Studia grammatica I [Fünfte Auflage, Reprint 2021]
 9783112533147, 9783112533130

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DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN A r b e i t s s t e l l e

S t r u k t u r e l l e

G r a m m a t i k

STUDIA GRAMMATICA I

Fünfte Auflage

AKADEMIE-VERLAG 1967

. BERLIN

Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , 108 Berlin, Leipziger StraOe 3—4 Copyright 1962 b y Akademie-Verlag G m b H Lizenznummer: 202 - 100/212/67 Gesamtherstellung: V E B Druckerei „Thomas Müntzer 4 ', 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 2115/1 • ES 7 B 11,20

'

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort Thesen über die theoretischen Grundlagen einer wissenschaftlichen Grammatik Wolfgang Mötsch: Zur Stellung der 'Wortbildung' in einem formalen Sprachmodell Manfred Bierwisch: Über den theoretischen Status des Morphems Wolf di.etrich Härtung: Die Passivtransformationen im Deutschen

VORWORT Mit dem vorliegenden Heft beginnen die Veröffentlichungen der Arbeitsstelle Strukturelle Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Es werden in zwangloser Folge mehrere Hefte jährlich erscheinen, die Einzelarbeiten und Monographien zu theoretischen und praktischen Problemen einer strukturellen Beschreibung der deutschen Sprache enthalten. Die Aufgabenstellung dieser Untersuchungen wird vor allem bestimmt durch den allgemeinen Stand der sprachwissenschaftlichen Forschung. Seit zu Beginn dieses Jahrhunderts, mit besonderem Nachdruck durch de Saussure, der Gesichtspunkt einer konsequent systematischen Beschreibung in die Sprachwissenschaft eingeführt worden ist, sind zahlreiche Neuerungen vor sich gegangen. Es begann die grundsätzliche Analyse und Präzisierung des ganzen verwendeten Begriffs- und Vorstellungsapparates, die in jeder Wissenschaft notwendig ist, die genügend Beobachtungsmaterial angesammelt und gesichtet hat. Aus Einzelbeobachtungen und Teilerkenntnissen wurden die Gesichtspunkte für eine zusammenhängende und widerspruchsfreie Erklärung des Gesamtgebiets freigelegt. Diese Erörterungen der theoretischen Grundlagen, der AufgabensteIlling, des Gegenstandes, des methodischen und begrifflichen Handwerkszeugs der Sprachwissenschaft haben zu wichtigen Erkenntnissen geführt. Die ungerechtfertigte Vorherrschaft der ausschließlich historischen Fragestellung wurde beseitigt, an der Klärung der Methoden der genetischen Sprachuntersuchung und ihrer Stellung im Gesamtzusammenhang wird gearbeitet. Im Laufe dieser grundsätzlichen Untersuchungen wurde zunehmend deutlicher, daß die Beschreibung bestimmter Eigenschaften der Sprache mit den Hilfsmitteln verschiedener Zweige der Mathematik vorzunehmen ist, so der Mengentheorie, der mathematischen Logik und spezieller algebraischer Theorien einerseits, der Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie andererseits. Dabei werden die mathematischen Theorien in der für die besonderen linguistischen Fragestellungen erforderlichen Weise ausgebaut und spezialisiert.

6

Vorwort

Weiterhin wurden die Beziehungen zu Nachbarwissenschaften wie etwa der Informationstheorie, der Phonetik, der formalen Logik oder der Sprachpsychologie untersucht und zum Teil bereits exakt formuliert. Die Erkenntnisse anderer Wissenschaften, so etwa der allgemeinen Zeichentheorie, waren von großer Bedeutung für die Probleme der Sprachwissenschaft. Im letzten Jahrzehnt vollzog sich diese Entwicklung unter zunehmendem Einfluß der Fragen, die sich aus der automatischen Übersetzung und der Theorie der datenverarbeitenden Maschinen ergeben. Dieser Einfluß ist durch seine prinzipiellen Probleme beinahe noch wichtiger als durch seine konkreten Aufgaben. So ist die Sprachwissenschaft auf dem Wege, in wesentlichen Teilen eine exakte Wissenschaft zu werden, die über einen gut definierten, theoretischen Begriffsapparat verfügt, wie dies für andere Wissenschaften seit langem gilt. Diese entscheidende theoretische Entwicklung vollzieht sich in ständiger Wechselwirkung mit den empirischen Fragen der Sprachbeschreibung, der praktischen Anwendung der neuen Gesichtspunkte. Dabei wird nicht nur das schon angesammelte Beobachtungsmaterial aus neuen, größeren, auch theoretisch untersuchten Zusammenhängen einheitlich erklärt, sondern es ergeben sich auch ganz neue Beobachtungen, zahlreiche Einzelerkenntnisse, die durch die neu gewonnenen Gesichtspunkte überhaupt erst sichtbar werden. Viele Einblicke in die Struktur einzelner Sprachen waren nur auf diese Weise zu gewinnen. Gesamtbeschreibungen bereits erforschter wie auch bisher nicht untersuchter Sprachen liegen vor, an denen sich zahlreiche theoretische Erkenntnisse bewährt haben. Diese Entwicklung wird von Wissenschaftlern der verschiedensten Länder vorangetrieben, in der Sowjetunion wie in den Vereinigten Staaten und in vielen andern Ländern. In der deutschen Fachliteratur sind Arbeiten, die diesem Stand der Forschung entsprechen, noch verhältnismäßig selten. Die "Studia Grammatica" verfolgen in dieser Situation zwei Aufgaben« Erstens sollen, der besonderen Aufgabe der Arbeitsstelle entsprechend, Untersuchungen der deutschen Sprache vorgelegt werden, zu einzelnen

Vorwort

7

Spezialfragen ebenso wie zu ganzen Komplexen der Grammatik. Diese Arbeiten stehen im Zusammenhang mit einer Gesamtdarstellung der deutschen Grammatik, an der die Arbeitsgruppe arbeitet. Zweitens sollen die theoretischen und methodologischen Prinzipien diskutiert werden, die den Untersuchungen zugrunde liegen und die im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung und offenen Fragen der Sprachwissenschaft stehen. Der Titel der Reihe ist wörtlich zu nehmen: Es handelt sich bei allen Arbeiten um Studien. Sie werden zur Diskussion gestellt, und die weitere Entwicklung wird zeigen, was in ihnen endgültige Resultate sind und was notwendige Zwischenstufen, Beides scheint für den weiteren Gang der Erkenntnis gleich wichtig. Die Arbeiten des ersten Heftes sind Grundlagen für eine internationale Diskussion über Fragen der strukturellen Grammatik der deutschen Sprache, die vom 16. bis 21. Januar 1962 in Berlin stattgefunden hat.

VORWORT ZUR 2. AUFLAGE Die Neuauflage der v i e r h i e r v e r e i n i g t e n A u f s ä t z e bedarf e i n i g e r Bemerkungen. Entstanden i n den Jahren 1960/61, dokumentieren s i e e i n •bezeichnendes Durchgangsstadium b e i der Herausbildung e i n e r e i n h e i t l i c h e n t h e o r e t i s c h e n Konzeption der Sprachbeschreibung. Die Entwickl u n g , d i e d i e L i n g u i s t i k insgesamt wie auch die Auffassung der Verf a s s e r inzwischen genommen h a t , r e l a t i v i e r t manche der h i e r v o r g e tragenen Gedanken. Das Pestzuhaltende der tJbergangsstufe i s t

dies:

Die Beschreibung n a t ü r l i c h e r Sprachen v e r l a n g t eine e i n h e i t l i c h e

theo-

r e t i s c h e Grundlage mit einem formalen Apparat, innerhalb dessen a l l e Teilprobleme eine systematische Lösung f i n d e n . Nur i n solchen Zusammenhang können B e g r i f f e genügend p r ä z i s i e r t werden. Die Theorie a l s Ganzes muß empirisch ü b e r p r ü f b a r s e i n . Form und Aufbau d i e s e r Theorie im e i n z e l n e n sind keineswegs e n d g ü l t i g : Wichtige Korrekturen waren notwendig, w e i t e r e Veränderungen werden f o l g e n . Zu den e i n z e l n e n Aufsätzen i s t zu bemerken: Das i n den "Thesen" s k i z z i e r t e V e r h ä l t n i s zwischen grammatischen Regeln und Ebenen der Repräs e n t a t i o n i s t m i ß v e r s t ä n d l i c h und bedarf der M o d i f i k a t i o n . Die mit dem B e g r i f f der " i n d i r e k t e n Beziehungen" verbundenen Probleme haben i n z w i schen, wie die gesamte Frage der Bedeutung, i n den Ansätzen zu e i n e r Theorie der Semantik eine angemessenere Behandlung gefunden. Zu a l l dem v g l . S t u d i a Grammatica I I ,

Einleitung.

Die Wortbildung i s t noch immer e i n o f f e n e s Problem, Der v o r l i e g e n d e A u f s a t z - noch weitgehend unter dem E i n f l u ß e i n e r taxonomisehen Auff a s s u n g - macht eher Aufgaben und S c h w i e r i g k e i t e n s i c h t b a r , a l s daß e r schon den Grundriß e i n e r t h e o r e t i s c h e n Bewältigung z e i g t e . Die am B e i s p i e l des Morphems g e z e i g t e n Wege e i n e r Begriffsbestimmung im Rahmen e i n e r e i n h e i t l i c h e n Theorie bedürfen k e i n e s w e s e n t l i c h e n Kommentars, jinderungen ergeben s i c h nur i n k l e i n e r e n D e t a i l s ,

insbe-

sondere b e i der Berücksichtigung der R o l l e s y n t a k t i s c h e r Grundeinheit e n i n e i n e r angemessenen Theorie der Semantik. Die Überlegungen zur Analyse des P a s s i v s im Deutschen sind inzwischen i n etwas ausgedehntere Zusammenhänge eingegangen. ( V g l . auch dazu Studia Grammatica I I . )

THESEN ÜBER DIE THEORETISCHEN GRUNDLAGEN EINER WISSENSCHAFTLICHEN GRAMMATIK 0. VORBEMERKUNGEN 0.1. Die im folgenden dargestellten Grundsätze der Sprachbeschreibung streben die Allgemeingültigkeit ein, die jede Sprachtheorie haben muß. Da sie aber im Hinblick auf eine Beschreibung der deutschen Sprache entwickelt wurden und von entsprechenden Beobachtungen ausgehen« muß damit gerechnet werden, daß bei der Beschreibung von Sprachen mit stark abweichender Struktur für einzelne Definitionen entsprechende Änderungen nötig werden. Diese Änderungen können nur einzelne Teile des entwickelten Modells, nicht die allgemeinen Prinzipien der Theorie betreffen. 0.2. Die Grundsätze wurden entwickelt in Auseinandersetzung mit Arbeiten der internationalen Fachwissenschaft. Sie verdanken diesen Arbeiten viel. Dem Thesenoharakter entsprechend wird jedoch im folgenden auf Zitate und Diskussionen der verschiedenen Auffassungen verzichtet. 1. ALLGEMEINE VORAUSSETZUNGEN DER SPRACHTHEORIE 1.1. Die

B e s c h r e i b u n g

der Sprache hat mit wissen-

schaftlichen Beschreibungen anderer Gegenstände bestimmte Eigenschaften gemeinsam. Sie unterscheidet sich von ihnen durch den Gegenstand und duroh die Besonderheiten, die der Gegenstand bedingt* Folgende Forderungen müssen an jede Wissens9haftliche Beschreibung gestellt werdent Die Beschreibung muß ein System von Sätzen sein, das in sich widerspruchsfrei ist, sie soll den vorgegebenen Gegenstandsbereich vollständig erfassen, sie soll so einfach wie möglich sein, und sie muß mit den Beschreibungen anderer Gegenstandsbereiohe in widerspruchsfreien und möglichst einfaohen Zusammenhang gebracht werden können* Venn die Sätze einer Beschreibung untereinander in logisch deduktivem Zusammenhang stehen, soll die Besohreibung eine

T h e o r i e

heißen. Können alle Sätze einer Theorie abgeleitet werden aus einer begrenzten Anzahl voneinander unabhängiger Sätze, so handelt es sich

10 um eine

T h e s e n a x i o m a t i s i e r t e

Theorie soll streng

f o r m a l

T h e o r i e .

Eine

aufgebaut werden, das heißt

alle ihre Sätze müssen in genau einer Weise auf den Gegenstandsbereich bezogen werden können, so daß alle Eigenschaften und Relationen des Gegenstandsbereichs bestimmten Elementen und Relationen in den Sätzen der Theorie entsprechen. Die Theorie bezieht sich unter dieser Voraussetzung ausschließlich auf die immanente Struktur des Gegenstandes: auf die Teile des Gegenstandes und ihre gegenseitigen Beziehungen. 1.2. Da die Theorie ein einheitliches, deduktiv zusammenhängendes System von Sätzen ist, können die Beobachtungsdaten, die durch sie erklärt werden sollen, den Sätzen und Einheiten der Theorie nicht außerhalb des theoretischen GesamtZusammenhangs zugeordnet werden. Die einzelnen Sätze und Elemente beziehen sich auf den Gegenstandsbereich nur in der durch die Theorie festgelegten Weise. (Ebenso wie der Begriff Neutron eine Einheit der physikalischen Theorie ist und außerhalb ihrer keinen Sinn hat und auf keine Beobachtungsdaten bezogen werden kann, ist der Begriff Kasus eine Einheit der Theorie und hat außerhalb der Theorie keine Beziehung auf die Beobachtungsdaten.) 1.3» Unter diesem Gesichtspunkt gelten alle Beschreibungen, die ohne einheitlichen theoretischen Zusammenhang gemacht werden, als p r ä t h e o r e t i s c h .

Das trifft auch auf Beschreibungen

zu, die aus in sich systematisierten Teilen bestehen, aber keinen logischen Zusammenhang zwischen diesen Teilen herstellen. Die Einheiten und Relationen, die in einer prätheoretischen Beschreibung auftreten, werden meist so konzipiert, daß sie möglichst unabhängig von theoretischen Zusammenhängen mit bestimmten Sinnesdaten verbunden werden können. Die Geschichte der Sprachwissenschaft bietet zahlreiche Beispiele dafür, daß bei einem aolchen Verfahren die Einfachheit und Widerspruchsfreiheit der Gesamtbeschreibung verloren geht zu Gunsten einer scheinbar einfacheren Beziehung zwischen Aussagen der Beschreibung und den Daten des Gegenstandsbereichs.

11

T h e s e b (So etwa, wenn man dem Begriff Substantiv die außertheoretische und scheinbar unmittelbar gegebene Vorstellung Ding oder Substanz zuordnet.) Zwar müssen alle Beobachtungsdaten, die in eine prätheoretische Beschreibung eingehen, auch in einer formalen Theorie ihren Platz haben, jedoch sind die Einheiten und Relationen nicht notwendig mit intuitiven, prätheoretischen Klassifizierungen von Beobachtungsdaten identisch. Sie Aussagen einer formalen Theorie müssen nur als Ganzes auf die Beobachtungsdaten zutreffen und sie so vollständig wie möglich beschreiben.

1.4« Wenn der Gegenstandsbereich einer Theorie nicht eine abgeschlossene llenge von Beobachtungsdaten ist, wenn sich die Beschreibung auch auf Gegenstände bezieht, die noch nicht untersucht worden sind, aber dennoch zum Gegenstandsbereich gehören, so sind die Sätze der Theorie H y p o t h e s e n ,

die mit bestimmter Wahrscheinlichkeit auf den

ganzen unbegrenzten Gegenstandsbereich zutreffen. Eine solche Theorie ist eine

p r o g n o s t i s c h e

oder

p r ä d i k t i v e

Theorie. Wie alle Beschreibungen, die von empirisohen Wissenschaften aufgestellt werden, ist auch die Beschreibung einer Sprache, weil sie einen nicht abgeschlossenen Gegenstandsbereich hat, eine prädiktive Theorie. Eine prädiktive Theorie einer bestimmten Sprache heiBt matik

Gram-

dieser Sprache.

