Strafjustiz und DDR-Unrecht: Band 1 Wahlfälschung [Reprint 2013 ed.] 9783110879322, 9783110161342

Der erste Band dokumentiert die Wahlfälschungsverfahren. Sie hatten die systematische Fälschung der DDR-Kommunalwahlen i

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Table of contents :
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Einführung in die Dokumentation „Strafjustiz und DDR-Unrecht“
DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz
Dokumente
Teil 1: Die strafrechtliche Verfolgung von Wahlfälschungen durch die DDR-Justiz 1989/90
Lfd. Nr. 1: Wahlfälschung im Bezirk Potsdam – Kreis Neuruppin
1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Neuruppin vom 7.3.1990, Az.: S 10/90
2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 8.5.1990, Az. bsb 41.90
Lfd. Nr. 2: Wahlfälschung im Bezirk Potsdam – Kreis Brandenburg-Stadt
Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Brandenburg vom 20.6.1990, Az.: S 88/90
Lfd. Nr. 3: Wahlfälschung im Bezirk Gera – Kreis Schleiz
1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Schleiz vom 12.4.1990, Az.: S 10/90
2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Gera vom 18.5.1990, Az.: BSB 31/90
Lfd. Nr. 4: Wahlfälschung im Bezirk Gera – Kreis Jena-Stadt
1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Jena-Stadt vom 23.4.1990, Az.: S 38/90
2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Gera vom 31.5.1990, Az.: BSB 33/90
Lfd. Nr. 5 : Wahlfälschung im Bezirk Karl-Marx-Stadt – Kreis Glauchau
Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Glauchau vom 8.6.1990, Az.: S 43/90
Lfd. Nr. 6: Wahlfälschung im Bezirk Leipzig – Kreis Leipzig-Stadt
1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Leipzig vom 26.6.1990, Az.: 33 S 122/90
2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Leipzig vom 27.9.1990, Az.: BSB 134/90
Lfd. Nr. 7: Wahlfälschung im Bezirk Rostock – Kreis Wismar-Stadt
Strafbefehl des Kreisgerichts Wismar vom 13.9.1990, Az.: 221-99-90
Teil 2: Die strafrechtliche Verfolgung von Wahlfälschungen nach der Vereinigung
Lfd. Nr. 8: Wahlfälschungen im Bezirk Karl-Marx-Stadt – Verantwortlichkeit auf Bezirksebene
Erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 2.11.1990, Az.: 37 S 99/90
Lfd. Nr. 9: Wahlfälschung im Bezirk Potsdam – Kreis Potsdam-Stadt
Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Potsdam-Stadt vom 13.9.1991, Az.: 32 S 26/90
Lfd. Nr. 10: Wahlfälschung im Bezirk Potsdam – Verantwortlichkeit auf Bezirksebene
Erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 27.10.1994, Az.: 75 Ls 60 Js 14/92 (30/94)
Lfd. Nr. 11 : Wahlfälschung im Bezirk Erfurt – Kreis Weimar-Stadt
Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Weimar vom 7.10.1991, Az.: 1 Js 4939/91 a-b
Lfd. Nr. 12: Wahlfälschung im Bezirk Erfurt – Verantwortlichkeit auf Bezirksebene
Erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Erfurt vom 3.11.1994, Az.: Js 6/94 – 2 KLs
Lfd. Nr. 13: Wahlfälschung im Bezirk Gera – Verantwortlichkeit auf Bezirksebene
Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Gera-Stadt vom 15.1.1992, Az.: Ls 2/90
Lfd. Nr. 14: Wahlfälschung im Bezirk Dresden – Kreis Dresden-Stadt
1. Erstinstanzliches Urteil des Bezirksgerichts Dresden vom 7.2.1992, Az.: 3 KLs 51 Js 530/91
2. Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs vom 26.11.1992, Az.: 3 StR 319/92
3. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 31.3.1993, Az.: 2 BvR 292/93
Lfd. Nr. 15: Wahlfälschung im Bezirk Dresden – Verantwortlichkeit auf Bezirksebene
1. Erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Dresden vom 27.5.1993, Az.: 3 (c) KLs 51 Js 4048/91
2. Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs vom 3.11.1994, Az.: 3 StR 62/94
3. Urteil des Landgerichts Dresden vom 9.8.1995, Az.: 4 KLs 51 Js 4048/91
Lfd. Nr. 16: Wahlfälschungen im Bezirk Cottbus – Kreis Cottbus-Stadt
Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Cottbus-Stadt vom 14.4.1992, Az.: 31 S 107/90
Lfd. Nr. 17: Wahlfälschung im Bezirk Halle – Kreis Halle-Stadt
Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts für Halle und den Saalkreis vom 27.4.1992, Az.: S 160/90 (111 – 12/90)
Lfd. Nr. 18: Wahlfälschung im Bezirk Halle – Saalkreis
Erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Halle vom 17.5.1994, Az.: 10 (9) Kls 1/93
Lfd. Nr. 19: Wahlfälschung in Berlin
Erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 8.9.1993, Az.: (215) 77 Js 103/90 Ls (10/93)
Lfd. Nr. 20: Wahlfälschung in der DDR – Zentrale Verantwortlichkeit
Anklage der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin vom 1.6.1995, Az.:28/2 Js 185/91
Anhang
Schaubilder zum Wahlsystem, zum Staatsaufbau sowie zur Struktur von Partei und staatlichen Organen der DDR
Wahlrechtliche Bestimmungen der DDR
Strafgesetzbuch der DDR (Auszüge)
Strafprozeßrecht der DDR (Auszug)
Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland (Auszüge)
Auswahlbibliographie zum Thema Wahlfälschung
Verfahrensübersicht
Gesetzesregister
Ortsregister
Personenregister
Sachregister
Recommend Papers

Strafjustiz und DDR-Unrecht: Band 1 Wahlfälschung [Reprint 2013 ed.]
 9783110879322, 9783110161342

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Strafjustiz und DDR-Unrecht Dokumentation

Herausgegeben von Klaus Marxen und Gerhard Werle

w DE

_G 2000 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Band 1 :

Wahlfälschung

Unter Mitarbeit von Jan Müller und Petra Schäfter

w DE

2000

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums der Justiz

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Strafjustiz und DDR-Unrecht : Dokumentation / hrsg. von Klaus Marxen und Gerhard Werle. - Berlin ; New York : de Gruyter Bd. 1. Wahlfälschung / unter Mitarb. von Jan Müller und Petra Schäfter. - 2000 ISBN 3-11-016134-6

© Copyright 2000 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen

Vorwort zum ersten Band Die Dokumentation „Strafjustiz und DDR-Unrecht" präsentiert der Öffentlichkeit erstmals ein vollständiges Bild der strafrechtlichen Verfolgung von DDR-Unrecht. Die Dokumentation ist aus dem Forschungsprojekt „Strafjustiz und DDR-Vergangenheit" hervorgegangen, das wir mit Unterstützung der VolkswagenStifhing an der HumboldtUniversität zu Berlin durchführen. Kooperationsvereinbarungen mit den Justizbehörden haben uns den Zugang zu allen einschlägigen Verfahrensunterlagen ermöglicht. Gelingen kann ein Vorhaben dieser Art und Größenordnung nur, wenn tatkräftige Hilfe von außen kommt und tüchtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt sind. Wir haben daher zahlreichen Personen und Institutionen zu danken. Unser besonderer Dank gilt den Ministerien und Staatsanwaltschaften der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie der Bundesanwaltschaft für die Bereitschaft, die Justizmaterialien zur Verfugung zu stellen. Gedankt sei femer den Mitgliedern des Projektbeirats, Herrn Generalstaatsanwalt a.D. Schaefgen, dem Leiter der Abteilung Strafrecht in der Berliner Senatsverwaltung für Justiz Herrn Diwell, dem ehemaligen Richter am Bundesgerichtshof Herrn Prof. Dr. Horstkotte sowie dem Strafverteidiger Herrn Priv. Doz. Dr. Dr. Ignor, die uns bei der Konzipierung dieser Dokumentation beraten haben. Großen Dank schulden wir auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Forschungsprojekts „Strafjustiz und DDR-Vergangenheit" sowie unserer Lehrstühle, die das Werk auf vielfaltige Weise unterstützt haben. An erster Stelle sind Jan Müller und Petra Schäfter zu nennen, die durch konzeptionelle und praktische Mitarbeit besonderen Anteil am Gelingen dieses Bandes haben. Weiterhin danken wir Johannes Beleites, Nora Dittmer, Dr. Willi Fahnenschmidt, Jenny Krieger, Thomas Osterkamp, Albrecht Popken, Dirk Reuter, Anne Schiemann und Ricarda Veigel, die in verschiedenen Phasen an dem Vorhaben mitwirkten. Die VolkswagenStifhing hat durch die großzügige Förderung des Projekts „Strafjustiz und DDR-Vergangenheit" eine entscheidende Voraussetzung für die vorliegende Dokumentation geschaffen. Das Bundesministerium für Justiz schließlich hat durch die Gewährung eines Druckkostenzuschusses für diesen ersten Band den Start der Dokumentation erleichtert. Berlin, im Juli 2000 Klaus Marxen

Gerhard Werle

Inhalt Vorwort

V

Abkürzungsveizeichnis

XI

Einführung in die Dokumentation „Strafjustiz und DDR-Unrecht"

XV

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

XXV

Dokumente Teil 1 : Die strafrechtliche Verfolgung von Wahlfälschungen durch die DDR-Justiz 1989/90 Lfd. Nr. 1 : Wahlfälschung im Bezirk Potsdam - Kreis Neuruppin 1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Neuruppin vom 7.3.1990, Az. : S 10/90 2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 8.5.1990, Az.bsb 41.90

3 5 15

Lfd. Nr. 2: Wahlfälschung im Bezirk Potsdam - Kreis Brandenburg-Stadt Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Brandenburg vom 20.6.1990, Az.: S 88/90

19 21

Lfd. Nr. 3: Wahlfälschung im Bezirk Gera - Kreis Schleiz

27

1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Schleiz vom 12.4.1990, Az.: S 10/90 2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Gera vom 18.5.1990, Az.: BSB 31/90

29 41

Lfd. Nr. 4: Wahlfälschung im Bezirk Gera-Kreis Jena-Stadt 1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Jena-Stadt vom 23.4.1990, Az.: S 38/90 2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Gera vom 31.5.1990, Az.: BSB 33/90

45 47 55

Lfd. Nr. 5 : Wahlfälschung im Bezirk Karl-Marx-Stadt - Kreis Glauchau Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Glauchau vom 8.6.1990, Az.: S 43/90

59 61

Lfd. Nr. 6: Wahlfälschung im Bezirk Leipzig - Kreis Leipzig-Stadt 1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Leipzig vom 26.6.1990, Az.: 33 S 122/90.... 2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Leipzig vom 27.9.1990, Az.: BSB 134/90

71 73 83

Lfd. Nr. 7: Wahlfälschung im Bezirk Rostock - Kreis Wismar-Stadt Strafbefehl des Kreisgerichts Wismar vom 13.9.1990, Az. : 221 -99-90

87 89

Teil 2: Die strafrechtliche Verfolgung von Wahlfälschungen nach der Vereinigung Lfd. Nr. 8: Wahlfälschungen im Bezirk Karl-Marx-Stadt - Verantwortlichkeit auf Bezirksebene

93

Erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 2.11.1990, Az.: 37 S 99/90

95

Inhalt

Lfd. Nr. 9: Wahlfälschung im Bezirk Potsdam - Kreis Potsdam-Stadt 105 Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Potsdam-Stadt vom 13.9.1991, Az. : 32 S 26/90 . 107 Lfd. Nr. 10: Wahlfälschung im Bezirk Potsdam - Verantwortlichkeit auf Bezirksebene Erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 27.10.1994, Az.: 75 Ls 60 Js 14/92 (30/94)

123 125

Lfd. Nr. 11 : Wahlfälschung im Bezirk Erfurt - Kreis Weimar-Stadt Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Weimar vom 7.10.1991, Az.: 1 Js 4939/91 a-b ..

129 131

Lfd. Nr. 12: Wahlfälschung im Bezirk Erfurt - Verantwortlichkeit auf Bezirksebene Erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Erfurt vom 3.11.1994, Az.: Js 6/94 - 2 KLs . . . .

145 147

Lfd. Nr. 13 : Wahlfälschung im Bezirk Gera - Verantwortlichkeit auf Bezirksebene Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Gera-Stadt vom 15.1.1992, Az. : Ls 2/90

165 167

Lfd. Nr. 14: Wahlfälschung im Bezirk Dresden - Kreis Dresden-Stadt 1. Erstinstanzliches Urteil des Bezirksgerichts Dresden vom 7.2.1992, Az.: 3 KLs 51 Js 530/91 2. Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs vom 26.11.1992, Az. : 3 StR 319/92 3. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 31.3.1993, Az.: 2 BvR 292/93

173

Lfd. Nr. 15: Wahlfälschung im Bezirk Dresden - Verantwortlichkeit auf Bezirksebene 1. Erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Dresden vom 27.5.1993, Az.: 3 (c) KLs 51 Js 4048/91 2. Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs vom 3.11.1994, Az.: 3 StR 62/94 3. Urteil des Landgerichts Dresden vom 9.8.1995, Az.: 4 KLs 51 Js 4048/91

175 217 229

233 237 313 325

Lfd. Nr. 16: Wahlfälschungen im Bezirk Cottbus - Kreis Cottbus-Stadt 337 Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Cottbus-Stadt vom 14.4.1992, Az.: 31 S 107/90. 339 Lfd. Nr. 17: Wahlfälschung im Bezirk Halle - Kreis Halle-Stadt Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts fur Halle und den Saalkreis vom 27.4.1992, Az.: S 160/90 (111-12/90)

349

Lfd. Nr. 18 : Wahlfälschung im Bezirk Halle - Saalkreis Erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Halle vom 17.5.1994, Az.: 10 (9) Kls 1/93

363 365

Lfd. Nr. 19: Wahlfälschung in Berlin Erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 8.9.1993, Az.: (215) 77 Js 103/90 Ls (10/93)

373

Lfd. Nr. 20: Wahlfälschung in der DDR - Zentrale Verantwortlichkeit Anklage der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin vom 1.6.1995, Az.: 28/2 Js 185/91

VIII

347

375 389 391

Inhalt Anhang Schaubilder zum Wahlsystem, zum Staatsaufbau sowie zur Struktur von Partei und staatlichen Organen der DDR Wahlrechtliche Bestimmungen der DDR Strafgesetzbuch der DDR (Auszüge) Strafprozeßrecht der DDR (Auszug) Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland (Auszüge)

459 459 462 490 494 494

Auswahlbibliographie zum Thema Wahlfälschung

495

Verfahrensübersicht

499

Gesetzesregister

511

Ortsregister

515

Personenregister

517

Sachregister

521

IX

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.F. aaO ABM Abs. Abschn. Abt. ABV AG AGB Altem. Ani. Anm. anschl. Art. AT Aufl. Az. Bd. Bern. BG BGBl BGH BGHR BGHSt BL Bl. BRD BR-Drucks. bspw. BStA Buchst. BVerfG BVerfGE bzw. ca. CDU d. d.h. DBD DDR DDR-GB1. DDR-StGB

anderer Ansicht am angegebenen Ort alte Fassung am angegebenen Ort Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Absatz Abschnitt Abteilung Abschnittsbevollmächtigter Amtsgericht oder Arbeitsgemeinschaft oder Arbeitsgruppe Arbeitsgesetzbuch der DDR Alternative Anlage Anmerkung anschließend Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Band Bemerkung Bezirksgericht Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofes (Loseblattsammlung) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bezirksleitung Blatt Bundesrepublik Deutschland Bundesrats-Drucksache beispielsweise Bezirksstaatsanwalt(schañ) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts) beziehungsweise circa Christlich-Demokratische Union der oder die oder des das heißt Demokratische Bauernpartei Deutschlands Deutsche Demokratische Republik Gesetzblatt der DDR Strafgesetzbuch der DDR

Abkürzungsverzeichnis

Dez. DFD DKP DM Dr. DtZ e.V. EDV EGStGB EinigungsV Einl. EPN erstinstanzl. etc. EV evtl. f. FDGB FDJ ff. GA GBl. gem. Gen. gez. GG ggfs. GStA GVG Hg. HO Hrsg. hrsg. i.d.F. i.d.R. i.S.d. i.S.v. i.V.m. i.W. JR Kap. KfL KG KK KKW KMU Leipzig KOK Komm. KPD XII

Dezember Demokratischer Frauenbund Deutschlands Deutsche Kommunistische Partei Deutsche Mark Doktor Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift eingetragener Verein Elektronische Datenverarbeitung Einfuhrungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einigungsvertrag Einleitung Elektrophysikalische Werke Neuruppin erstinstanzlich et cetera Einigungsvertrag eventuell folgende Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend folgende Goltdammer's Archiv für Strafrecht Gesetzblatt gemäß Genösse gezeichnet Grundgesetz gegebenenfalls Generalstaatsanwalt(schaft) Gerichtsverfassungsgesetz Herausgeber Handelsorganisation Herausgeber herausgegeben in der Fassung in der Regel im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit in Worten Juristische Rundschau Kapitel Kreisbetrieb für Landtechnik Kammergericht Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung Kernkraftwerk Karl-Marx-Universität Leipzig Kriminaloberkommissar(in) Kommentar Kommunistische Partei Deutschlands

Abkürzungsverzeichnis KPdSU KrG KritV KStA LDP LDPD Lehrb. lfd. LG LK LPG lt. M m.N. m.w.N. MDR MfS Mio. MRK MTS ND NDPD NJ NJW Nr. Nrn. NS NStZ NVA o.g. OG OLG PDS Pkw, PKW Prof. Rdn., RdNr. RG RGSt Rn, RN Rz. S. s.o. SDAG SED SK-StGB sog. St StA Stadtbez.

Kommunistische Partei der Sowjetunion Kreisgericht Kritische Vierteljahresschrift Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kreisstaatsanwaltschaft Liberaldemokratische Partei (bis 1951) Liberal-demokratische Partei Deutschlands (ab 1951) Lehrbuch laufend(e) Landgericht Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft laut Mark der DDR mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Ministerium für Staatssicherheit der DDR Millionen Menschenrechtskonvention Maschinen-Traktoren-Station Neues Deutschland National-demokratische Partei Deutschlands Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nummern Nationalsozialismus Neue Zeitschrift für Strafrecht Nationale Volksarmee oben genannte(r), (s) Oberstes Gericht der DDR Oberlandesgericht Partei des Demokratischen Sozialismus Personenkraftwagen Professor Randnummer Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer RandzifTer Seite oder Satz siehe oben Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch sogenannte(r), (s), (n) Sammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Staatsanwalt/Staatsanwältin oder Staatsanwaltschaft Stadtbezirk

XIII

Abkürzungsverzeichnis StÄG Stellv. StGB StGB/DDR StGB-DDR StPO StrafR StrÄG, StrÄndG StV u. u.a. U.-Organ UA UdSSR U-Haft Urt. v. VEB Verf. vergi. vgl. Vorb., Vorbem. WS WahlG WV z. z.B. z.Z.A. z.Zt. Ziff. ZJ ZK ZStW

XIV

Strafrechtsänderungsgesetz stellvertretende(r) Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch der DDR Strafgesetzbuch der DDR Strafprozeßordnung Strafrecht Strafrechtsänderungsgesetz Strafverteidiger und und andere oder unter anderem Untersuchungsorgan Urteilsausfertigung Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Untersuchungshaft Urteil von oder vom Volkseigener Betrieb Verfassung vergleiche vergleiche Vorbemerkung Vertrauliche Verschlußsache Wahlgesetz Wahlvordruck zum oder zur zum Beispiel zur Zeit im Ausland zur Zeit Ziffer Zeugen Jehovas Zentralkomitee Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einführung in die Dokumentation „Strafjustiz und DDR-Unrecht" Beabsichtigt ist eine umfassende Dokumentation der strafrechtlichen Verfolgung systembedingten DDR-Unrechts. Zeitlich setzt die Dokumentation im Jahre 1989 ein, denn erste Verfahren wurden schon unmittelbar nach der politischen Wende noch in der DDR betrieben. Den weitaus größeren Teil der dokumentierten Verfahren führte allerdings die Strafjustiz der Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung durch. Die Dokumentation bietet vor allem zwei übergreifende Perspektiven. Sie zeigt erstens die Strafverfolgungsaktivitäten der Justiz auf, und sie gibt zweitens zeitgeschichtlich bedeutsame Feststellungen wieder. Damit ermöglicht die Dokumentation nicht nur eine fundierte kritische Auseinandersetzung mit der strafrechtlichen Aufarbeitung des DDRUnrechts selbst; vielmehr wird auch die DDR-Vergangenheit mittelbar zum Gegenstand der Dokumentation. So richtet sich das Angebot des Gesamtvorhabens sowohl an die allgemeine Öffentlichkeit wie auch an die Fachöffentlichkeit verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen: Rechtswissenschaft, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Sozialwissenschaften.

I. Begründung des Vorhabens Mit der Strafverfolgung von DDR-Unrecht unternahm die deutsche Justiz einen weiteren Versuch, Systemkriminalität aufzuarbeiten. Zuvor waren - im Osten und im Westen Deutschlands - Strafverfahren gegen NS-Täter durchgeführt worden. Ihnen waren die Strafverfolgungsmaßnahmen der Alliierten vorangegangen, die mit den Nürnberger Prozessen ihren Anfang genommen hatten. Die Linie der Verfolgung staatlich initiierter Kriminalität führt bis hin zu den Tribunalen, die derartige im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda begangenen Verbrechen ahnden. Die Verfolgung von DDR-Unrecht ist ungeachtet aller Besonderheiten dieser Verfahren - Bestandteil einer Entwicklung, die darauf zielt, die faktische Straflosigkeit der Kriminalität der Mächtigen zu beenden. Diese Ausdehnung der Herrschaft des Rechts verdient es, eine Wende genannt zu werden. Sie leitet einen neuen Abschnitt in der Entwicklung des Rechts ein. Gesellschaftlich, politisch und juristisch sollte diesem Vorgang daher höchste Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dazu bedarf es einer uneingeschränkten und ungefilterten Wahrnehmung. Eine solche Wahrnehmung soll diese Dokumentation für den Bereich der Strafverfolgung von DDR-Unrecht ermöglichen. Auch zeithistorische Gründe rechtfertigen das Vorhaben. Zum einen bieten die Justizdokumente eine wertvolle historische Materialgrundlage, denn sie enthalten zeitgeschichtlich bedeutsame Feststellungen, die durch die hohen Beweisanforderungen des Strafverfahrens abgesichert sind. Zum anderen bildet die Dokumentation einen justiziellen Vorgang ab, der sich nach Art und Umfang deutlich von den sonstigen Justizaktivitäten abhebt. Bei der politischen und historischen Bewertung dieses Vorgangs wird nicht allein danach gefragt werden, ob die Justiz ihre selbst gesteckten Ziele erreicht hat. Vielmehr werden Nutzen und Nachteil der Verfahren für den Prozess der deutschen

Einführung

Rechtsgrundlagen der Strafverfolgung von DDR-Unrecht

Vereinigung ein wichtiges Thema sein, für dessen Behandlung die Dokumentation das wesentliche Material bereitstellt. Die Bewertungen der Strafverfahren wegen DDR-Unrechts gehen weit auseinander. Nicht wenige sind der Ansicht, dass die Justiz einen Irrweg beschritten habe. Sie vermissen eine ausreichende Rechtsgrundlage, erheben wegen der Unvergleichbarkeit von DDR-Unrecht und NS-Verbrechen den Vorwurf der UnVerhältnismäßigkeit und kritisieren die Verfahren als verkappte politische Abrechnung und letztlich als „Siegeijustiz". Andere dagegen lasten der Justiz an, nur halbherzig gegen Systemtäter vorgegangen zu sein und dadurch den Systemopfern Genugtuung verweigert zu haben. Die Justiz habe die Hauptverantwortlichen verschont und viel zu milde Strafen verhängt. Dieser Meinungsstreit beruht zu einem erheblichen Teil auf einer jeweils nur selektiven Wahrnehmung des Gesamtvorgangs. Darin wirkt sich nicht allein der Unterschied der politischen Standpunkte aus. Grenzen sind auch denjenigen gesetzt, die sich unvoreingenommen eine Meinung bilden wollen. Denn die dafür nötige Materialbasis steht nicht zur Verfugung. Die Medien und die juristische Fachpresse bieten nur Ausschnitte. Die Medien konzentrieren sich auf spektakuläre Einzelfälle. In der juristischen Fachöffentlichkeit sind fast nur Entscheidungen aus dem Bereich höchstrichterlicher Rechtsprechung präsent. Ihre Auswahl erfolgt nach rein rechtlichen Gesichtspunkten. Als Endprodukte verraten sie nichts über den Verlauf der Strafverfolgung und über den Rechtsfindungsgang. Weitgehend ausgeblendet bleibt auch der zeithistorisch besonders bedeutsame Vorgang der Sachverhaltsfeststellung, für den die unteren Instanzen zuständig sind. Nicht einmal ansatzweise kommt der Gesamtvorgang in den Blick. Die Selektivität der Wahrnehmung gilt es zu beseitigen, damit eine sachliche Diskussion über Stärken und Schwächen der Strafverfolgung von DDR-Unrecht geführt werden kann. Ein geeignetes Mittel dafür ist eine auf Vollständigkeit angelegte Dokumentation.

