Strafrecht und Strafverfahren: 3. Nachtrag zur 35. Auflage / Januar 1952 [Reprint 2020 ed.] 9783112313947, 9783112302927


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Inhaltsverzeichnis:
1. Strafrechtsänderungsgesetz vom 80. 8. 1951 (BGBl. I S. 789)
2. Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 15. 7. 1951
3. Berliner Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 14. 6. 1951
4. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit v. 4. 12. 1951
5. Gesetz zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung v. 7. 12. 1951
Berichtigung zum 2. Nachtrag
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Strafrecht und Strafverfahren: 3. Nachtrag zur 35. Auflage / Januar 1952 [Reprint 2020 ed.]
 9783112313947, 9783112302927

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DALCKE

Strafrecht und Strafverfahren Nachtrag zur 35. Auflage / Januar 1952 Herausgegeben von

Dr. E. Fuhrmann Oberstaatsanwalt in Berlin

und

Dr. K. Schäfer Senatspräsident am Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

J. SCHWEITZER VERLAG, BERLIN U N D MÜNCHEN

Petters

Strafgesetzbuch mit E r l ä u t e r u n g e n und B e i s p i e l e n E i n K o m m e n t a r für J e d e r m a n n ! (Studium, Polizei- und Gerichtspraxis) Mit kurzem Grundriß des neuen Strafprozeßrechts 20. vollkommen

umgearbeitete

und

vermehrte

Auflage

1950

Oktav. XI, 376 Seiten. Kart. DM 7.50, Halbl. DM 8.80

WILLENBÜCHER

Das Kostenfestsetzungsverfahren und die Deutsche Gebührenordnung für Rechtsanwälte 15. Auflage, völlig neu bearbeitet von Dr. Karl Schäfer

Dr. Graf Westarp

Mimsterialiat

1. Staatsanwalt

Groß-Oktav. XX, 540 Seiten. 1951 Ganzleinen etwa DM 40.— Dieses weitverbreitete Buch bedarf keiner besonderen Empfehlung mehr. Dank seiner praktischen Anlage erfreut es sich größter Beliebtheit bei Gerichten und Anwaltsbüros. Seit Kriegsende fehlt der „Willenbücher" auf dem Büchermarkt. Die Nachfrage nach ihm ist sehr groß. Die alte bewährte Einteilung wurde beibehalten die Gesetze entsprechen dem heutigen Stand. Die neueste Rechtsprechung ist verwertet. Die neue Auflage berücksichtigt auch die Kostenfrage für heute aktuelle Probleme wie z. B. das Umstellungs- und Rückerstattungsrecht und bringt die neuen Vorschriften, die in den einzelnen Zonen und Ländern seit dem Zusammenbruch ergangen sind.

J. SCHWEITZER VERLAG / BERLIN UND MÜNCHEN

3. Nachtrag zu Dalcke, Strafrecht und Strafverfahren, 35. Auflage. Herausgegeben von

Dr. E. Fuhrmann Oberstaatsanwalt in Berlin

und

Dr. K. Schäfer Senatspräsident am Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

Inhaltsverzeichnis: 1. Strafrechtsänderungsgesetz v. 30. 8. 1951 2. Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 15. 7. 1951 3. Berliner Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 14. 6. 1951 4. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit v. 4. 12. 1951 5. Gesetz zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung v. 7. 12. 1951 Berichtigung zum 2. Nachtrag

. . . .

1 38 40 41 49 51

1. Strafrechtsänderungsgesetz vom 80. 8. 1951 (BGBl. I S. 789). Vorbemerkung. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30. 1. 1946 wurden u. a. die §§ 8 0 — 9 4 (Hochverrat, Landesverrat und Angriffe gegen das Staatsoberhaupt), § 1 3 4 a (Beschimpfung des Reiches und der Länder und ihrer Symbole), aber auch die §§ 102 und 103 S t G B . (Hochverrat gegen befreundete ausländische Staaten vom Inland aus und Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter) und § 3 5 3 a (Diplomatischer Ungehorsam) aufgehoben. Die Rechtslücken, die dadurch entstanden, wurden fühlbar, als die Bundesrepublik Deutschland entstanden war und im Laufe der ~Zzit ihre staatliche Handlungsfähigkeit auch dem Ausland gegenüber wieder gewann, den auswärtigen Dienst wieder einrichtete, sich aber auch ihrer inneren Feinde mit eigenen staatlichen Mitteln erwehren mußte. Zunächst schloß das Bonner Grundgesetz (GG.) selbst einen Teil der Lücken, indem Art. 143 G G . (Hauptwerk S. 62) die gewaltsame Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung des Bundes oder eines Landes, Angriffe auf den Bundespräsidenten, das Losreißen eines zum Bunde oder einem Lande gehörigen Gebietes sowie den Versuch und die Vorbereitung solcher Handlungen m i t Strafe bedrohte. Diese auf den Hochverrat beschränkte Vorschrift war aber von vornherein als Übergangsmaßnahme gedacht (vgl. Art. 143 Abs. 6 GG.). Nachdem die Fraktion der S P D a m 1 5 . 2 . 1 9 5 0 einen Entw. eines „Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie" im Bundestag eingebracht h a t t e (BT-Drucksache Nr. 563), legte die Bundesregierung nach Abschluß des Gesetzgebungswerkes, das die Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet des V e r f a h r e n s r e c h t s zum Gegenstand hatte (Ges. v. 12. 9 . 1 9 5 0 — B G B l . I S. 455) als erste größere Gesetzesvorlage auf dem Gebiet des m a t e r i e l l e n Strafrechts a m 4. September 1950 den „ E n t w u r f eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs" 1 D a l c k e , 3. Nachtrag

2

1. Strafrechtsänderungsgesetz.

(BT-Drucksache Nr. 1307) — im folgenden als RegEntw. 1950 bezeichnet — dem Bundestag zur Beschlußfassung vor. Es handelt sich dabei um einen umfangreichen Entwurf, der an die Spitze, vor den Strafvorschriften gegen Hoch- und Landesverrat und gegen Herabwürdigung des Staates und seiner Organe einen Abschnitt „Friedensverrat" stellt. Die Vorschriften gegen F r i e d e n s v e r r a t sollen jede technische oder ideologische Vorbereitung eines Angriffskrieges, ferner die Friedensgefährdung durch Hetze gegen andere Völker oder das Ausstreuen unwahrer Behauptungen und dergl. verbieten. Während die Mittel des Hochverrats Gewalt und Drohung mit Gewalt sind, sollten die Vorschriften des RegEntw. gegen Verfassungsstörung die Möglichkeit bieten, einer unter Anwendung gewaltloser, aber verfassungswidriger Mittel vorbereiteten „kalten Revolution" rechtzeitig und wirkungsvoll entgegenzutreten. Daneben enthält der Entwurf neben Vorschlägen, die — z. B. in veränderter Gestalt — sich in dem vorliegenden Gesetz finden, zahlreiche Einzelvorschläge, z. B. Vorschriften zum Schutz befreundeter Staaten, zum Schutz des Wahl- und Stimmrechts, gegen die Verhinderung oder Sprengung von Versammlungen, gegen Uniformmißbrauch, gegen Volksverhetzung, gegen politische Lüge (Bekämpfung des politischen Gegners durch Verleumdung), gegen Störung der Rechtspflege, gegen die Schmähung von Widerstandskämpfern usw. Einen breiten Raum nehmen dabei Vorschriften ein, die in den Fällen, in denen die Aufstellung unwahrer Behauptungen zum Tatbestand einer strafbaren Handlung gehört, unabhängig von der Bestrafung des Täters eine richterliche Feststellung über die Unwahrheit der Behauptung („Wahrheitsfeststellung") ermöglichen sollen. Dem Ausschuß des Bundestages, dem der Gesetzentw. der SPD und die Regierungsvorlage zur gemeinsamen Beratung überwiesen worden waren, war es nicht möglich, den gesamten vorgelegten Rechtsstoff „so rasch zu erledigen, wie es das unabweisbare Bedürfnis nach einer sofortigen Staatssicherung verlangt. Die Innenminister der Länder, das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzämter der Länder haben sich in entscheidenden Fragen des Verfassungsschutzes als handlungsunfähig bezeichnet, so lange nicht die zur Zeit fehlenden strafrechtlichen Vorschriften die Rechtsgrundlage zum Einschreiten bieten. Übereinstimmend mit dem Vorschlag des Bundesjustizministeriums und des Bundesinnenministeriums hat sich deshalb der Rechtsausschuß entschlossen, aus den Entwürfen die für den Staatsschutz ganz unentbehrlichen Vorschriften auszuwählen und sie in einem ersten Teil der Strafrechtsänderung gesondert dem (Bundestag) zu unterbreiten." (Abg. Dr. Laforet in der 158. Sitzung des Bundestags v. 9. 7. 1951, Prot. S. 6297.) Danach wird also der Bundestag über die bisher nicht erledigten, weil weniger dringlichen Anderungsvorschläge noch beschließen und die Ergebnisse gegebenenfalls in einem 2. Strafrechtsänderungsgesetz niederlegen. Auch die verfahrensrechtlichen Vorschriften des vorliegenden Gesetzes (Art. 3, 4) sind nach der Auffassung des Bundestags nicht als endgültige Regelung anzusehen (s. Vorbem. zu Art. 3). Blieben so zahlreiche Vorschläge des RegEntw. zunächst unberücksichtigt, so sind bei den Ausschußarbeiten nicht nur die behandelten Vorschriften z. T. weitgehend umgestaltet, sondern auch einzelne Abschnitte erheblich erweitert worden. Dies gilt insbesondere von den Vorschriften gegen Staatsgefährdung, die nicht ohne Grund als das Kernstück des Gesetzes bezeichnet worden sind. Der Bundestag hat sich bei den Beratungen in 2. (158. Sitzung v. 9. 7.1951, Prot. S. 6297ff.) und 3. Lesung (160. Sitzung v. 11. 7. 1951, Prot. S. 6476ff.) den in der BT-Drucksache Nr. 2414 niedergelegten Vorschlägen des Rechtsausschusses angeschlossen, nachdem noch zwischen diesen beiden Lesungen über einige Abänderungen Einverständnis erzielt worden war. Das am 30. 8. 1951 verkündete Gesetz ist nach Art. 8 am 31. 8. 1951 in Kraft getreten. Es ist bekannt, daß die Verkündung des am 11. 7. 1951 vom Bundestag beschlossenen Gesetzes sich verzögert hat, weil die Besatzungsmächte Bedenken äußerten, ob ihre Interessen gewahrt seien. Die Besatzungsmächte haben geglaubt, diese Bedenken dadurch ausräumen zu müssen, daß sie das Gesetz Nr. 62 der AHK. vom 30. 8.1951 (ABl. S. 1106) erließen (s. dazu Anm. 5 zu § 99). Das vorliegende Gesetz bringt in Art. 1 Vorschriften über den H o c h v e r r a t (1. Abschnitt, §§ 80 bis 87 StGB.) und den L a n d e s v e r r a t (3. Abschnitt, §§ 99 bis 101 StGB.) und schließt sich dabei in weitem Umfange an das bis zum Zusammenbruch geltende Recht des StGB, an, das seinerseits weitgehend auf die vor 1933 geleisteten strafrechtlichen Reformarbeiten zurückgriff. Juristisches Neuland dagegen betritt das Gesetz weithin mit den Vorschriften des 2. Abschnitts gegen S t a a t s g e f ä h r d u n g (§§ 88 bis 98 StGB.; s. dazu Vorbem. zu Art. 1, 2. Abschnitt). Darüber hinaus enthält das Gesetz eine Reihe weiterer Abänderungen des StGB. (Art. 2), die innerlich mit den vorerwähnten Bestimmungen zusammenhängen, ferner Anpassungen des GVG. (Art. 3) und der StPO. (Art. 4) an den neuen Rechtszustand. Nach Art. 6 gilt der in dem Gesetz für den Bund, die Länder und ihre Organe geschaffene Strafschutz auch zugunsten des Landes Berlin, sobald dieses gemäß Art. 87 Abs. 2 seiner Verfassung die Anwendung des Gesetzes in Berlin beschließt (bisher n i c h t geschehen). Da der RegEntw. nur zum Teil und auch insoweit vielfach nur in geänderter Gestalt Gesetz geworden ist, gibt die amtl. Begr. zu dem RegEntw. nur unvollkommen Auskunft

3 über die mit den einzelnen Vorschriften des Gesetzes verfolgten Absichten. Der Ausschußentw. ist nicht mit einer Begründung versehen; zur Auslegung dienen die Ausführungen der Berichterstatter und die sonstige parlamentarische Erörterung im Plenum des Bundestags, die bei den nachfolgenden Erläuterungen des Gesetzes ausgewertet worden sind. S c h r i f t t u m : Schafheutie JZ. 1951, 609; Daliinger JZ. 1951, 620; von Weber MDR. J951, 517 und 641; Schmidt-Leichner N J W . 1951, 857; K. Schäfer, „Die Polizei" 1951, 221, 249, 280; 1952, S. 6 und Heft 3/4.

Artikel 1. Strafvorschriften

gegen Hochverrat, Staatsgefährdung

und

Landesverrat.

In den zweiten Teil des Strafgesetzbuchs werden folgende Abschnitte eingefügt: Erster Abschnitt:

Hochverrat. § 80.

Hochverrat 1 ).

(1) Wer es unternimmt2), mit Gewalt3) oder durch Drohung mit Gewalt4) BGH 1. die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland oder der Verfassung eines ihrer Länder beruhende verfassungsmäßige Ordnung6) zu ändern6), Zu § 80: 1) Frühere Vorschriften: § 81 StGB. 1871; § 80 StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 (RGBl. I S. 341 — aufgehoben durch KontrRG. Nr. 11 — ; Art. 143 GG. — aufgehoben durch Art. 7 des vorliegenden Ges. —. 2) Vgl. § 87. 3) Gewalt ist Entfaltung physischer Kraft zur Überwindung eines geleisteten oder Ausschaltung eines erwarteten Widerstandes gegen die Durchführung des Hochverrats. Die Gewalt kann sich gegen Personen oder Sachen richten. Vgl. Hauptwerk Anm. 3 zu § 240 StGB. 4) Vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 240 StGB. 5) § 81 StGB. 1871 und § 80 StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 sprachen — ebenso wie § 86 StGB.-Entw. 1927 — von der Änderung der „Verfassung des Reichs" (oder eines Landes). Dabei waren unter „Verfassung" die Grundlagen des staatlichen Lebens, gleichviel ob in der Verfassungsurkunde oder an anderer Stelle geordnet, zu verstehen. E. 41, 138. Wenn jetzt § 80 im Anschluß an Art. 143 GG. und an § 87 RegEntw. 1950 als Schutzobjekt die „verfassungsmäßige Ordnung" bezeichnet, so bedeutet dies keine sachliche Änderung. Die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt sich nicht etwa auf die in § 88 Abs. 2 bezeichneten Verfassungsgrundsätze. Vielmehr sind „unter verfassungsmäßiger Ordnung die Grundlagen des staatlichen Zusammenlebens zu verstehen, also in erster Linie die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 18 GG., die grundlegenden politischen Staatseinrichtungen und ihr ordnungsgemäßes Funktionieren, wie auch die Aufrechterhaltung des Systems von mindestens zwei politischen Parteien (vgl. Art. 21 GG., der von einer Mehrheit von Parteien ausgeht). Ob diese Grundlagen des staatlichen Lebens in dem GG. oder in den Landesverfassungen geregelt sind oder ihre Gültigkeit aus anderen Rechtsgrundlagen herleiten, ist dabei ohne Belang" (amtl. Begr. zu § 87 RegEntw. 1950). Auch die erst im Rechtsausschuß erfolgte Einfügung der Worte „auf dem Grundgesetz . . . . beruhende" kann nicht die Bedeutung haben, als ob nur unmittelbar im GG. geregelte Einrichtungen Gegenstand des Strafschutzes seien, sondern will offenbar nur klarstellen, daß grundgesetzwidrige (landesverfassungswidrige) Einrichtungen nicht unter § 80 fallen. Auch eine durch einfaches, aber in Übereinstimmung mit GG. oder Landesverfassung zustandegekommenes Bundes- oder Landesgesetz geschaffene wesentliche Grundlage des staatlichen Lebens „beruht" auf dem GG. oder der Landesverfassung. 6) Es genügt also nicht der lediglich auf eine Verletzung der verfassungsmäßigen Ordnung gerichtete Vorsatz. E. 56, 261.

1*

4

1. Strafrechtsänderungsgesetz.

2. das Bundesgebiet einem fremden S t a a t e einzuverleiben oder einen Teil des Bundesgebietes loszureißen, 3. das Gebiet eines L a n d e s ganz oder teilweise einem anderen L a n d e d e r Bundesrepublik einzuverleiben oder einen Teil eines L a n d e s v o n diesem loszureißen, wird wegen H o c h v e r r a t s , wenn sich das U n t e r n e h m e n gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen das Bundesgebiet (Nr. 1, 2) r i c h t e t , m i t lebenslangem Z u c h t h a u s oder m i t Z u c h t h a u s nicht u n t e r zehn J a h r e n , wenn sich das U n t e r n e h m e n gegen das Gebiet eines L a n d e s (Nr. 3) richtet, m i t Z u c h t h a u s bis zu fünf J a h r e n b e s t r a f t 7 ) . (2) Sind mildernde U m s t ä n d e vorhanden, so kann bei T a t e n n a c h Abs. 1 Nr. 1 oder 2 auf Z u c h t h a u s , bei T a t e n n a c h Abs. 1 N r . 3 auf Gefängnis nicht u n t e r sechs Monaten e r k a n n t werden.

§ 81. Vorbereitung des Hochverrats. BGH

(1) W e r ein b e s t i m m t e s hochverräterisches U n t e r n e h m e n gegen die verfassungsm ä ß i g e Ordnung oder gegen das Bundesgebiet (§ 8 0 Abs. 1 Nr. 1, 2) vorbereitet 1 ), wird mit Z u c h t h a u s bis zu zehn J a h r e n bestraft. Sind mildernde U m s t ä n d e v o r handen, so kann auf Gefängnis nicht u n t e r einem J a h r erkannt werden. (2) W e r ein b e s t i m m t e s hochverräterisches U n t e r n e h m e n gegen das Gebiet eines L a n d e s (§ 8 0 Abs. 1 Nr. 3) vorbereitet, wird m i t Gefängnis bis zu zwei J a h r e n bestraft.

§ 82. Tätige Reue1). BGH

D a s Gericht kann 2 )' die in den §§ 80, 81 angedrohte Mindeststrafe unter7) Zwischen dem Unternehmen des Hochverrats und anderen damit verbundenen Straftaten besteht keine Gesetzeseinheit. E . 69, 57, insbesondere nicht mit strafbaren Handlungen, die sich gegen Privatpersonen richten. E . 58, 2. Z u § 81: 1) Im Gegensatz zu Art. 143 Abs. 2 GG. und dem früher geltenden Recht verzichtet § 81 darauf, einzelne Fälle der Hochverratsvorbereitung beispielshalber oder durch Androhung erhöhter Mindest- und Höchststrafen hervorzuheben. Strafbar ist auch die entfernteste Vorbereitungshandlung, soweit sie nicht nur unter die §§ 89—97, lOOd Abs. 2, 3 fällt. Soweit die Vorbereitungshandlung in der Verabredung eines hochverräterischen Unternehmens besteht, ist § 81 in Verb, mit § 82 lex specialis gegenüber § 49a. § 81 weicht von dem Wortlaut der entsprechenden früheren Bestimmungen dadurch ab, daß er eine auf ein b e s t i m m t e s Unternehmen sich beziehende Vorbereitungshandlung fordert. Sachlich entspricht dies aber der Auslegung des früheren Rechts (vgl. L K , 3. Aufl. [1925] Anm. 1 zu § 86 und 6. Aufl. [1944] Anm. I I 1 zu § 83). Die Bestimmtheit des Unternehmens erfordert, daß der hochverräterische Gedanke des Täters sich in einem irgendwie greifbaren Plan verkörpert hat, während in der Vorstellung der bei der Vorbereitung Tätigen das hochverräterische Unternehmen nicht eine nach allen Richtungen bestimmte Gestaltung angenommen zu haben braucht (LK. (6. Aufl.) a.a.O.). Zu § 82: 1) § 82 Abs. 3 StGB. i. d. F . v. 24. 4. 1934 maß der tätigen Reue nur für die in § 82 Abs. 1 u. 2 aaO. geregelten qualifizierten Vorbereitungshandlungen Bedeutung bei; im übrigen konnte tätige Reue nur zur Annahme eines minder schweren Falles (§ 84 a. F.) führen. § 82 n. F. erweitert den Wirkungsbereich der tätigen Reue auf alle Vorbereitungsund Versuchshandlungen, läßt aber — anders als nach § 82 Abs. 3 a. F., aber auch anders als z. B . nach § 49a Abs. 4 oder § 129 Abs. 4 n. F. StGB., jedoch in Ubereinstimmung z. B . mit § 158 StGB. — nicht Straflosigkeit eintreten, sondern stellt es in das pflichtmäßige Ermessen des Gerichts, von den in § 82 zugelassenen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. 2) nach pflichtmäßigem Ermessen. Machte das Gericht von den Möglichkeiten des § 82 keinen Gebrauch, so müssen die' Urteilsgründe erkennen lassen, ob sich das Gericht der Möglichkeiten bpwußt gewesen ist.

§§ 81—84.

achreiten3), auf die nächstmildere Strafart erkennen4) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften5) absehen6), wenn der Täter aus freien Stücken seine Tätigkeit aufgibt und den Erfolg abwendet7). Unterbleibt der Erfolg ohne Zutun des Täters, so genügt sein ernstliches Bemühen, den Erfolg abzuwenden7). § 83. Hochverräterischer Anschlag und hochverräterischer Zwang 1 ). (1) Wer einen Angriff auf Leib oder Leben2) des Bundespräsidenten begeht, BGH wird wegen hochverräterischen- Anschlags mit Zuchthaus bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. (2) Wegen hochverräterischen Zwanges wird ebenso bestraft, wer den Bundespräsidenten semer verfassungsmäßigen Befugnisse beraubt3) oder mit Gewalt4) oder durch rechtswidrige Drohung4) nötigt oder hindert, seine venassungsmäßigen Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten Sinne auszuüben. § 84. Fahrlässige Verbreitung hochverräterischer Schriften 1 ). Wer 1. Schriften2), Schallaufnahmen3), Abbildungen4) oder Darstellungen5), deren 3) Während das StGB, in ähnlichen Fällen dem Richter die Befugnis gibt, „die Strafe nach pflichtgemäßem Ermessen zu mildern oder von Strafe abzusehen" (vgl. § 49a Abs. 3, § 158), umschreibt § 82 den Inhalt des außerordentlichen Milderungsrechts (Unterschreitung der angedrohten Mindeststrafe, Übergang zur nächstmilderen Strafart) und schränkt es damit gegenüber dem Recht der Milderung „nach pflichtgemäßen Ermessen", das den Richter ermächtigt, auf jede im Strafensystem des StGB, vorgesehene Strafe zu erkennen (E. 77, 222), ein. Eine Unterschreitung der angedrohten Mindeststrafe kommt nur in Betracht, wo e r h ö h t e Mindeststrafen (z. B. Zuchthaus nicht unter 10 Jahren, § 90 Abs. 1, oder Gefängnis nicht unter 1 Jahr, § 81 Abs. 1 Satz 2) angedroht sind. Hier kann auf das gesetzliche Mindestmaß der angedrohten Strafart zurückgegangen werden; dagegen ermächtigt § 82 nicht, auf Zuchthaus von weniger als einem J a h r zu erkennen. 4) Gegenüber Zuchthaus ist Gefängnis, gegenüber Gefängnis H a f t die nächstmildere Strafart. Auf Geldstrafe kann deshalb nicht gemäß § 82, sondern nur im Fall des § 81 Abs. 2 unter den Voraussetzungen des § 27 b erkannt werden. 5) Eine nach anderen Vorschriften verwirkte Strafe bleibt also unberührt. 6) S. Anm. 1 zu Art. 4 Nr. 1 des Ges. 7) Die Voraussetzungen der tätigen Reue sind trotz der verschiedenen Fassung die gleichen wie nach § 49a Abs. 4. Auf die Anm. 11 bis 13 zu § 49a im Hauptwerk wird verwiesen. Z u § 83: 1) § 83 Abs. 1 k n ü p f t an § 94 StGB. i. d. F. der VO. v. 19. 12. 1932 (RGBl. I S. 548), Abs. 2 an § 81 StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 an. 2) Der Bundespräsident muß zur Tatzeit im Amt gewesen sein. Leib und Leben = körperliche Unversehrtheit (einschl. Freiheitsberaubung), wobei die Leibesgefahr keine ganz unerhebliche sein darf. E. 66, 397 (zu § 54 StGB.). Die T a t ist mit dem Angriff vollendet; daß der Angriff zu einer Verletzung geführt hat, ist nicht erforderlich (z. B. bei einem fehlgegangenen Schuß). Ob der Täter ein politisches Ziel verfolgt, ist für Abs. 1 bedeutungslos (Schafheutie JZ. 51, 610). 3) „berauben" ist nicht im technischen Sinn (§ 249), sondern im Sinn des allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen; es genügt daher auch ein Ausschluß von der Ausübung der verfassungsmäßigen Befugnisse durch Anwendung von List. Ob es sich um eine endgültige oder nur vorübergehende Entziehung der Befugnisse handelt, macht keinen Unterschied (amtl. Begr. zu § 86 StGB. = Entw. v. 1927). 4) S. Anm. 3 und 4 zu § 240 (Hauptwerk). Abweichend von § 81 i. d. F. v. 24. 4. 1934, der eine Drohung mit Gewalt oder einem Verbrechen oder Vergehen forderte und abweichend von § 88 des RegEntw. 1950, der in Angleichung an die §§ 240, 253 Drohung mit einem empfindlichen Übel vorsah, begnügt sich § 83 mit jeder rechtswidrigen Drohung. Zur Rechtswidrigkeit der Drohung ist nicht die Drohung mit einem rechtswidrigen Tun oder Unterlassen erforderlich, vielmehr ist jede Drohung rechtswidrig, die als Mittel zur Nötigung oder Hinderung des Bundespräsidenten anzuwenden der Täter kein Recht hat. Es gelten mithin hier die gleichen Grundsätze wie bei der Nötigung einer Behörde durch Drohung zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung — § 114 StGB. —. Vgl. dazu Anm. 2 zu § 114 im Hauptwerk. § 84: 1) Früheres Recht: § 85 i. d. F. v. 24. 4. 1934.

strafK.

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

Inhalt den äußeren Tatbestand der §§ 80, 81 oder 88 erfüllt«), herausgibt 7 ), herstellt 8 ), verbreitet 9 ) oder zum Zwecke der Verbreitung vorrätig h ä l t 1 0 ) , 2. Äußerungen 1 1 ) oder Darstellungen solchen Inhalts durch Film, F u n k oder sonst durch technische Vervielfältigung verbreitet, obwohl er deren hochverräterischen Inhalt h ä t t e erkennen müssen 1 2 ), wird mit Gefängnis bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist.