(Grammatik hat hier also nicht die engere Bedeutving eines herausgegriffenen Teils einer Beschreibung der Sprache, der sioh mit Flexion und Satzbau beschäftigt und anderen Teilen der Sprachbeschreibung gegenübergestellt wird.) 1.5« Die Prozeduren, die zur Aufstellung einer Theorie führen, gehen in die Theorie selbst nicht ein. Kur die Feststellungen, die Resultate der Untersuchungsprozeduren sind, können Gegenstand einer formalen Theorie sein, nicht die Prozeduren. Die Untersuchungsprozeduren sollen so weit wie möglich objektiviert, das heißt intersubjektiv kontrollierbar gemacht werden, dooh müssen

T h e s e n

12

sie Intuition nicht ausschließen. Nicht die Art, in der die Sätze der Theorie aufgestellt werden, sondern ihre Verifizierbarkeit entscheidet darüber, ob sie als bestätigte, unbestätigte oder widerlegte Hypothesen anzusehen sind. Die Verifizierung verlangt über die allgemeinen, für alle Theorien geltenden Bedingungen hinaus bei der Aufstellung von Grammatiken zusätzliche Festlegungen. Es muß angegeben werden, unter welchen Gesichtspunkten die Verifizierung vorgenommen werden soll, da nicht von allen Voraussagen, die aus der Theorie abgeleitet werden können, in gleicher Weise gesagt werden kann, daß sie richtig oder falsch sind. Wenn die Theorie einen Satz zuläßt wie "er autot geschickt", so ist sie offenbar in anderer Weise falsch, als wenn sie den Satz "die Spiegels sind neu" zuläßt. Die verschiedenen Arten von Richtigkeit oder Falschheit müssen durch entsprechende Zusatzbedingungen auf einen einheitlichen Verifikationstest zurückgeführt werden, das heißt es muß geprüft werden, ob die Voraussagen vom Sprecher der Sprache akzeptiert werden oder nicht. 2. GEGENSTANDSBEREICH DER GRAMMATIK 2.1. Unter einer

S p r a c h e

wird eine nicht begrenzte Menge

von Ausdrücken mit bestimmten Eigenschaften verstanden. Diese Eigenschaften werden als gegeben vorausgesetzt und von der Grammatik beschrieben. Ein

A u s

d r u c k

ist ein Komplex von akustischen oder graphi-

schen Sinnesdaten, die untereinander in bestimmten Beziehungen stehen. Diese Beziehungen werden im folgenden h u n g e n

d i r e k t e

B e z i e -

genannt« Die direkten Beziehungen sind also die Be-

ziehungen, die die Teile der Ausdrucke untereinander haben. Ein Ausdruck kann Teil eines anderen sein. Die Abgrenzung der Ausdrücke gegeneinander wird zunächst als gegebene Erfahrungstatsache betrachtet, von der Theorie aber genau definiert. 2.2. Wenn die Ausdrücke einer Sprach« zur Kommunikation verwendet werden, sind sie Sachverhalten und Gegenständen zugeordnet("sie bezeichnen die Sachverhalte und Gegenstände"). Die Menge der in der

Thesen

13

Kommunikation verwendeten Ausdrücke einer Sprache zerfällt dabei in Teilmengen, die sich jeweils auf verschiedene Gegenstandsbereiche •beziehen. Diese Teilmengen müssen nicht notwendig disjunkt sein, das heißt ein Ausdruck kann gleichzeitig zu verschiedenen Teilmengen gehören. Solche Teilmengen sind zum Beispiel die Beschreitungen, die die verschiedenen Wissenschaften herstellen, aber auch der Gesamtbereich des alltäglichen Gesprächs usw. Die Einteilung dieser Teilmengen verlangt zusätzliche Gesichtspunkte. Pü" die Grundsätze der Sprachbeschreibung ist nur wichtig, daß jeder Ausdruck, der in der Kommunikation verwendet wird, mindestens einer solchen Teilmenge angehört. Die Ausdrücke, die einer Teilmenge angehören, die sich auf einen bestimmten Gegenstandsbereich bezieht, nennen wir

A u s s a g e n

(der Terminus umfaßt dabei auch Fragen, Aufforderungen usw.), für eine Menge von Aussagen, die sich auf den gleichen Gegenstandsbereich beziehen, verwenden wir das Symbol S(G), für die Gesamtmenge der Ausdrücke ohne Berücksichtigung ihrer Zugehörigkeit zu einer Menge S(G) verwenden wir das Symbol S(A). Wenn man annimmt, daß jeder Ausdruck einer Sprache Element eines S(G) sein muß, daß also jeder Ausdruck einer Sprache als Aussage fungiert, kann S(A) sowohl als eine Menge von Ausdrücken wie auch als eine Menge von Aussagen aufgefaßt werden, wobei jedoch die Annahme unbegrenzt langer Ausdrücke in S(A) ausgeschlossen ist (unbegrenzt lange Ausdrücke können nicht in der Kommunikation auftreten). 2.3. Jeder Ausdruck bezieht sich als Aussage in bestimmter Weise auf einen Gegenstandsbereich. Die Art und Weise dieser Beziehung ist festgelegt durch das S(G), ZU dem die Aussage gehört. Kraft dieser Beziehung auf einen Gegenstandsbereich bestehen zwischen je zwei Ausdrücken bestimmte Beziehungen, die im folgenden z i e h u n g e n

i n d i r e k t e

Be-

genannt werden. Bei den indirekten Beziehungen

handelt es sich um Äquivalenz und verschiedene Arten von Nichtäquivalenz von Ausdrücken. Da ein Ausdruck in mehreren S(G) als Aussage fungieren kann, hängen seine indirekten Beziehungen zu anderen Ausdrücken nicht nur von d«n

T h e s e n

14

Ausdrücken ah, sondern auch von ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten S(G). Das Gebiet der indirekten Beziehungen zwischen den Ausdrücken ist das Gebiet der

S e m a n t

ik.

Die Beziehung, die eine Aus-

sage auf einen bestimmten Gegenstand oder Sachverhalt hat, ist eine R e f e r e n z - B e

Z i e h u n g .

Ein zu einem bestimmten S(G)

gehöriger Ausdruck kann mehrere verschiedene Referenz-Beziehungen eingehen, wenn er in diesem S(G) mehrmals als Aussage verwendet wird. Die

B e d e u t u n g

eines Ausdrucks ist die Klasse der Refe-

renz-Beziehtaigen dieses Ausdrucks in allen S(G), in denen er als Aussage auftritt, wobei die verschiedenen Ausdrücken zugeordneten Klassen gemeinsame Elemente enthalten oder elementfremd sind. Die indirekten Beziehungen zwischen Ausdrücken sind Beziehungen zwischen Klassen, die indirekten Beziehungen zwischen Aussagen ergeben sich aus der Identität oder Nichtidentität ihrer Referenzbeziehungen, Identität der Referenzbeziehungen kann auch bei verschiedenen Ausdrücken bestehen. (Das Verhältnis von Klasse und Element ist als Verhältnis von Invariante und Variante, von potentieller und aktueller Bedeutung beschrieben worden). Unter diesen Voraussetzungen gilt: Semantik im logischen Sinne untersucht indirekte Beziehungen zwischen Aussagen, Semantik im linguistischen Sinne befaßt sich mit Bedeutungen von Ausdrücken, wobei die

B e d e u t u n g e n

als

indirekte Beziehungen zwischen Ausdrücken von S(A), ohne Bezug auf die einzelnen S(G) untersucht werden. Feststellungen über die indirekten Beziehungen zwischen Ausdrücken (im Sinne der linguistischen Semantik) werden jedoch an Ausdrücken gemacht, die in der Kommunikation verwendet werden und damit einem bestimmten S(G) angehören. Nicht alle Ausdrücke von S(A) kommen in allen S(G) vor. Demzufolge kommen auch nicht alle indirekten Beziehtingen zwischen Ausdrücken in allen S(G) vor. Das Auftreten einiger indirekter Beziehungen in bestimmten S(G) ist mittelbar oder unmittelbar vom jeweiligen Gegenstandsbereich bestimmto 2.4. Der Gegenstandsbereich der Grammatik läßt sich unter diesen Voraussetziingen folgendermaßen definieren: Die Theorie einer Sprache beschreibt alle direkten Beziehungen, die innerhalb der Ausdrücke

T h e s e n

15

"bestehen. Die indirekten Beziehungen beschreibt sie, soweit sie von den direkten Beziehungen abhängen und nicht von den Gegenstandsbereichen, auf die sich die Ausdrücke als Elemente bestimmter S(G) beziehen. Die Abgrenzung des Gegenstandsbereichs hinsichtlich der indirekten Beziehungen wird wiederum zunächst als gegebene Erfahrungstatsache betrachtet, innerhalb der Theorie aber genau definiert (vgl. Abschnitt 5 und 6). Die Abgrenzung ist nötig, weil sonst die Grammatik alle Relationen mitbeschreiben müßte, die durch die verschiedenen Gegenstandsbereiche bedingt sind und eine prinzipiell unabgeschlossene Theorie bleiben müßte. Für die theoretische Definition der Abgrenzung bestehen mehrere Möglichkeiten, die unten verglichen werden. 2.5. Die Gesamtheit der indirekten und direkten Beziehungen innerhalb und zwisc.hen Ausdrücken kann auch aufgefaßt werden als die Bedingungen, von denen das

S p r a c h v e r h a l t e n

der Sprecher, das heißt

Sprechen und Verstehen von Ausdrücken, abhängt. Diese Bedingungen des Sprachverhaltens sind dann einzuteilen in

s p r a c h e x t e r n e

Bedingungen, das sind solche, die nur von den Gegenstandsbereichen abhängen, auf die sich die verschiedenen S(G) beziehen, und s p r a c h i n t e r n e

Bedingungen, das sind solche, die von den

Gegenstandsbereichen unabhängig sind. Die Grenze zwischen beiden entspricht der in 2.4» erörterten. Eine Grammatik kann damit auch interpretiert werden als eine Theorie der sprachinternen Bedingungen des Sprachverhaltens. 5. GRAMMATIK UND SPRACHTHEORIE 5.1. Aus theoretischen Gründen ist vorauszusetzen, daß jedes S(A) eine unbegrenzte Menge von Ausdrücken, und zwar beliebig viele verschiedene, enthalten kann. Als Erfahrungstatsache gilt, daß verschiedene S(A) existieren. Es kann soviele Grammatiken geben, wie verschiedene S(A) vorhanden sind. Die Abgrenzung der einzelnen S(A) voneinander ist zunächst als gegebene Erfahrungstatsache zu betrachten und wird dann durch die einzelnen Grammatiken genau definiert, da jede Grammatik eine Definition der

16

T h e s e n

in S(A) möglichen Ausdrücke ist. 3.2. Nach der Annahme von 2,2. zerfällt jedes S(A) in verschiedene S(G). Die Gegenstandsbereiche zweier S(G), die zu verschiedenen S(A) gehören, können identisch sein, da die Gesichtspunkte für die Zerlegung in verschiedene S(G) für zwei verschiedene S(A) gleich sein können. Daraus ergehen sich folgende Definitionen: Die Vereinigung aller S(A) ergibt, wenn auch die formalen Sprachen der Wissenschaften einbezogen werden, eine Menge, die der Vereinigung aller S(G) in allen Sprachen äquivalent ist. Diese Gesamtmenge aller in der Kommunikation verwendeten Ausdrücke kann dann unter zwei Gesichtspunkten zerlegt werden: Die Zerlegung in verschiedene S(A) wird definiert durch die Grammatiken der einzelnen Sprachen; die Zerlegung der Aussagenmenge in verschiedene S(G)' ergibt sich aus den Natur- und Sozialwissenschaften, wobei z.B. die Alltagssprache nach sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten zu unterteilen wäre, ohne daß ihre Aussagen darum Aussagen der Sozialwissenschaften sind. Bin einzelnes S(G)' kann Ausdrücke aus verschiedenen S(A) enthalten» 3.3. Die verschiedenen S(A) haben mehr oder weniger gemeinsame Eigenschaften, das heißt, ihre Grammatiken enthalten bestimmte gemeinsame Einheiten und Relationen. Die wissenschaftliche Beschreibung der allen Sprachen gemeinsamen Eigenschaften (die Theorie der in allen Grammatiken auftretenden Elemente) ist die

S p r a c h t h e o r i e

.

Eine formale Theorie der gemeinsamen Eigenschaften aller Grammatiken werden wir

G r a m m a t i k m o d e l l

malisierten

Aussagen, die die Sprachtheorie für ihre Pormalisierung

verlangt, fassen wir zusammen als

nennen. Alle nicht for-

M e t a s p r a c h e

der

Sprachtheorie. Die Metasprache besteht damit -aus Begründungen und Erläuterungen des Modells. 3.4- In 4« wird ein Modell für die Darstellung der direkten Beziehungen entwickelt. Es hat folgende allgemeine Eigenschaften: 3.41« Eine Grammatik hat mehrere

E b e n e n ,

Jeder Ausdruck

einer Sprache kann auf jeder Ebene repräsentiert werden. Die R e p r ä s e n t a t i o n

eines Ausdrucks auf allen Ebenen ergibt

eise vollständige Beschreibung aller seiner direkten Beziehungen.

T h e s e n 3.42. Auf jeder Ebene treten bestimmte

17 E i n h e i t e n

auf,

die durch die Zugehörigkeit zu einer Ebene und die Relationen innerhalb dieser Ebene definiert sind. 3„43. Jede Ebene kann auf die anderen Ebenen so

a b g e b i l d e t

werd&n, daß einer Einheit oder einem Komplex von Einheiten genau eine Einheit oder ein Komplex von Einheiten der anderen Ebene entspricht» Es kann also eine Ebene als Punktion einer anderen Ebene aufgefaßt werden, wenn die Punktionsbeziehung zwischen ihnen definiert ist. Diese Beziehungen hat jede Grammatik für die zu beschreibende Sprache, zu definieren, 3.44« Die einzelnen Ebenen sind

h i e r a r c h i s

ch

geordnet;

es gibt eine oberste Ebene, deren Einheiten bei der Abbildung auf die anderen Ebenen in mehrere Einheiten zerfallen können, und eine unterste Ebene, deren Einheiten auf keiner Ebene durch Komplexe kleinerer Einheiten abgebildet werden können. 3.45. Die Punktionen, die die Abbildung einer Ebene auf eine andere definieren, können als

R e g e l n

aufgefaßt werden, nach denen

eine Ebene aus einer anderen hervorgeht. Jede Ebene kann dann beschrieben werden entweder durch die Repräsentation, die jeder mögliche Ausdruck auf ihr findet, oder durch die Regeln, durch die sie aus anderen Ebenen abgeleitet wird. 3.46« ¥erden die Regeln gemäß der Hierarchie der Ebenen geordnet, so ergeben sie ein Ableitungssystem, das aus dem Definiendum der Grammatik, 'Ausdruck in S(A)',.alle Komplexe von Einheiten der untersten Ebene ableitet. Diese Komplexe der untersten Ebene können dann in dem in 1.5* beschriebenen Sinn verifiziert werden. Eine Grammatik kann aber auch so formuliert werden, daß die Regeln in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen werden. In jedem Fall kann das durch die in 3«4« angegebenen Bedingungen gekennzeichnete Modell als ein Axiomensystem aufgefaßt werden, aus dem die direkten Beziehungen aller Ausdrücke von S ( A ) abgeleitet werden können. 3*5» Die indirekten Beziehungen können nach verschiedenen Modellen beschrieben werden, je nach dem Gesichtspunkt, der die Beschreibung bestimmt.

18

Thesen

(1) Die indirekten Beziehungen werden in einem in sich geschlossenen Zusammenhang 'beschrieben. Diese Beschreibung kann als Ganzes auf die Beschreibung der direkten Beziehungen abgebildet werden. (2) Die indirekten Beziehungen werden nur teilweise (in den in 2 . 4 . und 2.5. angegebenen Grenzen) beschrieben. Die Beschreibung kann dann in das axiomatische Modell (vgl. 3.4.) für die direkten Beziehungen aufgenommen werden. Das Modell beschreibt damit nicht mehr ausschließlich die direkten Beziehungen. Entsprechende Prinzipien werden in den Abschnitten 5« und 6. dargestellt. 4. MODELL FÜR DIE BESCHREIBUNG DER DIREKTEN BEZIEHUNGEN 4.0. Die einzelnen Ebenen werden in der hierarchischen Ordnung von oben nach unten dargestellt. Für jede Ebene wird angegeben, in welcher Form die Ausdrücke von S(A) auf ihr repräsentiert werden, durch welche Regeln diese Repräsentation abgeleitet wird und welche Einheiten in ihr auftreten. 4.1. Satzstrukturebene 1 Innerhalb der ebene

gibt es mehrere

S a t z s t r u k t u r -

A b l e i t u n g s s t u f e n .

Ihre

Zahl kann in verschiedenen Sprachen verschieden sein. Jeder Ausdruck wird auf allen Stufen repräsentiert, an denen er teilhat. Er hat daher auf der Satzstrukturebene eine Reihe von Repräsentationen, die entweder in einem zweidimensionalen Diagramm (Stemma, branching-diagram) zusammengefaßt werden können oder mittels einer entsprechenden Indizierung in einer linearen Repräsentation ineinander abgebildet werden. Die verschiedenen Stufen sind zu einer Ebene zusammenzufassen, weil auf allen Stufen Einheiten der gleichen Art auftreten und die einzelnen Einheiten nicht bestimmten nacheinanderfolgenden Stufen zugeordnet werden können. Eine Einheit (z.B. •Verbalphrase') kann auf der obersten Stufe auftreten

und

auf Stufen, die solchen Einheiten nachge-

ordnet sind, die auf der obersten Stufe nie vorkommen können (vgl. Verben in Relativsätzen). •Ausdruck in S(A)' wird für die Theorie vorausgesetzt und bildet den Ausgangspunkt der Deduktionen der Satzstrukturebene. Die unterste Stufe der Satzstrukturebene bilden die Morphemklassen.

T h e s e n

19

Die Regeln, durch die die Einheiten und Relationen bei der Repräsentation der Ausdrücke auf dieser Ebene abgeleitet werden, sind die F o r m a t i o n s r e g e l n .

Durch sie kann bei der Ableitung

jeweils eine Einheit durch mindestens zwei Einheiten der nächsten Stufe ersetzt werden. Diese Regeln bilden eine Stufe auf eine andere Stufe der gleichen Ebene ab, entsprechen also einer Abbildung der Ebene in sich selbst. Die Einheiten der Ebene sind M o r p h e m k l a s s e n ,

K o n s t r u k t i o n e n

und

Konstruktionen sind Einheiten, die

bei der Ableitung in mindestens zwei aufeinanderfolgende Einheiten der gleichen Ebene aufgelöst werden können» Morphemklassen sind Einheiten, die nicht in aufeinanderfolgende Einheiten aufgelöst werden können, sondern bei der weiteren Ableitung' nur durch

e i n

Element der nächsten Ebene ersetzt werden können.

