Österreichs Aristokratie im Vormärz: Herrschaftsstil und Lebensformen der Fürstenhäuser Lichtenstein und Schwarzenberg [Reprint 2019 ed.] 9783110655360, 9783486476316


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German Pages 250 [252] Year 1973

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INHALT
VORWORT
1. WIRTSCHAFTSSTIL UND VERMÖGENSBILDUNG
2. DER ADELIGE HOFSTAAT
3. DIENSTRECHTLICHE VERHÄLTNISSE ADELIGEN PERSONALS
4. ERZIEHUNGSFORMEN
5. TÄTIGKEITSBEREICHE UND POLITISCHE EINSTELLUNG
6. LEBENSSTIL
7. WOHNSTRUKTUREN UND WOHNKULTUR
8. BAUFORMEN UND GARTENKUNST
9. ADELIGES MÄZENATENTUM UND KARITATIVE LEISTUNGEN
ANHANG
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
PERSONEN- UND ORTSREGISTER
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Österreichs Aristokratie im Vormärz: Herrschaftsstil und Lebensformen der Fürstenhäuser Lichtenstein und Schwarzenberg [Reprint 2019 ed.]
 9783110655360, 9783486476316

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STEKL • ÖSTERREICHS ARISTOKRATIE IM VORMÄRZ

SOZIAL-

U N D WIRTSCHAFTSHISTORISCHE

STUDIEN

Herausgegeben von A L F R E D H O F F M A N N und M I C H A E L

MITTERAUER

Institut für Wirtschafts- und Sozialgesdiidite Universität Wien

Wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte steht heute in einem besonderen Spannungsfeld. D i e Geschichtswissenschaft erkennt immer klarer die Bedeutung gesellschaftlicher Grundlagen für die Beantwortung ihrer Fragestellungen. Traditionelle Themen müssen unter diesem Aspekt neu durchdacht werden. Von Seiten der Sozialwissenschaften erfährt die historische Dimension stärkere Beachtung — ein reiches Aufgabenfeld für die ihr nahestehenden historischen Teildisziplinen. Die „Sozial- und wirtschaftshistorischen Studien" bemühen sich um einen möglichst weiten thematischen Rahmen. Sowohl Spezialuntersuchungen wie Uberblicksdarstellungen werden Aufnahme finden. Neuzeitliche und mittelalterliche Arbeiten sollen einander das Gleichgewicht halten. Von Problemstellung und Quellenlage her ergibt sich insofern ein räumlicher Akzent — im Mittelpunkt stehen Österreich und seine Nachbarländer —, als die veröffentlichten Untersuchungen in erster Linie aus der Forschungsarbeit am Institut für Wirtschafts- und Sozialgesdiidite der Universität Wien hervorgehen.

HANNES STEKL

ÖSTERREICHS ARISTOKRATIE IM VORMÄRZ Herrschaftsstil und Lebensformen der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg

R. OLDENBOURG VERLAG M Ü N C H E N 1973

© 1973 by Verlag für Geschichte und Politik Druck: R. Spies & Co., 1050 Wien Einband: Renate Usdian-Boyer ISBN 3-486-47631-9 Audi erschienen im Verlag für Geschichte und Politik Wien ISBN 3-7028-0059-X

INHALT VORWORT

9

1. WIRTSCHAFTSSTIL U N D VERMÖGENSBILDUNG Entstehung und Umfang der liechtensteinischen und schwarzenbergischen Herrschaftskomplexe — Gütererträgnisse — Reformen in Land- und Forstwirtschaft — Robot und Ablösungsprojekte — Gründung von Industriebetrieben — Wirtschaftliches Engagement und adeliges Wertsystem — Vermögensverhältnisse und Finanzgebarung — Einkünfte von Familienmitgliedern

11

2. DER ADELIGE HOFSTAAT

39

Organisation und Personal der Zentralverwaltungsstellen — Hofkanzleien — Hauptkassen — Bauämter — Buchhaltungen — Leitende Beamtenpersönlichkeiten — Der aristokratische Haushalt — Kammern — Haushofmeisteramt — Stallämter 3. D I E N S T R E C H T L I C H E VERHÄLTNISSE ADELIGEN PERSONALS

64

Unterschiedliche Rechtsgrundsätze für Beamtenschaft und Dienstboten — Aufnahme und Beförderung — Dienstpflichten — Dienstrechte — Barbezüge — Holzdeputate — Verpflegung — Diäten — Dienstwohnungen — Livreen — Zulagen — Beurlaubung — Pensionierung — Patriarchalische Versorgungstradition — Kontinuität und Zerfall des „ganzen Hauses" 4. ERZIEHUNGSFORMEN Das öffentliche Erziehungssystem im vormärzlichen Österreich — Der Lehrplan für Johann Adolf II. Schwarzenberg — Ausbildung der Agnaten — Erziehungspersonal

103

6

Inhalt — Kavalierstouren und Universitätsstudium — Einflußbereiche der Eltern — Unterricht für Töchter aus Adelsfamilien

5. T Ä T I G K E I T S B E R E I C H E U N D EINSTELLUNG

POLITISCHE 116

Funktionen des Primogenitus — Karrieren von Agnaten in Militärdienst, Diplomatie und Verwaltung — Geistliche Berufe — Dynastisches Bewußtsein der Aristokratie — Taktik politischer Initiativen 6. L E B E N S S T I L

128

Rangordnung am Wiener H o f — Die „erste" und „zweite Gesellschaft" Wiens — Etikette und Aufbau der „Soziet ä t " — Tagesablauf in adeligen Häusern — Besuchszeremoniell — Diners — Abendgesellschaften — Theater — Ballfeste — Aufenthalt auf den Herrschaften — Jagden — Reitsport — Festtage 7. W O H N S T R U K T U R E N U N D W O H N K U L T U R . . Raumfunktionen und innerfamiliäre Beziehungen — Repräsentationsgemächer — Privaträume — Dienerzimmer — Stallungen — Reitschulen — Innenausstattung — Reduzierung des Hausbesitzes in der Residenz

158

8. B A U F O R M E N U N D G A R T E N K U N S T

173

Das Vorbild der englischen Präromantik — Anlage von Landschaftsgärten — Neugotische Schloßbauten — Politische, sozioökonomische und psychologische Faktoren — Biedermeiergärten — Haus- und Wintergärten 9. A D E L I G E S M Ä Z E N A T E N T U M U N D LEISTUNGEN

KARITATIVE

Förderung von Kunst und Wissenschaft als Elemente alter Adelskultur — Gemäldegalerien — Bibliotheken — Sammlungen von Kupferstichen, Mineralien, Münzen, Musikalien, Kartenwerken, Autographen, Bildhauerarbeiten und kunstgewerblichen Gegenständen — Musikschaffen — Theaterwesen — Vereinsunterstützung — Armenfürsorge

185

Inhalt

7

ANHANG 1. Stammtafel der regierenden Linie des Fürstenhauses Liechtenstein

214

2. Stammtafel der Primogenitur des Fürstenhauses Schwarzenberg

215

3. Stammtafel der Schwarzenberg

216

4. Vermögensstand genitur 1820

Sekundogenitur der

des

Fürstenhauses

schwarzenbergischen

Sekundo217

5. Jährliche Einnahmen und Ausgaben der schwarzenbergischen Sekundogenitur 1820

218

6. Jährliche Auslagen der Sekundogenitur aufgrund der Testamentsbestimmungen von Karl I. Fürst Schwarzenberg

219

7. Besoldungssystem des fürstlich Liechtensteinischen Herrschaftspersonals (1837)

220

8. Laufbahn von Beamten der fürstlich Liechtensteinischen Hofkanzlei in Wien

222

9. Livreeschema der minderen Dienerschaft des Hauses Schwarzenberg (1835)

223

10. Dienstwohnungen von Angestellten des Fürstenhauses Liechtenstein (1837)

224

QUELLEN- U N D LITERATURVERZEICHNIS

225

. . .

1. Archivalisdie Quellen

225

2. Gedruckte Quellen und Literatur

227

PERSONEN- U N D ORTSREGISTER

239

VORWORT Die vorliegende Untersuchung stellt die überarbeitete und gekürzte Fassung einer Dissertation dar, welche unter dem Titel „Grundlagen, Formen und Ausdruck adeligen Lebensstils im Vormärz. Zur Geschichte der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg" im Sommersemester 1969 von der philosophischen Fakultät der Universität Wien angenommen wurde. Die Arbeit ist als Beitrag zur Analyse der adeligen Führungsschicht Österreichs in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gedacht. In diesem Zeitraum sind bereits Ansätze zu jener Entwicklung faßbar, welche die Aristokratie als privilegierte Eliteformation in der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft untergehen ließ. Am Beispiel der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg, die an Reichtum, Ansehen und Einfluß zu den führenden Vertretern des österreichischen Hochadels zählten, sollen Verhaltensformen und Reaktionen der feudalen Oberschicht in einer sich langsam anbahnenden Konfliktsituation geschildert werden. Wien, im November 1972

Hannes Stekl

1. W I R T S C H A F T S S T I L UND VERMÖGENSBILDUNG Die verfassungsrechtliche und wirtschaftliche Machtstellung des Adels der österreichisch-ungarischen Monarchie beruhte bis 1848 zu einem wesentlichen Teil auf seinem Grundbesitz und sämtlichen damit verbundenen Rechtsbefugnissen. Verschiedene Ursachen waren für die Entstehung umfangreicher Herrschaftskomplexe maßgeblich gewesen. Anfang des 17. Jahrhunderts hatte die Gründung von Familienfideikommissen nach spanischen Vorbildern auch im österreichischen Raum Eingang gefunden. Es entstanden damit unveräußerliche und unteilbare „gebundene" Vermögen, die in der Familie des Stifters einer bestimmten Erbfolge unterworfen waren und nur mit Zustimmung des Landesfürsten und aller Agnaten bis zu einem Drittel des gerichtlichen Schätzwertes belastet werden konnten. Ihr Hauptzweck lag in der Kapitalakkumulation, vornehmlich in Form von Landbesitz, als Schutz gegen Verschuldung und Besitzaufsplitterung bei Erbteilungen 1 . Solche Erwägungen waren offenbar für einen der ältesten derartigen Verträge, das Übereinkommen zwischen den Brüdern Karl, Maximilian und Gundacker von Liechtenstein vom 29. September 1606, maßgeblich 2 . Bei der Schaffung von Majoraten wieder wirkten realpoli-

1 Vgl. dazu die Artikel „Fideikommiß" im Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 3, 1961, 522 f.; Staatslexikon Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, hrsg. v. d. Görres-Gesellsdiaft, 3, 6 1 9 5 9 , Sp. 264 ff.; Ernst Mayrhofers Handbuch für den praktischen Verwaltungsdienst, hrsg. v. Anton Pace, 5, 1901, 164 ff.; Ernst Misdiler - Josef Ulbrich, ö s t e r reichisches Staatswörterbuch, 2, 2 1896, 21 ff. 2 Der Vertrag betraf die Güter Feldsberg, Herrnbaumgarten, Hohenau, Mistelbach, Rabensburg und Ringelsdorf in Österreich unter der Enns sowie Eisgrub, Plumenau und Proßnitz in Mähren. Dieser Besitz sollte — vorerst nodi aufgeteilt auf die drei Brüder — nach dem Aussterben einer Linie nebst anderen Vorrechten dem ältesten Sohn aus der Linie des Erstgeborenen Karl zufallen. Näheres bei Falke, Liechtenstein, 2, 129 ff. — D a Fürst Maximilian ohne Nachkommen geblieben war und die Linie des Fürsten Karl 1711 ausstarb, ging die Regierung

12

Wirtsdhaftsstil und Vermögensbildung

tische Überlegungen sowie das Streben nach Hebung des Ansehens des Gesamthauses als starke Motive. S o trachtete Ferdinand Fürst Schwarzenberg (1652—1703), durch die testamentarische Stiftung von Majoraten die Gründung zweier reichsständischer Häuser durchzusetzen, indem er die reichsunmittelbare Herrschaft Gimborn-Neustadt mit der steirischen Besitzung Murau einem künftigen zweitgeborenen Sohn aus seinem Hause vorbehielt 3 . Schenkungen und Belehnungen für loyale Haltung gegenüber dem Herrscherhaus, vorteilhafte Heiratsverbindungen, günstige Erbschaften sowie eine planvolle und dynamische Erwerbspolitik trugen weiters zur raschen Vergrößerung des Güterbesitzes bei. Einer aus komplizierten Testamentsbestimmungen oder einer Verzweigung in zahlreiche Nebenlinien resultierenden Aufsplitterung der Nutznießung trachtete man stets durch Rekonzentrationsbestrebungen und Erbeinigungen zu begegnen. Auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts galt in dem vorwiegend land- und forstwirtschaftlich orientierten Wirtschaftskörper des Kaiserstaates nicht zuletzt angesichts der wiederholten Finanzkrisen das Grundeigentum als sicherste Geldanlage. Die zahlreichen Ankäufe von Johann I. Fürst Liechtenstein sind für diese Einstellung bezeichnend. Zwar wurde ein Teil der Neuerwerbungen (Schönau, Josefsdorf in Niederösterreich, Pernau in Ungarn) wieder veräußert, doch blieb mit Acs in Ungarn (1824), Seebenstein-Schottwien (1824—1830) und dem Komplex der Herrschaft Liechtenstein in Österreich unter der Enns (1807/08, 1830) der größte Teil als Allod beim Hauptmajorat 4 . D a agrarstatistisch auswertbare Schematismen und Handbücher vorwiegend erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt wurden, ist man hinsichtlich der Größenangaben über adeligen Grundbesitz vor 1848 auf Zufallsinformationen angewiesen. Das Herrschaftsgebiet der schwarzenbergischen Primogenitur in Böhmen betrug damals etwa 640.000 Hektar; nach der Grundentlastung nur mehr rund 177.000 Hektar. Den größten Anteil hatten die „oberen" Besitzungen in Südböhmen (Krumau, Wittingau, Winterberg, Frauenberg, Stubenbach-Langendorf, Protiwin, des Hauses an die Linie des Fürsten Gundacker über, bei deren ältestem Zweig, der Franz-Linie, sie auch während des Vormärz lag. 3 Schwarzenberg, Geschichte, 149 f. 4 Criste, Johannes Liechtenstein, 161 ff.; Falke, Liechtenstein, 3, 334 f.

Herrschaftskomplexe

13

Lib£jic, Nettolitz, Cheynow, Bzy, Forbes und Wallern) mit 157.000 Hektar, kleineren Umfang die „unteren" im Norden des Kronlandes (Lobositz, Jinonitz, Postelberg, Zittolieb, Kornhaus, Wrschowitz, Tauzetin, Neuschloß, Domauschitz) mit 20.100 Hektar. Zusammen mit den kleineren Gütern in der Steiermark (Authal, Baierdorf, Frauenburg, Goppelsbach, Murau, Niederwölz, Plettentalalpe, Reifenstein: insgesamt knapp 11.000 Hektar), Niederösterreich (Neuwaldegg), Salzburg (Aigen) und dem Fürstentum Schwarzenberg wies der Gesamtbesitz des Hauses etwa 193.000 Hektar auf 5 . Annähernd gleiches Ausmaß besaßen die Güter des Fürstenhauses Liechtenstein in Mähren (Aussee, Butschowitz, Eisenberg, Eisgrub, Goldenstein, Hohenstadt, Kloster Hradisch, Karlsberg, Ungarisch-Ostra, Plumenau, Posoritz, Sternberg, Mährisch-Trübau mit etwa 111.000 Hektar), Böhmen (Aurinowes mit Skworetz, Kaunitz, Landskron, Radim, Rattay, Rumburg und Schwarzkosteletz, insgesamt etwa 35.000 Hektar), Niederösterreich (Feldsberg, Josefsdorf, Judenau, Liechtenstein, Rabensburg, Schottwien und Wilfersdorf, 21.000 Hektar), Wien (Lichtental), Ungarn (Äcs), Schlesien (Herzogentum JägerndorfTroppau, 9000 Hektar) sowie das Fürstentum Liechtenstein (knapp 16.000 Hektar) 6 . Umfassende wirtschaftsgeschichtliche Studien über adelige Besitzkomplexe fehlen für die Zeit des Vormärz fast völlig. Reiches Archivmaterial sowie Daten zeitgenössischer Landeskunden und Statistiken sind kaum bearbeitet 7 ; wenig bekannt sind auch landwirtschaftliche Topographien, wie sie in Christian Carl Andres „Oekonomischen Neuigkeiten und Verhandlungen" in zwangloser Reihenfolge erschienen. Eine Auswertung dieser detaillierten Angaben über Größe, Bevölkerungszahl, Nutzungsformen, Robot, Viehzucht (Anzahl, Futtermenge, Ertrag), Düngungsmethoden, 5 Schwarzenberg, Geschichte, 2 4 3 ; Jedil, Grundbesitz, 47 ff.; Krafft, Großgrundbesitz, 13 sowie die Besitzgrößenkarte im Anhang; Jonak, Grundbesitz; Großgrundbesitz von N ö . ; Großgrundbesitz von Steiermark. 6 Vgl. neben den in Anm. 5 genannten Statistiken noch Kraetzl, Übersicht; Tittel, Statistik; Malin, Liechtenstein, 5 ff. 7 Für Böhmen vgl. das 16bändige Werk von Johann Gottfried Sommer, Das Königreich Böhmen; statistisch-topographisch dargestellt, 1 8 3 3 — 1 8 4 6 ; für Mähren siehe Gregor Wolny, Die Markgrafschaft Mähren, topographisch, statistisch und historisch geschildert, 1835—1842.

14

Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

Waldwirtschaft, landwirtschaftliche Gewerbe und Personalverhältnisse einzelner Herrschaften wäre eine lohnende Aufgabe 8 . Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte auf Initiative adeliger Häuser gewissermaßen als Leistungsbeweis die Herausgabe landwirtschaftlicher Monographien, welche meist von Wirtschaftsexperten in leitenden Verwaltungsstellen verfaßt wurden. Die Skizze von Emanuel Hanusch über die schwarzenbergische Domäne Wittingau 0 sowie die Arbeit von Guido Krafft als erste zusammenhängende Darstellung eines Großgrundbesitzes 10 lassen jedoch die Verhältnisse vor 1848 weitgehend unberücksichtigt. Angaben für diese Zeit können nur aus einigen wenigen historischen Forschungen, wie Wilhelm Medingers Wirtschaftsgeschichte der schwarzenbergischen Besitzung Lobositz 11 , sowie aus Hinweisen in biographischen Untersuchungen gewonnen werden. Die Erträgnisse aus dem Grundbesitz bildeten den Hauptanteil der regelmäßigen fürstlichen Einnahmen. Wiederholte Veränderungen des Besitzstandes, wie sie bei den Liechtenstein auftraten, sowie der Einfluß allgemein preisbildender Faktoren für land- und forstwirtschaftliche Produkte unterwarfen die „Revenuen" während des Vormärz nicht unbedeutenden Jahresschwankungen. Trotzdem lassen sich bei beiden Fürstenhäusern ungefähr gleiche Tendenzen verfolgen. Beim Haus Liechtenstein stieg der prozentuelle Anteil der Rentgelder an den Gesamteinnahmen von etwa 8 V g l . z. B. die Beschreibung der liechtensteinischen Herrschaft Trübau in M ä h r e n (Oekonomische Neuigkeiten und Verhandlungen 22, 1 8 2 1 , 1 2 9 — 1 3 1 , 1 5 5 — 1 5 9 ) sowie der schwarzenbergischen Herrschaft Zittolieb (ebd., 1 3 7 — 1 4 2 , 1 6 4 — 1 6 6 ) . 9 Emanuel Hanusch, Beschreibung d e r l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n RegieWirthschaft auf der hochfürstl. Schwarzenberg'schen D o m ä n e Wittingau, i n : S t a m m , Landwirtschaft, 365 ff. 1 0 G u i d o K r a f f t , Ein Großgrundbesitz der Gegenwart, 1 8 7 2 , schnitt überdies, w i e aus dem Untertitel (Monographische Skizze d e r Besitzungen des Fürstenhauses Schwarzenberg in Böhmen, als Beitrag zur Selbstv e r w a l t u n g oder Verpachtung v o n G r o ß g ü t e r n in Österreich) h e r v o r geht, über reine Ertragsfragen hinaus auch Existenzprobleme des Latifundienbesitzes an, welche an der W e n d e zum 20. J a h r h u n d e r t an A k t u a lität gewannen. Vgl. dazu Wilhelm Medinger, Großgrundbesitz, Fideik o m m i ß und A g r a r r e f o r m , 1 9 1 9 ; W a l t e r Schiff, Österreichs A g r a r p o l i t i k seit der Grundentlastung, 1898. 1 1 Wilhelm Medinger, Wirtschaftsgeschichte der D o m ä n e Lobositz, 1 9 0 3 . Vgl. auch Stephan Duschek, Versuch einer Wirtschaftsgeschichte der Schwarzenberg'schen Forste, Schwarzenbergisches Jahrbuch 1 9 5 0 , 63 ff.

Reformen in L a n d - und Forstwirtschaft

15

30 Prozent in den zwanziger Jahren bis 1835 auf 55 Prozent, zehn Jahre später bis auf 70 Prozent. Absolut bedeutete dies eine Zunahme von rund 500.000 auf über 1 Million fl. C M . Bei den Schwarzenberg wieder bildete der Regierungsantritt von Fürst Johann Adolf I I . einen wichtigen Einschnitt. Trotz nahezu gleichbleibenden Umfangs der Güter (wenn man vom Kauf der relativ kleinen steirischen Herrschaft Goppelsbach 1839 absieht) stiegen ab 1837 die „Quotalieferungen" von bisher 500.000 bis 600.000 fl. auf mindestens 800.000 und erreichten ab Mitte der vierziger Jahre nahezu die Millionengrenze. Dies entsprach einem prozentuellen Zuwachs von bisher 40 bis 60 auf 70 Prozent sämtlicher Einkünfte 1 2 . Diese Steigerungen waren wesentlich auf eine verstärkte Ausnützung grundherrlicher Rechte sowie auf die konsequente Anwendung neuer agrarwissenschaftlicher Kenntnisse zurückzuführen. Ein Viertel (etwa 46.600 Hektar) des gesamten liechtensteinischen, ein Drittel des schwarzenbergischen Besitzes in Böhmen wurden auch nach der Grundentlastung noch landwirtschaftlich genutzt 13 . Eine Änderung überkommener Produktionsweisen war im Vormärz durch zahlreiche einschlägige Lehrbücher sowie die rege Tätigkeit ökonomischer Gesellschaften in die Wege geleitet worden. In den liechtensteinischen Wirtschaftsinstruktionen von 1821 und 1837 1 4 sowie in der Selbstbiographie des schwarzenbergischen Wirtschaftsrates Franz Horsky Ritter von Horskysfeld 1 5 fanden diese Bestrebungen ihren Niederschlag: Einführung der Fruchtwechsel Wirtschaft, moderne Düngungsmethoden, eine planvoll gelenkte Förderung der Viehzucht und rationeller Einsatz der Arbeitskräfte (was erhöhten Forderungen an die abhängige Bauernschaft entsprach) sollten mit Hilfe moderner technischer Arbeitsbehelfe eine optimale Nutzung des Bodens garantieren 16 . Johann I. Fürst Liechtenstein hatte sich als „wärmsten und 12 H A L V , S t A C K , H K R , 1 8 1 5 — 1 8 4 5 . Zu den gebräuchlichen W ä h rungseinheiten vgl. S. 73. 1 3 Kraetzl, Übersicht, 1 1 ; Krafft, Großgrundbesitz, 13. 1 4 H A L W , H 1850, H 14. 1 5 H o r s k y , Streben, 2 ff. — Vgl. über ihn Wurzbach, Biographisches Lexikon, 9, 3 0 9 ff. 1 8 Über diese „wissenschaftliche Agrarökonomik" bei Sigmund von Frauendorfer, Ideengeschichte der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im deutschen Sprachbereich, 1, 2 1 9 6 3 , 155 ff.

16

Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

höchsten Verehrer der Landesökonomie" bezeichnet und dabei die Überzeugung geäußert, daß „der solide Reichtum des Staates sowohl, wie auch eines einzelnen Privatmannes am richtigsten darauf begründet ist" 1 7 . Bereits 1803 waren durch seinen Güterdirektor Petri in einer tollkühnen Schmuggelaktion etwa 250 Merinoschafe aus Spanien auf seine Besitzung Loosdorf bei Laa (Niederösterreich) gebracht worden. Der Fürst folgte damit Bemühungen um eine Hebung der österreichischen Wollindustrie, die bereits unter Maria Theresia durch Import und Züchtung von Merinos begonnen worden waren. Welche Bedeutung die Schafzucht auch unter seinem Sohn behielt, zeigen die ausführlichen Instruktionen, welche darüber an die Herrschaftsämter ergingen 18 . — Als Fürst Johann nach dem Tod seines Bruders Alois I. 1805 das Majorat übernahm, verschaffte er sich vorerst durch Inspektionsfahrten genauen Einblick in den Zustand der Herrschaften. Im folgenden Jahr ließ er seine Verwaltungsgrundsätze in einer eigenhändig entworfenen Verordnung bekanntmachen. Man experimentierte daraufhin mit neuen Getreide- und Baumarten (Platanen, Akazien, Weymouthkiefern) und trachtete durch den Import von Schweizer Zuchtrindern, englischen Stuten, arabischen Hengsten die vielfach untergeordnete Viehzucht dem Ackerbau nachzuziehen. Diese Reformen fanden in der Wirtschaftsinstruktion von 1821 Niederschlag 19 . Sie erfolgten in enger Zusammenarbeit mit dem künftigen Fideikommißnachfolger Prinz Alois sowie unter ständiger Schulung des Personals. Ab den dreißiger Jahren setzte eine umfassende topographische Beschreibung der Güter ein, welche gleichermaßen als Verwaltungsbehelf sowie als Grundlage für Ertragssteigerungen von landwirtschaftlich genutzten Flächen und Industrien dienen sollte 20 . 17 Criste, Johannes Liechtenstein, 157 ff.; Falke, Liechtenstein, 3, 326 ff. 18 Z u m Beispiel H A L W , 9533/5 ex 1840, N o r m a l e v o m 8. August 1840. 1 9 Weitere Anordnungen betrafen einen der B e d a r f s m e n g e entsprechenden Futterbau, Intensivierung der bisher nur wenig oder gar nicht durchgeführten D ü n g u n g sowie planvollen E i n s a t z der A r b e i t s k r ä f t e ( H A L W , 4727 ex 1821, Zirkular v o m 15. D e z e m b e r 1821). 20 H A L W , H 56, Schreiben der liechtensteinischen H o f k a n z l e i an die Buchhaltung vom 20. O k t o b e r 1834. — Bei den Schwarzenberg e r f o l g t e die M a p p i e r u n g des D o m i n i k a i - und Rustikalbesitzes unter Fürst Josef I I . ; v g l . Schwarzenberg, Geschichte, 216.

Reformen in Land- und Forstwirtschaft

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Unter Alois II. Fürst Liechtenstein lag das Hauptgewicht der Reorganisationsbestrebungen im Bereich der Forstwirtschaft, welche drei Viertel des Gesamtbesitzes einnahm. Der k n a p p 200.000 Joch umfassende Waldbestand der Herrschaften hatte im Zeitraum von 1848 bis 1852 im Jahresdurchschnitt 725.577 fl. abgeworfen, was einem Reinertrag von 3 fl. 34 x r C M pro Joch entsprach. A u f grund dieser Erhebungen sowie einer umfassenden Revisions- und Inspektionstätigkeit arbeitete der Forstrat Leopold Grabner einen Zehnjahresplan aus, der die Ausnutzung, Durchforstung, U m wandlung bzw. Wiederaufforstung genau bezeichneter Waldflächen anordnete und damit eine Regelung der Holzaltersklassen sowie Verbesserung der Waldzustände überhaupt bezweckte. Eine starke Beeinträchtigung erfuhren die Einkünfte durch das ständige Ansteigen der Nebenkosten (Löhne, Naturalien, Transportkosten, Steuern), die 1855 bereits 60 Prozent des Rohertrags erreicht hatten. Drohende Rezessionserscheinungen versuchte man durch eine dem Bedarf angepaßte Verteilung der Arbeitskräfte, durch landwirtschaftliche Zwischennutzung des Waldbodens und die Spezialisierung auf wertvolle Nutzhölzer abzuwenden 2 1 . Während der Regierung Josefs II. Fürst Schwarzenberg und seines Sohnes erfolgte die Umgestaltung des böhmischen Waldbestandes zu modernen Wirtschaftswäldern. 1790—1837 wurde unter Leitung des Oberjägers Josef Matz an der Systematisierung der Bestände nach der Methode der arithmetischen Schlageinteilung gearbeitet. Nach einigen Jahren planlosen Wirtschaftens bzw. unbefriedigender Experimente ging man 1851 auf das „Sächsische Verfahren" über, welches bis zur Enteignung der Besitzungen beibehalten wurde. Zur Schaffung besserer Transportmöglichkeiten hatte man bereits 1791 unter der Leitung von Ingenieur Josef Rosenauer den schon unter Fürst Johann I. begonnenen Schwemmkanal als Verbindung zwischen Moldau und Donau sowie 1799 die Aistschwemme fertiggestellt. 1821—1824 wurde im Zuge des ständigen Weiterausbaues der Anlage ein 420 Meter langer Tunnel durch die Hirschberge gestochen, welcher die Trasse um 17 Kilo21

Detaillierte Angaben über das Forstwesen bringt die Publikation: D i e fürstlich Alois Liechtenstein'schen Forste in den Kronländern NiederOesterreich, Mähren, Schlesien, Böhmen und Ungarn, 1857; Aufschlüsselung der Nutzungsflächen bei Kraetzl, Übersicht. — Uber Leopold Grabner vgl. S. 53. 2

Stekl, Aristokratie

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Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

meter verkürzte. Nach langwierigen Arbeiten konnte 1824 die Herstellung eines zweiten Kanals auf den 1799/1800 gemäß dem Rat Rosenauers erworbenen Herrschaften Stubenbach und Langendorf abgeschlossen werden. Damit w a r der umfangreiche Waldbesitz, der 61 Prozent der Gesamtfläche der Güter ausmachte, für die günstigen Absatzmärkte Prag und Wien erschlossen22. Die Zusammenarbeit mit bewährten Ökonomen, wie Emanuel Hanusch und Wenzel Susta, ermöglichte es Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg, durch die Einführung neuer Feldfrüchte (Raps, Zuckerrüben), die Veredelung bekannter Sorten (Saazer Hopfen) und großangelegte Dränagierungen die fürstliche Landwirtschaft zu einer der vorbildlichsten zu machen. Besonderes Augenmerk schenkte man auch der Neuzüchtung von Futterpflanzen. Entfielen 1847 in einem System der verbesserten Dreifelderwirtschaft 59 Prozent auf Getreidebau, 18 Prozent auf Futterbau und 23 Prozent auf Brache, so gelang es, bis 1854 den Futterbau auf 50 Prozent der Gesamtackerfläche zu steigern. Weitere nennenswerte Fortschritte waren beim Ausbau der Käseerzeugung (ab 1835) sowie der systematischen Ausweitung der Teichwirtschaft zu verzeichnen. Auch der Waldbau erhielt in Zusammenarbeit mit dem Budweiser Industriellen Adalbert Lanna durch Spezialisierung auf die Verarbeitung zu Resonanzholz und Streichhölzern neue Impulse. Allerdings stellten sich bei einigen Versuchen, etwa bei der Einführung der Seidenraupenzucht, wieder empfindliche Rückschläge ein. Seine Erfolge und auch persönlichen weitreichenden Kenntnisse trugen Fürst Johann Adolf die Bezeichnung „Fürst unter den Landwirten und Landwirt unter den Fürsten" ein 23 . 2 2 Zur Forstwirtschaft auf den schwarzenbergisdien Herrschaften im B ö h m e r w a l d siehe Duschek, Wirtschaftsgeschichte; ders., StubenbachL a n g e n d o r f ; ders., A u f f o r s t u n g e n . In Detailuntersuchungen wurden v o r allem waldwirtschaftliche Probleme der steirischen Besitzungen behandelt: F r a n z M a y e r l , D i e Tanne im oberen M u r t a l , Schwarzenbergischer A l m a nach 1959, 61 ff.; ders., Die Entwicklung des Bringungswesens auf der Herrschaft M u r a u , Schwarzenbergisches Jahrbuch 1 9 5 3 , 2 7 7 ff.; Horst N a t h e r , Die Waldwirtschaft im Gebiet v o n Murau, Schwarzenbergischer Almanach 1 9 6 8 , 159 ff. — Ü b e r Rosenauer vgl. A n t o n Tännich, Josef Rosenauer zu seinem 1 5 0 . Todestag, Blau-Weisse Blätter 2 ( 1 9 5 4 ) , Nr. 1, 2 ff. 2 3 Zu den Leistungen J o h a n n A d o l f s II. Fürst Schwarzenberg bei Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 1 5 9 ff.; Wurzbach, Biographisches

R o b o t und Ablösungsprojekte

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D a s ständige Bemühen um eine rationelle Wirtschaftsführung zeitigte in vielen Fällen jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Die J a g d als wesentliches Element adeligen Lebensstils, ästhetische Gesichtspunkte wie die Anlage von P a r k s und Schlössern, Rücksichten auf Pächter etc. waren oft der G r u n d für Unwirtschaftlichkeit 2 4 . Eine weitere Ursache d a f ü r lag in der von Heinrich Sieveking als „Feudalkapitalismus" bezeichneten Bewirtschaftungsform, die nicht auf einem freien Vertrag von Lohnarbeitern, sondern auf Arbeitsverpflichtungen untertäniger Bauern beruhte 2 5 . Als man in der großen liechtensteinischen Wirtschaftsinstruktion von 1837 mit Bedauern feststellen mußte, daß die Hauptziele der Reformerlässe aus dem J a h r 1821 nicht erreicht worden waren 2 6 , führte m a n die Ursache weniger auf ungünstige Elementareinwirkungen, sondern a u f „zu geringe Bedachtnahme der ursprünglichen Organisierung" und „mangelhafte Anwendung oder Durchführung" zurück. Vor diesem Hintergrund wird das Dilemma der Grundherrschaft sichtbar, deren persönlichkeitsbezogenes Herrschaftsprinzip der durch die maria-theresianischen und josephinischen Reformen gefestigte „institutionelle Flächenstaat" 2 7 zusehends auflöste. Die Arbeit auf den Adelsgütern wurde weiterhin von robotpflichtigen Bauern geleistet, welche auf verstärkte Unterdrückung mit Tumulten reagierten (wie z . B . 1786 auf den liechtensteinischen Gutsherrschaften im österreichisch-mährischen Grenzgebiet) und an einer tatkräftigen Unterstützung der Herrschaft kein Interesse zeigten. H a n s K u d lidi, der auf den liechtensteinischen Besitzungen in Schlesien K i n d heit und Jugend verlebt hatte, hob diesen U m s t a n d in seinen Memoiren klar hervor: „Alle Robot-Arbeit w a r schlecht. Die Bauern hielten sicheigends schlechtes Geschirr für die R o b o t . Sie hielten kleine Wagen und kleines Vieh aus dieser Rücksicht. Die R o b o t

L e x i k o n , 33, 78 ff.; Schwarzenberg, Geschichte, 239 ff.; K r a f f t , G r o ß g r u n d besitz. 2 4 Vgl. Gollwitzer, Standesherren, 255. 2 5 Ü b e r diese F r a g e n bei F r i t z Redlich, E u r o p ä i s d i e Aristokratie und wirtschaftliche Entwicklung, in: F r i t z Redlich, Der Unternehmer, 1964,

280 ff.

H A L W , H 4, Vorarbeiten zur Instruktion von 1837. Zur Terminologie bei O t t o Brunner, D a s Problem einer europäischen Sozialgesdiichte, in: O t t o Brunner, N e u e Wege der V e r f a s s u n g s und Sozialgeschichte, 2 1968, 96. 20

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2'

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Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

verhinderte deshalb den ökonomischen Aufschwung auf herrschaftlichen und bäuerlichen Gründen." 2 8 Die Unausweichlichkeit einer einschneidenden Agrarreform wurde daher innerhalb der Aristokratie schon früh zur Gewißheit, doch ließ das restaurative Denken die staatlichen Stellen vor durchgreifenden Maßnahmen zurückschrecken. Josef II. Fürst Schwarzenberg war bereits 1812 mit seinen Untertanen in Verhandlungen zur Ablösung der Robot getreten, die Bauern lehnten seine Vorschläge aber mangels augenfälliger Vorteile ab 2 9 . Es darf daher nicht überraschen, daß auch sein Sohn Johann Adolf II. ebenfalls schon vor 1848 die Grundentlastung ins Auge gefaßt hatte und der plötzlichen Änderung der Rechtsverhältnisse keineswegs unvorbereitet gegenüberstand- Auch von Alois II. Fürst Liechtenstein ist ein prinzipielles Einverständnis mit der Abschaffung des Robot- und Zehentrechtes bekannt 30 . Friedrich Fürst Schwarzenberg hatte seinen Bauern kurz vor der Revolution ein Arrangement angeboten, welches jedoch unter Hinweis auf die bevorstehenden unumgänglichen gesetzlichen Neuregelungen zurückgewiesen wurde 31 . Die Frage der Verwendung der Ablösungssummen im Zuge der Grundentlastung ist noch nicht hinreichend geklärt, doch konnte diese Reform auf lange Sicht keinen Nachteil für den Adel bedeuten, da die Entschädigungskapitalien zu Neuinvestitionen verwendet und durch den Einsatz ganzjährig beschäftigter Lohnarbeiter wesentlich höhere Erträge erzielt wurden 32 . Der Übergang von agrarischen zu industriellen Strukturen bot nun die Möglichkeit, von bisherigen Wirtschaftsweisen abzugehen 2 8 Kudlich, Rückblicke, 1, 50; über D a u e r u n d A u s w e i t u n g der R o b o t auf Adelsherrschaften bei Blum, N o b l e L a n d o w n e r , 171 ff. Den A u f r u h r v o n 1786 erwähnt Paul M i t r o f a n o v , J o s e p h II, 1, 1910, 648 f. 2 9 Wurzbach, Biographisches L e x i k o n , 33, 80. — Ä n d e r u n g s v o r schläge kamen auch v o n Mitgliedern des Kaiserhauses. Siehe Berthold Sutter, E r z h e r z o g J o h a n n s Kritik an Österreich, Mitteilungen des ö s t e r reichischen Staatsarchivs 16 (1963), 165 ff. 3 0 Bibl, N ö . Stände, 197. 3 1 Vehse, A d e l , 191. 3 2 OIdriska K o d e d o v á , D i e L o h n a r b e i t auf d e m Großgrundbesitz in Böhmen in der zweiten H ä l f t e des 19. J a h r h u n d e r t s , Histórica 14 (1967), 123 ff.; Detailangaben über die Entlohnung schwarzenbergischer Wirtschaftsarbeiter bringen auch S t a m m , Landwirtschaft, 67 ff.; K r a f f t , Großgrundbesitz, 62 ff.