II. Rechtsgrundlagen der Strafverfolgung von DDR-Unrecht Auch nach der deutschen Wiedervereinigung sollte DDR-Unrecht verfolgt werden können. Das geht zweifelsfrei aus Regelungen im Einigungsvertrag und in Folgegesetzen hervor, die das anzuwendende Recht und Veqährungsfragen betreffen. Nach Artikel 8 des Einigungsvertrages wurde mit dem Beitritt der DDR das Strafrecht der Bundesrepublik gesamtdeutsch verbindlich. Auf vorher in der DDR begangene Straftaten, sog. „DDR-Alttaten", ist nach Artikel 315 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch § 2 des Strafgesetzbuches anzuwenden. Daraus ergibt sich: Zunächst muss die Tat nach beiden Rechtsordnungen, also nach DDR-Recht wie nach bundesdeutschem Recht strafbar sein (Zwei-Schlüssel-Ansatz). Trifft dies zu, so ist das mildere Recht anzuwenden. Für die Ahndung von DDR-Unrecht ist damit das Meistbegünstigungsprinzip maßgeblich. Es veranlasst eine Prüfung in mehreren Schritten. Dem ersten Prüfungsschritt liegt das Strafrecht der DDR zugrunde. Ausgeschieden werden die Fälle, die bereits nach diesem Strafrecht straflos sind. Der zweite Prüfungsschritt gilt der Frage, ob in den verbleibenden Fällen eine Strafbarkeit auch nach dem Strafrecht der Bundesrepublik gegeben ist. Ein positives Ergebnis hat zur Folge, dass nun nach der Unrechtskontinuität zwischen den anwendbaren Vorschriften des DDRStrafrechts und des Strafrechts der Bundesrepublik gefragt wird. Eine bloß formale XVI

Konzeption und Ziele der Dokumentation

Einführung

Übereinstimmung der Vorschriften genügt nämlich nicht. Es muss sichergestellt sein, dass das alte und das neue Recht im Wesentlichen denselben Unrechtstyp erfassen. Andernfalls würde das strafrechtliche Rückwirkungsverbot verletzt. Wird die Unrechtskontinuität bejaht, so folgt als letzter Prüfungsschritt der Vergleich der Strafvorschriften mit dem Ziel, die mildere Strafdrohung zu bestimmen. Veijährungsfragen regelt Artikel 315a des Einfuhrungsgesetzes zum Strafgesetzbuch. Die Vorschrift sieht vor, dass eine bis zum Beitritt noch nicht eingetretene Verjährung mit dem Tag des Beitritts als unterbrochen gilt. Die Unterbrechung hat zur Folge, dass die Frist in voller Länge erneut zu laufen beginnt. Die Regelung zielt auf eine Kompensation des Zeitaufwandes, der für den Neuaufbau der Justiz auf dem Gebiet der früheren DDR zu veranschlagen war. Nachdem sich abzeichnete, dass der justizielle Neuaufbau mehr Zeit in Anspruch nahm, als ursprünglich vorgesehen, wurden 1993 und 1997 Gesetze erlassen, die die Verjährungsfristen verlängerten. Zudem stellte ein weiteres 1993 erlassenes Verjährungsgesetz klar, dass systembedingte Straftaten verfolgbar blieben, auch wenn die Verjährungsfrist noch vor dem Beitritt abgelaufen war. Da eine Verfolgung von Taten dieser Art in der DDR unterblieb, wurde - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu systembedingten Straftaten in der NS-Zeit - ein Ruhen der Verjährung angenommen. Im Wesentlichen blieb es bei diesen Vorgaben. Verfassungs- und Gesetzgeber verzichteten auf eine weitergehende Gestaltung der Strafverfolgung von DDR-Unrecht. Die Aufgabe einer Präzisierung der rechtlichen Grundlagen musste zur Hauptsache von der justiziellen Praxis bewältigt werden. Auch dieser Umstand rechtfertigt eine Dokumentation des justiziellen Vorgehens. III. Konzeption und Ziele der Dokumentation Dokumentiert werden soll die strafrechtliche Aufarbeitung des systembedingten DDRUnrechts. Was unter „systembedingt" zu verstehen ist, hat die Justiz selbst durch die Organisationsform der Schwerpunktstaatsanwaltschaft und die Bildung von Fallgruppen in der Entscheidungspraxis näher bestimmt. Als systembedingt sind danach Taten anzusehen, die durch das System, das den Staat DDR trug, initiiert, gefordert oder geduldet wurden. Dazu sind folgende Fallgruppen zu zählen: Wahlfälschung, Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, Rechtsbeugung, Amtsmissbrauch und Korruption, Straftaten unter Beteiligung des Ministeriums für Staatssicherheit, Denunziation, Misshandlung von Gefangenen, sonstige Wirtschaftsstraftaten, Doping sowie Spionage. Darüber hinaus wurden von den Schwerpunktstaatsanwaltschaften teilweise auch Taten verfolgt, die erst nach dem Ende der DDR begangen wurden. Dazu gehören etwa Fälle vereinigungsbedingter Wirtschaftskriminalität und Aussagedelikte, die im Zusammenhang mit Strafverfahren wegen DDR-Unrechts verübt wurden. Diese Bereiche bleiben hier jedoch unberücksichtigt, weil schon aus zeitlichen Gründen allenfalls ein mittelbarer Zusammenhang mit dem System der DDR besteht. Die Dokumentation soll gewährleisten, dass die Strafverfolgung in ihrem zeitlichen Ablauf vollständig abgebildet wird. Einbezogen werden daher auch die Verfahren, die nach der politischen Wende noch in der DDR begonnen und teilweise dort sogar abgeschlossen wurden. Im Zentrum stehen allerdings die Strafverfahren, die die Justiz der

XVII

Einführung

Materialgewinnung

Bundesrepublik Deutschland nach dem Beitritt der DDR am 3. Oktober 1990 durchgeführt hat. In die Dokumentation werden nur Verfahren aufgenommen, in denen Anklage erhoben wurde. Denn erst mit der Anklageerhebung verlässt das Strafverfahren das Stadium unabgeschlossener Ermittlungen und ungesicherter Annahmen über Tat und Täter. Zur Hauptsache werden gerichtliche Sachurteile dokumentiert. Die in ihnen getroffenen oder überprüften Sachverhaltsfeststellungen sind durch erhöhte Anforderungen an die Beweiserhebung und -Würdigung abgesichert. Auch bestimmen maßgeblich Entscheidungen dieser Art über die Reichweite staatlicher Strafverfolgung, weil sie verbindlich zwischen strafbarem und straflosem Verhalten abgrenzen. Daneben werden Prozessurteile und gerichtliche Beschlüsse wiedergegeben, sofern sie Verlauf und Ergebnis des Verfahrens wesentlich mitgestaltet haben. Auf Anklagen und Einstellungsentscheidungen wird ausnahmsweise dann zurückgegriffen, wenn eine Identifizierung des Verfahrensgegenstandes anders nicht möglich ist. Die Fallgruppen bestimmen den Aufbau der Dokumentation. Nach ihnen richtet sich auch die Aufteilung in Einzelbände. Damit wird den erheblichen Unterschieden zwischen den Fallgruppen Rechnung getragen. Sie betreffen nicht allein die tatsächliche und rechtliche Seite des jeweiligen Unrechtskomplexes, sondern auch die Verfolgungspraxis. Die Präsentation nach Fallgruppen lässt die jeweiligen Besonderheiten in der Entwicklung der justiziellen Verarbeitung deutlich hervortreten und bringt über den einzelnen Fall hinausgehende zeithistorische Zusammenhänge zur Geltung. IV. Materialgewinnung Das Dokumentationsvorhaben war nicht leicht zu realisieren. Denn die Strafverfolgung von DDR-Unrecht wurde dezentral betrieben. Auf die Einrichtung einer zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen, vergleichbar deijenigen in Ludwigsburg zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, wurde verzichtet. Die Materialien mussten also über die im jeweiligen Fall zuständigen Staatsanwaltschaften gewonnen werden. Diese Bemühungen konnten sich auf die neuen Bundesländer und Berlin konzentrieren, weil die Verfahren nach den strafprozessrechtlichen Zuständigkeitsregeln fast ausnahmslos dort durchzufuhren waren. Etwas erleichtert wurde das Vorhaben durch organisatorische Maßnahmen im Bereich der Staatsanwaltschaften in den Jahren 1992 und 1993. Die neuen Bundesländer übertrugen die Zuständigkeit auf Schwerpunktstaatsanwaltschaften oder Schwerpunktabteilungen bei Staatsanwaltschaften. Berlin richtete eine allein mit den Verfahren wegen DDR-Unrechts befasste Staatsanwaltschaft II ein. Mit diesen Staatsanwaltschaften sowie mit der für die Spionageverfahren zuständigen Bundesanwaltschaft mussten unter Einbeziehung der jeweiligen Justizministerien Absprachen darüber getroffen werden, wie die einschlägigen Verfahren erfasst werden konnten und in welchen Formen eine Überlassung und Verwertung von Verfahrensmaterialien möglich war. Zu beteiligen waren auch die für den Datenschutz zuständigen Behörden, weil Strafverfahrenakten datenschutzrechtlich besonders sensibles Material enthalten. Es bedurfte somit umfangreicher Kooperationsvereinbarungen. Auch musste für die Erfassung, die Übergabe, die Anonymisierung, die Verarbeitung mit EDV-Mitteln und die Aufbewahrung der Materialien ein hoher personeller und organisatorischer Aufwand XVIII

Materialauswahl

Einführung

geleistet werden. Derartige Aufgaben überfordem Einzelpersonen und auch universitäre Einrichtungen. Nötig war die Etablierung eines Forschungsprojekts auf Drittmittelbasis. Die Förderungszusage der VolkswagenStiftung ermöglichte die Einrichtung des Forschungsprojekts „Strafjustiz und DDR-Vergangenheit" an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Das Projekt entwickelte Formen der Kooperation mit den beteiligten Behörden, die eine vollständige Erfassung und sachgerechte Verarbeitung gewährleisteten. Die Staatsanwaltschaften machten dem Projekt die relevanten Verfahrensmaterialien in kopierter Form zugänglich. Die Anonymisierung der Daten solcher Personen, die nicht zu den Personen der Zeitgeschichte gehören, erfolgte noch vor Übernahme der Materialien in den Arbeitsbereich des Projekts. Dort wurden die Verfahren und die Materialien mit kennzeichnenden Daten sowie die Texte der Materialien unter Einsatz von EDV-Techniken verarbeitet. In regelmäßig Abständen wurde der Bestand an Verfahren und Verfahrensmaterialien mit den Staatsanwaltschaften abgeglichen. Dadurch ist sichergestellt, dass das Projekt zumindest für den Zeitraum seit der Begründung spezieller staatsanwaltschaftlicher Zuständigkeiten in den Jahren 1992 und 1993 über eine vollständige Materialsammlung verfugt. Dagegen können Lücken für den Zeitraum davor nicht völlig ausgeschlossen werden. Betroffen sind Verfahren, die vor der Wiedervereinigung noch von DDR-Staatsanwaltschaften und in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung von örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften der Bundesrepublik Deutschland eingeleitet wurden. Sie sind nirgends systematisch erfasst. Die Quote fehlender Verfahren dürfte jedoch gering sein. Das Projekt ist allen Hinweisen auf derartige Verfahren nachgegangen, die sich aus den erfassten Verfahren und aus der Presseberichterstattung ergaben.

V. Materialauswahl Der Intention einer vollständigen Dokumentation würde der Volltextabdruck sämtlicher Dokumente aus allen Verfahren am besten entsprechen. Der Umfang einer solchen Publikation würde jedoch jedes vertretbare Maß übersteigen. Zudem hätten zahlreiche Dokumente einen weitgehend identischen Inhalt. Es war daher eine Materialauswahl vorzunehmen. Sie orientierte sich an den folgenden generellen Leitlinien. Es war sicherzustellen, dass die wesentlichen Strafverfolgungsaktivitäten vollständig abgebildet wurden. Auch mussten die dokumentierten Verfahren in ihrem Ablauf nachvollziehbar bleiben. Zur Hauptsache sollten, wie oben dargelegt, tat- und revisionsrichterliche Entscheidungen mit wichtigen rechtlichen Aussagen und zeitgeschichtlich bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen zur Geltung kommen. Nur ausnahmsweise sollte auf sonstige richterliche und staatsanwaltschaftliche Entscheidungen oder sonstige Materialien zurückgegriffen werden. Welche Konsequenzen diese Leitlinien fur die einzelnen Fallgruppen hatten, wird in der Einleitung der einzelnen Bände dargelegt. Dort werden auch zusätzliche spezielle Auswahlkriterien erläutert, die sich aus den Besonderheiten der einzelnen Fallgruppen ergaben.

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Einführung

Systematik der Dokumentation/Bearbeitung der Materialien

VI. Systematik der Dokumentation Die Dokumentation ist nach Fallgruppen in Einzelbände aufgeteilt. Besonders umfangreiche Fallgruppen erstrecken sich auf zwei Bände. Die Dokumentation der Fallgruppen ist so angelegt, dass eine separate Nutzung der Bände möglich ist. Geplant ist ein Gesamtumfang von etwa zehn Bänden. Die Abfolge des Erscheinens richtet sich nach dem Stand der Verfolgungsaktivitäten. Vorrangig werden Fallgruppen dokumentiert, in denen die Strafverfolgung vollständig oder nahezu abgeschlossen ist. Im Zentrum jedes Einzelbandes steht der Dokumententeil. Die darin enthalten Verfahren sind mit laufenden Nummern und einem Kurztitel versehen, der den Verfahrensgegenstand benennt. Vorangestellt ist ein Verzeichnis der aus diesem Verfahren zum Abdruck kommenden Materialien. Die Abfolge der dokumentierten Verfahren richtet sich nach den Besonderheiten der Fallgruppe. Sie wird in der Einleitung des Einzelbandes dargelegt und begründet. Die zu einem Verfahren gehörenden Dokumente werden chronologisch nach dem Zeitpunkt der Entscheidung angeordnet. An erster Stelle ist in der Regel das erstinstanzliche Urteil abgedruckt. Es folgen, soweit vorhanden, Entscheidungen weiterer Instanzen. Die jeweils zuletzt wiedergegebene Entscheidung hat, sofern nichts anderes angemerkt ist, Rechtskraft erlangt. Den einzelnen Dokumenten ist ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt. Dem Dokumententeil geht ein einleitender Beitrag voraus. Er enthält für die jeweilige Fallgruppe einen Überblick über Gegenstand, Umfang und Entwicklung der Strafverfolgungsmaßahmen. Ferner werden darin die Materialauswahl und die Reihenfolge der Wiedergabe erläutert. Ein dem Dokumententeil nachfolgender umfangreicher Anhang bietet weiterfuhrende Informationen sowie mehrere Register (näher dazu unten VIII). VII. Bearbeitung der Materialien Größtmögliche Authentizität ist durch Wiedergabe von Dokumenten im FaksimileAbdruck erreichbar. Davon wurde jedoch abgesehen, weil die Bände viel zu umfangreich geworden wären. Auch wäre es wegen der erheblichen formalen Unterschiede der einzelnen Dokumente nicht möglich gewesen, eine übersichtliche und gut lesbare Dokumentation vorzulegen. Günstige Rezeptionsbedingungen lassen sich unter weitgehender Wahrung der Authentizität durch einen Abdruck von Texten im Wortlaut erreichen. Dieser Weg wurde hier gewählt. Die editorische Grundlinie lautet daher: Texteingriffe werden nur vorgenommen, wenn sie aus datenschutzrechtlichen Gründen unvermeidlich und zur Gewährleistung von Übersichtlichkeit und Lesbarkeit geboten sind. Selbstverständlich werden Eingriffe durch Kürzungen oder Zusätze als solche kenntlich gemacht. Annotierungen haben, wie es dem Charakter einer Quellenedition entspricht, lediglich die Funktion, Verständnishilfe zu bieten. Auf Bewertungen jeder Art wird verzichtet. Im Einzelnen wurden an den Materialien, die fast ausnahmslos als Kopien der Originaldokumente vorlagen, folgende Bearbeitungsschritte vorgenommen (vgl. auch das Beispiel auf S. XXIII). Zunächst erfolgte eine Überprüfung der Materialien unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes. Stets wurden Tag und Monat des GeburtsXX

Bearbeitung der Materialien

Einführung

datums sowie Angaben zum Geburts- und Wohnort entfernt. Ferner wurden Nachnamen bis auf den Anfangsbuchstaben unkenntlich gemacht, sofern die Betroffenen nicht zum Kreis der Personen der Zeitgeschichte gehören. Wiesen Personen identische Anfangsbuchstaben auf und war eine Verwechslung nicht auszuschließen, so blieb auch der zweite Buchstabe des Namens erhalten. Im Falle einer auch dann noch bestehenden Übereinstimmung wurden völlig andere Buchstaben vergeben. Nach der Anonymisierung personenbezogener Angaben wurden die Kopien mit Hilfe eines Scanners eingelesen. Es schloss sich eine Bearbeitung der Dateien mittels eines Textverarbeitungsprogramms an. In mehreren Korrekturdurchläufen wurde die Übereinstimmung mit der kopierten Vorlage überprüft. Eine inhaltliche Überprüfung - z.B. der in den Texten verwendeten Zitate - wurde nicht vorgenommen. Die äußere Gestaltung der Texte wurde unter Wahrung größtmöglicher Nähe zum Original vereinheitlicht. Zur Erleichterung der Identifizierung und Zuordnung des Dokuments wurde ein Text mit folgenden Angaben vorangestellt: Aussteller sowie Datum, Aktenzeichen und Art des Dokuments. Zitate im Text erhielten eine einheitliche Form. Hervorhebungen blieben erhalten, soweit sie nicht Namen von Verfahrensbeteiligten betrafen. Das gilt auch für Hervorhebungen in Zitaten. Bei ihnen muss offen bleiben, ob sie Bestandteil des Zitats sind oder hinzugefügt wurden. Aufgenommen wurde die Seitenzählung des Originals. Sie ist mit geschweiften Klammern „{ }" eingefügt. Genannt wird die Zahl der Seite, die im Original der angegebenen Stelle folgt. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden in der vorgefundenen Form belassen. Eingegriffen wurde lediglich in Fällen offensichtlicher Schreib- und Zeichensetzungsfehler. Sie wurden - ohne Kennzeichnung - korrigiert. Fehler sonstiger Art wurden durch Anmerkungen ausgewiesen. Fehlten Wörter oder Satzteile, so wurde der fehlende Text in eckigen Klammem eingefügt, falls er aus dem Kontext zweifelsfrei zu erschließen war. Selten aufgetretene unleserliche Passagen wurden durch den Hinweis „ unleserlich kenntlich gemacht. Über die Anonymisierung personenbezogener Angaben hinaus wurden Textkürzungen nur in Ausnahmefallen vorgenommen. Im Wesentlichen dienten sie dazu, unnötige Wiederholungen zu vermeiden oder Textteile entfallen zu lassen, die wegen der Anonymisierung bedeutungslos geworden waren. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurden gelegentlich auch Textpassagen mit datenschutzrechtlich besonders sensiblen Informationen gestrichen, wie etwa gutachtliche Aussagen über den Gesundheitszustand von Angeklagten. Die Stelle des weggelassenen Textes nimmt eine kurze Beschreibung des Inhalts ein. Ihr ist das Zeichen „®" voran- und nachgestellt, das die Kürzung kenntlich macht. Es unterscheidet sich deutlich von Auslassungen im Original („..."). Generell weggelassen wurden Verweise auf Beiakten und Beweismittelordner, ebenso wie Ausführungen zu den Verfahrenskosten. Gelegentlich wurde, um den Text besser erfassbar zu machen, eine Überschrift hinzugefügt, die sich auf Grund der Untergliederung des Textes aufdrängte. Eckige Klammern markieren den Beginn und das Ende des Zusatzes. Die Anmerkungen, die dem jeweiligen Dokument nachfolgen, sind knapp gehalten. Sie erklären Fachbegriffe und weisen auf historische Zusammenhänge hin, die nicht als bekannt vorausgesetzt werden können. Nähere Erläuterungen zu historischen und politischen Hintergründen enthalten die Einleitungen zu den Einzelbänden. Die AnmerkunXXI

Einführung

Hilfsmittel/Ergänzung der Dokumentation

gen verweisen femer auf verfahrenspraktische Zusammenhänge, z.B. auf andere Strafverfahren gegen den Angeklagten oder auf Strafverfahren gegen im Dokument erwähnte Personen. Vollständigkeit ist insoweit jedoch nicht gewährleistet. Die Anonymisierung, die nach den datentschutzrechtlichen Auflagen vor der Verarbeitung vorzunehmen war, erschwerte die Zuordnung. Abkürzungen werden nicht in Anmerkungen, sondern in einem gesonderten Verzeichnis erläutert. VIII. Hilfsmittel Die Erschließung der Dokumente wird durch verschiedene Hilfsmittel erleichtert. Das Abkürzungsverzeichnis steht vor dem Dokumententeil. Im Anhang sind zunächst Gesetze und andere Rechtsvorschriften abgedruckt, die für die jeweilige Fallgruppe von Bedeutung sind. Gelegentlich werden weitere Materialien hinzugefügt, die für das Verständnis historischer Zusammenhänge wichtig sind, z.B. Organigramme von DDRInstitutionen. Anschließend ist in einer Auswahlbibliographie die einschlägige juristische und zeitgeschichtliche Literatur zusammengestellt. Es folgt eine Übersicht über alle Verfahren der jeweiligen Deliktsgruppe, die bis zur Fertigstellung des Manuskripts bekannt waren. Dieser Übersicht lassen sich die Aktenzeichen, die Urteile sowie die Verfahrensergebnisse für die einzelnen Angeklagten entnehmen. Den Abschluss bilden verschiedene Register. Das Gesetzesregister ermöglicht die gezielte Suche nach gesetzlichen Vorschriften, die in der Dokumentation erwähnt sind. Das Personenregister führt zu den Textstellen, an denen bestimmte Personen genannt werden. Allerdings sind wegen der Anonymisierung im Übrigen nur Personen der Zeitgeschichte recherchierbar. Das Ortsregister enthält Verweise auf geographische Begriffe. Das Sachregister erschließt die Dokumentation nach Schlagworten und enthält auch Namen von Institutionen. Die Register werden mit Beendigung der Dokumentation zu einem Gesamtregister zusammengefasst werden.

IX. Ergänzung der Dokumentation Eine Dokumentation dieser Art ist mit dem Risiko verbunden, dass Nachträge notwendig werden. Zwar ist die Strafverfolgung von DDR-Unrecht insgesamt weitgehend abgeschlossen. Auch kann durch die Abfolge der Bände ein größtmögliches Maß an Vollständigkeit gewährleistet werden, indem diejenigen Fallgruppen den Vorrang erhalten, in denen die Verfolgung am weitesten vorangeschritten ist. Gleichwohl können Lücken dadurch entstehen, dass Verfahren zum Erscheinungszeitpunkt noch nicht beendet sind. Diese Möglichkeit lässt sich allein schon wegen der Dauer der Rechtsmittelverfahren und der verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht ausschließen. Auch können noch so intensive Recherchen nicht vollständig davor bewahren, dass in bereits abgeschlossenen Verfahren relevante Materialien erst nach dem Erscheinen der Buchpublikation bekannt werden. Um derartige Lücken schließen zu können, wird die Buchpublikation durch eine Volltextedition aller Verfahren in digitalisierter Form ergänzt werden.

XXII

Einführung

Beispiel einer Dokumentseite

Beispiel einer Dokumentseite

Bezirk Erfurt

Φ

Lfd. Nr. 12

Landgericht Erfurt Az.: Js 6/94 - 2 KLs

3. November 1994

URTEIL

( J ) Kurztitel, charakterisiert den Verfahrensgegenstand CT) Laufende Nummer ( 3 ) Aussteller, Datum und Aktenzeichen

®

Θ

Im Namen des Volkes

Art des Dokuments

In der Strafsache gegen den Rentner Gerhard Müller, geboren 1928, Deutscher, verheiratet,

®

Angaben zu den Angeklagten (ohne Geburtsund Wohnort)

wegen Anstiftung zur Wahlfälschung hat die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Erfurt aufgrund der Hauptverhandlung vom 11.10.1994, 12.10.1994, 18.10.1994, 19.10.1994, 25.10.1994, 26.10.1994 und 03.11.1994, an der tei Igenommen haben :

( ß ) Redaktionelle Zusammenfassung einer gekürzten Passage zwischen Auslassungszeichen

® Es folgt die Nennung der Verfahrensbeteiligten, β am 03.11.1994 für Recht erkannt: Der Angeklagte wird wegen Anstiftung zur Wahlfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Angewendete Strafvorschriften: §§ 107a Abs. 1, 26, 56 StGB; Art. 315 Abs. 1 EGStGB, § 211 Abs. 1 StGB/DDR {3}

( 7 ) Beginn der Originalseite in geschweiften Klammern

®

Gründe (abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO) I.