§ 85. Nebenstrafen1). Wegen der in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlungen kann erkannt werden neben den Strafen aus den §§ 80, 81 Abs. 1, 83 auf Geldstrafe von unbegrenzter Höhe; neben den Strafen aus den §§ 81 Abs. 2, 84 auf Geldstrafe; neben einer wegen einer vorsätzlichen T a t verhängten Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten für die Dauer von einem bis zu fünf J a h r e n auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter 2 ) und den Verlust des Wahl- und Stimmrechts und der Wählbarkeit sowie auf den Verlust der aus öffentlichen Wahlen 3 ) hervorgegangenen Rechte; 2) Nicht nur, wie nach § 85 a. F., Druckschriften. Über den Begriff Schrift vgl. Hauptwerk Anm. 2 zu § 41 StGB. 3) Z. B. Schallplatten, Tonbänder. 4) Vgl. Hauptwerk Anm. 3 zu § 41 StGB. 5) Vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 41 StGB. 6) Der Inhalt muß also so beschaffen sein, daß ein schuldfähiger Mensch nach den §§ 80, 81, 83 strafbar wäre, wenn er die Schrift usw. in Kenntnis und in Erkenntnis ihres Inhalts verbreiten würde. Amtl. Begr. zu § 89 RegEntw. 1950 im Anschluß an E. 65, 145. A. M. von Weber MDR. 1951, 518: es müsse eine hochverräterische Zielsetzung aus dem Inhalt der Schrift usw. erkennbar sein. 7) Der Begriff des Herausgebers ist der gleiche wie in § 6 des Reichspresseges. (vgl. Anm. 6 zu § 6 unter B I I 1 des Hauptwerks). 8) Vgl. Hauptwerk Anm. 11 zu § 184 StGB. 9) Vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 110 StGB. 10) Vgl. Hauptwerk Anm. 12 zu § 184 StGB. 11) Die Äußerung braucht hier nicht im Sinne der Ziff. 1 verkörpert zu sein (z. B. eine im Rundfunk gehaltene Ansprache). 12) Es wird also vorausgesetzt, daß die Herausgabe, Herstellung usw. vorsätzlich erfolgt, der Täter den hochverräterischen Inhalt jedoch nicht erkannt hat, den er hätte erkennen müssen, wenn er die Sorgfalt angewandt hätte, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Erfahrungen verpflichtet und in der Lage war. Auch dann ist § 85 anwendbar, wenn der Täter zwar den hochverräterischen Inhalt erkannt, aber nicht den Vorsatz des Hochverrats oder der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens hatte. R G DRechtspfl. 1936 Nr. 429. § 85 a. F. lautete: „ obwohl er bei sorgfältiger Prüfung der Schrift den hochverräterischen Inhalt hätte erkennen können". Die Worte „bei sorgfältiger Prüfung der Schrift" sind jetzt weggelassen, um einer Uberspannung der Prüfungspflicht vorzubeugen und das Mißverständnis auszuschließen, „daß hierdurch z. B. für den Buchhändler eine über die allgemeinen Sorgfaltspflichten hinausgehende besondere Pflicht zur sorgfältigen Lesung aller von ihm gehandelten Schriften selbst dann gefordert werden sollte, wenn weder Verfasser, Gegenstand noch Inhaltsverzeichnis noch sonstige Anhaltspunkte auf die Möglichkeit eines hochverräterischen Inhalts hinweisen" (amtl. Begr. zu § 89 RegEntw. 1950). Zu § 85: 1) Früheres Recht: § 86 i. d. F. v. 24. 4. 1934. 2) Vgl. § 31 Abs. 2. öffentl. Ämter sind alle Stellungen, in denen aus der Staatsgewalt abgeleitete und staatlichen Zwecken dienende Aufgaben zu erfüllen sind. E. 62, 26, einschl. der Ämter bei Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht, wie die Religionsgesellschaften, andere als staatliche Zwecke verfolgen. E. 47, 51.

§§ 85, 86.

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neben jeder wegen einer vorsätzlichen Tat verhängten Freiheitsstrafe auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht.

§ 86. Einziehung und Unbrauchbarmachung1). (1) Gegenstände, die durch eine in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohte Handlung hervorgebracht oder zu ihrer Begehung gebraucht oder bestimmt sind, können eingezogen oder unbrauchbar gemacht werden. Den Gegenständen stehen Vermögenswerte gleich, die an ihre Stelle getreten sind2). (2) 3) Gehörten die Gegenstände zur Zeit der Tat4) weder dem Täter noch einem Teilnehmer, so ist dem Eigentümer angemessene Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren, es sei denn, daß er sich im Zusammenhang mit der Tat auf andere Weise strafbar gemacht hat. (8) Hat der Täter für die Begehung einer in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlung ein Entgelt empfangen, so ist das Entgelt oder ein ihm entsprechender Geldbetrag einzuziehen5). 3) öffentl. Wahlen (s. § 33) = Wahlen in öffentl. (nicht notwendig staatlichen) Angelegenheiten; dazu gehören auch Betriebßratswahlen und Wahlen in Angelegenheiten der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts. Zu § 86: 1) Früheres Recht: § 86a i. d. F. v. 24. 4. 1934. 2) Die Vorschrift ist neu. Eine Ersatzeinziehung in Form der Einziehung des (dinglichen) S u r r o g a t s ist dem bisherigen Recht unbekannt; es kennt nur in Einzelfällen die Ersatzeinziehung in Form der Auferlegung einer V e r m ö g e n s s t r a f e , die dem Wert des Gegenstandes entspricht, dessen Einziehung oder Verfallerklärung nicht mehr möglich ist (s. § 401 RAbgO. — B VI —, § 41 Wirtschaftsstrafges. — E I I 1 — und § 335 StGB.). 3) Auch diese Vorschrift, die auf das Vorbild des StGB.-Entw. 1930 zurückgeht, ist neu. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, daß eine Einziehung, die als Sicherungsmaßregel den an der Tat völlig unbeteiligten Eigentümer trifft, eine Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit darstellt, die nach 14 GG. nur gegen Entschädigung zulässig ist. Die Frage, wie die Belange des Eigentümers zu wahren sind, wenn das Strafgesetz die Einziehung auch zuläßt, falls die Sache nicht dem Täter oder Teilnehmer gehört und den Eigentümer an der Benutzung der Sache durch Täter oder Teilnehmer keinerlei Verschulden trifft, ist bisher in der Gesetzgebung verschieden beantwortet worden. Die neuere Gesetzgebung gestattet dem Richter, von der Einziehung abzusehen, wenn die Sache ohne Schuld des Eigentümers zur Tat benutzt worden ist (so § 295 Abs. 2 StGB. i. d. F. des Ges. v. 28. 6.1935 betr. Einziehung von Wildereigerät) oder schließt die Einziehung sogar aus, wenn der Eigentümer von der T a t weder mußte noch wissen mußte und von ihr aus keinen Vorteil gehabt hat, dessen Zusammenhang mit der T a t ihm erkennbar war (so § 40 Wirtschaftsstrafges. — E II 1 —). Die ältere Gesetzgebung läßt den Fall ungeregelt. Bei § 401 RAbgO. — B VI — h a t aber die Rechtsprechung die Einziehung für unzulässig erklärt, wenn den Eigentümer an der Benutzung der Sache zu der Tat kein Verschulden trifft und er von der T a t keinen Vorteil h a t (s. DOG. v. 5. 7. 1950 — BGBl. I S. 331 — ; Hauptwerk Anm. 2 zu § 401 und Anm. 1 zu § 414 RAbgO.), während in anderen Fällen streitig ist, ob die an sich ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse zwingend vorgeschriebene Einziehung auch gegenüber dem redlichen Eigentümer auszusprechen ist (vgl. z. B. Hauptwerk Anm. 9 zu § 245a StGB.). Demgegenüber läßt § 85 Abs. 2 die Einziehung auch gegenüber dem an der T a t unbeteiligten Eigentümer zu, gewährt ihm aber einen Anspruch auf angemessene Entschädigung aus der Staatskasse, der nur ausgeschlossen ist, wenn er sich im Zusammenhang mit der T a t auf andere Weise (z. B. durch eine Begünstigung) strafbar gemacht hat. Es ist nicht erkennbar, daß dieser Regelung Erwägungen zugrunde liegen, die nur für den Fall des Hochverrats zutreffen; § 85 Abs. 2 enthält daher einen Rechtsgedanken von allgemeiner Bedeutung, der demgemäß überall als anwendbar erscheint, wo das Gesetz die Einziehung als Sicherungsmaßregel ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse zwingend vorschreibt oder zuläßt und keine besonderen Vorschriften zum Schutze des tatunbeteiligten Eigentümers trifft. 4) Also kein Entschädigungsanspruch bei Eigentumserwerb nach der Tat, auch wenn der Erwerber gutgläubig war. 5) Eine entsprechende Vorschrift enthielt schon § 93a Abs. 2 StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934, aber nur für den Landesverrat. Die Vorschrift, die dem Täter den aus der T a t gezogenen Gewinn nimmt, h a t etwa in der Abführung des Mehrerlöses bei Wirtschaftsvergehen (§ 49

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

(4) Kann keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so kann auf die Einziehung oder Unbrauchbarmachung selbständig erkannt werden6). § 87. Begriff des Unternehmens1). Unternehmen im Sinne des Strafgesetzbuchs ist die Vollendung und der Versuch. Zweiter A b s c h n i t t : Staatsgefährdung. Vorbemerkung. Die Strafvorschriften dieses Abschnitts sind aus der Erwägung geschaffen, daß nach den Erfahrungen der neueren und neuesten Zeit Staatsumwälzungen nicht mehr unbedingt mit den klassischen Mitteln des Hochverrats — Gewalt und Drohung mit Gewalt — erfolgen, sondern daß neben den „Kalten Krieg" die „Kalte Revolution" getreten ist, deren Methoden darin bestehen, daß „sie die Gewaltanwendung zunächst ausschließen und ein System von Einzelakten entwickelt wird, von denen jeder einzelne an sich mehr oder weniger harmlos erscheint, die aber durch das Zusammenspiel aller, die von den verschiedensten Ansatzpunkten aus das gemeinsame Ziel fördern, eine Situation schaffen können, die schließlich die Staatsumwälzung unausweichlich macht und sie wie eine reife Frucht gewinnen läßt" (Abg. Dr. Wahl in der 158. Sitzung v. 9. 7. 1951, Prot. S. 6304). Die schwierige Grenzlinie zwischen erlaubter Opposition und strafbarer Staatsgefährdung hat das Gesetz in der Weise gezogen, daß es in der Regel eine staatsgefährdende A b s i c h t fordert, so daß „das Bewußtsein (des Täters), daß sein aus anderen Motiven geführter politischer Kampf unter Umständen eine Staatsgefährdung zur Folge haben könne oder müsse, keinesfalls zur Bestrafung ausreicht" (Abg. Dr. Wahl aaO.) und daß es den Inhalt der geforderten Absicht durch Legaldefinitionen umschreibt (§ 88).

§ 88. Begriffsbestimmungen. (1) Im Sinne dieses Abschnitts ist eine Handlung auf die Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland gerichtet, wenn sie darauf hinzielt, die Bundesrepublik Deutschland ganz oder teilweise unter fremde Botmäßigkeit zu bringen1), ihre Selbständigkeit sonst zu beseitigen2) oder einen Teil des Bundesgebietes loszulösen. Als Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland im Sinne dieses Abschnitts gilt nicht die Teilnahme an einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung, auf die die Bundesrepublik Deutschland Hoheitsrechte überträgt oder zu deren Gunsten sie Hoheitsrechte beschränkt3). (2) Verfassungsgrundsätze im Sinne dieses Abschnitts sind 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt Wirtschaftsstrafges. — E II 1 —) eine Parallele. Die Ersatzeinziehung (d. h. Auferlegung einer Vermögensstrafe in Höhe des dem Entgelt entsprechenden Geldbetrages) setzt nicht voraus, daß die Einziehung des Entgelts nicht ausführbar ist. Die Einziehung des an die Stelle des Entgelts getretenen Vermögenswertes ist — anders als in Abs. 1 — nicht zulässig. 6) Vgl. Hauptwerk Anm. 1 zu § 42 StGB. Zu § 87: 1) Entspricht wörtlich dem § 87 i. d. F. v. 24. 4. 1934. Zu § 88: 1) „sie also zu einem Satellitenstaat zu machen" (Abg. Dr. Wahl, Prot. S. 6304). 2) „etwa durch Auflösung des Bundesstaats in seine einzelnen Bestandteile". (Abg. Dr. Wahl aaO.). 3) Satz 2 zieht die Folgerung aus Art. 24 GG., wonach der Bund durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen und sich zur Wahrung des Friedens unter freiwilliger Beschränkung seiner Hoheitsrechte einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen kann.

s§ 88, 89.

2.

3. 4. 5. 6.

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und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer W a h l zu wählen 4 ), die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und R e c h t 6 ) , das R e c h t auf die verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition 6 ), die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung 7 ), die Unabhängigkeit der Gerichte 8 ), der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft 9 ).

§ 89. Verfassungsverrat1). (1) W e r es unternimmt, durch Mißbrauch oder Anmaßung von Hoheits- BGH befugnissen 2 ) 1. den B e s t a n d der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder 2. einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen 3 ) oder außer Geltung zu setzen 4 ), 4) Vgl. Art. 20, 28, 38 GG. (Schutz des Volksstaats und des Grundsatzes der Gewaltenteilung). 5) Vgl. Art. 20 Abs. 3 GG. (Schutz des Rechtsstaats). 6) Vgl. Art. 21 GG. (Schutz der Stellung des Parlaments). 7) Vgl. Art. 65, 67, 68 GG. (Schutz der Stellung des Parlaments). Gemeint ist damit „die Gesamtheit aller das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament betreffenden Rechtsgrundsätze und nicht etwa bloß die Ausgestaltung des Mißtrauensvotums in der einen oder anderen Form" (Abg. Dr. Wahl, 158. Sitzung, Prot. S. 6305). Vgl. dazu Schafheutle JZ.51, 613. 8) Vgl. Art. 97 GG. (Schutz des Rechtsstaates). 9) Ziff. 6 enthält im Grunde keinen positiven Verfassungsgrundsatz, sondern will einen besonders bedeutsamen negativen Zustand, die Gewalt- und Willkürherrschaft, kennzeichnen, durch den die verfassungsmäßige Ordnung und die Freiheit des Individuums am empfindlichsten getroffen wird, so daß der Ausschluß dieses Zustandes einem positiven Verfassungsgrundsatz an Bedeutung gleichzuachten ist. Bei der Beratung des Gesetzes im Bundestag ging man davon aus, daß der Begriff der „Gewalt- und Willkürherrschaft" von der Rechtsprechung des früheren OGHBrZ. zum Kontrollratsges. Nr. 10 (vgl. OGHSt. Bd. 1 S. 15; Bd. 2 S. 96, 233 u. a.) genügend deutlich umrissen sei; er soll — nach den Worten des Abg. Dr. Arndt in der 3. Lesung vom 11. Juli 1951 (Prot. S. 6479) — „das Regime der Konzentrationslager", „eine Unordnung, in der die Unmenschliohkeit zum System und zur Struktur gehört", kennzeichnen. S. auch §§ 234a und 241a StGB. i. d. F..des Ges. v. 15. 7. 1951 (BGBl. I S. 448) — abgedr. im vorliegenden Nachtrag unter Nr. 2 —, wo von „Gewalt- und Willkürmaßnahmen", die „im Gegensatz zu rechtsstaatlichen Grundsätzen" ergriffen werden, die Rede ist. Zu § 89: 1) Nach § 82 Abs. 2 StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 wurde bestraft, „wer zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens . . . . die ihm anvertraute öffentliche Macht mißbraucht....". 2) § 89 vill — mit den Worten des Berichterstatters Abg. Dr. Wahl, Prot. S. 6305 — „den S t a a t s s t r e i c h von oben ponälisieren, der sich nicht des Mittels der Gewalt, sondern legaler Mittel bedient, nämlich der Hoheitsbefugnisse, die mißbraucht werden oder die sich der betreffende Täter anmaßt". Den Ausgangspunkt für § 89 bildet der § 90 Abs. 2 des Reg.Entw. 1950, der eine „in Ausübung des öffentlichen Dienstes (§ 359)" begangene „Verfassungsstörung" mit erhöhter Strafe bedrohen wollte. Die amtl. Begr. zu dieser Vorschrift verweist auf die amtl. Begr. zu Art. 275 des i. J . 1949 eingebrachten Entw. über eine Teilrevision des schweizerischen StGB.: „Eine moderne Revolution wird nicht mehr durch einen Barrikadenkampf und die gewaltsame Vertreibung der Regierung oder des Parlaments eingeleitet, sondern nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan . . . . vorbereitet, insbesondere durch Unterbringung kommunistischer oder nationalsozialistischer Gesinnungsgenossen in die wirtschaftlichen und politischen Schlüsselstellungen, durch . . . . Bewaffnung einzelner Gruppen." 3) d. i. ihre rechtliche Existenz zu vernichten. 4) d. h. zu bewirken, daß sie, wenn auch nur zeitlich oder örtlich beschränkt, tatsächlich nicht mehr angewendet und nicht mehr befolgt werden (Schafheutle JZ. 51, 614).

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

wird wegen Verfassungsverrats mit Zuchthaus bestraft. In besonders schweren Fällen kann auf lebenslanges Zuchthaus erkannt werden. (2) Wer ein bestimmtes Unternehmen des Verfassungsverrats vorbereitet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Gefängnis nicht unter sechs Monaten erkannt werden. (8) Die Vorschrift des § 82 über die tätige Reue gilt entsprechend. § 90. Staatsgefährdende Sabotage in öffentlichen Betrieben 1 ). (1) Wer in der Absicht, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder-eine solche Bestrebung zu fördern, 1. eine Eisenbahn2), die Post2) oder dem öffentlichen Verkehr dienende Unternehmen2) oder Anlagen, 2. eine öffentlichen Zwecken dienende Fernmeldeanlage3), 8. eine der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme2) oder Kraft dienende Anlage oder einen für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtigen Betrieb2) oder 4. der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienende Dienststellen4), Einrichtungen, Anlagen oder Gegenstände durch Aussperrung6), Streik5), Störmaßnahmen6) oder sonstige Handlungen, die nicht nach den §§ 816a, 817 strafbar sind6), ganz oder teilweise außer Tätigkeit setzt oder den bestimmungsmäßigen Zwecken entzieht, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Die Vorschriften des § 49 a über die Bestrafung der erfolglosen Anstiftung und anderer Vorbereitungshandlungen bei Verbrechen gelten entsprechend7). (4) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. (5) Bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Beteiligung an einer solchen Tat von untergeordneter Bedeutung ist, kann von Strafe abgesehen werden8). Zu § 90: 1) § 90 bedroht die Sabotage lebenswichtiger Betriebe, wenn sie a) in staatsgefährdender Absicht und b) mit bestimmten, nicht den Tatbestand der §§ 316a, 317 StGB, erfüllenden Mitteln erfolgt. Fehlt die staatsgefährdende Absicht, so greifen die §§ 316a, 317 ein. Erfolgt die Sabotage mit den in den letzteren Vorschriften unter Strafe gestellten Mitteln, so wirkt die Begehung in staatsgefährdender Absicht nach § 94 strafschärfend. 2) Vgl. Anm. 2 bis 6 zu § 316a. 3) Vgl. Anm. 2 zu § 317. 4) Z. B. der Polizei, des Bundesgrenzschutzes, der Feuerwehr. 5) Aussperrung und Streik sind hier nicht Maßnahmen im Arbeitskampf, sondern Mittel zur Verwirklichung staatsgefährdender Absichten. Es kommt deshalb, wenn diese Absicht vorliegt, nicht darauf an, ob Streik und Aussperrung an sich (als Einrichtung) zulässig oder von der Rechtsordnung verboten sind, (nach Art. 29 HessVerf. wird z. B. das Streikrecht anerkannt, aber nur, wenn die Gewerkschaften den Streik erklären; die Aussperrung ist rechtswidrig) und ob sie, wenn als Rechtseinrichtung zulässig, unter Beobachtung etwa vorgeschriebene arbeitsrechtliche Formen herbeigeführt sind. Täter kann nicht nur sein, wer den Streik herbeiführt, sondern auch der einzelne Streikende, vorausgesetzt, daß auch er in der in Abs. 1 geforderten Absicht handelt (vgl. den für solche Fälle geschaffenen Abs. 5). 6) Störmaßnahmen: Z. B. die Besetzung durch Störtrupps. Sonstige Handlungen: Z. B. Liefersperren. Die §§ 316a, 317 StGB, sind leges speciales gegenüber § 90. 7) Entsprechend, da Zuwiderhandlungen gegen Abs. 1 Vergehen sind, während § 49 a für Verbrechen gilt. 8) Vgl. Anm. 1 zu Art. 4 Nr. 1 des Ges. (§ 153a StPO)..

§§ 90, 90 a.

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§ §0a. Staatsgefährdende Vereinigungen1). (1)'Wer eine Vereinigung2) gründet3), deren Zwecke oder deren Tätigkeit sich strafK. gegen die verfassungsmäßige Ordnung4) oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, oder wer die Bestrebungen einer solchen Vereinigung als Rädelsführer5) oder Hintermann6) fördert, wird mit Gefängnis bestraft. (2) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. Daneben kann Polizeiaufsicht zugelassen werden. (8) Ist die Vereinigung eine politische Partei im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes, so darf die Tat erst verfolgt werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß die Partei verfassungswidrig ist 7 ). Z u § 90 a : 1) Nach Art. 9 GG. sind Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit a) den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich b) gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder c) gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten. Weiterhin bestimmt Art. 21 GG., daß p o l i t i s c h e P a r t e i e n , die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden, verfassungswidrig sind, daß aber über die Frage, ob eine solche Verfassungswidrigkeit im Einzelfall vorliegt, das Bundesverfassungsgericht ausschließlich zur Entscheidung zuständig ist. Aus diesen Vorschriften des GG. zieht § 90 a die strafrechtlichen Folgerungen, soweit es sich um Vereinigungen mit den zu b) und c) bezeichneten Zielen handelt. Mit den auf die Begehung strafbarer Handlungen gerichteten Vereinigungen befaßt sich § 129 (s. auch § 129a). 2) Der dem GG. entnommene Begriff „Vereinigung" ist dem StGB, bisher unbekannt; dieses spricht voh „Verbindungen" (vgl. z. B. §§ 49 b, 128). Es handelt sich dabei aber nur u m eine Verschiedenheit des Ausdrucks, ohne daß damit ein sachlicher Unterschied verbunden wäre. Unter Vereinigung ist daher — entsprechend der für die „Verbindung" entwickelten Begriffsbestimmung — ein organisierter Zusammenschluß mehrerer Menschen von einer gewissen Dauer zu verstehen, der die Unterordnung der Mitglieder für die Dauer der Mitgliedschaft voraussetzt (vgl. Hauptwerk Anm. 2 zu § 128 StGB.). 3) § 90 a beschränkt sich auf die Bestrafung der Gründer, der Rädelsführer und Hintermänner, während das formale Mitglied nicht getroffen wird, weil bei solchen Organisationen meist nur die „Drahtzieher" wissen, worum es sich handelt und was sie tun. Vgl. aber § 129 a und, soweit es sich um politische Parteien handelt, unter Anm. 7. 4) Vgl. Anm. 5 zu § 80. Vereinigungen, die eine Verfassungsreform mit verfassungsmäßigen Mitteln — abgesehen also von den in Art. 79 Abs. 3 GG. für unabänderlich erklärten Normen des GG. — erstreben, fallen nicht unter § 90 a, „weil diese sich Reformtätigkeit nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, die sie vielmehr selbst zuläßt" (Abg. Dr. Wahl, 160. Sitzung, Prot. S. 6483). 5) Rädelsführer (vgl. §§ 115, 125 StGB.) sind Personen, die, selbst der Vereinigung angehörend, darin eine führende Rolle spielen (vgl. Hauptwerk Anm. 5 zu § 115 StGB.). 6) Der Hintermann —- der Begriff ist in der Gesetzessprache neu — ist im Gegensatz zum Rädelsführer nicht Mitglied der Vereinigung, sondern trägt im Verborgenen, aus der Entfernung, Wesfentliches für die Tätigkeit der Vereinigung bei (vgl. Begr. zu § 129 RegEntw. 1950). 7) Die Frage, ob eine politische Partei unter § 90a Abs. 1 fällt, fällt praktisch weitgehend mit der Frage zusammen, ob sie verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 GG. ist. Da eine Entscheidung über die letztere Frage nur durch das Bundesverfassungsgericht getroffen werden kann, bo bestimmt § 90a Abs. 3, daß die Gründung einer politischen Partei, deren Zwecke oder Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, sowie die Förderung ihrer Bestrebungen durch Rädelsführer oder Hintermänner erst verfolgt werden dürfen, nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß die Partei verfassungswidrig ist. Solange die Verfassungswidrigkeit nicht in dieser Weise festgestellt ist, besteht ein Verfahrenshindernis; Abs. 3 stellt also eine Vorentscheidung als Prozeßvoraussetzung auf (BundesjustMin. Dr. Dehler, 158. Sitzung, Prot. S. 6314). Sobald sie vorliegt, kann auch die vor der Feststellung erfolgte Gründung und Förderung bestraft werden; eine durch § 2a StGB, verbotene Rückwirkung des Strafgesetzes liegt daxin nicht, da ja die Strafbarkeit schon vor der Feststellung begründet war und lediglich der Verfolgung der Tat ein Hindernis entgegenstand, solange das Bundesverfassungsgericht nicht die ihm allein zustehende Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit getroffen hatte. Selbstverständlich setzt eine Verurteilung voraus, daß der Täter die in § 90a Abs. 1 bezeichnete Art der Zwecke oder der Tätigkeit der Partei gekannt und erkannt h a t ; die Feststellung des Bun-

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

§ 91. Staatsgefährdende Zersetzung 1 ). StrafK.

(1) Wer auf Angehörige2) einer Behörde oder eines öffentlichen Sicherheitsorgans in der Absicht einwirkt3), die pflichtmäßige Bereitschaft zum Schutze des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung4) des Bundes oder eines Landes zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. § 92. Staatsgefährdender Nachrichtendienst.

StrafK.

(1) Wer in der Absicht,

den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder eine solche Bestrebung zu fördern, für eine Dienststelle, eine Partei oder eine andere Vereinigung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, für eine verbotene Vereinigung oder für einen ihrer Mittelsmänner über Verwaltungen, Dienststellen, Betriebe, Anlagen, Einrichtungen, Verdesverfassungsgerichts hat für den Strafrichter, der nach § 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 243) an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden ist, nur die Bedeutung, daß o b j e k t i v die Verfassungswidrigkeit der Partei feststeht, enthebt ihn aber nicht der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz genügt. Gerade wegen der Schwierigkeiten einer solchen Schuldfeststellung hat sich § 90a darauf beschränkt, nur die „Drahtzieher" unter Strafe zu stellen, die Mitläufer aber straflos zu lassen. Ergänzt wird § 90a durch den neugefaßten § 129 StGB, und den neu eingefügten § 129a StGB, sowie durch die §§ 46 und 47 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12.März 1951. Nach § 46 dieses Gesetzes hat nämlich das Bundesverfassungsgericht mit der Feststellung, daß eine Partei verfassungswidrig ist, ihre Auflösung und das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen, zu verbinden. Und nach § 47 in Verbindung mit § 42 werden vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder gegen die im Vollzug der Entscheidung getroffenen Maßnahmen mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten bestraft. Danach ergibt sich folgendes Bild: Ist eine politische Partei durch das Bundesverfassungsgericht aufgelöst, so wird jeder, der der ihm bekannten Auflösungsanordnung zuwiderhandelt, also auch derjenige, der sich an ihr als Mitglied beteiligt oder sie sonst unterstützt, schon deswegen mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten bestraft, während der „Mitläufer" vor der Auflösungsanordnung nicht strafbar ist. Wer aber die Bestrebungen der aufgelösten Partei als Rädelsführer oder Hintermann fördert, begeht eine Zuwiderhandlung gegen § 90a StGB, in Tateinheit mit einem Vergehen nach § 47 des Ges. v. 12. März 1951; der Strafrahmen reicht daher von der in § 47 angedrohten Mindeststrafe von 6 Monaten Gefängnis bis zu der in § 90a Abs. 2 StGB, für besonders schwere Fälle angedrohten Zuchthausstrafe bis zu 5 Jahren. Dem Rädelsführer oder Hintermann, der die Auflösung kennt, braucht die zur Bestrafung nach § 90 a erforderliche Kenntnis der verfassungswidrigen Zwecke oder Tätigkeit der Partei nicht nachgewiesen zu werden; kannte er — was nur in Ausnahmefällen denkbar ist — die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht, so kann er, da diese ja nur objektive Verfolgungsvoraussetzung ist, gleichwohl aus § 90a (aber nicht aus § 47 des Ges. v. 12. März 1951) bestraft werden, wenn er Zwecke und Tätigkeit der Partei als unter § 90a Abs. 1 fallend erkannt hat. Z u § 91: 1) Früheres Recht: § 83 Abs. 3 Ziff. 2 StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934. 2) Die Einwirkung auf einen einzelnen Angehörigen genügt. 3) Staatsgefährdende Absicht i. S. des § 88 ist nicht erforderlich. Die Einwirkung ist psychischer Art, z. B. indem der Täter den Angehörigen durch Überlassung staatsfeindlicher Propagandavorschriften für umstürzlerische Ideen zu gewinnen sucht. Ob die Einwirkungstätigkeit Erfolg hat, ist bedeutungslos. 4) Vgl. Anm. 5 zu § 80.

§§ 91—93.