Gründung von Industriebetrieben

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und das Schwergewicht der Betätigung in die verschiedenen Sparten der Industrie zu verlagern. Ein solches Engagement galt auch als Zeugnis patriotischer Gesinnung, die man von einem „hohen Herrn" erwartete; war doch der seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts vorerst in den böhmischen Ländern einsetzende industrielle Aufschwung der eifrigen materiellen Förderung von Aristokraten zuzuschreiben gewesen 33 . Viele dieser älteren Gründungen auf den liechtensteinischen Besitzungen in Mähren hielten sich während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in eher bescheidenem Rahmen, manche gingen überhaupt zugrunde. So wurde die seit etwa 1800 betriebene Ahornzuckererzeugung auf der Herrschaft Eisgrub, wo man 1809 sogar eine eigene Raffinerie gebaut hatte, nach Aufhebung der Kontinentalsperre völlig bedeutungslos. Das gleiche Schicksal erfuhr auch die zweite Fabrik des Fürstenhauses in Plumenau bei Proßnitz (1810). — Auch in der Glasindustrie konnte kein überwältigender Fortschritt erzielt werden. Die älteste der liechtensteinischen Glashütten befand sich in Strany bei Ostrau, 1813 zählte man hier 41 Beschäftigte. Doch konnte sie ebensowenig wie die Betriebe in Blumenbach (Herrschaft Goldenstein) und Engelsthal die Bedeutung eines regionalen Mittelpunktes übersteigen. Ähnlich verhielt es sich mit den südböhmischen Werken der Schwarzenberg in Suchenthal, Adolphhütte und Ernstbrunn 3 4 . Größere Erfolge konnten die Liechtenstein eine Zeitlang auf dem Sektor der Eisenindustrie verzeichnen. Die liechtensteinischen Hütten in Adamsthal (Herrschaft Posoritz), Aloisthal (Herrschaft Eisenberg) und Goldenstein zählten schon Ende des 18. Jahrhunderts zu den bedeutendsten der mährischen Eisenwerke, die großteils in den Händen der Hocharistokratie lagen. Erzeugten die Liechtenstein 1819 hier noch mit 4617 Zentnern Roheisen 9 Pros s Als Überblick vgl. ArnoSt Klima, Cechy v obdobi temna, 1961; ders., Die Textilmanufaktur im Böhmen des 18. Jahrhunderts, Histórica 15 (1967), 123 ff.; Gustav Otruba, Die älteste Manufaktur- und Gewerbestatistik Böhmens, Bohemia 5 (1964), 161 fí.; ders., Anfänge und Verbreitung der böhmischen Manufakturen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (1820), Bohemia 6 (1965), 2 3 0 ff.; als Detailuntersuchungen siehe Hermann Freudenberger, The Waldstein Woolen Mill, 1963; über die Industriepolitik des Grafen Franz Anton Thun in Teschen-Bodenbach bei Thienen, Leo Thun, 98 ff. 3 4 Slokar, Industrie, 524, 532 f., 586.

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Wirtschafbsstil und Vermögensbildung

zent der Gesamtproduktion Mährens, so machten sich ab den dreißiger Jahren starke Rezessionserscheinungen bemerkbar. 1844 w a r der Marktanteil bei Roheisen auf ein Prozent zurückgegangen, bei Gußeisen völlig bedeutungslos geworden. Auch nach der Anstellung eines eigenen Oberleiters f ü r sämtliche Montanunternehmungen (1839) sowie durch eine Flut von Instruktionen war keine fühlbare Besserung zu erreichen 35 . Glücklichere H a n d bewiesen die Schwarzenberg mit ihren steirischen Bergbauen. Fürst Josef II. steigerte durch seinen Beitritt zur Vordernberger Radmeisterkommunität (1829) die Rentabilität seiner Abbauanteile beträchtlich. 1831 erzeugten seine Arbeiter hier 16.480, zehn Jahre später schon 19.038 Zentner Roheisen 36 . U n t e r Fürst Johann Adolf II. erfolgte ein rascher Ausbau der Turracher Eisenwerke. Dieser bis 1623 zurückreichende Familienbesitz war durch den Ankauf zahlreicher H ä m m e r in und um M u r a u sowie im Lungau bis ins 19. Jahrhundert langsam vergrößert worden. Die zunächst relativ niedrige Jahreserzeugung von 10.000 Zentnern wurde durch den Bau eines neuen Hochofens (1826) wesentlich erhöht, so daß das Unternehmen schon 1841 mit einer Produktion von etwa 42.000 Zentnern Roheisen und 1800 Zentnern Gußeisen nach Innerberg und Vordernberg den dritten Platz unter den steirischen Montanbetrieben einnahm. Der Bergverweser Peter Tunner junior hatte mit seinen weitreichenden Kenntnissen und seiner unkomplizierten Verwaltungstätigkeit an diesem Aufschwung maßgeblichen Anteil. Zwischen 1850 und 1861 errichtete m a n sieben Röstöfen, 1863 stellte man zur Stahlerzeugung die erste Bessemerbirne des Kontinents auf, wodurch eine Produktionssteigerung auf 80.000 Zentner erzielt werden konnte und das Werk zu den modernsten seiner Art zählte 3 7 .

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Vgl. als Oberblick H e r m a n n Kellenbenz, D i e wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Westdeutschland und Böhmen-Mähren im Zeitalter der Industrialisierung, Bohemia 3 (1962), 239 ff., bes. 252; H e i n rich Benedikt, D i e A n f ä n g e der Industrie in Mähren, D e r D o n a u r a u m 2 (1957), 38 ff. — Produktionsziffern bei Slokar, Industrie, 461 ff.; zur Verwaltungsorganisation H A L W , 3429 ex 1840, Zirkular v o m 12. März. 38 Slokar, Industrie, 468 ff.; Wilhelm Schuster, D e r steirische Erzberg, in: D i e Österreichisch-Alpine Montangesellschaft 1881—1931, 1931, 84 f. 37 Brodschild, Eisenbergbau, 124 ff.; Großindustrie 1898, 1, 233 f.; Großindustrie 1908, 2, 43; Schwarzenberg, Geschichte, 122, 161, 247, 250.

Gründung von Industriebetrieben

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Als einer der rentabelsten schwarzenbergischen Betriebe erwies sich der 1812 erschlossene Graphitabbau in Schwarzbach (Südböhmen), dem eine Bleistiftfabrik in Goldenkron angeschlossen war. In dieser größten Abbaustätte Europas stiegen die Förderungsziffern bis 1850 auf 10.000 Zentner Graphit pro Jahr. Infolge des wachsenden Graphitbedarfs der Eisenindustrie ließ Johann Adolf II. durch den Ankauf benachbarter Werke, den Ausbau der Schachtanlagen und ständige Rationalisierung des Produktionsprozesses den Bergbau laufend vergrößern. Unter seinem Nachfolger, Fürst Adolf Josef, förderte man 98.000 Zentner Graphit (1907), was einem Viertel der Weltproduktion entsprach 38 . Allerdings waren auch im Bergbau Rückschläge zu verzeichnen. Der seit 1799 defizitäre Silberbergbau auf der schwarzenbergischen Herrschaft Cheynow in Böhmen verlor ständig an Bedeutung und wurde 1877 eingestellt; bereits 1852 hatte man die 1550—1620 florierenden Abbaue in Rudolfsstadt bei Budweis aufgelassen. Die Braunkohlenwerke in Postelberg sowie die Steinkohlengruben in Kroucova wurden trotz geringer Förderungsmengen lange gehalten 3 9 . U n t e r der Regierung von Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg entstanden aus den bisherigen landwirtschaftlichen Nebenbetrieben moderne Industrien. Wilhelm Medinger hat die Konsequenzen eingehend dargestellt, welche sich aus diesem Wandel für die Wirtschaftsformen einer Domäne ergaben 40 . Ausgezeichnete Ergebnisse erzielte man dabei vor allem in den böhmischen Brauereien, w o sich nach Einführung maschineller Produktion ab 1860 Wittingau, Protiwin und Laun zu Großunternehmen entwickelten. Durch fortgesetzte Betriebskonzentration konnte der Absatz zwischen 1848 und 1907 (415.000 Hektoliter) etwa verfünffacht werden. Einen vergleichsweise zwar geringeren Aufschwung nahmen auch die liechtensteinischen Brauereien in Lundenburg (Mähren) sowie Schwarzkosteletz, Rumburg und Landskron in Böhmen. — Die Zuckererzeugung setzte auf den schwarzenbergischen Gütern in 38 A. Balling, Z u r Geschichte des Schwarzbadier Graphitbergbaues, in: Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestandes des St. Gymnasiums in K r u m m a u , 1921; Großindustrie 1908, 2, 44; ausführliche Literatur bei Duschek, Wirtschaftsgeschichte, 356 ff. 30 Großindustrie 1908, 2, 44; Blaschko, Besitzungen, 299. 40 Medinger, Lobositz.

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Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

Nordböhmen ein (Postelberg 1853, Sullowitz 1855, Chlumcan 1858). Die Ergebnisse der ersten Kampagne (1853: 33.723 Zentner Rüben) wuchsen bis zum Ende des Jahrhunderts auf das knapp Dreißigfache. Von den liechtensteinischen Zuckerfabriken gewannen Böhmisch-Brod und Pecek größere Bedeutung; auch hier versuchte eine geschulte Betriebsleitung ständig, mit den technischen Neuerungen Schritt zu halten 41 . Aus diesen Gründungen läßt sich bereits die Reaktionsalternative erkennen, welche ein Teil des Adels in der neuen marktwirtschaftlichen Entwicklung wählte. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich ein in Wirtschafts- und Rechtsfragen versierter T y p des Hocharistokraten auszubilden, der in enger Beziehung zu bürgerlichen Großkapitalisten in die Gründerkonsortien von Privatbanken und Unternehmen einstieg und führende Positionen in Interessenverbänden einnahm. Bei Johann Adolf I I . Fürst Schwarzenberg läßt sich die Anpassung an diesen neuen Stil gut verfolgen. E r war maßgeblich an der Gründung der Creditanstalt für Handel und Gewerbe beteiligt und wurde dort 1855 Verwaltungsratspräsident 42 . An der Spitze eines Gremiums setzte er den Bau der Franz-Josefs-Bahn durch, die dem gesamten südböhmischen Raum großen wirtschaftlichen Nutzen brachte, und war auch intensiv um den Anschluß Leobens an das Verkehrsnetz der

4 1 Großindustrie 1908, 2, 2 5 , 4 3 ; Medinger, Lobositz, 8 0 ff., 122 ff.; Blaschko, Besitzungen, unter d e m N a m e n der jeweiligen Güter. K u r z e Angaben über die schwarzenbergischen Betriebe bringen auch die H e r r schaftsgeschichten von J o h a n n Vesely, Geschichte der fürstlich Schwarzenberg'schen D o m a i n e Postelberg, 1 8 9 3 ; Geschichte der fürstlich Schwarzenberg'schen D o m a i n e Lobositz, 1 8 9 4 ; Geschichte der fürstlich Schwarzenberg'schen Besitzungen Citolib, V r s o v i c , Touzetin, Kornhaus, Jinonic, endlich der H ä u s e r in P r a g , 1 8 9 5 . 4 2 Gemeinsam mit Vinzenz C a r l Fürst Auersperg, M a x E g o n Fürst zu Fürstenberg, O t t o G r a f C h o t e k und Louis von H a b e r hatte J o h a n n A d o l f die S u m m e von 3 0 Mill. fl. aufzubringen. Vgl. E i n J a h r h u n d e r t Creditanstalt-Bankverein, 1957, 8, 14 u. a. m. — Ein solches E n g a g e m e n t h a t t e der meist kapitalarme S t a a t früher stets begrüßt und als v a t e r ländische T a t gewertet; so z . B . auch, als sich J o h a n n I. F ü r s t Liechtenstein mit 1 0 0 . 0 0 0 fl. an der G r ü n d u n g der österreichischen N a t i o n a l b a n k beteiligt hatte. (Criste, J o h a n n e s Liechtenstein, 161.) Ü b e r die führende R o l l e v o n Josef II. F ü r s t Schwarzenberg in der Wiener K o m merzialbank bei Fritz R a g e r , Die Wiener K o m m e r z i a l - , Leih- und Wechselbank, 1 9 1 8 .

Wirtschaftliches Engagement und adeliges Wertsystem

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Südbahn bemüht 43 . Entsprachen diese Initiativen durchaus persönlichen Interessen (es galt ja, die standortungünstigen Besitzungen und Betriebe an das Bahnnetz anzuschließen), so diente die Übernahme öffentlicher Funktionen als Bekräftigung dieses neu verquickten Berufs- und Standesprestiges: 1866 war der Fürst Präsident des Komitees f ü r die Land- und Forstwirtschaftsausstellung, 1873 Vizepräsident der Weltausstellungskommission in Wien. Als Leiter der Sektion Adcerbau und Viehzucht in der Wiener Landwirtschaftsgesellschaft fanden seine Vorträge allgemeine Beachtung. Auch Johann Adolfs politische Tätigkeit (ab 1861 als erbliches Mitglied im Herrenhaus, 1861—1867 im böhmischen Landtag) war primär wirtschaftlichen Fragen gewidmet und hielt sich von tages- und nationalpolitischen Auseinandersetzungen großteils fern. Ansätze zu einer solchen Tätigkeit fanden sich auch bei Alois II. Fürst Liechtenstein, der seine Berufung zum Präsidenten der Wiener Landwirtschaftsgesellschaft nicht als formale Ehrenfunktion allein auffaßte 4 4 . Diese Neubewertung wirtschaftlidien Engagements durch Adelige hatte ihre Ursache in dem sozialen Wandel, welcher sich im Vormärz abzeichnete. Der „ascribed status", sämtliche abstammungsmäßig begründeten Privilegien, trat immer mehr in den Hintergrund. Ein „achieved status", ein durch eigene Leistungen errungenes Ansehen, erlangte dagegen in der Selbst- und Fremdeinschätzung der Aristokratie wachsende Bedeutung 45 . Audi konservative Gesellschaftstheorien rückten damals diese Komponente in den Mittelpunkt, zumal die Existenzberechtigung der Adelsinstitution mitunter ganz offen in Frage gestellt wurde. Ähnlich Kübeck und Andrian-Werburg vertrat auch Friedrich Fürst Schwarzenberg in einer ideologischen Selbstinterpretation der Aristokratie den Standpunkt, der Adel d ü r f e nicht „eine durch Geburt und Stellung bloß exclusive, f ü r sich bestehende, abgeschlossene Kaste" bilden, sondern müsse sich durch seine Fähigkeiten „einen Vorzug, eine Auszeichnung vor den übrigen Staats-

43 Geschichte der Eisenbahnen der oesterreichisch-ungarischen Monarchie, redigiert von Hermann Strach, 1/2, 1898, 11 ff. 44 Schreibers, Landwirtschaftsgesellschaft, 124, 158. 45 Ausführlich bei David C. McClelland, The Achieving Society, 1961.

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Wirtsdiaftsstil und Vermögensbildung

bürgern erwerben" 46 . Dieselbe Konsequenz hat 1848 auch Felix Fürst Schwarzenberg in der Entgegnung auf einen Artikel des Schriftstellers Castelli gezogen 47 . Eine starke Gruppe innerhalb der österreichischen Aristokratie lehnte jedoch solchen Leistungswettbewerb ab. Sie hielt weiterhin an dem alten adeligen Wirtschaftsethos fest, welches im Gegensatz zu bürgerlichen Anschauungen eine Vermögensvermehrung nur dann als standesgemäß akzeptiert hatte, wenn dadurch das Ansehen des betreffenden Hauses gehoben wurde. Der streng konservative Alfred Fürst Windischgrätz hat „Geschäfte" mit anderen Intentionen stets mißbilligt und sich davon ferngehalten 4 8 . Diese mangelnde Bereitschaft zur Anpassung entsprang einer völligen Fehleinschätzung der Chancen des Adels, seinen Rang als Führungsschicht auch unter veränderten sozialen und ökonomischen Bedingungen unangefochten behaupten zu können. Die „Privatanleihen" 4 9 , welche seit Mitte der zwanziger Jahre in Kreisen des Hochadels auf wachsendes Interesse stießen, dienten nur zu einem geringen Teil zur Ordnung der Finanzhaushalte oder wie Schulden von Geschäftsunternehmungen zur Erhöhung der Erzeugung, Schaffung neuer Produktionsmittel und damit zu verstärkter Kapitalbildung. Vorwiegend deckten sie noch Auslagen f ü r Konsumzwecke, zur Aufrechterhaltung eines Lebens in ostentativem Stil. Diese Anleihen wurden zwischen dem Begeber und einem oder mehreren Bankhäusern abgeschlossen, wobei

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Schwarzenberg, Antediluvianisdie Fidibussdinitzel, 2, 39 ff. „Nicht in der Hauptstadt allein, sondern vorzüglich auf seinem Grund und Boden . . . dort liegt es dem A d e l ob, für das Vaterland nach Möglichkeit zu wirken . . . " (Wiener Zeitung v o m 9. April 1849). D e n gleichen Vorschlag hatte der Lanzknecht schon 1842 gemacht: „. . . k ö n n t e der Grundadel sich entschließen, wenig oder nicht in den Städten zu leben, sondern seine Existenz auf den Gütern einzuwurzeln . . . es würde nicht so leicht halten ihn zu demüthigen und zu untergraben . . (Schwarzenberg, Antediluvianisdie Fidibussdinitzel, 1, 29). — Über weitreichende Unterstützungen der schwarzenbergischen U n t e r tanen durch das Füstenhaus vgl. z. B. im Archiv Cesky 25 (1910), 672. 47

48 Müller, Feldmarschall Windischgrätz, 3; Gollwitzer, Standesherren, 252. 49 Zur Frage der Privatanleihe während des Vormärz vgl. Alois Brusatti, Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz, Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 13 ( i 9 6 0 ) , 331 ff.

Vermögensverhältnisse und Finanzgebarung

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nach genauen Tilgungsplänen langfristige Teilschuldverschreibungen in bestimmter Stückelung und mit einem festen Zinssatz zur Ausgabe gelangten. Die erste derartige Kreditoperation in Österreich führte 1825 Josef II. Fürst Schwarzenberg durch, der 1,5 Millionen fl. a u f n a h m ; zahlreiche Aristokraten folgten später seinem Beispiel. — Sein Sohn Johann Adolf II. erhielt 1843 zur Wirtschaftsförderung sowie zur Deckung der Umbaukosten von Schloß Frauenberg einen privaten Kredit von 5 Millionen fl.50. An Alois II. Fürst Liechtenstein zahlte das Bankhaus Sina zwischen 1844 und 1846 ratenweise 360.000 fl. C M aus; 1847 gewährte die Erste österreichische Spar Casse einen Vorschuß von 800.000 fl., die Gesamthöhe der neuaufgenommenen Kredite belief sich in diesem Jahr auf 1 Million fl.51. Einen großen Teil dieser Summe verschlang die Renovierung des Majoratspalastes in der Bankgasse, welche insgesamt 3 Millionen fl. gekostet haben soll 52 . Dadurch geriet angesichts der unsicheren politischen Lage von 1848 die liechtensteinische Hauptkasse sogar in vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten. N u r durch den Verkauf von Silbergeschirr und den Tausch der Herrschaft Josefsdorf bei Wien konnte sofortige Abhilfe geschaffen werden 5 3 . Aufwendige Bautätigkeit bildete somit einen wesentlichen Faktor f ü r die Verschuldung adeliger Familien. In Studien über die Finanzen englischer Aristokraten während des 19. Jahrhunderts ist man zu dem gleichen Ergebnis gekommen 54 . Trotz aller Kalku-

50 Schwarzenberg, Geschichte, 241, gibt das Jahr 1838 an, doch ist erst in den H K R 1843 diese Summe vermerkt. 51 HALW, H 14. 52 Die Grenzboten 6/1/1 (1847), 255 ff. führten diese Summe an. Sie scheinen darüber recht gut informiert, da die gesamten Bauauslagen der Liechtenstein zwischen 1843 und 1848 bei 4 Mill. fl. lagen, wogegen sie gewöhnlich zwischen 60.000 und 80.000 fl. schwankten (HALV, H K R , Summarien). 53 Die Herrschaft Josefsdorf, welche mit Kahlenberg und Leopoldsberg zwei der reizvollsten Aussichtspunkte über Wien umfaßte (vgl. S. 150), ging offenbar im Tauschweg für Arbeiten am Majoratspalast sowie für Lieferungen am Glashausbau in Eisgrub (Wert 58.000 fl.) 1849 an den Wiener Schlossermeister Karl Finsterle über. Vgl. HALW, H 1206; Ranzoni, Kunstgewerbe, 17; Prokop, Mähren, 4, 1373. 54 Siehe die kritischen Bemerkungen von Spring, English Landownership, 472 f., über Thompson, Estate.

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lationstechniken ließen Familienstolz und ästhetische Erwägungen eine Abänderung der Pläne im Interesse von Kostensenkungen nicht zu. Es ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, daß man sich den Zwängen eines Statusverbrauchsethos nicht entziehen konnte, welches die Ausgaben mehr vom Rang als von den Einnahmen abhängig machte. Diese auch für die höfische Gesellschaft im Frankreich des 18. Jahrhunderts charakteristischen Züge sind keineswegs als Ausdruck von Unvernunft oder Lasterhaftigkeit zu betrachten — wie dies beispielsweise die adelsfeindliche Literatur im vormärzlichen Österreich tat 5 5 —, sondern als völlig normal und sogar rational zu bezeichnen 56 . Jeder Angehörige der Monopolelite war zur Aufrechterhaltung seiner gesellschaftlichen Position gezwungen, und das daraus resultierende Verhalten — nämlich intensiver Konsum und hoher Aufwand — entsprach durchaus den in dieser sozialen Schicht herrschenden Normen. Gleichermaßen von Prestigeerwägungen geleitet war die Einstellung in Geldangelegenheiten nach außen, dem „Volk" gegenüber: Die Begleichung kleiner offener Rechnungen bei Handelsleuten und Professionisten mußte entsprechend den fürstlichen Anordnungen sofort erfolgen, um durch Verzögerungen und „Schulden" nicht die „hohe Würde" des Hauses zu schmälern 57 . Die Gewährung von Darlehen in der oben angeführten Größenordnung konnte ohne größere Schwierigkeiten schon deshalb erfolgen, da der Realwert von Besitzungen alter Adelshäuser gigantische Höhen erreichte. Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlungen nach Johann I. Fürst Liechtenstein wurde allein der Allodialbesitz des Geschlechts auf rund 5.768.000 fl. geschätzt; er war mit Passiven von knapp 2 Millionen fl. belastet 58 . Größere Schwierigkeiten konnten bei Hypotheken auf Fideikommißgüter auftreten, da hinsichtlich ihrer Belastbarkeit strenge Bestimmungen bestanden. Zusätzliche Sicherheiten für Kredite boten Aktivkapitalien, welche sich aus staatlichen und ständischen Anleihestücken zusammensetzten; weiters war auch eine wachsende Beteiligung an

5 5 Vehse, Adel, 191, tadelt z. B. vehement die „Narrenbauten und kapriciösen Tändeleien". 5 6 Elias, Höfische Gesellschaft, 417 ff. 6 7 H A L W , H 4, Hofstaatsinstruktion. 5 8 H A L W , S 287.

Vermögensverhältnisse und Finanzgebarung

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Privatunternehmungen 5 9 sowie die Vergabe v o n Darlehen an A d e lige festzustellen 6 0 . Es ist bisher nur von den Hauptlinien und somit den Chefs der Familien die Rede gewesen. Es hat sich dabei gezeigt, daß ein umfangreicher Grundbesitz sowohl als Einnahmequelle wie als Sicherstellung f ü r Hypotheken den sichersten Rückhalt f ü r eine dem adeligen Selbstverständnis entsprechende Lebensweise bot. Aus dieser Tatsache wird auch das Vorgehen v o n Johann I. Fürst Liechtenstein begreiflich, der einen Großteil seiner ausgedehnten Grunderwerbungen zur Stiftung v o n Majoraten f ü r nachgeborene Söhne verwendete und ihnen so eine solide finanzielle Basis schuf. Fürst Franz erhielt Güter in der Untersteiermark (Deutschlandsberg mit Hollenegg, Frauenthal, Riegersburg, Kirchberg an der Raab, Limberg, Schwanberg, Feilhofen) im Ausmaß v o n fast 70.000 Hektar 6 1 , die Fürsten K a r l (Neulengbach samt umliegenden Besitzungen in Niederösterreich) 62 und Friedrich (Rosegg, Rosenbach, Truttendorf und Viktring in Kärnten sowie die ehemalige Residenz der steirischen Liechtenstein) 63 kleinere Ländereien. — Die jüngere liechtensteinische Linie (die sogenannte K a r l Linie) besaß in den Fideikommißherrschaften Mährisch-Kromau 6 4 59 Besondere Einkünfte erwuchsen den Liechtenstein aus der Beteiligung an der Bacser Schiffahrtsgesellschaft, dem Karlsstädter Kanal sowie Eisenbahngesellschaften in Mähren und Schlesien. Von Industriebetrieben wurden Aktien von Mühlen und Zuckerfabriken bevorzugt. — Die Schwarzenberg konnten wieder durch Beteiligung an der Pottendorfer Manufaktur respektable Gewinne verzeichnen. 60 Zu den prominentesten Schuldnern der Liechtenstein zählten u. a. Karl Egon Fürst Fürstenberg (70.000 fl. CM), Vinzenz Graf Esterhazy (46.000 fl. CM), Karl Graf Esterhazy (170.000 fl. W ¥ ) , die Fürsten Grassalkovich, Hohenzollern u. v. a. Höhe und Laufzeit dieser durchweg mit 5 bis 6 Prozent verzinsten Darlehen waren in den einzelnen Fällen verschieden (HALV, H K R ) . 01 Großgrundbesitz von Steiermark, 254. Die angegebenen Zahlen sind wieder Statistiken aus dem Ende des 19. Jahrhunderts entnommen. — Über die Verteilung der Güter siehe auch Falke, Liechtenstein, 3, 335 f. 62 Im Großgrundbesitz von N ö . , 134 f., wurde ihre Fläche mit 2381 ha angegeben. 63 Großgrundbesitz von Kärnten, 64, 93, 95. 64 Kromau w a r erst 1751 im Tauschweg gegen Lundenburg zum Fideikommiß der Sekundogenitur geworden. Siehe dazu den Wortlaut des Vertrages bei Falke, Liechtenstein, 3, 234 f. Umfang der Güter nach Prochäzka, Mähren und Schlesien.

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Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

und Budkau sowie den Allodien Hosting und Groß Ullersdorf z w a r nur relativ kleine Ländereien, durch die in den Erbverträgen von 1722, 1760 und 1761 gesicherten Abgeltungen („Transactionsgelder") aber eine beträchtliche finanzielle Dotation 6 5 . Der Mangel an entsprechend großem Herrschaftsbesitz bildete im Zusammenwirken mit verschiedenen anderen Umständen die Ursache f ü r die materiellen Schwierigkeiten der Familie des Siegers von Leipzig, Feldmarschall Karls I. Fürst Schwarzenberg. Wie bereits erwähnt, hatte der Fürst nach dem Ableben seines Vaters das f ü r eine zweite Linie gestiftete M a j o r a t angetreten, welches in Abänderung der ursprünglichen Bestimmungen nunmehr die böhmische Besitzung Worlik, eine Jahresrente von 10.000 fl. W W sowie Interessen in der Höhe von etwa 37.000 fl. WW umfaßte 6 6 . In den Jahren nach 1802 erwarb er nach und nach die benachbarten Güter Zaluzan (1804), Zbenic (1805) und Bukowan (1816) 67 . Infolge der geringen staatlichen Unterstützung während seiner Tätigkeit als Botschafter in Paris (1809—1813), welche in keiner Relation zu dem tatsächlichen A u f w a n d dieses Postens stand, sowie während des Rußlandfeldzuges waren dem Fürsten immense Auslagen erwachsen 68 . Auch die Schenkung der Herrschaft Blumenthal im Banat konnte nicht annähernd ein Äquivalent bilden, da ein Besitz in einem wirtschaftlich noch wenig entwickelten Gebiet eher 65 Zur Entstehung und Zusammensetzung der „Transactionsgelder" vgl. Falke, Liechtenstein, 3, 325; sie w a r e n während des Vormärz m i t 63.275 fl. pro Jahr festgesetzt ( H A L V , H K R , Summarien). 66 Gimborn-Neustadt war 1782 veräußert worden. D i e K a u f s u m m e ließ Johann I. Fürst Schwarzenberg auf seine Allodialherrschaften eintragen und erhöhte noch testamentarisch die Summe dieses „Gimborner Surrogats" auf 6000 fl. Weiters v e r f ü g t e er den Tausch der damals noch entlegenen und wenig ertragreichen Besitzung Murau mit einer böhmischen Herrschaft. A u f Betreiben der Mutter v o n Fürst Karl I. w u r d e das Übereinkommen am 13. D e z e m b e r 1802 mit Wirkung v o m 1. Jänner 1800 rechtskräftig. 67 Statni Archiv v Treboni, 2, 38. Ein kurz vor dem Ableben des Fürsten eingebrachter Antrag auf Einverleibung der Besitzungen in den F i d e i k o m m i ß wurde jedoch verschleppt und erst auf ein neuerliches Ansuchen 1869/70 erledigt (StAT, U K , F. Ü . / X I V ) . 68 Als Aufwandsentschädigung wurden 38.000 fl. gewährt. Diese S u m m e deckte nicht einmal die Auslagen für das Fest, welches anläßlich der Vermählung v o n Erzherzogin Louise gegeben werden mußte. Ober die mangelnde finanzielle Unterstützung auch während der Kriegsjahre bei Kerchnawe-Veltze, Feldmarschall Schwarzenberg, 113 f.

Vermögensverhältnisse und Finanzgebarung

31

eine Aufforderung zur Pionierarbeit als eine sofortige Ertragsquelle bildete 09 . Ende 1818 sah sich Fürst Karl sogar gezwungen, beim Ärar um ein Darlehen von 100.000 fl. anzusuchen, um damit „einige dringende Papiergeldschulden" begleichen zu können 70 . Damit war aber den finanziellen Sorgen der jüngeren schwarzenbergischen Linie kein Ende gesetzt. Nachdem der Monarch dem Verkauf der banatischen Güter zugestimmt hatte 7 1 , ersteigerte man als Basis einer soliden Finanzgebarung 1819 die Religionsfondsherrschaft Sedletz in Böhmen, welche eine verkehrstechnisch günstige Lage aufzuweisen hatte und auch überdurchschnittliche Erträgnisse versprach. Alles materielle Entgegenkommen des Ärars 7 2 blieb jedoch durch den Umstand wirkungslos, daß der damals schwerkranke Fürst seinen Vertretern freie Hand lassen mußte und diese mit 600.000 fl. die Herrschaft beträchtlich überzahlten 7 3 . Nach dem Tode des Fürsten (er starb am 15. Oktober 1820) stand seine Familie vor dem Ruin. Erhebungen seines ehemaligen Adjutanten und Vertrauten G r a f Paar und des Fürsten Josef Schwarzenberg wiesen zwar ein beträchtliches Aktivvermögen (etwa 1,6 Millionen fl. CM) aus, welches jedoch nur relativ geringe Erträge, noch dazu vorwiegend in WW, abwarf. Nach Abzug aller regelmäßigen Ausgaben sowie der Lasten aus dem Testament des Feldmarschalls verblieb ein Jahresdefizit von etwa 8000 fl. W W 7 4 . So bildete auch die spontan bewilligte staatSchwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 421. FA, 4446 ex 1820, Vortrag des Grafen Stadion vom 29. Oktober 1820. 71 FA, 1093 ex 1819. Die Güter gingen mit Genehmigung des Kaisers vom 26. Februar 1819 um 341.000 fl. an Peter Tököly von Kevermes über. 7 2 Das sofort nach der Versteigerung des Gutes zu bezahlende Drittel des Kaufpreises wurde erlassen, ferner die Ratenzahlungen für Blumenthal auf das Schuldenkonto für Sedletz gutgeschrieben. F A , 140 ex 1821 als Antwort auf ein Gesuch der Fürstin Maria Anna Schwarzenberg vom 11. August 1820; vgl. auch FA, 2168 ex 1821. 09

70

7 3 Im Zuge der Vermögensberechnungen der Familie im Jahr 1821 wurde ein Schätzwert von 501.000 fl. angegeben. FA, 4446 ex 1820. 7 4 Mit ah. Entschließung vom 6. November 1820 wurde der Bruder des Verstorbenen mit Untersuchungen beauftragt (FA, 4626 ex 1820). Noch vor Einlangen dieses Auftrages hatte dieser durdi den Grafen Paar genaue Nachforschungen einleiten lassen. Zum niederschmetternden Ergebnis der Berechnung siehe Anhang 4 — 6 .

Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

32

liehe W i t w e n p e n s i o n in d e r H ö h e v o n

1 2 . 0 0 0 fl. C M

T r o p f e n a u f den heißen Stein 7 5 , weil s o g a r der

nur

einen

Lebensunterhalt

bereits aus K r e d i t e n bestritten w e r d e n m u ß t e . D a der V e r s t o r b e n e j a in Diensten des Staates sein gesamtes V e r m ö g e n g e o p f e r t h a t t e , drängten zügige

einflußreiche

Aushilfe.

Die

Fürsprecher endgültige

auf

eine entsprechend

Entscheidung

des

Kaisers

großauf

A l t e r n a t i v v o r s c h l ä g e d e r H o f k a m m e r fiel jedoch erst 1 8 2 2 , i n d e m m a n den staatlichen V o r s c h u ß v o n 1 8 1 9 ( 1 0 0 . 0 0 0 fl.) nachließ und d e m M a j o r a t s c h e f rückwirkend a b 1 8 2 0 durch 15 J a h r e eine J a h resrente v o n 1 0 . 0 0 0 fl. g e w ä h r t e 7 6 . D e r f r ü h e r g r o ß a r t i g e H a u s h a l t m u ß t e d a r a u f h i n faktisch a u f gelöst w e r d e n ; zahlreiche b e t a g t e D i e n e r w u r d e n in den R u h e s t a n d v e r s e t z t , a n d e r e w i e d e r an B e k a n n t e w e i t e r v e r m i t t e l t . D i e E r b e n s a h e n sich auch genötigt, zahlreiches Besitztum, wie P f e r d e W a g e n 7 7 , den stattlichen B e s t a n d des W e i n k e l l e r s 7 8 ,

und

Luxusgegen-

s t ä n d e aller A r t 7 9 , Teile der Bibliothek, k o s t b a r e A n d e n k e n 8 0 und

S t A T , U K , F A R , Maria Anna Schwarzenberg, 1/5. G r a f Stadion hatte im Februar 1821 folgende Möglichkeiten vorgelegt (FA, 1168 ex 1821): ein unverzinsliches Darlehen von 100.000 bis 200.000 fl. C M ; Schenkung der auf Sedletz zugunsten des Staates vorgemerkten 100.000 fl., welche am 26. Februar 1819 gewährt worden und ursprünglich auf Blumenthal, später auf Sedletz vorgemerkt waren; eine jährliche Zuwendung in der H ö h e von 20.000 fl. C M für den ältesten Sohn, damit dieser seine Revenuen gänzlich der Erledigung seiner Familienangelegenheiten widmen konnte. — D i e beiden letzten Anträge wurden schließlich zumindest teilweise realisiert (FA, 3748 ex 1822, ah. Resolution vom 15. September 1822). D i e Zahlungen ließen jedoch lange auf sich warten und wurden erst auf eines der wiederholten Gesuche ( F A 903, 1025 ex 1824) im März 1824 flüssiggemacht. 75

76

7 7 1 8 20 und 1821 gingen dafür fast 6000 fl. C M ein. Vgl. S t A T , U K , H K R 1820, 1821, Summarien. 7 8 Die Verkäufe durften mit ah. Bewilligung steuerfrei durchgeführt werden. Zwischen 1821 und 1823 erzielte man durch Veräußerung der vorwiegend alten französischen Bouteillenweine und Liköre verschiedenster Sorten an andere Adelshäuser einen Erlös von 23.000 fl. (StAT, U K , H K R 1 8 2 1 — 1 8 2 3 , Summarien). 7 9 Das Silberservice der Familie erwarb G r a f Waldstein um 17.000 fl. C M , Teile des Familienschmuckes wurden in den Jahren 1830—1832 veräußert (StAT, U K , F. ü. X V / 2 A). 8 0 Dazu zählte als wohl prächtigstes Stück das kostbare Pferdegeschirr, ein Geschenk Napoleons, vgl. Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 435.