Beispiele: Konstruktionen: Satz, NP, VP, St A , St^; Morphemklassen: D, S, p, V, Ps, Präf^, Präf^, Suf^; (Erklärung der Symbole: NP

s

Nominalphrase mit Kasusindex 0 bis 3

VP

8

Verbalphrase

D

=

Artikel

S

=

Substantiv

V

=

Verbum

Ps

=

Personalkategorien mit Index für Person und Numerus

P

=

Plural

=

adjektivischer Stamm

St

A

st v Präf. A Suf, A + X—>Y (

S

verbaler Stamm

8

Adjektivpräfix

SS

Adjektiveuffix

8

syntaktische Verkettung

=

ersetze X durch Y

) in Regeln = potentielle Anwesenheit)

20

T h e s e n

Repräs entat ionen: Satz HP HP D

o o

+

+

TP

+

Verl) S

+

+

p

NP. 1 + Ps

+

S

st A

+ +

st A

Präf A Präf A

+

Präf v

Präf A

St v

H+

Suf. A + V +

Suf. A

oder ((D+S+p)jjp o

((Ps+V)7erb

+

(3+S)

+

) 1

)

(Die Kinder singen ein Lied) (PräfA + ( ( P r ä f v + V ) s t + S u f A ) V

) A

A

(unzerreißbar) Regeln: Satz NP

> NP — >

D

+

TP

Stx — *

+

S(+p)

Stx — S t

VP

s- Verl)

Verb

> Ps

+

+

NP 1

Sty — >

V

Präfj y

X

+

St x

+

Suf x

+

Suf y

Mit X und Y für beliebige V, A, S.

4.2. Morphemebenes Auf der

M o r p h e m e b e n e

wird jeder

Ausdruck durch eine Sequenz verketteter Morpheme repräsentiert. Die Regeln, durch die die Einheiten dieser Ebene aus der übergeordneten abgeleitet werden, sind die

B e l e g u n g s r e g e l n .

Sie ersetzen eine Morphemklasse durch ein Element aus einer Liste. Es kann Listen mit nur einem Element geben. Sie entsprechen einelementigen Morphemklassen (z.B. p = Plural). M o r p h e m e

sind Elemente, die Morphemklassen ersetzen. Dies

ist keine Zirkeldefinition, weil 'Morphemklasse' durch die Satzstruk-

T h e s e n

21

turebene rein syntaktisch definiert ist. Die Frage, oh Morpheme kleinste Bedeutungseinheiten sind, wird von dieser Definition gar nicht berührt. Beispieles Morpheme:

der, ein, p,

kind, lied, sing, reiß, zer, un,

bar ..o Repräsentation: der un

+

kind

+

zer

+ +

p

Ps

+

reiß

+

jp

+

sing

+

ein

+

lied

bar

Regeln: der, ein

D

^

s

— >

kind, lied ...

V

— *

sing, reiß ..

Präfv

Suf, A

;>

zer, ver, be lieh, ig, bar

4.21. Wortebene: Auf der

W o r t e b e n e

wird jeder Ausdruck

durch eine Sequenz verketteter Worte repräsentiert. Sie ist der , Morphemebene hierarchisch nicht vor- oder nachgeordnet, sondern nebengeordhet. Sie wird abgeleitet, indem bestimmte Morpheme oder Morphemklassen als Wurzeln, andere als Präfixe und Suffixe klassifiziert und von dieser Definition abhängige Wortgrenzen durch entsprechende Regeln eingeführt werden. W o r t e

sind Sequenzen von Morphemen (oder Morphemklassen), die

zwischen Wortgrenzen stehen. Auch diese Definition ist rein syntaktisch und nimmt weder auf Bedeutungseinheiten noch auf kleinste freie Formen Bezug. Wird die Wortebene auf die (unteren) Stufen der Satzstrukturebene abgebildet, so ergibt sich die interne Wortstruktur, die einen großen Teil der Wortbildung erfaßt.

22

T h e s e n

Beispiele: Worte:

/kind + p/, /un + zer + reiß + bar/, /sing +

oder:

/W+Suf/, /Präf + Präf + V + Suf/, /? +

P s ^

Repräs entat ionen: /der/kind+p/Ps^p+V/ein/lied/. 4.22. Die Formations- und Belegungsregeln leiten Sequenzen von Morphemen ab, zwischen denen bestimmte, durch die Satzstrukturebene definierte Beziehungen bestehen. Diesen Beziehungen entsprechen auf der nächsten Ebene Reihenfolgebeziehungen zwischen Morphemen und Morphemkomplexen. Sofern die abgeleitete Reihenfolge der Morpheme oder Worte diesen Reihenfolgebeziehungen noch nicht entspricht, müssen bestimmte

M o r p h e m -

und

W o r t o r d n u n g s r e g e l n

aufgestellt werden, die die Abbildung der Morphem- und Wortebene auf die Phonemebene ermöglichen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ergibt sich auch für die Morphem- und Wortebene eine doppelte Repräsentation: eine, die die hierarchische Ordnung der Elemente, und eine, die die Reihenfolge der Elemente auf der Phonemebene darstellt. Ferner sind bestimmte Ordnungsregeln nötig, um die Abhängigkeit zwischen getrennten Einheiten - Kongruenz u.ä. - zu definieren. So muß aus /der/Kind + p/ durch Kongruenzregel /die/kind + p/ abgeleitet werden. Neue Einheiten werden durch die Ordnungsregeln nicht eingeführt, deshalb konstituieren sie keine eigene Ebene. 4.3. Phonemebene: Auf der

P h o n e m e b e n e

wird jeder Aus-

druck durch eine Phonemsequenz repräsentiert. Die Regeln, durch die die Einheiten dieser Ebene aus der übergeordneten abgeleitet werden, sind die R e g e l n .

m o r p h o p h o n e m i s c h e n

Sie überführen ein Morphem oder einen Morphemkomplex

in eine Phonemkette. In der Darstellung kann die Grammatik so vereinfacht werden, daß man schon die Einheiten der Morphemebene so weit wie möglich als Phonemketten schreibt. Morphophonemische Regeln sind dann nur noch für Fälle ¿lötig, in denen eine solche Darstellung nicht möglich ist.

T h e s e n P h o n e m e

23

sind lineare Einheiten, auf die die Unterscheidungen

zwischen den verschiedenen Morphemen oder Morphemkomplexen so abgebildet werden können, daß die Zahl und Art der Distinktionen eindeutig auf die akustischen Sinnesdaten abgebildet werden können. (Entsprechendes gilt für die Grapheme und ihre Abbildbarkeit auf graphische Sinnesdaten.) Beispiele s Phoneme s

p

t

k

b

d

g

a a s

ees

'*

Repräsentation:

/di:/k'inder/z'ii)en/ain/l' i:d/

Regeins

sing

+

prät

s» zsx)

haus

+

p

> hoizer

PS

3P

~~ 3 "

usw.

en

4.31« Silbenebene: Der Phonemebene kann eine besondere Silbenebene hierarchisch nebengeordnet sein. 4.32. Die Einheiten, die durch Morphem- und Phonemebene gleichzeitig definiert sind, die also zwei Ebenen angehören tand bei denen Morphemund Phonemgrenzen bei der Aufeinanderabbildun^ der beiden Ebenen zusammenfallen, sind die

M i n i m a l z e i c h e n

(oder Moneme).

Da die morphophonemischen Regeln die Abbildung der Morphemebene auf die Phonemebene definieren, verbinden sie beide Ebenen eines Minimalzeichens miteinander. 4.33. Entsprechend sind Einheiten, die zugleich durch Wort- und Silbenebene definiert sind, für die also Wort- und Silbengrenzen zusammenfallen bei der Abbildung der Wortebene auf die Silbenebene, Einheiten mit zwei Ebenen. Sie können als W o r t

p h o n o l o g i s c h e s

bezeichnet werden. Sie erlauben es, z.B. eine Form wie

/unterm/, die auf der Wortebene als zwei Wörter repräsentiert werden muß, als ein phonologisches Wort zu repräsentieren, da zwischen /unter/ und /m/ keine Silbengrenze liegto 4.4» Phonemmerkmalebenes Auf der

P h o n e m m e r k m a l e b e n e

wird jeder Ausdruck durch eine Sequenz von (simultanen) Merkmalkomplexen repräsentiert. Die linearen Verhältnisse sind dabei denen der Phonemebene völlig isomorphs es treten gleich viel unterschiedene Komplexe in gleichen Beziehungen auf wie auf der Phonemebene. Die

T h e s e n

24

Ebene repräsentiert über die Phonemebene hinaus die zwischen den Phonemen bestehenden Relationen hinsichtlich ihrer Beziehungen auf die Schallereignisse, sie gibt also eine vollständigere und einfachere Beschreibung der Daten, auf die die Theorie sich bezieht. Die Regeln, die Phonemmerkmale ableiten, können entweder statt der morphophonemischen Regeln eintreten (dann wird ein Morphem nicht durch ein Phonem oder eine Phonemkette ersetzt, sondern durch eine Kette von Phonemmerkmalen), oder sie sind den morphophonemischen Regeln nachgeordnet (dann werden die schon abgeleiteten Phoneme durch Komplexe von Phonemmerkmalen ersetzt). P h o n e m m e r k m a l e

sind lineare Einheiten, die in simul-

tanen Komplexen Morpheme oder Morphemkomplexe so voneinander unterscheiden, daß jede Unterscheidung genau einer auf die akustischen Ereignisse abbildbaren Einheit entspricht. Sie können durch eine Matrix von binären Entscheidungen definiert werden. Beispiele: Phonemmerkmales

'konsonantisch', 'vokalisch', 'nasal', 'labial' ...

Repräsentation: m a n kons.

+ - +

vok.

+ + +

nasal

+ o +

labial

+ o -

...

...

5. INDIREKTE BEZIEHUNGEN, GRAMMATIK, LEXIKOLOGIE 5.1. Das in Abschnitt 4 dargestellte Modell beschreibt eine Grammatik, die so konstruiert werden kann, daß alle direkten Beziehungen aller in S(A) möglichen Ausdrücke vorausgesagt werden können, oder, bei entsprechender Interpretation des Modells, daß alle Ausdrücke von S(A) aus der Grammatik abgeleitet werden können. Vergleichbar sind die abgeleiteten Ausdrücke miteinander auf der Basis akustischer (oder graphischer) Sinnesdaten. Man kann das Modell daher auch so interpretieren, daß es die indirekten Beziehungen zwischen

Thesen

25

allen einzelnen Ausdrücken in S(A) auf der Basis akustischer Daten definiert. Indirekte Beziehungen zwischen Ausdrücken im Sinne -von 2.3. werden durch das Modell nicht •beschrieben. 5.2. Die Beschreibung der indirekten Beziehungen hat nur eine Ebene. Verschiedene Ebenen hat sie nur insofern, als sie die Beschreibung der direkten Beziehungen voraussetzt und damit deren Ebenen-Teilung. Jeder Ausdruck muß bei dieser Beschreibung so repräsentiert werden können, daß er sich von allen nichtäquivalenten Ausdrücken unterscheidet und mit all'en äquivalenten Ausdrücken identifiziert werden kann. Man kann zu diesem Zweck (l) Definitionen über die iquivalenzbeziehungen von Ausdrücken aufstellen oder (2) jeden Ausdruck durch einen Komplex von Einheiten repräsentieren, die alle möglichen Unterschiede und Identitäten beschreiben. Für die Beschreibung der indirekten Beziehungen ergibt sich ein Modell mit einer einzigen Ebene, das auf die Hierarchie der direkten Beziehungen abzubilden ist. Die Einheiten dieser Ebene heißen semantische Merkmale. S e m a n t i s c h e

M e r k m a l e

sind Einheiten, die die

indirekten Beziehungen zwischen Ausdrücken so repräsentieren, daß sie eindeutig auf die Gegenstandsbereiche abgebildet werden können, auf die sich die Ausdrücke al3 Aussagen beziehen. Die Repräsentation eines Ausdrucks auf der Ebene der indirekten Beziehungen kann nicht abgeleitet werden aus der Repräsentation auf einer

anderen Ebene, sie kann aber insgesamt abgebildet werden

auf die Hierarchie der direkten Beziehungen. 5.3. Wenn man die Repräsentation eines Ausdruckes durch semantische Merkmale auf die Hierarchie seiner Repräsentationen in bezug auf die direkten Beziehungen abbildet, so ergeben sich semantische Einheiten. S e m a n t i s c h e

E i n h e i t e n

sind definiert durch den

Zusammenfall von Grenzen zwischen Einheiten der direkten Beziehungen und möglichen Abgrenzungen von Komplexen aus semantischen Merkmalen. Semantische Einheiten können nioht duroh direkte Beziehungen definiert werden, die unterhalb der Morphemebene liegen. Das entspricht der ge-

26

Thesen

läufigen Definition des Morphems als kleinster Bedeutungseinheit. Es gibt jedoch semantische Einheiten, die nicht durch Morpheme definiert sind (z.B. Morphemkomplexe, die als Redewendungen auftreten). 5.4. Nach den in 2.3. gemachten Voraussetzungen sind die indirekten Beziehungen bedingt bzw. mitbedingt durch die Gegenstandsbereiche, auf die die Ausdrücke von S(A) in verschiedenen S(G) bezogen werden« Aus der Verschiedenartigkeit der Gegenstandsbereiche, aus dem unterschiedlichen Grad, in dem die Aussagen in verschiedene S(G) eindeutig oder nicht eindeutig auf den Gegenstandsbereich bezogen werden, ergeben sich zahlreiche Schwierigkeiten für eine formale Beschreibung der indirekten Beziehungen. 5.41. S(A) kann als eine unbegrenzte Menge von Ausdrücken gelten, sofern (1) die Morphemlisten als unabgeschlossen gelten (s.a. 6.2.) und (2) die Länge der Ausdrücke nicht begrenzt ist. Eine Beschreibung der indirekten Beziehungen zwischen allen Ausdrücken von S(A) ist demnach nicht abschließbar. Es können nur begrenzt viele Ausdrücke in ihren gegenseitigen indirekten Beziehungen beschrieben werden. In der Praxis beschreibt man daher nur Ausdrücke von bestimmter Größe (Wörter oder einfache Konstruktionen, die als Redewendungen erscheinen) und beschränkt sich darauf, nur gleichartig begrenzte Ausdrücke miteinander zu vergleichen (Wörter mit Wörtern, Konstruktionen mit Konstruktionen). 5.42. Es kann angenommen werden, daß es semantische Einheiten gibt, die in allen S(G) möglich sind. Andere semantische Einheiten gibt es nur innerhalb einzelner S(G), sie sind damit abhängig von bestimmten einzelnen S(G). ES kann weiterhin angenommen werden, daß semantische Einheiten, die in der Hierarchie der direkten Beziehungen durch Morphemklassen mit kleinem Inventar definiert sind, allen S(G) gemeinsam sind. Dies gilt etwa für Flexions- und Derivationsmorpheme. 5.5« Das in 5.2. angegebene Modell für die Beschreibung der indirekten Beziehungen ist wegen der in 5«4» erörterten Bedingungen kein Modell für eine abgeschlossene formale Theorie. Ob ein solches Modell möglich ist, kann innerhalb der Sprachtheorie nioht entschieden werden. Innerhalb des in 5*2. beschriebenen Modells etabliert sich die Lexikographie. Sie beschreibt die indirekten Beziehungen zwischen Ausdrückon

T h e s e n

27

durch Äquivalenzdefinitionen. Die von ihr beschriebenen Ausdrücke sind entweder Worte oder durch bestimmte Morpheme ausgefüllte Konstruktionen. Ein Modell für die Beschreibung eines Teils der indirekten Beziehungen läßt sich formal definieren. Es grenzt innerhalb des (nicht formalen) Gesamtmodells diejenigen semantischen Einheiten ab, die durch Morpheme aus Klassen mit kleinem Inventar definiert sind. Bas ermöglicht etwa eine Theorie der indirekten Beziehungen zwischen den Personalmorphemen, den Tempusmorphemen, den Artikelmorphemen, den Modalverben usw, 5.6. Die in 5«2. genannten Äquivalenzdefinitionen können als Regeln interpretiert werden, nach denen aus einem gegebenen Ausdruck ein anderer äquivalenter abgeleitet werden kann. In der genannten Form sind die Regeln aber nicht in das System von Regeln zu inkorporieren, die das in Abschnitt 4 beschriebene Modell bilden und alle Ausdrücke in S(A) ableiten. Wenn das Modell entsprechend verändert wird, kann ein Teil solcher Regeln in das Modell inkorporiert werden. Die Gesamtheit der Regeln des Modells definiert dann den Gegenstandsbereich der Grammatik bzw. die sprachimmanenten Bedingungen des Sprachverhaltens, und liefert innerhalb der indirekten Beziehungen die Abgrenzung des Gegenstandsbereiches der Grammatik. 6. DIE TRANSFORMATIONSEBENE 6.1. Die Definition, die die Lexikographie aufstellt, beziehen sich immer auf semantische Einheiten, die auch durch Elemente der Morphemebene bestimmt sind, Ausdrücke also, deren direkte Beziehungen durch Formations- und Belegungsregeln definiert sind. v o n

A u s d r ü c k e n

K l a s s e n

können entweder völlig durch Morphem-

klassen oder teils durch Morphemklassen, teils durch Morpheme repräsentiert werden. Die indirekten Beziehungen zwischen solchen Klassen von Ausdrücken interessieren die Lexikologie nicht. Definitionen für die indirekten Beziehungen zwischen Klassen von Ausdrücken interpretieren wir als Regeln und nennen sie r e g e l n ,

T r a n s f o r m a t i o n s -

wenn es sich um ÄquivalenzbeZiehungen handelt. Sie

lassen sich folgendermaßen in das Modell für die Beschreibung der direkten Beziehungen inkorporieren:

T h e s e n

28

6.2. Transformationsebene: Auf der e b e n e

T r a n s f o r m a t

i o n s -

wird ein Ausdruck repräsentiert durch die Satzstruktur

eines oder mehrerer anderer Ausdrücke, auf die er sich "bezieht, und seine eigene Satzstruktur. Die Regeln, durch die die Einheiten der Transformationsebene abgeleitet werden, sind die Transformationsregeln. Sie bilden die Satzstruktur eines oder mehrerer Ausdrücke auf die eines anderen Ausdrucks ab. Durch Transformationsregeln können Einheiten eingeführt werden, die der Satzstrukturebene oder der Morphemebene angehören. Die Ausdrücke, deren Satzstxuktur von den Transformationsregeln vorausgesetzt werden, heißen

K e r n s ä t z e ,

die Ausdrücke, deren Satzstruktur durch

Transformationen eingeführt wird, heißen S ä t z e d e r

,

s

e k u n d ä r e

die Gesamtmenge der Kernsätze bildet den

S p r a c h e ,

P e r i p h e r i e

K e r n

die Menge der sekundären Sätze bildet die d e r

S p r a c h e .

