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German Pages [208] Year 2016
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Marita Pabst-Weinschenk
Stimmlich stimmiger Unterricht Professionelle Kommunikation und Rhetorik
Übungsmaterial inklusive
Vandenhoeck & Ruprecht
Mit 55 Abbildungen und 26 Tabellen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-647-70183-7 Umschlagabbildung: Lassedesignen/fotolia © 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Produced in Germany. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Unterricht als Kommunikationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Das Klima in der Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Feedback-Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Gesprächssteuerung und Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Mündigkeit durch Mündlichkeit: Kooperation und kontrafaktisch unterstellte Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Gesprächsmodelle für den Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Und im Konfliktfall: nicht-direktive Gesprächsführung . . . . . . . . . .
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2. Die Lehrperson als »Steuermann« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Voraussetzung: Gesprächskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Sprechvorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Rollenvielfalt: Vom Wissensvermittler zum Entertainer, Motivator und Coach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Präsenz und Authentizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Routine ist gut, Flexibilität besser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Rhetorik – eine Disziplin mit langer Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Kooperation als Grundidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Theorie und Kriterien – Grundlagen für Handlungsfähigkeit . . . . 3.4 Zusammenfassung rhetorischer Kriterien in der Rede-Pyramide 3.5 Bewertungsbogen und Wirkungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
4. Der Stimme etwas Gutes tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Methoden der Stimmbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Das physiologische Ökonomie-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Vorne sprechen oder wie Mundgymnastik die Stimme schont . . . . 4.4 Voraussetzung: Eutonie und Sprechatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Weitung oder Rachenenge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Übungen zum Aufbau effizienter Sprechmuster . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Übungsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Vorwort
Wer im Lehrberuf tätig ist, weiß, wie wichtig die Stimme für die Ausübung des Berufes ist. Lehren ist immer auf gemeinsames Kommunizieren angewiesen. Das ist eigentlich schon eine Tautologie, denn »Kommunikation« wird von communicare abgeleitet und bedeutet so viel wie »teilhaben«, »etwas gemeinsam/communis machen«, »mit(einander)teilen«. Ich betone dennoch das »Miteinander« gern, denn die Zeiten des Monologisierens und des Frontalunterrichts sind passé. Längst weiß man, dass Lernen ein aktiver Prozess ist, dass der Lerner in seinem Kopf Weltwissen konstruiert und neue Inhalte selbst in seine kognitive Struktur integrieren muss. Dabei sind – abhängig vom Lerntyp – verschiedene Präsentationsformen und Kommunikationsprozesse unterschiedlich hilfreich, aber ganz ohne Kommunikation geht es nicht. Auch wenn es für die Unterrichtskommunikation verschiedene Hilfsmittel und Medien gibt, deren Einsatz das Lehren und Lernen heute unbestritten erleichtern und sinnvoll unterstützen, möchte ich hier die Aufmerksamkeit auf unser aller natürlichstes und einfachstes Medium, »die Stimme«, lenken. Wir haben sie immer dabei, können sie vielfältig einsetzen und damit jeden Vermittlungsprozess mitsteuern, wenn wir sie beherrschen. Und das ist ein wesentlicher Anlass für dieses Buch: Leider ist die Stimm- und Sprechbildung in der Lehrerausbildung bis heute immer noch ein Stiefkind. Mit ein oder zwei Semesterwochenstunden – und das zumeist auch nur für Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer – bildet man keine Sprechprofis aus. Lehrer sind aber wie Moderatoren im Fernsehen oder Rundfunk professionelle Sprecher, denn ihr Berufserfolg hängt im Wesentlichen von ihrer Art des Sprechens ab. Wie gut können sie ihren Schülerinnen und Schülern die Unterrichtsinhalte »verkaufen«? Sprechen sie so, dass Schüler ihnen gut zuhören und das Gehörte auch verarbeiten können? Wie leiten sie die Unterrichtsgespräche? Und wie belastbar ist dabei ihre Stimme? Halten sie die Sprechanforderungen, die täglich an sie gestellt werden, aus?
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Vorwort
Hand aufs Herz: Was haben Sie in Ihrem Lehramtsstudium über Sprecherziehung und Stimmbildung erfahren? Wissen Sie, wie Stimme gebildet wird? Kennen Sie die anatomischen Voraussetzungen und physiologischen Abläufe? Haben Sie praktische Übungen kennengelernt und anwenden können?
Obwohl man seit Beginn des 20. Jahrhunderts weiß, wie wichtig die eigene Stimme für das Unterrichten ist, lernen zukünftige Lehrer immer noch viel zu wenig bzw. oft gar nichts über Stimmhygiene. Die Folge: Stimmstörungen und dadurch bedingter Unterrichtsausfall. Im Extremfall führt der fehlerhafte Gebrauch der Stimme bei Lehrern sogar zur Berufsunfähigkeit (Nawka/Wirth 2008). 2005 ermittelten Forscher von der Universität des Saarlandes, dass fast 60 Prozent der Lehrer einmal im Leben an einer Stimmstörung erkranken, die sie arbeitsunfähig macht. Ausgeprägte Stimmerkrankungen kommen bei etwa elf Prozent der Lehrer vor, in den anderen Bevölkerungsgruppen liegt der Wert nur bei sechs Prozent. Wenn man das hochrechnet, dürften im Saarland wegen Stimmproblemen jedes Jahr mindestens 11.200 Zeitstunden Unterricht ausfallen, ein Schaden, der sich – so die Saarländer Kollegen – auf 8.892.000 Euro ohne die anfallenden Behandlungskosten beziffern lässt; rechnet man diese hinzu, kommt man auf über zehn Millionen Euro allein im Saarland (vgl. https://idwonline.de/de/news136282, Abruf 29. 07. 2015). Auch die Ergebnisse einer Studie an der Leipziger Universität weisen in die gleiche Richtung (vgl. Lemke 2006): Von 5.357 untersuchten Lehramtsanwärtern aus zehn Bundesländern waren über 37 % stimmlich deutlich auffällig und bei 15 % der Probanden bestand ein sofortiger Therapiebedarf. Und das bereits vor den Stimmbelastungen des Berufsalltags in der Schule. Durch die stetig steigenden Anforderungen und den Stress im Berufsalltag werden diese Werte in den letzten zehn Jahren sicherlich nicht gesunken, sondern eher noch weiter angestiegen sein. Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Dazu bietet Ihnen dieses Buch Hintergrundwissen und praktische Hilfestellungen. Erwerben Sie die Gesprächskompetenzen, die Sie zu einem Sprechprofi machen. Dabei geht es um ȤȤ die dialogische Gestaltung von Unterrichtsprozessen, die weniger Kraftstimmeneinsatz bei Vorträgen und zur Disziplinierung erfordern (Kapitel 1), ȤȤ die Reflexion der Sprechrollenvielfalt von Lehrpersonen (Kapitel 2), ȤȤ das Interdependenzgefüge rhetorischer Kriterien, die für eine realistische Selbsteinschätzung notwendig sind (Kapitel 3) und ȤȤ einfache und praktikable Übungen, die die Stimme trainieren, belastbarer machen und Störungen vorbeugen (Kapitel 4).
Vorwort
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Das Stimmübungsprogramm finden Sie zusätzlich auch auf der beiliegenden CD. Einfach anhören und mitmachen. Viel Erfolg für Ihren stimmlich stimmigen Unterricht wünscht Ihnen Marita Pabst-Weinschenk
1. Unterricht als Kommunikationsprozess
Miteinander zu reden ist kein besonderes Merkmal von Unterricht; wir sind auch in allen anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen auf Verständigung angewiesen. Wir kommunizieren in den verschiedensten Lebenssituationen miteinander zu ganz unterschiedlichen Zwecken, sei es zur Unterhaltung, zur Koordination gemeinschaftlicher Tätigkeiten, zur Information, Klärung, Entscheidung oder auch zum Streit, Kampf und zur Durchsetzung von Interessen. Versteht man Unterricht als Kommunikationsprozess, so stehen zumeist die effiziente Informationsvermittlung, also der Sachvortrag, das Lösen von Problemen und die Klärung und Diskussion verschiedener Positionen im Vordergrund. Dabei geht es bei gelingender Unterrichtskommunikation eigentlich immer um viel mehr: Es geht um die miteinander in einer Klasse bzw. einer Lehr-Lern-Situation sprechhandelnden Menschen und die von ihnen zum Zwecke des Lehrens und Lernens geführten Gespräche. Diese Gespräche werden von der Lehrperson geplant und gemanagt und sie müssen von ihr auch verantwortet werden. Den Fokus auf die miteinander sprechenden Menschen zu richten und nicht nur auf das gesprochene Wort (wie etwa in der linguistischen Gesprächsforschung), ist eine Besonderheit der Sprechwissenschaft und Sprecherziehung. Sprechwissenschaftlerinnen und Sprecherzieher verstehen Rhetorik und ihr gesamtes Fach heute als »Doppelpack-Disziplin in antiker techné-Tradition« (Gutenberg 2001, 18 f.; Pabst-Weinschenk 2006, 180; 2009, 29). Damit betonen sie das integrative Didaktik-Verständnis und die Bedeutung der Eigenkompetenz. In der Antike war die Theorie der Rhetorik immer auf Lehre ausgerichtet und damit die Didaktik zugleich auch theoretisch begründet; die Redelehrer wandten ihre Theorie und Didaktik selbst an, d. h., sie demonstrierten als Redner selbst das, was sie lehrten. Diese systematische und personale Einheit von Eigenkompetenz, Wissen und Lehre bzw. Praxis, Theorie und Didaktik meint der griechische Begriff der techné – das wird in der verkürzten deutschen Übersetzung »Sprechtechnik« heute nicht mehr mitgedacht. Der griechische Begriff akzentuiert das »Technisch-Methodische«, während unter der lateinischen ars
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Unterricht als Kommunikationsprozess
rhetorica, also der Redekunst, eher das kreative Element verstanden wird. Diese Trias von lehrbarem Handwerkszeug, dem durch die Ausbildung erworbenen Können und der zugrunde liegenden Theorie lebt bis heute in der Sprechwissenschaft und Sprecherziehung und bestimmt das didaktische Handeln. Was ist nun gelingende Unterrichtskommunikation? Hilbert Meyer fragte 2004 allgemein, was man unter gutem Unterricht versteht und fasste aus verschiedenen Studien folgende zehn Merkmale zusammen: 1. Klare Strukturierung des Unterrichts: Prozess-, Ziel- und Inhaltsklarheit; Rollenklarheit, Absprache von Regeln, Ritualen und Freiräumen 2. Hoher Anteil echter Lernzeit: durch gutes Zeitmanagement, Pünktlichkeit; Auslagerung von Organisationsangelegenheiten; Rhythmisierung des Tagesablaufs 3. Lernförderliches Klima: durch gegenseitigen Respekt, verlässlich eingehaltene Regeln, Verantwortungsübernahme, Gerechtigkeit und Fürsorge 4. inhaltliche Klarheit: durch Verständlichkeit der Aufgabenstellung, Monitoring des Lernverlaufs, Plausibilität des thematischen Gangs, Klarheit und Verbindlichkeit der Ergebnissicherung 5. Sinnstiftendes Kommunizieren: durch Planungsbeteiligung, Gesprächskultur, Schülerkonferenzen, Lerntagebücher und Schüler-Feedback. 6. Methodenvielfalt: Reichtum an Inszenierungstechniken; Vielfalt der Handlungsmuster; Variabilität der Verlaufsformen und Ausbalancierung der methodischen Großformen 7. Individuelles Fördern: durch Freiräume, Geduld und Zeit; durch innere Differenzierung und Integration; durch individuelle Lernstandsanalysen und abgestimmte Förderpläne; besondere Förderung von Schülern aus Risikogruppen 8. Intelligentes Üben: durch Bewusstmachen von Lernstrategien, Passgenauigkeit der Übungsaufgaben, methodische Variation und Anwendungsbezüge 9. Klare Leistungserwartungen und klare Rückmeldungen: durch Passung und Transparenz, gerecht und zügig 10. Vorbereitete Umgebung: verlässliche Ordnung, geschickte Raumregie, Bewegungsmöglichkeiten und Ästhetik der Raumgestaltung Auch wenn auf den ersten Blick nur die Punkte 3 und 5 direkt etwas mit der Kommunikation zu tun haben, so sind auch andere Aspekte wie z. B. Strukturierung und inhaltliche Klarheit sowie Methodenvielfalt und die transparente Formulierung von Leistungserwartungen rhetorisch bedeutsam, weil sie den Kommunikationsprozess im Unterricht wesentlich mitbestimmen und damit mehr oder weniger erfolgreich gestalten. Nach den Ergebnissen der Hattie-Stu-
Das Klima in der Klasse
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die (2009) sind die Klarheit in der Instruktion (Wert .75) sowie das Lehrer-Schüler-Verhältnis (.72) und das Feedback (.73) fundamental wichtig für gelingende Unterrichtskommunikation. Erinnern Sie sich an eine Unterrichtsstunde, die Ihnen selbst sehr gut gefallen hat, von der Sie sagen würden, »die ist mir gut gelungen«? Beschreiben Sie, wie sie abgelaufen ist. Wie haben Sie den Prozess gesteuert? Wie hatten Sie sich darauf vorbereitet?
Dieses Buch ist keine umfassende Unterrichtsmethodenlehre. Deshalb kann hier nicht auf alle Punkte ausführlich eingegangen werden. Im Vordergrund stehen die rhetorisch-kommunikativen Aspekte, auf die man sich gut vorbereiten kann. Die Leitfragen der folgenden Abschnitte lauten: 1.1 Wie kann man die Lehrer-Schüler-Beziehung gestalten, sodass ein positives Lernklima in der Klasse entsteht? 1.2 Wie führt man eine hilfreiche Feedback-Kultur ein? 1.3 Welche Mittel der Gesprächssteuerung und Moderation benötigt man? 1.4 Wie führt man Schüler zur Partizipation und Kooperation? 1.5 Welche Gesprächsmodelle kann man zielführend im Unterricht einsetzen? 1.6 Und welche Grundlagen nicht-direktiver Gesprächsführung braucht man für den Konfliktfall?
1.1 Das Klima in der Klasse Rhetorisch betrachtet ist die Lehrperson situationsmächtig: Sie plant die Situation, setzt Ziele, wählt die Übungen, Medien usw. aus, leitet an und führt das Gespräch. Darüber hinaus bewertet sie die Leistungen, bestimmt mit über den Schul- und weiteren Lebenserfolg der Schüler, vertritt das Hausrecht und kann Schüler (zeitweise) des Unterrichts verweisen. Bewertungen und Disziplinierungen schaffen aber nicht gerade ein Klima des Vertrauens, sondern fördern eher Konkurrenzdenken, Täuschungsmentalität und Denunziantentum. Unter Angst und Druck, das ist erwiesen, wird schlechter gelernt. Wer Spaß am Lernen hat, speichert neues Wissen viel einfacher und bekommt bessere Noten. Denn was man gern macht, macht man meistens auch gut. Spaß ist eine der wichtigsten Voraussetzung für effektives Lernen: »Lernen, das auf Dauer keinen Spaß macht, ist zwecklos.« (Michael Fritz, Lernforscher am ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen, Ulm)
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Unterricht als Kommunikationsprozess
Spaß macht locker und erleichtert Lernen Scoyo hat Schüler und Eltern befragen lassen, wie viel Spaß ihnen das Lernen macht und festgestellt, dass nur ein Drittel der Schüler Spaß am Lernen hat. Gut die Hälfte der Schüler steht dem Lernen mit gemischten Gefühlen gegenüber, 15 % haben gar keinen Spaß am Lernen in und für die Schule und die Unlust wächst mit zunehmendem Alter der Schüler. »Je jünger Kinder sind, desto häufiger haben sie Erfolgserlebnisse und empfinden ihre Umgebung als ihnen wohlgesonnen.« Aber spätestens auf den weiterführenden Schulen erhöht sich der Druck: »Ab Klasse 5 und 6 erleben sich immer mehr Kinder immer öfter in Situationen, in denen ihre Umgebung ihnen mitteilt: Du kriegst es nicht hin. Das demotiviert und frustriert, macht lustlos und vor allem keinen Spaß. […] Das Gehirn lernt dann, dass sich Anstrengung nicht lohnt.« (Fritz) Wenn Lernen Spaß macht, geht es leichter und hat Erlebnischarakter. Dann kann sich das Gehirn leichter erinnern, und das zieht einen positiven Rattenschwanz nach sich: Die Kinder müssen weniger nacharbeiten, sie arbeiten besser mit, die ganze Unterrichtsatmosphäre wird anders. Insofern kann man die Bedeutung von Spaß am Lernen gar nicht genug betonen. (Michael Korte, Abt. für Zelluläre Neurobiologie vom Institut für Zoologie, TU Braunschweig) Auch wenn Spaß und Freude haben nicht bedeutet, dass man ständig ein Lächeln auf den Lippen hat, überlegen Sie mal, wann Sie das letzte Mal bzw. wie oft Sie gemeinsam MIT Ihren Schülern (nicht ÜBER (einzelne) Schüler!) herzhaft gelacht haben. Übrigens: Schon mal darüber nachgedacht, wie viel leichter Ihnen die Unterrichtsarbeit fällt, wenn Sie selbst auch Spaß daran haben? Lächeln und eine entspannte Atmosphäre sind auch gut für Ihre Stimme, das Sprechen ist dann weniger anstrengend, und Ihre Stimme klingt freundlicher und sympathischer.
Lerndruck und straffe Zeitpläne, weil Lehrer ihren Lernstoff durchbringen müssen, sind kontraproduktiv; sie führen dazu, dass »einem der Spaß am Lernen (vergeht).« (Korte) Auch Fritz sieht die Ursache in der Fokussierung auf Curricula statt auf den Menschen und seine individuelle Förderung. Motivation und Lernspaß zeigen sich als eine Art Flowgefühl, »wenn wir einer Tätigkeit nachgehen, die knapp unter der Überforderungsgrenze läuft.« (Béa Beste) Den Schülern fehle »Kompetenzerleben«: »Sie machen keine Fortschritte und das frustriert sie.« Aufgabe der Lehrkräfte sei es,
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den Stoff und die Aufgaben so zu gliedern, dass die Schüler Lernfortschritte machen. Das motiviert Schüler, selbst wenn sie den Stoff nicht übermäßig interessant finden. (Elsbeth Stern, Psychologin und Professorin der Lehr-Lern-Forschung, ETH Zürich)
Die Bedeutung von Motivation und Lernspaß darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Aber die Konsequenz, dass es vor allem auf die Strukturierung und Lernprogression ankomme, kann so nicht stehen bleiben. Sicherlich sind Struktur und Progression des Lernstoffs wichtige Faktoren, aber darüber hinaus kommt es ganz wesentlich auf das Beziehungsgefüge in der Klasse an, das entscheidend vom Lehrer-Schüler-Verhältnis mitbestimmt wird.1 Gemeinsame Verständigungshandlungen Mündliche Kommunikation, auch im Unterricht, kann man nicht auf ein nachrichtentechnisch verkürztes Modell der Informationsübertragung reduzieren. Unterrichten funktioniert nicht wie der Nürnberger Trichter, mit dem Informationen seitens des Lehrers in den Kopf der Schüler abgefüllt werden. Vielmehr geht es immer um einen gemeinsamen Verständigungsprozess. Zuhören, Verstehen und Lernen sind aktive, konstruktive Tätigkeiten. Sprecher und Zuhörer konstituieren in der Sprechsituation gemeinsam Sinn. Sie machen etwas zur gemeinsamen Sache. Sie reden miteinander und gleichzeitig über etwas. Auch wenn die Begriffe ›Inhalts- und Beziehungsaspekt‹ von Watzlawick et al. popularisiert worden sind, beziehe ich mich auf den frühen Habermas: Eine Verständigung kommt nicht zustande, wenn nicht mindestens zwei Subjekte gleichzeitig beide Ebenen betreten: a) die Ebene der Intersubjektivität, auf der die Sprecher/Hörer miteinander sprechen, und b) die Ebene der Gegenstände, über die sie sich verständigen … (Habermas 1971, 104 f.)
Betrachtet man Kommunikation als gemeinsamen Verständigungsprozess, so sind auch immer alle Beteiligten dafür mitverantwortlich, wie dieser Prozess abläuft und gestaltet wird. Einseitige Schuldzuschreibungen widersprechen diesem Verständnis.
1 Alle Zitate in diesem Abschnitt, siehe http://www-de.scoyo.com/eltern/schule/spass-am-lernen-experten-fordern-mehr-freude-am-lernen, Abruf 05. 08. 2015.
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Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal in oder nach einem Gespräch gedacht: Boah, das ist die Schuld von XY … ich hätte das alles ganz anders gemacht! Als kompetenter Gesprächspartner sollten Sie solche Einschätzungen ersatzlos streichen. Sie sind an dem Gespräch genauso beteiligt und hätten den Prozess und das Ergebnis anders – mehr nach Ihrer Zufriedenheit – gestalten können. Das besagt das Chairperson-Prinzip der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Cohn: Jeder Gesprächsteilnehmer ist genauso verantwortlich für den Ablauf und das Ergebnis eines Gesprächs wie der Gesprächsleiter. Versäumt der Gesprächsleiter etwas, muss man als mitverantwortlicher Teilnehmer einspringen und genau das tun oder vorschlagen.
Lehrer-Schüler-Beziehung zwischen Situationsmacht und Glaubwürdigkeit Lehrer sollten sich nicht auf ihre Situationsmacht zurückziehen, sondern sich immer um eine kooperative, von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägte Beziehung zu ihren Schülern bemühen. Denn Inhalte übernehmen, Aufgabenstellungen als sinnvoll einsehen, Rückmeldungen akzeptieren usw. – all diese für guten Unterricht notwendigen kommunikativen Tätigkeiten setzen voraus, dass die Schüler ihre Lehrer akzeptieren, sie ernstnehmen und ihnen vertrauen; und vice versa, dass die Lehrer ihre Schüler wertschätzen, ernstnehmen und ihnen vertrauen. Eigentlich ist das ganz normal, Menschen begegnen sich zunächst immer mit diesem Vertrauensvorschuss: Wenn man jemanden kennenlernt, unterstellt man immer, dass das, was der andere sagt, stimmt und dass er nicht schwindelt oder einen täuscht. Erst wenn man schlechte Erfahrungen mit jemandem gemacht hat, weil dieser einen getäuscht oder betrogen hat, wird man skeptisch und überkritisch: Der Betreffende hat seine Glaubwürdigkeit verloren. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, diese Redensart weist auf den Verlust an Glaubwürdigkeit hin, genauso wie die so genannte Goldene Regel, die seit Jahrtausenden in den verschiedensten Kulturen das kooperative Handeln und Sprechen auf Augenhöhe festschreibt: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Diese – im deutschen Sprichwort negative Formulierung – findet man im Judentum positiv ausgedrückt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (Levit. 19,18). Das Matthäus-Evangelium wiederholt diese Forderung (19,19; 22,39) und formuliert sie auch ganz allgemein: Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! (7,12) Diese Regel kommt ähnlich in fast allen Kulturen vor (Küng 1997, 140). Die Goldene Regel ist auch Kern von Kants kategorischem Imperativ: Handle
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nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. (Kant 1786, IV, 421). Auch in den Habermas’schen Geltungsvoraussetzungen für eine gelingende Kommunikation ist diese Regel mitbedacht (Habermas 1988). Erinnern Sie sich an eine beliebige Gesprächssituation (auch außerhalb der Schule), in der Sie sich unwohl gefühlt haben und den Eindruck hatten, dass Sie Ihr Gegenüber manipuliert? Vielleicht analysieren Sie einmal, was der andere gemacht und wie er es geschafft hat, das Gespräch aus der Machtbalance zu bringen und Sie zu manipulieren? –– Wie waren die Redeanteile verteilt? –– Stimmte die Bedeutung von Wortinhalten mit der Sprechweise und dem Körperausdruck überein? –– Welche unfairen Taktiken konnten Sie feststellen? •• Übertreibungen •• Ablenkung durch Themenwechsel •• Vielrederei •• unvollständiges Zitieren •• Unterstellungen •• Wort-im-Mund-Herumdrehen •• falsche Behauptungen •• Andeutungen •• Killerphrasen wie »Das geht doch sowieso nicht.« – »Schon wieder Sie mit Ihren fixen Ideen.« – »Das ist nicht unsere Sache.« •• Isolierung: »Nur einige so genannte Radikale meinen …« •• Scheinstützen-Strategie: »Für Ihre Behauptung spricht auch noch x, y. Aber alle diese Argumente können mich nicht überzeugen …« •• persönliche Angriffe •• Schmeicheleien statt Begründungen Schon Schopenhauer hat solche unfairen »Kunstgriffe« in seiner Eristik gesammelt (vgl. gutenberg.spiegel.de/buch/die-kunst-recht-zu-behalten-4994/1, Abruf 9. 10. 2015). Heute wird die Kunst, auf jeden Fall recht zu behalten, in der »Rabulistik« fortgesetzt, in der alle Spitzfindigkeiten und Wortklaubereien anzutreffen sind. Beabsichtigt wird eine suggestive Wirkung, weil der Rabulist ständig bemüht sein muß, eine drohende Analyse zu verhindern. Wenn es dem Gegner erst gelingt, dem Rabulisten z. B. mit Gegenfragen, originellen Einwänden oder knallharten Fakten in die Parade zu fahren, ist es
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meistens sehr schwer, beim Gegner oder den Zuhörern eine neue Überzeugung aufzubauen. (Ruede-Wissmann 1989, 39) Wer also Argumentationen analysieren, Gegenfragen stellen und Einwände anbringen kann, ist gewappnet gegen Rabulisten. Übrigens: Vorsicht, wenn Rabulisten von »Überzeugung« sprechen, denn ihr eigentliches Ziel ist nicht das Überzeugen, sondern das Überreden (zum Unterschied siehe Geißner 1981, 154; Gutenberg 2001, 156 f.). Unfaire Taktiken sollte man kennen, um sich gegen sie wehren zu können, man sollte sie aber selbst vermeiden, wenn man seine Glaubwürdigkeit für andere behalten will.
Instinktiv wünscht sich jeder gemäß der Goldenen Regel Gespräche, die wie ein gutes Ping-Pong-Spiel ablaufen (Pabst-Weinschenk 1995/2009, 125 f.): Der optimale Ballwechsel des angeregten Gesprächs erfolgt nach ca. 30 Sekunden, ausgenommen Erzählpassagen, die zwischen ein bis drei Minuten liegen. Allerdings wird der Partner nach geraumer Zeit etwa die gleiche Redezeit für sich besetzen wollen. Diese quantitative Machtbalance gilt allgemein für Gespräche, nicht für ausgewiesene Vortrags- und Präsentationssituationen. Im Klassenzimmer wird sie aber leider selten berücksichtigt. Dort herrscht im Frontalunterricht mit sokratischer Gesprächsführung eine sehr ungleichgewichtige Verteilung der Sprechanteile vor: Der Lehrer füllt zumeist zwei Drittel bis vier Fünftel der Unterrichtszeit mit seinen Redeanteilen, während zumeist nicht mehr als ein Drittel für die Gesamtheit aller Schüler zur Verfügung steht. Diese Zahlen gelten nicht nur für die wortreichen Fächer wie Deutsch, Geschichte und Fremdsprachen, sondern auch für den Mathematikunterricht, wie Astrid Begehr 2006 untersucht hat.2 Wer als Schüler nicht aktiv im Klassengespräch mitspielen darf, verliert schnell die Lust am Mitdenken. Wer sitzt schon gern die meiste Zeit auf der Reservebank? Deshalb sind alternative Gesprächsmodelle, die den Schülerinnen und Schülern mehr Redeanteile einräumen, für den Unterricht so wichtig (vgl. 1.5 Gesprächsmodelle für den Unterricht). Darüber hinaus entlasten sie auch die Lehrperson, die dabei nicht ständig im Mittelpunkt steht.
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Vgl. z. B. www.mathematik.tu-dortmund.de/ieem/cms/media/BzMU/BzMU2006/Sektions/ begehr_astrid.pdf, Abruf 07. 08. 2015).
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Kongruent Sprechhandeln Eine vertrauensvolle Beziehung entsteht, wenn man sich im Gespräch wohlfühlt. Dazu ist ein kongruentes Sprechhandeln Voraussetzung. Sie kennen bestimmt die Redensart Der Ton macht die Musik! Wie bestimmte Sätze, Äußerungen zu verstehen sind, zeigt die Art und Weise, wie sie gesprochen werden. Im Normalfall gehen wir davon aus, dass die sprachliche Bedeutung, die Sprechweise und der Körperausdruck sich ergänzen und den gemeinten Sinn verdeutlichen. Körpersprache und Sprechweise sind Metamitteilungen zur sprachlichen Botschaft und im Normalfall kongruent zueinander. In Zweifelsfällen, wenn Körper und Sprechweise etwas anderes aussagen als die Wortbedeutungen, glauben wir mehr der Art, wie es gesagt wird als dem sprachlichen Ausdruck. Körperausdruck und Sprechweise haben für uns eine höhere Glaubwürdigkeit, weil sie die ursprünglichen Ausdruckssysteme des Menschen darstellen (vgl. dazu auch Kapitel 3). Wissen Sie, wie Ihre Stimme und Sprechweise klingt? Unterstützen Sie mit Sprech- und Körperausdruck die wortsprachliche Botschaft? Oder neigen Sie zu indirekten Botschaften und ironischen Äußerungen? Bei Ironie und indirekter Sprechweise stehen Sprech- und Körperausdruck im Widerspruch zu den Worten – und das ist pädagogisch kontraproduktiv:
Während in der Wortsprache in der Regel hauptsächlich die Inhalte der Kommunikation ausgedrückt werden, gibt die Art und Weise, wie miteinander gesprochen wird, deutlichen Aufschluss über die Beziehungsebene, persönliche Haltungen und Werte. Insbesondere die beziehungsorientierten Botschaften, die Lehrpersonen oft ganz unbewusst in ihrem Körper-und Sprechausdruck vermitteln, sollte man sich bewusst machen. Denn sie tragen bei zu Erwartungsefekten im Sinne sich selbst erfüllender Prophezeiungen (wie beim PygmalionEffekt) oder Double-bind-Beziehungsfallen, bei denen Gesprächspartner durch die Widersprüchlichkeit zwischen den Botschaften von Körper- und Sprechausdruck einerseits und wortsprachlicher Formulierung andererseits massiv bis zur Orientierungslosigkeit verunsichert werden können. Grundsätzlich sollten bestimmte Gesprächsregeln, wie sie z. B. aus der Themenzentrierten Interaktion (TZI) bekannt sind, auch für den Unterricht gelten: ȤȤ Eigenverantwortlichkeit (Chairperson-Prinzip), ȤȤ Prozessorientierung (Vorrang von Störungen),
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ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ
Unterricht als Kommunikationsprozess
Verzicht auf vorschnelle Verallgemeinerungen, Mitteilungen über den Hintergrund von Fragen, Authentizität etc.
Beziehung kooperativ gestalten Die kooperative Beziehungsgestaltung zwischen Lehrer und Schülern ist eine wesentliche Grundlage gelingender Unterrichtskommunikation. Wer sich unterlegen, vorgeführt oder geringschätzig behandelt fühlt, lässt sich auf eine thematische Arbeit erst gar nicht ein. Entweder entstehen ausweichende Dialoge über Sinn und Unsinn von vorgeschlagenen Übungen, die die Verweigerung zeigen oder es wird, wenn jemand sich nicht offen wehrt, die Beteiligung immer zurückhaltender, die Betroffenen ziehen sich immer mehr heraus, bauen innerlich eine Distanz auf, die bis zum Schulschwänzen usw. führen kann. Häufiges Zu-Spät-Kommen, Nicht-Wahrnehmen von Terminen, Nicht-Bearbeitung von Aufgaben usw. können Anzeichen für eine solche innere Distanzierung sein. Grundsätzlich geht es bei der kooperativen Beziehungsgestaltung darum, im Gespräch Verständnis und Wertschätzung zu zeigen und positiv mit Gefühlen umzugehen, auch wenn diese zurückhaltend oder gar ablehnend sind. Schülern, die ihre Empfindungen (noch) nicht selbst ausdrücken können, muss man helfen durch stellvertretendes Verbalisieren. Bestimmte Sprechhandlungen fördern eine kooperative Gesprächsbeziehung, andere stören sie. Lehrpersonen sollten z. B. ȤȤ offene Fragen statt suggestiver Fragen oder Fragen mit eingeengtem Antworthorizont, ȤȤ zuhören statt eigene Meinungen vertreten, ȤȤ nach Hintergründen fragen statt (vorschnell) bewerten, ȤȤ Möglichkeiten/Alternativen zur Entscheidung anbieten statt Anordnungen und massive Appelle, ȤȤ gelegentliche persönliche Mitteilungen statt permanenter Distanz, ȤȤ echtes Interesse durch interessiertes Nachfragen statt stereotypes Nicken und formale Zuhörzeichen (mh, ja), ȤȤ inhaltlich Bezug nehmen (z. B. durch kurze zusammenfassende Wiederholung, Paraphrasen) statt kurzer bewertender Ausdrücke wie Genau! Super, toll! Prima, weiter so! oder Zustimmung heischender Fragepartikel (ne, woll, gell?). Grundsätzlich ist zu beachten, dass jede Sprechhandlung, wenn sie gehäuft verwendet wird, in ihrer rhetorischen Wirkung negativ wird. Flexibles, abwechs-
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lungsreiches Handeln bringt auf Dauer rhetorischen Erfolg, auch in der Unterrichtskommunikation (vgl. auch 2.5 Routine ist gut, Flexibilität ist besser). H. P. Grice (1968, zit. nach Braunroth et al 1975, 180) hat ein grundlegendes kooperatives Prinzip und dazu vier Konversationsmaximen formuliert, die man als programmatisch für kooperatives rhetorisches Handeln betrachten kann: Gestalte deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird. –– Maxime der Quantität: Gestalte deinen Beitrag so informativ wie möglich (für den Zweck des Gesprächs). Gestalte deinen Beitrag nicht informativer als nötig. –– Maxime der Qualität: Versuche, Gesprächsbeiträge zu machen, die wahr sind. Insbesondere sage nichts, was du für falsch hältst. Sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen. –– Maxime der Relevanz: Sei relevant, d. h. bringe nur solche Gesprächsbeiträge, die für Zweck und Richtung des Gesprächs relevant sind. –– Maxime der Modalität: Sei klar! Insbesondere: Vermeide dunkle Ausdrücke. Vermeide mehrdeutige Ausdrücke. Fasse dich kurz, vermeide unnötige Weitschweifigkeit. Bringe deine Beiträge in der richtigen Reihenfolge vor.
Vertrauensvolle Beziehung als Grundlage effizienter Themenarbeit In der Unterrichtskommunikation geht es auf der Sachebene um die Vermittlung (neuer) Inhalte, um das Lösen von Problemen und die Klärung und Diskussion verschiedener Positionen. Diese Themenarbeit ist nur effizient möglich auf der Grundlage einer vertrauensvollen Beziehung. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich wohl fühlen, sich akzeptiert und ernst genommen fühlen. Dazu gehören offene Fragen, die nicht suggestiv etwas in den Mund legen, und ein weitgehender Verzicht auf Bewertungen. Kontraproduktiv ist es, jemanden in die Enge zu drängen durch suggestive Fragen, Anordnungen und massive Appelle. Gesichtsverlust und Degradierung durch Antwortpflicht erzeugen extreme Unterlegenheitsgefühle, die die Beziehung und die Lernbereitschaft zerstören. Wertschätzung und Beteiligung an Entscheidungen müssen in jeder Stunde für die Schüler erlebbar sein. Als ein Beitrag zu einer von gegenseitigem Vertrauen geprägten Beziehung sind auch persönliche Mitteilungen der Lehrperson zu verstehen. Da Schüler im Unterricht viel von sich persönlich preisgeben, haben sie auch oft ein Interesse daran, etwas Persönliches von ihren Lehrpersonen zu erfahren. Gerade in Kontaktphasen und informellen Situationen auf dem Pausenhof oder bei Ausflügen etc. stärken kleine persönliche Geschichten und Interesse an den Schü-
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lerbeiträgen die Beziehungsebene. Das Interesse sollte aber wirklich echt sein und nicht nur vorgetäuscht werden, denn das merken Schüler sehr schnell. Echtes Interesse ist mehr als nur gelegentliches Nicken und einfache Zuhörzeichen. Der Lehrer als Rhetor Die Grundidee der mündlichen Kommunikation ist das Gespräch. Im Idealfall symmetrischer Kommunikation kann es grundlegend bestimmt werden als ein offener Prozess des Fragens und Antwortens mit vertauschbaren Rollen (Geißner 1979, 15). In diesem Sinne hat bereits Erich Drach, der Begründer der modernen Sprechwissenschaft, zu Beginn des 20. Jahrhunderts die echte Schülerfrage anstelle der zerfasernden Vielfragerei des Lehrers gefordert. Sein Ansatzpunkt bei der Förderung des Sprechdenkens in der Schule ist die Einsicht, dass die formale und inhaltliche Sprechleistung mit der Sprechlust steigt oder fällt. Die Ursachen für schlechte Sprechleistungen von Schülerinnen und Schülern sieht er vor allem im Frage-Antwort-Spiel, dem Zwang zur schnellen Antwort und der unechten Frage bzw. Rede, in der nichts Neues mitgeteilt wird. Das Ziel liegt für ihn im echten Unterrichtsgespräch, deshalb fordert er schon 1922: ȤȤ echte Schülerfragen statt zerfasernder Vielfragerei seitens des Lehrers, ȤȤ Schüler anhören, nicht unterbrechen, ȤȤ Schülern Zeit zur Vorplanung ihrer Äußerung lassen, ȤȤ kein Zwang zur Antwort in grammatisch vollständigen Sätzen, die zur Echolalie führen, ȤȤ Mimik und Gesten nicht unterdrücken, ȤȤ keine motorischen Sprechhemmungen durch Strammstehen usw., ȤȤ räumliche Voraussetzung für das Unterrichtsgespräch schaffen: Tische in Hufeisenform statt in parallelen Reihen zum Katheder. (Drach 1922, 100– 114; siehe auch Pabst-Weinschenk 1993, 215) Die Gesprächsmöglichkeiten sind in der Gesellschaft und auch schon in der Schule begrenzt durch die Anzahl der Teilnehmer, die zur Verfügung stehende Zeit und die Komplexität der sozialen Beziehungen, sodass »Rede unvermeidlich« ist (Geißner 1979, 16). Es ist unmöglich, sich nur in Gesprächsprozessen zu artikulieren. Wir partizipieren ständig auch an Redeprozessen. Bei Reden wird der Prozess des Miteinandersprechens per Legitimation oder Delegation aufgehoben in ein Sprechen zu und vor anderen sowie für andere, also in asymmetrische Formen. Dennoch ist auch für jede Rede das dialogische Prinzip konstitutiv. Das Grundmuster des Gesprächs (Fragen – Antworten) ist deshalb auch als Orientierung beim Aufbau von Reden geeignet (Bartsch 1979).
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Zielsetzung jeglichen rhetorischen Handelns – sei es in Rede- oder in Gesprächsformen – ist es, etwas zu bewirken, anderen etwas ›beizubringen‹, also beim Gesprächspartner bzw. Zuhörer mentale oder reale Handlungen auszulösen. Dazu ist es notwendig, mit den Zuhörern gemeinsame Sache zu machen, denn nur sie können das Ziel des Rhetors erfüllen. Wenn Lehrpersonen also bei ihren Schülerinnen und Schülern etwas bewirken wollen, müssen sie so reden, dass ihre Hörer mitdenken können und – wenn sie die vorgeschlagenen, argumentativ begründeten oder plausibel erläuterten Handlungsziele akzeptieren – mithandeln. Dazu ist eine sprachliche und sprecherische Ausdrucksweise erforderlich, die die Zielgruppe abholt, für sie verständlich ist, auf ihre Fragen und Probleme eingeht und zum Mitdenken und Handeln einlädt. Solche Vorträge und Reden sind »virtuell dialogisch«, denn sie erreichen die Zuhörer wie ein persönliches Gespräch. Reden und Vorträge als virtuelle Dialoge sind also auch auf Symmetrie hin angelegt, auch wenn die Sprechrollen nicht so leicht austauschbar sind. Zwischen den Gesprächs- und Redeformen gibt es fließende Übergänge. Im Hinblick auf die Unterrichtskommunikation stellt sich unter rhetorischer Perspektive grundlegend die Frage, ob man Schülern Ziele, Inhalte und Aufgaben »verordnet« oder ob man sie ihnen als Angebot unterbreitet und sie davon überzeugt. Wenn Schüler nicht vom Unterrichtsangebot überzeugt werden, unterbleiben meistens nachhaltige Lernerfolge. Es wird dann nur für die nächste Arbeit gelernt und danach alles schnell wieder vergessen. Überzeugen tut not! In einem von gegenseitigem Vertrauen geprägten Verhältnis ist es normal, dass die Gesprächspartner sich gegenseitig überzeugen. Das sollte auch zwischen Lehrern und Schülern so sein. Lehrer überzeugen ihre Schüler von bestimmten Inhalten, Methoden etc. und Schüler trauen sich auch, ihren Lehrern Vorschläge zu unterbreiten und sie davon zu überzeugen. Bei allen Überzeugungsprozessen – ob im Unterricht oder anderswo – sind nicht nur Logik und Argumente ausschlaggebend, sondern immer auch eine so genannte »Psycho-Logik«. Denn Argumente überzeugen erst, wenn man sich emotional auf ein Thema eingelassen hat und als Zuhörer mitdenkt. Deshalb muss man Gesprächspartner dort ›abholen‹, wo sie emotional und gedanklich stehen. Dazu orientiert man sich in der Kooperativen Rhetorik an einem lernpsychologischen Prozess-Schema, denn andere zu überzeugen bedeutet, ihnen etwas ›beizubringen‹ (Bartsch 1986, 1990; Pabst-Weinschenk 1995/2009, 82–84; Jaskolski/Pabst-Weinschenk 2012, 109):
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1. 2. 3. 4. 5.
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Motivation, Problemstellung, Versuch und Irrtum, Lösung, Verstärkung.
Schüler ›abholen‹ Wer Schüler mit ihren Erfahrungen, Problemen und Gefühlen ernst nimmt, sich auf ihre Perspektive einlässt, hat die Chance, ihnen die notwendigen Informationen und angemessene Handlungs- und Übungsangebote zu machen. Also muss man sich zu Beginn stets fragen: Welche Erfahrungen haben die Schüler? Wie fühlen sie sich? Welche Interessen und Bedürfnisse haben sie? Wie sind ihre gewohnten Handlungsmuster? Was können und wollen sie tun, damit sie etwas verändern, also lernen? Ausgangspunkt bei Überzeugungsprozessen ist immer eine Divergenz in den Auffassungen: Wenn die anderen schon das Gleiche dächten und täten, wären sie von der Sache schon überzeugt und man müsste sie nicht erst noch überzeugen. Das Überzeugen ist also ein Prozess hin zu einer gemeinsamen Einschätzung. Sie entsteht durch Perspektive-Übernahme: Der Redner muss sich in die Situation der Angesprochenen hineinversetzen und ihre Sichtweise aufgreifen. Durch das stellvertretende Aussprechen der eher emotionalen, erfahrungsbezogenen Sicht der Schüler entsteht schon eine erste Gemeinsamkeit: Sie fühlen sich verstanden und erliegen einem inneren ›Nickeffekt‹. Damit entsteht die notwendige Motivation (= Stufe 1 des Überzeugungsprozesses), die anschließend inhaltlich und begrifflich auf den Punkt gebracht werden muss. Sodann wird die sachliche Problemstellung (= Stufe 2) ausgesprochen, damit die Schüler besser mitdenken können. Wenn man zeigen kann, dass die Schüler bisher keine befriedigende Lösung für das Problem gefunden haben, entsteht eine emotionale Unzufriedenheit (Homöostase-Verlust), die motiviert. Erleben Menschen einen Widerspruch zwischen ihrem eigenen Wissen und Handeln (Dissonanz), streben sie nach einer Dissonanzminderung. Damit entsteht auch Motivation für einen Einstellungswandel (Festinger 1971), der bei manchen Inhalten unabdingbar ist. Auch Neugier und Spieltrieb können zur Motivation angesprochen werden. Alternativen abwägen – nicht mit der ›Tür ins Haus fallen‹ Der häufigste psycho-logische Fehler, der bei der Gestaltung von Überzeugungsprozessen passiert, ist: vorschnell die Lösung benennen und zur entsprechenden
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Handlung auffordern. Für die Lehrperson ist der Lösungsweg oft so sonnenklar, dass ihr alles andere als zeitraubend und überflüssig erscheint. Aber die Schüler stecken (noch) nicht so im Thema, wissen vielleicht noch (zu) wenig darüber, haben Vorurteile oder unzureichende Alltagsweisheiten im Kopf. Wenn darauf nicht eingegangen wird, bleiben solche Vorbehalte bestehen und stehen der angebotenen Lösung entgegen. Werden dagegen mehrere Lösungsansätze (besonders solche, die die Schüler im Kopf haben!) ernsthaft aufgegriffen und mit ihren Vor- und Nachteilen durchgespielt und abgewogen, entsteht ein nachvollziehbarer Argumentationsprozess: Versuch und Irrtum (= Stufe 3). Wer in Opposition zur vertretenen Meinung steht, wird von einer Argumentation, die sich mit beiden bzw. mehreren Standpunkten auseinandersetzt, eher überzeugt (Hovland, vgl. Maccoby 1971). Also sollte man als Lehrperson ruhig Vorbehalte und Einwände stellvertretend aussprechen, z. B.: »Vielleicht denkt ihr jetzt, wofür brauche ich das? Ist es nicht viel einfacher, es wie bisher zu machen? Das ist doch viel zu kompliziert … Warum sollen wir uns mit diesem Thema überhaupt beschäftigen? Was bringt uns das? …« – Mit der abwägenden Argumentation werden Einwände vorweggenommen und die Schüler gedanklich zur Lösung (= Stufe 4) hingeführt. Das Lösungsangebot muss dann klar und verständlich als These herausgestellt und mit Argumenten schlüssig präsentiert werden. Den Abschluss des Überzeugungsprozesses bildet die emotionale Verstärkung (= Stufe 5), z. B. durch Ausprobieren, gedanklich-verbalen Ersatzvollzug (ausmalen, wie schön es mit der angebotenen Lösung sein wird), einen eingängigen Merksatz oder einen Appell. Aber Vorsicht: Immer nur sparsam appellieren, zu dick aufgetragene Appelle, die Furcht einflößen, sind wenig wirksam, weil Furcht immer Abwehr hervorruft (Janis 1971). In Bezug auf spezifische Problemlagen können Lösungsangebote auch gewünschte Verhaltensweisen in sinnvolle Handlungsschritte operationalisieren und deren Erprobung und Vollzug anbieten, z. B. bei persönlichen Lernzielen in bestimmten Bereichen. Diese schlägt der Lehrer vor, aber die Akzeptanz und Umsetzung liegt immer beim Schüler selbst. Lehrer (genauso wie Eltern) können ihren Schülern nicht die Verantwortung für ihr Lernen, d. h., für die Veränderungen im Welt- und Handlungswissen bzw. in Werten und Einstellungen oder dem prozeduralen Wissen/Können abnehmen. Pygmalion lässt grüßen Pygmalion heißt ein Theaterstück von George Bernard Shaw, in dem das Blumenmädchen Eliza Doolittle von Prof. Higgins in Sprechweise und Auftreten geschult und schließlich für ein Mitglied der Oberschicht gehalten wird. Wenn
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positive Einstellungen und Erwartungen gegenüber einer Person dazu führen, dass sich diese Person faktisch auch so positiv entwickelt, spricht man vom »Pygmalion-Effekt«. Wenn also Lehrer denken, dass ihre Schüler besonders begabt und leistungsstark seien, fördern sie sie unbewusst (durch mehr Lob, persönliche Zuwendung, Wertschätzung, Leistungsanreize etc.) so, dass die Schüler tatsächlich bessere Leistungen erbringen. Diesen Effekt haben 1965 die amerikanischen Psychologen Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson in einem Feldexperiment an einer Grundschule festgestellt. Nach Heinz Heckhausen tritt der Pygmalion-Effekt aber nur unter folgenden Bedingungen auf: ȤȤ Der Schüler ist ein so genannter »Leistungsverweigerer« und leistet derzeit weniger, als ihm seine Fähigkeiten erlauben. ȤȤ Der Lehrer hat bislang die Fähigkeiten des Schülers unterschätzt. ȤȤ Der Schüler hat die Einschätzung des Lehrers internalisiert und schätzt seine Fähigkeiten selbst auch schlechter ein. Dennoch ein lohnenswerter Versuch: Glauben Sie doch mal ganz fest daran, dass Sie ganz leistungsstarke und begabte Schüler haben …
Jeder braucht sein Revier Zum Sich-Wohlfühlen braucht man auch Platz. Hat man nicht genug Raum, um sich und seine Unterlagen zu platzieren, fühlt man sich schon rein körperlich bedrängt. Körperliche Nähe ist schön, wenn man sich sehr mag. Nun sitzt man aber im Klassenzimmer auch neben Mitschülern, die man vielleicht gar nicht so mag. Da ist ein genügend großer Arbeitsplatz hilfreich, um sein eigenes Revier zu behaupten. Die normalen Schulbänke sind oft leider nicht groß genug, denn wenn man z. B. in einem Din-A4-Heft etwas mit Zirkel und Lineal zeichnen will und dabei noch sein Federmäppchen und ein aufgeschlagenes Buch auf dem Tisch liegen hat, ist die gegenseitige Rempelei der Tischnachbarn fast vorprogrammiert. Ein falscher Strich oder eine verwackelte Linie sind ärgerlich, und schon geht der Streit unter den Tischnachbarn los. Das wäre vermeidbar, wenn jeder genügend Platz zum Arbeiten beanspruchen könnte. Aus Meetings im Berufsalltag weiß man, dass eine beengte Sitzordnung und überhitzte Raumtemperatur bei schwierigen Verhandlungen die Auseinandersetzungen schneller eskalieren lassen, wogegen ein angenehmes Raumklima, bequeme Sitzplätze und große Besprechungstische, an denen jeder seine Unterlagen gut ausbreiten kann, sowie ein paar Getränke am Platz auch schwierige Gespräche ruhiger verlaufen lassen. Ist so etwas nicht auch in der Schule möglich?
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Setzen Sie sich mit Ihren Arbeitsunterlagen für eine Schulstunde mal auf einen Schülerplatz. Wie kommen Sie sich vor? Sitzen Sie bequem? Können Sie alles so ausbreiten, wie Sie es benötigen? Warum dürfen Sie am Lehrerpult eigentlich mehr als den doppelt so viel Platz wie ein Schüler beanspruchen und in der Regel auch noch einen bequemeren (oft sogar gepolsterten) Stuhl?
Multimedial Lernen – modern und motivierend Effizientes Lernen bewegt sich zwischen Spaß und Überzeugung. Doch nicht alle Inhalte und Methoden machen gleich viel Spaß und/oder überzeugen Schüler gleichermaßen. Wenn man Schulkinder danach fragt, antworten knapp 45 Prozent, dass sie am liebsten mit elektronischen Medien lernen. Ein Drittel behält Lerninhalte am besten, wenn sie in eine spannende Geschichte oder Erzählweise verpackt werden. Daniel Bialecki beobachtet die Begeisterung gegenüber digitalen Lernformen seit vielen Jahren über alle Altersklassen hinweg und schwärmt von den vielfältigen Möglichkeiten, Lernstoff digital zu gestalten: Digitale Medien sind dynamisch und nicht statisch. Mit Animationen und Tönen sprechen sie mehrere Sinne gleichzeitig an. Bei einem digitalen Medium kann man zum Beispiel um die Erde fliegen, fremde Tiere beobachten usw. Was mehr Sinne anspricht, macht erfahrungsgemäß mehr Spaß.3
40 Prozent wünschen sich mehr Projektwochen, keine Noten und keine Hausaufgaben mehr. Die Beliebtheit von Projektarbeit hängt sicherlich mit dem handlungsorientierten Konzept zusammen: Man arbeitet praktisch, mit verstärktem Medieneinsatz und mit allen Sinnen und zumeist in kleineren Gruppen als der üblichen Klassenstärke. Das kommt allen Lerntypen entgegen. Jeder kann seine Stärken einbringen und hat teil am Gesamterfolg. Je älter die Schüler sind, desto mehr schätzen sie allgemein Gruppenarbeit und das Konzept »Lernen durch Lehren«: Sie lernen am besten, indem sie anderen den Lernstoff erklären. Das ist sehr verständlich, denn beim Erklären und Vortragen müssen sie sprechdenken und dabei merkt man selbst, was man gut verstanden hat, denn nur das kann man selbst mit eigenen Worten frei formulieren.
3 Zitat sowie die weiteren Zahlen in diesem Abschnitt siehe http://www-de.scoyo.com/eltern/ schule/spass-am-lernen-experten-fordern-mehr-freude-am-lernen, Abruf 05. 08. 2015.
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Sprechdenken – die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden (Kleist) Wie funktioniert eigentlich der Prozess der mündlichen Sprachproduktion? Die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden, so wie sie Kleist 1805/06 beschrieben hat, gilt bis heute als anschauliche Beschreibung des Sprechdenkens. Mit Bezug auf Wygotski kann man den Prozess als Transformation vom Gedanken über die innere in die äußere Sprache verstehen: Zwischen Gedanken und seiner Ausformulierung in der für andere verständlichen äußeren Sprache steht die innere Sprache (Wygotski 1934). Im Vergleich zur äußeren Sprache ist sie stark verkürzt, für andere unverständlich und beschränkt sich auf die wichtigsten Begriffe. Gedanken werden also nicht als ganze Sätze geplant und formuliert. Dies führte zu einer Phasenverschiebung zwischen Sprechen und Denken mit langen Pausen zwischen den Sätzen, in denen der jeweils nächste Satz erst wieder still in Gedanken vollständig vorgeplant werden müsste. Dagegen geht der Sprechdenkprozess nur von wenigen inhaltlichen Hauptvorstellungen aus, die wie in einem Stichwort-Konzept (in eigenen Kürzeln) festgehalten werden (Pabst-Weinschenk 1995/2009, 27 ff.). Sowohl in der sprechwissenschaftlich-sprecherzieherischen als auch in der psycholinguistischen Modellierung dieses Sprachproduktionsprozesses geht man von drei wesentlichen Verarbeitungsstufen aus (Levelt 1989, 9 ff., speziell zur inkrementellen Produktion auch 24 ff.). Sie werden nicht nacheinander, sondern auch inkrementell, also parallel, verarbeitet: 1. Konzeptualisierung, 2. Formulierung mit a) grammatischer Kodierung: ȤȤ Aktivierung von Lemmata und ȤȤ Aufbau einer syntaktischen Struktur, b) phonologischer Kodierung/Artikulation. Wir haben also eine Idee, fangen an zu sprechen und während wir schon laut darüber reden, klären sich uns die weiteren Aspekte überhaupt erst selbst in Gedanken und wir können weiter formulieren. Dadurch entstehen so genannte Sprechdenkpausen, auch innerhalb eines Satzes. Das ist normal und erleichtert auch den Zuhörern das Mitdenken. Gelegentlich kommt es vielleicht auch einmal zu einem Satzbruch oder einem Füllpartikel wie äh(m). Das ist normal und wird vom Zuhörer auch gar nicht störend empfunden. Erst wenn ein Sprecher die für ihn beim Formulieren notwendigen Sprechdenkpausen auf jeden Fall vermeiden will oder zu stark seinen Sprechdenkprozess kontrolliert, sich also
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z. B. besonders gewählt ausdrücken will, kommt es zu einem gehäuften Auftreten von Füllwörtern und Füllpartikeln, sodass die Aufmerksamkeit der Zuhörer umkippt und sie die Füllsel als störend wahrnehmen. Flüssiges Sprechdenken setzt also eine Konzeptualisierung voraus; verzögert wird sie, wenn der kontrollierende Monitoring-Vergleich von Form (des inneren und/oder äußeren Sprechens) und Konzept die Konzeptualisierung dominiert. Beobachten Sie mal Sprecher, die Ihnen auffallen, weil sie häufig Füllpartikeln wie äh oder ehm verwenden. Meistens verkrampfen sich diese Sprecher auch in der Haltung und gestikulieren nicht frei. Dagegen können Sprecher, die beide Hände frei und offen halten, gestikulieren und man sieht häufig eine Geste, wenn sie überlegen und den nächsten Punkt oder die nächste Formulierung suchen. Und wie sprechen Sie selbst? Wenn Sie einen Vortrag halten, verstecken Sie dann gern eine Hand in der Hosentasche oder halten Sie einen Stift oder Ähnliches fest? Das blockiert oft schon die Gestik, sodass sie nicht mehr die Hilfsfunktion fürs freie Sprechen leistet. Manchmal verwenden wir dann so genannte Ersatz- oder Ableitungsbewegungen: Statt zu gestikulieren laufen wir hin und her oder wackeln auf einmal mit dem Ellbogen oder unterstreichen (wie sonst mit der Geste) Betonungen mit Kopfbewegungen usw. Übrigens: Immer wenn wir uns körperlich verkrampfen, kommt auch die Atmung aus ihrem rhythmischen Ablauf von Ein- und Ausatmen, wir halten inne und damit klingt auch die Stimme etwas härter und gepresster.
Psycholinguistische Untersuchungen (de Ruiter 1998) haben auch gezeigt, dass die Körpersprache im Sprechdenkprozess eine wichtige Rolle spielt. Gestik ist synchron antizipierend und erleichtert den Abruf von Konzepten aus dem Gedächtnis. Das berücksichtigt de Ruiter in seinem Sketch-Modell (1998), einer Weiterentwicklung der Modellierung von Levelt (1989), in dem er direkt nach der Konzeptualisierung einen Gestik-Planer einfügt. Ob nun die Abruf-Hypothese stimmt, wie de Ruiter meint, oder ob doch vielleicht eine vollständige Interaktivität zwischen Gestik- und Sprechplanung vorliegt, sei dahingestellt: Man muss auf jeden Fall die Gestik beim Sprechdenken berücksichtigen (PabstWeinschenk 2003; 2004/2011). Beim Reden kann man immer wieder beobachten, das bei ähs die Gestik aussetzt; dadurch verzögern sich die Konzeptualisierung und die weitere Programmierung. In die Slots (Zeitfenster) werden Fülllaute gesetzt, weil die Verarbeitungszeit (vermeintlich oder tatsächlich) zu lang wird. Die gesamte Programmierung geht zügiger, wenn kontinuierlich gestikuliert wird. Rhythmisch-funktionale Gestik beschleunigt den mündlichen Sprachproduktionsvorgang (Pabst-Weinschenk 2009a). Die rhythmisch-vor-
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bereitende Funktion der Gestik kann bei Tip-on-the-tongue-Situationen (Keller 2003) besonders deutlich beobachtet werden. Halten wir fest: Gestik ist kein Epiphänomen des Sprechens. Gesten werden nicht gemacht, um der Äußerung etwas hinzuzufügen, sondern sie sind fundamental an der Konzeptualisierung und dem Sprechdenkprozess beteiligt. Kritisieren Sie Schüler deshalb nicht, wenn sie etwas »fuchteln«, sondern ermutigen Sie sie, eine offene Haltung einzunehmen, die Gestik zulässt. Auf die Gestik muss man nicht besonders achten, sondern sie stellt sich automatisch bei einer offenen, lockeren Haltung in dem Maße ein, wie sie der Sprecher gerade zum Formulieren benötigt.