® Redaktionelle Textergänzung in

[Feststellungen zur Person] V¿¿/

Der Angeklagte Müller wurde 1928 in C. als uneheliches Kind einer Arbeiterin geboren. Da seine Mutter allein für den Lebensunterhalt zu sorgen hatte, wurde er bereits kurz nach seiner Geburt in die Familie eines Schneiders zur Pflege gegeben. Dort wuchs er als letztes von zwölf Kindern auf. Von 1934 bis 1942 besuchte er in Bad Brambach die Grund- und weiterführende Schule, anschließend absolvierte er bis Januar 1945 eine Lehrausbildung im Lehrerbildungsinstitut in Auerbach. Nach Kriegsende arbeitete der Angeklagte zunächst in Bad Brambach in der Landwirtschaft, um dann von Januar bis August 1946 einen Kurs fur

eckigen Klammern

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XXIII

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Straljustiz Diese Einleitung skizziert zunächst Gegenstand, Umfang und Entwicklung der Strafverfolgungsmaßnahmen (I.). Anschließend werden Auswahl und Präsentation der Materialien erläutert und begründet (II.). I. Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Wahlfälschungen In dem erstinstanzlichen Wahlfälschungsurteil des Landgerichts Dresden gegen Hr ns Modrow und andere heißt es, dass mit Sicherheit von einer Manipulation sämtlicher seit 1950 in der DDR veröffentlichter Wahlresultate ausgegangen werden könne.1 D imit korrespondiert die lakonische Feststellung eines im Prozess hinzugezogenen Sachverständigen, die Geschichte der Wahlen in der DDR sei zugleich die Geschichte ihi ar Fälschungen.2 Dennoch beschränkt sich die Strafverfolgung auf die letzten Wahle ι unter der Ägide des SED-Parteiapparates, nämlich auf die Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989. Allein hier war es aufgrund der zeitlichen Nähe zum Zusammenbruch des realsozialistischen Systems möglich, eine strafrechtlichen Anforderungen genügende Sachverhaltsaufklärung durchzufuhren. Der nachfolgende Text bietet zunächst sine Einfuhrung in das zeitgeschichtliche Umfeld der Wahlmanipulationen anhand gerichtlicher Feststellungen (1.). Anschließend werden die konkreten Tathandlungen (2.), die Verfolgungsaktivitäten der DDR- wie bundesdeutschen Justiz (3.) sowie die in den Urteilen erfolgte strafrechtliche Einordnung (4.) dargestellt.3 1. Das zeitgeschichtliche Umfeld der Wahlmanipulationen a) Bedeutung und Funktionsweise des DDR-Wahlsystems Im Gegensatz zu Wahlen in parlamentarischen Demokratien westlicher Prägung war das Wahlsystem der DDR nicht auf Machtverteilung an frei konkurrierende politische Kräfte ausgerichtet.4 Vielmehr ging es primär um eine plebiszitäre Bestätigung der verfassungsmäßig festgeschriebenen Führungsrolle der SED und der mit ihr über die Einheitslisten verbundenen politischen Organisationen. Im Wahlakt sollte die Loyalität des Staatsvolkes gegenüber dem „Demokratischen Block" und die Identifikation mit seiner jeweils aktuellen Politik bekundet werden. Dies entsprach der durch die marxistischleninistische Staatslehre proklamierten Einheit von staatlichen und individuellen Interessen. Über einen so genannten Verteilerschlüssel wurden die zu vergebenden Mandate von vornherein anteilig den zusammengefassten Parteien und Massenorganisationen 1 2 3 4

LG Dresden, Urteil v. 27.5.1993 - Az. 3 (c) KLs 51 Js 4048/91, UA S. 37 = lfd. Nr. 15-1, S. 256. Nachzulesen bei Hannover NJ 1993,496,497. Eine umfassende Darstellung und Bewertung der Sachverhalte, Verfolgungsaktivitäten und Rechtsprobleme in Zusammenhang mit den DDR-Wahlfälschungen findet sich bei Müller, Symbol 89. Feststellungen des LG Erfiirt, Urteil v. 3.11.1994 - Az. Js 6/94-2 KLs, UA S. 9ff. = lfd. Nr. 12, S. 151f.; LG Dresden, Urteil v. 27.5.1993 - Az. 3 (c) KLs 51 Js 4048/91, UA S. 27ff. = lfd. Nr. 15-1, S. 250ff.; vgl. ferner StA II bei dem LG Berlin, Anklageschrift gegen Krenz und andere v. 1.6.1995 Az. 28/2 Js 185/91, S. 76ff. = lfd. Nr. 20 (insoweit nicht abgedruckt).

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Strafrechtliche Aufarbeitung

zugewiesen. Die Höhe der Wahlbeteiligung und die abgegebenen Gegenstimmen (Streichung des gesamten Wahlvorschlages) hatten somit keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung. Theoretisch erreichbar waren lediglich personale Veränderungen im Hinblick auf einzelne Kandidaten, wenn diese von mindestens 50% der Wähler von der Liste gestrichen wurden. Dies war bei den Kommunalwahlen von 1989 mit insgesamt 273.462 Kandidaten gerade zweimal der Fall. Allerdings bestanden im Vorfeld der Stimmabgabe Möglichkeiten, auf die personelle Besetzung der Volksvertretungen Einfluss zu nehmen. Entsprechend der selbst gesetzten Aufgabe, durch die Wahlen „in der DDR weiter die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten und so grundlegende Voraussetzungen fur den allmählichen Übergang zum Kommunismus zu schaffen" (Präambel des DDR-Wahlgesetzes), wurden die Wahlen selbst stets durch eine „Wahlbewegung" vorbereitet. Neben öffentlichen Erörterungen der SED-Politik mussten sich alle Kandidaten vor der Nominierung in ihren Wahlkreisen vorstellen und sich anschließend persönlichen Beurteilungen durch die Orts- beziehungsweise Wohnbezirksausschüsse der Nationalen Front unterziehen. Dieses gesetzlich nicht näher ausgestaltete Verfahren einer Vorauswahl, das gleichsam Rudimente direkter Demokratie verkörpern sollte, führte bei den Kommunalwahlen 1989 zum Austausch von 1,3% der Kandidaten (insgesamt über 3.500 Personen).5 Darüber hinaus gab die Wahlbewegung zahlreichen Bürgern Anlass, die schnellere und bevorzugte Lösung individueller Anliegen einzufordern, insbesondere bei Wohnungs- und Versorgungsproblemen. So wurde unter Bezugnahme auf unerledigte Eingaben und Anträge mit Wahlenthaltung gedroht. Amtsträger reagierten hierauf mit dem Versprechen, bestimmten besonders schweren Mängeln beschleunigt abzuhelfen. Diese offenbar durchaus selbstbewusst und handfest betriebene „Klientel-Politik" führte nach unwidersprochenen Aussagen mehrerer Funktionsträger des Bezirks Dresden dazu, dass man sich zeitweise „regelrecht eipreßt" fühlte, die Forderungen der Wähler zu erfüllen.6 Für die Kommunalwahlen 1989 ist schließlich deren besondere politische Bedeutung im Kontext der internationalen Entwicklung zu beachten. In der Sowjetunion unter Gorbatschow wie auch in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei bedrohten Reformbewegungen die Stabilität des realsozialistischen Machtblocks insgesamt. Auch in der DDR wurde verstärkt Unzufriedenheit artikuliert, die über eine Kritik an Versorgungsmängeln weit hinausging. Dies geschah in scharfem Kontrast zur offiziellen Selbstdarstellung der DDR anlässlich des 40-jährigen Staatsjubiläums, fur das besonders eindrucksvolle Loyalitätsbekundungen vorgesehen waren. Auch gegenüber den schwankenden „Bruderländern" wollte man mit dem Wahlergebnis ein Zeichen setzen und den Anschein innerer Stärke und Geschlossenheit demonstrieren.

5

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Freilich ist - worauf die Sachverhaltsfeststellungen nicht hinweisen - zu beachten, dass die Wählerbeteiligung bei der Kandidatenaufstellung und -prüfung engen Grenzen unterlagen. Abgeordnetenmandate wurden häufig lange vorher im Wege der allgemeinen „Kaderarbeit" verplant und standen daher nicht mehr zur Disposition (dazu ausfuhrlich Brandt, Kandidatenaufstellung, S. 7Iff.). Auch die am häufigsten vorgebrachten, unpolitischen Ablehnungsgründe wie „unzureichende Arbeitsmoral" oder „gesellschaftliche Inaktivität" (vgl. Neues Deutschland v. 11 ./12.3.1989, S. 1) sprechen für eine gelenkte Auswahl. LG Dresden, Urteil v. 27.5.1993 - Az. 3 (c) KLs 51 Js 4048/91, UA S. 34 = lfd. Nr. 15-1, S. 254.

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Strafrechtliche Aufarbeitung

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

b) „ Legale " Manipulationsmöglichkeiten7 Bereits die allgemein übliche tatsächliche Ausgestaltung des Wahlvorgangs bot die Möglichkeit, das gesetzlich garantierte Recht auf freie und geheime Wahlen8 manipulat e zu unterlaufen. Durch den Einsatz zahlreicher als „Agitatoren" bezeichneter Wahlhelfer wurden Wahlberechtigte am Wahltag persönlich aufgesucht und zur Stimmabgabe aufgefordert. Teilweise wurden auch so genannte „fliegende Wahlurnen" verwendet, die eine Stimmabgabe an Ort und Stelle außerhalb des Wahllokals ermöglichten. Potentiell Wahlunwillige konnten sich so dem faktischen Druck noch schwerer entziehen. Nach den zur Kommunalwahl 1989 ausgegebenen Wahldirektiven war diese Möglichkeit der Stimmabgabe dagegen ausschließlich fur gebrechliche Wähler vorgesehen. In den Wahllokalen selbst wurde der Gebrauch bereitstehender Wahlkabinen9 gezielt diskriminiert. Wer sich zur geheimen Stimmabgabe entschloss, hatte den „Auftrag" der Wahlbewegung „nicht verstanden". In zahlreichen Kreisen waren die Kabinen der permanenten und teilweise offenkundigen Beobachtung durch Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ausgesetzt. Nutzer wurden registriert und hatten so persönliche Nachteile zu befürchten. Auch die Praxis der Stimmenauszählung beinhaltete manipulative Elemente. Wie schon bei vorangegangenen Wahlen wurden die Grundsätze zur Wertung der Stimmzettel bei Streichungen und ähnlichem erst kurz vor der Wahl in einem als „Vertrauliche Verschlußsache" gekennzeichneten Schreiben aus Berlin übermittelt.10 Der Inhalt dieses Schreibens war den Wahlvorständen vor Ort jedoch nur mündlich zur Kenntnis zu geben und anschließend sofort zu vernichten. Am Wahltag selbst wurde dann in den durch die unklare Weisungslage bewusst herbeigeführten Zweifelsfállen stets zu Gunsten der Einheitsliste gewertet. Darüber hinaus wurden die Auszählungsgrundsätze den Wahlberechtigten nicht mitgeteilt. Wer gegen den Wahlvorschlag oder gegen die Kandidaten der Einheitsliste stimmen wollte, musste sich unter dem Risiko weiterer Stigmatisierung zur Nachfrage an den Wahlvorstand wenden oder aber mit der Nichtberücksichtigung seines Votums rechnen. Die Ermittlung der Wahlbeteiligung erfolgte über ein als „Zweitnumerierung" bezeichnetes Verfahren. Von den zunächst für alle Wahlkreise aufgestellten allgemeinen Wählerlisten wurden unter Ausschluss bestimmter Personenkreise aktuelle Zweitversionen gefertigt. Unberücksichtigt blieben hier neben Verstorbenen auch Personen mit dem Vermerk „z.Zt. im Ausland". Dieser Vermerk wurde entgegen seiner eigentlichen Bestimmung kurzerhand auch bei Wahlberechtigten angebracht, die aufgrund vergangenen Wahlverhaltens oder gestellter Ausreiseanträge als hartnäckige Nichtwähler galten. Gingen letztere doch zur Wahl, ließ man sie aufgrund des allgemeinen Wählerverzeichnisses wählen und stellte im nachhinein einen Wahlschein aus. Zur Feststellung der Wahlbeteiligung wurde dann aber gleichwohl nur die Zahl der Zweitnummerierungen 7

Feststellungen des KrG Potsdam-Stadt, Urteil v. 13.9.1991 - Az. 32 S 26/90 221-7/90, UA S. 10-12 = lfd. Nr. 9, S. 112-113; LG Erfurt, Urteil v. 3.11.1994 - Az. Js 6/94-2 KLs, UA S. 12ff. = lfd. Nr. 12, S. 152fT.; vgl. ferner StA II bei dem LG Berlin, Anklageschrift gegen Krem und andere v. 1.6.1995 - Az. 28/2 Js 185/91, S. 113ff. = lfd. Nr. 20 (insoweit nicht abgedruckt). 8 § 2 DDR-Wahlgesetz. 9 § 35 Abs. 4 DDR-Wahlgesetz. 10 Veröffentlicht bei Stephan, Dokumente, S. 72ff.

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DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Strafrechtliche Aufarbeitung

berücksichtigt. Durch diese doppelte Verzerrung der Relation Wähler/Wahlberechtigte wurden von vornherein günstigere, scheinbar den „Erfolg" der Wahlbewegung dokumentierende Beteiligungsquoten erreicht. c) Wahlbeobachtungen, Mß-Aktivitäten und Justiz der DDRU Dass eine Strafverfolgung der Wahlfälschungen vom Mai 1989 überhaupt möglich wurde, ist den durch widerständige Bürger organisierten Wahlbeobachtungen zu verdanken. Bereits bei den Volkskammerwahlen von 1986 hatten Bürgerrechtler versucht, die gemäß § 37 DDR-Wahlgesetz öffentlichen Auszählungsvorgänge zu überwachen. Mangels Bekanntgabe der Resultate einzelner Wahllokale und in Anbetracht einer noch schwachen Organisationsstruktur gab es jedoch keine Möglichkeit, eine Fälschung des offiziell verkündeten republikweiten Gesamtergebnisses nachzuweisen. Mit logistischer und beratender Unterstützung von kirchlicher Seite gelang bei den Kommunalwahlen 1989 die Organisation einer umfassenden Präsenz in den Wahllokalen. So konnten in zahllosen Fällen Diskrepanzen zwischen den realen Werten für Wahlbeteiligung, Zustimmung sowie Ablehnung des Wahlvorschlags und den offiziell verkündeten Resultaten zumindest annäherungsweise belegt werden. Da die oppositionellen Gruppen ihre umfassende Wahlbeobachtung bewusst als bloße Wahrnehmung von gesetzlich gewährten Rechten gestalteten, hatten sie auch keinen Anlass, ihr Vorhaben vor offiziellen Stellen zu verbergen. So erhielt die Staatsführung relativ früh Kenntnis von dem beabsichtigten Vorgehen. Um es den Wahlbeobachtern möglichst schwer zu machen, wurde eine öffentliche Bekanntgabe der genauen Standorte sämtlicher Wahllokale vermieden. Die Adressen wurden nur über die Wahlbenachrichtigungskarten den jeweils örtlich Wahlberechtigten mitgeteilt. Darüber hinaus entfaltete das MfS umfangreiche Aktivitäten. In internen Berichten wurden die geplanten Wahlbeobachtungen als „provokatorisch-demonstrative Aktivitäten" von „feindlichnegativen Kräften" eingestuft. Dem politischen Selbstverständnis der Wahlbeobachter entsprach es dagegen eher, im Gegensatz zu einer „fundamentaloppositionellen" Haltung Veränderungen und Fortschritte innerhalb des bestehenden Systems zu erreichen. Unter dem bezeichnenden Decknamen „Symbol 89" ordnete der zentrale MfS-Befehl Nr. 6/89 vom 6. März 1989 Maßnahmen zur „politisch-operativen Sicherung der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen" an. Dies bedeutete insbesondere die verstärkte Observierung einzelner führender Bürgerrechtler und massive MfS-Präsenz in den Wahllokalen. Eingeschlossen waren aber auch Beobachtungen im Umfeld einzelner Staats- und Parteifunktionäre, die in die Fälschungsabläufe eingebunden waren. Gleichwohl konnten die MfS-Aktivitäten den Erfolg der Wahlbeobachtungen kaum beeinträchtigen. Die festgestellten Abweichungen, die nur durch massive Fälschungen auf einer den Wahllokalen übergeordneten Ebene erklärbar waren, führten zu zahlreichen Eingaben und Strafanzeigen wegen Wahlfälschung. Von staatlicher Seite reagierte man mit konsequentem Verleugnen. In einem Fernschreiben des ehemaligen stellver11 Feststellungen des LG Dresden, Urteil v. 27.5.1993 - Az. 3 (c) KLs 51 Js 4048/91, UA S. 37ff. = lfd. Nr. 15-1, S. 256ff.; BG Dresden, Urteil v. 7.2.1992 - Az. 3 KLs 51 Js 530/91, UA S. 41f. = lfd. Nr. 14-1, S. 190f.; vgl. femer StA II bei dem LG Berlin, Anklageschrift gegen Krenz und andere v. 1.6.1995 - Az. 28/2 Js 185/91, S. 115-125 = lfd. Nr. 20 (insoweit nicht vollständig abgedruckt).

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Strafrechtliche Aufarbeitung

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

tretenden DDR-Generalstaatsanwalts Borchert vom 19. Mai 1989 an die Staatsanwälte der Bezirke, das auf einem gleichlautenden, wiederum durch die Staatsführung veranlassten MfS-Befehl Mielkes beruhte, wurde unter anderem folgende Anweisung erteilt: „Anzeigen, die nach § 211 Strafgesetzbuch [Wahlfälschung] erstattet werden, sind ohne Kommentar entgegenzunehmen. Nach Ablauf der vorgesehenen Fristen für die Anzeigenbearbeitung ist von den jeweils zuständigen Organen zu antworten, daß keine Anhaltspunkte für den Verdacht einer Straftat vorliegen. Außerdem ist auf die offizielle Verlautbarung über die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen zu verweisen. Beschwerden über die getroffene Entscheidung sind gemäß § 91 StPO zu bearbeiten und abschlägig zu entscheiden."12 Erst nach der politischen Wende vom Herbst 1989 begann die DDR-Justiz mit der Verfolgung der Wahlfälschungen.13 2. Die konkreten Tathandlungen a) Umfang der Wahlfälschungen Das einheitliche Unrecht der Fälschungshandlungen liegt in der systematischen Unterdrückung von Enthaltungen und ungültigen Stimmen sowie insbesondere von Ablehnungen des gesamten Wahlvorschlags („Gegenstimmen"), deren realer Anteil mit regionalen Unterschieden im Durchschnitt auf etwa zehn Prozentpunkte über den veröffentlichten Werten, die stets um 99% Zustimmung auswiesen, geschätzt wird. So lag beispielsweise für die Stadt Dresden der (für DDR-Verhältnisse hohe) offizielle Wert bei 2,5%, während ein tatsächlicher Anteil von etwa 10 bis 12% angenommen wird.14 Zwar kam dieser Differenz keine Bedeutung für die personelle Zusammensetzung der Volksvertretungen zu, doch wurde so eine ohnehin abgeschwächte Möglichkeit politischer Willensäußerung weiter beschnitten. Die DDR-Kommunalwahlen bezogen sich auf die Zusammensetzung der Volksvertretungen auf Kreis- und Gemeindeebene, das heißt der Kreistage und Gemeindevertretungen. Hinzu kommen in den Städten und Stadtkreisen die Stadtverordnetenversammlungen sowie die Stadtbezirksversammlungen. In Berlin (Ost), das einem DDR-Bezirk gleichgestellt war, wurden dementsprechend nur die Stadtbezirksversammlungen gewählt. Verfälscht wurden sowohl die in den regulären Wahllokalen erzielten Ergebnisse wie auch Resultate der so genannten Sonderwahllokale. Letztere waren als Äquivalent zur Briefwahl für zum Wahltag verhinderte Wähler vorgesehen und wurden vom 15. April bis zum 6. Mai 1989 offen gehalten. Sie dienten aufgrund reger Nutzung15 als wichtiger Gradmesser für das abschließende Wahlergebnis und für die „Notwendigkeit" einer weiteren Verfälschung. Die Inanspruchnahme von Sonderwahllokalen wurde entgegen ihrer gesetzlichen Ausnahmefunktion von offizieller Seite zunehmend propagiert, um „ergänzend" zu den eigentlichen Fälschungshandlungen über das Verfahren der

12 LG Dresden, Urteil v. 27.5.1993 - Az. 3 (c) KLs 51 Js 4048/91, UA S. 89 = lfd. Nr. 15-1, S. 285. 13 Siehe dazu unten 3. auf S. XXXIII. 14 Vgl. LG Dresden, Urteil v. 27.5.1993 - Az. 3 (c) KLs 51 Js 4048/91, UA S. 37 und 71f. = lfd. Nr. 15-1, S. 256 und 275f.; Reuter NJ 1991, 198. 15 Für 1989 fehlen genaue Zahlen. Bei der Kommunalwahl 1984 ergab sich ein Anteil von mehr als 16% der Stimmabgaben; LG Dresden, aaO, UA S. 42f. = lfd. Nr. 15-1, S. 259.

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Zweitnummerierung auch hier bereits die Beteiligungsquoten zu manipulieren. Denn auch die „Sonderwähler" blieben nach Abholung ihres Wahlscheins fur die Zweitversion der Wählerliste unberücksichtigt. Die in den Sonderwahllokalen abgegebenen Stimmen wurden am Ende des Wahltags ohne besondere Kennzeichnimg mit den Ergebnissen bestimmter Wahlbezirke verrechnet. Wer trotz Abholung des Wahlscheins der Wahl fernblieb, konnte die Zahl der Wahlenthaltungen nicht mehr beeinflussen.16 Wahlfälschungen wurden für insgesamt elf der einschließlich Berlins 15 DDRBezirke gerichtlich nachgewiesen.17 Betroffen waren hier 52 der insgesamt 173 Kreise. Die Judikate betreffen überwiegend die Ergebnisse auf Kreisebene, teilweise aber auch Ergebnisse in kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Eine Gesamtüberprüfung des Wahlergebnisses war aufgrund der umfangreichen Vernichtung von Wahlunterlagen nicht mehr möglich. Nicht zuletzt die weitgehend übereinstimmenden Ergebnisse sämtlicher Territorien sprechen jedoch für die Annahme zumindest tendenziell flächendeckender Fälschungsaktivitäten.18 b) Begehungsformen Allgemeines Kennzeichen der strafrechtlich verfolgten Wahlfälschungen ist die Verfälschung der aus den einzelnen Wahllokalen von den Wahlvorständen übermittelten Ergebnisse durch Mitglieder der jeweils zuständigen Wahlkommission. Dort wurden falsche Ergebnisse in die anzufertigenden Protokolle eingetragen und an übergeordnete Wahlkommissionen weitergegeben. Die Auszählung in den Wahllokalen selbst erfolgte - wohl im Gegensatz zu vorangegangenen Wahlen - weitgehend korrekt. Nur so war auch den oppositionellen Wahlbeobachtern eine Rekonstruktion realer Ergebnisse möglich. Teilweise kam es auch zu Einzelinterventionen, die neben den systematischen Ergebnismanipulationen und sonstigen manipulativen Vorgehensweisen (Verfahren der Zweitnummerierung, überzogene und geheim gehaltene Anforderungen an Nein-Stimmen) zur Verfälschung der Wahlergebnisse beitrugen. In einem rechtskräftig abgeurteilten Fall vollzogen übereifrige Funktionäre eine Art Doppelwahl, indem sie Stimmzettel für Wähler einwarfen, die bereits in einem auswärtigen Sonderwahllokal gewählt hatten.19 In zwei weiteren Fällen „stellvertretender Stimmabgabe" wurden für örtlich bekannte

16 LG Dresden, Urteil v. 27.5.1993 - Az. 3 (c) KLs 51 Js 4048/91, UA S. 43 = lfd. Nr. 15-1, S. 259; vgl. ferner KrG Potsdam-Stadt, Urteil v. 13.9.1991 - Az. 32 S 26/90 221-7/90, UA S. 11 = lfd. Nr. 9, S. 112. 17 Keine Urteile liegen bezüglich der Bezirke Neubrandenburg, Magdeburg, Frankfurt, Schwerin und Suhl vor. 18 Vgl. Reuter NJ 1991, 198. Detailliert dazu Müller, Symbol 89, S. 113ff. 19 Es handelte sich um die Gemeinde Rückersdorf. Vgl. KrG Gera-Stadt, Urteil v. 25.2.1992 - Az. 11 Ls 1 Js 1825/91 i.V.m. StA Gera, Anklageschrift v. 6.11.1991 - Az. 1 Js 1825/91, S. 1 (Abgesandter der SED); KrG Gera-Land, Urteil v. 12.2.1992 - Az. 11 Ls 1 Js 1211/91, UA S. 3f. (Bürgermeister von Rückersdorf); KrG Gera-Stadt - Schöffengericht - , Urteil v. 19.2.1992 - Az. Ls 1/Js 1824/91, UA S. 2 (Stellv. Vorsitzender der Wahlkommission Rückersdorf); AG Gera, Urteil v. 9.3.1994 - Az. 4 Js 1823/91 12 Ls (Mitglied des Wahlvorstands in Rückersdorf).

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„NichtWähler" kurzerhand Stimmzettel eingeworfen und so Wahlteilnahmen mit voller Zustimmung zur Einheitsliste fingiert.20 Im Hinblick auf die zentralen Ergebnisverfälschungen kann der Täterkreis weiter differenziert werden. Gemäß § 211 Absatz 1 DDR-StGB setzt täterschaftliche Begehung voraus, dass jemand „als Mitglied einer Wahlkommission oder als ein in ihrem Auftrag Handelnder" tätig wurde. Dies bedeutet, dass insbesondere fur leitende Parteifunktionäre, die kraft ihrer politischen Stellung die Fälschungen veranlassten, (mittelbare) Täterschaft grundsätzlich ausscheidet. Im Regelfall kommt hier nur Anstiftung oder aber so genannte psychische Beihilfe durch Bekräftigung eines bereits vorhandenen Fälschungsentschlusses in Frage. Als Täter werden vor allem Bürgermeister beziehungsweise Vorsitzende der Räte der Kreise erfasst, die stets zugleich der jeweiligen Wahlkommission vorstanden und das „Endergebnis" abzuzeichnen hatten. Dies gilt ebenso für oft nachrangige Angehörige der Wahlkommissionen beziehungsweise Beauftragte in den Rechenbüros, die die zahlenmäßige „Umsetzung" der vorgegebenen Werte ausführten.

c) Organisationszusammenhang der Ergebnismanipulationen Anhand der gerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen zum Wahlfalschungsgeschehen im Bezirk Dresden lässt sich die zentrale, über die verschiedenen Hierarchieebenen in Partei und Staat umgesetzte Organisation der Wahlfälschungen verdeutlichen. Die für alle DDR-Bezirke im Zusammenhang mit den Manipulationen erteilte Vorgabe, nicht hinter die Ergebnisse der Kommunalwahlen von 1984 und der Volkskammerwahlen von 1986 zurückzufallen, erfolgte in der Terminologie der Zeugen und Angeklagten „von oben" beziehungsweise „aus Berlin". Ein konkreter, für die Initiierung der Fälschungen verantwortlicher Personenkreis der zentralen Führungsebene konnte jedoch in den Prozessen nicht benannt werden.21 Allerdings hatte der für Wahlen zuständige Sekretär des Zentralkomitees Dohlus in zwei Reden vor den 2. Sekretären der SED-Bezirksleitungen zu den anstehenden Kommunalwahlen Stellung genommen. Er hatte hier zunächst eindringlich die innen- wie außenpolitische Bedeutung der Kommunalwahlen im 40. Jahr der DDR hervorgehoben. Als „Kampfauftrag der Bezirksleitungen" gab Dohlus die Formeln aus, „die bisher erzielten eindrucksvollen Wahlergebnisse erneut zu erreichen und zu bestätigen" und „das bestmögliche Ergebnis zu erreichen". Dafür habe man „alle

20 Betroffen waren die Stadt Rheinsberg sowie die Gemeinde Reichenbach. Vgl. KrG Neuruppin, Urteil v. 7.3.1990 - Az. S 10/90 (Bürgermeister der Stadt Rheinsberg u.a.), UA S. 4-11 = lfd. Nr. 3-1, S. 7-11; BG Potsdam, Urteil v. 25.4.1990 - Az. bsb 41.90 ([Berufung), UA S. 3-6 = lfd. Nr. 3-2, S. 16; KrG Jena-Stadt, Urteil v. 1.6.1992 - Az. 4 Js 16707/91 - Ls, UA S. 4ff. (Vorsitzender des Rates des Kreises Stadtroda); KrG Stadtroda, Strafbefehl v. 14.10.1993 - Az. 4 Js 17912/91 (Bürgermeister von Reichenbach), S. 1. 21 Das Verfahren gegen die wegen Wahlfälschung angeklagten Politbüro-Mitglieder Krenz, Dohlus und Schabowski (Anklageschrift der StA II bei dem LG Berlin v. 1.6.1995 - Az. 28/2 Js 185/91 = lfd. Nr. 20) wurde nunmehr endgültig eingestellt. Den Einstellungsgrund bildeten die in erster Instanz vorliegenden Schuldsprüche gegen Krenz und Schabowski wegen ihrer Verantwortlichkeit für die Grenztötungen, denen gegenüber eine Verurteilung wegen Anstiftung zur Wahlfälschung nicht mehr selbständig ins Gewicht fiele. Dohlus war bereits aus dem Mauerschützen-Verfahren wegen schlechter Gesundheit ausgeschieden. Vgl. zur Verfahrensgeschichte näher unten 3. auf S. ΧΧΧΙΠ.

