Stilistik: Sprachpragmatische Grundlegung der Stilbeschreibung 9783110882032, 9783110073744


197 62 16MB

German Pages 207 [212] Year 1978

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
0. VORBEMERKUNG
I. VORAUSSETZUNGEN, ZIELSETZUNGEN UND BEGRÜNDUNGEN
II. BESCHREIBUNGSKATEGORIEN UND STILBESCHREIBUNGEN
III. Schlußbemerkungen
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
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Stilistik: Sprachpragmatische Grundlegung der Stilbeschreibung
 9783110882032, 9783110073744

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de Gruyter Studienbuch

Barbara Sandig

Stilistik Sprachpragmatische Grundlegung der Stilbeschreibung

W DE G Walter de Gruyter • Berlin • New York

1978

ClP-Kurztitelaufnahme

der Deutseben

Bibliothek

Sandig, Barbara Stilistik

: sprachpragmat. Grundlegung

1. Aufl. -

d. Stilbeschreibung. —

Berlin, New York : de Gruyter, 1 9 7 8 .

(De-Gruyter-Studienbuch) ISBN 3 - 1 1 - 0 0 7 3 7 4 - 9

© 1978 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner Veit & Comp., Berlin 3 0 , Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz: IBM-Composer Walter de Gruyter & Co., Berlin Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin Einband: Wübben & Co., Berlin

Inhalt

0 Vorbemerkung

1

1 Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen 1 Einführung 1.1 ,Dasselbe'auf verschiedene Arten bewirken 1.2 Was wird wie ausgedrückt? 1.3 Welche Rolle spielt das Wie für den Vollzug des Was? . .

5 6 9 15

2 Voraussetzungen 2.1 Fragestellungen und Unterscheidungen 2.2 Zum Stübegriff 2.3 Das sich daraus ergebende Vorgehen

19 19 24 28

3 Aspekte des Stilbegriffs 3.1 Stilmittel 3.2 Vergleichsaspekt 3.3 Stilnorm 3.4 Weitere Aspekte 3.5 Zum Gebrauch von Stil in dieser Arbeit

29 29 35 39 42 43

4 Einige Theorien und Methoden der Stilbeschreibung 45 4.1 Der Zusammenhang von Stilbegriff, Theorie und Beschreibung 45 4.2 Stildefinition und Art der Beschreibung 47 4.3 Theoretischer Eklektizismus 49 4.4 Deskription und Präskription 52 4.5 Die Konsequenz für die Ziele dieser Arbeit 56 II Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen 5 Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung 5.1 Grundbegriffe 5.2 Beschreibungskategorien: Einige Arten von Regeln und Regelzusammenhängen 5.21 Sprechakt und Textmuster

61 61 67 68

VI

Inhalt

5.22 5.23 5.24 5.25

Äußerungstyp und Regel Sprechakt und Äußerungstyp Handlungsmuster und Teilhandlungsmuster . . . . Muster für Gleichzeitighandlungen und Zusatzhandlungen 5.26 Handlungsmuster und Handlungsvariante 5.27 Wiederholen und Variieren, Abweichen, Fortführen 5.28 Stilistische Handlungsmuster und stilistische Regeln 5.3 Überblick und weitere Fragestellung 6 Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten eines Textmusters 6.1 Textillokution, Teiltextmuster 6.2 Die illokutionäre Kraft von Äußerungen im Textmuster 6.3 Formulierungsarten und -muster in Horoskopen der Bildzeitung 6.4 Formulierungsarten und -muster in Horoskopen des „Stern" 6.5 Überblick und Erweiterung der Beschreibungskategorien

71 73 76 82 87 87 93 96 99 99 105 108 126 136

7 Beschreibung konventioneller und individueller Stile 7.1 Gleichzeitig-und Zusatzhandlungen in Textmustern . . . 7.2 Zur Beschreibung von Stilen individueller Text-Handlungen 7.3 Konventioneller Stil mit individuellen Spielräumen: Politischer Kommentar 7.4 Ergebnisse

141 141

156 166

8 Stilinventare 8.1 Beschreibung von Stilinventaren als Handlungsmuster . . 8.2 Einige andere Beschreibungen von Stilinventaren

167 167 171

149

III Schlußbemerkungen 9 Ergebnisse und einige Perspektiven für die Verwendung . . . . 9.1 Die allgemeineren Ergebnisse 9.2 Einige Perspektiven für die Verwendung

177 177 180

Literaturverzeichnis

183

Personenregister

194

Sachregister

197

Vorwort Diese Arbeit wurde durch ein Habilitandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglicht. Mein Dank gilt dieser Institution für die großzügige Förderung. Für hilfreiche Kritik danke ich D. Heller, W. Koller, G. öhlschläger, P. von Polenz, O. Reichmann und R. Wimmer. Hilfreich waren mir darüberhinaus Diskussionen mit B. U. Biere, W. Holly, Ch. Lauterbach und G. Schanz. Für Hilfe bei den Korrekturen danke ich Ch. Lauterbach Schließlich gilt mein Dank allen, insbesondere aber P. von Polenz, die mich ermutigt haben, dieses Buch zu schreiben. Heidelberg, im Januar 1977

B. S.

Wir sind Dingen gegenüber gleichgültig, die unserer Erfahrung entweder zu fern oder zu vertraut sind. Eine leichte Veränderung in einem vertrauten Reizmuster hat etwas einmalig Pikantes. Berlyne, 42

Die unsägliche Verschiedenheit der tagtäglichen Sprachspiele k o m m t uns nicht zum Bewußtsein, weil die Kleider unserer Sprache alles gleichmachen. Wittgenstein, 537

Die jeweils verwendeten Wörter, mögen sie noch so zentral und wichtig sein, dürfen nur als ein Teil der gesamten Sprechhandlung betrachtet werden. Sich auf hörbare oder sichtbare Symbole zu konzentrieren, unter Ausschluß dessen, was unsichtbar und nicht hörbar ist, ist nicht sinnvoller als zu vergessen, daß neun Zehntel eines Eisbergs nicht sichtbar sind. Black, 137

Es genügt . . . nicht, daß man weiß, was zu sagen ist, sondern man muß dies auch in der rechten Art sagen, und dies trägt viel dazu bei, daß die Rede einen bestimmten Eindruck erweckt. Aristoteles, 184

0

VORBEMERKUNG

Es gibt viele unterschiedliche Ansichten über Gegenstand und Zweck von Stilistik, auch von linguistischer Stilistik, über die Stildefinition, über den Status einer Stilistik inbezug auf Literaturwissenschaft und/ oder Linguistik, über die Theorien und Methoden, die für die Stilistik zu verwenden seien; Stilistik wird als deskriptive oder präskriptive Disziplin oder als beides verstanden. Mir geht es nicht darum, möglichst vielen solchen Ansätzen gerecht zu werden. Die Zielsetzung ist vielmehr die: e i n e Konzeption linguistischer Stilistik möglichst stringent durchzuführen. Das Buch ist wie folgt aufgebaut: Kap. 1 und 2 dienen der Einführung in Gegenstand und Zielsetzung, Kap. 3 und 4 der eher kontrastierenden Darstellung anderer Ansätze, zugleich auch der Rechtfertigung des eigenen Vorgehens. In Kap. 5 werden die Grundlagen für eine pragmatische Stilbeschreibung gelegt: Grundbegriffe und elementare Kategorien stilistischer Beschreibung werden im Zusammenhang dargestellt. Kapitel 6 und 7 dienen der Darstellung und Erweiterung stilistischer Kategorien bei der Beschreibung von Texten und Textmustern, unter verschiedenen Fragestellungen. In Kap. 8 werden daraus folgernd komplexere Kategorien stilistischer Beschreibung diskutiert. In Kap. 9 werden die Ergebnisse resümiert und Anwendungsmöglichkeiten angedeutet.

I

V O R A U S S E T Z U N G E N , Z I E L S E T Z U N G E N UND BEGRÜNDUNGEN

1

Einführung

Dieses Einleitungskapitel dient einer ersten Klärung dessen, was unter Stil verstanden wird, genauer: was unter linguistischer Fragestellung als Stil verstanden wird. Eine linguistische Stilistik hat m.E. das Regelhafte, das Konventionelle zu ihrem Gegenstand zu machen. Das Individuelle sollte, sofern es vom Linguisten einbezogen wird, unter dem Gesichtspunkt des Regelhaften beschrieben werden. Andere Beschreibungsinteressen gehören in andere Wissenschaftsbereiche. 1 Deshalb sind der primäre Gegenstand linguistischer Stilistik konventionelle Stile und zwar solche, die nicht poetisch oder literarisch sind. In einer ersten Annäherung kann man sagen: Stile, die zugleich konventionell und nicht poetisch oder literarisch sind, sind solche Arten, etwas auszudrücken, die im alltäglichen Leben zu verschiedenen Zwekken gebraucht werden. Man kann sie auch Gebrauchsstile nennen. Gebrauchsstil hat eine Entsprechung in Gebrauchstexf,2 Gebrauchsstile sind die konventionellen Stile von Gebrauchstexten. Arten von Gebrauchstexten sind z. B.: 3 „Theaterprogramm und Horoskop, Plädoyer und Kleinanzeige, Dissertation und Kochbuch, Lexikonartikel und Versandhauskatalog, Rundfunk-, Fernseh-, Zeitungsnachrichten und Gebrauchsanweisungen, Reiseprospekte und Gesetzestexte, Werbespots und Lebenslauf, Parteiprogramm und .Waschzettel'. . ." usw. Im Unterschied zu Stilen solcher Textarten sind einerseits solche Stile zu sehen, die individuell sind, und andererseits solche Stile, die konventionell und literarisch oder poetisch sind. 4 Gebrauchsstile sind den Sprechern bestimmter Sprachgemeinschaften (sozialer Gruppen) wechselseitig bekannt. Diese Sprecher verstehen sie als Gebrauchsstile und können sie eventuell auch selbst verwenden. D. h. Gebrauchsstile gehören zur aktiven und passiven Kompetenz sprachlichen Handelns von Sprechern in einer Gemeinschaft. Damit sind sie mit solchen linguistischen Beschreibungskategorien anzugehen, die geeignet sind, Konventionen sprachlichen Handelns zu beschreiben. 1

2 3 4

Die Auffassung von Stil als Individualstil bringt in einer linguistischen Stilistik unendliche Schwierigkeiten. Vgl. meine Rezension von Sanders. Vgl. Völzing, Schwitalla. Völzing 99. Wie z. B. bei Trivialromanen oder Epochenstile.

6

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

1.1

.Dasselbe' auf verschiedene Arten bewirken

Man kann dieselbe Handlung vollziehen, indem man verschiedene sprachliche Äußerungen hervorbringt. Beispielsweise kann ein Sprecher sagen: Möglicherweise gibt es dort keine Bananen. Bananen gibts dort vielleicht keine. Bananen gibt es da vielleicht nicht. [bana:nsn gibt es da: filaegt nigt] (4) [flaegt sin da: kaena bana:n] Die Art der sprachlichen Handlung 5 ist dieselbe: .behaupten', ebenso die propositionale Einstellung dazu: .vermutend'. 6 Auch der propositionale Gehalt der Äußerungen ist derselbe. 7 .Vermutend' wird verstanden aufgrund von möglicherweise und vielleicht. Diese Synonyme können gegeneinander ausgetauscht werden, da ihr Gebrauch im großen und ganzen übereinstimmt, aber nicht völlig gleich ist. 8 Dasselbe wird mit verschiedenen, aber doch ähnlichen Äußerungen bewirkt. Dies geschieht durch die Verwendung von Lexemen mit ähnlichem Gebrauch, 9 durch verschiedene Wortstellung in (1) und (2), hochsprachliche und spontansprachliche Lautung in (3) und (4), durch verschiedene syntaktische Strukturen zusammen mit der Verwendung verschiedener Lexeme. 10 Man kann die sprachliche Handlung, die unter Verwendung der Äußerungstypen (1) bis (4) und noch anderen vollzogen werden kann, so beschreiben: Der Sprecher S drückt seine Vermutung aus, daß es dort keine Bananen gibt. Damit ist unabhängig von den verschiedenen Äußerungsmöglichkeiten beschrieben, inwiefern S mit den Äußerungen dasselbe bewirken kann. 11 1.11 (1) (2) (3)

5 6

7

8 9 10

11

Die illokutionäre Kraft nach Searle, 1969. Wunderlich 1974, 343. Vorausgesetzt ist dabei, daß nicht in einem Kontext die Äußerung anders gemeint wäre, z. B. Franck. Searle, 1974, 89f.: „Die Referenz auf eine Person . . . (oder einen Gegenstand etc.) und die Prädizierung derselben Sache von dieser Person in jedem dieser illokutionären Akte veranlaßt mich zu sagen, daß es einen gemeinsamen Inhalt in allen diesen Äußerungen gibt. . . . Ich schlage vor, diesen gemeinsamen Inhalt . . . eine „Proposition" zu nennen." Vgl. Lyons, 4 5 0 - 4 5 3 , auch Kap. 5.22. Vielleicht, möglicherweise; nicht, keine: sind, gibt es. Zu (2) s. auch 5.24, iv. Ich verzichte hier auf eine ausführliche Beschreibung, da die Kategorien der Beschreibung erst in Kap. 5 im Zusammenhang dargestellt werden. Bei Ziff geht es um Behauptungen, deshalb verwendet er dasselbe sagen. Mir geht es dagegen auch um andere Arten sprachlichen Handelns als behaupten; deshalb verwende ich dasselbe bewirken.

Einführung

7

Die genannten Unterschiede sind solche, die auch als rein sprachliche Alternativen systematisch beschrieben werden können. Sie betreffen Lautliches, Lexikalisches, gegebenenfalls auch morphologische Alternativen, syntaktische Konstruktionen, Wortstellungsregeln, syntaktischintonatorische Muster usw. Alternativen dieser Art sind o f t als Möglichkeiten stilistischer Wahl beschrieben worden. 1 2 1.12 Eine andere Möglichkeit, .dasselbe' zu bewirken, ist es, unter verschiedenen Gesichtspunkten davon zu reden. Es ist dann nur dasselbe „in einem bestimmten Sinn": 1 3 (5) Hans ist ungefähr 16. (6) Hans ist ein Teenager. (7) Hans ist ein Junge von knapp 16 Jahren. (8) Hans mit seinen knapp Sechzehn. . . Die illokutionäre Kraft .feststellen' und der Referenzakt 1 4 sind bei (5) bis (8) gleich. 15 Verschieden sind die Prädikationsakte. 1 6 Es bestehen aber bestimmte semantische Relationen zwischen ihnen. 1 7 Dadurch kann beschrieben werden, daß ein Sprecher mit den Äußerungen dasselbe bewirken kann. Derartige Relationen werden als „Variationsstil" beschrieben, aber meist ohne Angabe der Kriterien. 1 8 Ein Sprecher kann zum Beispiel äußern: (9) Hans ist ungefähr 16. Der Teenager.. . (10) Hans ist ein Teenager. Mit seinen knapp/ungefähr 16 Jahren. . . (11) Hans ist ungefähr 16 Jahre, knapp 16.. . Die Möglichkeit der Variation in der Äußerungsfolge beruht auf einer Präsupposition. 1 9 Denn bei (9) z. B. setzt der Sprecher unter der Bedingung der Referenzgleichheit von Hans und der Teenager voraus: Hans ist ein Teenager, nämlich (6). 2 0 12

Z. B. als Kriterium der Stildefinition bei dem Autorenkollektiv, s. 2.22, auch 3.1. Ziff. 710: „Suppose different persons offer the following reports about a UFO: ,The object had at least thirteen faces', ,The object had sixteen faces', .The object had many sides', ,The object had more than thirteen but less than twenty faces'; in a sense they are all saying the same thing, namely, that the object was a polyhedron." 14 Searle 1969, 26. 15 Von anderen Möglichkeiten sehe ich hier ab. 16 Searle 1969, 24, 26. 17 Vgl. Lyons 44 3 ff. Vgl. auch sehr vage Harweg 1968a, 178ff. 19 Dazu z. B. Keenan; Enkvist 1971, 57. 20 Im Fall von Hans ist ungefähr 16. Der Sohn des Schuldirektors ist der beste Spieler in der Gruppe, wobei mit der Sohn des Schuldirektors auf Hans referiert wurde, wäre es nach Keenan eine pragmatische Präsupposition. 13

8

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

1.13 Es ist auch möglich, dasselbe zu bewirken mit Äußerungen, die nicht in der bisher dargestellten Weise ähnlich sind. Zum Beispiel kann ein Sprecher jemandem einen Vorwurf machen mit (12) Du hättest das Buch lesen sollen. (13) Warum hast du (denn) das Buch noch nicht gelesen? (14) Du hast das Buch immer noch nicht gelesen. (15) Du mußt21 das Buch lesen. Die Illokutionskraft .vorwerfen' ist dieselbe, ebenso die Referenz auf den Angesprochenen und auf einen bestimmten Gegenstand. (12) ist ein direkter Vorwurf, denn du hättest x-en sollen ist eine konventionelle Art der Äußerung dafür. Bei (13) bis (15) kann die Handlung des Vorwerfens vom Adressaten erschlossen werden aus seiner Beziehung zum Sprecher, aus den Handlungsumständen und aufgrund der möglichen Schlußbeziehung zwischen (12) und diesen Äußerungen. 22 Der Akt des Vorwerfens wird hier nicht direkt 23 vollzogen. 1.14 Ziff geht in seiner Diskussion von „Dasselbe-sagen" noch weiter (711): „Finally, the expression ,what is said' has such a use, that one can in fact transcend every linguistic feature of the utterance uttered." Als Beispiele gibt Ziff mögliche Antworten auf die Frage Spielst du mit mir Tennis?: (16) Ich muß arbeiten. (17) Seh ich aus wie ein A thlet? (18) Such dir jemand anderen. „ . . . then perhaps each has said the same thing, namely, no. This sense of ,what is said' may be baptised the implication sense." 24 Die wechselseitigen Hypothesen der Sprecher/Hörer über ihre Rollen, Einstellungen, Kenntnis der Sprache nicht ausreicht (712). Folglich reicht es auch selbe bewirkt werden kann. 25 1.15 Ziff betont, daß für das Verstehen dessen, was mit sprachlichen Äußerungen bewirkt wird — was gefragt, befohlen usw. wird —, die Kenntnis der Sprache nicht ausreicht (712). Folglich reicht es auch nicht aus, stilistische Alternativen in der S p r a c h e zu beschreiben. Dies ist nur e i n Weg, wie 1.11 und 1.12 im Unterschied zu 1.13 und 1.14 zeigte. 21 22 23 24 25

Mußt wird besonders betont. Vgl. Franck; Hindelang 1976. Ehrich/Saile. Ziff, 711. Ziff, 713.

Einführung

9

Mit demselben Äußerungstyp (Satz) kann in verschiedenen Äußerungsakten Verschiedenes bewirkt werden. Z. B. kann jemand auch mit (16) einen Vorsatz mitteilen, den er gefaßt hat. Andererseits kann dieselbe Handlung auch sehr verschieden ausgedrückt werden. Was für eine Handlung vollzogen wird, ist dann gleich, aber wie sie getan wird, ist verschieden. Ziff ist darauf aus, im Verschiedenen .dasselbe' aufzuzeigen. Mir geht es darum, w i e ein Sprecher etwas ausdrückt, wie er das tut, was er bewirkt. Denn die genannten Handlungen sind nur gleich inbezug auf das Was, nicht auf das Wie; sie sind deshalb gleich und verschieden. Wenn etwas dasselbe und doch unter gewissem Aspekt nicht dasselbe ist, kann man dann noch sagen: .dasselbe bewirken'? Ist ,in gewissem Sinn dasselbe bewirken' dasselbe wie .dasselbe bewirken'? Oder anders gefragt: Ist die Art der Äußerung beliebig? Ist der Sprecher in der Wahl seiner Äußerungen völlig frei?

1.2

Was wird wie ausgedrückt?

Bisher ging es um isolierte Äußerungstypen, mit denen einzelne Sprechakte vollzogen werden können. 1.21 Es ist auch möglich, (13) und (12) in einer Abfolge zu äußern, ebenso (1) und (3), (5) und (6) oder (17) und (16); (19) Möglicherweise gibt es dort keine Bananen. Bananen gibts da vielleicht nicht. (20) Hans ist ungefähr 16. Hans ist ein Teenager. (21) Warum hast du denn das Buch noch nicht gelesen? Du hättest das Buch lesen sollen. (22) Seh ich aus wie ein Athlet? Ich muß arbeiten. Wenn nur das Was der Handlung 26 ausschlaggebend ist, dann muß mit (19) dasselbe bewirkt werden können wie mit (1) oder (3), also den einzelnen Äußerungen. Aber eine Sprechaktabfolge wie in (19) gebrauchen Sprecher häufig dann in spontanem Sprechen, wenn sie annehmen, daß der Adressat die erste Äußerung nicht gehört oder nicht verstanden hat. 2 7 Bei schriftlichen Äußerungen könnte der Adressat das Variieren als langweilig empfinden oder als Anzeichen dafür, daß der Schreiber besonders hervorheben will, was er ausdrückt. (20) kann genauso als Hervorhebung verstanden werden, aber auch als etwas pathetische Ausdrucksart aufgrund der partiellen Wiederholung der syntaktischen Konstruktion und der Lexeme. Bei (21) und (22) dagegen werden durch die 26 27

D. h. die illokutionäie Kraft und der propositionale Gehalt. Die gleiche Handlung wird nacheinander auf verschiedene Art ausgedrückt.

10

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

aufeinanderfolgenden Äußerungen verschiedene Aspekte derselben Handlung gegeben. Bei (21) zuerst die Aufforderung zu einer Rechtfertigung gegen den Vorwurf, der danach erst explizit gemacht wird. Bei (22) verschiedenartige Begründungen für die implizit gemachte Handlung des Ablehnens. Die Beispiele zeigen, daß die Arten von Äußerungen nicht beliebig sind inbezug auf das, was damit bewirkt wird. Mit unterschiedlichen Äußerungen für .dasselbe' wird vielmehr wenigstens partiell Verschiedenes bewirkt. 2 8 1.22 Das wird auch gestützt durch das folgende: Eine Abfolge von Äußerungen lautet in hochsprachlicher Aussprache so: (23) [hast du: etvas g e : g a n das b u : x ? du: hetast das b u : x le:zan zahn] Die Aussprache in einigen Varianten spontansprachlichen Standards lautet dagegen s o : 2 9 (24) [ i h a s d u : ge g n s hasta ' v a s ' g e gq (hasd ,ge

das des das ds

bu:x?

du: da d

hedsdas b u : x hedzdz le: zn zaln]

Die Freiheit der Wahl ist hier nicht mehr in der Weise gegeben, daß für jeden einzelnen Äußerungsakt das Wie der Aussprache gewählt werden könnte: ob hochsprachlicher Standard oder Standard umgangssprachlichen Sprechens. 3 0 Ist der erste Äußerungsakt in hochsprachlicher Aussprache vollzogen, so hat in der Regel der zweite genauso zu erfolgen. Denn mit dem ersten Äußerungsakt etabliert der Sprecher beim Hörer eine Erwartung in bezug auf das Folgende. Dies wird in der Stilistik gelegentlich als „Stimmigkeit" von Stilen beschrieben, als „Ganzheit" bzw. „Ganzheitlichkeit". 3 1 Der Sprecher kann allerdings auch die Art der Aussprache wechseln wie z. B. bei: (25) [hasta vas g e : g q das b u : x ? du: hetast das b u : x le:zan zolan] So auch - bezogen auf Beispiele, die mit denen von 1.1 vergleichbar sind Black 146, 149. 29 { } für Alternativen. Ich wähle hier in 1.1 und 1.2 einige Beispiele für eine „Stilistik der Aussprache", weil ich im folgenden auf stilistische Eigenschaften von Lautung bzw. Schriftbild nur ganz gelegentlich eingehe: Kap. 5.21 und 5 . 2 2 Basishandlung; 6.35 und 7.21. 30 Damit sind nicht dialektale Varianten gemeint. Dazu auch Kohler, der stilistische Unterschiede unterstreicht. 31 Fleischer/Michel 5 2 f f . , 65. S. auch 3.12: Fortführen.

Einfuhrung

11

Dann bewirkt er aber auch partiell etwas anderes als mit (23) oder (24): Er hebt den zweiten Äußerungsakt gegenüber dem ersten hervor, indem er entgegen der etablierten Erwartung handelt. 1.23 Beide Beispiele zeigen, daß mit verschiedenen Äußerungsarten zwar die gleiche Handlung vollzogen werden kann, daß aber zugleich damit auch partiell Verschiedenes erreicht wird. Indem der Sprecher am Anfang einer Rede eine bestimmte Äußerungsart wählt, steuert er die Erwartungen der Hörer inbezug auf die folgenden. Aber noch weitergehend wird die Erwartung von Äußerungsarten gesteuert durch die bestimmte Art von Situation, in der Handlungen erfolgen, durch die Art von Rede, von Text als ganzem, durch die Gruppenzugehörigkeit des Sprechers usw. Zum Beispiel haben Sprecher/Hörer, die damit Umgang hatten, bestimmte Erwartungen an die Äußerungsarten von Telegrammen, von Berichten des „Spiegel" oder der Bildzeitung, von Gesetzestexten, von familiären Gesprächen usw. Der Hörer erwartet diese Äußerungsarten ebenso wie er spezifische sprachliche Handlungsarten erwartet. So werden Bericht und Bewertung im „Spiegel" erwartet, aber nicht im Gesetzestext. Und im Gesetzestext werden andere sprachliche Handlungs- und Äußerungsarten erwartet als im Telegramm. Zur Erwartung gehört auch, daß die Äußerungsart im Text nicht ohne besonderen Grund gewechselt wird. Den derart erwartbaren Zusammenhang von Äußerungs- und Handlungsart 32 nenne ich Formulierung. Der Hörer erwartet also unter bestimmten Bedingungen, daß der Sprecher sprachliche Handlungen von bestimmter Art (das Was) auf eine bestimmte Weise (das Wie) ausdrückt. Der Sprecher erwartet ebenso, daß unter diesen Bedingungen in dieser Weise sprachlich gehandelt wird. Und er erwartet auch, daß der Hörer vom Sprecher erwartet, daß der Sprecher so handelt. Solche gegenseitigen Erwartungen sind Bedingungen der Kooperation zwischen Sprecher und Hörer; Lewis hat sie als das entscheidende Charakteristikum von Konventionen beschrieben. 33 Bennett argumentiert für sprachliches Handeln, daß nicht Sprecher und Hörer beide in der gleichen Weise handeln können müssen: Gegenseitige Erwartung kann in einer Kommunikation etabliert werden, auch wenn es nur einen Sprecher und einen Hörer gibt; gegenseitige Erwartung kann es deshalb auch geben in einer Gemeinschaft, in der z. B. nur wenige in einer bestimmten Weise aktiv sprachlich handeln, wo aber sehr viele Mitgleider der Gemeinschaft mit den Texten zu tun bekommen. 32

33

Mit Handlung ist hierbei nicht nur die Illokutionskraft gemeint, sondern alle Teilaspekte von Sprechakten und darüberhinaus noch weitere, s. Kap. 5 ff. S. auch 5.12. Luhmann hat die wechselseitigen Erwartungserwartungen als Voraussetzungen für soziale Normen angenommen, als ein Mittel, „Komplexität" und damit Unsicherheit im (sprachlichen) Handeln zu reduzieren.

12

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

1.24 Auf einen weiteren Aspekt des Verhältnisses von Was und Wie geht Ohmann 34 ein. Für ihn ist Stil „eine Weise, etwas auszuführen". Er bemerkt, beim Tennis- und Klavierspielen beispielsweise sei klar zu unterscheiden was jemand tut und wie er es tut. Das Was sei durch die Noten usw. beim Klavierspielen und durch die Spielregeln beim Tennisspielen gegeben. „Aber ein jedes dieser Beispiele weist jenseits dieser Regeln eine signifikante Menge Freiheit auf. . . . Die Anwendung dieser Möglichkeiten, 35 soweit gewohnheitsgemäß und wiederkehrend, macht den Stil des Tennisspielers aus. Aber die wichtige Unterscheidung zwischen den festliegenden und den variablen Komponenten in der Literatur 36 ist gar nicht so offenkundig. Was i s t Inhalt und was ist Form oder Stil?" Diese Schwierigkeit bei der Beschreibung sprachlichen Handelns und der Unterschied zwischen den von Ohmann genannten Handlungsaspekten scheint mir zu kraß dargestellt zu sein. Denn beim Klavierspielen ist für jedes Stück, das durch Noten fixiert ist, die Handlungsabfolge nach Art und Anzahl der einzelnen Handlungen genau festgelegt. Stilistisch ist nur die Art des Vollzuges. 37 Das gilt aber für das Tennisspielen genausowenig wie für sprachliches Handeln oder die Improvisation auf dem Klavier. Denn die Befolgung der Regeln führt in diesen Fällen nicht zu immer gleichen Handlungsabfolgen. Es gibt zahlreiche Regeln für ein Tennis-Match. Aber was in der Spielabfolge zwischen dem Aufschlag und dem Ball im Netz oder im Aus usw. erfolgt, ist frei: wie oft und in welcher Weise der Ball mit dem Schläger geschlagen wird, sofern er das Netz überwindet, nicht mehr als einmal im vorgeschriebenen Spielfeld den Boden berührt usw. So wird man es zum Stil eines Spielers rechnen, wenn er oft in derselben Weise den Aufschlag verpatzt oder den Ball ins Aus schlägt, aber auch, wenn er oft erst nach sehr vielen Ballwechseln oder meist beim zweiten Zug den Ball verschlägt. Das zeigt, daß zwar die Art der Handlungen geregelt ist. Aber die Zahl der Regelbefolgungen oder Regelverstöße und damit auch die Art der Handlungsabfolgen bei der Regelanwendung ist frei. Auch dies gehört zu dem, was wir Stil nennen. Ich gebe ein vergleichbares Beispiel für sprachliches Handeln: 38 (26) (a) Sagen Sie, wie machen Sie das? (b) Sie, Sie sind so lange da drin, (c) Sie waren, als Sie jung waren, charmant, sind heute charmant, attraktiv, (d) Ham Sie'n Geheimrezept? 34 35 36 37

38

1 971a, 218. Der Freiheiten, B. S. Auf sie beschränkt sich Ohmann. Damit vergleichbar ist beim sprachlichen Handeln etwa ein Gedicht als vorgegebener Text und verschiedene Arten (Stile) des Vorlesens. Talkmeister Rosenbauer fragt Maria Schell in der Talkshow; ein Gespräch über die alten Filme der Schell ist vorausgegangen. Aus: Holly 1976, 182.

Einführung

13

Ich verstehe diese Passage so: (a) ist ein Indikator für,fragen', mit der bei diesem Sprechakt redundanten Aufforderung zu antworten Sagen Sie. Denn diese Aufforderung wird durch die Frage wie machen Sie das? als Obligation 39 für den Adressaten etabliert. Die Äußerung (a) ist mit dieser Redundanz eine konventionelle Formulierung 40 in direkter Interaktion. Machen und das sind kataphorisch verwendet und werden erst in (b) expliziert: Wie machen Sie das, daß Sie so lange da drin sind? Die Frage (d) schließt an (a) und (b) an; (c) ist die Voraussetzung für (d), wobei mit als Sie jung waren . . . heute das so lange in (b) weiter expliziert wird. Ein anderes Verständnis der Passage wäre dieses: Die Frage, die in (a) mit der Illokutionskraft begonnen wird, wird erst mit Illokution und propositionalem Gehalt in (d) vervollständigt:.. . Wie machen Sie das, mit einem Geheimrezept? Die W-Frage von (a) wird durch die Entscheidungsfrage von (d) spezifiziert. Für die Frage (d) sind dann (b) und (c) die Voraussetzungen, wobei mit (c) ein Teilaspekt von (b) präzisiert wird. Gemeinsam ist beiden Verstehensarten, daß der Sprechakt .fragen' durch das Äußern mehrerer Sätze vollzogen wird. Die Beschreibung der sprachlichen Handlungen geht also über die Äußerungsbeschreibung hinaus. 41 Die Teile der gesamten Handlung sind in unterschiedlicher Weise einander zugeordnet. 42 Dadurch entsteht eine sukzessive Vorgehensweise, die in spontanem Sprechen häufig ist. 43 Daraus ergeben sich für (26) unter anderen folgende stilistische Alternativen: Nach dem ersten Verständnis, das (a) mit (b) und (c) mit (d) enger zusammenschließt: 44 (27) Sagen Sie, wie machen Sie das (eigentlich), daß Sie so lange da drin sind? Ham Sie'n Geheimrezept (dafär), daß Sie bis heute charmant sind, attraktiv? (abdc) Nach dem zweiten Verständnis, das (a) mit (d) und (b) mit (c) enger zusammenschließt: (28) Sagen Sie, Sie sind so lange da drin. Wie machen Sie das?45 Ham Sie (da) n Geheimrezept (dafür)? Denn Sie waren. . . (bade) (29) Sagen Sie, Sie sind so lange da drin. Sie waren, als Sie jung waren, charmant, sind heute charmant, attraktiv. Wie machen Sie das? Ham Sie'n Geheimrezept? (bcad) 39 40

42 43

Wunderlich 1974, 3 35 ff. Dazu 1.23. Strawson hat auf diesen Unterschied hingewiesen (70f.): Auch die Zahl der Äußerungen rechnet er nicht nach der Zahl der Sätze, sondern nach der Zahl der Sprechakte, S. 71. Vgl. Kap. 5.23; Betten 1976a. Vgl. auch Huth, 2 1 0 - 2 1 2 . Vgl. Sandig 1976, 2.2 (iii) und die dort genannten Arbeiten; Betten 1976b. In Klammer stehen mögliche Zusätze. Anaphorische Verwendung von das.

14

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

(30) Sagen Sie, ham Sie'n Geheimrezept?Sie sind so lange da drin. Sie waren, als Sie jung waren. . . Wie machen Sie das (eigentlich)? (dbca) Auch ,dcba' ist eine Folge, wie sie in spontanem Sprechen möglich ist, während z. B. die Folge 'dacb' mir ungewöhnlich erscheinen würde. Bis auf Veränderungen durch syntaktischen Anschluß, wenige Zusätze und das bis heute46 ist hier nur die Handlungsabfolge variiert. Das Was ist geblieben. Die Formulierungen könnten noch im Sinne von 1.11 und 1.12 verändert werden. Dies zeigt, wie groß die Variationsmöglichkeit ist, wie komplex damit der Gegenstand einer Stilistik ist. Er kompliziert sich weiter, wenn man das Textstück (26) im größeren Textzusammenhang sieht. Dann ist es nämlich als ganzes austauschbar gegen (31) Ham Sie eigentlich n Geheimrezept dafür, daß Sie bis heute attraktiv und da drin geblieben sind? oder als indirekte Frage nach 1.13: (32) Ich glaube (ja), daß Sie n Geheimrezept haben. Denn Sie sind (ja schon) so lange da drin und bis heute attraktiv. usw. Jedenfalls ist das Was und das Wie beim sprachlichen Handeln nicht so scharf getrennt, wie es bei Ohmann 47 scheinen möchte. Das Problem der Abgrenzung von Inhalt und Stil ist entschärft, wenn man beides ineinander greifen läßt. 48 Im Rahmen semantischer Fragestellungen wurde dies z. B. so formuliert: „Style is part of total meaning." 49 Bei Jacobs/Rosenbaum wird der Zusammenhang von Stil und Bedeutung so aufgefaßt (35 f.): „Die grundlegende Bedeutung eines Satzes ist durch seine Tiefenstruktur gegeben, die Form durch seine Oberflächenstruktur. . . . Transformationen ändern nicht die grundlegende Bedeutung eines Satzes. Aber obwohl sie das nicht tun, beeinflussen sie doch die Oberflächenbedeutung. . . . Mehr über die Wirkung verschiedener Transformationen herauszufinden, heißt grundsätzlich auch mehr über den Beitrag des Stils zur Bedeutung 46

48

49

Es ist in ( 2 7 ) nach 1 . 1 2 verändert. Vgl. 1 9 7 1 a , 2 1 8 : „Ein anderer Autor hätte e s auf eine andere A r t gesagt." Dabei ist unklar, was mit es gemeint ist. Vgl. auch Riesel/Schendels 7: „Gerade durch die stilistische Fassung der jeweiligen Sprech- und Schreibakte in b e s t i m m t e n Tätigkeitsbereichen und "Situationen wird der Inhalt der sprachlichen Äußerung mitgeformt: gerade durch die Art und Weise, w i e die K o m m u n i k a t i o n vor sich geht, kann ein Beitrag zur Bewußtseinsbildung und Verhaltenssteuerung geliefert w e r d e n . " Die Grundlage bildet dabei die Auffassung der Dialektik v o n Inhalt und F o r m , vgl. 4.4. Zur Tradition der F o r m - Inhalt - Unterscheidung s. Barthes. S. auch Fleischer/ Michel. Enkvist 1 9 7 3 , 87.

Einführung

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herauszufinden." Die „Oberflächenbedeutung" wird also hier als der stilistische Anteil an der Bedeutung der Äußerungen angesehen. 50 Bei Ellis (71) heißt es sogar: „Style is meaning". Voraussetzung für eine befriedigende Beschreibung von Stil in bezug auf Bedeutung ist es m. E., daß für die Stilbeschreibung Kategorien sprachlichen Handelns benutzt werden. 51 Dann löst sich die Alternative „Inhalt" einerseits und „Form oder Stil" andererseits auf. „Inhalt" ist dann zu sehen als die Art der sprachlichen Handlung (mit Illokution und propositionalem Gehalt) und „Stil" ist zu sehen als die Art des Vollzugs der sprachlichen Handlung. Bei einfachen Sprechhandlungen ist das Stilistische der Zusammenhang von Sprechhandlungsart und Art der Äußerung: die Formulierung. Bei komplexen Sprechhandlungen, die als Abfolgen von Sprechhandlungen vollzogen werden, ist es der Zusammenhang der gewählten Teilhandlungen 52 und deren Abfolge 53 mit den Äußerungsarten. Ich nenne diesen Zusammenhang für einzelne Texte Formulierungsweise, für konventionelle Arten von Texten Formulierungsmuster. Sobald man also über die stilistische Beschreibung von einzelnen Äußerungen oder Äußerungstypen hinausgeht zu komplexeren Handlungsarten, ist es unumgänglich, den Aspekt der Sprechhandlungen in die stilistische Beschreibung einzubeziehen. Handlungsarten, ihre spezifischen Abfolgen u n d das WieS4 des Äußerns sind auch Aspekte von Begriffen wie Verhandlungsstil und Führungsstil, im Sprachhandeln von Rede- und Schreibstil. Der gängige Gebrauch von Sprachstil ist dagegen begrenzt auf die sprachlichen Eigenschaften von Äußerungstypen oder Teilen davon. 1.3

Welche Rolle spielt das Wie für den Vollzug des Was?

1.31 Die Formulierung mit den Aspekten Äußerungs- und Handlungsart wurde in 1.1 und 1.2 in den folgenden Punkten beleuchtet: (a) Der Sprecher kann dem Hörer gegenüber eine sprachliche Handlung verschieden ausdrücken: explizit, 55 direkt, 56 indirekt oder 50

Auch Koch 1963, 412 spaltet Bedeutung in zwei Arten von Bedeutung auf allerdings von einem anderen theoretischen Konzept aus. Ohmann 1971b hat einen Schritt in dieser Richtung getan. " Vgl. (31), (32) im Unterschied zu (26). 53 Vgl. (26) bis (30). Der Zusammenhang dieser Aspekte der Stilbeschreibung wird in 6.3 und 6.4 in exemplarischen Beschreibungen demonstriert. Vgl. die explizit performativen Formeln der Sprechakttheorie, z. B. Wunderlich, 1972a, 131 f. D. h. ohne die explizit performative Formel.

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Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

implizit, S7 als Präsupposition, mit verschiedenen Äußerungseigenschaften usw. (b) Mit verschiedenen Arten der Formulierung für,dasselbe' bewirkt der Sprecher wenigstens partiell Verschiedenes; er gibt dem Adressaten partiell Verschiedenes zu verstehen. Auch ist die Art der Verpflichtungen, die sich aus verschiedenen Formulierungsarten für Sprecher und Hörer ergeben, verschieden. Ehrich/Saile und Franck 5 8 haben für indirekte Sprechakte auf diesen Unterschied hingewiesen. (c) Wenn ein Sprecher einen Text oder ein Textstück in einer bestimmten Formulierungsweise beginnt, etabliert er für sich die Verpflichtung, in derselben Art fortzufahren, und beim Adressaten eine bestimmte Erwartung für die folgenden Formulierungen. (d) In bestimmten Situationen, für bestimmte Arten sprachlichen Handelns, in bestimmten sozialen Gruppen usw. sind bestimmte Formulierungsarten konventionell; sie sind für Sprecher und Adressaten gegenseitig erwartbar. Die Fälle (c) und (d) haben in der Linguistik der Prager Schule Aufmerksamkeit gefunden, und zwar unter dem Aspekt der Verletzung dieser Regeln. Die Regelbefolgung von (c) und (d) wird dort als „automatization" beschrieben, die Nichtbefolgung als oftmals poetisches, aber nicht nur poetisches Verfahren des „foregrounding". s 9 1.32 Bei Ziff sind die Äußerungen ein sekundärer Aspekt. Mir scheint es aber wichtig zu betonen, daß eine sprachliche Handlung nur getan werden kann, indem der Sprecher eine bestimmte Art von Äußerung wählt; für komplexe sprachliche Handlungen: indem er Formulierungen wählt, die einer Formulierungsweise entsprechen. 6 0 Damit unterliegt er den Gegebenheiten, die durch (a) bis (d) in 1.31 wiedergegeben werden. Es mag ihm nur auf das Was ankommen, aber er vermittelt dem 57 58 59

60

S. (13) bis (15) in 1.13 im Unterschied zu (12); 1.14. Ehrich/Saile 2 8 6 f . ; Franck 225 f. Z. B. Mukaiovsky 1964, 19: „Foregrounding is the opposite of automatization, that is, the deautomatization of an act; the more an act is automatized, the less it is consciously executed; the more it is foregrounded, the more completely conscious does it become. Objectively speaking: automatization schematizes an event; foregrounding means the violation of the scheme . . .". S. auch Kap. 5.27. Vgl. Ehrich/Saile 263: „Wenn wir die Handlung als grundlegend, die Art und Weise ihrer linguistischen (d. i. sprachlichen, B. S.) Realisierung aber als ein ihr nachgeordnetes Phänomen betrachten, müssen wir die von Austin und Searle gestellte Frage nach dem, was wir tun, wenn wir sagen, was wir sagen, auch in umgekehrter Richtung stellen und uns fragen, was wir sagen (können), wenn wir tun, was wir tun (wollen)."

Einführung

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Adressaten auch das Wie; nur durch das Wie kann er dem Adressaten das Was übermitteln. Der Adressat andererseits kann nur aus dem Wie das Was verstehen: Die Formulierungsart und bei längeren Äußerungen die Aspekte (c) und (d), d. h. die Formulierungsweise, sind für ihn der Hinweis für das Verstehen dessen, was der Sprecher bewirken will. Mey betont die Wichtigkeit des Verstehens durch den Hörer für die Kommunikation (32): „Der Hörer kann sich gegen die Intention des Sprechers verteidigen" und er kann sich auch „verteidigen gegen die Verfehlung des Kommunikationsziels aufgrund der Unvollkommenheit des Ausdrucks". Daraus schließt Mey (33): „daß das Verstehen eine Wahlfunktion ist, die vom Empfänger in relativer Freiheit ausgeübt wird". 61 1.33 Der Sprecher kann erwarten, daß der Adressat versteht, was er bewirken will, wenn er konventionelle sprachliche Mittel dafür verwendet. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Verständigung zwischen Sprecher und Adressat immer nur konventionell sein müsse.62 Ich beschränke mich hier zunächst auf das Konventionelle. Searle hat folgende Bedingung am Beispiel versprechen beschrieben: 63 „Der Sprecher beabsichtigt, mit der Äußerung von T (einem Satz) beim Adressaten x zu bewirken, indem er den Adressaten seine Absicht, x zu bewirken, erkennen macht. Der Sprecher intendiert, daß dies dadurch erreicht wird, daß der betreffende Satz als das konventionelle Mittel gebraucht wird, um eine solche Überzeugung zu bewirken." Strawson hat argumentiert, daß auch individuelle Handlungen verstanden werden können; ich füge hinzu: wesentlich durch den Anteil an Konventionellem, den sie außer dem Individuellen enthalten. 64 Aber Verpflichtungen für den Adressaten ergeben sich aus individuellen Handlungen nach Strawson nicht. Verpflichtungen des Adressaten kann der Sprecher danach nur dann erreichen, wenn er mit seiner Handlung einer Konvention folgt. 65 Daraus ergibt sich: Die Wahlmöglichkeiten des Hörers beim Verstehen (Mey) sind verschiedener Art und haben unterschiedliche Konsequenzen bei individuellen und bei konventionellen sprachlichen Handlungen. 61 62

63

64

Mey bringt Beispiele für indirekten Vollzug von Sprechakten. Bennett macht die Unterscheidung zwischen meaning und conventional meaning. Im ersten Fall beruht die Verstehensmöglichkeit auf einer Ähnlichkeit von Verständigungsmittel und Bedeutung in der Situation; im zweiten Fall nur auf Konvention. Ich gehe auf solche Fragestellungen näher ein in Kap. 5. Searle 1974, 99. Ich fasse es allgemeiner, da es mir allgemeiner zu gelten scheint. Vgl. dazu die Beschreibung individueller Texte in 7.2 und Kap. 5. Wegen der verschiedenen Arten von Konventionen und den damit verbundenen Verpflichtungen ist dies später (s. 7.23) zu differenzieren.

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Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Wenn es also eine für die Art der Handlung konventionelle Formulierungsart gibt, so hat der Sprecher diese in der Regel zu befolgen, wenn er richtig verstanden werden will. Ich sehe die Befolgung von konventionellen Formulierungsarten als für das richtige Verstehen relevant an. 66 D. h. die Befolgung einer für eine Handlungsart konventionellen Formulierungsart ist eine Voraussetzung für das richtige Verstehen des Adressaten. Wie bei allen Konventionen kann der Sprecher auch von einer konventionellen Formulierungsart abweichen. Aber er bewirkt dann wenigstens partiell etwas anderes als die konventionelle Handlung. Damit ist im Rahmen der Sprechakttheorie die These vertreten, daß der Stil bedeutsam ist für sprachliches Handeln, daß er bedeutsam ist für das, als was die Handlung verstanden wird. 67 Ich komme noch zurück auf die Frage der Bedeutung von Stilistischem unter der Fragestellung: In welcher Weise tragen welche Stilaspekte zu sprachlichen Handlungen bei 68 und wie kann das beschrieben 69 werden?

61 68 69

Vgl. Heringer, 1974b, 69: „Man versteht eine Handlung nur richtig, wenn man ihre relevanten Eigenschaften kennt." Vgl. auch 1.24: die Untrennbarkeit von Inhalt und Stil. Kap. 5.23 bis 5.28 und Kap. 6 bis 8. S. Kap. 2.2.

2

Voraussetzungen

Bei der Beschreibung von Stilistischem als Regelhaftem gibt es zwei ineinandergreifende Vorgehensarten: erstens die systematische Beschreibung von Stileigenschaften 1 und zweitens die Beschreibung der Formulierungsmuster von Texten und ihren Teilen. 2 Bei der Beschreibung in beiden Richtungen darf m. E. nicht außer acht gelassen werden, daß Sprecher genötigt sind, für umfangreichere sprachliche Handlungen sukzessive sprachliche Handlungsarten mit bestimmten Äußerungsarten zu wählen. Die Wahlen werden ihnen aber durch Konventionen leicht gemacht. 3 Hier werden beide Wege integriert: zunächst werden die Beschreibungskategorien in der systematischen Darstellung entwickelt, dann werden mit diesen Kategorien Texte nach Textmustern 4 und individuelle Texte beschrieben. Aus diesen Beschreibungen resultieren auch Ergebnisse für die Erweiterung der Beschreibungskategorien.

2.1

Fragestellungen und Unterscheidungen

Die folgenden Ausführungen betreffen das Verhältnis von Stil und Text, das generelle Beschreibungsinteresse und die Frage, welche Theorie oder Theorien dafür geeignet sind. 2.11 In 1.3 wurde die Rolle von Konventionen der Formulierungen für das Handlungsverstehen herausgestellt. Es können dabei z. B. folgende Fälle unterschieden werden: Konventionelle Formulierungsarten werden für individuelle Texte verwendet. Beispiele dafür sind Stilparodien. Weiter gibt es sicher auch konventionelle „Sprecharten", d. h. Aspekte von Formulierungen, die in mehreren Textmustern gleicher1 2 3 4

Wie in 1.1, 1.2, 5.2 und 8. S. Kap. 6 und 7. Dazu genauer Kap. 8, auch 3.12. Textmuster sind Konventionen für das Bilden von Texten. Auf die Textsortenproblematik gehe ich in 5.21 genauer ein. Dort nehme ich weitere Unterscheidungen vor. Textmuster verwende ich hier zunächst als pauschalen Ausdruck für Muster zur Textbildung.

20

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

maßen verwendet werden, z. B. Spontaneität 5 . Außerdem gibt es auch Formulierungsmuster für Textmuster oder Teile davon. Auf diese letzte Gruppe beschränke ich diese Darstellung. Aus 1.3 ergibt sich: Aufgrund von Formulierungen nach dem Formulierungsmuster kann in der Regel eine Text-Handlung 6 verstanden werden, die nach einem Textmuster vollzogen ist. Eine Text-Handlung wird durch die Formulierungen nach dem Muster an jeder Textstelle (oder jeder Stelle eines Textteils) als nach dem Textmuster bestätigt. Das Formulierungsmuster ist für das Textmuster oder dessen Teil ein konventioneller Bestandteil. 2.12 Ist die Beschreibung des Formulierungsmusters hinreichend oder notwendig für die Beschreibung eines Textmusters? 7 Vollständig wird ein Textmuster beschrieben durch die Angabe von Kommunikationsbedingungen wie Situation, Sprecher-Adressat-Rollen und anderen Relationen zwischen Sprecher und Adressat, durch die Angabe dessen, was man mit einem Text nach einem Textmuster bewirken kann (welche Folgen 8 man damit erzielen kann) einschließlich historischer Bedingtheiten, 9 die Angabe der Art von propositionalen Gehalten 10 und der Konversationspostulate, die gelten, 11 usw. Zu dieser Beschreibung kommt die des Formulierungsmusters hinzu. Gemäß 1.3 ist der Sprecher auf die Wahl von Formulierungen nach dem Formulierungsmuster angewiesen, um die Handlung nach dem Textmuster tun zu können. Deshalb ist das Formulierungsmuster ein so wichtiger Teilaspekt der Beschreibung, daß die übrigen Aspekte des Textmusters weitgehend dadurch mit beschrieben werden. Dies gilt auch für die konventionell gegebenen Handlungsumstände. Die Beschreibung des Formulierungsaspekts ist aber ungenügend, wenn ein Formulierungsmuster für einen individuellen Text verwendet wird, oder wenn ein Text nach einem Textmuster abweichend verwendet wird. 12 Daher ist die Beschreibung der Formulierungsweise eines Textes nach einem Textmuster nicht hinreichend, wohl aber notwendig. 13 5 6 7

8

9 10

11 12 13

Dazu Coseriu 1971, 138. So nenne ich eine Handlung, die vollzogen wird, indem ein Text geäußert wird. Bei dieser Fragestellung ist der Zusammenhang von Handlungs- und Äußerungsaspekt im Sinne von 1.3 vorausgesetzt. Nach von Wright, 8 6 f . Siehe genauer 5.11, 5.21. Vgl. für das Textmuster ,Flugblatt': Völzing. Dazu das Postulat der Beschreibung bei Schlieben-Lange 1975. D. h. der „Diskurs-Welten", z. B. Hennig/Huth 4 7 f f . , 1 4 6 f f . mit dem Aspekt der bezüglich der Welt geltenden Präsuppositionen. Schlieben-Lange 1975. Dazu auch 5.23, iv. Weitere Argumente dafür ergeben sich aus 7.1.

Voraussetzungen

21

2.13 Wenn von Textmustern die Rede ist, kann es so scheinen, als setzte ich dabei eine Typologie voraus. Dies ist jedoch beim derzeitigen Forschungsstand nicht der Fall. 14 Deshalb nehme ich für die Beschreibung von Textmustern folgende Hypothese an: Monologische Textmuster sind beschreibbar nach dem Modell der Sprechaktbeschreibung, 15 wie es bei Searle und Wunderlich 1972 16 entwickelt wurde. 17 Diese Annahme ist auch deshalb plausibel, weil oft ein Sprechakt mit einer Abfolge von Sätzen geäußert wird, also nicht nur mit einem einzigen Satz (s. 1.24). Für die Beschreibung dialogischer Textmuster reicht es aber nicht aus (5.21), das Modell der Sprechaktbeschreibung zu verwenden. Zu der Hypothese gehört auch, was Schlieben-Lange 1975 vertritt: Wenn sprachliche Handlungsweisen in einer Gemeinschaft relevant sind, gibt es für sie auch Benennungen (5.1). So sind Benennungen von monologischen oder dialogischen Handlungsarten ein erster Hinweis darauf, daß ein Textmuster vorliegt. Das gilt beispielsweise für: Parlamentsdebatte, Rede, Telegramm, Diskussion, Teach-in, Interview, Kochrezept, Gesetz, Nachrichtf en), Bericht usw. Dabei fällt allerdings auf, daß die Benennungen z. T. Hinweise auf den Inhalt (propositionalen Gehalt) und auf die Funktion (Illokution) enthalten, 18 zum anderen Teil aber nur auf die Funktion (Illokution): Diskussion, Rede, Telegramm. Oft wird diese letztere Gruppe aber auch präzisiert durch Attribute oder Wortbildungen (mit denen der propositionale Gehalt hinzugefügt wird). 19 Dies zeigt, daß die Abgrenzungen zwischen Textmustern nicht starr sind. 20 Sie werden vielmehr nach Fragestellungen und Zwecken des Beschreibens vorgenommen. 21 Für die Beschreibung konventioneller Stile wird also zunächst die genannte hypothetische Voraussetzung über die Beschreibung von Textmustern benutzt. Die Beschreibungskategorien für deren Formulierungsmuster werden aufgrund dieser Ausgangshypothese entwickelt, die Be-

14

16 17 18 19 20 21

Die Versuche einer Typologisierung, z. B. Werlich, Giilich/Raible (Hg.), GüLich/Raible 1975 erscheinen mir, einschließlich des eigenen f r ü h e r e n Versuchs (Sandig 1 9 7 2 a ) unbefriedigend. Die Fragestellung sprachlichen Handelns ist k a u m oder gar nicht einbezogen. Bei anderen wie bei Harweg 1 9 6 8 b o d e r J a k o b s o n geschieht die Klassifizierung deutlich von einer T h e o r i e her, die mit der Beschreibung sprachlichen Handelns als Handeln unverträglich ist. Dies geht auch aus Völzing hervor. Nicht bei Wunderlich 1974. Vgl. auch 5.21. Kochrezept, Gesetz. Wahlrede, politische Rede, Rede über . . . Vgl. Theaterprogramm und Parteiprogramm. Beispielsweise a u c h H e n n i g / H u t h : Es gibt wichtigere und weniger wichtige A s p e k t e von T e x t s o r t e n .

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Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Schreibungen von Stilen danach vorgenommen. Am Ende steht die Gewinnung von Kriterien zur Stärkung der Ausgangshypothese oder für deren Modifizierung. Damit ist der Weg zirkulär. Aber die Ausgangshypothese wird am Ende begründetermaßen bestätigt oder modifiziert. Insofern ist der Zirkel zu akzeptieren. 22 2.14 Bei der Stilbeschreibung soll nach Kap. 1 die Fragestellung sprachlichen Handelns mit einbezogen werden. Dies erfordert eine Theorie, in der Handlungs- und Äußerungsaspekt in Bezug gesetzt werden. Aufgrund von Ansätzen linguistischer Pragmatik, sprachanalytischer Philosophie und Textlinguistik werden Beschreibungskategorien für Formulierungsmuster entwickelt. Dabei soll vermieden werden, wie so oft in der linguistischen Stilistik, 23 eklektizistisch Ansätze aus verschiedenen Theorien oder Wissenschaftsbereichen zu übernehmen und zu mischen. Deshalb gebe ich in 5. eine Skizze des Zusammenhangs von theoretischen Grundlagen und Beschreibungskategorien. Die wissenschaftstheoretische Grundlage dieser Theorie ist nicht empirisch-rationalistisch 24 wie bei vielen stilistischen Ansätzen. Sondern sie hat für die genannte Zielsetzung m. E. sozialwissenschaftlich-hermeneutisch zu sein. 25 Denn das Verstehen der Texte durch den Beschreibenden, seine aktive oder passive Kenntnis von Textmustern, ist Voraussetzung für seine Beschreibungen. Die hermeneutische Komponente dieses Ansatzes besagt nicht, daß hier nur Individuelles zum Gegenstand gemacht würde; 26 vielmehr ist durch die sozialwissenschaftliche Fragestellung dafür gesorgt, daß Regelhaftes, Konventionen der Gegenstand sind. 27 Selbstreflexivität und soziale Relevanz sind damit in die Zielsetzung mit einbezogen. 28 Man kann einwenden, die theoretischen Voraussetzungen für eine Stilistik mit derartiger Zielsetzung seien noch nicht gegeben. Mir scheint aber im Gegenteil die Wichtigkeit der Fragestellung ihre Bearbeitung zu rechtfertigen. Auch aus der Kritik an einer Bearbeitung ergeben sich Fortschritte inbezug auf die Fragestellung. n 23 24 25

26 27 28

Vgl. auch van de Velde, 50. Vgl. 4 . 3 zu Enkvist und meine Rezensionen zu Sanders und Sowinski. Mit Subjekt-Objekt-Trennung: z. B. Apel, 14. Mit Subjekt-Objekt-Vermittlung, Apel, 14 ff. Mit sozialwissenschaftlich sind nicht Verfahren der empirischen Sozialwissenschaft wie statistische Erhebungen usw. gemeint. Sondern mit sozialwissenschaftlich-hermeneutisch ist gemeint: Mit hermeneutischen Mitteln werden Konventionen angegangen, an denen der Beschreibende teilhat. Vgl. das Folgende u. 5.1. Wie bei Gadamers hermeneutischem Ansatz. S. Öhlschläger 1974, 108. Genauer Kap. 5., 7.12. Vgl. zu damit zusammenhängenden weiteren Zielsetzungen Kap. 9.2.

Voraussetzungen

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2.15 Im folgenden sind einige weitere Unterscheidungen zu machen. Ich habe bereits unterschieden zwischen systematischer Beschreibung von Stilelementen und stilistischer Beschreibung von Texteigenschaften. 29 Für die Beschreibung von Texten ist nach dem Bisherigen weiter zu unterscheiden: die Beschreibung von Textmustern und die Beschreibung von Einzeltexten. 30 Stil ist in der Regel mehrdeutig: Stil einer einzelnen Sprechhandlung, eines Textes oder eines Textmusters. Deshalb verwende ich für den stilistischen Aspekt eines Textmusters auch Stilmuster in derselben Weise wie konventioneller Stil31 Stil, bezogen auf eine einzelne sprachliche Handlung, nenne ich Formulierung. 32 Der Stil eines einzelnen Textes soll Formulierungsweise heißen, d. i. eine Abfolge von Formulierungen. Der konventionelle Stil, das Stilmuster eines Textmusters oder eines Teils davon soll Formulierungsmuster heißen. Entsprechend wird der Äußerungsaspekt der Formulierungsweise Äußerungsweise genannt. Der Äußerungsapekt des Formulierungsmusters heißt Äußerungsmuster. Einige wenige Beispiele für den Gebrauch: Werden rituelle Handlungsabfolgen mit den gebräuchlichen Arten von Äußerungen beschrieben, wie in Holly 1974, handelt es sich um Beschreibungen von Formulierungsmustern. Mit der Beschreibung von Äußerungsweisen begnügt sich z. B. Jakobson: 33 mit der Beschreibung struktureller Analogien von Äußerungsteilen individueller Texte. 2.16 Es werden folgende Einschränkungen vorgenommen: Den Gegenstand bilden Formulierungsarten und -muster. Individuelle Formulierungen und Formulierungsweisen werden nur am Rande mit einbezogen. Ich beschränke mich auf die Zusammenhänge von Handlungs- und Äußerungsaspekt bei Textmustern; die Beschreibung ist aber so intendiert, daß andere Aspekte anschließbar sind: wie Stimmführung, Gesten, die Verwendung von Bildern usw., 34 wenn sie konventionell die Formulierungsmuster begleiten. Weiter beschränke ich mich im großen und ganzen auf schriftliche und monologische Textmuster. Dies hat folgenden Zweck: Probleme der Verschriftlichung von Dialogen können so 29

30 31 32

33 34

Diese Unterscheidung ist vergleichbar mit Riesels Unterscheidung in Mikround Makrostilistik. Ein weiterer Aspekt einer „Makrostilistik" wird in 8. erörtert. Dazu auch 2.2 und Kap. 3. Mein Gebrauch von Formulierung hat keine Gemeinsamkeit mit Wienold's „Formulierung": mit Formulierung ist hier der Zusammenhang von Handlungsund Äußerungsaspekt gemeint. Vgl. Kap. 1.2. In: Jakobson/Lévi-Strauss. Vgl. 5.27, v und 6.13; 8.13.

24

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

ausgeklammert werden, außerdem sind Dialogstrategien noch sehr wenig erforscht. In 7.11, v gehe ich auch auf eine Dialogeigenschaft ein, um zu zeigen, daß sie mit der Beschreibungsart erfaßt werden kann. 3 4 2 Gegenstand der Beschreibung ist derjenige Bereich der sprachlichen Kompetenz, den man „stilistische Kompetenz" nennen könnte, und zwar die Kompetenz für die alltäglichen Textmuster. Dabei geht es erst einmal um die Entwicklung von Beschreibungskategorien und um exemplarische Beschreibungen. Auf speziell literarisches Handeln wird nur kurz eingegangen (7.22). Ebenso spielt der Aspekt der Verwendungshäufigkeit bestimmter Stilistika hier keine Rolle; auf eine Beschreibung mittels „variable rules" 35 und sonstige Häufigkeitsbeschreibungen wird erst einmal verzichtet. Es geht auch noch nicht um eine Typologie von konventionellen Stilen, sondern vielmehr um die Voraussetzungen dafür: die Entwicklung von Beschreibungskategorien und die Beschreibung von Beispielen. Das Ziel ist nicht eine Stilistik „von unten", von den elementaren Stileigenschaften aus. Vielmehr ist eine Stilistik „von oben" angestrebt: eine Stilistik für Textmuster und deren Teile. Von daher zeigt sich dann auch, daß die stilistischen Elemente - ähnlich wie in der Syntax - in der Regel nicht an sich bestimmte Stilwerte haben, sondern nur im größeren Zusammenhang. 36 2.2

Zum Stilbegriff

Begriffe sind umgangssprachlich meist „vage, mehrdeutig, inkonsistent". 37 Das ist in ihrem Gebrauch in verschiedenen Kontexten begründet. Einen Eindruck von der Mehrdeutigkeit des Stilbegriffs geben die Artikel Stil in den Wörterbüchern von Wahrig und Ullstein. Aber auch der Gebrauch von Stil in der Linguistik ist oft vage.38 Denn je nach der Theorie wird Stil anders verwendet: mit anderen Zielen, in anderen Kontexten. 39 Wenn überdies in einer Arbeit eklektizistisch Aspekte verschiedener Theorien verwendet werden, ist der Gebrauch von Stil darin entsprechend vage.40 34a

35

36 37

38 39 40

Dazu: B. Sandig, Dialogstile. Eine Methode der Beschreibung. Erscheint in: Proceedings of the XII th International Congress of Linguists, Sonderband der Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft, 1978. S. den Hinweis auf Labov 1969 bei Enkvist 1973, 47. Vgl. auch die Angabe des „Gewichts", wie sie bei Klein für stilistische Eigenschaften gegeben wird. Vgl. 7.11, 8.1. Wunderlich 1974, 202. Als Illustration dazu s. 4.1. Vgl. dazu auch Meyer, 74f.; Levavasseur, 268; Kap. 4.3, 4.4. Vgl. meine Rezensionen der Stilistik-Bücher von Sanders (98f.) und Sowinski (232f.).

Voraussetzungen

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Aus der Vielfalt der Gebräuche von Stil ergibt sich die Notwendigkeit, den eigenen Gebrauch festzulegen. 2.21 Die Festlegung des Gebrauchs von Stil kann durch eine Definition erreicht werden. Die Definition durch Angabe von genus proximum und differentia spezifica steht aber oft im Zusammenhang mit dem Anspruch, etwas für alle Fälle Gültiges anzugeben. Die Aussichtslosigkeit eines solchen insgesamt gültigen Definitionsversuchs zeigt sich am Katalog von Stildefinitionen bei Sanders (13—21). Außerdem zeigt sie sich an dem Schluß, den Sanders daraus zieht (21 f.): „Ziel der Stilforschung muß s e i n , . . . solche elementaren Definitionen 4 1 ... durch weitgehende Berücksichtigung und Präzisierung aller Einzelaspekte in eine hinreichend allgemeingültige Form zu bringen. Wenn darunter in der Regel die Prägnanz der Definition auch leidet, so scheint die Komplexität des Phänomens ,Stil' doch kaum eine andere Alternative zuzulassen." Vergleichbare Schwierigkeiten einer Definition ergeben sich für den Textbegriff. 42 Die Schwierigkeit von Definitionen liegt darin, daß nur jeweils bestimmte Aspekte des Untersuchungsbereichs durch Definitionen erfaßt werden, andere dagegen nicht. Die Aspekte, die herausgehoben werden, sind mitbestimmt durch die Zwecke und Methoden dessen, der die Definition macht, durch seinen theoretischen Hintergrund. Dadurch ist eine Stildefinition eher eine verkürzende Formel für die gewählte Vorgehensweise. Für sich genommen kann sie leicht falsch verstanden werden. Ein Beispiel dafür ist diese Definition des Autorenkollektivs um Michel (34f.): Stil ist „die Gesamtheit der an bestimmte gesellschaftliche Anwendungsnormen gebundenen fakultativen Varianten der Rede innerhalb einer Reihe synonymischer Möglichkeiten zur Darstellung eines Sachverhaltes" 43 Dies setzt voraus, daß geklärt ist, was unter „synonymisch" und „fakultative Variante" verstanden wird: alle Fälle von 1.1 oder nur einige? Oder auch die Fälle von 1.2? Bei dem Autorenkollektiv ist die Grundlage die Widerspiegelungstheorie. Mit „gesellschaftliche Normen" sind außerdem nicht soziolinguistische Differenzierungen gemeint, sondern solche Normen, die sich aus der Arbeitsteilung in der Gesellschaft ergeben. Diese Stildefinition ist beschränkt auf „Varianten" von Äußerungsteilen oder Äußerungen; stilistische Erscheinungen, die nicht solche Varianten sind, werden nicht als Stilistika erfaßt. 4 4 41

43

nämlich die, „die eine umfassende Beschreibung des Phänomens in all seinen Erscheinungsformen anstreben". Vgl. Sandig 1973, 21 f. Für die Satzdefinition belegt dies schon die Arbeit von Seidel. Diese Auffassung ist z. B. auch bei Fleischer/Michel zu finden. Ich gehe auf etliche andere Auffassungen von Stil noch genauer ein in Kap. 3 und 4.