1.2 Feedback-Kultur »Die rednerische Kritik aufmerksam wägender Hörer führt immer auf das Richtige hin: wie sie es hören, so ist es.« (Erich Drach 1932, 20)
Das entscheidende Kriterium in der Rhetorik wie auch in der Pädagogik ist die Wirkung: Nur wenn’s bei den Schülerinnen und Schülern ankommt, ist Unterricht erfolgreich. Dabei ist eine kooperative Grundhaltung entscheidend für den Erfolg. Das bedeutet, in jeder Situation gemeinsame Sache zu machen und sie auch gemeinsam zu verantworten (Geißner 1981, 129). Diese Schülerorientierung setzt Fachkenntnisse, Methodenkompetenz und persönliche Sicherheit im rhetorischen Handeln voraus. Den blinden Fleck durch Feedback verringern Ziel rhetorischer Übungen ist es, den eigenen blinden Fleck zu verkleinern. Denn nur, wenn man sich selbst realistisch einschätzt und nachvollziehen kann, wie man auf andere wirkt, kann man zielführend rhetorisch handeln. Differenziert man das gesamte Sprechverhalten in die Bereiche, die dem Sprecher selbst bekannt bzw. unbekannt und den anderen Gesprächspartnern bekannt bzw. unbekannt sind, gelangt man zu dem bekannten Johari-Window, benannt nach den Autoren Joe Luft und Harry Ingham (Antons 1973, 111). Mir selbst bekannt Anderen bekannt
Öffentliche Person
Anderen unbekannt
Privatperson/Intimsphäre
Mir selbst unbekannt Blinder Fleck Unbewusstes
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In Wirklichkeit sind die vier Felder nicht gleich groß, alle Grenzlinien sind verschiebbar. Je nachdem, wer z. B. der andere ist, macht man sich gegenseitig mehr oder weniger »öffentlich«, aber selbst bei langjährigen Bekannten und Partnern bleibt immer ein Rest Privatheit/Intimität, die man nicht miteinander teilt. Das Unbewusste hat eine große Entlastungsfunktion. Wir können nicht alles bewusst verarbeiten, sondern viele Reize verarbeitet unser Unbewusstes im Schlaf, manchmal erleben wir Blitzlichter davon, wenn wir uns an Träume erinnern. Wenn bei schrecklichen Ereignissen, Traumata etc. das Unbewusste nicht mehr alles verarbeiten kann, braucht der Mensch professionelle Hilfe. Interessant für die Rhetorik ist der blinde Fleck. Während Rede- und Gesprächsinhalte dem Sprecher zumeist recht bewusst sind, gehören gerade die Metamitteilungen im Körper- und Sprechausdruck bei den meisten zum blinden Fleck in der Selbstwahrnehmung. Das ist normal, denn alle haben wir nur selten Gelegenheit, uns selbst so wahrzunehmen, wie andere uns sehen und hören. Der Höreindruck der eigenen Stimme und das Spiegelbild entsprechen nicht der rhetorischen Wirkung auf andere. Deshalb sind wir auf Feedback von anderen und auf Videokontrolle angewiesen, wenn wir unser Sprechhandeln realistisch einschätzen lernen wollen. Und das sollten Sprechprofis, also auch alle Lehrpersonen. Lassen Sie sich Feedback geben! Fragen Sie Schüler und Kollegen, wie sie Sie in bestimmten Situationen erleben und wie sie bestimmte Sprechweisen von Ihnen empfinden. Haben Sie z. B. Probleme mit der Lautstärke, können Sie Schüler in der letzten Bank fragen, ob Sie laut genug sprechen. Kriterien für Rückmeldungen zum allgemeinen Sprechverhalten finden Sie bei der Rede-Pyramide und in den Kriterienkatalogen (vgl. Kap. 3, besonders 3.5 Bewertungsbogen und Wirkungsprofil). Um Feedback besser nachvollziehen zu können, ist es sehr hilfreich, sich selbst öfter mit Video aufzunehmen. Wenn man sich das eigene Video anschaut, kann man leichter nachvollziehen, wie die anderen zu ihren Wirkungseindrücken kommen. Nehmen Sie aber nicht nur besondere Situationen auf, sondern auch ganz normale Unterrichtsstunden, damit Sie auch Ihr alltägliches (routiniertes) Sprechverhalten erfassen. Wer spielerisch und indirekt Feedback bekommen möchte, kann seine Schüler in Rollenspielen Lehrer spielen lassen. Sie werden erstaunt sein, wie genau Ihnen Ihre Schüler Ihre besonderen Gewohnheiten vorspielen werden. Sie erleben es schließlich Tag für Tag bei Ihnen im Unterricht. Notieren Sie sich im Sinne Konstruktiver Kritik nie mehr negative als positive Punkte. Zur Stärkung der eigenen Selbstsicherheit ist es wichtig, sich immer auch die eigenen Stärken bewusst zu machen!
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Konstruktiv kritisieren Eine positive kooperative Beziehungsgestaltung bedeutet nicht, auf Kritik zu verzichten. Aber die Art und Weise, wie Rückmeldungen gegeben werden und Kritik geäußert wird, zeigt, ob die Beziehung von Kooperation bestimmt ist oder als Sieg-/Niederlagen-Spiel gestaltet wird. Konstruktive Kritik ermöglicht thematischen Fortschritt. Zu einem offenen Lernklima gehört immer auch der Konfrontationsmut. Schülerinnen und Schülern, aber auch Eltern, müssen unangenehme Dinge mitgeteilt, störende Verhaltensweisen müssen konstruktiv kritisiert werden. Anders sind die Erziehungsziele der Schule nicht erfolgreich zu realisieren. Auch wenn Spielregeln für ein konstruktives Miteinander in der Pädagogik eine Selbstverständlichkeit darstellen, wird hier an die rhetorischen Grundregeln für das Feedback-Geben nach der Themenzentrierten Interaktion erinnert (Pabst-Weinschenk 1995/2009, 17): –– nicht pauschal bewerten, sondern möglichst genaue Beobachtungen mitteilen; –– nicht nur negative, sondern auch positive Punkte nennen, am besten erst das Positive, dann das Negative; –– die Beobachtungen und den persönlichen Wirkungseindruck beschreiben, am besten persönlich formuliert: ich statt man oder das (vgl. TZI nach Cohn); –– nicht appellieren und dem anderen keine guten Ratschläge geben.
Beim Empfangen von Feedback sollte man nur zuhören und verstehen. Wenn man etwas nicht nachvollziehen kann, darf man nachfragen, aber nichts erklären oder rechtfertigen! Ein Diskurs über Erwartungen, Normen, Regeln ist anschließend möglich, aber nicht in einem Feedback-Prozess. Besser ist es, die Kriterien vorher zu klären. Übrigens: So konstruktiv wie mit anderen sollte man auch mit sich selbst umgehen, also z. B. nicht nur auflisten, was nicht gut gelungen ist, sondern immer auch das Positive wahrnehmen, am besten in einem ausgewogenen Verhältnis – oder noch besser: Mehr Positives als Negatives festhalten!
Vor dem Feedback sollte der Betroffene immer selbst die Möglichkeit haben, sich zu äußern und seine eigene Einschätzung der Situation darzulegen. Nur so (über den Vergleich von Selbst- und Fremdeinschätzung) gelingt es, den blinden Fleck zu verringern. Das Feedback-Format ist aber meines Erachtens im pädagogischen Kontext nicht hinreichend. Es muss eingebunden werden in ein
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ergebnisorientiertes Gespräch, das mit einer Lernzielvereinbarung endet. Im Anschluss an die Rückmeldungen geht es also darum, ein Ergebnis festzuhalten. Diese Zielvereinbarung wird nicht verordnet, sondern der Betroffene muss sie für sich selbst festhalten, und es müssen Kriterien vereinbart werden, mit denen nach einer vereinbarten Zeit das Ergebnis überprüft werden soll. Dieses Format bezeichne ich als »Konstruktives Kritik-Gespräch« (2009a, 197). Konstruktives Kritik-Gespräch – Ablauf-Schema 1. Selbsteinschätzung des Sprechers 2. Rückmeldungen der anderen ȤȤ frei oder anhand vorher vereinbarter Kriterien, ȤȤ konkrete Beobachtungen: hier + jetzt (keine pauschalen Bewertungen), Negatives, ȤȤ Positives + ȤȤ Ich-Formulierungen statt Verallgemeinerungen (man) oder Schuldzuweisungen (Du-Botschaften), ȤȤ Wirkungseindrücke, Möglichkeiten und Wünsche statt guter Ratschläge oder Verhaltensmaßregeln. Der Betroffene hört zu und darf nachfragen, aber nicht erklären, rechtfertigen! 3. Zielvereinbarung: Als Ergebnis werden persönliche Lerntipps (max. 3) festgehalten. Bei Unsicherheit hinsichtlich der Auswahl kann sich der Sprecher von den anderen beraten lassen. (Diskurs über Erwartungen, Normen, Regeln ist im Anschluss möglich, aber selten notwendig, wenn vorher die Kriterien besprochen wurden.) Feedback ist ein wechselseitiger Prozess: Nicht nur die Lehrperson gibt den Schülern Rückmeldung, sondern die Schüler auch ihren Lehrern und die Schüler sich untereinander. Das geschieht nicht automatisch, sondern muss wie bestimmte Gesprächsregeln, die ein kooperatives Miteinander ermöglichen, bewusst eingeführt werden. Die Basis-Gesprächsregeln wie zuhören, ausreden lassen, anknüpfen an Vorredner, Blickkontakt herstellen etc. werden ab der ersten Klasse eingeführt (Potthoff et al. 1995/2008), unterstützt werden sie durch (ritualisierte) Organisationsformen wie Erzählkreis, Redesteine u. ä. Feedback-Runden zählen zu den Prozessen von Metakommunikation, die mit zur Unterrichtskommunikation gehören. In metakommunikativen Gesprächen wird insgesamt der Ablauf von Gesprächsprozessen gemeinsam reflektiert, Anlass sind häufig nicht gelungene Gesprächsprozesse mit Störungen. Gemäß der Themenzentrierten Interaktion (TZI) haben Störungen Vorrang. Werden sie nicht direkt besprochen, stören sie unterschwellig die gesamte weitere Kommu-
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nikation. Deshalb sollten sie immer möglichst zeitnah besprochen und gemeinsam geklärt werden. Da der Deutschunterricht die Domäne der Gesprächserziehung ist, werden Feedback und Reflexionsgespräche in den Bildungsstandards für den Deutschunterricht explizit benannt. Konkrete Beobachtungen, persönliche Wirkungseindrücke, aber keine Fremd-Bewertungen und keine Totalanalysen Hilfreich bei der Einführung von Feedback sind konkrete Beobachtungsaufgaben, die man z. B. vor einer Präsentationsrunde zu Gruppenarbeitsergebnissen vereinbaren kann. Anregungen dazu finden Sie in Kapitel 3. Die Einschätzung funktioniert aber bei Kommunikation nie ohne Situationsbezug. Während das Ergebnis einer Rechenaufgabe unabhängig von Ort, Zeit und Gesprächspartnern dasselbe bleibt, verändert sich die Wirkung von Äußerungen durch situative Faktoren. Da es dabei immer um Wirkungen geht und Wirkungen auch nie unabhängig vom Zuhörer zu erfassen sind, geht es in Kommunikationssituationen nicht um Richtigkeit, sondern um Angemessenheit. Insofern ist auch bei der Bewertung von mündlichen Leistungen immer die intersubjektive Einschätzung maßgeblich und das erfordert die Beteiligung der Beteiligten, also der Mitschüler, für die etwas präsentiert/vorgetragen wird. Ohne Feedback-Runden kann man diese intersubjektiven Wirkungen gar nicht erfassen. Dabei geht es aber nicht direkt um Bewertungen und Noten, sondern die Leistungen werden im Feedback konkret beschrieben und der persönliche Wirkungseindruck wird formuliert. Eine abschließende Bewertung (im Idealfall durch den Sprecher selbst!) findet erst in Schritt 3 des Konstruktiven Kritik-Gesprächs statt, wenn eine Benotung erfolgen muss. Wesentlich wichtiger ist es, persönliche Lernziele festzuhalten, ggf. auch in Portfolios zu dokumentieren. Im Feedback geht es nicht um Totalanalysen, wie man sie auf der Grundlage von Videomitschnitten oder Transkripten herstellen kann. Totalanalysen sind nicht wirklichkeitsrelevant, denn im Alltag ist in der zwischenmenschlichen Kommunikation die Aufmerksamkeit begrenzt und man nimmt immer nur die Punkte wahr, die besonders auffallen – das sollten dann auch die Ansatzpunkte im Lernprozess sein. Wenn man alle Kriterien analysiert und zurückmeldet, steigert das eine eventuell vorhandene übertrieben selbstkritische Haltung und perfektionistische Ansprüche an eigene Sprechleistungen. Das ist didaktisch kontraproduktiv, weil es zu übersteigertem Monitoring führt, das den Sprechdenkprozess schnell blockieren kann. Kennen Sie das auch? Wenn man alles besonders gut machen will, passiert es, dass man beim Vortrag wie das schlechte Gewissen neben sich selbst steht
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und sich beim Reden zuschaut. Dann achtet man mehr darauf, wie man spricht als auf die Inhalte und Zuhörer. Das blockiert und man verkrampft schnell, vor lauter Anspannung, alles richtig machen zu wollen; man hält die Luft an, der Mund wird trocken, die Stimme rutscht in die Höhe … und der souveräne, kompetente Eindruck ist dahin. Gestehen Sie sich lieber zu, auch mal einen Fehler machen zu dürfen. Das macht Sie menschlich und sympathischer, also: Sie dürfen sich auch mal versprechen oder einen Punkt vergessen … Wichtig ist, dass Sie Ihren Schülern gegenüber offen sind, Ihre »Fehler« zugeben und sich auch mal entschuldigen können.
Das paradoxe Gesetz der Veränderung nach Carl Rogers, dem Vater der Humanistischen Psychologie, besagt, dass Veränderungen gerade dadurch ermöglicht werden, dass man dem anderen das Recht auf ein Nein absichtsvoll anbietet. Das ist bedingungslose Annahme: Erst wenn ich als Feedback-Empfänger erlebe, dass ich so sein darf, wie ich bin, eröffnen sich Möglichkeiten für Entwicklung und Lernen, gerade im Bereich der Persönlichkeitsbildung. Unverzichtbar: Video-Aufnahmen Video-Aufnahmen belegen die Beobachtungen und Einschätzungen und ermöglichen es dem Sprecher, die Rückmeldungen zu verstehen und zu akzeptieren, weil er sich im Video annähernd so wahrnehmen kann, wie die anderen ihn sehen. Besonders wichtig ist es nach meiner Erfahrung, Schüler und auch Lehrer vor der Monitoring-Falle zu bewahren. Gerade besonders eifrige Lerner neigen dazu, sich selbst zu viel auf einmal vorzunehmen. Dadurch kommt es schnell zu einem übersteigertem Self-Monitoring, das blockiert und die Leistung nicht verbessert, sondern verschlechtert. Deshalb ist es oft ratsam, nur wenige Punkte anzusprechen und die Aufmerksamkeit nicht zu sehr auf die Art und Weise des Vortrags zu lenken. Wichtiger ist es oft, Erfolgserlebnisse zu vermitteln und positive Erfahrungen hinreichend zu reflektieren (PabstWeinschenk 2006, 2009b). Erst wenn gegenseitiges Feedback-Geben und -Nehmen zum alltäglichen Unterrichtsgespräch gehört und Metakommunikation eine Selbstverständlichkeit darstellt, um gemeinsam das Gespräch zu steuern, kann man von einer Feedback-Kultur sprechen. Kooperative Rhetorik und Feedback-Kultur sind keine Techniken, sondern entstehen aus einer wertschätzenden Haltung, wie sie grundlegend in der gesamten Humanistischen Psychologie ist.
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1.3 Gesprächssteuerung und Moderation Als Lehrperson sind Sie situationsmächtig und qua Lehrer-Rolle immer auch der verantwortliche Gesprächsleiter. Natürlich können und sollen Sie einzelne Aufgaben an Schüler abtreten, aber Sie sollten immer darauf achten, dass alle wichtigen Aufgaben ausgefüllt werden. Bei den wesentlichen Aufgaben unterscheidet man grundsätzlich drei Aspekte: Gesprächsorganisation, Beziehungsgestaltung und Themenbearbeitung. Zu jedem dieser drei Bereiche kann man verschiedene einzelne Aufgaben benennen. Hier eine allgemeine Übersicht, die man auch auf jedes Gespräch im Klassenzimmer übertragen kann: Gesprächsorganisation
Beziehungsgestaltung
Themenbearbeitung
Begrüßung und Vorstellung
Angenehmes Klima herstellen: z. B. nach Befindlichkeit und besonderen aktuellen Punkten fragen, auch ein thematisch passender Gag, eine Geschichte etc. helfen
Einführung ins Thema: Anknüpfungspunkte nennen, aktuelle Bezüge, Hinführen zur allgemeinen Problemstellung
Tagesordnung bzw. Überblick über den geplanten Ablauf
Übereinkunft über Vorgehen, Verfahrensfragen
Vorschläge sammeln bzw. machen
Rednerliste führen und Wort erteilen
Gleiches Rederecht beachten und ausreden lassen
Mit Fragen leiten
Geeignete Methoden einsetzen und Materialien bereitstellen
Teilnehmer persönlich ansprechen
Zuhören und Beiträge verstehen, bei Wiederholungen oder zu langen Beiträgen unterbrechen
Ggf. Anträge und Abstimmungen
Störungen benennen
Strukturieren und Zusammenfassen
Schlusswort sprechen
Integrativ wirken und bei Streit vermitteln
(provokative) Alternativen benennen
Zeitkonto überwachen
Geleistete Arbeit würdigen
Ergebnisse festhalten
Grundqualifikationen für die Gesprächsleitung können Sie gemeinsam mit ihren Schülern in so genannten kontrollierten Dialogen üben: Bevor man antworten darf, muss man immer erst noch einmal kurz das zusammenfassen, was der andere gerade zuvor gesagt hat. Es entsteht so ein zeitverzögertes Gespräch, sehr sachbezogen, mit rotem Faden und gegenseitiger Wertschätzung (weil man dem anderen zeigt, dass man zugehört hat, auch wenn man anschließend widerspricht!). Probieren Sie es aus! Besonders interessant sind kontrollierte
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Dialoge, wenn man Themen wählt, zu denen die Gesprächspartner kontroverse Ansichten vertreten. Auffällig ist, dass bei kontrollierten Dialogen der Ton immer sehr sachlich bleibt, auch dort, wo Diskussionen sonst wegen der Meinungsverschiedenheiten schnell emotional und hitzig, laut und aggressiv werden.
Gutes Verstehen hängt ab ȤȤ von genauem Ausdruck und gemeinsamen Verständigungsmitteln; ȤȤ davon, dass die Partner über das Gleiche sprechen und nicht Verschiedenes meinen; ȤȤ davon, dass beide bereit sind, den anderen als Person zu akzeptieren und die Meinung ernst zu nehmen; ȤȤ davon, dass alle versuchen, nicht zu viel in einem Beitrag zu sagen, da sonst der andere nur verwirrt wird. Man kann häufig folgende »Fehler« beobachten, die die Verständigung beeinträchtigen. Beim Zuhören: 1. Die Hörer proben, während der andere noch spricht, bereits den eigenen nächsten Gesprächsbeitrag. Dadurch wendet man die Aufmerksamkeit nicht dem Partner zu, man hört ihm nicht zu, versteht ihn nicht und kann nicht gut auf ihn eingehen. 2. Die Hörer erfassen nicht den ganzen Sinn der Aussage, sondern hören eher auf Einzelheiten/Reizwörter und beziehen sich in der Entgegnung nur auf sie. 3. Die Hörer verstehen mehr, als der Partner gesagt hat, weil sie dessen Gedanken weiterdenken. 4. Die Hörer versuchen, weniger Vertrautes in eigene Denkschemata einzuordnen. Dies führt evtl. zu Verfälschungen und Missverstehen. Beim Sprechen: 1. Der Sprecher organisiert seine Gedanken nicht, bevor er spricht. Er redet ohne Ziel und Gliederung. 2. Der Sprecher bringt zu viele Aussagen und Ideen in eine Äußerung, die oft nicht untereinander verbunden werden. Dies erschwert das Verstehen. 3. Der Sprecher redet aus Unsicherheit immer weiter, ohne die Auffassungskapazität der Partner zu berücksichtigen. 4. Der Sprecher übersieht bestimmte Punkte in den Ausführungen des Partners und antwortet ihm deshalb nicht aktuell auf den letzten Beitrag. Dadurch kommt das Gespräch nicht voran.
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Das Unterrichtsgespräch richtig moderieren An-, Zwischen- und Abmoderationen im Rundfunk und Fernsehen wecken Interesse und erleichtern den Zuhörern das Verstehen und Behalten. In der Anmoderation werden die Zuhörer direkt angesprochen, es werden Anknüpfungspunkte genannt, aktuelle Fragen als Advance Organizers, also zur Orientierung, aufgeworfen und dadurch allgemein Neugier und Interesse geweckt. Dazu kann man im Unterricht gut Comicauszüge, Hörbeispiele, Filmausschnitte, Geschichten oder auch kurze Fantasiereisen verwenden. Fantasiereisen bestehen in der Regel aus folgenden Phasen: 1. Ruhe und angenehme Atmosphäre schaffen, z. B. durch Naturgeräusche oder Ethno-Musik im Hintergrund. 2. Entspannung finden lassen, z. B. im Droschkenkutschersitz (wie im Autogenen Training). 3. Ruhig mit gleichmäßiger Stimme ohne besondere Modulationen die Geschichte erzählen, mit ausreichend Pausen (um die 30 Sekunden), damit die Zuhörer sich einfühlen und sich die Bilder vorstellen können. Durch Sätze wie Stelle dir das vor!, Wie mag es dir dabei ergehen? oder direkt aktiv Stell dir vor, du gehst … und riechst … wird die Identifikation mit der Geschichte gefördert. 4. Zurückholen durch Strecken, Recken, Hände zur Faust ballen und Gähnen. 5. Gespräch über Geschichte und persönliche Eindrücke, Assoziationen. Fantasiereise Stell dir vor, du gehst bei Nacht einen Bergpfad hinauf. Der Vollmond scheint hell, sodass du den Pfad und viel von der Umgebung erkennen kannst. … Wie ist der Weg? … Was siehst du um dich herum? … Was empfindest du, während du so bergan steigst? … Vor dir ist ein kleiner Seitenweg, der höher hinauf zu einer Höhle führt. Hier wohnt ein sehr weiser Mann, der dir deine Fragen beantworten kann. Gehe den Seitenweg hinauf zur Höhle. … Beachte, wie die Umgebung sich ändert, wenn du näher zur Höhle kommst. … Vor der Höhle brennt ein kleines Holzfeuer und du kannst im Schein der tanzenden Flamme den stillen, weisen Mann undeutlich erkennen. … Gehe hinauf, lege Holz nach und setze dich still hin. … Das Feuer brennt heller und nun kannst du den Mann deutlicher sehen. Lass dir Zeit, ihn deutlich wahrzunehmen – seine Kleider, seine Gestalt, sein Gesicht, seine Augen. …
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Richte nun eine Frage an ihn, die dir wichtig ist, und während du sprichst, gib acht, wie der Weise auf das reagiert, was du ihm sagst. … Vielleicht antwortet er mit einer Bewegung oder mit seinem Gesichtsausdruck, vielleicht spricht er aber auch oder zeigt dir etwas. … In welcher Art antwortest du ihm? … Jetzt bist du selbst der weise Mann. … Wie ist deine Existenz als solcher? … Wie gestaltet sich dein Leben? … Wie begegnest du dem Besucher, der dich fragt? … Was empfindest du ihm gegenüber? … Wie reagierst du auf seine Frage – mit Worten, Gesten oder mit einer Tat? … Tausche wieder die Rollen und setze den Dialog fort. … Verstehst du, was der weise Mann dir sagt? … Hast du sonst noch Fragen an ihn? … Was empfindest du ihm gegenüber? … Setze das Gespräch fort – du wieder in der Rolle des Mannes. Was kannst du dem Besucher sonst noch sagen? … Du bist du selbst. Bald wirst du dich von dem weisen Mann verabschieden müssen. … Sage ihm vorher noch irgendetwas. … Gerade während du Abschied nimmst, wendet der Mann sich um und greift in einen alten Lederbeutel, um etwas ganz Besonderes zu suchen, das er dir schenken möchte. … Er zieht es hervor und gibt es dir mit nach Hause. … Sieh dir das Geschenk an. … Was empfindest du gegenüber dem alten Mann? … Sage es ihm und nimm Abschied. … Wende dich ab und gehe den Bergpfad hinunter. Das Geschenk hast du bei dir. … Achte gut auf den Weg, damit du ihn später einmal erkennst, wenn du den weisen Mann wieder besuchen willst. … Nimm die Umgebung genau wahr. Wie ist dir zumute? … Halte die Augen geschlossen und bringe das Geschenk mit, wenn du in dieses Zimmer zurückkehrst, … Betrachte dieses Geschenk genau. … Was hat der weise Mann dir mitgegeben? … Betaste. … berieche es, … drehe es sorgfältig um und betrachte es genau. … Lege das Geschenk sorgsam an einen Platz in deinem Gedächtnis und verabschiede dich einstweilen davon. … (Stevens 1990, 166 ff.; nach www.wp-bilderwelten.de/ prosa/phantasiereise-weiser-mann.htm)
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Lernkonzert Zum Festhalten der wichtigsten Erkenntnisse wird am Ende einer Einheit ein so genanntes Lernkonzert durchgeführt: Nach der Besprechung fasst die Lehrperson bei leiser entspannender Musik im Hintergrund die wichtigsten Punkte und Lernziele, die sich einzelne vorgenommen haben, noch einmal zusammen, z. B. Wir haben uns heute verschiedene Kreativmethoden angesehen und sinnvolle Einsatzmöglichkeiten besprochen … Setzen Sie sich bequem hin, entspannen Sie sich … vielleicht schließen Sie auch die Augen … Sie erinnern sich … Wir haben bei unserer Vorstellungsrunde beispielhaft einige Kennenlernmethoden erprobt: Partner-Interview, Steckbrief, Dreieck der Gemeinsamkeiten, sich mit Schlüssel oder Karten vorstellen oder mit Ballon und Lügen … Beispielhaft haben wir die Vorstellungen aufgenommen und daran konstruktiv Kritik geübt und uns in Erinnerung gerufen, dass wir konkret beobachten, Positives und Negatives in einem ausgewogenen Verhältnis benennen und uns unsere Eindrücke in der Ich-Formulierung mitteilen … Beim Video-Feedback haben wir erlebt, wie souverän ein Sprecher wirken kann, wenn er ruhig steht … oder wie verständlich es wird, wenn etwas an einfachen Beispielen erläutert wird … wie angenehm es klingt und wie gut wir zuhören können, wenn in kurzen Sätzen gesprochen wird und häufig die Stimme zum Punkt abgesenkt wird … und wenn alle langsam und deutlich sprechen … mehr Mut zu Pausen haben … anschauliche Plakate vorbereiten … und so weiter … Alle Kriterien, auf die es beim Sprechen, Reden, Vortragen ankommt, können Sie zusammenfassen in der Rede-Pyramide. Sie erinnern sich: im Fundament unten stehen immer die grundlegenden Punkte, auf denen sich die weiteren aufbauen … Auf der ersten Seite sind alle Punkte, die sofort hier und jetzt wirken: optisch die Körpersprache, akustisch alle sprecherischen Ausdrucksmittel und sprachlich die Formulierungen. Dabei glauben wir immer mehr den grundlegenden Ausdrucksmitteln: also mehr der Körpersprache und dem Sprechausdruck als den Worten und die Gestik hilft uns über Formulierungsschwierigkeiten hinweg … Diese Präsentationsmittel nennt man auch die rhetorische Oberflächenstruktur. Daneben gibt es die rhetorische Tiefenstruktur, also die Inhalte und Intentionen, die zweite Seite der Rede-Pyramide, die wir planen und vorbereiten können. Wenn wir die Kommunikationssituation erfassen, können wir entsprechend eine passende Gliederung für die Rede- oder Gesprächssorte auswählen und uns passend vorbereiten. Einzelne
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Sprechhandlungen werden in Ausnahmefällen auch vorbereitet, etwa an Schlüsselstellen – vielleicht Anfang und Ende oder für eine wichtige Phase … Die dritte Seite der Rede-Pyramide fasst Ihre persönlichen Prägungen zusammen: Grundlage ist Ihre individuelle Kommunikationsbiografie, die dazu führt, dass Sie mehr oder weniger Selbstsicherheit entwickeln und dementsprechend bestimmte Strategien bevorzugen: Wer selbstsicher ist, hat es nicht nötig, andere zu dominieren, sondern geht kooperativ mit anderen um. Wir haben besprochen, dass andere Fertigmachen ein Zeichen von Unsicherheit ist … Einige haben sich auf die Kreativmethoden dann mit einem Brettspiel und links Würfeln eingestimmt … andere haben einige Brain-Gym-Übungen zur Lockerung durchgeführt: Überkreuzbewegungen fördern die Balkentätigkeit und damit das Denken von links nach rechts und umgekehrt. Für die sich anschließende Gruppenarbeit hat jeder eine Methode im Losverfahren gezogen. In den Gruppen wurden die Methoden diskutiert und ein Favorit ausgewählt, der allen präsentiert worden ist. Ihre besten Methoden waren … als Kreativmethode zur Lösung eines Problems … als Rhetorikmethode … als kommunikationspsychologische Methode … als Theatermethode … als Sprecherziehungsmethode Diese Methoden haben Sie in so genannten Harten Nachrichten kurz vorgestellt. Die Harte-Nachrichten-Struktur ist eine rhetorische Grundform: Erst Hauptinfo und Details, dann erst Blick in die Vergangenheit und Hintergründe, und zum Schluss der Blick in die Zukunft: Folgen und weitere Aussichten, also: Wer?, Was?, Wann?, Wo? und Wie? für die Gegenwart. Warum? oder Wie ist es dazu gekommen? für die Vergangenheit. Wozu führt‘s in der Zukunft? zum Schluss als Ausblick. Sie haben nun einige methodische Anregungen bekommen. Wenn Sie das nächste Mal etwas Besonderes planen, schauen Sie auf die CD, lassen Sie sich inspirieren von den vielen weiteren Beispielen … sei es Rhetorik, Brain-Gym, Sprecherziehung, Suggestopädie, kooperatives Lernen nach Norm Green oder oder oder … Rühren Sie sich nun langsam wieder, ballen Sie die Hände zur Faust, strecken Sie sich und öffnen Sie wieder die Augen …
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Zwischenmoderationen schaffen notwendige Überleitungen und vermitteln manchmal wichtige Hintergrundinformationen, sodass dem Zuhörer das Verfolgen der einzelnen Beiträge erleichtert wird. Abmoderationen schließlich sollen die Ergebnisse zusammenfassen und einen Ausblick ermöglichen. Aufgrund von Sendezeitproblemen wird das in den Medien öfter ausgelassen und eine Gesprächsrunde nur rein formal abgeschlossen, z. B. so: »Ich bedanke mich bei allen Teilnehmern für die interessante Runde. Sie haben uns die verschiedenen Aspekte des Themas verdeutlicht. Dafür noch einmal herzlichen Dank und kommen Sie gut nach Hause! Das war’s wieder mal, hier und heute bei XY, bis zur nächsten Woche, wenn es wieder heißt: Wir diskutieren am runden Tisch …« – Lehrer sollten dagegen richtige inhaltliche Zusammenfassungen mit den wichtigsten Punkten am Ende der Stunde liefern, denn das ist das Ergebnis, was die Schüler mitnehmen und durch die Wiederholung am ehesten behalten. Eine gute Möglichkeit, die Ergebnisse einer Unterrichtsstunde oder -einheit für die Schüler noch einmal zusammenfassend zu präsentieren und damit ihr Behalten zu unterstützen, ist das so genannte »Lernkonzert«, bei dem zu entspannender Musik die wichtigsten Punkte vom Lehrer noch einmal zusammengefasst werden. Als Hintergrundmusik ist Barockmusik, etwa ein Largo von Vivaldi oder Bach, zu empfehlen. Ein Beispiel zum Thema Kreative Methoden finden Sie auf der Doppelseite 40/41.
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Moderations- bzw. Metaplan-Gesprächstechnik Als Idealvorstellung ist allgemein weit verbreitet, dass Gespräche ›moderat‹, also gemäßigt und zielgerichtet geleitet werden sollten. Die Rolle des Moderators kann man aus der Wortbedeutung (moderamen, lat. Hilfsruder) ableiten: Ein Moderator leistet Hilfsdienste. Wie der Hilfslotse auf römischen Schiffen hilft er dem Kapitän, das Schiff zu steuern. Je größer eine Gesprächsgruppe ist und je emotionaler das Thema für die Teilnehmer ist, umso schwieriger wird die Leitung. Hilfsmittel bietet die Moderations- bzw. Metaplan-Gesprächstechnik. Dabei wird die Gesprächsleitung mit Visualisierungen unterstützt. Die Gesprächsteilnehmer übertragen ihre Gedanken stichwortartig auf Kärtchen, hängen diese dann für alle sichtbar an Pinnwänden auf, um sie gemeinsam zu strukturieren (clustern) und (mit Klebepunkten) zu bewerten. Diese Form der Gesprächsleitung ist vor allem für gemeinsame Arbeitsgespräche geeignet, die der Klärung und Entscheidung dienen, und kann auch in der Schule eingesetzt werden. Der Medieneinsatz bedingt eine konsequente Leitung. Ein zeitweise (unkontrolliertes) Laufenlassen des Gesprächs, wie man es in internen Besprechungen von Kleingruppen oft beobachten kann, wird mit dem Einsatz der Moderationsmaterialien vermieden. Mit einer konsequenten Leitung ist aber nicht eine autoritär-dominante, sondern eine integrative Leitung gemeint. Der Moderator ist kein wissender Gruppenleiter, der die Gruppe zum richtigen (vorgegebenen) Ziel führt, sondern eher im Sinne der sokratisch-maieutischen Gesprächsführung ›Hebamme‹: er unterstützt die Gruppe auf dem Weg der Entwicklung ihres eigenen Willens und ihrer eigenen Erkenntnis. Im Gegensatz zu Podiumsdiskussionen z. B., in denen eher Unterschiede konfrontativ betont werden, sind Gesprächsprozesse nach der Moderationsmethodik eher integrativ, da alle geäußerten Aspekte gesammelt werden und bei der anschließenden Strukturierung (Clusterbildung) immer auch Annäherungen und Konsensmöglichkeiten deutlich werden. Die Moderationsmethodik ist vor allem hilfreich, wenn viele verschiedene persönliche Erfahrungen eingebracht werden sollen, wenn es um diffizile Probleme und innovative Lösungen geht und/oder wenn eine persönliche Betroffenheit vorherrscht. Das Schreiben und Festhalten von Stichworten auf Kärtchen ermöglicht eine Distanz ohne Verlust des persönlichen Bezugs. Die Arbeit mit dem Moderationsmaterial erleichtert die Trennung von Sammlung und Bewertung, sowohl in der Problem- als auch in der Lösungsphase eines Gesprächs. Beim Schreiben der verschiedenen Aspekte auf einzelne Kärtchen ist ein Brainstorming-Effekt festzustellen: Dadurch, dass keine direkte Bewertung erfolgt, wächst der Mut, verschiedene, auch ungewöhnliche Gedanken auszusprechen bzw. niederzuschreiben; Äußerungshemmungen werden vermindert.
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Mit den Kärtchen auf der Pinnwand werden die inhaltlichen Aspekte des Gesprächs für alle sichtbar (und damit immer auch nachvollziehbar und kontrollierbar) strukturiert. Kein Gespräch verläuft ergebnislos, man hat immer etwas ›schwarz auf weiß‹. Solche Ergebnisdokumentationen (z. B. in Form von Fotoprotokollen) sind gerade bei Klärungsgesprächen von Bedeutung, weil diese nicht zu einem Ergebnis in Form einer Entscheidung führen. Werden Klärungsgespräche als ›vertane Zeit‹ erlebt, können Ergebnisdokumentationen auch die geringe Gesprächsbereitschaft wieder steigern. Wenn man davon ausgeht, dass eine gute Sacharbeit auch positiv auf die Beziehungsebene zurückwirkt, kann durch die Verbesserung der Strukturierung mit dem Moderationsmaterial auch das persönliche Klima in einer Arbeitsgruppe verbessert werden. Lernpsychologisch ermöglicht die Moderationsmethodik eine verbesserte Präsentation und Vermittlung, weil nicht nur der akustische, sondern auch der optische Wahrnehmungsbereich berücksichtigt wird. Die permanente Visualisierung ist das wesentliche Kriterium. Moderationsmethodik üben Die Ratgeberliteratur zum Moderieren ist fast unüberschaubar. Überall findet man viele sinnvolle Hinweise. Grundregeln und wesentliche Methoden (Lüschow/Zitzke/Pabst-Weinschenk 2004/2011; Pabst-Weinschenk/Thiel 2012, 164–168) werden im Folgenden kurz zusammengefasst. Der Moderator ȤȤ bereitet Raum und Material vor, ȤȤ plant den inhaltlich-dramaturgischen Ablauf (Leitfragen, Impulse und Methoden) und achtet darauf, dass die Gruppe zielgerichtet arbeitet, ȤȤ macht den Teilnehmern den Gesprächsprozess deutlich: •• auf der Sachebene durch Visualisierung und die Methodik, •• auf der Beziehungsebene, indem er Stimmungen, Gefühle, Unzufriedenheiten sichtbar macht, formuliert und damit bearbeitbar macht, ȤȤ nimmt eine fragende, keine behauptende Haltung ein, ȤȤ mischt sich inhaltlich nicht ein, hält eigene Meinungen zurück, stellt höchstens Fragen, wenn er das Gefühl hat, dass wichtige Aspekte vergessen werden, ȤȤ bewertet Teilnehmerbeiträge nicht (lobt sie auch nicht), ȤȤ bestimmt nicht die Richtung, sondern geht mit der Gruppe; macht aber deutlich, wenn die Gruppe vom vereinbarten Weg abweicht, ȤȤ ist der Steuermann, die Gruppe der Kapitän! Die Gruppenmitglieder sind selbstständige, kompetente Menschen, die nicht von oben herab geleitet, son-
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dern ernst genommen und unterstützt werden wollen. Man geht von einem ganzheitlichen Menschenbild aus: Gruppenmitglieder sind nicht nur Wissensträger, sondern haben auch Gefühle und Bedürfnisse. Und die Moderation ist ein Lernprozess mit der gesamten Gruppe. Vorteile konsequenter Visualisierung: ȤȤ Die Anforderungen an das Gedächtnis werden verringert. ȤȤ Informationen und Meinungen werden nicht vergessen oder überhört. ȤȤ Der rote Faden, die Struktur ist sichtbar. ȤȤ Beziehungs- und Sachebene vermischen sich nicht so leicht. ȤȤ Persönliche Angriffe sind mit schriftlichen Stichworten nur schwer möglich. ȤȤ Die Interaktionsdichte steigt: weniger lange Beiträge, stärkere Einbeziehung der Teilnehmer. ȤȤ Der Diskussionsleiter ist entlastet. ȤȤ Außenstehende können leichter in den Diskussionsstand eingeführt werden. Moderationsmaterialien und der Umgang damit ȤȤ Pinnwände, Plakate, Karten in unterschiedlicher Form und Größe, Wolken, Nadeln, dicke Stifte, Klebepunkte; es müssen nicht immer die teuer im Handel erhältlichen Moderatorenkoffer und -wände sein, selbst gebastelte Kärtchen an einer Raumwand oder Tafel tun es oft auch. ȤȤ Farben und Formen werden als Bedeutungsträger verwendet, um Zusammenhänge, z. B. bestimmte Themenbereiche, zu kennzeichnen. Maximal drei Farben pro Plakat verwenden. ȤȤ Kartenformen und Farben nach einem einheitlichen Muster verwenden, z. B. rechteckige Karten für Themenstichworte, runde für Kommentare und Widersprüche, lange Streifen für Überschriften. ȤȤ Stifte mit rechteckiger Spitze verwenden und so schreiben, dass ein breiter Strich entsteht. ȤȤ Ober- und Unterlängen im Verhältnis zu den Mittellängen sehr klein schreiben. ȤȤ Buchstaben im Wort eng zusammenschreiben und Groß- und Kleinbuchstaben verwenden (nicht nur Versalien). ȤȤ Pro Karte nur ein Gedanke (1–3 Zeilen). ȤȤ bei der Gestaltung der Plakate genügend Freiräume lassen; ȤȤ Karten von links nach rechts, von oben nach unten anpinnen, jeweils mit etwas Platz dazwischen. ȤȤ Überschriften durch Farbe, Form und/oder Schriftgröße hervorheben. ȤȤ Darstellungsarten funktional einsetzen: Liste, Vier-Felder-Tafel, Tabelle.
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Methodenrepertoire ȤȤ Bewertungsfrage (oder provozierende These): Auf einer Skala bewertet jedes Gruppenmitglied jeden Sachverhalt mit einem Punkt. ȤȤ Blitzlicht: Zu einer bestimmten Frage nimmt jeder Teilnehmer kurz Stellung, außer er lehnt dies ausdrücklich ab. Er spricht nur für sich und über sich. Es wird nicht diskutiert, alle Äußerungen werden kommentarlos zur Kenntnis genommen. ȤȤ Cluster-Plakat: Eine unsortierte Karten-Wand wird auf einer zweiten Pinnwand zu Inhaltsblöcken (Cluster) geordnet. Jeder Block erhält eine Überschrift. ȤȤ Ergebnis-Protokoll, ggf. auch Foto-Protokoll. ȤȤ Flagge zeigen: Mit ›Flaggen‹ ([!] = ich stimme zu, [?] = weiß nicht, habe Bedenken, [Blitz] = halte ich für falsch) wird ein Meinungsbild der gesamten Gruppe festgestellt. ȤȤ Fragenfolgen: Arbeitsschritte für die Kleingruppenarbeit in Form von Leitfragen. ȤȤ Gewichtungsfrage: In einem Themenspeicher (Liste) gewichtet jedes Gruppenmitglied Teilthemen mit mehreren Punkten (3 bis 7 pro Person). Die Gewichtung kann auch anonym durchgeführt werden. Die Stimmabgabe erfolgt dann über gefaltete Karte an den Moderator, der die Punkte klebt. ȤȤ Graffiti: Im Raum verteilt stehen Plakatwände mit Satzanfängen, wie z. B. »Am schönsten wäre es, wenn hier …« oder »Am meisten habe ich Angst davor, dass …« ȤȤ Informationsplakat/Präsentationsszenario: Plakate, mit denen der Moderator seine Informationseingaben unterstützt oder Kleingruppen über ihre Arbeitsergebnisse berichten. ȤȤ Kartenabfrage: Jedes Gruppenmitglied schreibt verdeckt seine Stichworte auf Karten. Zeitbedarf: 10–15 Minuten. Der Moderator sammelt die Karten ein, mischt sie und heftet sie an. Die Karten können schon beim Deuten in Cluster sortiert werden. Zeitbedarf: ca. 30 Sekunden pro Karte. ȤȤ Maßnahmenkatalog/Tätigkeitskatalog: Wie Themenspeicher (s. dort), nur mit klaren Verantwortlichkeiten, Zeitangaben usw. ȤȤ Mind-Map: In die Mitte eines Plakates wird das Thema oder die Frage geschrieben. Die Teilnehmer nennen 2 oder 3 Hauptaspekte, die der Moderator auf dicke Äste schreibt. In beliebiger Reihenfolge nennen die Teilnehmer weitere Hauptaspekte oder Einzelpunkte und sagen, welchem Ast ein weiterer Zweig zugefügt werden soll. Anschließend können zusammenhängende Punkte durch Pfeile oder Linien verdeutlicht werden. Zeitbedarf: 15–25 Minuten. ȤȤ Stimmungsbarometer: Auf einem Barometer von ++ bis – – ordnet sich jeder Teilnehmer entsprechend seiner eigenen Einschätzung zu. Wenn gewünscht,
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können die Teilnehmer zusätzlich die Gründe für ihre Stimmung stichwortartig notieren. ȤȤ Themenspeicher: Geordnete Liste der Cluster-Überschriften. Es können Spalten für die Gewichtung, Zeitangaben usw. vorgesehen werden. ȤȤ Vier-Felder-Tafel: Die Plakatwand wird mit einer Überschrift versehen und in vier Felder aufgeteilt. In jedem Feld wird ein thematischer Teilaspekt des Themas bearbeitet, z. B. Ist, Soll, Lösungen, Widerstände. ȤȤ Zuruffrage: Offenes Zurufen der Stichworte zum Moderator. Er schreibt auf. Die Karten werden in einem zweiten Durchgang in Cluster sortiert. Zeitbedarf: 10–20 Minuten. Prototypischer Ablauf einer Moderation Die Planung einer Moderation erfolgt immer auf der Sach- und Beziehungsebene. Auf der Sachebene legt der Moderator Ziele, Zwischenziele und den Ablauf fest und überlegt sich Fragestellungen für einzelne Sequenzen, insbesondere für den Einstieg. Auf der Beziehungsebene geht es um den Erlebnisablauf der Veranstaltung. Zu dieser psychologischen Seite der Moderation gehören insbesondere Einstieg, Abschluss und Pausenplanung. Aber auch die Stimmung der Teilnehmer und des Moderators ist während des Moderationsprozesses immer wieder wahrzunehmen, sichtbar zu machen und gegebenenfalls zu bearbeiten. Methodisch geschieht das mit Transparenzfragen (z. B. Kartenabfrage, Einpunkt-Fragen, Blitzlicht, Stimmungsbarometer): Wie gut haben wir das Problem im Griff?, Wie zufrieden sind wir mit der Gesprächsatmosphäre? Die Planung dient nicht dazu, sich streng daran zu halten, sondern einen roten Faden zu haben, um in der Situation mit der Gruppe flexibel reagieren zu können und nach Bedarf auch das Konzept zu ändern. Lehrer sollten diese Methodik für die Gesprächsleitung kennen und ihre Möglichkeiten reflektieren, um sie gezielt einsetzen zu können (z. B. Klebert/ Schrader/Straub 1987). In bestimmten Gesprächsphasen (Problematisierung, Ideengewinnung, Klärung und Entscheidung) sind Moderationselemente sehr hilfreich, auch wenn sie natürlich kein ›Allheilmittel‹ sind. Die Moderationsmethodik ist z. B. keine universelle Unterrichtsmethode, bei der der Lehrer schon die Antworten weiß, die die Schüler erst während der Moderation finden sollen. Dennoch kann die Moderationsmethode auch im Schulunterricht eingesetzt werden und die Unterrichtskommunikation verbessern (Nissen/Iden 1994; Nissen 1996). Durch die Ausbildung der Moderatoren in der speziellen Methodik greift das ›Chairman-Prinzip‹ bei der Moderation nur, wenn alle Teilnehmer mit der
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Methode umgehen können. Nicht nur Wissen ist Macht, sondern in gewissem Sinne auch jede Sozial-/Methodenkompetenz. Insofern sollte diese Methode nach und nach auch Schülern vermittelt werden, die einzelne Moderatorenaufgaben übernehmen. Ziele
Methoden
1. Einstieg Kennenlernen, falls notwendig
Partner-Interviews oder Gruppenspiegel oder Steckbrief oder Logo entwickeln o. ä.
Anwärmen
Einpunkt-Frage oder Graffiti (Plakat mit angefangenem Satz, z. B. »Am meisten freuen würde es mich, wenn hier …«) oder Stimmungsbarometer
Vorstellen der Methode und des Ablaufs
Vorstellen und erklären durch den Moderator
Abklären der Erwartungen Hinführen zum Thema
Einpunkt-Fragen (z. B. Skala »Wie sehr sind Sie von diesem Thema betroffen?«) oder Zuruf-Fragen (z. B. »Was soll bei dieser Veranstaltung herauskommen?«)
2. Themen sammeln Sammeln der Tagesordnungspunkte
Zuruf-Frage, Nummerieren
Problemklärung
Mind-Map oder Kartenabfrage Clustern und Oberbegriffe finden
3. Themen auswählen Aufgaben für nächste Arbeitsschritte finden
Oberbegriffe zu vollständigen Aussagen oder Fragen umformulieren Themenspeicher erstellen Mehrpunkt-Frage zur Gewichtung
4. Themen bearbeiten In drei Phasen: Informationen sammeln Lösungsmöglichkeiten erarbeiten Entscheiden (Phasen getrennt voneinander bearbeiten, nicht vorschnell entscheiden!)
Kleingruppenarbeit Kartenabfrage Mind-Map Vier-Felder-Tafel Zuruf-Frage Brainstorming freies bildhaftes Darstellen
5. Maßnahmen planen Konkrete Entscheidung, wer was bis wann erledigt
Tätigkeits-/Maßnahmenkatalog
6. Abschluss Reflexion der Veranstaltung
Einpunkt-Frage oder Blitzlicht oder Stimmungsbarometer
Mündigkeit durch Mündlichkeit
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1.4 Mündigkeit durch Mündlichkeit: Kooperation und kontrafaktisch unterstellte Symmetrie Unstrittig sind heute die globalen Zielsetzungen von Schule, Unterricht und Erziehung: Es geht darum, die jungen Menschen zur Mündigkeit und Teilhabe an unserer demokratisch verfassten Gesellschaft zu befähigen. Dazu sind neben vielen fachlichen Kompetenzen auch so genannte Schlüsselkompetenzen erforderlich wie Kommunikationsfähigkeit, Methoden- und Medienkompetenz und soziale Kompetenzen, vor allem Empathiefähigkeit, Team-, Kooperations- und Konfliktfähigkeit. Dabei geht es immer auch um mündliche Kommunikation, und zwar nicht nur reaktiv und ›nachplappernd‹, sondern reflektierend und kritisch. Kritische Mündlichkeit geht davon aus, dass – in Anlehnung an das bekannte Adorno-Zitat – bei der Reflexion immer auch der eigene SprechHandlungsvollzug und die gemeinsame Verantwortung von Kommunikation im Blick sind: »Mündig ist der, der für sich selber spricht, weil er für sich selbst gedacht hat und nicht bloß nachredet, der nicht bevormundet wird.« (Adorno 1971, 10) Im Unterricht geht es immer im weitesten Sinne um die Befähigung zur Kooperation, das ist in der fachdidaktischen Diskussion unumstritten, auch oder gerade weil die rhetorische Praxis in der Gesellschaft oft eine andere Struktur aufweist. Angefangen vom rhetorischen Verhalten unserer gewählten Vertreterinnen und Vertreter in der Politik bis hin zu Diskussions-Sendungen und Talk-Shows wird breitenwirksam eine eher machtorientierte, auf Durchsetzung (auch auf Kosten anderer) angelegte Rhetorik propagiert. Als deutliches Indiz dieses langfristig nicht-effektiven rhetorischen Handelns müssen die beklagten Vertrauensverluste und Einbußen an Glaubwürdigkeit betrachtet werden. Aber auch Korruption und zunehmende Gewalt sind Zeichen mangelnder Bereitschaft und Befähigung zum Miteinandersprechen und zur Auseinandersetzung im Gespräch. Wer am lautesten andere übertönt, sich nie unterbrechen lässt und immer Recht behalten muss, tritt dominant auf. Das ist aber überhaupt kein Zeichen von großer Selbstsicherheit, sondern vielmehr von Selbstunsicherheit. Denn derjenige braucht den Sieg aus dem Sieg-Niederlagen-Spielchen, um sich selbst gut zu fühlen. – Kennen Sie solche Mitmenschen? Wenn Sie ihnen widersprechen, stacheln Sie sie erst recht zu dominantem Auftreten an. Vielleicht probieren Sie es mal mit Anerkennung ihrer Arbeit und Leistung … denn Anerkennung und Wertschätzung brauchen sie, um sich sicherer zu fühlen, eine wesentliche Voraussetzung für nicht dominantes, kooperatives Handeln.
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Unterricht als Kommunikationsprozess
Schülerinnen und Schüler sind von der ersten Klasse an ernstzunehmende Gesprächspartner. Nur wenn sie persönliche Achtung und Wertschätzung erleben, können sie ein eigenes Selbstwertgefühl erlangen, das Voraussetzung für Kooperationsfähigkeit ist. Im Sinne kritischer Mündlichkeit muss also kontrafaktisch in der institutionell-komplementären Beziehung zwischen Schülern und Lehrern Symmetrie unterstellt werden. Auch wenn der Lehrer der Situationsmächtige ist, spielt er diese Machtposition nicht aus, sondern beteiligt seine Schüler an den Entscheidungen. Es wird mit Argumenten um die bestmöglichen Lösungen zu den anstehenden Fragen und Problemen gerungen. Und ein Lehrer, der sich von den Argumenten seiner Schüler überzeugen lässt, verliert nicht an Autorität, sondern gewinnt als Führungspersönlichkeit an Menschlichkeit und persönlicher Stärke. Sich-überzeugen-Lassen setzt ein eigenes Selbstwertgefühl voraus, man definiert sich nicht darüber, dass die anderen nicht widersprechen und blindlings folgen. Gemeinsame Klärungs- und Entscheidungsprozesse, in denen nicht die Lehrperson qua ihrer Rolle recht hat und sich durchsetzt, tragen zur kritischen Mündlichkeit bei. Nur dadurch erleben Schüler Demokratie – dass sie mit Worten (und nicht mit Gewalt) Einfluss nehmen und etwas verändern können, auch wenn sie nicht die mächtigere Position innehaben. Das ist ein grundlegendes Credo der gesamten kritisch-kommunikativen Didaktik seit den 1970er-Jahren (Klafki 1998, Schäfer/Schaller 1972): Man tut so, als wären alle Beteiligten gleichermaßen an den Entscheidungen beteiligt, jede Stimme zählt, und nicht einige (zumeist die Lehrer, aber manchmal auch Meinungsführer aus der Klasse) sind gleicher als andere. Das wird nicht nur in Verfügungsstunden, im Klassenrat und der Schülermitverwaltung gelernt, sondern eigentlich in jeder einzelnen Unterrichtsstunde. Kritische Mündlichkeit kann nicht auf einzelne Stunden beschränkt werden, sondern muss ein allgemeines Unterrichtsprinzip werden; wie man miteinander umgeht, lernen Schüler unbewusst und durch ihr Handeln (learning by doing) in jeder Stunde. Gelten demokratische Spielregeln dagegen nur in Ausnahmesituationen (und dann vielleicht auch nur bei eigentlich unwichtigen Fragen), werden diese zu Recht von den Schülern als unrealistische ›Sandkastenspiele‹ erlebt und deshalb abgelehnt.
1.5 Gesprächsmodelle für den Unterricht Bis heute ist der Normalfall der Unterrichtskommunikation die sokratische Gesprächsführung – trotz vieler Nachteile (siehe unten!). Mit zunehmender Zahl guter Medien und Vorbereitungsmaterialien und der Einsicht, wie kostbar die
Gesprächsmodelle für den Unterricht
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gemeinsame Zeit zur Besprechung und Diskussion ist, ist um die Jahrtausendwende das so genannte Inverted Classroom Model aufgekommen (Baker 2000; Lage/Platt/Treglia 2000). Also weg von der traditionellen Aufteilung, dass man im Klassenzimmer, während der gemeinsamen Lernzeit der Schüler, den Stoff vermittelt – das zumeist frontal durch Lehrervortrag – und die Anwendungsund Übungszeit auf die Hausaufgaben, also die individuelle Lernzeit, legt. Stattdessen hin zur Inversion: Zu Hause selbstständig schon mal Wissen aneignen und es dann gemeinsam im Klassenraum anwenden und üben, weil dabei die meisten Punkte noch einmal intensiv besprochen werden können und jeder aus den »eigenen Fehlern« lernen kann, wenn man sich gegenseitig korrigiert. Ganz abgesehen von der Inversion brauchen Lehrpersonen hier Kenntnisse über unterschiedliche Gesprächsmodelle. Denn sie müssen für jede Unterrichtsstunde didaktisch begründete Entscheidungen über sinnvolle und effektive Organisationsformen treffen. Beziehungsgestaltung und Themenarbeit sind immer mit abhängig von der grundlegenden Gesprächsorganisation. Das frontale, lehrerzentrierte Gespräch nach dem sokratischem Vorbild herrscht immer noch unreflektiert vor, alternative Gesprächsmodelle sind oft noch zu wenig bekannt und in ihrer Wirkung wenig reflektiert und erprobt. Mit Studierenden haben wir in schulpraktischen Studien verschiedene Gesprächsmodelle erprobt und evaluiert, sodass die Ergebnisse Ihnen vielleicht die eine oder andere Anregung für Alternativen zur sokratischen Gesprächsführung (Mönnich 1992, 1997) geben (Pabst-Weinschenk 2000). Reflektiert werden hier: ȤȤ Sokratisches Gespräch, ȤȤ Kontrollierter Dialog (Antons 1973, 87–89 nach Brocher 1967; Pawlowski 1980; Janning 1979; Plachta 1985; Pabst-Weinschenk 1995/2009, 129 f., 1998; 2003b; Geißner 1982, 112–115; Pabst-Weinschenk/Thiel 2012, 52–54 und 123–126), ȤȤ Gruppenpuzzle (Aronson 1978, 2000; Aronson/Patnoe 1997), ȤȤ Freie Diskussion (Pabst-Weinschenk/Thiel 2012, 52–54), ȤȤ Frage-Gespräch (entspricht dem Start einer kollegialen Fallberatung, Brinkmann 2002), ȤȤ Diskussion mit Rollenspielkarten (Achtnich/Opdenhoff 1975; Pabst-Weinschenk 1994, 2000a, 126 f.; 2003a), ȤȤ Amerikanische Debatte (Geißner 1975/1986, 59–67; Kelber 1977, 50–57; Pabst-Weinschenk 2004a; Pawlowski/Lungershausen/Stöcker, 1985, 50–54; Rode-Florin 2000; Wermers 1987; Pabst-Weinschenk/Thiel 2012, 50–52), ȤȤ Jugend-debattiert-Debatte (Debye-Göckler 2004/2011; http://www.jugenddebattiert.de/service/material/), ȤȤ Kugellager oder Tandem-Verfahren (Mattes 2002, 20),
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ȤȤ Diskussion mit Denkhüten (De Bono 1990), ȤȤ Web Quest (Moser 2000; Lenczowski 2013), ȤȤ Projekt-Gesprächsführung (Jaskolski/Lüschow/Pabst-Weinschenk/Ruck 1997; Lüschow/Pabst-Weinschenk/Zitzke 1999; Neumann/Bredemeier 1996; Lüschow/Zitzke 2004; Pabst-Weinschenk/Thiel 2012, 179–183; auch http:// www2.hhu.de/muendlichkeit/Projekt-Netz/index.htm). Sokratisches Gespräch Gesprächsorganisation Vorteile: Keine besonderen Erklärungen, Medien oder anderen Vorbereitungen notwendig; Sitzordnung wird beibehalten; keine organisatorischen Abweichungen vom ›normalen‹ Unterrichtsgespräch. Nachteile: Stereotype Sprecherwechsel: Lehrerfrage, Schülerantwort, Lehrerfrage, Schülerantwort … werden schnell langweilig; zudem benachteiligt die Verteilung der Gesprächsbeiträge die Schüler; die Gesprächsanteile der Lehrperson sind zu hoch. Es können sich nur wenige Schüler aktiv beteiligen, viele kommen nicht zu Wort und werden schnell demotiviert. Da sowieso immer nur einer reden kann, melden sich nur wenige, andere halten sich völlig raus. Der Ablauf wirkt oft schleppend. Besonders zu beachten: Im Dialog besser einzusetzen als frontal im Klassengespräch. Im Zweier-Gespräch ist die sokratische Gesprächstechnik durch die paraphrasierenden Anteile dem kontrollierten Dialog verwandt, allerdings stellt der Lehrer nur Fragen und enthält sich eigener Meinungsäußerungen. Im Klassengespräch sollte man immer erst mehrere Schülerbeiträge unkommentiert sammeln, bevor das Gespräch durch Zusammenfassung bzw. Frage weitergeführt wird. Beziehungsgestaltung Vorteile: Die Schüler fühlen sich ernstgenommen, wenn die Lehrperson ihnen zuhört, ihre Beiträge ernsthaft aufgreift, weiterführt und nachfragt. Die Lehrerfragen helfen als externe Steuerung beim entdeckenden Lernen. Nachteile: Die Lehrperson dominiert durch die Gesprächsorganisation derart, dass das Gesprächs-Ideal der Ausgeglichenheit verloren geht. Je länger ein Gespräch sokratisch geführt wird, desto mehr besteht die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler sich ›verhört‹ fühlen. Grundsätzlich tendiert die Wirkung von Gesprächsverhaltensweisen bei gehäuftem Auftreten ins Negative. Schülerinnen und Schüler können den Eindruck bekommen, die Lehrperson sei mit keiner Antwort zufrieden, wolle auf etwas Bestimmtes hinaus etc.