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einigungen oder Personen, die sich im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes befinden, Nachrichten1) sammelt oder zu diesem Zwecke einen Nachrichtendienst betreibt2), für eine solche Tätigkeit anwirbt3) oder sie unterstützt, wird mit Gefängnis bestraft4). (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. § 93. Einfuhr von staatsgefährdenden Schriften. (1) Wer in den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne behördliche StrafK. Genehmigung zum Zwecke der Verbreitung Schriften1), Schallaufnahmen2), Abbildungen3) oder Darstellungen4) einführt5), durch deren Inhalt Bestrebungen herbeigeführt oder gefördert werden sollen, die darauf gerichtet sind, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen, die dem Verbot des Absatzes 1 zuwider in den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes eingeführt8) worden sind, ohne behördliche Genehmigung darin verbreitet7) oder zum Zwecke der Verbreitimg vorrätig hält8). (8) Der Versuch ist strafbar. Zu § 92: 1) Es braucht sich nicht etwa um Nachrichten über geheim zu haltende Tatsachen zu handeln; das Sammeln von Staatsgeheimnissen fällt unter die Vorschriften gegen Landesverrat. Das Strafwürdige der Tat besteht vielmehr darin, daß auswärtige Stellen oder inländische verbotene Vereinigungen für ihre umstürzlerischen Ziele mit dem Material versehen werden sollen, das ihnen z. B. die Anknüpfung von Beziehungen, ihre Planungen für ein bestimmtes Vorgehen usw. ermöglichen oder erleichtern soll. Bei den Organisatoren des Nachrichtendienstes (Anm. 2) wird in der Regel Vorbereitung zum Hoch- oder Verfassungsverrat vorliegen. § 92 ermöglicht eine Bestrafung der Helfer, bei denen, weil sie in die Gesamtplanung nicht eingeweiht sind, der Vorsatz des Hochverratsvorbereitung oft nicht nachgewiesen werden kann. S. noch § 241a Abs. 3 StGB. 2) D. h. eine Organisation unterhält, die auf das planmäßige Sammeln und Weitergeben von Nachrichten gerichtet ist, ohne daß der Vorsatz der Vorbereitung zum Hochverrat nachweisbar ist. 3) Der Begriff ist der Rechtssprache geläufig (vgl. § $2 Abs. 2 a.F., § 141a a. F. StGB.) und bedeutet die Herstellung eines vertragsmäßigen oder vertragsähnlichen Verhältnisses. 4) Tateinheit mit § 241 a StGB, ist möglich. Zu § 93: 1) S. Anm. 2 zu § 84. 2) S. Anm. 3 zu § 84. 3) S. Anm. 4 zu § 84. 4) S. Anm. 5 zu § 84. 5) Es kommt nicht darauf an, ob die Schriften usw. nach ihrem Inhalt objektiv geeignet sind, umstürzlerische Bestrebungen herbeizuführen oder zu fördern. Maßgebend ist vielmehr, daß der Inhalt auf solche Zwecke gerichtet ist. Der Vorsatz des einführenden Täters muß sich auf die Kenntnis des Inhalts und Zweckes und die Verbreitungsabsicht erstrecken; es ist aber nicht erforderlich, daß er selbst bei der Einfuhr in Verbreitungsabsicht staatsgefährdende Zwecke verfolgt. Auch wer z. B. nur aus Gewinnsucht im Auftrag Dritter, die das importierte umstürzlerische Propagandamaterial verbreiten wollen, einführt, fällt unter die Vorschrift. An die Stelle der sonst geforderten eigenen staatsgefährdenden Absicht tritt hier das Handeln in Kenntnis der staatsgefährdenden Absicht anderer. Fahrlässige Unkenntnis dieses Zweckes genügt nicht. — Die Einfuhr von Schriften hochverräterischen Inhalts fällt unter §§ 81, 84. 6) Abs. 2 richtet sich nur gegen die Verbreitung eingeführter Schriften usw. Eine Strafvorschrift gegen die H e r s t e l l u n g von Schriften staatsgefährdenden Inhalts im Inland und deren Verbreitung enthält das StGB. — anders als beim Hochverrat — nicht; eine entsprechende Strafvorschrift zu schaffen, soll dem kommenden Bundespressegesetz vorbehalten bleiben (Berichterstatter Abg. Dr. Wahl, 158. Sitzung, Prot. S. 6305).

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

§ 94. Strafschärfung für allgemeine Straftaten bei staatsgefährdender Absicht. (1) Wird eine Tat 1 ), die nach den Vorschriften über Angriffe gegen die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte oder Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§ 106 bis 122b), Angriffe gegen die öffentliche Ordnung (§§ 128 bis 189), Störung des Gottesdienstes (§ 167), Körperverletzung (§§ 223 bis 229), Vorbereitung einer Verschleppung, Freiheitsberaubung, Nötigung, Bedrohung oder politische Verdächtigung (§§ 284a Abs. 3, 289 bis 241a), Begünstigung (§§ 257, 257a), Urkundenfälschung (§§ 267 bis 275, 281), Sachbeschädigung (§§ 303 bis 305), gemeingefährliche Handlungen (§§ 308, 311, 315, 316a, 317, 821, 824) oder Verletzung der Amtspflicht (§§ 8.32 bis 836, 340 bis 855, 357) strafbar ist, in der Absicht begangen, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder eine solche Bestrebung zu fördern, so kann2), soweit die Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder auf Gefängnis und, wenn die Tat auch ohne diese Straf7) S. Anm. 9 zu § 84. 8) S. Anm. 10 zu § 84. Zu § 94: 1) Auch Versuch und Beihilfe. 2) Nach dem Wortlaut („kann") liegt es nahe, die Vorschrift dahin zu verstehen, daß § 94 dem Richter die Befugnis erteilt, nach seinem Ermessen die Strafe zu verschärfen, so daß er, wenn er von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht, die Strafe aus dem Grundtatbestand entnehmen könnte. So in der Tat von Weber, MDR. 1951, 644 („Da die Strafverschärfung nur fakultativ ist, ist die untere Strafgrenze unverändert"). Eine solche Auslegung liegt um so näher, als die Strafdrohung des § 94 dem § 20ä StGB, nachgebildet ist, dort aber bei Vorliegen der Strafverschärfungsvoraussetzungen die Strafverschärfung zwingend vorgeschrieben ist („ist"). Das würde praktisch bedeuten, daß da, wo im Grundtatbestand Geldstrafe wahlweise neben Freiheitsstrafe oder bei mildernden Umständen angedroht ist (vgl. §§ 107a, 110, 111, 113 Abs. 2, 114 Abs. 2, 116, 122b, 123, 130—132a, 134, 136, 137, 223, 240, 241, 257 a, 271, 273, 303, 304, 333 Abs. 2, 340, 342, 352) auch dann, wenn die Tat in staatsgefährdender Absicht begangen ist, auf Geldstrafe erkannt werden könnte. Gegen eine solche Auslegung erheben sich Bedenken. Zunächst bliebe die Frage offen, wann der Richter von der Befugnis Gebrauch machen darf. Dieses Bedenken wäre allerdings nicht unüberwindlich; es stünden dann bei einem Delikt der vorerwähnten Art Geldstrafe, Gefängnis und Zuchthaus zur Wahl und der Richter hätte die Strafe zu wählen, die der Schwere der T a t entspräche. Es ist aber weiter zu bedenken, daß wegen der, wenn auch nur wahlweise angedrohten Zuchthausstrafe die in § 94 aufgezählten Vergehen bei Feststellung der staatsgefährdenden Absicht zu Verbrechen werden (vgl. unten Anm. 2) und daß es — anders als bei Verbrechen, wo Gefängnisstrafe bei mildernden Umständen von jeher möglich war (vgl. z. B. § 213, § 308 Abs. 2 StGB.) — dem Begriff des Verbrechens (vgl. § 1 Abs. 1 StGB.) wiederspräche, wenn als einzige Hauptstrafe eine Geldstrafe verhängt würde. Hinzu kommt, daß nach Abs. 3 das Strafantragserfordernis bei Begehung in staatsgefährdender Absicht stets entfällt, obwohl es nahe läge, daß da, wo der Richter wegen geringer Bedeutung des Falles von der Schärfung keinen Gebrauch macht und iitt Rahmen der (jirundtatbestandsstrafdrohung verbleibt, auch das Antragserfordernis bliebe, es also nur da entfiele, wo der Richter sich zur Überschreitung der Strafdrohung des Grundtatbestandes entschlösse. Die Erwägungen führen zu der Annahme, daß der Richter da, wo er schärfen kann, auch schärfen muß, d. h., daß an die Stelle des bisherigen Strafrahmens der in § 94 zur Verfügung gestellte Strafrahmen tritt und die bisherige Strafdrohung nur insoweit ihre Bedeutung behält, als sie erhöhte Mindeststrafen, ferner Geldstrafe nicht wahlweise, sondern kumulativ neben Gefängnis (vgl. z. B. § 107a, 132a StGB.) und als sie Nebenstrafen und -folgen androht, die § 94 nicht kennt (so wohl auch Schafheutie JZ. 1951, 615). Daß „kann" im Sinne von „ m u ß " zu verstehen ist, wenn dei

§§ 94, 95.

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schärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren erkannt werden3). (2) Wird eine Tat nach den in Absatz 1 bezeichneten Vorschriften nur auf Antrag verfolgt, so entfällt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 das Erfordernis des Strafantrags4).

§ 95. Öffentliche Verunglimpfung des Bundespräsidenten1). (1) Wer öffentlich2), in einer Versammlung3) oder durch Verbreitung von StrafK. Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen4) den Bundespräsidenten5) verunglimpft6) oder dazu auffordert7), wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. gesetzlichen Voraussetzungen des „Könnens" vorliegen, ist nichts ungewöhnliches; es sei z. B. auf die Auslegung des § 414 RAbgO. (vgl. Hauptwerk Anm. 1 unter B VI) oder des § 42 StGB. (vgl. Schönke Anm. IV) verwiesen. § 27b ist, da es sich um Verbrechen handelt, unanwendbar. 3) Werden Taten, die Vergeheil sind, in staatsgefährdender Absicht begangen, so sind sie wegen der wahlweise angedrohten Zuchthausstrafe Verbrechen. Die staatsgefährdende Absicht ist ein benannter Strafschärfungsgrund des besonderen Teils, so daß die bei § 20 a insoweit bestehenden Zweifel (vgl. Hauptwerk Anm. 4) hier nicht auftauchen. Es ist daher auch der Versuch strafbar und § 49a StGB, findet Anwendung. Schaßeutle JZ. 1951, 615; von Weber MDR. 1951, 644. Die im übrigen zu § 20a entwickelten Rechtsgrundsätze, wonach die erhöhte Mindeststrafe des Grundtatbestandes erhalten bleibt und auf dort vorgesehene Nebenstrafen und -Folgen erkannt werden kann oder muß (vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 20 a), sind auch hier maßgebend. Die staatsgefährdende Absicht ist persönlicher Strafschärfungsgrund i. S. des § 50. 4) Dagegen sind Vorschriften, die eine Ermächtigung zur Strafverfolgung fordern (s. § 353a) oder die Verfolgung von einer behördlichen Anordnung abhängig machen (s. §§ 353b, 353c) weiter anwendbar, da diese Strafverfolgungsvoraussetzungen auf anderen Erwägungen beruhen als das Strafantragserfordernis (vgl. Anm. 5 zu § 100c und 4 zu § 353a). Unberührt bleiben auch Vorschriften, die beim Grundtatbestand ein Absehen von Strafe zulassen (vgl. § 129 Abs. 3, § 129 a Abs. 2) oder bei tätiger Reue Straflosigkeit eintreten lassen (§ 129 Abs. 4, § 129a Abs. 2). Zu § 95: 1) Früheres Recht: § 94 Abs. 2 StGB. i. d. F. der VO. v. 19. 12. 1932 (RGBl. I S. 548). 2) S. Hauptwerk Anm. 2 zu § 200 StGB. 3) Ohne Rücksicht darauf, ob diese als öffentliche oder nichtöffentliche durchgeführt wird und ob sie einen politischen Zweck verfolgt oder nicht. Unter „Versammlung" — der Begriff findet sich z. B. in § 107a StGB. (Sprengen von Versammlungen) — ist dabei ein geplantes (also nicht bloß zufälliges) Zusammensein einer größeren Zahl von Personen zu dem Zwecke der Erörterung gemeinsamer Angelegenheiten oder des Beitrags zur Erreichung eines bestimmten Zieles zu verstehen; Zusammenkünfte, die lediglich p e r s ö n l i c h e Interessen der einzelnen Teilnehmer befriedigen sollen, also namentlich Zusammenkünfte zum Zweck der Belehrung oder Unterhaltung, Bälle, Theatervorstellungen usw., sind keine Versammlungen; doch kann eine dort erfolgende Verunglimpfung „öffentlich" geschehen. 4) S. Anm. 7 und 1 bis 4 zu § 93. 5) Während seiner Amtszeit. E. 57, 415. Staatspräsidenten der Länder sind, abweichend von § 99 Abs. 1 Ziff. 2 RegEntw. 1950, nicht geschützt. Falls sie nach Landesverfassungsrecht Regierungsmitglieder sind, regelt sich ihr Ehrenschutz nach § 97, sonst nach § 187a. 6) S. Hauptwerk Anm. 2 zu § 189 StGB. Zum Begriff des Verunglimpfens wurde in der bisherigen Auslegung eine Kränkung von (nach Inhalt oder Form) besonderer Schwere gefordert, so daß zwischen Beschimpfen und Verunglimpfen kaum ein praktischer Unterschied bestand. Indem aber § 96 in Abs. 1 Ziff. 1 von Beschimpfen, in Abs. 1 Ziff. 2 dagegen von Verunglimpfen spricht, geht er von einer Verschiedenheit des Sinnes aus, die mit Schafheutle JZ. 1951, 616, wohl nur darin gefunden werden kann, daß Beschimpfen die schwerere Form der Ehrenkränkung ist. Unter „Verunglimpfung" fielen danach einfache Beleidigung, üble Kachrede und Verleumdung, wobei Kundgebungen der Mißachtung von geringer Bedeutung ausgeschlossen sind. Die Verunglimpfung braucht nicht aus politischen Beweggründen (d. h. aus Beweggründen, die mit der Stellung des Bundespräsidenten im öffentlichen Leben zusammenhängen) erfolgt zu sein. § 193 StGB, kann bei übler Nachrede anwendbar sein (s. Hauptwerk Anm. 1 Abs. 2 zu § 193). 7) S. Hauptwerk Anm. 9 zu § 110 StGB.

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

(2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann das Gericht die Mindeststrafe unterschreiten 8 ), wenn nicht die Voraussetzungen der Strafschärfung nach § 187 a erfüllt sind. (8) Ist die T a t eine Verleumdung oder ist sie in der Absicht begangen. B e strebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland öder gegen einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu fördern, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten. (4) Die T a t wird nur mit E r m ä c h t i g u n g 9 ) des Bundespräsidenten verfolgt.

§ 96. StrafK.

öffentliche Beschimpfung des Staates und seiner Symbole. Flaggenfrevel1).

(1) W e r öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen 2 ) 1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung 3 ) beschimpft 4 ) oder böswillig verächtlich m a c h t 6 ) , 2. ihre Farben, ihre Flagge, ihr Wappen oder ihre H y m n e 6 ) verunglimpft 7 ) oder dazu auffordert 8 ), wird mit Gefängnis bestraft. 8) D. h. auf Gefängnis bis zu einem Tag herabgehen (aber nicht auf die nächstmildere Strafart erkennen — Gegenschluß aus § 82 —) und Geldstrafe unter den Voraussetzungen des § 27 b StGB, verhängen. 9) Die Ermächtigung (s. § 197 StGB.) unterscheidet sich von dem Strafantrag insbesondere dadurch, daß ihre Erteilung nicht an eine Frist gebunden ist. (E. 33, 69.) Sie ist nicht zurücknehmbar, aber, wie der Strafantrag, sachlich und persönlich teilbar. In einem Strafantrag liegt eine Ermächtigung (s. Hauptwerk Anm. 2 zu § 197). Zu § 96: 1) Früheres Recht: Zu Abs. 1 § 134a StGB. i. d. F. der VO. v. 19. 12. 1932 (RGBl. I S. 548), zu Abs. 2 der durch Art. 2 Ziff. 5 des vorliegenden Gesetzes aufgehobene § 135 StGB. 2) Vgl. Anm. 2 bis 4 zu § 95. 3) Vgl. Anm. 5 zu § 80. 4) Beschimpfen (vgl. z. B. § 168 StGB.) bedeutet die Kundgabe der Mißachtung in roher Weise oder besonders verletzender Form. Vgl. auch Anm. 6 zu § 95. 5) Verächtlichmachen ist ein dem StGB, auch sonst geläufiges Tatbestandsmerkmal (s. z. B. §§ 131, 186). Während es aber sonst einschränkend dahin ausgelegt wird, daß der Täter das geschützte Rechtsgut als sittlich wertlos oder sittlich minderwertig, und nicht nur als unvernünftig oder zweckwidrig, erscheinen lassen müsse (vgl. Hauptwerk Anm. 7 zu § 131 StGB.) bemerkt die amtl, Begr. zu § 99 RegEntw. 1950: „Der Begriff .Verächtlichmachen' will nicht zu eng ausgelegt werden. Erfaßt werden soll, wer mit einer Äußerung oder sonstigen Kundgebung seine Mißachtung oder Nichtachtung zum Ausdruck bringen will; diese kann sich aus der Form oder aus dem Inhalt ergeben." Der Begriff des Verächtlichmachens kommt also, so verstanden, im großen und ganzen auf den der (formalen) Beleidigung oder üblen Nachrede (§§ 185, 186 StGB.) hinaus. Die einer zu weitgehenden Ausdehnung der Strafvorschrift entgegenwirkende Einschränkung liegt in dem die Willensrichtung des Täters kennzeichnenden Erfordernis der Böswilligkeit. Böswillig handelt nach der bisherigen Auslegung dieses z. B. in §§ 103a, 134, 135 StGB, gebrauchten Merkmals, wer die Tat aus Feindseligkeit gegen das angegriffene Gut begeht, wobei die feindselige Gesinnung sich in einer gewissen Freude und Genugtuung an dem schädigenden Erfolg der Handlung kundtut. Böswillig ist also ein Handeln, das über absichtliches, überlegtes Handeln hinausgeht, während andererseits, im Gegensatz zu § 134a a. F., nicht mehr gefordert wird, daß die böswillige Verächtlichmachung mit Überlegung geschieht. Eine kränkende Behauptung kann auch dann böswillig aufgestellt werden, wenn der Behauptende von ihrer Richtigkeit überzeugt ist, E. 66, 139. Durch das Erfordernis der Böswilligkeit ist, worauf die amtl. Begr. zu § 99 RegEntw. hinweist, gewährleistet, daß „nicht jede abfällige Bezeichnung, verächtliche Äußerung oder sonstige Kundgebung, welche die geringschätzige Bewertung zum Ausdruck bringt, für sich allein schon ausreichend ist, namentlich, wenn sie lediglich mutwillig geschieht." 6) Eine offizielle Hymne besitzt die Bundesrepublik noch nicht. 7) Vgl. Anm. 6 zu § 95. 8) Vgl. Anm. 7 zu § 95.

§§ 96—97.

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(2) Ebenso wird bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge 9 ) der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Zeichen der Hoheit 1 0 ) der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder entfernt 1 1 ), zerstört 1 2 ), beschädigt 1 3 ) oder unkenntlich macht 1 4 ) oder wer beschimpfenden Unfug daran verübt 1 5 ). Der Versuch ist strafbar. (3) H a t der T ä t e r eine der in Absatz 1 und 2 genannten T a t e n in der Absicht begangen, Bestrebungen gegen den B e s t a n d der Bundesrepublik Deutschland oder gegen einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu fördern, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten.

§ 97. öffentliche staatsgefährdende Verunglimpfung wichtiger Staatsorgane la ). (1) W e r in der Absicht, Bestrebungen gegen den B e s t a n d der Bundesrepublik StrafK. Deutschland oder gegen einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu fördern, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen 1 ) 9) § 135 StGB., an dessen Stelle § 96 Abs. 2 getreten ist, schützte lediglich die öffentlichen ( = öffentlich gezeigten) Hoheitszeichen (vgl. dazu unten Anm. 10) von Bund oder Land und entsprach insoweit dem zweiten Teil des § 96 Abs. 2. Als Hoheitszeichen wurde auch die Bundes- oder eine Staatsflagge (Flagge = Fahne; vgl. Art. 22 GG.: „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold") angesehen, wenn sie auf einem der Bundes- oder Staatsgewalt unterworfenen Gebäude gehißt wurde, soweit sie nicht lediglich der Ausschmückung diente, E. 63, 286. § 135 StGB, umfaßte also nicht die Fälle, daß die Bundes(Landes-)-Flagge von einer Behörde nur zur Ausschmückung verwendet wurde oder daß eine Privatperson eine Bundesoder Landesflagge hißte. Demgegenüber schützt § 96 Abs. 2 jede öffentlich gezeigte Flagge des Bundes oder eines Landes, gleichviel zu welchem Zweck und von wem sie öffentlich gezeigt wird. „Öffentlich gezeigt" ist eine Flagge nicht nur dann, wenn sie an einem öffentlichen Platze oder einer öffentlichen Straße gezeigt wird, sondern wenn sie gezeigt wird, damit sie öffentlich, d. h. von unbestimmt welchen und wievielen Personen gesehen werden kann. Zum Begriff des „Zeigens" gehört ein Zurschaustellen in der Absicht, daß die Flagge gesehen werden soll. Daß der Täter selbst, wie es Abs. 1 verlangt, öffentlich handelt, ist nicht erforderlich. Auch z. B. das Niederholen einer Flagge zur Nachtzeit, wenn der Täter in der Erwartung handelt, er könne von niemandem beobachtet werden, ist nach § 96 Abs. 2 strafbar. 10) Hoheitsabzeichen (vgl. Hauptwerk Anm. 1 zu § 135 StGB.) sind Zeichen, die das Bestehen der Staatsgewalt und die Unterwerfung des Gegenstandes oder der Stelle, an der sie angebracht sind, unter die Staatsgewalt zum Ausdruck bringen sollen, z. B. ein Grenzpfahl, ein mit dem Bundes- oder Staatswappen versehenes Amtsschild usw. 11) Anders als das bisher in § 135 StGB, geforderte Wegnehmen, zu dem, wie in § 242 StGB., Begründung eignen Gewahrsams gehört, begnügt sich § 96 mit dem Entfernen, das nur eine Aufhebung des räumlichen Zusammenhangs fordert, so daß es z. B. genügt, wenn eine gehißte Flagge niedergeholt und auf den Boden gelegt wird. Während weiter § 135 forderte, daß der Täter böswillig handelte, d. h. seine feindselige Gesinnung zum Ausdruck brachte (vgl. oben Anm. 5), verzichtet § 96 Abs. 2 auf eine besondere innere Einstellung des Täters, so daß auch bloßer Mutwille genügt. 12) Zerstört (vgl. § 303 StGB.) ist eine Sache, wenn ihre Brauchbarkeit gänzlich aufgehoben ist; teilweise Zerstörung kann Beschädigung, aber auch Zerstörung sein. 13) Vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 303 StGB. Die Wegnahme des an einer Fahnenstange befestigten Fahnentuches kann als Entfernung, aber auch, da es sich um eine sog. zusammengesetzte Sache handelt, als Beschädigung angesehen werden. 14) = der Wahrnehmung entzieht, sei es durch Verminderung der Substanz (vgl. Hauptwerk Anm. 10 zu § 274), sei es auf andere Weise, z. B. durch Beschmieren mit Farbe oder Verhängen mit einem Tuch (vgl. über den ähnlichen Begriff des „Verunstaltens" Hauptwerk Anm. 3 zu § 134 StGB.). 15) Jede Handlung, die in roher Form — dem Täter bewußt — Mißachtung gegen das staatliche Symbol und den dadurch symbolisierten Staat zum Ausdruck bringt (vgl. auch Hauptwerk Anm. 12 zu § 166 StGB.). Zu § 97: l a ) § 97 stellt einen Strafschärfungsgrund für die nach §§ 196, 1-97 StGB, strafbaren Ehrenkränkungen dar. 1) Vgl. Anm. 2 bis 4 zu § 95. 2 D a l c k e , 3. Nachtrag

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l . Strafrechtsänderungsgesetz.

ein Gesetzgebungsorgän2), die Regierung3) oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes4) insgesamt oder in einem ihrer Mitglieder als verfassungsmäßiges Organ5) in einer das Ansehen des Staates gefährdenden Weise verunglimpft6) oder dazu auf2) Gesetzgebungsorgane sind in der Bundesrepublik der Bundestag und der Bundesrat. Welches die Gesetzgebungsorgane der Länder sind, bestimmt sich nach Landesverfassungsrecht. 3) Die Bundesregierung besteht nach Art. 62 GG. ans dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern. Wer Mitglied einer Landesregierung ist, regelt sich nach dem Verfassungsrecht des Landes. Der Staatspräsident eines Landes fällt, falls er nicht nach Landesverfassungsrecht Regierungsmitglied ist, nicht unter § 97 (vgl. Anm. 5 zu § 95). Geschützt wird nach § 97 die Regierung oder das einzelne Regierungsmitglied gegen Verunglimpfungen während ihrer Amtstätigkeit. 4) Wegen des Bundesverfassungsgerichtes vgl. Ges. v. 12. 3. 1951 (BGBl. I S. 243). Die Aufzählung ist abschließend. § 99 Abs. 1 Ziff. 3 RegEntw. 1950 wollte neben den Gesetzgebungsorganen allgemein die Organe der R e c h t s p r e c h u n g des Bundes oder der Länder in den Strafschutz einbeziehen. Dem Bundestagsausschuß erschien dies mit dem Gedanken, den Staat nur in bestimmten lebenswichtigen Organen gegen Verunglimpfung zu schützen, zu weitgehend; doch sollten nach dem Ausschußentw. neben den Verfassungsgerichten auch noch das (noch nicht errichtete) Oberste Bundesgericht (Art. 95 GG.) und die oberen Bundesgerichte (Art. 96 GG.) geschützt werden. Auch dies wurde im Plenum als zu weitgehend fallen gelassen. Daraus ergibt sich, daß Verunglimpfungen anderer als der in § 97 aufgezählten Staatsorgane nicht unter dem Gesichtspunkt der (mittelbaren) Beschimpfung von Bund oder Land (§ 96) bestraft werden können. 5) Die Worte „als verfassungsmäßiges Organ" sollen einschränkend wirken. Die Bedeutung dieser Worte ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Nach den Vorschlägen des Rechtsausschusses des Bundestages sollte bestraft werden, wer ein Gesetzgebungsorgan oder eines seiner Mitglieder, „in Beziehung auf diese Eigenschaft" und wer die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes oder eines der Mitglieder „in Beziehung auf seine dienstliche Stellung" verunglimpft. Bei den Beratungen im Plenum des Bundestags in 2. Lesung wurden gegen die vom Ausschuß vorgeschlagene Fassung Bedenken geäußert. (Abg. Dr. Arndt, Ewers und Dr. Kopf in der 158. Sitzung v. 8. 7. 1951, Prot. S. 6317ff.) Es wurde geltend gemacht, daß der Gesetzgeber mit einem so gestalteten Schutz der Staatsorgane praktisch in den politischen Meinungskampf, in den „Meinungsstreit zwischen der demokratischen Mehrheit und der demokratischen Minderheit" eingreife, indem die Vorschrift so verstanden werden könne, daß auch die Kritik eines Anhängers der (demokratischen) Opposition an der jeweiligen Politik der Mehrheit darunter falle; das dürfe aber nicht sein, da „kein Richter zu beurteilen vermag, ob eine Kritik sachlich oder unsachlich, gerechtfertigt oder ungerechtfertigt, positiv oder negativ, vernünftig oder hetzerisch ist" (Abg. Dr. Arndt, aaO.). Getroffen werden müsse vielmehr, wer als Staatsgegner das Organ „allgemein" angreife, weil es ihm „überhaupt nicht darauf ankomme, in den politischen Meinungskampf einzugreifen, sondern schlechthin die Legitimität des aus Regierung und Opposition bestehenden Ganzen anzugreifen, es zu beseitigen und abzuschaffen"; es müsse sich um Äußerungen handeln, „die das ganze Regime verwerfen, einerlei, wer regiert". Diesen Bedenken sollte die jetzt Gesetz gewordene Fassung Rechnung tragen; sie soll — mit den Worten des Abg. Dr. Arndt, (160. Sitzung, Prot. S. 6480) •— klarstellen, daß § 97 die Abwehr solcher Verunglimpfungen bedeutet, „die sich gegen das Ganze des Staates richten und darauf abzielen, unabhängig von jeweiligen Mehrheiten und Minderheiten die Menschen überhaupt der demokratischen Staatsidee zu entfremden." Die Worte „als verfassungsmäßiges Organ in einer das Ansehen des Staates gefährdenden Weise" sollen den Strafrichter dazu zwingen, „sich in jedem Einzelfall darüber klar zu werden, daß hier nicht ein im politischen Tageskampf zwischen Regierung und Opposition erlaubter Angriff vorliegt, sondern daß das Ansehen des Staates als eines Ganzen, zu dessen Funktionieren die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition gehört, in Gefahr geraten sein m u ß " (Abg. Dr. Wahl, 160. Sitzung, Prot. S. 6484) .Verunglimpfungen von Mitgliedern der genannten Organe sind nach § 97 nur strafbar, wenn sie nicht gegen das Mitglied in seiner Eigenschaft als Privat- oder Einzelperson gerichtet sind, sondern wenn in dem Mitglied das Organ als solches getroffen wird, die Verunglimpfung muß also „in Beziehung" auf die Eigenschaft als Organmitglied erfolgen. Verunglimpfungen eines Mitglieds, die hiernach nicht unter § 97 fallen, können nach § 187a strafbar sein. 6) Vgl. Anm. 6 zu § 95. Die Verunglimpfung muß also nicht nur in staatsgefährdender A b s i c h t erfolgen, sondern sie muß auch objektiv das Ansehen des Staates gefährden und der Täter muß sich dieser Wirkung bewußt sein. Mit diesem einschränkenden Merkmal sollte die schwierige Feststellung erleichtert werden, wo im politischen Meinungsstreit das „Verunglimpfen" anfange (vgl. Abg. Ewers, 158. Sitzung, Prot. S. 6318).