26

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Aufgrund dieser Zusammenhänge von Definition, Zielsetzung und Theorie steht eine Stildefinition erst als Ergebnis am Ende dieser Untersuchung (9.1). Sie kann in dieser starken Verkürzung nur verstanden werden aufgrund der Darstellung der Zielsetzung (2.1), des Gebrauchs von Stil (3.5), der Darlegung von Theorie und Beschreibungskategorien (5, 6.5, 8) und der entsprechenden Beschreibungen, außerdem aufgrund der exemplarischen Darstellung solcher Zusammenhänge in 4. 2.22 Gegen den vagen Gebrauch von Begriffen — wie Stil - haben Kamlah/Lorenzen die Definition nach exemplarischer Einführung vorgeschlagen (77 f.). Diese führt zur „terminologischen Bestimmung" mit der Folge normierter Verwendung. Ein vergleichbarer Weg wurde eingeschlagen für Formulierung. Der Formulierungsbegriff ist für den Stilbegriff zentral (2.15). Es kann nun für die Zwecke dieser Arbeit und unter Berücksichtigung der genannten theoretischen Ansätze vorläufig bestimmt werden, wie Stil in dieser Arbeit verwendet wird: 4 5 Stile werden beschrieben als die Arten von Formulierungen oder Formulierungsmustern, die Sprecher Adressaten gegenüber zu bestimmten Zwecken gebrauchen. Entsprechend wird ein konventioneller Stil beschrieben als eine bestimmte Art von Formulierungsmuster, das Sprecher Adressaten gegenüber benutzen, wenn sie Texte nach einem Textmuster äußern. Was mit Zweck, Text und Textmuster gemeint ist, was mit Formulierung, Formulierungsmuster, mit bestimmte Art usw. — das wird durch Beschreibungskategorien ausgefüllt. Es geht also nicht um die häufig gestellte Frage, was Stil i s t. 46 Sondern es geht um die Frage, wie Stile b e s c h r i e b e n werden können. Was aus linguistischer Fragestellung als Stil angesehen wird, ist abhängig von der Beschreibungsart, und diese wird durch den Beschreibungszweck und die verwendete Theorie bestimmt. 47 Es ist deshalb zu unterscheiden zwischen Stil und Stilbeschreibung. Das mag trivial erscheinen. Es ist jedoch wichtig, diesen Unterschied zu sehen. Stilbeschreibungen sind Texte; 48 sie werden unter bestimmten Fragestellungen für bestimmte Zwecke gemacht, für bestimmte Adressaten. Außerdem sind sie nur unter bestimmten Aspekten vollständig. Eine wissenschaftliche Beschreibung wird unter den Aspekten gemacht, die durch die verwendete Theorie und Methode ermöglicht sind. Ein Phänomen ist so und so unter der Beschreibung einer bestimmten Art. 45 46 47 48

Genauer 3.5 und 9.1. Z. B. Chatman, XI bis XIII. Zu dem Verhältnis von Theorie und Gegenstand s. Wunderlich 1974, 357ff. Siehe dazu und zum folgenden: Heringer 1974 b.

Voraussetzungen

27

Zum Beispiel kann ich einen Stil beschreiben 1) als Parole-Erscheinung, als Realisierung einer Anzahl von Langue-Einheiten bestimmter Art also, 2) als Struktur aufgrund von Analogien im Text (strukturalistisch) oder 2a) sogar als Struktur solcher Strukturen; 49 oder etwa 3) unter dem Aspekt des Handelns mit Hilfe pragmatischer Kategorien. Das sind nur wenige von möglichen Beschreibungsarten für dasselbe. Oft können auch innerhalb derselben Theorie Stile mit verschiedenen Methoden beschrieben werden. so Der Unterschied ergibt sich dann aus den verschiedenen noch außerdem verwendeten Ansätzen und Fragestellungen. 51 Wenn der Zusammenhang von Zielsetzung, Gegenstand und Beschreibungsart akzeptiert wird, kann auch der Gebrauch von Stil in dieser Arbeit akzeptiert werden. Denn Stil als Individualstil verstanden beruht auch auf Theorien, nur eben auf anderen Theorien und Zielsetzungen: auf solchen, die anderes nicht als stilistisch gelten lassen. 52 2.23 Man könnte dennoch fragen, ob es gerechtfertigt werden kann, bei der gewählten Zielsetzung von Stil zu sprechen, ob man nicht eher einen anderen Terminus dafür wählen sollte. Mir scheint, daß folgendes für den Gebrauch von Stil spricht: (a) Konventionelle Stile sind wie individuelle Stile von anderen unterschiedene spezielle Zusammenhänge von Handlungs- und Äußerungsarten in größeren Handlungszusammenhängen. (b) Gebrauchsstile haben als unauffällige Konventionen die Erwartbarkeit mit auffälligen Stilkonventionen gemeinsam: z. B. mit Epochenstilen, mit der Stilnorm und mit Personalstilen. (c) Individuelle Stile müssen, um verstehbar zu sein, viel Konventionelles enthalten. Deshalb ist es sinnvoll, die Beschreibung individueller Stile auf Konventionen basieren zu lassen. 53 Gegen den Gebrauch von Stil sprechen die konventionell unterschiedlichen Bewertungen von bestimmten individuellen Formulierungsweisen und von Formulierungsmustern. Bewertung ist jedoch nur e i n Aspekt des Stilbegriffs (vgl. 3.). Das Ziel ist eine deskriptive Stilistik. Diese soll aber nicht so verstanden werden, daß sie „wertfrei" zu sein hätte. Es 49

5

53

Z. B. Lotman. Vgl. die verschiedenen strukturalistischen Beschreibungsarten von Jakobson und Riffaterre. Hermeneutik bei Jakobson, Behaviorismus und Hermeneutik bei Riffaterre. Ein Beispiel für viele ist die Bestimmung von Stilistik bei de Groot (294): „Stylistics may be defined as the theory of the use of a language for aesthetic purposes, including the study of aesthetic language products. . . . aesthetic stylistics automatically falls under the head of la parole." Vgl. 7.2, auch 5.13.

28

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

kommt vielmehr darauf an, aufgrund der linguistischen Beschreibungskategorien andere Bewertungskriterien als die traditionellen zu erarbeiten, die unreflektiert weiter gelten. 54

2.3

Das sich daraus ergebende Vorgehen

Zunächst werden unsystematisch und unvollständig Aspekte des Stilbegriffs besprochen." Daraus ergibt sich eine weitere Begründung für die Vagheit des Stilbegriffs. Denn die unterschiedliche Gewichtung einzelner Aspekte in den Verwendungen des Begriffs oder sogar das Beiseitelassen von Aspekten führt zu Vagheit. In Kap. 4 werden einige Arbeiten zur linguistischen Stilistik unter der Fragestellung besprochen: Was ist der Gegenstand, was die Zielsetzung, was die verwendete Theorie? Aus den Kapiteln 3 und 4 ergeben sich weitere Präzisierungen der Zielsetzung. 56 Wegen der Schwierigkeit der Begriffsbestimmung wird die Untersuchung auf einer vorläufigen Definition basiert, die ein Programm enthält: ein Programm für eine Beschreibungsart nach einer skizzierten Theorie. Die Grundlage dafür ist die Pragmatik. In Kap. 5 werden die Beschreibungskategorien im Zusammenhang diskutiert. Beschreibungen der Stilmuster von Textmustern werden an einigen Textbeispielen exemplarisch vorgenommen. Diese Textbeispiele sind Beispiele für die Praxis, die aus der Befolgung von Mustern resultiert. 57 Die Auswahl der zu beschreibenden Textmuster ist willkürlich, durch praktische Gründe bedingt. Aus der Beschreibung von individuellen Texten und Beispielen für Textmuster 58 ergibt sich eine Modifizierung der Hypothese zur Beschreibung von Textmustern (7.12) und eine Ergänzung der Beschreibungskategorien (6.5; 8.). Am Ende (9.1), als verkürzende Zusammenfassung, steht die Stildefinition.

54 55 56 57 58

In 6.5 und 9.2 wird auf die Frage der Bewertung aufgrund der Beschreibung eingegangen. Kap. 3. S. 3.5 und 4.5. Vgl. dazu Berger 266. Kap. 6 und 7.

3

A s p e k t e des Stilbegriffs

Im folgenden werden Aspekte des Stilbegriffs diskutiert, um den Gebrauch von Stil deutlicher zu machen. Dabei lehne ich mich an die Beschreibung des Normbegriffs bei Gloy (38 ff.) an. Denn dieses Verfahren, bei dem der Begriff über die Beschreibung von Teilaspekten geklärt wird, ist nicht nur auf die Beschreibung der Stilnorm (s. 3.3) anwendbar, sondern als Prinzip auch auf die Beschreibung von konventionellen Stilen (s. 3.4). Zunächst wird auf einige besonders wichtige Aspekte des Stilbegriffs ausführlich eingegangen. 3.1

Stilmittel

Die relevanten Eigenschaften von Stilen sind die Stilmittel (oder „Stilelemente"). Nach 2.2 ist das so zu präzisieren: Stilmittel sind diejenigen Eigenschaften von Stilen, die durch die Stilbeschreibung erfaßt werden. Deswegen werden je nach dem Beschreibungsinteresse und der verwendeten Theorie unterschiedliche Stileigenschaften als Stilmittel beschrieben. Zunächst gehe ich sehr knapp auf einige Auffassungen von Stilmittel ein (3.11) und erläutere dann den eigenen Standpunkt (3.12). 3.11 Die klassischen sprachlichen Stilmittel sind die der elocutio in der Tradition der Rhetorik: Metapher, Variation, Wiederholung usw. Ihre Beschreibungen sind sehr uneinheitlich. 1 Von linguistischen Theorien aus werden dagegen Stilmittel einheitlicher, aber auch als eingeschränktere Bereiche beschrieben. In der Tradition der Beschreibungen von Langue-Strukturen werden lexikalische, syntaktische, morphologische und andere A l t e r n a t i v e n als stilistisch beschrieben: 2 lexikalische Synonyme, von denen mindestens eines eine spezielle „Konnotation" hat, 3 Aktiv und Passiv, Verbum und 1 2

3

Vgl. die Beispiele bei Todorov/Ducrot, 3 1 4 - 3 1 6 , auch die Beschreibungen in 5.2, besonders 5.27 und 5.28. Z. B. Fleischer/Michel 4 7 - 5 2 auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Erkenntnistheorie. Einen ausführlichen Katalog von Stilmitteln unter dem Gesichtspunkt von Alternativen geben Fleischer/Michel, 6 9 - 1 5 0 . Z. B. Rossipal; UUmann, 1 4 0 - 1 4 2 .

30

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Funktionsverbgefüge, syntaktische Konstruktion und Wortbildung, 4 morphemische Doubletten aus verschiedenen Bereichen wie kriecht / kreucht usw. Syntaktische Stil-Alternativen hat im Rahmen der generativen Transformationsgrammatik der frühen Phase 5 Ohmann beschrieben. 6 Dabei mußte „der nützlichste Sinn von .Inhalt' — kognitiver Inhalt — so festgelegt werden, daß ihn Transformationen überhaupt unberührt lassen (und es Synonyme gibt)". 7 Die Alternativen-Auffassung mündet hier in die P a r a p h r a s e n - A u f f a s s u n g . 8 Die Bestimmung von Stilistischem aufgrund von Alternativen läßt sich relativ gut durchführen bei kleinen Einheiten der Sprache, bei solchen Phänomenen, die nur als Teile von sprachlichen Äußerungen verwendbar sind: bei Morphemen, Lexemen und syntaktischen Konstruktionen. Schwieriger ist eine solche Stilbeschreibung, wenn die Alternativen Sprechakte sind 9 oder Abfolgen von Sprechakten. 10 Denn hierbei sind die Grenzen schwer zu ziehen. Noch schwieriger schließlich wird die Entscheidung darüber, was als Alternativen (oder Paraphrasen) zu beschreiben ist, beim Vergleich von stilistisch verschiedenen Texten. Van Dijk schlägt vor: „Stylistically different paraphrases of texts can . . . be described as different manifestations of similar textual deep structures." (Van Dijk 95). Das Problem der Paraphrasen oder Alternativen stellt sich schon anhand der Beispielgruppen in 1., es wird durch die Beschreibungen von Textbeispielen noch von anderen Beschreibungskategorien her beleuchtet. Von daher ist dann auch die Annahme von Tiefenstrukturen nicht mehr möglich. Eine andere Auffassung von Stilmitteln war besonders wichtig im Gefolge der späteren Phase der GTG: 11 Stilmittel als A b w e i c h u n g e n von den syntaktisch-semantischen Regeln der Grammatik. 12 Das Paradebeispiel dieser Richtung ist die Metapherndiskussion. 13 Bei Abraham/ Braunmüller wird dann Abweichung nicht mehr verstanden als Abwei4 s 6 7 8 9 10

12

13

Vgl. hierzu von Polenz 1973, 158f. Mit Chomsky's Syntactic Structures als Modell. Ohmann 1971a (zuerst 1964), bes. 219ff. Ohmann 1971a, 223. Dazu Spillner 1974, 23f. Z. B. Nein, Ich muß arbeiten und Seh ich aus wie ein Athlet? in 1.14. Z. B. (26), (31) und (32) in 1.24. Das Aspects-Modell von Chomsky. Vgl. dazu den Überblick bei Spillner 1974, 3 1 - 4 0 ; Bierwisch 1967. Enkvist 1971 gibt einen kurzen Überblick über das Abweichungsproblem von verschiedenen linguistischen Theorien aus ( 5 3 - 5 5 ) . Plett setzt sich 127ff. unter verschiedenen Gesichtspunkten mit ästhetischer Abweichung auseinander. Bei Fleischer/Michel (51) werden auch „Abweichungen vom Sprachsystem als fakultative Varianten", als Alternativen angesehen. Z. B. Oomen 1973, 1 4 - 3 1 .

Aspekte des Stilbegriffs

31

chung von grammatischen Regeln, sondern von Erwartungsnormen, die in einer Sprachgemeinschaft erworben sind. Je nach der verwendeten Theorie wird also Verschiedenes als Abweichung beschrieben. Zwei andere Gruppen von Stilmitteln sind mit neueren linguistischen Teildisziplinen beschreibbar geworden: Die eine Gruppe sind die in der Textlinguistik beschriebenen satzübergreifenden sprachlichen Phänomene. 14 Die zweite Gruppe: die Sprechakttheorie hat Ohmann 15 für die Stilbeschreibung angewendet. Er zeigt, daß auch dieBeschreibung von individuellem Sprechaktgebrauch wichtige Aspekte zur Stilbeschreibung beisteuern kann. 16 Die Beschreibung von Stilmitteln dieser Art ist in der Regel eine isolierende Beschreibung; 17 es werden nur besondere Teilaspekte von Stilen dadurch erfaßt. Das Interesse ist bei diesen Auffassungen von Stilmitteln auch oft auf die Sprachbeschreibung gerichtet, weniger auf die Stilbeschreibung. Einen anderen Weg bieten strukturalistische Stilbeschreibungen: z. B. Jakobson (358 ff.) beschreibt Stilmittel als A n a l o g i e n , die unter bestimmten Gesichtspunkten (lautlich, syntaktisch, lexikalisch 18 usw.) im Text etabliert sind. Das Beschreibungsprinzip ist hier paradigmatisch und syntagmatisch zugleich. Durch die Beschreibung von Analogien werden stilistische Strukturen rekonstruiert. Das bedeutet: welches sprachliche Phänomen als Stilmittel beschrieben wird, ist nicht abhängig von seinen dauernden Eigenschaften; sondern es kann erst in seiner spezifischen Verwendung im Text als stilistisch beschrieben werden. Die Konsequenz daraus ist die: Jedes sprachliche Phänomen kann Stilmittel sein. Was bei Jakobson als Analogie in einer Struktur erscheint wird anderswo als R e k u r r e n z 1 9 beschrieben. Rekurrenz heißt: Sprachliche Phänomene mit ähnlicher Struktur treten in demselben Text immer wieder auf, oder auch in Texten einer bestimmten Art. Rekurrenzen können zur Grundlage von Häufigkeitsbeschreibungen gemacht werden. Ein anderes Kriterium für Stilmittel ist z. B. bei Riffaterre 1973 zu finden: Bei ihm ist ein Stilmittel bestimmt durch seine A u f f ä l l i g k e i t für den Leser im Kontext, also im Textstück. Dabei ist allerdings offen, als wie weit man den Kontext zu verstehen hat, wo man die Grenzen des Kontexts anzusetzen hat: ob sich z. B. die benachbarten Kontexte überschneiden können, oder ob der Kontext eines Stilmittels 14 5 16

15

Z. B. Enkvist 1971, 5 5 - 5 9 ; 1973, 1 1 0 - 1 2 6 ; Fleischer/Michel 190ff.; auch Haiweg 1968a, 178ff.; Brinker 1973; KaUmeyer/Meyer-Hermann. Ohmann 1971b, 250 ff. Vgl. auch Kap. 1. Vgl. Ellis 77 über die Abweichungsstilistik. Für den lexikalisch-semantischen Bereich z. B. auch Greimas. Z. B. Sandig 1970.

32

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

auch Kontexte und Stilmittel, die unter übergreifenden Aspekten ermittelt werden, überlagern kann. 2 0 Kloepfer/Oomen (17 f.) fordern dagegen für die Untersuchung poetischen Sprechens, was aber auch allgemeiner gilt: „(1) es dürfen nicht nur die jeweils dominanten Elemente untersucht werden . . ., sondern es müssen auch die ihre Relation stützenden oder von ihnen abgeleiteten Elemente berücksichtigt werden und zwar auf allen sprachlichen Ebenen; daraus ergibt sich (2) als selbstverständliche Konsequenz, daß man von geschlossenen Texten eines Autors in einer Sprache und nicht von Einzelbeispielen auszugehen hat." 3.12 Für die Beschreibung von Stil unter der Fragestellung sprachlichen H a n d e l n s ist es sinnvoll, die ausschließlich textbezogene, nur sprachbezogene Auffassung von Stilmitteln zu ersetzen. Wir können sagen: Sprecher gebrauchen für den Vollzug von Text-Handlungen gleichartige sprachliche Phänomene immer wieder, sie vollziehen auch immer wieder gleichartige sprachliche Handlungen. Ich benenne dies so: sie führen sie fort; oder einfacher: sie führen fort. Mit F o r t f ü h r e n wird also beschrieben, daß Sprecher immer wieder dieselben oder unter einem Gesichtspunkt ähnliche sprachliche Phänomene gebrauchen bzw. Handlungen vollziehen und zwar zusammen mit anderen ebenfalls immer wieder gleichartigen. Durch Fortführen wird Stil als individuelles oder konventionelles Handlungsmuster, als Aspekt von Text oder Textmuster beschreibbar. 21 Ein Stil ist deshalb beschreibbar als erwartbares Fortführen eines Zusammenhangs von Handlungs- und Äußerungsarten. Dieser Zusammenhang heißt für konventionelle Stile Formulierungsmuster, für individuelle Stile Formulierungsweise. 22 Manche Handlungsarten und sprachlichen Phänomene sind von vornherein als Stilmittel konventionell: z. B. die rhetorischen Stilmittel 23 und die sprachlichen Einheiten mit „stilistischer Bedeutung". 24 Andere werden erst als Folge ihres Fortführens im Text als Stilmittel beschreibbar. Fortführend können Sprecher in Text-Handlungen immer neue Stilmittel etablieren und so immer neue Stile hervorbringen. Dadurch sind der I n n o v a t i o n 2 5 weite Möglichkeiten gegeben. Die durch Fortführen etablierten Arten von Stilmitteln, besonders die Handlungsarten, sind oft unauffällig und fallen deshalb bei den 20 21 22

"

24

25

Vgl. dazu die in 5.27 beschriebenen Stilmittel. Ein Beispiel für das Fortführen im Text wurde in 1.22 gegeben. Vgl. 2.15. S. auch 5.28. Riesel/Schendels 28ff.; vgl. auch Ullmann 141: „Words, like other linguistic elements, have the ability to evoke those 'registers' to which they normally belong. Hence the term .evokative value', sometimes employed to denote these overtones", d. h. Konnotationen. Vgl. auch 3.21 und die Textbeschreibung in 7.2.

Aspekte des Stilbegriffs

33

meisten Stilbeschreibungen aus; nur wenn sie besonders auffällig sind, finden sie Beachtung. 26 Die Auffassung des Fortführens als stilkonstituierende Handlungsart ermöglicht hingegen die Beschreibung von stilistischen Phänomenen, die unauffällig sind, ebenso wie von solchen, die auffällig sind. Sie ermöglicht auch ex negativo die Beschreibung solcher stilistischer Phänomene, die nicht fortgeführt werden, durch deren Verwendung also von der allgemeinen Regel des Fortführens abgewichen 27 wird. Fortgeführt wird Auffälliges 28 und Unauffälliges, oft nur das letztere, Abweichungen und korrekte Verwendungen, meist nur letztere, Arten von Sprechakten, spezifische stilistische Mittel als mögliche Alternativen der Sprache und viele solche sprachliche Phänomene oder Handlungsarten, zu denen es nur in größeren Zusammenhängen Alternativen gibt. 29 Abweichungen, Auffälligkeiten und Alternativen stellen nur Ausschnitte aus den möglichen stilistischen Phänomenen dar, die unter bestimmten Aspekten und Zielsetzungen mit bestimmten theoretischen Kriterien beschrieben werden. 30 Das stilistische Segmentieren von Texten ist relativ leicht, wenn man sich auf stilistische Eigenschaften der Äußerungen beschränkt. Fast alle in 3.11 genannten Beschreibungsmöglichkeiten von Stilmitteln in Texten sind eingeschränkt auf Eigenschaften von Teilen des Äußerungsmusters oder der Äußerungsweise. Unter dem Gesichtspunkt des sprachlichen Handelns genügt es auch nicht, Sprechaktarten als Stileigenschaften isoliert zu betrachten; sie müssen vielmehr als Teile der Text-Handlung oder des Textmusters beschrieben werden. 31 Dies hat schon Culler an Ohmann kritisiert. 32 Denn die Beschreibung der verwendeten Sprechakte vom Ganzen her ergibt oft eine andere Interpretation als die Be26

32

Vgl. dazu 5.27 und 5.28. Z. B. 5.27 und 5.28. Vgl. auch die Beschreibung von Stilistischem als Abweichung von der „Erwartungsnorm" bei Carstensen 1970. Auffälliges kann auch durch die vorübergehende Unterbrechung von Fortführungen entstehen. Analogien sind als fortgeführte Phänomene beschreibbar. Koch schreibt zum Beispiel (416): „Any text whatsoever may be subjected to a stylistic segmentation." Bei Ellis (67) heißt es aber, gegen Koch und zuerst gegen Riffaterre 1973 gewendet: „While this is a much improved analysis of the exploitation of the expectations established in a text, it nonetheless cannot deal with those instances where style strikes as residing in the use of exactly the right word text. The style of a text cannot always be discussed in terms of individual devices which are isolable and segmentable." Dies wird im folgenden auch durch die Beispiel-Beschreibungen bestätigt: besonders 6.33 und 6.34, 6.43 und 6.44,7.3. Dazu eingehender 6.2 bis 6.4. Culler 360: „To utter a sentence in ordinary speech by way of asserting a fact is different from writing the same sentence in a novel, and the difference lies in the fact that the latter sentence is performing a different illocutionary act."

34

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Schreibung der isolierten Sprechakte. Hat man aber die umfassendere Beschreibungsart, die Beschreibung des fortgeführten Zusammenhangs von Handlungs- und Äußerungsaspekt, einmal eingeführt, kann man zu bestimmten Zwecken sich auch beschränken: die Beschreibung erklärtermaßen nur auf in bestimmter Weise relevante Phänomene richten. Isolierte Äußerungen oder Äußerungsabfolgen können nur dann als zu einem bestimmten Stil gehörig beschrieben werden, wenn deutlich einem Stilmuster gefolgt wird: (1) Ham Sie da n Geheimrezept?33 (2) Londons Alleingang ein Hauptthema - Treffen der EG-Regierungschefs in Rom eröffnet - Einigkeit nach Gespräch SchmidtGiscard34 In diesen Fällen sind zusammen mehrere Stilmittel verwendet, die für Handlungen nach den Mustern spontan gesprochener Dialog und Zeitungsschlagzeile gebraucht werden. Es gilt zwar: „Nur die Verwendung eines Elements in einem Kommunikationskontext kann stilistisch gewertet werden, nicht das lexikale Element an sich". 35 Aber das gilt generell, auch unter Einschluß von Individualstilen und von der Langue bzw. Kompetenz her gesehen. Im Fall von Stilmustern aber kann auch bestimmten Handlungsarten und Arten von sprachlichen Phänomenen, auch Zusammenhängen davon ein Stilwert zugesprochen werden: ein auf das Stilmuster begrenzter Stilwert. 36 3.13 Je nachdem, was als Stilmittel beschrieben wird, 37 ergeben sich engere oder weitere Auffassungen von Stil: (i) Als Stilmittel angesehen werden die verwendeten Handlungsarten (Sprechaktarten), auch die Arten von deren Abfolge, u n d die entsprechenden Äußerungseigenschaften, 38 also die Eigenschaften der Formulierungsweisen oder -muster insgesamt (nicht nur herausragende Bestandteile). (ii) Als Stilmittel werden angesehen die Eigenschaften der Äußerungsweisen oder -muster insgesamt. 33

34

35 36 37 38

Da ist hier wie auch sonst in spontanem Sprechen im Sinne von hochsprachlichem dafür verwendet, nicht lokal referierend. Ham ist eine Variante spontanen Aussprechens. Vgl. 1.22. Aus: Rhein-Neckar-Zeitung 2.12. 1975. Zu spezifischen syntaktischen Regeln des Schlagzeilen-Stils s. Sandig 1971. Rossipal, 254. Vgl. eingehender Kap. 8. Die Ausführungen dazu sind keinesfalls vollständig. S. die Unterscheidungen in 2.15.

Aspekte des Stilbegriffs

35

(iii) Als Stilmittel zählen besondere Eigenschaften der Äußerungsweisen oder -muster, also nur ein Teilaspekt, z. B. traditionelle Stilfiguren oder Arten von Abweichungen usw. (iv) Als Stilmittel gelten besondere Eigenschaften des Zusammenhangs von Äußerungen und Sprechhandlungen wie rhetorische Frage, Ausruf, Einfügen eines Exemplums usw.,39 also besondere Teilaspekte der Formulierungsweisen oder -muster. Die engste Auffassung von Stil ist (iii), die weiteste (i); (ii) und (iv) liegen in verschiedener Weise dazwischen. Damit komme ich zum Ende dieser kurzen Diskussion: Was als Stilmittel angesehen wird, hängt ab von der Art der Beschreibung.40 Folglich hängt auch die Auffassung von Stil ab von der Art der Beschreibung: Der Gegenstandsbereich, der der Auffassung von Stil entspricht, ist in (ii) nur zum Teil derselbe wie in (iv). Auch die Beschreibungsinteressen sind verschieden.

3.2

Vergleichsaspekt

Zum Stilbegriff gehört ein Aspekt, den ich Vergleichsaspekt nenne: Mit dem Gebrauch von Stil ist immer eine Ähnlichkeit oder ein Unterschied zu einem oder mehreren anderen Stilen gekennzeichnet.41 Dies auch dann, wenn der Vergleich nicht explizit gemacht wird. In diesem Punkt unterscheidet sich der Stilbegriff von anderen Begriffen in der Linguistik wie Satz, Text, Lexem usw. Trotzdem werden auch bei diesen Begriffen unterschiedliche Arten oder Gruppen angenommen. Stile können als verschieden beschrieben werden durch die Beschreibung des unterschiedlichen Gebrauchs von Äußerungs- und Handlungsarten und die dadurch entstehende Differenz der Formulierungsweisen und -muster; sie sind ähnlich durch die Beschreibung ähnlicher Formulierungsweisen oder -muster. Es gibt Tendenzen, die Verschiedenheiten von Stilen besonders herauszuheben oder auch die Gemeinsamkeiten.42 Es sollte aber beides zusammen beschrieben werden. 39

40

42

Vgl. 5.28. Vgl. in 2.2 die Unterscheidung von Stil und Stilbeschreibung. Culler 357: „Anything can be a stylistic feature, according to the level of comparison." Daraus zieht Culler allerdings den Schluß, es gebe für literarische Texte keine Methode der Stilbeschreibung; man solle deshalb aufhören, literarische Stilistik zu betreiben. (Vgl. dagegen 7.2.). Vgl. Spencer/Gregory 102: „a stylistic. . . statement i s . . . necessarily comparative". Vgl. Juilland, bes. 149 f.

36

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

3.21 Das gemeinsame Zentrum der meisten heutigen Stildefinitionen läßt sich mit „Stil als W a h l oder als A u s w a h l " angeben. 43 So heißt es bei Asmuth/Berg-Ehlers (28): „Stil i s t . . . ein durch Wahl gebildetes Kontrastphänomen." Als unterschiedliche Wahlen stilistischer Phänomene, die Sprecher vornehmen, werden demnach unterschiedliche Stile beschrieben, als ähnliche Wahlen ähnliche Stile. Betrachtet man aber genauer, was als woraus ausgewählt angenommen wird, ergeben sich Unterschiede der Definitionen. Diese entstehen durch die theoriebedingten Annahmen über das Was und das Woraus: darüber, was als Stilmittel angesehen wird. Beispielsweise werden nach Coseriu 1971 Stilmittel nicht nur aus der „Norm" 4 4 ausgewählt; sie werden auch nicht beschrieben als Abweichungen von der Norm. 45 Vielmehr stellen sie nach dieser Beschreibung meist Realisierungen der Möglichkeiten des abstrakteren Sprachsystems dar, die durch die „Norm" restringiert sind: Stilmittel werden als die vollen Ausnutzungen von rekonstruierbaren abstrakteren sprachlichen Strukturen beschrieben. Eine ganz andere Auffassung von Stil als Wahl ist z. B. diese: „Perhaps the most neutral of all definitions 46 is the one which equates style with ,expressiveness' as distinct from cognitive meaning." 47 Den Hintergrund dieser Definition bildet die Unterscheidung von expressiver und kognitiver Bedeutung; als stilistisch wird die Wahl deijenigen sprachlichen Alternativen angesehen, die expressiv sind, gegenüber den kognitiven. Als unterschiedliche Wahlen aufgrund von Konventionen 48 werden die „funktionalen Stile" bei Riesel angesehen. Sie sind als „gebrauchsfertige Verwendungsweisen des Sprachsystems" 49 charakterisiert. Zwischen die — gesellschaftlich bedingten — „Stilnormen" und die tatsächlichen Wahlen von Sprechern schaltet Riesel noch die „Stilzüge" als „stilistische Kategorien": „Stilnormen regeln auch den Gebrauch der stilistischen Kategorien wie etwa: Kürze, Überfluß, Dynamik, Anschaulichkeit, Bildhaftigkeit u. a. m." 5 0 Das heißt: die sprachlichen Phänomene, die für einen bestimmten funktionalen Stil aus dem Gesamten des Sprachsystems ausgewählt werden, sind innerhalb des funktionalen Stils aus den verschiedenen stilistischen Kategorien ausgewählt. 51 43

44 45

46 47 48 49 50 51

Vgl. die Definitionen bei Sanders, 13—21, auch Fleischer/Michel 4 2 f Das sind die konventionell geläufigen sprachlichen Phänomene. Im Sinne von Abweichung von einer Erwartungsnorm, d. h. im hier verwendeten Gebrauch: von Konvention. Dazu Coseriu 1962. Von Stil, B. S. Ullmann 133. Bei Riesel „Normen" genannt, z. B. 1959, 44. Riesel 1964, 35; auch Riesel/Schendels, 16. Riesel 1959, 44; auch Fleischer/Michel, 6 2 - 6 4 . Vgl. dazu auch 4.4.

Aspekte des Stilbegriffs

37

Enkvist 1973 macht inbezug auf Stil als Wahl folgende Unterscheidung (74): „Those who wish to define style as the result of choice must also face the task of distinguishing stylistic choice from pragmatic and grammatical choice." Dabei bezieht sich stilistische Wahl nur auf Alternativen: „stylistic choice takes place between features which mean the same. ,Mean the same', that is, apart form their stylistic meaning, which must still be regarded as part of the total meaning of an utterance." 52 Angesichts der Beispiele von Kap. 1 fällt aber eine Grenzziehung zwischen pragmatischer und stilistischer Wahl schwer. 53 Die bisher skizzierten verschiedenen Auffassungen haben gemeinsam, daß das Stilistische als Eigenschaft der L a n g u e (oder von Aufgliederungen davon) bzw. der Kompetenz beschrieben wird. Meist jedoch wird „Stil als Wahl" so verstanden: Durch individuelle Auswahl aus dem Gesamten der Sprache entsteht ein Stil; das Ergebnis ist dementsprechend individuell. 54 Stil ist in dieser Auffassung ein P a r o l e - oder Performanz-Phänomen. Dabei wird in der Regel nicht beschrieben, was ein Sprecher tut, der solche Wahlen trifft, sondern welche Eigenschaften das Ergebnis, der Text aufweist. 55 Diese Äußerungseigenschaften können dann etwa statistisch beschrieben werden 56 oder individual-hermeneutisch 57 oder als Elemente von Stilstrukturen 58 oder in ihrer Wirkung auf den Leser 59 usw. Von dem stilkonstituierenden Fortführen (3.12) her gesehen ist „Stil als Wahl" so aufzufassen: Sprecher führen Zusammenhänge von Handlungs- und Äußerungsarten fort, indem sie immer wieder gleichartige sprachliche Phänomene für das Ausdrücken der gewählten gleichen Handlungsarten wählen. 60 Diese kurzen Bemerkungen zu „Stil als Wahl" zeigen: Es hängt vom gewählten Gegenstandsbereich ab wie auch von der jeweils verwendeten Theorie und den Interessen des Beschreibenden, wie diese Formel ausgefüllt wird. Für sich genommen ist es eine Leerformel. 61 52 53 54 55

56 57 58 59 60

61

Vgl. dazu auch 4.3. Vgl. auch die Charakterisierung pragmatischer Wahl bei Enkvist 1973, 77. Vgl. Asmuth/Berg-Ehlers 35: „Die stilistische Wahl schafft Innovationen, die dem Hörer/Leser Aufmerksamkeit abverlangen." Dieser Zusammenhang ist sehr deutlich bei Fleischer/Michel 42 f.: Stil ist eine Eigenschaft des Redetextes aufgrund von Auswahlen aus dem Sprachsystem in der Sprachverwendung. Z. B. Winter. Spitzer. Z. B. Jakobson/Lévi-Strauss. Riffaterre's Ansatz 1973. Auf die Beschreibung von Stil als Wahl unter der Fragestellung des Handelns komme ich noch einmal zurück in 8.14. Riffaterre 1959, 407 schreibt, indem er anfangs Ullmann zitiert: „ ,The pivot of the theory of expressiveness is the concept of choice. There can be no question

38

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

3.22 Die folgenden Äußerungen werden verstanden auf der Grundlage des Vergleichsaspektes: (3) Sein Stil gefällt mir nicht. (4) Sie schreibt einen besonderen/altmodischen/sonderbaren/bizarren/ rilkisierenden/. . . Stil. Diese Beispiele zeigen auch folgendes: Im Zusammenhang des Gebrauchs von Stil werden häufig B e w e r t u n g e n vorgenommen wie durch die Prädikation bei (3) und durch die Prädikation mittels Attribut in (4). 62 Dieser bewertende Gebrauch von Stil ist ein Spezialfall des Vergleichsaspekts. Er ist noch deutlicher bei einer Äußerung wie (5) Das hat keinen Stil Damit wird mitgeteilt: ,Das hat keinen positiv zu bewertenden Stil'. Und damit wieder kann zweierlei gemeint sein: (6) Das hat keinen besonderen, auffälligen Stil (sondern einen unauffälligen, sich nicht heraushebenden) oder: (7) Das hat einen schlechten Stil (wo guter Stil erwartet wäre). Nicht positiv bewerteter Stil ist also nach dieser Auffassung „neutraler" oder schlechter Stil. Entsprechend (5) gibt der Sprecher mit der Äußerung (8) Das hat Stil. eine positive Bewertung zu verstehen. Er kann diese Äußerung auch weiter präzisieren durch (9) Das hat einen besonderen/individuellen/. . . Stil. oder (10) Das hat einen guten Stil. Aus (9) und (10) ergibt sich aber nicht, daß jeder besondere oder auffällige oder individuelle Stil gleichzusetzen wäre mit gutem Stil. Sondern nur, daß in bestimmter Weise auffälliger, besonderer oder individueller Stil vom Beurteiler als guter Stil angesehen wird. Der Vergleichsaspekt von Stil wirkt sich mithin auch so aus, daß in bestimmter Weise individuelle Stile positiv bewertet werden, und so wird Stil oft gleichgesetzt mit I n d i v i d u a l s t i l . 6 3 Individualstile sind oft

62

63

of style unless the speaker or writer has the possibility of choosing between alternative forms'. This, I believe, is so allembracing and so loose that I doubt it can be used as a criterion. The encoding of any linguistic message supposes a choice, which does not necessarily have expressive value; as a matter of fact the unlikely event of a totally inexpressive utterance could well require a highly conscious selection. One thing is sure: choice is a fact, but it is not a sufficiently distinctive fact." Auch rilkisierend ist ein Mittel der Bewertung, denn die Bewertung des Rilkisierens durch den Sprecher ist entweder dem Adressaten bekannt oder kann aufgrund anderer Äußerungen erschlossen werden. Zur Genese dieser Auffassung s. Kapp 3 86 ff.

Aspekte des Stilbegriffs

39

gekennzeichnet durch fortgeführte unkonventionelle Verwendung sprachlicher Phänomene, d. h. sprachliche Abweichungen oder Modifizierungen von sprachlichen Konventionen der Formulierung, oft auch zusätzlich durch den Vollzug unkonventioneller Handlungsarten. 64 Oft zeichnen sich Individualstile auch nur durch den Gebrauch von traditionellen Stilmitteln aus bei Handlungsarten, die konventionelle Spielräume für Individuelles 65 lassen.

3.3

Stilnorm 66

Die Stilnorm stellt, wie aus 3.22 hervorgeht, einen spezifischen Sonderfall des Vergleichsaspekts dar. Beim bewertenden Vergleichen von Stilen ist es wichtig, welcher Wertmaßstab 67 angelegt wird und welche relevanten Eigenschaften 67 angenommen werden. Außerdem ist es wichtig, was als „Vergleichsklasse" dem Bewerten zugrundegelegt wird. 67 Vergleichsklassen können inbezug auf Stil etwa sein: die Klasse der poetischen Texte oder die Klasse der literarischen Texte einschließlich der Trivialliteratur oder die Klasse der Texte, die nach Textmustern sind, oder die Klasse der literarischen Texte, die nach Mustern sind, oder die Klasse der literarischen Texte, in denen von Mustern abgewichen wird, oder die Klasse der nichtliterarischen Texte, die nach Mustern sind, usw. Eine Bewertung fällt anders aus, je nachdem, was als Vergleichsklasse und was als Wertmaßstab angenommen wird. 3.31 Bestimmte Texte und Textmuster, die konventionell nicht stark festgelegt sind, sondern individuelle Spielräume lassen, bilden die Vergleichsklasse der traditionell hoch bewerteten. Sie sind auch lange Zeit das Material gewesen, aus dem Beispiele für Grammatiken gewählt wurden. „Dabei wird teilweise der durchschnittliche Gebrauch der eigenen 64 65 66 67

Die Einleitung von Süskind ist ein Beispiel dafür. Dazu die Beispielbeschieibung in 7.3. Vgl. dazu auch Fleischer/Michel 56 ff. Hare unterscheidet 1) die Vergleichsklasse (169), z. B. Personen, Autos, Handlungen - also das, worauf referiert werden kann; 2) die „gutmachenden Eigenschaften" (169), die die für die Vergleichsklasse relevanten sind (165), den Maßstab für die Bewertungen bilden (164). Außerdem geht er 3) auf den Grad der Konventionalisierung relevanter Eigenschaften ein: Wenn die für Bewertungen relevanten Eigenschaften konventionell stark festgelegt sind, spricht er von beschreibender Funktion von Wertausdrücken (Kap. 7). Die „empfehlende Funktion" (149 und Kap. 6) von Bewertungsausdrücken entfällt im Fall der Dominanz der beschreibenden Funktion. Vgl. 152.

40

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Gruppe 68 in sozial hochbewerteten Textsorten, etwa aus dem Bereich der geschriebenen Literatursprache einschließlich der populärwissenschaftlichen Literatur, der überregionalen Zeitungssprache sowie des öffentlich-repräsentativen Vortrags. . . zur Definition von deutscher Hoch- und Schriftsprache zugrundegelegt und daraus die eine Idealnorm gebildet, an welcher sich alle übrigen Textsorten der Gesamtgemeinschaft normativ deskriptiv orientieren sollen." 69 Der Wertmaßstab der Vergleichsklasse weniger Textmuster wurde also auf alle übrigen Textmuster ausgedehnt. Dadurch wurden Sprach- und Stilnorm miteinander verquickt. Dies steht aber der Vielzahl der bestehenden unterschiedlichen Textmuster entgegen. 70 Auch wird als Folge der Verquickung von Stilund Sprachnorm eine Vielzahl grammatischer Phänomene traditionell und auch in modernen Grammatiken nicht beschrieben. 71 Diese Verquickung wirkt sich darin aus, daß die Beurteilung grammatischer Phänomene nach richtig oder falsch leicht übergeht in die Beurteilung nach schön oder häßlich, nach gutem oder schlechtem Stil. 72 Guter Stil wird traditionell gleichgesetzt mit gutem Deutsch. 73 Damit hängt es auch zusammen, daß die traditionellen Grammatiken stilistischen Phänomenen Rechnung tragen 74 im Unterschied zu den modernen. Für guten Stil gibt es als relevante Eigenschaften zahlreiche präskriptive Regeln. Z. B. enthält die normative Stilistik von Reiners Verbote, Gebote, Warnungen und Ratschläge. 75 Der sozial präskriptive Charakter wird allerdings oft verwischt. Denn die zentrale Regel für guten Stil ist wohl die, „daß es das Lebendige zu treffen gilt und nicht das Korrekte"; 76 damit wird der Befolgung von Konventionen die Individualität vorgezogen. „Dazu nun taugt nicht die Regel, sondern das Gefühl." 77 Allerdings ist die Beherrschung von normativen Regeln die Voraussetzung für „das Gefühl". „Gefühl" ist der individuelle Anteil an der präskriptiven Norm. So greifen scheinbar paradox Individualstil und Norm ineinan68 69 70 71 72 73

74

75

76 77

Der gebildeten Sprecher, B. S. Steger 25. Vgl. Steger 24. S. Sandig 1971; Sandig 1976; vgl. auch 6.3. Vgl. dazu auch Rupp, 30 ff. Vgl. z. B. Villiger. Vgl. auch Ueding über dieses Problem in der Tradition der Rhetorik: Stichwort latinitas. Enkvist 1971, 50 zur Berücksichtigung des Stilistischen in traditionellen Grammatiken. Auch Süskind, Villiger; differenzierter, weil unter Einschluß modernerer linguistischer Arbeiten: Seibicke 1969. Zur stilistischen Verwendung von Abweichungen von den präskriptiven Regeln s. 7.21. Suskind, 10. Ebda.

Aspekte des Stilbegriffs

41

der. 7 8 Stile, die dieser Norm nicht entsprechen, werden vom Normstandpunkt aus mißachtet oder befeindet. 7 9 3.32 Die Vorteile vielartiger Stilkonventionen gegenüber einseitiger Idealnorm werden nicht gesehen: die konventionell erwartbaren und dadurch unproblematischen, automatisierten Handlungs- und Äußerungsmuster. 8 0 Dagegen soll durch das Absolutsetzen einer einzigen Stilnorm mit einschränkenden Handlungs- und Äußerungsarten auch Erwartbarkeit geschaffen werden. Der Geltungsanspruch 8 1 der Stilnorm ist umfassend, ausgehend von einem begrenzten Handlungsbereich. 81 Aber der Realisierungsgrad 81 ist außerhalb der Gruppe der Gebildeten gering; meist ist die Stilnorm wegen anderer kommunikativer Erfordernisse nicht durchsetzbar. Außerdem befolgen selbst die Gebildeten in vielen Situationen die eingespielten Konventionen, nicht die Stilnorm: z. B. bei sozial irrelevanten Handlungsarten wie spontanem Sprechen. Zwischen Konvention und Norm unterscheide ich folgendermaßen: 8 2 Konventionen sind aufgrund gegenseitiger Erwartung bei den Sprechern/ Hörern in sprachlichen Interaktionen in der Regel nicht bewußt. 8 3 Die Inhalte der Norm sind dagegen bewußt, denn sie sind formuliert und schriftlich fixiert.84 Normvermittler und Sanktionssubjekte sind im Fall von Sprach- und Stilnorm die Sprachlehrer, 8 5 Normempfänger und Normopfer die Schüler. Normbefürworter und -benefiziare sind diejenigen, die an sozialen Differenzierungen durch bestimmte Arten sprachlichen Handelns interessiert sind. Dabei k o m m t die Normfixierung der möglichen Willkür von Sanktionssubjekten entgegen, denn nicht allein die Befolgung von einzelnen Regeln, Geboten und Ratschlägen, also relevanten Eigenschaften ist entscheidend, sondern inbezug auf das Ganze 78

79

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82

84

85

Das ist historisch dadurch zu erklären, daß gewisse Individualstile als Leitbilder für die Norm gelten: z. B. Schiller im 19. Jh. Z. B. Reiners 44: „Keine Kanzleiausdrücke!"; 78ff.: „Meidet Modewörter"; 126ff.: „Kein Papierdeutsch!" V g l

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Ich verwende hier und im folgenden Begriffselemente iw Norm, die Gloy 37 ff. inbezug auf die Sprachnorm diskutiert. Vgl. auch Kochan. Wie in Sandig 1976. Dazu eingehender 7.12. Vgl. die normativen Stilistiken; auch Wimmer 1974. Leont'ev 50 unterscheidet „the norm, existing as implicit knowledge of the speaker as to how he ,may' or .ought to' speak (or vice versa, how he should not speak). Let us call it an implicit norm. But norm may also be expressed in external forms, prescribed for the speaker as an explicit rule which he is to master, consciously controlling its implementation. Such a norm may be called an explicit norm." .Implicit norm' ist in meinem Gebrauch „Konvention", .explicit norm': „Norm". Gloy, 46 f; Kochan, 28.

42

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

von Texten auch das Gefühl, 86 d. h. ein globaler, wenig faßbarer Wertmaßstab. Die Norm des guten Stils, verbunden mit der Norm, Hochdeutsch zu sprechen, wird in der Gruppe der Gebildeten nicht nur durch die Schule weitergegeben, sondern auch in der Familie mündlich. 87 Dadurch sind dann Norminhalt, normierter Bereich, Geltungsanspruch, Normvermittler, -befürworter, benefiziar und Sanktionssubjekte nicht oder nur wenig deutlich. Als Folge davon wird auch in diesem Fall von Normvermittlung die Norm als Norm verwischt. Dazu trägt auch die Tatsache bei, daß bei mündlich vermittelten Norminhalten negative Sanktionen dem Empfänger o f t nicht direkt zu verstehen gegeben werden, sondern mehr atmosphärischer Art sind.88

3.4

Weitere Aspekte

Es geht hier nicht um eine vollständige Beschreibung der Aspekte von Stil. Analog zur Normbeschreibung bei Gloy ( 3 8 f f . ) , Kochan und anderen sind nicht nur für die Beschreibung der Stilnorm sondern auch für StilK o n v e n t i o n e n , d . h . Stilmuster folgende Aspekte wichtig: der Handlungsbereich und der Inhalt, der Stilabsender und Stilempfänger, evtl. auch Stilvermittler. 89 Diese Aspekte werden durch die Beschreibung von Textmustern nach dem Sprechaktmodell (s. 2.1) mit berücksichtigt; sie gehören zu den Bedingungen für das Glücken der Sprechhandlungen. Für Stilabsender und Stilempfänger kommen aber sicher auch Teilaspekte hinzu wie altersspezifische Phasen des Erwerbs von Stilen (Pregel) und Prestige in einer Gruppe. 90 Weitere Aspekte des Stilbegriffs sind: Stilfunktion, -leistung und -zweck. 91 Die Relationen von Stilen, die durch die Aspekte Stilsystem, 92 86 87

88

91 92

S. o. das Zitat von Süskind. Leont'ev 52: „Social speech pattern still holds its own when the norm is o f group character. Under the circumstances it is passed on in the process o f real interindividual communication, i.e. orally. It may be considered, then, that the problem of authority plays a less important role: when using one or another variant most often we cannot call to mind the source or remember where we heard it." Vgl. dazu Gloy, 80. Er weist hin auf „kompliziertere Mechanismen der Normerhaltung und -Stabilisierung wie etwa die aufgeschobene Situation oder solche Mechanismen, die auf Sanktion ganz verzichten . . .". Wie z. B. Zeitung, Rundfunk, Wissenschaftsbetrieb. Vgl. dazu Schnelle 302f., der das Prestige als Teilaspekt von Konventionen ansieht. Dazu 1.3, auch die Beschreibungen von Stilen in 6. und 7. Dazu gehört auch das Problem der Stilklassifikation: Riesel 1959, 20; 1974, 38f., 45, 53; Riesel/Schendels 18ff.

Aspekte des Stilbegriffs

43

Stilkonkurrenz und Stilhierarchie 93 berücksichtigt werden, würden eine beschreibende Stilistik schon voraussetzen. Auch der geschichtliche Aspekt mit den Teilaspekten Stiltradition, -alter, -entstehung und -wandel hat eine beschreibende Stilistik als Voraussetzung; dies betrifft sowohl einzelne Stile wie auch Stilstrukturen, konkurrierende Stile usw. Für die Beschreibung von Stilkonventionen sind aber viele der Aspekte unwichtig, die für die Beschreibung von Stilnormen als Spezialfällen von Normen relevant sind (s. Gloy).

3.5

Zum Gebrauch von Stil in dieser Arbeit

Stil wird hier systematisch doppeldeutig verwendet: Es wird nicht unterschieden zwischen dem Stil einer einzelnen sprachlichen Handlung und dem Stil eines Textes. Denn Stil ist primär als Texteigenschaft zu beschreiben. 94 Der Stil einzelner sprachlicher Handlungen kann nur unter Rekurs auf einen Textzusammenhang beschrieben werden, oder wie die Beispiele (1) und (2) in 3.12 unter Rekurs auf konventionelle Stile. Dafür sind die Beispiele in Kap. 1 kein Gegenargument, denn die Stilunterschiede werden durch die metakommunikative Zusammenstellung zum Zweck linguistischer Beschreibung deutlich, also auch im Textzusammenhang. Für die Unterscheidung zwischen dem Stil des Textes und dem Stil der einzelnen Handlung stehen Formulierungsweise und Formulierung zur Verfügung (s. 2.15). Als Stilmittel ist jedes sprachliche Phänomen geeignet, dazu die Arten sprachlicher Handlungen. Ob sie als Stilmittel verwendet werden, wird über das Fortführen beschrieben: Handlungs- und Äußerungseigenschaften, die in einem Text oder Textteil fortgeführt werden, werden als Stilmittel beschrieben. 95 Hier wird der Zusammenhang von Handlungs- und Äußerungsaspekt, also der Formulierungsaspekt insgesamt, als stilistisch relevant betrachtet, nicht nur spezielle Gesichtspunkte davon. Damit vertrete ich eine sehr 93

94

95

In diesen Bereich gehören auch die Stilschichten, da sie Wertungen implizit enthalten. Dazu Rossipal: „das wichtige Nebeneinander von Funktionsformen für verschiedene Situationskontexte fällt bei der Bezeichnung ,Schicht' oder .Ebene' zu wenig ins Auge. Allzuleicht stellt sich die Vorstellung ein, es drehe sich bloß um ein Übereinander von .höheren', d. h. besseren, und .niedereren', d. h. schlechteren .Schichten' oder .Ebenen'. N o c h dazu assoziiert man gern verschiedene soziale .Schichten' als etwaige Träger der Sprachschichten . . .". So z. B. Sanders, 9 9 bis 108. Vgl. dazu 3.12: Fortführen. Dabei ist es irrelevant, ob es sich um Texte oder Textteile nach Textmustern handelt oder um individuell gestaltete Texte oder Textteile.

44

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

weite Auffassung von Stil. Da bei Textmustern häufig auch die groben propositionalen Gehalte konventionell festgelegt sind, sind auch sie für die Stilbeschreibung relevant: dann, wenn sie zur Beschreibung der Stilmuster wichtig sind. 96 Dadurch wird die Auffassung von Stil gegenüber (i) in 3.13 nochmals erweitert. 97 Das Ziel scheint bei Asmuth/BergEhlers (67 ff.) ähnlich zu sein, ist aber an einer noch weiteren Stilauffassung orientiert: Die „konventionelle Stilanalyse im bloß sprachstilistischen Sinne" stellt danach eine „Froschperspektive" dar, „welche die grammatisch, lexisch und phonetisch beschreibbare, im Grunde sekundäre Mikrostruktur wichtiger erscheinen läßt als die größeren, letztlich sprachunabhängigen Gestaltungsfaktoren, die die Makrostruktur gerade literarischer Texte bestimmen" (67). Sie verweisen in diesem Zusammenhang (68) auf den Artikel „Denkstil" bei Krahl/Kurz. So weit kann von linguistischem Interesse her nicht gegangen werden: Wo propositionale Gehalte bei der Stilbeschreibung eine Rolle spielen, geschieht das unter der Fragestellung des konventionellen Beitrags zum Formulierungsmuster. Je nach Auffassung ist der Stil ein wesentlicher Aspekt eines Textes oder Textmusters oder aber ein nebensächlicher Aspekt. Aufgrund der Ausführungen in 1.3 und 2.1 wird der Stil hier angesehen als ein wesentlicher Aspekt. Der bewertende Aspekt von Stil spielt in dieser Arbeit keine Rolle; statt der Stilnorm werden Stilkonventionen zum Gegenstand gemacht. Daraus ergibt sich auch, daß Individualstile hier nur in ihrem Zusammenhang mit Konventionen Beachtung finden können, nicht aber in ihrem Zusammenhang zur Stilnorm. Das Beiseitelassen des Normaspekts ist bedingt durch die Tatsache, daß das Ziel hier die Deskription ist, nicht die Präskription.

96 97

Vgl. die Beschreibungen in 6.3 und 6.4. Als Bezugspunkt gilt die engste dort genannte Auffassung, nämlich (iii).

4

Einige Theorien und Methoden der Stilbeschreibung

Wie in Kap. 2 ausgeführt unterscheide ich zwischen Stil und Stilbeschreibung. Stile werden zu linguistischen Gegenständen nur durch Verfahren der Stilbeschreibung. Unterschiedliche Verfahren der Stilbeschreibung sind bedingt durch verschiedene Fragestellungen und Zielsetzungen und durch verschiedene Theorien, die dazu verwendet werden. Die Fragestellungen und Zielsetzungen sind ebenso wie die Theorien gelenkt durch das dahinterstehende wissenschaftstheoretische Paradigma.1 Die Beschreibungskategorien und -methoden sind durch diesen Zusammenhang bedingt. Was unter Stil verstanden wird, ist deshalb nicht zu trennen von Zielsetzung, Theorie und darauf basierendem Beschreibungsverfahren, ebenso der wissenschaftstheoretischen Richtung. Dies mag als selbstverständlich erscheinen. Aber eine Untersuchung weniger Stilistiken und kleinerer Arbeiten unter Gesichtspunkten dieses Zusammenhangs zeigt, daß es nicht selbstverständlich ist. Theoriediskussionen sind vielmehr - abgesehen von der marxistisch-leninistischen Stilforschung (s. 4.4) — in der linguistischen Stilistik bisher nur insoweit wichtig geworden, als Unterschiede theoretischer Ansätze zum Thema gemacht wurden. 2 Angesichts der verwirrenden Vielfalt von bestehenden Ansätzen erscheinen sie umso wichtiger. Im folgenden werde ich exemplarisch erläutern, wie sich der dargestellte Zusammenhang in einigen Arbeiten zur Stilistik auswirkt. 4.1

Der Zusammenhang von Stilbegriff, Theorie und Beschreibung

Bei G. Langes „Untersuchungen zum Sprach- und Sprechstil von Helmut Schmidt" 3 geht es um die Beschreibung des Stils vorgegebener Texte oder eines Typs von Texten. Die der Beschreibung zugrundegelegte Auffassung von Stil ist die umgangssprachliche in ihrer Vagheit (s. 2.2.). Deshalb führt das Fehlen einer Festlegung des Gebrauchs von Stil zusammen mit dem Fehlen von Angaben über die Zielsetzung der „Untersuchungen" zu verschiedenartigen Verwendungen von Stil: In ^ Zu Paradigmen s. Kuhn. Z. B. Chatman, Levavasseur. In: Muttersprache 8 5 / 1 9 7 5 .

46

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Schmidts Reden „sind Wortwahl, Stil und Akzentuierung sorgfältig gewählt" (11). Es ist dabei nicht eindeutig, ob Wortwahl und Akzentuierung als Teilaspekte von Stil angesehen werden oder nicht. 4 Der „Redestil" von Schmidt wird untersucht unter Berücksichtigung von ,causa' (Thema) 5 und ,tempus' (Zeitpunkt der Rede) 5 und unter der hauptsächlichen Fragestellung, „wie der Politiker Helmut Schmidt jeweils die Sprache als Instrument politischen Handelns einsetzt". 5 Das jedenfalls würde Wortwahl und Akzentuierung einschließen; es wäre damit die Formulierungsweise in meinem Sinn gemeint, unter Einschluß stimmlicher Mittel. Es heißt weiter (13): „Der Redner Schmidt (SPD) spricht als Redner der Opposition, seine Rede richtet sich gegen die Positionen der Regierung, deren Abwertung die Argumentation und den Stil fast der gesamten Rede bestimmt." Auf der anderen Seite gehört Argumentation und sprachliches Handeln auch zum Stil (12): „Ein spezifisches Merkmal Schmidtschen Stils: Der Angriff wird vom Problem selbst abgelenkt und auf eine Person, auf etwas konkret Greifbares also, konzentriert." In diesem Zusammenhang werden die Anreden von Personen gezählt. „Der neue Stil betonter Sachlichkeit" heißt es an anderer Stelle und „ein neuer, von akzentuierter Sachlichkeit und übertriebener Nüchternheit geprägter Stil" (18). Unter Stil wird also verstanden: 1. ein Teilaspekt des Sprachlichen (ohne Wortwahl und Akzentuierung); 2. das Sprachliche „als Instrument politischen Handelns" (Stil von Argumentation abgesetzt) und 3. das Zusammen von sprachlichen Handlungsweisen und der Art und/oder Häufigkeit der sprachlichen Mittel, mit denen die sprachlichen Handlungen getan werden. Dies sind alles umgangssprachliche Gebräuche von Stil. Uneinheitlich wie der Begriff von Stil ist die Vorgehensweise bei der Beschreibung: Handlungen nach bestimmten sprachlichen Handlungsmustern werden gezählt. 6 Eine Reihe sprachlicher Handlungen nach Handlungsmustern wird genannt ohne „die Sprache als Instrument" dazu zu beschreiben. Es gibt Aufzählungen von sprachlichen Phänomenen zu bestimmten Aspekten von Redethemen. Außerdem werden sehr ungenaue Angaben über den „Satzstil" gemacht 7 und über „sprachliche Ebenen". 8 Damit ist die verwendete Theorie oder Methode unklar. Ge4 5

Zu Akzentuierung: Im Titel ist von Sprech-S t i 1 die Rede. Hier wird die rhetorische Tradition ersichtlich; die Systematik von Rhetoriken ist allerdings verloren gegangen. S. 1 2: Anrede von Politikern, weitgehend ohne Beifügung der sprachlichen Ausdrücke. Hauptsatz, Nebensatz (14); „längere Sätze" (16). S. 23. „Die sprachlichen Elemente pendeln (!) zwischen reiner Umgangssprache und Wörtern einer höheren Sprachebene . . ." (14), d. h. die Stilschichten (s. 3.4) werden hier herangezogen.

Einige Theorien und Methoden der Stilbeschreibung

47

sondert von der Beschreibung erscheinen am Ende in Listen: genannte Personen, Schlüsselwörter, sprachliche Ebenen für zwei Texte, Positivbegriffe und deren Häufigkeit für einen Text. Die Ziellosigkeit der Beschreibung wirkt sich hier aus: Der Aspekt des politischen Handelns (11) geht über der Isolierung der Beschreibungsgegenstände verloren. Der angenommene Zusammenhang von Stil und politischem Handeln wird nicht deutlich gemacht; genauso wird in der Beschreibung kein einheitliches oder begründetes Verfahren gewählt. Es geht dabei verloren, daß politisch g e h a n d e l t wird, i n d e m sprachliche Phänomene so und so verwendet werden. 9 In „Sprache als Instrument politischen Handelns" wird dies ja angedeutet, es bleibt aber für die Beschreibung ohne Konsequenzen. Gelegentlich wird dieser Zusammenhang sichtbar, aber die Art des Zusammenhangs bleibt undeutlich, o f t verwischt durch paraphrasierende Inhaltsangabe: „Gegen diese Koalition, eine .psychologische Masse', deren Führer impulsiv, emotional und .primitiv' (sechsmal) reagieren . . . , setzt Schmidt die ,kühle und nüchterne E r w ä g u n g ' " (13). Die Vermischung des Aspekts des sprachlichen Handelns (politischen Handelns hier) und der dafür verwendeten Ausdrücke ist bedingt durch den unklaren Stilbegriff; eine Unterscheidung zwischen engeren und weiteren Auffassungen von Stil (vgl. 3.13) läßt dies erkennen. Bei dieser Art von Beschreibung wird einer philologischen Praxis gefolgt. Durch das individualhermeneutische Interesse am Einzeltext oder an Einzeltexten einer Textgattung k o m m t es auf die verwendete Theorie und die Fixierung von Begriffen nicht an, ebensowenig auf eine methodisch konsequente Beschreibung.

4.2

Stildefinition und Art der Beschreibung

Ohmann 1 0 und Burton/Michaels 11 gehen von derselben Stilauffassung aus: „ S t i l i s t d i e W e i s e , e t w a s auszuführen." 1 2 Burton/Michaels berufen sich auf Ohmann, 1 3 beide gehen aber sehr verschieden vor. 4.21 Ohmann berücksichtigt nur die Aspekte „Weise" und „etwas" seiner Definition: Er setzt dabei eine kognitive Auffassung von Bedeu9

Io II 12

Vgl. dazu 5.11. „Generative Grammars and the Concept of Literary Style" 1964, deutsch 1971a; vgl. auch oben 1.24. „The Style Function" 1972. Ohmann 1971a, 218. Vgl. auch unten 4.41 die Ähnlichkeit des Zitats aus Riesel/Schendels und den Unterschied in der Beschreibungsart.