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Trümpfe in der Hand". Das Landgericht Dresden wertete dies rückschauend als andeutungsweise Ergebnisvorgabe, die notfalls durch Fälschungen umzusetzen sei.22 Am 2. Mai 1989, also verhältnismäßig kurz vor dem Wahltag, wies der 1. Sekretär der Dresdner SED-Bezirksleitung Modrow in einer von ihm geleiteten Sekretariatssitzung in Anwesenheit des Dresdner Bürgermeisters Berghofer die versammelten Funktionäre auf die Äußerungen von Dohlus hin. Er ordnete außerdem an, dass am Wahltag durch die örtlichen Wahlkommissionen nur Zahlen herausgegeben werden dürften, die zuvor von den 1. Sekretären der SED-Kreis- und Stadtbezirksleitungen kontrolliert worden seien. Auf insbesondere durch Berghofer erhobenen Widerspruch hin kündigte Modrow an, in Berlin eine letzte Intervention zur Verhinderung von Manipulationen zu unternehmen. Nachdem dies jedoch gescheitert war, gingen die Beteiligten von einer Unvermeidbarkeit der Wahlfälschungen aus. Innerlich lehnten sie freilich die Abrechnung manipulierter Zahlen nach wie vor ab. Im folgenden „erarbeiteten" Berghofer und der 1. Sekretär der Dresdner SED-Stadtleitung Moke verschiedene Ergebnisvarianten, die bis auf die abschließende Version jeweils „von oben" als zu negativ verworfen wurden. Diese Zahlen wurden wiederum den protestierenden Stadtbezirksbürgermeistern übermittelt, die sich schließlich widerwillig zur „Umsetzung" bereit erklärten. Am Wahltag selbst setzten Berghofer und Moke die vorgegebenen Gesamtergebnisse auf die einzelnen Stadtbezirke um und übermittelten die jeweiligen Anteile wiederum deren Bürgermeistern sowie den 1. Sekretären der SED-Stadtbezirksleitungen. Diese errechneten aus den Prozentwerten absolute Stimmenzahlen, die sie selbst oder über beauftragte Wahlhelfer den bezirklichen Rechenbüros zukommen ließen. Dort wurde nun die Rechenoperation gleichsam wieder zurück vollzogen, um die so „ermittelten" Prozentwerte als abschließende Wahlergebnisse auszugeben. Zuvor hatten Berghofer und Moke am 6. Mai 1989 nach einem Gespräch mit Modrow die Manipulation der in Teilen gerade bekannt gewordenen SonderwahllokalErgebnisse angeordnet. Modrow selbst entsandte am Wahltag ihm unterstellte Angehörige der SED-Bezirksleitung zu den Wahlkommissionen der Kreise, um sicherzustellen, dass auch dort Fälschungen im festgelegten Umfang vorgenommen würden. Die Beauftragten setzten dies auf Kreisebene zum Teil unter massiver Drohung mit dem Verlust von Ämtern gegenüber den örtlichen Funktionsträgern der SED-Kreisleitungen oder direkt gegenüber den Leitern der staatlichen Kreiswahlkommissionen durch. Die Vorgehensweise im Bezirk Dresden offenbart insgesamt Mechanismen, die den bekannt gewordenen Sachverhalten in anderen Regionen entsprechen. Dies sind zum einen die zentrale Initiierung durch bewusst verschleiernde Vorgaben aus Berlin sowie die Beeinflussimg staatlicher Funktionsträger über die örtlich und hierarchisch parallel strukturierte SED-Parteiebene.23 Ebenso charakteristisch ist das gehäufte Auftreten von

22

LG Dresden, Urteil v. 27.5.1993 - Az. 3 (c) KLs 51 Js 4048/91, UA S. 45 = lfd. Nr. 15-1, S. 260f. Auch in der vorläufigen Einstellungsverfügung betreffend Krenz und Schabowski wird - im Rahmen der Kostenentscheidung - von einer Tatschuld der Angeklagten ausgegangen; LG Berlin, Beschluss v. 31.10.1997 - Az. 517-23/95. Näher zum Problem der zentralen Verantwortlichkeit Müller, Symbol 89, S. 122ff. 23 Siehe dazu im einzelnen lfd. Nr. 19 (Berlin); lfd. Nr. 10 (Bezirk Potsdam); lfd. Nr. 8 (Bezirk KarlMarx-Stadt); lfd. Nr. 12 (Bezirk Erfurt); lfd. Nr. 13 (Bezirk Gera). XXXII

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Widerständen vorrangig bei mittleren und unteren staatlichen Amtsträgern, teilweise aber auch bei den Bezirksspitzen in Staat und Partei. Das damit verbundene ständige Wechselspiel zwischen Weigerung und Rückfrage auf höherer Ebene führte teilweise zu einem grotesken Feilschen um die bekanntzugebenden Zahlen. Nicht selten trugen Bürgermeister hier „Siege" davon, indem ihnen etwa einige hundert Nein-Stimmen mehr zugestanden wurden, als zunächst vorgesehen. Die „Umsetzung" der Vorgaben erfolgte schließlich einheitlich unter Heranziehung eines möglichst klein gehaltenen Kreises eher untergeordneter Mitarbeiter aus der örtlichen Verwaltung.

3. Die Verfolgungsaktivitäten der Justiz Die strafrechtliche Aufarbeitung der Wahlmanipulationen begann noch in der DDR der Wendezeit (a). Ab dem 3. Oktober 1990 wurden die Verfolgungsaktivitäten von der bundesdeutschen Justiz fortgeführt (b). a) Die DDR-Verfahren Mit der politischen Wende vom Herbst 1989 wurde auch die staatliche Anordnung zur Nichtverfolgung der Wahlfälschungen unhaltbar. Zu welchem genauen Zeitpunkt hier strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen wurden, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Potsdam wies der am 5. Dezember 1989 abgelöste stellvertretende DDR-Generalstaatsanwalt Borchert die Bezirksstaatsanwälte im Herbst 1989 an, entgegen seiner ursprünglichen Direktive die vor der Wende erstatteten Wahlfälschungsanzeigen nun doch ernsthaft zu überprüfen.24 Erste Ermittlungsverfahren auf Bezirks- und Kreisebene sollen dann im Dezember 1989 eingeleitet worden sein.25 Sie beruhten teilweise auch auf zwischenzeitlich neu eingegangenen Anzeigen.26 Entsprechend der gesamten Staatsorganisation war auch die Staatsanwaltschaft der DDR nach Zentral-, Bezirks- und Kreisebene hierarchisch gegliedert. Als oberste Behörde leitete der Generalstaatsanwalt die Bezirksstaatsanwaltschaften an; diese wachten wiederum über die Tätigkeit der Kreisstaatsanwälte. In die Wahlfälschungsermittlungen waren sämtliche Hierarchieebenen einbezogen. Während die Kreisstaatsanwaltschaften gegen Staats- und Parteifunktionäre auf Gemeinde- und Kreisebene ermittelten, beschränkten sich die Ermittlungen der Bezirksstaatsanwaltschaften in der Regel auf Verantwortliche in den Bezirken.27 Beim Generalstaatsanwalt der DDR wurde zu Beginn des Jahres 1990 eine aus sechs bis sieben Staatsanwälten bestehende „Arbeitsgruppe

24

StA Potsdam, Anklageschrift v. 2.3.1993 - Az. 60/3 Js 522/93, S. 14; vgl. auch StA bei dem KG, Anklageschrift v. 14.4.1991 - Az. 2 Js 245/90, S. 196. 25 Vgl. insoweit Reuter, NJ 1990, S. 322, 324 sowie NJ 1991, S. 1981. Nach einem Bericht des Neuen Deutschland vom 2.2.1990 blieben die Berliner Wahlfälschungsanzeigen bis zum 14. Dezember 1989 unbearbeitet 26 StA II bei dem LG Berlin, Anklageschrift v. 1.6.1995 - Az. 28/2 Js 185/91, S. 125 = lfd. Nr. 20, S. 404. 27 Abweichungen ergaben sich etwa, wenn Anstiftung und Haupttat Gegenstand eines einheitlichen Verfahrens waren; vgl. BStA Leipzig, Anklageschrift v. 8.5.1990 - Az. 131-3/90.

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Wahlen" eingerichtet. Sie sollte das Vorgehen der nachgeordneten Stellen koordinieren sowie Informationen aus den vor Ort geführten Verfahren sammeln und nach Anhaltspunkten für eine mögliche zentrale Verantwortlichkeit auswerten.28 Neben die angespannte politische Lage in der gewendeten DDR traten praktische Schwierigkeiten der Strafverfolgung. Eine objektive Beweisführung war in den Wahlfälschungsfällen kaum möglich, da die Wahlunterlagen auf Anweisung der zentralen Wahlkommission weitgehend vernichtet worden waren. Nur vereinzelt konnten zurückgebliebene Dokumente der Gemeindeebene sichergestellt werden, die Rückschlüsse auf Manipulationen der Kreisergebnisse erlaubten.29 Im übrigen waren die Ermittler auf Zeugenaussagen aus dem Umfeld der Täter sowie auf die Erkenntnisse der Wahlbeobachter angewiesen. Teilweise kam es, nachdem erste strafrechtliche Untersuchungen angelaufen waren, auch zu Selbstanzeigen und Geständnissen, die weitere Verfahren ermöglichten.30 Wurde Anklage erhoben, verzögerte sich die Durchführung des Hauptverfahrens in mehreren Fällen, weil die Legitimation der Richter zur Sachentscheidung in Frage stand. Hintergrund war die Tatsache, dass in der DDR sämtliche Richter durch die Abgeordneten der jeweils örtlich zuständigen Volksvertretung gewählt wurden.31 Die in der Regel mit den Wahlfälschungsfällen befassten Richter der Kreisgerichte erhielten ihre Bestätigung damit genau durch jene Vertretungskörperschaften, deren Wahl nun dem Verdacht schwerer Manipulationen ausgesetzt war.32 Über die Zahl der zu DDR-Zeiten insgesamt eingeleiteten Ermittlungsverfahren fehlen genaue Angaben. Nach einer internen Dokumentation des DDR-Generalstaatsanwalts mit Stand vom 10. Mai 1990 wurden bereits zu diesem Zeitpunkt Ermittlungsverfahren gegen 124 Beschuldigte durchgeführt. Soweit ersichtlich wurden während der Ermittlungen insgesamt sechs Personen in Untersuchungshaft genommen, darunter der Vorsitzende des Rates des Bezirks Gera, Ullrich33, sowie der Potsdamer Oberbürgermeister Seidel34. Gemessen an rechtsstaatlichen Maßstäben der Bundesrepublik können die Inhaftierungen kaum mehr als verhältnismäßig gelten.35 Es liegt vielmehr nahe, sie als Konzession der sich wendenden DDR-Justiz an die in der Bevölkerung verstärkt artikulierten Forderungen nach einem „harten Durchgreifen" anzusehen.

28 Vgl. „Fliegende Urnen", Der Spiegel Nr. 11/1990 v. 12.3.1990, S. 81. 29 Vgl. KStA Zossen, Anklageschrift v. 6.3.1990 - Αζ. 221-034-90, S. 5f.; KStA Dresden-Land, Anklageschrift v. 30.3.1990 - Az. 820 Js 2537 4/92, S. 3 sowie das Interview mit dem Leiter der AG Wahlen beim Generalstaatsanwalt der DDR, Pahn, in Neues Deutschland v. 23.1.1990. 30 Vgl. KStA Schleiz, Anklageschrift vom 3.3.1990 - Az. 221-15/90, S. 6; KrG Schleiz, Urteil v. 12.4.1990 - Az. S 10/90, UA S. 10 = lfd. Nr. 3-1, S. 35. 31 Siehe Artikel 95 DDR-Verf., § 46 DDR-GVG. 32 Vgl. nur die im Verfahren gegen den ehemaligen Potsdamer Oberbürgermeister Seidel (lfd. Nr. 9) ergangenen Beschlüsse zur Befangenheit verfahrensbeteiligter Richter: KrG Potsdam-Stadt, Beschluss v. 18.6.1990 - Az. 32 S 26/90, S. 2 = NJ 1990, S. 415 (in Auszügen); BG Potsdam, Beschluss v. 30.1.1991 - Az. ARs 2/91, S. 2f. 33 Vgl. lfd. Nr. 13. 34 Vgl. lfd. Nr. 9. 35 In diesem Sinn auch AG Berlin-Tiergarten, Urteil v. 8.9.1993 - Az. (215) 77 Js 103/90 Ls (10/93), UA S. 18 = lfd. Nr. 19, S. 386.

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Wegen des Verdachts der zentralen Veranlassung der Wahlmanipulationen wurden zunächst Anzeigenprüfungsverfahren36 gegen Egon Krenz, Horst Dohlus sowie den Sekretär der zentralen Wahlkommission, Hans-Joachim Semler, gefuhrt. Parallel wurde ein Ermittlungsverfahren gegen „Unbekannt" eingeleitet. Am 27. August 1990 beendete der DDR-Generalstaatsanwalt schließlich die Anzeigenprüfung, indem er verfugte, mangels hinreichendem Tatverdacht von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. Zugleich wurde das Verfahren gegen „Unbekannt" vorläufig eingestellt.37 Nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft reichten die „politischen" Aufforderungen zur Erreichung „bestmöglicher Ergebnisse" nicht aus, um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit fur die Manipulationen zu begründen. Insgesamt kam es vor dem 3. Oktober 1990 zu 24 Wahlfälschungsanklagen38 gegen insgesamt 76 Angeschuldigte. Klare Schwerpunkte lagen dabei in den Territorien der heutigen Bundesländer Brandenburg (Bezirke Potsdam, Frankfurt, Cottbus) und Sachsen (Bezirke Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt). Die zeitlich erste Anklage wurde bereits am 17. Januar 1990 durch den Staatsanwalt des Kreises Neuruppin erhoben. Sie richtete sich gegen Angehörige der untersten Funktionärsebene, den Bürgermeister der kreisangehörigen Stadt Rheinsberg sowie zwei ehrenamtliche Mitglieder der Stadtwahlkommission.39 Die nachfolgend erhobenen Anklagen reichen von Staats- und Parteifunktionären der Bezirksspitzen bis hin zur Gemeindeebene. Der im Juli 1990 angeklagte ehemalige Weimarer Oberbürgermeister Baumgärtel40 war von November 1989 bis zu seiner Außerdienststellung im April 1990 als Bauminister der Modrow-Regierung tätig. Immerhin 25 der 76 vor dem Beitritt angeklagten Wahlfälscher wurden noch durch Gerichte der DDR rechtskräftig abgeurteilt. Damit waren neun der 24 DDR-Verfahren vollständig erledigt, während in zwei weiteren Verfahren Teilerledigung bezüglich einzelner Angeklagter eintrat. Elf Aburteilungen in fünf Verfahren erfolgten durch Strafbefehl, im übrigen ergingen Urteile. Die Strafzumessungspraxis der DDR-Gerichte weist erhebliche Schwankungen auf. Verhängt wurden im erstinstanzlichen Verfahren Sanktionen, die von geringen Geldstrafen41 bis hin zu vollziehbaren Freiheitsstrafen42 reichen. Sieben Betroffene legten gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen Rechtsmittel ein, wodurch es zu einer Umwandlung der vollziehbaren Freiheitsstrafen in so genannte „Verurteilungen auf Bewährung" kam.43 In einem weiteren Fall erkannte das Beru36 Gemäß § 96 DDR-StPO war nach Eingang einer Anzeige zunächst zu prüfen, ob sich der Verdacht einer Straftat bestätigt und die gesetzlichen Verfolgungsvoraussetzungen vorliegen. Bei positivem Ergebnis war ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Anderenfalls hatte die Staatsanwaltschaft eine formelle Absehensverfttgung zu treffen, die dem Anzeigenerstatter mitzuteilen war; vgl. dazu Strafprozeßrecht der DDR (Kommentar), Anm. 1.1 ff. zu § 96. 37 Vgl. den Bericht zur Verfahrensgeschichte in StA II bei dem LG Berlin v. 1.7.1995 - Az. 28/2 Js 185/91, S. 135-137 = lfd. Nr. 20 (insoweit nicht vollständig abgedruckt). 38 Einschließlich der Stellung von Strafbefehlsanträgen (vgl. §§ 270ff. DDR-StPO). Wurde unter demselben Aktenzeichen sowohl Anklage erhoben als auch - gegen mindeibelastete Angeschuldigte Strafbefehlsantrag gestellt, so wurde dies nur als eine Klageerhebung (in einem Verfahren) gezählt. 39 KStA Neuruppin, Anklageschrift v. 17.1.1990-Az. 221-3-90. 40 Vgl.lfd.Nr.il. 41 Vgl. lfd. Nr. 5 und 7. 42 Vgl. lfd. Nr. 1-1 und 6-1. 43 Vgl. lfd. Nr. 1-2 und 6-2.

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fungsgericht lediglich auf einen „öffentlichen Tadel" (§ 37 DDR-StGB).44 Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug trotz der relativ hohen Zahl an Berufimgsverfahren lediglich 68 Tage. b) Die bundesdeutschen Verfahren Mit Inkrafttreten des Einigungsvertrags am 3. Oktober 1990 übernahm die bundesdeutsche Justiz die Tätigkeit der DDR-Gerichte und -Staatsanwaltschaften. Nach dem Einigungsvertrag waren DDR-Strafverfahren durch die bundesdeutsche Justiz nach Maßgabe des geltenden Rechts weiter zu betreiben. Entscheidungen der DDR-Gerichte waren grundsätzlich zu vollstrecken, wenn nicht festgestellt wurde, dass die Verurteilung mit rechtsstaatlichen Maßstäben unvereinbar ist.45 In den neuen Bundesländern begann ein komplexer Angleichungsprozess der Justizstrukturen. Um einen Stillstand der Rechtspflege zu vermeiden, amtierten Richter und Staatsanwälte zunächst aufgrund vorübergehender Ermächtigung weiter, hatten sich aber neu zu bewerben und nach Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen einem Überprüfungsverfahren zu unterziehen.46 Bereits die Notwendigkeit der Einarbeitung in ein völlig neues Rechtssystem erschwerte die Fortfuhrung der Alltagsgeschäfte. Hinzu kam im Bereich der Strafrechtspflege die Belastung mit zahlreichen Verfahren wegen systemkrimineller Handlungen.47 Am Tag des Beitritts richtete die Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht eine „Arbeitsgruppe Regierungskriminalität" ein, die sich mit strafrechtlich relevanten Handlungen der zentralen Staats- und Parteiführung befasste. Sie erhielt mit dem 1. Oktober 1994 als Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin den Status einer eigenen Behörde. Die allein den ehemaligen Bezirk Berlin betreffenden Verfahren wurden seither ebenfalls von einer Abteilung der Staatsanwaltschaft Π bearbeitet. In den neuen Ländern wurden zwischen Januar 1992 und Februar 1993 bei einzelnen Staatsanwaltschaften so genannte Schwerpunktabteilungen gebildet. Sie führen zentral Ermittlungen wegen Systemunrechts in den Bezirken und Kreisen, die vormals zum Territorium des jeweiligen Bundeslands gehörten 48 Auch die Wahlfälschungsverfahren fielen in die Zuständigkeit der genannten Behörden. Vor Einrichtung der Schwerpunktabteilungen waren sie hingegen von den für das betreffende Gebiet allgemein örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften bearbeitet worden. Eine gesicherte Zahlengrundlage für die in der Bundesrepublik insgesamt durchgeführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Wahlfälschung ist nicht verfügbar. Teilweise wurden in einzelnen Verfahren getroffene Entscheidungen der DDRStaatsanwaltschaften nach dem 3. Oktober 1990 korrigiert. Betroffen waren insbesondere die Verfahren wegen des Verdachts der zentralen Veranlassimg der Wahlfälschungen. Entsprechende Ermittlungen wurden durch die Arbeitsgruppe Regierungskrimina-

44 Vgl. lfd. Nr. 3-2. Der „öffentliche Tadel" war die mildeste der im DDR-StGB vorgesehenen „Maßnahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit" und der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) vergleichbar. 45 Vgl. Ani. I, Kapitel ΙΠ, Sachgebiet A, Abschnitt IU, Nr. 28 sowie Nr. 14 d) EV. 46 Dazu ausführlich von Roenne, Überprüfung, S. 86ff. 47 Vgl. Fahnenschmidt, DDR-Funktionäre, S. 141f. 48 Ausführlich zu den Schwelpunktstaatsanwaltschaften Marxen/Werle, Aufarbeitung, S. 159ff.

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lität wieder aufgenommen und innerhalb der Staatsanwaltschaft II fortgeführt. Sie ergaben zunächst die Bejahung eines hinreichenden Tatverdachts gegen den Sekretär der zentralen Wahlkommission, Hans-Joachim Semler, und sodann auch gegen Horst Dohlus und Egon Krenz. Grundlage der Entscheidungen waren neben den bereits vor dem Beitritt erzielten Ermittlungsergebnissen ergänzende Zeugenvernehmungen sowie Erkenntnisse aus regionalen Wahlfälschungsprozessen.49 Die Staatsanwaltschaft II sah es als erwiesen an, dass Dohlus im Rahmen zweier vor leitenden Funktionären der Bezirke gehaltenen Reden durch bewusst verschleiernde Formulierungen zur Vornahme von Wahlmanipulationen aufforderte. Ebenso wie Krenz habe er schliesslich als Mitglied der zentralen Wahlkommission die republikweit zusammengefassten Zahlen im Wissen um ihre Verfälschung amtlich bestätigt.50 Semler verstarb, bevor es zu einer Anklageerhebung gegen ihn kommen konnte. Insgesamt kam es nach Inkrafttreten des Einigungsvertrags zu 52 Anklagen51 gegen 82 Angeschuldigte. Zahlenmäßige Schwerpunkte lagen bei den Ländern Thüringen (35 Anklagen) und Sachsen (14 Anklagen). In zeitlicher Hinsicht ist insbesondere die Konzentration auf die Jahre bis einschließlich 1992 auffallend. Während in diesen Zeitraum mehr als drei Viertel aller Anklagen fallen, folgten danach nur noch vereinzelte Klageerhebungen. Die Hauptursachen dieser Verteilung dürften in der Nähe zum Tatgeschehen sowie insbesondere in den noch zu DDR-Zeiten intensiv betriebenen Wahlfälschungsermittlungen liegen. Vermutlich sind darüber hinaus in der Phase landesweit zentralisierter Verfolgungsaktivitäten auch inhaltlich neue Schwerpunkte gesetzt worden. Dafür spricht, dass sich für die zahlenmäßig umfangreicheren Deliktsgruppen der Rechtsbeugung und Grenztötungen eine genau umgekehrte Entwicklung feststellen lässt. Ein Großteil der insoweit vorliegenden Anklagen wurde erst ab 1993 erhoben.52 Für keinen ehemaligen DDR-Bezirk wurde nach dem 3. Oktober 1990 erstmals Wahlfälschungsanklage erhoben. Allerdings wurden die bezirksweiten Vorgänge in Dresden und Gera ganz überwiegend erst nach dem Beitritt gerichtshängig gemacht. In Potsdam und Erfurt wurden zu DDR-Zeiten nur staatliche Amtsträger erfasst, während bundesdeutsche Staatsanwaltschaften hier zwei leitende SED-Bezirksfunktionäre anklagten. Öffentliche Aufmerksamkeit fanden dabei insbesondere die Verfahren gegen den ehemaligen Dresdner Oberbürgermeister Berghofer53 sowie den ehemaligen Dresdner SED-Bezirkschef und zeitweiligen DDR-Ministerpräsidenten Modrow54. Keine An-

49 Vgl. GStA bei dem KG Berlin, Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsgruppe Regierungskriminalität bei der Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht fur die Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 15. April 1992 v. 24.4.1992 - 1083/2 GStA - , S. 163ff. sowie Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsgruppe Regierungskriminalität bei der Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht fur die Zeit vom 1. April 1993 bis zum 15. März 1994 v. 29.3.1994 - 1083/2 GStA - , S. 93f. Durch Verfügung v. 27.4.1995 ist das Verfahren auf die Veranlassung der Wahlfälschungen in Berlin und Dresden-Stadt beschränkt worden. 50 Dazu ausfuhrlich StA II bei dem LG Berlin, Anklageschrift v. 1.7.1995 - Az. 28/2 Js 185/91 = lfd. Nr. 20. 51 Einschließlich der Stellung von Strafbefehlsanträgen. 52 Nach Erhebungen des Forschungsprojekts „Strafjustiz und DDR-Vergangenheit", vgl. Marxen/Werle Aufarbeitung, S. 198fT., 235f. 53 Vgl. lfd. Nr. 14. 54 Vgl. lfd. Nr. 15.