Der Kern ist, wenn

man Nichtabgeschlossenheit der Morphemklassen annimmt, eine nicht abgeschlossene Teilmenge von S ( A ) . Die Teilung von S(A) in Kern und Peripherie wird innerhalb der Theorie definiert durch die Ableitung der Satzstrüktur der Ausdrücke. Metasprachlich ist sie interpretierbar als Teilung in einfache Aussagesätze und alle übrigen Ausdrücke, also zusammengesetzte Perioden, Fragen, Passivsätze usw. 6.3. Die Aufnahme einer Transformationsebene in das in Abschnitt 4 beschriebene Modell erlaubt es, eine Anzahl von Formationsregeln, die kompliziertere Ausdrücke ableiten, aus der Satzstrukturebene zu eliminieren und diese dadurch zu vereinfachen« Das gilt vor allem für viele Arten von hypotaktischen Konstruktionen, z.B. Satzperioden, Verbketten usw., und alle Arten von Parataxen. F e m e r können Doppeldeutigkeiten von Ausdrücken, die auf keiner der in Abschnitt 4 beschriebenen Ebenen durch verschiedene Repräsentation beschrieben werden können, auf der Transformationsebene beschrieben werden.

Thesen

29

Beispiel: Die reine Vernunft kritisiert X—>Kritik der reinen Y. X kritisiert die reine Verkunft—>Kritik der reinen V. Alle noch verbleibenden Doppeldeutigkeiten, die auf keiner aller Ebenen des erweiterten Modells durch doppelte Repräsentation erklärt werden können, sind dann als sprachextern bedingte Homonymie von Ausdrücken definiert. 6.4. Die Transformationsebene unterscheidet sich von den anderen Ebenen des Modells durch zwei Eigenschaftens Wenn durch Transformationen neue Einheiten eingeführt werden, so sind es Einheiten der Satzstrukturebene oder der Mophemebene. Es gibt keine Art von Einheiten, die durch die Zugehörigkeit zur Transformationsebene definiert ist. Auf der Transformationsebene ist ein Ausdruck nicht durch eine oder mehrere Repräsentationen seiner selbst zu beschreiben, sondern durch die Repräsentation seiner Satzstruktur in Beziehung zur Satzstruktur anderer Ausdrücke. ' Diese beiden Eigenschaften sind bedingt durch die Tatsache, daß die Transformationsebene keine direkten Beziehungen beschreibt, die nicht durch die anderen Ebenen vollständig beschrieben werden könnten. Sie wird in die Theorie nicht eingeführt, weil andernfalls die Beschreibung der direkten Beziehungen unvollständig wäre, sondern weil sie die Beschreibung bestimmter indirekter Beziehungen innerhalb eines einheitlichen Modells gestattet. Trotz der angegebenen besonderen Eigenschaften bleibt das Modell nach Einführung der Transformationsebene einheitlich. Es kann weiterhin als Theorie der direkten Beziehungen aller in S(A) möglichen Ausdrücke angesehen werden und erklärt darüber hinaus einen bestimmten, nun theoretisch exakt abgegrenzten Teil der indirekten Beziehungen. Wie groß dieser Teil ist, hängt davon ab, wieviele indirekte Beziehungen als Äquivalenzbeziehungen zwischen Klassen von Ausdrücken beschrieben werden können. Es ergibt sich damit das Modell einer einheitlichen Theorie einer Sprache. Sie ist in sich abgeschlossen, erfaßt aber aus den in Abschnitt 2 erörterten Gründen nur.einen Teil der Semantik, für die unter sprachtheoretischem Gesichtspunkt nur ein unabgeschlossenes

30

T h e s e n

Modell angegeben werden kann. Das Verhältnis des so erweiterten Modells zu dem einfachen Modell der direkten Beziehungen kann schematisch so dargestellt werden: einfaches Modell Satzstrukturebene Morphemebene

J Phonemebene

erweitertes Modell Satzstrukturebene

> Transformationsebene

Morphemebene

1

Phonemebene

Auf beide Modelle bezieht sich in gleicher Weise - nämlich auf die Ebenen bis einschließlich Morphemebene - die Beschreibimg der indirekten Beziehungen, da die T ransformationsebene nicht Teil einer eigenen formalen Theorie der indirekten Beziehungen wäre, sondern nur einen Teil des Gegenstandsbereiches gemeinsam hätte. 6.5. Welcher Teil der Semantik in die Transformationsebene eingehen kann, hängt unter anderem davon ab, wieweit auf der Satzstrukturebene Unterklassen der Morphemklassen definiert werden könnten - etwa Eigennamen, Ortsnamen, Massewörter und Individuativa statt einfach S - auf die sich dann einzelne Transformationen beziehen können. Die Transformationen auf eine vollständige Klassifizierung aller Morpheme auf der Basis des individuellen Miteinandervorkommens in Kernsätzen zu beziehen und damit eine Beschreibung der gesamten Semantik anzustreben, würde jedoch erstens bedeuten, den Charakter der Grammatik als einer prädiktiven Theorie zu vernichten, da das individuelle Miteinandervorkommen nur in bezug auf geschlossene Mengen von Kernsätzen möglich wäre; und es würde zweitens eine unangemessene Beschreibung der sprachexternen Bedingungen des Sprachverhaltens ergeben.

TOLPGAITG MÖTSCH ZUR STELLUNG DER 'WORTBILDUITG1 IN EINEM PORMALEN SPRACHMODELL 1.0. Die moderne Sprachwissenschaft unterscheidet sich im wesentlichen dadurch von der traditionellen, daß sie bemüht ist, Beobachtungsdaten nicht isoliert und mehr oder weniger zufällig darzustellen, sondern sie durch ein umfassendes, Vollständigkeit anstrebendes Modell zu. systematisieren.

M o d e l l

wird hier als Systematisierung (Por-

malisierung) von Daten aufgefaßt, das heißt als eine Darstellung des zu beschreibenden Gegenstandsbereichs durch die zwischen den auftretenden Elementen bestehenden Wechselbeziehungen. Ein m o d e 1 1

S p r a c h -

ist demnach eine Systematisierung von Einzelbeobachtun-

gen an einer gegebenen Sprache. Da ein Sprachmodell auf der Grundlage von Beobachtungsdaten aufgestellt wird und den Zweck hat, Sprachdaten gleicher vorausgesetzter Beschaffenheit widerspruchsfrei und erschöpfend zu beschreiben, dient es der Erkenntnis der zu beschreibenden Sprache, mit anderen Worten, es erklärt die beobachteten Verhältnisse.1^ Es stellt aber zugleich einen Mechanismus dar, der genereller Natur ist, und der dadurch von festgelegten Prozeduren, die zur Aufstellung des Mechanismus führen, unabhängig ist. Deshalb können zwar mit den Definitionen, die auf Grund des Modells gegeben sind, Grundsätze für die empirische Analyse abgeleitet werden, es kann jedoch nicht umgekehrt ein Weg angegeben werden, der von den Beobachtungsdaten zur Aufstellung des Modells führt. Auf Grund seines generellen Charakters dient ein Modell einer Sprache nicht nur der Erkenntnis von beobachteten Texten, sondern es gestattet zugleich Voraussagen über in Texten gleicher vorausgesetzter Beschaffenheit, das heißt in der zu untersuchenden Sprache überhaupt 2) zu erwartende Verhältnisse. ' Solche Voraussagen bedürfen der Bestätigung. Sie haben also den Charakter von Hypothesen, die durch neue Beobachtungen bestätigt oder verworfen werden können. Falls aus dem Modell ableitbare Voraussagen auf Grund neuer Beobachtungen verworfen werden müssen, muß das Modell verändert werden. Die Forderung nach Vollständigkeit erweist sich damit als nur durch ständige Änderung oder Komplettierung von Modellen approximativ erfüllbar. Die Sprach-

32

M ö t s c h

Wissenschaft kann wie andere empirische Wissenschaften lediglich eine "begrenzte Menge von Beobachtungsdaten verarbeiten; die auf dieser Grundlage vorgenommenen Verallgemeinerungen können durch neue Beobachtungen gestützt oder widerlegt werden. 1.1. Aus der Voraussetzung, daß es keine Prozedur gibt, die von den Beobachtungen zum Modell führte folg"fcj daß linguistische Begriffe wie 'Wort*,»Morphem*, »Phonem1 usw. nur für ein bestimmtes Modell und zwar durch das Modell definiert werden können. Die Definitionen solcher Begriffe benutzen syntaktische Kriterien, das heißt Kriterien, die sich aus der Stellung der betreffenden Einheit im Modell ergeben, sie enthalten die heuristischen Überlegungen, die zur Auffindung dieser Kriterien führen, und die die Verbindung zu den unmittelbaren Beobachtungsdaten herstellen, nicht. Sehr viele Streitfragen in der sprachwissenschaftlichen Grundlagendiskussion entstehen entweder dadurch, daß zwei Definitionen auf verschiedenen, nichtsyntaktischen Kriterien aufbauen, oder dadurch, daß sie ihre Definitionsgrundlagen aus logisch nicht äquivalenten Modellen beziehen. Im letzteren Fall handelt es sich also um Äquivokationen. 1.2. Auch die Definition des Begriffs 'Wort' muß, von den obigen Erwägungen ausgehend, syntaktische Kriterien benutzen. Da dies in den geläufigep Arbeiten über Wortbildung nicht geschieht, werden auch die syntaktischen Gesichtspunkte der Stammstruktur stark vernachlässigt. Aufgabe eines umfassenden Sprachmodells ist es, den Mechanismus, der für die komplexeren Stufen der Satzstruktur gilt, auch auf die unteren Stufen auszudehnen. Dabei zeigt sich, daß die generellen syntaktischen Gesetzmäßigkeiten auf allen Stufen der Satzstruktur gleich sind. Die 'Wortbildung', die durch bestimmte Ableitungsstufen innerhalb der Satzstrukturebene definiert werden kann, darf mit dem gleichen Recht zur Syntax einer Sprache gerechnet werden wie etwa die Ebene der Satzglieder (Nominalgruppe, Verbalgruppe, Präpositionalgruppe). Dieser Zusammenhang wird in den bekannten Arbeiten über deutsche Wortbildung durch zwei theoretische Mängel verdunkelt: (1) durch ein unzulängliches Wort-Konzept (2) durch ein unklares Konzept für das Verhältnis zwischen Sprachsystem und Sprachveränderung.

Zur Stellung der 'Wortbildung•

33

W. HENZEN, dessen 'Deutsche Wortbildung1 als repräsentatives Muster für die in Deutschland bestehende Auffassung von 'Wortbildung' gilt, ist der Meinung, daß "Dem Wort als einem einheitlichen Ganzen ... nur von hinten und von seiner i n h a l t l i c h e n Seite her 3) beizukommen" ' ist. Er gibt zwar zu, daß Wörter nicht schlechtweg kleinste Bedeutungsträger sind, kommt aber praktisch auf diese Definition zurück, indem er sich der psycho-seinantischen Wortdefinition NOREENs^ anschließt, wonach ein Wort "ein selbständiges Morphem (Sprachform) ist, das mit Rücksicht auf Laut und Bedeutung von unserem Sprachsinne als Einheit aufgefaßt wird, weil 5) man es nicht in kleinere Morpheme zerlegen könne oder wolle". Diese Auffassung vom Wort ist dafür verantwortlich, daß Henzen - und vor und nach ihm andere - die 'Wortbildung' viel mehr als eine lexikologische Disziplin behandeln als als eine grammatische. Entscheidend für die angeführte Auffassung ist zusätzlich die Vermengung historischer und systematischer Aspekte. Die Folge davon ist, daß sowohl die systematischen, als auch die historischen Verhältnisse verdunkelt werden. Eine Beschreibung der Semantik kann nur auf der Grundlage einer Beschreibung der Syntax einer gegebenen Sprache vorgenommen werden. Da die Semantik die Beschreibung des kommunikativen Effekts in der Syntax beschriebener Ausdrücke ist, kann jede sinnvolle Beschreibung nur jeweils die Verhältnisse in einem begrenzten Zeitabschnitt berücksichtigen. Historische Untersuchungen müssen deshalb stets von einem Vergleich der zu untersuchenden Verhältnisse in verschiedenen Systemen ausgehen. Die Mangelhaftigkeit der historischen Konzeption'in den genannten Wortbildungsarbeiten, die darin besteht, daß nicht Veränderungen bestimmter Einheiten in unterschiedlichen Systemen untersucht werden, macht sich z.B. darin bemerkbar, daß Bildungen wie fruchtbar neben erreichbar, bezahlbar, zusammenklappbar gestellt werden, obwohl, vom gegenwärtigen System ausgehend, erreichbar, bezahlbar, zusammenklappbar sich dadurch von fruchtbar unterscheiden, daß diese Bildungen aus Ausdrücken der Struktur "kann + V, + pt^ + werd + inf" (kann erreicht werden, kann bezahlt werden, kann zusammengeklappt werden) transformiert werden können, was nicht für fruchtbar gilt. (Vgl. Kapitel 3.2., in dem Transformationen und ihre Rolle für die semantische Beschreibung einer Sprache näher gekennzeichnet sind). Um auf die theoretische Basis überzuwechseln, auf

54

M ö t s c h

der die Wortdefinition von HENZEN stehti für Wörter wie fruchtbar kann mit gutem Grund angenommen werden, daß sie vom Sprachbewußtsein nicht mehr zerlegt werden; sie sind nur vom Standpunkt eines zeitlich vorangehenden Systems als strukturiert aufzufassen. In den anderen Fällen ist die Auffassung der Wörter als vom Sprachbewußtsein nicht zerlegte Bedeutungseinheiten nicht haltbar. Man kann die angedeuteten Transformationszusammenhänge zwischen Ausdrücken der Struktur "kann + Y + pt 2 + werd + inf" und "Basis + bar" sehr wohl als einen Zerlegungsprozeß auffassen, der Bewußtseinsprozesse widerspiegelt. In den Bildungen erreichbar, bezahlbar, zusammenklappbar können also mindestens zwei Bedeutungseinheiten unterschieden werden, die, dazu besteht ein berechtigter Grund, als auch vom Sprachbewußtsein unterschieden aufgefaßt werden können. Die für Wortbildungen bestehende starke Tendenz zur Isolierung, das heißt zur Auflösung von T ransformationszusammenhängen der für -bar angedeuteten Art, verleitet dazu, Wörter so zu behandeln, als wären es kleinste semantische Einheiten. Ein konsequentes Modell, das auch die Beziehungen zwischen Syntax und Semantik festlegt, kann die bestehenden Unklarheiten im Bereich der Wortbildung theoretisch beseitigen. Es muß jedoch betont werden, daß praktische Entscheidungen, die auf einem solchen Modell aufbauen, besonders auf dem Gebiet der Wortbildung außerordentlich kompliziert sind. Durch intersubjektiv kontrollierbare Testverfahren sind die Probleme jedoch prinzipiell lösbar. Im vorliegenden Artikel wird der Versuch unternommen, einige grundlegende Fragen zum Verhältnis zwischen Syntax und Semantik im Bereich der Wortbildving zu klären. Dies geschieht auf der Grundlage eines Gesamtmodells, innerhalb dessen die Wortbildung einen Teil der Satzstrukturebene ausmacht. 2o0. Ein Modell im oben eingeführten Sinne ist dadurch definiert, daß seine Elemente in bestimmten Relationen zueinander stehen. Die Relationen sind Grundlage für die Klassifizierung der Elemente des Modells. Es kann als erwiesen betrachtet werden, daß natürliche Sprachen nicht allein durch ein Sprachmodell, dessen Elemente lineare Beziehungen eingehen, beschreibbar sind, das heißt auf der Grundlage einfacher Juxtapositionen der Minimalelemente« Es müssen vielmehr hierarchische

Zur Stellung der

'Wortbildung'

35

Verhältnisse vorausgesetzt werden, die zu verschiedenen Stufen innerhalb der Struktur einer Sprache führen. Auf diese W e i s e gelangt m a n zur Etablierung v o n Klassen, deren Elemente Kombinationen v o n kleine7) r e n K l a s s e n bzw, kleinere Klassen sind. ' 2.1. Die in 2.0. angegebenen Verhältnisse gelten für die syntaktische Struktur einer Sprache insgesamt. Um die hierarchische Ordnung der Einheiten eines Satzes erfassen zu können, müssen für die Ableitung eines Satzes v o n den größten bis zu den kleinsten Klassen (vom v o r liegenden Satzmuster bis zu den Morphemklassen, die nur noch durch einzelne Morpheme ersetzt werden können, nicht m e h r durch Klassen oder Klassensequenzen) verschiedene Stufen angenommen werden. Es besteht jedoch keine festgelegte Aufeinanderfolge der einzelnen Stufen. Eine Verbalphrase kann z.B. einer Verbalphrase nachgeordnet sein, wenn sie in einem Relativsatz steht. Verbalphrasen k o m m e n also sowohl als Bestandteile der höchsten Hierarchiestufe vor, als auf einer Stufe, die nie höchste Stufe eines Satzes sein kann (in Relativsätzen nämlich). Vergleiche die schematische Darstellung in Fig. 1: Satz

dort geht Fig. 1 Die verschiedenen Stufen der Satzstruktur müssen deshalb zu einer Ebene zusammengefaßt werden. Für jeden Satz k a n n jedoch angegeben werden, welche hierarchische Struktur er hat* das heißt, an welchen Ableitungsstufen er teilhat. Die einzelnen Ableitungsstufen, die aus dem im obigen Beispiel angegebenen Stammbaum ersichtlich sind, sind

K o n s t r u k t i o n e n ,

das heißt aus mindestens zwei Einheiten bestehende Komplexe. Ist dies nicht der Fall, so fallen entweder zwei Stufen zusammen, oder es h a n -

36

M ö t s c h

delt sich um Morphemklassen, die dadurch definiert sind, daß sie nur durch Individuen ersetzt werden können. Die Einheiten der Konstruktionen sind entweder Klassen, die selbst Konstruktionen sein können, oder die durch einzelne Morpheme ersetzt werden können. Innerhalb der Satzstrukturebene kann als besondere Ebene die Wortebene unterschieden werden. Sie wird dadurch eingeführt, daß man die einzelnen Morphemklassen nach ihren syntaktischen Punktionen in Wurzeln, Präfixe, Derivationsmorpheme, Flexionsmorpheme einteilt. Durch Regeln wird festgelegt, welche Morphemklassensequenzen bzw. Morphemklassen Wörter bilden können. F l e x i o n s m o r p h e m k l a s

s en

unterscheiden sich von

allen anderen Morphemklassen dadurch, daß ihre Elemente stets auf der obersten Ableitungsstufe der Einheiten stehen, die durch Wortgrenzen markiert werden. Die schematische Darstellung zeigt Pig. 2. Worteinheit Stamm

Ple5cionsmorphem( e)

Pig. 2 Stämme können demnach durch Nicht-Flexionsmorpheme definiert werden. Davon ausgehend, definieren wir alle Morphemsequenzen bzw. Morpheme, die mit PIexionsmorphemen(Sequenzen) eine Konstruktion bilden als S t a m m .