48

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

tung voraus (223) und einen darauf basierenden Synonymiebegriff (Bedeutungsgleichheit); Synonymie wird durch fakultative Transformationen aus Kernsätzen beschreibbar gemacht. Bei diesem Vorgehen bleibt folgender Aspekt der Definition unberücksichtigt: Weise und etwas sind über ausfuhren relationiert. Die Relation lautet etwa ,eine Person führt etwas in einer (bestimmten) Weise aus'. Außerdem werden sprachliche Handlungen (was,ausgeführt' wird) in der Regel anderen Personen gegenüber getan. Das alles kann mit dem frühen Ansatz der Transformationsgrammatik nicht beschrieben werden. Mit der verwendeten Theorie kann vielmehr nur ein Teilaspekt des Definierten beschrieben werden: ein Teil der sprachlichen Äußerungs-,,Weise", mit der „etwas ausgeführt" wird. Ohmann schreibt selbst (223): „ . . . wenn die Syntax auch ein zentraler Determinant des Stils zu sein scheint, so ist sie doch zugegebenermaßen nicht das Ganze des Stils. Bildsprache, rhetorische Figuren und der Rest sind o f t recht wichtig." Damit ist die Beschreibungsart der Definition nur zum Teil angemessen. 4.22 Einen anderen Weg der Beschreibung gehen Burton/Michaels, ausgehend von der folgenden Bestimmung (133): „Style when applied to literary works is a way of saying it; when predicated of other objects, it is a way of doing it." Etwas sagen oder etwas tun sind Handlungen. Die Behauptung bezieht sich auf eine Art von Handeln 1 4 und auf die Art, wie die Handlung getan wird. Das Wie des Handelns wird nun bei Burton/Michaels mit Hilfe einer mathematischen Formel beschrieben (125): „Mathematically, the relationship of style to a literary work can be expressed as a propositional function S ( 4 ) . " Diese Formel dient m. E. nur dazu zu verschleiern, in welcher Relation Stil und literarisches Werk gesehen werden (vgl. das Zitat). Außerdem ist sie so weit, daß Stilbewertung, stilistische Kompetenz, die Geschichte des Stilbegriffs usw. damit angegangen werden. Der Begriff des Handelns, den die Definition mit enthält, bleibt bei diesem Vorgehen unberücksichtigt. Definition und Vorgehen sind zwar beide auf Stil bezogen, aber das Vorgehen ist der Definition unangemessen. Demgegenüber sind besondere Arten sprachlichen Handelns m. E. mit Hilfe einer sprachlichen Handlungstheorie zu beschreiben. Formeln der angegebenen Art scheinen mir dem prinzipiell unangemessen zu sein. 4.23 Die beiden Arbeiten zeigen, daß o f t eine Diskrepanz besteht zwischen der Auffassung von Stil, der damit gegebenen Zielsetzung und 14

Z. B. etwas sagen oder ein Musikstück aufführen bzw. schreiben, ein Gebäude, ein Kleid entwerfen usw.

Einige Theorien und Methoden der Stilbeschreibung

49

der Vorgehensweise: Teilweise oder gänzliche Unangemessenheit sind die Folge. 1S

4.3

Theoretischer Eklektizismus

Enkvist 1 6 bietet eine linguistische Stilistik, die sich als eine Kombination verschiedener linguistischer Ansätze erweist. 4.31 Er differenziert die Auffassung von Stil als Wahl (vgl. 3.21): Danach sind stilistische Wahlen verschieden von grammatisch bedingten Wahlen (die zur grammatischen Korrektheit von Sätzen führen) und von pragmatisch bedingten Wahlen (die durch die generelle Handlungsintention gegeben sind). 1 7 Dadurch beschränkt Enkvist die stilistischen Merkmale eines Textes auf solche, zu denen es s t i l i s t i s c h e Alternativen gibt; 1 8 das Stilistische wird auf einen Teilaspekt der Äußerungen eingegrenzt. Stilistisch werden solche Elemente eines Textes genannt, zu denen es im Sprachsystem (Langue) stilistische Alternativen gibt. Spezielle Alternativen im Stil eines Textes oder Texttyps sind, wie aus Späterem hervorgeht, allerdings auch gemeint, sie werden aber nicht ausdrücklich genannt. Es ist auch von zwei Arten von „stylogrammatical rules" (46) die Rede: nämlich solchen, die obligatorisch in einem Stil sind, 19 und solchen, die „variable rules" im Sinne Labovs (1969) sind; es sind Regeln, die mit größerer oder geringerer Häufigkeit in einem Text angewendet werden und gegen andere Regeln austauschbar sind. Die Grammatik hat solche Regeln nach Enkvist mit zu berücksichtigen ( 4 3 - 4 6 ) . Damit wird die Auffassung der stilistischen Alternativen des Sprachsystems modifiziert in Richtung auf den Gebrauch in Texten oder Textarten. Enkvist nimmt außer der Beschränkungen auf stilistische Alternativen noch eine weitere Einschränkung dessen vor, was er Stil nennt: Ein Stil entsteht erst auf dem Hintergrund einer Norm (15). Stil ist definiert durch denjenigen Unterschied zwischen Text und Norm, der durch den Vergleich beider gewonnen wird. 2 0 Die Norm ist die Erwartungshaltung, 15

Diese Kritik trifft auch meine eigenen früheren Arbeiten Sandig 1 9 7 0 und 1 9 7 2 a. Dort werden Handeln und Muster zwar postuliert aber nicht in angemessener Weise beschrieben. Linguistic Stylistics 1973. 17 Vgl. Enkvist 1964. j® 1973, 145 u. ö. Vgl. dazu auch 3.1. Beispiel: thou lovest in religiösem Stil. „A stylistically marked text differs from a stylistically unmarked, neutral norm" 15, auch 24.

50

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

die der Rezipient an den Text heranträgt, sie ist der Text oder die Textgruppe, vor deren Hintergrund er den Text rezipiert. 21 Deshalb ist die Stilwirkung 2 2 verschieden je nach den Normerwartungen der Rezipienten oder nach den Normen, die sie eigens für den Text heranziehen. Die Norm wird auch als Kontext des zu rezipierenden Textes angesehen. Die stilistisch relevanten Elemente des Textes (style markers) sind die: Ihre Vorkommenshäufigkeiten (densities 23) weichen spürbar von ihren Vorkommenshäufigkeiten in der Norm (im als Norm herangezogenen Text oder Textkorpus) ab. 2 3 Der Fall, daß jemand mit seinem Stil einer Norm f o l g t , scheint damit nur durch den Bezug auf eine andersartige Norm überhaupt als stilistisches Phänomen beschreibbar zu sein. Oder vielmehr: er ist wohl gänzlich ausgeschlossen, da mit Stil die individuelle Abweichung von einer Norm gemeint zu sein scheint. Es werden also nur solche Elemente in einem Text als stilistisch relevant angesehen, die gegenüber einer Norm auffällig häufig (oder auch selten) vorkommen. Da die Norm je nach den Erwartungen und Intentionen des Rezipienten wechseln kann, können verschiedene Rezipienten Verschiedenes als stilistisch relevant ansehen (oder auch derselbe Rezipient, wenn er verschiedene Erwartungshaltungen und/oder Intentionen hat). Dieselben Elemente eines Textes werden also nicht in jedem Fall unter stilistische Merkmale gezählt. 2 4 Die mögliche Konsequenz ist, daß der Stil nicht eine Eigenschaft des Textes ist. Sondern als Ergebnis des Vergleichs von Text und Norm können zu einem Text je nach der verwendeten Norm mit Hilfe derselben Beschreibungsmethode sehr verschiedene Stilbeschreibungen gegeben werden. 2 5 Wenn auch die „suitably contrasting n o r m " als wichtig genannt wird (24), so ist doch die äußerste Konsequenz dieser Auffassung diese: Der Stil bzw. die Stilwirkung wird beschrieben abhängig allein von den Kenntnissen und Zielen des Rezipienten. Die kontext- und rezipientenbezogene und damit in diesem Punkt pragmatische Auffassung bei Enkvist scheint darüberhinaus von behavioristischen Tendenzen nicht frei zu sein: 2 6 „It is the task of linguistic stylistics to set up inventories and descriptions of stylistic stimuli with 21 22 23

24

25

26

Die Norm ist „a set of expectations conditioned by passed experience", 24. „Impression of style", 145. „Those linguistic features whose densities in the text are significantly different from those in the norm are called style markers", 146. Wie dies mit Enkvists Auffassung der stilistischen Alternativen im Sprachsystem und mit der postulierten Unterscheidung obligatorischer und variabler Regeln zusammenstimmt, ist mir unklar. Vgl. 50: „the number of possible styles is unlimited and depends on the number of possible combinations of texts and norms." Ähnlich Riffaterre's strukturalistische Auffassung.

Einige Theorien und Methoden der Stilbeschreibung

51

the aid of linguistic concepts" (16). „Stylistic Stimuli", „responses" und „impressions of styles" (145) weisen in die Richtung des Behaviorismus, ebenso die ungeheure Vielzahl möglicher verschiedener Reaktionen auf dieselben Gegebenheiten. 2 7 Die Inventare (z. B. 16) der mit bestimmten Häufigkeiten in einem Stil vorkommenden stilistischen Merkmale werden nicht unter dem Gesichtspunkt von Analogie oder Rekurrenz betrachtet (s. o. 3.1). Es ist im Gegenteil geradezu von Anhäufung („aggregate") die Rede: „Style can be regarded as the aggregate of contextual probabilities" (41). Das Gewicht, das die statistischen Verfahren in Enkvists Kap. 8 erhalten, paßt hierzu. Trotzdem ist ein Kapitel denjenigen Stilmerkmalen gewidmet, die unter textlinguistischer Fragestellung erforscht werden, und es wird immer wieder betont, Stil sei ein Textphänomen. Dies kann nur so verstanden sein, daß ein T e x t mit der Norm verglichen wird, nichts anderes. Demgegenüber wird Stil aber auch als S p r a c h - Variante angesehen. 28 Wie dies vereinbar ist mit der zu Beginn dargestellten Auffassung von den stilistischen Alternativen im Sprachsystem u n d mit der beschriebenen Rolle der Erwartung des Rezipienten, bleibt undiskutiert. 4.32 Ich resümiere: Bei dem Ansatz von Enkvist lassen sich mindestens folgende Komponenten herausschälen: (i) eine pragmatische: (gelernte) Erwartungsnormen steuern die Rezeption eines Textes durch den Rezipienten; (ii) eine behavioristische: Stilmittel sind Stimuli, sie lösen beim Rezipienten Responses aus; (iii) eine grammatische: Die grammatischen Regeln gleich welchen Grammatiktyps müssen bei stilistischen Alternativen die stilistischen Bedingungen mit enthalten, ebenso Vorkommenshäufigkeiten, damit eine „füll grammar" (43) gegeben ist; (iv) eine statistische: Vorkommenshäufigkeiten; Stilstatistik; (v) eine textbezogene: Stile sind an Texte gebunden; und speziell eine textgrammatische: Stile enthalten sprachliche Elemente, die der Textkonstitution dienen; (vi) eine langue-orientierte: Stil als kontextbedingte Varietät der Sprache, als Subsprache, wobei die herangezogene „ N o r m " als „ K o n t e x t " dient; Stilmittel als Alternativen in der langue. 27

28

Vgl. die Kritik am Behaviorismus bei Öhlschläger 1973; Heringer 1 9 7 4 a , 15-18. „Style is defined as contextually restricted linguistic variation." 51, vgl. S. 5 2 Language: „compare this language with that of a relevant norm"; auch 57.

52

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Eine Integration aller Komponenten in einen theoretischen Ansatz fehlt und ist auch nicht möglich. Denn die Komponenten gehören der referierten Literatur nach mehreren Wissenschafts-Konzepten an: (a) (i) gehört in eine sozialwissenschaftlich-hermeneutisch orientierte Linguistik; (b) (ii), (iii) bezüglich etwa der variable rules, (iv) und teilweise (vi) gehören zu einer kritisch-rational orientierten Linguistik; (c) (iii) bezüglich der Irrelevanz bestimmter grammatischer Modelle jedes Modell kann geeignet sein - entspricht eher dem alten philologischen Vorgehen. Den Hauptakzent, nicht nur quantitativ, trägt die Auffassung (b). Die Vermischung verschiedener Gesichtspunkte mag das folgende Zitat verdeutlichen (24): „The impression of style . . . arises out of a comparison of the densities of linguistic features in the text with the densities of the corresponding linguistic features in a contextually related n o r m . ' Neben dieser „statischen" Auffassung von Stil (24) gibt es eine Betonung des Prozesshaften der Textrezeption (24); darauf wird aber nicht weiter eingegangen. Der Vergleich von Stil und Norm stellt die durchgehende Konzeption dar. Damit ist aber je nach der herangezogenen Wissenschaftsrichtung immer wieder zumindest teilweise Verschiedenes gemeint. Wir finden in diesem Buch, ähnlich wie bei Sanders 2 9 eine Kumulierung möglichst vieler Ansätze und Gesichtspunkte. Mit der Kumulierung soll ein umfassender Ansatz erreicht werden. Demgegenüber wird mit dem konsequenten Gebrauch einer einzigen Theorie ein Aspekt des Gegenstandes schlüssig beschrieben. Der Preis der Kumulierung sind dagegen Widersprüche und Unklarheit. Zum Beispiel ist bei Enkvist und Sanders unklar, wie Stil inbezug auf die Kompetenz-Performanz-Unterscheidung gesehen wird (bzw. die langue-parole-Unterscheidung). Damit ist weiter unklar, ob linguistische Stilistik eine systematische Sozialwissenschaft ist (wie Linguistik in der Regel aufgefaßt wird) oder eine historische Sozialwissenschaft. 3 0

4.4

Deskription und Präskription

Im folgenden befasse ich mich mit dem Zusammenhang von Stilbegriff, Theorie und Methode und dem Zweck von Stilistik bei Riesel und Schendels, „Deutsche Stilistik". Diese Arbeit basiert auf früheren Ar29 30

S. meine Rezension. Vgl. Öhlschläger 1 9 7 4 über den Zusammenhang beider.

Einige Theorien und Methoden der Stilbeschreibung

53

beiten von Riesel, auf einer stilistischen Schule 3 1 in der Nachfolge der Prager Stiltheoretiker. 3 2 4.41 Stil wird schrittweise folgendermaßen definiert: „Stil ist die Art und Weise, w i e (Form, B. S.) bestimmte Gedanken, Gefühle und Willensäußerungen (Inhalt, B. S.) dem Gesprächspartner dargeboten werd e n " . 3 3 Form und Inhalt werden als in dialektischem Wechselverhältnis stehend verstanden (S. 15). Präzisiert wird diese Definition durch eine andere (16): „Stil ist ein historisch veränderliches, durch gesellschaftliche Determinanten bedingtes Verwendungssystem der Sprache, objektiv verwirklicht durch eine qualitativ und quantitativ geregelte Gesamtheit sprachlicher Mittel - mit anderen Worten: realisiert aufgrund kodifizierter 3 4 Normen für die einzelnen Kommunikationsbereiche". Der Ansatz ist .soziolinguistisch', indem „die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Stil" eine Rolle spielen (5); außerdem ist er,pragmatisch', indem „Sender/Empfänger-Beziehung" und „sprachliche Angemessenheit" berücksichtigt werden (7 f.). Den theoretischen Gesamthintergrund bilden die „marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften" (5). Damit ist die Stilistik nicht nur deskriptiv, sondern durch diesen Rahmen auch präskriptiv: sie „ist die Lehre vom sprachlichen Takt, vom passenden sprachstilistischen Benehmen der Kommunikationspartner in bestimmten funktionalen Bereichen, in bestimmten Sprechsituationen" (8). Daß dies nicht nur die Auffassung aus der „Sicht des Spracherziehers und Lehrerbildners" (8) ist, zeigt folgendes: Die „Grundmerkmale für den Nachweis jeglichen funktionalen Stils" sind „seine gesellschaftliche Aufgabe (funktionale Spezifik) wie . . . die sprachstilistische Ausformung (linguostilistische Spezifik)" (20). Die gesellschaftliche Aufgabe der schöngeistigen Literatur, wie auch der anderen funktionalen Stile, ist die „Erziehung des neuen Menschen" (20). Deshalb steht die „fast unbegrenzte Auswahl sprachlicher Mittel" in literarischen Texten „im Dienste ideologischer und künstlerischer Wirklichkeitserkenntnis" (21); „Mißbräuche" wie Spielen mit Sprache werden von dieser präskriptiven Einstellung aus abgelehnt (21). Die folgende Definition von Stil (16) scheint mehr deskriptiv geleitet zu sein: „Stil ist die funktionsgerechte, dem jeweiligen Sprachusus im schriftlichen und mündlichen Gesellschaftsverkehr angemessene Ver31

32

Außer Riesel z. B. Autorenkollektiv und besonders die Arbeit von Fleischer/Michel. Z. B. Benes/Vachek (Hg.), Garvin (Hg.). Riesel/Schendels 6, auch 15. Fußnote: „d. h. festgelegter, systematisierter".

54

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

wendungsweise des sprachlichen Potentials." Aber auch Sprachusus ist hier implizit normativ gebraucht, denn funktionsgerecht ist ja, was den gesellschaftlichen Zielen dient. Außerdem ist die Hierarchie der Stilschichten hier umgewertet übernommen für die Beschreibung der „normativen Komponente der Stilfärbung" 3 5 einzelner sprachlicher Einheiten. „Als Grundnorm (in dieser Hierarchie der Stilfärbungen, B. S.) bezeichnen wir die Stilfärbung, die von der bildungstragenden Schicht in allen Stilen als Nullfärbung, als neutrale Basis verstanden wird." (31) Also ist der Sprachusus der bildungstragenden Schicht, die selbst präskriptiv gelenkt im Dienst gesellschaftlicher Aufgaben steht, das normbildende Kriterium. 3 6 4.42 Wie wirkt sich diese gesellschaftliche Bestimmung von Stil und Stilistik auf Theorie und Methoden aus? Als „funktionale Stile" nehmen Riesel/Schendels „die reale Existenz" von fünf sehr umfangreichen Stilarten an. Diese sind wieder untergliedert in Gattungsstile. Als Klassifikationsprinzip dienen die „gesellschaftlichen Aufgaben". Über die endgültige Klassifizierung der als real existierend angesehenen Funktionalstile, über die Art des anzunehmenden Abbilds 3 7 besteht noch keine Einigkeit unter den Wissenschaftlern der Schule. Entsprechend der kausalistischen und deterministischen Auffassung in der verwendeten Wissenschaftstheorie gibt es folgende gesetzmäßige (43), kausale Zusammenhänge: Ein „Ursache — Wirkung - Verhältnis" „zwischen den kommunikativen Wirklichkeitsbedingungen (Mitteilungszweck, Thema, Sprechsituation u. a. m.) und den Stilzügen" (24). Unter Stilzügen verstehen Riesel und Schendels „qualitative Wesensmerkmale" (24) von Stilen oder Substilen wie z. B. Förmlichkeit, Logik, Expressivität, Bildkraft, Klarheit, Genauigkeit (25). 3 8 Auch zwischen den Stilzügen und der „sprachlichen Ausformung" von Stilen besteht ein Kausalitätsverhältnis (293): „Die Stilzüge (nun: Ursache) rufen zu ihrer sprachlichen Realisierung (nun: Folge) ein Mikrosystem von Ausdrucksmitteln aller Ebenen hervor." Damit wird ein Zusammenhang von „kommunikativen Wirklichkeitsbedingungen" und sprachlichen Formen über die Stilzüge 35 36

38

Die Stilfärbung ist die stilistische Bedeutung, 29 f. Der Vergleich mit der Rolle des Sprachusus - allerdings im Dienst anderer Ideologien, von Vaugelas an - drängt sich hier auf: der Usus der bildungs- und ideologietragenden Schicht als Norm für die gesamte Gesellschaft. Buhr/Klaus, 31. Ich greife im folgenden zurück auf die Artikel Abbild und Abbildtheorie, Erkenntnistheorie, Dialektik, Determinismus und Kausalität bei Buhr/Klaus. Bei den Stilzügen fällt auf: Sie werden wiedergegeben durch Substantive, zu denen es meist entsprechende Adjektive gibt; mit diesen wird die Art und Weise, das Wie bezeichnet.

Einige Theorien und Methoden der Stilbeschreibung

55

als Gesetzmäßigkeiten beschrieben; die Stilzüge haben dabei zuerst die Funktion der Wirkung, dann die der Ursache. 39 Individualstile werden innerhalb dieser Auffassung konsequent gesehen als „auf allen Gebieten kommunikativer Tätigkeit diesem oder jenem Funktionalstil untergeordnet" (27). D. h. die individuelle Freiheit ist gegeben im Rahmen der „gesetzmäßig" gesicherten Spielräume in funktionalen Stilen oder Substilen. Abweichungen40 werden anscheinend toleriert aufgrund der Dialektik von Notwendigkeit und Zufall. 41 Die Stilfärbungen der einzelnen sprachlichen Einheiten sind unterteilt in drei Komponenten: funktional, expressiv und normativ. Die drei Komponenten werden als ein Nebeneinander eingeführt (29); sie werden aber dann (34) als in „engem Wechselverhältnis" dargestellt: dialektisch als „Einheitliches in seinen gegensätzlichen Bestandteilen". 42 Die funktionale Komponente ist die, mit der das gesetzmäßige Vorkommen sprachlicher Einheiten in einem funktionalen Stil bezeichnet wird; die normative Komponente dient der Angabe der Stilschicht (s. o.); 43 in der expressiven Komponente wird die Unterscheidung „expressiv"/„nichtexpressiv" gemacht (33)V Die Methoden der Beschreibung sind „qualitativ-quantitative Verfahren" (49) mit einer dialektischen Vorgehensweise (49): 1. der „sorgfältigen Auswahl der Texte", 2. der statistischen Beschreibung von Häufigkeiten als Wahrscheinlichkeitsaussagen, 3. abschließende „qualitative Charakteristik". Entsprechend den Ausführungen von 4.41 dürfte die Auswahl von Texten schon normativ vorbestimmt sein.45 Riesel 1974, 17 schreibt noch: „Bei der linguostilistischen Interpretation von Texten a l l e r kommunikativen Bereiche können — in theoretischer wie in praktischer Sicht — dreierlei Methoden gewählt werden: 1) die semantischstilistische Methode, 2) die strukturelle Methode und 3) die statistische 39 40 41 42 43

44

45

Vgl. „Kausalität" bei Buhr/Klaus. s . 4 4 - 4 6 ; und z. B. ein Zitat von Jolies, 2 9 8 . Buhi/Klaus 2 4 5 . Buhr/Klaus 2 4 5 . Welche Rolle die Stilnormen spielen und damit die normative Komponente, ist mir nicht klar: Stilnormen werden angesehen als „die obligatorischen Gesetzmäßigkeiten für die Auswahl und Organisation der stilistisch neutralen wie der stilistisch markierten Sprachnormen in geschlossenen Ausdruckssystemen und Textsorten sämtlicher kommunikativer Bereiche". ( 4 3 ) In welcher Relation stehen sie zu den „Verwendungssystemen der Sprache", wobei auch von Norm die Rede ist? Vgl. das Zitat von S. 1 6 am Beginn von 4 . 4 1 . Nach Riesel 1 9 7 5 „müssen die Stilzüge als stilbildende und gleichzeitig stilnormende Größen gewertet w e r d e n " (S. 1 ). Hiermit scheint die in der Stilistik häufige Unterscheidung in Denotation und Konnotation übernommen zu sein. Vgl. Fleischer/Michel 5.

56

Voraussetzungen, Zielsetzungen und Begründungen

Methode. Das Zuwenden zu einer Kombination dieser drei an sich verschiedenen Verfahren darf nicht als Eklektizismus aufgefaßt werden; es entspringt vielmehr dem bewußten Bestreben, die Mängel der bisher allein verwendeten traditionellen (semantisch-stilistischen) Methode durch Ergänzungen aus modernen exakteren Arbeitsweisen zu beseitigen." Das dialektische Verfahren bei Riesel/Schendels dient also der Meidung von Eklektizismus. Man sieht an diesem Beispiel: Verfahrensweisen anderer stilistischer Richtungen werden aufgenommen und uminterpretiert; dadurch werden sie in das allgemeine gesellschaftswissenschaftlich orientierte Konzept eingefügt. 46 Dies geschieht auch mit Begriffen wie .Angemessenheit' und .Ausdrucks-' und ,Eindruckswert'; bei den Stilzügen besteht eine Ähnlichkeit mit W. Schneiders „Ausdruckswerten", 47 bei den Stilfärbungen mit Ullmann's Auffassung (s. 3.21). 4.43 Damit beruht diese Theorie und Methode konsequent auf der Erkenntnistheorie des dialektischen Materialismus. In diesem Rahmen werden Deskription und Präskription nicht getrennt, und dies ist innerhalb dieser Erkenntnistheorie verträglich mit einem Anspruch der Exaktheit und Objektivität der Wissenschaft, der Abbildung von Gesetzmäßigkeiten. Die Subjekt-Objekt-Beziehung 48 ist im Rahmen dieser Erkenntnistheorie mit der Abbildtheorie gegeben. 49

4.5

Die Konsequenz für die Ziele dieser Arbeit

Die Darstellung dieser wenigen Arbeiten zeigt die Notwendigkeit folgender Punkte: Präzisierung des Gebrauchs von Stil, Reflexion über Theorie und Methoden, die diesem Gebrauch angemessen sind; Reflexion des wissenschaftstheoretischen, eventuell auch ideologischen Hintergrunds. Mein Ziel ist es, Stile als Eigenschaften sprachlicher Handlungsarten zu beschreiben: als Konventionen für Formulierungen und Formulierungsmuster. Dafür ist es m. E. notwendig, eine Theorie sprachlichen Handelns zu benutzen. Handlungen können aber nur verstanden werden aufgrund von Sinnhaftigkeit in einer Gemeinschaft. 50 Deshalb ist eine kausalistischdeterministische Beschreibungsart dafür ungeeignet. 51 Vielmehr ist ein 46 47 48 49

50 51

Vgl. auch Fleischer/Michel 35. Vgl. dazu Riesel 1975, 2. Vgl. oben Apel 2.14. „Abbilder entstehen im Erkenntnisprozeß als aktive ideelle Aneignungen der objektiven Realität (der Objekte, B. S.) auf der Grundlage praktischer Tätigkeit (des erkennenden Subjekts, B. S.)." Buhr/Klaus 31. Vgl. Schütz und das folgende Kapitel. Vgl. auch die Darstellung des Unterschieds bei von Wright.

Einige Theorien und Methoden der Stilbeschreibung

57

sozialwissenschaftlich-hermeneutisches 52 Vorgehen für die Zielsetzung angemessen. Eine linguistische Theorie, die dafür geeignet wäre, existiert nur in Ansätzen. 5 3 Eine Darstellung des Zusammenhangs von Wissenschaftstheorie, linguistischer Theorie und Methoden gibt es für die Pragmatik bisher nicht. Die semiotische Richtung der Stilbeschreibung 54 scheint mir der erwähnten Zielsetzung auch nicht gerecht zu werden. Dort wird zwar das Zeichen aufgegliedert in die Relationen: ,Zeichen - Zeichen'. Reichen Gegenstand' und .Zeichen - Benutzer'. Dies scheint mir aber auf einer Subjekt-Objekt-Trennung (Apel) zu beruhen. Das gilt auch für die bei der Stilbeschreibung relevanten Unterscheidungen .Text — Text', ,Text - „zugrundeliegendes S u b s t r a t " ' und ,Text - Rezipient'. 5 5 Für die Beschreibung von Handlung, Handlungsmuster, Konvention, Regel usw. ist aber die Rolle des verstehenden Subjekts, auch des Beschreibenden, wichtig. D. h. die Subjekt-Objekt-Vermittlung ist Voraussetzung (s. 2.14). Im folgenden gebe ich zunächst die Skizze einer Theorie, die Beschreibungskategorien für die angegebene Zielsetzung liefern kann.

52 53

54 55

Dazu 2.14. Vgl. Hennig/Huth; Schlieben-Lange 1975, w o auch Textlinguistik und Soziolinguistik in den pragmatischen Ansatz mit einbezogen werden. Vgl. Plett, Kloepfer, Wienold u. a. Z. B. Wienold 9 f f . Die Wienoldsche Formulierungstheorie mit der Strukturierung der Rezipiententätigkeit, Textbasen (Normalformen) usw. gehört in diese Richtung. Ausführlicher als bei Wienold ist die Darstellung bei Plett 1 4 - 1 1 9 .

II

BESCHREIBUNGSKATEGORIEN UND STILBESCHREIBUNGEN

5

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung

Aus dem Bisherigen geht die Zielsetzung hervor: Stile als Eigenschaften sprachlicher Handlungen von Sprechern gegenüber Hörern zu beschreiben. Voraussetzung dafür ist eine Theorie sprachlichen Handelns, durch die Beschreibungskategorien gegeben werden. Da es diese nur in Ansätzen gibt, kann ich nur eine Skizze geben. Unter Skizze verstehe ich eine grobe und unformale Darstellung von Zusammenhängen. Wichtig sind die großen Linien und Proportionen. Diese anzudeuten ist das Ziel dieses Kapitels. Die Skizze erhebt keinen Anspruch auf Eigenständigkeit, sie ist vielmehr gedacht als,Instrument für' Stilbeschreibungen. In diesem Sinn ist auch die Verwendung philosophischer Konzepte zu verstehen. Es gibt Stilphänomene der verschiedensten Art. Dies geht aus 1. und aus 3.1 hervor. 1 Die skizzierte Theorie sollte die Beschreibung möglichst vieler Arten von Stilphänomenen und ihrer Zusammenhänge ermöglichen. Das Ziel dieser Skizze ist es daher, ein Beschreibungsinstrumentarium zu erarbeiten, das 1) vielseitig ist, 2) zu große Einseitigkeit der Beschreibung mittels einer einzigen Theorie vermeiden hilft (vgl. 3.1, 4.2), und das 3) den Eklektizismus von Theorien und die damit verbundenen Probleme vermeidet (vgl. 4.3). 5.1

Grundbegriffe

5.11 Handlung und Handlungsmuster Für den Handlungsbegriff folge ich der Darstellung bei von Wright.2 Er unterscheidet folgende Aspekte des Handlungsbegriffs: Handlungen sind intentional, auf ein Ziel gerichtet (36). Das Ergebnis der Handlung wird .herbeigeführt', „indem" oder „dadurch daß" etwas,getan' wird. 3 1

In 3.1 wird allerdings abgehoben auf verschiedene Beschreibungsaiten von Stilphänomenen. Vgl. auch den Überblick über verschiedene Auffassungen von Handlung bei Opalka. D. Wunderlichs „Handlungstheorie und Sprache" (in: D. Wunderlich, Studien zur Sprechakttheorie, Frankfurt 1976, 3 0 - 5 0 ) konnte nicht mehr berücksichtigt werden. V o n Wright 6 8 f . Zum Beispiel wird eine sprachliche Handlung vollzogen, indem ein Satz oder eine Abfolge von Sätzen geäußert wird.

62

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Dazu müssen als Voraussetzungen gegeben sein: „die Fähigkeit, etwas zu tun" und die „Fähigkeit, etwas herbeizuführen" (68). Was durch das Tun herbeigeführt wird, ist das Ergebnis (86) der Handlung. Ein intendiertes Ziel, ein Inneres, wird also erreicht, indem etwas Äußeres getan wird (85), nämlich das Hervorbringen von Sätzen. Eine Handlung hat außer einem Ergebnis auch Folgen. 4 Beschreibungen von Handlungen können auch komplizierter sein. Beispielsweise kann man sagen: Der Sprecher warnt den Hörer, indem er ihn aufmerksam macht, indem er äußert paß auf den Stil auf! Handlungen können also in Form von „Ketten" beschrieben werden, 5 deren Elemente durch indem verbunden sind. Am Ende der Beschreibungskette steht die sogenannte Basishandlung. Ich habe früher schon betont, daß die Art der Beschreibung einen Gegenstand als linguistischen konstituiert: was unter Stil verstanden wird, was als Stilmittel zählt, usw. Nach Anscombe 6 ist ein Verhalten intentional „unter einer Beschreibung"; unter einer anderen Beschreibung ist es möglicherweise nicht intentional. Ebenso hängt es von den Absichten des Beschreibenden ab, was er als Ergebnis, was als Folge und als Basishandlung annimmt. Eine sprachliche Äußerung kann demnach unter der einen Beschreibung eine sprachliche Handlung sein, unter einer anderen Beschreibung dagegen nicht. So kann ich ein Textstück, mit dem eine Handlung vollzogen wird (z. B. etwas definiert wird), auch beschreiben unter dem Gesichtspunkt der verwendeten syntaktischen Formen; unter dieser Beschreibung erscheint es nicht als Handlung. Vom Handeln her gesehen werden bei vielen traditionellen und modernen Stilbeschreibungen nur Teilaspekte der Äußerungen beschrieben. 7 Es ist deshalb wichtig, zu unterscheiden zwischen Handlung und Handlungsbeschreibung. 8 Der intersubjektive Nachweis dafür, ob eine Handlung einer bestimmten Art vollzogen wurde, ist manchmal nicht leicht zu erbringen. Das Ergebnis des Tuns reicht dafür nicht aus. Denn es gibt auch Unterlassun4

5

6 7

8

„Die Folgen einer Handlung sind . . . Wirkungen des Ergebnisses dieser Handlung." von Wright 87. Vgl. Wunderlich 1976, „Konsequenz". „Solche Ketten enden stets und notwendig in etwas, was ich tue, und zwar nicht in etwas, was ich dadurch tue, daß ich etwas anderes tue, sondern eben in etwas, was ich simpliziter tue." von Wright 70. Auch Heringer 1974a: „Erzeugung", s. dazu 6.2. S. von Wright 36, 103. Ein Beispiel sind die Textanalysen bei Schlüter 3 0 0 - 3 0 6 : Die Texte werden nach Stilfiguren analysiert, nach Argumentationsformen und Leitmotiven. Die Funktion der Figuren im Gesamten der Texte spielt bei der Beschreibung keine Rolle, auch nicht, daß mit Texten etwas getan wird. Heringer 1 9 7 4 a , 40. Vgl. auch oben die entsprechende Unterscheidung für Stü und Stilmittel.

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung

63

gen (von Wright, 89) und Fehler (Keller, 14). Deshalb ist die Intention das entscheidende Kriterium. Die intersubjektive Einigung darüber, wann eine Intention vorgelegen hat und wenn, welche, ist abhängig von Konventionen in einer Gemeinschaft: Für die Beschreibung von Handlungen als auslassen, unterlassen, verschweigen, sich versprechen usw. gibt es ebenso Konventionen wie für die Beschreibung als befehlen, beweisen, aufzählen, kritisieren usw. 9 Für Handlungsarten, die in einer Gemeinschaft als relevant gelten, gibt es Benennungen, d. h. Möglichkeiten des Beschreibens. 10 Von Wright schreibt (108): „Intentionales Verhalten 11 gleicht, so könnte man sagen, dem Gebrauch einer Sprache. Es ist eine Geste, mit der ich etwas meine. Gerade wie der Gebrauch und das Verstehen einer Sprache eine Gemeinschaft voraussetzt, setzt das Verstehen einer Handlung eine Gemeinschaft von Institutionen, Praktiken und technologischen Einrichtungen voraus, in die man durch Lernen und Abrichtung eingeführt worden ist. Man könnte es vielleicht eine Lebensgemeinschaft nennen. Ein Verhalten, das uns völlig fremd ist, können wir nicht verstehen oder teleologisch 12 erklären." Um ein Verhalten als Handlung zu beschreiben 13 , müssen wir es auf ein intersubjektiv geltendes Muster beziehen. Z. B. wird Stil im Konversationslexikon beschrieben nach dem Muster ,Lexikonartikel', im einsprachigen Wörterbuch nach dem Muster ,Wörterbucheintrag'; es sind — im Rahmen umfassenderer Handlungsmuster — unterschiedliche Muster für das Handeln und das Verstehen der Handlung. Heringer 1974a unterscheidet deshalb zwischen Handlung und Handlungsmuster (38). Nur durch das Beziehen eines Verhaltens auf ein Muster kann es intersubjektiv als Handlung der und der Art verstanden werden 14 und folglich auch beschrieben werden (von Wright). 15 Der Bezug auf ein Muster liegt auch in dem Fall der Unterlassung oder der Abweichung von einem Muster vor. Der Zusammenhang zwischen Verstehen und Beschreiben bedingt die hier gewählte sozialwissenschaftlich-hermeneutische Grundlage 9

10 11 12 13 14 5

Strawson gibt Beispiele für Handlungen, bei denen der Adressat gerade nicht die Intention „als solche" (66) verstehen soll, damit die Handlung für den Sprecher erfolgreich vollzogen wird: einflüstern (72-74). Diese sind keine Gegenbeispiele in bezug auf die Rolle der Intention für sprachliche Handlungen. Denn wer eine Handlung als einflüstern beschreibt, setzt eine entsprechende Intention des Sprechers dem Hörer gegenüber voraus. Schlieben-Lange 1975. D. i. Handeln, B. S. D. h. als intentional, zielgerichtet, B. S. Von Wright 123f. Heringer 1974a, 37f. Der Beschreibende muß „insider" sein, Cicourel, 204.

64

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(s. 2.1). Individuelle Handlungen werden beschrieben als Handlungen nach Mustern oder als davon abweichende, fehlerhafte, unterlassene Handlungen bezogen auf Muster. Dabei ist „einfühlendes Verstehen kein ,Gefühl', es ist die Fähigkeit zur Partizipation an e i n e r , L e b e n s f o r m ' " 1 6 aufgrund der gegenseitigen Kenntnis (auch beim Beschreibenden) der dort eingespielten Muster. 5.12 Konvention Handlungsmuster sind etabliert per Konvention. 1 7 Die Mitglieder einer Gemeinschaft kooperieren miteinander (Grice) aufgrund von gegenseitigen Erwartungen, von koordinierten Erwartungen (Lewis). Handlungen werden von den Mitgliedern einer Gemeinschaft konventionell koordiniert, d. h. Handlungsmustern zugeordnet. Denn in bestimmten Situationen bestehen gegenseitige Erwartungen und Präferenzen; fast jeder (Lewis 7 8 ) hält sich an diese gegenseitigen Erwartungen und Präferenzen. 1 8 Ein Sprecher, der ein Interesse an erfolgreicher Kommunikation hat, zieht es vor, nach den für die Art von Situation geltenden Erwartungen zu handeln (Lewis 9 9 ) . Durch die Präferenz ist in dem konventionellen Aspekt sprachlichen Handelns der intentionale mit enthalten (Lewis 157). Dies geht anders auch aus von Wright hervor: Intentionen sind nur aufgrund von Konventionen verstehbar. Konventionen sind aber nicht in allen Details festgelegt (Lewis 51). Grade von Konventionalität (Lewis 7 6 f f . ) und Alternativen (Lewis 65 ff.) geben d e m sprachlich Handelnden Spielräume. 1 9 Es kann auch vorkommen, daß ein sprachliches Tun mehreren verschiedenen Handlungsmustern zugeordnet werden k a n n . 2 0 Darüberhinaus können die Partner in verschiedener Weise individuell handeln — vor dem Hintergrund des Bezugs auf eingespielte Muster. 2 1 Schnelle 2 2 ist der Ansicht, daß die Verhaltensregularitäten nur so ähnlich zu sein brauchen: Jeder Partner hat „den Eindruck, daß die Verständigung zustande k a m , j a daß der eine Partner dasselbe gemeint hat, 16

17

18

19 2 0 21

22

Von Wright 38. A u c h S. 39: „ .Verstehen' im Sinne der hermeneutischen Philosophie sollte von Einfühlung unterschieden werden. E s handelt sich hier u m eine semantische und nicht u m eine psychologische K a t e g o r i e . " Lewis 50 gibt dafür f o l g e n d e s Beispiel: ,,ln saying that Welshmen use Welsh by Convention, 1 d o not say it is a Convention that Welshmen use Welsh." Es handelt sich u m „regularities in verbal behavior, and in e x p e c t a t i o n s and preferences regarding verbal behavior. and in e x p e c t a t i o n s regarding these e x p e c t a t i o n s a n d preferences and so o n . " Lewis 107. Heringer 1 9 7 4 a , 38. Von Wright 87, Heringer 1 9 7 4 a , 39. Vgl. Wunderlich 1 9 7 4 , 3 3 4 f . : „ J e d e S p r e c h h a n d l u n g steht in einem mindestens teilweise konventionellen Z u s a m m e n h a n g mit anderen S p r e c h h a n d l u n g e n . . . " 2 9 3 f f . , bes. 2 9 9 .

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stiibeschreibung

65

wie man selbst verstanden hat, oder daß der Partner das verstanden hat, was man formuliert hat." Er wendet sich damit gegen Lewis' Auffassung von g l e i c h e n Koordinationen, die dieser aus der Spieltheorie übernommen hat. Deshalb ändert er Lewis' Konventionsdefinition ab. Statt erwarteten Verhaltensregularitäten, die in Situationsarten tatsächlich bestehen (Lewis), legt Schnelle Wert auf die Annahmen, Überzeugungen und Wahrnehmungen der Kommunizierenden (302 f.). Dies gestattet den Kommunizierenden größere Toleranz beim Äußern und Verstehen sprachlicher Handlungen (Schnelle 303). Demgegenüber betont Wunderlich (1974, 24) „die Intersubjektivität und auch Realität der Konventionen". „Weder Obligationen noch Sanktionen verbleiben allein im Bereich der Einschätzungen und Annahmen" (24). 5.13 Regel Die Vermittlung zwischen den Positionen von Schnelle und Wunderlich scheint mir durch folgendes gegeben: Sprachliche Konventionen sind intersubjektiv gültig durch wechselseitige Annahmen und Erwartungen; dies schließt erwartbare Obligationen und Sanktionen als Folgen (s. 5.11) von sprachlichen Handlungen ein. Konventionen sind aber auch nicht total festgelegt, sondern lassen Spielräume. Dies ist mit durch folgendes bedingt: Die sprachlichen „Einheiten", die als Teile von Äußerungen oder als Äußerungen hervorgebracht werden, sind nicht so eindeutig wie Zahlen. 23 Vielmehr haben bedeutungstragende sprachliche Einheiten Regelcharakter. Dies will ich im folgenden genauer ausführen. 24 Das Handeln nach Handlungsmustern geschieht, indem Regeln befolgt werden. Regeln sind durch konventionellen Gebrauch etabliert. Sprachliche Regeln werden unter immer verschiedenen situationeilen Gegebenheiten angewendet. Sie besitzen daher keine Starrheit, sind nicht genau festgelegt, 25 sondern sie haben „verschwommene Ränder". 2 6 Die einzelnen Fälle der Anwendung einer Regel weisen deshalb nur Ähnlichkeit auf; die Gebräuche bilden eine „Familie von Fällen" 27 mit einem „komplizierten Netz von Ähnlichkeiten". 28 Die diskutierten Gebräuche von Stil sind ein gutes Beispiel für die Offenheit von Stil im Umgangs23

^^ S. Lewis' Beispiele analog der Spieltheorie. Ich folge dabei im wesentlichen Öhlschläger 1973, Kap. 2.1, der Wittgensteins sprachtheoretische Äußerungen als Grundlage einer linguistischen Semantik genommen hat. 25 Dies zeigen die Gegenbeispiele für andersartigen Gebrauch von Regel bei Lewis 1 0 0 f f . , auch die Unterscheidung von Regel und Gesetz bei Öhlschläger 1974. 26 Wittgenstein § 71. 27 §§ 164, 236. 28 Wittgenstein §§ 6 6 f . , auch §§ 69, 80, 84.

66

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

sprachlichen Sinn.29 Die Bedeutung (von Stil beispielsweise) sind die Regeln des Gebrauchs.30 Man kann also sagen: Stil wird nach den Regeln des Deutschen gebraucht; die Lautfolge wird regelhaft so und so gebraucht. Ein Lexem hat also keine Bedeutung mit scharfen Abgrenzungen. Demgegenüber wird in den strukturalistischen Bedeutungsbeschreibungen,31 auch in der generativen Semantik die Abgrenzbarkeit der Bedeutungen zur Grundlage der Bedeutungsbeschreibungen gemacht. Dies zeigt, daß es nötig ist, zwischen Regel und Regelbeschreibung zu unterscheiden. Denn zu bestimmten Zwecken, unter bestimmten Abstraktionen, kann es sinnvoll sein, scharfe Grenzen von Bedeutungen anzunehmen. Man kann in gewissem Rahmen auch von Regeln abweichen, ebenso kann man beim Handeln nach Regeln Fehler machen.32 Wie das Handeln nach Mustern ermöglicht das Befolgen von Regeln (und auf Regeln beziehbare Regelabweichungen und Fehler) das gegenseitige Verstehen.33 Es ist deshalb wichtig, zu unterscheiden zwischen Regel, Regelbefolgung und Regelabweichung.34 Wenn Diskrepanzen zwischen dem etablierten Gebrauch und der tatsächlichen Verwendung vorliegen, so ist dies mittels Schlußprozeduren (1.13) beschreibbar. Daß dies so beschrieben werden kann, beruht auf einer sehr allgemeinen Regel des Kommunizierens: Die Sprecher/Hörer erwarten gegenseitig kooperatives Handeln. Dieses Kooperationsprinzip35 ist zu ergänzen durch das „Toleranzprinzip". 36 Die verschwommenen Ränder von Regeln hängen damit zusammen. Die Sprache ist so beschaffen, daß sie dem allgemeinen Kommunikationsbedarf und den individuellen Kommunikationsbedürfnissen angepaßt werden kann.37 Regeln sind grundsätzlich veränderbar;38 Abweichungen von Regeln können konventionell werden. Als Folge der unscharfen Begrenzung 29 30

32 33 34

38

S. vor allem 2.2 und 4.1. Wittgenstein § 43; Caillieux für die Bedeutungsbeschreibung von Regel. Semanalyse, Wortfeldtheorie. Winch 45 f., KeUer 13 f. Vgl. auch Winch 4 3 - 4 5 . VgL Wittgenstein §§ 199, 201; Öhlschläger 1974, 9 5 f f . Grice 45: „Make your conversational contribution such as is required, at the stage at which it occurs, by the accepted purpose or direction o f the talk exchange in which you are engaged." Kanngießer 326: „Jeder Sprecher-Hörer p aus P muß den Gebrauch koexistierender L-Teile 1; soweit akzeptieren, wie der Gebrauch dieser L-Teile mit seinen Verstehensmöglichkeiten konsistent ist." Die damit charakterisierte „grammatische Toleranz" stellt „nur einen Teilaspekt der grundsätzlich zu übenden allgemeinen sprachlichen Toleranz" dar (329). Kanngießer 2 7 6 f f . Öhlschläger 1974, 99.

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung

67

und Veränderbarkeit von Regeln sind Konventionen so eindeutig oder so offen, so veränderbar (Lewis) wie Regeln, die per Konvention gelten. Die Kompetenz (eines Sprechers, einer Sprechergemeinschaft oder bezogen auf einen Sprachbereich, eine Sprache — je nach dem Zweck der Beschreibung) kann beschrieben werden als (Kenntnis von) Konventionen, sprachlichen Handlungsmustern und Regeln und als deren Zusammenhänge. Aus dem Regelbegriff geht hervor, daß Performanzen auch Regelabweichungen (Fehler und absichtliche Abweichungen) enthalten; auch vorübergehende Regeletablierungen kann es durch wiederholten Gebrauch in einem Text geben. 39 Ein derartiger Regelbegriff ist nötig für die Beschreibung von solchen sprachlichen Handlungsmustern, in denen Regelabweichungen konventionell sind. Dies gilt nicht nur für Arten poetischer Texte, sondern zum Beispiel für den konventionellen Stil politischer Kommentare 40 und des „Spiegel", 41 wo ungewöhnliche Metaphern und Wortspiele die Regel sind. 5.2

Beschreibungskategorien: Einige Arten von Regeln und Regelzusammenhängen

Handlungsmuster sind Regeln. 42 Die Bedeutung zum Beispiel von Stil ist beschreibbar als regelhafter Gebrauch. Stil wird zwar nach Regeln gebraucht, ist aber kein Handlungsmuster. Stil! kann allerdings, unter einen Schulaufsatz oder ein anderes Schriftstück geschrieben, von einem zu Kritik Befugten verwendet werden für eine Handlung nach dem Muster ,kritisieren'. Damit gibt es Regeln verschiedener Art, auch auf bestimmte Bedingungen bezogenen Gebrauch von Regeln. Manche Regeln sind zugleich Handlungsmuster, manche nur zum Äußern von deren Teilaspekten verwendbar. Die Komplexität von Regeln ist also verschieden. Es gibt unterschiedliche Grade der Festlegung von Regeln. Deshalb sind Regeln verschieden nach dem Grad der Festlegung (Winch 70f.), den Anwendungsbedingungen und dem Grad der Einfachheit oder Komplexität. Im folgenden beschreibe ich verschiedene Arten von Regeln. Dabei kommt es vor allem an auf den Zusammenhang von Äußerungs- und Handlungseigenschaften. 43 Stilistische Eigenschaften werden unter dieser Fragestellung als Regeln für Formulierungen 43 oder deren Teile beschrie39 40

42 43

S. 3.12 und 5.27: Fortfuhren. S. dazu 7.3. Dazu 7.11, iii. Keller 11. S. dazu Kap. 1.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

ben. Zunächst liegt der Akzent auf der Darstellung der elementaren Beschreibungskategorien; die Bezüge zu Texteigenschaften werden analog dazu hier mehr andeutend beschrieben. Stilistische Texteigenschaften werden erst in den Kapiteln 6 und 7 zum Gegenstand gemacht, die Beschreibungskategorien dadurch noch ausgeweitet. 5.21 Sprechakt und Textmuster Ich beginne mit einer besonders ausgezeichneten Art von Regeln: den Sprechakten. Denn diese sind die Einheiten par excellence der sprachlichen Kommunikation. 4 4 (i) Sprechaktvollzüge sind Handlungen. Deshalb sind die Kategorien für Handlungen (s. 5.11) für die Beschreibung von Sprechakten anwendbar. 4 5 Es gilt als generelle Voraussetzung sozialen Handelns: ,,S und H unterstellen, daß sie a) prinzipiell die Rolle des anderen übernehmen können 4 6 und daß sie b) den gleichen Regeln bzw. Typisierungen folgen." 4 7 Der Sprecher hat eine Intention inbezug auf den Adressaten; 4 8 Es gelten bestimmte Voraussetzungen, bestimmte Fähigkeiten und Rollenverteilungen sind erforderlich. 4 9 Die Handlung wird getan, i n d e m ein einfacher oder komplexer Äußerungsakt vollzogen wird. Austin's „phonetic act" 5 0 kann, da auch er inbezug auf Regeln vollzogen ist. als Basishandlung beschrieben werden. 5 1 Als Ergebnis des Tuns, das Bestandteil einer Handlung ist, nehme ich die Äußerung an bzw. die Abfolge von Äußerungen, den Text oder Teiltext. Als Ergebnis einer stilistischen Handlung (5.28) nehme ich eine Stilfigur oder eine andere stilistische Texteigenschaft an. Die Folge oder Wirkung sind nach meinem Verständnis die Verpflichtungen, die für Sprecher und/oder Hörer entstehen; die Folge einer stilistischen Hand-

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46

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Searle 1969, 16. Zu einem vergleichbaren Vorgehen s. W. Kummer. Ich benutze im folgenden die Sprechaktbeschreibung bei Wunderlich 1972a, 147f., die im Anschluß an Searle 1969 entwickelt wurde. D. h. „Austauschbarkeit der Perspektiven", Eggs 42. Eggs 59 hat die Beschreibung der Bedingungen von Raten bei Wunderlich 1972a, 147 für die erste Bedingung so abgeändert. Vgl. „die für den Sprechakt wesentliche Bedingung"; gegebenenfalls auch die „Bedingung der Ernsthaftigkeit". Vgl. „Voraussetzungsbedingungen". Austin 92. S. auch Wunderlich 1972a, 120. Nach diesem Verständnis werden auch Schreibarten und Schriftarten als Basishandlungen aufgefaßt. Vgl. 6.35, 7.21 u.ö. Bei anderen Beschreibungsinteressen (5.11) kann z. B. die Äußerung als Basishandlung angenommen werden.

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lung ist die Stilwirkung. 52 Außer den unmittelbaren Folgen können weitere auf die unmittelbaren Folgen bezogene Folgen angenommen werden. 53 Für die Beschreibung von Formulierungen und Formulierungsmustern (Kap. 2.15) sind wichtig: 1) die Beschreibung des Zusammenhangs von Äußerung und Handlung bzw. von Äußerungsart und Handlungsmuster und 2) die Beschreibung dieser Zusammenhänge mittels Ketten. (ii) Angesichts der Unterschiede in den Sprechaktbeschreibungen 54 ist es notwendig, zwischen Sprechakt und Sprechaktbeschreibung zu unterscheiden. 55 Außerdem ist es wichtig, Sprechakte (als Regeln oder Handlungsmuster) zu unterscheiden von dem Vollzug von Sprechakten (als Regelbefolgungen oder Handlungen). 56 (iii) Das Wunderlichsche Modell der Sprechaktbeschreibung (1972a) läßt sich, wie in (i) gezeigt, auf die Handlungskategorien nach von Wright beziehen. Texte sind in der Regel Abfolgen von Äußerungen, im Grenzfall eine einzige Äußerung. Ich unterscheide Text und Text-Handlung. 57 Mit Text ist der Äußerungsaspekt benannt, mit Text-Handlung der Handlungsaspekt. Eine Text-Handlung kann individuell oder nach einem Textmuster sein. Textmuster 58 sind komplexe Handlungsmuster. Deshalb ist es möglich, Textmuster erst einmal nach dem Modell der Sprechaktbeschreibung zu beschreiben: nach Voraussetzungen, Intentionen, Ergebnissen und 52

53

54 55

56 57

58

Z. B. können bestimmte Äußerungseigenschaften einen zusätzlichen Effekt (Cohen und 7.11, vi), eine Wirkung hervorrufen. Zu meinem Verständnis der Unterscheidungen ein Zitat aus von Wright (68f.): „Dadurch, daß wir gewisse Dinge tun, führen wir andere herbei. . . . Was wir so herbeiführen, sind die Wirkungen unserer Handlung. Das, was wir tun, ist die Ursache dieser Wirkungen. Die Ursache werde ich auch das Ergebnis und die Wirkungen die Folgen unserer Handlung nennnen. Zwischen der Ursache und den Wirkungen existiert eine Bedingungsrelation einer bestimmten Art." Und kürzer (68): „Das was getan wurde, ist das Ergebnis der Handlung, das was herbeigeführt wurde, ist die Folge der Handlung." Für andere Zwecke der Beschreibung kann sicher auch anderes als Ergebnis und Folge angenommen werden: Etwas ist Ergebnis oder Folge - ebenso wie Intention, s. 5.11 - nur jeweils unter einer Beschreibung. Z. B. Searle 1969, Wunderlich 1972a, Wunderlich 1974, 349f., Eggs, 60. Vgl. Handlung und Handlungsbeschreibung, Regel und Regelbeschreibung, Stil und Stilbeschreibung, Stilmittel und ihre Beschreibung. Eggs 60 weist auf die bisher mangelnde Unterscheidung in diesem Punkt hin. Eine analoge Unterscheidung macht Schmidt 1973 mit „Textäußerung" (hier Text) und „ T e x t " (hier Textmuster)-. Die Textäußerung ist der „Vollzug eines gesellschaftlich rekurrenten strukturell normierten Kommunikationstyps" (14 8 f.). Zu einer ersten Einführung s. 2.1.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Folgen („Wirkungen"). Dies gilt allerdings so nur für monologische Textmuster; 59 eventuell auch für dialogische Textmuster wie Verkaufs- oder Prüfungsgespräch, denen ein durchgehendes Interesse mindestens eines Partners zugrundeliegt. Für dialogische Textmuster müssen kooperative oder kompetitive 60 Strategien erst noch beschreibbar gemacht werden. 61 Mit der hier vorgeschlagenen Beschreibungsart werden Texte als Handlungen beschrieben, Textmuster als Regeln oder Muster für Handlungen. 62 So wird vermieden, daß nur das Sprachliche der Text-Handlungen und Textmuster 63 beschrieben wird: der Äußerungsaspekt. Auch die Abgrenzung von Textmustern gegeneinander wird durch die Beschreibung von Textmustern als komplexen Sprechakten erreicht. Denn zu einem Muster gehörig werden solche Text-Handlungen gezählt, bei denen einer Konvention gefolgt wird. 64 Und es gilt wie für Sprechakte (5.11), daß für Handlungsarten, die in einer Gesellschaft relevant sind, auch Benennungen existieren. Dabei gibt es allerdings allgemeinere und speziellere Benennungen 65 wie Bericht, Sportbericht, Tagungsbericht oder wie Erzählung gegenüber Märchen, Witz, Kriminalgeschichte usw. 66 Schwieriger ist die Frage, ob es bei Gesprächsarten sinnvoll ist, unterschiedliche Phasen der Interaktion als möglicherweise eigenständige TextHandlungen nach Mustern abzugrenzen: Vgl. erzählen, sich streiten, diskutieren usw. Hier wird das jeweilige Beschreibungsinteresse die Entscheidung bestimmen. 67

59 60 61

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Zu weiteren Analogien s. 5.24, vii. Heringer 1 9 7 4 a , 79. Vgl. Holly 1975, 1974; Heringer 1 9 7 4 a , 1 9 2 f f . ; Betten 1975. Rehbein setzt „innere Modelle" ( 2 9 2 ) oder „Schemas" ( 2 9 0 ) voraus, also auch Regeln oder Handlungsmuster, nach denen die an einem Dialog Beteiligten gemeinsam handeln. Vgl. den „kommunikativ orientierten Ansatz" bei Kallmeyer/Meyer-Hermann, 221. Schmidt 1973, 145 sieht Texte immer als „Texte-in-Funktion im Einbettungsrahmen kommunikativer Handlungsspiele". Vgl. den „transphrastischen Ansatz" in der Textlinguistik: Kallmeyer/MeyerHermann, 221. Vgl. zu andersartigen Auffassungen die Beiträge in Gülich/Raible (Hg.) und Gülich/Raible 1975, 1 4 4 - 1 4 6 : Textsorten sind „systematische Einheiten, deren Manifestationen die Textvorkommen sind. Sie sollen beschrieben werden als Konfigurationen' textexterner und textinterner Merkmale, d. h. als Merkmalsbündel". Vgl. dazu auch 2.13. Die soziale Relevanz solcher Benennungen zeigt sich auch daran, daß in der Kommunikation der Beginn solcher Texte meist durch die Textmuster-Benennung markiert wird. S. Gülich/Raible 1974, 8 2 - 8 4 : „metakommunikative Sätze". Vgl. 5.24, vi.

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5.22 Äußerungstyp und Regel Nach von Wright sind Basishandlungen 68 o f t physikalisch erfaßbare Handlungen. 6 9 Die Basishandlungen sprachlichen Handelns können beschrieben werden als Artikulationsabfolgen (vgl. 1.1) oder Schriftzüge nach Regeln oder Mustern. Diese Aspekte können für die Stilbeschreibung wichtig sein. 70 Deshalb werden sie hier als Basishandlungen angenommen und nicht die Äußerungen. (i) Bei den Äußerungstypen wird unterschieden zwischen dem lautlichen Aspekt (Ausdrucksseite) und der Bedeutung (Inhaltsseite). Dies dadurch, daß schon die Teile der Äußerungstypen beides vereinen: Regeln (s. 5.13) wie die von Lexemen oder Morphemen werden konstituiert durch den konventionell bedeutsamen Gebrauch von Lautformen. 7 1 Auch syntaktische Regeln haben einen ausdrucksseitigen u n d einen Bedeutungsaspekt. 7 2 Die Auffassung der Konventionalität von Bedeutung, als Regel des Gebrauchs, wird hier zugrundegelegt (5.13). Damit ist nicht gesagt, daß j e d e r Gebrauch, auch abweichender, für die Bedeutung konstitutiv sei, konstitutiv ist vielmehr der regelmäßige Gebrauch. Dieser bestätigt jeweils die Geltung der Regel, aber die Regel wird durch vorübergehende Abweichung nicht verändert oder außer Kraft gesetzt. 7 3 Damit werden die Bedeutungen der Teile von Äußerungstypen angesehen als konstituiert durch regelhaften Gebrauch in Äußerungen. (ii) Ich gehe kurz auf lexikalische und syntaktische Regeln ein. Denn die verschiedenen Arten von Regeln für Teile von Äußerungen können stilistisch relevant werden. Es k o m m t mir dabei weder auf Vollständigkeit noch auf systematische Darstellung an. Die Beschreibung von lexikalischen Regeln hat mindestens zu enthalten: Beschreibung der lautlichen Struktur, Beschreibung der syntaktischen Kategorie (d. h. syntaktische Verwendbarkeit) im Rahmen einer syntaktischen Theorie, Beschreibung der Bedeutung im Zusammenhang

70

73

Die Beispiele von Wrights sind derart, daß Armbewegungen diese Rolle spielen: z. B. das-Zimmer-lüften, indem man das Fenster öffnet, indem man den Arm und den Fenstergriff so und so bewegt. Vgl. 6.35; 7.11, vi; 1.22. Vgl. de Saussure's Annahme von sprachlichen Zeichen als „Kollektivgewohnheiten", „Konventionen" (80) und die Unterstreichung des sozialen Verpflichtungscharakters bei Ungeheuer 1969. Heringer 1 9 7 0 sieht eine Ausdrucks- und eine Inhaltssyntax vor; das syntaktische Arrangement ist bedeutsam ( 4 3 f f . , 8 5 f f . ) . Auch Oller vertritt die Ansieht, daß die syntaktische Struktur zur Bedeutung von Sätzen beiträgt. Vgl. zu dieser Auffassung auch Iseminger.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

mit anderen Lexemen, 7 4 Beschreibung des regelhaften Gebrauchs für Teile von Äußerungen in der Sprechaktbeschreibung, 7 5 Beschreibung von Restriktionen des Gebrauchs auf bestimmte Bereiche. So kann der Gebrauch eines Lexems restringiert sein auf bestimmte thematische Bereiche (fachsprachliche Lexeme) oder bestimmte generelle Handlungsbereiche, 7 6 auf geographisch bedingte Kommunikationsgemeinschaften, soziale Gruppen usw. Werden die so restringierten Lexeme abweichend in anderen Handlungsbereichen gebraucht, so wirkt sich die regelhafte Restringierung in dem anderen Kontext als „Konnotation" aus (Rossipal). Infolge der „verschwommenen Ränder" (s. 5.13) von lexikalischen Regeln gibt es „ S y n o n y m e " : Der Gebrauch ist nicht derselbe, aber er überlappt in gewisser Weise. Bei syntaktischen Regeln sind zweierlei Arten der Beschreibung zu unterscheiden: 1) generative syntaktische Regelsysteme mit sehr verschiedenen syntaktischen Strukturen als Ergebnissen von Regelanwendungen, 2) Satz-Muster, d. h. Strukturmuster für Sätze, die auf bestimmte Bereiche sprachlichen Handelns festgelegt sind. Damit sind nicht die „Satzmuster" der traditionellen Grammatiken gemeint, denn deren Gegenstände können über die erste Beschreibungsart beschrieben werden. Beispiele hierfür sind vielmehr Muster für Zeitungsschlagzeilen 77 oder spezielle syntaktische Muster spontan gesprochener Sprache. 7 8 Solche syntaktischen Muster müssen noch zusätzlich zu generativ beschreibbaren Syntaxregeln beschrieben werden. 7 9 Die Zielrichtung der hier gewählten Sprachauffassung ist sprachliches Handeln und Konventionalität. Deshalb scheint es mir für den Äußerungsaspekt sprachlicher Handlungen wichtig, syntaktische Strukturen als die konventionellen Oberflächenstrukturen zu beschreiben. Außerdem ist Stil ein Oberflächenphanomen. 8 0 Dies hat zur Folge, daß mir eine generative Transformationsgrammatik für den Beschreibungszweck 74

76

77 78

80

Zusammenhänge, die über semantische Relationen (s. 1.11 und 1.12) usw. beschrieben werden können. Z. B. die Rolle der Personalpronomina und der Artikelformen für das Referieren auf Gegenstände, der performativen Verben für die Illokutionskraft. Vgl. Pull, Pulli, Pullover, die in inoffiziellen' bis .offiziellen' Handlungsbereichen unterschiedlich verwendet werden; s. auch Riesel's „Stilfärbung", „stilistische Bedeutung". Vgl. Sandig 1971. S. Sandig 1973b, 3 8 - 4 8 . Ich komme in anderem Zusammenhang in 5.23 und 5.24, auch in 7.22, auf solche Muster zurück. Das zeigt sich auch bei Jakobs/Rosenbaum, z. B. 133. Sie müssen für eine Stilistik auf GTG-Basis die Trennung in Tiefen- und Oberflächenstruktur aufweichen.

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nicht angemessen erscheint. 81 Ich benutze deshalb Heringers generative Oberflächensyntax 8 2 für die Beschreibung der zuerst genannten syntaktischen Regeln. Die unter 2) genannten Satzmuster können nur teilweise damit beschrieben werden; sie enthalten Elemente, die gerade nicht damit beschreibbar sind. 8 3 Auch die Verwendung von Wortstellungsregeln wirkt sich auf Stil und Bedeutung aus; dies zeigt sich in der Abfolge von Sätzen im Text, wo Thema-Rhema-Strukturen 8 4 wichtig sind, auch bei dem Unterschied von spontan gesprochener und geschriebener Sprache. 8 5 Schließlich ist auch die Verwendung von Wortbildungsregeln bedeutsam: für Textkonstitution, soziale Unterschiede und Stilunterschiede. 8 6 (iii) Die aufgeführten Regelarten und andere nicht aufgeführte unterscheiden sich außer durch Allgemeinheit oder Eingeschränktheit des Gebrauchs durch die rigidere oder weniger rigide Gültigkeit der Regeln: Von syntaktischen Regeln abzuweichen hat andere Folgen als Abweichung von vielen anderen Arten von Regeln. 87 Man scheint deshalb inbezug auf syntaktische und morphologische Regeln eher von .Verletzungen' oder,Fehlern' zu sprechen, inbezug auf lexikalische Regeln eher von Abweichungen'. 8 8 Weitere Arten von Regeln werden in den folgenden Unterkapiteln besprochen; sie dienen anderen Aspekten sprachlichen Handelns. 5.23 Sprechakt und Äußerungstyp Der Zusammenhang von Handlung und Basishandlung wird durch die ¡'«dem-Relation dargestellt (von Wright). Bezogen auf die Sprechakttheorie: Ein Sprechakt wird vollzogen, indem ein Satz geäußert wird, indem eine konventionsbezogene Laut- oder Schriftfolge hervorgebracht wird. Ich betrachte hier den Zusammenhang von Sprechakt und Äußerungstyp bzw. von Sprechaktvollzug und Äußerungsakt. 8 9 Der Zusammenhang 81 82 83 84 DC

86 87

89

Man vergleiche die Rolle der Universalien in der GTG; sie steht der Beschreibung einzelgesellschaftlicher Konventionen als Konventionen entgegen. Heringer 1970, 1972. S. Sandig 1 9 7 3 b . Vgl. Dressler 7 3 - 7 5 . Z. B. Sandig 1 9 7 3 b für „Relativsätze". S. von Polenz 1973, 1 5 7 - 1 6 0 . Beim Regelbegriff ist die Beschreibung obligatorischen Gebrauchs in einem Handlungsbereich ebenso inbegriffen wie die Beschreibung der Variabilität des Gebrauchs infolge der verschwommenen Ränder. Vgl. Labov's ,,obligatory" und „variable rules" im Rahmen des GTG-Modells zu einer anderen Konzeption der Beschreibung von Stilunterschieden. Zu Abweichungen genauer 5.27, iii. Vgl. 5.21, ii.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

von Handlungs- (d. i. Sprechakt-) und Äußerungsaspekt heißt Formulierung (s. Kap. 1). (i) Für manche Sprechakte gibt es konventionelle Äußerungstypen. Das Vollziehen des Sprechakts ist dann identisch mit dem Äußern einer ganz bestimmten sprachlichen Form; die Formulierung ist konventionell. So ist (1) ein üblicher militärischer Befehl, nicht aber (2): (1) Rechtsum! (2) Machen Sie jetzt eine Wendung nach rechts um 45 Grad! Der Satz (2) könnte aber unkonventionell für den Vollzug derselben Handlungsart geäußert werden. Es gibt auch lexikalisch-syntaktische Muster (mit einigen Leerstellen für den aktuellen Bezug), die Äußerungsregeln für das Vollziehen bestimmter Sprechakte darstellen: (3) Daß Anrede (mir) (Ja) x-t / x-en! (4 a) Daß du ja vorsichtig bist! (4b) Daß Sie mir nicht weglaufen! (5) Ob Anrede x-t / x-en? Das Muster (3) mit den Beispielen (4a) und (4b) dient für verstärkte oder wiederholte Aufforderung; (5) für eine Nachfrage oder Wiederholung einer Frage. Andere lexikalisch-syntaktische Muster dienen dazu, gewisse propositionale Einstellungen 90 zu ausdrücken: (6) Wenn x {doch) y-te (n)\ (7) Ob x y-t / y-en? Mit (6) wird ein Wunsch geäußert, mit (7),fragt sich' der Sprecher etwas (auch einem Hörer gegenüber). Dagegen gibt es bei vielen Handlungsarten Spielräume 91 für die Wahl der Äußerungstypen, die zum Vollzug dienen. Verschiedenartige Äußerungstypen können für den Vollzug eines Illokutionsakts verwendet werden. 92 Umgekehrt können auch mit einem Äußerungstyp verschiedene Illokutionen ausgedrückt werden. 93 Deshalb ist das Kriterium dafür, nach welchem Handlungsmuster eine sprachliche Handlung vollzogen wurde, nicht in der sprachlichen Äußerung zu sehen: 94 Es liegt vielmehr an dem konventionellen Zusammenhang von Handlungsbedingungen und -umständen und der Äußerungsbedeutung. 95 (ii) Wie an den Beispielen (1) und (2) deutlich wird und wie in 1.1 gezeigt wurde, ist die Bedeutung der sprachlichen Äußerung aber nicht 90 91 92

94 95

Wunderlich 1974, 343. Vgl. 5.12, 5.13. Vgl. die Beispiele in 1.13 und 1.14. Ein Beispiel gibt Meyer-Hermann (S. 5 ff.) anhand des Äußerungstyps Ich muß mich auf ein Examen vorbereiten. Strawson 61. Dies geht als Ergebnis aus Meyer-Hermann hervor, z. B. 18.