§ 98.

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iordert 7 ), wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist 8 ). (2) Die T a t wird nur mit Ermächtigung 9 ) des betroffenen Staatsorgans oder Mitglieds 10 ) verfolgt.

§ 98. Nebenstrafen. (1) Wegen der in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlungen kann erkannt werden neben der Strafe aus § 89 auf Geldstrafe von unbegrenzter Höhe; neben den Strafen aus den §§ 90 bis 97 auf Geldstrafe; neben einer Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und den Verlust des Wahl- und Stimmrechts und der Wählbarkeit sowie auf den Verlust der aus öffentlichenWahlen hervorgegangenen Rechte; neben jeder Freiheitsstrafe aus den §§ 89 bis 94 auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. (2) § 86 gilt entsprechend.

Dritter

Abschnitt.

Landesverrat. Vorbemerkung. Die Strafvorschriften gegen Landesverrat,, also gegen schwerste Angriffe gegen den äußeren Bestand des Staates, schließen sich in weitem Umfang an das frühere, bis zur Aufhebung durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 geltende Recht (§§ 88—93 StGB. i. d. F. vom 24. 4. 1934) an. Im Gegensatz zum zuletzt geltenden Recht (vgl. §§ 89 Abs. 2, 90f, 90 1) wie auch zum RStGB. von 1871 (vgl. dort § 87) macht das Gesetz keinen Unterschied mehr, ob der Täter ein Deutscher oder ein Ausländer ist. Eine Reihe von Tatbeständen des früheren Rechts — z. B. § 90b StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 (Gefährdung des Staatswohls durch öffentliche Mitteilung oder Erörterung früherer Staatsgeheimnisse), § 90f (landesverräterische Bestechung), § 91b (Feindbegünstigung) sind nicht aufgenommen. Während die früheren Vorschriften den Schutz des Staates gegenüber einer „ausländischen R e g i e r u n g " zum Gegenstand hatten, spricht das Gesetz jetzt, den besonderen tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung tragend, von einer „fremden Regierung" (§§ 99, lOOf) oder von „einer Regierung (oder auch ,einem Gebiet') außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes" (§§ 100b, lOOd, lOOe) und setzt der „fremden Regierung" teils, die moderne völkerrechtliche Entwicklung berücksichtigend, eine „Staatengemeinschaften oder eine zwischenstaatliche Einrichtung" (§§ 100b, lOOf), teils „eine Partei, eine andere Vereinigung oder eine Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes" (§§ lOOd, lOOe) gleich. 7) Vgl. Anm. 7 zu § 95. 8) Z. B. in § 187 a Abs. 2. 9) Vgl. Anm. 9 zu § 95. 10) Bei Verunglimpfung eines Mitglieds ist die Entschließung über die Strafverfolgung in sein Ermessen gestellt, obwohl der Grund der Bestrafung darin liegt, daß in dem Mitglied das Organ selbst verunglimpft wird. Demgemäß genügt zur Strafverfolgung die Ermächtigung des Organs nicht, wenn ein Mitglied verunglimpft ist. 2*

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

§ 99. Begriffsbestimmungen1). (1) Staatsgeheimnisse2) im Sinne dieses Abschnitts sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse3), insbesondere Schriften, Zeichnungen, Modelle oder Formeln, oder Nachrichten4) darüber, deren Geheimhaltung vor einer fremden Regierung5) für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. (2) Verrat im Sinne dieses Abschnitts begeht, wer vorsätzlich6) ein Staatsgeheimnis an einen Unbefugten') gelangen läßt oder es öffentlich 8 ) bekanntmacht und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet. Zu § 99: 1) Früheres Recht: § 88 i. d. F. v. 24. 4. 1934. 2) Die Begriffsbestimmung des Abs. 1 entspricht sachlich dem früheren Recht (§ 88 i . d . F . v. 24. 4. 1934). Zum Begriff des Staatsgeheimnisses gehört, daß die Tatsache usw. nur innerhalb eines bestimmten Personenkreises bekannt ist und ihr Bekanntwerden über diesen Kreis hinaus dem Willen der Regierung widerspricht. J R . 1927 Nr. 1159. Auch ein Betriebsgeheimnis einer Privatfirma kann darunter fallen. ZAkadDR. 1937, 410. Über „illegale" Geheimnisse s. Anm. 4 zu § 100. 3) Der Deutlichkeit halber ist klargestellt, daß „Erkenntnisse" — gedacht ist z. B. an die Ergebnisse von naturwissenschaftlichen Forschungen, die neue technische Einsichten und Möglichkeiten ergeben —, die an sich wohl unter den Begriff „Tatsachen" fallen, Staatsgeheimnisse darstellen können; deshalb sind die auf diesem Gebiet bedeutsamen Modelle und Formeln (z. B. chemische oder mathematische Formeln) besonders hervorgehoben. 4) Die Eigenschaft einer geheimen Nachricht kann die Zusammenstellung bekannter Nachrichten dann annehmen, wenn dadurch unbekannte Beziehungen aufgedeckt oder Einzelheiten in ein anderes Licht gerückt werden, so daß eine von den bisherigen verschiedene neue Nachricht vorliegt. DRZ. Bd. 16, 391. 5) S. Vorbem. vor § 99. Die Fassung „fremde Regierung" stellt klar, daß es einen strafbaren Verrat im Verhältnis eines Bundeslandes zu einem anderen Bundesland (einen sog. „innerstaatlichen Landesverrat") nicht gibt (Abg. Ewers, 158. Sitzung, Prot. S. 6324; Abg. Neumayer, 160. Sitzung, Prot. S. 6484). Der RegEntw. (§ 94) hatte vorgeschlagen, auch solche Tatsachen usw. alä Staatsgeheimnisse zu schützen, deren Geheimhaltung für das Wohl einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung, an der die Bundesrepublik beteiligt ist (s. Anm. 3 zu § 88), erforderlich ist. Der Bundestag h a t diesen Gedanken abgelehnt (vgl. 158. Sitzung, Prot. S. 6321), weil eine solche Staatengemeinschaft noch nicht bestehe, die Entwicklung nicht übersehbar sei und auch die ausländische Gesetzgebung keine entsprechende Vorschrift kenne, doch wurde die Regierung ersucht, den Gedanken bei der weiteren Behandlung der Strafrechtsnovelle (vgl. Vorbem. vor § 80) wieder aufzunehmen. 6) Der Vorsatz muß sich sowohl auf die Weitergabe wie auf die Gefährdung des Staatswohls erstrecken. Bedingter Vorsatz genügt. S. aber § 100c. 7) Das frühere Recht (§§ 88 Abs. 2) sprach von dem Gelangenlassen „an einen anderen, insbesondere an eine ausländische Regierung oder an jemand, der für eine ausländische Regierung tätig ist". Wenn § 99 Abs. 2 jetzt den Ausdruck „Unbefugter" (d. i. jemand, vor dem das Geheimnis geheimzuhalten ist) gebraucht, so bedeutet dies keinen sachlichen Unterschied, es sollte vielmehr klargestellt werden, daß ein Verrat nicht vorliegt, wenn dem „anderen" gegenüber eine Offenbarungspflicht besteht, die auf internationalem Recht und nach der derzeitigen Lage auch auf Besatzungsrecht beruhen kann (Abg. Neumayer, 160. Sitzung, Prot. S. 6484). Die Bundesregierung hatte zu der Frage, ob die Weitergabe von Staatsgeheimnissen an die Alliierte Hohe Kommission (AHK.) oder ihre künftigen Rechtsnachfolger nach § 99 bestraft werden könne, bei der Zuleitung des RegEntw. an den Bundestag ausgeführt: „Wenn die Besatzungsbehörden auf Grund der ihnen zustehenden Rechte zur Anforderung und, Überprüfung von Auskünften auf den ihnen vorbehaltenen Gebieten sich Mitteilungen über Vorgänge beschaffen, die anderen Stellen oder Personen gegenüber Staatsgeheimnisse sind, so kann derjenige, der die Auskunft gewährt, nicht wegen Landesverrats bestraft werden, da das Besatzungsrecht in diesen Fällen die Pflicht aufhebt, solche Vorgänge gegenüber den Besatzungsbehörden geheimzuhalten." Diese Klarstellung genügte indessen den Besatzungsmächten nicht. Die AHK. erließ vielmehr am 30. August 1951 das Gesetz Nr. 62 (ABl. S. 1106), in dem bestimmt wird: „Weder das deutsche Strafgesetzbuch noch sonstige strafrechtliche Bundes- oder Landesgesetze finden Anwendung in Bezug auf

§§ 99, 100.

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§ 100. Verrat und Ausspähung von Staatsgeheimnissen1). (1) Wer ein Staatsgeheimnis verrät 2 ), wird wegen Landesverrats mit Zuchthaus BGH bestraft. (2) Wer sich ein Staatsgeheimnis verschafft3), um es zu verraten, wird wegen Ausspähung von Staatsgeheimnissen mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. (8) 4 ) Ein Abgeordneter des Bundestages, der nach gewissenhafter Prüfung der Sach- und Rechtslage und nach sorgfältiger Abwägung der widerstreitenden Interessen sich für verpflichtet hält, einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes oder eines Landes im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse zu rügen, und dadurch ein Staatsgeheimnis öffentlich bekanntmacht, a) Informationen jeder Art, die den Regierungen der Vereinigten Staaten, der Französischen Republik oder des Vereinigten Königreiches, deren Besatzungsbehörden oder deren Besatzungsstreitkräften gegeben werden oder bestimmt sind, ihnen gegeben zu werden, b) die Aufnahme oder Unterhaltung von Beziehungen zu den (zu a) genannten) Regierungen, deren Besatzungsbehörden oder deren Besatzungsstreitkräften." Damit ist also schlechthin jede Weitergabe von Staatsgeheimnissen an die Besatzungsmächte straflos. 8) Vgl. Anm. 2 zu § 95 und § 100 Abs. 3. Zu § 100: 1) Früheres Recht: bei Abs. 1 § 89 StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934, bei Abs. 2 § 90 i. d. F. v. 1934; Abs. 3 ist neu. 2) Der frühere § 89 bedrohte — wie das vorl. Gesetz beim Hochverrat — das Unternehmen, also Vollendung und Versuch mit der gleichen Strafe, während sich jetzt die Strafbarkeit des Versuchs aus § 43 StGB, ergibt. Mithin gelten auch für den Rücktritt vom Versuch die allgemeinen Vorschriften (§ 46). Vorbereitungshandlungen sind —• auch insoweit anders als beim Hochverrat — nicht grundsätzlich strafbar, doch stellen sich eine Reihe der folgenden Tatbestände des Abschnitts als selbständig strafbare Vorbereitungshandlungen zum Landesverrat dar. 3) Ein Staatsgeheimnis verschafft sich auch, wer davon ohne Verratsabsicht Kenntnis erlangt hat, sich dann aber zu Verratszwecken schriftliche Aufzeichnungen macht. ZAkadDR. 1937, 410. Versuch der Ausspähung liegt z. B. vor, wenn sich der Täter an Auskunftspersonen heranmacht, auch wenn diese nichts über die begehrten Staatsgeheimnisse wissen; der Versuchstatbestand ist aber auch schon erfüllt, wenn der Täter derart in die unmittelbare Nähe der Ausspähungsobjekte gelangt ist, daß sich das Sichverschaffen der Staatsgeheimnisse unmittelbar und ohne umständliche weitere Vorbereitungen anschließen kann. D J . 1937, 198. —• Materiell stellt sich die Ausspähung als eine selbständig strafbare Vorbereitung des Verrats (Abs. 1) dar. Verrät der Täter das ausgespähte Staatsgeheimnis, so wird wegen der Subsidiarität der Vorbereitungs- gegenüber der Ausführungshandlung nur wegen des Verrats bestraft. Da die Tat mit dem Sichverschaffen vollendet ist, ist die- Aufgabe der Verratsabsicht rechtlich bedeutungslos. 4) Der besondere Rechtfertigungsgrund des Abs. 3 ist erst zwischen der 2. und 3. Lesung des Gesetzes im Plenum eingefügt worden. Das RG. (E. 62, 65) hatte ausgesprochen, daß auch die Bekanntgabe gesetzwidriger Zustände an eine ausländische Regierung Landesverratung sein könne. Im Gegensatz zu dieser Auffassung war bei den parlamentarischen Erörterungen beantragt worden, im "Wortlaut des § 100 zum Ausdruck zu bringen, daß nur der Verrat eines „mit der verfassungsmäßigen Ordnung vereinbaren" Staatsgeheimnisses strafbar sei (Abg. Dr. Arndt, 158. Sitzung, Prot. S. 6325). Dem Bedenken, daß es nicht der Entscheidung des einzelnen überlassen sein könne, ob ein Staatsgeheimnis mit der verfassungsmäßigen Ordnung vereinbar ist — eine Bestrafung würde dann oft daran scheitern, daß die Einlassung des Angeklagten, er habe die den Gegenstand des Staatsgeheimnisses bildenden Tatsachen für grundgesetzwidrig gehalten — hat dazu geführt, daß die ö f f e n t l i c h e Rüge geheim gehaltener Tatsachen als gesetzwidrig nur den Bundestagsabgeordneten zusteht, die „berufen und verpflichtet sind, Hüter der demokratischen Grundordnung zu sein und die ihnen anvertrauten Rechte der Bevölkerung nicht preiszugeben" (Abg. Dr. Arndt, 160. Sitzung, Prot. S. 6480). Die nichtöffentliche Rüge der sog. illegalen Staatsgeheimnisse durch Angehen der zuständigen Stellen und der Volksvertretung (vgl. Art. 17 GG.) ist aber zulässig und als Landesverrat nicht strafbar, da die Mitteilung nicht an einen „Unbefugten" erfolgt. Schajheutle J Z . 1951, 617.

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

handelt nicht rechtswidrig6), wenn er mit der Rüge beabsichtigt, einen Bruch des Grundgesetzes oder der Verfassung eines Landes abzuwehren. § 100 a. Landesverräterische Fälschung 1 ). BGH

(1) Wer durch Fälschung2) oder Verfälschung3) Schriften, Zeichnungen oder andere Gegenstände, die im Falle der Echtheit Staatsgeheimnisse wären, herstellt4), um sie in einer das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdenden Weise zu verwenden5), wird mit Zuchthaus bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, Gegenstände oder Nachrichten darüber, die falsch, verfälscht, oder unwahr sind, aber im Falle der Echtheit oder Wahrheit Staatsgeheimnisse wären, vorsätzlich6) als echt oder wahr an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet. (8) Wer Gegenstände, die falsch oder verfälscht sind, aber im Falle der Echtheit Staatsgeheimnisse wären, sich verschafft 6 ), um sie in einer das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdenden Weise zu verwenden, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. (4) Falschen, verfälschten oder unwahren Tatsachen, Gegenständen oder Nachrichten darüber (Absätze 2 und 8) stehen Staatsgeheimnisse gleich, die der Täter irrtümlich für falsch, verfälscht oder unwahr hält 7 ). § 100 b. Landesverräterische Beweisvernichtung 1 ).

BGH

(1) Wer ein Beweismittel über eine Tatsache2), die für die Beziehungen zwischen 5) Eine Strafverfolgung wäre schon nach Art. 46 Abs. 1 GG. ausgeschlossen. § 100 Abs. 3 stellt darüber hinaus klar, daß eine strafbare Handlung nicht vorliegt. Ob der Gegenstand der Rüge wirklich einen Gesetzesverstoß darstellt, ist bedeutungslos; entscheidend ist, ob der Abgeordnete nach gewissenhafter Prüfung, wenn auch irrtümlich, einen Gesetzesverstoß als gegeben ansah (Schafheutie aaO. nimmt einen schuldausschließenden Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes an). Zu § 100a: 1) § 100a entspricht im wesentlichen dem § 90a StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934, der seinerseits auf § 94 StGB. = Entw. 1927 zurückgeht. 2) Fälschung = Anfertigung des Gegenstandes, indem ihm der Schein verliehen wird, als rühre er von einem anderen als dem wirklichen Hersteller her. 3) Verfälschung (s. dazu Hauptwerk Anm. 5a zu § 267 StGB.) = Veränderung eines Gegenstandes, indem ihm der Schein verliehen wird, als sei er von Anfang so gewesen, wie er sich jetzt darstellt. 4) Mit der Herstellung der Schrift usw. ist die Tat vollendet; Aufgeben der Verwendungsabsicht ist daher bedeutungslos. Verwendet sie der Hersteller entsprechend der mit der Herstellung verfolgten Absicht, so wird nur aus Abs. 2 bestraft (vgl. Anm. 3 zu § 100). 5) D. h. um sie mit Gefährdungsvorsatz hinsichtlich des Staatswohls als echt an einen Unbefugten gelangen zu lassen oder öffentlich bekannt zu machen (s. Abs. 2). Eine bloße „Verwendung im Innern des Landes" genügt — dies gegen Schmidt-Leichner N J W . 1951, 861 — nicht. An Stelle von „ u m sie . . . . zu verwenden" hieß es nämlich in § 90a i. d. F. v. 24. 4. 1934: „ u m sie zu verraten". Die neue Fassung, die zu der Formulierung des § 94 StGB.-Entw. 1927 zurückkehrt, bedeutet demgegenüber keine Änderung des Sinnes, sondern trägt den im Bundestag geäußerten Bedenken (Abg. Ewers 158. Sitzung, Prot. S. 6324) Rechnung, daß man eine Fälschung nicht „verraten" könne. 6) Zum Vorsatz gehört Kenntnis der Unechtheit; bedingter Vorsatz genügt. 7) Dem „Verrat" und der „Ausspähung" unechter Staatsgeheimnisse steht es also gleich, wenn Gegenstand der Tat e c h t e Staatsgeheimnisse sind, die der Täter irrtümlich für unecht hält. Der Fall, daß der Täter gefälschte und erdichtete „Staatsgeheimnisse" irrtümlich f ü r echt hält, bedurfte keiner besonderen Regelung; hier kann ohne weiteres wegen Versuchs des Verrats oder der Ausspähung bestraft werden. Zu § 100b: 1) Früheres Recht: § 90h StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934. 2) § 100 b bringt eine Erweiterung gegenüber dem früheren Recht, das nur Beweismittel über ein Rechtsverhältnis schützte. Wegen des Begriffs Tatsache s. Hauptwerk Anm. 3 zu

§§ 100a—100c.

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der Bundesrepublik Deutschland oder einem ihrer Länder einerseits3) und einem fremden Staate, einem Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung4) andererseits von Bedeutung ist, fälscht5), verfälscht6), vernichtet 7 ), beschädigt 8 ), beseitigt 9 ), unterdrückt10) oder sonst in seiner Verwendbarkeit beeinträchtigt und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet11), wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten.

§ 100c. Fahrlässiger Landesverrat1). (1) Wer vorsätzlich ein Staatsgeheimnis an einen Unbefugten gelangen läßt BGH oder es öffentlich bekanntmacht und dadurch fahrlässig2) das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Wer fahrlässig3) ein Staatsgeheimnis, das ihm kraft seines Amtes oder seiner dienstlichen Stellung oder eines von einer Dienststelle erteilten Auftrages § 186 StGB. Beweismittel ist alles, was als Mittel dazu dienen kann (geeignet ist), die Tatsache zu beweisen, also z. B. mündliche Aussagen, Urkunden, Augenscheinsobjekte. Zum Begriff des Beweismittels ist nicht erforderlich,, daß eine Beweisbestimmung, sei es von vornherein, wie etwa bei Absichtsurkunden, sei es ad hoc mit Rücksicht auf ein schwebendes oder bevorstehendes Rechtsverfahren oder Verhandlungen bereits erfolgt ist, vielmehr genügt es, daß der Gegenstand objektiv zum Beweis geeignet ist. Zum inneren Tatbestand gehört aber nicht nur, daß der Täter dies weiß, sondern auch, daß er sich bewußt ist, die Beweismöglichkeiten im etwa auftretenden Bedarfsfall zum Nachteil des Bundes oder eines Landes zu verschlechtern; er muß also die (nicht nur ganz entfernte) Möglichkeit einer Verwendung zu Beweiszwecken in den, Vorsatz aufgenommen haben. 3) §100b bezieht sich also nicht auf Beweismittel für die Beziehungen zwischen dem Bund und einem Bundesland oder zwischen verschiedenen Ländern, des Bundes, wie es ja auch einen Landesverrat im Verhältnis zwischen dem Bund und einem Land oder zwischen verschiedenen Ländern untereinander nicht gibt (vgl. Anm. 3 zu § 99). 4) Vgl. Anm. 3 zu § 88. 5) Ein Beweismittel wird gefälscht, wenn es vom Täter erst geschaffen wird (z.B. Erzeugung von Fußspuren zum Nachweis von Grenzverletzungen). 6) D. h. ein bereits vorhandenes Beweismittel derart verändert, daß dadurch den daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen eine andere Richtung gegeben wird. 7) D. h. dem Beweismittel den ihm innewohnenden Beweiswert völlig nimmt. 8) Vgl. Hauptwerk Anm. 9 zu § 133 und Anm. 5 zu § 274 StGB. 9) D. h. dem Bund oder dem Land der Verwendung als Beweismittel tatsächlich, wenn auch nur vorübergehend entzieht. Der Begriff des Beseitigens entspricht dem des im StGB, im allgemeinen verwendeten des Beiseiteschaffens (vgl. §§ 133, 137, 170a, 288). 10) Vgl. Hauptwerk Anm. 6 zu § 274 StGB. 11) Eine A b s i c h t , das Staatswohl durch die Verschlechterung der Beweislage zu gefährden, ist nicht erforderlich, »auch nicht die Absicht oder das Bewußtsein, die fremde Macht dadurch zu begünstigen. Z u § 100c: 1) Früheres Recht: §§ 90d und 90e StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934. 2) Vom Landesverrat (§ 100) unterscheidet sich dieser Fall dadurch, daß der Täter zwar vorsätzlich das Geheimnis weitergibt, daß ihm aber der zum Verrat erforderliche Vorsatz hinsichtlich der Gefährdung des Staatswohls fehlt. Beispiel: Der Täter plaudert das Staatsgeheimnis einem vertrauten Freunde gegenüber aus, ohne daran zu denken, daß er dadurch das Staatswohl gefährden könne, weil er darauf vertraut, daß der Empfänger Stillschweigen bewahren werde; dieser aber plaudert selber und mit dieser Möglichkeit hätte der Täter bei vernünftiger Überlegung rechnen müssen. Für Geheimnisse, die keine Staatsgeheimnisse sind, vgl. §§ 353b und 353c StGB. 3) Im Gegensatz zu Abs. 1 müssen hier sowohl das Gelangenlassen an einen Unbefugten wie die Gefährdung des Staatswohls fahrlässig erfolgen. Beispiele: Ein Beamter läßt seine Aktentasche, die ein geheimes Schriftstück enthält, versehentlich im Eisenbahnabteil liegen oder er vergißt, den Panzerschrank, in dem das Schriftstück liegt, zu verschließen, so daß ein Dritter Kenntnis von dem Staatsgeheimnis erlangt oder Kenntnis nehmen kann.

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

zugänglich4) war, an einen Unbefugten gelangen läßt und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Die Tat wird nur mit Ermächtigung 5 ) der Regierung des Bundes oder des Landes verfolgt, dessen Wohl gefährdet worden ist. § 100 d. Agententätigkeit 1 ). Abs. 1: (1) Wer in der Absicht, einen Krieg, ein bewaffnetes Unternehmen2) oder BGH Zwangsmaßregeln gegen die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder herbeizuführen oder zu fördern3), zu einer Regierung, einer Partei, einer anderen Vereinigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes oder zu einer Person, die für eine solche Regierung tätig ist, Beziehungen aufnimmt 4 ) oder unterhält, wird mit Zuchthaus bestraft. (2)6) Handelt der Täter in der Absicht, sonstige Maßnahmen oder Bestrebungen StrafK. einer Regierung, einer Partei, einer anderen Vereinigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes herbeizuführen oder zu fördern, die darauf gerichtet sind, den Bestand (§ 88 Abs. 1) oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland

Abs.2,3:

4) Vgl. Hauptwerk Anm. 3 zu § 353 b StGB. 5) Vgl. Anm. 9 zu § 95. Zweck: Bei Fällen von geringer Schuld und unbedeutenden Tatfolgen die Bestrafung auszuschließen, insbesondere aber auch zu verhindern, daß das Staatsgeheimnis erst durch das Strafverfahren einer größeren Personenzahl bekannt wird. Zu § lOOd: 1) Die im § lOOd unter Strafe gestellte Tätigkeit bezeichnet das Gesetz selbst als „Agententätigkeit" (vgl. § 74a Abs. 1 GVG. i. d. F. von Art. 3 Ziff. 2 des vorliegenden Gesetzes). § lOOd knüpft an § 91 StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 an, betritt dabei aber auch juristisches Neuland. 2) D. h. — vgl. § 92c StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 — ein militärisches Unternehmen fremder Streitkräfte, die nicht als kriegsführende Macht anzusehen sind (Bandenkrieg). 3) Förderung (vgl. die entsprechenden Begriffe in § 90a Abs. 1, § 92 Abs. 1, §§ 93,94 Abs. 1) = Unterstützung fremder Tätigkeit. Während die Herbeiführung eines Krieges usw., von der § 91 a F.allein sprach, begrifflich einen künftigen Krieg usw. zum Gegenstand hat, bezieht sich die Förderung eines Krieges usw. (nicht: die Förderung seiner Herbeiführung) nach dem Wortsinn sowohl auf einen künftigen wie auf einen schon ausgebrochenen Krieg, auf schon begonnene bewaffnete Unternehmen und auf schon ergriffene Zwangsmaßregeln ( = Sanktionen). Das käme, soweit es sich um einen ausgebrochenen Krieg handelt, auf die Feindbegünstigung hinaus, die in § 91 b StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 unter Strafe gestellt war. Daß die Erweiterung des § lOOd auf den Fall der Feindbegünstigung beabsichtigt sein könnte, erscheint indessen unwahrscheinlich. Denn die Strafdrohung des früheren § 91 a richtete sich nur gegen den T^ter, der im Inland oder als Deutscher im Ausland handelte (Verletzung der Gast- und Treupflifcht), während § lOOd sich im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Nr. 2 StGB. (i. d. F. von Art. 2 Nr. 1 des vorliegenden Gesetzes) auch gegen den im Ausland tätig werdenden Ausländer richtet. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Förderung der Herbeiführung in dem Sinne gleichgesetzt ist, daß beide Tätigkeitsformen einen künftigen, einen herbeizuführenden Krieg usw. zum Gegenstand haben. Und „Förderung eines Krieges" bedeutet nach dem Zweck der Vorschrift, die sich gegen die Konspiration richtet, nicht eine Unterstützung des Konspirationsgegners, die sich bei der Durchführung eines künftigen Krieges zu seinen Gunsten auswirken soll — das liefe wieder auf die Feindbegünstigung hinaus — sondern den Ausbruch des Krieges begünstigen. 4) Vgl. Anm. 2 zu § lOOe. 5) Abs. 2 knüpft an Art. 266 bis des Schweiz. StGB. i. d. F. der Novelle v. 5. 10. 1950 (vgl. Schneider JZ 1951, 660) an. Während Abs. 1 einen Angriff auf die ä u ß e r e Sicherheit im Keime abwehren will, richtet sich Abs. 2 gegen die einen Umsturz im I n n e r e n mit a u s w ä r t i g e r Hilfe bezweckende Agententätigkeit. Es handelt sich also im Grunde hier um eine Ergänzung der Strafvorschriften gegen Staatsgefährdung (§§ 88ff.). Der Gesetzgeber hat geglaubt, mit Rücksicht auf die Willensrichtung des Täters in Abs. 2, die gegenüber der des Täters aus Abs. 1 mehr umstürzlerischer als landesverräterischer Natur ist, eine mildere Regelstrafe (Gefängnis) vertreten zu können. Auch die Aburteilungszuständigkeit ist in Abs. 1 und 2 verschieden.

