vergleich der Beispiele für „early readings" mit den Beispielen, bei denen Tov (zur Illustration der textkritischen „evaluation of readings") zugunsten der Priorität nichtmasoretischer Lesarten entscheidet, hebt indessen einen anderen Unterschied hervor: Die Fälle, in denen Tov die Textkritik für zuständig erklärt, rufen bei einer Rekonstruktion nach G * keine oder nur unerhebliche Textquantumsdifferenzen hervor. Das ist anders bei jenen, die nach Tov unter die Zuständigkeit der Literarkritik fallen: Würde ihnen ein höheres Alter zugesprochen, hätte dies zur Folge, dass Passagen im Umfang von einzelnen Worten bis ganzen Abschnitten ausgeschieden oder hinzugefügt werden müssten; mitunter wäre auch eine abweichende Textanordnung wiederherzustellen. Es hat demnach den Anschein, als ob für Tovs Grenzziehung zwischen Text- und Literarkritik eher die quantitative Größenordnung der Lesartdifferenzen leitend war: Führt eine Rekonstruktion aufgrund abweichender Textzeugen zu keinen oder unbedeutenden Änderungen in der Textmenge, handelt es sich um eine textkritische Maßnahme; ändert dagegen der Eingriff das Textquantum auch nur in geringem Maße, ist er eine literarkritische Prozedur. 1 8 Die Beschreibung von Lesarten mit Auswirkungen auf das Textquantum und -arrangement als „early" ist lediglich ein Etikett, dem aufgrund seiner vagen Definition nahezu jeder Inhalt abgeht. Als ein Spezialfall ist im vorliegenden Zusammenhang die Einordnung der Konjekturalkritik von Interesse. Für sie ist nämlich kennzeichnend, dass sie - anders als die Textkritik sonst - nicht mit Daten aus der Textüberlieferung operiert, sondern - ebenso wie die Literarkritik - ihre Hypothesen aus Merkmalen der Textbeschaffenheit herleitet. Tov bestimmt deshalb ihren systematischen Ort folgendermaßen: "fConjectural criticism] is merely an appendix to textual criticism. Rooted in the exegesis of the biblical text, conjectural criticism is only secondarily connected with textual criteria." (33) Die Frage, wie sich die Konjekturalkritik zur Literarkritik verhält, wird von Tov allerdings nicht aufgeworfen. An Tovs Scheidung zwischen Text- und Literarkritik bedarf noch ein weiterer Punkt der Analyse. Es handelt sich um eine bestimmte konsequen18 Ebenso schon A. JEPSEN, Von den Aufgaben der alttestamentlichen Textkritik: Congress Volume Bonn, in: Congress Volume Bonn 1962 (VT.S 9), Leiden 1963, 332341, 339ff.
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zenreiche Vorgabe, die nur mittelbar deutlich wird. Einen Fingerzeig liefert folgender Satz: "While on the textual level one is allowed to prefer one detail to another, in the realm of literary analysis one does not prefer details or stages." (308) Warum sollen text- und literargeschichtliche Rekonstruktionen einen unterschiedlichen wissenschaftlichen Status innehaben? Und wie kommt die Exegese dazu, auf einer Ebene - der Textkritik - Vorzugsurteile zu fällen („to prefer"), während dies auf einer anderen Ebene - der Literarkritik - nicht der Fall ist? Wie sich aus dem Fortgang von Tovs Darlegungen ergibt, bezieht sich das Zitat auf gewisse Produkte exegetischer Wissenschaft, in denen text- und literarkritische Urteile Konsequenzen haben können, nämlich Übersetzungen und Kommentare. 19 Dort soll gelten: Textkritisch darf rekonstruiert werden, literarkritisch hingegen nicht. Hier offenbart sich indirekt ein bestimmtes Verständnis von rekonstruierender Textkritik, das kaum Allgemeingültigkeit beanspruchen kann: Rekonstruierende Textkritik ist ein Lieferant von Lesarten für Anwendungsgebiete der genannten Art; ihre Reichweite bemisst sich deshalb nicht etwa an der Eigenart ihrer Ausgangsdaten und deren Erklärungsbedürftigkeit, sondern daran, inwieweit in den zugehörigen Anwendungsgebieten legitim von der Textgrundlage - üblicherweise dem tiberischen Text - abgewichen werden darf. 20 Größere Abweichungen werden vermieden, indem Wiederherstellungen von in der Textüberlieferung belegten nichtmasoretischen Textmengen und -arrangements der Literarkritik unterstellt und zugleich literargeschichtliche Rekonstruktionen als unerlaubt ausgeschlossen werden. Ist dies richtig, ist Tov bei seiner Grenzziehung zwischen Text- und Literarkritik von einem externen Gesichtspunkt geleitet: der Legitimität von Rekonstruktionen auf bestimmten Anwendungsfeldern exegetischer Urteile. Deshalb ist sein Vorschlag nicht rundum überzeugend. Man wüsste gerne, wie eine Statusdifferenz text- und literarkritischer Urteile innerexegetisch zu rechtfertigen sein soll. Die (bei Tov durch das Etikett „early" nur angedeutete) Versicherung, dass quantitative Varianten notwendigerweise einem anderen textgeschichtlichen Stadium entstammten als qualitative, widerspricht dem Überlieferungsbefund. Legitimitätsregeln, die bei der Applikation von Wissenschaft gelten mögen, eignen sich kaum für die Festlegung der innerwissenschaftlichen Systematik. Damit ist nicht bestritten, dass die Rechtmäßigkeit von Rückgriffen auf ältere Textentwicklungsstufen in Übersetzungen und Kommentaren dringend der Reflexion bedarf.
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Vgl. E. Tov, ebd. 31 Of. Darum geht es bei dem, was E. Tov, "the problem of the legitimacy of textual décision" nennt (ebd. 310). 20
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Literarkritik
In diesem Punkt ist Tovs Mahnungen beizupflichten. 21 Doch handelt es sich dabei um eine separate Frage, deren Beantwortung zwar mit Hilfe wissenschaftlicher Gesichtspunkte zu erfolgen hat, selbst aber ohne Einfluss auf die innerwissenschaftliche Systematik bleibt.
Das Comité pour l'analyse textuelle de l'Ancien Testament hébreu (I) Auch das vom Weltbund der Bibelgesellschaften berufene Comité pour l'analyse textuelle de l'Ancien Testament hébreu (D. Barthélémy, A. R. Hülst, N. Lohfink, W. D. McHardy, H. P. Rüger, J. A. Sanders; nunmehr kurz: Comité) sah sich veranlasst, eine Grenzziehung zwischen Text- und Literarkritik vorzunehmen. Der Grund ist der gleiche wie bei Tov: Man betrieb Textkritik mit dem Blick auf einen konkreten Verwendungszusammenhang textkritischer Thesen, entsprechend dem Auftrag, eine textkritische Handreichung für biblische Übersetzungsprojekte in aller Welt zu erstellen. Hier war die Frage zu klären, unter welchen Umständen Bibelübersetzer aufgrund textkritischer Gesichtspunkte von dem in den geläufigen Ausgaben abgedruckten Text des Codex Leningradensis abweichen konnten oder sollten. Das Comité musste also im Rahmen einer Interpretation der ihm gestellten Aufgabe einige theoretische Vorentscheidungen treffen. Von besonderem Belang sind dabei die Erfahrungen, die das Gremium im Verlauf seiner Arbeit sammelte und die es zu Modifikationen der zu Beginn eingenommenen Standpunkte führten. Es ehrt das Comité, dass es diese Erfahrungen im Vorspann zum Bd. I seines „Rapport final" von D. Barthélémy der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen ließ. 22 Weil das Gremium die Grenze zwischen Text- und Lite-
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Vgl. E. Tov, ebd. 310, sowie auch die dort genannte Literatur; für die Kommentarliteratur M. GREENBERG, The Use of the Ancient Versions for Interpreting the Hebrew Text. A Sampling from Ezekiel ii 1-iii 11: Congress Volume Göttingen 1977 (VT.S 29), Leiden 1978, 131-148. Für weitreichende Rekonstruktionen darf der Leser detaillierte Begründungen erwarten. Namentlich die deutschsprachige Exegese wird sich daher die Frage stellen müssen, ob allgemeinverständliche und in ihrem Umfang limitierte Kommentarreihen oder Lexikonartikel der rechte Ort sind, hochdifferenzierte und kontroverse literar- bzw. redaktionsgeschichtliche Theorien zu veröffentlichen, denen schon wegen der Publikationsform keine befriedigende Rechtfertigung beigegeben werden kann. 22 D. BARTHÉLÉMY, Critique textuelle de l'Ancien Testament. 1. Josué, Juges, Ruth, Samuel, Rois, Chroniques, Esdras, Néhémie, Esther. Rapport final du Comité pour l'analyse textuelle de l'Ancien Testament hébreu institué par l'Alliance Biblique Universelle, établi en coopération avec Alexander R. Hülst, Norbert Lohfink, William D. McHardy, H. Peter Rüger (coéditeur), James A. Sanders (coéditeur) (OBO 50/1), Fribourg 1982, *65-*l 14; engl. Übers, in: DERS., Studies in the Text of the Old Testament. An Introduc-
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rarkritik in Abhängigkeit von bestimmten Annahmen über das Werden des hebräischen Bibeltextes und des atl. Kanons zog, ist dieser konzeptionelle Rahmen mit einiger Ausführlichkeit darzustellen. Weil ferner die früheren Sichtweisen des Comité Lehrmeinungen widerspiegeln, die erfahrungsgemäß heute noch weit verbreitet sind, soll hier auch denjenigen Theorien Aufmerksamkeit gelten, die das Comité später selbst verwarf. Theoretische Plattform am Beginn der Arbeit des Comité war der folgende vierstufige Aufriss der Geschichte des hebräischen Bibeltextes: -
Le premier stade est celui des productions littéraires orales ou écrites envisagées en des formes aussi proches que possible des productions originales. C'est surtout l'analyse littéraire qui sert à reconstituer ces états textuels qu'on désigne couramment comme les 'textes originaux'.
-
Le deuxième stade est celui de la forme textuelle la plus primitive (ou des formes les plus primitives) qui soi(en)t attestées par des témoins existants. Ce sont les techniques de l'analyse textuelle qui servent à déterminer ces formes. On pourrait appeler ce stade celui du 'texte attesté le plus primitif (que cette attestation soit d'ailleurs directe ou indirecte).
-
Le troisième stade est celui du texte consonnantique que les savants juifs ont rendu normatif peu après 70 après J.-C. On peut appeler ce stade celui du 'texte protomassorétique'.
-
Le quatrième stade enfin est celui du 'texte massorétique', c'est-à-dire de la forme textuelle que les Massorètes ont déterminée aux 9e et 10e siècles après J.-C., et qui peut être pratiquement représentée, quant à la vocalisation et à l'accentuation, par les principaux manuscrits des écoles massorétiques de Tibériade. 23
Der Klarheit halber sei ein terminologischer Unterschied zwischen dem Sprachgebrauch des Comité und dieser Erörterung hervorgehoben: Was dort „texte protomassorétique" heißt, nenne ich den masoretischen Text, weil es sich um den allen masoretischen Schulen gemeinsamen Konsonantentext handelt; und was dort „texte massorétique" heißt, nenne ich den tiberischen Text, weil es sich um den masoretischen Text mit tiberischer Vokalisation und Akzentsetzung handelt. Das textgeschichtliche Modell übernahm im Grundsatz die verbreitete Ansicht, dass sich im Werdegang der hebräischen Bibel eine Phase des Textwachstums, das von der Literarkritik analysiert wird, und eine Phase der Textüberlieferung, für die die Textkritik zuständig ist, unterscheiden
tion to the Hebrew Old Testament Text Project (Textual Criticism and the Translator 3), Winona Lake IN 2012, 82-141. 23 Ebd. *69; es handelt sich um ein Zitat aus dem Compte rendu préliminaire et provisoire sur le travail d'analyse textuelle de l'Ancien Testament hébreu, Bd. I, Stuttgart 1973, XX.
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Das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik
lassen. 24 Dementsprechend bearbeiten die beiden Disziplinen prinzipiell getrennte Gebiete. Die Scheidung zwischen Text- und Literarkritik und damit die Reichweite der textkritischen Rekonstruktion ergab sich demzufolge einfach aus einer klaren Zäsur in der Geschichte des hebräischen AT: dem Übergang vom literarischen Wachstum zur Überlieferung des stabilisierten Endprodukts. Gibt es in der Tat einen solch eindeutigen Grenzverlauf zwischen Textwachstum und -Überlieferung, können zwangsläufig Varianten der Textüberlieferung nicht älter sein als er. Daraus folgt, dass durch den Rückgriff auf die zweite Stufe des vorausgesetzten Schemas die gemeinsame Wurzel aller späteren Differenzierung in verschiedene Texttypen erreicht werden kann: „[Le Comité] a commencé son travail en estimant possible d'atteindre, à partir des témoins textuels existant, la forme textuelle qui se situe à l'origine de leurs plus anciennes divergences." (*69) Die gestellte Aufgabe, textkritische Probleme zu beurteilen, konkretisierte das Comité auf der Grundlage dieses Modells so: „Lorsque des leçons rivales viennent concurrencer celle qu'atteste la tradition textuelle massorétique, le Comité chargé de les départager a essayé de déterminer celle ou celles de ces leçons que l'on peut considérer comme caractéristiq u e ^ ) du deuxième stade du développement du texte hébreu de l'Ancien Testament." (*69) Damit waren folgende Weichen gestellt: Nach dem Selbstverständnis des Comité würden Übersetzer, die hinter den tiberischen Text auf ältere Textentwicklungsstufen zurückgreifen wollten, in den Berichten des Comité Auskunft erhalten, wie dies in wissenschaftlich verantworteter Weise geschehen kann. Mit dem Auftrag, textkritische Expertisen vorzulegen, war zugleich derartigen Rekonstruktionen einschlussweise eine rückwärtige Grenze gezogen: eben die Grenze der Reichweite der Textkritik, die nach damaliger Sicht des Gremiums bei dem „texte attesté le plus p r i m i t i f lag. Diese Schranke beruhte, wie man meinte, auf dem maximalen Alter aus der Textüberlieferung bezogener Daten, das seinerseits durch bestimmte Fakten der Geschichte der hebräischen Bibel bedingt sein sollte. Im Zuge der Interpretation seines Auftrags widmete das Comité auch der Konjekturalkritik detaillierte Überlegungen. Anlass war hier wie bei Tov der Tatbestand, dass diese Disziplin zwar traditionell als Zweig der Textkritik gilt, dort aber eine offenkundige Sonderstellung einnimmt: „Les conjectures ne se basent sur aucune forme existante du texte de l'Ancien Testament." (*74) Deshalb, so folgerte das Comité, falle jener Typ von Rekonstruktionen nicht mehr unter seine Zuständigkeit: „Le Comité a estimé 24 Vgl. z. B. A. van der Kooij, Die alten Textzeugen des Jesajabuches. Ein Beitrag zur Textgeschichte des Alten Testaments (OBO 35), Freiburg Schweiz 1981, 9-11, und die dort zusammengestellte Literatur.
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... que ,étant chargé d'analyser les problèmes textuels, non les problèmes littéraires, de l'Ancien Testament, [il] ne pouvait entrer dans ce domaine des suggestions purement conjecturales'." (*74) Damit wurde gegen alle exegetische Tradition die Zugehörigkeit der Konjekturalkritik zur Textkritik verneint. Den Grund spricht das Zitat nur indirekt aus: Offenkundig ist es die Auffassung, dass Textkritik ausschließlich mit belegten Lesarten befasst sei. Ferner wurde die Konjekturalkritik mit den „problèmes littéraires" in Verbindung gebracht, also in eine - freilich nicht näher erläuterte - Nähe zur Literarkritik gerückt, mit deren Vorgehensweisen sie in der Tat einiges gemeinsam hat. Die Konjekturalkritik war demzufolge schon aus definitorischen Gründen kein Zweig der Textkritik: Textkritik analysiert eine bestimmte Klasse von Daten, nämlich in der Textüberlieferung bezeugte Lesarten. 25 Das Comité nennt jedoch noch einen weiteren Grund für seine Abkehr von einer weithin als Gemeingut betrachteten Wissenschaftssystematik 26 : „Si la visée est d'atteindre le texte au début du deuxième stade de son évolution, la conjecture risque d'atteindre au-delà de cette visée et de nous restituer un état textuel relevant du premier stade." (*76) Konjekturen sollten also hinter den angenommenen Zeitpunkt der Textstabilisierung auf die Phase des Textwachstums zurückgreifen können. 27 Darin unterschieden sie sich - so jedenfalls die seinerzeitige Meinung des Comité - von Rekonstruktionen aufgrund von Daten aus der Textüberlieferung; und man kann hinzufügen: Darin stimmten sie mit literarkritischen Theorien überein. Ihr Ausschluss musste daher als die folgerichtige Konsequenz erscheinen. Die Selbstbeschränkung des Comité auf belegtes Material stellte somit den rein textkritischen Charakter seiner Arbeit sicher sowie, als dessen Implikat, die rückwärtige Obergrenze seiner Rekonstruktionen. Man spürte jedoch offenbar, dass diese Grenzziehung nicht allein durch den Hinweis auf die Art der gestellten Aufgabe befriedigend zu rechtfertigen war. Hier wiederholt sich eine Beobachtung, die schon in der Auseinandersetzung mit Tov angestellt wurde: Weichen Übersetzer von einer gegebenen Textgrundlage aufgrund von Daten aus der Textüberlieferung ab, weil sie eine vorausliegende, beispielsweise „Urtext" genannte Größe anzielen, stellt 25
Das Comité akzeptierte dabei allerdings auch die Bezeugung in Form der „attestation textuelle indirecte". Näheres dazu bei D. BARTHÉLÉMY, ebd. *77. 26 B. ALBREKTSON, Difficilior lectio (s. Anm. 2), 14f., wendet gegen diese Entscheidung des Comité ein: "Conjectural emendation is not in itself a borderline case at all: it is universally regarded as one of the essential tasks of textual criticism, as may be established by consulting any of the current manuals of the subject." Traditionelle Einmütigkeit ist indessen keine Gewähr für die Richtigkeit einer Auffassung. 27 Als überzeugendes Beispiel diente Gen 24,67 und dazu die Ausführungen von A. JEPSEN, ebd. (s. Anm. 18) 333f.
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Literarkritik
sich notwendig die Frage, warum sie nicht auch aus literarkritischen Gründen Rekonstruktionen vornehmen sollten. Warum sollten Übersetzer zwar textkritisch rekonstruieren, literarkritisch hingegen nicht? Warum sollten sie eine Textentwicklungsstufe anzielen, die gerade nicht das älteste erreichbare Stadium bildete? Welches ist das Privileg der ältesten mit textkritischen Mitteln erreichbaren Stufe? Auch hier meldet sich das Problem des unterschiedlichen Status der beiden Ebenen. Das Comité war also ebenso wie Tov von einer Statusdifferenz überzeugt, doch anders als er begründete es sie durch eine explizite Theorie. Sie operiert mit systematischtheologischen Gesichtspunkten. Die hypothetische grundlegende Verfestigung des Wortlauts in dem „le deuxième stade" genannten textgeschichtlichen Einschnitt 28 - datiert nach einem Vorschlag von Kittel 29 auf ungefähr 300 v. Chr. - wurde auf einen spezifischen Grund zurückgeführt: die Kanonisierung des hebräischen Bibeltextes. „Ce processus de canonisation entraînerait une stabilisation littéraire de l'écrit, marquant la fin de son évolution littéraire et le début de son histoire textuelle." (*69) Kanonisierung und Stabilisierung des Wortlauts sollen also praktisch gleichzeitig eingetreten sein, weil - so wird man den Passus verstehen müssen - die Textstabilisierung näherhin ein integrierender Aspekt der Kanonisierung gewesen sei. Die Kanonisierung habe jedoch einen maßgeblichen Unterschied der theologischen Wertigkeit zwischen der Wachstumsund der Überlieferungsphase des AT gestiftet, insofern in der zweiten dem Feld der Textkritik - dem Text religiöse Autorität zukam, in der ersten dagegen noch nicht. Erst nach jener Wende um 300 v. Chr. sollte sich vom atl. Text sagen lassen, „que tel écrit a fonctionné comme livre sacré pour une communauté qui y cherchait les références de son identité, références que nous y cherchons encore aujourd'hui. C'est à un texte reçu comme 'canonique' que nous nous intéressons." (*77) Deshalb konnte das Comité die Aufgabe der atl. Textkritik wie folgt präzisieren: „La critique textuelle de l'Ancien Testament en tant que Bible vise à rétablir ce texte en son état authentique, c'est-à-dire en l'état où il a été canonisé, même si cet état n'est pas toujours littérairement original." (*77) Hiermit wurden Rekonstruktionen aus kanontheoretischen Gründen begrenzt: Man erklärte für theologisch illegitim, auf Textentwicklungsstufen zurückgreifen, „dont nous ne possédons aucun indice qu'il ait fonctionné comme Écriture Sainte pour une communauté." (*77) Erlaubt dagegen war 28
Es handelt sich hier offenkundig nicht um ein „Stadium" im Sinne eines Zeitraums von geraumer Erstreckung. 29 R . KITTEL, Über die Notwendigkeit und Möglichkeit einer neuen Ausgabe der hebräischen Bibel, Leipzig 1901, 38.
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es, denjenigen Textzustand wiederherzustellen, der zum Zeitpunkt der Kanonisierung erreicht war - nach der damaligen textgeschichtlichen Sicht des Comité also genau an der Trennlinie, die die Kompetenz der Textkritik von derjenigen der Literarkritik schied. Das war der ausschlaggebende Grund, der literarkritische Rekonstruktionen in Übersetzungen untersagte. Welche Gesichtspunkte ergeben sich aus alldem für den Verlauf der Grenze zwischen Text- und Literarkritik? Nach dem ursprünglichen Standpunkt des Comité galten dafür im Bereich des AT folgende Maßgaben: (1) Beide Aspekte sind geschieden, insofern sie Prozesse in unterscheidbaren Stadien der Geschichte der hebräischen Bibel analysieren. Definitionsgemäß ist die Literarkritik auf die Phase des Textwachstums und die Textkritik auf die Phase der Textüberlieferung bezogen. Der Ausgang der Textkritik von einer spezifischen Datenklasse - der materiellen Textüberlieferung - bedingt, dass ihre Rekonstruktionen nicht hinter jenen Einschnitt zurückreichen können, der als grundlegende Textstabilisierung den Übergang zwischen beiden Stadien bildet. (2) Biblische Textkritik ist Textkritik der Heiligen Schrift; folglich dürfen ihre Rekonstruktionen nicht weiter zurückreichen als bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der untersuchte Text erstmals die Qualität der Heiligen Schrift erlangte. Damit wird die Textkritik einem systematisch-theologisch begründeten Legitimitätsprinzip unterworfen. Hier wirkt sich wie schon bei Tov das Verständnis der Textkritik als anwendungsbezogener Disziplin aus: Sie liefert Übersetzern Textrekonstruktionen; folglich bemisst sich ihre Reichweite danach, was in Übersetzungen der Heiligen Schrift zulässig ist. Solche Restriktionen gelten für die Literarkritik nicht. Text- und Literarkritik haben unterschiedliche Status inne; diese sind theologischer Natur: Gegenstand der Textkritik ist die Heilige Schrift, Gegenstand der Literarkritik sind deren Vorläufer. Weil nun aber die Stabilisierung des Wortlauts ein Aspekt der Kanonisierung ist und mit ihr zeitlich einhergeht, bewirken beide Grundsätze die Bindung von Text- und Literarkritik an Datenklassen verschiedenen Alters wie auch ihre unterschiedliche theologische Bewertung - de facto dasselbe: Literarkritik analysiert das Wachstum vor und Textkritik die Überlieferung nach der Kanonisierung des alttestamentlichen Textes um etwa 300 v. Chr. Demzufolge zog das Comité anfangs die Trennlinie zwischen Text- und Literarkritik mit Hilfe einer Kombination von textgeschichtlichen Annahmen, einer auf dem Definitionswege vollzogenen Beschränkung der Textkritik auf belegtes Material sowie systematisch-theologischen Argumenten. Grundlegend ist die Prämisse, die Textkritik sei ein anwendungsbezogener Zweig der Exegese, die Literarkritik dagegen nicht. Diese Gesichtspunkte erscheinen nicht alle sachgemäß. In der Tat nahm das Comité im Verlauf
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Das Verhältnis von Textkritik und
Literarkritik
seiner Arbeit erhebliche Revisionen an seiner anfanglich bezogenen Position vor. Bevor daher in ihre Beurteilung eingetreten wird, sind die Korrekturen darzustellen, die das Comité selbst anbrachte.