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung

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beliebig inbezug auf den zu vollziehenden Sprechakt: Sie muß über Schlußprozesse 96 mit einer solchen Äußerung (oder einer Familie von Äußerungen) im Zusammenhang stehen, deren Bedeutung als wörtliche Äußerung für die Handlung gilt. 97 Für das richtige Verstehen einer Handlung sind oft „eingeschränkte Kontexte" wichtig 98 mit "(a) institutionenspezifischen Erwartungen und Handlungsobligationen, (b) personenspezifischen Einschätzungen der Kommunikationssituation". Beispielsweise kann in gewissen familiären Situationen zu etwas aufgefordert werden, indem eine Äußerung mit gleich am Beginn und in Aussagesatzform vollzogen wird: (8) Gleich machst du das Fenster zu. (9) Gleich ist das Fenster zu. (10) Das Fenster ist zu. Dagegen ist es nicht konventionell, (10) zu äußern, um damit aufzufordern, daß das Fenster geschlossen werden soll. Aber mit (10) wird die Folge des Tuns (5.11) ausgedrückt, zu dem der Sprecher den Hörer verpflichten will. Deshalb „zählt" 99 die Äußerung für den intersubjektiven Vollzug der Handlung; dies allerdings nur, wenn die Handlungsvoraussetzungen (Fähigkeiten, Rollenverteilung) und eventuell Kenntnis von Gewohnheiten des Sprechers gegeben sind. Auf diese Weise werden auch ungenaue Äußerungen in spontan gesprochener Sprache richtig verstanden. Man kann z. B. jemanden ,loben, daß er gut treffen kann', indem man sagt: Du kannst (aber) gut zielen (iii) Es können aych Fehler (5.13) inbezug auf die Bedeutung der Äußerungen irrtümlich unterlaufen oder beabsichtigt sein; die Handlung muß in diesem Fall nicht total mißglücken. Iseminger (76) gibt ein Beispiel, das ich sinngemäß übernehme: Jemand will die Koryphäen in einer Institution, von der die Rede ist, lobend hervorheben; er tut dies, indem er äußert: (11) Sie haben große Konnipheren. Wird die Äußerung so verstanden, daß ein Fehler in der Verwendung des Wortes vorliegt, dann mißlingt der Vollzug des propositionalen Aktes, denn ein Teil der Äußerungsbedeutung ist dafür ungeeignet. Aber die 96

97

98 99

Im Unterschied zu Meyer-Hermann ( 1 1 - 1 4 ) scheint mir dies nicht unverträglich mit der Annahme des konventionellen Zusammenhangs von Handlungsbedingungen und -umständen und Äußerung. Beide Annahmen sind vielmehr, wie die Beschreibung in 6.33 und 6.43 zeigt, vereinbar. Nach von Wright kann dies als „praktischer Schluß" beschrieben werden mit den Stufen: 1. Handlungsziel, 2. (konventionelle) Mittel zum Zweck, 3. Erreichung des Zwecks. Vgl. auch 5.13. Wunderlich 1974, 336. Searle 1969, z. B. 49.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

intendierte Wirkung kann dennoch erreicht werden. 1 0 0 So werden durch die miteinander zusammenhängenden „zwei Ebenen der Konventionalität von Sprache" 1 0 1 auch Fehler in der Kommunikation ausgeglichen. Denn es wird (hier aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit des fraglichen Äußerungsteils) das Richtige erschlossen. 102 Der Grund dafür, daß es erschlossen wird, liegt in dem, was Grice „konversationeile Implikatur" nennt. 1 0 3 (iv) Ähnliches gilt für Text-Handlungen: Sprecher können auch mit solchen Texten Wirkungen beim Adressaten erzielen, die inbezug auf die Textbedeutung nicht konventionell sind. Der Zusammenhang mit den Handlungsumständen ist auch hier das Kriterium für das richtige Verstehen der Handlung. Baumgärtner hat schon früher die Auffassung abgelehnt, poetische Texte hätten besondere sprachliche Eigenschaften. Er hat dagegen gezeigt (31), daß nicht-poetische Textstücke poetisch präsentiert werden können und aufgrund dieser Handlungsumstände auch als poetisch akzeptiert werden. Umgekehrt kann eine Äußerung oder Äußerungsweise erst dann als poetisch verstanden werden, wenn sie als poetische präsentiert wird. 1 0 4

5.24 Handlungsmuster und Teilhandlungsmuster Nach Searle 105 werden Referenz und Prädikation als Teile des propositionalen Akts unterschieden. Der propositionale Akt bildet zusammen mit der illokutionären Kraft den Sprechakt. Dabei ist der Referenzakt ein Teilakt des Sprechakts, der von der Illokutionskraft nicht tangiert wird. 106 Die Prädikation ist dagegen - aufgrund des postulierten Zusammenhangs

100 101 102

103

104 105 106

Für den Fall absichtlicher Abweichung s. 5.25. Wunderlich 1 9 7 2 b , 13 ff. Vgl. 5.13, auch 5.27. Von Savigny gibt Beispiele dafür, daß nicht nur die illokutionäre Kraft, sondern auch die Proposition bzw. deren Teile durch die Äußerungsumstände mit bestimmt werden können. Ich zitiere nach Wunderlich 1 9 7 2 b , 58: „Er hat gesagt, daß p; es gibt keinen Grund anzunehmen, daß er die Maximen oder wenigstens das Kooperationsprinzip - s. 5.13, B. S. - nicht beachtet; er könnte dies nicht tun, außer er dachte daß q; er weiß (und weiß, daß ich es weiß daß er es weiß), daß ich sehen kann, daß die Annahme, er denke daß q, erforderlich ist; er hat nichts getan, um mich davon abzuhalten zu denken daß q; deshalb intentiert er, ich solle denken daß q; also hat er impliziert daß q.'" S. das Beispiel bei Baumgärtner 25. 1969, 2 2 f f . , 7 2 f f . , 121 ff. Searle 1969, 123: „reference always comes neutrally as to its illocutionary force".

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zwischen Äußerungsbedeutung und Illokution (5.23) - von der Illokutionskraft nicht unabhängig. 107 (i) Es gibt verschiedene sprachliche Regelarten, mit denen Referenzakte vollzogen werden können. Es sind immer Nominalgruppen, mit deren Äußerung die Sprecher auf Gegenstände referieren: 108 Kennzeichnung, Eigennamen, Pronomen. 109 Wenn ein Sprecher in einem Textstück oder Text sich für die Referenzakte auf die Verwendung bestimmter sprachlicher Regelarten beschränkt, wenn er sie fortführt, 1 1 0 so ergibt dies eine spezifische Stileigenschaft. 111 Ebenso gibt es verschiedene Regelarten für das Ausdrücken von Prädikationen. Ich nenne nur: den Zusammenhang von Aktiv und Passiv, Phraseologismen, 112 Verben mit spezifischen syntaktisch-semantischen Valenzen und die Äußerungsmöglichkeiten von Tempus als Teilaspekt der syntaktischen Prädikate, die für die Prädikation mit verwendet werden. Auch hier entsteht durch Fortführen eine spezifische Stileigenschaft. 113 Auch das Fortführen bestimmter Referenz- u n d Prädikationsarten im Text oder Textmuster wirkt sich stilistisch aus. 114 (ii) Oft werden alle Sprechaktteile (Teilakte) durch die Verwendung eines einzigen Äußerungstyps ausgedrückt. Die Illokutionskraft ist dabei oft nicht explizit gemacht wegen der Wichtigkeit der Handlungsumstände für ihr Verstehen (5.23). Ein Sprechakt kann aber auch vollzogen werden, indem mehrere Sätze geäußert werden. So kann man an den Satz (12) die Sätze (13a) oder (13b) anfügen: (12) Vergiß nicht, deinen Personalausweis mitzunehmen. (13a) Das ist nur ein Vorschlag. (13b) Das sollte eine Warnung sein Strawson (70f.) schreibt für (13b): „Die Hinzufügung des Quasi-Kommentars . . . ist T e i l des gesamten Warnaktes". Es geht darum, „den Typ der Kommunikationsintention, mit der der Sprecher spricht, oder 107

108 109 110

1

Searle 1969, 123: „predication never comes neutrally but always in one illocutionary mode or another". Searle fährt fort: „Even though reference is an abstraction from the total illocutionary act, it is a separate speech act. . . . Predication is also an abstraction, but it is not a separate act. It is a slice from the total illocutionary act; just as indicating the illocutionary force is not a separate act, but another slice from the illocutionary act." Wimmer 1975, 2 5 f f . , 108; auch Todorov/Ducrot 2 8 4 - 2 8 8 . Spezieller bei Wunderlich 1 9 7 2 a , 9 2 - 1 1 6 , Wimmer 1975. S. 3.1 und 5.27. Vgl. die beiden bei Wunderlich 1 9 7 2 a , 9 7 f . gegebenen Beispiele und die englischen Originale dazu bei Plett 117. Vgl. die Beschreibungen in 6.31 und 6.41. Dazu die Beschreibung in 6.42. Dies läßt sich z. B. feststellen bei Gesetzestexten und bei den HandlungsanWeisungen in Kochrezepten. S. Sandig 1970 für letztere. Für Beispiele s. Eggs 31 ff., auch 7.22.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

die Art der Kraft seiner Äußerung explizit zu machen" (Strawson 71). Deshalb wird e i n Sprechakt vollzogen, indem zwei Sätze geäußert werden. Auch (26) in 1.24 ist ein Beispiel für derartiges Vorgehen: (14) (a) Sagen Sie, wie machen Sie das? (b) Sie, Sie sind so lange da drin, (c). . . (d) Ham Sie n Geheimrezept? In (a) drückt der Sprecher nur die Referenz auf den Adressaten (Sie), eine noch zu spezifizierende Referenz und Prädikation (machen, das) und die Illokutionskraft Aufforderung und Frage aus, der propositionale Akt wird erst im folgenden ausgedrückt. (iii) Auch das Umgekehrte ist möglich: Mindestens zwei Sprechakte werden vollzogen, indem ein einziger Satz geäußert wird. Das läßt sich dann an Paraphrasierungsmöglichkeiten zeigen: (15) Das ist gut, daß die Untersuchung beendet ist. (16a) Das ist gut: Die Untersuchung ist beendet. (16b) Die Untersuchung ist beendet. Das ist gut. (15) präsupponiert: 115 Die Untersuchung ist beendet. (16a) und (16b) zeigen, daß es sich um zwei möglicherweise selbständige Sprechakte handelt: eine Feststellung und eine Bewertung der Feststellung. In (15) tritt die „Relevanzabstufung" (Posner 1972) auch syntaktisch zutage. 116 Ein anderes Beispiel für solche relevanzabgestuften Sprechaktverbindungen stellt der Gebrauch von Relativsätzen dar wie in (17) Die Möven, die (im übrigen) zänkisch sind, sitzen auf der Brüstung. Hier liegen zwei Feststellungen vor, von denen die eine in die andere eingebettet ist, indem eine entsprechende syntaktische Regel verwendet ist. Im Unterschied dazu liegt bei (18) nur eine einzige Feststellung vor, denn der Relativsatz dient hier der Fixierung der Referenz: 117 (18) Die Möven, die zänkisch sind, stürzen sich auf die Besucher. (Die anderen achten nicht auf sie.) Verschiedene Arten des Zusammenhangs von Sprechakten und syntaktischen Strukturen hat Bartsch untersucht: „Diejenigen Sprechakte des Begründens, die selbst nicht zugleich Behauptungsakte sind, werden in Nebensätzen oder Adverbialkonstruktionen vollzogen; die Verbindung einer Behauptung mit einer Begründung im Satzgefüge ist wieder eine Behauptung." (iv) Die verschiedenen Teilaspekte von Sprechakten haben noch weitere Entsprechungen in Regeln für Äußerungstypen. Ein Beispiel ist (2)in 1.1: 115 116

Zu Präsupposition z. B. Keenan und der Überblick bei Grzyb. Posners „Kommentierung". Das Zänkisch-sein von Möwen einer bestimmten Gruppe wird in (18) präsupponiert, ist also mit Relevanzabstufungen nicht vergleichbar.

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(19) Bananen gibts dort vielleicht keine. (20) Rosen haben die unglaublich viele. Dieser Äußerungstyp ist nach einem Satz-Muster (5.22, ii) spontanen Sprechens gebildet. Darin werden Referenz {Bananen, Rosen) und Prädikation (das übrige) 118 entgegen den üblichen Regeln durch eine Wortstellungsregel getrennt. Das, worauf referiert wird, ist in diesen Fällen eine Klasse von Gegenständen, nicht etwa keine Bananen, viele Rosen. Andere spezielle Regeln für die deutliche Trennung von Referenz und Prädikation in spontanem Sprechen sind Herausstellung (21), (23) und Nachtrag (22): 119 (21) Bananen, die gibts dort nicht. (22) Die gibts dort nicht, Bananen. (23) In München, da kann ich bei Freunden wohnen. Die deutliche Trennung von Referenz und Prädikation wird bei Herausstellung und Nachtrag syntaktisch „ausgeglichen" durch den regelhaften Gebrauch des Pronomens. In diesen Fällen sind Thema-Element (Topic) und Referenzakt identisch; 120 es handelt sich also um spezifische Regeln für diese Identität; weitere Referenzakte, die nicht auch Thema sind, wie ich, dort, sind für das Muster irrelevant. (v) Eine andere Gruppe von Regeln ist diese: Ein Sprechakt wird vollständig vollzogen, indem nur ein Teilaspekt des Sprechakts durch die Äußerung ausgedrückt wird. Im spontanen Sprechen gibt es Äußerungen wie (24) (Na,) und ob!; (Und) wenn schon! (25) Lob, Lob! (26) Wie bitte? Hier ist das übrige aus dem Zusammenhang der Handlungsumstände eindeutig; die ausgedrückte Illokutionskraft ist nach wie vor nur „a slice" des illokutionären Akts. 121 Ein Sprecher kann sich bei seiner Äußerung auch nur auf das Ausdrücken der Prädikation oder eines Teils davon beschränken. Zum Beispiel bei Antworten auf W-Fragen (27) und in Tagebucheinträgen, wo die ständige Referenz des Schreibers auf sich selbst überflüssig ist (28), (29): (27) A: Wann hast du denn den Film gesehen? B: Vor einer Woche in Hamburg. (28) Das Buch von Castañeda fertiggelesen. 118 119

121

Mit Ausnahme von vielleicht in (19), womit eine propositionale Einstellung ausgedrückt wird. Vgl. Sandig 1976. Zum Zusammenhang von Topic und Referenz s. Eggs 41 ff. Searle 1969, 123.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(29) Lange Diskussion mit Kollegen über Berufsaussichten.122 Auch diese Sprechakte sind aufgrund der Kommunikationsbedingungen vollständig. Den Referenzakt als selbständigen Akt zu äußern ist eine Regel für Überschriften unter bestimmten Bedingungen, 123 auch für Reklamen. 1 2 4 Diese Regel wird auch in Textmustern verwendet, z. B. im Feuilleton. Dann dient sie dazu, Lokalkolorit zu geben. 1 2 5 (30) . . . ein paar feiste Möven auf der Mole.. . . Ketten mit Bärten aus Tang. . . . Ein paar Leute auf der Mole, Müßiggänger wie ich. . . . Ein Paar, das umschlungen auf der äußersten Planke sitzt als Schattenriß. Ein A Iter mit Hund. Ein anderer Hund ohne Herr. . . In dieser Form von Äußerungstypen wird mit der vollzogenen Referenz die Existenz dessen präsupponiert, worauf referiert wird. In Reklamen und im Feuilleton wirkt sich deshalb diese Regelart so aus, daß der Äußerungsakt als Referenz u n d (implizite) Prädikation 1 2 6 verstanden wird. Denn in beiden Handlungsbereichen werden oft mit der Verwendung dieser Regel Gegenstände neu eingeführt. (vi) Für Texte und Textmuster haben Gülich 1970 und Gülich/Raible 1974, 1975 1 2 7 Handlungsmuster und Teilhandlungsmuster (in meiner Beschreibungsweise) unterschieden. Bei Gülich 1970 werden lexikalische Regeln als Textgliederungsmerkmale beschrieben; für Erzählungen und Dialoge werden unterschiedliche Gruppen von textgliedernden Regeln herausgefunden. Gülich/Raible gehen besonders für Erzähltexte von einer Hierarchie von textexternen und textinternen Gliederungsmerkmalen aus, die sich an der Textoberfläche manifestieren: 1 2 8 Es sind Gruppen sprachlicher Regeln, die Texte oder Textteile auf die Sprecher, die Sprechsituation und die thematische „Welt" beziehen; 1 2 9 zu den textinternen Merkmalen werden auch solche gezählt, 130 die hier als 122

123

124 125

126

127 128 129 130

Die syntaktische Form ist hier ein Nominalsatz mit Verbalsubstantiv - eine Regel, die zu den Satz-Mustern (5.22) gehört. S. Sandig 1971 für Nominalsätze als Schlagzeilen-Satzmuster, auch zur syntaktischen Form von (28). Z. B. hier in diesem Kapitel oder bei Buchtiteln: „Linguistische Pragmatik", „Kommunikation als Problem der Linguistik" usw. S. (47) in 5.27. Ich gebe ein Beispiel aus Max Frisch, Montauk, Eine Erzählung, Frankfurt 1975, 14, der die Regel fortführend verwendet. Aufgrund der Präsupposition. Vgl. dazu auch 6.33, Muster (d) und 6.43, Muster (c). Mit anderer Theorie auch Heger. Z. B. 1974, 7 4 f . Textexterne Merkmale: 1974, 79. 1974, 85 f., 9 3 - 9 7 .

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Ausdrucksmöglichkeiten für Referenzakte beschrieben werden: Personenkonstellation, „Episoden- und Iterationsmerkmale" (90—92). Die Merkmale und über sie die Textteile werden als hierarchisch gegliedert beschrieben; Texte können in andere Texte als Teiltexte „eingeb e t t e t " werden (1974, 81). Für verschiedene Arten von Texten (Textmuster) werden anhand von Beispielanalysen verschiedene Arten von Textgliederung postuliert. 1 3 1 Auch eine Beschreibung von Texten und Textmustern unter dem Gesichtspunkt von Sprechakten führt zu Hierarchisierungen. 132 Im Fall von Dialogen müssen die Teiltexte nicht hierarchisch aufeinander bezogen sein. 133 Damit scheint auch die Schwierigkeit der Textabgrenzung in Dialogen gegeben zu sein: 1 3 4 Sequenzen von Teiltexten sind von Sequenzen von Texten nur nach bestimmten Zielsetzungen zu unterscheiden. (vii) Man kann monologische Textmuster als komplexe Sprechakte beschreiben (5.21, 2.13); dabei kann man eine Textillokution und einen propositionalen Gehalt 1 3 5 unterscheiden, ebenso Text-Referenzakte und Text-Prädikation. 1 3 6 Ich weise hier nur auf drei Extremfälle von Textmustern und entsprechenden Teiltext-Mustern hin, die dies erkennen lassen. Im Polizeibericht wird konventionell zuerst die Text-Prädikation gegeben, der „Tathergang", 1 3 7 dann die Text-Referenz, die „Täterbeschreibung". Beim Kochrezept wird mit der Überschrift auf das Herzustellende referiert, das in Befolgung der Handlungsanweisungen entsteht, dann aufzählend auf eine Anzahl (und jeweilige Mengenangabe) von Gegenständen, die „ Z u t a t e n " ; darauf folgen die Handlungsanweisungen (Textprädikation), indem eine Abfolge von Sätzen geäußert wird. Beim Referieren in diesen Sprechakten wird auf die Referenzen des Textanfangs, die „Zutaten", zurückverwiesen. 138 " Gülich/Raible 1975, 146: „Die Art und Abfolge der Teiltexte konstituieren die Makrostruktur eines Texts. Wir nehmen an, daß die Makrostruktur textsortenspezifisch ist." 13 Huth 210, Kallmeyer/Meyer-Hermann 230, Sandig 1973a. Schmidt 1973, 150 unterscheidet „Illokutionshierarchie" und „Intexte". 133 Sandig 1 9 7 3 a. 134 S. 5.21, iii. „Thema" im umgangssprachlichen Gebrauch. In Arbeiten wie in Danes wird die Textstruktur nur nach bestimmten Referenzakten und Aspekten der Prädikationen beschrieben. In diesem Teil wird auf die Person(en) nur mit allgemeinen Angaben über Zahl und Geschlecht referiert: ein Mann, zwei Frauen, in der folgenden Beschreibung des Tathergangs pronominal. Fries weist für Blumenbeschreibungen auf einen ähnlichen Zusammenhang von „Thema" (Text-Referenz) und „Subthema" hin.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Zur Voran- und Nachstellung des Text-Referenzaktes in diesen beiden Textmustern gibt es bei den einzelnen Sprechakten Analogien: Herausstellung und Nachtrag als Satz-Muster dafür (5.24, iv). Eine andere Analogie von Sprechaktverhältnissen und Textmustern finden wir bei Wetterberichten: Die Angabe der „Wetterlage" bildet die Situationspräsuppositionen für die darauffolgende „Wettervorhersage", den Text-Illokutionsakt. 1 3 9 Die Getrenntheit der Teiltext-Muster aller drei genannten Textmuster wird unterstrichen durch den fortgeführten Gebrauch verschiedener Regelarten für die Äußerungen, 1 4 0 also durch verschiedene Stilmuster der Teiltextmuster. 5.25 Muster für Gleichzeitighandlungen und Zusatzhandlungen Aufgrund des in 5.23 dargestellten Zusammenhangs von Sprechakt und Äußerungstyp ist es möglich, eine Äußerung gleichzeitig mehreren Handlungsmustern zuzuordnen; 1 4 1 sie kann auf mehrere Weise verstanden werden. (i) Ein Beispiel dafür sind (12) und (13 a/b), wo im Nachhinein derselben Äußerung (12) verschiedene illokutionäre Kräfte (13 a) und ( 1 3 b ) zugesprochen werden. Die doppelte Zuordnung kann vom Sprecher aber auch beabsichtigt sein, dem Hörer als beabsichtigt mitgeteilt werden: Dann wird mit dem Tun gleichzeitig beides bewirkt. Sprechhandlungen können vom Hörer auch unter eindeutigen Kommunikationsbedingungen absichtlich mißverstanden werden: Er ordnet die wörtliche Bedeutung der Äußerung einem Handlungsmuster zu, nach dem konventionell vom Sprecher unter den gegebenen Handlungsbedingungen nicht gehandelt wird. Hierher gehört auch ironisches Reden: Die Art der Sprechhandlung geht aus den Handlungsbedingungen hervor, aber die Äußerungsbedeutung ist mit den Handlungsbedingungen inkompatibel; die Handlung ist gleichzeitig nach dem erwartbaren Muster und aufgrund der Satzbedeutung auch nicht. Kurz (163) geht auf folgendes Beispiel von Wittgenstein ein: „Mach diesen Versuch: Sag ,Hier ist es kalt' und m e i n e ,Hier ist es warm'. Kannst du es?" 1 4 2 Dazu schreibt Kurz: „Der ironische Sprecher 139

141 142

Vgl. zu einer Trennung von Situationspräsuppositionen und der eigentlichen Illokution bei einzelnen Sprechakten die Verteilung auf verschiedene Äußerungen in (26), Kap. 1.24. Dies habe ich für Wetterbericht und Kochrezept eingehend dargestellt in Sandig 1970, allerdings noch mit einem anderen Beschreibungsinstrumentarium als hier. S. Heringer 1974a, 41, 43f. Wittgenstein § 510.

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will in seiner Äußerung nicht verstanden wissen, daß er „ w a r m " meint, sondern daß er „ w a r m " meint, i n d e m er „ k a l t " sagt." 143 Die Ironie kann die Prädikation betreffen wie bei dem Beispiel von Kurz. Sie kann aber auch die Illokutionskraft betreffen. 1 4 4 So kann ein Sprecher den Adressaten kritisieren, indem er ihn ermuntert mit der Äußerung: (31) Mach so weiter. Ein Beispiel für gleichzeitiges Handeln ist auch (30), w o mit denselben Äußerungseigenschaften referiert und implizit prädiziert wird. Das Ergebnis ist die „atmosphärische" Wirkung. Bei Doppeldeutigkeit syntaktischer Strukturen und bei Wortspielen betrifft die Gleichzeitighandlung nur über einen Teil der Äußerung - einen Aspekt der sprachlichen Handlung. ( i i ) Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß .dasselbe' in der Äußerungsabfolge auf verschiedene Art getan wird. Zum Beispiel sind die folgenden Äußerungstypen Befolgungen von Regeln spontanen Sprechens: ( 3 2 ) Nein, das will ich nicht. ( 3 3 ) Ja, das ist wahr. Ablehnung oder Zustimmung werden dabei verdoppelt. Denn ja oder das ist wahr allein würden genügen, um Zustimmung auszudrücken. Aber für den „ Z u g " eines Sprechers im Dialog sind diese Äußerungen sehr knapp, manchmal auch zu unpräzis. Deshalb kann man wohl sagen, daß der Sprecher die erste Äußerung mehr für sich macht, die zweite explizit für den Hörer. 145 Damit bewirkt der Sprecher,dasselbe' unter partiell verschiedenen Gesichtspunkten. Ob man dies als Gleichzeitighandlung beschreibt, oder ob man die erste Äußerungsart als zusätzlich zu der zweiten beschreibt, ist eine Frage des größeren Beschreibungszusammenhangs. Ähnlich ist es mit der folgenden Regelart spontanen Sprechens: den Pleonasmen. 146 143

145 146

Bei Kurz geht es um den Unterschied von konventioneller und aktueller Bedeutung. Anscheinend kann Ironie nicht die Referenzakte betreffen. Denn nur scheinbar ist der Referenzakt betroffen, wenn jemand z. B. selbstironisch von sich spricht mit meine Wenigkeit oder von seinem alten Auto mit meine Karosse oder wenn Herbert Wehner den Reporter Lueg [lu:k] anspricht mit Herr Lüg [lü:k|. Bei diesen Arten von Ausdrücken sind Prädikationen vorausgesetzt. Es kann nämlich hier kaum eine Existenzpräsupposition angenommen werden wie es gibt meine Wenigkeit, sondern vielmehr ich bin/nenne mich meine Wenigkeit; es wird also referiert auf den Sprecher oder andere Gegenstände und darüber das übrige prädiziert. Auch Nachträge (5.24, iv) haben o f t diese Funktion in der Interaktion. Die Beispiele ohne Textstellenangabe sind Aufzeichnungen von eigenen Gesprächssituationen, auch von Rundfunkinterviews, von gebildeten Sprechern.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(34) Sie scheinen sehr viel zu arbeiten anscheinend.147 (35) Aber diese entscheidende Bandscheibe wird ja immer dauernd strapaziert, nicht?148 Bei diesen Pleonasmen werden zwei Lexeme mit sehr ähnlichem Gebrauch („Synonyme") in einer Äußerung zusammen verwendet. Dabei handelt es sich um einstellungsanzeigende Lexeme in (34) und um Lexeme, mit denen etwas zu den ,Umständen' innerhalb der Prädikation beigetragen wird, in (35). Der eine Teil des Pleonasmus trägt mehr Betonung als der andere. So ist zu vermuten, daß der andere unbetonte eine unterstützende gleichzeitige Handlung darstellt: eine Zusatzhandlung inbezug auf das Gesamte der Handlung. Handlung deshalb, weil ein Teilaspekt der Handlung 149 vollzogen wird, indem er verdoppelt geäußert wird; durch dieses Ergebnis wird die Wirkung verstärkt. 150 (iii) Zusatzhandlungen dieser letzten Art sind Teilhandlungen von Sprechakten, aber sie sind es in anderer Weise als in 5.24 beschrieben: Teilhandlungen nach 5.24 sind konstitutive Teile von Sprechakten. Zusatzhandlungen können als weitere, aber nicht konstitutive Teile den Sprechhandlungen hinzugefügt werden. Andere Beispiele für Muster für Zusatzhandlungen sind diese Regeln spontanen Sprechens: 1S1 (36) Das war doch n bißchen viel. (37) Na, ich mein, nun - mußt die Leute auch verstehn, ja?iS2 Statt zu sagen Das war viel oder Mußt die Leute verstehn setzen die Sprecher noch etwas hinzu: in (36) doch zum Bekräftigen der eigenen Meinung dem Hörer gegenüber bei der Voraussetzung, daß der Hörer übereinstimmt, die Proposition aber gerade nicht präsent hat, 153 und n bißchen zum Abmildern dem Hörer gegenüber. 154 Bei (37) sind die Zusätze noch komplexer, weil der Hörer von einer Gegenmeinung überzeugt werden soll. Es sind zusätzliche Handlungen mit den Zwecken, 147

149 150

152 1s3 154

Aus: Texte . . . 1/1971, 164. Vgl. auch: Ich bin eh sowieso soweit. Vgl. auch: Ich versteh das so. daß das Interesse nicht dauernd immer betont werden muß.

wieder

Vgl. dazu die Auffassung, daß mit Adverbialen eine Prädikation über den restlichen Satz ausgedrückt wird. Für andersartige Beispiele s. 6.34, i. W. Holly hat mich darauf hingewiesen, daß mit anderen Beschreibungsinteressen die Beschreibung geradezu umgekehrt werden kann: Steht z. B. die Beschreibung des Beziehungsaspekts (Watzlawick u. a.) im Vordergrund, ist das, was hier als zusätzlich beschrieben wird, als hauptsächliche Handlung zu beschreiben. Mir geht es aber um die Beschreibung von den Sprechakten, den Illokutionen her gesehen. S. auch 7.11, v. Aus: Texte . . . 1/1971, 82. Vgl. dazu Rath. S. Sandig 1974 a, 29 f.

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einerseits die eigene Überzeugung dem Hörer gegenüber zu vertreten, andererseits ihn nicht zu verletzen, ihm Spielraum zum nächsten Handlungszug zu lassen. Wenn gleichzeitig beide Arten von Regeln angewendet werden, wird dem Hörer das Akzeptieren suggeriert, aber trotzdem die Möglichkeit des Nichtakzeptierens offengehalten. Es sind im Unterschied zu (32) und (33) unselbständige Handlungen; sie unterstützen die Illokutionskraft und Teile der Prädikation in unterschiedlicher Weise. Bewertungshandlungen 155 können wie in (16a/b) als selbständige Handlungen ausgeführt werden. Oft werden sie jedoch als Zusatzhandlungen ausgedrückt: (38) Drei Jahre fährt er15* nun vorneweg im internationalen Skizirkus, und schon ist er ein Klischee, weil für differenziertes Betrachten nicht viel Muße ist im Zeitalter der Schnellschußmedien. Schnellschuß- und Zirkus sind Lexeme, die regelhaft für andere Bereiche sprachlichen Handelns gebraucht werden. Durch die Verwendung von Wortbildungsregeln sind hier normalerweise unverträgliche Lexeme wie Ski und Zirkus zusammen verwendet. Es entsteht eine negative Bewertung. Die Bewertungshandlungen werden zusätzlich zu den Illokutionsakten vollzogen. Mit Metaphern dieser und anderer Art werden Zusatzhandlungen vollzogen: Sie werden erreicht durch die Gleichzeitigkeit von wörtlicher und nichtwörtlicher Bedeutung eines Äußerungsteils. Die nichtwörtliche Bedeutung des fraglichen Äußerungsteils ist intendiert, und sie wird vom Hörer aus dem Illokutionsakt in den Kommunikationsumständen und aus der übrigen Satzbedeutung erschlossen. Die Gleichzeitigkeit von wörtlich und nichtwörtlich ist zusätzlich, bezogen auf eine gleichartige Sprechhandlung, die mit einer Äußerung ohne Metapher vollzogen wird. Andere Zusatzhandlungen bestehen in Eigenschaften der Basishandlungen sprachlicher Äußerungen, wie z. B. Alliterationen: (39) Nach Toni Sailer, dem strahlenden, und Karl Schranz, dem traurigen Matador, jetzt der Kärntnerbua mit Kernnatur, einer der mistet, melkt und Medaillen macht: Franz Klammer.157 Durch Eigenschaften der Lautfolge wird eine zusätzliche Wirkung erzielt, diese braucht mit der Satzbedeutung und der Art des Sprechakts nicht unbedingt übereinzustimmen. 158 Es gibt also sehr verschiedene Arten von Zusatzhandlungen. 155 156 157 I CO

Dazu auch 7.32. Der Skiläufer Franz Klammer. Aus: „Stern" 2 9 / 1 9 7 6 , H. 7. S. 18. „Stern" 2 9 / 1 9 7 6 , H. 7, S. 19. Vgl. dazu Cohen. Auf „vier Kategorien von Zusatz- bzw. Nebeninformationen" bei akustischen Informationen weist Meier (76) hin.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(iv) Die generelle Funktion von verbalen Zusatzhandlungen ist: 1 5 9 entweder die Unterstützung einer Handlung durch eine zusätzliche Handlung oder aber eine Handlung über die zentrale Handlung hinaus, im Prinzip unabhängig von dieser. Ersteres ist die ursprüngliche Funktion rhetorischer Mittel gewesen. Letzteres ist die Funktion des „ornatus" in rhetorischen und dichterischen Texten geworden. 1 6 0 Zum Beispiel Brinkmann schreibt in diesem Zusammenhang von „sprachlichem Verputz" (98). Die Sprechaktbeschreibung von Stilphänomenen zeigt allerdings, daß die dabei vorausgesetzte Trennung von Inhalt und Form nicht zutrifft. 1 6 1 Zusatzhandlungen sind also solche, deren Anteil an einer Äußerung auch fehlen könnte; die verbleibende Äußerung würde trotzdem für eine vollständige Sprechhandlung zählen. Die Grenze zwischen Zusatzhandlung und Teilhandlung ist sicher am Beispiel nicht immer klar zu ziehen, ist Frage des Beschreibungszwecks und -interesses. Wichtig ist aber die systematische Unterscheidung: Zusatzhandlungen und Muster dafür sind verschieden von jenen Teilhandlungen (Teilakten) und Mustern, die nach Searle konstitutiv für Sprechakte sind. Es gäbe auch eine alternative Beschreibungsart für Zusatzhandlungsmuster: Man könnte eine Beschreibung des gesamten Sprechakts vornehmen. Illokutionsart u n d Zusatzhandlungsmuster wären dann zusammen zu beschreiben als Spezifizierung 1 6 2 der Illokutionsart. Mir erscheint es aber als unökonomisch, komplexere Handlungsmuster dieser Art als ganze zu beschreiben. Denn die aufgeführten Muster für Zusatzhandlungen werden regelhaft mit sehr verschiedenen Illokutionsarten verwendet. Deshalb ist es ökonomischer, sie getrennt zu beschreiben. Bei Zusatzhandlungen ist die Unselbständigkeit Teil der Regelbeschreibung; diese Regeln können nicht allein für sprachliche Handlungen verwendet werden. 1 6 3 (v) Es stellt sich die Frage, ob Gleichzeitig- oder Zusatz-Handlungsmuster nur bei einfachen Sprechakten beschrieben werden können, oder auch bei Textmustern. Ich gehe darauf in Kap. 6 und 7 ein. 1 59 160

162

Auch Meier, 76. Über die Auffassung von Stil überhaupt als Zusatz s. Spillner 1974, 2 6 f f . S. 1.24; Brinkmann schreibt dazu (97): „Allgemein ist festzustellen, daß ornamentaler Stil dort begegnet, w o die Beziehung zwischen Inhalt und Form nicht gesehen ist, wo die Form dem Inhalt sozusagen von außen aufgesetzt wird." Daß dies keine veraltete Auffassung ist, zeigen 1.24 und Stilanalysen wie die bei Schlüter, 3 0 0 - 3 0 6 . Heringer 1974 a. 54. Vgl. die Analogie bei syntaktisch-morphologischen Erscheinungen: Bloomfield hat diesbezüglich zwischen „bound forms" und „free forms" unterschieden (160).

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung

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5.26 Handlungsmuster und Handlungsvariante Viele Handlungen nach Mustern können konventionell auf verschiedene Art vollzogen werden; es gibt mehrere Muster für den Handlungsvollzug. (i) Beispiele sind in 1.1 und 1.2, Begründungen in 5.13 und 5.23 gegeben. Konventionelle Handlungsvarianten können entstehen durch verschiedene Äußerungsmöglichkeiten wie: verschiedene Verhältnisse von Illokutionsfunktionen und Satzbedeutungen, verschiedene Äußerungsarten für Teilhandlungen und deren Teile, Verwendung von Zusatzhandlungen, usw. Ob eine Handlung nach einem Muster als nach einer Handlungsvariante angesehen wird oder als Handlung nach einem selbständigen Muster, ist eine Frage der Benennungskonvention und damit der sozialen Funktion, auch des Beschreibungszwecks. Handlungsvarianten sind Alternativen 1 6 4 mit gleicher Illokutionsfunktion. Oft sind Handlungsvarianten konventionell auf den Gebrauch in unterschiedlichen Handlungsbereichen festgelegt. Zur Beschreibung der Handlungsvarianten gehört deshalb auch die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen. 1 6 5 (ii) Es gibt auch Varianten von Textmustern. Zum Beispiel sind die Wetterberichte in den ZDF-Nachrichten einerseits und andererseits im ARD-Fernsehen und den Zeitungs-Nachrichten Varianten des Textmusters Wetterbericht. 1 6 6 Der Aufbau dieser Varianten ist gleich (5.24, vii), ebenso die illokutionäre Kraft des Gesamten und der Teile. Verschieden sind die Äußerungseigenschaften. Es liegen also weitgehende Gemeinsamkeiten dieser Varianten vor. Als generelles Kriterium für Handlungsvarianten zu einem Handlungsmuster wird man aber wohl nur die gleichartige Text-Illokution annehmen können. Auf die Beschreibung der Varianten eines Textmusters, an dem dies deutlich wird, gehe ich näher ein in Kap. 6. 5.27 Wiederholen und Variieren, Abweichen, Fortführen Bei den bisherigen Beispielen in 5.2 gab es viele Regeln, die in ihrem Gebrauch auf bestimmte Textmuster oder weitere Bereiche sprachlichen Handelns begrenzt sind, zu deren Bedeutung also diese Festlegung gehört. Die Restriktionen im Gebrauch wirken sich wie bei den entsprechenden Lexemen (5.22) als „stilistische Bedeutung" 1 6 7 aus. 164 165

167

Heringer 1974 a, 47 f. Heringer 1974a, 49. Vgl. zu den beiden Arten von Wetterberichten Scherner und Sandig 1970. Auch 7.11, ii. Riesel 1971 b für Lexeme.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Andere Regeln sind in ihrem Gebrauch nicht stilistisch festgelegt; ihre Verwendung führt dann zu einer stilistischen Wirkung, wenn sie fortgeführt (3.12) werden. Durch das Fortführen werden in der TextHandlung bzw. dem Textmuster stilistische Zusammenhänge hergestellt. Sonderfälle des Fortführens sind Wiederholen und Variieren. 168 Ich führe das im folgenden näher aus. Wesentlich ist dabei, daß Wiederholen und Variieren hier im Zusammenhang der Sprechhandlungstheorie als Handlungsmuster beschrieben werden. 1 6 9 (i) Ein Sprecher kann Handlungs- und Äußerungsarten, auch Formulierungsarten oder Teile davon wiederholen. Eigenschaften von Äußerungsteilen können innerhalb einer einzigen Äußerung wiederholt verwendet werden oder aber über mehrere Äußerungen in einer Abfolge verteilt sein. Wiederholen ist eine Regel. Wiederholt werden können Phoneme oder Phonemkombinationen wie in (39) oder in Reimen; spezifische lexikalisch-syntaktische Regelverwendungen, 1 7 0 syntaktische und andere Parallelismen, usw. Die Regel des Wiederholens kann also auf die Verwendung sehr verschiedener Arten von Regeln 171 als Elemente angewendet werden: Verwendung von Wortbildungsregeln, lexikalischen, syntaktischen, phonemischen Regeln, Illokutionen, Referenzakte usw. 172 (ii) Es gibt auch den Fall, daß nicht dasselbe in der Texthandlung oder dem Textmuster fortgeführt wird, sondern Ähnliches. Beispiele sind die Pleonasmen in (34) und (35). Ein Beispiel enthält auch (39):

168

169

170 171 172

Vgl. Spillner 1974, wo in einem anderen, noch unausgeführten Ansatz „Kontraste und Kongruenzen" ähnliche Funktion haben (67 ff.). Auch Plett 147 f.: „Regelverstärkende Deviation" (Wiederholen) und „regelverletzende Deviation" (Variieren) werden zusammen mit linguistischen Einheiten verschiedener Art zur Grundlage seiner Typologie der Stilfiguren gemacht. Bei Wienold (s. u.) sind beide als „Formulierungsverfahren" beschrieben. Vgl. auch 3.11 Jakobson, bei dessen strukturalistischen Beschreibungen zusammenfallt, was hier als Wiederholen und Variieren unterschieden wird. Dazu noch eingehender und mit Unterscheidung weiterer Unterarten: 5.28. Vgl. zu Wiederholen und Variieren auch die allgemeine Fähigkeit, Gleiches, Ähnliches und Verschiedenes wahrzunehmen; sie ist die Voraussetzung des Erlernens von Regeln, mithin Voraussetzung für sozial sinnvolles Handeln. Wittgenstein §§ 225, 77. Zum wahrnehmungspsychologischen Aspekt auch Berlyne. Z. B. in (38): Skizirkus. Schnellschußmedien. Auch Phoneme und Phonemfolgen können mit Regeln beschrieben werden. Vergleichbar ist Wienold's Auffassung von der Hierarchisierung von Formulierungsverfahren: allerdings basiert Wienold seinen Ansatz auf einer anderen Theorie, s. 5.3.

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung

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Nach Kärntnerbüa wird Kérnnatúr verwendet. 173 Ich nenne diesen Sonderfall des Fortführens Variieren. In (39) variiert der Schreiber noch öfter und er untermischt das Variieren mit Wiederholen: Die Referenzakte des Anfangs werden ausgedrückt, indem Eigennamen wiederholt verwendet werden; ebenso werden Prädikationen dazu ausgedrückt durch die wiederholte Verwendung von Appositionen. Die Prädikationen werden im besonderen ausgedrückt, indem ein Teil der Äußerung für beide gilt ( d e m . . . Matador) und indem ein anderer Teil variiert wird durch die Verwendung semantisch konstrastierender Adjektiv-Attribute. Das Muster Referieren mittels Eigenname und Prädizieren mittels Apposition wird zwar auch im letzten Teil der Äußerung, also auch ein drittes Mal wiederholt. Aber die Abfolge von Referieren und Prädizieren ist beim dritten Mal umgekehrt: Der Eigenname wird erst am Ende geäußert (Variieren). Vorher wird auf den Referenzgegenstand verwiesen, indem eine Periphrase (der Kärntnerbüa mit Kernnatur) verwendet wird; damit wird über eine Präsupposition wie Franz Klammer ist ein Kärntnerbüa. . . eine Prädikation ausgedrückt. (Vgl. (9) in 1.12.) Die Mittel des Ausdrückens der Prädikation werden also variiert. Außerdem wird im dritten Teil von (39) noch eine zweite Prädikation ausgedrückt (Wiederholen), indem eine Apposition, diesmal mit Relativsatz (Variieren) geäußert wird. Dieser Relativsatz wieder dient dazu, eine dreifache Prädikation auszudrücken (Variieren). Der dritte Teil der gesamten Äußerung, von jetzt der Kärntnerbüa... an, besteht also im mehrfachen Wiederholen und Variieren, das durch eine rein äußerungsbezogene Stilistik nicht beschrieben werden kann. Zur Illustration gebe ich noch ein Beispiel für die Verwendung des Variierens in der Argumentation: 174 (40) China stellte sich gegen die Welt, um sich der Welt zu verbinden. Mit diesem Paradoxon hat man das Rätsel der vier chinesischen Revolutionen zwischen 1911 und 1965 lösen wollen. Vier Jahre nach jenem frostklaren Februartag, als zum erstenmal ein Präsident der Vereinigten Staaten die Verbotene Stadt in Peking betrat, läßt sich dieser Spruch abwandeln: China verbindet sich der Welt, um sich von ihr abzusetzen. . . . (iii) Eine andere stilistische Regel ist das Abweichen. Im Unterschied zu der in 3.11 angesprochenen Auffassung der Abweichung als Stilmittel 173

174

„ ' " und „* " stehen für Haupt- und Nebenakzent; die Akzentstruktur ist also gleich. Die lautlichen Ähnlichkeiten sind noch stärker, als das Schriftbild erkennen läßt. Aus: Die Zeit, 27. 2. 1976, S. 1. Sonst gehe ich hier auf Argumentationsstil noch in 7.3 ein.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschieibungen

wird hier Abweichen als Handlungsmuster, allgemeiner als Regel aufgefaßt. Dies entspricht dem pragmatischen Konzept dieser Stilistik. Die Abweichung als Stilmittel anderer Konzeptionen kann aber mit der hier vertretenen in Verbindung gebracht werden: Abweichungen sind die syntaktischen oder semantischen Ergebnisse von Befolgungen der Regel des Abweichens. Hier werden darüberhinaus allerdings auch Abweichungen inbezug auf den konventionellen Zusammenhang von Handlungsund Äußerungsaspekt zum Gegenstand der Beschreibung gemacht, ebenso von einer Konvention abweichende Handlungssequenzen. Abweichungen werden in komplexen Handlungen meist wiederholend oder variierend fortgeführt. Im folgenden gebe ich einige Beispiele für Abweichungen. Im letzten Teil von (39) wird von der Regel abgewichen, daß nicht auf einen in einer Text-Umgebung bereits eingeführten Gegenstand referiert wird, indem der volle Name ans Ende der Äußerung gestellt wird. Die allgemeinere Regel lautet: Die Prädikation kann vor der Referenz ausgedrückt werden, wenn der Referenzgegenstand im Kontext noch nicht eingeführt ist. Diese Abfolge von Prädizieren und Referieren erzeugt eine Spannung. 175 Ein Beispiel für die Befolgung dieser Regel aus Ueding (62): „D i e kirchliche Autorität, die wesentlich dazu beigetragen hat, daß sich die Dreistillehre . . . durch das Mittelalter erhält, ist Augustinus." Noch einige weitere Beispiele für Befolgungen der Regel des Abweichens: (41) Wer zuerst kommt, bräunt zuerst.176 (Bahnländisches Sprichwort) Dies ist eine Einladung an alle, die sich gerne in die Sonne legen, wenn man vor lauter Strand noch keine Menschen sieht. . .177 (42) A irlaub mit A irtours. Das Abweichen besteht in (41) darin, daß bei der Verwendung von Sprichwörtern und Redewendungen, regelhaft festgelegte Teile gegen andere ausgetauscht werden. 178 In dem kurzen Textstück wird das Verfahren variierend wiederholt: Zuerst wird es auf ein Sprichwort angewendet, dann auf eine Redewendung. In (42) wird der Vokal einer Silbe ausgetauscht und so diese Silbe einer anderen im Kontext angeglichen; 1 75

176 177 178

Die Äußerung (39) weist kein syntaktisches Prädikat auf. Dies sehe ich nicht als syntaktische Abweichung an, sondern als Ergebnis der Befolgung eines Nominalsatz-Musters. Vgl. 5.24, v, Fußnote. Es handelt sich um ein Muster, dessen Bestandteil eine Nominalgruppe und mindestens eine (temporale) Angabe sind. Fettgedruckt als Werbungs-„Schlagzeile". Aus einer Reklame der Deutschen Bundesbahn. Vgl. auch die Benzin-Reklame: Sauber fährt am längsten.

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die Folge dieses Abweichens ist das Wiederholen der akzenttragenden Silbe desjenigen Wortes, auf das es im Text ankommt. Die Beschreibung zeigt, daß das Verstehen der Abweichung zustandekommt durch den Bezug auf die Regel, von der abgewichen wurde (s. 5.13). Ein weiteres Beispiel: Im „Spiegel" wird oft ein Nomen agentis, auch ein unkonventionelles Kompositum, wie ein Titel ohne Artikelform vor einem Eigennamen gebraucht: (43) Grenzbesichtiger Schmidt, Urlauber Ertl Dieses Abweichen von einer Regel des Deutschen ist durch den erwartbaren Gebrauch zu einer speziellen Regel des „Spiegel" geworden. Eine besondere Art des Abweichens ist das Metaphorisieren. Eine Metapher ist das Ergebnis der Befolgung einer Metaphorisierungsregel. Beispiele dafür sind: (44) Er ist ein verheirateter Junggeselle. (Abraham 161) (45) Ich kämme die Stilistik einmal anders. Nach Abraham erhalten die Bedeutungskomponenten 179 der metaphorisierten Lexeme eine andere Priorität als sonst; sie werden „umpriorisiert" (172). Bei dieser Beschreibung erscheint es mir aber unmöglich, zu unterscheiden zwischen einer Ad-hoc-Metapher und einer solchen, die zur Regel (in einem Bereich) geworden ist. Mir scheint es wichtig zu betonen, daß durch vorübergehende vom Gebrauch abweichende Verwendung die R e g e l n von Junggeselle und kämmen nicht tangiert werden. Mögliches Abweichen gehört ja zum Regelbegriff. 180 Mir scheint, daß es ausreicht, Metaphorik über Schlußregeln zu beschreiben, wie Abraham dies auch tut (165). Dabei gehen die wörtliche und die nichtwörtliche Version (5.25) in die Prämissen ein; die Verbindung mit ,wie' wird durch einen logischen Schluß hergestellt. Abraham gibt als Beispiel (165): (46) Der Nebel kommt auf den Pfoten einer kleinen Katze. Dafür erschließt er folgende Analogiestruktur (165): „Der Nebel kommt und dies geschieht so weich und unhörbar, wie wenn eine Katze auf ihren Pfoten kommt." Er stellt die These auf (165): „Nur wenn einem Satz mit geringer oder niedriggradiger Akzeptabilität eine Analogiestruktur . . . zugeordnet werden kann, ist dieser Satz interpretierbar." Schlußregeln können auch zur Beschreibung von (41) und (42) herangezogen werden, auch für (43). Vgl. auch die Rolle von Schlußregeln für das Verstehen von Sprechhandlungen. 181 (iv) In 3.12 habe ich das Wiederholen von gleichen oder ähnlichen Zusammenhängen des Handlungs- und Äußerungsaspektes Fortführen 179 180 181

Die Bedeutungsbeschreibung geschieht hier mit semantischen Merkmalen. 5.13, s. auch 5.22, i. 1.13; 5.23.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

genannt. In 5.27 (i) und (ii) werden Wiederholen und Variieren als Sonderfälle des Fortführens eingeführt. Welches sind die Kriterien für die Unterscheidung von Fortführen einerseits und Wiederholen und Variieren andererseits? Ich unterscheide folgendermaßen: Fortführen ist die allgemeine stilbildende Regel; 182 fortgeführt wird Auffälliges und Unauffälliges, und dies oft in großen Textteilen. Wiederholen und ähnlich sind bei der Bestimmung von Fortführen im nichtterminologischen Sinn verwendet (3.12). Wiederholen gebrauche ich als Terminus folgendermaßen: Von Wiederholen spreche ich dann, wenn die Intention des Sprechers so verstanden werden kann, als habe er die Wiederholung als Wiederholung intendiert. Ein Beispiel dafür ist die Wiederholung von Air- in (42). Meist fällt die Wirkung des Wiederholens anscheinend mit der Reichweite des Kurzzeitgedächtnisses zusammen. Dasselbe gilt für Variieren: Es wird dann gebraucht, wenn es Ähnlichkeiten zu beschreiben gilt, die als intendierte Ähnlichkeiten verstanden werden. Auffällige Regelverwendungen können allerdings auch über größere Textteile hinweg als wiederholt oder variiert verstanden werden. Auch kann sich der Adressat an das Variieren und Wiederholen im jetzt festgelegten Sinn gewöhnen, „sich einhören" oder „sich einlesen". Deshalb ist die Grenze zwischen Wiederholen und Variieren einerseits und Fortführen andererseits am Beispiel oft nicht scharf zu ziehen; zwischen diesen Regeln kann die Grenze nur systematisch festgelegt werden. 183 (v) Ich beschreibe noch ein Textbeispiel zur Illustration: 184 (47) Unser Bestes™ Das unübertroffene Persil-Weiß in der günstigen Sonderpackung. Holen Sie sich die günstigen Sonderpackungen von Persil: nichts auf der Welt wäscht weißer als Persil mit den zwei Weißmachern Greifen Sie zu, Unser Bestes gibt's selten so günstig. Eigenschaften der Äußerungen: Lexeme werden, in unterschiedlichen syntaktisch-semantischen Bezügen verwendet, wiederholt. Außerdem werden verwandte Bedeutungen im Ausdruck variiert: 186 günstige Sonderpackung und gibt's selten so günstig; unübertroffen und nichts auf 182 183

184

185 186

3.12; auch 1.22 und 1.23. Dies wird auch zum Problem bei Riffaterre: Es ist bei ihm unklar, als wie weit der „ K o n t e x t " einer stilistisch auffälligen Eigenschaft aufgefaßt wird. Aus: Bunte Illustrierte, 18. 1. 1973. Als Gleichzeitighandlung ist der verbalen Kommunikation die bildliche beigegeben. „Schlagzeile" der Werbung. Die semantischen Zusammenhänge können über Schlußbeziehungen beschrieben werden, z. B. I. Kummer, 2 6 5 - 2 6 7 .

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung

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der Welt (mit komparativischem Ausdruck verwendet); weißer und zwei Weißmacher (mit lautlicher Variierung). Eigenschaften der Formulierungen: Am Beginn wird mit variierten Äußerungen auf den angebotenen Gegenstand verwiesen: Unser Bestes, Das unübertroffene Persil-Weiß. . . Durch diesen Bezug fungiert Unser Bestes im Nachhinein als Prädikation, auch zusammen mit dem Bild. 187 Die Aufforderung zum Kauf wird mit variierten Äußerungen wiederholt: Holen Sie sich . . . , Greifen Sie zu; desgleichen die Begründungshandlungen, die auf die Aufforderung folgen (Wiederholen). Aufforderungen, Verbote, Befehle und Vorschläge werden regelhaft durch nachfolgende Begründungen für den Hörer quasi entschärft; sie sollen leichter akzeptierbar gemacht werden. In der ersten Aufforderung wird mit wenig variierter Äußerung eine vorangegangene Prädikation wiederholt: die günstigen Sonderpackungen von Persil; in der zweiten Begründung wird die erste Prädikation des Textes wiederholt (unser Bestes) und verbunden mit anderen Prädikationen in variierter Äußerung: gibt 's selten so günstig. Durch das Variieren der Formulierungen wird eine Verteilung des für die Intention entscheidenden Teils des propositionalen Aktes auf die erste Aufforderung u n d die zweite Begründung erreicht. Dadurch wird die in der Regel mildernde Funktion der Begründung variiert zu einer Verstärkung der Kauf-Aufforderung, der zentralen Handlung. So ist aufgrund der Zwecksetzung von Werbung das Wiederholen und das Variieren in (47) vom Sprecher intendiert. Es wird aber vom Adressaten wohl nur da als solches verstanden, wo es durch die besondere Äußerungsart, durch das Schriftbild, das merkliche Wiederholen und durch die Gleichzeitighandlung der Bildgebung unterstützt wird. 5.28 Stilistische Handlungsmuster und stilistische Regeln Wiederholen und Variieren werden in 5.27 Regeln genannt, Abweichen wurde Handlungsmuster und Regel genannt, Fortführen die allgemeine stilbildende Regel. Sind derartige stilistische Regeln Handlungsmuster oder Teilhandlungsmuster (5.24) oder nur Muster für Gleichzeitig- oder Zusatzhandlungen (5.25)? (i) Havränek (9) schreibt inbezug auf Automatisierung und Foregrounding: „By automatization we . . . mean such a use of the devices of the language, in isolation or in combination with each other, as is usual 187

Die Referenz auf den angebotenen Gegenstand Persil geschieht vorwiegend durch das Bild. Im Text wird auf den Gegenstand nur .verpackt" in umgebende Prädikationen referiert: das unübertroffene Persil-Weiß, Persil mit den zwei Weißmachern. (Mit von Persil wird auf die Firma referiert.) Vgl. zur Relationierung unterschiedlicher Prädikationen, die mit einer Äußerung ausgedrückt werden, auch 7.32, iv.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

for a certain expressive p u r p o s e , that is, such a use that the expression itself does not attract any attention." Der Zweck des Foregrounding dagegen ist, „that this use itself attracts attention and is perceived as uncommon . . . " 1 8 8 Sowohl mit dem automatisierten Fortführen wie auch mit dem Foregrounding (Abweichen, spezielle Arten des Wiederholens und Variierens) werden also Zwecke verfolgt: beim unmerklichen Fortführen der Einklang mit Konventionen, beim Foregrounding das deutliche Abweichen davon. Das heißt: der Sprecher hat eine bestimmte Absicht (konventionell unauffällig zu handeln oder unkonventionell auffallend zu handeln); er führt diese aus, indem er Äußerungen mit Eigenschaften hervorbringt, mit denen konventionelle oder abweichende Handlungen und Handlungsabfolgen ausgedrückt werden können. Als Folge erreicht er eine bestimmte Stilwirkung. 189 Stilistische Regeln sind also Handlungsmuster; es wird damit ein Effekt, eine Wirkung zielt. Nach den bisherigen Beispielen werden durch Fortführen Konventionen immer wieder neu bestätigt. Es ist also von der Textillokution her gesehen ein zusätzliches Handlungsmuster. Betrachtet man allerdings das Fortführen von Elementen semantischer Felder, das Kloepfer/Oomen bei Rimbaud beschrieben haben, so ist die Handlung des Fortführens konstitutiv für die Text-Handlung. 190 Das Fortführen kann also zum Ganzen der Text-Handlung Unterschiedliches beitragen. 191 Beim Abweichen, Variieren und Wiederholen wird durch die Auffälligkeit für den Hörer die spezifische Wirkung erzielt. Jakobson nennt es das „Poetische"; wenn damit eine nicht-poetische Handlung vollzogen wird, „a subsidiary, accessory constituent" (356). Er schreibt weiter (357): „The secondary poetic function of this electional catch 192 reinforces its impressiveness and efficacy." Aus diesen Bemerkungen geht hervor, daß solche stilistischen Handlungen als zusätzliche Handlungen (Zusatzhandlungen) angesehen werden. 193 Wenn der Sprecher intendiert, 188

' Havranek 10, Sperrung von mir, B. S. Vgl. Jakobson's Bestimmung der „poetic function oflanguage", 356; diese ist aber nicht nur auf poetisches Sprechen festgelegt (ebda.). 189 Bestimmte sprachliche Mittel im Dienst bestimmter Handlungsintentionen werden schon bei Aristoteles, Buch III aufgeführt. S. auch Breuer 1974, 138f.; Spillner 14,17. Riesel/Schendels 7: Forschungsgegenstand der Stilistik ist „die außer- und innerlinguistischen Faktoren entsprechende w i r k u n g s v o l l e Verwendungsweise des sprachlichen Potentials unter verschiedensten gesellschaftlichen Bedingungen . . ." (Sperrung von mir, B. S.). 190 191 Dazu Kap. 7.2. Vgl. auch 7.1. Dort gehe ich unter dem Text-Gesichtspunkt noch genauer auf fortgeführte Handlungsarten ein. 192 „Ilike Ike", /ay layk ayk/. 193 Die Untersuchung der Auswirkungen solcher zusätzlichen Handlungen vom Wahrnehmungs- und lernpsychologischen Gesichtspunkt aus wäre eine psychologisch-linguistische Untersuchung wert.

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschieibung

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daß der Hörer Wiederholen, Abweichen oder Variieren als solche erkennt, vollzieht er damit eine Zusatzhandlung. Daß es ungerechtfertigt ist, Abweichen nur als poetische Handlungsart anzusehen, zeigen (39) und die Beispiele für Abweichen in 5.27, iii. 194 Ebensowenig ist es gerechtfertigt, Fortführen für eine ausschließlich poetische Handlungsart zu halten. 195 Die Beschreibung so unpoetischer Texte wie Wetterberichte und Kochrezepte zeigt, daß dies unhaltbar wäre. 196 (ii) Wiederholen, Variieren und Abweichen sind Regeln, bei deren Befolgung, wie 5.27 zeigt, in sehr verschiedener Weise vorgegangen werden kann: 1 9 7 Sie können auf sehr verschiedene Arten von anderen Regeln angewendet werden. Bei allen drei Regelarten gibt es Unterarten. Ich führe als Beispiele dafür nur wenige verschiedene Regelarten an. 198 Spezielle Wiederholungsregeln sind: Parallelismus, Epanalepse, Anapher, Geminatio usw.; Regeln für Abweichen sind: 199 Endlage, Anakoluth, Metapher, Ellipse, Inversion; Regeln für Variieren sind: Correctio, Zeugma, Chiasmus, Antithese, Klimax, Periphrase usw. Der Handlungscharakter von Stilregeln wie den zuletzt genannten wird auch darin deutlich, daß in vielen Fällen die Eindeutschungen mit Verbalsubstantiven für Handlungsarten benannt sind. 200 Für Metaphern geht Mack so weit, sie als Sprechakte anzusehen; 201 nach der hier vertretenen Auffassung sind Metaphern jedoch Zusatzhandlungen zu Sprechhandlungen, da sie eine unselbständige, an selbständige Handlungen gebundene Handlungsart sind. Vielleicht ist es möglich, sehr viele Stilfiguren durch den Bezug auf wenige allgemeinere Regeln wie Variieren, Wiederholen und Abweichen zu beschreiben. Die Annahme allgemeinerer stilistischer Regeln hat den Vorteil, daß auch stilistische Ac-hoc-Verwendungen beschrieben werden 194

S. auch Baumgärtner. Dies tut z. B. Stankiewicz 77, wo es heißt, „the periodic organization of the message" sei der entscheidende Unterschied zwischen poetischem und alltäglichem Sprechen. Dagegen Baumgartner 30. Dazu Sandig 1970. j 9 7 Vgl. Ähnliches bei Wienold 9 4 - 1 3 0 . Für Äußerungstypen als Beispiele für die Regelarten verweise ich auf den bei Geißner 3 7 - 5 3 aufgeführten „Katalog der Figuren und Tropen" von G. Lange. Dabei setze ich hier voraus, daß nicht regelhafte „Abweichungen" in einem 200 s P e z i f i s c h e n Gebrauchsbereich gemeint sind, wie z. B. Ellipsen in Schlagzeilen. S. dazu bei Breuer 178ff. die Beispiele aus Gottsched 1755 und Beck 1864. Mack 247: „Metaphoring is itself a speech act very much like stating or commanding: expressing, suggesting, even imposing a viewpoint counter to fact by means of an Assertion conjoined to a Pressupposition by a comparison marker, each of which may be partially or wholly absent in the actual utterance, or surface form."

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

können. Denn nicht immer befolgt der Sprecher Regeln der Sprache, und nicht immer verwendet er besondere Stilfiguren (stilistische Regeln), um eine stilistische Wirkung zu erreichen. (iii) Nicht alle spezifischen Stilregeln sind als Unterarten von Wiederholen, Variieren und Abweichen zu beschreiben. Es gibt auch solche Stilregeln, die Muster für einfache oder komplexe Sprechakte sind: die Einflechtung, 2 0 2 der Dialogismus (ein fingierter Dialog), das Beispiel (ein möglicherweise selbständiger Text), die Akkumulation (d. h. Aufzählung) usw. In diesen Fällen sind die Stilregeln Muster für einfachere oder komplexere Teilhandlungen von Textmustern oder Text-Handlungen. Regeln für Teilakte von Sprechakten habe ich in 5.24 dargestellt. Lexikalische und syntaktische Regeln mit stilistischer Bedeutung (5.22) sind Regeln für das Ausdrücken der Teilakte von Sprechakten oder von Teilen der Teilakte, auch für das Ausdrücken von Sprechakten wie Mensch/, usw. Die Wirkung der Verwendung von spezifischen Stilregeln in Äußerungen und Texten ist bedingt 1) durch die übrigen verwendeten Äußerungsund Textteile und 2) durch die Handlungen, die damit getan werden. Damit ergibt sich, daß mit der Befolgung derselben Stilregeln unterschiedliche Wirkungen erreicht werden können.