§§ 100 d—lOOf

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zu beeinträchtigen oder einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben8), so ist die Strafe Gefängnis. Der Versuch ist strafbar. (8) Wer in der Absicht, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Maßnahmen oder Bestrebungen herbeizuführen oder zu fördern, unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet7), wird mit Gefängnis bestraft. Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 kann auf lebenslanges Zuchthaus, in besonders schweren Fällen der Absätze 2 und 3 auf Zuchthaus erkannt werden. § 100 e. Landesverräterische Konspiration 1 ). (1) Wer zu einer Regierung, einer Partei, einer anderen Vereinigung oder einer BGH Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes oder zu einer Person, die für eine solche Regierung, Partei, Vereinigung oder Einrichtung tätig ist, Beziehungen aufnimmt2) oder unterhält 3 ), welche die Mitteilung von Staatsgeheimnissen oder eine der in § lOOd Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen zum Gegenstand haben2), wird mit Gefängnis bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer für eine Regierung, eine Partei, eine andere Vereinigung oder eine Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes tätig ist und Beziehungen der in Absatz 1 bezeichneten Art zu einem anderen aufnimmt oder unterhält. § 100 f. Landesverräterische Untreue J ). (1) Ein Beauftragter der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, BGH der ein Staatsgeschäft mit einer fremden Regierung, einer Staatengemeinschaft 6) Über „Beseitigen" und „außer Geltung setzen" s. Anm. 3, 4 zu § 89. Untergraben = die Bedeutung herabsetzen, aushöhlen, z. B. durch Zerstörung der Bereitwilligkeit bei den Rechtsunterworfenen zur Befolgung der Verfassungsgrundsätze. Das bloße Sympathisieren mit auswärtigen Staaten, Parteien usw. fällt nicht unter die Strafdrohung, auch nicht die Zustimmung zu einer Kritik des Auslandes an den Verhältnissen der Bundesrepublik. 7) Die Fassung „unwahre tatsächliche A r t " ist aus § 90f StGB. i. d. F. v. 24. 4. 1934 übernommen. Eine „Behauptung tatsächlicher A r t " aufstellen = eine Tatsache behaupten i. S. des § 186 StGB. (s. Hauptwerk Anm. 3, 4 und 8 Abs. 2 zu § 186). „Verbreiten" s. Anm. 5 aaO. Die „Lügenpropaganda" kann innerhalb oder außerhalb der Bundesrepublik erfolgen; sie braucht nicht öffentlich zu geschehen. Welchen Gegenstand die Behauptung hat, ist an sich bedeutungslos; doch ergibt sich eine inhaltliche Begrenzung aus der in Abs. 3 geforderten Absicht, denn es muß sich der Natur der Sache nach um Behauptungen handeln, die zur Erreichung der Absicht — wenigstens nach der Vorstellung des Täters — geeignet sind. Fehlt es an der staatsgefährdenden Absicht, so können §§ 131, 187a StGB, anwendbar sein. Zu § lOOe: 1) Früheres Recht: § 90c i. d. F. v. 24. 4. 1934. 2) = eine Fühlungnahme herbeiführt, ohne daß es Zu Verhandlungen gekommen zu sein braucht, z. B. auch dadurch, daß der Täter dem anderen Teil eine Zusammenkunft zur Erörterung vorschlägt. 3) Es ist nicht erforderlich, daß der Täter Staatsgeheimnisse kennt oder wirklich verräterische Absichten verfolgt, E. 50, 423; D J . 1938, 829. Deshalb fällt auch der sog. Spionagebetrug — der Täter täuscht Verratsabsicht vor, um Geld zu erlangen — unter § lOOe. Recht 32 Nr. 692. Selbst Simulation auf beiden Seiten genügt. Ein „Unterhalten von Beziehungen" kann z. B. dadurch erfolgen, daß der Täter Neuigkeiten irgendwelcher nicht geheimer Art dem fremden Agenten zur Aufrechterhaltung der angeknüpften Beziehungen übermittelt oder in Aussicht stellt, D J . 1938, 829. H a t der Täter Landesverrats- oder Ausspähungsabsicht, so stellt § lOOd, falls nicht Versuch aus § 100 vorliegt, eine V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g zu den Straftaten des § 100 Abs. 1 und 2 unter Strafe; im Fall des § lOOd Abs. 1 ermöglicht er eine Bestrafung in den Fällen, in denen dem Täter die Absicht, einen Krieg usw. herbeizuführen oder zu fördern, nicht nachzuweisen ist oder sogar feststeht, daß er eine solche Absicht nicht hatte (Agentenbetrug) oder noch nicht gefaxt hatte, sondern z.B. seine Entschließung von dem Ergebnis von

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung vorsätzlich zum Nachteil seines Auftraggebers führt, wird mit Zuchthaus bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten.

§ 101. Nebenstrafen und Sicherungsmaßregeln. (1) Wegen der in diesem Abschnitt mit Strafe bedrohten Handlungen kann erkannt werden neben den Strafen aus den §§ 100 bis 100 b, 100 d Abs. 1, 100 f auf Geldstrafe von unbegrenzter Höhe; neben den Strafen aus den §§ 100 c, 100 d Abs. 2 und 3, 100 e auf Geldstrafe; neben einer wegen einer vorsätzlichen Tat verhängten Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und den Verlust des Wahl- und Stimmrechts und der Wählbarkeit sowie auf den Verlust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte; neben jeder Freiheitsstrafe aus den §§ 100 bis 100 b, 100 d, 100 e auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. (2) § 86 gilt entsprechend.

Artikel 2. Weitere Änderungen

des

Strafgesetzbuchs

Das Strafgesetzbuch wird ferner wie folgt geändert: 1. Im § 4 Abs. 3 erhält die Nr. 2 folgende Fassung: 2. hoch- oder landesverräterische Handlungen1) gegen die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder und Verbrechen des Verfassungsverrats 2 ) ; 2. Nach § 106 werden folgende Vorschriften eingefügt 1 ):

§ 106 a. Bannkreis. (1) Wer innerhalb des befriedeten Bannkreises 2 ) um das Gebäude eines Gesetzgebungsorgans3) des Bundes oder eine Landes an öffentlichen Versammlungen Erörterungen und Verhandlungen abhängig machen wollte (im letzteren Falle wäre die Tat eine nach § lOOe strafbare Vorbereitung eines gemäß § 101 d Abs. 1 strafbaren Verbrechens). Z u § lOOf: 1) Früheres Recht: § 90g S t G B . i. d. F. v. 24. 4. 1934. Vgl. noch § 353a i. d. F . von Art. 2 Nr. 10 des vorliegenden Gesetzes. Zu § 4 : 1) §§ 80—84, 100—lOOf. 2) § 89. Ausländer, die die Tatbestände der §§ 90—97 im Ausland verwirklichen, sind nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S t G B , nach deutschem Recht strafbar. Zu § 106a und b : 1) Die neu eingefügten §§ 106a und b bezwecken, die Freiheit der E n t schließung der Gesetzgebungsorgane vor Beeinträchtigungen und Störungen zu schützen. Ähnliche Vorschriften (über den Schutz des Reichstags- und der Landtagsgebäude) enthielt schon das Reichsgesetz v. 8. 5. 1920 ( R G B l . S. 909), die durch Ges. v. 23. 3. 1934 (RGBl. I S. 212) aufgehoben wurden. 2) In seiner jetzigen Fassung ist § 106 a ein Blankettgesetz. Zur Ausfüllung bedarf es noch (bundes- bzw. landesgesetzlicher) Bestimmungen über den Umfang des Bannkreises. Die Vorschriften über die Beachtung des Bannkreises soll das in Vorbereitung befindliche Bundesgesetz über öffentliche Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsordnungsgesetz) bringen. 3) Vgl. Anm. 2 zu § 97.

§§ 101, 106 a, 106b, 129.

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unter freiem Himmel oder Aufzügen teilnimmt und dadurch vorsätzlich Vorschriften verletzt, die über den Bannkreis erlassen worden sind2), wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer zu Versammlungen oder Aufzügen auffordert4), die unter Verletzung der in Absatz 1 genannten Vorschriften innerhalb eines befriedeten Bannkreises stattfinden sollen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. § 106 b. Betreten von Parlamentsgebäuden. (1) Wer vorsätzlich gegen Anordnungen verstößt, die ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder dessen Präsident über das Betreten des Gebäudes des Gesetzgebungsorgans oder des dazu gehörenden Grundstücks oder über das Verweilen oder die Sicherheit und Ordnung im Gebäude oder auf dem Grundstück allgemein oder im Einzelfall erläßt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist 5 ). Die Tat wird nur mit Ermächtigung6) des Präsidenten des Gesetzgebungsorgans verfolgt. (2) Die Strafvorschrift des Absatzes 1 gilt bei Anordnungen eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder seines Präsidenten weder für die Mitglieder des Bundestages noch für die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten, bei Anordnungen eines Gesetzgebungsorgans eines Landes oder seines Präsidenten weder für die Mitglieder der Gesetzgebungsorgane dieses Landes noch für die Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragten. 3. § 129 erhält folgende Fassung: § 129. Vereinigungen zur Begehung strafbarer Handlungen 1 ). (1) Wer eine Vereinigung2) gründet3), deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf StrafK. gerichtet sind, strafbare Handlungen zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt3), sie sonst unterstützt oder zu ihrer Gründung auffordert4), wird mit Gefängnis bestraft. (2) Gehört der Täter zu den Rädelsführern5) oder Hintermännern6) oder liegt 4) Vgl. Anm. 9 zu § 110. Ob die Versammlung oder der Aufzug tatsächlich stattfindet, ist ohne Bedeutung. Die Aufforderung braucht nicht öffentlich zu erfolgen. 5) § 106b ist lex specialis gegenüber § 123 Abs. 1, dessen Höchststrafe er übernimmt. An die Stelle des Strafantrags (§ 123 Abs. 3) ist die Ermächtigung (§ 106b Abs. 1 Satz 2) getreten. Infolge der Subsidiaritätsklausel bleibt z. B. § 123 Abs. 2 unberührt und die Ahndung der Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift erfordert einen Strafantrag (§ 123 Abs. 3). 6) Vgl. Anm. 9 zu § 97. Zu § 129: 1) Nach Art. 9 Abs. 2 GG. sind Vereinigungen, deren Zwecke oder Tätigkeit a) den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich b) gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder c) gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten. Die Gründung von Vereinigungen zu b) und c) und deren Förderung durch Rädelsführer und Hintermänner ist in § 90a unter Strafe gestellt. § 129 n. F., der in gewisser Weise an § 175 des StGB.-Entw. 1927 anknüpft, stattet ergänzend den Art. 9 Abs. 2 GG. bezüglich der zu a) bezeichneten Vereinigungen mit Strafschutz aus. Dabei ist Art. 9 GG. dahin verdeutlicht, daß Zwecke oder Tätigkeit einer Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderlaufen, wenn sie auf die Begehung strafbarer Handlungen g e r i c h t e t sind, „so daß weder Fahrlässigkeitstaten noch gelegentliche vorsätzliche Delikte für die Anwendung des § 129 ausreichen", Schafheutie JZ. 1951, 619. 2) Vgl. Anm. 2 zu § 90a. 3) Es muß dem Täter daran gelegen sein, die Zwecke der Vereinigung durch seine Handlung zu fördern, so daß bedingter Vorsatz hinsichtlich des Erfolgs nicht genügt. RG. JW. 1932, 2810. 4) Vgl. Anm. 9 zu § 110. 5) Vgl. Anm. 5 zu § 90a. 6) Vgl. Anm. 6 zu § 90a.

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

sonst ein besonders schwerer Fall vor, so kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. Daneben kann Polizeiaufsicht zugelassen werden. (8) Bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, kann von Strafe abgesehen werden7). (4) Nach diesen Vorschriften wird nicht bestraft, wer das Fortbestehen der Vereinigung verhindert oder von ihrem Bestehen einer Behörde so rechtzeitig Anzeige erstattet, daß eine den Zielen der Vereinigung entsprechende Straftat noch verhindert werden kann. Dies gilt auch für den, der sich freiwillig und ernstlich bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, wenn nicht sein Bemühen, sondern ein anderer Umstand dies erreicht8). 4. Nach § 129 wird folgende Vorschrift eingefügt: § 129 a. Fortführung verbotener Vereinigungen 1 ). StrafK.

(1) Hat das Bundesverwaltungsgericht oder das oberste Verwaltungsgericht eines Landes festgestellt, daß eine Vereinigung gemäß Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes verboten ist, so wird jeder, der die Vereinigung fortführt, den organisatorischen Zusammenhalt auf andere Weise weiter aufrechterhält2), sich an ihr als Mitglied beteiligt oder sie sonst unterstützt, mit Gefängnis bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist3). (2) § 129 Abs. 8 und 4 gilt entsprechend. (8) Das Bundesverwaltungsgericht4) entscheidet auf Antrag der Bundesregierung, das oberste Verwaltungsgericht eines Landes auf Antrag der Landesregierung. 5. § 185 wird aufgehoben *). 7) Vgl. Anm. 1 zu § 153a StPO. (Art. 4 Nr. 1 des vorliegenden Ges.) 8) Vgl. Hauptwerk Anm. 13 zu § 49a StGB. Zu §129a: 1) Bei Vereinigungen, die sich nach Zweck oder Betätigung gegen die verfassungsmäßigeOrdnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, werden nach § 90 a nur die Gründer sowie die Rädelsführer und Hintermänner, nicht die einfachen Mitglieder, die „Mitläufer", bestraft (vgl. Anm. 3 zu § 90a). Hat aber das Bundesverwaltungsgericht oder das oberste Verwaltungsgericht eines Landes festgestellt, daß die Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 GG. verboten ist, so wird nach § 129a jede Form der Fortführung und Beteiligung mit Gefängnis bestraft. Daß jetzt auch die einfachen Mitglieder bestraft werden, beruht auf der Erwägung, daß es vor der verwaltungsgerichtlichen Feststellung für sie schwierig gewesen sein mag, den verbotenen Charakter der Vereinigung zu erkennen, während nach der Entscheidung eines obersten Verwaltungsgerichts die Kenntnis von der ergangenen Feststellung genügt. Auch für die in § 129 bezeichneten, auf die Begehung strafbarer Handlungen gerichteten Vereinigungen hat § 129a Bedeutung. Denn solange eine oberstverwaltungsgerichtliche Feststellung nicht getroffen ist, setzt die Bestrafung eines Mitglieds aus § 129 voraus, daß ihm die Kenntnis von dem auf Begehung von Straftaten gerichteten Ziel der'Vereinigung nachgewifesen wird; im Fall des § 129a aber genügt zur Bestrafung die Kenntnis von der verwaltungsgerichtlichen Feststellung. 2) D. h. an einer Ersatzorganisation teilnimmt. 3) Rädelsführer und Hintermänner von Vereinigungen der in § 90 a Abs. 1 bezeichneten Art, unterliegen der erhöhten Strafdrohung des § 90 a Abs. 2; für politische Parteien mit s o l c W Zielrichtung gilt nicht § 129a, sondern § 90a Abs. 3 in Verbindung mit §§ 46, 47 des Ges. über das Bundesverfassungsgericht v. 12. 3. 1941 (s. Anm. 7 zu § 90a). 4) Solange das Bundesverwaltungsgericht seine Tätigkeit nicht aufgenommen hat, entscheidet an seiner Stelle ein Strafsenat des Bundesgerichtshofes (Art. 5 des vorliegenden Gesetzes). Zu § 135: 1) S. jetzt § 96.

§§ 129a, 187a.

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6. Nach § 187 wird folgende Vorschrift eingefügt:

187a. Verstärkter Ehrenschutz im politischen Leben stehender Personen1). (1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person2) öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen3) eine üble Nachrede (§ 186) aus Beweggründen4) begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten5). (2) Eine Verleumdung (§ 187) wird unter den gleichen Voraussetzungen mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. Zu § 187a: 1) § 187a tritt an die Stelle der §§ 1 bis 3 von Kap. I I I Teil 8 der NotVO. v. 8. 12. 1931 (RGBl. I S. 742) —abgedr. Hauptwerk S. 137 —, über deren Auslegung und Weitergeltung Zweifel bestanden (vgl. Anm. 1 bis i a a O . u. BGH. N J W . 1952,194)). Die Bedeutung des § 187 ä besteht in der Verschärfung der sonst bei übler Nachrede und Verleumdung angedrohten Strafen und zwar bei Verleumdung in einer Verschärfung der Mindeststrafe. Die Einreihung der Vorschrift in den 14. Abschnitt „Beleidigung" des StGB, h a t zur Folge, daß die T a t •— abweichend vom bisherigen Recht — nur auf Antrag und, wenn nicht die Staatsanwaltschaft die Verfolgung im öffentlichen Interesse übernimmt, im Wege der Privatklage (§ 374 StPO. i. d. F. von Art. 4 Ziff. 5 des vorl. Gesetzes) verfolgt wird und daß § 193 StGB. (Wahrnehmung berechtigter Interessen) Anwendung findet; dagegen schützt der entschuldbare gute Glaube des Täters an die Wahrheit seiner Äußerung, und darin liegt eine weitere Abweichung von dem Recht der NotVO., ihn nicht vor der erhöhten Strafe. 2) Die NotVO. v. 1931 schützte im ö f f e n t l i c h e n Leben stehende Verletzte, während § 187a von „im politischen Leben des Volkes stehenden Personen" spricht, wobei unter „Volk" das deutsche Volk zu verstehen ist. von Weber MDR. 1951, S. 43. Darin liegt — beabsichtigtermaßen — begrifflich eine Einschränkung gegenüber dem bisherigen Recht. Der tragende Gedanke des § 187 a ist, daß Personen des politischen Lebens im politischen Tageskampf in erhöhtem Maße Angriffen ausgesetzt sind, durch die ihre Tätigkeit erheblich erschwert werden kann und daß sie deshalb eines erhöhten Strafschutzes bedürfen. „Politisch" ist nicht im Sinne von „parteipolitisch" zu verstehen; „politisch" — der Ausdruck findet sich z. B. vielfach in Amnestiegesetzen, die von Straftaten aus „politischen Beweggründen" sprechen —, ist nicht jede das öffentliche Interesse irgendwie angehende Angelegenheit, sondern eine solche, die den Staat, seine Gesetzgebung und Verwaltung u n m i t t e l b a r berührt, die also nicht'nur mittelbar für den Staat, seinen Bestand, sein Gedeihen und seine Form von Bedeutung sind und an denen er darum Interesse nimmt (E. 58, 415; RG. H R R . 1934 Nr. 777 u. 848). Es würde also z. B. ein Künstler, der durch neue Kunstauffassungen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht und im künstlerischen Meinungswiderstreit Gegenstand ehrkränkender Angriffe ist, möglicherweise im öffentlichen, aber nicht im politischen Leben stehen. Praktisch ist indessen der Unterschied nicht sehr erheblich, was sich schon daraus ergibt, daß § 187a auch von der Stellung des Beleidigten im ö f f e n t l i c h e n Leben spricht und so, wie es scheint; beide Begriffe als gleichsinnig betrachtet. Jedenfalls zeigt aber der Wechsel im Ausdruck gegenüber dem bisherigen Recht, daß der Gesetzgeber die frühere enge Umgrenzung des geschützten Personenkreises durch die Rechtsprechung des RG. nicht sanktionieren wollte, wie denn auch die amtl. Begr. zu § 187a des RegEnt. 1950, obwohl er an der bisherigen Fassung festhalten wollte, hervorhebt, daß die einschränkende Auslegung des bisherigen Rechts nicht im Sinne der neuen Vorschrift liege. Der Verletzte muß zur Zeit der Tat noch im politischen Leben stehen. 3) S. Anm. 2 bis 4 zu § 95. 4) Diese Beweggründe brauchen nicht die einzigen und nicht einmal die vorherrschenden, sie müssen aber mitbestimmend für die Begehung der Tat gewesen sein. Daß die üble Nachrede (oder Verleumdung, Abs. 2) nach ihrem Inhalt mit der Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben zusammenhängt, also sich auf seine politische Betätigung bezieht, ist nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift, die die üble Nachrede schlechthin als Kampfmittel gegen den politischen Gegner diskriminieren will, nicht erforderlich. E s genügt also z. B. eine üble Nachrede aus dem Familien- oder sonstigen Privatleben des Beleidigten. , 5) Wegen des Verhältnisses zu § 95 s. § 95 Abs. 2. § 97 ist, soweit es sich um üble Nachrede handelt, lex specialis gegenüber § 187a; soweit es sich um Verleumdung handelt, droht § 187a die schwerere Strafe an, so daß § 97, der sich nur subsidiäre Bedeutung beilegt, unanwendbarist.

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

7. Nach § 316 wird folgende Vorschrift eingefügt:

§ 316 a. Verhinderung eines lebenswichtigen Betriebs 1 ). (1) Wer vorsätzlich den Betrieb 1. einer Eisenbahn2), der Post3) oder dem öffentlichen Verkehr dienender Unternehmen4) oder Anlagen, 2. einer der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme5) oder Kraft dienenden Anlage oder eines für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtigen Unternehmens6) oder 3. einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Einrichtung7) oder Anlage dadurch verhindert8) oder stört 9 ), daß er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört10), beschädigt11), beseitigt12), verändert13) oder unbrauchbar macht14) oder die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzieht15), wird mit Gefängnis bestraft16). (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. Zu § 316 a: 1) § 90 enthält Strafvorschriften zum Schutz wichtiger öffentlicher Betriebe und Einrichtungen gegen b e s t i m m t e Sabotageakte, wie Aussperrung und Streik, die in s t a a t s g e f ä h r d e n d e r A b s i c h t erfolgen. Der neu eingefügte § 316a und der neugefaßte § 317 StGB, enthalten ergänzend Strafvorschriften gegen Störung oder Verhinderung des Betriebes, die ohne staatsgefährdende Absicht oder mit anderen als den in § 90 bezeichneten Mitteln erfolgt. Das bisherige Recht enthielt in §§ 317—318a nur Vorschriften gegen die Verhinderung oder Gefährdung des Betriebes von Telegraphen-, Fernsprech- und Rohrpostanlagen. Für die Verkehrsbetriebe (wo nur die mit Gemeingefahr verbundene Transportgefährdung nach § 315 strafbar ist), die Post im allgemeinen, die öffentlichen Versorgungswerke und die der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienenden Einrichtungen fehlten allgemeine Vorschriften gegen Betriebsstörung und -Gefährdung durch Sabotagehandlungen; hier konnte nur gegebenenfalls nach den allgemeinen Vorschriften, z. B. wegen Sachbeschädigung, Diebstahls usw. bestraft werden. Eine allgemeine Strafvorschrift gegen die Verhinderung lebenswichtiger Betriebe sah dagegen § 238 des StGB.-Entw. 1927 vor, der dem § 316a als Vorbild gedient hat. 2) Gleichviel, in wessen Eigentum sie steht und ob sie dem allgemeinen Verkehr, besonderen staatlichen Aufgaben oder nur Privatinteressen dient (vgl. Hauptwerk Anm. 2 zu § 315 StGB.). 3) Gleichviel ob sie Personen befördert oder Nachrichten oder Güter übermittelt. 4) Wie Straßenbahn, Schwebebahn, Kraftfahrlinien, Schiffahrts- oder Luftfahrtsunternehmungen. 5) Fernheizungsanlagen. 6) Z. B. eines städtischen Schlachthofs. 7) Z. B. Polizei, Bundesgrenzschutz, Feuerwehr. 8) Verhinderung einer Anlage liegt vor, wenn bewirkt wird, daß sie nicht ihrer Bestimmung gemäß benutzt werden kann. 9) Stören bedeutet: Bewirken, daß der Betrieb nicht, wie vorgesehen, reibungslos durchgeführt werden kann. 10) Zerstören = durch Beschädigen für ihren Zweck völlig unbrauchbar machen. 11) Vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 303 StGB. 12) S. Anm. 9 zu § 100b. 13) = den bisherigen Zustand beseitigen und durch einen abweichenden ersetzen (vgl. Hauptwerk Anm. 5 zu § 317 a. F. StGB.). 14) Ohne daß eine Zerstörung oder Beschädigung vorliegt. 15) Z. B. durch Zerschneiden der an das Werk heranführenden Kabel. 16) Strafschärfung gemäß § 94 bei staatsgefährdender Absicht, ohne daß § 90 Anwendung findet.

§§ 316 a, 317, 353 a.

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8. § 317 erhält folgende Fassung: § 317. Verhinderung einer Fernmeldeanlage 1 ). (1) Wer vorsätzlich den Betrieb einer öffentlichen Zwecken dienenden Fernmeldeanlage2) dadurch verhindert oder gefährdet3), daß er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht oder die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzieht4), wird mit Gefängnis bestraft 5 ). (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. (4) Wer die Tat fahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft 6 ). 9. Die §§318 und 318 a werden aufgehoben1). 10. Nach § 353 wird folgende Vorschrift eingefügt: § 353 a. Ungehorsam im auswärtigen Dienst 1 ). (1) Wer2) bei der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber einer fremden Regierung, einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung einer amtlichen Anweisung vorsätzlich zuwiderhandelt oder in der Zu § 317: 1) § 317 ist dem § 239 des StGB.-Entw. 1927 nachgebildet. 2) Der Begriff der Fernmeldeanlage ergibt sich aus § 1 des Ges. über die Fernmeldeanlagen v. 3. 12. 1927 (RGBl. I S. 331) i. d. F. v. 14. 1. 1928 (RGBl. I S. 8) — abgedruckt: Hauptwerk unter B V I I I 6 —. Darüber, wann eine Fernmeldeanlage öffentlichen Zwecken dient, s. Hauptwerk Anm. 2 zu § 317 a. F.; private Rundfunkempfangsanlagengehören nicht hierher. 3) Verhindern: S. Anm. 8 zu § 316a. Entsprechend dem bisherigen Recht und abweichend von § 316 a ist auch die Gefährdung des Betriebs mit Strafe bedroht, teils wegen der besonderen Empfindlichkeit der Anlagen, teils weil die Drahtleitungen gefährdenden Angriffen in besonders hohem Maß ausgesetzt sind. „Gefährdung" bedeutet nicht: Eine Gefahr setzen, daß ein der Verhinderung entsprechender Zustand eintritt, sondern: Irgend eine Gefahr für den Betrieb schaffen, so daß es schon genügt, wenn das genaue Funktionieren beeinträchtigt ist. Schönke I I I zu § 317a. F. 4) Vgl. Anm. 10—15 zu § 316a. Bei Entziehung elektrischer Kraft ist Tateinheit mit § 19 des Fernmeldeges. — abgedruckt Hauptwerk B V I I I 6 — möglich. 5) Vgl. Anm. 16 zu § 316a. 6) Die Fahrlässigkeit ist hier in Ausführung des Art. 2 des Internat. Vertrages zum Schutze der unterseeischen Telegraphenkabel v. 14. 3. 1884 (RGBl. 1888 S. 151) unter Strafe gestellt. Zu § § 318, 318a a. F.: 1) Diese Vorschriften sind teils in § 317 n. F. aufgegangen, teils (§ 318 Abs. 2, § 318a Abs. 1) als entbehrlich fortgefallen. Zu § 353a: 1) Der frühere § 353a StGB., der sog. Arnim-Paragraph, der durch das Kontrollratsgesetz Nr,...11 aufgehoben wurde, enthielt eine Strafvorschrift gegen Beamte im auswärtigen Dienst, die die Amtsverschwiegenheit verletzten (Abs. 1), amtlichen Anweisungen vorsätzlich zuwiderhandelten oder in Irreleitungsabsicht falsche Berichte erstatteten (Abs. 2). Mit der Wiedereinrichtung des auswärtigen Dienstes erwies sich eine dem früheren Abs. 2 entsprechende Vorschrift als erforderlich, während auf eine besondere Vorschrift zum Schutze der Amtsverschwiegenheit verzichtet werden konnte, nachdem durch die §§ 353 b und 353 c allgemein der Bruch der Amtsverschwiegenheit und die unbefugte Weitergabe geheimer amtlicher Schriftstücke unter Strafe gestellt ist. § 353a n. F. ist dem § 141 Abs. 2, 3 des StGB.-Entw. 1927 nachgebildet. 2) Der Täterkreis ist gegenüber dem früheren Recht erweitert. § 353 a Abs. 2 a. F. bedrohte „einen mit einer Auswärtigen Mission betrauten oder bei einer solchen beschäftigten Beamten." Nach der neuen Fassung ist es gleichgültig, ob der Täter im In- oder Ausland beschäftigt ist; auch kann die T a t nicht nur von einem Beamten, sondern von jedem begangen werden, der von der Bundesregierung zur Vertretung der Bundesrepublik abgeordnet worden

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

Absicht, die Bundesregierung irrezuleiten, unwahre Berichte tatsächlicher Art erstattet 3 ), wird mit Gefängnis bestraft. (2) Die T a t wird nur mit Ermächtigung 4 ) der Bundesregierung verfolgt.