Vermögensverhältnisse und Finanzgebarung

33

schließlich auch die Kupferstichsammlung, z u veräußern 8 1 . Im L a n z knecht Friedrich Fürst Schwarzenberg haben diese unverschuldete materielle Zerrüttung der Familie sowie die seiner Ansicht nach m a n g e l n d e Hilfsbereitschaft früherer Freunde des Hauses eine tiefe Verbitterung zurückgelassen 8 2 . In dieser prekären Situation schränkten alle Mitglieder der jüngeren schwarzenbergischen Linie ihre Bedürfnisse stark ein, o h n e dabei in wirklicher A r m u t z u leben. Es ist für die Bedeutung des Statusverbrauchsethos innerhalb der Hocharistokratie bezeichnend, d a ß die finanziellen Rückschläge wesentlich z u m Abstieg der Sekundogenitur innerhalb der Adelshierarchie beigetragen und viel zur Prägung des Exzeptionellen, U n k o n v e n t i o n e l l e n in dieser Familie beigesteuert haben. Laut Heiratsvertrag 8 3 war der G a t t i n des Fürsten Karl I. nach dessen T o d neben einer einmaligen Zuweisung 8 4 auch eine Jahresrente v o n 6 0 0 0 fl. sowie der Ersatz der U n k o s t e n für W a g e n , Z a u m z e u g und sechs Pferde ausgesetzt. I n den ersten zehn Jahren nach dem T o d des Feldmarschalls machte die Fürstin jedoch v o n ihren Rechten nur z u m Teil Gebrauch und b e z o g m a x i m a l z w e i Drittel ihres Witwengehaltes 8 5 . Als z w e i t 81 Diesbezüglich führte die Fürstin Maria Anna längere Verhandlungen mit Kunsthändlern in Leipzig, da diese Stadt die besten Absatzmöglichkeiten versprach (StAT, UK, FAR, Maria Anna Schwarzenberg, 1/8). Die Verkäufe zogen sich in zahlreichen Versteigerungen über mehrere Jahre hin und wurden 1830 abgeschlossen (vgl. StAT, UK, FAR, Jackubicka, Repertorium, N r . 1—36, pag. 156 f.). 82 Noch in den Antediluvianischen Fidibusschnitzeln, 5, 16 f., gedenkt er dieser Jahre: „Ich bin darin frühzeitig gereift, und habe als zwanzigjähriger Jüngling, als ich nach dem Tode meines Vaters Hilfe und Trost bei jenen Leuten suchte, welche stundenlang im älterlichen Hause mich mit Freundschaftsbezeugungen überhäuften, wie im Evangelium nur Brot und Steine empfangen, und ohne Vermögen und Schutz fand ich Theilnahme größtenteils nur bei denen, welche meinem Vater nichts zu verdanken hatten. Jenen, w o das Gegentheil der Fall war, erschien ich vielmehr als unwillkommener Mahner an eine unbezahlte Schuld." 83 Er datierte vom 25. Jänner 1799, vgl. StAT, UK, FAR, Maria Anna Schwarzenberg, 1/1 b. 84 Ebd., § 3: Es handelte sich dabei um die Summe von 20.000 fl. W , welche an die Witwe entweder sofort auszuzahlen oder mit 4prozentiger Verzinsung anzulegen war. Diese allgemein übliche Bestimmung sollte der Gattin die notwendigsten Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes liefern und bewährte sich im vorliegenden N o t f a l l besonders. 85 StAT, UK, FAR, Friedrich Schwarzenberg, 1/5/1.

S ' Stekl, Aristokratie

34

Wirtsdiaftsstil und Vermögensbildung

und drittgeborener Sohn sollten Karl und Edmund neben einer Apanage von jährlich 5000 bzw. 3000 fl. C M 12.500 bzw. 8000 fl. als Kapitalerträge erhalten. Ein Vergleich des Jahres 1830 regelte bereits länger bestehende mündliche Vereinbarungen 8 6 : Fürst Edmund, welcher als Subalternoffizier diente, verzichtete bis 1822 auf die gesamten ihm zustehenden Beträge und willigte bis 1830 zu deren Reduzierung auf 2 0 0 0 fl. ein. Sein Bruder Karl gab sich ebenfalls mit Einschränkungen zufrieden 87 . In den zwanziger Jahren bahnte sich nun in der Leitung des Sekundogeniturfideikommisses eine Änderung an. Hatte der wirtschaftlich desinteressierte Friedrich seinen Bruder Karl schon ab 1825 während seiner Reisen mit der Führung der Vermögensverwaltung betraut, so übertrug er ihm 1834 gegen eine Jahresrente von 16.000 fl. endgültig die gesamten Leitungsgeschäfte. Dieser Wechsel war nun insofern von Bedeutung, als von diesem Zeitpunkt an eine deutliche Besserung der Vermögensverhältnisse festzustellen ist. 1837 sah man sich zum letzten Mal vor die Notwendigkeit einer größeren Kreditaufnahme gestellt 88 , in den folgenden Jahren blieben diese Beträge in einem vergleichsweise sehr bescheidenen Rahmen. 1847 wurde sogar das Gut Warwaschau erworben. Überdies brachte das — allerdings getrennt verrechnete — Wratislawsche Erbe (Herrschaften Cimelic, Tochovic und Wosow sowie zwei Häuser in Prag), welches die Gattin Karls I I . 1840 nach dem Ableben ihrer Mutter erhalten hatte, willkommene Einkünfte 8 9 . Fürst Karl I I I . , dem sein Vater schon 1854 die LeiStAT, U K , F. Ü./X. An Stelle der für ihn ursprünglich bestimmten Summe bezog er bis 1825 nur 8000, weitere zwei Jahre 9000, bis 1830 10.500 fl. und dann erst den vollen Betrag. Seine gegenüber den anderen Familienmitgliedern größeren Bedürfnisse stehen im Zusammenhang mit seiner Heirat mit Josefine Gräfin Wratislaw am 26. Juli 1823. 8 8 Fürstin Maria Anna hatte mit einem Teil ihres Privatkapitals aus erster Ehe eine Sofortaushilfe zur Regelung der Vermögensverhältnisse geleistet. (Als Witwe nach Paul Anton II. Esterhazy, welcher am 22. J ä n ner 1794 verstorben war, besaß sie in der Esterhazyschen Familienkasse noch die Summe von 75.000 fl. CM.) Darüber StAT, U K , F A R , Maria Anna Schwarzenberg, 1/10 a. Die größten Privatkredite, nämlich 470.000, 166.000 und 204.000 fl. CM, mußten in den Jahren 1824, 1831 und 1837 aufgenommen werden; später lagen die Beträge zwischen 20.000 und 30.000 fl. Vgl. StAT, U K , H K R , Summarien 1824—1848. 96

87

89

Schwarzenberg, Schlösser; Statni Archiv v Treboni, 2, 38 f.

Vermögensverhältnisse und Finanzgebarung

35

tung der Besitzungen übertragen hatte, beteiligte sich kaum an den sonst häufigen Spekulationen, sondern verfolgte den schrittweisen Ausbau land- und forstwirtschaftlicher Industrien. Durch diese Maßnahmen gelang es ihm, die Finanzen der jüngeren Linie endgültig zu stabilisieren 90 . Auch bei der Sekundogenitur bildeten die Rentgelder die größten Budgetposten, gegen die — wie bereits angedeutet — alle anderen Einkünfte beträchtlich abfielen. 1820 betrugen z. B. bei der älteren schwarzenbergischen Linie die Grundbesitzeinnahmen 58 Prozent (500.342 fl.), gefolgt von rückbezahlten Aktiven mit 13 Prozent (116.343 fl.), Rustikalsteuern 10 Prozent (89.756 fl.), Interessen von Anlagekapitalien 7,5 Prozent (64.940 fl.), Steuerertrag aus Dominikalland 6 Prozent (50.184 fl.), Hauszinsen 2 Prozent (17.313 fl.) sowie kleineren unbedeutenden Posten 91 . Auf der Ausgabenseite entfielen die größten Summen auf die Rückzahlung von Passiven (19 Prozent), Wechselagio und Provisionen sowie Schuldzinsen (je 16 Prozent), Besoldungen, Pensionen, Zuschüsse und Arzneien der Dienerschaft (12 Prozent). Auf rund 5 Prozent beliefen sich die Auslagen f ü r Haushofmeisteramt und Stall sowie f ü r die Neuanlage von Kapitalien; etwa 4 Prozent nahmen die Zahlungen f ü r Ansprüche bzw. persönliche Bedürfnisse von Familienmitgliedern ein; etwa 2,5 bis 3 Prozent gingen f ü r die Erhaltung von Häusern und Gärten auf; der restliche Prozentsatz verteilte sich auf eine Vielzahl kleiner Verrechnungsposten, welche in den Summarien der Hauptkasserechnungen genau ausgewiesen wurden. — Anders lagen die Verhältnisse bei den Liechtenstein, wo unter den Auslagen des Jahres 1825 noch die Zahlungen f ü r Grunderwerbungen (30 Prozent), Auswechslung von W W (15 Prozent), Steuern (10 Prozent) an der Spitze lagen. 1845 sind an ihre Stelle mit 49 Prozent die Bauausgaben getreten, bedingt durch den Umbau des Majoratspalastes. Sämtliche anderen Aufwendungen waren im ungefähr gleichen Rahmen 90

Schwarzenberg, Geschichte, 304 f.; Grimm, Carl II. Schwarzenberg, 8. 91 StACK, H K R 1820, Summarium, Summen gerundet und umgerechnet in CM. — Ein Vergleich mit anderen Jahren mußte unterbleiben, da die Verrechnungsmerkmale wiederholt wechselten und man ab 1825 mehrere bisher einzeln ausgewiesene Rubriken gemeinsam unter der Bezeichnung „Laut Hauptbuchssummarium" anführte. 3*

Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

36

geblieben: Haushofmeisteramt 5 bis 6 Prozent, Dienerschaft 4 Prozent, hochfürstliche Anschaffungen 3 Prozent, bezahlte Zinsen 2 bis 3 Prozent 9 2 . Entsprechend der Höhe der Einkünfte waren auch die Summen, über welche die Chefs von Hauptlinien persönlich verfügen konnten, ungleich größer als jene, die den Mitgliedern der Sekundogenitur zur Verfügung standen. Bei Josef I I . Fürst Schwarzenberg schwankten die Beträge um 15.000 fl. pro Jahr, bei Johann Adolf II. wurden 20.000 fl. angegeben. Eine Grenze nach oben hin läßt sich dabei kaum anführen, da auch persönlicher Aufwand unter der Rubrik „Auf hochfürstliche Anschaffung" mit verrechnet wurde. Ähnlich verhielt es sich auch bei den Gattinnen regierender Fürsten. In den Heiratskontrakten waren für sie jeweils „Spenadlgelder" vereinbart: Eleonore Fürstin Schwarzenberg, der Gemahlin von Johann Adolf II., standen neben einer Morgengabe von 300 Spezies-Dukaten, dem Hausschmuck und Pretiosen im Wert von 24.000 fl. noch jährlich 3000 fl. CM als Nadelgeld zur Verfügung 93 . Obwohl Josefine Fürstin Liechtenstein von Johann I. 15.000 fl. W W erhielt, wird von ihren ständigen Geldschwierigkeiten berichtet, die sie vergebens zu meistern versuchte. Oft gab die fürstliche Hauptkasse Kredite und Vorauszahlungen, welche allerdings nur der Form halber vorgemerkt wurden und als uneinbringlich galten 94 . Ihr Witwengehalt von 22.000 fl. C M erreichte in der österreichischen Hocharistokratie einsame Höhe. Eleonore Fürstin Schwarzenberg dagegen sollte im Falle des Witwenstandes noch zu Lebzeiten ihres Vaters 8000, nach dessen Tod 12.000 fl. CM, eine einmalige Zuwendung von 6000 fl., freie Wohnung sowie die Möglichkeit zur Benützung von zwei Wagen und zwei Paar Pferden erhalten. Dagegen bekam Fürstin Anna Lobkowitz, eine geborene Schwarzenberg, z. B. nur 6000 fl. in bar 9 6 . Die Auslagen von Söhnen und Töchtern in einer adeligen Familie wurden je nach Bedarf und tatsächlichem Aufwand voll gedeckt. H A L V , H K R 1825, 1845, Summarien. StACK, F. P. d., Johann Adolf Schwarzenberg, 5 a. 9 4 Criste, Johannes Liechtenstein, 180. 9 5 Dazu kamen noch sechs Pferde sowie ein Mietzinsbeitrag von 1000 fl. C M . Vgl. AVA, F 5, 41 ex 1842, Verlassenschaftsakt August Longin Fürst Lobkowitz, der 1827 Anna Berta Prinzessin Schwarzenberg geheiratet hatte. 62

83

Einkünfte von Familienmitgliedern

37

Heiratete der Erstgeborene und künftige Universalerbe noch zu Lebzeiten seines Vaters, so überließ ihm dieser gewöhnlich neben einem entsprechenden Bedientenstab auch eine Besitzung zur N u t z nießung. Johann Adolf II. Schwarzenberg erhielt die Herrschaft Kornhaus, die gesamte Heiratsausstattung (28.562 fl. CM) und 14.000 fl. CM pro Jahr 9 6 , Johann I. Liechtenstein Loosdorf bei Mistelbach, ein Kapital von 150.000 fl. und eine jährliche Summe von etwa 18.450 fl. 97 . Auf diesen Gütern konnten die ersten Erfahrungen f ü r die Aufgaben eines Großgrundbesitzers gesammelt werden. Eine Generalisierung der Vorgangsweise bei der Versorgung nachgeborener Söhne ist undurchführbar 9 8 . Bei den Schwarzenberg erfolgte sie zu Lebzeiten des Vaters durch Jahresrenten, dann durch Interessen an Erbanteilen. Josef II. Fürst Schwarzenberg hatte in seinem Testament 9 9 jedem seiner Söhne ein Vermögen von 100.000 fl. vermacht, aus dessen Zinsgenuß sich Apanagen in der H ö h e von 4000 fl. ergaben, welche dann Johann Adolf II. auf 6400 fl. CM erhöhte. Ein Nebeneinander von Annuitäten und Kapitalzinsen, wie es bei der schwarzenbergischen Sekundogenitur anzutreffen war, stellte eine außergewöhnliche Regelung dar. In jedem Fall aber bildete die Bereitstellung eines hohen Anlagekapitals f ü r das Fideikommißvermögen eine wesentliche Belastung. — Bei den Liechtenstein wieder waren Jahresrenten üblich, die von 8000 fl. W W auf 4500 fl. C M stiegen10«. Dazu kamen f ü r sämtliche Agnaten noch die Bezüge aus Stellungen im militärischen oder diplomatischen Dienst sowie die Erträgnisse ihrer Güter, womit die Führung eines dem Ansehen des Gesamthauses angemessenen Lebensstils gewährleistet war 1 0 1 . 86 Laut Übereinkunft vom 6. Juni 1829 (StACK, FAR, Johann Adolf Schwarzenberg, 5 a) geschah dies „auf seine dringenden Wünsche" noch vor seinem Heiratsantrag im Herbst 1829 (dazu StACK, FAR, Johann Adolf Schwarzenberg, 4 a), um so eine günstigere Ausgangsposition für seine Werbung zu sichern. 97 Criste, Johannes Liechtenstein, 4. 98 Uber die äußerst vielfältigen Gepflogenheiten in England informiert Spring, English Landownership, 474 f. 99 StACK, UK, Lade 30, Testament vom 9. Juli 1811, § 10, 11. 100 H A L V , H K R 1815—1848, Ausgaben/Apanagen. 101 Felix Fürst Schwarzenberg z. B. erhielt als Gesandter in Neapel 6000 fl. sowie eine Repräsentationszulage von 48.000 fl. (FA, 2029 ex 1844). Als Ministerpräsident bezog er 8000 fl. Gehalt, 16.000 fl. Funktions-

38

Wirtschaftsstil und Vermögensbildung

Die Töchter wurden in der Regel bis zur Vollendung ihres 20. Lebensjahres im Elternhaus versorgt. Danach erhielten sie z. B. in der Familie Schwarzenberg bis zu ihrer Verheiratung eine Jahresrente von 3000 fl. (welche somit beträchtlich unter jener der Brüder lag), anläßlich ihrer Eheschließung den einmaligen Betrag von 20.000 fl. CM 1 0 2 . Dazu kamen noch die Erfordernisse für die „Ausstaffierung", welche sich bei der Doppelhochzeit von Marie Eleonore und Marie Pauline Prinzessin Schwarzenberg auf rund 122.000 fl. beliefen 103 . — Im Haus Liechtenstein betrug die Ausstattungssumme gewöhnlich 100.000 fl. W W 1 0 4 , wozu noch die in den Heiratsverträgen festgelegten Leistungen kamen. — Es handelte sich bei diesen Beträgen um absolute Spitzenwerte innerhalb der adeligen Gesellschaft. Die Töchter des Fürsten August Longin Lobkowitz erhielten beispielsweise bei ihrer Hochzeit bloß 6000 fl. CM105. Diese Apanagen stellten für Söhne und Töchter aber nur jene Summen dar, welche ihnen zur freien Verfügung überlassen wurden. Ein etwaiger Mehrbedarf für Kleidung, Equipagen, Schmuck etc. wurde, solange die Kinder im elterlichen Haushalt lebten, jeweils vom Familienchef gedeckt. Zulage sowie ein Einriditungspausdiale von 4000 fl. Dennoch mußte der Fürst einiges aus seinem Privatvermögen zuschießen (FA, 4795 ex 1842). 1 0 2 S t A C K , U K , Lade 30. Kodizill zum Testament des Fürsten Josef Schwarzenberg vom 8. Juli 1819, womit die ursprünglich vorgesehene Summe um ein Drittel erhöht wurde. 1 0 3 StACK, H K R 1816, 1817. Am 16. April 1817 heiratete Marie Eleonore Schwarzenberg Alfred Fürst Windischgrätz, Marie Pauline Schwarzenberg ehelichte Eduard Fürst zu Schönburg-Hartenstein. Vgl. auch Anhang 2. 104 H A L V , H K R 1825, Ausgaben, Ausstattung der Prinzessin Henriette Liechtenstein anläßlich ihrer Vermählung mit Josef Graf Hunyady. 105 A V A , F 5, 41 ex 1842, Verlassenschaftsakt August Longin Fürst Lobkowitz, Testament vom 8. August 1839, § 17.

2. D E R A D E L I G E

HOFSTAAT

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in den Schematismen der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg die Bezeichnung „Hofstaat" für das gesamte in der Hauptstadt Wien tätige Personal verwendet. Er umfaßte dabei sowohl die gesamte Beamtenschaft f ü r Regierungs- und Verwaltungsgesdiäfte wie auch alle Dienstleute, denen die Besorgung des fürstlichen Haushaltes übertragen war. Dieses Verständnis entsprach den Verhältnissen am Hof der österreichischen Herrscher vor dem 18. Jahrhundert, in dem sich Hof und Staat als rechtlich gesonderte Sphären trennten. Uberhaupt läßt sich — abgesehen von der Begriffsidentität — in Aufbau und Organisation eine starke Ausrichtung des adeligen nach dem Vorbild des kaiserlichen Hofstaates feststellen 1 . Mit der Verwendung von Repräsentationselementen, die sich sonst nur beim Herrscher finden, deutete sich aber auch Selbstbewußtsein und Führungsanspruch der Hocharistokratie an; eine Einstellung, die bei regierenden Fürsten oder Mediatisierten in der Habsburgermonarchie häufig anzutreffen war 2 . Die Verwaltung adeligen Besitztums war eine hierarchisch aufgebaute Großorganisation, von deren Funktionsfähigkeit die Realisierung aller angeordneten Neuerungen auf dem landwirtschaftlichen und industriellen Sektor abhing. Die folgenden Beispiele um1 Als reditshistorische Untersuchung vgl. Ivan Zolger, Der Hofstaat des Hauses Österreich, 1917. 8 So bestanden z. B. nach französischem Beispiel auf den Sommerresidenzen bewaffnete oder uniformierte Garden. Alois I. Fürst Liechtenstein hielt in Feldsberg eine Grenadierkompanie und eine Nobelgardeabteilung aus ausgedienten Unteroffizieren. Erstere löste Fürst Johann I. bei seinem Regierungsantritt auf, die Nobelgarde wurde nicht weiter ergänzt (Criste, Johannes Liechtenstein, 177). Die Schwarzenberg besaßen seit 1705 eine Grenadiergarde, zuerst auf Frauenberg, ab 1743 im Herzogtum Krumau; sie umfaßte während des Vormärz 29 Mann. Ihre Auflösung erfolgte 1947 (SAM, Schematismus 1822, 2 4 ; Schwarzenberg, Geschichte, 153, 166, 235, 259).

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Der adelige Hofstaat

fassen freilich nicht alle Möglichkeiten des Aufbaus solcher nadi dem Muster des Herrscherhofes streng zentralisierter Instanzen, können aber als einigermaßen repräsentative Modelle f ü r derartige bürokratische Organisationsformen gelten. Sie gaben die Vorbilder für die Administration kleinerer Herrschaftskomplexe ab, welche — besondes im Falle enger verwandtschaftlicher Bindungen der Besitzer — mitunter erst durch ein langsames Herauswachsen aus dem bestehenden Apparat ihr Eigenleben erhielten 3 . F ü r die Periode des Vormärz läßt sich in der wiederholten Neuorganisation der fürstlich liechtensteinischen Hofkanzlei das Streben nach wachsender Perfektionierung und Rationalisierung des Verwaltungsmechanismus am besten verfolgen. Der Aufbau dieser Behörde war seit den Reformen bei Regierungsantritt Fürst Johanns (1805) abgesehen von personellen Umbesetzungen unverändert geblieben 4 . An der Spitze stand der „Dirigierende H o f r a t " als Leiter der Kanzlei- und Kassengeschäfte, ihm zur Seite ein Wirtschaftsrat und Registraturdirektor, zwei Sekretäre, je ein Protokollist, Konzipist, Registrant, Kanzleibuchhalter, zwei Kanzlisten, zwei Kanzleidiener; ein Personalstand von 13, manchmal auch bis zu 15 Mann. Die gleiche Anzahl von Beamten läßt sich auch bei der schwarzenbergischen Zentralverwaltung belegen 5 . Die einzige Änderung bestand 1832 in der Schaffung eines zweiten Wirtschaftsratpostens, womit eine Erleichterung dieser Dienste angesichts des ständigen Anwachsens des Besitzstandes ermöglicht werden sollte 6 . Eine wirklich reibungslose und geregelte Abwicklung der Geschäfte bedurfte erhöhter Differenzierung und Konkretisierung der einzelnen Arbeitsbereiche, da von den einzelnen Herrschaften oft über hundert Poststücke pro Tag ein3 So standen die ersten Beamten der Sekundogenitur des Hauses Schwarzenberg gleichzeitig in Diensten der älteren Linie; eine eigene Bauinspektion wurde erst 1815 ins Leben gerufen. Näheres über den Verwaltungsaufbau beim zweiten Majorat des Geschlechtes vgl. Stâtni Archiv v Treboni, 2, 77 ff. 4 Criste, Johannes Liechtenstein, 159 f.; zur Geschichte der Kanzlei HALW, H 1773, zu ihrer personellen Zusammensetzung vor den neuen Verordnungen im Liechtenstein-Schematismus 1803, 11 f. 5 Die Hofkanzlei in Wien beschäftigte zehn, das Prager Oberamt fünf Männer (SAM, Schematismus 1822, 17, 23). 6 H A L W , H 14, Handbillett des Fürsten Johann Liechtenstein vom 27. Juni 1832.

Hofkanzleien

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langten, welche sich zum Teil mit schwierigen Rechtsfragen beschäftigten. Die Menge der Akten wuchs derart an, d a ß die Regenten sie kaum selbst unterzeichnen, geschweige denn lesen konnten 7 . Aus diesem Grund hatte Fürst Johann I. bereits 1829 den leitenden Beamten seiner Kanzlei eine Unterzeichnungsvollmacht f ü r alle „actus dominicales, jurisdictionales in publicis, politicis, judicialibus und oeconomicis" übertragen 8 . Ein ähnlicher Vertrauensbeweis war bei der schwarzenbergischen Sekundogenitur an H o f r a t Hirschmann ergangen: Josef II. Fürst Schwarzenberg und seine Schwägerin Maria Anna ermächtigten den H o f r a t bis zur Volljährigkeit ihres Mündels Friedrich mit der alleinigen Leitung sämtlicher Verwaltungsagenden 9 . Die liechtensteinische Geschäftsordnung von 1834 wies deutliche Parallelen zur alten schwarzenbergischen Kanzleiinstruktion auf 1 0 , verfügte jedoch über eine viel gründlichere, ja subtile Beschreibung des Geschäftsganges. Nachdem der H o f r a t unter Berücksichtigung bereits geleisteter Vorarbeiten oder vorhandener Spezialkenntnisse die Zuteilung des Einlaufs vorgenommen hatte, ging der Akt auf einem bis ins kleinste festgelegten Amtsweg über Protokoll und Registratur an die zuständigen Referenten 1 1 . Komplizierte Materien hingegen erhielten den Zusatz „ad referendum" und wurden in den zweimal wöchentlich stattfindenden Kanzleisitzungen beraten, wo H o f r a t , Wirtschaftsrat und Sekretäre nach 7 Fürst Alois II. z. B. äußerte den Wunsch, die Vorträge möglichst zu vereinfachen, um ihm so das viele Lesen zu ersparen (HALW, H 4, Zirkular vom 1. März 1838). 8 HALW, H 1773, Vollmacht des Fürsten vom 21. April 1829. 9 StAT, UK, F. ü. XVII/2. 10 HALW, H 14. Die „Geschäftsordnung bey der Fürstlichen H o f kanzlei" trat mit dem 1. Mai 1834 in Kraft. Die „Instruction wie sich bey der hochfürstlichen Hofkanzley in Ansehen der kommenden Berichte und Schreiben zu benehmen sey"; datiert mit 6. Mai 1784 (StACK, UK, Fasz. 672). 11 Nach einer zweiten Lesung der Eingänge durch den Wirtschaftsrat wurden sie vom Protokollisten unter dem jeweiligen Datum mit kurzer Inhaltsangabe und Namen des Referenten in das Protokoll eingetragen. Hierauf erhielt sie der Registrant, der das Geschäftszuteilungsprotokoll führte und dort unter dem Tag der Sitzung die Depesche und den Namen des Bearbeiters festhielt. Nach Aushebung der Vorakten und Ausscheiden aller für den Fall belanglosen Papiere stellte man das Material dem zuständigen Bearbeiter zu.

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Der adelige Hofstaat

dem Majoratsprinzip 1 2 über die E n t w ü r f e der Sachbearbeiter entschieden. Dabei sollten Wahrung der Interessen des Dienstgebers („das höchste Interesse des Dienstes zu befördern und sicher zu stellen — die Rechte Sr. Durchlaucht verwahren und beharrlich vertretten, die bestehenden Regie-Grundsätze immer mehr zu befestigen und vervollkommnen"), Ordnung, Unparteilichkeit und Gerechtigkeit als oberste Grundsätze gelten und eine dem Rang des Hauses entsprechende Integrität gewährleisten. Die Antwortsdireiben gelangten nach nochmaliger Revision an das Expedit; für die formale Abfassung wie auch die Vermeidung bzw. Evidenzhaltung von Rückständen bestanden genaue Richtlinien, W a r diese Geschäftsordnung also hauptsächlich dazu bestimmt, die Dienstpflichten des Personals in dem nach staatlichen Vorbildern hierarchisch aufgebauten Verwaltungskörper zu umschreiben, so wurde durch die Hauptinstruktion des Jahres 1838 die Stellung der Hofkanzlei im Verband der Gesamtverwaltung festgelegt 13 . Als oberste Zentraldirektion sollte sie weiterhin Einheit, O r d n u n g und Zweckmäßigkeit vorbildlich verbreiten und aufgrund ihres Überblickes und der vergleichenden Beurteilung von Maßnahmen zur Erfüllung der Hauptzwecke der Instruktion beitragen: Erhaltung und Verbesserung der Besitzungen und aller damit verbundenen Gerechtsame, deren möglichst große Nutzung, Fürsorge f ü r das Wohl der Untertanen und gesetzliche Besorgung des öffentlichen Dienstes. Alle anderen Dienststellen waren dabei der Hofkanzlei streng untergeordnet, und eine Verletzung ihrer Autorität wurde einem Angriff auf die Person des regierenden Fürsten gleichgestellt. Um jedoch den zeitraubenden und mit Vielschreiberei belasteten Instanzenweg zu verkürzen und eine größere Leistungsfähigkeit der mit den unmittelbaren Dienstleistungen betrauten lokalen Herrschaftsämter zu erreichen, wurden deren Befugnisse beträchtlich vergrößert; diesen Grundsatz behielt man auch in den folgenden Jahren bei 14 . Zur Vorbeugung von Miß12 Es entschied einfache Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit lag d i e Beschlußfassung beim Vorsitzenden H o f r a t . Letzterer konnte aber auch gegen Majoritätsbeschlüsse in einem Vortrag an den Fürsten seine Bedenken darlegen. 13 Hauptinstruktion, 5 4 ff., § § 5 5 — 7 1 ; 5, § 1. 14 Hauptinstruktion, 81 ff., §§ 9 8 — 1 4 6 . Weitere Vereinfachungen zur Beschleunigung der Approbationsgeschäfte wurden 1840 ( H A L W , H 4,

Hofkanzleien

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griffen oder Willkürakten fungierten die neu eingerichteten inspizierenden Oberämter mit der Prager Inspektion als Oberwachungsorgan 15 . Bereits Fürst Johann I. hatte der Tätigkeit der damals vier Inspektoren große Bedeutung beigemessen 16 . Mit nunmehr erweiterten Befugnissen als „exponierte Mitglieder" der Hofkanzlei, welche unter den stimmführenden Referenten im Range über den Sekretären standen, konnten sie in den Berichten über Belange der ihnen unterstellten Bezirke ihr Votum abgeben. D a aber nun Geschäftsordnung und Hauptinstruktion aufgrund der Erfahrungen der ersten Arbeitsjahre einander doch nicht ideal ergänzten, wurde 1842 eine neue Hofkanzleiinstruktion erlassen, an deren Vorarbeiten sich Fürst Alois I I . persönlich beteiligt hatte 17 . Ihr Hauptgewicht lag auf der Beseitigung übertriebener Formalismen, der Abschaffung der doppelten Revision sowie der Entlastung der Beamten von rein medianischen Verwaltungsarbeiten. — Drei Jahre später wurden abermals Änderungen durchgeführt 18 , welche den Entscheidungen der einzelnen stimmberechtigten Hofkanzleiorgane größere Durchschlagskraft verleihen sollten, da nun auch sie bei einem Mehrheitsbeschluß gegen ihren Antrag ein Separatvotum an den Fürsten richten konnten. Ein derartiges Vorgehen legte der Regent namentlich den inspizierenden Sekretären, Forst-, Justiz- und Baubüroreferenten nahe, also all jenen Personen, welche ihren Aufgabenbereich auch in der Praxis überschauen konnten. — Eine weitere Modifikation bestand in der Übertragung der Justizinspektion mehrerer Herrschaften auf den neugeschaffenen Posten eines Justizreferenten, zu Normale v. 31. Dezember 1840) bzw. zur Erleichterung der allgemeinen Verwaltung 1842 durchgeführt ( H A L W , H 4, Normale vom 27. Juli 1842). 1 5 Hauptinstruktion, 69 ff., §§ 7 2 — 9 7 . 1 6 Fürst Johann I. war überzeugt, daß von den Inspektionen „das meiste der besseren oder schlechteren Administration der Herrschaften abhängt. Aus diesem Grunde will ich den Wirkungskreis derselben so sehr nicht einschränken, sondern ich werde diejenigen, welche ihrem Beruf am vollkommensten entsprechen, jederzeit von meiner besonderen E r kenntlichkeit durch Tathandlungen überzeugen." Aus der Verordnung von 1806, zitiert nach Criste, Johannes Liechtenstein, 159 f. 1 7 H A L W , H 4, Instruktion vom 12. Juni 1842. H A L W , H 1773, Vortrag vom 24. Mai 1842. 1 8 H A L W , H 14. Zu der Geschäftsordnung der fürstlichen Hofkanzlei, 5483 ex 1834, 21. April, und deren Folge 6146 ex 1845, 5. Juni.

Der adelige Hofstaat

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dessen wichtigsten Aufgaben die P r ü f u n g und Verbesserung politischer Rekurse gehörte. Mit dem Nachtrag des Jahres 1845 waren die Maßnahmen zur Neuorganisation der fürstlichen liechtensteinischen Hofkanzlei f ü r den Vormärz abgeschlossen, welche bei aller Wahrung eines strengen Zentralismus gewisse Föderalisierungstendenzen vor allem in F o r m einer Aufwertung aller mit der unmittelbaren Verwaltungsund Wirtschaftspraxis befaßten Personen und Dienststellen gebracht hatte. Ähnliche Züge lassen sich auch in der schwarzenbergischen Administration feststellen, wo der Wirkungsbereich der Wiener H o f k a n z l e i auf die österreichischen und südböhmischen Besitzungen des Hauses beschränkt blieb. Für die nordböhmischen H e r r schaften w a r im Prager Oberamt eine in verkleinertem Maßstab der Wiener Zentrale entsprechende Stelle geschaffen worden, deren Leiter auch als Generalbevollmächtigter bei den königlich böhmischen Landesstellen fungierte 1 9 . 1846 wurde diese Behörde jedoch aufgelöst und ihre Agenden auf die Wiener bzw. einzelne H e r r schaftsämter aufgeteilt 20 . Die Notwendigkeit für die Wahl nur wirklich qualifizierter u n d loyaler Männer zu H o f r ä t e n ergab sich aus deren Funktion als Chefs der Hauptkassen. Abgesehen von der eher routinemäßigen Approbation sämtlicher nichtsystematisierter Zahlungen sowie der wöchentlichen Kassenprüfung bestand ihre wichtigste Funktion in der von fürstlichen Finanzberatern, da sie allein aufgrund der Aufstellungen des Kassenpersonals ihren Dienstgebern sämtliche Vorschläge f ü r Geldanlagen bzw. Kreditaufnahmen unterbreiteten. Wesentlich w a r auch ihre Mitarbeit bei der Erstellung der Budgets, wobei die Abschlüsse des letzten Rechnungsjahres als Grundlagen herangezogen und die neu veranschlagten Beträge den einzelnen Dienststellen zur Stellungnahme übermittelt wurden. Abschließende Korrekturen behielt sich der Majoratschef selbst vor. Durch die quartalsmäßige Gliederung der „Präliminarien" waren auch noch während des jeweiligen Budgetjahres Umgruppierungen der Summen möglich, wenn einzelne Einnahme- oder Ausgabenposten gegenüber den Etatentwürfen stark divergierten 21 . Abgesehen von der Subordination unter die Hofkanzlei stimmte 19 20 21

SAM, Schematismus 1822, 23. Statni Archiv Tfeboni, 3, 56 ff. Vgl. dazu einschlägige Akten H A L W , H 56, H 1841.

Hauptkassen

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auch die liechtensteinische Verwaltungspraxis, festgelegt durch die Instruktionen von 1815 und 18 2 7 22 , mit der schwarzenbergischen — deren Geschäftsordnungen stammten aus den Jahren 1785 bzw. 1827 23 — weitgehend überein. In beiden Fällen w a r die Tätigkeit der zwei verantwortlichen Kassenbeamten 24 auf gegenseitige Kontrolle ausgerichtet und durch die Führung verschiedener Hilfsbücher (z. B. zur Aufzeichnung von Kautionen, Aktiv- und Passivkapitalien, Gelder für Amtserfordernisse etc.) eine klare Trennung der einzelnen Geschäftszweige gewährleistet. Zur leichteren Überschaubarkeit der Geschäfte wurden ständig Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt: die schwarzenbergische Verwaltung stellte 1827 allen für das fürstliche Haus tätigen Handelsleuten und Professionisten ein Rechnungsmuster zu, um dadurch eine einheitliche Abfassung der Konti zu erreichen. Bei den Liechtenstein wieder schuf man 1828 angesichts der wachsenden Bedeutung der Bauangelegenheiten eine eigene Baukasse, welche monatlich einen den voraussichtlichen Auslagen entsprechenden Betrag unter der Bezeichnung „Wiener Bauamt auf Rechnung" zur eigenständigen Verrechnung — allerdings bei bleibender Unterordnung unter die Hofkanzlei — erhielt 25 . Die Übertragung dieser zusätzlichen Aufgaben w a r auf das Versagen der liechtensteinischen Baudirektion zurückzuführen, deren Agenden nach dem Ausscheiden von Direktor Engel 26 ab 1826 die Hofkanzlei ausübte. Bekannte Persönlichkeiten waren an der Spitze dieser Abteilung gestanden: Als Nachfolger des autodidakten Architekten und Erfinders Josef Hardtmuth 2 7 wirkte H A L W , H 56. „Instruction f ü r unseren H a u p t Cassa V e r w a l t e r in Wienn", v o m N o v e m b e r 1 7 8 5 ( S t A C K , U K , Fasz. 1 7 6 2 ) ; die Geschäftseinteilung v o n 1 8 2 7 siehe Fasz. 1 7 6 5 . 2 4 Bei der fürstlich schwarzenbergischen Hauptkasse w a r bis Ende 1 8 2 6 nur ein H o f z a h l m e i s t e r tätig. Seinen wiederholten Bitten um Entlastung z u r Beseitigung der unvermeidlich auftretenden Mängel w u r d e erst mit E r l a ß der neuen Geschäftsordnung stattgegeben. 2 5 H A L W , H 1 7 1 3 — 1 7 4 3 , Bauamtsrechnungen 1 8 1 8 — 1 8 4 6 . 2 8 Baudirektor Engel w u r d e am 1 3 . O k t o b e r 1 8 2 5 in das Irrenhaus v o n D r . Görgen in W i e n eingeliefert, w o er A n f a n g Februar 1 8 2 7 starb. (Freundliche Mitteilung des fürstlich liechtensteinischen Kabinettsdirektors D r . Wilhelm.) 2 7 Josef H a r d t m u t h ( 1 7 5 8 — 1 8 1 6 ) w a r eines der überragenden N a t u r talente auf den verschiedensten Schaffensgebieten. In W i e n erlernte er 22

23

Der adelige Hofstaat

46 1812—1818

Josef Kornhäusel 2 8 ,

ein konsequenter V e r t r e t e r

des

Klassizismus in der Wiener Schule des V o r m ä r z . W e g e n mangelnder Koordinierung und Fehlern in der Gebarung ordnete J o h a n n I. Fürst

Liechtenstein

eine

Änderung

der

Dienstinstruktion

an,

welche bereits seit 1 7 8 8 (mit einzelnen Zusätzen aus dem J a h r e 1 8 0 5 ) Geltung hatte 2 9 . Auch innerhalb der Baukanzlei w u r d e die Unzulänglichkeit der alten V e r o r d n u n g e n erkannt, u n d es m a n gelte nicht an Verbesserungsvorschlägen

von verschiedenen

Sei-

t e n 3 0 . U n t e r reger Beteiligung des Fürsten sowie nach Konsultation des Wasserbaudirektors Freiherr v o n Pacassi 3 1 , der bis zu seinem T o d e die Leitung sämtlicher technischer Arbeiten und Neuanlagen bei seinem Onkel, dem fürstlich liechtensteinischen Architekten Meißl, das Maurer- und Steinmetzhandwerk. Völlig selbständig bildete er seine Fertigkeiten derart aus, daß er schließlich zur Mitarbeit an den Entwürfen des Herrengassenpalais (vgl. S. 169) herangezogen wurde. Unter Fürst Johann I. 1806 zum Baudirektor ernannt, wurde er mit der großartigen Ausgestaltung der Güter mit romantischen wie auch klassizistischen Bauten beauftragt. Seinen Ruf verdankte er aber neben kleineren Erfindungen, wie der Herstellung des Wiener Steingutes, der Tusche, Verwertung von Bimsstein u. a., in erster Linie der Entwicklung der keramischen Mine, welche eine neue Epoche in der Geschichte der Schreibbehelfe einleitete. — Über Hardtmuth vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon, 7, 362 ff.; Neues Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst 1 (20), 783 ff.; ÖBL, 2, 187. 2 8 Josef Kornhäusel (1782—1860) folgte dem Beruf seines Vaters und zeigte schon bald eine eigenständige Stilauffassung, indem er die Empireformen im bürgerlichen Milieu verbreitete, dabei aber auf schmükkende Details nicht verzichtete. Als liechtensteinischer Baudirektor entwarf er Pläne für zahlreiche klassizistische Bauten (z. B. den sogenannten „Husarentempel" bei Mödling). Vgl. über sein Werk Wurzbach, Biographisches Lexikon, 12, 465; ÖBL, 4, 132 f.