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Besonders zu beachten: Gut zuhören, denn nichts ist demotivierender als eine Lehrperson, die sokratisch entdeckendes Lernen ermöglichen will, aber nicht den richtigen Ansatzpunkt der Schüler findet! Themenbearbeitung Vorteile: Das Thema wird gründlich und kleinschrittig entwickelt, dadurch ist der Gedankengang gut nachvollziehbar. Derjenige, der antwortet, hat die Chance zum lauten (Sprech-)Denken. Dadurch wird das Verständnis gefördert. Nachteile: Einstrangig; durch das Nacheinander der Beiträge weniger kreative Assoziationen und Querverbindungen. Die Möglichkeit zum Entwickeln von Ideen beim Sprechdenken ist dadurch eingeschränkt, dass nur wenige sich aktiv beteiligen können. Besonders zu beachten: Möglichst wenig geschlossene Fragen, die nur mit JA/ NEIN beantwortet werden können! Besser sind offene Fragen (beginnen mit einem W-Fragewort: Wie …? Warum …? Welche …? usw.), weil sie einen größeren Antwortspielraum lassen. Eigene Meinungen nicht als verkappte Fragen einbringen; zur Ergebnissicherung sind Zusammenfassungen durch den Gesprächsleiter bzw. delegiert an Schüler unbedingt erforderlich. Kontrollierter Dialog Gesprächsorganisation Vorteile: Klar vorstrukturierte Gesprächsübung, die parallel in der Klasse in Gruppen zu dritt oder viert durchgeführt werden kann. Alle sind beteiligt und erproben das genaue Zuhören und Zusammenfassen. Zwei führen den kontrollierten Dialog, einer oder zwei beobachten und geben anschließend Feedback. Dann werden die Rollen gewechselt, sodass jeder das Zuhören und Zusammenfassen erproben kann. Gut planbar, Dauer: pro Dialog ca. 5 Minuten, zuzüglich Feedback und Themenfindung (falls nicht vorgegeben) – weitere 5 Minuten. Nachteile: Das andauernde Zusammenfassen macht das Gespräch anstrengend und langatmig, Schüler empfinden das schnell als langweilig, wenn man nicht betont, dass es sich um eine Übung handelt und man im Alltag nicht permanent so kontrolliert agiert. Besonders beachten: Am besten den Ablauf kurz demonstrieren, damit die Schüler wissen, wie es gehen soll. Deutlich herausstellen, dass es sich um eine ›Übung‹ handelt. Besonders wichtig auch der an die Übung anschließende Erfahrungsaustausch: Wie verlief die Übung in den Gruppen? Was und wie haben die Schüler erlebt? Was kann man gemeinsam als Erfahrung festhalten?
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Unterricht als Kommunikationsprozess
Beziehungsgestaltung Vorteile: Jeder fühlt sich ernstgenommen, weil der Gesprächspartner ihm durch die Wiederholungen und Zusammenfassungen zeigt, dass er ihm zugehört hat, auch wenn er anschließend widerspricht. Nachteile: Wer gut zuhört und paraphrasiert, aber keine eigene Meinung anschließt, gerät schnell ins Hintertreffen, weil die Zusammenfassungen den Gesprächspartner motivieren, noch mehr von sich und seiner Position preiszugeben. Besonders zu beachten: Begrenzte Übungszeit vereinbaren, damit es nicht langweilig wird und ggf. Hilfestellung bei der (kontroversen) Themensuche geben. Themenbearbeitung Vorteile: Die Themen werden sehr intensiv mit Pro- und Contra-Positionen beleuchtet und die Beteiligten finden schnell auch Kompromissmöglichkeiten, wenn sie feststellen, dass sie bei bestimmten Punkten nicht mehr widersprechen können. Das Gespräch wird sehr intensiv und bleibt auch bei Meinungsdifferenzen sachlich. Nachteile: Wenn man sehr ähnliche Positionen vertritt, wird das wiederholende Zusammenfassen schnell als überflüssig empfunden. Besonders zu beachten: Auch wenn es sich um eine strukturierte Kommunikationsübung handelt, ist es wichtig, dass die Themen für die Schüler interessant und neu sind, damit die Aufgabe eine Herausforderung darstellt. Der kontrollierte Dialog ist nicht geeignet, bereits hinreichend besprochene Themen noch einmal zu rekapitulieren. Gruppenpuzzle Gesprächsorganisation Vorteile: Strukturiertes arbeitsteiliges Verfahren zur Bearbeitung neuer Themen nach dem amerikanischen Vorbild der Jigsaw-Methode. Es werden Arbeitsgruppen mit 4–6 Teilnehmern eingeteilt, in denen jeder Teilnehmer einen bestimmten Teilaspekt bearbeitet. Jede Gruppe erhält die gleichen Arbeitsmaterialien. Die Gruppenmitglieder aus den verschiedenen Gruppen, die das gleiche Material bearbeiten, sind die Experten dafür und treffen sich nach der ersten Besprechung in der Arbeitsgruppe in so genannten Expertengruppen zum Austausch über ihr jeweiliges Expertenthema. Anschließend wird in den Arbeitsgruppen weiter gearbeitet und eine Präsentation vorbereitet.
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Gesprächsmodelle für den Unterricht 1. Stamm-Arbeitsgruppen bilden
2. Expertengruppen
3. Stamm-Arbeitsgruppen: gegenseitige Berichte
Nachteile: Jedes Gruppenmitglied braucht Zeit, sich in sein Gebiet einzuarbeiten. Besonders zu beachten: Die Mitglieder der Arbeitsgruppen sollten hinsichtlich Geschlecht, Herkunft und Fähigkeiten gemischt sein. Die Lehrperson benennt jeweils einen Gruppenleiter bzw. delegiert diese Aufgabe in die Gruppen. Jedem Gruppenmitglied wird eine Teilaufgabe zugeteilt. Als Lehrperson muss man den Überblick behalten, von Gruppe zu Gruppe gehen und ggf. beratend tätig zu werden. Beziehungsgestaltung Vorteile: Die Mitglieder der Klasse werden in Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe bearbeitet das Gesamtthema, jedoch jedes Mitglied in Einzelarbeit einen anderen Teil. Dadurch wird jeder Schüler wichtig, denn er ist Experte für ein Teilgebiet. Er erarbeitet sich selbstständig den Stoff. Beim Austausch in den Expertengruppen werden Qualitätsunterschiede der individuellen Erarbeitung ausgeglichen. Nach dem Austausch in den Expertengruppen trägt jeder in seiner Stammgruppe die Erkenntnisse aus seinem Spezialgebiet vor. Dadurch hat jeder die Chance zum Vortrag, was bei anderen Gruppenarbeiten nicht der Fall ist. Die Gruppenmitglieder müssen dem Vortragenden aufmerksam zuhören, ihn ermutigen und unterstützen, denn sie brauchen diese jeweils für sie neuen Informationen für den Gesamtüberblick. Durch dieses arbeitsteilige Vorgehen wird der Teamgedanke gestärkt, die anderen Gruppenmitglieder werden nicht als Konkurrenten wahrgenommen. Verantwortung für die Inhalte wird gelernt, und das Selbstbewusstsein wird gefördert. Nachteile: Wenn es Rivalitäten und Beziehungsstörungen unter den Schülern gibt, sollten diese zunächst geklärt werden, weil sie sonst die positiven Effekte des Gruppenpuzzles stören. Besonders zu beachten: Die Arbeitsgruppen und Expertengruppen gezielt zusammenstellen.
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Unterricht als Kommunikationsprozess
Themenbearbeitung Vorteile: Themen können innerhalb kurzer Zeit vielschichtig bearbeitet werden, weil jeder von der Arbeit der anderen mit profitiert. Im Unterricht ist die Lehrperson entlastet, sie berät die einzelnen Gruppenarbeiten, führt Einzelgespräche. Die Zusammenführung der Gruppenarbeitsergebnisse muss geplant werden, sei es als Präsentationsrunde, PosterAusstellung, Quiz, Produktion von Podcasts, Videoclips o. ä. Nachteile: Aufwendige Vorbereitung verschiedener Materialien im Vorfeld; nicht alle Themen und Texte eignen sich für die Aufteilung auf verschiedene Bearbeiter. Doppelstunde in der Regel notwendig. Besonders zu beachten: Die Schnittstellen zwischen den kollektiven Arbeitsphasen und individuellen Lernschritten müssen gut geplant werden, damit keine Unruhe aufkommt und möglichst wenig Zeit ineffizient verstreicht. Da nicht alle Schüler gleich schnell arbeiten, sollten Zusatzmaterialien für die Schnelleren bereitgehalten werden. Freie Diskussion Gesprächsorganisation Vorteile: Geringer Vorbereitungsaufwand, keine zusätzlichen Erklärungen notwendig. Nachteile: Gefahr, dass immer nur dieselben Schüler reden! Zurückhaltende kommen oft gar nicht zum Zug. Nebengespräche, Sich-ins-Wort-Fallen, Nicht-ausreden-Lassen usw. können schnell um sich greifen, und die Diskussion verläuft chaotisch. Besonders zu beachten: Als Leiter muss man die Diskussion formal eröffnen und beenden. In größeren Gruppen um Wortmeldungen bitten. Reihenfolge der Wortmeldungen beachten. So locker wie möglich, aber so streng wie notwendig leiten. Beziehungsgestaltung Vorteile: Locker, jeder kann mitreden; großer Freiheitsgrad für den Einzelnen, offener Prozess. Nachteile: Aktive Schüler dominieren. Bei geringer Beteiligung ist es schwierig, das Gespräch aufrechtzuhalten; bei geringem Interesse schwierig, überhaupt eine Diskussion in Gang zu setzen. Bei großer persönlicher Betroffenheit kann die Diskussion schnell emotionalisiert werden. Besonders zu beachten: Allen gleiches Rederecht gewähren; auf faires Verhalten achten; gut zuhören und alle Meinungen gleich wichtig nehmen.
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Themenbearbeitung Vorteile: Nicht eingeengt, viel Freiraum für (kontroverse) Meinungsbildung und Austausch; kein Einigungszwang. Nachteile: Abschweifungen vom Thema passieren schnell; das Thema ist oft wenig bzw. wird von einzelnen Teilnehmern divers fokussiert; insgesamt wenig ergebnisorientiert. Besonders zu beachten: Mit Fragen leiten; auf den ›roten Faden‹ achten; mit Zusammenfassungen (auch zwischendurch) Diskussionsstand als Ergebnis sichern, damit nicht der Eindruck entsteht, man habe ›umsonst‹ diskutiert, weil nichts herausgekommen ist. Frage-Gespräch Gesprächsorganisation Vorteile: Wie der kontrollierte Dialog gut geeignet für parallele Gruppenarbeit von drei bis fünf Personen. Klare Rollenverteilung in Problem-/Themenbringer und Fragesteller. Die Fragesteller dürfen nur Fragen stellen, nicht selbst etwas dazu sagen. Reihum werden die Rollen getauscht, wenn der Problem-/Themenbringer eine für ihn zufriedenstellende Lösung gefunden hat. Nachteile: Wenn keine Beobachter auf den richtigen Ablauf achten, werden die Rollen manchmal spontan verlassen und der Effekt, dass der Problem-/Themenbringer beim Antworten auf diverse Fragen sein Sprechdenken aktiviert und dadurch selbst zu einer Problemlösung findet, wird verhindert. Je nach Themen dauern Frage-Gespräche auch schon mal etwas länger. Pro Teilproblem muss man mindestens mit zehn Minuten rechnen. D. h., bei einer Dreier-Gruppe dauert ein Frage-Gespräch mindestens 30 Minuten ohne Eingreifen und Feedback von Beobachtern. Besonders zu beachten: Auf das Einhalten der Rollenverteilung achten. Ggf. kombinieren mit Kugellager bzw. Tandem-Verfahren, damit die Tandem-Partner als Beobachter das Einhalten des Ablaufs überwachen. Beziehungsgestaltung Vorteile: Der Problem-/Themenbringer steht im Mittelpunkt, erlebt durch die Fragen und Nachfragen verstärktes Interesse und kann selbst beim sprechdenkenden Entwickeln der Antworten Lösungsansätze finden und reflektieren. Nachteile: Verschlossene Schüler wollen sich vielleicht nicht so öffnen, besonders wenn ihr Vertrauensverhältnis zu den Mitschülern in der Gruppen nicht besonders ausgeprägt ist.
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Unterricht als Kommunikationsprozess
Besonders zu beachten: Nicht gleich mit persönlichen Problemen einsteigen, sondern erst mit unverfänglicheren Themen, so kann man z. B. schwierige Gesprächssituationen für Rollenspiele in Frage-Gesprächen entwickeln lassen. Themenbearbeitung Vorteile: Die Gespräche werden sehr intensiv und persönlich. Das Thema der Frage-Gespräche kann mehr oder weniger stark gesteuert werden. Offene persönliche Fragestellungen wären z. B. Welche Situationen in der Klasse gefallen dir nicht und wie würdest du sie gern verändern wollen? Oder: Welche persönlichen Schwierigkeiten siehst du bei den zukünftigen Bewerbungssituationen für dich und wie meinst du, sie meistern zu können? Weniger verfängliche Themen wären z. B.: Versetze dich in … (z. B. eine literarische oder historische Figur). Welche Probleme erlebt er/sie in einer bestimmten Situation? Nachteile: Die Gespräche sind sehr persönlich, die Lösungen subjektiv. Wenn es um verallgemeinerbare Ergebnisse gehen soll, müssen die verschiedenen subjektiven Ansätze noch gegenübergestellt werden und gemeinsam reflektiert werden. Besonders zu beachten: Die Aufgabenstellung muss klar formuliert werden, am besten liegt sie schriftlich vor (Tafelanschrieb oder auf einem Arbeitsblatt). Diskussion mit Rollenspielkarten Gesprächsorganisation Vorteile: Schafft Abwechslung, steigert die Lebendigkeit, besonders wenn Karten auch einmal getauscht werden. Nachteile: Muss gut vorbereitet werden: Positionen müssen überlegt, Karten gebastelt werden. Besonders zu beachten: Thematische Impulse vorbereiten, z. B. bestimmte Fragen an bestimmte Rollenspieler; gut überlegen, wer welche Rollenspielkarte übernehmen soll, damit die Positionen das Gespräch bereichern. Liegen die Positionen der Rollenspielkarten den Teilnehmern persönlich näher, ist die Aufgabe für sie einfacher; müssen sie etwas spielen, das ihnen persönlich fern liegt, ist der Übungseffekt größer, aber diese Anforderung setzt größere Redesicherheit und Grundkenntnisse in der Gesprächsführung (z. B. ausreden lassen, Zuwendung durch Blickkontakt und Haltung, argumentieren, Bezüge herstellen durch verstehendes Zusammenfassen) voraus.
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Beziehungsgestaltung Vorteile: Der spielerische Zugriff lockert das Gespräch auf und macht Spaß. Bestehende Interaktionsmuster in einer Gruppe können damit unterbrochen werden. Nachteile: Bei guter Rollenbesetzung wird die Diskussion intensiver. Spielen aber die Kartenbesitzer ihre Rolle nicht angemessen aus, ist der Ablauf schwer planbar. Grundsätzliche Gefahr, dass diejenigen, die keine Karte erhalten haben, sich heraushalten und nicht mehr mitdiskutieren. Besonders zu beachten: Schwierig wird die Perspektive-Übernahme im Gespräch mit Andersdenkenden, denn Emotionalisierungen und Vorurteile oder Ängste behindern gegenseitige Bezugnahme. Hier sind Gesprächsübungen mit Rollentausch besonders wichtig, um unterschiedliche Perspektiven überhaupt wahrzunehmen und gegenseitiges Verständnis zu ermöglichen. Eventuell sollte dazu vorab der kontrollierte Dialog geübt werden. Themenbearbeitung Vorteile: Rollenspieler müssen Positionen und Argumente vertreten, die nicht mit ihrer eigenen Meinung übereinstimmen. Sie erkennen, wie unterschiedlich ein Thema gesehen werden kann, und erleben, wie Perspektiven die Themenbearbeitung bestimmen. Das Klärungsgespräch wird dadurch vielfältiger, die Themenbearbeitung umfassender. Es erfolgt eine Auseinandersetzung mit Positionen, die über die begrenzte Meinungsvielfalt der real in der Gruppe vertretenen Meinungen hinausgeht. Es ist zu empfehlen, die Schüler selbst unterschiedliche Rollenspielkarten (mit Bild, soziodemografischen Angaben und Position zu einem bestimmten Thema) basteln zu lassen. Dabei vertiefen sie sich intensiv in verschiedene Perspektiven. Nachteile: Dominieren Vorurteile und klischeehafte Positionen auf den Rollenspielkarten, droht eine Polarisierung und das Thema wird nicht sehr differenziert, sondern ›schwarz-weiß‹ behandelt. Besonders zu beachten: Möglichst unterschiedliche Positionen auf den Rollenspielkarten, aber nicht nur extreme Positionen mit Vorurteilen und Klischees, sondern immer auch gemäßigte Positionen einbeziehen. Amerikanische Debatte Gesprächsorganisation Vorteile: Da man in den ersten beiden Runden nur zu bestimmten Zeitpunkten reden darf, wird Gesprächsdisziplin geübt. Man muss den Gegenrednern genau zuhören, weil man darauf antworten muss. Das fördert das Zuhören
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Unterricht als Kommunikationsprozess
und die Konzentration. Jeder wird beteiligt. Bewusstere Mitgestaltung des Gesprächsablaufes durch die gemeinsame Sammlung der Argumente in der Gruppe und die Verteilung der Argumente auf die Sprecher sowie die Festlegung der Reihenfolge. Es werden zwei gleich starke Gruppen gebildet. Ein kontroverses Thema wird festgelegt und die Gruppen werden als Pro- und Contra-Partei eingeteilt, zusätzlich wird ein Gesprächsleiter (GL) bestimmt, der auf die Einhaltung der Regeln dieser Übungsdebatte achtet. Vor der Durchführung gibt es ausreichend Vorbereitungszeit für die Fraktionen. Die Übungsdebatte findet in mehreren Runden, am besten mit Redezeitbegrenzungen von ein bis zwei Minuten, statt. Runde 1: PRO
CONTRA GL
1
4
2
5
3
6
Nacheinander geben die Mitglieder der PROGruppe ihr Statement ab. Anschließend die Mitglieder der CONTRA-Gruppe (unabhängig von den zuvor gehörten Statements). Also: Sprecher 1 (PRO-Gruppe) gibt sein Statement, dann Sprecher 2 usw. Dann gibt Sprecher 4 (CONTRAGruppe) sein Statement, dann Sprecher 5 usw.
Runde 2: PRO
CONTRA GL
1/10
4/7
2/11
5/8
3/12
6/9
Die CONTRA-Gruppe beginnt, auf die Statements der PRO-Gruppe aus Runde 1 zu reagieren. Anschließend reagieren die Mitglieder der PRO-Gruppe auf die Statements der CONTRAGruppe aus Runde 1. Also: Sprecher 4 reagiert als 7. Sprecher auf den Beitrag von Sprecher 1. Sprecher 5 reagiert als 8. auf Sprecher 2 etc. Anschließend reagiert Sprecher 1 als 10. Sprecher auf das Statement von Sprecher 4, Sprecher 2 auf 5 usw.
Runde 3: Freie Diskussion, die durch den Gesprächsleiter strukturiert wird. Reihenfolge der Wortmeldungen berücksichtigen, ggf. auch hier Redezeitbegrenzung von ein bis zwei Minuten!
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Nachteile: Wirkt schnell starr und aufgesetzt, wenn die Form noch ungeübt ist und zwischendurch immer wieder Erklärungen zum Ablauf erforderlich sind. Besonders zu beachten: Der Gesprächsleiter muss die Regeln selbst sicher beherrschen und sie vorher gut erklären, am besten mit Skizze (siehe oben). Bei der Durchführung ggf. immer wieder mit Blickkontakt und kleinen Gesten die Reihenfolge den beteiligten Redner verdeutlichen. Beziehungsgestaltung Vorteile: Durch die Vorbereitung in der Gruppe fühlen sich die Einzelnen sicherer. Negativ-emotionale Reaktionen wie Abwerten, Aufbrausen usw. kommen deutlich seltener vor, da immer erst mit Zeitverzögerung auf die Argumente des Gegenübers eingegangen wird. Durch die verbale Bezugnahme auf die Argumente des Gegenübers fühlt sich diese Person jeweils besser verstanden. Das Gespräch bleibt sachlich trotz großer inhaltlicher Differenzen. Nachteile: Wenig Freiraum für individuelle Entfaltung; je stärker die Solidarität mit der eigenen Gruppe, desto stärker die Abgrenzung und Konfrontation zur Gegengruppe. Durch den Fraktionszwang werden Konsens- oder Kompromissversuche schwieriger. Die Abgrenzung von der anderen Gruppe verführt zu Sieg-Niederlagen-Spielchen mit taktischen Argumentationen. Besonders zu beachten: Bei der Gruppeneinteilung darauf achten, dass nicht nur quantitativ gleich starke Fraktionen entstehen, sondern auch qualitativ sich Talente und Fähigkeiten etwa die Waage halten. Gestörte Beziehungen stören die Zusammenarbeit in einer Gruppe und verstärken den Abgrenzungseffekt und die Konfrontation mit der Gegengruppe. Themenbearbeitung Vorteile: Bei der Vorbereitung in der Gruppe findet schon eine Vorab-Klärung statt. Die Gruppenpositionen werden dadurch den Vertretern klarer, aber auch fixierter. In der Regel werden alle wichtigen Argumente zusammengetragen und verwendet. Nachteile: Eventuell muss man eine Position vertreten, die nicht der eigenen Meinung entspricht. Der dabei notwendige Perspektivenwechsel und die Denkumstellung können die thematische Klärung bereichern, führen aber oft auch zu Verunsicherungen und Denkblockaden. Pro – Contra verführt grundsätzlich schnell zum Schwarz-Weiß-Denken. Besonders zu beachten: Das Thema muss eine Entscheidungsfrage (Soll …? JA/ NEIN) bzw. eine These sein, der man zustimmt oder die man ablehnt. Enthaltungen, Einschränkungen gibt es dabei nicht. Optimal ist ein Thema, das alle anspricht und bei dem Befürworter und Gegner sich gleich vertei-
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len, sodass alle ihre persönlichen Meinungen in der Debatte vertreten können. Jeder Teilnehmer sollte Papier und Stift in der Debatte zur Verfügung haben, damit er sich für sein Statement und die Entgegnung Stichpunkte machen kann. Jugend-debattiert-Debatte Gesprächsorganisation Vorteile: Die Regeln beim bundesweiten Wettbewerb Jugend debattiert sind so gesetzt, dass ein überschaubares, lebendiges und sachliches Streitgespräch zustande kommt: 1. Debattiert wird zu jeweils vier Personen. Zwei sprechen sich für, zwei gegen das Gefragte aus. Einen Gesprächsleiter gibt es nicht. 2. Die Debatte gliedert sich in drei Teile: Eröffnungsrunde, freie Aussprache und Schlussrunde. In der Eröffnungsrunde hat jeder Teilnehmer die Streitfrage aus seiner Sicht zu beantworten, dann wird die Aussprache in freiem Wechsel fortgesetzt. Nach Ende der freien Aussprache hat jeder Teilnehmer die Streitfrage im Lichte der geführten Debatte ein zweites Mal zu beantworten (Schlussrunde). ȤȤ In der Eröffnungsrunde beginnt, wer die Änderung des bestehenden Zustands wünscht. Rede und Gegenrede wechseln einander ab. In der Eröffnungsrunde darf jeder Teilnehmer ohne Unterbrechung zwei Minuten sprechen. ȤȤ Die freie Aussprache dauert insgesamt zwölf Minuten. ȤȤ In der Schlussrunde ist die Redezeit jedes Teilnehmers auf eine Minute begrenzt. Die Teilnehmer sprechen in gleicher Reihenfolge wie in der Eröffnungsrunde. Dabei steht es jedem frei, seine Position gegenüber der Eröffnungsrunde zu verändern. In der Schlussrunde sollen nur Gründe vorgetragen werden, die bereits in der Eröffnungsrunde oder in der freien Aussprache genannt worden sind. 3. Soll-Fragen: Debattiert werden aktuelle politische Streitfragen. Jede Frage ist so zu stellen, dass sie nach einer konkreten Maßnahme fragt und nur mit ›Ja‹ oder ›Nein‹ beantwortet werden kann. 4. Freiheit der Meinungsänderung: Wer durch die Debatte zu einer neuen Einsicht gekommen ist, darf seine Position entsprechend verändern. 5. Zeitwächter: Über die Einhaltung der Redezeiten wacht ein Zeitwächter. Fünfzehn Sekunden vor Ablauf der Redezeit wird ihr nahes Ende durch einmaliges Klingelzeichen angezeigt. Das Überschreiten der Redezeit wird durch zweimaliges Klingelzeichen angezeigt und anschließend durch dauerndes
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Klingelzeichen unterbunden. 2 + 2 + 2 + 2 + 12 + 1 + 1+ 1 + 1 = 24 Minuten dauert die gesamte Debatte. Nachteile: Einschränkungen und Modifikationen müssen von den Debattierenden selbst eingebracht werden. Sie müssen auch die Fragestellung und die darin enthaltenen Begriffe selbst definieren. Das ist gar nicht so einfach und sollte vorher geübt werden. Besonders zu beachten: In der Eröffnungsrunde wechseln sich Pro- und Contra-Sprecher ab, es beginnt der Pro-Sprecher 1, dann schließt sich der Contra-Sprecher 1 an, gefolgt von Pro-Sprecher 2 und Contra-Sprecher 2. Da es keinen Gesprächsleiter gibt, müssen die Teilnehmer in der freien Aussprache den Sprecherwechsel selbst durch Blickkontakt organisieren. Beziehungsgestaltung Vorteile: In diesem Debatten-Format wird die Kooperation gefördert. Denn im Wettbewerb wird gerade auch die Gesprächsfähigkeit positiv bewertet. Dabei geht es im Detail um ȤȤ Zuhören: zeigen, dass man aufmerksam ist (Blickkontakt), ȤȤ Ausreden lassen (keine unpassenden Unterbrechungen), ȤȤ Sich selbst kurz fassen (die anderen immer wieder zu Wort kommen lassen), ȤȤ Anknüpfen an die Vorredner (ausdrücklich, präzise, korrekt), ȤȤ Angreifen gegnerischer Schwachstellen (nachfragen, widerlegen etc.), ȤȤ Bereitschaft, bei besseren Argumenten einzulenken. Nachteile: Auf Zurückhaltende wird nicht besonders Rücksicht genommen. In der freien Aussprache muss man sich selbst einbringen und zeigen, dass man etwas sagen will. Besonders zu beachten: Möglichst gleichstarke Teams in die Debatte schicken. Bevor die Debatten wettbewerbsmäßig bewertet werden, sollte das Format mehrfach geübt werden. Denn auch das persönliche Ausdrucksvermögen wird im Wettbewerb mit bewertet: ȤȤ Lebendigkeit in Gestik, Mimik, Stimme, ȤȤ Flüssigkeit im Vortrag (Eröffnungs- und Schlussrunde), ȤȤ Deutlichkeit der Artikulation, ȤȤ Verständlichkeit der Formulierung (Satzbau, Gliederung), ȤȤ Angemessenes Sprachniveau (Wortwahl, Wendungen), ȤȤ Anschaulichkeit und Einprägsamkeit der Formulierung, ȤȤ Sprecherische Gestaltung: Spannungsführung, Tempo, Pausen.
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Themenbearbeitung Vorteile: Die Themenbearbeitung wird bei diesem Format nicht vernachlässigt. Bei den Bewertungen wird sowohl die Sachkenntnis als auch die Überzeugungskraft berücksichtigt. Sachkenntnis ȤȤ Bestimmung der in der Streitfrage gefragten Maßnahme (oder Bestätigung oder Kritik der von anderer Seite vorgetragenen Bestimmung), ȤȤ Kenntnis des Sachverhalts (Tatsachen), ȤȤ Kenntnis von Wertungsgesichtspunkten (moralisch, politisch, rechtlich), ȤȤ Richtigkeit und Aktualität eigener Angaben, ȤȤ Genauigkeit der Angaben (Daten, Fakten, Definitionen, Zitate) Überzeugungskraft ȤȤ Passendes Auftreten (ernsthaft, vernünftig, wohlwollend), ȤȤ Hörer »abgeholt, wo sie standen«, ȤȤ Begründung der eigenen Position (nicht bloß Behauptung), ȤȤ Begründung von Änderungen der eigenen Position (insbesondere in der Schlussrunde), ȤȤ Zielsatz, entsprechend der Streitfrage (Botschaft u. U. darüber hinaus), ȤȤ Begründung aus gemeinsamen Gründen (Plausibilität), ȤȤ Widerspruchsfreiheit der eigenen Position (Schlüssigkeit). Nachteile: Vorkenntnisse zum Thema und rhetorische Erfahrungen sind notwendig. Besonders zu beachten: Themen und Fragestellungen gut auswählen und klar formulieren. Kugellager oder Tandem-Verfahren Gesprächsorganisation Vorteile: Die Klasse wird in zwei gleich starke Gruppen aufgeteilt. Die eine bildet den Innenkreis, die andere den Außenkreis. Wenn man diskutieren will, diskutiert zunächst nur der Innenkreis, die Mitglieder des Außenkreises beobachten jeweils den Sprecher aus dem Innenkreis, hinter dem sie sitzen, und geben ihm anschließend Feedback. Sie können auch nach einiger Zeit die Rollen wechseln lassen; dann diskutieren die ehemals außen Sitzenden im Innenkreis. Man kann aber auch Vorbereitungen jeweils von beiden Tandempartnern erarbeiten lassen oder quizmäßig Ergebnisse wiederholen lassen. Dabei ist es hilfreich, wenn der Innenkreis seine Aufzeichnungen oder ein entsprechendes Buch mitnehmen darf. Jeder Innenkreisler stellt dann seinem Tandempartner zwei bis drei Fragen, die dieser richtig beantworten
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muss. Dann wird gewechselt, sei es, dass nun die Außenkreisler die Fragen stellen oder alle Schüler aus dem Innenkreis jeweils einen Platz nach links oder rechts wechseln und dem nächsten Tandempartner Fragen stellen. Es gibt viele Variationsmöglichkeiten bei dieser Gesprächsorganisation. Nachteile: Es kostet Zeit, bis die neue Kreis-Sitzordnung hergestellt ist. Dabei kommt häufig auch allgemeine Unruhe auf. Besonders zu beachten: Ganz klare Ansagen, was wie gemacht werden soll. Ggf. passende Arbeitsblätter vorbereiten. Beziehungsgestaltung Vorteile: Stärkt die Gruppendynamik, wenn jeder mit jedem einmal zusammenarbeitet und die Rollen getauscht werden (besonders beim Abfragen von Ergebnissen). Nachteile: Leistungsstärkere Schüler erhalten ggf. von schwächeren Schülern zu wenig oder zu wenig detailliertes Feedback. Besonders zu beachten: Bei festen Tandempartnern auf die Sitzordnung achten, ggf. bestimmen, wer Tandempartner von wem wird. Themenbearbeitung Vorteile: Tandem-Verfahren sind vielfältig einzusetzen, je nach Thema und Intention sowohl zum Feedback, zur Erarbeitung, zur Diskussion oder zur Wiederholung und Festigung von Inhalten. Nachteile: Wenig Einblick in die Tandem-Gespräche, dadurch keine zusammenfassende Sammlung von Aspekten möglich. Besonders zu beachten: Klare Aufgabenstellungen und akustische Zeichen für den Rollenwechsel vereinbaren (Glocke, nicht die eigene Stimme überschreien, um den Geräuschpegel von 20 bis 30 sich unterhaltenden Kindern zu übertönen!) Diskussion mit Denkhüten Gesprächsorganisation Vorteile: Ein Gespräch mit Denkhüten bringt Abwechslung und Farbe im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Teilnehmer, die einen bestimmten Denkhut vertreten, setzen sich wirklich einen Hut in der entsprechenden Farbe auf. Jeder Denkhut steht für eine bestimmte Betrachtungsweise. Das belebt das Gespräch. Ziel ist das Abweichen von gewohnten Denkweisen, um neue Quellen der persönlichen Kreativität erschließen. Man kann die Denkhüte auf zwei unterschiedliche Weisen einsetzen:
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Unterschiedliche Denkhüte: Alle Teilnehmer tragen jeweils einen Denkhut, der nicht ihrer gewohnten Denkweise entspricht. Mit dem Denkhut übernehmen sie bewusst die Rolle, die jeweilige Denkweise zu repräsentieren. Gleicher Denkhut: Alle Teilnehmer (oder Teilgruppen) tragen für eine bestimmte Zeit den gleichen Denkhut und wechseln ihn dann gegen einen anderen aus. Mehrmalige Wechsel sichern, dass alle Denkweisen berücksichtigt werden. Die sechs Denkhüte fördern auch die individuelle Kreativität. Wenn Sie zu einem Problem keine befriedigende Lösung finden, liegt es vielleicht daran, dass Sie in Ihren starren Schemata denken. Setzen Sie die verschiedenen Denkhüte der Reihe nach auf und zwingen Sie sich, die Sache aus den verschiedensten Blickwinkeln zu betrachten. Es kann sein, dass Sie so eine völlig neue Lösung entdecken. Gelb ist die Farbe des Sonnenlichts und repräsentiert Optimismus und positives Denken. Menschen mit gelbem Hut argumentieren z. B. so: »Ich bin sicher, dass die Kunden für bessere Qualität auch mehr bezahlen.« Rot steht für Feuer und Wärme und vertritt das emotionale, intuitive Denken. Wer sich den roten Hut aufsetzt, wird weniger vom Kopf als ›aus dem Bauch‹ reden. Blau ist die Farbe des Himmels und ein Symbol für Überblick und Gesamtsicht. Der Träger eines blauen Hutes wägt unterschiedliche Meinungen gegeneinander ab und fasst Ansichten und Erkenntnisse der Gruppe zusammen. Grün vertritt Fruchtbarkeit und Wachstum und repräsentiert neue Ideen. Der Denker mit dem grünen Hut versucht, überkommene Denkweisen aufzubrechen: »Warum versuchen wir es nicht einmal auf einem völlig anderen Weg?« Weiß ist neutral. Dieser Hut symbolisiert das Streben nach ›objektivem‹ Denken. Die typische Annäherung an ein Problem lautet immer wieder: »Wie sehen die Fakten aus?« Schwarz wirkt negativ und streng. Der schwarze Hut gehört Menschen, die gern kritisieren oder widersprechen. Typisch sind Einwände, auch Killerphrasen wie: »Dazu fehlen uns die nötigen Leute.«
Ähnlich funktioniert auch die so genannte Disney-Methode, nach der die drei Seelen von Walt Disney (der Träumer, der Realist und der Kritiker, ggf. noch ein neutraler Beobachter) als Rollen verteilt werden und unter diesen unterschiedlichen Perspektiven dann ein Thema diskutiert wird.
Gesprächsmodelle für den Unterricht
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Nachteile: Gefahr, dass mit den Hüten herumgealbert wird und der Effekt der Perspektivenwechsel ausbleibt. Besonders zu beachten: Stabile Hüte basteln (Pappe oder besser noch Filz) und die verschiedenen Perspektiven gut erklären, vielleicht an Beispielen erläutern. Beziehungsgestaltung Vorteile: Wer einen Denkhut übernimmt, kann einmal ganz anders sein als sonst. Das belebt die Gruppendynamik. Nachteile: Wer mit Denkhut sehr extreme und vielleicht sogar negative Positionen vertritt, könnte Gefahr laufen, damit als Person identifiziert zu werden. Besonders zu beachten: Immer wieder betonen, dass die verschiedenen Positionen spielerisch so vertreten werden und nicht den eigenen Auffassungen und Verhaltensweisen entsprechen. Themenbearbeitung Vorteile: Effektives Denken und Diskutieren erfordert eine flexible Einstellung. Gruppen können ein Problem leichter bewältigen, wenn verschiedene Denkweisen berücksichtigt werden. Nachteile: Gefahr, dass einzelne Perspektiven, wenn sie von eloquenten Schülern vertreten werden, dominieren. Besonders zu beachten: Rechtzeitig Hüte wechseln, um viele Perspektiven und verschiedene Argumente aus den unterschiedlichen Perspektiven zu Wort kommen zu lassen. Web Quest Gesprächsorganisation Vorteile: Abenteuerliche Spurensuchen im Internet machen Schülern sehr viel Spaß. Web-Quests laufen in folgenden Phasen ab: 1. Authentische Fragestellung, Problemsituation usw., die idealerweise so motiviert, dass die Lerner sich aus eigenem Interesse der Thematik widmen und einen Lösungsansatz finden wollen. 2. Aufgabenstellung: Komplexität hängt vom Thema und der Zielgruppe ab. Die Aufgaben werden in Gruppen bearbeitet. 3. Für die Bearbeitung der Aufgaben ist genügend Material vorhanden: Links ins Internet, aber auch Bücher, lokal vorhandene Software usw. 4. Eine Prozessbeschreibung gibt den Lernern konkrete Handlungshilfen, wie sie vorgehen können.
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Unterricht als Kommunikationsprozess
5. Am Ende des Web Quests werden die Ergebnisse präsentiert (Präsentation in der Klasse oder im Web, Essay, Podcast, Video-Clip etc.) und der Lernprozess kritisch reflektiert. In die Konstruktive Kritik werden die Lernenden und Lehrenden einbezogen. Nachteile: Viel Vorbereitung und Material ist notwendig, damit die Gruppen zügig arbeiten können. Ebenso müssen genügend Computerarbeitsplätze (auf möglichst neuem technischem Stand) zur Verfügung stehen, denn lange Lade- und Downloadzeiten etc. demotivieren die Schüler. Besonders zu beachten: Alle Links vorher checken, denn nicht funktionierende Hinweise frustrieren. Beziehungsgestaltung Vorteile: Web Quests können in allen Schularten von der Grundschule an und in der Erwachsenenbildung unabhängig vom Unterrichtsfach eingesetzt werden, da sie immer vom Lehrenden auf die entsprechende Zielgruppe und deren Kompetenzen konzipiert und zugeschnitten werden können. Web Quests entsprechen dem konstruktivistischen Ansatz und betrachten Lerner als gleichberechtigte Kooperationspartner. Lernen ist ein aktiver und konstruktiver Prozess. Die Lerner sind motiviert und haben Interesse an dem, was und wie sie es tun. Lernen ist also ein selbstgesteuerter Prozess, bei dem der Lerner Steuerungs- und Kontrollfunktion übernimmt, und zugleich ein sozialer Prozess, Lernen geschieht am besten interaktiv in bestimmten realen Situationen. Die Rolle des Lehrenden entwickelt sich weg von der des Wissensvermittlers hin zum Coach bzw. Lernbegleiter. Nicht der Lehrende steht im Zentrum der Wissensvermittlung, sondern der Lernende. Nachteile: Wenn der Lehrer selbst nicht über genügend Medienkompetenz verfügt, wird er möglicherweise Probleme haben, seine beratende Funktion zu erfüllen. Ggf. kann er aber kompetente Schüler zu »Tutoren« ernennen, die ihn fachlich und methodisch schon bei der Vorbereitung unterstützen können. Das verbessert deren Selbstbewusstsein, was wiederum ein Vorteil ist. Besonders zu beachten: Aufgrund ihrer Struktur können Web Quests auf unterschiedlichen Kompetenzstufen der Lernenden eingesetzt werden. Beginner, ungeübte Lerner können Instruktionen erhalten, Fortgeschrittenen wird über das Internet Freiraum eröffnet, sich mit der Fragestellung vertiefend und nach eigenen Interessenschwerpunkten zu beschäftigen. Mithilfe der vorgegebenen Materialien (Links) kann das Problem lost in cyberspace, das häufig bei zu wenig vorstrukturierten Aufgaben zu beobachten ist, vernachlässigt werden.
Gesprächsmodelle für den Unterricht
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Themenbearbeitung Vorteile: Die Schüler erarbeiten sich aktiv Wissen und erwerben dabei zusätzliche Medienkompetenz. Web Quests ermöglichen lernerzentrierten Unterricht. Computer und Internet werden sinnvoll eingesetzt. Durch die Verwendung realer Kontexte ist für die Lerner ein Transfer leichter möglich. Nachteile: Das komplexe Lehr- und Lernarrangement muss gut vorbereitet werden, greift man nicht auf Internetangebote (wie z. B. unter http://www.lehreronline.de/520060.php, Abruf 28. 08. 2015) zurück. Besonders zu beachten: Im Internet finden Sie eine Vielzahl von Informationen über Web Quests und entsprechende Materialien. Bitte probieren Sie sie immer erst selbst einmal aus und checken Sie, ob sie Ihren Intentionen entsprechen. Nicht blind Unterrichtsvorschläge übernehmen! Zur Gesprächsführung im Projekt Als Gesprächsmethode wird die Moderation empfohlen. Besonders zu beachten sind bei der Gesprächsorganisation die Phasen einer Projektarbeit: 1. Gruppenkonstituierung Funktion: Bekanntheit und Vertrauen schaffen, Spezialisten zusammenführen, Wir-Gefühl entwickeln. Aufgaben: Sich gegenseitig bekanntmachen, über persönliche Themen sprechen, sich gegenseitig Respekt signalisieren, Regeln für die gemeinsame Arbeit vereinbaren. 2. Problemanalyse Funktion: Klare Orientierung schaffen bezüglich des zu bearbeitenden Problems und der zu berücksichtigenden Lösungsbedingungen. Aufgaben: Gemeinsam klären: ȤȤ Welcher SOLL-Zustand (Ziel) soll von welchem IST-Zustand aus erreicht werden? ȤȤ Welche Teil-Ziele (Wegmarken) müssen von welchen IST-Zuständen erreicht werden? ȤȤ Welche Hindernisse müssen auf dem Weg vom IST zum SOLL überwunden werden (= Probleme!)? 3. Kreativarbeit: Ideen sammeln und clustern Funktion: Für ein klar definiertes (Teil-)Problem möglichst viele gute Lösungsideen gewinnen.
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Unterricht als Kommunikationsprozess
Aufgaben: Ideen zunächst nur sammeln, Kreativmethoden einsetzen; nicht bewerten und diskutieren; jede Idee ist willkommen, ›Spinnen‹ ist erlaubt. Wenn genügend Ideen gesammelt worden sind, werden sie in einem zweiten Schritt zu Lösungsvarianten gebündelt. 4. Bewertung und Entscheidung Funktion: Die Lösungsvarianten nach rationalen Kriterien bewerten, bis eine sinnvolle Entscheidung getroffen werden kann. Aufgaben: Aus übergeordneten Projektzielen rationale Bewertungskriterien ableiten, Bewertungsmatrix erstellen, die einzelnen Felder der Matrix diskutieren, Entscheidung fällen. 5. Ergebnispräsentation Funktion: Die Betroffenen im Unternehmen vom Sinn der Veränderungsmaßnahmen überzeugen; Ängste abbauen, Widerstände überwinden, zur aktiven Mitarbeit motivieren. Aufgaben: Präsentationsdramaturgie entwickeln: Einwände, Ängste und Bedenken aufnehmen, entkräften und mit positiven Argumenten den Nutzen der Veränderung für die Betroffenen anschaulich darstellen. Wie funktioniert eine Bewertungsmatrix? Die einfachste Form ist eine Bewertungstabelle, in der die Projektideen mit Schulnoten von 1 bis 6 bewertet werden. Etwas differenzierter ist die NutzenNachteil-Tabelle: Dabei wird für jede Lösungsidee eine Tabelle erstellt, in der Nutzen und Nachteile der Idee gegenübergestellt werden. Alle Nutzen und Nachteile werden gesammelt und in die Tabelle geschrieben. Im Anschluss daran werden sie gewichtet und die negativen und positiven Gewichtungspunkte für jede Lösung summiert. Die Summenergebnisse von Nutzen und Nachteilen für jede Lösungsidee bilden die Grundlage für die Entscheidung. Eine Prioritätenmatrix ist ein streng formalisiertes Entscheidungsverfahren und zu verwenden, wenn folgende Voraussetzungen bzw. Ziele vorliegen: ȤȤ kleines Team (drei bis acht), ȤȤ wenig Lösungsideen (fünf bis zehn), ȤȤ relativ wenig Kriterien, ȤȤ völlige Einigkeit notwendig, ȤȤ viel steht auf dem Spiel.
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Gesprächsmodelle für den Unterricht
Basiskompetenz
Vermarktungsmöglichkeiten
Summe der Zeilen
Relativer Dezimalwert
Kosten
Zeitaufwand zur Erstellung
Kundennutzen
Kosten
Kundennutzen
Kriterien
Aufgrund der Komplexität ist das Verfahren der Prioritätenmatrix erst in der Oberstufe geeignet. Vorgehen: 1. Auf eine klare, knappe Endzielformulierung einigen, z. B. »Das Produkt auswählen, das wir als nächstes auf den Markt bringen möchten.« 2. Jedes Kriterium, das im ersten Schritt der Phase ›Bewerten und Entscheiden‹ herausgearbeitet wurde, gegenüber einem anderen Kriterium gewichten. Die Kriterien werden in eine L-förmige Matrix auf der horizontalen und auf der vertikalen Achse eingetragen. 3. Jedes Kriterium der vertikalen Achse wird mit den Kriterien der horizontalen Achse mittels Zahlenwert verglichen. Anhaltspunkt für den Vergleich ist die Wichtigkeit: 0,1 viel weniger wichtig 0,2 weniger wichtig 1 gleich wichtig 5 wichtiger 10 viel wichtiger 4. Sobald in eine Zeilenzelle eine Gewichtung (z. B. 10) eingetragen ist, wird ihr reziproker Gegenwert (hier 0,1) in die entsprechende Spaltenzelle eingetragen. 5. Im Anschluss werden die Werte in den horizontalen Zeilen addiert (= Summe der Zeile) und dann die Gesamtsumme ermittelt. 6. Der relative Dezimalwert (letzte Spalte) wird errechnet, indem die Summe der Zeile durch die Gesamtsumme dividiert wird: Summe der Zeile/Gesamtsumme = Kriteriengewichtung.
1
10
5
0,2
16,2
0,3
5
5
0,2
11,2
0,2
0,2
0,2
0,7
0,01
0,2
5,6
0,1
20
0,4
1
Zeitaufwand zur Erstellung
0,1
0,2
Basiskompetenz
0,2
0,2
5
5
5
5
Vermarktungsmöglichkeiten
5 Gesamtsumme
53,7
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Unterricht als Kommunikationsprozess
5
Relativer Dezimalwert
10
Produkt C
Summe der Zeilen
Produkt B
Produkt C
Produkt A
Produkt B
Kriterium Kosten
Produkt A
7. Alle Lösungsvorschläge mit jedem gewichteten Kriterium in jeweils einer Matrix vergleichen. Für jedes Kriterium wird eine Matrix erstellt, in der alle Lösungsvorschläge auf der horizontalen und auf der vertikalen Achse eingetragen werden. 8. Die einzelnen Lösungsvorschläge werden wieder paarweise verglichen und bezogen auf das Kriterium bewertet mit Hilfe der Bewertungsskala 0,1 bis 10. Die Formulierungen in der Bewertungsskala müssen dem Kriterium angepasst sein, z. B. für Kosten: 0,1 viel höher 0,2 weniger hoch 1 gleich hoch 5 niedriger 10 viel niedriger Die ganzen Zahlen müssen sich dabei immer auf die wünschenswerte Bewertung beziehen, also bei Kosten z. B. 5 = niedriger, bei Kundennutzen 5 = höher. Der relative Dezimalwert in der letzten Spalte ist die Optionsbewertung.
0,1
0,2
0,3
0,02
1
11
0,64
6
0,35
1 Gesamtsumme
17,3
Produkt A
0,2 × 0,02
Produkt B
0,2 × 0,64
Produkt C
0,2 × 0,35 Gesamtsumme
Relativer Dezimalwert
Summe der Zeilen
Vermarktungsmöglichkeiten
Basiskompetenz
Zeitaufwand zur Erstellung
Kosten
Kundennutzen
9. Alle Lösungsvorschläge mit allen Kriterien in einer L-Matrix vergleichen. Alle Kriterien werden auf der horizontale Achse eingetragen, alle Optionen auf der vertikale Achse.
Und im Konfliktfall: nicht-direktive Gesprächsführung
73
10. In jeder Zelle wird die entsprechende Kriteriengewichtung mit der entsprechenden Optionsbewertung multipliziert. Daraus entsteht der Wert pro Option. 11. In jeder Reihe werden die Werte pro Option addiert (vorletzte Spalte). Aus den Summen wird die Gesamtsumme gebildet. In der letzten Spalte wird wieder der relative Dezimalwert ermittelt, indem die jeweilige Reihensumme durch die Gesamtsumme dividiert wird. Die Lösungsmöglichkeit mit dem höchsten Dezimalwert ist nach den aufgestellten Kriterien die am ehesten zu wählende. Vorteile: Die Bewertung der Ideen erfolgt systematisch, die Kriterien werden konsequent angewendet. Der Aufmerksamkeitsfokus wird nicht auf die Gesamtidee, sondern auf überschaubare Teilaspekte gerichtet. Lieblingsideen können und müssen nicht verteidigt werden. Durch das paarweise Gegenüberstellen und Gewichten wird die Diskussion straff gelenkt. Nachteile: Aufwendiges Verfahren, das Zeit kostet, sich aber lohnt, wenn es um wirklich wichtige Entscheidungen geht, die möglichst sachlich getroffen und wobei persönliche Präferenzen/Vorurteile ausgeschaltet werden sollen. Besonders zu beachten: Tabellen vorbereiten, damit die Entscheidungen nicht zu lange dauern und sich die Teilnehmer auf die Bewertung konzentrieren können.
1.6 Und im Konfliktfall: nicht-direktive Gesprächsführung Konflikte sind (zwischen-)menschlich, deshalb sollte man sie auf jeden Fall ernstnehmen. Sie sind sogar unvermeidbar, denn wir sind alle Individuen mit unterschiedlichen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und müssen uns immer wieder mit anderen auseinandersetzen, gerade auch im Klassenzimmer. Wenn wir gemeinsam arbeiten und lernen, dann kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Diese sollte man erkennen und zulassen, denn werden Konflikte unterdrückt, quasi ›unter den Teppich gekehrt‹, dann sind sie weder gelöst noch wirklich unsichtbar gemacht. Sie werden sich in der Regel immer weiter hochschaukeln und unter dem Deckmantel sachbezogener Auseinandersetzungen weiter das gemeinsame Handeln stören. Man widerspricht dann z. B. jemandem nicht aus sachlichen Gründen, sondern aus Antipathie, Trotz, Rache oder ähnlichen ablehnenden Gefühlen, weil der »sowieso keine Ahnung hat«, »überhaupt doof ist«, »einem letztens auch einen Vorschlag abgelehnt hat« usw. Bei solchen Streitereien geht es den Kontrahenten immer darum, den Gegner niederzumachen und selbst zu siegen. Zu solchen Sieg-Niederlagen-Spielchen werden alle Tricks und manipulativen Taktiken verwendet (vgl. die Beispiele
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Unterricht als Kommunikationsprozess
im grauen Kasten im Abschnitt Lehrer-Schüler-Beziehung zwischen Situationsmacht und Glaubwürdigkeit S. 17). Jeder ungelöste Konflikt zwischen Schülern und Schülern und Lehrern verschlechtert die Beziehungsebene und das Lernklima im Klassenzimmer und schließlich wird gar nicht mehr miteinander gesprochen und gelernt, sondern nur noch ein Beziehungskrieg geführt. Dazu sollte es nicht kommen, denn das erzieht Schüler nicht zu kommunikativen, mündigen Persönlichkeiten. Sie können durch die vermeintlichen Erfolge der Sieg-Niederlagen-Strategien kein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln, sie fühlen sich selbst nur noch gut, wenn sie andere fertigmachen und dominieren. Zwölf Straßensperren auf dem Weg zur nicht-direktiven Kommunikation Geduld, Toleranz und die Fähigkeit, gut zuhören zu können, sind Voraussetzungen für nicht-direktive Gesprächsführung. Bestimmte Sprechhandlungen, die in Situationen, in denen die Gesprächspartner keinen Konflikt miteinander haben, durchaus auch ihre Berechtigung haben können, sind bei der nicht-direktiven Gesprächsführung nicht zielführend, weil sie den anderen und sein Problem nicht ernstnehmen. Zu dieser Sprache der Nicht-Annahme zählen (Gordon 1977, 51 f.): 1. befehlen, kommandieren, anordnen, 2. warnen, drohen, 3. moralisieren, predigen, mit müsstest und solltest argumentieren, 4. raten, Lösungen oder Vorschläge anbieten, 5. belehren, Vorträge halten, mit logischen Argumenten kommen, 6. verurteilen, kritisieren, widersprechen, beschuldigen, 7. beschimpfen, Klischees verwenden, etikettieren, 8. interpretieren, analysieren, diagnostizieren, 9. loben, zustimmen, positive Bewertungen geben, 10. beruhigen, mitfühlen, trösten, unterstützen, 11. fragen, sondieren, verhören, ins Kreuzverhör nehmen, 12. zurückziehen, ablenken, sarkastisch sein, aufheitern, zerstreuen. Alternative: Niederlagenlose Gesprächsführung Die Methode der niederlagenlosen Gesprächsführung wendet sich gegen alle so genannten Sieg-/Niederlagen-Methoden, und zwar nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch aus Gründen der Effektivität. Sie wird nicht nur im Konfliktfall eingesetzt, sondern sollte auch in allen Sachgesprächen Verwendung finden, so z. B. auch beim sachgerechten Verhandeln (Fisher/Ury 1984).
Und im Konfliktfall: nicht-direktive Gesprächsführung
75
Entscheidungen, die in Sieg-/Niederlagen-Gesprächen gefällt werden, stellen oft nicht die beste Lösung dar. Wenn zu wenig argumentiert und abgewogen wurde, haben die getroffenen Entscheidungen oft wenig Bestand, da sich die unterlegenen Gesprächsteilnehmer nicht mit der Lösung identifizieren und oftmals die Realisierung behindern. Besonders in Konfliktsituationen kann eine Verbesserung nie mit einer Sieg-/Niederlagen-Methode erzielt werden. Bei jedem Konflikt ist zunächst zu klären, wer von den Gesprächspartnern überhaupt das Problem hat. Wenn den einen z. B. etwas stört, muss dies den anderen noch längst nicht stören. Je nachdem, wer das Problem hat, werden grundsätzlich zwei unterschiedliche Gesprächsstrategien empfohlen (Gordon 1972, 1977, 1979): Hat der/die andere das Problem, kann es aber selbst nicht angemessen formulieren, soll man aktiv zuhören und das, was man beim anderen heraushört, stellvertretend und probeweise für ihn oder sie formulieren. Das ist also so etwas wie ein erweiterter kontrollierter Dialog. Wenn man selbst ein Problem hat und sich dessen auch bewusst ist, soll man es möglichst direkt in Form einer Ich-Botschaft äußern, z. B.: »Ich mag das nicht. Diese Meinung halte ich für falsch. Ich empfinde es als ungerecht, wenn du jetzt gehst und ich mit dem Berg Arbeit allein sitzen bleibe. Ich werde nervös bei dem Gedanken, dass das so weitergeht.« Ich-Botschaften schaffen Offenheit und greifen den anderen nicht an, wenn sie nicht aggressiv gesprochen werden. Da sie den anderen nicht für das Problem verantwortlich machen, weisen sie auch keine Schuld zu. Aktives Zuhören und/oder Ich-Botschaften können Problemlösungsgespräche einleiten. Damit sie sachlich zu einer niederlagenlosen Klärung und Entscheidung führen, sollte man sich an folgendem Phasen-Modell orientieren (Gordon 1977, 197 ff.): 1. Problem, Konflikt ansprechen durch aktives Zuhören, Ich-Botschaften, 2. Sammlung aller möglichen Lösungen, 3. Bewertung der Lösungsvorschläge, 4. Entscheidung für die beste Lösung mit Einigungszwang, ohne Abstimmung, also: Ausdiskutieren und größten gemeinsamen Nenner suchen, 5. Richtlinien für die Realisierung der Entscheidung, 6. Bewertung der Effektivität der Lösung. Entscheidend für den Erfolg von Konfliktlösungsgesprächen ist es, das Sammeln von möglichen Lösungen möglichst wertungsfrei durchzuführen und die Bewertung (Schritt 3) wirklich erst anschließend gemeinsam durchzuführen. Jede Lösung, die für einen der Beteiligten nicht annehmbar ist, ist keine Lösung. Jeder hat VETO-Recht!
