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German Pages 482 [484] Year 2000
Studien- und Übungsbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Herausgegeben von Dr. Heiko Burchert und Universitätsprofessor Dr. Thomas Hering Bisher erschienene Werke: Arens-Fischer • Steinkamp, Betriebswirtschaftslehre Burchert • Hering, Betriebliche Finanzwirtschaft Burchert • Hering • Rollberg, Produktionswirtschaft Burchert • Hering • Rollberg, Logistik Guba • Ostheimer, PC-Praktikum Keuper, Finanzmanagement Keuper, Strategisches Management
Strategisches Management Von
Dipl.-Kfm. Dr. Frank Keuper Mit Illustrationen von
Peter-Michael Glöckner
R.Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Keuper, Frank: Strategisches Management / von Frank Keuper. Mit III. von Peter-Michael Glöckner. München ; Wien : Oldenbourg, 2001 (Studien- und Übungsbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) ISBN 3-486-25575-4
© 2001 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Hofmann-Druck Augsburg GmbH, Augsburg Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Binderei GmbH ISBN 3-486-25575-4
Vorwort
V
Vorwort Das vorliegende Buch zum strategischen Management wendet sich bewußt von der überwiegend funktionsorientierten Managementlehre ab, um sowohl Studenten der Wirtschaftswissenschaften als auch Praktikern prozeßorientiert die integrativ ineinandergreifenden erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepte zu eröffnen. Die Konzeption des Buches, die sich aus einer ABWL-Vorlesung entwickelt hat, zielt darauf ab, einen grundlegenden Überblick über die gegenwärtig in der Theorie und Praxis diskutierten modernen Managementkonzepte zu gewähren. Insofern erhebt das vorliegende Buch nicht den Anspruch, den gegenwärtigen Wissensstand der strategischen Unternehmensführung allumfassend zu erörtern. Ausgehend vom Komplexitätsproblem des strategischen Managements (Kapitel 1) werden zunächst die grundsätzlichen Aktionsparameter des strategischen Managements zur Komplexitätsreduktion und Komplexitätsbeherrschung (Kapitel 2) eingehend thematisiert. Im Anschluß daran werden erfolgsfaktorzentrierte strategische Managementkonzepte (Kapitel 3) vorgestellt und analysiert, die darauf abzielen, mit Hilfe der zuvor dargestellten Aktionsparameter spezifische strategische Erfolgspotentiale hinsichtlich der Dimensionen Kosten, Qualität und Zeit aufzubauen und auszuschöpfen. Während zu den diskutierten, überwiegend intrabetrieblichen, erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepten das Lean Management, das Total Quality Management und das Time-based Management zählen, stellt das Supply Chain Management ein interbetriebliches Managementkonzept zur Bildung erfolgsfaktorzentrierter Wertschöpfungsketten dar. Zur konkreten Umsetzung der dargestellten erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepte bedarf es prozeßorientierter Managementansätze. Da sich eine prozeßorientierte Sichtweise sowohl auf den Material- als auch auf den Informationsfluß bezieht, wird im Rahmen der prozeßorientierten Managementkonzepte zur konkreten Umsetzung des erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managements (Kapitel 4) auf das viel diskutierte Prozeßmanagement und das zunehmend an Bedeutung gewinnende Informationsmanagement eingegangen. Die Ausfuhrungen zum Prozeßmanagement konzentrieren sich dabei zum einen auf die klassische Vorgehensweise zur prozeßorientierten Organisationsgestaltung gemäß dem Prozeßgedanken von GAITANIDES und zum anderen auf die Möglichkeiten und Grenzen einer radikalen Restrukturierung entsprechend dem Business Process Reengineering. An das Prozeßmanagement schließt sich eine eingehende Darstellung und Analyse des mit dem Prozeßmanagement symbiotisch verwobenen Informationsmanagement an. Zunächst wird die Informationspolitik als Aufgabe des Informationsmanagements kurz dargestellt. Anschließend erfolgt eine detaillierte Analyse der Gewinnung strategischer Informationen als weitere Aufgabe des Informationsmanagements. Hierbei fokussieren sich die Ausfuhrungen insbesondere auf das Konzept des Fuzzy-Ökonomie-Ökologie-Portfolios als modernen
VI
Vorwort
Vertreter klassischer Instrumente zur Informationsgewinnung und auf die Balanced Scorecard als Vertreterin moderner Performance-Measurement-Konzepte. Darauf aufbauend wird die strategische Informations- und Kommunikationssystemplanung als dritte Aufgabe des Informationsmanagements näher erläutert. Die vierte und damit letzte Aufgabe des Informationsmanagements beinhaltet die Nutzung strategischer Potentiale neuer Informationstechnologie- und Software-Lösungen. Ausgehend vom ganzheitlichen informationstechnischen Integrationskonzept Computer Integrated Manufacturing konzentrieren sich die Ausführungen auf eine strategische Analyse betriebswirtschaftlicher Standardsoftware-Lösungen sowie auf eine eingehende Darstellung und Analyse Internet-, Intranet- und Extranet-basierter Systeme. Da auch dieses Buch unter der Zielsetzung, die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit bestmöglich auszuschöpfen, prozeßorientiert im Sinne des Supply Chain Management geschrieben worden ist, sei an dieser Stelle vor allem dem Zulieferer Herrn cand. rer. pol. KORAY KARAKURT, der mich unermüdlich, zuverlässig und schnell, somit also qualitäts- und zeitzorientiert, mit der von mir angeforderten Literatur versorgt hat (der Kostenaspekt ist im Hinblick auf studentische Hilfskräfte ein wohl kaum weiter zu optimierende Faktor) gedankt. Ferner möchte ich mich bei dem zweiten Zulieferer im Rahmen des Dual Sourcing, Herrn cand. rer. pol. STEPHAN DÖSSEL, bedanken; seine Diplomarbeit zum Thema Balanced Scorecard hat wesentliche Impulse für das entsprechende Kapitel in diesem Buch geliefert. Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank meinen befreundeten Wertschöpfungspartnern Herrn Dr. ROLAND ROLLBERG M.SC., der wichtige Anregungen hinsichtlich der Strukturierung des Buches beigetragen hat, sowie Herrn Dr. MICHAEL HÖCK, dessen kritische Anmerkungen ebenfalls einen Beitrag lieferten, das strategische Erfolgspotential Qualität weiter auszuschöpfen. Darüber hinaus schulde ich Herrn Dr. HINRICH SCHRÖDER Dank, der mich im Rahmen der Ausfuhrungen hinsichtlich der strategischen Optionen, die mit dem Einsatz einer betriebswirtschaftlichen Standardsoftware verbunden sein können, fachlich unterstützt hat. Herzlich danken möchte ich an dieser Stelle Frau HEIKE HEIJNK M.A., die mit Sorgfalt die Korrektur des Manuskripts übernommen hat und der es gelungen ist, simultan die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit kundenorientiert auszugestalten. Die trotz der kritischen Kommentare und konstruktiven Verbesserungsvorschläge eventuell verbliebenen Unzulänglichkeiten habe ich jedoch allein zu vertreten. Besonderen Dank schulde ich auch meinen befreundeten Kollegen Herrn Dr. HEIKO BURCHERT und Herrn Prof. Dr. THOMAS HERING, die mit mir das Supply Chain Committee gebildet haben und es mir ermöglichten, in ihrer Schriftenreihe dieses Buch zu veröffentlichen. Auf der Handels- und Vertriebsseite möchte ich mich beim R. Oldenbourg Verlag für die freundliche Zusammenarbeit sowie für die rasche Veröffentlichung dieses Buches in einer endkundenorientierten hohen Druckqualität zu geringen Kosten bedanken. Großen Dank schulde ich dem Künstler PETER-MLCHAEL GLÖCKNER, mit dem ich ein Cross-functional Team gebildet habe, für den hervorragenden Illustrationszyklus zu
Vorwort
VII
diesem Buch. In der düsteren Atmosphäre der Illustrationen und der Skurrilität der Fabelwesen und Charaktere spiegelt sich der Monetarismus des Betrachters wider bzw. wird der schnöde Mammon der „betrieblichen" Gesellschaft und ihrer Lehre, der Betriebswirtschaftslehre, reflektiert. Boshaftigkeit und Laster der Betriebswirtschaftslehre erscheinen in grotesken Figurationen und Formationen äußerster Intensität. Die zeitkritischen Bleistiftzeichnungen können aufgrund ihrer Absurdität und gleichzeitigen Realität dem Phantastischen Realismus, mitunter auch dem Surrealismus zugeordnet werden. Sicherlich sind die Illustrationen in einem Atemzug mit den Lithographien Andreas Paul Webers zu nennen. Gerade das Spannungsfeld zwischen verbalisierter wissenschaftlicher Theorie und betrieblicher Praxis auf der einen Seite sowie künstlerischer Reflexion der philosophischen Betrachtung betriebswirtschaftlicher Wissenschaft auf der anderen Seite können einen Lichtbogen des Interesses beim Leser schaffen, der gleichzeitig Betrachter ist und (Nach-)Denker sein sollte. Die Individualität jeder Illustration zwingt den Betrachter im positiven Sinne, sich jedesmal wieder neu auf die Kunst einzulassen. Dabei visualisieren die Bilder die zuvor diskutierten Themengebiete auf eindrucksvolle Weise und reizen den Betrachter hoffentlich zum kreativen künstlerischen und wissenschaftlichen Disput. FRANK KEUPER
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
XVI
Symbolverzeichnis
XXI
Abbildungsverzeichnis
XXII
Tabellenverzeichnis
XXVI
1 Das Komplexitätsproblem des strategischen Managements
1
1.1
Entwicklungen im unternehmerischen Umfeld
3
1.2
Entwicklungen im unternehmerischen Zielsystem
6
1.2.1 Vom ausschließlichen Effizienz- zum ganzheitlichen Effektivitäts- und Effizienzwettbewerb
7
1.3
1.2.2 Vom strategischen Erfolgsfaktor Kosten zum strategischen Erfolgsfaktorendreieck Kosten, Qualität und Zeit
11
Komplexität als Konsequenz der Entwicklungstendenzen
17
2 Aktionsparameter des strategischen Managements zur Komplexitätsreduktion und Komplexitätsbeherrschung 2.1
Unternehmensstrategie 2.1.1
Strategie als Ergebnis einer auf die Erfolgspotentiale ausgerichteten strategischen Planung
2.1.2 Strategische Wettbewerbsvorteile
2.2
2.3
21 22 23 24
2.1.2.1
Marktorientierter Ansatz
24
2.1.2.2
Ressourcenorientierter Ansatz
26
Organisationsstruktur
28
2.2.1 Analyse-Synthese-Konzept
29
2.2.2 Charakteristika einer modernen Organisationsgestaltung
30
2.2.2.1
Prozeßorientierung
30
2.2.2.2
Mitarbeiterorientierung
34
2.2.2.3
Pionierorientierung
36
2.2.2.4
Simplexitätsorientierung
37
Technologie
38
X
Inhaltsverzeichnis
2.4
2.3.1
Maschinentechnologie
39
2.3.2
Informations-und Kommunikationstechnologie
43
Unternehmenskultur
48
2.4.1
48
Bestandteile und Vermittlungsmedien der Unternehmenskultur
2.4.2
Gestaltbarkeit und Zielgrößen der Unternehmenskultur
50
2.4.3
Art und Stärke der Unternehmenskultur
51
3 Erfolgsfaktorzentrierte strategische Managementkonzepte
55
3.1
3.2
Philosophie des erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managements
55
3.1.1
Denkweisen
58
3.1.2
Grundsätze
60
Intra- und interbetriebliche, erfolgsfaktorzentrierte strategische Managementkonzepte 3.2.1
64
Lean Management - ein überwiegend intrabetriebliches, kostenzentriertes Managementkonzept
66
3.2.1.1
Philosophie des Lean Management
71
3.2.1.2
Komponenten des Lean Management
74
3.2.1.2.1
Schlankes Marketing und schlanker Vertrieb
74
3.2.1.2.2
Schlanke Forschung, Entwicklung und Konstruktion
76
3.2.1.2.3
Schlanke Beschaffung
80
3.2.1.2.4
Schlanke Fertigung
82
3.2.1.2.5
Schlankes Management
85
3.2.1.3
Das Spannungsfeld des Lean Management
87
3.2.1.3.1
Lean Management zwischen Kollektivismus und Individualismus
88
3.2.1.3.2
Lean Management zwischen Ökonomie und Ökologie
91
3.2.2 Total Quality Management - ein überwiegend intrabetriebliches, qualitätszentriertes Managementkonzept
101
3.2.2.1
Qualitätsbegriffe und Qualitätsdimensionen
101
3.2.2.2
Evolution des Qualitätsmanagements
103
3.2.2.2.1
Evolution des Qualitätswesens
103
3.2.2.2.2
Entwicklungsstufen von Ansätzen umfassenden Qualitätsmanagements
105
Inhaltsverzeichnis
3.2.2.3
XI
Das Konzept des Total Quality Management
109
3.2.2.3.1
Philosophie des Total Quality Management
113
3.2.2.3.2
Komponenten des Total Quality Management
114
3.2.2.3.2.1 Qualitätsorientiertes Marketing und qualitätsorientierter Vertrieb
114
3.2.2.3.2.2 Qualitätsorientierte Forschung, Entwicklung und Konstruktion
117
3.2.2.3.2.3 Qualitätsorientierte Beschaffung
120
3.2.2.3.2.4 Qualitätsorientierte Fertigung
122
3.2.2.3.2.5 3.2.2.3.3
Qualitätsorientiertes Management
Ansätze zur Bewertung des Qual itätsmanagements
3.2.3 Time-based Management - ein überwiegend intrabetriebliches, zeitzentriertes Managementkonzept
127 12 8 129
3.2.3.1
Philosophie des Time-based Management
133
3.2.3.2
Komponenten des Time-based Management
135
3.2.3.2.1
Zeitorientiertes Marketing und zeitorientierter Vertrieb
13 5
3.2.3.2.2
Zeitorientierte Forschung, Entwicklung und Konstruktion
141
3.2.3.2.3
Zeitorientierte Beschaffung
154
3.2.3.2.4
Zeitorientierte Fertigung
156
3.2.3.2.5
Zeitorientiertes Management
160
3.2.4 Supply Chain Management - ein interbetriebliches Managementkonzept zur Bildung erfolgsfaktorzentrierter Wertschöpfungsketten 3.2.4.1
Philosophie und Ausgestaltung des Supply Chain Management
164 170
3.2.4.1.1
Kundenorientierung im Supply Chain Management
173
3.2.4.1.2
Mitarbeiterorientierung im Supply Chain Management
174
Lieférantenorientierung im Supply Chain Management
175
3.2.4.1.3
XII
Inhaltsverzeichnis
3.2.4.1.4
3.2.4.2
Prozeßorientierung im Supply Chain Management
189
3.2.4.1.5
Wertschöpfungsorientierung im Supply Chain Management
200
3.2.4.1.6
Zeitorientierung im Supply Chain Management
204
3.2.4.1.7
Simplexitätsorientierung im Supply Chain Management
207
3.2.4.1.8
Pionierorientierung im Supply Chain Management
209
Umsetzungsprobleme des Supply Chain Management
4 Prozeßorientierte Managementkonzepte zur konkreten Umsetzung eines erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managements 4.1
210
217
Prozeßmanagement
217
4.1.1 Prozeßorganisation
218
4.1.1.1
Prozeßanalyse
218
4.1.1.1.1
Prozeßidentifikation und -ausgrenzung
219
4.1.1.1.2
Prozeßdekomposition
224
4.1.1.1.3
Reihenfolgebildung der Teilprozesse und Zeitanalyse
226
4.1.1.2
Prozeßsynthese
4.1.1.3
Prozeßkoordination
229
4.1.1.3.1
Schnittstellenmanagement
230
4.1.1.3.1.1 Schnittstellen im Unternehmen
231
4.1.1.3.1.2 Ursachen von Schnittstellenproblemen
232
4.1.1.3.1.3 Relaxation von Schnittstellenproblemen
233
Beziehungsmanagement
240
4.1.1.3.2
4.1.2 Business Process Reengineering als radikaler Reorganisationsansatz 4.1.2.1 4.1.2.2
228
242
Vorgehensmodell für Business-Process-ReengineeringProjekte
246
Bewertung von Business-Process-ReengineeringProjekte
250
Inhaltsverzeichnis
4.2
XIII
Informationsmanagement
252
4.2.1
253
Informationspolitik als Aufgabe des Informationsmanagements
4.2.2 Gewinnung strategischer Informationen als Aufgabe des Informationsmanagements 4.2.2.1
4.2.2.2
Klassische Instrumente zur Gewinnung strategischer Informationen
256
4.2.2.1.1
Umweltanalyse
256
4.2.2.1.2
Unternehmensanalyse
258
4.2.2.1.3
Integrierte Analyse
260
Moderne Performance-Measurement-Konzepte 4.2.2.2.1 4.2.2.2.2
4.2.3
255
280
Grenzen des traditionellen Rechnungswesenmodells
280
Die Balanced Scorecard als Beispiel moderner Performance-MeasurementKonzeptionen
283
4.2.2.2.2.1 Die Multifunktionalität der Balanced Scorecard
286
4.2.2.2.2.2 Die Multidimensionalität der Balanced Scorecard
295
4.2.2.2.2.3 Probleme bei der Umsetzung einer Balanced Scorecard
307
4.2.2.2.2.4 Bewertung der Balanced Scorecard
310
Strategische Informations- und Kommunikationssystemplanung als Aufgabe des Informationsmanagements
317
4.2.3.1
319
Strategische Planung von Informationssystemen 4.2.3.1.1 4.2.3.1.2
4.2.3.2
Planung von Informationssystemen auf strategischer Ebene
319
Planung von prozeßunterstützenden Informationssystemen
322
Strategische Planung von Kommunikationssystemen
4.2.4 Nutzung der strategischen Potentiale neuer Technologien und Software-Lösungen als Aufgabe des Informationsmanagements 4.2.4.1
Computer Integrated Manufacturing als informationstechnisches Integrationskonzept 4.2.4.1.1
Ingenieurwissenschaftliche CIM-Komponenten
325 326 327 328
XIV
Inhaltsverzeichnis
4.2.4.1.2
Betriebswirtschaftliche CIM-Komponenten
330
4.2.4.1.3
Kommunikationsorientierte CIM-Komponenten
332
Strategische Bedeutung des CIM-Konzepts
335
4.2.4.1.4 4.2.4.2
Betriebswirtschaftliche Standardsoftware 4.2.4.2.1
4.2.4.2.2 4.2.4.3
336
Nutzen- und Risikopotentiale betriebswirtschaftlicher Standardsoftware
343
4.2.4.2.1.1 Argumentation für bzw. gegen den Einsatz von Standardsoftware
343
4.2.4.2.1.2 Standardsoftware-spezifische Nutzen- und Risikopotentiale
3 51
4.2.4.2.1.3 Determinanten der Nutzen- und Risikopotentiale
357
Strategische Optionen betriebswirtschaftlicher Standardsoftware
360
Internet-, Intranet- und Extranet-gestützte Systeme
372
4.2.4.3.1
E-Commerce
377
4.2.4.3.2
Generelle strategische Optionen des Internet-basierten E-Commerce
380
4.2.4.3.2.1 Internet-gestütztes Marketing
380
4.2.4.3.2.2 Internet-gestützte Beschaffung Electronic Procurement
386
4.2.4.3.2.3 Internet-gestützte Produktion Mass Customization
389
4.2.4.3.2.4 Internet-gestütze Logistik
393
4.2.4.3.2.5 Internet-gestützte Organisation - virtuelle Unternehmen
395
4.2.4.3.3
Generelle strategische Optionen des Intranet-basierten E-Commerce
399
4.2.4.3.4
Generelle strategische Optionen des Extranet-basierten E-Commerce
400
Generelle Effektivitäts- und Effizienz- sowie Risikopotentiale des E-Commerce
402
Branchenspezifische Bedeutung des E-Commerce für die Unternehmensstrategie
406
4.2.4.3.5 4.2.4.3.6
Inhaltsverzeichnis
4.2.4.3.7
XV
4.2.4.3.6.1 Bedeutung des E-Commerce für die Strategien in Industriebetrieben
406
4.2.4.3.6.2 Bedeutung des E-Commerce für die Strategien in Handelsbetrieben
411
4.2.4.3.6.3 Bedeutung des E-Commerce für die Strategien in Dienstleistungsunternehmen
412
Auswahl der E-Commerce-Strategie
413
Literaturverzeichnis
419
Stichwortverzeichnis
449
XVI
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
ALE
Application Link Enabling
ARIS
Architektur integrierter Informationssysteme
BAPI(s)
Business Application Programming Interface(s)
BSC
Balanced Scorecard
Bd.
Band
BDE
Betriebsdatenerfassung
BPR
Business Process Reengineering
BR
Business Reengineering
BSC
Balanced Scorecard
bzw.
beziehungsweise
BZ
Bearbeitungszentrum
CAC
Computer Aided Communication
CAD
Computer Aided Design
CAFM
Computer Aided Facility Management
CAM
Computer Aided Manufacturing
CAP
Computer Aided Planning
CAQ
Computer Aided Quality Control
CAS
Computer Aided Selling
Cax
CAC, CAD, CAM etc.
CIM
Computer Integrated Manufacturing
CNC
Computerized Numerical Control
CoA
Center of Area
CSCW
Computer Supported Cooperative Work
DBM
Databased Marketing
d.h.
das heißt
DIN
Deutsches Institut fur Normung e.V.
Diss.
Dissertation
DNC
Direct Numerical Control
Abkürzungsverzeichnis
DOF
Degree of Fulfillment
DRP
Date Requirement Planning
DV
Datenverarbeitung
E-Commerce
Electronic Commerce
ECR
Efficient Consumer Response
EDI
Electronic Data Interchange
EDIFACT
Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
E-Mail
Electronic Mail
EN
Europäisches Komitee fur Normung
ERM
Entity-Relationship-Modell
EP
Electronic Procurement
EPK
Ereignisgesteuerte Prozeßkette
ERP
Enterprise Resource Planning
etc.
et cetera
et al.
et alii - und andere
e.V.
eingetragener Verein
EVA
Eingabeparameter-Verarbeitungsprozeß-Ausgabeparameter
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
f.
folgende
ff.
fortfolgende
FFL
Flexible Fertigungslinie
FFS
Flexibles Fertigungssystem
FFZ
Flexible Fertigungszelle
FMEA
Failure Mode and Effects Analysis
FÖÖT-Portfolio
Fuzzy-Ökonomie-Ökologie-Technologie-Portfolio
FTP
File Transfer Protocol
F+E
Forschung und Entwicklung
ggf.
gegebenenfalls
XVII
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
Hrsg.
Herausgeber
i.a.
im allgemeinen
i.d.L.
in der Lage
i.e.S.
im engeren Sinne
i.d.R.
in der Regel
IOIS
Interorganisationales Informationssystem
ISO
INTERNATIONAL STANDARDS ORGANIZATION
i.S.v.
im Sinne von
IT
lnformationstechnik/-technologie
IuK
Information und Kommunikation
IV
Informationsverarbeitung
i.w.S.
im weiteren Sinne
JiT
Just in Time
KTA
Kosten-Trend-Analyse
LAN
Local Area Network
LM
Lean Management
MIS
Management-Informationssystem
MIT
Massachusetts Institute of Technology
MPST
Mehrprozessoren-Steuerung
MRP
Material Requirement Planning
MTA
Meilenstein-Trend-Analyse
NC
Numerical Control
Nr.
Nummer
OLAP
Online Analytic Processing
OR
Operations Research
o.V.
ohne Verfasser
Abkürzungsverzeichnis
PIMS
Profit Impact of Market Strategies
PPS-System
Produktionsplanungs- und -steuerungssystem
QFD
Quality Function Deployment
Q.P.R.
Quality Production & Research Ltd.
ROCE
Return on Capital Employed (Kapitalrendite)
ROI
Return on Investment
S.
Seite
SC
Supply Chain
SCC
Supply Chain Council
SCM
Supply Chain Management
SCOR-Modell
Supply-Chain-Operations-Reference-Modell
SCT
Supply Chain Team
SGE
Strategische Geschäftseinheit
SM
Supply Management
Sp.
Spalte
SPC
Statistic Process Control
Tab.
Tabelle
TbM
Time-based Management
TCP/IP
Transmission Control Protocol/Internet Protocol
TQM
Total Quality Management
TS
Transferstraße
u.a.
unter anderem/und andere
usw.
und so weiter
u.U.
unter Umständen
u.v.m.
und viele mehr, und vieles mehr
UVO
Unternehmer vor Ort
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume, Band
XIX
XX
Abkürzungsverzeichnis
WFC
Work Flow Computing
WGC
Work Group Computing
WWW
World Wide Web
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
Symbolverzeichnis
XXI
Symbolverzeichnis a
a-Niveau mit a e [0, 1]
s
infinitesimal kleiner Wert
y
Kompensationsparameter des Gamma-Operators mit y e [0, 1]
LR
linke bzw. rechte Referenzfunktion einer LR-Fuzzy-Größe
¡Ijyj
unscharfe Zugehörigkeitsfunktion der Menge M
L
R
s ,s I R v ,v
linke bzw. rechte Schwankungsbreite einer LR-Fuzzy-Größe
X, Y, Z
linker bzw. rechter Eckwert des Gipfelintervalls eines LR-FuzzyIntervalls auf dem Niveau a = 1 unterer (linker) bzw. oberer (rechter) Eckwert des Grundintervalls einer LR-Fuzzy-Größe auf dem Niveau a = 0 Platzhalter für linguistische Variablen
x, y, z
Platzhalter für linguistische Terme
vU,v°
XXII
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis Abb.
1.1: Wettbewerbskräfte nach PORTER
4
Abb.
1.2: Aktuelle Entwicklungen im unternehmerischen Umfeld
5
Abb.
1.3: Strategisches Erfolgsfaktorendreieck - Kosten, Qualität und
Abb.
1.4: Evolutionsschritte innerhalb des Zielsystems
Zeit
12 13
Abb.
1.5: Direkte und indirekte strategische Erfolgsfaktoren
16
Abb.
1.6: Komplexitätsproblem des strategischen Managements
19
Abb.
2.1 : Materieller und immaterieller Prozeß
31
Abb.
2.2: Funktionen- und objektorientierte Organisation versus
Abb.
2.3: Natürliche organische Evolution versus Reorganisation
37
Abb.
2.4: Systematisierung flexibler Maschinenkonzepte
41
Abb.
2.5: Informationsintensitätsmatrix
46
Abb.
2.6: Kulturebenenmodell nach SCHEIN
49
Abb.
3.1: Die Denkweisen und Grundsätze der erfolgsfaktorzentrierten Management-Philosophie 3.2: Lean Management, Total Quality Management und Time-based Management - die drei überwiegend intrabetrieblichen, erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepte
Prozeßorganisation
Abb.
Abb.
32
58
64
3.3: Beispielhafte Darstellung des Supply Chain Management als interbetriebliches, erfolgsfaktorzentriertes strategisches Managementkonzept
65
Abb.
3.4: Schlanker Philosophie-Strategien-Maßnahmen-Ziele-Ansatz
67
Abb.
3.5: Komplexitätsfalle
72
Abb.
3.6: Kanban-Fertigung
84
Abb.
3.7: Lean Management im Spannungsfeld zwischen Kollektivismus und Individualismus sowie zwischen Ökonomie und Ökologie
87
Abb.
3.8: Qualitätsorientierter Philosophie-Strategien-Maßnahmen-ZieleAnsatz
Abb.
3.9: House of Quality
Abb. 3.10: TAGUCHI-Verlustfunktion
110 118 120
Abbildungsverzeichnis
XXIII
Abb. 3.11: Verlauf der Qualitätskostenfunktion bei klassischer Qualitätskostenbetrachtung Abb. 3.12: Übereinstimmungs- und Abweichungskosten der Qualität bei TQM-orientierter Qualitätskostenbetrachtung
123 125
Abb. 3.13: Verlauf der Qualitätskostenfunktion bei TQM-orientierter Qualitätskostenbetrachtung
126
Abb. 3.14: Zeitorientierter Philosophie-Strategien-Maßnahmen-ZieleAnsatz
130
Abb. 3.15: Zeitschere Abb. 3.16: Unterschiedliche Diffusionsverläufe verschiedener Telefonvermittlungssysteme
142 142
Abb. 3.17: Beispielhafte Modellsituation zur Erläuterung der Beschleunigungsfalle
144
Abb. 3.18: Wirkung auf den Absatzverlauf bei Verkürzung des Lebenszyklus
145
Abb. 3.19: Diskontinuierlicher Absatzverlauf im Rahmen der Beschleunigungsfalle
145
Abb. 3.20: Kontinuierlicher Absatzverlauf auf höherem Niveau als in der Ausgangssituation im Rahmen der Beschleunigungsfalle
146
Abb. 3.21: Strohfeuereffekt im Rahmen der Beschleunigungsfalle
146
Abb. 3.22: Leapfrogging-Behavior-Effekt
148
Abb. 3.23: Haupteinflußgrößen der Entwicklungszeit
149
Abb. 3.24: Zeitersparnis durch Simultaneous Engineering
151
Abb. 3.25: Zeitwirkungen der System-und Modulbildung
155
Abb. 3.26: A u f b a u einer Supply Chain
167
Abb. 3.27: Koordination der Supply-Chain-Prozesse
190
Abb. 3.28: Pull-versus Push-basiertes SCM
192
Abb. 3.29: Struktur einer Supply Chain
193
Abb. 3.30: Erste Stufe des Supply-Chain-Referenzmodells (SCOR)
197
Abb. 3.31: Zweite Stufe des Supply-Chain-Referenzmodells (SCOR)
198
Abb. 3.32: PORTERsche Wertschöpfungskette
202
Abb.
4.1: Zusammenhang zwischen allgemeiner und singulärer Geschäftsprozeßidentifikation
221
Abb.
4.2: Prozeßausgrenzung durch Problemstrukturierung
223
Abb.
4.3: Zusammenspiel von radikaler und inkrementeller Verbesserung
243
XXIV
Abbildungsverzeichnis
Abb.
4.4: McKlNSEY-Portfolio
262
Abb.
4.5: LR-Fuzzy-Intervall und LR-Fuzzy-Zahl
267
Abb.
4.6: Linguistische Variablen „Marktentwicklungsqualität" und „Umweltentwicklungsqualität" sowie „Umweltverträglichkeit der Leistungserstellung" und „Umweltverträglichkeit der Nutzung/Entsorgung" 4.7: Linguistische Variablen „Originäre Entwicklungsmöglichkeit" und „Weiterentwicklungsmöglichkeit"
Abb. Abb.
270
4.8: Beispielhafte, mathematisch exakte Geschäftseinheitslage im FÖÖT-Portfolio
Abb.
270
4.9: Unscharfe Investitionsempfehlung
Abb. 4.10: DuPONT-Schema
275 278 281
Abb. 4.11: Traditionelle Kennzahlenrechnung versus Performance Measurement
284
Abb. 4.12: Die vier Prozeßschritte des strategischen Managements
288
Abb. 4.13: Kaskadierung der Balanced Scorecards
290
Abb. 4.14: Die drei Ebenen des Organisatorischen Lernens
292
Abb. 4.15: Wissensmanagement
293
Abb. 4.16: Wissenskreislauf von SKANDIA
294
Abb. 4.17: Beispielhafte Strukturierung des intellektuellen Kapitals
295
Abb. 4.18: Ursache-Wirkungskette als Basis der BSC
300
Abb. 4.19: Die vier Gestaltungsdimensionen der BSC
301
Abb. 4.20: Aufschlüsselung der internen Prozeßperspektive in drei Kernprozesse
303
Abb. 4.21: Beispielhafte BSC einer Großbank
306
Abb. 4.22: Beipielhafter BSC-Projektverlauf Abb. 4.23: Beispielhafte Balanced Scorecard für eine strategische Unternehmensberatung, abgebildet im Navigator der Software Q.P.R. Abb. 4.24: Zusammenhang zwischen Wettbewerbsstrategie, Informationssystemen und Nutzenpotentialen der
307
Informationstechnik Abb. 4.25: Das ARIS-Modell
316
318 322
Abb. 4.26: Modernes CIM-Konzept
328
Abb. 4.27: Aufbau klassischer PPS-Systeme
331
Abbildungsverzeichnis
XXV
Abb. 4.28: Philosophischer und technologischer Zusammenhang zwischen den erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepten und Computer Integrated Manufacturing Abb. 4.29: Charakteristika betriebswirtschaftlicher Standardsoftware
335 337
Abb. 4.30: Strategisches Ressourcenbündel auf Basis betriebswirtschaftlicher Standardsoftware Abb. 4.31 : Strategische Optionen des Einsatzes von Standardsoftware
362 370
Abb. 4.32: Rahmenkonzept für einen strategischen Einsatz von Standardsoftware
371
Abb. 4.33: Anwendungsbereiche des E-Commerce
377
Abb. 4.34: Markt- und Transaktionsbereiche des E-Commerce
378
Abb. 4.35: Marktbearbeitung Massenhafte, kundenindividuelle, effektive und effiziente
390
Abb. 4.36: Generelle Effektivitäts- und Effizienzpotentiale des E-Commerce Abb. 4.37: E-Commerce und Einzelfertigung
402 407
Abb. 4.38: E-Commerce und Baukastenfertigung
408
Abb. 4.39: E-Commerce und Serienfertigung
409
Abb. 4.40: E-Commerce und Massenfertigung
410
Abb. 4.41: E-Commerce in Handelsbetrieben
411
Abb. 4.42: E-Commerce im Dienstleistungsbereich
412
Abb. 4.43: E-Commerce-Portfolio
414
XXVI
Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis Tab.
1.1: Wandel im unternehmerischen Zielsystem
17
Tab.
2.1: Komplexe westliche versus einfache japanische FFS-Systeme
42
Tab.
2.2: Abgrenzung des Informationsbegriffs über die Ebenen der Semiotik
44
2.3: Einflußmöglichkeiten von Informationssystemen auf die Wettbewerbskräfte
47
Tab.
3.1: Kriterien für die Wahl einer Pionier- bzw. Folgerstrategie
141
Tab.
3.2: Lieferantenbewertungsbogen zur Vorauswahl bei Erstkontakt
179
Tab.
3.3: Sourcing-Strategien
180
Tab.
3.4: Sourcing-Strategien und deren Bewertung im Hinblick auf Effektivität und Effizienz
185
Tab.
Tab.
3.5: Angleichung von Marketing- und Beschaffungsstrategien im
Tab.
3.6: Die Modellierungsebenen des SCOR-Modells
196
Tab.
3.7: Bestimmungsraster zur Beurteilung von JiT-geeigneten Teilen
206
Tab.
4.1: Mögliche Vor- und Nachteile hoher Standardisierung
237
Rahmen der Lieferantenorientierung des SCM-Konzepts
186
Tab.
4.2: BPR versus Kaizen
243
Tab.
4.3: Beispielhaftes Vorgehensmodell für BPR-Projekte
247
Tab.
4.4: SWOT-Analyse am Beispiel des Volkswagenkonzerns
261
Tab.
4.5: Beispielwerte für die Input-Daten des FÖÖT-Portfolios
269
Tab.
4.6: Beispielhafter Zugehörigkeitsverlauf der linguistischen Terme der linguistischen Variablen im FÖÖT-Portfolio
Tab.
4.7: Beispielhafte Produktionsregeln für die Marktattraktivität
Tab.
4.8: Kombinatorisches Kantenproblem bei Gleichverteilung der 27 Würfel auf drei Strategien
Tab. Tab.
271 276
4.9: Lösung des kombinatorischen Kantenproblems 4.10: Die Balanced Scorecard von NATIONAL INSURANCE
Tab. 4.11: Messung/Bewertung strategischer
269
277 298
finanzwirtschaftlicher
Themen
305
Tab. 4.12: Beispielhafte Zieldimensionen der luK-Technik
318
Tab. 4.13: Dimensionen und Ebenen des Reengineering
324
Tabeltenverzeichnis
XXVII
Tab. 4.14: Ort-Zeit-Klassifikation der Zusammenarbeit
333
Tab. 4.15: Auf das Merkmal Fremdentwicklung zurückfiihrbare Chancen und Risiken, Teil I
344
Tab. 4.16: Auf das Merkmal Fremdentwicklung zurückfuhrbare Chancen und Risiken, Teil II
345
Tab. 4.17: Auf das Merkmal Funktionsumfang zurückfuhrbare Chancen und Risiken, Teil I
346
Tab. 4.18: Auf das Merkmal Funktionsumfang zurückfiihrbare Chancen und Risiken, Teil II
347
Tab. 4.19: Auf das Merkmal Anpaßbarkeit zurückfuhrbare Chancen und Risiken
348
Tab. 4.20: Auf das Merkmal Modularisierung zurückfuhrbare Chancen und Risiken
349
Tab. 4.21: Auf das Merkmal Integration zurückführbare Chancen und Risiken
350
Tab. 4.22: Nutzen- und Risikopotentiale betriebswirtschaftlicher Standardsoftware
351
Tab. 4.23: Determinanten der Nutzen- und Risikopotentiale in der Begründungs- und Auswahlphase
358
Tab. 4.24: Determinanten der Nutzen- und Risikopotentiale in der Einführungsphase
359
Tab. 4.25: Determinanten der Nutzen- und Risikopotentiale in der Einsatzphase
360
Tab. 4.26: Produkt-Markt-Matrix
383
Tab. 4.27: Mass-Customization-Ausprägungen
392
Tab. 4.28: Vorgehensweise im Rahmen des E-Commerce-Portfoliomanagement
413
Tab. 4.29: Beispielhafte Klassifikationsmerkmale von E-Commerce
414
/ Komplexitätsproblem
1
„[Konsequente Kundenorientierung bedingt], daß die richtige Leistungsqualität zum richtigen Zeitpunkt kostengünstig bereitgestellt wird. " ROLAND
1
ROLLBERG
1
Das Komplexitätsproblem des strategischen Managements
In der anglo-amerikanischen Literatur wird Management in zwei Bedeutungsvarianten verwendet: 2 •
Management im funktionalen Sinn zielt auf die Beschreibung der Prozesse und Funktionen, wie Planung, Organisation, Führung und Kontrolle, die in arbeitsteiligen Organisationen notwendig werden, ab;
•
Management im institutionalen Sinn beschreibt die Personen, die Managementaufgaben wahrnehmen, ihre Tätigkeiten und ihre Rollen.
Im weiteren wird der Begriff Management als Synonym zum Begriff der Unternehmensführung verwendet, wobei die Unternehmensfiihrung die Unternehmensziele und die Unternehmenspolitik festlegt sowie deren Umsetzung mit Hilfe adäquater Führungsinstrumente, wie z.B. unterschiedlicher Motivations- und Führungsstiltheorien, unterstützt. Insofern beinhaltet die Unternehmensfiihrung zum einen die Führung von Menschen und Personen und zum anderen auch die Einflußnahme auf Institutionen, wie z.B. Unternehmen. Dabei ist zu beachten, daß allgemein nur solche Objekte (Menschen oder Institutionen) geführt werden müssen, die nicht i.d.L. sind, eigenständig zielgerichtete Tätigkeiten im Hinblick auf die von der nächsthöheren Instanz vorgegebenen Ziele durchzufuhren. 3 Der Management- oder auch Führungsprozeß beinhaltet allgemein die Planung, Organisation, Durchfuhrung und Kontrolle des Wertschöpfungsprozesses, wobei in Abhängigkeit von der Managementebene diese Tätigkeiten eher einen operativen, taktischen bzw. strategischen Charakter aufweisen. Während das operative Management die Nahtstelle zwischen ausführend tätigen Mitarbeitern und dem Management darstellt (z.B. Meister) und sich im Gegensatz zum mittleren oder auch taktischen Management eher nach unten orientiert, hat das mittlere Management die Aufgabe, die vom oberen oder strategischen Management formulierten unternehmenspoliti]
ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S . 1 2 .
2
Vgl. S T A E H L E ( 1 9 9 0 ) , S. 65.
3
V g l . H E I N E N ( 1 9 9 0 ) , S . 3 7 5 u n d BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S . 2 5 .
2
I
Komplexitätsproblem
sehen Ziele, Grundsätze und Entscheidungen in Programme, Regeln und Vorgaben zu transformieren sowie deren Einhaltung zu überwachen. 4 Insofern ist der Aufgabenbereich 5 des strategischen Managements vor allem charakterisiert durch •
Festlegung einer unternehmerischen Vision, d.h. Konkretisierung des Bewußtwerdens eines unternehmerischen Wunschtraums nach Veränderung; 6
•
Festlegung der Unternehmenspolitik unter Beachtung der unternehmensexternen Rahmenbedingungen und der unternehmensinternen Möglichkeiten und Potentiale auf weite Sicht, wobei unter Unternehmenspolitik die Gesamtheit von Unternehmensgrundsätzen, die ein Leitbild festlegen, zu verstehen ist; 7
•
Formulierung der Strategien in einem dynamischen Umfeld, wobei unter einer Strategie eine globale Wegbeschreibung zu verstehen ist, die deutlich macht, auf welche Weise Erfolgspotentiale 8 aufgebaut und erhalten werden können; 9
•
Festlegung von Direktiven, d.h. leitenden Gesichtspunkten, die als Richtschnur für selbständig zu treffende Entscheidungen innerhalb der Funktionsbereiche des Unternehmens dienen;
•
Konzeption einer den unternehmensexternen und unternehmensinternen Rahmenbedingungen angepaßten Organisation, konkretisiert durch Aufbau- und Ablauforganisation;
•
Konzeption von Aktionsplänen für die Strategieumsetzung, Durchfuhrung einer strategischen Fortschrittskontrolle sowie Strategieüberwachung;
•
Gestaltung der Unternehmenskultur unter Beachtung der Wünsche, Ziele und Vorstellungen der Mitarbeiter im Hinblick auf einen zielsetzungsgerechten informalen Rahmen, wobei die Unternehmenskultur die Gesamtheit aller in einer Unternehmung vorherrschenden Wertvorstellungen, Traditionen, Mythen und Normen darstellt, die den Mitarbeitern Sinn und Richtlinien für ihr Verhalten vermitteln.
Die dargestellten Aufgabenbereiche des strategischen Managements gewinnen insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmenden Marktsättigung national begrenzter Märkte, des in den 70er und 80er Jahren vollzogenen Marktwandels vom Verkäuferzum Käufermarkt sowie der gestiegenen Leistungsfähigkeit moderner Informations-
Vgl. STAEHLE(1990), S. 82 f. Vgl. zu den nachfolgenden sieben Aufgaben des strategischen Managements HINTERHUBER (1989), S. 23 ff. Beispielsweise schwebte den Erfindern des PC die Vision einer „Demokratisierung des Computers" vor. Vgl. Abschnitt 3.1. Zum Begriff Erfolgspotential vgl. Abschnitt 1.2.2. Zur Strategiefindung vgl. ausführlich Abschnitt 2.1.
/
Komplexitälsproblem
und Kommunikationssysteme und der durch diese Entwicklungen initialisierten Globalisierung der Absatzmärkte an Bedeutung. Die Sättigung der nationalen und die Heterogenität der internationalen Absatzmärkte sowie die Internationalisierung der Konkurrenzbeziehungen bedingen eine Schwerpunktverlagerung im strategischen Management von einer reinen Effizienzorientierung hin zu einer simultanen Effektivitäts- und Effizienzorientierung. Insofern tritt an die vorwiegend eindimensionale, rein kostenorientierte Unternehmensfiihrung eine multidimensionale, kosten-, qualitäts- und zeitorientierte Unternehmenskonzeption. Die Kennzeichen des Komplexitätsproblems im strategischen Management sind somit •
die multidimensionalen Entwicklungstendenzen im unternehmerischen Umfeld, wie z.B. veränderte Kundenerwartungen oder die sinkende Halbwertzeit des Wissens (Abschnitt 1.1), sowie
•
die sich daraus ergebenden multidimensionalen strategischen Ziele, operationalisiert durch das strategische Erfolgsfaktorendreieck Kosten, Qualität und Zeit (Abschnitt 1.2).
1.1
Entwicklungen im unternehmerischen Umfeld
Das strategische Wettbewerbsumfeld einer Branche wird nach PORTER durch die Wettbewerbskräftc •
bestehende Wettbewerber,
•
potentielle neue Konkurrenten,
•
Lieferanten,
•
Abnehmer sowie
•
Ersatzprodukte und -dienste
determiniert. 10 Die Abbildung auf der nachfolgenden Seite verdeutlicht, daß die Ausprägung der einzelnen Kräfte die Wettbewerbsintensität und das Gewinnpotential der jeweiligen Branche beeinflußt. So ist z.B. die Rivalität der existierenden Wettbewerber untereinander dann besonders groß, wenn das Branchenwachstum relativ gering ist oder weitgehend homogene Produkte vertrieben werden." Sind die Marktbarrieren niedrig, z.B. bei geringen Know-how-Vorsprüngen oder rudimentären Kostendegressionsvorteilen der etablierten Konkurrenten, so ist die Bedrohung durch potentielle neue Wettbewerber hoch. Zudem steigt die Wettbewerbsintensität innerhalb einer 1 0
V g l . PORTER ( 1 9 8 8 ) u n d PORTER ( 1 9 8 9 ) .
1 1
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S. 5.
3
4
/ Komplexiiälsproblem
Branche, wenn für die Abnehmer (Kunden) neben dem Bezug der Produkte die Alternative besteht, durch Erhöhung der Fertigungstiefe die Bedeutung der extern zu beziehenden Produkte zu senken um somit gleichzeitig ihre Verhandlungsmacht zu stärken. 12 Können die auf dem Markt existierenden Produkte und Dienstleistungen ferner leicht substituiert werden, steigt die Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste an, was dazu fuhrt, daß die Wettbewerbsintensität weiter verstärkt wird. Ferner wird das Gewinnpotential der jeweiligen Branche auch durch die Verhandlungsstärke der Lieferanten determiniert. Insbesondere wenn die Qualität der Vorleistungen entscheidend für die Qualität des Enderzeugnisses ist und zudem nur relativ wenige Lieferanten i.d.L. sind, Just in Time die benötigten Qualitäten zu liefern, führt dies zu einer Verstärkung der Wettbewerbsintensität innerhalb der Branche. Letztendlich besteht auf der Lieferantenseite spiegelbildlich zur Rückwärtsintegration auf der Abnehmerseite die Gefahr der Vorwärtsintegration, was die Rivalität unter den Wettbewerbern abermals intensiviert. Bedrohung durch potentielle neue Konkurrenten
Rivalität unter den Verhandlungsstärke der Lieferanten
Verhandlungsmacht der Abnehmer Wettbewerbern einer Branche
Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste Abb. 1.1:
Wettbewerbskräfte
nach PORTER13
Neben den dargestellten generellen Wettbewerbskräften, die für die Wettbewerbsdynamik innerhalb einer Branche von Bedeutung sind, prägen sogenannte Megatrends die Wettbewerbssituation entscheidend. 14 12
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 5.
13
Quelle: PORTER (1988), S. 26.
14
Vgl. zu den sogenannten Megatrends ausführlich STEINBACH (1997), S. 14 ff.
/
Abb.
1.2:
Aktuelle
Entwicklungen
im unternehmerischen
Komplexitätsproblem
5
Umfeld^
Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß ca. 80% der Märkte als gesättigt einzustufen sind. 16 Die durch die Marktsättigung gestiegene Wettbewerbsintensität fuhrt dazu, daß die Unternehmen versuchen, jede noch so unsichere Absatzchance zu nutzen mit der Konsequenz, daß häufig Investitionen in Kapazitäten getätigt werden, ohne daß die tatsächlichen Nachfragemengen auch nur annähernd realistisch prognostiziert werden. Die Folge ist, daß z.T. permanente Überkapazitäten bestehen. Um diese Überkapazitäten auszuschöpfen, streben die Unternehmen zunehmend eine globale Marktbearbeitung an. Die internationalen Standardisierungsbestrebungen und die Schaffung neuer Binnenmärkte verstärken diese Tendenz. Jedoch wird durch das Internationalisierungsstreben die Wettbewerbsintensität in einer Branche weiter erhöht, da neben den nationalen nun auch die internationalen Konkurrenten den jeweiligen Markt bearbeiten. Gleichzeitig haben sich die Kundenerwartungen verändert. Neben der Preis- entwickelt sich zunehmend eine Qualitäts- und Zeitorientierung. An die Stelle von standardisierten Produkten treten vielmehr kundenindividuelle Problemlösungen und Dienstleistungen. Gleichzeitig fällt es den Kunden jedoch immer schwerer, die angebotenen Produkte objektiv zu unterscheiden. Die Angleichung der Produkte äußert sich darin, daß die Leistungsmerkmale und das Design häufig nahezu identisch sind. 17 Um der gestiegenen Wettbewerbsintensität entgegentreten zu können und um sich produktspezifisch von den Wettbewerbern zu differenzieren, zeigen sich international agierende Unternehmen verstärkt technologie- und innovationsorientiert. Dabei stehen dem Vorteil, den Preiswettbewerb umgehen zu können, 15
Vgl. STEINBACH ( 1 9 9 7 ) , S. 15.
16
V g l . SIMON ( 1 9 8 8 ) , S. 4 6 2 .
17
Vgl. STEINBACH ( 1 9 9 7 ) , S. 18.
6
1 Komplex
itarsprnhlem
jedoch z.T. sehr hohe Investitionsaufwendungen gegenüber. Die zunehmende Technologie- und Innovationsorientierung führt darüber hinaus zu einer Verkürzung der Produktlebenszyklen und zu einem Rückgang der Halbwertzeit des Wissens. Sinkende Marktanwesenheitszeiten, visualisiert durch steilere Diffusionskurven, 1 8 erlauben nur eine kurze Zeitspanne, in der die Entwicklungs- und Markteinführungskosten amortisiert werden können („Beschleunigungsfalle"). 1 9 Nur derjenige Anbieter, der sein Produkt zum optimalen Zeitpunkt 2 0 auf den Markt bringt, kann ein ausreichendes Marktvolumen akquirieren. Beispielsweise sinkt bei einem High-Tech-Produkt der Gesamtgewinn der Entwicklung um 60%, wenn mit sechsmonatiger Verspätung auf den Markt gegangen wird. 2 1 Die kürzeren Produktlebenszyklen - so erwirtschaftet die Siemens A G 55% des Umsatzes mit Produkten, die weniger als fünf Jahre auf dem Markt sind - sind dabei untrennbar mit dem Rückgang der Halbwertzeit des Wissens verbunden. So ist z.B. der Anteil der in Deutschland mit Planen und Forschen beschäftigten Erwerbstätigen von 1982 bis 1989 um 13,1% gestiegen. 2 2 Gesunken ist hingegen die Geburtenrate in den Industrienationen, was zu einer Verschiebung der zielgruppenbezogenen Marktpotentiale fuhrt. Für die Bundesrepublik wird prognostiziert, daß im Jahr 2000 20% der Bevölkerung älter als 60 Jahre sein werden. 2 3 Neben dieser demographischen Veränderung ist auch eine neue Werterhaltung im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld festzustellen. Ausdruck findet diese Veränderung in der Forderung nach mehr Lebensqualität, die sich in Freizeitund Arbeitsqualität sowie Ökologieorientierung ausdifferenzieren läßt. Insgesamt ist der Wandel in der Gesellschaft weg von der „Entweder-Oder-" hin zu einer „Sowohlals-auch-Mentalität" deutlich festzustellen, an dessen Ende eine Multi-OptionsGesellschaft mit einer in allen Lebenslagen unüberschaubaren Vielzahl von Alternativen steht. 2 4
1.2
Entwicklungen im unternehmerischen Zielsystem
Die Entwicklungen im unternehmerischen Umfeld wirken sich direkt auf das unternehmerische Zielsystem aus, wobei unter einem Ziel •
ein allgemein erwünschter Sollzustand zu verstehen ist. 25
18
Vgl. hierzu i n s b e s o n d e r e A b s c h n i t t 3.2.3.2.2.
1 9
V g l . A D A M ( 1 9 9 8 ) , S. 1 6 4 u n d A b s c h n i t t 3 . 2 . 3 . 2 . 2 .
Der o p t i m a l e Z e i t p u n k t kann sich durch eine Pionier- oder Folgerstrategie ergeben. Vgl. hierzu A b s c h n i t t 3.2.3.2.1. 2 1
V g l . SEIFERT/STEINER ( 1 9 9 5 ) , S. 22.
2 2
V g l . SIMON ( 1 9 9 2 ) , S. 4 .
2 3
V g l . MEFFERT ( 1 9 9 2 ) , S. 42.
2 4
V g l . ZWIESELE ( 1 9 8 9 ) , S. 3 6 4 s o w i e MEFFERT ( 1 9 9 2 ) , s . 43.
2 5
V g l . K I E S E R / K U B I C E K ( 1 9 9 2 ) , S . 10.
/ Komplexitcilsproblem
Problematisch für das strategische Management ist dabei, daß strategische Zielsetzungen sich selten operationalisieren lassen, mit der Konsequenz, daß die ökonomischen und zunehmend auch ökologischen Folgen nicht eindeutig quantifizierbar sind. 2 6 Insofern wird als oberstes und unverbindlichstes Ziel der Unternehmensführung die Erfolgsmaximierung angestrebt, 2 7 da der marktliche Erfolg eines Unternehmens auf Dauer gleichbedeutend mit seiner langfristigen Überlebensfähigkeit ist, wobei hierfür unabdingbare Voraussetzungen die Effektivität im Sinne von Wettbewerbsfähigkeit und die Effizienz im Sinne von Wirtschaftlichkeit des Unternehmens sind. 2 8
1.2.1
Vom ausschließlichen Effizienz- zum ganzheitlichen Effektivitäts- und Effizienzwettbewerb
Das generelle Ziel des strategischen Managements besteht darin, durch kontinuierliche Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Wirtschaftlichkeit die langfristige Überlebensfähigkeit und damit den Markterfolg des Unternehmens zu sichern. 2 9 Dabei kann, wie bereits dargestellt, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens an seiner Effektivität und die Wirtschaftlichkeit an der Effizienz sämtlicher für die Leistungserstellung benötigter Prozesse gemessen werden. 3 0 Während demnach die Effektivität darauf abzielt, „die richtigen Dinge zu tun", fordert somit die Effizienz, „die Dinge richtig zu tun". 31 Folglich zielt die Effizienz auf den Mitteleinsatz im betrieblichen Leistungserstellungsprozeß ab und spiegelt sich damit im ökonomischen Prinzip wider, bei dem entweder mit minimalen Mitteln ein vorgegebenes Zielniveau oder mit gegebenen Mitteln das maximale Ergebnis erreicht wird. Eine solche Effizienzzentrierung herrschte bis in die 60er Jahre hinein, da bis dahin auf dem bestehenden Verkäufermarkt die strategischen Erfolgsfaktoren in erster Linie die Kosten bzw. die Produktivität waren. Da die Wünsche des Kunden zumindest im Rahmen der Massen- und Großserienfertigung eher unbeachtet blieben, fokussierte sich in der Produktion der Blickwinkel im wesentlichen auf eine Verbesserung der Effizienz. Problematisch dabei ist, daß eine ausschließliche Beachtung der Effizienz betrieblicher Prozesse im Extremfall bei Vorhandensein eines Käufermarktes dazu führt, daß Leistungen zwar einerseits nicht mehr kostengünstiger erstellt werden können, daß es aber andererseits keine Abnehmer für diese Leistungen gibt, da die marktorientierte Zweckmäßigkeit, also die Orientierung an den Kundenwünschen, ausgedrückt in der
2 6
V g l . KEUPER ( 1 9 9 9 ) , S. 163 f. s o w i e KEUPER ( 2 0 0 0 b ) , S. 193 ff.
2 7
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S . 8 s o w i e BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S . 6.
2 8
Im weiteren V e r l a u f werden die B e g r i f f e M a n a g e m e n t und U n t e m e h m e n s f ü h r u n g synonym verwendet. V g l . PACK ( 1 9 8 7 ) , Sp. 1 7 0 8 .
2 9
V g l . HERING ( 1 9 9 5 ) , S. 5.
3 0
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S . 6.
31
V g l . DRUCKER ( 1 9 7 4 ) , S. 4 5 .
7
8
1 Komplexitätsproblem
Effektivität des Handels, vernachlässigt wird („ineffektives effizientes Wirtschaften"). 32 Umgekehrt kann ein ineffizientes effektives Marktagieren dazu fuhren, daß die Produkte zwar grundsätzlich absetzbar wären, daß allerdings, sofern die Kosten nicht an die Abnehmer weitergegeben werden können, u.U. trotzdem mit Verlusten gerechnet werden muß. 3 3 Insofern zielt das strategische Management seit dem Marktwandel in den 70er und 80er Jahren auf eine simultane Verfolgung von Effektivitäts- und Effizienzzielen, um den Erfolg - i.S.v. Überlebensfähigkeit - auf den aktuell bestehenden Käufermärkten zu sichern. Für das „richtige Tun der richtigen Dinge" ist es unabdingbar, zielgerichtet auf die mit der Effektivität und der Effizienz korrespondierenden strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit einzuwirken.
32
Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 9.
33
Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 9.
/ Komplexitätsproblem
1.2.2
1 1
Vom strategischen Erfolgsfaktor Kosten zum strategischen Erfolgsfaktorendreieck Kosten, Qualität und Zeit
Im Rahmen des strategischen Managements stellen der Erfolgsfaktor und der Wettbewerbsfaktor zwei schillernde Begriffe dar, wobei unter einem Wettbewerbsvorteil nach SIMON
•
eine im Vergleich zum Wettbewerber überlegene Leistung zu verstehen ist, die sich aus der Kundensicht auf ein kaufentscheidendes Merkmal bezieht, die vom Kunden tatsächlich als vorteilhafte Leistung wahrgenommen wird und die für den Initiator dauerhaft ist und nicht unmittelbar von Imitatoren substituiert werden kann. 3 4
Im Gegensatz dazu läßt sich der Begriff des „Erfolgspotentials" im wesentlichen auf GÄLWEILER zurückfuhren, der darunter •
das Gefüge aller produkt-marktspezifischen, erfolgsrelevanten Voraussetzungen versteht, die spätestens dann bestehen müssen, wenn es um die Erfolgsrealisierung geht. 3 5
Eine ähnliche Auffassung vertritt PÜMPIN, der den Begriff „strategische Erfolgsposition" geprägt hat. 3 6 Eine strategische Erfolgsposition wird demnach dadurch charakterisiert, •
daß sie bewußt geschaffen und gestaltbar ist, eine echte Fähigkeit darstellt, sich insbesondere durch synergetische Kombination verschiedener, strategisch relevanter Einzelfaktoren zusammensetzt und nicht problemlos imitiert werden kann. 3 7
Deutlich wird, daß die vorangehenden Begriffsauffassungen darin übereinstimmen, daß die langfristige Überlebensfähigkeit eines Unternehmens nur dann sichergestellt ist, wenn das betrachtete Unternehmen zumindest einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten hat. In Analogie zu dem aus der Evolutionstheorie stammenden „Gesetz des gegenseitigen Ausschusses", das besagt, daß eine Spezies nur überlebensfahig ist, wenn sie zumindest eine lebenswichtige Aktivität besser beherrscht als ihre Feinde - z.B. schneller laufen, besser klettern, mit weniger Nahrung
34
Vgl. SIMON (1987), S. 368.
35
Vgl. GÄLWEILER (1987), S. 24.
36
Vgl. PÜMPIN(1986), S. 33.
37
V g l . PÜMPIN (1986), S. 34 sowie STEINBACH (1997), S. 53 f.
12
/
Komplexitätsproblem
auskommen - , stellen „lebenswichtige" unternehmerische Aktivitäten - z.B. schneller produzieren, bessere Produktqualität liefern, kostengünstiger entwickeln - die Schlüsselgrößen für die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen dar. 38 Diese Aktivitäten werden im Rahmen des strategischen Managements als strategische bzw. kritische Erfolgsfaktoren bezeichnet. Von der weiteren Betrachtung hingegen ausgeschlossen sind die umweltbezogenen strategischen Erfolgsfaktoren, wie z.B. das Marktwachstum, die Marktattraktivität oder der Marktlebenszyklus, da diese durch die Unternehmen nicht oder nur in sehr geringem und kaum steuerbarem Maße beeinflußt werden können. Für das strategische Management sind vielmehr die zielsetzungsgerecht zu beeinflussenden, unternehmensbezogenen strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit von Bedeutung. Qualität
Abb. 1.3:
Strategisches Erfolgsfaktorendreieck - Kosten, Qualität und Zeit
Werden die Evolutionsschritte der strategischen Erfolgsfaktoren näher betrachtet, so wird deutlich, daß ausgehend von einer nahezu reinen Kosten- bzw. Produktivitätsorientierung bis in die 60er Jahre - über eine parallele Kosten- und Qualitätsorientierung in den 70er und 80er Jahren hinweg - gegenwärtig eine simultane Kosten-, Qualitäts- und Zeitorientierung zu erkennen ist.
38
Vgl. SIMON (1987), S. 3 6 9 sowie AAKER (1989), S. 26.
39
Vgl. zur E r f o l g s f a k t o r e n f o r s c h u n g a u s f ü h r l i c h STEINBACH (1997), S. 56 ff.
/ Komplexitätsproblem
Abb. 1.4:
Evolutionsschritte
1 3
innerhalb des Zielsystems
Während auf den bestehenden Käufermärkten, „der Kunde der König ist" (sein sollte) und die Ansprüche an die Produkte und Dienstleistungen determiniert, ist auf einem Verkäufermarkt bereits mit einer Mindesteffektivität, die möglichst effizient erstellt wird, unternehmerischer Erfolg zu erzielen. 41 Das klassische Wirtschaftlichkeitskriterium Kosten 42 stellt unter den Bedingungen des Verkäufermarktes somit den alleinigen Erfolgsfaktor dar, wobei unter Kosten allgemein der bewertete Güterverzehr zur betrieblichen Leistungserstellung verstanden wird. Im Gegensatz dazu besteht die Herausforderung auf den heutigen globalen Käufermärkten darin, ex ante kundenorientierte Qualität kosten- und zeiteffizient aktiv zu erzeugen. Der strategische Erfolgsfaktor Qualität 43 steht in unmittelbarer Beziehung zur Effektivität. 44 Ziel des Qualitätsstrebens ist es, die richtige, vom Kunden gewünschte Qualität und nicht die maximal mögliche Qualität zu erzielen, da nur die vom Abnehmer akzeptierte und wahrgenommene Qualität entsprechend entgolten wird. Insbesondere besteht durch eine Qualitätsführerschaft die Möglichkeit, sich positiv von der Konkurrenz abzuheben und sich damit vom Preiswettbewerb zu distanzieren. Studien belegen, daß 70% der Führungskräfte eine kundenorientierte Qualität für „sehr wichtig" halten. 80% der Führungskräfte geben an, daß die Führungsspitze das volle
40
Quelle: In Anlehnung an KUNGEBIEL (1996), S. 80.
41
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S . U .
4 2
Z u m K o s t e n b e g r i f f v g l . LAYER ( 1 9 6 7 ) , S. 2 1 ff. s o w i e a u s f ü h r l i c h FREIDANK ( 1 9 9 2 ) , S. 3 ff.
43
Zum Begriff Qualität und seiner vielschichtigen Dimensionen vgl. Abschnitt 3.2.2.1.
4 4
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 11.
14
/
Komplexilätsproblem
Engagement auf die Sicherstellung der Qualität legen sollte. 45 Eine Untersuchung der Unternehmensberatung McKlNSEY unter Führungskräften von 500 europäischen Unternehmen kommt zu der Erkenntnis, daß für 91% der Befragten der Faktor Qualität eine herausragende Stellung einnimmt, da 89% der Führungskräfte davon ausgehen, daß die Qualität das primäre Verkaufsargument darstellt. 46 Die aufgezeigten Zusammenhänge werden durch die PlMS-Studie (Profit Impact of Market Strategies) des STRATEGIC PLANNING INSTITUTE belegt. 4 7 So generieren die Unternehmen, die im
Vergleich zu den Wettbewerbern eine relativ hohe Qualität ihrer Angebotsleistung aufweisen, sowohl einen höheren Return on Investment (ROI) als auch einen höheren Return on Sales (ROS). 4 8 Bis vor kurzem wurde der Erfolgsfaktor Zeit im strategischen Management weitgehend vernachlässigt. Erst die Dynamisierung des Wettbewerbs und die damit verbundene begrenzte Lebenszeit von einmal erworbenen Wettbewerbsvorteilen führte zum sogenannten Zeitwettbewerb 4 9 . 5 0 Verstärkt wird diese Tendenz durch eine zunehmende Instant-Mentalität auf der Konsumentenseite, die eine sofortige Erfüllung ihrer ständig wechselnden Konsumbedürfnisse fordert. Der strategische Erfolgsfaktor Zeit bezieht sich somit sowohl auf die Schnelligkeit, mit der die Bedürfnisse befriedigt werden können, als auch auf die Flexibilität, mit der auf Umweltveränderungen reagiert werden kann. 5 1 Das unabdingbare Zusammenspiel zwischen Schnelligkeit und Reagibilität wird auch darin deutlich, daß die Variabilität durch den Grad der Anpassungsfähigkeit und den Zeitraum, also die Schnelligkeit, in dem die Anpassung erfolgt, definiert ist. 5 2 Im Gegensatz zum Erfolgsfaktor Qualität kann die Zeit nicht eindeutig als Effektivitäts- oder als Effizienzkriterium charakterisiert werden. Beispielsweise steigern einerseits kurze Abwicklungszeiten als Zusatznutzen die Qualität und damit die Effektivität eines Systems und des unternehmerischen Handelns, andererseits reduzieren kurze Abwicklungszeiten i.a. den Mitteleinsatz in Systemen, wodurch die Kosten bei gegebener Marktleistung tendenziell sinken und damit die Effizienz der Abläufe steigt. 53 Aus der Definitionsproblematik wird nochmals deutlich, daß Effektivitätskriterien sich immer auf die marktorientierte Zweckmäßigkeit und Effizienzkriterien sich immer auf den Mitteleinsatz beziehen.
45
S t u d i e zitiert n a c h MALORNY/KASSEBOHM (1994), S. 43.
4 6
S t u d i e zitiert n a c h PFEIFFER/HEINE (1992), S. 12.
4 7
Vgl. BUZZELL/GALE(1989), S. 91.
4 8
Vgl. BUZZELL/GALE ( 1 9 8 9 ) , S. 93.
49
Z u m Z e i t w e t t b e w e r b vgl. A b s c h n i t t 3.2.3.
50
Vgl. a u s f u h r l i c h STALK/HOUT (1990).
51
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 10.
52
V g l . ROLLBERG (1996a), S . l l .
53
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 10 s o w i e KEUPER (1999), S. 132.
/ Komplexitätsproblem
1 5
Aus der vorangehenden Abbildung 1.4 wird deutlich, daß neben der Berücksichtigung der Leistungsanforderung Zeit zunehmend die Innovations- und Lernfähigkeit als möglicher Erfolgsfaktor priorisiert wird, da diese Fähigkeit als Ausprägung des Faktors Zeit von besonderer Bedeutung ist, um dem wachsenden Veränderungsdruck Rechnung tragen zu können. 54 Die Tatsache, daß Innovations- und Lernfähigkeit eine Ausprägung des Faktors „Zeit" darstellen, wird u.a. darin deutlich, daß Innovationen 5 5 allgemein durch die Schöpfung neuer Ideen gekennzeichnet sind, die darauf abzielen, die Produktionsfaktoren und Ressourcen einer effektiveren und effizienteren Verwendung zuzuführen. Für den marktlichen Erfolg einer Innovation ist jedoch vor allem die Zeit für deren Entwicklung sowie die Frage des Timing für den Markteintritt entscheidend. 56 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, daß Innovation Veränderung bedeutet, und Veränderungen werden in Zeit gemessen. Somit bemißt sich der Umfang der Veränderung in Innovationen pro Zeiteinheit. Insofern ist der rechtzeitige Markteintritt für eine erfolgreiche Innovation und für eine hohe Veränderungsrate ausschlaggebend. Werden die kosten-, qualitäts- und zeitorientierten Zielsetzungen im Rahmen der direkten strategischen Erfolgsfaktorenausrichtung seitens des Unternehmens konsequent verfolgt, so sind unabdingbar mit dem Ausschöpfen der jeweiligen direkten strategischen Erfolgspotentiale der strategischen Erfolgsfaktoren indirekte Wirkungen auf die jeweils anderen strategischen Erfolgsfaktoren verbunden.
54
Da Flexibilität für die Fähigkeit, sich schnell an veränderte Bedingungen anzupassen, steht, was letztendlich nur durch Lernen, Agieren und Reagieren möglich ist, ist die Innovationsund Lernfähigkeit eine indirekte Ausprägung des Faktors Zeit.
55
Innovationen können generell in Prozeßinnovationen und Produktinnovationen ausdifferenziert werden, wobei eine kombinierte Innovationsstrategie darin besteht, simultan sowohl eine Produktinnovation mit einem entsprechenden Mehr-Nutzen für den Kunden als auch eine Prozeßinnovation mit entsprechenden Kostensenkungs- und Zeiteinsparungspotentialen voranzut r e i b e n . V g l . ALBACH ( 1 9 8 9 ) , S.
5 6
1350.
V g l . S T A L K / H O U T ( 1 9 9 0 ) , S. 131 u n d A b s c h n i t t 3 . 2 . 3 .
16
1 Komplexitätsproblem
Direkte strategische
Qualität
Kosten
|
Zeit
1 Qualität
Kosten
Erfolgsfaktoren
t W
Zeit
IL>
Qualität
t w
Kosten
Indirekte strategische
U *
Zeit
Qualität
I W
Kosten
Erfolgsfaktoren
HMIM jSüwiW
Abb. 1.5:
Direkte und indirekte strategische
Erfolgsfaktoren
Beispielsweise führt eine Verbesserung der Qualität des Produktionsprozesses dazu, daß der Ausschuß an mangelhaften Qualitäten gesenkt wird, wodurch zum einen die Kosten der Produktion reduziert werden und zum anderen die Fertigstellung guter Qualitäten beschleunigt wird. Ein weiteres Beispiel ist die Verkürzung der Entwicklungszeit, die dazu fuhrt, daß die entwicklungszeitabhängigen Entwicklungskosten gleichfalls reduziert werden, die aber u.U. andererseits negative Auswirkungen auf die Produktqualität hat, da aufgrund der Zeitknappheit die Innovationen nicht ausreichend getestet werden konnten. Zudem fuhrt eine Verkürzung der Entwicklungszeit i.d.R. auch einen frühen Markteintritt herbei, was sich u.U. positiv auf den Erfolg des Produktes auswirken kann, da sich die potentielle Marktanwesendheitszeit verlängert. Aus den Beispielen wird deutlich, daß sich bereits mit der Verfolgung ausschließlich eines direkten Erfolgsfaktors eine Vielzahl positiver oder negativer Wirkungen ergibt, die den Zielerreichungsgrad der indirekten Erfolgsfaktoren determinieren. Die nachfolgende Tabelle faßt die zuvor dargestellten Zusammenhänge noch einmal zusammen:
/ Komplexitätsproblem
Verkäufermarkt Sättigungsgrad des Marktes
17
Käufermarkt
ungesättigt
gesättigt
Orientierung des Managements
Produktionsorientierung
Kundenorientierung
Schwerpunkt der obersten Unternehmenszielsetzung Erfolg
Kosteneffizienz bei
Effektivität bei
Mindesteffektivität
Zeit- und Kosteneffizienz
Kapazitätsauslastung
kundenorientierte Qualität
Relevante Subziele
Termintreue kurze Lieferzeiten geringe Kapitalbindung Kapazitätsauslastung
Strategische Erfolgsfaktoren Tab. 1.1:
1.3
Wandel im unternehmerischen
Kosten
Kosten, Qualität, Zeit
Zielsystem^
Komplexität als Konsequenz der Entwicklungstendenzen
Wie bereits aufgezeigt, tritt an die Stelle der Produktionsorientierung eine konsequente Kundenorientierung, die wiederum mit einem Wandel und mit einem Komplexitätsanstieg im unternehmerischen Zielsystem einhergeht. Allgemein stellt die Komplexität (und die Simplexität als ihr Gegensatz) das Merkmal eines Systems bzw. einer Entscheidungssituation dar.5** Die Komplexität einer Entscheidungssituation hängt •
von der Anzahl der Variablen und
•
der Häufigkeit und Stärke von Kopplungen und Interdependenzen zwischen den Variablen innerhalb des Planungsproblems - Binnenkomplexität -
•
und von der Häufigkeit und Stärke der Kopplungen und Interdependenzen riablen anderer Planungsprobleme - Umweltkomplexität
•
der Struktur der Vernetztheit, z.B. Hierarchie, Heterarchie oder Netzwerk,
•
dem Grad der Veränderbarkeit der Entscheidungssituation
•
der Transparenz des Wirkungsgefüges ab.59
57
Quelle: ROLLBERG (1996a), S. 12.
5 8
V g l . BERENS/SCHMITTING ( 1 9 9 8 ) , S. 9 7 .
59
Vgl. KEUPER ( 1999), S. 25 f.
Variablendimensionen,
mit Va-
im Zeitablauf sowie
zwischen den Variablen und den Daten
18
/
Komplexitätsproblem
Der Komplexitätsanstieg im unternehmerischen Zielsystem ist dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich zu den klassischen, rein kostenorientierten Effizienzzielen, wie Produktivitäts- und Auslastungsmaximierung, auf Käufermärkten simultan die Zeiteffektivität, charakterisiert durch Termintreue und kurze Lieferzeiten, die Zeiteffizienz, gekennzeichnet durch geringfügig kapitalbindende Prozesse, und das Effektivitätsziel Qualität berücksichtigt werden müssen, so daß „die richtige Leistungsqualität zum richtigen Zeitpunkt kostengünstig bereitgestellt wird" 60 . Die Berücksichtigung kundenindividueller Bedürfnisse bei gleichzeitigem Rückgang der Nachfragemenge je Kunde fuhrt zu einer zunehmenden Heterogenität der Kundenstruktur seitens des Unternehmens und damit zu einem Anstieg der Kundenstrukturkomplexität. 6 ! Eine Transformation der Kundenorientierung in die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit erhöht die Produktkonzeptkomplexität und damit auch die Produktionsprogrammstrukturkomplexität. 62 Während die Produktkonzeptkomplexität u.a. durch den Standardisierungsgrad der Montageteile und Komponenten sowie durch die Komplexität der Arbeitspläne konkretisiert wird, ist die Produktionsprogrammstrukturkomplexität durch eine hohe Anzahl von Varianten mit geringer Stückzahl je Variante bzw. durch kundenindividuelle Problemlösungen, deren Individualisierung bereits früh bzw. zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Fertigungsprozeß erfolgt, definiert. Die gestiegene Produktkonzept- und Produktionsprogrammstrukturkomplexität führt dazu, daß die benötigte Teilezahl insgesamt und die Anzahl von Teileexoten zur Individualisierung der Varianten im besonderen erheblich ansteigt. Aus der erhöhten Teilekomplexität resultieren erhebliche Einflüsse auf die gesamte integrierte Materialwirtschaft, die sich z.B. in der Auswahl und Koordination der Sourcing-Strategien oder der Planung von Recyclingprozessen äußern. Ferner nimmt die Komplexität der zu steuernden fertigungstechnischen Abläufe, wie z.B. der Koordination auftragsindividueller Materialflüsse an den Assemblierungspunkten der Fertigung, zu. Die gestiegenen Komplexitäten bedingen eine flexible, der Komplexität der Abläufe angemessene Organisationsstruktur und ein auf die speziellen Komplexitätsanforderungen ausgerichtetes Fertigungs- und Steuerungssystem, um möglichst rasch auf die kundenindividuellen Wünsche eingehen zu können. Letztendlich kommt es aufgrund des Anstiegs der Komplexität in den jeweiligen Komplexitätsschichten zu einem Anstieg der Komplexität zwischen den Komplexitätsschichten (Koordinationskomplexität). Nur durch ein Informations- und Kommunikationssystem, das diesen Komplexitätsanforderungen Rechnung trägt und damit nach
6 0
ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 12.
D i e K u n d e n s t r u k t u r k o m p l e x i t ä t w i r d auch als „ K u n d e n k o m p l e x i t ä t " b e z e i c h n e t , vgl. ADAM ( 1 9 9 8 ) , S. 35. J e d o c h ist d i e s irreführend, d a nicht die K o m p l e x i t ä t d e s K u n d e n gemeint ist d i e s e wird bereits im u n t e r n e h m e r i s c h e n multidimensionalen Z i e l s y s t e m e r f a ß t
s o n d e r n die
K o m p l e x i t ä t ( H e t e r o g e n i t ä t ) der K u n d e n g r u p p e n s t r u k t u r . 6 2
Z u r P r o d u k t k o n z e p t k o m p l e x i t ä t vgl. EVERSHEIM/SCHENKE/WARNKE ( 1 9 9 8 ) , S. 30 ff. D i e P r o d u k t i o n s p r o g r a m m s t r u k t u r k o m p l e x i t ä t wird auch als „ P r o d u k t i o n s p r o g r a m m - " oder „Varia n t e n k o m p l e x i t ä t " b e z e i c h n e t . V g l . A D AM/JOHANN WILLE ( 1 9 9 8 ) , S . 8 .
I Komplexitätsproblem ASHBYS kybernetischem Gesetz ebenfalls komplex sein muß,
19
63
besteht die Möglichkeit, den Marktanforderungen gerecht zu werden und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Ein solches Informations-, Kommunikations- und Steuerungssystem stellen heutige betriebswirtschaftliche Standardsoftware-Lösungen dar, deren Kern klassische PPS-System bilden.
Abb. 1.6:
Komplexitätsproblem
des strategischen
Managements^
Vgl. ASHBY (1956), S. 202. Das kybernetische Grundgesetz besagt, daß die Varietät eines Systems der Varietät des Umsystems entsprechen muß, um die Umweltkomplexität adäquat zu handhaben. Quelle: In Anlehnung an K.EUPER(1999), S. 5.
2 Aktionsparameter
21
„ Wir arbeiten in Strukturen von gestern mit den Methoden von heute an den Problemen von morgen vorwiegend mit Menschen, die in den Kulturen von vorgestern die Strukturen von gestern gebaut haben und das Übermorgen innerhalb der Unternehmung nicht mehr erleben werden. " KNUT BLEICHER*
2
Aktionsparameter des strategischen Managements zur Komplexitätsreduktion und Komplexitätsbeherrschung
Wird der allgemeine system- bzw. entscheidungssituationsorientierte Komplexitätsbegriff auf das strategische Management übertragen, so kann festgehalten werden, daß die strategische Managementkomplexität •
von der Anzahl der Mitarbeiter, Organisationseinheiten, Maschinen und Systeme,
•
der aufbau- und ablauforganisatorischen Struktur,
•
der Häufigkeit und Stärke sozialer Beziehungen und schnittstellenübergreifender materieller und immaterieller, also informationaler, Austauschbeziehungen innerhalb des Unternehmens - Binnenkomplexität - und
•
über die Unternehmensgrenzen hinaus, z.B. zu Kunden und Lieferanten - Umweltkomplexität
•
der Dynamik des Wettbewerbs sowie
•
der Transparenz des Führungs- und Weisungssystems (formale und infórmale Organisation)
abhängt. Um das aufgezeigte Komplexitätsproblem des strategischen Managements in den Griff zu bekommen, gilt es, die bestehende Komplexität auf ein adäquates Niveau zu reduzieren und die Restkomplexität zu beherrschen. Dabei ist darauf zu achten, daß eine bestimmte Mindestkomplexität unabdingbar ist, da ein System und damit ein Unternehmen bemüht sein muß, ebenso komplex zu sein wie seine Umwelt („Law of Requisite Variety" 2 ), um auf die jeweiligen Planungsprobleme in Form adäquater Strategien reagieren zu können. 3 Andernfalls wird die Realität zu stark vereinfacht, so
BLEICHER (1989), S. 25. ASHBY (1956), S. 202. Vgl. KEUPER (1999), S. 119
22
2 Aklionsparameler
daß die Gefahr besteht, daß die Ergebnisse des Managementprozesses weder effektiv noch effizient sind. Wird der Begriff der Managementkomplexität näher betrachtet, so wird deutlich, daß generell für eine Vereinfachung des Planungsproblems zunächst einmal eine Strategie zu entwickeln ist, um den vielfältigen dynamischen Entwicklungen im Unternehmensumfeld Rechnung zu tragen. Nur durch aus den Erfolgsfaktoren abgeleitete Strategien, die sich auf das Wesentliche beschränken und damit zwangsläufig den realen Sachverhalt simplifizieren, besteht die Möglichkeit, ein effektives und effizientes Marktagieren zu gewährleisten. Für eine zielgerichtete Beeinflussung der sozialen Beziehungen innerhalb des Unternehmens und über die Unternehmensgrenzen hinaus, ist eine entsprechende Unternehmenskultur zu gestalten, die den Wünschen und Anforderungen der Mitarbeiter, der Wertschöpfungspartner und der Kunden unter Berücksichtigung des Verhaltens des sozialen Umfeldes und der Wettbewerber weitgehend gerecht wird. Da die materiellen und informationalen Prozesse innerhalb des Unternehmens sowie im Zusammenspiel mit den Zulieferern und den Kunden äußerst komplex sind, müssen im Sinne einer'effektiven und effizienten Komplexitätsreduktion Technologien angewandt werden, die den unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Prozesse gerecht werden und sie gleichzeitig auf ein handhabbares Maß simplifizieren. Letztlich bedarf es einer adäquaten Organisationsstruktur, die sich durch eine hohe Transparenz auszeichnet und darüber hinaus hinreichend stabil ist, um den Mitarbeitern im Unternehmen als Handlungs- und Weisungsrahmen zu dienen, die gleichzeitig aber auch hinreichend flexibel ist, um sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Insofern kann festgehalten werden, daß die aus den Erfolgsfaktoren abgeleiteten Strategien nur dann zum Erfolg fuhren, wenn die in den Strategien verifizierten Verhaltensrichtlinien durch die formale Organisationsstruktur und die bereitgestellte Technologie in konkrete Verhaltensmöglichkeiten transformiert und durch die bestehende Unternehmenskultur und deren informale Regeln und Strukturen begleitend unterstützt werden. 4
2.1
Unternehmensstrategie
In den nachfolgenden Abschnitten wird zunächst dargestellt, daß eine Strategie das Ergebnis einer auf die Erfolgspotentiale ausgerichteten Planung ist, um anschließend die Möglichkeit zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen anhand zweier Ansätze zu verdeutlichen.
Vgl. GRÖGER (1992), S. 12 sowie ROLLBERG (1996a), S. 13.
2 Aktionsparameter
2.1.1
23
Strategie als Ergebnis einer auf die Erfolgspotentiale ausgerichteten strategischen Planung
Wie bereits dargestellt, bringen Strategien zum Ausdruck, auf welche Weise ein angestrebter Sollzustand erreicht werden kann. Aus der ursprünglichen militärischen Bedeutung heraus hat der Strategiebegriff zunächst über die Spieltheorie Einzug in wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen gehalten. 5 Eine Strategie ist als globale Wegbeschreibung zu verstehen, die deutlich macht, auf welche Weise Erfolgspotentiale aufgebaut bzw. erhalten werden können, und stellt insofern eine Konkretisierung und Transformation strategischer Ziele dar. Entsprechend dem allgemeinen Strategiebegriff sind Unternehmensstrategien häufig durch •
eine langfristige Ausrichtung,
•
einen hohen Kapitaleinsatz bzw. eine hohe Kapitalbindungswirkung,
•
eine geringe Reversibilität sowie vor allem durch
•
eine ausgeprägte Wettbewerbsorientierung gekennzeichnet.
Die eigentliche Entwicklung der zu verfolgenden Strategien findet im sogenannten strategischen Managementprozeß statt, der im allgemeinen vier Planungsschritte umfaßt: 6 •
Analyse der Ausgangssituation und Definition der zukünftigen Stellung der gesamten Unternehmung und bzw. oder relevanter Teilbereiche;
•
Auswahl von Technologien und Entwicklung von Fähigkeiten und Ressourcen, mit denen die geplante Stellung erreicht werden kann;
•
Festlegung, auf welche Weise die Technologien, Fähigkeiten und Ressourcen zum Aufbau und zur Erhaltung von Erfolgspotentialen vor allem im Hinblick auf die Schaffung von komparativen Wettbewerbsvorteilen dienen;
•
Festlegung von Kriterien, mit deren Hilfe der Erfolg der Strategien gemessen werden kann.
Während die beiden ersten Punkte auf die Identifikation relevanter Erfolgsfaktoren sowie möglicher Erfolgspotentiale abzielen, gilt es in Punkt drei Maßnahmen zu definieren, mit denen die aus den Erfolgspotentialen abgeleiteten Anforderungen zu erreichen sind. Letztendlich müssen, um eine zielgerichtete Steuerung der Unternehmung
V g l . GALWEILER ( 1 9 8 7 ) , S . 5 5 f f . V g l . N E W M A N / L O G A N / H E G A R T Y ( 1 9 8 5 ) , S. 9 f f . , HINTERHUBER ( 1 9 8 9 ) , S . 7 f f . u n d H A M M E R
(1992), S. 51 f. Andere Autoren, wie z.B. VOIGT (1992), S. 225 f., sehen aufgrund nicht vergleichbarer Unternehmenssituationen eine allgemeingültige inhaltliche Definition des Strategiebegriffs kritisch.
24
2
Aktionsparameter
zu ermöglichen, die Maßnahmen und deren Erfolge gemessen und damit einer strategischen Kontrolle unterzogen werden. Da die strategische Planung darauf abzielt, Strategien zu entwickeln, unterscheidet sich strategisches Management von der strategischer Planung dadurch, daß zusätzlich zur strategischen Planung Fragestellungen der Strategieimplementierung und -kontrolle zu berücksichtigen sind. Problematischer ist jedoch die Abgrenzung zwischen strategischem, taktischem und operativem Management. 7 Häufig wird hierfür die Fristigkeit als Abgrenzungskriterium herangezogen, was allerdings der inhaltlichen Bedeutung des strategischen Managements nicht gerecht wird. Zentrales Bestimmungsmerkmal ist vielmehr die Konzentration auf den Aufbau bzw. die Erhaltung von Erfolgspotentialen im Rahmen des strategischen Managements. Dies wird auch darin deutlich, daß in den zuvor dargestellten Inhalten von Strategien die Ausrichtung auf den Wettbewerb als wesentliches Merkmal betont wird. Da die Wettbewerbswirkungen zudem eine zentrale Stellung bei der Ausgestaltung von Unternehmensstrategien im Hinblick auf die Erzielung komparativer Wettbewerbsvorteile haben, wird nachfolgend der Begriff Wettbewerbsvorteil zunächst marktorientiert und anschließend ressourcenorientiert diskutiert.
2.1.2
Strategische Wettbewerbsvorteile
In der Literatur stehen mit der marktorientierten und der ressourcenorientierten Betrachtung zwei Ansätze zur Verfugung, mit denen strategische Wettbewerbsvorteile und deren Ursachen erklärt werden können. 8
2.1.2.1
Marktorientierter Ansatz
Ziel des marktorientierten Ansatzes nach P O R T E R ist es, mit Hilfe geeigneter Geschäftsfeldstrategien, sogenannter generischer Wettbewerbsstrategien, unter Beachtung der jeweiligen Wettbewerbssituation in einer Branche komparative Konkurrenzvorteile zu erreichen. 9 Unter einem komparativen Wettbewerbsvorteil ist dabei die Situation zu verstehen, •
daß aus der Sicht des Kunden entweder der Preis des angebotenen Produkts bei gegebenem Nutzen niedriger oder aber der Nutzen bei gegebenem Preis höher ist, als dies bei der Konkurrenz der Fall ist. Aus Sicht der Unternehmen bedeutet dies,
Zur hierarchischen Strukturierung der Planung gemäß der Reihenfolge strategisch, taktisch, operativ vgl. KOCH (1977), S. 49 ff. Vgl. zum marktorientierten Ansatz PORTER (1988) bzw. PORTER (1989). Grundlegende Erläuterungen hinsichtlich das Ressourcenansatzes finden sich bei WERNERFELT (1984) und PRAHALAD/HAMEL (1990). Zur Diskussion dieses Ansatzes in der deutschsprachigen Literatur vgl. z.B. z u KNYPHAUSEN (1993), S. 771 ff. und BAMBERGER/WRONA (1996), S. 130 ff. Vgl. PORTER (1980), S. 34 ff. bzw. PORTER (1988), S. 31 ff.
2 Aktionsparameter
25
daß im Vergleich zu den Mitbewerbern entweder Kostenvorsprünge realisiert werden können oder aber Produkte und Dienstleistungen mit speziellen Eigenschaften wie z.B. Funktionalität, Qualität oder Service ausgestattet werden können, die aus der Sicht des Kunden einzigartig sind. Um von einem strategischen komparativen Wettbewerbsvorteil sprechen zu können, 1 0 sollte die angebotene Leistung nicht von nachrangiger Bedeutung, sondern auf ein für den Kunden wichtiges Leistungsmerkmal bezogen sein. Zudem muß der höhere Wert vom Kunden auch tatsächlich wahrgenommen werden. Letztendlich sollte der Wettbewerbsvorteil einen dauerhaften Charakter aufweisen, d.h. von den Wettbewerbern nicht kurzfristig imitierbar sein. Diese markt-kundenorientierte Interpretation des ökonomischen Prinzips führt 11 PORTER dazu, drei strategische Grundhaltungen zu unterscheiden: •
Die Anpassung an die bestehenden Wettbewerbskräfte und die Abwehr möglicher Bedrohungen sind Inhalt einer eher defensiv geprägten Ausrichtung.
*
Im Gegensatz zu einer defensiven Grundhaltung ist eine offensive Ausrichtung dadurch charakterisiert, daß das Kräftegleichgewicht nicht mehr als Datum angesehen wird. Durch entsprechende strategische Maßnahmen soll die eigene Position vielmehr gestärkt werden.
•
Ferner besteht die Möglichkeit, Veränderungen der Branchenstruktur frühzeitig zu erkennen, schneller als die Konkurrenz darauf zu reagieren, um so die eigene künftige Position zu verbessern.
Aufbauen auf den drei strategischen Grundhaltungen entwickelt strategien: *
die Kosten- bzw. Preisfuhrerschaft,
•
die Differenzierungsstrategie und
•
die Nischenstrategie. 12
PORTER
drei Grund-
Während die Kosten- bzw. Preisführerschaft darauf abzielt, durch das Ausschöpfen von Effizienzpotentialen positiv auf die Preisseite des vom Kunden wahrgenommenen Preis-Nutzen-Verhältnis einzuwirken, wird hingegen im Rahmen von Differenzierungsbestrebungen über das Ausnutzen von Effektivitätspotentialen die Nutzenseite positiv gestaltet. Eine Kombination bzw. gleichzeitige Verfolgung einer Kostenführerschafts- und Differenzierungsstrategie ist lediglich möglich, wenn im Zeitablauf 10
V g l . SIMON (1988), S. 4 6 4 f.
11
V g l . PORTER (1988), S. 5 7 ff.
12
V g l . PORTER (1988), S. 62 ff.
26
2
Aktionsparameter
von der einen zur anderen Strategie übergegangen wird oder aber beide Strategien zwar gleichzeitig, aber in unterschiedlichen Teilbereichen bzw. Fertigungssegmenten des Unternehmens umgesetzt werden. 13 Eine Auflösung dieser Unvereinbarkeitshypothese ist nur für Pionierunternehmen möglich, die durch organisatorische und technologische Innovationssprünge simultan in der Lage sind, eine Kostenführerschaft mit einer konsequenten Differenzierungsstrategie zu vereinbaren (Simultanitätshypothese). 14 Im Gegensatz zur Preisfuhrerschaft bzw. Differenzierungsstrategie versucht die Nischenstrategie, durch die Konzentration auf ein spezielles Wettbewerbsfeld und damit auf eine spezielle Zielgruppe ein vorteilhafteres Preis-NutzenVerhältnis aufzubauen, als dies den Wettbewerbern, die ein breites Wettbewerbsfeld bearbeiten, möglich ist. Dabei kann die Nischenstrategie sowohl als Kostenführerschaft ausgestaltet sein als auch einen Differenzierungsschwerpunkt aufweisen.
2.1.2.2
Ressourcenorientierter Ansatz
Während die vorangehende Argumentation eine unternehmensextern orientierte Sichtweise betont, sehen die Vertreter des Ressourcenansatzes unternehmensinterne Faktoren als Ausgangspunkt für das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen an. 1 5 Die Grundaussage des Ressourcenansatzes ist, daß Wettbewerbsvorteile auf der spezifischen Ressourcenausstattung der Unternehmen basieren. Unter Ressourcen werden hierbei sämtliche Quellen, die für die Stärken und Schwächen eines Unternehmens verantwortlich sind, subsumiert. Die Ressourcen müssen dabei die Eigenschaft •
der Wertgenerierung,
*
der Einzigartigkeit und
•
der Nicht-Imitierbarkeit 16
aufweisen. 17 Wertgenerierung Aus dem Ausschöpfen einer Ressource müssen ökonomische Vorteile entstehen, die ihren Niederschlag z.B. in einer verbesserten Effektivität oder Effizienz des jeweiligen Unternehmens finden. Wichtig ist ferner, daß die aus der Ressourcennutzung ent13
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 14.
14
V g l . PORTER (1989), S. 42 f. s o w i e BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 15.
15
V g l . z.B. WERNERFELT (1984), S. 171 ff. s o w i e PRAHALAD/HAMEL (1990), S. 79 ff.
16
H ä u f i g wird noch zwischen Nicht-Imitierbarkeit und Nicht-Substituierbarkeit unterschieden, vgl. ZU KNYPHAUSEN (1993), S. 776. Allerdings sind diese Begriffe nicht trennscharf, da eine Imitation stets auch den Einsatz anderer, wenn auch vergleichbarer, Ressourcen impliziert und damit Merkmale der Substitution erfiillt.
17
V g l . BÜRKI(1996), S. 2 0 2 ff.
2 Aktionsparameier
27
stehenden Erträge die für den Erwerb der Ressource benötigten Aufwendungen übersteigen. Für die Bedeutung als strategische Ressource ist es zudem unabdingbar, daß die Wertgenerierung dauerhaft erfolgt. Der Grad der Dauerhaftigkeit wird im wesentlichen durch die Abnutzbarkeit der jeweiligen Ressource determiniert. So nutzt sich eine intangible Ressource, w i e z.B. ein Markenname, weniger ab als eine physische Ressource. Im Gegenteil, der Wert des Markennamens kann im Zeitablauf sogar steigen.
Einzigartigkeit Der ressourcenorientierte Ansatz geht im wesentlichen davon aus, daß die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen auf einer Einzigartigkeit der Ressourcen basiert. Eine solche Einzigartigkeit ist dann geben, wenn die Ressource unternehmensspezifisch ist, d.h. wenn sie in ein Unternehmen eingebunden ist und nur dort ihr volles Nutzenpotential ausgeschöpft werden kann. Eine Transferierung dieser Ressource in ein anderes Unternehmen darf nur mit einem erheblichen Wertverlust der Ressource oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden sein. 18 Aus dem Merkmal der Einzigartigkeit einer Ressource wird erkennbar, daß solche Ressourcen i.a. nicht gehandelt werden und stattdessen über einen entsprechenden Zeitraum im Unternehmen aufgebaut werden müssen. 19
Nicht-Imitierbarkeit Generell besteht auch bei einzigartigen Ressourcen die Möglichkeit, daß diese imitiert oder substituiert werden, so daß nicht mehr strategische, sondern bestenfalls kurzfristige Wettbewerbsvorteile erzielbar sind. Im ressourcenorientierten Ansatz sind somit vor allem nicht-imitierbare bzw. nicht substituierbare Ressourcen von strategischer Bedeutung, die durch folgende Sachverhalte charakterisiert sind: 20 *
Fehlende Transparenz bzw. unvollkommene Informationen fuhren dazu, daß den Wettbewerbern nicht bekannt ist, mit welcher Ressourcenkombination der jeweilige Wettbewerbsvorteil erzielt wird.
•
Die historische Untemehmensentwicklung hat den Wettbewerbsvorteil begründet, so daß dieser nicht reproduzierbar ist. Strenggenommen müßte, um die Ressource zu duplizieren, die gleiche historische Entwicklung in der Zukunft durchlaufen werden, was aufgrund der Einmaligkeit einer Unternehmensentwicklung ausgeschlossen ist.
1 8
'^
V g l . B A M B E R G / W R O N A ( 1 9 9 6 ) , S. 137 s o w i e S C H R Ö D E R ( 2 0 0 0 ) , S. 2 9 .
Hierzu zählt auch die Immobilität einer Ressource, die aufgrund geographischer Gegebenheiten bestehen kann.
2 0
V g l . S C H R Ö D E R ( 2 0 0 0 ) , S. 3 0 .
28
"
2
Aklionsparumeter
Der Wettbewerbsvorteil ist in dem komplexen Zusammenspiel interdependenter Ressourcen verankert. Insbesondere das Zusammenspiel von Technologie und Mensch und die Wissensverteilung auf unterschiedliche Personen und Personengruppen stellen eine massive Imitationsbarriere dar.
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem ressourcenorientierten Ansatz macht deutlich, daß dieser und der zuvor erläuterte marktorientierte Ansatz nicht zwei sich konträr, sondern vielmehr komplementär zueinander verhaltende Sichtweisen zur Erklärung von Erfolgspotentialen darstellen. Die aus den Erfolgsfaktoren abgeleiteten Strategien führen jedoch nur dann zum Erfolg, wenn die in den Strategien verifizierten Verhaltensrichtlinien durch die formale Organisationsstruktur begleitend unterstützt werden.
2.2
Organisationsstruktur
In der wissenschaftlichen Diskussion haben sich drei unterschiedliche Interpretationen hinsichtlich des Begriffs Organisation herauskristallisiert. Während der funktionale Organisationsbegriff hervorhebt, daß die Aufbau- und Ablauforganisation organisiert werden muß, zielt der instrumentale Organisationsbegriff darauf ab, daß die Organisation ein System geltender organisatorischer Regelungen darstellt, deren Sinnzusammenhang durch die oberste Betriebsaufgabe gekennzeichnet ist. 21 Die instrumentale Sichtweise geht insofern davon aus, daß ein Unternehmen eine Organisation als Instrument zur Zielerreichung hat. Im Gegensatz zu den beiden vorangehenden Organisationsbegriffen zielt der institutionale Organisationscharakter darauf ab, in der Organisation ein zielgerichtetes soziales System zu sehen, womit ein Unternehmen eine Organisation ist. Im weiteren Verlauf wird die institutionelle Interpretation des Organisationsbegriffs nicht weiter thematisiert, da dieser die Bedeutung der Organisation überzeichnet. Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob die Organisationsstruktur formal und/oder informal ausgestaltet wird. 2 2 Während die formale Organisation für die bewußte rationale Ausgestaltung der Struktur und des für eine koordinierte Zielerreichung benötigten Regelwerkes verantwortlich zeichnet, wird unter informaler Organisation die häufig unbeabsichtigte soziale Struktur verstanden, die durch persönliche Ziele, Wünsche, Sympathien und Verhaltensweisen der Mitarbeiter bestimmt wird. Für die informale Organisationsstruktur wird vermehrt der Begriff der Unternehmenskultur verwendet, auf den in Abschnitt 2.4 näher eingegangen wird. Organisationsstrukturen können einerseits einen eher statischen Charakter aufweisen, wie dies z.B. im Rahmen der Aufbauorganisation der Fall ist, sie können aber auch 21
V g l . NORDSIEK ( 1 9 5 5 ) , S . 2 3 .
2 2
V g l . BÜHNER ( 1 9 9 4 ) , S. 6 f.
2 Aktionsparameter
29
relativ dynamisch sein, wie dies von der Ablauforganisation gefordert wird. Während die Aufbauorganisation eine Festlegung der Aufgabe nach den Merkmalen der Verrichtung und des Objektes vornimmt, ist die räumliche und zeitliche Strukturierung einer Aufgabe Kennzeichen der Ablauforganisation. 23 Im weiteren wird, um der dominierenden Stellung der Aufbauorganisation im Hinblick auf eine Ausgestaltung der Ablauforganisation Rechnung zu tragen, jedoch unter dem Begriff Organisationsstruktur lediglich die Aufbauorganisation verstanden.
2.2.1
Analyse-Synthese-Konzept
Der Grundgedanke des von K O S I O L erarbeiteten Analyse-Synthese-Konzepts 24 ist die (geistige) Trennung von Aufbau- und Ablauforganisation, wobei das Konzept die Schritte •
Aufgabenanalyse
•
Aufgabensynthese
•
Arbeitsanalyse
•
Arbeitssynthese
durchläuft 25 Das Konzept beginnt mit der Aufgabenanalyse, in der die Gesamtaufgabe in Teilaufgaben zerlegt wird. Von primärer Bedeutung für die Ausdifferenzierung der Gesamtaufgabe in Teilaufgaben ist die Frage, ob die Aufgabenzerlegung verrichtungsoder objektorientiert zu erfolgen hat. Im Gegensatz dazu nimmt die Phasen&naXyse eine Trennung in die Funktionen Planen, Durchführen und Kontrollieren vor. Ferner können die Aufgaben hinsichtlich ihres Ranges ausdifferenziert werden, d.h. die Aufgaben werden dahingehend analysiert, ob es sich um eine Entscheidungs- oder Ausfuhrungsaufgabe handelt. Zudem erfolgt eine Aufgabenzerlegung unter dem Gesichtspunkt der Zweckbeziehung, wobei zwischen direkten wertschöpfungsorientierten und indirekten administrativen Aufgaben unterschieden wird. Nachdem mit Hilfe der Aufgabenanalyse ein Überblick über die relevanten Teilaufgaben geschaffen worden ist, werden im Rahmen der Aufgabensynthese die ausgegliederten Teilaufgaben reintegriert, zu Stellen zusammengefaßt und Personen zur Aufgabenerfüllung übertragen. Ziel der Synthese ist es, die im Hinblick auf eine Erfüllung der Gesamtaufgabe optimale Gesamtteilaufgabe einer Stelle zuzuweisen.
23
V g l . B Ü H N E R ( 1 9 9 4 ) , S. I I .
2 4
V g l . KOSIOL ( 1 9 6 2 ) , K.0S10L ( 1 9 6 9 a ) u n d KOSIOL ( 1 9 6 9 b ) .
2 5
V g l . zu d e n f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S. 2 3 f f . s o w i e BÜHNER ( 1 9 9 4 ) , S. 21 ff.
3 0
2
Aktionsparameier
Die Arbeitsanalyse setzt an der untersten Detaillierungsstufe der Aufgabenanalyse an und stellt somit eine verlängerte Aufgabenanalyse unter besonderer Betonung der Arbeitsschritte zur Aufgabenerfüllung dar. Als Gliederungsprinzip dient die Vorgehensweise im Rahmen der Aufgabenanalyse. Letztendlich werden die zergliederten Arbeitsschritte wiederum zu einem Arbeitsprozeß zusammengefaßt, wobei der Schwerpunkt der Zielsetzung in der objektorientierten Minimierung der Durchlaufzeit liegt. Der Synthesevorgang erfolgt dabei nach personalen, temporalen und lokalen Gesichtspunkten. Während eine personenbezogene Arbeitsverteilung sich an dem potentiellen Leistungsvermögen der Aufgabenträger orientiert, zielt die temporale Synthese auf die Bildung von Arbeitsgängen unter zeitlichen Aspekten wie z.B. Reihenfolge und Taktung ab. Die räumliche Anordnung der Bearbeitungsstationen und die Arbeitsplatzgestaltung sind Fragestellungen, die im Rahmen der lokalen Synthese von Bedeutung sind. Im klassischen Analyse-Synthese-Konzept wird deutlich, daß ablauforganisatorische Aspekte erst dann berücksichtigt werden, wenn die aufbauorganisatorische Struktur definiert ist. Eine Optimierung der Unternehmensabläufe nach zeitlichen, räumlichen und personellen Gesichtspunkten ist somit aufbaustrukturbezogener Merkmale weitestgehend beraubt, die jedoch fiir eine moderne Organisationsstruktur zwingend erforderlich sind.
2.2.2
Charakteristika einer modernen Organisationsgestaltung
Das Erstellen eines organisatorischen Rahmens, der sich zum Ziel setzt, die Effektivitäts- und Effizienzpotentiale einer Unternehmung optimal auszuschöpfen, bildet die Basis für die Umsetzung des strategischen Managements.
2.2.2.1
Prozeßorientierung
Im Rahmen der Aufgabensynthese bietet der Aktionsparameter Organisation die Möglichkeit, zwischen einer prozeß-, verrichtungs- oder objektorientierten Zusammenfassung von Aufgaben zu wählen. 27 Bei der Verrichtungsorientierung werden solche Aufgaben gebündelt, die gleichartige Tätigkeiten an verschiedenen Objekten ausfuhren. Hierdurch entstehen beispielsweise Stellen, die ausschließlich für die Warenbestellung oder Warenannahme zuständig sind. Demgegenüber werden bei einer Objektorientierung unterschiedliche Aufgaben zusammengefaßt, die an gleichartigen Objekten, z.B. Produkten, Produkt- oder Kundengruppen, ausgeführt werden.
26
Vgl.
2 7
V g l . WELKER ( 1 9 9 8 ) , S. 12.
BOGASCHEWSKY/ROLLBERG
(1998), S. 196.
2 Aktionsparameter
31
Beispielsweise werden alle Aufgaben, die mit der Lagerhaltung verbunden sind, wie z.B. Bestandsprüfung, Warenbestellung, Warenannahme usw., in einer Stelle zusammengefaßt. Die klassische Organisationstheorie stellt, wie aufgezeigt, die Aufbauorganisation in das Zentrum der Betrachtung. Problematisch daran ist, daß die Ablauforganisation an den Stellen und damit an der untersten Ebene der Aufbauorganisation ansetzt. Damit sind aber crossfunktionale oder stellenübergreifende Zusammenhänge und deren interne Ausgestaltung nicht Gegenstand der Gestaltungsempfehlungen der Ablauforganisation. 2 8 Um dieser Problematik entgegenzuwirken, ist eine Prozeßorientierung unabdingbare Voraussetzung. Allgemein sind Prozesse "
durch die Abfolge von Aktivitäten gekennzeichnet, wobei eine Aktivität dabei als eine Erfüllung einer Aufgabe angesehen werden kann. 2 9 Ferner existiert zu jedem Prozeß ein Input, d.h. mindestens ein Objekt, das den Prozeßablauf initialisiert und im Prozeßverlauf eine Veränderung erfährt (Throughput), sowie ein Output, d.h. mindestens ein Objekt, das ein Ergebnis des Transformationsablaufs darstellt und wiederum als Input für einen nachfolgenden Prozeß dient. Die Input- und Outputobjekte können dabei sowohl materieller als auch immaterieller und damit informationaler Art sein. Input
Throughput
Output
Informationen
Informationen
Materieller Prozeß
Î >
e }
AI
A2
A3
Aktivitäten materielle Objekte
materielle Objekte
Informationen
Informationen
Informationsprozeß
i >
AI
A2 Aktivitäten
Abb. 2.1:
Materieller und immaterieller
Prozeß
28
V g l . CORSTEN ( 1 9 9 7 ) , S. 12.