Uber das Bauamt vgl., wenn nicht anders zitiert, H A L W , H 246. Kornhäusel hatte selbst am 21. Dezember 1815 Beiträge zur Abfassung einer allgemeinen Dienstinstruktion geliefert; am 11. November 1817 legte die Baudirektion die Richtlinien über die erforderliche Ausbildung von Ingenieuren und Architekten fest; der Feldsberger Baurechnungsführer Hoffmann brachte mit dem 30. Juni 1818 neue Vorschläge zur Einführung eines verbesserten Verrechnungssystems. 29 30

3 1 Johann Freiherr von Pacassi (1758—1818) hatte als Sohn des Oberhofarchitekten eine ausgezeichnete Vorbildung erhalten. 1811 wurde er zum Direktor des Wasserbauamtes und zum Hofbaurat ernannt. Zu seinen hervorragendsten Schöpfungen zählten die Franzensbrücke über den Donaukanal und der Bau der Kaianlagen. Vgl. bei Wurzbach, Biographisches Lexikon, 21, 160 ff.

Bauämter

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der zahlreichen Teichbauten auf den fürstlichen Besitzungen innehatte, entstand schließlich die Instruktion von 18 1 8 32 . Der Grundbesitz wurde in sechs Baubezirke mit je einem verantwortlichen Ingenieur oder Architekten eingeteilt, welcher unmittelbar der Baudirektion Wien unterstellt war, die ihrerseits ebenfalls als Bezirksstelle f ü r die Herrschaften in der Umgebung der Residenz wirkte. Unter Beihilfe mehrerer „Sections Inspizienten" sollte vorerst eine großangelegte Inventarisierung des gesamten Realitätenbestandes durchgeführt werden, um so die Erfordernisse f ü r Erhaltungsarbeiten und Neubauten besser abschätzen und aufteilen zu können. Eine zweite Gruppe von Anordnungen setzte sich mit der technischen Durchführung der Bauarbeiten sowie der f ü r Architekten erforderlichen Qualifikation auseinander. Die dort angeführten Details könnten interessante Anregungen f ü r technikgeschichtliche Studien bieten. Der dritte H a u p t p u n k t endlich befaßte sich mit Formalitäten der Rechnungslegung, wobei jedoch engherzig-komplizierte Bestimmungen den bürokratischen Aufwand erheblich vergrößerten. Als großes Negativum des Reglements von 1818 erwies sich die große Schwerfälligkeit und Umständlichkeit des Instanzenweges, welche sich z. B. bei der Genehmigung von Bauvorhaben besonders unangenehm bemerkbar machte 33 . Aber auch die H a u p t instruktion des Jahres 1838 schuf keine Abhilfe. Ihre Bestimmungen 34 schränkten die Befugnisse der Lokalbehörden ein und betonten unter den Aufgaben der „Technischen Baubezirksämter" vor allem die Zuweisung und unmittelbare Betreuung, die prompte Durchführung der Arbeiten sowie eine korrekte Verrechnung. Nennenswerte Änderungen brachten auch die folgenden Jahre nicht. Z w a r wurde Anfang 1838 in der Person Josef Leistlers ein neuer Baudirektor bestellt, dessen Befugnisse aber durch die bleibende 32

Beschluß in der Hofkanzleisitzung vom 18. März 1818. Die Inspizienten, meist Waldaufseher u. dgl., hatten Meldungen über notwendige Reparaturen an den Amtsvorsteher weiterzuleiten, der vierteljährliche Berichte an den Bezirksingenieur abschickte. Für jedes den Betrag von 50 fl. W überschreitende Bauvorhaben mußte dieser der Direktion einen gesonderten Kostenvoranschlag vorlegen. Diese Präliminare wurden jährlich mit Angabe der Dringlichkeitsstufe an die Zentraldirektion übersendet, dort approbiert, jedoch erst nach Fertigstellung bezahlt. 34 Hauptinstruktion, 138 ff., §§ 162—166. 33

Der adelige Hofstaat

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Aufsicht der Hofkanzlei eine Einschränkung erfuhren. Bei großen Bauunternehmungen, wie der Neugestaltung des Majoratspalastes und dem Umbau von Schloß Eisgrub, blieb den Architekten ein autonomer Wirkungsbereich vorbehalten. Erst durch die Bauinstruktion vom 15. Dezember 1861 wurden die veralteten Verordnungen von 1818 außer Kraft gesetzt 35 . Ein analoges Übergehen der Agenden der Wiener Hausinspektion in den Wirkungsbereich der Hofkanzlei ist auch bei der schwarzenbergischen Primogenitur festzustellen, wo jedoch angesichts des geringen Hausbesitzes die Bauangelegenheiten weniger große Bedeutung besaßen 36 . Die Vorschriften bezogen sich hauptsächlich auf die Beschäftigung billiger, jedoch leistungsfähiger Firmen sowie auf ordnungsgemäße Verrechnung 37 . Erst 1840 w a r der fürstliche Architekt Franz Beer wieder f ü r Wien als eigener Baukonsulent tätig 38 . Für sämtliche Bauangelegenheiten der böhmischen und kleinen österreichischen Herrschaften war das Baudirektorialamt auf der Herrschaft Krumau zuständig 3 9 , das einvernehmlich mit den Herrschaftsämtern sämtliche Baufragen regelte. Über die Lässigkeit des Baukanzleipersonals f a n d 1817 Johann I. Fürst Liechtenstein Grund zur Klage: „Ich habe immer Personale vermehrt und die Ordnung dennoch nicht erhalten." 4 0 Ähnliche Beschwerden waren unter den Zentralverwaltungsbehörden sonst nur bei den Buchhaltungen wiederholt aufgetreten, welche mit 13 bis 18 Mann eine überaus starke Besetzung aufweisen konnten. Schlechter Leumund, ausschweifender Lebenswandel, mangelnder Bildungseifer, Unpünktlichkeit, oberflächliches Arbeiten, unerlaubte 35

HALW, S 247. So wirkte der Duingen-Wallersteinische Hofrat Leopold Krenmüller nebenberuflich als „Haus- und Bau-Inspector", die Rechnungsführung hatte der ehemalige Buchhalter Josef Barth übernommen. Nach dem Tod Krenmüllers im Mai 1829 (StACK, H K R 1829, pag. 43) ging die Hausadministration an den Hofsekretär Franz Dworczak über. 37 StACK, UK, Fasz. 1771. 38 StACK, H K R 1840, pag. 33. 39 SAM, Schematismus 1822, 24. Bis 1815 führte die Baudirektion auch die Geschäfte für die schwarzenbergische Sekundogenitur; dann richtete man ein eigenes Bauamt in Worlik ein (Statni Archiv v Tfeboni, 2, 79). 40 HALW, S 246, ah. Handbillett anläßlich der personellen Neuordnung der Wiener Baudirektion am 1. April 1817. 36

Buchhaltungen

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Geschenkannahme auf Dienstreisen und verbotene außerdienstliche Verbindungen bildeten die H a u p t a n s a t z p u n k t e der Kritik in den umstrittenen Konduitelisten 4 1 und wurden als Hauptursachen für eine mangelhafte Besorgung der Dienstpflichten bezeichnet. J o h a n n A d o l f II. Fürst Schwarzenberg weigerte sich daher, den Personalstand weiter zu vergrößern, und drohte, die A u f n a h m e von Aushilfskräften durch Gehaltsabzüge der Beamten zu finanzieren. Mit der Aufarbeitung sämtlicher Rückstände innerhalb weniger J a h r e brachte diese Zwangsmaßnahme den gewünschten Erfolg 4 2 . Gleichzeitig aber zeigt sie eine der Schattenseiten des patriarchalischen Dienstverhältnisses a u f : die weitgehende Ohnmacht subalternen Personals gegen Drohungen und Repressalien von oben. Für die erheblichen Verzögerungen im Rechnungs- und Revisionsgeschäft waren nämlich auch andere Umstände maßgeblich. Mehr noch als in der Güterverwaltung 4 3 bewirkte der unverhältnismäßig starke Wechsel des Buchhaltungspersonals 4 4 größere Unkenntnis der bestehenden Dienstvorschriften. Außerdem legten die Rentämter ihre Bilanzen mit derart großem Zeitrückstand vor, daß eine termingerechte Revision (bis Ende August des folgenden Jahres) nicht möglich war und sich Verzögerungen bis zu zwei Jahren nach dem Fälligkeitsdatum ergaben 4 5 . D a die Buchhaltung wie die H o f k a n z l e i somit in das G a n z e der fürstlichen Regie eingriff und daraus oft Kollisionen resultierten, welche die beträchtlichen Schreibgeschäfte noch weiter vermehrten, hätte eine Unterbringung der liechtensteinischen Buchhaltung a m Amtssitz der Kanzlei etwa nach schwarzenbergischem Muster 4 6 nur Vorteile

41 H A L W , H 56, Q u a l i f i k a t i o n s t a b e l l e n aus den J a h r e n 1837 und 1842—1848. 42 S t A C K , U K , CB/1. 4 3 Diesbezügliche K l a g e n des Fürsten J o h a n n I. Liechtenstein in den Vorarbeiten zur Wirtschaftsinstruktion v o n 1821 ( H A L W , H 1850). 4 4 In jedem J a h r wechselten meist zwei der Subalternen auf bessere Posten der unmittelbaren Herrschaftsverwaltung über ( S t A C K , H K R 1815—1848, Ausgaben/Besoldung „Buchhalterey"). 45 H A L W , H 56, K o r r e s p o n d e n z Buchhaltung — H o f k a n z l e i 1836 bis 1840; S t A C K , U K , C B / 1 , z . B . Arbeitsbericht der Buchhaltung vom 31. D e z e m b e r 1841. 46 D i e schwarzenbergische Buchhaltung war im 1. Stockwerk des ausgedehnten P a l a i s a m N e u e n M a r k t untergebracht. V g l . S t A C K , U K , F a s z . 1765; A S t L W , Konskriptionsbogen.

4

Stekl, Aristokratie

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D e r adelige H o f s t a a t

gebracht. Der auch von Fürst Johann I. als Ideallösung angestrebten Vereinigung beider Ämter standen jedoch in Wien Unterbringungsschwierigkeiten im Wege, so daß die Behörde seit 1815 in Butschowitz verbleiben mußte 4 7 . Zur Beseitigung der bestehenden Unzukömmlichkeiten wurden 1836 provisorische Organisationsmaßnahmen getroffen 48 , welche die liechtensteinische Hauptinstruktion zwei Jahre später bestätigte 40 . Als „exponierte Mitglieder der Hofkanzlei" hatten die drei ranghöchsten Buchhaltungsbeamten bei den Revisionen neuerdings besonders jenen Fehlern nachzugehen, welche auf administrative Mißstände bei der betreffenden Herrschaft schließen ließen. Darüber hinaus wurde die Buchhaltung auch zur Mitwirkung am Approbationsgeschäft herangezogen. Durch Überprüfung der von den Amtsvorstehern eingesendeten Finanzierungsvorschläge sollte nicht nur die ziffernmäßige Richtigkeit, sondern auch das Gleichgewicht zwischen Regieauslagen und präliminierten Einkünften gewahrt bleiben. Größtmögliche Übersichtlichkeit konnte allerdings erst nach Einführung der doppelten Buchhaltung (1863) erreicht werden 5 0 . Auch zu Improvisationen, wie sie das Jahr 1848 erforderte, bedurfte man ausgezeichneter Beamter. Als die Schwarzenberg angesichts der unsicheren politischen Lage damals eine Revisionsfiliale in Wittingau einrichteten, verlegte der in ökonomischen und buchhalterischen Fragen gleichermaßen versierte Wirtschaftsrat Karl Mayer 5 1 dorthin sein Tätigkeitsfeld. Trotz räumlicher Trennung konnte so eine gewisse Koordination der Arbeiten von Kanzlei und Buchhaltung erhalten werden. Der umfangreiche Wirkungsbereich der Kanzleien erstreckte sich somit über sämtliche wirtschaftliche Belange, die heiklen Fragen 47 Lediglich 1787—1796 und 1809—1815 befand sich ein Teil des Personals in Wien, w o die Beamten Amtsräume und Quartier im fürstlichen H a u s Leopoldstadt N r . 135 bezogen (Kraetzl, Übersicht, 2 1 ; H A L W , H 1164, Zinsfassion 1809/10). 48 H A L W , H 56. Bisher hatte man nach der Instruktion v o n 1808 gearbeitet ( H A L W , H 4). 49 Hauptinstruktion, 142 ff., §§ 167—175. 50 Hochfürstlidi Johann Liechtensteinische Normalien-Sammlung, 1865, 230 ff. 51 Mayer hatte sich v o m Adjunkten zum Vizebuchhalter emporgedient und wurde als langjähriges Mitglied der Wiener Landwirtschaftsgesellschaft (vgl. Verhandlungen 3/2, 235) 1842 in die fürstliche H o f kanzlei versetzt (StACK, H K R 1842, pag. 35).

Leitende Beamtenpersönlichkeiten

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der Vermögensverwaltung, Probleme des Bauwesens und Aufsicht über den Haushalt. Das Interesse von Aristokraten an sämtlichen Verwaltungsgeschäften war jedoch gegenüber dem 17. und 18. Jahrhundert beträchtlich gestiegen; die Kenntnis dieser Materien galt nun nicht mehr als sozial deklassierend, sondern wurde als Beweis der Bewährung in einer sich wandelnden Gesellschaftsstruktur angesehen. Dieser Übergang ging nur langsam vor sich. Oft waren Adelige über Einzelheiten ihres Einkommens nur sehr oberflächlich informiert. „Der Fürst hat immer nur den großen Haufen gekannt", hieß es in einem Nekrolog für Johann I. Fürst Liechtenstein 52 ,' welcher aber sehr wohl wußte, daß er häufig übervorteilt wurde, und daher bei gelegentlichen Kontrollen seine Mißbilligung über unnötige Auslagen nicht verhehlte. U m nun einerseits regelmäßige Bezüge aus den verschiedensten Quellen garantiert zu haben, andererseits aber auch dem Haus eine feste Finanzbasis zu schaffen, mußte man sich auf eine entsprechend geschulte Beamtenschaft stützen können. Zur Erleichterung der Verwaltungsagenden wurden z. B. sämtliche liechtensteinische Normalien ab 1836 in Druck gelegt und an alle Dienststellen versendet 53 . Für Dienstgebrechen und Nichteinhaltung von Fälligkeitsterminen setzte man ein Pönaliensystem in Kraft, das in Wiederholungsfällen auch Suspensionsandrohungen vorsah 54 . 1837 schuf man im Wiener „Kanzleihaus" in der Herrengasse an Stelle der verteilten Räume ein „vereinigtes Kanzlei- und Registraturslocale", wodurch eine Quelle für Verzögerungen und Mißstände beseitigt war 5 5 . In erster Linie aber war man bestrebt, qualifizierte Männer an die Spitze der leitenden Behörden zu stellen. Solche meist juridisch und ökonomisch gebildete Männer standen gewöhnlich seit Jahren in Diensten des betreffenden adeligen Hauses und hatten sich durch eine längere Praxis genaue Kenntnisse in den verschiedensten Zweigen der „Regie" verschafft. So berief Johann I. Fürst Liechtenstein 1807 Theobald WallaCriste, Johannes Liechtenstein, 178. Normalvorschriften 1840; 1841. 3 4 H A L W , 12094 ex 1836, § 6. 5 5 Die Einrichtung der Räume war spartanisch einfach. Baurat Leistler hatte den Auftrag erhalten, daß nur die Büros von Hofrat und Wirtschaftsrat „etwas sauberer ausgemacht werden" könnten. Die übrigen Arbeitszimmer waren nur „ganz einfach zu färbein", großteils wurde altes Mobiliar verwendet ( H A L W , H 1201). 52

53

4*

Der adelige H o f s t a a t

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schek von Walberg 56 an die Spitze der obersten Behörde, der „Dirigierenden Hochfürstlichen H o f k a n z l e y " , in Wien. Walberg hatte als Nachfolger seines Vaters seine Laufbahn 1772 als Archiv a r in Feldsberg begonnen und durch außergewöhnliche Leistungen die Aufmerksamkeit des Fürsten Franz auf sich gelenkt, welcher ihn auf seiner Europareise 1779—1781 als Sekretär verwendete. Walberg t r a t dann in die Wiener Hofkanzlei ein, wurde 1791 fürstlicher Wirtschaftsrat, 1805 zweiter H o f r a t . Als Mitglied mehrerer Ackerbaugesellschaften war auch er wiederholt publizistisch tätig und genoß allgemein den Ruf eines Experten in land- und forstwirtschaftlichen Fragen 5 7 . — Auch Baron Buschmann, der 1820 zum Wirtschaftsrat avanciert w a r und nach dem Ableben Walbergs 1834 dessen Nachfolge antrat, galt als Mitglied der Wiener Landwirtschaftsgesellschaft als „ökonomische Comptabilität" 5 8 . Johann Fürst Schwarzenberg wieder holte 1786 den ehemaligen Professor f ü r allgemeine Geschichte an der Universität Wien, Leopold Pläch, als Konsulenten in die Hofkanzlei, wo dieser bald zum H o f r a t avancierte und in dieser Funktion bis zu seinem Ableben im Oktober 1819 veblieb. Plächs Erhebung in den Reichsritterstand mit dem Prädikat „von Seinsheim", welche Fürst Johann kraft des großen Palatinatsbriefes durchführte, bedeutete sowohl Anerkennung seiner Qualitäten als auch Erhaltung des Ansehens der obersten Behörde des Fürstenhauses, da zur Wahrung ihrer Gleichwertigkeit mit Verwaltungsinstitutionen anderer Aristokraten nur ein Nobilierter als Leiter in Frage kam. Auch Franz von Haßlinger, H o f r a t beim Prager Oberamt, war 1789 von Fürst Josef II. geadelt worden 5 9 . 1821—1839 lag dieses Amt bei N o r b e r t Ritter von Feldegg, der aus einer seit Generationen dem 56

Biographische Daten im Personalakt Walberg ( H A L W , H 7 4 ) ; bei Wurzbach, Biographisches Lexikon, 52, 245; Topographie von N ö . , 3, 71. 57 Böckh, Schriftsteller, 55. — Daneben galt — oft leicht spöttisch vermerkt — Loyalität und übertriebene Beständigkeit als Haupteigenschaft von H o f r ä t e n . Vgl. u. a. Österreich und seine Staatsmänner, 1, 214 ff. 58 Böckh, Schriftsteller, 10; über seine Ernennung mit Reskript vom 18. April 1834 siehe H A L W , H 1773. 59 Pläch w a r Professor f ü r Statistik am Theresianum und w u r d e mit H o f d e k r e t vom 9. Dezember 1783 an die Wiener Universität berufen (Archiv der Universität Wien, Constitutionalakten I P, 26 1/2). Ober Pläch und Haßlinger vgl. auch Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 144; Archive des Hauses Schwarzenberg, 17 f.

Leitende Beamtenpersönlichkeiten

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H a u s dienenden Familie stammte und vorher als „Gouverneur" der jungen Fürsten gewirkt hatte 6 0 . Scheint also bei der schwarzenbergischen Primogenitur Besitz universaler Bildung als zusätzliches Auswahlkriterium bestanden zu haben, so ist bei der Sekundogenitur 6 1 , den Liechtenstein und auch den Grafen Thun 6 2 das Primat der Landwirtschaft und Verwaltung unverkennbar. U m auch eine entsprechende Betreuung der Forstkulturen durch einen anerkannten Fachmann zu sichern, bewog Alois II. Fürst Liechtenstein Leopold Grabner, Professor für Forstkunde an der k. k. Forstlehranstalt Mariabrunn, 1847 zum Übertritt in seine Dienste. Der Gelehrte hatte sich vor allem durch seine Untersuchungen über Brennkraft und Brenndauer verschiedener Holzsorten einen N a m e n gemacht. In seiner neuen Stellung als Forstrat erwarb er sich durch Katastrierung, Ertrags- und Betriebsregelung der Forste sowie Umgestaltung u n d Vereinfachung der Verrechnung große Verdienste 63 . Männer mit praktischer Erfahrung in der Waldwirtschaft wirkten bei den Schwarzenberg mehr auf Außenstellen. Auf den südböhmischen Herrschaften führte seit 1790 Josef Matz (gestorben 1837) die Systematisierung der Forste durch; in Schwarzenberg arbeitete 1783—1834 Josef Friedl, der 1800—1813 hier auch eine Forstschule leitete 64 . Generell läßt sich die Beschäftigung von Fachleuten f ü r Sonderaufgaben verfolgen: 1826 ließen die Schwarzenberg von den Montanisten Peter Tunner sen. für die steirischen Eisenwerke in Turrach einen Hochofen nach dem neuesten Stand der Technik bauen 65 . Die Liechtenstein wieder beschäftigten ab 1839 Josef von Prean als Oberleiter ihrer Montanunternehmungen; der Nationalökonom und Statistiker

80 StACK, H K R 1821, pag. 47; H K R 1839, pag. 49; Berger, Felix Schwarzenberg, 188. — Feldegg war ebenfalls Mitglied der Wiener Landwirtschaftsgesellsdiaft (Verhandlungen 1/1, 138). 61 Am 7. September 1814 wurde Alois Hirschmann, der bisherige Wirtschaftsdirektor der Primogeniturherrschaft Lobositz, zum Hofrat der jüngeren schwarzenbergischen Linie bestellt. Vgl. Státní Archiv v Treboni, 2, 78. 62 Thienen, Leo Thun, 90, über Anton Ritter von Komers. 63 HALW, H 64, Personalakt Grabner; ÖBL, 2, 40. Über Grabners Sofortmaßnahmen vgl. HALW, H 4, Normalvorschrift zur Ausführung der Durchforstungen vom 31. Jänner 1848. — Siehe auch S. 17, 65. 64 Schwarzenberg, Geschichte, 206. 65 Brodsdiild, Eisenbergbau, 116 ff.

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Der adelige Hofstaat

Karl Josef Kreutzberg war mit einer nicht näher umschriebenen „technischen Agentur" betraut 6 6 . U m die Beamtenlaufbahn in einem fürstlichen Haus attraktiver zu gestalten, erhielten die neueintretenden Praktikanten bereits eine kleine Besoldung (jährlich 120 fl. CM) sowie gewisse Gebührenanteile; bei Bewährung bestanden günstige Chancen auf eine definitive Anstellung. Diese Regelung bedeutete einen echten Vorteil gegenüber dem Staatsdienst, wo Wartezeiten bis zu zwölf Jahren auf die Verleihung eines systematisierten Postens auftreten konnten 6 7 . Eine wichtige Rolle bei der Heranbildung eines qualifizierten Beamtenkörpers bildeten die Landwirtschaftsschulen, welche auch begabten Bauernsöhnen und Privatinteressenten offenstanden und oft die Grundlage für eine glänzende Karriere bildeten 68 . Die ersten derartigen Institute der Monarchie waren gegen Ende des 18. J a h r hunderts auf ungarischen Herrschaften entstanden (Szarvar 1779, Kestzthely 1797) 69 . Relativ spät lassen sich Parallelerscheinungen in dem sonst so fortschrittlichen England nachweisen, wo 1845 mit dem Royal Agricultural College in Circester eine öffentliche Ausbildungsstätte geschaffen wurde 70 . Als eine der modernsten Privatanstalten Österreichs erwies sich im 19. Jahrhundert das ökonomische Institut auf der schwarzenbergischen Herrschaft Krumau in Böhmen, welchem auch eine Forstschule angeschlossen war 7 1 . Durch Vermittlung solider Kenntnisse suchte man der 66 Über Kreutzberg vgl. Ö B L , 4, 2 6 7 f.; Wurzbach, Biographisches L e x i k o n , 13, 2 0 4 ff. — P r e a n w a r neben seiner bescheidenen Bestallung an den Reinerträgnissen der U n t e r n e h m u n g e n beteiligt ( H A L W , 3 4 2 9 ex 1 8 4 0 , Z i r k u l a r vom 12. M ä r z ) . 67 Klagen über den Staatsdienst bei Beidtel, S t a a t s v e r w a l t u n g , 2, 3 5 2 f. — Ü b e r die Bewilligung der halben Abschriftengebühren in A m t s sachen für Praktikanten und Schreiber in liechtensteinischen Diensten vgl. H A L W , 3 1 0 1 3 ad 6, Zirkular v o m 3. April 1 8 3 9 . 68 Der später bekannte H o r s k y R i t t e r v o n Horskysfeld h a t t e die A n s t a l t als P r i v a t h ö r e r besucht und aufgrund seiner ausgezeichneten Zeugnisse sofort eine Stelle in der schwarzenbergischen V e r w a l t u n g erhalten ( H o r s k y , Streben, 1 f.). 6 9 Blum, N o b l e L a n d o w n e r , 1 3 1 ; U n g a r n s Landwirtschaft 1 8 9 6 , 4 7 2 f.

1897,

7 0 Ü b e r ihre Rolle in der Ausbildung der „land agents" vgl. Spring, L a n d e d estate, 101 f. 7 1 Vgl. über den Lehrplan sowie L i t e r a t u r S. 2 0 3 f.

Leitende Beamtenpersönlichkeiten

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Entstehung einer ungebildeten Beamtenschaft vorzubeugen, welche ihre mangelnde Qualifikation durch selbstherrliches Regime ersetzte und so eine Schicht zwischen Grundherrn und Untertan bildete, die letzten Endes beiden Schaden zufügte 7 2 . Als sich Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg 1845 zur Auflösung der Fachschule genötigt sah, stiftete er als Äquivalent eine gleichwertige Anzahl von Stipendien an mittleren und höheren Lehranstalten sowie Fachakademien. Die Lehrmittel wurden in das Museum Ohrad und die Ackerbauschule Rabin überführt. Durch die Unterstützung dieser unter den Auspizien der Patriotisch-ökonomischen Gesellschaft in Prag gegründeten Anstalt sowie der agrikulturchemischen Station auf Lobositz war ein gewisser Ausgleich geschaffen. — Reine Forstschulen wurden in Böhmen auch von den Liechtenstein, Metternich, Bucquoi und Fürstenberg eingerichtet 73 . Im Gegensatz zu England 7 4 fehlten in den leitenden Positionen fürstlicher Behörden jedoch auf Hochschulen ausgebildete Juristen, was wieder auf den Vorrang praktischer Landwirtschafts- und Verwaltungskenntnisse hinweist. Rechtsberater waren bei Adeligen hauptsächlich in Form von „Bestallungen" beschäftigt, die etwa mit einer fixen Konsulententätigkeit vergleichbar sind. Die beim H a u s Liechtenstein jeweils für Böhmen, Mähren, Ungarn und Österreich bestellten Anwälte 7 5 waren mit der juristischen Beurteilung aller an sie herangetragener Verwaltungsprobleme betraut. M i t sämtlichen Vollmachten in Rechtsangelegenheiten ausgestattet, hatten sie jedoch jede Vergleichsmöglichkeit auszuschöpfen, ehe nach vorheriger Zustimmung des Fürsten ein Prozeß begonnen werden durfte. Als weitere Funktion kam auf den österreichischen Herrschaften noch die Prüfung und Fällung von U r teilen in Kriminalsachen hinzu. — Die ältere schwarzenbergische

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Beispiele häufiger Beschwerden über ungebildete Beamte bei Alois Brusatti, Die Stellung der herrschaftlichen Beamten in Österreich in der Zeit von 1740—1848, Vierteljahresschrifl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 45 (1958), 505 ff. — Von den zeitgenössischen kritischen Publikationen lobte „Österreich und seine Staatsmänner", 1, 215 ff., dagegen vor allem Personal und Verwaltungsstandard auf den böhmischen Besitzungen Hochadeliger. 73 Blum, Noble Landowner, 131. 74 Über die englischen „lawyers" bei Spring, Landed Estate, 55 ff. 75 Hauptinstruktion, 147 ff., §§ 176—179.

Der adelige Hofstaat

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Linie wieder beschäftigte in Wien, Linz, Graz und Freiburg auf gleiche Weise je einen, in Prag sogar drei Rechtsvertreter 76 . Verständlicherweise war man bemüht, f ü r derart wichtige Agenden hervorragende Persönlichkeiten zu gewinnen. So wurde Doktor Josef Vogelhuber, einer der gesuchtesten Juristen der Residenz 77 , 1808 beim Fürstenhaus Liechtenstein als österreichischer A n w a l t eingestellt. Nach mehr als zwanzigjähriger Tätigkeit traten jedodi Klagen über „mehrere unglückliche Resultate" und „nicht zweckmäßig besorgte Rechtsangelegenheiten auf", durch die das fürstliche H a u s gleichermaßen finanzielle Verluste und Einbuße an Prestige erlitten hatte 78 . Der Tod Vogelhubers erübrigte die beabsichtigte Aufkündigung. — In schwarzenbergischen Diensten stand in Wien der bekannte D r . Turowsky 7 9 , von den Prager Juristen wieder hatte sich Dr. Johann Kanka auch durch seine publizistische Tätigkeit sowie seine Kompositionen einen N a m e n gemacht 80 . D i e Trennung des Hauswesens von den Verwaltungsstellen w u r d e in der liechtensteinischen Hofstaatsinstruktion besonders prägnant formuliert. Kammer, Haushofmeisteramt sowie Stallämter wurden als „ f ü r sich abgesondert bestehende, selbständige, und nur von den unmittelbaren Befehlen Sr. Durchlaucht abhängige Bestandtheile des fürstlichen Hofstaates" angesehen 81 . Eine solche (finanzielle Belange ausgenommene) weitgehende Autonomie w a r um so notwendiger, als sich die fürstlichen Haushalte durch einen Reichtum an Personal sowie durch eine starke Differenzierung der Verwendungsbereiche von Dienstnehmern auszeichneten. Teilweise wirkten dabei noch ältere Prestigevorstellungen weiter, die das Ansehen des Hauses an der Anzahl seiner 78

SAM, Schematismus 1822, 20, 23. Vogelhuber (um 1750—1831) promovierte 1782 zum Doktor der Rechte, war 1806—1808 Dekan der juridischen Fakultät der Universität Wien und wurde 1816 in den erbländischen Adelsstand erhoben. Vgl. über ihn bei Böckh, Schriftsteller, 54; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 51, 202 ff. 78 HALW, H 73, Personalakt Vogelhuber, Vortrag des Hofrates von Walberg vom 17. Februar 1831 über die Verfehlungen des Anwalts. 78 Wahrscheinlich handelte es sich um Dr. Anton Michael Turowsky, den Sohn des fürstlich Dietrichsteinischen Archivars (Wurzbach, Biographisches Lexikon, 48, 150). 80 81 Ebd., 10, 438. HALW, H 4. 77

Kammern

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Untertanen gemessen hatten. Die Menge der Domestiken diente nicht nur zur Aufrechterhaltung eines standesgemäßen Großhaushaltes, sondern ermöglichte auch dem Adeligen ein verstärktes und sorgloses Aufgehen in seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen, was wieder f ü r die Festigung seiner Position in der „Sozietät" gemäß aristokratischen Wertmaßstäben von höchster Bedeutung war. Bei einer sozialen Differenzierung des Personals sind fünf Schichten festzustellen: als oberste die streng hierarchisch aufgebaute Beamtenschaft der einzelnen Verwaltungsdepartements, an der Spitze die Hofkanzlei; dann die Leiter der einzelnen H o f staatsabteilungen; weiter das ihnen untergeordnete Personal, deren unterste Gruppe die sogenannten „minderen Diener" bilden8®, und schließlich die ständig wechselnde Zahl von Taglöhnern. In der Zuordnung einzelner Dienststellen zum Hofstaat, im Umfang des Einflußbereiches seiner verschiedenen Sparten und in der Stellung der Departements in der Gesamtverwaltung waren dabei von Familie zu Familie, ja manchmal sogar von Vater zu Sohn unterschiedliche Organisationsformen in Kraft. Neben der Beibehaltung relativ autonomer Positionen einzelner Abteilungen machten sich Zentralisierungstendenzen bemerkbar: So blieben beim Fürstenhaus Liechtenstein Kammer, Haushofmeisteramt und Stallamt direkt vom Fürsten abhängig, während bei den Schwarzenberg auch die Kammer dem Haushofmeister unterstellt w a r und seit etwa 1835 ein Hofkanzleibeamter die oberste Leitung von Haus-, Garten- und Stallverwaltung ausübte 83 . Die „Kammer" u m f a ß t e das Personal f ü r unmittelbare persönliche Bedienung der Herrschaft. Dessen Anzahl war dabei von der Größe der Familie bzw. den Ansprüchen ihrer Mitglieder abhängig; gewöhnlich verfügte ein Fürst bzw. seine Gattin über vier bis sechs Kammerdiener oder Kammerfrauen, Kammerhusaren und 82 Darunter fielen bei der schwarzenbergisdhen Primogenitur (StACK, F. P. d . / l ) : Büdisenspanner, Bediente, Portiere, Kutscher, Postillione, Reitknechte, Roßwärter, Wagenmeister, Reitsdimied, Reitschulputzer, Kuhwärter, Heubinder, Küchenträger, Bratenbrater, Kesselreiber, Silberputzer sowie das weibliche Personal in analogen Verwendungsgruppen. 83 Grundlagen für diesen Abschnitt bildeten die „Instruction zur Errichtung, Verwaltung und Verrechnung des fürstlichen Hofstaatswesens" (HALW, H 4) sowie die Materien des StACK, F. P. d . / l .

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Der adelige Hofstaat

Stubenmädchen 84 . Ihre H i l f e bei der Ordnung der Bekleidung und den hunderten Handgriffen der Toilette ist keineswegs zu unterschätzen, da gerade solche Äußerlichkeiten in den Zirkeln des gesellschaftlichen Lebens Adeliger hoch bewertet wurden und Kriterien f ü r die subtile Rangordnung innerhalb der einzelnen Zirkel bildeten. — Gewisse Abhängigkeitsverhältnisse lassen sich auch hier nachweisen: Ein Kammerdiener bzw. der Haushofmeister war f ü r den pünktlichen Vollzug aller Befehle der Herrschaft verantwortlich, hatte alle Zahlungen einschließlich der Besoldung des untergeordneten Personals zu leisten und sämtliche Anschaffungen der Fürstin (soweit sie diese nicht aus ihrem Spenadlgeld bestritt) sowie der jüngeren Töchter und Söhne, die noch über kein eigenes Vermögen verfügten, zu decken. D a ß die wenngleich nur formale Approbation f ü r diese Auslagen dem Fürsten vorbehalten blieb, unterstreicht wieder dessen alleinige Verfügungsgewalt in Vermögenssachen. Die vordringlichste Pflicht des Haushofmeisters war es, daß „strengste zusammengreifende Ordnung, Ruhe, Reinlichkeit und eine angemessene Eleganz im ganzen U m f a n g e des fürstlichen Haushaltes vorherrsche, d a ß die fürstliche Tafel gehörig und mit Anstand serviert werde . . . und daß überhaupt der fürstliche Haushalt ein wohlgeregeltes, zweckmäßig ineinandergreifendes, seinem Zweck im ganzen Umfange vollkommen entsprechendes Ganzes" bilde. Gemäß dem adeligen Standesethos verpflichtete der hohe Rang zum „Halten" eines entsprechenden Hauses. Durch die Organisation von Festen, die Verteilung der Einladungen, die Anordnung der Tafel etc. überwachte der Haushofmeister auch sämtliche Vorschriften der herrschenden Etikette, welche bei höfischen Menschen als wesentlichster Verhaltensmaßstab galt. Ihm unterstand nun die Küche, welche in Mund- und Aushilfsküche gegliedert war. Während die Mundköche bei der Verrichtung der Arbeiten allein den Geschmack der H a u s f r a u bzw. des Hausherrn zu treffen hatten und — auch was die Einkäufe der Lebensmittel betraf — primär von deren Weisungen abhängig waren, wurden Aushilfsköche je nach Bedarf eingesetzt. Mitunter wurden 84 Liechtenstein — Schematismus, 24 f., 29 f.; SAM, Schematismus 1822, führt 18 f. 13 Bedienstete an, ohne deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Familienmitglied zu erwähnen.

Haushofmeisteramt

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diese managementartigen Leitungsfunktionen (Einkauf, Z u s a m menstellung der Speisezettel, Verrechnung) eigenen Küchenmeistern übertragen. Für die übliche Aufteilung einzelner Agenden in einem adeligen Haushalt ist wieder bezeichnend, daß man Spezialisten, wie Bratenbrater, Mehlspeisköche und Bäcker, beschäftigte und die einfacheren Mahlzeiten f ü r das Personal von einem eigenen Hausoffizierskoch zubereitet wurden. — Getrennt von der Küche bestand eine eigene Zuckerbäckerei, welche für Frühstück und J a u s e sowie f ü r Kaifee, Tee und Mehlspeisen bei den Hauptmahlzeiten zu sorgen hatte. Zur Unterstützung der Köche w a r jeweils verschiedenes Hilfspersonal (Küchenjungen und -mägde, Kesseitrager, Kesselreiber) angestellt. — Unter die Sammelbezeichnung „ K r e d e n z " fielen Kellerei, Silberkammer und Tafeldeckerei, wobei Kellermeister und Tafeidecker „zur gehörigen Bedienung" während der Mahlzeiten der Herrschaft anwesend waren. Insgesamt waren in diesen Abteilungen 10 bis 15 Bedienstete als Stammpersonal beschäftigt. Die Zahl der oft nur aushilfsweise tätigen H i l f s k r ä f t e fluktuierte je nach Arbeitsanfall. Weiters stellte der Haushofmeister auch den unmittelbaren V o r gesetzten des Livreepersonals dar, welches in einheitlicher Dienstkleidung in den jeweiligen H a u s f a r b e n vorwiegend bei gesellschaftlichen Ereignissen durch seine Tätigkeit das Prestige des Gastgebers wahren mußte. Hiezu zählte man ganz allgemein als „Bediente" bezeichnete Männer, die hinsichtlich ihrer Verwendung sehr umstrittenen L a u f e r 8 5 und — speziell für J a g d e n — die zahlreichen Büchsenspanner. In diesen Bereichen nahm der Haushofmeister die Position eines Personalchefs ein, welcher die Aufsicht über die Dienstnehmer führte und das Vorschlagsrecht für Entlassungen bzw. N e u a u f n a h m e n besaß. D i e Ähnlichkeit mit den Funktionen des französischen Maitre d'hotel 8 6 zeigt sich in der Durchführung der Verrechnung sowie in der Sorgepflicht f ü r die Instandhaltung des Inventars der fürstlichen Häuser und Schlösser, welche f ü r Besuche während der 85 Laufer wurden mit brennenden Fackeln abends vor dem W a g e n der Herrschaft hergeschickt oder zur raschen Überbringung v o n B o t schaften verwendet. Über d a s E n t w ü r d i g e n d e solcher Dienstleistungen entbrannte eine heftige Diskussion. Vgl. d a z u Schwarzenberg, A n t i diluvianisdie Fidibusschnitzel, 2, 47 f. 86

E l i a s , Höfische Gesellschaft, 73 ff.