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Unterricht als Kommunikationsprozess
Fällt Ihnen etwas auf? Vergleichen Sie dieses Phasenmodell für Konfliktgespräche mal mit dem von Sachgesprächen wie z. B. der Projektgesprächsführung. – Genau, da ist eigentlich kein großer Unterschied …
Grundsätzlich kann dieses Schema auch auf andere Gespräche angewendet werden, bei denen man gemeinsam eine Entscheidung oder Zielvereinbarung treffen muss. An die Stelle des Konflikts tritt dann die sachliche Aufgabenstellung. In größeren Gruppen wird man aber ohne Abstimmungen und Mehrheitsentscheidungen nicht auskommen. Allerdings sollte man nie vorschnell abstimmen. Auch bei sachlichen Entscheidungen ist es notwendig, die Gründe ausführlich zu diskutieren, bevor man die Entscheidung fällt. Nehmen Sie auch kleine Konflikte ernst und versuchen Sie sie zu klären, bevor sie eskalieren! Das gilt für Konflikte unter Schülern, aber auch für Konflikte im Kollegium. Konflikte entstehen oft aus Missverständnissen, weil eine Äußerung anders als gemeint aufgenommen wird. Darauf weist Schulz von Thun mit seinem Nachrichtenquadrat und dem Vier-Ohren-Modell hin
Nachricht
Appellseite
Selbstkundgabe
Sachebene
Beziehungsseite
Versuchen Sie doch einmal eine Mediation durchzuführen, hier der Leitfaden für den Mediationsablauf: Wichtig: immer ruhig, langsam, sachlich sprechen, nicht laut werden, keine emotionalen Melodiesprünge etc. 1. Schlichtung einleiten 1.1 Kontrahenten begrüßen, sich vorstellen, 1.2 Ziele verdeutlichen: Lösung, mit der beide Parteien zufrieden sind, 1.3 Vertraulichkeit und Neutralität zusichern, 1.4 Ablauf der Schlichtung erklären,
Und im Konfliktfall: nicht-direktive Gesprächsführung
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1.5 Gesprächsregeln erläutern und das Einverständnis einholen: Sich gegenseitig nicht unterbrechen, ggf. stattdessen Gedanken notieren, sich gegenseitig nicht beschimpfen und sich nicht angreifen, 1.6 Gesprächsbeginn vereinbaren (bei Nicht-Einigung: auslosen!). 2. Sachverhalt klären und Anteile finden 2.1 Standpunkte vortragen in der ICH-Form, 2.2 Wiederholen und nachfragen (Übung: Kontrollierter Dialog!), 2.3 Über Motive und Gefühle sprechen, 2.4 Sich in den anderen hineinversetzen: In den Schuhen des anderen laufen; Plätze wechseln, sich mal hinter den Stuhl des anderen stellen und für ihn sprechen, 2.5 Eigene Anteile am Konflikt erkennen und aussprechen, 2.6 Über alternative Verhaltensweisen sprechen, 2.7 Augenblickliche Stimmung ausdrücken, 2.8 Rückmeldung geben, zum nächsten Schritt überleiten: Wenn es zu hitzig wird, Einzelgespräche mit den Kontrahenten führen; evtl. auch Co-Mediator/ in einbeziehen. 3. Lösungen suchen und Verständigung finden 3.1 Lösungsmöglichkeiten überlegen und aufschreiben, 3.2 Vorschläge vorlesen und zuhören, 3.3 Vorschläge bewerten und auswählen, 3.4 Sich auf eine gemeinsame Lösung verständigen: Wiedergutmachung, Versöhnung, Kooperation – aber keine Lösung, die von Außenstehenden erfüllt werden muss und keine Kuhhandel mit Bedingungen wie »Wenn du …, dann ich …«). 4. Vereinbarungen schriftlich festhalten 4.1 Schriftliche Vereinbarung erstellen, 4.2 Vereinbarungen unterschreiben und jedem der Kontrahenten eine Kopie aushändigen, 4.3 Sich verabschieden. Oder probieren Sie einmal Frage-Gespräche (im Sinne kollegialer Fallberatung) aus: Einer bringt den Konflikt und die anderen dürfen nur zuhören und nachfragen, bis sie alles verstanden haben. Bitte keine Kommentare oder eigenen Bemerkungen dazu! Im Sinne des Klärens der eigenen Gedanken beim Sprechdenken findet der Betroffene bei dieser Art der Gesprächsführung selbst die Ansatzpunkte für die Lösung.
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Unterricht als Kommunikationsprozess
Gewaltfrei kommunizieren Marshall B. Rosenberg ist genauso wie Thomas Gordon ein Schüler von Carl Rogers, auf dessen klientenzentrierte Therapie die gesamte Richtung der nichtdirektiven Gesprächsführung zurückgeht. Rosenberg hat die Methode der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) entwickelt. Ihm geht es darum, Organisationen zu gestalten, die nicht auf Autorität und Dominanz basieren, sondern lebensbereichernd für alle sind; das bedeutet für ihn, dass sie zur Erfüllung der Bedürfnisse aller beitragen zwischen Autonomie und Interdependenz. Also wir drücken unsere Bedürfnisse aus, ohne andere zu beschuldigen, und wir hören uns auch die Bedürfnisse der anderen respektvoll an. Keiner setzt sich auf Kosten anderer durch, es zählt nicht die Autoritätsposition. Motivation wird nicht durch Belohnung, Bestrafung, Schuld- oder Pflichtgefühle erzeugt, sondern Motivation entsteht dadurch, dass man etwas zum Wohlbefinden anderer beiträgt, von anderen zwanglos etwas annimmt und genau das auch von den anderen erfährt. Um diese kooperative und partnerschaftliche Zusammenarbeit (zwischen Schülern und Lehrern) umzusetzen, werden einvernehmlich Arbeitsziele und Vorgehensweisen vereinbart. Dazu ist eine prozessorientierte Sprache notwendig, die die Aufmerksamkeit auf die Gefühle und Bedürfnisse lenkt und die nicht moralisierend und bewertend Wahrnehmungen und Beobachtungen beschreibt. Es geht um Empathie, gegenseitiges Verstehen von Bedürfnissen und einen respektvollen Umgang miteinander. Und das nicht nur im Konfliktfall, sondern im Alltag permanent. Gewaltfreie Kommunikation ist also keine Technik, sondern eine Grundhaltung. Dieses Menschenbild stammt aus der humanistischen Psychologie und Rosenberg sieht in einer schädigenden Aktion eines Individuums nicht den Ausdruck des inneren Wesens, sondern eine »fehlgeleitete« Strategie eines eigentlich positiven Impulses. Für Rosenberg ist jede Form von Gewalt ein tragischer Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses. Welche Gefühle kennen Sie gut, haben Sie schon oft erlebt? ängstlich, heiter, gut gelaunt, misstrauisch, entsetzt, gelassen, ergriffen, erleichtert, einsam, schockiert, verlegen, wütend, sorglos, neugierig, gerührt, überrascht, zufrieden, fasziniert, erschöpft, trübsinnig, müde, kraftlos, erfreut, angeekelt, … Ergänzen Sie zu Ihrer eigenen Liste. Wenn Sie sie sortieren, handelt es sich bei den kursiv gedruckten Gefühlen um die, die in uns entstehen, wenn unsere Bedürfnisse erfüllt werden; die negativen Gefühle entstehen, wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Welche Liste ist bei Ihnen länger, die mit den positiven oder negativen Gefühlen?
Und im Konfliktfall: nicht-direktive Gesprächsführung
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Bitten statt Fordern Rosenberg und den Vertretern seines Konzepts der Gewaltfreien Kommunikation geht es um Verbundenheit zwischen den Menschen. Dazu sind vier Schritte wichtig: 1. Genau wahrnehmen und diese Beobachtungen formulieren. 2. Die ausgelösten Gefühle aussprechen. 3. Das Bedürfnis mitteilen. 4. Um Handlungen bitten, die unsere Bedürfnisse erfüllen. So bleibt die Kommunikation wertschätzend, niemand verliert sein Gesicht, und die Möglichkeit, über konstruktive Lösungen zu diskutieren und Vereinbarungen zu treffen, bleibt erhalten. Nach Rosenberg kann man diese Schritte in einem Satz zusammenfassen: Wenn ich (1) sehe, dann fühle ich (2), weil ich (3) brauche. Deshalb möchte ich jetzt gern (4). Hier drei Beispiele: 1. Andreas hat mir gesagt, der Hund des Nachbarn hätte gestern Nachmittag sein Hausaufgabenheft mit dem fertigen Aufsatz aufgefressen. 2. Ich finde das sehr bedauerlich. 3. Ich möchte gern die Aufsätze aller Schüler lesen/hören, weil es mich interessiert, was euch zu dem Thema eingefallen ist. 4. Kannst du mir bitte jetzt mündlich erzählen, wovon dein Aufsatz gehandelt hat und was du im Einzelnen geschrieben hattest? 1. Du hast dich jetzt dreimal am Unterrichtsgespräch mit einem ausführlichen Beitrag beteiligt, aber jeweils ohne dich gemeldet zu haben. 2. Es ärgert mich, wenn die Reihenfolge der Wortmeldungen im Unterrichtsgespräch nicht eingehalten wird. 3. Ich möchte geordnete Unterrichtsgespräche führen, in denen nach der Reihenfolge der Wortmeldungen gesprochen wird, weil das für mich zu einem respektvollen Umgang miteinander gehört. 4. Ich möchte, dass ihr alle jeweils die Hand hebt, wenn ihr etwas fragen oder anmerken möchtet. Ist unter euch jemand nicht bereit, das zu tun? 1. Bei dieser Gruppenarbeit war es am Anfang sehr still, es hat über 10 Minuten gedauert, bis die Gespräche in den Gruppen in Gang gekommen sind. 2. Das hat mich erstaunt, weil ich dachte, die Texte wären kurz und provokant und würden zum Diskutieren ermuntern. 3. Ich möchte gern die Zeit in der Gruppenarbeit effektiv zur Diskussion nutzen.
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Unterricht als Kommunikationsprozess
4. Deshalb bitte ich euch, für morgen den nächsten Text bereits zu Hause zu lesen, sodass morgen in der Gruppe direkt die Diskussion beginnen kann. Ist das für euch in Ordnung?
Vielleicht klingen einige dieser Formulierungen noch ungewohnt für Ihre Ohren. Aber so kann Gewaltfreie Kommunikation funktionieren. Übrigens: In der Grundschule wird die Sprache der Gewaltfreien Kommunikation auch bildhaft als Giraffensprache (im Gegensatz zur Wolfssprache) vermittelt. In der Wolfssprache ist das vorherrschende Muster: 1. Schuld zuschreiben, 2. Scham auslösen, 3. Strafandrohung, 4. Forderung mit Lob/Belohnung. Übersetzen Sie die positiven Beispiele oben in die Wolfssprache, z. B. Andreas, du behauptest, dass der Nachbarshund dein Heft und deinen Aufsatz aufgefressen hat. Dann hast du aber nicht gut auf deine Sachen aufgepasst. Wie kann denn so etwas passieren? Wenn das noch mal passiert, muss ich dir eine schlechte Note eintragen. Also schreib deinen Aufsatz noch einmal und zeig ihn mir morgen, dann will ich es diesmal vergessen. Na, wie bekannt kommen Ihnen solche Formulierungen vor?
FAZIT: Stimmlich stimmiger Unterricht beginnt bei der wertschätzenden Haltung gegenüber den Schülern. Wer kooperativ-rhetorisch handelt, themenzentriert moderiert, abwechslungsreiche, schülerorientierte Gesprächsmodelle einsetzt und für ein lockeres, freundliches Gesprächsklima in der Klasse sorgt, schafft den notwendigen Rahmen für stimmigen Unterricht und tut seiner Stimme dabei auch schon mal etwas Gutes. Denn in einem kooperativen Unterricht, in dem die Lehrperson nicht dominiert, muss sie stimmlich nicht so große Kraftanstrengungen vollbringen wie in einem lehrerzentrierten Unterricht, in dem jede Interaktion über die Lehrperson geht. Stimmbildung, um die es in Kapitel 4 ausführlich geht, wird also hier nicht technisch antrainiert, sondern immer von einer entsprechenden Intention getragen. Stimmt die freundliche, kooperativ-rhetorische Grundhaltung, dann sind das wesentliche Voraussetzungen für eine gute stimmliche Präsenz.
Und im Konfliktfall: nicht-direktive Gesprächsführung
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Dabei müssen Lehrpersonen verschiedene Rollen erfüllen, die im zweiten Kapitel reflektiert werden, und sie müssen über die wesentlichen Kriterien im Lehrgebäude der Rhetorik verfügen, darum wird es dann im dritten Kapitel gehen.
2. Die Lehrperson als »Steuermann«
Die Grenzen zwischen Rhetorik und Didaktik sind fließend. So wie didaktische Konzepte im Kommunikationstraining genutzt werden, so erhellen auch rhetorische Überlegungen didaktische Kommunikationsprozesse: Die Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern ist wie jeder rhetorische Prozess zielorientiert. Es geht darum, definierte Ziele in bestimmten Schritten gemeinsam zu erreichen. Dabei führt nur eine kooperative Gesprächsführung zum Erfolg, Grundlagen und Modelle dazu finden Sie in Kapitel 1. Es muss eine vertrauensvolle Beziehung hergestellt werden, damit themenbezogen gearbeitet werden kann. Ich habe deshalb das Bild des »Steuermanns« aus der Moderationsmethodik für die Kapitelüberschrift ausgewählt. Die Lehrperson ist als Situationsmächtige der Gesprächsleiter, der die Gruppe führt und anleitet. Als Menschen, die von Berufs wegen täglich kommunizieren, benötigen Lehrer rhetorisches Handwerkszeug, wenn sie erfolgreich sprechhandeln wollen, und müssen die rhetorischen Wirkungen ihres eigenen Sprechhandelns kennen. Eine rhetorische Ausbildung trägt zur Professionalität im Lehrberuf erheblich bei. Ziel ist dabei nicht ein rhetorischer Perfektionismus, sondern die Befähigung zu authentischem, glaubwürdigem Sprechhandeln. Reibungsloses, perfektes Funktionieren ist eine Idealisierung der Technik, sie kann nicht auf menschliche Kommunikationsprozesse übertragen werden. Menschen handeln weder immer vernünftig noch immer richtig. Entscheidend ist, dass sie sich echt verhalten, als Personen glaubwürdig bleiben und zwischenmenschliche Beziehungen in gegenseitigem Vertrauen gestalten, auch bei Konflikten oder wenn Fehler eingestanden werden müssen und man sich dafür entschuldigt usw. Dennoch: Von KommunikationsProfis wie Lehrern erwartet man, dass sie nicht nur die Wirkungen ihres eigenen Sprechhandelns kennen, sondern es auch sach-, ziel-, partner- und situationsbezogen einsetzen. In dem dazu notwendigen rhetorischen Lernprozess steht die Lehrperson mit ihrem Sprechhandeln zur Disposition. So wie sie von ihren Schülerinnen und Schülern erwartet, dass diese an sich arbeiten und sich verändern, sollte sie auch selbst die Bereitschaft und Fähigkeit entwickeln, ihre
Voraussetzung: Gesprächskompetenz
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eigenes Sprechhandeln rhetorisch zu reflektieren und es zu verändern. Das ist die Aufgabe der sprecherzieherischen Ausbildung von Lehramtskandidaten.
2.1 Voraussetzung: Gesprächskompetenz Geht man von dem sprechwissenschaftlich-sprecherzieherischen Fachverständnis »Doppelpack-Disziplin in der antiken techné-Tradition« aus, dann bedeutet das auch, dass keine Lehrperson erfolgreich unterrichten kann, wenn sie nicht über eine entsprechende Eigenkompetenz verfügt: Die Redefähigkeiten der Lehrperson sind Voraussetzung für gelingende Unterrichtskommunikation und die Vermittlung von Redefähigkeiten an die Schüler (Pabst-Weinschenk 2005/6). In der Rhetorik geht es immer zugleich um Wissen und Können, um Theorie und Praxis. Deshalb ist das grundlegende Vermittlungsprinzip das learning by doing. Rhetorik erschöpft sich nicht in theoretischen Analyse-Ergebnissen, sondern stellt Handlungs- und Produktionsmodelle für das Erfahrungslernen bereit, an denen die Wirkung rhetorischen Handelns persönlich ausprobiert und gemeinsam in einer Lerngruppe analysiert und reflektiert werden kann. Besonders wichtig ist es, bei diesem Probehandeln den blinden Fleck in der Selbstwahrnehmung zu beachten. Viele Operationen laufen beim Sprechen völlig unbewusst ab oder sie werden in ihrer Wirkung anders wahrgenommen als von Außenstehenden (vgl. 1.2 Feedback-Kultur). Reden lernt man durch Reden! Es gibt viele Bücher über Rhetorik, auch solche, die sehr anwendungsorientiert und praxisnah sind. Auch wenn man in solchen Ratgebern viele Hinweise und Tipps findet, sie können das praktische Lernen in einer Gruppe nicht ersetzen. Man muss die Redeformen und Gesprächsformate selbst ausprobieren und die Erfahrungen in seine Kommunikationsbiografie integrieren. Wir lernen nach dem Prinzip »Versuch und Irrtum«, d. h., wir versuchen mit unseren erworbenen Automatismen kommunikative Situationen zu meistern. Wenn wir sie anschließend reflektieren und uns Feedback gegeben wird, können wir selbst entscheiden, was wir für angemessen halten und deshalb beibehalten wollen und welche Aspekte wir zukünftig anders gestalten möchten. Reflektieren Sie einmal ihre eigene Kommunikationsbiografie. Jeder hat eine Menge kommunikativer Erfahrungen, die prägen. Dabei sind bestimmte Schlüssel-Erlebnisse wichtig, sie bilden gewisse Muster aus, die unser weiteres kom-
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Die Lehrperson als »Steuermann«
munikatives Handeln mitbestimmen. Versuchen Sie, sich zu erinnern. Wenn Sie anschließend die Möglichkeit haben, sich mit jemandem auszutauschen, dann besprechen Sie alle Fragen zu zweit oder zu dritt: 1. Welche Kommunikationserfahrungen haben Sie in frühester Kindheit gemacht? Welches Kommunikationserlebnis aus Ihrer Vorschul- und/oder Grundschulzeit ist Ihnen lebhaft in Erinnerung geblieben? 2. Welche Kommunikationserfahrungen haben Sie in der Schulzeit (weiterführende Schulen) gemacht? Gibt es da typische Situationen? 3. Welche Kommunikationserfahrungen machen Sie heute in Ihrem Leben immer wieder? Finden Sie zwischen den Kommunikationserfahrungen aus den drei Lebenszeiten einen ›roten Faden‹? Was ist bestimmend in Ihrer persönlichen Kommunikationsbiografie?
Von der Rede zum Gespräch Rhetorische Übungen können bei verschiedenen Rede- oder Gesprächsformen ansetzen. Kooperative Rhetorik ist immer dialogisch orientiert, beginnt aber in der Erwachsenenbildung im Idealfall bei der Vermittlung von Rede-Modellen und führt »Von der Rede zum Gespräch« (Pabst-Weinschenk 1991). Das an den Redner oder die Rednerin erteilte Rederecht ȤȤ führt zur Pflicht und Übernahme von Situationsverantwortung, ȤȤ erzeugt Bewusstheit intentionalen Redehandelns, ȤȤ schafft eine objektive Notwendigkeit zur Prozesssteuerung, ȤȤ macht das Kooperationsprinzip erlebbar, ȤȤ reduziert die Komplexität von Interaktion und ȤȤ ermöglicht Transfer auf komplexere Situationen (Zweier-, Kleingruppenbis zum Großgruppengespräch). Begreift man im Sinne der Kooperativen Rhetorik Reden als virtuelle Dialoge, so ermöglichen Redeübungen ein intensiveres persönliches Lernen und fördern das Bewusstsein für die Gestaltung sprechsprachlicher Kommunikation. Die Lerner erleben dabei stärker die Notwendigkeit, selbst Verantwortung für den Kommunikationsprozess zu übernehmen, und sie stehen mit ihren persönlichen Kommunikationsfähigkeiten mehr im Mittelpunkt. Auch wenn Sie weg vom Frontalunterricht wollen und die Gesprächsmodelle aus dem Kapitel 1 umsetzen möchten, also einen dialogischen Unterricht bevorzugen, sollten Sie in der Lage sein, Kurzreden/Statements intentional zu halten. Denn als Gesprächslei-
Voraussetzung: Gesprächskompetenz
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ter muss man immer mal Informationen weitergeben, Schüler motivieren, von etwas überzeugen etc. Können Sie aus dem Stegreif kurze Reden über Ihnen bekannte Themen halten? An welchen Strukturen orientieren Sie sich dabei? Schon mal was von Fünfsätzen, harten Nachrichten, Frage-Antwort-Modellen, AIDA-Formeln etc. gehört? Diese Strukturen gehören zum rhetorischen Handwerkszeug für Sprechprofis (siehe unten).
Sprechmuster Durch unsere Gewohnheiten entstehen Sprechmuster, die bestimmte Wirkungstendenzen haben, die uns selten bewusst sind und die wir zumeist auch nicht bewusst pflegen. Sie entstehen durch unsere inneren Haltungen und kommunikativen Prägungen. Wer z. B. in einer kinderreichen Familie aufwächst, in der die Eltern wenig Zeit für Gespräche mit den Kindern haben und die älteren Geschwister sich lautstark durchsetzen, gewöhnt sich vielleicht an, immer ganz schnell und laut etwas dazwischenzurufen. Das führt möglicherweise zu einem schnellen Vokalgriff, bei dem selbst die langen Vokale nicht richtig lang klingen. Dieser Sprecher wirkt auch später, wenn ihm seine Gesprächspartner genügend Sprechzeit einräumen, durch seine überschnelle Artikulation leicht hektisch und unstet. Oder jemand hat von klein auf immer nur wenig kräftige Kaubewegungen vollzogen, also härtere Speisen wie Vollkornbrot u. ä. vermieden: Dessen Mundmuskulatur ist für eine deutliche Artikulation oft zu schwach ausgeprägt, sodass er mit einem Pokerface (mit minimalen Gesichtsbewegungen) zum Nuscheln tendiert. Wer ständig unter sehr großer Anspannung steht, verkrampft sich nicht nur im Schultergürtel- und Nackenbereich, sondern bildet oft auch die Stimme mit viel zu viel Kraftaufwand, sodass diese bei längerer Beanspruchung schnell knarrt, rau und heiser wird. Sprechmuster bestehen immer aus interdependent zusammenwirkenden Elementen; eine monokausale Deutung wie z. B. »jemand, der leise spricht, ist unsicher« greift zu kurz. Mit den rein sprecherischen Elementen wirken immer auch körpersprachliche Aspekte und solche der Formulierung, Sprechhandlungsmuster, das gesamte Inhaltskonzept sowie die innere kommunikative Haltung zusammen. Deshalb brauchen wir in der Rhetorik einen umfassenden Orientierungsrahmen, der die verschiedenen Ebenen und Aspekte rhetorischen Handelns erfasst und ihre Interdependenzen veranschaulicht (vgl. die Rede-Pyramide in 3.4 und 3.5 Bewertungsbogen und Wirkungsprofil). Rhetorisches Können schließt das Wissen um Wirkungszusammenhänge ein und führt zu Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein: Wer sich seines rhe-
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Die Lehrperson als »Steuermann«
torischen Handelns und seiner Wirkung bewusst ist, ist seiner selbst sicher und kann verantwortlich mit anderen handeln. Wie spricht man situationsangemessen und adressatengerecht? Dazu gibt es keine Patentrezepte. Aber es gibt bestimmte Wirkungstendenzen, die von einzelnen Verhaltensweisen ausgelöst werden. Bestimmte akustische Strukturzeichen charakterisieren Sprechrollen, z. B.: Akustische Struktur (Aussprache – Stimmklang – Sprechausdruck)
Wirkungstendenzen
1. nasaler Klang
vornehm (französisch), distanziert bis überheblich, bildungsbürgerlich, konservativ
2. s-Auffälligkeiten (addentaler oder interdentaler Sigmatismus, ›Lispeln‹)
naiv-kindlich, weckt Beschützer-Instinkt; aber auch listig, wenn es scharf klingt
3. lateraler Sigmatismus (›Hölzeln‹)
unscharf, nicht prägnant, ungenau
4. undeutliche Aussprache (›Nuscheln‹) beruht auf zu geringen Mimik-Bewegungen (Pokerface) und geht oft mit insgesamt zu geringer Körpersprache einher
nicht klar, mundfaul, wenig interessiert, fahrig, gleichgültig, weniger kompetent
5. zurückverlagerte Artikulation
wenig offen, etwas verbergen, mit Ruhrpott-Slang auch typisch hemdsärmelig (Arbeitermilieu)
6. verbissene Aussprache (zu geringe Kieferöffnung)
etwas verbergen, nicht offen, Inhalte wirken schwieriger, anstrengender
7. vorherrschend Auf-Zu-Bewegungen (a-setting)
kindliches Plappern, naiv
8. vorherrschend Lippen-Breitspannung (i-setting)
überfreundlich, weniger ernstzunehmend
9. vorherrschend Lippen-Vorstülpung (u-setting)
etwas spitz, ängstlich
10. zu kurzer Vokalgriff, zu schnelles Sprechtempo
gehetzt, unstetig, oberflächlich
11. starke Behauchung der Plosive
leicht theatralisch
12. hyperkorrekte Aussprache
gelehrt, überheblich, pingelig genau, kleinlich
13. verhauchter Stimmklang
leidend, seufzend, aber auch geheimnisvoll und erotisch
14. weicher Stimmeinsatz
sensibel, gefühlsbetont
15. fester Stimmeinsatz
sicher, bestimmt, kompetent
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Voraussetzung: Gesprächskompetenz
16. harter Stimmeinsatz (›Knarren‹)
gezwungen, verklemmt, intellektuell, verkopft
17. gepresster Stimmklang (verstärkter Atemdruck, vokale Enge)
zu willensbetont, rhapsodisch (stark auf Zuhörer einwirken wollen), zwanghaft
18. erhöhte Sprechstimmlage (Kopfstimme)
sich klein machen, nicht bestimmt, nicht überzeugend, unsicher
19. leises Sprechen
zurückhaltend, wenig bestimmt, unsicher
20. lautes Sprechen
dominant, dynamisch, aber auch unsensibel
21. überstarke Betonungen
dynamisch, willensbezogen, dominant, belehrend, oberlehrerhaft
22. schwache Betonungen
lasch, undynamisch, langweilig, unwichtig
23. gleichförmiges Betonungsmuster
langweilig, uninteressiert, gleichgültig gegenüber dem Inhalt, wenig Einwirkungswillen
24. schnelles Sprechtempo (zu hohe Artikulationsgeschwindigkeit, zu wenig und/ oder zu kurze Pausen)
lebendig, quirlig, aber auch gehetzt, unsicher (schnell fertig werden wollen), sich nicht trauen, mehr Zeit zu beanspruchen
25. langsames Sprechtempo (zu langsame Artikulationsgeschwindigkeit, zu viele und/ oder zu lange Pausen)
gewichtig, man nimmt sich Zeit, aber auch langweilig, geistig nicht rege, unflexibel, schlecht vorbereitet
26. viele gefüllte Pausen (Füll-Laute, Füllwörter)
wenig kompetent, unkonzentriert
27. große Tonhöhenunterschiede in der Sprechmelodie
emotional, gefühlsbetont; bei hoher Stimmlage und gewisser Lautstärke auch hysterisch
28. häufige Tiefschlüsse, fallende Kadenzen
bestimmt, überzeugt, klar strukturiert, einfach verständlich
29. häufige Schwebe- oder Hochschlüsse, progrediente Kadenzen
freundlich, fragend, wenig bestimmt, reihendes Sprechen, Zuhörer kann nicht alle Infos behalten und verarbeiten; fühlt sich ›tot‹geredet (vollgelabert!) und ertrinkt im Redestrom ohne akustische Punkte.
Je nachdem, wie etwas gesprochen wird, hat man als Zuhörer den Eindruck, es handele sich um eine andere Person. Wir ziehen aus der Art und Weise, wie jemand redet, unsere Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Sprechers. Geleitet wird diese Interpretation von den gesellschaftlich und kulturell tradierten Mustern. Hören Sie sich auf der CD die Kurzbewerbung von Martina Schulte an. Ich habe Ihnen diesen kurzen Text, der z. B. bei einer telefonischen Kontaktaufnahme gesprochen werden könnte, in den oben skizzierten 29 unterschiedlichen
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Sprechmustern aufgenommen. Hören Sie die Unterschiede? Wie wirken welche Anruferinnen auf Sie? (Erstveröffentlichung der Aufnahmen in Deutschmagazin 5/2004; Pabst-Weinschenk 2004b; 2006a)
Voraussetzung für Überzeugungskraft ist die persönliche Glaubwürdigkeit, die durch Kongruenz zwischen Inhalt der Botschaft und Form der Präsentation entsteht. Wer z. B. Resonanzübungen anleiten will, sollte selbst in der Lage sein, resonanzreich zu sprechen; wer über die Schädlichkeit des Räusperns spricht, sollte es selbst nicht praktizieren etc. Auch Ironie, uneigentliches oder indirektes Sprechen führen zu inkongruentem Verhalten: Mit den Worten wird etwas anderes gesagt als mit Körpersprache und Sprechausdruck. Das kann Schüler mehr oder weniger stark verunsichern und die Kooperation stören. Treten Widersprüche zwischen Wortsinn und der körpersprachlich-sprecherischen Botschaft auf, wird nicht den Worten geglaubt, sondern der Art und Weise, wie die Worte gesprochen werden. Ist jemand z. B. genervt und unruhig, sagt aber, dass er ruhig sei, Zeit habe und man gemeinsam in aller Ruhe ein Gespräch führen könne, wird der Gesprächspartner dennoch die Unruhe spüren und merken, dass er mit seinem Anliegen ungelegen kommt. Lehrpersonen sollten auch in der Lage sein, inkongruentes Sprechhandeln bei ihren Schülern zu erkennen. Bedenken, Schwierigkeiten und emotionaler Widerspruch zeigen sich meist zuerst in körpersprachlich-sprecherischen Reaktionen. Wenn Schüler sich auf diese Weise indirekt äußern, sollte die Lehrperson nicht darüber hinwegsehen, sondern stellvertretend die Bedenken verbalisieren, um eine Verständigung darüber einzuleiten. Rhetorisches Handwerkszeug Alle wichtigen Kriterien der Rhetorik und ihr Zusammenwirken habe ich in einem Synopse-Modell zusammengefasst: Die Rede-Pyramide ist ein umfassender rhetorischer Orientierungsrahmen (vgl. 3.5 Bewertungsbogen und Wirkungsprofil). Darüber hinaus brauchen Sprechprofis verschiedene Strukturmuster für die Organisation von Inhalten, also Muster in der rhetorischen Tiefenstruktur, die sie entsprechend ihren Zielen, Inhalten, den Situationen und Zuhörern einsetzen können (zu den folgenden Strukturmustern vgl. Jaskolski/Pabst-Weinschenk 2012). Das Frage-Antwort-Modell ist ein Basis-Modell. Wenn man davon ausgeht, dass Reden/Vorträge keine Monologe sind, sondern – wenn man bei den Zuhörern ankommen will – immer virtuell-dialogisch zu begreifen sind, ist das Muster »Frage – Antwort« elementar, und man kann es auch zur kommunikativen Strukturierung einer Rede verwenden.
Voraussetzung: Gesprächskompetenz
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Die einfachste Rede-Gliederung ist: Einleitung, Hauptteil, Schluss. Wichtig ist, welche kommunikative Funktion jeder Teil der Gliederung hat. Was muss im Hinblick auf die Zuhörer und das Thema jeweils geschehen? Hier greift das Frage-Antwort-Schema: A) Die Einleitung soll ins Thema einführen, den Kontakt mit den Zuhörern herstellen. Übersetzt man das Thema in die Fragen der Zuhörer, so werden ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse geweckt. Das ist der Ist-Zustand aus der Zuhörer-Perspektive, bei dem man als Redner immer einsetzen sollte. Spricht man stellvertretend die Probleme, aber auch Erfahrungen, Beispiele, Erlebnisse, Kenntnisse, Sorgen, Nöte, Bedürfnisse … der Zuhörer aus, so fühlen sie sich verstanden und ernstgenommen. Dieser Einleitung können sie zustimmen. Damit hat der Redner das Interesse geweckt. B) Im Hauptteil stehen die wichtigen Aussagen des Redners im Vordergrund. Er gibt seine Antwort auf die Fragen der Zuhörer. Das ist sein Soll-Zustand. So wird die Rede zu einem stellvertretenden Dialog: Auf vorhandene Fragen wird geantwortet. C) Der Schluss dient der Zusammenfassung für die Zuhörer. Das kann eine plakative Formulierung sein, ein Bonmot, ein Zitat oder ein Appell. Strukturhilfen durch rhetorische Fragen
Der Redner kann sich bei der Strukturierung selbst rhetorische Fragen stellen, z. B. für ȤȤ ein informatives Referat •• Worum geht es? •• Warum ist das Thema wichtig? •• Was wissen wir schon darüber? •• Welche neuen Infos möchte ich vermitteln? •• An welchen Beispielen kann ich das zeigen? •• Was sollen meine Zuhörer auf jeden Fall behalten? ȤȤ eine argumentative Rede •• Warum ergreife ich das Wort? •• Wogegen wende ich mich? •• Was ist schlecht daran? •• Wofür bin ich? •• Welche Gründe sprechen für meine Position? •• Was sollen die Zuhörer denken oder tun? ȤȤ einen Vorschlag •• Um welches Problem geht es? •• Warum ist es so wichtig, es (bald/schnell) zu lösen?
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•• Wie lautet mein Vorschlag? •• Was spricht für meinen Vorschlag? •• Warum ist der Vorschlag im Interesse der Zuhörer? Was haben sie davon? ȤȤ eine Ablehnung eines Vorschlags •• Was will X, die Gegenseite? •• Welche Nachteile hat das? •• Was sollten wir stattdessen fordern oder tun? •• Welche Vorteile hat das? •• Warum sollen die Zuhörer den Vorschlag der Gegenseite ablehnen? ȤȤ einen klärenden Diskussionsbeitrag •• Um welche Frage geht es? •• Welche Aspekte sind mir dabei wichtig? •• Warum? •• Wozu trägt das bei? Fragen regen das Sprechdenken an. Die meisten Menschen können, wenn ihnen im Gespräch eine Frage gestellt wird, diese beantworten, vorausgesetzt sie wissen etwas über die Sache. Genau diesen kommunikativen Ansatz kann man bei Kurzreden oder Mini-Referaten benutzen (Pabst-Weinschenk 2007). Wer sich in der Sache auskennt und sein Referat mit den wichtigen Fragen gliedert, braucht in der Regel keinen anderen Stichwortzettel mehr und kann frei sprechend die Fragen beantworten. Auch die AIDA-Formel aus der Werbung kann als Gliederung für einen motivierenden, überzeugenden Kurzvortrag genutzt werden: 1. Attention: Die Aufmerksamkeit des Kunden wird geweckt. 2. Interest: Das Interesse für das Thema/Produkt wird erregt. 3. Desire: Der Wunsch nach dem Produkt wird geweckt. 4. Action: Der Kunde kauft das Produkt. Ebenso geeignet ist das MISLA-Modell (Wittsack 1935/1939), um appellierende Reden zu strukturieren: 1. Motivation: Warum spreche ich? Das Problem schildern oder auf aktuelles Ereignis verweisen. 2. Ist-Zustand: Wie verhält es sich derzeit? Wie erlebe ich den momentanen Zustand? Schilderung der derzeitigen Situation. 3. Soll-Zustand: Wie sollte es sein? Welchen Zustand, welche Situation streben wir an? Angestrebtes Ziel, angestrebter Zustand oder die ideale Situation. 4. Lösungen: Wie kann man diesen Zustand erreichen? Mögliche Wege, Lösungen, Alternativen.
Voraussetzung: Gesprächskompetenz
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5. Aktion: Was müssen wir tun, um unser Ziel zu erreichen? Welche Aktionen müssen eingeleitet bzw. entschieden werden? Konkrete Handlungsaufforderung, knappe tabellarisch formulierte Entscheidungen, die bejaht oder verneint werden. Fünfsätze (Drach 1932, 113–128; Geißner 1968) sind argumentative Strukturmuster, die wie alle argumentativen Kurzreden von hinten geplant werden. Man muss zunächst immer wissen, worauf man hinaus will, wenn man andere überzeugen möchte (Schritt 5 = Zwecksatz). Dann plant man den ersten Satz, den Abholer (1): Wo stehen wir in der Diskussion? Was war bisher? Und dann den argumentativen Dreischritt in der Mitte. Dabei gibt es verschiedene Modelle, das bekannteste ist das dialektische: Denkbewegung
Sprachmuster
1 2
3 4 5
Das dialektische Modell 1. Der Vorredner/X hat uns einige Punkte erklärt … 2. Unter anderem hat er ausgeführt/gesagt … 3. Dagegen möchte ich aber einwenden … 4. Vergleicht man beide Positionen, dann … 5. Deshalb schlage ich vor … Kette 1. Der Vorschlag A ist … 2. Wir können überlegen, ob … 3. Der bessere Weg ist meines Erachtens, wenn … 4. Dann können wir nämlich … 5. Also haben wir zu entscheiden, ob …
1 2 3 4 5 1
2 3
4 5
1
2 3 4 5
Vom Allgemeinen zum Besonderen 1. Im Allgemeinen wird gesagt, dass … 2. Aber aus unserer Erfahrung … 3. Denn erstens … 4. Außerdem zweitens … 5. Aus diesen Gründen/folglich/also … Ein Kompromiss 1. A hat gesagt … 2. B hat dagegen geredet und angeführt … 3. Ich denke, beide haben nichts gegen … treffen sich in dem Punkt … 4. Vielleicht liegt eine mögliche Lösung in … 5. Wir sollten in diese Richtung weiter diskutieren …
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Denkbewegung
Sprachmuster
1
3
2
4
Vergleich 1. Die Gruppe A vertritt den Standpunkt … 2. Sie begründen das damit … 3. Dagegen meinen die Vertreter der Gruppe B … 4. Sie führen dafür als Gründe an … 5. W ie müssen diskutieren, welche Argumente für uns wichtiger sind, …
3
Ausklammerung 1. Wir diskutieren über … 2. Bisher wurde dabei vor allem … 3. Dabei wurde übersehen … 4. Aber das scheint doch besonders wichtig zu sein, weil … 5. Deshalb …
5 1 2 5
4
Überzeugen oder »nur« informieren? Sie erinnern sich an das Überzeugungsschema in Kapitel 1.1 (Überzeugen tut Not, Schüler ›abholen‹ und Alternativen abwägen, nicht mit der ›Tür ins Haus fallen‹)? Bei der Redevorbereitung ist die Grundfrage immer: Was möchte ich erreichen? Will ich die anderen informieren oder will ich sie überzeugen oder ihnen vielleicht auch nur meine Meinung zur Kenntnis geben? Diese drei Grundintentionen kann man aus dem Bühler’schen Organonmodell ableiten: Steht die Ausdrucksfunktion im Vordergrund, handelt es sich um eine Meinungsrede; steht die Darstellungsfunktion im Vordergrund, geht es um eine Informationsrede; steht die Appellfunktion im Vordergrund, geht es um eine Überzeugungsrede. Für jedes Redeziel gibt es spezielle zielführende Strukturen. Eine Informationsrede besteht in ihrer einfachsten Form aus den informativen Anteilen einer Meinungs- oder Überzeugungsrede. Wichtigste Voraussetzung für das Gelingen einer Informationsrede ist, dass das Dargebotene für die Hörer eine (neue) Information darstellt. Der Hörer hat nur dann ein Bedürfnis nach Information, wenn er sich in einer emotional-intellektuellen Problemspannung befindet. Ein solcher Spannungszustand verlangt nach Stabilisierung, die durch die Informationselemente geleistet werden kann. Nur wenn die Informationen einer Rede diese Funktion erfüllen, werden sie von den Hörern aufgenommen. Beim Informieren muss also auch ein psychologischer Einleitungsprozess beachtet werden. Also auch hier nicht mit der Info ins Haus fallen, sondern bei den Zuhörern mit ihren Fragen, Problemen, Bedürfnissen, Erfahrungen und Neugier beginnen.
Voraussetzung: Gesprächskompetenz
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Nicht alle Informationsreden sind voraussetzungslos. Manchmal hat in der Situation, in der informiert werden soll, bereits vorher eine Motivation, Problematisierung o.Ä. stattgefunden. Dann kann der Redner auf eine vorhandene Spannungslage zurückgreifen. Die Gruppe hat den Redeprozess eigentlich schon ohne den Redner begonnen. Sie kann sich selbstständig motiviert oder ihr Problem schon beschrieben haben. Der Redner muss dann mit seiner Rede dort beginnen, wo die Gruppe gerade steht. Er darf nicht all das wiederholen, was die Gruppe schon geleistet hat (lange Wiederholungen sind langweilig!). Rede ist nicht ein Prozess des Redners allein, sondern der ganzen Gruppe (Kooperation). Für Informationsreden heißt dies: Der Redner muss seine Hörerschaft genau an der Prozessstelle abholen, an der sie gerade steht, und dann die fehlenden Informationen besonders ausarbeiten. Bei Problemthemen innerhalb eines längeren Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses kann z. B. informiert werden über die Problematik und über alle möglichen Alternativen (mit Pro und Contra), ebenso über bisherige vergebliche/erfolgreiche Lösungsversuche oder eine neu sich bietende Möglichkeit. Bei der Information über unliebsame Entscheidungen sollte man allerdings – um Widerstände zu minimieren – auf den psychologischen Bauplan der Überzeugungsrede zurückgreifen. Setzt man ihn in die Vergangenheit, geht man also von der früheren Problemstellung aus und zeigt auf, welche Versuche es gegeben hat, die aus bestimmten Gründen scheiterten und so zu der Lösung geführt haben, die nun praktiziert werden muss, erreicht man beim Hörer mehr Verständnis für die getroffene Entscheidung. Geht man auch beim Informieren vom einfachen Frage-Antwort-Modell aus, so wird in der Frage-Phase das Interesse geweckt und die Problemspannung formuliert. Für die Struktur der Antwort gibt es verschiedene Möglichkeiten, je nachdem, um welches Thema es sich handelt. Gliederungsverfahren
Erläuterung
Nach der Sachstruktur
Der Aufbau des Vortrags folgt dem Aufbau der Sache, die beschrieben wird. Vorteile: –– schnell und sicher umzusetzen, da die Sache eine klare Vorgabe gibt –– sehr transparent für die Zuhörer, da Inhalt und Gliederung miteinander korrespondieren Nachteil: –– nur bei bestimmten Themen einsetzbar, z. B. Erläuterung eines technischen Geräts oder des Aufbaus einer Verwaltung
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Gliederungsverfahren
Erläuterung
Genetische Struktur
Der Aufbau des Vortrags folgt den Entwicklungsstufen der Sache, über die informiert werden soll. Vorteile: –– schnell umsetzbar –– gute Transparenz für den Zuhörer Nachteile: –– kann leicht langweilig werde –– nicht für jedes Thema geeignet
W-Fragen-Struktur
Der Informationsstoff, der in der Rede vermittelt werden soll, wird nach an den typischen W-Fragen (Wer, Wie, Was, Wo, Wann, Warum …) in Informationspakete gepackt. Die W-Fragen können als Überschriften dienen. Vorteile: –– gutes Selektions- und Komprimierungswerkzeug für unstrukturierte Informationsmengen –– schnell einsetzbar –– nutzbar als Zwischenüberschriften Nachteile: –– sehr simples und unspezifisches Gliederungsmuster, –– wird komplexen Themen oft nicht gerecht
Harte Nachricht
Der Vortrag wird wie ein Zeitungsbericht gegliedert. Man fängt mit dem ›Härtesten‹ = Wichtigsten an und arbeitet sich dann zu den weniger wichtigen Teilen vor. Vorteile: –– die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird optimal genutzt –– der Vortrag ist von hinten kürzbar Nachteil: –– nicht für jedes Thema geeignet
Hauptinformation (in der Gegenwart) Detailinformationen (in der Gegenwart) Hintergründe (logische oder zeitliche Vergangenheit) nähere Folgen (in der Zukunft) weitere Aussichten (in der Zukunft)
Diese Struktur ist auch für den Aufbau von Gesellschaftsreden (missions) gut geeignet!
Gegen 08/15-Tipps Dass es keine kommunikativen Patentrezepte gibt, ist bekannt. Dass es aber gerade deshalb wichtig ist, Lernern einen umfassenden Überblick über Kriterien und Wirkungszusammenhänge zu vermitteln, wird manchmal noch zu wenig berücksichtigt. Geht man – wie oben erläutert – vom dialogischen Prinzip aus, so muss man sich immer wieder klarmachen, dass auch eine Rede/ein Vortrag immer ein gemeinschaftliches Kommunikationsereignis ist. Kein Redner kann allein sein Redeziel erreichen; denn das, was jemand mit Reden erreichen möchte,
Sprechvorbild
95
liegt immer beim Zuhörer: Der Redner möchte, dass der Zuhörer etwas Bestimmtes weiß, denkt oder tut. Das Ziel kann nur der Zuhörer erfüllen, deshalb ist es so wichtig, die Hörer mit ihren Fragen und Einwänden abzuholen, ihnen die Sache verständlich zu erklären und aus ihrer Perspektive den Weg zum Ziel aufzuzeigen. Das bedeutet, dass man schon bei der Vorbereitung immer die Zuhörer und ihre Sichtweise mit berücksichtigen muss. Es redet zwar nur eine Person, aber Reden dürfen nicht monologisch strukturiert sein, sondern die Zuhörer müssen immer mitgedacht und mit berücksichtigt werden. Um überzeugend für die Zuhörer zu wirken, muss man nicht perfekt sein, sondern präsent in der Situation und authentisch und glaubwürdig als Person wirken (vgl. 2.4 Präsenz und Authentizität). Deshalb muss man beim rhetorischen Lernprozess an seinen persönlichen Stärken ansetzen und an seinen persönlichen Schwächen arbeiten.
2.2 Sprechvorbild Lehrer haben für ihre Schüler eine gewisse Vorbildfunktion. Je jünger die Schüler, desto größer ist der Einfluss der Lehrperson. Schüler finden Lehrer, die das, was sie lehren, auch selbst praktizieren, überzeugend und respektieren sie. Wer z. B. von seinen Schülern verlangt, dass sie andere ausreden lassen, sollte selbst auch Schüler ausreden lassen. Wenn man Schüler als ernstzunehmende Gesprächspartner sieht, gelten die Maßstäbe, nach denen man als Lehrperson Leistungen bewertet, auch für das eigene Handeln, und Feedback von Schülern für den Lehrer ist eine Selbstverständlichkeit (vgl. 1.2 Feedback-Kultur). Bildungsstandards gelten auch für Lehrer Seit 2003 wird im gesamten Bildungswesen Unterricht und Lehre neu strukturiert. Zuerst wurden die Bildungsstandards für den Mittleren Bildungsabschluss von der Kultusministerkonferenz (KMK) verabschiedet und sind seitdem handlungsleitend in allen Richtlinien und Lehrplänen der verschiedenen Bundesländer. Lehrpersonen verfügen über einen höheren als den mittleren Bildungsabschluss. Sie sollten also die Anforderungen des Mittleren Bildungsabschluss quasi als Mindeststandards sicher beherrschen (vgl. Pabst-Weinschenk 2005 und 2005a). Für den kommunikativen Bereich bedeutet dies: Schüler/Lehrpersonen bewältigen kommunikative Situationen in persönlichen, beruflichen und öffentlichen Zusammenhängen situationsangemessen und adressatengerecht.
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Sie benutzen die Standardsprache. Sie achten auf gelingende Kommunikation und damit auch auf die Wirkung ihres sprachlichen Handelns. Sie verfügen über eine Gesprächskultur, die von aufmerksamem Zuhören und respektvollem Gesprächsverhalten geprägt ist. Im Einzelnen können sie im Bereich ›Sprechen und Zuhören‹: –– zu anderen sprechen –– sich artikuliert, verständlich, sach- und situationsangemessen äußern –– über einen umfangreichen und differenzierten Wortschatz verfügen –– verschiedene Formen mündlicher Darstellung unterscheiden und anwenden, insbesondere erzählen, berichten, informieren, beschreiben, schildern, appellieren, argumentieren, erörtern –– Wirkungen der Redeweise kennen, beachten und situations- sowie adressatengerecht anwenden: Lautstärke, Betonung, Sprechtempo, Klangfarbe, Stimmführung; Körpersprache (Gestik, Mimik) –– unterschiedliche Sprechsituationen gestalten, insbesondere Vorstellungsgespräch/Bewerbungsgespräch; Antragstellung, Beschwerde, Entschuldigung; Gesprächsleitung –– vor anderen sprechen •• Texte sinngebend und gestaltend vorlesen und (frei) vortragen •• längere freie Redebeiträge leisten, Kurzdarstellungen und Referate frei vortragen: ggf. mit Hilfe eines Stichwortzettels/einer Gliederung •• verschiedene Medien für die Darstellung von Sachverhalten nutzen (Präsentationstechniken): z. B. Tafel, Folie, Plakat, Moderationskarten –– mit anderen sprechen •• sich konstruktiv an einem Gespräch beteiligen •• durch gezieltes Fragen notwendige Informationen beschaffen •• Gesprächsregeln einhalten •• die eigene Meinung begründet und nachvollziehbar vertreten •• auf Gegenpositionen sachlich und argumentierend eingehen •• kriterienorientiert das eigene Gesprächsverhalten und das anderer beobachten, reflektieren und bewerten –– verstehend zuhören •• Gesprächsbeiträge anderer verfolgen und aufnehmen •• wesentliche Aussagen aus umfangreichen gesprochenen Texten verstehen, diese Informationen sichern und wiedergeben •• Aufmerksamkeit für verbale und nonverbale Äußerungen (z. B. Stimmführung, Körpersprache) entwickeln
Sprechvorbild
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–– szenisch spielen •• eigene Erlebnisse, Haltungen, Situationen szenisch darstellen •• Texte (medial unterschiedlich vermittelt) szenisch gestalten Als Methoden und Arbeitstechniken können Schüler/Lehrpersonen –– verschiedene Gesprächsformen praktizieren, z. B. Dialoge, Streitgespräche, Diskussionen, Rollendiskussionen, Debatten vorbereiten und durchführen •• Gesprächsformen moderieren, leiten, beobachten, reflektieren •• Redestrategien einsetzen: z. B. Fünfsatz, Anknüpfungen formulieren, rhetorische Mittel verwenden –– sich gezielt sachgerechte Stichwörter aufschreiben –– eine Mitschrift anfertigen •• Notizen selbstständig strukturieren und Notizen zur Reproduktion des Gehörten nutzen, dabei sachlogische sprachliche Verknüpfungen herstellen –– Video-Feedback nutzen –– Portfolio (Sammlung und Vereinbarungen über Gesprächsregeln, Kriterienlisten, Stichwortkonzepte, Selbsteinschätzungen, Beobachtungsbögen von anderen, vereinbarte Lernziele etc.) nutzen
Liest man diese Standards, die die KMK für Schüler des Mittleren Bildungsabschlusses (2003) formuliert hat, so könnte man sie auch für stimmlich stimmigen Unterricht als programmatisch ansehen. Hand aufs Herz: Verfügen Sie als Lehrperson über all diese Kompetenzen? Wenn Sie sich da nicht sicher sind, sollten Sie das eine oder andere mal im Unterricht ausprobieren. Wenn Sie sich selbst dabei beobachten – oder besser noch: mit Video aufnehmen – und sich gezielte Rückmeldungen von ihren Schülern und/oder einem Kollegen geben lassen, können Sie Ihr rhetorisches Handeln im Unterricht professionalisieren. Wichtige Fragestellungen bei Ihrem persönlichen Training könnten z. B. sein: –– Wie sicher und ruhig stehen Sie vor der Klasse? –– Wie steuern Sie mit Blickkontakt das Gespräch? –– Wie gestikulieren Sie? –– Wie langsam und deutlich sprechen Sie? –– Wie angenehm klingt Ihre Stimme? –– Wie gut betonen Sie? –– Wie verständlich formulieren Sie (wie kurz sind etwa Ihre Sätze)? •• Wie klar sind Ihre Pausen? •• Fließen doch zu viele störende Füllwörter oder -laute ein?
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•• Wie gut gliedern Sie Informationen (z. B. mit Fragen oder anderen Zwischenüberschriften)? –– Wie anschaulich reden Sie (mit Bildern und Beispielen)? –– Wie gut motivieren Sie Ihre Schülerinnen und Schüler und wie gut problematisieren Sie Themen? –– Wie gut unterstützen Sie Ihre Wirkung mit Medien?
Worauf sollten Sie dabei besonders achten? Hier einige Fakten zur Sprechtechnik und zur rhetorischen Wirkung, damit Sie Ihre Beobachtungen besser einschätzen können (Pabst-Weinschenk 2005a): 1. Grundsätzlich sollte man beim Reden möglichst ruhig stehen, mit einer offenen Haltung, damit sich der natürliche Bewegungsdrang funktional in Gesten äußert. 2. Wer Blickkontakt hält, sieht in einem Gesprächskreis genau, wer als Nächster z. B. gern etwas sagen möchte. Man kann allein über den Blick auch dem nächsten Sprecher das Wort erteilen. 3. Es gibt Menschen, die lebendiger und größer gestikulieren, und andere, die eher weniger und kleinere Gesten machen. Zu seinem Temperament sollte man stehen. Man kann sich beim Reden nicht über längere Zeit verstellen. Wenn z. B. ein lebendiger Mensch sich ruhiger gibt, als er eigentlich ist, wird er immer nach einer gewissen Zeit anfangen, Ableitungsbewegungen für seinen Bewegungsdrang (z. B. mit den Füßen, Beinen, Armen oder auch dem Kopf) zu machen. Das wirkt viel störender, als wenn er von Anfang an seine lebendigere Gestik zugelassen hätte. 4. Viele Sprecher reden heute zu schnell, manche sogar so schnell, dass alle Vokale, die unsere Sprache zum Klingen bringen, nur noch ganz kurz gegriffen werden, sodass das gesamte Sprechen etwas gehetzt und flüchtig wirkt und nicht mehr richtig klingt. Hört man sich unter diesem Aspekt einmal bewusst verschiedene Sender und Sendeformate an, so kann man immer wieder feststellen, dass gerade in Jugendsendungen oft viel zu schnell gesprochen wird. In Seniorenprogrammen dagegen wird oft betont langsam artikuliert. Für die Grundschule sollte man auf jeden Fall als Sprechvorbild nicht zu schnell sprechen. 5. Vergleichswerte zum Sprechtempo: Grundsätzlich wird das Tempo in Silben pro Minute berechnet. Als langsames Tempo gilt etwa ein Sprechen mit bis zu 180 Silben/min (drei Silben/sec). Normal ist ein Sprechen um die 200 Silben/ min bis zu 240 Silben/min (bis vier Silben/sec). Schnell wirkt ein Sprechen mit über 240 Silben/min und sehr schnell über 300 Silben/min (fünf Silben/ sec). Dabei werden die Pausen nicht herausgerechnet, weil sie die Wirkung des Tempos mit beeinflussen. So kompensieren z. B. mehr und längere Pausen eine
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flottere Artikulationsgeschwindigkeit in der Gesamtwirkung. Deutlich sprechen heißt möglichst weit vorn sprechen, also Kiefer, Zähne, Zunge etc. möglichst viel und weit nach vorn bewegen. Wer sein Leben lang eher mit weniger Artikulationsbewegungen gesprochen hat, findet das häufig übertrieben oder sogar affig, aber eigentlich führt ein so deutliches Artikulieren nur zugleich zu einer lebendigen Mimik. Das ist gerade für Kinder wichtig, denn eine zu gleichförmige Mimik ist langweilig und ein Pokerface kommentiert zu wenig die Bedeutung und den gemeinten Sinn der Äußerung. 6. Wenn man lächelt, klingt auch die Stimme gleich viel angenehmer. Man kann nicht böse oder aggressiv klingen mit einem Lächeln auf den Lippen. Natürlich kann man Stimmstörungen damit nicht behandeln oder verhindern (besonders wenn sich jemand eine unphysiologische Stimmgebung angewöhnt hat), aber die Mimik ist immer auch ein Indikator für den Stimmklang und die Anstrengung beim Sprechen, die sich in einem zu gepressten Stimmklang äußert. 7. Deutliche Betonungen sind gut, und gerade kleinere Kinder brauchen sie, um Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Bitte hüten Sie sich aber vor dem übereindringlichen Lehrerton, bei dem alles sehr wichtig klingt und man auch keine Unterschiede mehr hört. Er wirkt sehr belehrend, man redet nicht mehr »auf Augenhöhe« mit den anderen, sondern stellt sich dominant und oberlehrerhaft eine Stufe höher. 8. Wie lang verständliche Sätze sein dürfen, kann man nicht genau bestimmen. Grundsätzlich merkt man an den Reaktionen sehr genau, ob oder was die Schüler gut oder weniger gut verstanden haben. Geht man von der begrenzten Aufnahmekapazität von max. ca. zehn Sekunden und einem normalen Sprechtempo mit ca. vier Silben/sec aus und rechnet etwa zwei Silben/Wort, dann sind ca. 20 Wörter die Obergrenze der Verständlichkeit. Als Faustregel werden deshalb auch oft maximal zehn bis 15 Wörter im Satz empfohlen. Dabei muss man sich aber klar machen, dass es sich um akustische Sätze handelt, d. h., die Sinneinheiten, die sprecherisch mit einem Melodietiefschluss und einer deutlichen Pause gekennzeichnet werden. Der Zuhörer braucht also ca. alle zehn bis 15 Wörter einen akustischen Punkt, der ihm erlaubt, das Gehörte weiter zu verarbeiten. Wer mit vielen Tiefschlüssen redet, wirkt gut vorbereitet (durch die klare akustische Gliederung) und bestimmter, aber nicht unbedingt simpel. Denn komplexe Zusammenhänge mit Begründungen, Einschränkungen etc., die in Nebensätzen formuliert werden, können nach einem Tiefschluss als Ausgliederungen nachgeschoben werden, sodass grammatikalisch durchaus ein hypotaktischer und komplexer Satzbau einfach und übersichtlich gesprochen werden kann. 9. Pausen sind wichtig, zu viele Ähs und Mhs stören. Wer mit zu vielen Ähs spricht, will in der Regel schneller reden als sein Sprechdenken funktioniert. Alles ist
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schon wieder in Sprechbereitschaft (Luft strömt schon wieder aus den Lungen in den Kehlkopf), aber das Signal vom Gehirn, welche Lautfolge produziert werden soll, fehlt noch. Deshalb ist der wichtigste Tipp oft der Mut zur Pause. Sprecher sollen sich die Zeit nehmen, die sie für ihr Sprechdenken brauchen. Aber man sollte auch nicht überkritisch bei jedem Äh sein. Denn nicht jedes Füllwort oder jeder Fülllaut wird überhaupt vom Zuhörer wahrgenommen. Im Alltag kann man immer wieder beobachten, dass erst bei gehäuftem Auftreten von Ähs die Aufmerksamkeit von Zuhörern ›umkippt‹. Zu viele Verzögerungspartikeln stören offensichtlich die inhaltliche Aufnahme des Gesagten, Zuhörer werden sich der Partikeln bewusst und empfinden sie als störend. Aus unfokussierten Feedbacks in allgemeinen Rede-Seminaren habe ich die Häufigkeit ermittelt, ab wann sich die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf Verzögerungspartikeln (und andere Füllwörter) richtet. Nach meinen Beobachtungen kann man davon ausgehen, dass ein solcher Wert bei fünf liegt: Mehr als fünf Fülllaute/min stören vermutlich die Zuhörbereitschaft und Textverständlichkeit, weniger als fünf Verzögerungspartikeln pro Minute werden zumeist überhört. 10. Je deutlicher die Gliederung ist, desto besser können Zuhörer das Gesagte verfolgen. Dabei helfen rhetorische Fragen und andere Zwischenüberschriften sehr. Deshalb sollte man versuchen, seine Ausführungen immer möglichst gut in kleine Informationspakete für die Zuhörer zu unterteilen. 11. Bilder und Beispiele machen Vorträge anschaulich. Grundsätzlich gilt: Ein induktiver Aufbau (vom konkreten Einzelfall zur Verallgemeinerung) ist leichter beim Zuhören zu verarbeiten als ein deduktiver Aufbau. Besonders in der Grundschule muss man sowieso aus der konkreten Anschauung heraus Verallgemeinerungen erst erarbeiten. Insofern ist dieser rhetorische Gliederungsgrundsatz für die Grundschule besonders wichtig. 12. Motivation und Problematisierung sind umso besser, je besser Sprecher sich in ihre Zuhörer hineinversetzen können. Welche Erfahrungen haben die anderen damit schon gemacht? Wie haben sie sich dabei gefühlt? Was interessiert sie? Was wünschen sie sich? etc. Je besser die Lehrperson die Perspektive der Schüler verbalisieren kann, umso leichter lassen sich Schüler motivieren und erkennen die Relevanz des Problems bzw. der Fragen für sich. Allerdings sollte man nie zu stark emotionalisieren, denn zu große Furcht z. B. blockiert und erzeugt Widerstände (Janis 1972). Werden dagegen kognitive Dissonanzen (also Unstimmigkeiten zwischen Denken und Handeln/Verhalten) bewusst gemacht, gehen Zuhörer gut mit und lassen sich auf einen Gedankengang ein. 13. Medien haben keinen Selbstzweck, sondern sie sollten immer funktional eingesetzt werden. Ferner sollten sie wirklich das zeigen, was sie demonstrieren sollen. Farbigkeit und Anschaulichkeit erhöhen die Wirkung von Medien. Den besten
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Lernerfolg erzielt man, indem man möglichst viele Sinneskanäle anspricht, d. h., ein ganzheitliches Lernen fördert. Durch das Hören bleiben dem Menschen nur 20 % des Gesagten in Erinnerung. Wird dieses jedoch verknüpft mit einem visuellen Reiz, sind es schon 50 %, erhält man gar die Möglichkeit, das zu Lernende selbst zu erarbeiten bzw. auszuprobieren, bleiben 90 % davon im Gedächtnis.