Das Comité pour l'analyse textuelle de l'Ancien Testament hébreu (II) Wie dargelegt, sah es das Comité als seine Aufgabe an, denjenigen Wortlaut wiederherzustellen, in dem die atl. Schriften kanonischen Rang erhalten hatten. Woran aber sollte erkennbar sein, ob ein bestimmtes Entwicklungsstadium einer atl. Passage als Heilige Schrift gegolten hatte? Wegen der vorausgesetzten Einheit von Kanonisierung und Stabilisierung erhob das Comité zunächst letztere zum Kriterium der Kanonizität: „La communauté qui cherchait en ce texte les références de son authenticité s'estimait responsable de maintenir ce texte dans l'état authentique, c'est-à-dire en cet état où elle l'avait reconnu comme sacré." (*77) Es kann nicht mehr überraschen, dass diese Annahme im Verlauf der Arbeit des Comité ihre Bewährungsprobe nicht bestand. Wiederholt stellte man fest, dass auch größere Eingriffe an Texten vorgenommen worden waren, denen bereits eine außerordentliche religiöse Würde zugekommen sein musste. Auf die größten Schwierigkeiten, das gesteckte Ziel zu erreichen, traf das Comité in den Büchern Jer, Ez und Spr: „Au cours de son travail, il est apparu clairement au Comité que, pour le livre des Proverbes ... et pour ceux de Jérémie et d'Ézéchiel ..., le *M et le *G étaient chacun le résultat d'un développement littéraire spécifique, si bien qu'en de nombreuses difficultés concernant ces livres, il n'était pas possible, par les moyens de l'analyse textuelle, de remonter à l'état textuel antérieur à ces deux développements littéraires spécifiques. Pour ces livres, le Comité a donc décidé de suivre la tradition du *M partout où elle se distingue au niveau littéraire (et non au niveau textuel seulement) de celle du *G." (*70) Mit dem letzten Satz wird die Annahme einer klaren Zäsur zwischen Phasen des Textwachstums und der Textüberlieferung widerrufen. Vom Prinzip der theologischen Legitimität textkritischer Rekonstruktionen wird bei den genannten Büchern nicht mehr Gebrauch gemacht, allerdings auch deshalb, weil man es sich in vielen Einzelfallen nicht mehr zutraute, mit textkritischen Mitteln den gemeinsamen Ahnen der verschiedenen Sonderentwicklungen zu ermitteln. Daher leuchtet die praktische Konsequenz ein, die das Comité zog: Bei einer textkritisch so komplexen Lage wie in den genannten Fällen kann für Übersetzungen die Suche nach dem „texte attesté le plus primitif nicht mehr sinnvoll sein.
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Indem man jedoch für bestimmte atl. Bücher de facto eine Sonderregel etablierte, waren die Probleme keineswegs ausgeräumt. Im Rest des AT erwies sich die Situation meist nicht als qualitativ, sondern lediglich graduell verschieden: „La rédaction de ce rapport a été l'occasion de repérer des innovations littéraires tardives ayant eu lieu dans presque tous les livres sur lesquels il porte." (*107) Kanonizität und literarische Umgestaltung scheinen sich also zumindest in bestimmten Phasen der Kanonbildung keineswegs ausgeschlossen zu haben; vielmehr „ont interféré durant les diverses phases du développement textuel deux tendances visant toutes deux à garantir l'authenticité du texte: celle qui visait à sa stabilisation totale et celle qui suscitait des innovations littéraires limitées." (*78) Die „innovations littéraires limitées" werden von Barthélémy durch reichliches Beispielmaterial belegt: den Umgang des Chronisten mit seinen Quellen; späte Entwicklungen in den Samuelbüchern, erkennbar durch den Vergleich von MT und 4QSam b ; Euphemismen und anderes. 30 Fazit: „Stabilisation et adaption sont deux tendances en apparence contradictoires qui, pourtant, ont longtemps interféré et visaient un même but: préserver l'identité du texte." (*95) Damit stand fest, dass die Textstabilisierung lediglich eine späte Folge des Aufstiegs zu kanonischer Dignität war. Sie trat auch nicht schlagartig ein, wie das eingangs zitierte Modell unterstellte; eher wird die Bereitschaft, die in steigendem Ansehen gehaltenen Schriften anzutasten, fortschreitend abgenommen haben. Zwar hat es mit der erfolgreichen Durchsetzung des masoretischen Textes als verbindlicher Fassung der kanonischen Literatur im Judentum in der Tat einen Moment der ziemlich konsequenten Verfestigung des Konsonantenbestandes gegeben, doch er ist lediglich der späte terminus ante quem der Annahme als Heiliger Schrift. Barthélémy sucht ihn erst im 2. Jahrhundert der christlichen Epoche. 31 Nicht einmal er markiert die absolute Erstarrung des Wortlauts, wie die ali/gre-Anweisungen belegen. 32 Wie sollte nun die Gestalt bestimmt werden, in der die einzelnen Teile des AT kanonische Würde errangen? So, wie das Comité nach Barthélemys Darstellung ursprünglich seine Aufgabe verstand, war ohne eine Antwort auf diese Frage nicht auszukommen. Wenn die Textstabilisierung als Kriterium praktisch entfallen war, blieb man auf äußere Quellen zur Ge30
D . BARTHÉLÉMY, e b d . * 7 9 - * 9 4 .
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D . BARTHÉLÉMY, e b d . * 102.
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Jüdische Traditionen, die die Entstehung von ¿¿/-i/^re-An Weisungen in das 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. datieren, sind zusammengestellt bei C. MCCARTHY, The Tiqqune Sopherim and Other Theological Corrections in the Masoretic Text of the Old Testament (OBO 36), Freiburg Schweiz 1981, 160-162.
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Das Verhältnis von Textkritik und
Literarkritik
schichte der Kanonbildung verwiesen. Die Schwierigkeit, dort eindeutige Auskünfte zu erhalten, wird von der nunmehr eingeführten Unterscheidung zwischen der „canonisation au sens de reconnaissance des livres comme saints" und der „canonisation au sens de clôture de liste" beleuchtet. 33 Allein unter der ersten Überschrift lassen sich aufgrund äußerer Bezeugung für den Pentateuch „deux codifications successives" nennen, nämlich „celle qui servit de base à la reforme de Josias et celle qui constitua le corpus légal promulgué par Esdras au nom du Roi des Perses" (*96). Zwar möchte man auch jetzt den notwendigen Zusammenhang von Kanonisierung und Textverfestigung noch nicht ganz aufgeben: „Chacune de ces codifications entraîna vraisemblablement une stabilisation des textes" (ebd.). Doch zumindest für die erste „codification" wird sofort zugestanden, dass die Stabilisierung, die mit ihr einhergegangen sein soll, nicht von langer Dauer gewesen sein kann. Im Licht des Quellenmaterials leuchtet daher das Fazit des Comité ein: „II nous faut donc conclure ... que le point stable que nous avions cru pouvoir fixer ... vers 300 av. J.-C. se dérobe à nos prises." (* 107) Da also weder eine angenommene Textstabilisierung noch äußere Quellen auf einen präzisen Zeitpunkt der Kanonisation fuhren, und das sicherlich deshalb, weil es eine Kanonisation in Form eines raschen qualitativen Sprunges nicht gegeben hat, erweist sich der Aufstieg der atl. Bücher zur Heiligen Schrift grundsätzlich als ungeeignet, die Reichweite der Textkritik - und damit ihre Grenze zur Literarkritik - zu bestimmen. Mit zunehmender Komplexität der textlichen Überlieferungssituation stellt sich ferner die Absicht, Übersetzungen auf rekonstruierte Texte zu gründen, als undurchführbar heraus, sofern das Unterfangen einen vernünftigen Grad innerer Konsequenz erreichen soll. Auch daraus zieht das Comité eine überzeugende praktische Folgerung: Es hat keinen Zweck, als Übersetzer oder Herausgeber des hebräischen AT einen - womöglich der gesamten Textüberlieferung gemeinsamen - Ahnen wiederherstellen zu wollen. So bleibt nur die Alternative, unter den belegten Textformen eine Wahl zu treffen und ihr so weit wie möglich zu folgen. Die Wahl wird normalerweise auf den tiberischen Text fallen, weil er unter den in Betracht kommenden Zeugen durchschnittlich das höchste Alter aufweist. 34 Was aber hat die Textkritik dann noch zu tun? An dieser Stelle gibt das Comité das Verständnis der Disziplin von einem einzelnen Anwendungsgebiet her auf und unterscheidet verschiedene „Rollen" auf verschiedenen Anwendungsfeldern. Je nachdem ob es sich um eine Textausgabe, um wissenschaftliche, populäre oder für den gottesdienstlichen Gebrauch bestimmte Übersetzungen oder um wissenschaftliche Kommentare handelt, 33 34
D. BARTHÉLÉMY, ebd. *96.*99. Vgl. D. BARTHÉLÉMY, ebd. *107-111.
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gelten unterschiedliche Maßstäbe für die Legitimität von Abweichungen von der gewählten Textgrundlage. 35 Nach rückwärts prinzipiell unbegrenzt ist die Nachzeichnung des textlichen Werdegangs in der wissenschaftlichen Literatur. Hier ist der leitende Maßstab die Erklärungspflicht der Wissenschaft gegenüber den Daten: „S'il s'agit ... d'un commentaire textuel, on devra situer la forme traditionelle que l'on commente d'une manière aussi exacte que possible par rapport à ses sources." Ziel ist „une analyse approfondie des stades antérieurs littéraires et textuels qui placent en de justes perspectives la résultante textuelle finale traditionellement reçue". 36 Dabei gibt es keinen Grund, das Interesse lediglich auf die Vorgeschichte des Ausgangstextes zu richten: „Cette remontée vers l'amont des formes textuelles traditionelles devrait d'ailleurs se doubler d'une exploration de leur aval, c'est-à-dire de leur fécondité théologique, liturgique, iconographique et littéraire." 37 Die hier verhandelte Frage nach dem Unterschied zwischen Text- und Literarkritik wird in Barthélemys Darstellung nicht wieder aufgenommen. Unter den veränderten Vorzeichen hat sie ihre Brisanz verloren: Da das Comité am Ende seines Reflexionswegs den Übersetzern nur den folgerichtigen Rat erteilen kann, von seinen eigenen Prioritätsurteilen lediglich in Ausnahmefällen Gebrauch zu machen, 38 weil sie keineswegs ohne triftigen Grund hinter ihren Basistext zurückgreifen sollen, erübrigt es sich, das sachliche, methodische und theologische Proprium der Textkritik gegenüber dem benachbarten Methodenschritt der Literarkritik zu bestimmen. Trotzdem ist nun die Frage zu stellen, welche Argumente sich aus den Standpunkten und Erfahrungen des Comité für die gesuchte Grenze ergeben. Die auch heute noch weitverbreitete Ansicht, in der Geschichte des AT sei eindeutig eine Wachstums- von einer Überlieferungsphase unterscheidbar, hat das Comité selbst falsifiziert. Damit steht positiv fest, dass die Zuständigkeiten von Text- und Literarkritik weder zeitlich noch sachlich klar trennbar sind. Der Tatbestand, dass die materielle Textüberlieferung in eine Epoche zurückreicht, in der die Texte noch Eingriffen z. T. erheblichen Umfangs ausgesetzt waren, macht es möglich, durch Vergleich von Zeugen verschiedenen Typs Entwicklungsprozesse einer Größenord35
Vgl. ebd. * 112f. Ebd. *113; ähnlich D. BARTHÉLÉMY, L'enchevêtrement de l'histoire textuelle et de l'histoire littéraire (s. Anm. 5), 39. 37 Ebd. D. BARTHÉLÉMY, L'enchevêtrement (s. Anm. 5), 36, schließt sogar - angeregt durch M.-J. LAGRANGE, Les sources du Pentateuque, RB 7 (1898) 10-32, 17f. - in überzeugender Weise jede Übersetzung in den Prozess der Textentwicklung ein: „Les traductions ... sont des relectures orientées. ... L'acte de traduction offre ainsi une occasion remarquable au développement littéraire." 38 D. BARTHÉLÉMY, Critique textuelle I, ebd. * 114. 36
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nung nachzuzeichnen, die die Textkritik gleichrangig neben die Literarkritik stellt. Ebenso wenig wie vermeintliche Daten der Textgeschichte sind solche der Kanongeschichte geeignete Instrumente der Scheidung zwischen beiden Disziplinen. Denn der Aufstieg der atl. Bücher zu autoritativem Rang vollzog sich als ein Jahrhunderte langer, nach Buchgruppen verschieden verlaufender und recht diffuser Prozess; 39 er trat genauso wenig ruckartig ein wie die Stabilisierung ihres Wortlauts. Wenn man folglich wie auch das Comité - die Kanonizität nicht auf die Aufnahme in eine offizielle Kanonliste reduziert, ist sie eine nach unten schwer abgrenzbare religiöse Dignität, die sich nicht dazu eignet, präzise Anfänge zu bestimmen. Für das Verhältnis von Kanonisierung und Textverfestigung lässt sich am Rande festhalten: Es ist nicht erst für den Zeitpunkt der Textstabilisierung kanonische Würde anzunehmen; umgekehrt unterband auch die Durchsetzung eines formellen Kanons und die anschließende weitgehende Textkonservierung noch längst nicht jegliche literarische Manipulation. Textstabilisierung zeigt nicht den Eintritt in die Kanonizität an, sondern ein gewandeltes Verständnis von Kanonizität. Die Kompilation einer offiziellen Kanonliste bedeutet nicht die Erhebung zur Kanonizität, sondern deren Feststellung. Einen Zusammenhang von steigender religiöser Autorität und Textverfestigung hat das Comité sicherlich zu Recht behauptet, doch sind beide wahrscheinlich weitgehend kontinuierliche Vorgänge gewesen mit womöglich einzelnen größeren Sprüngen, die jedoch am fließenden Charakter des Prozesses nichts ändern. Davon ist lediglich der Einschnitt um die Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert der christlichen Ära auszunehmen. Rechnet man mit solchen kontinuierlichen Wandlungen der Einstellung zur schriftlichen religiösen Tradition und verzichtet auf das Konstrukt einer Textstabilisierung am Schnittpunkt zwischen redaktionellem Wachstum und Zerfall in Texttypen, entfallt eine grundlegende Unklarheit des ursprünglichen textgeschichtlichen Modells des Comité. Denn eine Textstabilisierung, die lediglich das Startzeichen zur Textdiversifikation bildet, ist keine Stabilisierung. Hat es vor der formellen Kanondefinition keine klare Phasengliederung der Geschichte der hebräischen Bibel gegeben, der sich Text- und Literarkritik zuordnen ließen, wird auch eine unterschiedliche theologische Bewertung solcher Stadien gegenstandslos. Ohnehin wäre sie für die Wissenschaftssystematik nur dann in Betracht gekommen, wenn die vorgängige Entscheidung hätte gerechtfertigt werden können, dass die Textkritik eine anwendungsorientierte Disziplin ist - mit allen Folgen - , die Literarkritik dagegen nicht. Doch schon diese - als solche nirgendwo ausgesprochene 39
V g l . D . BARTHÉLÉMY, C r i t i q u e t e x t u e l l e I, e b d . * 9 5 - * 1 0 2 ; J. B A R R , H o l y
Scrip-
ture. Canon, Authority, Criticism, Oxford 1983, 49-68; O. KAISER, Einleitung in das Alte Testament, Gütersloh
5
1984, 405-409.
Hermann Barth - OdiI Hannes Steck
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Ansicht kann kaum der Kritik standhalten. Sollte ein wissenschaftliches Fach durch seine Daten nahegelegte Schlüsse nicht ziehen, weil man bei gewissen Applikationen aus übergeordneten Gründen keinen Gebrauch davon machen wird? Unterscheidet man obendrein, wie das Comité nach fortgeschrittenen Erfahrungen, mehrere Anwendungsgebiete mit je eigenen Regeln, müsste man theoretisch die gleiche Anzahl von Textkritiken schaffen, die dann je nach Bedarf unterschiedlich viel über die Textgeschichte wissen. Die Absurdität der Idee liegt auf der Hand. Überzeugender erscheint es demgegenüber, die Reichweite der Textkritik durch die Erklärungspflicht der Wissenschaft gegenüber den Daten bestimmen zu lassen: Textkritik fallt diachrone Urteile („älter", ,jünger") und betreibt Vorstufenrekonstruktion, wenn und solange die Erklärungsbedürftigkeit der Daten dies erfordert. Die Übernahme der dabei gezogenen Schlüsse in Übersetzungen, Kommentare und andere Anwendungsfelder ist, wie schon im Gespräch mit Tov betont, eine wichtige, aber separate Frage.
Hermann Barth - Odil Hannes Steck Der „Leitfaden der Methodik" von H. Barth und O. H. Steck ( 10 1984) hat das Verdienst, dass er entgegen der üblichen Praxis in seinem textkritischen Kapitel dem Verhältnis der Text- zur Literarkritik einen eigenen Abschnitt widmet. Die Grenzziehung setzt die vorgängige Definition der Aufgabe der Textkritik voraus, die hier wie beim Comité (I) auf einem textgeschichtlichen Modell beruht: „TK [Textkritik] hat ... die Aufgabe, ... die in der Textgeschichte unterlaufenen Fehler aufzufinden und nach Möglichkeit den ursprünglichen Text des AT' ... festzustellen. ,Ursprünglicher Text' meint dabei im wesentlichen diejenige Textgestalt, die am Ende des Prozesses produktiver, schriftlicher Gestaltung des AT steht. Dieser Punkt, der in der Regel spätestens mit dem Erlangen kanonischer Geltung eines Textes erreicht ist, lässt sich zeitlich nicht völlig eindeutig festlegen und ist zudem für die verschiedenen Schriftengruppen und sogar Einzelschritten des AT verschieden; eine ungefähre Einordnung führt in den Zeitraum zwischen dem 4. und 2. Jh. v. Chr." (23f) Barth/Steck unterstellen also gleichfalls die klare Zweiphasigkeit der Textgeschichte; lediglich der Wendepunkt sei je nach Buch(gruppe) verschieden zu datieren. Dann gelte für die Zuständigkeiten beider Methodenschritte: „Absichtliche Änderungen im Stadium der schriftlichen Überlieferung eines Textabschnittes, die vor dem ... Endpunkt produktiver Textgestaltung liegen ..., fallen in den Bereich der LK [Literarkritik]. Alle Ver-
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änderungen am Text, die nach dem genannten Einschnitt liegen ..., stellen tk.e [textkritische] Probleme." (24) Für die Anwendung des Grundsatzes werden indessen Probleme zugestanden, freilich ohne dass dies zu systematischen Modifikationen führt: „[Es] ist im Einzelfall schwer zu entscheiden, wann das Abschreibeversehen eingetreten ist. Ein textgeschichtlicher Befund kann unter Umständen auch auf Vorgänge vor dem Ende produktiver alttestamentlicher Überlieferungsbildung verweisen und muss dann dementsprechend im Rahmen der LK [Literarkritik] bzw. der ÜG [Überlieferungsgeschichte] bearbeitet werden." 40 Anders also als Tov und das Comité räumen Barth/Steck Kompetenzen der Textkritik vor dem Umschlag vom ersten zum zweiten Stadium ein. Die Zugehörigkeit einer Vorstufenrekonstruktion zu entweder Text- oder Literar- bzw. Überlieferungsgeschichte entscheidet sich dann nach zwei Kriterien: (1) Die Phasenzugehörigkeit der Veränderung in der als zweiphasig betrachteten Textgeschichte. Dieser Gesichtspunkt kann nach den vorausgegangenen Erörterungen nicht mehr als brauchbares Instrument der Scheidung gelten. Damit ist der Vorschlag von Barth/Steck an sich schon nachhaltig in Frage gestellt. (2) Problematisch ist jedoch auch das zweite Kriterium, das Barth/Steck für die Epoche vor dem maßgeblichen Einschnitt einführen: die Opposition Absichtlichkeit gegen Unabsichtlichkeit von Textentwicklungsprozessen. Es erscheint fraglich, ob der Gesichtspunkt Aussicht auf Bewährung in der Praxis hat. Machte man ihn sich zu eigen, verliefe die Prozedur wie folgt: Ein einschlägiger Fall wird begutachtet, und im Nachhinein ist - je nach Resultat - die akzeptierte Hypothese als text- oder literarkritische erkennbar. Denn das Urteil über Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit liegt der Hypothese nicht als Datum voraus, sondern ist einer ihrer Bestandteile. Deshalb ist das Kriterium auch unnötig theorieabhängig, insofern jene Entscheidung eben selbst ein wissenschaftliches Urteil darstellt, das jederzeit zum Gegenstand der Kontroverse werden kann; in der Praxis ist zumindest in einem Großteil der Fälle damit zu rechnen. So kommt es vor, dass verschiedene Forscher dieselbe Lesartengenealogie rekonstruieren, aber im Hinblick auf Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit des Hergangs einander widersprechen: Was dem einen als Schreiberversehen erscheint, hält der andere für eine absichtsvolle hochsublime Nuancierung. 41 Dann ist ein und 40 H . B A R T H - O . H . S T E C K , Exegese des Alten Testaments. Leitfaden der Methodik, Neukirchen-Vluyn 10 1984, 24; als Beispiele werden genannt die Differenzen zwischen AfTund G * i n Jerund 1 Sam 17,1-18,5. 41 Als Beispiel mag eine Kontroverse über eine Variante in Ez 2,3 dienen (MT , 5 3 G*-Vorlage Vsnii" rP3). Nach W. ZIMMERLI, Ezechiel. 1. Teilband: Ezechiel 1 -
Ludger
Schwienhorst
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dasselbe Resultat einmal text- und einmal literarkritischer Natur. Das kann nicht sinnvoll sein. Die Systematik von Barth/Steck liefert demnach kaum tragfahige Gesichtspunkte, um die hier gestellte Frage zu beantworten.
Ludger Schwienhorst Es geschieht selten, dass exegetische Monographien der Forderung nach methodischer Transparenz dadurch entsprechen, dass sie die ihnen zugrunde liegende Verhältnisbestimmung von Text- und Literarkritik offenlegen. Hier ist eine begrüßenswerte Ausnahme zu nennen: L. Schwienhorst hat es im Rahmen einer Arbeit über einen Text mit komplizierter Überlieferungslage (Jos 6) unternommen, „die Aufgabe der Textkritik und ihr Verhältnis zur Literarkritik exakt [zu] bestimmen". 42 Definitionen der Aufgabe der Textkritik, die ihre Zuständigkeit auf den Zeitraum der kanonischen Geltung festlegen, verwirft er aus ähnlichen Gründen wie den oben genannten als unbrauchbar (16-19). Aber ebenso wie Tov und das Comité (I) erklärt er Vorstufenrekonstruktionen aufgrund von Daten der Textüberlieferung, die nach ihrer Art literargeschichtlichen Hypothesen gleichen, in der Form textkritischer Urteile für unzulässig. Der Grund: „[Es] kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Geschichte der schriftlichen Fixierung eines Textes durch Auffinden der die verschiedenen diachronen Textstufen enthaltenden Handschriften zu rekonstruieren ist. Rechnet man aber die Rekonstruktion eines Textes durch Vergleich verschiedener Handschriften zur Methode der Textkritik - wie das bisher in der Regel geschieht - , dann ist eine grundsätzliche Trennung von Textkritik und Literarkritik nicht möglich." ( 19) Die Grenze zwischen beiden Disziplinen soll daher wie folgt gezogen werden: „Alle unbeabsichtigten Änderungen eines Textes sind Gegenstand der Textkritik. Alle beabsichtigten Änderungen eines Textes sind Gegenstand der Literarkritik." (21) Somit fallt ein Großteil des traditionellen Betätigungsfeldes der Textkritik der Literarkritik zu: „Dabei eröffnet sich der Literarkritik für die Erforschung der letzten Phasen dieser Textgeschichte ein neues Feld, nämlich der Vergleich mit anderen, aber ähnlichen Texttraditionen, sofern sie 24 (BK 13.1), Neukirchen-Vluyn 2 1979, 9, handelt es sich bei MT um „eine durch einen Abschreiber verschuldete Verblassung des Ausdrucks", während M. GREENBERG, Use of the Ancient Versions (s. Anm. 21), 135f., die Divergenz in Zusammenhang mit weiteren stellt und schließt: „The two versions thus convey different messages in this paragraph, for which their distinctive formulations are the necessary vehicles." (136) 42 L. SCHWIENHORST, Die Eroberung Jerichos. Exegetische Untersuchung zu Josua 6 (SBS 122), Stuttgard 1986, 15-21, Zitat 19.
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Das Verhältnis von Textkritik und
Literarkritik
sich in alten Handschriften erhalten haben. (...) Diese Literarkritik könnte man als , externe Literarkritik' bezeichnen, zum Unterschied von der internen Literarkritik', die sich auf Beobachtungen innerhalb des einen Textes beschränkt." (ebd.) Man erfahrt bei Schwienhorst nicht, warum es überhaupt einer Trennlinie zwischen Text- und Literarkritik bedarf. Nichts in seiner Erörterung deutet darauf hin, dass er - wie Tov und das Comité (I) - text- und literarkritischen Urteilen unterschiedliche (theologische) Status zuspräche. Anders als Barth/Steck hält er auch die Wiederherstellung einer z. B. „ursprünglicher Text", „Urtext" 43 oder ähnlich genannten privilegierten Textentwicklungsstufe für kein sinnvolles Ziel. Das Motiv muss vom Leser erschlossen werden; es scheint einzig der unbefragten fachlichen Tradition verpflichtet zu sein:44 Da es beide Disziplinen nun einmal gibt, muss es auch eine klare Trennung der Zuständigkeiten geben. Weil die bisherigen Theorien kein brauchbares Scheidungskriterium bereitstellen, wird ein neues etabliert: die von Barth/Steck bekannte Unterscheidung zwischen Absichtlichkeit und Unabsichtlichkeit, hier jedoch mit erheblich ausgeweiteten Kompetenzen. Die oben vorgetragenen Zweifel an der Tauglichkeit dieses Instruments gelten daher umso mehr. Es hat folglich weiterhin den Anschein, als ob eine befriedigende Antwort auf die Frage nach der Grenze zwischen Text- und Literarkritik auf sich warten lässt.