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DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Stratjustiz

Strafrechtliche Aufarbeitung

klageerhebungen erfolgten wie schon zu DDR-Zeiten bezüglich der Bezirke Frankfurt, Neubrandenburg, Schwerin55 und Suhl. Neben den nach dem Beitritt neu erhobenen 52 Anklagen gegen 82 Angeschuldigte waren weitere Verfahren gegen 51 Angeschuldigte offen, in denen bereits vor dem 3. Oktober 1990 Anklage erhoben worden war. Berücksichtigt man die vor Eröffnung der Hauptverhandlung erfolgten zwei Anklagerücknahmen, hatte die bundesdeutsche Justiz insgesamt über 131 Angeschuldigte zu entscheiden. In 26 Fällen (19,9%) kam es zu Verfahrenseinstellungen, die in der Regel gegen Geldbuße erfolgten (§ 153a II in Verbindung mit § 153 I 1 Nr. 2 StPO). 99 Angeschuldigte (75,6%) wurden zu Geldoder Bewährungsstrafen verurteilt, davon 25 im Wege des Strafbefehlsverfahrens. Darüber hinaus sprachen die Gerichte in zwei Fällen (1,5%) Verwarnungen mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB aus. Vier Angeschuldigte (3%) wurden aus tatsächlichen Gründen wegen erheblicher Beweisschwierigkeiten freigesprochen.56 Insgesamt lassen die nach dem Beitritt ergangenen Verurteilungen eine stärkere Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis erkennen. So wurden sämtliche abgeurteilte Spitzenfunktionäre der Bezirke mit Bewährungsstrafen nicht unter acht Monaten belegt. Auch ihre Stellvertreter erhielten in der Regel Bewährungsstrafen. Auf Kreisebene wird eine Differenzierung zwischen Stadt- und Landkreisen sichtbar. Während gegen Oberbürgermeister und leitende Parteifunktionäre größerer Städte zumeist ebenfalls Bewährungsstrafen oder höhere Geldstrafen ausgesprochen wurden, erhielten die Verantwortlichen der Landkreise je nach hierarchischer Stellung und Umfang der Manipulationen Geldstrafen im mittleren bis unteren Bereich. Eine Ausnahme bilden insoweit drei Thüringer Landkreise, deren Ratsvorsitzende mit Bewährungsstrafen belegt wurden. Die ebenfalls zu Bewährungsstrafen verurteilten Berliner Stadtbezirksbürgermeister57 stehen hingegen aufgrund der damaligen Stellung Berlins als eigenständiger DDR-Bezirk und der hohen Bevölkerungszahl den Oberbürgermeistern der Stadtkreise gleich. Soweit Manipulationen auf Gemeindeebene Verfahrensgegenstand waren, wurde in der Regel auf Geldstrafen im unteren Bereich erkannt. Die Rechtsmittelquote sank im Vergleich mit den DDR-Verfahren erheblich ab. Nur vier der 81 nach dem Beitritt Verurteilten58 (4,9%) wandten sich gegen die gerichtlichen Entscheidungen. Erfolgreich war lediglich ein Angeklagter, der aus tatsächlichen Gründen freigesprochen wurde.59 Bei der durchschnittlichen Verfahrensdauer ist ein gegenüber den DDR-Verfahren ganz erheblicher Anstieg zu verzeichnen. Sie betrug für die Gruppe der übernommenen DDR-Anklagen 879 Tage, fur die rein bundesdeutschen Verfahren „nur" 232 Tage.

55 Hier wurde zwar eine Anklage erhoben, später jedoch wieder zurückgenommen. 56 Vgl. dazu: KrG Rudolstadt, Urteil v. 17.8.1992 - Az. 1 Js 53/91 Ds (Ratssekretärin des Kreises Saalfeld); LG Gera, Urteil v. 15.6.1994 - Az. 4 Js 1823/91-4 Ns (Mitglied der Gemeindewahlkommission Rückersdorf); LG Dessau, Urteil v. 23.6.1993 - Az. 1 Kls 2 Js 54150/9la (21/92) (Obertürgermeister und Ratssekretär von Dessau). 57 Vgl. lfd. Nr. 19. 58 Ohne 25 Aburteilungen im Wege des Strafbefehlsverfahrens. 59 LG Gera, Urteil v. 15.6.1994 - Az. 4 Js 1823/91-4 Ns.

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Strafrechtliche Aufarbeitung

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Verfahren wegen Wahlfälschung stellen nur knapp 10% aller wegen DDR-Unrechts von bundesdeutschen Behörden geführten Verfahren.60 Die Verurteilungsquote ist mit fast 96% jedoch wesentlich höher als etwa bei den Gewalttaten an der deutschdeutschen Grenze (ca. 65%) oder der Rechtsbeugung (ca. 46%). Bei diesen beiden letztgenannten Deliktsgruppen ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Quote der erledigten Verfahren wesentlich niedriger ist (ca. 45% bzw. 43%)61. Hingegen sind fur den Bereich Wahlfälschung - soweit ersichtlich - sämtliche Verfahren abgeschlossen. Insgesamt ist die Tendenz jedoch eindeutig. Der Anteil der Wahlfálschungsverfahren wächst von knapp 10% bei den Ermittlungsverfahren über knapp ein Viertel bei den Anklagen auf fast ein Drittel bei den Verurteilungen.62

4. Zur strafrechtlichen Einordnung durch die Gerichte a) Die DDR- Verfahren Nach § 211 Absatz 1 des DDR-Strafgesetzbuchs in der zur Tatzeit geltenden Fassung macht sich strafbar, wer „als Mitglied einer Wahlkommission oder als ein in ihrem Auftrag Handelnder das Ergebnis einer Wahl zur Volkskammer, zu den örtlichen Volksvertretungen, eines Volksentscheids oder einer Volksbefragung verfälscht". Der Rechtsprechung bereitete es keine Schwierigkeiten, die festgestellten Handlungen unter den Gesetzeswortlaut zu subsumieren. Abgelehnt wurde insbesondere das von der Verteidigung teilweise vorgebrachte Argument, wonach die DDR-Urnengänge mangels jedes freiheitlichen und demokratischen Charakters kaum als „Wahlen" im Wortsinne anzusehen seien. Denn § 211 DDR-StGB solle allein „die Umsetzung des Wahlgesetzes auf die durchgeführten Wahlen" schützen. Dass die damalige Institution der Wahl seit der Wende eine andere politische Bewertung erfahre und als rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechendes bloßes „Zettelfalten" gelte, sei nicht von Belang.63 Als weitgehend unproblematisch erwies sich auch der Umgang mit der Subjektqualifikation des Wahlfälschungstatbestandes, der Mitgliedschaft in einer Wahlkommission oder Beauftragung durch die Kommission voraussetzt. Eine täterschaftliche Verfälschung der Schlussberichte und Ergebnisprotokolle kam nur durch die Kommissionsvorsitzenden und gegebenenfalls weitere Mitglieder oder (beauftragte) Hilfskräfte in Betracht. Einwirkungen der Parteifunktionäre, die in der Regel den Wahlkommissionen nicht angehörten, waren als Anstiftungs- oder Beihilfehandlungen zu erfassen. Dem stand die geforderte Täterqualifikation nicht entgegen, da sie die allgemeinen Regelungen zur Teilnahme unberührt ließ.64

60

61 62 63

64

Vgl. Marxen/Werle, Aufarbeitung, S. 199 (Stand vom 15.7.1998). Da in anderen Deliktsbereichen vereinzelt noch Anklageerhebungen erfolgen, die Strafverfolgung von Wahlfälschungen aber als abgeschlossen gelten kann, wird dieser Anteil in der nächsten Zeit vermutlich noch sinken. AaO, S. 206. Vgl. aaO, S. 210f. (Stand vom 15.7.1998). KrG Jena-Stadt, Urteil v. 23.4.1990 - Az. S 38/90, UA S. 6f. = lfd. Nr. 4-1, S. 50; im Bemfvmgsverfahren insoweit bestätigt durch BG Gera, Urteil v. 31.5.1990 - Az. BSB 33/90, UA S. 6 = lfd. Nr. 42, S. 56. Vgl. KrG Glauchau, Urteil v. 8.6.1990 - Az. S 43/90, UA S. 11 = lfd. Nr. 5, S. 67f.; siehe dazu auch Strafrecht der DDR (Kommentar), Anm. 3 zu § 211.

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DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Strafrechtliche Aufarbeitung

Mögliche Rechtfertigungsgründe, die nach dem Deliktsaufbau des DDR-Strafrechts zur einheitlich gefassten „objektiven Tatseite" zählten65, spielten in den Wahlfälschungsverfahren allgemein keine Rolle. Der innerhalb der „subjektiven Seite" zu prüfende Tatvorsatz - nach § 6 Absatz 1 DDR-StGB die bewusste Entscheidimg zur im gesetzlichen Tatbestand bezeichneten Tat - wurde stets ohne weiteres bejaht.66 Problematisiert wurde hier jedoch die Frage, ob die politische Drucksituation, in der sich die handelnden Amtsträger befanden, das Gewicht eines schuldausschließenden67 „Nötigungsstandes" (§ 19 DDR-StGB) erreicht hatte. Nach dieser Regelung begeht keine Straftat, wer „von einem anderen durch unwiderstehliche Gewalt oder durch Drohung mit einer gegenwärtigen, anders nicht zu beseitigenden Gefahr für Leben oder Gesundheit des Täters oder eines anderen zur Begehung der Tat gezwungen wird". Zur Verteidigung der Angeklagten wurde vorgebracht, der mit den Fälschungsaufforderungen durch übergeordnete Staats- und Parteifunktionäre verbundene psychische Druck - insbesondere der drohende Verlust der beruflichen Position - entspreche unwiderstehlicher Gewalt im Sinne von § 19 DDR-StGB.68 Im Ergebnis vermochte sich diese Auffassung aber nicht durchzusetzen. Zwar blieb offen, inwieweit entgegen der ständigen Rechtsprechung in der DDR neben körperlichem Zwang auch eine psychische Drucksituation den Nötigungsstand begründen könne. Jedoch fehlte nach Ansicht der Gerichte dem auf allen Bürgern lastenden Anpassungsdruck des politischen Systems in jedem Fall die zum Schuldausschluss nötige Intensität.69 Ebensowenig zeigte sich die Rechtsprechung bereit, von der Regelung des § 3 Absatz 1 DDR-StGB Gebrauch zu machen. Danach gilt eine Handlung trotz Übereinstimmung mit dem Wortlaut eines gesetzlichen Tatbestandes nicht als Straftat, wenn „die Auswirkungen der Tat auf die Rechte und Interessen der Bürger oder der Gesellschaft und die Schuld des Täters unbedeutend sind". Der Gesetzgeber habe in § 211 DDRStGB ausschließlich Freiheitsstrafe angedroht, weil durch Wahlfälschungen „staatsbürgerliche Grundrechte" in schwerwiegender Weise missachtet würden. Dass die letzten Wahlen faktisch eine „reine Zustimmungserklärung der Bürger zum bestehenden System" und zum Kurs der SED darstellen sollten, müsse hierbei außer Betracht bleiben.70 Abgelehnt wurde ferner ein Absehen von Maßnahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit, das entsprechend § 25 Absatz 1 Nr. 1 DDR-StGB geboten war, wenn „die Straftat in Folge der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse keine schädli65

Zum Deliktsaufbau im Strafrecht der DDR näher Buchhob, ZStW 101 (1989), S. 943 (944ff.); vgl. auch Hohoff, DtZ 1997, S. 308 (310). 66 Vgl. etwa KrG Schleiz, Urteil v. 12.4.1990 - Az. S 10/90 (221-15/90), UA S. 11 = lfd. Nr. 3-1, S. 36. 67 Zur Einordnung des Nötigungsstandes als Schuldausschließungsgrund vgl. Strafrecht der DDR (Kommentar), Anm. 1 zu § 19. 68 Vgl. die Berufungsbegründung des Leipziger Oberbürgermeisters an das BG Leipzig v. 19.7.1990 im Verfahren 33 S 122/90, S. 3f., sowie die Berufungsbegründung einer im selben Verfahren mitangeklagten Stadträtin v. 4.7.1990, S. 3. 69 BG Leipzig, Urteil v. 27.9.1990 - Az. BSB 134/90, UA S. 4 = lfd. Nr. 6-2, S. 84. Das BG Gera (Urteil v. 31.5.1990 - Az. BSB 33/90, UA S. 7f. = lfd. Nr. 4-2, S. 56f.) verneinte auch die Voraussetzungen einer „Schuldminderung durch außergewöhnliche Umstände" (§ 14 DDR-StGB). 70 KrG Brandenburg, Urteil v. 20.6.1990 - Az. S 88/90, UA S. 6 = lfd. Nr. 2, S. 24. Auch das KrG Leipzig (Urteil v. 26.6.1990 - Az. 33 S 122/90, UA S. 4a = lfd. Nr. 6-1, S. 77) wertete die Taten als „erheblich gesellschaftswidrig", da es sich um einen „schwerwiegende(n) Bruch der Rechte der Bürger auf der Grundlage der Verfassung" handele.

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Strafrechtliche Aufarbeitung

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chen Auswirkungen hat". Wahlfälschungen hätten stets gravierende Auswirkungen, da sie gegen „verfassungsmäßig garantierte Grundrechte" und „allgemeine demokratische Prinzipien jeder Staatlichkeit" gerichtet seien.71 Im Ergebnis einheitlich gelangten die Urteile jedoch über § 62 Absatz 2 DDR-StGB zur Annahme einer außergewöhnlichen Strafmilderung. Damit wurde es möglich, von der in §211 DDR-StGB als Regelfall vorgesehenen Verhängung vollziehbarer Freiheitsstrafen abzuweichen. Als Milderungsgründe wurden insoweit auch der systemkriminelle Charakter der Taten sowie das verminderte Strafbedürfnis in Folge der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse anerkannt.72

b) Die bundesdeutschen Verfahren Nach dem Beitritt hatten die Gerichte zunächst zu klären, welches Recht auf DDRAlttaten wie die Wahlfälschungen anwendbar ist. Während zur Tatzeit das DDR-StGB Geltung beanspruchte, wurde mit dem 3. Oktober 1990 gemäß Artikel 8 Einigungsvertrag grundsätzlich das Strafrecht der Alt-Bundesrepublik gesamtdeutsch verbindlich. Das Recht der DDR konnte also „an sich" nicht mehr angewendet werden. Zugleich wäre die ausschließliche Beurteilung nach dem bundesdeutschen Strafgesetzbuch mit dem grundgesetzlichen Rückwirkungsverbot73 kaum vereinbar gewesen. Artikel 315 Absatz 1 EGStGB74 ordnete deshalb folgendes an: „Auf vor dem Wirksamwerden des Beitritts in der Deutschen Demokratischen Republik begangene Taten findet § 2 des Strafgesetzbuches (...) Anwendung."

Der genannte § 2 StGB wiederum regelt den zeitlichen Geltungsbereich der Strafgesetze, das so genannte intertemporale Strafrecht. In Übereinstimmung mit Artikel 103 Absatz 2 GG erklärt § 2 Absatz 1 StGB grundsätzlich das zur Tatzeit geltende Recht für anwendbar. Im weiterhin einschlägigen Absatz 3 heißt es: „Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden."

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die weitgehende Ersetzung des DDRStrafrechts durch das Strafrecht der Bundesrepublik einer nationalen Gesetzesänderung zwischen Tatbeendigung und Aburteilung gleichgestellt. Die Ahndung des gesamten SED-Unrechts ist damit dem Meistbegünstigungsprinzip des so genannten intertemporalen Strafrechts unterworfen. Für die Gerichte ergibt sich daraus eine differenzierte Prüfungsfolge.75 In einem ersten Schritt ist die Strafbarkeit nach dem Recht der DDR zu

71 72 73 74 75

KrG Glauchau, Urteil v. 8.6.1990 - Az. S 43/90, UA S. 12 = lfd. Nr. 5, S. 68; vgl. auch KrG Schleiz, Urteil v. 12.4.1990 - Az. S 10/90, UA S. 1 lf. = lfd. Nr. 3-1, S. 36. Vgl. BG Potsdam, Urteil v. 8.5.1990 - Az. BSB 41.90, UA S. 6 = lfd. Nr. 1-2, S. 17; KrG Glauchau, Urteil v. 8.6.1990 - Az. S 43/90, UA S. 12f. = lfd. Nr. 5, S. 68f. Artikel 103 Absatz 2 GG. Vgl. BGBl. 1990 II, S. 889, 954. Zum maßgeblichen Verständnis der Regelungstechnik des Artikel 315 EGStGB grundlegend BGH, Urteil v. 3.11.1992 - Az. 5 StR 370/92, BGHSt 39, 1, 6ff. Auch im Berghofer/Moke-Urteil des Bundesgerichtshofs wird diese Prüfungsfolge bestätigt; vgl. BGH, Urteil v. 26.11.1992 - Az. 3 StR 319/92, UA S. 1 Iff. = BGHSt 39,54, 59ff. = lfd. Nr. 14-2, S. 218ff. XLI

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Strafrechtliche Aufarbeitung

prüfen. Im Falle ihrer Verneinung bleibt es bei der Straflosigkeit als „mildester" Variante. In einem zweiten Schritt ist sodann das einschlägige Verhalten unter bundesdeutsches Strafrecht zu subsumieren. Ist auch hiernach die Strafbarkeit zu bejahen, stellt sich drittens die Frage nach der so genannten Unrechtskontinuität zwischen alter und neuer Norm. Es muss sichergestellt sein, dass die lex posterior, also der entsprechende StGB-Tatbestand, trotz „formaler" Subsumierbarkeit des einschlägigen Verhaltens auch materiell an das zur Tatzeit im DDR-Strafrecht vertypte Unrecht anknüpft. Obgleich teilweise unterschiedliche Prüfungsschwerpunkte gesetzt wurden, bejahten die bundesdeutschen Gerichte wie schon zuvor die DDR-Justiz durchgängig die Strafbarkeit der Wahlfälschungen nach § 211 DDR-StGB.76 Im Ergebnis übereinstimmend wurden die Manipulationshandlungen auch unter die §§ 107a, 108d StGB subsumiert. Nach § 107a StGB wird bestraft, wer das Ergebnis einer Wahl verfälscht. § 108d StGB regelt fur alle Delikte gegen Wahlen und Abstimmung einheitlich deren „Geltungsbereich". Danach sind auch „Wahlen zu den Volksvertretungen ... in den Gemeinden" vom Schutz des Wahlstrafrechts erfasst. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs handelt es sich trotz aller Unterschiede der im DDRWahlgesetz geregelten rechtstechnischen Ausgestaltung des Kommunalwahlvorgangs „formal" gleichwohl noch um Wahlen im Sinne des § 107a StGB. Zwar möge beim Fehlen jeglicher formaler Auswahlfunktion bereits begrifflich nur eine der Wahl entgegengesetzte reine „Akklamation" vorliegen, doch bewege sich das Wahlgeschehen in der DDR noch nicht unterhalb dieser Grenze. Dass die §§ 107a, 108d StGB grundsätzlich nur „inländische Belange", also Rechtsgüter und Interessen der Bundesrepublik schützten, sei mit Blick auf Artikel 315 Absatz 1 Satz 1 EGStGB unbeachtlich.77 Auf der Ebene der so genannten Unrechtskontinuität zwischen den jeweiligen Wahlfälschungstatbeständen stellte sich das Problem der unterschiedlichen politischen Ausrichtung von bundesdeutschen Wahlen und DDR-Wahlsystem. Wenngleich die Gerichte stets von einer Unrechtskontinuität ausgingen, ergaben sich in der Begründung doch Differenzen zwischen instanzgerichtlicher Rechtsprechung und Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof konstatiert zunächst die unterschiedlichen Schutzrichtungen der Normen, die in der Sicherung der Gesetzlichkeit freiheitlich-demokratischer Wahlen (§ 107a StGB) einerseits und sozialistischer Wahlen (§211 DDR-StGB) andererseits gesehen werden. Das Gericht weist dann jedoch daraufhin, dass § 211 DDR-StGB im Gegensatz zu reinen Staatsschutzdelikten nicht auf die Erhaltungsfunktion für den sozialistischen Staat beschränkt gewesen sei. Vielmehr seien über die Möglichkeit der Ablehnung des gesamten Wahlvorschlags auch Rudimente parlamentarisch-demokraischer Wahlen mitgeschützt worden, mit denen die Ablehnung der „Zwangsherrschaft der SED" habe bekundet werden können.78 Demgegenüber hatte das Bezirksgericht Dresden den Bereich kongruenten Unrechts weiter gefasst. Es stellte unabhängig von der bloßen Möglichkeit der „Systemablehnung" auf die Freiheit und Achtung der Willensbildung und

76

Vgl. nur BG Dresden, Urteil v. 7.2.1992 - Az. 3 Kls 51 Js 530/91, UA S. 63-65 = NJ 1992, S. 363, 366 = lfd. Nr. 14-1, S. 203f. sowie - unter besonderer Berücksichtigung DDR-interner Rechtsänderungen - BGH, Urteil v. 26.11.1992 - Az. 3 StR 319/92, UA S. 14-19 = BGHSt 39, 54, 61-64 = lfd. Nr. 14-2, S. 220-222. 77 BGH aaO, UA S. 19-23 = BGHSt 39, 54, 65-67 = lfd. Nr. 14-2, S. 222-224. 78 BGH aaO, UA S. 23-29 = BGHSt 39, 54, 67-70 = lfd. Nr. 14-2, S. 224-226.

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DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Willensäußerung der Wähler ab, die unabhängig vom Ausmaß des wahlrechtlich eröffneten Spielraums grundsätzlich durch beide Tatbestände geschützt seien.79 Als konkret mildestes Gesetz wurde schließlich übereinstimmend § 107a StGB angesehen, weil dieser anders als § 211 DDR-StGB auch die Verhängung von Geld- und Bewährungsstrafen vorsah. Wie andere Delikte politischer Funktionsträger wurden auch die Wahlfälschungen zur Tatzeit nicht strafrechtlich verfolgt. Die Instanzgerichte maßen diesem Umstand letztlich keine Bedeutung bei. So sah das Bezirksgericht Dresden gerade im evidenten Unrechtsbewusstsein der Angeklagten ein wichtiges Indiz für die Geltung des Wahlfalschungstatbestands.80 Auch der Bundesgerichtshof betonte im Rahmen von Strafzumessungserwägungen, dass die Wahlfälschungen unter SED-Parteifunktionären nicht allgemein als durch den Parteibefehl „gerechtfertigt" akzeptiert worden seien. Dies verdeutliche bereits der oftmals geleistete Widerstand.81 In den erstinstanzlichen Judikaten findet sich hingegen eine Auseinandersetzung mit Versuchen der Verteidigung, die Tatsache der Nichtverfolgung auf „unrechtsdogmatischer" Ebene zur Geltung zu bringen. So wurde das Vorbringen zurückgewiesen, wegen eines „Irrtums über das Vorliegen von Strafverfolgungsvoraussetzungen" müsse analog § 16 Absatz 1 Satz 1 StGB der Tatvorsatz entfallen. Hierbei handele es sich um reine Opportunitätsaspekte, die auf die rechtliche Bewertung des Tatvorsatzes ohne Einfluss seien.82 Auch die Behauptung, analog der Veijährungsregelung in Artikel 315b EGStGB sei der staatliche Strafanspruch durch die faktische Nichtverfolgung noch zu DDR-Zeiten „verwirkt" worden, wies das Amtsgericht Dresden zurück. Durch politisch motivierte Verstöße gegen zur Tatzeit geltendes Recht könne kein Strafanspruch verwirkt werden; der Einigungsvertrag bezwecke nicht die „Überleitung von Unrecht".83 Im juristischen Schrifttum hat die Rechtsprechung zur Strafbarkeit von DDRWahlfälschungen ein geteiltes Echo gefunden. Neben zustimmenden Äußerungen84 finden sich auch zahlreiche kritische Stimmen. So wird teilweise bereits die Tatbestandsmäßigkeit nach den §§ 107a, 108d StGB verneint: Selbst bei einer territorialen Erweiterung der in § 107a StGB geschützten Gemeinschaftsinteressen durch den Beitritt der DDR scheitere eine Subsumtion der DDR-Kommunalwahlen unter „Wahlen in den Gemeinden" schon am Wortlaut des § 108d StGB als äußerster Auslegungsgrenze.85 Auch habe der WahlbegrifF der §§ 107a, 108d StGB nur solche Wahlen als Schutzgut im Auge, die den Vorgaben des freiheitlich-demokratischen Grundgesetzes genügten.86

79 80 81 82 83 84

85 86

BG Dresden Urteil v. 7.2.1992 - Az. 3 Kls 51 Js 530/91, UA S. 71-73 = NJ 1992, 363, 367 = lfd. Nr. 14-1, S. 208f. AaO, UA S. 66 = lfd. Nr. 14-1, S. 205. BGH, Urteil v. 3.11.1994 - Az. 3 StR 62/94 (Fall Modrow), UA S. 28 = BGHSt 40, 307, 324 = lfd. Nr. 15-2, S. 323. AG Dresden, Urteil v. 3.3.1993 - Az. 34 Ls 62 Js 25374/92, UA S. 10. AaO, UA S. 9. Siehe etwa Amelung, Bewältigung, S. 28; Schönke/Schröder-£ser, Rn 105 vor §§ 3-7; Höchst, JR 1992, 433; König, JR 1993, 207; Lackner/Kühl-Lacfcier Rn 20 zu § 2; LK-Laufhütte, Rn 1 vor §§ 107-108d; Lorenz, NStZ 1992, 422; Schroeder, NStZ 1993, 216; Tröndle/Fischer-Tröndle, Rn 50 vor § 3; Weber, JR 1995,403. Samson, StV 1992, 141,142; im Anschluss Lüderssen, Staat, S. 75; Vormbaum, NJ 1993,212, 213. Arnold/Kühl, NJ 1992,476,480; Hübner, Beurteilung, S. 124ff.; Vormbaum, Strafbarkeit, S. 89ff.