5.3

Überblick und weitere Fragestellung

Die Skizze, die in 5 gegeben wurde, besteht zusammenfassend in folgendem: Ausgehend von den Grundkategorien Handlung und Handlungsmuster, Konvention und Regel werden einzelne Regelarten beschrieben. Als Grundlage der einzelnen Beschreibungen dient der Zusammenhang, der in der Sprechakttheorie zwischen sprachlicher Handlung und sprachlicher Äußerung angenommen wird. Dadurch ist es möglich, Arten von Handlungen und Äußerungen, von Formulierungen im Zusammenhang zu beschreiben. Mit der Sprechakttheorie sind auch Arten von Teilhandlungen und Hierarchien von Handlungsarten vorgegeben. Dies führt zur Annahme von Analogien bei (monologischen) Textmustern, zur Möglichkeit der Beschreibung von Äußerungs- und Formulierungsmustern, die zu Textmustern oder Teiltextmustern gehören. 5.31 Einige Regelarten sind spezifische Stilregeln. Sehr viele andere hingegen dienen nur unter bestimmten Bedingungen, in besonderen Ver202

Z. B. „Überlegen wir uns doch, welches die Folgerung ist." Geißner, 42. Vgl. ebda, zu den Beispielen für die übrigen Stilregeln.

Skizze einer Sprachhandlungstheorie als Instrument der Stilbeschreibung

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Wendungen, als Stilmittel. Die Darstellung zeigt ein System von Regeln mit unterschiedlichem Gebrauchsbereich: Mit Hilfe allgemeiner Regeln wie Schlußregeln u n d der in 5 . 1 3 genannten Prinzipien 2 0 3 k ö n n e n Sprecher bei der Regelverwendung auch vom regelhaften Gebrauch abweichen und sich dennoch verständlich machen. A u c h bei den Stilregeln k ö n n e n allgemeinere u n d speziellere unterschieden werden (5.27, 5.28). Es k ö n n e n Regeln sehr unterschiedlicher Art beschrieben werden: Regeln, die Äußerungstypen und ihre Teile b e t r e f f e n ; Regeln, die als hierarchisch abgestufte Handlungsmuster beschrieben werden; Regeln, durch die die beiden Aspekte ( „ E b e n e n " ) sprachlichen Handelns verk n ü p f t sind. Stilistische Regeln sind in allen diesen Gruppen zu finden. Wie bei syntaktischen Regeln und bei Sprechakten werden auch hierarchische Verhältnisse u n d „ E i n b e t t u n g e n " bei stilistischen Regeln angenommen.204 Die Beschreibung sprachlicher Regeln ermöglicht die Unterscheidung von Regelbefolgung, -abweichung und -Veränderung. Dies gilt auch für spezifische Stilregeln wie Lexeme mit stilistischer Bedeutung und Stilfiguren. Eine Systematisierung von Stilfiguren wie bei Plett ist demgegenüber starr; sie wird der Vielfalt des Stilistischen nur teilweise gerecht. Es ergibt sich für die gewählte Zielsetzung (2.1): Konventionelle Stile k ö n n e n u n t e r Teilaspekten beschrieben werden. Diese werden so gewählt, daß sie durch die beschriebenen Regeln u n d Handlungsmuster bestimmt sind. Bei der Beschreibung von Teilaspekten stehen somit die dargestellten Regelzusammenhänge immer im Hintergrund. Mittels Regeln und Handlungsmustern kann jeder Textteil als Teilhandlung bestimmter Art beschrieben werden; Verwendungen von Regeln für Eigenschaften von Äußerungen k ö n n e n inbezug auf Teilhandlungen beschrieben werden. Text- und Äußerungsteile werden damit auch im Handlungszusammenhang beschrieben. 2 0 5 Der Vorteil der hier gewählten Konzeption ist der, daß eine theoretische Grundlage soweit ausgearbeitet ist, daß Texte u n d T e x t m u s t e r da203

204

205

Anpassung der Sprache an Kommunikationsbedarf und -bedürfnisse, Kooperation und Toleranz. Dies geht auch aus Wienolds Theorie der Formulierungsverfahren hervor, 42, 9 4 - 1 3 0 , bes. 102, 109ff. Allerdings ist der Begriff Formulierungsverfahren und der theoretische Zusammenhang bei Wienold unklar (80): „Der Begriff des FV hat sich zunächst an dem der fakultativen Regel orientiert, ist aber dann übergegangen zur Wahl von zwei Regelkomplexen und hat eine textbezogene operationale Ebene (.Formulieren 1 ) etabliert. Da dies für das Format der generativen Grammatik, das wir im ganzen als Modellhintergrund gewählt haben, sowieso im Moment ein Provisorium ist, müssen wir. . . ohne eine spezifizierte generative Grammatik auskommen." Vgl. schon W. Kummer für Argumentationsschritte im Text und Labov (1972) für Bewertungshandlungen in Erzähltexten.

98

Beschieibungskategorien und Stilbeschreibungen

nach beschrieben werden können. Demgegenüber arbeitet Spillner 1974 zwar mit Begriffen wie Text, Autor, Rezeption (60—72), aber der Weg vom Postulat zum Beschreibungsverfahren ist erklärtermaßen offen. Durch den hier zugrundegelegten Regelbegriff ist es auch unnötig, wie Wienold eine Analogie von „Formulierungsverfahren" und Regeln der Tiefenstruktur (40, 80) anzunehmen, 206 und entsprechend eine Analogie von „Formulierungen" und Oberflächenstruktur. 5.32 In der Darstellung des Kapitels 5.2 liegt das Gewicht auf der Beschreibung von elementaren stilistischen Kategorien. Analogien zu TextHandlungen und Textmustern wurden schon angedeutet. Stil ist im wesentlichen eine Text-Erscheinung, 207 und Texte und Textmuster sind d i e Einheiten sprachlichen Handelns. Deshalb wird die Beschreibung im folgenden ausgeweitet auf Texte und Textmuster. Die Komplexität der Gegenstände muß dabei durch die Beschränkung auf Teilaspekte ausgeglichen werden. Die Fragestellungen der folgenden Kapitel sind die: Was tragen besondere stilistische Handlungsarten und Handlungsmuster in einem Text oder Textmuster bei, und wie kann man den Stil eines Textmusters beschreiben, auch in relevanten Einzelaspekten? 208 Kann man Regeln für konventionelle Stile beschreiben, und wenn — wie? 209

206 207 208 209

Zur Problematik eines solchen Vorgehens s. 5.22, ii. Vgl. 3.12 und 5.27: Fortführen. Kap. 6 und 7. S. Kap. 8.

6

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten eines Textmusters

Mit den Kategorien von 5.2 beschreibe ich eingehender zwei Varianten (5.26) eines Textmusters. Dafür erscheinen mir Horoskope geeignet. Denn die in sich abgeschlossenen Teile sind kurz und inhaltlich stark begrenzt. Das erlaubt eine stilistische Beschreibung, ohne auf sehr komplizierte Handlungs-Zusammenhänge im Text eingehen zu müssen. An den Varianten kann gut beschrieben werden, wie sich die verschiedene konventionelle Ausführung .desselben' (s. 1) Textmusters auswirken kann. Die Gebrauchsbedingungen der Horoskop-Varianten sind verschieden:1 Die Bildzeitungs-Variante erscheint in einer Boulevard-Tageszeitung; die Variante des „Stern" in einer illustrierten Wochenschrift mit vorwiegend gebildetem Publikum. Die Frage ist, wie sich diese unterschiedlichen Gebrauchsbedingungen in den Varianten auswirken: im Gebrauch von Sprechakten und Sprechaktabfolgen und in den Äußerungsmustern, die gebraucht werden. Wie unterscheiden sich die Formulierungsmuster der Varianten? Sind infolge der verschiedenen Gebrauchsbedingungen die konventionellen Text-Handlungen verschieden?2 6.1

Textillokution, Teiltextmuster

6.11 Was tut jemand, der ein Horoskop stellt? Er sagt dem Adressaten für einen bestimmten Zeitraum Situationsarten, Handlungsarten und Handlungsdispositionen voraus, die den Adressaten betreffen. Der Zeitraum, für den die Voraussage gilt, liegt für den Schreiber in der Zukunft, für den Adressaten je nach Lesezeitpunkt unterschiedlich. Das Voraussagen geschieht, indem etwas als sicher, wahrscheinlich, möglich usw. behauptet wird. Damit ist die Textillokution beschreibbar als ,Voraussagen durch als sicher / wahrscheinlich / möglich usw. Behaupten'. 3 Die propositionalen 1

Es kommt mir hier nicht auf eine sozioökonomisch genaue Charakterisierung an. 2 Vgl. zum Zusammenhang von Gebrauchsregel und Bedeutung 5.13. Zur Rechtfertigung der Beschränkung auf das Stilistische s. 1.3 und 2.12. 3 Vgl. die Handlungsbeschreibung als Kette, 5.11, 5.21. S. 6.2 und 6.33, 6.43. Behaupten wird hier nicht im Sinn von ,Wahres-Behaupten' verwendet, für

100

Beschieibungskategorien und Stilbeschreibungen

Gehalte sind Situations-Charakterisierungen, Handlungsarten und Handlungsdispositionen; Bedingung des propositionalen Gehalts ist: in einem bestimmten Zeitraum von einem bestimmten Zeitraum aus zukünftig. Referiert wird auf den Zeitraum der Gültigkeit, den Adressaten und auf die mit den vorausgesagten Handlungsarten, Handlungsdispositionen usw. gegebenen Gegenstände (Personen usw.). 4 Die Prädikationen bestehen in sprachlichen Ausdrücken, die über diese Referenz-Gegenstände prädiziert werden. 5 Obligationen, die der Sprecher eingeht, sind höchst gering, denn es gehört zu dieser Art von Handlung, daß er sich irren kann. Obligationen, die durch die Handlung sich für den Adressaten ergeben, hängen von dessen Neigungen ab, daran zu glauben oder auch nicht, sich skeptisch zu verhalten usw. Dies ist die allgemeine Charakteristik des Handlungsmusters Horoskop. Worin unterscheiden sich nun die Varianten? 6.12 Beim „Stern" ist die Textillokution mit der Überschrift gegeben: Horoskop; eine zweite Überschrift lautet: Anregungen und Tendenzen für die Woche vom... bis. . . Dabei ist mi i Anregungen und Tendenzen das Voraussagen modifiziert; die Obligationen, die mit dem Voraussagen verbunden sein könnten, sind dadurch stark vermindert. In den Überschriften wird also ausgedrückt: die Illokutionskraft, die Referenz auf den zeitlichen Gültigkeitsbereich und sehr allgemeine Prädikationen. Anregungen enthält durch die mit dem Verbalsubstantiv implizit gegebene syntaktisch-semantische Valenz auch implizite Referenzakte auf den Schreiber 6 und auf den Adressaten: Der „Stern" bietet Anregungen und Tendenzen für den Leser. Die Referenzakte auf bestimmte Adressatengruppen werden ausgedrückt, indem das Horoskop in Teile (5.24) untergliedert ist: Die Adressatengruppen werden bestimmt durch die zwölf Sternzeichen als Überschriften der Teile, innerhalb dieser durch je drei Untergliederungen nach den Geburtsdaten. Infolge dieser doppelten Untergliederung besteht das Horoskop des „Stern" aus 36 Teilen. Jeder Teil ist vom anderen unabhängig; Referenzakte, mit denen sich der Schreiber in mehreren Teilen auf denselben Gegenstand beziehen würde, gibt es nicht, damit auch keine Prädikationen über denselben Gegenstand in mehreren Teilen. Die

4 5

diese Unterscheidung: Huth. Umgangssprachlich entspricht dem: Ich behaupte das mal; Er behauptet, daß p, aber ob p, das muß sich erst noch herausstellen. Dazu 6.31 und 6.41. So Wimmer 1975, 11. Dazu 6.32 und 6.42. Der „Stern" als Institution. Es gibt auch Zeitungen, in denen ein echter oder fingierter Schreiber dem Leser das Horoskop anbietet: „Daily Mirror", Mai 1975: Patrie Walker - Your stars, „Weekend" Mai 1975: You and your stars by Sylvanus Romano.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

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Horoskop Anregungen und Tendenzen für die Woche vom 1. bis 7. Februar 1976

Steinbock

Krebs

22.-31. Dezember: Ein Entschluß Ist Ihnen schwergefallen, aber schon jetzt dürfte verwunden sein, was Sie damit preisgeben mußten Am 6. II. könnte es stürmisch werden. 1.—10. Januar: Die Begleitung, in der man Sie in letzter Zeit immer häufiger trifft, erregt Aufsehen. Befürchtungen wegen Ihrer Karriere sind jedoch überflüssig 11.—20. Januar: Sprechen Sie aus, was Sie auf dem Herzen haben, Ihr Gegenüber wartet ja nur darauf. Freilich bedeutet das noch nicht sofort völlige Übereinstimmung.

22. Juni bla 1. keine Sorgen. Sie so lange Sie im Schlaf. sich aus einem

Juli: Machen Sie sich Die Lösung, nach der gesucht haben, finden Am 5. II. sollten Sie Streit raushalten.

2.—12. Juli: Sie machen gewagte Geschichten. Da Sie wendig genug sind, wird Ihnen aber niemand einen Strick daraus drehen können. Am 4. II. gibt man Ihnen etwas freiwillig. 13.—22. Juli: Die anderen müssen sich darauf verlassen können, daß Sie jederzeit zur Verfügung stehen. Einen prominenten Kollegen zu reizen, dürfte Ihnen Arger einbringen.

Wassermann

Löwe

21.—30. Januar: Man hat Sie auf einen Gedanken gebracht, der Sie nun nicht mehr losläßt Ubereilen Sie nichts. Besser, als Sie es jetzt haben, kann es kaum kommen. 31. Januar b l * 9. Februar: Ein persönliches Problem beschäftigt Sie, obwohl es längst gelöst ist. Haben Sie noch Zweifel, wird Sie der 5. II. eines Besseren belehren. 10.-19. Februar: Vorübergehend sind Sie stark eingespannt. Das geht auf Kosten Ihres privaten Programms. Am 3. II. wird man Sie überraschend unter vier Augen sprechen wollen.

23. Juli bis 2. August: Für Sie wird es jetzt interessant Stellen Sie Ihre Bedenken zurück, damit nicht andere schneller sind. Am 2. II. hilft ein privater Kontakt. 3.-12. August: In Ihren Herzensangelegenheiten kennen Sie sich offenbar selbst nicht mehr aus. Wenigstens in einigen Punkten müssen Sie jetzt Klarheit schaffen.

Fische

Jungfrau

20. Februar b l * 1. Mürz: Sie haben viel um die Ohren. Lassen Sie sich dadurch nicht nervös machen und Ihr Programm durcheinanderbringen. Am 6. II. stimmt die Kasse.

24. August bis 2. September: Etwas zerschlägt sich, aber es besteht kein Anlaß, betrübt darüber zu sein, eher im Gegenteil. Auf den 6. II. dürfen Sie gespannt sein. 3.-12. September: Jemand kommt Ihnen auf halbem Wege entgegen. Das ist mehr, als Sie erwarten durften. In der Sache hat der andere nämlich hundertprozentig recht 13.-23. September: Sie scheinen Geschmack an Zerstreuungen gefunden zu haben. Wenn sich einmal einen Tag lang niemand meldet, werden Sie schon gleich ungeduldig.

2.—10. M i r z : Verstimmt zu reagieren, haben Sie keinen Anlaß. Man hat sich für Sie eingesetzt, soweit das möglich war. Am 4. II. sollten Sie einer Aufforderung folgen 11.-20. M i r z : Kosten Sie das Glück aus. Grübeln Sie nicht, ob es von Dauer ist. Die Klärung einer beruflichen Frage eilt nicht. Am 2. II. bestätigt sich eine Vermutung.

13.-23. August: Jetzt müßte es Ihnen glücken, einen Vorsprung zu gewinnen. Wer Ihnen abrät, ist schlecht informiert. Am 4. II. läßt sich etwas Persönliches glücklich regeln.

102

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Widder

Waage

21.-31. Mirz: Alles läuft wie am Schnürchen. Sie sind jetzt sehr (roh, daß Sie dabeigeblieben sind. Ein Vorfall geht nicht auf Ihr Konto. Das sollten Sie sofort klarstellen. I.—10. April: Nach dem. was hinter Ihnen liegt, dürfen Sie sich's wahrhaftig eine Weile wohl sein lassen. Greifen Sie eine Anregung auf. die Sie am 3. II. erhalten. II.—20. April: Sie sollten nicht so oft betonen, daß es ohne Sie nicht geht. Sonst könnte es passieren, daß man Ihnen womöglich einen Strich durchs Urlaubsprogramm macht.

24. September bla 3. Oktober: Hätten Sie früher etwas erfahren, wäre Ihre Entscheidung wohl anders ausgefallen Am 5. II. erkennen Sie jedoch die Vorteile der jetzigen Lösung. 4.-13. Oktober: Lassen Sie sich nicht lange bitten, es geht schließlich auch um Ihre Interessen. Daß Sie sich persönlich engagiert haben, liefert reichlich Gesprächsstoff 14.—23. Oktober: Niemand darf Ihnen nachsagen, daß Sie es am nötigen Ehrgeiz fehlen lassen. Am 3. II. erscheint nur ein Teil der Eingeladenen, dennoch wird es ein Erfolg.

Stier

Skorpion

21.—30. April: Mit Ihrem Ehrgeiz machen Sie Ihren Mitarbeitern manchmal das Leben schwer. Um so mehr freut es Sie, daß man Ihnen vertraut. Am S. II. gibt es dennoch Krach. I . - 1 0 . Mal: Sie werden froh sein, daß Sie kürzlich abgesagt haben. Sie sind dadurch einer unguten Geschichte entangen. Was man Ihnen am 3. II. ringt, bereitet sicher Freude. II.—20. Mal: Lassen Sie sich nicht in Gespräche verwickeln, solange Sie sich nicht sorgfältig vorbereitet haben. Ober einen Treuebeweis werden Sie sehr glücklich sein.

24. Oktober bis 2. November: Daß sich die Öffentlichkeit für Sie zu interessieren beginnt, kann Ihnen aus finanziellen Gründen nur recht sein, obwohl es Freizeit kostet. 3.—12. November: Mit Ihrer Umgebung leben Sie augenblicklich nicht im besten Einvernehmen. Mit ein bißchen mehr Verständnis für die anderen läßt sich das jederzeit ändern. 13.-22. November: Nicht nur das Verdienen ist wichtig, sondern auch das Vervollkommnen der Ausbildung. Daß man am 2. II. einen Konkurrenten vorzieht, ist doch kein Zufall.

Zwillinge

Schütze

21.-31. Mal: Ihnen ist ein bißchen bange, daß Ihr Problem sich nicht lösen lassen könnte. Sie werden jedoch einen neuen Partner finden. 1.—11. Juni: Bestehen Sie auf einer Klärung. Eine große Änderung werden Sie dadurch zwar nicht erreichen, aber Sie wissen dann wenigstens über alles Bescheid.

23. November bis 2. Dezember: Daß Sie die Hauptrolle übernehmen möchten, Ist verständlich. Ob es eine glückliche Wahl wäre, ist leider zweifelhaft. 3.—12. Dezember: Jemand kommt Ihnen zuvor. Etwas Besseres kann gar nicht passieren. Eine geheime Verbindung wird durch Indiskretion bekannt. Danach heißt es schnell handeln. 13.—21. Dezember: Nicht unbedingt jetzt müssen Sie Bäume ausreißen. Juristische Vereinbarungen dulden jedoch keinen Aufschub. Am 4. II. erscheint ein ungebetener Gast.

g

12.-21. Juni: Lassen Sie sich nichts einreden. Sie liegen richtig und kommen gut an. Kümmern Sie sich um einen neuen Kollegen. Er wird es zu danken wissen.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

103

Teile sind auf andere Teile nur über die Textillokution und die Textgliederung bezogen.7 6.13 Anders die Horoskope der Bildzeitung. Die Überschrift lautet: Heute in Ihren Sternen. Der Gebrauch von in (den) Sternen ist sentimentaler als die Benennung der Textillokution mit Horoskop.8 Außerdem wird der anonyme Adressat von der Institution „Bild" direkt angesprochen: in Ihren Sternen. Die Eingrenzung des zeitlichen Gültigkeitsbereichs wird in der Überschrift mit einer privaten9 Zeitangabe, heute, vorgenommen, auch wenn mit heute -am Wochenende auf zwei Tage referiert wird. Auf den Gültigkeits-Zeitraum wird noch mit einer Gleichzeitighandlung referiert, indem die öffentliche 9 Zeit, die Datumsangabe, auf einem stilisierten Kalenderblatt wiedergegeben wird. Der Adressat wird also in der Bildzeitung mit Hilfe anderer Äußerungstypen als im „Stern" persönlicher und intensiver angesprochen. Am Ende des gesamten Horoskops wird mit einer Äußerung eine stereotyp wiederkehrende Aufforderung an den Adressaten ausgedrückt: Bedenken Sie. . .10 Indem es dies äußert, relativiert „Bild" die Geltung der Voraussagen, es nimmt die Obligationen zurück, die es mit den Voraussagen dem Adressaten gegenüber normalerweise eingehen würde. Darüberhinaus werden mit Außerdem. . . dem Leser explizit die Obligationen zugeschoben; die „Macht der Sterne", die mit der Überschrift vorausgesetzt wird, und die Geltung der Voraussagen werden scheinbar annulliert. „Bild" etabliert also erst Obligationen für den Leser,11 dann werden die Obligationen zurückgezogen: Es wird beides gleichzeitig getan. Davon ist sehr deutlich die Präsentation im „Stern" unterschieden, wo von Anfang an die Obligationen gemindert sind. Die Horoskoptexte der Bildzeitung beginnen mit Glückwünschen und Voraussagen für die „Geburtstagskinder"12 und die „neuen Erdenbürger"13 des zeitlichen Gültigkeitsbereichs. Die Voraussagen für alle sind wie beim „Stern"-Horoskop nach den verschiedenen Adressatengruppen in 36 Teile untergliedert. Die zwölf größeren Gruppen sind außer durch die Namen der Sternzeichen gleichzeitig durch Bildsymbole der Sternzeichen unterschieden. 7 8

9

10 11 12 13

Ich gebe als Beispiel einen Text wieder aus „Stern", 29. 1. 1976. Das Wiederholen des Äußerungstyps der Überschrift und die Verwendung von stilisierten Sternen sind Zusatz- und Gleichzeitighandlungen. Zum Unterschied von „privater" und „öffentlicher" Zeit s. Wunderlich 1970b, 91. S. das Textbeispiel vom 20. 3. 1976. Das wird durch die Einzelanalysen in 6.3 deutlich. Gebrauch einer lexikalischen Regel des eher familiären Bereichs. Gebrauch einer Lexemverbindung aus dem Bereich feierlichen oder pathetischen Sprechhandelns.

104

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Heute in Ihren Sternen + 4 Allen Geburtstagskindern viel Glück u, Erfolg 20. 3. Geb.: Ein gutes, erfolgsbetontes Lebensjahr liegt vor Ihnen. Selen Sie Intensiv bestrebt, Ihre Gesomtposltlon zu verbessern. 21. 3 Geb.: Gute berufl. u. private Einflüsse bringen Erlolg u. Freude. Vorsicht in Flnonzfrogen, besonders Juli bis September.

Den neuen Erdenbürgern alle guten Wünsche

20. 9. Geb.: Vielseitig begabt, gewinnt schnell Sympathie, liebt Notur, Reisen. Ab 12.50 Uhr Geb. sind Widdertvpen: Intelligent, frühreif, Eignung für Kopfarbeiterberufe. 21. 3.: Geb.: Erziehen Sie Ihn zu Selbstbeherrschung! Vielseitig begabt, wechselt mehrloch den Beruf.

H a r n WIDOER, 2 1 . - 3 1 . 3.: Liebo. iBf E h e v e r l a n g e n an b e i d e n Tai irB J gen A n p a s s u n g u. R ü c k s i c h t n a h m e : bleiben Sie h a r m o n i s c h . 1.—10. 4 . : Heute g ü n s t i g e r f ü r p r i v a t e Vorhab e n . V e r g n ü g u n g e n als S o n n t a g . 3. bis 5, 4. Geb.: Auf die G e s u n d h e i t a c h t e n ! 11.-1». 4.: Berufl. Erfolgstendenz, a b e n d s gut f ü r Liebe, Ehe. S o n n t a g u n w i c h t i g e r Tag.

S T I E R . 20.-30. 4.: Ab 16.15 Uhr g ü n s t i g f ü r Drivate Vorhaben. Vergnügungen. Sonnn a ß h a l t e n in S p e i s e u. T r a n k . t a g rrna I . - 1 0 . 5.: B e i d e T a g e sind s t a r k u n g ü n s t i g f ü r n e u e B e k a n n t s c h a f t e n , Flirt u. Spiel. S c h o n e n Sie Ihr N e r v e n s y s t e m . I I . - 2 0 . 5.: S p a r s a m bleiben. R ü c k l a g e n bilden. Der S o n n t a g w i r d nicht n a c h Wunsch v e r l a u f e n

m

Z W I L L I N G E . 21.-31. 5.: Zwis e h e n 17 u. 21.15 Uhr gute private Einflüsse, ebenso m o r g e n z w i s c h e n 14.45 u. 19.30 Uhr. f.—10. 6.: Neigung zu D e p r e s s i o n e n : bleiben Sie p o s i t i v , b e w a h r e n Sie Selbstvertrauen. Ehel. Zwistigkeiten v e r m e i d e n . 11.-20. 4.: Beide Tage sind gut z u r P f l e g e p r i v a t e r Hobbys. m

n

K R E B S . 21. 4 . - 1 . 7.: Beherrscht bleiben, Sonntag mancherlei Annehmlichkeiten. F r e u d e . Genuß. P f l e g e n Sie i n n i g e Z w e i s a m k e i t . 2 . - 1 2 . 7.; U n g ü n s t i g f ü r E i n k ä u f e : Ü b e r v o r t e i l u n g d r o h t . Überl a s s e n Sie die G e s t a l t u n g d e s S o n n t a g s anderen. 13.-22. 7.-. V e r g n ü g u n g e n nicht ü b e r 22.30 Uhr a u s d e h n e n . Morgen u n w i c h t i g e r Tag. ¡¿fe j LÖWE, 23. 7 . - 2 . I . : Bis 11.30 r ^ B d Uhr g ü n s t i g f ü r p r i v a t e Einkaufe. Sonntag ab mittags gute E i n f l ü s s e f ü r Geselligkeit. Vergnüg u n g e n . 3.-12. 4.: V e r m e i d e n Sie an beiden Tagen U b e r a n s t r e n g u n g e n : gönnen Sie sich Ruhe. 13.-22. 4.: Seien Sie

M » * Heute in Ihren Sternen * 4 aii b e i d e n Tagen, b e s o n d e r s S o n n t a g , a u f g e s c h l o s s e n f ü r a l l e s S c h ö n e u. Sie erleben Freude. JUNGFRAU. 23. 4 . - 2 . 9.: Eigenwilligkeiten bringen Mißstimmung im p r i v a t e n Bereich. Morgen g ü n s t i g f ü r A u s f l ü g e . Nat u r g e n u ß . 3.-12. 9.: Beide T a g e s i n d g ü n s t i g zur B e r e i n i g u n g b e s t e h e n d e r D i s h a r m o n i e n . 1 3 . - 2 2 . 9.: Seien Sie a n b e i d e n T a g e n nicht zu e r n s t : suc h e n Sie f r ö h l . G e s e l l s c h a f t . 1 | WAAGE, 23. 9 . - 3 . 10.: S o n n A l Ai t a g g ü n s t i g e r e p r i v a t e Ein" H f l ü s s e a l s h e u t e . 4.-12. 10: U n w i c h t i g e r Tag. Nur 10. 10. G e b . : Auf die G e s u n d h e i t a c h t e n ! F ü r a l l e : Der S o n n t a g s i e h t Sie s t a r k g e f ü h l s b e t o n t : V o r s i c h t ! 13.-22. 10: E r w a r t e n Sie n i c h t zuviel von a n d e r e n : Sie sollten in diesen Tagen mehr geben als nehmen, b e s o n d e r s in Liebe. Ehe. t

SKORPION. 23. 10-2. 11.: Betonte Unternehmungslust: Neigung zu leichtsinnigem

V e r h a l t e n , b e s o n d e r s m o r g e n . Handeln Sie s t e t s b e s o n n e n . 3. - 1 1 . 11.: Nicht e i f e r s ü c h t i g w e r d e n . V e r l e b e n Sie den S o n n t a g e r h o l s a m . 1 2 . - 2 1 . 11.: Privat e r Ärger d r o h t : bleiben Sie beh e r r s c h t S o n n t a g g u t f ü r Besuche.

m

SCHUTZE. 22. 11.-1. 12.: Ohne w e s e n t l . G e s c h e h n i s s e .._ v e r l a u f e n b e i d e T a g e z u f r i e d e n s t e l l e n d . 2 . - 1 1 . 12.: Heute a b e n d g ü n s t i g f ü r F r e u n d s c h a f t . Liebe. Ehe. Sonntag keine wesentl. Einflüsse. 12.-21. 12.: Planen Sie ab 17 Uhr n i c h t s Wichtiges. S o n n t a g z w i s c h e n 14 u. 18.45 Uhr g e n u ß r e i c h e S t u n d e n . STEINBOCK, 22.-31. 12.: Bleiben Sie a n p a s s e n d ; zeigen Sie f ü r a l l e s V e r s t ä n d n i s . Widmen Sie sich S o n n t a g n u r v e r t r a u ten P e r s o n e n . 1.-10. 1.: Gut f ü r private Aussprachen. Vergnügungen auf m o r g e n a b 18.15 Uhr legen. 11.-19. 1.: An b e i d e n Tagen sollten Sie in Liebe. Ehe d e r G e b e n d e s e i n : b e r e i t e n Sie Freude.

W A S S E R M A N N . 20.-30. 1.: Heute zwischen 13.30 u. 18.30 Uhr. m o r g e n bis 14 Uhr in allem v o r s i c h t i g s e i n : S t r e i t v e r m e i d e n . 31. 1.-4. 2.: A n n e h m l i c h k e i t e n , F r e u d e , g e n u ß r e i c h e S t u n d e n , besonders h e u t e . S o n n t a g Vorsicht bei h o l g e n u ß . 9.-18. 2.: Zügeln Sie K a u f l u s t ; bleiben Sie s p a r s a m . S o n n t a g gut f ü r Liebe, Ehe. .

- k ] FISCHE, 19,-20. 2.: Beide Ws9 T a g e h a b e n günstige p r i v a t e ^ ^ Einflüsse. 29. 2.-10. 3.: Lauten B e t r i e b m e i d e n : N e r v e n s c h o n e n . Morgen g ü n s t i g f ü r f a m i l i ä r e Vorhaben. Besuche. 11.-20. 3.: E r f o l g s t e n d e n z f ü r b e r u f l . T ä t i g e : bis 11.45 Uhr günstig für Einkäufe. Sonntag Stimmungsschwankungen bekämofen: harmonisch bleiben. B E D E N K E N S I E : Wir k ö n n e n a n d i e s e r Stelle n-icht alle E i n f l ü s s e a u s w e r t e n . Im ü b r i g e n liegt e s n u r a n Ihnen, w a s Sie a u s Ihrem Leben m a c h e n .

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

105

6.14 Schon die Präsentation der Handlung nach dem Muster Horoskop wird also bei den beiden Varianten in sehr verschiedener Weise vorgenommen. In 6.3 und 6.4 beschreibe ich die Muster für Voraussagen in den Horoskop-Teilen. 14 6.2

Die illokutionäre Kraft von Äußerungen im Textmuster

Nach 6.11 dürften in beiden Varianten nur Voraussagen gemacht werden. Die Horoskope der Bildzeitung 15 weisen aber auch Äußerungen auf wie: (1) Planen Sie ab 17 Uhr nichts Wichtiges. D (2) Sparsam bleiben, Rücklagen bilden. D Die Horoskope des „Stern" 1 6 enthalten auch Äußerungen wie: (3) Sie dürfen ruhig etwas mehr von sich her machen. D (4) Ihre Erfolge ermuntern Sie hoffentlich nicht zu gewagten Kunststucken. B (5) Die Sache hat geklappt. E Mit (1) und (2) werden Voraussagen gemacht, indem Aufforderungen ausgedrückt werden; eine Voraussage wird mit (3) gegeben, indem eine Erlaubnis ausgedrückt wird. Bei (4) drückt der Sprecher eine propositionale Einstellung 17 ( h o f f e n t l i c h ) aus. Der propositionale Gehalt von (5) ist auf den ersten Blick mit der Bedingung zukünftig' unverträglich (6.11); hier handelt es sich aber um einen Gebrauch des Perfekts, der die Prädizierung eines Ausdrucks mit Bedeutung vergangen' inbezug auf einen zukünftigen Zeitpunkt erlaubt. 18 Außerdem stehen sprachliche Handlungen, die nach der Äußerungsbedeutung nicht Voraussagen sind, häufig in der Umgebung von Voraussagen: (6) Allgemeine Erfolgstendenz. Meiden Sie morgen disharmonische Personen. Bildzeitung C (7) Ihr Programm, nach dem man Sie fragen wird, haben Sie hoffentlich parat. „Stern" E 14

15

17

18

Auf Unterschiede der Basishandlungen (5.22) beider Varianten gehe ich nicht näher ein wie: Gebrauch verschiedener Schriftarten, Anordnung des Gesamttextes. Ebensowenig auf den möglichen Zusammenhang des Textmusters mit anderen und mit Mustern für andere Gleichzeitighandlungen in beiden Organen. Ich zitiere im folgenden aus den Ausgaben: 6-/7. 7. 1974 = A; 8. 7. 1974 = B; 30. 4./1. 5. 1975 = C; 20./21. 3. 1976 = E. Im folgenden zitiere ich Äußerungen aus den Ausgaben: 31. 10. 1974 = A; 20. 2. 1975 = B; 27. 2. 1975 = C; 6. 3. 1975 = D; 13. 3. 1975 = E; 29. 1. 1976 = F. S. dazu Wunderlich 1974, 343. S. Wunderlich 1970b, 141. Vgl.: Am nächsten Mittwoch erledigt.

habe ich die Sache

106

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Die Voraussagen werden also mit Hilfe verschiedener Sprechaktarten gemacht. Dies ist möglich, weil zwischen Sprechaktbedeutung und Satzbedeutung kein Eins-zu-eins-Verhältnis besteht. 19 Die Folge davon ist, daß auch Illokutionsindikatoren 20 die Illokutionskraft nicht eindeutig bestimmen: 21 Sie haben „als Illokutionspotential ein . . . Spektrum verschiedener illokutionärer Funktionen, welche sie indizieren können". 2 2 Der Hörer kann verstehen, um welche illokutionäre Funktion es sich handelt, aufgrund der „spezifischen wechselseitigen Determinanten von Äußerung, Kontext der Äußerung und Kommunikationssituation (darin inkludiert die Kommunikationsteilnehmer mit ihren Präferenzstrukturen usw.)". 23 Das heißt für den gegebenen Fall: Die Textillokution dominiert die möglichen illokutionären Funktionen der Sprechaktverwendungen, die Teile der Text-Handlungen sind. 24 Danach könnte es beliebig sein, welche Arten von Satzbedeutungen im Rahmen einer Textillokution gebraucht werden. Aber nach 1.3 ist auch die Art der Formulierungen bedeutsam, zumal der konventionellen in einem Textmuster, ebenso das Abweichen davon: Das Wie wirkt sich auf das Was aus. Nach 5.25 ist außerdem eine Voraussage, die durch die Satzbedeutung als mögliche Aufforderung ausgedrückt wird, gleichzeitig Voraussage und Aufforderung. Gerade um dieser Wirkung willen ist diese Formulierung gewählt. 25 Außerdem nehme ich an, daß die Zusammenhänge zwischen der Illokutionskraft, der Bedeutung einzelner Äußerungen und der Textillokution trotz der Wichtigkeit der Handlungsumstände nicht beliebig sind, sondern daß die mittels Schlüssen verdeutlicht werden können. 26 Bei Meyer-Hermann kommt es darauf an, daß Äußerungsbedeutungen wie Das verspreche ich dir oder Ich muß mich auf ein Examen vorbereiten konventionell zum Ausdrücken verschiedenartiger Illokutionsfunktionen gebraucht werden, nicht nur zum Ausdrücken einer einzigen Illokutionsfunktion. Mir kommt es darauf an zu beschreiben, mit welcher 19 20

21 22 23 24

25

26

Dazu 5.23, i. Dazu Schlieben-Lange 1975, 33; Außer den „explizit performativen Formeln" (die in Horoskop-Varianten nicht gebraucht werden) sind Indikatoren z. B. Modus, Adverbien, adverbiale Bestimmungen, Konjunktionen usw. S. die Beispiele in 1.1. Meyer-Hermann, 12. Meyer-Hermann 18; vgl. auch 5.23. „Für Äußerungen, die in Texten . . . vorkommen, stellt der T e x t t y p einen Erwartungs- und Bewertungsrahmen dar." Huth 209; auch Huth 208. Für v o m normalen Gebrauch abweichende individuelle Verwendungen werden „illocutionary stylistic features" auch in Chatman 258 angenommen. Vgl. 5.23. Dazu und zum folgenden vgl. neuerdings auch D. Wunderlich, „Handlungstheorie und Sprache", in: D. Wunderlich, Studien zur Sprechakttheorie, Frankfurt 1976, 3 0 - 5 0 , bes. 45 ff.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

107

Art von Saztbedeutung Illokutionsfunktionen ausgedrückt werden: ob z. B. eine Drohung ausgedrückt wird mit Das verspreche ich dir oder m i t . . . ja nicht.. . oder Ich sage das jetzt zum letzten Mal, Untersteh dich . . . usw. Denn gerade dies ist stilistisch wichtig: Die Formulierungsarten im Handlungszusammenhang des Textes oder Textmusters sind zu beschreiben. Um dies darstellen zu können, benutze ich die Beschreibung von Handlungen mittels Ketten (5.11), die „Erzeugungen". 2 7 Das Beispiel (1) ist danach zu beschreiben als: 2 8 VORAUSSAG AUFFORDER ÄUSSER (Planen Sie ab 17 Uhr nichts Wichtiges.) Die Handlung nach dem Muster Voraussagen ist mit der Textillokution gegeben. 29 Kriterien für Handlungen nach Mustern, die zwischen VORAUSSAG und ÄUSSER angenommen werden, sind bestimmte Eigenschaften der Satzbedeutung: Das Kriterium für A U F F O R D E R ist der Imperativ. Die Erzeugung VORAUSSAG - AUFFORDER ÄUSSER ( . . . ) dient dazu, die Beschreibung der Formulierung von (1) zu unterscheiden von den möglichen Alternativen im Text: (1') Ab 17 Uhr ungünstig für Wichtiges. (l") Ab 17 Uhr sollten Sie nichts Wichtiges planen. Als Erzeugung wird ( l ' ) so beschrieben: VORAUSSAG ->• BEHAUPT ÄUSSER ( . . . ) 3 0 0 " ) ist zu beschreiben als: VORAUSSAG - ABRAT -> ÄUSSER ( . . . ) 3 1 Durch die Erzeugung wird der stilistische Beitrag der Illokutionskraft einzelner Handlungen im Textzusammenhang beschreibbar. Erzeugungen sind also eine Beschreibungsart für Formulierungen im Handlungszusammenhang des Textes. Dabei wird folgendes zusammen berücksichtigt: die Textillokution, die spezielle Illokutionskraft der

27 28

29

30 31

Nach Heringer 1974 a, 44 ff. Großbuchstaben für Handlungsmuster. Der Pfeil dient der Wiedergabe der Indem-Relation (5.11 und 5.21.); in der Klammer steht die Äußerung. 6.1. Bei Textmustern mit Teiltextmustern oder anderen deutlich herausgehobenen zusammenhängenden Handlungsabfolgen wird man die Darstellung ändern müssen. Da aber die einzelnen Handlungen in Horoskopen meist isolierbar sind, erscheint es mir angemessen, die Textillokution in die Beschreibung als Erzeugung einzubeziehen. - Da es mir um die Beschreibung der Muster geht, schreibe ich die Erzeugungen in der hier gewählten Reihenfolge, nicht umgekehrt wie es in der Wunderlichschen Arbeit (Fußnote 26) vorgeschlagen wird. Die Äußerung ist nach dem Muster (a) in 6.32 gebildet. Das Abraten wird ausgedrückt, indem sollte mit Negation geäußert wird.

108

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Handlung aufgrund von Eigenschaften der Satzbedeutung 3 2 und diese Eigenschaften der Satzbedeutung. Dabei werden an der Satzbedeutung mindestens unterschieden: Ausdrücke für Referenz- und Prädikationsakte, 3 3 Ausdrücke für einstellungsanzeigende Elemente, 3 4 und schließlich Ausdrücke für die Illokutionskraft. 3 5 Außerdem sind o f t Eigenschaften der propositionalen Gehalte wichtig für die Bestimmung der Illokutionskraft der einzelnen Äußerungen. 3 6 Die Erzeugungen stellen e i n e Möglichkeit der Beschreibung dar; mit der weiteren Ausarbeitung der Sprechakttheorie wird sie möglicherweise durch eine andere ersetzt werden. Die Beschreibung durch Erzeugung wird ergänzt durch die Darstellung von Handlungszusammenhängen, in denen Formulierungen zu sehen sind. 37

6.3

Formulierungsarten und -muster in Horoskopen der Bildzeitung

Im folgenden werden die Zusammenhänge von Sprechakt- und Äußerungsarten beschrieben, mit denen die Horoskope der Bildzeitung konventionell vollzogen werden: die spezifischen Formulierungsarten. Außerdem die spezifischen Abfolgen von Formulierungsarten, die Muster für die Textbildung ergeben: für Texte und Text-Handlungen. 6.31 Äußerungsarten für Referenzarten Es wird, Wimmer folgend, 3 8 bei propositionalen Akten zwar eine grundsätzliche Unterteilung in Referenzakt und Prädikation angenommen. 3 9 Aber einzelne propositionale Akte können auch aus mehr als zwei Teilakten bestehen. Denn es wird angenommen, daß eine Prädikation inbezug auf mehrere Referenzgegenstände ausgedrückt werden kann. Das hat auch den Vorteil, daß bei der mit der Heringer-Syntax gewählten Valenztheorie 4 0 Sprechaktkategorien und Äußerungskategorien aufeinander beziehbar sind: Referenzakte werden vollzogen, indem Nominalgruppen geäußert werden. 4 1 32

33 34 35 36 37 38 39 40 41

Auch von Eigenschaften der unmittelbaren Außerungsumgebung, s. 6.34 und 6.44. S. 6.31 und 6.32. Z. B. hoffentlich in (4) und (7); vielleicht, wahrscheinlich, sicher usw. Sollte, Imperativ usw. Z. B. (b) und (c) in 6.33. Z. B. 6.32, iii. Wimmer 1975, 30f. Vgl. 5.24, iv. S. 5.22, ii. Wimmer 1975, 25ff.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

109

(i) Auf den anonymen Leser wird referiert durch direkte Anrede (8) wie auch mit Ersparung der Anrede (9): 42 (8) Gönnen Sie sich morgen Ruhe. C (9) Nicht rechthaberisch werden. C Auch bei den folgenden Beispielen (10) Unwichtiger Tag. C (11) Schlecht für Flirt. C (12) Berufl. Erfolg. C ist der Bezug auf den Leser mit gegeben; es sind Prädikationen inbezug auf den Leser. Die Ersparungen werden durch folgende Eigenschaften von Äußerungen ermöglicht: durch unpersönliche Imperative; 43 durch Nominalsatzmuster 44 oder Adjektivsatzmuster. 45 Äußerungen mit expliziter und mit ersparter Referenz auf den Leser werden zusammen verwendet: 46 (13) Neue Bekanntschaften enttäuschen; prüfen Sie, ehe Sie vertrauen. A Auch die Referenz auf andere Personen wird in Äußerungen nicht explizit ausgedrückt. Vgl. die zweite Äußerung von (13) und (14) Bereiten Sie Freude. A In anderen Fällen wird statt der Referenz auf bestimmte Gegenstände nur die Referenz auf Personengruppen oder Handlungsbereiche des Lesers ausgedrückt: (15) Widmen Sie sich morgen nur vertrauten Personen. C (16) Meiden Sie disharmonische Personen. B (17) Disharmonie in Freundschaft, Ehe durch Mißverständnisse. A (18) Vermeiden Sie Auseinandersetzungen besonders im Beruf und mit Behörden. B (19) Ungünstig für Partnerschaftsfragen. C (20) Heute abd. unbedingt Ehezwistigkeiten vermeiden B (21) Schlecht für juristische Fragen. B (22) Berufl. unwichtiger Tag. A Die Referenz auf solche Bereiche möglicher bestimmter Referenten wird durch folgende Äußerungseigenschaften ausgedrückt. Personen mit Adjektiv-Attribut dient diesem Zweck in (15) und (16). Lexikalische Ausdrücke für Beziehungsarten, Institutionen und Eigenschaften davon können Teile von präpositionalen Angaben mit in oder mit sein, 47 sie 42 43 44 s

47

Vgl. auch (1) und (2). Beispiele (2), (9) auch (20). (10), (12) und (17). Zu Nominalsatzmuster vgl. 5.24, v, Fußnote. Beispiele: (11), (19) und (21). Zu Adjektivsatzmuster s. Tesniere, 9 9 - 1 0 1 . S. auch Beispiel (6). (18) und (17).

110

Beschieibungskategorien und Stilbeschreibungen

werden mit Fragen verbunden, 48 oder sind Teile von Komposita 49 oder Adjektivattribute. s0 Bei (12) und (22) ist mit berufl der Bereich angegeben, über den das übrige prädiziert wird. Referiert wird in all diesen Fällen nicht auf bestimmte Gegenstände, sondern auf Gegenstände in Bereichen als mögliche Referenzgegenstände; der Leser kann die Referenz nach seinen Bedürfnissen selbst konkretisieren, einen Schluß vom Referenzbereich auf den oder die bestimmten Referenten vollziehen. 51 Oft wird auch auf Teilgruppen der nach 6.1 spezifizierten Adressaten referiert: (23) Kaufleute: Umsatzsteigerungen. C (24) Gut für Finanzfragen, besonders wenn 9./10. 6. geb. Für alle: Morgen Vergnügungen nicht über 21.30 Uhr ausdehnen. C (25) Jedes Übermaß im Genuß bringt in diesen Tagen Beschwerden: dies gilt besonders für 6. bis 10. 4. Geb. 1./2. 4. Geb. : Liebesglück. A (26) Erfolgstendenz für berufl. Tätige u. 18./19. 6. Geb. A Dabei sind oft Referenzakt und Prädikation in der Basishandlung (5.21, i) deutlich getrennt durch einen Doppelpunkt: in (23), der zweiten Äußerung von (24) und der letzten Äußerung von (25). Bei den ersten Äußerungen von (24) und (25) und bei (26) wird die Referenz erst am Ende näher spezifiziert. Den Referenzbereich einschränkende Bedingungen werden häufig wie in (24) ausgedrückt, indem besonders wenn mit Ersparung des finiten Prädikatsteils geäußert wird: (27) Vermeiden Sie an beiden Tagen alles, was Herz und Kreislauf übermäßig belasten würde, besonders wenn bereits geschädigt. A (28) Dies gilt besonders für 8. bis 12. 10. Geb. A Auch die zweite Äußerung von (25) ist nach einem syntaktisch-lexikalischen Muster gebildet, vgl. (28). (ii) Auf den Zeitraum der Gültigkeit des Horoskops wird referiert mit dem Äußern von heute und morgenS2 und, wenn das Horoskop für zwei Tage gilt, auch mit dem Äußern des Wochentagsnamens: (29) Der Sonntag wird nicht ganz nach Wunsch verlaufen. D (30) Sonntag unwichtiger Tag. A, D Auf den Zeitraum wird auch referiert, indem der Tag oder beide Tage in der Äußerung verwendet werden: 48 49 50

51 52

(19) und (21). (19) und (20). (21). Ich bemühe mich hier, die Syntax-Kategorien so zu verwenden, daß die Beschreibung auch ohne Kenntnisse der verwendeten Theorie verständlich sein kann. Vgl. 6.41 für den „Stern". Beispiele (8) und (15).

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

111

(31) Ohne wesentL Einflüsse verläuft der Tag günstig. B (32) Beide Tage sind gut für Ausflüge. Naturgenuß. A Sehr oft wird auch auf das Ausdrücken der Zeitreferenz verzichtet, da sie ja global gegeben ist (6.13). Äußerungsbeispiele sind (11) und (12). Wie bei der Referenz auf Personen kann die zeitliche Referenz, die mit dem ganzen Text gegeben ist, eingeschränkt, näher bestimmt werden: mit heute abend in (20), mit {nicht) über 21.30 Uhr {ausdehnen) in der zweiten Äußerung von (24) und z. B. (33) Heute in allem sehr vorsichtig sein; kritischste Zeit: 12 bis 16.30 Uhr. A (34) Bis 10 Uhr günstig für Einkäufe. Abds. u. morgens gute private Einflüsse. A 6.32

Äußerungsarten für Prädikationsarten und Arten von propositionalen Gehalten Ein geläufiges Äußerungsmittel für Prädikationen sind verbale Prädikate. Darüberhinaus wird in Nominalsätzen wie (10) und bei Eingrenzungen des Referenzbereichs wie in (15) und (16) mit Adjektiv-Attributen die Prädikation ausgedrückt. Oft wird auch mit Hilfe eines Substantivs prädiziert 53 oder mit einer Nominalgruppe aus Substantiv und Adjektiv-Attribut wie in (22). 5 4 Im folgenden greife ich einige Arten von Äußerungen heraus, mit denen in der Textmuster-Variante Prädikationen ausgedrückt werden. (i) Prädikationen von Ausdrücken über den Zeitraum bzw. einen bestimmten Teil davon: Die Prädikation wird ausgedrückt mit verbalen Prädikaten und deren syntaktischen Ergänzungen bei (31) und (32). Weiter mit Nominalsätzen wie (10) und (22). Außerdem mit Adjektivsätzen (6.31, i) wie (11), (19), (21) und (24). Dieses letzte Muster kann so beschrieben werden: 5 5 heute abends Ausdrücke für: gut bisx Uhr Arten von Handschlecht ab x Uhr {sehr) für lungen, S6 Handgünstig • ^ft ungunstig lungsbereiche57

54

58

Beispiele (12) und (17). Vgl. dazu Wimmer 1975, 34f.: Nicht mit jeder Nominalgruppe wird referiert, aber Referenzakte werden mit Nominalgruppen vollzogen. Runde Klammer für fakultative Elemente: Zeitangaben und graduierende Attribute wie sehr. Schweifklammer für Alternativen. Z. B. (11), (34): Flirt, Einkäufe. S. 6.31, i. Statt gut usw. sind auch Komparativformen möglich.

112

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Daslexikalisch-syntaktische Muster 59 kann syntaktisch so beschrieben werden: (a) A ('Zeit') + At (Gradadverb) + Adj ('Bewertung') + NP (für) Ein anderes Muster dient dem Prädizieren eines speziellen Zeitausdrucks über einen präsupponierten größeren Zeitraum: (33) Kritischste Zeit: 12 bis 16.30 Uhr. (35) Bester Tag der Woche: Mittwoch. B Beim Ausdrücken der Referenz auf den Zeitraum im Sinne von (29) bis (32) werden für den syntaktischen Anschluß der Prädikation an den Referenzakt in den Äußerungen auch Prädikatsverben gebraucht wie verlangen oder sehen mit Adjektiv: (36) Beide Tage verlangen Anpassung an die engere Umwelt. A (37) Beide Tage sehen Sie stark gefühlsbetont. A (38) Der Sonntag sieht Sie stark geßhlsbetont. D (ii) Bei den Prädikationen von Ausdrücken den Adressaten betreffend gibt es verschiedene Gruppen von Mustern: (ii) bis (iv). (39) Wenig Erfolgsaussichten. B (40) Leichte Mißerfolgstendenz. B (41) Antriebs-und Erfolgstendenz. B (42) Behinderungs- und Verzogerungstendenz. B (43) Neigung zu Depressionen. D (44) Neigung zu utopischer Wunschvorstellung. A (34) Abds. u. morgens gute private Einflüsse. Prädikationen von Ausdrücken wie Aussichten, Tendenz(en), Neigung, Einflüsse bezüglich des Adressaten werden oft in Nominalsatzmustern geäußert; wie in (34) können Zeitangaben zur Nominalgruppe hinzutreten. Das syntaktische Muster kann so beschrieben werden: (b) (A) + NP. In (43) und (44) werden über den Adressaten Ausdrücke für Arten von Gefühlen prädiziert. Dasselbe geschieht mit Nominalsätzen nach dem Muster (b) wie: (45) Betonte Lebensfreude. A (46) Morgen Annehmlichkeiten, Freude, Genuss. C (47) Morgen Annehmlichkeiten, Freude, bes. nachmittags. C (iii) Eine andere Gruppe von Mustern bilden Ausdrücke für Handlungsarten und Handlungsdispositionen als Prädikationen. Dabei können ausgedrückt werden: die Handlungsvoraussetzungen, die Handlung selbst und die Folgen; all dies sind Ausdrucksmöglichkeiten für ein und dieselbe Handlung aufgrund des in 5.11 dargestellten Zusammenhangs. Handlungsvoraussetzungen und -dispositionen werden ausgedrückt mit Äußerungen wie: (36), (35) und (33), (39) bis (44), (32). Voraus59

Vgl. 5.23, i.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

113

Setzungen für Handlungsarten bzw. -bereiche werden z. B. ausgedruckt mit Äußerungen nach dem in (i) dargestellten syntaktisch-lexikalischen Muster. Implizit sind Handlungsvoraussetzungen und -dispositionen auch mit Äußerungen dieser Art vorausgesagt: 60 (48) Wichtiges auf morgen verschieben B (49) Überlegen Sie, bevor Sie handeln. B Der Zusammenhang zwischen Aufforderungshandlungen dieser Art 61 und dem Ausdrücken von Voraussetzungen ist explizit in folgenden Äußerungen nach Mustern für Handlungsabfolgen gegeben: (50) Z. Z. entwickelt sich im Beruf alles langsam; beharrl. bleiben. B (51) Beide Tage sind gut für Ausflüge, Naturgenuss;62 sammeln Sie Kraft, meiden Sie lauten Betrieb. A (52) Erwarten Sie von anderen weder Rat noch Hilfe; Sie sind heute ganz auf sich gestellt. B (53) Gönnen Sie sich ein geruhsames Wochenende; Körper und Geist brauchen Entspannung. A (54) Setzen Sie sich nicht zu sehr für andere ein; Enttäuschungen drohen. A (55) Sonntag Stimmungsschwankungen bekämpfen; harmonisch bleiben. D Bei (50) und (51) wird erst die Voraussetzung ausgedrückt, dann die darauf beruhende Anweisung für Handlungsarten oder -dispositionen. Bei (52) und (53) ist die Abfolge umgekehrt. Die Angabe der Voraussetzungen kann hier auch als nachfolgende Begründung verstanden werden, die mit denn oder nämlich an die erste Handlung angeschlossen sein könnte. Bei (55) wird über die pragmatische Präsupposition Sie werden Stimmungsschwankungen haben bzw. Sie neigen zu. . . mit die Voraussetzung ausgedrückt für das, wozu der Leser aufgefordert wird. 63 In (54) ebenso wie in der ersten Äußerung von (25) werden Ausdrücke für Handlungsarten und ihre möglichen Folgen geäußert. 64 (iv) Konventionelle Äußerungsformen für Prädikationen von Handlungsarten oder -dispositionen über die explizit oder implizit gegebene Referenz auf den Leser sind diese: Imperative mit verbalem oder adjektivischem Prädikat und syntaktischen Ergänzungen, 65 gegebenenfalls 60

62

64 65

Dasselbe gilt für (9), (15), (16) und (18). Ich komme darauf noch in 6.33 zurück. Beispiel (32). S. auch 6.33, i. Ich verzichte auf eine Diskussion der Grade von Indirektheit bzw. Implizitheit bei Sprechaktvollzügen. Denn diese Unterscheidung ist wesentlich aus der Beschreibung isolierter Sprechakte hervorgegangen. Zu einer diesbezüglichen Skepsis auch Huth, 209. genauer 6.33. Beispiele (6), (16) und (51).

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

syntaktischen Angaben wie bei (27) und (48) bis (55). Ein anderes Muster ist der Nominalsatz mit Vorsicht und präpositionalem Attribut: (56) Vorsicht bei Äußerungen über andere. B (57) Sonntag Vorsicht in Speise und Trank. A Verbale Muster sind Prädikationen mit meiden66 und mit vermeiden.66 Weitere syntaktisch-lexikalische Muster in dieser Gruppe sind diese mit den darauffolgenden Beispielen: (c) Nicht + Adj ('negative Bewertung') + werden. (d) Adj ('positive Bewertung') + bleiben. (e) Bleiben Sie + Adj ('positive Bewertung'). (c)

(d)

übermütig A launisch oder nachtragend A empfindsam A rechthaberisch C, B

Nicht

beherrscht C beharrl (50) harmonisch (55) sparsam D kritisch C

(e) Bleiben Sie

werden

bleiben

harmonisch D beherrscht D anpassend D sparsam A, D

Mit bewertenden Adjektiven werden auch andere Prädikatsverben verwendet: (58) Folgerichtig handeln. C (59) In allem sehr vorsichtig sein. C Bei den negativ bewertenden Ausdrücken launisch, rechthaberisch und nachtragend und bei harmonisch,67 einem positiv bewertenden Aus66 67

Beispiele (6), (16) und (51); Beispiele (18) und (27). Ein spezieller regelhafter Gebrauch in Horoskopen der Bildzeitung.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

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druck, gehört das Bewerten zur Regel des Gebrauchs. Die anderen Ausdrücke sind nach meiner Regelkenntnis nicht regelhaft positiv oder negativ bewertend; sie können für positive u n d negative Bewertungen verwendet werden. In den Horoskopen der Bildzeitung sind sie aber, wie der regelhafte Gebrauch in Äußerungsumgebungen zeigt, immer so oder so bewertend verwendet: (60) Nichts überbewerten; kritisch bleiben! C (61) Neigung zu utopischer Wunschvorstellung; bleiben Sie sachlich. B (62) Erfolgstendenz, betonte Lebensfreude; nicht übermütig werden A (63) Sparsam bleiben! Nichts auf Kredit kaufen. A (64) Beide Tage verlangen Anpassung an die engere Umwelt, harmonisch bleiben. A In solche Propositionszusammenhänge geht ein latentes Wertsystem, Personen, Handlungsarten und -dispositionen betreffend, mit ein. Becker hat solche Systeme von Werten als gültig in einer Gesellschaft als ganzer oder in sozialen Teilgruppen beschrieben (S. 39). Sie bilden allgemeinere Verpflichtungen, „side bets" (S. 39). Durch „side bets" sind konsistente Handlungssequenzen, auch über längere Zeit hinweg, ermöglicht, ebenso Einigung zwischen Kommunikationspartnern. Mit „side bets" verweist der Schreiber (oder Sprecher) auf latente Verpflichtungen, die außer den aktuellen Verpflichtungen gelten. 68 Diese Darstellung der Prädikations-Formulierungsarten ist unvollständig. Für eine umfassendere Darstellung fehlen noch die Beschreibungskategorien. 6.33 Formulierungsarten, die zum Voraussagen gebraucht werden Hiermit knüpfe ich an die grundsätzlichen Überlegungen von 6.2 an. Erzeugungen wurden dort für die Beschreibung einzelner Formulierungen eingeführt. Hier werden sie benutzt für die Beschreibung von Formulierungsarten. (i) Das Muster, nach dem Bleiben Sie sachlich in (61) und Sparsam bleiben in (63) vollzogen werden, kann als Erzeugung so dargestellt werden: (a) VORAUSSAG -»• AUFFORDER ->• ÄUSSER (Imperativ persönlich/unpersönlich) 69 68 69

Becker; s. auch 6.33, ii und 6.34. Mit nicht kursiv gesetzten Ausdrücken in der Klammer werden die für die Erzeugung relevanten Teile der Äußerungstypen beschrieben. Schrägstriche stehen zwischen Alternativen.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Für Aufforderungen gibt es Äußerungsarten, die in 6.32, iv als Muster beschrieben sind. Voraussagen werden auch gemacht, indem Sätze in Aussagesatzform geäußert werden. Enthalten diese Äußerungen eine Bedeutung .zukünftig', beschreibe ich das Muster so: (b) VORAUSSAG ÄUSSER (Aussagesatzform; Futur/Bedeutung zukünftig') Beispiele dafür sind Äußerungen wie: (29) Der Sonntag wird nicht ganz nach Wunsch verlaufen. (46) Morgen Annehmlichkeiten, Freude, Genuss. (65) Übervorteilung droht. A und die zweite Äußerung in (54), auch (39) bis (44) mit Lexemverwendungen wie Aussichten, Tendenzen, Neigungen. Wie (65) und die letzten Beispiele zeigen, kann .zukünftig' auch nur ein Bedeutungsanteil von verwendeten Lexemen sein. Werden hingegen die Voraussagen ohne einen Bedeutungsanteil .zukünftig' der Äußerung gemacht, beschreibe ich dies so: (c) VORAUSSAG BEHAUPT ->• ÄUSSER (Aussagesatzform) 70 Dazu gehören Beispiele wie (17), (19) und (21), (22), (31) und (32), (45) usw. Insbesondere Behauptungshandlungen, mit denen Handlungsvoraussetzungen und -dispositionen (6.32) ausgedrückt werden, dienen dem vermittelten Voraussagen. Auch solche Äußerungen, mit denen .Veränderung' prädiziert wird, dienen dem Voraussagen: (25) und (66) Eigenwilligkeiten bringen Mißstimmung im privaten Bereich. D (67) Fehlentscheidungen können viel Ärger auslösen. B In diesen Äußerungen ist mit auslösen und bringen das Verändern angezeigt; Mißstimmung und Ärger dienen dazu, Handlungsfolgen vorauszusagen, Eigenwilligkeiten und Fehlentscheidungen die Handlungsdisposition. Die Handlungsdisposition wird über Präsuppositionen wie Sie neigen zu...71 vorausgesagt. Ebenso bei (31) Ohne wesentliche Einflüsse verläuft der Tag günstig: Hier ist Es gibt/wird geben keine wesentlichen Einflüsse präsupponiert. Das Voraussagen mittels Präsuppositionen 72 kann als Muster so beschrieben werden: (d) VORAUSSAG PRÄSUPPONIER ÄUSSER (Satzteü; .Handlungsart'/, Handlungsdisposition') (ii) In 6.32 wurden etliche Muster mit Wertausdrücken dargestellt: Das Muster (a) in (i) und die Muster (c) bis (e) in (iv). Nach Hare werden 70 71 72

Damit sind auch Adjektiv- und Nominalsatz-Muster gemeint. Vgl. zu Beispiel (55) in 6.32. Vgl. 5.24, v.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

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positive Wertausdrücke oft mit empfehlendem Charakter 73 gebraucht, negative entsprechend mit abratendem Charakter. Wir finden deshalb auch Voraussagen, bei denen die Empfehlungshandlung in der Äußerung explizit gemacht wird: (68) Morgen sollten Sie der Gebende sein. C (69) Treffen Sie auf Widerstand, sollten Sie nachgeben B Das Muster kann beschrieben werden als: (e) VORAUSSAG -* EMPFEHL ÄUSSER (sollte; Bewertung positiv) Nach Hare 195 werden richtig und sollte „in erster Linie gebraucht, um Rat und Unterweisung zu geben, oder im allgemeinen, um Wahlakte zu leiten"; er stellt auch den Zusammenhang mit Imperativen heraus. Von daher ist auch der Zusammenhang von Auffordern und Voraussagen74 bedingt. So haben etwa (8), (14) und (53) gleichzeitig empfehlenden und auffordernden Charakter. Gleichzeitighandlungen wie (8) können deshalb so beschrieben werden: VORAUSSAG ->• EMPFEHL AUFFORDER ÄUSSER (Gönnen Sie sich morgen Ruhe)15 Die Beschreibung (e) muß deshalb so präzisiert werden: (e') VORAUSSAG -» EMPFEHL - BEHAUPT -> ÄUSSER (sollte; Bewertung positiv) (e") VORAUSSAG EMPFEHL AUFFORDER -» ÄUSSER (Imperativ; Bewertung positiv) Entsprechend ist (20) infolge der negativen Bewertung von Zwistigkeiten gleichzeitig als abratende und auffordernde Handlung zu beschreiben: Heute abend unbedingt Ehezwistigkeiten vermeiden Ein Beispiel für die Gleichzeitighandlungen Abraten und Behaupten ist (21): Schlecht för juristische Fragen. Entsprechend (e') und (e") sind also Muster anzunehmen, bei denen EMPFEHL durch ABRAT ausgetauscht ist: (f') VORAUSSAG -»• ABRAT BEHAUPT -»• ÄUSSER (Bewertung negativ) ( f " ) VORAUSSAG -> ABRAT -* AUFFORDER ÄUSSER (Imperativ; Bewertung negativ) Das Empfehlen oder Abraten ist ausgedrückt durch Behauptungshandlungen. Denn es wird ausgedrückt, indem Handlungsvoraussetzungen und -dispositionen behauptet werden. 73

74 75

Z. B. Hare 164, wo es heißt, „daß die nützlichsten Werturteile diejenigen sind, die sich auf Wahlakte beziehen, die wir sehr wahrscheinlich machen werden". Nach Hare haben Wertausdrücke empfehlenden Charakter, ich folge hier aber Wunderlich 1974, 318ff., wo dies dahingehend modifiziert ist, daß sie dazu dienen, Empfehlungshandlungen zu vollziehen. Muster (a) in (i). Kriterium für EMPFEHL ist Gönnen Sie sich, für AUFFORDER der Imperativ.