Fazit Die Prüfung neuerer Versuche zur Scheidung zwischen Text- und Literarkritik endet mit weitgehend negativen Ergebnissen: Es wurden mehrere beliebte Gesichtspunkte als ungeeignet abgewiesen. So entfallen alle Vorschläge, die eine klare Zweiphasigkeit der atl. Textgeschichte voraussetzen. Mit ihnen geht automatisch auch die Möglichkeit verloren, eine Statusdifferenz text- und literarkritischer Urteile zu rechtfertigen. Ferner scheint es nicht angezeigt, die wissenschaftliche Systematik nach Verwendungszusammenhängen textkritischer Theorien zu konzipieren. Ebenso wenig bewährt sich das Kriterium der Absichtlichkeit oder Unabsichtlich-
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V g l . H . BARTH - O . H . STECK (S. A n m . 4 0 ) , 2 3 .
Vgl. auch L. MARKERT in G. FOHRER, Exegese des Alten Testaments. Einführung in die Methodik, Heidelberg 4 1983, 41: „Auch wenn textkritische Entscheidungen im Einzelfall nur mit Hilfe der anderen exegetischen Methoden, besonders der Literarkritik und der sprachlichen Analyse, getroffen werden können, ist an der grundsätzlichen Trennung der einzelnen methodischen Ebenen festzuhalten, wenn Exegese nicht zu subjektiver Willkür entarten soll." Dem Anliegen ist beizupflichten; andererseits sind Ebenenverschränkungen der genannten Art auch in der Systematik ernst zunehmen.
Fazit
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keit von Textentwicklungen. Ist dies alles richtig, wanken zusätzlich die auf solche Argumente gegründeten Angaben, warum man überhaupt eine Trennung zwischen den beiden Disziplinen aufrechterhalten müsse. Dann muss selbst diese Frage als offen gelten. Die bloße Berufung auf die Wissenschaftstradition ist kein zureichender Grund. Mit diesem Vorbehalt verbleibt nach dem Gang durch die neuere Diskussion als einziges einstweilen glaubhaftes Kriterium der Scheidung zwischen Text- und Literarkritik die Zuständigkeit für verschiedene Datenklassen: Textkritik analysiert Daten der Textüberlieferung (belegte Lesarten), Literarkritik solche der Textbeschaffenheit (wie Doppelungen und Spannungen). Gelangen beide Disziplinen aufgrund ihrer Gesichtspunkte zu identischen Schlüssen, ist dies hinzunehmen. Es ist deutlich, dass die sogenannte Konjekturalkritik hiermit der Literarkritik unterstellt wird. So bleibt noch die Aufgabe, dieses Resultat mit Beispielmaterial zu konfrontieren. Ihr ist im folgenden Beitrag nachzukommen.
Textkritik - Literarkritik - Textentwicklung Überlegungen zur exegetischen Aspektsystematik
In einer anderen Veröffentlichung habe ich darüber berichtet, wie das Verhältnis der beiden benachbarten exegetischen Methodenschritte Textund Literarkritik in der neueren Diskussion für den Bereich des Alten Testaments bestimmt wird. 1 Wenngleich eine klare Grenzziehung zwischen beiden Gebieten heute allgemein als schwierig gilt, wird doch an dem Grundsatz festgehalten, dass zwischen ihnen geschieden werden müsse. 2 Deshalb wurden in jüngerer Zeit einige Gesichtspunkte vorgeschlagen, mit denen eine befriedigende Trennung vollziehbar sein soll. Ihre Prüfung führte freilich dazu, sie sämtlich als untauglich abzuweisen. Anfechtbar sind alle Vorschläge, die voraussetzen, es habe in der Geschichte des Alten Testaments zwei klar geschiedene Phasen einerseits des Textwachstums d. h. der redaktionellen und kompositionellen Prozesse - und andererseits der Textüberlieferung gegeben, sodass sich die Zuständigkeiten von Textund Literarkritik mit Rücksicht auf diese Phasen verteilen ließen. Fragwürdig erscheint auch die Praxis, die Grenzziehung abhängig zu machen von einem bestimmten Verständnis der Aufgabe der Textkritik, wonach diese Disziplin lediglich der Aufbereitung von Texten für Editionen, Übersetzungen und Kommentare diene, mit der Folge, dass sich ihre Reichweite nach den Herstellungsprinzipien solcher Werke bemesse und alle weitergehenden Rekonstruktionen literarkritisch genannt werden müssten. Letzteres gilt dann unabhängig davon, welche Arten von Daten und Argumenten die Hypothesenbildung leiten. Trennungsvorschläge schließlich, die mit der Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit von Textentwicklungsprozessen operieren, scheiden Text- und Literarkritik in Wahrheit überhaupt nicht voneinander; sie schlagen lediglich der Vorstufenrekonstruktion gewidme1 S. den Beitrag: Das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik in neueren alttestamentlichen Veröffentlichungen, in diesem Band S. 11-33. 2 So auch E. W Ü R T H W E I N , Der Text des Alten Testaments. Eine Einführung in die Biblia Hebraica, Stuttgart 5 1988, 117f.: „Auch wenn im praktischen Vollzug Textkritik, Literarkritik und Exegese sich oft eng berühren und zuweilen ineinander übergreifen, so ist doch grundsätzlich an der Unterscheidung dieser Arbeitsgebiete um der methodischen Sauberkeit willen festzuhalten."
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Textkritik - Literarkritik -
Textentwicklung
te Erörterungen nach ihrem Abschluss einer der beiden Methodenschritte zu, also dann, wenn über Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit überhaupt erst entschieden worden sein kann. Damit waren die mir bekannten neueren Vorschläge zur Trennung zwischen Text- und Literarkritik sämtlich abgelehnt. Als tauglicher Gesichtspunkt wurde lediglich und auch nur in vorläufiger Weise anerkannt, dass beide Methodenschritte für unterschiedliche Datenklassen zuständig sind, nämlich die Textkritik für Gegebenheiten der Textüberlieferung, die Literarkritik für Merkmale der Textbeschaffenheit. Eine solch einfache Systematik wird indessen in der mir bekannten neueren Literatur nicht vertreten und fuhrt auch nicht zu einer eindeutigen Scheidung der Zuständigkeitsbereiche, denn sie lässt zu, dass beide Methodenschritte von ihren jeweiligen Ausgangspunkten her zu gleichlautenden Schlüssen gelangen. Die angekündigte Konfrontation dieses Gesichtspunkts mit Beispielmaterial soll in den vorliegenden Ausführungen vorgenommen werden. Für die neuere Diskussion erwies sich weiterhin als charakteristisch, dass mit oder in Abhängigkeit von den oben zurückgewiesenen Trennungskriterien die Frage beantwortet wird, warum eine Trennlinie zwischen den beiden traditionellen exegetischen Methodenschritten gezogen werden müsse. Wenn aber die zugrundeliegenden Theoreme bezweifelt werden, richtet sich die Skepsis notwendig auch auf die darauf gestützten Antworten. Folglich stellt sich nicht nur das Problem, ob bzw. wie die herkömmliche Scheidung in Text- und Literarkritik praktisch durchführbar ist, sondern mehr noch, ob sie überhaupt gerechtfertigt ist. Die Erörterung wird Gründe nennen, diese Fragen zu verneinen. Das zwingt dazu, die Termini Text- und Literarkritik einstweilen zur raschen Verständigung in einem von der Tradition bestimmten, vage unterschiedenen Sinn zu verwenden, bevor ein neuer terminologischer Vorschlag unterbreitet werden kann.
I Argumente zur Verhältnisbestimmung von Text- und Literarkritik ergeben sich aus Überlappungen beider Zweige der Exegese. Mir sind drei Formen solcher Verzahnungen bekannt: 1. Sowohl Textunterschüsse in einem Teil der Textüberlieferung als auch literarkritische Indizien in einem anderen Teil sind durch dieselbe Annahme einer sekundären Interpolation erklärbar. Je nach Blickrichtung werden in diesem Fall entweder die auf Merkmale der Textbeschaffenheit - die literarkritischen Indizien - gegründeten Hypothesen durch Daten der Textüberlieferung bestätigt, oder die Erklärung von Daten der Textüberlieferung durch das Postulat eines Nachtrags wird durch Merkmale der Text-
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Textentwicklung
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b e s c h a f f e n h e i t untermauert. D i e Resultate d e s e i n e n M e t h o d e n s c h r i t t e s erw e i s e n sich a l s o j e w e i l s als durch die Instrumente d e s anderen v o r h e r s a g bar oder w e r d e n z u m i n d e s t durch sie gestützt. N e b e n d e n andernorts erörterten B e i s p i e l e n 1 K ö n 2 2 , 2 8 ; 2 K ö n 1,16; 3 , 1 3 . 1 9 ; 5 , 1 3 . 2 3 ; 8 , 1 6 ; 1 1 , 1 7 ; 2 0 , 1 9 ; 2 4 , 1 0 3 s e i e n genannt: ( 1 ) Jos 4 , 1 0 4 - n ' i i r ' ? ? o h n a f r - p n " ^ i n a o - n p i ; p - i x n ••Ktoä Q ^ n s n i o y n - ^ N "lanS jjtfirr-riK n i r r oun n n a ^
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[ ¡ j ^ i n ^ - n x n a r a ni2r-)iz?K
^bs]
D i e W o r t e in K l a m m e r n b i l d e n e i n e n G * - U n t e r s c h u s s . D a s N e b e n e i n a n d e r der beiden Erläuterungen y ^ i n ^ n N rnrP - Q - j r r b s Dh 1Ü n m - b x , n a n b u n d yt2ftrp-nK HEfa niSHttfK S r s ist w i d e r s p r ü c h l i c h . D e r erste P a s s u s steht m i t d e m v o r a u s g e h e n d e n K o n t e x t (Jos 4 , l c - 8 ) in Einklang, w ä h r e n d der z w e i t e aus D t n 3 , 2 8 oder v i e l l e i c h t auch d e m n a c h f o l g e n d e n V . 12b abgeleitet s e i n m a g , 5 aber j e d e n f a l l s nicht a u f d e n hier in R e d e s t e h e n d e n "IST zutrifft. D e r j e n i g e Pol der K o h ä r e n z s t ö r u n g , 6 der mit höherer W a h r s c h e i n l i c h k e i t sekundär ist, fehlt auch in e i n e m n i c h t m a s o r e tisehen Texttyp.7
3 H.-J. STIPP, Elischa - Propheten - Gottesmänner. Die Kompositionsgeschichte des Elischazyklus und verwandter Texte, rekonstruiert auf der Basis von Text- und Literarkritik zu 1 Kön 20.22 und 2 Kön 2-7 (ATSAT 24), St. Ottilien 1987, 26-30. Einen ähnlichen Beweis hat aufgrund von in Qumran gefundenen Phylakterien A. ROFÉ, Deuteronomy 5:28-6:1. Composition and Text in the Light of Deuteronomic Style and Three Tefillin from Qumran (4Q 128, 129, 137), Henoch 7 (1985) 1-14, für Dtn 5,32-33 (5,29-30) zu führen gesucht. 4 Das Beispiel ist übernommen von E. Tov, The Growth of the Book of Joshua in the Light of the Evidence of the LXX Translation, in: S. Japhet (Hg.), Studies in Bible (Scripta Hierosolymitana 31), Jerusalem 1986, 321-339, 329f. Dort finden sich zahlreiche weitere Beispiele. Zu Jos 20 vgl. A. ROFÉ, Joshua 20: Historico-Literary Criticism Illustrated, in: J. H. Tigay (Hg.), Empirical Models for Biblical Criticism, Philadelphia 1985, 131-147. 5 Tov ebd. 330. M. NOTH, Das Buch Josua (HAT 7), Tübingen 2 1953, 38, denkt an Dtn 27,4. R. G. BOLING, Joshua (AncB 6), Garden City 1982, 158, vertritt die weniger wahrscheinliche Theorie, der MT-Überschuss sei „a corruption based on a scribe's anticipation of the reading in v 12". 6 Diese ansprechende Sammelbezeichnung für die literarkritischen Indizien Spannungen (Widersprüche) und Doppelungen übernehme ich von L. SCHWIENHORST, Die Eroberung Jerichos (SBS 122), Stuttgart 1986, 19. 7 Der Terminus „Texttyp" bzw. „Textform" wird hier in dem bei STIPP, Elischa (s. Anm. 3), 19 erläuterten Sinn verwendet. D. BARTHÉLÉMY, Critique textuelle de l'Ancien Testament. 1. Josué, Juges, Ruth, Samuel, Rois, Chroniques, Esdras, Néhémie, Esther. Rapport final du Comité pour l'analyse textuelle de l'Ancien Testament hébreu (OBO 50/1), Fribourg - Göttingen 1982, 3f., rechnet ebenfalls mit einem Nachtrag in der prä-
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Textkritik — Literarkritik -
Textentwicklung
(2) 1 Kön 8,65 ••TT n i n t t f
... ^ n n - n x ... no^E?
frin
[Di-1 - w y n ü 3 " i K D-'q; r m s n ] V g l . v . 6 6 : o y n - n x n'pctf r r a t f n
nva
Die eingeklammerte Passage fehlt in G*. Sie steht in Widerspruch zur Auskunft in V. 66, dass Salomo das Volk am achten Tag entlassen habe. Es handelt sich um einen „Zusatz im Sinne von 2 Ch 7,9, wonach entgegen der Meinung von Dtr die ersten sieben Tage für die Tempelweihe beansprucht wurden und dann erst das siebentägige ,Fest' zu begehen war". 8 Er wurde eingetragen, ohne den folgenden V. 66 anzupassen. 9
masoretischen Tradition, schreibt aber den Unterschuss von G* einem glättenden Eingriff zu: „On sait en effet que le *G est très soucieux d'éviter tout ce qui semblerait contradictoire dans l'Ecriture" (4). Die hier wie andernorts ausgeprägte Neigung Barthélemys bzw. des Comité pour l'analyse textuelle de l'Ancien Testament hébreu, die G*-Übersetzer fur die ersten Literarkritiker zu halten, bedarf dringend der Überprüfung. Vgl. auch unten Anm. 9 und 11. 8 M. NOTH, Könige, 1. Teilband (BK IX/1), Neukirchen-Vluyn 1968, 192. Ebenso urteilen M. REHM, Das erste Buch der Könige, Würzburg 1979, 99; G. H. JONES, 1 and 2 Kings. Vol. 1: 1 Kings 1 - 16:34 (NCBC), Grand Rapids - London 1984, 208; E. WÜRTHWEIN, Das erste Buch der Könige. Kapitel 1-16 (ATD 11.1), Göttingen - Zürich 2 1985, 95 Anm. 16. Anders S. L. MCKENZIE, 1 Kings 8: A Sample Study into the Texts of Kings Used by the Chronicler and Translated by the Old Greek, BIOSCS 19 (1986) 15-34, 30: „The ending of 8:65 ... is ... corrupt, D'D^ ¡1ÎJ3Ç occurs twice by dittography. The dittography brought about a marginal gloss, DT nJ73")X, which has found its way into the text. 2Chr 7:9 represents a further attempt by the Chronicler to clarify the reading of his Kings Vorlage". Sollte diese weniger wahrscheinliche Theorie zutreffen, ändert dies nichts an der Gültigkeit obiger Aussagen. Der Fall belegt abermals, wie Entscheidungen über die Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit von Textentwicklungsprozessen Gegenstand der Kontroverse sein können. Für sekundär erklären die Passage ferner G. HENTSCHEL, 1 Könige (NEB), Würzburg 1984, 64; S. J. DEVRIES, 1 Kings (WBC 12), Waco 1985, 119. 9 Anders BARTHÉLÉMY, Critique textuelle I (s. Anm. 7), 354f.: Es liege keine Spannung vor, wie daraus hervorgehe, dass „2Chr 7,9 - comme le *M de 1R 8,66 - réserve l'expression ,au 8e jour' pour désigner la fin de la seconde hebdomade" (355). Die ChrParallele ist jedoch keine geeignete Analogie, denn dort ist die Abfolge entscheidend anders: Zunächst (V. 8) ist nur von einem siebentägigen JH die Rede (dem Laubhüttenfest, vgl. V. 10 mit Lev 23,36 und Num 29,35), dann wird - worauf sich Barthélémy beruft für den achten Tag eine n")3S7 berichtet (9a), und anschließend erst erfahrt der Leser, dass der 3n von der zuvor gefeierten, ebenfalls siebentägigen n3TSn ¡13311 zu unterscheiden ist (9b). Die Angabe ^OKin Di"3 als Bezeichnung für den Tag nach der zweiten Festwoche ist deshalb in 2 Chr 7,9 kontextgerecht, in 1 Kön 8,66 hingegen nicht. Barthélémy nimmt ferner an, die G*-Übersetzer hätten ebenso wie moderne Exegeten irrtümlich einen Widerspruch gesehen und deshalb - wiederum ebenso wie jene - die fehlende Passage ausgelassen. Ist es wahrscheinlich, dass die Tradenten so verfuhren, anstatt eher
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Textentwicklung
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(3) Jer 29,14 a b
[rnrp-QM] d d ^ ^nxsQpi [DsrvnarnK ^rnctf]]
c
[ n i ü i p a n - V s a i ••'ian-^so D s n x
d
[rnrr-Qi« ottf ü^nx Tirnn -ictfx]
e
[Dipan-SK asnK ^nnttfm]
f
[ottfn c r n a
^api]
'n^rr-ra]
Die eingeklammerten Passagen fehlen in G*. 14cd stehen in Spannung zu V. 7, weil dieser Vers lediglich die Exilierung (H^i-H) in eine Stadt 10 voraussetzt, während hier an eine Zerstreuung (n~13-H) über einen riesigen geographischen Raum gedacht ist, also die Diaspora. Nur eine weitere Passage in Jer 29 bezeugt dieselbe Vorstellung wie 14cd: V. 18, doch auch er gehört zu einem G*-Unterschuss. Daher konvergieren ein Merkmal der Textkohärenz als auch ein nichtmasoretischer Überlieferungsstrang darin, die Annahme einer sekundären Erweiterung zu stützen. Über ihre Erstreckung geben die Daten aus der Textüberlieferung Auskunft. 11 Es handelt sich um eines von zahlreichen gleichartigen Beispielen aus dem Jeremiabuch. (4) Joh 7,53-8,11 Der sekundäre Charakter der Erzähleinheit von Jesus und der Ehebrecherin im Johannesevangelium ist aus text- wie literarkritischen Gründen zweifelsfrei. Die Textüberlieferung bietet ein eindeutiges Bild: „Die ältesten und wichtigsten griechischen, syrischen, armenischen, georgischen, koptischen und lateinischen Zeugen für den neutestamentlichen Text kennen die Zahlenangabe in V. 66 zu ändern? Zu dieser grundlegenden Tendenz des Comité vgl. auch oben Anm. 7. 10 Die G-Lesung Tfjç vf|ç ist wahrscheinlich jüngeren Datums. Doch selbst wenn dies nicht zutreffen sollte, wird das Argument nicht beeinträchtigt. Von lc.4b*.20 sehe ich hier ab, da > G*. V. 22 gehört anerkanntermaßen einer heterogenen Schicht an; vgl. zuletzt R. P. CARROLL, Jeremiah (OTL), London 1986, 557-559; anders W. L. HOLLADAY, Jeremiah 2 (Hermeneia), Minneapolis 1989, 139f. 11 Vgl. TH. SEIDL, Texte und Einheiten in Jeremia 27-29. Literaturwissenschaftliche Studie, 1. Teil (ATSAT 2), St. Ottilien 1977, 112 sowie die ebd., Anm. 202 zitierten Autoren. Im vorliegenden Fall ist es W. THIEL, Die deuteronomistische Redaktion von Jeremia 26^15. Mit einer Gesamtbeurteilung der deuteronomistischen Redaktion des Buches Jeremia (WMANT 52), Neukirchen-Vluyn 1981, 16, der den G "-Übersetzern literarkritische Ambitionen zuschreibt: „Sein Fehlen [von V. 14*] in der LXX erklärt sich als Weglassung. Die Übersetzer bemerkten, dass er den vorausgesetzten historischen Ort des Textes zu offensichtlich verließ." Diese Annahme erklärt sich aus dem Bestreben Thiels, die Passage seiner Redaktionsschicht D zuzuschreiben, um die Konsistenz seiner Generaltheorie zu wahren; vgl. SEIDL, ebd., Anm. 202.
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übereinstimmend die Ehebrecherinperikope nicht". 12 Hinsichtlich des Verhältnisses zum Kontext gilt: Der Abschnitt weist mehrere stilistische Eigenheiten auf, die für das Johannesevangelium untypisch sind, wie die gehäufte Verwendung von öe, die Lexeme Ypaw-taieúq (8,3) und irpeaßikepoc; (8,9), die Verbindung ápiá[ievo B. 33
CRYER, e b d . 388.
44
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Textentwicklung
Bei der Erklärung dieser Tatbestände ist der vorausgehende Kontext zu beachten. Wie schon in den unter Beispiel (5) erörterten Passagen 2 Sam 16,9-10 und 19,22-23, begegnet auch in 1 Sam 26,8-11 ein Angebot des Zerujaden Abischai, einen Gegner Davids zu töten, gefolgt von Davids emphatischer Ablehnung. Die Vv. 9 und 11 gebrauchen wie 2 Sam 19,22 die Verbindung ¡lirr rPttfp; derselbe Titel kehrt in V. 16 wieder. V 11 steht in Spannung zu V. 12, denn in V. 11 fordert David Abischai auf, Sauls Speer und den Wasserkrug mitzunehmen, wogegen V. 12 berichtet, David habe dies selbst getan. Selbst wenn in 1 Sam 26 die Indizien nicht sehr ausgeprägt sind, nähren sie trotzdem in Verbindung mit den Beobachtungen an 2 Sam 16,9-10 und 19,22-23 den Verdacht, dass auch hier die Zerujadenpolemik jüngeren Datums ist und mit den Interpolationen an den anderen genannten Stellen eine Redaktionsschicht bildet. Sie kontrastierte im Dienste dynastischer Propaganda die vorgebliche Unschuld und Langmut Davids mit der Gewalttätigkeit der Zerujaden und wich damit nachhaltig von der Zeichnung ab, die Joab, Abischai und Asael andernorts zuteil wird. 34 Zu diesem Stratum gehört dann neben 1 Sam 26,8-11 auch der Passus Vv. 14a*-16, der sich durch rnrr ITÜO V. 16 als Erzeugnis desselben Verfassers ausweist. Ferner muss die mutmaßliche Redaktionsschicht noch weitere Passagen in den Samuelbüchern umfassen, denen hier nicht nachgegangen werden kann, weil das Problem weitläufige Verzweigungen aufweist und hier lediglich methodische Grundsätze veranschaulicht werden sollen. 35 Die Divergenzen zwischen MT und G* lassen sich in diesem Rahmen wie folgt erklären: (1) Die G*-Vorlage hat mit "inx1? "DT -Onx-'rNn in V. 14 die ältere Lesart bewahrt; sie bezeichnet mit separater Redeeinleitung den Anfang des Einschubs, der einen Redewechsel zwischen Abner und David eintrug. In der prämasoretischen Tradition wurde die schwerfällige Abfolge I b K ? 1 3 1 niQK^XI •yir'PK - r n »qp 9 l durch Kürzung geglättet. (2) Ebenfalls jüngeren Datums ist die masoretische Adressatenangabe i b i a n - b * in 14e. Sie sollte wahrscheinlich der Möglichkeit entgegenwirken, dass die Konfrontation Davids mit Abner diejenige mit Saul in den 34
35
V g l . CRYER, e b d . 3 8 9 - 3 9 2 .
Vgl. das doppelte Motiv für den Mord Abners an Joab: die Tötung Asaels durch Joab 2 Sam 2,18-32 einerseits und der Spionageverdacht 2 Sara 3,25 andererseits (vgl. CRYER, 392); die Zerujadenpolemik 2 Sam 3,38-39; ferner die weiteren Belege von rnrr rrttfra in 1 Sam 24,7.11 und 2 Sam 1,14.16; schließlich die Nachrichten vom Ende Schimis in 1 Kön 2,8-9.36-46; vgl. LANGLAMET, David et la maison de Saül (s. Anm. 28), RB 86 (1979) 504-506; J. TREBOLLE BARRERA, Testamento y muerte de David. Estudio de historia de la recensión y redacción de I Rey. II, RB 87 (1980) 87-103; E. Tov, The LXX Additions (Miscellanies) in 1 Kings 2 (3 Reigns 2), Textus 11 (1984) 8 9 118, sowie die jeweils dort zitierte Literatur. Es kann hier nicht auf die umfangreiche literarkritische Diskussion eingegangen werden, die sich an diese Stellen knüpft.