Artikel 3. Änderung

des

Gerichtsverfassungsgesetzes.

Vorbemerkung. Bei der Verabschiedung des Gesetzes hat der Bundestag die Bundesregierung ersucht, alsbald ein Abänderungsgesetz mit dem Ziel einzubringen, daß bei erstinstanzlichen Entscheidungen (des BGH. und des OLG.) in der Regel auch Laienrichter mitwirken und daß gegen die Entscheidungen das Rechtsmittel der Revision gegeben wird (vgl. 160. Sitzung v. 11. 7. 1951, Prot. S. 6485). In einer Denkschrift v. 30. 10. 1951 — 4000/1 — 27 883/5} — hat sich der Bundesjustizminister gegen solche Änderungen und für die Aufrechterhaltung des derzeitigen Rechtszustandes ausgesprochen. Das Gerichtsverfassungsgesetz wird wie folgt geändert und ergänzt: 1.

§ 24*) Abs. 1 Nr. 2 erhält folgende Fassung: „2. Vergehen, wenn nicht die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt oder die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 7 4 a oder des Bundesgerichtshofes nach § 184 begründet i s t . "

2. Nach § 74 wird folgende Vorschrift eingefügt: „§ 7 4 a . (1) Eine Strafkammer des Landgerichts 1 ), in dessen Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, ist für den Bezirk des Oberlandesgerichts als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig 2 ) für die Vergehen und Verbrechen 3 ) 4 ), der Verbreitung hochverräterischer Schriften (§ 84 des Strafgesetzbuchs), der Staatsgefährdung (§§ 90 bis 97 des Strafgesetzbuchs), ist, z. B. zu Verhandlungen mit einer fremden Regierung. Auf die größere oder geringere Bedeutung der bei der Vertretung zugewiesenen Tätigkeit kommt es nicht an; ein Legationssekretär kann ebenso unter die Strafvorschrift fallen wie ein Botschafter. 3) Vgl. Anm. 7 zu § 100 d. 4) Vgl. Anm. 5 zu § 100 c. *) Abgedruckt im 2. Nachtrag zum Hauptwerk S. 4. Zu § 74a: 1) Diese Strafkammer ist kein Sondergericht, vielmehr eine sog. große Strafkammer (§ 76 GVG.). Sie ist außerhalb der Hauptverhandlung mit 3 Richtern besetzt, zu denen in der Hauptverhandlung 2 Schöffen treten, die aus dem Bezirk des Landgerichts, nicht des OLG. zu berufen sind. 2) Damit ist die örtliche Zuständigkeit bestimmt. 3) Die sachliche Zuständigkeit entfällt auch, wenn die aufgeführten Taten in Idealkonkurrenz mit solchen Straftaten stehen, für die der BGH. nach § 134 GVG. zuständig ist. 4) Die örtlich unzuständige Strafkammer erklärt sich auf den Einwand des Angeklagten (§ 18 StPO.) für unzuständig und gibt die Sache an die örtlich zuständige StA. ab. Der Eröffnungsbeschluß ist hinfällig. Neue Anklage ist zu erheben. Eine Verweisung nach § 270 StPO. findet nicht statt, wenn der Einwand nicht oder nicht rechtzeitig erhoben worden ist (§ 16 StPO.). Findet der Amtsrichter vor Eröffnung des Hauptverfahrens, daß für eine bei ihm eingereichte Sache die Zuständigkeit der Strafkammer nach § 74 a begründet ist, so legt er die Akten der Strafkammer zur Entscheidung vor (§ 209 Abs. 3 StPO.); nach Eröffnung des Hauptverfahrens verweist er nach § 270 StPO. an die große Strafkammer.

§ 74a.

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der Agententätigkeit in den Fällen des § lOOd Abs. 2 und 8 des Strafgesetzbuchs, der Beteiligung an verbotenen Vereinigungen (§§ 129, 129 a des Strafgesetzbuchs), dter Verschleppung (§ 284a des Strafgesetzbuchs) und der politischen Verdächtigung (§ 241a des Strafgesetzbuchs). (2) Die Zuständigkeit der Strafkammer entfällt3), wenn der Oberbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Verfolgung übernimmt5), es sei denn, daß durch Abgabe oder Überweisung6) nach § 184 a Abs. 2 oder 8 die Zuständigkeit der Strafkammer begründet wird7). (8) Im Rahmen des Absatzes 1 erstreckt sich der Bezirk des Landgerichts auf den Bezirk des Oberlandesgerichts8)." 8. § 120*) wird wie folgt geändert: a) Absatz 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: „Die Oberlandesgerichte sind zur Verhandlung und Entscheidung im ersten und letzten Rechtszug in den Strafsachen zuständig, die nach § 184a Abs. 1 von dem Oberbundesanwalt an die Landesstaatsanwaltschaft abgegeben werden oder in denen der Bundesgerichtshof nach § 184 a Abs. 8 bei Eröffnung des Hauptverfahrens die Verhandlung und Entscheidung dem Oberlandesgericht überweist. b) Als Absatz 8 wird folgende Vorschrift eingefügt: (8) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache diesem vorzulegen."1) 4. Dem § 122**) Abs. 2 wird folgender Satz 2 angefügt: „Im ersten Rechtszug entscheiden sie in dieser Besetzung auch darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen®) oder das Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen ist3). 5) Dem Oberbundesanwalt ist an Stelle eines Weisungsrechts gegenüber den Landesstaatsanwaltschaften, wie es früher nach § 146 Abs. 2 GVG. bestand, ein Übernahm erecht eingeräumt worden. Dem steht sein Abgabe-Recht in § 120 Abs. 1 S. 1 und § 134a Abs. 1 u. 2 gegenüber. 6) Die Überweisung spricht der Bundesgerichtshof aus. §§ 120 Abs. 1 S. 1, 134 a Abs. 3. 7) Ist vor dem BGH. bzw. vor dem OLG. Anklage erhoben worden und wird die Zuständigkeit der großen Strafkammer (§ 74a) angenommen, so wird das Hauptverfahren vor dieser Kammer entsprechend § 209 StPO. eröffnet. Eine Abgabe nach Eröffnung des Hauptverfahrens ist unzulässig. *) Abgedruckt im 2. Nachtrag zum Hauptwerk S. 9. Zu § 120: 1) Diese Bestimmung ist in Anknüpfung an den § 121 Abs. 2 zur Sicherung der Rechtseinheit, zum Zwecke einer einheitlichen Rechtsprechung getroffen. Der BGH. hat in einem solchen Falle nicht nur über die Rechtsfrage, sondern über die Sache selbst in vollem Umfange zu entscheiden. **) Abgedruckt im Hauptwerk S. 698. Zu § 122: 1) Diese Entscheidungen — in Beschlußform — stehen an Bedeutung dem Urteile nahezu gleich. 2) § 204 StPO. 3) § 206a StPO. 3

D a l c k e , 8. Nachtrag

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

5. An die Stelle des § 184 treten folgende Vorschriften: § 134. (1) In Strafsachen ist der Bundesgerichtshof zuständig für die Untersuchung und Entscheidung im ersten und letzten Rechtszug: bei Hochverrat und Verfassungsverrat in den Fällen der §§ 80 bis 881) und 89 des Strafgesetzbuchs, bei Landesverrat in den Fällen der §§ 100 bis 100c, lOOd Abs. 1, lOOe und lOOf des Strafgesetzbuchs, bei Parlamentsnötigung2) nach § 105 des Strafgesetzbuchs und bei Nichterfüllung der Pflichten nach § 189 des Strafgesetzbuchs, wenn die Unterlassung eine Straftat betrifft, die zur Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes gehört.8) (2) Der .Bundesgerichtshof ist ferner für die Untersuchung und Entscheidung im ersten und letzten Rechtszug zuständig bei den in § 74 a Abs. 1 bezeichneten Straftaten, wenn der Oberbundesanwalt we^en der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt. (8) In den Sachen, in denen der Bundesgerichtshof nach Absatz 1 und 2 zuständig ist, trifft er auch die in § 78 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. Er entscheidet ferner über die Beschwerde gegen eine Verfügung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes (§ 168a der Strafprozeßordnung)1). § 184a (1) Richtet sich eine in § 184 Abs. 1 bezeichnete Tat überwiegend gegen die Interessen eines Landes, so soll1) der Oberbundesanwalt das Verfahren an die Landesstaatsanwaltschaft abgeben, sofern nicht besondere Umstände entgegenstehen. Der Oberbundesanwalt kann1) auch andere Sachen abgeben; er soll1) von dieser Befugnis nur bei Sachen minderer Bedeutimg Gebrauch machen. (2) Der Oberbundesanwalt kann1) eine Sache, die er nach § 74a Abs. 2 übernommen hat, wieder an die Landesstaatsanwaltschaft abgeben. (8) Der Bundesgerichtshof kann bei der Eröffnung des Hauptverfahrens die Verhandlung und Entscheidung in den Sachen, in denen er nach § 184 Abs. 1 zuständig ist, dem Oberlandesgericht und in den Sachen, in denen er nach § 184 Abs. 2 zuständig ist, dem Landgericht überweisen."2) 6. Dem § 189 wird folgender Absatz 2 angefügt: „(2) Die Strafsenate entscheiden im ersten Rechtszug außerhalb der Hauptverhandlung in der Besetzung von drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden. Dies gilt nicht für den Beschluß, durch den darüber entschieden wird, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen oder das Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen ist."1) Zu § 134: 1) Die Zuständigkeit des BGH. entfällt nicht, wenn durch eine Straftat zugleich der Tatbestand einer Strafvorschrift verwirklicht wird, die eine schwerere Strafe androht. 2) Statt „Parlamentssprengung", wie bisher der Tatbestand bezeichnet wurde. 3) Also die vorher aufgeführten Verbrechen. 4) In der Besetzung von 3 und 5 Mitgliedern. § 139 Abs. 1 und 2. Zu § 134a: 1) Die Entscheidung steht im Ermessen des Oberbundesanwalts. 2) Z. B. auch dann, wenn der Oberbundesanwalt, der das Verfahren nach § 134 Abs. 1 übernommen hatte, wieder abgeben will, nachdem Voruntersuchung eröffnet worden ist, oder, wenn eine Sache von einem Gericht niederer Ordnung nach § 270 StPO., § 134a Abs. 1 GVG. an den BGH. verwiesen ist. Zu § 139: 1) Die gleiche Regelung, wie im § 122 Abs.. 2.

§§ 134, 134 a, 153a.

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Artikel 4. Änderung der Die Strafprozeßordnung

Strafprozeßordnung.

wird wie folgt geändert und ergänzt:

1. Nach § 158 wird folgende Vorschrift eingefügt: „§ 153a1). (1) Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Gericht von Strafe absehen könnte2), so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts3), das für die Hauptverhandlung zuständig wäre4), von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen6). Zu § 153 a : 1) Hiermit wird der Verfolgungszwang weiter durchbrochen und eine neue Einstellungsmöglichkeit geschaffen und zwar nicht nur für die Fälle, in denen das vorliegende Gesetz die Möglichkeit eines Absehens vorsieht, sondern auch für die bisher schon bestehenden (s. Anm. 2). Bisher fehlte es an einer besonderen Vorschrift über die verfahrensrechtliche Behandlung der Fälle, in denen das Gesetz in d e r S t r a f a n d r o h u n g zuläßt, daß das G e r i c h t unter bestimmten Voraussetzungen von S t r a f e a b s i e h t . In diesen Fällen mußte daher die StA., soweit nicht eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 153ff. StPO. zulässig war, Anklage erheben und das Gericht sprach nach Durchführung einer Hauptverhandlurig das Absehen von Strafe durch U r t e i l aus (vgl. Hauptwerk Anm. 5 zu §175 StGB.). Das vorliegende Gesetz sieht nun bei einer Reihe von V e r b r e c h e n die Möglichkeit eines gerichtlichen Absehens von Strafe vor (s. §§ 82, 89), bei denen nach den bisherigen Vorschriften die Möglichkeit eines Absehens von der Erhebung der Anklage nach den §§ 153aff. StPO. in. der Regel nicht gegeben gewesen wäre, so daß das Absehen von Strafe nach durchgeführter Hauptverhandlung durch Urteil hätte erfolgen müssen. Die Absicht des Gesetzes geht aber dahin, wenn ein Absehen von Strafe zulässig ist, die Durchführung eines Verfahrens dem Beschuldigten zu ersparen. Der neue § 153a h a t deshalb — im Anschluß an frühere Reformarbeiten — die Möglichkeit, daß die StA. von der Erhebung der Anklage absieht oder nach Anklageerhebung das Gericht das Verfahren einstellt, auf alle Fälle ausgedehnt, bei denen die Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Gericht durch Urteil von Strafe absehen könnte. Die Einstellung darf nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Beschuldigte die bisher der Staatskasse erwachsenen Verfahrenskosten übernimmt. Vgl. K. Schäfer Rpfleger 1951, 297. Nach Beginn der Hauptverhandlung ist eino Einstellung nach § 153a ausgeschlossen. Das Absehen von Strafe erfolgt dann durch Urteil nach durchgeführter Hauptverhandlung und setzt eine Schuldfeststellung voraus. Dem Angekl. sind dann auch in entsprechender Anwendung des § 468 StPO. (Kostentragung-bei Straffreierklärung) die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Auffassung von Dallinger JZ. 1951, 623, daß es einer Heranziehung des § 468 StPO. nicht bedürfe, sondern daß die Kostentragungspflicht sich unmittelbar aus § 465 StPO. ergebe, da das Absehen eine Verurteilung i. S. des § 465 darstelle und diese Vorschrift die Verurteilung zu Strafe nicht mehr voraussetze, kann nicht zugestimmt werden. § 465 fordert entweder die Verurteilung zu einer Strafe oder die Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung, die im Fall des § 42 b StGB. — hier wird eine Maßregel der Sicherung und Besserung i. S. des § 42a ohne gleichzeitige Verurteilung zur Strafe angeordnet — überhaupt keine Verurteilung, d. h. keine Feststellung auch der Schuld voraussetzt. Da, wo — wie beim Absehen von Strafe — lediglich eine Feststellung erfolgt, daß der Angekl. die inneren und äußeren Merkmale einer mit Stfafe bedrohten Handlung erfüllt hat, ohne daß damit die Auferlegung eines Strafübels oder eines anderen Eingriffs in die Rechtssphäre des Angekl. verbunden ist, ist § 465 unanwendbar und in Ermangelung einer besonderen Kostentragungsvorschrift, wie sie der in dem Entw. eines EinfGes. zum Allg.D.StGB. v. 1930 (RTDrucksache Nr. 2070) vorgesehene § 465a StPO. vorschlug, muß auch heute noch die entsprechende Anwendung des § 468 StPO. die Grundlage für die Belastung des Angekl. mit den Verfahrenskosten abgeben. — Die §§ 153 und 153a können nebeneinander angewandt werden. Die Sondervorschriften des Jugendstrafverfahrens §§ 2 Abs. 3, 7, 30, 31 R J G G . (abgedruckt unter C II 3 des Hauptwerks) gehen dem § 153a vor. 2) §§ 49a Abs. 3, 82, 89, 90 Abs. 5, 129 Abs. 3, 129a Abs. 2, 139, 157 Abs. 1 und 2, 158 Abs. 1, 175 Abs. 2 StGB. 3) Wie im § '153 Abs. 2. Bei Ablehnung Beschwerde der StA. gemäß § 304 StPO. 4) Die Gerichte entscheiden in der Besetzung, wie sie außerhalb der Hauptverhandlung in den §§ 30 Abs. 2, 76 Abs. 1, 122 Abs. 1, 139 Abs. 2 GVG. vorgeschrieben ist. 5) Gegen die Entscheidung ist die Dienstaufsichtsbeschwerde, nicht die Beschwerde nach § 172 StPO. gegeben. Mit der Entscheidung ist die Strafklage nicht verbraucht. a*

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1. Strafrechtsänderungsgesetz.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung6) mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten7) das Verfahren einstellen8)." 2. § 153 a der bisherigen Fassung wird § 153 b. 3. Nach § 168 wird folgende Vorschrift eingefügt:

4. 5. 6.

7.

„§ 168a (1) In Sachen, die zur Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes im ersten Rechtszug gehören, können die im vorbereitenden Verfahren dem Amtsrichter obliegenden Geschäfte1) auch durch einen oder mehrere Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes wahrgenommen werden2). (2) Der Präsident des Bundesgerichtshofes bestellt die Ermittlungsrichter3) und regelt die Verteilung der Geschäfte für die Dauer eines Geschäftsjahres. Zum Ermittlungsrichter kann jedes Mitglied eines deutschen Gerichtes und jeder Amtsrichter bestellt werden." In § 354*) Abs. 1 werden nach den Worten „gesetzlich niedrigste Strafe" die Worte „oder das Absehen von Strafe"1) eingefügt. In § 374**) Abs. 1 Nr. 2 wird die Zahl 187 durch die Zahl 187a ersetzt. Dem § 395***) wird folgender Absatz 3 angefügt: „(3) Im Falle des § 95 des Strafgesetzbuchs steht dem Bundespräsidenten und im Falle des § 97 des Strafgesetzbuchs der betroffenen Person die Befugnis zu, sich der öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen."1) § 433 erhält folgende Fassung: „(1) Das im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes1) befindliche Vermögen eines Beschuldigten, gegen den wegen eines Verbrechens des Hochverrats,

6) § 243 Abs. 1 StPO. Hierin liegt eine Abweichung von § 153 Abs. 3. 7) Die Zustimmung des Angeschuldigten (auch des Angeklagten) ist nach § 153 Abs. 3 nicht erforderlich. Die Vorschrift beruht auf dem auch in neueren Amnestiegesetzen sich findenden Gedanken, daß der durch die Anklageerhebung belastete Beschuldigte die Durchführung des Verfahrenzwecks Herbeiführung eines rehabilitierenden Freispruchs verlangen könne. 8) Der einstellende Beschluß ist einer beschränkten Rechtskraft fähig und nicht anfechtbar, da er nur mit Zustimmung der StA. und des Angeschuldigten (Angeklagten) ergehen kann. Lehnt das Gericht die Einstellung ab, so haben beide das Beschwerderecht nach § 304. Zu § 168 a: 1) Z. B. Erlaß des Haftbefehls, Anordnung der Beschlagnahme und Durchsuchung, eidliche Vernehmung §§ 65, 98, 100, 105, 110, 125, 128. Auch die §§ 162, 165, 166 sind entsprechend anzuwenden. Gegen die Verfügung ist Beschwerde gegeben, über die der BGH. entscheidet, § 134 Abs. 3 GVG. 2) Neben dem Untersuchungsrichter. Voruntersuchung ist nach § 178 Abs. 1 obligatorisch; siehe auch § 186. 3) Die Bestellung erfolgt allgemein, nicht für den einzelnen Fall. *) Abgedruckt im Hauptwerk S. 877. Zu § 354: 1) Die Urteilsformel muß den Schuldspruch und das Absehen von Strafe sowie die Kostenbelastung (s. Anm. 1 zu § 153 a) aussprechen. Die Urteilsgründe müssen entsprechend § 267 Abs. 3 die Voraussetzungen angeben, unter denen das Gericht von Strafe absehen kann und die Gründe, weswegen von Strafe abgesehen ist. Eine Ergänzung des § 260 ist unterblieben. **) Abgedruckt im Hauptwerk S. 886. ***) Abgedruckt im Hauptwerk S. 896.. Zu § 395: 1) Die Stellung eines Antrags nach § 185ff. StGB, ist nicht erforderlich, da eine Privatklageberechtigung nicht vorausgesetzt wird. Zu § 433: 1) Das Vermögen, das der Beschlagnahme unterliegt, muß sich im Bundesgebiet (einschließlich Berlin-West, sofern das Strafrechtsänderungsgesetz dort in Kraft gesetzt ist) befinden.

§ 168 a.

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des Verfassungsverrats oder des Landesverrats (§§ 80 bis 88, 89, 100 bis 100b, lOOd Abs. 1 und lOOf des Strafgesetzbuchs) die öffentliche Klage erhoben2) oder Haftbefehl erlassen worden ist, kann mit Beschlag belegt werden3). Die Beschlagnahme umfaßt auch das Vermögen, das dem Beschuldigten später zufällt. Sie wirkt, wenn sie nicht vorher aufgehoben wird, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens. (2) Die Beschlagnahme wird durch den Richter angeordnet4). Bei Gefahr im Verzug kann die Staatsanwaltschaft6) die Beschlagnahme vorläufig anordnen, die vorläufige Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen vom Richter bestätigt wird. (8) Die Vorschriften der §§ 291 bis 298 gelten entsprechend6). A r t i k e l 5. Übergangsvorschriften. 1. Für die nach § 129a des Strafgesetzbuchs zu treffenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts tritt bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Bundesverwaltungsgericht seine Tätigkeit aufnimmt, an seine Stelle ein Senat des Bundesgerichtshofes, der für die Untersuchung und Entscheidung von Strafsachen im ersten Rechtszug zuständig ist. 2. Die Geschäftsverteilung' bei den Gerichten kann im Laufe des Geschäftsjahres 1951 geändert werden, soweit dies durch die Zuständigkeitsregelung dieses Gesetzes erforderlich wird. A r t i k e l 6. Schutz des Landes Berlin. Die in diesem Gesetz zugunsten des Bundes und der Länder der Bundesrepublik, ihrer verfassungsmäßigen Ordnung, ihrer Staatsorgane und deren Mitglieder erlassenen Strafvorschriften gelten auch zugunsten des Landes Berlin, seiner verfassungsmäßigen Ordnung, seiner verfassungsmäßigen Staatsorgane und deren Mitglieder. Dieses Gesetz gilt auch in Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Artikel 87 Abs. 2 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes in Berlin beschließt.1) A r t i k e l 7. Schlußvorschriften. Artikel 148 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland tritt außer Kraft.1) 2) D. h. Voruntersuchungsantrag gestellt ist. 3) Die Vermögensbeschlagnahme ist keine Vermögenseinziehung, sondern lediglich ein prozessuales Zwangsmittel. Daliinger JZ 1951 S. 624 Uber das Wirksamwerden siehe Anm. 6. 4) Im vorbereitenden Verfahren der Amtsrichter, der Ermittlungsrichter des BGH. (§ 168a GVG.), in der Voruntersuchung der Untersuchungsrichter, im Hauptverfahren das BGH. und OLG. — unter Mitwirkung von 3 Richtern (§§ 134, 120 GVG.). Gegen die Anordnung, soweit sie durch Richter getroffen ist, ist Beschwerde zulässig (§ 304). 5) Dagegen steht den Hilfsbeamten der StA. — entgegen § 98 Abs. 1 — ein solches Recht nicht zu. 6) Das Verfügungsverbot wird durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger wirksam Dies gilt auch für die vorläufige Anordnung durch die StA. Zu Art. 6: 1) Ein solcher Beschluß ist noch nicht ergangen. Zu Art. 7: 1) jetzt §§ 80ff. StGB.

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2. Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit.

Folgende Vorschriften werden aufgehoben: 1. Kap. III des Achten Teils der Vierten Verordnung des Reichspräsidenten vom 8. Dezember 1981 (Reichsgesetzbl. I S. 699, 748),2) 2. die §§ 8 und 4 des im Lande Nordrhein-Westfalen erlassenen Gesetzes über die.Befriedung des Hauses des Landtages vom 28. Dezember 1949 (Gesetz- und Verordnungsbl. 1950 S. 18).3) A r t i k e l 8. Inkrafttreten. Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft.1)

2. Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit*). Vom 15. Juli 1951 (BGBl. I S. 448). A r t i k e l 1. Änderung des Strafgesetzbuchs. Das Strafgesetzbuch

wird wie folgt

geändert:

1. Als § 284a wird folgende Vorschrift eingefügt: § 234a. Verschleppung. StrafK.

(1) Wer einen anderen durch List1), Drohung1) oder Gewalt1) in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbringt13) oder veranlaßt, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren, und dadurch der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkürmaßnahmen2) Schaden an Leib oder Leben3) zu erleiden, der Freiheit beraubt4) oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird wegen Verschleppung mit Zuchthaus bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten. (8) Wer eine solche Tat vorbereitet, wird mit Gefängnis bestraft.6) 2) jetzt § 187 a StGB. 3) jetzt §§ 106a und 106b StGB. Zu Art. 8: 1) Am 31. August 1951. Zu Nr. 2: •) Die amtl. Begr. ist abgedr. im Bundesanzeiger Nr. 122 v. 28. 6. 1951 = DRiZ. 1951, 162. Schrifttum: Maurach, NJW. 1952, 163. Zu § 234 a: 1) Vgl. Hauptwerk Anm. 1 bis 3 zu § 234 StGB. la) unter Begründung eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses über das Opfer. 2) Vgl. Anm. 9 zu § 88 und BGH. NJW. 1952, 111. 3) Vgl. Anm. 2 zu § 83. 4) Vgl. Hauptwerk Anm. 3, 4 zu § 239. 5) S. aber § 94. Bei gemeinschaftl. Vorbereitung gilt § 49 a.

§§ 234 a, 241a.

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2. Als § 241 a wird folgende Vorschrift eingefügt:

§ 241a. Politische Verdächtigung. (1) Wer einen anderen durch eine Anzeige1) oder eine Verdächtigung2) der Ge- strafK. fahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkürmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird wegen politischer Verdächtigung mit Gefängnis bestraft. 21 ) (2) Ebenso wird bestraft, wer eine Mitteilung über einen anderen macht 3 ) oder übermittelt 4 ) und ihn dadurch der in Absatz 1 bezeichneten Gefahr einer politischen Verfolgung6) aussetzt®). (8) Der Versuch ist strafbar. (4) Wird in der Anzeige, Verdächtigung oder Mitteilung gegen den anderen eine unwahre Behauptung 6 ) aufgestellt oder ist die Tat in der Absicht') begangen, eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen herbeizuführen, oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so kann auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren erkannt werden8). 8. In § 189 Abs. 1 treten an die Stelle der Worte „Menschenraubes oder gemeingefährlichen Verbrechens" die Worte: eines Menschenraubes, einer Verschleppung oder eines gemeingefährlichen Verbrechens1). A r t i k e l 2.

Inkrafttreten. Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Zu § 241 a : 1) Anzeige und Verdächtigung müssen an einer Stelle angebracht werden, die die Verfolgung herbeiführen kann. Die Anzeige braucht — anders als § 164 — weder eine strafbare Handlung noch eine Amts- oder Dienstpflichtverletzung zu behaupten noch eine Behauptung tatsächlicher Art aufzustellen; sie braucht auch nicht wider besseres Wissen oder leichtfertig zu erfolgen; der Täter kann vielmehr von der Richtigkeit seiner Anzeige überzeugt sein und sie kann auch objektiv richtige Angaben enthalten (vgl. Abs. 4). Entscheidend ist vielmehr, daß der Täter den anderen vorsätzlich der Gefahr aussetzt, aus nicht rein sachlichen (z. B. rein kriminellen) Gründen verfolgt und dabei rechtsstaatlichen Grundsätzen zuwider schadenbringenden Gewalt- und Willkürmaßnahmen unterworfen zu werden (vgl. Anm. 9 zu § 88 StGB.). 2) Vgl. Anm. 1 und Hauptwerk Anm. 11 zu § 164. 2a) Möglichkeit der Strafschärfung nach § 94. 3) Z. B. über seinen Aufenthalt, so daß er ergriffen werden kann. Die Mitteilung muß an die in Anm. 1 bezeichnete Stelle gerichtet oder jemandem in der Erwartung der Weitergabe an diese gemacht werden. 4) Die Mitteilung eines anderen der zuständigen Stelle (Anm. 1) überbringt oder sonst für ihre Weitergabe an diese sorgt. 5) Also der Gefahr, bei der politischen Verfolgung rechtsstaatswidrigen Gewalt- und Willkürmaßnahmen ausgesetzt zu sein. 6) Da eine Behauptung tatsächlicher Art nicht gefordert wird (vgl. Anm. 1), genügen hier Werturteile. 7) Es muß hier also dem Täter darauf ankommen, den im Gesetz bezeichneten Erfolg herbeizuführen, während sonst Vorsatz (einschließlich des bedingten) genügt. 8) Tateinheit mit § 164 ist möglich (bedeutsam im Hinblick auf § 165), ebenso mit § 92. Zu § 139: 1) Eine Ausdehnung des § 139 auf Verfassungsverrat (§ 89 StGB.) ist durch das Ges. v. 30. 8. 1951 nicht erfolgt.