29
V g l . HAUSER ( 1 9 9 6 ) , S. 14.
30
Quelle: In A n l e h n u n g an SCHRÖDER (2000), S. 66.
A3
32
2
Aktionsparameter
Ziel einer Prozeßorientierung ist es, den strukturellen Aufbau einer Unternehmung an den betrieblichen Prozessen auszurichten mit der Konsequenz, daß die Ausgestaltung der Aufbauorganisation durch die Bedingungen des Ablaufs determiniert wird. Funktionenorientierte Organisation Unternehmensleitung
Forschung & Entwicklung
Beschaffung
Produktion
Absatz
Objektorientierte Organisation Unternehmensleitung
Geschäftsbereich A
Geschäftsbereich B
Geschäftsbereich C
Geschäftsbereich D
Prozeßorientierte Organisation
Prozeß
Abb. 2.2:
Prozeß
Prozeß
Funktionen- und objektorientierte Organisation versus Prozeßorganisation
2 Aktionsparameier
33
Während im oberen Teil der vorangehenden Abbildung eine klassische, stark hierarchisierte, funktionale Organisationsstruktur visualisiert wird, repräsentiert der mittlere Bereich eine objektorientierte Organisationsstruktur. Hingegen wird im unteren Teil der Abbildung eine prozeßorientierte Organisationsstruktur deutlich, bei der verschiedene, inhaltlich aber zusammenhängende Tätigkeiten zu kompletten Prozesse oder Teilprozessen zusammengefaßt werden, die von unterschiedlichen Objekten durchlaufen und von einem interdisziplinären Team gesteuert und kontrolliert werden. Im Gegensatz zum allgemeinen Prozeßbegriff betont der Terminus Geschäftsprozeß dabei lediglich, •
daß es sich um Abläufe handelt, die in Wirtschaftsorganisationen durchgeführt werden und dem Betriebszweck dienen.
BOGASCHEWSKY/ROLLBERG weisen darauf hin, daß die Abgrenzung nach dem Betriebszweck ein sehr unscharfes Kriterium ist, da beispielsweise die Anlage von Zahlungsmitteln in Wertpapieren sicherlich ein wirtschaftlicher Prozeß ist, aber wohl kaum den Betriebszweck eines Industriebetriebes darstellt. 31 Viel interessanter als der allgemeine Geschäftsprozeßbegriff ist der des kundenorientierten Geschäftsprozesses, •
unter dem eine funktionsübergreifende Transformation von klar definiertem Input hin zu klar definiertem Output im Rahmen einer internen oder externen KundenLieferantenbeziehung zu verstehen ist.32
Aus der Definition wird deutlich, daß eine prozeßorientierte Unternehmensfuhrung äquivalent mit einer konsequenten Kundenorientierung ist und somit die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit als zentrale Aktionsparameter beinhaltet. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß nicht alle Tätigkeitsbereiche prozeßorientiert ausgestaltet werden können. Der Schwerpunkt des Processing liegt auf repetitiven Aufgabenbereichen, da innovative Aufgaben einer systematischen prozeßorientierten Strukturierung weniger zugänglich sind. 33 Die mit der Standardisierung von Abläufen einhergehende Routinisierung der Aktivitätsfolgen zielt darauf ab, Effektivitäts- und insbesondere Effizienzpotentiale weitgehend auszuschöpfen. Wichtig ist dabei, daß nicht um des Processing willen Sonderfälle („Exoten") in die Standardprozesse hineingedrückt werden, da dies der aus der Komplexität der Zielsetzungen abgeleiteten Flexibilität entgegenstehen würde. REISS nennt als zentrale Stärken der Prozeßorientierung: 34
31
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 187.
32
Vgl. HAMMER/CHAMPY (1994), S. 52, GAITANIDES (1995), S. 70 und CORSTEN (1997), S. 23.
33
Vgl. HEPPNER(1995), S. 10.
34
Vgl. REISS (1993), S. 51 f.
34
2
Aktionsparameter
•
unternehmensinterne und -übergreifende wertschöpfungsorientierte Ausrichtung des gesamten Unternehmensgeschehens;
•
Brückenschlag zwischen internen Erfolgsfaktoren und marktlichem Erfolgspotential durch konsequente interne und übergreifende Kunden-Lieferantenbeziehung;
•
flache Hierarchie, da eine Prozeßorientierung nur in Einklang mit der Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen, Kompetenzen und Verantwortung auf die Prozeßbeteiligten und vor allem auf den Prozeßverantwortlichen möglich ist. Dies ist insofern sinnvoll, als die Prozeßbeteiligten über das fachliche Know-how verfugen müssen, die Aktivität umzusetzen, und zudem über den Prozeßzustand besser informiert sind als Prozeßunbeteiligte;
•
Bildung interdisziplinärer Organisationseinheiten mit dem Ziel, die unternehmerischen Prozesse kontinuierlich zu optimieren, als Konsequenz aus der mit der Prozeßorientierung einhergehenden Funktionsintegration;
•
Auflösung von Schnittstellen zwischen betrieblichen Funktionen;
•
Informationsflußverbesserung, da eine Optimierung der funktionsübergreifenden Prozeßabläufe unabdingbar mit einem entsprechenden Informationsfluß verbunden ist;
•
Komplexitätsreduktion durch die Schaffung produktorientierter Einheiten;
•
verstärkte Integration von betrieblichen Abläufen durch Funktionsintegration und Schnittstellenabbau.
Aus den Vorteilen einer Prozeßorientierung wird deutlich, daß die Effektivitäts- und Effizienzpotentiale nur dann realisiert werden können, wenn die Mitarbeiter für die Belange einer Prozeßorientierung sensibilisiert und qualifiziert werden.
2.2.2.2
Mitarbeiterorientierung
Die Veränderung im unternehmerischen Zielsystem, insbesondere die Orientierung am Qualitätsgedanken, sowie der gesellschaftliche Wertewandel und die damit einhergehende Forderung nach Selbstverwirklichung müssen sich sowohl in einer mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur 3 5 als auch in einer mitarbeiterorientierten Organisation niederschlagen. 3 6 Die klassischen Linienorganisationen mit ihren ausgeprägten Linienstrukturen, die häufig durch eine Trennung von Führung und Durchführung gekennzeichnet sind, sind nicht i.d.L., dem Streben der Mitarbeiter nach Selbstverwirklichung, Eigenverantwortung und Eigenkontrolle gerecht zu werden, was sich letztlich negativ auf die Motivation und die Innovationsbereitschaft auswirkt. Insofern sind mit Hilfe der Organisation Rahmenbedingungen zu schaffen, 35
Vgl. Abschnitt 3.1.2.
36
Vgl. zu den weiteren Ausführungen STEINBACH (1997), S. 457 f.
2 Aktionsparameter
35
die den Mitarbeiterbedürfnissen gerecht werden. Flankiert werden müssen diese organisatorischen Maßnahmen von einem Führungsstil, der ebenfalls den neuen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung trägt. Auch hier scheinen klassische Linienorganisationen aufgrund der ihnen inhärenten Machtstruktur weniger i.d.L. zu sein, einen kooperativen Führungsstil zu unterstützen. Neben der zuvor dargestellten Prozeßorganisation, die durch eine bereichsübergreifende Funktionsintegration den Prozeßbeteiligten die Möglichkeit bietet, ganzheitliche Aufgabenstellungen zu bearbeiten, und damit dem Gedanken der Eigenverantwortlichkeit und Eigenkontrolle gerecht wird, ist vor allem die aus den Motivationstheorien abgeleitete Forderung nach Aufhebung der TAYLORistischen Arbeitsteilung zugunsten einer ganzheitlichen Gestaltung der Aufgabenkomplexe, die gegebenenfalls in eigenverantwortlichen Gruppen bearbeitet werden, für eine mitarbeiterorientierte Organisationsform zu diskutieren. So ergibt eine Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie, daß sich das dynamische Arbeitsteam als das „Herz" einer zukunftsorientierten Fabrik entpuppt. 3 7 Demgegenüber steht der klassische TAYLORismus, der eine extreme vertikale und horizontale Arbeitsteilung propagiert. Während die vertikale Arbeitsteilung zu sehr kleinen Dispositionsspielräumen ftihrt, bedingt die horizontale Arbeitsteilung, daß im Extremfall eine Elementaraufgabe einer Stelle zugewiesen wird. R O L L B E R G bezeichnet dies zu Recht als Job Imperishment (Arbeitsverarmung). 3 8 Ziel einer solch extremen Arbeitsteilung ist es, über Spezialisierungs- bzw. Lernkurveneffekte die Produktivität zu steigern und somit die reine Bearbeitungszeit zu senken. Problematisch ist dabei, daß die zunehmende Arbeitszerlegung einen erhöhten Koordinationsbedarf der Material- und Informationsflüsse mit sich bringt. Diesem Effekt konnte innerhalb eines wenig dynamischen Umfeldes durch eine Standardisierung der Produkte hin zu einem Massenprodukt entgegengetreten werden. Die heutigen komplexen und variantenreichen, kundenorientierten Produkt- und Dienstleistungsprogramme lassen jedoch die Nachteile des hohen Koordinationsbedarfs an den Schnittstellen deutlich werden. So wachsen die Übergangs- und Koordinationszeiten z.T. so stark an, daß der Zeitanteil, der die reine Wertschöpfung umfaßt, auf 10% bis 20% sinkt, 39 wobei gleichzeitig die Durchlaufzeit insgesamt sogar steigt. Ferner wirken sich die Monotonie der Abläufe und der fehlende Überblick über den Gesamtzusammenhang und das dadurch mangelnde Verantwortungsgefühl negativ auf die Arbeitszufriedenheit, Produktivität und Produktqualität aus. Dem Problem der Übergangszeiten tritt das sogenannte Job Enlargement (Arbeitserweiterung) entgegen, das im Rahmen einer horizontalen Vorgangsintegration Arbeitsaufgaben eines Mitarbeiters um vor- und nachgelagerte, qualitativ gleichwertige
3 7
V g l . WOMACK/JONES/ROOS ( 1 9 9 2 ) , S. 1 0 4 .
3 8
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 3 0 .
3 9
V g l . ADAM ( 1 9 9 8 ) , S. 2 .
36
2
Aktiomparameter
Aufgaben erweitert. Beim Job Rotation fuhren verschiedene Mitarbeiter wechselnd im Zeitablauf mehrere vor- und nachgelagerte Tätigkeiten aus. Im Gegensatz dazu erweitert das Job Enrichment (Arbeitsbereicherung) das Tätigkeitsfeld eines Mitarbeiters sowohl um mehrere vor- und nachgelagerte, gleichwertige Aufgaben als auch um übergeordnete dispositive Aufgaben, wie Planen, Entscheiden und Kontrollieren. Die enlargement- und enrichmentorientierte Aufgabenerweiterung wirkt nicht nur der Monotonie entgegen und unterstützt damit die Arbeitszufriedenheit und Identifikation mit der Arbeit, sondern sie wirkt sich indirekt über die gesteigerte intrinsische Motivation positiv auf die Produktivität und Produktqualität aus. 4 0 Der verbesserte Überblick über den Gesamtzusammenhang steigert zudem das Verantwortungsgefühl und verringert den externen Koordinationsbedarf. Ferner wird das Problem der Übergangszeiten stark relaxiert und die Flexibilität aufgrund der unweigerlich höher qualifizierten Mitarbeiter verbessert. Diese Effekte lassen sich weiter verstärken, wenn das unipersonale Job Enlargement auf ein multipersonales Arbeitsfeld übertragen wird. 41 Die sich daraus ergebenden teilautonomen Arbeitsgruppen übernehmen ganze Aufgabenkomplexe, die sie eigenverantwortlich lösen. 42 Dabei erfolgt einerseits eine feste Zuweisung von Arbeitsinhalten zu den Gruppen, andererseits aber besteht die Möglichkeit der variablen Zuweisung von Arbeitsinhalten zu Personen innerhalb eines Teams, so daß die Teammitglieder im Zeitablauf unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Da die Teams eigenverantwortlich arbeiten, kann eine zentrale Kontrolle weitgehend entfallen. Neben den bereits im Rahmen der unipersonalen Arbeitsfelderweiterung diskutierten Vorteilen sind vor allem die Schaffung eines Teamgeists, der die Eigenverantwortung der Gruppenmitglieder stärkt, und die abermals gestiegene Flexibilität durch die Mehrfachqualifikation und universelle Einsetzbarkeit der Gruppenmitglieder als Vorteile zu nennen. Für funktionierende Teamkonzepte ist es jedoch unabdingbar, daß die Teammitglieder über fachliche und soziale Kompetenz verfugen, da andernfalls die Mitarbeiter überfordert werden oder es zu einem internen Wettbewerb kommt, an dessen Ende wieder der TAYLORismus steht.
2.2.2.3
Pionierorientierung
Wie bereits dargestellt, tragen Linen strukturen sowie der ihnen inhärente Formalismus und Bürokratismus dazu bei, zwar einerseits Stabilität und Ordnung in eine Organisation zu bringen, andererseits aber Innovationskraft und Flexibilität zu erstikken. 4 3 Die natürliche Evolution eines Unternehmens und die damit verbundene Zunahme der innerorganisatorischen Komplexität sowie die Lethargie der Mitarbeiter
4 0
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 3 4 .
4 1
V g l . B O G A S C H E W S K Y / R O L L B E R G ( 1 9 9 8 ) , S. 4 6 f.
4 2
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 3 1 .
43
Vgl. zu den folgenden Ausführungen STEINBACH (1997), S. 458 ff.
2 Aktionsparameter
37
über alle Hierarchieebenen hinweg tragen dazu bei, daß Spontanität, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit, wie sie Pionierunternehmen auszeichnen, im Zeitablauf zu organisatorischer Starrheit erkalten. Gerade die komplexen und dynamischen Anforderungen des Marktes bedingen aber eine Organisationsform, die denen von Pionierunternehmen sehr ähnlich ist. Die Dynamik und Komplexität der aktuellen unternehmensexternen und -internen Prozesse bedingt flexible und reaktionsfähige Organisationsformen, die über eine gewisse innerorganisatorische Dynamik, d.h. Lernfähigkeit - ähnlich der von Pionierunternehmen - verfugen, um den exogenen und endogenen Marktanforderungen gerecht zu werden. Ziel des strategischen Managements muß somit sein, die Organisationsmerkmale von Pionierunternehmen konträr zur natürlichen Evolution von Unternehmen zu erhalten bzw. bewußt wiederherzustellen. Dies bedingt, daß die gewachsenen komplexen und statischen Unternehmensstrukturen bewußt im Rahmen von kontinuierlichen Reengineering-Projekten in kleine, überschaubare, flexibel und kundenorientiert am Markt agierende Einheiten restrukturiert werden, wobei gleichzeitig unternehmensintern die zuvor diskutierten, fuhrungsorganisatorischen Maßnahmen wie Job Enlargement, Job Rotation, Job Enrichment und Team-Konzepte einzusetzen sind. Reaktionsfähigkeit Flexibilität Innovationsfahigkeit
Reorganisation
|
Natürliche Evolution
,
^
^ Zeit Abb. 2.3:
Natürliche organische Evolution versus
2.2.2.4
Simplexitätsorientierung
Reorganisation44
Die aus der Marktkomplexität abgeleitete Zielkomplexität führte insbesondere in westlichen Industrieunternehmen dazu, 45 den gestiegenen Anforderungen an die Organisationsstruktur mit einer immer stärkeren Arbeitsteilung entgegenzutreten. Die 44
Quelle: LITTLE (1988), S. 10.
45
Vgl. Abschnitt 1.3.
38
2
Aktionsparameter
damit verbundene unternehmensinterne Komplexität erstickt jedoch die für ein kundenorientiertes Marktagieren notwendige organisatorische Flexibilität und Ubersichtlichkeit. Ziel des strategischen Managements muß es daher sein, Organisationsstrukturen zu bilden, die dem Komplexitätsstreben entgegenwirken. Auch hierbei sind die Reintegration und die Teambildung Möglichkeiten, komplexitätsreduzierend zu wirken. Darüber hinaus ist die Komplexität systematisch durch die Vereinfachung von Prozessen, Verfahren und Strukturen, wie dies im Lean-Management-Konzept propagiert wird, 4 6 auf ein notwendiges Mindestniveau zu reduzieren, um die dann bestehende Restkomplexität adäquat zu beherrschen. 47 Zudem trägt eine Simplexitätsorientierung dazu bei, daß Verantwortungsbereiche eindeutig definiert werden können, Koordinationsmaßnahmen richtig greifen und das ein übertrieben ausgestaltetes formales Netz aus Regeln und Vorschriften, das dem einzelnen Mitarbeiter jegliche Orientierung und Transparenz im Unternehmen verwehrt, aufgelöst wird. Ziel muß es sein, eine Transparenz zu schaffen, die alle Strukturen, Beziehungen und somit Entscheidungs- und Informationsströme offenlegt. Dies wird durch kurze Informations- und Entscheidungswege unterstützt, die letztendlich wiederum auf einer Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen auf lokale Einheiten basiert. Gleichzeitig bedeutet die Dezentralisierung auch Kooperation, da ohne Abstimmung der Mitarbeiter untereinander ein zielgerichtetes, bereichsübergreifendes, koordiniertes Vorgehen nicht möglich ist. Hierfür sind die räumlichen und informationstechnischen Voraussetzungen zu schaffen. So bietet sich z.B. die räumliche Nähe von Produktionseinheiten innerhalb einer Montagehalle an, um eine Konzentration der an einer Problemlösung beteiligten Mitarbeiter in personeller und inhaltlicher Hinsicht durch Zusammenfassung von Aufgaben und Zuweisung dieser Aufgaben zu Teams zu unterstützen. Auf der anderen Seite bietet eine interbetriebliche Telekooperation die Möglichkeit, sich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren und dadurch die innerbetriebliche Komplexität erheblich zu reduzieren. Die koordinierte interbetriebliche Kooperation wird jedoch durch einen Anstieg der interbetrieblichen Schnittstellen erkauft. Als Fazit kann festgehalten werden, daß die aus den Erfolgsfaktoren abgeleiteten Strategien nur durch eine adäquate Organisationsstruktur und eine zielsetzungsgerecht ausgestaltete Technologie effektiv und effizient unterstützt werden, so daß der avisierte Erfolg tatsächlich eintritt.
2.3
Technologie
Unter Technologie werden zum einen das anwendungsbezogene, ingenieurwissenschaftliche Know-how über technische Problemlösungen und zum anderen die daraus abgeleiteten, konkreten anwendungsbezogenen Problemlösungen im Sinne von Ver4 6
V g l . Abschnitt 3.2.1.2.
4 7
V g l . ASHBY ( 1 9 5 6 ) , S. 2 0 2 .
2 Aktìonsparameler
39
fahren verstanden. 4 8 Grundsätzlich sind die realisierten Verfahrenstechnologien in materieverarbeitende Verfahren - Maschinentechnologie - und nicht materieverarbeitende Verfahren - Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK-Technologie) - zu Clustern. 49 Dabei ist zu berücksichtigen, daß Maschinen- und IuKTechnologie nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. Vielmehr determiniert die IuK-Technologie wesentlich den Charakter moderner Maschinenkonzepte, da sie zum einen die Bearbeitungsfunktionen eines Aggregates und zum anderen die datenverarbeitungstechnische Verknüpfung unterschiedlicher Aggregate an verschiedenen Standorten ermöglicht. Während in einem Industriebetrieb sowohl materielle als auch nichtmaterielle Transformationsprozesse ablaufen und daher sowohl Maschinen* als auch IuK-Technologie von entscheidender Bedeutung sind, spielt in Dienstleistungsunternehmen vornehmlich die IuK-Technologie eine Rolle. 5 0
2.3.1
Maschinentechnologie
Die in den sechziger Jahren voranschreitende Computerisierung und Automatisierung ermöglichte die Produktionsphilosophie der flexiblen Fertigung, wobei unter Flexibilität „die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens, oder von Teilen des Unternehmens, z.B. des Produktionsapparates, an Datenkonstellationen, deren Eintreten zwar für möglich gehalten wird, aber nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden kann" 5 1 , zu verstehen ist. Heutzutage dient das Merkmal der fertigungstechnischen Flexibilität dazu, Maschinentechnologien in Spezial-, Universal- und flexible Fertigungssysteme zu unterscheiden, 5 2 wobei sich der Flexibilitätsgrad eines Aggregates oder einer Gruppe von Aggregaten durch den Umfang der Anpassungsmöglichkeiten und der für die Anpassung erforderlichen Zeit definiert. 5 3 Die Flexibilität von Spezial- und Universalmaschinen ist sehr gering, da sich beide Maschinentechnologien dadurch auszeichnen, daß sie i.a. ausschließlich über eine Bearbeitungsfunktion verfugen. Allerdings kann die Produktzuordnung auf Universalmaschinen flexibel erfolgen, während die Produktzuordnung bei Spezialmaschinen
4
°
Vgl. GROGER (1992), S. 22. Es sei daraufhingewiesen, daß im weiteren Verlauf die Begriffe „Technologie" und „Technik" synonym verwendet werden. Im eigentlichen Sinne stellt Technologie das naturwissenschaftliche Wissen über Lösungswege zur technischen Problemlösung dar, wohingegen unter Technik die konkrete Anwendung einer oder mehrerer Technologien zur Lösung von Produkt- bzw. Produktionsprozeßproblemen zu verstehen ist. Vgl. BULLINGER ( 1 9 9 6 ) , S . 2 6 ff.
4 9
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 3 5 .
50
Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 36 sowie WELKER (1998), S. 14.
51
JACOB ( 1 9 7 9 ) , S. 3 3 f.
52
Vgl. zu den Ausführungen hinsichtlich Spezial-, Universal- und flexiblen Fertigungssystemen ADAM (1990), S. 797 sowie ROLLBERG (1996a), S. 36 f.
53
Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 36
40
2 Aktionsparameter
als gegeben angesehen werden muß. Aufgrund der unterschiedlichen Flexibilität hinsichtlich der Produktzuordnung werden Spezialmaschinen vornehmlich bei Fließfertigung eingesetzt, wohingegen Universalmaschinen den höheren Flexibilitätsanforderungen einer Werkstattfertigung gerecht werden. Unter Fließfertigung ist dabei die Anordnung von Arbeitsplätzen und Maschinen entsprechend der Prozeßfolge zu verstehen, während die Werkstattfertigung nach dem Verrichtungsprinzip organisiert ist. Im Gegensatz zu den Spezialmaschinen die bei Fließfertigung und zu den Universalmaschinen bei Werkstattfertigung zeichnen sich flexible Fertigungssysteme dadurch aus, daß sowohl eine Produktzuordnungs- als auch eine Bearbeitungsfunktionsflexibilität vorliegt. 1952 wurde erstmals eine Steuereinheit vorgestellt, die mit Hilfe eines Magnetspeichers die automatische Bedienung von Maschinen erlaubte. 54 Aus diesem Ansatz entwickelten sich zunächst numerical-control-gesteuerte (NC-)Maschinen, die über eine Lochstreifenprogrammierung auf die wechselnden Produktionsanforderungen umgestellt werden konnten. Zu Beginn der siebziger Jahre übernahmen Kleinrechner in Computerized-Numerical-Control- bzw. CNC-Maschinen die Steuerung. Im Unterschied zu den NC-Maschinen verfugen CNC-Maschinen über mehrere gespeicherte NC-Programme, wobei zusätzlich eine freie Programmierung am Aggregat möglich ist. Einen weiteren Freiheitsgrad hinsichtlich der Bedienbarkeit offerieren Direct-Numerical-Control-Systeme, in denen mehrere NC-, CNC- und (Mikroprozessor-)MCNC-Maschinen integriert sind und die über einen externen Rechner zentral programmiert und über eine Mehrprozessoren-Steuerung (MPST) geregelt werden können. Seit der Einfuhrung computergestützter, flexibler Fertigungskonzepte sind eine Vielzahl von Definitionen und Merkmale zur Kategorisierung des Einsatzspektrums dieser Technologie entwickelt worden. Die beiden zentralen Merkmale stellen jedoch die Flexibilität und die Produktivität dar. Während die Flexibilität sich über das Maß unterschiedlicher Werkstücke, die auf einer Betriebsmittelgruppe bearbeitet werden können, definiert, drückt die Produktivität die durchschnittliche Mengenleistung pro Teileart und Jahr aus. Durch Kombination dieser Kriterien ist es möglich, Aussagen hinsichtlich der Variantenvielfalt und Seriengröße zu treffen. 5 5
54
Vgl. SINGH(1995), S. 33 f.
5 5
Vgl. HÖCK(1998),
S.36.
2 Aktionsparameter
41
Flexibilität Werkstattfertigung Gruppenfertigung
800 FFZ
100-
FFS
40--
Fließfertigung FFL
8
TS
4--
>• Produktivität 25 Abb. 2.4:
500
Systematisierung
2.000
flexibler
15.000
Maschinenkonzepte^
Allen flexiblen Maschinenkonzepten ist gemeinsam, daß die Bearbeitungsflexibilität auf einer Magazinierungs- und Werkzeugwechselflexibilität basiert, wobei sich Magazinierungs- und Werkzeugwechselflexibilität interdependent zueinander verhalten. 57 So determiniert die flexible Zusammensetzung des Werkzeugmagazins (Magazinierungsflexibilität) die Zusammenfassung von Produkten zu einer Teilefamilie, die nahezu ohne nennenswerte Rüstzeiten mit Hilfe der im Werkzeugmagazin enthaltenen Werkzeuge bearbeitet werden können (Werkzeugwechselflexibilität). Hingegen wird die Produktflexibilität lediglich durch das Produktspektrum begrenzt, das mit allen erdenklichen Magazinzusammensetzungen gefertigt werden kann. Ferner basieren alle Konzepte einer flexibel automatisierten Fertigung auf NC- bzw. CNC-Bearbeitungszentren. So ist ein NC-Bearbeitungszentrum (BZ) eine Mehrverfahrenmaschine, die aufgrund der numerischen Steuerung und des automatischen Werkzeug- und Werkstückwechsels i.d.L. ist, unterschiedliche Arbeitsgangfolgen, wie sie für eine Werkstattfertigung typisch sind, durchzuführen. 58 Flexible Fertigungszellen (FFZ) bestehen dagegen aus einer oder mehreren unverketteten CNC-Bearbeitungszentren und einer automatischen Be- und Entladestation. Es handelt sich hierbei um Standalone-Maschinen, die nicht direkt mit dem Fertigungsleitrechner verkoppelt sind, aber im Gegensatz zu NC-Bearbeitungszentren über ein lokales Pufferlager verfügen. Somit ist es möglich, mehrere Werkstücke simultan zu bearbeiten. Zusätzlich kann aufgrund des lokalen Pufferlagers hauptzeitparallel umgerüstet werden. Demgegenüber stellt ein flexibles Fertigungssystem (FFS) ein integriertes, computergestütztes System von leitrechnergesteuerten DNC-Wergzeugmaschien dar, die über ein automati-
56
Quelle: AYRES (1989), S. 48.
57
Vgl. zu den folgenden Ausführungen ROLLBERG (1996a), S. 36 f.
58
Vgl. HÖCK(1998), S. 37.
42
2
Aktionsparameter
sches Transportsystem miteinander verbunden sind. 59 Darüber hinaus verfugt ein FFS-System über einen zentralen Werkstückspeicher und mehrere maschinenunabhängige Palettenpufferplätze. Ferner besteht die Möglichkeit, einen zentralen Werkzeugspeicher sowie ein Werkzeugtransportsystem zu integrieren. 60 Generell haben sich in der Praxis zwei Arten von FFS-Systemen herauskristallisiert: 61 •
kleine, einfach strukturierte FFS-Systeme, die mit maximal vier im wesentlichen identischen DNC-Maschinen bestückt sind, die überwiegend mit schienengebundenen Transportwagen (Robotcarrier) oder Rollbändern ausgestattet sind. Die Verfügbarkeit dieser Systeme ist sehr hoch, da der Ausfall eines Aggregates durch eine der drei anderen DNC-Maschinen kompensiert werden kann;
•
große und komplexe FFS-Systeme, die aus mehr als 15 sich ersetzenden und ergänzenden DNC-Maschinen bestehen. Solche weitgehend autonomen Fertigungseinheiten sind i.d.L., eine mehrstufige Komplettbearbeitung an relativ wenig Werkstücken vorzunehmen. Anstelle von Robotcarriern oder Rollbändern werden fahrerlose Transportsysteme (FTS), die induktiv gesteuert werden, eingesetzt.
Eine Studie von J A I K U M A R aus dem Jahre 1986 vergleicht japanische, einfache FFSSysteme, die eine Vielzahl von Teilen vollautomatisch bearbeiten, mit den in den USA vorherrschenden komplexen FFS-Systemen, die ein kleines Teilespektrum komplett bearbeiten. 62 Aus der Studie ist ersichtlich, daß die einfacheren japanischen Systeme die komplexen westlichen Systeme hinsichtlich Produktivität und Flexibilität deutlich übertrumpfen. Kenngrößen Entwicklungszeit pro FFS-System Pro FFS-System gefertigte Teile Jährliches Produktionsvolumen pro Teil Anlagen in vollautomatischem Betrieb Kapazitätsauslastung im Zweischichtbetrieb Tab. 2.1:
Komplexe westliche versus einfache japanische
komplexes FFS
einfaches FFS
(USA)
(Japan)
30-36 Monate
15-21 Monate
10
93
1.727
258
0
18
52%
84%
FFS-Systeme63
59
Vgl. STECKE ( 1 9 8 3 ) , S. 273 ff.
6 0
Vgl. HÖCK ( 1 9 9 8 ) , S. 39.
61
Vgl. UPTON ( 1 9 9 2 ) , S. 58 ff. Zu den nachfolgenden A u s f u h r u n g e n vgl. HÖCK (1998), S. 39 ff.
62
Vgl. JAIKUMAR ( 1 9 8 6 ) , S. 69 ff.
63
Vgl. zu d e n E r g e b n i s s e n JAIKUMAR (1987), S. 84. T a b e l l e e n t n o m m e n bei HÖCK ( 1 9 9 8 ) , S. 57.
2 Aktionsparameter
43
Im Gegensatz zu den zuvor diskutierten FFS-Systemen zeichnen sich flexible Fertigungslinien (FFL) dadurch aus, daß mehrere CNC-Maschinen entsprechend der Reihenfolge der durchzuführenden Arbeitsgänge angeordnet und miteinander verknüpft sind. 64 Flexible Fertigungslinien werden für die Großserienfertigung eingesetzt und bearbeiten in einem ausgetakteten Materialfluß ein engumgrenztes Teilespektrum (ca. 3 - 8 Teiletypen). Während die bisher vorgestellten Konzepte grundsätzlich über eine relativ hohe Mindestflexibilität verfugen, sind konventionelle Transferstraßen (TS) dadurch charakterisiert, daß Spezialmaschinen entsprechend der Arbeitsgangfolge angeordnet und in einem starren Takt miteinander verknüpft sind. 65 Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die verschiedenen flexiblen Fertigungskonzepte sich im wesentlichen hinsichtlich des Materialflußsystems unterscheiden. So sind die Universalmaschinen einer Betriebsmittelgruppe bei Bearbeitungszentren und flexiblen Fertigungszellen unverkettet, während konventionelle und flexible Transferstraßen durch eine starre Verkettung der Bearbeitungsstationen gekennzeichnet sind. Flexible Fertigungssysteme nehmen diesbezüglich eine mittlere Position ein. Allen Systemen ist jedoch gemein, daß ihre Effektivität und Effizienz vor allem auf moderne IuK-Technologie zurückzuführen ist.
2.3.2
Informations- und Kommunikationstechnologie
Der betriebswirtschaftlich orientierte Informationsbegriff nach WITTMANN definiert „Informationen als zweckorientiertes Wissen" 66 , wobei der Zweck in einer möglichst vollkommenen Disposition nachfolgender Handlungen liegt und der Begriff Wissen dabei nicht nur eindeutige Beobachtungen und Erfahrungen meint, sondern auch daraus abgeleitete Vorstellungen und Schlüsse bezüglich zukünftiger Sachverhalte beinhaltet. 67 Eine inhaltliche Ein- und Abgrenzung des Informationsbegriffs kann mit Hilfe der Betrachtungsebenen der Semiotik, also der syntaktischen, semantischen und pragmatischen Betrachtungsebene, erfolgen. Die syntaktische Betrachtung analysiert die physikalische Erscheinungsform von Daten bzw. Zeichen (z.B. Buchstaben) und deren Beziehungen zueinander. Demgegenüber betrachtet die Semantik die inhaltliche Bedeutung und den Sinnzusammenhang von Zeichen und Zeichenkombinationen. Dieser Betrachtungsebene können die Begriffe Daten bzw. Nachrichten zugeordnet werden (z.B. Zeitungsartikel). Die Pragmatik als letzte Betrachtungsebene bezieht zusätzlich Sender und Empfänger und somit auch den Zweck
6 4
Vgl. WIENDAHL ( 1 9 8 9 ) , S. 34 ff.
65
Vgl. WARNF.CKE (1993), S. 4 4 6 ff.
6 6
Vgl. WITTMANN ( 1 9 5 9 ) , S. 14.
6 7
Vgl. SCHRÖDER ( 2 0 0 0 ) , S. 6.
44
2
Aktionsparameter
einer Nachricht mit in die Analyse ein (z.B. Zeitungsartikel, der beim Leser eine bestimmte Wirkung hervorruft). Erläuterung
Betrachtungsebene Syntaktik
Betrachtung physikalisch wahrnehmbarer =5 Signale Elemente und ihrer Beziehungen zueinano Zeichen der, losgelöst von der jeweiligen inhaltlichen Bedeutung
Semantik
Betrachtung der inhaltlichen Bedeutung o bzw. des Sinnzusammenhangs von Zeichen o (-kombinationen)
Pragmatik
Tab. 2.2:
Zugeordnete Begriffe
Betrachtung der Beziehung zwischen Zei- o chen und den jeweiligen Verwendern
Nachrichten Daten Informationen
Abgrenzung des Informationsbegriffs über die Ebenen der SemiotikpS
Jedoch wird der Informationsbegriff im folgenden weiter gefaßt, so daß eine Zweckorientierung nicht nur ausschließlich auf den Menschen als Informationssender und -empfänger abzielt, sondern die Zweckorientierung auch im Zusammenhang mit Computerprogrammen zugelassen wird. 69 Andernfalls müßte strenggenommen zwischen Datenverarbeitung und Informationsverarbeitung unterschieden werden. Der Informationstransport wird dagegen allgemeingültig unter dem Stichwort Kommunikation zusammengefaßt, wobei die transportzeitbezogene Unterstützung mit Hilfe geeigneter Kommunikationstechnologien z.B. per Hand, per Telefon oder auf elektronischem Wege erfolgt. Für die Begründung einer Einbeziehung von IuK-Technologie in strategische Betrachtungen können zwei grundsätzliche Sichtweisen herangezogen werden. Einerseits wird häufig die Information als strategisch relevanter Produktions- oder Wettbewerbsfaktor charakterisiert, andererseits bietet die IuK-Technologie die Möglichkeit, Informationssysteme mit wettbewerbsrelevanten Wirkungen zu konzipieren. 70 Wird Information als eigenständiger Produktionsfaktor aufgefaßt, 71 liegt es nahe, diesen wie auch die klassischen Produktionsfaktoren strategisch zu planen, steuern und zu kontrollieren. Zwar kann die Information als (Wirtschafts-)Gut angesehen werden, die Frage, ob es sich um einen eigenständigen Produktionsfaktor handelt, ist jedoch umstritten. Liegt der Betriebszweck in der reinen Informationsbereitstellung, 6 8
Q u e l l e : SCHRÖDER ( 2 0 0 0 ) , S. 5.
6 9
V g l . PFEIFFER ( 1 9 9 0 ) , S. 6.
70
V g l . SCHRÖDER ( 2 0 0 0 ) , S. 32.
71
V g l . zu Informationen als Produktionsfaktor BROMBACHER (1991), S. 114 f., HUBER (1992), S. 4 6 f. und PIETSCH/MARTINY/KLOTZ (1998), S. 18 ff.
2 AkUomparameter
45
wie z.B. bei einem Börseninformationsdienst, so kann die Information aufgrund ihrer herausragenden Stellung u.U. als Produktionsfaktor angesehen werden. Demgegenüber kann jedoch argumentiert werden, daß in jedem beliebigen Unternehmen Informationen, wenn nicht als Endprodukt, dann doch zumindest für den Eigenverbrauch „produziert" werden. 7 2 Aus dem zuletzt dargelegten Argument wird deutlich, daß Informationen im klassischen Sinne keinen eigenständigen Produktionsfaktor darstellen, auch wenn für eine zielgerichtete Faktorkombination oder -substitution Informationen zwingend erforderlich sind. Vielmehr sind Informationen Bestandteil eines jeden anderen Produktionsfaktors. 7 3 Trotzdem sind Informationen - und damit auch die zugrundeliegenden IuK-Technologien - zu planen, steuern und zu kontrollieren und somit in das strategische Management einzubeziehen, da Informationen potentielle Wettbewerbswirkungen nach sich ziehen und zudem von großer Bedeutung für strategische Entscheidungen sind (Informationen mit wettbewerbsrelevanten Wirkungen). Zudem bilden Informationsasymmetrien zwischen Wettbewerbern die Ursache für das Entstehen von Wettbewerbsvorteilen, so daß eine wesentliche Aufgabe des strategischen Managements darin besteht, die existierenden Informationslücken zu schließen und gegebenenfalls Informationsvorsprünge aufzubauen. Zusätzlich zu dieser wettbewerbsorientierten Interpretation des Begriffs Information bilden die Potentiale der IuK-Technologie den Ausgangspunkt für eine strategische Betrachtung. So besteht neben der Umgestaltung von Arbeitsabläufen hin zu automatisierten oder parallelisierten Prozessen (operationszeitbezogene Betrachtung) aufgrund der steigenden Leistungsfähigkeit der Informationstechnologie sowie der zunehmenden Vereinfachung im Hinblick auf die Selektion und Aufbereitung relevanter Daten ferner die Möglichkeit, das strategische Informationsvolumen zu erweitem. Letztlich können mit der Informationstechnik auch die räumlichen und zeitlichen Distanzen überwunden werden, so daß eine Verknüpfung und Koordination einzelner Elemente unterstützt wird (koordinationsbezogene Betrachtung).74 Die Informationstechnik als Ausgangspunkt strategischer Überlegungen zielt somit darauf ab, durch gezielte Ausnutzung dieser Potentiale die Wettbewerbsposition positiv zu beeinflussen. Folgende Differenzierung ist dabei vorzunehmen: 7 5 •
72
Informationssysteme können der Unterstützung der strategischen Planung dienen, indem sie relevante strategische Informationen über das Unternehmen und seine Umwelt sammeln, aufbereiten, auswerten und bereitstellen. Zu diesen Systemen zählen Führungsinformationssysteme bzw. Executive Information Systems (EIS) mit jedoch lediglich indirekter Wirkung auf die Wettbewerbsposition.
V g l . WITTMANN ( 1 9 7 9 ) , S p . 2 2 6 8 u n d BODE ( 1 9 9 3 ) , S. 33 f.
7 3
V g l . B U S S E VON C O L B E / L A C M A N N ( 1 9 9 1 ) , S . 8 1 f f .
7 4
V g l . SCHRÖDER ( 2 0 0 0 ) , S. 3 7 .
75
V g l . z u den f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n SCHRÖDER ( 2 0 0 0 ) , S. 3 6 f.
46
2
Aktionsparameier
*
Der auf die Potentiale der Informationstechnik aufbauenden Argumentation sind Systeme zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zuzuordnen.
•
Da Informationssysteme in allen Branchen Einzug gehalten haben, ist es notwendig, Systeme zur Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen zu implementieren.
Zu beachten ist darüber hinaus, daß die Notwendigkeit, IuK-Systeme zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen, zur Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen und zur Unterstützung der strategischen Planung einzusetzen, sowohl von der Informationsintensität der eigentlichen Leistung als auch von der Informationsintensität innerhalb der Wertkette einer Branche abhängig ist.
hoch
z.B. Maschinenbau
z.B. Banken
z.B. Bauindustrie
z.B. Consulting
Informationsintensität in der Wertkette
niedrig
niedrig Entwicklungsrichtung
Abb. 2.5:
hoch
Informationsintensität der Leistung
Informations intens itätsmatrix^^
Im weiteren werden Informationssysteme, die lediglich auf die Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen und damit auf die Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen ausgerichtet sind, nicht unter strategische Informationssysteme subsumiert, da diese lediglich dazu dienen, den Branchenstandard zu erhalten bzw. anzustreben. Von strategischen Informationssystemen ist vielmehr zu sprechen, wenn •
76
das System explizit die Unternehmensstrategie licher Bestandteil integriert ist und
unterstützt und in diese als wesent-
Quelle: In Anlehnung an PORTER/MILLAR (1985), S. 154. Unter Informationsintensität ist der Informationsanteil am Wertschöpfungsprozeß oder an den Produkten und Dienstleistungen zu verstehen.
2 Aktionsparameter
•
47
die Wirkungen des Systems auf einzelne oder mehrere Wettbewerbskräfte zugunsten des einsetzenden Unternehmens dauerhaft sind. 77
Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht stichpunktartig, inwieweit durch den Einsatz von Informationssystemen in einem Unternehmen die Bedrohung durch die Wettbewerbskräfte reduziert werden kann. Wettbewerbskräfte
Beispiele für Einflußmöglichkeiten durch Informationssysteme
Verhandlungsmacht der Abnehmer
Verringerung der Wechselwilligkeit von Kunden durch den Einsatz individualisierter Auftragserfassungssysteme oder Systemanbindungen, die mit hohen Umstellungskosten im Falle eines Partnerwechsels verbunden sind
Verhandlungsstärke der Lieferanten
Reduzierung eigener Umstellungskosten im Falle eines potentiellen Lieferantenwechsels, bspw. durch Nutzung standardisierter Schnittstellen und offener Systeme im Bestellwesen
Bedrohung durch potentielle neue Konkurrenten
Aufbau von Markteintrittsbarrieren für potentielle Konkurrenten, bspw. durch die exklusive Belegung von informationsgestützten Vertriebskanälen oder die direkte Anbindung von Kunden über Auftragserfassungssysteme
Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste
Einsatz von Informationssystemen als Grundlage eigenständiger und schwer imitierbarer Produkte bzw. Dienstleistungen
Tab. 2.3:
Einflußmöglichkeiten von Informationssystemen
auf die
Wettbewerbskräfte78
Durch die formale Organisationsstruktur und die bereitgestellte Technologie werden die in den Strategien verifizierten Verhaltensrichtlinien in konkrete Verhaltensmöglichkeiten transformiert, wobei diese Optionen im Hinblick auf den Erfolg durch eine adäquate Ausgestaltung der Unternehmenskultur und deren informale Regeln und Strukturen begleitend unterstützt werden müssen.
77
V g l . SCHRÖDER ( 2 0 0 0 ) , S. 4 0 f.
7 8
Quelle: In Anlehnung an SCHRÖDER ( 2 0 0 0 ) , S. 40.
48
2
2.4
Aktionsparameter
Unternehmenskultur
Die Unternehmenskultur steht für die Gesamtheit aller in einer Unternehmung vorherrschenden Grundannahmen, Wertvorstellungen und Verhaltensnormen, die das Verhalten und die Einstellungen aller Mitarbeiter und somit alle sichtbaren Entscheidungen sowie das Erscheinungsbild des Unternehmens prägen. 79 Im Gegensatz dazu stellt die Unternehmensphilosophie eine Teilmenge der Unternehmenskultur dar, weil sie lediglich durch die Annahmen, Werte und Normen der Unternehmensfuhrung, also eines kleinen Personenkreises innerhalb des Unternehmens, determiniert wird. Von der Unternehmenskultur und der Unternehmensphilosophie ist die Unternehmensidentität abzugrenzen, die darauf ausgerichtet ist, daß kollektive Annahmen, Werte und Normen mit den Entscheidungen und Handlungen aller Mitarbeiter konsistent sind. Dagegen ist das Betriebsklima das Maß für die Übereinstimmung der faktischen Ist-Unternehmenskultur mit der von den Mitarbeitern gewünschten Soll-Unternehmenskultur.
2.4.1
Bestandteile und Vermittlungsmedien der Unternehmenskultur
Das Kulturebenenmodell von S C H E I N verdeutlicht sowohl die sichtbaren als auch die unsichtbaren Bestandteile sowie die Vermittlungsmedien einer Unternehmenskultur. 80 Aus der nachfolgenden Abbildung 2.6 wird deutlich, daß die unsichtbaren, zumeist unterbewußten Grundannahmen die Basis der Unternehmenskultur darstellen. Problematisch dabei ist, daß die Grundannahmen häufig nicht oder nur schwer zugänglich sind und damit oftmals nicht mehr diskutierte Annahmen repräsentieren. Zwischen dieser intransparenten Tiefenkomponente und der durch Symbole 81 und Artefakte dokumentierten transparenten Oberflächenkomponente stehen die Normen und Werte als Mittler. In den Werten und Normen manifestiert sich die Andersartigkeit der spezifischen Unternehmenskultur. Teilweise werden hier die speziellen Ideologien sowie die Denk- und Arbeitsweisen in schriftlicher Form fixiert. Die auf den Normen und Werten aufbauende transparente Oberflächenkomponente wird durch Symbole und Artefakte sichtbar, wobei die Artefakte die Symptome einer spezifischen Unternehmenskultur darstellen und insofern all das beinhalten, was nach außen hin sichtbar ist.
Vgl. zu d e n weiteren A u s f ü h r u n g e n insbesondere ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 42 ff. 80
V g l . SCHEIN ( 1 9 8 4 ) , S. 4.
81
Z u r B e d e u t u n g von S y m b o l e n vgl. BURCHERT(1995) und BURCHERT ( 1 9 9 8 )
2 Aktionsparameier
49
Problematisch an der Kulturebenenbetrachtung ist, daß die Ursache-Wirkungsbeziehung nicht automatisch in eine reziproke Ziel-Mittelbeziehung transformiert werden kann. 8 2 Dies ist vor allem darin begründet, daß die Unternehmenskultur nur durch die Beeinflussung der kollektiven Grundannahmen verändert werden kann, daß aber andererseits die Unternehmensleitung lediglich i.d.L. ist, die sichtbaren und greifbaren Symbole und Artefakte zu modellieren. 83 Architektur
Kleidung
Firmenzeichen
Symbole und Artefakte Geschichten
Sprache G e - und V e r b o t e
Ritual
Richtlinien
Grundsätze
Werte und Normen Ideologien
Denkweisen Wahrheitskonzept
Ideale
Arbeitsweisen Gerechtigkeitskonzept
Grundannahmen Weltbild
Menschenbild
Organisationsbild
ZLEL-
URSACHE-
MLTTEL-
WLRKUNGS-
BEZIEHUNG
BEZIEHUNG
Abb. 2.6:
82
Kulturebenenmodell
nach SCHEIN^4
Vgl. zum Unterschied zwischen Ursache-Wirkungsbeziehungen und Ziel-Mittelbeziehungen CHMIELEWICZ ( 1 9 9 4 ) , S . 4 5 .
8 3
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S . 4 5 f .
84
Quelle: In Anlehnung an ROLLBERG (1996a), S. 45, basierend auf SCHEIN (1984), S. 4.
50
2
2.4.2
Akíionsparameter
Gestaltbarkeit und Zielgrößen der Unternehmenskultur
Da jedes Unternehmen als offenes System im Rahmen unternehmensgrenzüberschreitender Austauschbeziehungen ständig im Kontakt mit seiner Umwelt (Umsystem) steht, 8 5 existieren direkte Kopplungen zwischen der Mikrokultur im Sinne einer betrieblichen Ebene und der Makrokultur im Sinne einer gesellschaftlichen Ebene. Dieser kulturgebundene Ansatz wird insbesondere darin deutlich, 8 6 daß durch die Mitarbeiter eines Unternehmens, die gleichzeitig Teilnehmer am gesellschaftlichen Umsystem sind, die geistigen und normativen Grundannahmen des Umsystems internalisiert werden. Entsprechend ist einer separierten Betrachtung der Unternehmensund der Gesellschaftskultur, wie sie im kulturfreien Ansatz 8 7 proklamiert wird, nicht zu folgen. Da die Unternehmenskultur sich nur in Abhängigkeit von der gesellschaftlichen Kultur entwickeln kann und somit zu einem großen Teil vorbestimmt ist, wird deutlich, daß im Gegensatz zu den strategischen Managementparametern Strategie, Organisation und Technologie die Unternehmenskultur nicht im alleinigen Ermessen der Entscheidungsträger liegt. Gleichwohl kann die Unternehmenskultur durch die Initialisierung „künstlicher" aktiver Impulse seitens des Managements eine Veränderung erfahren. 8 8 Jedoch muß allen an der Entwicklung einer Unternehmenskultur Beteiligten, und dies sind im günstigsten Falle alle Mitarbeiter eines Unternehmens, deutlich sein, daß eine Unternehmenskultur nicht technokratisch-instrumentalistisch konstruiert werden kann. 8 9 Vielmehr ist sie über die sensible Pflege spezifischer Werte und Normen sowie über ein adäquat gestaltetes System von Symbolen zu kultivieren. 90 Dabei bedeutet kultivieren auch, daß gegebenenfalls bewußt im Sinne einer konstruktiven Streitkultur „Krisen" herbeigeführt werden. Entscheidend für die Kultivierung sind die Zielgrößen einer Unternehmenskultur. Hierzu zählen •
die Denk- und Handlungsmuster der Unternehmensmitglieder,
•
das Bewußtsein,
•
die Perzeptions- und Präferenzebene sowie die
85
Vgl. HANSMANN/VOIGT ( 1 9 9 8 ) , S. 7 f. und insbesondere KEUPER ( 1 9 9 9 ) , S. 119 f.
86
Vgl. zum kulturgebundenen Ansatz OBERG ( 1 9 6 3 ) , S. 141 ff. und MACHARZINA ( 1 9 9 3 ) ,
87
Vgl. zum kulturfreien Ansatz OBERG (1963), S. 141 ff. und MACHARZINA ( 1 9 9 3 ) , S. 195.
88
V g l . VOIGT ( 1 9 9 7 ) , S. 67 f.
89
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 51.
9 0
Vgl. HEINEN/DILL ( 1 9 8 6 ) , S. 2 1 3 , REIS ( 1 9 9 4 ) , S. 337 und ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 5 1 .
S. 195.
2 Aktionsparameter
•
5 1
kulturgeprägte Lethargie. 9 1
Zunächst sei die bereits angedeutete Ambivalenz der Unternehmenskultur näher betrachtet. Das Dualitätsprinzip besteht darin, daß die Unternehmenskultur zwar das Denk- und Handlungsmuster der Unternehmensmitglieder in starkem Maße prägt, die Unternehmenskultur ihrerseits aber durch die von den Unternehmensangehörigen gelebten Grundannahmen sowie ihre Werte und Normen determiniert wird. Eine Beeinflussung der Denk- und Handlungsmuster zielt dabei vorwiegend auf eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Ferner wirkt die Unternehmenskultur bewußtseinsbildend. Durch die Ausrichtung an Werterhaltung, Normen und Einstellungen kann über Lernprozesse und über die Vorbildfunktion einer Unternehmenskultur z.B. ein Kosten-, Qualitäts- und Zeit- sowie vor allem ein Innovationsbewußtsein von den Mitarbeitern adaptiert werden. Ferner prägt die Unternehmenskultur nicht nur das Denken und das Verhalten sowie das Bewußtsein der Mitarbeiter, sondern vor allem auch die jeweiligen Präferenzen. Diese kulturgeprägten Präferenzen fuhren dazu, daß durch die Fokussierung auf bestimmte Fragestellungen und erstrebte Antworten im Findungsprozeß einer Strategie für die Mitarbeiter eines Unternehmens in ihrer begrenzten Perzeptibilität die Erfassung der Gesamtkomplexität einer Problemlandschaft auf ein für sie angemessenes, handhabbares Maß reduziert wird. 9 2 Insofern zielt die Gestaltung einer Unternehmenskultur auf die Schaffung eines informalen Handlungsrahmens, der die Gesamtkomplexität, z.B. hinsichtlich eines Entscheidungsprozesses, reduziert. Der entscheidende Nachteil einer Beeinflussung von Perzeptionen und Präferenzen ist jedoch, daß kulturgeprägte Präferenzen häufig dazu fuhren, daß Entscheidungen immer nach ein und demselben Denkmuster getroffen werden. Diese kulturgeprägte Lethargie gilt es im Rahmen der Unternehmenskulturgestaltung aufzubrechen, wobei darauf zu achten ist, daß sinnvolle und notwendige kulturelle Rahmen beibehalten werden und gleichzeitig eine Kultur der Veränderungsbereitschaft und der Infragestellung implementiert wird.
2.4.3
Art und Stärke der Unternehmenskultur
An die Stelle einer introvertiert-effizienzorientierten Unternehmenskultur, die betont kostenorientiert agiert, viel analysiert, vorrangig interne Abläufe durch hierarchische Strukturen optimiert und Veränderungen von außen als Bedrohung interpretiert, muß, um dem dynamischen Umfeld Rechnung zu tragen, eine extrovertiertwettbewerbsorientierte Unternehmenskultur entwickelt werden. 9 3 Eine extrovertiert-wettbewerbsorientierte Unternehmenskultur ist dadurch charakterisiert, daß Um-
91
V g l . STEINBACH ( 1 9 9 7 ) , S. 4 2 4 ff.
9 2
V g l . BLEICHER ( 1 9 8 8 ) , S. 100.
93
V g l . VOIGT ( 1 9 9 7 ) , S. 6 6 f.
52
2
Aktionsparameter
Weltveränderungen als Chancen begriffen und somit sämtliche Maßnahmen kundenund lieferantenorientiert ausgerichtet werden. Unabhängig von dem vorherrschenden Kulturtyp sind starke Kulturen 94 durch prägnante, vergleichsweise konsistente und widerspruchsfreie Werte und Normen gekennzeichnet, was dazu führt, daß die Mitarbeiter sich in nahezu jeder Situation an diesen Werten und Normen ausrichten können. Je verbreiteter diese prägnanten Werte und Normen im Unternehmen sind, desto homogener sind die Verhaltensmuster der Mitarbeiter. Zudem sind in starken Unternehmenskulturen die Werte und Normen bei den Mitarbeitern selbst tief internalisiert. Eine in tiefer Überzeugung kulturkonforme (-uniforme) Verhaltensweise stärkt ihrerseits die Unternehmenskultur, während eine oberflächlich angenommene und damit flüchtige Internalisierung eine bestehende Unternehmenskultur schwächt. Das Prägen von Denken und Verhalten durch starke Unternehmenskulturen trägt zwar einerseits dazu bei, daß die Unternehmensgemeinschaft sowie die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft positiv beeinflußt werden, gleichzeitig fuhren jedoch die kulturgeprägten Präferenzen dazu, daß primär unternehmenskulturkonforme, aber u.U. suboptimale Entscheidungen getroffen werden. Genau diese Perzeptions- und Präferenzbildungswirkungen gilt es im Rahmen der Unternehmenskulturgestaltung sachadäquat um das nötige Maß aufzulösen, ohne daß der kulturelle und damit stabilitätsstiftende Orientierungsrahmen zerbricht. Zentraler Vorteil starker, stabilisierender Kulturen ist die Bereitstellung informaler Verhaltensregeln, die zu einer Komplexitätsreduktion fuhren und Sicherheit und Vertrauen schaffen. So können aus der Vielzahl komplexer Handlungsalternativen anhand des Orientierungsrahmens unternehmensadäquate Entscheidungen getroffen werden. Daneben zeichnen sich starke Kulturen dadurch aus, daß aufgrund breiter Akzeptanz der in den übergeordneten Abteilungen getroffenen Entscheidungen diese schnell umgesetzt und Probleme somit rasch gelöst werden können. Da eine breite Vertrauensbasis und eine einheitliche Grundeinstellung vorherrscht, wird eine direktere, verstärkt informale Kommunikation betrieben. Ferner bieten starke Kulturen vielfältige Möglichkeiten, die Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, so daß die intrinsische Motivation weiter verstärkt wird. Intrinsisch motivierte Mitarbeiter sind zudem i.d.L., sich selbst zu organisieren, zu steuern und zu kontrollieren, wodurch die Komplexität weiter verringert wird. Im Gegensatz zu starken Unternehmenskulturen zeichnen sich starke, veränderungsbereite Kulturen dadurch aus, daß sie nicht nur Veränderungen akzeptieren, die ihr Fundament nicht in Frage stellen, sondern auch revolutionäre Ideen und Ansätze aufnehmen und für sich positiv nutzen. Veränderung muß als Chance begriffen werden, und nicht als Angst vor dem Verlust der Sicherheit.
94
Vgl. zu den A u s f ü h r u n g e n hinsichtlich starker K u l t u r e n ROL.LBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 46.
2 Aktionsparameter
53
„Nur wenn die Unternehmenskultur der jeweiligen Strategie entspricht, die organisatorischen Lücken überbrückt und an die Anforderungen der zum Einsatz kommenden Technologie angepaßt ist, entfalten die als positiv herausgestellten informalen Verhaltensregeln und Steuerungsmechanismen die angestrebte zielkonforme Wirkung." 95 Insofern tauscht die Unternehmenskultur formale, ineffiziente Regelungen gegen informale, effiziente Selbststeuerungsmechanismen aus, um so die mit den formalen Regelungen verfolgten Absichten nicht durch entgegengerichtete informale Strukturen zu konterkarieren, sondern vielmehr proaktiv zu unterstützen. Entsprechend ist eine die Komplexitäts- und Wettbewerbsproblematik akzeptierende Unternehmenskultur kosten-, qualitäts- und zeitorientiert, innovationsorientiert, résultats- und leistungsorientiert, wettbewerbsorientiert, kundenorientiert, potential- und prozeßorientiert, gesellschaftsorientiert, evolutionsorientiert und lernorientiert. 96 •
Kosten-, Qualitäts- und Zeitorientierung zielt darauf ab, ein Bewußtsein für die Wichtigkeit der Qualität, der Zeit und der Kosten für den Unternehmenserfolg bei jedem einzelnen zu schaffen.
•
Innovationsorientierung zielt darauf ab, Innovation, Kreativität und Toleranz gegenüber Mißerfolgen sehr weit oben im Wertesystem des Unternehmens zu implementieren.
•
Resultats- und Leistungsorientierung zielt darauf ab, Zielbewußtsein, Einsatzbereitschaft sowie konstruktive Aggressivität gegenüber sich ergebenden Problemen in den Werten und Normen zu integrieren.
•
Wettbewerbsorientierung zielt darauf ab, ein Bewußtsein dafür zu schaffen, besser als der interne oder externe Wettbewerber zu sein, wobei der interne Wettbewerb nicht zu Lasten des sozialen Gefüges gehen darf.
•
Kundenorientierung zielt darauf ab, ein Bewußtsein dafür zu schaffen, daß der Kunde mit seinem Kaufverhalten über den Erfolg oder den Mißerfolg eines Unternehmens entscheidet. Dieses Bewußtsein muß als Querschnittsfunktion über alle Abteilungen hinweg geweckt werden.
•
Potential- und Prozeßorientierung zielt darauf ab, die Mitarbeiter als strategische und förderungswürdige Ressource anzusehen. Mit Hilfe einer entsprechenden Mitarbeiterorientierung sind die Unternehmens- und die Individualziele zu harmonisieren. Letztendlich muß ein Bewußtsein dafür geschaffen werden, daß nur durch eine ganzheitlich verantwortungsvolle Aufgabenerfüllung marktorientiert agiert werden kann.
•
Unternehmensorientierung zielt darauf ab, vor dem Hintergrund einer verstärkten Gruppenorganisation der Arbeitsprozesse ein Miteinander der Menschen im Unternehmen durch vertrauensbildende Maßnahmen sowie die Beziehung des
9 5
ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S . 4 8 .
9 6
V g l . STEINBACH ( 1 9 9 7 ) , S. 4 1 2 ff. und VOIGT ( 1 9 9 7 ) , S. 6 8 ff.
54
2
Aktionsparameier
Mitarbeiters zum Unternehmen durch den Aufbau eines „Wir-Gefühls" zu fordern. •
Gesellschaftsorientierung zielt darauf ab, im Wertewandel der Gesellschaft sich herauskristallisierenden Entwicklungen, wie Umweltbewußtsein, Freiheitsstreben, Politikinteresse oder Selbstverwirklichung, Rechnung zu tragen und in der Unternehmenskultur zum Ausdruck zu bringen.
•
Evolutionsorientierung zielt darauf ab, „Zelte statt Paläste zu schaffen" mit der Intention, sich bewußt zu sein, daß sich das Unternehmen in einer dynamischen und sich ständig verändernden Umwelt befindet, die von jedem Unternehmensangehörigen Bereitschaft zur Veränderung fordert.
•
Lernorientierung zielt darauf ab, eine Lernkulturlandschaft im Unternehmen zu implementieren mit der Folge, daß lebenslanges Lernen als Chance und notwendige Voraussetzung für den marktlichen Erfolg von allen Mitarbeitern internalisiert wird.
Nachfolgend werden das Lean Management, das Total Quality Management, das Time-based Management sowie das Supply Chain Management als praxisinduzierte, erfolgsfaktorzentrierte strategische Managementkonzepte näher betrachtet, wobei alle Konzepte die Aktionsparameter Strategie, Struktur, Technologie und Unternehmenskultur nutzen, um die unternehmensinternen und -externen Prozesse effektiv und effizient im Hinblick auf die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit auszugestalten.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
5 5
„ Wer sich für zu wichtig für kleinere Arbeiten hält, ist meistens zu klein für wichtige Aufgabe " JACQUES
3
TATISCHEFF1
Erfolgsfaktorzentrierte strategische Managementkonzepte
Die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit, die aufgrund der gegenwärtigen Entwicklungen im unternehmerischen Umfeld von zentraler Bedeutung sind, bilden den Ausgangspunkt der nachstehenden Betrachtungen. Dabei ist zu beachten, daß sowohl die überwiegend intrabetrieblichen erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepte, wie das vorwiegend kostenzentrierte Lean Management, das vor allem qualitätszentrierte Total Quality Management und das vornehmlich zeitzentrierte Time-based Management, als auch das interbetrieblich erfolgsfaktorzentrierte Managementkonzept Supply Chain Management auf einer weitgehend einheitlichen erfolgsfaktorzentrierten Management-Philosophie basieren, die lediglich auf den jeweils unterstützten Erfolgsfaktor bzw. auf die unterstützen Erfolgsfaktoren hin ausgestaltet und interpretiert werden muß. Diese weitgehend einheitliche Philosophie ermöglicht eine Integration der drei monoerfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepte innerhalb eines Unternehmens bzw. erlaubt es, mehrere erfolgsfaktor- bzw. -faktorengeführte Unternehmen innerhalb einer Wertschöpfungskette zu integrieren, um damit eine erfolgsfaktorzentrierte Wertschöpfungskette im Sinne des Supply Chain Management zu konzipieren.
3.1
Philosophie des erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managements
Von zentraler Bedeutung für die strategische Unternehmensführung sind die der jeweiligen Management-Philosophie zugrundeliegenden Denkweisen, Grundsätze, Werte und Normen, da diese die strategische Grundausrichtung des Unternehmens und im Idealfall sämtliche Planungs-, Durchfuhrungs- und Kontrollaktivitäten über alle Hierarchiestufen innerhalb eines Unternehmens determinieren. Darüber hinaus beeinflußt die jeweilige Management-Philosophie die Ausgestaltung der Interaktion mit den Wertschöpfungspartnern und den Kunden in erheblichem Maße. Gleichzeitig stellt eine Management-Philosophie jedoch kein isoliertes, von der Unternehmensumwelt abgekapseltes Konzept dar, das eins zu eins von der Theorie auf die Praxis übertragen werden kann. Vielmehr sind bei der jeweiligen Umsetzung in einem Unternehmen eine Vielzahl spezifischer Kontextinformationen zu beachten, die dazu führen, daß von dem theoretischen „Idealkonzept" mehr oder weniger stark abgewiFranzösischer F i l m s c h a u s p i e l e r und Regisseur. Zitiert nach SCHMIDT ( 1 9 9 9 ) , S. 8 8 .
56
3 Erfolgsfaktorzentrierte Konzepte
chen werden muß, um den Realitäten Rechnung zu tragen. So wird die reale Ausgestaltung der Management-Philosophie fundamental durch die Persönlichkeit und den Status der Personen determiniert, die für deren konzeptionelle Entwicklung und Implementierung verantwortlich sind. Beispielsweise kann davon ausgegangen werden, daß ein Eigentümer, der das Unternehmen aufgebaut hat, eine andere ManagementPhilosophie vertritt bzw. eine bestimmte Philosophie anders interpretiert als ein sich im Angestelltenverhältnis befindlicher Manager. 2 Unabhängig von der Stellung der Führenden wird die jeweilige Management-Philosophie auch durch die Ansprüche der Shareholders3 (Anteilseigner) und der Stakeholders, wie Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Banken und öffentliche Hand, beeinflußt. 4 Um den Stakeholders die Management-Philosophie transparent und kommunizierbar zu machen, wird die Unternehmensführungsphilosophie häufig schriftlich fixiert und zu einem Unternehmensleitbild, das neben Verhaltensnormen für den Umgang mit Mitarbeitern und externen Anspruchsgruppen auch Ziele und Leistungscharakteristika des Unternehmens beinhaltet, zusammengefaßt. In praxi ist allerdings häufig eine Diskrepanz zwischen dokumentiertem und faktischem Leitbild festzustellen, was dazu führt, daß ManagementPhilosophien generell abstrakt formuliert werden und z.T. sogar als theoretisches Konstrukt gelten. 5 Aufgrund der Komplexität der Umweltfaktoren, dokumentiert durch die gegenwärtigen Entwicklungen im unternehmerischen Umfeld und der daraus abgeleiteten Komplexität des unternehmerischen Zielsystems, visualisiert durch die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit, wird deutlich, daß dieser bestehenden Komplexität nur durch ein komplexes Unternehmensbild, das interdisziplinäre und integrative Ansätze fordert sowie eine multidimensionale Problembetrachtung zuläßt und unterstützt, Rechnung getragen werden kann. Ein ausschließlich eindimensionales z.B. technologisches Unternehmensbild, das ein Unternehmen als naturwissenschaftlich-technisch optimierbares System betrachtet, greift zu kurz, da ein Unternehmen immer auch ein soziales System darstellt. Umgekehrt vernachlässigt ein rein menschenorientiertes Unternehmensbild die notwendigen technischen Optimierungsbestrebungen sowie die wirtschaftlichen Gesichtspunkte im Rahmen eines wirtschaftlichen Unternehmensbildes. Letztlich wird dies auch darin deutlich, daß ein ausschließliches Gewinn- und Rentabilitätsstreben nicht immer im Einklang mit individueller beruflicher Selbstverwirklichung stehen muß. Die Management-Philosophie erfolgsfaktorzentrierter strategischer Managementkonzepte beschäftigt sich mit den generellen Zielen des Unternehmens sowie mit Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und EntVgl. zur Manager- und Eigentümerflihrung GERUM (1995). Zum Einsatz von Shareholder-Value-Konzepten zur Unternehmensfuhrung in deutschen Unternehmen vgl. HANSMANN/KEHL (2000). Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 30. Vgl. STAEHLE/SYDOW (1992), Sp. 1287.
3 Erfolgsfaktorzentrierte Konzepte
57
wicklungsfáhigkeit des Unternehmens zu sichern. Diese normative Ebene versucht somit eine Unternehmensidentität aufzubauen, da eine eigenständige Identität für die Lebensfähigkeit eines Unternehmens zwingend erforderlich ist. Gleichzeitig versucht die normative Ebene die Fähigkeit zur Selbsttransformation, also zur Veränderung und Anpassung zu schaffen, da dies die Voraussetzung für die Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens ist. Insofern ist, ausgehend von einer unternehmerischen Vision, das unternehmenspolitische Handeln der zentrale Charakter des normativen Managements. 6 Getragen wird die jeweilige Unternehmenspolitik durch die Unternehmensverfassung und die Unternehmenskultur, wobei die Unternehmensverfassung „eine normierende, formale Rahmenordnung für die Zielfindung und den Interessenausgleich zwischen Um- und Insystem, wie für interne Auseinandersetzungen bei der ökonomischen und sozialen Zieldefinition und Realisation vorgibt" 7 . Insofern verfolgt das normative Management drei Zielrichtungen: •
Nutzenstiftung für alle Bezugsgruppen,
•
Definition von Zielen im Umfeld Gesellschaft und Wirtschaft sowie
•
Begründungswirkung für alle Management-Handlungen.
Die Ausgestaltung der Philosophie obliegt dem strategischen Management und hier im besonderen den nachfolgend dargestellten, erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepten. Generell zielt das strategische Management auf den Aufbau, die Pflege und die Ausschöpfung von Erfolgspotentialen ab. Insofern hat das strategische Management die Aufgabe, richtend auf die vom normativen Management begründeten Aktivitäten zu wirken, d.h. Strategien zu entwickeln und diese durchzusetzen. Die eigentliche Umsetzung und Kontrolle der aus den strategischen Programmen resultierenden Aufträge erfolgt dann im operativen Management. Wird der eingangs dargelegte, allgemeine Begriff der Management-Philosophie näher betrachtet, so wird deutlich, daß die fixierten Denkweisen und Grundsätze den Rahmen für die Strategieentwicklung und für das gesamte Management-Handeln sowie für die operative Umsetzung der aus den Strategien abgeleiteten Aufträge und deren Kontrolle liefern.
Vgl.
BLEICHER
BLEICHER
(1991), S. 74 f.
(1991), S. 74.
58
3 Erfolgsfaklorzenlrierte
Abb. 3.1:
Konzepte
Die Denkweisen und Grundsätze der erfolgsfaktorzentrierten
Management-Philosophie
Aus Abbildung 3.1 wird deutlich, daß die Philosophie erfolgsfaktorzentrierter Managementkonzepte sowohl Denkweisen als auch Grundsätze beinhaltet, wobei letztere letztlich operationalisierte Denkweisen darstellen. 8
3.1.1
Denkweisen
Erfolgsfaktorzentrierte strategische Managementkonzepte erfordern Denkweisen, die das Verhalten im Unternehmen leiten und somit den zentralen Charakter einer erfolgsfaktorzentrierten Philosophie ausmachen. Die ursprünglich von BÖSENBERG/ METZEN ausschließlich für das Lean Management konzipierten schlanken Denkweisen 9 stellen jedoch im eigentlichen Sinne keine Lean-Management-spezifischen Denkweisen dar. Vielmehr repräsentieren sie eine geistige Grundhaltung, die allen erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepten eigen ist. Diese „neutralen" Denkweisen sind somit lediglich im Hinblick auf den vom jeweiligen Managementkonzept unterstützten Erfolgsfaktor hin zu interpretieren und auszugestalten. Zu den Denkweisen erfolgsfaktorzentrierter strategischer Managementkonzepte zählen •
das proaktive Denken,
•
das sensitive Denken,
•
das ganzheitliche Denken,
8
Vgl. zum interdependenten Zusammenspiel schlanker Denkweisen und schlanker Prinzipien ausführlich ROLLBERG (1996a), S. 71 ff. und kürzer BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 98 ff.
9
Vgl. BÖSENBERG/METZEN (1992), S. 40 ff.
3 Erfolgsfaktorzenlrierte
•
das Potentialdenken und
•
das ökonomische Denken.
Konzepte
59
Proaktives Denken zielt darauf ab, der zunehmenden Umweltdynamik vorausschauend Rechnung zu tragen, indem sich abzeichnende Veränderungen und Entwicklungen frühzeitig antizipiert werden, um nicht erst nachträglich auf sie reagieren zu müssen. Dies bedeutet auch, daß Krisenvermeidung dem Krisenmanagement konsequent vorzuziehen ist, da ein nachträgliches Krisenmanagement immer in doppelter Hinsicht mit einer Ressourcenverschwendung einhergeht. Erstens entsteht eine Fehlallokation der Ressourcen im Hinblick auf die eingetretene Krise, und zweitens werden i.a. für ein ex-post-orientiertes Krisenmanagement mehr Ressourcen benötigt als für eine ex-ante-orientierte Krisenvermeidung. Sensitives Denken erfordert es, Gefühle und Stimmungen - weiche Informationen neben harten Fakten als Entscheidungsfaktoren in den Entscheidungsprozeß einfließen zu lassen. Diese nach innen und nach außen gerichtete Informationsoffenheit bedeutet auch, Kritik zu üben bzw. aufzunehmen und stets als Anregung zur Verbesserung zu verstehen. Ganzheitliches Denken ist die notwendige Konsequenz aus der gestiegenen Komplexität der betrieblichen Wirklichkeit mit dem Ziel, alle Unternehmensbereiche zu vernetzen und das Unternehmen in die Umwelt zu integrieren. Somit tritt an die Stelle von Bereichsdenken systemorientiertes Denken. Potentialdenken zielt auf die kompromißlose Erschließung und optimale Nutzung sämtlicher verfügbarer Ressourcen einschließlich der nicht genutzten Fähigkeiten der Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Wettbewerber. Um eine Überforderung der Ressourcen zu vermeiden, dürfen identifizierte Potentiale nicht lediglich als günstige Gelegenheit wahrgenommen, sondern müssen nachhaltig gepflegt und weiterentwikkelt werden. Ökonomisches Denken zielt auf die strikte Umsetzung des ökonomischen Prinzips ab. Die Konsequenz dieser Betrachtung geht in einer erfolgsfaktorzentrierten Unternehmensphilosophie weit über ein „sparsames Wirtschaften" hinaus. Vielmehr sind sämtliche nicht wertschöpfenden Tätigkeiten, wie Puffern, Lagern, Kontrollieren oder Nachbessern, zu eliminieren und unnötige Konflikte, die ebenfalls keinen Zusatznutzen stiften oder ineffizient sind, zu vermeiden. Die Sparsamkeit ist jedoch stets nach innen gerichtet und tritt nicht beim Kunden in Erscheinung.
60
3 Erfolgsfaktorzenlrierte
3.1.2
Konzepte
Grundsätze
Aus den fünf Denkweisen lassen sich acht Grundsätze ableiten, die für die Ausgestaltung des inner- und interbetrieblichen Wertschöpfungsprozesses von zentraler Bedeutung sind: 10 •
Kundenorientierung
•
Lieferantenorientierung
•
Mitarbeiterorientierung
•
Prozeßorientierung
•
Wertschöpfungsorientierung
•
Zeitorientierung
•
Simplexitätsorientierung
•
Pionierorientierung
Kundenorientierung zielt darauf ab, nicht die maximal mögliche Leistung zu generieren, sondern exakt die Leistung zu erbringen, die der Kunde verlangt. Diese totale kundenorientierte Qualität ist daher nicht mit der maximal möglichen Qualität zu vermischen, da das Overengineering im letzteren Fall vom Markt nicht entgolten wird. Kundenorientierung bezieht sich nicht nur auf unternehmensexterne Kunden, sondern spiegelt sich auch und vor allem in der internen KundenLieferantenbeziehung wider. So ist jeder Mitarbeiter sowohl Lieferant für nachfolgende Wertschöpfungsstufen als auch Kunde der vorangehenden Arbeitsstationen. Eine konsequente Kundenorientierung benötigt ein hohes Maß an Sensitivität und Proaktivität und basiert letztlich auf potentialorientiertem und ökonomischem Denken..11 Mitarbeiterorientierung zielt darauf ab, 1 2 die bisher nicht genutzten Potentiale und das Erfahrungswissen der Mitarbeiter konsequent und unternehmenszielsetzungsge-
Die im folgenden thematisierten acht Prinzipien wurden ursprünglich von ROLLBERG aus den kulturkreisspezifischen Grundannahmen des japanischen Volkes abgeleitet und dem Lean Management s o w i e dem Total Quality Management zugrunde gelegt. Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 7 7 ff. Eine Übertragung auf die amerikanischen Managementkonzepte Time-based Management und Supply Chain Management und somit die Transformation hin zu „neutralen" Grundsätzen erfolgsfaktorzentrierter strategischer Managementkonzepte ist j e d o c h problemlos möglich, da entsprechend der Äquivalenzthese Gesellschaften, die funktional-äquivalent sind, u.U. auch gleiche, kulturkreisunabhängige Management-Philosophien entwickeln können. V g l . hierzu ROLLBERG (1996a), S. 192 ff., BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 121 ff. und Abschnitt 3.2.1.3.1. 11
Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 79 und BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 102.
12
Vgl. Abschnitt 2.2.2.2.
3 Erfolgsf aktorzentrierte
Konzepte
61
recht zu akquirieren und zu nutzen. 13 Durch eine konsequente Transformation TAYLORistischer Arbeitsweisen hin zu teamorientierten Strukturen auf Basis reintegrierter Arbeitsabläufe wird die intrinsische Mitarbeitermotivation gefördert und ein „Unternehmertum vor Ort (UVO)" geschaffen. 1 4 Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß auf der einen Seite die Mitarbeiter durch die neuen fachlichen und sozialen Anforderungen nicht überfordert werden und daß auf der anderen Seite Mitarbeiterorientierung nicht zum Selbstzweck wird. Letzteres würde dem ökonomischen Denken, Verschwendung zu meiden, entgegenstehen. Nur durch einen offenen Führungsstil, der das Selbstverwirklichungsstreben der Mitarbeiter akzeptiert und fachlich und sachlich begründete, kritische Diskussionen im Sinne von Chancen auf die Zukunft begreift, kann das Mitarbeiterwissen akquiriert werden. Neben dieser Ausprägung des sensitiven Denkens ist vor allem eine ganzheitliche Betrachtung im Hinblick auf eine motivationsfördernde Arbeitsgestaltung notwendig. 1 5 Lieferantenorientierung zielt darauf ab, im Rahmen eines Beziehungsmanagements16 eine dauerhafte, auf Vertrauen basierende Kunden-Lieferantenbeziehung zu pflegen. Somit repräsentieren externe Zulieferer nicht mehr beliebig austauschbare Geschäftspartner, sondern vielmehr vertraute, quasi-internalisierte Wertschöpfungspartner}1 Das kollegiale Zusammenarbeiten macht eine Unterscheidung zwischen inund externen Kunden-Lieferantenbeziehungen weitgehend überflüssig und ermöglicht es dem Endhersteller, komplexe Aufgaben und Dienstleistungen auszugliedern, um sich so auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren. 1 8 Durch eine konsequente Quasi-Integration der Zulieferer und gleichzeitige Übertragung komplexer Aufgaben auf sie dient die Lieferantenorientierung, dem Grundsatz ganzheitlichen Denkens folgend, der inner- und interbetrieblichen Komplexitätsbeherrschung. Prozeßorientierung stellt, wie bereits erläutert, im Rahmen der organisatorischen Gestaltung eine Alternative zur Verrichtungs- und Objektorientierung dar. Ein Prozeß ist durch die Abfolge von Aktivitäten gekennzeichnet. Er weist mindestens ein meßbares Input-Objekt auf, das den Prozeßablauf initialisiert und im Prozeßverlauf eine Veränderung erfährt. Im Anschluß an die Transformation wird mindestens ein Output-Objekt als Ergebnis ausgewiesen, welches wiederum als Input für den nachfolgenden Prozeß dient. Prozeßbeherrschung bedeutet, durch vorbeugende Maßnahmen die Schwankungen der Prozeßparameter einzugrenzen, um so trotz reduzierter Kon-
13
Die Nutzung des Erfahrungsschatzes der Mitarbeiter bezieht sich nicht nur auf die Gestaltung von organisatorischen Prozeßabläufen, sondern meint auch die Implementierung dieses Wissen in Softwaresysteme, vgl. KEUPER (1999), S. 119 ff.
14
Vgl. WAGNER/STÄDLER (1989), S. 196 ff.
15
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 103.
16
Vgl. Abschnitt 4.1.1.3.2.
17
Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 80 und ADAM (1998), S. 70.
18
Vgl. BOGASCHEWSKY (1995), S. 162 f.
62
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
trolle eine hohe Prozeßqualität sicherzustellen. 19 Da ein Prozeß neben direkten auch immer indirekte, steuernde Funktionsbereiche tangiert, obliegen den Prozeßinhabern immer gleichzeitig dispositive und ausfuhrende Tätigkeiten. Insofern zielt eine Prozeßorientierung vornehmlich auf den Abbau von Schnittstellen und die Auflösung des organisatorischen Paradigmas, daß Aufbau- und Ablauforganisation getrennt voneinander betrachtet werden müssen. Die Reihenfolge, erst die Organisationsstruktur festzulegen, die dann maßgeblich die Ablauforganisation determiniert, führte hingegen in der Vergangenheit häufig zu ablauffeindlichen Strukturen. Prozeßorientierte Mitarbeiter erkennen hingegen aufgrund ihrer ganzheitlichen Denkweise, daß ihr jeweiliger Prozeßabschnitt nur einen Teilprozeß im Rahmen der gesamten Wertschöpfungskette darstellt und daß die abgestimmten Teilprozesse letztlich den Markterfolg determinieren. Damit der funktionsübergreifende Prozeßablauf krisenfrei verläuft, gilt es im Rahmen der Prozeßbeherrschung proaktiv denkend Krisen zu vermeiden. Zudem sind sämtliche Teilprozesse im Sinne eines effizienten Ablaufs optimal aufeinander abzustimmen, um somit dem ökonomischen Denken Rechnung zu tragen. 20 Wertschöpfungsorientierung besagt, daß alle Prozesse, auch über die Unternehmensgrenzen hinaus, permanent auf ihren Beitrag zur Wertschöpfung hin zu überprüfen sind. Nur die Prozesse tragen zur Wertschöpfung bei, die eine vom Kunden wahrgenommene und honorierte Wertsteigerung über den hierfür notwendigen Faktorverzehr bewirken. Konsequenterweise sind alle Teilprozesse, die von den Wertschöpfungspartnern besser beherrscht werden, auszugliedern, um sich selbst auf das eigene Kerngeschäft konzentrieren zu können. Durch die Aufrechterhaltung und Optimierung wertschöpfender Prozesse sowie die Auslagerung und Eliminierung nicht wertschöpfender Prozesse wird das ökonomische Denkprinzip konsequent umgesetzt. 21 Zeitorientierung zielt darauf ab, den Faktor „Zeit" als knappes Gut zu begreifen und z.B. sequentielle Arbeitsvorgangsfolgen durch weitgehende Überlappung zu vermeiden bzw. durch simultane Abläufe zu ersetzen. Entsprechend wird durch die Vernetzung der Teilprozesse der Zeitbedarf zur Durchfuhrung des Gesamtprozesses durch den längsten und damit kritischsten Weg determiniert. Im Gegensatz dazu bestimmen bei sequentieller Anordnung der Arbeitsgangfolgen alle Teilprozesse den Zeitbedarf des Gesamtprozesses. 22 Insofern gilt es im Rahmen des ökonomischen Denkens die Zeitverschwendung und damit die Wirkungen durch die konsequente Ausnutzung der zur Verfugung stehenden Potentiale (Potentialdenken) zu vermeiden. 23 Da eine Vernetzung unweigerlich mit einem Anstieg der Komplexität verbunden ist und zudem Koordinationsprobleme an den Assemblierungspunkten vorausschauend zu berück19
V g l . KLEINSORGE (1995), S. 66 und S. 73.
2 0
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 105.
21
V g l . ROLLBERG (1996a), S. 83 f.
2 2
V g l . ausfuhrlich zur netzplanbasierten Projektplanung und damit zur Ermittlung kritischer W e g e ALTROGGE (1996). Ein Anwendungsbeispiel findet sich bei PRESSMAR (1989), S. 93 ff.
23
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 106.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
63
sichtigen sind, gilt es im Rahmen des ganzheitlich-proaktiven Denkens der Komplexität Rechnung zu tragen und Krisen zu vermeiden. 24 Wird das Zeitstreben auch auf die kreativen Bereiche, wie Forschung und Entwicklung, Konstruktion oder Marketing, im Sinne eines Simultaneous Engineering ausgeweitet, ist insbesondere sensitivproaktives Denken von Bedeutung, um die noch unscharfen prospektiven Teilpläne anhand sowohl qualitativer als auch quantitativer Gesichtspunkte zu bewerten und zu koordinieren. 25 Simplexitätsorientierung 26 zielt darauf ab, sämtliche Komplexitätstreiber im Bereich der Planung, Steuerung und Kontrolle bereits im Vorfeld der Entstehung zu vermeiden, um so einen unverhältnismäßigen Anstieg der Komplexität und der mit ihr einhergehenden Wirkungen zu verhindern. Die sich hierin äußernde Vermeidung von Verschwendung ist nur durch ökonomisches und ganzheitliches Denken realisierbar. Pionierorientierung 27 zielt darauf ab, die Spontanität, Reaktionsfähigkeit, Offenheit und Innovationsfähigkeit eines Pionierunternehmens aufrechtzuerhalten oder wiederzugewinnen, um auf die sich verändernden Rahmenbedingungen flexibel reagieren zu können. 28 Mit Hilfe des sensitiven Denkens, das letztlich in einer Informationsoffenheit mündet, müssen die gewonnenen Anregungen und Erkenntnisse nicht nur gesammelt werden, sondern sie müssen in eine Kultur der grundsätzlichen Veränderungsbereitschaft integriert werden. Veränderungsbereitschaft hängt auch immer mit proaktivem Denken zusammen, da keine Strategie, Struktur, Technologie oder Unternehmenskultur nicht noch zu verbessern wäre. 2 9 Die dargestellte erfolgsfaktorzentrierte Management-Philosophie bildet die Basis für die nachfolgend thematisierten intra- und interbetrieblichen, erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepte, wobei unter einem Managementkonzept ein relativ umfassendes Gestaltungsmodell verstanden wird, das ein Bild darüber vermittelt, „welche Elemente für die wirkungsvolle Führung eines Unternehmens wichtig sind, nach welchen Grundsätzen in einem Unternehmen gefuhrt werden soll, welche Instrumente, Techniken und Methoden erforderlich sind und wie die einzelnen Komponenten zusammenspielen" 30 .
24
Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 84.
25
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 106. Zur Quantifizierung qualitativer Kriterien vgl. KEUPER (1999), S. 51 ff.
26
Rollberg subsumiert den Inhalt der Simplexitätsorientierung unter den Punkt Vereinfachung; vgl. ROLLBERG (1996a), S. 85 und BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 106 f.
27
ROLLBERG subsumiert den Inhalt der Pionierorientierung unter den Punkt reitschaft. Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 86 f.
28
Vgl. Abschnitt 2.2.2.3.
29
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 107.
30
Vgl. WÜTHRICH(1984), S. 4 9 f.
Veränderungsbe-
64
3.2
3 Erfolgs/aklororientieríe
Konzepte
Intra- und interbetriebliche, erfolgsfaktorzentrierte strategische Managementkonzepte
Ziel erfolgsfaktorzentrierter strategischer Managementkonzepte ist es, die vier Aktionsparameter Strategie, Organisation, Technologie und Unternehmenskultur möglichst zielsetzungsgerecht simultan so einzusetzen und auszurichten, daß sämtliche Prozesse effektiv und effizient dazu beitragen, daß die drei Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit jeweils für sich betrachtet oder gemeinsam marktgerecht erfüllt werden.
Lean ' Management i
Kosten
Erfolg
Qualität
» Total i Quality / Management
Zeit
Time-based Management
Abb. 3.2:
Lean Management, Total Quality Management und Time-based Management - die drei überwiegend intrabetrieblichen, erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepte
Aus der Abbildung 3.2 wird deutlich, daß sich Lean Management, Total Quality Management und Time-based Management schwerpunktmäßig jeweils auf einen strategischen Erfolgsfaktor - Kosten, Qualität oder Zeit - konzentrieren. Darüber hinaus ist in praxi festzustellen, daß häufig nur eines der genannten Managementkonzepte in einem Unternehmen umgesetzt wird, so daß es zu einer monoerfolgsfaktorzentrierten Unternehmensführung kommt. Das Supply Chain Management greift dieses Problem auf, und versucht als interbetriebliches Managementkonzept eine erfolgsfaktorzentrierte Wertschöpfungskette aufzubauen indem erfolgsfaktorzentriertgefuhrte Unternehmen eine partnerschaftliche Allianz bilden.
3 Erfolgsfaktororienlierle Konzepte
Abb. 3.3:
Beispielhafte Darstellung des Supply Chain Management folgsfaktorzentriertes strategisches Managementkonzept
als interbetriebliches,
65
er-
66
3 Erfolgsfaktorzentrierte
3.2.1
Konzepte
Lean Management - ein überwiegend intrabetriebliches, kostenzentriertes Managementkonzept
1988 verwendete KRAFCIK erstmals den Begriff Lean Production, 31 der inhaltlich die Produktion als wesentliches Betrachtungsfeld von Effizienzpotentialen in den Mittelpunkt stellt. Lean Production charakterisierte dabei ursprünglich das japanische (Produktions-)Management, wobei dieser Begriff in Japan keine Verwendung findet. Der Managementansatz ermöglichte es japanischen Unternehmen gegenüber ihrer westlichen Konkurrenz, mit der Hälfte der Kosten in der halben Zeit bessere Ergebnisse zu erzielen. Ziel des Lean-Production-Ansatzes ist es, die Vorteile der handwerklichen und der Massenfertigung simultan auszuschöpfen und dabei gleichzeitig die hohen Kosten der ersteren und die Starrheit der letzteren zu vermeiden. Die Übertragung der Lean-Production-Prinzipien, welche vom MASSACHUSETTS INSTITUTE OF TECHNOLOGY (MIT) in der Studie „The Machine that changed the World" herausgearbeitet worden sind, 32 auf andere Unternehmens- und Wertschöpfungsbereiche wird heute unter dem Terminus Lean Management diskutiert. Basierend auf der generellen erfolgsfaktorzentrierten Management-Philosophie läßt sich der nachfolgende Philosophie-Strategien-Maßnahmen-Ziele-Ansatz visualisieren, der die Struktur des schlanken Managementkonzepts dokumentiert. Aus der nachfolgenden Abbildung wird deutlich, daß Lean Management allgemein als Bündel einer schlanken Philosophie in Form schlanker Denkweisen und schlanker Prinzipien, schlanker Strategien sowie schlanker Maßnahmen zur effektiveren und effizienteren Planung, Steuerung und Kontrolle (schlanke Ziele) der gesamten Wertschöpfungskette angesehen werden kann.
3 1
V g l . KRAFCIK ( 1 9 8 8 ) , S. 4 1 f.
32
Vgl. WOMACK/JONES/ROOS (1992).
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
67
Schlanke Denkweisen Proaktives Denken, sensitives Denken, ganzheitliches Denken, Potentialdenken, ökonomisches Denken
____ .
* " —"
.
i.
..
..
.
Philosophie
._
Schlanke Grundsätze Kundenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Lieferantenorientierung, Prozeßorientierung, Wertschöpfungsorientierung, Parallel isierung, Simplexitätsorientierung, Pionierorientierung, T
Schlanke Strategien Just-in-Time-Strategien Komplexitätsreduktions- und -beherrschungsstrategien Kunden-Lieferanten-Strategien Zulieferer-Hersteller-Strategien
Strategien
Schlanke M a ß n a h m e n Aggressiver Verkauf Simultaneous Engineering Zuliefererpyramidisierung Kanban u.v.m.
_ ..
(
Maßnahmen
..
I Schlanke logistische Kette Schlanker/s i Vertrieb/Marketing I
Abb. 3.4:
Schlanke F&E bzw. Konstruktion
Schlanker
- .i- - . Schlanke Beschaffung
,
I L._.
Schlanke Fertigung
Philosophie-Strategien-Maßnahmen-Ziele-Ansatz
Schlankes Management
Ziele
3 Erfolgsfaktorzentrierte
3.2.1.1
Konzepte
7 1
Philosophie des Lean Management
Die totale Kundenorientierung zielt neben dem Erreichen der von Kunden gewünschten Qualitätsansprüche und Produktcharakteristika vornehmlich darauf ab, ein Overengineering, welches vom Kunden nicht entgolten wird, zu vermeiden. Mit Hilfe eines Concurrent Engineering wird dabei die Qualität auf das vom Kunden gewünschte Niveau beschränkt, und gleichzeitig werden die Kosten auf ein Minimum reduziert. 33 Darüber hinaus wird im Lean Management konsequent eine interne Kunden-Lie-feranten-Strategie verfolgt, um hierdurch ein unternehmensweites Kosten-, Zeit- und Qualitätsbewußtsein zu implementieren. Insofern korrespondiert die Kundenorientierung im Lean Management insbesondere mit sensitivem und proaktivem Denken. Darüber hinaus sind auch potentialorientiertes Denken und ökonomisches Denken für eine unternehmensweite Kundenorientierung von zentraler Bedeutung. Die Mitarbeiterorientierung wird im Lean Management auf mehrere Arten verfolgt. Zum einen werden vorwiegend Teamstrukturen implementiert, wobei diese Teamstrukturen nicht zwingend den Charakter teilautonomer Gruppen haben, und zum anderen werden die Aufgabenfelder der Mitarbeiter sowohl quantitativ als auch qualitativ erweitert. Ziel dieser multipersonellen und unipersonellen Aufgabenveränderung ist es, die betrieblichen Prozesse ganzheitlich zu planen, zu steuern und zu kontrollieren, um die Effizienzpotentiale überwiegend in der Dimension Kosten auszuschöpfen. Daneben wird im Rahmen der potentialorientierten Interpretation der Mitarbeiterorientierung vor allem darauf gesetzt, die für das Unternehmen wichtigen Mitarbeiter, z.B. Mitarbeiter, die über spezifische Qualifikationen oder ein nicht ohne weiteres substituierbares Wissen verfugen, lebenslang mit entsprechenden monetären und nichtmonetären Anreizen an das Unternehmen zu binden. Letztlich wird aus der sozialen und technologischen (im Sinne von prozeßorientierten) Betrachtung der Mitarbeiterorientierung deutlich, daß die Konzeption einer mitarbeiterorientierten Organisationsstruktur unabdingbar mit sensitivem und ganzheitlichem Denken verknüpft ist. Lieferantenorientierung zielt, wie bereits dargestellt, generell darauf ab, im Rahmen eines Beziehungsmanagements eine dauerhafte, auf Vertrauen basierende KundenLieferantenbeziehung zu pflegen. So finden sich im Lean Management Ansätze für die Konzeption einer gleichberechtigten Wertschöpfungspartnerschaft, deren konsequente Umsetzung und Ausgestaltung sich im Supply Chain Management34 widerspiegelt. Diese Quasi-Internalisierung gilt vornehmlich für strategisch bedeutsame, komplexe Systeme oder Module fertigende Zulieferer und nicht für sämtliche Kleinteilelieferanten (ganzheitliches Denken). Von zentraler Bedeutung bei der Ausgestaltung der Wertschöpfungspartnerschaften ist dabei, daß die Ziele zusammen defi-
33
Zum Concurrent Engineering vgl. Abschnitt 3.1.2.2.
34
Vgl. Abschnitt 3.2.4.
72
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
niert, die jeweiligen Aufgaben kundenorientiert erfüllt und der gemeinsam erzielte Erfolg fair im Sinne des Wertschöpfungsbeitrags geteilt werden. 35 Neben der rein organisatorischen Betrachtung der Prozeßorientierung, die vornehmlich auf ganzheitlichem und proaktivem Denken basiert und darauf abzielt, die innerbetrieblichen Schnittstellen zu reduzieren, um die Kosten- und Zeiteffizienz zu verbessern, ist im Processing eine Alternative zur Ergebnisorientierung zu sehen, 36 da eine reine Ergebnisorientierung häufig zu Bereichsegoismen fuhrt. So fordert z.B. das Marketing, möglichst allen Kunden bzw. Kundengruppen individuelle Lösungen schnell und kostengünstig anzubieten. Dies läßt jedoch die Komplexitätskosten 37 in der Produktion überproportional ansteigen. Insbesondere zeitlich verzögerte Kostenwirkungen durch Investitionen in Informations-, Steuerungs- und Organisationssysteme und damit in Managementkapazitäten stellen hierbei ein Problem dar, da sie für alle Varianten Gemeinkosten repräsentieren und somit nicht reversibel sind. Gleichzeitig steigen jedoch die Erlöse mit steigender Variantenzahl nur unterproportional an, so daß es zur sogenannten Komplexitätsfalle kommt. 38 Erlöse Kosten
Abb. 3.5:
Komplexitätsfalle39
Im Lean Management sind die für die prozessualen Abläufe sensibilisierten Mitarbeiter (sensitives Denken) i.d.L., den Gesamtzusammenhang zu überblicken, was dazu führt, daß die Prozesse effektiver ausgerichtet und effizienter abgewickelt wer-
3 5
V g l . BÖSENBERG/METZEN ( 1 9 9 2 ) , S. 1 9 7 .
36
Vgl. IMAI(1992), S . 3 9 f f .
3 7
Z u K o m p l e x i t ä t s k o s t e n v g l . ADAM/ROLLBERG ( 1 9 9 5 ) .
3 8
V g l . A D A M ( 1 9 9 8 ) , S. 4 9 f f .
39
Q u e l l e : ADAM/JOHANNWILLE ( 1 9 9 8 ) , S. 13.
3 Erfolgsfaklorzenlrierte Konzepte
73
den können, wobei gleichzeitig aufgrund des proaktiven Denkens die Prozesse vorausschauend in ihrer Komplexität reduziert und somit leichter beherrschbar werden. Die Zeitorientierung zielt im Lean Management vornehmlich darauf ab, die an den Faktor „Zeit" gebundenen Kosten, wie z.B. die Kosten der Kapitalbindung, zu reduzieren und gleichzeitig den Faktor „Zeit", effektivitätsorientiert interpretiert, im Sinne eines Qualitätsmerkmals (z.B. Termintreue) optimal zu erfüllen. Insofern werden beim Lean Management im Rahmen des ökonomischen Denkens die Zeitverschwendung und die damit verbundenen Kostenwirkungen durch die konsequente Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Potentiale (Potentialdenken) weitgehend vermieden. 4 0 Dies spiegelt sich vor allem in der Optimierung der Prozeßabläufe in der Produktion (Lean Production) und in der Beschaffung wider. So werden beispielsweise in beiden Funktionsbereichen konsequent Just-in-Time-Strategien mit dem Ziel, die Zeitverschwendung und die damit einhergehenden Kostenwirkungen weitgehend zu eliminieren, verfolgt. Entsprechend den durch die Marktveränderung initialisierten Komplexitätswirkungen wird im Lean Management durch eine größtmögliche Vereinfachung der Produkte und Dienstleistungen bereits in der Konstruktion- und Planungsphase den Komplexitätstreibern entgegengewirkt (Simplexitätsorientierung). Eine Individualisierung erfolgt dabei durch Modularisierung der Produkte und Prozesse sowie durch Standardisierung der Baugruppen und Materialien. Zudem wird die eigentliche Variantenbildung, wenn möglich, erst in den letzten Fertigungsstufen durchgeführt, um so aufgrund des späten Freeze-Point weitgehend Economies of Scale erzielen und gleichzeitig in einem adäquaten Rahmen Economies of Scope sichern können (ganzheitliches Denken). Die Simplexitätsorientierung bezieht sich jedoch nicht nur auf Produkte und Dienstleistung, sondern vor allem auch auf die Aktionsparameter Struktur und Technologie. So reichen für vereinfachte Produkte standardisierte Prozesse aus, die bedarfsgerecht mit hochwertiger Maschinen- sowie moderner IuK-Technologie geringerer Komplexität stabil unterstützt werden. Die Einfachheit der Technologie führt zu einem Anstieg der Prozeßbeherrschung und damit zu einer Krisenvermeidung (proaktives Denken). Auch die Organisationsstruktur wird einfach im Sinne von geradlinig, instanzenarm und transparent gestaltet. Durch die damit einhergehende Delegation von Verantwortung auf Prozeßebenen steigt die Effektivität und Effizienz der gesamten Organisationsstruktur und die intrinsische Motivation der Mitarbeiter (sensitives Denken). Da das Lean Management sich konsequent an den Bedürfnissen des Kunden ausrichtet und sich zudem die gegenwärtigen Käufermärkte in einer weltweiten Umbruchphase befinden - Globalisierung, gestiegene Wettbewerbsintensität, weltweite Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten kann nur im Rahmen einer Pionier-
40
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 106.
74
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
Orientierung, die die Spontanität, Reaktionsfähigkeit, Offenheit und Innovationsfahigkeit eines Pionierunternehmens fordert, den dynamischen Entwicklungen Rechnung getragen werden. Insofern ist die Bereitschaft zur Veränderung neben der Kundenorientierung die zentrale Maxime des Lean Management. Mit Hilfe des sensitiven Denkens, das letztlich in eine Informationsoffenheit mündet, müssen die gewonnenen Anregungen und Erkenntnisse nicht nur gesammelt, sondern in eine Kultur der grundsätzlichen Veränderungsbereitschaft integriert werden. Kaizen und Continuous Improvement sind Stellvertreter dieser Pionierorientierung, da sie darauf abzielen, kontinuierlich die bestehenden Prozesse und Produkte zu verbessern.
3.2.1.2
Komponenten des Lean Management
Die beschriebenen Denkanschauungen und Prinzipien fuhren zu Lean-ManagementKomponenten, deren grundsätzliche Organisationsstruktur durch vertikale zwischenbetriebliche Arbeitsteilung bei gleichzeitiger horizontaler und vertikaler Reintegration innerbetrieblicher Arbeitsinhalte gekennzeichnet ist. 41 Entsprechend der Kundenorientierung als zentraler Ausrichtung erfolgsfaktorzentrierter Managementkonzepte beginnt der Leistungserstellungsprozeß im Lean Management beim Marketing und Vertrieb als Bindeglied zwischen Markt und Unternehmen und nicht, wie bei der klassischen produktionsorientierten Sichtweise, bei der Entwicklung und Konstruktion eines Produktes. 42
3.2.1.2.1
Schlankes Marketing und schlanker Vertrieb
Das Marketing und der Vertrieb haben als schlanke Komponenten des Lean Management die Aufgabe bzw. die Ziele, •
durch aggressiven Verkauf eine Synchronisation von Produktion und Absatz zu erreichen,
•
durch eine schlanke Distribution Effektivitäts- und Effizienzpotentiale zu erschließen und
•
durch eine intensiv-aggressive Marktbeobachtung eine Integration von Produktentwicklung und Kundenanforderungen bzw. Kundenwünschen voranzutreiben.
Ein aggressiver Verkauf beinhaltet, daß die Verkäufer nicht passiv darauf warten, daß der Kunde zu ihnen kommt, sondern daß die Händler regelmäßig, häufig auch ungefragt, die Kunden ihres Einzugsbereiches besuchen, um ihre Waren vor Ort anzupreisen. Da die Händler daran interessiert sind, den Kunden lebenslang an sich zu 41
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 87.
42
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 8 8 ff.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
75
binden, repräsentiert der Vertreter den „persönlichen Verkaufsagenten" des Kunden. Zentrale Aufgabe des Verkaufsagenten ist es, den Abnehmer sowohl vor, während als auch nach der Anschaffung optimal mit seinem in der Regel ausgezeichneten Produktwissen zur Verfugung zu stehen. So können die Händler, da sie die persönlichen Daten des Kunden vor Ort in ihren Rechnern zur Verfügung haben, bereits im Vorfeld des Verkaufsgesprächs die kundenindividuell passende Produktvariante ermitteln und gegebenenfalls als Vorführmodell mitbringen. 43 Die intensive Händler-KundenBeziehung setzt sich nach dem Kauf fort, so daß ein maximaler Kundenservice erreicht wird, der sogar so weit geht, daß Reparaturen kurz nach dem Garantieablauf kostenlos durchgeführt werden. Der aggressive Verkauf ermöglicht es zudem, die im zeitlichen Verlauf im allgemeinen schwankende, mengenbezogene Nachfrage zu glätten („Heijunka" 44 ), so daß eine entsprechende Synchronisation von Produktion und Absatz ermöglicht wird. Entsprechend dieser Strategie und aufgrund der kundenindividuellen Fertigung weisen japanische Vertriebswege einen signifikant geringeren Lagerbestand mit entsprechend geringeren Lagerbestandskosten als die westliche Konkurrenz auf. Ein schlankes Distributionssystem ist dadurch gekennzeichnet, daß der Vertrieb i.a. nur einstufig organisiert ist. Entweder werden die Produkte direkt oder über einen Händler, der die hergestellten Produkte ohne Zwischenhändler vertreibt, an den Kunden gebracht. Gleichzeitig vertreibt der Händler nicht nur das Produkt selbst, sondern bietet als Systemlieferant zusätzlichen Kundenservice und Dienstleistungen an, die von der Produktart und dem Kunden abhängen. 45 Ein solches Distributionssystem zeichnet sich durch einen geringen Koordinationsbedarf aus, wodurch der gesamte Vertrieb kundenorientiert, effizient und transparent durchgeführt werden kann. Zudem besteht die Möglichkeit des raschen Informationsaustausches, was insbesondere im Rahmen eines dynamischen Umfeldes von großer Bedeutung ist. Die intensive Marktbeobachtung ist neben dem operativen Verkauf der Waren die eigentliche „strategische Gegenleistung", die der Vertreter durch den aggressiven Vertrieb erhält. Ziel der intensiven Marktbeobachtung ist es, systematisch die relevanten Umfeldfaktoren zu ermitteln, zu denen z.B. die Veränderung der gesellschaftlichen Werte und Ansprüche zählt. Die ermittelten Informationen geben dem Unternehmen Aufschluß darüber, welche Produkte mit welchen Eigenschaften in welchen Mengen zu welchen Zeitpunkten und zu welchem Preis verkauft werden können. 46 Diese Daten werden vom Marketing analysiert und in entsprechende Produktkonzepte transformiert mit dem Ziel, eine Integration von Produktentwicklung und Kundenanforderungen bzw. Kundenwünschen zu realisieren. Auf diese Weise gelingt es, eine
43
Vgl. BLOECH ET AL. (1998), S. 336.
44
Vgl. WOMACK/JONES/ROOS (1992), S. 158 f.
45
Vgl. FLEIG(1998), S. 62.
46
Vgl. FLEIG(1998), S. 60.
76
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
aktuellere und aussagekräftigere Informationsbasis zu erzeugen, als dies mit Hilfe der klassischen zeit- und kostenintensiven Marktforschung der Fall gewesen wäre.
3.2.1.2.2
Schlanke Forschung, Entwicklung und Konstruktion
Die Produktentwicklung ist für das schlanke Unternehmen von herausragender Bedeutung, weil hier die Charakteristika der marktgerechten Produkte definiert und umgesetzt werden. Zunehmend ist neben der reinen kundenorientierten Funktionalität der Produkte die Frage der Produktentwicklungszeit ein wesentliches Erfolgskriterium (Time to Market). 47 Letztendlich determiniert die Produktentwicklung die Rahmenbedingungen für die Produktion und somit den möglichen Erfüllungsgrad der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit in der Fertigung. Insofern ist es das Ziel der schlanken Forschung, Entwicklung und Konstruktion, •
die Charakteristika der marktgerechten Produkte zu definieren,
•
die Produktentwicklungszeit zu verkürzen und
•
die Rahmenbedingungen für die Produktion festzulegen.