Wörter sind also entweder Stämme oder Konstruktionen,

die aus einem Stamm und aus Plexionsmorphemen(Sequenzen) bestehen. Stämme fallen entweder mit bestimmten Morphemen (Wurzeln) zusammen oder sie lassen weitere Ableitungen zu. als

W o r t b i l d u n g .

Die Stammstruktur definieren wir

Zur Wortbildung gehören demnach alle

Ableitungen der Satzstrukturebene, die von Stämmen ausgehen. Im folgenden wollen wir näher auf die Stammstrukturen eingehen. 2.2. Die als Bestandteile von Stämmen auftretenden Morphemklassen können nach ihren syntaktischen Punktionen unterschieden werden. Fol-

Zur Stellung der 'Wortbildung'

37

gendes Diagramm dient zur Veranschaulichung der im Deutschen bestehenden Verhältnisset

+ +

P d

Fig. 3 Berücksichtigt wurden die Verhältnisse in Konstruktionen. Das Diagramm ist von der vertikalen zur horizontalen Reihe zu lesen. w =

( W u r z e l )

kann allein einen Stamm ersetzen oder mit

p oder d eine Konstruktion bilden. p -•

( P r ä f i x )

kann nur mit einem w zusammen einen Stamm bil-

den, steht im Gegensatz zu 4 und 6 der THESEN in diesem Heft. Diese Regeln geben eine theoretisch einheitliche und generelle Lösung auch für die Probleme, die in Anmerkung 2 erwähnt wurden. Vgl. dazu u.a. CHOMSKY, Syntactic Structures, S. 32 und 57 f.Die Symbole in den Regeln (l) und (2) bedeuten: Prät = Präteritum, Konj = Konjunktiv. BAR-HILLEL, A Quasi-arithmetical Notation for Syntactic Description, Language 29, S 0 47 - 58« Eine allgemeinere Formulierung findet sich in BAR-HILLEL, GAIIMAN, SHAMIR, On Categorial und Phrase-Structure-Grammars, Bulletin of the Research Council of Israel, 9 F, S. 1 - 16. Zur Veranschaulichung der dort verwendeten 'Kategorien' und der 'Kürzungsoperation' sei ein einfaches Beispiel gegeben: Ginindkategorien sind N (Nomen) und S (Satz), abgeleitete Kategorifen werden folgendermaßen zusammengesetzt: (N/S), lies N über S. Eine solche Kategorie kann mit einer rechts davon stehenden Kategorie S zu N gekürzt werden, die Kategorie (N\S), lies N unter S, mit einem linksstehenden N zu S. Weitere Zusammensetzungen ergeben kompliziertere Kate-

B i e r w i s c h gorien wie ((S/H)/N) USW. Dem Satz David, loves Marcia wird, die Kategorienkette U, ((N\S)/N), N folgendermaßen zugeordnet und gekürzt s David

loves

Maroia

N

((N\S)/N)

N

N

(N\S) S

Das in Anmerkung 2 erörterte Problem würde damit zu einer ganz anderen Lösung gebracht werden müssen: /nasm/ kann in einem solchen Modell nur als ein Anfangselement aufgestellt werden, während für /sa:gte/ zwei Elemente vorgesehen werden können: /sa:g/ und /te/. Da die Wahl der Elemente bei der Beschreibung einer gegebenen Sprache durch dieses Modell beträchtlich vom Gesichtspunkt der Einfachheit abhängt, also sehr unterschiedliche Lösungen zuläßt, entspricht ihnen keiner der eingebürgerten linguistischen Termini. Der Begriff Wort, der sich für die Elemente des Vokabulars anbietet, muß in diesem variablen Sinn verstanden werden, wenn er nicht zu neuen Mißverständnissen Anlaß geben soll. Legt man das zuletzt formulierte Prinzip der kleinsten Phonemketten zugrunde, so entsprechen die Elemente des Vokabulars ziemlich genau den Einheiten, die man häufig als kleinste Zeichen auffaßt und die FREI in Qu'est-ce qu'un Dictionnaire de Phrases, Cahiers de Ferdinand de Saussure 1, S. 51» Moneme nennt. Doch sind dies lediglich empirische, nicht theoretische Entsprechungen. Einfache Beispiele aus der Schulgrammatik sind dafür einerseits die Flexionsparadigmen, andererseits die Satzteilbestimmung. Die Flexionstabellen sind ein Mechanismus, der aus einer Kette von grammatischen Angaben, etwa den Personen- Tempus- und Modusmorphemen, die richtigen Phonemketten produziert. Die Satzteilbestimmung leitet aus gegebenen Wortketten deren hierarchische Struktur ab, identifiziert also gegebene Sätze. BAR-HILLEL, GAI5MAN, SHAMIR, On Categorial and Phrase-Structure Grammars, Bulletin of the Research Council of Isra,el, 9 F, S. 1 - 16. Erklärt ist ein Satz, wenn er durch eine Produktionsgrammatik abzuleiten oder durch eine Identifikatioftsgrammatik als Satz anzuerkennen ist. Gleiche Sätze für beide Grammatiken sind gleiche Phonem- bzw. Buchstabenfolgen. Vgl. PIKE, Language in Relation to a Unified Theory of the Structure of Human Behavior, I bis III, Glendale 1954 - 1960. Dieser Vergleich kann hier nur unformal geführt werden und betrifft auch mehr die Diskussion der Voraussetzungen, unter denen verschiedene Theorien so formuliert werden können, daß sie logisch

Status der Morpheme

83

vergleichbar werden» Ein streng formal durchgeführter Vergleich würde entsprechend formal formulierte Theorien voraussetzen und den Rahmen eines Artikels natürlich weit überschreiten. Vor allem: Methods in Structural Linguistics, Chicago 195*1} From Phoneme to Morpheme, Language 31» S. 19Ö - 222. Eine Grammatik ist nicht nur aus praktischen Gründen, nämlich weil die Zahl der Sätze einer Sprache nicht begrenzt werden kann, sondern auch aus prinzipiellen Gründen auf eine nicht abgeschlossene Menge von Sätzen zu beziehen. Sie würde aufhören, eine Theorie zu sein, wenn sie nur ein begrenztes Corpus beschriebe. Sie würde dann lediglich ein besonderes Arrangement der ohnehin gegebenen Daten sein. (Vgl. dazu von etwas anderem Gesichtspunkt aus SPANG-HAUSSEN, Probability and Structural Classification, Kopenhagen 1959» S. 80 - 81.) - Bei den letztgenannten Prozeduren (zur Analyse von went vgl. HARRIS, Methods in Structural Linguistic, S. 160 - 1 6 4 ) handelt es sich u m die "substitutiohin-frames" - Technik, deren Nichteffektivität LEES in einem mimeographierten Artikel im einzelnen nachweist. U m die Operation ausführen zu können, muß nämlich erstens eine "diagnostische Umgebung" gegeben sein - was nicht automatisch gesichert ist, wie LEES zeigen -kann - und zweitens muß bekannt sein, daß die Grammatizität des Ausdrucks nach der Substitution nicht nur zufällig erhalten bleibt, sondern weil "richtig" substituiert wurde. Gerade das aber soll erst gefunden werden. Als substituierbar müßten ohne diese Voraussetzung etwa er kam und und der Mann in blieb angesehen werden. HAARWOOD, Axiomatic Syntax: the Construction and Evaluation of a Syntactic Calculus, Language 31, 3. 409 - 4 1 4 . BAR-HILLEL, A Quasi-arithmetical Notation for Syntactic Description, Language 29, S. 47 - 58. Auch HARRIS unterscheidet zwischen der Prozedur und deren Resultat, für das er zwei mögliche Interpretationen gibt: der Linguist "may seek all the regularities which can be found in any stretch of speech .... or he may seek just enough information to enable anyone to construct utterances in the language." (Methods in Structural Linguistics, S, % 5 ) , Methods in Structural Linguistics, S. 274« Dabei steht T für die Kategorie der Artikel, A für die der Adjektive, N für die der Nomen. Ebenda, S, 266. Die Exponenten geben an, wieviel mögliche Ableitungen schon durchlaufen wurden, die die syntaktische Punktion ändern. Ebenda, S. 167 - 169« Die Annahme der Phonemersetzung ist mehrfach als unvereinbar mit der Auffassung des Morphems als einer Phonemsequenz kritisiert worden, so etwa v o n BLOCH (English Verb Inflection, Language 23» S. 400): "if a morpheme is ultimately a combination of phonemes, then it is clear that vowel change, a process, is not a morpheme." Die Ablehnung ist insofern unberechtigt, als auch aridere Lösungen

B i e r

w i s c h

etwa die von BLOCH benutzte wechselseitige Selektierung der Alternanten, ein Produktionsmodell voraussetzen, in dem aber kein Grund besteht, Morpheme als Phonemsequenzen zu bestimmen. Vgl. HARRIS, Methods in Structural Linguistics, S. 278 - 279. Die grundsätzliche Vereinfachung, die durch die Annahme solcher grammatischer Transformationen möglich wird, diskutiert CHOMSKY, Syntact ic Structures, S. 38 ~ 40. Auch andere Fälle diskontinuierlicher Elemente, etwa bei der Kasus- und Numeruskongruenz, die HARRIS durch sogenannte "stuggered morphemes" beschreibt, sind dann wesentlich einfacher zu behandeln. So erläutert HJELMSLEV in Omkring Sprogteoriens Grundlaeggelse, Kopenhagen 1943» S. 40 - 41» ausführlich, daß alle Bedeutungen nur Kontextbedeutungen sind und ein isoliertes Element - also ein Element im System - gar keine Bedeutung habe. Andererseits wird im gleichen Buch wiederholt festgestellt, daß der Text das ist. eigentlich empirisch Gegebene, unmittelbar Beobachtbare Omkring Sprogteoriens Grundlae ggelse, S. 15. Übersetzung von mir, der Originaltext lautet: En teori, i den forstand hvori vi her tager dette ord, kan da siges at have til formaal at tilvejebringe en framgangsmaade ved hjaelp af hvilken forelagte emner af en forudsat beskaffenhed kan beskrives modsigelsesfrit og udt0mmende. Ob z.B. der Satz das Kind schlief ruhig zu teilen ist in das Kind und schlief ruhig oder aber in das Kind, schlief und ruhig wäre empirisch nur entscheidbar durch Vergleich mit anderen Sätzen. Damit aber treten alle in Anmerkung 19) genannten Probleme der substitution -in-frames-Technik auf, das heißt die Entscheidung ist nicht effektiv. Der Vorgang der Auffindung wird jedoch von HJELMSLEV ohnehin schwankend aufgefaßt,, da er die Kenntnis des Systems bald intuitiv, bald explizit voraussetzt, bald auch scheinbar ohne diese Kenntnis arbeitet. Vgl. dazu SIERTSEMA, A Study of Glossematics, The Hague 1955, S. 23. Genau in diesem Sinne einer rekursiven Definition wird v o n HJELMSLEV über die Analyse gesagt: "Unter einer Definition wird die Teilung eines Zeicheninhalts oder Zeichenausdrucks verstanden." Omkring Sprogteoriens Grundlaeggelse, S. 6 5 . Originaltext: ved en définition forstaas en deling af et tegninhold eller af et tegnudtryk. Ein detaillierter Vergleich der Behandlung syntaktischer Daten in der amerikanischen und der dänischen Linguistik findet sich z.B. bei TOGEBY, Structure Immanente de la Langue Française, Kopenhagen 1951, S. 16 - 17 und passim. Es scheint, daß diese Frage verschieden behandelt wird. HJELMSLEV sieht vor, daß funktionelle Beziehung zwischen Reihenfolge des einen und Hierarchie des anderen Plans, die er Permutation nennt, registriert werden muß (vgl, Omkring Sprogteoriens Grundlaeggelse, S. 66 - 67). Ob indessen alle Reihenfolgebeziehungen, die syntak-

Status der Morpheme

85

tische Punktionen ausdrücken, in System des Inhaltsplans zu definieren sind, bleibt offen. Geschähe dies konsequent, so wäre die Trennung von Ausdruck und Inhalt in diesem Punkt aufgehoben. In dieser Weise verfährt z.B. BECH in Studien über das deutsche Verbum infinitum, 1. Band, Kopenhagen 1951. Dementgegen stellt TOGEBY in Structure Immanente de la Langue Française fest, daß die Reihenfolge nur eine Rolle spielt, wenn die Teilung in Inhalt und Ausdruck nicht vorgenommen wird, "tandis qu'un telle considération du temps est impossible pour une analyse purement fonctionelle" (S. 17). Vgl. Omkring Sprogt eoriens GrundlcE ggelse, S. 63 — 64. Es wird bei dieser Operation nicht expliziert, ob sie aufgestellt wird aus rein syntaktischen Gründen, nämlich wegen der Genuskongruenz, oder - wie sie oft interpretiert wird - wegen der semantischen Ähnlichkeit der Zerlegungselemente. Aus den dänischen Beispielen IlJELMSLEVs ist das nicht eindeutig zu entnehmen. Im ersten Fall würde es sich um eine Teilung handeln, die der von HARRIS vorgenommenen Aufstellung von "morphemic long components" (Methods in Structural Linguistics, S. 299 - 324) in den beschriebenen Fakten gleicht. Im zweiten Fall wäre es gar keine Teilung in Taxeme und würde nicht an diese Stelle der Deduktion gehören. Es sei nebenbei bemerkt, daß in vielen Sprachen, so im Deutschen, eine Zerlegung von Wurzeln in Genus und genusfreien Rest wenig empirischen Wert hätte. Tgl. Abschnitt 4» Zum Problem der Inhaltsanalyse, Studia Neophilogica 27, S. 115. Die Zahl dieser Elemente könnte sicher in einer Gesamtgrammatik reduziert werden. Allgemein.würde das bedeuten: Wenn t die Zahl der gegebenen Taxeme ist, die in n Primfaktoren zerlegt werden kann, so ergibt sich ein n-dimensionales Schema, wobei jede Dimension in a. Spalten zerfällt. Die einzelnen a. sind dabei die Primfaktoren. Die Summe aller a. gibt die Zahl der nötigen Glosseme. Ist t selbst Primzahl, so ist eine höhere Zahl t zu nehmen, die eine Zerlegung erlaubt. Das Schema hat dann F - t Leerstellen. Es gelten also folgende Gleichungen: jy

a^ = t , wobei t >

t und a Primzahl

a. = g,

Zahl der Glosseme

i = 1 n

wobei g =

i = 1 Die "Benennung" der Größen des Systems ist so zu wählen, "daß sie auf die einfachstmögliche Y/eise Erklärungen ermöglicht über die Manifestation" 1 (das heißt die Substanz). Omkring Sprogteoriens. Grundlaeggelse, S. 86. Originaltext: i deres hensigtsmae ssighff? ligger at de vae lges saaledes at det paa den simplest mulige maade bliver muligt at tilordne oplysninger ora manifestationen.