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D e r adelige H o f s t a a t

jährlichen Séjours komplett eingerichtet und bezugsfertig sein mußten. Die Agenden der schwarzenbergischen Hausverwaltung waren wie bei den Liechtenstein teilweise dem Wirkungsbereich des Haushofmeisters zugeordnet. Die Hausknechte hatten die Reinigung der herrschaftlichen Zimmer über (für dieselbe Tätigkeit sind auch differenzierte Berufsbezeichnungen wie Zimmerwärter f ü r die Ordnungs-, Zimmerputzer f ü r die bloßen Reinigungsarbeiten verwendet worden), f ü r deren Beheizung waren manchmal sogar eigene Heizer angestellt, wogegen Taglöhnern die Beheizung der nicht von der fürstlichen Familie benützten Räume sowie der Stiegen u n d Gänge oblag, Laternenanzünder hatten f ü r eine entsprechende Beleuchtung der Paläste zu sorgen, Portiere wachten, mit meist gehörigem Selbstbewußtsein, wie z. B. die köstliche Schilderung Eichendorffs zeigt 87 , daß kein Unbefugter eindringen konnte. — Zur schwarzenbergischen Hausverwaltung zählte auch eine eigene Wäscherei, welche im fürstlichen Haus auf der Wieden N r . 111 untergebracht war. Die Aufsicht über die Hauswäsche im Stadtpalais führte eine Wäscheverwahrerin mit einem Stubenmädchen, 1841 wurde sogar ein eigener Kleiderputzer angestellt 88 . In der Gartenverwaltung unterstanden mehrere Gesellen einem gelernten Gärtner, an welchen man in angesehenen Adelshäusern hohe Ansprüche stellte, da doch die Gärten der Vorstadtpaläste während der Frühjahrs- und Sommermonate in die Sphäre des Gesellschaftslebens einbezogen wurden und wiederum ein Statussymbol des betreffenden Besitzers bildeten. Männer wie der schwarzenbergische Hofgärtner Johann Piper 89 oder der liechtensteinische Gartenkontrollor Kramer 9 0 haben dem Geschmack der Zeit nach hervorragende Leistungen bei der Neugestaltung der Parkanlagen erbracht. Ihre zweite wesentliche Aufgabe lag in der N u t z u n g der meist abseits der Ziergärten angelegten Küchengärten, welche zur Versorgung der fürstlichen Haushalte dienten, jedoch häufig unter

87 Joseph v o n Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts, 1966, 1063 f. 88 S t A C K , F. P. d . / l 8 . 89 Böckh, Schriftsteller, 452. 90 Kramer hatte die Umgestaltung des Wintergartens im Liechtensteinischen Palais in der Rossau 1828 angeregt. Näheres vgl. S. 180.

Stallämter

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der Mißwirtschaft des verantwortlichen Personals litten 9 1 . I n ähnlicher Weise blieben auch die liechtensteinischen Meiereien im G a r t e n des H a r r a c h p a l a i s 8 2 und A m Schüttel 9 3 ebenso w i e die schwarzenbergische auf der L a n d s t r a ß e trotz zahlreicher M a ß n a h m e n defizitär. D i e R o l l e v o n P f e r d und W a g e n als R e p r ä s e n t a t i o n s - und Verkehrsmittel verlieh den S t a l l ä m t e r n innerhalb des adeligen H o f s t a a t e s eine besondere Position. E s ist der N e o r o m a n t i k und den M o d e s t r ö m u n g e n des Biedermeier zuzuschreiben, welche ein G e n t l e m a n i d e a l mit der Begeisterung f ü r J a g d e n und P f e r d e wiedererweckten, d a ß m a n der Pferdezucht und -Wartung nun erhöhtes A u g e n m e r k schenkte. J o h a n n u n d Alois I I . Fürst Liechtenstein unterhielten einen „Englischen S t a l l " im ungarischen D o r f Âcs, die Schwarzenberg widmeten sich in ihrem Gestüt a u f der steirischen Herrschaft M u r a u der A u f z u c h t v o n R e n n p f e r d e n 9 4 . In Wien selbst errichtete man neue Reitschulen oder erhielt jene in den neu erworbenen H ä u s e r n 9 5 , die Stallungen und der W a g e n p a r k w a r e n in den S t a d t - und V o r s t a d t p a l ä s t e n untergebracht, 91 So sanken die Erträgnisse des Küchengartens beim Schwarzenbergpalais auf der Landstraße (Wien 3, Rennweg 2) zwischen 1822 und 1827 von 800 fl. CM auf die Hälfte ab (StACK, U K , Fasz. 1771). 92 Dabei handelte es sich um das 1727—1735 erbaute Palais Quarient, besser als Harrachsches Gartenpalais bekannt, in der Vorstadt Landstraße 347/348 (Wien 3, Ungargasse 69), welches 1830—1837 Eigentum der Familie war (Näheres bei Groner, Wien, 212 f.; Gugitz, Bibliographie, 4, 75; H A L W , H 1207) und wo auch während dieses Zeitraumes die vom Schüttel übersiedelte größere Meierei untergebracht war. 93 Der Gartengrund samt Villa und Badhaus „Am Schüttel" N r . 21/32 befand sich 1810—1839 in liechtensteinischem Besitz. Als Gründe für das Defizit des Unternehmens (pro Jahr etwa 350 fl. WW) wurden die unrentable Geflügelzucht sowie vertraglich festgesetzte Deputate angeführt. Vgl. HALW, H 1211, 1212. 94 Das ungarische Dorf Âcs lag im Komitat Komorn an der Hauptstraße Wien—Ofen und befand sich seit 1824 zu zwei Drittel in liechtensteinischer Hand. Näheres vgl. Magarorszâg geographiai szötara, Elek Fényes, 1, 1851, 7 f., freundliche Übersetzung Dr. D e i k ; über das schwarzenbergisdie Gestüt Murau SAM, Schematismus 1822, 79. 95 Die Liechtenstein besaßen Reitschulen im Kanzleihaus Herrengasse N r . 252 (Wien 1, Herrengasse 6—8) neben dem ehemaligen Majoratspalais, im Palais des Grafen Paar in der Alservorstadt (Wien 8, Laudongasse 36) sowie im Rasumofskypalais, die Schwarzenberg im Vorstadtpalast auf der Landstraße.

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D e r adelige H o f s t a a t

da man nur selten über eigene Stallgebäude verfügte 9 8 . Mit einem Personalstand von bis zu 40 Mann stellten die Stallämter die größte Abteilung fürstlicher Hofstaate dar 9 7 . Ihre Leitung wurde ab den dreißiger Jahren vorwiegend Engländern übertragen. Eigene Bereiter waren mit dem Zureiten der Tiere beschäftigt, man besaß einen eigenen Pferdearzt und einen Wagenmeister. Die Aufgaben waren stark differenziert: man unterschied Leibkutscher, welche ausschließlich die Prunkkarossen der fürstlichen Familie steuerten; „Pirutschkutscher" für leichte zwei- oder vierrädrige Kabriolets, Schwerzugkutscher für Lastfuhrwerke. Daneben verfügte man noch über einen Troß von Postillionen, Reitknechten, Roßwärtern, ja sogar eigene Beschellknechte, Heubinder sowie nach Bedarf zusätzliches Hilfspersonal. Zum Hofstaat im weiteren Sinne wurden auch die leitenden Angestellten von Bibliothek, Gemäldegalerien, die vereinzelt noch gehaltenen Kammermusiker und Physici gezählt. Mit ihnen belief sich die Gesamtzahl der Bediensteten im Hofstaat eines regierenden Fürsten auf etwa 90 bis 120. Diese Spitzenwerte lagen beträchtlich über dem Niveau von etwa 50 Bediensteten, die man gewöhnlich bei Wiener Adelshäusern gehalten hatte 98 . Auch der Personalstand bei jüngeren Linien fiel dagegen beträchtlich ab. Die schwarzenbergische Sekundogenitur verfügte über 35 bis 40, durch die Einsparungsmaßnahmen nach dem Ableben von Fürst Karl I. nur mehr über 14 Bedienstete 99 . Den gleichen Umfang konnten Haushalte jungverheirateter Erbprinzen erreichen100, 9 6 Mit d e m N e u b a u des liechtensteinischen H a u s e s in der L ö w e l straße (an Stelle der alten H ä u s e r N r . 11, 12, 1164) wurden 1842 im Erdgeschoß spezielle Wagenremisen und Stallungen eingerichtet, w o m i t sämtliche Behinderungen in d e m neuadaptierten Schenkenstraßenpalais (Wien 1, Minoritenplatz 4) wegfielen. V g l . H A L W , H 1 2 0 8 ; H a r r e r , Wien, 7, 245. 97 S A M , Schematismen 1822 ff., „Hochfürstlicher Stall in Wien". — D i e Liechtenstein unterhielten in Feldsberg ein zweites S t a l l a m t , welches nach d e m Stand von 1812 mit 34 Bediensteten das Wiener (28 M a n n ) an Größe noch übertraf ( H A L V , K a r t o n 324).

Engelsing, Häusliches Personal, 106 f.; ders., Dienstboten, 24 f. K a m m e r n und Livree u m f a ß t e n 18, Küche 4, Stall 12 Bedienstete; d a z u k a m e n noch drei Angestellte m i t nicht näher umschriebenen T ä t i g keitsbereichen ( S t A T , 7 D I I / l , F a s z . 109). 100 J o h a n n A d o l f Fürst Schwarzenberg hatte am 23. M a i 1830 Prinzessin E l e o n o r e Liechtenstein geheiratet; a m 18. M ä r z 1831 wurde ihr 88

99

Stallämter

63

v e r w i t w e t e Fürstinnen w i e M a r i a A n n a Schwarzenberg begnügten sich mit zehn Dienstleuten 1 0 1 . Die

Größe

aristokratischer

Haushalte

war

also

weitgehend

gesellschaftlich bedingt und ermöglichte erst ein von den Pflichten täglicher Verrichtungen gelöstes Dasein feudalen Stils. A n ihrem Vorbild richteten sich bis z u m E n d e des Ersten Weltkrieges der übrige A d e l sowie das B ü r g e r t u m aus 1 0 2 . ältester Sohn Adolf Josef geboren. Die Familie verfügte damals über 14 Dienstnehmer; Fürst Johann Adolf über je einen Kammerdiener und Büchsenspanner sowie zwei Bedienstete; seine Gemahlin über eine Kammerjungfrau, Stubenmädel und Extramädchen; zur Betreuung des Sohnes wurden ein Kindermädchen und eine Kinderfrau herangezogen; weiters hielt man einen Koch, zwei Kutscher sowie je einen Reit- bzw. Hausknecht (SAM, Schematismus 1832, 18). 1 0 1 Die Feldmarschallin beschäftigte je einen Haushofmeister, Hausknecht, Gehilfen und zwei Bediente; eine Kammerfrau, Stubenmädchen, Köchin, Küchenmagd und Extramädchen (StAT, U K , Rechnung Ihro Dl. der Frau Feldmarschallin Fürstin Carl zu Schwarzenberg 1841). 1 0 2 Bei wohlhabenden bürgerlichen Familien galten Anfang des 19. Jahrhunderts drei bis fünf Dienstboten als normal, auch sechs bis acht Leute beschäftigte man nicht selten. Vgl. Anm. 98.

3. D I E N S T R E C H T L I C H E V E R H Ä L T N I S S E ADELIGEN PERSONALS In der sozialgeschichtlichen Literatur ist die Lage adeliger Bediensteter bisher kaum behandelt worden 1 . Die Probleme des häuslichen Personals sind gegenüber dem Komplex der „Sozialen Frage" stark in den Hintergrund getreten. Rolf Engelsing hat in seinen neueren Untersuchungen diesen Umstand darauf zurückgeführt, daß die Arbeiter- und Angestelltenfrage „der Öffentlichkeit in Form eines kompakten Dilemmas gehörte", die Schwierigkeiten von Dienstboten hingegen meist verborgene Einzelfälle blieben 2 . Memoiren und literarische Werke des Vormärz beschäftigen sich, wenn man von den Dienerfiguren in Nestroys Stücken absieht, mit den Dienstboten nur aus dem Blickwinkel des Dienstgebers; Äußerungen sozialen Bewußtseins aus der „Wir-Perspektive" fehlen infolge mangelnder Bildung oder geeigneten Veröffentlichungsmöglichkeiten. Erst ab 1895 wurde als Interessenorgan in Wien eine „Zeitschrift für Diener" herausgegeben. In Adelsarchiven sind jedoch zahlreiche Details von Rechtsgrundsätzen faßbar, aus denen sich ein Bild von den Lebensverhältnissen eines äußerst differenzierten Personalstabes gewinnen läßt. Eine Sonderstellung nahmen dabei stets die Herrschaftsbeamten ein, die sowohl Aufgaben im Privatinteresse des adeligen Grundherrn wie auch Agenden der öffentlichen Verwaltung zu erledigen hatten. Besondere Vereinbarungen galten weiters für die Lohnbedienten, die nur zu Gelegenheitsarbeiten als Taglöhner aufgenommen wurden 3 . Die Überordnung von Mitgliedern der Zentralbehörden über jene des Haushaltes w a r durch die absolutistischen Rechtskodifikationen noch vertieft worden. „Personen, die 1 Als Untersuchung über die Sozialeinrichtungen für das schwarzenbergische Personal vgl. Riesenecker, Soziale Einrichtungen. 2 Engelsing, Häusliches Personal, bes. 93. Vgl. auch Engelsing, Dienstboten; ders., Dienstbotenlektüre. 3 Gesindordnung, Anhang: „ V o m Lohnbedienten", 101 ff.

A u f n a h m e und Beförderung

65

sich gegen bestimmten Lohn, ohne, oder mit noch anderen Nebenbedingungen, als für Kost, Kleidung u. dgl. auf längere Zeit, bey Privaten zu Dienst verdingen", unterlagen der am jeweiligen Dienstort geltenden Gesindeordnung, im vormärzlichen Wien somit den Erlässen vom l . M a i 1810 4 . Ausgenommen von diesen Bestimmungen blieben Haushofmeister, alle Wirtschafts- und Kassenbeamten sowie sämtliche Berufe, welche eine wissenschaftliche Vorbildung erforderten. Sie waren an Verordnungen gebunden, die den für die Staatsbeamten geltenden Gesetzen 5 nachgebildet waren; in manchen Fällen gelangten auch Sonderverträge zum Abschluß. Die Bewerbung um einen solchen Dienstposten erfolgte in der Regel durch ein kurzes Gesuch 6 . Wie in den meisten Adelshäusern behielt sich auch bei den Liechtenstein und Schwarzenberg der regierende Fürst die formale Genehmigung von sämtlichen Veränderungen des Personalstandes selbst vor. E r folgte aber dabei gewöhnlich den Vorschlägen der Hofkanzlei bzw. der obersten Verwaltungsbehörde einer Herrschaft. In der Anstellung von „minderen Dienern" (darunter fielen Knechte, Mägde, Taglöhner, Weidjungen) besaßen die lokalen Ämter eine gewisse Entscheidungsfreiheit 7 . Wurde nun das Ansuchen eines Interessenten berücksichtigt, so informierte man ihn in der Erledigung kurz über das Ausmaß seiner künftigen Pflichten und vereinbarte einen Termin für eine nähere Aussprache. Wollte man jedoch anerkannte Experten für den Verwaltungsdienst gewinnen, so war es die adelige Kanzlei, welche an den Betreffenden herantrat und ihn von seinem bisherigen Posten abzuwerben versuchte 8 . In den Anstellungsdekreten waren Datum des Amtsantrittes, eventuell auch Amtsdauer sowie die Stellung des Betreffenden im Rahmen seiner Dienststelle festgehalten. Daran schlössen sich Bestimmungen über die Höhe der Bezüge und ihre Aufgliederung Ebd., § 4, 11 f. Vgl. J o h a n n Georg M e g e r l e von Mühlfeld, H a n d b u c h für alle kais. königl., ständischen und städtischen Beamten, 6 Bde., 1 8 0 9 — 1 8 3 0 . 6 Zum Beispiel H A L W , H 1 7 7 3 , Ansuchen v o n Michael K u r z w e i l um eine Registrantenstelle; vgl. ähnlich auch S t A C K , F . P . d . / l l , 12. 4

6

Hauptinstruktion, 58, § 58, N r . 17. Exemplarisch dafür sind die Bemühungen d e r liechtensteinischen H o f kanzlei u m die Anstellung des F o r s t e x p e r t e n L e o p o l d Grabner, H A L W , H 6 4 ; vgl. S. 5 3 . 7

8

5

Stekl, Aristokratie

66

Dienstrechtliche Verhältnisse

in Barzahlungen, Diäten, Dienstwohnung, Deputate und mitunter auch das Ausmaß der künftigen Pension®. Nach der Unterzeichnung des Dienstvertrages hatte jeder Neuaufgenommene vor einigen Mitgliedern seiner Abteilung den Diensteid zu leisten. An die Stelle der weitläufigen älteren Formulierungen 1 0 traten im Laufe der Zeit immer prägnantere Fassungen, deren H a u p t p u n k t e Wahrung des Amtsgeheimnisses, Treue u n d Unbestechlichkeit bildeten. Soweit die für die Beamtenschaft geltenden Bestimmungen; den Dienstboten händigte man bei Dienstantritt lediglich einen „Spannzettel" aus, welcher einem Anstellungsdekret entsprach. Die Aufstiegschancen waren im Verwaltungsdienst am größten. Beförderungen und damit verbundene Gehaltserhöhungen unterlagen aber auch hier noch keiner Automatik. Sie erfolgten meist im Zuge personeller Veränderungen nach dem Tod oder Austritt eines Beamten oder anläßlich von Dienstjubiläen b z w . bei der Neuorganisation einer Abteilung 11 . — In anderen Verwendungsbereichen war die Position des einzelnen weitgehend fixiert. Man konnte im herrschaftlichen Hofstaat z. B. keinen kometenhaften Aufstieg erhoffen: höchstens vom einfachen Bedienten zum Kammerdiener, vom Lehrling zum ordentlichen Koch oder Küchenmeister, vom Reitknecht zum Kutscher, Ein solches Engagement wurde aber stets von Glücksfällen mitbeeinflußt: dem positiven „Auffallen", dem Wohlwollen der Vorgesetzten, der Gunst der Herrschaft. Angesichts der großen Zahl von Dienstnehmern in einem fürstlichen Haushalt — im schwarzenbergischen H o f s t a a t gab es allein 93, in ganz Wien sogar 124 Bedienstete (Taglöhner ausgenommen) 12 — waren solche Karrieren selten. Ist auch nicht feststellbar, welche Anforderungen hinsichtlich sei9 H A L W , H 1773, Anstellungsdekret K u r z w e i l ; S t A C K , F. P. d./2, Anstellungsdekret Hausarzt Schwidcert. 10 H A L W , H 68, Personalakt Nechansky; H 72, Personalakt Standhartner; H 1773, Diensteid Kurzweils. — Ältere Eidesformeln aus dem frühen 18. Jahrhundert bei Fridolin Tschugmell, Beamte 1681—1840, Dienstinstruktionen, Diensteide usw., Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 2 7 (1947), 49 if. A l s Parallele über die verwaltungstechnisch komplizierteren Verhältnisse im Fürstentum Fürstenberg bei D o l d , Beamte, 79 ff. 11 Vgl. über die Karriere v o n H o f k a n z l e i b e a m t e n Anhang 8. 12 S A M , Schematismus 1822, 17—20.

Dienstpflichten

67

ner Unbescholtenheit an das fürstliche Personal im einzelnen gerichtet wurden, so bildete moralische Integrität jedenfalls eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die A u f n a h m e und Beibehaltung eines Dienstverhältnisses. „Treue, Fleiß und willige Verrichtung der obliegenden Dienste, Ehrerbietung gegen den Dienstgeber und Achtung gegen die Angehörigen desselben, Verträglichkeit mit dem Nebengesinde, gesittete anständige A u f f ü h r u n g , endlich Befolgung all desjenigen, was das Familienhaupt zur Erhaltung der häuslichen Ordnung einzuführen, f ü r gut befindet", formulierte es die Wiener Gesindeordnung 1 3 . Ü b e r die wichtigsten manuellen Fertigkeiten hinaus mußten Abteilungsleiter im H a u s wesen auf alle Fälle des Schreibens und Rechnens mächtig sein; allerdings verraten verballhornte Bezeichnungen in den liechtensteinischen Küchenzetteln z. B. ziemlich große Kenntnislücken. Bei den Beamten wieder waren f ü r einen raschen Aufstieg juristische Kenntnisse von Vorteil, doch konnte die übliche Schulbildung auch durch jene an einem polytechnischen Institut oder einer gleichwertigen Anstalt ersetzt werden. Auch Tschechisch perfekt in Wort und Schrift w a r für ein Avancement wichtig 1 4 . Weiters legte man besonders ihnen Verschwiegenheit, Unparteilichkeit und strengste Wahrung der Interessen des Dienstgebers nahe 1 5 , da durch ihre Position in der Gesamtverwaltung die Möglichkeit zu schwerwiegenden Mißbräuchen am größten war. Aus diesen Gründen w a r jede Begünstigung v o n H a n d w e r k e r n und Lieferanten ebenso untersagt 1 6 wie das unerlaubte Verlassen 13 14

G e s i n d o r d n u n g , 29 f., § 33. H A L W , 2135 ex 1839; 12349/12 ex 1840, N o r m a l e v o m 24. O k t o -

ber. 15 S o bezeichnete die schwarzenbergische H o f k a n z l e i i n s t r u k t i o n v o n 1782 Treue, Diensteifer und Verschwiegenheit als wesentliche Voraussetzung zur E r f ü l l u n g der Dienstpflichten, welche in „strengster O r d n u n g im G e s d i ä f t e , Unbefangenheit, unpartheyisdier H a r m o n i e , dem allgemeinen H i n w i r k e n auf das Beste des Dienstes und d e r unaufgehaltenen F ö r d e r u n g der G e s d i ä f t e " bestanden ( S t A C K , U K , Fasz. 1762); ähnliche Formulierungen finden sich auch 1834 in den Erlässen anläßlich der N e u o r d n u n g d e r liechtensteinischen H o f k a n z l e i ( H A L W , H 1773). D e r Hinweis auf d a s „höchste Interesse des D i e n s t e s " wiederholt sich häufig ( H A L W , H 56, H 4; Geschäftsordnung der Buchhaltung bzw. H o f k a n z l e i ) . 1 8 D i e liechtensteinische H a u p t i n s t r u k t i o n v o n 1838 betont im § 166, 141 mit H i n w e i s auf das B a u b e z i r k s p e r s o n a l : „ J e d e Begünstigung v o n H a n d w e r k s l e u t e n oder Material-Lieferanten w ü r d e ich als eine wesent-

5'

68

Dienstrechtliche Verhältnisse

des Dienstortes an Sonn- und Feiertagen, da man das A n k n ü p f e n privater Beziehungen mit Geschäftsleuten befürchtete. D a m i t war vor allem die Bewegungsfreiheit der Herrschaftsbeamten empfindlich eingeschränkt. I n den fürstlichen Zentralverwaltungen kannte man z w a r feste Amtsstunden, z. B. bei der schwarzenbergischen Hauptkasse täglich außer Sonntag von 9 bis 12 und 15 bis 18 Uhr, doch war die Dienstzeit nicht streng limitiert: „Der von Ehrgefühl und redlichem Eifer für den Dienst beseelte Beamte" mußte „dazu schon in sich selbst die genügende Aufforderung finden", hieß es in einem gefühlsbetonten Appell an das Pflichtbewußtsein, die Kanzleistunden als ein Minimum zu betrachten und eventuell auch an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten 17 . Echte Mehrdienstleistungen wurden aber immer durch entsprechende finanzielle Entschädigungen kompensiert 1 8 . Das engere Hofstaatspersonal verdingte sich überhaupt ohne Festlegung seiner Arbeitszeit. Beschränkungen blieben jeweils von der hausüblichen Einteilung oder den improvisierten Dispositionen eines Abteilungschefs abhängig. Grundsätzlich hatten die Bediensteten bei Bedarf der Herrschaft jederzeit zur Verfügung zu stehen, doch w a r durch die große Zahl der Posten eine Möglichkeit zur Ablösung und damit f ü r einen gewissen Dienstrhythmus gegeben. Längere Reisen des Dienstgebers gewährten jenem Personal, welches nicht mit der Suite fuhr, größere Freizügigkeit. Der Bediente, welcher sich während der Abwesenheit der Herrschaft unerlaubte Vorzüge und Vergünstigungen herausnimmt, ist zu einer stereotypen Lustspielfigur geworden, liehe Dienstverletzung des betreffenden ansehen, und strenge bestrafen . . 17 Audi die schwarzenbergischen Hauptkassiere hatten während der Rechnungsabschlüsse die Dienststunden nach Bedarf zu überziehen und auch sonst, wenn es eine unvorhergesehene Situation erforderte, am Dienstort zu erscheinen ( S t A C K , G. ü., Fasz. 672). 18 So erhielten z. B. die der liechtensteinischen Baudirektion unterstellten zwei Poliere, welchen sonst gewöhnlich b l o ß Taggelder bezahlt wurden, noch zusätzlich freie Wohnung und ein H o l z d e p u t a t unter der Bedingung, daß sie „für den ferneren G e n u ß dieser Emolumente dazu verhalten werden sollen, auch an Sonn- und Feiertagen, a n denen sie keinen Taglohn beziehen, sich zu Geschäften, welche an solchen Tagen zulässig sind, v o n der fürstl. Baudirection gebrauchen zu lassen" ( H A L W , S 246, Resolution vom 1. April 1817).

Barbezüge

69

Das grundlegendste Recht eines Dienstnehmers bestand im Anspruch auf Zahlung eines Gehalts. In der Lohnpolitik des österreichischen Adels sind auch im 19. Jahrhundert die Nachwirkungen der althergebrachten Besoldungsgewohnheiten zu bemerken, bei denen Bargeld nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil ausmachte, die Vergabe von Naturalien, Nutzung von Grundstücken, Gebühren oder Ertragsanteile aber überwogen. Trotz der Bemühungen um den Aufbau eines modernen Verwaltungskörpers gelangte man hier im Gegensatz zu deutschen Fürstenhäusern etwa 1 9 nicht einmal bei der Beamtenschaft zur Ausarbeitung eines einheitlichen Besoldungsregulativs. Den einzigen Schritt in diese Richtung bildete das liechtensteinische Gehaltssystem, welches mit dem 1. Oktober 1837 in Kraft trat 2 0 , sich jedoch nur auf die Herrschaftsbediensteten bezog. Das Personal wurde in elf Rangklassen mit Gehältern zwischen 80 und 1800 fl. C M eingeteilt. Der Lohn teilte sich in Barbezüge und Naturalien, welche bei den mittleren und unteren Dienstklassen weit mehr als die Hälfte des Gesamtlohnes ausmachen konnten. Solche bedeutende Deputate entsprachen älteren Gepflogenheiten und hatten insofern günstige Lösungen dargestellt, als sie die Empfänger von den Marktpreisen unabhängig machten. Die nunmehrige Ablöse in Geld hat auch Medinger in der Wirtschaftsgeschichte der Herrschaft Lobositz ab 1840 für die schwarzenbergischen Dienstnehmer nachgewiesen 21 . Dabei wurde jedoch ein fixer, vom Preis meist abweichender Rechenschlüssel über einen längeren Zeitraum angewendet, woraus gewisse Härten resultieren konnten. Die Bargehälter gliederten sich wieder in ein Fixum sowie in stabile bzw. wechselnd große Akzidenzien. Diese schwankenden Ertragsanteile, welche bis zu einem Sechstel des Gesamtbezugs ausmachen konnten, waren nach Rangstufen gestaffelt und wurden einem Fonds entnommen, der aus den Reinerträgnissen der jeweiligen Herrschaft gespeist wurde 2 2 . Dold, Beamte, 95 ff., erwähnt schon 1753 ein Besoldungsregulativ im Fürstentum Fürstenberg. 2 0 H A L W , S 2 3 8 ; Anhang 7. 2 1 Medinger, Lobositz, 159 ff. 2 8 Als Berechnungsgrundlage war der Durchschnitt des Reinertrags der Akzidentienfonds in den Jahren 1825—1836 genommen worden.

Dienstrechtliche Verhältnisse

70

Der Zweck dieses Systems lag auf der H a n d : Da das Gehalt aller mit der unmittelbaren Güterverwaltung betrauten Personen (Inspizierende Oberamtleute, Amtsvorsteher, Rentmeister, Waldbereiter etc.) mit der Höhe der herrschaftlichen Einnahmen verknüpft war, bewirkte die Regelung einen Leistungsdruck auf die Untergebenen. Diese konnten durch rationelle und intensive Arbeit die Einkünfte und damit auch ihre eigenen Löhne steigern — dabei blieben sie jedoch weitgehend von Leistungskraft und Leistungswillen der robotpflichtigen Bauern abhängig, welche in ihrer meist tristen Situation gegen jede verschärfte Form von Ausbeutung opponierten. Stellte die mit der Neuregelung verbundene allgemeine Lohnerhöhung zwar f ü r die fürstliche Kasse eine größere Belastung dar — die Gehälter aller Herrschaftsbediensteten stiegen von 236.235 fl. auf 330.800 fl. CM —, so konnte sich der Dienstgeber bei einem Sinken der Einnahmen einigermaßen schadlos halten. Einen völlig andersgearteten A u f b a u wiesen die Bezüge der in Wien tätigen Personen auf. Sie bestanden in einem Barfixum, einer dem jeweiligen Rang und den Familienverhältnissen entsprechenden Gratisunterkunft, teilweise auch in kostenloser Verpflegung, verschiedenen Deputaten, Dienstkleidung und anderen Zulagen. In den Krisenzeiten der Napoleonischen Kriege und des Staatsbankerotts hatte man dem adeligen Personal ähnliche Teuerungszulagen gewährt, wie sie im Staatsdienst üblich waren. Beim Haus Liechtenstein erfolgte 1811 eine Neubemessung der Gehälter, 1812 die Bewilligung einer weiteren Zulage, welche hauptsächlich die niedrigsten Löhne um maximal ein Drittel, Spitzenverdienste dagegen nur fallweise zwischen 10 und 20 Prozent anhob 2 3 . Drei J a h r e später erhöhte man die Bezüge der nicht in C M bezahlten Herrschaftsbeamten um ein Drittel, jene des übrigen Personals sowie der Pensionisten um ein Viertel 24 . Auch in den folgenden Jahren wurden bei Neuaufnahmen die Teuerungsbeiträge mit r u n d 40 Prozent des Grundgehalts festgelegt 25 . 23

H A L V , Karton 324. HALW, H 1772, H 1778. — Zu den Währungseinheiten siehe S. 73. 25 HALW, S 246. — Der neuernannte Bauübergeher Stamm erhielt neben seinem Lohn von 700 noch 300 fl. W W Zuschuß; der neue Bauamtszeichner Fritz zu 500 zusätzlich 200 fl. WW. 24

Barbezüge

71

Eine solche Nachziehung der Besoldungen hatte trotz materieller Schwierigkeiten auch Karl I. Fürst Schwarzenberg eingeführt: 1815 gab er eine 25prozentige, 1817 eine lOOprozentige Zulage, welche im Laufe der Zeit mit dem bisherigen Fixum zu einem neuen Ist-Lohn verschmolz 26 . Ähnliches läßt sich bei der schwarzenbergischen Primogenitur verfolgen: Der lOOprozentige Zuschuß von 1817 wurde zwar 1819 auf 75 Prozent reduziert, drei Jahre später wieder auf den alten Stand gebracht und schließlich weiter beibehalten 27 . Die vormärzlichen Lohnverhältnisse wiesen eine f ü r das differenzierte Personal in herrschaftlichen Großhaushalten charakteristische große Unterschiedlichkeit auf. Das in Adelskreisen sehr fein ausgebildete Ranggefühl wirkte sich auch in einer stark gestaffelten Bezahlung der streng gegliederten Personalhierarchie aus. Eine Gehaltsstatistik der liechtensteinischen Verwaltungs- und Hofstaatsbediensteten zeigt dies sehr deutlich 28 : Spitzenverdiener waren H o f r a t (3000 fl. C M pro Jahr) und Wirtschaftsrat (2000 fl.), eine Sonderstellung nahm Baurat Leistler ein (1200 fl. CM). Ihm folgten die Sekretäre sowie der Leiter der Hauptkasse mit 944 fl,; als einzige Beamte der Zentralverwaltung hatten sich bei ihnen noch Deputate erhalten, welche aber in Geld abgelöst wurden. 840 fl. erhielten der fürstliche Architekt Wingelmüller und Gartenkontrollor Kramer, 696 fl. der Kassenkontrollor, 600 fl. der Bibliothekar, Galerieinspektor und Konzipist, 560 fl. Protokollist und Expeditor. 340 fl. verdienten Registrant und Kanzlist, 240 fl. Kanzleidiener, Konzeptsadjunkt, Kassediener, Baukanzleidiener und Zimmermannspolier, 180 fl. Bibliotheksund Galeriediener sowie Bauamtszeichner. Beim Hofstaat lag der Haushofmeister mit 600 fl. C M im J a h r an der Spitze, es folgten Köche (444 bis 300 fl.), Kammerdiener (283 bis 175 fl.), Bediente (248 bis 216 fl.), Kellermeister 2a

StAT, UK, 7 D 1/2, Fasz. 109. — Diese Zulagen galten jedoch nidit für die in C M besoldeten Beamten (Hofrat, Revidenten, Buchhaltungsschreiber) sowie für jene Dienstnehmer, welche durch eine gesonderte Bestimmung bereits eine zusätzliche 75prozentige Aushilfe genossen. 27 StACK, H K R 1815—1834, Ausgaben, Besoldungen. 28 Vgl. HALV, HKR, Ausgaben/Besoldungen; H A L V , Karton 324; HALW, H 1803.

72

Dienstrechtliche Verhältnisse

(244 fl.), Zimmerputzer und Büchsenspanner (222 bis 163 fl.), Wäscheverwahrerin (200 fl.), Portiere (185 fl.), Hausknechte und Kesselreiber (160 fl.), Küchengehilfen (108 fl.). Dabei handelte es sich nur um die baren Grundgehälter, wozu noch Kost, Wohnung, eventuell auch Livree und andere Zulagen kamen. Hinter den lohnpolitischen Maßnahmen der Fürstenhäuser ist weder ein bestimmter Rhythmus noch ein besonderes Konzept erkennbar. In der Regel hielten sich die Bezüge auf dem Stand, welchen sie inklusive der Teuerungszulage erreicht hatten 29 . Eine Bewegung des Lohnniveaus wurde nur nach persönlichem Ansuchen des Betreffenden oder auf Vorschlag der Hofkanzlei vorgenommen. Im Verwaltungsdienst waren Erhöhungen gewöhnlich an ein Avancement in die nächsthöhere Rangklasse gebunden 30 , woraus sich mitunter bedeutende Wartezeiten ergaben31. Männer in leitenden Positionen blieben von dieser Regelung ausgenommen 32 . In Einzelfällen honorierte man auch ein Dienstjubiläum, doch war die damit verbundene Gehaltserhöhung stets an die Verleihung eines besonderen Titels gebunden 33 . Bei der Neuschaffung von Verwaltungsposten, die eine bestimmte fachliche Qualifikation er-

29 Dagegen blieb der Lohn erst später avancierter Männer stets unter dem ihrer Vorgänger. Diese Erscheinung ist bei den schwarzenbergischen H o f r ä t e n deutlich ausgeprägt. Die Löhne der H o f r ä t e Feldegg und Olschbauer lagen bei 4000 fl. W . Erst D w o r c z a k konnte 1843 bei seiner Ernennung zum H o f r a t diese Grenze mit 2200 fl. C M ( = 5500 fl. WW) überschreiten. 30 Vgl. Anhang 8. 31 Dies traf sowohl f ü r den Verwaltungsdienst wie auch f ü r den H o f staat zu: Besonders f ü r schwarzenbergische Dienstnehmer lassen sich d a f ü r zahlreiche Belege finden: D e r Buchhaltungsrevident Josef Barth bezog durch mehr als 30 Jahre dasselbe Gehalt (1700 fl. WW), die Löhne von Bereiter Eibo blieben durch 21, die der Kammerdiener 20, von Stallmeister Jaus sowie Küchenmeister Wenzel Zenker 13 und von M u n d koch Franz Zenker 11 J a h r e ohne Veränderung. 32 Bei der liechtensteinischen H o f k a n z l e i kamen die beträchtlichen Lohnerhöhungen von 25 bis 43 Prozent, welche zwischen 1820 und 1834 vorgenommen wurden, fast ausschließlich den höheren Posten zugute. 33 Der seit 1821 bei der liechtensteinischen H o f k a n z l e i angestellte Leopold J a y m o n d erhielt anläßlich seines 25jährigen Dienstjubiläums den Titel „Präsidialsekretär", womit eine Gehaltserhöhung von 600 auf 684 und 1847 sogar auf 770 fl. C M samt einem N a t u r a l d e p u t a t verbunden war. Vgl. auch Anhang 8.