Um dies zu erreichen, basiert die schlanke Forschung, Entwicklung und Konstruktion im wesentlichen auf drei organisatorischen Maßnahmen: •
Mitarbeit von Entwicklungsingenieuren und Produktionsfachleuten im Marketing
•
Arbeiten in interdisziplinären Produktentwicklungsteams
•
Aufbau von Entwicklungspartnerschaften mit strategisch bedeutsamen Zulieferern
Die im schlanken Vertrieb während des aggressiven Verkaufs gewonnen Informationen fließen direkt in die Produktentwicklung ein, indem Entwicklungsingenieure und Produktionsfachleute bereits im Marketing mitarbeiten, um Erfahrungen für eine kundenorientierte Produktentwicklung zu sammeln. Aus den Marketinginformationen werden die Produktanforderungen abgeleitet, die von interdisziplinären Produktentwicklungsteams aufgefangen und umgesetzt werden. Diese interdisziplinären Teams unter der Leitung eines mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatteten Projektleiters („Shusa") sind für die entwicklungstechnische Umsetzung eines Produkttyps verantwortlich. Der Shusa beurteilt die Leistungen der Gruppenmitglieder und hat damit starken Einfluß auf die Aufstiegschancen seiner Mitarbeiter. Insofern handelt es sich bei den interdisziplinären Entwicklungsteams nicht um teilautonome Gruppen, sondern um Teams, denen ein weisungsbefugter
V g l . hierzu ausfuhrlich Abschnitt 3.2.3.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
77
Manager in Form des Teamleiters als Quasi-Instanz vorangestellt ist. 48 Das Team selbst rekrutiert sich aus Mitarbeitern der spezifischen Fachabteilungen, die für die Dauer des Projektes abgestellt werden. Zu Beginn ist die Zahl der Teammitglieder besonders hoch, da zunächst ein ganzheitliches und abgestimmtes Projektverständnis geschaffen werden muß. Um frühzeitig getroffenen Kompromißlösungen dauerhaften Bestand zukommen zu lassen, müssen die Teammitglieder die in der Gruppe getroffenen Entscheidungen schriftlich verifizieren. 49 In der frühen Phase der Produktentwicklung werden insbesondere Mitarbeiter aus den Produktionsbereichen Betriebsmittelkonstruktion, Arbeitsplanung, Fertigung, Montage und Qualitätssicherung in die Teams integriert, 50 um ihr spezifisches Fachwissen einfließen zu lassen. Gleichzeitig werden die Konstruktionsingenieure der externen, strategisch bedeutsamen Zulieferer (Resident Engineers), die maßgeblich für die Rohstoffe, Werkstoffe, Teile, Baugruppen und Komponenten zeitlich und kostenmäßig verantwortlich sind, mit in den Planungsprozeß involviert. Den Systemzulieferern werden bereits frühzeitig auf Basis einer groben Produktkonzeption im Rahmen einer Entwicklungspartnerschaft die Detailkonstruktionen kompletter Komponentensysteme eigenverantwortlich übertragen. Hierdurch werden Entwicklungsabläufe parallelisiert, wodurch sich die gesamte Produktentwicklungszeit und die damit verbundenen Kosten verringern. Während zu Beginn der Produktentwicklung die Teamstärke relativ hoch ist, nimmt diese im Zeitablauf sukzessive ab, da in späteren Phasen der Entwicklung auf die zu Beginn festgelegten ganzheitlichen Betrachtungen zurückgegriffen werden kann. Insgesamt benötigen schlanke Entwicklungsteams daher 75% weniger Mitarbeiter als die Projekte in konventionell organisierten Unternehmen. 51 Dies liegt zum einen an der effizienteren Organisation der Projektteams, die Rückgriffe der Linien auf die Teammitglieder vermeidet und somit einer Fluktuation entgegenwirkt. Zum anderen ist es für die Durchführung eines Projektes von entscheidender Bedeutung, möglichst alle Probleme und damit die Gesamtkomplexität so früh wie möglich offenzulegen und entsprechende abgestimmte Vorgehensweisen verbindlich vorzuschreiben. Gerade dies wird in schlanken Entwicklungsteams konsequent umgesetzt. Das Ergebnis schlanker Produktentwicklungsprozesse sind schlanke Produkte, die durch •
eine standardisierte Individualisierung,
•
einen späten Freeze Point und
48
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 112.
4 9
Vgl. ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 90.
50
Vgl. FLEIG(1998), S. 50.
51
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 112.
78
•
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
eine konsequente Umsetzung des Mechatronik-Prinzips
gekennzeichnet sind. Für eine effiziente, kundenindividuelle Produktentwicklung ist neben der Organisation der Projektteams vor allem die Differenzierung der Kundenwünsche unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten von zentraler Bedeutung. Mit Hilfe von Methoden wie dem Quality Function Deployment52 wird sichergestellt, daß der Kundenwunsch weder unter- noch übererfüllt wird und daß das Spektrum möglicher, zu Beginn der Entwicklung noch nicht eindeutig bestimmbarer Anforderungen mit entsprechenden Varianten abgedeckt wird und gleichzeitig die Komplexitätskosten gering gehalten werden. 53 Um die verbleibende Komplexität zu beherrschen und die Komplexitätskosten weiter einzudämmen, werden die Produkte standardisiert individualisiert, auch wenn dies mit dem Wegfall einzelner Kunden verbunden sein kann. 54 Insofern ist für die schlanke Forschung, Entwicklung und Konstruktion neben der konsequenten Verringerung der internen Teilevielfalt vor allem auch die Standardisierung und Normung mehrfach verwendbarer Teile und Baugruppen handlungsleitend. Gleichzeitig müssen die Merkmale einer Produktvariante, die sie von anderen unterscheidet, begrenzt, eindeutig definiert und erst spät im Produktionsprozeß spezifizierbar sein, so daß der Konfigurationspunkt (Freeze Point) möglichst in der letzten Montagestufe liegt. 55 Im Sinne des Mechatronik-Prinzips - eine Wortschöpfung aus den Begriffen Mechanik und Elektronik - wird im Rahmen der Produktentwicklung und -konstruktion darauf abgezielt, möglichst viele mechanische Einzelteile durch elektronische Elemente bzw. Baugruppen und Module zu ersetzen. Durch die Verringerung der in der Produktion durchzuführenden Montageprozesse kann die Durchlaufzeit verringert und die Gefahr der fehlerhaften Montage reduziert werden. Zudem sinkt die Teilekomplexität des Produktes insgesamt, was auch zu einer Reduzierung der Lagerintensität führt. Während die vorangegangenen Gesichtspunkte sich auf das Produkt selbst beziehen, zielt das Simultaneous Engineering darauf ab, Komponenten und Baugruppen eines Produktes sowie die dazugehörigen Produktionsmittel und -prozesse nicht mehr sequentiell, sondern weitgehend parallel zu entwickeln. 56 Neben der Verkürzung der Entwicklungszeiten bedingen die engen Kommunikations- und Informationsbezie-
5 2
Vgl. Abschnitt 3.2.2.3.2.2.
53
Vgl. WILDEMANN (1993), S. 3 3 2 ff.
54
V g l . ROMMEL ET AL. (1993), S. 31 ff.
55
Vgl. zu grundlegenden Elementen des Variantenmanagements LINGNAU (1994).
56
Vgl. zum Simultaneous Engineering ausführlich Abschnitt 3.2.3.2.2.
3 Erfolgsfaktorzentrierle
Konzepte
79
hungen über interne Bereichsgrenzen und Unternehmensgrenzen hinweg, daß organisatorische Schnittstellen aufgelöst werden. Standardisierte Individualisierung, späte Konfigurationspunkte, die Anwendung des Mechatronik-Prinzips sowie die parallele Produkt- und Produktionsprozeßentwicklung stellen Maßnahmen dar, um das generelle Problem von Forschung und Entwicklung zu relaxieren, das dadurch charakterisiert ist, daß bereits während der ersten 20% der Entwicklungsphase 80% der späteren Herstellungskosten eines Produktes festgelegt werden. Schlanke Unternehmen gehen aber noch einen Schritt weiter, indem sie ein marktorientiertes Zielkostenmanagement bei der Produktentwicklung einsetzen. 57 Target Costing 58 („Genka Kikaku") setzt als Planungs- und Steuerungsinstrument in der Produktdefinitionsphase an, überläßt die Preis- und Funktionsbestimmung dem Kunden und transformiert die Funktionskosten in Komponentenund Teilekosten. 59 Mit dieser Zielkostenplanung werden auch die Funktions- und Kostenvorgaben für die strategisch bedeutsamen Systemzulieferer bestimmt. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist dabei die, daß ausgehend von den Preisvorstellungen des Kunden für eine individuelle Problemlösung (Target Price) die geplante Gewinnmarge (Target Margin) subtrahiert wird. Entsprechend stellt die Differenz die zulässigen Kosten (Allowable Costs) dar, die als die vom Markt bestimmte Preisuntergrenze interpretiert werden können und in der Regel unter den geschätzten Standardkosten (Drifting Costs) liegen. Die Zielkosten ergeben sich durch Gegenüberstellung der auf Basis der eingesetzten Technologien geschätzten Standardkosten und der zulässigen Kosten unter besonderer Berücksichtigung der Unternehmensstrategie. Während im Rahmen einer Kostenfuhrerschaftsstrategie die Allowable Costs den Target Costs entsprechen müssen, dürfen die Zielkosten bei Verfolgung einer Differenzierungsstrategie durchaus zwischen Allowable Costs und Drifting Costs liegen. 60 Eine mögliche Abweichung der Zielkosten von den Drifting Costs ist im Rahmen des Value Engineering (Wertgestaltung) zu beseitigen. Spezielle interdisziplinäre Entwicklungsteams analysieren die geplante Leistung eines Produktes unter besonderer Berücksichtigung der vom Kunden wahrgenommenen und akzeptierten KostenNutzen-Relation, um die Notwendigkeit einzelner Funktionen und die damit verbundenen Kostenwirkungen zu hinterfragen. Hierdurch wird einerseits ein Overengineering verhindert und andererseits auf Basis fertigungs- und montagefreundlicher Produkte effizient die kundenorientierte Qualität erzeugt. In Analogie zu den eingangs dargestellten Zielen einer schlanken Forschung, Entwicklung und Konstruktion bleibt festzuhalten, daß schlanke Entwicklungs- und Kon-
57
Vgl. z u r 80/20-Regel A b s c h n i t t 3.2.3.2.5.
58
Vgl. SAKURAI ( 1 9 8 9 ) , TANAKA ( 1 9 8 9 ) s o w i e SEIDENSCHWARZ (1993).
59
V g l . PFEIFFER/WEISS ( 1 9 9 2 ) , S. 215.
60
Vgl. SEIDENSCHWARZ (1993), S. 105.
80
3 Erfolgsfaklorzentrierte
Konzepte
struktionsprozesse darauf ausgerichtet sind, simultan die strategischen Erfolgsfaktoren Qualität (Value Engineering), Zeit (Simultaneous Engineering) und Kosten (Target Costing) im Rahmen eines Concurrent Engineering 61 zu berücksichtigen. 62
3.2.1.2.3
Schlanke Beschaffung
Neben der Integration der Zulieferer in den Entwicklungsprozeß ist die Einbeziehung der Lieferanten auch für den Produktionsprozeß bzw. für die gesamte logistische Kette von besonderer Bedeutung. Ziel der schlanken Beschaffung ist es, •
sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren,
•
Schnittstellen zu vermeiden und den Koordinationsaufwand zu verringern.
Die schlanke Beschaffung ist daher durch •
eine konsequente Verringerung der Fertigungstiefe,
•
eine Zuliefererpyramidisierung,
•
eine produktionssynchrone Beschaffung und
•
durch Lieferantenaudits
gekennzeichnet. Japanische Automobilhersteller beziehen bis zu 73% aller Fahrzeugteile extern und weisen damit eine sehr geringe Fertigungstiefe auf. Grundsätzlich werden strategisch oder technologisch wenig bedeutsame Teile oder Baugruppen ausgelagert, die gleichwohl komplex sein können. Ziel ist es u.a., den Kapitalbedarf für die Produktionsanlagen einzusparen und den Anteil fixer Kosten (Anlagen und Personal) zu Gunsten eines höheren Anteils variabler Kosten abzubauen, um damit die Flexibilität zu erhöhen. Auch die Qualität der Vorprodukte kann verbessert werden, wenn der Zulieferer aufgrund größerer Auftragsvolumina bessere Methoden der Qualitätssicherung und -Überwachung einsetzen kann. Durch die mengenmäßige Ausweitung des Produktionsvolumens einzelner Zulieferer können diese Kostendegressions- und Erfahrungskurveneffekte realisieren, die beim ursprünglichen Hersteller nicht oder nur in geringerem Maße erreichbar gewesen wären. Damit der Koordinationsaufwand auf der Input-Seite des Produktionsprozesses gering gehalten wird, verfugen schlanke Unternehmen über wenige direkte System- oder
61
Vgl. BELLMANN/FRIEDERICH (1994), S. 198.
62
Vgl. ROLLBERG (1996a), S. 93.
81
3 Erfolgsfaktor zentrierte Konzepte
Modullieferanten, die komplexe Systeme oder Module bzw. Baugruppen liefern. 63 Ein System steht dabei für eine Produktfunktion, die aus mehreren Baugruppen, Komponenten oder Modulen zusammengefaßt wird, beispielsweise das Bremssystem oder die Klimaanlage eines Fahrzeuges. 64 Hinzu kommt, daß, wie bereits dargestellt, Systemlieferanten die zu liefernden Systeme in Absprache mit dem Abnehmer eigenständig entwickeln. Unter Modulen sind hingegen komplettierte, funktionsfähige Baugruppen und Komponenten zu verstehen, die einbaufertig entsprechend der Pläne des Herstellers der Endmontage bereitgestellt werden können, wie z.B. ein Fahrersitz oder der einzelne Scheinwerfer. Während japanische Automobilhersteller mit maximal 300 Zulieferern in Kontakt stehen, muß ihre westliche Konkurrenz etwa 1.000 bis 2.500 Lieferanten koordinieren. 65 Die System- und Modullieferanten werden primär aufgrund ihrer Fähigkeiten, Produkte und Prozesse kontinuierlich zu verbessern, ausgewählt. Sie verfugen selbst über Sublieferanten, so daß sich eine Zuliefererpyramide ergibt. Damit die Transaktionskosten zwischen Hersteller und Lieferanten aufgrund der Auslagerung komplexer Komponenten nicht überproportional ansteigen, werden längerfristige Rahmenverträge abgeschlossen, in denen Preise, Kostenanalysen, Qualitätssicherungen und die Gewinnteilung festgeschrieben werden. Die enge Zusammenarbeit führt dazu, daß die Zahl der Lieferanten für funktionsgleiche Baugruppen reduziert wird, so daß an die Stelle des bisherigen Multiple oder Dual
Sourcing
Sourcing
das Single
Sourcing
tritt. 66 Letzteres stellt eine Sonderform des Multiple Sourcing
dar, wobei unter Dual Sourcing sowohl ein Parallel-Sourcing
mit zwei relevanten
Zulieferern zu verstehen ist als auch die Möglichkeit, daß der Abnehmer einen Teil des Zuliefervolumens selbst fertigt und den anderen Teil fremdbezieht. Durch die verbesserten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten werden zudem im Rahmen eines Global
Sourcing
weltweit Baugruppen und Teile beschafft. Da japani-
sche Unternehmen ihre Fertigungstiefe konsequent verringern, spielt lnsourcing,
bei
dem die Fertigungstiefe erhöht wird, keine Rolle. Neben der aufbauorganisatorischen Gestaltung der Zuliefererpyramide ist auch die produktionssynchrone Belieferung ein zentrales Charakteristikum schlanker Beschaffung. Bei einer Just-in-Time-Beschaffung (JiT-Beschaffung) werden die Zulieferteile termin- und bedarfsgerecht beim Zulieferer produziert und beim Abnehmer termin- und bedarfsgerecht vom Lieferanten oder mit Hilfe von Transportdienstleistern angeliefert, so daß im Idealfall alle Parteien auf eine Lagerhaltung verzichten können. 67 Hierfür ist jedoch eine möglichst gleichmäßige Kapazitätsbelastung seitens
63
Zu den unterschiedlichen Sourcing-Strategien vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.2.4.1.3.
64
Vgl. T h a l e r (1999), S. 89.
65
Vgl. Daum/Pipel (1992), S. 43.
66
Vgl. v o n E i c k e / F e m e r l i n g (1991).
67
Vgl. M Ä H L C K / P A N S K U S ( 1 9 9 3 ) , S. 74.
82
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
des Abnehmers mit Hilfe aggressiver Verkaufstechniken zu erreichen (Production Smoothing). Daneben entfällt in der Regel eine Qualitätskontrolle für den Lieferanten und den Hersteller, da durch die interne Kunden-Lieferantenbeziehung im Produktionsbereich des Zulieferers die gewünschte Qualität sich unmittelbar aus der Fertigung ergibt. Leistungsfähige Lieferanten können binnen kürzester Zeit die gewünschten Komponenten in den geforderten Qualitäten direkt an das Fließband des Abnehmers liefern.68 Um mögliche Risiken in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Systemund Modulzulieferer auf der einen sowie Abnehmer auf der anderen Seite zu reduzieren, werden Lieferantenaudits 69 durchgeführt. Mit Hilfe der Lieferantenaudits wird ermittelt, ob die strategischen Zulieferer den hohen Anforderungen gerecht werden und inwieweit im Zusammenspiel zwischen Hersteller und Lieferant Verbesserungen im gesamten logistischen Bereich angeregt und umgesetzt werden können (Value Analysis).
3.2.1.2.4
Schlanke Fertigung
Das generelle Ziel einer schlanken Fertigung ist es, •
bei weitgehender Kostenreduktion
•
konstante kundenorientierte Qualität
herzustellen, wobei die zentralen Charakteristika einer schlanken Fertigung •
das aufbauorganisatorische Konzept der Fertigungssegmentierung und
•
das ablauforganisatorische Konzept der schlanken Prozesse
sind. Entsprechend den Produktanforderungen wird die schlanke Fertigung in einzelne Segmente ausdifferenziert. Eine solche Fertigungssegmentierung repräsentiert •
produktorientierte Organisationseinheiten in der Fertigung, die mehrere Stufen der logistischen Kette eines Produktes umfassen und mit einer spezifischen Wettbewerbsstrategie, z.B. Kostenfuhrerschaft oder Differenzierungsstrategie, verfolgt werden.
6 8
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 116 f.
69
V g l . WARNECKE ( 1 9 9 3 ) , s . 203 ff. und WILDEMANN (1993), S. 105 f.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
83
Insofern werden im Rahmen einer Fertigungssegmentierung Standardprodukte und Exoten auf getrennten Produktionsanlagen gefertigt. Hierdurch können die Standardprodukte in großen Mengen mit Hilfe einfacher und stabiler Prozesse gefertigt werden, ohne daß die Produktion selten nachgefragter Produkte unterlassen werden muß. Der wesentliche Vorteil liegt darin, daß stochastische Einflüsse, die durch das interdependente Zusammenspiel unterschiedlicher Produktarten auf einer Fertigungsanlage entstehen, weitgehend eliminiert werden. Zudem erleichtert eine Fertigungssegmentierung die verursachungsgerechte Zuordnung von Kosten zu Produkten, da durch die Entkopplung immer mehr Gemeinkosten zu Einzelkosten der Bezugsgröße Prozeß oder Sparte werden. 70 Hierdurch wird die häufig vorzufindende Quersubventionierung von Exoten durch Standardprodukte relaxiert. Schlanke Fertigungsprozesse zeichnen sich dadurch aus, daß Engpässe beseitigt und Überkapazitäten abgebaut worden sind. Im Rahmen der Produktionsaufteilungsplanung werden die Betriebsmittel zeitlich, intensitätsmäßig und quantitativ so aufeinander abgestimmt, daß die Arbeitsprozesse möglichst durch Synchronisation zeitlich eng aufeinander ausgerichtet werden. Dabei ist ein stabiler, kontinuierlicher und synchronisierter Materialfluß statt Geschwindigkeit das Ziel. Sämtliche Fertigungsprozesse sind in schlanken Unternehmen zunächst vereinfacht worden, um die Restkomplexität mit automatisierten Anlagen hoher Qualität, aber relativ geringer Komplexität stabil zu handhaben. Vor aufwendigen High-Tech-Lösungen wird geprüft, ob mit einer effektiven Low-Cost-Lösung der Prozeß adäquat beherrscht werden kann. Wenn automatisiert wird, dann laufen die Prozesse auch tatsächlich autonom, ohne menschliches Zutun (Autonomation oder auch „Jidohka"). Damit auf einer Produktionsanlage verschiedene Varianten gefertigt werden können, weisen schlanke Fertigungsanlagen einfache flexible Fertigungssysteme auf (Single Minute Exchange of Die), die sowohl hinsichtlich ihrer Produktivität als auch ihrer Flexibilität den westlichen Systemen deutlich überlegen sind. 71 Die Steuerung des Materialflusses zwischen den flexiblen Fertigungssystemen in den einzelnen Produktionsstufen erfolgt i.a. mit Hilfe bestandsarmer Just-in-TimeStrategien. Im Rahmen einer solchen Kanban-Fertigung werden nur noch Güter produziert, die der nachfolgende Prozeß anfordert. 72 Dies entspricht einer Fertigungsorganisation nach dem Pull- oder Holprinzip, wobei jeweils zwei benachbarte Produktionsstufen zu einem Regelkreis miteinander verbunden werden, in dem Informationsund Materialfluß entgegengesetzt zueinander fließen. Der Anstoß für die Produktion geht vom letzten Produktionsprozeß aus und durchläuft retrograd sämtliche Produktionsstufen. Wie in einem Supermarkt nimmt die Materialsenke aus einem zwischen 70
Vgl. A D A M (1998), S. 62 f.
71
Vgl. Abschnitt 2.3.1
72
Zur Kanban-Fertigung, die nur bei der Fließfertigung erfolgsversprechend ist, vgl. W I L D E M A N N (1984), S. 33 ff., W I L D E M A N N (1993), S. 476 ff. und A D A M (1998), S. 6 2 8 ff.
84
3 Erfolgs/aktorzentrierte
Konzepte
den beiden Fertigungsstufen befindlichen Pufferlager, das aus einem oder mehreren standardisierten Behältern besteht, das benötigte Material. Die Materialsenke initialisiert eine Produktion der Vorprodukte entweder auf elektronischem Wege oder indem ein leerer Teilebehälter, an dem eine Bestellkarte („Kanban") befestigt ist, zurückgeschickt wird. Je weiter die Behälterzahl im jeweiligen Pufferlager reduziert wird, desto mehr nähert sich die Kanban-Fertigung einer Fließfertigung an.
Informationsfluß
Abb. 3.6:
Materialfluß
Kanban-Fertigung73
Damit ein solches Fertigungskonzept funktioniert, bedarf es einiger streng zu beachtender Prinzipien: 74 •
Die Materialquelle darf nie mehr produzieren, als nachgefragt worden ist.
•
Die Materialsenke darf nie vorzeitig Material anfordern.
•
Die Materialsenke darf nie mehr Material anfordern, als sie benötigt.
•
Die Materialquelle darf nie vor Eingang der Bestellung Material produzieren.
•
Die Materialquelle darf nur 100%ige Qualität liefern.
Durch diese Prinzipien wird die kundenorientierte Qualität sichergestellt, da durchgängig von den integrierten Zuliefersystemen bis zur letzten Fertigungsstufe nahezu jede Materialsenke (Kunde) auch gleichzeitig Materialquelle (Lieferant) ist. Darüber hinaus nimmt jeder Mitarbeiter an QualitätszirkelrP5 teil, um vorausschauend an Verbesserungen hinsichtlich der Produkt- und Prozeßqualität mitzuwirken. Während in japanischen Unternehmen pro Jahr von den Mitarbeitern 61 Verbesserungsvor73
Q u e l l e : WILDEMANN (1992d), S. 192.
74
Vgl. O H N O ( 1 9 9 3 ) , S. 57.
7
Qualitätszirkel sind Kleingruppen, die innerhalb desselben Arbeitsbereichs Qualitätskontrollen selbständig durchfuhren und Verbesserungen anregen.
5
3 Erfotgsfaktorzentrierte
Konzepte
85
schläge geäußert werden, sind es bei westlichen Massenherstellern lediglich 0,4. 76 Als Ergebnis dieses Qualitätsstrebens sind in der schlanken Produktion beherrschte Prozesse zu verifizieren, bei denen ein störungsbedingtes Anhalten des Montagebandes selten und nachträgliche Qualitätskontrollen quasi gar nicht vorkommen. Um die Motivation der Mitarbeiter zu steigern, ist der gesamte Produktionsbereich nach dem Prinzip der Gruppen- oder Teamarbeit organisiert. Dabei sind die Aufgabengebiete der einzelnen Mitarbeiter sowohl vertikal als auch horizontal gegenüber westlichen Arbeitnehmern stark erweitert. Dieses gleichzeitige Job Enrichment und Job Enlargement ermöglicht es jedem einzelnen Mitarbeiter, im Rahmen der Job Rotation flexibel und schnell sämtliche Positionen innerhalb des Teams einzunehmen. Die große Entscheidungskompetenz der Mitarbeiter in der Fertigung erfordert einen guten Informationsfluß. Schlanke Unternehmen gewährleisten dies durch ein enges Layout in der Fertigung. Hierdurch wird den Mitarbeitern ermöglicht, in Sichtkontakt zueinander zu stehen und über Anzeigetafeln, die den Produktionsstatus sowie aufgetretene Fehler visualisieren, zu kommunizieren. 77 Ferner ist eine teamorientierte Organisation der Fertigung nur durch eine hohe Qualifikation aller Mitarbeiter umzusetzen. Entsprechend werden die Teammitglieder in schlanken Unternehmen umfassend weitergebildet, was sich z.B. darin äußert, daß jeder Mitarbeiter 380 Stunden gegenüber 173 Stunden in Europa bzw. 46 Stunden in Nordamerika geschult wird. 78 Im Gegensatz zu den interdisziplinären Forschungsteams sind die Teamleiter nur im Rahmen ihrer Koordinator- und Moderatorentätigkeit weisungsbefugt. Die Schulung der Mitarbeiter geht in schlanken Unternehmen so weit, daß die Teams selbst kleine Reparaturen an den Betriebsmitteln vornehmen bzw. eine umfassende vorbeugende Instandhaltung (Total Productive Maintenance) durchfuhren können. 79
3.2.1.2.5
Schlankes Management
Zu den wesentlichen Aufgaben des schlanken Managements zählen •
das Vorleben der Philosophie,
•
das Finanzmanagement,
•
das Facility Management und
•
die Koordination der internationalen Aktivitäten. 80
7 6
V g l . WOMACK/JONES/ROOS ( 1 9 9 2 ) , S. 9 7 .
7 7
V g l . BLOECHETAL. ( 1 9 9 8 ) , S. 3 3 4 f.
7 8
V g l . WOMACK/JONES/ROOS ( 1 9 9 2 ) , S. 9 7 .
7 9
V g l . SUZAKI ( 1 9 8 9 ) , S. 116 f . u n d IMAI ( 1 9 9 2 ) , S . 1 9 6 .
8 0
V g l . WOMACK/JONES/ROOS ( 1 9 9 2 ) , S. 2 0 2 .
86
J Erfolgs/aktorzentrierte
Konzepte
In dem das Management die Philosophie vorlebt, werden Hierarchien und Schnittstellen abgebaut und die Beziehungen zu Lieferanten, Handelsketten und Kunden aktiv gestaltet. 81 Zudem bilden schlanke Unternehmen durch wechselseitige oder einseitige Kapitalverflechtungen mit ihren Lieferanten ein starkes Finanzsystem. Gleichzeitig streben sie Partnerschaften mit liquiden Marktteilnehmern wie Banken, Versicherungen und Handelsketten an. Hierdurch wird die Kapitalaufnahme und Finanzierung erheblich erleichtert. Dieses Firmenkonglomerat („Keretsu") unterstützt seine Mitglieder auch in schwierigen Situationen, da langfristig nur durch den gemeinsamen Erfolg profitabel gearbeitet werden kann. Da Lean Management ein ganzheitliches, überwiegend kostenzentriertes Managementkonzept darstellt, ist neben einer Verschlankung der Prozesse in den direkten und indirekten Bereichen, was sich z.B. in einer engen Layoutplanung der Fertigung widerspiegelt, auch ein umfassendes Facility Management 8 2 von Bedeutung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, das die Betriebskosten häufig bereits nach wenigen Jahren die Investitionsaufwendungen übersteigen. Insofern zielt ein Facility Management im weiten Sinne •
als ganzheitliches Managementkonzept zur Planung, Anschaffung, Finanzierung, Verwaltung, Bewirtschaftung und Organisation von Grundstücken und Gebäuden sowie der benötigten Einrichtungen und der Infrastruktur darauf ab, eine kontinuierliche Bewirtschaftbarkeit und Funktionsfähigkeit der Sachressourcen - also auch Maschinen und Produktionsanlagen - zu gewährleisten bzw. diese an die entsprechenden Bedürfnisse der direkten und indirekten Bereiche anzupassen, um so die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Sinne einer verbesserten Effektivität und Effizienz zu erreichen.
Durch eine schlanke, an den Bedürfnissen der Prozesse ausgerichteten Bewirtschaftung von Grundstücken und Gebäuden können sowohl Effektivitäts- als auch Effizienzvorteile realisiert werden. So ermöglichen optimierte Infrastrukturen, wie z.B. Transport-, Sicherungs- oder Reinigungsdienste, die strategischen Erfolgsdimensionen Kosten und Zeit positiv zu beeinflussen, wohingegen eine moderne Informationsund Kommunikationseinrichtung neben der Realisierung von Effizienzpotentialen vor allem auf eine Verbesserung der Datenübertragungsqualität abzielt. Die schlanke technische und die schlanke infrastrukturelle Komponente des Facility Management ermöglichen im Zusammenspiel mit der ökonomischen Komponente, die neben den administrativen Aufgaben vor allem die Investitions- und Finanzierungsseite betrachtet, Kosteneinsparungen bis zu 25% zu realisieren. 8 3
8 1
V g l . PFEIFFER/WEISS ( 1 9 9 2 ) , S.
8 2
Zum
Facility
OESTERLE 8 3
Management
(1996).
V g l . SIBBEL ( 1 9 9 8 ) , S. 1 4 1 5 .
192.
vgl.
ausführlich
FRUTIG/REIBI.ICH
(1995),
BRAUN/HALLER/
3 Erfolgsfaklorzentrierte
Konzepte
8 7
Entsprechend den Denkanschauungen und Prinzipien der Lean-Management-Philosophie streben schlanke Unternehmen die Produktion auf den jeweiligen nationalen Märkten an, da hierdurch kundennäher und kundenorientierter produziert werden kann, Erfahrungen in verschiedenen Ländern, die die Innovationskraft und die Kreativität fördern, gewonnen werden, konjunkturelle Schwankungen ausgeglichen werden können und der Produktionsstandort im Absatzmarkt vor Handelsbarrieren geschützt werden kann (Koordination internationaler Aktivitäten). 84
3.2.1.3
Das Spannungsfeld des Lean Management
Das Spannungsfeld, in dem sich das Lean Management befindet, ist durch die konträre Beziehung zwischen Kollektivismus und Individualismus auf der einen Seite und durch das häufig zu Unrecht konfliktär interpretierte Zusammenwirken von Ökonomie und Ökologie auf der anderen Seite charakterisiert. Kollektivismus
Abb. 3.7:
8 4
Lean Management im Spannungsfeld zwischen Kollektivismus und Individualismus sowie zwischen Ökonomie und Ökologie
V g l . F L E I G ( 1 9 9 8 ) , S. 64.
88
3 Erfolgsfaklorzentrierte
3.2.1.3.1
Konzepte
Lean M a n a g e m e n t zwischen Kollektivismus und Individualismus
Die Übertragung der Lean-Management-Philosophie auf westliche Unternehmen steht im Spannungsfeld zwischen dem östlich geprägten Kollektivismus als fundamentale Basis dieser Philosophie und dem die westlichen Gesellschaften kennzeichnenden Individualismus. 85 Die Mentalität japanischer Arbeitnehmer ist durch Loyalität, Kollektivismus und Arbeitssorgfalt geprägt. 86 Loyalität wird dabei nicht als einseitige Ausrichtung, sondern als interdependentes Zusammenspiel interpretiert. Einerseits besteht die Mitarbeiterloyalität in der bedingungslosen Hingabebereitschaft der Mitarbeiter gegenüber ihrem Unternehmen, andererseits ist die Unternehmensloyalität dadurch gekennzeichnet, daß die Stammbelegschaft lebenslang beschäftigt, weitergebildet und rundumversorgt wird (z.B. organisierte Freizeitaktivitäten und Urlaube). Diese Loyalität prägt auch die langfristige Partnerschaft von Stammaktionären und Managern mit der Konsequenz, daß Risiko und Gewinn gemeinsam getragen werden. Die territoriale Enge und die japanische Rohstoffknappheit führen zu einem tief verinnerlichten Kollektivismus und zu einer verschwendungsfeindlichen Arbeitssorgfalt.87 Beide Charakteristika determinieren sowohl die schlanken Denkweisen, z.B. ganzheitliches Denken und ökonomisches Denken, als auch die schlanken Grundsätze, z.B. Mitarbeiterorientierung und Wertschöpfungsorientierung. Loyalität und Kollektivismus fuhren letztlich auch dazu, daß japanische Gewerkschaften weitgehend ohne Bedeutung sind, da die Unternehmensleitung selbst daran interessiert ist, die Stammbelegschaft lebenslang an sich zu binden, und die fest angestellten Mitarbeiter ein bis zu 50% höheres Gehalt beziehen als die Beschäftigten in den Zulieferbetrieben. Insofern beschränken sich gewerkschaftliche Forderungen darauf, die Personalausgaben zu erhöhen und gesellschaftliche Veranstaltungen zu fördern. 88 Die Masse der japanischen Arbeitskräfte arbeitet jedoch unter finanziellen, sozialen und arbeitstechnischen Bedingungen, unter denen westliche Mitarbeiter kaum tätig wären. Ein weiterer Punkt ist das japanische Bildungssystem, das auf einem extrem hohen Leistungsdruck basiert und bereits im Kindergarten gesellschaftskonforme, leistungsorientierte zukünftige Führungskräfte und Manager heranzieht. Die anspruchsvollen Prüfungen, die absolviert werden müssen, um zu Eliteuniversitäten zugelassen zu
85
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 121 ff., s o w i e a u s f ü h r l i c h e r ROLI.BERG ( 1 9 9 6 a ) , S. 127 ff.
86
Vgl. zu den f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n BOGASCHEWSKY/ROU.BERG (1998), S. 122 ff.
8 7
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S . 1 2 2 .
8 8
V g l . K I N I A S ( 1 9 9 2 ) , S. 51.
3 Erfolgsfaklorzenlrierte
Konzepte
89
werden, sind neben anderen Faktoren ein Auslöser für die sehr hohe Selbstmordrate unter japanischen Schülern und Studenten. 89 Hinsichtlich der interkulturellen Übertragbarkeit haben sich die Globalisierungs- und die Kontingenzthese herauskristallisiert. 90 Während Vertreter der Globalisierungsthese der Meinung sind, daß Lean Management ein kulturneutrales Managementkonzept darstellt und problemlos auf den jeweiligen Kulturkreis übertragbar ist, 91 sind die Anhänger der Kontingenzthese der Auffassung, daß eine Übertragung der LeartManagement-Philosophie an den kulturellen Unterschieden, vergegenwärtigt durch das Spannungsfeld zwischen Kollektivismus und Individualismus, scheitert. Deutlich werden die konträren Meinungen an der Transplant-Argumentation. 92 Transplants stellen Tochtergesellschaften japanischer Automobilhersteller im Ausland dar, die nachweislich einen höheren Zielerreichungsgrad hinsichtlich der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit aufweisen, als dies die in den jeweiligen Ländern heimischen, traditionell geführten Unternehmen tun. 93 Im Gegensatz zu den Universalisten, die darin ihre Aussage bestätigt sehen, argumentieren die Kulturalisten dahingehend, daß die Transplants nur deshalb so erfolgreich sind, weil die Rahmenbedingungen in den jeweiligen Ländern an den entsprechenden Standorten atypisch für die Region sind, aber ähnliche Wirkungen zeigen wie die japanische Kultur. Beispielsweise ist die Arbeitslosigkeit an den Standorten der Transplants relativ hoch, so daß zum einen das gewerkschaftliche Interesse stark geschwächt ist und zum anderen problemlos die den Wertvorstellungen entsprechenden Mitarbeiter selektiv akquiriert werden können. Insofern sehen sich die Kulturalisten in ihrer Kernaussage bestätigt, daß eine generelle interkulturelle Übertragung des Lean-ManagementKonzepts nicht möglich ist, sondern lediglich auf atypischen regionalspezifischen Rahmenbedingungen einen geeigneten Nährboden findet. Zwischen der Globalisierungsthese und der Kontingenzthese steht die Äquivalenzthese 94 . Die Äquivalenzthese geht davon aus, daß eine Übertragung des Lean-Management-Gedankens immer dann gewährleistet ist, wenn die betrachteten Gesellschaften funktionaläquivalent sind, d.h. von den unterschiedlichen kulturellen, religiösen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen die gleichen Wirkungen ausgehen. 95 Da aber zwei Gesellschaften niemals vollständig funktional-äquivalent sind, dies liegt z.B. an der bereits diskutierten Diskrepanz zwischen Individualismus und Kollektivismus, müssen hinsichtlich einer spiegelbildlichen Übertragung immer Zugeständnisse gemacht
8 9
Vgl. BLOECHETAL. ( 1 9 9 8 ) , S. 338.
9 0
V g l . CORSTEN/WILL ( 1 9 9 3 ) , S. 71 f. Zu den folgenden Ausführungen vgl. BOGASCHEWSKY/
9 1
Zu den Globalisierern zählen auch d i e Autoren der M I T - S t u d i e .
ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S. 1 2 6 f.
9 2
V g l . ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S . 1 9 3 .
9 3
V g l . WOMACK/JONES/ROOS ( 1 9 9 2 ) , S . 9 7 und 165.
9 4
V g l . hierzu ausführlich ROLLBERG ( 1 9 9 6 a ) , S . 2 0 2 f.
9 5
V g l . PFEIFFER/WEISS ( 1 9 9 2 ) , S . 159.
90
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
werden. Jedoch sind im eingangs dargestellten Wertewandel Entwicklungen festzustellen, die das bestehende Funktional-Äquivalenz-Lag zu schließen vermögen. So tritt z.B. neben einer rein materialistischen Bedeutung der Arbeit zunehmend das Streben nach Selbstverwirklichung und Arbeitsqualität in den Vordergrund der Betrachtung. Klassische Tugenden wie Pünktlichkeit und Gehorsam werden durch neue weiche Faktoren wie Teamfähigkeit und Informationsoffenheit ergänzt. Fälschlicherweise wird der Grund für den sich abzeichnenden Wandel von der Arbeits- und Leistungsorientierung hin zu einer Freizeitorientierung in einem Verfall der Arbeitsmoral gesehen. Stattdessen liegt die Ursache hierfür in den enttäuschten Hoffnungen auf Selbstverwirklichung. 96 So kann nicht nur der Kollektivismus die Basis zur Gruppenarbeit sein, vielmehr können auch unbefriedigte soziale Bedürfnisse die Bereitschaft zur Gruppenarbeit stärken. Nicht nur der geographische Mangel an Rohstoffen läßt eine Kultur der Verschwendungsvermeidung entstehen, sondern auch das ökologische Bewußtsein für die globale Ressourcenknappheit. 97 Ferner kann das Streben nach Selbstbestätigung und Selbstverwirklichung dazu beitragen, Verantwortung zu übernehmen, und somit die Bereitschaft, Verbesserungsvorschläge einzubringen, erhöhen. Insofern verhält sich der Individualismus funktional-äquivalent zum japanischen Loyalitätsgedanken, der durch die Sicherstellung der lebenslangen Betriebszugehörigkeit die Mitarbeiter motiviert, Verbesserungsvorschläge ohne Rücksicht auf das ihnen inhärente Rationalisierungspotential zu äußern. 98 Aus den vorangehenden Ausführungen wird deutlich, daß grundsätzlich der Äquivalenzthese zuzustimmen ist. Während die Universalisten blind die Übertragbarkeit des Lean-Management-Konzepts propagieren, scheinen die Kulturalisten nicht das zentrale schlanke Prinzip, die Pionierorientierung in ihrer vollen inhaltlichen Bedeutung erkannt zu haben. Zur Erinnerung: Pionierorientierung bedeutet Veränderungsbereitschaft nach innen und nach außen. Dementsprechend sind entsprechend den jeweiligen kulturellen Anforderungen die schlanken Prinzipien und ihre Instrumente anzupassen. So sieht eine westliche Teamkonzeption natürlich anders aus als eine japanische, in der der mächtige Teamleiter und der hohe Gruppendruck ein Streben nach Selbstverwirklichung konterkarieren." Vielmehr ist hier ein Kompromiß zwischen den sehr freien schwedischen Teamstrukturen, die in der Vergangenheit eher unproduktiv waren, und den teilhierarchisierten japanischen Gruppenstrukturen in Form teilautonomer Gruppenarbeit zu finden. 1 0 0
96
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 128.
97
Vgl. VENTZKE(1994), S . 4 1 .
9 8
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S. 129.
9 9
V g l . GROTH/ICAMMEL ( 1 9 9 4 ) , S. 4 8 .
1 0 0
V g l . GROTH/KAMMEL ( 1 9 9 4 ) , S. 49.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
3.2.1.3.2
Konzepte
91
Lean M a n a g e m e n t zwischen Ökonomie und Ökologie
Dem systemtheoretischen Ansatz zufolge kann ein Unternehmen als ein offenes, soziales System verstanden werden, welches durch spezifische Austauschbeziehungen mit seiner Umwelt verbunden ist. Die Umwelt eines Unternehmens, die als Umsystem bezeichnet wird, setzt sich aus einem natürlichen und einem vom Menschen geschaffenen, anthropogenen Teil (z.B. sozio-kulturelles Umfeld, politisches Umfeld usw.) zusammen. Der natürliche Teil besteht aus den Umweltfaktoren Boden, Luft, Wasser, Pflanzen- und Tierwelt und umfaßt alle Ökosysteme, die in Beziehungen zum betrachteten Unternehmen stehen. 1 0 1 Die Einwirkungen der Unternehmen als offene Systeme auf ihre Umwelt sind entweder neutral oder lösen Anpassungsreaktionen und damit eine Veränderung der Umweltfaktorzustände aus. 1 0 2 Um die ursprünglichen Umweltfaktorzustände zu bewahren, bedarf es somit eines umfassenden Umweltschutzes, worunter die Gesamtheit aller Maßnahmen zu verstehen ist, die „Behörden, Unternehmen und Privatpersonen ergreifen, um die Lebensgrundlagen Luft, Boden und Wasser, ihre Zusammenhänge untereinander sowie das Leben von Mensch, Tier und Kleinlebewesen in ihnen (...) vor nachhaltiger Verschmutzung zu schützen" 1 0 3 . Umweltbelastungen entstehen durch den zunehmenden Einsatz natürlicher Ressourcen und durch die Einbringung industrieller Reststoffe, die aufgrund der anfallenden Mengen oder der Konsistenz nicht mehr von der Natur abgebaut werden können. Neben diesem quantitativen Aspekt des „Müllproblems" stellt auch die Toxizität der Stoffe in zunehmendem Maße eine Gefahr für die natürliche Umwelt dar. Ferner trägt der steigende Energieverbrauch über den Einsatz fossiler Energieträger wesentlich zu der als Treibhauseffekt bekannten Erwärmung der Erdatmosphäre bei. Weitere umweltbelastende Entwicklungen sind der Anstieg des Flächenverbrauchs für menschliche Nutzung und ständig steigende Zuwachsraten in der Verkehrsentwicklung. Generell gilt, daß umweltpolitische Ziele in Deutschland nach dem •
Vorsorge-,
•
Verursacher- und
•
Kooperationsprinzip
realisiert w e r d e n . 1 0 4 Während das Vorsorgeprinzip postuliert, Umweltschäden möglichst schon vor dem Entstehen durch umweltpolitische Maßnahmen zu verhindern, zielt das Verursa1 0 1
V g l . M A T Z E L ( 1 9 9 4 ) , S. 11.
102
vgl.
1 0 3
N I C K E L / S C H M I D T ( 1 9 9 0 ) , S. 2 4 4 f f .
1 0 4
V g l . MEFFERT/KIRCHGEORG ( 1 9 9 8 ) , S . 1 0 4 f f .
FRIEDEMANN
(1998), S. 12 ff.
92
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
cherprinzip darauf ab, den Verursacher von Umweltbelastungen auch mit den Kosten der Beseitigung und/oder des Ausgleichs zu belasten (Internalisierung externer Effekte 1 0 5 ). Im Rahmen des Kooperationsprinzips soll durch Mitwirkung und Verantwortung aller Betroffenen die Durchsetzung von umweltpolitischen Maßnahmen sichergestellt werden. Einen großen Schritt zu einer „marktwirtschaftlichen" Umweltpolitik stellt die im Juli 1993 erlassene „Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung" dar, welche bei konsequenter Befolgung Impulse für ein Sustainable Development 106 geben kann. Neben der Einhaltung der geltenden Umweltvorschriften muß ein Umweltmanagement aufgebaut werden, das Umweltbelastungen in dem Ausmaß verringert, wie es sich mit der wirtschaftlich vertretbaren Anwendung der besten verfügbaren Technik erreichen läßt. 107 Die Verordnung betont die umweltbezogene Eigenverantwortung der Unternehmen und zielt auf eine kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes ab. Auffallend ist, daß im Rahmen der Lean-Management-Philosophie kein expliziter Hinweis auf eine ökologische Denkweise oder auf den Grundsatz der Umweltorientierung zu finden ist. Häufig wird dies als fehlende Umweltbetrachtung des LeanManagement-Ansatzes interpretiert, 108 was aber keineswegs der Fall ist. Der Entwicklung einer immer restriktiver werdenden staatlichen Umweltpolitik tragen schlanke Unternehmen durch ihr proaktives Denken Rechnung. Indem schlanke Unternehmen vorausschauend agieren, statt ex post zu reagieren, sind sie potentiell i.d.L., umweltpolitische Entscheidungen vor Inkrafttreten von Verordnungen und Bestimmungen zu erkennen, um so frühzeitig die für die Zukunft geforderten Anpassungen umsetzen zu können. Durch diese implizite „Ökologisierung" ergibt sich für das schlanke Unternehmen die Chance, unumgänglich Investitionen mit Produktivitätsvorteilen zu verbinden. Denn werden die Umweltschutzaktivitäten frühzeitig geplant, Änderungen im Sortiment und in der Produktionsumstellung langfristig vorbereitet, können Kosten vermieden und Zeit- und Qualitätsvorteile gegenüber der Konkurrenz erzielt werden. 1 0 9 Unternehmen, die statt dessen unter hohem Zeitdruck Umwelt-
105
Vgl. K.EUPER (2000d), S. 244 ff.
106
Sustainable Development bedeutet, daß dem Planeten Erde nur soviel zu entnehmen ist, wie auch nachwachsen kann (Prinzip der Nachhaltigkeit). Weiterhin ist mit nicht-regenerativen Rohstoffen und Energiequellen so schonend wie möglich umzugehen (Prinzip der Sparsamkeit). Umwelt- und ressourcenschonende Technologien sind zu fördern (Prinzip der sanften Technologien), dem Bevölkerungswachstum ist entgegenzutreten, und die Vernichtung der Artenvielfalt und die Zerstörung der natürlichen Ökosysteme ist aufzuhalten. Vgl.
1 0 7
V g l . FICHTER ( 1 9 9 5 ) , S . l .
1 0 8
V g l . H A N S M A N N ( 1 9 9 9 ) , S. 2 3 0 .
109
Vgl. MEFFERT/KIRCHGEORG (1998), S. 199.
STAHLMANN ( 1 9 9 5 ) .
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
93
schutzanpassungen vornehmen müssen, überfordern aufgrund der Komplexität der Problematik meist ihre Mitarbeiter, in kurzer Zeit geeignete Problemlösungen zu entwickeln und im Unternehmen durchzusetzen. Auch im sensitiven Denken ist bereits ein ökologisches Denken latent enthalten. Sensitives Denken beinhaltet Informationsoffenheit nach innen und nach außen, auch gegenüber kritischen Umweltfaktoren. So hätte beispielsweise die SHELL AG mit einer sensitiv denkenden Unternehmensfuhrung sicherlich früher auf die öffentlichen Proteste im Jahr 1995 gegen das Versenken der Ölbohrinsel BRENT SPAR reagiert, wodurch der mit der geplanten Versenkung der Bohrinsel verbundene Imageverlust und die daraus folgende Vertrauenskrise hätten vermieden werden können.' 1 0 Das Beispiel zeigt, daß die ausschließliche Einhaltung umweltbezogener staatlicher Auflagen häufig nicht ausreichend ist, vielmehr bedarf es eines sensitiven Denkens, das zu einem offenen, umweltorientierten Dialog mit den Anspruchsgruppen, insbesondere den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit, auffordert. Sensitiv denkende Manager sind i.d.L., sowohl die durch gesellschaftlichen Wertewandel initiierten Marktchancen zu sehen als auch Forderungen der Belegschaft nach mehr Umweltschutz zu erkennen und nach dem Grundsatz der Veränderungsbereitschaft umzusetzen. In einer Zeit massiver Arbeitsplatzbedrohung und sensibilisierten Kostenbewußtseins kann die Einfuhrung von Umweltschutzmaßnahmen allerdings auch zu Irritationen bei den Mitarbeitern führen. 1 1 1 Damit die Mitarbeiter den betrieblichen Umweltschutz nicht als Verschärfung des vorhandenen Arbeitsplatzrisikos wahrnehmen, sind offene Dialoge und aktive Aufklärung und Kommunikation von Bedeutung. Ökonomisches Denken bedeutet die Vermeidung jeglicher Verschwendung. Da Verschwendung vor allem auf der materiellen Ebene mit unnötiger Umweltbelastung einhergeht, erfährt die Umweltorientierung in diesem Bereich Unterstützung. Allerdings stellt die ökonomische Denkweise stets die Kosten-Nutzen-Relation in den Vordergrund. So wird der Umweltschutz nur so weit implementiert werden, wie den Kosten auch entsprechende Vorteile für das Unternehmen entgegenstehen. Nutzen durch Umweltschutz entsteht dem Unternehmen z.B. durch •
Vermeidung von haftungsrechtlichen Strafen,
•
Verbesserung des Unternehmens- und Produktimages gegenüber einer ökologisch sensibilisierten Öffentlichkeit,
•
Einsparung von Material- und Energiekosten,
•
Entdeckung ökologischer Produkt- und Verfahrensinnovationen,
•
Erhöhung der Motivation und damit Vermeidung von Fluktuation qualifizierter Mitarbeiter sowie
110
Vgl. MEFFERT/KlRCHGEORG (1998), S. 100 f.
111
Vgl. B U R S C H E L ( 1 9 9 6 ) , S. 9.
94
•
3 Erfolg.sfaktorzentrierte
Konzepte
durch eine Entlastung von zu erwartenden Umweltabgaben.
Nach der potentialorientierten Denkweise versucht das schlanke Unternehmen, alle verfügbaren Ressourcen zu erschließen. Insofern zielt ökologieorientiertes Potentialdenken darauf ab, bereits vorhandenes umweltorientiertes Wissen der Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und sonstiger Dienstleister zu akquirieren und in die Produkt- und Prozeßgestaltung einfließen zu lassen. Auch die Berechtigung auf Inanspruchnahme umweltbezogener staatlicher Finanzierungshilfen (z.B. Sonderabschreibungen) ist zu prüfen. Das Prinzip der ganzheitlichen Denkweise unterstützt ebenfalls eine umweltorientierte Unternehmensführung. Die Umweltverschmutzung ist eine äußerst komplexe Problematik. Jede Aktion löst z.T. eine unübersehbare Kette von Wirkungen und Wechselwirkungen aus, die sich nicht auf einen Bereich beschränken lassen. Im Sinne einer ganzheitlichen Denkweise ist daher jede partialanalytische Betrachtung mit Fehlern und Unzulänglichkeiten behaftet. 112 Eine vorausschauende und ganzheitliche Betrachtungsweise fuhrt zu der Forderung nach integriertem Umweltschutz. Dieser geht von dem konzeptionellen Grundsatz aus, daß der Umweltbereich nicht als isolierter Handlungssektor verstanden werden darf, sondern daß in enger Kooperation mit anderen Sektoren Lösungen erarbeitet werden müssen, welche die Verursachungsstrukturen so verändern, daß Umweltbelastungen gar nicht erst entstehen können. Insofern versucht der integrierte Umweltschutz als ökologische Konkretisierung der ganzheitlichen Denkweise, die Ursachen der Umweltbelastungen zu beseitigen. Aus der vorangehenden Analyse wird deutlich, daß ökologisches Denken den fünf klassischen Denkprinzipien schlanker Unternehmen keinesfalls konfliktär gegenübersteht. Auch eine Erweiterung der klassischen Denkprinzipien schlanker Unternehmensführung um eine ökologische Denkweise als sechstes schlankes .Denken erscheint wenig zweckmäßig, da den klassischen Denkprinzipien schlanker Unternehmensführung das umweltorientierte Denken inhärent anhaftet. Eine explizite Aufnahme einer ökologischen Denkweise hätte letztlich rein plakative Wirkung und würde u.U. sogar den zweckmäßigen ökonomischen und ökologischen Interpretationsspielraum einengen sowie einer aus dem Abstraktionsgrad der Denkprinzipien bedingten intensiven intellektuellen Auseinandersetzung entgegenstehen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, daß eine explizite Formulierung eines neunten schlanken Grundsatzes - Ökologieorientierung - unterbleibt. Gäbe es einen solchen Grundsatz, so müßte er jedoch wie folgt definiert sein: •
112
Die einschlägigen Umweltgesetze werden eingehalten, und anstehende Verschärfungen werden antizipiert und vor ihrer Gültigkeit umgesetzt (Pionier-, Prozeßund Wertschöpfungsorientierung).
Vgl. JEHLE(1996), S. 206 f.
3 Erfolgsfaktororientierte
Konzepte
95
•
Das Unternehmen ist zu einem offenen Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen (Öffentlichkeit, Kunden und Lieferanten) bereit. Hierbei aufkommende Anforderungen werden ernst genommen und im Sinne von Veränderungsbereitschaft auf Realisierbarkeit und Kosten-Nutzen-Relation geprüft (Pionier-, Prozeß-, Kunden-, Mitarbeiter-, Lieferanten- und Wertschöpfungsorientierung).
•
Ökonomische Vorteile, die durch ein ökologisches Verhalten entstehen, sind auszuschöpfen. Dies meint u.a. die Ausnutzung von umweltbezogener staatlicher Förderung, aber auch den Aufbau eines umweltfreundlichen Images durch geeignete Kommunikationspolitik. Marktchancen und Kundenpotential im Bereich von Umweltprodukten sind aufzudecken und zu erschließen (Pionier-, Prozeß-, Kunden-, Mitarbeiter-, Lieferanten-, Wertschöpfungs-, Zeit- und Simplexitätsorientierung).
•
Umweltschutz wird als ganzheitliche, funktionsübergreifende Aufgabe betrachtet, nach der Umweltbelastungen bereits an der Wurzel bekämpft werden sollen. Dies setzt eine prozeßorientierte Erstellung kompletter Stoff- und Energiebilanzen als Informationsgrundlage voraus (Prozeßorientierung). 1 1 3
•
Der Umweltschutz soll im Unternehmen in Form eines „Umweltkaizen" 1 1 4 kontinuierlich in kleinen, beherrschten Schritten verbessert werden (Prozeßorientierung).
Wird dieser „virtuelle Grundsatz einer Ökologieorientierung" näher betrachtet, so wird deutlich, daß in den bereits dargestellten schlanken Prinzipien (Kunden-, Mitarbeiter-, Lieferanten-, Prozeß-, Wertschöpfungs-, Zeit-, Simplexitäts- und Pionierorientierung) eine Ökologieorientierung latent enthalten ist. Daher gilt in Analogie zu den schlanken Denkweisen, daß auch bei den schlanken Grundsätzen eine explizite Hinzunahme des Grundsatzes der Ökologieorientierung keinen wesentlichen Nutzen gegenüber der in den klassischen schlanken Grundsätzen latent enthaltenden Umweltorientierung brächte. Entsprechend dem schlanken Philosophie-Strategien-Maßnahmen-Ansatz ist zu analysieren, wie anhand der abstrakten (ökologischen) Denkweisen und Grundsätze schlanke ökologische Strategien abgeleitet werden können und wie diese charakterisiert sind. Eine umweltorientierte schlanke Basisstrategie läßt sich durch •
die Anpassungsintensität,
•
die Verhaltensbezugsebene,
•
den Zeitbezug der Strategieentwicklung und Maßnahmenrealisierung,
•
die Art der Strategieentwicklung und
113
Vgl. STR£BEL(1992), S . 4 .
114
V g l . BUTTERBRODT/GOGOLL/TAMMLER ( 1 9 9 5 ) , S. 106.
96
•
3 Erfolgsfaktorzentrierle
Konzepte
die Form der Durchsetzung der Strategie
beschreiben. Als erstes Merkmal wird die Anpassungsintensität angeführt, welche mit den Ausprägungen aktiv und passiv beschrieben werden kann. Ein passives Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, daß keine Umweltschutzstrategie implementiert und auch keine Umweltschutzaktivitäten auf der operativen Verhaltensebene realisiert werden. 1 1 6 Aktiv bedeutet hingegen, daß Unternehmen grundsätzlich einen langfristigen Verhaltensplan zum Umweltschutz entwickeln. Schlanke Unternehmen werden sich bezüglich der Anpassungsintensität sicherlich aktiv verhalten, was sich zwangsläufig aus der Kunden- und Pionierorientierung ergibt, d.h. sie werden Umweltschutzerfordernisse grundsätzlich in der Unternehmensstrategie berücksichtigen. Aktiv agierende Unternehmen können sich dabei, bezogen auf das Aktivitätsniveau, adaptiv oder innovativ verhalten. Bei einem aktiv adaptiven Verhalten erfüllen die Unternehmen lediglich die aktuellen Forderungen unterschiedlicher Anspruchsgruppen. Ein innovatives Verhalten kennzeichnet Unternehmen, die einen „eigenständigen Beitrag zur Lösung von Umweltproblemen leisten" 117 . Insofern beschreibt das Aktivitätsniveau die Intensität, mit der das Unternehmen die Veränderung des Umsystems in seine Strategieplanung einbezieht. Da schlanke Unternehmen durch das ökonomische und sensitive Denken beeinflußt werden, werden sie versuchen, staatliche Auflagen und gesellschaftliche Forderungen zu antizipieren. Insofern wird ein Mindestmaß der Ökologieorientierung (adaptives Aktivitätsniveau) in schlanken Unternehmen gewährleistet. Die Erfüllung aktueller ökologischer Ansprüche, die über das Maß hinausgehen, werden nach dem ökonomischen Denken als Overengineering und damit als „Verschwendung" aufgefaßt und spielen in schlanken Unternehmen eher eine untergeordnete Rolle, 1 1 8 es sei denn, daß im Rahmen von proaktivem Denken ein kurzfristiges, unhonoriertes, umweltorientiertes Overengineering mittel- und langfristig Wettbewerbsvorteile aufbauen kann. Ein weiteres Strategiemerkmal ist die Verhaltensbezugsebene, welche die Ausprägung intern oder extern annehmen k a n n . 1 E i n e Ausrichtung auf den internen Bereich trägt zur Vermeidung bzw. Verminderung von Umweltbelastungen bei und ist z.B. durch die Sensibilisierung der Mitarbeiter auf Umweltschutzprobleme im sensitiven Denken festgehalten. Ein solches Verhalten berücksichtigt jedoch nicht die gesellschaftliche und wettbewerbsstrategische Relevanz des Umweltschutzes. Insofern 115
Vgl. MEFFERT/KIRCHGEORG ( 1 9 9 8 ) , S. 198 ff.
116
Es kann sogar mit Gegenreaktionen auf verstärkte Umweltschutzforderungen verbunden sein, vgl. MEFFERT/KIRCHGEORG ( 1 9 9 8 ) , S. 198.
117
MEFFERT/KIRCHGEORG (1998), S. 198.
118
Vgl. GRAF ( 1 9 9 6 ) , S. 193.
119
Vgl. MEFFERT/KIRCHGEORG ( 1 9 9 8 ) , S. 198.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
97
wird von schlanken Unternehmen hinsichtlich dieser Verhaltensbezugsebene nicht nur eine interne, sondern auch eine externe marktgerichtete Strategie gewählt, da letztere u.a. die Forderungen des entwickelten Grundsatzes nach Entdeckung und Erschließung von Marktchancen und nach einem offenen Dialog mit allen Anspruchsgruppen berücksichtigt. Eine besonders relevante strategische Grunddimension stellt der Zeitbezug dar. 1 2 0 Hierbei wird der strategische Handlungsspielraum mit den Begriffen reaktiv und proaktiv beschrieben. Reaktiv bedeutet, daß das Unternehmen erst bei akuter Betroffenheit auf Umweltschutzforderungen reagiert. Dieses meist kostspielige und ineffiziente Kurieren an Symptomen widerspricht dem ökonomischen und proaktiven Denken. Schlanke Unternehmen werden bereits erste schwache Signale zukünftiger Umweltschutzforderungen antizipieren und eigenständig die Initiative ergreifen, um Konzepte zu ihrer Erfüllung zu entwickeln und umzusetzen. Ein solches Verfahren wird mit proaktivem Zeitbezug beschrieben und kann weiter in kontingenzaktives und initiativaktives Unternehmensverhalten differenziert werden. 1 2 1 Das initiativaktive Umweltschutzverhalten ist durch ein autonomes Streben der Unternehmen nach einer Vorreiterposition im Umweltschutz gekennzeichnet. Kontingenzaktives Verhalten zeichnet sich hingegen dadurch aus, daß gemäß dem Prinzip der robusten kleinen Schritte (Umweltkaizen) eine Anpassung an zu erwartende Umweltschutzanforderungen erfolgt, wobei Unternehmen Flexibilitätspotentiale aufbauen, um auf unterschiedliche Umweltkonstellationen, die in der Zukunft eintreten könnten, geplant reagieren zu können. 1 2 2 Grundsätzlich sind beide Verhaltensweisen für ein schlankes Unternehmen denkbar. Allerdings wird entsprechend dem Prinzip der Prozeßorientierung, das schwerpunktmäßig die kontinuierliche Veränderungsbereitschaft beinhaltet, eine beherrschte Vorgehensweise in kleinen Schritten in Form eines Kontingenzverhaltens eher wahrscheinlich sein. Hinsichtlich der Art der Strategieentwicklung ist zwischen isolierter, d.h. lediglich partieller Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen in einzelnen Unternehmensbereichen (z.B. der Produktion), und integrierter Umweltschutzstrategie zu unterscheiden. 1 2 3 Nach dem Prinzip des ganzheitlichen Denkens und der darin enthaltenen Festlegung auf ein ganzheitliches, integriertes Umweltkonzept werden schlanke Unternehmen eine funktions- und unternehmensübergreifende Einführung von Umweltschutzprogrammen vornehmen (integrierte Strategie). 1 2 4
120
Vgl. MEFFERT/KIRCHGEORG (1998), S. 199.
121
Vgl. MEFFERT/KIRCHGEORG (1998), S. 199.
1 2 2
V g l . MEFFERT/KIRCHGEORG ( 1 9 9 8 ) , S. 1 9 9 .
123
Vgl. MEFFERT/KIRCHGEORG (1998), S. 200.
124
Vgl. ADAMS/MAIER (1993), S. 74.
98
3 Erfolgsfaktorzenlrierte
Konzepte
Bei der Durchsetzung von Strategien besteht die Möglichkeit, individuell vorzugehen oder kooperativ mit anderen Unternehmen eine Verhaltensabstimmung in Form eines Branchenabkommens als rechtlich unverbindliche Selbstverpflichtung vorzunehmen. Eine allgemeine Aussage hinsichtlich des strategischen Verhaltens schlanker Unternehmen innerhalb einer Branche ist nicht möglich, da dies zu stark von der Unternehmens- und branchenspezifischen Situation abhängt. Wird allerdings die Durchsetzung von ökologischen Strategien vor dem Hintergrund der bereits dargestellten vertikalen Wertschöpfungspartnerschaften diskutiert, ist eher von einem kooperativ abgestimmten Verhalten auszugehen. Generell kann aufgrund der vorangehenden Analyse in schlanken Unternehmen von einer offenen Umweltschutzstrategie ausgegangen werden. Während ein defensives Verhalten durch ein Nicht- oder nur verzögertes Erfüllen von staatlichen und gesellschaftlichen Umweltschutzforderungen gekennzeichnet ist, werden bei einer offensiven Strategie die ökologischen Forderungen a priori im Planungsprozeß aller betrieblichen Bereiche berücksichtigt. 125 Eine offensive Umweltschutzstrategie ermöglicht es schlanken Unternehmen zudem, gleichzeitig ökonomische und ökologische Maßnahmen im Hinblick auf eine effektive und effiziente Marktbearbeitung zu ergreifen. Zu den schlanken „ökologieorientierten" Maßnahmen zählt beispielsweise die intensive Marktbeobachtung und das Quality Function Deployment 1 2 6 , mit denen ökologische Produktanforderungen schnell und direkt erkannt werden können. Entsprechend der kundenorientierten Grundausrichtung des Lean-Management-Ansatzes werden diese Erkenntnisse rasch in Produktkonzepte umgesetzt, so daß letztlich „alte, schädliche" Produkte schneller vom Markt genommen werden, als dies bei üblicher Massenproduktion der Fall gewesen wäre. 127 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß ein aggressiver Verkauf vor allem auf eine Ausweitung des Produktions- und Absatzvolumens abzielt, was indirekt zu einer Ausweitung der Emissionslast' 2 8 führt. Durch die umfassende Kundenbetreuung, auch nach Vertragsabschluß, wird dem Kunden der Umgang mit seiner Ware genauestens erläutert, wodurch sich die Lebensdauer der Produkte verlängern kann und somit in gleicher Zeit weniger unbrauchbare Altgeräte entsorgt werden müssen. Ferner können dem Kunden während der Verkaufsphase im Rahmen der Produkterläuterung die ökologischen Vorteile der
125
V g l . Kl.OOCK (1993), S. 191 und KEUPER (2000d), S. 251 ff.
126
Vgl. Abschnitt 3.2.2.3.2.2.
127
Vgl. STAUDT/KRIEGESMANN/FISCHER (1992), s. 337.
128
D e r B e g r i f f Emission s t a m m t v o m lateinischen W o r t emissio : d a s E n t s e n d e n , Herauslassen ab. Im n a c h f o l g e n d e n wird der B e g r i f f Emission im weiten Sinne v e r w e n d e t , so d a ß unter Emiss i o n e n alle Arten u n e r w ü n s c h t e n O u t p u t s s u b s u m i e r t werden, vgl. BANK ( 1 9 9 4 ) , S. 311. Zu den unterschiedlichen E m i s s i o n s a r t e n vgl. KEUPER (1999), S. 158 f.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
99
betrachteten Waren eingehend nähergebracht werden, so daß der Abnehmer eher bereit ist, umweltschädlichere durch umweltfreundlichere Produkte zu substituieren. 129 Der modulare Aufbau schlanker Produkte erhöht nachhaltig die Reparaturfreundlichkeit, was sich wiederum positiv auf die Lebensdauer des Gesamtproduktes auswirkt. Gleichzeitig reduziert sich die Demontageproblematik,130 so daß die Trennung der Materialien und damit die umweltgerechte Aufbereitung und Entsorgung erleichtert wird.' 3 ' Grundsätzlich fuhren schlank organisierte Unternehmen zu einer Veränderung der Transportbeziehung. An die Stelle einer breit gefächerten Zuliefererschar tritt eine pyramidisierte Struktur. Inwieweit durch diese Umstrukturierung positive oder negative Effekte auf die Umweltverträglichkeit der Transportbeziehung zu verzeichnen sind, hängt von der jeweiligen, bis dato vorherrschenden Organisation ab. 1 3 2 Häufig rücken die Systemlieferanten näher an den schlanken Hersteller heran, da dies die Koordinationskomplexität zwischen Lieferant und Abnehmer reduziert. Allerdings wird dieser Vorteil durch den Trend zum Global Sourcing häufig weit überkompensiert. Ferner fuhrt die Verkleinerung der Transportlose im Rahmen von Just-in-TimeStrategien zu einer Verlagerung der Lagerhaltung auf die Straße und damit zu einem Anstieg des Emissionsaufkommens. Im Gegensatz dazu bewirkt das Streben, unnötiges Handling zu vermeiden, daß im Rahmen eines Kreislaufsystems wiederverwendbare Transportvorrichtungen und Verpackungen (ähnlich dem Kanban-System) eingesetzt werden. 1 3 3 Durch die konsequente Vermeidung eines Overengineering in der Forschung und Entwicklung wird der Materialbedarf durch eine entsprechende Zielkostenplanung auf ein (kundenorientiertes) Minimum reduziert. Gleichzeitig wird der Funktionsumfang der zu konstruierenden Produkte im Rahmen des Value Engineering auf das notwendige Maß beschränkt, so daß der kundenorientierte mit dem minimal erforderlichen Funktionsumfang äquivalent ist. Cross-functional-Teams tragen dazu bei, daß produktions- und entsorgungsspezifische Aspekte bei der Konstruktion von vornherein Berücksichtigung finden, so daß die Verbrauchsfaktormengen in der Produktion und die notwendige Energie für die Entsorgung verringert werden. Standardisierung und Normung ermöglichen rasch, Lernkurveneffekte zu erzielen und somit den Ausschuß zu reduzieren.
129
130
Vgl. FLEIG (1998), S. 101. v g l . zu d e n A n f o r d e r u n g e n an eine umweltorientierte, d e m o n t a g e f r e u n d l i c h e P r o d u k t k o n struktion ADAM ( 1 9 9 8 ) , S. 109 f.
131
Vgl. zu den unterschiedlichen Arten des R e c y c l i n g s K.EUPER ( 2 0 0 0 c ) , S. 54 f.
132
Vgl. FLEIG (1998), S. 130 f.
133
Vgl. INSELKAMMER (1993), S. 69 ff.
100
3 Erfolgsfaklorzentrierle
Konzepte
Das Null-Puffer-Prinzip verhindert, daß Vor- und Zwischenprodukte altern oder verderben, so daß der Ausschuß verringert wird. Im Gegensatz dazu steigert die hohe Variantenvielfalt die notwendigen Produktionswechsel auf den Maschinen mit der Konsequenz, daß die Rüstabfälle und die Anzahl an Reinigungsvorgängen steigen. Die teamorientierte Fertigungsorganisation und das gut ausgebildete Personal ermöglichen einen ressourcenschonenden Umgang mit den Materialien und Betriebsmitteln. So kann das Gruppenverhalten über die Vorbildfunktion einzelner Druck auf die Einhaltung von Umweltschutzrichtlinien ausüben bzw. die Verschwendung von Materialien vermeiden. Ferner besteht die Möglichkeit, über Budgets die Verantwortung für die „Verschwendung" auf die Prozeßverantwortlichen zu übertragen um somit von außen der Verschwendung entgegenzutreten. 134 Sämtliche organisatorischen, technischen und prozessualen Qualitätssicherungsinstrumente dienen der Vorbeugung von Ausschuß. Qualität wird nicht ex post hineingeprüft, sondern ex ante kontinuierlich entwickelt und produziert. Insofern müssen bei der internen und externen Materialbeschaffung keine Zuschläge für fehlerhafte Teile und Baukomponenten eingeplant werden (Kanban-Prinzip). Harmonisierte Materialflüsse, wie sie im Rahmen der internen und externen KundenLieferantenbeziehungen unabdingbar sind, fuhren einerseits zu einer Ausweitung des Emissionsaufkommens, da durch zusätzliche Kapazitäten Engpässe beseitigt werden, andererseits aber auch zu einer Verringerung der Emissionen, da der gesamte Materialfluß nun durchweg mit geringeren Intensitäten in Bewegung gehalten werden kann. 1 3 5 Auch eine verzögerte Automatisierung kann dazu führen, daß das Emissionsaufkommen steigt, da auf älteren Maschinen mit höheren Betriebsstoffverbräuchen gerechnet werden muß. Letztendlich benötigen die Gebäude und Grundstücke, die durch die prozessuale, fertigungssegmentierte, enge Layoutplanung kleiner ausfallen als bei konventioneller Fertigung, weniger Energie. Als Fazit bleibt festzuhalten, daß Lean Management konzeptionell keinen Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie darstellt. Vielmehr gilt es, die schlanken Denkweisen und Grundsätze sowohl im Hinblick auf eine Ökologisierung der Ökonomie als auch im Hinblick auf eine Ökonomisierung der Ökologie zu interpretieren, was letztendlich in der altbekannten Kundenorientierung gipfelt.
134
Vgl. I m a i (1992), S. 149.
135
V g l . zur umweltorientierten P r o d u k t i o n s a u f t e i l u n g s p l a n u n g VENTZKE ( 1 9 9 4 ) , S. 9 6 ff.
3 Erfolgsfakíorzenlrierte
3.2.2
Konzepte
101
Total Quality Management - ein überwiegend intrabetriebliches, qualitätszentriertes Managementkonzept
Ebenso wie das Lean-Management-Konzept stellt auch der Total-Quality-Management-Ansatz einen Sammelbegriff für Philosophien, Prinzipien sowie Methoden und Techniken zur effizienten und effektiven Ausgestaltung der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit dar, wobei im Gegensatz zum Lean Management der Schwerpunkt der Betrachtung auf dem Effektivitätsfaktor Qualität liegt.'36
3.2.2.1
Qualitätsbegriffe und Qualitätsdimensionen
Die Vielzahl der in der Literatur verwendeten Qualitätsbegriffe subsumiert G A R V Í N in seiner Meta-Analyse zum Qualitätsbegriff unter fünf Definitionsansätzen: 137 •
Der transzendente Ansatz, der auch als abstrakt philosophisch bezeichnet wird, kennzeichnet die Produktqualität als etwas Einzigartiges und Absolutes. Die Qualität im eigentlichen Sinne kann jedoch aufgrund dieser unscharfen Definition nur subjektive wahrgenommen und verstanden werden.
•
Der produktorientierte Ansatz sieht Qualität als präzise und meßbar an. Qualitätsunterschiede hinsichtlich der Leistungsqualität basieren lediglich auf Differenzen hinsichtlich der quantitativ zu bestimmenden Eigenschaften eines Produkts.
•
Der anwenderorientierte Ansatz basiert auf einem subjektiven, vom Kunden definierten Qualitätsverständnis. Diejenigen Produkte, die die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden besser befriedigen, stellen einen höheren Nutzen dar und weisen somit eine höhere Qualität auf. 1 3 8
•
Der fertigungsorientierte Ansatz bezieht sich auf den Erstellungsprozeß einer Leistung. Qualität ist hierbei gleichzusetzen mit dem Einhalten produktionsseiti-
Zentrale Ursache für die in der Literatur vorherrschende Undurchsichtigkeit des Total Quality Management ist die Verwendung mannigfaltiger Begriffskompositionen. So wird z.B. statt von Total Quality Management von Total Quality Excellence, vgl. MÜLLER (1992), S. 277, von Total Quality Success, vgl. BRYCE (1991), S. 15 ff., von unternehmensweiter Qualitätsverbesserung, vgl. FREHR (1993), sowie von integriertem Qualitätsmanagement, vgl. SEGHEZZI (1994), gesprochen. Zum anderen liegt es daran, daß identische Inhalte des TQMKonzepts, wie beispielsweise die Kundenorientierung, als Element, vgl. RUNGE (1994), S. 55, a l s Baustein,
vgl.
MOLLENHAUER/RLNG
(1992), S. 17 f., oder als tragende net werden.
(1991),
S.
121
f f . , a l s Grundpfeiler,
vgl.
LLNNERT
Säule, vgl. KNOBLAUCH/SCHNABEL (1992), S. 12, bezeich-
1 3 7
V g l . GARVÍN ( 1 9 8 4 ) , S. 2 5 ff., u n d GARVÍN ( 1 9 8 8 ) , S. 4 0 ff.
1 3 8
V g l . JURAN ( 1 9 8 8 ) , S. 2 . 8 ff.
102
3 ErfolgsfakJorzentrierte
Konzepte
ger Anforderungen. Ziel ist es, Fehler im Produktionsprozeß, die den Gebrauchsnutzen des Produktes schmälern, zu verhindern. •
Der wertorientierte Ansatz bezieht sich auf das Preis-/Kosten-Nutzen-Verhältnis.^
Während der transzendente Ansatz aufgrund der fehlenden inhaltlichen Präzision und der mangelnden Operationalisierbarkeit für ein Qualitätsverständnis im Total Quality Management ungeeignet ist, blenden der produkt- und der anwenderorientierte Ansatz die jeweils andere Seite der Qualitätsmedaille aus, so daß diese Ansätze aufgrund der fehlenden ganzheitlichen Betrachtung des Qualitätsverständnisses ebenfalls für eine Verwendung im Total Quality Management zu vernachlässigen sind. Vielmehr ist im Total Quality Management Qualität definiert als die Fähigkeit eines Unternehmens, seine internen und externen Kunden •
produkt-,
•
prozeß-,
•
service- und
•
kontakt- bzw. kommunikationsorientiert
•
kontinuierlich, individuell, vollständig und dauerhaft
zufriedenzustellen. Das Merkmal Produktqualität zielt primär darauf ab, ein Over- bzw. Underengineering zu vermeiden, da ein Overengineering vom Kunden nicht entgolten wird und eine Untererfüllung der Leistungsanforderungen dazu führt, daß die Kunden unzufrieden sind und sich somit nicht langfristig an das Unternehmen binden lassen. Gleichzeitig muß bereits in der Phase der Forschung und Entwicklung bzw. der Konstruktion darauf hingearbeitet werden, daß über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg die kundenorientierte Qualität sichergestellt wird. Entsprechend sind die Produkte so zu konstruieren, daß im Rahmen der Fertigung die Qualität nahezu automatisch erzeugt wird, ohne diese nachträglich hineinzuprüfen, daß im Rahmen der Produktnutzung die Qualität auf konstantem Niveau gehalten wird und daß am Ende des Produktlebenszyklus eine umweltverträgliche Wiederverwertung bzw. Entsorgung im Sinne einer umweltorientierten Qualität ermöglicht wird. 1 4 0 Maßgeblich für die Produktqualität ist die Prozeßqualität, die sich auf die Qualität der direkten und indirekten Leistungsprozesse bezieht. Insofern verfolgt ein qualitätsorientiertes Unternehmen zunächst den anwenderorientierten Ansatz, um die Qualitätsmerkmale herauszufinden, die der Kunde für wichtig hält, um anschließend mit Hilfe des produktorientierten Ansatzes die Merkmale in Spezifikationen zu transformieren, damit auf 1 3 9
V g l . L U C H S / N E U B A U E R ( 1 9 8 6 ) , S . 12.
1 4 0
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S. 1 4 6 .
3 Erfolgsfaktorzenlrierle Konzepte
103
Basis der fertigungsorientierten Qualitätsbetrachtung die Erzeugnisse den Spezifikationen entsprechen. Das Merkmal Servicequalität bezieht sich auf die produktbegleitenden Dienstleistungen, wie z.B. Unterstützung hinsichtlich der Projektplanung, Finanzierungs- und Versicherungsangebote, Garantieleistungen, Entsorgung usw. 1 4 1 Im Gegensatz dazu umfaßt die Kommunikationsqualität alle Arten der Kommunikation zwischen allen Partnern der Wertschöpfungskette bis hin zum Kunden. Aus den vorangehenden Qualitätsdimensionen wird deutlich, daß das Qualitätsverständnis sowohl intern als auch extern orientiert ist. Die kundenorientierte Marktleistung kann nur durch ein auf den internen Bereich konsequent ausgeweitetes Qualitätsverständnis erreicht werden. Da die Kundenerwartungen einem stetigen Wandel unterliegen und zudem der technische Fortschritt kontinuierlich voranschreitet, ist Qualität dynamisch. Insbesondere ist der Total-Quality-Management-Qualitätsbegriff eine relative Größe, die im „subjektiven Empfinden des Kunden vor dem Hintergrund seiner individuellen Anforderungen und auch vor dem Hintergrund eines Vergleichs mit anderen Angebotsleistungen beurteilt wird" 1 4 2 . Da sich die Art und Anzahl der Dimensionen, die dem Erfolgsfaktor Qualität im Zeitablauf zugewiesen wurden, änderten und dementsprechend auch die daran gekoppelten Qualitätsmanagementkonzepte einem Wandel unterlagen, ist es für das Verständnis des aktuellen Total-Quality-Management-Konzepts notwendig, die Evolution des Qualitätsmanagements kurz zu betrachten.
3.2.2.2
Evolution des Qualitätsmanagements
Der Entwicklungsverlauf des Qualitätsmanagements läßt sich an der Evolution des Qualitätswesens und der Evolution der Qualitätsauffassungen verdeutlichen.
3.2.2.2.1
Evolution des Qualitätswesens
Insgesamt können fünf Entwicklungsstufen des Qualitätswesens unterschieden werden: 1. Qualität durch umfassende (Produkt-)Kontrolle Diese Qualitätsüberwachung war das Ergebnis der Arbeitsorganisation nach TAYLOR, die durch eine strikte Trennung von ausführenden und dispositiven sowie kontrollierenden Tätigkeiten gekennzeichnet ist. Durch nachträgliche Inspektionen von Qualitätsspezialisten wurden Qualitätsmängel beseitigt, um die Auslie-
1 4 1
V g l . T Ö P F E R / M E H D O R N ( 1 9 9 5 ) , S . 3 2 f.
142
Vgl. STEINBACH ( 1997), S. 79.
104
3 Erfolgsfakiorzentrierte
Konzepte
ferung fehlerhafter Endprodukte zu verhindern. Dieser End-of-Pipe-Philosophie liegt ein reaktiver, fertigungsorientierter Qualitätsbegriff zugrunde. 2. Qualität durch statistische Qualitätssicherung Das gestiegene Marktvolumen in den 20er Jahren sowie die gestiegenen Qualitätsansprüche der Abnehmer machten eine wirtschaftliche Endkontrolle aller Produkte unmöglich. Stattdessen wurde zu einer statistischen Qualitätssicherung übergegangen, bei der mit Hilfe von Stichproben die Qualität sichergestellt werden sollte. Durch den Einsatz der Qualitätskontroll- bzw. Regelkarten von S H E W H A R T 1 4 3 konnten die Prüfverfahren vereinfacht und gleichzeitig die Genauigkeit erhöht werden, so daß nicht mehr nur das Endprodukt, sondern auch die Zwischenprodukte an den einzelnen Fertigungsstufen kontrolliert werden konnten. Durch die reaktive Fehlerbeseitigung in vorgelagerten Arbeitsstationen liegt im Hinblick auf die nachfolgenden Bearbeitungsstufen und damit im Hinblick auf das Endprodukt eine proaktive Fehlervermeidungsstrategie vor, so daß insgesamt der statistischen Qualitätssicherung ein tendenziell proaktiver, fertigungsorientierter Qualitätsbegriff zugrunde liegt. 144 3. Qualität durch umfassende Qualitätssicherungssysteme Die zunehmend komplexeren Aufgaben der Qualitätssicherung führten zu der Erkenntnis, daß durch Eingriffe in den Fertigungsprozeß von vornherein Qualitätsmängel zu vermeiden sind und daß nicht mehr nur allein der Fertigungsbereich, sondern auch die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, insbesondere die Hersteller-Zulieferer-Beziehung, von entscheidender Bedeutung sind. Trotz der prozessualen Ausrichtung herrschte jedoch noch immer eine produktbezogene Qualitätsauffassung vor. Ihren Höhepunkt erreichte diese Form der Qualitätssicherung in der Verabschiedung der Normreihe DIN EN ISO 9000 ff. 1 4 5 4. Qualität durch Mitarbeiterorientierung Anfang der 60er Jahre rückte anstelle des externem Prüfpersonals zunehmend der Mitarbeiter als ein am Qualitätsgeschehen Beteiligter in den Vordergrund der Betrachtung. Die Erkenntnis, daß die Mitarbeiter auf operativer Ebene grundsätzlich in der Lage sind, Fehler zu identifizieren und zu beseitigen, sofern sie dazu motiviert und befähigt werden, führte zu den Null-Fehler-Konzepten (z.B. Quality Circles, Participative Quality Control usw.). Allen Ausprägungen dieser Konzepte liegt der Versuch zugrunde, die Effektivität der Organisation durch Prävention zu erhöhen, indem z.B. durch Job Enrichment und Job Enlargement sowie JobRotation-Programme die Eigenverantwortlichkeit und der Blick für den Gesamtzusammenhang gestärkt werden. Qualitätszirkel in denen Mitarbeiter unterschied-
143
SHEWHART ist der B e g r ü n d e r der statistischen Q u a l i t ä t s s i c h e r u n g , vgl. SHEWHART (1925).
144
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 148.
145
Vgl. Abschnitt 3.2.2.3.3.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
105
licher Fertigungsteams gemeinsam Problemlösungen erarbeiten, verdeutlichen den Wandel vom reaktiven, produktorientierten zum proaktiven, fertigungsorientierten Qualitätsverständnis. 5. Qualität durch umfassendes Qualitätsmanagement Die Mehrzahl der westlichen Unternehmen befindet sich nach wie vor in einer der vorgehenden Stufen, obwohl die Erkenntnis, 146 daß Qualität als strategischer Wettbewerbsfaktor ein mehrdimensionales Qualitätsverständnis voraussetzt, sich zunehmend etabliert hat. Den umfassenden Qualitätskonzepten liegt der kundenorientierte TQM-Qualitätsbegriff zugrunde - mit der Konsequenz, daß einerseits der Kunde die Qualität definiert und nicht die Entwicklungsabteilung eines Unternehmens und andererseits sämtliche Qualitätsdimensionen das Bündel Qualität Uber die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet ausmachen.
3.2.2.2.2
Entwicklungsstufen von Ansätzen umfassenden Qualitätsmanagements
Da die aktuellen Total-Quality-Management-Konzepte auf den traditionellen Ansätzen umfassenden Qualitätsmanagements basieren, werden nachfolgend diese Konzeptideen kurz skizziert. •
Ansatz von D E M I N G war einer der ersten, die sich mit Fragen des Qualitätsmanagements beschäftigten. 1 4 7 Ziel seiner Betrachtung ist, die Unternehmensleitung für ein konsequentes Qualitätsstreben zu sensibilisieren, da Qualitätsmängel nicht durch die operative Ebene verursacht werden, sondern letztlich systembedingt sind und damit in den Verantwortungsbereich der Unternehmensleitung g e h ö r e n . M i t Hilfe von Verfahren der Prozeßüberwachung und -Steuerung sowie statistischer Verfahren sollen Fehler proaktiv vermieden werden. Gleichzeitig sind die unternehmensinternen Prozesse durch kontinuierliche Qualitätsverbesserung zu optimieren. Die Kernaussagen dieses Ansatzes werden in den 14 Punkten eines Qualitätsmanagementkonzepts wie folgt zusammengefaßt: DEMING
I. II. III.
Konstante Verbesserung von Produkten und Service durch Innovationen, Forschung, Ausbildung und Instandhaltung! Keine Akzeptanz von Qualitätsmängeln! Kontrolle durch statistische Stichproben während des gesamten Produktionsprozesses!
146
Vgl. STEINBACH (1997), S. 221.
1 4 7
V g l . DEMING ( 1 9 8 2 ) .
148
Vgl. DEMING (1985), S. 14.
106
3 Erfolgsfaklorzentrierte
IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV.
•
Konzepte
Preis-/Lenkungsdenken: Der Preis darf im Herstellungsprozeß nicht allein ausschlaggebend sein! Qualitätsverbesserung ist keine statische, sondern eine dynamische, kontinuierlich auszuführende Aufgabe! Neuorganisation der Aus- und Weiterbildung „on the job"! Einsatz moderner Methoden der Beaufsichtigung! Abbau von Hemmschwellen bei den Mitarbeitern! Abbau von Barrieren zwischen den Abteilungen! Vermeidung quantitativer Vorgaben! Einsatz statistischer Methoden zur kontinuierlichen Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung! Mitarbeiterbezogene Mißstände in der Produktion beheben! Durchführung eines innerbetrieblichen Ausbildungsprogramms! Schaffung einer Organisation, die die Realisierung der Punkte 1 - 1 3 ermöglicht!
Ansatz von JURAN Qualitätsmanagementansatz basiert auf dem proaktiven, anwenderorientierten Qualitätsbegriff „Fitness for Use" 1 4 9 . Dieses Qualitätssicherungskonzept betrachtet damit sowohl die objektiven Produkteigenschaften als auch den subjektiven Gebrauchsnutzen des Kunden, wobei unter Kunden sowohl unternehmensinterne als auch -externe Abnehmer verstanden werden. JURAN erkennt als einer der ersten, daß Qualität ein strategischer Erfolgsfaktor ist, der einen Einkommenseffekt (Effect on Income) sowie einen Qualitätskosteneffekt (Effect in Cost) nach sich zieht, und leitet daraus die Erkenntnis ab, daß es das Ziel der strategischen Unternehmensführung sein muß, ein Gleichgewicht zwischen dem Wert der Qualität und den Kosten der Qualität zu erzielen. 1 5 0 Dieser Ausgleich soll mit Hilfe der Qualitätsplanung, der Qualitätssteuerung und der Qualitätsverbesserung erreicht werden (JURAN-Triology 151 ). Wichtig bei diesem Ansatz ist das Bestreben, Qualitätsmängel monetär zu quantifizieren, um die Prozeßbeteiligten für Qualitäts fragen zu sensibilisieren. Neben statischen Qualitätssicherungsinstrumenten spielt erstmals auch die Motivation der Mitarbeiter als ergänzende Maßnahme eine Rolle. JURANs
•
A n s a t z v o n FEIGENBAUM
betrachtet in seinem als Total Quality Control bezeichneten Ansatz den gesamten Wertschöpfungsprozeß, ausgehend von der Forschung über die Produktion und das Marketing bis hin zum Vertrieb. 1 5 2 Neben der produktorientierFEIGENBAUM
149
Vgl. JURAN (1951), S. 2-2.
150
Vgl. STEINBACH (1997), S. 225.
151
V g l . JURAN ( 1 9 8 6 ) , S. 2 0 .
1 5 2
V g l . FEIGENBAUM ( 1 9 6 1 ) .
3 Erfolgsfaktorzentrieríe Konzepte
107
ten und der anwenderorientierten Qualitätsbetrachtung bezieht FEIGENBAUM explizit auch das Preis-Leistungs-Verhältnis und damit eine wertorientierte Qualitätsauffassung in seine Analyse mit ein. Das Total-Quality-Control-Konzept ist dabei durch sieben Punkte charakterisiert: 153 I.
Qualität ist keine technische Funktion oder Ableitung, sondern ein systematischer Prozeß, der das gesamte Unternehmen durchdringt. II. Qualität braucht einen entsprechenden organisatorischen Rahmen, der sowohl die Qualität am einzelnen Arbeitsplatz als auch die der Zusammenarbeit zwischen Abteilungen sicherstellt. III. Die Idee der Qualitätsverbesserung darf nicht nur auf die Produktion beschränkt bleiben, sondern muß alle Bereiche einer Organisation erfassen. IV. Die Bedürfnisse des Kunden sind der Maßstab der Qualität, nicht die Interessen des Marketing oder der Produktion. V. Eine umfassende Qualitätsverbesserung verlangt Unterstützung durch neueste Technologie. VI. Umfassende Qualitätsverbesserungen sind nur durch die Anstrengung aller und nicht nur durch die Anstrengung weniger Spezialisten zu erreichen. VII. Ein Total-Quality-Control-Konzept muß so klar aufgebaut sein, daß die Mitarbeiter es verstehen und ihm trauen und daher ein Interesse an der Mitwirkung haben. •
Ansatz von CROSBY CROSBY weist darauf hin, daß der Erfolgsfaktor Qualität im Bewußtsein des strategischen Managements unterbewertet ist und nur durch einen unternehmenskulturellen Umschwung in den Fokus der Betrachtung gerückt werden kann. 1 5 4 Dieser unternehmenskulturelle Umschwung kann durch folgende vier Gebote erzielt werden: 1 5 5 I. Qualität als Erfüllung von Anforderungen Jede Abweichung vom geforderten Soll-Zustand stellt einen Mangel an Qualität dar. Dabei legt CROSBY ursprünglich einen herstellerorientierten Qualitätsbegriff zugrunde, von dem er sich erst im Rahmen seiner letzten Veröffentlichungen distanziert und zu einem anwenderorientierten Qualitätsbegriff überwechselt.
153
Entnommen STEINBACH (1997), S. 227.
154
Vgl. CROSBY (1979).
1 5 5
V g l . CROSBY ( 1 9 8 6 ) , S. 68 ff.
108
3 Erfolgsfaktororientierle
Konzepte
II. Vorbeugung als Grundprinzip Fehlervermeidung ist wirtschaftlicher als Fehlerbeseitigung. Insofern ist dem Prozeß der Leistungserstellung ein größeres Augenmerk zu widmen als dem Prozeßoutput. III. Null Fehler als Standard Null-Fehler-Konzepte streben an, alle Arten von Arbeiten von vornherein richtig zu machen. Ziel muß es sein, unternehmenskulturweit zu verdeutlichen, daß Fehler aufgrund mangelnder Kenntnisse durch entsprechende Schulungen zu beseitigen sind und daß Fehler aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit durch eine Kultur der Fehlervermeidung beseitigt werden können, so daß die von vornherein tolerierte Fehlerquote systematisch gesenkt werden kann. YW. Kosten der Nichterfüllung als Maßstab für Qualität Nur durch die Quantifizierung der Qualitätskosten für Qualitätsdefizite kann das Management und das gesamte Unternehmen für die Qualitätsproblematik sensibilisiert werden. •
Ansatz von ISHIKAWA In dem Company-Wide-Quality-Control-Ansatz, der dem Total Quality Management sehr nahe kommt, stellt I S H I K A W A eine umfassende Qualitätsausrichtung aller Unternehmensbereiche in der Vordergrund der Betrachtung. 1 5 6 Ausgangspunkt ist die Qualitätssicherung bereits in der Produktentwicklung. Darauf aufbauend sind sämtliche direkten und indirekten Prozesse der Leistungserstellung effektiv und effizient zu gestalten. Dabei werden alle Mitarbeiter eingebunden, um jegliches Verhalten und sämtliche Tätigkeiten hinsichtlich der vielschichtigen Qualitätsdimensionen zu verbessern. Um dies zu erreichen, sind auf allen Ebenen und Bereichen Quality Circles zu implementieren und zusätzlich interdisziplinäre Zusammenarbeit in Form von Cross-Function Management zu protegieren. Ferner sind die Seven Tools of Quality157 anzuwenden, die auch im Total Quality Management Verwendung finden.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die dargestellten Ansätze dem Anspruch eines umfassenden, ganzheitlichen Qualitätsmanagements nicht gerecht werden. Sicherlich finden sich in den einzelnen Konzepten innovative Ansätze und Instrumente, die auch im gegenwärtigen Total-Quality-Management-Konzept Einzug gehalten haben; allerdings zeichnen sich die vergangenen Qualitätsmanagementkonzepte mehr durch eine Schwerpunktbildung als durch eine ganzheitliche Sichtweise aus. Während D E M I N G seinen Schwerpunkt auf den Einsatz statistischer Methoden 156
Vgl. ISHIKAWA ( 1 9 8 5 ) , S. 91. Das Konzept der Seven T o o l s o f Quality beinhaltet Strichlisten, Histogramme, Korrelationsdiagramme, Paretodiagramme, Qualitätsregelkarten, Ursache-Wirkungsdiagramme s o w i e Brainstorming-Ansätze, vgl. STEINBACH (1997), S. 251 ff.
3 Erfolgsfaktorzentrìerte
Konzepte
1 09
und Präzisierung der Qualitätsüberwachung legt, fokussiert sich J U R A N insbesondere auf die Konsequenzen eines kundenorientierten Qualitätsbegriffs für das TopManagement und die Produktionsprozesse. F E I G E N B A U M dagegen priorisiert eine operative Ausgestaltung von Qualitätssicherungsmaßnahmen, wohingegen C R O S B Y eher auf eine philosophische Betrachtung abzielt, wenn er einen kulturellen Umschwung fordert. Modernen Total-Quality-Management-Konzepten kommt letztlich der Ansatz von ISHIKAWA am nächsten, da er erstmals eine Abkehr von einem schwerpunktmäßig monokausalen Qualitätsmanagement hin zu einem multidimensionalen, ganzheitlichen Konzept proklamiert.
3.2.2.3
Das Konzept des Total Quality Management
Wie eingangs bereits erläutert, stellt das Total Quality Management die Effektivitätsseite und das Lean Management im wesentlichen die Effizienzseite der Medaille unternehmerischen Erfolgs dar. Entsprechend der symbiotischen Ausrichtung aller erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepte basiert die Philosophie des Total Quality Management auf den bereits bekannten Denkweisen - proaktives, sensitives, ganzheitliches, Potential- und ökonomisches Denken - und Grundsätzen - Kunden-, Lieferanten-, Mitarbeiter-, Prozeß-, Wertschöpfungs-, Simplexitäts-, Zeit- und Pionierorientierung - , wobei diese im Gegensatz zum Lean Management weniger schlank und effizienzorientiert als vielmehr effektiv und qualitätsorientiert zu interpretieren sind. 158
158
V g l . zu den nachfolgenden Ausführungen BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1998), S. 150 ff.
110
3 Erfolgsfakíorzenírierte
Konzepte
qualitätsorientierte Strategien Null-Fehler-Strategie, Komplexitätsreduktions- und -beherrschungsstrategien, Entwicklungspartnerschaften,
qualitätso ríen tie rte M a ß n a h m e n Lieferantenauswahl und -beurteilung, Quality Function Deployment, Wertschöpfungspartnerschaften, Qualitätskostenrechnung,
Qualitätsorientierte logistische Kette
i quaJitätsorienter/es Vertrieb/Marketing
Abb. 3.8:
qualitâtsorientierte F&E/Konstniktion
qualitätsorientierte Beschaffung
qualitätsorientierte Fertigung
qualitätsorientiertes Management
Qualitätsorientierter Philosophie-Strategien-Maßnahmen-Ziele-Ansatz
3 Erfolgsfaktorzenlrierte
Konzepte
111
3 Erfolgsfaktorzentrierte
3.2.2.3.1
Konzepte
113
Philosophie des Total Quality Management
Zentrale Denkanschauung des Total-Quality-Management-Konzepts ist die Kundenorientierung, die sowohl unternehmensintern als auch unternehmensextern zu interpretieren ist. Der Kunde definiert über seine Bedürfnisse die zu erzielende Qualität, wobei aus seiner Sicht insbesondere die Produkt-, Service- und Kontaktqualität von entscheidender Bedeutung sind. Nicht die maximal mögliche Qualität, die der Kunde auch nicht honorieren würde, sondern die totale kundenorientierte Qualität gilt es zu erzeugen. Anstelle einer nachgelagerten Qualitätsprüfung gilt es vielmehr, im Rahmen von Null-Fehler-Strategien Qualitätsmängel zu identifizieren, diese nicht als unabdingbar hinzunehmen bzw. kollegial zu tolerieren, sondern präventiv zu auszuschließen. Hierfür ist besonders ein proaktives und ganzheitliches Denken von entscheidender Bedeutung. Damit die Mitarbeiter in der Lage sind, Fehler zu erkennen und diese in Qualitätszirkeln oder Cross-Function-Teams anzusprechen und zu lösen, müssen umfangreiche Schulungsmaßnahmen erfolgen (Mitarbeiterorientierung). Zusätzlich sind JobRotation-Programme zu installieren, damit die Mitarbeiter von ihrem Bereichsdenken Abstand gewinnen und zu einem ganzheitlichen Denken gelangen können. Delegation von Verantwortung im Rahmen von Job-Enrichment-Konzepten und horizontale Reintegration von Aufgabenkomplexen erfordern zudem soziale Kompetenzen. Nur durch eine konsequente Mitarbeiterorientierung, die insbesondere auf sensitivem, ganzheitlichem und potentialorientiertem Denken basiert, ist ein umfassendes, integriertes Qualitätsmanagementkonzept umsetzbar. Entscheidend für die Realisierung eines ganzheitlichen Qualitätsdenkens ist, daß nicht nur die unternehmensinternen Kunden-Lieferantenbeziehungen und die interorientierten Hersteller-Kunden-Beziehungen betrachtet, sondern daß auch die interorientierten Hersteller-Lieferantenbeziehungen in strategische Qualitätsallianzen und qualitätsorientierte Wertschöpfungspartnerschaften transformiert werden. Dabei dient die Lieferantenorientierung vornehmlich dazu, das spezifische Know-how der Systemzulieferer zu akquirieren, um sich so auf die eigenen Kernkompetenzen im Hinblick auf den Faktor Qualität konzentrieren zu können (potentialorientiertes und ökonomisches Denken). Ein Kennzeichen des umfassenden Qualitätsbegriffs im Rahmen von Total-QualityManagement-Ansätzen ist die Prozeßorientierung. Nur durch vereinfachte, weitgehend automatisierte und beherrschte Prozesse kann die anwenderorientierte Produktqualität erzielt werden. Neben der Einfuhrung von Produkt- und Prozeßinnovationen ist vor allem auch eine kontinuierliche proaktive Produkt- und Prozeßverbesserung („Kaizen") vorzunehmen. Andernfalls werden die Qualitätsfortschritte durch sich im Zeitablauf einschleichende Qualitätsmängel teilweise wieder aufgebraucht. Zudem sind alle nicht wertschöpfenden Prozesse im Rahmen einer konsequenten
1 14
3 Erfolgsfaktorzentrieríe
Konzepte
Wertschöpfungsorientierung zu beseitigen, um dem ökonomischen Denken Rechnung zu tragen. Nicht wertschöpfende Prozesse erhöhen unnötigerweise die Koordinationskomplexität, so daß durch eine Eliminierung dieser Prozesse die Komplexität sinkt und die Wahrscheinlichkeit für Fehler und damit für Qualitätsmängel reduziert werden kann. Parallelisierung zielt insbesondere auf den Faktor Zeit (Zeitorientierung) der, wie bereits erläutert, nicht nur intern als ein Effizienzfaktor, sondern durchaus aus Sicht des Kunden als Qualitäts- und damit als Effektivitätsfaktor angesehen werden kann (ökonomisches Denken). Die Simplexitätsorientierung umfaßt quasi die gesamte Aufbau- und Ablauforganisation und spiegelt sich zudem in der Gestaltung von Prozessen und Produkten wider, da nur durch konsequente Vereinfachungen sämtlicher Gesichtspunkte die Effizienzund Effektivitätspotentiale über den gesamten Unternehmens- und Produktlebenszyklus hinweg ausgeschöpft werden können (ganzheitliches und ökonomisches Denken). Je einfacher die Prozesse und Produkte sind, desto weniger fehleranfallig und desto benutzerfreundlicher sind sie. Letztlich kann nur durch eine konsequente Pionierorientierung auf die veränderten Qualitätsanforderungen reagiert werden. Die Bereitschaft, sich ständig zu verändern, ist, wie schon beim Lean Management, die zentrale Maxime.
3.2.2.3.2
Komponenten des Total Quality Management
Komplementär zu den schlanken Komponenten im Rahmen des Lean-ManagementAnsatzes verfugt das Total Quality Management über •
ein qualitätsorientiertes Marketing und einen qualitätsorientierten Vertrieb,
•
eine qualitätsorientierte Forschung, Entwicklung und Konstruktion,
•
eine qualitätsorientierte Beschaffung,
•
eine qualitätsorientierte Fertigung und letztlich über
•
ein qualitätsorientiertes Management.
3.2.2.3.2.1
Qualitätsorientiertes Marketing und qualitätsorientierter Vertrieb
Das qualitätsorientierte Marketing stellt die wichtigste Schnittstelle eines qualitätsorientierten Unternehmens zum Markt dar, wobei ein qualitätsorientiertes Marketing und ein qualitätsorientierter Vertrieb darauf abzielen, •
die Verbraucherbedürfnisse zu ermitteln,
3 Erfolgsfaktor zentrierte Konzepte
115
•
die Qualitätsanforderungen für die zu erbringenden Produkte und Dienstleistungen zu operationalisieren,
•
Informationen bzgl. Nonnen, Sicherheits- und Umweltrichtlinien und -technologien zu sammeln und auszuwerten sowie
•
den Vertrieb als qualitätsorientierte Dienstleistung am Kunden auszugestalten.
Neben den Aktivitäten wie Preispolitik und Werbepolitik ist vor allem die Ermittlung der Verbraucherbedürfnisse, d.h. von Qualitätsanforderungen hinsichtlich der Produkte und Dienstleistungen, als die zentrale Aufgabe eines qualitätsorientierten Marketings anzusehen. Zu diesen von den potentiellen Abnehmern gewonnenen Daten kommen noch Informationen über bestimmte Marktgegebenheiten in bezug auf unterschiedliche Normen, Sicherheits- und Umweltschutzmaßnahmen usw. hinzu, die gegebenenfalls für ein marktgerechtes Produkt von Bedeutung sein können. 1 5 9 Ziel dieser Datengewinnung ist es, genaue Informationen über die vom Markt geforderten Qualitätsansprüche zu erhalten, um diese dann in Zusammenarbeit mit den Produktentwicklern in Produkt- und Prozeßspezifikationen zu transformieren. Ein Instrument, das dies unterstützt, ist das qualitätsorientierte Produktportfolio. 160 Ausgehend von abgegrenzten strategischen Geschäftseinheiten (SGEs), die Produkt-MarktKombinationen mit einem eigenständigen Beitrag zum Unternehmenserfolg darstellen, 161 werden anhand einer zweidimensionalen Matrix zum einen das vom Unternehmen nicht beeinflußbare externe Qualitätsrisiko und zum anderen die durch das Unternehmen beeinflußbare interne Qualitätsfähigkeit abgetragen. 162 Beide MetaKriterien werden durch jeweils drei Bewertungspunkte charakterisiert. Das externe Qualitätsrisiko wird durch das zukünftige Qualitätspotential - die Differenz zwischen momentan bester am Markt verfügbarer und gegenwärtig vom Kunden gewünschter Qualität - , durch die relative Qualitätsbedeutung, d.h. die Preis-Qualitäts-Sensitivität des Marktes, sowie durch die Qualitätsdynamik, d.h. die Häufigkeit, mit der Produktanpassungen und -Innovationen vom Markt aufgezwungen werden, bestimmt. Die interne Qualitätsfähigkeit wird durch die segmentspezifische Qualitätsstärke des Unternehmens im Vergleich zur Konkurrenz und das gegenwärtige Qualitätspotential, d.h. durch die Differenz zwischen den im Unternehmen implementierten Qualitätsstandards und den am Markt verfügbaren bestmöglichen Qualitätsstandards, sowie die segmentspezischen Kosten- und Erlöswirkungen einer Qualitätsveränderung determiniert. Letztlich wird mit dem Kriterium Flexibilität die Reagibilitätsfahigkeit des Unternehmens im Hinblick auf vom Markt erzwungene Qualitätsveränderungen bewertet. Ziel eines solchen qualitätsorientierten Produktportfolios ist es, durch entsprechende Investitionen und Desinvestitionen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen 159
Vgl. OESS( 1993), S. 182.