B i e r w i s c h La Catégorie des cas, Teil I, Kopenhagen 1935« Das Schema sieht vor, daß in jeder Dimension des Schemas 2 M s 6 Einheiten auf 7 verschiedene Weisen verteilt sein können. Einheiten, Dimensionen und Kombinationen der Einheiten werden im einzelnen 'begründet, und zwar auf der Basis der allgemeinen glossematischen Funktionsauffassung: x setzt y voraus. Zur Präexistenz dieser Struktur vgl. auch Essai d'une Theorie des Morphemes, Actes du Quatrieme Congrés de Linguistes, Kopenhagen 1938. Das geschieht ebenfalls durch Schemata, für deren Konstruktion zwei Prinzipien gelten: logisch wird das Binaritätsprinzip vorausgesetzt, das durch Untersuchungen in verschiedenen Wissenschaftsgebieten große Evidenz erlangt hat, empirisch werden akustisch verifizierbare Invariante, die distinctiven Merkmale, also "Substanz"-Kriterien, benutzt. Bei n Merkmalen ergibt sich ein n dimensionales Schema mit zwei Spalten pro Dimension, oder was das gleiche ist - eine Folge von maximal n binären Entscheidungen pro Phonem. Ygl. dazu z.B.- HALLE, The Sound Pattern of Russian, 1 S-Gravenhage 1959«- Natürlich ergibt sich das gleiche Problem auch in der Glossematik für die Taxeme des Ausdrucksplans, nur werden dort weniger explizit akustische Kriterien benützt. SPANG-HANSSEN, Glossematics, S. 145, in Trends in European and American Linguistics, Utrecht 1961. Die Überlegungen über die Zweiseitigkeit des Zeichens, wie sie vor allem in Kapitel 13 von Omkring Sprogteoriens Gründl® ggelse durch HJELMSLEV dargelegt werden, haben demgegenüber nur den Charakter von Plausibi1itätserwägungen. Vgl. dazu CHOMSKY, HALLE, LUKOFF, On Accent and Juncture in English, in For Roman Jakobson, 'S-Gravenhage 1956; HALLE, The Sound Pattern of Russian. Gegen die Parallelität der Phonem- und der syntaktischen Ebene spricht unter anderem auch die Tatsache, daß sich nur die erste durch das Modell von Markoff-Ketten darstellen läßt. Gegen diese Behauptung spricht scheinbar die Tatsache, daß in der Glossematik außer der syntaktischen Teilung eine sogenannte Variantengliedteilung vorgesehen ist, die für jede Invariante durch den Kontext bedingte Varianten (und freie Varianten dieser bedingten Varianten) definiert. (Vgl. HJELMSLEV, Omkring Sprogteoriens Grundlaeggelse, S« 73 - 76«) Ein Taxem hat danach so viele bedingte Varianten, wie es Verbindungen mit verschiedenen Taxemen eingehen kann. Einem Komplex sich wechselweis bedingender Varianten können dann die entsprechenden Bedeutungskomplexe entsprechen, so daß z.B. in dem semantischen Komplex, der durch Kreistag repräsentiert wird, Kreis eine Variante von Tag determiniert und umgekehrt. Indessen ist eine solche Feststellung wiederum entweder tautologisch und eine kombinatorische Berechnung: n Elemente können, da m a n die Reihenfolge nicht zu berücksichtigen und keine Wiederholung zulassen muß, (£) mal zu Komplexen v o n k Elementen kombiniert werden. Damit sind jedoch

Status der Morpheme

87

keine empirischen Verhältnisse "beschrieben, sondern lediglich theoretisch mögliche verschiedene semantische Isolierungen berechnet. Oder aber diese Peststellung wird auf empirisch realisierte Fälle eingeschränkt und ist dann auf die semantischen Fakten bezogen und nicht mehr im glossematischen Sinne formal. Vgl. HJELMSLEV, Dans quelle mesure les significations des mots peuvent-elles être considérées comme formant une structure? Proceedings of the VIII International Congress of Linguists, Oslo 1958, S. 636 - 6 5 4 . Auch in PIKEs Theorie, in der das Morphem außer durch seine syntaktische Funktion und seine phonemische Repräsentation auch durch seine - soziologisch aufgefaßte Bedeutung definiert wird, entsteht das Problem, die Brücke zwischen Morphem und Bedeutungseinheit zu schlagen. Letztere ist auf syntaktischer und phonologischer Ebene nicht mit dem Morphem gleichsetzbar. Vgl. KULAGINA, Ob odnom sposobe opredelenija grammaticeskich ponjatij na base teorii mnozestv, in Problemy kibernetiki 1, S. 303 - 314» Eine linguistische Interpretation einiger dergestalt eingeführter Begriffe findet sich bei REVZIN, 0 nekotorich ponjatijach tak nazivajemoj teoretiko-mnozestvennoj lconcepcii jazika, in Voprossy jazikoznanija 6 , S. 88 - 94« Die Tatsache, daß die Einheiten nicht unter dem heuristischen Gesichtspunkt betrachtet werden, drückt REV3IN bildhaft dadurch aus, daß er sie als "durch ein Orakel" gegeben bezeichnet. Außer der Zerlegung des Wortschatzes in Familien werden von KULAGINA andere Zerlegungen und die Beziehungen zwischen ihnen betrachtet und bestimmte Theoreme über diese Beziehungen bewiesen Wenn wir hier eine üminterpretation des Modells vornehmen und bestimmte Relationen nicht berücksichtigen, so besagt das nichts über die Relevanz solcher Relationen in anderen Zusammenhängen, sondern nur darüber, was in eine grammatische Theorie aufgenommen werden kann und muß, wenn sie eine Theorie über grammatisch richtige Sätze sein soll. Eine Sprache im Sinne KULAGINAs kann nicht interpretiert werden als Sprache in dem Sinne, den wir in Abschnitt 2 festgelegt haben plus Grammatik der Sprache. Denn alle für eine Grammatik nötigen Relationen wie die Familienzerlegung usw. setzen bei KULAGINA die Menge der Sätze als Teil der Theorie voraus - nicht als zu erklärende Menge - , sie wären also nicht ableitbar und damit nicht Teil/âer Theorie, wenn die Sätze nur als empirisch, nicht als theoretisch gegeben aufgefaßt werden. Vgl. KULAGINA, Ob odnom sposobe ...

S. 208 - 211.

Bei dieser Zuordnung ist die Möglichkeit zu berücksichtigen, daß ein Element des Wortschatzes zu mehreren Familien gehört. So kann etwa verfahren sowohl in eine Familie mit leben und in eine

B i e r w i s c h Familie mit gelebt gehören (wenn wir davon absehen, daß Verfahren auch noch in mehrere Familien gehört). KULAGINA begegnet dieser Problematik dadurch, daß sie die beiden Worte als verschiedene Elemente des Wortschatzes ansieht. Unterm empirischen Gesichtspunkt ist das jedoch kaum zu rechtfertigen. Die durch diese mehrfache Zuordnung estehenden Schwierigkeiten erörtert BAR-HILLEL ausführlicher in A Quasi-arithmetical Notation, S. 53 - 58. Es entspricht - der Eigenart der natürlichen Sprachen, daß die Zahl der Umgebungen ungleich größer ist als die der Familien, daß umgekehrt die Familien wesentlich mehr Einheiten enthalten als die Umgebungen. KULAGINA zeichnet unter diesem Gesichtspunkt einen Typ von Sprachen besonders aus, die sogenannten einfachen Sprachen, für den der Durchschnitt einer Familie und einer Umgebung stets nur ein Element enthält. Vgl. Ob odnom sposobe ... S. 206. Für nicht-einfache, natürliche Sprechen müßte eine Zerlegung vorgesehen werden, die 'nichtlexikalische' Unterschiede zwischen Wörtern einer Familie reflektiert, wenn jedes 7/ort durch seine Zugehörigkeit zu verschiedenen Arten von Zerlegungsmengen eindeutig bestimmt sein soll. Methods in Structural Linguistics, S. 165. Eine Auszählung von 12 sehr unterschiedlichen Proben zeigte, daß die Verteilung der beiden unterschiedlichen Typen von Phonemsequenzen u m den Mittelwert 0,5 mit einer Abweichung von 0,4 bis 0,6 schwankt. Die Zahl der Phonerasequenzen, die durch morphophonemische Regeln vom Typ (1) abgeleitet werden müssen, ist um so größer, je mehr es sich um Texte mit den Charakteristika der gesprochenen Sprache handelt: die Derivative treten zurück zugunsten stark flektiert er Stämme. Bei dieser Beschreibung wird angenommen, daß es drei Genera und einen Numerus gibt, die einander wechselweis ausschließen: im Plural entfallen die Genusunterschiede. Die Regeln, die die entsprechenden Elemente auswählen, also die Kongruenz herstellen, sind als Transformationsregeln zu formulieren. Bidrag til llexuslaeren, in Festskrift til I.L. Hammerich, Kopenhagen 1953, S. 3 7 - 4 3 . Sound Pattern of Russian Syntactic Structures, S„ 49 - 56. On the Simplicity of Descriptions, in Travaux du Cercle Linguistique de Copenhague, 5> S. 61 - 70. On the Role of Simplicity in Linguistic Descriptions, in Structure of Language and its Mathematical Aspects, 1961, S. 89 - 94«

Status der Morpheme

89

A Compact Analysis for the Turkish Personal Morphemes, erscheint in American Studies in Altaic Linguistics, Indiana University. Die hier diskutierten Regeln müssen eine bestimmte Stellung im Gesamtmechanismus der deutschen Grammatik hahen. Ob sie dabei in dieser Form aufrecht erhalten Vierden können, ist hier nicht entscheidend, da sie nur als Beispiel dienen. Die Symbole bedeuten: Pron-| = Pronomen der ersten Person, Pron2 = Pronomen der 2. Person, k 0 = Nominativ, p = Plural. Nehmen wir z.B. für Pron-| und Pron^j den Wert 3 an, für p den Wert 2, für Ps den Wert 3 und für k 0 den Viert 2, so ergäben sich fol= 10, Ps = 7 , Ps = 8., Fs1 = 8, Fs^ = 3. gende Zahlen: Ps

WOLFDIETRICH HÄRTUNG DIE PASSIVTRANSFOHMATIONEN IM DEUTSCHEN 0. ZIELSETZUNG Die Transformationsgrammatik gibt die Möglichkeit, Passivsätze als von Kernsätzen abgeleitet einzuführen. Dadurch werden verschiedene Verbesserungen gegenüber jener Darstellung erreicht, die sich auf eine Beschreibung der Konstituentenstruktur der Passivsätze beschränkt, nicht zuletzt wird die Grundlage für eine präzisere Formulierung des Verhältnisses zwischen Aktiv- und Passivsätzen geschaffen. Hierin besteht ein wichtiger Vorteil der Transformationsgrammatik gegenüber der herkömmlichen Darstellungsweise. Denn bei einer Beschreibung der Aktiv- und Passivsätze nach ihrer Konstituentenstruktur bleibt ihre Verwandtschaft unmotiviert; bei einer semantischen Beschreibung der Aktiv- und Passivsätze als "Tätigkeitsform" und "Leideform" widerspricht eine große Zahl von typischen Sätzen dieser Klassifizierung (vgl. etwa das unpersönliche Passiv, das eher eine "Tätigkeit" als ein "Leiden" meint). Die Passivtransformation wurde in der Literatur mehrfach als. Beispiel für die Vorzüge einer Transformationsgrammatik angeführt. 1 ^ Für die deutsche Sprache bringen die Passivtransformationen eine Reihe von interessanten Sonderproblemen, die im folgenden erörtert werden sollen. Solche Probleme sind etwa die unterschiedliche Behandlung des Objekts des zugrunde liegenden Aktivsatzes bei der Transformation, die für die deutsche Sprache nicht einheitliche Veränderung der Reihenfolgebeziehungen oder die Ableitung der unpersönlichen Passivsätze. Außerdem muß die Menge der in den Aktivsätzen auftretenden Verben so beschränkt werden, daß nur richtige Passivsätze abgeleitet werden können. Die Kernsätze sind so aufzustellen, daß mit Hilfe weniger Regeln alle richtigen und nur die richtigen Passivsätze ableitbar sind. Das Beispiel der Passivtransformationen ist zugleich in besonderer Weise geeignet, die Problematik der Transformationsgrammatik auch den Linguisten nahezubringen, die sich mit diesen Fragestellungen erst wenig beschäftigt haben, da auch die traditionelle Grammatik bei der Einführung der Passivsätze in gewissem Maße mit Transformationen

Pass ivtransformationen

91

arbeitet, ohne sie jedoch zu einem formalen Ableitungsmecjianismus auszubauen. 1. DIE KONSTITUENTENSTRUKTUR DER PASSIVSÄTZE 1.0. Es werden im wesentlichen folgende Symbole verwendet: P

=

Formationsregel

M

=

Ordnungsregel

MP

=

morphophonemische Regel

T

»

Transformationsregel Indizes numerieren die Regeln ( P ^ P 2 ...) oder geben zusätzliche Charakteristiken (T v

A

=

Adjektiv

Adv

=

Adverb

Af

=

beliebiges Affix

Inf

=

Infinitiv-Äffix

N

=

Nominalgruppe oder Pronomen N q = N im Nominativ,

). pass'

= im Akkusativ, N^ = im Dativ,

Nj = im Genitiv. P

=

Präposition

P + N^

=

Präpositionalgruppe

Prät

=

Präteritalaffix

Ps

=

Personalaffix beim Verb

pt 2

=

Affix des Part. Prät.

St

=

beliebiger Verbalstamm

V

=

Stamm des Vollverbs

X, Y, Z, Q

=

beliebige, im Zusammenhang definierte Glieder.

1.1. Passivsätze der deutschen Sprache sind beispielsweise (die Klammern bezeichnen potentielle Glieder)s 1)

Das Problem wurde (vom Redner) (nur) angedeutet.

2)

Er wird (von mir) ein Verbrecher genannt.

5)

Das Buch wurde (von ihr) der Bibliothek zurückgegeben.

4)

Er wurde (vom Gericht) eines schweren Verbrechens beschuldigt.

5)

Er wird (von allen) für einen ehrlichen Mann gehalten.

6)

Dem Schüler wird (vom Lehrer) geholfen.

92

H ä r t u n g

7) Vom Küchenchef 7/ird für gutes Essen gesorgt. 8) Von uns wird (heute) gearbeitet. 9) Es wird (heute) (von uns) gearbeitet. 10) Es wird dem Schüler (vom Lehrer) geholfen. 11) Wurde das Problem (vom Redner) (nur) angedeutet? 12) Wird dem Schüler (vom Lehrer) geholfen? 13) Wird (heute) gearbeitet?

Usw. usw.

Die Fragesätze sollen aus den weiteren Erörterungen ausgeschlossen Vierden, da sie keine Probleme enthalten, die in diesem Zusammenhang von Interesse sind. Für' die genannten Sätze sind teilweise auch andere Stellungen möglich. Da wir jedoch von der normalen, nicht-emphatischen Stellung ausgehen, bleiben diese Fälle vorerst unberücksichtigt. 1.2. Die genannten Passivsätze könnten auf folgende Weise durch Formationsregeln abgeleitet werden, wobei versucht wird, die Formationsregeln so aufzustellen, daß sie denen für die Ableitung der Aktivsätze (vgl. 1.5.1.) weitgehend parallel sind:

i

2

Passivsatz

V VPp

Aktivsatz | Passivsatz |

J

+ VP

V

1

V

2

V

3

Temp+werd+pt2+ - V

4

V

5

V

6

V

7

+ N + N + N + N

p

0 0 0 0

+ N < + N, + N.

' (+Px+Ni) (+Adv)

+ Ii + P 0 +

N

2

+ P + N.

1

v„ Temp steht für die Flexionskategorie des finiten Verbs.

Passivtransformationen

93

Für die Ableitung von Adv gilt: P^s

Adv

> (Adv +)

Adv x

P + N.

1

Wir setzen voraus, daß die Ebene der Konstituentenstruktur bereits durch obligatorische Ordnungsregeln erweitert ist. Um Passivsätze in richtiger Reihenfolge abzuleiten, ist zunächst folgende Ordnungsregel erforderlich: Das Glied PV in

steht für ein noch nicht näher

bestimmtes präverbales Glieds Durch M^ wird es präzisiert: M1:

PV + Temp + werd + pt2 + V^ + Z

> Z + Temp + werd + pt2 +

wobei Z zu definieren ist als das erste Glied hinter V^ in F^; also Ng, P + IL, P^ + IL oder Adv.- Es sind weitere Ordnungsregeln erforderlich, die etwa die Stellung von Adv und P x + IL regeln; auf sie soll hier nicht eingegangen werden. Für die Ableitung der passivischen Es-Sätze ist in diesem Zusammenhang keine zusätzliche Ordnungsregel erforderlich. 1.3. Die aufgestellten Formationsregeln bedürfen einiger Erläuterungen. Advx soll durch eine Liste definiert sein, etwa durch: heute, morgen, gestern, dort, lange usw.

P + IL kann als beliebige Präpositional-

phrase (mit N) verstanden werden. Der Kasus von N ist von der Präposition abhängig. P x ist definiert durch die Liste: von« durch. Der syntaktische Status von P

+ IL soll hier undiskutiert bleiben.

Das Glied P + IL tritt in Ketten mit V^ oder V^ auf, es kann aber auch bei der Ableitung von Adv auftreten. Dem entspricht scheinbar die in der Grammatik übliche Unterscheidung zwischen Präpositionalobjekten und adverbiellen Präpositionalgruppen. Auf dieser Stufe der Analyse, ist eine solche Unterscheidung jedoch durch nichts zu stützen. P + IL könnte mit einem Reihenfolgeindex versehen werden, der aber nichts über.den syntaktischen Status aussagen würde. Hinzu kommt, daß P^ Teilmenge von P ist, so daß also auch P^ + HL gegenüber P + IL nicht eindeutig definierbar ist. Man könnte annehmen, daß ein Satz wie Ich wurde von ihm nach dem Buch gefragt auf verschiedene Art abgeleitet werden kann:

H ä r t u n g

94

a) N + Temp + werd + pt 0 + V o • ^ 2 5 / b)

C

+ P

x

+ N . + P + N . oder i 1

+ Temp + werd + p t 2 + V^ + P^ + IT + Adv und nach Anwendung von F + Temp + werd + p t 2 + V 1 + P^ + IT + P + IL.

In diesem Fall wäre die Notwendigkeit der Kette mit V^ nicht einzusehen. Dagegen können Sätze wie Vom Küchenchef wird für gutes Essen gesorgt und Er wird für einen ehrlichen Mann gehalten nicht als Ketten mit

abgeleitet werden. Sie können hur folgende Repräsentationen

haben: P N

x

+ N. + Temp + werd + pt_ + V„ + P + N. i * ^ 2 7 1 + Temp + werd + pt + V_ + P + N..

Die Ableitung von Adv unterliegt keinen sprachinternen

Beschränkungen.