Grundlegende Maxime ist auch hier das Kooperationsprinzip (vgl. den Abschnitt Beziehung kooperativ gestalten in 1.1 Das Klima in der Klasse). Verständlichkeitskriterien Eine besondere Herausforderung für Lehrer ist das einfache und anschauliche Erklären ohne ›Fachchinesisch‹. Die Verständlichkeit ist immer abhängig vom Alter, Bildungsstand und der Erwartungshaltung. Grundsätzlich sollte man aber nichts umständlicher und komplizierter formulieren als unbedingt notwendig. Voraussetzung für verständliches Informieren ist die Fähigkeit zum Sprechdenken, zum spontanen Verfertigen der Gedanken beim Reden (Kleist 1805/06). Sie erinnern sich (vgl. Sprechdenken – die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden (Kleist) in 1.1 Das Klima in der Klasse): Das Aussprechen beginnt, sobald der Inhaltsplan mit den Hauptsinnwörtern vorhanden ist. Die Sprachproduktion arbeitet »inkrementell«: Verschiedene Teile einer Äußerung werden gleichzeitig auf verschiedenen Stufen verarbeitet; eine Äußerung muss also nicht erst auf einer Stufe fertiggestellt sein, bevor die Verarbeitung der nächsten Stufe erfolgt. Um einen Sprechdenkprozess in Gang zu setzen, bedarf man also nur eines Zielimpulses und weniger inhaltlicher Hauptvorstellungen als Stichwort-Konzept (Pabst-Weinschenk 1995/2009, 27 ff.). Zu den verschiedenen Unterrichtsthemen sollten Lehrern Konzepte zur Information präsent sein. Hilfreich sind dabei auch Medien wie Demonstrationsmodelle, Tabellen, Zeichnungen, Baumdiagramme, Mind Maps usw. Verständlich reden bedeutet im Detail (Pabst-Weinschenk 1995/2009, S. 54 f., nach Langer/Schulz von Thun/Tausch 1974): a) Möglichst einfach sprechen: •• Kurze Sätze •• Wenig Fremdwörter (übermäßiger Fremdwörtergebrauch ist oft nichts anderes als Imponiergehabe und Prestige-Denken!) •• Notwendige Fremdwörter und Fachbegriffe erklären, z. B. »Unter ›Eutonie‹ versteht man …«
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•• Wenig Floskeln wie »sag ich mal« oder »ich denke« verwenden und keine störenden Füllwörter wie »irgendwie, halt, eben, auch« oder »äh« •• Anschaulich und konkret sprechen, damit man sich alles besser vorstellen kann, nicht einfach »Räuspern ist ungesund«, sondern anschaulich erklären: »Beim Räuspern werden die Stimmlippen fest gegeneinander gepresst, durch die gestaute Ausatemluft werden sie auseinandergesprengt und schlagen gegeneinander; das ist anstrengend und führt, wenn man es häufig macht, zu Rötungen und Reizungen. Stellen Sie sich vor, Sie würden das mit einem anderen empfindlichen Körperteil machen …« •• Entsprechende Medien (siehe oben!) einsetzen •• Viel mit Verben formulieren, keine unnötig umständlichen Hauptwort konstruktionen (Nominal-Stil), nicht: »Ich stelle bei Ihnen jetzt eine Verbesserung der Lebendigkeit im Ausdruck durch die Stimmmelodiebewegung fest.« Besser: »Ich höre, wie Sie mit Ihrer Stimme jetzt besser rauf und runter gehen. Das klingt lebendiger, Ihre Stimme drückt melodisch mehr aus …« b) Möglichst übersichtlich gliedern: •• Absätze/Pausen machen •• Die Gliederung beim Informieren ankündigen •• Evtl. Abschnitte/Argumente mit Zahlen durchnummerieren •• Logisch vorgehen, alles in der richtigen Reihenfolge aufbauen c) So kurz wie möglich sprechen: •• Auf die wesentlichen Punkte begrenzen •• Aber kein Telegrammstil •• Wiederholungen wesentlicher Punkte und Zusammenfassungen sind für das Verstehen und Behalten wichtig •• Nebengedanken und zu persönliche Bemerkungen, Erlebnisse oder Erinnerungen weglassen d) Hörerfreundlich formulieren und zum Mitdenken anregen durch: •• Direkte Anrede, nicht nur einmal am Anfang •• Formulierungen aus der Perspektive der Hörer (Sie/Ihr/Du) •• Lebensnahe, auch heitere Beispiele •• Erzählungen mit wörtlicher Rede statt nüchterner Berichte •• Rhetorische Fragen als Zwischenüberschriften
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Vorträge mündlich vorbereiten! »Eine Rede […] ist keine Schreibe« (Theodor Friedrich Vischer, 1907, VIII), deshalb übertragen Sie bitte nicht die Normen schriftlicher Kommunikation auf das Mündliche. Gespräche und Vorträge werden anders konzipiert als schriftliche Hausarbeiten. Man sollte keine Aufsätze schreiben, sondern nur ein Stichwortkonzept vorbereiten und sich dann auf sein freies Sprech(denk)en verlassen. Mit etwas Mut zur Pause und Mitteilungswillen funktioniert die »allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden«, wie Kleist 1805 das Sprechdenken nannte, ganz natürlich. Gesamtaufbau und Sprachstil sollten einfach und verständlich sein, damit die Schüler und Schülerinnen alles gut verfolgen und auf Anhieb verstehen können. Auch wissenschaftliche Vorträge sollten nicht umständlicher und komplizierter formuliert werden als unbedingt notwendig. Vorträge sollten Sie üben, und zwar immer unter Berücksichtigung der Zeitvorgabe. Folgende Checkliste hilft bei der Selbstkontrolle, aber bitte Vorsicht: Nicht vor dem Spiegel üben und nicht wie das eigene schlechte Gewissen neben sich stehen und sich selbst ständig beim Reden zuschauen. Denn das erzeugt Stress und blockiert. Besser ist eine Video-Aufnahme und anschließend ein Konstruktives Kritik-Gespräch (vgl. 1.2 Feedback-Kultur). Haltung und Gestik: –– Wie ist mein Auftreten? –– Ist meine Körperhaltung offen? –– Lasse ich meine natürliche Sprechgestik zu oder unterdrücke ich meinen Bewegungsdrang, sodass unmotivierte und störende Ableitungsbewegungen entstehen? Sprech- und Atemtechnik: –– Spreche ich deutlich, langsam und laut genug? –– Mache ich genug Pausen (z. B. Absätze hörbar machen)? –– Senke ich die Stimme am Satzende ab (Kadenzen als akustische Satzschlusszeichen)? –– Atme ich ruhig durch und halte nicht in den Pausen die Luft an? –– Klingt meine Stimme voll und nicht zu gepresst? Hörerbezug: –– Halte ich Blickkontakt mit meinen Schülerinnen und Schülern? Man sollte alle im Blickfeld haben, orientierungslosen ›Scheibenwischerblick‹ vermei-
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den und gezielt einige Personen für kurze Momente anschauen. Den Schülern längere Zeit den Rücken zuzukehren (z. B. beim Tafelanschrieb), ist nicht nur unhöflich, sondern auch unkommunikativ, weil man nicht sieht, ob und wie die Schüler den Inhalt verstehen. Wenn man längere Zeit etwas anschreiben möchte, sollten die Schüler in dieser Zeit eine andere Aufgabe bearbeiten. Beim gemeinsamen Lösen von Mathematik-Aufgaben sollte nicht nur der Lösungsweg notiert werden, sondern es sollten mündlich zusätzliche Erklärungen gegeben werden. Woher weiß ich, wie ich das jetzt rechnen kann? Blickkontakt kann man dabei halten, wenn man mit einem Overheadprojektor arbeitet. Denke ich an den Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler? Oder setze ich zu viel Wissen voraus? Zeige ich Engagement und wecke Interesse bei den Schülerinnen und Schülern (z. B. durch rhetorische Fragen als Zwischenüberschriften, direkte Anreden und anschauliche Beispiele)? Achte ich auf einfachen, verständlichen Satzbau und Konkretheit des Inhalts (kurze Sätze, wenig Fremdwörter, Beispiele, notwendige Wiederholungen)? Lasse ich Raum für Zwischenfragen?
Beginn und Schluss: –– Wie ist mein Einstieg? Einleitung gut überlegen, nicht direkt losreden, sondern erst mit Blickkontakt die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler sammeln, ausatmen und dann das Thema positiv vorstellen! –– Habe ich einen guten Schluss/Abgang? Der erste Eindruck ist entscheidend für die Motivation der Schülerinnen und Schüler, der letzte Eindruck bleibt besonders in Erinnerung, also einen guten Schlusssatz planen, nicht unvermittelt abbrechen oder lange bis übers Klingelzeichen hinaus reden! Ferner sollten Sie Vorträge stützen durch –– Visualisierungen wichtiger Schritte (Folien, Tafelbild, Dias, Filme etc.) –– Thesenpapier (als Handout zu Beginn, als Zusammenfassung zwischendurch oder zum Schluss)
Vorbereitung schafft Sicherheit Auch wenn die Vertreter der Sprechdenk-Methode das Schreiben von Reden als Vorbereitung ablehnen, sind sie nicht grundsätzlich gegen eine Vorbereitung. Denn wer sich und seiner Sache sicher ist, kann besser reden. Deshalb sollten auch Kurzreden geplant und vorbereitet werden. Besonders Anfänger sollten
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nicht gleich Stegreifreden halten, denn das führt oft zu reinem Blablabla. Besser ist es, wenn durch angeleitete und reflektierte Praxis Sicherheit entsteht. Dazu braucht man Wissen über rhetorisches Handwerkszeug, Routine durch wiederholte Übungen, persönliche Rückmeldungen über Gelungenes und Hinweise, was wie noch verbessert werden könnte. Wie gesagt, Reden lernt man durch Reden und nicht allein durch theoretische Betrachtungen. Zum rhetorischen Handwerkszeug gehören Gliederungsstrukturen, aber auch Strategien bei der Vorbereitung und Gestaltung von Medien. Ferner sollte man wissen, wie Strukturen und Medien mit körpersprachlicher, sprecherischer und sprachlicher Präsentation zusammen wirken. Auch dabei gibt es keine absoluten Maßstäbe, sondern die Wirkung muss immer im Kontext evaluiert werden: Es geht um Situationsangemessenheit und Funktionalität. Jede Rede ist ein kommunikatives Ereignis, das man ganzheitlich betrachten muss: Alle Faktoren erzeugen zusammen die Wirkung, man kann und sollte keine einzelnen Faktoren isolieren, sondern alle immer im Zusammenhang reflektieren und üben. Und dabei kommt es nicht nur auf rhetorische Oberflächen- und Tiefenstruktur an, sondern auch auf die kommunikativen Grundeinstellungen, also die Persönlichkeit. Denn: Keine Sache spricht für sich selbst, es ist immer ein Mensch, der sie präsentiert – und zwar in der ihm eigenen Form. Reden ist abhängig von der Persönlichkeit, und die Art, wie jemand spricht, trägt immer persönliche Züge. Bei der Vermittlung von Redefähigkeiten steht deshalb jeweils die Person mit ihrem individuellen learning by doing im Vordergrund.
2.3 Rollenvielfalt: Vom Wissensvermittler zum Entertainer, Motivator und Coach Es gibt kein rollenloses Sprechen. Immer wenn wir miteinander in Interaktion treten, tun wir dies in einer ganz bestimmten Situation und mit einer ganz bestimmten Rolle. Jeder spielt in den verschiedenen Situationen immer wieder unterschiedliche Rollen: In der Schule bin ich Lehrerin, (nette) Kollegin, im Supermarkt (kritische) Kundin, auf der Straße vielleicht (aggressive) Autofahrerin, zu Hause (freundliche) Nachbarin, (verständnisvolle) Mutter, Geliebte … und bei den Eltern zeitlebens Kind. Jede Rolle ist immer auch eine Sprechrolle. Wir reden unterschiedlich in den verschiedenen Rollen, je nachdem, wie wir die Rolle definieren, und unsere Mitmenschen erwarten von uns auch unterschiedliche Verhaltensweisen, je nachdem, wie sie die Situation und Rollen definieren. All dies geschieht oftmals ganz unbewusst. Wir lernen unsere Rollen in der
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Gesellschaft; wir werden in der Umgebung, in der wir aufwachsen, sozialisiert. Dadurch internalisieren wir die Erwartungen an unsere Rollen und versuchen, ihnen zu entsprechen. Aber Rollendefinitionen und die Erwartungen an verschiedene Rollen sollten wir kritisch reflektieren und ggf. auch verbalisieren, um Stereotype persönlich zu verändern. Fragen Sie Ihre Schüler: Welche Erwartungen haben sie an einen guten Lehrer? Was sollte er tun, was lassen? Und wie sehen sie die Rolle des Schülers? Vielleicht lassen Sie sie dazu einmal Rollenspielkarten basteln. Oder Sie lassen Ihre Schüler Lehrer spielen. Gerade bei jüngeren Schülern, die noch nicht alles formulieren können, erleben Sie in der szenischen Darstellung genau die Erfahrungen, die mit Lehrern bisher gemacht wurden. Vielleicht erkennen Sie in der einen oder anderen Darstellung auch Teile von sich selbst wieder. Solche Rollenspiele halten einem oft besser als verbales Feedback den Spiegel vor. Wir bekommen zurückgespiegelt, wie wir uns verhalten und die Rolle ausfüllen. Suchen Sie mit älteren Schülern das Gespräch über Ihre Rolle: Inwieweit entsprechen Sie den Erwartungen Ihrer Schüler? Wo wollen Sie sich bewusst von den Erwartungen absetzen? Das sollten Sie Ihren Schülern dann auch kommunizieren.
»Die ganze Welt ist eine Bühne« Das hat schon Shakespeare (Wie es euch gefällt, II. Akt, Szene 7) sehr treffend formuliert. Immer wenn wir irgendwo auftreten, stellen wir etwas dar, sei es, dass wir uns alles vorher gut überlegt haben oder auch, dass wir improvisieren und auf andere reagieren. Das gilt auch für die Rolle des Lehrers. Wie viel Wert legen Sie auf Ihren Status? Wie zeigen Sie ihn? Haben Sie be stimmte Attribute, Accessoires, die Ihnen wichtig sind, auf die Sie ungern im Unterricht verzichten?
Die Lehrerrolle hat sich in unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. War früher die Lehrperson vor allem Wissensvermittler und Erzieher, so geht es heute mehr um Motivation, Beratung und Coaching. Erinnern Sie sich an Lehrer Bömmel aus Heinrich Spoerls Feuerzangenbowle (1933)? Bömmel war zwar dem traditionellen Bild des Wissensvermittlers treu, aber in seiner Art auch sehr authentisch und unterhaltsam, man denke nur an seine Erklärungen zur Dampfmaschine.
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Bömmel hatte seinen niederrheinischen Dialekt beibehalten […] und hielt nicht viel von verstiegener Wissenschaft, er war mehr für einfache, plastische Begriffe und für eine volkstümliche Darstellung. Außerdem hatte er leidende Füße und pflegte sich zu Beginn jeder Stunde hinter dem Katheder die Schuhe auszuziehen. Das hatte er schon seit unvordenklicher Zeit so gemacht. Man hatte sich daran gewöhnt und hielt es beinahe für selbstverständlich. […] die Lehrmethode. »Wo simmer denn dran? Aha, heute krieje mer de Dampfmaschin. Also, wat is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns janz dumm. Und da sage mer so: En Dampfmaschin, dat is ene jroße schwarze Raum, der hat hinten un vorn e Loch. Dat eine Loch, dat is de Feuerung. Und dat andere Loch, dat krieje mer später. […] Und wenn de jroße schwarze Raum Räder hat, dann es et en Lokomotiv. Vielleicht aber auch en Lokomobil. […] Was is e Ventil? Da stelle mer uns wieder janz dumm. E Ventil is, wo wat erein jeht, aber sein Lebjottstag nix erauskömmt.«
Hans Pfeiffer als neuer Schüler wundert sich über Bömmels Art der Erklärung und des Verhaltens in der Klasse, findet ihn unterhaltsam und zum Lachen, aber die anderen Schüler sind es gewöhnt und akzeptieren Bömmel, auch oder vielleicht gerade, weil sie ihm einen Streich spielen und seinen Schuh verstecken. Das findet Bömmel aber gar nicht lustig und bescheinigt ihnen einen »fiesen Charakter«. Nun, was lernen wir von Bömmel? Man darf ruhig seine Eigenheiten haben, sollte aber sich selbst und sein Fach nicht zu wichtig/wissenschaftlich nehmen und komplizierte Vorgänge ruhig unterhaltsam etwas simplifizieren; man muss zu seinen Marotten stehen und seine Meinung und Enttäuschung auch offen aussprechen. Die 1930er- und 1940er-Jahre waren noch von einem autoritären Oben-Unten-Denken geprägt (deshalb sind ja die Streiche, die sich dagegen auflehnen, für uns bis heute lustig!), das wir natürlich nicht mehr tradieren wollen. Es geht uns heute um ein kommunikatives Miteinander, das das Lehren und Lernen erleichtert. Dazu gehört auch ein bisschen Entertainment. Wie kann man Inhalte unterhaltsam erarbeiten? Welche lebensnahen und heiteren Beispiele (siehe Verständlichkeitskriterien in 2.2 Sprechvorbild) sind dabei möglich? Oder welche Methoden und Gesprächsformen machen mehr Spaß als der herkömmliche Frontalunterricht (vgl. 1.5 Gesprächsmodelle für den Unterricht)? Haben Sie schon mal Günther Jauch als Quizmaster von Wer wird Millionär? gespielt? Oder ihn von einem Schüler spielen lassen? Inhalte in Form eines Quiz aufzubereiten – das kann z. B. auch von Gruppen erarbeitet werden. Oder Szenen aus literarischen Werken als Pantomime darstellen und von der Klasse erraten lassen. Oder lassen Sie im Geschichtsunterricht mal Podcasts für Radiosendungen z. B. zu bestimmten Stichtagen historischer Ereignisse produzieren.
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Oder Video-Clips, in denen bestimmte mathematische oder grammatische Probleme aufgezeigt und gelöst werden.
Sinusmilieus Die Marktforschung hat unsere Gesellschaft analysiert und verschiedene Milieus nach sozialer Lage und Grundorientierung differenziert, die von der Werbung gezielt angesprochen werden. Die Definition der Sinus‐Milieus geht aus von der Lebenswelt und dem Lebensstil der Menschen – und nicht nur von formalen demografischen Kriterien wie Schulbildung, Beruf oder Einkommen. Grundlegende Wertorientierungen werden genauso berücksichtigt wie Alltagseinstellungen zur Arbeit, zur Familie, zur Freizeit und zum Konsum. Die Sinus‐Milieu-Gruppen fassen also Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Sie erhellen vielleicht auch manche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Lehrern und Schülern, besonders wenn sie sehr unterschiedlichen Milieus angehören. Die so genannte Kartoffelgrafik vermittelt Ihnen einen Überblick über die verschiedenen Milieus (weitere allgemeine Infos unter www.sinus-institut.de; Hypothesen zum Kommunikationsverhalten auch unter www2.hhu.de/muendlichkeit/sprechkontakte/SK-201012-09-ppt+fb-pabst-w.zip, Abruf 07. 09. 2015).
Die Sinus-Milieus in Deutschland 2010–2015
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Wie ordnen Sie sich selbst und Ihre Schüler ein? Welche einander widersprechenden Werte und Grundorientierungen stellen Sie fest? Wie können Sie damit umgehen?
»Ich bin ok, du bist ok!« So hat Thomas A. Harris seine Einführung in die Transaktionsanalyse genannt und grundsätzlich drei Arten unterschieden, wie wir uns und unsere Mitmenschen definieren: In asymmetrischen Beziehungen kann man entweder davon ausgehen, dass der andere ok ist und man selbst (unterlegen, also) nicht ok ist, oder man geht davon aus, dass man selbst ok ist, aber der andere nicht ok ist. Im Idealfall allerdings geht man davon aus, dass der andere genauso wie man selbst ok ist. In der zwischenmenschlichen Kommunikation, der Interaktion, die Eric Berne, der Begründer dieser Richtung der humanistischen Psychologie, als »Transaktion« bezeichnet hat, gibt es immer wieder komplexe, stereotype Muster, nach Berne so genannte »Spiele der Erwachsenen«, die das Miteinander einschränken. Die Differenzierung verschiedener Transaktionen und Spiele ermöglicht es, sie zu verstehen und zu verändern. Berne beobachtete, dass ein und derselbe Mensch zu unterschiedlichen Zeiten qualitativ unterschiedliche Erlebenszustände aktiviert. Diese Erlebenszustände, jeweils charakterisiert durch ein zusammenhängendes Muster im Denken, Fühlen und Verhalten, nannte er Ich-Zustände. Die prinzipiell unendlich vielen Erlebenszustände eines Menschen können grundsätzlich in drei Kategorien eingeteilt werden: Wir können abgespeichertes Erleben von früher erneut aktivieren und agieren dann aus dem Kindheits-Ich. Oder wir kreieren einen neuen Erlebenszustand, der sich in angemessener Weise voll und ganz auf das Hier und Jetzt bezieht – das wird als Erwachsenen-Ich bezeichnet. Beim ElternIch, dem dritten Zustand, erleben wir uns auf eine Art und Weise, die wir von anderen übernommen haben. Als Persönlichkeitsanteile stellen die Ich-Zustände Muster des Erlebens und Handelns dar, die beobachtbar sind. Im unbewussten Rückgriff auf Erinnerungen und früheres Beziehungserleben aktivieren wir oft stereotype und teils weniger geeignete Reaktionsmuster. Mit der Transaktionsanalyse sollen für die gegenwärtige Situation angemessene und selbstbestimmte Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster entwickelt werden, wo alte Muster das Leben so einschränken, dass unnötiges Leiden entsteht. Als Richtung in der humanistischen Psychologie gehen auch die Transaktionsanalytiker von der Grundannahme der Autonomie aus. Autonomie bedeutet Selbstbestimmung, Spontanität, aber immer zugleich auch bezogen auf den Mitmenschen und die Welt. Im Detail geht man davon aus,
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ȤȤ dass jeder Mensch mit all seinen Facetten und in seiner Ganzheit ok ist, ȤȤ dass jeder Mensch die Fähigkeit hat, zu denken und Probleme zu lösen, ȤȤ dass jeder Mensch in der Lage ist, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, ȤȤ dass jeder Mensch fähig ist, sein Lebenskonzept schöpferisch, zuträglich und konstruktiv zu gestalten und ȤȤ dass jeder Mensch durch Nutzung seiner ihm innewohnenden Ressourcen autonome Entscheidungen für sich und andere treffen kann. Er kann sich Situationen bewusst machen und besitzt die Fähigkeit zu echtem emotionalem Kontakt mit anderen Menschen. Aus welchem Ich-Zustand heraus jemand agiert, kann man an der Stimme hören. Man unterscheidet heute das autoritäre/fordernd-befehlende Eltern-Ich (−EL) vom fördernden/unterstützendem Eltern-Ich (+EL). Beim Kindheits-Ich gibt es das angepasste/liebe/vorsichtig-schüchterne Kindheits-Ich (+K) neben dem kreativen/motivierten/lustig-glücklichen Kindheits-Ich (++K), dem quengelig/ trotzig-nervigen Kindheits-Ich (−K) und dem wütenden/sich stark abgrenzenden Kindheits-Ich (− −K). Aufgrund der charakterisierenden Adjektive haben Sie bestimmt eine Vorstellung, wie jemand aus diesen Ich-Zuständen heraus agiert. Wer aus dem ErwachsenenIch spricht, hat eine angemessene Brustresonanz, tiefe Atmung, keine Enge im Ansatzrohr, es wird möglichst weit vorn artikuliert, sodass der Mundraum als Resonanzraum möglichst groß ist, die Stimmein- und -absätze werden physiologisch gebildet; es wird in der Indifferenzlage gesprochen; Melodie, Lautstärke und Dynamik sind der Situation angemessen. Versuchen Sie die folgenden Beschreibungen der Stimme und Sprechweise den verschiedenen Ich-Zuständen zuzuordnen: −EL +EL +K ++K –K − −K 1. Angemessene Brustresonanz, tiefe Atmung, aus dem ›Bauch heraus‹, keine Enge, Vordersitz der Stimme, physiologischer Stimmein- und -absatz, Indifferenzlage, dynamisch, guter Lautgriff, Resonanzintensitätsbetonung/starkes Crescendo, Melodie: geradlinig, laut 2. Keine Brustresonanz, faukale Enge, dorsal verlagerte Artikulation, nasal, gepresst, überhöhte Stimme; Melodie von unten nach oben nach unten, extreme Tonhöhenbetonung, gedehnte Vokale, eher leise 3. Angemessene Brustresonanz, tiefe Atmung, keine Enge im Ansatzrohr, es wird vorn gesprochen, physiologischer Stimmein- und -absatz, dynamisch,
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guter Lautgriff, Indifferenzlage, Resonanzintensitätsbetonung/Crescendo; Melodie sehr bewegt, intensiv, intentional, laut 4. Keine Brustresonanz, flache Atmung, faukale Enge, dorsal verlagerte Artikulation, behaucht, dünn, flach, überhöhte Stimme, Zungenbreitzug, Lächelstellung; Melodie steigend oder in der Schwebe mit Höhenbetonung, sehr leise, wenig steigerungsfähig 5. Viel Brustresonanz, tiefe Atmung, keine Enge, physiologischer Stimmsitz, weicher Stimmein- und -absatz, Indifferenzlage, Betonung der tiefen Stimmanteile, weicher Stimmklang; Melodie nach unten weich mit Tiefbetonung verlaufend, eher leise 6. Keine Brustresonanz, flache Atmung, faukale Enge, gepresster Stimmklang, dorsal verlagerte Artikulation, harter Stimmeinsatz, schrill, hart, scharf, hoch; Melodie: geradlinig von oben nach Mitte mit Höhenbetonung verlaufend, laut, auch intellektuell knarrend (Beispiele S. 191).
Beratung oder Coaching? Es reicht heute nicht, sich als Lehrperson als ›Stoffvermittler‹ zu definieren. Es geht vielmehr darum, das Lernen der Schüler ganzheitlich zu begleiten. Neben den Inhalten müssen Materialien, Methoden und Aufgaben ausgewählt werden, mit denen die Schüler individuell gefördert werden und bei denen sie die notwendigen fachlichen Kompetenzen, aber auch zentrale Schlüsselkompetenzen und soziale Befähigungen erwerben, die für ihre weitere Lern- und Bildungskarriere entscheidend sind. Das geht im herkömmlichen Unterricht, in dem zwanzig und mehr Kinder im Gleichschritt lernen sollen, nicht. Dafür muss stärker schüler- und gruppenorientiert gearbeitet und ein vertrauensvolles Lernklima in der Klasse mit einer Feedback-Kultur hergestellt werden. Der Lehrer als Lernbegleiter steht nicht mehr die meiste Zeit vor der Klasse und doziert, sondern er verwendet seine Zeit für Einzelgespräche mit Schülern. Diese Zeit muss er haben bzw. sich nehmen. Damit Schüler ihre Autonomie entwickeln können, brauchen sie Hilfestellung, z. B. um ȤȤ den eigenen Lerntyp zu erkennen, ȤȤ persönliche Lernstrategien zu entwickeln (Lernen zu lernen), ȤȤ das Selbstvertrauen zu stärken, ȤȤ sich als Person zu erleben, die Ziele setzt, erreicht und etwas bewirken kann, also ȤȤ die eigenen Möglichkeiten und Kompetenzen wahrzunehmen, ȤȤ erfolgreich in Teams zu kooperieren, ȤȤ eigene Stärken herauszubilden, Lernpotenziale zu erkennen und Zukunftsperspektiven zu entwickeln,
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ȤȤ mit Konflikten konstruktiv umgehen zu lernen, ȤȤ Klarheit in Entscheidungssituationen (z. B. Berufslaufbahn, aber auch Familiäres betreffend) zu gewinnen, ȤȤ emotionalen Stress abzubauen, Hindernisse zu überwinden, aus Fehlern zu lernen, eine gewisse Frustrationstoleranz zu entwickeln und sich nicht von jedem Fehlschlag gleich demotivieren zu lassen. Bei vielen dieser Einzelgespräche wird die Lehrperson das Gespräch nichtdirektiv führen wie in der Themenzentrierten Interaktion (nach Ruth Cohn), der niederlagenlosen Gesprächsführung (nach Thomas Gordon), der Gewaltfreien Kommunikation (nach Marshall B. Rosenberg), der Transaktionsanalyse (Berne, Harris) nach Mediationsregeln o. ä. – Ist das nun Beratung oder Coaching? Der Begriff Coaching ist schon länger aus dem Sport geläufig. Dort erfreut er sich seit über zwei Jahrzehnten großer Beliebtheit. Beim Sport-Coaching unterstützt und motiviert der Coach den Sportler in fachlichen und emotionalen Anliegen, d. h., er gibt ihm auch Hinweise auf die richtige Ernährung, physiologische Abläufe usw. Er führt die Gespräche nicht nur nicht-direktiv, sondern gibt auch Informationen und Tipps für optimales Training und feuert ihn an. Seit den 1980er-Jahren wird der Begriff des Coaching in die Welt der Wirtschaft und der Pädagogik transportiert. Coaching wird heute dort als eine individuelle Hilfestellung verstanden. Der Coach leitet den Coachee hinsichtlich Selbstwahrnehmung und Selbst reflexion an. Er fördert den Coachee so weit, dass dieser nach dem Coaching selbst in der Lage ist, seine Anliegen zu bewältigen. Coaching ist ein zeitlich begrenzter Prozess, damit der Coachee nach dieser Erfahrung seine Ziele selbstständig weiter verfolgen kann. Durch gezielte Fragen und Techniken sowie Methoden werden ihm Denkanstöße, aber keine Lösungen vorgegeben. Coaching ist somit weitestgehend nicht-direktiv und eine Hilfe zur Selbsthilfe, denn die Denkanstöße führen den Coachee soweit, dass er sich selbst verändern kann. Ein so verstandenes Coaching setzt bei der coachenden Lehrkraft einen Rollenwechsel voraus, der sich wie folgt beschreiben lässt: ȤȤ Vom Unterrichten zur Lernberatung ȤȤ Statt extensiver Wissensvermittlung intensive persönliche Auseinander setzung ȤȤ Ermöglichungsdidaktik statt Vermittlungsdidaktik ȤȤ Förderung autodidaktischen Lernens statt fremdgesteuertem Lernen
Präsenz und Authentizität
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Die Lehrperson wird damit vom Fachexperten zum Lernexperten und zum Entwicklungsbegleiter, Reflexionsanreger, Lern-Ermöglicher und RessourcenEntfalter. Coaching in der Rolle des Lehrers entspricht dem neuen Verständnis in der Lehrerrolle und kann/sollte von jeder Lehrkraft angenommen werden. Wer coachen will, sollte vorab den notwendigen Rollenwechsel reflektieren. Es ist auch hilfreich, sich selbst vorab einmal coachen zu lassen, um sich auf den Rollenwechsel vorzubereiten. Besonders wichtig – und deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen – ist das Vertrauensverhältnis: Die Schüler müssen die Sicherheit haben, dass das, was sie von sich erzählen, vertraulich behandelt wird und nur, wenn abgesprochen und mit ihrer Zustimmung, an andere (Lehrpersonen, Mitschüler, Eltern) weitergegeben wird.
2.4 Präsenz und Authentizität Präsenz und Authentizität sind viel genannte Begriffe, wenn es um Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft geht. Präsenz bezieht sich dabei auf die körperliche Haltung und auf Präsenz in der Situation, Authentizität auf die widerspruchsfreie Botschaft: Ist das, was da gesagt wird, echt und wirklich so gemeint, wie gesagt? Wir glauben das, was wir sehen und im Klang hören. Unbewusst bestimmen der Sprech- und Körperausdruck die Gesamtwirkung immer mit. Als MetaMitteilung leiten sie das Verständnis der Worte und bestimmen, was glaubwürdig ist, was man ernstnimmt bzw. ironisch versteht. Die Einschätzung von Glaubwürdigkeit folgt der Genese, der Entwicklung von der Körpersprache zur Wortsprache, die man menschheits- und individualgeschichtlich feststellen kann: Ähnlich wie sich die verschiedenen Menschheitssprachen aus den ersten Lauten der Urmenschen bei der Verständigung im gemeinsamen Tätigkeitsprozess herausgebildet haben, so erwerben Kinder die Wortsprache aus den ersten körpersprachlichen und lautlichen Äußerungsformen: Strampeln, Schreien usw. Menschliche Kommunikation beginnt immer mit dem Körperausdruck. Die Interaktion, die die Entstehung der Sprache ermöglicht, besteht zunächst aus einer Zu-Wendung und einem Sich-miteinander-Drehen und -Wenden (Kon-Versation).
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Der Körper ist die Grundlage des Sprech- und Sprachausdrucks Damit der Körper die Kommunikation unterstützen kann, sollte man beim Reden eine möglichst offene Haltung einnehmen. Zum einen wirkt eine offene Haltung immer dem Hörer zugewandter als eine geschlossene, die eher distanzierend und abweisend wirkt. Zum anderen ermöglicht eine offene Haltung Gestik, die das Formulieren unterstützt. Die verbale Sprache ist das höchst entwickelte und zuletzt erworbene Verständigungssystem (vgl. Lurija 1982). Diese Entwicklung wirkt beim Reden immer mit. Treten z. B. Formulierungsprobleme beim Sprechdenken oder Verständigungsschwierigkeiten mit einem Gesprächspartner auf, wird automatisch auf das einfachere, zugrundeliegende System des Körperausdrucks zurückgegriffen: Wir gestikulieren oder zeigen auf etwas. Verkrampfungen der Körpermotorik blockieren den Sprechfluss und die Formulierung, sodass Füllwörter und Sprechdenkgeräusche wie äh, mh gehäuft auftreten. Gestik ist also ein integraler Bestandteil der Sprachproduktion, sie ist synchron antizipierend (also immer einen Bruchteil einer Sekunde vor dem Wort da, auf das sie sich bezieht) und unterstützt die Konzeptualisierung. Bei allen mündlichen Leistungen (Reden, Gesprächen und auch Textvorträgen) sollte man also den Zusammenhang zwischen Gestik und Sprechfluss beobachten. Die Flüssigkeit ist in der Regel besser, wenn Sprecher/innen eine offene Haltung einnehmen und ihre Gestik (natürlich) kommen lassen. Bei Versprechern (auch bei Lesevorträgen) ist die Haltung geschlossen oder verkrampft bzw. die Gestik hat gerade ausgesetzt. Geschlossene Haltungen führen auch oft zu Ableitungsbewegungen, also unmotivierten Bewegungen, die nur den motorischen Bewegungsdrang ableiten, etwa häufiges Vorbewegen des Kopfes oder des ganzen Körpers, Schulterbewegungen, Wackeln mit einem Ellenbogen oder häufige Stand-Spielbein-Wechsel. Wer das bei Videoaufnahmen von eigenen Vorträgen beobachtet und den Zusammenhang erkannt hat, achtet mehr auf seinen Körperausdruck. Gestik fördert flüssiges Sprechdenken Neuere psycholinguistische Untersuchungen (de Ruiter 1998) zeigen, dass Gestik eng mit dem Sprechprozess verbunden ist. Gesten werden nicht gemacht, um der Äußerung etwas hinzuzufügen, sondern sie sind fundamental an der Konzeptualisierung beteiligt. Sie sind synchron antizipierend und erleichtern den Abruf von Konzepten aus dem Gedächtnis. Körperausdruck dient also beim Reden nicht nur der Veranschaulichung und unterstützt nicht nur die Glaubwürdigkeit (wie es Linguisten und Psychologen bisher oft betont haben), son-
Präsenz und Authentizität
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dern sie erleichtert oder behindert das Sprechdenken. Das kann man bei allen Redeübungen beobachten: Bei geschlossener Haltung wird die Gestik unterdrückt und es treten vermehrt unflüssiges Sprechen und/oder Mitbewegungen auf. Mitbewegungen dienen zur Ableitung der vorhandenen motorischen Energie mit dem Kopf, dem gesamten Körper oder den Beinen und Füßen; sie wirken störend, weil sie die Äußerung nicht kommunikativ-funktional unterstützen. Deshalb sollte man das Gestikulieren fördern. Zum einen erleichtert eine entspannte Atmosphäre ohne Leistungsdruck und Angst eine offene Haltung ohne Verkrampfungen, die immer die Voraussetzung für natürliche Gestik darstellt. Zum anderen führen das Hantieren mit Gegenständen, das Zeigen von und das Zeigen auf Bilder, Grafiken und Tabellen automatisch zu funktionalen Gesten. Kugelschreiber oder andere Gegenstände, die man eigentlich in der Situation gar nicht benötigt, blockieren dagegen oft die Gestik und verführen nur zum Spielen damit. Und ohne Atmung läuft nichts … Die Atmung ist unsere Lebensgrundlage und beeinflusst, wie wir uns bewegen und wie unsere Stimme klingt. Das Sprechen ist eine Sekundärfunktion. Primär haben die Organe, die wir bei der Verständigung benutzen, andere Funktionen: Der Ausatemstrom, auf dem wir sprechen, dient dem Gasaustausch bei der Sauerstoffversorgung, die Artikulationsorgane im Mund der Nahrungsaufnahme und -zerkleinerung, der Kehlkopf ist ein Sicherungsmechanismus, der die Luftröhre vor dem Eindringen von Fremdkörpern doppelt absichert. Bei der Atmung entstehen bereits Körperbewegungen, und die Art, wie wir atmen, beeinflusst unseren gesamten Körperausdruck. Körperspannung und Bewegungen beeinflussen ihrerseits die akustische Struktur einer Äußerung: Stimme und Sprechausdruck verändern sich je nach Körperausdruck und Sprechspannung. Wer z. B. hektisch zappelt, kann nicht ruhig sprechen. Wenn wir uns aufregen oder Angst haben, halten wir die Luft an, atmen ganz flach oben. Dadurch klingt die Stimme immer etwas höher und gepresster als bei ruhiger Bauchatmung. Probieren Sie es selbst aus: Wie klingt die eigene Stimme, wenn Sie z. B. ruhig und entspannt in einem Sessel sitzen? Und wie verändert sich der Klang beim Sprechen, wenn man vorher tief Luft geholt und die Luft angehalten hat?
Präsenz und Authentizität erreichen Sie am besten auf der Grundlage der entsprechenden inneren Haltung: Wer selbst nicht von dem überzeugt ist, was
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Die Lehrperson als »Steuermann«
er anderen gegenüber vertritt, wirkt in der Regel nicht so authentisch wie jemand, der selbst felsenfest überzeugt ist von den Positionen, die er verkündet. Wie sagte schon Augustinus: In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.
2.5 Routine ist gut, Flexibilität besser Wer ständig hundertprozentig kontrolliert (sprech-)handeln will, macht sich selbst handlungsUNfähig. Denn gerade beim Miteinanderreden müssen wir uns auf uns verlassen, improvisieren und frei sprech(denk)en. Dabei wirken Routinen entlastend. Nicht nur unsere sprechmotorischen Programme (Atmung, Stimmbildung, Artikulation) funktionieren unbewusst, häufig auch unsere kommunikativen Verhaltensmuster. Wir müssen beim Kommunizieren nicht immer über alles nachdenken, sondern vieles läuft einfach gewohnheitsmäßig mehr oder weniger automatisch ab, z. B. Begrüßungen, Smalltalk, Alltagsgespräche etc. Das ermöglicht es, uns auf die wichtigen neuen Aspekte zu konzentrieren. Aber alle Automatismen können auch rhetorisiert werden, d. h., bewusst auf die intentionale Handlungsebene gehoben und hinsichtlich ihrer Wirkung reflektiert werden. Das geschieht in der Regel immer dann, wenn wir feststellen, dass bestimmte Muster und Automatismen nicht zu dem Ergebnis führen, das wir uns erhofft hatten. Grundsätzlich muss man feststellen, dass wir Menschen nicht alle gleich sind, die Sprechsituationen immer wieder variieren und es keine allgemeingültigen Standards gibt, die immer und überall gleichermaßen ankommen. Deshalb ist eine gewisse Routine zwar entlastend und gut, aber wir sollten bei unserem Sprechhandeln immer flexibel bleiben, also immer wieder die anderen Hörer/Schüler ernstnehmen und uns qua Perspektive-Übernahme in ihre Situation hineinversetzen, um auf sie einzugehen und nicht ein Standardprogramm abzuspulen. Zuviel des Guten Watzlawick hat Heraklits Gedanken von der »Einheit in der Vielfalt« der Dinge – die Enantiodromie – aufgegriffen (Watzlawick/Weakland/Fisch 1974, 39) und darauf hingewiesen, dass ein Zuviel des Guten stets ins Böse umschlage. Zuviel Patriotismus erzeuge Chauvinismus oder zu viel Sicherheit Zwang. Jedes Persönlichkeitsmerkmal kann nur dann zu einer konstruktiven Wirkung gelangen, wenn es sich in einer ausgehaltenen Spannung zu einem positiven Gegenwert (Schwestertugend) befindet. Ohne diese Balance verkommt
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Routine ist gut, Flexibilität besser
ein Wert zu seiner entwertenden Übertreibung. Diese Zusammenhänge werden oft in einem Quadrat dargestellt. Das von Nicolai Hartmann (1926) stammende und von Helwig (1948) weiterentwickelte Wertequadrat hat Schulz von Thun (1989) popularisiert, der dieses Modell für eines der wichtigsten für Coaching und Kommunikationstraining hält. Durch das Wertequadrat wird deutlich, dass jeder immer auch schlummernde positive Anteile in sich hat und dass man negative Aspekte als Übertreibungen auf positive Tugenden zurückführen kann: 1. Positiver Wert
fleißig, sparsam, flexibel, vertrauenswürdig, …
2. Positiver Gegenwert
genießend, großzügig, ordentlich, vorsichtig, …
3. Entwertende Übertreibung
4. Entwertende Übertreibung
arbeitswütig, geizig, chaotisch, vertrauensselig, …
genusssüchtig, verschwenderisch, zwanghaft/kleinkariert, krankhaft misstrauisch
Zu viel des Guten wird negativ – das gilt auch in der Rhetorik: Strategien, die in der einen Situation angemessen sind, sind es in einer anderen – wenn auch durchaus vergleichbaren Situation – nicht. Deshalb ist das flexible Sprechhandeln so wichtig: Stellen Sie sich immer wieder neu auf jede Situation ein und wechseln Sie Ihre rhetorischen Muster. Vereinzelt, gezielt eingesetzt, wirkt jede Gesprächsverhaltensweise gut, aber wenn sie gehäuft, immer wieder verwendet wird, kippt die Wirkung ins Negative um. Vereinzelt wirkt z. B. ein zustimmendes Nicken als Zuhörzeichen positiv, der Gesprächspartner hat das Gefühl, ihm wird zugehört, und er redet weiter. Nickt aber jemand ständig, wirkt das stereotyp und unecht. Genauso bei Fragen: Eine vereinzelte Frage motiviert den Partner zum Antworten, er hat das Gefühl, dass man an ihm interessiert ist; aber zu viele Fragen nacheinander wirken wie ein Verhör und der Partner gibt nur mehr widerwillig einzelne Informationen preis. In der Kooperativen Rhetorik (Bartsch/Marquart 1999; Pabst-Weinschenk 2011, 59) hat man die Wirkung verschiedener Gesprächsweisen/Operationen reflektiert:
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Die Lehrperson als »Steuermann«
Operationen
Vereinzelter Gebrauch – Wirkung
Gehäufte Verwendung – Wirkung
Frage
motiviert Antworten
›verhört‹, Antwort-Unlust
Information
informiert, singnalisiert ernstnehmen
Überangebot, Unterlegenheit
Minimal-Antwort
prägnant, Klarheit
verunsichert, Unlust
Appell
regt zum Handeln an
fremdbestimmt, weckt Widerstand
Bewertung
wichtig für Argumentation
unterlegen, provoziert Gegenwehr
Ich-Botschaft, Verbalisierung von Gefühle
offen, persönlich angesprochen
wie ein Therapeut unterlegen, emotionale Dominanz
Zuhörzeichen/ Reformulierung
motiviert zum Weitersprechen
verunsichert (wirken stereotyp!), ggf. noch längeres Reden
metakommunikative Prozessäußerung
einbezogen in den Prozess, Orientierung und Klarheit
Analyse-Dominanz, Flucht vor Entscheidung, raubt Zeit
Gesprächstypen Wer immer wieder die gleichen Gesprächsverhaltensweisen verwendet, erstarrt allmählich zu einem bestimmten Gesprächstyp. Die meisten Gesprächstypen sind für ihre Kommunikationspartner unangenehm. Der Blick in die Diskussionsrunde auf der nächsten Seite zeigt, welche unterschiedlichen Gesprächstypen es gibt. Na, erkennen Sie den einen oder anderen aus Ihrem Bekanntenkreis? Wenn ja, was halten Sie von ihnen? Und wie gehen Sie mit ihnen um?
Übrigens: Diese Karikatur, die man inzwischen in vielen Rhetorik-Lehrbüchern findet, stammt ursprünglich aus einer Schülerzeitung. Sollten hier vielleicht Schüler ihre Lehrer …
Routine ist gut, Flexibilität besser
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Zeichnung nach einer anonymen Idee aus: Wir machen mit, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schülervertretungen, Koblenz, Nr. 4, S. 4, zit. nach Kelber 1977, 139)
Diskussionsleiter haben die Aufgabe, auf alle einzugehen und sie in das Gespräch zu integrieren. Sie müssen also ausgleichend wirken. Dazu kann man folgende allgemeine Hinweise geben: Bei Streitsüchtigen muss man immer sachlich und ruhig bleiben, man darf sich nicht auf einen persönlichen Streit einlassen. Ihre Punkte kann man als Frage an die Gruppe geben und sie durch die Gruppe widerlegen lassen: Taktik des toten Winkels. Auf Positive kann man sich verlassen. Sie sind Stützen der Diskussion. Man kann sie beteiligen, z. B. Ergebnisse zusammenfassen lassen oder gezielt ansprechen bei bestimmten Aufgaben. Die Wortmeldungen der Alleswisser kann man nicht übersehen, aber es ist z. T. möglich, sie durch Anerkennung ihrer Erfahrungen zurückzustellen: »Wir wissen alle, dass Sie sich auch auf diesem Gebiet gut auskennen, Frau/Herr XY, aber ich würde gern die Erfahrungen der betroffenen Abteilung hören.« Zu den Behauptungen der Alleswisser sollte man auch immer die Gruppe um Stellungnahme bitten: »Wie schätzen Sie diese Forderung (bzw. Sichtweise) ein? Teilen Sie die Meinung von XY?« Redselige, die häufig dazwischen reden und sich nicht an die Reihenfolge der Wortmeldungen halten, muss man immer wieder taktvoll unterbrechen: »Entschuldigen Sie, Frau/Herr Z, aber Sie sind nicht an der Reihe. Der Kollege A hatte sich gemeldet. Soll ich Sie auf die Rednerliste setzen?« Eventuell muss man eine allgemeine Redezeitbegrenzung einführen, um allzu redselige Teilnehmer einzubremsen.
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Die Lehrperson als »Steuermann«
Schüchterne kann man durch Lob und Anerkennung ihrer Leistungen verstärken. Das hebt das Selbstbewusstsein. Mit leichten Fragen aus ihrem Erfahrungsbereich kann man sie direkt ansprechen und in die Diskussion einbeziehen. Bei Ablehnenden kann man versuchen, den Ehrgeiz zu wecken. Sehen sie eine für sich selbst sinnvolle Aufgabe, so engagieren sie sich oft. Man sollte ihre Kenntnisse und Erfahrungen anerkennen und für die Diskussion nutzbar machen. Dickfellige sind uninteressiert. Wenn man sie nach ihrer Arbeit fragt und Beispiele aus ihrem Interessenbereich anspricht, kann man sie stärker beteiligen und interessieren. Erhabene und hohe Tiere bestimmen in einer Diskussion nicht mehr und nicht weniger mit wie alle anderen Teilnehmer auch. Wenn ihre Vorschläge nicht brauchbar sind, müssen sie kritisiert werden. Kritik sollte immer – nicht nur bei hohen Tieren – konstruktiv sein, d. h., nicht persönlich angreifend, sondern sachlich: positive Seiten anerkennen, negative bewerten. Verstehende Zusammenfassungen vor der Kritik verbessern das Gesprächsklima. Ausfrager kommen sich vor wie ein schlauer Fuchs, der gern den Diskussionsleiter aufs Glatteis führt und reinlegt. Ihre Fragen muss man als Diskussionsleiter nicht selbst beantworten, sondern man leitet sie zur Stellungnahme an die Gruppe weiter. Fazit: Insgesamt sollten Sie als Steuermann Ihre Gesprächskompetenz immer weiter vervollkommnen. Benutzen Sie aktiv das rhetorische Handwerkszeug, seien Sie ein gutes Sprechvorbild, reflektieren Sie Ihre Rollen und bleiben Sie flexibel in Ihrem rhetorischen Handeln – das sind wesentliche Elemente für stimmlich stimmigen Unterricht.
3. K ooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
Um rhetorische Wirkungen wahrzunehmen und daran arbeiten zu können, brauchen wir Kriterien. Denn wir sehen nur das, was wir sehen können, wofür wir Begriffe haben bzw. uns Begriffe erarbeiten. D. h. für das rhetorische Lehren und Lernen sowie für die angestrebte Feedback-Kultur ist ein System rhetorischer Kriterien notwendig. Wichtige Kriterien sind in den vorherigen Kapiteln bereits an verschiedenen Stellen angesprochen worden. Hier geht es nun um das dahinterliegende Konzept der Kooperativen Rhetorik und die Systematik der Kriterien.
3.1 Rhetorik – eine Disziplin mit langer Tradition Rhetorik ist eine Disziplin mit langer Tradition. In der Antike haben die Sophisten den Grundstein für unsere heutige Rhetorik geschaffen. Wenn uns selbstverständlich ist, dass Wissen und Können durch Lehren und Lernen erworben werden, so verdanken wir diese Grundüberzeugung den Sophisten. Im 5. Jahrhundert vor Christus war sie neu und revolutionär. Denn Wissen und Können – und damit die Befähigung zum erfolgreichen Reden und Handeln im Staat – galten bis dahin allein dem Mann von Adel als von Geburt an eigen. Die sophistischen Wanderlehrer haben begonnen, die grundsätzliche Bedeutung von Lehre zu reflektieren und öffentlich zu diskutieren. Damit haben sie sie auf eine rationale Grundlage gestellt und zum Gegenstand philosophischer Auseinandersetzung gemacht. Rhetorik im trivium der septem artes liberales Die Sophisten waren die Schöpfer von Grammatik, Rhetorik und Dialektik, die als téchnai (später in der römischen Rhetorik als artes) galten, also als lehrbare, auf Anwendung bezogene Theorien, die sich im praktischen Können erweisen.
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Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
Durch die Sophisten wurde auch Dichtung zum Gegenstand der Lehre. Neben Rhetorik, Grammatik (einschließlich Dichtungsinterpretation) und Dialektik lehrten sie (z. B. Hippias) verschiedene Sachaspekte aus Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musiklehre. Das sind die septem artes liberales mit trivium und quadrivium, die den höheren Unterricht im Mittelalter bis hin zur Gelehrtenschule des 18. Jahrhunderts ausmachten. Rhetorik als Teil der Persönlichkeitsbildung Per-sonare – die Persönlichkeit klingt durch, durch die Art, wie wir miteinander sprechen. »Sprich, damit ich dich sehe«, soll Sokrates gesagt haben und hat damit genau auf den Persönlichkeitsausdruck hingewiesen. Rhetorik galt deshalb als wesentlicher Teil der Bildung. Nach Protagoras, einem der ältesten und bekanntesten Sophisten, braucht Unterweisung (didaskalia) Begabung (physis) und Übung (askesis). Anlage, Vermittlung und Übung sind auch bei Platon und Aristoteles zentrale Aspekte. Quintilian schließlich sieht die Redegabe im Zusammenwirken von Natur (natura), Theorie (ars) und Übung (exercitatio) und ordnet die Nachahmung (imitatio), der schon Cicero große Bedeutung beigemessen hatte, der ars unter. Das antike System der Rhetorik wird bis heute angewendet; insbesondere bei der Rede-Analyse geht man nach der rhetorischen Figurenlehre vor. Die Schrittfolge inventio, dispositio, elocutio, memoria, actio stellt man allerdings seit Beginn des 20. Jahrhunderts vom ›Kopf auf die Füße‹, d. h. man entwickelt die Rede heute direkt aus der actio, der Sprechtätigkeit. Nur in der Aufsatzrhetorik wird der Text noch stilistisch in der elocutio ausgefeilt bis in jede Formulierung hinein. Rhetorik als Herrschaftswissen? Der Redner ist der Situationsmächtige, darauf habe ich in den vorherigen Kapiteln bereits mehrfach hingewiesen. Als vir bonus (Quintilian) soll er ethisch vorbildlich handeln. Das Ethos ist neben dem Pathos und Logos seit der Antike ein wesentlicher Bestandteil. Heute beschäftigt man sich mit der Ethik vor allem auch in der Philosophie: »Mündig ist der, der für sich selber spricht, weil er für sich selbst gedacht hat und nicht bloß nachredet, der nicht bevormundet wird«, hat der Philosoph Adorno (1971, 10) gesagt und damit darauf hingewiesen, wie wichtig das Redenkönnen für das Teilnehmen an demokratischen Entscheidungsprozessen ist. Rhetorik soll eben kein Herrschaftswissen sein. Entgegen dieser Demokratiethese zu Kooperativer Rhetorik stehen Schopenhauers Eristik,
Kooperation als Grundidee
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die Rabulistik (1989), Satanische Verhandlungskunst (1993) und das rhetorische Bullfighting (2007) von Ruede-Wissmann sowie Schwarze Rhetorik (Bredemeier 2002/2005), Verbotene Rhetorik (Beck 2007) und das Durchsetzungstraining (Dölz/Kauffmann 2009) – um nur einige zu nennen. All diese Konzepte gehören zur Richtung der Herrschafts-Rhetorik und schädigen den Ruf der Rhetorik, der es um Verbesserung der Verständigung auf der Basis wertschätzender zwischenmenschlicher Beziehungen geht. Während man in diesen rabulistischen Konzepten keinen Hehl aus einer Menschen verachtenden Grundhaltung macht, akzentuiert die Kooperative Rhetorik ihr positives Menschenbild. Neben Eristik und Rabulistik gibt es aber auch diverse Anbieter, die sich unter dem Begriff »Rhetorik« allgemein einem Sieg-Niederlagen-Schema menschlicher Kommunikation verschrieben haben, ohne das ausdrücklich kenntlich zu machen. Verräterische Titel und Erfolgsversprechen wie »Nie mehr sprachlos!«, »Immer Recht behalten!« etc. lassen die Ellbogenmentalität ahnen. In diesem Kontext ist die Kennzeichnung eines Rhetorikkonzeptes als »kooperativ« wünschenswert und erhellend im Sinne der Markt- und Konzepttransparenz. Denn obwohl der Kooperation und der Teamfähigkeit als kommunikative Schlüsselqualifikationen eine besondere Bedeutung beigemessen wird, gibt es kaum Rhetorik-Veranstaltungen, die diesen Aspekt auch deutlich im Titel zum Ausdruck bringen.
3.2 Kooperation als Grundidee Der Mensch ist ein soziales Wesen, er ist in der Gesellschaft auf Kommunikation angewiesen: Beim Zusammenleben muss man sich ständig über Sachen, aber auch über Personen und Beziehungen verständigen: Handlungen werden geplant und bewertet, auftretende Probleme müssen festgestellt und gelöst, Abläufe festgelegt oder verändert werden usw.; bei der Arbeit genauso wie in Familie und Freizeit kommen wir nicht ohne Kommunikation aus. Der Mensch ist in der Lage, die Perspektive seiner Gesprächspartner zu übernehmen und sich vorzustellen, wie sie ein Thema und das Gespräch einschätzen. Diese Fähigkeit zur Übernahme einer anderen Perspektive gehört zu den kognitiven Grundfähigkeiten des Menschen und ermöglicht Kooperation: Man macht gemeinsame Sache mit anderen, sieht und sucht nicht nur den eigenen Vorteil, sondern berücksichtigt auch die Interessen anderer und kann so vorgehen, dass die anderen den Gedankenaufbau nachvollziehen und verstehen können. Das ist Voraussetzung für gemeinsame, akzeptable (Kompromiss-)Lösungen. Es geht also nicht darum, andere zu manipulieren, um sich oder seine Meinung
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Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
autoritär, mit Macht, durchzusetzen. Wer kooperiert, wird ein Nachgeben oder Sich-überzeugen-Lassen nicht als Niederlage erleben, sondern als eine Bereicherung: Man hat etwas dazugelernt. Soll Kommunikation gelingen, muss man auch in hierarchischen Strukturen Symmetrie unterstellen und im anderen einen gleichwertigen Partner sehen. Das passiert, wenn man Sprechen nicht als Konkurrenzsituation auffasst, sondern eine kooperative Einstellung vertritt. Idealtypisch kann man gegenüberstellen: kooperative Einstellung:
Konkurrenz-Einstellung:
Symmetrie in der Beziehung, auch bei komplementären Rollen: gleichwertiger Partner
Hierarchie in der Beziehung Gegner/Kontrahenten/Feindbild
Dialog mit Konsens, Kompromiss, aber auch Dissens
Monolog bzw. Sieg-Niederlagen-Spiel
Perspektive-Übernahme mit Toleranz gegenüber anderen Positionen, Konfrontationsmut
Ichbezogenheit und (erzwungenes) Harmoniestreben
hörerbezogener Aufbau
persönlich motivierte, assoziative bzw. übernommene systematische Struktur
Pro-Contra-Abwägen (Versuch und Irrtum): mit Argumenten überzeugen
einseitige Bewertungen (rabulistisch): überreden, manipulieren
»Fehler« zugeben, Neues annehmen
perfektionistischer Anspruch an sich und andere
konstruktive Kritik
Destruktive Kritik: andere »fertig machen«; Tadel, Appelle, »kluge« Ratschläge
Person und Sache trennen
Sachliche Kritik immer persönlich nehmen
Störungen der Beziehung werden offen angesprochen und geklärt
persönliche Streitereien unter dem Deckmantel sachlicher Auseinandersetzungen
sich zurücknehmen, zuhören
dominieren, nicht auf Beiträge anderer eingehen
integrativ
autoritär
selbstsicher
unsicher
angemessenes Selbstwertgefühl
geringes Selbstwertgefühl
Mehr als ein ethisches Postulat Kooperation ist nicht nur ein ethisches Postulat, sondern eine Notwendigkeit. Denn Kommunikation funktioniert immer nur kooperativ: Wenn der Zuhörer nicht will, kann der Redner sein Ziel nicht erreichen.