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Textentwicklung
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Schatten rückte. 36 Abermals greifen die Beurteilung der Diskrepanzen in der Textüberlieferung und die Bewertung der literarkritischen Indizien im Kontext derart ineinander, dass man sich fragt, wie das Postulat ihrer methodischen Separation zu rechtfertigen sein soll. 3. Eine dritte Form der Verzahnung von Text- und Literarkritik liegt vor, wenn der Sprachgebrauch von Passagen antiker Übersetzungen der Bibel diese Textbestandteile als Erzeugnis anderer Übersetzer ausweist als jener, die für den umgebenden Kontext verantwortlich waren. Bei dieser Konstellation ist zu klären, ob die fraglichen Passagen das Resultat von Aktualisierungen sind, die vorgenommen wurden, um eine Übersetzung auf einem gegebenen Stand einem literarisch weiterentwickelten hebräischen Pendant anzugleichen. Beispiel einer solchen Maßnahme ist die GRezension des Origenes. Derzeit mehren sich Beobachtungen, wonach sich derlei Nachträge wiederholt in griechischen Handschriften finden, deren Texttyp nach verbreitetem Urteil - kenntlich etwa durch die Notation als G* bzw. durch den Abdruck in der Cambridger oder Göttinger Septuagintaausgabe - der ursprünglichen Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische nahegerückt wird. 37 Mit J. Lust ist daraus die methodische Forderung abzuleiten, dass Textformen antiker Übersetzungen im Rahmen ihrer Auswertung für Zwecke der Vorstufenrekonstruktion daraufhin zu kontrollieren sind, ob sie sekundäre Auffüllungen enthalten. 38 Diese Maxime tritt neben den Grundsatz, dass die Übersetzungstechnik der herangezogenen antiken Übersetzung beachtet werden muss, 39 und kompliziert ihn 36 Für BARTHÉLÉMY, Critique textuelle I (s. Anm. 7), 214 hingegen resultiert der G*Unterschuss aus einer harmonisierenden Kürzung. Die literarkritische Beschaffenheit des Kontexts wird vorn Comité nicht in die Beurteilung einbezogen. 37 Die Suche nach heterogenen Stücken in antiken Versionen wird neuerdings unter dem Titel „Übersetzungskritik" (translation criticism) intensiviert. Vgl. z. B. die in Anm. 40-43 genannten Arbeiten sowie C. H. HARRISON, The Unity of the Minor Prophets in the LXX: A Reexamination of the Question, BIOSCS 21 (1988) 55-72 (NahG und JoëlG seien von anderen Übersetzern übertragen worden als das übrige griechische Dodekapropheton). 38 J. LUST, The Use of Textual Witnesses for the Establishment of the Text, in: ders. (Hg.), Ezekiel and his Book. Textual and Literary Criticism and their Interrelation (BEThL 74), Leuven 1986, 7-20, 14. Lust bezieht diese Forderung freilich nur auf die „Septuagint". Ähnlich äußert sich P.-M. BOGAERT, Les deux rédactions conservées (LXX et TM) d'Ézéchiel 7, in: ebd., 21-47, 46f.: „L'établissement du texte de la plus ancienne LXX" erfordere, rezensioneile Verse auszuscheiden. Vgl. auch A. AEJMELAEUS, What Can We Know about the Hebrew Vorlage of the Septuagint?, ZAW 99 (1987), 58-89, 60: „First of all, it must be ascertained that the Greek text being dealt with is the original text of the translation, not a product of the complicated textual history of the Septuagint." 39 Vgl. E. Tov, The Text-Critical Use of the Septuagint in Biblical Research (Jerusalem Biblical Studies 3), Jerusalem 1981, 50ff., sowie vor allem die Arbeiten der finnischen Schule; z. B. I. SOISALON-SOININEN, Studien zur Septuaginta-Syntax. Zu seinem
46
Textkritik - Literarkritik -
Textentwicklung
zusätzlich. In dieser Hinsicht verdächtige Passagen sind namentlich dann als nachträgliche Adaptionen plausibel, wenn sie sich durch literarkritische Indizien von ihrer Umgebung abheben. Auch in diesem Fall also verlangt ein sachgemäßes Urteil, Gesichtspunkte sowohl der Textüberlieferung als auch der Textbeschaffenheit zu integrieren. Neben den von anderen Autoren erörterten Beispielen Ez 7,6*-9; 40 12,26-28 und 13,7;41 16;42 36,23*3 8 43 seien hier vorgeführt: (7) Ez 5,2e.l2e DiT-inX p,")i< 3 1 m Die Wiedergabe dieser beiden gleichlautenden Sätze in EzG ist auffallig: Kai f i a x a t p a v ¿KKeycoaco oiriaco a i i t w y . D i e W e n d u n g e n s t e h e n i n
einem
Teil des griechischen Alten Testaments, der sich durch eine spezifische Kombination von Merkmalen der Übersetzungstechnik auszeichnet, was darauf schließen lässt, dass er in einem Zug hergestellt wurde. Diesem Bereich schreibe ich die Kapitel 1-15 und 17-25 des Ezechielbuches sowie das gesamte Dodekapropheton zu. 44 Er gehört zu den Teilen von G*, die 70. Geburtstag hg. von A. Aejmelaeus und R. Sollamo (AASF.B 237), Helsinki 1987; A. AEJMELAEUS, Hebrew Vorlage of the Septuagint (s. Anm. 38); ferner die Beiträge von J. W. WEVERS (griechische Übersetzung des AT), C. Cox (armenische Ü.), M. J. MULDER (Peschitta), M. K. H. PETERS (koptische Ü.), E. ULRICH (Vetus Latina), in: N. Fernández Marcos (Hg.), La Septuaginta en la investigación contemporánea (V Congreso de la IOSCS) (Textos y estudios „Cardenal Cisneros" 34), Madrid 1985; G. MARQUIS, Word Order as a Criterion for the Evaluation of Translation Technique in the LXX and the Evaluation of Word-Order Variants as Exemplified in LXX-Ezekiel, Textus 13 (1986) 59-84; P. W. FLINT, The Septuagint Version of Isaiah 23:1-14 and the Massoretic Text, BIOSCS 21 (1988) 35-54. 40 W. ZLMMERLI, Ezechiel. 1. Teilband: Ezechiel 1-24 (BK 13.1), Neukirchen-Vluyn 2 1979, 159f. Skeptisch dazu P.-M. BOGAERT (S. Anm. 38), 29f. 41
42
L U S T ( S . A n m . 3 8 ) , 13f.
L. J. MCGREGOR, The Greek Text of Ezekiel. An Examination of Its Homogeneity (SBL.SCS Ser. 18), Atlanta 1985. 43 H. ST. J. THACKERAY, The Greek Translators of Ezekiel, JThS 4 (1902/3) 398411; DERS., The Septuagint and Jewish Worship. A Study in Origins (The Schweich Lectures 1920), London 1921, 28-37, 116f.; J. LUST, De samenhang van Ez. 36-40. Theologische relevantie van het ontbreken van Ez. 36,23c-38 in enkele handschriften, ThT 20 (1980) 26-39. 44 Diese Arbeitshypothese kann hier nicht begründet werden. Zur Separation der Kapitel 1-15.17-25 innerhalb von EzG vgl. MCGREGOR (S. Anm. 42), 197. Von Ez 4 0 48 kann hier abgesehen werden, weil dort das Lexem 3~in nicht belegt ist. Für den vorliegenden Zusammenhang ist es gleichgültig, ob die Differenzen zwischen den Sektionen in EzG auf die Aktivitäten verschiedener Übersetzer oder späterer Rezensoren zurückgehen. J. LUST, Rez. zu L. M. MCGREGOR, The Greek Text of Ezekiel, ETL 62 (1986) 182f., und The Computer and the Hypothetic Translators of Ezekiel, in: Actes du Premier Colloque International Bible et Informatique: Le Texte, Paris - Genève 1986, 265-274, 265, bleibt bei der Segmentenbestimmung von THACKERAY (S. Anm. 43): Kap. 1-27, 2 8 39, 40-48.
Textkritik - Literarkritik -
Textentwicklung
AI
die höchsten Grade von Wörtlichkeit und Konsistenz erzielen, 45 wo also Äquivalenzenwechsel Signifikanz aufweisen können. Dort tritt für das Lexem 3 i n ca. 60-mal das Äquivalent p o ^ a i a ein, einmal i;i 2 Kön 25,7). 10b und 12c gebrauchen das Wort nniNQ (Id 5.7; > Jer 52,16; 2 Kön 25,12). 12d bietet einen Modalsatz mit UtfX? (Id 4.6). Die Wiederaufnahme V. 13 tituliert die babylonischen Offiziere als nto SrQ-^O (Id 3.5), während ihr Vorbild V. 3 wie üblich ^ a s sagt.
Angesichts dieser Befunde erscheint der Schluss kaum vermeidbar, dass der schon an literarkritischen Indizien ablesbare Zusatz V. 4-13 einer prämasoretischen Feder entstammt, die für V. 4-10 größere Anleihen aus Kap. 52 entnahm und sich bei V. 11-12 an 40,1-6 orientierte, wobei sie dem ganzen Stück ihren stilistischen Fingerabdruck aufgeprägt hat. Neben weiteren Tendenzen25 war vor allem die Absicht leitend, die Freilassung Jeremias mit der Autorität des babylonischen Großkönigs zu versehen. Noch mehr Varianten in Jer 39 entstammen einer prämasoretischen Revision, wie der Umstand zeigt, dass MT in 16c mit der erweiterten prophetischen Botenformel b i O ^ [niK32i] niPP (Id 1.1a) erneut eine idiolektale Phrase bietet. Die masoretische Lesart von 14c ist ferner auf das Bestreben rückführbar, Spannungen abzumildern, die aus dem redaktionellen Werdegang des Kontextes erwachsen waren.26 Der alexandrinische Text bietet anstelle der Infinitivkonstruktion ein finites Verb und damit zwei Sätze - sie seien Ci und C2 genannt - mit divergierenden Vorstellungen über die Maßnahmen, die die Babylonier mit Jeremia getroffen haben sollen. Laut ci (... i n ^ H r ^ X in« u r r i = MT) übergaben sie den Propheten ihrem judäischen Funktionär, während sie ihn nach ci einfach in die Freiheit entließen (IHKlSi"!*). Letzteres harmoniert mit 14d, passt aber nicht zu 40,1-6, wo Jeremia abermals entlassen wird, und zwar mit ähnlichem Ergebnis (40,6b || 39,14d). MT dagegen kennt keinen Widerspruch innerhalb von 39,14c, denn dort überstellen die Babylonier den Propheten bloß an Gedalja zu dem Zweck, „damit er ihn ins Haus entlasse". Man 25
Vgl. STIPP, Sondergut (Anra. 5), 125. Näheres bei STIPP, Parteienstreit (Anm. 24), 177-180; DERS., Jeremia, der Tempel und die Aristokratie. Die patrizische (schafanidische) Redaktion des Jeremiabuches 26
( K A A N T 1), W a l t r o p 2 0 0 0 , 3 8 - 4 3 .
4. Georg Fischers Argumente für die textgeschichtliche
Priorität von JerMT
67
fragt sich, was das konkret heißen mochte und ob der Autor selber nähere Vorstellungen damit verband. Entscheidend ist, dass Jeremia im Unterschied zu AIT zunächst in einer komfortableren Form des Arrests („im Haus") verharrt und nur einmal befreit wird, nämlich in 40,1-6, wobei allerdings das Verhältnis von 14c zu d in der Schwebe bleibt. Wie ich meine, resultieren die Unebenheiten aus redaktionsgeschichtlichen Prozessen, die ich andernorts zu erschließen versucht habe. 27 Festhalten lässt sich jedenfalls: Plausibel ist in 39,14 nur der Weg von der alexandrinischen Fassung zur zwar nicht problemfreien, aber immerhin weniger spannungsbefrachteten masoretischen Ausgabe. Im anderen Falle müsste jemand nachträglich die Schwierigkeiten in die Höhe getrieben haben. Allem Anschein nach nahm ein prämasoretischer Rezensor Anstoß an den Ungereimtheiten seiner Vorlage - hier identisch mit JQVAIT - und suchte sie zu mildern, indem er die erste Befreiung Jeremias zu einer Hafterleichterung herabstufte. So erhielten die masoretischen Sonderlesarten in Kap. 39 allerdings einen doppelgesichtigen Charakter, der häufiger zu beobachten ist: Einerseits wurden Einschöbe wie V. 4-13 mit Spannungen erkauft, andererseits dienten Modifikationen wie in 14c deren Abbau. Dies stellt jedoch nicht die alexandrinische Priorität in Frage, 28 sondern beleuchtet typische Inkonsequenzen sekundärer textgenetischer Prozesse. Die Belege des prämasoretischen Idiolekts und die Art der Kontexteinbettung der masoretischen Sonderlesarten plädieren in Jer 39 übereinstimmend für die Priorität der alexandrinischen Edition. Dies kann nicht ohne Konsequenzen bleiben für die Einschätzung des Beweiswerts des prämasoretischen Idiolekts, mit allen Folgen für die Verhältnisbestimmung der Textformen des Jeremiabuches insgesamt.
4. Georg Fischers Argumente für die textgeschichtliche Priorität von JerMT 4.1 Grundsätzliche
Vorbemerkungen
Für Georg Fischer hat nach wie vor „der hebr. Text von Jer als der bessere zu gelten", 29 und zwar gegen das Votum zahlreicher Exegeten, die das „Werturteil" verträten, „daß MT gegenüber der hebr. Vorlage der LXX ein späterer, sekundär erweiterter Text sei; als Konsequenz dessen sei anzu27
Vgl. die in Anm. 26 genannten Arbeiten.
28
G e g e n G . FISCHER, Z u m T e x t d e s J e r e m i a b u c h e s , B i b . 7 8 ( 1 9 9 7 ) 3 0 5 - 3 2 8 , 3 1 1 F.;
wieder abgedruckt in DERS., Ein Prophet wie Mose. Studien zum Jeremiabuch (BZAR 15), W i e s b a d e n 2011, 2 4 - 4 1 . 29
FISCHER, J e r e m i a I ( A n m . 2 ) , 4 6 .
68
Das Verhältnis der Textformen des Jeremiabuches
nehmen, daß LXX in Vielem den besseren und ursprünglicheren Zustand bewahrt habe". 30 Daran befremdet die Vermengung deskriptiver („ursprünglicher", „später") und wertender Kategorien („Werturteil", „besser"), die weder reflektierter textkritischer Arbeit noch den zitierten Autoren gerecht wird. Wenn Fischer zudem bei den Vertretern der alexandrinischen Priorität Anlass sieht zur Mahnung, die „H eigenen Zufügungen nicht leichthin als späteren, sekundären Einschub abzuqualifizieren", 31 schürt er den Verdacht, dass an der Wurzel seiner Position ein fundamentales Missverständnis der Eigenart und Tragweite textgenetischer Hypothesen liegt. Nachdrückliche Unterstützung verdient Fischer hingegen bei seiner Suche nach Möglichkeiten, bei unserem Problem die Gefahr der „Zirkelargumentation" 32 zu vermeiden, namentlich angesichts des beliebten Kriteriums der lectio brevior, das sich bei den textlichen Verhältnissen im Jeremiabuch als eleganter Lösungsweg anzubieten scheint. Denn solche Erfahrungsregeln unterliegen unaufhebbar dem Risiko der Zirkularität, weil sie aus Einzelfällen verallgemeinert sind, die idealerweise aus anderen Gründen geklärt sein müssten, bevor der gewonnene Grundsatz seinerseits weitere Einzelfalle entscheiden kann. Unter solchen Umständen droht die Grenze zu verschwimmen, wo Einzelfälle die Maxime begründen und wo umgekehrt die Maxime über Einzelfalle richtet. Entsprechend ist zu befurchten, dass die Analyse nur repliziert, was über die Wahl der Prämissen vorentschieden wurde. Wo ferner mit Faustregeln hantiert wird, ist definitionsgemäß ein nicht abschätzbarer Anteil an Ausnahmen einzukalkulieren. Die Konsequenz kann nur lauten, wo immer möglich vom Rekurs auf derlei weiche Gesichtspunkte abzusehen und belastbarere Kriterien heranzuziehen. 33 Andererseits kann ich nicht bestätigen, dass die Verfechter der alexandrinischen Priorität in nennenswertem Maße solch schlichten Zirkelschlüssen erlägen, wie Fischer mitunter anzunehmen scheint. 34 Zugleich sehe ich gerade im prämasoretischen Idiolekt einen Weg, der Zirkularitätsfalle zu entgehen, weil er ein Faktum mit erheblicher Belegdichte bereitstellt, das Kontrollen zur Pflicht erhebt, wie textgeschichtliche Hypothesen zum Jeremiabuch damit vereinbar sind. Dazu müsste das Material allerdings zunächst überhaupt zur Kenntnis genommen werden. Wer diese Tat-
30
Ebd. 40. G. FISCHER, Jeremia 52 - ein Schlüssel zum Jeremiabuch, Bib. 79 (1998) 333-359, 345f. Anm. 36; erweiterter Neudruck in DERS., Ein Prophet wie Mose (Anm. 28), 42-63, dort 52 Anm. 36. 31
32
33
FISCHER, Jeremia I ( A n m . 2), 43.
Mit E. Tov, The Text-critical Use of the Septuagint in Biblical Research (JBS 8), Jerusalem 21997, 226-230. 34 Vgl. FISCHER, Text des Jeremiabuches (Anm. 28), 308f.
4. Georg Fischers Argumente für die textgeschichtliche
Priorität von JerMT
69
s a c h e n i n d e s mit s o l c h e r V e r s c h w i e g e n h e i t behandelt w i e F i s c h e r , 3 5 m a c h t sich selbst z u m K r o n z e u g e n ihrer B e w e i s k r a f t , da er d e m Eindruck V o r s c h u b leistet, dass sie für ihn e i n e beträchtliche V e r l e g e n h e i t b e d e u t e n . 3 6 D i e f o l g e n d e n Erörterungen orientieren s i c h an F i s c h e r s A u f s a t z „ D i e D i s k u s s i o n u m den Jeremiatext" v o n 2 0 0 8 . 3 7 D i e bereits früher m i t F i s c h e r geführte D e b a t t e über die P o s i t i o n u n d R e i h e n f o l g e der F r e m d v ö l k e r s p r ü c h e soll d a g e g e n nicht w i e d e r h o l t w e r d e n . 3 8 B e i der Prüfung s e i n e r A r g u m e n t e interessiert i n s b e s o n d e r e , i n w i e w e i t e s i h m g e l i n g t , das s e l b s t g e setzte Z i e l der V e r m e i d u n g v o n Z i r k e l s c h l ü s s e n zu erreichen. 4.2 Das Zeugnis
externer
Textvergleiche
E i n e M ö g l i c h k e i t , der G e f a h r der Zirkularität zu e n t k o m m e n , findet Fischer in T e x t p a r a l l e l e n außerhalb d e s J e r e m i a b u c h e s . 3 9 S o entspricht 7 , 2 3 D D n « r m x ntÖN ^ T i n - 1 » ? o n p b n i in J e r G * Kcd iropeúeo9e kv raocu 2 Kon 25,17 laap' na« nrSanrnsi mni b ta^ao \ aiaa n i i m a m - i k v a n c nctína rby ninai a 22 nia« ctfan nn^n ninan naipi b a^ao rnnian-by D ^ a - n naaitn c rrna ban d •'actfn niaaS n^xai e 22f-23 > 2 Kön 25,17 D^isn 1 f : (TÔ Iv iiépoç) nmn ncwi ar^'n caann rrrn a 23 ta^ao naa&rrbi? nxa DMia-irrba b • T
7
T
T : ~
-
: -
: T :
T
:
74
Das Verhältnis der Textformen des
Jeremiabuches
ructfan ]ns [rnasrnKi tfK'nn ]ns [rrnft]-riK o-'nap-a-i n¡?si 24 :(ttiv ó6óv) ^pn "nattf nc^crnxi nnK o n o [np'p Tun-p?]! ai 25 n a n e a n -'Uiwbv T p a rrn—ik/k b •^'pan-'ÍS (óvo|iaaxoí)g kv) "'XhQ CE/3K HIQI2/1 a2 T i n 1K3P3 c y i x n DüTiK x a a a n Kaan pfr] -iab rron a3 :Ti;n "^ina cxspiin p x n oi?p tir« cte/eh c n a a - a n p i o n a a onlx n¡p»i a 26 rnn^anvi baa " ^ p ^ x ónix ^ t h b baa " ^ a oniK na'.i a 27 nan p x a nbanv-ia [onp-oj b :[ina"!K San nnirr Sri] c 28-30 > 2 Kön 25 [DBH HT] a 28 [intrrattía nsKTipia: n^an niz/K] b [rntf^K/l D'nfolJl Cra^K nE^Ö D ' T T ] c [-iSK-inDia^ n-ifri; n;iaü nacc/a] a 29 d ^ e / nixa n ; m K/aa pStihTp] b prnap-an p i n n a a nban -isinipiaa 1 ? d-hspjji ^ t ? nat^a] a 30 [nt£/pm c i n n « nlxp i?astf e/aa Dnirr] [:nixa E/E/i Q"'?'?^ nwaiK K/arbp] b 31-34 II 2 Kön 25,27-30 nat£/ UaK/1 D^E/^K/a , T 1 a 31 n n i T - ^ p (Iuockih) p^irr mbib khí-6 nra~ii || 1 C h r 1 7 , 2 5 ) ; J e s 2 1 , 1 0 ; 3 7 , 1 6 (> || 2 K ö n 1 9 , 1 5 ) ; Z e f 2 , 9 ( > G*); 1 7 . 2 4 ( v g l . || 2 S a m 7 , 2 6 ) ; B a r * 3,1.4. V g l . Saar
nirnya
,
1 Sam
n' l ?N; J e s 1,24 S q & r T a x n i n n a
17,45 n i n n a
1 Chr HIT
nin\5
5 Nach A. ROFE, The Name YHWH SEBA'ÖT and the Shorter Recension of Jeremiah, in: R. Liwak - S. Wagner (Hg.), Prophetie und geschichtliche Wirklichkeit im alten Israel (FS S. Herrmann), Stuttgart 1991, 307-316, wurde der Titel niK3X in JerAIT im Interesse der Abgrenzung von Astralkulten sekundär getilgt. Dieser Erklärung stehen folgende Tatsachen im Wege: (1) Die masoretischen Überschüsse schließen zumeist das unverfängliche Epitheton ^NnStT "ini7i< ein. (2) Mehrfach umfassen sie sogar nur diesen Titel, während auch von AIT bezeugt wird: 25,27; 32,14; 44,7.
86 1.2a 1.2b 5,14 15.16 35.17 38,17 44,7
Der prämasoretische
Idiolekt im Jeremiabuch
n i H i y T i b ü der Gott der Scharen ?*Ot?": Ti^K niKna , nbi< der Gott der Scharen, der Gott Israels
L
n i x a s pn-1?«] nirr: - i o > r r b ]sb n i x a a pn 1 ?«] rnrr «"ipr-o \bvntr niiox m r r n a x - n ä ]sb [biqfcr n i x a s •'rf?*] n i T -iax-n3 [•»nfir •,nbt< (= Id l.lb: JerMT 35,17; 38,17; 44,7; vgl. Ps 59,6) ist eine exklusive Besonderheit des masoretischen Jeremiabuchs. Die Nummern 1.1 und 1.2 sowie 23,36 (Id 1.4) umfassen sämtliche Belege in Jer, die die Lexeme üini?i< und nifcOä in Kontaktstellung platzieren (in beiden Reihenfolgen). 38 Belegen in JerMT steht kein einziger in JerA1T gegenüber. 7 1.3
n i x n a rnrr ^rtx der Herr, JHWH der Scharen
2,19
[niK3S] (o Öeöq oou = Q + PP) r n r r
46,10 46,io 49,5 50,25 50,31
Di1 [niKns] (xw eew rmcsv = Q + PP) nin1: , n K i ? Kinn o r r n r n s - i n r ' ? « ]iaa y n x s [rrtKas] n i r r p n « ] 1 ? r a r [niK32] nin1: f^KJ-DNJ D-nfr? y n x a [ n i t o s ] (0ew = Q) n i r r •'j'iKb p ^ n ] [niKas] nin-; p n x r D i «
In Jer ist dieser Ausdruck auf MT beschränkt. 8 Die übrigen Fälle sind Jes 3,15; 10,23.24; 22,5.12.14.15; 28,22 und Ps 69,7, wovon nur das letzte Beispiel durch G* gespiegelt wird. Vgl. hierzu Id 2.4. Vgl. p i K n ÜK3 niKria nin 1 Jes 1,24; 19,4 cp~ii G*).
6 2 Sam 5,10 (> G*); 1 Kön 19,10.14; Am 4,13; 5,14.15.16.27; 6,8 (> G*); Ps 89,9. Am 5,16 belegt das Epitheton innerhalb einer prophetischen Botenformel. Vgl. niiOÜ Ps 59,6; 80,5.8.15.20; 84,9. 7 JerG* 3,19 0eoü nai'TOKpciiopoi; iQvüv repräsentiert nichts anderes als MT Qiia n i S a S (Sondergut, 54 Anm. 12). 8 JerG* übersetzt m r P im Einklang mit dem tiberischen Qere durch KupLo G*). 2.5
n iT T n x" a" n ^T -: r - ' r x n rVn~ - nTnT n" r rTTn ... erging dieses Wort an Jeremia von JHWH
27,1 36,1 '
[rnrr n x a r r o - r 1 ? « nrn -irnn n;n] 1 # "bx mTr r - n -m \ mn" n x•• a*• i r rTo: T: -• b xV mVn- - aTn Tn- §° r rTT n - •• T :
Bereits die Folge bv\bvi n-rn ~13"in r r n ist singulär im AT. Die Sequenz bv\bvi n r n - n n n ist nochmals'belegt'in Jos 14,10 - n n n - n x m t T -lan ncra-bx nrn.' '
18 Jes 14,22.23; 17,3; 22,25; Nah 2,14; 3,5; Zef 2,9(> G*); Hag 1,9; 2,4.8.9.23.23; Sach 1,3(> G*).16; 3,9.10; 5,4; 8,6.11; 13,2.7. 19 Dies ist der einzige Fall von r n r r "O'lK'OiM in JerAIT.
92 2.6 13.1 17,19 25,15 27.2
Der prämasoretische
Idiolekt im Jeremiabuch
rnrp -inKTb So sagte JHWHZU mir p^K] [^k] [^k] p^ä]
rnrr -inx-ro n i r r nÖK-nb Sner r n r r -in« r b p a ] nj'rr naK-nb
19,1 AIT bietet eine Variante mit TN: rnrr "lOX TN \ HS. Der prophetischen Botenformel angeglichene Redeeinleitungen mit der Adressierung sind sonst in Jes 8,11; 18,4; 31,4 belegt.