Barbezüge

73

forderten, wurden die Bezüge denen leitender Persönlichkeiten angepaßt 3 4 . Zu den wenigen generellen Neuregelungen zählte die allgemeine Auszahlung der Gehälter in Conventionsmünze (CM), welche bei den Schwarzenberg 1831, bei den Liechtenstein 1837 eingeführt wurde. Allgemein hatte man bisher in Wiener Währung (WW) entlohnt, welche auf Papier basierte und zur Silberwährung in dem amtlich festgesetzten Verhältnis von 2,5 : 1 stand. U m eine Vereinheitlichung der Bezüge wieder w a r man überall dort bemüht, wo mehrere gleichartige Posten bestanden — z. B. bei den Schreibern, Adjunkten, Ingrossisten und Revidenten der Buchhaltungen 35 —, welche das Sprungbrett f ü r eine weitere Karriere im Verwaltungsdienst bildeten, aber auch bei den Sekretären. Vor allem unter Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg wurden verschiedene Verwendungsgruppen bei der Livree und dem Stallpersonal auf einen gleichen Besoldungsstand systematisiert; Abstufungen sind auf das Dienstalter zurückzuführen 3 6 . Wie sehr auch Neuorganisation und Ausbau einer Dienststelle auf das Entgelt des dort tätigen Personals rüdewirkten, läßt sich am Beispiel der schwarzenbergischen Hauptkasse nachweisen 37 : Der Lohn des Hofzahlmeisters Dworczak war durch neun Jahre gleichgeblieben. Mit seiner Beförderung zum Hauptzahlmeister 34 1844 wurde der bisherige Vizebuchhalter Karl Mayer zum Wirtschaftsrat der schwarzenbergischen Hofkanzlei bestellt. Der neue Wirkungsbereich entsprach ganz den anerkannten ökonomischen Kenntnissen des Beamten (vgl. S. 50) und sicherte ihm mit einem Jahresbezug von 1400 fl. CM ( = 3500 fl. WW) eine Zwischenstellung zwischen H o f räten und Sekretären. 1848 erhielt Mayer eine weitere Gehaltserhöhung von 400 fl. CM. 35 In der schwarzenbergischen Buchhaltung lagen die Löhne für Adjunkten bei 1300, für Schreiber bei 1000 fl. WW. A b den vierziger Jahren traten diese beiden Berufsbezeichnungen in den Hintergrund. Alle Neuaufgenommenen erhielten den Titel eines „Ingrossisten", das Salär wurde auf der einheitlichen Zwischenstufe von 1150 fl. WW fixiert. 38 Von der schwarzenbergischen Livree fielen Büchsenspanner, Gartenportiere und Bediente in die Gruppe mit 504 fl. WW, Portiere und Laufer erhielten 560 fl. WW. — Beim Stallpersonal lagen Wagenmeister, Postillione, Reitknechte und Kutscher zwischen 504 und 560 fl., Schwerzugkutscher und Reitschulputzer zwischen 492 und 648 fl. 37 Vgl. S. 45.

74

Dienstrechtliche Verhältnisse

und der Schaffung neuer Dienstposten wurde sein Salär von 1600 auf 2100 fi. W erhöht. Die nächste Gehaltsreform f ü r das gesamte Kassenpersonal fiel in das J a h r 1838 und w a r auf die starke Ausweitung der Geschäfte zurückzuführen. Die Steigerungsraten bei den einzelnen Rängen waren allerdings höchst unterschiedlich 38 . Im Bestreben, die Stellung der fürstlichen Hauptkasse a u f zuwerten, glich man 1840 die Löhne der Beschäftigten an jene des Verwaltungspersonals an 3 9 . Den dritten Einschnitt bildete das Jahr 1844. Die Beförderung Dworczaks zum H o f r a t mußte auch eine entsprechende finanzielle Aufbesserung f ü r den Kassier und Revidenten nach sich ziehen 40 . Die Lohnbewegung von 1848 wieder bildete eine Gunstbezeigung des Fürsten f ü r den „musterhaften Eifer" des Kassenpersonals 41 . Schon allein die hier aufgetauchte Fülle von persönlichkeitsund sachbezogenen Motiven f ü r die Gehaltsentwicklung war also nicht dazu geeignet, auf diesem Sektor eine moderne Reform einzuleiten. Für die Beheizung der Unterkünfte jener Personen, welche in einem adeligen Wohnpalast untergebracht waren, wurde automatisch und unentgeltlich gesorgt. An die anderen Bediensteten gelangten Holzgelder zur Auszahlung, welche wertmäßig einer bestimmten Menge von hartem und weichem H o l z entsprachen und wieder nach Diensträngen gestaffelt waren. Bei den liechtensteinischen Hofkanzleibeamten lagen sie zwischen 50 fl. C M ( H o f rat) und 6 fl. CM pro Jahr (Kanzleidiener) 42 . Für höhere Beamte der Fürsten Schwarzenberg waren sie mit 32 fl. C M etwas niedri-

38 Hauptzahlmeister D w o r c z a k erhielt gleidizeitig mit der Ernennung zum Kassendirektor 1000 fl. C M ( = 2500 fl. WW), f ü r die seit 1827 besorgte Oberaufsicht über die H a u s - und Gartenverwaltung bezog er 240 fl. C M ; der Lohn des Kassiers w u r d e um 100 fl. auf 800 fl. C M ( = 2000 fl. W W ) erhöht, jener des Revidenten auf 680 fl. CM ( = 1700 fl. WW). 39 Mit nunmehr 1160 fl. C M ( = 2900 fl. WW), 900 fl. CM ( = 2250 fl. W W ) und 780 fl. CM ( = 1950 fl. WW) standen Direktor, Kassier und Revident den höheren Hofkanzleibeamten kaum mehr nach. 40 Der Kassier bezog nun 1100 fl. C M ( = 2750 fl. WW), der neueingestellte Revident 750 fl. CM ( = 1875 fl. WW). 41 Die Gehälter lauteten nunmehr 1200 bzw. 850 fl. CM. — Ober die Belobigung des Kassenpersonals vgl. auch S t A C K , U K , CB/1. 42 H A L W , H 1778, Gehaltsordnung 1834.

Holzdeputate ger, mittlere Dienstklassen

erhielten

75 2 4 fl. C M ,

untere wie

das

Hofstaatspersonal 1 6 fl. C M 4 8 . Bei der Sekundogenitur wurden

beträchtlich

höhere

Summen

„passirt", welche durch ihre Variationsbreite innerhalb ein und derselben Verwendungsgruppe auch auf die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse einzelner Leute schließen lassen 4 4 . W u r d e das D e p u t a t Holzzufuhr

nicht in G e l d vergütet,

so bezahlte m a n

und -Zerkleinerung erwachsenden

die aus

Kosten45.

Relativ

selten erfolgten Holzzuteilungen (in verringertem U m f a n g ) auch an Pensionisten und W i t w e n höherer B e a m t e r 4 6 . Den

ganzen

Schwankungen

Vormärz

über

unterworfen,

waren

und

die

besonders

Holzpreise in

den

starken vierziger

J a h r e n w a r w ä h r e n d der W i n t e r m o n a t e ein starkes Ansteigen zu verzeichnen 4 7 .

Bei

den

Schwarzenberg

ging

man

daher

bereits

1 8 3 8 v o n den bisher üblichen konstanten Zuwendungen ab. D e r früheren Einteilung entsprechend wurde das H o l z d e p u t a t mit je 3, 2 und 1 K l a f t e r H a r t - und Weichholz festgelegt 4 8 und nach 4 3 Sekretär, Kassier, Vizebuchhalter bildeten die höheren Ränge; Expeditor, Buchhaltungsschreiber, Revidenten die mittleren; Bäckereikoch, Kellerbinder, Hausknechte, Postillione und Reitknechte die unteren. Vgl. S t A C K , F. P. d./2. 4 4 So lagen die Holzgelder für die drei Haushofmeister 1820 bei 31, 68 und 82 fl. C M , für Kammerdiener zwischen 54 und 31 fl. C M ; der Hofrat erreichte mit 56 fl. nur einen Mittelwert. — Diese Zahlen dürften jedoch nur den Stand eines Jahres wiedergeben, da in späteren Zeiten starke Schwankungen festzustellen sind. Vgl. z. B. S t A T , U K , H K R 1823—1827, Ausgaben/Besoldungen. 4 5 Revident Hellmer erhielt 1824 3 fl. 26 xr C M pro Klafter refundiert, was immerhin einem Fünftel des Klafterpreises entsprach (StAT, U K , H K R 1824, pag. 31). 4 6 Zum Beispiel StAT, U K , H K R 1845, pag. 43. Der Hofratswitwe Hirschmann vergütete man 9, der Ratswitwe Jaus 8 Klafter Weichholz. Auch einem pensionierten Kammerdiener des Fürsten Josef Schwarzenberg wurde das Holzdeputat weiter bewilligt ( S t A C K , F. P. d./13). 4 7 Marx, Revolution, 100 ff.; Wißhaupt, Wirtschaftliche Lage 1830 bis 1839, 248. 4 8 In die einzelnen Gruppen (vgl. Anm. 43) wurde später nodi weiteres Personal einbezogen. So fielen der Hofrat Dworczak unter die erste (StACK, H K R 1840, pag. 42), der Hauswäscher ( S t A C K , F. P . d./19, 23) und die Registranten (StACK, H K R 1840, pag. 42) in die zweite, Kutscher und Roßwärter ( S t A C K , F. P . d./28), Kleiderputzer ( S t A C K , F. P. d./18) und Küchenweib (StACK, F. P. d./19) in die dritte Abteilung.

76

Dienstrechtlidie Verhältnisse

den geltenden Jahresdurchschnittspreisen abgelöst 49 . Im Haus Liechtenstein betrug der Vergütungssatz 1840 6 fl. CM. Diese Normierung brachte für das Personal insofern große Nachteile, als die Handelspreise damals wesentlich höher lagen (Weichholz 8 bis 10 fl., Hartholz 13 bis 16 fl.) 50 . Die Verpflegung der höheren Verwaltungsbeamten sowie fast des gesamten Personals von Kammer, Küche, Zuckerbäckerei und „Kredenz" erfolgte mit Mittag- und Abendessen durch die fürstliche Küche. Die besten Aufschlüsse über den veranschlagten täglichen Durchschnittsverbrauch für Speisen der Dienerschaft gibt ein Schreiben von Johann Adolf I I . Fürst Schwarzenberg an die Hofkonsumoverrechnung. Danach sollten für die „Hausofficiere" (dieser Begriff wurde höchst uneinheitlich verwendet; hier ist er für das leitende Personal der einzelnen Abteilungen zu verstehen) täglich drei viertel Pfund Rindfleisch bzw. ein halbes Pfund Kalb-, Lamm- oder Schweinefleisch zubereitet werden; die minderen Diener mit körperlich anstrengender Tätigkeit sollten von der jeweiligen Sorte ein Pfund erhalten. An Brot durfte der Dienerschaft mittags und abends je ein „Groschenlaibl" verabreicht werden 51 . Den Bediensteten stand es aber frei, an Stelle der Kost eine Geldablöse zu verlangen, welche nach der Höhe der Dienstränge gestaffelt war, für sämtliche Kategorien jedoch unter den tatsächlichen Lebenshaltungskosten lag. Nach diesem Schema erhielten höhere Kanzleibeamte, Erzieher, Haushofmeister 48 xr, Kindsfrau, Koch, Zuckerbäcker, Kammerpersonal 36 xr, Stubenmädchen 30 xr, unteres Küchenpersonal, Bedienstete der Silberkammer, Hilfspersonal je 18 xr W pro Tag — doch kostete ein Pfund Fleisch allein bereits etwa 20 xr W ! — Einige wenige Bevorzugte erhielten überdies als „Frühstücksgeld" die ansehnliche Summe von 21 xr W W pro Tag 5 2 . Bei der schwarzenbergischen

4 9 Der im Haus Schwarzenberg seit 1839 tätige Maler Karl Phillipot erhielt den Gegenwert von 10 Klafter Weichholz pro J a h r (StACK, F. P. d./23). 5 0 H A L W , 3023 ex 1840; Pezzl, Wien, 24. 5 1 StACK, F. P. d . / l ; diese Regelung stammte aus dem Jahr 1835. 5 2 Es handelte sich dabei um die Gouvernante Anna Kemper, H o f r a t von Feldegg und den Haushofmeister Horsky (vgl. z. B. S t A C K , H K R 1838, pag. 32 ff.). — Mit den Ammen wurden stets Sonder-

77

Verpflegung

Sekundogenitur lagen diese Verpflegungssätze mit 1 fl. 30 xr Taggeld und monatlich 10 fl. W Frühstücksgeld wesentlich höher 53 . Auch die Vergabe von Getränken war genau geregelt. Es erhielten Männer mittags abends Wein (in Seideln) Bier (in Maß, nur während Landaufenthalten)

2

Frauen mittags abends 1

1

1 72

1 72

Die Bargeldablöse f ü r das Getränkedeputat betrug für 1 M a ß Tischwein 54 xr, f ü r 1 M a ß Bier 10 xr WW. Beim Küchenpersonal waren diese Zulagen bereits im Lohn inbegriffen 54 . Bei anderen Tätigkeitsbereichen wieder wurden Sonderregelungen getroffen 55 . Im Witwenhaushalt von Maria Anna Fürstin Schwarzenberg erhielten die Kammerbediensteten ein tägliches Kostgeld von 24 xr CM sowie ein Weingeld von 6 xr, die übrigen Dienstnehmer im Hofstaat dagegen nur 12 xr 56 . Die Büchsenspanner und einfachen Bediensteten der schwarzenbergischen Primogenitur kamen nur in den Genuß beschränkter Vergütungen. Für sie war an Reise- und Jagdtagen die volle Verpflegung bereit, wenn sich das Fernbleiben vom Dienstort über die Mittagsstunden hinaus erstreckte. Das Stallpersonal konnte f ü r Reisen in die nächste Umgebung Wiens, nach Laxenburg, Dornbach oder Baden z. B., ein Kostgeld von 12 xr W W beanspruchen. Von den Wiener Zentralverwaltungsbeamten gelangten N a t u r a l deputate allein an die Sekretäre der liechtensteinischen Hofkanzlei abmachungen getroffen, die ihnen die gesamte Verpflegung im H a u s e zusicherten ( S t A C K , F. P. d . / l ) . 53 St A T , U K , 7 D 1/2, Fasz. 109. 54 Bei Gehaltserhöhungen wurde wiederholt betont, daß diese einschließlich des „Wein- und Bier-Relutums" zu verstehen wären ( S t A C K , F . P . d./19). 55 D e r Maler Runk erhielt ein monatliches Kostgeld v o n 60 fl. W W ( S t A C K , H K R 1815 ff., Ausgaben, Besoldungen), der H o f m a l e r Phillipot „als Erquickung bei der Mahlerey" 1 Eimer Bier monatlich ( S t A C K , F. P. d./23), der Erzieher Beck genoß 72 fl. C M jährliches Weinrelutum, doch keinen Verpflegungssatz ( S t A C K , H K R 1840—1848, Ausgaben, Besoldung). 59 StAT, U K , Rechnung Ihro Durchlaucht der Frau Fürstin Carl zu Schwarzenberg, 1841, pag. 15.

Feldmarschallin

78

Dienstrechtliche Verhältnisse

zur Auszahlung. Sie wurden vorerst nach allgemeingültigen Systemialpreisen berechnet, welche aber in der Regel weit unter den tatsächlichen Kosten lagen 57 . Um die Dienstnehmer dadurch nicht zu benachteiligen, wurden die Ablösesummen erst am Jahresschluß nach Berechnung anhand der Lokalpreise angewiesen 58 . Auf Dienstreisen oder bei längerer Verwendung außerhalb des eigentlichen Dienstortes wurden dem fürstlichen Personal bestimmte Diäten bewilligt. Für die Herrschaftsbeamten bestanden dabei gesonderte Bestimmungen f ü r die Verrechnung von Dienstfahrten 5 9 . Die häufig notwendigen Inspektionen der Beamtenschaft hatten die Aufstellung von Taggeld-Schemata notwendig gemacht. Der Tagessatz f ü r ein Mitglied der liechtensteinischen Hofkanzlei betrug 1 fl. 30 xr CM, dazu kamen noch je 1 fl. f ü r Hauptmahlzeit und Übernachtung sowie 20 xr f ü r jede Zwischenmahlzeit 60 . Beim Bauamt erhielt der Baudirektor den Pauschalbetrag von 4 fl., der Bauübergeher 2 fl. und (nur in Eventualfällen) Zeichner und Kanzlist je 1 fl. CM 61 . — Gegen Ende des Vormärz begann sich eine neue Entwicklung insofern abzuzeichnen, als man höheren Beamten bereits in den Dienstverträgen ein jährliches Fahrtkostenpauschale bewilligte, da ihre Aufgabenbereiche zwangsläufig eine verstärkte Reisetätigkeit nach sich zogen 62 . Die Verpflegung des Hofstaatspersonals war auf Reisen mit der Suite kostenlos. Sie erfolgte auf einer der Herrschaften, auf denen m a n Station gemacht hatte, oder wurde von den begleitenden Beamten beglichen. Dabei wurden aber keineswegs f ü r sämtliche Bedienstete wertmäßig gleiche Speisen verabreicht, höhere Ränge 57 1 Metzen Weizen kostete z . B . 1839 3 fl. 1 2 x r C M , 1845 4 fl. 2 0 x r C M , wogegen der Systemialpreis 2 fl. C M betrug. Über die Wiener Preise vgl. Alfred Francis Pribram (Hrsg.), Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich, 1938, 372. 58 Die N a t u r a l d e p u t a t e machten z . B . 1845 232 fl. CM aus, das entsprach etwa einem Viertel vom Grundlohn eines Sekretärs. Vgl. H A L V , H K R 1845, pag. 157 f.; H A L W , H 70, Personalakt Sandmann. 59 H A L W , 1461/4 ex 1841, N o r m a l e vom 31. Jänner 1841. 80 H A L W , H 70, Personalakt Sandmann, Diätenschema des Wirtschaftsrates Kraupa. 01 H A L W , S 246, Fürstliches Reskript vom 1. April 1817. 62 H A L W , H 64, Personalakt Grabner. D e r 1847 angestellte Forstrat sollte „anstatt Diäten und als Entschädigung f ü r außerordentliche Auslagen bei Reisen" 500 fl. C M p r o J a h r erhalten. Die Fahrtkosten wurden zusätzlich vergütet.

Diäten

79

waren bei der schwarzenbergischen Primogenitur wieder deutlich bevorzugt: Für Kanzleiangestellte, Rechnungsführer, Haushofmeister, Kammerdiener, Köche, Bereiter, Tafeidecker, Stubenmädchen lag der annähernde Gegenwert bei 1 fl. 24 xr W , für Laufer, Büchsenspanner, Bediente, Hausknechte, den Kurschmied, Kutscher, Reitknechte, Roßwärter, Konsumoknechte und mindere Küchenleute dagegen nur bei 36 xr WW 6 3 . Eigene Verfügungen legten die Leistungen a n das Kammerpersonal von Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg f ü r alle jene Fahrten fest, welche nicht mit der Suite unternommen wurden 6 4 . Kammerdiener, Kammerfrauen, Köche und Kanzleiangestellte erhielten 2 fl. 30 xr CM, Amme, Stubenmädchen und Kindermädchen nur 2 fl. — Bei der Sekundogenitur des Hauses hatte man sich ursprünglich zu größerer Vereinheitlichung entschlossen. Waren schon Anfang 1815 die Diäten des Livreepersonals „infolge der Theuerung in den Gasthäusern" um die H ä l f t e auf 1 fl. 30 xr WW erhöht worden, so stellte man ihm die gesamte Dienerschaft zu Beginn des folgenden Jahres gleich. Bei den Neuregelungen nach dem Tod von Karl I. Fürst Schwarzenberg hingegen begannen sich immer mehr individuell geprägte Züge abzuzeichnen 65 . Im Vergleich zu den Diäten der Staatsbeamten 6 6 waren die Taggelder des fürstlichen Personals eher niedrig bemessen, doch ist zu bedenken, d a ß die oft hohen Fahrtkosten und Trinkgelder hier wegfielen. Beim H o f r a t der jüngeren schwarzenbergischen Linie war nodi die ältere Form der Ausstattung mit Pferd und Wagen üblich 67 . 63

StACK, F. P. d./l, Fürstliche Resolution vom 8. August 1833. Ebd., Schema des Jahres 1835. 65 St AT, UK, 7 D 1/2, Fasz. 109. — Bei der Feldmarschallin, Maria Anna Fürstin Schwarzenberg, durften Silberwäscherin und Stubenmädchen das tatsächlich verbrauchte Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungsgeld in Rechnung stellen, während die übrigen Bediensteten eine tägliche Zulage von 2 fl. WW erhielten. 88 Josef Karl Mayr, Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (Inventare des Wiener Haus-, H o f - und Staatsarchivs 2), 1935, 117, nennt verschiedene Stufen zwischen 4 und 16 fl. CM. 67 Hofrat Hirschmann wurden die Auslagen für die Fourage von zwei Pferden, die Erhaltung eines Wagens sowie 30 fl. WW pro Monat für die Beschäftigung eines Kutschers und Bedienten sowie zusätzlich deren Livreekosten vergütet (StAT, UK, H K R 1824, pag. 30). 64

80

Dienstrechtlidie Verhältnisse

Derartige Gepflogenheiten sind auch in der Gehaltszusammensetzung des liechtensteinischen Baurats Leistler anzutreffen 6 8 . Diese Leistungen entsprangen nicht mehr Repräsentationsrücksichten, sondern dienten der Vereinfachung komplizierter und häufiger Rechnungslegung. Vergütungen für Reitpauschale, Knechthaltung und Zulagen f ü r Hufbeschlag sind bei Herrschaftsvorstehern häufig anzutreffen. D a diese Leute Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu erledigen hatten, beteiligten sich auch die Staatsstellen mitunter am Ersatz der Unkosten 69 . Sämtliche Bedienstete eines Adeligen erhielten kostenloses Quartier. Soweit es die vorhandenen Räumlichkeiten zuließen, wurde das Hofstaatspersonal selbstverständlich im Wohnpalais des Dienstgebers untergebracht. Größe und Einrichtung der Wohnungen war weitgehend vom Rang des Betreffenden abhängig. Das Zimmer einer liechtensteinischen Kammerjungfrau w a r wohl Wohnund Schlafraum zugleich, erhielt aber durch ein Kanapee, ein Toilettefauteuil sowie eine Tisch- und Sesselgruppe doch eine gewisse behagliche Note 7 0 . Dagegen wurden ledige Bediente und Küchenangestellte oder Angehörige der Stallabteilung oft zu dritt oder viert in einem Raum untergebracht. Die Ausstattung dieser Zimmer war ungleich bescheidener und beschränkte sich nur auf das Notwendigste. Eine Art Privatsphäre konnte bei diesen Menschen nicht gewahrt bleiben 71 . Auch beim Verwaltungspersonal ging man von dem Grundsatz aus, Unterbringungsmöglichkeiten in der N ä h e der Dienststelle zu schaffen. Das liechtensteinische „Kanzleihaus" in der Herrengasse 68 Leistler erhielt als Pauschale 240 fl. C M f ü r die Unkosten von zwei Pferden und einem Wagen ( H A L V , H K R 1845, pag. 162). 69 H A L W , H 70, Personalakt Sandmann. 70 In diesem Zimmer befanden sich noch ein Bett, ein Nachtkästchen, Schubladkasten und Chiffonerie sowie eine Spanische W a n d . Die N u ß holzmöbel waren von durchschnittlicher Q u a l i t ä t (Schätzwert 78 fl. CM) und folgten in der Formgebung dem Geschmack der Zeit. Vgl. H A L W , H 1201, Summarium, Majoratshaus Schenkenstraße. 71 In einem Kutscherzimmer des liechtensteinischen Stadtpalastes standen nur ein Bett, ein Schubladkasten, ein Tisch und zwei Sessel. Diese Ausstattung war noch dazu ärmlich: Die Tischplatte war „mit Wachsleinwand überzogen", die Sessel waren einfache „Gurtensesseln"; als Schätzwert waren bloß 12 fl. CM angegeben. — Vgl. A n m . 70 sowie H A L W , H 1201, Summarium, Palais Landstraße; StACK, U K , F. P. d./7.

Dienstwohnungen

81

bot ebenso wie das angrenzende H a u s Brunngasse N r . 264 die günstigsten Voraussetzungen f ü r ein Wohnhaus der Beschäftigten von Hofkanzlei, Hauptkasse und Bauamt. Der U m f a n g der Wohnungen wurde in erster Linie vom Dienstrang des Betreffenden bestimmt: Als größte lag die H o f r a t s wohnung (14 Räume) direkt neben der Kanzlei, jene des Kassendieners war mit nur zwei Räumen die kleinste 72 . Aber auch andere Faktoren waren maßgeblich. H o f r a t Baron Buschmann erhielt anläßlich der Umgestaltung des Kanzleihauses 1837 „in Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und seiner angestrengten Dienstleistung" drei weitere Räume zugewiesen 73 . Bei dieser großzügigen Regelung spielte auch ein gewisses Repräsentationsmoment mit, da man dem ranghöchsten amtlichen Vertreter eines Fürstenhauses einen überdurchschnittlichen Standard zusichern mußte. Auch auf persönliche Bedürfnisse und Familiengröße wurde Rücksicht genommen; dies erklärt wahrscheinlich die unverhältnismäßige Ausdehnung der Wohnungen von Bauamtszeichner und Kanzleidiener (sechs bzw. fünf Räume). Die Bediensteten waren nämlich verpflichtet, Änderungen in der Zahl der im Hause wohnenden unmündigen Kinder bekanntzugeben, worauf man nach Bedarf die Unterkünfte vergrößerte oder verkleinerte. Die Wohnungen wurden gewöhnlich bezugsfertig übergeben. Auch die notwendigsten Erhaltungsarbeiten sowie Reparaturen bei Schäden durch Elementarereignisse gingen zu Lasten der fürstlichen Kasse. Die Witwen nach fürstlichen Angestellten durften ihre ursprünglichen Quartiere in verringertem U m f a n g behalten. Bei den Liechtenstein jedoch begann man ab den späten dreißiger Jahren die Vergabe von Gratiswohnungen an Pensionisten infolge Raummangels einzuschränken. D a f ü r zahlte man Mietzinsbeihilfen aus, welche auf die Bedürfnisse des Betreffenden zugeschnitten waren 7 4 . 72 Vgl. Tabelle S. 224. — Vergleiche mit Staatsbeamten ermöglicht die phil. Diss. von Ernestine Waniek, Die Wiener Beamtenwohnung zur Zeit Maria Theresias, Wien 1931. 73 H A L W , H 1201, Entwurf betreffend Wohnungsveränderungen im Kanzleihaus vom 1. April 1837. 74 Das Zirkular vom 9. Februar 1839 ordnete eine Räumung der v o n Pensionisten bewohnten Quartiere an; kränkliche und alte Personen waren davon ausgenommen. A n die Stelle der Dienstwohnungen traten Quartiergelder, die mit 36 fl. C M für Alleinstehende (z. B. für eine Laufers-

6

Stekl, Aristokratie

82

Dienstrechtliche Verhältnisse

Solche „Quartiergelder" wurden bei Bedarf auch aktivem Personal bewilligt; ihre Höhe richtete sich nach der Position des Dienstnehmers 75 . Die gegen Bestallung angestellten Personen erhielten Quartiere in herrschaftlichen Gebäuden nur dann, wenn Wohnungen freistanden und es das Dienstinteresse besonders erforderte 7 6 . Gemäß den Satzungen der Wiener Gesindeordnung stand jedem Dienstboten eine genau beschriebene „Liverey" zu, welche auch nach Lösung des Dienstverhältnisses sein Eigentum blieb 77 . Diese Mindestbestimmungen wurden in Fürstenhäusern wesentlich überschritten. Auch bei der f ü r hocharistokratische Verhältnisse weniger wohlhabenden jüngeren schwarzenbergischen Linie erhielten die Hausoffiziere (Haushofmeister, Kammerdiener, Kammerlakai, Küchenmeister, Koch, Bereiter und Stallmeister) noch zusätzlich einen Frack, eine dreiviertellange Hose aus Kaschmir und ein Gilet. Bei bestimmten Tätigkeitsbereichen erfolgte eine zusätzliche „Ausstaffierung". Sie umfaßte z. B. Mäntel, Pelze, Handschuhe f ü r die Kutscher oder Büchsensäcke und Jagdkoppeln f ü r die Büchsenspanner 78 . Aber auch bei der Dienstkleidung drängten die finanziellen Schwierigkeiten der Familie nach dem Ableben des Feldmarschalls zu Einsparungsmaßnahmen. Die Tragzeit f ü r die Dienstkleidung wurde erheblich verlängert, bei sämtlichen Anträgen auf Neuanschaffungen w a r die Unbrauchbarkeit der alten Gegenstände eindeutig nachzuweisen; dem Haushofmeister hatte m a n diesbezüglich verstärkte Kontrollfunktionen eingeräumt. Besonders bei festlichen Anlässen w a r auch das Personal ein

witwe) zur Miete einer bescheidenen Kleinwohnung in der Vorstadt reichten; an größere Familien bzw. Witwen nach Ranghöheren zahlte man größere Summen (90 fl. an den Koch Bittmann). Vgl. H A L W , H 1778, Pensionsverzeichnis 1837. 75 Bei der schwarzenbergischen Primo- und Sekundogenitur bewegten sich die Zuschüsse innerhalb der Grenzen von 40 bzw. 320 fl. CM (StACK, H K R 1815 ff.; StAT, U K , 7 D 1/2, Fasz. 109). 76 H A L W , 1798 ex 1839, Zirkular vom 9. Februar. 77 Das Gesetz unterschied zwischen „ganzer" und „kleiner" Livree. Erstere bestand aus Rock, Weste, Unterkleidern, Schuhen, Strümpfen sowie H u t und gebührte jedem, der nach Verlauf eines vollen Jahres den Dienst quittierte. Die „kleine" Livree u m f a ß t e Unterkleider, Schuhe, S t r ü m p f e und gebührte bereits dem nach einem halben J a h r Austretenden (Gesindordnung, § 1 1 1 , 70). 78 StAT, U K , 7 D 1/2, Fasz. 109.

Livreen

83

Instrument, das den Rang und die soziale Position einer fürstlichen Familie auszudrücken half. Galalivreen in den „Hausfarben" wiesen die Träger als Repräsentanten des Hauses aus und unterstrichen durch ihre Einheitlichkeit das Streben nach souveräner Abhebung und Geschlossenheit. Für diese Ausrichtung nach staatlichen Vorbildern ist z. B. bezeichnend, daß die Livree von Jägern der schwarzenbergischen Sekundogenitur der Uniform damaliger Jägeroffiziere entsprach 79 . Bei der älteren Linie trug man eine blau-rote Gala mit Silberverbrämung, die „kleine Livree" f ü r den täglichen Gebrauch w a r in Blau-Silber gehalten 80 . Die Zuteilung von Dienstkleidung gestaltete sich durch das Schema von 1835 für die Dienerschaft am vorteilhaftesten; zu Vergleichszwecken hatte man dabei Verordnungen aus den Haushalten von Erzherzog Karl und August Fürst Lobkowitz herangezogen 81 . Für das qualifizierte Personal blieben die geltenden Regeln in Kraft, welche die gesamte notwendige Kleidung bewilligten. Außerdem erhielt bei Todesfällen von Familienmitgliedern die beim Begräbnis anwesende Dienerschaft ein eigenes Trauergewand. Auf Gala wie Trauerkleidung bestand jedoch von Seiten des Dienstnehmers nach einem eventuellen Austritt kein Anspruch 82 . N u r in einzelnen Fällen war es dem Personal auch gestattet, die Livree in Bargeld abzulösen. Diese Bewilligung erstreckte sich jedoch bloß auf Verwendungszweige, welche kaum an die Öffentlichkeit traten 8 3 . Auch Kanzlei- und Kassendiener, welche ihre Klei-

79 Dieser Jagdanzug („modrak"), ein dunkelblauer Rock mit grünen Aufschlägen, hechtgrauen Hosen mit grünen Lampas, ist für die Sekundogenitur bezeichnend geblieben. Vgl. Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 412 f. 80 In der Farbgebung nahmen nur die Forstbeamten (braune Röcke mit grünen Aufschlägen) und Leibjäger (schwarze Röcke mit grünen Aufschlägen, Zweispitz mit weißem Federbusch) eine Ausnahmestellung ein. Siehe Schwarzenberg, Fahne und Farben, 57. 81 StACK, F. P. d./l, vgl. Anhang 9. 88 „An eine Gallaliverey, oder, was die Diensthälter nicht jährlich, sondern nach Willkür machen lassen, hat der Austretende keinen Anspruch." Auch bei Kündigungen aus Verschulden des Dienstnehmers verfiel sein Recht auf die Livree. Vgl. Gesindordnung, § 111, § 112, 70 f. 83 Kelleraufseher, Reitschmied und Wagenmeister erhielten unter Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg ab 1848 51 fl. 28 xr pro Jahr als Livreevergütung (StACK, H K R 1848, pag. 39 f.).

6'

84

Dienstrechtliche Verhältnisse

dung im D i e n s t stark strapazierten, Kleidergelder ausbezahlt 8 4 .

erhielten jährlich

gewisse

Außerordentliche Gehaltszahlungen wurden gewöhnlich nur als Entschädigungen für echte Mehrdienstleistungen bewilligt. Solche Zulagen w a r e n gerade dann besonders häufig, w e n n man — w i e z. B. unter den Fürsten Josef II. und Johann A d o l f II. Schwarzenberg — einzelne Dienstposten zusammenlegte. 1829 übernahm hier der R a t D w o r c z a k auch die A g e n d e n der H a u s - und Gartenverwaltung 8 5 , 1836 einer der Kutscher die Geschäfte eines Wagenmeisters 8 6 , ein Zimmerwärter sorgte nach Pensionierung der Wäscheverwahrerin für die Hauswäsche. Waren diese Entlohnungen, die übrigens für jede geringe Zusatzarbeit gewährt wurden 8 7 , noch ganz individuell bemessen, so hatte man Z a h l u n g e n für regelmäßig anfallende Leistungen bereits systematisiert 8 8 . In Einzelfällen konnten solche Remunerationen sogar bis z u z w e i Drittel eines Jahresgehalts ausmachen 8 9 . 84 Der Kanzleidiener bekam ab 1831 statt bisher 16 nun 36 fl. CM. Ab dem Zeitpunkt seiner Indienststellung (1842) wurden dem Kassendiener 20 fl. CM bewilligt (StACK, H K R 1815 ff., Ausgaben/Besoldungen). 85 Dworczak erhielt d a f ü r 240 fl. CM, der ihn unterstützende Bediente 60 fl. C M pro Jahr. Vgl. StACK, H K R 1829 ff., Ausgaben/Besoldungen, H a u p t z a h l a m t ; siehe auch S. 73 f. 88 Die Zulage betrug hier jährlich 40 fl. (StACK, H K R 1836 ff., Ausgaben/Besoldungen, Stall). 87 Der Kuhwärter im Landstraßer Gartenpalais bekam f ü r die Beaufsichtigung des Hühnerstalles jährlich 24 fl. W W ; sein Nachfolger übernahm die Besorgung der Fourage und bezog d a f ü r 24 fl. CM (StACK, H K R 1815 ff., Ausgaben/Besoldungen/Garten). 88 StACK, F. P. d./l, Regelungen von 1835: Die Konsumoknechte bekamen für schwere Arbeiten, wie Holz- und Eisführen, täglich 24 xr C M zusätzlich; die Kutscher, Roßwärter und Roßknechte pro Reisetag 50 xr CM. Während der Anwesenheit der Herrschaft in Wien hatten Koch und Zuckerbäcker Anspruch auf täglich 8 xr WW. — Ein Zuschuß von 24 xr C M war auch für jenes schwarzenbergische Stallpersonal vorgesehen, welches bei Gesellschaften Tiere und Wagen der Gäste versorgte (StACK, F. ü. 26/1/1). 89 So wurden dem Kammerdiener von Karl I. Fürst Schwarzenberg „als Remuneration in Rücksicht der Dienstangelegenheiten in Worlik vom 1. März bis 9. December 1815" 500 fl. WW, also fast zwei Drittel der Jahresbezüge, ausbezahlt. — Auch an Herrschaftsbeamte der Sekundogenitur gingen solche Zuschüsse, welche sich nach der jeweiligen Position zwischen 25 (für einen Jäger oder Adjunkten) oder 200 fl. W W

Beurlaubung

85

Bei der liechtensteinischen Verwaltung verwischt sich bereits die Grenze zwischen reinen Mehrdienstleistungszulagen und außerordentlichen Zuweisungen, welche nach Gutdünken des Dienstgebers vorgenommen wurden. Diese sogenannten „Personalzulagen" beschränkten sich meist auf mittlere und untere Posten und gelangten entweder zugleich mit den systematisierten Löhnen oder als einmalige Zuschüsse zur Auszahlung 90 . Die gesetzliche Festsetzung einer bestimmten Urlaubszeit erfolgte erst durch die arbeitsrechtlichen Reformen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Während des Vormärz hing die Gewährung eines Urlaubs noch ganz vom Belieben des Dienstgebers ab, doch hatten sich bereits bei den einzelnen Häusern allerdings recht unterschiedliche Rechtsgrundsätze herausgebildet. In der liechtensteinischen Hauptinstruktion von 1838 sind diesbezüglich genaue Bestimmungen enthalten 91 : Die Urlaubsgesuche leitender Persönlichkeiten der Verwaltung mußten direkt an den Fürsten gerichtet werden 92 . Die Bittschriften des übrigen Personals konnte die Hofkanzlei unter gewissenhafter Rücksichtnahme auf das Interesse des herrschaftlichen Dienstes bis zu einem Höchstausmaß von sechs Wochen selbst behandeln; Bewilligungen für eine längere Zeitspanne konnten nur vom Regenten selbst gegeben werden, wobei sich dieser mit den einzelnen Anträgen eingehend beschäftigte und sich anhand der Konduitlisten von dem Betreffenden ein genaues Bild zu machen trachtete 93 . — Ansuchen um weniger als zwei Wochen Urlaub wurden (für einen Verwalter) bewegten. Für die niedrigen Verwaltungsbeamten schwankten sie von 1 0 bis 50 fl. CM, für die höchsten erreichten sie bis zu 200 fl. (StAT, H K R 1 8 1 5 ff., Besoldungen). 90 Die Leistungen an Beamte gingen bis zu 60 fl. CM im Jahr (HALW, H 1778). — Auch unter Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg ist Ähnliches festzustellen. Zulagen betrugen 24 fl. (für den Hausknecht), 48 fl. (Kanzleidiener), 80 fl. CM für den Registrator (StACK, H K R 1 8 1 5 ff., Ausgaben/Besoldungen). 01 Hauptinstruktion 59, § 58, Punkt 20. 82 „Urlaubs-Bewilligungen, in so fern sie die Kongremialen meiner Kanzlei, die Buchhaltungs-Chefs, Inspektoren oder inspizierenden Oberamtleute und den Justizrath, dann die Forstmeister, die Amtsvorsteher, dann die Waldbereiter einer Voluptuar-Herrsdiaft betreffen, sind mir vorzulegen . . . " 93 Vgl. die Ansuchen und dazugehörigen Aktenstücke im H A L W , H 14.