Kooperation als Grundidee
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Unter rhetorischem Aspekt geht es immer um die Wirkung, man könnte auch sagen: Der Hörer hat immer recht. Das bedeutet aber nicht, dass man sich überanpassen und sein Fähnlein nach dem Wind ausrichten sollte. Aber wenn der Zuhörer etwas nicht versteht, interessiert nicht, was der Redner eigentlich aussagen wollte. Entscheidend ist immer die Wirkung, die er bei den Zuhörern ausgelöst hat. Ob beabsichtigt oder nicht, diese Wirkung ist vorhanden. Sie wirkt auch, wenn der Sprecher sie ablehnt und nicht wahrhaben will. Drückt ein Sprecher den Zuhörern mit Macht seine Position auf, sodass diese ohne Einsicht oder widerwillig zustimmen müssen, mag er kurzfristig einen Sieg errungen haben. Aber langfristig werden besiegte Zuhörer, wenn sie ihre unterlegene Position realisieren, sich distanzieren und z. B. die Umsetzung verzögern oder blockieren und möglicherweise auf Revanche sinnen. So schaukeln sich Gespräche allmählich emotional auf, und schließlich findet unter dem Deckmäntelchen einer sachlichen Auseinandersetzung nur noch ein persönlicher Machtkampf statt. Die Sache wird dabei zur Nebensache, ein Mittel zum Zweck. Keine Sache spricht für sich, es sind immer Menschen, die miteinander über etwas reden. Die zwischenmenschliche Beziehung beeinflusst die sachliche Auseinandersetzung. Deshalb sollte man sich vorstellen, was andere zu dem Thema denken könnten. Spricht man das mutig aus und setzt sich damit auseinander, kann man andere besser überzeugen. Dazu gehört ein Mindestmaß an Selbstsicherheit. Wer selbst sehr unsicher ist, traut sich oft nicht, andere Positionen anzusprechen und in Erwägung zu ziehen. Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl können sich häufig nicht durch andere Meinungen in der eigenen Position verunsichern lassen; sie müssen, um ihr Minimum an Sicherheit aufrechtzuerhalten, recht behalten, sich durchsetzen und andere im Gespräch dominieren. Überzeugen, nicht manipulieren Manipulative Tricks schaffen keine Überzeugungskraft, sie zerstören die Glaubwürdigkeit des Sprechers. Wer andere überredet, baut Skepsis und Vorbehalte gegen sich auf. Wenn jemand persönlich angegriffen und attackiert wird, muss er nachgeben, klein beigeben und verliert dabei in der Öffentlichkeit sein Gesicht. Eine solche Niederlage und Blamage überzeugt ihn aber nicht. Zielorientierter ist es immer, den anderen als Person zu achten, ihn fair zu behandeln und gemeinsam Kompromisse auszuhandeln, die für beide Seiten akzeptabel sind. Eine niederlagenlose Kommunikation ist also nicht nur aus moralischen Gründen besser, sie hat sich auch von der Erziehung und Psychologie bis zu geschäftlichen und politischen Verhandlungen als die effektivste Form erwiesen. Die-
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Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
ser »Kommunikationsphilosophie« entsprechen z. B. auch bekannte und weit verbreitete Ansätze wie die Themenzentrierte Interaktion nach Ruth Cohn, das Harvard-Verhandlungskonzept, die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg, die Transaktionsanalyse oder die Konferenzmethode von Thomas Gordon. Grundlegende Kennzeichen Kooperativer Rhetorik »Kooperativ« betont das gemeinschaftliche Moment beim Sprechhandeln. Die miteinander Handelnden sind Partner, bestimmen und verantworten gemeinsam den Prozess. Dabei sind sie sich ihres dialogischen Aufeinander-Angewiesenseins bewusst. Für Elmar Bartsch, den Begründer der Kooperativen Rhetorik, bedeutet Kooperative Rhetorik permanenten Hörerbezug (persönliches Interview anlässlich der 40-Jahre-Feier des Hernstein-Instituts am 15. 09. 2006). Die fünf wichtigsten Kennzeichen dieses (virtuell-) dialogischen Ansatzes sind: 1. Die Zuhörer immer mit ihrer Motivation, also ihren Erwartungen, Bedürfnissen, Fragen, Problemen, Kenntnissen und Erfahrungen, dort abholen, wo sie gedanklich stehen. 2. Bei der Begriffsbildung von den Problemen aus der Sicht des anderen ausgehen, sodass dieser den Prozess immer mitdenken kann. 3. Die Lösungsideen und Punkte, die der Zuhörer im Kopf hat, aufgreifen und ernsthaft in der Argumentation mit berücksichtigen. 4. Dem Zuhörer Arbeit abnehmen und ihm neue Lösungsansätze anbieten. 5. Andere nicht dominieren und manipulieren, sondern genügend Freiheitssignale setzen, sodass der andere sich nicht unter Druck gesetzt fühlt und sich traut, seine eigene Entscheidung zu treffen. Rhetorik lehren und lernen Kooperative Rhetorik ist dialogisch orientiert, beginnt aber in der Erwachsenenbildung oft bei der Vermittlung mit Rede-Modellen und führt Von der Rede zum Gespräch (Pabst-Weinschenk 1991). Grundsätzlich gibt es keine kommunikativen Patentrezepte, sondern die Person mit ihrem Learning by doing steht im Vordergrund. Ziel ist das selbstbewusste Reden und Handeln miteinander, dazu ist konkrete Anleitung, aber auch umfassende Reflexion und Hintergrundwissen notwendig. Wesentliche Kriterien sind immer Situationsangemessenheit, Funktionalität und Ganzheitlichkeit. Die Lerner werden von Anfang an als mündige und gleichberechtigte Kommunikationspartner ernst genommen. Es werden ihnen einfache Rede-Modelle (Bartsch 1979, 1990a, 1990b) angeboten und die
Theorie und Kriterien – Grundlagen für Handlungsfähigkeit
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Besprechungen orientieren sich am Format Konstruktive Kritik-Gespräch (PabstWeinschenk 2009a, 197). Im Sinne der techné-Tradition wird die Einheit von Wissen, Können und Lehre betont. Jemandem etwas beibringen bedeutet (seit der Antike), ihn davon zu überzeugen. Lern- und Überzeugungsprozessen liegt das gleiche psychologische Prozess-Schema zugrunde. Insofern werden Vermittlungsprozesse auch nach rhetorischen Gesetzmäßigkeiten geplant und durchgeführt (Lüschow/Pabst-Weinschenk 1984; 2011a) und die Lehrperson steht immer auch mit ihrem persönlichen Redehandeln zur Disposition: Sie muss das, was sie vermitteln will, selbst beherrschen und ggf. auch vormachen können, Teilnehmer-Feedback und -Kritik zulassen und ernst nehmen. Kooperative Rhetorik kann ohne diesen persönlichen Bezug, die authentische und glaubwürdige Lehrpersönlichkeit, nicht vermittelt werden (Pabst-Weinschenk 2000a, 129–141).
3.3 Theorie und Kriterien – Grundlagen für Handlungsfähigkeit Die lernerorientierte Vermittlung von umfassendem Wissen mit Kriterien, theoretischen Konzepten und Systematik gehört mit zu den wesentlichen Kennzeichen Kooperativer Rhetorik. Wer darauf verzichtet, nimmt Lernern die Chance, selbstständig in immer wieder neuen Situationen für sich selbst rhetorische Handlungsmuster zu generieren und zu evaluieren. Hier wird auch deutlich, warum Bartsch bei der Zusammenfassung der Rhetorik-Kriterien von rhetorischer Oberflächen- und Tiefenstruktur redet. Analog zu den Chomsky’schen Begriffen der Generativen Transformationsgrammatik geht Bartsch davon aus, dass aus den verschiedenen Handlungsmustern der rhetorischen Tiefenstruktur je nach kommunikativer Grundhaltung, Intention, Situation etc. jeweils verschiedene Oberflächenstrukturen erzeugt werden können. Ein Herumkurieren nur an den oberflächenrhetorischen Präsentationen von Körpersprache, Sprechausdruck und sprachlichen Formen reicht ihm nicht. Kriterien der Oberflächen- und Tiefenstruktur Die Beurteilungskriterien geben Beobachtungspunkte an, die der Zuhörer hinsichtlich der Situationsangemessenheit einschätzt. Es handelt sich nicht um ganz bestimmte Ausprägungen dieses Merkmals. Es wird also nicht vorgegeben, wie z. B. gestikuliert werden soll, sondern man schätzt als Zuhörer die Gestik so ein, wie man sie in der Situation im Hinblick auf das Thema, die Zuhörer etc. empfindet. Bartsch listet folgende Kriterien auf:
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Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
1. Rhetorische Oberflächen-Struktur a) Optisch (oder Körper-Sprache): •• Körperhaltung, •• Gestik, •• Mimik, •• Blickkontakt, •• Manuskriptumgang, •• Atmung. b) Akustisch (oder Sprech-Sprache): •• Artikulation, •• Klangfarbe/Stimme, •• Lautstärke/Dynamik, •• Tempo/Pausen, •• Sprechfluss, •• Melodieführung. c) Sprachlich (oder Sozial-Sprache): •• Sprachebene (situativ), •• Floskeln, •• Wortwahl, •• Satzbau, •• Textmuster/Redesorte. 2. Rhetorische Tiefenstruktur a) Kognitiv: •• Themenbezug, •• Sachkenntnisse, •• Problem-Lösungs-Unterscheidung, •• Problemdimensionierung, •• Gliederung. b) Emotiv: •• Perspektive-Übernahme/Hörerbezug, •• Rollenkommentierung, •• Selbstpräsentation bzw. -demontage, •• Bilder/Beispiele. c) Psychomotorisch (Einwirkung): •• Zielsetzung und -wille, •• Argumentation, •• Neuigkeitswert, •• Verstärkungen.
Theorie und Kriterien – Grundlagen für Handlungsfähigkeit
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Diesen zwei beobachtbaren Strukturbereichen hat Bartsch noch einen dritten Bereich Kommunikative Grundeinstellung hinzugefügt. Die kommunikative Grundeinstellung ist die meist unbewusste Quelle aller vorausgehenden funktionalen Faktoren. Wenn jemand z. B. grundsätzlich Angst vor seinen Zuhörern hat, wird er anders zu ihnen sprechen als jemand, der sich immer für klüger als alle anderen hält. Diese Grundeinstellung offenbart sich in der Tiefen- und Oberflächenstruktur, selbst wenn man sich verstellen möchte. Diese Zusammenschau der rhetorischen Kriterien war für mich der erste Ausgangspunkt bei der Entwicklung meiner Rede-Pyramide. Was wirkt in mündlicher Kommunikation? Mehrabians Studien
Immer wieder behaupten Rhetorik- und Kommunikationstrainer, dass die Wirkung beim Miteinandersprechen zu 55 % von der Körpersprache, zu 38 % von der Prosodie, also den sprecherischen Ausdrucksmitteln, und nur zu 7 % von der Sprache, also dem formulierten Inhalt, abhänge. Dabei beziehen sie sich auf Albert Mehrabian, einen amerikanischen Psychologen, aber vermutlich ohne seine Studien selbst gelesen zu haben. Denn Mehrabian selbst hat ursprünglich diese Zahlen so nicht verallgemeinert. Es handelt sich um eine Kombination der Ergebnisse aus zwei kleinen Studien mit insgesamt nur 50 Teilnehmern (Studie 1: 30 Tn und Studie 2: 20 Tn) aus den 1960er-Jahren: In der Studie 1 (Mehrabian/Wiener 1967) ging es um Inconsistent Communication, also Mismatchs. Dabei wurde eine Anzahl an Wörtern ausgewählt, die durch sich selbst eindeutig positive Gefühle kommunizieren. In einem Auswahlverfahren wurden folgende drei Wortgruppen bestimmt: ȤȤ Positiv: honey, thanks, dear ȤȤ Negativ: don’t, brute, terrible ȤȤ Neutral: maybe, really, oh Diese Wörter wurden von zwei Sprecherinnen in jeweils drei Versionen (attitudes) eingesprochen und von 30 Studierenden angehört. Die Fragestellung lautete: Welche Einstellung/Haltung hat die Sprecherin zum Gegenüber? Anleitung: Achten Sie auf »Wortbedeutung«, auf »Ton der Stimme«, auf Gesamtbotschaft (je 10). Das Ergebnis: Die stimmlichen Elemente fielen schneller und stärker ins Gewicht, wenn es einen Widerspruch zwischen den Wörtern und den Stimmelementen gab. Die Wörter selbst hatten dann kaum Einfluss. Die Stimmelemente wirkten 5,4-mal stärker als die Wörter. In Studie 2 (Mehrabian/Ferris 1967) haben 25 Studentinnen in einem Auswahlverfahren ein neutrales Wort gewählt. Das Ergebnis war: maybe. Sprecherinnen sprachen nun dieses Wort in der Vorstellung, das Gegenüber a) zu
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Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
mögen, b) nicht zu mögen, c) ihm gegenüber neutral eingestellt zu sein. (jeweils zweimal). Nun wurden die Aufnahmen mit Porträtaufnahmen gekoppelt und 20 Versuchspersonen (Studentinnen) mussten entscheiden, welche Haltung die Person jeweils hat. Ergebnis: Das Gesicht hat 1,5-mal mehr Einfluss als der stimmliche Anteil. Aus diesen beiden kleinen Studien wurde das verbindende Fazit gezogen: Wenn die Stimme also 5,4-mal wichtiger ist als das Wort/der Inhalt, sind wir in etwa bei 7 % zu 38 % und wenn die Körpersprache 1,5-mal wichtiger ist als die Stimme, kämen wir exakt auf 57 %; damit es insgesamt 100 % sind, also auf etwa 55 %. Damit wären wir bei der bekannten Einteilung von 7 % zu 38 % zu 55 %. Mehrabian selbst sieht diese Formel nicht so allgemeingültig, wie sie in Trainerkreisen gehandelt wird. Denn es ging ihm um inkonsistente Kommunikation und Kommunikation über Gefühle und Haltungen (like – dislike): Inconsistent communications – the relative importance of verbal and nonverbal messages. My findings on this topic have received considerable attention in the literature and in the popular media. »Silent Messages« contains a detailed discussion of my findings on inconsistent messages of feelings and attitudes (and the relative importance of words vs. nonverbal cues) on pages 75 to 80. … Please note that this and other equations regarding relative importance of verbal and nonverbal messages were derived from experiments dealing with communications of feelings and attitudes (i. e., like-dislike). Unless a communicator is talking about their feelings or attitudes, these equations are not applicable. Also see references 286 and 305 in Silent Messages – these are the original sources of my findings. (Mehrabian auf seiner Webseite: http://www.kaaj.com/psych/smorder.html, Abruf 12. 12. 2014; vgl. auch: Mehrabian 1981)
Die Formel »7 % – 38 % – 55 %« ist also ein Mythos, der unreflektiert weitergegeben wird (vgl. Lenhart/Wachtel 2001; Heilmann 2013). Die Formel ist undifferenziert und in ihrer Verallgemeinerung falsch. Sie fokussiert zu stark auf die Form der Präsentation und führt zu einer Vernachlässigung des Inhalts. Insofern ist sie in wissenschaftlich fundierten Publikationen und Seminaren bzw. Seminaren, die an Universitäten angeboten werden, unangebracht. Statt dieser Formel sollte besser ein umfassendes sprechwissenschaftliches Modell wie die RedePyramide, die alle Ebenen und Wechselwirkungen erfasst, verwendet werden.
Zusammenfassung rhetorischer Kriterienin der Rede-Pyramide
131
3.4 Zusammenfassung rhetorischer Kriterien in der Rede-Pyramide Die Rede-Pyramide ist ein didaktisches Synopse-Modell, in dem alle Kriterien, auf die es beim Miteinandersprechen ankommt, zusammengefasst werden. Die drei Seiten der Pyramide zeigen wesentliche Zusammenhänge und Interdependenzen auf (Pabst-Weinschenk 2009a, S. 9–14; 2004/2011, S. 16 ff.; 2005, S. 22–27; 1995/2009, S. 22 ff.; Pabst-Weinschenk/Thiel 2012, 188–192). Auf dem Fundament der Körpersprache baut sich der Sprechausdruck und schließlich die Wortsprache auf. Die Entwicklung vollzieht sich von unten nach oben (Pfeil!), also von der Körpersprache zur Wortsprache. Diese Entwicklung kann man menschheits- und individualgeschichtlich feststellen. Die Wortsprache ist das höchst entwickelte und zuletzt erworbene Verständigungssystem (Lurija 1982, 29). Diese Entwicklung wirkt beim Reden immer mit. Treten z. B. Formulierungsprobleme beim Sprechdenken oder Verständigungsschwierigkeiten mit einem Gesprächspartner auf, wird automatisch auf das einfachere, zugrundeliegende System der Körpersprache zurückgegriffen: Wir gestikulie-
Wortsprache: Wortwahl Satzbau Sprechausdruck: Aussprache-Deutlichkeit Lautstärke + Betonung Tempo + Pausen bzw. Füllsel Melodieführung + Kadenzen Klangfarbe der Stimme Körpersprache: Mimik
+ Blickkontakt
funktionale Gestik oder Ableitungsbewegungen offene oder geschlossene Haltung ruhiger oder unruhger Stand Atmung Äußeres, Umgang mit den Medien Raumgestaltung und Raumaufteilung Seite A der Pyramide: Präsentation, Form (rhetorische Oberflächenstruktur)
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Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
ren oder zeigen auf etwas. Verkrampfungen der Körpermotorik blockieren den Sprechfluss und die Formulierung, sodass Füllwörter und Sprechdenkgeräusche wie äh, mh gehäuft auftreten. Bei allen Aspekten der ersten Seite der Pyramide handelt es sich um weitgehend automatisierte Verhaltensweisen. Sie laufen unbewusst ab. Wollte man sie ständig bewusst vollziehen, würde man handlungsunfähig. Die Automatisierung hat eine wichtige Entlastungsfunktion. Zu Lern- und Übungszwecken sollte man immer nur einzelne Aspekte stärker bewusst ansprechen. Auch die Einschätzung von Glaubwürdigkeit folgt der Genese: Dem Augenschein der Körpersprache und dem Klang des Sprechausdrucks wird mehr geglaubt als den Worten. Sie sind ursprünglicher und leiten als Metamitteilung das Verständnis. Der sprachliche Ausdruck, auf den im Deutschunterricht immer das Hauptaugenmerk gelegt wird, stellt im Hinblick auf rhetorische Wirkung immer nur die Spitze des Eisbergs dar. Beim Textsprechen stellt die oberste Ebene der Pyramiden-Seite A den Ausgangspunkt dar. Zur Formulierung werden mehr oder weniger passend Sprechund Körperausdruck hinzugefügt, und man versucht die Inhaltsstruktur (Seite B)
Frage, Appell Argumentieren, Zuhören etc. Gliederung: Prozess-Stufen von Rede- und Gesprächsformen je nach Vorherrschen einer Zeichenfunktion (Darstellung, Ausdruck, Appell) Konzept der Kommunikationssituation: wer spricht – mit wem – was, worüber, wie – warum und wozu – wann und wo? Gegenstände Zeichen Sprecher Hörer Seite B der Pyramide: Inhaltskonzept (rhetorische Tiefenstruktur)
Zusammenfassung rhetorischer Kriterienin der Rede-Pyramide
133
und die Persönlichkeit (Seite C) zu rekonstruieren. Bekannte Methoden sind dabei das so genannte »gestische Sprechen« (Ritter 1997) oder die Arbeit mit kurzen Subtexten (Aderhold 1995). Beim gestischen Sprechen versucht man, die dem Text oder Abschnitt zugrunde liegende innere Haltung zu finden und die diesem Gestus entsprechenden äußeren Gesten als Grundlage beim Sprechen zu gestalten. Bei der Arbeit mit Subtexten versucht der Sprecher, die Intention zunächst in kurzen alltagssprachlichen Äußerungen auszudrücken, bevor er den eigentlichen Text zu gestalten versucht. Verkürzt man die Äußerungen, so entstehen Stichwortkonzepte, die ersten Konzeptualisierungen in der inneren Sprache (Wygotski 1934) ähneln können. Beim Inhaltskonzept, das man für eine Rede vorbereitet, wenn man dazu Gelegenheit hat, geht es nicht nur um die Sache, sondern um das Konzept der gesamten Kommunikationssituation. Hat man die Sprechsituation (= Makrostruktur-Ebene) erfasst, wird eine Hauptzielsetzung mit passender Rede-Gliederung oder Gesprächsphasenstruktur (Mesostruktur) und geeignete Sprechoperationen wie Fragen, Zuhören, Bewertungen etc. (Mikrostruktur) ausgewählt. Eine Basis-Orientierung bietet hier das Organon-Modell von Karl Bühler (1934)
kommunikative Haltungen: Sieg-NiederlagenSchema oder Win-Win-Strategie Manipulation oder Transparenz etc. Konkurrenz oder Kooperation? geringes Selbstwertgefühl + Labilität führen zu Erniedrigung vor anderen oder zu Dominanz. Angemessene Selbstachtung ermöglicht Kooperation Kommunikationsbiografie: Welche kommunikativen Erfahrungen prägen uns von klein auf? Besonders prägende Erlebnisse aus frühester Kindheit, aus der Schulzeit etc.? Seite C der Pyramide: Persönlichkeit
134
Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
mit den Zeichenfunktionen Darstellung, Ausdruck, Appell. Hinsichtlich der einzelnen Aufgaben bei der Gesprächssteuerung ist wichtig, dass Gespräche sich über Sprecherwechsel organisieren und neben den Aufgaben der Themenbearbeitung immer auch die der Beziehungsgestaltung beachtet werden müssen. Aus solchen Kriterien kann man für verschiedene Situationen überlegen, welche Handlungsweisen angemessen sein könnten. Die Präsentation (Seite A) beeinflusst die Wirkung des Inhaltskonzepts, das seinerseits aber auch die äußere Form mitbestimmt. Bei einer sachlichen Information spricht man z. B. anders, als wenn man jemanden überzeugen möchte. Und aus diesen Zeichen auf der Oberflächenstruktur zieht der Gesprächspartner Rückschlüsse auf die inhaltliche Tiefenstruktur (Gliederungen, Absichten, Sprechhandlungen) und die persönlichen Haltungen bzw. die Struktur der Persönlichkeit. Im Inhaltskonzept und in der Präsentation kommt die Persönlichkeit des Redners zum Ausdruck, und der Zuhörer zieht aus der rhetorischen Oberflächen- und Tiefenstruktur Rückschlüsse auf die Person des Sprechers und seine Einstellungen. Kommunikative Einstellungen erwachsen aus der Kommunikationsbiografie eines Menschen und lassen sich zurückführen auf die zentrale Frage, ob Kommunikation als Konkurrenz oder Kooperation eingeschätzt wird. Kooperation setzt Selbstsicherheit voraus. Dominante Einstellungen werden auf psychische Labilität, integrative auf Stabilität zurückgeführt. Die kommunikative Persönlichkeit ist nichts Unveränderliches, sondern etwas Erworbenes. Jeder Mensch ist geprägt von seinen persönlichen Kommunikationserfahrungen von der frühesten Kindheit an. Deshalb stellt die Kommunikationsbiografie die Basis seiner Rhetorik dar. – Hier wird deutlich, welche große Verantwortung Eltern, aber auch Lehrpersonen für die Entwicklung der Kommunikationsbiografien ihrer Kinder und Schüler haben. Interdependenz bei Wirkung und Sprechproduktion Keine der drei Seiten kann man absolut setzen oder gegen die anderen ausspielen: Wird z. B. nur die äußere Form wichtig genommen, führt das zu einer reinen Präsentationstechnik, unabhängig von inhaltlichen Aspekten und der Persönlichkeit; werden nur Inhalt oder Persönlichkeit betont, gelangt man zu einer kognitiv oder psychologisch beherrschten Auffassung von Rhetorik. Dagegen wird hier eine umfassende Sichtweise zugrunde gelegt: Das konkret-beobachtbare Verhalten (Seite A) repräsentiert die durch die Kommunikationsbiografie geprägte Sprecher-Persönlichkeit (Seite C) und ihre bewussten Entscheidungen für bestimmte Strukturen auf der Ebene der Tiefenstruktur (Seite B). Hinsichtlich der Produktion und Analyse von Kommunikation kann der Ansatzpunkt – je nach Interesse und Bedürfnissen – jeweils auf einer anderen Seite gewählt werden.
135
Bewertungsbogen und Wirkungsprofil
3.5 Bewertungsbogen und Wirkungsprofil In Prüfungssituationen kommt man nicht umhin, Beobachtungen, Wirkungseindrücke, Feedback in eine Bewertung münden zu lassen. Dabei hilft Ihnen der folgende Bewertungsbogen. Beim Feedback »Prima, super!« gibt es pro Kriterium jeweils zwei Punkte, bei »Wirkt gut!« jeweils einen Punkt. Werden alle Kriterien bewertet, kann man anhand der Punktzahl drei Niveaustufen differenzieren (Pabst-Weinschenk 2008/2013, 409): ȤȤ Niveau 1: 60–30 Punkte ȤȤ Niveau 2: 29–15 Punkte ȤȤ Niveau 3: unter 14 Punkte
Prima, super! (2 Punkte) OPTIK Medieneinsatz Visualisierung Blick Mimik Gestik Haltung AKUSTIK Stimme Lautstärke Betonung Melodie Tempo/Pausen Ähs und Füllwörter Aussprache WORTSPRACHE Satzlänge Rhetorische Fragen Treffende Wortwahl Wörtliche Reden Gebrauch von Fremdwörtern
Wirkt gut! (1 Punkt)
Na ja ?
Könnte besser werden
136
Kooperative Rhetorik – zum Konzept und zu den wesentlichen Kriterien
HÖRERBEZUG Abholer, Motivation Anschaulichkeit, Beispiele Gliederungs-Vorausschau, Transparenz Hörauftrag Absätze SACHBEZUG Umfang Inhaltsauswahl Logischer Aufbau Untergliederung Belege: Argumente, Zitate Deutliche ZIELrichtung Schluss-Botschaft Gesamtwirkung
Manchmal möchte man die Wirkung genauer erfassen. Das geht mit dem folgenden Wirkungsprofil. So können Eindrücke einer ganzen Gruppe zu einem Durchschnittswert zusammengerechnet werden. Die wichtigsten zehn Wirkungseindrücke sind die fett gedruckten. Wenn Sie gleich die Verbindung zu den konkreten Beobachtungen herstellen wollen, fragen Sie: Wie verständlich/sicher/engagiert etc. hat der Vortrag gewirkt und woran kann ich diesen Eindruck festmachen? Welche Verhaltensweisen haben genau diesen Eindruck bei mir ausgelöst?4 Positive Wirkungseindrücke
Negative Wirkungseindrücke
1
interessant
12345
einschläfernd
2
verständlich
12345
unverständlich
3
einfach
12345
kompliziert
4
gegliedert
12345
unübersichtlich
5
substanziell
12345
phrasenhaft
6
kurz/prägnant
12345
lang/weitschweifig
4 M2 auf CD-ROM zu Pabst-Weinschenk (2005b).
Beobachtungen
137
Bewertungsbogen und Wirkungsprofil
7
anregend
12345
nüchtern
8
selbstbewusst/sicher
12345
unsicher
9
engagiert
12345
unverbindlich
10
ruhig
12345
hektisch/nervös
11
frei
12345
gehemmt
12
kontaktfreudig
12345
kontaktarm
13
geduldig
12345
ungeduldig
14
kompetent
12345
inkompetent/laienhaft
15
kritisch
12345
unkritisch
16
redlich
12345
manipulativ
17
partnerschaftlich
12345
arrogant
18
schlicht
12345
pathetisch
19
seriös
12345
unseriös
20
vertrauenswürdig
12345
suspekt
21
intelligent
12345
naiv
22
sympathisch
12345
unsympathisch
23
hörernah
12345
distanziert
24
leicht
12345
angestrengt
25
locker
12345
verkrampft
26
dynamisch
12345
statisch/steif
27
konzentriert
12345
fahrig
28
herzlich
12345
kalt
29
freundlich
12345
unfreundlich/ernst
30
lustig
12345
traurig
31
lebendig
12345
monoton/gleichförmig
32
frei formuliert
12345
abgelesen
33
orientiert
12345
desorientiert
34
glaubwürdig
12345
unglaubwürdig
35
natürlich
12345
gekünstelt/affektiert
36
sachlich
12345
gefühlsbetont
37
mitteilend
12345
werbend
38
überzeugend
12345
nicht überzeugend
4. Der Stimme etwas Gutes tun
Der Stimmklang ist individuell und wir haben uns im Laufe unseres Lebens bestimmte Gewohnheiten des Stimmgebrauchs zu eigen gemacht. Aber nicht alle Gewohnheiten sind auch zweckmäßig, und sie entsprechen auch nicht alle einem physiologisch richtigem Einsatz unseres Stimmorgans. Fehlhaltungen wie zu hohes oder zu gepresstes oder auch verhauchtes Sprechen belasten die Stimme und können auf Dauer schnell zu Stimmstörungen führen. Sinnvolles Stimmtraining bezieht den gesamten Körper mit ein und geht von der Wahrnehmungsschulung, Haltung und Atmung aus. Die Stimme wird auf dem Ausatemstrom gebildet, und je nachdem, welche Haltung wir einnehmen, mit welcher Intention und aus welcher inneren Haltung heraus wir sprechen, klingt unsere Stimme anders. Die Faktoren, die sich wechselseitig beeinflussen, kann man in einem Übungskreislauf zusammenfassen. Wahrnehmung Haltung/ Eutonie (Wohlspannung)
Innere Haltung/ Wohlbefinden Von Mensch zu Mensch Intention/ Präsenz
Physiologisches Naturprinzip vom geringsten Kraftmaß
Stimme Übungskreislauf
Atmung
Artikulation
Der Stimme etwas Gutes tun
139
Handlungsleitend bei allen Übungen ist immer der kommunikative Aspekt (wir reden miteinander) und von der Physiologie her das Naturprinzip vom geringsten Kraftmaß (ökonomisch reden ohne Fehlhaltungen und Überanstrengungen). Stimm-Müdigkeit und Überanstrengung kann man nicht nur hören, sondern auch spüren: trockener Hals, belegte Stimme, häufiges Räuspern sind immer Anzeichen, die Sie ernst nehmen sollten. Anzeichen für eine Stimmstörung können sein: ȤȤ veränderter Stimmklang (heiser, brüchig, belegt, verhaucht, zu laut/leise/ hoch/tief etc.) bis hin zum völligen Wegbleiben der Stimme, ȤȤ unökonomische Atemweise (z. B. zu lange Sprechphasen ohne Atempause), ȤȤ Verschlechterung der Stimme bei langem oder lautem Stimmgebrauch, ȤȤ körperliche Missempfindungen (z. B. Kloß- oder Enge-Gefühl im Halsund Kehlkopfbereich, und/oder Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich). Ob etwas mit der Stimme nicht stimmt, kann man also wahrnehmen: Die Stimme klingt heiser, rau oder behaucht. Heiserkeit, Rauheit und Behauchung – das sind die phoniatrischen Oberbegriffe (Nawka/Wirth 2008) für alle pathologischen Störungen, bei denen im Stimmklang Geräuschanteile auftreten. Bei einer belegten Stimme liegt demnach eine gering gradige Rauigkeit vor. Nach dem Höreindruck werden Stimmauffälligkeiten auch häufig so eingeschätzt: Die Stimme klingt abgeschnürt, blechern, brummend, dünn, fauchend, flach, flatternd, gaumig, gellend, gepresst, gesprungen, gestopft, grell, halsig, hart, hauchig, hohl, kalt, kehlig, kipplig, klangarm, kloßig, knarrend, krächzend, kratzend, kreischend, matt, muffig, nasal, pfeifend, piepsend, prasselnd, rasselnd, reibend, röchelnd, scharf, scheppernd, schmirgelnd, schneidend, schwebend, schwer, stumpf, tonlos, verschleiert, wacklig, zittrig … (Heiserkeitsformen nach Nessel 1960, zit. nach Friedrich 1995, 61). Als Qualitätsparameter für die Stimme gelten insgesamt: Reinheit, Lage, Tonhöhenumfang, Lautstärkeumfang, Ansatz, Einsatz, Absatz, Tragfähigkeit, Belastbarkeit, Konstanz, Klang, Modulation und Tonhaltedauer. Eine Tonhaltedauer unter 10 Sekunden gilt als pathologisch, normal sind über 20 Sekunden. In der Phoniatrie werden folgende Charakteristika des normalen und krankhaften Stimmgebrauchs gegenüber gestellt:
140
Der Stimme etwas Gutes tun
Charakteristika
Normal
Krankhaft
Qualität
klar, kräftig
rau, heiser, belegt, matt, verhaucht, kehlig, nasal
mittlere Sprechstimmlage
dem Alter und Geschlecht entsprechend
zu tief oder zu hoch
Stimmumfang
weit und beweglich, der Situation angepasst
eintönig, eingeschränkt oder aber übertrieben weit
Stimmstärke
mühelos im Wechsel von laut zu leise
schwach, dünn; oder überwiegend zu laut, überhaupt nur laut
Leichtigkeit der Stimmproduktion
Gefühl, unbeschwert zu sein beim Singen und Sprechen
Ermüdungsgefühl bei längerem Singen und Sprechen
Resonanz
Wohlklingend
flach (zu geringe Resonanz); nasal (zu viel Resonanz)
Atmung
freie, überwiegend Bauchatmung
Hochatmung (clavikulär); zu langes Sprechen auf einem Atemzug; oberflächliche, geräuschhafte Einatmung
Sprechgeschwindigkeit (zur Ökonomie der Atemabgabe)
unauffällig, mit Sinnpausen
zu langsam oder zu schnell
Stimmeinsätze
weich bis mäßig hart
sehr hart (Glottisschlag); undicht (›wilde Luft‹)
Ablauf der Stimmleistung
gleichmäßig, in allen Qualitäten dem Zweck angepasst
Abbrechen der Stimme zum Falsett oder zum Flüstern; schwankend oder tonlos
Nach Habermann 1973, zit. nach: Friedrich 1995, 69
Und wie ist es bei Ihnen? Werden Sie schnell heiser? Haben Sie häufiger ein Kloß- oder Engegefühl im Hals? Testen Sie Ihre Stimme: Nehmen Sie sich ein Buch und lesen Sie laut 20 Minuten vor. Nehmen Sie Ihren Vortrag auf. Wie fühlt sich Ihre Stimme nach dem Vorlesen an? Vergleichen Sie anhand der Aufnahme, ob sich die Stimme nach den 20 Minuten verändert hat. Klingt sie am Ende etwas rauer, nicht mehr so klangvoll? Wenn Sie das feststellen, wäre es gut, mal zu einem Phoniater zu gehen und die Stimmlippen untersuchen zu lassen. Denn die Belastung von 20 Minuten Dauersprechen muss eine gesunde Stimme gut durchhalten.
Methoden der Stimmbildung
141
4.1 Methoden der Stimmbildung Es gibt inzwischen sehr viele verschiedene Methoden und Ansätze, die in der Stimmbildung eingesetzt werden. Viele Ratgeber bieten Übungen an, die sich z. T. gar nicht so erheblich voneinander unterscheiden, und viele Übungen sind inzwischen auch zum sprecherzieherischen und logopädischen Allgemeingut geworden, so dass selbst Profis oft auf Anhieb nicht wissen, woher die eine oder andere Übung stammt. Ich bin keine ausgesprochene Anhängerin einer dieser Methoden, sondern habe mir effektive Übungen aus verschiedenen Konzepten zusammengestellt. Um das zu tun, braucht man zunächst einen Überblick über verbreitete Methoden. Wenn es um den Abbau von Verspannungen, Entspannung, Eutonie/Wohlspannung und die entsprechende Atmung geht, sind vor allem die Progressive Muskelentspannung, das Autogene Training, Yoga, Tai Chi, Qigong, Feldenkrais und die Alexander-Technik weit verbreitet. Grundlegende Stimmerfahrungen vermitteln der Ansatz von Schlaffhorst-Andersen, die Kaumethode, der Atemwurf, die Atemrhythmisch Angepasste Phonation, die Akzentmethode, der erfahrbare Atem und das funktionale Stimmtraining, die Roy-Hart- sowie die Linklater-Methode. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es handelt sich vielmehr um die Ansätze, die in meiner Wahrnehmung am weitesten verbreitet sind und viele praktische Anregungen bieten. Die meisten dieser Richtungen haben eigene Verbände gegründet und bilden Lehrer, Trainer, Coaches aus. Auf die jeweiligen Internetseiten weise ich hier hin, dort findet man auch weiterführende Literatur (zum Überblick vgl. auch Spiecker-Henke 2014). Progressive Muskelentspannung Durch die progressive Muskelentspannung (PME, auch progressive Muskel-Relaxation genannt) nach dem amerikanischen Arzt Edmund Jacobson (1888–1983) entsteht eine tiefe Entspannung des gesamten Körpers. Nacheinander werden bestimmte Muskelgruppen im Körper ganz bewusst für einige Sekunden angespannt und wieder entspannt. Durch die maximale Anspannung sehnt sich die Muskulatur nach Entspannung. Es wird im Liegen (z. T. auch im Sitzen) der ganze Körper durchgegangen (Reihenfolge siehe Zeichnung). Diese Methode ist nicht neu, sie hat sich bewährt. 1929 veröffentlichte Jacobson unter dem Titel You must relax die Ergebnisse seiner 20-jährigen Forschungen über die Zusammenhänge zwischen Muskeltonus und psychosomatischen Erkrankungen. Heute gilt die PME als eine der erfolgreichsten Behandlungen von Verspannungen, Stress, Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Die Übungen dauern
142
Der Stimme etwas Gutes tun
ungefähr eine halbe Stunde, in der Sie sich ungestört darauf konzentrieren können sollten, also (Mobil-)Telefon, Klingel etc. dabei abstellen. Das gilt auch für die Übungen nach den anderen Entspannungskonzepten! Die PME wird auch von Krankenkassen empfohlen (vgl. z. B. http://www.tk.de/tk/broschueren-undmehr/cd-und-dvd/cd-progressive-muskelentspannung/49432, Abruf 15. 10. 2015).
5 7 6
9
8 2
4 10
1
(15)
15
11
13
12
14
3
1. die rechte Hand zur Faust ballen 2. den rechten Arm anwinkeln und den Oberarm gegen den Brustkorb pressen 3. die linke Hand zur Faust ballen 4. den linken Arm anwinkeln und den Oberarm gegen den Brustkorb pressen 5. die Stirn runzeln und die Nase rümpfen 6. den Kopf zurücklegen, die Kinnmuskeln anspannen und die Mundwinkel nach hinten ziehen 7. die Zähne zusammenbeißen und die Zunge gegen den Gaumen pressen 8. die angewinkelten Arme gegen den Brustkorb pressen und die Luft anhalten 9. die Schultern hochziehen und die Schulterblätter zusammenpressen 10. die Bauchmuskulatur anspannen und die Luft anhalten 11. den rechten Oberschenkel anspannen 12. die rechte Fußspitze vom Körper wegdrücken 13. den linken Oberschenkel anspannen 14. die linke Fußspitze vom Körper wegdrücken 15. die Gesäß- und Beinmuskeln fest anspannen
Muskelentspannung nach Jakobson
Autogenes Training Das Autogene Training ist eine Methode der konzentrativen Selbstentspannung. Das Adjektiv »autogen« weist explizit auf die Selbst-/Eigenverantwortlichkeit hin. Entwickelt wurde die Methode seit den 1920er-Jahren von H. J. Schultz (1884–1970), einem Berliner Nervenarzt, als bio-psychologische Methode zur Heilung von Neurosen, Angstzuständen, Nervosität, psychosomatischen Störungen, Konzentrationsmangel etc. Die Methode ist auch geeignet für Kinder.
Methoden der Stimmbildung
143
Die Übungen, die mehrmals täglich (3 x) durchgeführt werden, macht man im Liegen (auf dem Rücken) oder in einer bequemen Sitzhaltung im Lehnstuhl oder in lockerer Sitzhaltung ohne Anlehnen (Droschkenkutscherhaltung), jeweils mit geschlossenen Augen. Nach den Übungen muss man sich zurückholen durch Anspannen von Hand/Arm, z. B. durch das Ballen einer Faust oder Schlucken. Die Übungszeit beträgt anfänglich nur wenige Minuten, später bis zu einer halben Stunde. Die Übungen gliedern sich in Grund- und Oberstufe. Nach der Einleitung gibt es sechs Grundübungen: 0. Einleitung (Ruhetönung): Ich bin ganz ruhig und entspannt. 1. Schwere: Der rechte Arm ist ganz schwer. – Das linke Bein ist ganz schwer. – Der linke Arm ist ganz schwer. – Das rechte Bein ist ganz schwer. 2. Wärme: Der rechte Arm ist strömend warm. – Das linke Bein ist strömend warm. – Der linke Arm ist strömend warm. – Das rechte Bein ist strömend warm. 3. Das Herz schlägt ganz ruhig und regelmäßig. 4. Es atmet mich ganz ruhig. 5. Das Sonnengeflecht ist strömend warm. (Das Sonnengeflecht ist der Nervenknotenpunkt im Bauchraum, zwischen unterem Ende des Brustbeins und Nabel; als Hilfsvorstellungen werden oft benutzt: warme Kugel, Heizkissen, in der Sonne liegen …) 6. Kopf: Die Stirn ist angenehm kühl, der Kopf ist frei und klar (ein leichter Windhauch streicht über die Stirn …) – Vor dem Einschlafen wird diese Autosuggestion weggelassen; vor Hausaufgaben z. B. steigert sie die Konzentration, das Lernen fällt leichter (»kein Brett mehr vor dem Kopf«) und sie hat eine erfrischende Wirkung. Mit dem Autogenen Training werden oft formelhafte Vorsätze verbunden. Damit die Autosuggestionen wirken, müssen sie positiv und zwangfrei formuliert werden, also nicht »ich will«, nicht »nicht«, sondern »es geschehe«. Für Kinder wird das z. B. mit Reimen unterstützt: ȤȤ Hausaufgaben gerne, damit ich besser lerne. ȤȤ Hab’ ich Mut, geht es gut. ȤȤ Etwas schneller denken, keine Zeit verschenken. ȤȤ Gelassen und heiter komm ich weiter. Verbindet man das Autogene Training mit dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) sollte man bei solchen Formeln auch die Lerntypen und ihre inneren Repräsentationen (visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch, gustatorisch) berücksichtigen.
144
Der Stimme etwas Gutes tun
In der Oberstufe des Autogenen Trainings geht es um Meditation mit dem Ziel der Persönlichkeitsentfaltung, Reifung und Verbesserung des Selbstbewusstseins. Dazu wird die Konzentration auf einen Gegenstand, Raum, Menschen, auf eine Farbe, Musik oder auf Bilder oder abstrakte Begriffe gelenkt. Dachverband ist die Deutsche Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training (vgl. z. B. http://www.tk.de/tk/broschueren-und-mehr/cd-unddvd/cd-progressive-muskelentspannung/49432, Abruf 15. 10. 2015). Yoga, Tai Chi und Qigong Fernöstliche Lehren wie Yoga, Tai Chi und Qigong werden auch bei uns immer beliebter. Auch wenn man sie nicht in ein paar Zeilen zusammenfassen kann, soll hier doch wenigstens ein Blick auf die beliebtesten Strömungen geworfen werden. Yoga ist eine indische philosophische Lehre und umfasst geistige und körperliche Übungen, Meditation und Askese. Der Begriff bedeutet sowohl »Vereinigung, Integration«, als auch »Anschirren, Anspannen« des Körpers an die Seele zur Sammlung und Konzentration bzw. zum Einswerden mit dem Bewusstsein. Im Hinduismus kann jeder Weg zur Selbsterkenntnis als »Yoga« bezeichnet werden, deshalb gibt es zahlreiche Namen für die verschiedenen Yoga-Wege. Einige meditative Formen von Yoga legen ihren Schwerpunkt auf die geistige Konzentration, andere mehr auf körperliche Übungen und Positionen (Asanas oder Yogasanas) sowie Atemübungen (Pranayama), andere Richtungen betonen die Askese. Yogaübungen verfolgen heute zumeist einen ganzheitlichen Ansatz, der Körper, Geist und Seele in Einklang bringen soll. Das wird in den westlichen Ländern in Kursen gelehrt. Dabei werden Asanas, Phasen der Tiefenentspannung, Atem- und Meditationsübungen kombiniert. Die Körperübungen sollen das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele durch einen kontrollierten Atem und Konzentration verbessern. Das Ziel ist die Verbesserung der Vitalität und gleichzeitig eine Haltung innerer Gelassenheit. Dazu werden auch Mantras (Meditationsworte oder Klangsilben) und Mudras (Körperhaltungen in Verbindung mit Bandhas oder Handgesten/»Fingeryoga«) eingesetzt, die die Lebensenergie über die Energiezentren (Chakren) stimulieren (vgl. z. B. http:// www.tk.de/tk/broschueren-und-mehr/cd-und-dvd/cd-progressive-muskelentspannung/49432, Abruf 15. 10. 2015). Tai Chi, auch Schattenboxen genannt, ist eine im alten China entwickelte Kampfkunst, die heute weltweit von Millionen Menschen als Volkssport praktiziert wird. Die ursprüngliche Kampfkunst wird als System der Bewegungslehre/Gymnastik betrachtet und soll der Gesundheit, Persönlichkeitsentwicklung und Meditation dienen. Der Kampfkunstaspekt verschwindet immer mehr.
Methoden der Stimmbildung
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Beim Üben soll der Körper »entspannt« sein. Das bedeutet nicht, dass alle Muskeln wie im Schlaf völlig entspannt sind, sondern dass nur die für eine bestimmte Bewegung oder Haltung benötigten Muskeln angespannt werden und die übrigen Muskeln im Ruhetonus bleiben. Es geht dabei um die Ausprägung der so genannten Jin-Kraft, gerichtete Bewegungen, die im Körper koordiniert werden und keinen hemmenden Spannungen unterliegen. Der Atem soll tief sein, locker und natürlich fließen. Durch die Bauchatmung ist die Atemfrequenz deutlich niedriger als normalerweise. Der Atemrhythmus soll sich an die Bewegung anpassen. Die Bewegungen werden bewusst und aufmerksam ausgeführt. Aber die Konzentration wird gleichmäßig zwischen der Wahrnehmung der eigenen Bewegungen und der Umwelt aufgeteilt. In verschiedenen Stilen (vgl. http://www.taiji-europa.de/taichi-taiji/, Abruf 20. 09. 2015) werden verschiedene Grundprinzipien verfolgt, z. B. ȤȤ den Kopf entspannt aufrichten, ȤȤ die Brust zurückhalten und den Rücken gerade dehnen, ȤȤ das Kreuz/die Taille locker lassen, ȤȤ die Leere und die Fülle auseinanderhalten (das Gewicht richtig verteilen), ȤȤ die Schultern und die Ellenbogen hängen lassen, ȤȤ das Yi (›Absicht, Intention‹) und nicht die Gewaltkraft (lì ›Muskelkraft‹) anwenden, ȤȤ die Koordination von Oben und Unten, ȤȤ die Harmonie zwischen Innen und Außen, ȤȤ der ununterbrochene Fluss (die Bewegungen sollen fließen), ȤȤ in der Bewegung ruhig bleiben. Auch beim Qigong gibt es unterschiedliche Richtungen, z. T. aus der Richtung des Buddhismus, z. T. aus dem Daoismus. Qi bedeutet in der chinesischen Sprache »Atem« und »Lebensenergie«; Gong steht für »Arbeit« bzw. »beständiges Üben«, aber auch für »Fähigkeit« oder »Können«. Qigong kann man also übersetzen mit »stete Arbeit an der Lebensenergie« oder auch mit »Fähigkeit, mit der Lebensenergie umzugehen«. Grundsätzlich werden beim Qigong wenigstens zwei von sieben Komponenten zu einer Einheit in der Übung verbunden: Entspannung – Ruhe – Natürlichkeit – Bewegung – Atmung – mentale Vorstellung – Ton. Es handelt sich um verschiedene Meditations-, Konzentrationsund Bewegungsformen zur Harmonie von Körper und Geist. Qigong ist ganzheitlich ausgerichtet; die Übungen stärken die Lebensenergie, sollen zu einer gesunden geistigen Verfassung verhelfen und das Leben verlängern. Qigong sind langsam ausgeführte Bewegungen, die den Kreislauf regulieren und Muskelverspannungen lösen.
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Der Stimme etwas Gutes tun
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Qigong-Übungen werden heute auch mit westlichen Methoden aus der Therapie-Praxis kombiniert, z. B. mit der Bioenergetischen Analyse (nach Alexander Lowen), der Atemtherapie oder dem Autogenen Training. Die traditionellen Formen des Qigong wurden vom chinesischen Sport-Ministerium zusammen mit der Chinese Health QiGong Association (CHQA) überprüft und neu strukturiert. Dieses neue Gesundheits-Qigong hat in China große Verbreitung gefunden. Es ist für alle Zielgruppen geeignet und versteht sich als Selbstheilungsmethode (www.qigong-yangsheng.de, Abruf 20. 09. 2015). Die Feldenkrais-Methode Moshé Feldenkrais (1904–1984) hat diese körperorientierte Lernmethode begründet. Durch die Schulung der kinästhetischen und propriozeptiven Selbstwahrnehmung verbessern sich grundlegende menschliche Funktionen, und fehlhaltungsbedingte Schäden und Schmerzen lassen sich reduzieren. Dabei orientiert sich die Feldenkrais-Methode am »organischen Lernen« wie es in der »normalen« Entwicklung vom Baby zum Kleinkind stattfindet und wie es auch über die Kindheit hinaus aufgrund der neuronalen Plastizität fortgesetzt
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werden kann. Die Methode basiert auf Judo, auf der künstlerischen Körperschulung der 1920er-Jahre sowie auf Erkenntnissen der manuellen Medizin. Im Mittelpunkt stehen Bewegungsmuster, die den Lebensalltag eines Menschen prägen, und die Möglichkeiten, diese angemessen zu variieren. Die Feldenkrais-Methode möchte den Menschen befähigen, über die Wahrnehmung von Bewegungsabläufen seine Bewusstheit zu erweitern und größere sensomotorische Differenziertheit zu erlangen. Nachteilige Bewegungsmuster sollen gelöst und neue Bewegungsalternativen aufgezeigt werden. Auf diese Weise kann der Mensch schließlich besser erkennen und verstehen, wie er sich selbst wahrnimmt und im täglichen Leben organisiert. Beschwerden werden zu entsprechenden Bewegungsmustern zurückverfolgt und Defizite möglichst durch andere, neu erkannte Bewegungsmöglichkeiten überbrückt. Indem sich der Lernende des eigenen Tuns bewusst wird, entsteht neue Beweglichkeit für Körper und Geist. Feldenkrais entwickelte seine Methode in zwei unterschiedlichen Techniken, die er »Funktionale Integration« (engl. Functional Integration) und »Bewusstheit durch Bewegung« (engl. Awareness through Movement) nannte. Funktionale Integration kann als eine Interaktion zwischen ›Lehrer‹ und ›Schüler‹ beschrieben werden, die häufig nonverbal auf der körperlichen Ebene stattfindet. »Bewusstheit durch Bewegung« wird dagegen in Gruppen unterrichtet, wobei der ›Lehrer‹ die ›Schüler‹ verbal durch strukturierte Bewegungsexperimente führt und deren Aufmerksamkeit durch Wahrnehmungsfragen lenkt. Die Methode wird insbesondere in der Rehabilitation zur Wiedererlangung der vollen Mobilität nach Fehlhaltungen und Verletzungen angewendet, aber auch in der Ausbildung von Musikern, Tänzern und Sportlern eingesetzt. In freien Kursen geht es ganz allgemein darum, die geistige und körperliche Frische bis ins hohe Alter zu erhalten (vgl. https://www.feldenkrais.de/, Abruf 20. 09. 2015). Die Alexander-Technik Bei der Alexander-Technik geht es um das Erkennen und Ändern von Gewohnheiten, besonders von körperlichen Fehlhaltungen, Verspannungen und Schmerzen, die zu Funktionseinschränkungen führen. Gewohnheiten, die den Haltungstonus und die neuromuskuläre Koordination negativ beeinträchtigen, soll man wahrzunehmen, verstehen und vermeiden lernen. Frederick Matthias Alexander (1869–1955) war Schauspieler und Rezitator und hatte Stimmprobleme. Da ihm die Ärzte nicht hatten helfen können, begann er, sich selbst zu beobachten und stellte fest, dass verschiedene Bewegungsmuster bei ihm vor und während der Rezitation auftraten. Diese unbewussten Verhaltensmuster störten die gesunde Funktion der neuromuskulären Koordination, der Atmung und der
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Stimme. Seine grundlegende Annahme war, dass die menschliche Körperwahrnehmung durch jahrelange Gewohnheiten unzuverlässig wird, jedoch durch einen entsprechenden Lernprozess wieder zurückgewonnen werden kann. Der Mensch ist ein Organismus, in dem alle geistigen, seelischen und körperlichen Prozesse untrennbar miteinander verbunden sind. In der Alexander-Technik sind mentale und körperliche Prozesse verbunden. Alexander hat immer wieder die Entscheidungsfreiheit abseits der Gewohnheiten in allem, was wir tun, betont. Die Beziehung zwischen Kopf, Hals, Nacken und Rumpf ist für ihn von zentraler Bedeutung. Das ist die »Primärkontrolle« (engl. primary control). Weitere wichtige Aspekte der Alexander-Technik sind das Innehalten (engl. inhibition) und die Arbeit mit mentalen Direktiven (engl. directions). Mit dieser Methode konnte Alexander seine eigenen Stimmprobleme überwinden und begann ab 1931, seine Methode zu lehren. Besondere Bedeutung hat sie für Menschen, die ihrem Körper oder ihrer Stimme besondere professionelle Leistungen abverlangen: z. B. Musiker, Schauspieler, Sänger, Tänzer oder Sportler. Die Methode geht von der Annahme aus, dass unsere typischen Verhaltensmuster gehemmt und durch energiesparende, offene, entspannte Reaktionsmuster ersetzt werden können. Der ausgebildete (Alexander-)Lehrer kennt die möglichen Verhaltensweisen und kann sie dem Schüler vermitteln. Die Grundhaltung ist die aufrechte Haltung bei gleichzeitig größtmöglicher Gelöstheit der Muskulatur. Außerdem unterscheidet man bei der Ausrichtung zwischen Weite (senkrecht) und Breite (waagerecht). Entsprechend gilt für die Bewegung idealtypisch eine größtmögliche Wirksamkeit bei möglichst geringem Energieverbrauch. Der Unterricht erfolgt in einem sehr langsamen, quasi meditativen Tempo, bei dem man sich seiner Empfindungen auch bei kleinsten Haltungsund Bewegungsunterschieden bewusst wird. Der Lehrer arbeitet sowohl mit Handlungsanweisungen wie z. B. »Lasse den Kopf nach vorn und nach oben streben, so dass der Rücken länger und breiter wird«, als auch mit unterrichtsbegleitenden, sanften manuellen Korrekturen. Spezielle Übungen gibt es in der Alexander-Technik nicht, außer dem constructive rest oder semi-supine, der Rückenlage mit aufgestellten Füßen, die das Loslassen von muskulärer Anspannung unterstützt, und dem whispered ah, das die Atmung tiefer und freier macht und die Stimme verbessert. Ansonsten wird mit alltäglichen Bewegungen wie Gehen, Sitzen oder Bücken gearbeitet und dabei werden die automatischen Muster analysiert, bewusst gemacht und gegebenenfalls verändert. Dabei geht es immer um Präsenz, darum, mit allen Sinnen im Hier und Jetzt zu sein (vgl. http://www.alexander-technik.org/, Abruf 20. 09. 2015).
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Atem-, Stimm- und Sprechlehre nach Schlaffhorst-Andersen Die Methode von Clara Schlaffhorst (1863–1945) und Hedwig Andersen (1866– 1957) ist eine ganzheitliche Atem-, Stimm- und Sprachlehre, die seit Langem als Therapie nach der Sozialgesetzgebung anerkannt ist. Sie wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt und wird bis heute in der Ausbildung zum Atem-, Sprech- und Stimmlehrer vermittelt. Die Methode geht von der Ganzheit des Menschen aus. Der Atem wird dabei als Bindeglied zwischen psycho-vegetativer Ebene und Körper-Somatik betrachtet. Schlaffhorst und Andersen litten selbst an Atem- und Stimmstörungen. Auf der Suche nach Lösungen setzten sie sich mit Leo Koflers Atemlehre auseinander und übersetzten dieses grundlegende Werk aus dem Amerikanischen/Englischen: Die Kunst des Atmens. Ab ca. 1900 arbeiteten sie zusammen, 1916 gründeten sie ihre erste Ausbildungsstätte in Rotenburg/Fulda. Ziel der Methode ist es, den Menschen wieder mit seinen »Atemkräften« und seinem »natürlichen Lebensrhythmus« in Verbindung zu bringen. Die Atemkräfte werden dabei als die gesamte Person umfassend gesehen. Man soll die volle Ausdruckskraft der Stimme und seine Kommunikationsfähigkeit (zurück)gewinnen. Um dies zu erreichen, kennt die Methode fünf so genannte »Regenerationswege«: Kreisen, Schwingen, Rhythmus, Atmen und Tönen. Die Wechselwirkungen von Atmung, Stimme, Haltung und Bewegung werden in den Übungen bewusst gemacht und im Sinne einer funktionellen Regeneration geübt. Übungen von Körperhaltung und Bewegungskoordination verbessern auch die Stimme und den Sprachausdruck. Man erlernt Bewegungen, die ökonomisch mit Atmung und Stimmgebung koordiniert werden. Jede (willkürliche) Körperbewegung (greifen, gehen, sich setzen, etc.) soll atemrhythmisch, also in Übereinstimmung mit dem dreiteiligen Atemrhythmus (ein – aus – Pause), erfolgen. Ziel ist die (Wieder-)Herstellung der Eutonie und des natürlichen Zusammenspiels von Atmung, Stimme und Bewegung. Auch die Atmung selbst wird gezielt beeinflusst: Übungen wie Kreisen, Schwingen, Pendeln stimulieren die Zwerchfell-Atmung. Beim Tönen wird die Stimme erfahren und es werden alle beteiligten Muskeln einbezogen. Es wird eine individuell angemessene Intonation und Phonation entwickelt und gelernt, wie man seine Resonanzräume nutzen und die Stimme modulieren kann (vgl. http://www.cjd-schlaffhorst-andersen.de/ und http://www.schlaffhorst-andersen.net/, Abruf jeweils 20. 09. 2015).