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DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Auswahl der Dokumente

Mit Blick auf die Verschiedenheit zwischen bundesdeutschem und DDR-Wahlsystem wird oft auch eine Kontinuität des Unrechtstyps zwischen den Wahlfalschungstatbeständen abgelehnt.87 Die Tatsache der Nichtverfolgung beziehungsweise staatlich sanktionierter Begehimg systemkrimineller Handlungen hat in der Literatur eine umfängliche, die Grenzen juristischer Dogmatik sprengende Diskussion ausgelöst.88 Die Gegner einer strafrechtlichen Verfolgung werfen der Rechtsprechung insbesondere eine künstliche Trennimg von lex scripta und tatsächlicher Rechtspraxis vor. Das geschriebene Recht gehöre nur dann zur „real geltenden normativen Struktur" einer Gesellschaft, wenn der Staat zu seiner Durchsetzung bereit sei. Sei dies, wie bei den Wahlfälschungen, nicht der Fall, fehle die gemäß Artikel 315 Absatz 1 EGStGB, 103 Absatz 2 GG erforderliche Tatortstrafbarkeit.89 II. Auswahl und Präsentation der Dokumente Mit der Verfolgung der Wahlmanipulationen vom Mai 1989 stellte sich die DDR-Justiz, zuvor selbst Stütze der alten Ordnung, erstmals der strafrechtlichen Aufarbeitung von staatlich gesteuertem Unrecht.90 Gerade weil diese Bemühungen im einzelnen keineswegs unproblematisch verliefen, handelt es sich bei den einschlägigen Justizmaterialien um Dokumente von einmaliger rechtshistorischer Bedeutung. Diese Tatsache leitete die Entscheidung, einen gesonderten Teil des vorliegenden Bandes der strafrechtlichen Verfolgung von Wahlfälschungen in der Endphase der DDR zu widmen. Um eine möglichst lückenlose Dokumentation der mangels systematischer Archivierung bei den aktenführenden Behörden kaum mehr auffindbaren Materialien zu gewährleisten, wurden sämtliche verfugbaren Gerichtsurteile aufgenommen. Ergänzend wird ein Strafbefehl dokumentiert, der das Geschehen im Bezirk Rostock, Kreis Wismar-Stadt betrifft.91 Einerseits lagen Gerichtsurteile aus dieser Region nicht vor, zum anderen steht das Dokument stellvertretend für die insgesamt elf im Wege des Strafbefehlsverfahrens ergangenen Verurteilungen.92 Für Teil 2 stand mit 67 nach dem 3. Oktober 1990 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren93 eine erheblich breitere Materialgrundlage zur Verfugung, aus der eine repräsentative Auswahl zu treffen war. Erstes Auswahlkriterium war mit Blick auf die zeitgeschichtliche Bedeutung der Sachverhaltsfeststellungen zum Tatgeschehen zunächst größtmögliche geographische 87

88 89 90 91 92 93

Arnold/Kühl NJ 1992, 476, 478f.; Dannecker, Strafrecht, S. 520; Liebig, NStZ 1991, 372, 375; Müller, NStZ 1998, 195; SK-Rudolphi, Rn 7 vor § 105; Schreiber, ZStW 107 (1995), 157, 176; Schünemann, FS Grünwald, 657,665ff.; vgl. auch Schlink, NJ 1994,433,434f. Vgl. zusammenfassend und mit weiteren Nachweisen die Darstellungen bei Buchner, Rechtswidrigkeit, S. 85ff.; Liiderssen, Staat, S. 33ff. Jakobs, GA 1994, 1, 5ff.; ähnlich Dencker, KritV 1990, 299, 303; Schlink, NJ 1994, 433, 435; Pawlik, GA 1994,472, 475ff. Parallel dazu wurden erste Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und Korruption eingeleitet, vgl. dazu ausführlich Fahnenschmidt, DDR-Funktionäre, S. 142f. Vgl. lfd. Nr. 6. Vgl. die Verfahrensübersicht auf S. 499. Einschließlich der Verfahren, die vor dem Beitritt von den DDR-Staatsanwaltschaften eingeleitet, aber nicht mehr (vollständig) rechtskräftig abgeschlossen wurden.

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Auswahl der Dokumente

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Repräsentativität. Aus jedem ehemaligen DDR-Bezirk, für den Wahlmanipulationen festgestellt wurden, wurde dehalb mindestens ein Verfahren dokumentiert.94 Darüber hinaus zeigt die Auswahl sämtliche in tatsächlicher Hinsicht vorhandenen Fallvarianten auf.95 Weiterhin ging es darum, Verfahren zu erfassen, deren Urteile rechtliche Aussagen von besonderem Gewicht enthalten oder die besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren haben. Gleiches galt schließlich auch für Urteile, die neben den Tathandlungen selbst umfangreichere Feststellungen zum politisch-historischen Umfeld der Manipulationen enthalten. Den vorgenannten Kriterien entsprechen vor allem die Verfahren gegen den Dresdner Oberbürgermeister Berghofer und den 1. Sekretär der dortigen SED-Stadtleitung Moke sowie gegen den Dresdner SED-Bezirkschef Modrow und andere. Diesen Verfahren wurde deshalb im zweiten Teil der Dokumentation breiter Raum gewährt. Im erstinstanzlichen Urteil des Bezirksgerichts Dresden im Berghofer/Moke-Verfahren96 kam es erstmals zum Versuch einer systematischen Auseinandersetzung mit den Rechtsfragen der Strafbarkeit von DDR-Wahlfälschungen in der Bundesrepublik. Mit der nachfolgenden Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs97 wurde die juristische Begründung für eine Fortdauer der Strafbarkeit gleichsam exemplarisch formuliert. Sie diente als Leitentscheidung für alle späteren Judikate. Zu einer Sachentscheidimg des von Berghofer angerufenen Bundesverfassungsgerichts ist es zwar nicht gekommen, doch lässt der ebenfalls dokumentierte Nichtannahmebeschluss in seiner Begründung Zustimmung zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs klar erkennen. Das in intensiver Auseinandersetzung mit der politischen Situation zur Tatzeit ergangene erstinstanzliche Urteil im Modrow-Verfahren98 gewinnt insbesondere mit Blick auf die der Strafverfolgung zugrunde liegende rechtspolitische Problematik besondere Bedeutung. Das Landgericht Dresden bejahte zwar das Vorliegen strafbarer Handlungen, beließ es jedoch wegen des besonderen zeitgeschichtlichen Kontextes der Taten und der daraus gefolgerten geringen Schuld der Angeklagten bei dem Ausspruch bloßer Verwarnungen mit Strafvorbehalt.99 Die aufhebende Entscheidung des Bundesgerichtshof vertritt eine deutliche Gegenposition. Sie führte schließlich zur Verhängung von Bewährungsstrafen durch eine andere Kammer des Dresdner Landgerichts.100 Zwar enthalten insbesondere die Dresdner Wahlfälschungsurteile auch Feststellungen, die die Frage einer zentralen Veranlassung der Wahlmanipulationen betreffen, doch wurde dieser Problemkreis gerichtlich nicht mehr abschließend geklärt. Deshalb schien es geboten, auch die ausführliche Anklageschrift der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin in die Dokumentation aufzunehmen.101 Die dokumentierten Passagen geben ein umfassendes Bild des Ermittlungsstands und seiner Bewertung durch die Strafverfolgungsbehörde. Im Vergleich mit den ebenfalls enthaltenen Ausfüh94 95 96 97 98 99 100 101

Vgl. dazu bereits oben unter I.2.a) auf S. XXIXf. Vgl. dazu bereits oben unter 1.1 .b) auf S. XXVII sowie unter I.2.b) auf S. XXX. Vgl. lfd. Nr. 14-1. Vgl. lfd. Nr. 14-2. Vgl. lfd. Nr. 15-1. Vgl. lfd. Nr. 15-2. Vgl. lfd. Nr. 15-3. Vgl. lfd. Nr. 20.

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DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Literatur

rungen zu den Angaben der Angeschuldigten mag es dem Leser überlassen bleiben, sich selbst ein abschließendes Urteil zu bilden. Die Reihenfolge der Verfahren orientiert sich grundsätzlich am Datum des erstinstanzlichen Urteils. Von dieser Regel wird nur dann abgewichen, wenn aus einem DDR-Bezirk Dokumente aus mehreren Verfahren aufgenommen worden sind. Zu Beginn steht zwar auch dann das Verfahren mit dem zeitlich frühesten erstinstanzlichen Urteil. Die weiteren Verfahren aus demselben Bezirk folgen aber unmittelbar danach, um den engen sachlichen Zusammenhang zu wahren.102 Das Verfahren, in dem lediglich eine Anklageschrift vorliegt, bildet den Schluss des Dokumententeils. Literatur Amelung, Knut: Die strafrechtliche Bewältigung des DDR-Unrechts durch die deutsche Justiz. Ein Zwischenbericht, GA 1996, S. 51-71. Arnold, Jörg/Martin Kühl: Zur strafrechtlichen Beurteilung von Wahlfälschungen in der DDR, NJ 1992, S. 476-480. Brandt, Hans-Jürgen: Die Kandidatenaufstellung zu den Volkskammerwahlen der DDR. Entscheidungsprozesse und Auswahlkriterien, Baden-Baden 1983. Buchholz, Erich: Tatbestandslehre in der DDR, ZStW 101 (1989), S. 943-960. Buchner, Silke·. Die Rechtswidrigkeit der Taten von „Mauerschützen" im Lichte von Art. 103 Π GG unter besonderer Berücksichtigung des Völkerrechts, Frankfurt am Main 1996. Dannecker, Gerhard: Das intertemporale Strafrecht, Tübingen 1993. Dencker, Friedrich: Vergangenheitsbewältigung durch Strafrecht? Lehren aus der Justizgeschichte der Bundesrepublik, KritV 1991, S. 299-312. Fahnenschmidt, Willi: DDR-Funktionäre vor Gericht. Die Strafverfahren wegen Amtsmißbrauch und Korruption im letzten Jahr der DDR und nach der Vereinigung, Berlin 2000. Hannover, Heinrich: Plädoyer im Verfahren gegen H. Modrow u.a. wegen Wahlfälschung, NJ 1993, S. 496-500. Höchst, Sigrid: Unrechtskontinuität zwischen ost- und bundesdeutschen Strafnormen?, JR 1992, S. 360-365. Hohojf, Ute: Vorsatz und „Unrechtsbewußtsein" im Strafrecht der DDR als Problem aktueller Rechtsanwendung, DtZ 1997, S. 308-313. Hübner, Jan-Kristof: Die strafrechtliche Beurteilung von DDR-Wahlfälschungen nach der Wiedervereinigung, Regensburg 1997. Jakobs, Günther: Untaten des Staates - Unrecht im Staat. Strafe für die Tötungen an der Grenze der ehemaligen DDR?, GA 1994, S. 1-19. König, Peter: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 3.11.1992 - 3 StR 319/92 - , JR 1993, S. 207-210. Lackner, Karl/Kristian Kühl: Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 23. Aufl., München 1999 (zit.: Lackner/Kühl-ßear6ei7er).

102 So bezüglich der Bezirke Potsdam und Gera; vgl. lfd. Nrn. 1 und 2 beziehungsweise 3 und 4.

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Literatur

DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Liebig, Justus B.: Anwendbarkeit bundesdeutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts auf Alttaten in der DDR, NStZ 1991, S. 372-375. Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Burkhard Jähnke, Heinrich Wilhelm Laufhütte und Walter Oderski, 11. Aufl., Berlin, New York 1992 ff. Lorenz, Frank Lucien: Zum „Beitrittsprinzip" und zur Strafbarkeit von DDRWahlfälschungen, NStZ 1992, S. 422-428. Lüderssen, Klaus: Der Staat geht unter - das Unrecht bleibt?, Frankfurt am Main 1992. Marxen, Klaus/Gerhard Werle: Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Unrecht. Eine Bilanz, unter Mitarbeit von Frank Böhm, Willi Fahnenschmidt, Ute Hohoff, Jan Müller, Toralf Rummler, Petra Schäfter, Roland Schissau und Ivo Thiemrodt, Berlin und New York 1999. Ministerium der Justiz (Hrsg.): Strafprozeßrecht der DDR, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1987. dassJAkademie för Staats- und Rechtswissenschaft der DDR (Hrsg.): Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik. Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Aufl., Berlin (Ost) 1987. Müller, Jan: Symbol 89, Die DDR-Wahlfälschungen und ihre strafrechtliche Aufarbeitung, Dissertation Humboldt-Universität zu Berlin 2000. ders.: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 21.8.1997 - 5 StR 652/96 - , NStZ 1998, S. 195196. Pawlik, Michael: Strafrecht und Staatsunrecht. Zur Strafbarkeit der „Mauerschützen", GA 1994, S. 472-483. Reuter, Lothar: Der widersprüchliche Prozeß der Erneuerung der Staatsanwaltschaft, NJ 1990, S. 322-324. ders.\ Die Wahlfälschungen in der DDR, NJ 1991, S. 198-200. Roenne, Hans Hubertus von: „Politisch untragbar ...?". Die Überprüfung von Richtern und Staatsanwälten der DDR im Zuge der Vereinigung Deutschlands, Berlin 1997. Samson, Erich: Zur Straflosigkeit von DDR-Wahlfälschungen, StV 1992, S. 141-143. Schlink, Bernhard: Rechtsstaat und revolutionäre Gerechtigkeit, NJ 1994, S. 433-437. Schänke, Adolf/Horst Schröder. Strafgesetzbuch. Kommentar, 25. Aufl., München 1997 (zit.: Schônke/Schrôder-itearèeiter). Schreiber, Hans-Ludwig: Die strafrechtliche Aufarbeitung von staatlich gesteuertem Unrecht, ZStW 107 (1995), S. 157-182. Schroeder, Friedrich-Christian: Rückwirkung milderen Rechts und Wiedervereinigung. - Zugleich zum DDR-Wahlfalschungsurteil des BGH - , NStZ 1993, S. 216-218. Schiinemann, Bernd: Dogmatische Sackgassen bei der Strafverfolgung der vom SEDRegime zu verantwortenden Untaten, in: Festschrift für Gerald Grünwald zum siebzigsten Geburtstag, Baden-Baden 1999, S. 657-684. Stephan, Gerd-Rüdiger (Hrsg.): „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!". Interne Dokumente zum Zerfall von SED und DDR 1988/89, Berlin 1994. Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, bearbeitet von Hans-Joachim Rudolphi, Eckhard Horn und Erich Samson, Band I - Allgemeiner Teil, Stand 25. Lieferung (August 1995), Neuwied u.a.; Band II - Besonderer Teil, Stand 39. Lieferung (Dezember 1996), Neuwied u.a. (zit. SK-Bearbeiter).

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DDR-Wahlfälschungen im Spiegel der Strafjustiz

Literatur

Tröndle, Herbert / Thomas Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 49. Aufl., München 1999 (zit. Tröndle/Fischer-Äearöeiier) Vormbaum, Thomas: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von DDR-Richtern wegen Rechtsbeugung. Anmerkung zum Urteil des LG Berlin vom 17. August 1992, NJ 1993, S. 212-215. ders:. Zur Strafbarkeit der Fälschung von DDR-Wahlen nach bundesdeutschem Recht, in: Jahrbuch 1994 der Gesellschaft der Freunde der FeraUniversität e.V., hrsg. von der Gesellschaft der Freunde der FernUniversität e.V., Hagen 1994, S. 7996. Weber, Klaus: Die Wahlfälschungen in Dresden. Zugleich Besprechungsaufsatz zum Urteil des BGH vom 3.11.1994 - 3 StR 62/94 - in dem Strafverfahren gegen Dr. Hans Modrow u.a. wegen Anstiftung zur Wahlfälschung, JR 1995, S. 403407.

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Dokumente Teil 1: Die strafrechtliche Verfolgung von Wahlfälschungen durch die DDR-Justiz 1989/90

Lfd. Nr. 1 Wahlfälschung im Bezirk Potsdam - Kreis Neuruppin -

1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Neuruppin vom 7.3.1990, Az.: S 10/90 2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 8.5.1990, Az.bsb 41.90

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Dokumente - Teil 1

Inhaltsverzeichnis Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Neuruppin vom 7.3.1990, Az.: S 10/90 Gründe [I. Feststellungen zur Person]

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[II. Sachverhaltsfeststellungen]

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[III. Beweiswürdigung]

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[IV. Rechtliche Würdigung]

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[V. Strafzumessung]

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Anmerkungen

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Kreisgericht Neuruppin Az.: S 10/90 (221-3-90)

7. März 1990

URTEIL Im Namen des Volkes! In der Strafsache gegen 1. den Bürgermeister Detlef H. geb. 1951 Staatsbürger der DDR verheiratet, 4 Kinder lt. Strafregisterauszug nicht vorbestraft 2. den Hauptbuchhalter Udo, Eckard, Helmut W. geb. 1944 Staatsbürger der DDR verheiratet, 1 Kind lt. Strafregisterauszug nicht vorbestraft 3. den Heimleiter Jürgea Walter G. geb. 1942 Staatsbürger der DDR verheiratet, 1 Kind lt. Strafregisterauszug nicht vorbestraft wegen Wahlfälschung hat die Strafkammer des Kreisgerichts Neuruppin in der Hauptverhandlung am 01.03., 02.03. und 07.03.1990, an der teilgenommen haben ® Es folgt die Nennung der Verfahrensbeteiligten. ® fur Recht erkannt: 1. Der Angeklagte H. wird wegen eines Vergehens der gemeinschaftlich begangenen Wahlfälschung gemäß § 211 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 4 - vier - Monaten verurteilt. {2} 2. Der Angeklagte G. wird wegen eines Vergehens der gemeinschaftlich begangenen Wahlfälschung gemäß § 211 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 3 - drei - Monaten verurteilt.

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Dokumente - Teil 1

3. Der Angeklagte W. wird wegen eines Vergehens der gemeinschaftlich begangenen Wahlfälschung gemäß § 211 Abs. 1 StGB auf Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wird auf 1 - ein - Jahr und 6 - sechs - Monate festgesetzt. 4. Für den Fall der schuldhaften Nichtbewährung wird dem Angeklagten W. eine Freiheitsstrafe von 3 - drei - Monaten angedroht. 5. Der Angeklagte W. wird gemäß § 49 StGB zu einer Geldstrafe als Zusatzstrafe in Höhe von 1.000,-- DM (eintausend) verurteilt. 6. Die Auslagen des Staatshaushaltes haben die Angeklagten als Gesamtschuldner, ihre notwendigen Auslagen haben die Angeklagten selbst zu tragen. Gründe [I.

Feststellungen zur Person]

Der nicht vorbestrafte Angeklagte H. hat nach dem Abschluß der 10. Klasse den Beruf eines Werkzeugmachers erlernt. Er war dann u.a. als Lehrausbilder im VEB EPN tätig, bis er 1974 zum Rat des Kreises Neuruppin wechselte. Ein aufgenommenes Studium als Staatswissenschaftler Schloß er 1977 ab und arbeitete dann bis 1987 als Stellv. Bürgermeister in Fehrbellin. Im Rahmen dieser Tätigkeit erlangte er über den Abschluß eines Fernstudiums den akademischen Grad eines Diplomwissenschaftlers. Nach einem weiteren Einsatz beim Rat des Kreises übernahm er 1989 die Funktion eines Bürgermeisters in Rheinsberg, die er zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch ausübte. Der Angeklagte war Mitglied der SED, nach deren Umbenennung ist er noch nicht in die PDS eingetreten. Der Angeklagte G. hat nach dem Abschluß der 8. Klasse zunächst eine Lehre als Gärtner absolviert und danach im Rahmen der Volkshochschule den Abschluß der 10. Klasse und das Abitur nachgeholt. In der Folgezeit absolvierte er dann ein Lehrerstudium {3} und wurde 1961 in Rheinsberg eingesetzt. Er arbeitete dann bis 1969 an der dortigen Oberschule, danach an der Hilfsschule und erlangte über ein Zusatzstudium den Abschluß als Diplompädagoge, speziell für Rehabilitationspädagogik. Nachdem er 1976 Schwierigkeiten mit seiner Stimme bekam, übernahm er die Funktion des Leiters des Kinderheimes Schlabom in bzw. bei Rheinsberg. Aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung seit seiner Geburt ( Erläuterung ) wurde der Angeklagte 1961/62 als schwerbeschädigt eingestuft und litt in der Folge mehrmals im Jahr an epileptischen Anfällen, die medikamentös behandelt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Angeklagte wegen seines Gesundheitszustandes als Nachtwache in einem Objekt in Schlabom eingesetzt. Der Angeklagte war von 1977 bis 1989 Mitglied der SED. Er ist nicht vorbestraft. Der Angeklagte W. ist nicht vorbestraft. Er verfugt über den Abiturabschluß und hat dann zunächst bei der MTS Rheinsberg Buchhalter gelernt und dann beim KfL gearbeitet. Über das KKW-Rheinsberg kam er zum FDGB-Feriendienst Rheinsberg, wo er ebenfalls als Buchhalter arbeitete. Seit 1988 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt arbeitet der Angeklagte als Hauptbuchhalter bei der Gebäudewirtschaft Rheinsberg. Bis 1989 war er Mitglied der SED.

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Allen Angeklagten wird von ihrem jeweiligen Arbeitskollektiv eine gute und bisher zuverlässige Arbeit bescheinigt. Die Arbeit der Angeklagten war in ihren jeweiligen Bereichen von einer hohen Einsatzbereitschaft gekennzeichnet. Der Angeklagte H. und der Angeklagte W. waren bereits vor der Wende am 07.05.1989 mit Aufgaben zur Durchführung von Wahlen zu den Stadtverordnetenversammlungen und Kreistagen bzw. zu den Bezirkstagen und der Volkskammer betraut gewesen. So gehörte der Angeklagte H. mehrfach der Stadtwahlkommission in Fehrbellin an, und der Angeklagte W. hat bereits in der Vergangenheit mehrfach die Funktion eines „Dispatchers"1 bei der Stadtwahlkommission Rheinsberg ausgeübt. Sie waren dadurch mit ihren Aufgaben vertraut, wobei beim Angeklagten H. zu berücksichtigen war, daß sich aus der veränderten Struktur der Stadt {4} Rheinsberg gegenüber der Stadt Fehrbellin qualitativ und quantitativ andere Aufgaben und Probleme bei der Durchführung und Vorbereitung der Wahl ergeben haben, zumal er als Vorsitzender der Stadtwahlkommission tätig war. Der Angeklagte G. war zu den Wahlen am 07.05.1989 das erste Mal mit einer konkreten Aufgabe zur Durchführung der Wahlen betraut. Er übernahm den Vorsitz des Wahlvorstandes im Wahllokal II der Stadt Rheinsberg. In Vorbereitung auf diese Funktion nahm er mehrfach an Schulungen beim Rat der Stadt in Neuruppin, beim Rat des Kreises teil, so daß er mit den zu bewältigenden Aufgaben vertraut gewesen war.

[II.