160
v g l . WILKEN (1993), S. 103 ff.
161
Vgl. KEUPER (1999), S. 168.
162
Zur Portfoliomethode im allgemeinen vgl. ZÄPFEL (1989), S. 65 ff., und MEFFERT (1998), S. 2 3 8 ff.
116
3 Erfolgs/aktorzentrierte
Konzepte
risikoreichen und risikoarmen Positionen bei hoher Qualitätsfahigkeit zu erreichen. 1 6 3 Zusätzlich zum strategischen qualitätsorientierten Portfolio ist ein strategisches Frühwarnsystem für ein qualitätsorientiertes Marketing von entscheidender Bedeutung, da Trends und Wünsche möglichst weit vor der Konkurrenz erfaßt werden müssen, um den Entwicklern genügend Zeit für die Konstruktion kundenorientierter Produkte zu gewähren und der Produktion die notwendige Zeit einzuräumen, ihre Prozesse zu beherrschen, um die avisierte Produktqualität vor dem Markteintritt der Konkurrenz liefern zu können. Während für die Entwicklung von neuen Produkten vor allem die Ermittlung der Kundenwünsche durch Customer Surveys von Bedeutung ist, stellen für kontinuierliche Produkt- und Prozeßverbesserungsmaßnahmen die Kundenreklamationen eine der wichtigsten Informationsquellen dar. Durch die hierdurch initialisierten Verbesserungsmaßnahmen kann nicht nur die anwenderorientierte Qualität verbessert werden, vielmehr kann durch eine kundenorientierte Abwicklung des Reklamationsverfahrens im Sinne einer Service- und Kommunikationsqualität auch das Firmenimage erheblich verbessert werden. Normalerweise neigen der Vertrieb wie auch das Marketing dazu, Qualität immer nur produkt- und fertigungsprozeßorientiert zu sehen. Jedoch stellt der Vertrieb als das Kommunikationsmedium mit dem Kunden eine Dienstleistung dar, für deren kundenorientierte Abwicklung der Vertrieb im Sinne der bereits dargestellten Service-, Prozeß- und Kommunikationsqualität verantwortlich ist. Zu berücksichtigen ist dabei, daß diese häufig komplexen Dienstleistungen oft in wenig oder kaum beherrschten Prozeßumgebungen beim Kunden vor Ort durchzuführen sind. Insofern wird deutlich, daß die Dienstleistungsqualität durch die Qualität des unternehmensexternen Prozesses, durch den die Dienstleistung erbracht wird, und die Qualität des Produktes, die den Nutzen der zukünftigen Dienstleistung bestimmt, charakterisiert ist.' 6 4 Da Dienstleistungen aufgrund der Individualität der Umgebung, in der sie durchgeführt werden, und aufgrund der spezifischen Persönlichkeit des Kunden nicht so weit standardisiert werden können, wie dies bei einer Massengüterproduktion der Fall ist, müssen die Dienstleistungsprozesse und Dienstleistungen so weit wie möglich vereinfacht werden. Gleichzeitig müssen die Dienstleister umfangreich geschult werden, damit sie auf die unterschiedlichen Situationen flexibel reagieren können. Von entscheidender Bedeutung ist zudem eine 24-Stunden-Rundumversorgung des Kunden, um diesen individuell betreuen zu können. Aufbauend auf den Erkenntnissen hinsichtlich der Verbraucherbedürfnisse wird im Rahmen der qualitätsorientierten Forschung, Entwicklung und Konstruktion angestrebt, diese Anforderungen in Produkt- und Prozeßspezifikationen zu transformieren.
163
V g l . B O G A S C H E W S K Y / R O L L B Ü R G ( 1 9 9 8 ) , S. 1 5 6 .
164
V g l . OESS (1993), S. 278.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
3.2.2.3.2.2
Konzepte
117
Qualitätsorientierte Forschung, Entwicklung und Konstruktion
Zu den vielen Methoden des strategischen Qualitätscontrollings zählen u.a. •
das Quality Function Deployment (QFD),
•
die Failure Mode and Effects Analysis (FMEA) und
•
die statistische Versuchsplanung (TAGUCHI). 1 6 5
Quality Function Deployment (QFD) Dem QFD 1 6 6 kommt die Aufgabe zu, die Kundenanforderungen in operationale, ingenieurwissenschaftliche Qualitätsanforderungen unter Einbeziehung aller Beteiligten im Unternehmen zu transformieren. In dem von A K O A entwickelten Verfahren werden in einem ersten Schritt Kundenwünsche in technische Produktspezifikationen operationalisiert. Diesen werden anschließend die Realisierungsmöglichkeiten in Form von Konstruktionsmerkmalen gegenübergestellt. Aus den Konstruktionsmerkmalen kann dann auf die spezifischen und adäquaten Baugruppen-, Komponenten- und Teilecharakter istika geschlossen werden. Die Teilecharakteristika dienen der Identifikation der kritischen Prozeßparameter, denen durch entsprechende Verfahren sowie durch verbindliche Produktions- und Prüfungsanweisungen entgegengewirkt werden soll. Aufgrund des Aussehens des QFD-Formulars findet sich häufig die Bezeichnung House of Quality. Die Vorgehensweise der QFD-Methode sei an einem verkürzten Beispiel für die Konstruktion einer Chemiepumpe skizziert.
165
Vgl. ADAM ( 1 9 9 8 ) , S. 144.
166
v g l . ausführlich AKAO ( 1 9 9 2 ) und SAATWEBER (1994).
118
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Abb. 3.9:
House
Konzepte
ofQuality167
In Schritt (1) wird im Rahmen von Marktforschungsaktivitäten zunächst die Kundenanforderung ermittelt, um diese dann in Schritt (2) in verschiedene Kategorien einzuteilen und zu gewichten. QFD-Teams ermitteln in Schritt (3) die Qualitätsanforderungen für alle Kundenanforderungen. Anschließend wird in Schritt (4) analysiert, mit welchen Qualitätsanforderungen sich die Kundenanforderungen am besten realisieren bzw. beeinflussen lassen. So wird beispielsweise die Forderung „ist leise" u.a. durch die „Isolierung", die „Schaufelblätter" und das „Motorgeräusch" determiniert. Da die drei Merkmale in dem Beispiel am höchsten bewertet werden, ist diesen Qualitätsanforderungen das größte Augenmerk zuzuweisen. Die Gesamtbedeutung des jeweiligen Qualitätsmerkmals ergibt sich dann aus der Multiplikation der betroffenen und gewichteten Kundenanforderungen mit den jeweiligen gewichteten Qualitätsmerkmalen und anschließender Aggregation in Schritt (5). Anschließend werden in Schritt (6) die Sollgrößen für die Qualitätsmerkmale festgelegt (z.B. Motorleistung maximal 50 [KW], um die Kundenanforderungen weitgehend zu erfüllen. Aus den vorangehenden Schritten können nun in Schritt (7) Variationsrichtungen ermittelt 167
Quelle: ADAM ET AL. (1998), S. 284.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
119
werden. Beispiel: „Je geringer das Motorgeräusch ist, desto leiser ist die Pumpe". In Schritt (8) werden den jeweiligen Kundenanforderungen auf Basis von Erfahrungswerten Schwierigkeitsgrade im Hinblick auf deren Realisierbarkeit zugeordnet. Im Dach des House of Quality werden die Korrelationen zwischen den Qualitätsmerkmalen offengelegt, um festzustellen, inwieweit der beabsichtigte Lösungsansatz überhaupt realisierbar ist bzw. ob gegebenenfalls aufgrund negativer Korrelationen zu viele Kompromisse eingegangen werden müssen, so daß die Kundenanforderungen nicht mehr erfüllt werden können (Schritt (9)). Abschließend wird in Schritt (10) das eigene Produkt mit den Konkurrenzprodukten verglichen, da der Kunde bei der Beurteilung eines Produktes ebenfalls die Konkurrenzleistungen einfließen läßt. Mittlerweile liegen Erfahrungsberichte vor, die darauf hinweisen, daß mit QFD tatsächlich die Entwicklungszeiten und -kosten sowie die Qualität der Erzeugnisse verbessert werden konnten. '68 Failure Mode and Effects Analysis (FMEA) Die FMEA-Methode stellt ein wichtiges Instrument zur präventiven Qualitätssicherung bei kritischen Komponenten und Prozessen dar und hat die Zielsetzung, Produktkonzepte und Prozeßvorhaben bereits in ihrem Planungsstadium nach theoretisch möglichen Fehlern und deren Ursachen zu hinterfragen, um diese systematisch proaktiv zu beseitigen. 169 Grundsätzlich durchlaufen die Systemanalysen (SystemFMEA), die Konstruktionsanalysen (Konstruktions-FMEA) und die Prozeßanalysen (Prozeß-FMEA) jeweils die drei Schritte der FMEA-Methode. 170 Zunächst wird für jeden potentiellen Fehler die Eintrittswahrscheinlichkeit ermittelt. Anschließend gilt es die Wahrscheinlichkeit dafür zu bestimmen, daß dieser Fehler bis zum Kunden gelangen kann. Letztlich ist der potentielle Schaden für den Kunden zu quantifizieren. Aus diesen drei Kennzahlen errechnet sich schließlich eine sogenannte Risikoprioritätenzahl, deren Höhe die Dringlichkeit der konstruktiven Modifikation widerspiegelt. TAGUCHI Quality Engineering Während es sich bei den vorhergehenden Instrumenten um Ansätze zur Qualitätssicherung handelt, stellt die TAGUCHI-Methode171 mehr eine Denkanschauung dar. Anstelle des klassischen Qualitätsdenkens in Toleranzen tritt bei TAGUCHI die Punktqualität, im Sinne einer nahezu 100%igen Übereinstimmung zwischen Soll- und IstQualität in den Vordergrund der Betrachtung. So kann z.B. das Denken in Toleranzen dazu fuhren, daß ein komplexes Produkt, dessen einzelne Komponenten z.T. an der unteren und z.T. an der oberen Toleranzgrenze liegen, aufgrund kombinatorischer
1
68 Vgl. B R U N N E R (1992), S. 43 ff. Vgl. ausführlich A L T E N H O F E N (1990), 441 ff. und PFEIFFER (1993), S. 63. 170 Vgl. B O G A S C H E W S K Y / R O L L B E R G (1998), S. 154 f. 171 Vgl. T A G U C H I (1988). 169
120
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
Effekte eine unzureichende Qualität aufweist. 172 Zweierlei Gesichtspunkte sind bei der TAGUCHI-Methode von besonderer Bedeutung. So werden zum einen die Qualitätskosten nicht, wie üblich, aus Sicht des Unternehmens definiert, sondern gesellschaftsbezogen interpretiert, da die Nichterfüllung von Sollvorgaben zu einem Nutzenentgang in Form von Garantiekosten, Reparaturen und Folgekosten durch Unzufriedenheit fuhrt. Dementsprechend steigen zum anderen die daraus abgeleiteten Qualitätskosten unmittelbar bei Abweichung von den Sollvorgaben kontinuierlich an. Im Gegensatz zur traditionellen Toleranzsichtweise, bei der dieser Effekt erst eintritt, wenn die Toleranzgrenzen überschritten werden, werden bei TAGUCHI somit wesentlich früher Qualitätskostenwirkungen offenbart. Dieser Zusammenhang wird in der sogenannten Verlustfunktion visualisiert. Verlust
Die Verlustfunktion bildet die Basis für das Erreichen der punktgenauen Sollvorgaben. Alle auf den Qualitätsentstehungsprozeß einwirkenden Faktoren werden in Steuergrößen (Control Factors) und Störgrößen (Noise Factors) differenziert. 173 Während die Steuergrößen vom Unternehmen z.B. durch entsprechende Maschineneinstellungen beseitigt werden können, haben die Unternehmen in der Regel auf die Störgrößen, z.B. das Klima oder die Umwelteinflüsse, nur einen sehr geringen Einfluß. Ziel der TAGUCHI-Methode ist es, durch entsprechende Optimierung der Steuergrößen ein gegenüber Störgrößen robustes Produktdesign zu erreichen.
3.2.2.3.2.3
Qualitätsorientierte Beschaffung
Eine qualitätsorientierte Beschaffung zielt vornehmlich darauf ab, •
qualitätsbewußte Zulieferer auszuwählen,
172
Vgl. ADAM (1998), S. 132 f.
173
D i e Störgrößen werden noch in äußere (z.B. umweltbedingte) und in innere (z.B. verschleißbedingte) Störgrößen s o w i e Einheitsstörgrößen (bedingt durch die Fertigung) unterteilt, vgl. MÜLLER ( 1 9 9 2 ) , S. 287.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
•
die Zulieferteilequalität sicherzustellen,
•
die Zuliefererbeziehungen qualitätsorientiert zu fuhren und
•
die Qualitätskontrolle im Wareneingang weitgehend abzubauen.
Konzepte
121
174
Die potentiellen Zulieferer werden anhand verschiedener Kriterien, wie z.B. dem Vorhandensein einer Qualitätsplanung, einer kontinuierlichen Schulung der Mitarbeiter, einer statistischen Prozeßregelung sowie einer Produkt- und Prozeßprüfung, bewertet. 175 Ferner können zur Beurteilung die Punkte moderner Maschinenpark, Vorhandensein eines Qualitätssicherungshandbuches oder Umsetzung des KaizenGedankens herangezogen werden. Neue Kandidaten, die eine zufriedenstellende Bewertung aufgrund der Systemüberprüfung erhalten haben, werden als Lieferanten angenommen. Um den Status eines „selbstbestätigenden Lieferanten" zu erhalten, muß ein Lieferant jedoch weitere individuelle Auflagen erfüllen. Von zentraler Bedeutung für ein qualitätsorientiertes Beschaffungswesen ist die Ausgestaltung der Hersteller-Lieferantenbeziehung. Wie bereits beim Lean Management gilt es, eine verantwortungsvolle Wertschöpfungspartnerschaft aufzubauen. Dies setzt voraus, daß sowohl für den Hersteller als auch für die Zulieferer die gleichen Qualitätsstandards gelten. Neben den vertraglichen Ausgestaltungen hinsichtlich der Mengen, Termine und durchzuführenden Qualitätsprüfungen werden vor allem die Qualitätsanforderungen hinsichtlich der Prozesse und der Produkte exakt spezifiziert. Für den Fall, daß bereits Standards bestehen, wird geprüft, ob diese übernommen werden können. Sowohl der Hersteller als auch die Zulieferer müssen an einer ständigen Verbesserung der Standards arbeiten, da sich die Qualitätsansprüche des Endabnehmers im Zeitablauf verändern. Insofern gilt es insbesondere für den Zulieferer, parallel zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung die zuvor mit dem Hersteller objektiv vereinbarten Kostensenkungspotentiale durch Rationalisierungsbestrebungen und Lernkurveneffekte zu erzielen und weiterzugeben sowie den Servicegrad zu steigern. Für eine partnerschaftliche Vertrauensbasis ist es daher unabdingbar, einen intensiven und offenen Informationsaustausch zwischen den Partnern zu gewährleisten, Lieferantenaudits zur Fehleranalyse und Beseitigung durchzuführen sowie Anreize zur kontinuierlichen Verbesserung der Zielerreichungsgrade hinsichtlich der strategischen Erfolgsfaktoren Qualität, Zeit und Kosten zu schaffen. 1 7 6 Ehrlich gemeinte, qualitätsorientierte Wertschöpfungspartnerschaften werden seitens des Herstellers behutsam gepflegt und kontinuierlich aufgebaut, da andernfalls die Zulieferer durch latente Tricks wie z.B. zeitliche Verzögerungen der Lieferung kontraproduktiv agieren können.
174
Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen OESS (1993), S. 216 ff.
175
Eine ausfuhrliche Darstellung eines Kriterienkatalogs zur Lieferantenauswahl im Rahmen des Supply Chain Management findet sich in Abschnitt 3.2.4.1.3.
176
Vgl. OESS (1993), S. 220.
122
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
Während in traditionellen Unternehmen die Zulieferer-Hersteller-Beziehung durch eine Reihe von Prüfungen, wie z.B. Warenabnahme- und Wareneingangsprüfung, charakterisiert ist, fallen diese kostenintensiven Korrekturmaßnahmen bei TQM-geführten Wertschöpfungspartnerschaften weitgehend weg. Hierfür ist aber eine nahezu vollständige Prozeßbeherrschung innerhalb des Zuliefererbetriebs und an der Schnittstelle Zulieferer-Hersteller unabdingbare Voraussetzung.
3.2.2.3.2.4
Qualitätsorientierte Fertigung
Aufbauend auf den Qualitätsvorgaben seitens der qualitätsorientierten Forschung, Entwicklung und Konstruktion hinsichtlich der Produkte und Prozesse zielt eine qualitätsorientierte Fertigung darauf ab, •
durch eine Verzahnung von produkt- und fertigungsorientierter Qualität die anwenderorientierte Qualität, die im qualitätsorientierten Marketing ermittelt worden ist optimal zu erfüllen.
Zu den vielen Methoden des operativen Qualitätscontrollings in der Produktion zählen u.a. •
die Qualitätskostenrechnung,
•
die statistische Prozeßsteuerung (SPC) sowie
•
das Poka-Yoke. 1 7 7
Qualitätskostenrechnung Die Qualitätskosten traditioneller Art setzen sich aus den Prüfkosten, den Fehlerkosten sowie den Fehlerverhütungskosten zusammen.' 7 8 Die Prüfkosten ergeben sich aus Aktivitäten für gewollte und ungewollte Prüfungen sowie aus den dafür benötigten Prüfmittelkosten. Zur zweiten Gruppe der Fehlerkosten zählen sowohl externe, beim Kunden entstehende Fehlerkosten, wie z.B. Garantieleistungen, Konventionalstrafen oder entgangene Deckungsbeiträge aufgrund von Qualitätsmängeln, als auch interne Fehlerkosten, z.B. Kosten für die qualitätsbedingten Ausfallzeiten von Maschinen oder Nacharbeiten an Produkten. Unter den Fehlerverhütungskosten werden die Kosten für präventive Qualitätssicherungsmaßnahmen subsumiert. Hierzu zählen z.B. Qualitätsplanungsaktivitäten oder Schulungen. Klassischerweise wird davon ausgegangen, daß mit zunehmender Intensität der Qualitätssicherungsaktivitäten die Fehlerkosten wegen des steigenden Anteils guter Qualitäten degressiv sinken, aber nie den Wert Null erreichen, wohingegen die Summe aus Prüf- und Fehlerverhütungskosten pro Stück progressiv mit wachsendem Vollkommenheitsgrad ansteigt. 177
V g l . ADAM (1998), S. 144.
178
V g l . WILDEMANN (1992C), S. 762.
3 Erfolgsfaktorzentrierte Konzepte
123
Demzufolge liegt das Minimum der gesamten Qualitätskosten links vom 100%igen Vollkommenheitsgrad. 1 7 9
Vollkommenheitsgrad Abb. 3.11:
Verlauf der Qualitätskostenfunktion bei klassischer
Qualitätskostenbetrachtung'80
Dies läuft aber dem kundenorientierten Qualitätsgedanken zuwider, da das anwenderorientierte Qualitätsniveau - 1 0 0 % Vollkommenheit - durch ein Streben nach K o stenminimierung niemals erreicht werden kann. Des weiteren ist der traditionelle Qualitätskostenbegriff zu kritisieren, weil Aufwendungen für Investitionen, die die Prozeß- und Produktqualität verbessern, nicht erfaßt werden und somit die „echten K o s t e n " der vorbeugenden Qualitätssicherung unberücksichtigt bleiben. Dabei ist zu beachten, daß diese Kosten „positive Investitionen" darstellen und somit begrifflich nicht mit den Kosten verknüpft werden dürfen, die mit der Beseitigung und Nachbesserung bereits entstandener Qualitätsmängel verbunden sind. Qualitätsverbesserungen ziehen zudem nicht nur Mehrkosten nach sich, sondern sie verringern auch die Prozeß- und Produktkosten, z.B. durch weniger Ausschuß, weniger Reklamationen und weniger inner- und interbetriebliche Lieferzeitprobleme. Zudem springen mit steigendem Vollkommenheitsgrad im Hinblick a u f die vom Kunden gewünschte Qualität zunehmend weniger unzufriedene Kunden ab. Darüber hinaus
können mit steigen-
dem Qualitätsimage zusätzliche Kunden gewonnen werden. Diese mit dem Vollkommenheitsgrad einhergehenden Qualitätserlöse werden jedoch in den klassischen
' I m westdeutschen Maschinenbau machen die Qualitätskosten etwa 15% des Umsatzes aus. Diese 15% setzen sich aus 40% Fehlerkosten, 55% Prüfkosten und lediglich 5% Fehlerverhütungskosten zusammen. Die 55% Prüfkosten bestehen ferner zu 57% aus Kosten für die Endprüfung, zu 33% aus Kosten für die Fertigungsprüfung und zu 10% aus Kosten für die Wareneingangsprüfung. V g l . WARNECKE/DUTSCHKE/KAMPA ( 1 9 8 1 ) , S . 3 2 1 . 1 8 0
Q u e l l e : WILDEMANN ( 1 9 9 2 c ) , S . 7 6 4 .
124
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
Qualitätskosten nicht erfaßt. Ferner fehlt eine Qualitätskostenerfassung über den gesamten Lebenszeitraum eines Produktes hinweg. 181 So werden in der klassischen Qualitätskostenrechnung hauptsächlich die Kosten in der Phase vor der Produktion wie auch in der Produktion erfaßt, wohingegen die qualitätsbedingten Kosten während der Verwendung bzw. in der Entsorgungsphase nicht berücksichtigt werden. Im Rahmen des Total Quality Management werden die Qualitätskosten und Übereinstimmungs- und Abweichungskosten unterteilt. 182 Während die Übereinstimmungskosten (Konformitätskosten) für präventive Maßnahmen einen Beitrag zum Unternehmenserfolg darstellen und somit als wertschöpfend zu interpretieren sind, fallen Abweichungskosten (Nichtkonformitätskosten), wie z.B. Kosten für die Nachbearbeitung oder für Ausschuß, als Preis für vermeidbare Qualitätsabweichungen an. 1 8 3 Die wertschöpfungsmindernden Abweichungskosten stellen somit eine Verschwendung von Ressourcen und damit ein Rationalisierungspotential dar. Während unter Prüfkosten bei klassischer Qualitätskostenbetrachtung sowohl Kosten für erwartete oder vorhandene Abweichungen als auch unabhängig vom Qualitätsniveau anfallende Kosten wie z.B. Kosten für Qualitätsaudits, willkürlich zusammengefaßt werden, kommt, es im TQM-orientierten Qualitätskostenbegriff zu einer entsprechenden Kostenspaltung in die Komponenten Übereinstimmungs- und Abweichungskosten.
181
V g l . LUCZAK/RUHNAU(1993), S. 32.
182
V g l . WILDEMANN ( 1 9 9 4 ) , S. 70 und insbesondere S. 96.
183
V g l . WOLLSEIFFEN ( 1 9 9 9 ) , S. 27 f.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Fertigungskostenbestandteil
Abb. 3.12:
Konzepte
125
Deckungsbeitrag Abweichungskosten (Ergebnisschmälerung)
Übereinstimmungs- und Abweichungskosten der Qualität bei TQM-orientierter Qualitätskostenbetrachtung'
Deutlich wird, daß mit zunehmender Intensität der Qualitätsaktivitäten und damit mit steigendem Vollkommenheitsgrad die Abweichungskosten sinken und die Übereinstimmungskosten steigen - mit der Konsequenz, daß die Qualitätsgesamtkosten pro Stück kontinuierlich abnehmen, um bei 100%iger Qualität ihr Minimum zu erreichen. 1 8 5
184
Q u e l l e : WOLLSEIFFEN (1999), S. 28.
185
Vgl. WILDEMANN ( 1 9 9 2 c ) , S. 762 ff.
126
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
0
100
Vollkommenheitsgrad Abb. 3.13:
Verlauf der Qualitätskostenfunktion
bei TQM-orientierter
Qualitätskostenbetrach-
Entsprechend ist mit Hilfe von Qualitätssicherungsmaßnahmen durch eine Verbesserung der Qualität eine Reduktion der Abweichungskosten anzustreben. Die präventiven Qualitätssicherungsmaßnahmen tragen indirekt dazu bei, die Abweichungskosten zu senken, da eine bessere Prozeßbeherrschung auch zu einer erhöhten Produktqualität führt. Sinken die Abweichungskosten, so können der Prüfungsumfang verringert und die Prüfkosten reduziert werden, da Prüfungen nur durchgeführt werden, wenn der Verdacht von Qualitätsmängeln besteht. Letztlich sinken auch die Übereinstimmungskosten im Zeitablauf, da auch im Rahmen präventiver Qualitätssicherungsverfahren Lerneffekte realisierbar sind. Statistische Prozeßsteuerung (SPC) Die statistische Prozeßsteuerung stellt eine fortlaufende, regelmäßige Überwachung der Produktion durch das Bedienpersonal mit der Zielsetzung dar, systematische von zufallsbedingten Prozeßabweichungen zu trennen, um die systematischen zu beseitigen und den unsystematischen entgegenzuwirken. 187 Anhand von Stichproben wird festgestellt, ob die qualitätsrelevanten Produkt- und Prozeßparameter innerhalb eines zuvor definierten Toleranzintervalls liegen und inwieweit die Produktabweichungen auf systematische oder unsystematische Prozeßabweichungen zurückzuführen sind. Dabei werden zunächst der Stichprobenumfang und die Meßzeitpunkte festgelegt. Sofern sämtliche Abweichungen unsystematischer Natur sind, sind Mittelwert und Streuung der Stichproben im Zeitablauf weitgehend konstant. Anschließend wird die Prozeßfähigkeit der Produktionsprozesse mit Hilfe von Kennziffern basierend auf den 186
v g l . WILDEMANN (1992c), S. 764.
1 8 7
V g l . ADAM ( 1 9 9 8 ) , S. 147.
3 Erfülgsfaktorzentrierle
Konzepte
127
Stichprobenergebnissen bestimmt. Letztlich werden die Ursachen der Abweichungen anhand einer Zeitreihenanalyse der Prozeßfähigkeitskennzahlen analysiert. Poka-Yoke Poka-Yoke stellt ein Verfahren zur Fehlervermeidung dar und basiert auf der Erkenntnis, daß es zwar unmöglich ist, vom Menschen verursachte Fehler vollständig zu vermeiden, daß aber niemand normalerweise bewußt Fehler herbeiführt. 1 8 8 Insofern gilt es, unbeabsichtigte Fehler des Menschen, wie die Gefahr des Vertauschens, Vergessens, Verwechselns, Falschablesens oder Mißinterpretierens, durch einfache technische Hilfsmittel sowie eine konsequente Anwendung von Produkt- und Prozeßgestaltungsregeln zu verhindern. So kann z.B. durch die farbige Markierung von zusammengehörigen Teilen die Gefahr der Verwechslung während der Montage verringert werden.
3.2.2.3.2.5
Qualitätsorientiertes Management
Ähnlich wie beim Lean Management hat die Unternehmensführung auch im Rahmen von Total-Quality-Management-Ansätzen die Aufgabe, •
die dahinterstehende Qualitätsphilosophie unternehmensweit als Querschnittsfunktion zu implementieren,
•
eine Qualitätsvision zu entwickeln,
•
die qualitätsorientierte Unternehmensmission auszugestalten und
•
den qualitätsorientierten Unternehmenszweck zu definieren.
Insbesondere Qualitätsvisionen bzw. die qualitätsorientierten Unternehmensmissionen sowie der qualitätsorientierte Unternehmenszweck sind immer wieder im gesamten Unternehmen zu kommunizieren. Während die Qualitätsvision in kurzen, klaren und anregenden Sätzen festlegt, wo das Unternehmen qualitätsmäßig in fünf bis zehn Jahren sein wird, beinhaltet der qualitätsorientierte Unternehmenszweck die Frage, warum das Unternehmen überhaupt Qualität produzieren soll. Eine Qualitätsmission definiert wiederum, was getan werden muß, um die Qualitätsvision zu erreichen. Da Visionen, Zwecke und Ziele häufig sehr unscharf sind, ist es die zentrale Aufgabe eines qualitätsorientierten Managements, die Total-Quality-Management-Philosophie, bestehend aus den qualitätsorientierten Denkanschauungen und den qualitätsorientierten Prinzipien, allen Mitarbeitern und Wertschöpfungspartnern sinnhaft zu vermitteln.
188
Vgl. zu Poka-Yoke KAMISKE/BRAUER (1993), S. 77 f.
128
5 Erfolgsfaktorzentrierte
3.2.2.3.3
Konzepte
Ansätze zur Bewertung des Qualitätsmanagements
In ähnlicher Weise, wie sich das Qualitätsmanagement im Zeitablauf verändert hat, haben sich auch die Ansätze zu dessen Beurteilung weiterentwickelt. Neben einer Reihe von nationalen Qualitätspreisen wie dem DEMING PRIZE, dem MALCOLM B A L D R I G E N A T I O N A L QUALITY A W A R D u n d d e m E U R O P E A N Q U A L I T Y A W A R D i s t
vor allem die internationale Normenreihe DIN EN ISO 9.000-9.004 1 8 9 von Bedeutung.'90 Diese Normenreihe gewann insbesondere durch das am 01.01.1990 verabschiedete Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) an Relevanz, da von diesem Zeitpunkt an nicht mehr der Konsument dem Hersteller nachweisen mußte, daß dieser Schuld an einem Produktfehler hatte, sondern vielmehr obliegt es nun dem Hersteller, seine Unschuld zu beweisen und einen fehlerfreien Produktionsprozeß zu dokumentieren. Die Rechtsprechung geht sogar so weit, daß der Hersteller alle notwendigen Maßnahmen treffen muß, damit nur ausreichend sichere Produkte in den Verkehr kommen. 1 9 1 Um diesen Anforderungen zu genügen und um nach außen das interne Qualitätsstreben werbewirksam zu vermarkten, besteht für deutsche Unternehmen die Möglichkeit, sich v o n der DEUTSCHEN GESELLSCHAFT ZUR ZERTIFIZIERUNG ( D Q S ) im R a h m e n
eines Qualitätsaudits anhand der Normenreihe 9.000 ff. prüfen und zertifizieren zu lassen. 192 Während die Norm 9.000 lediglich einen Leitfaden darstellt, wie die Normenreihe 9.001-9.004 anzuwenden ist, fordert die Norm 9.001 einen Qualitätssicherungsnachweis für Entwicklung und Konstruktion, Produktion, Montage und Kundendienst, also für den gesamten Leistungserstellungsprozeß. Die Norm 9.002 ist auf Unternehmen anzuwenden, die keine eigene Entwicklungsabteilung haben, so daß der Qualitätsnachweis sich auf die Produktion und Montage bezieht. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Norm 9.003 nur auf kleinere Zuliefererbetriebe, da hier keine Prüfung der Produktion erfolgt, sondern lediglich eine qualitätssichernde Endprüfung zertifiziert wird. Hinweise, wie ein Qualitätsmanagement auszugestalten ist, um die vorangegangenen Normen zu erfüllen, finden sich in der Norm 9.004. Das Positive an der Normenreihe ist, daß die systematische Vorgehensweise bei der Erarbeitung und Dokumentation der Qualitätshandbücher die Unternehmen dazu zwingt, sich konsequent mit sämtlichen die Qualität beeinflussenden Geschäftsprozessen auseinanderzusetzen. 193 Nachteilig ist hingegen, daß nicht das Produkt zertifiziert wird, sondern ein vom Unternehmen selbst vorgegebenes Qualitätsniveau, so daß auch minimale Standards zertifiziert werden. Anstelle einer kundenorientierten Qualitätsausrichtung kann es aufgrund der festgelegten Standards zu einer normenori189
Während DIN die Abkürzung für DEUTSCHES INSTITUT FÜR NORMUNG E.V. darstellt, steht EN für EUROPÄISCHES KOMITEE FÜR NORMUNG, wohingegen ISO INTERNATIONAL STANDARDS ORGANIZATION bedeutet.
190
v g l . zu den verschiedenen nationalen Qualitätspreisen HUMMELTENBERG (1995), S. 153 ff.
191
Vgl. GRIEPENTROG (1992), S. 77.
192
Eine ausführliche Darstellung der Normenreihe findet sich z.B. bei STAAL (1990), S. 45. ff.
193
Vgl. zu den Vor- und Nachteilen HANSMANN (1999), S. 237.
3 Erfolgsfaklorzenlrierte
Konzepte
129
entierten Qualität kommen. Die teilweise extreme Biirokratisierung steht dem Flexibilitätsgedanken im Total Quality Management und damit dem Prozeß der kontinuierlichen Verbesserung entgegen. Während das Total Quality Management und das zuvor dargestellte Lean Management sich schwerpunktmäßig auf die strategischen Erfolgsfaktoren Qualität und Kosten fokussieren und der Faktor Zeit nur ansatzweise Berücksichtigung findet, greift das nachfolgende Time-based Management genau den letzteren Erfolgsfaktor auf, damit Unternehmen im Kontext des Zeitwettbewerbs bestehen können.
3.2.3
Time-based Management - ein überwiegend intrabetriebliches, zeitzentriertes Managementkonzept
In den sechziger und siebziger Jahren konzentrierten sich die Managementkonzepte überwiegend auf die Erzielung von Kostenvorteilen, deren konsequente Verfolgung in der Konzeption des Lean Management Anfang der achtziger Jahre ihren Höhepunkt fand. Zeitgleich mit der Konzeption des Lean Management vollzog sich eine Wende in den Käuferpräferenzen. Während die Nachfrage nach standardisierten Massenprodukten sank, trat der Wunsch nach kundenindividueller Fertigung auf hohem, den Kundenpräferenzen entsprechendem Qualitätsniveau in den Vordergrund. Dieser Trend führte zur Konzeption des Total Quality Management. Seit Ende der achtziger Jahre gewinnt der strategische Erfolgsfaktor „Zeit" zunehmend an Bedeutung. Dabei ist für das Management zu beachten, daß „Zeit" sowohl subjektiv - mit den Phänomenen 1 9 4 der Zeitdehnung und der Zeitraffung - als auch objektiv - in Gestalt eindeutig meßbarer Vorgänge - ' 9 5 wahrgenommen wird. Analog zu den bereits dargestellten, erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepten ist auch das Time-based Management durch einen entsprechenden Philosophie-Strategien-MaßnahmenZiele-Ansatz gekennzeichnet.
194
Vgl. PÖPPEL (1995), S. 143 ff.
195
Vgl. EINSTEIN (1905).
130
i Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
zeitorientierte Denkweisen proaktives Denken, sensitives Denken, ganzheitliches Denken, Potentialdenken, ökonomisches Denken
1
Philosophie
zeitorientierte Grundsätze Kundenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Lieferantenorientierung, Prozeßorientierung, Wertschöpfungsorientierung, Zeitorientierung, Simplexitätsorientiening, Pionierorientierung
I
zeitorientierte Strategien Konzentration auf zeitsensibilisierte Kunden, Pionier- oder Folgerstrategie, schnelle und flexible Erfüllung der Kundenwünsche, JiT-Strategien
Strategien
J zeitorientierte Maßnahmen Fertigungssegmentierung, Simultaneous Engineering, Vermeidung von Leerzeiten, Arbeitszeitausdehnung und -flexibilisierung
Ì Qualitätsorientierte logistische Kette .i Zeitorientiertes/er Vertrieb/Marketing
Abb. 3.14:
__
...
Zeitorientierte F&E | ¡ und Konstruktion j |
Zeitorientierter
T
..
Zeitorientierte Beschaffung
Maßnahmen
' 1..
Zeitorientierte Fertigung
Zeitorientiertes Management
J
Ziele
L._
Philosophie-Strategien-Maßnahmen-Ziele-Ansatz
Das aktuelle Käuferverhalten ist stärker als früher durch Gegenwartspräferenz gekennzeichnet, worunter eine möglichst rasche Erfüllung der Kundenwünsche bei gleichzeitig unverändertem Anspruchsniveau hinsichtlich der Qualität und des Preises gemeint ist. 1 9 6 Unter Zeitwettbewerb kann somit der Prozeß verstanden werden, •
in dem Unternehmen insbesondere durch eine Verkürzung der Lieferzeit und/oder
•
durch eine Reduzierung der Entwicklungszeit sowie
196
V g l . VOIGT (1998), S. 77.
3 Erfolgs/aktorzentrierte Konzepte
•
durch eine frühe Markteinführung teile zu erzielen. 1 9 7
neuer Produkte
131
versuchen, Wettbewerbsvor-
Insofern zielt Time-based Management 1 9 8 (Zeitmanagement) im wesentlichen darauf a b , 1 9 9 •
eine möglichst
rasche bzw. termingetreue
•
eine schnelle Anpassung an die spezifischen Ausprägung des Faktors Zeit) sowie
•
eine schnelle gen
Bereitstellung
innovativer
Bedürfnisbefriedigung, Wünsche der Kunden (Flexibilität als
bzw. verbesserter
Produkte
und
Leistun-
zu erreichen. Zeitmanagement tritt somit einer Entwicklung in der Vergangenheit entgegen, die dadurch gekennzeichnet war, daß der Faktor „Zeit" lediglich dafür eingesetzt wurde, die Produktivität der direkten, wertschöpfenden Tätigkeiten durch das Ausschöpfen des Zeitpotentials kapitalintensiver Kapazitäten bzw. durch die detailliertere Abstimmung der Zeitdisparitäten einzelner Arbeitsschritte zu steigern. Während auf der einen Seite die Arbeitsschritte beschleunigt wurden und die direkten Fertigungskosten somit sanken, stiegen auf der anderen Seite mit zunehmender Variantenzahl die Durchlaufzeiten und die Produktentwicklungs- und Konstruktionszeiten überproportional a n . 2 0 0 Genau hier setzt das Time-based Management an, •
indem es einerseits versucht, Innovationen zeitoptimal zu planen und marktreif werden zu lassen, sowie andererseits anstrebt, die Reaktionszeit des Unternehmens auf Kundenanforderungen, beispielsweise eine Bestellung, zu minimieren.
Time-based Management ist insofern vor allem eine Gestaltungsaufgabe, in der ein Unternehmenskonzept entworfen wird, das die zeitliche Verarbeitungskapazität des Systems Unternehmung erhöht. Dementsprechend spiegelt sich das Time-based Management auf der strategischen Ebene, deren Aufgabe es ist, Erfolgspotentiale aufund abzubauen, in dem unternehmerischen Ziel der Zeitautonomie wider. Potentiale schaffen während ihrer Nutzungs- und Leistungsperiode Zeiträume, womit sich das Unternehmen die Autonomie zum Agieren und Reagieren offenhält. Insofern ist Zeitautonomie die Voraussetzung für die Handlungsautonomie eines Unternehmens. 197
V g l . VOIGT ( 1 9 9 8 ) , S. 77.
1 9 8
V g l . L A U K ( 1 9 9 0 ) , S. 8 2 .
199
Das Time-based Management ist größtenteils äquivalent mit Konzepten wie z.B. Time-based Competition, Time-based Strategy, Speed Management oder den zeitbasierten Wettbewerbsstrategien bzw. basiert auf den aufgezählten Konzepten.
200
V g l WILDEMANN ( 1992e), S. 15.
132
3 Erfolgsfaklorzentrïerte
Konzepte
Kann ein Unternehmen die Geschwindigkeit der innerbetrieblichen Prozesse im Vergleich zu den relevanten Umweltprozessen stärker beschleunigen, so verbessert sich die relative zeitliche Autonomie des Unternehmens. Die gewonnenen Zeitpuffer kann das Unternehmen nutzen, um die unternehmensinterne Komplexität zu lösen bzw. die innere Komplexität den Komplexitätsanforderungen des Marktes anzupassen. Diese Temporalisierung der Komplexität beinhaltet, daß durch eine beschleunigte Prozeßabwicklung das Unternehmen der Zeit weniger stark ausgeliefert ist, als dies ohne eine entsprechende Zeitstrategie der Fall gewesen wäre. Insofern besteht nun die Möglichkeit, die Zeitüberlegenheit gegenüber der Umwelt zur Vorbereitung auf Eventualitäten zu nutzen. Somit kann das Time-based Management durch fünf Merkmale charakterisiert werden: 2 0 ' 1. Time-based Management macht die Zykluszeit zur kritischen Meßgröße für das Management und die Strategie. 2. Time-based Management nutzt die Flexibilität und die Reaktionsgeschwindigkeit, um im engen Kontakt mit dem Kunden zu bleiben und eine intensive Kundenbindung aufzubauen. 3. Time-based Management konzentriert sich ausschließlich auf die attraktivsten Kunden und überläßt der Konkurrenz die weniger attraktiven Kunden. Die attraktivsten Kunden sind Kunden, die nicht warten können oder wollen und somit eine entsprechende Preissensitivität im Hinblick auf den Faktor „Zeit" aufweisen. Geduldige Kunden sind nur bereit, Preise zu zahlen, die weit unter dem liegen, was ungeduldige Kunden zu zahlen bereit sind. Mit geduldigen Kunden ist somit nur dann eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung zu erzielen, wenn auch eine Kostenführerschaft erreichbar ist. 4. Time-based Management zielt darauf ab, möglichst rasch eine Spitzenposition in der jeweiligen Branche hinsichtlich der Produktentwicklungsdauer und der Markteinführung der Produkte zu erreichen, so daß solchermaßen geführte Unternehmen das Innovationstempo ihrer Branche bestimmen. 202 5. Time-based Management konzentriert sich darauf, schneller als die Konkurrenten zu wachsen und hierdurch auch größere Gewinne als die Wettbewerber zu erzielen. Werden die fünf Merkmale des Time-based Management eingehender betrachtet, so wird deutlich, daß die Kernaussagen auf einer zeitorientierten Interpretation der
2 0 1
V g l . S T A L K / H O U T ( 1 9 9 0 ) , S. 5 2 f.
202
Es sei bereits an dieser Stelle daraufhingewiesen, daß ein Time-based-Management-geführtes Unternehmen „lediglich" auf eine zeitzentrierte Spitzenposition innerhalb einer Branche abzielt und somit nicht zwingend die Position des Pioniers, des Besten oder des Schnellsten einehmen will, vgl. Abschnitt 3.2.3.2.1.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
133
Denkweisen und Grundsätze eines erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managements basieren.
3.2.3.1
Philosophie des Time-based Management
Wie bereits bei den beiden bisher diskutierten, erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepten ist auch beim Time-based Management die Kundenorientierung der zentrale Grundsatz. Da die Kunden häufig überraschend sensibel auf die Ausprägung des Faktors „Zeit" reagieren und oftmals auch bereit sind, für eine kurze Auftragsabwicklungszeit bzw. fur eine hohe Reaktionsbereitschaft einen höheren Preis zu zahlen, zielt das Time-based Management darauf ab, die Erkenntnis, daß der Faktor „Zeit" für den Kunden einen ökonomischen Wert darstellt, unternehmensweit zu implementieren (ganzheitliches Denken). Ziel muß es sein, mit Hilfe geeigneter Maßnahmen der Wertschöpfungsorientierung die Produktentwicklungs- und Produktionszeit zu verkürzen sowie die Reagibilität zu verbessern (proaktives Denken). Ansatzpunkt für eine Verbesserung der internen Zeiteffizienz (die unternehmensextern effektivitätsorientiert interpretiert werden kann) ist eine konsequente Mitarbeiterorientierung im Konzept eines Organizational Learning. Dabei gilt es einen Verbesserungskreislauf in Gang zu setzen, der alle Organisationsbereiche entlang der Innovations- und Wertschöpfungskette zeitorientiert optimiert. Die Problemlösungsfähigkeit wird somit zum eigentlichen Baustein bei der Bewältigung des Zeitwettbewerbs. Gleichzeitig ist die Arbeitszeit zu flexibilisieren, um zum einen, den Kundenwünschen entsprechend, kurze Lieferzeiten und aktuelle Produkte offerieren zu können und um zum anderen der zunehmenden Kapitalintensität in der Produktion und dem damit einhergehenden höheren Beschäftigungsrisiko durch eine Ausdehnung der Betriebszeiten entgegentreten zu können. Zudem bedingen flexible Kapazitäten immer auch einen variablen Personaleinsatz, so daß nur durch sensitives, ganzheitliches und potentialorientiertes Denken die Widerstände gegen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit überwunden werden können. Eine Lieferantenorientierung findet im Time-based Management schwerpunktmäßig vor dem Hintergrund einer Verkürzung der Produkt- und Prozeßentwicklungszeiten statt. Das Hauptaugenmerk liegt somit auf einem konsequenten Simultaneous Engineering, was letztlich vor allem auf sensitivem Denken basiert, da im Bereich der Forschung und Entwicklung i.a. hochsensible Daten ausgetauscht werden müssen. Neben der konsequenten Nutzung von Systemlieferanten zielt das Time-based Management vor allem auf eine weitreichende Implementierung von JiT-Beschaffungsstrategien (proaktives und ganzheitliches Denken). Ebenso wie bei den anderen erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepten zielt die Prozeßorientierung auch beim Time-based Management auf vereinfachte, weitgehend beherrschte Prozeßstrukturen ab. Lediglich in der Zielsetzung der Prozeßorien-
134
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
tierung unterscheiden sich die drei erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepte voneinander. Während die Prozeßorientierung im Lean Management versucht, durch proaktives Denken vornehmlich die Kosten zu senken, zielt das Total Quality Management auf eine kontinuierliche Verbesserung der Qualität. Im Gegensatz dazu steht beim Time-based Management die Prozeßgeschwindigkeit im Vordergrund der Betrachtung. Generell stellt die Zeitkomponente das Ergebnis eines Prozesses dar, das durch den Zeitverbrauch aller Prozeßaktivitäten bestimmt wird. Von Bedeutung ist dabei, daß Zeitvorteile in einzelnen Teilprozessen nicht gelagert werden können, sondern verpuffen, wenn der nachfolgende Teilprozeß die Zeitvorteile nicht weiter fortführt. Insofern wird die Prozeßgeschwindigkeit - und damit der zeitliche Output - vor allem durch die Geschwindigkeit der langsamsten Aktivität determiniert. Folglich verliert eine punktuelle Zeitoptimierung einzelner Prozeßelemente zugunsten einer gleichmäßigen Optimierung aller Prozeßelemente an Bedeutung. Zudem treten an die Stelle komplexer Strukturen im Rahmen einer Simplexitätsorientierung vornehmlich einfache, transparente und geradlinige Prozesse, die es ermöglichen, die gesamte Auftragsabwicklungzeit möglichst kurz zu halten (ganzheitliches Denken). Bei aller Vereinfachung kommt es jedoch durch die konsequente Anwendung von Parallelisierung und Überlappung im Rahmen der Zeitorientierung gleichzeitig auch zu einem gewissen unvermeidbaren Komplexitätsanstieg. Insofern korrespondiert die Zeitorientierung insbesondere mit ganzheitlichem, ökonomischem und Potentialdenken. Letztlich zielt eine konsequente Pionierorientierung darauf ab, traditionelle Bereichsgrenzen aufzubrechen und eine gewachsene Organisationskomplexität in Frage zu stellen. Die Bereitschaft, sich ständig zu verändern, ist fundamentaler Ausdruck eines Zeitmanagements, da hierdurch die Reaktionszeit des Unternehmens im Hinblick auf die Kundenanforderungen optimiert werden kann. In Analogie zum evolutionstheoretischen Gesetz des Lernens, wonach eine Spezies nur dann überleben kann, wenn ihre Anpassungsgeschwindigkeit mindestens so groß ist wie die Änderungsgeschwindigkeit der Umwelt, bleibt für die langfristige Unternehmenssicherung festzuhalten, daß bei steigender Innovationsdynamik nur durch eine permanente Wissensund Fähigkeitsanpassung den neuen Anforderungen Rechnung getragen werden kann. Diese von außen oktroyierte innere Dynamik erfordert eine zeitorientierte Unternehmensführung, wie sie im Grundsatz der Pionierorientierung zum Ausdruck kommt. Nur ein Unternehmen, das sich ständig im Fluß der Veränderung befindet, kann in einem dynamischen Umfeld auf die sich verändernden Anforderungen effektiv und effizient reagieren. Insofern korrespondieren mit einer zeitzentrierten Pionierorientierung insbesondere das proaktive, sensitive und das ökonomische Denken. Die aufgezeigte zeitorientierte Philosophie bildet das Fundament und den Handlungsrahmen für die verschiedenen Komponenten des Time-based Management.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
3.2.3.2
Konzepte
135
Komponenten des Time-based Management
Da sich die drei erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepte - Lean Management, Total Quality Management und Time-based Management - symbiotisch zueinander verhalten, verfugt auch das Time-based Management über •
ein zeitorientiertes Marketing und einen zeitorientierten Vertrieb,
•
eine zeitorientierte Forschung, Entwicklung und Konstruktion,
•
eine zeitorientierte Beschaffung,
•
eine zeitorientierte Fertigung und letztlich über
•
ein zeitorientiertes Management.
3.2.3.2.1
Z e i t o r i e n t i e r t e s M a r k e t i n g u n d zeitorientierter V e r t r i e b
Neben der im Time-based Management vorherrschenden Zeitfokussierung in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Konstruktion sowie Produktion spielt auch im Marketing die Frage des Timing, d.h. der Bestimmung des „richtigen Zeitpunkts" 2 0 ^, und hier insbesondere beim Einsatz absatzpolitischer Maßnahmen, eine entscheidende Rolle. 2 0 4 •
Im Rahmen der zeitorientierten Produktpolitik steht für das Time-based Management vor allem der zieloptimale Zeitpunkt für die Produkteinführung, -modifikation und -eliminierung im Vordergrund der Betrachtung. Andere Gesichtspunkte, wie etwa die Fragen, ob unter Kostengesichtspunkten eine Produktinnovation sinnvoll ist oder inwieweit das Firmenimage durch die Eliminierung von Produkten verbessert oder geschwächt wird, werden konsequent ausgeblendet.
•
Zentraler Aspekt innerhalb der zeitorientierten Preispolitik ist die Frage nach dem günstigsten Zeitpunkt z.B. für einen Wechsel von der Skimming- zur Penetrationspreispolitik, d.h. es gilt den optimalen Zeitpunkt für eine Preisänderung zu bestimmen bzw. die zeitliche Preisdifferenzierung zu optimieren. 2 0 5 Eine Preisdifferenzierung im Hinblick auf unterschiedliche Zielgruppen bleibt beispielsweise
203
„Richtig" meint unter Berücksichtigung der relevanten, nicht beeinflußbaren Umweltgegebenheiten (z.B. Konkurrenzverhalten).
2 0 4
Vgl. HÖRSCHGEN (1995), Sp. 2 4 6 2 f. und VOIGT (1998), S. 53 f.
2
Während eine Skimmingstrategie dadurch charakterisiert ist, daß im Rahmen der Produkteinfiihrung ein sehr hoher Preis gefordert wird, der dann mit zunehmender Erschließung des Marktes sukzessiv zurückgenommen wird, zeichnet sich eine Penetrationspreisstrategie dadurch aus, daß mit relativ niedrigen Preisen Massenmärkte schnell erschlossen werden sollen.
°5
136
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
unberücksichtigt, da das Time-based Management sich ausschließlich auf die (zeit-)attraktiven Kunden fokussiert. •
Eine zeitorientierte Distributionspolitik ist darauf ausgerichtet, daß dem Kunden das richtige Produkt im richtigen Zustand am richtigen Ort und vor allem zum richtigen Zeitpunkt zur Verfugung gestellt wird.
•
Die zeitorientierte Kommunikationspolitik beschäftigt sich u.a. mit der zeitlichen Verteilung des Werbebudgets und der zeitlichen Streuung von Werbemaßnahmen im Verlauf des Produktlebenszyklus. Verteilungsmöglichkeiten im Rahmen der Inter- und Intramediaselektion, wie z.B. die geographische Verteilung des Werbebudgets, werden nicht beachtet.
Werden die dargestellten zeitzentrierten, absatzpolitischen Maßnahmen konsequent umgesetzt, d.h. wird auf die „Zeitwünsche" der Kunden eingegangen, zahlt sich dies in vierfacher Hinsicht aus: 2 0 6 1. Die Kunden verhalten sich loyaler gegenüber den Lieferanten, die auf die spezifischen Bedürfnisse schnell reagieren. 2. Die Kunden sind bereit, einem flexiblen Lieferanten einen Zuschlag zum Normalpreis zu bezahlen, sofern die Zeitelastizität des Preises hinreichend groß ist. So konnte in einer Trade-Off-Analyse ermittelt werden, daß für kleine und mittlere Unternehmen die Service-Verfügbarkeit hinsichtlich ihrer computergestützten Telefonanlagen von entscheidender Bedeutung ist. 207 85% der Anwender waren bereit, für einen Service am selben Tag einen Preiszuschlag von 10% zu bezahlen, 60% waren mit einem Zuschlag von 20% einverstanden, und 40% wären sogar bereit gewesen, für einen Ad-hoc-Service 30% mehr zu bezahlen. 3. Von flexiblen Lieferanten beziehen die Kunden mehr Güter und Dienstleistungen. 4. Können anspruchsvolle Kunden gewonnen werden, so kann dies ein strategischer Wettbewerbsvorteil sein, da diese Kunden häufig eine Multiplikatorfunktion ausüben. Aus Sicht des Time-based Management können die Kunden generell in effizienzorientierte und effektivitätsorientierte Segmente differenziert werden. Während kostenorientierte und somit effizienzorientierte Kunden ein schrumpfendes Segment darstellen, wächst die Gruppe der zeit- bzw. qualitätsorientierten und somit effektivitätsorientierten Kunden kontinuierlich an, da moderne Organisationskonzepte und Technologien es ermöglichen, schnell eine kundengerechte Qualität relativ kostengünstig herzustellen. Eine rasche Bereitstellung kundenindividueller Produkte und Dienstleistungen sowie eine hohe Reagibilität hinsichtlich sich verändernder Kundenpräferenzen ist jedoch nur möglich, wenn durch eine enge Verzahnung zwischen 206 207
Vgl. STALK/HOUT (1990), S. 105. Vgl. STALK/HOUT (1990), S. 116.
3 Erfolgsfaktororientierte
Konzepte
137
Marketing sowie Forschung und Entwicklung die Time to Market erheblich verkürzt werden kann. Allgemein werden die Wettbewerber im Rahmen des Time-based Management in Abhängigkeit vom relativen Markteinfuhrungszeitpunkt in Pionier- und Folgerunternehmen differenziert. 208 Während Pionierunternehmen Neuprodukte anbieten, die zum Zeitpunkt der Markteinführung mit anderen Produkten anderer Hersteller technisch nicht vergleichbar sind, gilt dies für die Produkte von Folgerunternehmen nicht. Da der zeitliche Abstand zur Markteinführung des Pioniers darüber entscheidet, wie erfolgreich eine Folgerstrategie ist, können Folgerunternehmen in frühe und späte Folger separiert werden. 2 0 9 Zum Zeitpunkt der Markteinführung, zwei Jahre nach Markteintritt des Pionierproduktes, existieren bei einem frühen Folger höchstens fünf vergleichbare Produkte. Im Gegensatz dazu erfolgt der Markteintritt eines späten Folgers weit später, so daß i.d.R. mehr als fünf Konkurrenzprodukte bereits etabliert sind. Da die Grenzen zwischen frühem und spätem Folger fließend sind, wird jedoch im weiteren Verlauf der Diskussion lediglich zwischen Pionier- und Folgerunternehmen unterschieden. Empirische Untersuchungen belegen, daß Pionierunternehmen im Unterschied zu den Marktfolgern auch dann noch eine gute Ertragsrate erwirtschaften, wenn sie nur eine durchschnittliche Qualität, eine hohe Kapitalintensität und eine niedrige Arbeitsproduktivität aufweisen. 2 1 0 Darüber hinaus ergibt die Auswertung der PIMS-Daten, daß Pionierunternehmen einen höheren ROI erreichen als entsprechende Folger. Zudem kann empirisch festgehalten werden, daß ein hohes Maß an Neuproduktaktivitäten nur bei Marktfolgern die Rentabilität negativ beeinflußt und daß hohe Marketingaufwendungen ebenfalls lediglich den ROI des Marktfolgers, nicht jedoch den des Marktführers vermindern. S E I F E R T und S T E I N E R verdeutlichen in einer Untersuchung von 6 0 0 europäischen, amerikanischen und japanischen Unternehmen, daß eine Verlängerung der Produktentwicklungszeit von sechs Monaten gegenüber der geplanten Zeit zu einer Gewinnschmälerung von 30% führt, wohingegen eine Erhöhung der Entwicklungskosten um 50% bei Einhaltung des avisierten Entwicklungszeitplans nur eine Ergebnisminderung von 5% verursacht. 211 Der offensichtliche Erfolg von Pionierunternehmen läßt sich durch angebotsseitige also im Pionierunternehmen selbst begründete - sowie durch nachfrageseitige - also durch die Reaktion der Nachfrager bedingte - Einflußgrößen erklären.
208
v g l . VOIGT ( 1 9 9 8 ) , S. 1 5 3 .
2 0 9
V g l . SPECHT/PERILLIEUX ( 1 9 8 8 ) , S . 2 1 3 .
2 1 0
V g l . BUZZELL /GALE ( 1 9 8 9 ) , S. 1 6 0 f f .
2 1 1
V g l . SEIFERT/STEINER ( 1 9 9 5 ) , S. 2 2 .
138
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
Angebotsseitige Pioniervorteile 212 beruhen auf der Möglichkeit, •
Innovationen patentieren zu lassen. Hierdurch kann temporär eine Monopolstellung erreicht werden, da sowohl aktiv angewendete und patentierte Innovationen als auch sogenannte präventive Patente213 (Sleeping Patents) eine Marktbarriere darstellen. Allerdings stellen Patente nicht immer einen wirklichen Schutz gegen nachdrängende Konkurrenz dar, da die Wettbewerber häufig „um die Patente herum" entwickeln oder gar erst aufgrund des Informationseffektes, der von einer Patentierung ausgeht, zum Imitator werden.
•
sich als erster knappe Ressourcen zu sichern. Hierzu zählen verkehrsgünstige Produktions- und Absatzstandorte, Mitarbeiter, wichtige Rohstoffquellen usw.
•
Kostenvorteile aufgrund von Skaleneffekten (Economies of Scale) oder Erfahrungskurveneffekten, 214 die in funktionalem Zusammenhang mit der kumulierten Produktionsmenge des Pioniers stehen, zu realisieren. Häufig gelingt es jedoch den Imitatoren, die Kostenvorteile des Pioniers relativ schnell zu kompensieren.
•
eine Limit-Preis-Strategie zu betreiben. Ziel einer solchen Preisstrategie ist es, den Angebotspreis auf ein Niveau zu drücken, das für die Folger aufgrund ihrer höheren Stückkosten einen Markteintritt unattraktiv macht. Basis einer solchen Strategie sind die möglichen Kostenvorteile aufgrund realisierter Skaleneffekte.
Neben den angebotsseitigen Pioniervorteilen basieren nachfrageseitige Pioniervorteile 2 '5 auf •
der Realisierung von Pionierpreisprämien. 216 Pionierpreisprämien können in Qualitätsprämien, wenn das Pionierprodukt einen höheren Nutzen für den Kunden darstellt, und in Kosteneinsparungsprämien, wenn das Produkt während des Gebrauchs zu Kostensenkungen beim Kunden führt, differenziert werden. Ferner gewährt der Kunde u.U. Zeitvorsprungsprämien, wenn das Pionierprodukt durch den Markteintritt seine kurzfristig entstandenen Bedürfnisse befriedigt. Darüber hinaus entstehen Sortimentsprämien, wenn das Sortiment durch das Pionierprodukt subjektiv oder objektiv aufgewertet wird. Letztlich gewährt der Kunde u.U. eine Risikovermeidungsprämie, weil das Pionierprodukt seine Beschaffungsunsicherheit reduziert.
212
Vgl. VOIGT (1998), S. 104 ff.
213
Beispielsweise meldet die Firma RANK XEROX alle möglichen Patente im Zusammenhang mit Fotokopiertechnik an, auch solche, die das Unternehmen selbst gar nicht nutzt, vgl. BRF.SNAHAN (1985), S. 15 ff.
214
Vgl. zu Skaleneffekten Abschnitt 4.2.2.1.2.
2
Zu der folgenden Auflistung nachfrageseitiger Pioniervorteile vgl. VOIGT (1998), S. 106 ff.
' ^
2 1 6
V g l . G E M Ü N D E N ( 1 9 9 3 ) , S . 1 0 4 f.
3 Erfolgsfaktorzentrierle
Konzepte
139
•
der Möglichkeit, Produkte länger als die Folger anzubieten, um hierdurch eine höhere Absatzmenge und somit einen höheren Gesamtumsatz realisieren zu können.
•
einer möglichen Produktdifferenzierung. So kann der Pionier im Unterschied zum Folger in dem noch freien Wahrnehmungsraum des Kunden die günstigste Position einnehmen und durch Ausweitung der Produktlinie alle weiteren wichtigen Marktsegmente frühzeitig belegen.
•
Goodwill-Investitionen, z.B. in Form von Werbemaßnahmen, mit denen der Pionier eine starke Kundenbindung aufbauen kann.
•
der Reputation des Pioniers im Hinblick auf die Qualität des Neuproduktes. Während die Kunden nach Anschaffung des Neuproduktes über dessen Nutzen genau informiert sind, herrscht über die Fähigkeiten des Folgerproduktes noch Unsicherheit. Auch dies stellt wiederum eine Marktbarriere dar.
•
hohen Transaktions- bzw. Wechselkosten auf der Seite des Kunden. Entstehen dem Kunden bei einem Lieferantenwechsel wirtschaftliche Nachteile, z.B. durch die aufwendige Sammlung und Bereitstellung relevanter Informationen über einen neuen Lieferanten oder durch die kostenintensive Suche und Qualitätsprüfung geeigneter Lieferanten, so besteht durchaus die Möglichkeit, daß Kunden gegenüber dem Pionierlieferanten Abstriche hinsichtlich des Preises und der Produktqualität hinnehmen.
•
psychologischen Wettbewerbsvorteilen. Das habitualisierte Käuferverhalten ist dabei gekennzeichnet durch eine Gewöhnung an die Pioniermarke mit der Konsequenz, daß die Kunden einen Lieferantenwechsel häufig scheuen. Zudem prägen die Pionierprodukte häufig die Idealvorstellungen im Hinblick auf neue Produktgattungen. Hierdurch besteht für den Pionier die Option, Produkt- oder Industriestandards zu setzen und damit den Markt fest in seiner Hand zu haben. 2 1 7 Gleichzeitig werden Pioniermarken auch in der Phase des aufkommenden Wettbewerbs stärker wahrgenommen, so daß sich letztlich ein dauerhafter psychologischer Wettbewerbsvorteil einstellt.
Die Nachteile einer Pionierstrategie liegen vor allem im sogenannten Free-RiderEffekt sowie in technologischen Risiken bzw. Marktrisiken. 218 Der Free-Rider-Effekt bezeichnet die Möglichkeit, daß ein Folgerunternehmen in irgendeiner Form von den Anstrengungen des Pioniers profitiert, ohne an den Kosten beteiligt zu sein. Beispielsweise liegen die Kosten einer Imitation i.d.R. weit unter einer Neuproduktentwicklung. Zudem besteht die Möglichkeit, fremde Erfahrungskurveneffekte zu adaptieren bzw. die allgemeine Technologiediffusion zu nutzen. Darüber hinaus wirbt das Folgerunternehmen häufig Teile des hochqualifizierten 2 , 7
Vgl. TÖPFER/MEHDORN ( 1 9 9 3 ) , S. 54.
2 1 8
Vgl. VOIGT ( 1 9 9 8 ) , S. 109 ff.
140
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
Fachpersonals des Neuproduktentwicklers ab. Letztlich können durch geringere Markterschließungskosten, z.B. für Werbung und Verbraucherinformationen, sowie durch die Mitnutzung der vom Pionier geschaffenen Infrastruktur (z.B. Distributionswege) die Gesamtkosten erheblich reduziert werden. Neben dem Free-Rider-Effekt gehen mit der Neuproduktentwicklung häufig erhebliche technologische Risiken und Marktrisiken einher. So ist es oftmals fraglich, ob die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten tatsächlich zu Produktinnovationen fuhren und ob die Nachfrager in der Innovation auch einen Nutzen sehen bzw. ob der Markt das Produkt als „Industriestandard" akzeptieren wird. Darüber hinaus besteht für ein Pionierunternehmen ein weiteres Problem darin, daß eine Vorreiterrolle nur mit einer beschleunigten Produktentwicklung, die unweigerlich mit entsprechenden Beschleunigungskosten verbunden ist, einhergeht. Zudem besteht bei sehr kurzen Entwicklungszeiten und insbesondere bei der gleichzeitigen Entwicklung mehrerer unterschiedlicher Produkte die Gefahr, daß die Qualität der Entwicklungsergebnisse nicht den Qualitätsanforderungen des Marktes entspricht. Die aufgezeigten Vor- und Nachteile einer Pionierstrategie verdeutlichen, daß diese nicht unter allen Umständen die effektivste und effizienteste sein muß. Dies wird auch durch eine auf der PIMS-Datenbank basierende Studie untermauert, bei der im Mittel Pionierunternehmen zwar erfolgreicher waren als Folgerunternehmen, wobei aber zu beachten ist, daß bei beiden Strategieformen die Streuung der Marktanteile und der Ergebnisse sehr groß war. 2 1 9 Im Gegensatz zum ursprünglichen Time-based Management, dessen Vertreter STALK und HOUT sind, 22 0 zielt ein modernes Time-based Management somit unter Abwägung des Für und Wider einer Pionierstrategie letztlich nicht blind darauf ab, eine Innovationsfuhrerschaft um jeden Preis zu verfolgen, d.h. eine möglichst schnelle Produktentwicklung und eine möglichst frühe Markteinführung neuer Produkte zu erreichen; vielmehr setzt ein modernes Time-based Management darauf, aus der Fülle an alternativen Zeitstrategien die effektivste und effizienteste Strategie auszuwähl e n , 2 2 1 wobei die Auswahl durch die spezifische Situation des Marktes und des Unternehmens determiniert wird.
219
Vgl. L A M B K I N ( 1 9 9 2 ) , S . 11.
220
Vgl. STAI,K/H0UT( 1990).
22'
A u f die M ö g l i c h k e i t , P u n k t b e w e r t u n g s v e r f a h r e n bzw. S c o r i n g m o d e l l e a n z u w e n d e n , sei an d i e s e r Stelle lediglich h i n g e w i e s e n . Vgl. zu P u n k t b e w e r t u n g s m o d e l l e n Abschnitt 4.2.2.1.3.
3 Erfolgsfaktorzentrierle
Szenarium Pionier
Kriterien
c
•
t/3
• •
S * 3 u
141
Szenarium Folger
H o h e Synergien in Produkt, Produktion und M a r k t •
Konzepte
N i e d r i g e Synergien
keine B e z i e h u n g z w i s c h e n N e u p r o dukt und P r o d u k t i o n s p r o g r a m m Einsatz neuer, u n b e k a n n t e r P r o d u k tionsanlagen geringe T e c h n o l o g i e s p e z i a l i s i e r u n g neue A b n e h m e r g r u p p e
enge B e z i e h u n g zwischen N e u p r o dukt und P r o d u k t p r o g r a m m Einsatz v o r h a n d e n e r Produktionsanlagen hohe Technologiespezialisierung bekannte A b n e h m e r g r u p p e
Hohe Produktkomplexität
Geringe Produktkomplexität
• •
g r o ß e Anzahl an K o m p o n e n t e n h o h e technische K o m p l e x i t ä t
• •
h o h e r Innovationsgrad h o h e r Dienstleistungsanteil
• • • •
,
Ift- iO
Schnelle M a r k t e n t w i c k l u n g •
schneller D i f f u s i o n s v e r l a u f
• •
geringe M a r k t ö f f n u n g s k o s t e n h o h e technologiebedingte Eintrittsbarrieren g r o ß e B e d e u t u n g der Produkttechnologie im W e t t b e w e r b
•
Tab. 3.1:
3.2.3.2.2
• •
hohe Wettbewerbsintensität h o h e Produktvorteile bei geringen Produktwechselkosten
•
Kontinuität der t e c h n o l o g i s c h e n Entwicklung
Kriterien für die Wahl einer Pionier- bzw.
geringe A n z a h l an K o m p o n e n t e n geringe t e c h n i s c h e K o m p l e x i t ä t niedriger Innovationsgrad niedriger Dienstleistungsanteil
Zögernde Marktentwicklung Langsamer Diffusionsverlauf hohe M a r k t ö f f n u n g s k o s t e n niedrige Technologieeintrittsbarrieren geringe B e d e u t u n g d e r Produkttechnologie im W e t t b e w e r b niedrige W e t t b e w e r b s i n t e n s i t ä t hohe P r o d u k t w e c h s e l k o s t e n der Abnehmer t e c h n o l o g i s c h e Diskontinuitäten
Folgerstrategie222
Zeitorientierte Forschung, Entwicklung und Konstruktion
Im Fokus des Time-based Management steht die Entwicklungszeit neuer Produkte und Dienstleistungen, da die Entwicklungsdauer im Time-based Management die relevante Stellgröße für den Markterfolg eines Unternehmens bildet. 223 Neben der Wahl der optimalen Markteintrittsstrategie wird die Planung und Steuerung von F+EProjekten vor allem durch die als Zeitfalle oder Zeitschere bezeichnete Situation er-
2 2 2
Q u e l l e : PERILLIEUX (1991), S. 41.
2 2 3
Vgl. STALK/HOUT (1990), S. 130. und KALUZA/KLENTER (1993), S. 106.
142
3 Erfolgsfaktorzenlrierte Konzepte
schwert. 2 2 4 Diese Situation ist durch das Dilemma gekennzeichnet, daß auf der einen Seite sich durch die Wettbewerbsdynamik die Marktzyklen verkürzen und daß auf der anderen Seite sich aufgrund der Komplexität der Technik und der Kundenanforderungen die Entwicklungszeiten sowie die damit verbundenen Entwicklungskosten erhöhen. Anpassungs-
Abb. 3.15:
Benötigte Reaktionszeit
Zeitschere225
Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die immer steiler verlaufenden Diffusionskurven unterschiedlicher Telefonvermittlungssysteme.
Abb. 3.16:
Unterschiedliche
Diffusionsverläufe
verschiedener
Telefonvermittlungssysteme22
224
Vgl. KUGEL/WARSCHAT/WASSERLOOS (1976), S. 6 ff. und BLEICHER (1990), S. 42 ff.
225
Quelle: BLEICHER (1991), S. 20.
226
Quelle: BACKHAUS (1997), S. 13.
3 Erfolgsfuktorzenlrierte
Konzepte
143
Die Diffusionsforschung 2 2 7 beschäftigt sich mit der Adaption von Neuerungen in sozialen Systemen sowie mit der Erklärung der Bestimmungsfaktoren dieser Adaptio n . 2 2 8 Zudem untersucht die Diffusionsforschung, in welcher Zeit und in welchen Kommunikationskanälen Informationen über neue Produkte, Dienstleistungen und neue Ideen zu potentiellen Kunden gelangen. Darauf aufbauend untersucht die Diffusionsforschung, wie sich die potentiellen Verwender vom Erhalt der ersten Information über ein Neuprodukt bis zur vollen Übernahme der Neuerung verhalten. Insofern werden im Gegensatz zu dem Modell des Produktlebenszyklus ausschließlich Erstkäufer betrachtet. Da die Unternehmen nur einen geringen Einfluß auf die Umweltkomplexität und die ihr inhärente Dynamik haben, sind sie gezwungen, sich dieser anzupassen. Insofern kann das Time-based Management als Mittel zur Umweltkomplexitätsbewältigung verstanden werden, indem entsprechend ASHBYS 229 kybernetischem Gesetz die Eigenkomplexität an die Umweltkomplexität angepaßt wird, was dazu fuhrt, daß sich ein zeitzentriertgefuhrtes Unternehmen binnen kurzer Zeit an eine große Zahl unterschiedlicher Zustände anpassen kann. 2 3 0 Auf das Problem der Zeitschere bezogen, bedeutet dies, daß eine schnellere Diffusion der Produkte bei gleichzeitigem Anstieg der Entwicklungszeiten die Konsequenz in sich birgt, daß die Unternehmen ihre Innovationsrate steigern müssen, damit sie rasch ihre Entwicklungs- und Markteinfuhrungskosten amortisieren und Gewinne erzielen können. 2 3 1 Doch durch eine Verkürzung der Entwicklungszeit ist die Beschleunigungsfalle keineswegs entschärft, da den konstanten, i.d.R. aber durch die Verkürzung der Entwicklungszeit sogar angestiegenen Entwicklungskosten (Beschleunigungskosten) häufig lediglich sinkende Erlöse im Marktzyklus gegenüberstehen. Steigt die Innovationsrate bei konstanter Länge des Lebenszyklus, so kommt es zu einem Anstieg der Produktzahl im Produktionsprogramm, wohingegen bei konstanter Innovationsrate und sinkender Marktanwesenheitszeit die Anzahl gleichzeitig sich im Programm befindlicher Produkte sinkt. In beiden Fällen wird die jährliche Absatzentwicklung durch die beiden entgegengesetzt gerichteten Parameter determiniert. Ein Beispiel möge den Wirkungszusammenhang verdeutlichen. 2 3 2 Gegenstand des Modells ist ein Unternehmen, das in einem neuen Produktfeld agiert. Die Produktlebenszyklen der aufeinander folgenden Produktgenerationen sind sowohl mit der Zeit als auch entgegen der Zeit vollkommen unabhängig voneinander. Die jeweiligen Le-
227
v g l . zur D i f f u s i o n s f o r s c h u n g ausführlich KAAS (1973).
2 2 8
Vgl. MEFFERT (1998), S. 4 0 4 .
2 2 9
Vgl. A S H B Y ( 1956), S. 202.
2 3 0
Vgl. BEECKER (1996), S. 6 1 .
231
Vgl. ADAM (1998), S. 165.
2 3 2
Das n a c h f o l g e n d e Beispiel ist e n t n o m m e n aus ADAM (1998), S. 165 ff.
144
3 Erfolgsfaktorzentrierte Konzepte
benszyklen sind durch einen symmetrischen, glockenförmigen Verlauf gekennzeichnet. Soll die maximale Absatzintensität konstant im Zeitablauf gehalten werden, so muß zum Zeitpunkt des maximalen Absatzes der ersten Produktgeneration die zweite Produktgeneration auf den Markt kommen, so daß der Absatzverlust der ersten Generation ab dem fünften Jahr durch den zusätzlichen Absatz der zweiten Generation immer gerade ausgeglichen wird.
Abb. 3.17:
Beispielhafte Modellsituation
zur Erläuterung der
Beschleunigungsfalle^^
Wie bereits dargestellt, entwickelt sich der Absatz in Abhängigkeit von der Dauer des Lebenszyklus und der Höhe der Innovationsrate unterschiedlich, wobei beide Trends nicht nur isoliert, sondern auch in Kombination auftreten können. Beschleunigt sich die Diffusion der zweiten Produktgeneration von zehn z.B. auf sechs Jahre und wird unterstellt, daß die Gesamtabsatzmenge in beiden Fällen gleich ist (Identität der Flächeninhalte), so kommt es zu keinerlei Zusatzkäufen; vielmehr werden lediglich Kaufentscheidungen temporär vorgezogen.
233
Quelle: ADAM (1998), S. 167.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Abb. 3.18:
Wirkung auf den Absatzverlauf bei Verkürzung des
Konzepte
145
Lebenszyklus234
Kommt die zweite Generation, wie im Ausgangsbeispiel, wieder nach fünf Jahren auf dem Markt, fuhrt dies dazu, daß der gesamte Absatz aufgrund der höheren Absatzintensität der zweiten Generation, die den Absatzausfall der ersten Generation überkompensiert, ansteigt. Bleibt die Innovationsrate konstant (ein Produkt nach fünf Jahren) so sinkt der Absatz ab dem achten Jahr rapide ab, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder stark anzusteigen. Langfristig ergibt sich kein konstantes Absatzniveau.
Abb. 3.19:
Diskontinuierlicher Absatzverlauf im Rahmen der
234
Quelle: ADAM (1998), S. 167.
2 3 5
Quelle: A D A M ( 1 9 9 8 ) , S. 165.
Beschleunigungsfalle23^
146
3 Erfolgsfaktorzentrierte Konzepte
Sinkt hingegen die Marktanwesenheitszeit und steigt gleichzeitig die Innovationsrate auf ein Produkt in drei Jahren, so stabilisiert sich der Absatz ab dem elften Jahr.
Abb. 3.20:
Kontinuierlicher Rahmen der
Absatzverlauf
auf höherem Niveau als in der Ausgangssituation
im
Beschleunigungsfalle236
Zuletzt sei der Fall dargestellt, bei dem zwar die Innovationsrate konstant bei einem Produkt pro Jahr bleibt, sich aber der Lebenszyklus kontinuierlich von zehn auf sechs Jahre verkürzt.
Abb. 3.21:
Strohfeuereffekt
im Rahmen der
236
Quelle: ADAM (1998), S. 168.
237
Quelle: ADAM (1998), S. 168.
Beschleunigungsfalle^^
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
147
Aus der vorangehenden Abbildung wird deutlich, daß der Umsatz bis zum Beschleunigungsprozeß zunächst konstant bleibt, um anschließend während der Beschleunigungsphase anzusteigen. Ist die Beschleunigung beendet, so fällt der Absatz auf das ursprüngliche Niveau zurück. Dieses „Strohfeuer" teilt lediglich die beiden Phasen voneinander, die dadurch charakterisiert sind, daß in der ersten Phase vor der Beschleunigung der Gesamtabsatz in einem Jahr durch zehn Produkte erzielt wird, während in der Nachbeschleunigungsphase derselbe Gesamtabsatz sich lediglich auf sechs Produkte pro Jahr verteilt. Die dargestellten Beispielsituationen verdeutlichen, daß nur bei beschleunigter Diffusion und gleichzeitiger Erhöhung der Innovationsrate ein langfristiges Wachstum erreicht werden kann. Die notwendige Gleichzeitigkeit der beiden Entwicklungen führt dazu, daß der immer kürzer werdende Entwicklungsprozeß irgendwann kollabiert, da immer mehr Produkte gleichzeitig entwickelt werden müssen. Werden die zuvor unterstellten Nachfrageverschiebungen näher betrachtet und stellt sich dabei heraus, daß im Gegensatz zu den Modellannahmen die nachfolgenden Produktgenerationen ein geringeres Absatzvolumen erzielen als ihre Vorgänger, so offenbart sich u.U. der sogenannte Leapfrogging-Behavior-Effekt 238 . Unter Leapfrogging wird das bewußte Überspringen der gegenwärtigen, am Markt angebotenen Technologie und die Verschiebung der Kaufentscheidungen auf eine zukünftig erwartete Produktgeneration verstanden, da in der Erwartung der Nachfrager die zukünftige Technologie durch eine wesentlich höhere Leistungsfähigkeit gekennzeichnet ist. Insofern kommt es bei konstanter Innovationsrate und beschleunigter Diffusion lediglich kurzfristig zu einem Anstieg der Absatzintensität, um im Anschluß daran beim Einsetzen des Leapfrogging-Behavior-Effektes eine Absatzintensität auszuweisen, die unterhalb des Ausgangsniveaus liegt.
2 3 8
V g l . WEIBER ( 1 9 9 4 ) , S. 3 4 2 .
148
3 Erfolgsfakíorzenlrierte
Abb. 3.22:
Konzepte
Leapfrogging-Behavior-Effekfl^
Die voranstehende Abbildung verdeutlicht, daß die vorweggenommenen Absatzmengen langfristig die Absatzintensität senken. Dieser Effekt kann auch durch eine höhere Innovationsrate nicht kompensiert werden; im Gegenteil würde hierdurch sogar der Leapfrogging-Behavior-Effekt weiter verstärkt werden. Häufig kommt es durch den Leapfrogging-Effekt zu einem Verdrängungswettbewerb, da einige Unternehmen den Beschleunigungsprozeß nicht durchhalten oder aber selber Opfer des Effektes werden. Insofern gewinnen nur die Unternehmen, die Marktanteile untergehender Unternehmen an sich binden können. Hierfür ist jedoch eine gute Kapitalbasis und ein zeitlich, kostenseitig und qualitativ hinreichend beherrschter Innovationsprozeß zwingend erforderlich. 240 Der Innovationsprozeß im Rahmen des Time-based Management steht wie auch bei den bereits dargestellten erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepten im Spannungsfeld zwischen der aus dem Markt resultierenden Forderung nach höherer Produktkomplexität (als Konsequenz der gestiegenen Präferenzkomplexität) und Variantenvielfalt, kürzeren Produktlebenszyklen sowie zeitlich ausgeweitetem Service auf der einen und unternehmensinternen Möglichkeiten und Grenzen auf der anderen Seite. Um dieses Spannungsverhältnis erfolgreich auszugestalten, müssen in der zeitorientierten Forschung und Entwicklung die richtigen Dinge richtig getan werden. Hierfür ist es notwendig, die Haupteinflußgrößen des Unternehmens auf die Entwicklungszeit offenzulegen und entsprechend der gewählten Markteintrittsstrategie auszugestalten.
2 3 9
Q u e l l e : ADAM ( 1 9 9 8 ) , S. 170.
2 4 0
Vgl. ADAM (1998), S. 171.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Abb. 3.23:
Haupteinflußgrößen der
Konzepte
1 49
Entwicklungszeit^^
Im Rahmen des zeiteffizienten Produktkonzepts 242 ist darauf zu achten, daß ein Overengineering vermieden wird, da dies zu einer unnötigen Verlängerung der Entwicklungszeit fuhrt. Aus einer unnötig langen Entwicklungszeit ergibt sich für das entwickelnde Unternehmen eine „vierfache Zeitfalle". Zum einen wird u.U. der optimale Markteintritt verpaßt, was zu erheblichen Umsatzeinbußen fuhren kann, und zum anderen wird das Overengineering vom Kunden nicht entgolten. Darüber hinaus können sich z.B. die rechtlichen Rahmenbedingungen während einer längeren Entwicklungsphase leichter ändern als während einer kürzeren Entwicklungsdauer - mit der Folge, daß u.U. die ursprüngliche Planung und der bereits durchgeführte Entwicklungsprozeß teilweise oder sogar vollständig obsolet werden. Letztlich fuhrt eine unnötige Verlängerung der Entwicklungszeit immer auch zu einer Erhöhung der Entwicklungskosten. Insofern gilt es den Leistungsumfang und das Leistungsniveau, also den Qualitätsstandard, genau auf die Bedürfnisse des Kunden auszurichten. Die Anzahl von Produktvarianten ist auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren, und die System- und Funktionsstruktur des Produktkonzeptes ist so zu vereinfachen, daß der Anteil an Gleich- und Normteilen möglichst hoch ist. Neben dem zeiteffizienten Produktkonzept ist vor allem eine zeiteffiziente Entwicklungsorganisation 243 für eine Reduzierung der Entwicklungszeit von entscheidender Bedeutung. Eine entsprechende zeiteffiziente Aufbauorganisation ist vor allem gekennzeichnet durch
241
Quelle: In Anlehnung an SCHMELZER/BUTTERMILCH ( 1 9 8 8 ) , S. 47.
242
Zu den Ausführungen hinsichtlich eines zeiteffizienten Produktkonzepts vgl. SCHMELZER/ BUTTERMILCH (1988), S. 51.
243
Zu den Ausfuhrungen hinsichtlich einer zeiteffizienten Entwicklungsorganisation vgl. VOIGT (1998), S. 193 ff.
150
i Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
* flache Hierarchien, die einen schnellen Informationsfluß, einen kurzen Entscheidungsprozeß sowie eine höhere Flexibilität ermöglichten, •
markt- und produktorientierte, autonome Geschäftseinheiten, die eigenverantwortlich ein Interesse an einer schnellen Produktentwicklung haben,
•
eine intensive Nutzung moderner IuK-Technologie
•
temporäre multifunktionale
sowie
Entwicklungsteams.
Darüber hinaus kann es u.U. sinnvoll sein, bestimmte Entwicklungsleistungen Drittleistung zuzukaufen.
als
Neben der zeiteffizienten Aufbauorganisation ist die zeiteffiziente Ablauforganisation ein weiterer wichtiger Aspekt im Hinblick auf eine „Optimierung" der Entwicklungszeit. Ausgangspunkt hierfür ist eine detaillierte Analyse, die der Frage nachgeht, wie die vorhandenen Ressourcen auf die parallel verlaufenden Entwicklungsprojekte aufzuteilen sind, damit die strategisch bedeutsamen Aufgaben termingerecht fertiggestellt werden. 2 4 4 Durch eine konsequente Anwendung der 20/80-Prozent-Regel, die beinhaltet, daß 20% der Projekte in der Entwicklung 80% des Erfolges eines Unternehmens ausmachen, können die verfügbaren Ressourcen erfolgversprechend auf die strategisch bedeutsamen Projekte verteilt werden, um so die Entwicklungszeiten und die sich anschließenden Durchlaufzeiten zu verkürzen. Strategisch weniger wichtige Projekte werden bei Ressourcenknappheit generell ausgelagert. Sind die Ressourcen auf die strategischen Projekte verteilt, kann bei international agierenden Unternehmen durch eine optimale Ausnutzung der Zeitzonen auf Basis moderner IuK-Technologie eine Entwicklung rund um die Uhr betrieben werden. Insofern stellt die zeitorientierte Nutzung von Computer Integrated Manufacturing, Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssystemen, ERP-Systemen (Enterprise-Resource-Planning-Systeme) sowie Internet-, Intranet- und Extranet-basierten Systemen ein zentrales Charakteristikum des Time-based Management dar. 2 4 5 Üblicherweise werden bei F+E-Projekten auf die eigentliche Entwicklungszeit sogenannte zeitliche Unwägbarkeitszuschläge aufgeschlagen, um Rücksprünge oder Nachentwicklungen ex ante einzuplanen. Durch die Nutzung der auf dem TotalQuality-Management-Gedanken basierenden Instrumente, wie z.B. der FMEA, kann der Zeitanteil für diese Unwägbarkeitszuschläge um bis zu 30% reduziert werden. 2 4 6 Die größte Zeiteinsparung wird in der Time-based-Management-basierten Forschung und Entwicklung jedoch durch einen bereichsübergreifenden, parallelen und integrierten Innovationsprozeß realisiert. Einsparungen von bis zu 40% gegenüber der ursprünglich avisierten Entwicklungszeit bei phasenorientierter, arbeitsteiliger Ent244
Vgl. WILDEMANN (1992e), S. 19.
245
Zu den aufgezählten IuK-Systemen sowie deren strategischer Wirkung vgl. Abschnitt 4.2.4.
246
Vgl. WILDEMANN (1992b), S. 25.
3 Erfolgsfaktorzentrierte Konzepte
151
wicklung sind durch eine konsequente Verfolgung des Simultaneous-EngineeringGedankens möglich. Der Einsatz von Simultaneous Engineering im Time-based Management zielt im Gegensatz zu den kosten- bzw. qualitätszentrierten Managementkonzepten nicht auf eine bedingungslose Beschleunigung der Produkt- und Prozeßentwicklung mit der ausschließlichen Zielsetzung, eine Innovationsstrategie zu unterstützen, ab; vielmehr gilt es, mit Hilfe des Simultaneous Engineering den optimalen Zeitpunkt der Markteinführung vor dem Hintergrund einer Pionier- oder Folgerstrategie zu erreichen. Allgemein zielt Simultaneous Engineering auf eine Parallelisierung bzw. Überlappung von Produktentwicklung und Entwicklung der Produktionsprozesse und Produktionseinrichtungen ab. Während sich der konventionelle Produktentwicklungsprozeß linear, sequentiell entlang der Prozeßkette, chronologisch nach Funktionsbereichen gegliedert entsprechend dem oberen Teil der nachfolgenden Abbildung, darstellt, versucht das Simultaneous Engineering, die einzelnen Teilprozesse ablauforientiert parallel, zumindest aber überlappend zu gestalten. Ziel dabei ist es, die Produktentwicklungszeiten auf das notwendige Maß, gemäß der avisierten Markteintrittsstrategie, zu verkürzen, die Produkt- und Entwicklungskosten zu minimieren und die Produktqualität konsequent an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten.
Zeitachse
Abb. 3.24:
247
Zeitersparnis
durch Simultaneous
Quelle: GAMPE (1997), S. 28.
Engineering^-^
152
3 Erfolgsfaktorzenlrierle
Konzepte
Generell ist die Umsetzung des Simultaneous Engineering durch drei strategische Handlungsweisen gekennzeichnet: Parallelisieren/Überlappen, Standardisieren und Integrieren. 248 •
Parallelisieren/Überlappen: Prozesse, die voneinander unabhängig sind, werden zeitgleich durchgeführt (Parallelisierung), falls jedoch Abhängigkeiten vorhanden sind, beginnt der abhängige Prozeß, bevor der Vorgängerprozeß abgeschlossen ist (Überlappung). Das Vorziehen eines Prozesses ist häufig möglich, da schon nach kurzer Zeit des Prozeßablaufes genügend Informationen zur Verfugung stehen, um mit dem nachfolgenden Entwicklungsprozeß starten zu können. Beispielsweise muß der Fahrerhausrohbau in der Automobilentwicklung nicht komplett abgeschlossen sein, damit mit der Konstruktion der Innenausstattung begonnen werden kann. Der Teilprozeß „Entwicklung der Innenausstattung" kann schon nach der theoretischen Definition des Bauraumes, der für das Interieur zur Verfügung steht, anlaufen. Der Vorteil, der auf diese Weise mit der parallelen Bearbeitung von Entwicklungsprozessen erzielt wird, führt allerdings auch zu einer erhöhten Entscheidungskomplexität. Die Menge an Informationstransfers vor dem Abschluß von zeitlich vorgelagerten Entwicklungstätigkeiten zwischen den beteiligten Bereichen steigt erheblich an. Des weiteren erhöht sich der Anteil an unsicherer, unscharfer 2 4 9 und unvollständiger Information, da beim Start eines Teilprozesses die komplette Information des vorgelagerten, nicht beendeten Prozesses noch nicht vorliegt. 250
•
Standardisieren: Um einen hohen Grad der Parallelisierung zu erreichen, sind die Abhängigkeiten der einzelnen Teilprozesse untereinander zu erkennen und als Schnittstellen 25 ' zu definieren. Hierfür ist es hilfreich, die Prozeßabläufe und den Informationsfluß zu standardisieren, d.h. eine dauerhafte Definition und Regelung von Teilprozessen im Produktentstehungsprozeß unabhängig von einzelnen Personen und Ereignissen zu generieren und in Softwaresystemen abzubilden. 252 Die Standardisierung bezieht sich auf technisch-strukturelle Aspekte wie Modul- oder Baugruppenbildung, auf prozeßorientierte Aspekte wie die Ablauforganisation oder auf aufbauorganisatorische Aspekte wie die Definition von Schnittstellen zwischen Prozessen und Bereichen. Ziel der Standardisierung ist das Vermeiden von unnötigen Arbeiten und Wiederholungen und somit die Verbesserung der Zeiteffizienz.
•
Integrieren: Generell sind die Teilprozeßabläufe nicht mehr getrennt zu betrachten; vielmehr gilt es zu erkennen, daß die Abläufe häufig nicht unabhängig parallel abgewickelt werden können, sondern nur gemeinsam, wie z.B. die Bereiche
2 4 8
V g l . BULLINGER ( 1 9 9 5 ) , S. 380.
2 4 9
Zur unscharfen Vorabplanung vgl. KEUPER (1999), S. 344 ff.
2 5 0
V g l . BULLINGER ( 1 9 9 5 ) , S. 381.
25
Zur Schnittstellenproblematik vgl. Abschnitt 4.1.1.3.1.
'
2 5 2
Vgl. HILL/FEHLBAUM/ULRICH
(1974), s. 266.
3 Erfolgsfaklorzenlrierte
Konzepte
153
„Elektrik" und „Mechanik" integrativ betrachtet werden müssen. Beispielsweise sind für eine optimale Abstimmung der Kabelfiihrung im Fahrerhaus eines Lastkraftwagens die Entwicklungsprozesse nicht zu parallelisieren, sondern zu integrieren, da sie direkt miteinander verzahnt sind. Die Verkürzung von Entwicklungsprojekten, insbesondere durch eine konsequente Verfolgung des Simultaneous-Engineering-Gedankens, bedingt eine Ausweitung der personellen Kapazität und der Sachmittelkapazität. Während die personelle Kapazität vor allem durch zusätzliche Mitarbeiter und Überstunden ausgebaut werden kann, was sich direkt projektbeschleunigend auswirkt, zielt eine Ausweitung der Sachmittelkapazitäten vornehmlich auf eine umfangreiche Nutzung von IuKSystemen mit dem Ziel ab, die Anforderungsmodellierung, die Funktionsmodellierung, die Prinzipmodellierung und die Gestaltungsmodellierung zeiteffizienter umzusetzen. 253 Das optimale Zusammenspiel zwischen den personellen Kapazitäten, also den Mitarbeitern, und den Sachmittelkapazitäten wird im Rahmen des Time-based Management durch eine entsprechende zeitorientierte Führung gewährleistet. Nur wenn die Mitarbeiter motiviert sind, die durch die Organisation und die technischen Hilfsmittel gewonnenen Zeitvorteile auch zu nutzen, macht eine zeitorientierte Entwicklung überhaupt Sinn. Insofern gilt es die Motivation durch eine entsprechende Gestaltung von Anreizsystemen (z.B. Qualifikationen in Abhängigkeit von der Projektdauer), durch die Möglichkeit zur Entfaltung der eigenen Kreativität sowie durch eine konsequente Mitarbeiterqualifikation zu erhöhen. 2 5 4 Aufgabe des Entwicklungscontrollings in einer zeitzentriertgeführten Forschung und Entwicklung ist neben der bereits dargestellten Planung des Entwicklungsprogramms und der Ressourcenplanung vor allem die Planung, Steuerung und Überwachung der Projekte im Hinblick auf den Faktor Zeit unter Beachtung der als Restriktionen zu interpretierenden Erfolgsfaktoren Kosten und Qualität. Ein solches Zeitcontrolling setzt voraus, daß •
eine gesicherte Erfahrungsbasis und Methodik für die Planung von Entwicklungsprojekten existiert;
•
aussagefähige Meß- und Kenngrößen für Entwicklungszeiten entwickelt werden;
•
die Entwicklungszeitkomponenten, wie z.B. Abstimmungs- oder Suchzeiten, und ihre Verteilung bekannt sind;
•
die Einflußfaktoren der Entwicklungszeit bekannt sind;
253
Zu den spezifischen computergestützten Softwaretools im Entwicklungsbereich vgl. Abschnitt 4.2.4.1.1.
2 5 4
Vgl. SCHMELZER/BUTTERMILCH ( 1 9 8 8 ) , S. 63.
J Erfolgsfaktorzenlrierle
154
•
Konzepte
Erfahrungen über die Wirkung von Verkürzungsmaßnahmen vorliegen. 255
Sind die Kenntnisse weitgehend vorhanden, so kann mit Hilfe von Meilenstein-TrendAnalysen (MTA) in Kombination mit Kosten-Trend-Analysen (KTA)256 oder mit Kennzahlensystemen, Netzplänen, Balkendiagrammen sowie Zeit-Risiko-Analysen eine zeitorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle erfolgen. Um die durch den „optimalen Markteintritt" entsprechend der gewählten Markteintrittsstrategie erzielten Vorteile nicht durch eine geringe Reaktionszeit hinsichtlich der Kundenanforderungen, z.B. in Form einer Bestellung, zu verspielen, werden im Time-based Management die Bereiche Beschaffung und Fertigung ebenfalls zeitorientiert geführt.
3.2.3.2.3
Zeitorientierte Beschaffung
Ziel einer zeitorientierten Beschaffung ist es, über ein entsprechendes Zusammenspiel von •
System- und Modullieferanten,
•
JiT-Sourcing-Strategien,
•
Single oder Dual Sourcing sowie über
•
spezielle Insourcing-Strategien
den Beschaffungsprozeß im Hinblick auf den Faktor Zeit zu optimieren. Ein wichtiger Ansatzpunkt im Hinblick auf die Prozeßoptimierung ist im Time-based Management die System- und Modulbildung für die Endproduktentwicklung, da die Zusammenarbeit mit System- und Modullieferanten wesentlich dazu beiträgt, den Produktaufbau in seiner Komplexität zu reduzieren. Für den Produktentstehungsprozeß ist es wesentlich zeiteffizienter und zeiteffektiver, das funktionsgerechte Zusammenwirken vom ganzen System zu definieren und in Teilprojekte zu untergliedern, als von einzelnen Baugruppen auszugehen, die getrennt konstruiert werden und im nachhinein eine gemeinsame Funktion erhalten sollen. Die Verantwortung für ein System wird auf den Systemlieferanten oder Systemverantwortlichen der Konstruktion des Endproduktherstellers übertragen, damit gegebenenfalls entstehende Regreßansprüche und unerwünschte Folgewirkungen eindeutig zuzurechnen sind. Der Produktentstehungsprozeß wird zudem durch eine Produktstrukturierung in zusammenhängende Systeme und Module transparenter, wobei die direkte Aufgabenverteilung
255
Vgl. VOIGT (1998), S. 213.
256
Vgl. BROCKHOFF/URBAN (1988), S. 26 ff. und LANGE (1993), S. 144 ff.
S Erfolgsfaklorzenlrierte
Konzepte
155
auf die Produktstruktur und damit auf die einzelnen Systeme und Module erleichtert wird. Für die spätere Fertigung ergeben sich aus den Möglichkeiten zum modularen Aufbau und zur Standardisierung der Produkte weniger Wechselwirkungen zwischen den Komponenten, was zu einer besseren Beherrschung des Produktionsprozesses und somit zu einer Beschleunigung der Durchlaufzeit eines Auftrages beiträgt. Zudem tritt häufig ein höherer Nutzen für den Endkunden durch eine verbesserte Wartungsund Reparaturmöglichkeit auf. Durch eine Standardisierung der Module kommt es zu einer Reduzierung der Variantenvielfalt, wodurch ein überproportionaler Anstieg der Komplexitätskosten und der erforderlichen Auftragsabwicklungszeit vermieden wird. Für den Time-based-Management-basierten Beschaffungsprozeß sind durch die Systemdefinition und die darauf aufbauende Vergabe geschlossener systembezogener Entwicklungsaufträge an Lieferanten Zeitvorteile für den gesamten logistischen Ablauf abzusehen, da eine Bündelung der Baugruppen weniger Koordination und Absprachen erfordert und somit einer Zeitverschwendung entgegenwirkt. Gestaltungsfelder Technisch prozeßbezogen
1
Logistikvereinfachung
|
Materialeinsparung
i
9 lüflffli^S^SE^SillüSfflliiSl
f
Konstruktiv/ funktional
Variantenreduzierung
^
Modularisierung
^
Schnittstellenreduzierung
i
produktbezogen
i
*
*
Optimierung Entwicklungs- und Durchlaufzeit (Zeit)
Eindeutige Aufgaben-/Ziel-/ Kompetenzzuweisung ^ Projektorganisatorisch
|i j
methodisch
i
zeitbezogen
j
Abb. 3.25:
|
Kompetenzbündelung ii
*
Verkürzung der Entwicklungszeit
[
Schnittstellenreduzierung/ -Verlagerung (organisatorisch)
Zeitwirkungen der System- und Modulbildung
Neben dem konsequenten Aufbau von Entwicklungspartnerschaften, um vorrangig die gewählte Markteintrittsstrategie optimal zu unterstützen, werden im Time-based
2 5 7
Quelle: In Anlehnung an ANDERL (1997), S. 84.
156
i Er/olgsfaktorzenírieríe
Konzepte
Management in der Regel solche Sourcing-Strategien weiterverfolgt, 258 die eine rasche und flexible Belieferung des abnehmenden Unternehmens ermöglichen. Von zentraler Bedeutung sind hierbei insbesondere JiT-Beschaffungen, deren Hauptcharakteristikum die Synchronisation der Fertigungsprozesse von Zulieferer und Abnehmer sowie die dadurch gegen null tendierende Lagerhaltung ist. Während Global und Multiple Sourcing aufgrund der räumlichen Entfernung bzw. wegen der hohen Koordinationskomplexiät eher weniger für eine Unterstützung des Faktors Zeit geeignet sind, werden im Time-based Management vor allem das Single oder das Dual Sourcing angewendet. Darüber hinaus eignet sich auch eine spezielle Form des Insourcing, bei der der Zulieferer im Produktionsbereich des Abnehmers Kapazitäten bereithält und Baugruppen und Module vor Ort fertigt bzw. in den Fertigungsprozeß des Abnehmers integriert, um die Schnittstellen auf ein Minimum zu reduzieren, wodurch die Durchlaufzeit eines Auftrages drastisch beschleunigt werden kann.
3.2.3.2.4
Zeitorientierte Fertigung
Das zentrale Problem der zeitorientierten Fertigung ist die Zeitknappheit, die sich aus der Zielsetzung, schnell und flexibel auf die Kundenwünsche zu reagieren und diese zu befriedigen, ergibt. Empirische Untersuchungen zeigen, daß kurze Lieferzeiten bei Produkten bzw. kurze Wartezeiten bei Dienstleistungen sich positiv auf die Zahlungsbereitschaft sowie die Kundentreue auswirken, sofern die Zeitvorteile nicht durch wesentlich höhere Kosten überkompensiert werden. So verwundert es nicht, daß Foto-Expreß-Dienste oder Optiker, bei denen die Kunden auf die Fertigung ihrer neuen Brille im Geschäft warten können, trotz eines höheren Preisniveaus im Vergleich zu ihren langsameren Wettbewerbern überdurchschnittlich erfolgreich sind. 259 Entsprechend beziffern S T A L K und H O U T die Erhöhung der Produktivität durch Halbierung der Zykluszeit auf 20% bis 70%. 2 6 0 Ein weiterer Vorteil einer kurzen Reaktions- bzw. Durchlauf- oder Zykluszeit liegt in der Verringerung des Verlustrisikos. Je geringer die Auftragsabwicklungszeit und je höher die Reaktionsfähigkeit in der Fertigung, desto weniger braucht das Unternehmen auf langfristige und damit ungenaue Prognosen zurückzugreifen. Im Idealfall beginnt die Produktion erst nach dem Auftragseingang und ist trotzdem in der Lage, den vom Kunden gewünschten Liefertermin einzuhalten, so daß letztlich die Schnelligkeit die Planungs- und Prognoseaufgaben teilweise substituiert. 2 6 1 Beispielsweise versetzen reduzierte Durchlaufzeiten das Unternehmen in die Lage, zu einem späteren als dem ursprünglich erforderlichen Zeitpunkt mit den AktiEine ausfuhrliche Darstellung verschiedener Sourcing-Strategien findet sich in Abschnitt 3.2.4.1.3. 2 5 9
V g l . STEINBACH ( 1 9 9 7 ) , S. 112.
2 6 0
V g l . STALK/HOUT ( 1 9 9 0 ) , S. 50.
261
V g l . V 0 I G T ( 1 9 9 6 ) , S. 10.
3 Erfolgsfaklorzenlrierte
Konzepte
157
vitäten zu beginnen. Insofern reduziert sich das Änderungsrisiko, wenn mit der Produktion zu einem späteren Zeitpunkt gestartet werden kann. Zur Lösung des Problems der Zeitknappheit 262 im Sinne einer möglichst kurzen Durchlaufzeit des Auftrages in der Produktion kommen vor allem fünf Ansatzpunkte in Frage, die auch miteinander kombiniert werden können: •
Komplexitätsreduktion
•
Reduzierung bzw. Vermeidung von Leerzeiten
•
zeitliche Überlappung bzw. Parallelisierung von Aktivitäten
•
Beschleunigung der Maßnahmenausfuhrung
•
Ausweitung bzw. Flexibilisierung der Arbeits- und Betriebszeit
Zunächst wird im Time-based Management wie auch schon im Lean Management der Fertigungsprozeß weitgehend standardisiert, da standardisierte Prozeßabläufe geringere Ausfallrisiken und hohe zeitliche Effizienzpotentiale in sich bergen. Eine solche Simplifizierung der Prozesse erfolgt dabei im wesentlichen durch eine Fertigungssegmentierung, die es erlaubt, weitgehend standardisierte Massenprodukte oder Varianten, deren Freeze Point relativ nah am Ende des Fertigungsprozesses angesiedelt ist, in Form einer zeiteffizienten und zeiteffektiven Fließfertigung abzuwickeln. So ergeben sich durch eine objektorientierte Betriebsmittelausrichtung eine Kapazitätsharmonisierung und eine Erhöhung des Wechselpotentials, da die Rüstzeiten reduziert werden. Gleichzeitig steigt durch die Segmentierung der Fertigung insbesondere die Flexibilität hinsichtlich der Exotenproduktion, da für diese spezielle FFS-Systeme und Organisationsformen, z.B. interdisziplinäre Produktionsteams, bereitgestellt werden können und zudem die Exotenfertigung durch die Abspaltung der Standardfertigung von kombinatorischen Fertigungsproblemen und zeitaufwendigen Umrüstvorgängen u.U. befreit wird. Neben der Komplexitätsreduktion spielt die Reduzierung bzw. Vermeidung von Leerzeiten, d.h. von unproduktiv oder ineffizient genutzten Zeitanteilen, eine große Rolle. Um von vornherein möglichst geringe Leerzeiten einzuplanen, sind spezielle Planungstechniken wie z.B. die Netzplantechnik anzuwenden, die mit dem kritischen Weg denjenigen Teilprozeß offenlegt, zwischen dessen aufeinanderfolgenden Aktivitäten keinerlei Zeitreserven mehr existieren. Während aus der Sicht der Einzelperson, und dies gilt nicht nur für die Produktion, darauf zu achten ist, daß die Zeittreiber „unzureichende Planung, zuviel Improvisati-
Unter „ Z e i t k n a p p h e i t " im e i g e n t l i c h e n S i n n e ist e i n e Situation zu v e r s t e h e n , in der der Zeitraum, der zur R e a l i s i e r u n g einer o d e r mehrerer M a ß n a h m e n benötigt wird, länger ist als der zur M a ß n a h m e n r e a l i s i e r u n g v e r f ü g b a r e Z e i t r a u m . V g l . VOIGT ( 1 9 9 8 ) , S. 5 5 f.