3. Titel menschlicher Träger 3.1
"H32J Nebukadnezzar, der König von Babel, mein Knecht
25.9 27,6
[nay b a r ^ Q naNnnsiarSsi] # p x n - r i K \ n*?Kn ni^nxn-^a-nK § ••nru p a i « nnyi] pnay] ^ a a - r ^ n n s K r p w a b \ - r a rtay 1 ? [iS •'rinoj r n & n rpirriK oai 43.10 [ n a y ] * ? a a " ^ n näKTisinrriK , nnj? i pi r h t i ^ n Neben Gottesepitheta sind auch mehrere Titel menschlicher Träger nur in der masoretischen Ausgabe des Jeremiabuches bezeugt. Ein bekanntes Beispiel ist das Ehrenprädikat mein Knecht, das Nebukadnezzar als Diener J H W H S ausweist. Von drei Belegen fehlen zwei eindeutig in G* (25,9; 43,10). In 27,6a liest Ziegler öou^eikiu ocüicö anstelle von "Hai), was r i a y b * um ihm zu dienen voraussetzt. Dieser Ausdruck kehrt wenige Worte weiter unten am Ende des Verses wieder (6b), was in 6a die Priorität von rtay 1 ?* gegenüber "Hai? in Zweifel zieht. Aber wie A. Schenker plausibel machen konnte, ist wohl keine der beiden Lesungen original. Eher besaß JerG* für "Hay 27,6a gar kein Korrelat, wie zwei Beobachtungen nahe legen. Erstens bieten der Codex Sinaiticus (S) und die wichtigen Tochterübersetzungen ins Bohairische und Äthiopische für das Wort eine Nullvariante. Zweitens bricht die Repräsentanz des Verbs n a y durch öou/Uijeiv die Regel, die sonst bei der Übersetzung der Kap. 27-30 {SexAIT 34-37) befolgt wird, wonach für "I3y das griechische Äquivalent epya20 A. SCHENKER, Nebukadnezzars Metamorphose vom Unterjocher zum Gottesknecht. Das Bild Nebukadnezzars und einige mit ihm zusammenhängende Unterschiede in den beiden Jeremia-Rezensionen, Bib. 89 (1982) 498-527, 519-522; ND in DERS., Text und Sinn im Alten Testament. Textgeschichtliche und bibeltheologische Studien (OBO 103), Freiburg Schweiz - Göttingen 1991, 136-165.
3. Titel menschlicher
93
Träger
Ceoöai einzutreten hat (so 27,6b.9.1 lcd.12; 28,14; 30,8.9). Da 27,6a die einzige Ausnahme bildet, ist mit der Möglichkeit einer frühen Korrektur zu rechnen. So oder so erscheint der Schluss berechtigt, dass die Bezeichnung Nebukadnezzars als Knecht JHWHS erst in der prämasoretischen Textentwicklungsphase eingetragen wurde. 3.2
r mT r r "Hh die Vornehmen Judas
27,20
•'pttfrrn [...] [ a ^ r n
39,6
[^33
Q
n\D":-nN
inibia
rrrirp n n - S s nai öto
rrbaa]
rrrirr "nn-bs
nxi]
In Jer ist der Titel auf die masoretische Rezension beschränkt. 21 39,6 gehört zu dem ausgedehnten Überschuss 39,4-13, der hauptsächlich Material aus Jer 52 (|| 2 Kön 24,18-25,30) verdoppelt. Interessanterweise liest das in beiden Textformen vorhandene Vorbild 52,10 die übliche Bezeichnung r m r r "HCtf die Patrizier Judas}2 Sonst begegnet m i r P "Hn nur in den späten Belegen Neh 6,17; 13,17, ein Hinweis auf das Entstehungsdatum der masoretischen Sonderlesarten. 23 Vgl. zu nTÜT "Hfl ferner Id 3.4. 3.3
DSctfTT "HK? die Patrizier von Jerusalem • - T T
29,2
[D^ITI
rrnrr nto] c p n o n i
rrvaani ^ a n - r n r p
34,19 D ^ n s n i D,p-ion [obafaT n & i ] r n i r r
nxa
•nriN
•nfr
Dieser Titel 24 begegnet ausschließlich im masoretischen Jeremiabuch, wo er in der Grundform (34,19) und in der Kombination die Patrizier von Juda und Jerusalem auftritt (29,2; dazu ferner Id 3.4 und 4.14).
21 Zudem sind dies die einzigen Fälle von I i i in JerMT. Das Lexem wird hier jedoch nicht dem prämasoretischen Idiolekt zugerechnet, da auch isrAIT einen Beleg zu besitzen scheint: 29/36,2, wo für EHniTl zu lesen ist Kai ïïavroç éÀEu0époi>, was auf -|i"Ti7D') zurückgeht; so mit J. ZIEGLER, Beiträge zur Ieremias-Septuaginta (MSU VI), Göttingen 1958, 92f. 22 Eine Entsprechung in 2 Kön 25,7 fehlt. 23 Vgl. J. JOOSTEN, L'excédent massorétique du livre de Jérémie et l'hébreu postclassique, in: Ders. - J.-S. Rey (Hg.), Conservatism and Innovation in the Hebrew Language of the Hellenistic Period (STDJ 73), Leiden 2008, 93-108, 98. 24 Zur Übersetzung vgl. H . - J . STIPP, Jeremia, der Tempel und die Aristokratie. Die patrizische (schafanidische) Redaktion des Jeremiabuches (KAANT 1), Waltrop 2000, 16f.
94
Der prämasoretische
3.4
r n i r r cnfr\) n n die (Würdenträger) von Juda und
27,20 r 6TnVn ]T J D •^- r Tr a Y 29,2
Idiolekt im Jeremiabuch
Jerusalem
[...] L JQ m ^ - n x T:T: Vini^aa : -
[qbstfvr'"! r n i r r -'-in-Ss n x i [qStfrPi rrrirp n f r ] q v i ö l H r r r n a n i ^ a n - r n D 1 ' n x a n n x
Diese Wendung umfasst Spezialfälle der beiden vorhergehenden (s. Id 3.2 und 3.3). Die Verknüpfung eines Hoheitstitels mit der kombinierten Territorialangabe Juda und Jerusalem begegnet zwei Mal in JerMT, aber nirgends in AIT. Der einzige gleich gebaute Ausdruck ist DbttfW'l r n i r p "OpT die Ältesten von Juda und Jerusalem in 2 Kön 23,1 || 2 Chr 34,29. Der Titel ist zudem ein Sonderfall der Verbindung Juda und Jerusalem, die unter Id 4.14 behandelt wird. 3.5
^ j b a n 13"1 die Großen des Königs
39,13 [ ^ a a - ^ a - a n brn . . . a ^ n a t r a - i n x - i n a a nbö»]] 41,1
,
3'T!] n s i b a n i n r a y a c ^ t f - p r n n r p b & y n f r x a i n « crctfaTN r n ^ i n
Zu 41,1 ist die Parallele in 2 Kön 25,25 zu vergleichen: i n « o ^•i TK m fTrTm B aT tT ^ •K - pI V m Tn: ~r :p I VbxyaKT x aT - - roiban mta : T : ~V • •• T : • Dies ist ein weiterer singulärer Zug der masoretischen Ausgabe des Buches. Der erste Fall - in der Form die Großen des Königs von Babel - beschließt den Einschub 39,4-13, der aus Kap. 52 entlehnt ist (vgl. Id 3.2). Der Schlussvers 39,13 fungiert als Wiederaufnahme, die dem letzten Vers des gemeinsamen Bestandes (39,3) nachgestaltet ist. In 39,3 lesen wir jedoch stattdessen b a a ' ^ b a "HE? die Offiziere des Königs von Babel, also den im Kontext üblichen Terminus. 25 41,1 gehört zum Bericht von der Ankunft der Mörder Gedaljas in Mizpa. In synoptischer Darstellung lautet die Vorstellung der Gruppe wie folgt: Es kamen Jischmael ben Netanja ben Elischama aus der Familie des Königtums [und die Großen des Königs] und zehn Männer mit ihm. Der alexandrinische Text, der nachfolgende Kontext und das Zitat des Passus in 2 Kön 25,25 wissen nichts von den Großen des Königs}6
25 26
Jer 38,17.[18].22; 39,3a!. JOOSTEN, L'excédent (Anm. 23), 97, erkennt in dem Titel einen Aramaismus.
3. Titel menschlicher
3.6
95
Träger
lEiÖn Tp-13 Baruch, der Schreiber
36,26 fiBbn] ^"12'nx nnpb ... " ^ ¡ a r r p ^KanT-nx - ^ a n n t n 36,32 [~isbn i n n ? ; ] ? nan'ij Nur in JerMT heißt Baruch der Schreiber. Die acht Belege (MT) von "ISbrt in Jer sind sämtlich auf dem engen Raum der beiden Kap. 36 and 37 vereinigt. Dabei ist Baruch auffalligerweise die einzige Figur, die nur im MT den Titel erhält, obwohl der enge Mitarbeiter Jeremias im Unterschied zu den anderen betroffenen Titelträgern im Mittelpunkt der Handlung steht (ansonsten firmieren als Schreiber. Gemarja ben Schafan 36,10; Elischama 36,12.[20.21]; Jonatan 37,15.20). Der Beleg in 36,32 ist Teil eines größeren Einschubs, der einer breiteren, von P.-M. Bogaert erkannten prämasoretischen Bearbeitung des Kapitels angehört, die darauf bedacht ist, Baruch Jeremias Autorität unterzuordnen.27 3.7
XflS
König des Landes X
25,20 [f1I?n p N nK"i] 25.20 CT.r'be bpK] "obir 1 ?? nxi Diese Verbindung gibt es ausschließlich an den beiden zitierten Stellen im masoretischen Jeremiabuch. 3.8
n n a TPI mein Knecht David
3 3 . 2 1
[ I K O S - ^
•
:
-
•
T
I ^ - N R N «
N N S ?
T I T T I K
~IAN
•'¡V-A-DAJ
pnfc v n e t o D ^ r r n i o *rn i n r n x nn-ix ]3] 33,26 [okük n n v T n i a i p i r i n r n a j 3 3 . 2 2
In Jer wendet nur der masoretische Überhang 33,14-26 den Knechtstitel auf David an, was sonst im AT häufig geschieht.28 Der Sprachgebrauch in 33,14-26 ist aussagekräftig, weil Jer den Namen David zwölf weitere Male erwähnt und sich der Knechtstitel zumindest der Mehrzahl davon hätte beifügen lassen.
27 P.-M. B O G A E R T , De Baruch à Jérémie. Les deux rédactions conservées du livre de Jérémie, in: Ders. (Hg.), Le livre de Jérémie. Le prophète et son milieu, les oracles et leur transmission. Nouvelle édition mise à jour (BEThL 54), Leuven 1997, 1 6 8 - 1 7 3 . 4 3 0 ^ 3 2 . 28 2 Sam 3,18; 7,5.8 || 1 Chr 17,4.7; 1 Kôn 11,13.32.34.36.38; 14,8; 2 Kôn 19,34 || Jes 37,35); 20,6 (> || Jes 38,6); Ez 34,23.[24]; 37,24.25; Ps 89,4.21.
96
Der prämasoretische Idiolekt im Jeremiabuch
3.9 37,2 50,1
liTQT T 3 durch den Propheten
Jeremia
[K-asn] IH^DT T S - i : n i m [K , a|n i r r o - r T a a n s ; ? y i « " ^ « ] ^ a a ' ^ N [rnrr] - i : n
Der Prophetentitel wurde in JerMT sehr häufig ergänzt. 29 Dabei entstand zweimal die singulare Wendung "irPOT "Pa, und zwar in 37,2 durch Auffüllung und in 50,1 durch vollen Nachtrag. Die Verbindung ;HTÜ~P ~P3 findet sich nochmals in 46,13 AIT, aber ohne Prophetentitel.
4. Andere Wendungen 4.1
Hlpn - rvnnK Wortpaar Zukunft - Hoffnung
29,11 # nxt \ mTf?ni r i n n » § n a b n n S 31,17 [nin^-DW ^ r r - m 1 ? m p r r ^ i ] Außer in JerMT treten die beiden Lexeme im AT nie in demselben Satz auf. In parallelisierten, getrennten Sätzen begegnen sie Spr 23,18 || 24,14. 4.2
n'pxn Cian diese Nationen " T _
25,9 n-ao [n^xn] o ^ a n - b a bw i r a t f - b m n x i n ynxn-by 25,11 r r o D-^attf [baa ^ i r n x n ^ x n ] o ^ a ^ n n a a i 28,14 [n'pxn] D^airSa mw-by ••nna b n a b'n
o-riaan]
Dies ist eine der unauffälligeren Besonderheiten von JerMT. Sonst ist die Verbindung häufig in deuteronomistischer Prosa. 30 Bei keinem der drei Belege in Jer bestätigt der alexandrinische Text das Demonstrativpronomen. Da sich die Wendung auf die Kap. 25 and 28 beschränkt und keine der betroffenen Einheiten geeignete innertextliche Bezugsgrößen enthält, ist anzunehmen, dass die Demonstrativpronomina nachgetragen wurden, um die genannten Nationen mit jenen zu identifizieren, die in 25,15-29 aus dem Zornesbecher trinken.
29
Zusammenstellung bei J. G. JANZEN, Studies in the Text of Jeremiah (HSM 6),
C a m b r i d g e M A 1973, 1 4 5 - 1 4 8 . 30
Dtn 7,17.22; 9,4.5; 11,23; 12,30; 18,14; 20,15; 31,3; Jos 23,3.7(> G*).12.13;
2,23; 2 K ö n 17,41; 2 C h r 32,14.
Ri
4. Andere Wendungen
4.3a 4.3b
97
D,3"1 Cia viele Nationen crbina •••s'pni c a n c i a + a n a y viele Nationen und große Könige verknechten
22,8 n w n T ? n ^ P"1?"]] ^yi 25,14 [D^-ta D ^ b a i D 0 ^ 3 n!3!TDa M T I M -3] 27,7 [ c b i a c a b n i cra-i o^ia ia n a y i ] Obwohl der Ausdruck vz'e/e Nationen nicht selten ist,31 wird keiner der Fälle aus JerMT von AIT widergespiegelt. In 22,8 liest die alexandrinische Ausgabe nur Nationen. Die erweiterte Fassung viele Nationen und große Könige (25,14; 27,7) ist im AT einzigartig. Die beiden Belege sind zusätzlich an identische Prädikate aus 12U geknüpft, die Präpositionalobjekte mit a regieren und verknechten bedeuten. 4.4
a-narr^aa
\ m a Zerstreuung unter alle Nationen
29,14 [ottf n a n x T i r n n i m rtiaipan-Sooi o ^ a r r 1 » ! ? oanK ' n a a p i ] 29,18 [nctf D ^ p n ^ n - n m Diian-^sa] 30,11 [Dti ^ n i i a a n -uz?« o ^ a r r b a a n ^ a nfcwx ^a]
43,5 [ntrirna im D^an-bsp] lacf-ittfK n-nrr rrnKttf-bD 46,28 nattf Y ^ n
im
r t a nt'i?K ^
Eine Reihe von Passagen in Jer variieren die Themen der Zerstreuung Judas und Israels. Als Verben kommen m a und f l S zum Einsatz, und die Ziele der Deportation werden auf verschiedene Weisen umschrieben: alle Orte (8,3; 24,9; [29,14]; [40,12]), das Land des Nordens (16,15; 23,8), alle Länder (16,15; 23,3.8; 32,37), die Nationen (9,15) und alle Nationen. Der letztere Ausdruck (D^aiT^a) ist auf die zitierten fünf masoretischen Lesarten beschränkt. Obendrein sind dies die einzigen Fälle in Jer, wo O^aiT^a die Präpositionen 2 und trägt. 32 Vier Fälle sind Unterschüsse, während in 46,28 G* ev iravtl eGvei. in jeder Nation liest, was auf die Vorlage , ia"Saa* hindeutet. Damit wird dieselbe Vorstellung artikuliert, doch ohne die für MT typischen Merkmale Artikel und Plural. Sonst begegnet m a D , iari" i ?aa in Dtn 30,1. Außerdem wird der Passus ev mrai to! G*); Mi 4,2.11; Hab 2,8; Sach 2,15; Ps 135,10; vgl. Dtn 7,17; Neh 13,26. 32 Die übrigen Belege von t r i a r r b : ) in Jer: 3,17; 9,25; 25,9.13Mr.l5.17MT; [27,7]; 28,11.14; 36,2. An den mit MT bezeichneten Stellen fehlt bD in AIT.
Der prämasoretische
98
Idiolekt
im
Jeremiabuch
setzt. 33 Das erscheint plausibel, da der Sprachgebrauch des Büchleins Bar stark vom Jeremiabuch zehrt. 34 Da die Rede von der Zerstreuung unter alle Nationen in JerMT nicht weniger als fünf Mal auftritt und sonst sehr selten ist, bietet sie ein gutes Beispiel für den eigentümlichen Stil der prämasoretischen Textebene im Jeremiabuch. 4.5
D i T T R ] "IttfX wohin sie zerstreut
wurden
40.12
[DBMrru uzte nlopan-bsip
43,5
[ D t f - v r ü - i t f « D ^ a n - b s a ] mci?—iük r n i r p
Dnirrn-^D
lattf»]] nnKttf-^s
Die Beispiele sind mit den vorigen verwandt. Relativsätze der Art wohin ich/er dich/sie zerstreut habe/hat (und ähnlich) sind in den redaktionellen Schichten des Jeremiabuches verbreitet. Zumeist formulieren sie kausativ mit dem H-Stamm von m 3 . 3 5 Daneben finden wir die zitierten zwei passivischen Fälle mit m3-N. Sie haben eine identische Thematik, insofern sie die Herkunftsorte der bei Gedalja zusammengeströmten judäischen Flüchtlinge umschreiben, und stimmen in der Formulierung weitgehend überein. Beide Passagen fehlen im alexandrinischen Text. Innerhalb des AT stehen sie ohne Parallele da. - Für 16,15 nattf DITHn "IttfK bietet G* die passivische Variante ofi E?COO9R|OAV EKEL. JerG* geht mit den Genera verbi großzügig um und hat daher in diesem Bereich geringen Quellenwert. Sollte die Vorlage im gegebenen Fall das Verb m 3 im N-Stamm geboten haben, bleibt immer noch die Differenz, dass das Adverb in 16,15 die Langform nSCtf aufweist. T T 4.6
i m
-liff'K? wie er
27.13
[Sin
39,12
pay
40,3
i b \ rnrr1? • n K a n - ' S
-^rrrK nfcw \ s
redet(e) "narr1?« r n r r na*!
-uir-x'b ^ b x
I S T
hz?k?]
-itf«?]
p r n
-ie^ks] r n r r
fosn
Dies ist ein besonders aufschlussreiches Beispiel, weil es eine alltagssprachliche Wendung betrifft, wie Dutzende von Fällen im AT illustrieren. Gleichwohl fehlt allen drei Belegen in Jer ein alexandrinisches Gegen33 E. T o v , T h e B o o k of Baruch, also called I Baruch (Greek and H e b r e w ) . Edited, reconstructed and translated ( S B L . T T 8 = S B L . P S 6), Missoula M T 1975, 19. 34 Vgl. insbes. O. H. STECK, D a s a p o k r y p h e B a r u c h b u c h . Studien zur R e z e p t i o n u n d K o n z e n t r a t i o n „ k a n o n i s c h e r " Ü b e r l i e f e r u n g ( F R L A N T 160), Göttingen 1993. 35 Mit m : - H : 8,3; 16,15; 23,3.8; 24,9; [29,14.18]; 32,37; 46,28; sonst D t n 30,1; Ez 4,13 (> G*); D a n 9,7; Bar* 2,4.13.29; 3,8; mit f l S - H : [30,11]; sonst Dtn 30,3; mit f l S N : Ez 29,13; 34,12; vgl. Ez 11,17; 20,34.41.
4. Andere
Wendungen
99
stück. Es ist kein Motiv vorstellbar, warum diese konzeptionell völlig neutrale Formulierung zum Objekt absichtlicher Tilgung gewählt worden sein sollte, zumal die Variante r n a " ! "IttfiOYl in 32,24c bestätigt, dass der Ausdruck als solcher (in 2. Person) auch JerAIT nicht fremd gewesen ist. Umgekehrt erscheint ebenso unglaublich, dass zufallig alle drei Belege versehentlichen Textverlusten zum Opfer gefallen sein könnten. So bleibt nur der Schluss, dass wir hier den Individualstil eines prämasoretischen Ergänzers vor uns haben. Zu "IttfK? vgl. auch Id 6.3. 4.7
rnrP'blJ r n o ' i a ' l Falsches gegen JHWH reden
28,16 [rnrr-bx r n a n r n o - , 3 ] rm n m ructfn 29,32 ... i i n r ^ i ppbnan] r r y o s r ' ? : ; n p a ^ n [rrrrby -tri rno^s] Nur das masoretische Jeremiabuch bezeugt die beiden Entlehnungen aus Dtn 13,6, das sonst nirgends im AT zitiert wird. 4.8
nan T ••
bis hierher
48,47 [3NTO a s m n3n--iü] 51,64 [irra-p - n r n n r r - t y i D i n ] Die beiden masoretischen Überschüsse bilden die einzigen Unterschriften in JerMT, 36 die das Ende des Moaborakels (48,47) und den Schluss der kompletten Sammlung namens Worte Jeremias (51,64) markieren. Obwohl sonst häufig im AT, kehrt i"t3rniJ in Jer nicht wieder. Eine exklusive Besonderheit von JerMT ist der Gebrauch des Ausdrucks als Unterschrift. Wenn ferner der Überhang in 51,64 das letzte Wort des Spruches gegen Babel (121T1) als den Abschluss von Jeremias Prophezeiungen kennzeichnet, so passt dies nur auf das masoretische Bucharrangement. 4.9
3it2 TN dann (war es) gut
22.15 [ib 3iB TK] 22.16 [31B TK]
36
Zu einer Unterschrift im alexandrinischen Text (JerG* 26,1 —• JerMT 49,39) vgl. oben Anm. 11.
100
Der prämasoretische
Idiolekt im
Jeremiabuch
icrMT bietet die kurze Phrase zwei Mal in engem Abstand. 37 Die beiden Worte folgen einander nirgends sonst im AT. 4.10
nitsn -Q"V[ das gute Wort
29,10 [ a i a n ] "HaTriK * o?11?!? -nbprri 33,14 p l a n "la^n-nx TOpni] Die Kombination fehlt in AIT. Während das gute Wort sonst mehrfach belegt ist (Jos 21,45; 23,15; 1 Kön 8,56; pluralisch: Jos 23,14), wird die Wendung DitäH "Q'liTnX Dlp-H das gute Wort ausführen einzig von JerMT gebraucht. 4.11
S a" aT D^Eh-r Jerusalem • ~ T
Babel
27,18 r r n r r r r a i r n r r - m a a o n n i a n o ^ s n iK'a-'ri'pa1?] [ r t a a DVtfiTai 27,20 [ n T i r p - ^ Q c r p ^ i r r - p ] ( Q r r a : r ) r r a i i r - n x inibaa [n'paa] obttfi-m 29,1 [ r n a a q ' p t f r p n - i s x r p i a a r 6 a n -ictfx] a r n - b s - 1 ? « ! 29,4 [ r n a a ] abtiwn ' i r S a i r - ^ K r ^ i a n - ^ ? ] 1 ? ... r n r r n p x rte 29,20 [ r n a a q ^ t t f r r a ' n n ' p r — r x n'pian-^s n i r r - i a n luatf dfiki] Im Jeremiabuch bietet nur die masoretische Ausgabe die topographischen Namen Jerusalem und Babel innerhalb eines Satzes in Kontaktstellung. 38 In dem einen Fall, wo auch JerAIT die beiden Toponyme unmittelbar aufeinander folgen lässt, verläuft zwischen beiden eine Satzgrenze (JerAIT 34,17.18 4 JerMT 27,20.22). Bei fünf Fällen in JerMT gegenüber einem einzigen im restlichen AT (2 Kön 24,15) kann die Abfolge Jerusalem Babel als sichere Spur der Tätigkeit prämasoretischer Revisoren gelten. 4.12
n-Hfrsm b a a i b o der König von Babel und die
Babylonier
Da • , pn , ?3 a m -ittfx ... nanbrpn onfrsn-nKH Saa ^ ö t i k ] 22,25 ... ^Ctfs3 ^ ' p a a T 3 D^fosn T a p ^ a a - ^ n -isio-piaa T a i ] 21,4
37 Wegen des besonders komplizierten Verhältnisses von JerMT und i erAIT sehen die Zitate von den Kontexten ab. 38 Nicht entscheidend ist die Tatsache, dass Babel immer das sog. He locale trägt.