Sachverhaltsfeststellungen]

Am Vormittag des Wahltages - 07.05.1989 - erhielt der Angeklagte W. über den Zeugen R. einen Zettel, worauf die Meldezeiten für die Wahlbeteiligung an den Rat des Kreises Neuruppin vermerkt waren. Die letzte Meldung hatte durch den Angeklagten W. gegen 16.30 Uhr telefonisch zu erfolgen. Auf diesem Zettel waren Prozentzahlen bezüglich der Wahlbeteiligung vorgegeben, die die Stadt Rheinsberg zu den bestimmten Zeiten zu erbringen hatte. Vom Angeklagten W. wurden diese vorgegebenen SollZahlen in absolute Wählerzahlen umgerechnet. Im weiteren war ihm durch den Angeklagten H. sowie den Zeugen B. bekannt, daß er nicht die tatsächlichen Zahlen der Wahlbeteiligung, welche er durch Nachfragen in den einzelnen Wahllokalen erfahren hatte, melden mußte, sondern die Vorgabezahlen. Bei dieser Meldung gab er jedoch Werte an, die zwischen den Soll- und Ist-Zahlen lagen. Der Angeklagte W. war zu seiner Aufgabe durch den Vorsitzenden der Stadtwahlkommission, dem Angeklagten H., verpflichtet worden. Aufgrund seiner Nachfragen war es der Stadtwahlkommission und hierbei insbesondere dem Angeklagten H. als Vorsitzenden möglich zu erkennen, wie sich die Wahlbeteiligung gestaltet und ob es Rückschlüsse auf mögliche NichtWähler gibt. In den Nachmittagsstunden wurden dann in den einzelnen Wahllokalen neben den offiziellen Wählerlisten auch Listen gefertigt, die Name und Anschrift von Bürgern enthielten, die noch nicht zur Wahl waren. Aufgrund dieser Listen waren dann Agitatoren tätig, die diese Bürger zur Wahl bewegen sollten. Gegen 17.00 Uhr rief der Angeklagte W. u.a. im {5} Wahllokal II an, um sich nach der Wahlbeteiligung zu erkundigen. Im Vergleich mit den anderen Wahllokalen war zu erkennen, daß in diesem Wahllokal zu diesem Zeitpunkt es die meisten Bürger gab, die noch nicht wählen waren. Diesen Umstand teilte der Angeklagte W. dem Angeklagten H. mit. Gegen 17.30 Uhr wurde dann

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der Angeklagte G. als Leiter des Wahllokals II angerufen, woraufhin dieser sich von der Zeugin S. Wahlscheine geben ließ und mit einer fliegenden Wahlurne2 allein das Lokal verließ. Er begab sich direkt zum Stadtwahlbüro, das mit einem Fahrzeug in einer Fahrtzeit von 3-4 Minuten zu erreichen war. Im zentralen Wahlbüro fragte der Angeklagte H. den Angeklagten G. nach den NichtWählern, wobei ihm der Angeklagte G. die Namen von seiner mitgebrachten Liste vorlas. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich der Angeklagte W. sowie der Zeuge R. als Sekretär der Stadtwahlkommission in einem Raum. Dieser Raum, der nur eine Tür zum Flur hatte, wurde durch den Angeklagten H. verschlossen. Der Angeklagte H. nahm dann die Wahlzettel, die der Angeklagte G. mitgebracht hatte und warf sie für die verlesenen Namen in die Wahlurne, wobei er zu dem Angeklagten G. äußerte, daß dieser die Namen streichen kann. Der Angeklagte W. bemerkte aufgrund der äußerlichen Reaktion des Angeklagten G., daß diesem diese Handlung nicht recht war. Der Zeuge R. sagte zu diesem Vorkommnis nichts, er war mit seinen Unterlagen und seiner Arbeit beschäftigt. Gegen ca. 17.15 Uhr verließ der Angeklagte G. mit der fliegenden Wahlurne wieder die Stadtwahlkommission und begab sich zum Wahllokal II. Hier sagte er der Zeugin V., welche Namen sie auf der Wählerliste abstreichen kann. Die Zeugin V. war darüber erstaunt, daß der Angeklagte in dieser kurzen Zeit bei dieser Anzahl von Wählern gewesen ist, zumal die Entfernungen zwischen den einzelnen Wählern von 2-3 km waren. Es sind insgesamt 20 Stimmzettel fur die Stadtverordnetenversammlung und 20 Stimmzettel für den Kreistag erfaßt worden, obwohl die Wähler ihre Stimme nicht abgegeben hatten. Bereits in den Vormittagsstunden hatte der Angeklagte W. über die Vorgaben des Rates des Kreises in bezug auf die {6} Prozentzahlen der Wahlbeteiligung die absolute Zahl der Nichtwähler erfaßt. So betrug demzufolge die Anzahl der NichtWähler 7 Bürger. In der Folgezeit machte dann der Angeklagte W. dem Angeklagte H. den Vorschlag, die Anzahl der Nichtwähler, auch schon unter Beachtung der relativ schlechten Wahlbeteiligung im Wahllokal II, so zu verteilen, daß die höchste Zahl der Nichtwähler im Wahllokal II gegeben sei. So wurde der Schlüssel 4 - 2 - 1 von ihm vorgeschlagen. Der Angeklagte H. legte jedoch für das Wahllokal II die Anzahl von 3 Nichtwählern und fur die übrigen Wahllokale die Anzahl von jeweils 2 Nichtwählern fest. Der Angeklagte H. hatte bereits in den Vormittagsstunden zu dem Angeklagten W. geäußert, daß man die Zahl der Nichtwähler mit 7 Bürgern auf jeden Fall erreichen wird. Kurz vor Schließung des Wahllokals III, in dem der Zeuge S. Leiter des Wahlvorstandes war, kam ein Anruf von der Stadtwahlkommission, wobei sich der Zeuge nicht absolut sicher war, ob der Angeklagte W. bzw. der Angeklagte H. diesen Anruf tätigte, mit der Aufforderung, 2 Nichtwähler zu erfassen. Darüber war der Zeuge S. sehr erstaunt, da nach seinen Unterlagen ca. 14 Nichtwähler vorhanden gewesen waren. Er trug jedoch diese Zahlen in dem vorgefertigten Arbeitsblatt ein und unterschrieb auch im Büro der Stadtwahlkommission die Wahlniederschrift, die auf Grund des Arbeitsblattes gefertigt worden ist. Ebenso war der Zeuge W., Leiter des Wahllokals I, sehr erstaunt, als er bei der Wahlniederschrift für sein Wahllokal feststellen mußte, daß anstatt der ausgewiesenen 9 Nichtwähler nur 2 Bürger als Nichtwähler erfaßt worden sind. Der Angeklagte H. führte dazu ihm gegenüber aus, daß dies durch die unterschiedliche Erfassung im Sonderwahllokal bedingt wäre und daß die betreffenden Bürger bereits dort

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ihre Stimme abgegeben hätten. Daraufhin war der Zeuge W. mit der Erklärung einverstanden und leistete die Unterschrift für die Wahlniederschrift. Trotz der Kenntnis über das Einwerfen von Stimmzetteln für 20 Bürger durch den Angeklagten H. im Büro der Stadtwahlkommission und der Angleichung der Nichtwählerzahlen in den Wahllokalen I, II und III an dem vorher abgesprochenen Verteilungsschlüssel, fertigte der Angeklagte W. die statistischen Gesamtangaben zum Wahlergebnis der Stadt Rheinsberg, woraus ersichtlich war, daß die Gesamtzahl der Wahlberechtigten 40923 Bürger betrug und von 4022 Bürgern das Wahlrecht wahrgenommen wurde. {7} Feststellungen nach Abschluß der Wahl durch den Zeugen G. unter Befragung der Nichtwähler in Rheinsberg haben jedoch ergeben, daß 9 Bürger im Wahllokal I, 23 Bürger im Wahllokal II und 17 Bürger im Wahllokal III nicht an der Wahl teilgenommen haben. [III. Beweiswürdigung] Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Einlassungen des Angeklagten W., aus den Aussagen der Zeugen W., Κ., ® unleserlich K., L., Β., E. und G., der Kollektivvertreter G. und D. sowie den zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemachten Beweismitteln. Der Angeklagte H. bestritt in seinen Einlassungen die Aussagen des Angeklagten W. vollständig. Der Angeklagte G. sagte aus, daß ihm für die Zeit von ca. 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr das Erinnerungsvermögen vollständig fehlt und er somit nicht eindeutig sagen könne, ob die Handlung von ihm so begangen worden ist oder nicht. Er könne sich auf Grund seiner Persönlichkeit nicht vorstellen, daß er diese Handlung begangen haben kann, räumte aber auf Grund der Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung die Möglichkeit der Begehung dieser Handlung ein. Der Zeuge R. führte aus, daß er als Sekretär der Stadtwahlkommission von 17.00 Uhr bis ca. 18.15 Uhr nicht im Rat der Stadt anwesend war, da er infolge von Übermüdung zu seiner persönlichen Erholung im Stadtpark spazieren war. Er habe sich dazu beim Vorsitzenden der Stadtwahlkommission nicht abmelden können, weil er den Angeklagten H. nicht angetroffen habe. Die Möglichkeit, einen anderen Bürger der Wahlkommission oder zumindest den Stellvertreter der Wahlkommission über seine Abwesenheit zu informieren, habe er nicht in Erwägung gezogen. Der Angeklagte H. führte zu seiner Entlastung aus, daß er die besagte Manipulation in bezug auf Reinwerfen der Wahlscheine nicht getätigt haben kann, weil er zu dem besagten Zeitpunkt nicht im Büro der Stadtwahlkommission war, sondern sich bei der Familie L. zu einem Wählergespräch mit dem Sohn der Familie L. aufhielt. In bezug auf die Feststellung des Sachverhalts war somit davon auszugehen, daß sich die Einlassungen und Aussagen der Angeklagten H. und W. diametral entgegenstehen. Es war somit, entsprechend der Beweisrichtlinie des Obersten Gerichts, GBl. Teil I, Nr. 15, 1988, Abschnitt IV. Ziff. 1 Buchstabe b und ® unleserlich zu verfahren. Im weiteren waren die Zeugenaussagen, entsprechend {8} IV. Ziff. 3, zu bewerten und zu würdigen. Hier war zunächst davon auszugehen, daß lediglich durch die Aussage des Zeugen R. die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Angeklagten W. in Zweifel gezogen wird. Der

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Angeklagte W. führte aus, daß bei der Handlung des Einwerfens der Stimmzettel der Zeuge R. im Raum mit zugegen war. Der Zeuge R. bestritt diesen Umstand. Dazu war festzustellen, daß der Zeuge R. sich zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung und Beweisaufnahme als Sekretär des Rates der Stadt Rheinsberg noch in einem direkten Unterstellungsverhältnis zum Angeklagten H. als Bürgermeister befindet. Im weiteren gehörte der Zeuge R. der Stadtwahlkommission als deren Sekretär an und unterschrieb das Gesamtwahlergebnis für die Stadt Rheinsberg. Er garantierte mit seiner damaligen Unterschrift für die Richtigkeit des Wahlergebnisses. Hätte er mit seiner Aussage die Einlassung des Angeklagten bestätigt, hätte er sich selbst der Wahlfälschung bezichtigt. Desweiteren ist zur Unglaubwürdigkeit der Aussagen des Angeklagten W. und zur Absicherung der Aussagen des Angeklagten H. angeführt worden, daß Zeugenaussagen belegen, daß der Angeklagte H. zum Zeitpunkt der Wahlmanipulation bei der Familie L. gewesen wäre. Die Zeugin L. führte jedoch lediglich aus, daß der Angeklagte ca. gegen 17.00 Uhr bei ihrer Familie gewesen war und ungefähr 15-20 Minuten zu einem Gespräch verweilte. Der Zeuge B., der den Angeklagten H. zu der Familie L. fuhr, konnte sich auch daran erinnern, daß es bereits nach 17.00 Uhr war, als er den Angeklagten zur Stadtwahlkommission zurückfuhr, und daß der Angeklagte ca. VA Stunde bei der Familie L. war, und daß die Fahrtzeit zwischen der Wohnung der Familie L. und der Stadtwahlkommission ca. 5 Minuten betragen hat. Unter Würdigung dieser Aussagen ist die Einlassung des Angeklagten W., daß sich der Bürgermeister und der Angeklagte H. in der Zeit von ca. 17.30 Uhr bis 17.45 Uhr im Büro der Stadtwahlkommission befunden hat, nicht zu widerlegen. Es war vielmehr weiter davon auszugehen, daß sich die Aussagen des Angeklagten H. und des Angeklagten W. weiterhin gegenüberstehen. Jedoch wird zweifelsfrei durch die Aussagen der Zeugen V., G., S., ® unleserlich ® belegt, daß der Angeklagte G. {9} ca. 17.30 Uhr das Wahllokal verließ, dabei die fliegende Wahlurne und 15-20 Stimmzettel mitnahm. Der Angeklagte G. ist dann noch vor Schließung des Wahllokals zurückgekommen, wobei er der Zeugin V. die Anweisung gab, Bürger als Wähler zu erfassen, indem ihre Namen in den Wählerlisten abgestrichen werden. Entsprechend der Einlassungen des Angeklagten W. und der zuvor genannten Zeugenaussagen ist zweifelsfrei zu erkennen, daß hierbei Umstände geschildert wurden, die übereinstimmen. Der Angeklagte W. wußte, unabhängig von den Zeugenaussagen, daß der Angeklagte G. mit Stimmzetteln, einer fliegenden Wahlurne sowie einer Liste mit Namen im Büro der Stadtwahlkommission gewesen ist, und daß die Stimmzettel eingeworfen worden sind. Wenn die Aussage des Angeklagten W. unwahr gewesen wäre, wie vom Angeklagten H. behauptet, hätte dieser nicht Kenntnis davon haben können, daß der Angeklagte G. sein Wahllokal unter den genannten Umständen verlassen hat. Unter Beachtung dieser Erkenntnisse werden somit die Aussagen des Angeklagten W. gestützt und besitzen dementsprechend die höhere Glaubwürdigkeit gegenüber den Aussagen des Angeklagten H. Dementsprechend waren die Aussagen der Zeugin R. sowie des Angeklagten G. als Schutzbehauptungen zu bewerten. Im Hinblick auf die Angleichung der Anzahl der NichtWähler in den einzelnen Wahllokalen aufgrund von Absprachen zwischen den Angeklagten H. und W. war auch hier zunächst festzustellen, daß sich die Aussagen der Angeklagten H. und W. widersprechen. Durch die Aussage des Zeugen G. wurde jedoch zweifelsfrei widerlegt, daß

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die Differenz von 7 Nichtwählerstimmen zwischen tatsächlich Wahlberechtigten und der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen richtig ist. Insgesamt haben in Rheinsberg 49 Bürger nicht an der Wahl teilgenommen. Aufbauend auf diese Zeugenaussage sind die Aussagen der Zeugen W. und S., Wahlvorstandsvorsitzende in den Wahllokalen I und II, sowie die Aussagen der Zeugen K., L. und H. als Mitglieder dieser Wahlkommission zu bewerten. Vor allem die Zeugen W. und S. bemerkten bzw. wurden {10} dazu aufgefordert, andere Angaben zu den Nichtwählerzahlen zu tätigen als sie tatsächlich ermittelt hatten. So wurde der Zeuge W. vom Angeklagten H. dahingehend informiert, daß sich die Veränderung für die NichtWähler aus der Wahl im Sonderwahllokal ergibt. Diese Information wird aber durch die tatsächlich ermittelte Anzahl der Nichtwähler widerlegt. Dementsprechend hatte das Gericht zweifelsfrei davon auszugehen, daß die Aussage des Angeklagten W. wahr und die des Angeklagten H. unwahr ist. Die erhobenen Beweise lassen jedoch nicht den zweifelsfreien Schluß zu, wie im Angeklagtentenor4 behauptet, daß der Angeklagte H. persönlich die Wahlniederschrift des Wahlbezirkes I geändert und der Angeklagte W. den Vorsitzenden der Wahlkommission III persönlich telefonisch aufgefordert hat, in dieser Wahlniederschrift eine höhere als die tatsächliche Wahlbeteiligung auszuweisen. Unter Berücksichtigung dieser Gründe war der Sachverhalt, wie geschehen, durch das Gericht festzustellen. Der Angeklagte H. war zu den Wahlen am 07.05.1989 als Vorsitzender der Stadtwahlkommission tätig. In dieser Funktion hat er arbeitsteilig mit dem Angeklagten G. für 20 Bürger Stimmzettel in eine fliegende Wahlurne geworfen, die entsprechenden Namen wurden durch den Angeklagten G. genannt und auf einer extra angefertigten Liste von diesem gestrichen. Der Angeklagte G. verbrachte hiernach die fliegende Wahlurne mit den abgegebenen Stimmen in sein Wahllokal, ließ dort die entsprechenden Namen aus der Wählerliste abstreichen und die Stimmen bei der Auszählung als gültige Stimmen für den Wahlvorschlag erfassen. Der Angeklagte G. war zu der Wahl am 07.05.1989 als Vorsitzender der Wahlkommission II tätig. Der Angeklagte W. arbeitete im Auftrag der Stadtwahlkommission als „Dispatcher" und beobachtete dabei den Wahlverlauf und ermittelte das statistische Gesamtergebnis der Wahl für die Stadt Rheinsberg. Gemeinsam mit dem Angeklagten H. stellte der {11} Angeklagte W. unter Beachtung einer zentralen Vorgabe und fußend auf einer gemeinsamen Absprache fest, daß nur 7 Bürger in der Stadt Rheinsberg nicht gewählt, und daß in Rheinsberg 3975 Bürger für den Wahlvorschlag gestimmt haben. Beiden Angeklagten war jedoch bekannt, daß 20 Wählerstimmen nicht gültig waren und somit nicht für den Wahlvorschlag gewertet werden durften. Auch war beiden Angeklagten bekannt, daß die Anzahl der NichtWähler in den Wahllokalen I, II und III höher war, als von ihnen ausgewiesen wurde. [IV. Rechtliche Würdigung! Dementsprechend war davon auszugehen, daß die Angeklagten H., G. und W. gemeinschaftlich arbeitsteilig handelnd das Wahlergebnis der Stadt Rheinsberg gefälscht ha-

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ben. Die Angeklagten handelten vorsätzlich gem. § 6 Abs. 1 StGB und waren Täter im Sinne des § 211 StGB5. Der Auffassung der Verteidigung der Angeklagten H. und G. zu dem Umstand, daß die Wahlbeteiligung (Anzahl der NichtWähler) nicht Gegenstand des Wahlergebnisses und demzufolge die Veränderung dieser Daten keine Wahlfälschung gemäß § 211 StGB ist, war durch das Gericht nicht zu folgen. Die Angabe über die Wahlbeteiligung ist ausweislich des Schlußberichts der Wahlkommission Bestandteil des Ergebnisses der Wahl, und somit haben die Angeklagten das Resultat der Wahl (Kommentar zum StGB - Staatsverlag Berlin 1987, S. 467) gefälscht. Die Angeklagten sind deshalb des gemeinschaftlichen Vergehens der Wahlfälschung gem. §§ 211 Abs. 1, 22 Abs. 2 Ziff. 2 StGB schuldig und somit strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Eines gesonderten Teilfreispruchs für die angeklagte Handlung des Angeklagten H. in bezug auf die persönliche Verfälschung des Wahlergebnisses des Wahllokales I sowie für die angeklagte Handlung des Angeklagte W. in bezug auf die telefonische Anweisung an den Vorsitzenden des Wahllokals III zur Angabe der Wahlbeteiligung bedurfte es nicht, da diese Handlungen tatsächlich angeklagt waren.

[V.

Strafzumessung]

Bei der Strafzumessung mußte das Gericht davon ausgehen, daß durch das gemeinschaftliche Handeln der Angeklagten eines der wesentlichsten Grundrechte der Bürger verletzt wurde. Entsprechend ihrer Funktion in der Wahl vom 07.05.1989 hatten {12} die Angeklagten besonderes Vertrauen der Bürger in ihrem Territorium. Dieses Vertrauen gründete sich auch vor allem auf eine untadelige Arbeitsweise in ihrem beruflichen Leben und persönliche Reife. Desto mehr wurden die Bürger durch die Handlung der Angeklagten in ihrem Vertrauen enttäuscht, vor allem in dem Vertrauen zur Legitimität der gewählten Volksvertretung. Die Angeklagten haben somit dem Ansehen unseres Staates erheblichen Schaden zugefügt. Jedoch war aber entsprechend der Schuld und des objektiven Tatbeitrages zwischen den Angeklagten zu differenzieren. So waren nur die Angeklagten H. und G. direkt am massivsten Eingriff in die Grundrechte der Bürger, selbständiges Einwerfen der Stimmzettel in die Wahlurne, beteiligt. Auch mußte beachtet werden, daß die Initiative zum Handeln vom Angeklagten H. ausging und er als Vorsitzender der Stadtwahlkommission die größte Verantwortung für eine korrekte Wahl und ein ordnungsgemäßes Wahlergebnis trug. Abgestuft daran waren die Verantwortung des Angeklagten G. als Vorsitzender einer Wahlkommission und dem im Auftrag handelnden Angeklagten W. geringer zu bewerten. Auch hatte das Gericht zu beachten, daß der Angeklagte W. durch seine Selbstanzeige und sein Geständnis versuchte, die schädlichen Folgen seiner Straftat zu begrenzen und zu beweisen, daß er die richtigen Schlußfolgerungen für ein künftig verantwortungsbewußtes Leben gezogen hat. Für die Handlung der Angeklagten mußte aber auch berücksichtigt werden, daß entsprechend der verfälschten Angaben zu 49 Wahlberechtigten im Verhältnis zu der Zahl der Gesamtwähler von 4029 die Auswirkung auf das Gesamtwahlergebnis der Stadt Rheinsberg nicht sehr hoch war. 12

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Aus diesen Gründen sprach das Gericht, in Übereinstimmung mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft, für die Angeklagten H. und G. Freiheitsstrafen aus, da ihr Verhalten eine grobe Mißachtung der gesellschaftlichen Disziplin darstellte. Die Dauer der Freiheitsstrafe war beim Angeklagten H. auf 4 Monate und beim Angeklagten G. auf 3 Monate zu bemessen. {13} Dem Antrag der Verteidigung auf Freispruch für beide Angeklagte konnte auf Grund des Beweisergebnisses nicht gefolgt werden. Beim Angeklagten W. sah das Gericht, in Übereinstimmung mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft, die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Strafmilderung gem. § 62 Abs. 2 StGB6 für gegeben an und verurteilte den Angeklagten auf Bewährung. Entsprechend der Schwere der Tat, insbesondere seiner Schuld, setzte das Gericht die Bewährungszeit auf 1 Jahr und 6 Monate fest und drohte für den Fall der schuldhaften Nichtbewährung eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten an. Zur Erhöhung der erzieherischen Wirksamkeit der Strafe erkannte das Gericht gem. § 49 StGB auf eine Zusatzgeldstrafe in Höhe von 1.000,-- M.

Anmerkungen 1

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4 5 6

„Dispatcher ist die Bezeichnung fur leitende Mitarbeiter in Betrieben und Einrichtungen, die fur die operative Lenkung von Produktions- und Verkehrsprozessen verantwortlich sind. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Sicherung und Erfüllung des staatlichen Produktionsplanes durch die vorbeugende Kontrolle und Sicherung eines kontinuierlichen Produktionsablaufes." (Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.): DDR-Handbuch, Bd. 1 A-L, 3. Aufl., Köln 1985, S. 311). Bei dem Einsatz sogenannter „fliegender Wahlurnen" suchten Angehörige des jeweils örtlich zuständigen Wahlvorstandes Wahlberechtigte mit einer transportablen Wahlurne zu Hause auf, um ihnen die dortige Stimmabgabe zu ermöglichen (vgl. Wahldirektive Nr. 2, Ziffer 13). Vorgesehen war diese Art der Stimmabgabe allein für Kranke und Gebrechliche, wurde in der Praxis aber auch eingesetzt, um „Wahlunwillige" zur Teilnahme zu bewegen; vgl. dazu auch Landgericht Dessau, Urteil v. 23.6.1993 - A z . 1 KLs 2 Js 54150/91 a - ( 2 1 / 9 2 ) - , UA S. 14. Die Gesamtzahl der Wahlberechtigten lautet korrekt 4029. Dies ergibt sich aus der Angabe von 4022 Bürgern, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, zuzüglich 7 ausgewiesener NichtWähler (vgl. S. 12 sowie lfd. Nr. 1-2, S. 16). Gemeint ist wohl „Anklagetenor". Vgl. Anhangs. 492. Vgl. Anhangs. 491 f.

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Inhaltsverzeichnis Berufungsurteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 8.5.1990, Az. bsb 41.90 Gründe [I. Prüfung der erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen]

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[II. Prüfung der rechtlichen Würdigung]

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[III. Prüfung der Strafzumessungserwägungen]

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Anmerkungen

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Bezirksgericht Potsdam Az.rbsb 41.90 (s 10.90)

8. Mai 1990

URTEIL Im Namen des Volkes In der Strafsache gegen 1. den Bürgermeister Detlef H. 2. den Heimleiter Jürgen, Walter G. wegen Wahlfälschung hat der 3. Strafsenat des Bezirksgerichts Potsdam in der Hauptverhandlung am 25. April 1990,4. u. 8. Mai 1990, an der teilgenommen haben: ® Es folgt die Nennung der Verfahrensbeteiligten. ® {2} fur Recht erkannt: Auf die Berufung des Angeklagten H. wird das ihn betreffende Urteil des Kreisgerichts Neuruppin vom 7. März 19901 - Az.: S 10.90 - im Strafausspruch geändert. 1. Der Angeklagte H. wird wegen gemeinschaftlich begangener Wahlfälschung - Vergehen gem. § 211 Abs. 1 StGB - auf Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wird auf 1 Jahr und 6 Monate festgesetzt. 2. Für den Fall der schuldhaften Nichtbewährung wird eine Freiheitsstrafe von vier Monaten angedroht. 3. Der Angeklagte wird zu einer Zusatzgeldstrafe in Höhe von 1.500,-- Mark verurteilt. 4. Auf die Berufung des Angeklagten G. wird das ihn betreffende Urteil des Kreisgerichts Neuruppin vom 7. März 1990 - Az.: S 10.90 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dasselbe Kreisgericht zurückverwiesen.2 5. Die den Angeklagten H. betreffenden Auslagen des Rechtsmittelverfahrens hat dieser zu 2/3 zu tragen; im übrigen werden sie dem Staatshaushalt auferlegt. 6. Die Entscheidung über die den Angeklagten G. betreffenden Auslagen des gesamten Verfahrens bleibt dem neu ergehenden Urteil des Kreisgerichts vorbehalten. 15

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Gründe Das Kreisgericht verurteilte beide Angeklagte jeweils wegen gemeinschaftlich begangener Wahlfälschung - Vergehen gem. § 211 Abs. 1 StGB3 - zu Freiheitsstrafen. Der Angeklagte H. wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und der Angeklagte G. zu einer solchen von drei Monaten verurteilt. {3} Dieser Entscheidung liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: ® Es folgt die inhaltliche Wiederholung der erstinstanzlichen Angaben zur Person und zum Sachverhalt. {5} ® Mit den von beiden Angeklagten eingelegten Berufungen wird unter Hinweis darauf, daß sie keine Straftaten begangen haben, Freispruch erstrebt. Die form- und fristgemäß eingelegten Berufungen führten bezüglich des Angeklagten H. zur Änderung der kreisgerichtlichen Entscheidung im Strafausspruch und hinsichtlich des Angeklagten G. zur Aufhebung der kreisgerichtlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung. [I.

Prüfling der erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen]

Zur Prüfung des Berufungsvorbringens führte der Senat eine ergänzende eigene Beweisaufnahme durch, in der beide Angeklagte sowie die Zeugen B., Juliane L., Jürgen L. u. Steffen L. gehört wurden. Weiterhin wurden Teile des kreisgerichtlichen Hauptverhandlungsprotokolls in dem aus dem Protokoll zur Verhandlung des Senats ersichtlichen Umfang verlesen. Im Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme des Senats war im Gegensatz zur Auffassung der Verteidigung die Richtigkeit der kreisgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen zum Handeln des Angeklagten H. mit der Ausnahme zu bestätigen, daß die Gesamtzahl der Wahlberechtigten entsprechend dem zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Schlußbericht der Wahlkommission 4029 Bürger beträgt. Es folgen Aussagen zur ergänzenden Beweisaufnahme. {6} [II.