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3. Berliner Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit.

3. Berliner Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit. Vom 14. Juni 1951 (GVB10. Bln. S. 417). § 1. (1) Wer einen anderen durch eine Anzeige oder Verdächtigung der Gefahraussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkürmaßnahmen Schäden an Leib oder L ben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seinem Vermögen, seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird wegen politischer Verdächtigung mit Gefängnis bestraft. (2) Im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen steht insbesondere ein nicht rechtsstaatlich geordnetes oder geführtes Verfahren oder die Verhängung einer unmenschlichen oder grob ungerechten oder im Gesetz nicht vorgesehenen Strafe oder Maßnahme. (8) Ebenso wird bestraft, wer eine Mitteilung über einen anderen macht oder übermittelt und ihn dadurch der in Absatz 1 bezeichneten Gefahr einer politischen Verfolgung aussetzt. (4) Der Versuch ist strafbar. (5) Wird in der Anzeige, Verdächtigung oder Mitteilung gegen den anderen, eine unwahre Behauptung aufgestellt oder ist die Tat in der Absicht begangen, eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen herbeizuführen, oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so kann auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren erkannt werden. § 2. (1) Wer einen anderen durch List, Drohung oder Gewalt in ein Gebiet außerhalb des Bereiches der in Berlin geltenden Gerichtsverfassung verbringt oder veranlaßt, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren und dadurch der Gefahr aussetzt, verfolgt zu werden, und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkürmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seinem Vermögen, seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird wegen Verschleppung mit Zuchthaus, in minder schweren Fällen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Hat der Täter aus Gewinnsucht oder in der Absicht gehandelt, eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen herbeizuführen, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren, in minder schweren Fällen auf Gefängnis nicht unter sechs Monaten zu erkennen. (8) Hat der Verschleppte im Zusammenhang mit einer Tat nach Absatz 1 den Tod erlitten und mußte der Täter den Umständen nach hiermit rechnen, so kann auf lebenslanges Zuchthaus erkannt werden. (4) Wer eine Handlung nach Absatz 1 bis 3 vorbereitet, wird mit Gefängnis bestraft. § 3. Wer von dem Vorhaben einer Verschleppung (§ 2) glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten hiervon zur rechten Zeit Anzeige zu machen, wird nach Maßgabe des § 189 StGB, bestraft. § 4. In den Fällen des § 2 Abs. 3 ist das Schwurgericht zuständig. § 5. Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes tritt das Gesetz über die Verschleppung von Personen aus den Berliner Westsektoren vom 20. September 1949 (VOB1. I S. 881) außer Kraft. § 6. Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.

§§ 1—6. — § 1.

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4. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit. Vom 4. 12. 1951 (BGBl. I S. 986). Vorbemerkung. Der Jugendschutz war bisher in der PolVO. zum Schutze der Jugend v. 10. 6. 1943 — abgedr. Hauptwerk S. 355 unter B II 9 — geregelt. Das neue Gesetz verflankt seine Entstehung einem aus der Mitte des Bundestags eingebrachten Entwurf (BTDrucksache Nr. 180). Die Gesetz gewordene Fassung beruht im wesentlichen auf den Beschlüssen des BT.-Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge v. 26. 6. 1951 (BT.-Drucksache Nr. 2389); eine Begründung zu dem Entw. des Ausschusses findet sich in Anl. 2 der BT.-Drucksache Nr. 2389 (in den nachfolgenden Anm. als „Begr." bezeichnet). Über den Grundgedanken des Gesetzes ist dort ausgeführt: „Die ReichspolizeiVO. zum Schutz der Jugend v. 10. 6. 1943 (RGBl. I S. 349) geht von einem polizeistaatlichen Denken aus, legt dem Jugendlichen zahlreiche Verbote auf und droht für die Nichtbeachtung dieser Verbote Jugendarrest oder Geldstrafe an. Diese polizeistaatlichen Methoden erscheinen für die rechte Erziehung der deutschen Jugend nicht mehr geeignet.... Der Grundgedanke des Gesetzentw. besteht darin, Gewerbetreibende bzw. Veranstalter, die aus eigensüchtigen Gründen die Jugend gefährden, sowie auch Erziehungsberechtigte, wenn sie Jugendliche einer Gefährdung aussetzen, zur Verantwortung zu ziehen. Für den Jugendlichen selbst sind keine Strafmaßnahmen mehr, sondern Erziehungsmaßnahmen vorgesehen. Sie kommen in Frage, wenn das Verhalten des Jugendlichen Anlaß gibt, die gesetzlich möglichen erzieherischen Maßnahmen einzuleiten." Schrifttum: Rothe in „Die Polizei" 1952, 8; Potrykus NJW. 1952, 130.

§ 1. Aufenthalt an sittlich gefährdenden Orten1). (1) Jugendliche unter 18 Jahren, die sich an Orten aufhalten, an denen ihnen eine sittliche Gefahr oder Verwahrlosung droht, 2 ) sind durch die dafür zuständigen Behörden oder Stellen3) dem Jugendamt zu melden4). (2) Sie sind außerdem zum Verlassen eines Ortes anzuhalten3), wenn eine ihnen dort unmittelbar drohende Gefahr5) nicht unverzüglich beseitigt werden kann. Zu § 1: 1) § 1 dei PolVO. v. 10. 6. 1943 enthielt ein Verbot gegen Personen unter 18 Jahren, sich auf öffentlichen Straßen usw. während der Dunkelheit herumzutreiben. § 1 des Gesetzes dagegen weist, entsprechend der Tendenz des Gesetzes (s. Vorbem.), nicht mit Strafzwang, sondern mit Erziehungsmaßnahmen im Rahmen des geltenden Rechts einzugreifen, die öffentlichen Organe darauf hin, daß Schutzmaßnahmen in Betracht kommen, wenn. Jugendliche sich an Orten aufhalten, wo ihnen eine sittliche Gefahr oder Verwahrlosung droht. Der Begriff „Herumtreiben" erschien nicht genügend klar, auch berge nicht jedes Herumtreiben eine solche Gefährdung in sich, daß Schutzmaßnahmen in Betracht kämen und Gefährdungen seien nicht nur in der Dunkelheit anzunehmen, vielmehr sei die Dunkelheit lediglich ein Anzeichen für eine Gefährdung (Begr. zu § 1). 2) Es ist nicht erforderlich, daß es sich um einen Ort handelt, an dem sich aufzuhalten für einen Jugendlichen mit einer besonderen sittlichen Gefährdung oder Gefahr sittlicher Verwahrlosung verbunden ist, vielmehr genügt jeder Ort, an dem im Einzelfall die Gefahr droht, wobei es bedeutungslos ist, ob der Jugendliche die Gefährdung vorgefunden oder selbst herbeigeführt hat. Ein Grund zum Einschreiten kann danach, wie bisher, auch gegeben sein, wenn der Jugendliche sieh an öffentlichen Orten während der Dunkelheit umhertreibt. Gefahrdrohende Orte können im übrigen z. B. sein Rummelplätze, dunkle Hauseingänge, Ruinengrundstücke, Nachtbars, Eingänge von Kasernen, Bahnhöfe und Wartehallen. 3) Welche Behörden und Stellen meldepflichtig sind und die sonst im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen haben, regelt das Landesrecht. In Betracht kommen insbes. die Polizeibehörden, Gesundheitsämter, Jugend- und Wohlfahrtsverbände. Ausweiskontrollen der Polizei, insbes. zur Feststellung des Alters des Jugendlichen sind zulässig. Rothe in „Die Polizei" 1952, 10; Hess. AusfBest. v. 2. 1. 52, Staatsanz. S. 26. 4) Vgl. § 2 JWG. Das Jugendamt prüft auf Grund der Meldung, ob gemäß § 12 des Ges. (vgl. dort Anm. 3) Maßnahmen einzuleiten sind. 5) D. h. eine Gefahr i. S. des Abs. 1.

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4. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit

Wenn nötig6), sind sie dem Erziehungsberechtigten7) zuzuführen3) oder, wenn dieser nicht erreichbar ist, in die Obhut8) des Jugendamts zu bringen3). § 2. Aufenthalt in Gaststätten 1 ). (1) Der Aufenthalt in Gaststätten2) darf Jugendlichen unter 16 Jahren nur in Begleitung3) eines Erziehungsberechtigten4) gestattet werden. (2) Dies gilt nicht 1. für Jugendliche, die an einer Veranstaltung teilnehmen, die der geistigen, sittlichen oder beruflichen6) Förderung der Jugend dient, 2. für Jugendliche, die sich auf Reisen befinden6), 8. solange' der Aufenthalt Jugendlicher zur Einnahme einer Mahlzeit oder eines Getränkes erforderlich ist. § 3. Yerabfolgung von Alkohol1). (1) Jugendlichen unter 18 Jahren2) darf in Gaststätten und Verkaufsstellen 6) D. h. wenn der Schutz vor drohender Gefahr nicht anders erreicht werden kann. 7) Vgl. Anm. 2 zu § 11. 8) Damit wird für das Jugendamt kein selbständiges Verwahrungsrecht begründet. „Vielmehr soll das Jugendamt dadurch in die Lage versetzt werden, zu prüfen, welche Maßnahmen auf Grund gesetzlicher Vorschriften zulässig sind (vgl. § 12 des Ges.). In Frage kommen kann z. B. eine Unterbringung mit Einwilligung des Jugendlichen in einem Heim oder in einer Familie oder aber in den Fällen drohender Verwahrlosung eine Entscheidung durch den Vormundschaftsrichter, so insbesondere bei Streunern innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit (vgl. Art. 104 GG.) die Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung" (Begr. zu § 1). Eine vorübergehende polizeiliche Verwahrung nach den allgemeinen Polizeigesetzen der Länder (z. B. nach § 15 preuß. PolVerwGes. — abgedr. Hauptwerk E I 5 —) wird durch § 1 nicht ausgeschlossen. Zu § 2: 1) Die Vorschrift richtet sich an die in §§ 13, 14 bezeichneten Personen. Ein entsprechendes Verbot enthielt § 2 Abs. 1 der PolVO, v. 10. 6. 1943; die jetzt in Abs. 2 geregelten Ausnahmen waren bisher in § 10 Abs. 2 der PolVO. (Jugendliche auf Reisen) und in dem RdErl. d. RMdlnnern v. 1. 7. 1943 (MBliV. S. 1127, 1297) aufgeführt. 2) bisher: „Gaststätten aller Art". Der Wegfall der Worte „aller Art" bedeutet keine sachliche Einschränkung. 3) Zum Begriff der Begleitung ist nicht erforderlich, daß beide in unmittelbarer Nähe bleiben; der Erziehungsberechtigte muß aber stets in der Lage sein, das Verhalten des Jugendlichen zu überwachen (vgl. die entsprechende Auslegung des § 14 Reichsjagdges. (im Hauptwerk B IX 1 Anm. 4 zu § 14). 4) Vgl. § 11 und Anm. 2 zu § 11. 5) In Betracht kommen neben Jugend- und Schulveranstaltungen auch Veranstaltungen der Gewerkschaften, von Bauernverbänden und anderen Berufsorganisationen (Abg. Dr. Jaeger, 169. Sitzung des Bundestags v. 17. 10. 1951, Prot. S. 6956). 6) Der Jugendliche muß diese Voraussetzung nachweisen, was z. B. nicht durch den Besitz einer Bahnsteigkarte geschehen kann. Zu § 3: 1) Ein Verbot des Alkoholgenusses für Jugendliche enthielt § 7 der PolVO. v. 10. 6. 1943, während das an den verabreichenden Gastwirt usw, gerichtete Verbot sich in § 16 Gaststättenges, (vgl. Hauptwerk B I I I 5) fand. Das Verbot an den Jugendlichen ist jetzt, entsprechend der Tendenz des Ges. (s. Vorbem.) weggefallen und die entsprechenden Vorschriften des § 16 Gaststättenges, sind durch den vorliegenden § 3 übernommen und z. T. erweitert. a) § 16 Abs. 1 Ziff. 1 verbot das Verabreichen von Branntwein und überwiegend branntweinhaltigen Genußmitteln an Jugendliche zu e i g e n e m G e n u ß . § 3 verbietet demgegenüber 1) jedqs Verabfolgen, also auch wenn es für den Genuß eines Dritten erfolgt, um zu verhindern, daß der Jugendliche in eine besondere Gefährdung gerät, und darüber hinaus 2) das Gestatten des Genusses, also auch, wenn der Jugendliche branntweinhaltige Getränke selbst mitbringt oder sie ihm in der_ Gaststätte von einem Dritten, selbst vom Erziehungsberechtigten, überlassen werden.

§§ 2 - 4

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Branntwein3) weder verabfolgt noch sein Genuß gestattet werden. Das gleiche gilt für überwiegend branntweinhaltige Genußmittel4). (2) Andere alkoholische Getränke dürfen an Jugendliche unter 16 Jahren nicht verabreicht werden, wenn' sich diese nicht in Begleitung eines Erziehungsberechtigten5) befinden.

§ 4. öffentliche Tanzveranstaltungen.1) (1) Die Teilnahme2) an öffentlichen Tanzveranstaltungen3) darf Jugendlichen unter 16 Jahren nicht gestattet werden. b) § 16 Abs. 1 Ziff. 2 Gaststättenges, verbot die Verabreichung anderer geistiger Getränke an Personen unter 16 Jahren in Abwesenheit der Erziehungsberechtigten zu e i g e n e m Genuß. Da die Worte „zu eigenem Genuß" in § 3 Abs. 2 fehlen, ist die Verabreichung alkoholischer Getränke an Jugendliche ohne Begleitung auch dann verboten, wenn die Getränke zum Genuß Dritter bestimmt sind, wenn also z. B. ein 15 Jähriger im Auftrag seines Vaters eine Kanne Bier in einer Gastwirtschaft holt. Die Begr. zu § 3 nimmt allerdings an, daß § 3 Abs. 2 den Bestimmungen des Gaststättenges, entspreche. Sofern das bedeuten soll, daß § 3 Abs. 2 das bisherige Recht unverändert wiedergebe, kann dem nicht gefolgt werden, denn wenn in § 3 Abs. 1 die Weglassung der genannten Worte zur Folge hat, daß jede Verabfolgung verboten ist — wie die Begr. selbst annimmt —, so kann der Sinii des Abs. 2 kein anderer sein. Daß Abs. 1 von „verabfolgen", Abs. 2 dagegen von „verabreichen" spricht, rechtfertigt eine abweichende Auslegung des Abs. 2 nicht; beide Worte haben den gleichen Sinn ( = überlassen, so daß die tatsächliche Herrschaft des Jugendlichen begründet wird, und zwar gleichviel ob gegen Entgelt oder unentgeltlich). c) Nach § 29 Ziff. 8 Gasfstättenges. war mit Haft und Geldstrafe bis zu 150 DM bedroht, wer dem § 16 zuwiderhandelte. Da diese Vorschrift den Täter kreis nicht näher umgrenzt („wer"), ist sie dahin verstanden worden, daß nicht nur der Inhaber, sein Vertreter oder ein leitender Angestellter, sondern auch ein Kellner Täter sein könne, OLG. Kiel D J . 1940, 1039. § 13 des vorl. Gesetzes verschärft die Strafdrohung, indem bei vorsätzlicher Begehung Vergehensstrafe, bei Fahrlässigkeit Übertretungsstrafe (im Rückfall unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 2 ebenfalls Vergehensstrafe) angedroht wird. Andrerseits ist der Täterkreis in § 13 so eingeengt, daß der Kellner nicht darunter fällt; er kann aber nach § 14 mit Übertretungsstrafe bestraft werden. 2) Darunter fallen auch verheiratete Frauen. 3) auch unverarbeiteter (vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 1 Gaststättenges. — B I I I 5 —). 4) Darunter können z. B. auch ausländische Süßweine fallen (vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 16 Gaststättenges. — B I I I 5 —)» 5) Vgl. Anm. 3 zu § 2, § 11 und Anm. 2 zu § 11. Zu § 4 : 1) Bisheriges Recht: § 5 der PolVO. v. 10. 6. 1943, der aber nicht unverändert übernommen ist (s. Anm. 4, 6). Ausnahmen sind gemäß § 10 zulässig, der die Möglichkeit geben soll, bei besonderen landesüblichen Festen die Beschränkungen des § 4 zu lockern. 2) § 4 unterscheidet zwischen der Teilnahme an öffentlichen Tanzveranstaltungen und der Anwesenheit bei solchen. Teilnahme bedeutet sowohl die unmittelbare Beteiligung am Tanz wie die Anwesenheit bei der Tanzveranstaltung in der Absicht einer solchen Beteiligung (ohne daß es in letzterem Falle zur Beteiligung gekommen zu sein braucht, z. B. weil der Tanzlustige keinen Tanzpartner findet). Anwesenheit bei einer Tanzveranstaltung dagegen bedeutet: sich in unmittelbarer Nähe ohne Beteiligungsabsicht aufhalten. 3) T a n z v e r a n s t a l t u n g („Tanzlustbarkeit" i. S. des § 33c GewO.) ist ein von einem Veranstalter (§ 13) organisiertes Unternehmen, das darauf gerichtet ist, den Teilnehmern die Möglichkeit gemeinsamen Tanzens zu gewähren. Ö f f e n t l i c h ist eine Tanzveranstaltung, wenn sie dem Publikum als solchem, also einem unbestimmten, nicht fest geschlossenen Personenkreis zugänglich ist (vgl. Hauptwerk Anm. 3 zu § 284 StGB.); diese Voraussetzungen sind auch dann gegeben, wenn der Zutritt von der Erfüllung gewisser einschränkend wirkender Bedingungen abhängig gemacht ist, 'wie Zahlung eines Eintrittsgeldes, Tragen festlicher Kleidung. Ob die Veranstaltung in Räumen oder im Freien stattfindet, ist bedeutungslos, ebenso, ob sie den gewerberechtlichen (vgl. § 33 c GewO.) und polizeilichen Vorschriften entspricht. Nicht öffentlich ist eine Veranstaltung, die sich auf einen geschlossenen, unter sich verbundenen Personenkreis beschränkt (Hausball, nur für Mitglieder zugängliche Weihnachtsfeier eines Vereins usw.). —

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4. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit.

(2) Die Anwesenheit4) bei öffentlichen Tanzveranstaltungen darf Jugendlichen unter 16 Jahren für die Zeit bis 22 Uhr gestattet werden, wenn sie sich in Begleitung eines Erziehungsberechtigten5) befinden. (8) Die Anwesenheit bei öffentlichen Tanzveranstaltungen und die Teilnahme an diesen darf Jugendlichen im Alter von 16 bis 18 Jahren, wenn sie sich in Begleitung eines Erziehungsberechtigten befinden, nach 22 Uhr bis 246) Uhr gestattet werden. § 5. Varieté-, Kabarett- und Revueveranstaltungen 1 ). (1) Der Zutritt zu Varieté-,2) Kabarett-3) und Revueveranstaltungen4) darf Jugendlichen unter 16 Jahren nicht gestattet werden. (2) Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren dürfen zu solchen Veranstaltungen zugelassen werden, die durch eine besondere Vorschrift als geeignet zur Vorführung vor Jugendlichen anerkannt sind5). § 6. öffentliche Filmveranstaltungen 1 ). (1) Zu öffentlichen Filmveranstaltungen2) dürfen zugelassen werden: 1. Kinder im Alter bis zu 10 Jahren, wenn die dabei vorgezeigten Filme als jugendfördernd anerkannt sind und die Veranstaltung bis spätestens 20 Uhr beendigt ist, Kinder unter 6 Jahren jedoch nur in Begleitung der Erziehungsberechtigten3) ; 2. Jugendliche im Alter von 10 bis 16 Jahren, wenn die dabei vorgezeigten Filme als geeignet zur Vorführung vor Jugendlichen anerkannt sind und die Veranstaltung bis 22 Uhr beendigt ist. 4) Über den Begriff Anwesenheit s. Anm. 2. § 5 der PolVO. v. 10. 6. 1943 verbot Jugendlichen unter 16 Jahren den Aufenthalt in Räumen, in denen öffentliche Tanzlustbarkeiten stattfinden, ließ also die Anwesenheit bei Tanzveranstaltungen im Freien ohne weiteres zu, soweit kein Herumtreiben i. S. des § 1 PolVO. vorlag. § 4 des Ges. mildert das Verbot der Anwesenheit in Räumen, indem er sie bei Begleitung durch Erziehungsberechtigte bis 22 Uhr gestattet, dehnt aber gleichzeitig diese Vorschrift auf die Anwesenheit Jugendlicher bei Veranstaltungen im Freien aus, so daß § 4 höhere Anforderungen an die Veranstalter, Gewerbetreibenden und Behörden stellt als die PolVO. 5) Vgl. Anm. 3 zu § 2, § 11 und Anm. 2 zu § 11. 6) Nach § 5 der PolVO. bisher nur bis 23 Uhr. Z u § 5 : 1) § 4 der PolVO. verbot Jugendlichen unter 18 Jahren schlechthin den Besuch, während das Verbot für die Altersstufe von 16 bis 18 jetzt unter den Voraussetzungen des Abs. 2 gelockert ist. § 4 der PolVO. sprach von ö f f e n t l i c h e n Varité- usw. Vorführungen, während dies einschränkende Merkmal jetzt fehlt. Eine Änderung des Sinnes der Vorschrift ist damit kaum verbunden, da solche Vorführungen — anders als Tanzveranstaltungen — ihrer Natur nach kaum anders als öffentlich veranstaltet werden. Die Begr. zu § 5 geht denn auch ohne weiteres davon aus, daß die Abweichung gegenüber dem bisherigen Recht nur durch § 5 Abs. 2 begründet werde. Ausnahmevorschrift: § 10. 2) = Schaubühne für Musik-, Tanz- und akrobatische Vorführungen. 3) = Kleinkunstbühne mit Liedern, Sketchs und Tänzen. 4) = Theaterstück aus zahlreichen, lose zusammenhängenden Bildern mit großer Ausstattung. 5) Eine solche Anerkennung muß durch eine Verwaltungsregelung der für den Ort der Veranstaltung zuständigen Landesregierung oder der von ihr ermächtigten Stelle generell oder im Einzelfall erfolgen (Begr.). Z u § 6 : 1) Nach § 3 der PolVO. v. 10. 6. 1943 war der Besuch von öffentlichen Lichtspielvorführungen, die nach 21 Uhr endeten, Jugendlichen unter 18 Jahren ohne Begleitung eines Erziehungsberechtigten verboten. § 6 setzt das Schutzalter auf 16 Jahre herab und regelt im übrigen den Filmbesuch nach Altersgruppen verschieden. 2) Vgl. Anm. 3 zu § 4. 3) Vgl. Anm. 3 zu § 2, § 11 und Anm. 2 zu § 11.

§§ 5—8.

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(2) Das Recht der Anerkennung nach Abs. 1 steht der obersten Landesbehörde zu4). § 7. Teilnahme am Glücksspiel 1 ). Der Zutritt zu öffentlichen Spielhallen2), die Teilnahme an Glücksspielen3) sowie die Benutzung von Glückspielgeräten4), darf Jugendlichen unter 16 Jahren nicht gestattet werden. § 8. Genuß von Tabakwaren 1 ). Jugendlichen unter 16 Jahren darf der Genuß von Tabakwaren2) in der Öffentlichkeit3) nicht gestattet werden4). 4) Nach den Vorschlägen des Entw. sollte im Interesse einheitlicher Handhabung der Bundesregierung das Recht zustehen, die anerkennungsberechtigten Stellen zu bestimmen. Dieser Vorschlag stieß auf verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 83, 84, 87 Abs. 3 GG. (vgl. Abg. Dr. Jaeger, 169. Sitzung des Bundestags, Prot. S. 6957). Man ging davon aus, daß bereits eine Prädikatisierungsstelle für Filme in Wiesbaden besteht, die durch Verwaltungsabkommen der Deutschen Länder geschaffen wurde und der durch ein Zusatzabkommen die Zuständigkeit nach § 6 Abs. 2 beigelegt werden könnte. In der Zwischenzeit Übergangsregelungen der Länder, z. B. für Hessen RdErl. v. 9. 1. 52, Staatsanz. S. 39. Zu § 7: 1) Bisheriges Recht: § 6 der PolVO. v. 10. 6. 1943, der aber nur mit Änderungen übernommen wurde. Insbesondere wurde das Schutzalter, auch für den Zutritt zu Spielhallen, auf 16 Jahre herabgesetzt („weil in den Statuten der Spielbanken selbst eine Altersgrenze festgesetzt ist, die z. T. sogar noch höher liegen soll", Abg. Dr. Jaeger, 169. Sitzung des Bundestags, Prot. S. 6957). Die Voraussetzung, daß die Benutzung des Spielgeräts gegen Entgelt erfolge, ist fallen gelassen und es kommt nicht mehr darauf an, ob der Jugendliche von einem Erziehungsberechtigten begleitet wird. Der Anlaß für § 7 ist die Gefährdung von Jugendlichen durch das gesamte in öffentlichen Spielhallen anzutreffende Milieu und die besondere Gefährdung, die bei Jugendlichen durch die Spielleidenschaft hervorgerufen wird (Begr.). 2) § 6 der PolVO. sprach von „öffentlichen Schieß- oder Spielhallen und ähnlichen Räumen, in denen für die Benutzung von Schieß- oder Spielgeräten ein Entgelt erhoben wird" und von der entgeltlichen Benutzung von „Schieß- oder Spielgeräten". Da § 7 des Ges. demgegenüber von der „Teilnahme an Glücksspielen" und der „Benutzung von Glücksspielgeräten" spricht, so ist damit klargestellt, daß unter Spielhallen nur öffentliche Räumlichkeiten zu verstehen sind, in denen Glücksspiele veranstaltet werden oder die vorwiegend der Aufstellung von Glücksspielgeräten dienen. Wenn die Begr. zu § 7 ausführt: „ F ü r die Frage, welche Veranstaltungen im einzelnen als Spielhallen oder Glücksspiele und welche Einrichtungen als Glücksspielgeräte anzusehen sind, ist entscheidend, ob der Inhalt des Spieles die Spielleidenschaft anspricht, oder ob die Umgebung, in der gespielt wird, eine Gefährdung f ü r den Jugendlichen darstellt", so ist damit für eine exakte Umgrenzung der Begriffe, wie sie für die Anwendung des § 13 erforderlich ist, nichts gewonnen. Eine Gastwirtschaft, in der ein Spielautomat aufgestellt ist, ist keine Spielhalle. Über den Begriff „öffentlich" s. Anm. 3 zu § 4. 3) „Glücksspiel" ist hier das gleiche wie in § 284 StGB. (vgl. Hauptwerk Anm. 4 zu § 284). E s muß sich also um Spiele um Vermögenswerte handeln, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig ist oder doch die Wahrscheinlichkeit, auf den Ausgang des Spiels durch Geschicklichkeit oder Berechnung einzuwirken, nach der Anlage des Spiels so gering ist, daß in der großen Mehrzahl der Einzelspiele mit dieser Fähigkeit des Spielers nicht zu rechnen ist. Ob das Glücksspiel behördlich genehmigt und ob es öffentlich veranstaltet ist, ist ohne Bedeutung, ebenso, ob sich der Jugendliche durch Beteiligung am Glücksspiel nach § 284a StGB, strafbar macht. Daß kindliche Spiele (z. B. mit Murmeln) nicht hierunter fallen, bedarf keiner Hervorhebung. Ein Totoverbot für Jugendliche ist nicht aufgenommen, „weil im Hinblick auf die Art der Durchführung der Totowetten eine besondere gesetzliche Regelung erforderlich erscheint" (Begr. zu § 7). — Die B e t e i l i g u n g am Glücksspiel geschieht regelmäßig durch Leistung des Einsatzes. 4) Glücksspielgeräte sind mechanisch betriebene Apparate, die die in Anm. 3 bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. Auch hier ist bedeutungslos, ob sie nach § 33 d GewO. genehmigt sind und ob sie öffentlich betrieben werden; auch k o m m t es nicht darauf an, ob die Benutzung entgeltlich ist oder nicht (s. Anm. 1). Z u § 8 : 1 ) § 8 entspricht dem § 8 der PolVO. v. 10. 6.1943, jedochistdas Schutzalter auf 16 Jahre herabgesetzt. Das Verbot richtet sich nicht an den Jugendlichen, sondern die in §§ 13, 14

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4. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit.

§ 9. Aushangspflicht1). Gewerbetriebende und Veranstalter haben die nach den §§ 2 bis 8 für ihre Betriebseinrichtungen und Veranstaltungen geltenden Vorschriften in einer deutlich erkennbaren Form2) bekanntzumachen.