4. Andere
Wendungen
101
25,12 Kinn • , i a n - ^ [ i b n a - ^ i r b r ] n p a « [ o n f o ? H K ' ^ I oji^-nK nin^DKJ] 32,28 nx-tn TyrrriK "¡ni ^ n ^ a - ^ n [ - l a a - n r n a j T a i o n f r s n ] ~ra Im gesamten AT koordiniert nur JerMT die beiden Ausdrücke. 4.13
p'pttflTa im
Dl?rrb3 alles Volk, das in Jerusalem ist /war
29,25 [p'ptfiTa "itfK oyn -1 ??-^*: o n a p ] napttfa nnbttf n n a 34,8 [ p ' p t f r r a h ö h ] D»n _ p3]TiK r n a i t j h s "i^an n'-p n n x Die Wendung erscheint nirgends außerhalb des masoretischen Jeremiaein exklusives Merkmal diebuchs. Sie ist schon ohne den Bestandteil ser Ausgabe. 4.14
•'pEfaTl m i T Juda und Jerusalem bzw. nTTI D^ti^T Jerusalem und Juda T
• -
T
:
abtivv rrrirp ^ v b n i T -rax n b " , a lirrpt!?n * D ^ l T a p ] H T T P 1T2H übtirr ) r r n r r nsirnK 'npai onnian o-^an [Dbtfrpai n T T tj^Q r r a i r n r r r r a a 27.20 [p^KfaTi h t t n r r S a nxi] 27.21 [.•D^ITI n n i ^ - ^ a T a i rnrp r r a n-nnian absn-bs] 29.2 [ D ^ l T " ! P I T T 33,16 [naa'p ]iattfn p ^ r n r n i r v attfin a n n D , p»a] 40,1 r n i r p p p ' p t f r r ] r n b r ^ a ] ^ i n a •"'pma [ T o x - x m i ] 52.3 [nniTi q^tfrva nirn T T ^'by rs]
4,3 4,5 19,7 27,18
Die Liste versammelt alle Stellen, wo in Jer Juda und Jerusalem durch 1 oder durch 1 + Präposition verbunden werden, und zwar in beiden Reihenfolgen sowie unter Einschluss jener Fälle, in denen die Sequenz eine Satz(33,16) oder Wortgruppengrenze (27,18.21) überspannt. Den zehn Beispielen im masoretischen Jeremiabuch steht kein einziger im alexandrinischen gegenüber. Dort finden sich zumeist Unterschüsse (27,18.20.21; 29,2; 33,16; 40,1; 53,3); in zwei Passagen sprengen Überhänge vor dem zweiten Glied die enge Verknüpfung auf (4,3; 19,7), und in einem Fall erzielt eine andere Wortfolge denselben Effekt (4,5). Offenkundig repräsentiert die direkte Syndese der beiden Toponyme das Sprachempfinden eines prämaso-
102
Der prämasoretische
Idiolekt im Jeremiabuch
retischen Ergänzers, der seinen Stil im Zuge größerer Einschübe, aber auch durch kurze Interpolationen (40,1), Umstellungen (4,5) oder gar Streichungen (4,3; 19,7) dem Text implantierte. In 52,3 ist die Wendung der Vorlage 2 Kön 24,20 ¡TTirP21 C ^ I T n entlehnt, doch indem die JerMT-Fassung die Präposition am zweiten Glied überging, hat sie typischerweise das Wortpaar enger verklammert (in 27,18 war die Präposition in DipiCl"T'3rl unvermeidlich). Zu 27,20 und 29,2 vgl. auch Id 3.4. An den übrigen Belegen fallt auf, mit welcher Häufigkeit sie den jüngsten Schichten des Alten Testaments, vor allem der chronistischen Literatur entstammen. 39 Dies untermauert den späten Ursprung des masoretischen Sonderguts. 4.15a "IPT-N übrigbleiben 4.15b ü ' n r m n D ,! ?3n die übrigen Geräte 27.18 [n'pra ... r n r r - r r a a a n n ü n o ^ s n i x i - r ' ? : : ' : | 27.19 o n n i a n ] C T s n # (Kai tcöv euaoiiTcov) -in a o oa \ -irr bin § [nxtn - p i n 27,21 [qbctfiTi nnin , -?| i ?a r r a i r n r r r r a a n n t o n D , l ?3rr i ?y] 34,7 ü b t i r v - b y • , pn l ?3 bnn-rj'?» ' r m [ni-inün] r r n r r , n j r [ ' ? 3 ] b s ) "IIT-N ist ein weiteres alltagssprachliches Element, das im Jeremiabuch auf die masoretische Rezension beschränkt ist. Sämtliche Belege sind geformt als Partizip "ini3 übrig, und drei von vier Fällen betreffen die Wendung CHniHn O ^ s n die übrigen Geräte (27,18.19.21), eine sonst nirgends belegte Wortgruppe. Erstaunlicherweise fehlt "ini3 sogar in 34,7, wo schlechterdings kein Grund zu erkennen ist, warum das Wort Anstoß zu seiner Ausscheidung erregt haben könnte. Dies stützt zusätzlich die Annahme, dass die ausgiebigen Textdifferenzen in Kap. 27 aus Zusätzen im prämasoretischen Überlieferungsstrang resultieren anstatt beispielsweise einer wie auch immer motivierten Bereinigung der alexandrinischen Tradition. Das masoretische Sondergut entspringt einer größeren Bearbeitung des Kapitels, die sowohl die baldige Eroberung durch die Babylonier als auch die künftige Heimkehr der übrigen Geräte in den Tempel, den königlichen Palast und die Stadt Jerusalem betonte, um die Identität der Wertgegenstände im nachexilischen Jerusalem mit jenen der vorexilischen Periode zu unter-
39
2 Kön 18,22 || Jes 36,7 || 2 Chr 32,12; 2 Kön 23,1 || 2 Chr 34,29; 2 Kön 21,12 23,24; 24,20; Jes 1,1; 2,1; 3,1.8; Joel 4,1; Sach 14,21; Mal 3,4; Esr 2,1; 4,6; Esr 9,9 10,7; Neh 7,6; 13,16; 1 Chr 5,41; 2 Chr 2,6; 11,14; 20,5.17.27; 24,6.9.18.23; 28,10; 29,8 32,25; 34,3.5.29; 35,24; 36,4.10.
4. Andere Wendungen
103
streichen. 40 Es ist deshalb nur natürlich, wenn Passagen aus Jer 27 in diesem Verzeichnis besonders häufig auftreten. 4.16
ipan x b lp3n npan c n x i Und ihr wollt bestimmt ungestraft davonkommen? Ihr werdet nicht ungestraft davonkommen!
25,29 ipan xb [ipan] npan a n x i 4 9 , 1 2 n p s n v b [ n p a n ] npa [ « i n j nnKi
Diese Passagen sind verwandt mit bestimmten emotionsgeladenen Beteuerungen, die den Infinitivus constructus von Hp3 mit der Negation K1? und einer finiten Form von ¡7p3 verkoppeln: v b np3"! Ich werde dich bestimmt nicht ungestraft davonkommen lassen (Jer [30,11]; 46,28) und n p r vib np51 Er wird bestimmt nicht ungestraft davonkommen lassen (Ex 34,7; Num 14,18; Nah 1,3). In den obigen Fällen enthält der masoretische Text nach dem Infinitiv noch eine weitere finite Form von Hp3, sodass die Wendung zwei Sätze umfasst, von denen der erste nur als unmarkierte rhetorische Frage verstehbar ist. Das Muster ist nur in JerMT bezeugt. Der Mangel eines Frageweisers (H) weist zusätzlich darauf hin, dass diese Lesarten sekundär entstanden. Die Kontaktstellung zweier Formen von Hp3 existiert nur in Jer MT. 4.17
"HPS "II? ¡"PH CE? dort bleiben, bis ich mich des X annehme •I : T T
27,22
[Dnk Hj?B o r is? F r p n a t f i ] i t u v
32,5
[inx Hpspis?] aar \ r p r r uti)
nSoa
Die zitierten Stücke sind Teile von Prophezeiungen der Verschleppung nach Babylon. 27,22 kündigt an, dass die noch nicht vom babylonischen König beschlagnahmten Wertgegenstände bald den Weg ins Exil antreten werden (s. Id 4.15). Die masoretische Rezension fügt hinzu: Und dort werden sie bleiben bis zu dem Tag, an dem ich mich ihrer annehme. 32,5 trägt eine ähnliche Ankündigung über Zidkija vor, wobei MT fortfahrt: bis ich mich seiner annehme. Die Verbindung von "Iii und dem Infinitiv von "IpS kommt außerhalb von JerMT nicht vor. 4.18
^ n a - i ^ ü TIK "DI?
27,12
[ r m iaj?] i n k
r r n dem König von Babel dienen ~ leben
nasi]
27,17 [vm ^ n a - ^ i r r i K r n » ] 40
Vgl. z. B. STIPP, Sondergut (Anm. 2), 120f.
104
Der prämasoretische
Idiolekt im
Jeremiabuch
Einzig das masoretische Jeremiabuch verbindet die beiden Verben, und zwar beide Male in der Aufforderung, dem König von Babel zu dienen und dadurch das Leben zu gewinnen. 4.19
pl? "IpD die Schuld
heimsuchen
25,12 Kinn , ian- i ??[1 bi2-r\bn-by] [nnt?? f i K - b r i oaisrnx 36,31
"ips« rn;r-D>«]
[ D 3 i » - n K ] r n a y - b a i i i n r i ? i n vbs
"TnpBi
Die Wendung ist häufig, 41 aber in Jer nur der masoretischen Ausgabe eigen. 4.20
nife?^ m s
befehlen
11,8
[ratovb
32,23
[rrtfe»!?] o n b n i r r a i m ' b s
THir-ittfN
zu tun nKtirrnan m
Die Aussage, dass jemand befiehlt, (etwas) zu tun, ist häufig in dtr Literatur, wobei als Subjekt nahezu immer Jhwh eintritt.42 Obwohl Jer ansehnliche dtr Stücke umfasst, begegnen hier nur zwei Belege, die beide von AIT übergangen werden. 43 4.21
D,1JC£H CffiO das Haupt der
23,19
^ T P D-WEh [ttfKh]
bv
30,23
Sin;;
by
[itfin]
Frevler
Die Wendung findet sich ausschließlich im masoretischen Jeremiabuch. 4.22 27,1
nn^QQ i"Pttfin V ~ •• -
27,13
[ n a n a i a i n a a n n a ^rain n n x i m o n
38,2
[ n a n a i ] a y n a < i > a n n a nin 9 n x r n T i n attf»n
nab]
42,17
[nanai] a y n a < i > a n n a iarr \ i n « ;
42,22
l a n n \ iniori [ n a n a i j a y n a < i > a n n a
Siehe die Erläuterung zu Id 4.43. 4.43
nanai ayna anna tpa - Dreigliedrige Plagentrias mit dem Verb npa
27,8
Kinn -nan-Si; n p ? K [ n a n a i ] a i n a i
anna
44.13
[nanai] a y n a < i > a n n a a b y ^ - b y
•rnpa
Den drei- und zweigliedrigen Belegen der Plagentrias in MT entsprechen in AIT häufig kürzere Äquivalente. Insbesondere sind die Kombinationen der dreigliedrigen Plagentrias mit den Verben m o und n p S einzig in JerMT bezeugt. Wegen der alexandrinischen Nullvarianten für n a n a i in 42,17.22 gilt dies auch dann, wenn die Rekonstruktion abweichender verbaler Prädikate von Oftn in AIT fehlgehen sollte. Die dreigliedrige Plagentrias mit mü findet sich - anders gereiht - nochmals in Bar* 2,25. 4.44
Wiederholter Imperativ von
46.14
[onaannai] ^¡¡a w n t t f n i ^ i n m a
50,2
i n n a r r ^ K [ w n t f n o r i N f r i ] w a t f n i D'iaa r r a n
[iiratfni]
Die Wiederholung des Imperativs von JJQttf-H hat keine Parallele im AT.
111
5. Lexeme
4.45
p i O trm
Himmel und Erde
33,25 pnQETKb p x i cratf n i p n a a r ,n,-n KVDK] 51,48 [ o n a Sbi p x i D^atf b i z - b y u n i ] Sonst Gen 14,19.22; Joel 4,16; Ps 69,35; 115,15; 121,2; 124,8; 134,3; 146,6. 4.46
nranSan "'ttfiX + n~l3 Kriegsleute
39,4 52,7
pn-n»? n a n ' r a n prn:r] nanSan
,,
fliehen
b/jk b b i r n i r p - ^ a i r r p - r a o a n hz?k?] ^«r1«!
Die Junktur ist singulär. 4.47
nfrl) antun, handeln an mit Markierung des indirekten Objekts wie ein direktes Objekt mit PIX I
21,2 v n x b s r b s s panlK] r n r r nfeir ^ i x 33,9c [nnk] nfci? p i x -ictfx n a i t s n - S s Bei den Vergleichsfällen in Jer wird zumeist die gängige Markierung mit b verwendet, so auch in dem Satz 33,9f n i ? nß;iJ p i X i m , an den 33,9c adaptiert ist. 46 Daneben werden gelegentlich auch andere Präpositionen eingesetzt. 47 Die Markierung mit I"IX I findet sich sonst beispielsweise in Ez 7,27.
5. Lexeme 5.1
nirtKT
Schwester
3.7 3.8 3,10 22,18
rrrirp # r n j ä r n i a a \ n n i n x r n i j a § ( ^ / r = Q x - i r n ) n x i r n [ n n i n x ] r n i r r r n a a n x - p x'bi r n i r p [nninx] rniaa rntrx'1? nxT-^a-Dri [ n i n x , i n i ] -rix •'in i b H2o , -x' i ?
Das Alltagswort n i n x , in JerA/T vierfach vertreten, fehlt in lerAlT.
46
Ferner 2,17; 4,18; 5,13 MT; 26,3.14; 29,32; 30,15 MT; 32,18; n S s n r a m i t n x I 5,18 AIT; 30,11 T 57 b ü / S x 26,19; 44,7; DB 39,12
5,19; 7,12.14.14; 11,17 (Text?); 18,6.8; 19,12; 22,8; 36,3; 38,9; 39,12 MT; 42,10; 50,15.29. Vgl. auch MT II 46,28; mitritt II 5,18 TT. MT.
112
Der prämasoretische
5.2
n^N T T
Fluch
23,10
p x n
r t ^ a x n ^ K \ n1?«
29,18
p x n
n i a ^ p p b'sb
Idiolekt im Jeremiabuch
•asp-a
( ^ r n a i S ) nair1? D ' n r m ]
[na-inbi n^-itr'pi n a i z ^ nSt 1 ? 42,18
npct^pi n b x S i
44,12
n^pbi
'
T T I:
•
arrrri
n a c t f b n s - i n 1 ? \ 7\bnb T
~
:
T
T T :
r m
T :
In 23,10 ist das Schriftbild H^K im Sinne eines Lieblingsworts der prämasoretischen Ergänzer revokalisiert worden. 48 Sonst ist das Substantiv häufig (insgesamt 36 Belege). 5.3
Ina
Stück
34.18 [ v n n a f a ] i n a a b \ n a a i n [erat?'?] \ i r n a -itfx Saan 34.19 [^aan n n a p a c n a a n p « n ] c a < n > Dieser Fall bildet eine Ausnahme. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der alexandrinische Text aus einer Bearbeitung hervorging, die den Bundesschlussritus unter Zidkija polemisch zu einem götzendienerischen Stierkult umgestaltete. 49 Trifft dies zu, mussten zwangsläufig beide Belege von "ina entfallen. Das Lexem ist sonst nur in Gen 15,10 belegt. 5.4
Geringe
40,7
[ p K n n ^ n m *]B1] «ctuToy» o ^ a i D ^ X i n s T p s n O l
52.15
[ • • ' n a a - a n p T > n n a a n b a n ... D a n
nVrrpi]
52.16 D^naa-a-i [ n ^ H n a a ] -pxttfn # n a n - n - n N i \ p x n n t e ^ p i § Der Beleg in 52,15 geht über das Vorbild 2 Kön 25,11 und die Parallele Jer [39,9] hinaus. Die Parallelen zu p x n n i ^ p i 52,16 lauten p K H n ^ p i 2 Kön 25,12 und D ^ n n n a r r p Jer [39,10],
48 Dass das Substantiv nicht dem Wunsch nach theologischer Entschärfung zum Opfer fiel, zeigt die regelmäßige alexandrinische Bezeugung von im Rahmen von Katastrophenformeln: 24,9; 42,18; 44,8.12.22; 49,13; innerhalb eines masoretischen Überschusses: 25,18. Vgl. ferner 26,6; 29,22. 49 Vgl. STIPP, Sondergut, 155f. Dagegen plädiert für die Priorität der alexandrinischen Fassung C. MAIER, Jeremia als Lehrer der Tora. Soziale Gebote des Deuteronomiums in Fortschreibungen des Jeremiabuches (FRLANT 196), Göttingen 2002, 257-260.
5. Lexeme
5.5
]iin
113
Fett(asche) ,
3 1 , 1 4 13J25Ö":
-O")1? , 3 a > Ü ^ H S n
ai?l
31,40 ( Q n i Q - i © ' n , ^ / r = K ) n i a - i & n - ^ i
fltf'irn
ünjsn
Tl 1 !"!! paan-bsi]
rnrr'? tfnp ... DOV Tag
5.6
33,20 n ' r ' p n VT-nTiio Dvn ^rrna-nx n s n - a x ] [onwa n ^ r D O i ' 33,25 Die
[ n ^ ^ i aal11
zum
,,
nrn
r r - n KVDK]
masoretischen
Sondergut
gehörige
messianische
Verheißung
3 3 , 1 4 - 2 6 g e b r a u c h t DOT z w e i M a l n i c h t w i e ü b l i c h als A d v e r b , s o n d e r n als S u b s t a n t i v . D i e d o p p e l t e B e z e u g u n g w e i s t a u f e i n e s p r a c h l i c h e S o n d e r e n t w i c k l u n g , w e s w e g e n v o n d e r K o r r e k t u r in • i P a b z u s e h e n ist. 5 0 A l s S u b s t a n t i v f u n g i e r t d a s L e x e m i m A T a l l e n f a l l s n o c h in N e h 9 , 1 9 ; a u ß e r d e m ist es in Q u m r a n n a c h g e w i e s e n . 5 1 Z u r K o n s t r u k t i o n v o n 3 3 , 2 5 ist V . 2 0 "¡"""llTliO Di»n • ' r r - Q - n K zu v e r g l e i c h e n .
5.7
naiKQ : T
etwas
39,10 [pTN"in33 -rxttfn n a w a - \ m cr'rin oyn-jai] 39,12 [in n a w a ib fcwrr^io v b y d ^ " ^ r ? ! isnp] In J e r ist d a s L e x e m a u f d e n g r o ß e n m a s o r e t i s c h e n Ü b e r s c h u s s in 3 9 , 4 - 1 3 b e s c h r ä n k t . V . 10 ist e i n e e r w e i t e r t e K o p i e v o n 5 2 , 1 6 || 2 K ö n 2 5 , 1 2 , w o der Relativsatz n a w a
5.8
rro^a
D r 6 " p K "IltfK n o c h n i c h t v o r l i e g t .
Königsherrschaft
10,7 p i a s f N a o n i a b a ^ s n i o-nan •'osn-bsn ^s] 49,34 # (ua A a a | i ) nb-v-bx § [x , 33 T n i i r a - p - b x r n r r - Q - i r r n paN1? r n i r r - ^ a
im]
rrp-ra n«1?!? rvctfinai
Vgl. 49,39/26,1:
50
So aber z. B. BHS. Vgl. E. QIMRON, The Hebrew of the Dead Sea Scrolls (HSS 29), Atlanta, GA 1986, 108; J. JOOSTEN, L'excédent (Anm. 23), 95f. - D. BARTHÉLÉMY, Critique textuelle de l'Ancien Testament. 2. Isaïe, Jérémie, Lamentations (OBO 50/2), Fribourg - Göttingen 1986, 706, verweist zusätzlich auf Ez 30,16, wo aber auch adverbielle Interpretation möglich ist oder eine Verschreibung vorliegt; vgl. die Komm. z. St. 51
114
Der prämasoretische
Idiolekt im
Jeremiabuch
52,31 f ^ i r r m i - m itniD^a rüttfn ^ r a T^Q ^-hra ' r i x KKN Vgl. 2 Kön 25,27: p r r i r r tfKTnK i s b a ruttfa b a a - ^ n ^ - f i a ' r i x Kfr; Diese Stücke bedürfen näherer Erläuterung. Der Fall in 10,7 zählt zu einem alexandrinischen Unterschuss, der durch 4Q71 (4QJer b ) gestützt wird. 52 Was 49,34 angeht, so enthält der masoretische Überhang im Titel des Elam-Orakel einen weiteren Zug des prämasoretischen Idiolekts, weswegen er unter Id 2.1 nochmals zur Sprache kommt. Er besitzt zwar ein Gegenstück in einer alexandrinischen Erweiterung zu 49,39, doch aus verschiedenen Gründen verkörpert diese Lesung ohnehin eine sekundäre Weiterentwicklung der alexandrinischen Tradition. 53 Von beiden Textformen bezeugt ist 52,31. Der Vers ist eine Kopie von 2 Kön 25,27 - mit einer wichtigen Differenz: Das Vorbild gebraucht anstelle von nis'jQ den Infinitiv von "I^Q. Dies regt die Überlegung an, ob Jer 52,31 ursprünglich - und auch noch im hebräischen Text der alexandrinischen Ausgabe - seine Quelle detailgetreu wiedergab, während erst die prämasoretische Revision den Infinitiv durch rVO^Q ersetzte. Das Substantiv ist typisch für spätes Bibelhebräisch. 54 G* erlaubt keine Entscheidung, da (ev iw eviauTtö) co eßaaileuoev sowohl irp'pQ als auch repräsentieren kann, aber angesichts der Überlieferungslage hat letzteres mehr für sich. Obwohl im gegebenen Fall Ungewissheiten bleiben, ist niD^Q ein guter Kandidat für den prämasoretischen Idiolekt im Jeremiabuch. 5.9
TlEy Säule
1,18 [ b n a n i a s ? ^ ] - i s a ? n ^ b o r n ^ n n : nan [^KIJ 27,19 [niaban-^ui QvrSü"! • • n a y r r b K n i x a a ] rnrp - m nb
^
Das Wort ist zwar auch in der alexandrinischen Version des Buches vertreten, aber ausschließlich in dem Anhang Kap. 52, wo alle Belege außer einem aus 2 Kön 25 entlehnt sind (Jer 52,17.20.21b.22 || 2 Kön 25,13. 16.17.17; dieser Bestand wurde leicht erweitert durch eine zusätzliche Erwähnung der Säulen in Jer 52,21a). Die zwei Fälle aus dem Korpus des 52 Vgl. E. Tov, 4QJer\ in: E. Ulrich u. a. (Hg.), Qumran Cave 4. X. The Prophets (DJD 15), Oxford 1997, 171-176. 53 Vgl. die Argumentation oben Anm. 11; dort auch zur Rückübersetzung des Passus. 54 Neben einigen Belegen in anderen Büchern (Num 24,7; 1 Sam 20,31; 1 Kön 2,12; Ps 45,7; 103,19; 145,11.12.13.13; Koh 4,14), ist das Lexem überaus häufig in Est, Dan, Esr, Neh und Chr (vgl. die Konkordanzen). Vgl. A. HURVITZ, A Concise Lexicon of Late Biblical Hebrew. Linguistic Innovations in the Writings of the Second Temple Period (VT.S 160), Leiden 2014, 165-170.
115
5. Lexeme
Buches fehlen beide in der alexandrinischen Ausgabe, weswegen "I1HJ7 in diese Liste aufzunehmen ist. 55 5.10
£320 Stock,
(Volks-)Stamm
10,16 i n b m b i n ä n ] «in bän 51,19 i r n n ? [£32t?ft] Kin S a n
2 l p i r pbn
pbn n^ip-K*? n'pNp-x'S
Laut der alexandrinischen Formulierung der beiden Parallelen ist JHWH, der Schöpfer von allem, Israels Erbteil, während die masoretische Edition von 10,16 umgekehrt Israel als JHWHS Erbteil bezeichnet, entsprechend der sonst vertretenen Fassung dieses Theologumenons (Dtn 32,9; Jes 63,17; Ps 74,2; 78,71). Hier hat eine dogmatische Korrektur stattgefunden, die in verstümmelter Form auch 51,19 erfasste. Auf diesem Weg fand das Substantiv £320 in JerMT Eingang. 5.11
CT "ISO Schriftstücke
(Plural)
29,25 [o/pctfrpa avr\-b^-bvt, o n e o ] r o a 0 2 nn'pK/ n n x 32,14 n t n n:prpn n a o n x [n'pxn a n a e n - n x ] n l p S Während das Substantiv "ISO in Jer auffallend häufig vorkommt, ist der Plural nur im masoretischen Sondergut belegt. Zu 29,25 vgl. ferner oben Id 4.13.
5.12
V 2S3) I bilden, formen
22,28 i a f a n -px •'bs 3 \ "dk i r n s [nrn ttf-wn f i s 3 ] nr.23 [ a s » n ] 44,19 [rnaan 1 ?] ••"iis n b irfcy i r t ^ K •|-t:?i?2an 50,2 [ n ^ ^ a inn ¡rosif itf-on] Die drei masoretischen Überschüsse enthalten unterschiedliche Derivate der Wurzel 22JI; I: 22,28 22SIJ I tönernes Gefäß (Hap. leg.); 44,19 2JSIJ I H nachbilden (Hap. leg.; D Ijob 10,8); 22SI? Götzenbild (16 weitere Belege). AIT benutzt die Wurzel nicht. Die Wurzel 22JU II kommt in Jer nicht vor.
55
Dieses Beispiel (1995) 206-208, 208. 305-328, 314-316 = 15), Wiesbaden 2011,
verdanke ich J. LUST, Rez. von H.-J. STIPP, Sondergut, EThL 71 Anders G. FISCHER, Zum Text des Jeremiabuches, Bib. 78 (1997) DERS., Der Prophet wie Mose. Studien zum Jeremiabuch (BZAR 24-41, 31 f.