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Die Kaumethode Emil Fröschels (1884–1972), ein Wiener Phoniater, hat Stimmstörungen mit seiner Kaumethode behandelt. Sein Grundgedanke war: Nahrungsaufnahme mit Kaubewegungen ist phylogenetisch älter als Phonation und Artikulation und ein lustbetonter Vorgang. Deshalb lassen sich über das Kauen Enge und unphysiologische Spannungszustände im Ansatzrohr bis zur Stimmritze beseitigen. In Kombination mit Phonation führt dies zu einem physiologisch weichen, resonanzreichen Stimmklang. Fröschels beginnt mit Kieferschütteln, dann schließen sich zunächst Stumm- und Stimmkau-Übungen mit Kaugut an, bevor Vokale, Wort und Satzteile gekaut werden. Dann geht es an Lese- und Freisprechübungen, die zunächst mit umrahmender Kauphonation, schließlich nur noch mit Kauerinnerungshilfen durchgeführt werden. Seine Stoßübungen basieren auf dem Prinzip der Übertragung: Durch die Abwärts-Stoßbewegungen der Arme vor dem Körper wird über den Schultergürtel die Muskulatur von Hals und Kehlkopf aktiviert, so dass ein Stimmlippenverschluss unterstützt wird. Die Kaumethode ist gut geeignet zum Einstieg in Resonanzübungen, ganz unabhängig vom Störungsbild. Stoßübungen sind nur bei der Therapie von Stimmlippenlähmungen oder hypofunktionellen Dysphonien sinnvoll (Fröschels 1952 in: Archives of Otolaryngology). Eutonie – eine reformpädagogische Körpererfahrungsmethode Gerda Alexander (1908–1994) hat die Körpererfahrungsmethode Eutonie im Kontext der Reformpädagogik begründet. Dabei geht es um die Sensibilisierung für einen achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper als Voraussetzung für einen verantwortlichen Umgang mit der Umwelt und den Mitmenschen. Die Methode wird sowohl präventiv als auch in der Rehabilitation eingesetzt. Gerda Alexander hat in Wuppertal rhythmische Erziehung bei Otto Blensdorf studiert, einem Schüler von Emile Jaques-Dalcroze. 1929 hat sie in Berlin an der Hochschule für Musik ihr Rhythmikexamen abgelegt. Bei dem Reformpädagogen Peter Petersen hat sie ein Praktikum absolviert, das ihr pädagogisches Konzept mit geprägt hat. Alexander will die spontane Eigenbewegung der Menschen fördern und dadurch das Selbstbewusstsein stärken, ihr zentrales (humanistisches) Anliegen ist es, die Fähigkeit des Menschen zu Autonomie und Verantwortung zu fördern. Bereits vor 1933 war sie durch New Education Fellowship in Skandinavien als Choreographin tätig. Leopold Jessner wollte Gerda Alexander als Bewegungslehrerin und Regieassistentin ans Berliner Staatstheater holen, aber durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Jess-
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ner seines Amtes enthoben, weil er Jude war. Alexander emigrierte 1933 nach Dänemark und gründete dort 1940 eine Ausbildungsschule für Entspannung und Bewegung, die sie bis 1987 leitete. Bei den Eutonie-Übungen wird der Körper in seiner äußeren Form und Begrenzung erlebbar gemacht, sei es durch Stimulierung der Haut und passiven Druck wie bei einer Massage oder durch bewusste Bewegungen, die den Widerstand des Bodens und die Schwerkraft benutzen. Dadurch sollen Kreislauf, Stoffwechsel und Lymphsystem angeregt und Stress abgebaut werden, denn Muskelverspannungen und Gewebeverhärtungen werden wahrgenommen und gelöst. Es geht um die Aufrichtung des Körpers auf ökonomische Weise, also mit minimalem Kraftaufwand, damit Haltungsschäden und Haltungsschwächen vermieden und gelenkschonende Bewegungen gelernt werden. Als Hilfsmittel werden dabei Bambusstäbe oder Tennisbälle eingesetzt, die die räumliche Wahrnehmung des Körpers erleichtern (vgl. www.eutonie.de). Der Atemwurf Diese Übung ist von Helene Fernau-Horn (1892–1975), die in den 1950er-Jahren in Stuttgart stimmtherapeutisch gearbeitet und Logopäden ausgebildet hat. Beim Atemwurf wird die Bauchdecke ruckartig eingezogen, dabei werden Silbe wie ho-hop artikuliert. Mit dem Plosiv wird die Anspannung der Bauchmuskulatur gelöst und mit dem Zwerchfell die verbrauchte Luft ergänzt. Neben dem Atemwurf hat Fernau-Horn (1969) auch Übungen wie stimmhaftes Gähnen, Schlürfen und – für eine deutliche Artikulation – so genannte Pleuelübungen mit der Zunge eingesetzt. Die Atemrhythmisch Angepasste Phonation Die Atemrhythmisch Angepasste Phonation (AAP) gehört heute zu den am weitesten verbreiteten Konzepten der Stimm- und Sprechbildung und wird prophylaktisch und therapeutisch eingesetzt. AAP strebt eine Balance an zwischen individuellem, authentischem Ausdruck, ökonomischer Körper-, Atem, Stimmund Artikulationstechnik und optimaler, situationsgerechter Wirkung. Urheber der AAP sind Horst Coblenzer, Ordinarius für Stimm- und Sprecherziehung in Wien, und der Pulmologe Franz Muhar. Beide wollten seit den 1960er-Jahren ein wissenschaftlich begründetes und pädagogisch bewährtes Konzept für die Arbeit mit Atem und Stimme vorlegen. Dabei sollte der Zusammenhang der Stimmbildung mit der Intention und dem Ausdruckswillen des Sprechers besonders berücksichtigt werden. Ihre Veröffentlichungen (vor allem Atem und
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Stimme und Erfolgreich sprechen) gehören inzwischen zu den Klassikern, denn sie erklären sehr allgemein verständlich, wie »richtig« geatmet und gesprochen wird und welche Übungen geeignet sind. Die Übungen holen die Leser bei Alltagserfahrungen wie dem Auftriebsprinzip beim Baden, Schaukeln im Schaukelstuhl, Balancieren, Dirigieren, dem Gartest (wie beim Kochen), Bogenschießen, Tauziehen oder Lassoschwingen usw. ab und machen daran den Atemrhythmus und die ihm angepasste Stimmgebung bewusst. Die Übungen umfassen die Bereiche Intention, Muskelspannung und Bewegungsqualität, Atmung, Stimme/ Phonation und Artikulation. Sie werden nicht isoliert betrachtet, sondern immer in ihrem ständigen Wechselspiel. Zur Intention: Ziel aller Bemühungen ist das Sprechen und Singen als kommunikative Handlung und damit als intentionalen Prozess zu begreifen. Es geht um Gelassenheit und zugleich Präsenz, angemessenen Situationsbezug, Partnerkontakt und Zielorientierung. Zur Körperspannung und -bewegung: Stand, Haltung, Gestik und Mimik sind unmittelbarer Ausdruck unserer Intention und zugleich Grundlage für Atem, Stimme und Artikulation. Jede Stimmleistung gelingt technisch besser und wirkt authentischer, wenn sie vom Körperausdruck getragen wird. Bei den Übungen geht es um Spannungsregulation, Aufrichtung, Balance, Vielfalt an Bewegungsmöglichkeiten, Impulskraft, Reaktionsschnelligkeit und Dynamik. Zur Atmung: Hier geht es vor allem um das »Abspannen«, die reflektorische Zwerchfellbewegung, die zu einer schnellen, geräuschlosen und unwillkürlichen Atemergänzung führt. Das Abspannen fördert die psychophysische Wachheit und wirkt auf Intention und Körperspannung zurück. Diese TonusErhöhung bewirkt eine inspiratorische Gegenspannung (gemeinhin: »Stütze«), die einen gezügelten Anblasedruck im Kehlkopf zur Folge hat und einen langen Ausatem ermöglicht. Zur Phonation: Der bei der Inspirationstendenz geweitete Körper und ein gezügelter Ausatemstrom ermöglichen eine belastbare, klare und klangvolle Stimme bei maximaler Entlastung der Kehlkopfmuskulatur. Geübt werden die gesunde mittlere Tonhöhe (Indifferenzlage), ein großer Stimmumfang, Klangreichtum und Dynamik, Körperresonanz, Betonung und Sprechmelodie. Zur Artikulation: Die Verständlichkeit hängt von der Präzision der Artikulation ab. Die Bildung aller Sprachlaute möglichst weit vorn im Sprechapparat bewirkt einen »Schalltrichtereffekt«, der auch bei Lärm und auf Entfernung den Inhalt verständlich rüberbringt. Ökonomische Sprechabläufe bewahren vor Überartikulation und Nuscheln (vgl. http://www.dvaap.de/, Abruf 20. 09. 2015) .
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Die Akzentmethode Die Akzentmethode wurde von dem dänischen Prof. Svend Smith entwickelt und in Zusammenarbeit mit Kirsten Thyme-Frøkjær und Børge Frøkjær-Jensen zu einem therapeutisch-pädagogischen Konzept ausgebaut, das in ganz Skandinavien weit verbreitet ist. Das Ziel ist die Verbesserung der Koordination von Atmung, Phonation, Körperbewegung, Gestikulation, Artikulation und Sprache. Auf der Grundlage von Sprechrhythmus und Gestik wird in den Übungen, begleitet von Trommeln, zuerst in ganz langsamen Bewegungen (Tempo I: Largo), dann mit schnelleren (Tempo II: Andante) und zuletzt mit den schnellsten Bewegungen (Tempo III: Allegro) gearbeitet. Das Wechselspiel von weniger Spannung und mehr Spannung führt langsam zu einer Elastizität und optimalen Beweglichkeit. Alle Übungen sind kommunikativ angelegt: Der Schüler übt nicht allein, sondern im ständigen Wechsel mit dem Lehrer. Die Methode arbeitet nicht direkt und bewusst, sondern unbewusst und nach dem Prinzip der Imitation. Schüler/Patienten werden nicht kritisiert. Der Lehrer/Behandler muss seine Übungen so gestalten, dass man kein Versagen erlebt, denn Selbstvertrauen wird nur durch eigene positive Erfahrungen verstärkt. Durch eine bewusst ersonnene, aber unbewusst eingeübte Kultivierung der Normalfunktion erhält man die erwünschte unbewusste Symptombehandlung. Wert gelegt wird auch auf die Kontinuität in den Übungsstunden, denn sie wirkt beruhigend gegen Stressfaktoren. Die Akzentmethode ist auch eine Bewegungslehre: Es geht um große, weiche, schwingende Bewegungen, den Wechsel zwischen Agonisten- und Antagonistenaktivität. Dabei wird auch die Zwerchfellatmung (unbewusst) eingeübt. Ziel ist die Verwendung des Brustregisters. Bei den Übungen wird eine tiefe und leise Stimme verwendet, weil die Stimmlippen bei tiefen Tönen entspannter sind und eine leise Stimme die Stimmlippen schont. Es wird mit viel Luft geübt, weil ein starker Luftstrom die medialen Flächen der Stimmlippen gut zusammen saugt und dabei das Epithel und Gewebe massiert. Es werden die engen Vokale / u / ü / i / verwendet, weil die verengte Passage der Artikulationsstelle den Luftstrom reduziert. Der Luftdruckabfall über den Stimmlippen wird reduziert, dadurch kann man – ohne die Stimme zu schädigen – kräftiger üben. Ziel für die gute Funktion der Stimmlippen ist es, dass sie sich schnell kontrahieren und schnell wieder entspannen können. Bei allen Übungen geht es nicht darum, Idealwerte oder Normen zu erreichen, sondern man versucht, die Möglichkeiten des Einzelnen bestmöglich zu nutzen (vgl. http://www.akzentmethode.de/, Abruf 20. 09. 2015).
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Der erfahrbare Atem Diese Atemschule wurde von Professor Ilse Middendorf (1910–2009) in Berlin gegründet. Auch Middendorf geht es um Eutonie als optimalen Gleichgewichtszustand zwischen Über- und Unterspannung, den Atemrhythmus und die Arbeit mit dem Atem. Middendorf unterscheidet drei Möglichkeiten: ȤȤ Man kann Atem willentlich einsetzen, ȤȤ man kann ihn im Unbewussten belassen, ȤȤ man kann ihn kommen lassen, ihn zulassen und bewusst dabei wahrzunehmen. Den Atem »kommen zu lassen« ist für Middendorf das wichtigste Element ihrer Methode. Damit wird der »erfahrbare Atem« unterschieden von den Methoden, die ihn willentlich verwenden oder ihn im Unbewussten belassen. Ihr Credo: »Ich lasse meinen Atem kommen, lasse ihn gehen und warte, bis er von selbst wiederkommt.« Diese Methode wird sowohl atemtherapeutisch als auch pädagogisch eingesetzt. Bei der diagnostisch-therapeutischen Arbeitsweise wird der psycho-soziale Hintergrund der Klienten mit seinen Auswirkungen (»Störungssyndromen« usw.) einbezogen. Vielfach wird die Methode aber auch salutogenetisch eingesetzt: Der Atem soll das Gesunde stärken, wobei ›Krankes‹ an Einfluss verliert. Im pädagogischen Kontext geht es vor allem um die Entwicklung und Bewusstwerdung dessen, was Middendorf und ihre Anhänger Empfindungen nennen (die sie von Gefühlen unterscheiden), und nicht um die kognitive Bewusstwerdung. Empfindungen beruhen auf der wahrnehmenden Funktion des Nervensystems. Gefühle sind die Bewertungen dessen, was vorher empfunden wurde. Wer den Atem zulässt, empfindet seinen Körper immer besser, damit steigt auch die Fähigkeit, sich zu sammeln und seine Balance zwischen Hingabe und Achtsamkeit zu finden. Das führt auch zur Veränderung der Haltung und zu mehr Präsenz in der Situation. Der bewusste Atem ist keine Therapie im üblichen Sinn, bewirkt aber dennoch häufig die Heilung von Störungen und Krankheiten ›nebenbei‹. Atmung ist eng verbunden mit verschiedenen Körperfunktionen: ȤȤ Mechanisch besteht eine Wechselwirkung zwischen Atembewegung und zahlreichen Körperorganen und deren Funktionen. ȤȤ Kreislaufdynamisch hängt die Atembewegung eng mit der Herzfunktion und dem Körper- und Lungenkreislauf zusammen. ȤȤ Chemisch wird über die Atmung die Sauerstoffversorgung, der Kohlendioxidspiegel, die Ionenkonzentration und damit die gesamte Stoffwechsellage beeinflusst.
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ȤȤ Nervös-reflektorisch wirkt sich die Atmung auf die Organe und deren Funktionen über nervliche Verflechtungen aus. ȤȤ Zentral-nervös besteht ein tiefgreifender Einfluss der Organmotorik, vor allem der Atem-Motorik, auf die Großhirn- und Bewusstseinsvorgänge des Menschen und damit auf sein Empfindungs- und Gefühlsleben. In der Formatio Reticularis, einem komplex vernetzten Zentrum in der Tiefe des Stammhirns, kommen alle Informationen aus dem Körper und dem Gehirn zusammen. Jeder kleinste Reiz verändert die Art und Weise zu atmen, was wir zu empfinden lernen. Eine lebendige Haltung, die nicht starr ist, sondern vom Atem getragen wird und elastisch um eine Mitte schwingt, verleiht Sängern, Musikern, Schauspielern und Tänzern Präsenz und mehr Ausdruckskraft und verringert Lampenfieber. Lehrern kann der Atem helfen, auch nach mehreren Stunden Unterricht die Tragfähigkeit der Stimme nicht zu verlieren, und ihre ausgeglichene Haltung wirkt sich auf die Kinder beruhigend aus. Bisher gibt es keine geschlossene psychologische Theorie, die alle Erfahrungen mit dem erfahrbaren Atem zusammenfasst.5 Das funktionale Stimmtraining Das funktionale Stimmtraining beruht auf Forschungen, die seit den 1970erJahren an der TH Darmstadt von Prof. Walter Rohmert durchgeführt worden sind. Traditionell versuchten Gesangsschüler, das nachzuahmen, was der Lehrer vormachte. Stimme war ein Mysterium, so dass die Forschungen zunächst auf Widerstand an Musikhochschulen stießen. Weil aber gerade bei Sängern viele Stimmprobleme auftraten, konnte sich das funktionale Stimmtraining etablieren. Ausgangspunkt ist die Überzeugung, dass die Stimme ein Selbstregulationsmechanismus ist. Stimme funktioniert nach Gisela Rohmert, die das Konzept heute vertritt, wie ein kybernetischer Regelkreis, wobei die Sängerformanten (durch Gesangsübungen ausgeprägte Obertöne im Frequenzbereich von 3KHz) und das Vibrato die entscheidenden Merkmale sind, denen sich andere Faktoren unterordnen. Die Stimme ist zwar dem vegetativen Nervensystem unterworfen und entzieht sich der Willkürmotorik, aber sie wird von großsystemischen Körperfunktionen unterstützt, die willkürlich gesteuert und damit für die Stimmbil5 Vgl. http://www.atemtherapie-middendorf.de/informationen/der-erfahrbare-atem und http:// www.atemtherapie-middendorf.de/informationen/berufsverband-beam-e-v., Abruf 20. 09. 2015.
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dung genutzt werden können. Stimme ist der Mikrokosmos, der ein Abbild des Makrokosmos ›Körper‹ darstellt; das bedeutet, dass Körperaufrichtung und Bewegungen eng mit der Stimmfunktion vernetzt sind und nutzbar gemacht werden müssen. Es geht im Funktionalen Stimmtraining also darum, Kompensationsmuster, die die Stimme einschränken, durch Körperübungen zu beheben und somit eine freie, leistungsfähige und obertonreiche Stimmfunktion zu ermöglichen. Dabei arbeitet man sowohl therapeutisch mit kranken als auch pädagogisch mit gesunden Stimmen. Aufgrund der Erkenntnisse um die funktionalen Zusammenhänge zwischen Stimmorgan und Ohr stehen das Hören und sein Einfluss auf den Regelmechanismus des Kehlkopfes im Brennpunkt dieser Stimmpädagogik. Auf der Körperebene werden insbesondere die Vibrationsfähigkeit von Räumen, Muskel- und Gewebeschwingung, die Polarität von Sog- und Druckverhalten, Kontraktion und Dehnung thematisiert. Die sensorische Beziehung des Klanges zum Nervensystem wird in der Beziehung zwischen Kontrolle und Beiläufigkeit, Handlung und Balance aufgegriffen (www.lichtenberger-institut.de, Abruf 20. 09. 2015). Die Nasalierungsmethode Die Nasalierungsmethode ist ein Übungsverfahren von Johannes und Elke Pahn für die Sprech- und Singstimme, das prophylaktisch und therapeutisch genutzt wird. Ausgehend von Entspannungs- und Gymnastikübungen wird die Stimme über Nasale erarbeitet. Die Nasalierung führt zur reflektorischen Inaktivierung der kehlkopfhebenden Kräfte, die zwischen der willkürlichen Rahmenmuskulatur des Kehlkopfes und der unwillkürlichen Glottisaktivität eine Brückenfunktion innehaben und ein wesentlicher Störungsfaktor sind. Unterstützt werden können die Übungen durch Medikamente sowie physikalische und chirurgische Verfahren, z. B. die neuromuskuläre elektrophonatorische Stimulation (NMEPS) bei Kehlkopfparesen. In der Übungsmethode wird nahtlos von der Sprech- zur Singstimme übergegangen. Mit grafischen Darstellungen der Stimmbewegungen wird das auditive Vorstellungsvermögen visuell unterstützt. Ökonomische Stimmgebung ist das Ziel, das ausgehend von der Stimmqualität des Nasalreflexes bis zum freien Sprechen und Singen erarbeitet wird. Eingesetzt wird dabei auch eine stimmbezogene Erweiterung des autogenen Trainings.
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Roy-Hart-Methode Der englische, in Südafrika geborene Schauspieler Roy Hart (1926–1975) hatte seit 1947 Stimmunterricht bei Alfred Wolfsohn (1896–1962), einem Berliner Sänger und Gesangslehrer. Wolfsohn experimentierte viel mit der Stimme. Er befreite sich von traditionellen Hörgewohnheiten und kulturell-ästhetischen Zwängen. Es ging ihm um die Acht-Oktav-Stimme, auch Dark Voice oder Extended Voice genannt. Diesen Ansatz von Wolfsohn hat Roy Hart für das Theater weiterentwickelt. Anfang der 1970er-Jahre gründete er in Malérague/Frankreich das Roy Hart Centre, das sein Sohn Jonathan Hart Mawaia nach dem tödlichen Verkehrsunfall von Roy Hart weiterführte. Die stark experimentell ausgerichtete Stimmmethode führt zu umfang- und resonanzreichen Stimmen. Es wird viel improvisiert und der ganze Körper in die Stimmarbeit einbezogen. Die Methode wird viel von Schauspielern und Sängern eingesetzt, um zu ausdrucksstarken, individuellen Interpretationen zu gelangen. »Die Stimme ist der Muskel der Seele«, lautet das Motto bei der Roy-Hart-Arbeit; die Stimme wird unabhängig von ästhetischen Normen mit all ihren Klangfarben und Ausdrucksmöglichkeiten geschult. Es geht um das Erforschen von Stimmfarben und Ausdruck in Verbindung mit Körperbewegungen und inneren Bildern (vgl. www.roy-hart-theatre.com, Abruf 20. 09. 2015). Die Linklater-Methode Die schottische Schauspielerin und Regisseurin Kristin Linklater (Jg. 1936) hat ein eigenes Stimmtraining entwickelt. Dabei geht es darum, die natürliche Stimme zu befreien. Die menschliche Stimme hat einen natürlichen Umfang von vier Oktaven und kann sehr vielfältig Emotionen und Gedanken ausdrücken. Klang resultiert immer aus Emotion und Gedanken. Die Stimmwirkung wird aber oft durch erworbene Blockaden oder ästhetische Konzepte eingeschränkt. Linklater will die Ausdrucksfähigkeit der Stimme schrittweise mit psychophysischen Übungen befreien: Von der körperlichen Wahrnehmung und Entspannung ausgehend geht es um die Aktivierung innerer Bilder und Impulse. Es folgen die Wahrnehmung der natürlichen Atmung und die »Berührung des Tons« als kinästhetische Erfahrung. Dabei ist das Fühlen von Vibrationen wichtig. Diese wandern durch einzelne Knochen, finden Widerhall in Brustkorb, Wangenknochen, Nasenbein, Nebenhöhlen und in der Kuppel des Schädels. Störende Einflüsse durch Verspannungen in Kiefer und Zunge oder einen schwerfälligen Gaumen werden mit präzisen Übungen zur Befreiung des Kanals bearbeitet. Ist der Weg durch den Körper frei, kann die Kräftigung der
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Stimme durch Hinwendung zu den einzelnen Resonatoren und der Vervollständigung des Tonumfangs anschließen. Übungen zur Artikulation führen dann zurück zum Gebrauch der Sprache. Linklater hat ihr Konzept für Schauspieler entwickelt. Es ist inzwischen an vielen Schauspielschulen in den USA, aber auch hier in Europa, fester Bestandteil in der Ausbildung. Neben diesem Warm Up bietet Linklater auch weiterführende Textarbeit an. Nach dem Warm Up steht die mittlere Stimme im Mittelpunkt. Die entsprechenden Resonatoren oberhalb des Mundes (Nebenhöhlen, Nase, Stirnhöhlen und Schädel) werden erforscht. Die Beziehungen zwischen Kopf, Nacken, Kiefer und Zunge werden mit Übungen untersucht, die das Vorstellungsvermögen und die Genauigkeit der Wahrnehmung schärfen. Verspannungen werden erkannt und aufgelöst. Bei Sounds and Movements geht es darum, den eigenen Körper und den eines Partners durch Klang in Bewegung zu versetzen. In anschaulichen Übungen wird unser instinktives Verhalten auf äußere Impulse untersucht und die Entstehung unserer Sprache von den ersten Atemzügen über primitive Lautbildung bis zum »Erfinden« von Worten sensorisch nachvollzogen (vgl. http:// linklater.eu/de/, Abruf 20. 09. 2015). Atemtypen In der Stimmbildung hat sich auch die so genannte Atemtypenlehre etabliert. Es werden der lunare Einatmungs- und der solare Ausatmungstyp unterschieden. Der Einfluss, der am Tag der Geburt bzw. bei der ersten selbstständigen Atmung überwiegt, soll prägend sein. Diese Lehre wird auch als »Terlusollogie« bezeichnet, einem Kunstwort aus terra (lat. Erde), luna (Mond) und sol (Sonne). Das Konzept geht zurück auf den Violinisten Erich Wilk (1915–2000) und wurde von den deutschen Ärzten Charlotte und Christian Hagena verbreitet. Die Methode ist wissenschaftlich umstritten und noch wenig erforscht. Aber auch wenn man die astronomische Komponente des prägenden Einflusses des Geburtsdatums und -ortes für spekulativ hält, ist die Gegenüberstellung der beiden Typen interessant, denn sie entspricht offensichtlich den Erfahrungen vieler Stimmbildner. Da die meisten der anderen Methoden auf Ausatmungstypen abgestellt sind, können besonders Einatmungstypen von dieser Differenzierung profitieren (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Terlusollogie, Abruf 20. 09. 2015).
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Das physiologische Ökonomie-Prinzip
Lunarer Einatmer
Solarer Ausatmer
–– Mond stand zum Zeitpunkt der Geburt höher –– Einatmen als führende Kraft –– Weitet aktiv den gesamten Brustkorb –– Luft entweicht geräuschlos passiv
–– Sonne stand zum Zeitpunkt der Geburt höher –– Ausatmen als führende Kraft –– Aktiv ausatmen: Brustkorb verengt sich, Atem wird aus dem Körper geschoben, anschließend fließt der Atem ohne willentlich Einatmungsmuskelaktivität –– Passivität –– Entspannung –– Verengung –– Weitet die Flanken und das Becken –– Liegt am liebsten auf dem Bauch (Schwerkraft unterstützt das Verengen des Brustkorbes) –– Erholt sich beim Ruhen –– Statiker –– Solares Singen: fff – aus wohligem Stöhnen –– hh – langsamer und tiefer (mehr Luft) –– 8 x durch Nase ausatmen, durch offenen Mund Luft einströmen lassen und sofort wieder aus – dann nach Ausatmen – Halten – wieder einströmen lassen
–– Aktivität –– Spannung –– Ausdehnung –– Weitet den Brustkorb –– Liegt am liebsten auf dem Rücken
–– Erholt sich bei Bewegung –– Statik = lustlos –– Lunares Singen = höher –– 8 x durch Nase sofort einatmen, durch offenen Mund geräuschlos passiv entweichen lassen und sofort wieder einatmen – dann einatmen – Halten – geräuschlos ausatmen –– Ü: Stütze, inspiratorische Tendenz verstärken
–– Ü: abspannen, reflektorische Luftergänzung verstärken
Gegenüberstellung nach Alavi Kia/Schulze-Schindler (2003)
4.2 Das physiologische Ökonomie-Prinzip Eine gute und klangvolle Stimme wird ökonomisch gebildet: mit möglichst geringem Kraftaufwand soll ein möglichst maximales Klangergebnis erzielt werden. Das geht nur, wenn die anatomischen Voraussetzungen möglichst optimal genutzt werden. Der Raum von den Stimmlippen bis zu den Mundlippen ist das Ansatzrohr und dient als Resonanzraum für den primären Stimmton, der an den Stimmlippen gebildet wird. Je größer und weiter das Ansatzrohr, desto besser wird der Stimmton verstärkt. Nicht hyper- und nicht hypofunktionell Grundsätzlich unterscheidet man zwei entgegengesetzte Tendenzen bei den funktionellen Stimmstörungen: Hyper- und Hypofunktion. Bei der Hyperfunk-
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Der Stimme etwas Gutes tun
tion wird zu viel Kraft bei der Stimmgebung eingesetzt. Die Stimme knarrt, wird gepresst, klingt hart und wird schnell heiser und rau. Bei der Hypofunktion schließen sich die Stimmlippen nicht richtig, es entweicht ›wilde Luft‹, die nicht in Klang umgesetzt wird. Die Stimme klingt zunächst nur matt, tonlos und verhaucht, wird aber auch schnell heiser. Beide Fehlfunktionen sind nicht ökonomisch. Wenn es zu einer Stimmstörung kommt, spricht man in beiden Fällen von einer Dysphonie. Haben sich erst einmal Knötchen auf den Stimmlippen gebildet, entsteht ein Teufelskreis: Durch das Hindernis müssen die Stimmlippen fester gegeneinander gepresst werden, dadurch werden die Knötchen dicker und es muss immer mehr Kraft bei der Stimmerzeugung aufgewendet werden. Der Stimmklang wird immer schlechter, das Ende ist ein völliger Stimmverlust (Aphonie). Seydels Prinzipien Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts rückt die Stimmbildung mit dem Aufkommen systematischer Sprecherziehung und aufstrebender Logopädie immer stärker in das Bewusstsein. Martin Seydel (1871–1934) hat seit 1900 an der Universität Leipzig begonnen, Stimmkunde zu betreiben. Auf ihn gehen Normen wie Ökonomie und Natürlichkeit zurück. Er propagierte drei grundlegende Prinzipien, die bis heute Gültigkeit haben: 1. das (Stimm-)technische Grundprinzip als Naturprinzip vom geringsten Kraftmaß: mit möglichst geringem Kraftaufwand möglichst guten, vollen Klang erzeugen; 2. das ästhetische Prinzip der Fülle mit Maß gegen den schlechten Dilettantismus und gegen eine falsche Virtuosität; 3. das geistige Prinzip der verstehenden Reproduktion: für die geistige Durchdringung des Inhalts und intentionale Gestaltung (vgl. Seydel 1902, Nr. 43, 171). Diese Prinzipien gelten bis heute: Es geht immer um ökonomische Stimmbildung und intentionale Gestaltung ohne falsches Pathos und ohne virtuose Sprechtechnik. Stimme – eine Sekundärfunktion Ursprünglich haben die an der Stimmbildung und am Sprechen beteiligten Organe andere Funktionen: Die Atmung dient der Sauerstoffversorgung; Mund, Zunge, Lippen usw. der Nahrungsaufnahme und -zerkleinerung; der Kehlkopf ist ein Sicherungsmechanismus, der vor dem Eindringen von Fremdkörpern in
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Das physiologische Ökonomie-Prinzip
die Luftröhre schützt. Beim Schlucken klappt der Kehldeckel herunter, damit die Speisen in die dahinter liegende Speiseröhre gelangen können. Funktioniert dieser erste Mechanismus einmal nicht richtig und ein Krümel kommt in das Kehlkopfinnere, wird dadurch ein Hustenreflex ausgelöst, bei dem die Stimmlippen fest geschlossen und mit gestautem Luftdruck kräftig aufgesprengt werden. Dadurch entstehen Luftstöße, die den Fremdkörper wieder nach oben aus dem Kehlkopf herausbefördern. Wie anstrengend das ist, weiß jeder, der sich schon einmal verschluckt hat. Stimme und Sprechen sind für den Menschen so genannte Sekundärfunktionen, weil die Organe primär anderen Zwecken dienen und menschheitsgeschichtlich die Kommunikationsfunktionen sich erst spät entwickelt haben. Das hat Konsequenzen für das Lernen: Gibt es Störungen in den primären Funktionen (Atmung, Kauen, Schlucken usw.), müssen diese mitbehandelt werden. Deshalb müssen Übungen zur Atmung, zum Schlucken, zur Mundmotorik bei Bedarf in Sprech- und Stimmübungen einbezogen werden. Um solche Übungen richtig verstehen zu können, sollte man wissen, welche Organe an der Stimm- und Sprechbildung beteiligt sind und wie sie jeweils zusammenwirken. Aufbau des Kehlkopfes Im Kehlkopf liegen die Stimmlippen, die durch den Ausatemstrom in Schwingung versetzt werden und den primären Stimmton erzeugen. Der Kehlkopf (Larynx) bildet den oberen Abschluss der Luftröhre. Er besteht aus Knorpeln, die miteinander verbunden und gegeneinander beweglich sind:
1. Ringknorpel (Cartilago cricoidea) 2. Schildknorpel (Cartilago thyreoidea) 3. Kehldeckel (Epiglottis) 4. zwei Stellknorpel (C. arythaenoideae)
Der Kehlkopf in schematischer Darstellung
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Der Stimme etwas Gutes tun
Durch Muskeln und Bänder wird der Kehlkopf zwischen Zungenbein und Brustbein gehalten. Die äußeren Muskeln dienen der Hebung, Senkung und Fixation des gesamten Kehlkopfes. Hinter dem Schildknorpel, den man als so genannten Adamsapfel deutlich am Hals ertasten kann, liegt die Stimmritze. Sie wird gebildet von den Stimmlippen, längs- und quergestreiften Muskeln, die ähnlich wie die Mundlippen sehr beweglich sind. Sie können sich spannen und von den anderen Kehlkopfmuskeln über die Stellknorpel, an denen sie angewachsen sind, bewegt werden. Kehlkopfmuskeln und ihre Aufgaben Man unterscheidet die äußeren und inneren Kehlkopfmuskeln. Ihre Bezeichnung richtet sich oft nach den Teilen bzw. Funktionen, für die sie zuständig sind. Äußere Kehlkopfmuskeln
Zweck
unterer Schlund-Schnürer: vom Schildknorpel beiderseits zum Schlund
Fixation des Kehlkopfes und Rückwärtsbewegung
Griffel-Schlund-Muskel: vom Griffelfortsatz der Schädelbasis zum oberen Rand des Schildknorpels und den Seitenrändern des Kehldeckels
Zug des Kehlkopfes nach oben
Brustbein-SchildknorpelMuskel: von der Innenfläche des Brustbeinkopfes zum hinteren Teil der Außenfläche der Schildknorpelplatten
Zug des Kehlkopfes nach unten, Kippen nach hinten, passive Entspannung der Stimmlippen; Antagonist des Ringknorpel-Schildknorpel-Muskels
Schildknorpel-Zungenbein-Muskel: vom hinteren Teil der Außenfläche der Schildknorpelplatten zu den Seitenflächen des Zungenbeinkörpers (= Fortsetzung des Brustbein-Schildknorpel-Muskels)
bei fixiertem Zungenbein Zug des Kehlkopfes aufwärts; bei fixiertem Kehlkopf Zug des Zungenbeins abwärts
Störung bei Ausfall
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Das physiologische Ökonomie-Prinzip
Äußere Kehlkopfmuskeln
Zweck
Störung bei Ausfall
Ringknorpel-Schildknorpel-Muskel: vom vorderen oberen Rand des Ringknorpels zum vorderen unteren Rand des Schildknorpels und vom seitlichen oberen Rand des Ringknorpelbogens schräg nach hinten oben zur rückwärtigen Unterkante und zum unteren Horn des Schildknorpels
Annäherung von Schild- an Ringknorpel, passive Grobspannung der Stimmlippen; Antagonist zum BrustbeinSchildknorpel-Muskel
betroffene Stimmlippe schlaff, leichte Exkavation des freien Stimmlippenrandes beim Phonieren; die Stimme ist etwas heiser und kraftlos, das Singen hoher Töne ist nicht mehr möglich
Innere Kehlkopfmuskeln
Zweck
Störung bei Ausfall
Schildknorpel-Stellknorpel-Muskeln: Der innere Teil auf jeder Seite ist der eigentliche Stimmlippen-Muskel (Vocalis oder Internus). Von der Innenfläche des Schildknorpels zum Processus Vocalis der Stellknorpel
Stimmlippenspanner: Die Muskelfaserbündel sind so angeordnet, dass bei Kontraktion der äußere Rand gerade bleibt und keinen Muskelbauch formt. Feinspannung der Stimmlippen, Verengung der Stimmritze und Feinregulierung des Tones
Ovaler Spalt der Stimmritze, kein richtiger Stimmlippen-Verschluss mehr möglich; Heiserkeit (Internusschwäche)
Ringknorpel-StellknorpelMuskel (Posticus): von der Ringknorpelplatte zum Processus Muscularis der Stellknorpel
Stimmritzenöffner: durch Zug an den Stellknorpeln seitwärts nach hinten
Stimmritze kann nicht mehr geöffnet werden. Bei beidseitiger Lähmung bleiben beide Stimmlippen fixiert in Paramedianstellung mit einem dreiecksförmigen Spalt. Heisere Stimme und Atemnot
Ringknorpel-StellknorpelMuskel (Lateralis): seitlich vom Ringknorpel zum Processus Muscularis der Stellknorpel
Stimmritzenschließer: durch Zug an den Stellknorpeln nach vorn unten werden die vorderen zwei Drittel der Stimmritze geschlossen. Bei der Atmung – ohne Stimmgebung – werden die Stellknorpel gleichzeitig auseinandergezogen.
Stimmritze kann nicht mehr geschlossen werden. Bei beidseitiger Lähmung bleiben die Stimmlippen beim Sprechen rhombusähnlich geöffnet. Bei der Ausatmung und der Kontraktion des Posticus kann die Stimmritze nur bis zur Intermediärstellung geöffnet werden.
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Der Stimme etwas Gutes tun
Innere Kehlkopfmuskeln
Zweck
Störung bei Ausfall
Stellknorpel-Muskel (Transversus): verbindet den einen mit dem anderen Stellknorpel
Stimmritzenschließer: Bei Kontraktion wird das hintere Drittel der Stimmritze geschlossen.
Bei beidseitiger Lähmung bleibt beim Phonieren ein dreieckiger Spalt an den Stellknorpeln offen. Die Stimme klingt leicht heiser.
Taschenfaltenmuskel: von der oberen Seitenfläche der Stellknorpel teilweise nach vorn unten und teilweise nach oben Richtung Kehldeckel
Zug der Stellknorpel nach vorn, Senkung des Kehldeckels, Verlagerung der Taschenfalte in die Mitte
Bei komplettem Ausfall des Vagusnervs ist dadurch die Anbildung der Taschenfaltenstimme als Ersatzstimme z. B. bei Kehlkopflosen erschwert.
Stimmlippenstellungen Wenn wir nicht sprechen, ist die Stimmritze weit geöffnet und die Atemluft kann ungehindert durch. Die Stimmlippen befinden sich in Ruhestellung. Bei Anstrengungen sind die Stimmlippen zeitweise fest geschlossen, z. B. bei der Bauchpresse beim Anheben schwerer Lasten oder auch beim Stuhlgang. Beim Stimmlippenverschluss wird die Luft angehalten. Dauert die Anstrengung länger, entweicht Luft, die die noch angespannten Stimmlippen in Schwingung versetzt, und wir hören ein Stöhnen, manchmal auch ein Knarren, wenn die Stimmlippen von dem Luftdruck aufgesprengt werden und hart gegeneinander schlagen. Beim Sprechen liegen die Stimmlippen nebeneinander und schwingen im Ausatemstrom. Das ist die Phonationsstellung. Beim Flüstern sind sie dagegen fest geschlossen; die Luft versetzt sie nicht in Schwingung, sie entweicht nur durch eine kleine dreieckige Öffnung an den Stellknorpeln, dem Flüster-Dreieck. Das ist anstrengend, Flüstern ist also keine Schonhaltung, weil die Stimmlippen dabei fest gegeneinander gedrückt werden. Mit der Ausatemluft werden die Stimmlippen in Schwingung versetzt. Dabei entsteht der primäre Stimmton. Ruhe-Atmung Verschluss Phonation Flüstern
Aufsicht Stimmritze hinter dem Schildknorpel in verschiedenen Stimmlippenstellungen
Das physiologische Ökonomie-Prinzip
165
Dass die Phonation im Kehlkopf beginnt, kann man an den Vibrationen spüren: Wenn Sie beim Summen eines stimmhaften Konsonanten wie /m/ oder eines Vokals Ihre Hand an Ihren Adamsapfel legen, spüren Sie die Schwingungen deutlich.
Stimmeinsätze Als Stimmeinsatz bezeichnet man die Art, wie die Stimmlippen beim Sprechen in Phonationsstellung gebracht und mit dem Ausatemstrom in Schwingung versetzt werden. Die Stimme wird nicht nur zu Sprechbeginn neu eingesetzt, sondern auch bei jeder Pause erfolgt ein Absatz und anschließend ein neuer Einsatz. Beim Zusammenspiel von Ausatemstrom und Stimmlippenstellung kann man drei verschiedene Einsätze unterscheiden: 1. Vorzeitigkeit bei der Stimmlippen-Einstellung: Zuerst werden die Stimmlippen in Position gebracht, dann strömt die Atemluft aus und sprengt den Stimmlippenverschluss auf. Das ist ein fester Sprengeinsatz, der in der deutschen Sprache bei Vokalen im Anlaut benutzt wird. Dabei hört man vor dem Vokalklang einen kleinen Knacklaut, den sogenannten Glottisschlag. Der feste Stimmeinsatz bei Vokalen im Anlaut ist typisch für die deutsche Sprache. Im Gegensatz dazu werden die Vokale im Französischen weich eingesetzt. Dieser Stimmeinsatz ist sogar oft im Silben-Anlaut zu hören, z. B. bei Wörtern wie be-achten, be-ängstigen, be-äugen, be-antworten, be-obachten. Zur Vermeidung von Missverständnissen dient er bei Sprech-Erziehung (statt Sprecher-Ziehung), Druck-Erzeugnis (statt Drucker-Zeugnis) oder bei be-inhalten (statt Bein halten). 2. Gleichzeitigkeit von Stimmlippen-Einstellung und Einsetzen des Ausatemstroms: Dieser weiche Stelleinsatz wird im Deutschen bei Konsonanten im Anlaut benutzt. 3. Nachzeitigkeit bei der Stimmlippen-Einstellung: Die Stimmlippen schließen sich erst, nachdem der Ausatemstrom bereits eingesetzt hat. So entsteht ein gehauchter Schließeinsatz, der nur beim [h] im Anlaut gesprochen wird. Werden beim festen Sprengeinsatz die Stimmlippen zu fest gegeneinander gepresst, schlagen sie durch den Luftdruck beim Aufsprengen zu hart gegeneinander. Anstatt eines Glottisschlages hört man mehrere und die Stimme knarrt. Wird das zur Gewohnheit, schadet es der Stimme. Schließen die Stimmlippen nie richtig, hört man immer ein Hauchgeräusch. Analog zu den Einsätzen prägt auch die Art, wie der Stimmklang an einer Pause abgesetzt wird, das Klangbild einer Stimme wesentlich mit. Auch die
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Der Stimme etwas Gutes tun
Stimmabsätze können fest oder weich sein. Sind sie verhaucht oder zu hart und knarrend, ist es auf Dauer für die Stimme nicht gut. Das Ansatzrohr Dieser primäre Stimmton wird im gesamten Raum oberhalb der Stimmlippen bis hin zu den Mundlippen verstärkt. Die Schallwellen bzw. die in Schwingung versetzten Luftmoleküle treffen auf die Wände des Rachen-, Nasen- und Mundraums, die dadurch in ihrer Eigenfrequenz als Resonatoren mitschwingen. Je nach Bewegung und Einstellung von Kehlkopf, Rachen, Gaumensegel, Zunge, Lippen und Unterkiefer entsteht ein etwas anderer Resonanzraum. Diesen Resonanzraum nennt man auch Ansatzrohr. Durch spezifische Resonanzverhältnisse werden unterschiedliche Obertöne gebildet, die wir als Sprachlaute und persönlichen Stimmklang wahrnehmen. So muss z. B. beim [i] die Zungenspitze stärker gehoben werden als beim [e], oder bei einem nasalen Klang wird das Gaumensegel nicht angehoben, so dass die Luft auch in die Nasengänge entweicht. Das Prinzip der menschlichen Stimmbildung kann man schematisch mit dem einer Orgelpfeife vergleichen: 1. Als Basis dient ein Apparat, der einen Luftstrom erzeugt: Blasebalg bzw. Lunge. 2. Der Luftstrom wird nach oben durch eine Enge geführt, dadurch entsteht eine Schwingung: unterer Teil der Orgelpfeife bzw. Stimmritze im Kehlkopf. 3. Darüber liegen Resonanzräume, die die Schwingung verstärken und in verschiedene Teilschwingungen ausdifferenzieren: oberer Teil der Orgelpfeife bzw. Ansatzrohr beim Menschen. 4. Je breiter und länger die Orgelpfeife ist, desto tiefer und voller klingt sie. Auch jede menschliche Stimme klingt tiefer und voller, wenn das Ansatzrohr geweitet und nicht durch Muskelanspannung verengt wird. Wie tief die eigene Stimme bei starker Weitung des Ansatzrohres klingen kann, merkt man z. B. besonders gut beim Gähnen. Die Art der Schwingung des Primärtons hängt von der Dicke und Länge der Stimmlippen und von ihrer Spannung und Einstellung ab. So entstehen verschiedene Tonhöhen. Der Bernoulli-Effekt Bei der Phonation kommt es zu periodischem Öffnen und Schließen des Luftweges an der Stimmritze. Der Strom der Ausatemluft wird immer wieder unter-
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Das physiologische Ökonomie-Prinzip
brochen und freigegeben. So entstehen unterhalb und oberhalb der Stimmlippen Druckschwankungen, die Schallwellen auslösen. Die geöffneten Stimmlippen im Kehlkopf werden bei der Phonation geschlossen und der aus der Lunge kommende Ausatemstrom wird unter den Stimmlippen gestaut. Ab einem bestimmten Überdruck werden die Stimmlippen auseinander gedrängt und die Atemluft entweicht; dabei entsteht eine Sogwirkung, wodurch sich die Stimmlippen wieder verschließen. Diesen Effekt nennt man »Bernoulli-Effekt«, nach dem Physiker Daniel Bernoulli (1700–1782), der die Beziehung zwischen Fließgeschwindigkeitsanstieg und Druckabfall erkannte.
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Schematische Darstellung des glottalen Zyklus in der Bruststimme nach Reinhard – Own Work, following M. Hirano, The vocal cord during phonation, Igaku no Ayumi (1968), 80
Wenn wir beim Ausatmen die Stimmlippen gegeneinander bewegen, so dass der Luftstrom unterbrochen wird, so entsteht unterhalb der Glottis natürlich ein Überdruck (1–2). Wird dieser subglottale Überdruck stärker als die Kräfte, die die Stimmlippen zusammenhalten, so werden sie auseinander gesprengt (3–4). Und es entweicht Luft so schnell nach oben, dass ein Unterdruck entsteht, der die Stimmlippen wieder zusammenzieht (5–6). Daraufhin entsteht wieder Überdruck und der Zyklus beginnt von Neuem, bei männlichen Stimmen ca. 120-mal in der Sekunde (= 120 Hertz) und bei weiblichen ca. 220-mal. Unterstützt wird dieser Sog-Effekt durch die anhaltende Muskelkraft, mit der wir die Stimmlippen gegeneinander ziehen (»Adduktion«), und durch deren Elastizität, die die Tendenz zur Rückkehr in die geschlossene Position noch verstärkt. Diese drei zum extrem schnellen Schließen der Glottis führenden Faktoren nennt man die »Rückstellkräfte« (zum gesamten Phonationsvorgang vgl. Eckert 2004/2011 und Fiukowski 1992).
Stimmumfang und Indifferenzlage Babys schreien etwa in der Höhe des Kammertons a1 (440 Hz). Bis zum Grundschulalter wächst der Stimmumfang auf etwa eine Oktave an. In der Pubertät wächst er noch einmal stark an und erreicht etwa zwei Oktaven. In der Zeit des Stimmwechsels (Mutation) wachsen Kehlkopf und Stimmlippen in kurzer Zeit und verändern die Stimmhöhe. Bei Mädchen verläuft diese Veränderung meist unauffällig: Die Stimmlippen werden innerhalb von etwa zwei Monaten etwas länger und dicker, dadurch senkt sich die Stimmhöhe um etwa zwei Töne. Wäh-
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Der Stimme etwas Gutes tun
rend dieser Umstellzeit hört sich die Stimme meistens etwas rau an. Bei Jungen wächst der Kehlkopf länger und stärker, die Stimme wird etwa eine Oktave tiefer. Bei der Umstellung kommt es zum Stimmbruch, bei dem die Stimme beim Sprechen oder Singen auf einmal um etwa eine Oktave nach oben oder unten kippt. Während des Stimmwechsels sollten keine besonderen Sprech- oder Singleistungen gefordert werden, weil daraus schnell Überanstrengungen und Schädigungen entstehen können. Im Alter nimmt der Stimmumfang allmählich wieder ab, besonders bei Männern. Männerstimmen werden im Alter eher dünner und höher (Greisenstimme), während Frauenstimmen etwas tiefer und dunkler werden. Aufgrund des kleineren Kehlkopfs und der kürzeren Stimmlippen sind Frauenstimmen immer ungefähr eine Oktave höher als Männerstimmen. Die Stimmgrenzen liegen etwa bei:
Stimmgrenzen (aus: Boettcher et al. 1983, 168)
Das physiologische Ökonomie-Prinzip
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Als Hauptsprechstimmlage oder auch »Indifferenzlage« bezeichnet man den Bereich, in dem das Sprechen ohne große Mühe und Anstrengung möglich ist. Erfahren Sie Ihre Indifferenzlage: Setzen Sie sich bequem in einen Sessel. Entspannen Sie, lehnen Sie sich an, schlucken Sie ein-, zweimal und summen Sie dann einfach mal vor sich hin, keine besondere Melodie, sondern auf einem mittleren Ton, der Ihnen angenehm ist. Wenn Sie Ihr Summen aufnehmen und diesen Stimmklang mit Ihrer sonstigen Stimme vergleichen, können Sie feststellen, ob Sie immer in Ihrer Indifferenzlage sprechen oder ob Sie sich angewöhnt haben, üblicherweise höher zu sprechen. Das wäre ein Indiz für zu viel Anstrengung beim Sprechen und Sie sollten das Sprechen in der Indifferenzlage trainieren (Übungen siehe 4.5 Weitung oder Rachenenge!).
Stimmgattungen Je nach Stimmumfang und Tonhöhen unterscheidet man verschiedene Stimmgattungen. Sie hängen mit der Länge der Stimmlippen zusammen. Männerstimmen sind tiefer, ihre Stimmlippen sind bis zu 18 mm lang; Frauenstimmen sind höher, ihre Stimmlippen sind bis zu 13 mm lang. Die jeweils höheren Stimmlagen haben kürzere und breitere Stimmlippen (Sopran, Tenor), die tieferen Stimmlagen dagegen längere und schmalere Stimmlippen (Alt, Bass). Folgende Einteilung der Stimmgattungen mit Stimmumfang ist gebräuchlich:
Stimmumfänge der Stimmgattungen (aus: Boettcher et al. 1983, 169)
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Der Stimme etwas Gutes tun
Übrigens: Vom tiefsten bis zum höchsten Ton beträgt die Verlängerung der Stimmlippen ungefähr 5 mm. Dafür sind die Kehlkopfmuskeln zuständig. Bei jeder Stimmgattung kann man – je nach Resonanz – ein Brust- und ein Kopfregister unterscheiden: Im Brustregister klingt eine Stimme voller und etwas dunkler, im Kopfregister dünner und heller. Die ganz hohe Art zu sprechen (so wie ein künstlicher Sopran) nennt man Falsett oder Fistelstimme. Beim Jodeln wird ständig zwischen Brust- und Kopfregister gewechselt, und beim sogenannten Bauchreden wird mit einer verengten Einstellung in Kehlkopf und Ansatzrohr gesprochen, so dass die Stimme dünn und gepresst klingt. Dadurch, dass dabei alle sichtbaren Mundbewegungen vermieden werden, hat man als Zuhörer den Eindruck, es spräche ein anderer, z. B. das Stofftier oder die Handpuppe. Bauchreden sollte man nur üben, wenn man eine gesunde Stimme hat, denn das gepresste Sprechen ist sehr anstrengend.
4.3 Vorne sprechen oder wie Mundgymnastik die Stimme schont Wer deutlich und klangvoll sprechen möchte, sollte möglichst weit vorne sprechen, also den Mund richtig öffnen und viele kräftige Bewegungen mit den Mundlippen machen. Dadurch wird der Mundraum, in dem die Laute gebildet werden, größer, und je größer ein Raum ist, desto voller (und lauter) ist der Klang. Man muss sich also gar nicht so sehr anstrengen und nicht mehr Luft verwenden, um eine tragfähige und gut verständliche Stimme zu erzeugen (zur Aussprache vgl. Hirschfeld/Stock 2004/2011). Viele haben sich aber angewöhnt, nur minimale Mundbewegungen zu machen. Dieses undeutliche Nuscheln ist nicht nur schlecht verständlich für Zuhörer, sondern es wirkt auch langweilig und nicht besonders interessant und führt dazu, dass man seine Stimme schnell überanstrengt, wenn man länger und etwas lauter spricht. Deshalb sollte man die Mundmuskeln trainieren.
Solche Lautbildsätze kennen Sie vielleicht aus Leselehrgängen. An der Mundstellung kann man deutlich die Vokale erkennen: weite Öffnung beim /a/, breit gezogene Lippen beim /i/ usw. Das wird auch deutlich bei der Anordnung der Vokale im Vokaltrapez.
Vorne sprechen oder wie Mundgymnastik die Stimme schont
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Das Lautsystem: Vokale und Konsonanten Die deutschen Laute werden auf dem Ausatemstrom gebildet (= exspiratorische Phonation), einzelne Laute können auch inspiratorisch gebildet werden. Im internationalen Phonetischen Alphabet werden die Laute in phonetischer Umschrift zusammengefasst. Man unterscheidet Vokale und Konsonanten. Vokale sind so genannte Öffnungslaute, das bedeutet, dass der Mund immer geöffnet ist und der Stimmton durch die Stellung der Artikulationsorgane differenziert wird. Der Stimmton ist bei allen Vokalen gleich, wird aber durch Hebung der Vorder- oder Hinterzunge, durch die Mundöffnung und Lippenspannung differenziert. Eine zusammenfassende Darstellung ist das »Vokaltrapez«: Es bildet die Zungenhebung (Formant 1) und die Differenzierung nach Beteiligung der Vorder- oder Hinterzunge (Formant 2) ab und je nach Position entspricht die Darstellung auch den Intensitätspunkten im Frequenzspektrum, die für die Klangcharakteristik und damit für die Verständlichkeit entscheidend sind.
Vokaltrapez, Wängler 1974, 88
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Der Stimme etwas Gutes tun
Konsonanten unterscheiden sich durch ihre Stimmhaftigkeit bzw. Stimmlosigkeit, den Bildungsort und die Bildungsweise. In der physiologischen Phonetik wird die Lautbildung genau beschrieben, in der experimentellen Phonetik physikalisch gemessen. Nicht alle möglichen Laute werden in einer Sprache verwendet; die bedeutungsunterscheidenden nennt man »Phoneme«, sie werden in der Phonologie untersucht. Artikulationsweisen plosiv sonorant: +/−
frikativ sonorant: +/−
I: Lippen-ZahnGebiet
b/p
v/f
II: Vorderzunge, Alveolen, vorderer Gaumen
d/t
III: Hinterzunge, hinterer Gaumen, Velum
g/k
Artikulationszonen (von vorn nach hinten)
IV: Rachen, Glottis
lateral sonorant: +
vibrant sonorant: +
nasal sonorant: + m
j/ç l
r
n
R
h
z/s
auch: |
x
h
Die Artikulation oder auch Aussprache wird als Lautung in der gesprochenen Sprache oft dem Schriftbild gegenüber gestellt. Die Schriftsysteme der verschiedenen Sprachen sind unterschiedlich stark an der Aussprache orientiert (so etwa Finnisch stärker als Deutsch, Deutsch stärker als Englisch). Keine der geschichtlich gewachsenen Orthographien ist jedoch konsequent phonetisch. Dennoch ist das phonetische Prinzip grundlegend in der deutschen Rechtschreibung (Schreibe, wie du sprichst!). Wenn Sie Ihre eigene Stimme aufnehmen, können Sie mit Freeware-Programmen wie wavesurfer und praat analysieren, wie hoch die Grundfrequenz der Stimme ist, wo genau die Formanten bei den verschiedenen Vokalen bei Ihnen liegen, wie sich die Stimmmelodie bewegt usw.
Vorne sprechen oder wie Mundgymnastik die Stimme schont
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Standardlautung: Orthoepie Bei der Artikulation werden verschiedene Varietäten und Formstufen unterschieden: Dialekte, Soziolekte und Standardlautung. Aussprachestandards können nach dem jeweiligen Mehrheitsgebrauch beschrieben werden. Die Festschreibung in Aussprachewörterbüchern führt zu einer Normierung. Diese Regelung der Aussprache analog zu den Regeln der Orthografie nennt man auch »Orthoepie«. Sie ist die Grundlage für den öffentlichen Sprachgebrauch; das Alltagssprechen und die regionalen Dialekte weichen unterschiedlich stark von den orthoepischen Normen ab. Auch wenn die Aussprachenormen (anders als die Rechtschreibung) nicht amtlich festgelegt sind, gibt es verschiedene Aussprachewörterbücher. Aber hier ist der DUDEN nicht bindend. Ausgegangen ist die Vereinheitlichung der Aussprache von der Bühnenaussprache. Der Sprachwissenschaftler Theodor Siebs hat 1898 gemeinsam mit Vertretern der Bühne das erste Regelwerk geschaffen, das vielfach überarbeitet und neu aufgelegt worden ist. An die Stelle der Bühne sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die audio-visuellen Medien getreten. Als normgebend gelten vor allem die Nachrichtensendungen. In der ehemaligen DDR wurden die ersten empirischen Untersuchungen zur Kodifizierung der Aussprache betrieben. Das (Große) Wörterbuch der deutschen Aussprache vom Autorenkollektiv um Hans Krech von der Universität Halle wurde 1974 in erster, 1982 überarbeitet und erweitert in zweiter Auflage herausgegeben. Darin wird eine vermittelnde Position zwischen traditionellen Normen und empirisch festgestelltem Aussprachewandel im öffentlichen Sprachgebrauch in Gesamt-Deutschland festgeschrieben. Dem Duden-Aussprachewörterbuch liegen keine eigenen Untersuchungen zugrunde, bei der Transkription der Diphthonge im Wörterverzeichnis ist der Duden schriftnäher (z. B. [ai] statt [ae]), was nicht genau der Lautung entspricht. 2010 haben Eva-Maria Krech und weitere Hallenser Sprechwissenschaftler gemeinsam ein neues umfassendes Deutsches Aussprachewörterbuch (1076 Seiten mit Hörbeispielen auf CD) herausgegeben, das auf neuen breiten empirischen Untersuchungen beruht. Es umfasst die Standardaussprache für alle D-A-CH-Länder (Deutschland, Österreich und Schweiz) und berücksichtigt auch die allgemeine Aussprache von Fremdsprachen und speziell von Namen. Die öffentlich-rechtlichen Sender der ARD verfügen inzwischen auch über eine eigene ARD-Aussprache-Datenbank, die vom Hessischen Rundfunk betrieben und gepflegt wird, von der die Mitarbeiter der angeschlossenen Sendeanstalten Ausspracheempfehlungen abrufen können. Eine deutliche Aussprache dient der Verständlichkeit. Man sollte möglichst weit vorn artikulieren, dann ist der Resonanzraum der Stimme am größten,
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Der Stimme etwas Gutes tun
d. h., die Stimme klingt voll und man muss nicht Lautstärke durch verstärkten Atemdruck erzeugen. Je nach Sprechsituation verändern wir auch die Artikulation. Als Faustregel gilt: Je öffentlicher die Situation, desto mehr nähern wir uns der Standardlautung an; je vertrauter und privater, desto mehr fallen wir in den Dialekt oder in die Umgangssprache. Nicht sinnvoll und standardwidrig ist ein verlangsamtes, überdeutliches und am Schriftbild orientiertes Sprechen (Überlautung), das manchmal beim Diktieren oder im DaF-/DaZ-Unterricht beobachtet werden kann. Grundsätze für Ausspracheübungen Bei Artikulationsübungen geht man zunächst vom Lautbestand aus (einzelne Laute und Lautkombinationen bis hin zu Wörtern) und baut darauf Übungen zum Satzakzent und zur Intonation auf. Bei der Anbildung bestimmter Laute beginnt man mit Wörtern, bei denen der Ziellaut im Anlaut gebildet wird, anschließend im Auslaut und schließlich im Inlaut. Grundsätzlich sind folgende Prinzipien für die Artikulationsschulung in der Sprachtherapie, aber auch im DaF- und DaZ-Bereich, wichtig: 1. Kontrast: Die Ausspracheschwierigkeiten werden meist im phonologischen Kontrast geübt und korrigiert. 2. Einbettung: Es werden nicht über längere Zeit isolierte Laute geübt, sondern es werden möglichst rasch anhand von Wörtern, Syntagmen, Sätzen oder kleineren Texten segmentale und suprasegmentale Einheiten gleichzeitig geübt. 3. Imitation: Lehrer-Aussprache, Audio- oder Videoaufnahmen dienen der Orientierung und sind notwendig. Man lernt das Sprechen, was man hört. 4. Wiederholung: Die Aussprache muss sehr intensiv geübt und wiederholt werden, denn motorische Abläufe sind beim Sprechen stark automatisiert und müssen beim Lernen verändert und neu verfestigt werden. Deutlicher sprechen durch Mundgymnastik Vielleicht haben Sie schon einmal etwas vom Korkensprechen gehört: Man beißt auf einen Weinflaschenkorken und versucht, so zu sprechen. Durch das Hindernis im Mund muss man, wenn man überhaupt verstanden werden will, sehr deutliche und kräftige Artikulationsbewegungen machen. Nimmt man dann den Korken aus dem Mund, spricht man für einen Moment sehr klar und deutlich, weil man noch die kräftigen Artikulationsbewegungen macht. Das ist aber leider nicht von Dauer, dieser Effekt ist schnell wieder vorbei und es wird genuschelt wie vorher. Also keine wirklich gute Übung, zudem verführt das
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Vorne sprechen oder wie Mundgymnastik die Stimme schont
Auf-den-Korken-Beißen dazu, die Kieferspannung zu erhöhen – und diese verbissene Aussprache ist auch nicht ökonomisch. Mit dem folgenden Übungsprogramm zur Mundmotorik können Sie langfristig Ihre Verständlichkeit verbessern. Wenn Sie mindestens dreimal täglich ca. zehn Minuten üben, hört und sieht man nach ca. sieben Wochen den Erfolg: besseren Klang und lebendigere Mimik. Die Anspannung bei den Mundgymnastik-Übungen sollte man jeweils ca. 10 Sekunden halten und dann die Muskeln wieder locker lassen. Am besten aktiv lockern mit Lippenflattern (»Schnauben wie ein Pferd!«), und jede Übung mindestens dreimal durchführen (PabstWeinschenk 2012).