158
3 Erfolgsfaktorzenlrierle
Konzepte
on, Mangel an Prioritäten, zu geringes Maß an Delegierung usw." weitgehend vermieden werden, zielt die Reduzierung von Leerzeiten aus Sicht des strategischen
Ma-
nagements darauf ab, den raum-zeitlichen Vollzug der Ablaufplanung zu optimieren. Dabei ist das Augenmerk auf alle Durchlaufzeitenkomponenten - Transportzeit, Wartezeit, Rüstzeit, Operationszeit, Abrüstzeit, Reifezeit und Kontrollzeit - zu legen, 2 '' 3 wobei schwerpunktmäßig die Zeitkomponenten analysiert werden müssen, in denen keine oder aus Kundensicht nur eine unwesentliche Wertschöpfung erfolgt. So zeigen empirische Untersuchungen bei variantenreicher Werkstattfertigung, daß die Wartezeiten bis zu 90% der Durchlaufzeit des jeweiligen Auftrages ausmachen. 2 6 4 Insofern versucht das Time-based Management, durch eine Verbesserung der Fertigungssteuerung die ablaufbedingten Wartezeiten weitgehend zu reduzieren, wohingegen im Bereich der Massenfertigung insbesondere auf eine optimale Layoutplanung der Fertigungslinie und eine optimale Austaktung geachtet wird. Eine konsequente Verfolgung des JiT-Prinzips sowohl in der Standardfertigung als auch in der Exotenfertigung bedeutet letztlich die Konstruktion einer funktionsübergreifenden Prozeßkette, wodurch die Schnittstellenproblematik relaxiert wird und Zeitverluste minimiert werden. Zudem werden im Time-based Management weitgehend flexible Fertigungssysteme verwendet, rüstzeitsparende Investitionen getätigt und moderne PPSsowie Informations- und Kommunikationssysteme konsequent genutzt. Ferner hat eine konsequente Implementierung von Holstrategien in der Fertigung signifikante Auswirkungen auf die Transport- und Wartezeiten. Die parallele Ausführung von Aktivitäten ist bereits an einigen Stellen, zuletzt in der zeitorientierten Beschaffung, ausführlich dargestellt worden. Eine Parallelisierung von Aktivitäten bedingt logischerweise eine entsprechende Erhöhung der Periodenkapazität, sofern die Aktivitäten nicht in andere Unternehmen ausgelagert werden. Generell werden im Time-based Management die Bearbeitungs- und Kontrollzeiten überlappt, indem eine kontinuierliche Überwachung des Fertigungsprozesses erfolgt. Weitaus problematischer ist die Überlappung ursprünglich vernetzter Arbeitsgänge, da eine Überlappung einzelner Aktivitäten zeitlich horizontale und vertikale Interdependenzen nach sich zieht, so daß es an den entsprechenden Assemblierungspunkten der Fertigung zu Montageproblemen aufgrund fehlenden Materials kommen kann. Im Gegensatz zum Lean Management, das eine Harmonisierung des Materialflusses anstrebt, 2 6 5 zielt das Time-based Management auf eine konsequente Beschleunigung aller Aktivitäten innerhalb der Fertigungsprozesse ab. Dies ist vor allem darin begründet, daß das Time-based Management davon ausgeht, daß Erfolg auch mit geringerer Qualität und höheren Kosten erzielt werden kann, sofern nur der Faktor Zeit kundenorientiert optimal erfüllt wird. Im Rahmen der Aktivitätenbeschleunigung ist 2 6 3
Zur Problematik d e r z e i t l i c h e n B e s t i m m b a r k e i t d e r D u r c h l a u f z e i t e n k o m p o n e n t e n v g l . KEUPER ( 1 9 9 9 ) , S. 152 f f .
2 6 4
V g l . ADAM ( 1 9 9 8 ) , S. 4 2 .
2 6 5
V g l . Abschnitt 3.2.1.2.4.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
159
zu beachten, daß lediglich die Aktivitäten beschleunigt werden, die auf dem kritischen Weg liegen, und daß mit einer intensitätsmäßigen Anpassung auch gleichzeitig die Grenzkosten ansteigen. Insofern werden die betrieblichen Vorgänge nur soweit beschleunigt, wie auch ein gleichhoher Mehrnutzen entsteht, sei es, daß die eingesparte Zeit für nachfolgende Aktivitäten genutzt werden kann oder daß die Beschleunigung für eine termingerechte Lieferung unumgänglich ist. Im Gegensatz zu den vorangehenden, eher technologischen Möglichkeiten, die Durchlaufzeit in der Fertigung zu reduzieren, stellt das Mitarbeiterpotential die eigentliche Problemlösungskapazität hinsichtlich des Faktors „Zeit" dar. So ist das Wissen über die Zeitverbräuche der Wettbewerber sowohl in der Forschung und Entwicklung als auch in der Fertigung relativ gering, was dazu fuhrt, daß zeitoptimierte Prozesse sowie deren Steuerung und Kontrolle durch für den Faktor „Zeit" sensibilisierte Mitarbeiter eine strategische Ressource bilden können. Zudem bedingt eine flexible, vollautomatische Produktion und die hierdurch induzierte Kapitalbindung im Anlagevermögen eine Ausdehnung und Flexibilisierung der Arbeitszeit. Flexible Arbeits- und Betriebszeiten erfordern jedoch hochqualifizierte Mitarbeiter, da die gleitende Arbeitszeit, Freischichtmodelle, Job Sharing, Job Rotation, Schichtarbeit oder die versetzte Arbeitszeit die Gleichzeitigkeit der Arbeitsprozesse auflösen. 266 Dies führt zu einer NichtVerfügbarkeit der gerade nicht anwesenden Mitarbeiter, so daß dieser Mangel nur durch mehrfach und hochqualifizierte Mitarbeiter kompensiert werden kann. Die höhere Qualifikation der Mitarbeiter hat auch Auswirkungen auf den Führungsstil und das Führungsverhalten. So sind die Arbeitszeiten unter Einbeziehung der Mitarbeiter so zu koordinieren, daß sowohl die betrieblichen Ziele als auch die Interessen der Mitarbeiter Berücksichtigung finden. Erst durch integrative Arbeitsstrukturen, in denen der Mitarbeiter im Vordergrund der Betrachtung steht, können die Flexibilitäts- und Abwicklungszeitpotentiale voll ausgeschöpft werden. Die Selbstorganisation, die fundamentaler Bestandteil moderner Arbeitszeitkonzeptionen ist, unterstützt zudem die intrinsische Motivation erheblich, was sich, wie bereits mehrfach dargestellt, positiv auf die Leistungswilligkeit der Mitarbeiter auswirkt. Letztlich bedingt ein konsequentes Zeitmanagement in der Fertigung somit •
den Einsatz von IuK-Technologien, um eine umfassende und vor allem schnelle Informationsversorgung über sämtliche Wertschöpfungsbereiche hinweg zu gewährleisten;
•
die Implementierung von flexiblen, sich selbst abstimmenden men auf Basis von Team- oder Gruppenarbeiten;
Organisationsfor-
Zu den unterschiedlichen, die Arbeitszeit ausdehnenden und flexibilisierenden Modellen sowie deren ökonomischen Wirkungen vgl. GÖNNEMANN (1999).
1 60
J Erfolgsfaklorzenlrierle
Konzepte
•
die Auflösung von strukturellen, organisationsbezogenen und mentalen, mitarbeiterbezogenen, zeiteffizienzhemmenden Schnittstellen;
•
die Parallelisierung
•
den Ausbau der Mitarbeiterqualifikation, da dies die notwendige Voraussetzung für eine zunehmende Delegation von Verantwortung im Rahmen selbstabstimmender Organisationsformen und für die Auflösung von Schnittstellen ist.
und Synchronisation von Abläufen sowie
Um dies zu gewährleisten, bedarf es eines zeitorientierten Managements, das eine unternehmensweite Zeit-Philosophie entwickelt und vorlebt.
3.2.3.2.5
Zeitorientiertes Management
Das zeitorientierte Management im Time-based Management hat im wesentlichen zwei spezifische Aufgabenbereiche zu erfüllen. Einerseits sind die Mitarbeiter in allen Funktionsbereichen und über alle Hierarchieebenen hinweg für den Faktor „Zeit", insbesondere für die Tatsache, daß „Zeit ein knappes Gut" ist, zu sensibilisieren. Für die Bildung und Implementierung eines solchen Zeitbewußtseins ist es jedoch erforderlich, daß das Management die hierfür notwendigen Voraussetzungen unternehmensweit schafft. 2 6 7 1. Im strategischen Bereich müssen klare Zeitziele formuliert werden. 2. Die Organisationsstrukturen sind so zu gestalten, daß die Prozesse möglichst schnittstellenfrei abgewickelt werden können. 3. Informationssysteme sind so einzusetzen, daß die zeitorientierten Strukturen bestmöglich unterstützt werden. 4. Kulturelle Verhaltensänderungen müssen erreicht werden, da letztlich die Mitarbeiter die notwendigen Veränderungen durchfuhren müssen. 5. Im Rahmen von Kooperationsformen, wie z.B. dem Supply Chain Management, sollte eine abgestimmte Zeitstrategie betrieben werden, um wertschöpfungsketteniibergreifend zeitoptimal agieren zu können. Für die Implementierung eines Zeitbewußtseins als Querschnittsfunktion gilt es zunächst zu überprüfen, inwieweit die empirisch belegten Reaktionsregeln 268 auch auf das eigene Unternehmen zutreffen. Die Ergebnisse dieser Auswertung sind allen Mitarbeitern im Rahmen einer offenen Informationspolitik mitzuteilen, um darauf aufbauend im Rahmen eines partnerschaftlichen Miteinanders die Ursachen für die „Zeitverschwendung" systematisch zu eliminieren. Zu den Reaktionsregeln zählen
2 6 7
Vgl. BEECKER (1996), S. 149.
2 6 8
Vgl. STALK/HOUT(I990), S. 9 6 ff.
J Erfolgsfaktorzentrierle
Konzepte
161
•
die 0,05-bis-5-Regel: Diese Regel verdeutlicht die geringe Zeitproduktivität der meisten Organisationen, da häufig die Produkte und Dienstleistungen nur während 0,05% bis 5% der Zeit, die sie im Wertschöpfungsprozeß verbringen, eine Wertsteigerung erfahren;
•
die 3/3-Regel: Entsprechend dieser Regel verteilt sich die Wartezeit fast gleichmäßig auf die Zeitspanne, die vergeht, bis ein Los oder eine Charge, deren Bestandteil das wartende Produkt ist, freigestellt wird, bzw. auf die Zeit, die für physische oder intellektuelle Nachbearbeitung notwendig ist, sowie auf die Zeit, die das Management für die Entscheidung benötigt, das Los oder die Charge zum nächsten Wertschöpfungsprozeß weiterzuleiten;
•
die %-2-20-Regel: Wird die Durchlaufzeit gevierteilt, verdoppelt sich die Produktivität, und die Kosten sinken um 20%;
•
die 3-x-2-Regel: Unternehmen, die ihren Zeitverbrauch im Rahmen der Wertschöpfung reduzieren, erreichen z.T. dreimal so hohe Wachstumsraten und Gewinnspannen, die zudem doppelt so hoch sind wie die des Branchendurchschnitts.
Neben der Offenlegung der Zeitverschwendung in der gesamten Wertschöpfungskette muß sich das Management selbst ständig fragen, inwieweit Managementeingriffe für die Schwierigkeiten im Produktentwicklungs- und im Produktionsprozeß verantwortlich sind. Zu den effektivitäts- und effizienzmindernden Managementeingriffen zählen insbesondere: 2 6 9 •
Eingriffe oder auch unterlassene Eingriffe, die die Fluktuation der Mitarbeiter im Produktionsmanagement und in den Konstruktionsteams während der Produktentwicklung erhöhen;
•
kurzfristige Volumenänderungen und variierende Planungsanforderungen, die die einzelnen Abteilungen überfordern;
•
die Vorgabe eines zu langen Entwicklungsverfahrens, das die Risiken eines veränderten Marktes oder Wettbewerbsumfelds nach sich zieht, mit der Konsequenz, daß ständig in den Konstruktionsprozeß eingegriffen wird.
Entsprechend den dargestellten negativen Managementeingriffen muß ein zeitorientiertes Management eine eigenständige Zeit-Philosophie aktiv gestalten und vorleben. Anhaltspunkte können folgende elf Grundprinzipien sein: 2 7 0 1. Zeit ist die ausschlaggebende Leistungsvariable, um verbesserte Kosten und Qualität zu erzielen.
269
Vgl. STALK/HOUT (1990), S. 151 ff.
270
Vgl. STALK/HOUT (1990), S. 159 ff.
162
3 Erfolgsfaklorzentrierle
Konzepte
2. Zeitbezugspunkte werden durch die Leistungen der Konkurrenten bzw. durch das technisch Machbare gesetzt. 3. Die für das Fortschreiten des Entwicklungsprozesses notwendigen, unterstützenden Funktionen müssen aktiv in der Art geführt werden, daß sie „unsichtbar" werden. Was erforderlich ist, muß vorausgesehen werden. In diese Bereiche gilt es zu investieren, so daß sie immer auf dem aktuellen Stand der Technik sind und somit den Entwicklungsprozeß niemals verlangsamen. 4. Jedes Programm muß von kleinen, engagierten, entscheidungsbefugten und erfahrenen Teams geleitet und durchgeführt werden. 5. Die Entwicklungsprogramme durchlaufen die Stufen Planung und Vorbereitung, Produktdefinition, Konstruktionsentwicklung, Produktionsanlauf und Produktverbesserung. Um diese Stufen herum muß sich das Unternehmen organisieren. 6. Generell gilt es, möglichst viele Unbekannte bekannt zu machen, so daß während des Entwicklungsprogramms weitgehend auf Eingriffe verzichtet werden kann. 7. In der Konzeptdefinitionsphase werden die Produktspezifikationen eingefroren, so daß Verbesserungen lediglich hinsichtlich der Dimensionen Kosten und Qualität eingebracht werden. 8. Gearbeitet wird in interdisziplinären Teams. 9. Die Teammitglieder arbeiten in enger räumlicher Nachbarschaft. 10. Das Management übt Zurückhaltung. Es hat lediglich dafür zu sorgen, daß die Entwicklungs- und Produktionsteams über entsprechende Ressourcen, Anreize und Arbeitsplatzbedingungen verfügen, die eine schnelle Durchfuhrung ihrer Arbeit erleichtern. 11. Kontinuierliche Verbesserung ist weiterhin sinnvoller als Quantensprünge. Neben dem Aufbau eines Zeit-Bewußtseins ist die Implementierung arbeitszeitflexibilisierender Maßnahmen die zweite entscheidende Aufgabe des zeitorientierten Managements. Die Schaffung eines Zeitbewußtseins als Querschnittsfunktion sowie die flexible Automatisierung der gesamten Logistikkette und die hierdurch induzierte Kapitalbindung bedingen eine Ausdehnung bzw. eine flexible Gestaltung der Arbeitszeiten in allen Funktionsbereichen des Unternehmens. Eine Analyse der Verbreitung flexibler Arbeits- und Betriebszeiten in Unternehmen zeigt, daß das Gestaltungspotential der flexiblen Zeitgestaltung bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Vier wesentliche Hemmfaktoren können dabei ausgemacht werden: 2 7 1 •
2 7 1
Widerstände von Gewerkschaften, Betriebsräten und Vorgesetzten,
V g l . WILDEMANN ( 1 9 9 2 a ) , S. 4 3 f f .
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
163
•
mangelnde Kenntnis ökonomischer, personeller und sozialer Wirkungen flexibler Arbeits- und Betriebszeiten sowie Bewertungsprobleme,
•
unzureichende Planungs- und Einfuhrungssystematik und fehlende Kompatibilität zwischen Personalsystem und Arbeitszeitregelungen sowie
•
eine ungeeignete Organisationsstruktur in den arbeitsteiligen Prozessen der Produktion.
Die aufgezählten Hemmfaktoren basieren im wesentlichen auf vier Mißverständnissen. 2 7 2 So kann dem Mißverständnis „Betriebszeitenausdehung und -flexibilisierung vernichtet Arbeitsplätze" entgegengehalten werden, daß aufgrund der Internationalisierung des Wettbewerbs, in dem sich die meisten Branchen befinden, erst die Ausweitung der Betriebszeit es ermöglicht, zu geringen Kosten zu produzieren, um so der Tendenz zum Global Sourcing entgegentreten zu können. Zu dem Mißverständnis „Flexible Arbeitszeiten sind nur für Großunternehmen geeignet und fördern die Konzentrationstendenzen" kann festgehalten werden, daß gerade in kleineren und mittleren Unternehmen aufgrund der höheren Transparenz und der höheren strukturellen Flexibilität eine Flexibilisierung der Arbeitszeit relativ gut möglich ist. Empirisch können die angesprochenen hypothetischen, durch Arbeitszeitflexibilisierung bedingten Konzentrationstendenzen nicht festgestellt werden. Dies liegt insbesondere daran, daß Großunternehmen gegenüber kleineren und mittleren Unternehmen kaum Vorteile aus einer Arbeitszeitflexibilisierung erzielen können. 2 7 3 Das dritte Mißverständnis „Flexible Arbeits- und Betriebszeiten dienen nur der Erfüllung betrieblicher Interessen und wirken sich nachteilig auf die betroffenen Mitarbeiter aus" resultiert vornehmlich aus einer undifferenzierten Betrachtung moderner, in der betrieblichen Praxis bereits implementierter Arbeitszeitmodelle. So wird beispielsweise gegen Modelle, die eine Variation der Lage der Arbeitszeit ermöglichen, z.B. Gleitzeit, ins Feld geführt, daß die Mitarbeiter „auf A b r u f bereitzustehen haben. Diese mögliche Tendenz kann jedoch durch empirische Untersuchungen nicht belegt werden, vielmehr werden diese Modelle von den Mitarbeitern sehr positiv beurteilt, da sie eine Selbstabstimmung von Arbeitszeit und Freizeit ermöglichen und somit dem dargestellten Trend hin zur Selbstverwirklichung, Eigenverantwortung und Eigenkontrolle entsprechen. Im Gegensatz zu den vorangehenden Mißverständnissen bezieht sich das letzte Mißverständnis unmittelbar auf einen spezifischen Funktionsbereich im Unternehmen. Es 2 7 2
Vgl. hierzu a u s f ü h r l i c h WILDEMANN ( 1 9 9 2 a ) , S. 44 ff.
273
Vgl. WILDEMANN ( 1 9 9 2 a ) , S. 45.
164
i Erfolgsfaklorzenlrierle
Konzepte
geht davon aus, daß „innovative Arbeitszeitmodelle nur in administrativen Bereichen eingesetzt werden können, da in der Produktion häufig die notwendigen Voraussetzungen fehlen". Der Aussage kann generell entgegengehalten werden, daß sowohl in der Produktion als auch in allen anderen Funktionsbereichen des Unternehmens die Voraussetzungen für die Implementierung innovativer Arbeitszeitmodelle geschaffen werden müssen, damit diese implementiert werden können. Das besondere Problem in der Produktion besteht dabei darin, daß im Gegensatz zum administrativen Bereich die Arbeitsabläufe nicht unbegrenzt teilbar sind. Werden allerdings geeignete Fertigungsorganisationsformen entwickelt, wie z.B. der Einsatz teilautonomer Gruppenarbeit im Zusammenspiel mit Job-Rotation-Programmen, so können auch im Rahmen eines materiellen Produktionsprozesses die Voraussetzungen für flexible Arbeitszeitmodelle problemlos geschaffen werden.
3.2.4
Supply Chain Management - ein interbetriebliches Managementkonzept zur Bildung erfolgsfaktorzentrierter Wertschöpfungsketten
Wettbewerbsvorteile können nicht nur durch produktpolitische Marketingmaßnahmen oder Werbung erzielt werden; vielmehr basiert eine den Wettbewerbern überlegene Leistung vor allem auf einer effektiven und effizienten Beschaffung und Produktion sowie auf einem zweckmäßigen und wirtschaftlichen Vertrieb. Deshalb erfordert eine Orientierung an Wettbewerbsvorteilen von allen Funktionsbereichen eine konsequente Markt- bzw. Kundenorientierung. Insofern ist in Industriebetrieben aufgrund der eingangs dargestellten Veränderungstendenzen, wie z.B. dem raschen technologischen Wandel oder dem Verdrängungswettbewerb, eine Integration von Beschaffungs- und Distributionsstrategie und der jeweiligen Wettbewerbsstrategie zwingend erforderlich. Beispielsweise ist für die Schnittstelle zwischen Marketing und Beschaffung u.a. auch die Anzahl der nachfolgenden Marktstufen von Bedeutung, mit der Konsequenz, daß der industrielle Einkäufer deren Bedürfnisse insofern in seine Entscheidungen einbeziehen muß, als er z.B. mit Hilfe einer geeigneten Lieferantenauswahl zu den Wettbewerbsvorteilen des eigenen Unternehmens beitragen kann. Die Notwendigkeit zur Strategieintegration mehrerer Wertschöpfungspartner wird am Beispiel des Herstellers der synthetischen Textilfaser Gore-Tex deutlich. So ist für seinen Erfolg von hoher Relevanz, auf die nachfolgenden Weiterverarbeitungsund Absatzstufen Einfluß zu nehmen, da nur eine qualitativ hochwertige, auf spezifischen Standards basierende Weiterverarbeitung garantiert, daß das Endprodukt wie die ursprüngliche Membran wasserundurchlässig und atmungsaktiv ist. 2 7 4 Ferner führen die Veränderungstendenzen im unternehmerischen Umfeld dazu, daß neben
274
Vgl. KUHL(1999), S. 3.
i Erfolgsfaklorzentrierte
Konzepte
165
einem angemessenen Preis weitere Faktoren, wie die Verfügbarkeit, die Lieferzeit, das Angebot an maßgeschneiderten (Massen-)Produkten, die Flexibilität bei kurzfristigen Änderungswünschen, Serviceleistungen sowie die globale Präsenz für den unternehmerischen Erfolg von zentraler Bedeutung sind. Diese Veränderungen greifen •
der ressourcenorientierte Ansatz und
•
der Transaktionskostenansatz
auf, um die Entstehung von Kooperationen in Form von Unternehmensnetzwerk e n 2 7 5 zu erklären. Während kleinere und mittelständische Unternehmen vor dem Hintergrund der Wettbewerbsveränderung nur dann mithalten können, wenn sie durch strategische Kooperationen ein entsprechendes Leistungsangebot schaffen, versuchen große Unternehmen ihre Effektivität und Effizienz dadurch zu verbessern, daß sie ganze Abteilungen auslagern, den Wettbewerb mit Spezialanbietern aussetzen und sich so auf die eigenen Kernkompetenzen konzentrieren. 2 7 6 Dieser ressourcenorientierte Ansatz fuhrt zwar zu einer Verbesserung der Effektivität und der Effizienz der intrabetrieblichen Prozesse, verschlechtert aber gleichzeitig den interbetrieblichen Informations- und Materialfluß, so daß es tendenziell zu einer nichtoptimalen Ausschöpfung der strategischen Erfolgspotentiale kommt. Dies ist insbesondere auch darin begründet, daß die Konzentration auf die Kernkompetenzen zwangsläufig mit einer unidimensionalen Erfolgsfaktorkonzentration, z.B. Qualitätsfuhrerschaft oder Kostenfuhrerschaft, verbunden ist. Um die jeweilige Wettbewerbsstrategie optimal umzusetzen, konzentrieren sich die entsprechenden Unternehmen entweder auf die Verfolgung eines einzelnen erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepts, oder aber sie setzen Schwerpunkte, wie etwa eine Fokussierung auf ein Total-QualityManagement-Konzept unter Beachtung gewisser Mindestansprüche hinsichtlich der Dimension Kosten (Lean Management) oder hinsichtlich der Dimension Zeit (Timebased Management). Da aber der Markt sowohl durch einen Kosten- als auch durch einen Qualitäts- und Zeitwettbewerb gekennzeichnet ist und sich eine simultane Verfolgung kosten-, qualitäts- und zeitzentrierter Managementkonzepte schwierig gestaltet, kommt es auch im Rahmen von Outsourcing-Strategien zu Kooperationstendenzen - mit der Konsequenz, daß der heutige Wettbewerb nicht mehr zwischen einzelnen erfolgsfaktorzentrierten Unternehmen, sondern vielmehr zwischen erfolgsfaktorzentrierten Wertschöpfungsketten stattfindet. Ein Management, das sich ausschließlich dem eigenen kernkompetenzorientierten und damit i.d.R. (uni)erfolgsfaktorzentrierten Unternehmen widmet, reicht daher nicht mehr aus. Vielmehr gilt es, die gesamte Supply Chain (SC) (multi-)erfolgsfaktorzentriert, effektiv
275
Z u m B e g r i f f U n t e r n e h m e n s n e t z w e r k vgl. A b s c h n i t t 4.2.4.3.2.5.
2 7 6
Vgl. WALLDORF (1999), S. 14.
166
3 Erfo/gsfaktorzenlrierte
Konzepte
und effizient zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Dies bietet die Chance, jene Nachteile, die sich durch die Konzentration auf lediglich einen strategischen Erfolgsfaktor ergeben, durch die Möglichkeit zur Kooperation mit Wertschöpfungspartnern, deren Kernkompetenzen gerade in der Erfüllung der vernachlässigten Erfolgsfaktoren liegen, auszugleichen oder gar überzukompensieren. Hieraus wird deutlich, daß ein zentraler Erklärungsansatz für das Entstehen von Kooperationen in der Notwendigkeit liegt, daß für eine effektive und effiziente Leistungserstellung neben einer Konzentration auf die Kernkompetenzen gleichzeitig auch eine Konzentration auf die Komplementärkompetenzen erforderlich ist. 2 7 7 Dabei signalisieren die unterschiedlichen Interpretationen der Supply Chain als Zulieferer kette, Versorgungskette, Logistikkette oder Wertschöpfungskette278 die verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkte der darauf aufbauenden Planungsansätze. 279 Während Ausdrükke wie Lieferkette und Versorgungskette eher den Beschaffungsaspekt betonen, hebt der Begriff der Logistikkette eher den logischen, ablaufplanerischen Aspekt hervor. Im Gegensatz dazu betont der Terminus Wertschöpfungskette den wettbewerblichen Aspekt. Letztlich schließt die Supply Chain *
alle Aktivitäten, die für die Transformation und den Fluß von Material sowie den damit zusammenhängenden Fluß von Informationen aller Kettenmitglieder vom Rohstofflieferanten bis zum Endverbraucher - nötig sind, ein.
Im weiteren wird der Begriff der Supply Chain inhaltlich mit dem Begriff der Wertschöpfungskette gleichgesetzt, da eine Supply Chain nicht nur darauf ausgerichtet ist die physische, logistische Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen sicherzustellen, sondern durch die Kundenorientierung gleichzeitig auch auf eine stufenweise Nutzen- und Wertsteigerung, im Sinne einer wettbewerblichen Ausrichtung, abzielt. Das Supply Management (SM) konzentriert sich •
nur auf den stromaufwärts, in Richtung Lieferant ausgerichteten Teil der SC, während der stromabwärts, in Richtung Kunde ausgerichtete Teil nur durch den Gedanken der Kundenorientierung berücksichtigt wird. 2 8 0
Im Gegensatz zum SM bezieht sich das Konzept der Efflcient Consumer Response (ECR)
2 7 7
Vgl. WEBER/DEHLER/WERTZ (2000), S. 2 6 8 f.
2 7 8
Eine ausführliche Darstellung des Begriffs Wertschöpfungskette findet sich in Abschnitt 3.2.4.1.5.
2 7 9
Bezüglich der Interpretation als Zuliefererkette vgl. GRUPP ( 1 9 9 8 ) , S. 14, bezüglich der Interpretation als Versorgungskette vgl. HINTERHUBER ET AL. ( 1 9 9 5 ) , S. 58, bezüglich der Interpretation als Logistikkette vgl. PFOHL (1999), S. 173, und bezüglich der Interpretation als Wertschöpfungskette vgl. GRUPP (1998), S. 14.
2 8 0
Vgl. ORTHS (1995), S. 10.
3 Erfolgsfaktorzentrierte Konzepte
•
167
schwerpunktmäßig auf die Konsumgüterindustrie und stellt dabei vor allem auf die Beziehung zwischen Hersteller und Handel ab. 2 8 '
Während das Supply Management und die Efficient Consumer Response nur Teilbereiche der Supply Chain berücksichtigen, greift das Supply Chain Management (SCM) •
die Forderung nach einer Abstimmung der am Absatzmarkt verfolgten Wettbewerbsstrategie mit den gegenüber den Lieferanten, den Wertschöpfungspartnern der gleichen oder nachgelagerter Wertschöpfungsstufen und den Händlern verfolgten Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsstrategien auf, indem das Supply Chain Management ein strategisches Netzwerk von Unternehmen bzw. Unternehmensbereichen mit ihren künden-, partner- und lieferantenorientierten Prozeßketten systematisch plant, steuert und kontrolliert, um die der Wertschöpfungskette inhärenten Effektivitäts- und Effizienzpotentiale dauerhaft bestmöglich, d.h. multierfolgsfaktorzentriert auszuschöpfen. Das Supply Chain Management koordiniert somit einerseits den stromabwärts, in Richtung Kunde verlaufenden Material- und Informationsfluß, als auch andererseits den stromaufwärts, in Richtung Lieferant verlaufenden Informations-, Geld und Recyclingfluß.
Informations-, Geld- und Recyclingfluß
Abb. 3.26:
Aufiau einer Supply Chain
Aus der Definition des Supply Chain Management wird deutlich, daß es sich dabei um die Ausgestaltung einer situationsspezifischen Kooperationsform handelt, wobei unter einer Kooperationsform eine mittel- bis langfristig ausgelegte, vertraglich geregelte Zusammenarbeit rechtlich selbständiger Unternehmen zur gemeinschaftli-
2 8 1
V g l . E C R EUROPE ( 1 9 9 8 ) , S. 6 .
168
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
chen Erfüllung von Aufgaben zu verstehen ist. 2 8 2 Die unterschiedlichen Ausgestaltungsformen von Kooperationen können anhand verschiedener Merkmale festgemacht werden können. Zu diesen Merkmalen zählen •
die Richtung der Zusammenarbeit: Vertikale Kooperationen beziehen sich auf Unternehmen aufeinanderfolgender Wertschöpfungsstufen. Horizontale Kooperationen entstehen zwischen Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsstufe, während diagonale Kooperationen eine Zusammenarbeit von Unternehmen unterschiedlicher Branchen darstellen.
•
der Umfang der Zusammenarbeit: Kooperationen können in verschiedenen Bereichen einer Unternehmung eingegangen werden.
•
die Art der wirtschaftlichen Interdependenz: Die Zusammenarbeit von Unternehmen kann z.B. bloß daraus bestehen, Absprachen zu treffen, sie umfaßt aber auch den Austausch von Ressourcen und Leistungen.
•
die Dauer der Zusammenarbeit: Im Sinne von mittel- oder langfristig.
•
die Reichweite der Zusammenarbeit: Es werden Formen der internationalen, nationalen und regionalen Kooperationen gegeneinander abgegrenzt.
•
der Umfang des Einsatzes von IuK-Technologie: Ihr Einsatz kann entweder konstituierende Funktion haben oder nur der Unterstützung der Zusammenarbeit dienen. 2 8 3
Die Zusammenarbeit im Supply Chain Management kann auf Basis dieser Merkmale wie folgt charakterisiert werden: •
Bei einem mit Hilfe des Supply Chain Management geführten Netzwerk von Unternehmen handelt es sich schwerpunktmäßig um eine vertikale Kooperationsform, wobei die Beziehungen auf Basis von Rahmenvereinbarungen individuell gestaltet werden können. Trotz der gemeinsamen Ausrichtung darauf, die Wertschöpfung über die gesamte Supply Chain hinweg zu optimieren, behält jedes Unternehmen seine Selbständigkeit. Die gemeinsame Ausrichtung auf die Wertschöpfungskette wird durch das Zusammenspiel der Kernkompetenzen der beteiligten Parteien sowie durch eine prozeßorientierte Zusammenarbeit und konsequente Kundenorientierung entlang der Supply Chain unterstützt. Dies impliziert eine intensive langfristige Zusammenarbeit, die sowohl national als auch international ausgestaltet sein kann. Ein weiteres Charakteristikum ist der zwischen den Partnern abgestimmte Einsatz von IuK-Technologie, da das ganzheitliche Planen, Steuern und Kontrollieren hohe Anforderungen an die zwischenbetriebliche Kommunikation stellt.
282
V g l PICOT/REICHWALD/WIEGAND (1996), S. 279.
283
Z u r konstituierenden Funktion der I u K - T e c h n o l o g i e im R a h m e n interorganisationaler O r g a n i s a t i o n s f o r m e n vgl. A b s c h n i t t 4.2.4.3.2.5.
J Erfolgsfaktorienlrierte
Konzepte
169
Neben dem ressourcenbasierten Erklärungsansatz zur Entstehung von Kooperationen, und damit zur Bildung von Supply Chains, stellt die Transaktionskostentheorie 2 8 4 einen weiteren Ansatz zur Erklärung der Entstehung interorganisationaler Kooperationsformen dar. Die Transaktionskostentheorie zielt darauf ab, unterschiedliche institutionelle Regelungen zur Koordination ökonomischer Aktivitäten zu erklären. Dabei umfaßt eine Transaktion den Prozeß der Anbahnung (z.B. Informationssuche und -beschaffung), der Vereinbarung (z.B. Intensität und zeitliche Ausdehnung von Verhandlungen), der Kontrolle (z.B. Sicherstellung von Kosten-, Qualitäts- und Terminvereinbarungen) und der Anpassung (z.B. Durchsetzung von Kosten-, Qualitäts- und Terminänderungen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen während der Laufzeit der Vereinbarung) des physischen Güteraustausches. Im Rahmen der Transaktionskostentheorie wird versucht, durch die Wahl der Organisationsform die bei der Transaktion anfallenden Kosten zu minimieren. Die Koordination kann einerseits durch den Markt mit Hilfe des Preismechanismus und andererseits durch die Koordination über Anweisungen im Rahmen einer hierarchischen Struktur erfolgen. Ob es zu einem Austausch auf Märkten kommt oder ob sich ein Marktteilnehmer dafür entscheidet, das betreffende Gut selber zu produzieren, hängt von den Produktionskosten und den Transaktionskosten alternativer institutioneller Arrangements zur Bereitstellung des Gutes ab. Beide Koordinationsformen repräsentieren somit zwei extreme Vertreter eines Kontinuums von Koordinationsformen. Zwischen diesen Koordinationsformen liegen als sogenannte Mischformen die „Kooperationen". Unter der Annahme, daß sowohl begrenzt rationales als auch opportunistisches Verhalten des Menschen vorliegen kann, bilden die Unsicherheit und die Spezifität die Determinanten der Transaktionskosten. Begrenzt rationales Verhalten beinhaltet die Erkenntnis, daß der Mensch zwar rational handeln möchte, ihm dies aber aufgrund der begrenzten menschlichen Informationsverarbeitungskapazität und der Schwierigkeit komplexe Zusammenhänge zu kommunizieren nur eingeschränkt gelingt. 285 Im Gegensatz dazu drückt der Faktor Unsicherheit die Anzahl und das Ausmaß nicht vorhersehbarer Aufgabenänderungen aus. Bedingt durch die Unsicherheit der „Vertragsumwelt" wird die Vertragserfüllung durch häufige Änderungen von Terminen, Preisen, Konditionen und Mengen erschwert, was letztlich zu erhöhten Transaktionskosten fuhrt. Dabei ist festzuhalten, daß Unsicherheit erst in Verbindung mit der Verhaltensannahme der beschränkten Rationalität zum Problem wird. Neben den Verhaltensannahmen und der Unsicherheit stellt die Spezifität in der Literatur übereinstimmend die zentrale Einflußgröße der Transaktionskosten dar. 2 8 6 Spezifität umschreibt den Wertverlust aufgrund nicht optimal eingesetzter Ressourcen, wobei dieser Verlust entsteht, „wenn die zur Aufgabenerfullung notwendigen Ressourcen nicht in der angestrebten Verwendung eingesetzt, sondern ih-
2 8 4
285
Eine knappe Übersicht über die Transaktionskostentheorie bieten u.a. PlCOT/DlETL (1990). Als grundlegende Quelle ist auf WlLUAMSON ( 1 9 9 0 ) zu verweisen. v g l . PlCOT/REICHWALD/WlEGAND (1996), S. 43.
286
Vgl PlCOT/REICHWALD/WlEGAND (1996), S. 43.
170
J Erfolgsfaktorzentrierle
Konzepte
rer nächstbesten Verwendung zugeführt werden." 287 . Im Gegensatz zur Unsicherheit wird Spezifität erst dann zum Problem, wenn opportunistisches Verhalten hinzukommt, da die Akteure versuchen können, unter Mißachtung sozialer und gesellschaftlicher Normen, ihre eigenen Interessen gegebenenfalls auch zum Nachteil anderer Akteure zu verwirklichen. Während bei niedriger Spezifität und einem geringen Unsicherheitsgrad die marktliche Koordination die effektivste und effizienteste ist, kann bei hoher Spezifität und Unsicherheit die hierarchische Koordination vorteilhaft sein. 2 8 8 Im ersten Fall wird ein Unternehmen beispielsweise ein Massenprodukt, das von vielen Anbietern offeriert wird, über den Markt fremdbeziehen, wohingegen im zweiten Fall fur die Abwicklung einer Transaktion spezifische Investitionen notwendig sind, die einen Raum für opportunistisches Verhalten des Transaktionspartners schaffen, so daß unter Transaktionskostenaspekten eine Eigenerstellung sinnvoll sein kann. Im Gegensatz zu den dargestellten Extremformen ist die Kooperationsform des Supply Chain Management dann effektiv und effizient, wenn mittlere bis hohe Spezifität und Unsicherheit vorliegen. So erlaubt es insbesondere die moderne IuK-Technologie bei hoher Spezifität und sehr hoher Unsicherheit Kooperationsformen aufzubauen, die eine Risikoteilung zwischen den Partnern ermöglichen. 2 8 9
3.2.4.1
Philosophie und Ausgestaltung des Supply Chain Management
Analog zu den zuvor dargestellten intrabetrieblichen erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepten basiert auch das intrabetriebliche erfolgsfaktorzentrierte Supply Chain Management •
auf SCM-interpretierten Denkweisen und
•
auf SCM-interpretierten Grundsätzen
des strategischen erfolgsfaktorzentrierten Managements. Die Übertragung der originär intrabetrieblichen strategischen Managementphilosophie auf das interbetriebliche Managementkonzept des SCM ermöglicht es, daß erfolgsfaktorgefuhrte Unternehmen miteinander verknüpft werden, um so eine Wertschöpfungskette aufzubauen, die i.d.L. ist, sämtliche Erfolgsfaktoren gleichwertig auszuschöpfen.
2 8 7
PICOT/REICHWALD/WIEGAND ( 1 9 9 6 ) , S. 4 3 .
288
V g l . WEBER/DEHLER/WERTZ ( 2 0 0 0 ) , S. 268.
2 8 9
V g l . WEBER/DEHLER/WERTZ ( 2 0 0 0 ) , S. 268.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
171
Werden die fünf Denkweisen des erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managements - proaktives Denken, sensitives Denken, ganzheitliches Denken, Potentialdenken und ökonomisches Denken - im Sinne eines SCM interpretiert, so treten im Gegensatz zu den intrabetrieblichen Managementkonzepten die interbetrieblichen Gesichtspunkte in den Vordergrund der Betrachtung. In einem Unternehmensnetzwerk, das im Rahmen des Supply Chain Management generiert wird, zielt proaktives Denken vor allem darauf ab, sowohl Veränderungen und Entwicklungen im Wertschöpfungskettenumfeld als auch innerhalb der Wertschöpfungskette - also im Rahmen der Interaktion zwischen den Kettenmitgliedern - zu erkennen, um so Krisen und Probleme zwischen Wertschöpfungspartnern vorausschauend zu vermeiden. So fuhrt beispielsweise ein interorganisationales Netzwerk dazu, daß temporär einzelne Partner - einzelwirtschaftlich betrachtet - zunächst ein Suboptimum akzeptieren müssen. Das Abweichen vom einzelwirtschaftlichen Optimum zugunsten eines Gesamtoptimums kann für diese Partner z.B. bedeuten, daß sie in ein neues CAD-System investieren müssen, da ihr bisheriges nicht über geeignete Schnittstellen verfugt, um die Produktdaten mit den Systemen der anderen Kooperationspartner auszutauschen. Im Falle eines opportunistischen Verhaltens würde die Bereitschaft des Partners fehlen, diese Investition zu tätigen. Es ist deshalb zur Wahrung der Stabilität des Gesamtsystems notwendig, vorausschauend zu erkennen, daß ein partieller Ausgleich, gegebenenfalls in Form einer Kompensationszahlung, durch die Gewinner des Netzwerkes vorzunehmen ist, damit eine dauerhafte, stabilisierend wirkende Win-Win-Gemeinschaft aufgebaut wird. Supply-Chain-Management-interpretiertes sensitives Denken zielt insbesondere auf den Aufbau einer Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens ab. HINTERHUBER ET AL. bezeichnen das Vertrauen im Supply Chain Management als „conditio sine qua non". 2 9 0 Dabei ist das Vertrauen insbesondere bei Kooperationsformen mit geringer vertraglicher Absicherung oder bei Kooperationen, in denen vertrauliche Daten ausgetauscht werden, wie z.B. bei Entwicklungskooperationen, von entscheidender Bedeutung. Insofern gilt insbesondere bei der Auswahl der Wertschöpfungskettenmitglieder, daß neben harten Fakten vor allem auch Gefühle und Stimmungen berücksichtigt werden. Ganzheitliches Denken trägt im Supply Chain Management der Erkenntnis Rechnung, daß es in einem dynamischen Markt nicht mehr ausreicht, die unternehmensinternen Prozesse zu optimieren, sondern daß erst durch die Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette strategische Erfolgspotentiale aufgebaut werden können, aus denen dann strategische Wettbewerbsvorteile abgeleitet werden können. Objekt der ganzheitlichen Planung und Steuerung im Supply Chain Management ist der die gesamte Supply Chain durchziehende Material- und Informationsfluß. Dabei
2 9 0
Vgl. HINTERHUBER ET AL. (1995), S. 61
172
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
sind nicht nur Transfer-, sondern auch Transportaktivitäten sowie deren Wechselwirkungen zu beachten. Letztlich zielt das ganzheitliche Denken im Supply Chain Management auf eine integrative Gestaltung und Steuerung aller prozeßgekoppelten Aktivitäten der Wertschöpfungskette. Neben dem ganzheitlichen Denken spielt im Supply Chain Management insbesondere die Konzentration auf die Kernkompetenzen eine herausragende Rolle. Kernkompetenzen sind durch organisationale Lernprozesse aufeinander abgestimmte und integrierte Gesamtheiten von Know-how, Technologien und Prozessen, die dem Kunden nutzen, geeignet sind, um sich im Wettbewerb zu differenzieren, dabei schwierig zu imitieren sind und Tore zu neuen Märkten öffnen. 2 9 1 Potentialorientiertes Denken zielt darauf ab, die Kernaktivitäten und Kernkompetenzen mit Hilfe von Wertschöpfungskettenanalysen 2 9 2 zu identifizieren. Darüber hinaus tangiert die Frage nach den Kernkompetenzen auch die Positionierung eines Unternehmens in der Supply Chain, da hierbei festgelegt wird, welcher Teil der Wertschöpfung innerbetrieblich und welcher von den übrigen Partnern übernommen wird. Insofern zielt potentialorientiertes Denken stärker als in allen anderen bereits diskutierten Managementkonzepten im Rahmen des Supply Chain Management auf eine konsequente Erschließung und optimale Nutzung verfugbarer interner, vor allem aber erreichbarer externer Ressourcen ab, wie Lieferanten, Wertschöpfungspartner gleicher oder nachgelagerter Produktionsstufen und Kunden. Die Konzentration auf die Kernkompetenzen verstärkt zudem die Notwendigkeit eines gut koordinierten Material- und Informationsflusses. Ökonomisches Denken in seiner allgemeinen Form greift auch im Rahmen des Supply Chain Management den Gedanken des ökonomischen Prinzips auf. Alle Aktivitäten, in denen das betrachtete Unternehmen über keine Kernkompetenzen verfugt, sind konsequent auszulagern und kooperativ-komplementär zu integrieren. Insbesondere gilt es, den interorganisationalen Informationsfluß so zu optimieren, daß mit Hilfe globaler Planungstechniken über die Wertschöpfungskette hinweg nicht wertschöpfende Tätigkeiten, wie Puffern, Lagern und Kontrollieren, weitestgehend eliminiert werden. Die Supply-Chain-Management-interpretierten Grundsätze des strategischen Managements verdeutlichen, daß viele der in den erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepten bereits dargestellten, überwiegend intrabetrieblichen Arbeitsprinzipien lediglich eine interbetriebliche Interpretation erhalten.
291
Vgl. HAMEL(1994), S. 11.
292
Zu Wertschöpfungskettenanalysen vgl. Abschnitt 3.2.4.1.5.
J Erfolgsfaktorzentrierte
3.2.4.1.1
Konzepte
173
K u n d e n o r i e n t i e r u n g im S u p p l y C h a i n M a n a g e m e n t
Die Kundenorientierung ist im Rahmen des SCM stärker als in allen anderen Managementkonzeptionen auf dreierlei Arten, nämlich •
als endkundenorientierte Perspektive,
•
als extern orientierte Kundenperspektive und
•
als intern orientierte Kundenperspektive
verankert. Zunächst fokussiert sich das Supply Chain Management auf den Endkunden, der als Ausgangs- und Bezugspunkt für die gesamte Supply Chain anzusehen ist. Dabei determinieren die Bedürfnisse des Endkunden zum einen die Struktur der gesamten interbetrieblichen Wertschöpfungskette und zum anderen die Interaktion zwischen den Wertschöpfungspartnern. Da das Supply Chain Management das Ziel der Endkundenorientierung verfolgt, müssen Lieferanten, vveiterverarbeitende Wertschöpfungspartner und Händler danach ausgewählt werden, welchen Beitrag sie zur Erzielung von Anbieter- und Kundenvorteilen leisten können, um anschließend die entsprechenden Marketingstrategien mit den Beschaffungs-, horizontalen Kooperations- und Vertriebs- bzw. Distributionsstrategien abzustimmen. Zudem stellt im Supply Chain Management aus Sicht des betrachteten Unternehmens jedes direkt nachfolgende Unternehmen einen externen Kunden dar. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Forderung, das Supply Chain Management müsse sämtliche Stationen auf der Supply Chain umfassen und alle aus der Endkundenorientierung abgeleiteten Aktivitäten auf die Erfüllung der Effektivitätsanforderungen des nachfolgenden Wertschöpfungspartners als auch auf die selbstgesteckten Effizienzanforderungen hin ausrichten. Nur wenn alle Wertschöpfungspartner einen Kundenstatus erhalten, können die über die gesamte Supply Chain gesteckten Ziele hinsichtlich der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit endkundenorientiert effektiv und effizient erfüllt werden. Entsprechend den bereits dargestellten Managementkonzepten transformiert auch das Supply Chain Management die interbetriebliche Kundenorientierung auf eine intrabetriebliche Kundenorientierung. Werden die nachfolgenden Kettenmitglieder der Supply Chain aus Sicht eines betrachteten Unternehmens jeweils als Kunde angesehen, so ist die logische Konsequenz, daß auch innerhalb der betrieblichen Wertschöpfung der Empfanger einer prozessualen Teilleistung einen Kundenstatus erhält. Als Ergebnis dieser ganzheitlichen Kundenorientierung entlang der gesamten Supply Chain kann festgehalten werden, daß die Verbindung zwischen den intra- und interbetrieblichen Prozessen Kunden-Lieferantenbeziehungen herauskristallisiert, die - aus Sicht eines Unternehmens - interner wie auch externer Natur sind (sensitives, ganzheitliches und proaktives D e n k e n ) . 2 9 3
2 9 3
V g l . EHLERS ( 1 9 9 7 ) , S. 5 8 .
174
3 Erfolgsfuktorzentrierle
3.2.4.1.2
Konzepte
Mitarbeiterorientierung im Supply Chain M a n a g e m e n t
Mitarbeiterorientierung bedeutet im Supply Chain Management •
Aufbau von Teamstrukturen und
•
Schaffung einer homogenen Supply-Chain-Kultur über die einzelnen SupplyChain-Mitglieder hinweg.
Dem Ziel der Kundenorientierung kann vielfach nur dann nachgekommen werden, wenn die Organisationsstruktur dezentral ausgestaltet ist. Insofern gilt es, im Rahmen des Supply Chain Management sowohl intra- als auch interbetriebliche teambasierte Arbeitsstrukturen zu implementieren. Dabei ist den Mitarbeitern die neuartige Form der interbetrieblichen Zusammenarbeit in der Supply Chain durch das Management nahezubringen. Insbesondere ist zu verdeutlichen, daß für die unternehmensübergreifende Prozeßintegration die Überwindung organisationaler Grenzen mit Hilfe unternehmensinterner und -übergreifender, cross-funktionaler Teams zwingend erforderlich ist. Zu den typischen und beispielhaften Teamformen im Supply Chain Management zählen: 294 •
Supply Chain Committees unter Beteiligung der relevanten Supply-ChainPartner, um die Ziele und Strategien der Supply Chain festzulegen. 295
•
Supply Chain Teams unter Beteiligung aller relevanten Supply-Chain-Partner, um die operative Ressourcenallokation zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. 296
•
Inter- und intrabetriebliche Material-Teams unter Beteiligung von z.B. Entwicklung/Konstruktion, Fertigung/Fertigungsplanung und Einkauf/Beschaffung, um einen optimalen, wertschöpfungskettenübergreifenden Materialfluß zu generieren. Ziel dieser Teams ist es, die verwendeten Materialien und Baugruppen hinsichtlich ihrer Qualität zu bewerten und bei mangelhafter Qualität Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
•
Make-or-Buy-Teams mit bisherigen bzw. potentiell internen Leistungsträgern unter Beteiligung von z.B. Einkauf/Beschaffung, Distribution/Vertrieb und Entwicklung und Konstruktion, um die Konzentration auf die Kernkompetenzen auszubauen.
•
Inter- und intrabetriebliche Wertanalyse-Teams unter Beteiligung aller Funktionsbereiche der Supply-Chain-relevanten Wertschöpfungspartner, um die Supply Chain hinsichtlich der Faktoren Kosten, Qualität und Zeit zu optimieren.
294
Vgl. KÜHL (1999), S. 232.
295
Vgl. Abschnitt 3.2.4.1.4.
296
Vgl. Abschnitt 3.2.4.1.4.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
•
Supply-Chain-Sourcing-Team mit Vertretern der wichtigsten Partner, um über zukünftige Sourcing-Strategie zu entscheiden.
Konzepte
175
Supply-Chain-
Die Dezentralisierung von Entscheidungen und das Arbeiten in inter- und intrabetrieblichen Teams auf nahezu allen Hierarchiestufen und in sämtlichen Funktionsbereichen •
verkürzt Instanzenwege und reduziert Schnittstellenprobleme,
•
verkürzt die Kommunikationswege und erhöht die Flexibilität bei dringendem Bedarf,
•
erhöht das Know-how und das Verständnis hinsichtlich bestehender Probleme,
•
unterstützt eine interbetriebliche Prozeßorganisation und
•
verhindert ein „Versickern" von Innovationsfähigkeit, Kreativität und Spontanität.
Neben dem Aufbau von Teamstrukturen zielt eine Mitarbeiterorientierung im Supply Chain Management vor allem darauf ab, die Mitarbeiter mit der neuen inner- und interbetrieblichen Organisation vertraut zu machen und zu verdeutlichen, wo und wie sich das betrachtete Unternehmen in der Supply Chain positioniert. Darüber hinaus gilt es, den Mitarbeitern die Angst vor Veränderungen zu nehmen und die Chancen zu verdeutlichen, die sich durch eine multierfolgsfaktorzentrierte Supply Chain ergeben können. Ferner ist in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern ein möglicher kultureller Wandel im betrachteten Unternehmen, der durch die Eingliederung in eine Supply Chain u.U. unabdingbar geworden ist, zu erarbeiten. Eine weitgehende Übereinstimmung der Unternehmenskulturen innerhalb der Supply Chain, zumindest aber zwischen den relevanten Zulieferern, Wertschöpfungspartnern der gleichen oder nachgelagerter Wertschöpfungsstufen sowie dem Vertrieb und der Distribution ist die wichtigste Voraussetzung für eine gute Koordination zwischen den einzelnen Supply-ChainPartnern. 297 Eine Annäherung von unternehmensindividuellen Verhaltensweisen an eine starke, veränderungsbereite und homogene Supply-Chain-Kultur ist dabei ein zeitaufwendiger und nicht immer krisenfreier Vorgang (sensitives, ganzheitliches, potentialorientiertes und proaktives Denken).
3.2.4.1.3
Lieferantenorientierung im Supply Chain Management
Eine zunehmend wichtige Rolle bei der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen spielt die Beschaffung, da durch sie sowohl die Kosten im Unternehmen gesenkt als auch 297
Vgl.
WEBER/DEHLER/WERTZ
(2000), S. 268.
176
i Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
ein höherer Nutzen fur die Abnehmer des angebotenen Leistungsbündels am Absatzmarkt erzielt werden kann. 2 9 8 Allgemein können unter Beschaffung "
diejenigen Tätigkeiten eines Unternehmens subsumiert werden, die auf die Bereitstellung der zur Erfüllung der unternehmerischen Aufgaben notwendigen Tätigkeiten ausgerichtet sind. Dabei können die Beschaffungsobjekte in Sachgüter, Dienstleistungen, Personal, Informationen, Kapital und Rechte ausdifferenziert werden.
Da die Kapital- und Personalbeschaffung i.d.R. nicht durch die Beschaffungsabteilung durchgeführt wird, konzentriert sich die Lieferantenorientierung i.a. und im Supply Chain Management im besonderen auf die Beschaffung von Sachgütern, Dienstleistungen, Rechten und Informationen. Im Gegensatz zur Beschaffung stellt der Einkauf •
eher einen operativen Bestellvorgang dar, so daß der Begriff der Beschaffung als übergeordneter Terminus angesehen werden kann, der den des Einkaufs enthält.
Die Materialwirtschaft •
umfaßt mehr als die Begriffe Beschaffung und Einkauf, da sie den gesamten Materialfluß vom Lieferanten über die Warenannahme, Warenprüfung, Warenlagerung und den Warentransport bis hin zum Bedarfsträger beinhaltet. Zudem ist die Querschnittsfunktion Materialwirtschaft objektorientiert, wohingegen der Begriff der Beschaffung verrichtungsorientiert ist. 299
Ebenso wie die Materialwirtschaft wird auch die Logistik als Querschnittsfunktion angesehen, •
wobei hierbei im Vordergrund der Betrachtung die physische on steht.
Versorgungsfunkti-
Letztlich stellt die Lieferantenorientierung das Supply Management innerhalb des Supply Chain Management dar, da lediglich der stromaufwärts, in Richtung Lieferant orientierte Teil der Supply Chain Berücksichtigung findet, während dem stromabwärts, in Richtung Kunde orientierten Teil nur durch den Gedanken der Kundenorientierung eine Bedeutung beikommt. Insofern liegt die Kernaufgabe des Supply Management und damit der Lieferantenorientierung im Rahmen des Supply 298
Yg| KÜHL ( 1999), S. 1. Die zunehmende Bedeutung wird auch durch die Vielzahl von Anglizismen - wie Procurement, Purchasing bzw. Buying, Ordering, Supplying, Sourcing, Supply Management, Materials Management und Logistic Management - , die in den deutschsprachigen Raum Einzug halten und den Gegenstand der Beschaffung charakterisieren, offenbar.
299
Vgl. Grochi.a/Schönbohm (1980), S. 6.
3 Erfolgsfaklorzentrierte
Konzepte
177
Chain Management in der Abstimmung der Anforderungen an die Lieferanten mit denen der Kunden am Absatzmarkt. Allgemein können aus einer Analyse der theoretischen und empirischen Literatur fünf Ziele der Beschaffung herauskristallisiert werden: 3 0 0 •
Beschaffungskostenziele
•
Beschaffungsrisikoziele
•
Beschaffungszeit- und Beschaffungsflexibilitätsziele
•
Beschaffungsqualitätsziele
•
Gemeinwohlorientierte Beschaffungsziele
Neben den eingangs dargestellten Entwicklungen, wie z.B. der Tendenz zu immer kürzeren Produktlebenszyklen oder dem durch rechtliche Verordnungen quasi erzwungenen Trend zur umweltfreundlichen Beschaffung, sind für die Lieferantenorientierung im Rahmen des Supply Chain Management hauptsächlich zwei Faktoren von entscheidender Bedeutung: •
die Hebelwirkung der Materialkosten und
•
die Auswirkungen der Fertigungstiefe.
Die erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepte - Lean Management, Total Quality Management und Time-based Management - sind gerade an der Beschaffungsfunktion nicht spurlos vorübergegangen. Die Analyse der Zusammensetzung der Herstellungskosten im Rahmen des Current Engineering verdeutlicht, daß häufig mehr als 50% der Herstellungskosten von Gütern und Waren auf die Materialkosten entfallen. Die Hebelwirkung der Materialkosten (Profit-Leverage-Effekt) wird auch darin deutlich, daß eine Gewinnsteigerung von 10% durch eine Ausweitung des Umsatzes um ebenfalls 10% oder durch eine Reduzierung des Materialaufwands um 0,518% erreicht werden kann. 3 0 ' Neben der Hebelwirkung der Materialkosten gewinnt die Lieferantenorientierung im Supply-Chain-Management-Ansatz insbesondere vor dem Hintergrund der Konzentration auf die Kernkompetenzen an Bedeutung. 3 0 2 Eine Fokussierung auf die Reduzierung der Fertigungstiefe „ . . . Umsatz - Materialaufwand Fertigungstiele = Umsatz 3 0 0
Vgl. MEYER (1990), S. 83 ff. Zu ä h n l i c h e n Zielfeldern k o m m e n a u c h ARNOLDS/HEEGE/ TUSSING ( 1 9 9 6 ) , S. 25 ff.
301
Vgl. ARNOLD (1997), S. 16.
3 0 2
Zu d e n ö k o n o m i s c h e n W i r k u n g e n vertikaler Integration bzw. Desintegration vgl. KRUSCHWITZ (1971), S. 4 6 ff., MÄNNEI, (1995), S. 35 und ADAM (1998), S. 200 ff.
178
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
zielt somit vor allem auf eine Verringerung der Gesamtkosten eines Produktes sowie auf eine Veränderung der Verhältnisse fixer zu variablen Kosten ab. Beispielsweise fuhrt eine Verringerung der Fertigungstiefe zu einer Reduzierung der Abschreibungen und damit zur Minderung der fixen, beschäftigungsunabhängigen Kosten. Mit sinkender Fertigungstiefe steigt somit der Anteil variabler Kosten. Zudem kann durch eine Verringerung der Fertigungstiefe der Kapitalbedarf für die Produktionsanlagen reduziert werden. Aufgrund der geringeren Zinslast können der Gewinn, die Eigenkapitalrentabilität und der ROI nachhaltig verbessert werden. 3 0 3 Ferner kann eine Reduzierung der Fertigungstiefe auch Zeitvorteile mit sich bringen. Einerseits sinken die Durchlaufzeiten der Aufträge, andererseits können aufgrund geringerer Fertigungskomplexität innerhalb eines betrachteten Unternehmens u.U. die Wartezeiten der Aufträge verringert werden. Zudem können durch gemeinschaftliche Entwicklungspartnerschaften die Innovationszeiten erheblich gesenkt werden. Durch das Ausschöpfen des Technologie- und Entwicklungs-Know-hows der aktuellen und potentiellen Lieferanten kann es zu einer Verbesserung der Leistungsqualität kommen. Die Aufgabe der Lieferantenorientierung liegt somit darin, die Leistungen der Lieferanten in qualitativer, quantitativer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht auf die Anforderungen der Kunden am Absatzmarkt auszurichten. Hierfür sind zunächst aus der Vielzahl möglicher Lieferanten diejenigen auszuwählen, die sich durch Zertifikate oder Qualitätspreise auszeichnen oder die vom Nachfrager selbst auditiert worden sind. In der folgenden Tabelle sind Merkmale zur Lieferantenbeurteilung, die für eine Vorauswahl genutzt werden können, beispielhaft aufgelistet.
3 0 3
V g l . A D A M ( 1 9 9 8 ) , S. 2 0 1 .
3 Erfolgsfaktorzentrierte
M e r k m a l e zur Lieferantenbeurteilung
Beurteilung r Schlecht
Mittel
Gut
Technologie-Know-how Materialtechnik Produkttechnik Verfahrenstechnik Informationstechnik Management-Know-how Marketing Personalfuhrung Ablauforganisation Proj ektmanagement Rechnungswesen Personal/Qualifikation Ingenieure Facharbeiter/Produktion Facharbeiter/Kundendienst Verkaufspersonal Verwaltungspersonal Betriebswirt Sachmittel/Anlagen Standorte Produktionsmittel F+E-Ausstattung Büroausstattung Finanzsituation Eigenkapital/-quote Cash Flow Liquidität Förder-/Forschungsprogramme Zuliefererpotential Bekanntheit/Image Kundenstamm Vertriebsorganisation Kundendienst Beschaffungsquellen Kommunikationshemmnisse Technik Sprache Unternehmenskultur Tab. 3.2:
3 0 4
Lieferantenbewertungsbogen zur Vorauswahl bei
Quelle: In Anlehnung an GANZ (1997), S. 97.
Erstkontakß^
Konzepte
Bemerkung
179
180
3 Erfolgsfaklorzentrierie
Konzepte
Gegebenenfalls kann das vorangehende Schema durch Polaritätenprofile ergänzt werden, wodurch ein Vergleich zwischen Soll- und Ist-Profil für die spezifischen potentiellen Zulieferer und somit Supply-Chain-Partner durchgeführt werden kann. In der Regel sind dermaßen ausgewählte Lieferanten eher i.d.L., Wettbewerbsvorteile für das betrachtete Unternehmen zu erzielen und damit Kundenvorteile für den Endabnehmer zu ermöglichen. Eng verbunden mit der Frage der Lieferantenauswahl ist auch die Frage nach den jeweiligen Beschaffungsstrategien innerhalb der Supply Chain. Allgemein können die verschiedenen Beschaffungsstrategien wie folgt systematisiert werden: Systematisierungsansatz Träger der Wertschöpfung
Strategic Insourcing Outsourcing Sole Sourcing
Anzahl der Bezugsquellen
Single Sourcing Dual Sourcing Multiple Sourcing System Sourcing
Komplexität des Inputfaktors
Modular Sourcing Component Sourcing Parts Sourcing Internal Sourcing
Ausdehnung der Beschaffungsmärkte
Local Sourcing Domestic Sourcing Global Sourcing Stock Sourcing
Zeit der Bereitstellung
Demand-Taylored Sourcing Just-in-Time Sourcing Individual Sourcing
Beschaffungssubjekt
Collective Sourcing Tab. 3.3:
305
Sourcing-Strategierfl
Quelle: In Anlehnung an
KÜHL.
(1999), S. 167 ff.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
181
Beschaffungsstrategien im Hinblick auf den Träger der Wertschöpfung beschäftigen sich mit der klassischen Frage des Make-or-Buy, d.h. mit der Frage nach Fremdbezug oder Eigenfertigung. 306 Während das Outsourcing, wie bereits dargestellt, insbesondere auf das Ausschöpfen von Effizienzpotentialen hinsichtlich der Dimensionen Kosten und Zeit ausgerichtet ist, steht die Verbesserung der Effektivität für das abnehmende Unternehmen dabei eher im Hintergrund der Betrachtung. Gleichwohl können durch die Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen die endkundenorientierten Qualitätsziele z.B. durch verbesserte Methoden der Qualitätssicherung aufgrund weniger komplexer Fertigungsverfahren eher erreicht werden als im Fall der Eigenfertigung. Zudem können imagestarke Zulieferer die Bedürfnisse des eigenen Unternehmens und damit der eigenen Kunden u.U. besser lösen, als dies bei Eigenfertigung möglich ist. Im Gegensatz zum Outsourcing zielt das Insourcing darauf ab, die Fertigungstiefe zu erhöhen. Insourcing-Strategien sind im wesentlichen dadurch motiviert, daß die Zulieferer einen zu hohen Einfluß gewonnen haben und daß die Abnehmer sich Beschaffungsmärkte sichern wollen. In der Regel wird eine Rückwärtsintegration insbesondere dann stattfinden, wenn die Zulieferer den Qualitätsansprüchen des Abnehmers nicht mehr genügen bzw. wenn es bei vollen Auftragsbüchern zu Lieferschwierigkeiten mit den jeweiligen Zulieferern kommt. Generell zielen Insourcing-Strategien eher auf eine Verbesserung des Kundennutzens ab als auf eine Verbesserung der Beschaffungseffizienz. Zu den Beschaffungsstrategien im Hinblick auf die Anzahl der Bezugsquellen zählen das bereits im Rahmen des Lean Management dargestellte Multiple und das Single Sourcing. Das Multiple Sourcing ist im wesentlichen darauf ausgerichtet, den Wettbewerb unter den Lieferanten aufrechtzuerhalten bzw. zu verstärken und gleichzeitig das Lieferrisiko zu vermindern, da das Gesamtbeschaffungsvolumen gestreut wird. Häufig gehen allerdings mit einer Multiple-Sourcing-Strategie Qualitätsvarianzen einher. Eine Sonderform des Multiple Sourcing ist das Dual Sourcing, wobei hierunter sowohl ein Parallel-Sourcing mit zwei relevanten Zulieferern zu verstehen ist als auch die Möglichkeit, daß der Abnehmer einen Teil des Zuliefervolumens selbst fertigt und den anderen Teil fremdbezieht. Während im ersten Fall die Effizienzpotentiale vor allem in dem geringeren Koordinationsbedarf der wenigen direkten Zulieferer begründet ist, kann der letztere Fall insbesondere dann von Vorteil sein, wenn es gilt, nicht in Abhängigkeit von einem oder mehreren Zulieferern zu geraten. Im Gegensatz dazu bedient sich der Abnehmer im Rahmen des Single Sourcing nur einer Lieferquelle. Dies ist in der Regel mit Kostennachteilen für den Abnehmer verbunden, da aufgrund der Alleinstellung des Zulieferers wettbewerbsrelevante Wirkungen entfallen. Gleichwohl kann bei kostenintensiven Beschaffungsstrategien, wie z.B. einer JiT-Lieferbeziehung, die ein ausgefeiltes Informations- und Kommunikations- sowie Logistiksystem benötigen, ein Single Sourcing in Betracht kommen. Zudem erscheint ein Single Sourcing insbesondere
3 0 6
Z u den n a c h f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n vgl. K U H L ( l 9 9 9 ) , S. 175 ff.
182
3 Erfolgsfaklorzenlrierte
Konzepte
dann sinnvoll, wenn der Endkunde Vorprodukte imagestarker Zulieferer wünscht. Ein Sole Sourcing liegt hingegen vor, wenn der Zulieferer eine monopolistische Position innehat. Effizienzvorteile sind in diesem Fall nicht zu erreichen. Allerdings können u.U. Nutzenvorteile für den Endabnehmer erzielt werden, wenn der Monopolist den Abnehmer exklusiv mit innovativen Leistungen beliefert. 307 Die Beschaffungsstrategien im Hinblick auf die Komplexität des Inputfaktors zielen auf den Wertschöpfungsgrad des Zulieferers ab und können in das System oder Modular Sourcing, das Component Sourcing und das Parts Sourcing unterteilt werden, wobei die Komplexität der beschafften Güter von Strategie zu Strategie abnimmt. Im Rahmen von Modular oder System Sourcing werden komplette, teilweise vormontierte und einbaufertige Funktionsgruppen beschafft. Während bei der Modul-Beschaffung der Hersteller das Modul maßgeblich selbst entwickelt und der Zulieferer die Fertigung übernimmt, hat der Zulieferer im Rahmen einer Systembeschaffungsstrategie seitens des Herstellers den überwiegenden Teil der Entwicklung, Produktion und Logistik selbst inne. 308 Das Parts Sourcing dagegen beinhaltet die Beschaffung von Teilen, die noch in keinem Montagezusammenhang stehen und in der Regel auch nicht weiter zerlegbar sind. Während sich mit einem System oder Modular Sourcing sowohl Effektivitäts- als auch (in einem geringeren Umfang) Effizienzpotentiale ausschöpfen lassen, werden mit Parts und Component Sourcing überwiegend Effizienzziele verfolgt, wobei letzteres Beschaffungsumfänge mit einer im Vergleich zu Modulen und Systemen niedrigen Wertschöpfung und Aggregation bezeichnet. Zu den Beschaffungsstrategien im Hinblick auf die geographische Ausdehnung der Beschaffungsmärkte zählen das Internal Sourcing, das Local/Domestic Sourcing sowie das Global Sourcing. Im Rahmen einer beschaffungsseitigen Integration des Zulieferers kommt es häufig auch zu einer räumlichen Integration von Zulieferer und Hersteller (Internal Sourcing). Durch die räumliche Nähe z.B. in Industrieparks besteht die Möglichkeit, abnehmerspezifische Leistungen vom Zulieferer zu beziehen. Zudem reduziert sich das logistische Risiko durch die räumliche Annäherung erheblich. Die stärkste Ausprägung einer Internal-Sourcing-Strategie ist dann gegeben, wenn der Zulieferer nicht nur die Montage der Zulieferteile übernimmt, sondern die entsprechenden Baugruppen selbst in den Produktionsstätten des Herstellers in das Enderzeugnis montiert. So liegt beispielsweise die Fertigungstiefe bei der Herstellung des Smart-Kleinwagens in der Micro-Compact-Car-Fabrik bei unter 20%, weil die entsprechenden Lieferanten direkt in der Fabrik des Abnehmers mit eigenen Fertigungseinrichtungen vertreten sind. 309 Im Gegensatz dazu werden beim Local Sourcing ausschließlich Zulieferer in die SC eingebunden, die in räumlicher Nähe
3 0 7
V g l . KUHI. ( 1 9 9 9 ) , S. 1 8 5 .
308
v g l . WOLTERS ( 1 9 9 5 ) , S. 7 3 .
3 0 9
V g l . DUDHNHÖFFER ( 1 9 9 7 ) , S. 145.
3 Erfolgsfaklorzentrierte
Konzepte
183
zum beschaffenden Unternehmen liegen. Auch hier steht die logistische Sicherheit im Vordergrund der Betrachtung. Gleiches gilt für das Domestic Sourcing, bei dem die Zulieferer, wenn nicht aus der unmittelbaren Nähe, so zumindest doch aus dem Inland kommen. Hierdurch entfallen Probleme aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme und/oder kulturspezifischer Unterschiede. Während der Schwerpunkt der herstellernahen Beschaffungsstrategien auf einer Verbesserung des Kundennutzens, bedingt durch eine abnehmerspezifische Fertigung, und somit auf einer Verbesserung der Effektivität des Beschaffungsprozesses liegt, zielt ein Global Sourcing ebenso wie das bereits dargestellte Multiple Sourcing auf eine Intensivierung des Wettbewerbs unter den Zulieferern und damit auf Effizienzpotentiale ab. Letztlich können Beschaffungsstrategien auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bereitstellung der Inputfaktoren unterschieden werden. Während Stock-SourcingStrategien dadurch charakterisiert sind, daß der jeweilige Abnehmer zur Sicherung des Produktionsprozesses gegen Störungen im Beschaffungsprozeß Lagerbestände aufbaut, zeichnen sich JiT-Strategien dadurch aus, daß im Optimalfall sowohl der Zulieferer als auch der Hersteller auf Bestände gänzlich verzichtet. So beginnt der Zulieferer erst mit der Produktion von A-Teilen, wenn die genaue Bedarfsmenge, Spezifikation und der Bedarfszeitpunkt durch den Abnehmer über ein entsprechendes IuK-System übermittelt worden sind. Aufgrund der hohen Rüst- und Transportkosten zielt eine JiT-Strategie im wesentlichen auf die Realisierung von Effektivitätspotentialen ab, da eine JiT-Belieferung nur dann Erfolg verspricht, wenn der Zulieferer kontinuierlich eine nahezu 100%ige Qualität seiner Leistung zusichern kann. Auch das Stock Sourcing vernachlässigt den Effizienzaspekt und zielt vielmehr auf eine Effektivitätsverbesserung im Rahmen der Beschaffung ab. So bedingen die hohen Lagerbestände zwar einerseits erhebliche Kapitalbindungskosten, andererseits aber kann sich eine Vorratshaltung äußerst positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirken, da die rasche Verfügbarkeit eines Ersatzteils eine zeitaufwendige Bestellung erübrigt. Zwischen Stock-Sourcing- und JiT-Sourcing-Strategien ist das sogenannte Demand-Taylored Sourcing angesiedelt. 3 1 0 Hierbei ist zwischen Einzelbeschaffung im Bedarfsfall und fertigungssynchroner Anlieferung zu differenzieren. Bei der Einzelbeschaffung im Bedarfsfall werden die Bauteile erst beschafft, wenn sie im Produktionsprozeß benötigt werden. Zwar entfallen hierdurch einerseits Lager- und Kapitalbindungskosten, andererseits ist jedoch mit hohen Preisen zu rechnen, da die Bestellmengen entsprechend gering sind. Zudem besteht insbesondere bei speziellen Teilen die Gefahr, daß das Material nicht termingerecht geliefert werden kann, da die logistischen Abläufe beim Zulieferer noch nicht ausreichend routinisiert sind. Auch bei der fertigungssynchronen Lieferung entfallen weitgehend Läger. Allerdings ist für eine produktionssynchrone Belieferung eine präzise Abstimmung der Materialflüsse zwingend erforderlich, was letztlich nur durch entsprechende Investi-
3 1 0
Vgl. KÜHL ( 1 9 9 9 ) , S. 2 0 4 f.
184
J Erfolgsfaklorzenlrierte
Konzeple
tionen in Informations- und Kommunikations- sowie Logistiksysteme ermöglicht wird. Die letzte Beschaffungsstrategiekategorie beinhaltet Beschaffungsstrategien, die auf das Beschaffungssubjekt ausgerichtet sind. Unter einem Beschaffungssubjekt ist die beschaffende Organisation, wie z.B. das einzelne Unternehmen oder auch eine Gruppe von Unternehmen, zu verstehen. In diesem Zusammenhang steht Individuell Sourcing für eine nicht kooperative, sondern vielmehr isoliert durchgeführte Beschaffung, wohingegen Collective Sourcing die gemeinsame Bearbeitung des Beschaffungsmarktes bezeichnet. Während ein Individual Sourcing vornehmlich darauf ausgerichtet ist, abnehmerspezifische Lieferwünsche am Beschaffungsmarkt zu befriedigen, zielt das Collective Sourcing aufgrund seiner großen Einkaufsvolumina im wesentlichen auf eine Verbesserung der Kostensituation ab. Eine entsprechende Bedarfsbündelung erhöht die Nachfragemacht und ermöglicht es, bessere Konditionen beim Zulieferer auszuhandeln. In der nachfolgenden Tabelle werden die zuvor dargestellten Zusammenhänge noch einmal komprimiert ausgewiesen, wobei ein Pluszeichen generell eine positive, ein Minuszeichen eher eine nachteilige Wirkung kennzeichnet und bei Kreisen keine eindeutige Aussage möglich ist.
185
3 Erfoigsfaktorzentrierte Konzepte
Systematisierungs-
Strategie
ansatz
Beitrag zum f Cundenvorteil Effektivitätsvorteil
Effizienzvorteil
Träger der
Insourcing
+++
Wertschöpfung
Outsourcing
+
Sole Sourcing
++
-
Anzahl der
Single Sourcing
++
+
Bezugsquellen
Dual Sourcing
+
++
Multiple Sourcing
+
+++
System Sourcing
++
+
Komplexität des
Modular Sourcing
++
+
Inputfaktors
Component Sourcing
O
++
Parts Sourcing
0
++
Internal Sourcing
+++
0
Local Sourcing
++
0
Domestic Sourcing
+
O
Global Sourcing
+
+++
Stock Sourcing
++
-
Demand-Taylored S.
++
0
Just-in-Time S.
++
+
Beschaffungs-
Individual Sourcing
++
-
subjekt
Collective Sourcing
Ausdehnung der Beschaffungsmärkte
Zeit der Bereitstellung
Tab. 3.4:
Sourcing-Strategien
und deren Bewertung
-
+++
++
-
im Hinblick
auf Effektivität
und
Effizi-
enz3 ' '
W i e bereits dargestellt, liegt die Aufgabe der Lieferantenorientierung im Rahmen des Supply Chain Management vornehmlich darin, die Beschaffungsstrategie den Marketingstrategien anzupassen, um so die gesamte Wertschöpfungskette effektiv auszurichten und effizient auszugestalten. Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht diesen Abstimmungsprozeß,
indem ausgehend von den verschiedenen
Marke-
tingstrategien die entsprechenden, zuvor bereits erläuterten Beschaffungsstrategien abgeleitet werden.
311
Quelle: In Anlehnung an KUHL(1999), S. 213.
Konzepte
Träger der Wertschöpfung
Beschaffungsstrategie
/
Sole
Komplexität des Inputfaktors
System
Ausdehnung der Beschaffungsmärkte
Internal^
Single-*
>--
Tab. 3.5:
/
0
è
Outsourcing
/
Dual
^Multiple
Compo-
Modular
nents
Local
Zeit der Bereitstellung Beschaffungssubj ekt
V
Insourcing
Anzahl der Bezugsquellen
\ Global
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International
Marktareal
Multinational
Marktparzellierung
Kostenfiihrerschaft ^
Segmentierungs- / # v ^Massenmarktstrategie 4) Strategie / \ National
Marketingstrategie
Qualitätsfiihrerschaft^
Überregional
Marktstimulierung
Regional
3 Erfolgsfaktorxentrierle
Lokal
186
Domestic
J avlored--^
?
Parts
9
Global
•
•J u s t - i n - T i m e
s
Individual
®
Collective
Angleichung von Marketing- und Beschaffungsstrategien im Rahmen der Lieferantenorientierung des SCM-Konzepts3 ' 2
BECKER systematisiert drei verschiedene Ebenen von Marketingstrategien. 3 1 3 A u s gehend v o n den PoRTERschen Wettbewerbsstrategien der Qualitäts-^14 und Kostenführerschaft, die unter dem Begriff der Marktstimulierung zusammengefaßt w e r d e n , 3 1 5 kann im R a h m e n von Marktparzellierungsstrategien zwischen Segmentierungsund Massenmarktstrategie unterschieden werden. Während eine Segmentierungsstrategie auf eine differenzierte Marktbearbeitung abzielt, sind die M a r ketingaktivitäten im Rahmen der Massenmarktstrategie undifferenziert a u f den an-
3 1 2
Q u e l l e : K U H L ( 1 9 9 9 ) , S. 2 1 7 .
3 1 3
V g l . BECKER ( 1 9 9 8 ) , S. 182 ff. Darüber hinaus differenziert BECKER noch in d i e M a r k t f e l d strategien, die a u f d e r ANSOFFschen P r o d u k t - M a r k t - M a t r i x basieren. A u f g r u n d der zweidim e n s i o n a l e n B e t r a c h t u n g s w e i s e dieser Strategien w e r d e n z u m Z w e c k e der K o m p l e x i t ä t s r e d u k t i o n in d e r T a b e l l e 3.5 diese Marketingstrategien nicht n ä h e r betrachtet. Z u r ProduktM a r k t - M a t r i x v o n ANSOFF vgl. Abschnitt 4.2.4.3.2.1.
3
3
D e r B e g r i f f d e r Q u a l i t ä t s f i i h r e r s c h a f t ist in diesem Z u s a m m e n h a n g e n t s p r e c h e n d d e m T Q M inhärenten Q u a l i t ä t s b e g r i f f sehr weit gefaßt und zielt insofern auf e i n e generelle V e r b e s s e r u n g der N u t z e n - K o m p o n e n t e d e s Nutzen-Preis-Verhältnisses e i n e s Produktes oder einer Dienstleis t u n g ab. '
5
D i e B e g r i f f e „ P r ä f e r e n z s t r a t e g i e " und „ K o s t e n f i i h r e r s c h a f t " sind mit den B e g r i f f e n „Qualitätsf i i h r e r s c h a f t " u n d „ P r e i s - M e n g e n - S t r a t e g i e " inhaltlich w e i t g e h e n d identisch.
J Erfolgsfaklorzentrierte
Konzepte
187
onymen Massenmarkt ausgerichtet. Entsprechend der räumlichen Ausdehnung der Absatzmärkte besteht innerhalb der sogenannten Marktarealstrategien ein Kontinuum zwischen lokaler und globaler Marktbearbeitung. Die unterschiedlichen Ebenen der Marketingstrategie können im wesentlichen vertikal gebündelt werden, da, wie bereits dargestellt, eine horizontale Bündelung lediglich in Pionierunternehmen oder beim Einsatz innovativer Techniken möglich ist. 3 1 6 Ein Beispiel für ein innovatives technologisches und organisatorisches Konzept, das eine hybride Wettbewerbsstrategie ermöglicht, ist die sogenannte Mass Customization, die darauf ausgerichtet ist, gleichzeitig sowohl eine Qualitätsfuhrerschaft als auch eine Kostenfuhrerschaft anzustreben. 317 Grundsätzlich kann eine Qualitätsfuhrerschaft sowohl mit einer Segmentierungsstrategie als auch mit einer Massenmarktstrategie verbunden werden. Im Gegensatz dazu findet eine Kostenführerschaft eher in einer Massenmarktstrategie Unterstützung, da auf kleineren Märkten die Absatzvolumina nicht hinreichend groß sind, um die entsprechenden Kostendegressionseffekte^S erzielen zu können. Insofern ist hinsichtlich des Marktareals im Rahmen einer Kostenführerschaftsstrategie eher auf eine globale Marktbearbeitung zu achten, wohingegen eine Qualitätsfuhrerschaft im Sinne einer Präferenzstrategie auf allen Marktareal formen angestrebt werden kann. Generell unterstützen die Beschaffungsstrategien, die im wesentlichen auf eine Verbesserung der Effektivität einer Leistung abzielen und damit dem Kundennutzen dienen, eher eine Qualitätsfiihrerschaftsstrategie, während die Beschaffungsstrategien, die auf eine Verbesserung der Effizienz der Leistungserstellung ausgerichtet sind, fundamental eine Kostenführerschaft forcieren. 3 1 9 Während ein Insourcing aufgrund der Ausrichtung auf die eigene Fertigung am ehesten geeignet ist, Präferenzen im Sinne einer Qualitätsflihrerschaftsstrategie aufzubauen, zielt das Outsourcing vornehmlich auf eine Kostenführerschaft ab. Wird davon ausgegangen, daß insbesondere die Kostendimension für eine Verringerung der Fertigungstiefe ausschlaggebend ist, so wird der Lieferant die entsprechenden Kostendegressionseffekte jedoch nur dann tatsächlich erzielen können, wenn er weitgehend standardisierte Leistungen nicht nur einem Abnehmer, sondern auch möglichst vielen Wettbewerbern anbieten kann. Entsprechend besteht für das betrachtete Unternehmen keine Möglichkeit, sich über die Zuliefererleistung zu profilieren. Ferner eignet sich insbesondere eine Kombination von Parts und Collective Sourcing, um Kosteneinsparungspotentiale auszuschöpfen, da der weitgehende Standardisierungsgrad der Teile eine kooperative Beschaffungsstrategie unterstützt. Zudem
3 1 6
Vgl. Abschnitt 2.1.2.1.
3 1 7
Vgl. Abschnitt 4.2.4.3.2.3.
3 1 8
V g l . Abschnitt 4 . 2 . 2 . 1 . 2 .
3 1 9
V g l . K U H L ( 1 9 9 9 ) , S. 2 1 5 .
188
i Erfolgsfuktorzenlrierte
Konzepte
kann eine Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den Zulieferern im Rahmen von Mutiple oder Global Sourcing dazu führen, daß weitere Effizienzpotentiale im Sinne einer Kostenführerschaftsstrategie realisiert werden. Sollten die Lager- und Kapitalbindungskosten der zu lagernden Güter und Waren gering sein, so eignet sich u.U. auch ein Stock Sourcing. Im Gegensatz zu standardisierten Massenteilen ist für die Beschaffung hochkomplexer Baugruppen vornehmlich das System Sourcing von Bedeutung, da hierbei insbesondere auch das Entwicklungs-Know-how des Zulieferers genutzt werden kann. Ferner ist, um die Koordinationskomplexität in Grenzen zu halten, ein Single Sourcing zu präferieren, wobei durch die Verknüpfung mit einer Internal-Strategie abnehmerspezifische Inputfaktoren hergestellt werden können, die die Basis für eine entsprechende Präferenzbildung im Rahmen einer Qualitätsführerschaft sein können. Aufgrund der räumlichen Nähe der Zulieferer können insbesondere JiT-Beschaffungsstrategien, die die Zeitdimension effektivitätsorientiert positiv beeinflussen, Anwendung finden. Zudem erfolgt bedingt durch die abnehmerspezifische Herstellung der Inputfaktoren die Beschaffung i.a. nicht in Form einer Kooperation, sondern im Rahmen eines Individual Sourcing. Neben diesen zwei Mainstream-Marketing-Beschaffungsstrategie-Kombinationen existieren noch eine Reihe weiterer Kombinationsmöglichkeiten; so kann beispielsweise eine Kostenfuhrerschaft auch mit einem Single Sourcing erreicht werden, wenn z.B. hohe Mengenrabatte mit dem Zulieferer vereinbart werden konnten. Auch die Beschaffung von Modulen kann zu erheblichen Kostensenkungspotentialen führen, da der Zulieferer für die Herstellung u.U. effizientere Verfahren einsetzen kann, als dies der Abnehmer vermag. Unabhängig von der spezifischen Abstimmung zwischen der jeweiligen MarketingStrategie der Wertschöpfungskette und den wertschöpfungsketteninternen Beschaffungsstrategien ist gemeinsam mit den Zulieferern, also quasi mit allen Wertschöpfungskettenmitgliedern, nach Kostensenkungs- und Qualitätsverbesserungspotentialen zu suchen. Hilfreich können dabei Wertanalysen oder das bereits dargestellte Value Engineering sein. Für eine kontinuierliche Analyse und Verbesserung der Strukturen ist es zudem zwingend erforderlich, daß die Supply Chain von dauerhaftem Bestand ist. Dies ist dann gegeben, wenn alle Supply-Chain-Partner von dieser Beziehung profitieren. Ziel des Supply Chain Management muß es daher sein, den am Absatzmarkt erzielten Erfolg bzw. die durch die Optimierung der Beschaffungsstrategien und Prozeßstrukturen erzielten Effizienzgewinne in einem zu vereinbarenden Verhältnis fair zu teilen. Eine solche Win-Win-Gemeinschaft ist nur auf Basis einer vertrauensvollen, im besten Sinne partnerschaftlichen Zusammenarbeit möglich.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
189
Alle zuvor dargestellten Marketing-Beschaffungs-Strategiekombinationen sind in einem dynamischen Umfeld nur dann umsetzbar, wenn eine konsequente informationstechnische Vernetzung aller Wertschöpfungspartner via EDI, Internet, Intranet oder Extranet erfolgt. 320 Vor allem im Rahmen von globalen Beschaffungsstrategien kann das Internet ein geeignetes Medium sein, kostengünstige Informationsquellen im Rahmen der Beschaffungsmarktforschung zu akquirieren. Alternativ kann den Abnehmern die Möglichkeit eingeräumt werden, den Fertigungsfortschritt der jeweiligen Bestellung kontinuierlich zu überwachen (Tracking), wobei auch umgekehrt die Möglichkeit für den Lieferanten gegeben sein sollte, kontinuierlich zu überprüfen, wann der Kunde seine Leistung benötigt. Letzteres bildet insbesondere filr einen JiT-orientierten Beschaffungsprozeß die Basis.
3.2.4.1.4
Prozeßorientierung im Supply Chain Management
Generell zielt die Prozeßorientierung im SCM darauf ab, die Informations- und Kommunikationsprozesse integrativ mit den Güterflüssen abzustimmen, so daß auf veränderte Kundenbedürfnisse auf Basis einer homogenen Wertschöpfungskette schneller, kostengünstiger und marktorientierter reagiert werden kann. Die multidirektionale Verknüpfung der Prozeßkettenmitglieder ermöglicht es, daß interorganisationale Veränderungen der Prozeßabwicklung direkt in alle Richtungen der Supply Chain weitergegeben werden. 321 Allgemein können mit einer wertschöpfungskettenübergreifenden Prozeßorganisation sowohl Effektivitäts- als auch Effizienzsteigerungen für die gesamte Supply Chain, aber auch für einzelne Kettenmitglieder erreicht werden. Eine Effizienzsteigerung tritt beispielsweise durch eine verbesserte Abstimmung der Produktions- und Distributionsprozesse auf, da hierdurch die Lagerhaltungs- und Betriebskosten erheblich reduziert werden können. Ferner kann aufgrund eines verbesserten Informationsflusses auf kostenintensive Expreßauslieferungen zur Vermeidung von Fehl- oder Verzugsmengen verzichtet werden. Die Zeitdimension als zweite Ausprägung des Effizienzkriteriums wird durch einen optimierten interbetrieblichen Meta-Geschäftsprozeßablauf ebenfalls in erheblichem Maße tangiert. Durch den Wegfall zwischenbetrieblicher Schnittstellen können unnötige Liegezeiten wesentlich reduziert werden, so daß die Geschäftsprozeßintegration entlang der Supply Chain die Durchlaufzeit eines Auftrages um bis zu 50% reduziert. 322 Im Gegensatz zu den Effizienzsteigerungen liegen die prozeßbasierenden Effektivitätsverbesserungen vor allem in der Erhöhung der Kundenzufriedenheit und in der Verbesserung des wertschöpfungskettenweiten Frühwarnsystems. Da in allen Teilprozessen kundenorientiert agiert wird, erhält der Kunde am Ende ein Produkt oder eine Dienstleistung, das exakt seinen Wünschen entspricht. Als ein herausraZu den verschieden I u K - T e c h n o l o g i e n und deren Effektivitäts- und E f f i z i e n z p o t e n t i a l e n vgl. A b s c h n i t t 4.2.4. 321
Vgl. SCHINZER ( 1 9 9 9 ) , S. 858.
3 2 2
Vgl. SCHINZER ( 1 9 9 9 ) , S. 859.
190
3 Erfolgsfaktorzenlrierle
Konzepte
gendes Merkmal ist hier die wesentliche Verbesserung der Termintreue zu nennen. Auf Basis der Supply-Chain-weiten optimierten Informations- und Materialflüsse kann die Liefertreue bis nahe an die 100% ansteigen. Darüber hinaus erhalten alle Kettenmitglieder aufgrund des verbesserten Austauschs von Prozeßdaten frühzeitig Informationen über bestehende Störungen oder Restriktionen. Dem Ziel einer kundenorientierten Ausrichtung der gesamten Supply Chain kann i.d.R. jedoch nur nachgekommen werden, wenn die Gestaltung und Durchführung der Organisation und der Koordination einer Supply Chain kombiniert zentraldezentral erfolgt. 3 2 3
Zentrale strategische Supply-Chain-(Prozeß-)Koordination
Dezentrale operative Supply-Chain-(Prozeß-)Koordination
Abb. 3.27:
323
Koordination der Supply-Chain-Prozesse
V g l . H A H N (2000), S. 16.
3 Erfolgsfaklorzentrierle
Konzepte
191
Existiert ein dominierendes Unternehmen (Supply-Chain-Betreiber), so werden die Führungskräfte dieses Unternehmens Supply Chain Leader, oder aber ein Vertreter des fuhrenden Unternehmens wird der Vorsitzende eines zentral agierenden Supply Chain Committee. 3 2 4 Herrscht hingegen zwischen den Kettenmitgliedern eine gleichgewichtige Partnerschaft, so sind unterschiedliche Ausprägungen des Supply Chain Committee möglich. Beispielsweise kann die Sprecherrolle innerhalb des Committee temporär rollieren. Aufgabe des zentralen Supply Chain Committee ist •
die strategische Grobplanung des Produkt-, Material- und Dienstleistungsflusses und damit die generelle Ausrichtung auf den Endkunden. Durch diese zentrale Koordinationsstelle wird erreicht, daß sämtliche Planungs-, Steuerungs- und Kontrolltätigkeiten aller Kettenmitglieder zielsetzungsgerecht aufeinander abgestimmt werden.
So erfolgt beispielsweise die Koordination der Markting-, Entwicklungs-, Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebsstrategien innerhalb eines solchen Committee. Insofern ist das Supply Chain Committee auch für die strategische Ressourcengestaltung, wie z.B. die Wahl der Fertigungsverfahren, verantwortlich, da es gilt, die Ressourcengestaltung langfristig entsprechend der vereinbarten Kosten-, Qualitäts- und Zeitziele zu optimieren. Zudem ist strategisch stets zu prüfen, ob innerhalb der eigenen Supply Chain oder durch Bezugsmöglichkeiten bzw. Lieferungen aus dem Markt Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen auf spezifischen Stufen erreicht werden können. Dies kann zu erheblichen Problemen mit bestehenden Kettenmitgliedern fuhren, da die Integration neuer, weit effektiver und effizienter agierender Wertschöpfungspartner u.U. zu einem Ausschluß bestehender Supply-Chain-Mitglieder beiträgt. Auf Basis der im Supply Chain Committee durchgeführten Grobplanung erfolgen dann zwischen den Supply-Chain-Mitgliedern die Feinplanung sowie entsprechende Steuerungs- und Kontrollprozesse in auftrags- oder projektbezogenen Supply Chain Teams (SCT). 3 2 5 Diese Teams beschäftigen sich u.a. mit der operativen Ressourceneinsatzplanung über die gesamte Kette hinweg. Zur Gestaltung der Prozesse innerhalb einer Supply Chain wird zwischen dem Pushund dem Pull-Prinzip differenziert, wobei beim Push-Prinzip der Supply Chain Leader oder das Supply Chain Committee die Verkaufszahlen und Lagerbestände seiner Wertschöpfungskettenpartner analysiert, um anschließend diese Informationen zur Produktions- und Dispositionsplanung zu nutzen. 326 Insofern wird beim Push-
3 2 4
Vgl. HAHN ( 2 0 0 0 ) , S. 16.
325
Vgl. HAHN ( 2 0 0 0 ) , S. 16.
3 2 6
Vgl. SCHINZER (1999), S. 859.
192
J Erfolgsfaklorzenlrierle
Konzepte
Prinzip der Waren- und Informationsfluß im Rahmen des Processing durch die Erfassung der Abnehmeraufträge des Handels indirekt gesteuert. Demgegenüber wird beim Pull-Prinzip anhand der Verkaufszahlen automatisch der vertikale Nachfrageschub ausgelöst {Automatic Replenishment). Dies fuhrt dazu, daß bei vielen, bisher isoliert betrachteten Geschäftsprozessen bislang mehrfach durchgeführte Aktivitäten nun bei einem der Kettenmitglieder und damit bei einem Prozeßbeteiligten zu einem einzigen Bearbeitungsschritt reintegriert werden.
Pullbasiertes
SCM
K> ± 50%.
Für eine JiT-Strategie sind solche Teile besonders geeignet, die einen hohen Verbrauchswert, einen stetigen Verbrauch und eine hohe Vorhersagegenauigkeit aufweisen. Wertigkeit
Vorhersagegenauigkeit
A-Teile
B-Teile
C-Teile
X-Teile
hoher Verbrauchswert; hohe Vorhersagegenauigkeit; stetiger Verbrauch hoher Verbrauchswert; mittlere Vorhersagegenauigkeit; halbstetiger Verbrauch hoher Verbrauchswert; niedrige Vorhersagegenauigkeit; stochastischer Verbrauch
mittlerer Verbrauchswert; hohe Vorhersagegenauigkeit; stetiger Verbrauch mittlerer Verbrauchswert; mittlere Vorhersagegenauigkeit; halbstetiger Verbrauch mittlerer Verbrauchswert; niedrige Vorhersagegenauigkeit; stochastischer Verbrauch
niedriger Verbrauchswert; hohe Vorhersagegenauigkeit; stetiger Verbrauch niedriger Verbrauchswert; mittlere Vorhersagegenauigkeit; halbstetiger Verbrauch niedriger Verbrauchswert; niedrige Vorhersagegenauigkeit; stochastischer Verbrauch
Y-Teile
Z-Teile
|
|
Besonders geeignet für eine JiT-Beschaffung/Produktion
Tab. 3.7:
Bestimmungsraster
zur Beurteilung von JiT-geeigneten
350
VGI
351
WILDEMANN ( 1 9 8 8 ) , S. 2 4 f f .
Quelle: WILDEMANN (1988), S. 30.
Teilen3 5'
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
207
Durch die konsequente wertschöpfungskettenweite Materialflußoptimierung auf Basis moderner IuK-Technologien wird die Auftragsabwicklungszeit über die gesamte Supply Chain reduziert, wodurch sich gleichzeitig die Flexibilität am Markt erhöht. Zudem besteht durch die Einbindung von Lieferanten, deren logistisches Potential hoch ist, die Möglichkeit, die Transportplanung zeiteffizient zu optimieren. Analog hierzu wird die Distribution durch die Einbeziehung von Logistikdienstleistern und die Nutzung von Verteilzentren zeitorientiert optimiert. Um die dargestellten Möglichkeiten, die mit einer Kunden-, Mitarbeiter-, LieferantenProzeß-, Wertschöpfungs- und Zeitorientierung einhergehen, zu realisieren, bedarf es •
modellierbarer, stabiler Prozesse,
•
einer ausreichenden Datengrundlage bei allen Supply-Chain-Partnern,
•
einer weitreichenden Offenlegung interner Unternehmensdaten aller SupplyChain-Partner,
•
einer Akzeptanz der hohen gegenseitigen Abhängigkeit aller Partner sowie
•
einer weitgehenden Implementierung moderner und homogener, der Komplexität der Planungssituation angemessener IuK-Technologie.
3.2.4.1.7
Supply-Chain-
Simplexitätsorientierung im S u p p l y Chain M a n a g e m e n t
Die Simplexitätsorientierung ist für das Konzept des Supply Chain Management eine unabdingbare Handlungsmaxime, da hiervon der dauerhafte Bestand und der Erfolg der Supply Chain abhängt. Das Streben nach Vereinfachung äußert sich zum einen in der ausschließlichen Betrachtung der wertschöpfungsrelevanten, d.h. vom Kunden direkt oder indirekt wahrgenommenen Meta-Prozesse. Insofern zielt das Supply Chain Management, wie bereits dargestellt, auf eine Optimierung der Prozesse Planung, Beschaffung, Herstellung und Lieferung auf hohem Abstraktionsniveau ab. Hingegen ist es unmöglich, sämtliche operativen Prozesse über eine komplette Supply Chain zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Um dennoch eine weitgehende Optimierung und Koordination der Prozesse erreichen zu können, bedarf es eines konsequenten IuK-Technologieeinsatzes. So ermöglichen beispielsweise Internet-basierte Systeme einen weltweiten Datentransfer, ohne den eine gezielte Koordination der Supply-Chain-Prozesse nicht denkbar wäre. Darüber hinaus ermöglicht es die Internet-Techologie, direkt auf die MRP-, DRP- (Data Requirements Planning) und ERPSysteme der jeweiligen Supply-Chain-Partner zugreifen zu können, um so eine globale, ganzheitliche Planung und Steuerung der Supply Chain zu ermöglichen. Für eine wertschöpfungskettenweite Optimierung der Prozesse ist eine informationstechnologische Unterstützung auch deswegen zwingend erforderlich, weil eine Opti-
208
3 Erfolg.sfaktorzentrierte
Konzepte
mierung der eigenen Abläufe unter Berücksichtigung der Beschränkungen durch die Geschäftspartner häufig lediglich zu einem lokalen Optimum, nicht jedoch zu einem Optimum des Gesamtsystems führt. So kann es z.B. temporär notwendig sein, auf eine Produkteinführung eines Konkurrenten mit Preisnachlässen und bevorzugten Belieferungen der betroffenen Regionen - zu Lasten anderer Regionen - zu reagieren. Im Gegensatz dazu zielt eine Optimierung der Supply Chain auf eine Verbesserung der Effektivität und der Effizienz der gesamten Wertschöpfungskette zu Lasten lokaler Optima ab. Die für eine Optimierung notwendigen, erfolgsfaktorkritischen Daten können in Data-Warehouse-Lösungen gespeichert und aufbereitet werden. Allerdings ist zu beachten, daß für die Optimierung einer Supply Chain enorme Datenmengen benötigt werden. Beispielsweise müssen für eine Prozeßoptimierung auf Basis von 500.000 Produktionsaufträgen, bestehend aus jeweils 100 Komponenten, die mit durchschnittlich sechs Vorgängen hergestellt werden, und gleichzeitiger Bestandsanalyse von 50.000 Materialien und 5.000 Ressourcen, zehn Gigabyte Daten im Hauptspeicher vorgehalten werden. 352 Neue Technologien, wie etwa 64-Bit-Prozessoren, ermöglichen es jedoch mittlerweile, nahezu unbegrenzt Datenvolumen im Hauptspeicher zu verwalten. Allerdings sind der Größe von Simultan-Planungsproblemen auch heute noch aufgrund der begrenzten Leistungsfähigkeit der Optimierer Grenzen gesetzt. Die optimierenden Software-Systeme werden in praxi unter dem Stichwort Advanced Planning Systems (APS) subsumiert. Sowohl die eigenständigen AP-Systeme der Firmen i2 und Manugistics als auch die von klassischen ERPSystemanbietern offerierten SC-Systeme verfügen über Module zur Modellierung einer Supply Chain und zur Absatz-, Distributions-, Produktions- und Beschaffungsplanung sowie über eine wertschöpfungskettenweite Lieferterminprognose (Available to Promise). 353 Zudem existieren standardisierte Schnittstellen zu ERP-Systemen, da die entsprechenden SCM-Tools als externe Add-Ons zu ERP-Systemen zu verstehen sind. 354 Generell transferieren die Supply-Chain-Management-Tools die planungsrelevanten Daten aus den operativen ERP-Systemen in den jeweiligen Hauptspeicher des Gesamtsystems, um auf Basis von What-if-Szenarien eine übergreifende Planung und Optimierung in Echtzeit unter Einbindung von Lieferanten, Werken und Kunden vorzunehmen. Insofern repräsentieren Supply-Chain-Management-Lösungen zwar primär eine Erweiterung klassischer ERP-Systeme, verfügen jedoch im Gegensatz zu den operativen ERP-Systemen über entscheidungsunterstützende und optimierende Funktionen hinsichtlich der wertschöpfungskettenübergreifenden Prozeßorientierung.
3 5 2
V g l . W A I . D O R F ( 1 9 9 9 ) , S. 16.
3 5 3
V g l . SCHINZER ( 1 9 9 9 ) , S.
3 5 4
Vgl. hierzu Abschnitt 4.2.4.2.2.
861.
3 Erfolgsfükiorzentrierle
3.2.4.1.8
Konzepte
209
Pionierorientierung im Supply Chain Management
Auch das Supply Chain Management ist wie die intrabetrieblichen erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepte durch eine Pionierorientierung gekennzeichnet. Gleichwohl gestaltet sich eine Pionierorientierung innerhalb einer Supply Chain ungleich schwerer als in einem einzelnen Unternehmen, da die Organisation einer Supply Chain gleich einem Öltanker aufgrund ihrer Größe, der gegenseitigen Abhängigkeit der Supply-Chain-Partner sowie der notwendigerweise starken Vertrauenskultur wenig flexibel ist. Die Hauptaufgabe der Pionierorientierung ist es somit weniger, eine flexible, flottillenhafte Organisationsform zu generieren, als vielmehr, eine Kultur der Veränderungsbereitschaft bei allen Supply-Chain-Partnern zu implementieren, um Kreativität und Spontanität zu fordern und unnötig statische Strukturen zu flexibilisieren. Vergleichbar erhält die menschliche Wirbelsäule ihre hohe Stabilität durch die flexible Lagerung der einzelnen Wirbel, die wiederum durch Muskelbänder stabilisiert werden. Analog hierzu zielt die Pionierorientierung im Supply Chain Management darauf ab, flexible, veränderungsbereite Supply-Chain-Mitglieder aufzubauen, die, durch das gegenseitige Vertrauen und durch ökonomische sowie technologische Kooperationen gefestigt, eine stabile und flexible Supply Chain bilden. Insofern ist die Pionierorientierung eng mit der intra- und interbetrieblichen Mitarbeiterorientierung verzahnt. Pionierorientierung beinhaltet aber auch das Kooperationsmanagement 355 . Dabei versucht eine konsequente Pionierorientierung solche Defizite offenzulegen, die innerhalb der Supply Chain nicht optimierbar sind. Werden solche Defizite erkannt, so beginnt die erste Phase des Kooperationsmanagements, d.h. die Erarbeitung der in einer neuen oder erweiterten Kooperation liegenden Chancen (Kooperationschancen). Sofern eine Kooperationsabsicht offenbar wird, werden geeignete Kooperationspartner gesucht. Auf Basis von Sollprofilen hinsichtlich der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit werden mögliche Kooperationspartner ausgesucht und gewonnen. Im Anschluß daran ist die Kooperation zu etablieren, wobei dies schwerpunktmäßig durch die Festlegung des gemeinsamen Zielsystems und der zu betrachtenden Meta-Prozesse erfolgt. Die vertragliche Ausgestaltung und die Festlegung der Rechtsform beendet die Phase der Kooperationsetablierung und leitet gleichzeitig die Phase der Kooperationssicherung ein. Im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses und auf Basis von Kooperationskontrollen sind die Erfolgspotentiale im Hinblick auf die strategischen Erfolgsfaktoren bestmöglich auszuschöpfen und Defizite offenzulegen, welche wiederum den Anstoß fur neue Kooperationen liefern können. Die intrabetrieblichen, erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepte Lean Management, Total Quality Management und Time-based Management zielen ebenso wie das
3 5 5
V g l . KUHN/HELLINGRATH/KI.OTH ( 1 9 9 8 ) , S. 1 1.