116
Der prämasoretische
Idiolekt im Jeremiabuch
6. Sonstiges 6.1
Atbasch-Kryptoskripte
25.25 [ n a r -, :? i ?a- i ?3 25.26 [ o r r - m nriar 51,1 # o n i i s \ , aj5 51,41 rrp 1 ?}
nso] yä'ti ^ a i ] 2b § y«
Unter Atbasch versteht man eine „Formel zur Umschreibung von Wörtern durch Vertauschen des ersten Buchstabens des hebr. Alphabets mit dem letzten, des zweiten mit dem vorletzten usf.", 56 wonach also K durch n, 2 durch W usw. zu ersetzen ist (mit den genannten vier Buchstaben ist das Kunstwort Atbasch gebildet). Das AT enthält vier 57 anerkannte Belege von Atbasch-Kryptoskripten, und zwar sämtlich in JerMT, während sie in AIT fehlen. Zwei Fälle mit dem Atbasch ^¡Stftff für haben kein Gegenstück in AIT (25,26; 51,41). Dasselbe gilt für das unbekannte Volk n a t in 25,25, das als Verschreibung aus "Oat* für cb^ü gilt und in der Liste der Empfanger des Zornbechers den Elamitern direkt vorausgeht. In 51,1 spiegelt G* die unverschlüsselte Schreibung Babylonier anstelle des masoretischen 31? das Herz meiner Widersacher. 6.2
Trigemination
7,4 n a n [ n r r 1 ?? , n] m r r b ^ n n i T ^ r r n 22,29 r n r r - Q " ! •'yatf [ p x ] p N p K Die dreifache Wiederholung desselben Lexems bzw. derselben Konstruktusverbindung findet sich nur in JerMT gegenüber der zweifachen in ¡tf'np soJerAIT. Trigemination kennt das AT sonst in Jes 6,3 wie in der masoretischen Fassung von Ez 21,32 [¡"Hl?] ¡"PÜ H1SJ ¡"lia^X. 6.3
in temporaler Funktion: als
38,28 i p ^ E r r r r n s 1 ? ] utfK?] r r n i nTrr^a rrs?ctfnn n ^ ' n (39,i) 39,4 [ n a n S a n ^ a x bbi r r n r r - ^ a irrp-ra dk-j n t f i o •'¡rn]
56
H.-F. WEIß, Art. Athbasch, BHH I 145. Der Versuch von S. B. NOEGEL, Atbash in Jeremiah and its Literary Significance, JBQ 24 (1995) 82-89.160-166, weitere Atbasch-Fälle in Jer nachzuweisen, überzeugt nicht. 57
117
6. Sonstiges
In Jer kennt nur MTIKfK? in temporaler Funktion. 58 Die Sequenz 38,28cd39,1 ist eine modifizierte Entlehnung aus 2 Kön 2 5 , l a - c || Jer 52,4a-c. Beiden Parallelen ist der Temporalsatz 28d q'ptfVP n n s ^ "itfK? unbekannt. 39,4 hängt in loserer Weise von 2 Kön 25,4 || Jer 52,7 ab, wo der Temporalsatz 4b ... DiO IKfN? ebenfalls kein Korrelat besitzt. Die Konstruktion repräsentiert in Jer die Handschrift der prämasoretischen Ergänzer. 6.4
Figura etymologica mit Partizip
23,17 nin": - i : n \ -QT •'avaion'? p i a x ] o n o k 41,6 # c r q i n n , D l ?n n a n \ r p a i ^ n § Die Konstruktion ist sonst vertreten in Jos 6,13 Op^TI r r = 6 n , ... ^ h Ri 20 39 ' T13^ 2 S a m 16'5 Kön 2,11 (-]ibn Jes 22,17 ( n a a ^pin); Zef 1,2 (*]dk *pK). 6.5
Wiederholung von ¡1327 nach Jahreszählungen mit Kardinalzahlen über 10
32,1 - l a K T o i n j 1 ? [natf] r n \ ü s - n p t i natfn x^n 52,12 [ b a a - ^ Q mti
nac^ K-'H]
_>
Die Abfolge nittf Kardinalzahl über 10 in ordinaler Funktion ist ein gängiges Muster der Jahreszählung bei Zahlen über 10 (ferner Gen 7,11; 1 Kön 16,8.15.23.29; 2 Kön 8,25; 9,29; 12,7; 13,1.10; 14,23; 15,1.8. 13.17.27; 16,1; 25,8). In Jer existiert dieser Sprachgebrauch nur in MT, und zwar in 32,1 durch den Nachtrag von ¡73(2? sowie in 52,12 durch die Entlehnung eines ganzen Satzes aus 2 Kön 25,8. In Jer ist ¡"IDCtf bei Kardinalzahlen in ordinaler Funktion sonst nachgestellt (1,2.3; 25,3a; 39,2; 52,5.31a). Dass in 32,1 eine fehlerhafte Korrektur in MT vorliegt und keine Auslassung in AIT, zeigt der artikeltragende Status absolutus n]!fln (vgl. 1 Kön 6,38).
58
Sonstige Belege: Gen 12,11; 18,33; 20,13; 24,22.52; 27,30.40; 29,10; 30,25; 32,3. 32; 37,23; 40,14; 43,2; Ex 17,11.11; 32,19; Dtn 2,16; Jos 2,7; 4,1.11; 5,8; Ri 3,18; 8,33; 11,5.7; 16,22; 1 Sam 1,24; 6,6; 8,1; 12,8; 24,2; 2 Sam 12,21; 16,16; 20,13; 2 Kön 5,26; 14,5; Jes 23,5; 51,13; Ez [2,2]; 35,11; 37,18; Am 5,19; Ps 51,2; Koh 4,17; 8,16; Est 2,20; Neh 3,33; 4,1.6.9; 5,6; 6,1.3.16; 7,1; 1 Chr 17,1; 2 Chr 25,3. Diese Sammlung verdanke ich Andreas Michel.
118 6.6
Der prämasoretische
Idiolekt im Jeremiabuch
Finale Konstruktionen mit dem Infinitivus constructus und adnominalem Enklitikon der 1. Person Singular
27.15 Dan« p j n n n -ipctf1? •vpan o - * ^ o n i , , , i 32,40 [DniK 3 B n ? ] D n n n x n yivht-vb -ittfx oSii? r r n a an 1 ? ••n-oi Enklitische Pronomina am Infinitivus constructus folgen weit überwiegend den Bildemustern der adnominalen Enklitika. Lediglich bei der 1. Person Singular wird zumeist nach der syntaktischen Rolle unterschieden: Tritt das so bezeichnete Ich als Akteur der durch den Infinitiv beschriebenen Handlung auf, dient es mithin als sog. logisches Subjekt, sodass es bei Transformation in einen Verbalsatz die Subjektsrolle übernähme, wird das adnominale Enklitikon =T gewählt. Fungiert es hingegen als Objekt, wird das adverbale Enklitikon —m bevorzugt (JM § 65a). Die zitierten masoretischen Lesarten sind die einzigen Infinitive in final/konsekutiven Konstruktionen, gekennzeichnet durch die Präposition (]JJ/3)i?, mit adnominalen Enklitika der 1. Person Singular in Jer (sonst: Ex 10,1; 29,46; Num 22,13; 2 Sam 4,10; 7,5; Mi 6,16; Ps 61,9; vgl. 1 Kön 3,18). 59 Dagegen sind final/ konsekutive Infinitive mit adverbalen Enklitika der 1. Ps Sg häufig (Gen 34,30; Ex 2,14; Num 20,12 usw.; in Jer: 7,18; 11,17; 18,22 u. ö.). Final/ konsekutive Infinitive des H-Stamms (aktiv und passiv) mit adnominalen Enklitika der 1. Ps Sg sind eine exklusive Besonderheit des masoretischen Jeremiabuchs. 60 Der Fall in 32,40 ist aus V. 41 entlehnt, wo das Enklitikon bezeichnenderweise fehlt: QniK ^ p n 1 ? •¡T i ?i; THpBl \ "mitn. 6.7
Pleneschreibung des Stammvokals bei nicht-ersten Personen der Präfixkonjugation des Grundstamms
33.16 [ntan1? "¡isttfri q ^ r r n ] Vgl. 23,6: nton'? p c ^ ^«"iiin 50,39 p i - n TiT-lIJ "psttfn xVl] Vgl. Jes 13,20: nini i l T t y pctfn Wie auch andernorts im AT, sind in Jer Pleneschreibungen des Stammvokals bei der 1. Ps Sg in der Präfixkonjugation des Grundstamms nicht sel-
59
Abzusehen ist von Häufiger sind derlei Verbindungen mit der Präposition 3 (Ex 12,13; 16,32; Lev 23,43; Ez 12,15; 20,41.42; 31,16; 32,9.15; 37,13; Ps 119,6; vgl. Ez 39,28); bezeugt sind zudem Kombinationen mit 3 (Gen 39,18) und "Ii1 (Ez 24,13). Gängig sind ferner Konstruktusverbindungen des Typs DVS Inf H mit ePP =i (nur die Beispiele aus Jer: 7,22; 11,4.7; 31,32; 34,13). 60
Auswertung
119
ten. 61 Pleneschreibungen anderer grammatischer Personen kommen jedoch allein im masoretischen Sondergut vor. Beide Male handelt es sich um Formen von pttf in synoptischen Passagen, deren Parallelen die defektive Orthographie benutzen. Pleneschreibungen der Präfixkonjugation von pttf bei nicht-ersten Personen 62 begegnen sonst - von einer Ausnahme abgesehen (Ijob 18,15) - nur in Pausalformen. 63 Nach diesem Beispiel zu schließen, hat das JerMT orthographische Eigenarten der prämasoretischen Ergänzer bewahrt.
Auswertung Die Liste verzeichnet 87 sprachliche Phänomene, die die eingangs genannten Kriterien erfüllen: Sie fehlen im alexandrinischen Text, sind aber in der masoretischen Fassung mindestens zweifach vertreten. Die gesamte Belegzahl beträgt (ohne Id 5.3; s. o.) über 260 (eine exakte Statistik ist nicht möglich, da die Definitionen der Rubriken sich mitunter überlappen; vgl. etwa Id 1.1b = 1.2b; 1.3 und 2.4; 3.2-3 und 3.4 sowie 4.4). Daraus entfallen 39 Positionen mit zusammen 126 Belegen auf exklusive Besonderheiten von JerMT, also auf Erscheinungen, die sonst nirgends im AT begegnen. 64 Nimmt man noch den speziellen Gebrauch der Verbindung n3rr~tI7 als Unterschrift hinzu (Id 4.8), steigen diese Zahlen auf 40 Phänomene mit insgesamt 128 Fällen. Eine gültige Verhältnisbestimmung der masoretischen und der alexandrinischen Textform des Jeremiabuches muss dieses Material integrieren können. Wenn es hier als „prämasoretischer Idiolekt" bezeichnet wird, impliziert der Name zwar ein Urteil über seine textgeschichtliche Aussagekraft, doch soll im Folgenden dieser Standpunkt hintangestellt werden, um die gesammelten Daten unabhängig davon zu prüfen, welche Erklärungen sie erlauben. Der rückübersetzte alexandrinische Text ist im Wesentlichen eine Teilmenge des masoretischen. Alexandrinische Überhänge und qualitative Varianten existieren zwar, bleiben aber an Ausmaß hinter den masoretischen 61
1,5 (Ketib); 3,12; 5,7 (Ketib); 12,14; 13,14; 24,6; 42,10. Für Jer vgl. 46,26; 49,31. 63 Ri 5,17; Jes 57,15; Ps 102,29; 104,12. 64 Vgl. folgende Nummern (mit in Klammern angegebenen Belegzahlen): Id 1.1 (35; dabei ist 1.1b = 1.2b), 1.5 (2), 2.1 (4), 2.5 (2), 3.1 (3), 3.3 (2), 3.5 (2), 3.6 (2), 3.7 (2), 3.9 (2), 4.1 (2), 4.3b (2), 4.5 (2), 4.9 (2), 4.12 (4), 4.13 (2), 4.15b (3), 4.16 (2), 4.17 (2), 4.18 (2), 4.21 (2), 4.22 (2), 4.24 (2), 4.27 (2), 4.28 (2), 4.29 (2), 4.31 (3), 4.34 (2), 4.36 (3), 4.38 (3), 4.39 (2), 4.40 (2), 4.41 (3), 4.42 (5), 4.43 (2), 4.44 (2), 4.46 (2), 6.1 (4), 6.6 (2). 62
120
Der prämasoretische
Idiolekt im Jeremiabuch
Überschüssen weit zurück. Vor einem näheren Blick auf Einzelheiten kommen für diesen Globalbefund drei Typen von Herleitungen in Betracht: (1) Der masoretische Text ist weitgehend durch Expansion aus dem alexandrinischen hervorgegangen. (2) Der alexandrinische Text ist weitgehend durch Kürzung aus dem masoretischen erwachsen. (3) Zwischen diesen Positionen, die das Gros der Veränderungen nur einer Textform zuschreiben, bleibt Raum für ein breites Spektrum von Mischmodellen, die unterschiedlich bemessene, reziproke Grade von Ausweitung im masoretischen und Reduktion im alexandrinischen Textüberlieferungsstrang annehmen. Daneben muss eine Erklärung der Textdifferenzen eine plausible Auskunft über die Triebkräfte der Eingriffe erteilen. Dazu ist zu entscheiden, ob die Maßnahmen (a) auf konzeptionelle Motive rückführbar sind, insofern sie die gezielte Eintragung oder Löschung bestimmter Aussagen betrieben, oder ob sie (b) konzeptionell neutral bzw. aus stilistischen Gründen erfolgten, etwa indem sie — bei der literarischen Eigenart des Jeremiabuches gut denkbar - nach losen Grundsätzen Redundanz hoben oder senkten. Zu konzeptionell neutralem Schwund mussten auch versehentliche Textverluste durch Nachlässigkeiten im Kopiervorgang wie Parablepsen führen. Mit welchen Annahmen ist das Material vereinbar? An den aufgelisteten Wendungen ragen vor allem zwei Merkmale heraus: hohe Anzahl und geringer thematischer Zusammenhalt. Diese Eigenarten sprechen entschieden gegen nachträgliche Kürzungen im alexandrinischen Strang, und zwar gleichgültig ob die Nullvarianten in der hebräischen Überlieferungsphase, beim Übersetzen oder innerhalb der griechischen Texttradition entstanden sein sollten. Hypothesen, die mit unsystematischer Straffung auf der alexandrinischen Seite rechnen, sind unvereinbar mit dem Volumen des prämasoretischen Idiolekts. Die oben genannten Belegzahlen ergeben für das Jeremiabuch und speziell die masoretischen Sonderlesarten einen Wert, der angesichts des Umfangs der betroffenen Textkorpora erstaunlich hoch ausfällt. Es ist unvorstellbar, dass Streichungen, ohne präzisen Plan durchgeführt, rein zufällig eine solche Masse an mehrfach belegten sprachlichen Eigentümlichkeiten beseitigt haben könnten. Und die Erwägung, Bearbeiter hätten die notorische Redundanz der Prosapartien des Jeremiabuches dämpfen wollen, wäre allenfalls auf vereinzelte Positionen der Liste anwendbar wie bestimmte masoretische Gottesepitheta (Id 1.1-3), Einleitungen von Gottesreden (Id 2.1-2), Gottesspruchformeln (Id 2.3-4) oder die Plagentrias (Id 4.42-43) mit ihren typischen barocken Gestalten. Trotzdem wäre so nicht einmal dort der Befund auf alexandrinischer Seite plausibel herzuleiten, denn man müsste den Widerspruch hinnehmen, dass die Bereinigung zwar unsystematisch vorge-
Auswertung
121
gangen wäre, insofern sie von Fall zu Fall unterschiedliche Bestandteile der geprägten Wendungen ausschied, aber gleichwohl im Ergebnis einen bemerkenswerten Grad an Systematik bewies, da keine einzige masoretische Vollform überlebte. Es ist zu bedenken, dass eine mutmaßliche Tilgung immer nur jeweils einen Beleg der aufgeführten Merkmale hätte unangetastet lassen müssen, um die Aufnahme in die obige Liste zu verhindern. Umgekehrt musste ein Ergänzer ein Phänomen, das vor der Gabelung der Texttraditionen im Buch nicht vertreten war, mindestens zwei Mal einfügen, um ein Element des prämasoretischen Idiolekts zu erzeugen. Dazu musste ein Revisor beispielsweise zwei Wortereignisformeln des Typs ¡"PH nrn (Id 2.5) nachtragen (27,1; 36,1); wäre dagegen die alexandrinische Textform sekundär, hätte der Rezensor nur einen Fall übergehen müssen, um den Eindruck zu unterbinden, wir hätten den stilistischen Fingerabdruck eines Bearbeiters vor uns. Oder es mussten zwei Fälle von Trigemination hergestellt werden (Id 6.2), während die Streichung eines Belegs genügt hätte, um die Bewertung als prämasoretischer Idiolekt zu verhüten. Die Beweiskraft steigt mit der Häufigkeit einer gegebenen sprachlichen Erscheinung. So hätte etwa bei dem Gottestitel b x " ] ^ ^n'bx riftOS (Id 1.1) eine straffende Hand aus 35 Fällen nur einen einzigen verschonen müssen, um seine Bewertung als prämasoretischer Idiolekt zu vereiteln. Sekundäre Expansion ist unter solchen Umständen immer um jenen Faktor wahrscheinlicher als Kürzung, der der Belegzahl des betroffenen sprachlichen Phänomens entspricht. Theorien hingegen, die umgekehrt auf systematischer Kürzung beharren, scheitern an der thematischen Inkohärenz des prämasoretischen Idiolekts. Denn eine planvolle Purgation müsste bewirkt haben, dass sich in den ausgeschiedenen Stücken Konzepte oder Sprechweisen häufen, die geeignet waren, bei Lesern Anstoß zu erregen, sodass man Korrekturbedarf empfand. Es gelingt jedoch kaum, das betroffene Vokabular unter gemeinsamen Themen oder Vorstellungskomplexen zu subsumieren. Wenige vage Schwerpunkte verbinden allenfalls eine Handvoll von Nummern, so namentlich besonders üppige Gottesepitheta (Id 1.1-3), spezielle Formen der Markierung von Gottesreden (Id 2), die gehäufte Nennung Jerusalems (Id 3.3; 3.4; 4.11; 4.13; 4.14) oder einige Titel judäischer Würdenträger (Id 3.2-5). Will man nur diese Wendungen gemeinsamen Nennern unterstellen, muss man bereits zu sehr blassen Abstraktionen greifen, während die meisten Rubriken sich solchen Versuchen vollends widersetzen. Zu einem erheblichen Teil handelt es sich um Alltagssprache (z.B. 4.6; 4.8; 4.23-27; 4.30-41; 4.44; 5.1-11; 6.3); manches scheint bloß stilistischen Vorlieben zu entspringen (z. B. Id 4.26; 4.32; 4.34-38; 4.40; 4.42-44; 6.3-5). Die
122
Der prämasoretische
Idiolekt im Jeremiabuch
Disparatheit des Materials veranschaulichen Beispiele wie r n i r P ,~l_n (3.2), das Wortpaar m p n - n n n K (4.1), n p a "IJ? ITH Dttf (4.17), ttfia •"•iJü-i (4.21), T y n i ' ( 4 . 2 6 ) , r n i r r e^k - 1 ?? (4.32), (4.33), •"H?7? XinS (4.35), die Kombination von JJT mit "piX statt (4.37), die Wiederholung von "pKÜ (4.38), D ^ n n a n^ttf-D (4.39), trnttf (4.45), n i n x (5.1), n ' p l (5.4), (5.5), DOi1 (5.6), n n w o (5.7)^ die Figura etymologica mit Partizip (6.4), die Pleneschreibung bestimmter Formen der Präfixkonjugation (6.7) u. a. m. Diese Phänomene haben untereinander nichts gemein. Wer konzeptionell motivierte Bereinigung behauptet, müsste erklären, welche Gründe zur Elimination gerade solcher Elemente bewogen haben sollten. In einem Ausnahmefall ist Vokabular, das technisch dem prämasoretischen Idiolekt angehört, wahrscheinlich durch planvolle Reformulierung verloren gegangen: "ins in Jer 34,18.19 (Id 5.3). Doch für das Belegkorpus insgesamt bleibt dies schlechterdings ausgeschlossen. Es ist daher das Manko aller Kürzungstheorien, dass der Idiolekt des masoretischen Sonderguts weder als Frucht systematischer noch unsystematischer Tilgungen plausibel ist. Hingegen lässt sich dieses Vokabular problemlos auf nachträgliche Erweiterungen in der masoretischen Texttradition zurückfuhren, sofern es gedeutet wird als stilistischer Fingerabdruck einer geringen Zahl von Bearbeitern, die das Jeremiabuch in einer späten Phase der Entstehungsgeschichte des Alten Testaments mit relativ vagen Zielsetzungen retuschierten. Kennzeichnend für ihre Arbeitsweise sind die Gottesepitheta und Gottesspruchformeln, die sie ausgiebig, aber ohne Pedanterie einem bestimmten Stilideal anglichen; offenkundig erkannten sie keinen Zwang, sämtliche geeigneten Ansatzpunkte zur typisch masoretischen Vollgestalt auszubauen. Dass nur eine kleine Zahl von Händen mitgewirkt haben kann, zeigt der Umfang der Liste, denn eine solche Fülle exklusiver Sprachmerkmale ist bloß erklärlich, sofern das masoretische Sondergut einem eng begrenzten Autorenkreis entstammt. Zugleich kann es nicht ganz einheitlich sein, da es zumindest einen eklatanten Widerspruch einschließt: Die in den masoretischen Überhängen beliebte Erwähnung der Babylonier, die auch hier zutage tritt (Id 3.1; 4.11-12), passt nicht zum Gebrauch der Atbasch-Kryptoskripte für dieselbe Größe (Id 6.1). 65 Was die Abfassungszeit angeht, plädiert schon das Fehlen im alexandrinischen Text für ein vorgerücktes Datum, und sprachgeschichtliche Indizien bestätigen das Bild: Der Titel rn!!"P "Hfl (Id 3.2) kehrt sonst nur in Neh wieder; dasselbe gilt für die Substantivierung von DQV (Id 5.6), die über65
Weitere Hinweise auf Mehrschichtigkeit des masoretischen Sonderguts sind zusammengestellt bei STIPP, Sondergut (Anm. 2), 130-132.
Auswertung
123
dies in Qumran auftritt; die enge Junktur von Juda und Jerusalem (Id 4.14) sowie das Substantiv rTD^Ü (Id 5.8) stiegen erst in den jüngsten Schichten des Alten Testaments zur gängigen Münze auf. 66 Die auffallend gegensätzliche Profilstärke auf phraseologischer Ebene einerseits und in konzeptioneller Hinsicht andererseits zeigt an, dass die prämasoretischen Revisoren keine ambitionierte Neuausrichtung des Buches betrieben, sondern sich mit bescheideneren Zielen zufrieden gaben: Es ging um wenig mehr, als die stilistische Uniformität und die Vernetzung des Buches im Innern wie auch innerhalb des werdenden Kanons zu festigen. Dies harmoniert mit Beobachtungen an den Einzeldifferenzen zwischen den Textformen, wo die Modifikationen ebenfalls keine übergreifende redaktionelle Generallinie verraten, sondern bloß in punktueller Weise die jeweiligen engen Kontexte neu akzentuierten. 67 Die textgeschichtliche Priorität der alexandrinischen Textform des Jeremiabuchs wurde hier mit dem Idiolekttest nachgewiesen. Abschließend sei angemerkt, dass dessen Validität durch seine Anwendung auf ähnlich geartete Überlieferungssituationen in anderen biblischen Büchern beglaubigt wird. Denn dort liefert er von Fall zu Fall ganz unterschiedliche Ergebnisse, was bestätigt, dass der Test geeignet ist, Expansion von Straffung zu unterscheiden. So fördert das Verfahren auch im masoretischen Sondergut des Buches Ezechiel einen Idiolekt zutage, der den sekundären Charakter der Überschüsse bezeugt. 68 Dagegen ist in den umfangreichen Passagen des hebräischen Ijobbuches, die in seiner hexaplarischen Textüberlieferung asterisiert sind, kein Idiolekt aufzufinden, obwohl sein eigentümliches Vo66 S . ferner oben Anm. 2 6 zu dem Titel "|BRDN "'S"! ( 3 . 5 ) . Vgl. allerdings auch den neueren Versuch zur linguistischen Datierung des masoretischen Sonderguts von A. D. H O R N K O H L , Ancient Hebrew Periodization and the Language of the Book of Jeremiah. The Case for a Sixth-century Date of Composition (Studies in Semitic Languages and Linguistics 7 2 ) , Leiden 2 0 1 4 , 3 5 6 - 3 6 9 , mit dem Ergebnis: ,,[T]he book of Jeremiah - in both of its editions - must be assigned on the basis of its language to this linguistically transitional period [d. h. das 6. Jh.], the supplementary material having been added near the beginning of the Persian Period or in the early post-exilic period at the latest." (368) Wie mir scheint, sprechen gegen diese Datierung gewichtige Indizien, die auf ein weitaus niedrigeres Alter deuten, nämlich außer den genannten Merkmalen von Spätphasen des biblischen Hebräisch auch jene, die J . J O O S T E N hervorgehoben hat (s. den Beitrag: Zur aktuellen Diskussion um das Verhältnis der Textformen des Jeremiabuches; oben S. 5782, 63 Anm. 22); ferner die Tatsache, dass so späte Texte wie 10,11 und Kap. 24 in den gemeinsamen Bestand eingegangen sind (zu Jer 24 s. den Beitrag: Jeremia 24: Geschichtsbild und historischer Ort, unten S. 3 4 9 - 3 7 8 ) . 67 Vgl. STIPP, Sondergut (Anm. 2 ) , 9 2 - 1 4 4 . 68 S. den Beitrag: Der prämasoretische Idiolekt des Buches Ezechiel und seine Beziehungen zum Jeremiabuch, in diesem Band S. 1 2 7 - 1 4 0 . Wie dort dargelegt wird, weisen die Idiolekte von 3 er MT und V.zMT keine Verwandtschaft auf.