Prüfung der rechtlichen Würdigung]

Von den zutreffenden kreisgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen ausgehend ist auch das Handeln des Angeklagten H. rechtlich richtig als Wahlfälschung gem. § 211 Abs. 1 StGB gewürdigt worden. [III. Prüfung der Strafzumessungserwägungen] Bei der Entscheidung über Art und Höhe der anzuwendenden Strafmaßnahme ist das Kreisgericht zunächst richtig davon ausgegangen, daß die Straftat einer Wahlfälschung grundsätzlich ein schwerwiegendes Delikt ist, weil mit ihr Grundrechte der Bürger unseres Staates maßgeblich beeinträchtigt werden können. Der Gesetzgeber hat deshalb als Sanktion der Tat auch ausschließlich Freiheitsstrafe angedroht. Zu beachten ist jedoch, daß auch bei dieser Straftat die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung Gültigkeit haben. Die entscheidende Grundlage bildet dabei die Tatschwere, die sich aus 16

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der objektiven Schädlichkeit der Straftat und der Schuld zusammensetzt. Daneben sind für die Strafzumessung unter Berücksichtigung der Schwere der konkreten Tat Umstände aus dem Persönlichkeitsbereich von Bedeutung, die über die Fähigkeit und Bereitschaft des Täters Aufschluß geben, künftig seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden (vgl. dazu Urteil des OG vom 12. Mai 7 2 - 5 Zst 2/72, in NJ 1972, S. 552 ff.) Hiervon ausgehend beinhaltet die gegen den Angeklagten H. ausgesprochene Freiheitsstrafe eine Überbewertung der objektiven und subjektiven Schwere der Tat. So wurde nicht ausreichend berücksichtigt, daß durch das Handeln des Angeklagten H. nur eine relativ geringe Manipulation am Wahlergebnis vorgenommen wurde, die durch die zwischenzeitlich in unserem Land gegebenen veränderten gesellschaftlichen Bedingungen nicht mehr die Bedeutung erlangt, die den Ausspruch einer Freiheitsstrafe begründet. Bei der Bestimmung der Schwere der Schuld des Angeklagten mußten die zur Tatzeit bestehenden politischen Strukturen in unserem Land, die ein derartiges Vorgehen des Angeklagten mit bedingten, Beachtung finden. Gleichzeitig war das im übrigen positive Gesamtverhalten des Angeklagten vor der Tat sowie die Tatsache zu berücksichtigen, daß er auch nach der Tat ein gleiches positives Verhalten an den Tag legte und damit dokumentiert, daß er sich künftig gesellschaftsmäßig verhalten will. {7} Diese Schlußfolgerung kann bei einem Täter, der vor der Straftat in der Arbeit und im gesellschaftlichen Leben ein vorbildliches Verhalten gezeigt hat und dieses nach der Tat fortsetzt, gezogen werden, da in einem solchen Fall davon ausgegangen werden kann, daß der Täter grundlegende Schlußfolgerungen für ein verantwortungsbewußtes Verhalten gezogen hat, und deshalb zu erwarten ist, daß er die Gesetzlichkeit künftig einhalten werde (vgl. dazu bereits o.g. Urteil des OG). Diese Umstände begründen die Anwendung der außergewöhnlichen Strafmilderung gem. § 62 Abs. 2 StGB4, da die im § 25 Abs. 1 Ziff. 3 - 2 . Alternative StGB geforderten Kriterien nicht in vollem Umfang vorliegen, aber bereits eine mildere Strafe als die im § 211 Abs. 1 StGB vorgesehene den Strafzweck erfüllt. Der Senat verurteilte den Angeklagten H. deshalb unter Änderung der kreisgerichtlichen Entscheidung im Strafausspruch auf Bewährung. Entsprechend der Schwere der Tat war die Bewährungszeit auf ein Jahr und sechs Monate festzusetzen. Für den Fall der schuldhaften Nichtbewährung war eine Freiheitsstrafe von vier Monaten anzudrohen. Zur Erhöhung der erzieherischen Wirksamkeit der Bewährungsverurteilung war dem Angeklagten eine Zusatzgeldstrafe in Höhe von 1.500,-- Mark aufzuerlegen. Dieses Strafmaß stellt für den Angeklagten eine ausreichende Erziehungsmaßnahme dar, die gleichzeitig dem Schutzbedürfnis des Staates vor derartigen Straftaten entspricht. Hinsichtlich des Angeklagten G. hat die Strafkammer zwar den objektiven Tathergang ausreichend aufgeklärt und richtig festgestellt - zur Beweiswürdigung wird auf die Darlegungen zum Angeklagten H. verwiesen - , jedoch wurde die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten nicht ausreichend geprüft. Zweifel an dieser ergeben sich aufgrund eines erlittenen Schädelbasisbruchs, einer nervenärztlichen Behandlung des Angeklagten im Jahre 1967, eines bestehenden epileptischen Anfallsleidens und der Aussage des Angeklagten, daß er zur Tatzeit Erinnerungslosigkeit gehabt hätte, wobei zu dieser Zeit auch heftige Kopfschmerzen vorgelegen haben sollen, die denen bei Beginn eines epileptischen Anfalls auftretenden Kopfschmerzen ähnelten. Zur Klärung der

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Dokumente - Teil 1

Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten G. ist deshalb die Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung unumgänglich. In Vorbereitung derselben wird vom Landambulatorium Rheinsberg eine ärztliche Stellungnahme zur Frage des aktuellen Krankheitsbildes des Angeklagten G. beizuziehen sein, um die Richtigkeit der von ihm behaupteten gesundheitlichen Beschwerden zu überprüfen. Sollte diese Stellungnahme die Existenz epileptischer Anfalle mit zeitweiliger Erinnerungslosigkeit bestätigen, wäre eine psychiatrische Begutachtung des Angeklagten erforderlich. Insoweit befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit dem konsultierten Facharzt für Neurologie und Psychiatrie der Bezirksnervenklinik Brandenburg. {8} Nach ggf. erfolgter Begutachtung des Angeklagten ist das Ergebnis derselben in die neu durchzuführende Hauptverhandlung einzubeziehen. In letztgenannter ist neben der Persönlichkeit das gesamte strafbare Handeln des Angeklagten sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht neu festzustellen und zu würdigen, da eine alleinige nachträgliche Aufklärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten unabhängig von der Aufklärung und Feststellung des objektiven Tathergangs unzulässig ist. Sollte sich im Ergebnis der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Richtigkeit des Anklagevorwurfs bei voller strafrechtlicher Verantwortlichkeit des Angeklagten G. bestätigen, wird unter Beachtung der zum Angeklagten H. dargelegten Strafbegründung auch für den Angeklagten G. eine Strafe ohne Freiheitsentzug auszusprechen sein.5 Die Entscheidung des Senats beruht hinsichtlich des Angeklagten H. auf den §§ 299 Abs. 1 u. 2 Ziff. 2, 301 Abs. 2 Ziff. 1 StPO und hinsichtlich des Angeklagten G. auf § 299 Abs. 1 und 2 Ziff. 3 StPO.

Anmerkungen 1 2

3 4 5

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Vgl. lfd. Nr. 1-1. Das Verfahren gegen G. wurde durch Beschluß des Kreisgerichts Neuruppin vom 23.11.1992 - Az. S 10/90 (221-3-90) - gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1.000 DM an eine gemeinnützige Einrichtung zunächst vorläufig, nach Erfüllung der Auflage mit Beschluß vom 23.12.1992 schließlich endgültig eingestellt. Vgl. Anhang S. 492. Vgl. Anhang S. 491 f. Vgl. Anm. 2.

Lfd. Nr. 2 Wahlfälschung im Bezirk Potsdam - Kreis Brandenburg-Stadt -

Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Brandenburg vom 20.6.1990, Az.: S 88/90

Lfd. Nr. 2

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Inhaltsverzeichnis Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Brandenburg vom 20.6.1990, Az.: S 88/90 Gründe [I. Feststellungen zur Person]

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[II. Sachverhaltsfeststellungen]

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[III. Rechtliche Würdigung]

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[IV. Strafzumessung]

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Anmerkungen

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Bezirk Potsdam - Kreis Brandenburg-Stadt

Kreisgericht Brandenburg Az.: S 88/90 (221-69-90 St.)

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20. Juni 1990

URTEIL Im Namen des Volkes! In der Strafsache gegen 1. den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Brandenburg Klaus, Alfons Mühe 2. den ehemaligen 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters der Stadt Brandenburg Herbert, Heinz L. wegen gemeinschaftlicher Wahlfälschung hat die Strafkammer des Kreisgerichts Brandenburg in der Hauptverhandlung am 13.06., 14.06., 18.06., 20.06.1990, an der teilgenommen haben: ® Es folgt die Nennung der Verfahrensbeteiligten. ® für Recht erkannt: 1. Der Angeklagte Mühe wird wegen eines Vergehens der Wahlfälschung gemäß § 211 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 5.000,00 Mark (fünftausend) verurteilt. 2. Der Angeklagte L. wird wegen eines Vergehens der Beihilfe zur Wahlfälschung gemäß § 211 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.500,00 Mark (zweitausendfiinfhundert) verurteilt. {2} 3. Die Auslagen des Verfahrens tragen gemäß der §§ 364 Abs. 1, 365 StPO die Angeklagten.

Gründe [I.

Feststellungen zur Person]

Der 48jährige Angeklagte Mühe arbeitet mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1100,-- Mark als Kontrolleur im Stahl- und Walzwerk Brandenburg. Er besitzt ein Wochenendhaus im Wert von 20.000,-- Mark, einen PKW Lada und ein Sparguthaben in Höhe von 7500,-- Mark. In der Vergangenheit ist der Angeklagte über die Funktionen eines FDJ-Sekretärs im Stahl- und Walzwerk und später politischer Mitarbeiter der ehemaligen SED-Bezirksleitung Potsdam wie auch durch Schulungen und Besuche von Parteischulen zu einem Kader für Funktionen im Staatsapparat herangebildet worden. Nach dem Studitim an der Parteihochschule der KPdSU in Moskau arbeitete er ab 1981 als stellvertretender

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Lfd. Nr. 2

Dokumente - Teil 1

Oberbürgermeister und Vorsitzender der Stadtplankommission im Rat der Stadt Brandenburg. Im Dezember 1985 ist er durch die Stadtverordnetenversammlung zum Oberbürgermeister gewählt worden. Dieses Amt übte er vom 1.1.1986 bis zu seinem Rücktritt am 8.2.1990 aus. Der 60jährige Angeklagte L. ist seit dem 1.3.1990 Invalidenrentner. Er verfugt über Ersparnisse in Höhe von ca. 14.000,-- Mark, und bis zu seiner Verabschiedung aus dem Staatsapparat war er seit 1976 bis zum 7.5.1989 als Stellvertreter des Oberbürgermeisters tätig. Auch er ist über ein Fernstudium an der damaligen Akademie für Staat und Recht in Potsdam-Babelsberg für seine Tätigkeit im Staatsapparat qualifiziert worden. [II.

Sachverhaltsfeststellungen]

In Vorbereitung der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 ist der Angeklagte L. vom Angeklagten Mühe beauftragt worden, ein Rechenzentrum einzurichten und dieses zu leiten. Diesen Auftrag erhielt der Angeklagte L. vom Angeklagten Mühe in dessen damaliger Funktion als Oberbürgermeister. Der Angeklagte Mühe war durch Beschluß des Rates der Stadt zum Leiter der Stadtwahlkommission gewählt worden. In der Woche vor dem Termin der {3} Kommunalwahlen führte der Zeuge Harry S.1, damals 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Potsdam, auf Initiative des Zeugen Dr. Klapproth, damals Leiter der Abteilung Staat und Recht der Bezirksleitung der SED Potsdam, mit den Ratsvorsitzenden und Oberbürgermeistern vertrauliche Gespräche. Zu einem solchen Gespräch wurde auch der Angeklagte Mühe geladen, und im Verlauf des Gesprächs sind dem Angeklagten durch die oben genannten Zeugen die konkreten Prozentzahlen fur die Zahlen der ungültigen und gültigen Stimmen gegen den Wahlvorschlag sowie die Wahlbeteiligung jeweils vorgegeben worden. Diese Vorgaben sind sogar auf die stündliche Meldung aufgeschlüsselt worden. Dem Zeugen Klapproth war klar, daß die vorgegebenen Zahlen durch die Verantwortlichen nur durch Manipulation zu erreichen waren. In einem Gespräch unter vier Augen teilte der Angeklagte Mühe dem Angeklagten L. die oben genannte Tatsache mit. Dieser faßte ebenso wie der Angeklagte Mühe es als politischen Auftrag auf, die vorgegebenen Werte zu erreichen. Trotz einiger Einwände entschloß sich der Angeklagte L. dazu, am Wahltage entsprechende Manipulationen vorzunehmen, da dieses nur ihm als Leiter des Rechenbüros möglich war. Die Ergebnisse der Wahl in den Sonderwahllokalen und die der bewaffneten Organe unterlagen der Geheimhaltung. Sie waren nur dem Angeklagten L. bekannt. Über die Zahlenangaben war es dem Angeklagten L. möglich, die wirklichen Ergebnisse der Wahl so aufzustocken, daß die vorgegebenen Zahlenwerte erreicht wurden. Bereits am Abend des 6.5.1989 errechnete der Angeklagte L. nach Abschluß der Zweitnumerierung der Wählerlisten die absolute Zahl der Wahlberechtigten fur den Stadtkreis Brandenburg, die fiktive Wahlbeteiligung der Stadt, die Wahlbeteiligung zu den fünf zentralen Meldeterminen, die vorgegeben waren, und er übergab diese Werte dem Angeklagten Mühe. Dieser meldete im Verlaufe des 7.5.1989 diese Zahlen telefonisch der Bezirkswahlkommission. Nachdem am Wahltag durch die Zwischen-{4}meldungen der Wahlvorstände deutlich wurde, daß die vorgegebenen Zahlen nicht erreicht werden können, schlug der Angeklagte L. dem Angeklagten Mühe vor, sich mit dem Verantwortlichen

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Bezirk Potsdam - Kreis Brandenburg-Stadt

Lfd. Nr. 2

im Rat des Bezirkes Potsdam in Verbindung zu setzen, um eine Korrektur der Vorgaben zu erreichen. Der Angeklagte Mühe telefonierte daraufhin mit dem Zeugen S., der aber lediglich einer Veränderung der Position „Zahl der gültigen Stimmen gegen den Wahlvorschlag" auf 0,7% zustimmte. Die anderen Vorgaben wurden aufrechterhalten, was der Angeklagte Mühe auch dem Angeklagten L. mitteilte. Gegen 20.00 Uhr hatten die Angeklagten Mühe und L. das tatsächliche vorläufige Gesamtwahlergebnis der Stadt Brandenburg absolut und prozentual ausgewiesen. Sie stellten anhand dessen fest, daß sich diese Daten nicht mit den Vorgaben deckten. So war die tatsächliche Wahlbeteiligung geringer, die Zahl der ungültigen Stimmen war höher, und nur die tatsächliche Zahl der gültigen Stimmen gegen den Wahlvorschlag entsprach bei einer Differenz von etwa 15 Stimmen dem vorgegebenen Wert. Der Angeklagte Mühe ordnete an, daß das Gesamtergebnis so zu manipulieren ist, daß die drei geforderten Wahlkennziffern erfüllt wurden und auch rechnerische Richtigkeit bestand. Der Angeklagte L. fertigte daraufhin die Meldung über das endgültige Wahlergebnis der Stadt Brandenburg, unterteilt nach Wahlkreisen, und die Abschlußprotokolle für die Wahlkreise und die Stadt Brandenburg handschriftlich an, indem er: 1. die Wahlbeteiligung von maximal 68.259 Wählern gleich 95,81% der Wahlberechtigten auf 71.028 Wähler gleich 99,7% der Wahlberechtigten erhöhte; 2. die Zahl der ungültigen Stimmen von mindestens 501 gleich 0,73% der tatsächlich abgegebenen Stimmen auf 214 gleich 0,30% der ausgewiesenen Stimmen verringerte; 3. die Zahl der gültigen für den Wahlvorschlag abgegebenen Stimmen von maximal 67.284 auf 70.319 erhöhte; 4. die nicht mehr genau rekonstruierbare Zahl der gegen den Wahlvorschlag abgegebenen Stimmen den vorangegangenen Manipulationen entsprechend auf 495 gleich 0,7% der als gültig ausgewiesenen Stimmen veränderte sowie {5} 5. zur Verschleierung all dessen die Eintragungen der Wahlergebnisse in den für die 18 Wahlkreise der Stadt bestimmten Zeilen der Meldung entsprechend manipulierte. Der Angeklagte Mühe ließ auf Grund dieser Vorgaben den Schlußbericht über das Ergebnis der Wahl und die Wahlkreisprotokolle schreiben. Er legte sie am Abend des 7.5.89 den Mitgliedern der Wahlkommission vor, unterzeichnete selbst und ließ sie unterzeichnen. Obwohl es Aufgabe der Stadtwahlkommission gewesen wäre und dazu auch die Möglichkeit bestand, wurde im Vertrauen auf den Vortrag des Angeklagten Mühe das Wahlergebnis akzeptiert und keiner Kontrolle unterzogen. Danach sind die oben aufgeführten Zahlen als amtliches Wahlergebnis veröffentlicht worden. Der Zeuge M. trug dieses Ergebnis der Wahl den Mitgliedern des sogenannten demokratischen Blocks vor, obwohl ihm klar war, daß diese Zahlen nicht der Realität entsprechen konnten. Gemäß der Weisung Nummer 3/89 des Sekretärs der Wahlkommission der Republik wurden die Wahlunterlagen bis zum 15.6.89 aufbewahrt und danach vernichtet.2 Nachdem im Januar 1990 durch die Kriminalpolizei Ermittlungen aufgenommen worden waren zur Prüfung des Verdachts der Wahlfälschung, begab sich der Angeklagte Mühe am 8.2.1990 zum Staatsanwalt des Kreises Brandenburg, und er legte dort ein umfassendes Geständnis ab. Mit dieser Handlung wollte er verhindern, daß andere unbeteiligte Bürger in den Verdacht der Wahlfälschung geraten würden.

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Dieser Sachverhalt ergab sich zweifelsfrei aus den Aussagen der Angeklagten, denen der sachverständigen Zeugin Frau Dr. Jegutidse und denen der Zeugen M. und S. Die Aussage des Zeugen Klapproth ist gemäß § 225 Abs. 1 Ziffer 1 StPO durch Verlesen zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden. Ebenso durch Verlesen und Vorzeigen wurden einbezogen aus Band Π die Unterlagen über das endgültige Wahlergebnis 1989, die Weisung Nr. 3/89 Blatt 12-24 Band I, der Beschluß des Rates Blatt 2526 Band I, der Maßnahmeplan des Rates Blatt 3-8 Band II, {6} der Beschluß des Rates Blatt 84-92 Band II der Akten.

[III. Rechtliche

Würdigung]

Der Angeklagte Mühe hat in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand der Wahlfälschung gemäß § 211 Abs. 1 StGB3 erfüllt. Mit der Weisung an den Angeklagten L., das Wahlergebnis entsprechend zu manipulieren, und mit der Unterschriftsleistung unter die Protokolle und den Abschlußbericht hat der Angeklagte Mühe vorsätzlich geltende Strafbestimmungen verletzt. Im Gegensatz zur Auffassung des Staatsanwaltes ist die Handlungsweise des Angeklagten L. nicht als Mittäterschaft zur Wahlfälschung, sondern gemäß § 22 Abs. 2 Ziffer 3 als Beihilfe zur Wahlfälschung zu beurteilen. Auch wenn der Angeklagte L. aus denselben Motiven heraus und mit der gleichen Überzeugung wie der Angeklagte Mühe die Straftat ausführte, so fehlt ihm doch die entsprechende Täterqualifikation. Es kann auch nicht aus der vorhandenen Rechtslücke im Wahlgesetz zu Ungunsten des Angeklagten L. von einer Beauftragung durch die Wahlkommission bzw. deren Leiter ausgegangen werden. Der Angeklagte L. hat die Anordnung zur Leitung des Rechenbüros und letztlich auch zur Manipulation der Wahlergebnisse im Rahmen des Unterstellungsverhältnisses als Stellvertreter des Oberbürgermeisters erhalten. Er hat sich somit zu verantworten wegen eines Vergehens der Beihilfe zur Wahlfälschung gemäß der §§211 Abs. 1,22 Abs. 2 Ziffer 3 StGB.

[IV.

Strafzumessung]

Der Gesetzgeber hat als anzuwendende Strafmaßnahme im Fall des § 211 Abs. 1 StGB ausschließlich Freiheitsstrafe angedroht, weil damit Grundrechte der Bürger des Staates und auch das Vertrauen der Bürger in schwerwiegender Weise mißachtet werden. Hierbei muß unbeachtlich bleiben, daß der Charakter der Wahlen am 7. Mai 1989 eine reine Zustimmungserklärung der Bürger zum bestehenden System darstellen sollte, und daß damit das scheinbar vorhandene Übereinstimmen zwischen der ehemaligen SED und den Bürgern dieses Landes demonstriert werden sollte. {7} Beachtet werden mußte aber, daß es der Parteiapparat der ehemaligen SED verstanden hat, die Angeklagten zu Unterwürfigkeit und zu Gehorsam gegenüber Weisungen des Apparates zu erziehen. Diese Erziehung ging sogar soweit, daß selbst Gesetzesverletzungen eingeplant und durchgeführt wurden. Der Argumentation der Verteidigung ist insoweit zu folgen, als daß die Angeklagten nur die unterste Ebene eines großen Gebildes von Machtmißbrauch und Rechtsbruch darstellten, und sie letztlich nur Anweisungen ihnen übergeordneter Dienststellen befolgten. Auch hätte das reale Ergebnis der Kommunalwahl nichts am Gesamtbild des Systems geändert. Es ist aber verkehrt, allein 24

Bezirk Potsdam - Kreis Brandenburg-Stadt

Lfd. Nr. 2

daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Auswirkungen der Straftat der Angeklagten auf die Rechte und Interessen der Bürger und der Grad ihrer Schuld so gering sind, daß man nicht mehr von einem Vergehen sprechen kann. Durch die Aussagen der Angeklagten und dabei besonders die des Angeklagten Mühe war es möglich, die Straftat aufzudecken und in etwa die Wahlmanipulationen zahlenmäßig festzustellen. Dieses ehrliche Verhalten zeugt davon, daß die Angeklagten ihren Teil der Verantwortung und damit das Maß ihrer Schuld erkannt haben. Unter Beachtung dessen und der zwischenzeitlich in unserem Land veränderten Bedingungen wäre der Ausspruch einer Freiheitsstrafe ungerechtfertigt. Ebenso nicht gerechtfertigt ist es nach Auffassung des Gerichts, den Angeklagten eine Freiheitsstrafe anzudrohen und sie auf Bewährung zu verurteilen, wie vom Staatsanwalt beantragt wurde. Unter Anwendung der außergewöhnlichen Strafmilderung gemäß § 62 Abs. 2 StGB4 ist es nach Auffassung des Gerichts ausreichend, die Vergehen der Angeklagten mit Geldstrafen zu ahnden. Voraussetzungen zum Absehen von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß § 25 Abs. 1 Ziffer 1 und 3, Abs. 2 StGB liegen nach Auffassimg des Gerichts nicht vor, da auf Grund der Schwere der Handlung durchaus Auswirkungen auf die Bürger des Territoriums zu verzeichnen waren. Diese hatten zum Angeklagten Mühe als dem damals amtierenden Oberbürgermeister und Vor-{8}sitzenden der Wahlkommission Vertrauen, welches schwer mißbraucht worden ist. Unter Beachtung all dessen erkannte das Gericht für den Angeklagten Mühe auf eine Geldstrafe von 5000,-- Mark und für den Angeklagten L. auf eine solche von 2500,-- Mark. Dieses Strafmaß stellt eine ausreichende und angemessene Reaktion auf die Gesetzesverletzungen der Angeklagten dar.

Anmerkungen 1 2 3 4

Harri (auch Harry) S. wurde durch Urteil des Kreisgerichts Potsdam-Stadt vom 20.10.1992 - Αζ. 73 Ls 13/92 - wegen Wahlfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung verurteilt. Vgl. Anhang S. 489f. Vgl. Anhangs. 492. Vgl. Anhangs. 491 f.

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Lfd. Nr. 3 Wahlfälschung im Bezirk Gera - Kreis Schleiz -

1. Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Schleiz vom 12.4.1990, Az.: S 10/90

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2. Berufungsurteil des Bezirksgerichts Gera vom 18.5.1990, Az.:BSB 31/90

41

Lfd. Nr. 3-1

Dokumente - Teil 1

Inhaltsverzeichnis Erstinstanzliches Urteil des Kreisgerichts Schleiz vom 12.4.1990, Az.: S 10/90 Gründe [I. Feststellungen zur Person]

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[II. Sachverhaltsfeststellungen] [1. Die Wahlvorbereitung] [2. Das Geschehen am Wahltag] [3. Das Geschehen nach der Wahl]

30 30 31 34

[III. Beweiswürdigung]

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[IV. Rechtliche Würdigung]

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[V. Strafzumessung]

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Anmerkungen

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Bezirk Gera - Kreis Schleiz

Lfd. Nr. 3-1

Kreisgericht Schleiz Az.: S 10/90 (221-15/90)

12. April 1990

URTEIL Im Namen des Volkes! In der Strafsache gegen den Forstarbeiter Dieter A. geb. 1940 Staatsbürger der DDR wegen Wahlfälschung hat die Strafkammer des Kreisgerichtes Schleiz in der Hauptverhandlung am 29.03., 09.04. und 12.04.1990, an der teilgenommen haben: Λ

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