210
3 Erfnlysjaklorzencr iene
Konzepte
interbetriebliche Supply Chain Management darauf ab, die unternehmensinternen und -externen Prozesse im Hinblick auf die strategischen Erfolgsfaktoren Qualität, Zeit und Kosten zu optimieren. Während Total Quality Management und Time-based Management einen eher philosophischen Charakter haben, weist Lean Management einen stärkeren Organisationsbezug auf. Grundlage aller Konzepte ist die inner- und interbetriebliche Prozeßorganisation, wobei weitgehend offen bleibt, wie eine solche Prozeßorganisation und -Optimierung im Unternehmen umgesetzt werden kann. Es finden sich vielmehr nur sehr vage Aussagen darüber, wie Schnittstellen, Informationsbarrieren und Bereichsegoismen abgebaut werden können, damit Interdisziplinär s t und Kooperation sichergestellt werden können. 3 5 6 Die Ursache hierfür ist, daß Lean Management und Total Quality Management in japanischen Unternehmen über viele Jahre gewachsene Philosophien darstellen, auf die sich die Mitarbeiter von Beginn an einstellen konnten, so daß Schnittstellenprobleme, Fragen eines flexiblen und offenen Informationsflusses auf Basis moderner Informationstechnologie sowie die Gestaltung der Wertschöpfungskette weitgehend gelöst sind. Im Gegensatz dazu stellen die us-amerikanischen Managementkonzepte Time-based Management und Supply Chain Management sehr aktuelle Managementkonzepte dar, so daß über deren situationsspezifische Ausgestaltung der Prozeßorganisation noch nicht hinreichend viel Erfahrung in den Unternehmen vorhanden ist. Insofern müssen in europäischen Unternehmen diese Ausprägungen der Unternehmensphilosophien erst nachträglich innerhalb kürzester Zeit durchgesetzt und implementiert werden, damit die bestehenden wettbewerbsuntauglichen Strukturen rasch aufgelöst werden können. Dabei stellen das Prozeßmanagement und das Informationsmanagement Hilfsmittel dar, die Aktionsparameter Strategie, Struktur, Technologie und Untemehmenskultur so zu gestalten, daß die strategischen erfolgsfaktorzentrierten Management-Philosophien intra- und interbetrieblich zielsetzungsgerecht umgesetzt werden können.
3.2.4.2
Umsetzungsprobleme des Supply Chain Management
Das Supply Chain Management als interbetriebliches, strategisches erfolgsfaktorzentriertes Unternehmensfiihrungskonzept stellt ein in Theorie und Praxis viel diskutierten „modernen" Managementansatz dar, wobei die theoretische Fundierung weitgehend mangelhaft und die praktische Umsetzung noch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. 3 5 7 Da sich auch das Supply Chain Management der Aktionsparameter 3 5 6
Vgl. STEINBACH (1997), S. 315.
3 5 7
Z u r m a n g e l h a f t e n theoretischen Fundierung des Supply C h a i n M a n a g e m e n t vgl. u.a. KALUZA/ BLECKER ( 2 0 0 0 ) , K.OTZAB ( 2 0 0 0 ) und WEBER/DEHLER/WER 1Z (2000). Z u r P r o b l e m a t i k hinsichtlich d e r praktischen U m s e t z u n g d e s S u p p l y - C h a i n - M a n a g e m e n t - K o n z e p t s vgl. u.a. HANDFIELD/NICHOLS ( 1 9 9 9 ) und HAHN (2000).
3 Erfolgsfaktorzenlrierte
•
Strategie,
•
Organisationsstruktur,
•
Technologie und
•
Unternehmenskultur
Konzeple
21 1
bedient, um die bestehende Situationskomplexität zu reduzieren bzw. zu beherrschen, können auch die Umsetzungsprobleme entsprechend der Aktionsparameter klassifiziert werden. Aus strategisch- bzw. zielorientierter Perspektive wird die Umsetzung des Supply Chain Management vor allem durch die Notwendigkeit eine einheitliche wertschöpfungskettenübergreifende Strategie zu entwickeln und zu verfolgen sowie durch die Abstimmung der Ziele im Hinblick auf eine Zielharmonie erschwert. Generell müssen die Kundenziele für jedes Supply-Chain-Mitglied in Kosten-, Qualitäts- und Zeitziele dekomponiert und interbetrieblich koordiniert werden. Da einzelne Supply-ChainMitglieder durchaus mehreren Supply Chains angehören können, ist zu beachten, das es sehr leicht zu Zielkonflikten zwischen den Supply-Chain-Partnern bei der Abstimmung der Strategien und der Ziele kommen kann. Gleichwohl ist es für eine effektive und effiziente Supply Chain von zentraler Bedeutung einheitliche Strategien zu entwickelt und umzusetzen, um den durch die Lieferanten-, die Material-, die Teile-, die Varianten-, die Distributionskanal- und die Kundenvielfalt Komplexitätsanstieg in Grenzen zu h a l t e n . 3 5 8 Ein weiteres Problem stellt die Tatsache dar, das es im Sinne des Gesamtoptimums zu temporalen lokalen Suboptima kommen kann mit der Konsequenz, daß Ausgleichszahlungen an die benachteiligten aber unabdingbar notwendigen Kettenmitglieder gezahlt werden müssen. Sind sich die Mitglieder dieses Sachzusammenhangs nicht bewußt droht häufig die Auflösung der Supply Chain. Aber auch die Verteilung des Optimierungsresultats auf die Supply-Chain-Mitglieder stellt ein erhebliches Problem dar, da sich zwar einerseits der Kapitalwert für die gesamte Kette relativ leicht ermitteln läßt; andererseits aber eine verursachungsrechte Ermittlung der Effizienzsteigerungen einzelner Supply-Chain-Mitglieder oder -Bereiche vielfach nur ungenau oder gar nicht ermittelt werden kann. 3 5 9 Dies liegt insbesondere auch darin begründet, daß häufig von der Implementierung einer wertschöpfungskettenweiten Prozeßkostenrechnung wegen des damit verbundenen Aufwands Abstand genommen. Im Gegensatz zu den Problemen auf strategische Ebenen sind aus organisationsorientierter Perspektive die Umsetzungsschwierigkeiten vor allem in strukturellen und prozessualen Bereichen sowie in der Koordination zwischen den Supply-ChainPartnern angesiedelt.
358
Zum Komplexitätsanstieg in der Supply Chain vgl. WILDEMANN (2000), 61 f.
3 5 9
V g l . H A H N ( 2 0 0 0 ) , S . 13 f .
212
J Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
Strukturell besteht häufig das Problem bereits schon in der eindeutigen Identifikation der Kernkompetenzen, weil die Datenlage und das Leistungspotential im Vergleich zu den Wettbewerbern nicht sicher genug interpretiert werden kann. Insofern muß ein Kompetenzmanagement aufgebaut werden, daß i.d.L. ist die im Netzwerk inhärenten Kompetenzen und die die neu erschlossen werden sollen, zu bewerten um diese dann zielsetzungsgerichtet strategisch aufzubauen und weiterzuentwickeln. 360 Die qualitative und quantitative Bewertung der Kompetenzen bildet zudem das Fundament für die Zuordnung von Auftragsteilen zur Abwicklung von Kundenaufträgen. Sind die Kernkompetenzen identifiziert, so schöpft eine extreme Konzentration auf diese zwar einerseits die intrabetrieblichen Effektivitäts- und Effizienzpotentiale aus, andererseits fordert eine derartige Fokussierung auf die eigenen Stärken aber auch die Abhängigkeiten unter den Partnern. Je größer die Abhängigkeiten, desto schwieriger wird ein Partnerwechsel. Zudem beinhalten Kooperationen die Gefahr, daß es zu einem Verlust der eigenständigen organisatorischen Gestaltungsmöglichkeit kommt, was zumindest teilweise mit einer Nivellierung singulärer und damit wettbewerbsrelevanter Strukturen und Prozesse einhergeht. Aus prozessualer Sicht stellt sich zunächst die Frage nach der Mächtigkeit der Supply Chain, da sich die Anzahl der Schnittstellen auch bei einer weitgehenden Prozeßorientierung mit der Anzahl der Kettenmitglieder automatisch erhöht. Bei konsequenter Anwendung des Kunden-Lieferanten-Gedankens wird jedoch dieses Problem weitgehend relaxiert. Es bleibt aber die Frage, ob mit einer Supply Chain das Prinzip der Prozeßorientierung durch mehrere selbständige Unternehmen stringent praktiziert werden kann, oder ob nicht im Rahmen der oft vertraglich abzusichernden und damit verfestigten Kooperationsbeziehungen zwischen den Supply-Chain-Partnern die mit der Prozeßorientierung verbundenen Flexibilität beeinträchtigt wird. Darüber hinaus sind die Art und die Anzahl der Querschnittsfunktionen innerhalb der strategischen und operativen Prozesse von Bedeutung. Während auf der einen Seite die innerbetrieblich vorhandenen Funktionsbereiche als Querschnittsfunktion auszubauen sind, können auf der anderen Seite interbetriebliche Funktionen wie z.B. die Finanzierung wertschöpfungskettenweit zentral organisiert werden. Diese zentralen Supply-Chainweiten Querschnittsfunktionen sind dann zwischen den Supply-Chain-Mitgliedern zu vernetzen sind. 361 Ein weiteres Problem ist, daß das aktuelle Best-Practice-Modell, das SCOR-Modell, zwar die Prozesse Planen, Beschaffen, Herstellen und Liefern beinhaltet, das aber der für gegenwärtige aber vor allem auch für zukünftige SupplyChain-Implementierungen relevanten Prozeß der Entsorgung keinerlei Berücksichtigung findet. Ziel muß es sein wertschöpfungskettenweit ein Vermeidungs- und Entsorgungsnetzwerk aufzubauen.
3 6 0
Vgl. SPECHT/HELLMICH (2000), S. 99.
361
V g l . HAHN (2000), S. 15.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
213
Die vielfaltigen strategischen und operativen Prozesse bedingen zudem geeignete Koordinationsmechanismen, um effektiv und effizient abgewickelt zu werden. Generell bietet sich, wie bereits dargestellt, eine kombiniert zentral-dezentrale Lösung an, um die Vorteile einer rein zentralen Planung wie die wertschöpfungskettenübergreifende Betrachtung oder die vereinfachte Abstimmung von Wettbewerbs-, Beschaffungsund Distributionsstrategie mit den Vorteilen einer rein dezentralen Koordination, wie hohe Aktualität der Daten, große Flexibilität und geringe Koordinationskomplexität zu vereinen. Fraglich dabei ist, ob es in praxi gelingen wird weitgehend gleichberechtigte Supply-Chain-Partner zu finden und diese zielsetzungsgerecht zu koordinieren, was insbesondere vor den gegenwärtigen Konzentrationstendenzen im Handel die die Herstellerseite schwächt, äußerst kritisch zu bewerten ist. Aus technologischer Perspektive liegen die Umsetzungsproblemc des Supply Chain Management vor allem in den unterschiedlichen technologischen Standards hinsichtlich der verwendeten logistischer Systeme sowie in den unterschiedlichen häufig datentechnisch nicht kompatiblen IuK-Systemen der Supply-Chain-Partner. Die mangelhafte Kompatibilität der IuK-Systeme verzögert den Datenaustausch, senkt die Flexibilität und erhöht die Wahrscheinlichkeit für Prognosefehler. Insofern sind um eine wertschöpfungskettenweite, homogene Logistik-Systemstruktur und eine weitgehend einheitliche IuK-Systemstruktur aufzubauen, erhebliche Investitionen notwendig vor denen viele potentielle Supply-Chain-Partner in praxi zurückschrecken. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, daß supply-chain-optimierende APSSysteme erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Neben den diskutierten Blickwinkeln ist das zentrale Augenmerk bei der Umsetzung des Supply-Chain-Management-Gedankens vor allem auf die kulturelle Perspektive zu legen. Das Problem liegt dabei in dem Aufbau und der Pflege einer starken, veränderungsbereiten Supply-Chain-Kultur des Vertrauen. So birgt beispielsweise die wechselseitige Datentransparenz, die für das Gelingen einer effektiven und effizienten Wertschöpfungskette, unabdingbar ist die Gefahr opportunistischen Verhaltens das immer zu Lasten der Gesamtleistung geht. Ferner kann die Zusammenarbeit in einer Supply Chain von einzelnen Unternehmen als Lösung zur Überwindung eigener wirtschaftlicher Schwächen mißbraucht werden. Ein weiteres Problem liegt in der sich im Zeitablauf einschleichenden Supply-Chain-Lethargie, da aufgrund der engen Zusammenarbeit die allgemeinen Wettbewerbsmechanismen nicht mehr direkt greifen. Die fehlenden Anreize das Kooperationsergebnis zu verbessern, fuhren zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und schwächen so die Stabilität der Kooperation. Zudem ist die so entstandene mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit häufig dauerhaft, so daß auch über die Kooperationsdauer hinaus Wettbewerbsnachteile zu verzeichnen sind. Darüber hinaus stehen in praxi die verschiedenen Supply-Chain-Partner häufig in einem Spannungsverhältnis zwischen kooperativem Verhalten innerhalb der Supply Chain (Intra-Chain-Kooperation) und kompetiven Verhalten gegenüber anderen Supply Chains (Inter-Chain-Konfrontation). Beispielsweise kann es zu Problemen
214
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
kommen, wenn ein Supply-Chain-Mitglied mehreren Ketten angehört. Hier muß vielfach kompetetives durch faires marktkonformes Verhalten substituiert werden, 3 6 2 was jedoch eher einer Idealvorstellung entspricht. Letztlich sind auch das Führungsverhalten und die Führungsstruktur im Hinblick auf die Schaffung einer Vertrauenskultur von zentraler Bedeutung. Während ein gewisses Maß der Machtausübung seitens eines dominierenden Supply-Chain-Mitglieds durchaus dazu beiträgt eine Gesamtstrategie zu entwickeln und diese umzusetzen, kann eine erzwungenen Koordination zu Ausstiegsverhalten fuhren, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet. 363
362
V g l . H A H N (2000), S. 13.
363
V g l . WEBER/DEHLER/WERTZ (2000). S. 268.
3 Erfolgsfaktorzentrierte
Konzepte
215
4 Prozeßorientierte
Konzepte
217
„ If you don 't know what you 're talking about, call it system; ifyou don't know what it is made of, call it subsytem; if you don't know how it works, call it process. " J.K.
4
ZAWODNYX
Prozeßorientierte Managementkonzepte zur konkreten Umsetzung eines erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managements
Zentrales Charakteristikum strategischer erfolgsfaktorzentrierter Managementkonzepte ist die strategie- und damit zielsetzungskonforme Prozeßorientierung, die flankiert durch eine entsprechende Maschinen- und IuK-Technologie sowie eine der Prozeßorientierung angepaßten Unternehmenskultur darauf abzielt, Schnittstellen, Informationsbarrieren und Bereichsegoismen abzubauen, um die Erfolgspotentiale hinsichtlich der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit bestmöglich auszuschöpfen. Insofern stellen das Prozeßmanagement und das Informationsmanagement die beiden zentralen, komplementären Hilfsmittel dar, um die Aktionsparameter Strategie, Struktur, Technologie und Unternehmenskultur so zu gestalten, daß die erfolgsfaktorzentrierte strategische Management-Philosophie zielsetzungsgerecht umgesetzt werden kann. Die symbiotische Beziehung von Prozeßmanagement und Informationsmanagement wird auch darin deutlich, daß die Input- und Outputobjekte eines Prozesses sowohl immaterieller und damit informationaler Art als auch materieller Art sein können, wobei an jeden materiellen Informationsfluß immer auch ein informationaler Informationsfluß gekoppelt ist.
4.1
Prozeßmanagement
Kerngedanke des Prozeßmanagements ist die Ausrichtung des strukturellen Aufbaus eines Unternehmens an den betrieblichen Prozessen, wobei ein betrieblicher Prozeß, wie bereits erläutert, eine zielgerichtete, sachlogische Folge von betrieblichen Wertschöpfungselementen darstellt. Insofern hat das Prozeßmanagement die Aufgabe, •
zielorientiert die Geschäfitsprozesse zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln, um den Wert einer Leistung für den Kunden zu erhöhen und dabei gleichzeitig einen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen.
ZAWODNY am 0 2 . 0 9 . 1 9 7 0 im Specialists' Meeting: T h e o r y o f International Relations d e s VIII. K o n g r e ß d e r International Political Science A s s o c i a t i o n in M ü n c h e n .
218
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Als Ziele kommen für das Prozeßmanagement die eingangs diskutierten strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit in Betracht. Insofern wird deutlich, daß das Prozeßmanagement letztlich einer kundenorientierten Unternehmensfuhrung dient, mit der Folge, daß der klassische Strategie-Struktur-Zusammenhang „Structure Follows Strategy" nicht mehr unabdingbaren Bestand hat, sondern vielmehr die Forderung „Process Follows Strategy" an Bedeutung gewinnt. 2 Über die Gestaltung von Prozessen, deren Output dem jeweiligen Kunden einen signifikanten Nutzen (Wert) stiftet, besteht die Möglichkeit, sich gegenüber dem Wettbewerber zu differenzieren. Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis und die Weiterentwicklung strategisch relevanter Ressourcen im Unternehmen, die den jeweiligen Prozessen in geeigneter Weise zuzuordnen sind, um auf diese Weise unternehmensspezifische und möglichst nicht imitierbare bzw. nicht substituierbare Leistungen zu erbringen. 3 Insofern stellt Prozeßmanagement auf Basis des ressourcenorientierten Ansatzes4 die Grundlage für die Bildung von Kernkompetenzen dar und erlangt auf diese Weise eine strategische Bedeutung.
4.1.1
Prozeßorganisation
Die Ausrichtung der Unternehmensstruktur an den betrieblichen Prozessen erfolgt gemäß G A I T A N I D E S anhand einer dreiphasigen Vorgehensweise: 5 •
vororganisatorische Prozeßanalyse,
•
Zuordnung von Prozeßabschnitten zu Stellen (Prozeßsynthese) und
•
Koordination der Prozesse.
4.1.1.1
Prozeßanalyse
Die vororganisatorische Prozeßanalyse hat die Aufgabe, •
die organisatorischen Bereiche der Prozeßgestaltung auszugrenzen, d.h. zu analysieren, welche Bereiche des Unternehmens prozeßorientiert gestaltet und welche Abschnitte aus diesen Bereichen zu Prozessen zusammengefaßt werden sollen.
•
Ferner obliegt der Prozeßanalyse die Prozeßdekomposition mit dem Ziel, die den Wertschöpfungsprozeß bildenden Teilprozesse und Prozeßelemente offenzulegen,
Vgl. BUCHHOLZ (1994), S. 12. Vgl. GAITANIDES (1995), S. 75 f. Vgl. zum ressourcenorientierten Ansatz Abschnitt 2.1.2.2. Vgl. GAITANIDES (1983).
4 Prozeßorientierte
Konzepte
219
um anschließend im Rahmen der Vorrangbestimmung gemäß bekannter, eindeutiger Vorrangbeziehungen oder anhand zu bestimmender Optimalitätskriterien Reihenfolgen der zuvor ermittelten Teilprozesse und Prozeßelemente festzulegen.
4.1.1.1.1
Prozeßidentifikation und -ausgrenzung
Unter einem kundenorientierten Geschäftsprozeß, der einem Process Owner oder einem Case Team zugeordnet wird, •
ist die funktionsübergreifende, betriebszweckorientierte Transformation von klar definiertem Input zu klar definiertem Output im Rahmen interner oder externer Kunden-Lieferanten-Beziehungen zu verstehen.
Die Prozeßidentifikation und -ausgrenzung kann grundsätzlich auf zweierlei Arten erfolgen, wobei festzuhalten ist, daß die Geschäftsprozeßidentifikation eine kreative Handlung darstellt, so daß eine allgemeingültige Vorgehensweise nicht existiert. 6 Eine Möglichkeit der Prozeßidentifikation besteht darin, allgemeingültige Rahmenprozesse zu definieren. Dabei wird davon ausgegangen, daß unabhängig von der jeweils verfolgten Wettbewerbsstrategie des betrachteten Unternehmens grundlegende Prozesse existieren, die in allen Unternehmen identisch sind. Diese idealtypischen Prozesse bilden quasi den Rahmen sowohl für die unternehmensspezifische inhaltliche Ausgestaltung der Meta-Prozesse als auch für deren Koordination. Die Prozeßidentifikation erfolgt somit deduktiv. Im Gegensatz dazu besteht die Möglichkeit, induktiv singulare Geschäftsprozesse zu identifizieren. Dies trägt dem Umstand Rechnung, daß die Geschäftsprozesse in jeder Unternehmung aufgrund der individuellen Situation und der spezifischen Ausgestaltung der Unternehmensstrategie unterschiedlich sind. 7 Auf Basis der Kundenbedürfnisse und der individuellen Wettbewerbssituation, die den Ausgangspunkt der Prozeßidentifikation bilden, werden die Prozesse somit induktiv zielorientiert als spezifische Kunden-Lieferanten-Beziehungen formuliert.« Zu den auf der Makroebene zu findenden, beispielhaften, idealtypischen, generischen Rahmenprozessen, die sich auf der Meso- und Mikroebene an die branchen- und unternehmensspezifischen Gegebenheiten anpassen lassen, zählen
6
V g l . C O R S T E N ( 1 9 9 7 ) , S. 2 3 .
7
Vgl. GAITANIDES/SCHOLZ/VROHLINGS (1994), S. 6 f. Der Gedanke der singulären Geschäftsprozesse trägt auch dem ressourcenorientierten Strategieansatz Rechnung, bei dem die Wertgenerierung, die Einzigartigkeit und die Nicht-Imitierbarkeit einer Ressource oder einer Ressourcenkombination für die Erzielung strategischer Wettbewerbsvorteile als Begründung dienen. Vgl. Abschnitt 2.1.2.2.
8
Vgl. CORSTEN(1997), S. 23 f.
220
4 Prozeßorientierte
Konzepte
•
der Kapazitätsplanungsprozeß,
•
der Strategieplanungs- und -umsetzungsprozeß,
•
der Rentabilitäts- und Liquiditätssicherungsprozeß,
•
der Personalentwicklungs- und Motivationsprozeß,
•
der Kundennutzen-Optimierungsprozeß,
•
der Produkt-/Leistungserstellungsprozeß,
•
der Service-/Wartungsprozeß,
•
der Auftragsabwicklungsprozeß und
•
der Markterschließungs- und -entwicklungsprozeß. 9
Während die ersten vier Geschäftsprozesse die Voraussetzungen darstellen, ohne die die eigentliche Leistungserstellung in den Prozessen fünf und sechs gar nicht stattfinden könnte, repräsentieren die Prozesse sieben bis neun die Abnehmer der in den Prozessen fünf und sechs erstellten Leistungen. 1 0 Kritisch bleibt anzumerken, daß die Trennschärfe zwischen den verschiedenen Rahmenprozessen mangelhaft ist. So treten beispielsweise Abgrenzungsprobleme zwischen dem Kapazitätsplanungs- sowie dem Strategieplanungs- und -umsetzungsprozeß auf. Ferner wird zwar auf der einen Seite betont, daß diese Meta-Prozesse in allen Unternehmen ähnlich sind, gleichzeitg wird jedoch davon ausgegangen, daß die aufgezählten Prozesse branchen- und unternehmensgerecht zu operationalisieren und zu differenzieren sind. Dem eher metaphorischen Charakter der rahmenprozeßorientierten Prozeßidentifikation tritt das Konzept der singulären Prozeßidentifikation entgegen. Singuläre Prozesse sind dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht einzelnen Rahmenprozessen zuzuordnen sind, sondern komplexe Aufgaben erfüllen, die sich gleichzeitig auf unterschiedliche Rahmenprozesse erstrecken und zudem eine unternehmensspezifische Koordination erfordern. Diese einzelproblemorientierte Prozeßidentifikation ist neben einer zwingend objektiven Betrachtung immer mit Subjektivismen behaftet, so daß in der Regel mehrere sinnvolle Strukturierungsergebnisse möglich sind. Beispielsweise können Beschaffungsvorgänge und Finanzierungsprozesse in einer oder in mehreren Prozeßstrukturen abgebildet w e r d e n . " Ziel einer unternehmensindividuellen Prozeßidentifikation ist es, die Kernkompetenzen, die durch den spezifischen Einsatz von Ressourcen (ressourcenorientierter Ansatz) erzielt werden, abzubilden und zu unterstützen. Durch die Herausbildung individueller Prozesse auf Basis spezifischer Ressourcenkombinationen wird es für ein Unternehmen möglich, seine Wettbewerbsposition zu festigen und weiter auszubauen. Fehlende Imitationsbarrieren bzw. durch
9
V g l . SOMMERL.ATTE ( 1 9 9 3 ) , S. 59 ff.
10
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 2 0 9 f.
11
Vgl. GAITANIDES (1983), S. 65.
4 Prozeßorientierte
221
Konzepte
alternative Prozesse substituierbare Abläufe können hingegen keinen dauerhaften Wettbewerbsvorteil generieren. Die Diskrepanz zwischen den idealtypischen, für alle Unternehmen identischen Rahmenprozessen und den unternehmensspezifischen singulären Prozessen kann durch ein interdependentes Vorgehen aufgebrochen werden. 1 2 Den Ausgangspunkt für dieses Vorgehen bilden die formulierten Rahmenprozesse, da diese den Handlungsspielraum für die spezifische Prozeßidentifikation darstellen. Anschließend werden die singulären Prozesse unter Beibehaltung der zentralen Charakteristika, da diese für die unternehmensspezifischen Wettbewerbsvorteile verantwortlich sind, weitestgehend an den idealtypischen Prozessen ausgerichtet, um ein hohes Maß an Prozeßeffektivität und -effizienz zu erreichen.
•
Idealtypische Prozesse als Orientierung
Singulare Geschäftsprozeßidentifikation
Allgemeine Geschäftsprozeßidentifikation
Reale Modifikationen der Prozesse
Abb. 4.1:
Zusammenhang zwischen allgemeiner und singulärer Geschäftsprozeßidentifikation
13
Im Anschluß an die Prozeßidentifikation ist eine Prozeßausgrenzung, d.h. eine Präzisierung und Abgrenzung der spezifischen Prozesse, durch eine Entscheidungsfeldbildung, durch eine Problemdifferenzierung oder durch Zielbildung erforderlich. 1 4 Eine Prozeßausgrenzung durch Entscheidungsfeldbildung zielt darauf ab, das Untersuchungsfeld auf ein handhabbares Maß zu verringern und die Planungskomplexität zu reduzieren. Beispielsweise werden nur solche Aktivitätenfolgen näher analysiert, die über klar definierte Schnittstellen mit den Haupttätigkeiten verbunden
12
Vgl. CORSTEN(1997), S. 27.
13
Q u e l l e : CORSTEN
14
Vgl. GA1TANIDES(1983), S. 6 4 ff.
(1997), S. 28.
2 2 2
4 Prozeßorientierte
Konzepte
sind. Durch die Eingrenzung des Untersuchungsbereichs auf ein spezifisches Entscheidungsfeld können die Ergebnisse der Ist-Analyse einer eingehenden kritischen Betrachtung unterzogen werden. Unterbleibt eine fundierte kritische Analyse, z.B. aufgrund der Komplexität des Entscheidungsfeldes, können die der mangelhaften Strukturiertheit der Prozesse inhärenten Effektivitäts- und Effizienzpotentiale nur rudimentär ausgeschöpft werden. Umfassende Neustrukturierungen sind zudem kaum durchführbar, da die Kenntnis über die prozessualen Zusammenhänge fehlt oder ungenügend ist. Die in der nachfolgenden Abbildung 4.2 dargestellte Prozeßausgrenzung durch Problemdifferenzierung zielt im Gegensatz dazu darauf ab, aus den häufig zu Beginn einer Prozeßanalyse nur unscharf vorliegenden generellen Problemstellungen operationale Teilprobleme zu identifizieren und zu definieren, um Maßnahmen zu entwickeln, die den formulierten Teilproblemen entgegenwirken oder sie relaxieren. 1 5 Der Problemkonkretisierungsund -dekompositionsprozeß orientiert sich dabei an den Kriterien Verrichtung (Bei welchen Verrichtungen und Funktionen tritt das Problem auf?), Objekt (Welche Maschinen oder Produkte sind betroffen?), Ort (Wo tritt das Problem auf?) und Zielbezug (Qualitäts-, Zeit- und/oder Kostenproblem?). 1 6 Aus der Abbildung 4.2 wird deutlich, daß die problemorientierte Prozeßdefinition nicht zwingend mit dem Gedanken der ganzheitlichen Optimierung von Prozeßabläufen konform geht. Werden in einzelnen Bereichen der Prozeßkette keine konkreten Probleme herausgearbeitet, so werden auch keine entsprechenden Maßnahmen zur Problemlösung generiert. Die nicht erarbeiteten Maßnahmen fließen logischerweise auch nicht über die aggregierte Teilprozeßbetrachtung in den Gesamtprozeß ein. Insofern unterbleibt eine ganzheitliche Optimierung des Gesamtprozesses. Zwar kann argumentiert werden, daß (scheinbar) problemlos ablaufende Aktivitäten keiner Verbesserung bedürfen. 1 7 Diese Sichtweise vernachlässigt jedoch den Aspekt, daß gerade die Schnittstellen zwischen den Aktivitäten, insbesondere die Abstimmung zwischen bestehenden Ist-Aktivitäten und den neuen Soll-Aktivitäten, von zentraler Bedeutung für die Prozeßeffektivität und -effizienz sind.
1 5
V g l . GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S. 6 6 f f .
1 6
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S. 2 1 3 f.
1 7
V g l . BOGASCHEWSKY/ROLLBERG ( 1 9 9 8 ) , S. 2 1 6 .
4 Prozeßorientierte Konzepte
223
224
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Werden die aktuellen, häufig nur vage definierten Unternehmensziele, wie beispielsweise „Termintreue", nicht realisiert, kann mittels der Prozeßausgrenzung durch Zielbildung versucht werden, aus der Analyse der Soll-Ist-Abweichungen konkrete (Unter-)Ziele abzuleiten. Diese gilt es zu verfolgen, um das übergeordnete Meta-Ziel zu erreichen. 19 Insofern werden nur Aktivitäten in einen Prozeß integriert, die zum Erreichen der operationalisierten strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit positiv beitragen. Solche operationalisierten Ziele können beispielsweise •
die Verringerung der Durchlaufzeit von Aufträgen,
•
die Erhöhung der Bearbeitungskapazitäten,
•
die Verringerung von Störungen,
•
die Erhöhung der Maschinenflexibilität,
•
die Verbesserung der Mitarbeitermotivation und
•
die Verbesserung der Mitarbeiterqualifikation
sein. Da nur solche Aktivitäten zu einem Teilprozeß zusammengefaßt werden, fur die konkrete Ziele vereinbart worden sind, besteht wie schon bei der Ausgrenzung durch Problemdifferenzierung die Unzulänglichkeit, daß gegebenenfalls willkürlich ganze Tätigkeitsfolgen aus der näheren Betrachtung ausgegrenzt werden. Ferner weisen die unterschiedlichen Ziele einen differenzierten Grad der Operationalität auf. Während sich zeit- und kostenorientierte Ziele relativ gut quantifizieren lassen, bleiben qualitätsorientierte Ziele und insbesondere qualitative Zielvorgaben wie die „Verbesserung der Mitarbeitermotivation" häufig nur sehr unscharf. Insofern kann bei der zielorientierten Prozeßausgrenzung insgesamt von einem multidimensionalen Entscheidungsproblem und damit von einer eher schlechtstrukturierten Situation ausgegangen werdend
4.1.1.1.2
Prozeßdekomposition
Prozesse können allgemein in Teilprozesse ausdifferenziert werden, die wiederum aus Prozeßsegmenten bestehen, welche ihrerseits aus Prozeßelementen, die letztlich auf Einzelaktivitäten basieren, gebildet werden. Generell sind im Rahmen der Prozeßstrukturierung zwei Problembereiche zu beachten. Zum einen gilt es, einen optimalen Grad der vertikalen Prozeßauflösung zu erreichen, d.h. der Aggregations- und Detaillierungsgrad muß der Problemsituation angemessen sein. Zum anderen ist die Frage der Systemgrenze näher zu erörtern, die auf die horizontale Einbeziehung der Prozeßelemente abzielt. Ein optimaler Grad der vertikalen Prozeßdekomposition ist 19
V g l . GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S. 71 ff.
20
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROI.LBERG (1998), S. 217. Zur T r a n s f o r m a t i o n einer schlechtstrukturierten in eine gutstrukturierte Entscheidungssituation vgl. KEUPER ( 1 9 9 9 ) , S. 57 ff.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
225
dann erreicht, wenn ab einem gewissen Detaillierungsgrad davon ausgegangen werden kann, daß im Rahmen der Prozeßsynthese die entsprechenden Segmente oder Elemente ohnehin wieder zusammengefaßt werden. Ferner fuhrt eine zunehmende Hierarchisierung der Prozeßstruktur i.a. zu einer Verengung der horizontalen Prozeßperspektive mit der Konsequenz, daß die Bedeutung und Funktion eines Elementes innerhalb des Gesamtprozesses immer undeutlicher wird. Aufgrund der Zersplitterung der Aktivitätenfolge werden die Interdependenzen und die daraus resultierenden Koordinationsanforderungen und Schnittstellenprobleme 2 ' undurchsichtig und unterschätzt. Insofern zielt eine simultane Betrachtung der vertikalen und horizontalen Dimension im Rahmen der Prozeßdekomposition auf eine effektive und effiziente Prozeßstrukturierung ab. In vertikaler Hinsicht lassen sich drei generelle Prozeßebenen unterscheiden: 22 •
Auf der Makroebene sind unternehmensübergreifende Prozesse abgebildet, die auf einen Prozeß-Umwelt-Fit abzielen.
•
Die Mesoebene beinhaltet Geschäftsprozesse, die über die Unternehmensgrenzen hinaus verlaufen, und zielt somit auf einen Interprozeß-Fit ab.
•
Die Mikroebene setzt an den Teilprozessen und Prozeßsegmenten sowie den Prozeßelementen an und zielt demzufolge auf einen Intraprozeß-Fit ab.
Die optimale Gliederungstiefe ist situationsspezifisch zu bestimmen, wobei die folgenden Determinanten zu beachten sind (Determinanten der Prozeßgliederungstiefe): •
21 22 23
Das interne oder externe organisatorische Umfeld determiniert durch seine Strukturiertheit, Sicherheit und Homogenität (Gleichartigkeit der Umweltsegmente) den Grad der inneren Differenzierung. So ist eine zweckmäßige Zerlegungstiefe eines betrachteten Prozesses dann erreicht, wenn der Detaillierungsgrad des zu zerlegenden Prozesses mit dem Strukturiertheitsgrad des mit ihm zu koordinierenden Prozesses identisch ist. Sinnvolle Interaktionsbeziehungen können nur zwischen Objekten gleichen Detaillierungsgrads erreicht werden. Solange die Varianz der Außendaten, die innerhalb des betrachteten Prozesses verarbeitet werden, durch ein entsprechendes Prozeßelement erfaßt wird, ist eine weitere Zerlegung in Aktivitäten nicht anzuraten, da eine weitere Dekomposition eine problemspezifische Eventualanalyse erforderlich macht. 23
Vgl. Abschnitt 4.1.1.3.1.1. Vgl. BUCHHOLZ (1994), S. 23. Vgl. GAITANIDES (1983), S. 81
226
4 Prozeßorientierte
Konzepte
•
Sind die Mitarbeiter aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihrer Motivation in der Lage, die ihnen verantwortlich übertragenen Prozesse selbstregelnd durchzufuhren, kann auf eine detaillierte Prozeßdekomposition verzichtet werden. 24
•
Die Heterogenität bzw. Homogenität der Prozeßabläufe verschiedener Objekte erfordert spezifische Detaillierungsgrade. 25 Ab einem bestimmten Detaillierungsgrad bewirken die objektspezifischen Erfüllungsgrade unterschiedliche Prozeßabläufe, so daß je nach Komplexität der Aufgabe unterschiedliche Detaillierungsgrade aus dem Kontinuum zwischen genereller Prozeßanalyse (für alle Objekte) und objektspezifischer Prozeßanalyse zu wählen sind.
•
Deutlich voneinander abweichende, objektspezifische Zeitbedarfe können dazu fuhren, daß die Prozeßanalyse für eine Gruppe von Objekten durchgeführt wird, deren objektspezifische Bearbeitungszeiten keine allzu große Varianz aufweis e n . I m Rahmen der Prozeßanalyse ist somit über die Frage des Detaillierungsgrades Einfluß auf die Zeitnivellierung zu nehmen.
•
Prozesse, die aufgrund ihres Potentials in der Lage sind, einen wesentlichen Beitrag zur Zielerreichung zu leisten, sollten einer detaillierten Analyse unterzogen werden, um möglichst sämtliche Erfolgspotentiale zu erschließen. 27
Aus dem unteren Teil der Abbildung 4.2 wird deutlich, daß die Gliederungskriterien situationsspezifisch anzuwenden sind. So werden in der Grafik zunächst die Teilprozesse nach dem Schema von K O S I O L p/zasewspezifisch in Planung, Durchführung und Kontrolle differenziert. Alternativ hätte auch rangorientiert in Entscheidungs- und Durchführungstätigkeiten oder nach administrativen und wertschöpfenden Tätigkeiten separiert werden können. Die Aktivitäten sind im Gegensatz zu den Teilprozessen nicht entsprechend den von K O S I O L im Rahmen der Aufgabenanalyse verwendeten Gliederungskriterien differenziert worden. Vielmehr setzt auf der Aktivitätenebene eine Verrichtungsg\\zdtr\mg ein. Alternativ hätte auch nach Objekten oder Arbeitsmitteln gegliedert werden können.
4.1.1.1.3
Reihenfolgebildung der Teilprozesse und Zeitanalyse
Nachdem die Prozesse in ihre Prozeßelemente zerlegt worden sind, ist die zeitliche Reihenfolge, in der die Elemente bearbeitet werden, festzulegen. Für die optimale Abfolge der Prozeßelemente ist es entscheidend zu bestimmen, welche Prozeß-
2 4
V g l . GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S . 8 2 .
2 5
V g l . GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S . 8 2 .
2 6
V g l . GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S. 8 2 .
2 7
V g l . GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S . 8 3 .
4 Prozeßorientierte
Konzepte
227
elemente abgeschlossen sein müssen, damit mit der Durchfuhrung eines betrachteten Prozeßelements angefangen werden kann. Während in der Fertigung häufig technisch festgelegte Zwangsreihenfolgen existieren, finden sich im planerischen und administrativen Bereich häufig lediglich sachlogische oder zweckmäßige Überlegungen hinsichtlich der Vorrangbeziehungen. Aber auch in der Fertigung können sich, falls keine technologisch eindeutigen Reihenfolgebeziehungen zwischen den Prozeßelementen bestehen oder aber mit flexiblen Fertigungssystemen gefertigt wird, alternative Reihenfolgekombinationen ergeben. 28 Solche Alternativfolgen sind dadurch charakterisiert, daß einerseits die Möglichkeit besteht, einen Auftrag auf einem funktionsgleichen Ausweichaggregat zu fertigen, oder andererseits ein alternativer, verfahrenstechnischer Fertigungsgang (z.B. Bohren oder Stanzen) existiert. Ferner kann die Möglichkeit bestehen, die Bearbeitungsreihenfolge in Grenzen zu variieren (z.B. erst Gehren und dann Bleche schneiden oder umgekehrt). Für die transparente Abbildung ablauforganisatorischer Strukturen eignen sich neben Ablaufdiagrammen und -plänen insbesondere Netzpläne. 29 Sofern die Vorrangbeziehungen eindeutig und die Durchfuhrungszeiten deterministisch oder objektiv stochastisch bekannt sind, können klassische deterministische oder stochastische Netzpläne herangezogen werden, um die Prozeßstruktur transparent abzubilden und darauf aufbauend eine Zeitanalyse vorzunehmen. 30 Können die Zeitbedarfe der Prozeßelemente nur unscharf angegeben werden, z.B. weil keine hinreichenden Erfahrungswerte vorliegen, oder bestehen alternative (probabilistische) Vorrangbeziehungen, so eignen sich insbesondere fuzzyfizierte Netzpläne, um die in der Planungssituation bestehende Unschärfe adäquat abzubilden. 31 Neben den Vorrangbeziehungen und den Durchfuhrungszeiten können in Netzplänen noch Informationen über die Ausfuhrungsorte, die Aufgabenträger, die Arbeitsmittel und die Kapazitätsgrenzen hinterlegt sein. Allerdings stehen diese Informationen noch nicht zum Zeitpunkt der Prozeßanalyse, sondern erst nach Durchführung der Prozeßsynthese fest. Jedoch stellen die im Netzplan visualisierten Vorrangbeziehungen - z.B. parallel verlaufende Teilprozesse oder kritische Aktivitäten, die den längsten Weg durch das Netzwerk determinieren - bereits wichtige Informationen für die sich anschließende Prozeßsynthese dar. Eine generelle Trennung von Prozeßanalyse und Prozeßsynthese findet in praxi nicht statt und ist auch nicht sinnvoll, da, wie bereits erläutert, die Prozeßdekomposition nur bis zu dem Detaillierungsgrad betrieben werden sollte, ab dem im Rahmen der 2 8
Vgl. KEUPER ( 1 9 9 9 ) , S. 154 ff.
29
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 223 f.
30
Z u r klassischen N e t z p l a n t e c h n i k vgl. i n s b e s o n d e r e ALTROGGE (1996).
3
Zur Abbildung unscharfer Durchlaufzeitenkomponenten in fuzzyfizierten Netzplänen vgl. KEUPER ( 1 9 9 9 ) , S. 324. ff., und zur Abbildung unscharfer (möglicher) Vorrangbeziehungen vgl. insbesondere RABETGE (1991).
'
228
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Prozeßsynthese die entsprechenden Segmente oder Elemente ohnehin wieder zusammengefaßt werden.
4.1.1.2
Prozeßsynthese
Im Rahmen der Prozeßsynthese werden die vorstrukturierten Prozesse, Teilprozesse, Prozeßsegmente und -elemente sowie Einzelaktivitäten ensprechend der K O S I O L schen Vorgehensweise im Rahmen der Aufgabensynthese nach personalen, lokalen und temporalen Gesichtspunkten zusammengefaßt. 32 Aufgabe der temporalen Prozeßsynthese ist es, unter Berücksichtigung der zuvor ermittelten Vorrangbeziehungen die durchzuführenden Tätigkeiten einzelnen Stellen zuzuordnen. Die temporale Prozeßsynthese steht grundsätzlich vor zwei Entscheidungssituationen. 33 Zum einen kann auf die bestehende Stellenstruktur zurückgegriffen werden mit der Konsequenz, daß lediglich darüber entschieden wird, welche Tätigkeiten der Prozeßabwicklung eine vorbestimmte Stelle zu übernehmen hat. Dieser Ansatz entspricht der klassischen Trennung von Aufbau- und Ablauforganisation und ermöglicht in Abhängigkeit von der Qualität der vorgegebenen Stellenstruktur nur im begrenzten Maße das Ausschöpfen der potentiell möglichen Effizienzgewinne. 3 4 Zum anderen besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Prozeßsynthese gleichzeitig die optimale Stellenzahl zu suchen, was mit dem Streben nach einer guten Kapazitätsauslastung einhergeht und darauf abzielt, die potentiellen Kostenvorteile weitestgehend auszuschöpfen. Im Rahmen der lokalen Prozeßsynthese erfolgt eine Prozeßstrukturierung unter dem Gesichtspunkt der räumlichen Anordnung der für den Prozeß benötigten Stellen und Arbeitsstationen. Hierbei gilt es, zwischen materiellen und immateriellen und damit informationalen Prozessen zu unterscheiden. Während die Übertragung einer materialflußbezogenen Aufgabe zu einem Prozeßteam eine räumliche Nähe sinnvoll erscheinen läßt - dies wird z.B. im Rahmen der schlanken Fertigung konsequent umgesetzt - , 3 5 können informationsflußorientierte Aufgaben auf Basis moderner Informations- und Kommunikationstechnologie von Prozeßteams, deren Teammitglieder räumlich dezentral agieren, bearbeitet werden. Von herausragender Bedeutung im Rahmen der Prozeßsynthese ist der personale Aspekt, da dieser der Frage nachgeht, ob Prozesse oder Teilprozesse von sich selbst organisierenden Gruppen eigenverantwortlich zu regeln sind oder ob dies besser
32
Vgl. Abschnitt 2.2.1.
33
Vgl. Gaitanides(1983), S. 98.
34
Vgl. B o g a s c h e w s k y / R o l l b e r g (1998), S. 225.
35
Vgl. Abschnitt 3.2.1.2.4.
4 Prozeßorienlierle Konzepte
229
durch (zentral) koordinierte einzelne Mitarbeiter zu erfolgen hat. Ferner besteht die Möglichkeit, dem Prozeßverantwortlichen ein Prozeßteam zuzuweisen. In diesem Fall obliegt dem Prozeßteam die eigentliche Prozeßverantwortung, während der Prozeßverantwortliche, quasi als Koordinationsinstanz, direkt der Unternehmensleitung unterstellt ist, wodurch letztlich eine Interaktionsbündelung bewirkt wird. Grundsätzlich müssen Aufgabenanforderung und Qualifikation der jeweiligen Stelleninhaber möglichst weitgehend übereinstimmen. Während die fachliche Überprüfung relativ einfach ist und bei Bedarf durch entsprechende Schulungsmaßnahmen die Mitarbeiterqualifikationen an die fachlichen Prozeßanforderungen angepaßt werden können, ist die Beurteilung der sozialen Kompetenz der Mitarbeiter weitaus schwieriger. Auf der einen Seite tritt die mit einer Prozeßorientierung unmittelbar einhergehende Aufgabenfelderweiterung (Führungs- und Ausführungaufgaben) in den Vordergrund der Betrachtung, auf der anderen Seite ist das fachliche und insbesondere das soziale Qualitätsniveau der Mitarbeiter sehr heterogen. Diese Diskrepanzen zwischen den Prozeßanforderungen und den heterogen verteilten Mitarbeiterkompetenzen verdeutlichen, daß im Rahmen der Prozeßsynthese der personale Aspekt von entscheidender Bedeutung für eine Prozeßoptimierung ist. Ein konsequenter Ausbau der Mitarbeiterfahigkeiten sowie deren Nutzung beinhaltet ein weit größeres Effizienzpotential als eine rein technische Optimierung der Prozeßstruktur. Durch Job Enrichment und Job Enlargement kann zum einen die intrinsche Motivation verbessert werden, was sich positiv auf die Erfüllung von Marktanforderungen hinsichtlich der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten und Qualität auswirkt, zum anderen können durch die damit einhergehende Stellenreduzierung die Übergangszeiten erheblich reduziert werden. 36 Ferner kann durch eine adäquate Gestaltung eines Leistungs- und Belohnungssystems die extrinsische Motivation gefördert werden.
4.1.1.3
Prozeßkoordination
Die Prozeßkoordination ist nicht als ein von der Prozeßanalyse und der Prozeßsynthese isolierter letzter, unwiderruflicher Schritt hin zu einer Prozeßorganisation zu begreifen. Vielmehr stellen Prozeßanalyse, Prozeßsynthese und Prozeßkoordination ineinandergreifende Bestandteile zur Implementierung einer Prozeßorganisation dar. So sind z.B. im Rahmen der Prozeßanalyse mehrere Prozeßzerlegungsvarianten zu generieren, aus denen anschließend unter Berücksichtigung des Verteilungs- und Koordinationszusammenhangs die optimale Variante zu bestimmen ist. 37 Alternativ können nur für einzelne Prozeßvarianten Verteilungs- und Koordinationsüberlegungen durchgeführt werden, so daß lediglich dann weitere Varianten überprüft werden, wenn die ursprünglichen Varianten zu keinen zufriedenstellenden Ergebnissen führen. Während sich dieses Vorgehen durch seinen komplexitätsreduzierenden Charakter insbesondere für praxisinduzierte Prozeßimplementationen auszeichnet, wird je36
Vgl. B o g a s c i i e w s k . y / R o l l b e r g (1998), S. 229.
37
Vgl. B o g a s c h e w s k y / R o l l b k r g (1998), S. 230.
230
4 Prozeßorientierte
Konzepte
doch aufgrund der nur ausschnittsweisen Prozeßalternativenbetrachtung nicht zwingend die ganzheitlich optimale Lösung generiert. Generell entsteht Koordinationsbedarf durch Dependenzen, d.h. einseitige, sequentielle Leistungsverknüpfungen, und Interdependenzen, d.h. beidseitige, reziproke LeistungsVerknüpfungen.38 Zudem kann unter Umständen eine Ressourceninterdependenz vorliegen, wenn mehrere Prozesse oder Prozeßsegmente um eine bestimmte Ressource, z.B. Abteilungen, Teams oder Maschinen, konkurrieren. 39 Besteht Koordinationsbedarf, kommt dem Schnittstellenmanagement die Aufgabe zu, •
die durch personale, temporale und lokale Prozeßsynthese entstandenen Koordinationsbedarfe an den Schnittstellen, an denen materielle und/oder informationelle Objekte an andere Personen, gegebenenfalls an andere Orte, weiterzuleiten sind, optimal zu befriedigen. 40
4.1.1.3.1
Schnittstellenmanagement
Ziel des Schnittstellenmanagements ist es, •
durch bewußtes Überwinden von sachlichen bzw. fachlichen Interaktions-, Verständnis-, Kommunikations- und Koordinationsbarrieren zwischen verschiedenen Funktions-, Aufgaben- und Prozeßbereichen den Prozeßablauf zu optimieren, um damit letztlich die Qualität sowie die Zeit- und Kosteneffizienz zu steigern. 4 '
Insofern stellen Schnittstellen 42 •
Übergänge zwischen Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsbereichen dar, die insbesondere beim Wechsel von einem zum anderen Funktionsbereich oder Prozeßabschnitt entstehen. Letztlich verdeutlichen Schnittstellen lediglich den notwendigen Kommunikations-, Kooperations- und Koordinationsbedarf in der Zusammenarbeit zwischen Personen. 43
Dependenzen werden auch als sachliche Kopplungen und Interdependenzen als Erfolgskopplungen bezeichnet. Vgl. hierzu ADAM (1996), S. 168 ff. 3 9
V g l . GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S. 160 f. u n d d i e d o r t a n g e g e b e n e L i t e r a t u r .
40
Der Begriff des Schnittstellenmanagements ist eher irreführend, da es nicht darum geht, Zusammengehöriges zu trennen, sondern vielmehr, organisatorisch Getrenntes zusammenzuführen. Insofern verdeutlicht der englische Begriff „Interface" weitaus deutlicher den eigentlichen Charakter des Schnittstellenmanagements.
4 1
V g l . STEINBACH ( 1 9 9 7 ) , S. 3 1 8 .
42
Schnittstellen repräsentieren eigentlich eher „Nahtstellen".
43
Vgl. TÖPFER/MEHDORN (1993), S. 132 f.
4 Prozeßorientierte
4.1.1.3.1.1
Konzepte
231
Schnittstellen im Unternehmen
Beispielhaft werden nachfolgend Schnittstellenprobleme, die sich im Bereich Forschung und Entwicklung ergeben, verdeutlicht, da die Forschung und Entwicklung sowie die Konstruktion im Rahmen des Lean Management, Total-QualityManagement und Time-based Management die zentralen Nahtstellen zwischen der vom Markt geforderten Kundenorientierung und deren Umsetzung darstellen. 44 •
•
Schnittstelle zwischen der F+E-Abteilung und dem Marketing und Vertrieb Da die Produktentwicklung eine strategische Aufgabe darstellt, kommt der Schnittstelle zwischen Forschung und Entwicklung auf der einen Seite und dem Marketing auf der anderen Seite eine zentrale Bedeutung zu. Eine kundenorientierte Produktkonzeption oder -innovation setzt Marktkenntnis voraus, über die die Forschungs- und Entwicklungsabteilung in der Regel nicht selbst verfugt. Zur Vermeidung eines Over- oder Underengineerings ist eine informatorische und kommunikative Verbundenheit der beiden Funktionsbereiche zwingend erforderlich. So ergab eine emprische Untersuchung, daß von 289 untersuchten Neuprodukteinfiihrungen bei 40,8% eine Harmonie, bei 20,5% eine leichte Disharmonie und bei 38,7% eine schwere Disharmonie zwischen der Forschung und Entwicklung und dem Marketing bestand. 45 Während die Produktinnovationen, die auf harmonischen Beziehungen basierten, zu 52% Erfolg, zu 35% Teilerfolg und nur zu 13% Mißerfolg hatten, wiesen disharmonisch entwickelte Produktkonzepte nur zu 11% einen Markterfolg und zu 21% einen Teilerfolg auf, wohingegen 68% zu einem Mißerfolg führten. Im Gegensatz zur Schnittstelle Marketing/Forschung und Entwicklung ist fur die Schnittstellen zwischen Forschung und Entwicklung auf der einen und dem Vertrieb auf der anderen Seite insbesondere die Frage von Bedeutung, ob die Neuprodukte über das bestehende Vertriebsnetz oder über neue Vertriebskanäle auf den Markt gebracht werden können. Schnittstelle zwischen der F+E-Abteilung und der Beschaffung Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Entwicklung und Beschaffung ist von Bedeutung, weil für eine zielkostenorientierte Produktentwicklung die Konditionen, zu denen die für die spätere Produktentwicklung und -fertigung erforderlichen Werkstoffe, Teile usw. beschafft werden können, bekannt sein müssen. Zudem kann die Beschaffung ihr Wissen über Rohstoffe, Bauteile und Baugruppen sowie über Substitutionsmöglichkeiten in die Produktentwicklung einfließen lassen.
4 4
Vgl. Kapitel 3. Zu den n a c h f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n vgl. a u s f ü h r l i c h STEINBACH ( 1 9 9 7 ) ,
45
Vgl. SOUDER (1988), S. 8 ff.
S. 3 2 2 ff.
232
•
4 Prozeßorientierte Konzepte
Schnittstelle zwischen Forschung und Entwicklung und Fertigung Die Schnittstelle zwischen Forschung und Entwicklung und Fertigung ist häufig durch Informations- und Kommunikationsbarrieren gekennzeichnet. 46 Nur durch einen intensiven Austausch von Informationen und durch ein koordiniertes Vorgehen wird sichergestellt, daß die Produktkonzepte auch in praxi fertigungstechnisch realisierbar sind. Hierbei sind der aktuelle Betriebsmittelbestand, die Anzahl der benötigten Mitarbeiter und deren Qualifikation von entscheidender Bedeutung, um gegebenenfalls Investitionen frühzeitig zu planen und zu koordinieren. Umgekehrt kann die Produktion aufgrund ihres Erfahrungsschatzes wichtige Hinweise für die Produktkonzeption liefern, um die kundenorientierte Produktqualität zeitund kosteneffizient zu fertigen.
4.1.1.3.1.2
Ursachen von Schnittstellenproblemen
Die Handhabung von Schnittstellenproblemen bestimmt im wesentlichen die Fähigkeit von Unternehmen zur interdisziplinären Zusammenarbeit und damit zur reibungsarmen Gestaltung prozeßorientierter Abläufe. So kann die Anzahl von Schnittstellen, die ein Prozeß überwinden muß, als wesentlicher Indikator für die Effizienz des Processing angesehen werden, zumal jede Schnittstelle Zeit kostet, Kosten verursacht, Qualitätseinbußen nach sich zieht, mit einem Informationsverlust einhergeht sowie Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse bremst. 47 Das Entstehen von Schnittstellenproblemen basiert auf der Notwendigkeit zur Arbeitsteilung. Allerdings wurde diese Notwendigkeit in westlichen Industrienationen im Rahmen des TAYLORismus auf die Spitze getrieben. Durch die Zergliederung der Gesamtaufgaben in einzelne, spezielle Arbeitsschritte werden unkoordinierte Insellösungen geschaffen, die darauf ausgerichtet sind, einzelne Bereiche isoliert zu optimieren (Spezialisierungseffekte). Hinzu kommt, daß häufig zwischen den verschiedenen Abteilungen oder im Rahmen der Prozeßorganisation die Denkweisen der Verantwortlichen unterschiedlich ausgeprägt sind. So dominiert in der Forschung und Entwicklung eher eine technologisch-wissenschaftliche als eine Kosten-Nutzenorientierte Denkweise wie im Marketing. Solche Kulturunterschiede münden häufig in wenig kompatiblen Fachsprachen. Zudem führen die unterschiedlichen Fachsprachen und Ausbildungen zu unterschiedlichen Situationswahrnehmungen, -Interpretationen und Lösungsvorschlägen. Schnittstellenprobleme werden vor allem durch den organisatorischen Rahmen verursacht. Eine strikte Hierarchisierung und Abteilungsbildung fordert das Bereichsden-
46
Vgl. STEINBACH (1997), S. 322.
47
Vgl. SCHMELZER (1990), S. 129.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
2 3 3
ken und damit die Schnittstellenproblematik. 48 Aber auch eine Prozeßorganisation ist nicht frei von Hierarchien, so daß auch dort zumindest ein gewisses Mindestmaß an Schnittstellen unweigerlich implementiert wird. Eine weitere Ursache für das Entstehen von Schnittstellenproblemen liegt in der nicht eindeutigen Regelung von Zuständigkeiten und Kompetenzen. Ungeklärte Zuständigkeiten und Kompetenzrangeleien bilden häufig die Basis für eine fehlende Interaktionsbereitschaft beider Seiten. Erst durch strukturbildende Maßnahmen können Unsicherheiten hinsichtlich des eigenen Verantwortungsbereiches und gegenseitiges Mißtrauen abgebaut werden. Die beispielhaft dargestellen Ursachen für Schnittstellenprobleme veranschaulichen, daß interdisziplinäre, schnelle und flexible Kommunikation und Interaktion über Bereichsgrenzen hinweg ohne unterstützende Maßnahmen nahezu unmöglich ist.
4.1.1.3.1.3
Relaxation von Schnittstellenproblemen
Das Schnittstellenmanagement zielt, wie bereits erläutert, darauf ab, die Austauschprozesse bezogen auf Informationen und physische Leistungen an der Nahtstelle zwischen einzelnen Organisationseinheiten unter Qualitäts-, Zeit- und Kostengesichtspunkten zu optimieren. Wesentliche Ansatzpunkte zur Relaxation von Schnittstellenproblemen sind •
unternehmenskulturelle,
•
personalpolitische und
•
organisatorische Aspekte. 49
Unternehmenskulturelle Aspekte des Schnittstellenmanagements versuchen durch die Reduzierung der gedanklichen Distanz zwischen den Bereichen bzw. zwischen den Mitarbeitern an einer Schnittstelle, durch eine offene und intensive Informationspolitik sowie durch wechselseitiges Lernen die bestehende Schnittstelle in eine Nahtstelle zu transformieren. 50 Während die Verringerung der räumlichen Distanz den organisatorischen Aspekt des Schnittstellenmanagements betrifft, bezieht sich die Verringerung der gedanklichen Distanz auf die Unterschiede in den Anschauungen und Denkweisen. Ziel muß es sein, eine gemeinsame Sprache an den Schnittstellen zu
4 8
V g l . KÖHLER/GÖRGEN ( 1 9 9 1 ) , S. 5 2 7 .
4 9
V g l . STEINBACH ( 1 9 9 7 ) , S . 3 3 3 f f .
Während das Schnittstellenmanagement versucht, das sachliche bzw. fachliche Koordinationsproblem zu lösen, zielt das Beziehungsmanagement, vgl. Abschnitt 4.1.1.3.2, auf die Überwindung sozialer Barrieren zwischen Individuen ab. Gleichwohl ist die Grenze zwischen Schnittstellenmanagement und Beziehungsmanagement fließend.
2 3 4
4 Prozeßorien/ierte
Konzepte
implementieren, um überhaupt eine adäquate Kommunikation über die jeweilige Bereichsgrenze hinweg zu realisieren. Dabei trägt ein unternehmensweites MarketingVerständnis dazu bei, gedankliche Barrieren zu überbrücken und bereichsübergreifend, koordiniert und zielorientiert nach innen und nach außen zu agieren. Das Marketing wird somit zum Bindeglied zwischen den Teilprozessen einer umfassenden Wertschöpfungskette. Zudem tragen klare, gemeinsam getragene Unternehmensstrategien und -ziele auf Basis einheitlicher Normen dazu bei, eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit zu ermöglichen und Partikularinteressen den Unternehmensinteressen unterzuordnen. In den vorangehenden Ausführungen ist immer wieder deutlich geworden, daß Schnittstellen häufig auf Informations- und Kommunikationsbarrieren basieren. Diesen Hindernissen ist durch eine konsequente und offene Informationspolitik entgegenzutreten. 51 Es muß eine Informationskultur geschaffen werden, die eine schnelle, unbürokratische und flexible Weitergabe entscheidungsrelevanter Informationen unterstützt. Eine Ausprägung einer offenen Informationspolitik stellt z.B. wechselseitiges Lernen dar, das darauf abzielt, durch einen aktiven Interessenaustausch und das Einbeziehen der jeweils anderen Schnittstellenbereiche in die eigene Aufgabenstellung ein neues Problembewußtsein für die Probleme des jeweils anderen Schnittstellenbereichs zu wecken. Cross-Functional-Teams und Job-Rotation-Programme unterstützen solche Austauschprozesse über die Bereichsgrenzen hinweg. Neben den unternehmenskulturellen Aspekten spielen auch personalpolitische Aspekte eine Rolle. 52 Hierzu zählen sämtliche Maßnahmen, die auch im Lean Management und im Total Quality Management von Bedeutung sind. So stellen auch im Rahmen des Schnittstellenmanagements ein konsequenter mitarbeiterorientierter Führungsstil sowie Maßnahmen zur intrinsischen und extrinsischen Motivation wichtige Managementaspekte dar. 53 Von zentraler Bedeutung für das Schnittstellenmanagement und die Prozeßimplementierung ist jedoch der organisatorische Aspekt. Neben der bereits dargestellten Prozeßanalyse und der Prozeßsynthese, die darauf abzielen, anstelle der bisherigen verrichtungs- oder objektorientierten Organisationsstruktur mit ihrer Vielzahl von Schnittstellen eine schnittstellenarme Prozeßstruktur zu implemetieren, ist vor allem die Prozeßkoordination die entscheidende Erfolgsgröße für eine Prozeßimplementierung bzw. eine Prozeßoptimierung. Grundsätzlich kann die Prozeßkoordination in eine sachliche sowie eine entscheidungs- und verantwortungsbezogene Koordination differenziert werden.
5 1
V g l . STFJNBACH ( 1 9 9 7 ) , S . 3 3 5 .
5 2
V g l . STEINBACH ( 1 9 9 7 ) , S . 3 3 8 f.
53
Vgl. SCHMELZER (1992), S. 32.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
235
Die sachliche Prozeßkoordination ist für die Qualität der Prozeßgestaltung und der Prozeßstruktur verantwortlich. Moderne IuK-Systeme, wie z.B. eine betriebswirtschaftliche Standardsoftware (z.B. SAP R/3 oder BAAN), Datenbanksysteme, Internet-basierte Systeme oder Groupware-Anwendungen des Computer Supported Cooperative Work fCSCWJ,54 sorgen dafür, daß mehrere Personen administrative, planende, durchführende und kontrollierende Tätigkeiten an unterschiedlichen Orten, u.U. weltweit, koordiniert durchfuhren können. Zudem unterstützen diese Systeme eine qualitative und quantitative Aufgabenfelderweiterung, die die Basis für eine prozeß-orientierte Unternehmensstruktur bildet. Durch die häufig in Echtzeit durchgeführte Datenverarbeitung können enorme Effizienzpotentiale, die in der Prozeßstruktur enthalten sind, optimal ausgeschöpft werden. 5 5 Gleichzeitig verringert sich die Gefahr fehlerhafter Datensätze, da z.B. die Materialstammdaten für ein bestimmtes Produkt konzernweit einmal und damit einheitlich vorliegen. Die entscheidungs- und verantwortungsbezogene Koordination ist für die Art und Weise verantwortlich, wie die einem Mitarbeiter oder einem Team übertragene Aufgabe erfüllt wird. Insofern beschäftigt sich die entscheidungs- und verantwortungsbezogene Koordination mit den Fragen, •
wie die Koordination der eigenen Teilaufgaben erfolgt,
•
wie eine Abstimmung der eigenen Aufgabe mit den unmittelbar benachbarten Teilprozessen, die von anderen Verantwortlichen geregelt werden, durchzuführen ist, sowie mit der Frage,
•
wie die eigene Aufgabenerfüllung mit anderen Prozessen koordiniert werden kann.
Letztlich versucht die entscheidungs- und verantwortungsbezogene Koordination durch die Vorgabe verbindlicher Richtlinien oder durch die Übertragung unterschiedlich großer Handlungsspielräume, d.h. durch die Schaffung autonomer Freiräume, die vertikale Entscheidungsdimension zu koordinieren. Bestehen zusätzlich zur vertikalen Autonomie noch Freiheitsgrade hinsichtlich der fachlichen Aufgabenerfüllung, so tritt zusätzlich eine horizontale Entscheidungsdimension in den Vordergrund der Betrachtung. Generell kann Koordination durch •
die Vorgabe verhaltensverbindlicher Regeln und Programme,
•
die hierarchische Einbindung und
•
die Selbstabstimmung
Zu den genannten IuK-Technologien vgl. Abschnitt 4.2.4. Zu den strategischen Erfolgspotentialen betriebswirtschaftlicher Standardsoftware vgl. Abschnitt 4.2.4.2.2.
236
^ Prozeßorientierte
Konzepte
erreicht werden, wobei nachfolgend unterstellt wird, daß keine horizontalen Entscheidungsspielräume hinsichtlich der Aufgabenerfüllung bestehen. 56 Regeln und Programme beinhalten •
generelle, d.h. für alle vergleichbaren Handlungssituationen gültige Vorschriften, die unabhängig von der Person auf eine routinisierte, quasi-deterministische, fremdbestimmte Aufgabenerfüllung abzielen. 57
Regeln stellen keine Handlungsschritte oder -folgen dar, sondern vielmehr Verfahrensanweisungen im Sinne von „erlaubt" oder „nicht erlaubt". Aus diesen Instruktionen resultieren Programme, die das Verhalten der Mitarbeiter auf bestimmte Einflüsse steuern sollen. Insofern ist im Rahmen der Prozeßanalyse eine sehr detaillierte Dekomposition erforderlich. Die Aufgabeninhalte sind inhaltlich, zeitlich und mengenmäßig exakt zu spezifizieren und den Stelleninhabern zu übertragen. Ferner sind die Interdependenzen zu anderen Stellen explizit auszuweisen. Gelingt es dem Mitarbeiter nicht, die ihm zugewiesene Aufgabe in bekannte Interprétations- und Handlungsmuster zu klassifizieren und damit zu routinisieren, muß er sich problemlösend und somit adaptiv oder innovativ verhalten. Bei adaptivem Verhalten ist die Aufgabe selbst zwar bekannt, aber der Mitarbeiter kann über die zu realisierenden Aktivitäten und ihre Reihenfolge individuell entscheiden. 58 Die vorgegebene Prozeßstruktur stellt dabei einen Handlungsrahmen dar. Insofern braucht die Prozeßanalyse nicht bis auf die Ebene der Prozeßelemente vorangetrieben werden. Im Gegensatz zu routinisiertem Verhalten ist die Stellenaufgabe zeitlich und inhaltlich unspezifiziert. Innovatives Verhalten ist in subjektiv unbekannten Situationen oder wenn der Handlungsträger nicht über Handlungsprogramme verfügt, sondern gezwungen ist, Hypothesen zu bilden, notwendig. Im Rahmen der Prozeßanalyse kann die Dekomposition dann abgebrochen werden, wenn eine grobe Bestimmung der Stellenaufgabe möglich wird und die Stellenanzahl quantifiziert werden kann. Der Lösungsraum zulässiger Prozeßstrukturen muß nicht eingeschränkt werden, und die Verhaltensprogramme beinhalten lediglich Angaben über die Stellenzahl und die erwartete Leistungsgröße. Die Grenzen der Standardisierung liegen in der Spezifität, der Komplexität und der Dynamik der zu koordinieren Prozesse. 59
56
Vgl. GAITANIDES (1983), S. 160.
5 7
V g l . G A I T A N I D E S ( 1 9 8 3 ) , S. 1 7 7 f.
58
Vgl. GAITANIDES (1983), S. 178 f.
59
Es sei darauf hingewiesen, daß Dynamik im eigentlichen Sinne ein Charakteristikum von Komplexität ist, vgl. KF.UPER (1999), S. 25 f.
4 Prozeßorientierte Konzepte
Vorteile Kapazitätsaspekt
•
Nachteile •
Entlastung: Verkleinerung des
Gefahr der schematischen Behandlung oder Vernach-
Entscheidungsvolumens durch
lässigung innovativer Aufgaben
Kategorisierung •
237
Produktivitätssteigerung durch
•
lernen von Aktivitäten
Verkümmerung des Human Capital
Wiederholung und schnelles Er•
Tendenz der Beschränkung der individuellen Leistung auf die geforderten Minimum-Standards
Koordinationsaspekt
•
Integration: sachliche und zeitli-
•
trolle
organisatorischen Konflikt•
potentials •
Verlust von individueller und gruppendynamischer Selbstkon-
che Abstimmung; Reduktion des
Reduktion der Anpassungsfähig-
Ermöglichung und Erleichte-
keit der Mitarbeiter und des Sy-
rung von persönlicher Kontrolle
stems
durch den Vorgesetzten
Entscheidungsqualität
•
Stabilisierung des Systems durch
•
personenunabhängige Entscheidungsprozesse •
von Problemen
Reduktion subjektiver Wer-
•
tung, geringe Suboptimierung
Personen• bezogener Aspekt
Verlust an Initiative zu innovativem und spezifischem Verhalten
Gerechtigkeit durch Reduktion
•
Motivationsminderung
von Willkür und persönlicher
•
Gefahr der Unterforderung und
Abhängigkeit •
Vernachlässigung nichtprogrammierbarer Aspekte
der Monotonie
Reduktion von Angst durch Risikoentlastung, Überforderung eher unwahrscheinlich
Tab. 4.1:
Mögliche
Vor- und Nachteile
hoher
Standardisierung60
Sofern alternative Koordinationsinstrumente wie z.B. die hierarchische Koordination die bestehende Koordinationsunsicherheit effizienter handhaben können, sind diese einer Konditionalisierung vorzuziehen. Die Koordination durch Hierarchie •
ordnet unterschiedliche Grade der personellen und funktionellen Weisungsbefugnis den jeweiligen Hierarchieebenen (Rängen) innerhalb der Organisationsstruktur zu. 61
6 0
Q u e l l e : HILL/FEHLBAUM/ULRICH ( 1 9 7 4 ) , S. 2 9 4 .
6 1
V g l . GAITANIDES ( 1 9 8 3 ) , S . 191 f f .
238
4 Prozeßorientierte Konzepte
Ausgehend von der Organisationsspitze werden die Handlungsspielräume immer weiter segmentiert und an die einzelnen Ränge soviel Autorität delegiert, daß entsprechend der unterstellten Mitarbeiterzahl Koordinationsaufgaben übernommen werden können. Eine solche Vorgehensweise ist insbesondere dann sinnvoll, wenn eine optimale Koordination stellenbezogener Prozeßabschnitte erfolgen soll. 6 2 Diese Sichtweise basiert allerdings auf der (oftmals falschen) Annahme, daß mit steigender hierarchischer Position auch das entscheidungsrelevante Wissen und die Führungsqualitäten des Stelleninhabers ansteigen. Eine hierarchische Kooperation zwischen Instanz und Handlungsträger kann grundsätzlich auf vier Arten erfolgen: 6 3 •
Bei einer hierarchisch-linearen, vertikalen Kooperation ist der Koordinationsbedarf der übergeordneten Instanz gering, da entweder ein gesamter Prozeß einer Stelle zugeordnet werden kann oder aber die Prozeßelemente unabhängig voneinander parallelisiert werden können. Die Vorgesetztenfunktion reduziert sich weitestgehend auf personale Inhalte und die Reaktion auf Umfeldänderungen. Der Informationsfluß zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern verläuft dabei grundsätzlich top-down.
•
Hierarchisch-lineare, sequentiell-horizontale Kooperation zielt darauf ab, daß die hierarchische Instanz nur im Bedarfsfall im Rahmen ihrer Richtlinienkompetenz eingreift. Die Stellen selbst haben einen relativ großen Handlungsspielraum, um die höhere Aufgabenkomplexität zu bewältigen, so daß es zu einem Eingreifen des Vorgesetzten nur selten kommt. Die nachgelagerten Stellen passen sich den subjektiv neuen Anforderungen adaptiv an. Auch bei dieser Kooperationsform erfolgt der Informationsfluß von oben nach unten, wobei jedoch zwischen den Aufgabenträgern zum Zwecke der sequentiellen Koordination in dem Sinne kommuniziert wird, daß für die jeweils nachfolgenden Aktivitäten Prämissen gesetzt werden.
•
Bei der hierarchisch-zweiseitigen, zeitlich und inhaltlich interdependenten Kooperation initiiert die übergeordnete Instanz Kommunikationsprozesse und Abstimmungsprozesse zwischen den nachgelagerten Stellen. Während die Instanz nur noch die Stellenstruktur und die generellen Arbeitsverteilungmodalitäten bestimmt, werden die für den optimalen Prozeß zu setzenden Prämissen zwischen den beteiligten Stellen ausgehandelt.
•
Innovativ-egalitäre Kooperation verlagert die Koordination vollständig auf die ausführende Ebene. Der Vorgesetzte hat lediglich eine unterstützende, fachberatende Funktion. Die stellenbezogenen Prozeßabschnitte sind nicht mehr als Handlungsnorm, sondern vielmehr als Handlungsthema zu verstehen, konkrete Verhaltens- und Verfahrensweisen werden nicht vorgegeben. Insofern ist im Rahmen der Prozeßanalyse bewußt nur eine minimale Dekomposition angestrebt
62
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBKRG (1998), S. 235.
63
Vgl. GAITANIDES (1983), S. 193 ff.
4 Prozeßorientierte Konzepte
239
worden, da eine weitere Zerlegung einer Kenntnis über bereits bekannte Handlungen bedurft hätte, die aber zum Zeitpunkt der Dekomposition noch nicht vorliegen konnte. Die zentralen Vorteile einer hierarchischen Koordination sind in der eindeutigen und klaren Kompetenzregelung zu sehen. 64 Hierdurch wird Transparenz geschaffen, unsicherem Verhalten entgegengewirkt und je nach Ausgestaltung der hierarchischen Koordination das Human Capital mehr oder weniger gut ausgeschöpft. Zudem ist der Zeitbedarf des Zielfmdungs- und Konfliktlösungsprozesses aufgrund der Zentralisierung von Entscheidungskompetenz relativ gering. Ferner ermöglicht die Hierarchisierung zum einen, ziel- und normenkonformes Verhalten durchzudrücken, und zum anderen, die Erwartungen der Mitarbeiter auf bestimmte Kernbereiche zu konzentrieren. Allerdings weist die hierarchische Koordinationsform eine Reihe von Nachteilen auf. Hierunter fallen vor allem das Entstehen monokratischer Strukturen, die Nutzung von Informationen als Machtinstrument (intransparente Informationspolitik) und die Unterdrückung intrinsischer Motivation, da Privilegien ausschließlich mit dem Positionsrang verknüpft sind. Neben der Koordination mit Hilfe von Regeln und Plänen sowie der Koordination durch Hierarchisierung existiert als dritte Koordinationsform die Selbstabstimmung. Diese vorwiegend in teilautonomen Gruppen vorzufindende Kooperationsform unterliegt keinerlei formalen oder hierarchiebezogenen Beschränkungen hinsichtlich der Interpretations- und Handlungsspielräume der Teammitglieder. 65 Lediglich externe Restriktionen, wie z.B. die Anzahl der festgelegten Stellen innerhalb der Teamstruktur, determinieren den Handlungsspielraum der Gruppe. Die Ausgestaltung der parallel, zeitlich und inhaltlich interdependenten Prozeßstrukturen obliegt den Gruppen. Neben technischer Handlungskompetenz verlangt eine Kooperation durch Selbstabstimmung vor allem ein hohes Maß an sozialer Handlungskompetenz. Gerade diese sehr hohen Anforderungen an die Teammitglieder haben dazu geführt, daß eine konsequente Selbstabstimmung in der betrieblichen Praxis kaum vorzufinden ist. Festzuhalten bleibt, daß die verschiedenen Koordinationsmechanismen sowohl zur inter- als auch zur intraprozessualen Kooperation eingesetzt werden können, wobei die dabei auftretenden Probleme durchaus unterschiedlich hinsichtlich ihrer Art und Weise sowie ihrer Intensität sein können. Neben den bereits dargestellten Koordinationsinstrumenten können zur intraprozessualen Koordination weitere Werkzeuge eingesetzt werden. So kann beispielsweise eine direkte Abstimmung zwischen den prozeßverantwortlichen Stelleninhabern erfolgen. Ist jedoch die Koordinationskomplexität der zu koordinierenden Prozesse sehr
64
Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. GAITANIDES (1983), S. 202 ff.
65
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 237.
240
4 i'rozeßorientierte
Konzepte
hoch, bieten sich interdisziplinäre Koordinationsteams an. Sofern die Koordinationsprobleme von dauerhaftem Bestand sind, kann die prozeßübergreifende Koordination mittels Gremien, Komitees oder Kommissionen erfolgen. Wird die Koordinationsfunktion auf ein bestimmtes Projekt gerichtet, so ist der Einsatz eines Integrationsmanagers sinnvoll. Die verschiedenen Koordinationsinstrumente haben erkennen lassen, daß neben der sachlichen Schnittstellenkoordination die Gestaltung der Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Mitarbeitergruppen unterschiedlicher Bereiche von entscheidender Bedeutung für die Prozeßoptimierung ist. Insofern ist für eine prozeßoptimierende Koordination ein aktiv betriebenes Beziehungsmanagement ein zielorientierter Gestaltungsansatz.
4.1.1.3.2
Beziehungsmanagement
Das Beziehungsmanagement •
beschäftigt sich mit der Ausgestaltung der inner- und interbetrieblichen sozialen Beziehungen zwischen Transaktionspartnern in Hinblick auf eine optimale Kooperation der am Wertschöpfungsprozeß beteiligten Personen, um die vom Markt geforderte Ausprägung der strategischen Erfolgsfaktoren Qualität, Zeit und Kosten bestmöglich zu realisieren.
Im Rahmen der Interaktion zwischen dem Unternehmen und den Kunden müssen mittels einer marktgerichteten Kommunikation bewußt die Bedürfnisse des Kunden in Erfahrung gebracht werden, um diese als Anforderungen an die Produktentwicklung in die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zu übertragen. Ferner sollten ausgewählte Kunden, quasi als Stellvertreter für den Markt, mit beratender Funktion als Teammitglieder in die interdisziplinären Entwicklungsteams implementiert werden. Während die gedankliche Bezugnahme auf den Kunden weitestgehend in den Unternehmen Einzug gehalten hat - als Beispiele hierfür können die Variantenvielfalt, das Segment-of-One-Marketing, das Key-Account-Management, das Data-Base-Marketing oder das Direktmarketing angesehen werden - , ist die tatsächliche Integration des Kunden als Informationsquelle in das Unternehmen noch immer ein theoretisches Konstrukt. Ziel des marktgerichteten Beziehungsmanagements ist es somit, •
6 6
die Beziehungssicherheit hinsichtlich der Kontinuität der Geschäftsbeziehungen und der Kundenbindung sowie die Interaktionsintensität und -effektivität zwischen Unternehmen und Kunden zu erhöhen,66 Vgl. STEINBACH (1997), S. 341.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
241
Demgegenüber versucht das unternehmensbezogene Beziehungsmanagement, •
die sozialen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern innerhalb eines Unternehmens zielorientiert zu gestalten, da Schnittstellen- und damit Kooperationsprobleme letztlich durch eine veränderte Sozialstruktur im Unternehmen überwunden werden können.
Darüber hinaus ist im Rahmen der erfolgsfaktorzentrierten Managementkonzepte immer wieder darauf hingewiesen worden, daß zwischen Hersteller und Lieferanten Wertschöpfungspartnerschaften aufgebaut werden müssen, um langfristig Wettbewerbsvorteile zu generieren. Die Gestaltung dieses Beziehungsgeflechts ist insbesondere angesichts des Trends zum Outsourcing von Bedeutung, da durch die neuen Organisationsformen der Zuliefererstrukturen teilweise extreme Abhängigkeiten entstehen. Ziel eines zuliefererorientierten Beziehungsmanagements ist es somit, •
das traditionelle Über-Unterordnungs-Verhältnis aufzulösen und in eine gleichberechtigte Partnerschaft zu transformieren. 6 7
Zentrale Aspekte eines aktiven Beziehungsmanagements sind die organisatorische und personelle Integration der betrachteten Parteien sowie eine offene Informationspolitik und sonstige vertrauensbildende Maßnahmen zur Gestaltung der sozialen Dimension. Während organisatorische Aspekte auf die bereits an verschiedenen Stellen diskutierten Konzepte wie Teamorganisation, Wertschöpfungspartnerschaften usw. abzielen, versucht eine personelle Vernetzung, die sozialen Beziehungen zwischen den Parteien z.B. durch die Vernetzung der Human-Potentiale zwischen unterschiedlichen Bereichen oder mittels Job-Rotation-, Job-Enrichment- und Job-Enlargement-Programmen zu pflegen. Wie schon beim Schnittstellenmanagement ist auch beim Beziehungsmanagement eine offene Informationspolitik sowohl vertikal (top-down und bottom-up) als auch horizontal von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus zählen zu den sonstigen vertrauensbildenden Maßnahmen z.B. alle Formen von Audits, da diese zum einen als Ansatzpunkte für weitere verfahrenstechnische Verbesserungen hinsichtlich der Prozeßorganisation angesehen werden können (Schnittstellenmanagement) und zum anderen unterstützend bei der Gestaltung eines sozialen, vertrauensvollen Beziehungsgeflechts sein können (Beziehungsmanagement).
67
Vgl. PFEIFFER/WEISS (1991), S. 30.
242
4 Prozeßorientierte
4.1.2
Konzepte
Business Process Reengineering als radikaler Reorganisationsansatz
Während der Ausdruck Reengineering •
die Neukonzeption zeichnet,
von Objekten
und insbesondere
von Software-Produkten
be-
stellt Business Process Reengineering (BPR) •
einen praxisinduzierten Ansatz zur Neukonstruktion
von Geschäftsprozessen
dar.
Im Gegensatz zum BPR umfaßt Business Reengineering (BR) •
nicht nur die Veränderung von Geschäftsprozessen, sondern beinhaltet auch die Neudefinition des Geschäfts zwecks.
HAMMER
•
und
CHAMPY
bezeichnen Business Process Reengineering als
ein fundamentales, alle bisherigen Aufgaben und Abläufe in Frage stellendes Überdenken und ein radikales, alle bestehenden Strukturen und Verfahrensweisen mißachtendes Redesign im Sinne einer Neugestaltung aller an der Wertschöpfung beteiligter Geschäftsprozesse mit dem Ziel, die Qualitäts-, Zeit- und Kostensituation sowie die Serviceleistung des Unternehmens dramatisch zu verbessern. 6 8
Eine Studie von 1994, in der 600 Unternehmen befragt wurden, brachte als Ergebnis zutage, daß bei 65% der amerikanischen und 75% der europäischen Großunternehmen BPR-Projekte liefen, wobei 50% der Untenehmen, die kein aktuelles BPRProjekt hatten, zumindest ein solches Projekt planten. 6 9 Ähnlich wie das japanische Kaizen strebt auch das BPR eine Verbesserung der Prozesse an, jedoch unterscheiden sich die beiden Konzepte in einigen wesentlichen Punkten, die der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen sind.
6 8
V g l . H A M M E R / C H A M P Y ( 1 9 9 4 ) , S. 4 8 ff.
6 9
V g l . CHAMPY ( 1 9 9 5 ) , S. 2.
4 Prozeßorientierte Konzepte
Art der Veränderung Ausgangspunkt zeitlicher Horizont Umsetzungszeit Partizipationsrichtung Reichweite Risiko wesentlicher „Enabler"
BPR radikal „grüne Wiese" einmalig lang top-down weit, funktionsübergreifend hoch Informationstechnologie
Vorgehensweise Bewertungskriterien
Reengineering-Team meßbare Zielgrößen
Art der Veränderung
strukturell
Tab. 4.2:
BPR versus
243
Kaizen inkrementell existierende Prozesse kontinuierlich kurz bottom-up eng, funktionsübergreifend gering statistische Kontrollverfahren Gruppenarbeit Bemühungen, nicht nur Ergebnisse kulturell
Kaizen70
Aus der Tabelle darf nicht auf die Unvereinbarkeit von evolutionären und revolutionären Ansätzen geschlossen werden; vielmehr können in einem Unternehmensteil durchaus abrupte, tiefgreifende Veränderungen sinnvoll sein, während in anderen Unternehmensbereichen eher eine kontinuierliche, behutsame Verbesserung Vorteile mit sich bringt. Zudem ist es notwendig, komplett neu gestaltete Prozesse permanent zu verbessern, um im Anschluß an das Redesign nicht die einmal erreichten Effektivitäts- und Effizienzpotentiale (zumindest teilweise) wieder zu verlieren. Leistungsniveau des Prozesses
Leistungsniveau des Prozesses
BPR-Fortschritt
Wirkung der inkrementellen Verbesserung
J
IA :
• Theorie
Praxis -•Zeit Abb. 4.3:
Zusammenspiel
von radikaler und inkrementeller
70
Quelle: KRÄHE (1998), S. 28.
71
Quelle: In Anlehnung an IMAI (1992), S. 50.
-•Zeit Verbesserung7'
244
4 Prozeßorienlierle
Konzepte
Die geistigen Wurzeln des BPR liegen nach DA VENPORT in der Qualitätsbewegung, von der das BPR seine Prozeßorientierung hat, sowie im TAYLORschen Scientific Management, aus dem das BPR die Erkenntnis zieht, daß Prozesse in Aktivitäten zu zerlegen sind und daß die Technologie als Enabler neuer Arbeitsformen anzusehen ist. 7 2 Aus den soziotechnischen Ansätzen fließt die Erkenntnis über die Kombinationswirkung von Mensch und Technologie als Enabler eines Wandels in das BPR mit ein. Das Streben nach Implementierung von Innovationen und Fokussierung auf die Interdependenzen zwischen Technologie und Organisation entnimmt das BPR der Theorie zur Diffusion von Innovationen. Letztlich basiert ein Großteil des BPRAnsatzes auf Forschungen zu strategischen Informationssystemen, in denen die Bedeutung der Informationstechnologie für die Erfüllung der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit herausgearbeitet worden sind. Insofern wird deutlich, daß das Modewort BPR zwar einen ganzheitlichen, aber auf älteren betriebswirtschaftlichen Konzepten basierenden Ansatz darstellt. Alle diese Konzepte, die sich jedoch nicht trennscharf voneinander unterscheiden, können im wesentlichen auf die Prozeßorganisation, die Delegation von Entscheidungs-, Kontroll- und Koordinationskompetenzen, die Teamorientierung und das Leistungs- und Belohnungssystem zurückgeführt werden. 7 3 Prozeßorganisation Generell wird im Rahmen von BPR-Projekten angestrebt, die Prozeßverantwortung einer einzelnen Person (Caseworker) zu übertragen. Ist dies aufgrund zeitlicher, räumlicher sowie qualifikationsbedingter (personaler) Verteilung der Aktivitäten nicht möglich, so erhält eine Gruppe von Mitarbeitern (Caseteam) die Prozeßverantwortung. Caseteams haben einen dauerhaften Charakter und werden aus Mitarbeitern der für die Prozeßdurchfuhrung veranwortlichen Fachabteilungen gebildet. Im Gegensatz dazu existieren virtuelle Teams lediglich temporär, um ein spezifisches Prozeßproblem zu lösen. Während im Lean Management die Projekt-Teams einen weisungsbefugten Teamleiter vorangestellt bekommen, hat der Teamleiter im Rahmen von BPR-Projekten eher eine Coachingfunktion, um die kreativen Fähigkeiten der Teammitglieder optimal auszuschöpfen. Ist der Komplexitätsgrad der Prozesse so hoch, daß selbst ein Caseteam nicht mehr in der Lage ist, die Prozesse zu restrukturieren und zu beherrschen, wird ein Casemanager eingesetzt, der als verantwortlicher Leiter mehrere Caseteams koordiniert. Für eine rasche Abwicklung des gesamten Prozesses sind •
Teilschritte zu
eliminieren,
72
Vgl.
73
Vgl. zu den n a c h f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n B O G A S C H E W S K Y / R O L L B E R G ( 1 9 9 8 ) , S . 2 4 4 ff. Im G e g e n s a t z dazu spricht T H E U V S E N (1996), S. 67, von sieben g r u n d l e g e n d e n G e s t a l t u n g s e l e menten.
DAVENPORT
(1993), S. 311 ff.
4 Prozeßorientierte
•
Konzepte
245
gegebenenfalls die Reihenfolge der Teilschritte zu variieren,
• fehlende Schritte
hinzuzufügen,
•
zu stark ausdifferenzierte Arbeitsfolgen zu integrieren,
•
einzelne Arbeitsschritte zu beschleunigen und letztlich
•
ganze Teilprozesse zu
parallelisierenj4
Ferner sind beim Redesign von Prozessen drei Schwierigkeitsgrade zu differenzieren: •
Routinefälle ermöglichen eine weitgehend rechnergestützte, automatisierte Prozeßregelung und können i.d.R. problemlos von den Mitarbeitern des Unternehmens selbständig strukturiert und konzipiert werden.
•
Prozesse mittleren Schwierigkeitsgrades erlauben eine weitgehend standardisierte Bearbeitung und können mit größerem Aufwand i.a. von den Mitarbeitern des Unternehmens einzeln oder im Team selbständig strukturiert und konzipiert werden.
•
Äußerst anspruchsvolle Prozesse können nur durch das Einbeziehen externen Know-hows in Form von Beratern reorganisiert werden.
Delegation Mit einer konsequenten Prozeßorientierung ist eine Delegation von Entscheidungs-, Kontroll- und Koordinationskompetenzen unabdingbar. Die Dezentralisierung von Prozeßverantwortung auf Caseworker bzw. Caseteams erlaubt es nicht nur, zusätzliche Leitungsinstanzen zu vermeiden und damit flache Hierarchien zu implementieren, sondern ermöglicht darüber hinaus, das spezifische Mitarbeiterwissen für die kontinuierliche Effektivitäts- und Effizienzverbesserung der Prozesse zu nutzen. Teamorientierung Der Einsatz von Prozeßteams bedeutet für die Gruppenmitglieder sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Aufgabenfelderweiterung. Während sich das Job Enrichment in der Verknüpfung von ausführenden Prozeßtätigkeiten und dispositiven Prozeßplanungs-, Kontroll- und Koordinationsaufgaben äußert, wird im Rahmen des Job Enlargement der Aufgabenumfang erweitert. Hierdurch wird sichergestellt, daß die Teammitglieder nicht nur die fachliche Kompetenz hinsichtlich ihrer fachspezischen Tätigkeiten aufweisen, sondern über den gesamten von ihnen zu verantwortenden Prozeß hinweg die systematischen und unsystematischen Prozeßparameter, die Einfluß auf den Kundennutzen haben, kennen und zielorientiert steuern bzw. eliminieren können. Das simultane Job Enrichment und Job Enlargement bedingt umfangreiche fachliche und soziale Qualifikationsmaßnahmen, damit die Mitarbeiter in der
74
Vgl. KRICKL(1994), S. 8.
246
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Lage sind, komplexe Zusammenhänge eingenständig oder gegebenenfalls im Team zu lösen. Leistungsmessungs- und Belohnungssystem Das veränderte Tätigkeitsfeld der Mitarbeiter erfordert auch eine Umorientierung im Leistungsmessungs- und Belohnungssystem. An die Stelle einer positions- bzw. beschäftigungsdauerbezogenen Vergütung tritt eine ergebnisorientierte Entlohnung, um eine kundenorientierte Wertschöpfung sicherzustellen. Die Beförderung von Mitarbeitern ist nicht mehr rein ex-post-orientiert, d.h. sie richtet sieht nicht mehr nur nach der erbrachten Leistung im Rahmen der bisherigen Arbeit, sondern die Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Erfüllung zukünftiger Aufgabenstellungen tritt in den Vordergrund der Betrachtung. Dies fordert ein wertschöpfungsorientiertes, proaktives Denken und Handeln, was sich langfristig in einer veränderungsbereiten Unternehmenskultur niederschlägt. 75 Informations- und Kommunikationstechnologie (Iu K-Technologie) Während auf der evolutionären Ebene eine inkrementale Verbesserung durch eine lokale Nutzung der IuK-Technologie zur Steigerung der Effizienz erfolgt, unterstützt die IuK-Technologie im Rahmen von BPR-Projekten nicht nur vorab definierte Prozeßabläufe, sondern bietet vielmehr das Potential, strategisch bedeutsame Prozesse und Organisationsstrukturen kreativ ex ante zu gestalten und kundenorientiert auszurichten. Dieses Potential an strategischen Optionen, die der IuK-Technologie und insbesondere der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware als ihrer zentralen Vertreterin inhärent sind, 76 basiert auf der dezentralen Nutzung zentraler Ressourcen. Hierdurch wird es möglich, die durch die IuK-Technologie kreierten neuartigen Formen von Aufgabenkomplexen und die durch sie initialisierten innovativen Prozeßabläufe in Echtzeit auf Basis entsprechender Datenbanksysteme an unterschiedlichen Orten dezentral zu planen, zu steuern, zu kontrollieren und zu koordinieren. Demgegenüber unterstützt die IuK-Technologie im Rahmen des Business Network Redesign unternehmensübergreifende Prozesse. Ziel ist es, mit Hilfe von Electronic Data Interchange (EDI) und interorganisationalen Informationssystemen (IOIS) strategische Unternehmensnetzwerke, wie dies z.B. im Rahmen des Supply Chain Management der Fall ist, aufzubauen, um dauerhaft Wettbewerbs vorteile zu erzielen.
4.1.2.1
Vorgehensmodell für Business-Process-ReengineeringProjekte
Grundsätzlich können die wesentlichen Schritte eines BPR-Projektes in drei Hauptphasen unterteilt werden, die aus mehreren Einzelschritten bestehen.
75
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 247.
76
Vgl. Abschnitt 4.2.4.2.2.
4 Prozeßorientierte Konzepte
Hauptphasen
247
Einzelschritte Sicherstellung der Unterstützung des Top-Managements Kommunizierung von Idee und Notwendigkeit des BPR Zusammenstellen und Schulen des BPR-Teams
Projektetablierung Identifikation der Prozesse und Fokussierung Selektion der Prozesse Suche nach IT-Enablern Ableitung der Prozeßvision aus der Unternehmensstrategie Istanalyse Analyse und Design
Schwachstellenanalyse Umsetzung kurzfristig erreichbarer Verbesserungen Design des neuen Prozesses Entwicklung von Prototypen Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen Testen einer Pilotversion
Umsetzung
Implementierung Messen der Ergebnisse Kommunizieren der Erfolge Stabilisierung des neuen Zustandes
Tab. 4.3:
Beispielhaftes
Vorgehensmodell für
BPR-Projekte^
Die Einzelschritte beinhalten folgende Sachzusammenhänge: 78 * Da ein BPR-Projekt weit- und tiefgreifende Veränderungen nach sich zieht, ist die Sicherstellung der Unterstützung des Top-Managements von zentraler und alles entscheidender Bedeutung. •
Damit bereits frühzeitig die mit großen Einschnitten verbundenen Widerstände relaxiert werden, ist allen Organisationsmitgliedern transparent zu machen, warum das BPR-Projekt notwendig ist und welche Idee dahinter steckt. Dies ist um so leichter, je besser die Ausgangssituation des Unternehmens ist.
•
Die Zusammenstellung des Lenkungsausschusses und Schulung des BPR-Teams ist von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Realisation des BPRProjektes. Der Lenkungsausschuß stellt ein Gremium dar, das aus Führungskräften besteht und die Reengineering-Strategie festlegt, Richtlinienentscheidungen trifft
77
Quelle: KRÄHE (1998), S. 32.
78
Vgl. KRÄHE (1998), S. 32 ff.
248
4 Prozeßorienlierte
Konzepte
und den Projektfortschritt kontrolliert. Im Gegensatz dazu stellen BPR-Teams Gruppen dar, die Prozesse analysieren, verändern und implementieren. Neben einem BPR-Profi sind Mitarbeiter aus den Funktionsbereichen für das BPR-Team abzustellen, die in der Lage sind, funktionsübergreifend zu denken, und über eine hohe Kreativität, Belastbarkeit und Teamfähigkeit verfugen. Die Teammitglieder müssen zudem in Technik und Denkweise des BPR geschult werden. •
Bevor mit dem Reengineering der Prozesse begonnen werden kann, sind zunächst die wesentlichen Geschäftsprozesse - ausgehend von den Unternehmenszielen und den Unternehmensstrategien - zu identifizieren. Dabei ist eine unternehmensübergreifende Sicht einzunehmen, die Lieferanten und Kunden mit einschließt.
•
Da die Veränderungskapazität eines Unternehmens beschränkt ist, sind ein oder wenige Prozesse für ein Redesign anhand der Kriterien Dysfunktionalität, Wichtigkeit und Machbarkeit auszuwählen.
•
Im Rahmen der Suche nach IT-Enablern wird die Informationstechnologie dahingehend analysiert, welche neuen organisatorischen Lösungen sie ermöglicht. Insofern unterstützt die Informationstechnologie nicht nur bereits designte Prozesse, sodern stellt vielmehr das Potential zum Kreieren neuer Prozeßdesigns dar.
•
Die Prozeßvision wird aus der Unternehmensstrategie abgeleitet und stellt das Bindeglied zwischen Unternehmensstrategie und Prozeßdesign dar. Es kann aber auch sinnvoll sein, veraltete Strategien, z.B. aufgrund neuer Möglichkeiten der Informationstechnologie, an die Prozeßvision anzupassen. Entscheidend ist, daß die Prozeßvision vor der Ist-Analyse entwickelt wird, um die Entwicklung von Visionen nicht durch die bestehenden Strukturen und Probleme einzuengen. Ferner müssen Prozeßvisionen zugleich anspruchsvolle und erreichbare Ziele sein.
•
Eine Ist-analyse ist im Rahmen eines BPR-Projektes durchaus sinnvoll, wenn sie bewußt in Grenzen gehalten wird und der Fokus auf das Verstehen der Ist-Abläufe gerichtet ist. So fuhrt zwar einerseits eine Ist-Analyse zu einem fundierten Verständnis der Geschäftsprozesse, was die Kommunikation innerhalb des BPRTeams erleichtert, andererseits aber kann die intensive Auseinandersetzung mit dem Bestehenden die Kreativität einschränken und die Gefahr aufkommen lassen, daß zu viele Merkmale des alten Prozesses in den neuen Abläufen wieder auftauchen.
•
Die Schwachstellenanalyse identifiziert und analysiert die Schwächen der bestehenden Prozesse, um ein erneutes Auftreten im restrukturierten Prozeß zu vermeiden.
•
Besteht die Möglichkeit, kurzfristig erreichbare Verbesserungen umzusetzen, sollte dies konsequent erfolgen, da zum einen den enormen Kosten eines BPRProjektes zumindest ansatzweise frühzeitig ein Nutzen gegenübergestellt werden kann, zum anderen wirken Erfolge motivierend.
4 Prozeßorienlierte Konzepte
249
•
Beim Design des neuen Prozesses sind die Prozesse immer aus der Sicht der internen und externen Kunden zu betrachten. Die bestehenden Annahmen und Restriktionen sind dahingehend zu hinterfragen, ob es Möglichkeiten gibt, diese für das Redesign außer Kraft zu setzen. Wesentliche Orientierungsgröße ist die Erfüllung der Kundenanforderungen.
•
Durch das Entwickeln von interaktiven Prototypen, die die wesentlichen Eigenschaften der Prozesse repräsentieren, aber noch nicht bis ins Detail mit dem zu realisierenden Prozeß übereinstimmen, können Erkenntnisse für die weitere Entwicklung des Prozeßdesigns gewonnen werden. Ziel ist es, die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der neuen Prozesse sicherzustellen.
•
Parallel zur Restrukturierung müssen Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen veranlaßt und vorangetrieben werden. Die Aufbauorganisation muß an die neuen Prozesse angeglichen werden; so ist z.B. die Prozeßverantwortung eindeutig zu regeln. Über die fachliche Schulung der Mitarbeiter hinaus müssen diesen neue Werte vermittelt werden - mit der Folge, daß ein kultureller Wandel unabdingbar ist. Die Schaffung einer innovationsfreudigen, informationsoffenen und partizipationsfreudigen Unternehmenskultur bildet die Basis für die Umsetzung eines BPR-Projektes sowie für die dauerhafte Stabilität der Ergebnisse.
•
Das Testen von Pilotversionen zielt darauf ab, die eventuell auftretenden Probleme bei der Prozeßimplementierung zu begrenzen bzw. zu vermeiden, wobei sich die Testversion des Prozesses von dem Prototypen dahingehend unterscheidet, daß die Pilotversion einen vollständig entwickelten Prozeß darstellt. In der Phase der Implementierung wird der Prozeß über seinen kompletten Einsatzbereich produktiv genommen, wobei darauf zu achten ist, daß während der Transitionsphase die Bearbeitung aller Aufgaben weiter möglich ist. Im Anschluß an die Implementierung ist die Leistungsfähigkeit des neuen Prozesses an seinen vorab definierten Zielgrößen zu messen und gegebenenfalls den Ergebnissen auf Basis des alten Prozesses gegenüberzustellen. Bei grundsätzlichen, nicht ohne weiteres revidierbaren Problemen ist eine Neuplanung erforderlich. Durch das Kommunizieren der Erfolge kann die Akzeptanz für Folgeprojekte erhöht und eine anhaltende Stabilisierung des Erfolgs unterstützt werden. Die Stabilisierung des neuen Zustands stellt ein großes Problem von BPRProjekten dar, da sich aufgrund der subjektiven Verschlechterung der Situation für einzelne Mitarbeiter, bedingt durch die Neuartigkeit der Strukturen, latenter Widerstand gegen die neuen Gegebenheiten breitmachen kann. Insofern sind Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung zu ergreifen, die diesen Wirkungen entgegentreten. Da Prozesse aufgrund des dynamischen Umfeldes zudem nicht dauerhaft optimal sind, müssen diese permanent proaktiv an die unternehmensrelevanten Umweltveränderungen angepaßt werden.
4 Prozeßorientierte
250
4.1.2.2
Konzepte
Bewertung von Business-Process-Reengineering-Projekten
Die praxisinduzierte Beurteilung von BPR-Projekten kommt zu konträren Aussagen hinsichtlich der erreichten Effektivitäts- und Effizienzverbesserung und stellt somit ein Paradoxon dar. So konnte z.B. ein Haushaltsgerätehersteller die Abwicklungszeit einer Standardbestellung von 15 Tagen auf einen halben Tag reduzieren. 79 Das Unternehmen MOTOROLA verkürzte sogar die Auftragsabwicklungszeit von drei Wochen auf drei Stunden. 80 Deutlich wird das BPR-Potential vor allem auch im indirekten Bereich; so konnte die GETZNER TEXTIL bei einer Verdoppelung der Aufträge und Varianten im Verwaltungsbereich das Personal von 233 auf 177 Mitarbeiter reduzieren. 81 Auf der anderen Seite verdeutlicht eine Studie, in der 350 Manager befragt wurden, daß lediglich ein Sechstel von ihnen mit den Ergebnissen des BPR-Projektes zufrieden sind. 42% von 600 in einer amerikanischen Untersuchung befragten Konzernen waren mit den Ergebnissen ihres jeweiligen BPR-Projektes nur durchschnittlich oder sogar unzufrieden. Für 25% war das BPR-Projekt sogar ein Flop. In einer Studie von HALL/ROSENTHAL/WADE kristallisiert sich heraus, daß BPR-Projekte zwar häufig die Resultate auf Prozeßebene verbessern, daß aber die Prozeßverbesserung sich nur selten auf unternehmensweite Zielgrößen positiv transformieren und akkumulieren läßt. 82 Projekte, die nicht nur auf der Prozeßebene, sondern auch auf der Unternehmensebene den gewünschten Erfolg aufweisen, unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich der Breite und Tiefe des BPR-Projektes und hinsichtlich der Unterstützung durch das Top-Management von den gescheiterten Projekten. 83 Die Breite des Vorgehens spiegelt sich bei erfolgreichen Projekten darin wieder, daß anstelle enger Prozesse unternehmensweite Prozesse redesigned werden, mit der Konsequenz, daß die Wirkungen auf die unternehmerischen Zielgrößen weit stärker ausfallen, als dies bei der Konzentration auf einzelne Aktivitäten innerhalb eines Funktionsbereiches der Fall gewesen wäre. Erfolgreiche BPR-Projekte zeichnen sich zudem durch eine tiefe Durchdringung des gesamten Unternehmens aus, mit der Folge, daß nicht nur der Prozeß redesigned wird, sondern vielmehr auch Verantwortlichkeiten, Anreizsysteme und Organisationsstrukturen verändert sowie neue Informationstechnologien und eine Unternchmcnskultur des Wandels implementiert werden. Darüber hinaus werden die Mitarbeiter mit Beginn des BPR-Projektes und über das Projekt hinweg kontinuierlich geschult. Letztlich zeichnen sich erfolgreiche BPR-Projekte dadurch aus, daß die Topmanager ihre besten Leute für das BPR-Projekt abstellen, damit diese 20% bis 60% ihrer Arbeitszeit dem BPR-Projekt widmen können.
7 9
V g l . GIRTH ( 1 9 9 4 ) , S. 156.
8 0
V g l . B E R N D T ( 1 9 9 4 ) , S. 7 9 f.
81
V g l . BRECHT/HESS/ÖSTERLE ( 1 9 9 5 ) , S. 118.
8 2
V g l . HALL/ROSENTHAL/WADE ( 1 9 9 3 ) .
83
V g l . KRÄHE ( 1 9 9 8 ) , S. 4 4 .