86

Dienstrechtliche Verhältnisse

in dringenden Fällen direkt von den Inspizierungsbehörden erledigt, doch war die Wiener Hofkanzlei unverzüglich davon zu informieren. D a sich diese Bestimmungen offenbar infolge des umständlichen Instanzenzuges nicht bewährten, kehrte man 1842 mit nur geringfügigen Modifikationen zu der bereits früher geltenden Ordnung zurück 94 . Dadurch wurde den Herrschaftsverwaltern in ihrem Wirkungsbereich mehr freie H a n d gelassen und gleichzeitig die H o f kanzlei entlastet, der ja die Erledigung der gesamten Korrespondenz zugefallen war. Dem subalternen Herrschafts- und Verwaltungspersonal konnten von dem jeweiligen Ressortleiter höchstens zwei freie Tage gewährt werden, Ansuchen bis zu zehn Tagen waren schriftlich einzubringen. Die leitenden Beamten dagegen durften sowohl in dienstlichen als auch in Privatangelegenheiten auf zwei Tage ihren Posten auch ohne höhere Bewilligung verlassen, maximal zehn Urlaubstage konnten ihnen wie auch den Kanzleibeamten der H o f r a t allein genehmigen. Bitten um einen längeren Urlaub waren weiterhin über die H o f k a n z l e i unmittelbar an den Fürsten zu richten, wobei der „wahrhafte Beweggrund . . . die Nothwendigkeit der Reise so wie der Ort, wohin sie gerichtet ist", ausführlich anzugeben waren. Solche Petitionen wurden gelegentlich zur Erledigung unaufschiebbarer privater Dinge, häufiger noch aus Gesundheitsrücksichten gestellt. Der Betreifende unterließ es dabei nie, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß er die freien Tage nicht zur Zerstreuung, sondern aus den angeführten stichhaltigen Beweggründen erbat 9 5 . Durch derartige Bittschriften konnte sich das Hofstaatspersonal eines Adelshauses einen wenn auch geringen außerordentlichen Freizeitraum schaffen, welcher damals in anderen Berufszweigen überhaupt nicht bzw. nur als besondere Begünstigung bestand 98 . in

Die Altersversorgung von Arbeitern und Angestellten erfuhr Österreich erst durch die Gesetzgebung des beginnenden

M Das Normale Nr. 7140/11 vom 27. Juni 1842, § 50, pag. 20 f. setzte die Bestimmungen vom 21. Oktober 1834, Zirkular Nr. 7506, wieder in Kraft (HALW, H 4). 85 Zum Beispiel HALW, H 14, Kombiniertes Urlaubs- und Versetzungsansuchen des Hofkanzleisekretärs Dr. Mayer. 96 Über Urlaubsbewilligungen für Staatsbeamte als Mittel, den Staatsdienst attraktiver zu gestalten, bei Mayr, Wien, 180.

Pensionierung

87

20. Jahrhunderts eine einheitliche Regelung 87 . Bis dahin erfolgten im allgemeinen Zahlungen nach dem Eintritt in den Ruhestand — was meist soviel wie Arbeitsunfähigkeit bedeutete — nach Gutdünken der Dienstgeber. Nur im Staatsdienst galten nach den Verfügungen Maria Theresias sowie dem Pensionsnormale Josefs I I . von 1781 recht fortschrittliche Bestimmungen 98 . Über den Charakter der Pensionen herrschten aber auch bei den offiziellen Stellen verschiedene Auffassungen: der Ruhegenuß von Staatsbeamten wurde als Art Leistungsentschädigung betrachtet, wogegen der Versorgung von Witwen und Waisen mehr die Eigenschaft eines Gnadenaktes zukam. Während hier bei den meisten adeligen Häusern uneinheitliche Verfügungen getroffen wurden, war im Haus Schwarzenberg mit dem 1766 gegründeten „Pensionsfundus" eine moderne, den Großteil des Personals umfassende Regelung in Kraft getreten. Fürst Josef I. (1722—1782) betonte in dem am 25. Jänner 1766 ausgestellten Stiftbrief 99 , „daß sich bei Unserem fürstl. Haus Unsere sämtlichen Beamten und überhaupt alle Unsrigen Diener von undenklichen Jahren her eines der wichtigsten Vorzüge zu erfreuen gehabt haben, nämlich, dass sie sich in ihren späteren Tagen und wenn Alter oder andere Leibes- oder Gemütsgebrechen ihnen die Kräfte der Fähigkeit zu ferneren Diensten genommen haben, durch die Milde und Grossmut ihren lebenslänglichen Unterhalt gefunden haben und ausserdem sie und ihre nachgebliebenen Witwen und Waisen mit reichlichen Pensionen versehen worden sind . . . Die gegenwärtigen beschwerlichen Zeitläufe, die entfernte Hoffnung auf eine günstige Änderung und die Besorgnis, dass etwa künftige Kriege Beschwerden und viele andere Ereignisse bringen, welche den fürstl. Regenten über kurz oder lang die Hand binden oder sie wenigsten behindern können, 9 7 Wilhelm Weber, Sozialpolitik und Sozialrecht von 1848 bis 1 9 1 5 , in: H u n d e r t J a h r e österreichischer Wirtschaftsentwicklung, hrsg. v . H a n s M a y e r , 1 9 4 9 , 5 7 7 ff. 9 8 U n t e r zehn Dienstjahren erhielt der B e a m t e eine Abfertigung in der H ö h e eines Jahresgehaltes. Bei einer Dienstdauer von 10 bis 25 J a h r e n bekam er ein Drittel, bis zu 3 9 Dienstjahren die H ä l f t e der Bezüge als Pension. W e r mehr als 4 0 J a h r e gedient hatte, konnte das gesamte Gehalt als Pension genießen. D a z u bei M a y r , Wien, 2 1 4 . 9 9 Riesenedter, Soziale Einrichtungen; Blaschko, Besitzungen. D e r Stiftbrief ist in B l a u - W e i ß e B l ä t t e r 13 ( 1 9 6 5 ) , 8 f. abgedruckt.

88

Dienstrechtliche Verhältnisse

dass in Zukunft die Pensionen nicht so zahlreich und reidilich wie bisher angemessen werden können, sind vorzüglich der Beweggrund, welcher Uns zum Besten Unserer gesamten Dienerschaft und ihrer Nachkommenschaft zur Vorsehung und Verfassung eines Pensionsstatus bewogen hat." Diese Stiftung bezog sich vorerst nur auf sämtliche Ober- und Unterbeamten, das Jägerpersonal, Fischer und Torwärter der böhmischen Herrschaften. Vom Tag seiner Indienststellung an bezahlte jeder dieser Bediensteten ein nach seinem Gehalt bemessenes Jahresfixum, welches gewissermaßen als Sozialversicherungsabgabe eine Pension in der H ö h e seiner Aktivbezüge garantierte. Da Ansuchen um Pensionierung nur wegen hohen Alters oder erwiesener Arbeitsunfähigkeit gestellt werden konnten, war die Zahl der Dienstjahre auf die H ö h e der Versorgungsgehalte noch ohne Einfluß, bis 1870 ein neues Übereinkommen getroffen wurde. Die "Witwenpension betrug normalerweise 50 Prozent von den Ansprüchen des Verstorbenen, doch waren durch Bestimmungen über Altersgrenze, Wiederverheiratung und anderwärtiges aktives Dienstverhältnis gewisse Einschränkungen getroffen. Auch bei der Waisenversorgung (für Knaben bis zum 20., f ü r Mädchen bis zum 18. Lebensjahr) war kein fixer Satz vorgesehen; sie reichte von einem Drittel bis zur vollen Höhe der Rente. Im Stiftbriefnachtrag vom 22. November 1851 legte man die Pensionsfähigkeit der stabil Bediensteten auf ein Jahresminimum von 80 fl. C M fest und führte eine Aufnahmegebühr in der H ö h e von 10 Prozent des Lohnes ein. Die vorher acht Pensionskategorien wurden auf 20 erhöht, wobei aber nach Erlag einer 33prozentigen Beförderungsgebühr, welche einem Drittel der Differenz zwischen alten und neuen Bezügen entsprach, die Möglichkeit einer freiwilligen Höherversicherung gegeben war 1 0 0 . Erst 1887 legte man den böhmischen (auch „alten" oder „Krumauer") Pensionsfonds mit dem analog geschaffenen „steirischen" zusammen 101 . 100 Ein weiterer Nachtrag vom 1. Februar 1857 erhöhte aufgrund der gestiegenen Naturalienwerte die Beförderungsgebühr auf 50 Prozent, regelte die Höhe der Aufnahmegebühr nach dem Alter des Mitgliedes und führte eine nach dem Altersunterschied der Ehepartner gestaffelte Verehelichungstaxe ein. 101 Riesenecker, Soziale Einrichtungen, 362.

Pensionierung

89

Vor allem finanzielle Motive waren für die Schaffung dieses Pensionsfonds maßgeblich, welcher sich nach den von Zünften und Bruderladen vorgezeichneten Formen sozialer Sicherung ausrichtete. Mit der Vergrößerung des schwarzenbergischen Besitzes unter Fürst Josef I. war die Beamtenschaft ständig angewachsen, so daß die Schaffung eines Versorgungskapitals als Rückhalt und Deckung bei wirtschaftlichen Rückschlägen ratsam schien. Audi die steigende Verschuldung des Fürsten trug wesentlich zu diesem Entschluß bei 102 . Es bedeutete diese Regelung ein erstes Abgehen von den allgemein üblichen Gepflogenheiten, die dem Dienstgeber allein eine ihm genehme Abgeltung seiner Untergebenen überließen. Beim Personal von Hofstaat und Zentralverwaltungsbehörden dagegen hielt sich wie bei anderen Aristokratenfamilien sehr lange das überkommene Modell patriarchalischer Versorgung. Eine Aufkündigung des Dienstverhältnisses konnte nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen oder gemäß besonderen Vereinbarungen erfolgen 1 0 3 , bei Zufriedenheit beider Vertragspartner erlosch es aber gewöhnlich erst mit dem Tod des Dienstnehmers, mit seiner Dienstunfähigkeit infolge Gebrechlichkeit oder Invalidität bzw. dann, wenn sich der Betreffende eine eigene Existenz aufbaute 104 . Wer den Versuch unternahm, unter dem Vorwand körperlicher oder geistiger Leiden die Arbeit vorzeitig niederzulegen, hatte mit dem Verlust sämtlicher Zuwendungen zu rechnen 105 . Suchte jemand aus freien Stücken um seine Entlassung an, konnte er ebenfalls keinerlei Pensionsansprüche stellen 106 . Eine fristlose Entlassung wurde nur im Falle wiederholter Trunkenheit eines Bediensteten ausgesprochen 107 . In der Regel entsprachen die Ruhegenüsse auch hier parallel zur Güteradministration den vollen letzten Aktivbezügen 108 . 102

Zum Lebenslauf von Fürst Josef I. vgl. Schwarzenberg, Geschichte,

165 ff. Gesindordnung, §§ 9 3 — 1 2 4 ; 61 ff. Vgl. auch Schönholz, Traditionen, 1, 9. 1 0 5 H A L W , S 286, Testament von Johann I. Fürst Liechtenstein vom 21. Februar 1832. 1 0 8 Zum Beispiel H A L W , 2101 ex 1838. 1 0 7 H A L W , 5607 ex 1839, Zirkular vom 1. Juni. 1 0 8 Vgl. auch im Testament des Grafen Johann Rudolf Czernin vom 22. April 1844 ( S t A J H , VIII, F a). 103

104

Dienstrechtliche Verhältnisse

90

Alois II. Fürst Liechtenstein bot sogar 1836 unmittelbar nach Regierungsantritt dem von seinem Vater übernommenen Personal die Möglichkeit einer Art Frühpension. Ihre H ö h e w a r von den geleisteten Dienstjahren abhängig: Alle seit 1805, also seit etwa 30 Jahren, tätigen Mitglieder des Hofstaates konnten mit vollem Gehalt in den Ruhestand treten; die seit 1815, somit seit rund 20 Jahren, ununterbrochen Beschäftigten hatten Anspruch auf rund zwei Drittel ihres augenblicklichen Lohnes 109 . Bei verschiedenen Familien bestanden eigene Sonderregelungen. Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg z . B . verfügte 1834, d a ß allen ab diesem Zeitpunkt pensionierten Bediensteten die 1815 bewilligte lOOprozentige Teuerungszulage ohne weitere Formalitäten in die Ruhebezüge eingeredinet werden sollte 110 . Solche Begünstigungen waren keineswegs allgemein üblich; bei der schwarzenbergischen Sekundogenitur erhielten die Bezieher „alter", bereits vor dem Tod des Fürsten Karl I. gewährter Pensionen bis 1823 einen nur 60prozentigen Zuschlag, ab diesem Zeitpunkt wieder individuell bemessene Teuerungsbeiträge 111 . Bei den Liechtenstein berechnete man die Zuschläge nach einer eigenen „Wertminderungs-Scala", wodurch die Pensionen um mindestens ein Viertel stiegen 112 . „Um f ü r die Zukunft bei Sterbefällen Unserer hiesigen sowohl activen als pensionirten Diener eine gleichbleibende N o r m zu setzen", ordnete Johann Adolf II. 1843 an, daß neben dem Sterbemonat auch noch die Entlohnung bzw. Pension eines weiteren Monats an die Erben oder Verlassenschaft bezahlt werden sollten 113 . Beim Ableben des Familienchefs wurde das Personal — außer bei erwiesener Untreue und wiederholter Nachlässigkeit — auch vom Erben in der bisherigen Stellung belassen 114 . Ausnahmeregelungen 109

H A L W , S 285, 4435 ex 1836, Zirkular vom 26. Mai. StACK, U K , Fasz. 747, Zirkular vom 28. Jänner 1834. 111 StAT, U K , H K R 1824 ff. Die bisher üblichen Zuschüsse wurden gewöhnlich beibehalten, doch lag die niedrigste Beihilfe bei 40, die höchste bei 72 Prozent. 112 H A L V , H K R 1825, Ausgaben/Pensionen. 113 StACK, U K , Fasz. 1772, Zirkular vom 26. O k t o b e r 1843. 1,4 Johann Rudolf Graf Czernin sowie Josef II. Fürst Schwarzenberg äußerten diesen Wunsch in ihren Testamenten ( S t A J H , VIII, F i ; S t A C K , U K , Lade 30). — Mitunter w u r d e diese Bestimmung bereits in den Dienstvertrag aufgenommen (StACK, F. P. d./2). 110

Pensionierung

91

sind jedoch in Testamenten wiederholt anzutreffen. Johann I. Fürst Liechtenstein z. B. löste die hauseigene Musikkapelle auf und stellte es einem Sohn anheim, alles ihm überflüssig scheinende Hofstaatspersonal mit weniger als zehn Dienstjahren zu entlassen. Diese Bediensteten sollten „nach Gutbefinden" — also ohne jeden Rechtsanspruch — eine Abfertigung erhalten 1 1 5 . Fürst Alois II. sprach jedoch Entlassungen nur an noch erwerbsfähige Mitglieder der Musikkapelle aus und ließ ihnen ein Jahresgehalt als einmalige Vergütung anweisen 116 . Die älteren Musiker wurden pensioniert, dem längerdienenden Personal die erwähnte Frühpension freigestellt. Wollte aber jemand aus Gesundheitsrücksichten seinen Posten niederlegen oder eine besser dotierte Stellung annehmen, so hatte er ein Entlassungsgesuch einzubringen, wobei es sich der Fürst vorbehielt, „die Gewährung ihrer Bitte und die Bemessung des Abfertigungsbetrages von früheren Verdiensten und jetziger Entbehrlichkeit abhängen zu lassen" 1 1 7 . Es waren dabei ein halber bis zwei Jahresbezüge vorgesehen; in anderen Häusern wurden solche Einteilungen unter Berücksichtigung des Dienstalters getroffen 118 . Der traditionellen Sorgepflicht für die Dienerschaft kam man auch in Krisensituationen nach. Diese Einstellung zeigt sich z. B. in den letzten Verfügungen des Feldmarschalls Karl I. Fürst Schwarzenberg. Bloß ausnahmsweise erhielten Längerdienende der zwangspensionierten Bediensteten ihre Letztbezüge inklusive der Teuerungszulage als Pensionen 119 , der Großteil jedoch um 100 fl. W mehr als die Hälfte des bisherigen Entgelts. Nur Livreebedienstete und mindere Diener wurden mit einem Jahresgehalt abgefertigt; mehr als zehn Jahre hindurch Beschäftigte versetzte man auf andere Stellen in der Herrschaftsverwaltung. Sah sich einer der jüngeren Angestellten aus finanziellen Motiven gezwungen, einen

Vgl. Anm. 105. Der entlassene „fürstliche Harmonist" Wenzl Matis erhielt 300 fl. W , zwei andere Musiker je 200 fl. ( H A L V , H K R 1835, pag. 34). 1 1 7 H A L W , S 286, 4435 ex 1835, Zirkular vom 26. Mai. 1 1 8 Nadi dem Testament Johann Rudolf Graf Czernins (vgl. Anm. 108) erhielt das Personal mit weniger als fünf Dienstjahren ein Viertel, bis zu zehn ein halbes, länger Beschäftigte ein ganzes Jahresgehalt als Abfertigung. 1 1 9 Dies bezog sidi nur auf den Gouverneur Olivier und den Haushofmeister Frimberger. 115

116

Dienstrechtliche Verhältnisse

92

neuen Posten anzunehmen,

so w u r d e ihm zur Sicherung

seiner

Zukunft eine kleine R e n t e ausgesetzt 1 2 0 . Solche

vergleichsweise

großzügige

auch aus einem Prestigedenken

Verfügungen

sind

freilich

des Adeligen z u verstehen.

Die

E h r e des Hauses m u ß t e a u f jeden Fall auch durch eine gewisse Großzügigkeit in der Versorgung der Dienstleute aufrechterhalten werden. G e r a d e in einer stark traditionsgebundenen Gesellschaftsschicht konnte man es sich nicht leisten, durch übertriebene soziale Härten

gegenüber dem Personal

das überkommene

Verhaltens-

schema zu ignorieren, da so die G e f a h r bestand, sowohl bei Ebenbürtigen wie auch in der Öffentlichkeit in einen schlechten

Ruf

zu geraten. Bei einem früheren Ausscheiden qualifizierten

Hofstaatsperso-

nals hatte m a n bisher die Pensionen individuell festgelegt 1 2 1 . Gegen E n d e des V o r m ä r z begann man, w a s wieder f ü r das Abgehen

von

patriarchalischen

Gepflogenheiten

langsame

charakteristisch

ist, bereits in den Dienstverträgen diesbezügliche Vereinbarungen zu treffen. Bei den Liechtenstein suchte m a n für F a c h k r ä f t e wie den F o r s t r a t Grabner die für Staatsbeamte geltenden Verordnungen a n z u w e n d e n 1 2 2 , bei den Schwarzenberg stieg die H ö h e der Pensionen mit den Dienstjahren 1 2 3 . 1 2 0 Zum Beispiel für den Koch Nerud jährlich 300 fl. W W (StAT, U K , H K R 1823 ff.). 1 2 1 Der 1820 pensionierte liechtensteinische H o f rat von Ostheim erhielt nach siebenjähriger Dienstleistung mit 2000 fl. W nur 26,6 Prozent seiner Normalbezüge. Vgl. H A L W , H 69, Personalakt von Ostheim. 1 2 2 Bei einer Pensionierung innerhalb von zehn Jahren sollte Grabners früheres Professorengehalt, bei längerer Dienstleistung aber sein Entgelt als fürstlicher Forstrat als Pensionsbemessungsgrundlage dienen. Seine Tätigkeit bei staatlichen Stellen wurde als Vordienstzeit berücksichtigt. Siehe H A L W , H 64, Personalakt Grabner. 1 2 3 Der 1839 angestellte Hausarzt Dr. Lenk sollte bei einer beiderseitig vereinbarten Aufkündigung innerhalb von drei Jahren 500 fl., nach diesem Zeitraum 1000 fl. CM erhalten. (Lenks Gehalt betrug 1200 fl. CM.) Bei einer einseitigen Lösung des Dienstverhältnisses zu Lebzeiten von Fürst Johann Adolf I I . ging der Arzt seiner Pension verlustig. Vgl. S t A C K , U K , F . P . d./2. — Die große Variationsbreite auch dieser Vereinbarungen zeigt der Dienstvertrag mit Betty Fischer, welche 1846 als Gouvernante für Marie Prinzessin Schwarzenberg engagiert wurde. Verließe Fräulein Fischer vor Ablauf des Jahres 1851 den Dienst, so sollte sie mit 400 fl. C M nur die Hälfte ihres Lohnes erhalten, bei einer Kündigung durch den Dienstgeber erhöhte sich die

Pensionierung

93

Alle angeführten Regelungen bezogen sich nur auf die Fixangestellten, nicht aber auf „nicht stabile Diener", wie Knechte, Mägde, Taglöhner beim Hofstaat, sowie das niedrige land- und forstwirtschaftliche Personal. Obwohl auch ihnen gewöhnlich bei ihrem Austritt eine einmalige Abfertigung, ein ständiges Almosen oder auch ein dauerndes Gnadengehalt gewährt wurde 124 , verlangte man von ihnen bei Dienstantritt ausdrücklich die Unterzeichnung von Pensionsverzichtserklärungen 125 . Es mußte daher eine verhältnismäßig breite verarmte Bevölkerungsgruppe entstehen, welche Teile des ländlichen oder städtischen Proletariats dieser Zeit ausmachte. Erst 1870 sicherte bei den Schwarzenberg die Gründung einer Bruderlade f ü r geringe Diener, welche nach dem Muster des Pensionsfonds ins Leben gerufen worden war, auch diesem zahlenmäßig nicht unbedeutenden Personenkreis eine ständige Altersversorgung zu 126 . Witwenpensionen trugen noch am deutlichsten den Charakter von Gnadenakten an sich. Für ihre Bemessung war stets der Rang des Mannes maßgeblich, so d a ß auch die Witwen nach höhergestellten Bediensteten höhere Pensionen erhielten 127 . Für ihren prozentuellen Anteil an den Bezügen des Verstorbenen bestand aber auch innerhalb gleicher Berufsgruppen keine fixe

Summe auf 500 fl. Vollendete sie aber die Erziehung bis zu dem genannten Zeitpunkt, würden ihr die Aktivbezüge als Pension ausgefolgt. •— Betty Fischer quittierte den Dienst aber schon 1849; trotzdem erhielt sie an Stelle der verabredeten 500 fl. durch Sonderbewilligung des Fürsten einen Ruhebezug von 600 fl. CM pro Jahr (StACK, UK, F. P. d./9). 124 Diese Beträge aber waren äußerst niedrig. So erhielt z. B. die Witwe eines schwarzenbergischen Konsumoknechtes ab 1841 nur 1 2 x r W W pro Tag, jährlich also 73 fl. \VW (StACK, UK, F. P. d./35). 125 HALW, 926 ex 1838. 120 Riesenecker, Soziale Einrichtungen, 372 ff. 127 Beim Fürstenhaus Liechtenstein wurden z. B. folgende Witwenpensionen ausbezahlt (in Klammern der prozentuelle Anteil am letzten Gehalt des Mannes): Hofratswitwe von Walberg 1500 fl. WW (16 Prozent), Hofratswitwe von Haymerle 1000 fl. (30 Prozent), Protokollistenwitwe 500 fl. (42 Prozent), Gartenkontrollorswitwe Prohaska 150 fl. (8 Prozent), Kassadienerswitwe Mayer 120 fl. (22 Prozent), Reitknechtswitwe Zacher 50 fl. (11 Prozent) (HALW, H 1778, Pensionsverzeidinis; H A L V , H K R 1815 ff., Besoldungen, Pensionen). Ähnliche Grundzüge sind auch bei der älteren und jüngeren schwarzenbergischen Linie nachweisbar.

Dienstrechtliche Verhältnisse

94

Ordnung 1 2 8 . Vermögensverhältnisse, Alter, anderwärtige Ruhegenüsse oder Verdienstmöglichkeiten spielten dabei ebenfalls eine gewisse Rolle. Auch mit der Übernahme eines Dienstverhältnisses t r a t eine Art Ruhensbestimmung in Kraft 1 2 8 . Außerdem ist es nicht ausgeschlossen, daß eine niedrigere Pensionsleistung durch quellenmäßig nicht mehr faßbare Leistungen, wie z. B. eine größere Gratiswohnung, diverse Zuschüsse etc., wieder ausgeglichen wurde. Auf der Basis diristlicher Einstellung und einem von Prinzipien der Hausväterliteratur abgeleiteten Verpflichtungsdenken beruhend, blieben in einem aristokratischen Großhaushalt noch Verhältnisse bestehen, wie sie etwa Anton von Schönholz aus dem H a u s seines Großvaters überliefert hat 1 3 0 : „Das Band, welches den Diener an den Brotgeber knüpfte, von der juristischen Seite als Vertrag aufzufassen, würde beide Teile verletzt und in ihren Augen ein Verhältnis entwürdigt haben, welches in der Regel nur der Tod oder der Antritt einer selbständigen Existenz des Dienenden aufhob. Mit wahrhaft väterlicher Sorgfalt wurden dem Dienstboten seine Verrichtungen, Erholungsstunden, seine Bedürfnisse zugemessen, für sie gewirtschaftet, ihre Ersparnisse auf Zinsen gebracht, die Aussteuern der Mägde vorbereitet, ihre Heiratsangelegenheiten in Schutz genommen und ihre künftige Stellung gesichert." Tatsächlich kamen fürstliche Bedienstete über die bereits beschriebenen Leistungen hinaus noch in den Genuß zahlreicher anderer Zuwendungen: Bett- u n d Hauswäsche wurden wie Beleuchtungsstoffe und Seife auch an außer Haus Wohnende kostenlos beigestellt 131 ; es gab Kleidungsbeiträge, welche auch an An128

Bei der schwarzenbergischen Primogenitur erhielten zwei Postillionswitwen 168 fl. (28 Prozent) bzw. 150 fl. (25 Prozent) als Pension (StACK, H K R , Ausgaben/Pensionen). — Als ähnliches Beispiel vgl. Anm. 127 bei den Gnadengehältern der H o f r a t s w i t w e n . 129 Zum Beispiel zahlte man der Kutscherswitwe H a h n f ü r die D a u e r ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe von der Pension nach ihrem Mann nur jährlich etwa 30 fl. CM (StACK, H K R 1835, pag. 39). 130 Schönholz, Traditionen, 1, 8 f.; vgl. auch Johann Pohl, Die Verhältnisse der land- und forstwirtschaftlichen Beamten, in: Geschichte der österreichischen Land- und Forstwirtschaft und ihrer Industrien 1848 bis 1898, 4, 1899, 677 ff. 131 Wieder subtil nach dem R a n g des Betreffenden gestaffelt waren Ausmaß bzw. Zeitpunkt des Wechseins der Wäschestücke (von einmal

Patriarchalische Versorgungstradition

95

g e h ö r i g e v o n A n g e s t e l l t e n zur A u s z a h l u n g gelangten 1 3 2 ; v o r a l l e m den K a m m e r j u n g f e r n w u r d e n bei der Verehelichung

Hochzeits-

geschenke überreicht 1 3 3 ; K o s t e n f ü r Übersiedlungen 1 3 4 , aber auch f ü r Begräbnisse 1 8 5 trug die fürstliche Kasse; für unversorgte K i n d e r wurden

Erziehungsbeiträge

gezahlt,

die

zwar

meist

nur

sym-

bolischen Charakter hatten, v e r e i n z e l t aber echte A u s h i l f e n darstellten 1 3 6 . O b w o h l die Beistandsleistung f ü r erkrankte D i e n s t b o t e n rechtlich nicht sehr p r ä g n a n t f o r m u l i e r t w a r und sich nur auf

eine

M i n i m a l h i l f e beschränkte 1 3 7 , g e n o ß jeder a k t i v e u n d pensionierte wöchentlich bis einmal monatlich). Vgl. Bemerkungen im StACK, F.P. d./l. 132 So erhielt die G a t t i n des Buchhaltungsschreibers bei der schwarzenbergischen Sekundogenitur einmal sogar 100 fl. ¥ W (StAT, U K , H K R 1821, pag. 53); auch bei der älteren Linie weisen die Rechnungsposten „Auf gnädigsten Anschaffung" und „Verschiedene Ausgaben" immer wieder allerdings kleinere Summen f ü r diese Zwecke aus ( S t A C K , H K R 1815 ff.). 133 Solche Beträge entsprachen Abfertigungen in der H ö h e eines Jahresgehaltes (z. B. S t A C K , H K R 1839, pag. 147). 134 H A L W , 2982 ex 1839; StAT, U K , H K R 1821, pag. 56. 135 StAT, U K , H K R 1829, pag. 53; H K R 1844, pag. 46. 136 Bei den Liechtenstein betrug die Mindesthöhe 2 fl. 26 x r p r o Jahr, also täglich ä / s x r C M ; die Maximalbeiträge erreichten vorerst n u r 12 fl. C M . Eine Wochenzulage reichte damit A n f a n g der vierziger Jahre f ü r einen Laib Brot, der damals 6 xr W W kostete. (Klagen über ähnlich unzureichende Zuschüsse f ü r Witwen der Staatsbeamten bei M a y r , Wien, 218.) Die neubewilligten Erziehungsbeiträge gingen dann bis 48 fl. CM ( H A L W , H 1778). — Bei den Schwarzenberg lagen die Unterstützungen meist um 16 fl. C M im J a h r . Gewöhnlich wurden sie f ü r einen Zeitraum von sechs Jahren bewilligt, wonach ein Ansuchen um Verlängerung notwendig war (StACK, F. P. d./35). — Maria Anna Fürstin Schwarzenberg dagegen ließ ihrem Kammerlakai jährlich 250 fl. W W auszahlen (StAT, H K R 1821 ff., Besoldungen). Die Laufzeit dieser Zuschüsse war unterschiedlich, ging aber höchstens bis zum vollendeten 17. Lebensjahr der Kinder. 137 „Menschenliebe sowohl als Billigkeit machen es jedem Diensthälter zur Pflicht, f ü r seinen Dienstboten, wenn dieser erkrankt, Sorge zu tragen, und es ihm an der zu seiner Wiederherstellung erforderlichen H i l f e nicht fehlen zu lassen. Wie denn die öffentliche Vorsicht auch selbst dem Unvermögendsten keinen Vorwand läßt, sich dieser Pflicht zu entschlagen, da überall Bezirksärzte und W u n d ä r z t e mit der Verbindlichkeit, Aermeren unentgeltlich beyzustehen, angestellt sind, und . . . auch Arzneymittel unentgeltlich verabfolgt wurden . . (Gesindordnung, § 81; 53 f.).

Dienstrechtliche Verhältnisse

96

Diener eines fürstlichen Hauses kostenlose Betreuung durch den Hausarzt, die erforderlichen Medikamente wurden ebenfalls gratis abgegeben. Man vergütete auch sämtliche Unkosten, die durch eine längere Behandlung bzw. einen Kuraufenthalt erwachsen konnten. Diese Ausgaben für „Gesundheitspflege der Dienerschaft" lagen beim Fürstenhaus Schwarzenberg gewöhnlich um 6000 fl. C M pro Jahr 1 3 8 . Bei Bedarf gelangten an die Bediensteten sämtlicher Kategorien auch Vorschüsse zur Auszahlung. Obwohl diese nach den geltenden Vorschriften maximal ein halbes Jahresgehalt ausmachen durften und binnen zwei Jahren rückzuerstatten waren 1 3 9 , bewilligte die Hofkanzlei solche zinsenlose Darlehen bis zur H ö h e eines Jahresbezuges. Die Rückzahlungsraten mußten je nach Auszahlungstermin des Lohnes monatlich, viertel- oder halbjährlich entrichtet werden. Die jährlichen Raten erreichten maximal 10 Prozent der Kreditsumme, die Laufzeiten gingen bis zu 80 Monaten. Nachstehende Übersicht der Vorschüsse f ü r Bedienstete von Wiener Verwaltungsstellen des Hauses Liechtenstein läßt die individuelle Behandlung der einzelnen Fälle erkennen 140 . Materiell waren Dienstnehmer in einem fürstlichen Haus — im Vergleich zu einem Arbeiter etwa, dessen Familie günstigstenfalls 230—300 fl. CM im Jahr verdiente — keineswegs schlechtgestellt: zu Lohn u n d Zusatzleistungen kamen vor allem beim Hofstaats138

Die H K R der älteren schwarzenbergischen Linie besaßen eine eigene Rubrik mit der Bezeichnung „Gesundheitspflege der Dienerschaft"; beim Fürstenhaus Liechtenstein gingen die d a f ü r aufgewendeten Beträge über das Haushofmeisteramt. Die Zuschüsse waren nach den jeweiligen Fällen bemessen, bei der schwarzenbergischen Sekundogenitur sind Beiträge zwischen 20 und 1 5 0 f l . W W nachweisbar (StAT, U K , H K R 1815, pag. 22; H K R 1846, pag. 48); ein schwarzenbergischer Bratenbrater erhielt f ü r eine K u r in Baden bei Wien 12 fl. CM (StACK, F. P. d./19). Auch die Arzneifreiheit f ü r herrschaftliche Beamte, Jäger und mindere Diener (nur bei Verletzungen im Dienst) w a r genau geregelt ( H A L W , 10280 ex 1839, Zirkular vom 3. April). 139 H A L W , 4835 ex 1840, Zirkular v o m 15. April. 140 H A L W , H 1778, H K R 1843—1847. — Solche Vorauszahlungen sind auch bei anderen Häusern nachweisbar, z. B. 60 fl. C M f ü r den schwarzenbergischen Revidenten Poch, 700 fl. f ü r den Rentmeister der Sekundogenitur in Blumental, w o v o n jährlich 50 fl. zurückzuzahlen waren (StACK, H K R 1839, pag. 74; StAT, H K R 1815, Interims-Ausgaben).