Da Adv potentiell ist, darf die Potentialität also auch nicht durch sprachinterne Bedingungen aufgehoben sein. Das ist aber der Fall, wenn, wie in den beiden letzten Sätzen, P + N. bei bestimmten V. obligato1

2)

x

risch ist. ' Allein durch diese Tatsache ist das zweimalige Auftreten von P + N. motiviert, x Wenn eine Kette /Es + Temp + werd + p t 2 + Y^ + N q .../ auftritt, darf N o kein Personalpronomen oder man sein. 1.4. Die Tempora der Aktiv- und Passivsätze werden durch die Ableitung von Temp eingeführt: Temp

> Ps

Die Ableitung des Konjunktivs bleibt der Einfachheit halber unberücksichtigt; ebenso wollen wir nicht auf die Selektion von /hab/ und /sei/ und auf die weitere Ableitung der Symbole Ps, Prät, Inf und p t 2 eingehen. Die Ableitung der Tempora soll nur in den wichtigsten Zügen skizziert werden. Die Regeln F,. und F^ gestatten es, sechs Tempora des Passivs abzuleiten: a)

Ps + werd + pt g + V,

b)

Ps + Prät + werd + p t 2 + 7,

c)

Ps + werd + Inf + werd + ptg + V,

d)

Ps + sei + pt„ + werd + pt„ + V

Passivtransformationen

95

e)

Ps + Prät + hab + pt 2 + werd + p t g + V,

f)

Ps + werd + Inf + hab + p t ? + werd + p t 2 + V.

Die Formen des sogenannten Zustandspassivs (er ist geschlagen; er war geschlagen usw.) werden durch die Regel F^ nicht abgeleitet, da es zweckmäßiger ist, sie über die Kette / N dernfalls wäre es natürlich auch möglich,

+ sei + A / abzuleiten. Anentsprechend zu erwei-

tern. Auf die durch F^ abgeleiteten Morphemsequenzen wird eine Ordnungsregel angewandt, die gleichzeitig die Wortgrenzen festlegt (die Wortgrenzen sollen dabei durch "/" bezeichnet werden)s Af + St

M2:

> /St + Af/ (Prät+) Ps

wobeis Af = Df.

Inf P*o werd

St = Df.

hab

7

U m die richtige Reihenfolge in den Endketten herzustellen, ist eine weitere Ordnungsregel erforderlich: M.5 :

/St + Ps/ + X 1 +

+

xn

+

Z>

/st + Ps/ + z> + x n + x n - 1 + . . . +. X. ^ X ist hier gleich /St + Af/; die Indizes geben die Reihenfolge an. Z 1 ist definiert durch die nach der Anwendung von M 1

hinter

stehenden Elemente aus P^. M j würde beispielsweise folgende Umstellung bewirken: /werd + Ps/ + /hab + Inf/ + /werd + p t 2 / + /V\ + p t g / + /Z'/

>

/werd + Ps/ + /Z'/ + / V ± + p t g / + /werd + p t 2 / + /hab + Inf/. Auf der morphophonemischen Ebene sind zwei besondere Regeln vorzusehen: M P 1 : /hab + A f /

/sei + Af/,

wenn in der betreffenden Kette /werd + ptg/ auftritt.

H ä r t u n g

96 MPg: /werd + pt^/

> /worden/,

wenn in der betreffenden Kette /V + ptg/ vorausgeht. Nach der Anwendung weiterer morphophonemischer Regeln erhalten wir, wenn Ps = 5« Person Sg0 gegeben und V = schlag, beispielsweise folgende Repräsentationen: a)

wird geschlagen,

b)

wurde geschlagen,

o)

wird geschlagen werden,

d)

ist geschlagen worden,

e)

war geschlagen worden,

f)

wird geschlagen worden sein.

Auf diese Weise könnten alle richtigen und nur die richtigen Passivsätze der deutschen Sprache durch bloße Formationsregeln und entsprechende Ordnungs- und morphophonemische Regeln abgeleitet werden. 1.5. Auf der bisher vorausgesetzten Ebene der Konstituentenstruktur ergeben sich für die Beschreibung der Passivsätze einige grundsätzliche Schwierigkeiten und Kompliziertheiten der Darstellung, deren Überwindung erst nach der Einführung einer Transformationsebene möglich wird. 1.5.1. Wenn wir die Beschreibung der Grammatik darauf beschränken, daß wir angeben, wie mit Hilfe von Formationsregeln alle Sätze dieser Grammatik ableitbar sind, dann müssen verschiedene Restriktionen, die für die Ableitung der Aktivsätze erforderlich sind, bei der Ableitung der Passivsätze wiederholt werden oder umgekehrt, ohne daß in diesen Restriktionen etwas Neues ausgesagt wird. So muß die Grammatik gestatten, einen Teil der folgenden Sätze abzuleiten, einen andern Teil aber nicht: a)

Ich lobe ihn.

b)

Ich helfe ihm.

c)

Ich antworte ihn.

d)

Er wird von mir gelobt.

e)

Ihm wird von mir geholfen.

f)

Er wird von mir geantwortet.

Pas s ivtrans format ionen

97

D.h., die Grammatik muß es gestatten, die Sätze a), b)f d) und e) abzuleiten, nicht aber die Sätze c) und f). Das wird erreicht, indem die einzelnen Ableitungsmöglichkeiten für VP^ mit bestimmten Subklassen von V verbunden werden. Die Problematik wird deutlich, wenn den Formationsregeln für die Ableitung der Passivsätze die für die Ableitung der Aktivsätze gegenübergestellt werden.. Der Einfachheit halber sollen dabei nur die Aktivsätze berücksichtigt werden, denen Passivsätze entsprechen; außerdem werden die durch Es erweiterten Ssitze weggelassen. Die Aktivsätze können durch folgende Formationsregeln abgeleitet werden: Aktivsatz

V

+

VP

Temp + -

V

2

v

3

V

4

+

Y

6

7 Vn

1

+

+

+

+

+

V ++

V

N

+

N

1

P +

-> N + YP o a

+

1J

2

P +

(+Adv) N.

l

N. X

Auch in F^ werden acht Subklassen von V unterschieden. Sie stimmen mit denen von F, überein. Das Verhältnis zwischen Aktiv- und Passivförmationsregeln ist leicht ersichtlich (vgl. hierzu auch die Zusammenfassung der Formationsregeln im ANHANG): abgesehen von dem Glied /werd + pt^/ bei der Ableitung von VP^ entspricht jedem'N^ in F^ ein N. in F„, und jedem IT in.F^ ein P + H. in P 7 . 1 7 0 6 x i 3 Eine lediglich aus Formationsregeln bestehende Grammatik bietet jedoch keine Möglichkeit, dieses einfache Verhältnis darzustellen. Die für die Ableitung von VP^ in den Aktiv- und Passivsätzen erforderlichen Subklassen von V müssen tinabhängig voneinander aufgestellt werden. Eine Vereinigung der Regeln F^ und. F^ würde nicht zu einer Vereinfa-

98

H ä r t u n g

chuiig, sondern zu einer Verdoppelung der Ableitungsmöglichkeiten führen. Diese Schwierigkeit, kann jedoch leicht überwunden werden, wenn die Passivsätze als

sekundär

betrachtet werden, so daß die

Aufstellung der verbalen Subklassen nur einmal, bei den Aktivsätzen, erforderlich ist. Die verbalen Subklassen sind dann auf folgende Weise definiert: V^ = Verben nur mit Akkusativobjekt V^ = Verben mit doppeltem Akkusativobjekt V^ = Verben mit Akkusativ- und Dativobjekt V^ = Verben mit Akkusativ- und Genitivobjekt Vj. = Verben mit Akkusativobjekt und obligat. P + iL Vg = Verben nur mit Dativobjekt V^ = Verben nur mit obligat. P + IT V_ = Verben ohne Objekte oder obligat. P + N.. o i Bestimmte Verben können in mehreren Subklassen vorkommen; das gilt vor allem für die Verben der letzten Subklasse, die in vielen Fällen auch mit Objekt vorkommen können. 1.5.2. Neben dieser Kompliziertheit der Darstellung sind einige Schwierigkeiten anderen Charakters zu berücksichtigen. Sätze des Typs ich werde empfangen können doppeldeutig sein, wenn sich Inf und p t 2 nicht unterscheiden. Sie können dann entweder.als Futur des Aktivs oder als Präsens des Passivs verstanden werden. Die Doppeldeutigkeit läßt sich hier noch durch die Existenz von zwei verschiedenen Ableitungen der Konstituentenstruktur erklären: a)

N

b)

N q +.Ps + werd + p t 2 + V.

'

o

+ Ps + werd + Inf + V,

Erst die morphophonemischen Regeln liefern identische Phonem- oder Graphemketten. In anderen Fällen dagegen läßt sich die Doppeldeutigkeit nicht mehr auf der Ebene der Konstituentenstfuktur erklären. Der Satz Diese Geschichte wurde v o n ihm erzählt hat üoif der Ebene der Konstituentenstruktur nur eine Ableitung: N» + Ps + Prät + werd + P 1 + N!'

pt„ + V,

Pas s ivtr ans format i onen

99

obwohl die präpositionale Gruppe doppeldeutig ist. Der Satz kann entweder meinen, daß er die Geschichte erzählt hat, oder daß m a n sie von ihm erzählt hat. Da P' und N'' lediglich Reihenfolgeindizes haben und somit nichts über den syntaktischen Status der präpositionalen Gruppe ausgesagt wird, ist durch die Verfolgung der Ableitungs"geschichte" die Doppeldeutigkeit nicht aufzulösen. In solchen Fällen reicht also die bloße Kenntnis der Konstituentenstruktur nicht mehr aus. Die Grammatik kann grundsätzlich vereinfacht werden, ihre erklärende Kraft kann erhöht werden, wenn doppeldeutige Konstruktionen durch Transformationen eingeführt werden. 1.5.3. Die Aufnahme eines Transformationsteils in die Grammatik gibt die Möglichkeit, die Zahl der Ausgangssätze für die Ableitung (die Zahl der Ableitungsmöglichkeiten für "Satz") relativ klein zu halten, da nur bestimmte aktivische Kernsätze durch Formationsregeln abgeleitet vrerden, während der größte Teil der Sätze durch Transformationen aus diesen Kernsätzen abgeleitet werden kann. Auch die verschiedenen Passivkonstruktionen können dann besser zusammengefaßt werden, indem ein Teil von ihnen als Ableitungen aus zugrunde liegenden Konstruktionen erklärt werden. So können etwa die Es-Sätze durch eine einheitliche Es-Transformation aus zugrunde liegenden Sätzen abgeleitet werden. 1 . 5 . 4 . Die bloße Kenntnis der Konstituentenstruktur gibt schließlich überhaupt keine Möglichkeit, das Verhältnis zwischen verschiedenen Satztypen, die Verwandtschaft von Aktiv- und Passivsätzen zu erklären. Diese Relation bleibt immer mehr oder weniger unmotiviert. Der Grammatiker ist so auf ungenaue semantische Interpretationen (Tätigkeit und Leiden) angewiesen. Aus den angeführten Schwierigkeiten ergibt sich die Zweckmäßigkeit, eine Transformationsebene in die Grammatik einzuführen, auf der mit Hilfe von Transformationsregeln, die auf bestimmte Kernsätze angewandt werden, andere Sätze abgeleitet werden. 2. TRANSFORMATIONEN 2.1. Den in 1.1. genannten Passivsätzen entsprechen folgende Aktivsätze:

100

H ä r t u n g Der Redner deutete das Problem (nur) an. Ich nenne ihn einen Verbrecher.

3)

Sie gab das Buch der Bibliothek zurück.

4)

Das Gericht beschuldigte ihn feines, schweren Verbrechens.

5)

Alle halten ihn für einen ehrlichen Mann.

6)

Der Lehrer hilft dem Schüler.

7)

Der Küchenchef sorgt für gutes Essen.

8)

Wir arbeiten (heute)..

Die Es-Scätze sollen hier zunächst nicht betrachtet werden, da sie später durch eine besondere Es-Transformation eingeführt werden, die allgemeinere Gültigkeit hat, d.h. auf Aktiv- und Passivsätze anwendbar ist. Außerdem würde dem Satz 9) in 1.1. auf Grund der für die Es-Transformation geltenden Beschränkungen kein aktivischer Es-Satz entsprechen können. 2.2. Die genannten Aktivsätze werden mit Hilfe der Formationsregeln Fg und

abgeleitet.

Die Regel F^

berücksichtigt keine alleinstehenden Genitivobjekte

und auch nicht sogenannte irädikatsnomina im Nominativ; beide gehen nicht in die Struktur der den Passivsätzen zugrunde liegenden aktivischen Kernsätze ein. Die Regel gestattet auch nicht, den sogenannten dativus ethicus abzuleiten. Adv wird nach F^

abgeleitet.

Da die strukturellen Veränderungen, die bei der Umwandlung in Passivsätze an den einzelnen Endketten aus F^ und F,-

vorgenommen werden,

jeweils bestimmte Gemeinsamkeiten aufvi eisen, empfiehlt sich folgende Zusammenfassung der Endkettens (1)

N^ + Ps + V ± (+Adv) + N'' (+Y)

(2)

ÎP + Ps + V i (+Adv) +

(3)

+ Ps + V i (+Adv) (+P+NV).

Die Definition von Y ergibt sich aus F^ s 'N1 Y =

W

2

P + N. l

Pas s ivtransformai ionen

101

Daß die Ableitung der einzelnen in Y genannten Möglichkeiten das Gegebensein bestimmter Subklassen von V voraussetzt, kann in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden. Das gleiche gilt für die Ableitung von P + N^ im Kernsatztyp (3). 2.3. Die präpositionale Gruppe P + N/ kann auch nach der Regel Fj mehrmals auftreten. Diese Tatsache ist in der gleichen Weise motiviert wie in f^ . Dem mehrmaligen Auftreten entspricht nicht die traditionelle Unterscheidung zwischen präpositionaler Adverbialbestimmung und Präpositionalobjekt, sondern die zwischen potentieller u n d obligatorischer Präpositionalgruppe

. So hat etwa der Satz Wir hal-

ten ihn für einen ehrlichen M a n n die nach F^

abzuleitende Struktur:

N» + Ps + V c + N!' + P + N! " , o 5 1 1 und der Satz'Per Küchenchef sorgt für gutes Essen hat die ebenfalls nach Fy

abzuleitende Struktur: N' + Ps + V_ + P + N M . o 7 1

Dagegen hat der Satz Er fragt mich nach dem neuen Buch eine über F^ und dann F^ abzuleitende Struktur: N' + Ps + V. + NJ' + Adv. 0 1 1 Somit wird der größte Teil der traditionellen Präpositionalobjekte, d.h. alle in Hinblick auf die strukturelle Vollständigkeit eines Satzes nicht obligatorischen Präpositionalgruppen, zu den Adverbial3) bestimmungen gerechnet. ' Die obligatorischen Präpositionalgruppen sind auf relativ wenige Verben beschränkt. Zu ihnen werden dann aber nicht nur "Präpositionalobjekte", sondern auch die von einigen Grammatiken unterschiedenen sogenannten präpositionalen Prädikative gerechnet (halten für u.a.). Die Zusammenfassung der zugrunde liegenden aktivischen Kernsätze in solche mit Akkusativobjekt, solche mit alleinstehendem Dativobjekt und solche ohne Akkusativ- oder Dativobjekt empfiehlt sich aus zwei Gründen: a) Das Akkusativobjekt (N^) ist, abgesehen vom Subjekt des Aktivsatzes, das einzige N, das bei der Passivtransformation seinen Kasus

102 verändert, zu einem

H ä r t u n g des Passivsatzes wird. Das gilt auch dann,

wenn der Aktivsatz zwei Akkusativobjekte enthält. Alle Dativobjekte und natürlich auch alle obligatorischen P + iL und alle Adverbialbestimmungen bleiben im Kasus unverändert. b) In der deutschen Sprache mit ihrer relativ großen Freiheit in der Wortstellung ist bei der Passivtransformation eine Veränderung der Reihenfolge der einzelnen Glieder nicht:schlechthin erforderlich wie etwa im Englischen. "Es wäre nicht verboten, den Aktivsatz Der Redner deutete das Problem nur an iii den Passivsatz Vom Redner wurde das Problem nur angedeutet umzuformen. Da die Reihenfolge mit Spitzenstellung des Subjekts jedoch die normale (häufigste) Porp ist, kann die von der Normalform abweichende Stellung (ohne Spitzenstellung des Subjekts) emphatischen Charakter bekommen. Es erscheint deshalb zweckmäßiger, in diesen Fällen auch für die deutsche Sprache eine Reihenfolgeveränderung vorzusehen, die dem Subjekt auf jeden Fall Spitzenstellung zuweist. D.h., aus dem Aktivsatz Der Redner deutete das Problem nur an folgt der Passivsatz Das Problem wurde vom Redner nur angedeutet. Der Satz Vom Redner wurde das Problem nur angedeutet könnte dann durch eine Emphase-Transformation aus dem "normalen" Passivsatz abgeleitet werden. Anders ist das Verhältnis bei den Sätzen, die nur eine obligatorische Präpositionalgruppe oder nur eine Adverbialbestimmung enthalten. Hier tritt im Passivsatz kein Subjekt im Nominativ auf, so daß auch die Forderung nach der Spitzenstellung dieses Subjekts entfällt. Bei der. Umwandlung solcher Sätze in Passivsätze ist es also nicht erforderlich, eine Reihenfolgeveränderung vorzusehen. Den Aktivsätzen Der Küchenchef sorgt für gutes Essen und Wir arbeiten heute entsprechen die Passivsätze Vom Küchenchef wird für gutes Essen gesorgt und Von uns wird heute gearbeitet. Diese Stellung kann'als durchaus normal und nicht-emphatisch betrachtet werden gegenüber den Stellungen Für gutes Essen wird vom Küchenchef gesorgt und Heute wird von uns gearbeitet.- Für die Beibehaltving der Reihenfolge in diesen Fällen spricht ein weiterer Grund, der bei der Aufstellung der entsprechenden Trans formationsr'egel erörtert werden soll.