4 Prozeßorientierte
Konzepte
251
Das BPR versucht, binnen kurzer Zeit die erstarrten Strukturen westlicher Unternehmen, die nur sehr wenig auf die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit ausgerichtet sind, in flexible, wertschöpfungs- und kundenorientierte erfolgsfaktorzentrierten Management-Strukturen bzw. -Prozesse zu transformieren. Insofern wundert es nicht, daß viele Elemente des BPR äquivalent mit denen der Managementansätze sind. Darüber hinaus sind die Elemente des BPR wie auch die der Managementansätze nicht neu. Das Neuartige ist vielmehr die integrative Betrachtung dieser Elemente im Hinblick auf eine Effektivitäts- und Effizienzverbesserung. Neu am BPR-Ansatz ist die konsequente Delegierung von Prozeßverantwortung auf eine Person oder eine Gruppe mit dem Ziel, die Prozeßeffizienz zu verbessern. Die Möglichkeit, die Prozeßverantwortung für einzelne Prozeßabschnitte auf mehrere Organisationseinheiten zu verteilen, um damit die eventuelle Vorteilhaftigkeit einer Arbeitsteilung zu realisieren, wird allerdings von vorherein außer Betracht gelassen. 84 Auffallend ist auch, daß zwar das BPR auf eine effektivere und effizientere Ausrichtung der einzelnen Prozesse abzielt, daß aber die Frage der optimalen Koordination der einzelnen Prozesse im Hinblick auf die unternehmensweiten Zielgrößen nahezu außer acht gelassen wird. So erfolgt lediglich bei sehr komplexen Prozessen eine „dezentrale" Koordination der Caseteams mit Hilfe eines Casemanagers. Offen bleibt die Frage, wie die sich selbst abstimmenden Caseteams bzw. die Caseworker eine unternehmensweite Koordination der ihnen verantwortlich übertragenen Prozesse mittlerer und niedrigerer Komplexität gewährleisten wollen. Gerade die Kategor isierung der Prozesse in unterschiedliche Schwierigkeitsgrade mit dem Ziel einer differenzierten Bearbeitung (Automatisierung, reguläre Bearbeitung, Hinzuziehung von externen Spezialisten) stellt ein weiteres Novum des BPR-Ansatzes dar. Die Konzentration auf allgemeingültige Prozesse im Rahmen von BPR-Projekten negiert das Vorhandensein singulärer Prozesse, die gegebenenfalls gerade den Wettbewerbsvorteil des jeweiligen Unternehmens definieren. Allerdings ist anzumerken, daß die im Rahmen von BPRProjekten häufig eingesetzte IuK-Technologie es gerade ermöglicht, nicht nur standardisierte Prozesse zu optimieren, sondern auch singulare Prozeßabläufe unter Beibehaltung der Individualität zu standardisieren, um so den Wettbewerbsvorteil weiter auszubauen. Durch die Ausrichtung aller Prozesse auf den Kunden wird die von den Unternehmensphilosophien geforderte Kundenorientierung konsequent in den Wertschöpfungsprozeß integriert. Die Parallelisierung von Prozeßschritten, die Delegation von Verantwortung, das konsequente Job Enrichment und Job Enlargement sowie die Verbesserung der Mitarbeiterqualifikation hinsichtlich fachlicher und sozialer Kompetenz und nicht zuletzt die anzuwendenden Leistungsmessungs- und Belohnungssysteme finden sich dagegen in den zuvor dargestellten erfolgsfaktorzentrierten Unternehmensführungsphilosophien wieder. Letztlich stellt das BPR eine Aufzählung und gleichzeitige Restrukturie-
84
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 252 f.
4 Prozeßorientierte
252
Konzepte
rung zu beachtender, allerdings wenig neuer Einzelaspekte dar. Insofern gilt es, wie schon bei den Unternehmensführungsphilosophien, diese Einzelaspekte nicht unreflektiert zu befolgen, sondern in ihrem abstrakten Detaillierungsgrad die Chance und Notwendigkeit für eine situationsadäquate Ausgestaltung zu sehen, wofür das Informationsmanagement eine unabdingbare Voraussetzung darstellt.
4.2
Informationsmanagement
Die Verbindung zwischen strategischer Planung und Informationssystemen wird dem Aufgabenbereich des Informationsmanagements zugeordnet, wobei die Forderung nach einem Management von Informationen, Informationssystemen oder Informationstechnologie bis in die 70er Jahre zurückverfolgt werden kann. Das Informationsmanagement läßt sich demzufolge •
informationspolitikorientiert,
•
informationsgewinnorientiert,
•
informationssystemorientiert sowie
•
potentialorientiert
betrachten. 8 5 Informationspolitikorientierte Ansätze betonen schwerpunktmäßig das Management der Informations- und Wissensversorgung aller aktuell und potentiell verfügbaren internen und externen Informationsempfänger. 8 6 Im Gegensatz dazu heben informationsgewinnorientierte Ansätze den Aspekt der Informationsgenerierung, also die Frage, mit welchen Instrumenten welche Art strategischer Informationen gewonnen werden können, hervor, wohingegen informationssystemorientierte Ansätze 8 7 mehr den informationstechnischen Umsetzungsaspekt der Bedarfsermittlung, Beschaffung und Bereitstellung von Informationen hervorheben, also die strategische Informationssystemplanungßs Insofern geht es bei den informationssystemorientierten Ansätzen um die Frage, wie ein Informationssystem auf Basis moderner IuKTechnologie gestaltet sein muß, damit die relevanten Informationen ermittelt und ad-
85
Vgl. SCHRÖDER (2000), S. 42 f., der in informationsorientierte, und potentialorientierte Ansätze differenziert.
8 6
V g l . PICOT/FRANCK ( 1 9 8 8 ) , S . 5 4 4 f., O r r ( 1 9 9 2 ) , S. 4 7 9 , H A R S / S C H E E R ( 1 9 9 4 ) , S . 8 u n d
87
Unter informationssystemorientierte Ansätze fallen auch teilweise Konzepte, die unter dem Begriff Informationsressourcen-Management subsumiert werden. Zu Informationsressourcen-
88
Vgl. KRÜGER/PFEIFFER (1988), S. 7, WOLFRAM (1990), S. 33 und S. 36 sowie HEINRICH (1996), S. 8 und S. 19.
informationssystemorientierte
HERGET ( 1995), S. 27.
M a n a g e m e n t v g l . W O L F R A M ( 1 9 9 0 ) , S. 3 1 f f .
4 t'rozeßorientierle
Konzepte
253
äquat aufbereitet werden können. Im Gegensatz dazu ist der zentrale Punkt potentialorientierter Ansätze die systematische Suche nach neuen strategischen Anwendungstechniken der luK-Technologie mit dem Ziel, die Wettbewerbsposition zu verbessern
4.2.1
Informationspolitik als Aufgabe des Informationsmanagements
Die von außen und innen an die Unternehmensführung herangetragenen Informationen stellen für die Prozeßoptimierung eine wichtige Ressource dar, da sie die Basis dafür bilden, frühzeitig auf Veränderungen, Trends bzw. allgemeine Diskontinuitäten innerhalb und außerhalb des Unternehmens reagieren zu können. Informationen stellen in diesem Sinne ein zentrales Mittel zur Gestaltung der Interaktion zwischen Individuen dar. Insofern korrespondiert die Informationspolitik, deren Aufgabe es ist, •
alle aktuellen und potentiellen Empfänger mit Informationen zu versorgen,
bei extern orientierter Sicht mit dem Marketing und der Beschaffung sowie bei intern orientierter Sicht mit dem Personalmanagement. Hinsichtlich der Informationen, die das Unternehmen an die externen Kunden richtet, bietet sich der Einsatz kommunikationspolitischer Marketinginstrumente, wie z.B. der Werbung oder der Public Relations, an. Zentraler für die prozeßorientierte Unterstützung der Unternehmensfuhrungsphilosophien ist jedoch die Wirkung einer nach innen gerichteten sowie einer auf das Beschaffungswesen ausgerichteten Informationspolitik. Wie bereits dargestellt, basieren die erfolgsfaktorzentrierten strategischen Managementkonzepte auf einer nach innen und nach außen gerichteten Informationsoffenheit, da nur hierdurch eine durchgängige partnerschaftliche, inner- und interbetriebliche Wertschöpfungkette aufgebaut werden kann. Ferner ist für eine erfolgsfaktorzentrierte und somit zwangsläufig prozeßorientierte Unternehmensorganisation das Arbeiten in Teams von entscheidender Bedeutung. Durch eine Reintegration von Leitungs-, Planungs-, Steuerungs- und Wertschöpfungsfunktionen zu ganzheitlich definierten Prozessen, die einzelnen Arbeitsgruppen zugeordnet werden, kommt es zu einem Wandel der Ablauf- und Aufbauorganisation, weg von einer hierarchischen Organisationspyramide hin zu einem prozessualen Unternehmenshaus.90 Im Gegensatz zur Organisationspyramide, bei der einzelne „Miniprozesse" bzw. Aktivitäten zentral durch Weisungen und Rückmeldung gesteuert werden, werden im prozessua89
Vgl. ÖSTERLE (1987), S. 24, GRIESE (1990), S. 644 und S. 656, und BRENNER/HAMM (1994), S. 9.
90
Vgl. BOGASCHEWSKY/ROLLBERG (1998), S. 119.
254
4 Prozeßorientierte
Konzepte
len Unternehmenshaus lediglich die von den Prozeß verantwortlichen gesteuerten und parallel verlaufenden Prozesse mit der obersten Unternehmenszielsetzung abgeglichen, wobei die eigenverantwortlichen Teams ihre Arbeitsergebnisse (Material- und Informationsstrom) entlang der inner- und interbetrieblichen Kunden-LieferantenKette an den jeweils nachfolgenden Kunden weiterleiten. Von entscheidender Bedeutung für den Aufbau von Team- und Prozeßstrukturen ist dabei, daß die Führungskräfte die Mitarbeiter durch ein bewußt offenes Informationsverhalten in das Unternehmensgeschehen integrieren. Gerade Informationen in Form eines Feedback seitens des Vorgesetzten über die erbrachte Leistung steigern das Selbstwertgefuhl. Dabei ist zu beachten, daß nicht nur positive Bewertungen motivierend und leistungssteigernd wirken, sondern es prinzipiell darum geht, den Mitarbeiter als gleichwertiges Mitglied der Unternehmensgemeinschaft anzusehen. 91 Ferner trägt dies dazu bei, dem eingangs dargestellten Wertewandel von den klassischen Tugenden wie Pflichtbewußtsein und Ordnung hin zu eher hedonistischen Werten wie Kreativität und Selbstverwirklichung gerecht zu werden. Die Führungskräfte haben sich als Informationsdienstleister zu verstehen, deren Aufgabe es ist, autonome Freiräume für den Einzelnen oder die Gruppe zu schaffen und sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, damit die Mitarbeiter die ihnen überlassen Aufgabenbereiche sebstbestimmt organisieren sowie eigenständig durchfuhren und koordinieren können. Trotz dieser nicht neuen Forderung nach einer innen- und außengerichteten offenen Informationspolitik beurteilen die Mitarbeiter häufig die Informationen über die Geschäftsstrategie als sehr defizitär. 92 M A R C H A R ZINA verdeutlicht anhand von 1314 Arbeitnehmeranworten, daß die Mitarbeiter neben Informationen über die Arbeitsplatzsicherheit vor allem Aussagen hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Unternehmen, der Beschäftigungslage sowie über die Entwicklung und Zukunft des Unternehmens vermissen. 93 29% der Führungskräfte sehen es nicht als ihre Pflicht an, Mitarbeiter über die Situation des Unternehmens zu informieren, obwohl dies seitens der Unternehmensleitung vorgesehen sein kann. Erstaunlich ist auch, daß mit abnehmender hierarchischer Position der Führungkräfte das Interesse an einer offenen Informationspolitik weitgehend schwindet. So sehen 38% der Führungskräfte auf den unteren Managementebenen ihre Informationspflicht als nebensächlich an. Die Ursachen hierfür liegen zum einen in der Informationsunwilligkeit der Führungskräfte und zum anderen in der mangelnden Erkenntnis der Notwendigkeit einer offenen Informationspolitik als unabdingbare Voraussetzung für die prozessuale und teamorientierte Organisationsstruktur. Gerade teamorientierte Organisationsstrukturen zeichnen sich aber dadurch aus, daß alle Teammitglieder im Team und über das Team hinaus für die Initiierung eines aktiven Informationsmanagements verantwortlich sind und nicht Einzelne, wie etwa die Teamleiter,
91
V g l . FRANKE (1980), S. 37.
9 2
Vgl. STEINBACH (1997), S. 3 6 0 f.
93
V g l . MARCHARZINA (1990), s. 124 ff.
4 Prozeßorientierte Konzepte
255
Informationen als Instrument zur dirigistischen Steuerung einsetzen. 94 Insofern ist es von zentraler Bedeutung, daß die Mitarbeiter hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenz geschult werden, um sie in die Lage zu versetzen, die relevanten Informationen aus der Informationsüberflutung herauszufiltem, zu verarbeiten und an die betreffenden Personen weiterzuleiten. Entsprechend stellen Informationen eine kritische Ressource dar, deren Qualität, rechtzeitige Verfügbarkeit und richtiger Einsatz für die Effektivität und Effizienz sämtlicher Prozesse und damit für den Erfolg des Unternehmens von strategischer Bedeutung sind. 95 Wird eine offene Informationspolitik als ganzheitliche Aufgabe des Informationsmanagements erkannt, so ist eine Informationskultur zu schaffen, die alle Unternehmensmitglieder in eine aktive Informationsbeschaffung, -aufbereitung und -weitergäbe einbezieht. Ein derartiger Wandel in der Unternehmenskultur läßt sich im Gegensatz zum Business Process Reengineering nicht ad hoc implementieren. Vielmehr bedarf es eines bewußt und behutsam gesteuerten Entwicklung- und Lernprozesses, an dessen Ende ein ungehinderter Informationsfluß entlang der gesamten Wertschöpfungskette inklusive externer Bezugsgrößen wie Lieferanten und Abnehmer steht. Gerade in der Einfuhrungsphase einer offenen Informationskultur ist es wichtig, ein Gremium aus Mitgliedern der obersten Führungsebene einzurichten, das quasi als Katalysator und Promotor für die Informationsbewegung im Unternehmen fungiert. Den systemtechnischen Aspekten der Informationspolitik kommt eher eine MittelZweck-Funktion zu. Dabei besteht die Hauptaufgabe entsprechender Informationsund Kommunikationssysteme nicht zwingend darin, immer mehr und neue Informationen bereitzustellen, sondern vielmehr, die immer komplexer werdende Informationsflut zu filtern, aufzubereiten und die relevanten Informationen besser zu kommunizieren und zu nutzen.
4.2.2
Gewinnung strategischer Informationen als Aufgabe des Informationsmanagements
Neben der Informationspolitik stellt die Gewinnung strategisch relevanter Informationen eine weitere Aufgabe des strategischen Informationsmanagements dar. Dem Informationsmanagement obliegt diesbezüglich die Aufgabe •
eines extern und intern orientierten „Umfeld-Radars", dessen Ziel es ist, frühzeitig schwache Signale aufzunehmen, um so schneller auf Veränderungen im Hinblick auf eine erfolgsorientierte Ausrichtung des gesamten Unternehmens reagieren zu können bzw. aus sich heraus notwendige Anpassungen und Innovationen hin-
94
Vgl. STEINBACH (1997), S. 362.
95
Vgl. STEINBACH (1997), S. 364.
4 Prozeßorientierte
256
Konzepte
sichtlich der Parameter Strategie, Struktur, Technologie und vorzunehmen und voranzutreiben.
Unternehmenskultur
Neben den klassischen Instrumenten der strategischen Informationsgewinnung, die sich schwerpunktmäßig auf vorhandene monetäre und vergangenheitsorientierte Größen beschränken, 96 werden zunehmend Konzepte des Performance Measurement diskutiert, 97 mit denen versucht wird, multidimensional sowohl ex-post- als auch ex-ante-orientierte Informationen zu gewinnen, um diese multifunktional zu nutzen.
4.2.2.1
Klassische Instrumente zur Gewinnung strategischer Informationen
Zu den klassischen Instrumenten, mit denen strategische Informationen gewonnen werden können, zählen u.a. die •
Umweltanalyse,
•
Unternehmensanalyse sowie die beide Analysebereiche vereinigende
•
integrierte Analyse. 98
4.2.2.1.1
Umweltanalyse
Um im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung die Chancen und Risiken einer Marktentwicklung frühzeitig zu erkennen und zu bewerten, sind neben monetären Fakten vor allem qualitative Informationen - Imponderabilien99 - und schwache Signale zu verarbeiten. Damit ein etwaiger Strukturwandel rechtzeitig erkannt wird und Strategien abgeleitet werden können, sind zunächst im Rahmen einer Umweltanalyse 1 0 0 die exogenen Einflußfaktoren und Rahmenbedingungen, die die strategische Planung determinieren, zu ermitteln. 101 Ökonomische Rahmenbedingungen 102 umfassen die gesamtwirtschaftlichen und branchenspezifischen Entwicklungen, welche die zukünftigen Konstellationen auf den unternehmensrelevanten Beschaffungs- und Absatzmärkten beeinflussen. So lie96
V g l . WEBER/SCHÄFFER ( 2 0 0 0 ) , S. 3.
9 7
Vgl. A b s c h n i t t 4.2.2.2.2.
9 8
V g l . VOIGT (1992), S. 319 f.
9 9
Z u m B e g r i f f Imponderabilien vgl. K.F.UPER (1999), S. 41 f. sowie A b s c h n i t t 4.2.2.1.3.
100
Vgl. KREILKAMP (1987), S. 7 0 ff. und ZÄPFEL (1989), S. 40 f.
101
Vgl. HANSMANN/VOIGT ( 1 9 9 8 ) , S. 7 f.
102
Vgl. ZÄPFEL (1989), S. 4 0 f.
-I Prozeßorientierte Konzepte
257
fert z.B. die Entwicklung der Beschäftigung und des Einkommens erste Anhaltspunkte für eine zielgruppenorientierte Marktbearbeitung. Eine Analyse der Faktormärkte (Beschaffungsmarktanalyse i.w.S.) ermöglicht es ferner, frühzeitig Konzentrationstendenzen aufzuzeigen, um so drohenden Abhängigkeiten entgegenzuwirken. Mit Hilfe von Marktanalysen gilt es insbesondere auf Absatzmärkten, rechtzeitig Veränderungen in der Nachfrage- und Angebotsstruktur zu erkennen, da die Marktstruktur die inhaltlichen Anforderungen an die zukünftige strategische Unternehmensplanung determiniert. 103 Die technologischen Rahmenbedingungen 104 bilden den Stand der Produkt- und Fertigungsprozeßtechnik ab. Unternehmen, die einem starken technologischen Wandel unterliegen, müssen die technologischen Entwicklungen darauf hin analysieren, welche Anforderungen sich aus ihnen für die eigene kundenorientierte Produkt- und Prozeßgestaltung ergeben. Wichtige Informationen für die Beurteilung von Investitionen in Neuentwicklungen (Nettoinvestitionen) sind z.B. Angaben über den Zeitpunkt der Marktreife der Innovationen bzw. über die Länge der sich anschließenden Diffusionsphase, um den Zeitraum der Entwicklungs- und Markteinführungskostenamortisation abschätzen zu können. 105 Da die Vielzahl unüberschaubarer und global wirkender Umweltbelastungen durch wirtschaftliches Handeln verursacht wird, kommt den Beziehungen zwischen Ökonomie, Ökologie und Technologie eine besondere Bedeutung zu. Das Beziehungsgeflecht zwischen diesen drei strategischen Rahmenbedingungen stellt dabei die strategische Herausforderung für eine marktorientierte Unternehmensführung und damit auch für eine marktorientierte strategische Produktionsprogrammplanung dar. 1 0(> Die 107 Verknappung natürlicher Ressourcen, verschärfte Umweltgesetzgebung sowie eine zunehmende gesellschaftliche Sensibilisierung für die ökologischen Auswirkungen betrieblicher Tätigkeiten sind Formen veränderter und teilweise erschwerter ökologischer Rahmenbedingungen 108 und zwingen die Unternehmen, sich mit ihren Austauschbeziehungen zur natürlichen Umwelt auseinanderzusetzen und ein aktives Um-
103
Weitere Beispiele finden sich bei ZÄPFEL (1989), S. 41.
104
Vgl. MEI FERT (1994), S. 10.
105
Vgl. KEUPER (1999), S. 165.
106
Vgl. MEFFERT (1994), S. 7 ff.
107
Die Umweltgesetzgebung gehört originär zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Gleichwohl wird sie in der Literatur zu den ökologischen Rahmenbedingungen gezählt; vgl. KREILKAMP (1987), S. 79. Auch die ökologischen und sozio-kulturellen Rahmenbedingungen sind nicht disjunkt. Beispielsweise wird das zunehmende Umweltbewußtsein sowohl zu den ökologischen, vgl. K.REILKAMP (1987), S. 79, als auch zu den sozio-kulturellen Rahmenbedingungen, vgl. ZÄPFEL (1989), S. 41, gezählt.
108
Eine ausführliche Darstellung ökologischer Rahmenbedingungen findet sich bei K.REIKEBAUM (1991), S. 33.
258
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Weitmanagement als strategisches Element zu betreiben. 109 In Analogie zu den technologischen Rahmenbedingungen beeinflussen auch die ökologischen Rahmenbedingungen, wie z.B. die Verfügbarkeit von Energie, das Umweltbewußtsein oder das Vorhandensein von Recyclingmaterial, die Produkt- und Prozeßgestaltung. Die dadurch verbesserte Umweltverträglichkeit von Produkten und Prozessen kann einerseits vom Konsumenten als zusätzlicher Nutzen wahrgenommen werden, andererseits besteht u.U. die Möglichkeit, ein umweltfreundliches Substitutionsgut kostengünstiger anzubieten. 110 Sozio-kulturelle Rahmenbedingungen repräsentieren Einflüsse, die aus der gesellschaftlichen Wertvorstellung auf das Unternehmen wirken. 111 Die dabei entstehenden Veränderungstendenzen können sich sowohl auf das Unternehmensumfeld - z.B. Veränderung des Anspruchniveaus der Konsumenten auf dem Absatzmarkt - als auch auf den internen Unternehmensbereich - z.B. Veränderung der Arbeitsmentalität auswirken. 112 Insofern beeinflussen soziale und gesellschaftliche Umweltfaktoren die Akzeptanz von Produkten und Prozessen und determinieren damit letztendlich den Markterfolg. Gesetzliche Rahmenbedingungen beeinflussen das nach innen und außen gerichtete Unternehmensverhalten vor allem über Gesetze, Verordnungen und dergleichen (z.B. Arbeits- und Tarifrecht bzw. Regelung über den unlauteren Wettbewerb und Gesetze über die Gründung von Unternehmen).113
4.2.2.1.2
Unternehmensanalyse
Neben der Umweltanalyse ist für die strategische Unternehmensplanung insbesondere die Unternehmensanalyse von Bedeutung, •
da mit Hilfe der Unternehmensanalyse versucht wird, Informationen über die (zumindest kurzfristig) häufig nicht beliebig veränderbaren Unternehmensressourcen und -strukturen zu gewinnen.
1 0 9
V g l . MEFFERT ( 1 9 9 1 ) , S. 11 ff. und MF.FFERT/ KIRCHGEORG ( 1 9 9 8 ) , S. 7 0 ff.
1 1 0
Erzielen u m w e l t g e r e c h t e Produkte weder einen lndividualnutzen noch einen ökonomischen Anreiz, so handelt es sich um öffentliche Güter, bei denen sich ein k l a s s i s c h e s Marktversagen einstellt. V g l . MEFFERT/ KIRCHGEORG ( 1 9 9 4 ) , S. 2 8 .
111
V g l . ZÄPFEL ( 1 9 8 9 ) , S . 4 3 .
1 1 2
V g l . STEINRÜCKE ( 1 9 9 7 ) , S. 7 8 .
113
V g l . K E U P E R ( 1 9 9 9 ) , S . 166 f.
4 Pro-eßorientierle
Konzepte
259
Zu diesen Informationen sind Angaben über die finanziellen, physischen (z.B. Grundstücke und Gebäude), Human- und technologischen Ressourcen, wie sie im Knowhow eines Unternehmens zum Ausdruck kommen, zu zählen." 4 Innerhalb einer endogenen Stärken- und Schwächenanalyse werden diejenigen Potentiale bestimmt, die die gegenwärtigen und zukünftigen Stärken und Schwächen des Unternehmens darstellen. 115 Zur Ermittlung spezifischer Kompetenzen erfolgt zunächst die Ableitung eines Ressourcenprofils (Stärken-/Schwächenprofil), um anschließend die relevanten, meist qualitativen Kriterien mittels eines scharfen Unipolarwertes zu bewerten. Neben der Ermittlung eines Stärken-Schwächen-Profils gilt es im Rahmen der Unternehmensanalyse die mit der Erzeugung eines Produktes verursachten Kosten sowie die für eine Leistungserstellung notwendigen Investitionen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist für die strategische Produktkostenplanung vor allem das Erfahrungskurvenkonzept von Bedeutung, das besagt, daß bei jeder Verdopplung der kumulierten Ausbringungsmenge die realen Stückgesamtkosten um 20% bis 30 % sinken. 116 Der Kostenrückgang läßt sich auf vier Effekte zurückführen. Erstens lassen sich bei fortdauernder Produktion Lernkurveneffekte in Verbindung mit Spezialisierungseffekten erzielen. Ferner reduziert der technische Fortschritt bedingt durch Prozeß- und Produktinnovationen die Stückgesamtkosten. Drittens verbessern Rationalisierungsmaßnahmen die Wirtschaftlichkeit, und viertens beinhalten Degressionseffekte in Form steigender Skalenerträge117 sowie im Rahmen von Beschäftigungsbzw. Fixkostendegressionseffekten118 und Verfahrensdegressionseffekten119 erhebliche Kostendegressionspotentiale. Aus dem Erfahrungskurvenkonzept können die zukünftige eigene Kostenentwicklung, die Strategiefindung sowie die Analyse und Prognose der Wettbewerbssituation und Preisentwicklung des Marktes als strategische Implikationen abgeleitet werden. 120 Sofern die Ceteris-paribus-Annahme gilt, lassen sich auf Basis des Erfahrungskurveneffektes die zukünftigen Stückkosten näherungsweise bestimmen. Wird die kumulierte Ausbringungsmenge mit dem Marktanteil gleichgesetzt, so kann festgehalten werden, daß das Unternehmen, dessen Marktanteil im Verhältnis zum größten Kon114
Vgl. V 0 l G T ( 1 9 9 2 ) , S. 341.
115
Vgl. MEFFERT(1998), S. 64 ff.
116
Vgl. VOIGT ( 1 9 9 2 ) , S. 343.
117
S t e i g e n d e S k a l e n e r t r ä g e bedeuten, d a ß mit der E r h ö h u n g des Inputs eine ü b e r p r o p o r t i o n a l e E r h ö h u n g d e s O u t p u t s verbunden ist.
'18
F i x k o s t e n d e g r e s s i o n bedeutet, d a ß bei steigender P r o d u k t i o n s m e n g e die S t ü c k f i x k o s t e n gesenkt w e r d e n .
119
U n t e r V e r f a h r e n s d e g r e s s i o n s e f f e k t e n wird d e r Ü b e r g a n g zu kostengünstigeren P r o d u k t i o n s verfahren verstanden.
120
Vgl. zu den n a c h f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n a u s f ü h r l i c h VOIGT(1992), S. 347 ff.
260
4 Prozeßorientierte
Konzepte
kurrenten über eins liegt, die kostengünstigste Position inne hat. Insofern sind aus der Sicht des Erfahrungskurveneffektes solche Produkt-Markt-Felder zu besetzen, in denen das Unternehmen über eine Vorreiterstellung verfugt und in denen es rasch einen hohen Marktanteil erreichen oder gar die Marktfuhrerschaft erzielen kann. Ist es nicht möglich, solche Alternativen zu finden, bietet sich die Spezialisierung auf eine bestimmte Marktnische an. Letztlich kann auch retrograd aus den ermittelten Marktanteilen der Konkurrenten auf deren jeweilige Kostensituation geschlossen werden. Allerdings gelingt dies nur unter der Annahme, •
daß die Marktanteile den kumulierten Mengen entsprechen,
•
alle angebotenen Produkte bzw. Problemlösungen mit den eigenen Waren und Dienstleistungen nahezu identisch sind und
•
alle Marktteilnehmer auf derselben Erfahrungskurve liegen.
4.2.2.1.3
Integrierte Analyse
Die Auswertung der exogenen und endogenen Daten in Form von Strategieempfehlungen obliegt dem Planer und erfolgt mit Hilfe von integrierten Analysetechniken, wie z.B. der SWOT- oder der Portfolioanalyse. 1 2 1 Die S W O T (= Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats)-Analyse stellt eine Kombination von endogener Stärken-Schwächen-Analyse und exogener ChancenRisiko-Analyse dar. Ziel der SWOT-Analyse ist es, •
den Handlungsrahmen des strategischen Managements auf die mit dem spezifischen und potentiellen Ressourcenprofil des Unternehmens errreichbaren Handlungsalternativen zu fokussieren.
Die nachfolgende Tabelle 4.4 verdeutlicht beispielhaft eine SWOT-Analyse des Volkwagenkonzerns.
Neben der S W O T - und der Portfolioanalyse können noch die Produktlebenszyklusanalyse, die Programmstrukturanalyse, die Produktpositionierung und die Absatzmittlerakzeptanzanalyse als (zumindest teilweise) integrierte Analysemethoden angesehen werden. Zu den aufgezählten Analysemethoden vgl. ausführlich MEFFERT (1998), S. 65 f. und S. 327 ff.
4 Prozeßorieniierte
Chancen a •X
h
• •
t»
aV u
»
ja
w
(ZJ
Tab. 4.4:
•
•
Starke Nachfragebelebung bei verbrauchsgünstigen Motoren Nachfrageverlagerung von Oberklasse- zu MittelklassePKWs
Konzepte
261
Risiken •
Starkes Markenanteilswachs• tum leistungsstarker Sport- und Fun-PKWs Nachfragesteigerung bei zweisitzigen, elektrisch betriebenen Stadtautos
Die chinesische Regierung erlaubt zahlreichen Konkurrenten den Aufbau von Fabriken Starkes Marktwachstum in der Kompaktwagenklasse in den USA; geringe Partizipation am US-Marktwachstum wegen niedrigen VW-Marktanteils in den USA
SWOT-Analyse am Beispiel des Volkswagenkonzerns
'22
Beim Portfoliomanagement werden die Marktbereiche in strategische Geschäftsfelder (SGF) und das unternehmerische Betätigungsfeld in strategische Geschäftseinheiten (SGE) segmentiert, welche jeweils eine Produkt-Markt-Kombination darstellen und einen eigenständigen Beitrag zum Untemehmenserfolg leisten.' 2 3 Die Chancen und Risiken der strategischen Geschäftsfelder und die Stärken und Schwächen der darauf agierenden strategischen Geschäftseinheiten werden durch einzelne oder aggregierte, ausgewählte Erfolgsgrößen beurteilt und anschließend in Abhängigkeit von der Anzahl an Bewertungsklassen in einer zweidimensionalen Vier- oder Neunfeldermatrix abgebildet. 124 Für jedes Feld wird eine Normstrategie entwickelt, die aufgrund ihres allgemeinen Charakters vom Planer situativ angepaßt und operationalisiert werden muß.
122
Q u e l l e : In A n l e h u n g a n MEFFERT ( 1998), S. 66.
123
V g l . ALBACH ( 1978), S. 705 ff.
124
Vgl. PFEIFFER ET AL. ( 1 9 8 3 ) , S. 64 ff. und STEINRÜCKE (1997), S. 80.
262
4 Prozeßorientierte
Abb. 4.4:
Konzepte
McKlNSEY-Portfolio
Klassische Portfolioansätze basieren auf einzelnen oder aggregierten Erfolgsgrößen und weisen einige grundsätzliche Schwächen auf. 1 2 5 So werden bei SinglefaktorPortfolios, wie dem Marktanteil-Marktwachstum-Portfolio, i.d.R. ausschließlich deterministische oder objektiv stochastische, quantitative Größen verwendet. Neben dem Problem, in schlechtstrukturierten Planungssituationen, wie sie die strategische Programmplanung darstellt, 126 deterministische oder stochastische, quantitative Daten zu erhalten, erscheint die Simplifizierung einer solchen Situation zu einer Einfaktorenbetrachtung nicht sachadäquat. Multifaktormodelle wie das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteil-Portfolio versuchen diese Nachteile dadurch zu kompensieren, daß sie mehrere quantitative und qualitative ökonomische Kriterien, die hierarchisch untergliedert sind, zu einer Erfolgsgröße aggregieren. 127 Die Kriterien weisen dabei i.a. die drei linguistischen Ausprägungen „niedrig", „mittel" und „hoch" auf, 1 2 8
125
Vgl. MEFFERT (1988), S. 241 ff.
126
Zu schlechtstrukturierten Entscheidungssituationen vgl. ADAM (1996), S. 10 ff., HERING (1999), S. 4 f. und ausführlicher KEUPER (1999), S. 17 ff.
127
Vgl. ZÄPFEL(1989), S. 7 4 f.
128
Vgl. ZÄPFEL (1989), S. 81 f.
4 Prozeßorienlicrte
Konzepte
263
welche jedoch auf einen pseudodeterministischen Punktwert künstlich geschärft und mit Hilfe von Scoringmodellen zu einem Unipolarwert aggregiert werden. Die aggregierten Unipolarwerte bilden dabei die jeweilige x- und y-Koordinate für die in der Portfolio-Matrix zu positionierenden strategischen Geschäftseinheiten. Diese Konstruktion wird als Punktpositionierung bezeichnet, wobei die Radien der eingezeichneten Kreise die vergangenheitsorientierte oder die erwartete pseudodeterministische Umsatzhöhe in Relation zu den übrigen SGEs angibt. Problematisch bei diesem Vorgehen ist, daß die deterministische Vorgehensweise eine Genauigkeit vortäuscht, die dem zugrundeliegenden realen Problem nicht gerecht wird. Um die Vorteilhaftigkeit einer strategischen Geschäftseinheit durch das Abwägen des Chancen-Risiko- und des Stärken-Schwächen-Potentials zu bestimmen, müssen die Achsen eines Scoring-Portfolios identische Maßeinheiten aufweisen. Hieraus folgt, daß die zu berücksichtigenden Beziehungen zwischen den Kriterien innerhalb des Scoring-Portfolios komplementär unabhängig oder alternativ ausgestaltet sein müssen. 1 2 9 Komplementär unabhängig bedeutet, daß die Wirkungsrichtung zweier untergeordneter Kriterien auf das übergeordnete Kriterium identisch ist, wobei die individuelle Wirkungsstärke eines Kriteriums unabhängig von der jeweiligen Wirkungsstärke des anderen Kriteriums ist. 1 3 0 Alternative Kriterien liegen vor, wenn sich in Abhängigkeit von der Situation entweder das eine oder das andere Subkriterium auf das Zielkriterium auswirkt. Werden diese Anforderungen nicht berücksichtigt, so wird der Gesamtpunktwert aufgrund des mehrmaligen Erfassens des gleichen Wirkungszusammenhangs verfälscht. In praxi gelten jedoch fur unterschiedliche strategische Geschäftseinheiten unterschiedliche Detailkriterien mit variierenden Detaillierungsgraden. 13 ' Aufgrund des hohen Aggregationsniveaus der strategischen Produktionsprogrammplanung müssen die unterschiedlichen Bewertungspunkte abstrakt linguistisch formuliert werden, so daß eine theoretisch korrekte Kriterienseparation nach komplementär unabhängigen bzw. alternativen Kriterien faktisch nahezu unmöglich ist. Zudem ist die Zuordnung der originären Kriterienausprägung zu dem abstrakten linguistischen Bewertungskriterium in klassischen Scoring-Portfolios intransparent, da i.d.R. keine mathematische Transformationsvorschrift existiert. Hinzu kommt, daß die Ausgestaltung des abstrakten linguistischen Beurteilungskriteriums situationsspezifisch zu erfolgen hat, 1 3 2 so daß ein und dieselbe individuelle Kriterienausprägung unterschiedliche Kriterienwerte nach sich ziehen kann. 1 3 3 Diesem Gesichtspunkt können klassische Scoring-Portfolios lediglich durch eine unterschiedliche Gewichtung oder durch eine veränderte Bewertungsklasseneinteilung Rechnung tragen. Zudem ist realiter eine strikte Trennung in komplementär unabhängige oder alternative
1 2 9
V g l . LAYER ( 1 9 9 8 b ) , S. 11.
1 3 0
V g l . BAMBERG/COENENBERG ( 1 9 9 6 ) , S. 4 4 ff.
131
V g l . ZÄPFEL ( 1 9 8 9 ) , S. 4 6 .
1 3 2
V g l . ZÄPFEL ( 1 9 8 9 ) , S . 4 7 .
1 3 3
V g l . K E U P E R ( 1999), S. 169.
2 6 4
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Kriterienpaare aufgrund des hohen Abstraktionsgrades der strategischen Programmplanung nur schwer durchzuhalten. Die Unterteilung der Erfolgsgrößen in drei Kategorien ermöglicht bei MultifaktorPortfolios im Gegensatz zur Zweiteilung bei Singlefaktor-Portfolios eine differenziertere Strategieempfehlung. Allerdings ist, wie schon bei den Singlefaktor-Portfolios, die Einordnung des aggregierten Punktwertes in einzelne Klassen anhand scharfer Grenzwerte vor allem in der Nähe von Klassenübergängen problematisch. Zum einen sind die aggregierten grenznahen Größen interpretationsbedürftig, zum anderen wird die scharfe willkürliche Klassifikation und Feldeinteilung134 dem qualitativen Charakter der Planungssituation nicht gerecht, so daß eher von fließenden Klassenübergängen als von scharfen Klassengrenzen gesprochen werden müßte. 135 Als Fazit bleibt festzuhalten, daß Portfolioansätze mit der Positionierung von strategischen Geschäftseinheiten versuchen, von der Komplexität und damit der Strukturdefektheit der Planungssituation zu abstrahieren und diese Simplifikation grafisch so aufzubereiten, daß allgemeine Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. Jedoch ist diese Vereinfachung auf eine zweidimensionale Sichtweise und einen pseudodeterministischen Punktwert nicht problemadäquat. Vielmehr gilt es, eine möglichst hohe Anzahl von unternehmensrelevanten Erfolgsgrößen im Rahmen der Umwelt- und Unternehmensanalyse zu erfassen, die Freiheitsgrade möglicher Ausprägungen und damit die extreme Unschärfe in der strategischen Planung in die Portfolioansätze zu integrieren und möglichst ganzheitlich zu visualisieren. Ferner erscheint es sinnvoll, bereits in der Modellbildungsphase das Expertenwissen des Planers zu integrieren und nicht nur im Rahmen der operativen Ausgestaltung der Normstrategien zu nutzen sowie die sachlich nicht begründbaren, scharfen Klassengrenzen der Erfolgsgrößen problemadäquat zu relaxieren. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Entscheidungsgrundlage durch einen dem menschlichen Denkprozeß nachempfundenen Strukturierungsablauf unter Beibehaltung der situationsinhärenten Unschärfe und eines Mindestmaßes an notwendiger Modellkomplexität im Sinne einer ganzheitlichen Situationsbeurteilung zu verbessern. Die Simplifizierung der strukturdefekten strategischen Planungssituation auf zwei Dimensionen ist, wie zuvor erläutert, nicht sachadäquat. Von den fünf im Rahmen der Umweltanalyse dargestellten Rahmenbedingungen sind vor dem Hintergrund einer zunehmenden Umweltorientierung der Märkte 1 3 6 und einer wachsenden Dynamisierung des technischen Fortschritts 137 die Beziehungen zwischen den ökonomischen, ökologischen und technischen Rahmenbedingungen von herausragender Bedeu-
134
Vgl. MEFFERT (1994), S. 7 ff.
135
Vgl. KEUPER( 1999), S. 170.
1 3 6
V g l . MEFFERT/KIRCHGEORG ( 1 9 9 8 ) , S . 3 f f .
1 3 7
V g l . SEIFERT/STEINER ( 1 9 9 5 ) , S. 22.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
265
tung. 1 3 8 Es ist somit unabdingbar, die Zielkongruenz zwischen wirtschaftlichen, technischen und umweltbezogenen Zielen im Rahmen der strategischen Planung zu verstärken,139 Diesem Gedanken wird durch das auf der Theorie unscharfer Mengen basierende dreidimensionale, wissensbasierte Fuzzy-Ökonomie-Ökologie-Technologie-Portfolio 140 (FÖÖT-Portfolio) Rechnung getragen. 141 Die in der strategischen Produktionsprogrammplanung vorherrschende Entscheidungssituation ist durch das gleichzeitige Vorliegen von Unsicherheit und Unscharfe geprägt, so daß es eines Instrumentes bedarf, das in der Lage ist, alle Arten der Unsicherheit oder Unschärfe abzubilden. Während die stochastische Unsicherheit - visualisiert durch Wahrscheinlichkeitsfunktionen - Ereignissen Wahrscheinlichkeiten zuordnet und das Ereignis selbst immer eindeutig definiert ist, bezieht sich die Vagheit auf ein oder mehrere gleichzeitig zu beachtende Attribute eines Merkmals und damit auf die Unscharfen menschlicher Denk-, Formulierungs- und Entscheidungsprozesse.142 Dabei ist ein Attribut (z.B. „niedrig", „mittel" oder „hoch") oder eine Relation (z.B. „wesentlich größer als" oder „erheblich risikoreicher als") als unscharf definiert, •
wenn die Menge der Elemente, auf die das Attribut oder die Relation zutrifft, nicht eindeutig von der Menge der nichtzutreffenden Objekte abgrenzbar ist.
Diese nicht exakt erfaßbaren Gesichtspunkte, deren Quantifizierung aufgrund der Strukturdefektheit, insbesondere der Bewertungsdefektheit der Planungssituation, nicht gelungen ist, werden als Imponderabilien bezeichnet. 143 Mit der Fuzzy-SetTheorie, d.h. der Theorie zur Beschreibung und Verknüpfung unscharfer Mengen, welche 1965 von ZADEH entwickelt wurde, 1 4 4 steht ein solches Instrument zur Verfugung. „Die Fuzzy-Set-Theorie stellt einen Weg dar, die unterschiedlichen Formen der Unschärfe sowie zufällige Unsicherheiten, die in metrischer oder nichtmetrischer Form vorliegen oder aufgrund widersprüchlicher Evidenz entstanden sind, nicht in Form zustandsspezifischer Punktschätzungen abzubilden, sondern die Mehrwertigkeit der Erwartungen bis in die Entscheidungsphase mit Hilfe von Zugehörigkeitsfunktio-
138
Vgl. KREIKEBAUM (1992), S. 2, MEFFERT(1994), S. 7 ff. und MEFFERT/KIRCHGEORG (1998), S. 4 4 ff.
139
Vgl. KREIKEBAUM (1988), S. 103.
140
Vgl. ausführlich KEUPER (1999), S. 185 ff. und kürzer KEUPER (2000b), S. 193 ff.
141
Die ersten Ansätze, die die Theorie unscharfer Mengen mit der Portfolio-Technik zu verbind e n b a s i e r e n a u f ZIMMERMANN ( 1 9 8 9 ) , S. 2 5 3 f f .
142
Vgl. KEUPER (2000a), S. 265.
143
Vgl. KEUPER (2000b), S. 195.
144
Vgl. ZADEH (1965a) und ZADEH (1965b).
266
4 Prozeßorientierte
Konzepte
nen fortzutragen." 145 Die fehlende Präzision bzw. die bestehende Vagheit wird somit im Modellbildungsprozeß von vornherein explizit toleriert. Anstelle der Dichotomie des CANTORschen Mengenbegriffs 146 , bei dem eine Aussage entweder wahr oder falsch sein kann (tertium non datur) bzw. ein Element in einer Menge enthalten ist (Zugehörigkeitswert: 1) oder nicht (Zugehörigkeitswert: 0), wird in der Fuzzy-Set-Theorie mit Hilfe einer Zugehörigkeitsfunktion der Zugehörigkeitsgrad eines Elementes zu einer Menge betrachtet. Da die Übergänge der Zugehörigkeit fließend sind, wird diese Menge als unscharfe Menge bezeichnet. Eine unscharfe Aussage kann somit „ziemlich wahr" und gleichzeitig „etwas falsch" sein. Beispielsweise kann die „Marktattraktivität" 147 sowohl als „mittelmäßig" als auch als „weniger schlecht" quantifiziert werden. Diese Sichtweise der Unschärfe basiert auf der Annahme, daß die vagen Begriffe „mittel" bzw. „weniger schlecht" einen reellwertigen, jedoch nicht bestimmbaren Wert beschreiben. Beispielsweise wird die Zugehörigkeitsfunktion (I eines LR-Fuzzy-Intervalls durch die Notation M = (v L , v R , s L , s R ) festgelegt. 148 Die beiden Punkte v L und v R stellen den linken und den rechten Eckpunkt des Gipfelintervalls [v1-, v R ] auf dem Zugehörigkeitsniveau eins dar. s L und s R geben die linke und die rechte Schwankungsbreite an. Wird L (x) = R ( x ) = max {0;1 - |x|} als Referenzfunktion gewählt, so ergibt sich ein trapezförmiger Funktionsverlauf, bei dem der linke Punkt (v L - s L ) = v u und der rechte Punkt (v R + s R ) = vO die jeweiligen Intervallgrenzen auf dem Nullniveau darstellen. Im Unterschied zum LR-Fuzzy-Intervall weist eine LR-Fuzzy-Zahl nur einen Gipfelpunkt auf, von dem die linke und die rechte Spreizung ausgehen. L|(Vl - x ) / s L
f ü r x < v L , s L >0 fürvL < x < v R
R II x - v R ) / s R
für x > v R , s R > 0
145
KEUPER ( 1 9 9 9 ) , S. 52 f.
146
Zum Mengenbegriff von CANTOR vgl. KEUPER (1999), S. 66 f.
147
Die Marktattraktivität spiegelt die ökonomische Entwicklungsperspektive einer Branche oder eines Marktes wider. Eine ausfuhrliche Darstellung der in die Marktattraktivität einfließenden Faktoren findet sich bei KEUPER (1999), S. 190 ff.
148
Zu den weiteren beispielhaften Ausführungen vgl. KEUPER (2000b), S. 193 ff.
4 Prozeßorientierte
Intervall, Zahl
Konzepte
267
(X)
1
0 ,0
Abb. 4.5:
LR-Fuzzy-Inlervall
und LR-Fuzzy-
Zahl'49
Die Fuzzy-Set-Theorie stellt nicht nur eine Verallgemeinerung der klassischen Mengenlehre, sondern auch eine Verallgemeinerung der zweiwertigen (dualen) Logik dar, was durch den Begriff Fuzzy-Logik verdeutlicht wird. Der Unterschied zwischen Logik und Mengenlehre zeigt sich bei der Betrachtung der entsprechenden Operationen. Während bei Mengenoperationen die einzelnen Mengen mit all ihren Elementen verknüpft werden (als Ergebnis wird wieder eine Menge generiert), findet bei logischen Operationen eine Verknüpfung von Eigenschaften eines oder mehrerer betrachteter Objekte statt (als Ergebnis wird ein Element mit einer bestimmten Eigenschaft generiert). Zur kontinuierlichen Verknüpfung dieser Eigenschaften wurden im Rahmen der Fuzzy-Set-Theorie eine Reihe von Operatoren entwickelt. Diese lassen sich in die Klasse der t-Normen (Durchschnittsoperatoren), der t-Conormen (Vereinigungsoperatoren) und der kompensatorischen Operatoren unterteilen, wobei die t-Norm das logische UND, die t-Conorm das logische ODER und die kompensatorischen Operatoren einen Kompromiß zwischen logischem UND und logischem ODER in wissensbasierten Fuzzy-Systemen abbilden. Generell stellen wissensbasierte Systeme ein Software-System dar, •
in das problemspezifisches Fachwissen explizit implementiert bzw. worin diese separat vom allgemeinen Problemlösungswissen repräsentiert wird. Insofern beinhalten wissensbasierte Systeme sowohl eine Wissensbasis als auch eine Problemlösungskomponente.
Wissensbasierte Fuzzy-Systeme •
149
sind regelbasierte Systeme, in deren Wissensbasis qualitatives, unscharfes Wissen in Form linguistischer Variablen und unscharfer Produktionsregeln hinterlegt ist,
Quelle: KEUPER ( 1 9 9 9 ) , S. 76.
268
4 Prozeßorientierte
Konzepte
so daß auch in der Problemlösungskomponente die tatsächliche Unschärfe adäquat berücksichtigt wird. Eine linguistische Variable ist dadurch gekennzeichnet, daß sie als Werte keine Zahlen oder Verteilungen, sondern sprachliche Konstrukte (sogenannte Terme) annimmt. Ferner ermöglichen wissensbasierte Fuzzy-Systeme eine approximative Inferenz, welche dem menschlichen Schlußfolgerungsprozeß sehr nahe kommt, mit der Folge, daß im Gegensatz zu klassischen Expertensystemen bei sehr kleinen Veränderungen des Inputs auch nur sehr kleine Variationen des Outputs generiert werden. Die grundlegende Struktur unscharfer Regelung ist mit der einer konventionellen Regelung identisch. Die Bezeichnung „wissensbasiertes Fuzzy-System" im Sinne eines Fuzzy Controllers bezieht sich auf die Art und Weise, in der die Stellgrößen erzeugt werden. Grundsätzlich besteht der Algorithmus eines wissensbasierten Fuzzy-Systems aus den drei Komponenten Fuzzyfizierung, Inferenz und Defuzzyfizierung. 1 5 0 Im Rahmen der Fuzzyfizierung werden die scharfen Eingangswerte mit Hilfe von Zugehörigkeitsfunktionen, welche die möglichen unscharfen linguistischen Zustandsgrößen innerhalb des Systems repräsentieren, in Zugehörigkeitsgrade zu den jeweiligen unscharfen linguistischen Zustandsgrößen transformiert. Die Bildung von FuzzyVektoren ist notwendig, weil zum einen das Reglerverhalten durch Produktionsregeln (Wenn-Dann-Regeln) beschrieben wird und zum anderen die in der Regelbasis verwendeten Zustandsgrößen als Repräsentanten des menschlichen Expertenwissens in Form linguistischer Variablen vorliegen. Um die Zugehörigkeitsgrade zu dem jeweils obersten Kriterium im Rahmen einer Fuzzy-Kriterienhierarchie ermitteln zu können, müssen zunächst die scharfen InputWerte fuzzyfiziert, d.h. in Fuzzy-Vektoren transformiert werden. Beispielhaft sei von folgenden Input-Werten auszugehen: 1 5 '
150
Vgl. KEUPER (1999), S. 108 ff.
151
D a s n a c h f o l g e n d e Beispiel findet sich bei KEUPER (2000b), S. 193 ff.
4 Prozeßorientierte Konzepte
Hierarc hieebene 1. 2.
Input-Wert
Linguistische Variable Marktattraktivität
1. 2.
Marktentwicklungsqualität
6
2.
Umweltentwicklungsqualität
5
1.
Umweltverträglichkeit 2.
Umweltverträglichkeit der Leistungserstellung
7
2.
Umweltverträglichkeit der Nutzung/Entsorgung
6
2.
Originäre Entwicklungsmöglichkeit
8
2.
Weiterentwicklungsmöglichkeit
9
1.
Tab. 4.5:
269
Technische Attraktivität
Beispielwerte
für die Input-Daten
des FÖÖT-Portfolios
' 52
Die Zugehörigkeitsfunktionen über dem dimensionslosen Grundbereich G = [0, 10] der linguistischen Terme „niedrig", „mittel" und „hoch" der linguistischen Variablen aus der obigen Tabelle weisen halb- bzw. trapezoide Funktionsvorschriften auf:
Tab. 4.6:
niedrig
mittel
hoch
(0, 2, 0, 2)
(4, 5, 2, 2)
(8, 1 0 , 3 , 0 )
Beispielhafter blen im
Zugehörigkeitsverlauf
der linguistischen
Terme der linguistischen
Varia-
FÖÖT-Portfolio153
Die entsprechenden fuzzyfizierten Werte für das Beispiel sind den nachfolgenden Abbildungen zu entnehmen.
152
Quelle: KEUPER (2000b), S. 194.
153
Quelle: KEUPER (2000b), S. 194.
270
4 Prozeßorientierte
Konzepte
i
niedrig
mittel
hoch
Marktentwicklungsqualität, Umweltentwicklungsqualität
Abb. 4.6:
Umweltverträglichkeit der Leistungserstellung, Umweltverträglichkeit der Nutzung/Entsorgung
Linguistische Variablen „Marktentwicklungsqualität" und tät" sowie „Umweltverträglichkeit der Leistungserstellung" keit der Nutzung/Entsorgung "' 54
„Umweltentwicklungsqualiund „Umweltverträglich-
ßB ( X )
8
9 10
Originäre Entwicklungsmöglichkeit, Weiterentwicklungsmöglichkeit
Abb. 4.7:
Linguistische
Variablen „Originäre
lungsmöglichkeit
Entwicklungsmöglichkeit"
und
„Weiterentwick-
"'55
A u s d e n A b b i l d u n g e n w i r d deutlich, d a ß b e i s p i e l s w e i s e d e r U m w e l t e n t w i c k l u n g s qualität m i t d e m s c h a r f e n I n p u t - W e r t 5 d e r Z u g e h ö r i g k e i t s g r a d 1 z u m linguistischen Term „mittel" der linguistischen Variable „Umweltentwicklungsqualität" zugewiesen w i r d . W ä h r e n d h i e r b e i die g r a d u e l l e Z u o r d n u n g e i n d e u t i g ist, ist dies bei d e r linguis t i s c h e n V a r i a b l e „ M a r k t e n t w i c k l u n g s q u a l i t ä t " nicht m e h r g e g e b e n , d a d e m s c h a r f e n Input-Wert 6 sowohl eine graduelle Zugehörigkeit zum linguistischen Term „mittel" 154
Q u e l l e : KF.UPKR ( 2 0 0 0 b ) , S. 199.
155
Q u e l l e : K.EUPHR ( 2 0 0 0 b ) , S. 200.
4 Prozeßorientierte Konzepte
271
(Zugehörigkeitsgrad 0,5) als auch zum linguistischen Term „hoch" (Zugehörigkeitsgrad 0,33) zugeordnet wird. Insofern könnte sprachlich die Marktentwicklungsqualität also mit „mehr mittel als hoch" charakterisiert werden. In der Regelbasis, dem Kern des Inferenzmechanismus, wird das Expertenwissen üblicherweise in Produktionsregeln abgebildet. Voraussetzung hierfür ist, daß ein Experte beschreiben kann, wie sich der Regler für alle möglichen Ausprägungen der Zustandsgrößen verhalten soll, damit für jeden Zustand eine zulässige und eindeutige Stell- bzw. Entscheidungsgröße generiert wird. Während der Bedingungsteil einer Produktionsregel mehrere Bedingungen umfassen kann, enthält die Konklusion genau eine Klausel: Wenn Bedingung 1 und Bedingung 2, dann Schlußfolgerung. Die dargestellte Prämissenauswertung (Kompatibilitätsmaßermittlung), d.h. die reellwertige Wahrheitswertermittlung der Voraussetzung, erfolgt i.d.R. durch eine UNDVerknüpfung der in den Prämissen enthaltenen Aussagen (UND-Operator). Kompensieren sich die einzelnen Bedingungen, so kann die Ermittlung des Kompatibilitätsmaßes auch durch einen kompensatorischen Operator erfolgen. Beispielhaft lauten die Produktionsregeln für die Regelbasis „Marktattraktivität": Marktattraktivität Regel
Marktentwicklungsqualität
Umweltentwicklungsqualität
DANN
Marktattraktivität
1.
niedrig
niedrig
niedrig
2.
mittel
niedrig
niedrig
3.
hoch
niedrig
mittel
4.
niedrig
mittel
niedrig
5.
mittel
mittel
mittel
6.
hoch
mittel
hoch
7.
niedrig
hoch
mittel
8.
mittel
hoch
hoch
9.
hoch
hoch
hoch
Tab. 4.7:
156
WENN
Beispielhafte
Produktionsregeln
Quelle: KEUPER (2000b), S. 201.
für die
MarktattraktivitäA^
272
4 Prozeßorientierie
Konzepte
Um von den konkreten Zugehörigkeitsgraden der scharfen Input-Werte zu den linguistischen Eingangsgrößen auf die Zugehörigkeitsgrade zu den linguistischen Ausgangsgrößen schließen zu können, bedarf es eines Inferenzmechanismus. In Erweiterung des klassischen modus ponens geht das unscharfe Schließen (Fuzzy Reasoning) davon aus, daß eine Schlußfolgerung nicht nur volle Gültigkeit bzw. Ungültigkeit aufweisen kann, sondern auch nur in dem Maße „wahr" ist (modus tollens), wie die entsprechenden Bedingungen der Regel wahr sind (Zwischenwerte). Ferner können bedingt durch die Unschärfe der Entscheidungssituation (z.B. mangelnde Exklusionsbedingung) - innerhalb einer Regelmenge die Prämissenteile mehrerer Regeln teilweise erfüllt sein. Daher muß, im Gegensatz zu klassischen Expertensystemen, bei wissensbasierten Fuzzy-Systemen für die gesamte Regelmenge analysiert werden, welche Schlußfolgerungen welchen Erfüllungsgrad aufweisen. Wenn Bedingung 1 den linguistischen Term x (mit jag, ( x ) = \ \ . WissenszieleiyV""^
\ /
Erwerb vor \ \ wisse " / /
Infrastruktur
Pflegevon \ \ Bereilslellung\ \ Wissen / ? von Wissen / /
Nutzung von Wissen
Prozesse des Wissensmanagements Abb. 4.15:
Wissensmanagement
213
Vor diesem Hintergrund werden seit einiger Zeit durch öffentliche Aufsichtsbehörden wie z.B. die amerikanische Börsenaufsicht SEC (Security Exchange Council) und Institutionen wie das Komitee für die Internationalen Bilanzierungsvorschriften IASC (International Accounting Standards Committee) Vorschläge für neue Berichts- und Bewertungspflichten der sogenannten „Intangible Assets", zu denen im wesentlichen das intellektuelle Kapital zählt, erarbeitet. Vgl. SVEIBY (1999b), S. 1.
214
Vgl. SVEIBY (1999a), S. 3.
294
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Im Rahmen einer durch die HAARMANN HEMMELRATH MANAGEMENT CONSULTANTS GMBH (HHMC) in 1998 durchgeführten Untersuchung der TOP-500Unternehmen sehen über 70% der Befragten in der Weiterentwicklung des Firmenwissens einen wesentlichen Erfolgsfaktor ihrer zukünftigen Geschäftstätigkeit. Um so überraschender ist es, daß nur die wenigsten Unternehmen über Controllinginstrumente verfugen, die eine systematische Erfassung, Messung und Bewirtschaftung des intellektuellen Kapitals ermöglichen. Erfolgreiche „Wissensmanagement-Unternehmen", wie z.B. der schwedische Finanzdienstleistungskonzern SKANDIA, haben einen sogenannten Wissenscontrolling-Kreislauf etabliert. Wissensstrategie
Abb. 4.16:
I Steigerung der K o m p e t e n z im I Bereich Produktion
W i s s e n s k r e i s l a u f von SKANDIA 2 1 5
Wird der Ansatz weiterentwickelt, mündete er in ein Konzept für eine zusätzliche wissensorientierte Balanced-Scorecard-Perspektive. Hierbei wird das intellektuelle Kapital eines Unternehmens in die folgenden Bestandteile zerlegt:
A u s g a n g s p u n k t des W i s s e n s c o n t r o l l i n g - K r e i s l a u f e s ist die W i s s e n s s t r a t e g i e des U n t e r n e h m e n s , a u s der sich die strategischen und o p e r a t i v e n Wissensziele ableiten. In dem in der A b b i l d u n g dargestellten Fall handelt es sich d a b e i um die Stärkung d e s K n o w - h o w - T r a n s f e r s z w i s c h e n Mitarbeitern der Produktion. Durch die E i n f ü h r u n g der A r b e i t s g r u p p e n o r g a n i s a t i o n ( M a ß n a h m e ) soll dieses Wissensziel erreicht w e r d e n . Durch geeignete S t e u e r u n g s g r ö ß e n w i r d d a n n g e m e s s e n , in w e l c h e m A u s m a ß die W i s s e n s z i e l e erreicht w u r d e n . Die k o n t i n u i e r l i c h e K o n t r o l l e d i e n t der frühzeitigen Erkennung von H a n d l u n g s b e d a r f und ggf. der Einleitung v o n G e g e n m a ß n a h m e n . Durch C o a c h i n g sollen schließlich bei allen beteiligten M i t a r b e i t e r n L e r n p r o z e s s e ausgelöst w e r d e n . Für das Funktionieren dieses C o n t r o l l i n g - K r e i s l a u f e s ist die Einf ü h r u n g eines geeigneten Systems wissensorientierter S t e u e r u n g s g r ö ß e n von zentraler B e deutung.
4 Prozeßorientierte Konzepte
Abb. 4.17:
Beispielhafte
Strukturierung
des intellektuellen
295
Kapitals
Dabei werden für jedes der in der Abbildung dargestellten Elemente Steuerungsgrößen gebildet, die dann zu einem Index als Meta-Kennzahl einer Perspektive verdichtet werden. Beispielhafte Steuerungsgrößen sind u.a. Anzahl bzw. Wert von Patenten/Lizenzen, Anzahl und Aktualität von Einträgen in Wissensdatenbanken, durchschnittliche Anzahl von Trainingsstunden pro Mitarbeiter, Anzahl der Mitarbeiter mit Hochschulabschluß oder die Fluktuationsquote des Personals. Als Fazit kann festgehalten werden, daß die BSC eine multifunktionales Performance-Measurement-Konzept darstellt, dessen Vielschichtigkeit auf der Multidimensionalität der Betrachtungsebenen liegt.
4.2.2.2.2.2
Die Multidimensionalität der Balanced Scorecard
Für den A u f b a u einer wirkungsvollen BSC bedarf es der Konkretisierung von Vision in Strategien sowie deren Operationalisierung in definierte Leistungsziele bis auf die unterste Ebene, d.h. der Verbindung von strategischer Zielsetzung und operativer Leistungssteuerung. 2 1 6
216
Vgl. LORINO(I997), S. 25.
296
4 Prozeßorientierle
Konzepte
Eine Übersetzung der Strategie in meßbare Ziele und abgestimmte, quantifizierbare Leistungsmeßgrößen (Key Performance Indicator), die zur Steuerung und Kommunikation der Unternehmensergebnisse dienen, orientiert sich dabei an den strategischen Erfolgsfaktoren des Unternehmens und den daraus abgeleiteten Kernkompetenzen bzw. -potentialen. Zur Generierung der Meßgrößen wird der Rahmen der UrsacheWirkungsbeziehungen verwendet, um die Auswahl der Leistungstreiber und Ergebniskennzahlen zu erleichtern sowie die Meßgrößen der unteren Ebenen mit denen der höheren Ebenen abzustimmen. Für die Entwicklung entsprechender Meßgrößen und Leistungsindikatoren sind die verschiedenen Charakteristika und Ausprägungen der diversen Kennzahlenarten zu beachten. Beispielhaft seien zwei Kennzahlenarten näher betrachtet: Finanzielle versus nichtfinanzielle Kennzahlen Den Mittelpunkt der heutigen, traditionellen Systeme bilden nach wie vor finanzwirtschaftliche Kennzahlen. Tendenziell deckt die finanzorientierte Sicht die Forderung nach einer Beurteilung des Fortschritts hinsichtlich der Strategieimplementierung und ihrer Auswirkungen auf die Zielerreichung nicht mehr hinreichend ab und verliert folglich kontinuierlich an Aussagekraft. Die Notwendigkeit, die bestehenden finanziellen Größen um nichtfinanzielle zu ergänzen, wird einerseits durch den Anspruch des Managements an eine Ganzheitlichkeit der Meßgrößen zur Leistungsbeurteilung eines Unternehmens verstärkt und andererseits von der Erkenntnis getrieben, daß bisher ausschließlich die Kapitaleigner aus der Gruppe der Stakeholder durch die finanziellen Indikatoren Beachtung finden. Ein ebenso relevanter Faktor zur Aufnahme nichtfinanzieller Meßgrößen besteht im Anspruch, eine schnellere Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen mittels „Frühindikatoren" zu ermöglichen. Finanzwirtschaftliche Kennzahlen können jedoch nur primär den Verlauf der Vergangenheit abbilden bzw. auf deren Gesetzmäßigkeit aufbauen, kaum aber frühzeitige Hinweise auf Entwicklungen aufzeigen und eine Basis fiir anschließende Korrekturmaßnahmen bilden. 2 1 7 Leading versus Lagging Indicators Die Ausgewogenheit innerhalb eines Systems beinhaltet ebenso einen Ausgleich von Leading- und Laggingindikatoren. Leadingindikatoren, gleichermaßen als Frühindikatoren oder Leistungstreiber charakterisiert, tragen wesentlich zur Erklärung des Umstandes bei, wie die Ergebnisse der Leistungserstellung erbracht wurden, basieren dabei jedoch primär auf subjektiven und urteilsabhängigen Faktoren. 2 '8 Sie spiegeln die Besonderheiten der Strategie für bestimmte Geschäftsfelder wider und zeigen als wettbewerbsentscheidende Größen, sogenannte Differentiators, 2 1 9 gegenüber den Lagging Indicators dem Unternehmen mögliche Zieldiskrepanzen in einem zeitlichen
2 1 7
Vgl. MÜLLER-STEWENS (1998), S. 37.
218
Vgl. KAPLAN/NORTON (1997a), S. 10.
2 1 9
V g l . KAUFMANN (1997), S. 424.
4 Prozeßorienlierte Konzepte
297
Vorlauf auf. Mittels dieser Größen ist es möglich, die Reaktionszeit von Unternehmen erheblich zu verkürzen. Darüber hinaus versetzen sie die Entscheidungsträger in die Lage, mögliche Gegensteuerungsmaßnahmen vorzeitig einzuleiten. Dem gegenüber stehen die objektiven und quantifizierbaren Ergebniskennzahlen (sogenannte Lag Indicators), die i.d.R. aufgrund ihrer Struktur generische, Unternehmens- bzw. branchenneutrale Ergebniskenngrößen repräsentieren. Die Intention der BSC ist nicht die vollständige Substitution von Lagging Indicators, sie liegt vielmehr in einer äquivalenten Ergänzung und weist darauf hin, daß Leistungen in der Vergangenheit nicht zwangsläufig einen Wegweiser für die Zukunft verkörpern. Die traditionellen Ergebniskennzahlen beantworten nicht, wie die Ergebnisse zustande kommen, ebenso geben sie keine frühzeitige Auskunft über den Umsetzungsstand der Strategie. Leading Indicators wiederum veranschaulichen „zwar die Erreichung kurzfristiger operativer Verbesserungen für die Geschäftseinheit, lassen aber nicht erkennen, ob die operativen Verbesserungen auch zu einem größeren Geschäftsvolumen (...) und gegebenenfalls zu einer verbesserten Finanzleistung geführt haben." 2 2 0 Der Unterschied zwischen (strategischen) Früh- und Spätindikatoren wird durch das nachfolgende Schaubild der BSC des Unternehmens National Insurance verdeutlicht, wobei allgemein darauf zu achten ist, die Meßgrößenanzahl möglichst auf vier bis sieben Größen j e Perspektive •
Kundenperspektive,
•
Prozeßperspektive,
•
Entwicklungsperspektive und
•
finanzwirtschaftliche
Perspektive
- zu beschränken, um eine Konzentration auf die wichtigsten Schlüsselgrößen zu sichern und nicht eine (neue) Datenflut zu erzeugen. 2 2 1 Schließlich soll das Management die Aktivitäten des Unternehmens mit der Auswahl von aussagekräftigen und untereinander ausgewogenen Meßgrößen effizient steuern können.
220
Vgl. KAPLAN/NORTON ( 1997a), S. 144 f.
221
Vgl. KAUFMANN (1997), S. 425.
298
4 Prozeßorientierte
Konzepte
STRATEGISC HE KENNZAHLEN
Strategische Zielsetzung
Kernergebnisse (spät)
Leistungstreiber (früh)
FINANZEN F l - Erwartung der Teilhaber erfüllen
Eigenkapitalrendite
F2 - Gesamtrentabilität verbessern
Kombinierte Kennziffer
F3 - Rentables W a c h s t u m erreichen
Leistungsorientierung
F4 - Anlegerrisiko senken
Katastrophale Verluste
KUNDEN K l - Vertretungsleistungen verbessern
Kundenakqu. (ggü. Plan)
Vertretungsleistung (ggü. Plan)
K2 - Zufriedenstellung der Versicherungs-
Kundenakquisition/
Umfragen über Zufriedenheit bei
-loyalität (nach Segment)
den Versicherungsnehmern
nehmer
INTERN 11 - Zielmärkte entwickeln
Leistungssortiment
Geschäftsentwicklung (ggü. Plan)
12 - Rentable Vertragsabschlüsse
Schadensquote
Vertragsqual itätsprüfung
13 - Schaden mit G e s c h ä f t s u m f a n g
Schadenhäufigkeit/
Schadensqualitätsprüfung
14 -
abstimmen
Schadenhöhe
Produktivitätssteigerung
Aufwand/Umsatzerlöse
Personalbewegung
LERNEN LI - V e r b e s s e r u n g der Personalqualifikation
Personalproduktivität
L2 - Z u g a n g zu strategischen Informationen
Tab. 4.10:
Die BalancedScorecard
Personalentwicklung (ggü. Plan) Verfügb. von strat. IuK-Technol.
von NATIONAL INSURANCE2-22
Neben der Berücksichtigung von divergenten Betrachtungsspektren sind zur Auswahl der geeigneten Meßgrößen Kriterien relevant, welche die Anforderungen an mögliche Indikatoren widerspiegeln. Dabei ist zu beachten, daß zumeist sämtliche Anforderungen im einzelnen nicht ausnahmslos erfüllt werden können. Neben der Erfüllung der ausgewählten Anforderungen ergibt sich eine weitere bzw. vorhergehende Fragestellung. D i e Beteiligten müssen im Vorwege einen gemeinsamen Konsens, eine einheitliche Definition finden, welche Messung sie für die richtige und fairste erachten. Zur Entscheidungsfindung bietet sich z.B. ein konsensorientierter Ansatz an, wobei die Suche nach einem Commitment in kritischen Fällen methodengestützt erfolgen sollte (z.B. Delphi-Verfahren). D i e Wirksamkeit einer Balanced Scorecard (und somit auch die Genauigkeit der gewünschten Informationen und die Qualität der Steuerungsmöglichkeiten) hängt entscheidend davon ab, wie intensiv das BSC-Kennzahlensystem die gesamte Unternehmensorganisation durchdringt und in ihr verankert wird. Um die angestrebten U n t e m e h m e n s z i e l e erreichen zu können, bedarf es daher der homogenen Ausrichtung auf alle relevanten Unternehmensebenen. Gegenwärtig wird in den unterschiedlichen
2 2 2
Q u e l l e : KAPLAN/NORTON ( 1 9 9 7 a ) , S. 151
4 Prozeßorienlierte
Konzepte
299
Performance-Measurement-Ansätzen eine Struktur von drei interdependenten Ebenen zur Messung der Leistungsentwicklung verwendet. 2 2 3 •
Ebene der Gesamtunternehmung: Diese Ebene stellt die Grundlage dar, an der sich alle unteren Ebenen orientieren. Hier werden alle relevanten Informationen unterer Ebenen gebündelt und geben einen Gesamtüberblick über den aktuellen (und ggf. zukünftigen) Zielerreichungsgrad vor dem Hintergrund der hier formulierten Strategie.
•
Prozeßebene: Eine detailliertere Betrachtungsstufe bildet die Prozeßebene. Dieser Ebene kommt eine besonders hohe Bedeutung zu, weil eine eindeutig formulierte Strategie, einhergehend mit einem schlüssigen Berichtswesen sowie qualifiziertem Personal in ausreichender Zahl, fehlerhafte Geschäfts- und Managementprozesse nicht kompensieren kann. 2 2 4 Diese Aussage wird noch präzisiert durch den Satz: „An Organization is only as good as its process,"225 Der Prozeß wird gleichermaßen als eine Wertschöpfungskette betrachtet, bei der jeder Schritt zu einer weiteren Stufe des Produktionsprozesses den Wert des Produktes erhöht. Prozesse können dabei gänzlich innerhalb einer Unternehmensfunktion ablaufen, sich aber auch über mehrere Funktionen erstrecken.
•
Arbeitsplatz- /Mitarbeiterebene: Die Identifizierung von Aktivitäten auf der Mitarbeiter- bzw. Teamebene stellt die feinste Gliederung der Leistungserbringung innerhalb eines solchen Kennzahlensystems dar. Die Ausfuhrung und Steuerung von Prozessen erfolgt durch die Tätigkeit der Mitarbeiter innerhalb der unterschiedlichen Funktionsbereiche. Diese Tätigkeiten fungieren gleichzeitig als Bindeglied zwischen den Funktionen und den Prozessen im Unternehmen.
Auf jeder Ebene der Leistungserbringung werden geeignete Meßgrößen abgeleitet, die in ihrer Addition das Ergebnis der Meßgröße der nächsthöheren Ebene darstellen. Durch das Kontinuum zwischen den verschiedenen Unternehmensebenen und deren Meßgrößen wird die Grundlage geschaffen, •
die Leistungserbringung auf allen Unternehmensebenen zu gestalten und zu optimieren sowie etwaige fehlende oder fehlerhafte Produktionsleistungen bis zur Ursache zu identifizieren und
•
entlang der Wertkette jedem Beteiligten seinen Beitrag Unternehmensoutput erkenn- und meßbar aufzuzeigen.
2 2 3
V g l . KLINGEBIEL ( 1 9 9 8 ) , S. 5.
2 2 4
V g l . RUMMLER/BRACHE ( 1 9 9 5 ) , S. 139.
2 2 5
V g l . RUMMLER/BRACHE ( 1 9 9 5 ) , S. 17.
zum
kritischen
4 Prozeßorientierte Konzepte
300
Während die detaillierte Analyse der Leistungserbringung eine sachlich fundierte Ursache-Wirkungsbeziehung offenbart, besteht hingegen eine die Leistungserbringung leitende Strategie immer aus einer Menge von Hypothesen über Ursachen und Wirkungen. Allgemein können Ursache-Wirkungsbeziehungen als Sequenz von Wenn-Dann-Aussagen ausgedrückt werden. Zum Beispiel kann eine Organisation den Zusammenhang zwischen verbessertem Verkaufstraining der Mitarbeiter und höherem Ergebnis durch die folgende Sequenz von Hypothesen gegeben sehen: „Wenn wir das Produkttraining für unsere Mitarbeiter verbessern, dann werden sie die gesamte Palette der Produkte, die sie verkaufen können, besser kennen; wenn die Mitarbeiter die Produktpalette besser kennen, dann wird sich ihre Vertriebseffizienz erhöhen. Wenn sich die Vertriebseffizienz erhöht, dann wird die durchschnittliche Spanne der Produkte, die sie verkaufen, wachsen." 2 2 6 Das Leistungsmeßsystem sollte die Beziehungen zwischen Meßgrößen und Zielen der unterschiedlichen Perspektiven explizit nennen, damit die Beziehungen gesteuert und validiert werden können. Die Leistungsmeßgrößen der Balanced Scorecard werden innerhalb der einzelnen Scorecards (horizontal) sowie zwischen den jeweiligen Scorecard-Ebenen (vertikal) verknüpft. Die vertikale Verknüpfung erfolgt durch den bereits beschriebenen kaskadenförinigen Aufbau der implementierten Scorecards im Unternehmen, indem die aggregierten Meßgrößen die Grundlage der nächsthöheren Ebene darstellen. Ein Beispiel für eine einfache Ursache-Wirkungsverknüpfung wird in dem nachfolgenden Schaubild verdeutlicht.
Kundentreue KUNDENPERSPEKTIVE
Pünktliche Lieferung
INTERNE GESCHÄFTSPROZESS-PF.RSPEKTIVE
Prozeßdurchlaufzeit
LERN- UND ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE
Abb. 4.18:
Ursache-Wirkungskette
als Basis der
2 2 6
V g l . KAPLAN/NORTON ( 1 9 9 7 b ) , S. 3 2 6 .
2 2 7
V g l . KAPLAN/NORTON ( 1 9 9 7 a ) , S. 29.
Fachwissen der Mitarbeiter
BSC227
-/ Prozeßorientierte Konzepte
301
Aus der vorangehenden Abbildung wird deutlich, daß beispielsweise hohes Fachwissen der Mitarbeiter einen direkten Einfluß auf die Prozeßqualität und somit auf die Prozeßeffektivität hat. Dies führt zu einer höheren Pünktlichkeit bei den Lieferzeiten (On-Time Delivery/OTD) und steigert die Kundenzufriedenheit. Zufriedene Kunden können tendenziell einfacher und nachhaltiger an das Unternehmen gebunden werden, was wiederum eine indirekte Auswirkung auf die Kapitalrendite des Unternehmens ( R O C E ) hat. Durch die Auswahl unterschiedlicher Sichtweisen wird das Unternehmen in seine zentralen wertschöpfenden Bereiche aufgeschlüsselt und vollständig, multidimensional abgebildet. KAPLAN und NORTON gehen bei ihrer Darstellung von vier Perspektiven aus. E s handelt sich hierbei um die Finanz-, die Kunden-, die Lern- und Entwicklungsperspektive sowie die Perspektive der internen Geschäftsprozesse. 2 2 8
"Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?"
"In welchen Geschäftsprozessen m ü s s e n wir die Besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen?"
"Wie können wir unsere Veränderungspotentiale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?"
Abb. 4.19:
Interne Geschäftsprozesse
Lernen und Entwicklung
Die vier Gestaltungsdimensionen der BSC229
Kundenperspektive Der W e g zur Realisierung finanzwirtschaftlicher Ziele führt nur über den Kunden, der die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens kauft und damit dem Unter-
2 2 8
V g l . KAPLAN/NORTON ( 1 9 9 7 a ) , S. 3 3 .
2 2 9
Q u e l l e : KAPLAN/NORTON (1997a), S. 76.
302
4 Prozeßorientierte Konzepte
nehmen die Finanzmittel zuführt. 2 3 0 Die BSC hilft u.a., die richtigen Fragen im Vorfeld einer Akquisition zu stellen, d.h. welche Produktgruppen, Leistungen und Lösungen für die Kunden benötigt werden, welche Regionen, Kundensegmente und Absatzkanäle abgedeckt werden müssen und welche Zukunftsprojekte in Angriff zu nehmen sind. Die Kundenperspektive läßt sich durch zwei Gruppen von Kennzahlen abbilden. Die erste Gruppe sind die sogenannten Kernkennzahlen, welche sich aus den „klassischen" Meßgrößen, wie z.B. Marktanteile, Kundenakquisition, Kundenzufriedenheit, Kundentreue und Kundenrentabilität, zusammensetzen. Diese generische (d.h. branchenüblich gültige) Kennzahlenart der Kundenperspektive dient primär dem Zweck, die identifizierten Kunden- und Marktsegmente abzubilden, in denen das Unternehmen konkurrenzfähig sein soll, und gelten für alle Organisationseinheiten gleichermaßen. Die zweite Gruppe sind die Leistungstreiber; sie beschreiben Aspekte, die für Kunden besondere Relevanz besitzen und zu Kundenbindung und -Zufriedenheit im Zielmarkt führen. Als spezifische (unternehmensindividuell ausgeprägte) Meßgrößen fungieren hierbei u.a. Produkt- und Serviceeigenschaften (Funktionalität, Qualität, Preis und Zeit), Kundenbeziehungen (Kompetenz, Erreichbarkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Service, Transparenz), aber auch Image und Reputation. Die interne Prozeßperspektive Der Grad der Effektivität und Effizienz interner Prozesse hat erheblichen Einfluß auf den Markterfolg eines Unternehmens. Voraussetzung zum Ableiten der entsprechenden Meßgrößen ist, daß die Führungskräfte die erfolgskritischen Prozesse im Unternehmen, die sogenannten Kernprozesse, identifiziert haben. Da bei der BSC die Anforderungen an interne Prozesse streng strategiegeleitet aus den Ansprüchen externer Gruppen - wie Kunden und Kapitalgeber - herunterzubrechen sind, erweitert der Einsatz der BSC den Blickwinkel der Führungskräfte auf die Unternehmensprozesse. Die Identifikation beschränkt sich nämlich nicht mehr - wie in der Praxis oft der Fall - auf existierende Prozesse, sondern die BSC zwingt dazu, alle strategisch erforderlichen Prozesse zu identifizieren, auch wenn diese so bisher noch gar nicht existierten oder nicht als zusammenhängende, wettbewerbsentscheidende Prozeßkette gesehen wurden. 23 1 Bei dieser auf die Effektivität und Effizienz der Geschäftsprozesse ausgerichteten Betrachtung sind u.a. Kernkompetenzen und kritische Technologien relevant. Meßgrößen können z.B. die Erfolgsrate bei Bietungsverfahren, die Ausschußrate, der Unfallindex, die Breakeven Time (BET), die Reaktionszeit auf Reklamationen, die Bearbeitung von Zahlungen, die Geschwindigkeit der Reaktion auf (Produktions-, Service- oder Dienstleistungs-)Fehler, die Kosten je akquiriertem Kunden oder der Gemeinkostenanteil an einem bestimmten Prozeß sein. Als Ausgangsbasis für ein besseres Verständnis und eine strukturierte Betrachtung der internen Prozeßperspektive eignet sich die Verwendung eines organisationalen Makroprozeßmodells. Aus diesem Modell zur Abbildung der groben Funktionsweise eines Unternehmens resul-
230
Vgl. KRÄHE (1999), S. 117.
231
Vgl. KAUFMANN (1997), S. 425 f.
4 Prozeßorientierte Konzepte
303
tiert die von K A P L A N und N O R T O N verwendete Aufschlüsselung der internen Unternehmensprozesse in drei zentrale Unterprozesse. 2 3 2
Auslieferung^ des Produkts/
\
der
1
Dienstleistung
Innovationsprozeß Abb. 4.20:
Aufschlüsselung
Betriebsprozeß
der internen Prozeßperspektive
\ \
Kunden dienen
/ /
A
Kunden> wünsch / erfüllt
Ì
Kundendienstprozeß in drei
Kernprozesse233
Der Schwerpunkt der Prozeßperspektive liegt auf •
der Messung und Überwachung von Prozessen, welche den größten Einfluß auf die Kundenzufriedenheit und die Unternehmenszielerreichung haben bzw. in Zukunft haben werden, und
•
auf der Berücksichtigung und Integration von Innovationsprozessen, die maßgeblich die zukünftige Wertschöpfung und den Unternehmenserfolg beeinflussen. 2 3 4
Die Lern- und Entwicklungsperspektive Die Lern- und Entwicklungsperspektive identifiziert (und schafft bzw. fördert) die Infrastruktur, welche die Organisation für langfristiges Wachstum und langfristige Verbesserung aufbauen m u ß . 2 3 5 Dieser Perspektive ist eine besondere Bedeutung beizumessen, da sie wesentlichen Einfluß auf die Zielerreichung der drei anderen Perspektiven hat. Zwar identifizieren die Kundenperspektive und die interne Geschäftsprozeßperspektive die kritischen Faktoren für den laufenden und zukünftigen Erfolg, es ist jedoch unwahrscheinlich, daß die Geschäftseinheiten mit ihren heutigen Technologien und Fähigkeiten die Langzeitziele in Bezug auf Kunden und interne Geschäftsprozcsse erreichen können. Die Faktoren zur Etablierung einer Lernenden Organisation werden in drei Hauptkategorien differenziert: Qualifizierung der Mitarbeiter, Leistungsfähigkeit des Informationssystems und der organisatorischen Abläufe sowie Motivation und Zielausrichtung von Mitarbeitern,236
232
Vgl. KAPLAN/NORTON (1997a), S. 103 ff.
233
Quelle: KAPLAN/NORTON (1997a), S. 103
234
Vgl. KAPLAN/NORTON ( 1997a), S. 25 f.
23 5
Vgl. KAPLAN/NORTON ( 1997a), S. 121.
236
Vgl. FRATSCHNER (1999), S. 15.
304
4 l'rozeßorientierle
Konzepte
Die Innovationsperspektive im BSC-Ansatz zielt insbesondere darauf ab, Leistungsklarheit zu schaffen, bestehende Informationssysteme zu optimieren (bzw. diese entsprechend zu entwickeln), die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter zu fördern und diese gleichzeitig zu motivieren. Strategisches Ziel ist die Generierung immaterieller Vermögenswerte als Grundlage für künftiges Unternehmenswachstum. Die finanzwirtschaftliche Perspektive Die finanzielle Perspektive bildet die letzte der vier Sichtweisen der BSC. Auch wenn in der Literatur oft von vier gleichgewichtigen Perspektiven gesprochen wird, so ist die Gewichtung dennoch eindeutig: Ohne Berücksichtigung der finanziellen Seite eines Unternehmens und ohne die Generierung langfristiger und nachhaltiger Gewinne kann kein Unternehmen dauerhaft existieren und seine Anteilseigner zufriedenstellen. Die finanzielle Perspektive legt offen, ob die Strategie eines Unternehmens sowie ihre Implementierung und Umsetzung das Betriebsergebnis verbessern. Die Kennzahlen dieser Perspektive nehmen dabei eine Doppelrolle ein. Zum einen definieren sie die finanziellen Leistungen, die von einer Strategie erwartet werden. Zum anderen fungieren sie als Endziel für die anderen Perspektiven der B S C . 2 3 7 Typische Kennzahlen dieser Perspektive sind u.a. Rentabilitäts- und Umsatzkennzahlen, aber auch stärker liquiditätsbezogene Größen, wie z.B. Cash-flow oder Cash-to-CashZyklus. 2 3 8 Darüber hinaus bietet es sich an, für die Steuerung strategischer Potentiale die entwicklungsgeschichtliche Situation eines Produkts/Bereiches/Unternehmens zu berücksichtigen. Je nach Phase, in der sich das Unternehmen gerade befindet, können sich die finanzwirtschaftlichen Ziele stark unterscheiden. Zur Vereinfachung wird dabei in die folgenden drei Phasen unterschieden: 239 1. Die Wachstumsphase Anfangsphase des Lebenszyklus. Entwicklung und Förderung neuer Produkte und Dienstleistungen erfordern beachtliche Ressourcen. Das Umsatzwachstum in neuen Märkten mit neuen Produkten, Dienstleistungen und Kunden steht im Vordergrund. 2. Die Reifephase Der Marktanteil wird weiter ausgebaut, mindestens aber gehalten. Der Fokus liegt auf der Überbrückung von Engpässen, Kapazitätserweiterungen und kontinuierlicher Verbesserung, dies alles unter Bedingung hoher Rentabilität. 3. Die Erntephase Hier steht die Erwirtschaftung einer exzellenten Rendite aus dem verfugbaren Kapital im Vordergrund. Es gibt kaum noch Ausgaben für Forschung und Entwicklung oder Kapazitätsausweitungen.
2 3 7
V g l . WEBKR/SCHÄFFER ( 1 9 9 9 a ) , S. 153.
2 3 8
V g l . FRIEDAG/SCHMIDT ( 1 9 9 9 a ) , S. 185 f.
2 3 9
V g l . KAPLAN/NORTON ( 1 9 9 7 a ) , S. 4 7 .
4 Pruzeßorientierte
Konzepte
305
Für j e d e dieser drei Phasen gibt es drei der jeweiligen Geschäftsstrategie zugrundelieg e n d e finanzwirtschaftliche Themen: •
Ertragswachstum und -mix,
•
Kostensenkung und Produktivitätsverbesserung sowie
•
N u t z u n g von Vermögenswerten bzw. die Frage der Investitionsstrategie. Strategische Themen Ertragswachstum und -mix
sE 9
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Hohe Umsatzwachstumsrate und hoher Marktanteil pro Zielregion, Zielmarkt und Zielkundenkategorie; Prozent der Erträge aus gänzlich neuen Produkten, Dienstleistungen und Kunden
Anteil an Zielkunden; Cross-Seeling; '33 prozentuale Erträge JS B aus neuen AnwendunCA « gen; «s ja 'S Rentabilität von Kunc« OS den und Produktlinien; a> o Prozentanteil der unrentablen Kunden, Produkte u. Dienstleistungen Rentabilität von Kunden und Produktlinie; uo W Prozentanteil der unrentablen Kunden OJ
Kostensenkung & Pro- Vermögensverwendung duktivitätsverbesserung und Innovationsstrategie Ertrag pro Mitarbeiter; (Konzentration auf Produkte/Dienstleistungen mit größerer Wertschöpfung)
Investitionen (in % des Umsatzes); Forschungs- und Entwicklungsanteil (in % des Umsatzes)
Einheitskosten für den Output; Kostensenkungssätze; indirekte Kosten (Verkauf in Prozent)
Kennzahlen für das Working Capital (Cash-to-Cash-Zyklus); ROCE pro Hauptvermögenskategorie Anlagenutzungsrate
Einheitskosten (pro Out- Amortisation; puteinheit, pro Transak- Durchsatz tion)
Tab. 4.11: Messung/Bewertung strategischer finanzwirtschaftlicher Themen240 Das nachfolgende Schaubild vermittelt am Beispiel einer Großbank, wie in praxi die vier BSC-Perspektiven ausgestaltet sein können.
2 4 0
V g l . KAPLAN/NORTON ( 1 9 9 7 a ) , S. 4 9 f f . u n d TSE HAMBURG ( 1 9 9 9 C ) , S. l f.
306
4 Prozeßorienlierte
Konzepte
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Geschäftsprozesse
Abb. 4.32:
Rahmenkonzept
für einen strategischen
Einsatz von
Standardsoftware399
Während sich eine betriebswirtschaftliche Standardsoftware vornehmlich darauf konzentriert die innerbetrieblichen Abläufe informationstechnisch zu unterstützen, ermöglichen Internet-basierte Systeme sowohl die inner- als auch die interbetrieblichen Geschäftsprozesse hinsichtlich der strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit zu optimieren.
399
Quelle: SCHRÖDER (2000), S. 225.
372
4 Prozeßorientierle
4.2.4.3
Konzepte
Internet-, Intranet- und Extranet-gestützte Systeme
Das Internet wurde 1969 als militärisches Netz im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums entwickelt. Mittlerweile stellt das Internet einen globalen, offenen Verbund privater und öffentlicher Telekommunikationsnetze in etwa 100 Ländern dar. Dieser weltumspannende Verbund von miteinander vernetzten Computern basiert auf dem gemeinsam genutzten, einheitlichen Kommunikationsprotokoll TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol). Dieses Protokoll regelt standardisiert den Verbindungsaufbau, die Datenübermittlung, die Fehlererkennung und den Verbindungsabbau zwischen unterschiedlichen Hardware- und Software-Konfiguratione n 400 Während 1995 etwa 45 Millionen Personen weltweit Zugang zum Internet hatten, waren 1998 bereits mehr als 129 Millionen Nutzer zu verzeichnen, wobei sich das Datenvolumen und der Datenverkehr etwa alle 100 Tage verdoppeln. Die Übertragung der Internet-gestützten Kommunikationstechnologie auf ein beschränktes Netzwerk zur integrierten Datenübertragung innerhalb eines Unternehmens wird als Intranet bezeichnet. Neben dem TCP/IP-Protokoll stellt die physische Verkabelung eine weitere Voraussetzung für den Aufbau eines solchen Local Area Networks (LAN) dar. Mit Hilfe eines Browsers können die Mitarbeiter auf die Dienste des Internet bzw. des unternehmenseigenen Intranet zugreifen. Zu diesen Diensten zählt u.a. der elektronische Postverkehr (Electronic Mail, kurz E-Mail). Die elektronische Post ermöglicht einen kostengünstigen, sehr schnellen und asynchronen, d.h. zeitversetzten, weltweiten Austausch von Nachrichten, wobei problemlos Text-, Audio-, Video und Bilddateien als elektronischer Anhang (Attachment) übermittelt werden können. 4 0 1 Daneben besteht die Möglichkeit, sich in ca. 5000 elektronischen Diskussionsgruppen (Newsgroups) weltweit auszutauschen. Dieser Dienst kann innerhalb eines Intranets z.B. genutzt werden, um innerbetriebliche Diskussionsforen wie etwa einen Qualitätszirkel zu implementieren. Im Gegensatz dazu ermöglicht das File Transfer Protocol (FTP), im Internet von anderen Computern Dateien z.B. über technisches Dokumentationsmaterial, Produktinformationen oder Software zu kopieren. 4 0 2 Den zentralen Dienst im Internet stellt jedoch das World Wide Web (WWW) dar, das als Informationssystem in der Lage ist, den Nutzer auf Basis von Informationsknoten (elektronischen Dokumenten), die sich als Bildschirmseiten präsentieren, und anhand von Links bzw. Hyperlinks, die auf andere Bildschirmseiten verweisen, hochflexibel durch das multimediale Internet zu navigieren. 4 0 3 Werden unterschiedliche Intranets verschiedener Geschäftspartner miteinander gekoppelt, so entsteht ein Extranet, das einer bestimmten, eindeutig definierten Benut-
4 0 0
V g l . ZI;NK ( 1 9 9 4 ) , S. 2 1 2 .
4 0 1
V g l . H O P P E / K R A C K E ( 1 9 9 8 ) , S. 3 9 1 .
4 0 2
V g l . H O P P E / K R A C K E ( 1 9 9 8 ) , S. 3 9 2 .
4 0 3
V g l . BOGASCHKWSKY/K.RACKE ( 1 9 9 9 a ) , S. 62 ff.
-I Prozeßorientierte Konzepte
373
zergruppe ermöglicht, relevante Informationen auszutauschen. Wie auch bei der Verknüpfung eines Intranets mit dem Internet wird bei einem Extranet die Kopplung mit Hilfe von Firewall-Systemen vollzogen. Diese Systeme überprüfen jedes Datenpaket dahingehend, ob es sich in den abgeschirmten Bereich des jeweiligen Intranets hinein oder aus ihm hinaus bewegen darf. Durch unterschiedliche Berechtigungen können verschiedene unternehmensinterne Sicherheitszonen konfiguriert werden, um schutzbedürftige Daten, wie z.B. Personaldaten, vor dem unerlaubten Zugriff zu schützen.
4 Prozeßorientierle Konzepte
375
4 Prozeßorientierte Konzepte
4.2.4.3.1
377
E-Commerce
Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis hat sich für den Begriff Electronic Commerce (E-Commerce) keine eindeutige und allgemein akzeptierte Definition herauskristallisiert. Aus einer allgemeinen Perspektive beinhaltet E-Commerce alle Formen der elektronischen Geschäftsabwicklung über öffentliche oder private Computernetzwerke (z.B. Internet). 404 Konkretisiert bedeutet dies, daß unter E-Commerce ein Konzept zur Nutzung bestimmter Informations- und Kommunikationstechnologien zur elektronischen Integration und Verzahnung unterschiedlicher Wertschöpfungsketten bzw. unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse sowie das digitale Management von Geschäftsbeziehungen subsumiert werden kann. Schätzungen des EUROPEAN INFORMATION TECHNOLOGY OBSERVATORY g e h e n d a v o n a u s , d a ß b i s
zum Jahr 2001 Deutschland mit einem Online-Transaktionsvolumen von 12,5 Milliarden Euro zum größten interaktiven Marktplatz in Europa avancieren wird. 4 0 5 Eine Analyse des E-Commerce aus der Sicht der Unternehmen ermöglicht eine Differenzierung in unternehmensintemen E-Commerce (Intra-Business) und unternehmensexternen E-Commerce (Inter-Business). Intra-Business bezeichnet die elektronische Gestaltung der Geschäftsprozesse im Unternehmen, wie z.B. die Implementierung von Workflow-Management-Systemen. 406 Hierbei werden die Beziehungen und Netzwerke in einem oder mehreren Unternehmen unterstützt, um eine kundengerechte Leistungserstellung zu gewährleisten.
Intra-Business Abb. 4.33:
Anwendungsbereiche
des
E-Commerce^^
Im unternehmensexternen E-Commerce können abhängig von den beteiligten Geschäftspartnern, also von •
Konsumenten (Consumer),
•
Unternehmen (Business) oder
4 0 4
V g l . H E R M A N N S / S A U T E R ( 1 9 9 9 ) , S . 14.
4 0 5
V g l . BOGASCHEWSKY/KRACKE ( 1 9 9 9 b ) , S . 9 .
4 0 6
V g l . HANS/WARSCHBURGER ( 1 9 9 9 ) , S. 2 9 4 .
4 0 7
V g l . SCHEER/HOFFMANN/FELD ( 1 9 9 9 ) , S. 16.
378
•
4 Prozeßorientierte Konzepte
öffentlichen Institutionen,
verschiedene Arten des E-Commerce unterschieden werden. Werden die Akteure jeweils als Anbieter und Nachfrager der Leistungen aufgefaßt, ergeben sich die möglichen Markt- und Transaktionsbereiche des E-Commerce. Nachfrager der Leistung
Anbieter der Leistung
Abb. 4.34:
Consumer
Business
Administration
Consumer-toConsumer
Consumer-toBusiness
Consumer-toAdministration
z.B. InternetKleinanzeigenmarkt
z.B. Jobbörsen mit Anzeigen von Arbeitssuchenden
z.B. Steuerabwicklung von Privatpersonen
Business-toConsumer
Business-toBusiness
Business-toAdministration
z.B. Bestellungen eines z.B. Bestellung eines Kunden in einer Unternehmens bei Internet-Shopping Mall einem Zulieferer (EDI)
z.B. Steuerabwicklung von Unternehmen (Umsatzsteuer)
Administration-toConsumer
Administration-toBusiness
Administration-toAdministration
z.B. Abwicklung von Unterstützungsleistungen
z.B. Beschaffungsmaßnahmen öffentlicher Institutionen
z.B. Transaktionen zwischen öffentlichen Institutionen
Markt- und Transaktionsbereiche
des
E-Commerce^^
Im Rahmen des Business-to-Consumer-E-Commerce werden auf elektronischem Weg die Geschäftsprozesse zwischen Unternehmen und Privatkunden abgewickelt. Für das Unternehmen stehen hier fast ausschließlich absatzbezogene Aspekte wie die Produktpräsentation, die Werbung und die Kundenberatung sowie das Electronic Shopping im Vordergrund. 409 Der Business-to-Consumer-Bereich spiegelt sich vor allem im Electronic Retailing wider, dem stark an Bedeutung gewinnenden elektronischen Einzelhandel, mit der Konsequenz, daß immer mehr Händler die Herausforderungen und Chancen der zeitlich und räumlich offenen Märkte annehmen, um Kunden über das World Wide Web zu akquirieren. Zunehmend werden im Business-toConsumer-Bereich auch Finanz- und Versicherungsdienstleistungen an Bedeutung erlangen. Zahlreiche Institute ermöglichen in diesem Bereich eine tägliche Kontoführung, den Aktienhandel oder den Abschluß von Lebensversicherungen und Hypotheken.
4 0 8
Q u e l l e : H E R M A N N S / S A U T E R ( 1 9 9 9 ) , S. 2 3 .
409
Vgl. H A N S / W ARSCHBURGER ( 1999), S. 294.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
379
Gegenstand des Business-to-Business-E-Commerce ist die Betrachtung von Geschäftsprozessen zwischen verschiedenen Unternehmen. Es werden sowohl die Beziehungen zu Lieferanten als auch die Kundenbeziehungen zu anderen Unternehmen, wie z.B. Handelsbetrieben, industriellen Abnehmern oder Banken, betrachtet. 4 1 0 Da die Unternehmen im Business-to-Business-Bereich überwiegend Effizienzsteigerungen in den Dimensionen Zeit und Kosten erwarten, ist es auch nicht verwunderlich, wenn Schätzungen davon ausgehen, daß im Jahr 2003 etwa 90% aller Firmen im Internet präsent sein werden. Während sich 1998 weltweit im Business-to-BusinessBereich der Umsatz auf 43 Milliarden Dollar belief, wird für das Jahr 2003 ein Umsatz von 1,3 Billionen Dollar erwartet. 4 1 1 Die Bereiche Business to Administration und Consumer to Administration zielen auf eine informationstechnologische Unterstützung der Schnittstellen zwischen den Unternehmen bzw. privaten Endverbrauchern auf der einen und der öffentlichen Verwaltung auf der anderen Seite a b . 4 1 2 Allerdings ist momentan die Bedeutung des öffentlichen Bereichs an Internet-basierten Transaktionen eher gering, da die Nutzung dieser Technologie auf administrativer Seite noch wenig verbreitet ist. Anwendungsmöglichkeiten liegen aber vor allem in der öffentlichen Beschaffung, in der Steuerabwicklung von Unternehmen oder Haushalten, in Leistungstransfers an Unternehmen und Haushalte sowie in der Abwicklung von Transaktionen zwischen öffentlichen Institutionen. 4 1 3 Im Consumer-to-Consumer-E-Commerce treten die Haushalte selbst in elektronische (Geschäfts-)Beziehungen zueinander. Neben dem Versenden von E-Mails sind in diesem Bereich vor allem Kleinanzeigenmärkte von Bedeutung. Insofern stellt das Internet für Konsumenten derzeit vor allem ein Medium der Information, der Selbstdarstellung und der Kommunikation d a r . 4 1 4 Ebenfalls von geringer Bedeutung ist der Consumer-to-Business-Bereich. Denkbare Anwendungsgebiete sind hier vor allem Arbeitsplatz- und Stellenbörsen, bei denen der Arbeitssuchende sein Qualifikationsprofil offeriert und weltweit interessierten Unternehmen zur Verfugung stellt.
4 1 0
V g l . H A N S / W ARSCHBURGER ( 1 9 9 9 ) , S . 2 9 4 .
411
Vgl. o . V . (1999), S. 1436.
412
Vgl. SCHEER/BOROWSKY/MARKUS(1998), S. 21.
4 1 3
V g l . HERMANNS/SAUTER ( 1 9 9 9 ) , S. 26.
414
Vgl. KAUFMANN (1999), S. 377.
380
4 Prozeßorientierte
4.2.4.3.2
Konzepte
Generelle strategische Optionen des Internet-basierten E-Commerce
In nahezu allen Unternehmensbereichen können auf Basis der Internet-Technologie die bereits bestehenden strategischen Ausrichtungen unterstützt und neue strategische Optionen eröffnet werden. Der hohe Standardisierungsgrad der Internet-Technologie und die große Verbreitung ermöglichen es dabei grundsätzlich, kosteneffiziente Lösungen sowie neue Produkte und Dienstleistungen einem weltweit verteilten Nutzerkreis anzubieten. 415 Durch die Möglichkeit, zeit- und kosteneffizient Informationen auszutauschen, können neuartige Netzwerkformationen unter Einbeziehung mittelständischer Unternehmen geschaffen werden. 4 1 6 Die damit zwangsläufig einhergehende Wettbewerbsverschärfung fuhrt jedoch dazu, daß nicht nur Internetgestützte Systeme aufgebaut werden müssen, um Wettbewerbsvorteile erzielen zu können; vielmehr werden diejenigen Unternehmen Wettbewerbsnachteile hinnehmen müssen, die über keine derartigen Systeme verfügen. Zu den wesentlichen strategischen Optionen eines Internet-basierten E-Commerce zählen •
das Internet-gestützte Marketing,
•
die Internet-gestützte Beschaffung (Electronic Procurement),
•
die Internet-gestützte Produktion (Mass Customization),
•
die Internet-gestützte Logistik und
•
die Internet-gestützte Organisation (virtuelle Unternehmen).
4.2.4.3.2.1
Internet-gestiitztes Marketing
Die zentralen Aufgaben des Marketing-Management bestehen darin, auf der Grundlage der relevanten Informationen (Marktforschung) systematisch •
Marketingziele,
•
Marketingstrategien
•
und
Marketingmaßnahmen
effektiv und effizient unter Beachtung der Wettbewerbssituation zu planen, zu implementieren und zu kontrollieren. Die Internet-Technologie bietet dem MarketingManagement die Möglichkeit, als neues Informationsmedium zu fungieren. Gleich-
415
Vgl. BOGASCHEWSKY/K.RACKE (1999a), S. 108.
4
Zu diesen neuartigen Netzwerkformen zählen virtuelle Unternehmen. Vgl. hierzu Abschnitt 4.2.4.3.2.5.
'6
4 Prozeßorientierte
Konzepte
381
zeitig stellt das Internet die Basis für einen neuartigen Weg der Leistungsverwertung im Sinne einer Online-Vermarktung oder eines Online-Marketing dar. Ausgangspunkt für die systematische Entwicklung von Marketingzielen und Marketingstrategien ist die Marktforschung. Im Rahmen der Marktforschung werden die Märkte insbesondere hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Umsätze hervorzubringen, analysiert. Auf Basis einer Online-Marktforschung besteht die Möglichkeit, kontinuierlich sämtliche Transaktionen und Kundendaten zu speichern und zu analysieren. Ein solches Online-Database-Marketing basiert - wie auch die klassische marktorientierte Informationsgewinnung - auf einer Primär- und Sekundärforschung. Im wesentlichen konzentriert sich die Primärforschung im Internet auf eine OnlineBefragung per E-Mail, bei der die Kunden direkt angeschrieben werden, oder auf eine statische Präsenz von Fragebögen auf den unternehmensspezifischen Websites. Zunehmend werden solche Fragebögen durch den Einsatz von Video-, Bild- und Tonmaterial multimedial und interaktiv unterstützt. 417 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Nutzerbefragungen in Newsgroups durchzuführen. Der Schwerpunkt der Online-Befragungen liegt derzeit auf der Informationsgewinnung hinsichtlich des eigenen Internet-Auftritts sowie der angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Ferner können aber auch Nutzungs- und Wirkungskontrollen via Internet - z.B. Zahl der realisierten Kontakte, Reaktion auf Angebote (Nutzerregistrierung) usw. - durchgeführt werden. Im Gegensatz zur Online-Primärforschung basiert die Online-Sekundärforschung im wesentlichen auf den drei Recherchebereichen: •
Analyse allgemeiner statischer Informationsquellen,
•
Monitoring und
•
freie themenspezifische Recherche
Generell besteht die Möglichkeit, online allgemeine statistische Informationen der jeweiligen statistischen Ämter abzurufen, wobei diese Informationen via Internet in der Regel weit aktueller und kostengünstiger zu erhalten sind als auf klassischem Wege. Ferner kann im Rahmen des Monitoring die Markt- und Konkurrenzsituation kontinuierlich überprüft werden, indem entweder in den zunehmend Verbreitung findenden Wirtschaftsdatenbanken recherchiert wird, oder indem die häufig tagesaktuell aufgezogenen Internet-Seiten der Konkurrenz hinsichtlich relevanter Unternehmensund Konkurrenzproduktinformationen analysiert werden. Letztlich besteht auch die Möglichkeit, via Internet eine thematische Recherche zu betreiben, um z.B. im Vorfeld strategischer Entscheidungen Informationen über die Stimmung in der Gesellschaft, z.B. zum Thema Gentechnologie, zu erhalten.
417
Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen ausführlich HERMANNS (1999), S. 90.