§ 10. Ausnahmen. Von den einschränkenden Vorschriften der §§4 und 5 können auf Vorschlag der im Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt v. 9. 7. 1922 (RGBl. I S. 638) vorgesehenen Stellen (Landesjugendamt, Jugendamt) Ausnahmen zugelassen werden1).

§ 11. Beauftragte des Erziehungsberechtigten1). Den Erziehungsberechtigten2) im Sinne der vorstehenden Bestimmungen stehen volljährige3) Personen gleich, die von den Erziehungsberechtigten mit der Begleitung eines Jugendlichen beauftragt sind.

§ 12. Maßnahmen gegen Jugendliche1). Bei Jugendlichen, die 1. gemäß § 1 gemeldet werden, 2. beim Aufenthalt in Räumen oder bei der Teilnahme2) an Veranstaltungen entgegen den Vorschriften der §§2 und 4 bis 7 angetroffen werden, genannten Personen, z. B. gegen den Wirt, der zuläßt, daß Jugendliche in seinem Lokal rauchen oder den Erziehungsberechtigten, in dessen Begleitung der Jugendliche sich befindet. 2) Jeder Art, also auch Kautabak. 3) D. h. an Orten, wo es öffentlich — von einer unbestimmten Personenzahl — wahrgenommen wird oder deshalb wahrgenommen werden könnte, weil nach den örtlichen Verhältnissen in jedem Augenblick solche Personen zur Stelle sein können. Es kommt also nicht darauf an, ob im Augenblick des Tabakgenusses tatsächlich andere Personen ihn wahrnehmen. Andrerseits genügt es allein nicht, daß der-Tabakgenuß in einem öffentlichen Raum erfolgt (z. B. während der Schulpause in einem Schulraum, in dem sich nur Klassenkameraden befinden). 4) Die Verabfolgung von Tabakwaren im Betrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft zu eigenem Genuß an Jugendliche unter 16 Jahren in Abwesenheit des Erziehungsberechtigten ist nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 Gaststättenges. — Hauptwerk B III 5 — ,der durch die in Anm. 1 zu § 3 bezeichneten Änderungen nicht berührt ist, verboten und nach § 29 Ziff. 8 Gaststättenges. strafbar. Zu § 9: 1) Bisher § 10 der PolVO. v. 10. 6. 1943. Strafvorschrift: § 13 Abs. 2. 2) Der Aushang muß auch nach seinem Inhalt insbesondere für Jugendliche verständlich sein. Zu § 10: 1) Durch die Landesregierungen oder die von ihnen ermächtigten Stellen. Zu § 11: 1) Bisher § 9 der PolVO. v. 10. 6. 1943. 2) Erziehungsberechtigte sind in erster Linie diejenigen, denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und des Ehegesetzes 1946 (§ 74) das Recht der Sorge für die Person des. Jugendlichen zusteht, also die Eltern (einschl. der Adoptiveltern), die uneheliche Mutter, der Vormund und Pfleger, ferner solche Personen, denen der Sorgeberechtigte ausdrücklich oder stillschweigend die Obhut über den Jugendlichen als Erzieher, Lehrer, Lehrmeister und in einem ähnlichen Verhältnis anvertraut hat. 3) D. h. Personen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben oder für volljährig erklärt sind (§§ 2, 3 BGB.). Z u § 12:1) Über den Grundgedanken des § 12 s. Vorbem. von § 1. Die §§ 1 bis 8 enthalten keine an den Jugendlichen selbst gerichtete Gebots- oder Verbotsnorm, so daß auch eine gegen den Jugendlichen gerichtete Strafsanktion nicht in Betracht kam. 2) Also nicht bei bloßer Anwesenheit bei Tanzveranstaltungen im F r e i e n (§ 4 Abs. 2, 3), soweit nicht § 1 Anwendung findet.

§§ 9—13.

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3. bei einem nach § 8 verbotenen Alkoholgenuß oder nach § 8 verbotenen Tabakgenuß betroffen werden, leitet das Jugendamt die auf Grund der bestehenden Vorschriften zulässigen Maßnahmen ein3). Der Vormundschaftsrichter kann auf Antrag des Jugendamts oder von Amts wegen Weisungen erteilen4).

§ 13. Strafvorschriften gegen Veranstalter und Gewerbetreibende1). (1) Veranstalter, Gewerbetreibende2) und sonstige Personen, denen die Leitung eines Betriebes oder eines Teiles des Betriebes oder deren Beaufsichtigung übertragen worden ist3), werden, soweit nicht nach anderen Vorschriften eine höhere Strafe angedroht ist4), bei vorsätzlicher Zuwiderhandlung6) gegen die §§2 bis 8 mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Zuwiderhandlungen®) gegen die Vorschriften des § 9 sowie fahrlässige Ver3) Die Worte „die auf Grund der bestehenden Gesetze zulässigen Maßnahmen" stellen klar, daß dem Jugendamt gegenüber dem Jugendlichen wie dem Erziehungsberechtigten keine weitergehenden Maßnahmen zustehen, als es nach den Vorschriften des Jugendwohlfahrtsges. im Wege der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 JWG.) ergreifen kann. Das Jugendamt prüft, ob und welcher Maßnahmen es bedarf. Vielfach genügt es, wenn das Jugendamt die Eltern oder die Schule unterrichtet oder den Jugendlichen vorlädt und ermahnt. Auch können Weisungen des Vormundschaftsrichters nach § 12 Satz 2 (s. Anm. 3) herbeigeführt werden. Stellen sich bei der Nachprüfung des Erziehungsstandes des Jugendlichen schwere, auf andere Art nicht zu behebende Erziehungsschäden heraus, so muß der Vormundschaftsrichter angegangen werden, der nach §§ 1666, 1838 BGB. vorgehen oder Schutzaufsicht und Fürsorgeerziehung (§§ 56ff. JWG.) anordnen kann. 4) Diese Vorschrift ist neu (vgl. Begr. zu § 12). Nach §§ 11,12 J G G . — H a u p t w e r k e I I 3— kann der Richter, wenn ein Jugendlicher ein Strafgesetz verletzt hat, als Erziehungsmaßregeln ihm Weisungen erteilen. Das gleiche Weisungsrecht ist, obwohl strafrechtliche Verstöße des Jugendlichen hier nicht vorliegen, in Satz 2 dem Vormundschaftsrichter gegenüber dem Jugendlichen eingeräumt worden. Er kann also Gebote und Verbote aussprechen, die die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen, z. B. ihm verbieten, Gast- und Vergnügungsstätten zu besuchen, geistige Getränke zu genießen oder zu rauchen. Anders als nach § 19 JGG., wonach bei schuldhafter Nichtbefolgung der Weisungen Jugendarrest verhängt werden kann, ist freilich hier ein besonderes Mittel zur Erzwingung des Gehorsams gegenüber den Weisungen nicht vorgesehen, der Vormundschaftsrichter muß vielmehr dann prüfen, ob Anlaß zur Ergreifung einschneidenderer Erziehungsmaßregeln, soweit deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen, gegeben ist. Zu § 13: 1) Die Strafvorschrift ist gegenüber § 12 Abs. 2 b der PolVO. v. 10. 6. 1943, der Übertretungsstrafe androhte, verschärft. 2) Veranstalter oder Gewerbetreibender ist, wer nach außen dem Publikum und den Behörden gegenüber als die bürgerlich- und öffentlich-rechtlich f ü r die Veranstaltung (den Betrieb) verantwortliche Person auftritt. 3) Der Kreis der Hilfspersonen des Veranstalters oder Inhabers des Gewerbebetriebs ist im Anschluß an § 151 Abs. 1 GewO. („Personen, welche der Gewerbetreibende zur Leitung des Betriebs oder eines Teils desselben oder zur Beaufsichtigung bestellt hatte") umschrieben worden. Die bei der Auslegung des § 151 GewO. insoweit herausgebildeten Rechtsgrundsätze (vgl. darüber etwa die 33. Aufl. des Hauptwerks Anm. 80azu § 151) gelten deshalb auch hier. Leiter des Betriebs oder eines Teils ist, wem die Ausübung des Betriebs derart übertragen worden ist, daß der Veranstalter oder Gewerbetreibende sich selbst um diesen Teil nicht kümmert. Die Übertragung der Beaufsichtigung kann sich aus der Art der Tätigkeit ergeben; sie kann auch neben einer anderen Tätigkeit ausdrücklich oder stillschweigend durch den Unternehmer oder Leiter erfolgt sein. Einem Kellner (vgl. etwa §§ 2, 3) ist die Beaufsichtigung nicht übertragen; der Wirt kann sich aber bei nicht genügender Beaufsichtigung nach Abs. 2, der Kellner selbst nach § 14 strafbar machen. 4) Auch die Zulässigkeit gewerberechtlicher Maßnahmen, die sich aus anderen Vorschriften ergibt (z. B. die Entziehung der Schankkonzession nach dem Gaststättenges.) bleibt unberührt. 5) Bedingter Vorsatz (insbes. hinsichtlich des Alters des Jugendlichen) genügt. 6) Zuwiderhandlungen gegen § 9 sind nur bei Vorsatz strafbar; die Rückfallsschärfung nach Satz 2 kommt deshalb bei ihnen nicht in Betracht.

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4. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit.

stoße gegen die Vorschriften der §§ 2 bis 8 werden mit Haft bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 150 Deutsche Mark bestraft. Eine fahrlässige Zuwiderhandlung6), die einen innerhalb eines Jahres wiederholten Verstoß gegen dieselbe Vorschrift darstellt, kann mit den in Absatz 1 bezeichneten Strafen bestraft werden7). § 14. Strafvorschriften gegen andere Personen. Personen über 18 Jahre1), die einen Jugendlichen einer Gefährdung aussetzen2), die nach den Vorschriften der §§ 1 bis 8 von ihm ferngehalten werden soll, werden, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine höhere Strafe verwirkt ist, mit Geldstrafe bis zu 150 Deutsche Mark oder Haft bis zu sechs Wochen bestraft. 7) Die Rückfallsschärfung setzt nur voraus, daß der Täter binnen Jahresfrist vor Begehung der Fahrlässigkeitstat vorsätzlich oder fahrlässig gegen die gleiche Vorschrift verstoßen h a t ; daß der Täter wegen der ersten T a t schon bestraft oder daß deshalb gegen ihn ein Strafverfahren anhängig oder die erste T a t vor der zweiten entdeckt worden sei, ist nicht erforderlich. Die Frage, ob es sich um selbständige Taten handeln muß, taucht nicht auf, wenn m a n mit der h. M. (vgl. Hauptwerk Anm. 2c Abs. 3 zu § 74 StGB.) annimmt, daß Fortsetzungszusammenhang bei fahrlässigen Handlungen und beim Zusammentreffen vorsätzlicher und fahrlässiger Taten nicht möglich ist. Die Rückfallsschärfung ist fakultativ („kann"); d. h. es steht dem Richter frei, auf H a f t oder Geldstrafe bis zu 150 DM zuerkennen. Da aber das zulässige Höchstmaß der Geldstrafe erhöht und wahlweise Gefängnis angedroht ist, ist die T a t ein Vergehen; die Mindestgeldstrafe beträgt daher 3 DM. Zu § 14: 1) § 12 Abs. 2a und c der PolVO. v. 10. 6. 1943 bedrohte mit Übertretungsstrafe 1. die Erziehungsberechtigten und die von ihnen beauftragten Personen, die vorsätzlich oder fahrlässig durch Verletzung der,Aufsichtspflicht Jugendlichen Verstöße gegen die PolVO. ermöglichten; 2. sonstige Personen über 18 Jahre, die vorsätzlich Jugendlichen Verstöße gegen die PolVO. ermöglichten, wobei „ermöglichen" lediglich bedeutet: Gelegenheit zu Verstößen geben. § 14 unterscheidet jetzt im Tatbestand nicht mehr zwischen Erziehungsberechtigten, Beauftragten und sonstigen Personen. 2) Da die Vorschriften des Ges. sich nicht mehr an den Jugendlichen richten, sondern ein gefahrdrohendes Verhalten beschreiben, das dem Jugendlichen von anderen Personen ferngehalten werden soll, konnte das unter Strafe gestellte Verhalten der Erziehungsberechtigten, Beauftragten und sonstigen Personen nicht mehr mit „Jugendlichen Verstöße ermöglichen" umschrieben werden. Aber abgesehen von der Notwendigkeit, das verbotene Verhalten der veränderten rechtlichen Konstruktion entsprechend anders zu umschreiben, h a t sich an dem Sinn der Strafvorschrift gegenüber dem bisherigen Recht nichts geändert. „Der Gefährdung aussetzen" bedeutet: Die Gefahr (die nach den §§ 1 bis 8 ferngehalten werden soll) schaffen (oder aufrechterhalten), wobei die Schaffung der Gefahr auch darin bestehen kann, daß der Täter den Eintritt der Gefahr oder die schon eingetretene Gefahr nicht abwendet. Wegen Nichtabwendung der Gefahr kann aber nur bestraft werden, wen eine Rechtspflicht zur Abwendung trifft (also die Erziehungsberechtigten und Beauftragten, die ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllen), während die übrigen Personen bestraft werden, wenn sie durch ihr Tun die Gefahr herbeiführen (Beispiel: Ein Erwachsener fordert einen Jugendlichen u n t e r 16 Jahren zur Teilnahme an einer öffentlichen Tanzveranstaltung auf [§ 4] oder ein Kellner reicht einem solchen Jugendlichen in einer Gaststätte Feuer zum Anzünden der Zigarette [§ 8]). Die T a t kann in beiden Fällen nur v o r s ä t z l i c h begangen werden. Das ergibt sich daraus, daß § 14 — im Gegensatz zu § 13 — die Schuldform nicht erwähnt, so daß nach allgemeinen strafrechtlichen Auslegungsgrundsätzen nur die vorsätzliche Begehung als unter Strafe gestellt anzusehen ist. Es ergibt sich aber auch aus der Entstehungsgeschichte des § 14. Im ursprünglichen Entw. (BT.-Drucksache Nr. 180) lautete die Vorschrift: „Personen ü b e r 18 Jahre, die einem Jugendlichen zur Zuwiderhandlung gegen das Verbot des § 1 verleiten oder ihn v o r s ä t z l i c h einer Gefährdung aussetzen, die ... von ihm ferngehalten werden soll ...". H ä t t e der BT.-Ausschuß im Gegensatz dazu beabsichtigt, auch die fahrlässige Gefährdung zu bestrafen, so wäre dies zweifellos ausdrücklich hervorgehoben worden. Wegen Gefährdung durch Verletzung der Aufsichtspflicht kann daher nur bestraft werden, wer um die Gefahr gewußt (also z. B. die Absicht des Jugendlichen, allein eine Gaststätte aufzusuchen, § 2, gekannt) oder mit ihr gerechnet und sie billigend hingenommen h a t (bedingter Vorsatz).

§§ 14, 15

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§ 15. Inkrafttreten. (1) Dieses Gesetz tritt vier Wochen nach Verkündung1) in Kraft. Gleichzeitig tritt die Polizeiverordnung zum Schutze der Jugend vom 10. Juni 1948 (RGBl. I S. 849) außer Kraft. (2) Dieses Gesetz gilt auch im Lande Berlin, sobald es gemäß Artikel 87 Abs. 2 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat.

5. Gesetz zur Änderung des § 410 der Reichs abgabenordnung Vom 7. Dezember 1951 (BGBl. I S. 941). Vorbemerkung. Die bisher in der Bundesrepublik geltende, auf dem Gesetz des Wirtschaftsrats v. 20. 4. 1949 (WiGBl. S. 69) beruhende Fassung des § 410 RAbgO. ist im Hauptwerk S. 512 (als Anm. *) zu § 410 unter B VI) abgedruckt. Die wesentliche Neuerung, die § 410 i. d. F. v. 1949 gegenüber der vorher geltenden Fassung des § 410 (ebenfalls äbgedr. Hauptwerk S. 512) brachte, bestand in folgendem: nach dem früheren Recht war die Erlangung der Straffreiheit davon abhängig, daß a) o b j e k t i v eine Anzeige gegen den Täter noch nicht erstattet und eine Untersuchung gegen ihn noch nicht eingeleitet war und b) s u b j e k t i v der Täter nicht durch die unmittelbare Gefahr der Entdeckung zur Selbstanzeige veranlaßt war. Das Erfordernis zu a) stieß auf das Bedenken, daß dem Reuigen der Weg zur Straffreiheit nicht durch eine ihm unbekannte Anzeige oder Untersuchungseinleitung abgeschnitten werden dürfe. Um die Steuermoral zu heben, erleichterte das Gesetz v. 20. 4. 1949 die Voraussetzungen der Straffreiheit, indem es auf das Erfordernis zu b) verzichtet und den Ausschluß der Straffreiheit im übrigen erst eintreten ließ, wenn dem Täter die Einleitung der Untersuchung e r ö f f n e t worden war. Der Begriff „Einleitung der Untersuchung" wurde durch § 1 der 1. DVO. v. 2. 6. 1949 (WiGBl. S. 94 )authentisch erläutert; gegen die Gültigkeit dieser VO. wurden jedoch Bedenken geltend gemacht (vgl. Dünnebier DRiZ. 1951, 91). Diese Erleichterungen der tätigen Reue hatten jedoch zur Folge, daß Steuerpflichtige vielfach mit der Erfüllung ihrer Steuerpflichten abwarteten, bis sie damit rechnen mußten, daß ihnen die Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung eröffnet wurde. Es war sogar streitig, ob der Steuerpflichtige noch in der Zeit nach einer ihm bekannt gewordenen vollständigen Aufklärung des Steuervergehens durch das Finanzamt, aber vor der Eröffnung der Einleitung einer Untersuchung strafbefreiende Selbstanzeige erstatten könne (bejahend OLG. Stuttgart „Betriebsberater" 1950, 582 und OLG Bremen DRiZ. 1951 Nr. 347; verneinend — weil bloße Anerkennung eines festgestellten Sachverhalts keine Berichtigung sei — Ahrens SchlHA. 1951, 17). Die Entscheidung des OLG. Stuttgart war — nach den Ausführungen des Abg. Dr. Miessner in der 174. Sitzung des Bundestags v. 14. 11. 1951, Prot. S. 7161 — wohl für die Bundesreg. der Anlaß, am 30. 6. 1951 einen auf die Verschärfung der Straffreiheitsvoraussetzungen gerichteten Entw. zur Änderung des § 410 einzubringen (BT-Drucksache Nr. 2395). Im BTAusschuß erhielt der Antr. die jetzt Gesetz gewordene Fassung (BT-Drucksache Nr. 2751), die der Bundestag in 2. und 3. Lesung am 14. 11. 1951 verabschiedete. Die neue Fassung des § 410 verschärft die Voraussetzungen für die Erlangung von Straffreiheit, indem sie in Rückkehr zu dem vor dem Ges. v. 20. 4. 1949 geltenden Recht wieder ein subjektives Erfordernis aufstellt, nämlich (Abs. 2) tätige Reue ausschließt, wenn der Täter weiß oder damit rechnen muß, daß die Tat entdeckt ist. In objektiver Hinsicht ist das bisherige Recht darin beibehalten, daß erst mit der E r ö f f n u n g der Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung an den Täter strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen ist; der Eröffnung ist aber jetzt das Erscheinen eines Prüfers der Finanzbehörde zur steuerlichen oder steuerstrafrechtlichen Prüfung gleichgestellt, und zwar aus der Erwägung, „daß die Betriebsprüfung ein ganz normales finanzamtliches Verfahren ist, das sich turnusmäßig alle drei Jahre in jedem Betrieb wiederholt" (Abg. Dr. Miessner aaO.). Gleichzeitig wurde die Z u § 15:1) Die Verkündung ist am 6. 12. 1951 erfolgt; Inkrafttreten daher am 3. 1. 1952.

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5. Gesetz zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung

1. DVO. v. 2. 6. 1949 als neuer Abs. 4 in den § 410 eingearbeitet. Eine Verschärfung gegenüber dem § 410 i. d. F . v. 20. 4. 1949 liegt weiter darin, daß im Falle des § 401b RAbgO. (gewerbsund bandenmäßiger oder gewaltsamer Schmuggel) Straffreiheit überhaupt ausgeschlossen ist. Schließlich ist die bisher in § 410 geregelte Straffreiheit bei Steuergefährdung (§ 402) aus § 410 herausgenommen und in einem neu eingestellten § 411 (§ 411 a. F . war durch Axt. I Nr. 18 des Ges. v. 4. 7. 1939 — R G B l . I S. 1181 — gestrichen worden) behandelt und zwar aus der Erwägung, daß die durch § 410 n. F. geschaffenen Verschärfungen bei der Steuergefährdung als einer F a h r l ä s s i g k e i t s t a t nicht am Platze seien; insoweit ist also der seit dem Ges. v. 20. 4. 1949 bestehende Rechtszustand aufrechterhalten worden. Schrifttum: Mattern N J W . 1951, 937.

A r t i k e l I. 1. § 410 der Reichsabgabenordnung vom 22. 5.1981 (RGBl. I S. 161) erhält folgende Fassung:

§ 410. Tätige Reue1).

(1) Wer in den Fällen der §§ 896 und 401 a unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit2) straffrei. Dies gilt nicht, wenn ein Prüfer3) der Finanzbehörde zur steuerlichen oder steuerstrafrechtlichen Prüfung4) erschienen ist oder wenn dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung eröffnet worden ist. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn der Täter im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung wußte oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen mußte, daß' die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt war 5 ). (3) Sind in den Fällen des § 396 Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile gewährt oder belassen, so tritt die Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet. (4) Einleitung der steuerstrafrechtlichen Untersuchung im Sinne von Absatz 1 ist jede Maßnahme des Finanzamts6) einschließlich seiner Hilfsstellen, der Oberfinanzdirektion, der Staatsanwaltschaft, der Gerichte oder der mit der Sache befaßten Beamten 7 ) dieser Behörden, durch die der Entschluß, steuerstrafrechtlich gegen den Beschuldigten einzuschreiten, äußerlich erkennbar betätigt worden ist 8 ). Die Einleitung der Untersuchung ist dem Beschuldigten in dem Zeitpunkt Zu § 410: 1) Auf die Anm. l f f . zu § 410 iin Hauptwerk S. 512f. wird verwiesen. 2) Wirksame Teilselbstanzeige also möglich (anders in Abs. 2). 3) Prüfer ist nicht nur der Betriebsprüfer, sondern auch der Nachschaubeamte nach § 193 RÄbgO. und der Fahndungsbeamte. 4) Gleichgültig, ob sie angekündigt ist oder nicht und ob die Prüfung eine turnusmäßige oder eine besondere ist. 5) Die Tat muß also objektiv schon entdeckt sein; hinzukommen muß aber, daß der Täter dies wußte oder damit rechnen mußte. 6) Auch des Hauptzollamts und der Zollfahndungsstelle. § 1 des Ges. v. 6. 9. 50, BGBl. I S. 448. 7) Durch diese Fassung ist die an den Wortlaut des § 1 der 1. DVO. v. 2. 6. 1949 („jede Maßnahme des Finanzamts oder einer anderen Behörde") anknüpfende Auffassung von Dünnebier, DRiZ. 1951, 91, in der Regel seien nur der Vorstand, sein Vertreter und der Strafsachenbearbeiter des Finanzamts, nicht aber andere Steuerbeamte als Hilfsbeamte der StA. zur Einleitung der Untersuchung befugt, gegenstandslos geworden. „Mit der Sache befaßt" = im Rahmen seiner Zuständigkeit befaßt; daß er s e l b s t ä n d i g für die Behörde zu handeln befugt sei (so OLG. Bremen DRiZ. 1951 Nr. 347 unter der Herrschaft des früheren Rechts), ist nicht erforderlich. 8) § 1 Abs. 1 Satz 2 der 1. DVO. v. 2. 6. 1949 bestimmte ausdrücklich, daß die Einleitung der Untersuchung nicht nach § 441 Abs. 2 RAbgO. aktenkundig gemacht zu sein brauche. Dieser Satz fehlt jetzt. Eine sachliche Änderung liegt darin nicht, denn die Entbehrlichkeit des

§§ 410, 411

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eröffnet, in dem ihm eine gegen ihn gerichtete Maßnahme der im Satz 1 bezeichneten Art amtlich9) mitgeteilt wird. (5) Wird die im § 11710) vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so werden diejenigen, welche die dort bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben haben, dieserhalb strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, daß ihnen vorher die Einleitung einer Untersuchung eröffnet worden ist. 2. Als § 411 der Reichsabgabenordnung v. 22. 5. 1981 (RGBl. I S. 161) wird folgende Vorschrift eingefügt : § 411. Tätige Reue bei Steuergefährdung. (1) Wer in den Fällen des § 402, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung eröffnet worden ist, unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. (2) Die Vorschriften des § 410 Abs. 8 bis 5 gelten entsprechend. Artikel II. Dieses Gesetz gilt auch in Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Artikel 87 Abs. 2 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes in Berlin beschließt. Artikel III. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1952 in Kraft. Es gilt für alle Selbstanzeigen, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstattet werden. Aktenvermerks für die Wirksamkeit der Einleitung ergibt sich schon daraus, daß nach Abs. 4 Satz 1 jede äußerlich erkennbare Betätigung der Verfolgungsabsicht genügt. Mattern NJW. 1951, 940. 9) Es genügt jede amtliche, d. h. in amtlicher Eigenschaft von einer der genannten Behörden oder einem ihrer Beamten ausgehende Mitteilung; sie braucht nicht mehr, wie nach § 410 i. d. F. v. 20. 4. 1949, durch die Steuerbehörde zu erfolgen. 10) Der Text des § 117 ist im Hauptwerk Anm. 8 zu § 410 abgedruckt.

Berichtigung. Im 2. Nachtrag (Dezember 1950) muß die Ziff. 2 des § 362 StPO. (abgedr. S. 50) richtig wie folgt lauten: „2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;"

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Praktische Strafrechtsfälle mit Lösungen (Band I des Gesamtwerkes Petters, Strafrecht u. Strafprozeß) 9., vollkommen umgearbeitete und vermehrte Auflage Oktav. X I X , 523 Seiten. 1949. Preis DM 20.— in Ganzleinen Die seit Jahrzehnten jedem Referendar bekannten Strafrechtsfälle sind soeben in neii£r Auflage erschienen. Per einst schmale Band hat sich zu einem stattlichen, gedankenreichen Werk entwickelt, das fast das gesamte Gebiet des sachlichen Strafrechts mit den wichtigsten Nebengesetzen an 27 Fällen erörtert, 1die mit pädagogischem Geschick ausgesucht und ausgebaut sind. Die „Lösungen' beschränken sich nicht darauf, das Problem des Falles logisch freizulegen, zu entwirren und den Leser, vielfach belehrend, schrittweise an eine lebensnahe Entscheidung heranzuführen, sie bringen nicht zuletzt in anschaulichen Vorbemerkungen und Nachträgen die Grundlagen unserer Strafrechtslehre zum allgemeinen und besonderen Teil, wenn der Tatbestand zu einer solchen Betrachtung Anlaß bietet. Das BemQhen um diese Grundlagen ist offenbar der Erkenntnis entsprungen, die jeder als Ausbilder und Prüfer tätige Richter nur bestätigen kann: daß nämlich der junge Jurist den Einzelfall zu bewältigen vermag, wenn ihm Geschick und ein gesundes Judiz eignet, jedoch bei seiner Einordnung in die dogmatischen Erkenntnisse, die erst das wirkliche Verständnis offenbart, vielfach Schwierigkeiten findet. Dieses Anliegen, dessen sich schon die frttheren Auflagen angenommen hatten, ist nunmehr seiner Bedeutung gemäß bewußt in den Mittelpunkt der Unterweisung einbezogen worden und verleiht dem Werk einen Gebalt, der in dem bescheidenen Titel nicht zum Ausdruck kommt, ihm aber das Prädikat eines wohlgelungenen ,,induktiven Lehrbuches11 einträgt, an dem unser Schrifttum leider so arm ist. Das Praktische und das Theoretische ist mit Maßen gegeneinander abgewogen; beides kennzeichnet die Klarheit der Gedankenfflhrung. Die Fälle hfichstrichterlicher Entscheidungen, die dabei in ihrem tragenden Gedanken dargeboten und verwertet werden, machen das Buch zugleich zu einem wertvollen Auskunftsmittel für den Praktiker, der sich über den neuesten Stand der Rechtsprechung zuverlässig und schnell unterrichten will. Wer als Referendar in den strafrechtlichen Ausbildungsabschnitten dieses Buch durcharbeitet, für den hat das große Staatsexamen auf einem wichtigen Prüfungsgebiet seine Schrecken verloren/ Sen.-Präs. Dr. H ü l l e , Oldenburg in Juristische Rundschau 1950, Heft 1

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