124
Der prämasoretische
Idiolekt im Jeremiabuch
kabular besonders gute Voraussetzungen für einen solchen Test bietet. Wie der Befund untermauert, repräsentiert das kürzere, vorhexaplarische griechische Ijobbuch keine ältere Edition, sondern ist durch Auslassungen aus einem Vorläufer nach Art der masoretischen Ausgabe hervorgegangen. 69
Index zum prämasoretischen Idiolekt des Jeremiabuchs Der Index verknüpft die Stellen, die Elemente des prämasoretischen Idiolekts enthalten, mit den Ordnungsnummern nach dem vorangehenden Verzeichnis. 1,11 1,13 1,18 2,19 3,7 3,8 3,10 4,3 4,5 5,14 7,3 7,4 7,21 8,2 8,3 9,14 10,1 10,7 10,10 10,16 11,8 13,1 14,1 15,16 16,3
4.23 4.23 5.9 1.3 2.4 5.1 5.1 5.1 4.14 4.14 1.2a 1.1a 6.2 1.1a 4.30 2.3 1.1a 2.2 5.8 1.4 5.10 4.20 2.6 2.1 1.2a 1.1a
17,19 18,4 18,6 19,3 19,7 19,15 21,2 21,4 21,9 22,8 22,15 22,18 22,25 22,26 22,28 22,29 22,30 23,6 23,10 23,17 23,19 23,36 25,9 25,11
2.6 4.24 4.24 1.1a 4.14 1.1a 4.47 4.12 4.42 4.3a 4.9 5.1 4.12 4.9 5.12 6.2 4.31 1.5 5.2 6.4 4.21 1.4 3.1 4.2 4.2
25,12 25,14 25,15 25,20 25,25 25,26 25,27 25,29 25,33 27,1 27,2 27,4 27,6 27,7 27,8 27,12 27,13 27,15 27,17 27,18
4.12 4.19 4.3b 2.6 3.7 6.1 6.1 1.1a 2.3 4.16 4.30 2.5 4.22 2.6 1.1a 3.1 4.3b 4.43 4.18 4.6 4.42 6.6 4.18 4.11 4.14 4.15b
69 J. ECKSTEIN, Kurz- oder Langvorlage? Anwendung des Idiolekttests auf die in der griechischen Textüberlieferung asterisierten Passagen des Ijobbuches (ATSAT 98), St. Ottilien 2015.
Index zum prämasoretischen
27,19 27,20
27,21
27,22 28,1 28,2 28,14 28,16 28,17 29,1 29,2
29,4 29,8 29,10 29,11 29,14 29,18 29,20 29,21 29,23 29,25
29,28 29,32 30,8 30,11 30,23 31,14
4.15b 5.9 3.2 3.4 4.11 4.14 1.1a 4.14 4.15b 4.17 4.22 4.25 1.1a 1.1a 4.7 4.25 4.11 3.3 3.4 4.14 1.1a 4.11 1.1a 4.10 4.2 4.1 4.37 4.4 5.2 4.11 1.1a 4.37 1.1a 4.13 5.11 4.4 4.7 4.31 2.3 4.4 4.21 5.5
31,17 31,23 31,40 32,1 32,5 32,14
32,15 32,23 32,28 32,36 32,40 33,5 33,9 33,10 33,12 33,16
33,20 33,21 33,22 33,25 33,26 34,5 34,7 34,8 34,18 34,19 35,13 35,17 35,18 35,19 36,1 36,26 36,28 36,31
Idiolekt des Jeremiabuchs
4.1 1.1a 5.5 6.5 4.17 1.1a 4.10 5.11 1.1a 4.20 4.12 4.27 6.6 4.26 4.47 4.38 4.38 1.5 4.14 4.31 6.7 5.6 3.8 3.8 4.45 5.6 3.8 4.34 4.15a 4.13 5.3 3.3 5.3 1.1a 1.1b 1.2b 1.1a 1.1a 2.5 3.6 4.34 4.19
36,32 37,2 38,2 38,6 38,11 38,17 38,28 39,4 39,6 39,10 39,12 39,13 39,16 40,1 40,3 40,7 40,12 41,1 41,2 41,4 41,6 41,10 41,14 42,15 41,16 41,17 42,15 42,17 42,18 42,22 43,5 43,10
125
3.6 3.9 4.42 4.39 4.39 1.1b 1.2b 6.3 4.46 6.3 3.2 5.7 4.6 5.7 3.5 1.1a 4.14 4.6 5.4 4.5 3.5 4.40 4.40 4.33 6.4 4.41 4.33 4.41 1.1a 4.27 4.33 4.35 4.35 4.35 4.42 1.1a 5.2 4.42 4.4 4.5 1.1a 3.1
126
43,12 43,13 44,1 44,2 44,3 44,7 44,11 44,12 44,19 44,24 44,25 44,26 44,27 46,1 46,10 46,13
Der prämasoretische
1.6 1.6 4.36 4.28 1.1a 4.43 1.1b 1.2b 1.1a 5.2 5.12 4.36 1.1a 4.32 4.32 4.36 2.1 1.3 2.2
46,14 46,25 46,26 46,28 47,1 48,1 48,47 49,5 49,6 49,12 49,26 49,34 50,1 50,2
Idiolekt im Jeremiabuch
4.28 4.44 1.1a 1.6 4.29 4.4 2.1 1.1a 4.8 1.3 2.4 4.29 4.16 2.3 2.1 5.8 2.2 3.9 4.44 5.12
50,18 50,25 50,31 50,39 51,1 51,19 51,33 51,41 51,48 51,64 52,3 52,7 52,12 52,15 52,16 52,31
1.1a 1.3 1.3 2.4 6.7 6.1 5.10 1.1a 6.1 4.45 4.8 4.14 4.26 4.46 6.5 5.4 5.4 5.8
Der prämasoretische Idiolekt des Buches Ezechiel und seine Beziehungen zum Jeremiabuch Manchen alttestamentlichen Büchern eignet die Besonderheit, dass ihre antike griechische Übersetzung (G*) eine insgesamt ältere Entwicklungsstufe bewahrt hat. Hier ist an erster Stelle das Jeremiabuch zu nennen. 1 Das im kanonischen Aufbau benachbarte Buch Ez ist angesichts der Abweichungen seiner griechischen Version ein Kandidat für diese Kategorie, wobei indes sein masoretisches Sondergut einen deutlich geringeren U m f a n g einnimmt. Während die masoretischen Überschüsse bei Jer auf etwa 13-15% des Buches veranschlagt werden, erreichen sie in Ez nur ca. 4 - 5 % , 2 also ein rundes Drittel des Wertes von Jer. Der Anteil steigt leicht an, wenn die größeren Lücken des Papyrus 967 3 (Ez 12,26-28; 32,25-26; 36,23d*-38) mitgezählt werden. 4 Trotz der unterschiedlichen Anteile am Gesamtumfang der Bücher lädt der Befund zu Vergleichen ein. Vorweg sei folgende Sprachregelung eingeführt: Die von G* repräsentierten Ausgaben werden aufgrund ihrer Verbreitung in der ägyptischen Diaspora zum Zweck rascher Unterscheidung
1 Vgl. R. D. WEIS, The Textual Situation in the Book of Jeremiah, in: Y. A. P. Goldman (u. a., Hg.), Söfer mahir (FS A. Schenker; VT.S 110), Leiden 2006, 269-293; R. LIWAK, Vierzig Jahre Forschung zum Jeremiabuch. I. Grundlagen, ThR 76 (2011) 131179, 163-173; sowie den Beitrag: Zur aktuellen Diskussion um das Verhältnis der Textformen des Jeremiabuches, in diesem Band S. 57-82. 2 Vgl. J. LUST, The Ezekiel Text, in: Goldman (u. a., Hg.), Söfer Mahir (Anm. 1), 153-167, 160f. 3 Aktuelle Information bei P. SCHWAGMEIER, Untersuchungen zu Textgeschichte und Entstehung des Ezechielbuches in masoretischer und griechischer Überlieferung. Diss. Zürich 2004, 180-186; I. E. LILLY, Two Books of Ezekiel. Papyrus 967 and the Masoretic Text as Variant Literary Editions (VT.S 150), Leiden 2012. 4 Für deren Priorität plädieren z. B. J. LUST, Ezekiel 36 40 in the Oldest Greek Manuscript, CBQ 43 (1981) 517-533; DERS., Major Divergences between LXX and MT in Ezekiel, in: A. Schenker (Hg.), The Earliest Text of the Hebrew Bible. The Relationship between the Masoretic Text and the Hebrew Base of the Septuagint Reconsidered (SCS 52), Leiden 2003, 83-92 = K. Hauspie (Hg.), Messianism and the Septuagint. Collected Essays (BEThL 178), Leuven 2003, 201-209; SCHWAGMEIER, Untersuchungen (Anm. 3), bes. 313-317.
128
Der prämasoretische
Idiolekt des Buches Ezechiel
mit dem Etikett „alexandrinisch" (AIT) belegt, ohne damit über die tatsächliche Heimat ihrer hebräischen Vorlagen befinden zu wollen. Es sind schon zahlreiche Gründe dafür beigebracht worden, dass die Überhänge von EzMT zumeist späte Nachträge darstellen, die nicht mehr den Weg in die G*-Vorlage fanden. Hier sind aus neuerer Zeit v. a. die Arbeiten von Johan Lust, 5 Emanuel Tov 6 und Peter Schwagmeier 7 hervorzuheben. In Jer wird die textgenetische Priorität der alexandrinischen Edition maßgeblich durch den prämasoretischen Idiolekt erwiesen, ein Repertoire sprachlicher Eigentümlichkeiten, die in der masoretischen Fassung mehrfach belegt sind, aber in der alexandrinischen Version oder gar dem gesamten restlichen Alten Testament fehlen. Diese Phänomene sind mit der Annahme nachträglicher Kürzung nicht vereinbar. 8 Die vorliegende Studie stellt nun Beobachtungen vor, wonach das masoretische Sondergut 9 von Ez ebenso einen distinkten sprachlichen Charakter besitzt, der es vom gemeinsamen Bestand beider Ausgaben abhebt. Zum Nachweis werden wie auch in Jer nur solche Phänomene berücksichtigt, die wiederholt auftreten; so soll sichergestellt werden, dass sie tatsächlich den stilistischen Fingerabdruck jüngerer Hände repräsentieren. 10 Die vorzustellenden Befunde stützen das Urteil, dass alexandrinische Lücken, sofern nicht durch Dittogra5 Vgl. von J. LUST Z. B. die Arbeiten: The Ezekiel Text (Anm. 2); Ezekiel 36-40 (Anm. 4); Major Divergences (Anm. 4); The Use of Textual Witnesses for the Establishment of the Text. The Shorter and Longer Texts of Ezekiel. An Example: Ez 7, in: J. Lust (Hg.), Ezekiel and his Book. Textual and Literary Criticism and their Interrelation (BEThL 74), Leuven 1986, 7-19; Notes to the Septuagint. Ezekiel 1-2, EThL 75 (1999)
5 - 3 1 ; sowie von J. LUST, K. HAUSPIE und A. TERNIER: N o t e s to the Septuagint and the
Masoretic Text: Ezekiel 3, EThL 75 (1999) 315-331; Notes to the Septuagint: Ezekiel 6, EThL 76 (2000) 396-403; Ezekiel 4 and 5 in Hebrew and in Greek: Numbers and Ciphers, EThL 77 (2001) 132-152; Notes to the Septuagint: Ezekiel 7, EThL 77 (2001) 385-394. 6 E. Tov, Recensional Differences between the MT and LXX of Ezekiel, EThL 62 (1986) 89-101. 7 P. SCHWAGMEIER, Untersuchungen (Anm. 3). 8 S. den Beitrag: Der prämasoretische Idiolekt im Jeremiabuch, in diesem Band S. 83-126. 9 „Sondergut" bezeichnet das Gesamt der quantitativen und qualitativen Varianten einer Textform gegenüber einer anderen. „Prämasoretischer Idiolekt" bezeichnet sprachliche Eigenarten (Lexeme, Wortverbindungen und grammatische Konstruktionen) des masoretischen Sonderguts gegenüber dem mit dem alexandrinischen Text gemeinsamen Bestand eines Buches oder gar dem gesamten Rest des Alten Testaments. Auch im Sondergut anderer Texttypen ist mit Idiolekten zu rechnen, doch hier bleiben weitere Forschungen abzuwarten. 10 Aus methodischen Gründen ausgeklammert bleiben deshalb Fälle wie die in Ez singulare Langform 36,28 innerhalb des Überschusses 36,23d*-38 gegenüber dem Papyrus 967; dazu SCHWAGMEIER, Untersuchungen (Anm. 3), 318.
1. Lexeme und Wortformen
129
phie auf masoretischer Seite bedingt," in der Regel eine ältere Textwachstumsstufe konserviert haben. Die weiteren Implikationen dieses Resultats bestehen u. a. in der Tatsache, dass es Vergleiche zwischen den jüngsten Revisionsmaßnahmen in zwei benachbarten großen Prophetenbüchern ermöglicht. Nachstehend werden folgende diakritische Zeichen verwendet: Quantitative Varianten sind durch [eckige Klammern] markiert, die masoretische Überschüsse einrahmen. Qualitative Varianten sind entsprechend der Schreibrichtung durch linksläufige Schrägstriche \ kenntlich gemacht: Rechts vor dem Schrägstrich ist der masoretische Wortlaut verzeichnet; links danach folgt die rückübersetzte alexandrinische Lesart.
1. Lexeme und Wortformen 1.1
r m a t ? (Plural)
Unreinheiten
Der Plural von HNQtO begegnet 2-mal in 36,25.29 innerhalb der Heilsverheißung 36,23d*-38, die im Papyrus 967 fehlt. EzMT kennt 6-mal den Singular, wovon 4 Belege durch EzAIT bestätigt werden (22,15; 24,11; 36,17; 39,24). In 24,13a bietet G anstatt des singularischen Substantivs eine verbale Ausdrucksweise; 1 2 der Fall in 24,13c ist ein masoretischer Überschuss. Daneben finden sich 25 Belege des Singulars und 3-mal in enger Streuung der Plural (Lev 16,16.16.19). 1.2
¡"[KT Furcht
1,18 rtKnxi \ n x T ] 30,13 [ c n a o nx-p
,
nrm]
Die masoretische Fassung von 1,18 wird übereinstimmend als korrupt beurteilt. Rekonstruktionsversuche enthalten jedenfalls nicht das Substantiv ¡IXT, 1 3 das somit als Besonderheit von EzMTausgewiesen ist.
" Dieser Kopistenfehler ist in EzMT recht häufig, wie über die SESB-Suche im Apparat der BHS leicht festzustellen ist; vgl. C. H A R D M E I E R (U. a.), Stuttgarter Elektronische Studienbibel, Version 3.0, Stuttgart - Haarlem 2009. Ein Teil der Dittographien liegt der Abspaltung der alexandrinischen Texttradition allerdings bereits voraus. 12 ctvö' c5v ¿niaivou ai>, in BHS rückübersetzt als rtHK KDCD2. 13 Vgl. z. B. W. ZIMMERLI, Ezechiel. 1. Teilband: Ezechiel 1-24 (BK 13.1), Neukirchen-Vluyn 2 1979, 2.7; K.-F. POHLMANN, Das Buch des Propheten Hesekiel (Ezechiel), Kapitel 1-19 (ATD 22.1), Göttingen 1996, 44.
130
Der prämasoretische
1.3
Idiolekt des Buches
Ezechiel
"IQ (maskulin) bitter
3,14 v i r i n a n a [~IQ] t j S o 27,31 ["IQ 1S0Q t t f s r i Q a Maskuline Formen von "IQ treten in Ez nur in masoretischen Überschüssen auf, während die feminine Form in 27,30 auch durch den alexandrinischen Text bezeugt wird. 1.4
"pO
absperren
28,14 p p i o n nttfQQ] 3 ^ 2 T I X \ P X 28,16 t^N-^nK ^ i n p p p ö n j 31"D In Ez begegnet das Verb nur hier, und zwar beide Male in identischer Form als durch Artikel determiniertes Partizip. 1.5
rn^'^S)
43,11
RRAN
NN^I
(ganzer)
Grundriss
\MJ125
(Kai TT]V uiTOOtaaiv aikou V 3S3) 14 ViOiQl VKSiQI [InJISni] onix i n i n innirr^rn [innia-^si] vnpn_1?| nxi [innia-^ai] [ i ] , , n p n - ' ? 3 - n K i •'ßstsQ \ i r n i s - S o - r i K
nQKri cirrr*?
3hpi
Der Vers enthält sämtliche vier Fälle von m Ti ä Gestalt, Grundriss
in Ez,'
von denen kein einziger von EzAIT gestützt wird. Statt des ersten Belegs r n i l i liest G* Kai öiaypail/eig = rnS"]* bei umgekehrter Abfolge der ersten beiden Konsonantenschriftzeichen. Die alexandrinische Lesart hat die höhere Plausibilität auf ihrer Seite, weil sie die extreme Häufung von Objekten vor dem Verb vermeidet, die MT kennzeichnet. Die nächsten beiden Fälle in Gestalt der Verbindung i m i ^ werden in EzAIT übergangen. Statt des vierten Belegs i r n i ü ' ^ S ' n X liest G* Travta t a öiKaiwiaaia |aou i 15 für •|t2Si£?'Q?3-nK*. Das Substantiv m iT S wurde somit offenbar erst T ' T _
14
Zumeist wird vorausgesetzt, AIT übergehe statt des ersten "irHIS
vielmehr
• P X 3 I N I ; s o z . B . W . ZIMMERLI, E z e c h i e l . 2. T e i l b a n d : E z e c h i e l ' 2 5 ^ 8 ' ( B K Neukirchen-Vluyn
2
13.2),
1 9 7 9 , 1 0 7 3 ; SCHWAGMEIER, U n t e r s u c h u n g e n ( A n m . 3 ) , 1 6 8 . FMÖARA-
aiQ repräsentiert indessen niemals ein Derivat der Basis K13, mehrfach dagegen Ableitungen der Basis und zwar wiederholt solche mit dem Präfix Q: DSD 1 Sam 13,23; 14,4; Ez 26,11; vgl. ferner 2SN Nah 2,8 sowie T S H (?) 1 Sam'13,21. Insbesondere der Ez-Beleg stützt die Annahme, dass der Übersetzer in 43,11 eine Verschreibung antraf, die er auf ein mit D präfigiertes Derivat der Basis bezog. Eine solche Variante ging eher aus VX31I31 hervor als aus i m i S O ) . 15 ZIMMERLI, Ezechiel Bd. 2 (Anm. 14), 1073, und BHS werten G* als Beleg, dass MT "imiS aus m m n * verschrieben sei. öiKaico|ia übersetzt jedoch niemals H~in. In
I. Lexeme und Wortformen
131
durch die prämasoretischen Retuschen in das Buch eingetragen. Sollte r n ä l * wider Erwarten umgekehrt eine Verschreibung aus r n i S darstellen, ist nur die Verbindung m i S ' dem prämasoretischen Idiolekt des Buches zuzurechnen. 1.6
r!TD2ä
(angedeutet)
1,1 7,10
[ H T a a n n x a ] (Ezg 7,3) [ r n s a n n^ar n « a narr]
Jes 28,5 bezeugt ein homophones Lexem mit der Bedeutung Gewinde, Kranz (HAL), die bei diesen masoretischen Überschüssen nicht in Betracht kommt. Beide Male sind ganze Sätze betroffen. 1.7
O^ap (Plural) Messruten
42.16 42.17 42.18 42.19
r n a n napa [rr.ap] n a K \ D i a p nixrrctfran ] i s a n n n * n a n n a n napa [crap] n i x n - t f a n n n a n napa [nrip] n i K a - t f a n
Der Singular nap ist in Ez 18-mal belegt, aber der Plural kommt nur in der masoretischen Fassung von 42,16-19 vor. Weitere je 9 Fälle treten in den Paralleltexten Ex 25,32-36 // 38,18-22 auf. 1.8
l^Hp
Darbringung
20,28 [oaTa-ip o y a Dtpan»]] 40,43 1 6 n a n p n -ifra] n i a n ^ ' n - S o Das Lexem ist in Lev und Num 78-mal belegt, daneben nur in den zitierten Fällen in EzMT. c y " ] Böse (Menschen)', substantiviert
1.9
7,24 | n n T , a - n s ictf-n tria Tixani.] 30,12 [ d t t i ^ p K n - n K " T n s a i ]
EzG* dient es als eines der Standardäquivalente für BECÖÖ; daneben tritt es in 36,27 ein für p h , das hier wegen der Fortsetzung nicht in Betracht kommt. 6
G* fahrt fort: eravcoGev oxeyag xoö KaAuirueaSoa äuö xoö üexoö Kai airö xfjg ¡;r|paai-
ctq, wofür die Computer Assisted Tools for Septuagint Studies die Rückübersetzung vorschlagen: Q i n Q I "lEQp niOD1? H3D ^IJO* (http://ccat.sas.upenn.edu/rak//catss.html; Aufruf am 24.11.2014).
132
Der prämasoretische
Idiolekt des Buches Ezechiel
Das substantivierte Adjektiv JH zur Bezeichnung von Übeltätern begegnet noch 6-mal im AT. 17 Die prämasoretische Rezension von Ez verrät eine Vorliebe für die Lexeme i n und ill?"l; vgl. weiter unten die Wendungen nfc?y - \ m n ü n n (2.9) und nün T n i i u i n (2.12). 1.10
"IXCtf-N (Singular) übrig bleiben
6,12 9,8
rna''T n m a - n s aT m r-iKttfami T TT - : T : • : v s - b s n b a K i f i x "iK^Kii] o n t o n s "'¡Tl
1
L
J
In Ez sind singularische Formen von IXCtf-N auf die masoretische Ausgabe beschränkt, im zweiten Fall in einer forma mixta aus dem Partizip und dem Narrativ der 1. Ps Sg. Die pluralischen Belege werden von AIT bestätigt (17,21; 36,36). Für zwei Sonderfalle sei eigens begründet, warum sie nicht in dieses Verzeichnis aufgenommen wurden. (1) EzMT bietet 217-mal das Gottesepitheton m r P mein Herr JHWH, dem laut J. Ziegler in G* durchgängig allein Kupioc entspricht, bei einer Ausnahme: 21,5 (= EzG 20,49), was nach P. Katz sogar schon zu weit geht. 18 Allerdings besteht hier der begründete Verdacht, dass die verkürzte Wiedergabe übersetzungstechnisch bedingt ist und die Väter von EzG* in ihrer Vorlage den zweigliedrigen Hoheitstitel antrafen. 19 (2) Die beiden Belege von 033 Ez MT 22,21 und 39,28 wurden schon früher als Musterbeispiele eines sprachlichen Sondercharakters von Ez MT und obendrein als Indiz späten Ursprungs angeführt. 20 Es ist jedoch zu beachten, dass dem masoretischen Uberschuss D3riN ,FID331 in 22,21 ein alexandrinischer Überhang Kai ouva^u im vorausgehenden V. 20 entspricht, der auf , Plp3pi* zurückgehen kann. 21 Deshalb bleibt fraglich, ob das Verb erst in der prämasoretischen Phase in das Buch Eingang gefunden hat.
17
Jer 6,29; 15,21; Ijob 35,12; Spr 4,14; 14,19; 15,3. J. ZIEGLER, Ezechiel. Mit einem Nachtrag von D. FRAENKEL (Septuaginta: Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum 16.1), Göttingen 21977, 87. 19 So M. RÖSEL, Adonaj - warum Gott ,Herr' genannt wird (FAT 29), Tübingen 2000, 150f.; LUST, The Ezekiel Text (Anm. 2), 165-167. 20 Z. B. J. LUST, The Final Text and Textual Criticism: Ez 39,28, in: ders. (Hg.), Ezekiel and his Book (Anm. 5), 48-54, 49 Anm. 7; SCHWAGMEIER, Untersuchungen (Anm. 3 ) , 3 3 Anm. 1 7 6 . 21 ouváycj ist Standardäquivalent für D]D; vgl. E. C. DOS SANTOS, An Expanded Hebrew Index for the Hatch-Redpath Concordance to the Septuagint, Jerusalem o. J. [1973], 93. 18
2. Wendungen
133
2. Wendungen 2.1
¡"lürQI
5,15 [ n a n n i 22,20 , n a n 3 ; l
in Zorn und in Grimm 4 kv öpyrj |j.ou
Während die Phrase in EzAlT 5,15 ganz fehlt, ist sie in G* 22,20 in einer Weise teilübersetzt, die kein sicheres Urteil erlaubt, welche der beiden Komponenten in der Vorlage angetroffen wurde. Es reicht jedoch festzustellen, dass in Ez nur MT die Verbindung kennt. Außerhalb des Buches ist sie mehrfach belegt, 22 aber EzAIT bezeugt bloß anders lautende Koordinationen von*]N und HEn (5,13; 7,8; 13,13; 20,8.21; 25,14). 2.2
ni