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Beschleibungskategorien und Stilbeschreibungen

Da das Empfehlen oder Abraten vollzogen wird, um damit etwas vorauszusagen, hat es leicht die Wirkung von Ratschlagen oder Warnen. Denn ein Ratschlag wird unter für den Adressaten ungünstigen Handlungsvoraussetzungen vollzogen, 76 er hat die Änderung zum Positiven zum Ziel. Deswegen wird dem Adressaten mit vorausgesagt, daß das Befolgen des Ratschlags für ihn günstige Folgen haben wird. Entsprechend werden ihm im Fall des Nichtbefolgens für ihn negative Folgen vorausgesagt. Durch das Befolgen von Warnungen kann der Adressat eine für ihn ungünstige Lage abwenden, im Falle des Nichtbefolgens wird ihm eine für ihn ungünstige Lage vorausgesagt. Dieser Zusammenhang wird an (66) und (67) deutlich: (66) könnte paraphrasiert werden als (66') Eigenwilligkeiten vermeiden,77 sonst Mißstimmung im privaten Bereich.78 Beispiele für Warnung und Ratschlag sind: (9) Nicht rechthaberisch werden. (16) Meiden Sie disharmonische Personen. (48) Wich tiges auf morgen verschieben. (51) Sammeln Sie Kraft, meiden Sie lauten Betrieb. Die Muster für gleichzeitiges Ratschlagen und Voraussagen und für gleichzeitiges Warnen und Voraussagen können so wiedergegeben werden: (g) VORAUSSAG RAT A U F F O R D E R E ÄUSSER (Imperativ; Bewertung positiv) (h) VORAUSSAG ->• WARN AUFFORDER ÄUSSER (Imperativ: Bewertung negativ) Entsprechend werden vermittelte Ratschläge und Warnungen über gleichzeitige Behauptungshandlungen vollzogen. Hare (196 f.) unterscheidet zwischen 1) singulären Imperativen, 2) generellen Imperativen als Vorschriften für „eine Art von Gelegenheit" und 3) Mischformen beider. Singulare Imperative sind dadurch gekennzeichnet, „daß sie direkt nur auf die Gelegenheiten zutreffen, bei denen sie gegeben werden"; 79 Beispiele dafür sind (48) und (53) durch die Referenz auf einen bestimmten Zeitraum. Zur zweiten Gruppe gehören Imperative mit immer oder niemals. (70) Bleiben Sie bestrebt, stets Ihr Bestes zu geben. B (71) Handeln Sie stets besonnen. D Da (70) und (71) aber in spezifischen Kontexten geäußert werden, sind sie nur scheinbar generelle Imperative; sie gehören vielmehr zu den 76 77 78 79

Diese sind damit mit vorausgesagt. Vgl. 6.32, iv. Zu Abfolgen von Äußerungen 6.34, zu Paraphiasemöglichkeiten 6.36. Hare 196.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

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Mischformen. Sehr viele Äußerungen in den Bildzeitungshoroskopen haben diese scheinbar generelle Imperativ-Form: Oft fehlt einerseits der explizite Bezug auf die Geltungszeit, andererseits das immer oder niemals. Dazugehören: (9) Nicht rechthaberisch werden. (58) Folgerichtig handeln Imperative dieser Art sind durch die Möglichkeit der Ersparung der aktualisierenden Referenzakte (6.31) bedingt; sie sind gleichzeitig (5.25) generelle und singulare Imperative. (iii) Diese Darstellung zeigt, wie aufgrund von Eigenschaften der Äußerungsbedeutung der propositionalen Gehalte und der Textillokution die Handlungen vielschichtig sind. Es bleibt dem Rezipienten offen, welche Schlüsse er zieht. 80 Die Handlungen können mehreren Mustern, nach denen sie gleichzeitig sind, zugeordnet werden. 81 Der Adressat kann seinen Neigungen entsprechend Verpflichtungen eingehen (6.1). Dieser Offenheit der aktuellen Verpflichtungen steht aber entgegen, daß ein rigides Wertsystem zugrundegelegt wird mit allgemeineren Verpflichtungen (6.32, iv); dies tritt bei den zuletzt beschriebenen Imperativen mit gleichzeitiger aktueller und genereller Verpflichtung hervor. 6.34 Muster für Abfolgen von Handlungsarten Wunderlich (1974, 347) unterscheidet Abfolgen von sprachlichen Handlungen in 1) Sprechhandlungssequenzen, wenn „unbedingte Obligationen zur Fortsetzung" bestehen, und 2) Sprechhandlungsverkettungen, bei denen derartige Obligationen nicht bestehen. Ein Beispiel für Verkettungen in den Horoskopen ist dieses: (72) Erledigen Sie Ihre Pflichten gewissenhaft. Morgen günstig für Gesellschaft. C Dieses Nacheinander unverbundener Sprechhandlungen entsteht in den Bildzeitungshoroskopen nach einem Muster; die Formulierungen sind nur durch das Nacheinander im Text verbunden. Wunderlichs Unterscheidung ist eine systematische Unterscheidung. In einem Textmuster können aber Sprechhandlungsverkettungen konventionell werden, so daß sie von Sprechhandlungssequenzen nur dann unterscheidbar sind, wenn man sie aus dem Textmuster herausgelöst beschreibt. Im Fall von Verkettungsmustern kann im Textmuster als Sequenz erscheinen, was allgemein als Verkettung zu beschreiben wäre. Z. B. bewirkt (61) Neigung zu utopischer Wunschvorstellung als einzelne 80

81

Vgl. 5.13. Einen Vorschlag für eine Beschreibung von Aufforderungshandlungen über Schlüsse macht Hindelang 1976. Heringer 1974a, 41.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Voraussage keine direkten Obligationen. Aber die allgemeinere Verpflichtung 82 scheint zu lauten: Man muß/sollte utopische Wunschvorstellungen vermeiden; utopische Wunschvorstellungen sind schlecht/ schädlich, usw. Deshalb ergibt sich aus dieser Handlung eine Obligation, die in (61) geäußert wird mit der auf die Äußerung folgenden Aufforderung, dem Rat: bleiben Sie sachlich. Aufgrund derartiger Zusammenhänge verzichte ich — außer für Fälle wie (72) — auf die Unterscheidung in Verkettung und Sequenz. 83 Ich beschränke mich im folgenden auf die Beschreibung einiger Muster für Abfolgen von Sprechhandlungen. 84 (i) Oft wird etwas geraten oder vor etwas gewarnt, indem zwei Aufforderungen nacheinander verwendet werden: (60) Nichts überbewerten; kritisch bleiben! (63) Sparsam bleiben! Nichts auf Kredit kaufen. Die Äußerungsabfolge könnte hier auch umgekehrt werden, denn beide Äußerungen sind implizite Voraussagen derselben Tendenzen inbezug auf den Adressaten, und beide sind Imperative der scheinbar generellen Form (6.33); sie beruhen jeweils auf den gleichen allgemeinen Verpflichtungen. Von den einzelnen Handlungen her gesehen könnte man hier eine Verkettung annehmen, aber aufgrund des Musters erscheint mir das problematisch. Denn beide zusammen bewirken als Gleichzeitighandlungen eine verstärkte Obligation für den Adressaten. Bei (60) und (63) sind je eine Warnung 85 und ein Ratschlag 86 verknüpft. Es gibt aber auch das Muster, bei dem Ratschlag oder Warnung mit ähnlichem propositionalem Gehalt verdoppelt werden. Auch hier verstärken die Gleichzeitighandlungen die Obligationen für den Leser: (2) Sparsam bleiben, Rücklagen bilden. (73) Wenig Erfolgsaussichten;9''' bleiben Sie geduldig, bewahren Sie Selbstvertrauen. B 88 (74) Nicht rechthaberisch werden; Streit vermeiden. C (75) Leihen Sie kein Geld aus, geben Sie keine Bürgschaften C Ein anderes Muster besteht darin, daß die Art der sprachlichen Handlung (Behauptung, Rat, Warnung etc.) wiederholt wird; der propositionale Gehalt der zweiten Handlung spezifiziert den der ersten: 82

83

84

85 86 87 88

„Side bet", 6.32, iv. Es wäre hierfür inbezug auf Textmuster eine eigene detaillierte Untersuchung notwendig. An den Beispielen von (50) ff. und (60) ff. bin ich schon, unter eingeschränkterer Fragestellung, auf solche Muster eingegangen. Mit propositionalem Gehalt .negativ bewertet'. Mit propositionalem Gehalt .positiv bewertet'. Voraussage nach Muster (c) in 6.33. Hier ist das Muster von Beispiel (50) ff. mit dem der Doppelung von Ratschlägen zusammen verwendet.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

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(76)

Betonte Unternehmungslust: Neigung zu leichtsinnigem Verhalten, besonders morgen. D (77a) In allem vorsichtig sein; kein Geld ausleihen. C (77b) ... in allem vorsichtig sein; Streit vermeiden. D (78) Sorgen Sie in diesen Tagen für naturgemäße Lebensweise. Gesundheitl. Störungen89 sofort behandeln lassen. C Durch diese — je nach Auffassung gleichzeitigen oder zusätzlichen — Handlungen werden ebenfalls die Obligationen für den Leser verstärkt. Die Beispiele sind mit Ausnahme von (72) nach Mustern für Gleichzeitighandlungen. Diese Muster sind beschreibbar als verschiedene Arten des Variierens. 90 Bei der ersten Beispielgruppe wird die mit der Textillokution gegebene Voraussage wiederholt, die spezielle Handlungsart und der propositionale Gehalt variiert. Bei der zweiten Gruppe wird die spezielle Handlungsart wiederholt, der propositionale Gehalt variiert, die durch die Textillokution implizierte Voraussage auf diese Weise auch wiederholt. Bei der letzten Gruppe besteht das Variieren in der Spezifizierung. (ii) Eine andere Gruppe von Mustern für Handlungsabfolgen ist diese: Der Zusammenhang zwischen den Handlungsarten ist durch die unterschiedlichen Phasen von Handlung (5.11), die ausgedrückt werden, gegeben. Auf den Zusammenhang von vorausgesetzter Situation und Aufforderung in Handlungsabfolgen bin ich bereits eingegangen in 6.32, iü. 91 Ebenso in 6.33, i auf den Zusammenhang von Handlung und Handlungsfolge. 92 Außer dem an (52) und (53) dargestellten Begründungszusammenhang 93 gibt es auch Bedingungszusammenhänge. Ein Bedingungszusammenhang wird auf sehr verschiedene Art ausgedrückt: (79) Beruß Erfolg, wenn Sie mitgestalten. C (80) Je harmonischer Sie an beiden Tagen sind, desto mehr Gutes findet zu Ihnen. A (69) Treffen Sie auf Widerstand, sollten Sie nachgeben. Diese Bedingungszusammenhänge sind über Behauptungshandlungen ausgedrückt. Bei anderen wird die Bedingung über Aufforderungen usw. (6.33, ii) ausgedrückt: 94 89 90 91 92 93

94

Voraussage über eine Präsupposition: Muster (d) in 6.33. S. 5.27, ii. S. dort die Beispiele für Muster von Sprechaktabfolgen. Beispiele (66) und (67). Nachträgliches Behaupten der Voraussetzung für eine Aufforderung, einen Rat usw. in der Abfolge. Andeutungen zu Imperativschlußsätzen und den Äußerungsformen dafür bei Hare 54 ff.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(81) Nicht empfindsam werden, sonst verderben Sie schöne Stunden . . . A (82) Vermeiden Sie abds. Eifersüchteleien, sonst Mißstimmung.95 B (83) Setzen Sie sich nicht zu sehr für andere ein; Enttäuschungen drohen. A (84) Seien Sie an beiden Tagen, besonders Sonntag, aufgeschlossen u. Sie erleben Freude. D Dies ist ein Muster für sehr vermitteltes Voraussagen; nach Franck und Ehrich/Saile sind die Obligationen für den Leser dadurch gering. Aber die Voraussagen werden über Aufforderungen ausgedrückt, die — als aktuelle und scheinbar generelle Imperative 96 — allgemeinere Verpflichtungen (side bets) enthalten. Deshalb werden durch die Bedingungszusammenhänge und die Art, wie sie ausgedrückt werden, auch verstärkt Obligationen hergestellt. (iii) Mit den dargestellten Mustern für Handlungsabfolgen werden die Horoskopteile 97 gebildet. Handlungen nach verschiedenen Mustern werden auch zu Handlungsabfolgen kombiniert, vgl. (73). Auch können Handlungen, nach Mustern für Abfolgen oder einfache Handlungen in der Weise verkettet werden, die mit (72) belegt wurde. Ein Beispiel: (85) Paaren Sie Herz mit Verstand; seien Sie hilfsbereit, ohne sich ausnutzen zu lassen. Morgen gut für Liebe, Ehe. A Dabei wird die enge Zusammengehörigkeit von Handlungen nach Mustern für Abfolgen meist in der Basishandlung markiert durch Strichpunkt oder Komma; Verkettungen werden durch Punkte getrennt. 6.35 Zusatzhandlungen In 6.31 habe ich Arten der Ersparung von Referenzausdrücken beschrieben. Die Beispiele (24), (25) und (30) zeigen die Ersparung des syntaktischen Prädikats und von Artikelformen und Präpositionen. Außerdem ermöglichen Muster für unpersönliche Imperative und Adjektiv- und Nominalsatz-Muster weitere Ersparungen. Dazu werden an der Basishandlung Ersparungen vorgenommen, durch abkürzende Schreibungen wie u., abd, beruft, wesentl., Geb. und so weiter. 98 Und oder oder, vielleicht auch und/oder werden in der Regel zwischen Substantiven erspart. 99 Es wird also Platz eingespart. Viele Horoskope zeigen den Zweck: Zwischen den Text werden Reklamen gesetzt. Das Platzsparen tangiert II Vgl. (66'). 96 S. 6.33, ii. 97 S. 6.12 und 6.13. 98 Beispiele sind etwa (12), (20), (24) bis (26), (31) usw. 99 Beispiele sind: (17), (32), (46) und (47).

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

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das Voraussagen nicht. Deshalb zählt es als Zusatzhandlung inbezug auf die Textillokution. Allerdings hat aufgrund der spezifischen propositionalen Gehalte die Ersparung gelegentlich auch Folgen für die Wirkung der Handlung. 100 6.36 Einige weitere Eigenschaften der Äußerungsarten Ich gehe hier noch zusammenfassend auf einige Charakteristika der Äußerungsarten ein. (i) Die syntaktischen Muster sind Aufforderungs- und Aussage-Satzformen. Die Aufforderungssatzformen bestehen in persönlichen und unpersönlichen Imperativen. Aussagesatzformen sind gebildet nach den Regeln für vollständige Verbalsätze, nach Mustern für Verbalsätze mit Ersparungen, nach Nominal- und Adjektiv-Satzmustern. Außerdem gibt es spezifische syntaktisch-lexikalische Muster. Aufgrund der Ersparungen sind manche Äußerungen syntaktisch doppeldeutig: In (12) und in (22) 101 kann berufL verstanden werden als syntaktische Angabe (Adverbiale) oder aber als Attribut zu Erfolg in (12), zu unwichtig in (22). Ein weiteres Beispiel: (30) Sonntag unwichtiger Tag kann verstanden werden als Am/Der Sonntag ist ein unwichtiger Tag. Denn bei Wochentagsnamen werden Präpositionen erspart. 102 Noch ein Beispiel: Bei (24) wird der Bereich der Referenten mit Präposition angegeben: Für alle. Bei (23) Kaufleute: Umsatzsteigerungen und bei (25) 1./2. 4. Geb.: Liebesglück könnte deshalb für ergänzt werden, ebenso aber auch haben als syntaktisches Prädikat. Alle diese syntaktischen Doppeldeutigkeiten infolge von Ersparungen haben eines gemeinsam: Jeweils eindeutig werden die Referenz und die Prädikation ausgedrückt. Die syntaktische Doppeldeutigkeit der Äußerung ist deshalb unerheblich. 103 (ii) Eigenschaften der Basishandlungen werden handlungsstrukturierend verwendet: Bei (23) und (25) dient der Doppelpunkt für die optische Trennung von Referenz und Prädikation; bei (33) und (35) werden zwei Prädikationen durch den Doppelpunkt getrennt. Strichpunkt und Komma werden als verbindend bei Handlungen nach Mustern für Abfolgen gebraucht (6.34, iii). 100 101 102 103

Vgl. 6.33, ii zu den scheinbar generellen Imperativen. Beruft. Erfolg; Beruft, unwichtiger Tag. Vgl. Sonntag keine wesentl. Einflüsse. D Das Phänomen der Ellipse, hier wie in Sandig 1971 Ersparung genannt, ist also befriedigender beschreibbar mit Handlungs- und Äußerungskategorien, als mit Äußerungskategorien allein.

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Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(iii) Neben dem Befolgen von Kurzsatzmustern werden für Handlungen nach denselben Handlungsmustern auch Äußerungen nach den Syntaxregeln für Verbalsätze verwendet: (55) Harmonisch bleiben.104 (86) Bemühen Sie sich, harmonisch zu bleiben C (87) Bleiben Sie harmonisch.105 (88) Schonen Sie Ihr Nervensystem. D (89) Nerven schonen. A, D Darüberhinaus werden viele Äußerungstypen immer wieder verwendet: (89)und (14) Bereiten Sie Freude. A, D (10) Unwichtiger Tag. B, A (90) Nicht rechthaberisch werden. C, B (91) Morgen kaum Wunscherfüllung. C, C Andere Äußerungstypen zeigen nur geringfügige Unterschiede: so (77a) und (77b) und (59) In allem sehr vorsichtig sein. (33) Heute in allem sehr vorsichtig sein. (92) Morgen in allem sehr vorsichtig sein, besonders mit dem Auto. C und: (15) Widmen Sie sich morgen nur vertrauten Personen. (93) Widmen Sie sich Sonntag nur vertrauten Personen. D (94) Ohne wesentl. Geschehnisse verlaufen beide Tage günstig. A (95) Ohne wesentliche Geschehnisse verlaufen beide Tage zufriedenstellend. C (31) Ohne wesentl. Einflüsse verläuft der Tag günstig. (96) Beide Tage sind günstig für kl. Reisen, Ausflüge, Besuche. A (32) Beide Tage sind gut für Ausflüge, Naturgenuß. Die Stereotypie der Äußerungsarten und -typen ist mit bedingt durch die stark konventionelle Festlegung der Handlungsarten, der syntaktischen Muster und der „Welt", die sich in wiederkehrenden Referenzgegenständen und Prädikationen auswirkt. Daß dies nicht so sein muß, zeigen die Beschreibungen in 6.4. (iv) Infolge der begrenzten Zahl von Mustern ist es möglich, Formulierungen gemäß den Regeln der Variante zu paraphasieren, 106 also stilistische Paraphrasen bezogen auf die Variante des Textmusters vorzunehmen. So wären Paraphrasen von (31) Ohne wesentl Einflüsse verläuft der Tag günstig die folgenden Äußerungen: 104 105 106

Muster (d) in 6.32, iv. Muster (e) in 6.32, iv. Vgl. (66') in 6.33, ii; auch die Einführung der Erzeugungen in 6.2.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

125

(31') Keine wesentl. Einflüsse. Günstiger Tag. (31") Günstiger Tag, keine wesentlichen Einflüsse. Eine Paraphrase von (92): (92') Morgen ungünstiger Tag; Vorsicht mit dem Auto. Zu (89) lautet eine Paraphrase: (89') Gönnen Sie sich Ruhe. Bei diesen Paraphrasierungen sind die Beschreibungen von 6.31 bis 6.35 zugrundegelegt. Solche situations- und textmusterspezifischen Paraphrasemöglichkeiten zeigen: Es muß mindestens unterschieden werden zwischen 1) Paraphrasen inbezug auf die Äußerungstypen bei gleicher Handlung, 107 2) Paraphrasen inbezug auf die Formulierungsart 108 und 3) Paraphrasemöglichkeiten, die in bestimmten Textmustern kontextspezifisch eingeschränkt sind. Ein Beispiel für diese letzte Gruppe ist Enttäuschungen drohen in (83), aufgrund des Bedingungszusammenhangs ist die Äußerung paraphrasierbar als (83') sonst Enttäuschungen, analog der Formulierung von (82). 109 6.37 Zusammenfassung Die Voraussagen in den Horoskopen der Bildzeitung werden meist nicht direkt als Voraussagen ausgedrückt. Sondern sie werden vollzogen, indem Behauptungen und Aufforderungen gemacht werden. Aufgrund der propositionalen Gehalte werden mit diesen Handlungen meist auch Ratschläge, Warnungen usw. gegeben. Oft sind die Zusammenhänge zwischen den Voraussagen und den ausgedrückten Handlungsarten sehr vermittelt. Dadurch, ebenso wie durch die stereotype Handlung Bedenken Sie... , die am Ende jedes Horoskoptextes wiederholt wird (6.13), werden die Obligationen für den Leser möglichst offen gelassen. Außerdem werden durch Voraussagen und durch Ratgeben oder Warnen verschiedenartige Verpflichtungen für Sprecher und Adressat etabliert: Im Fall des Voraussagens kann der Adressat nichts zu einer Änderung des Vorausgesagten tun; wenn aber die Voraussage über einen Ratschlag ausgedrückt wird, sieht es so aus, als könnte der Adressat positiv verändernd eingreifen, als wäre es nur ein Problem des Wollens des Adressaten. Dem steht aber entgegen, daß gleichzeitig sehr massiv Obligationen etabliert werden, indem allgemeine Verpflichtungen ausgedrückt werden. 107

109

Beispiele sind die Paraphrasen von (31) und der Zusammenhang von ( 1 5 ) und (93) in (iii). Bei ( 9 2 ' ) ist außer dem Äußerungstyp auch die Handlungsart verändert: Morgen ungünstiger Tag ist explizite Voraussage, nach dem Muster (b) in 6.32, gegenüber der Voraussage über eine Warnung und Aufforderung in (92). Zu verschiedenen Arten von Paraphrasen s. auch die Beispielgruppen in 1.1.

126

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Dieselbe Wirkung hat sicher auch auf den ständigen Benutzer der Gebrauch von stereotypen Propositionen, gleichbleibenden Handlungsarten und sogar Äußerungstypen über längere Zeit hinweg. Stereotypie der Äußerungsarten und ein Wertsystem mit feststehenden Obligationen treffen zusammen in den Mustern (c) bis (e) in 6.32, iv. Außerdem werden durch Muster für Variieren und Wiederholen in der Handlungsabfolge verstärkt Obligationen etabliert, auch durch Muster für Bedingungs- und Begründungszusammenhänge. 110 Die Gleichzeitigkeit von Offenlassen der Obligationen und Etablierung von Obligationen zeigt schon die Präsentation (6.13): In der Überschrift wird mit in Ihren Sternen die „Macht der Sterne" vorausgesetzt und mit den Texten bekräftigt, andererseits werden am Ende die Obligationen für den Horoskopgeber und den Adressaten zurückgenommen. Damit sind durchgängig zwei widerstreitende Gleichzeitighandlungen festzustellen: das Etablieren von Obligationen und das Offenlassen bzw. Zurücknehmen von Obligationen. Zu diesen Gleichzeitighandlungen kommt das Platzsparen als Zusatzhandlung. Gewisse Aspekte der Zusatzhandlung unterstützen Aspekte der Gleichzeitighandlungen. Die meisten sind davon unabhängig. 111 Die Beschreibung konventioneller stilistischer Eigenschaften von Horoskopen der Bildzeitung hat gezeigt, daß die in 5.2 dargestellten Beschreibungskategorien dafür nicht ausreichen, sondern erweitert werden müssen. Da dasselbe auch für die folgende Beschreibung einer anderen Horoskop-Variante gilt, gebe ich einen Überblick über die Erweiterung der Beschreibungskategorien in 6.5.

6.4

Formulierungsarten und -muster in Horoskopen des „Stern"

Die Horoskope der Variante des „Stern" sind stilistisch sehr verschieden von denen der Bildzeitungs-Variante; dies macht die Varianten des Textmusters geeignet für eine exemplarische Beschreibung. 6.41 Äußerungsarten für Referenzarten Auf einen bestimmten Tag innerhalb des Gültigkeitszeitraums wird referiert mit Ausdrücken folgender Art: (97) Am 2. II. bestätigt sich eine Vermutung. F (98) Am 6. II. könnte es stürmisch werden. F (99) Am 4. II. gibt man Ihnen etwas freiwillig. F 110 111

Dazu auch 6.44. Ich sehe hier davon ab, daß mit den Reklamen, für die der Platz gespart wird, in anderer Weise die Etablierung von Obligationen versucht wird.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

127

Auch auf den ganzen Zeitraum wird referiert mit Ausdrücken wie: (100) Es ist wichtig, in dieser Woche mehrere Eisen im Feuer zu haben A (101) Die Tage sind weniger geeignet, um weitreichende Entscheidungen zu treffen. A Auf den Adressaten wird direkt referiert in (99) und (102) Lassen Sie die Finger von Geschäften, gegen die Sie eine innere Abneigung haben. A Bei den übrigen Äußerungen ist der Bezug auf den Adressaten auch nichtexplizit mit gegeben. Referenz auf andere Gegenstände wird oft ausgedrückt, indem Pronomina geäußert werden: man und etwas in (99) und (103) Man redet Ihnen wenig hinein, nimmt Ihnen aber auch keine wesentliche Entscheidung ab. A (104) Jemand kommt Ihnen in die Quere. B (105) Am 25. II. kommt Ihnen etwas nicht geheuer vor. B (106) Nehmen Sie es am 27. II. nicht allzu genau. B Bei den Prädikationsausdrücken von (104) und (105) gehört es zur Regel, daß bei gegebener Zeitreferenz in ihrem Zusammenhang auf ganz bestimmte Gegenstände referiert wird. Stattdessen werden hier Pronomina wie man, jemand (hier austauschbar) und etwas gebraucht. Der Leser kann dadurch nach seinen Bedürfnissen die Referenz selbst festlegen. Andere Pronomina wie es in (98) und (106) sind Bestandteil von Redewendungen. Der häufige Gebrauch von Redewendungen 112 ist sicher mit bedingt durch solche Möglichkeiten der Unbestimmtheit der Referenzgegenstände. Referenzgegenstände werden auch unbestimmt ausgedrückt entgegen der Regel des sonstigen Sprachgebrauchs: (107) Wagen Sie einen A nfang möglichst bald, alles Weitere ist dann einfach. Die Zahl der Interessenten wächst. Am 28. II. erhalten Sie eine wichtige Auskunft. B (108) An alles haben Sie gedacht, trotzdem trifft eine Rückfrage Sie vielleicht unvorbereitet. Gewisse Unterlagen sollten Sie stets griffbereit haben 1 1 3 C Anfang, Auskunft, Rückfrage und Interessent sind als Substantivierungen Prädikationsausdrücke. Die Referenz auf die entsprechenden Gegenstände wird durch den Gebrauch dieser Substantive ohne Attribute offengelassen; mit Attributen würde die Referenz festgelegt. Der Gebrauch von Verbalsubstantiven mit der Artikelform ein und ohne 112

Vgl. auch 6.42, i und 6.42, ii. In der letzten Äußerung wird die Referenz durch das Attribut gewiß unbestimmt ausgedrückt.

128

Beschieibungskategorien und Stilbeschreibungen

Attribut steht also den üblichen Regeln entgegen; es ist eine spezielle Regel der Horoskope im „Stern". Weiter wird auf bestimmte Gegenstände referiert, indem ihre Existenz inbezug auf den Adressaten präsupponiert wird: (109) Am 12. III. sollte die Familie zu ihrem Recht kommen. D (110) Mit Ihrer ständigen Gereiztheit fallen Sie Ihren A ngehörigen auf die Nerven. D Im Unterschied zu den Horoskopen der Bildzeitung wird in den Teiltexten des „Stern" auch über die einzelnen Äußerungen hinweg mit Pronomina referiert. 114 Auf Gründe dafür gehe ich in 6.44 ein. Damit sind die Formulierungsarten dieser Horoskopvariante in diesem Teilaspekt vielfältiger als die der Bildzeitungs-Variante. 6.42

Äußerungsarten für Prädikationsarten und Arten von propositionalen Gehalten (i) Die auffälligste Eigenschaft ist der Gebrauch von Eigenschaften spontanen Sprechens zum Ausdrücken von Prädikationen oder von Teilen davon. Diese werden konventionell für inoffizielle, familiäre Handlungsarten gebraucht. Es werden z. B. spezifisch familiäre Lexeme gebraucht wie beängstigend als Gradadverb und groß, wo im offiziellen Sprechen viel gebraucht würde: (111) Sie entwickeln beängstigend viel Ehrgeiz. C (112) Ohne große Begeisterung zu ernten, haben Sie tief in die Tasche gegriffen. C Es werden familiäre Redewendungen gebraucht wie in (102) und (104) usw. Dies geht bis zu komplexeren syntaktisch-lexikalischen Mustern als Versatzstücken inoffizieller Kommunikation: Sprichwörter und andere festgewordene Formulierungen oder Formulierungsteile. (113) Es sieht kaum so aus, als ob daraus etwas werden sollte. B (114) Sie sind doch sonst nicht so. E (115) Aufgehoben ist nicht aufgeschoben. D (ii) Es werden auch scheinbar allgemein gültige Propositionen ausgedrückt: 115 (121) und (116) Was auf den ersten Blick fasziniert, erweist sich beim genauen Hinsehen als taube Nuß. A (117) Denken Sie sich Ihr Teil. Diese Methode hat sich schon oft bewährt. E (118) Für Ihre Situation gilt: Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Es gibt keine Garantie, daß hohe Einsätze hohe Gewinne bringen. A 114 115

Z. B. (123). Analoges zu Imperativen in 6.33, iii.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

129

Allgemein gültige Prädikationen werden auf die Situation bezogen, indem eine (positive) Bewertung vorangestellt wird: (100) und (119) Es wäre gut, erst die Fühler auszustrecken, ehe Sie offiziell etwas unternehmen. A An diesen Äußerungen zeigt sich, daß die allgemeineren Verpflichtungen, 116 die in dieser Variante angenommen werden, ganz anderer Art sind als die der Bildzeitungs-Variante. Es sind oft auch sprachlich verfestigte Lebensregeln, nämlich Regeln, die als Formulierungen oder Formulierungsteile vorgegeben sind: Redewendungen, Gemeinplätze, Sprichwörter. 117 Diese Regeln sind untereinander vielfach widersprüchlich, 118 aber aufgrund ihrer regelhaften Allgemeingültigkeit ist es wahrscheinlich, daß auch der Leser ihre Gültigkeit akzeptiert. Damit sind in diesen Horoskopen enthalten: eine Offenheit der Werte infolge der Vielfalt des Allgemeingültigen und gleichzeitig auf Allgemeinem beruhende Verpflichtungen. Denn aus den genannten Prädikationen und Propositionen gehen Aufforderungen hervor; das zeigt explizit (121), mit (100) und (119) werden Ratschläge vollzogen. (iii) Ein weiteres Charakteristikum, das die Horoskope des „Stern" von denen der Bildzeitung unterscheidet, ist folgendes: Propositionen, die aufeinander folgen, werden oft explizit verknüpft mit aber, s. auch (103), jedoch, also, dennoch in (122) usw.: (120) Das Glück ist beinahe vollkommen. Über ein Thema, das Sie bis jetzt vermieden haben, muß aber noch gesprochen werden. Es hat jedoch keine Eile. D (121) An jedem Beruf und jeder Beschäftigung gibt es etwas auszusetzen. Sparen Sie sich also die Aufzählung der Nachteile. E Die Handlungen sind dadurch zusammenhängender ausgedrückt als in der anderen Variante. Das zeigt sich schon bei dem Gebrauch von Ausdrücken für Referenzakte. 119 6.43 Formulierungsarten, die zum Voraussagen gebraucht werden Zur Beschreibung benutze ich „Erzeugungen". 120 Es sind Möglichkeiten der Beschreibung für die Arten von Formulierungen in den Horoskopen. Searle 121 teilt Sprechakte in fünf Typen illokutionärer Handlungen ein: Drei dieser Typen sind in Horoskopen des „Stern" enthalten, in 116

118 119 120 121

Side bets: 6 . 3 2 bis 6.34. Daniels 179: Diese Schematismen werden „in der ,parole' v e r w e n d e t . . . , als handele es sich um in der ,langue' vorgegebene Wahrheiten." Dazu Daniels 181 f. S. auch 6.44. S. 6.2 und 6.33. 1973, 116 ff.

130

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

denen der Bildzeitung nur zwei. Mit der zweiten Überschrift der „Stern"Horoskope, Anregungen und Tendenzen. . . (6.12), wird ausgedrückt, daß die Texte - wie die der Bildzeitung - Repräsentative (i) und Direktive (ii) enthalten. (i) Repräsentative werden gebraucht, um „Tendenzen" auszudrücken. 122 Erzeugungen, die zu dieser Gruppe gehören, sind die folgenden: (a) VORAUSSAG ->• ÄUSSER (Aussagesatzform; Futur/Bedeutung .zukünftig') 123 Beispiele sind Äußerungen wie (97) bis (99) mit den Datumsangaben, (104) und (113) aufgrund der Bedeutung von Lexemen und (122) aufgrund des Futurs: (122) Dennoch werden Sie es nicht bereuen. B Zu den Repräsentativen gehört weiter das folgende Muster: (b) VORAUSSAG BEHAUPT ->• ÄUSSER (Aussagesatzform) 124 Dazu sind Beispiele (110) und die Äußerungen von (120) usw. Spezialfälle dieses Musters sind Äußerungen mit Perfektform: Vgl. (5) und (112) und Vermutungen, die mit einer modifizierenden propositionalen Einstellung ausgedrückt werden: mit Adverbien wie kaum, vielleicht in (108), wahrscheinlich usw., mit Konjunktiv, mit werden in (124) usw.: (123) Am 11. III. wäre das fatal für Sie. D (124) Sie werden den Leuten aber kaum den Gefallen tun, ernsthaft darauf einzugehen. D (125) Neue Regelungen, von denen Sie gerüchtweise hören, dürften auch ßr Sie gelten. C (126) Einen Vorsatz haben Sie anscheinend nur gefaßt, um ihm gleich wieder untreu zu werden. C (127) Vielleicht werden Sie mißverstanden. C (128) ... am 28. II. entgeht Ihnen sicher nichts. B (129) Anscheinend unterschätzen Sie Ihre eigenen Ergebnisse. B Weiter werden Voraussagen mit Hilfe pragmatischer Präsuppositionen ausgedrückt: (c) VORAUSSAG ->• PRÄSUPPONIER -* ÄUSSER (Satzteil) 125 Ein Beispiel dafür ist {91), Am 2. II. bestätigt sich eine Vermutung, wobei vorausgesetzt ist: Sie haben eine Vermutung. In (129) ist präsuppo122

Searle 1973, 117: „Bei den Mitgliedern der Klasse der Repräsentative ist die Absicht oder der Zweck, einen Sachverhalt (wahr oder falsch, richtig oder unrichtig) darzustellen. Sie legen den Sprecher darauf fest, daß etwas der Fall ist. Typische Exemplare dieser Gattung sind Feststellungen, Behauptungen, Vorhersagen, Explikationen, Diagnosen und Beschreibungen." ¡ " V g l . (b) in 6.33. „ V g l . (c) in 6.33. 125 Vgl. (d) in 6.33. Vgl. auch 5.24, v.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

131

niert: Sie haben eigene Ergebnisse. Die Beispiele (120) und (125) zeigen relevanzabgestufte Prädikationen, 126 wobei die weniger relevante mit Relativsatz ausgedrückt wird. Auch diese relevanzabgestuften Prädikationen sind Ausdrücksmöglichkeiten für Repräsentative. (ii) Direktive werden gebraucht, um „Anregungen" zu geben. 127 Dazu gehören folgende Muster: (d) VORAUSSAG BEHAUPT Ä USSER (müssen) (130) Am 1. III. müssen Sie eine Entscheidung treffen. B (e) VORAUSSAG -» RAT BEHAUPT ÄUSSER (es ist/wäre wichtig/gut.. . / sollte) Dazu gehören die Beispiele (100) und (119), für sollte (108) und (109). (0 VORAUSSAG RAT -» AUFFORDER ->• ÄUSSER (persönlicher Imperativ) Beispiele dazu sind (106) und (107). Darüberhinaus gibt es entsprechend (e) und (f) auch Warnungen als Behauptungen mit sollte und Warnungen als Aufforderungshandlungen. Der Zusammenhang zwischen Repräsentativen und Direktiven als Voraussagen ist der: Mit Repräsentativen werden Voraussagen über Situationen des Lesers gemacht, die Handlungsvoraussetzungen darstellen oder Handlungsfolgen; mit Direktiven werden dem Leser Handlungsarten angewiesen und dadurch vermittelte Voraussagen über Voraussetzungs- und Folge-Situationen gemacht. 128 (iii) Außer Repräsentativen und Direktiven gibt es in den „Stern"Horoskopen eine große Gruppe von „Expressiven": 129 „Die illokutionäre Absicht der Mitglieder dieser Klasse ist es, eine psychische Einstellung des Sprechers zu dem Sachverhalt auszudrücken, der im propositionalen Inhalt gekennzeichnet ist. In der Terminologie von „Speech Acts" 130 ist ihre illokutionäre Absicht, ihre Aufrichtigkeitsbedingung auszudrücken. Einige der häufigsten Exemplare sind Bedankungen, Beglückwünschungen, Entschuldigungen, Beileidsbezeugungen, Klagen und Willkommensheißungen." Nach 6.11 ist es irrelevant, ob der anonyme Schreiber oder 126

Vgl. dazu 5.24, iii; 7.32.

127 Searle 1973, 117: Bei Direktiven „besteht die illokutionäre Absicht darin, daß

128

129 130

der Sprecher mit ihnen mehr oder minder eindringlich versucht, den Hörer dazu zu bewegen, etwas zu tun. Die folgenden Beispiele machen das deutlich: Anordnungen, Befehle, Bitten, Warnungen, Gebete, Anträge, Gesuche und Ratschläge." Vgl. 6.32 bis 6.34. Searle 1973, 117. D. i. Searle 1969.

132

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

die Institution psychische Einstellungen aufrichtig äußert. 131 Was für eine Funktion haben solche Handlungen also, wenn sie gleichzeitig Voraussagen sind? Zunächst führe ich jedoch die Muster mit Beispielen auf: (g) VORAUSSAG BEDAUER ÄUSSER {leider) (131) Mit solchen Wünschen stehen Sie leider nicht allein da. B (h) VORAUSSAG -* VORWERF ÄUSSER {Sie hätten aber auch können; besser wäre es gewesen, wenn/Sie hätten;. . .) (132) Sie hätten den Geschmack der anderen aber auch vorher kennen können. C (133) Besser wäre es gewesen, Sie hätten sich weniger vorgenommen. C (i) VORAUSSAG LOB ÄUSSER ( . . . ) (134) Man muß es Ihnen lassen: Sie haben es heraus, wie man die Leute für sich gewinnt. B (135) Daß Sie sich verpflichtet fühlen, spricht für Sie. C (k) VORAUSSAG WARN WÜNSCH Ä USSER ( h o f f e n t l i c h nicht; Bewertung negativ) (136) Ihre Erfolge ermuntern Sie hoffentlich nicht zu gewagten Kunststücken. B (1) VORAUSSAG ->• RAT ->• WÜNSCH -» ÄUSSER ( h o f f e n t l i c h ; Bewertung positiv) (137) Hoffentlich haben Sie auch das richtige Rezept für den Erfolg. D Mit all diesen Gleichzeitighandlungen werden indirekt Voraussagen von Situationen (Chancen oder Gefahren) gemacht, nämlich solchen, in denen diese Handlungsarten angebracht sind. Es wird explizit auf den Leser referiert. Die Formulierung ist so gewählt, daß sie der Leser leicht in der Ich-Form übernehmen kann: Sie stellt ein Angebot zur Übernahme an den Leser dar. 132 Die gleiche Funktion haben sicher auch die Verwendungen der Perfektformen in (5) und (146). (iv) Eine weitere Gruppe von Voraussagehandlungen ist die folgende: Behauptungs- und Aufforderungshandlungen werden expressiv modifiziert. Sie sind deshalb Repräsentative oder Direktive und zusätzlich oder gleichzeitig - je nach Interpretation — Expressive. 133 131

132

133

Z. B. fehlen „Kommissive" (Seaxle 1973, 117) in den Horoskopen, nämlich solche Handlungen, deren illokutionäre Absicht es ist, „den Sprecher auf einen zukünftigen Lauf der Dinge zu verpflichten", wobei seine Aufrichtigkeit wichtig ist. Vgl. Kloepfer 1 4 5 - 1 5 3 . Dort wird mit semiotischen Kriterien das Beispiel einer Werbung beschrieben, wo es ähnlich um die „Bereitschaft zur Identifikation" des Lesers (151 (geht. S. dazu 5.25.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

133

Repräsentative und Expressive: (138) Am 26. II. muß es sich entscheiden. B (139) Und entscheiden müssen Sie sich doch mal D (140) Es ist schließlich sehr sorgfältig überlegt. D (141) Es ist wirklich unerheblich, ob Sie auf dem ersten oder dritten Platz landen. C (142) Daß nicht alles, was Sie versuchen, glücken muß, war Ihnen doch von Anfang an klar. B Direktive und Expressive: Hierher gehören Erlaubnis- und Fragehandlungen, die im Textmuster als Aufforderungshandlungen paraphrasiert 134 werden können: (m) VORAUSSAG - ERLAUB -»• ÄUSSER (Sie dürfen (ruhig)) (143) Sie dürfen ruhig etwas mehr von sich hermachen D (144) Eine schöne Aufgabe wartet auf Sie. Sie dürfen bedenkenlos annehmen. . . D (n) VORAUSSAG FRAG Ä USSER (Fragesatzform) (145) Ob Sie aber den Partner nicht überschätzen? C (146) Ist es sicher, daß Sie auf den Richtigen gesetzt haben? B Andere Direktive werden mit wenigstens modifiziert: (147) Warten Sie aber wenigstens erst einen Bescheid ab, damit Sie wissen, woran Sie sind. C (148) Wenn Sie schon Vorbehalte haben, sollte es Ihnen wenigstens nicht jeder ansehen. B Deswegen/deshalb aber (noch) nicht sind familiäre Ausdrucke für expressiv verstärkte Warnungen, die an Situations-Voraussagen angeschlossen werden: (149) Jetzt trifft ein, was Sie schon kaum noch erwartet haben. Werden Sie deshalb aber nicht leichtsinnig. D (150) Ihre Erwerbungen können sich sehen lassen. Deswegen brauchen Sie sie aber noch nicht jedem vorzuführen. E Auch diese Formulierungen sind Angebote zur Übernahme an den Leser. Besonders deutlich wird dies an den Formulierungen (138) und (140), die als diese Formulierungen übernommen werden könnten. Auch das folgende Beispiel zeigt dies: (151) Eigentlich wollten Sie sich eine Weile privaten Dingen widmen. B (v) Es gibt in dieser Horoskop-Variante sehr vielfältige und vermittelte Arten des Voraussagens. Durch die Vermitteltheit werden die Obligationen vermindert. Gleichzeitig werden aber sehr eindringliche Handlungsarten verwendet: Direktive, Expressive mit den Angeboten zur 134

Vgl. auch 6.36, iv.

134

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Übernahme, und die Mischformen Repräsentativ-Expressiv und DirektivExpressiv. 6.44 Persuasive Handlungen Hier geht es wie in 6.33 um Muster für Handlungsabfolgen. Da diese Muster typische Muster der Persuasion sind, trägt dieses Kapitel die Überschrift „Persuasive Handlungen". 135 Bei Pisarkowa heißt es: „Angenommen ein persuasiver Sprechakt 136 vermittelt einen Vorschlag, eine Idee — diese Inhalte können als a. Bitte, b. Frage, c. Befehl, d. Rat, e. Wunsch usw. geäußert werden. 137 . . . Ihre Subjektivität verlangt eine Anpassungsfähigkeit vom Hörer. Zur Anpassungsfähigkeit sind zwar beide Partner gezwungen, verpflichtet — doch erst wenn sie von Seiten des Hörers nicht nötig ist, ist es kein persuasiver Sprechakt." Pisarkowa gibt als „Rezept" für persuasive Sprechakte folgende drei Kriterien: Erstens das Kennzeichen einer Modalität. „Z. B. es ist notwendig, es ist verboten, du darfst nicht, du sollst nicht, es ist möglich, es wäre gut, schlecht, usw." Dem entsprechen aus der Darstellung von 6.43 die Behauptungshandlungen mit Modalisierung, viele Direktive, die Expressive und die Mischformen mit Expressivität. Der Konditionalsatz dient als zweites Kennzeichen. „Er ist ein typisch persuasiver Indikator, weil er durch die Implikation (wenn. . . ) und auf sie folgende Folgerung die Möglichkeit oder Notwendigkeit argumentierend begründet." In diesem Zusammenhang wendet sich Pisarkowa dagegen, weil und denn als Indikatoren anzusehen: „Die Folgen scheinen (das Wissen über die Folgen) wichtiger als die Ursachen im persuasiven Sprechakt zu sein. Der Kausalsatz wird zwar in den persuasiven Sprechakt einkorporiert, doch hat er einen zu breiten Bereich, um für persuasive Sprechakte kennzeichnend zu sein." Er ist also ein Kennzeichen für Persuasion, aber kein ausschließliches. 138 Als syntaktische Formen des Konditionalsatzes führt Pisarkowa eine Reihe von „Arten der Verdekkung" auf. Dazu die folgenden Beispiele aus den Horoskopen: (148) und (152) Äußern Sie Ihre Wünsche offen und deutlich. Nur dann können sich Ihre Partner auch darauf einstellen.139 A 135 136

137

138

139

Zu persuasiv und argumentativ s. auch 7.31. Pisarkowa: „Ein Sprechakt ist ein persuasiver, wenn er Mittel zur Überzeugung des Hörers enthält." Ich zitiere relativ ausführlich aus diesem unveröffentlichten Papier. Der Zusammenhang von „Anregungen und Tendenzen" und den in 6 . 4 3 beschriebenen Handlungsarten hiermit liegt auf der Hand. Vgl. auch die Beispiele für Bedingungs- und Begründungszusammenhänge in 6.34. Vgl. auch (107). Zum Imperativ in Konditionalgefügen auch Saltveit.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

135

(153) Sie brauchen das Gefühl nicht auszuschalten, sollten aber dem Verstand das letzte Wort lassen. Nur dann gewinnen Sie am 7. XI. eine schwierige Partie. A (154) Den Boden, den Sie verloren haben,140 können Sie mit etwas Ausdauer zurückgewinnen.141 Bekannte lassen sich freiwillig für Ihre Zwecke einspannen142 A (155) Ihre Erwerbungen11*3 können sich sehen lassen.144 Deswegen brauchen Sie sie aber noch nicht jedem vorzuführen.145 Neider gibt es nämlich überall.146 E Auch Beispiel (149) kann als Konditionalsatz paraphrasiert werden. Das dritte Charakteristikum persuasiver Handlungen nach Pisarkowa sind „adversative Sätze"; sie werden allerdings nur fakultativ verwendet. „Ihre Funktion ist: Reduzieren der antizipierten Einwände des Hörers, das - wörtlich - .Auslegen', .Auseinandersetzen' des Kerns der Sache . . . , adversativ .abgezogene' Urteile (Reduktion); diese Technik scheint besonders erfolgreich zu sein." Das liegt wohl daran, daß dadurch eine Gleichzeitighandlung entsteht: das uneingeschränkte Behaupten usw. eines Sachverhalts und das nachträgliche Relativieren. Beispiele dafür sind die zweite Äußerung von (155), (108), (120) und (156) Sie werden immer routinierter. Allerdings dürfte es schwierig sein, für weitere Geldforderungen Verständnis zu finden. A Besonders gut zeigt den Zusammenhang der „adversativen Sätze" und der Modalität im wenn-dann-Muster das Beispiel (153). Mehrere Sprechhandlungen bilden also zusammen persuasive Handlungen. 147 Persuasion ist ein für diese Variante charakteristisches Muster zum Formulieren der einzelnen Texte. Es gibt aber auch Verkettungen. 148 Abschließend führe ich noch die Bedingungen für persuasive Handlungen nach Pisarkowa auf: „Von Seiten des Sprechers muß die Bedin140 141 142

145

Vgl. 6.43, i: Die relevanzabgestutte Prädikation, die mit dem Relativsatz ausgedrückt wird. Wenn: Sie hoben Boden verloren, dann . . . Denn . . . Begründung durch Ausdrücken der Handlungsvoraussetzung. Präsupposition, vgl. Muster (c) in 6.43. Voraussage ausgedrückt durch die Behauptung einer Situation, Muster (b). Rat bzw. Warnung aufgrund der vorhergesagten Situation. Im Fall der Nichtbefolgung des Rats oder der Warnung: Voraussage der Folgen, indem eine Begründung, mit nämlich, als scheinbar generelle Behauptung ausgedrückt wird. Vgl. 5.24. Die Äußerungseigenschaften dieser persuasiven Handlungszusammenhänge sind in 6.41 und 6.42 dargestellt: Äußerungsarten für Referenzakte, Prädikationsakte und Propositionen. S. die Beschreibung in 6.34.

136

Beschieibungskategorien und Stilbeschreibungen

gung des Voraussehens der Reaktion des Hörers berücksichtigt werden. Z. B. durch Ausschließen nichtzutreffender Sachverhalte kann (oder muß?) der Sprecher a. Einwände des Hörers antizipieren 149 oder bloßlegen, b. positive (optimistische) Erwartungen des Hörers als Versprechen (in Konditionalsätzen: wenn. .. dann.. . ) berücksichtigen, c. negative (pessimistische) Erwartungen als Warnungen (Drohungen) im Hauptglied des Konditionalsatzes. . . berücksichtigen, 150 d. zutreffende Sachverhalte als unterstützende Begründungen der eigenen Stellung in Kausalsätzen (weil.. . ) aufzählen, 151 e. der Sprecher kann schließlich die „schwachen Seiten" des Hörers (falls er sie hat und der Sprecher sie kennt oder voraussetzt...) berücksichtigen . . . " 1 5 2 Es wird deutlich, wie sehr viele und sehr verschiedenartige Eigenschaften der Formulierungsarten der Persuasion dienen. 6.45 Zusammenfassung Aus der Beschreibung ergibt sich: In Horoskopen des „Stern" werden dem Leser Voraussagen gemacht, indem persuasiv gehandelt wird. Die Zusammenhänge der einzelnen sprachlichen Handlungen werden außer im Fall von Verkettungen durch persuasive Muster hergestellt. Die Voraussagen werden meist nur sehr vermittelt ausgedrückt; der Leser hat dadurch prinzipiell die Möglichkeit, Verpflichtungen nach seiner Wahl zu übernehmen. Die Indirektheit des Voraussagens wird aber genutzt für ein Voraussagen mit vielfältigen Mitteln der Persuasion. Diese reichen von Redewendungen familiären Sprechens über den Gebrauch von direktiven und expressiven Sprechhandlungen und bis zur persuasiven Textgestaltung. So besteht eine Gleichzeitigkeit von Persuasion und Unverbindlichkeit inbezug auf die Obligationen des Voraussagens.

6.5

Überblick und Erweiterung der Beschreibungskategorien

Die Beispielbeschreibungen bestätigen die These von 1.3: Über Stil, genauer über Aspekte des Stils werden Aspekte der Text-Handlung zu verstehen gegeben. Inhalt oder Handlung und Stil sind nicht zu trennen. 149

150

l sl 152

Dies wird in dieser Variante sicher durch die vermittelten und persuasiven Handlungen intendiert. Zu b. und c. vgl. 6.43. Dazu gehören auch die generellen Behauptungen in 6.42, ii. Zu Punkt e. gehören sicher die Angebote zur Übernahme in 6.43 und auch die familiären und inhaltlich allgemeingültigen Bestandteile der Horoskope (6.42, i und ii).

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

137

6.51 Überblick über Stilunterschiede der Varianten Die beiden Varianten dienen dazu, .dasselbe' auf verschiedene Weise zu tun: in den verschiedenen Kontexten von Textmustern der Zeitung oder Zeitschrift und verschiedenen Adressatengruppen gegenüber. Aufgrund der Konventionalität könnte man anstelle zweier Varianten auch zwei verschiedene Textmuster annehmen. Die Fragestellung war aber hier, inwiefern ,dieselbe' Handlungsart, nämlich das Horoskop, unter verschiedenen Kommunikationsbedingungen im Stil, dem Formulierungsmuster verschieden ist. Für andere Fragestellungen kann die Annahme zweier Textmuster zweckmäßig sein. Für einen Zusammenhang beider Horoskoparten als Varianten spricht das folgende: In den beiden Horoskoparten sind die Voraussagen persuasiv ausgedrückt; in beiden werden dadurch gleichzeitig Obligationen offen gelassen und Obligationen etabliert bzw. bestehende Obligationen genutzt. Nur geschieht dies in beiden auf verschiedene Art. In beiden Varianten reichen die Mittel der Persuasion von Mustern für Handlungsabfolgen über Handlungsarten bis zu Arten von Propositionen, Arten des Referierens und Arten des Prädizierens. Die Ausdrucksmöglichkeiten sind aber nur zum geringen Teil gleich, wobei aber der sprachökonomischen Zusatzhandlung der Bildzeitungsvariante nur eine geringe Unterscheidungsfunktion zukommt. Zum entscheidenderen Teil sind die Formulierungsarten beider Varianten verschieden. In der ,,Stern"-Variante werden drei Sprechakttypen nach Searle und außerdem Mischformen gebraucht gegenüber nur zwei in der Bildzeitungsvariante. Muster für Handlungsabfolgen sind im „Stern" im wesentlichen die persuasiven Sprechakte. In der Bildzeitung finden wir (außer Verkettung) die persuasiven Muster für intensivierendes Wiederholen und Varüeren. Syntaktisch-semantisch sind die Äußerungen, z. T. auch Äußerungsteile, der Bildzeitungsvariante unverbunden; für die Zwecke der sprachökonomischen Zusatzhandlung werden Parataxe und Kurzsatzmuster gebraucht. In der Variante des „Stern" sind vielfältige hypotaktische Satzverknüpfungen anzutreffen zusammen mit pronominalen, adverbialen und Konjunktions-Satzverknüpfungen. Die Referenz auf Bereiche möglicher bestimmter Referenzgegenstände wird in beiden Varianten verschieden ausgedrückt, wie die Darstellungen in 6.31 und 6.41 zeigen. Zu den Ausdrucksmöglichkeiten für Prädikationen gehören unterschiedliche konventionelle Bewertungsarten: In Bildzeitungshoroskopen bewertende Ausdrücke für Handlungsarten und Handlungsdispositionen des Lesers, die in Aufforderungshandlungen gebraucht werden; in der Variante des „Stern" Sprichwörter und Phraseologismen, auf deren bewertende Funktion Koller hingewiesen hat. Schließlich ist auch die Präsentation in der in 6.1 beschriebenen Art verschieden.

138

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Die Variante der Bildzeitung weist eine geringe Variabilität der Handlungsarten, Muster für Handlungsabfolgen, syntaktischen Regeln und Lexeme, ja sogar der Formulierungsarten auf. Dies zeigt sich z. B. an stereotyp gebrauchten Äußerungstypen und Formulierungen. Demgegenüber sind die Formulierungsarten des „Stern" vielartig und variabel. Stereotype Formulierungen und Formulierungsteile dienen hier der Vermittlung sprachlich verfestigter Werte. Aus den Beschreibungen wird deutlich, daß die Beschränkung auf Äußerungseigenschaften nur einen geringen Teilaspekt von Stil erfassen kann. Dies auch dann, wenn textkonstituierende Äußerungseigenschaften mit berücksichtigt werden. Vielmehr ist es wichtig, daß Handlungsund Äußerungsarten in ihrem Zusammenhang beschrieben werden. 1 5 3 6.52 Erweiterung der Beschreibungskategorien Für die Beschreibung der Stilmuster der Varianten ist es nötig, die in 5.2 dargestellten Beschreibungskategorien zu erweitern: (1) Besondere Arten von Referenz- und Prädikationsausdrücken werden in 6.31 und 6.32 und in 6.41 und 6.42 beschrieben. (2) Für die Beschreibung von Formulierungsarten im Zusammenhang der Textillokution wird in 6.2 die Beschreibungsart „Erzeugung" eingeführt; in 6.33 und 6.43 wird sie für die Beschreibung von Sprechaktarten benutzt. Die Beschreibung der Sprechaktarten wird ergänzt durch (3) eine Sprechakttypologie nach Searle 1973 in 6.43 und (4) durch die Beschreibung von Illokutions- und Propositionszusammenhängen im Anschluß an die Darstellung des Handlungsbegriffs von 5.11. (5) Es werden Muster für Abfolgen von Sprechakten beschrieben. Nach Wunderlich 1974 wird unterschieden zwischen Verkettung und Sequenz. Bei den Sequenzen werden verschiedenartige Abfolgemuster beschrieben. (6) Für die Bildzeitungs-Variante müssen die Satzmuster gegenüber den Beschreibungen in 5.2 erweitert werden. Für eine umfassende Beschreibung der „Stern"-Variante wären die syntaktischen Regeln genauer zu beschreiben unter dem Gesichtspunkt möglicher Restriktionen im Regelgebrauch. (7) In 6.36 wird eine pragmatische Beschreibungsmöglichkeit für Ellipsen angedeutet und auf pragmatische Unterscheidungsmöglichkeiten von Paraphrase-Typen eingegangen.

153

Vgl. 1.24 und 5.2.

Aspekte der Stilbeschreibung am Beispiel zweier Varianten

139

(8) In 6.35 und 6.34, ii wird darauf eingegangen, daß Eigenschaften der Basishandlung 154 stilistisch bedeutsam sind. (9) Außer speziellen Verpflichtungen für Handlungsfolgen, die mit bestimmten Handlungsarten etabliert werden, wurde eingegangen auf verschiedenartige Ausdrucksmöglichkeiten für allgemeinere Verpflichtungen: im Textmuster bestehende syntaktischlexikalische Muster 1 5 5 bzw. in der Sprachgemeinschaft syntaktisch-lexikalisch festgelegte Formulierungsteile oder Formulierungen. 1 5 6 (10) In 6.35 wird eine Zusatzhandlung inbezug auf die Textillokution beschrieben. In 6.37 und 6.44 wird Gleichzeitigkeit von Persuasiort und Offenlassen der Verpflichtungen festgestellt, die durch das Voraussagen etabliert werden. Auf Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen zur Textillokution gehe ich in 7.1 noch genauer ein, auf die Beschreibung entsprechender Handlungsmuster in 8.1. Die Beschreibung dieses relativ einfachen Textmusters in zwei Varianten zeigt also die Notwendigkeit von Beschreibungskategorien für komplexe Handlungsarten, für einfache Handlungsarten im Textzusammenhang, für Teile sprachlicher Handlungen und für Aspekte der Äußerungen bis zu Eigenschaften der Basishandlungen. 6.53 Weitere Ergebnisse Man kann Kritik üben am Handlungsmuster Horoskop als solchem. Das ist hier nicht meine Absicht. Aber aus einer stilistischen Beschreibung der Art, wie sie vorgenommen wurde, geht hervor, daß gleichzeitig Freiheit gelassen und persuasiv beeinflußt wird: in beiden Blättern auf verschiedene Art, auf unterschiedliche Konsumentengruppen gerichtet. 157 Dadurch ergibt die Stilbeschreibung auch Kriterien für eine Kritik: es ist eine Kritik daran, w i e konventionell diese Handlungen vollzogen werden. Durch das Wie wird das Was, das mit der nach 6.11 beschriebenen Textillokution allein gegeben wäre, für die Adressaten eingängiger gemacht. Die Textillokution Horoskop wird durch Gleichzeitig- und/ oder Zusatzhandlungen modifiziert. Durch den Vergleich wird ersichtlich, daß Horoskope nicht so sein müssen, daß die Konventionen anders sein könnten. 1 5 8 155 157

158

V Kl.

J .£. 1 ,

I.

Variante der Bildzeitung, 6.32, iv. Variante des „Stern", 6.42, i und ii. Man kann die Ergebnisse dieser Beschreibungen zur Ausgangshypothese einer empirisch-soziologischen Untersuchung machen, um zu prüfen, ob die Unterschiede der linguistischen Beschreibung bestätigt werden. Vgl. 7.12.

140

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

„Die Unterscheidung verstehen - akzeptieren, wie sie Maas-Wunderlich diskutieren, müßte ergänzt werden durch eine Unterscheidung verstehen - durchschauen. Sprechhandlungen gelingen weithin nur dann, wenn sie nicht durchschaut werden." 159 Die Ursache dafür liegt wohl nicht in dem Charakter einzelner Sprechakte, sondern in den mehr oder weniger verdeckten größeren Handlungszusammenhängen. Diese sind oft nicht leicht in ihrem Umfang zu erkennen. Denn sie werden in Texten mit Hilfe einzelner Sprechakte, die zum Teil sehr komplex sind, nach und nach vollzogen. 160 Hindelang 1975 plädiert dafür, „zwischen allgemeinen und speziellen, d. h. gesprächstypspezifischen Konversationsmaximen zu unterscheiden" (261). Er stellt folgende Maxime auf als „ganz allgemeine Regel, die der verbalen Interaktion zugrunde liegt" (258), nämlich: „Sag nichts, was dir möglicherweise schaden könnte." (258) Dem korrespondiert — zumindest für Horoskope — eine Maxime, die so formuliert werden kann: „Sag nichts, was dem Adressaten sehr unangenehm ist." Oder wenigstens: „Sag dem Adressaten nicht viel Unangenehmens." Indirektheit des Voraussagens und Persuasion in den Varianten mögen dadurch begründet sein. 161 Wenn der Schreiber zu offen und direkt wäre, würde er den Käufer möglicherweise verärgern, sich selbst dadurch schaden. Ein Nebenergebnis dieser Beschreibungen ist folgendes: Da es Textvarianten inbezug auf unterschiedliche soziale Gruppen sind, zeigt sich daran die überstarke Verkürzung der soziolinguistischen Kode-Theorie: 162 der Annahme unterschiedlicher Sprachkodes sozialer Gruppen. Wichtiger sind sicher die unterschiedlichen komplexeren Handlungsmuster: die gruppenspezifischen Varianten und die gruppenspezifischen Wertsysteme, die als „side bets" sich auf Handlungsabfolgen auswirken. Unterschiedliche Sprachregeln sind in diesen Zusammenhängen zu sehen. 163 Man vergleiche dazu Wittgensteins Betonung des Zusammenhangs von Sprache und Lebensform.

159 160

161 162 163

Schlieben-Lange 1974, 329. Dazu 7.1. Abfolgen von sprachlichen Handlungen können von verschiedenen Kommunikationspartnern auch in unterschiedlicher Weise zu größeren Einheiten zusammengefaßt werden. Watzlawick/Beavin/Jackson haben darauf unter dem Begriff „Interpunktion" hingewiesen. Vgl. aber auch das ganz allgemeine Prinzip der kognitiven Dissonanz. Zur Kritik an der Auffassung von Sprache als Kode s. Kurz. Vgl. dazu Fleischer/Michel, 14: „In der Bewältigung von Stilfragen drücken sich . . . nicht nur der Grad der Sprachbildung und Sprachbeherrschung, sondern vor allem auch sozial determinierende Einstellungen, Normen und Wertungen aus."

7

B e s c h r e i b u n g k o n v e n t i o n e l l e r u n d individueller Stile

In 6. war das Interesse auf die beispielhafte Beschreibung konventionell stark festgelegter Stilmuster gerichtet. In diesem Kapitel werden weitere Eigenschaften konventioneller Stile beschrieben, darüberhinaus auch individuelle Stile. Die Zielsetzungen dieses Kapitels sind: 1) eine Beschreibung weiterer Stilmuster unter eingeschränkterer Fragestellung als in 6.3 und 6.4, 2) die ausführliche Beschreibung zweier individueller Texte und 3) die exemplarische Beschreibung eines politischen Kommentars, da diese Texte konventionell einen individuellen Stil aufweisen. Den Ausgangsp u n k t bilden Fragen wie: Was tragen Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen zu Textmustern, Varianten und Teiltextmustern bei? Was tragen Formulierungen zum Verstehen einer individuellen Text-Handlung bei?