Mund spitz machen
Augenbrauen hoch ziehen
Mund breit ziehen
Augenbrauen zusammen ziehen
Oberlippe nach innen ziehen
beide Augen fest zusammen kneifen
Unterlippe nach innen ziehen
Nase rümpfen
Wangen aufpusten
obere Schneidezähne zeigen
Wangen hohl machen
untere Schneidezähne zeigen
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Der Stimme etwas Gutes tun
Also nie mehr Pokerface! Kräftige Artikulationsbewegungen schaffen Deutlichkeit und eine lebendige Mimik! Die Probe aufs Exempel: Zungenbrecher Zungenbrecher sind Sätze mit Lautüberfüllungen von ähnlichen Lauten, die deutlich voneinander unterschieden werden müssen; dazu muss man genau artikulieren. Je schneller man Zungenbrecher-Sätze sprechen will, desto größere Anforderungen werden an die Artikulationsfähigkeiten gestellt. Probieren Sie es aus. Hier eine Auswahl bekannter und weniger bekannter Zungenbrecher. ȤȤ 333 riesige Reiter ritten 333 Mal um das große runde Rothenburger Rathaus; um das große runde Rothenburger Rathaus ritten 333 riesige Reiter 333 Mal. ȤȤ Bäcker Bürger bäckt billig Brot, billig Brot bäckt Bäcker Bürger. ȤȤ Bayrische Bierbrauer brauen bayrisches Braunbier; bayrisches Braunbier brauen bayrische Bierbrauer. ȤȤ Brautkleid bleibt Brautkleid, und Plättbrett bleibt Plättbrett. ȤȤ Der dicke dumme Töffel trug den dünnen dummen Toffel durch den dicken tiefen Torfdreck durch; da dankte der dünne dumme Toffel dem dicken dummen Töffel, dass der dicke dumme Töffel den dünnen dummen Töffel durch den dicken tiefen Torfdreck trug. ȤȤ Der Leutnant von Leuthen befahl seinen Leuten, nicht eher zu läuten, bis der Leutnant von Leuthen seinen Leuten das Läuten befahl. ȤȤ Der Metzger wetzt sein Metzgermesser; sein Metzgermesser wetzt der Metzger. ȤȤ Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschenkasten; den Potsdamer Postkutschenkasten putzt der Potsdamer Postkutscher. ȤȤ Der Ritter zu Ross am Rande der Rundung rannte wie rasend die Rundung herum; die Rundung herum rannte wie rasend der Ritter zu Ross am Rande der Rundung. ȤȤ Die Katze tritt die Treppe krumm; krumm tritt die Katze die Treppe. ȤȤ Dieter trank drei Tassen Tee; drei Tassen Tee trank Dieter. ȤȤ Ein Student in Stulpenstiefeln stand auf einem spitzen Stein und starrte staunend stundenlang die stummen stillen Sterne an. ȤȤ Er singt leider lauter laute Lieder zur Laute. ȤȤ Es liegt ein Klötzchen Blei gleich bei Blaubeuren; gleich bei Blaubeuren liegt ein Klötzchen Blei. ȤȤ Fischers Fritze fischte frische Fische; frische Fische fischte Fischers Fritze. ȤȤ Flinke Füße fliegen über den Fußboden, über den Fußboden fliegen flinke Füße. ȤȤ Große Krebse krabbeln im Kober, im Kober krabbeln große Krebse. ȤȤ Gut macht Mut, Mut Übermut, Übermut Hochmut, Hochmut Armut, Armut Demut, Demut macht gut.
Vorne sprechen oder wie Mundgymnastik die Stimme schont
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ȤȤ Hätte Hannchen, Hansens hübsches Hannchen, Hans Holz hacken hören, hätte Hannchen Hans Holz hacken geholfen. ȤȤ Hinter Herrn Heinrichs Hinterhaus hackte Hans Holz; Hans hackte Holz hinter Herrn Heinrichs Hinterhaus. ȤȤ Hundert hurtige Hunde hetzen hinter hundert hurtigen Hasen her, hinter hundert hurtigen Hasen hetzen hundert hurtige Hunde her. ȤȤ In Ulm und um Ulm und um Ulm herum schauen manche Männer ziemlich dumm. ȤȤ Kleinkind kann keinen Kirschkern knacken; Kirschkern kann kein Kleinkind knacken. ȤȤ Lernst was, kannst was, kannst was, wirst was, wirst was, bist was, bist was, hast was. ȤȤ Lustige Lebkuchen locken listige Leckermäulchen. ȤȤ Meister Müller, mahle mir mein Mehl, morgen muss mir meine Mutter Mehlmus machen. ȤȤ Neun Nähnadeln nähen neun Nachtmützen, neun Nachtmützen nähen neun Nähnadeln. ȤȤ Neunzig neunmalkluge niemals nach Nilpferden nickende Nixen niesen neuerdings nie. ȤȤ Prächtige Pflanzen prangen an den Pforten des Parkes; an den Pforten des Parkes prangen prächtige Pflanzen. ȤȤ Sieben Schneeschipper schippen sieben Schippen Schnee; sieben Schippen Schnee schippen sieben Schneeschipper. ȤȤ Sieben seit sechs Stunden steinerweichend stöhnende Stiefelputzer stauben Stehaufmännchen Stiefelspitzen ab. ȤȤ Simsaladimbambasaladusaladim. ȤȤ Unter zimtbraunen Zipfelmützen zappelnde Zwuckelzwerge zanken, doch in rostroten Röckchen reitende raufen nie. ȤȤ Violett steht recht nett, recht nett steht Violett. ȤȤ Weihnachtsmänner essen gern Sahnewaffeln, Sahnewaffeln essen Weihnachtsmänner gern. ȤȤ Wenn mancher Mann wüsste, wer mancher Mann wär’, gäb’ mancher Mann manchem Mann manchmal mehr Ehr’; weil mancher Mann nicht weiß, wer mancher Mann ist, drum mancher Mann manchen Mann manchmal vergisst. ȤȤ Wie Westerwälder Waschweiber würden weiße, wollne Wäsche waschen, wenn wir wüssten, wo weiches, warmes Wasser wär’; wenn wir wüssten, wo weiches, warmes Wasser wär’, würden wir Westerwälder Waschweiber weiße, wollne Wäsche waschen.
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Der Stimme etwas Gutes tun
ȤȤ Wir Weihnachtswichtel wollten winters weiche Wolle weben, wenn Weben weicher Wolle Weihnachtswichtelwerk wäre. ȤȤ Zwei süß singende Sängerknaben saßen zwischen Zwitschervögeln im Zwetschgenbaum. ȤȤ Zweiundzwanzig zierliche Zwerge zwicken zwei zweckige, zwackige, zappelnde Zwickelkrebse. ȤȤ Zwischen zwei spitzen Steinen sitzen zwei zischende Schlangen lauernd auf zwei zwitschernde Spätzchen. ȤȤ Zwischen zwei Zwetschgenzweigen saßen zwei zwitschernde Schwalben, zwei zwitschernde Schwalben saßen zwischen zwei Zwetschgenzweigen. Welche Zungenbrecher fallen Ihnen leichter bzw. schwerer? An welchen Lauten liegt das? Mit welchen Artikulationsorganen werden sie gebildet? Vielleicht sollten Sie diese besonders trainieren. Artikulations-Akrobatik können Sie auch mit Konkreter Poesie betreiben: Viele konkrete Gedichte von Ernst Jandl, Eugen Gomringer u. a. stellen hohe Anforderungen an die Artikulationsfähigkeiten. Sie sind deshalb gut geeignet für Ausspracheübungen, genauso wie Nonsenstexte, etwa Der Jabberwocky bzw. Der Zipferlak (Lewis Carroll, Alice hinter den Spiegeln, übersetzt von Hans Christian Enzensberger. 20. Aufl. Berlin 2012, S. 27 f.). Verdaustig war’s und glasse Wieben rotterten gorkicht im Gemank; Gar elump war der Pluckerwank, Und die gabben Schweisel frieben. »Hab acht vorm Zipferlak, mein Kind! Sein Maul ist beiß, sein Griff ist bohr! Vorm Fliegelflagel sieh dich vor, Dem mampfen Schnatterrind!« Er zückt’ sein scharfbefifftes Schwert, Den Feind zu futzen ohne Saum; Und lehnt’ sich an den Dudelbaum, Und stand da lang in sich gekehrt. In sich gekeimt, so stand er hier, Da kam verschnoff der Zipferlak Mit Flammenlefze angewackt Und gurgt in seiner Gier.
Voraussetzung: Eutonie und Sprechatmung
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Mit eins! Mit zwei! und bis aufs Bein! Die biffe Klinge ritscheropf! Trennt er vom Hals den toten Kopf, Und wichernd springt er heim. »Vom Zipferlak hast uns befreit? Komm an mein Herz, aromer Sohn! O blumer Tag! O schlusse Fron!« So kröpfte er vor Freud. Verdaustig war’s und glasse Wieben rotterten gorkicht im Gemank; Gar elump war der Pluckerwank, Und die gabben Schweisel frieben.
4.4 Voraussetzung: Eutonie und Sprechatmung Nicht nur ungeübte Redner empfinden mehr oder weniger starkes Lampenfieber. Dies ist nichts Ungewöhnliches. Denn alles Neue erhöht die Anspannung. Hat man die ersten Sätze hinter sich gebracht, lässt die Spannung allmählich nach, man spricht sich frei. Auch mit zunehmender Routine bekommt man die Aufregung besser in den Griff. Aber das Ziel ist nicht, sich beim Reden vollkommen ruhig zu stellen. So wie kein Schauspieler vor einer Aufführung völlig ruhig ist, so kann sich auch ein Redner nicht ganz entspannen. Eine leichte Anspannung steigert sogar die Konzentration und Leistungsbereitschaft. Übermäßige Anspannung und Verkrampfung kann man mit Bewegung und richtiger Atmung verhindern. Wer fest und sicher steht oder aufrecht sitzt und ruhig atmet, kann besser reden. Beobachten Sie einmal Ihre Haltung und Atmung in verschiedenen Situationen! Wie stehen Sie? Wie sitzen Sie? Was geschieht bei der Atmung? Geht Ihre Bauchdecke beim Einatmen rein oder raus? Vorsicht: Nie zu schnell atmen, sonst wird Ihnen schwindelig (Hyperventilation)!
Eutonie Der Begriff »Eutonus« stammt aus dem Griechischen und bedeutet »WohlSpannung« (eu steht für »gut, wohl«, tonus für »Spannung, Stimmung«). Eutonie besagt also, dass man nicht völlig entspannt, aber auch nicht verspannt,
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Der Stimme etwas Gutes tun
verkrampft ist. Bei der Eutonie geht es genau wie bei der Stimmbildung und in der Physiologie überhaupt um Ökonomie: mit geringstem Kraftaufwand ein möglichst gutes Ergebnis erzielen. Um Verspannungen abzubauen, ist PME gut geeignet: Über maximale Anspannung sehnt sich die Muskulatur anschließend nach Entspannung; auch Klopfmassagen oder Sensibilisierung mit Widerständen von Tennisbällen etc. lösen Verspannungen. Bei Übungen zur Eutonie wird oft das Bild einer Marionette verwendet: Wenn man sich vorstellt, man hätte oben am Kopf einen Faden befestigt, der langsam straff gezogen wird, richtet man sich auf und der Kopf sitzt gerade auf dem Körper. Auch über die Vorstellung von Fäden an Händen und Armen, die schlaff hängen oder straff gezogen werden, kann man einen mittleren Spannungszustand erreichen. Probieren Sie es aus!
Wohlspannung kann man in vielen Alltagssituationen erleben: Im Schwimmbad z. B., wenn man sich einfach auf dem Rücken aufs Wasser legt und »toter Mann« spielt, was nur mit einem mittleren Spannungszustand gelingt. Genauso kann man nur balancieren, wenn man sich nicht verkrampft, sei es auf einem Baumstamm oder Schwebebalken oder auch mit etwas auf dem Kopf, z. B. einem schweren Telefonbuch o.Ä. Auch beim Schaukeln kommt man in einen eutonischen Zustand: Spannung und Entspannung wechseln sich ständig ab, es entsteht ein angenehmer Rhythmus. Haltung Man muss die äußere Körperhaltung von der inneren Haltung unterscheiden, auch wenn beide sich gegenseitig beeinflussen. Die äußere Haltung ist Bestandteil des Körperausdrucks und Ausgangspunkt für Bewegungen und Gesten. Die innere Haltung bestimmt die Intention, die das äußere Sprechhandeln steuert. Die innere Haltung wird auch als »Gestus« bezeichnet. Dieser Begriff wird in der Schauspielarbeit häufig verwendet. Der Gestus ist das Mittel des Schauspielers, das Symbolische (oder auch das Allgemeine der Moral) sinnlich anschaulich zu machen (Lessings Hamburgische Dramaturgie). Haltung und Gestik sind Ausdruck eines inneren Erlebnisses oder einer seelischen Erregung und offenbaren das Wesen einer Persönlichkeit. Diese Einheit von Haltung und Ausdruck hat Bertolt Brecht kritisiert. Denn hinter den ausgesprochenen Worten stehen Haltungen, die sich zwar dieser Worte bedienen, aber zugleich (auch) etwas anderes sagen können oder eben auch etwas verheimlichen. Für ihn ist das gestische Sprechen sozial, der Gestus ist das Ausdrucksgebaren des Kollektiven
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(gesellschaftlich typisierte Verhaltensformen) und damit Schnittstelle zwischen individueller Angerührtheit und sozialer Zugehörigkeit. Das schauspielerische Interesse liegt also nicht vor allem in den Worten, sondern im Aushandeln von Beziehungen durch sie, einschließlich der in den Worten aufgehobenen Gedanken, Interessen, Emotionen und Sachverhalte. Darin spiegelt die Tätigkeit des Schauspielers Lebensprozesse wider. Auch im Alltag sind Worte nicht das Eigentliche, was wir von anderen erfahren möchten. Alles Sprechen dort ist mit inneren und äußeren Prozessen verbunden und in sie eingebettet. (Ritter 2011, 192)
Ob man nun innen oder außen bei der Haltung ansetzt, sie kann sich verändern und mehr oder weniger deutlich die Intention vermitteln. Manchmal sind Requisiten hilfreich, um eine bestimmte Haltung einzunehmen und den entsprechenden Ton zu finden. Das kann man schon bei Kindern beobachten: Setzt man ihnen z. B. eine Krone auf den Kopf, verändert sich ihre Aufrichtung, ihr Gang und auch ihre Sprechweise: sie rennen nicht mehr, sondern beginnen zu schreiten und klingen auf einmal majestätisch und würdevoll. Der Begriff »Haltung« suggeriert oft zunächst etwas Statisches, aber die menschliche Haltung ist ein dynamisches Gleichgewicht wohlgespannter Muskulatur. Nach Feldenkrais ist die Haltung gut, wenn sie nach einer Störung (also z. B. einem Rempler) ihr Gleichgewicht wiederfinden kann. Standfestigkeit Zu viel Bewegung beim Sprechen schafft leicht Unruhe. Deshalb sollte man sich beim Vortrag eine feste Position hinter oder neben einem Tisch oder Pult auswählen. Auch wenn man nicht wie eine Salzsäule dastehen will, ist ein fester Stand als Grundposition vorzuziehen: leichte Grätschstellung, Gewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilt. Wer Ski fährt, weiß, dass man nicht stocksteif auf den Brettern stehen darf, sondern dass man immer leicht in den Knien wippt, um Unebenheiten direkt ausgleichen zu können. Dieser Stand ist eutonisch, d. h., es wird nicht mehr Kraft dafür aufgewendet als erforderlich. Unser Knochenbau wirkt dem Zug der Schwerkraft entgegen und dadurch werden die Muskeln frei für Bewegung. Schaltstellen sind die Füße, die Knie, das Becken und die gesamte Wirbelsäule bis zur Kopfposition. Es entsteht ein umspieltes Gleichgewicht: Wie ein Stehaufmännchen realisieren wir auf die unserem Körper innenwohnende Tendenz, flexibel und elastisch, schnellstmöglich und auf direktem Weg die verlorene Aufrichtung wieder herzustellen. Einseitige Verspannungen werden vermieden.
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Der Stimme etwas Gutes tun
Wie ein Baum fest in der Erde verwurzelt – das ist ein häufig verwendetes Bild für einen guten Stand. Das ist gut, wenn man dabei elastisch bleibt und bei einer Windböe oder sogar einem kräftigen Sturm nicht umkippt und entwurzelt wird, sondern leicht nachgeben und anschließend wieder sein Gleichgewicht finden kann. Redner, die während eines Vortrages Kilometer vor dem Publikum ablaufen, genügen zwar ihrem eigenen Bewegungsdrang, denken aber zu wenig an die Wirkung auf ihre Zuhörer. Das Laufen bringt Unruhe, der Blickkontakt wird dabei immer wieder abgewendet, und das Sprechen wirkt eher beiläufig, weniger pointiert und gerichtet. Wer – wie Lehrpersonen – längere Zeit vor einer Gruppe steht, wechselt manchmal die Rollen beim Sprechen: mal mehr Organisator des Schulgeschehens (Was wird wann wie stattfinden?), dann Themenbringer, Informationsquelle, mitdiskutierender Gesprächspartner oder Moderator des Unterrichtsgesprächs. Entsprechend solchen Rollen ändert sich auch die Körpersprache und Sprechweise, und es ist für andere leichter verständlich, aus welcher Rolle gerade gesprochen wird, wenn mit den verschiedenen Rollen konsequent auch bestimmte Stand-Punkte bezogen werden: Manche stellen sich z. B. bei offiziellen Schulinformationen immer vor das Pult, wenn sie dagegen etwas erklären, vor die Tafel, und wenn sie mitdiskutieren, mitten in den Klasseraum oder an die Seite neben eine Schülerbank. Wenn Schüler bestimmte Dinge ankündigen möchten, sollten sie das nicht einfach vom Platz aus tun, sondern – genau wie die Lehrperson – von vorne. Richtig sitzen In vielen Kommunikationssituationen stehen wir nicht, sondern sitzen zusammen mit anderen am Tisch. Auch hier begünstigt eine schlechte Haltung eine unzweckmäßige Atmung. Wer etwa mit rundem Rücken und hängenden Schultern auf dem Stuhl hockt, kann kaum sein Zwerchfell bewegen und deshalb nicht normal atmen. Die Folge von schlechter Atmung ist ungespanntes, resonanzarmes Sprechen, aber auch – wegen der schlechteren Sauerstoffversorgung – Konzentrationsmangel. Die Forderung nach dem aufrechten Sitzen im Becken ist also nicht nur in orthopädischer Hinsicht sinnvoll, sondern sie ist auch für Sprecherziehung und Logopädie von grundlegender Bedeutung. Wenn man gerade im Becken sitzt, spürt man seine Sitzhöcker. Auf ihnen kann man hin und her schaukeln (nach links und rechts) und seine Mitte, also seine gerade Sitzposition, finden. Auch bei Übungen mit einem Sitzball z. B. tut man etwas für die Haltung und Atmung und schafft zugleich auch Voraussetzungen für eine gute Stimmbildung. Haltungsübungen aus der Rückenschule unterstüt-
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zen immer auch zweckmäßige Atemtechnik. Wer seine Atmung überprüfen und verbessern möchte, muss die physiologischen Abläufe bei der Lungenatmung kennen. Atmung – Sauerstoffversorgung und … Das vegetative Nervensystem sorgt dafür, dass der Blutkreislauf genügend Sauerstoff erhält. Wir atmen automatisch und brauchen normalerweise nicht auf die Atmung zu achten. Wir können sie zwar bewusst steuern (z. B. beim Röntgen oder Tauchen die Luft anhalten oder ganz fest die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen auspusten o.Ä.), können uns aber nicht abstellen. Die primäre Aufgabe der Atmung ist der Gasaustausch: Sauerstoff wird dem Blut in der Lunge zugeführt und das Kohlendioxid, das sich im Körper gebildet hat, wird abtransportiert. Gesteuert wird dieser Vorgang biochemisch durch den KohlendioxidStand am Atemzentrum im verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) und durch Sauerstoff-Mangel am Glomus caroticum (Parasympathisches Paraganglion am Teilungswinkel der Arteria carotis communis). Wird das Atemzentrum gereizt, löst es den nächsten Atemreflex aus: Es atmet uns. Das Atemzentrum hat lebenserhaltende Funktion und kann nicht mit dem Willen ausgeschaltet werden; selbst wenn es jemand schafft, bis zur Ohnmacht die Luft anzuhalten, setzt die Atmung dann wieder ein, vorausgesetzt der Organismus ist gesund. Die Lunge ist ein Organ, das sich nicht selbsttätig bewegt, sondern immer von anderen Muskelpartien gedehnt werden muss, damit Luft einströmen kann. Das können Zwerchfell, Brust- und Zwischenrippenmuskeln sowie Schlüsselbein und die Muskeln des Schultergürtels sein. Diese Muskelbewegungen kann man sehen und daran kann man erkennen, wie jemand gerade atmet. Man unterscheidet zwischen Bauch-, Flanken- und Hoch-Atmung, die unterschiedliche Wirkungen auf Psyche und Stimme haben. Vitalkapazität und Lungenvolumina Das Fassungsvermögen der Lunge nennt man auch die »Vitalkapazität«. Sie schwankt bei verschiedenen Menschen zwischen drei und sechs Litern. Sportler verfügen über eine größere Vitalkapazität. Die Lunge ist nie luftleer, sie hat immer ein Restvolumen. Man kann etwa folgende Lungenvolumina unterscheiden: ȤȤ ca. 1 l Restluft in der Lunge (Residualvolumen), ȤȤ ca. 1,5 l Luftvorrat, der bei tiefster Exspiration ausgeatmet werden kann (exspiratorisches Reserve-Volumen),
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Der Stimme etwas Gutes tun
ȤȤ ca. 0,5 l Atemluft, die bei einem Atemzug ausgetauscht wird, ȤȤ ca. 2 l Ergänzungsluft, die bei tiefster Inspiration eingeatmet werden kann (inspiratorisches Reserve-Volumen). Atemfrequenz Luftverbrauch und Atemfrequenz schwanken, je nachdem, wie alt jemand ist und wie hoch die physische und psychische Belastung ist. Neugeborene atmen ungefähr 40-mal in der Minute, Erwachsene bei Entspannung sechs- bis zwanzigmal, bei schwerer Arbeit zwischen 30- und etwa 60-mal. Es ist ökonomischer, bei Anstrengung nicht zu schnell zu atmen. Besser ist, pro Atemzug mehr Luft einzuatmen. Der Luftverbrauch richtet sich immer nach dem, was man tut: Bei völliger Ruhe braucht ein Erwachsener etwa sechs Liter in der Minute, beim Sprechen oder langsamen Gehen etwa 15 bis 25 Liter und bei sportlichen Höchstleistungen bis etwa 120 Liter. Bei einem ruhigen Atemzug wird ungefähr ein halber Liter Luft ausgetauscht, man kann aber mit einem Zug bis ca. zweieinhalb Liter einatmen. Für normales Sprechen reicht etwa ein Liter pro Atemzug aus. Denn man braucht – auch für lautes Sprechen – gar nicht so viel Luft und kann in den Pausen immer wieder schnell nachatmen. Das maximale Luftvolumen, das ventiliert werden kann, liegt bei etwa 80 l/ min (Atemgrenzwert); wegen der Hyperventilationsgefahr wird es nur 10 bis 20 sec lang geprüft. Atmung und Puls stehen immer etwa im Verhältnis 1 : 4. Das Lungenvolumen kann man z. B. beim Aufblasen eines Luftballons erproben. Genaue Messdaten gewinnt man mit einem geeichten Spirometer. Auch die Kraft eines Atemstoßes kann man selbst ausprobieren: Bei normaler Lungenfunktion muss ein Streichholz in einer Entfernung von mindestens 60 cm ausgeblasen werden können. Veränderungen in der Atemfrequenz bei verschiedenen Tätigkeiten (ruhig sitzen, langsam gehen, nach einem schnellen Lauf usw.) kann man selbst genauso beobachten wie eigene Gewohnheiten, tendenziell stärker mit dem Zwerchfell, Brustkorb und Flanken oder Schultergürtel zu atmen. Überprüfen Sie den Luftverbrauch beim Sprechen: Halten Sie sich einmal eine brennende Kerze vor den Mund, etwa im Abstand von zehn Zentimetern. Sprechen Sie einen beliebigen Text in normaler Lautstärke. – Die Flamme flackert, geht aber bei richtiger Stimmgebung nicht aus. Bei Plosivlauten wie /p/ und /b/ flackert sie stärker, weil der (Lippen-)Verschluss den Ausatemstrom vor der geräuschhaften Sprengung staut. Spricht man dagegen ein lautes A, bei dem der Mund weit geöffnet ist, bewegt sich die Flamme (fast) gar nicht. Probieren Sie es aus!
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Atemrhythmus, Psyche und Haltung Jeder Mensch atmet in (mehr oder weniger) regelmäßigem Wechsel Luft ein und aus, so lange er lebt. Durch den ständigen Wechsel von Ein- und Ausatmung entsteht ein Rhythmus. Einatmen ist (Muskel-)Anspannung, Ausatmen ist Entspannung. Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: Die Luft einziehn, sich ihrer entladen; Jenes bedrängt, dieses erfrischt; So wunderlich ist das Leben gemischt. […] (Johann Wolfgang von Goethe)
Der normale Atem-Rhythmus ist: ein – aus – Pause – ein – aus – Pause … Falsch ist es, die Pause nach dem Einatmen zu machen, denn dabei wird die verbrauchte Luft, die ausgetauscht werden soll, im Körper gehalten – das ist viel anstrengender. Dieser falsche Rhythmus ist bei der unphysiologischen Hochatmung verbreitet: ein – Pause – aus – ein – Pause – aus … Bei der Ruheatmung beträgt das normale Verhältnis zwischen Ein- und Ausatmung etwa 1 : 1,5; beim Sprechen dagegen 1 : 3 bzw. 4, weil die Einatmungsdauer verkürzt und die Ausatmung verlängert wird. In Vortragssituationen fällt oft ein Effekt auf: Die Atmung der Zuhörer gleicht sich der Atmungsform des Vortragenden an. Atmet der Vortragende, weil er nervös ist, z. B. mit Hochatmung, vielleicht sogar noch mit deutlich hörbarem Luftschnappen, ist das nicht nur für ihn selbst sehr anstrengend, sondern genauso für die Zuhörer. Denn sie atmen dann auch nicht mehr so ruhig mit dem Bauch wie zuvor, sondern hoch – und erleben dadurch ebenfalls mehr Anspannung und Stress. Atmet der Sprecher dagegen ruhig, hat er auch eine beruhigende Wirkung auf seine Zuhörer und kann damit Spannungen reduzieren. Wer in Konfliktsituationen Beratungs- oder Schlichtungsgespräche führt oder andere zu Meditationen anleiten will, muss also selbst ruhig atmen. Obwohl unsere Atmung unbewusst vom Atemzentrum gesteuert wird, können wir sie auch bewusst steuern: Wir können die Luft anhalten, besonders tief ein- oder ausatmen. Das ist die Voraussetzung für Übungen. Atemübungen dienen der Entspannung, Konzentration oder Selbsterfahrung. Im Hinblick auf das Sprechen ist das Ziel von Übungen nicht die völlige Entspannung, sondern der Abbau von Verspannungen und der Aufbau der so genannten Eutonie (Wohlspannung) als Voraussetzung für eine gute Stimme. Wenn man sich
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körperlich anstrengt, hat man einen höheren Sauerstoffbedarf; dann atmen die meisten automatisch schneller. Das passiert auch bei Aufregung oder Angst. Bei einem plötzlichen Schreck verschlägt es uns den Atem, wir halten die Luft an. Um die Anspannung vor einer Rede nicht zu stark werden zu lassen, muss man also zunächst gut ausatmen. Atmet man dann zwei- bis dreimal nicht zu schnell hintereinander tief durch, fühlt man sich schon ruhiger. Wichtig ist dabei, dass man mit dem Zwerchfell die Lunge ausdehnt und nicht oben die Muskeln des Schultergürtels bewegt. Atmet jemand vorwiegend oben, empfindet er alles viel anstrengender; er ist ständig gestresst. Solche Verspannungen führen zu Haltungsschäden und schlagen auch auf die Stimme, die dann höher und weniger voll tönt. Atmungsarten Die Parameter zur Einteilung der Atmungsarten sind: ȤȤ Welche Muskelpartien weiten die Lunge aus? ȤȤ Welches Nervensystem ist tätig: reflektorisch-vegetatives oder volitivanimalisches? ȤȤ Welche Körperzustände werden versorgt: Ruhe, Leistung, Phonation? ȤȤ Welche Atmungswege werden benutzt (Mund, Nase)?6 Bei der Hoch-Atmung (Klavikular-Atmung) dehnen die Muskeln an den Schultern und am Schlüsselbein die Lungenspitzen aus. Beim Einatmen wird dabei deutlich sichtbar der gesamte Schultergürtel hochgezogen. Manchmal sieht man auch eine starke Anspannung der Halsmuskulatur und ein Anschwellen der Halsvenen. Diese Art zu atmen, ist unphysiologisch und kann Ursache für Stimmstörungen sein. Falsche Haltungsideale wie Brust raus, Bauch rein, Stress – aber auch Mieder und zu enge Kleidung führen dazu, sich diese unzweckmäßige Hoch-Atmung anzugewöhnen.
6 Zur Atmung vgl. auch Eckert 2004/2011 und Fiukowski 1992.
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Muskelpartien: Schultergürtel und obere Brust Wirkungen mit Bewertungen: (+) Gasaustausch (+) Ventilation der Lungenspitzen (−) Geringer Sauerstoffgewinn, aber hoher Eigenverbrauch wegen: (−) Anspannung von »Arbeitsmuskeln« und damit verbundener Verspannung im Hals-Bereich, (−) die die Stimmresonanz einschränkt und zu unnötigem Kraftaufwand führt, im Detail: (−) der Kehlkopf wandert nach oben, der Resonanzraum wird verkürzt und enger. Die Stimme erhält weniger Obertöne, klingt dadurch »blecherner« und leiser. Gleichzeitig klingt sie höher. (−) Es entsteht die Gefahr, die Stimmlippen zu überanstrengen, um fehlenden Stimmklang und Lautstärke zu kompensieren. Folge: schnellere Heiserkeit (Rötung mit nachfolgender Drüsensekretion). (−) Gefahr der Stimmlippenknötchen (−) Der kommunikative Eindruck auf den Hörer: überspannt, aufgeregt, ich-bezogen (−) schlechte Sauerstoffversorgung von Blut und Gehirn (−) Psychische Verspanntheit u. a.: (−) Die Steuerung durch das volitive Nervensystem herrscht vor. Dadurch wird ein relativ unphysiologisches Verhalten des Atemapparates erzeugt.
Bei der Bauch-Atmung (Abdominal-Atmung) erfolgt die Einatmung vor allem durch Kontraktion des Zwerchfells (Diaphragma). Dieser kuppelartige Muskel liegt quer zwischen Brust- und Bauchhöhle. Zieht er sich zusammen, flachen die Kuppeln ab. Dadurch steigt das Volumen des Brustkorbes, es entsteht ein Unterdruck und Luft wird eingesogen. Die Zwerchfellbewegungen übertragen sich auf die vordere Bauchwand. Das Tiefertreten des Zwerchfells bewirkt eine Kompression der Eingeweide und der Bauch wird beim Einatmen vorgewölbt. Beim Erschlaffen des Zwerchfells bewegt es sich wieder aufwärts, unterstützt durch die Bauchmuskulatur, flacht der Bauch wieder ab – der Brustraum wird wieder kleiner, und es wird ausgeatmet. Diese Atmung kann man gut sehen, wenn man jemanden beobachtet, der auf dem Rücken liegt und schläft.
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1. Zwerchfell in Ausatmungsstellung 2. Zwerchfell in Einatmungsstellung 3. Durch die Abflachung vergrößerter Bauchraum
Der Stimme etwas Gutes tun
Muskelpartien: Zwerchfell – Wirkungen mit Bewertungen: (+) Gasaustausch (+) Ventilation der Lungenbasis (+) Hoher Sauerstoffgewinn und geringer Eigenverbrauch wegen: (+) Entspannung der »Arbeitsmuskeln« und aller körperlichen Verkrampfungen. (+) Gute Sauerstoffversorgung von Blut und Gehirn. (+) Psychische Entspannung (das »Es« trägt mich) wegen: (+) Steuerung durch vegetatives Nervensystem – wie im Schlaf (»Ich werde geatmet«). (−) Unästhetisches Hervortreten des Bauches bei der Einatmung. (+) Weitung der Resonanzräume (+) Voll tönende Stimme (+) Möglichkeit, die Stimme lange Zeit zu belasten (+) Kommunikativer Eindruck: positiv!
Bei der Flanken-Atmung (Thorax- oder Kostal-Atmung) wird vor allem mit den Zwischenrippenmuskeln des Brustkorbs geatmet. Die Einstellung des Zwerchfells ist flach, die Rippen werden gehoben. Die unteren Rippen erweitern den Brustkorb quer (der Brustumfang vergrößert sich um mindestens 5 cm), die oberen Rippen dehnen ihn von vorn nach hinten aus. Muskeln: Zwischenrippenmuskeln mit gleichzeitigem Anheben der Rippen. Begleitend: Neigung der oberen Brustmuskeln zu einer stetigen Einhaltung der »Querspannung«. Wirkungen mit Bewertungen: (+) Gasaustausch durch: (+) Ventilation der zentralen Lunge. (+) Höherer Sauerstoffgewinn als Eigenverbrauch, weil: (+) Ermöglicht dosierte Luftabgabe (bei Stimmgebung »wilde Luft«!) durch feinen Steuerungsmechanismus (Unterdrucksystem zwischen Lunge und Rippenfell). (+) Wegen der reflektorischen Einatmung herrscht das vegetative Nervensystem vor (automatische Luftergänzung durch sogenanntes »Abspannen«), obwohl die Steuerung der »Atemstütze« durch das volitive Nervensystem erfolgt. (−) Angewiesenheit der Flankenatmung auf Mitwirkung einer anderen Atmungsart.
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Weitung oder Rachenenge?
Als Normal-Atmung wird eine Kombination von Bauchund Flanken-Atmung (costo-abdominale Atmung) bezeichnet, sie ist physiologisch zweckmäßig und auch für das Sprechen optimal. Dabei wird auch die Atemstütze eingesetzt. Das ist ein Anhalten der Muskulatur in Einatmungsstellung (bis zu 8 Sekunden), um beim Ausatmen dem Zusammensinken des Atemapparates entgegenzuwirken. Damit wird der Luftdruck unter den Stimmlippen auf ein Optimum reduziert und die Ausatmung zum Sprechen verlängert. Die Normal-Atmung hat alle Vorteile der Zwerchfell-Atmung und der unästhetische Anblick fällt weg, weil die Flanken die Bauchdecke in die Breite ziehen, so dass die Wölbung fast gar nicht mehr auffällt.
Bei der Voll- oder Tief-Atmung werden alle Möglichkeiten Atmung ausgeschöpft, sie kommt bei großen körperlichen Anstrengungen vor, aber auch bei YogaÜbungen. Je nachdem, auf welchem Weg die Luft eingesogen wird, kann man noch Nasen- oder Mund-Atmung unterscheiden. Der Weg der Luft führt entweder durch die Nase oder durch den Mund in den Rachen. Von dort strömt die Luft durch den Kehlkopf, in dem die Stimme mit der Ausatemluft gebildet wird, in die Luftröhre, in die Bronchien bis zu den Alveolen (Lungenbläschen). In Ruhesituationen und wenn nicht gesprochen wird, ist die Nasenatmung besser, weil bei ihr die Luft gereinigt und angewärmt wird. Beim Sprechen und wenn durch körperliche Anstrengungen wie z. B. Sport der Luftverbrauch ansteigt, geht der Gasaustausch durch die engen Nasenlöcher oft nicht schnell genug. Dann wird der Mund geöffnet und schnell durch die größere Öffnung geatmet.
4.5 Weitung oder Rachenenge? Wenn die Atemluft von unten durch den Kehlkopf strömt, sind nicht nur die Spannungszustände der Kehlkopfmuskeln in ihrem Zusammenspiel wichtig, sondern das gesamte Ansatzrohr, also der Rachen-, Nasen- und Mundraum. Felix Trojan (1895–1968), ein Wiener Phonetiker, hat sich intensiv mit dem Ausdruck von Stimme und Sprache beschäftigt und dabei die Phonetik mit der Psychodiagnostik verbunden. Trojan entwickelte eine Biophonetik und geht von fünf Elementen des stimmlichen Ausdrucks aus, die vergleichbar auch bei Tieren auftreten: 1. Rachenweite bzw.-enge: Abgeleitet aus dem Akt der Nahrungsaufnahme (Weitung) bzw. des Erbrechens (Enge) werden verschiedene Formen von Lust
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2.
3. 4. 5.
Der Stimme etwas Gutes tun
bzw. Unlust abgeleitet. Wenn man mit der Musik vergleicht, so entsprechen die Dur-Tonarten der Weitung, die Moll-Tonarten der Enge. Vegetativ gesteuert wird die trophotrope und ergotrope Stimme (die Schonbzw. Kraftstimme), wobei die Schonstimme dem Wohllaut und die Kraftstimme dem Aggressionslaut bei Säugtieren entspricht. Beim Registermechanismus unterscheidet Trojan Kopf-, Brust- und Mischregister. Die Stärke des Näselklangs, der vor allem bei sinnlicher Erregung (Nahrungsgenuss, sexuelle Sinnlichkeit etc.) entsteht. Begleitbewegungen bzw. gesamtkörperliche Bewegungen (zeigende/deiktische, darstellende und symbolische Bewegungen), die entweder nach Vereinigung strebend (kopulativ) oder angreifend (aggressiv) oder zurückweisend (defensiv) sein können.
Bei emotionalem Ausdruck sind immer alle fünf »Generatoren« beteiligt! Die Kombination daraus wird als Akuem bezeichnet. In seiner Lautstilistik unterscheidet Trojan vier Klassen von Akuemen (Schallbildern), vor allem nach dem ersten Generator, wobei die Rachenweite dem süßen und die Rachenenge dem sauren Zug der Verköstigungsgesten im mimischen Ausdruck entspricht. Man kann gegenüberstellen: Rachenenge (Brechreiz) Weinen, Schluchzen
Rachenweite (Nahrungsaufnahme) Fröhliches Lachen Gehaltenheit
Gespanntheit
Entspanntheit
Gespanntheit
Ungerichtet: Nahrungsgenuss, Lust, Ruhe, Wärme, Wohlbehagen
Zweifel, Neugier, Freude, Jubel
Müdigkeit, Traurigkeit, Mitleid, Sehnsucht
Ekel, Wut, Angst, Unbehagen, Schmerz, Hass
Gerichtet: Zärtlichkeit, Schmeichelei, Höflichkeit, freudige Rührung
Trojan ging es um psychologische Stimmdiagnostik mit experimentalphonetischen Analysen und allgemein biologischen Zusammenhängen. »Denn im stimmlichen Ausdruck muß sich ja wohl die menschliche Gesamtpersönlichkeit spiegeln.« (Trojan 1968/1975, 137).
Weitung oder Rachenenge?
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So wie man heute mit dem Facial Action Coding System (FACS) von Paul Ekman und Wallace Friesen 44 Action Units unterscheiden und in ihrem muskulären Zusammenspiel in der Mimik bei verschiedenen Gefühlen genau beschreiben kann, so hat Trojan in seiner Lautstilistik die Erzeugung elementarer Stimmmuster differenziert. Die von Ekman als Basisemotionen analysierten genetisch bedingten, überkulturellen Gefühle (Fröhlichkeit, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung) kann man akustisch auch nach den Kriterien Rachenenge bzw. -weite beschreiben. Sie erinnern sich an die Stimmbeschreibungen bei den verschiedenen IchZuständen nach der Transaktionsanalyse (S. 109 ff.). Auch dabei war schon von faukaler Enge die Rede. Die richtige Zuordnung lautet: − −K: angemessene Brustresonanz, tiefe Atmung, aus dem ›Bauch heraus‹, keine Enge, Vordersitz der Stimme, physiologischer Stimmein- und -absatz, Indifferenzlage, dynamisch, guter Lautgriff, Resonanzintensitätsbetonung/starkes Crescendo, Melodie: geradlinig, laut. − K: keine Brustresonanz, faukale Enge, dorsal verlagerte Artikulation, nasal, gepresst, überhöhte Stimme; Melodie von unten nach oben nach unten, extreme Tonhöhenbetonung, gedehnte Vokale, eher leise. + K: angemessene Brustresonanz, tiefe Atmung, keine Enge im Ansatzrohr, es wird vorn gesprochen, physiologischer Stimmein- und -absatz, dynamisch, guter Lautgriff, Indifferenzlage, Resonanzintensitätsbetonung/Crescendo; Melodie sehr bewegt, intensiv, intentional, laut. + + K: keine Brustresonanz, flache Atmung, faukale Enge, dorsal verlagerte Artikulation, behaucht, dünn, flach, überhöhte Stimme, Zungenbreitzug, Lächelstellung; Melodie steigend oder in der Schwebe mit Höhenbetonung, sehr leise, wenig steigerungsfähig. + EL: Viel Brustresonanz, tiefe Atmung, keine Enge, physiologischer Stimmsitz, weicher Stimmein- und -absatz, Indifferenzlage, Betonung der tiefen Stimmanteile, weicher Stimmklang; Melodie nach unten weich mit Tiefbetonung verlaufend, eher leise. − EL: keine Brustresonanz, flache Atmung, faukale Enge, gepresster Stimmklang, dorsal verlagerte Artikulation, harter Stimmeinsatz, schrill, hart, scharf, hoch; Melodie: geradlinig von oben nach Mitte mit Höhenbetonung verlaufend, laut, auch intellektuell knarrend! Wie wichtig gerade die personalen Sprech- und Hörkompetenzen sind, wird auch durch diverse Studien zur Wirkung von Lehrerstimmen belegt (VoigtZimmermann 2011). Schüler, die stimmgestörten Lehrern zuhören,
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ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ
Der Stimme etwas Gutes tun
ahmen häufiger selbst unphysiologische Stimmmuster nach, sind weniger motiviert und lehnen stimmgestörte Lehrer häufiger ab, haben eine geringere Aufmerksamkeitsspanne und ermüden schneller, verstehen Gesagtes schlechter und können sich weniger davon merken.
Diese Ergebnisse können nach Imhof (2013) auch verallgemeinert werden. Die Informationsverarbeitung wird durch gestörte Stimmen signifikant beeinträchtigt. Machen Sie die Impedanzprobe: Legen Sie Ihre Hände trichterförmig hinter die Ohren und klappen Sie diese leicht nach vorn, aber bitte nicht so stark, dass Sie sich die Ohren zuhalten. Sprechen Sie einen beliebigen Text, Sie hören sich so besser, weil der Schall, der sonst trichterförmig nach vorne weggeht, wieder besser von den eigenen Ohren aufgenommen wird. Das nimmt Druck aus der Stimme – spüren Sie es?
4.6 Übungen zum Aufbau effizienter Sprechmuster Einmal üben reicht nicht. Wenn Sie sich eine Fehlhaltung und/oder unökonomische Stimmbildung angewöhnt haben, dann sind das in der Regel automatisierte Verhaltensweisen, die Sie nicht mit ein paar Übungen verändern können. Am besten wirkt verteiltes, aber regelmäßiges Üben. Das persönliche Training sollte so lange mit verschiedenen Übungen fortgesetzt werden, bis die richtige Atmung und die ökonomische Stimmbildung zur festen Gewohnheit geworden sind (Pabst-Weinschenk 2001). Auf die Atmung wird hier sehr viel Wert gelegt. Wenn der Atem ruhig fließt, klingt die Stimme voll, ohne unnötige Anstrengung oder Pressen. Wer ökonomisch spricht, dessen Stimme klingt gut und ist belastbar. Mit der richtigen Atmung kann man auch in schwierigen Situationen sicher sprechen. Man fühlt sich dabei ruhiger und kann sich besser konzentrieren. Die Übungen im Buch und auf der CD sind nicht identisch, bauen aber jeweils aufeinander auf. Deshalb ist es sinnvoll, sich zunächst an die vorgegebene Reihenfolge zu halten. Beim wiederholten Üben merken Sie schnell, ob Sie einzelne der angebotenen Übungen als weniger angenehm empfinden. Diese sollten dann ausgelassen werden. Denn ein entscheidendes Kriterium für erfolgreiche Stimmbildung ist das persönliche Wohlbefinden. Oft ist es gerade zu Beginn schwierig, die eigene Atmung und Stimme wahrzunehmen. Dann sollten Sie sich nicht scheuen, professionelle Hilfe von Logopäden, Atem- und Stimmlehrern, Sprechwissenschaftlern und Sprecherziehern zu suchen. Vieler-
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orts werden auch Atem- und Stimmbildungskurse angeboten, in denen man mit Gleichgesinnten Übungen ausprobieren und physiologische Abläufe trainieren kann. In der Gruppe hat man oft auch mehr Spaß beim Üben. Atemübungen werden immer zunächst im Liegen, dann im Stehen und zum Schluss im Sitzen durchgeführt. Die Übungen im Sitzen sind am schwierigsten, weil sich das Zwerchfell dabei nicht so frei bewegen kann. Übung der Ruheatmung im Liegen Auf dem Rücken liegend (denn im Schlaf atmen die meisten Menschen automatisch richtig) an etwas anderes denken, nicht ans Atmen. Stellen Sie sich eine schöne Situation vor, z. B. wie Sie am Strand in der Sonne liegen und die Brandung aus der Ferne hören. Arme und Beine möglichst entspannen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Beine bequem anzuwinkeln (vielleicht eine Rolle unter die Knie zu legen), um die Bauchdecke zu entspannen. Nach einer Weile kann die eigene Atmung beobachtet werden. Die Konzentration richtet sich vor allem auf die Ausatmung. Vorsicht, die Atmung nicht bewusst verändern. Vermutlich spüren Sie direkt beim Ausatmen, wie der Bauch relativ schnell zusammenfällt. Beim Ausatmen können Sie ein Kontrollgeräusch auf sch einführen (das ist schon ein Ansatz für die Atemsteuerung bei der Phonationsatmung). Dann verlängern Sie allmählich die Ruhepause. Und Sie fühlen sich entspannt. Wenn Sie diese Übung abends im Bett machen und danach einschlafen, ist das ein gutes Zeichen, denn dann haben Sie sich richtig entspannt. Wer Probleme mit der Zwerchfell-Atmung hat (wenn die Bauchdecke sich nicht hebt und wieder zusammenfällt), kann einen äußeren Widerstand zur Hilfe nehmen, z. B. sich ein schweres Buch auf den Bauch legen und es bei der Einatmung hochstemmen, dann direkt wieder ausatmen und den Bauch zusammenfallen lassen. Übung der Ruheatmung im Stehen Suchen Sie einen festen Stand, evtl. erst mal die Fußsohlen sensibilisieren, indem Sie auf einen Tennisball treten und den Fuß darauf abrollen. Danach spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen intensiver. Sie stehen in einer leichten Grätschstellung, wippen etwas in den Knien und meditieren Ihren Körper von den Füßen bis zur Stirn stufenweise durch. Bauen Sie so eine Wohlspannung auf. Vielleicht pendeln Sie dann leicht um Ihren Mittelpunkt, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Finden Sie Ihren Atemrhythmus: Beim Einatmen wölbt sich die Bauchdecke vor, dann wird sofort wieder ausgeatmet und Sie warten auf den
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Der Stimme etwas Gutes tun
nächsten Einatmungsimpuls. Legen Sie eine Hand auf die Bauchdecke, dann spüren sie die Atembewegungen besser. Wenn Sie sich vorstellen, etwas Wohlriechendes zu schnüffeln, spüren Sie die Einatmung deutlicher. Die Entspannung bei den Atempausen können Sie verstärken, wenn Sie mit einem leichten Seufzer ausatmen und dann warten, bis Sie den nächsten Einatmungsimpuls spüren. Atmen Sie dann geräuschvoll auf ffff – – – fffff oder sssss – – – sssss oder schschsch – – – schschsch aus. Dabei verlängern Sie die Ausatmung wie beim Sprechen und erhalten dann nach der Pause den nächsten Einatmungsimpuls. Phonationsatmung: Abspannen und (in der Pause) unwillkürlich Luft ergänzen Wenn Sie z. B. husten, lachen oder mehrmals hintereinander ttt – ttt – ttt sagen, spüren Sie, wie nach dem Ausstoßen der Luft die Bauchdecke zurückfedert und neue Luft in die Lungen einströmt. So atmet man auch beim Sprechen: In jeder Pause spannt man ab und ergänzt die Luft, die man gerade verbraucht hat. Zählen Sie langsam von eins bis zwanzig, indem Sie nach jeder Zahl eine Pause machen und abspannen. Weitere Übungen auf der CD Mit den oben beschriebenen Übungen können Sie Ihr eigenes Trainingsprogramm starten. Weitere 20 Übungen finden Sie auf der beigefügten CD. Wenn Sie die CD hören, können Sie alle Übungen direkt mitmachen. Hier ein Überblick: Übung
Ziel und Wirkung
1: Entspannen mit Musik
Entspannen mit Largo-Rhythmus
2: Am Meer
Entspannen durch den gleichmäßigem Wellenrhythmus der Vorstellungshilfe mit Nachahmung der Geräusche beim Ausatmen
3: Atemempfinden
Im Liegen den Ruhe-Atmungsrhythmus spüren
4: Räkeln, Recken, Strecken und Gähnen
Abbau von Überspannungen, Aufbau einer Wohlspannung (Eutonie) und Weitung von Schlund und Rachen, Urlaute in der Indifferenzlage
5: Stehendes Pendel mit Summen, Wörter und Texte kauen
Gleichgewicht mit minimalem Kraftaufwand, Eutonie mit Lockerung der Stimmlippen wie bei einer Massage; sprechen mit der Weitung und dem Lustgefühl der Nahrungsaufnahme
Übungen zum Aufbau effizienter Sprechmuster
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Übung
Ziel und Wirkung
6: Stehaufmännchen (auf den Sitzhöckern hinund herschaukeln)
Physiologisch zweckmäßige Sitzhaltung als Voraussetzung für Zwerchfell-Atmung und ökonomischen Stimmeinsatz
7: Regentropfen
Entspannen mit Vorstellungshilfe, auch als Klopfmassage zu zweit
8: »Geschafft!«
Abspannen durch Herunterfallen-Lassen der Schultern und Seufzen nach körperlicher oder geistiger Anstrengung
9: Lauschen und Schnuppern
Einatmen durch Zuwendung, Ausatmen als Lösen
10: Kolibri-Flattern
Progressive Muskelentspannung des Schultergürtels, dadurch spürbar tiefere Zwerchfell-Atmung
11a: Bauchschnellen
Spannen und Lösen der Bauchmuskulatur im schnellen Wechsel bei geöffnetem Mund, um die Atmung zu spüren
11b: Blasebalg
Wahrnehmung der Zwerchfell-Atmung mit deutlicher Herauswölbung der Bauchdecke bei der Einatmung
12: Dirigieren
Erleben eines von der Bewegung getragenen Atemrhythmus
13: Aufrichten wie eine Marionette
Von der Entspannung zur Wohlspannung finden
14: Durch einen Strohhalm sprechen
Erleben, wie mit wenig Luft Ton erzeugt wird und durch die Mundspannung (um den Strohhalm) wird die Stimme nach vorn gebracht
15: Luftballon aufblasen und Atemwurf
Sensibilisierung für die Bewegungen des Zwerchfells beim Abspannen (Plosive) und Üben kurzer Aussprüche zur Steuerung der Sprechatmung mit dem Zwerchfell
16: Ballprellen und Ping-Pong-Pantomime
Abspannen mit äußerer Bewegungshilfe
17: Wörter wie Äpfel vom Baum pflücken
Tiefstellung des Kehlkopfes, Anregung der Drüsen zur Befeuchtung der Stimmlippen
18: Abspannen beim Reihenzählen
Automatische Ergänzung verbrauchter Sprechatemluft in den Sprechpausen
19: Kräftiger Spannen und Abspannen
Unterstützung des Atemrhythmus durch äußere Bewegung
20: An der Wand lehnen
Durch äußere Stützung optimale Resonanz
Übrigens: Worüber wir in diesem Buch noch gar nicht gesprochen haben, das sind so ungesunde Dinge wie Rauchen und Alkohol, Räuspern, trockene Luft, überhaupt zu wenig trinken … Wenn Sie meinen, Sie hätten einen Frosch im Hals, dann bitte nicht räuspern, sondern besser mal schlucken. Ferner sollten Sie immer genug trinken, damit die Schleimhäute nicht austrocknen, und viel schlucken, z. B. beim Lutschen von Halspastillen etc.
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Der Stimme etwas Gutes tun
Stimmkiller –– Räuspern –– trockene Luft –– Rauchen –– wenig trinken –– zu lange Sprechphasen –– bei Erkältung weiter sprechen –– laut sprechen
Stimmschmeichler –– Schlucken –– frische Luft –– viel trinken –– Wärme –– Sprechpausen –– Bonbons lutschen –– angenehme Lautstärke und Tonlage
Zusammenfassung: Schnellprogramm zum Aufwärmen Vor wichtigen Präsentationen oder wenn man etwas einsprechen möchte, kann man dieses Kurzprogramm direkt vor dem Auftritt durchführen, um sich einzusprechen. 1. Zur Ruhe kommen: Puuuhh – Seufzend ausatmen, Schultern fallen lassen und damit allen Stress abschütteln. 2. Summen: mmmmmmmmmmmmmmm ist für die Stimmlippen wie ein Massage! 3. Mehrmals Gähnen! Das weitet den Rachen-Hals-Bereich und sorgt für eine volle Resonanz. 4. Wieder Summen: mmmmmmmmmmmmmmm 5. Lautfolgen mit gegensätzlichen Bewegungen wie i – ü, ch – sch mehrmals hintereinander! 6. Abspannen mit Lautfolgen wie: p – t – k – s 7. Mundgymnastik: Gesichter schneiden: Jede Bewegung ca. 20 sec. halten, dann entspannen mit Lippenflattern (brrrrr schnauben) und Summen und dann die nächste Bewegung … 8. Besonders wichtig: Wangen aufblasen (Lippenspannung), Luftkugel von links nach rechts kauen, flöten (Lippenspitzung) und aaaa (Kieferöffnung!) 9. Zunge tanzen lassen: la-la-la-la-la 10. und immer wieder mal summen: mmmmmmmmmmmmmmm Solche Übungen helfen auch beim Einsprechen, wenn man sich fit fürs Mikrofon machen will (Pabst-Weinschenk 2012). FAZIT: Stimmlich stimmiger Unterricht braucht die richtige kommunikativkooperative Haltung, gute Gesprächsmodelle, rhetorisches Handwerkszeug und eben Erfahrungen, wie man die Stimme ökonomisch einsetzen kann. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrem stimmlich stimmigen Unterricht!
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Übungsmaterial
Sprechmuster 1–29 Übungen zu Atem und Stimme Übung 1: Entspannen mit Musik: Largo alla siciliana von Domenico Cimarosa, gespielt von Dorothy Gemmeke Übung 2: Am Meer Übung 3: Atemempfinden Übung 4: Räkeln, Recken, Strecken und Gähnen Übung 5: Stehendes Pendel mit Summen, Wörter und Texte kauen Übung 6: Stehaufmännchen Übung 7: Regentropfen Übung 8: »Geschafft!« Übung 9: Lauschen und Schnuppern Übung 10: Kolibri-Flattern Übung 11: Bauchschnellen und Blasebalg Übung 12: Dirigieren Übung 13: Aufrichten wie eine Marionette Übung 14: Durch einen Strohhalm sprechen Übung 15: Atemwurf Übung 16: Ballprellen und Ping-Pong-Pantomime Übung 17: Wörter wie Äpfel vom Baum pflücken Übung 18: Abspannen beim Reihenzählen Übung 19: Kräftiger Spannen und Abspannen Übung 20: An der Wand lehnen
Praxisorientiert und sofort umsetzbar im normalen Schulalltag
Johannes Soth Lernfeld: Persönlichkeit Körperorientierte Entspannungs- und Konzentrations-Schulung K.E.K.S 2014. 276 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-70160-7 eBook: 978-3-647-70160-8
Kinder wachsen zu starken Persönlichkeiten, wenn sie in Kontakt zu kommen mit den eigenen inneren Kraftquellen. Auch hier liegt ein Aufgabenfeld der schulischen Erziehung. Je bewusster Kinder und Jugendliche ihre eigenen Gefühle wahrnehmen und sich selbst regulieren können, desto mehr Empathie und Gemeinschaftsfähigkeit entwickeln sie. Nach einer kurzen Einführung in die Konzeption werden im ausführlichen Praxis-Kapitel viele Körper- und Atemübungen, Methoden der Entspannung, Selbstwahrnehmung und inneren Sammlung präzise beschrieben.
Verlagsgruppe Vandenhoeck & Ruprecht
www.v-r.de
Die vier Basiskompetenzen der guten Lehrkraft
Andreas Gold Guter Unterricht Was wir wirklich darüber wissen 2015. 176 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-70172-0 eBook: 978-3-647-70172-1
Guter Unterricht ist keine Kunst. Sondern Ausdruck professioneller pädagogischer Kompetenzen, die sich erwerben lassen. Was gute Lehrer im Unterricht anders machen, hat die Lehr-Lernforschung herausgefunden: Zum Denken herausfordern, die individuellen Lernprozesse gezielt unterstützen, Lernfortschritte diagnostizieren und die Lernverlaufsinformationen für das weitere didaktische Vorgehen nutzen, eine Klasse störungspräventiv führen. Andreas Gold zeigt auf, dass sich diese Merkmale der Unterrichtsqualität in ganz unterschiedlichen Methoden und Sozialformen des Unterrichts realisieren lassen.
Verlagsgruppe Vandenhoeck & Ruprecht
www.v-r.de