382
4 Prozeßorientierle
Konzepte
Aufbauend auf den gewonnenen Informationen gilt es im Rahmen der Marketingplanung, die wettbewerbsorientierten Marketingziele und Marketingstrategien zu planen. Für das strategische Online-Marketing sind insbesondere •
die Kundenakquisition,
•
die Kundenbindung und -integration sowie
•
die Befriedigung der Kundenbedürfnisse
als zentrale Zielsetzungen festzuhalten. 418 Generell bietet das Internet die Möglichkeit, weltweit neue, bisher nicht erreichbare Zielgruppen anzusprechen und als Kunden zu akquirieren. Dabei ist von vornherein darauf zu achten, daß eine dauerhafte Kundenbeziehung aufgebaut wird, damit im Rahmen des immer intensiver werdenden Wettbewerbs und der Möglichkeit, jederzeit den Anbieter weltweit zu wechseln, dauerhafte Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Eine solche dauerhafte Kundenbindung kann vor allem durch eine Kundenintegration in den eigentlichen Leistungserstellungsprozeß erzielt werden. So besteht beispielsweise im Rahmen einer onlinebasierten Mass Customization die Möglichkeit, durch eine kosten- und zeiteffiziente Gewinnung kundenindividueller Informationen hinsichtlich der spezifischen Vorlieben, Abneigungen und Spezifikationswünsche eine Individualisierung von uniformierten Massenprodukten hin zu maßgeschneiderten, kundenspezifischen Massenprodukten vorzunehmen. 419 Ferner kann auch die klassische kundenindividuelle Auftragsfertigung interaktiv via Internet unterstützt werden. 4 2 0 Darüber hinaus wird eine Kundenintegration auch insbesondere durch eine Einbindung in die Produktions- und Vertriebslogistik erreicht, indem der Kunde z.B. online Einblicke in den Fertigungsfortschritt der Produkterstellung vornehmen kann oder indem eine Sendungsverfolgung durch das Transportunternehmen ermöglicht wird. 421 Neben der Einbindung in den gesamten Logistikprozeß kann eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit auch dadurch erreicht werden, daß beispielsweise E-Mail-Beschwerdeadressen oder Online-Beschwerdeformulare im Internet hinterlegt werden, so daß die gesamte Garantie- und Kulanzleistung für den Kunden zeiteffizienter im Rahmen eines Internet-basierten Beschwerdemanagements abgewickelt werden kann. Aber auch eine permanente After-Sales-Betreuung via Internet ermöglicht eine Verstärkung der Kundenzufriedenheit, da hierdurch z.B. Probleme rasch gelöst und Fragen schnell, ausfuhrlich und mit multimedialer Unterstützung beantwortet werden können.
418
Vgl. HERMANNS (1999), S. 91 f.
419
Vgl. Abschnitt 4.2.4.3.2.3.
4 2 0
Vgl. Abschnitt 4.2.4.3.2.4.
421
Vgl. Abschnitt 4.2.4.3.2.4.
4 Prozeßorientierte Konzepte
383
Die aus den Internet-basierten Marketingzielen abgeleiteten Online-Marketingstrategien können grundsätzlich in vier Handlungsperspektiven ausdifferenziert werden: •
Wachstumsstrategien
•
Direktmarketing/ One-to-One-Marketing
•
Internationalisierung
•
Wettbewerbsstrategien
Für •
die Marktdurchdringungsstrategie,
•
die Marktentwicklungsstrategie,
•
die Produktentwicklungsstrategie und
•
die Diversifikationsstrategie,
die sich in der klassischen Produkt-Markt-Matrix von ANSOFF als sogenannte Wachstumsstrategien widerspiegeln, 4 2 2 stellt das Internet zum einen ein reines Trägermedium für Informationen und zum anderen durchaus auch die Basis für die Entwicklung Internet-basierter Produkte dar. Märkte
bestehende
neue
Produkte bestehende
Marktdurchdringung
1—• Marktentwicklung
neue
Produktentwicklung ^
^
Tab. 4.26:
Diversifikation
Produkt-Markt-Matrix
So kann eine Marktdurchdringung wesentlich durch das Internet forciert werden, da durch die multimedialen und interaktiven Möglichkeiten die bestehenden Zielgruppen wesentlich besser angesprochen werden können, als dies mit den klassischen, nicht oder nur begrenzt interaktiven Medien der Fall ist. Eine Internationalisierung der Marktpräsenz im Rahmen einer Marktentwicklungsstrategie findet in der InternetTechnologie aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung ebenfalls ein geeignetes Trägermedium. Darüber hinaus bietet das Internet die Möglichkeit, z.B. durch neue Dienstleistungen bestehende Märkte (Produktentwicklungsstrategie) auszuschöpfen oder neue Märkte (Diversifikationsstrategie) zu erschließen. Zu solchen neuartigen Dienstleistungen kann z.B. das E-Banking gezählt werden.
422
Vgl. ANSOFF (1966), S. 13 ff.
384
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Von größerer Bedeutung als die Unterstützung klassischer Wettbewerbsstrategien ist jedoch der E-Commerce-basierte Aufbau eines Direktmarketings bzw. eines Oneto-One-Marketing (Face-to-Face-Marketing). Basis eines solchen Beziehungsmarketings ist ein an den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden orientiertes Angebot. Ein solches Beziehungsmarketing basiert im wesentlichen auf vier Erfolgsfaktoren :423 •
Identifikation
•
Differenzierung
•
Interaktion
•
Mass Customization
Fundamental für ein dauerhaftes One-to-One-Marketing ist die Identifikation des Wertes eines Kunden für das betrachtete Unternehmen sowie die Identifikation der Vorlieben, Abneigungen und der Produkt- bzw. Dienstleistungsspeziflkationswünsche jedes einzelnen Kunden, so daß nicht nur der Händler, sondern vor allem auch der Leistungsersteller individuell auf die Wünsche jedes einzelnen Kunden optimal eingehen kann. Entscheidend dabei ist, daß dem Kunden gleich zu Beginn seitens des Unternehmens deutlich gemacht wird, daß ihm für die Preisgabe privater Informationen ein ganz spezifisch auf ihn zugeschnittenes Leistungsangebot und ein damit individueller (Mehr-)Wert präsentiert wird. Eine solche Kundendifferenzierung mit der Möglichkeit zum individuellen Produkt- und Serviceangebot war bisher nur kleinen und regional begrenzten, hochpreisigen Anbietern möglich. Die Internet-Technologie bietet dagegen die Chance, kostengünstig eine individuell maßgeschneiderte Massenproduktion aufzubauen. 424 Ferner führt jede Interaktion mit dem Kunden dazu, sein Anspruchsprofil zu verfeinern, so daß neben einem maßgeschneiderten Produktangebot zu Preisen eines Massenproduktes (Mass Customization) vor allem beim Wiederholungskauf zeit- und kosteneffizient auf die Wünsche des Kunden proaktiv eingegangen werden kann. So bietet beispielsweise ein japanischer Fahrradhersteller Mass-Customized-Räder nur 10% über dem Preis von Standardprodukten an. Abhängig von der Körpergröße, dem Fahrstil, der Erfahrung, dem bevorzugten Gelände und den individuellen Wünschen des Kunden wird aus 10 Millionen Varianten das kundenindividuelle Rad innerhalb von zwei Wochen hergestellt. 425 Neben dem One-to-One-Marketing bietet das Internet gerade für kleine und mittelständische Unternehmen die ideale Voraussetzung, kostengünstig eine InternationaIisierungsstrategie zu betreiben.
4 2 3
V g l . WEINBERGER ET AE. ( 1 9 9 9 ) , S. 2 5 0 f f .
424
Vgl. Abschnitt 4.2.4.3.2.3.
425
Vgl. WEINBERGER ET AL. (1999), S. 251 f.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
385
Werden hingegen die PORTERschen Wettbewerbsstrategien näher betrachtet, 426 so ist es fraglich, ob mit dem Einsatz des E-Commerce zwangsläufig eine Kostenführerschaftsstrategie verbunden ist. Eine solche strategische Position ist nur einzunehmen, wenn, wie bereits erläutert, standardisierte Produkte kostengünstig in hohen Stückzahlen vertrieben werden. Denkbar wäre eine Kostenfiihrerschaftsstrategie z.B. für einen vollsortimentierten Internet-Versandbuchhandel, der trotz fehlenden persönlichen Kontakts zum Kunden nichts an Beratungskompetenz verliert. 427 Wesentlich besser eignet sich eine Kombination von E-Commerce und Differenzierungsstrategie, da mit Hilfe der Internet-gestützten Informations- und Kommunikationssysteme die Möglichkeit geboten wird, sich im Rahmen eines One-to-One-Marketing von den Wettbewerbern abzugrenzen. Auch eine Marktnischenstrategie erscheint im Kontext der Internet-Technologie sinnvoll, da gerade die Kundeninteraktion und die Kundenintegration die Möglichkeit bietet, Marktnischen individuell zu bedienen. Im Anschluß an die Auswahl der Marketing-Strategie ist diese mit Hilfe •
produktpolitischer Maßnahmen,
•
kommunikationspolitischer Maßnahmen,
•
kontrahierungspolitischer Maßnahmen und
"
distributionspolitischer Maßnahmen
umzusetzen. Generell können im Rahmen produktpolitischer Maßnahmen sämtliche Arten industrieller Fertigung - Auftragsfertigung bis Angebotsfertigung - durch eine entsprechende Internet-Technologie unterstützt werden. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, virtuelle Marken oder Produkte, also Leistungen, die nur im Internet offeriert werden, wie z.B. das Motorrad MH 900e der Firma D U C A T I , anzubieten. Kommunikationspolitische Maßnahmen wie Werbung, Public Relations usw. können über eigene, fremde sowie kooperative Websites vorgenommen werden. Auch das Viral Marketing als Kommunikations- und Vertriebskonzept zählt zu den Internet-basierten kommunikationspolitischen Maßnahmen. Hierbei senden Kunden digitale bzw. digitalisierbare Produkte mit Hilfe der elektronischen Post an weitere potentielle Kunden aus ihrem sozialen Umfeld, die ihrerseits zur Weitervermittlung der Produkte animiert werden. 4 2 8 Die Kunden übernehmen somit die Funktion von Zwischenhändlern. Das Ziel des Viral Marketing ist weniger die Ertrags- oder Gewinnerzielung, als vielmehr in möglichst kurze Zeit eine große Anzahl von Kunden zu gewinnen. Dabei bedient sich das Viral Marketing werbefinanzierter, für den Endkunden „kostenloser" Freeware
4 2 6
Vgl. hierzu die e m p i r i s c h e A u s w e r t u n g von PlLLER/SCHODER (1999), S. 1123 ff.
4 2 7
Vgl. HERMANNS (1999), S. 94.
4 2 8
Vgl. HELM ( 2 0 0 0 ) , S. 313.
386
4 Prozeßorienlierle Konzepte
wie E-Mail-Angebote, Nachrichtendienste, Kundenhomepages usw., wobei diese kundenbindenden Leistungen im Gegenzug für die Identifizierung des Kunden gegenüber dem Anbieterunternehmen gewährt werden. 4 2 9 Entsprechend sind ViralMarketing-Produkte wie folgt gekennzeichnet: •
Das Produkt wird exklusiv und kostenlos im Internet angeboten. Da es sich um digitale bzw. digitalisierbare Güter handelt, liegen die Grenzkosten für eine weitere Einheit nahe bei Null.
•
Es wird ein Kundennutzen geboten, wobei das Produkt in der Markteintrittsphase in der Wahrnehmung der Zielgruppe konkurrenzlos ist.
•
Die Kunden, die direkt vom Anbieter „infiziert" werden, um das Produkt im Schneeballeffekt ähnlich einer „Viruserkrankung" zu verbreiten, werden sorgfaltig ausgewählt. Dabei wird vor allem darauf geachtet, daß die ersten „Wirtspersonen" einen intensiven Kontakt mit vielen weiteren Usern (z.B. Studierende) pflegen.
Ein Unternehmen das eine Viral-Marketingstrategie exzessiv betreibt, ist z.B. die Finna HOTMAIL, die den Kunden eine kostenlose E-Mail-Adresse anbietet. Jeder EMail ist ein Link mit der Werbeaufschrift „Get your free E-Mail at Hotmail" angefugt. Da die neuen Nutzer automatisch zu Verkäufern des Unternehmens Hotmail werden, konnte das Unternehmen nach anderthalb Jahren 12 Millionen Abonnenten für seine werbefinanzierten Services akquirieren. 430 Neben den dargestellten kommunikationspolitischen Maßnahmen können auch kontrahierungspolitische Maßnahmen via Internet unterstützt werden, wobei allerdings aufgrund der Markttransparenz bezüglich der Preise und Konditionen die Möglichkeiten in diesem Bereich stark eingegrenzt sind. Problematisch ist zudem, daß die Sicherheitsrisiken im Bereich der Zahlungsmöglichkeiten, zumindest was die Bezahlung per Kreditkarte angeht, noch nicht ausgeräumt sind. Letztlich beeinflußt die Internet-Technologie auch in erheblichem Maße den Bereich der Distribution. So wird es sicherlich zu einer Verstärkung des Direktvertriebs als eine der vielfältigen distributionspolitischen Maßnahmen kommen. 431
4.2.4.3.2.2
Internet-gestützte Beschaffung - Electronic Procurement
Electronic Procurement (EP) ist ein Sammelbegriff fur die Internet-technologische Unterstützung der Beschaffung unter Zuhilfenahme spezieller Internet-Dienste, wie z.B. E-Mail, FTP, Telnet, Newsgroups oder WWW. 4 3 2 Dabei wird im überwiegenden 429
Vgl. HELM (2000), S. 313.
430
Vgl. Abschnitt 4.2.4.3.6.2.
431
Vgl. Abschnitt 4.2.4.3.6.2.
432
Vgl. BOGASCHEWSKY (1999), S. 14.
4 Prozeßorientierte Konzepte
387
Maße die Internet-Technologie über entsprechende Schnittstellen an klassische PPSoder ERP-Systeme (z.B. betriebswirtschaftliche Standardsoftware-Systeme) angekoppelt. Gänzlich Internet-basierte Materialwirtschaftssysteme stecken dagegen noch in den Kinderschuhen. Die Erfolgspotentiale eines Electronic Procurement im Hinblick auf eine Verbesserung der Effektivität und der Effizienz können im wesentlichen auf vier Bereiche zurückgeführt werden: 433 •
Erschließung von Informationsquellen
•
Optimierung des (internen) Beschaffungsprozesses
•
Vernetzung mit externen Partnern
•
Nutzung elektronischer Marktplätze
Wie bereits im Rahmen des Internet-basierten Marketings deutlich geworden ist, bietet das Internet die Möglichkeit, zu geringen Kosten weltweit Informationen zu erhalten. Dabei kann sowohl in fachspezifischen Datenbanken als auch im relativ unstrukturierten WWW recherchiert werden. Neben der hohen Zeit- und Kosteneffizienz, die mit einer Internet-Recherche verbunden ist, besteht aufgrund der Aktualität und der Möglichkeit zum weltweiten Datenabgleich die Chance, die Datenqualität gegenüber klassischen Informationsquellen erheblich zu verbessern. Mit Hilfe spezifischer Dienste können über Kataloge und Suchmaschinen die relevanten Informationen herausgefiltert werden. Ein weiteres Effizienzpotential liegt in der Anbindung von Intranetzen an das Internet. Hierdurch ist es problemlos möglich, Dateien aus dem Internet herunterzuladen und zeit- und kosteneffizient in dem spezifischen Intranet aufzubereiten und weiterzuleiten. Neben der Informationsgewinnung spielt im Rahmen des Electronic Procurement vor allem die Optimierung des Beschaffungsprozesses eine zentrale Rolle. 434 So kann sowohl die Effizienz als auch die Effektivität der gesamten Beschaffung durch den Einsatz der Internet-Technologie u.U. wesentlich verbessert werden. Beispielsweise kann die Beschaffung mit Hilfe Internet-/Intranet-basierter Systeme weitgehend automatisiert werden, wodurch u.a. einzelne Genehmigungs- oder Arbeitsschritte überflüssig werden, was letztlich zu einer erheblichen Reduzierung der Kosten und der Abwicklungszeit des Beschaffungsvorgangs führt. Gleichzeitig können im Rahmen einer Internet-/Intranet-gestützten Prozeßorganisation dem jeweiligen Prozeßverantwortlichen weitgehende Kompetenzen übertragen werden, wodurch die Motivation und die Effektivität der Entscheidungen gefördert wird. Insbesondere die Verknüpfung der Internet-Technologie über standardisierte Schnittstellen mit einer betriebswirtschaftlichen Standardsoftware schafft Freiräume für die Prozeßbeteiligten, da die automatisierten Prozeßabläufe weitaus schlanker und übersichtlicher ablaufen, als
433
Vgl. BOGASCHEWSKY (1999), S. 15 ff. und BOGASCHEWSKY/KRACKE (1999a), S. 112 ff.
434
Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen ausführlich BOGASCHEWSKY (1999), S. 23 ff.
388
4 Prozeßorientierte
Konzepte
dies im klassischen Beschaffungsprozeß mit seinen vielfältigen Schnittstellen der Fall ist. Diese Freiräume können beispielsweise dazu genutzt werden, eine genauere Lieferantenbeurteilung vorzunehmen oder aber intensivere Einkaufsverhandlungen zu führen, so daß die Qualität und damit die Effektivität der Beschaffungsleistung verbessert wird. Ähnlich wie beim Einsatz einer betriebswirtschaftlichen Standardsoftware bietet das Standardisierungspotential der Internet-Technologie die Möglichkeit, sich mit externen Partnern im Sinne eines Supply Chain Management auf Basis eines Extranets zu vernetzen. Über die Kopplung von PPS-Systemen oder ERP-Systemen unterschiedlicher Partner über das Internet können die Produktionspläne besser abgestimmt werden. Hierdurch besteht die Möglichkeit, eine JiT-Beschaffungsstrategie zu implementieren, die Lagerbestände zu senken und die Auftragsabwicklung termingerechter durchzuführen. Ferner können sich Unternehmen, die auf derselben Wertschöpfungsstufe angesiedelt sind, zu horizontalen Kooperationsformen zusammenschließen. Ziel dabei ist es, Preisnachlässe durch Einkaufskooperationen zu erreichen oder logistische Kapazitäten gemeinsam zu nutzen. Häufig beinhaltet ein Extranet auch virtuelle Marktplätze, die als virtuelle Institution Angebot und Nachfrage zusammenfuhren. Virtuelle Marktplätze können auf vier unterschiedliche Arten ausgestaltet s e i n : 4 3 5 •
Beim verkäuferzentrierten, offenen Internet-Suche-Modell sucht der Beschaffer im Internet mit Hilfe von Katalogen, Suchmaschinen und Online-Datenbanken nach potentiellen Lieferanten. Nicht gefundene Lieferanten bleiben dabei zunächst unberücksichtigt, können aber bei weiterer Recherche hinzukommen.
•
Beim verkäuferzentrierten, geschlossenen Portal-Modell wird der Einkäufer über Portale zu den dort gelisteten und registrierten Anbietern geleitet. Nicht gelistete Anbieter werden nicht berücksichtigt.
•
Beim käuferzentrierten, offenen Einkaufshomepage-Modell veröffentlicht der Beschaffer seinen Bedarf auf einer Einkaufshomepage. Interessierte Anbieter suchen die Homepage auf und offerieren bei Interesse ein Angebot. Handelt es sich um einen geschlossenen Nutzerkreis, der auf die Einkaufshomepage zugreifen kann, so sind die Anbieter entsprechend registriert. Nicht interessierte Anbieter bzw. solche, die keine Kenntnis von der Einkaufshomepage haben, bleiben unberücksichtigt.
•
Beim Marktplatzmodell treffen sich mehrere Anbieter und Nachfrager in einem virtuellen Raum, um entsprechende Geschäfte abzuwickeln. Nicht interessierte oder nicht registrierte Anbieter bleiben unberücksichtigt.
4 3 5
Vgl. BOGASCHEWSKY(1999),S.
30.
4 Prozeßorientierle
Konzepte
389
Zentrale Vorteile virtueller Marktplätze sind die geringen Transaktionskosten sowie die u.U. erheblichen Zeitvorteile gegenüber einer klassischen Beschaffung. Die Zeitvorteile begründen sich insbesondere darin, daß sich auf spezifischen virtuellen Materialbedarfsmarktplätzen ausschließlich Anbieter mit einem speziellen Leistungsangebot aufhalten, so daß aus einer Vielzahl von Anbietern rasch und kostengünstig ein Anbieter ausgewählt werden kann. Problematisch ist allerdings, daß noch keine einheitliche Produktklassifikation besteht, so daß es äußerst schwierig ist, nach spezifischen Anbietern und deren Produkten zu suchen bzw. die spezifische Nachfrage aufzufinden. Insofern ist für einen funktionierenden Markt eine kritische Masse an Anbietern und Nachfragern unabdingbar, da nur hierdurch gewährleistet wird, daß die Nachfrage theoretisch überhaupt befriedigt werden kann.
4.2.4.3.2.3
Internet-gestützte Produktion - Mass Customization
Das Wachstum vieler etablierter Produktmärkte hat sich in den letzten Jahren stark verlangsamt mit der Konsequenz, daß die Nachfrage nach alten Produkten auf die Nachfrage nach neuen Produkten ausgeweitet werden muß. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die neuen Produkte eine höhere Qualität und einen günstigeren Preis aufweisen als die etablierten Produkte. Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, daß sich generell die Preis-Leistungs-Relationen dahingehend verschoben haben, daß die Abnehmer auch bei einem günstigen Preis relativ hohe Ansprüche hinsichtlich der Qualität, des Servicegrades sowie der Varietät und der Funktionalität des Produktes haben bzw. daß die Kunden trotz einer ausgeprägten Produktdifferenzierung nur ein relativ niedriges Preisniveau akzeptieren. 43i > £ i n strategisches Management, daß unter diesen Bedingungen erfolgreich agieren will, muß erkennen, daß dies nur mit Hilfe einer hybriden Wettbewerbsstrategie möglich ist, so daß durch das gleichzeitige Einnehmen einer Kosten- und einer Differenzierungsposition den dynamischen Wettbewerbskräften Rechnung getragen werden k a n n . 4 3 7 Die Umsetzungsproblematik hybrider Wettbewerbsstrategien, d.h. der Auflösung der Unvereinbarkeitshypothese, wird durch die Potentiale moderner Maschinen- sowie Informations- und Kommunikationstechnologie, sofern sie initiatorenhaft eingesetzt werden, relaxiert. 4 3 8 Eine Auflösung des klassischen Zielkonflikts zwischen Flexibilität und Produktivität bzw. Qualität ist mit Hilfe einer Mass Customization (kundenindividueller Massenproduktion) auf Basis Internet-gestützter Informations- und Kommunikationssysteme möglich. 43 ' 3
4 3 6
Vgl. KALUZZA (1996), S. 194.
4 3 7
V g l . R E I T S P E R G E R E T A L . ( 1 9 9 3 ) u n d C O R S T E N / W I L L ( 1 9 9 5 ) , S . 2 f.
438
Vgl. A b s c h n i t t 2.1.2.1.
4 3 9
Vgl. zum B e g r i f f der Mass C u s t o m i z a t i o n DAVIS ( 1 9 8 7 ) , S. 169. A u s f ü h r l i c h wird d a s K o n z e p t b e i PLNE ( 1 9 9 3 ) c h a r a k t e r i s i e r t .
390
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Ncue Fertigungstechnologie und strategieorientierte Organisationskonzepte
Electronic Commerce
C I M und flexible Fertigungssysteme lösen den klassischen Konflikt zwischen Produktivität und Flexibilität oder hoher Qualität auf.
Die Potentiale des E-Commerce heben die Korrelation zwischen hohen Transaktionskosten und der Spezifität und Einmaligkeit von Leistungen auf.
Lean Management, Total Quality Management und Time-based Management bilden die umfassende philosophische und konzeptionelle Klammer.
Gleichzeitig ermöglichen es die E-Commerce-Potentiale, die Kunde-Hersteller-Lieferanten-Beziehungen zu intensivieren.
Massenhafte, kundenindividuelle, effektive und effiziente Marktbearbeitung
Abb. 4.35:
Massenhafte, kundenindividitelle, effektive und effiziente Marktbearbeitung
Mass Customization ist ein Oxymoron aus „Mass Production" und „Customization ", das inhaltlich darauf abzielt, eine so hohe Varietät zu produzieren, daß nahezu jeder Kunde zu einem fur ihn akzeptablen Preis genau das findet, was er wünscht, womit letztlich eine kundenindividuelle Produkt- und Leistungserstellung zu den Kosten einer standardisierten Massenproduktion gemeint ist. 440 Die für den Individualisierungsprozeß erhobenen Informationen sollen dabei dem Aufbau einer dauerhaften, spezifischen und persönlichen Hersteller-Abnehmer-Beziehung dienen. Ausgangspunkt eines Mass-Customization-Konzepts ist die Identifikation der kundenspezifischen Individualisierungsinformationen und deren Transformation in konkrete Produkt- und Prozeßspezifikationen. Dabei beschränkt sich die Mitarbeit des Kunden nicht nur auf die Weitergabe der Individualisierungsinformationen, sondern schließt durchaus auch eine Teilrealisierung der avisierten spezifischen Problemlösung mit ein. Insofern ist eine Mass Customization eher mit einer kundenindividuellen Auftragsfertigung zu vergleichen, bei der das Produkt nach Auftragseingang kundenspezifisch hergestellt wird, als mit einer Variantenfertigung, bei der der Hersteller ohne konkreten Kundenbezug für definierte Marktnischen Produktvariationen vorhält, aus denen der Kunde eine Auswahl treffen kann. Allerdings ist die Komplexität des Fertigungsprozesses geringer als bei einer kundenindividuellen Einzelfertigung, 441 da beispielsweise Stücklisten dynamisch sind und ähnlich wie die Arbeits- und Monta4 4 0
Vgl. DAVIS (1987), S. 169.
44
Zur
'
Komplexitätsproblematik
( 1 9 9 9 ) , 143 ff.
einer k u n d e n i n d i v i d u e l l e n
A u f t r a g s f e r t i g u n g vgl.
KEUPER
4 Prozeßorienlierle
Konzepte
391
geanweisungen automatisch generiert werden können. Eine Abgrenzung zur klassischen kundenindividuellen Einzelfertigung ist zudem dahingehend zu sehen, daß sich kundenindividuell massengefertigte Produkte in ihrem grundsätzlichen Aufbau nicht unterscheiden und daß die Individualisierung an wenigen, aus Sicht des Kunden aber entscheidenden Produktspezifikationen ansetzt. Darüber hinaus ist der Absatzpreis für alle Produkte relativ gleich bzw. folgt einem eindeutig definierten Baukastenprinzip. Jedoch ist jede Form einer Mass Customization für den Kunden immer auch mit einem relativ hohen Grad an Unsicherheit verbunden, da bei Vertragsabschluß weder die endgültige Qualität noch das spezifische Verhalten des Produzenten eindeutig vorhersagbar ist. Daher gilt es im Rahmen der Mass Customization die Kosten der Individualisierung möglichst gering zu halten und gleichzeitig dafür zu sorgen, daß der für den Kunden wahrnehmbare Nutzen über dem für die Individualisierung notwendigen Aufwand liegt. Die Nutzung des E-Commerce erleichtert die Produktion kundenspezifischer Produkte sowie die Bereitstellung spezifischer Leistungen durch •
die vereinfachte Identifizierung einzelner Kunden, ihres Bedarfs und ihrer Präferenzen anhand von Registrierungsformularen,
•
die unmittelbare Präsentation individualisierter, maßgeschneiderter Produkt- und Leistungsangebote durch Abgleich der Nutzerprofile mit den Mass-Customization-Möglichkeiten des Herstellers ohne die Notwendigkeit, das Trägermedium der Information zu wechseln, sowie durch
•
die Möglichkeit, Kundendaten ohne Medienbruch direkt in das CIM-System des Herstellers zu überführen, indem z.B. über standardisierte Schnittstellen einer Standardsoftware Transaktionen innerhalb eines Unternehmens und über die Unternehmensgrenzen hinweg, z.B. im Rahmen eines Supply Chain Management, initiiert werden. 4 4 2
Mass Customization umfaßt zwar in erster Linie eine Differenzierung durch Produktvarietät, zu einem Mass-Customization-Bündel können aber durchaus auch andere Komponenten wie etwa eine kundenbezogene Dienstleistung, ein besonderes Produktimage oder ein hoher Lieferservicegrad beitragen. 4 4 3
4 4 2
V g l . PILLER/SCHODER ( 1 9 9 9 ) , S. 1 1 2 1 .
4 4 3
V g l . PILLER/SCHODER ( 1 9 9 9 ) , S . 1 1 15 f.
392
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Hard Customization - Fertigungsbasierte Varietät -
Soft Customization - Kein Eingriff in die Fertigung Serviceindividualisierung: Ergänzung von Standardprodukten um individuelle sekundäre Dienstleistungen
Modularisierung nach Baukastenprinzip: Erstellung kundenspezifischer Produkte aus standardisierten kompatiblen Bauteilen
Selbstindividualisierung: Konstruktion und Fertigung standardisierter Produkte mit eingebauter Flexibilität, die vom Kunden selbst angepaßt werden kann
Massenhafte Fertigung von Unikaten: Kostengünstige, individuelle Fertigung eines Produkts über ganze Wertschöpfungsketten hinweg durch standardisierte Prozesse
Kundenspezifische Em 1- oder Vorproduktion Individuelle Endfertigung im Handel/Vertrieb: Auslieferung eines einheitlichen Rohprodukts, das im Handel nach Kundenwunsch vollendet wird
Tab. 4.27:
Individuelle End- /Vorproduktion mit standardisierter Restfertigung Entweder die ersten oder die letzten Wertschöpfungsschritte werden kundenindividuell durchgeführt, alle anderen standardisiert
Mass-Customization-Ausprägungerfi44
Der relativ niedrige Preis eines Mass-Customization-Produkts, der auf dem Niveau eines Massenproduktes angesiedelt sein sollte, ist jedoch nur dann zu erreichen, wenn sowohl Economies of Scale als auch Economies of Scope erzielt werden. 4 4 5 Aus Sicht des Herstellers liegt der zentrale Vorteil einer Mass Customization in dem Aufbau einer dauerhaften Kundenbeziehung. Der individuelle Kontakt zwischen den Kunden und dem Anbieter, sei es über den Hersteller selbst oder über den Handel, ermöglicht es, eine dauerhafte Kundenbindung aufzubauen und die während der Interaktion gewonnenen Informationen folgegeschäfts- und gewinnbringend einzusetzen. Je mehr Informationen ein Kunde über seine Vorlieben, Abneigungen und Spezifikationswünsche dem Hersteller im Rahmen seines Erstkaufs mitteilt und je größer das Wissen des Herstellers über die sich anschließende kundenspezifische Produktnutzung ist, desto effektiver und effizienter können bei einem Wiederholungskauf genau spezifizierte Leistungen und Produkte erstellt werden. 4 4 6 Der Aufbau einer Leaming Relationship fuhrt dazu, daß der Kunde bei einem avisierten Anbieterwechsel wieder den aufwendigen Vorgang der Individualisierungser4 4 4
Q u e l l e : PILLER/SCHODER ( 1 9 9 9 ) , S. 1117.
4 4 5
V g l . N O O R I ( 1 9 9 0 ) , S. 141 f.
4 4 6
V g l . PILLER/SCHODER ( 1999), S. 1117.
4 Prozeßorienlierre
Konzepte
393
hebung mit all den Unsicherheiten, die ein solcher Wechsel mit sich bringt, durchlaufen muß, so daß das im Rahmen der Interaktion gewonnene Wissen quasi eine Barriere für einen Anbieterwechsel darstellt. Die starke Kundenbindung bietet zudem die Möglichkeit, die Preiselastizität fließend zu verringern, so daß kundenspezifische Preise festgelegt werden können. Gleichzeitig können die Mass-CustomizationHersteller u.a. durch einen Abbau von Moderisiken und durch eine Reduzierung der Distributionslagerhaltung erhebliche Effizienzpotentiale erzielen. In ähnlicher Weise wie der aggressive Verkauf im Rahmen des Lean Management tragen auch die im Rahmen des Mass Customizing gewonnenen Informationen dazu bei, Fixkostenblökke, die aus der Not geboren sind, auf schwankende Nachfrageverläufe adäquat zu reagieren, abzubauen. Zudem können aus der Anzahl geäußerter Spezifikationswünsche wichtige Informationen für die Modifikation der Produkte im parallel angebotenen, einheitlichen Massenprogramm gewonnen werden. Eine Mass-Customization-Strategie fuhrt jedoch nur dann zum Erfolg, wenn der wichtigste Umsetzungsfaktor, die kundenindividuelle Information, effektiv und effizient ermittelt und produkt- und prozeßorientiert umgesetzt werden kann. Insofern stellen im Prinzip sämtliche Produktdifferenzierungkosten Informationskosten dar, die für die Erhebung der Kundenwünsche, für die Transformation in entsprechende Produktspezifikationen, für die gestiegene Koordinationskomplexität in der Fertigung und für die aufwendigere Beschaffung und Distribution anfallen. 4 4 7 Diese Informationskosten können insbesondere mit Hilfe des E-Commerce gesenkt werden, wobei das Kostensenkungspotential vor allem auf der Vereinfachung und der Effektivitätssteigerung der Kommunikationsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Hersteller b e r u h t 4 4 8
4.2.4.3.2.4
Internet-gestiitzte Logistik
Koordinationsprozesse, die durch ein Management von Abhängigkeiten gekennzeichnet sind, stehen im Mittelpunkt sowohl des E-Commerce als auch der klassischen Logistik. Unter Logistik ist dabei der räumliche und zeitliche Transfer von Gütern zu verstehen. 4 4 9 Die Logistik als Ganzes umfaßt •
die Beschaffungs- oder Materiallogistik,
•
die Produktions- oder innerbetriebliche Logistik,
•
die Distributions- oder Marketinglogistik und
•
die Entsorgungslogistik.
4 4 7
Vgl. PILLER/SCHODER (1999), S. 1 1 19.
4 4 8
Vgl. PILLER/SCHODER (1999), S. 1 120.
4 4 9
Vgl. KEUPER (2000e), S. 207 ff.
394
V Prozeßorienlierle
Konzepte
Im Rahmen logistischer Planungsprozesse sind dabei vor allem Entscheidungen auf den Gebieten •
der Standortplanung,
•
der Lagerhaltungsplanung,
•
der Transportplanung und
•
der Fahrzeugeinsatz- und Tourenplanung
zu treffen. E-Commerce unterstützt in diesem Zusammenhang sämtliche betrieblichen Prozesse und reduziert, wie bereits dargestellt, qua höhere Koordinationseffizienz die Transaktionskosten, so daß koordinationsintensivere Organisationsformen (z.B. virtuelle Unternehmen 4 5 0 oder SCM-geführte Unternehmenskooperationen) effizient umsetzbar sind. Allerdings sind durch E-Commerce für die physischen Distributionsprozesse keine grundsätzlichen Veränderungen zu erwarten, sofern von der physischen Distribution digitaler Güter abgesehen wird. Eine elektronische Distribution digitaler Güter geht jedoch mit einer enormen Zeit- und Kostenersparnis einher, da auf den klassischen Transport ganz verzichtet und der Aufwand für die Bestellüberwachung und den Wareneingang auf ein Minimum reduziert werden kann. Während sich bei digitalen Produkten auch der physisch-logistische Prozeß verändert, kommt es bei der Distribution nicht digitaler Produkte aufgrund der neuen Möglichkeiten des Informationsaustausches überwiegend zu einer Veränderung der Rahmenbedingungen der logistischen Prozesse. Die strategischen Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität und Zeit können weitgehend dann ausgeschöpft werden, wenn die Informationen des jeweiligen Geschäftspartners via Internet direkt in das unternehmensinterne DV-System überführt werden können. Hierdurch entfällt die wiederholte Eingabe von Daten in die Informationssysteme, wie es heute aufgrund der Vielzahl an Medienbrüchen innerhalb der logistischen Kette üblich ist. Entsprechend nimmt die Datenübertragungsgeschwindigkeit und die Zuverlässigkeit beim Informationstransfer, also die Datenqualität, zwischen den Handelspartnern zu. Neue Internet-basierte Dienstleistungen im Rahmen der Distribution stellen sogenannte Sendungs- bzw. Frachtverfolgungssysteme dar. Diese Systeme ermöglichen es dem Kunden, kostengünstig zu jeder Zeit eine Standortbestimmung seiner Warensendung über den gesamten Transportweg vorzunehmen oder ex post den Transportweg zu verfolgen. Hierdurch kann die Einhaltung von Lieferterminen permanent und aktuell überprüft bzw. besser geplant werden, so daß die Koordination der externen und internen Prozesse erheblich verbessert werden kann. Neben der Frachtverfolgung können Internet-basierte Systeme im Bereich der Logistik auch
Zu virtuellen Unternehmen vgl. Abschnitt 4.2.4.3.2.5.
4 Prozeßorientierte
•
zur Erstellung von Abladenachweisen den Stelle,
•
zum Nachweis des Check-in der Ladung,
•
zur Auskunfts- und Dispositionsmöglichkeit
•
zum Austausch von Frachtdokumenten
•
zur Abrechnung und Zahlung
395
Konzepte
mit der Identifikation der entgegennehmen-
bei Sonderabwicklungen,
sowie
genutzt werden. 4 5 1 Daneben besteht die Möglichkeit, Internet-basierte logistische Planungs- und Steuerungssysteme einzusetzen, die über standardisierte Schnittstellen zu betriebswirtschaftlichen Standardsofitware-Systemen in der Lage sind, über die logistische Kette hinweg eine Optimierung der Rundreisen und Touren zu ermöglichen. Darüber hinaus können auf Basis solch globaler Logistiksysteme Umladeprozesse oder Zwischenlagerungen während des Transports permanent überwacht und protokolliert werden.
4.2.4.3.2.5
Internet-gestützte Organisationen - virtuelle Unternehmen
Allgemein bedeutet virtuell „der Kraft oder der Möglichkeit nach vorhanden", im Sinne einer „als-ob-Realität" also etwas Scheinbares, Latentes. Der Begriff des virtuellen Unternehmens wird in der Literatur sehr heterogen definiert und verwendet. So existieren zweckorientierte452, technikorientierte^, institutionenorientierte454 und integrative455 Begriffsdefinitionen. Allgemein kann unter dem Begriff des virtuellen Unternehmen i.w.S. eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen durch eine übergreifend optimierte Wertschöpfungskette ausgerichtete Kooperation von rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen subsumiert werden. 456 Die kooperati-
4 5 1
V g l . BOGASCHEWSKY/KRACRE ( 1 9 9 9 a ) , S . 137.
4 5 2
Z w e c k o r i e n t i e r t e D e f i n i t i o n e n eines virtuellen U n t e r n e h m e n s stellen vor allem die Ziele f ü r d i e B i l d u n g v i r t u e l l e r U n t e r n e h m e n in d e n V o r d e r g r u n d ; v g l . h i e r z u u.a.
BYRNE/BRANDT/
PORT ( 1 9 9 3 ) , S. 3 6 . 4 5
3
T e c h n i k o r i e n t i e r t e D e f i n i t i o n e n e i n e s virtuellen U n t e r n e h m e n s legen d a s A u g e n m e r k
beson-
ders a u f die N u t z u n g hochentwickelter Informations- und K o m m u n i k a t i o n s t e c h n o l o g i e ;
vgl.
h i e r z u u . a . REICHWAI.D ET AL. ( 1 9 9 8 ) , S. 2 3 7 . 4 5 4
Bei d i e s e r D e f i n i t i o n s g r u p p e stellt das
Erscheinungsbild
gegenüber
Außenstehenden,
die
schnelle Bildung u n d Auflösung, die zentrale Eigenschaft virtueller U n t e r n e h m e n dar; vgl. h i e r z u u . a . DAVIDOW/MALONE ( 1 9 9 3 ) , S. 15. 4 5 5
Diese
Definitionsgruppe versucht
alle z u v o r
einer virtuellen Unternehmung ganzheitlich WOLFF/FREUND ( 1 9 9 8 ) , S. 19. 4 5 6
V g l . M E F F E R T ( 1 9 9 7 ) , S. 119.
schwerpunktmäßig
thematisierten
zu berücksichtigen; vgl. hierzu u.a.
Merkmale WOLTER/
396
4 Prozeßorientierte
Konzepte
ven und kompetitiven Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen bilden ein Unternehmensnetzwerk, in dem sich die Unternehmen auf ihre Kemkompetenzen konzentrieren und auf dessen Basis die individuellen Kernkompetenzen mit Hilfe von IuK-Technologien in einem virtuellen Unternehmen i.e.S. projektorientiert miteinander temporär verknüpft werden. 4 5 7 Das virtuelle Unternehmen weist somit keine festen Formalstrukturen auf, so daß die Zusammenarbeit auf einer Vertrauensbasis stattfindet. Ausgangspunkt der virtuellen Wertschöpfung ist der Kundenauftrag, der dafür sorgt, daß zu seiner Erfüllung geeignete Wertschöpfungspartner ein virtuelles Netzwerk eingehen. Alle beteiligten Partner stellen zur Abwicklung des Auftrages ihre spezifischen Kernkompetenzen zur Verfügung. Auf Basis einer informationstechnologischen Vernetzung wird der Informationsaustausch und die Kommunikation optimiert, so daß der Kundenauftrag schneller, besser, billiger und flexibler erfüllt werden kann, als dies in einer klassischen, auf Dauer angelegten Kooperationsform der Fall gewesen w ä r e . 4 5 8 Das wirklich neue an virtuellen Unternehmen ist somit die dynamische Komponente moderner IuK-Instrumente, und hier sind dies insbesondere die Möglichkeiten des Internets. Auf Basis Internet-gestützter Kommunikation können Ad-hoc-Kooperationen auf Zeit oder dynamische Netzwerke gebildet werden, die es ermöglichen, flexibel auf die sich rasch ändernden Marktanforderungen zu reagieren. Der Initiator eines solchen virtuellen Verbundes sucht Partner, die weitestgehend ohne vertragliche Vereinbarungen auf Zeit bestimmte Teilleistungen in den Bereichen Marketing, Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Vertrieb erbringen. Aufgabe des Initiators, der auch als Broker bezeichnet wird, ist die Konfiguration des Netzwerkes und die Sicherstellung des Informationsflusses innerhalb des Verbunds. Zu den zentralen Voraussetzungen für eine V i s u a l i s i e r u n g 4 5 9 des Unternehmens zählen •
der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien auf Basis der Internet-Technologie zur Integration der Aktivitäten der Kooperationspartner. Hierdurch wird es möglich, zeit- und standortunabhängig komplexe Aufgaben arbeitsteilig zu bewältigen. Dabei versuchen virtuelle Unternehmen, Anlageinvestitionen durch Netzwerke von Kompetenzträgern zu substituieren. 4f >°
•
die flexible Auswahl der Kooperationspartner nach Maßgabe spezifischer Kernkompetenzen. Alle Kooperationspartner bringen ihre kompetitiven Kernkompeten-
457
Vgl. BLECKF.R (1999), S. 33.
458
Vgl. WÜTHERICH/PHILIPP (1998), S. 17.
4 5 9
Vgl. BÜSCHKEN (1999), S. 780 ff.
460
v g l . W Ü T H E R I C H / P H I L I P P ( 1 9 9 9 ) , S. 55.
4 Prozeßorienlierte
Konzepte
397
zen in das virtuelle Unternehmen ein, so daß temporär eine Best-of-EverythingOrganisation mit erheblichen Zeit- und Kostenvorteilen generiert wird. Ferner besteht so die Möglichkeit, kurzfristig an wertschöpfenden, einzigartigen und nicht imitierbaren strategischen Ressourcen zu partizipieren, die ansonsten nur schwer oder gar nicht transferierbar wären. Im Gegensatz zu Allianzen oder Joint Ventures ist die virtuelle Partnerschaft viel flexibler, so daß u.U. sogar eine Leistungserstellung in Form einer Losgröße eins erstellbar ist. •
die Schaffung einer Vertrauenskultur als integrative Klammer zwischen den Kooperationspartnern. Da virtuelle Unternehmen nur über rudimentäre vertragliche Vereinbarungen verfügen und die formalen Koordinations- und Lenkungsstrukturen nur sehr schemenhaft ausgeprägt sind, benötigen virtuelle Unternehmen eine integrative Vision. 4 6 1 Von zentraler Bedeutung ist hierfür eine für alle Kooperationspartner objektiv und subjektiv wahrnehmbare Win-Win-Orientierung.
Mit der Bildung virtueller Unternehmen wird die Bedeutung der Economies of Scale und der Economies of Scope dramatisch reduziert und gleichzeitig die Wertigkeit der Economies of Speed bei gesteigerter Flexibilität und reduziertem Aufwand und Risiko erhöht. So werden mit virtuellen Unternehmen folgende Zielvorstellungen verbunden: 4 6 2 •
Aufgrund der Zeitvorteile beim Aufbau von Kapazitäten kommt es zu einer Verkürzung des Zeitbedarfs für den Markteintritt;
•
Know-how- und Kapazitätszuwachs dinierte Kooperationspartner;
•
Außvandsreduktion
"
Risikoreduktion und -diversifikation operationspartner;
•
Erhöhung der Flexibilität durch rasche, auf der Informations- und Kommunikationstechnologie aufbauende Rekonfigurationsfähigkeit.
durch Verlagerung der Aktivitäten auf koor-
für alle Netzwerkpartner; durch die Verteilung des Risikos auf alle Ko-
Kritisch ist allerdings zu betrachten, inwieweit diese Zielvorstellungen tatsächlich realisiert werden können. Aus institutionenökonomischer Perspektive stellt sich z.B. die Frage, wie mit dem Problem der QuasiVerrentung spezifischer Investitionen umgegangen wird. Wird von den Kooperationspartnern in die Beziehung zu einem Partner investiert, so fallen Quasirenten als der von einem Kooperationspartner abhängige Teil der Rendite einer
4 6 1
V g l . BOSCHKEN ( 1 9 9 9 ) , S. 7 8 1 .
462
Vgl. SCHOLZ (1997), S. 384.
398
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Investition a n . 4 6 3 Quasirenten stellen beim Fehlen vertraglicher Regelungen eine Flexibilitätsbarriere dar, da zum Aufbau spezifischer Investitionen Zeit benötigt wird. Der vorzeitige Ausstieg des relevanten Partners führt zu einem Verlust der Quasirente für den Zeitraum des Ausstiegs bis zum ursprünglich vereinbarten Auflösungszeitpunkt der Beziehung. Hierdurch entstehen zeitliche Bindungseffekte, die dem Grundgedanken eines virtuellen Unternehmens entgegenstehen. Beispielsweise hängen spezifische Investitionen in Entwicklungsdienstleistungen eines Netzwerkpartners von der Stabilität des Netzwerkes ab, wenn diese nicht pauschal, sondern in Form einer Beteiligung an den Erlösen entgolten werden. Nur eine dauerhafte Stabilität des Netzwerkes, die von dem Interesse aller Partner oder eines dominanten Partners abhängig ist, gewährleistet, daß sich die Investitionen amortisieren bzw. darüber hinaus Gewinne erzielt werden. Ferner fuhren moderne Internet-Anwendungen zwar einerseits dazu, daß für eine Vielzahl von Transaktionen die Kosten weitgehend gesenkt werden können; gleichzeitig kann aber eine zunehmende Komplexität der Koordinationsbeziehungen in virtuellen Unternehmen dazu führen, daß spezifische Investitionen in IuK-Technologie getätigt werden müssen, weil der Überwachungs- und Durchsetzungsbedarf steigt, so daß durchaus mit teilweise steigenden Transaktionskosten zu rechnen ist. 4 6 4 Aus organisationstheoretischer Sicht erscheint die temporäre Kooperation in Abhängigkeit vom Kundenauftrag und somit die starke Kundenorientierung sowie der Verzicht auf vertragliche Regelungen reizvoll, da aufgrund fehlender langwieriger Vertragsgestaltungen mit einer erheblichen Erhöhung der Anpassungsgeschwindigkeit der Organisation zu rechnen ist. Allerdings kann die mangelhafte vertragliche Basis zu einem erheblichen Komplexitätsanstieg im Bereich der Koordination der Kooperationspartner fuhren. Die Koordinationsbedürftigkeit einer Organisation als Ergebnis arbeitsteiliger Wertschöpfung ist jedoch ihr konstituierendes Merkmal, 4 6 5 wobei die aufgrund der Koordinationsbedürftigkeit der Teilprozesse entstehenden Koordinationskosten den Grad der inner- und interbetrieblichen Arbeitsteilung auf das ökonomisch sinnvolle Niveau begrenzen. Während klassische Unternehmen über eine Vielzahl an Koordinationsinstrumenten verfügen, wie z.B. die hierarchische Koordination, existieren in virtuellen Unternehmen weder Weisungs-, Kontroll- und Sanktionsmechanismen noch ein verifiziertes, für alle Partner verbindlich geltendes Zielsystem. Insofern stellt sich die Frage, wie die Realisierung kurzfristiger Netzwerkziele koordiniert erfolgen soll. Aus unternehmenskultureller Perspektive ist festzuhalten, daß die häufig für virtuelle Unternehmen geforderte kulturelle Klammer, die die Netzwerkpartner koordinieren soll, nicht in einem zeitlich begrenzten Rahmen entstehen kann. Vielmehr eröffnet
463
Vgl. BÜSCHKEN (1999), S. 783.
464
Vgl. BÜSCHKEN (1999), S. 783.
465
Vgl. SCHOLZ (1997), S. 335.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
399
eine stabile Unternehmenskultur ihre koordinierende Wirkung erst bei einer hinreichend stabilen Partnerstruktur, was unweigerlich mit einem auf Dauer verbundenen Netzwerk gleichzusetzen ist. Werte und Normen, die fundamentalen Voraussetzungen für eine funktionierende Unternehmenskultur, können nicht über Nacht implementiert werden. Die zeitliche Bindung, die mit dem Aufbau einer Unternehmenskultur ex definitione verbunden ist, widerspricht jedoch dem Grundgedanken virtueller Unternehmen. Aber auch für den Aufbau von Vertrauen, einem weiteren latenten Koordinationsmechanismus virtueller Unternehmen, ist als zentrale Voraussetzung eine gewisse Mindestdauer der Beziehung zwischen den Netzwerkpartnern und den innerhalb des Netzwerks koordiniert agierenden Mitarbeitern zwingend erforderlich. Die Frage der Mitarbeiterführung stellt somit ein zentrales Problem virtueller Unternehmen dar. Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive gilt es u.a. zu analysieren, ob das virtuelle Unternehmen insgesamt oder nur ausgewählte Kooperationspartner, wie z.B. der Netzwerkbroker, rechtlich, z.B. im Rahmen der Produkthaftung, gegenüber außenstehenden Dritten haften bzw. wie die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen trotz fehlender Rechtsform vertragsrechtlich auszugestalten sind. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive fuhrt eine Virtualisierung der Unternehmen zu einer Auflösung der klassischen Arbeitsmodelle in der Industriegesellschaft. An die Stelle des Lifetime Employment wird weitgehend eine Lifetime Employability treteN.466
Als Fazit kann der Vermutung KlESERs uneingeschränkt zugestimmt werden, daß zur Verbreitung neu erscheinender Organisationskonzepte ein beeindruckendes Feuerwerk abgebrannt werden muß, damit bescheidene Veränderungen umgesetzt werden können. 4 6 7
4.2.4.3.3
Generelle strategische Optionen des Intranet-basierten E-Commerce
Unter einem Intranet wird, wie bereits erläutert, ein innerbetriebliches IuK-System auf Basis der Internet-Technologie verstanden, wobei die Möglichkeit besteht, auch verschiedene, geographisch verteilte Schwesterunternehmen innerhalb eines KonzernIntranets zu verknüpfen. Die strategischen Erfolgspotentiale von Intranet-basierten IuK-Systemen liegen vor allem
466
v g l . WÜTHERICH/PHILIPP ( 1 9 9 9 ) , S. 59.
4 6 7
V g l . KIESER ( 1 9 9 6 ) , S. 34.
400 •
4 Prozeßorientierle
Konzepte
•
in der Verwendung offener, allgemein akzeptierter und bewährter Standards zur unternehmensinternen Information und Kommunikation, in der Unterstützung der Geschäftsprozeßrestrukturierung,
•
in der Unterstützung der Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen und
•
in der Unterstützung von Projektgruppen innerhalb einer bestehenden Organisation.
Häufig werden entgegen dem CIM-Gedanken unterschiedliche, zumeist inkompatible Software-Lösungen innerhalb der ingenieur- und betriebswirtschaftlichen CIM-Komponente verwendet. Diese mangelhafte Kompatibilität führt zu einer Mehrfacherfassung und -speicherung von Daten, inkonsistenten Datensätzen und Zeitverzögerungen. Die Verwendung offener, allgemein akzeptierter Standards auf Basis der Internet-Technologie relaxiert diese Problematik. Neben dem Standardisierungspotential liegt ein weiteres Intranet-Potential in der Unterstützung der Geschäftsprozeßrestrukturierung. Die Internet-Technologie spielt dabei als eine Ausprägung der IuK-Technologie die Rolle eines Enablers. Dabei besteht aufgrund der hohen Kompatibilität und Flexibilität der Internet-Technologie die Chance, eine effektive und effiziente Restrukturierung vorzunehmen. Beispielsweise können (weltweit) verteilte Prozeß- oder Teilprozeßverantwortliche auf die Datenbestände einer gemeinsamen Datenbank zugreifen. Wird diese Möglichkeit konsequent genutzt, so können Entscheidungskompetenzen dezentralisiert werden. Gleichermaßen können Cross-functional Project Teams unterstützt werden, wobei eine Anbindung des Intranets an das Internet zusätzlich die Projektgruppe in die Lage versetzt, weltweit Informationen zu erhalten.
4.2.4.3.4
G e n e r e l l e strategische O p t i o n e n d e s E x t r a n e t - b a s i e r t e n E-Commerce
In einem Extranet sind die jeweiligen Intranets der Partnerunternehmen miteinander über genau definierte Zugriffsrechte gekoppelt. Allerdings kann ein Extranet auch von einem Dienstleister zur Verfügung gestellt werden, ohne daß die jeweiligen Partnerunternehmen über eigene Netze verfügen. Wird das Extranet für externe Dritte, z.B. Kunden, partiell geöffnet, um beispielsweise Produkt- und Projektinformationen zugänglich zu machen, so wird ein solches „offenes Extranet" als Intronet bezeichnet. Beispielsweise ermöglicht es ein Intronet einem Kunden, Informationen zum Einsatz und zur Wartung bzw. Reparatur bestimmter Produkte online aus dem offenen Extranet abzurufen. 4 6 8 Während die Informationsströme in einem Intronet primär in eine Richtung verlaufen, kommunizieren in einem Supranet mehrere Unternehmen unabhängig voneinander in einem interorganisationalen Netzwerk mit externen Drit468
Vgl. BOGASCHEWSKY/KRACKR (1999a), S. 165.
4 Prozeßorienlierte
Konzepte
401
ten. Die strategische Bedeutung von Systemkopplungen mit Partnern via Extranet liegt insbesondere in der Möglichkeit, •
Produktentwicklungs- und Einkaufskooperationen einzugehen,
•
ERP-Systeme - wie beispielsweise die betriebswirtschaftliche Standardsoftware SAP R/3 - unterschiedlicher Partner zu koppeln, sowie in der
"
Verbindung von unterschiedlichen CIM-Systemen bzw. CIM-Teilsystemen unterschiedlicher Wertschöpfungspartner.
Strategische kooperationsbasierte Wettbewerbsvorteile können insbesondere dann erzielt werden, wenn durch das Extranet Barrieren aufgebaut werden, die einerseits den Wettbewerbern den Markteintritt erschweren (Markteintrittsbarrieren) und andererseits gleichzeitig relevante Extranet-Partner durch den Aufbau von prohibitiven Wechselkosten daran hindern, sich einer anderen Wertschöpfungspartnerschaft anzuschließen. 4 6 9 Beispielsweise entstehen Eintrittsbarrieren, wenn die Konkurrenten den Zeit-, Kosten und Know-how-Aufwand scheuen, selbst z.B. ein Extranet-basiertes Bestellsystem aufzubauen. Für einen Extranet-Partner fallen hingegen Wechselkosten an, wenn er in das Extranet bzw. in auf ihm aufbauende Systeme, z.B. Bestellsysteme, sowohl hard- als auch Software-mäßig investiert oder notwendige Mitarbeiterschulungen getätigt hat. Unabhängig von der Möglichkeit, strategische Wettbewerbsvorteile erzielen zu können, gehen mit Extranet-basierten Kooperationen sowohl Effektivitäts- als auch Effizienzvorteile einher. Aufgrund der Rechnerunterstützung können sämtliche Geschäftsprozesse schneller, aufwandsärmer, sicherer und damit kostengünstiger abgewickelt werden. Häufig können, z.B. im Rahmen der Beschaffung, die Prozesse restrukturiert werden, so daß die Planungseffektivität in Form von Planungssicherheit und die Planungseffizienz erheblich verbessert werden können - mit der Konsequenz, daß für alle Extranet-Partner eine Win-Win-Situation entsteht. Ferner kann im Rahmen der Produktentwicklung durch schnelle, friktionsfreie, interaktive und multimediale Kommunikation die marktgerechte Zweckmäßigkeit durch eine kontinuierliche Abstimmung der an der Entwicklung beteiligten Partner zielsetzungsgerecht umgesetzt werden. Neben der Kopplung der Wertschöpfungspartner besteht zudem die Möglichkeit, über ein Extranet ERP-Systeme zu koppeln, um beispielsweise die zwischenbetriebliche Kommunikation zu verbessern und Teilprozesse zu automatisieren. 4 7 0 So können Bestellungen aus dem ERP-System generiert werden, die anschließend ohne Medienbruch direkt in die Produktionsprogrammplanung und -Steuerung des Lieferanten einfließen. Hierdurch ergeben sich nicht nur Kostenvorteile, wie z.B. die Einsparung von Personalkosten aufgrund automatischer mengen- und finanzbezogener Buchungen, sondern auch Zeitvorteile aufgrund der Relaxation von Medienbrüchen und der digi4 6 9
Vgl. BOGASCHEWSKY/KRACKE (1999a), S. 166.
4 7 0
Vgl. BOGASCHEWSKY/KRACKE (1999a), S. 169.
402
4 Prozeßorientierte Konzepte
talen Informationsweitergabe sowie Qualitätsvorteile aufgrund der einmaligen Erfassung der Datensätze. Schließlich können nicht nur ERP-Systeme, sondern auch CIM-Systeme bzw. CIMTeilsysteme miteinander über ein Extranet gekoppelt werden. Beispielsweise können im Rahmen von Entwicklungspartnerschaften CAD-Daten ausgetauscht werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, gegenseitig auf die entsprechenden Systeme des Partners zuzugreifen, um direkt das gemeinsame Entwicklungs-Know-how zu nutzen. Analog zur Verknüpfung von ERP-Systemen ergeben sich auch bei der Kopplung von CIM-Systemen entsprechende Effektivitäts- und Effizienzpotentiale.
4.2.4.3.5
Generelle Effektivitäts- und Effizienz- sowie Risikopotentiale des E - C o m m e r c e
Die Internet-Technologie sowie die unterschiedlichen Markt- und Transaktionsbereiche des E-Commerce lassen bereits erahnen, welche Effektivitäts- und Effizienzpoteniale mit einer konsequenten Nutzung der Internet-Technologie verbunden sein können. Wie eingangs erläutert, stellen die Dimensionen Kosten und Zeit die mit der Effizienz korrespondierenden strategischen Erfolgsfaktoren dar, wohingegen der strategische Erfolgsfaktor Qualität im Sinne einer marktorientierten Zweckmäßigkeit mit dem Gesichtspunkt der Effektivität eng verwoben ist. Entsprechend dieser interdependenten Beziehung kann beim Einsatz von E-Commerce-Anwendungen von folgenden generellen Effektivitäts- und Effizienzpotentialen ausgegangen werden: Effizienzpotential
Effektivitätspotential Kontinuierliche Marktpräsenz Neue Kunden Neue Produkte und Märkte Internationale Markterschließung
Steigerung des Absatzpotentials
Abb. 4.36:
471
Generelle
Kooperationen Differenzierung
Kundenservice Kundenbindung One-to-OneMarketing Individualisierte Produktion (Mass Customization) EntertainmentShopping
Verbesserung der Wettbewerbsposition
Effektivitäts-
• • • • • • •
Marketing/ Vertrieb Kundendienst F&E Beschaffung Produktion Lagerhaltung Verwaltung
Verbesserung der Kundenorientierung
Kosteneinsparung
und Effizienzpotentiale
des E-Commerce^
Quelle: In Anlehnung an SAUTER (1999), S 103.
• • • •
Entwicklungszeit Reaktionszeiten Durchlaufzeiten Abwicklungszeiten
•
...
Zeiteinsparung
1
4 Prozeßorientierte
Konzepte
403
Der Abbildung ist zu entnehmen, daß die Effektivitätspotentiale vor allem •
in einer Steigerung des Absatzpotentials,
•
in einer Verbesserung der Wettbewerbssituation und
•
in einer Verbesserung der Kundenorientierung
begründet sind. Die Steigerung des Absatzpotentials basiert im überwiegenden Maße auf einer kontinuierlichen Marktpräsenz rund um die Uhr mit der Möglichkeit für den Kunden, jederzeit die von ihm gewünschten Informationen abrufen zu können. Ferner können durch neue Produkte und Dienstleistungen, wie z.B. das E-Banking oder das OnlineTeaching, neue Kundengruppen akquiriert werden. Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen eröffnet sich via Internet die Möglichkeit zur internationalen Markterschließung. Dabei ist von besonderer Bedeutung, daß sich jedes Unternehmen - unabhängig von seiner Größe oder Herkunft - im Internet präsentieren kann. Eine Verbesserung der Wettbewerbssituation resultiert vornehmlich aus der Möglichkeit, via Internet weltweit Kooperationen einzugehen und Netzwerke im Sinne einer virtuellen Unternehmung oder eines Supply Chain Management einzugehen. Zudem bieten E-Commerce-basierte Systeme die Option, sich z.B. durch restrukturierte Prozesse gegenüber den Wettbewerbern zu differenzieren. Ferner trägt E-Commerce zu einer Verbesserung der Kundenorientierung bei, indem beispielsweise im Rahmen eines elektronischen Beziehungsmarketings ein One-toOne-Marketing mit der Option zur massenhaft individualisierten Produktherstellung und Dienstleistungserstellung genutzt wird. Eine solche Mass Customization schafft in Verbindung mit einem multimedialen und interaktiven Entertainment Shopping eine höhere Kundenzufriedenheit, eine verbesserte Kundenintegration und eine langfristige Kundenbindung. Neben den E-Commerce-basierten Effektivitätspotentialen bestehen auch eine Reihe Internet-gestützter Effizienzpotentiale sowohl hinsichtlich der Dimension Kosten als auch hinsichtlich der Dimension Zeit. 4 7 2 Kosteneinsparungen bedingt durch E-Commerce-basierte Anwendungen finden sich in allen Unternehmensbereichen. Beispielsweise können im Bereich des Marketing erhebliche Kosten dadurch eingespart werden, daß zunehmend ein Direktvertrieb aufgebaut wird und somit die Handelsspannen wegfallen. Schätzungen zufolge können die Marketingkosten um bis zu 20% reduziert werden. Auch der Kundendienst, z.B. der After-Sales-Service, kann über das Internet wesentlich günstiger abgewickelt 4 7 2
Vgl. SAUTER (1999), S. 103 f.
404
4 Prozeßorientierte
Konzepte
werden, indem z.B. online interaktiv und multidimensional komplexe Produkte erklärt werden oder aber ein interaktives lntemet-gestütztes Beschwerdemanagement implementiert wird. Das entsprechende Einsparungspotential gegenüber einer Kundenbetreuung per Service-Telefon wird auf bis zu 90% geschätzt. So reduzieren sich die Personalkosten durch eine elektronische Abwicklung der Geschäftsprozesse z.B. dadurch, daß Mehrfacheingaben von Daten aufgrund nicht vorhandener Medienbrüche oder eines friktionslosen weltweiten Datentransfers unterbleiben. Im Rahmen der Beschaffung können webaktive Unternehmen ihre Kosten z.B. aufgrund der höheren Markttransparenz, die das Internet gewährleistet, erheblich reduzieren. Darüber hinaus können die Entwicklungs- und Produktionskosten z.B. aufgrund einer besseren unternehmensübergreifenden bzw. wertschöpfungskettenübergreifenden Kommunikation erheblich verringert werden. Durch eine Internet-basierte Verzahnung von CIM-Systemen unterschiedlicher Unternehmen können gemeinsame Kapazitäten wesentlich effizienter aufeinander abgestimmt werden. Letztlich entfallen fur digitale bzw. digitalisierbare Produkte, wie zum Beispiel Bilder, Videos, Musikstücke oder Bücher, sowohl die Lagerhaltungs- als auch die Distributionskosten nahezu vollständig. Neben der Kosteneinsparung ist auch mit erheblichen Zeiteinsparungen durch den konsequenten Einsatz der Internet-Technologie zu rechnen. So ermöglichen beispielsweise E-Mail- oder Groupware-Systeme eine rasche Informationsweitergabe und eine echtzeitnahe Kommunikation und damit eine Verkürzung der Reaktionsgeschwindigkeit über riesige Entfernungen. Durchlauf- und Abwicklungszeiten von Prozessen können wesentlich reduziert werden, da Medienbrüche bei der Informationsweitergabe vollständig entfallen. Neben der Relaxation von medialen Schnittstellen liegt vor allem in der schnellen, interaktiven und multimedialen Kommunikation die Möglichkeit zu einer Parallelisierung der Produktentwicklungsarbeiten. Hierdurch werden Simultaneous-Engineering-Prozesse, wie sie das Lean Management fordert, weltweit 24 Stunden unterstützt. Neben den dargestellten Effektivitäts- und Effizienzpotentialen sind mit dem Einsatz von E-Commerce-basierten Systemen auch Risiken v e r b u n d e n . 4 7 3 Hierzu zählen insbesondere •
das Risiko eines hohen finanziellen, organisatorischen und technischen Aufwands,
•
das Return-on-Investment-Risiko,
•
das Risiko einer steigenden Wettbewerbsintensität,
•
das Technologierisiko,
•
das Risiko der Free-Lunch-Mentalität und
•
das Risiko einer nicht E-Commerce-vorbereiteten Unternehmenskultur.
4 7 3
Zu den n a c h f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n vgl. SAUTER (1999), S. 105 f.
4 Prozeßorienlierte Konzepte
405
Häufig wird der finanzielle, organisatorische und technische Aufwand, der mit einer konsequenten Einfuhrung und Umsetzung restrukturierter, E-Commercebasierter Geschäftsprozesse verbunden ist, unterschätzt. So ist beispielsweise für den optimalen Ablauf von Business-to-Consumer-Geschäftsprozessen oftmals der Aufbau eines komplexen Vertriebs- und Logistiksystems, das den Handel ausschaltet, notwendig. Ferner stellt sich häufig beim intensiven Einsatz neuer Technologien kein kurzfristiger Return-on-Investment ein, da Gewinne erst dann erzielt werden, wenn bestimmte Schwellenwerte beim Marktanteil und der Akzeptanz überschritten werden. Erfolgreiche Internet-Pionierunternehmen haben erkannt, daß kurzfristig keine Renditen zu erzielen sind, mit der Konsequenz, daß diese Net-Startups ihre Erträge sofort in den Ausbau des jeweiligen Marktanteils reinvestieren. Darüber hinaus wird die Internet-basierte Globalisierung der Märkte und die Internet-basierte Relaxation von Marktbarrieren in nahezu allen Unternehmensbereichen dazu führen, daß die Wettbewerbsintensität rapide steigen wird. Daneben erschwert die Free-LunchMentalität der Internet-Nutzer, die aus den Anfängen des Internets herrührt, die Einführung kostenpflichtiger Angebote und Dienstleistungen. Letztlich müssen die Unternehmen begreifen, daß eine konsequente, E-Commerce-basierte Geschäftsprozeßabwicklung nicht nur Auswirkungen auf die Unternehmensorganisation, sondern auch auf die Unternehmenskultur hat. Eine nicht E-Commerce-vorbereitete Unternehmenskultur begreift das digitale Zeitalter nicht als Chance, sondern steht ihm eher ängstlich gegenüber. Unternehmensinterne Abwehrreaktionen der Mitarbeiter können u.U. dazu fuhren, daß E-Projekte scheitern. Neben den dargestellten Risikopotentialen können als weitere allgemeine Gründe für die nur schleppende Umsetzung ECommerce-basierter Geschäftsprozesse die folgenden Punkte angesehen w e r d e n : 4 7 4 •
Die Gefahrdung von traditionellen Handelsmittlern führt zu Abwehrreaktionen. So übernehmen innovative Net-Startups zum Teil die Tätigkeiten klassischer Absatzmittler, indem sie ineffiziente Logistikprozesse optimieren bzw. dem Kunden zusätzlich nützliche Informationen und erweiterte Dienstleistungen auf ihrer jeweiligen Page bieten.
•
Die etablierten Geschäftsbeziehungen geraten unter Druck, da durch die Ausweitung des potentiellen Partnerkreises über das Internet die bisherigen, kontinuierlich und zeitintensiv aufgebauten Geschäftsbeziehungen in Frage gestellt werden.
•
Die Sicherheit elektronischer Transaktionen wird kritisch betrachtet, und dies, obwohl in letzter Zeit große Fortschritte in diesem Bereich zu verzeichnen sind. Ein weiteres Problem ist die Anbindung Internet-basierter Systeme über standardisierte Schnittstellen an die unternehmensinternen CIM-Systeme.
•
Die elektronische Abwicklung von Transaktionen erfordert im nicht standardisierten Bereich eine etablierte Vertrauensbasis, da bei einem Austausch
4 7 4
V g l . S C H U H / D I E R K E S / F R I E D L I ( 1 9 9 9 ) , S . 11 f.
406
4 Prozeßorientierte
Konzepte
nicht standardisierter Leistungen mit einer hohen Vertrauenskomponente oder bei Just-in-Time-Prozessen die Grenzen des Internet-basierten Business-to-BusinessBereichs schnell erreicht werden. Zu den auf elektronischem Wege gewonnenen Partnern besteht in der Regel solch ein Vertrauensverhältnis nicht. •
Der Face-to-Face-Kommunikation wird im allgemeinen eine größere Informationsdichte und Verbindlichkeit zugetraut. Nach wie vor ist der persönliche Kontakt zum Verkäufer von entscheidender Bedeutung, da der Weitergabe von Informationen einer menschlichen Kontaktperson eine höhere Glaubwürdigkeit zugeschrieben wird als einem Software-System.
•
Die direkte Bedrohung durch innovative Start-ups hält sich in Grenzen, da viele von diesen Unternehmen noch mit Verlusten operieren. Solange die Startups noch keine wesentlichen Marktanteile erzielen, werden die etablierten Unternehmen keinen Handlungsbedarf verspüren.
•
Das Beharrungsvermögen bewährter Strukturen wird noch eine Zeit anhalten, da die Führungskräfte in den Unternehmen häufig kein Interesse daran haben, ihre Routine zu verlassen und aus ihren „anerzogenen" klassischen Unternehmensstrukturen und - S t r a t e g i e n auszubrechen.
4.2.4.3.6
Branchenspezifische Bedeutung des E-Commerce f ü r die U n t e r n e h m e n s s t r a t e g i e
Während die vorangehenden Ausführungen unabhängig vom jeweiligen Unternehmenstyp die Möglichkeiten und Grenzen des Internet-, Intranet- und Extranetbasierten E-Commerce diskutieren, zielen die nachfolgenden Ausführungen darauf ab, in Abhängigkeit von der jeweiligen Branche beispielhaft die spezifischen Chancen und Risiken sowie die Strategien darzustellen, die dazu fuhren, daß Chancen ausgeschöpft und Risiken begrenzt werden. 4 7 5
4.2.4.3.6.1
Bedeutung des E-Commerce für die Strategien in Industriebetrieben
Die Bedeutung von E-Commerce für die Unternehmensstrategien im Industriebetrieb ist abhängig vom jeweiligen Fertigungstyp der Produktion. Generell muß zwischen Auftrags- und Angebotsproduktion differenziert werden, wobei im Rahmen der Auftragsproduktion, bei der der gesamte oder der überwiegende Teil des Produktaufbaus vom Kunden individuell festgelegt wird, zwischen einer Einzelfertigung, einer Baukastenfertigung und einer auftragsorientierten Serienfertigung unterschieden
475
D i e n a c h f o l g e n d e n A u s f u h r u n g e n basieren a u f dem A u f s a t z von
(1999).
HANS/WARSCHBURGER
4 Prozeßorientierte Konzepte
407
wird. Während bei einer Einzelfertigung jeder meist größere Auftrag eine völlige Neukonstruktion darstellt, kann der Kunde bei einer Baukastenfertigung aus einem Spektrum an vordefinierten und vorgefertigten Modulen seine Produktgestaltung individuell bestimmen. Im Gegensatz dazu werden bei einer Serienfertigung unterschiedliche, aber verwandte Produkte auf einer gemeinsamen Anlage gefertigt, wobei von jedem Produkt (Sorte) eine begrenzte Menge als zeitlich geschlossener Posten (Los) hergestellt wird. Hingegen werden bei der Massenproduktion als klassische Form der Angebotsproduktion homogene Produkte in sehr großen Mengen in der Regel für den anonymen Markt hergestellt. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Chancen und Risiken des E-Commerce sowie die daraus abgeleitete Internet-basierte Strategie für einen Einzelfertiger.
Abb. 4.37:
E-Commerce
und
Einzelfertigung^^
Zu den zentralen Chancen einer E-Commerce-gestützten Einzelfertigung können vor allem die Präsentation des Leistungsspektrums, z.B. durch die Darstellung erfolgreich abgewickelter Projekte, oder die Veröffentlichung einer Kundenreferenzliste gezählt werden. Ferner ist gerade bei der Einzelfertigung die Abstimmung der Entwicklungskonzeption mit dem Kunden sehr zeitaufwendig. Durch die Möglichkeit, via Internet Daten auszutauschen oder den Projektfortschritt als Video-Animation beim Kunden zu präsentieren, können erhebliche Effizienzpotentiale in den Dimensionen Zeit und Kosten eröffnet werden. Dieser Informationsaustausch muß nicht nur auf die Phase der Entwicklung und der Produktion beschränkt bleiben, sondern kann gerade bei
476
Quelle: HANS/W ARSCHBURGER ( 1999), S. 296.
408
4 Prozeßorientierte
Konzepte
technisch anspruchsvollen Produkten dazu eingesetzt werden, den Kunden nach dem K a u f umfassend weiterzubetreuen. 4 7 7 Ein solcher After-Sales-Service kann durch die N u t z u n g des Internets intensiver und zeitnäher, aber auch interaktiv erfolgen. Problematisch ist dagegen, daß durch die Internet-Präsenz die Markttransparenz steigt und damit die G e f a h r besteht, daß die traditionelle Kundenbindung an Bedeutung verliert. Ferner können die Konkurrenten leichter die eigenen Innovationen nachahmen. Damit diese Risiken vermieden und die Chancen genutzt werden können, gilt es die aufgelisteten Reaktionspotentiale zu ergreifen. Als Beispiel sei die Schaffung einer zielgerichteten Internet-Präsenz herausgegriffen, da nur diese es ermöglicht, die spezifische Zielgruppe kundenorientiert anzusprechen, das akquisitorische Potential zu w e c k e n und sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Ebenso wie bei der Einzelfertigung zielt auch die E-Commerce-basierte Baukastenfertigung sowohl auf den Business-to-Business-Bereich (z.B. Fertigung von Getriebemotoren) als auch auf den Business-to-Consumer-Bereich (z.B. PKW-Produktion).
E - C o m m e r c e und Baukastenfertigung
Abb. 4.38:
E-Commerce und
Baukastenfertigung^^
Als zentraler Vorteil E-Commerce-basierter Systeme kann im Rahmen der Baukastenfertigung die interaktive Simulation kundenspezifischer Produktkonfigurationen mit Hilfe benutzerfreundlicher Software-Systeme via Internet direkt beim Kunden angesehen werden. Hierdurch entsteht u.U. die Möglichkeit, auf Handelspartner zu verzichten und auf einen Direktvertrieb umzusteigen. Durch die Chance, weltweit ko-
4 7 7
V g l . H A N S / W ARSCHBURGER ( 1 9 9 9 ) , S. 2 9 6 .
4 7 8
Q u e l l e : H A N S / W ARSCHBURGER ( 1 9 9 9 ) , S . 2 9 7 .
4 Prozeßorientierte
Konzepte
409
stengünstig und schnell nach sinnvollen Modulen zur Ergänzung des Baukastenprinzips zu suchen, besteht die Möglichkeit, das Produktspektrum zu erweitern. Im Gegensatz zur Einzelfertigung, bei der die Rationalisierungspotentiale bei der Abwicklung der Geschäftsprozesse mit dem Zulieferer aufgrund der Einmaligkeit des Auftrags eher beschränkt sind, besteht bei einer Baukastenfertigung ein erheblich höheres Kostensenkungspotential. Problematisch ist, wie schon bei der Einzelfertigung, die Verstärkung des Wettbewerbs durch die weltweite Marktpräsenz. Das zentrale Problem ist allerdings, daß durch den teilweisen Umstieg auf einen Direktvertrieb die traditionellen Handelspartner zu Gegenmaßnahmen greifen, so daß z.B. die Gefahr zur vollständigen Auslistung durch die klassischen Handelspartner besteht. Um dies zu vermeiden, sollte im Rahmen eines Internet-basierten Vertriebssystems dafür gesorgt werden, daß die bisherigen Handelspartner in den Absatzprozeß integriert werden und z.B. weiterhin logistische Dienstleistungen übernehmen.
E-Commerce und Serienfertigung
Abb. 4.39:
E-Commerce
und
!
Serienfertigung^
Die der obigen Abbildung zu entnehmenden Chancen und Risiken finden sich ausschließlich im Business-to-Business-Bereich wieder, wobei bei einer E-Commercebasierten Serienfertigung die Effizienzpotentiale insbesondere in der schnelleren und kostengünstigeren Koordination von Entwicklungsprojekten liegen. Da im allgemeinen regelmäßig größere Produktmengen bezogen werden, bietet es sich an, die Rationalisierungspotentiale automatisierter Internet-gestützter Bestellvorgänge konsequent auszunutzen. Des weiteren fordert der E-Commerce die Möglichkeit, sich als Systemzulieferer zu etablieren, indem es gelingt, Sublieferanten zielgerichtet in die
4 7 9
Q u e l l e : HANS/W ARSCHBURGER ( 1999), S. 299.
410
4 Prozeßorientierte Konzepte
eigene Produktentwicklung und Produktion zu integrieren. Allerdings können auch Zulieferer aufgrund des transparenten weltweiten Wettbewerbs mit der Frage der Systemzulieferschafit konfrontiert werden, die aufgrund ihrer technischen Fähigkeiten hierzu nicht in der Lage sind. Gilt es hingegen eine Systemzulieferposition einzunehmen, so ist die Datenkommunikation E-Commerce-basierend zu restrukturieren und zu standardisieren, damit darauf aufbauend eine Neuausrichtung der Sortimentsstruktur im Hinblick auf eine solche Systemzulieferschafit erfolgen kann. Im Gegensatz zur Serienfertigung zielen die Einsatzmöglichkeiten des E-Commerce im Rahmen der Massenproduktion sowohl auf den Business-to-Business-Bereich als auch auf den Business-to-Consumer-Bereich.
Abb. 4.40:
E-Commerce
und
Massenfertigung^®
Generell besteht bei einer Massenproduktion durch den Einsatz von E-Commerce die Möglichkeit, einen Direktvertrieb aufzubauen. Allerdings gilt es, auch die möglichen Abwehrreaktionen der Handelspartner proaktiv abzupuffern. Darüber hinaus besteht die Chance, durch den E-Commerce-Einsatz ein One-to-One-Marketing aufzubauen, um so sowohl den Kunden direkt ansprechen zu können als auch die Wünsche des Kunden u.U. im Rahmen einer Mass-Customization-Strategie umzusetzen. Neben der Vertriebsphase kann den Kunden im Rahmen des After-Sales-Service bei Anwendungsproblemen zeitnah und interaktiv mit Hilfe von Internet-gestützten Informationssystemen geholfen werden. Das Risiko des verschärften Wettbewerbs ist bei einer Massenfertigung aufgrund standardisierter Leistungen sehr hoch. Zudem können di480
Quelle: HANS/WARSCHBURGER (1999), S. 300.
4 Prozeßorientierte Konzepte
411
gitale Produkte weltweit in sehr kurzer Zeit bezogen werden, so daß der Wettbewerb sich in diesem Bereich über den Preis definiert. Insofern gilt es nicht nur eine zielgerichtete Internet-Präsenz aufzubauen, sondern vor allem über die Implementierung virtueller Verkaufseinrichtungen zunehmend die Chancen der Mass Customization wahrzunehmen.
4.2.4.3.6.2
Bedeutung des E-Commerce für die Strategien in Handelsbetrieben
Da der Schwerpunkt des E-Commerce im Bereich des Internet-Handels zu finden ist, ergeben sich auch für Handelsbetriebe erhebliche Chancen, wobei darauf zu achten ist, daß die gleichsam bestehenden Risiken durch entsprechende Maßnahmen eingedämmt und die Chancen entsprechend ausgeschöpft werden.
Abb. 4.41:
E-Commerce
in
Handelsbetrieben^^
Mit Hilfe des E-Commerce besteht generell die Option, zusätzliche Nachfrage zu erschließen, die die traditionellen Vertriebswege weniger schätzt. Gleichzeitig können gemeinsam mit anderen Handelsunternehmen virtuelle Kaufhäuser mit einem umfassenden Angebot aller involvierten Partner aufgebaut werden. Im Rahmen des One-toOne-Marketing besteht die Möglichkeit, maßgeschneiderte Angebote sowie gezielte Informationen an die jeweiligen Kunden zu senden. Ferner gilt es, auf Basis des ECommerce die enormen Kostensenkungspotentiale im Rahmen einer automatisierten
4 8 1
Q u e l l e : S A U T E R ( 1 9 9 9 ) , S. 3 0 2 .
412
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Bestellabwicklung auszuschöpfen. Problematisch ist allerdings, daß zunehmend die Hersteller auf einen Direktvertrieb umschalten. Zudem werden die Logistikkosten ansteigen, da parallel zum klassischen Vertrieb nun noch der E-Commerce-basierte Handel gepflegt werden muß. Insofern müssen u.a. die Logistiksysteme effizient ausgestaltet werden, um den höheren Ansprüchen der Kunden (z.B. Just-in-TimeLieferung) gerecht zu werden und den damit verbundenen Komplexitätsanstieg zu beherrschen.
4.2.4.3.6.3
Bedeutung des E-Commerce für die Strategien in Dienstleistungsunternehmen
Im Dienstleistungsbereich existieren sowohl Business-to-Business- als auch Business-to-Consumer-Lösungen. Während im Consumer-Bereich z.B. das Onlinebuchen von Reisen oder das Direktbanking zu nennen sind, sind im Business-Bereich vor allem die Abwicklung von Logistikdienstleistungen oder der Support kommerzieller Software von Bedeutung.
E-Commerce in Dienstleistungsunternehmen
Abb. 4.42:
E-Commerce im
DienstleistungsbereictA^
Neben der weltweiten Marktpräsenz und der Erschließung neuer Nachfrage können auf Basis des Internets völlig neue Dienstleistungen angeboten werden. Hierzu zählen das E-Banking, das Tele-Teaching, die Implementation von Preisagenten oder Such-
482
Quelle: HANS/WARSCHBURGER (1999), S. 304.
4 Prozeßorientierte
Konzepte
413
maschinen. Die Risiken sowie die Reaktionspotentiale sind dagegen mit denen im Bereich der Handelsunternehmen weitgehend identisch.
4.2.4.3.7
Auswahl der E-Commerce-Strategie
Im Rahmen der Auswahl einer E-Commerce-Strategie sind zunächst die mit der Strategie verbundenen Chancen und Risiken zu ermitteln, wobei sich die folgende Vorgehensweise als Orientierungshilfe anbietet. 4 8 3 1. Erstellung einer Argumentebilanz anhand der beschriebenen Chancen und Risiken 2. Gruppierung der Argumente nach den strategierelevanten Klassifikationsmerkmalen Effektivität und Effizienz 3. Gewichtung und Bewertung der relevanten Argumente mit Hilfe von Punktbewertungsverfahren oder Fuzzy-Ansätzen 4. Zusammenfassung der B e w e r t u n g nach den beiden Klassifikationsmerkmalen 5. Festlegung der Portfolio-Position 6. Auswahl der geeigneten Normstrategie 7. Ausgestaltung der Normstrategie entsprechend der spezifischen Unternehmenssituation Tab. 4.28:
Vorgehensweise im Rahmen des
E-Commerce-Portfoliomanagemenfö4
Unter die Klassifikationsmerkmaie „Effektivitätspotential" und „Effizienzpotential" können beispielhaft folgende Unterpunkte subsumiert werden:
4 8 3
Vgl. HANS/WARSCHBURGER (1999), S. 306.
4 8 4
Quelle: In A n l e h n u n g an HANS/W ARSCHBURGER (1999), S. 306.
414
4 Prozeßorientierte
Konzepte
Effektivitätspotential
Effizienzpotential
Erschließung neuer Märkte
•
Reduzierung der Marketingkosten
A u f b a u neuer Vertriebssysteme
•
Reduzierung der Logistikkosten
N e u e Produktkonfigurationen
•
Veränderung von Markteintrittsbarrieren
•
Verstärkung des Wettbewerbs
•
A u f b a u eines One-to-One-Marketing
Reduzierung der Kosten für den Einkauf Reduzierung der Kosten für die Kundenbetreuung
A u f b a u eines kundenorientierten After-
•
Sales-Service
Beschleunigungspotential der Auftragsabwicklung
•
Verbesserung der Produktqualität durch
Beschleunigungspotential in der Produktentwicklung u.v.m.
z.B. globale B e s c h a f f u n g u.v.m.
Tab. 4.29:
Reduzierung der Auftragsbearbeitungskosten
N e u e Zusatzleistungen
Beispielhafte Klassifikationsmerkmale von E-Commerce
N a c h der Auswahl der entsprechenden Kriterien und der zu verwendenden Aggregationsmethode w e r d e n die akkumulierten Werte innerhalb einer neun Felder u m f a s senden Portfolio-Matrix abgebildet. In Abhängigkeit von der Positionierung im zweidimensionalen R a u m der Portfolio-Matrix kann die Bedeutung des E - C o m m e r c e für das jeweilige Unternehmen in seiner spezifischen Situation abgeschätzt werden. 100
hoch
7
8
9
4
5
6
1
2
3
67 Effektivitätspotential
mittel
33
niedrig
33 niedrig
67 mittel
Effizienzpotential
Abb. 4.43:
E-Commerce-Portfolio
100 hoch
4 Prozeßorientierte Konzepte
415
Die möglichen strategischen Positionen in den Feldern eins bis neun können dabei wie folgt interpretiert werden: 4 8 5 1. Feld: Dem E-Commerce kommt keine strategische Bedeutung zu, da nahezu kein Effektivitäts- und Effizienzpotential besteht. Eine solche Situation wäre nur denkbar, wenn das Internet als reines Präsentationsmedium ohne jegliche Wirkung genutzt werden kann. 2. Feld: Während das Effektivitätspotential als gering eingestuft wird, wird das Effizienzpotential als mittel klassifiziert. In dieser Situation bieten sich einfache intrabusinessorientierte E-Commerce-Lösungen mit geringem Risiko, wie z.B. die Implementierung von Workflow-Systemen, an. 3. Feld: Das Effektivitätspotential ist weiterhin gering, allerdings wird das Effizienzpotential als hoch eingestuft. Insofern bieten sich komplexere E-Commerce-Lösungen sowohl im Intra-Business-Bereich als auch im Inter-Business-Bereich an. 4. Feld: Bei mittlerem Effektivitäts- und geringem Effizienzpotential bieten sich vor allem Internet-basierte Marketingaktivitäten wie z.B. das Internet-Shopping an. 5. Feld: Wird sowohl das Effektivitäts- als auch das Effizienzpotential als mittel klassifiziert, so sollten sowohl E-Commerce-basierte Marketingaktivitäten als auch Prozeßoptimierungen via Internet, wie z.B. die Anbindung des Bestellwesens an die innerbetriebliche Auftragsbearbeitung, vorangetrieben werden. 6. Feld: Bei mittlerem Effektivitäts- und hohem Effizienzpotential erfolgt eine Verbesserung des Automatisierungsgrades durch in Feld drei beschriebene Maßnahmen. 7. Feld: Bei hohem Effektivitätspotential ist auf jeden Fall eine Neuausrichtung der marktbezogenen Unternehmensstrategien auf die Möglichkeiten des E-Commerce vorzunehmen. Die zuvor diskutierten Reaktionspotentiale sind vornehmlich bei kundenorientierten Strategien auszuschöpfen, da es an Rationalisierungspotentialen mangelt. 8. Feld: Mit zunehmender Bedeutung der Effizienzpotentiale erfolgt gleichzeitig zu einer kundenorientierten Ausrichtung ein verstärkter Einsatz prozeßoptimierender E-Commerce-Lösungen.
485
Vgl. SAUTER(1999), S. 307 ff.
416
4 Prozeßorientierte
Konzepte
9. Feld: Da mit dem Einsatz von E-Commerce-Strategien sowohl erhebliche Effektivitätsais auch Effizienzpotentiale zu realisieren sind, ist eine integrierte E-CommerceLösung über die gesamte Wertschöpfungskette anzustreben. Sofern die jeweilige Normstrategie ermittelt und unternehmensspezifisch ausgestaltet worden ist, sind anschließend geeignete Maßnahmen zur Realisierung der avisierten Strategie im Rahmen eines Projektmanagements zu planen. Hier spielen insbesondere Investitions- und Finanzierungsgesichtspunkte neben den Fragen des spezifischen Know-how-Erwerbs für die Umsetzung der E-Commerce-Strategie eine entscheidende Rolle.
4 Prozeßorienlierte
Konzepte
417
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Stichwortverzeichnis
449
„Jedes ausgesprochene Wort erregt den Gegensinn." JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
Stichwortverzeichnis Ablauforganisation 29 Abweichungskosten 124 f . Advanced Planning System 208 Äquivalenzthese 89 f . aggressiver Verkauf 74 f . Aktionsparameter 2 / ff. Analyse-Synthese-Konzept 29 f f . Anpaßbarkeit 337f. Anpassungsintensität 96 A n s a t z v o n CROSBY
107f.
A n s a t z v o n DEMING 105 f . A n s a t z v o n FEIGENBAUM A n s a t z v o n ISHIKAWA
106f.
108
A n s a t z v o n JURAN 106
anwenderorientierter Ansatz 101 Arbeitsanalyse 30 Arbeitsfeld, multipersonales —> Teamarbeit Arbeitsgruppe —» Teamarbeit Arbeitssynthese 30 Architektur integrierter Informationssysteme 322ff. Art der Strategieentwicklung 97 f . Aufbauorganisation —> Organisationsstruktur Aufgabenanalyse 29 Aufgabensynthese 29 Automatic Replenishment 192 Autonomation 83
B a l a n c e d Scorecard 283 f f , finanzwirtschaftliche Perspektive der 304 ff, Kundenperspektive der 301 f . , Lern- und Entwicklungsperspektive der 303 f . , Multidimensionalität der 295 ff, Multi-
funktionalität der 286 ff, Prozeßperspektive der 302f. Bearbeitungszentrum 41 Beschaffung 176 Beschaffungsziele 177 Beziehungsmanagement 240, marktgerichtetes 240, unternehmensbezogenes 241, zuliefererorientiertes 241 Bull-Whip-Effekt 203f. Business Process Reengineering 242 Business Reengineering 242 Business-to-Administration-E-Commerce 379 Business-to-Business-E-Commerce 379 Business-to-Consumer-E-Commerce 378
C A C —» Computer Aided Communication CAD Computer Aided Design C A F M —> Computer Aided Facility Management C A M - » Computer Aided Manufacturing CAP Computer Aided Planning CAQC - » Computer Aided Quality Control CAS —> Computer Aided Selling Change Management 194 f . CIM - » Computer Integrated Manufacturing Collective Sourcing 184 Component Sourcing 182 Computer Aided Communication 332
450
Stichwortverzeichnis
Computer Aided Design 329 Computer Aided Facility Management 331 Computer Aided Manufacturing 329 f., strategische Bedeutung des 335f. Computer Aided Planning 329 Computer Aided Quality Control 330 Computer Aided Selling 334f. Computer Integrated Manufacturing 150 Computer-Numerical-Control-Maschine 40 Computer Supported Cooperative Work 332 f Concurrent Engineering 80 Consumer-to-Administration-E-Commerce 379 Consumer-to-Business-E-Commerce 379 Consumer-to-Consumer-E-Commerce 579 Corporate Scorecard 290f.
Databased Marketing 334f. DBM -» Databased Marketing Defuzzyfizierung 278 Demand-Taylored Sourcing 183 Denkweisen 58 f f , ganzheitliche 59, 71, 94, 113, 133, 171 f., ökologische 94, ökonomische 59, 93 f., 113, 172, potentialorientierte 59, 73, 94, 1 13, 133, 172, proaktive 59, 72, 92 f., 113, 133, 171, sensitive 59,71 f., 93, 113, 133, 171 Deuterio Learning 292 Dienstleistungsqualität 116 Differenzierungsstrategie —> Qualitätsfiihrerschaft Diffusionsforschung 143 DIN EN ISO 9000 ff. 104, 128f. Direct-Numerical-Control-Systeme 40 Direktiven 2
Domestic Sourcing 182 f . Double-Loop-Learning 291 f . Dual Sourcing 81, 181 DUCATI
385
DuPONT-Schema 281
E -Commerce —» Electronic Commerce Economies of Scale 73, 138, 259, of Scope 73, 187, of Speed 397 ECR —> Efficient Consumer Response EDI —> Electronic Data Interchange EDIFAKT -> Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport Effektivität 7 f f , 33, 154, 165, 181 ff., 311 ff., 403 ff., 414 Efficient Consumer Response 166 f., 361 Effizienz 7 f f , 33, 154, 165, 181 ff., 311 ff., 403 ff., 414 Einkauf 176 Einzelaktivitäten 224 Einzigartigkeit 27 Electronic Commerce 377 Electronic Commerce Portfolio 415 f. Electronic Data Interchange 333 f . Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport 334 Electronic Procurement 386f. Elementarwertschöpfung 202 Erfolg 7 Erfolgsfaktor, strategischer 11 f f . Erfolgsfaktorendreieck 12 Erfolgspotential 11 Erfolgsposition, strategische 11 Ergebniskennzahlen 296 Extranet 369f., 400 Face-to-Face-Marketing One-Marketing Facility Management 86
->
One-to-
Stichwortverzeichnis
Failure Mode an Effects Analysis 119, 150 Fehlerkosten 122 f . Fehlerverhütungskosten 122 f . fertigungsorientierter Ansatz 101 f . Fertigungssegmentierung 82f., 100 Fertigungssystemkomplexität 18 Fertigungstiefe 80, 177 flexible Fertigungslinie 43 flexible Fertigungszelle 41 flexibles Fertigungssystem 41 f . Flexibilität 14, 36, 40, 115, 159 Fließfertigung 40 Folgerunternehmen 137 Frachtverfolgungssysteme 394 Free-Rider-Effekt 139 f . Freeze-Point 73, 78 Fremdentwicklung 337 FMEA —» Failure Mode an Effects Analysis Führung —» Management Führungsprozeß —> Managementprozeß Funktionsumfang 337 Fuzzyfizierung 268ff. Fuzzyness 265f. Fuzzy-Ökonomie-Ökologie-Technologie-Portfolio 265ff Fuzzy-Set-Theorie 265f. Fuzzy-Systeme, wissensbasierte 267f.
G e n k a Kikaku —» Target Costing Geschäftsprozeß 33 Gleichwertigkeit 276f. Globalisierungsthese 89 Global Sourcing 81, 183 Grundhaltung, strategische 25
451
Individual Sourcing 184 Inferenzmechanismus 273f. Information 43, 44 Informationsdienstleister 254 Informationsintensität 46 Informationskultur 255 Informationsmanagement 252, informationsgewinnorientiertes 252, 255 ff., informationspolitikorientiertes 252, 253 f., informationssystemorientiertes 252, potentialorientiertes 252f. Informationspolitik 253 Informationssystem, strategisches 46 f . Informationssystemplanung 319 f f . Informations- und Kommunikationstechnologie 43 f f . Innovation 15 Innovationsfähigkeit 15 Insourcing 81, 181 Integration 338 integrierte Analyse 260 Internal Sourcing 182 Internet 334, 369, -basierte Logistik 3 9 3 f f , -basierte Organisation 395 f f , -basierte Produktion 389 f f , -basiertes Beschwerdemanagement 382, -basiertes Marketing 380 f f , -gestützte Beschaffung 386ff. Intranet 369, 399 Intranet 400
Jidohka —> Autonomation JiT-Beschaffung —» Just-in-Time Sourcing Just-in-Time Sourcing 81, 183, 205ff. Job Enlargement 35 f . Job Imperishment 35 Job Rotation 36
H o u s e of Quality 118 Käufermarkt 2f., 17
452
Stichwortverzeichnis
Kaizen 243 Kanban-Fertigung 83 f., 100 Kollektivismus 88 f f . kombinatorisches Kantenproblem 276f. Kommunikation 44 Kommunikationsqualität 103 Kommunikationssystemplanung 325f. Komplexität 17 Komplexitätsfalle 72 Komplexitätskosten 72 Konformitätskosten —» Übereinstimmungskosten Kontingenzthese 89 Kooperationsmanagement 209f. Kooperationsprinzip 92 Koordinationskomplexität 18, 80 f. Kosten 13 Kostenführerschaft 25, 186 ff., 385 Kulturebenenmodell 49 kulturfreier Ansatz 50 kulturgebundener Ansatz 50 Kundenorientierung 60, 95, 98, 113, 133, 172 f. Kundenstrukturkomplexität 18 kybernetisches Gesetz 19
L a g Indicators —» Ergebniskennzahlen Leadingindicators —> Leistungstreiber Lean Management 64, 6 6 f f , Lean-Management-Philosophie 71 f f Lean Production —» schlanke Fertigung Leapfrogging-Behavior-Effekt ¡47f. Leistungstreiber 296 Lernfähigkeit —» Innovationsfähigkeit Lieferantenauswahl 178 f . Lieferantenorientierung 61, 71, 95, 113, 133, 175 f. Local Sourcing 182 Logistik 176 Logistikkette 166 LR-Fuzzy-Intervall 266 LR-Fuzzy-Zahl 266
Management 1, erfolgsfaktorzentriertes, strategisches 55 f f , funktionales 1, institutionales 2, operatives 1, 57, strategisches 1 f., 24, 57, taktisches 1 Managementkomplexität, strategische 21 Managementkonzept 63 Managementprozeß 1, 23 Marketing-Management 380f. Marktarealstrategie 187 Marktforschung 381 marktorientierter Ansatz 3 ff., 24 f f Marktparzellierungsstrategie 186 Marktstimulierung 186 Marktwandel 2, 7, 12 f., Maschinentechnologie 39 f f . Mass Customization 187, 382, 384, 389 ff. Materialwirtschaft 176 Mechatronic-Prinzip 78 Mitarbeiterorientierung 34 f f , 60 f., 71, 95, 104 f., 113, 133, 153, 159, 173 ff. Modularisierung 338 Modular Sourcing 71, 154, 182 Multifaktor-Portfolio 262f. Multi-Options-Gesellschafit 6 Multiple Sourcing 81, 181
Nichtkonformitätskosten —> Abweichungskosten Nischenstrategie 26 Nicht-Imitierbarkeit 27 normative Ebene 56 Null-Puffer-Prinzip 100 Numerical-Control-Maschine 40
Objektorientierung 30 f . Ökologieorientierung 94 f f ökonomisches Prinzip 7
Stichwortverzeichnis
One-to-One-Marketing 383f. Online-Marketingstrategien Online-Marketingziele 382 Online-Marktforschung 381 Organisationsbegriff, funktional 28, institutional 28, instrumental 28, Organisationsstruktur 28 f f , formale 28, funktionale 32, informale —» Unternehmenskultur, objektorientierte 32 Outsourcing 181
Parallel-Sourcing 81,181 Parts Sourcing 182 Performance Measurement 283 Perzeptibilität 51 Pionierorientierung 36f., 63, 73 f., 95, 134, 209 f. Pionierpreisprämien 138 Pionierunternehmen 137 Planung, strategische 24 Poka-Yoke 127 Portfoliomanagement 261 Postponement 199 PPS-System —» Produktionsplanungsund Produktionssteuerungssystem Pragmatik 43 f . Preisfuhrerschaft —> Kostenfuhrerschaft Processing —> Prozeßorientierung Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungssystem 330 f f . Produktionsprogrammstrukturkomplexität 18 produktorientierter Ansatz 101 Produktqualität 102 Produktkonzeptkomplexität 18 Prozeß 31, immaterieller 31, materieller 31, singulärer 220 Prozeßanalyse 218ff. Prozeßausgrenzung 221 f f . , durch Entscheidungsfeldbildung 221 f.,
453
durch Problemdifferenzierung 222f., durch Zielbildung 224 Prozeßdekomposition 224ff. Prozeßelemente 224 Prozeßidentifikation 219 f f . Prozeßkoordination 229, 234ff. Prozeßmanagement 217 f . Prozeßorganisation —> Prozeßorientierung Prozeßorientierung 3 0 f f , 61 f., 72, 95, 113 f., 133 f., 189, 244 f. Prozeßqualität 102 f . Prozeßsegmente 224 Prozeßsynthese 225, 228 f., lokale 228, personale 228f., temporale 228 Prüfkosten 122
Qualität 13, 102 Qualitätsführerschaft 25, 186 ff., 385 Qualitätskostenrechnung 122 f f . qualitätsorientierte Beschaffung 120 f f . qualitätsorientierte Entwicklung 117 ff. qualitätsorientierte Fertigung 122 f f . qualitätsorientierte Forschung 117 f f . qualitätsorientierte Konstruktion 117 f f . qualitätsorientierter Vertrieb 114 f f . qualitätsorientiertes Management 127 qualitätsorientiertes Marketing 114 f f . qualitätsorientiertes Produktportfolio 115f . Qualitätszirkel 84 f . Quality Function Deployment 78, 98, H7ff
Rahmenprozesse 219 Reengineering 242, 324f. Regelbasis 271 f . ressourcenorientierter Ansatz 165 f., 218, 358 f.
Servicequalität 103
26 f f ,
454
Stichwortverzeichnis
schlanke Beschaffung 80 ff. schlanke Entwicklung 76 f f . schlanke Fertigung 66, 8 2 f f . schlanke Forschung 76 f f . schlanke Konstruktion 76 f f . schlanker Vertrieb 74 f f . schlankes Distributionssystem 75 schlankes Management 85 f f . schlankes Marketing 74 f f . Schnittstelle 225, 230, 231 ff. Schnittstellenmanagement 230 Semantik 43 Semiotik 43 Shareholder 56 Shusa 76 Simplexitätsorientierung 37 f., 63, 73, 114, 134, 157, 207 f. Simultaneous Engineering 78, 151 f f . Simultanitätshypothese 26 Single-Loop-Learning 291 f . Singlefaktor-Portfolio 262 Single Sourcing 81, 181 Software 336 Software-Lebenszyklus 339 Sole Sourcing 181 f . Sourcing-Strategie 180 f f . Spezialmaschine 39 f . Stakeholder 56 Standardsoftware 336 f., betriebswirtschaftliche —> Standardsoftware Stärken-Schwächen-Analyse 259 statistische Prozeßsteuerung 126f. Stock Sourcing 183 Strategie 2, 23 Strohfeuereffekt 146 Supply Chain 166 Supply Chain Committee 174,191 Supply Chain Council 194 Supply-Chain-Kultur 175 Supply Chain Leader 191 Supply Chain Management 65, 164 ff., 167f., 176f., 361
Supply-Chain-Management-Philosophie 170 f f . Supply-Chain-Operations-ReferenceModell 194 f f . Supply Chain Team 174, 191 Supply Management 166, 176 Supranet 400f. Sustainable Development 92 Syntaktik 43 f . System Sourcing 71, 77, 154, 182 Strenths-Weakness-OpportunitiesThreats-Analyse -» StärkenSchwächen-Analyse
T A G U C H I Quality Engineering 119 f . Target Costing 79 TAYLORistische Arbeitsorganisation 35 Technologie 38, Teamarbeit 36, 76, 85, 100 teilautonome Gruppe —> Teamarbeit Teilekomplexität 18 Teilprozesse 224 Time-based Management 64, 129 ff, 140 Time-based-Management-Philosophie 133 f . Time to Market 76 Total Quality Management 64, 101 f f . Total-Quality-Management-Philosophie 113 f . Transaktionskostentheorie 169 f . Transferstraße 43 Transplant 89 transzendeter Ansatz 101
Ubereinstimmungskosten 124 f . Umweltanalyse 256ff. Umwelt, anthropogene 91 Umweltbelastung 91 Umweltschutz 91
Stichwortverzeichnis Umweltschutzstrategie, defensive 98, o f f e n e 98 Universalmaschine 39 f . Unsicherheit 265 Unschärfe —» Fuzzyness Unternehmensanalyse 258ff. Unternehmenspolitik 2 Unternehmenskultur 2, 48 f f , 57, 233, Ambivalenz der 51, extrovertiertwettbewerbsorientierte 51 f., introvertiert-effizienzorientierte 51, starke, veränderungsbereite 52 f . Unternehmensidentität 57 Unternehmensleitbild 56 Unternehmensmission 127 Unternehmensstrategie 2 2 f f , Unternehmensverfassung 57 Unternehmensvision 2, 127 Unternehmenszweck 127 Unvereinbarkeitshypothese 26
V a l u e Engineering 79 Verhaltensbezugsebene 96 Verkäufermarkt 2f., 17 Verrichtungsorientierung 30 Versorgungskette 166 Verursacherprinzip 91 f . Viral Marketing 385f. virtuelle Marktplätze 388f. virtuelle Unternehmen 360, 395f. Vorsorgeprinzip 91
W e r k s t a t t f e r t i g u n g 40 Wertesystem 203 Wertgenerierung 26 f . wertorientierter Ansatz 102 Wertschöpfungsanalyse 202 Wertschöpfungskette 166, 201 f . Wertschöpfungsorientierung 62, 95, 1 13, 133, 200 ff. Wettbewerbsfähigkeit —> Effektivität
455
Wettbewerbskräfte 3 f f . Wettbewerbsstrategien, generische 24 f f . Wettbewerbsvorteil 11, 25, 27 f. Wirtschaftlichkeit —> E f f i z i e n z Wissensmanagement 293 Work Flow Computing 332f.
Z e i t 14, 129 Zeitautonomie 131 Zeitbezug 97 Zeitfalle 141 f . zeitorientierte B e s c h a f f u n g 154 f f . zeitorientierte Entwicklung 141 f f . zeitorientierte Fertigung 156 f f . zeitorientierte Forschung 141 f f . zeitorientierte Konstruktion 141 f f . zeitorientierter Vertrieb 115 ff. zeitorientiertes Marketing 135 f f . Zeitorientierung 62 f., 73, 95, 1 14, 134, 204 ff. Zeit-Philosophie 161 f . Zeitschere —» Zeitfalle Zeitwettbewerb 14, 130 f . Ziel 6 Zielkostenmanagement —» Target Costing Zuliefererkette 166 Zuliefererpyramide 81, 99 Zweckmäßigkeit, marktorientierte -> Effektivität