7.1

Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen in Textmustern

Im folgenden beschreibe ich einige charakteristische Stileigenschaften von Textmustern. Sie entstehen durch das Fortführen (5.27) stilistischer Handlungsarten (5.28) in den Texten nach Textmustern. Auch die Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen, die in 6.3 und 6.4 beschrieben wurden, beruhen auf dem Fortführen entsprechender Formulierungseigenschaften. 7.11

Beispiele

(i) Telegramm: Die Illokution des Textmusters Telegramm kann so beschrieben werden: j e m a n d e m etwas übermitteln, was der Übermittelnde dem Adressaten gegenüber für eilig und wichtig hält'. Das Textmuster besteht aus mehreren Teiltextmustern: Adresse (Adressat), das zu Übermittelnde, eventuell ein Gruß, Name des Übermittelnden (Schreiber). Für die zu übermittelnde Handlung gibt es durch verschiedene Handlungsarten Spielräume: Mitteilung, Glückwunsch, Aufforderung, Bitte, Anfrage, Kondolenz usw. Ein Telegramm kann auch mehrere solche Handlungen zusammen enthalten. Für die Äußerungen des Hauptteils gebraucht der Schreiber die charakteristischen Möglichkeiten der Erspa-

142

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

rung von Wortmaterial: den Telegrammstil. 1 Sie ist bedingt durch die Kostspieligkeit des technischen Verfahrens der schnellen Übermittlung. Mit diesen Stileigenschaften werden zwar die Handlungen nach den Mustern Mitteilen, Auffordern usw. vollzogen. Aber Handlungen nach diesen Mustern werden auch mit anderen Äußerungseigenschaften vollzogen; bei den einzelnen Handlungen wirkt sich das Besondere des Telegrammstils somit als Zusatzhandlung aus. Die Charakteristika des Telegrammstils sind von diesen Handlungen unabhängig. Er betrifft auch nur Äußerungseigenschaften, nicht Handlungseigenschaften. Aber er hat sehr wohl eine konstitutive Funktion für das sparsame eilige Übermitteln der als wichtig gekennzeichneten Handlungen: Er ist infolge der Konvention konstitutiv für die Textillokution. 2 Denn diese besteht nicht nur in einer Mitteüung, einem Glückwunsch usw. Es ist vielmehr eine ,als eilig und wichtig gekennzeichnete Mitteilung', ein ,als eilig und wichtig gekennzeichneter Glückwunsch' usw. Denn die spezifischen Regeln des Telegrammstils werden bei anderen Textmustern nicht gebraucht. 'Eilig und wichtig' und die so vollzogenen Sprechakte sind deshalb Gleichzeitighandlungen; die Beschreibung der Textillokution enthält beides. Was bei den einzelnen Sprechhandlungen des Hauptteils als Zusatzhandlung zu beschreiben ist, ist bezogen auf das Ganze des Textmusters eine Gleichzeitighandlung. Ein anderes ähnliches Beispiel sind Schlagzeilen, die Muster für Teilhandlungen von Nachrichten, Kommentaren usw. in Zeitungen sind. Sie werden in der Regel sprachökonomisch verkürzt, und zwar Nachrichtenüberschriften in der Regel anders als Kommentarüberschriften, und beide anders als Telegramme. 3 Der Stil ist in all diesen Fällen per Konvention konstitutiv für die Handlungen; er ist konventioneller Bestandteil des Teiltextmusters. Durch die Stileigenschaften wird ein Teilaspekt der Handlungsart unterstrichen: ihre kommunikative Funktion, unabhängig von den Illokutionsakten der einzelnen Handlungen. (ii) Wetterbericht: Es gibt spezifische Formulierungsmuster, die durch die Konventionalität unauffällig sind. So ist der Vorhersageteil von Wetterberichten in Zeitungen, Rundfunknachrichten und im ARD-Fernsehprogramm konventionell ausgedrückt, indem sprachökonomische Formen geäußert werden. 4 Dagegen werden die Vorhersagen konventionell 1 2

3

S. die syntaktische Beschreibung bei Brandstetter. Telegramme an Politiker und entsprechende Personen werden nicht in diesem Stil übermittelt. ,Eilig und wichtig' wird dann nur durch die Übermittlungsart zu verstehen gegeben. Dies ist eine auf einen Handlungsbereich beschränkte Variante des Handlungsmusters Telegramm. Sandig 1971. Vgl. die detaillierte Beschreibung bei Sandig 1970.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

143

nicht sprachökonomisch geäußert beim Vorhersageteil der ZDF-Nachrichten.5 Es sind deshalb Varianten: Denn ob sprachökonomisch geäußert oder nicht, ob mit Gebrauch von Futur oder Präsens — das ändert an der Illokution der Wettervorhersage nichts. Bei diesen Varianten sind, im Unterschied zu den Beschreibungen in 6., die „Situation" und die Adressaten nicht in der Weise verschieden wie bei den Horoskop-Varianten. Bei der sprachökonomischen Variante 6 werden die propositionalen Akte vollzogen, indem Sätze nach besonderen syntaktischen Regeln geäußert werden. 7 Die illokutionäre Kraft der einzelnen sprachlichen Handlungen wird explizit durch textgliedernde Zwischenüberschriften gegeben, oder nichtexplizit durch die konventionelle Textgliederung. 8 Die Illokution liegt dadurch für alle Handlungen fest, die innerhalb eines Teiltextes vollzogen werden. 9 Das Interesse der Adressaten ist im Rahmen der Illokution des Textteils auf die propositionalen Gehalte gerichtet, nicht auf die Illokution, auch nicht auf die Äußerungsweisen. Die Adressaten bemerken deshalb die verschiedenen Äußerungsweisen nach den Mustern der Varianten nicht: durch den sprachökonomischen Anteil am Äußerungsmuster wird beim Adressaten keine besondere Wirkung erzielt. 10 Deshalb ist m. E. das Sprachökonomische des Äußerungsmusters hier der Teilhandlung angemessen; es wird keine zusätzliche Wirkung dadurch erzielt. 11 Demgegenüber wird in der ZDF-Variante durch den fortgeführten Gebrauch des Futurs die illokutionäre Kraft der einzelnen Sprechhandlungen immer wieder ausgedrückt, obwohl nach dem Teiltextmuster die illokutionäre Kraft des Teiltexts festliegt. Mit dem Gebrauch des Futurs wird deshalb jeweils eine die Illokution verstärkende Zusatzhandlung vollzogen: die Illokution wird durch den Teiltext und die einzelnen Sprechhandlungen ausgedrückt. Da das Interesse der Adressaten innerhalb des Teiltextes auf die propositionalen Gehalte gerichtet ist, nicht auf eine Äußerungsweise mit normgerechten Sätzen, ist die Zusatzhandlung hier redundant. 5

7 8 9

Dazu Scherner. Auch diese Variante weist textmusterspezifische Regeln für Sprachökonomie auf. Zur Syntax s. Sandig 1970, 181 f. Vgl. 5.24, vii. Vgl. dazu auch 6.2, 6.33 und 6.43. Ein Grund dafür, daß das Äußerungsmuster in dieser Art konventionell wurde, dürfte in der Zeit- und Raumersparnis liegen, die dadurch erzielt wird. Vgl. auch 6.35. Dadurch unterscheidet sich dieses Teilhandlungsmuster von den Horoskopen der Bildzeitung, wo der sprachökonomische Anteil sich teilweise auf die Handlungen auswirkt.

144

Beschieibungskategorien und Stilbeschreibungen

Ein anderes Beispiel für das spezifische Formulierungsmuster eines Textmusters, das infolge der Konvention unauffällig ist, keine Wirkung hat: Nachrichten in Tageszeitungen. Dem daran gewöhnten Leser fällt ihre Komplexität nicht auf, ebensowenig die speziellen Formulierungsarten, die gebraucht werden. 1 2 Dasselbe gilt bei dem Nachrichtenstil in der Boulevardpresse für den damit vertrauten Leser. 13 In diesen Fällen sind die automatisierten Äußerungsarten bzw. Formulierungsarten nur für den damit nicht vertrauten Rezipienten auffällig, für ihn von besonderer Wirkung. (iii) Berichte des „Spiegel": Ein anderes konventionelles Verhältnis von Textillokution und Formulierungsmuster liegt vor, wenn die besonderen Eigenschaften des Formulierungsmusters folgenden Handlungsarten dienen: durch Wortgewandtheit ausschmücken und/oder die Belesenheit und Gebildetheit des Autors zeigen und/oder den Witz des Autors beweisen und/oder die Weltgewandtheit und den Uberblick über viele Wissensbereiche zeigen usw. Die fortgeführten Zusatzhandlungen dienen also der Selbstdarstellung des Autors bzw. der Institution (bei Anonymität des Autors). Der diese Zusatzhandlungen verstehende Leser hat als Wirkung (Folge) der Handlung (5.11) den Genuß, die zusätzlichen Handlungen aus den Äußerungs- und Formulierungsarten (5.13) zu erschließen. Diese Funktion der Handlung hat sich gegenüber der früheren Funktion für die Gebildeten 1 4 verändert: Häufig ist sie zu spezifischen Handlungsmustern im Rahmen von Textmustern oder Varianten geworden. Auf ein Beispiel gehe ich näher ein: In den Berichten des „Spiegel" sind die genannten Aspekte kombiniert. Dadurch wird die Wirkung erzielt, die Carstensen 1971 als Cabaret bezeichnet. In Sandig 1977 habe ich ein Textbeispiel näher beschrieben. Ich fasse das Ergebnis nach den hier entwickelten Beschreibungskategorien zusammen: Die Schreiber drücken in den einzelnen Äußerungen solche Gleichzeitig- oder Zusatzhandlungen aus, die konventionell untereinander unverträglich sind. Z. B. werden spezielle Regeln spontanen Sprechens und spezielle Regeln der Hochsprache gleichzeitig verwendet; der Kontrast ergibt eine Stilwirkung. Weiter werden Stilregeln in diesem Textmuster regelhaft auf nichtkonventionelle Weise gebraucht: Sie werden auf solche Regeln an12

13

Straßner u. a. haben dies unter dem syntaktischen Aspekt beschrieben. Sie haben auch untersucht, wie sich die syntaktische Komplexität auf das Verstehen auswirkt. Zur Beschreibung des Unterschieds beider Nachrichtenstile s. Sandig 1 9 7 2 b . Mit den hier dargestellten Kategorien könnte die Beschreibung präzisiert, die Unterschiede deutlicher herausgestellt werden. Die Tatsache und die Art der Verwendung zog z. B. auch Schlüsse auf den Charakter des Benutzers nach sich. Dies findet sich - der rhetorischen Tradition folgend - bis zu Sowinski, 80. Vgl. dazu Ueding.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

145

gewendet (5.28), die konventionell mit dem Gebrauch der Stilregel kontrastieren. Beispiele sind substantivische Wortbildungen mit „Fremdwörtern" wie Airport-Direktor zum Variieren (5.27) von FlughafenDirektoroder es gibt metaphorische Verwendungen wie Kalkül in Kassen-Kalkül, wobei die Metapher noch gleichzeitig als Teil einer Wortbildung und mit Alliteration verwendet ist und außerdem lautliche und semantische Ähnlichkeiten zu Kalkulation aufweist. Durch die Verwendung vieler verschiedener Arten von untereinander kontrastierenden Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen werden negative Bewertungen erreicht. 1 5 Die Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen der einzelnen Sprechaktvollzüge werden im Text fortgeführt. Das Fortführen dieser Handlungsarten gehört zum Textmuster Berichten im „Spiegel". Deshalb ist die Textillokution: .(negativ) bewertendes Berichten'. Dies geht auch aus Mustern für Handlungsabfolgen hervor: 1 6 Regelhaft werden Bewertungshandlungen den Berichthandlungen vorangestellt. Was bei den einzelnen Sprechhandlungen als Gleichzeitig- oder Zusatzhandlung fungiert, wirkt sich im Ganzen des Textmusters als Gleichzeitighandlung aus. Andere Beispiele für ähnliche konventionelle Gleichzeitighandlungen sind politische Kommentare. 1 7 In Sportberichten werden ähnliche Handlungsmuster kombiniert. So gibt es textmusterspezifische Varianten dieses allgemeinen Musters für Gleichzeitighandlungen. (iv) Institutionsgebundene Textmuster: Bei religiösen Texten und in Gesetzen sind besondere Formulierungsweisen konventionell. Sie tragen aber nicht in derselben Art zur Textillokution bei wie bei (i) oder (iii). Sie sind auch nicht per Konvention unauffällig wie bei (ii) oder als unauffällig intendiert wie bei Horoskopen (6.5). Vielmehr sind die konventionellen Formulierungsweisen auffällig und unterstreichen so die institutionelle Gebrauchsbeschränkung, die institutionsspezifischen Handlungsarten. (v) Spontanes Gespräch: Ein anderer Beitrag eines Stilaspekts zum Gesamten der Text-Handlungen ist in spontanen Gesprächen zu finden. Ich gebe als ein Beispiel einen kurzen Textausschnitt: 1 8 (1) A: (a) Ja, denn denn paß mal auf. (b) Dann dann dann kommt es daher, daß ich den Menschen überhaupt nich so viel zutraue, nicht?, daß sie sich in - äh - als letzte Krücke an den lieben Gott erinnert,19 aber daß ihnen das einfach ne Hilfe is, nicht zu leichtfertig mit der Ehe umzugehen. (Pause) 15 16 17

19

Vgl. 5.25, iii. S. Sandig 1977. S. dazu genauer 7.3. Aus: Texte 1/1971, 234, Diskussion über die Ehe. Die Schreibung ist verändert. sie!

146

Beschieibungskategorien und Stilbeschreibungen

(c) Ach, ich weiß es nick (d) Äh - jetzt gehn wir mal zum guten Goethe zurück und zitieren den. (e) Und äh - wie heißt es so schön? (f) Äh - die. . . B: (g) Nun braucht, man braucht nicht - entschuldige - äh A: (h) Ja. B: den Goethe nicht zu zitieren, (i) man braucht sich nur sein Leben irgendwie anzusehen. . . Zusatzhandlungen zu den einzelnen Sprechhandlungen sind die Eröffnungs- und sonstigen Gliederungssignale. 20 Die Sprecher verwenden in direkter Interaktion diese Regeln zur Sicherung des Sprecher-HörerKontakts. 21 Dazu gehören Verwendungen von Lexemen wie ja, ach, und, nich?; konsonantische und vokalische „Stimmübungen" mit hm, mm, äh und ähnlichen Lauten; die wiederholte Äußerung desselben Lexems oder einer Kette von Lexemen, einer Flexionsform usw.; die wiederholte Verwendung einer syntaktischen Konstruktion wie in (b) mit daß.. . oder bei B, um das Wort zu behalten usw. Auch selbständige Handlungen wie denn paß mal auf oder is es nich so? dienen diesem Zweck. Damit geben die jeweiligen Sprecher zu verstehen, daß sie das Wort übernehmen wollen, es behalten oder abgeben wollen. B's entschuldige dient einer Korrektur der Abweichung von der Regel: B wollte zu unvermittelt beginnen, den A zu schnell unterbrechen. Gülich hat für Dialog und mündliche Erzählung unterschiedliche Reihen solcher Gliederungssignale beschrieben. 22 Diese kontaktregelnden Zusatzhandlungen können in sehr verschiedenen Arten von Sprechhandlungen verwendet werden. Sie sind deshalb unabhängig von diesen Handlungen. Das zeigt sich formal auch daran, daß sie aus den Sprechhandlungen ohne Verlust für die Illokution und die Satzbedeutung weggelassen werden könnten. Andererseits können sich die Sprecher auch auf die Verwendung solcher Kontakthandlungen beschränken. 23 Deshalb sind sie zwar in den einzelnen Sprechhandlungen Zusatzhandlungen, im Ganzen aber Gleichzeitighandlungen. Durch ihre mögliche Selbständigkeit ist diese Art von Gleichzeitighandlung von den bisher erwähnten verschieden. (vi) Rolle der Symptomfunktion: Eine Zusatzhandlung zur Textillokution ist folgendes: Ein Sprecher oder eine Sprechergruppe verwendet lokal beschränkte Regeln 24 oder andere gruppenspezifische sprach20 21 22

23 24

Gülich 1970. Vgl. Jakobson 355f. Die Regeln für derartige Handlungen sind damit längst nicht vollständig beschrieben. S. das Beispiel, das Jakobson 355 f. gibt. Dialektal festgelegte Regeln, Rossipal 238. Von seinem lexikalischen Ansatz her schreibt Rossipal (239), „daß die geographische Konnotation (d. i. in mei-

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

147

liehe Regeln 25 usw. Durch diese Verwendung erzielt der Sprecher eine Wirkung beim Adressaten, die er in der Regel nicht intendiert. Auf solche nichtintendierten Wirkungen von Äußerungen hat Cohen hingewiesen. 26 Die Wirkung auf den Hörer ist in diesem Fall so, als wäre sie intendiert. Von Polenz 1974 unterscheidet bei „Sprache als Mittel des nichtintentionalen Sprachverhaltens" (107) zwischen „individueller Einschätzung des Sprechers durch den Hörer" und „sozialer Einschätzung des Sprechers durch den Hörer und Zuhörer". 2 7 Er nennt dies die „symptomatisch-soziolektale Sprachfunktion". Diese Funktion ist nicht auf Äußerungseigenschaften beschränkt, sondern kann auch Illokutionen betreffen. Eine vergleichbare zusätzliche Wirkung auf den Leser, die auch als solche vom Schreiber nicht intendiert ist, ist die folgende: Ein Text aus einer zurückliegenden Epoche wird vom Leser als historischer, eventuell als zu einer bestimmten Epoche usw. gehörig verstanden. Dann werden zur Schreibzeit konventionelle Regel Verwendungen, auch Handlungen, vom Leser als unkonventionell verstanden, angesichts der für ihn geltenden Konventionen. 7.12 Zusammen fassung Aus den Beispielbeschreibungen ergibt sich: (a) Die Illokution eines Textmusters kann in einer Gleichzeitigkeit von unterscheidbaren Handlungsmustern bestehen; diese Gleichzeitigkeit wird durch das Stilmuster zu verstehen gegeben. 28 (b) Ein Textmuster kann gleichzeitig verschiedene voneinander unabhängige Handlungsmuster enthalten (7.11, v). Auch dies wird durch das Stilmuster zu verstehen gegeben. (c) Ein Textmuster kann Zusatzhandlungsmuster enthalten, 2 9 die durch das Stilmuster zu verstehen gegeben werden. Zusatzhandlungsmuster können unterstützende Funktion für die Teilaspekte von Textmustern haben (7.11, ii); sie können auch eine davon unabhängige Funktion haben. 3 0

25 26

27 28 29 30

ner Beschreibungsart: die Beschränkung des Gebrauchs einer Regel auf bestimmte geographische Gebiete, B. S.) zu einer stilistischen umgedeutet werden kann". Rossipal unterscheidet deshalb bei Lexemen „lexikalen" und „kommunikativen Konnotationswert". Z. B. einen Jargon, Rossipal 243. Cohen 496. Wenn z. B. von Bernhard von Clairvaux die Rede ist, kann ein Hörer, der Bernhard heißt und bisher nicht zuhörte, durch die Nennung des Namens aufmerksam werden. Auch von Polenz 1974, 1 0 9 f f . über Norm, Soziolekte usw. Vgl. 7.11, (i) und (iii); 6.3, 6.4. 7.1 1, ii; 6.35. 6.35; 7.11, vi.

148

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(d) Varianten von Textmustern haben unterschiedliche Stilmuster; sie sind in der Regel auf unterschiedliche Gebrauchsbereiche beschränkt. 3 1 Varianten sind verschieden durch Gleichzeitighandlungen und/oder Zusatzhandlungen, die über das Stilmuster ausgedrückt werden. (e) Bestimmte Stilwirkungen können auf bestimmte Adressatengruppen eingeschränkt sein. 32 Eine pragmatisch verstandene Stilistik hat deshalb soziolinguistische Implikationen. (f) Zusatzhandlungen in Texten nach Mustern werden vollzogen, indem in den einzelnen Äußerungen Zusatzhandlungen fortgeführt werden. Gleichzeitighandlungen werden in Texten nach Mustern durch fortgeführte einzelne Zusatz- und/oder Gleichzeitighandlungen 3 3 nach Mustern vollzogen. (g) Aus 6.35, 7.11, i und 7.11, ii geht hervor, daß .dasselbe' Handlungsmuster, nämlich sprachökonomisches Handeln, im Textoder Teiltextmuster verschiedene Funktionen haben kann. Auch gibt es zwar sprachökonomische Regeln, die allen diesen Handlungen nach Mustern gemeinsam sind, aber darüberhinaus gibt es für jedes Muster besondere sprachökonomische Regeln (vgl. 8.). (h) Es gibt auch Handlungen nach Mustern, die nicht in allen Handlungsaspekten nach 5.1 vollständig sind: Intentionen von Sprechern werden aufgrund der Konvention von den Adressaten nicht bemerkt. Dies gilt vor allem für persuasive Intentionen (6.5), aber auch für andere Fälle: 7.11, ii. Es werden auch Wirkungen hervorgerufen, durch Handlungsergebnisse erreicht, die vom Sprecher nicht intendiert sind; der Grund dafür sind differierende Konventionen bei Sprecher und Adressat (7.11, vi). Stilaspekte tragen also in unterschiedlicher Weise zu den Textmustern, Textillokutionen bei. Aber durch die Konventionalität entsteht leicht der Anschein, als könnten Stilmuster gar nicht anders sein. Die Unterscheidung nach den Beschreibungskategorien Textillokution, Gleichzeitig- und Zusatzhandlung des Textmusters, auch Formulierungs- und Äußerungsmuster ermöglicht es, den konventionellen Anteil in den Blick zu bekommen. Dies ist auch die Voraussetzung für eine Bewertung konventioneller Stile unter sozialen Gesichtspunkten. 3 4 Denn diese Konventionen sind genauso arbiträr und veränderbar wie andere. 3 5 Lewis (70) beschreibt dies so: „there is no such thing as the only 31 Vgl. 5.26; 7.11, i und 7.11, ii. II 7.11, ii; 7.11, vi. 33 Vgl. 6.33, 6.43. 34 Vgl. ansatzweise 6.53. 35 Vgl. 1.3; 5.12, 5.13; Ungeheuer 1969.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

149

possible convention. I f R is our actual convention, R must have the alternative R', and R ' must be such that it could have been our convention instead of R . . . . This is why it is redundant to speak o f an arbitrary convention. Any convention is arbitrary because there is an alternative regularity that could have been our convention instead." Stilmuster sind als komplexe Regeln veränderbar durch eine veränderte Praxis. 36 Die Konventionalität und Veränderbarkeit solcher Regeln wird den Benutzern nur selten deutlich; am ehesten durch historische Unterschiede. Bei Gülich/Raible 37 wird die Frage aufgeworfen, „ w o bei Manifestationen bestimmter Textsorten und bei den sie spezifizierenden Regeln des Sprachsystems die Grenze zwischen Konventionalität und Notwendigkeit liegt". Nach der hier vertretenen Auffassung sind sowohl die Textmuster 38 konventionell, wie auch die Stilmuster, 39 wie auch die einzelnen Regeln, die deren Bestandteile darstellen. V o n daher ist an der Unterscheidung in Konventionalität und Notwendigkeit in derselben Weise Kritik zu üben, wie es bei Brück/Kendziorra (117) inbezug auf Searle's Unterscheidung in regulative und konstitutive Regeln geschieht. 40 Man wird eine solche Unterscheidung nur vornehmen können unter der Fragestellung: Konstitutiv oder regulativ unter welchem Gesichtspunkt? 41 Ein Beispiel dafür ist die Diskussion in 7.11, i: Konstitutiv für die einzelnen Handlungen, die übermittelt werden? für das ,eilige und wichtige' Übermitteln? für Telegramme der konventionellen Art? usw.

7.2

Zur Beschreibung von Stilen individueller Text-Handlungen

Die Beschreibung von konventionellen Stilen wurde bisher möglichst umfassend in 6. vorgenommen; in 7.1 stand sie unter der Fragestellung des Beitrags fortgeführter Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen zur Textillokution. Dem wird nun — zum Vergleich — die Beschreibung zweier individueller Texte angeschlossen. 7.21 Eine individuelle Text-Handlung nach einem Handlungsmuster A u f einem Schmierzettel hat ein Schüler den folgenden T e x t verfaßt; er lehnt damit den Unterricht ab. Adressat ist nicht der Lehrer, sondern 36 37

38

40

Berger 265; Wittgenstein § 201 f. 1975, 159, Fußn. 19. In etwa Textsorten nach Gülich/Raible. Dort werden allerdings andere Beschreibungskriterien angenommen. Formulierungsmuster oder nur Äußerungsmuster. Searle 1969, 3 3 ff. Eine Diskussion dieser Frage verdanke ich Ch. Lauterbach.

150

Beschleibungskategorien und Stilbeschreibungen

Mitschüler. Ablehnen ist zwar ein Handlungsmuster, aber in vielen alltäglichen Situationen gibt es keine Regeln für entsprechende Äußerungen oder Texte. 42 (2) Mir kann sagen was er will und er kann auch machen was er machen will es ist ganz egal was wer oder was macht wieso soll ich befehlen was er sie oder es macht es ist mir eben ganz egal nur ich habe nicht gerne gerne gerne gerne wenn ich das was ich hier aufgeschrieben habe ales erklären soll ich kann das Nähmlich nicht wie soll ich das den auch machen das frage ich mich Gute Nacht Der Unterricht ist dem Schüler langweilig und zu schwer. Er drückt seine Ablehnung aus, indem er mehrfach seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Unterrichtsgegenstand ausdrückt (ganz egal), die Ablehnung von Aufgaben begründet (Nähmlich), sich fragend über Zumutungen beklagt: wie soll ich das den auch machen.. . und schließlich „abschaltet": Gute Nacht. Dies ist die Text-Handlung mit ihren Teilhandlungen. Außerdem werden Ablehnungshandlungen vollzogen, die durch Äußerungs- und Handlungseigenschaften, durch die Formulierungsweise also zu verstehen gegeben werden: (a) Es gibt Fehler inbezug auf die Norm: mir kann sagen mit fehlendem er;ales; den statt denn. Der Text ist nicht fehlervermeidend geschrieben. Aber ob beabsichtigt oder nicht, können wir nicht entscheiden. 43 Beabsichtigt ist aber die doppelt falsche Schreibung Nähmlich, denn die Absicht wird dem Leser zu verstehen gegeben durch das Unterstreichen. Mit der regelverletzenden Großschreibung wird auch zu verstehen gegeben, daß die sonstige Verletzung der Interpunktions- und Großschreibungsregeln Absicht ist. Was tut also der Schreiber? Er lehnt 42 43

Aus: Bulkowski Hg., 71. Vgl. Heringer 1974b, 82f., wo es heißt, „daß eine Handlung intentional ist in dem Sinn, daß eine Absicht mit ihr verbunden sein kann, wohlgemerkt nicht muß. Denn sonst wären Versehen, unabsichtliches Handeln usw. keine Handlungen." Vgl. auch 7.11, vi.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

151

durch das Wie der Schreibung (der Basishandlung) die vom Lehrer vermittelte Norm der korrekten Schreibung ab. (b) Die Äußerungen sind besonders am Anfang des Textes monoton. Denn die syntaktischen Konstruktionen werden in nur geringer Variierung wiederholt; dieselben Lexeme werden wiederholt verwendet. Darüberhinaus wird die Äußerung es ist. . . ganz egal wiederholt. Damit ist das Handeln nach der stilistischen Norm des syntaktisch-lexikalischen Variierens abgelehnt. Gegen die Norm des Variierens bei der Verwendung von Lexemen richtet sich der Schüler, indem er das machen vom Anfang wieder aufgreift in: wie soll ich das den auch machen. Weiterhin verwendet er gegen das Ende hin wiederholend das Pronomen das. Die Ablehnung der Variierens-Norm wird auch ausgedrückt durch die viermalige Verwendung von gerne, womit der Schreiber eine ganze Zeile ausfüllt. Damit wird gleichzeitig ein Typ von Flüchtigkeitsfehler übertrieben, nämlich der, bei dem dasselbe Lexem oder Syntagma zweimal geschrieben wird. (c) Gegen die extrakommunikative Verwendung 44 von Sätzen richtet sich der Schüler mit der kommunikativen Verwendung 45 eines Beispielsatzes. Der Satz wird nicht zitiert, sondern mit ihm wird die Proposition einer Frage ausgedrückt: wieso soll ich befehlen. . . In (b) sind solche Regelverwendungen beschrieben, mit denen der Schreiber den Text monoton macht. Der Schüler wendet sich gegen die Monotonie und Extrakommunikativität des Unterrichts, indem er mit (a) und (b) gegen erlernte Regeln verstößt und indem er die Handlungen des Unterrichts verfälscht: (c). Die Textillokution wird also unterstützt durch die Handlungen (a) bis (c); die Ablehnung wird gleichzeitig durch die verschiedenen Aspekte der Formulierungsweise vollzogen. Dieses sehr triviale Beispiel habe ich gewählt, um zu zeigen, daß auch zu dieser Text-Handlung der Stil einen wichtigen Beitrag leistet. Außerdem sollte gezeigt werden, daß die stilistischen Beschreibungskategorien auch auf so triviale Beispiele anwendbar sind wie Text-Handlungen von Schülern einer bestimmten Altersgruppe (s. 9.2). 7.22 Eine literarische Handlung Eine Handlung kann normalerweise erst als solche verstanden werden, wenn sie nach einem intersubjektiven Muster, einer Regel vollzogen wird (5.1). Individuelle Handlungen können deshalb in verschiedener Weise und auch mehr oder weniger gut verstanden werden. Das liegt an den unterschiedlichen Analogien, die die um Verstehen Bemühten her44 45

Ungeheuer 1972. Ungeheuer 1972.

152

Beschieibungskategorien und Stilbeschreibungen

stellen. 46 Denn auch der individuell Handelnde handelt bezogen auf Muster (5.13): auf Muster der Lebensgemeinschaften, an denen er teilhat, bei dichterischen Handlungen auch bezogen auf vorgefundene poetische Muster. Seine Text-Handlung steht damit in Relation zu mehreren Handlungsmustern, ohne daß er diese in allen relevanten Einzelheiten befolgen müßte. Er kann daraus ein „neues Schema" 47 herstellen. (3)

Das Wort Zeit48 Die Zeit ist ein Hauptwort. Das Hauptwort bildet keine Zeit. Da die Zeit ein Hauptwort ist, bildet die Zeit keine Zeit. Wie das Hauptwort keine Zeit bildet, bildet das Hauptwort keine Leideform. Die Zeit ist ein Hauptwort. Da die Zeit ein Hauptwort ist, bildet die Zeit keine Leideform. Die Leideform ist ein Hauptwort. Das Hauptwort bildet keine Leideform. Da die Leideform ein Hauptwort ist, bildet die Leideform keine Leideform. Aus demselben Grund bildet die Leideform keine Zeit. 49

„Die Paradoxien des Gedichtes entstehen aus einer bewußten Vermischung des Wortgebrauchs von ,Zeit' — einmal als Tempus, das andere Mal als objektsprachlicher Begriff." 50 Der Schreiber verwendet außer Zeit, das in zweifacher Weise gebraucht werden kann, auch Hauptwort und Leid(eform) im normalsprachlich wörtlichen (kommunikativen) wie im sprachbeschreibenden (extrakommunikativen) Gebrauch. Die doppeldeutige Verwendung 51 im Text wird hergestellt durch die des Prädikats bildet: Denn der Äußerungsteil bildet keine Zeit kann verstanden werden als ,es gibt kein Paradigma von Tempusformen für' und auch als ,ist keine Zeit' im normalsprachlichen Gebrauch von Zeit. Letzterer Gebrauch von bildet dient nach der Stilnorm der Vermeidung von ist.S2 Außerdem wird die Doppeldeutigkeit dadurch hergestellt, daß abweichend vom wissenschaftlichen sprachbeschreibenden Gebrauch von Zeit usw. eine Artikelform verwendet wird und eine typographische

46 47 49

50 51

5.13; auch Mey, s. 1.3. Burger 258. Aus: Handke, 14. Nur der Textanfang ist zitiert und beschrieben. Der Text wird hier nicht um seiner selbst willen beschrieben, sondern um eine Möglichkeit der Beschreibung zu demonstrieren. Burger 257. Gleichzeitighandlung. Z. B. auch andere lexikalische Regeln: sich befinden, sich handeln usw.; vgl. auch die Lexeme, die normativ statt machen, tun, haben usw. gebraucht werden.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

153

Auszeichnung fehlt: Die Zeit ist ein Hauptwort statt: Zeit ist ein Hauptwort. Die doppeldeutig verwendeten Lexeme Hauptwort, Zeit, Leideform, bild- werden verwendet zum Ausdrücken von Propositionsteilen sprachbeschreibender Handlungen: Klassifizieren,53 Absprechen von klassenbestimmenden Eigenschaften,54 Herstellen von Zusammenhängen (Wie.. .) und Begründen solcher Zusammenhänge. Derart sprachbeschreibende Handlungen werden vollzogen, indem etwas behauptet wird. Der erste Teiltext ist die ausführliche Form der Sprachbeschreibung, der zweite stellt eine Verkürzung dar, ein Variieren. Mit beiden Teiltexten wird ein Muster von Sprachbeschreibung etabliert, nach dem der Leser weiter verfahren kann. Die sprachbeschreibenden Lexeme entstammen halbpopulären Theorien, in denen sogenannte Fremdwörter durch .deutsche' ersetzt wurden. Dadurch werden Regeln dieser besonderen stilistischen Norm zusammen verwendet mit der Regel aus dem Bereich der normativen Stilistik, bilden statt haben zu verwenden. Beides wird geäußert, um damit Handlungen grammatischer Sprachbeschreibung zu vollziehen. Darüberhinaus fuhrt der Autor Variierungen fort: 55 Chiasmus bei Die Zeit ist ein Hauptwort. Das Hauptwort bildet keine Zeit; Paradox bei ... bildet die Zeit keine Zeit und Variieren des Paradoxes bei. . . bildet die Leideform keine Leideform; Variieren auch bei Die Zeit ist ein Hauptwort, Da die Zeit ein Hauptwort ist. . . usw. Im zweiten Textteil ist Zeit gegen Leideform ausgetauscht, eine variierende Verkürzung vorgenommen. Variierend werden beide Teiltexte mit der Verwendung chiastisch relationierter Äußerungsteile beendet:. . . bildet die Zeit keine Leideform - .. . bildet die Leideform keine Zeit. Von dem normgerechten Gebrauch traditioneller Stilregeln wird aber hier variierend abgewichen: Die Zahl der verwendeten Lexeme ebenso wie der syntaktischen Muster ist sehr gering, während nach der Norm stärker variiert wird. Es werden nur zwei syntaktische Muster (Sl) und (S2) verwendet.56 Die lexematischen Besetzungen der syntaktischen Positionen sind nur in geringem Maß variabel:57 53

54 55 56

57

Die Zeit ist ein Hauptwort, Die Leideform ist ein Hauptwort, mit der bereits genannten Abweichung im Artikelgebrauch. Das Hauptwort bildet keine Zeit, . . . keine Leideform. Dazu 5.27. Genauer: Durch die fortgeführte Verwendung werden diese verwendeten Strukturen als Muster etabliert. Notation nach Heringer 1972, Schweifklammern für Alternativen, runde Klammern umschließen fakultative Elemente.

154

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(Si)

+

\

Zeit \ Leideform]

die

(S2)

I

+

E,

+

ist

Pl2

+

E2

ein Hauptwort

+

A

da

Gegenüber der Darstellung der reduzierten Grammatik durch zwei SatzMuster58 würde ein generatives Regelsystem aus syntaktischen Regeln und Lexikon noch zu viele Variationen ermöglichen. Dem Beschriebenen liegt das literarische Handlungsmuster Sprachspiel zugrunde.59 Mit Sprachspiel ist die modellhafte Verkürzung von Handeln mit Sprache im Sinne des Anfangsbeispiels von Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen gemeint. Das literarische Sprachspiel ist keine intersubjektiv bestehende Lebensform. Es ist vielmehr eine ad absurdum reduzierte Lebensform (Praxis) grammatischen Sprachbeschreibens. Sie kann hier leicht gelernt und nachgespielt werden. 60 Der Zweck ist eine „Sprachkritik, die hinter der Sprache die mechanisierten Denkabläufe aufsucht und in ihren Automatismen entlarvt". 61 „Lügen, Täuschungen und Heuchelei werden .spielend' erkannt und entschleiert." 62 Die Beschreibung des Textes zeigt allerdings, daß der Gegenstand nicht so sehr die Sprache ist; vielmehr ist es ein bestimmtes Tun deijenigen, die Sprache zum Gegenstand ihres Handelns machen und damit ihre Zeit verbringen. Die Beschreibung nach Handlungen, lexikalischen Regeln und syntaktischen Mustern ergibt Hinweise für das mögliche Verstehen der Text-Handlung. Es sollte gezeigt werden, daß diese Handlung zwar nach dem Muster Sprachspiel vollzogen ist. Aber für die Ausführung von Sprachspielen gibt es keine festen Regeln wie etwa für die Ausführung der HoroskopVarianten (Kap. 6.). Die Handlung wird vollzogen, indem Regeln aus 58 s9 60 61 62

S. zu dieser Unterscheidung 5.22, ii. Hang 5 5 6 - 5 5 9 . Vgl. Harig 558. Burger 225. Harig 558.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

155

verschiedenen Bereichen sprachlichen Handelns neu kombiniert verwendet werden. Es sind Auswahlen aus den Regeln und Handlungsarten des grammatischen Beschreibens einer bestimmten sprachwissenschaftlichen Richtung, aus dem Bereich stilistischer Norm, aus dem Bereich nicht normierter Stilregeln. Durch das Muster des Sprachspiels sind bedingt: 6 3 die starke Reduktion von verwendeten sprachlichen Handlungsarten, syntaktischen Mustern und Lexemen. Der Autor verwendet Regeln aus verschiedenen Handlungsbereichen, zum Teil verwendet er sie auch abweichend oder doppeldeutig und er integriert sie zu einem neuen Muster. Die so hergestellten propositionalen Gehalte und die Äußerungsweise ermöglichen das Verstehen der individuellen Handlungen und diese das Verstehen der Text-Handlung. 7.23 Folgerungen Die Beschreibungen zeigen: Das Verstehen individueller Text-Handlungen beruht auf der Kenntnis der allgemeinen Regeln in einer Sprachgemeinschaft, auf der Kenntnis spezieller (literarischer) Regeln und auf Schlußprozeduren im Fall von Regelabweichungen. Deshalb ist für eine Individualstilistik auch eine linguistische Stilistik alltagssprachlicher Regeln die Voraussetzung. Dies ist auch immer wieder postuliert worden. 6 4 Bei Trabant (55 ff.) wird „Sprachkunst als freies sprachliches Handeln" postuliert, als „Tätigkeit, die über ihre Regeln verfügt und nicht sich ihnen unterwirft", „die ihre Regeln selbst schafft". Mir scheint dies zu weit zu gehen, denn um verständlich zu sein, müssen Zusammenhänge zwischen individueller Verwendung und vorhandenen Regeln bestehen (5.13). Auch die Etablierung neuer stilistischer Regeln wird hier beschrieben als Anwendung von Regeln: das Fortführen (5.27), Abweichen usw. In den meisten Fällen individuellen Sprachhandelns werden bestehende Regeln nur in besonderer Weise verwendet. 6 5 Die beiden Textbeispiele zeigen, daß das nicht nur auf Sprachregeln zutrifft, sondern auch auf Handlungsarten, die unter anderen Bedingungen den Regeln entsprechend vollzogen werden können. Hildebrandt (131) plädiert für eine „methodische Differenzierung zwischen sprachwissenschaftlicher und literarischer Stilistik und für den exakten Aufbau der letzteren aus der ersten". Dies ist auch dadurch notwendig, daß es sich bei Linguistik und Literaturwissenschaft um ver63 64

65

Harig; Burger 257. Z. B. Spencer/Gregory 59f.;Crystal 103; Asmuth/Berg-Ehlers 54; Wellek/ Warren 155 ff. Vgl. Chatman 257f.: Es sei nicht der Fall, „that there must be a different set of rules for the litterary text b u t . . . that the writer is u s i n g the system of language acts describable by the ordinary rules, but using it in a special way".

156

Beschreibungskategorien und Stilbeschieibungen

schiedene Sozialwissenschaften handelt: Die Linguistik hat ihren Schwerpunkt in einer systematischen, die Literaturwissenschaft in einer historischen Sozialwissenschaft. 66 Beide hängen insofern zusammen, als die erste die Regeln beschreibt, die Konventionen und Handlungsmuster, die zweite spezifische Verwendungen von Regeln 67 in spezifischen Handlungszusammenhängen, auch speziell literarische Regeln und Muster. Die Beschreibung in 7.22 beruht auf diesem Zusammenhang. Gerade diese Beschreibung zeigt aber auch, daß sich die linguistische Beschreibung literarischer Handlungen mit einem Teilaspekt begnügt; diese Beschreibung kann nur die Voraussetzung für Interpretationen in größeren Zusammenhängen bilden. Regeln werden in literarischen Handlungen oft individuell verwendet, auch die Muster für literarische Handlungen lassen erhebliche Spielräume (vgl. 7.22). Man könnte daraus schließen, daß literarische Handlungen in der Regel andere Folgen haben als nicht-literarische. Denn nach Strawson (66) bringt es für die Beteiligten keine negativen Konsequenzen, wenn eine individuelle Handlung nicht „als solche" verstanden wird, sondern anders. Nach Strawson ergeben sich nur aus Handlungen nach Mustern Verpflichtungen für die Beteiligten. Dies gilt sicher für einfache Handlungen. Bei komplexen Handlungen finden wir jedoch Gegenbeispiele für eine solche Trennung: Horoskope, die nach Mustern sind, aber die Obligationen nach dem Belieben des Lesers offen lassen; Werbetexte, die individuell gestaltet sind, mit denen aber gerade Obligationen etabliert werden sollen; unindividuelle Dokumentationsliteratur, die ein Engagement des Lesers zur Folge haben soll. Angesichts dieser Problematik der Unterteilung von Textmustern in literarische und GebrauchstextMuster 68 ist es besser, von einzelnen Textmustern und ihren besonderen Arten von Obligationen in den gesellschaftlichen (auch historischen) Zusammenhängen auszugehen. 7.3

Konventioneller Stil mit individuellen Spielräumen: Politischer Kommentar

Zur Erweiterung des Spektrums der Beschreibungen wende ich die Beschreibungskategorien hier auf das Textmuster politischer Kommentar an. Politische Kommentare sind konventionell nicht so stark festgelegt wie z. B. die Horoskop-Varianten. 69 Die Konvention läßt dem Schreiber 66 67 68 69

Vgl. Öhlschläger 1974, 108. Befolgungen, Abweichungen, Neuetablierungen usw. Vgl. dazu Pott. Vgl. auch 5.12: Konventionen lassen Spielräume. Art und Grad der Spielräume sind jeweils unterschiedlich ausgeprägt.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

157

des Kommentars (dessen Name explizit oder verschlüsselt gegeben wird) Freiheiten individueller Ausführung. Dies gilt für die Wahl sprachlicher Handlungsarten wie für die Wahl der Äußerungsarten, ebenso für die Art des Textaufbaus. Die Absicht bei der Darstellung ist nicht eine möglichst umfassende Darstellung stilistischer Möglichkeiten in Kommentaren. Die Absicht der Beispielanalyse ist vielmehr, einige Aspekte der Beschreibung — darunter den besonders wichtigen des Bewertens — anzudeuten. 70 7.31 Textillokution Kommentieren heißt, Sachverhalte (Propositionen) von einem bestimmten Maßstab aus bewerten. Die Sachverhalte werden dabei entweder als bekannt vorausgesetzt 71 oder sie müssen erst bekannt gemacht werden; dies geschieht durch die Handlungsart des Mitteilens. Das Bewerten erfolgt in der Regel nicht als explizites Bewerten einer Proposition wie bei Es ist gut, daß. . . oder in der Form von Kommentierungen (Posner): Nixon mußte gehn. Das ist gut. Vielmehr erfolgen die Bewertungen oft nebenbei und dadurch eher unmerklich. Der Textaufbau ist in der Regel durch die Argumentationsstruktur bestimmt. 72 Die Adressaten der politischen Kommentare sind 1. solche Leser, (Rundfunk- und Fernsehkommentare sind nicht verschieden von den Zeitungskommentaren) die nicht selbst Akteure im politischen Bereich sind; 2. diejenigen, auf die oder deren Handlungen und/oder Handlungsbereiche im Kommentar referiert wird. 73 Deshalb werden bewertende Handlungen auch vollzogen, indem Ratschläge, Vorschläge, Warnungen, Vorwürfe usw. inbezug auf die zweite Adressatengruppe ausgedrückt werden. Den Adressaten der ersten Gruppe wird dadurch der mögliche Handlungsspielraum der zweiten Gruppe, also Handlungsalternativen aufgezeigt. Da bestimmte Bewertungen bezüglich Sprecher und/oder Adressat zu den Voraussetzungen von Raten, Vorschlagen usw. gehören, werden über diese Illokutionen auch den Adressaten der ersten Gruppe spezifische Bewertungen vermittelt. 70

71 72

73

Die im Entstehen begriffene Dissertation von Christel Lauterbach über Stellungnahmen in politischen Kommentaren wird ausführlicher Aufschluß geben können. Es kann darauf wie auf bekannte Gegenstände referiert werden. Für die Horoskope des „Stern", s. 6.44, habe ich persuasiv verwendet, weil es mir dort mehr auf das Ziel, die Beeinflussung, anzukommen scheint. Argumentation oder argumentativ verwende ich stattdessen, wenn es um eine „Strategie der Problemlösung" (Kopperschmidt) geht, hier des Textaufbaus. Diese Unterscheidung von persuasiv und argumentativ übernehme ich von Kopperschmidt, 47. Vgl. zur Unterscheidung von mehreren Adressaten-Arten auch Wunderlich 1972b, 36f.; Wunderlich 1974, 348.

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Love Story

D

ie Washingtoner Enthüllungs-Storys fügen sich mehr und mehr zu einem gigantischen Sammelband über menschliche Unzulänglichkeiten. Keine irdische Schwäche, die im Laufe der jahrelangen Aufräumungsarbeiten nicht ans grelle Tageslicht gezerrt worden wäre. Maditrausch und Niedertracht? Sie wurden im bisher umfänglichsten Kapitel „Watergate" von allen Seiten beleuchtet. Über die Bestechlichkeit auch höchster Chargen gab die kurze Abhandlung mit dem Stichwort Spiro Agnew überzeugend Auskunft. Wer sich für Mord und Totschlag interessierte, kam bei den Geschichten über die Geheimdienste voll auf seine Kosten. Unter dem Titel „Lockheed" war alles darüber zu erfahren, was sich mit Geld anstellen läßt. Nur das Thema Sex blieb bisher unvollendet. Es scheint, daß die Affäre Wayne Hays nun die fehlende Pointe liefert. Der als besonders rechtschaffen geltende Abgeordnete ist durch die Liebschaft mit seiner Sekretärin ins Gerede gekommen. Sie wurde vom Kongreß als Schreibkraft bezahlt, obwohl sie weder tippen noch andere Büroarbeiten leisten konnte. Daß er sich eine Mätresse auf anderer Leute Kosten hielt, wird Hays übelgenommen. Er repräsentiert nun den Nassauer in einer Typologie von Liebhabern, die andere prominente Namen aufweist: John F. Kennedy wird als der sexuelle Nimmersatt beschrieben, der einflußreiche Abgeordnete Mills hat sich im Umgang mit einer Stripteuse als Exhibitionist profiliert, und selbst der staubtrockene Nixon soll sich als schüchterner Freier an eine Diplomatengattin herangemacht haben. Was ist Dichtung, was Wahrheit bei diesen Liebesgeschichten? Das wird sich wohl nie belegen lassen. Das letzte Dunkel in den Schlafzimmern der Hauptstadt können auch die eifrigsten Enthüller nicht durchdringen. Das ist auch gut so. Doch zumindest eine Behauptung haben sie mehr und mehr entkräftet: Washington ist längst nicht so langweilig, wie es immer schien. D. B.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

159

Grundsätzliche Handlungsarten sind demnach: Referieren, Mitteilen, Bewerten, Argumentieren. 74 Für den Vollzug dieser Handlungsarten gibt es Alternativen, deren jeweilige Wahlen den Stil einer einzelnen Texthandlung bestimmen. Zur Exemplifizierung verwende ich einen Kommentar aus „Die Zeit", 11. 6. 1976, S. 1: Text (4). 7.32 Ausdrucksarten des Bewertens Eine ganze Anzahl von Bewertungen wird in diesem Text dadurch ausgedrückt, daß Lexeme mit einem positiv oder negativ bewertenden Bedeutungsanteil verwendet werden: sich profilieren, sich heranmachen (an jem.), Niedertracht, Nassauer, Liebschaft usw. 75 (i) Bewertungshandlungen werden z. B. vollzogen, indem Intensivierungen ausgedrückt werden. 76 Dazu gehört im Text (4) die Verwendung von all.11. . . von allen Seiten beleuchtet;. . . war alles darüber zu erfahren . . . . Auch die doppelte Negation dient der Intensivierung: Keine irdische Schwäche, die nicht. . . Abstrakte Prädikationen werden bildlich konkretisiert: Sammelband, Exhibitionist; auch dadurch wird eine Intensivierung erreicht, die dem Bewerten dient. Die Funktion des Bewertens durch Intensivierung haben weiter Adjektivattribute 78 als Teile von Prädikationen wie ans grelle Tageslicht zerren79 und Adverbiale als Teile von Prädikationen: überzeugend Auskunft geben, vollauf seine Kosten kommen. Außerdem wird intensiviert mit in verschiedener Weise hervorhebenden Adverbien wie auch, selbst, zumindest und besonders. (ii) Einfache Negation zählt Labov zu der großen Gruppe von bewertenden Vergleichsausdrücken. 80 Im letzten Absatz, in dem die abschließende Bewertung vorgenommen wird, sind allein drei Prädikationen mit Negation ausgedrückt. Bewertungen durch superlativische 81 74

76 77 78 79

80

Auf den Zusammenhang dieser Handlungsarten gehe ich in 7.33, ii ein. Sich heranmachen gehört zu den „evaluative actions" nach Labov 1972, 373f. Labov geht davon aus, daß Erzählungen Bewertungen enthalten, die durch die Konvention bedingt sind, daß möglichst Interessantes, „Erzählens-Wertes" den Inhalt von Erzählungen darstellt. Er gibt 1972, 370 ff. eine Typologie von Bewertungsmöglichkeiten unter der Fragestellung einer „narrativen Syntax", auf die ich hier zurückgreife. Im Grunde handelt es sich um unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten für Bewertungshandlungen. Intensifiers nach Labov 1972, 378ff. Labov 1972, 379. Epitheta, Ueding 247. Im Vergleich (s. ii) zu ans Tageslicht fördern/ziehen/bringen/. . . hat ans Tageslicht zerren auch intensivierende Funktion. Comparators, 3 80 ff. In diese Gruppe rechne ich sowohl rein lexikalische wie auch mit Morphemen gekennzeichnete „Superlative".

160

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Ausdrücke (Labov) sind folgende: gigantischer Sammelband, längst nicht so langweilig82 und höchste Chargen. Weitere Bewertungen werden vorgenommen mit Metapher und Vergleich (Labov): der staubtrockene Nixon. Die verblasste Metapher trocken wird durch den Vergleich mit staub- wiederbelebt und erhält dadurch eine Intensivierung. Auch die Raffung des Vergleichs mittels einer Wortbildungsregel wirkt intensivierend. Eine andere Bewertungsart ist in diesem Zusammenhang die Ironie: 83 Sie enthält latent den Bezug zu einem Wertmaßstab und relevanten Eigenschaften. Beispiele sind:. . . hat sich. . . als Exhibitionist profiliert; .. . soll sich als schüchterner Freier. . . herangemacht haben. In diesen Fällen wird die Ironie hergestellt durch die kontrastierenden Bewertungen aufeinander folgender Prädikationen. 84 Auch der Gebrauch von Liebesgeschichten, um auf Skandalgeschichten zu referieren, ist ironisch; damit wird gleichzeitig etwas prädiziert (5.25, i). Ebenso haben Anspielungen bewertenden Charakter: Was ist Dichtung, was Wahrheit. .. ? und der Titel Love Story, mit dem auf eine Film-Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang angespielt wird. Durch den dahinterstehenden kontrastierenden Vergleich mit dem, worauf angespielt wird, sind dies ironische Anspielungen. 85 (iii) Eine andere Gruppe von Bewertungsmöglichkeiten sind nach Labov die „Correlatives" (387 ff.). In Erzählungen wird durch sie ausgedrückt, daß andere Geschehnisse in Relation zu den eigentlich erzählten Geschehnissen gebracht werden. Von diesen unterscheidet Labov die Gruppe der „Explicatives" (390ff.), mit denen ausgedrückt wird, daß begründend usw. von den erzählten Geschehnissen vorübergehend abgegangen wird. Für die Anwendung auf kommentierende Texte fasse ich diese Gruppen zusammen zu einer Gruppe: Relationsausdrücke. Damit sind vor allem „eingebettete" Prädikationen oder Propositionen gemeint, die Bewertungen in Relation zu anderen Propositionen oder Prädikationen enthalten, z. B. zur zentralen Prädikation. 86 Zu den bewertenden Relationsausdrücken gehören präsupponierte Sachverhalte, die mit daß-Sätzen ausgedrückt werden wie: Daß er sich eine Maitresse auf anderer Leute Kosten hielt, wird Hays übelgenommen 82 83 84

85

86

Ein negierter Superlativ mit so als Intensifier. Vgl. 5.25, i. Auch die Ausdrücke mit als zähle ich als Prädikationen. Zur Relationierung von Prädikationen s. u. Ironie und Anspielung kommen im Beispielmaterial von Labov nicht vor. Zur bewertenden Funktion der Ironie s. Ueding 247: Ironie als Mittel des Lobens und Tadels seit der Antike. Für Verfahren der „Relevanzabstufung" von Prädikationen kann man zurückgreifen auf Posner, vgl. 5.24, iii; 6.43, i.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

161

Besonders aber gehören solche eingebetteten Prädikationen dazu, mit denen bewertend ein Kontrast zu einer anderen Prädikation ausgedrückt wird. Eine Ausdrucksmöglichkeit sind Adjektivattribute:. . . der einflußreiche Abgeordnete Mills. . . im Umgang mit einer Stripteuse.61 Ein weiteres Beispiel: . . . selbst88 der staubtrockene89 Nixon soll sich.. . herangemacht haben. Hier kontrastiert die eingebettete mit der zentralen Prädikation. Auch erweiterte Attributgruppen 90 sind Äußerungsmöglichkeiten für eingebettete Bewertungen als Relationsausdrücke: Der als besonders rechtschaffen geltende Abgeordnete ist.. . ins Gerede gekommen Eine andere syntaktische Möglichkeit, Relationen von Bewertungen auszudrücken, ist z. B. mit obwohl-Sätzen gegeben: 91 Sie wurde vom Kongreß als Schreibkraft bezahlt, obwohl sie weder tippen noch andere Büroarbeiten leisten konnte. Eine ironisch relationierende Bewertung entsteht im ersten Absatz durch den Kontrast von mehrfach verwendetem intensivierendem all, von voll und überzeugend, die alle zusammen in der Aufzählung verwendet werden, zum abschließenden nur: Nur das Thema Sex blieb bisher unvollendet.92 Das letzte Beispiel zeigt, daß auch größere Textzusammenhänge solche Relationsausdrücke enthalten, daß sie nicht auf den Rahmen des Satzes beschränkt sind: Sie werden konstituiert durch Sprechaktzusammenhänge wie hier das Aufzählen und die verwendeten lexikalischen Bedeutungen. (iv) Die Gruppen von Beispielen zeigen die Verflechtungen und das Ineinandergreifen der verschiedenen Bewertungsarten in diesem Text. Durch das gleichzeitige und zusätzliche Bewerten auf verschiedene Weise werden die Bewertungen intensiviert. Die Komplexion von Bewertungen deute ich an einem Beispiel an: Der als besonders rechtschaffen geltende Abgeordnete ist durch die Liebschaft mit seiner Sekretärin ins Gerede gekommen. Es wird etwas mitgeteilt und zugleich bewertet. Die Äußerung besteht aus dem Referenzakt der Abgeordnete und der zentralen bewertenden Prädikation ist ins Gerede gekommen. Darin werden weitere bewertende Prädikationen eingebettet: 93 87

Die kontrastierenden Bewertungsprädikationen müssen nicht als syntaktische Prädikate ausgedrückt werden, sondern dies kann durchaus auch über adverbiale Bestimmungen (syntaktische Angaben) geschehen wie bei den Beispielen mit als, vgl. iv. 88 89 Intensifier. Intensivierung des Comparators als eingebettete Prädikation. 90 Vgl. Labov 1972, 389. 91 Vgl. Labov, 1972, 3 9 0 f. Unvollendet: eine ironische Bewertung unter dem Gesichtspunkt von in der Regel positiv bewertetem vollenden. Ich wähle mit den indizierten Klammerausdrücken eine sehr vorläufige Beschreibungsart, die für die Darstellung umfangreicherer Sprechaktzusammen-

162

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

(((Der {als {besonders)Int rechtschaffen geltende)Prä2: pos A bgeord«ere)Refl )PRÄS (ist {durch (die Liebschaft mit)m2: neg (seiner neg SA Sekretärin)Ref2fR'As ins Gerede gekommen)™1' ) Die Komplexion der Bewertungshandlungen ist durch die syntaktische Vielfalt ermöglicht, in der Referenz- und Prädikationsakte vollzogen und aufeinander bezogen werden können. (v) Im Beispieltext sind viele verschiedene Ausdrucksarten des Bewertens verwendet, Bewertungshandlungen sind in vielfältiger Weise zueinander in Bezug gesetzt. Im Hinblick auf die Ausdrucksmöglichkeiten für Bewertungshandlungen in politischen Kommentaren ist dies dennoch nur ein exemplarischer Ausschnitt. 94 7.33 Gleichzeitig- und Zusatzhandlung, Argumentieren Hier wird auf einige weitere konventionelle Handlungsarten in politischen Kommentaren eingegangen. (i) Gleichzeitig- und Zusatzhandlung Eine konventionelle Art von Zusatzhandlung ist das Variieren von verwendeten Äußerungsarten. Dies zeigt die Syntax der Aufzählungen im ersten und zweiten Absatz von (4): Aufzählend werden jeweils neue Referenzgegenstände eingeführt und darüber etwas prädiziert. Dabei werden die Referenzakte syntaktisch je verschieden ausgedrückt, ebenso .die Prädikationen. Lexikalische Variation liegt z. B. vor bei Love-Story, Liebesgeschichten, Enthüllungs-Storys einerseits; bei Enthüllungsf-Storys) und Aufräumungsf-arbeiten) andererseits. Auch die große Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten für Bewertungshandlungen dient dem Variieren der Äußerungsarten. Dieses Variieren entspricht der stilistischen Norm. Eine konventionelle Gleichzeitighandlung ist der Gebrauch von Ausdrucksarten spontanen Sprechens zusammen mit dem Gebrauch betont hochsprachlicher und z. T. traditionell hochbewerteter Ausdrucksarten. So ist Machtrausch und Niedertracht? Sie. . . vor allem wegen der Schreibung nicht gleich als Herausstellung 95 zu erkennen: Machtrausch und Niedertracht, sie. .. Außerdem ist hier statt des spontan-sprachlichen Pronomens die die hochsprachliche Entsprechung sie verwendet. Auch hänge möglicherweise zu unübersichtlich ist. Ref steht für Referenz, Prä für Prädikation, mit den Zahlen werden die Relevanzabstufungen angedeutet: 1 für primäre (zentrale) Referenz- und Prädikationsakte, 2 für eingebettete Referenz- und Prädikationsakte. Int steht für Intensifier, pos und neg für positive bzw. negative Bewertung. SA steht für Sprechakt, PRÄS für Präsupposition. Vgl. 7.31. Vgl. 5.24, iv.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

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tippen statt Maschine schreiben ist spontan-sprachlich, ebenso die Bewertung mit Das ist auch gut so als ganze. Durch die spontan-sprachlichen Eigenschaften, die in Kommentaren oft noch häufiger verwendet sind, soll vermutlich die Wirkung lockeren, schwungvollen Argumentierens erreicht werden; ein akademischer Eindruck soll vermieden werden. (ii) Argumentieren Für die Beschreibung des Textes unter dem Gesichtspunkt des Argumentierens ziehe ich das Schema der Argumentationsstruktur heran, das Toulmin entwickelt hat. 96 Ausgangs- bzw. Endpunkt der Argumentation ist eine „Konklusion 97 oder ursprüngliche Behauptung". 98 Das ist eine Behauptung, deren Geltungsanspruch begründet werden muß. Dabei ist es irrelevant, ob die Behauptung am Anfang oder am Ende des Argumentationstextes steht. Die entsprechenden Anfangsbehauptungen sind in (4) die erste und die zweite Äußerung zusammen. 99 Außerdem wird eine derartige Behauptung am Ende als Konklusion aufgestellt: Doch zumindest eine Behauptung haben sie mehr und mehr entkräftet. . . Die zu begründenden Behauptungen werden nötigenfalls durch „Einschränkungsoperatoren" 100 wie wahrscheinlich, vermutlich usw. in ihrer Geltung relativiert. Dies wird in der ersten Äußerung des Textes ebenso wie in der gerade zitierten beide Male durch die Verwendung von mehr und mehr erreicht. Zur Begründung dieser Behauptungen werden Tatsachen angeführt; Toulmin nennt sie „Daten". Dem dienen die (bewerteten) Aufzählungen im ersten und zweiten Absatz und das Mitteilen am Beginn des zweiten Absatzes. Die rhetorische Frage am Beginn des dritten Absatzes und ihre Beantwortung dient dem Hinweis darauf, daß das Datenmaterial nicht vollständig ist. Deshalb kann auch nur ein eingeschränkter Schluß daraus gezogen werden. Der Zusammenhang zwischen den Behauptungen und den Daten, die zur Begründung angeführt werden, wird über Schlußregeln hergestellt; 101 sie haben die Form: „Immer wenn A, kann man annehmen, daß B" 102 oder einfacher: „Wenn A dann B". „Auf Daten wird explizit Bezug ge96

97 98 99

100 101 102

Dazu auch Wunderlich 1974, 69 ff. Auch „Schlußfolgerung" genannt. Toulmin 89. Sie bestehen darin, daß auf bekannte Gegenstände referiert wird (Die Washingtoner Enthüllungs-Storys, die jahrelangen Aufräumungsarbeiten. ) und über diese Bewertungen prädiziert werden. Toulmin 92. Toulmin 89 ff. Toulmin 90.

164

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

nommen, auf Schlußregeln implizit." 103 Für die bei Text (4) implizite Schlußregel kann nach meinem Verständnis etwa folgendes angenommen werden: „Wenn es um Politik geht, dann werden Verfehlungen zu Skandalen." Schlußregeln werden wiederum gestützt (94) durch „kategorische Tatsachenaussagen" oder durch die „Daten, auf die wir uns als unmittelbare Belege für unsere Schlußfolgerungen berufen". 1 0 4 Zu dieser Stützung dienen bei politischen Kommentaren Gesetze, besondere Gepflogenheiten in diesem Bereich, moralische Grundsätze usw. Die Art der möglichen Stützung ist vom Bereich der Argumentation abhängig. 105 Aus diesem Zusammenhang geht hervor, daß die Ausgangs- und/oder Endbehauptungen bewertend sind, ebenso, daß die Daten zusätzlich bewertet werden können. Der Schreiber benutzt also für die Strukturierung der Text-Handlung der Konvention folgend die der Argumentation; diese wird — ebenso der Konvention folgend — bewertend vollzogen. 7.34 Individuelle Handlungen Die konventionellen Handlungen als Eigenschaften politischer Kommentare werden konventionell auf individuelle Art ausgedrückt. So ist der konventionelle Gebrauch von gelegentlichen Konkretisierungen hier gesteigert zu einem Bildzusammenhang in der Text-Handlung. Dieser Bildzusammenhang dient dem Strukturieren der Datenaufzählung in der Folge der Anfangsbehauptungen: Es ist die Rede von „Storys" in einem „Sammelband" mit Kapitel, Abhandlung, Stichwort, Geschichte, Titel, Thema und Pointe im ersten Absatz. Zum „Thema Sex" wird eine „Typologie von Liebhabern" vorgestellt (2. Absatz). Und gemäß dem als teils wissenschaftlich, teils literarisch — vgl. die Überschrift — angesprochenen Inhalt des „Sammelbandes" wird am Beginn des dritten Absatzes gefragt: Was ist Dichtung, was Wahrheit. .. ? Durch diese bildliche Zusatzhandlung zum politischen Thema wird die Text-Handlung ästhetisch überformt. Außerdem scheint mir diese Bildlichkeit ironisch gemeint zu sein, denn das „Enthüllen" politischen Skandalgeschehens ist verschieden sowohl von wissenschaftlichem wie auch literarischem Handeln. Durch die bereits beschriebenen Ironien und ironischen Anspielungen entsteht eine ironisch-bildliche Argumentation. Dies besonders deshalb, weil an entscheidenden Stellen der Argumentation ironisch vorgegangen wird: in der Überschrift, am Ende des 1. Absatzes, womit zu den Daten des 103 104 105

Toulmin 91. Toulmin 96. Toulmin 102.

Beschreibung konventioneller und individueller Stile

165

2. Absatzes übergeleitet wird, am Beginn des 3. Absatzes (Übergang von den Daten zur Konklusion) und in der Konklusion selbst. Zu den individuellen Handlungsspielräumen gehört also die Art, wie die textstrukturierende Argumentation im einzelnen durchgeführt wird: Das Argumentationsschema kann auf verschiedene Art ausgefüllt werden und dadurch zu verschiedenen Arten von Teiltexten führen. Ebenso können die individuellen Zusatzhandlungen verschieden sein, oder individuell Eigenschaften anderer Stile übernommen werden, wie Stileigenschaften des „Spiegel" 106 oder solche des wissenschaftlichen Argumentierens. 7.35 Schlußbemerkung Die Text-Handlung ist also sehr komplex durch die Integration konventioneller und individueller Handlungsarten. Komplexität zeigt sich an den vielfältigen Bewertungshandlungen und ihren kontrastierenden und intensivierenden Zusammenhängen. Darüberhinaus wird die Handlung komplex durch die Vielartigkeit unterscheidbarer Handlungsaspekte. Die Eigenschaften dieses Textes zusammen machen es schwer herauszufinden, was der Autor damit sagen will: 107 Der individuelle Anteil führt — auch bei anderen Kommentaren — leicht zu einem Spielen mit Formulierungsmöglichkeiten. Der Kommentator will dann wahrscheinlich angesichts der möglichen Vielfalt der Lesermeinungen nicht dezidiert Stellung nehmen; er will die Käufer seiner Ware nicht vor den Kopf stoßen. Die konventionell-individuelle Mischung von Argumentation (einschließlich Mitteilen der Daten) und ästhetischen Eigenschaften scheint mir zum Teil ein Erbe von Redeeigenschaften der rhetorischen Tradition zu sein: Nach Ueding (206 u. ö.) sind es die „Aufgaben des Redners, zu unterrichten (docere), Leidenschaften zu erregen (movere) und zu unterhalten (delectare)". Außer Gemeinsamkeiten gibt es allerdings auch wesentliche Unterschiede 108 zur rhetorischen elocutio. 109 Diese scheinen auch durch die individualistische Tradition bedingt zu sein, die die Rhetorik teilweise abgelöst hat. 110 Das Beispiel zeigt auch, daß für andere Arten von Texten als die bereits beschriebenen z. T. noch weitere Beschreibungsmöglichkeiten herangezogen oder entwickelt werden müssen: hier die Arten von Bewertungsausdrücken und das Toulminsche Schema zur Beschreibung von Argumentieren. 106

107 108 109 110

Vgl. 7.11, iii. Dies in Analogie zu 7.23. Vgl. 7.11, iii. Dazu Ueding, 224 ff. Dazu Kapp, bes. 386ff.