Passivtransformationen

103

Die Dativobjekte behalten bei der Passivtransformation zwar gleichfalls den Kasus, eine Veränderung der Reihenfolge hat hier jedoch eine sehr große Wahrscheinlichkeit. Dem Satz Der Lehrer hilft dem Schüler entspricht weniger Tom Lehrer wird dem Schüler geholfen, als vielmehr Dem Schüler wird vom Lehrer geholfen« Es empfiehlt sich deshalb, die Aktivsätze mit alleinstehendem Dativobjekt als besonderen Kernsatztyp anzusetzen. 2.4» Die nun aufzustellenden Transformationsregeln müssen folgende strukturelle Veränderungen in den Kernsatztypen (1), ( 2 ) und (3) vornehmen: IP wird in jedem Fall zu einer Präpositionalgruppe mit den Präpositionen von oder durch

das Verb wird in jedem

Fall durch / w e r d + pt,,/ erweitert;

' wird zu 1P'; in zwei Kern-

satztypen muß eine Veränderung der Reihenfolge vorgenommen v/erden. Wir erhalten somit entsprechend den drei zugrunde liegenden Kernsatztypen drei verschiedene Transformationsregeln (Adv soll in diesen Regeln als immer potentiell unberücksichtigt bleiben): T

„ : N« + Ps + V. + N'1 x (+Y) pass 1 0 1 1 '

>

IP« + Ps + werd + p t g + V ± + P x + in (+Y), T T

- t N ' + P s + V . + K" pass 2 0 1 2 pass 3

» 1 U 1 + Ps + werd + pt„ + V. + P + N., 2 ^ 2 1 x 1'

N« + Ps + V. v(+P+N1.1) — — > o x 1' P x + N! + Ps + werd + ptg + V i

(+P+SP)


Für die Selektion von von und durch können folgende Hinweise gegeben werden: Nur von ist zulässig, wenn das Subjekt des zugrunde liegenden Aktivsatzes unmittelbarer Ausgangspunkt (Initiator) des Verbalinhalts ist. Nur durch ist zulässig, wenn das Subjekt des zugrunde liegenden Aktivsatzes nicht unmittelbarer Ausgangspunkt (d.h. nicht Initiator, wohl aber Realisator) des Verbalinhalts ist. Von und durch sind zulässig, wenn beide Auffassungen ohne nennenswerten Bedeutungsuntersohied möglich sind, bzw. wenn zwischen Initiator und: Realisator nicht vinterschieden werden kann. Diese Hinweise sind nicht, jedenfalls nicht in der hier vorliegenden interpretierenden Form, in den Ableitungsmechanismus aufzunehmen. 2.5. Verschiedene Sonderprebleme bedürfen einer näheren Erläuterung: 2.5.1• Der sogenannte Akkusativ des Inhalts wird bei der Passivtransformation wie ein gewöhnliches Akkusativobjekt behandelt. Vgl.: Jeder Schütze schießt drei Schuß.

*

Drei Schuß werden von jedem Schützen geschossen. Wir kämpfen einen schweren Kampf.

*•

Ein schwerer Kampf wird von uns gekämpft. Allerdings sind diese Passivsätze entsprechend der Seltenheit der zugrunde liegenden Aktivsätze so selten, daß ihr Auftreten im Text bereits unwahrscheinlich werden kann. Adverbielle Akkusative (Akkusativ des Weges, der Zeit usw.) werden naturgemäß nicht wie Akkusativobjekte behandelt und bleiben bei der Passivtransformation deshalb unverändert. Vgl.: Wir warteten den ganzen Tag. Von uns wurde den ganzen Tag gewartet. Bzw. nach Einführung der Es-Transformation und Weglassung der Präpos it ionalgruppe:

Pas s ivtransformationen

105

Es wurde den ganzen Tag gewartet. Diese Eigenschaft gibt die Möglichkeit, die adverbiellen Akkusative auch strukturell zu definieren. Im Falle eines doppelten Akkusativobjekts werden beide Akkusative zu Nominativen} natürlich tritt dann nur ein Nominativ - bei nicht-emphatischem Charakter des Satzes N'1 - an die Spitze des Passivsatzes. Es gibt jedoch einen Fall, in dem die Passivtransformation sehr unwahrscheinlich ist. Der Satz Der Lehrer lehrt die Schüler eine Fremdsprache ist kaum zu transformieren in Die Schüler werden (von dem Lehrer) eine Fremdsprache gelehrt. Möglich ist die Passivtransformation aber dann, wenn lehren nicht mit einem doppelten Akkusativ, sondern mit einem Akkusativ- und einem Dativobjekt verbunden wird: Der Lehrer lehrt den Schülern eine Fremdsprache.

*•

Den Schülern wird (vom Lehrer) eine Fremdsprache gelehrt. über die Problematik von kosten vgl. 2.8. 2.5.2. Von manchen Grammatiken werden, wenn auch fast nie einheitlich und klar definiert, Unterschiede zwischen Präpositionalobjekten und bestimmten mehr prädikativen Präpositionalgruppen gemacht. Beispiele für Präpositionalgruppen der letzteren Art können die folgenden Sätze sein» Wir halten ihn für einen ehrlichen Mann. Wir haben ihn zum Vorsitzenden gewählt. In unserem Regelmechanismus ist eine solche Unterscheidung unnötig. Diese wie alle anderen Präpositionalgruppen fallen unter P + N^ in F^, wenn sie in Hinblick auf die strukturelle Vollständigkeit des Satzes obligatorisch sind - wie im ersten Beispiel - oder sie fallen unter Adv in F^, wenn sie potentiell sind, wie im zweiten Beispiel. Auf jeden Fall bleibt aber der Kasus des von P abhängigen N bei der Passivtransformation unverändert. Solche Bestimmungen können aber auch mit den Nicht-Präpositionen als und wie verbunden sein. Es ist gleichgültig, ob wir als und wie hier als Konjunktionen auffassen wollen oder nicht, auf jeden Fall regieren sie keinen Kasus wie P.

106

H ä r t u n g

Der Kasus dieser Bestimmung ist - unabhängig davon, ob sie obligatorisch oder potentiell ist - vom Kasus des regierenden N bestimmt. Vienn der Kasus dieses N durch die Passivtransformation verändert wird, vfird auch der Kasus der Bestimmung verändert. Vgl.: Wir betrachten ihn als schlimmsten Feind.

>

Er wird von uns als schlimmster Feind betrachtet. Eine abschließende Analyse dieser Fälle kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht gegeben werden. Falls sich in anderem Zusammenhang kein besserer Weg findet, solche Gruppen einzuführen, könnte die Regel F^

entsprechend erweitert werden.

2.5.3. Die Transformationsregeln T

pass c.

und T

, erzeugen sögepass j

nannte unpersönliche Passivsätze. Eindeutiger wäre es, von Sätzen zu sprechen, die kein Subjekt im Nominativ enthalten. Denn alle resultierenden Sätze enthalten das Agens in Form einer Präpositionalgruppe, und teilweise enthalten sie auch ein Objekt, außer denen, die auf Kernsätze mit V_o zurückgehen. Das Agens kann dann später durch eine Reduktions-Transformation eleminiert werden, so daß dadurch gewissermaßen der unpersönliche Charakter des Satzes verstärkt wird. 2.6. Es läßt sich eine Es-Transformation aufstellen, die auf beliebige Kernsätze und auch auf einige bereits transformierte Hauptsätze (u.a. auch Passivsätze) anwendbar ist, falls Fs = 3. Person und N q kein Personalpronomen ist. Ausgenommen sind lediglich Kernsätze von der Art /Es + Verb^/ = Es schneit, die bereits ein Es enthalten. Die Es-Transformation besteht darin, daß das Anfangsglied der Kette hinter die finite Verbform tritt, während an der leeren Stelle vor der finiten Verbform Es eingefügt wird. Die Es-Transformation kann in verallgemeinerter Form folgendermaßen dargestellt werden: T

:

X + Ps + V + Y

* Es + Ps + V + X + Y.

es Hier soll X für jedes beliebige Anfangsglied stehen; es umfaßt also neben Subjekten auch N im Dativ oder Genitiv, P + N^ und Adverbialbestimmungen. Y steht für jedes beliebige Glied hinter V. Wenn wir T auf die Ergebnisse der Passivtransformationen anwenden, es erhalten wir beispielsweise folgende Ketteiu,

Passivtransformationen (4) (5) (6)

107

Es + Ps + werd + pt„ + V. + N " + P + N! (+Y), d. x o x x Es + Ps + werd + pt„ + 7. + N' • + P + BT., 2 x 2 x x' Es + Ps + werd + p t g + T ± + P^ + in (+P+N! 1 ).

U m die richtige Reihenfolge herzustellen, ist auch hier M^ anzuwen-iden, wobei Z» dann entsprechend anders zu formulieren wäre. Dem entsprechen Passivsätze wie: Es wurde das Problem vom Redner nur angedeutet. Es wird dem Schüler vom Lehrer geholfen. Es wird vom Küchenchef für gutes Essen gesorgt. Es wird von uns gearbeitet. Damit kann ein weiterer Teil der Passivsätze abgeleitet werden« Es wäre unzweckmäßig, die Es-Transformation unmittelbar auf die aktivischen Kernsätze anzuwenden, und aus ihnen dann mit Hilfe einer erweiterten Passivtransformation die passivischen Es-Sätze abzuleiten» Das würde nicht nur eine Erweiterung und damit Komplizierung

der

Transformationsregeln bedeuten. Auf Grund der Beschränkungen für die Es-Transformation besteht auch keine völlige Ubereinstimmung zwischen aktivischen und passivischen Es-Sätzens es gibt aktivische Es-Sätze, die nicht in passivische transformiert werden können (Es grüßt dich dein Freund) und passivische Es-Sätze, denen keine aktivischen entsprechen (Es wird von uns gearbeitet). Es ist deshalb besser, die passivischen Es-Sätze aus Passivsätzen abzuleiten und nicht direkt aus aktivischen Es-Sätzen. Die aktivischen Es-Sätze werden mit derselben Transformationsregel T g s aus Aktivsätzen abgeleitet. 2.7. Die das Agens nennende Präpositionalgruppe ist in Hinblick auf die strukturelle Vollständigkeit des Passivsatzes nicht obligatorisch. Da sie auf das Subjekt

des zugrunde liegenden Aktivsatzes zurückgeht,

das für die Normalsprache in jedem Fall obligatorisch ist, können Passivsät ze ohne P. + U. 2t x

nicht direkt aus Aktivsätzen abgeleitet

werden. Es ist deshalb notwendig, eine Reduktions-Transformation aufzustellen, die Passivsätze mit P x + IL in Passivsätze ohne P^ + IT transformiert. Das Wesen dieser Transformation besteht allein in der Eliminierung von P

+ N..

108

H ä r t u n g

Wenn wir diese Transformation auf die durch T

pass 1

und T

pass 2

transformierten Sätze anwenden, erhalten wir folgende abgeleitete Kettens (7) (8)

N^' + Ps + werd + pt

+

(+Y),

+ Ps + werd + p t 2 + TL.

Dem entsprechen Passivsätze wies Das Problem wurde nur angedeutet« Dem Schüler- wird geholfen. W e n n wir die Reduktions-Transformation auf die durch T

. und pass 1 . und außerdem durch T transformierten Sätze anwenden, erpass 2 es ' halten wir folgende abgeleitete Kettens T

(9)

Es + Ps + werd + p t g + Y ± + IM 1 (+Y),

(10)

Es + Ps + werd + p t ? +

+

Dem entsprechen Passivsätze wies Es wurde das Problem nur angedeutet. Es wird dem Schüler geholfen. Es ist für diese Fälle gleichgültig, ob wir erst die ReduktionsTransformation oder erst die Es-Transformation anwenden; jedesmal sind die gleichen Sätze ohne zusätzliche Regeln ableitbar. T

, erzeugt Passivsätze mit Spitzenstellung von P + N.» Wenn pas s j x i

wir die Reduktions-Transformation auf diese Passivsätze direkt anwenden würden, käme die finite Verbform in Spitzenstellung, was für die Normalsprache kaum möglich ist. Wir müßten dann eine zusätzliche Regel haben, die P +

Adv oder gegebenenfalls Es an die Spitze

des Passivsatzes treten ließe. Deshalb ist es für diesen Fall zweckmäßiger, von vornherein vorzuschreiben, daß die Reduktions-Transformation erst nach der Es-Transformation angewendet werden darf. Es können dann Passivsätze folgender Art abgeleitet werdens Es wird für gutes Essen gesorgt. Es wird gearbeitet. U m die entsprechenden Sätze ohne Es~ zu erhalten, kann eine Transformation vorgesehen werden, die am zugrunde liegenden Satz eine Reihen-

Pas s ivtrans f ormat ionen

109

folgeveränderung vornimmt und •bestimmte Glieder (Objekte, Adverbien, P + IL) an die Spitze des Satzes treten läßt, wobei Es notwendigerweise eliminiert wird. Diese Transformation hat allgemeinere Gültigkeit und braucht nicht bei der Einführung der Passivsätze formuliert zu werden. Ob es sich dabei um eine Emphase-Transformation handelt oder nicht, soll in diesem Zusammenhang nicht diskutiert werden. Diese Transformation würde dann u.a. Sätze ableiten wie: Für gutes Essen wird gesorgt. Heute wird gearbeitet.

Usw.

Im letzten Fall ist natürlich Voraussetzung, daß der zugrunde liegende Satz ein Adv enthält. 2.8. Mit den genannten Regeln können sämtliche Passivsätze der deutschen Sprache erzeugt werden. Die Regeln in der bisher vorliegenden Form lassen jedoch zu, daß neben den richtigen Passivsätzen auch Sätze abgeleitet werden, die im Deutschen nicht vorkommen können. So sind bisher beispielsweise folgende Ableitungen zugelassen: Er gleicht dem Bruder.

>

Dem Bruder wird von ihm geglichen. Das Haus gehört meinem Freund.

>

Meinem Freund wird von dem Haus gehört. Er ist gealtert.

>

Von ihm ist gealtert worden. Um zu verhindern, daß solche Sätze produziert werden, muß eine zusätzliche Beschränkung der in den zugrunde liegenden Aktivsätzen auftretenden Verben eingeführt werden. Es muß eine Subklasse von V ermittelt werden, bei deren Vorhandensein in den Kernsätzen alle richtigen und nur die richtigen Passivsätze ableitbar sind. Bei der Einführung der Formationsregel F^

wurde bereits eine Zerle-

gung der Verben in Subklassen durchgeführt je nach der Verbindbarkeit oder Nicht-Verbindbarkeit der Verben mit bestimmten Objekten oder Präpositionalgruppen. Es ist nun eine neue, von dieser früheren unabhängige Zerlegung der Verben erforderlich. Kriterium der Bildung

H ä r t u n g

110

dieser neuen Subklassen ist, ob die Verben in Passivsätze eingehen können oder nicht. Zur Klasse der Verben, die nicht in Passivsätze eingehen können^ gehören z0B.: altern, anmuten, aufblühen, aussehen, entstehen, gedeihen, gefallen, gehören, gelingen, genesen, gleichen usw. Es handelt sich dabei um Verben, die

nicht

die unmittelbare Betei-

ligung des Subjekts an der Realisierung des Verbalinhalts voraussetzen, um Verben, die lediglich eine bestimmte Relation zwischen Subjekt und Objekt angeben (gleichen u.a.), oder die einen Vorgang nennen, der sich am Subjekt oder mit dem Subjekt ohne dessen Zutun vollzieht (altern, entstehen u.a.). Zu diesen Verben gehört auch kosten mit doppeltem Akkusativ. Da in die von den Passivtransformationen vorausgesetzten Kernsätze nur eine Teilmenge aller Verben eingehen darf, soll V nun mit einem zusätzlichen Index versehen werden: V. . Die Klasse V. 1Z

1Z

ist durch eine

(sehr umfangreiche) Liste zu definieren. Die Elemente dieser Klasse können annäherungsweise interpretiert werden als Verben, die eine Beteiligung des Subjekts an der Realisierung des Verbalinhalts voraussetzen. Eine weitere Beschränkung kann für die Kernsätze mit Vg angegeben werden (Aktivsätze mit Verben ohne Objekte und ohne obligatorisches P + N^). Hier sollte das Subjekt in der Regel belebt sein, denn sonst hätten wir nebeneinander: Von den Jugendlichen wurde die ganze Macht getanzt. Von den Schneeflocken wurde im Wind getanzt. Der erste Satz ist offensichtlich sehr viel wahrscheinlicher als der zweite.- Aus diesem Kernsatztyp sind also von vornherein auch alle Verben ausgeschlossen, die nur (oder jedenfalls in der Regel nur) mit unbelebten Subjekten vorkommen können: abbröckeln, fließen, funktionieren, gipfeln, glimmen usw.

Damit sind Sätze wie Vom Wasser wird

geflossen u.ä. als nicht ableitbar aus der deutschen Grammatik ausgeschlossen. Diese Teilklasse von V. soll mit V. IZ iz', bezeichnet werden. Somit ergibt sich für den generalisierten Kernsatztyp (5) eine neue Schreibung:

/

Pas s ivt ran s f o rma t ionen V (3)

N' + Ps +

' V

iz

111

(+Adv) + P + H V (+Adv)

3. ERGEBNISSE Es wurde ein Ableitungsmechanismus dargelegt, der von drei verschiedenen Kernsatztypen ausgeht. Er gestattet, mit Hilfe von drei Regeln für die Passivtransformation, einer Es-Transformation (die in der Grammatik nicht bei der Darstellung der Passivsätze zu formulieren wäre), einer Reduktions-Transformation, gegebenenfalls einer Transformation, die die normale Reihenfolge der Glieder verändert (auch sie ist nicht bei der Barstellung der Passivsätze zu formulieren), sowie einigen Beschränkungen für die in den Kernsätzen auftretenden Verben alle richtigen und nur die richtigen Passivsätze der deutschen Sprache abzuleiten. Die durch die einzelnen Tränsformationen erzeugten Sätze haben eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit. So sind die Ergebnisse von T

vor allem für die zugrunde liegenden Kernsätze mit V_, wepas s 2 o niger wahrscheinlich als die Ergebnisse v o n T und T Die p&ss i pass