166

7.4

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

Ergebnisse

In 7.12 und 7.23 wurden schon die speziellen Ergebnisse aus 7.1 und 7.2 dargestellt. Die in 7.3 beschriebenen Eigenschaften von Textmustern mit individuellen Spielräumen ergeben sich aus dem Zusammenwirken der in 7.1 und 7.2 dargestellten Eigenschaften von Textmustern und individuellen Text-Handlungen. Das wesentliche Ergebnis von 7.1 bis 7.3 ist folgendes: Durch fortgeführte Handlungsarten, Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen bei einzelnen Äußerungen wird eine komplexe Text-Handlung beschreibbar. Dies gilt für individuelle Text-Handlungen und für Texte nach mehr oder weniger stark festgelegten Mustern. Auf diese Weise sind mit den in 5.2 beschriebenen einfachen Regelarten und den in 6. hinzugewonnenen auch Stileigenschaften der Text-Handlungen und Textmuster beschreibbar. Die Beschreibungen konventioneller wie individueller Texte zeigen die Komplexität der Stile von Texten und Textmustern: Mit dem Formulierungsmuster wird in der Regel mehreres erreicht. Bei individuellen Text-Handlungen wird die komplexe Intention über die individuelle Formulierungsweise zu verstehen gegeben, vom Rezipienten mehr oder weniger gut rekonstruiert. Dagegen werden bei Textmustern durch die Befolgung des Stilmusters die konventionellen Handlungsarten dem Verstehenden immer wieder bestätigt. Bei konventionellen Mustern mit individuellen Spielräumen werden durch den konventionellen Anteil die erwartbaren Handlungen dem Verstehenden bestätigt; die individuellen Handlungsanteile werden aus den einzelnen Formulierungen verstanden und auch aus dem Fortführen individueller Formulierungseigenschaften. 7.12 und 7.23 dienten auch dazu, das Problem der konventionellen Stile auf den Konventionsbegriff und die Verstehensproblematik von 5.1 zu beziehen. Das folgende Kap. 8 hat die Funktion, weiterführend den Bezug zu 5.13 und 5.2 aufgrund der Beispielbeschreibungen herzustellen; dabei steht nun der Bezug zu Text- und Stilmuster im Vordergrund.

8

Stilinventare

Nach den Beschreibungen von Kap. 6 und 7 wird hier noch eine übergreifende Fragestellung diskutiert. Damit wird zugleich an Kap. 5 angeschlossen, auch an Kap. 3.

8.1

Beschreibung von Stilinventaren als Handlungsmuster

Die einzelnen Sprechhandlungen einer Text-Handlung weisen Zusatzoder Gleichzeitighandlungen auf; es wird im Verlauf einer Text-Handlung immer wieder eine gleichartige Handlung vollzogen, eine gleichartige Wirkung erzielt. Gewisse Handlungen müssen also über die Textlänge bei Texten nach Textmustern immer wieder ausgedrückt, durch fortgeführte Formulierungseigenschaften ständig aufrecht erhalten werden. 1 Bei individuellen Text-Handlungen ist das Fortführen von Formulierungseigenschaften beschreibbar aufgrund der Intention des Sprechers, die auf die Länge der Text-Handlung oder Teilhandlung gleichbleibt. Wodurch ist sie bei Handlungen nach Mustern beschreibbar? 8.11

Zunächst werden Ergebnisse einiger Beispielbeschreibungen zusammengefaßt: In 7.11, v wurde die Gleichzeitighandlung des Kontaktherstellens und -haltens in Dialogen beschrieben. Aus der Beschreibung anhand des Textstücks geht hervor, daß die Handlung vollzogen wird, indem sehr verschiedene Arten von Regeln gebraucht werden: Regeln für Arten von Äußerungsteilen, für Eigenschaften von Basishandlungen, für Formulierungsarten, Handlungsarten ohne regelhafte Äußerungseigenschaften. Alle diese verschiedenen Regelarten werden für denselben Zweck, dieselbe Art von Handlung gebraucht. 2 Ein anderes Beispiel ist die sprachökonomische Zusatzhandlung, die in 6.35 beschrieben wird. Auch hier werden sehr verschiedene Regelarten 1

2

In diesem Punkt sind Weinrichs Ausführungen (Kap. 1) über den Tempusgebrauch vergleichbar: Das Tempus wird mit „Obstination" im Text immer wieder verwendet. Vgl. auch 1.3: Die konventionelle Gleichartigkeit ist ein Hinweis für das Verstehen. S. auch die Darstellung in 7.1. Vgl. z. B. auch die Mittel des Bewertens in 7.3.

168

Beschleibungskategorien und Stilbeschieibungen

konventionell eingesetzt, um dasselbe zu bewirken. Es sind Regeln für Äußerungsarten und für Teile davon, für Eigenschaften der Basishandlungen: Ersparungen in Verbalsätzen, spezielle sprachökonomische Satzmuster, Abkürzungsregeln für das Schriftbild. Ein weiteres Beispiel ist die persuasive Gleichzeitighandlung in den Horoskopen des „Stern". Sie wird vollzogen mithilfe von Regeln für Handlungsabfolgen und Formulierungsarten: Es sind die drei Gruppen von Kriterien, also Regeln, für persuasive Handlungen nach Pisarkowa; die Regelarten, mit denen Angebote zur Übernahme durch den Leser gemacht werden; Referenz auf dieselben Gegenstände in mehreren Äußerungen; explizite Anschlüsse von Äußerungen an vorangegangene durch aber usw. Die für solche Handlungen gebrauchten Regelarten reichen also von Mustern für Abfolgen von Handlungen bis zu Regeln für Äußerungsteile und für Eigenschaften der Basishandlungen. Vergleichbares hat bereits Rychner für zeitlich zusammenhängende Abfolgen eines poetischen Textes dargestellt: Sprachliche Regeln, die zu sehr verschiedenen Teilbereichen der Linguistik gehören, werden zu dem selben Zweck zusammen verwendet. 8.12 Den Beispielen ist gemeinsam, daß verschiedene Regelarten regelhaft zusammen verwendet werden, um Handlungen bestimmter Art zu tun. Man kann das deshalb auch so beschreiben, daß die verschiedenen Regelarten zusammen eine komplexe Regel bilden. Denn sie stellen per Konvention einen Zusammenhang dar. Solche Zusammenhänge nenne ich Stilinventare. Da Stilinventare gebraucht werden um Handlungen zu vollziehen, sind sie komplexe Handlungsmuster. 3 Die Annahme von Inventaren als Mustern dient der Beschreibung dessen, daß konventionell Regeln verschiedener Art fortgeführt werden, um damit dasselbe zu erreichen. 4 Ein Sprecher, der eine Handlung nach einem Stilmuster vollzieht, gebraucht fortführend Regeln aus Stilinventaren. Bei Textmustern mit Gleichzeitig- u n d Zusatzhandlungen oder mit mehreren verschiedenen Gleichzeitig- oder Zusatzhandlungen gebraucht der Sprecher fortführend Regeln aus verschiedenen Inventaren. Stilinventare sind deshalb einfachere Handlungsmuster als die Stilmuster. Stilmuster dienen nach den Beschreibungen meist dazu, mehrere Handlungen nach unterscheidbaren Handlungsmustern zusammen zu vollziehen. Die Handlungsmuster für diese unterscheidbaren komplexen Handlungsarten als Teile einer noch umfassenderen Handlungsart sind die Stil3 4

Vgl. dazu den Beginn von 5.2. Zu Regeln als Bestandteilen von Regeln s. 5.27.

Stilinventare

169

inventare. Die umfassendere Handlungsart ist das Stilmuster. Als Grenzfall kann es sinnvoll sein, ein Stilmuster nur über ein einziges Stilinventar zu beschreiben; in der Regel sind Stilmuster aber komplexer (s. 8.13). Stilinventare sind Regelzusammenhänge. „Ein Zusammenhang ist eine durch ein Netz von Relationen verbundene Menge von Gegenständen." 5 Die weiteste Gemeinsamkeit eines solchen Regelzusammenhangs ist der Gebrauch: durch den Gebrauch der verschiedenen Elemente dieser Menge von Gegenständen wird konventionell dasselbe Handlungsziel erreicht. 6 Innerhalb des Regelzusammenhangs, den ein Inventar bildet, gibt es auch engere Zusammenhänge: z. B. Wortfelder oder andere semantische Felder, deren Elemente unterschiedlichen syntaktischen Kategorien angehören. Aber Handlungsarten, Formulierungsarten, Eigenschaften der Basishandlungen zeigen als weitere große Gruppen, daß mit semantischen Gruppierungen nur ein Teilbereich erfaßt wird. Unterschiede in der Beschreibung solcher Inventare sind mit den Beschreibungsinteressen und -kategorien gegeben. 7 Stilinventare sind wie andere Arten von Regeln und Mustern nicht scharf abgegrenzt. Dies ist auch dadurch bedingt, daß dieselbe sprachliche oder Sprachhandlungs-Regel Bestandteil verschiedener Stilinventare sein kann. Z. B. werden Regeln familiären Sprechens gebraucht im familiären Sprechen, in den Horoskopen des „Stern", in politischen Kommentaren und in den Berichten des „Spiegel". Die Regelarten, mit denen sie konventionell zusammen gebraucht werden, ergeben die konventionellen Unterschiede der Stile. Infolge der unscharfen Ränder von Inventaren ist ihre Abgrenzung eine Frage des Beschreibungszwecks, auch der Beschreibungskategorien. Zum Beispiel kann es sinnvoll sein, ein Stilinventar für sprachökonomisches Handeln aufzustellen: 8 Es enthält Regeln, die allgemein dafür gebraucht werden, und Regeln, die nur für bestimmte Textmuster gelten, für deren Teile oder Varianten. 9 Es kann aber in anderem Zusammenhang auch zweckmäßig sein, nur das Inventar sprachökonomischen Handelns von Horoskopen der Bildzeitung zu beschreiben. Ein anderes sehr umfassendes Inventar stellen z. B. die Regeln spontanen Sprechens dar, das - ohne eingehende Rechtfertigung - für die Beschreibung der „Stern"-Horoskope und des politischen Kommentars in 7.33 angenommen wurde. 5

Heringer 1 9 7 4 a, 102. Vgl. zu dem Zusammenhang von Regel, Bedeutung und Gebrauch 5.13. 7 o S. 2.1, 3.2. Analog dazu ist Coseriu's Annahme von „Sprecharten" zu sehen: Coseriu 1971, 138. 9 Vgl. 7.11, i und 7.11, ii; 6.35. 6

170

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

8.13 Es wäre auch möglich, Stile von Textmustern insgesamt mit Hilfe von Inventaren zu beschreiben: Inventare für Stilmuster als ganze. 10 Aufgrund der Beschreibungen in 6. und 7. erscheint es aber als angemessener, Stilmuster als eine regelhafte Kombinatorik von unterscheidbaren Inventaren zu beschreiben. Denn persuasive Handlungen beispielsweise sind nicht auf die Horoskope des „Stern" beschränkt; die Regeln persuasiven Sprechens werden auch für andere Texte und Textmuster verwendet. Auch die Handlungen des Kontaktherstellens und -haltens werden in anderen Handlungsarten als der Diskussion (7.11, v) gebraucht. 11 Stilmuster werden also über eine Kombinatorik von Inventaren beschrieben. Dies erscheint auch aus folgendem Grund zweckmäßig: Die Unterscheidung von Mustern für Gleichzeitighandlungen und Zusatzhandlungen bei Textmustern erfordert eine Unterscheidung inbezug auf die Handlungsmuster und sprachlichen Regeln, mit denen diese komplexen Handlungen vollzogen werden. 12 Ein weiteres Argument dafür sind Handlungsarten, die nicht nur mit sprachlichen Regeln ausgedrückt werden. Z. B. bei Comics wird die komplexe Handlung in gleichzeitigen oder zusätzlichen sprachlichen und bildlichen Handlungen ausgedrückt. 13 Die Anschließbarkeit von Handlungen mit andersartigen Basishandlungen sollte in der Stilistik gewährleistet sein. Schließlich sind auch individuelle Stile über eine Kombinatorik beschreibbar: durch individuelle Auswahlen aus vorgefundenen Inventaren und durch eine Integration zu einem neuen individuellen Inventar. 14 Auch für Textmuster mit individuellen Spielräumen (7.3) ist die Beschreibung über eine Kombinatorik sinnvoll. 8.14 Wenn Stilunterschiede als unterschiedliche Wahlen beschrieben werden, 15 so ist das nach diesen Ausführungen so zu präzisieren: Die Wahlen eines Sprechers können individuell oder konventionell sein. In der Regel sind es nicht Wahlen aus dem Gesamten der Sprachregeln und der sprachlichen Handlungsarten, sondern aus konventionellen Regelzu10

1

12

13 14 15

Diese Auffassung scheint bei Mittelberg, Römer, Carstensen 1971 den Beschreibungen der Äußerungseigenschaften (bei Römer und Carstensen auch von ausgewählten Handlungseigenschaften) jeweils eines Stils zugrundezuliegen. Für spontanes Erzählen hat Gülich einen Teil des Inventars mit den Sequenzierungsregeln untersucht. Sprachökonomisches Handeln wurde entsprechend schon in 7 . 1 2 (g) dargestellt. Vgl. auch die Diskussion in 5.25, iv. So hat Oomen 1975 ein Inventar der gezeichneten Mimik-Regeln in einer Art von Comic beschrieben. S. auch 2.16. Vgl. 7.21 und 7.22. Vgl. die Diskussion in 3.21.

Stilinventare

171

sammenhängen, den Inventaren. Stilinventare sind konventionelle Auswahlen aus dem Gesamt von sprachlichen Regeln und Sprachhandlungsregeln. 8.2

Einige andere Beschreibungen von Stilinventaren

Im folgenden gehe ich noch auf einige andere Auffassungen von Stilinventaren ein. 8.21 Die Regeln der elocutio, des rhetorischen oder poetischen Ausschmückens von Texten, sind das klassische Stilinventar. 16 Am Beginn der Rhetorik, bei Aristoteles, ist der Zusammenhang dieser Regelarten mit Textmustern noch deutlich: sie sind Möglichkeiten, bestimmte Handlungsarten mit bestimmten propositionalen Gehalten so auszudrücken, daß sie möglichst wirkungsvoll geäußert werden. Das rhetorische Stilinventar ist eingegangen in normative Stilistiken, wird aber auch in modernen Rhetoriken neu zu systematisieren versucht. 17 Denn die traditionelle Beschreibung erfolgt nach sehr verschiedenen Kriterien. 18 Es ist eine Sammlung von Regeln, die ursprünglich gedacht waren für das Verfertigen von Texten, 19 dann aber auch zu Analysekategorien wurden. 20 8.22 Die Beschreibung von Sprache (langue) als einheitliches System wird differenziert durch die Annahme verschiedener Arten von funktionalen Stilen. Es sind sehr weite Gruppen von Stilen, die in sich weiter differenziert werden. 21 Das Kriterium der Unterscheidung funktionaler Stile sind unterschiedliche Handlungsbereiche in der Gesellschaft. 22 Danach sind Funktionalstile gesetzmäßig bedingt durch die gesellschaftlichen Handlungsbereiche; sie sind aber mit diesen auch historisch veränderbar. Funktionale Stile werden beschrieben als unterschiedliche Kombinationen von Stilelementen 23 aufgrund der Kombination von Stilzügen; die Stilzüge bestimmen die Wahlen aus dem Ganzen der Sprache. 24 Da die Ausgangsfragestellung die Beschreibung der Langue war, werden 16 17 18 19 20 21

2

Vgl. die Zusammenstellung bei Geißner. Z.B. Plett, Ueding. S. dazu Todorov/Ducrot, 89ff., 311 ff. Z.B. Breuer. Z. B. Plett. Vgl. 4.4, auch BeneS 1966/1971. S. 4.4, auch die anderen Arbeiten von Riesel; Fleischer/Michel u. a. Fleischer/Michel 65. Vgl. 4.4. Auch Fleischer/Michel 62f., wo Stilzüge als „semantisch-pragmatisch orientierte Begriffe" gesehen werden.

172

Beschreibungskategorien und Stilbeschreibungen

nur sprachliche Stilelemente beschrieben; der gesellschaftstheoretische Hintergrund wirkt sich noch nicht so aus, daß auch der Beitrag von Handlungsarten zu Stilen beschrieben würde. Gegenüber den vier bis fünf 2 5 funktionalen Stilen werden andere gesellschaftsbedingte Sprachunterschiede in der soziolinguistischen KodeTheorie angenommen. Diese ist jedoch wesentlich zu undifferenziert. Denn es werden nur Unterschiede der Äußerungsarten, o f t auch nur von deren lautlichem Aspekt untersucht; der Handlungsaspekt ist bisher noch unbeachtet. 2 6 8.23 Ebenfalls der Differenzierung der Sprachbeschreibung dienen die Beschreibungen von Sprachvariationen nach „registers" 2 7 und nach Redekonstellationstypen. 2 8 Register werden angenommen aufgrund unterschiedlicher Kombination von drei Merkmalen. Redekonstellationstypen werden beschrieben als unterschiedliche Kombinationen von neun Merkmalen. 2 9 Diese neun Merkmale sind nur bezogen auf die Beschreibung spontanen Sprechens; für die Berücksichtigung hochsprachlichmonologischer Kommunikationsarten müßten sie noch erweitert werden. Das wirft die Frage auf, wieviele Merkmale und welcher Art angenommen werden sollten. Der entscheidende Einwand von meinem Beschreibungsinteresse aus ist aber der: Die Beschreibung von Stilunterschieden nach Korrelationen von Situationsmerkmalen und Sprachverhalten berücksichtigt nicht die Konventionalität und Regelhaftigkeit von Arten sprachlichen Handelns, auch nicht die Veränderbarkeit von Regeln und die Handlungsspielräume von Sprechern (vgl. 7.2). Vielmehr wird mit dieser Art von Beschreibung der Zusammenhang zwischen Situationstyp und entsprechenden Äußerungseigenschaften von Sprechhandlungen als deterministisch beschrieben. 3 0 Das heißt: Den Hintergrund dieser Beschreibungsart bildet die „kausalistische" Wissenschaftsauffassung gegenüber der „intentionalistischen", die hier vertreten wird. 31 25

Je nach Autor. Vgl. aber das Postulat einer „pragmatischen Soziolinguistik" bei Schlieben2 7 Lange 1976, 159f. Dazu auch 6.5. S. den Überblick bei Hess-Lüttich. 2 ® Z. B. Texte 11/1974, 7 - 4 5 ; Steger/Deutrich/Schank/Schütz. Z. B. Steger u. a. 94 f. Dies geht z. B. aus diesem Zitat bei Steger u. a. 92 f. hervor: nämlich „daß redekonstellative Merkmale einen entscheidenden Einfluß auf die Spracherzeugung ausüben, daß sich demnach in Abhängigkeit von unterschiedlichen Redekonstellationstypen unterschiedliche Textsorten ausgrenzen lassen, daß innerhalb einer homogenen Sprechergruppe unterschiedliches Sprachverhalten in Abhängigkeit von Redekonstellationstypen festzustellen ist." Vgl. dazu von Wright.

Stilinventare

173

8.24 Dieser kurze Überblick zeigt, daß verschiedenartige Stilinventare beschrieben werden aufgrund unterschiedlicher Beschreibungsinteressen und theoretischer Voraussetzungen. Auch bei Fach-„Sprachen" dürfte es zweckmäßig sein, die Beschreibung mittels Inventaren vorzunehmen. Denn sie sind in sich vielschichtig 32 und sind beschreibbar mit einer Vielzahl verschiedenartiger Regeln für denselben Handlungszweck. 33 Fachsprachliche Regeln und Muster können mit nichtintendierter Wirkung verwendet werden (vgl. 7.11, vi); sie können auch abweichend mit spezieller Stilwirkung verwendet werden. 34

32 33

Z. B. Seibicke 1975, 67; BeneS 1967, 84. Vgl. Seibicke 1975, 67ff.; Beneä 1966/1971; Möhn 174ff. usw. Möhn gibt (175f.) folgende Bestimmung: „Fachsprachen bilden innerhalb der Gesamtsprache auf einzelne Fachgebiete bezogene, in sich differenzierte Subsysteme, die durch eine charakteristische Auswahl, Verwendung und Frequenz sprachlicher Mittel definiert sind." Diese Bestimmung ist auffallend verwandt mit Stilauffassungen, z. B. mit der des Autorenkollektivs um Michel, wo Auswahl, Frequenz, Verteilung und Kombination sprachlicher Elemente wichtig sind (s. 40f.). - Gülich/Raible 1975, 194 haben auch auf spezielle-Textgliederungsregeln bei fachsprachlichen Textmustern hingewiesen. Dies geschieht z. B. häufig im „Spiegel".

SCHLUSSBEMERKUNGEN

9

Ergebnisse und einige Perspektiven für die Verwendung

Die Intention der Arbeit ist die linguistische Beschreibung von Stilen, die in alltäglichen Kommunikationsformen, Textmustern konventionell sind. Stilistische Konventionen dienen der problemlosen Verständigung: Der Sprecher gibt dem Adressaten damit ständig 1 zu verstehen, daß die Handlung nach einem sozial eingespielten Muster ist.

9.1

Die allgemeineren Ergebnisse: (1) Für die Beschreibung stilistischer Konventionen ist eine Theorie Voraussetzung, deren Kategorien als Konventionen beschrieben werden: als Regeln und Handlungsmuster. Die Sprachhandlungstheorie als Beschreibungsgrundlage ermöglicht eine schlüssige Beschreibung vom Stilelement bis zum Stilmuster. Außerdem ermöglicht eine solche Theorie die Beschreibung der Vielfalt und Variabilität stilistischer Phänomene. Denn die traditionell beschriebenen Stilmittel bilden nur einen kleinen Ausschnitt. (2) Der Gebrauch von Stil wird festgelegt durch 1) die Darstellung von Aspekten des Stilbegriffs und 2) die Entwicklung von Kategorien zur Beschreibung von Stilen. Es wird unterschieden zwischen Stil und Stilbeschreibung. Stilbeschreibungen sind verschieden je nach dem Beschreibungszweck und den Theorien und Methoden, die dafür verwendet werden. Dadurch kann derselbe Stil auf verschiedene Weise beschrieben werden. Aus 3. und 5.2 ergibt sich, daß es auch notwendig ist, zu unterscheiden zwischen Stilmitteln und ihrer Beschreibung. (3) Zusammenfassend kann folgende Stildefinition (vgl. 2.2) gegeben werden: Unter konventionellen Stilen (Gebrauchsstilen) werden verstanden die historisch und sozial bedingt erwartbar fortgeführten (3.12) Zusammenhänge von Handlungs- und Äußerungsarten in größeren Handlungszusammenhängen, den Textmustern oder ihren Teilen. Entsprechend gilt für individuelle Stile, daß sie als unkonventionelle fortgeführte Zusammenhänge von Handlungs- und Äußerungsarten für komplexe

1

D. i. fortführend.

S chlußbemerkungen

Handlungen zu beschreiben sind (3.22). Durch den Begriff der Handlung sind der Bezug auf Sprecher und Adressat, konventionsbezogene Intention und Wirkung, Handlungsvoraussetzungen, der Zusammenhang von Text-Handlung bzw. Textmuster, einzelner Handlung und Äußerung, unterschiedliche Arten von Handlungen (5.2) usw. mit einbezogen. Stil ist damit nicht auf das Sprachliche beschränkt; die Beschränkung auf Äußerungsaspekte erweist sich vielmehr nach 1, 3.5, 5.23, iv und den Beschreibungen in 6. und 7. als zu eng. Bei der Beschreibung von Gebrauchsstilen ist es das Ziel, auch die unauffällig und mehr unterschwellig wirksamen Aspekte zu erfassen. Für die Beschreibung wird die Annahme gemacht, daß das Was und das Wie nicht zu trennen sind. Es wird deshalb nicht nach Inhalt und Form unterschieden. Durch die Unterscheidung von Handlung, Gleichzeitig- und Zusatzhandlung bezogen auf Sprechakt und Text ist es möglich zu präzisieren, was Stilistisches zum Handeln beiträgt: Äußerungseigenschaften können entweder ganz dem Ausdrücken der einzelnen Illokutionsakte dienen oder darüber hinausgehen; ebenso können die einzelnen Illokutionsakte unmittelbar dem Ausdrücken der Textillokution dienen oder aber Handlungseigenschaften aufweisen, die die Textillokution modifizieren oder davon unabhängig Zusätzliches ergeben. Die Beschreibungskategorien basieren auf den Unterscheidungen in Illokution, Proposition und Äußerung der Sprechakttheorie. Stilmittel sind bestimmt durch den Zusammenhang von Handlungs- und Äußerungsaspekt im Formulierungsbegriff. Es wird die These vertreten, daß konventionelle Stile beschrieben werden können über folgende Eigenschaften von Textmustern: die Handlungsarten und ihre Fortführung, fortgeführte Eigenschaften der Äußerungsbedeutungen und andere fortgeführte Eigenschaften der Äußerungen bis hin zu Eigenschaften der Basishandlung. Damit wird ein sehr weiter Stilbegriff (3.5) vertreten; die Beschreibungen in 6. und 7. lassen dies angemessen erscheinen. Die Darstellung der Beschreibungskategorien erfolgt immer als Zusammenhang von Handlungs- und Äußerungsaspekt. Die Kategorien werden teils systematisch entwickelt (5.2 und 8.) und teils anhand von Textbeschreibungen eingeführt (6. und 7.). Die Grundlagen der Darstellung sind die Begriffe Konvention, Handlung und Regel. Es ist dadurch möglich, spezielle stilistische Regeln ebenso zu beschreiben wie allgemein-sprachliche Regeln, die gelegentlich auch stilistisch wirksam angewendet werden

Ergebnisse und einige Perspektiven für die Verwendung

(7)

(8)

(9)

(10)

179

können. Auch sind solche Handlungen und Regeln beschreibbar, bei denen der Konvention gefolgt wird oder bei denen von der Konvention abgewichen wird — bis hin zu Handlungsmustern, zu deren Konvention Regelabweichungen gehören. Auf den Grundbegriffen aufbauend werden verschiedene Arten der Komplexität von Handlungsmustern und Regeln angenommen: von den kleinsten konventionellen Einheiten als Äußerungsteile (einschließlich der Teile der Basishandlungen) über Regeln des Fortführens bis zu sehr komplexen Regeln. Diese sind die Stilmuster einerseits und die Stilinventare andererseits. Stilinventare werden je nach dem Beschreibungsinteresse als verschieden umfangreich oder speziell beschrieben. Für monologische Textmuster wurde in 2.1 angenommen, daß sie nach dem Modell von Sprechakten beschrieben werden können. Die Darstellung in 5.2 zeigt demgemäß Analogien auf zwischen der Beschreibung von einzelnen Sprechakten und von Textmustern. Aus den Beschreibungen in 6. und 7. geht hervor, daß die ursprüngliche Annahme ergänzt werden muß: Die Illokutionen von Textmustern oder Varianten werden modifiziert durch Muster für Gleichzeitighandlungen. Außerdem gibt es, unabhängig von den Illokutionen, Zusatzhandlungen; diese müssen als stilistisch vermittelte Texteigenschaften mit beschrieben werden. Außerdem gehört zur Beschreibung von Textmustern auch, ob Handlungsziele offen oder verdeckt ausgedrückt werden, usw. Es können sehr unterschiedliche Beiträge von Stilaspekten zu Textmustern beschrieben werden. Stile von Textmustern oder Varianten sind beschreibbar als Kombinatorik: als konventionelle fortgeführte Zusammenhänge von unterscheidbaren komplexen Regeln (Inventaren). Auch individuelle Stile können auf der Grundlage der Konventionen als Kombinatorik beschrieben werden. Ob alle Stilarten so beschreibbar sind, müssen weitere Untersuchungen ergeben. Die Beschreibungskategorien ermöglichen durch den in ihnen dargestellten Zusammenhang von Handlungs- und Äußerungsaspekt ein methodisches Vorgehen. Die Fragestellungen lauten: Welche Arten von fortgeführten Handlungen werden mit welchen Arten von Äußerungen oder Äußerungsteilen vollzogen? Und komplementär dazu: Mit welchen Arten von fortgeführten Äußerungen oder Äußerungsteilen werden welche Arten von Handlungen vollzogen? Bei der Beschreibung von Textmustern wird von der ersten Fragestellung ausgegangen; Gleichzeitig-

180

Schlußbemerkungen

und Zusatzhandlungen wie auch individuelle Anteile von Texten nach Textmustern werden über die zweite Fragestellung beschrieben, ebenso wird aus den fortgeführten Äußerungseigenschaften individueller Stile der Handlungscharakter individueller Texte erschlossen. Die Fragestellung dieser Darstellung ist also die, wie konventionelle Stile beschrieben werden können. Wozu die Beschreibungsart dienen kann, dazu zum Abschluß noch einige Hinweise.

9.2

Einige Perspektiven für die Verwendung: (1) Es ergeben sich Kriterien für die Beurteilung von Stilen. In den Kapiteln 5, 6 und 7 wurde unterschieden zwischen Handlung, Gleichzeitig- und Zusatzhandlung. Aufgrund dieser Unterscheidung kann man fragen: Dient der Stil ausschließlich dem Vollzug der Illokutionsakte oder dient er noch anderen Handlungszwecken?

Damit kann ein Stil beurteilt werden nach seiner Komplexität bzw. Verständlichkeit. 2 In den Horoskopen der Bildzeitung zum Beispiel wird gleichzeitig mit dem Voraussagen persuasiv gehandelt und zusätzlich Platz gespart. Sie sind dennoch weniger komplex als die Horoskope des „Stern". Dies ist bedingt 1) durch die Art und Zahl der Handlungsmuster, die verwendet werden, 3 2) durch die verschiedenen Muster für Handlungsabfolgen, 3) durch Stereotypie der Äußerungen, einschließlich der propositionalen Gehalte, gegenüber der Variabilität. Die Gründe für leichte oder schwere Verständlichkeit können auch anderer Art sein. 4 Sie werden aber wohl in der Regel mit Arten von Gleichzeitig- oder Zusatzhandlungen zusammenhängen. 5 Gründe für eine Stilkritik ergeben sich aus den Beschreibungen von Texten nach Mustern (vgl. 6.5, 7.3). Dies ist gerade bei konventionellen Stilen wichtig. Denn aufgrund der Konventionalität sind sie vertraut und wenig durchschaubar (7.12). Da das Was und das Wie in der vorgeschlagenen Beschreibungsart nicht getrennt werden, ermöglicht die Stilkritik auch eine - wenig2

3 4 5

Vgl. Gülich/Raible 1975, 195: „Gerade bei Texten vom Typ der Gerichtsentscheidung, wo einerseits eine weitgehende Konventionalität und andererseits eine beträchtliche soziale Relevanz vorliegt, wäre es nicht unangebracht, ab und zu die Konventionen unter dem Gesichtspunkt der Verständlichkeit zu überprüfen." S. die Beschreibung mittels Erzeugungen in 6.33 und 6.43. Dazu als Beispiel 7.3. Ein interessanter Untersuchungsgegenstand von dieser Fragestellung aus wären die Regeln des guten Stils (vgl. 3.3) und Texte, bei denen diese Regeln befolgt sind.

Ergebnisse und einige Perspektiven für die Verwendung

181

stens partielle - Kritik am Textmuster. Die Konventionen können aufgrund der Kritik auch verändert werden. Es handelt sich somit zwar um eine beschreibende Stilistik, aber Bewertung aufgrund der Beschreibungsergebnisse ist nicht nur möglich, sondern intendiert. Die Bewertungskriterien sind dabei verschieden von denen der tradierten Stilnorm; es sind vor allem kommunikative Kriterien wie Verständlichkeit, Durchschaubarkeit und — s. unter (2) - Lehrbarkeit bzw. Lernbarkeit. (2) Für diejenigen, die die Konventionen aktiv oder passiv beherrschen, die sie gelernt haben, entsteht aus der Komplexität eines Stils keine Erschwernis für das Verstehen. Denn die Konventionalität erleichtert ja gerade das Verstehen wie auch den aktiven Umgang. 6 Aber für diejenigen, die mit komplexen Handlungen nach ihnen ungewohnten Mustern konfrontiert werden, ist die Verständlichkeit erschwert. Die Beschreibungskategorien erlauben die Beschreibung sozialer Unterschiede bei Textmustern (vgl. 6.5). So mündet hier die Stilistik in eine Soziolinguistik 7 der Handlungsmuster. Dabei ergeben sich z. B. folgende Fragestellungen. Aus Kap. 5: Was für Arten von Regeln werden in welchen sozialen Gruppen verwendet? Aus Kap. 8: Welche Inventare mit welchen Regeln als Bestandteilen sind welchen Gruppen geläufig? 8 Aus Kap. 6 und 7: Welche Textmuster oder Varianten sind in welchen Gruppen konventionell? Werden sie aktiv oder passiv beherrscht? Aus Kap. 7: Wie werden individuelle Handlungen vollzogen? Welche Muster gibt es für individuelle Handlungen? 9 Ein anderer Forschungsaspekt, der sich aus der dargestellten Beschreibungsart weiter treiben läßt, ist folgender. Es können Kriterien beschrieben werden für den Erwerb 1 0 von Textmustern. Dadurch und aufgrund der besseren Kriterien für die Beurteilung von Stilen kann die Lehrbarkeit von Stilmustern 1 1 verbessert werden. Dabei sind zwei Teilaspekte wichtig: 1) Handlungsverstehen und -beurteilung durch genaues Erfassen der Formulierungen und 2) Erprobung und kreativer Umgang mit unterschiedlichen Formulierungsarten, ihr Fortführen. Im Rahmen des sekundären Spracherwerbs dürfte es auch wichtig sein zu untersuchen, welche 6

Vgl. 1.3, 7.12. Vgl. zu diesem Zusammenhang von anderen Stilkonzeptionen aus: Spillner 1972. Vgl. die Fach-Inventare, Kap. 8.24. Vgl. poetische Muster; das „Sprachspiel" als Muster in 7.22. Z. B. Pregel. Für den primären Spracherwerb hat Ramge den Zusammenhang von Spracherwerb und dem Erwerb sprachlicher Handlungsmuster dargestellt. Dazu B. Sandig, „Über einige stilistische Besonderheiten schriftlicher Erzählungen von Kindern", erscheint in den Akten der GAL-Tagung Trier 1976.

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Schlußbemerkungen

Handlungsmuster, Äußerungsarten und Formulierungsarten die Schüler außerhalb des Unterrichts beherrschen (vgl. 7.21). (3) Am Beispiel von 7.2 wurde bereits auf Möglichkeiten literarischer Textbeschreibung eingegangen, die durch den vorgelegten Ansatz eröffnet werden. Für individuelle ebenso wie für unindividuelle Textarten wie Trivial- und Gebrauchsliteratur können die Beschreibungskategorien von Nutzen sein. (4) Aufgrund der Beschreibungskategorien ergeben sich schließlich auch Möglichkeiten der kontrastiven Beschreibung von Textmustern in verschiedenen Sprachgemeinschaften: bei historisch bedingten Unterschieden 1 2 und für Übersetzungsprobleme dürften kontrastive Beschreibungen von Textmustern und Inventaren hilfreich sein. Stilinventare ermöglichen so den Vergleich bzw. Erwerb von Handlungsarten über die Grenzen der traditionellen Bereiche der Grammatik hinaus. Damit enthält der dargestellte Ansatz der Stilbeschreibung Anwendungsmöglichkeiten in sehr verschiedenen Forschungsbereichen.

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Dabei stellen sich allerdings die Probleme der Hermeneutik bezüglich fremder Lebensgemeinschaften.

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Personenregister

Im Personenregister ist nicht unterschieden, ob ein Name im Text oder in den Anmerkungen vorkommt. Namen, die ausschließlich im Literaturverzeichnis aufgeführt sind, wurden nicht berücksichtigt. Das Personenregister wurde zusammengestellt von Christel Lauterbach. Abraham, W. 30, 91 Apel, K.-O. 22, 56f. Aristoteles 94, 171 Asmuth, B. 36f., 44, 155 Austin, J. L. 16, 68 Autorenkollektiv (G. Michel) 25, 53, 173 Barthes, R. 14 Bartsch, R. 78 Baumgärtner, K. 76, 95 Beavin, J. H. 84, 140 Becker, H. S. 115 BeneS, E. 53, 171, 173 Bennett, J. 1 1 , 1 7 Berg-Ehlers, L. 36f., 4 4 , 1 5 5 Berger, H. 28, 149 Berlyne, D. E. 88 Betten, A. M. 1 3 , 7 0 Bierwisch, M. 30 Black, M. 10 Bloomfield, L. 86 Brandstetter, A. 142 Braunmüller, K. 30 Breuer, D. 94 f., 171 Brinker, K. 31 Brinkmann, H. 86 Brück, R. 149 Buhr, M. 54 ff. Bulkowski, H. 150 Bürger, H. 152, 154 f. Burton, D. M. 47 f. Caillieux, M. 66 Carstensen, B. 33, 144, 170 Chatman, S. 2 6 , 4 5 , 1 0 6 , 1 5 5 Chomsky, N. 30 Cicourel, A. V. 63

Cohen, T. 69, 85, 147 Coseriu, E. 20, 36, 169 Crystal, D. 155 Culler, J. 33, 35 Daneä, F. 81 Daniels, K. 129 Deutrich, H. 172 van Dijk, T. A. 30 Dressler, W. 73 Ducrot, O. 2 9 , 7 7 , 1 7 1 Eggs, E. 68f., 77, 79 Ehrich, V. 8, 16, 122 Ellis, J. M. 15, 31, 33 Enkvist, N. E. 7, 14, 22, 24, 30f., 37, 40, 49 ff. Fleischer, W. 10, 14, 25, 29ff., 36f., 39, 53, 55f., 140, 171 Franck, D. 6, 8, 16, 122 Fries, U. 81 Gadamer, H.-G. 22 Garvin, P. L. 53 Geißner, H. 95f., 171 Gloy, K. 29, 41 ff. Gregory, M. J. 35, 155 Greimas, A. 31 Grice, H. P. 64, 66, 76 de Groot, A. W. 27 Grzyb. G. 78 Gülich, E. 21, 70. 80f., 146, 149. 170 173, 180, Handke. P. 152 Hare, R. M. 39, 116f., 121 Harig, L. 154f.

Personenregister Harweg, R. 7, 21, 31 Havränek, B. 93 f. Heger, K 80 Hennig, J. 10, 21, 57 Heringer, H. J. 18, 26, 51, 62ff., 7 0 f „ 73, 82, 86f., 107 f., 119, 150, 153, 169 Hess-Lüttich, E. W. B. 172 Hildebrandt, B. F. O. 155 Hindelang, G. 8, 119, 140 Holly, W. 1 2 , 2 3 , 7 0 , 8 4 Huth, L. 10, 13, 21, 57, 81, 99, 106, 113 Iseminger, G. 7 1 , 7 5 Jackson, D. D. 84, 140 Jacobs, R. A. 14, 72 Jakobson, R. 21 23, 27, 31, 37, 88, 94, 146 Juilland, A. 35 Kallmeyer, W. 31, 70, 81 Kamiah, W. 26 Kanngießer, S. 66 Kapp, V. 38, 165 Keenan, E. L. 7, 78 Keller, R. 63, 66 f. Kendziorra, E. 149 Klaus, G. 54 ff. Klein, Sh. 24 Kloepfer, R. 3 2 , 5 7 , 9 4 , 1 3 2 Koch, W. A. 15, 33 Kochan, B. 41 f. Köhler, K. 10 Koller, W. 137 Kopperschmidt, J. 157 Krahl, S. 44 Kuhn, Th. S. 45 Kummer, I. 92 Kummer, W. 68, 97 Kurz, G. 82f., 140 Kurz, J. 44 Labov, W. 24, 49, 73, 97, 159ff. Lange, G. 45, 95, 149 Lauterbach, Ch. 1 4 9 , 1 5 7 Leont'ev, A. H. 41 f. Levavasseur, A. 24, 45 Lévi-Strauss, C. 23, 37 Lewis, D . K . 11, 6 4 f „ 67, 148 Lorenzen, P. 26

195

Lotman, Ju. M. 27 Luhmann, N. 11 Lyons, J. 6 f. Maas, U. 140 Mack, D. 95 Meier, G. F. 85 f. Mey, J. 1 7 , 1 5 2 Meyer, W. J. 24 Meyer-Hermann, R. 31, 70, 7 4 f „ 81,

106

Michaels, E. L. 47 f. Michel, G. 10, 14, 25, 29ff., 36f., 39, 53, 55 f., 140, 171 Mittelberg, E. 170 Möhn, D. 173 Mukaiovsky, J. 16 Öhlschläger, G. 22, 51 f., 65f., 156 Ohmann, R. 12, 1 4 f „ 30f., 33, 47f. Oller, J . W . 71 Oomen, U. 3 0 , 3 2 , 9 4 , 1 7 0 Opalka, H. 61 Pisarkowa, K. 134 f., 168 Plett, H. F. 30, 57, 77, 88, 97, 171 von Polenz, 3 0 , 7 3 , 1 4 7 Posner, R. 78, 157, 160 Pott, W. H. 156 Pregel, D. 42, 181 Raible, W. 21, 70, 80f., 149, 173, 180 Ramge, H. 181 Rath, R. 84 Rehbein, J. 70 Reiners, L. 40 f. Riesel, E. 14, 23, 32, 36, 42, 47, 53ff., 72, 87, 94, 171 Riffaterre, M. 27, 31, 33, 37, 50, 92 Römer, R. 170 Rosenbaum, P. S. 14, 72 Rossipal, H. 29, 34, 43, 72, 146f. Rupp, H. 40 Rychner, J. 168 Saile, G. 8 , 1 6 , 1 2 2 Saltveit, L. 134 Sanders, W. 5, 22, 24f., 36, 43, 52 Sandig, B. 13, 21, 2 4 f „ 31, 34, 40f., 49, 72f., 77, 79ff., 84, 87, 95, 123, 142ff., 181

196

Personenregister

de Saussure, F. 71 von Savigny, E. 76 Schank, G. 172 Schendels, E. 14, 32, 36, 42, 47, 5 2 f f . , 56, 94 Scherner, M. 87, 143 Schlieben-Lange, B. 20f., 57, 63, 106, 140, 172 Schlüter, H. 62, 86 S c h m i d t , S. J. 6 9 f . , 81 Schneider, W. 5 6 Schnelle, H. 4 2 , 64 f. Schütz, A. 56 Schütz, E. 172 Schwitalla, J. 5 Searle, J. R. 6 f . , 16f-, 21, 6 8 f . , 7 5 f f . , 79, 86, 1 2 9 f f . , 1 3 7 f . , 149 Seibicke, W. 40, 173 Seidel, E. 25 Sowinski, B. 22, 24, 144 Spencer, J. 3 5 , 1 5 5 Spillner, B. 30, 86, 88, 94, 98. 181 Spitzer, L. 37 Stankiewicz, E. 95 Steger, H. 4 0 , 172 Straßner, E. 144 Strawson, P. F. 13, 17, 6 3 , 74, 7 7 f . , 156 Süskind, W. E. 3 9 f . , 4 2 Tesnière, L. 109 T o d o r o v , T. 2 9 , 7 7 , 1 7 1 T o u l m i n , S. 1 6 3 f f . T r a b a n t , J. 155

Ueding, G. 40, 90, 144, 159f., 165, 171 Ullmann, S. 29, 32, 36 f., 5 6 Ullstein ( L e x i k o n ) 24 Ungeheuer, G. 7 1 , 1 4 8 , 1 5 1

Vachek, J. 5 3 Vaugelas 54 van de Velde, R. G. 22 Villiger, H. 4 0 Völzing, P.-L. 5, 2 0 f .

Wahrig, G. 24 Warren, A. 155 Watzlawick P. 84, 140 Weinrich, H. 167 Wellek, R. 155 Werlich, E. 21 Wienold, G. 23, 57, 88, 95, 9 7 f . Wimmer, R. 41, 77, 100, 108, 111 Winch, P. 6 6 f. Winter, W. 37 Wittgenstein, L. 65 f., 82, 88, 140, 149, 154 von Wright, G. H. 20, 56, 61 ff., 69, 71, 73, 75, 172 Wunderlich, D. 6, 13, 15, 21, 24, 26, 61 f., 6 4 f . , 6 8 f . , 7 4 f f . , 103, 1 0 5 f f . , 117, 119, 138, 140, 157, 163

Ziff, P. 6 f f . , 16

Sachregister

Bei den Angaben ist zwischen Text und Fußnoten nicht unterschieden. Das Sachregister wurde erstellt von Christel Lauterbach. Abweichen (Abweichung) 30f., 33, 36, 63, 66f., 71 ff., 76, 8 7 - 9 3 , 94ff., 106, 153, 156 Adjektivsatzmuster s. Satzmuster 109, 116, 122 Äußerung 6 - 1 5 , 20, 61, 71, 92, 137, 167, 178 f. Äußerungsabfolge 88, 120 Äußerungsakt 9ff., 68 Äußerungsart 11 ff., 15, 19, 96, 1 0 8 - 1 1 1 , 123, 1 2 6 - 1 2 9 , 177 Äußerungsaspekt 20, 23, 178f. Äußerungsmuster 23, 33, 96, 99, 148f. Äußerungstyp 6, 9ff., 15, 7 1 - 7 6 , 78ff., 82, 115, 124f. Äußerungsweise 23, 33, 143 Akkumulation 96 Alliteration 85, 145 Alternative 29f., 107 stilistische - 7f., 10, 13, 29f., 37, 49 f. Anakoluth 95 Analogie 31, 33 Anapher 95 Anrede 109 Anspielung 160, 164 Antithese 95 Argumentieren (Argumentation) 89, 97, 134, 157 f., 1 6 3 - 1 6 5 Attribut 109 f., 161 Auffälligkeit 3 1 , 9 4 „automatization" 16, 9 3 f. Basishandlung s. Handlung 10, 62, 68, 71, 73, 85, 105, 110, 122, 139, 151, 167ff., 178f. Behaviorismus 27, 41 Bericht s. Polizeibericht, Sportbericht 144 f.

Beschreibung s. Handlungsbeschreibung, Sprechaktbesclireibung, Stilbeschreibung, Stilmittelbeschreibung, Textbeschreibung, Regelbeschreibung 13, 1 8 - 2 4 , 29, 32, 57, 6 1 - 6 4 , 69 Methode der - 26, 46ff., 55ff., 179 Beschreibungskategorien 5 f., 12, 19, 21 f., 24, 61 ff., 67ff., 98, 115, 126, 1 3 6 - 1 4 0 , 144, 148, 151, 156, 165, 169, 178 f., 181 f. Bewerten (Bewertung) 11, 27, 38ff., 85, 97, 114ff., 129, 137, 145, 148, 15 7 f., 1 5 9 - 1 6 2 , 163ff., 167, 181 Bildlichkeit 164 Büdzeitung 11, 99, 101, 103ff., 1 0 8 - 1 2 6 , 128 ff., 137 ff., 143, 169, 180 Chiasmus 95, 153 Comic 170 Correctio 95 Dialog s. Textmuster, dialogisches 24, 34, 70, 80f., 146, 167 Dialogismus 96 Direktiv („directive") 130ff., 134, 136 Doppeldeutigkeit 123, 152f., 155 Einflechtung 96 Ellipse s. Ersparung, Sprachökonomie 95, 123, 138 Elocutio 29, 165, 171 Enallagé 95 Epanalepse 95 Epitheton 159

198

Sachregister

Ersparung s. Ellipse, Sprachökonomie 109f., 119, 12 2 f., 168 Erwartung 11, 64 Erzählung 80, 97, 146, 159f., 181 Erzeugung 62, 107f., 115, 124, 129f., 138 Expressiv („expressive") 130ff., 134, 136 Fachsprache 17 3 f. Feuilleton 80 „foregrounding" 16, 93f. Formulierung 11, 13f., 15f., 19f., 23, 2 6 , 4 3 , 5 6 , 6 7 , 6 9 , 7 4 , 9 3 , 106ff., 115, 124, 128f., 132f ., 167, 178 Formulierungsart 16ff., 19, 23, 88, 96, 107, 1 0 8 - 1 2 6 , 1 2 6 - 1 3 6 , 167 ff. Formulierungsmuster 19f., 22f., 26, 32, 35, 44, 56, 69, 96, 99, 1 0 8 - 1 2 6 , 1 2 6 - 1 3 6 , 137, 142, 144, 148f., 166 f. Formulierungsweise 16f., 23, 32, 35, 4 3 , 4 6 , 145, 150f. Fortführen 10, 32f., 43, 67, 77, 8 7 - 9 3 , 94f., 98, 141, 143ff., 148, 153, 155, 166 ff., 178f. Fremdwort 145, 153 Führungsstil s. Stil 15 Gebrauchsstil s. Stil 5, 27, 177f. Gebrauchstext s. Text 5, 11, 156 Geminatio 95 Gesetzestext 1 1 , 7 7 , 1 4 5 Gespräch, spontanes s. Spontanes Sprechen 11, 1 4 5 - 1 4 7 Gleichzeitighandlung s. Handlung 82ff., 86, 92f., 103, 117ff., 120f., 126, 132, 135, 139, 1 4 1 - 1 4 9 , 151 f -, 161, 1 6 2 - 1 6 4 , 166 ff., 170, 178ff. Gleichzeitighandlungsmuster s. Handlungsmuster 8 2 - 8 7 , 1 4 1 - 1 4 9 Gliederungssignal 80f., 146. Handeln, sprachliches 11 ff., 18, 21 f., 3 2 , 5 6 , 72, 98, 172 Handlung s. Basishandlung, Gleichzeitighandlung, Teilhandlung, Zusatzhandlung 1 1 , 2 0 , 2 3 , 6 1 - 6 4 68f., 96, 112, 121, 130, 148, 156, 167, 172, 178ff. Abfolge von -en s. Sprechhandlungsabfolge, Sprechaktabfolge,

Sequenz, Verkettung 1 2 , 8 8 , 107, 113, 1 1 9 - 1 2 2 , 123, 136f., 140, 145, 168 Art von - U f f . , 15, 19, 96, 177 Begriff 61, 138, 178 individuelle - 1 7 , 2 3 , 3 2 , 6 4 konventionelle - 17ff., 23, 32 literarische - 1 5 1 - 1 5 6 persuasive - s. Persuasion sprachliche - s. Handeln, sprachliches 6, 9, 63f. stilistische - 68 Handlungsbeschreibung s. Beschreibung 57, 6 1 - 6 4 , 69, 99 Handlungsmuster 57, 6 1 - 6 4 , 66f., 70, 74, 7 6 - 8 2 , 87, 90, 93ff., 96, 107 149, 152, 1 6 7 f „ 177, 179 stilistisches - 9 3 - 9 6 Hermeneutik 22, 27, 47, 63f., 181 Horoskop 9 9 - 1 0 5 , 1 0 8 - 1 4 0 , 143, 156f-, 168, 180 Hypotaxe 137 Illokution (Illokutionskraft) 6ff., 11, 13, 15, 21, 33, 72, 74, 76ff., 82, 85 f., 88, 100, 1 0 5 - 1 0 8 , 143, 178f. Indikator s. Erzeugung 13, 106 Imperativ 109, 113, 117ff., 120ff., 128, 134 Innovation 32, 37 Intention 6 2 f f „ 69, 93, 148, 166f., 178 Inversion 95 Ironie 82f., 160f., 164 Klimax 95 Kochrezept 77, 81 f., 95 Kommentar, politischer 67, 142, 145, 156-166,169 Kommissiv („commissive") 132 Kompetenz 67 stilistische - 5, 24 Kompositum 110 Konditionalsatz 134 f. Konnotation 29, 32, 55, 72, 146f. Konvention 5, 11, 17ff., 22, 27, 36, 41 f., 44, 56f., 63, 6 4 - 6 5 , 67, 71 ff., 94, 96, 137, 139, 142ff., 145, 147 ff., 156, 164, 166, 168ff., 179 ff. Definition 64 f.

Sachregister Konversationspostulate s. Toleranzprinzip 20, 66, 76, 97, 140 Kurzsatzmuster s. Satzmuster 124, 137 Langue 2 7 , 3 7 Lexem, Beschreibung von -en 72 Metaphorisieren (Metapher) 29f., 67, 8 5 , 9 1 , 145, 160 Monolog s. Textmuster, monologisches 81 Nachrichten 142, 144 Negation 159 Nominalgruppe 1 0 8 , 1 1 1 Nominalsatzmuster s. Satzmuster 80, 90, 109, l l l f . , 114, 116, 122 Norm s. Rechtschreibnorm, Stilnorm 11, 41 f. Begriff 29 Obligation (Verpflichtung) 1 7 , 1 0 0 , 103, 115, 119 ff., 125 f., 129, 133, 136 ff., 156 Ornatus 86 Paradox 152f. Parallelismus 88, 95 Paraphrase 30, 78, 118, 124f., 133, 135, 138 Parataxe 137 Parole 27, 37 Periphrase 89, 95 Persuasión 1 3 4 - 1 3 6 , 137, 139f., 148, 157, 168, 170 Phraseologismus (Redewendung) 77, 90, 127 ff., 136f. Pleonasmus 83f., 88 Polizeibericht 81 Prädizieren (Prädikation) 6f., 76ff-, 81, 83ff., 89f., 93, 100, 108ff., 1 1 1 - 1 1 5 , 12 3 f., 127 ff., 135, 137 ff., 159 ff. Präsupposition 7, 20, 78, 80, 82f., 89, 112, 116, 121, 128, 130, 135, 160, 163 Pragmatik 22, 27f., 57 Pronomen 127 f. Proposition 6, 76, 135, 137, 160, 178 Propositionale Einstellung 6, 74, 79, 105, 108, 130

199

Propositionaler Akt 75, 93, 108, 135 Propositionaler Gehalt 6, 9, 13, 15, 2 0 f . , 4 3 f . , 81, 84, 99f., 105, 1 1 1 - 1 1 5 , 119 ff., 123, 125, 128f., 143 Rechtschreibnorm s. Norm 150 f. Redekonstellationstyp 172 Redestil s. Stil 15 Redewendung s. Phraseologismus Referieren (Referenz) 6ff., 72, 76ff., 81, 83, 90, 93, lOOf., 1 0 8 - 1 1 1 , 118 f., 12 3 f., 1 2 6 - 1 2 8 , 135, 137 ff., 158, 160 ff., 168 ff. Regel 5, 12ff., 19, 22, 33, 49f., 57, 6 5 - 6 7 , 68ff., 7 1 - 7 3 , 77, 79f., 82ff., 86ff., 90f., 93, 95ff., 149f., 154ff., 167 ff., 171 f., 177 ff. Begriff 73 Definition 65 ff. lexikalische- 71 ff., 103 morphologische - 73 stilistische - 9 3 - 9 6 , 97, 144, 155 syntaktische - 34, 71 ff., 154 System von -n 97 Regelbeschreibung 66 „registers" 32, 172 Reim 88 Rekurrenz 31 Relativsatz 131 Relevanzabstufung 78, 131, 135, 160, 162 Repräsentativ („representative") 130ff. Rhetorik 29, 32, 40, 46, 144, 165, 171 Satz s. Konditionalsatz, Relativsatz, Verbalsatz Satzmuster s. Adjektivsatzmuster, Kurzsatzmuster, Nominalsatzmuster 72ff., 7 9 f , 82, 110, 112ff., 123, 128, 138, 15 3 f., 168 Satzzeichen 1 1 0 , 1 2 3 Schlagzeile 34, 80, 142 Schließen (Schluß) 7f., 66, 75, 91 f., 106, 110, 119, 155 Schreibstil s. Stil 15 Semantik 14. 65 f. Semiotik 57 Sequenz 1 1 9 - 1 2 2 , 138, 170 Soziolinguistik 57, 140, 148, 172, 181

200

Sachregister

„Spiegel" 1 1 , 6 7 , 9 1 , 144f., 165, 169, 173 Spontanes Sprechen s. Gespräch, spontanes 9ff., 13f., 34, 72f., 79, 83f., 128, 144, 162, 169f., 172 Sportbericht 145 Sprachanalytische Philosophie 22 Spracherwerb 181 Sprachhandlungstheorie s. Handeln, sprachliches; Handlung, Pragmatik, Sprechakttheorie 6 1 - 9 8 Sprachökonomie s. Ellipse, Ersparung 137, 142f., 148, 167 ff. Sprachspiel 154 f. Sprachstil s. Stil 15 Sprechakt 8ff., 13ff., 17, 30, 33f., 6 8 - 7 1 , 7 3 - 7 6 , 77ff., 82, 84, 96, 106, 108, 163, 178 f. Typologie 129ff., 137 f. Sprechaktabfolge s. Sequenz, Sprechhandlungsabfolge, Verkettung 9, 15. 30, 99, 121, 138 Sprechaktbeschi jibung s. Beschreibung 21, 68f., 72 Sprechakttheorie s. Sprachhandlungstheorie 15, 18, 31, 73, 88, 96, 108, 178 Sprechhandlung s. Handeln, sprachliches; Sprechakt Sprechhandlungsabfolge s. Sequenz, Sprechaktabfolge, Verkettung 1 1 9 - 1 2 2 , 134, 138, 145 Sprichwort 90, 128f., 137 „Stern" 9 9 - 1 0 3 , 105, 110, 1 2 6 - 1 3 6 , 137 ff., 157, 168 ff., 180 Stil (Gebrauch, Bedeutung von) 5, 2 4 - 2 7 , 29, 3 4 - 3 8 , 4 3 - 4 7 , 56, 63, 65 ff., 177 Stil s. Führungsstil, Gebrauchsstil, Redestil, Schreibstil, Sprachstil, Telegrammstil, Variationsstil, Verhandlungsstil Begriff 23, 2 4 - 2 8 , 2 9 - 4 4 , 4 5 - 4 7 , 178 Bewertung von - 27f., 38f., 43f., 180 f. Definition 5ff., 12, 25 f., 27ff., 36, 43ff., 4 7 - 4 9 , 53, 56f., 177f. funktionaler - 36, 53 ff., 171 individueller - 5, 27, 32, 38, 40f., 44, 1 4 9 - 1 5 6 , 1 5 6 - 1 6 6 , 170, 177, 179 f.

konventioneller - 5, 21, 23, 26f., 29,32, 44, 6 7 , 9 7 , 1 4 1 - 1 4 9 , 1 5 6 - 1 6 6 , 177 f., 180 literarischer - 5, 182 Stilbeschreibung s. Beschreibung 15, 21 f., 26, 29ff., 3 5 , 4 4 , 4 5 - 5 7 , 61 ff., 69, 71, 99, 138f., 149, 177, 182 Stilfigur 62, 68, 88, 95 ff. Stilinventar 1 6 7 - 1 7 3 , 1 7 9 , 1 8 2 Stilistik deskriptive - 27, 44, 52f., 56 Gegenstand der 14, 24, 35 linguistische - 5, 22, 45, 49, 52 155 f. literaturwissenschaftliche - 155 f. präskriptive - 40, 44, 52ff., 56 Stilmittel (Stilelement) 19, 24f., 2 9 - 3 5 , 36, 43, 51, 62, 69, 97, 171 f., 177 lautliche - 31, 88 lexikalische - 30f., 71 ff., 77, 80, 8 8 , 9 2 , 9 6 , 103, 152f„ 159, 161 f. morphologische - 30f., 71, 73 syntaktische - 30f., 34, 71 ff., 77f., 88, 96, 161 f. Stilmittelbeschreibung s. Beschreibung 2 9 - 3 5 , 69, 171, 177 Stilmuster 23, 28, 34, 42f., 138, 141, 147 ff., 166, 168 ff., 177, 179, 181 Stilnorm s. Norm 29, 3 9 - 4 2 , 44, 150 ff., 162, 171, 180 f. Stilregel s. Regel, stilistische Stilwirkung s. Wirkung 69, 94, 96, 144, 148, 173 Strukturalismus 2 7 , 3 1 , 5 0 , 8 8 Superlativ 159f. Symptomfunktion 146 f. Synonymie 29, 48 Syntax, generative 72f. Teilhandlung s. Handlung 15, 77f., 84, 86, 96f., 142, 167 Teilhandlungsmuster s. Handlungsmuster 7 6 - 8 2 , 93 Teiltext s. Text 80f. Teiltextmuster s. Textmuster 82, 9 9 - 1 0 5 , 107, 142f. Telegramm 11, 141 f. Telegrammstil s. Stil 11, 142

Sachregister

201

Text s. Gebrauchstext 19f., 37, 43, 69, 80f., 97f., 107f., 178 Begriff 25 religiöser 145 Textbeschreibung s. Beschreibung 32 Text-Handlung s. Handlung 20, 32f., 69f., 76, 94, 96, 98, 108, 136, 149ff., 154 f., 164 ff., 167 Textmuster 19ff., 23f., 26, 28, 33, 43, 67, 6 8 - 7 1 , 80ff., 86f., 96ff., 99, 105, 107, 111, 119f., 124 f., 133, 137, 1 4 1 - 1 4 9 , 166, 167ff., 173, 17 7 ff., 181 f.

Variationsstil s. Stil 7 Variieren 7, 8 7 - 9 3 , 94ff., 121, 126, 137, 151, 15 3 f., 162 Verbalsatz 123 f., 168 Verbalsubstantiv 80, 127 f. Vergleich 160 Verhandlungsstil s. Stil 15 Verkettung 1 1 9 - 1 2 2 , 136ff. Verpflichtung s. Obligation Verständlichkeit 180 f. Verstehen 17ff., 22, 63f., 76, 91, 93, 140f., 151, 1 5 4 f , 166, 181

dialogisches - 21, 23f., 70 monologisches - 21, 23, 70, 96, 179 Textillokution s. Illokution 81 f., 87, 94, 9 9 - 1 0 5 , 106f., 119, 121, 123, 139, 142, 144 ff., 14 7 f., 151, 1 5 7 - 1 5 9 , 178f. Textprädikation s. Prädizieren 81 Textreferenz s. Referieren 81 f. Textsorten 19, 21, 70, 149, 172 Textlinguistik 22, 57, 70 Thema - Rhema 73, 79 Toleranzprinzip s. Konversationspostulate 66, 97 Transformationsgrammatik, generative 14, 30, 48, 72f.

Wahl, stilistische 7, 3 6 f f , 49, 170f. Werbung 80, 90, 92f., 156 Wetterbericht 82, 87, 95, 142ff. Wiederholen (Wiederholung) 29, 8 7 - 9 3 , 94ff., 103, 120, 126, 137, 151 Wirkung s. Stilwirkung 62, 69, 76, 85, 88, 94, 123, 126, 143f., 147f., 163, 167, 171, 173, 178 Wissenschaftstheorie 22, 29, 45, 52, 54, 56f. Wortbildung 73, 85, 88, 145, 160 Wortfeld 66, 169 Wortspiel 67, 83 Wortstellung 7, 73, 79

Valenz 100 Valenztheorie 108 Variante 25, 86f., 9 9 - 1 0 5 , 111, 124, 126, 128, 136 ff., 139, 141 143, 148, 169, 179 Variation 29

Zeugma 95 Zusatzhandlung s. Handlung 82ff., 87, 95, 103, 1 2 1 - 1 2 3 , 126, 132, 137, 139, 1 4 1 - 1 4 9 , 1 6 1 , 1 6 2 - 1 6 5 , 1 6 7 f „ 170, 17 8 ff. Zusatzhandlungsmuster s. Handlungsmuster 8 2 - 8 7 , 93f., 139, 1 4 1 - 1 4 9

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Walter de Gruyter Berlin-Newark Grundlagen der Kommunikation Foundations of Communication

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Handlung, N o r m und Intention Untersuchungen zur deontischen Logik Oktav. X X I X , 158 Seiten. 1977. Kartoniert DM 28,— ISBN 3 11 004930 9 (de Gruyter Studienbuch)

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Einführung in die intensionale Semantik Oktav. X I I , 187 Seiten. 1976. Kartoniert DM 28,— ISBN 3 11 00668 4 X (de Gruyter Studienbuch)

M a x J. Cresswell

Die Sprachen der Logik und die Logik der Sprache Oktav. Etwa 320 Seiten. Kartoniert etwa DM 28,— ISBN 3 11 004923 6 (de Gruyter Studienbuch)

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Konsequenzen kritischer Wissenschaftstheorie Oktav. Etwa 300 Seiten. 1977. Kartoniert etwa DM 28 — ISBN 3 11 007079 0 (de Gruyter Studienbuch)

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Konventionen Eine sprachphilosophische Abhandlung Oktav. X, 368 Seiten. 1975. Kartoniert D M 28,— ISBN 3 11 004608 3 (de Gruyter Studienbuch) Preisänderungen vorbehalten

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History of Linguistic Thought and C o n t e m p o r a r y Linguistics 1976. Large-octavo. X, 816 pages. Cloth D M 180, ISBN 3 11 005818 9 (Library Editions)

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D i e dreiwertige Logik der Sprache Ihre Syntax, Semantik und Anwendung in der Sprachanalyse O k t a v . Etwa 300 Seiten. 1977. Gebunden DM 74, ISBN 3 11 006989 X

Sprachwandel Reader zur diachronischen Sprachwissenschaft O k t a v . X, 368 Seiten. 1975. Kartoniert D M 28,— ISBN 3 11 004330 0 (de Gruyter Studienbuch)

Maschinelle Sprachanalyse Beiträge zur automatischen Sprachbearbeitung I O k t a v . V I I I , 262 Seiten. 1976. Kartoniert D M 32,ISBN 3 11 005722 0 (de Gruyter Studienbuch)

Peter Eisenberg (Hrsg.)

Semantik und künstliche Intelligenz Beiträge zur automatischen Sprachbearbeitung II O k t a v . V I I I , 244 Seiten. 1977. Kartoniert DM 32,ISBN 3 11 005721 2 (de Gruyter Studienbuch) Preisänderungen vorbehalten