Patriarchalische Versorgungstradition

Jahresgehalt

RückzahlungsDarlehen rate in

in CM

fl./xr CM

97

Laufzeit in

Name

Titel

in CM

Georg Wingelmüller

Architekt

840

450

8,20

Anton Seidl

Kanzlist

340

300

9

Eduard Meinel

400 Registrant

200 27

8,20 3

24 9

Josef Wizdalek

Konzeptsadjunkt

400

180

3

60

Franz Nechansky

Protokollist 620

160

4,10

etwa 39

Leopold Fertbauer

Galerieadjunkt

120

120

1,40

80

Josef Wodizka

Pensionist

120

120

2

60

Anton Knapek

Baubürozeichner

300

75

2

etwa 37

Rosalia Klautschek

Hausaufseherin

240

18

1

18

Monaten

54 etwa 33

personal mitunter Trinkgelder und kleinere Geschenke141, aufgrund testamentarischer Bestimmungen angemessene Legate 142 oder Schenkungen von Bekleidungsstücken143. 1 4 1 Alois II. Fürst Liechtenstein ließ z . B . 1837 Eintrittskarten für die Damenredoute um 100 fl. erwerben und „unter die Kanzley-Individuen, ihre Familien, dann die Hausleute höherer Kategorie" verteilen ( H A L W , H 14). 1 4 2 Diese Zahlungen wurden auch beim Eingehen in ein neues Dienstverhältnis aufrechterhalten. D i e Grenze zu echten Pensionen war allerdings oft fließend. Vgl. z. B. H A L W , H K R 1825, pag. 176 ff. 1 4 3 Die Aufteilung der Kleider von Verstorbenen auf die Kammerdiener war allgemein üblich (Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 4 1 9 ; S t A J H , V I I I F a, Testament von Johann Rudolf G r a f Czernin vom 22. April 1842; A V A , F 5, 41/1842, Testament von August Fürst Lob-

7

Stekl, Aristokratie

98

Dienstrechtliche Verhältnisse

Diese Situation hatte nun in zahlreichen Fällen enge persönliche Bindungen an den Dienstgeber und auch eine häufige Berufskontinuität innerhalb einzelner Familien zur Folge, wie sie z. B. der konservative Friedrich Fürst Schwarzenberg in einer Mischung von romantischer Begeisterung und nüchternem Realismus schildert 1 4 4 : „Es war alte Vasallentreue, welche den Untern mit dem Obern verband, es hatte jeder gewissermaßen Anspruch darauf, als eine Art Familienmitglied angesehen zu werden. Es gab reichsritterliche Familien, welche vom Vater auf den Sohn in derlei Bedienstungen bei Standesherren fortlebten. Der Sohn des Dieners verblieb beim Sohn des Herrn, es war gar kein Beispiel in gewissen großen Häusern, daß irgend jemand ohne eigenes Verschulden entlassen worden wäre. Allerdings nahmen sich diese Antichambre-Familienmitglieder . . . Mancherlei heraus . . . der Herr wurde oft schlechter bedient. . .; aber dafür gab es weniger Betrug, häuslichen Diebstahl und sonstige Veruntreuungen." Doch waren auch bereits Auflösungserscheinungen dieser alten Bindungen deutlich sichtbar geworden. Es entspricht dem von Otto Brunner dargestellten Zerfall des „ganzen Hauses" 1 4 5 , wenn Schwarzenberg betont, das Wort „Lakay — d. h. Diener, welcher die Haus- oder Familienfarben seiner Herrschaft öffentlich zur Schau trägt — " sei „beinahe zum Schimpf geworden und primär materielle Beweggründe bildeten Handlungsmotive der Dienerschaft" 146 . Das Wachstum der Industrien und der ständige Ausbau des Verkehrsnetzes besonders ab der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten für die ungelernten Arbeitskräfte neue Berufschancen ge-

k o w i t z v o m 17. März 1842), erfolgte aber oft in komplizierten Bestimmungen: J o s e f Fürst Schwarzenberg ließ alles P e l z w e r k sowie ungetragene Kleider u n d S t o f f e an seine Erben fallen; der Rest der K l e i d u n g ging an den diensthabenden K a m m e r d i e n e r . V o n allen zur Teilung geeigneten Stücken w a r ein Drittel unter den persönlichen K a m m e r d i e n e r n , die übrigen zwei Drittel unter dem weiteren K a m m e r p e r s o n a l aufzuteilen. Schwarzenberg, Antediluvianische Fidibusschnitzel, 2,46. Brunner, D a s ganze H a u s , 103 ff. 1 4 6 In diese Richtung gehen Bemerkungen w i e „Auch dem Einzelnen zu dienen läßt man sich allenfalls in der Regel um G e l d oder gute Worte gefallen . . o d e r „ I n einer Zeit, w o die Treue nichts mehr gilt und nur schnöder Eigennutz als einziges Mobil menschlicher H a n d lungen betrachtet wird . . . " (Schwarzenberg, Postdiluvianische Fidibusschnitzel, 1, 130 ff.). 144

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Kontinuität und Z e r f a l l des „ g a n z e n H a u s e s "

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schaffen. Es war fortan ein kontinuierlicher Rückgang von Dienstboten im städtischen Bereich zu bemerken 147 . Dieser tiefgreifende Wandel in der Struktur des alten Hauses war schon durch die Rechtsreformen des aufgeklärten Absolutismus eingeleitet worden. „Das Gesetz kannte nur dem Namen nach eine väterliche Gewalt und die Dienstboten standen gesetzlich außerhalb der Familie", bemerkte der Historiker und Jurist Ignaz Beidtel um die Jahrhundertmitte 148 . Er hatte damit das Paradoxon einer Gesetzgebung treffend analysiert, die dem Menschen ein bestimmtes Maß persönlicher Freizügigkeit garantieren wollte, sich aber von überkommenen Vorstellungen von dem Gefüge der Haushalte noch nicht zu lösen vermocht hatte. Während man nämlich die Dienstboten einerseits als einen „Theil der Hausgenossenschaft" bezeichnete und sie der „besonderen häuslichen Aufsicht" des Dienstgebers unterstellte 149 , wurde ihre Beziehung als rein juristischer Vertrag aufgefaßt, welcher jederzeit gelöst werden konnte. Die kurzen Aufkündigungsfristen ermöglichten rasche Kündigungen und einen häufigen Dienstwechsel dieser im Rahmen des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber fast völlig abhängigen Personen. Das Ergebnis des Wegfallens relativer sozialer Sicherheit war bei jungen Mädchen häufig Prostitution, im Alter meist Verarmung 150 . Eine derartige Verproletarisierung war für Bedienstete eines Hocharistokraten kaum zu befürchten. Freilich lagen in den einzelnen Haushalten weder Besoldung noch zusätzliche Leistungen auf dem gleichen Niveau, es gab wie in der Privatwirtschaft Engelsing, Häusliches Personal, 113. Beidtel, S t a a t s v e r w a l t u n g , 1, 395. 1 4 9 Gesindordnung, § 32; 29. 1 5 0 Aus den rechtlichen Bindungen folgte, „dass, wenn der Dienstbote nur die überkommene Arbeit verrichtete, der Dienstgeber sich um sein übriges Thun nicht bekümmern durfte. Allgemein w a r daher die K l a g e über die Dienstboten. Sie wechselten, da die Gesetze sehr kurze A u f kündigungsfristen eingeführt hatten, sehr häufig den Dienst und waren im Alter meistens hilflos. A u f dem L a n d e w a r dies noch nicht so schlimm. A b e r um so ärger w a r es in den Städten. Z a n k und schlechte Beispiele g a b es daher in vielen H ä u s e r n und unzählige junge Mädchen, welche in die S t ä d t e giengen, um zu dienen, fielen bald, aller erziehenden Aufsicht entrückt, der Prostitution a n h e i m " (Beidtel, S t a a t s v e r w a l t u n g , 1, 395). 147

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7'

100

Dienstrechtliche Verhältnisse

bessere und schlechtere Stellungen. Doch wurde der adelige Großhaushalt noch immer als soziale und wirtschaftliche Einheit gesehen, welche Funktionen des Betriebes, von Fürsorge- und Versicherungseinrichtungen, der Schule und Erholungsstätte besaß. Der regierende Fürst behielt sich als Hausherr die alleinige Beschlußfassung über alle sein Personal betreffenden Maßnahmen vor 151 . Dieser Akt wurde aber immer mehr zur bloßen Formalität, da es dem Familienchef gar nicht mehr möglich war, einen Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse der Dienerschaft zu gewinnen, welche aus organisatorischen und repräsentativen Rücksichten immer mehr angewachsen war 1 5 2 . Johann I. Fürst Liechtenstein empfand die Beschäftigung zahlreicher Menschen geradezu als Verpflichtung, wenn er auf eine diesbezügliche Frage antwortete: „Ich brauche sie nicht, aber sie brauchen mich." 153 Langsam wandelte sich der Komplex patriarchalischer Leistungen zu einem Summarium tradierter Verpflichtungen, die ihren ursprünglich persönlichkeitsbezogenen Charakter verloren und, besonders in den jüngeren Dienstverträgen, zu genau umschriebenen Rechtsformeln wurden. Die personale Bindung auf Dauer nahm Vertragscharakter auf Zeit an. Der Dienstgeber als Person trat für viele immer mehr in den Hintergrund. Mit der „Herrschaft" selbst hatten nur wenige Dienstnehmer, Kammerpersonal und Verwaltungsspitzen, regelmäßigen Kontakt; das übrige Personal begegnete ihr nur gelegentlich durch Zufall oder bei Kontrollen. Daß bei dieser einem Industriebetrieb ähnlichen Struktur ältere Formen sozialer Verbindung fortleben konnten, ist zu einem hohen Grad der Wirksamkeit der wohlausgebauten Verwaltungshierarchie zuzuschreiben. Sorgfältig ausgewählt und auf ihre loyale Stellung dem Haus gegenüber geprüft, bearbeitete diese Beamtenschaft sämtliche Eingaben der Dienstnehmer, wobei sie ganz im Sinne adeliger Intentionen und Einstellung administrierte und außerdem die tatsächlichen Bedürfnisse und Anrechte der Bediensteten sowohl als Juristen wie auch von der gleichen Ebene eines Dienstnehmers viel leichter abschätzen konnte. Eine Solidarisierung und FrontHauptinstruktion, 57, § 58, Punkt 16. M a n mußte wiederholt Informationen über die Bezüge der Beamten einholen. Vgl. H A L W , H 14, Handbillett des Fürsten Alois II. v o m 8. J a n n e r 1 8 3 8 . 1 5 3 Criste, Johannes Liechtenstein, 172. 151

152

Kontinuität und Zerfall des „ganzen Hauses"

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Stellung des Personals gegen den Dienstgeber wurde so leicht hintangehalten. Für die meisten der Leute bestand dafür kein Anlaß, da ihre — an sich bescheidenen — lebenswichtigen Anliegen fast durchweg erfüllt wurden 1 5 4 . D e r A d e l hatte vielfach Menschen aus ländlichen Bereichen in seinen Dienst genommen. Meist handelte es sich dabei um Leute v o n eigenen Herrschaften, w o eine traditionelle Weitergabe alter Bindungen an den Grundherrn noch sehr stark wirksam war. V o n den 293 Bediensteten, die nach Angaben der Konskriptionsbogen während des Vormärz im schwarzenbergischen Stadtpalais w o h n ten, stammten fast 70 P r o z e n t aus dem böhmisch-mährischen Raum, nur 18 Prozent aus den österreichischen Ländern und 5 P r o z e n t aus dem Reich. D e r Rest, Spezialisten für bestimmte Fachbereiche (Erziehung, Stallamt), verteilte sich auf U n g a r n , die Niederlande, Frankreich und England 1 5 5 . D a m i t wirkte die Aristokratie auch mitbestimmend auf den großen Z u w a n d e r u n g s p r o z e ß deutschböhmischer und tschechischer Bevölkerung nach Wien, w e n n gleich sie dabei an Bedeutung hinter Industrie und Gewerbe w e i t zurückstand 1 5 6 . Es lassen sich zahlreiche Belege dafür finden, daß es gewissermaßen Dienerfamilien gab, w o der Sohn den Posten des Vaters 154 So suchte z. B. ein schwarzenbergischer Kellerbinder unter Berufung auf seine langjährigen Dienste um eine Lohnerhöhung von jährlich 23 fl. an, da sein kleines Vermögen durch Unglücksfälle und Krankheit der Angehörigen dahingeschmolzen war. Durch einen Gnadenakt wurde sein Lohn sofort und um f ü r den Petenten unerwartete 81 fl. CM erhöht (StACK, F. P. d./27). 155 AStLW, Konskriptionsbogen des Hauses Innere Stadt N r . 254. Trotz der Problematik des Quellenmaterials (es wurden jeweils nur die im Haus anwesenden Personen, und auch nur recht lückenhaft, aufgenommen) ist die aufgezeigte Tendenz klar erkennbar. 156 Zur nationalen Herkunft der Wiener Bevölkerung vgl. Gustav Otruba - L. S. Rutschka, Die Herkunft der Wiener Bevölkerung in den letzten hundertfünfzig Jahren, Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 13 (1957), 227 ff.; Gustav Otruba, Wiens Bevölkerung — Nationale Herkunft und soziale Entwicklung, Der Donauraum 13 (1968), 12 ff. Aufgrund der Totenprotokolle arbeitete Rudolf Till, Zur H e r kunft der Wiener Bevölkerung im 19. Jahrhundert, Vierteljahrsschrift f ü r Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 34 (1941), 15 ff. In diesen Untersuchungen wurde f ü r den Vormärz eine verstärkte Zuwanderung aus dem böhmisch-mährischen Bereich (1856: 22 Prozent der Bevölkerung Wiens) sowie ein Rückgang des Zuzuges aus dem Reich festgestellt.

102

Dienstrechtliche Verhältnisse

übernahm und wo man vorwiegend weibliche Dienstboten heiratete. Der Verkehrskreis dieser Leute w a r infolge des engen Freizeitraumes sehr klein. Ihr Handlungsfeld, innerhalb dessen sie mit anderen Menschen in Beziehung treten konnten, war weitgehend auf das Haus des Dienstgebers bzw. auf Angehörige gleicher Berufsgruppen beschränkt. Umwelt und herrschaftliche Sitten konnten so leicht auf die innere Einstellung dieser Menschen rückwirken 157 . Aus diesen Gründen wird es verständlich, daß Johann I. Fürst Liechtenstein „Einsicht, Treue, Eifer und Dienstbeflissenheit" seines Personals lobt 158 , das auch bei den Zusammenstößen im Jahr 1848 sein Leben zur Rettung des Inventars im Landstraßer Gartenpalais aufs Spiel setzt 159 und schließlich die Flucht Metternichs solidarisch unterstützt 160 . Motiviert aus Dankbarkeitsregungen 161 und begründet in festen Traditionen, hat sich Treue und Ergebenheit gegen den Dienstherrn gebildet, welche auch politische Zäsuren überdauern konnten. Engelsing, Häuslidies Personal, 1 1 6 . H A L W , S 286, Testament von J o h a n n I. Fürst Liechtenstein. 1 5 9 H A L W , H 1207, Bericht des Polizeihauptmannes Schlosser an Fürst A l o i s II. 1 6 0 Metternich, Tagebüdier, 8, 3, v e r m e r k t e : „Die liechtensteinische Dienerschaft leistete thätige H i l f e , organisierte den Wachtdienst und hielt f ü r alle Fälle die nöthigen Transportmittel in Bereitschaft." 161 So w u r d e den Söhnen mittellos verstorbener Beamter bei der Besetzung v o n Praktikantenstellen bei gleicher Eignung der V o r z u g v o r den M i t b e w e r b e r n eingeräumt ( H A L W , 2 1 0 6 ex 1 8 4 1 ) . 157

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4.

ERZIEHUNGSFORMEN

Das österreichische Erziehungssystem während des Vormärz hat in der bildungsgeschichtlichen Literatur einhellig eine negative Beurteilung erhalten 1 . Eine Vielzahl von Faktoren, wie oft schlechte hygienische Verhältnisse, der zensurbedingte Mangel an geeigneten Unterrichtsbehelfen, das Fehlen qualifizierter Lehrkräfte, hatten bewirkt, daß bereits Volks- und Hauptschulen wie auch Gymnasien ihre Erziehungs- und Bildungsaufgaben nur unzureichend erfüllen konnten. Die geistige Isolation vom Ausland wieder wurde namentlich an den Universitäten als besonders drückend empfunden. Von Lehr- und Lernfreiheit war man weit entfernt, da die Professoren nach behördlich vorgeschriebenen Büchern zu lesen hatten, kaum eigene Arbeitsgrundlagen benützen durften und diesbezüglich strengen Kontrollen unterworfen waren. Die Studenten mußten ihre Pflichtvorlesungen bei bestimmten Lehrpersonen in einer genau festgelegten Abfolge inskribieren, darüber Zeugnisse erbringen und am Ende eines Semesters bzw. Studienjahres eine bestimmte Anzahl von Prüfungen ablegen. Die Überwachung von Vorlesungen und Einschränkung der Bibliotheksbenützung gestalteten das Studium keineswegs attraktiver. Als einziges Positivum auf dem Bildungssektor kann für diese Zeit lediglich die Gründung von Realschulen und Technischen Hochschulen angeführt werden, welche sich trotz mannigfaltiger Unzukömmlichkeiten aufgrund ihrer ideologisch indifferenten technischnaturwissenschaftlichen Fachgebiete ebenso wie die medizinische Fakultät der Universität Wien schon eher einer staatlichen Förderung erfreuen durften. 1 Gustav Strakosch-Graßmann, Geschichte des österreichischen Unterrichtswesens, 1905, 144 f.; Adolf Ficker, Geschichte, Organisation und Statistik des österreichischen Unterrichtswesens, o. J., 131 ff., 181 f., 237 ff.; Hans Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein, 1962, 19 ff.; Lhotsky, Historiographie, 135 ff.; als zeitgenössische Kritik siehe in den Grenzboten 4 / 2 / 4 (1845), 49 ff.

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Erziehungsformen

Schon aus den kurz angedeuteten Gründen wird es verständlich, daß adelige Familien ihre Söhne und Töchter nicht an öffentlichen Lehranstalten, sondern von Privatlehrern im eigenen Haus unterrichten ließen. Man folgte dabei in tief verwurzeltem Standesbewußtsein tradierten Sozialisationsformen und bezweckte gleichzeitig eine soziale Distanzierung von den übrigen Bevölkerungsschichten. Wechselnde Modeströmungen und die Herausbildung neuer Verhaltensmaßstäbe übten weitere Einflüsse auf die Unterrichtspraxis aus. Ein quellenmäßig recht gut gesichertes Bild dieser damals in Adelskreisen üblichen Erziehung eines Erbprinzen ist von Johann Adolf Schwarzenberg erhalten 2 . Die Prüfungen über den Grundschulstoff legte der Prinz nach Erwerbung der Elementarkenntnisse und entsprechender Unterweisung im Vaterhaus innerhalb von vier Jahren an öffentlichen Hauptschulen ab. Als Mentor fungierte der vielseitig vorgebildete Emerich Thomas Hohler, welcher 1809 seinen Dienst als „Lehrer der wissenschaftlichen Unterrichtsgegenstände" angetreten hatte 3 . Nach seinem Entwurf entstand, beginnend mit dem Sommersemester 1813, ein dreizehnsemestriger Lehrplan, welcher mit seiner stofflichen Gliederung nach verschiedenen Wissensgebieten ganz auf den vielseitigen Wirkungsbereich eines künftigen Universalerben ausgerichtet w a r . Buchhaltung, Geschäftsstil und die juristischen Gegenstände sollten Kenntnisse f ü r die Verwaltungstätigkeit vermitteln; letztere wurden übrigens an der Wiener Universität abgeprüft, wobei Johann Adolf gute bis ausgezeichnete Erfolge erzielen konnte. Der mathematische, technische und relativ umfassende naturwissenschaftliche Unterricht war auf die Aufgaben eines Landwirtes zugeschnitten. Das Erlernen des Englischen und Italienischen bildete in gleicher Weise ein Erfordernis für den gesellschaftlichen Umgang wie f ü r Fachlektüre. Französisch 2

S t A C K , F. P. d./Z a, J o h a n n Adolf Schwarzenberg. Emerich Thomas H o h l e r (1781—1845) h a t t e seine Ausbildung am Stift Tepel sowie an der Prager und Wiener Universität genossen. D e r Altphilologe w u r d e vor allem durch seine Gymnasiallehrbücher bekannt, widmete sich aber auch historischen, literaturgeschichtlichen und finanzpolitischen Themen. Nach Abschluß seiner Erziehungsaufgaben übernahm H o h l e r im H a u s Schwarzenberg die Funktion eines fürstlichen Bibliothekars sowie die Agenden eines staatlichen Zensors. Vgl. S t A C K , F. P. d./5, Personalakt H o h l e r ; Nekrolog in der Theaterzeitung 39 (1846), 1096; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 9, 218 ff. 3

Lehrplan für J o h a n n Adolph I I . Schwarzenberg

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sprach der Prinz ja von Jugend auf, und für die Vertiefung von Kenntnissen in der böhmischen Sprache boten die regelmäßigen Sommeraufenthalte auf den väterlichen Besitzungen günstige Gelegenheit. Nur in einigen wenigen Übungen, wie Rhetorik, Poesie, Astronomie und Baukunst, sind noch Reste des barocken Bildungsideals zu einem „honnete homme" zu bemerken, welcher seine Fähigkeiten und Kenntnisse mit einer gewissen Leichtigkeit und Lässigkeit ins rechte Licht zu setzen wußte 4 . Durchaus positive Auswirkungen zeigte die Beibehaltung solch traditionsgebundener Formen aber z. B. in Fragen des Bauwesens, wo die Leistungen der Architekten aus der Anonymität von Auftragsarbeiten hervortraten und noch Geschmack und Kunstverständnis des adeligen Bauherrn zeigten. Weitere Nachwirkungen von älteren Erziehungsmethoden, welche musikalische Ausbildung, Tanz und Zeichnen als wesentliche Bestandteile adeligen Unterrichts betrachteten 5 , lassen sich in der Anstellung eines eigenen Schreibmeisters sowie des Landschaftsmalers Ferdinand Runk als „Zeichenmeister" erkennen 6 . Ein anderer Grund für die Verpflichtung Runks dürfte freilich auch darin zu suchen sein, daß Pauline Fürstin Schwarzenberg selbst als begeisterte Zeichnerin dilettierte 7 und diese Liebhaberei auch ihren Söhnen mitzugeben trachtete. So gelangen vor allem Prinz Friedrich, der übrigens Runk sehr schätzte, einige gute Arbeiten 8 . 4 Über barocke Erziehungsformen vgl. E v a M a r i a Loebenstein, Die adelige Kavalierstour im 17. Jahrhundert, phil. Diss., Wien 1966; Kühnel, Kavalierstour, 364 f. 5 Darüber z. B. bei Schönholz, Traditionen, 1, 127. 6 Ferdinand Runk ( 1 7 6 4 — 1 8 3 4 ) kam 1785 nach Wien, wo er in schwarzenbergische Dienste trat. Seine Stärke lag in der Gouachemalerei, seine vorwiegende Thematik in der Darstellung von Motiven der fürstlichen Besitzungen, wovon ganze Zyklen erhalten sind (z. B. „50 A n sichten v o n Gegenden aus Böhmen und Steiermark", „24 Ansichten aus dem P a r k zu Aigen"). Vgl. Emerich Hohler, Landschaftliche N a t u r gemählde von Ferdinand Runk, Neues Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst 1 (20), 1829, 2 8 9 ; Thieme - Becker, Lexikon, 29, 2 1 1 ; Berger, Felix Schwarzenberg, 1 8 8 ; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 2 7 , 268 f. 7 Wurzbach, Biographisches Lexikon, 33, 1 2 0 ; vgl. S. 140. 8 „ U m Runk ist mir herzlich leid. Idi hatte ihn persönlich sehr gern und er ist einer v o n jenen, die seit unserer Jugend mit unserem H a u s so verwachsen waren . . .", bedauerte Fürst Friedrich Runks Tod (Wolfs-

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Erziehungsformen

Prinz Felix, der Zweitälteste Sohn von Josef II. Fürst Schwarzenberg, wurde von denselben Lehrern wie sein Bruder erzogen. Der Biograph des späteren Ministerpräsidenten erwähnte, daß Hohler mit dem Zehnjährigen bei der Lektüre von Eutrop römische Geschichte durchgenommen und ihm auch die Grundzüge der Mathematik beigebracht hatte. Der weitere Unterricht dürfte ähnlich dem Johann Adolfs abgehalten worden sein, da sich Studienhefte über Englisch, Französisch und Böhmisch, europäische und Weltgeschichte, Morallehre, Metaphysik, Logik sowie einer Einführung in die Rechtslehre erhalten haben 9 . Bei Prinz Friedrich, dem jüngsten Sohn der Familie, war zweifellos die Persönlichkeit seiner Erzieher für die spätere Berufswahl mitbestimmend. Auf Vermittlung des Theologen Anton Günther kam 1814 der württembergische Kanonikus Dr. Laurenz Greif in das fürstliche Haus 1 0 . Unter seiner Leitung begann Friedrich 1818 im Alter von elf Jahren die Privatstudien parallel zu dem sechsjährigen öffentlichen Gymnasiallehrplan. Im Herbst 1824 trat der Prinz zum Philosophiestudium über, welches als Vorbereitungskurs eine Uberleitung zu den höheren Fakultätsstudien an den Universitäten bildete, öffentlich besuchte er nur Vorlesungen über Naturgeschichte, Naturlehre und Religionswissenschaft, während er in den übrigen Fächern Privatunterricht vorzog. So studierte er bei dem Bolzanoschüler Anton Günther täglich zwei Stunden Philosophie und kam so mit dem Geistesgut der „romantischen Theologie" in enge Berührung; Hohler unterrichtete je eine Stunde Mathematik und Literatur, Greif Religionsphilosophie. Nach Beendigung der Einführung wählte der Prinz das Jusstudium und befaßte sich aus Interesse auch mit dem Fach Geschichte. Erst nach langem innerem Ringen und keineswegs mit voller Billigung seines Vaters entschied er sich schließlich für Theologie und trat

gruber, K a r d i n a l Schwarzenberg, 1, 173). — Über Friedrichs J u g e n d arbeiten, ein Album von 39 Blättern, ebd., 1, 9 f. 9 Berger, Felix Schwarzenberg, 188 ff.; S t A C K , F. P. b., Felix Schwarzenberg. 1 0 Charakteristik G r e i f s bei Peter K n o o d t , Anton Günther, 1, 1881, 119 f. Greif starb am 4. September 1866 in R o d a u n bei Wien im Alter von 82 J a h r e n ( S t A C K , F. P . d./9). — Eine ausführliche Darstellung der Erziehung des Prinzen Friedrich in der ausführlichen Biographie von W o l f s gruber, K a r d i n a l Schwarzenberg, 1, 2 ff.

Ausbildung der A g n a t e n

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in das Salzburger Priesterseminar ein, w o er den einheitlich vorgezeichneten Ausbildungsgang jedes künftigen Priesters beschritt. Die Tendenz zur Heranziehung angesehener Fachgelehrter f ü r bestimmte Spezialdisziplinen machte sich z. B. bei Alois Prinz Liechtenstein noch früher bemerkbar. In den ökonomischen Fächern unterrichtete mit Leopold Trautmann, Professor für Landwirtschaftslehre an der Universität Wien zwischen 1805 und 1819 1 1 , ein Schüler Peter J o r d a n s ; als Geschichtslehrer fungierte Friedrich von Schlegel, welcher 1818 nach Wien gekommen w a r und hier wachsende Popularität gewann. Dabei tritt wieder die deutliche Bevorzugung des Primogenitus hervor, d a dessen jüngere Brüder F r a n z , K a r l und R u d o l f , abgesehen von den Französischlektionen bei A b b é Werner, von nur einem Lehrer geschult wurden 1 2 . Auch in der nachfolgenden Generation hielt man an der Ausbildung durch Fachgelehrte fest. Alois I I . Fürst Liechtenstein ließ seinen Sohn durch Professoren der Universitäten Wien und Bonn unterrichten; nach seinem Regierungsantritt unternahm Johann I I . Auslandsreisen mit Baron Vogelsang, dem Begründer der modernen katholischen Soziallehre 1 3 . — J o h a n n Adolf II. Fürst Schwarzenberg wieder verpflichtete den Dichter und H i s t o riker Paul Kaltenbäck 1 4 , Redakteur des „Archivs f ü r österreichische Geschichte", 1840—1846 als Geschichtslehrer f ü r Prinz A d o l f Josef. M i t Anton Beck 15 , Assistent an der Lehrkanzel für Völkerrecht am Theresianum, gab er seinem einzigen Sohn zwischen 1837 und 1846 einen auch hervorragend sprachbegabten Erzieher, welcher mit den Wiener Freunden Ljudevit G a y s in Verbindung stand und seinem Schüler so manches von seiner austroslawischen Haltung eingeprägt haben mag. 11 Ü b e r T r a u t m a n n ( 1 7 6 6 — 1 8 2 5 ) bei Wurzbach, Biographisches Lexikon, 47, 38 ff. 1 2 Es handelte sich dabei um Josef A l e x a n d e r Henatschel (1775 bis 1836). Ü b e r ihn in der T o p o g r a p h i e v o n N ö . , 2, 229. 13 Reichel, J o h a n n II. Liechtenstein, 27 f. 14 S t A C K , H K R 1840, p a g . 3 8 ; H K R 1846, p a g . 38. — Eine ausführliche W ü r d i g u n g Kaltenbäcks bei Wurzbach, Biographisches L e x i k o n , 10, 406 ff. ; über sein Wirken als H i s t o r i k e r bei L h o t s k y , Historiographie, 205. 1 5 Ü b e r Beck vgl. J o h a n n Christoph Allmayer-Beck, Ministerpräsident Baron Beck. E i n S t a a t s m a n n des alten Österreich, 1956, 11 ff.; über seinen Freundeskreis, der sich aus Erziehern bei hochadeligen Familien zusammensetzte, bei Thienen, L e o Thun, 185.

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Erziehungsformen

Wesentliche Komponenten adeliger Lebensschulung bildeten das Erlernen und die Perfektionierung standesgemäßer Umgangsformen, welche schichtspezifische Handlungsmuster der aristokratischen Eliteformation darstellten. Mit der Bestellung von Hofmeistern folgte man dabei Erziehungsvorbildern, welche im 18. Jahrhundert zur vollen Ausbildung gelangt waren und in der damaligen pädagogischen Literatur reichen Niederschlag gefunden hatten 1 6 . In der ursprünglichen Doppelfunktion f ü r Wissensvermittlung u n d Verhaltensschulung waren bei der schwarzenbergischen Sekundogenitur die Gouverneure Olivier und Bueler tätig, wobei sich letzterer einer besonderen Wertschätzung durch Fürst Karl I. erfreute 1 7 . Die gleichen Aufgaben hatte Johann I. Fürst Liechtenstein Abbé Werner, dem „Typus eines altfranzösischen Edelmannes", übertragen, an dem man panegyrisch seine „unerschütterliche L o y a l i t ä t . , . unnachahmlich feine Urbanität, die herablassende, nie verletzende und doch sich selbst bewußte Güte" lobte 18 . Bei der älteren schwarzenbergischen Linie war das A m t eines „praeceptor elegantiarum" Norbert Ritter von Feldegg, dem späteren Chef der fürstlichen Hofkanzlei, anvertraut, der „als Mann mit strengen Grundsätzen und untadeligem Lebenswandel, entschiedener Ergebenheit gegen das Fürstenhaus" galt 19 . Ein somit ausschließlich auf der Basis aristokratischen Standesdenkens initiierter Sozialisationsprozeß, welcher keine unseren Vorstellungen entsprechende „abgeschlossene Berufsausbildung", wohl aber von Kindheit auf das Gefühl sozialer Überlegenheit vermittelte, ist von der systemfeindlichen Publizistik des Vormärz wiederholt zynisch kommentiert worden 2 0 . Diese Ausbildung zur „Gesell-

10 Siehe dazu Franz N e u m a n n , Der Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte der Erziehung im 18. J a h r h u n d e r t , 1930. 17 „Quand à Bueler, tu sais quel prix je mets à faire son acquisition, ainsi ses conditions ne me rebutent aucunement, et le double emploi de bibliothécaire et professeur rend ces gages très acceptables, et je crois même faire une grand économie en employant" (Brief des Fürsten Karl I. an seine Gattin aus Worlik, 19. April 1806, bei N o v â k , Briefe, 151). Ober die Abneigung Friedrich Schwarzenbergs gegen einen der beiden Männer bei Meyer, Erlebnisse, 1, 339. 13 Lowy, Alois Liechtenstein, 21. 19 Bülow, Zeiten, 20. 20 „Ein Erzieher hat von den ,bons principes' durchdrungen zu sein, d. h. d a ß in seinem Wesen, in seiner Methode, in seinem gesamten

Kavalierstouren und Universitätsstudium

111

schaftsfähigkeit" wurde weitgehend in Wien durchgeführt. Eigene Kinderbälle, f ü r deren Veranstaltung sich besonders Erzherzogin Sophie und Fürstin Metternich einsetzten, dienten nicht allein der Zerstreuung, sondern waren Unterricht im Erlernen grundlegender Fragen der Etikette 21 . Im Gegensatz dazu verlief das Sommerleben auf den Landbesitzungen viel ungezwungener, hier stand körperliche Ertüchtigung mit Reiten, Fechten und Jagd im Mittelpunkt. Namentlich im Haus des Feldmarschalls Karl I. Fürst Schwarzenberg nahmen diese Übungen breiten R a u m ein 22 . Bereits Kaiser Josef II. hatte sich entschieden gegen die K a v a lierstouren ausgesprochen, welche Söhne aus adeligen Familien gewöhnlich nach Beendigung ihrer Erziehung im Elternhaus in verschiedene Städte Europas unternahmen: „Erfahrung und Beweise haben mich hinlänglich belehrt, daß die Gewohnheit junge Leute in die Fremde vor ihren reifen Jahren und besonders unter Leitung von Hofmeistern Reisen zu machen, wo nicht schädlich, so doch wenigstens ganz unnütz sey . . ." 23 Trotzdem wirkten im österreichischen Adel die alten Vorbilder, modifiziert in Form des Hochschulstudiums, auch im 19. Jahrhundert weiter. Alois II. Liechtenstein besuchte 1818, also im Alter von 22 Jahren, Italien und die Schweiz 24 ; die Söhne von Karl I. Fürst Schwarzenberg hörten in Leipzig Kollegien, während sich ihr Vater 1818 zur K u r in Karlsbad aufhielt, Prinz Edmund belegte im Winter dieses Jahres am Wiener Polytechnikum einige Vorlesungen 25 . Der traditionelle H a n g zum kurzfristigen UniversitätsBenehmen sich jene Devotion, jene Anerkennung der aristokratischen Superiorität ausspreche, welche die frevelhafte Welt natürlich außerhalb der österreichischen Grenzen — von Tag zu Tag lebhafter bestreitet" (Briefe aus Wien, 1, 32). 21 Bülow, Zeiten, 19; Metternich, Tagebücher, 6, 224 f.; 7, 142. — Auch für den Prinzen Adolf Josef Schwarzenberg wurde ab dessen 15. Lebensjahr (1847) jährlich ein „Ball der jungen Herrschaft" gegeben (StACK, H K R 1847 ff., Auslagen, „Junge Herrschaftsauslagen"). 22 Ober die Erziehung des späteren „Lanzknechtes" Friedrich Schwarzenberg durch den alten Wallonenoffizier La Grange vgl. StAT, UK, FAR, Fürst Friedrich 11/55; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 33, 58 f. 23 H H S t A , Protocollum separatum aller Handbilletts 1781 (Nr. 18), 258 f., Nr. 333; zitiert nach Kühnel, Kavalierstour, 367. 24 Lowy, Alois Liechtenstein, 22. 25 Binzer, Drei Sommer, 83; StAT, UK, FAR, Fürst Edmund, 1/2, Diplom eines akademischen Bürgers der Universität Leipzig.

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Erziehungsformen

Studium hat sich auch in der folgenden Generation erhalten: Adolf Josef Schwarzenberg ging 1848 nach Göttingen und Erlangen, w o er Rechtswissenschaften studierte 26 ; Johann II. Liechtenstein inskribierte in Karlsruhe 27 , Karl III. Schwarzenberg in Prag und Padua 2 8 . — Der Gang an die Universität war jedoch nicht allein Teil von Erziehungsplänen: Felix Fürst Schwarzenberg hörte aus Interesse 1831/32, als er sich ohne Verwendung in Wien aufhielt, Vorträge des Anatomen H y r t l ; zwei J a h r e später beschäftigte er sich in Rom mit antiker Kunst 29 . Diese im großen und ganzen prestigemäßig begründete und persönlichen Neigungen überlassene Form der Wissensbereicherung w u r d e aber bei den Erbprinzen planvoll ausgerichtet. Johann Adolf II. Schwarzenberg besuchte anläßlich seiner Sendung als Botschaftskavalier zur Krönung Karls X . in Paris auch zum erstenmal England. Die Konfrontation mit den modernen Wirtschaftsmethoden des dortigen Großgrundbesitzes f ü h r t e dem Prinzen erstrebenswerte Vorbilder wie auch die negativen Begleiterscheinungen des industriellen Kapitalismus vor Augen. Umfangreiche Reisenotizen lassen den guten Blick des künftigen Majoratsherrn f ü r die guten und schlechten Seiten der englischen Verhältnisse erkennen 30 . Eine ähnliche Schulung hatte auch die Fahrt von Alois II. Liechtenstein durch das Inselreich (1820) bezweckt. Die aktive Rolle der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder w u r d e von den Zeitgenossen gering eingeschätzt. Familiäre Bindungen wurden vielfach den Interessen des „Hauses" hintangestellt. Die Kinder mit ihrem von dem der Eltern gänzlich verschiedenen Lebensrhythmus frühstückten mit dem Gouverneur und waren gewöhnlich nur sonntags am elterlichen Tisch zu finden31. — Die Tätigkeit von Mutter und Vater verlagerte sich mehr in die Bereiche sittlicher Formung. Maria Anna Fürstin Schwarzenberg hatte die religiöse Unterweisung ihrer Kinder selbst in die H a n d 28

Mörath, Nekrolog, 2; Schwarzenberg, Geschichte, 248. Reichel, Johann II. Liechtenstein, 27. 28 Schwarzenberg, Geschichte, 304. 29 Heller, Felix Schwarzenberg, 180 f. 80 S t A C K , F. P. b., Johann A d o l f Schwarzenberg, 3 c/1. 31 Seufzer aus Österreich, 105 f.; Criste, Johannes Liechtenstein, 172, erwähnt, daß nach dem Heranwachsen der Kinder die sonst an Sonntagen stattfindenden Galadiners auf einen Wochentag verlegt werden u n d „nun die größeren Kinder mit den Eltern speisten". 27

Einflußbereiche der Eltern

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genommen und dazu eigenhändig einen Katechismus geschrieben 32 . Nach dem tragischen Tod der Fürstin Pauline Schwarzenberg widmete sich Eleonore Sophie, die jüngste Schwester des Fürsten Josef, ihren Nichten und Neffen. Sie griff dabei zwar nicht direkt in die Erziehung der Knaben ein, versuchte jedoch, durch „moralischen Einfluß, Zuspruch und Ermunterung, Wort und Beispiel" sowie die „unerschöpfliche Macht der Liebe" auf sie einzuwirken, wie einer der Biographen gefühlsbetont berichtet 33 . Der spätere Kardinal Friedrich dachte stets in Dankbarkeit an sie und nannte sie gern „die Engelstante" 34 , Karl I. Fürst Schwarzenberg hat trotz seiner häufigen langen Abwesenheit während der Napoleonischen Kriege in zahlreichen Briefen seinen Söhnen Leitbilder richtigen Verhaltens vor Augen geführt. Gehorsam, Religiosität und ethische Grundsätze im Sinne der aristokratischen Verpflichtungsidee, wie sie uns z. B. auch in der Erziehungspolitik von Graf Franz Thun begegnen 35 , bildeten dabei die Hauptpunkte. Als bestes Beispiel d a f ü r kann ein Schreiben aus dem Jahre 1812 an den damals 13jährigen Prinzen Friedrich gelten 38 : „. . . Fahre fort, Deine kostbaren Jugendjahre zu Deiner Bildung zu verwenden, übe Dich in den Tugenden, die den Menschen im Allgemeinen adeln, denn als Soldat bedarfst Du ihrer vorzüglich, wenn D u nicht den Vorwurf auf D i r haften lassen willst, daß Deine Geburt den Mangel an Verdienst zu bemänteln scheint. Die höhere Klasse, die der Zufall dem Menschen am Tage seiner Geburt anweist, ist eine schwere Schuld, die er vom ersten Moment an, wo er zu seinem vollkommenen Selbstbewußtsein gelangt, abzuzahlen bedacht sein muß. Lieber Fritz, lerne gehorchen, das heißt: sprich z w a r stets freimüthig, schweig aber, wenn Deine Rede nicht nur allein nicht nützen, sondern schaden kann; Gehorsam ist der Cement des Staatsverbandes, ohne den das Gebäude bei der geringsten Erschütterung zerfällt; lerne dulden; sei redlich und treu bis in den Tod, heiter und standhaft im Unglücke, beschütze 32

StAT, U K , F A R , Maria Anna Schwarzenberg, 111/34, „Katechismus für meine Kinder", entstanden 1811/12. 33 Berger, Felix Schwarzenberg, 174 f. 34 Wolfsgruber, Kardinal Schwarzenberg, 1, 5. 35 Thienen, Leo Thun, 63 ff. 56 Brief aus Slonice v o m 24. Februar 1812, Original im StAT, U K , F A R , Karl I. Schwarzenberg, abgedruckt bei Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 38 f. 8

Stekl, Aristokratie

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Erziehungsformen

Deine guten Brüder, sei nur glücklich in ihrem Glücke, ehre die Gesetze und befolge sie genau, sei standhaft in der Erfüllung Deiner Pflichten, nur dann kannst Du ruhig schlafen, sei wohltätig, ohne zu verschwenden, scheue stets das Laster und nie den Tod.« Ähnliche Grundgedanken verfolgte auch Johann I. Fürst Liechtenstein, als er seinen Söhnen Franz und Karl bei ihrem Eintritt in die Armee (1821) nahelegte 37 : „Ihr dürft nicht glauben, daß euch etwas erlaubt sei, was anderen nicht gestattet ist, weil ihr Liechtensteine seid; im Gegenteil an euch ist es, d a ß ihr würdig seid, Liechtensteine zu sein!" Gerade die' Söhne aus der schwarzenbergischen Sekundogenitur waren in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit von der romantischen Geisteshaltung im Elternhaus nicht unberührt geblieben. „Sie waren damals voll Enthusiasmus f ü r alles Gute und Schöne, hatten zuerst Uhland gelesen und schwärmten für Freiheit und Recht", erzählt eine Freundin des Hauses 3 8 . Angesichts Uhlands ständigen Kampfes mit den Formen moderner bürokratischer Verwaltung hat Schwarzenberg die Wurzeln jener oppositionellen Haltung, welche die Sekundogenitur in späteren Jahren auszeichnete, in der Gesinnung des Vaterhauses gesucht 39 . Die Erziehung der Töchter aus adeligen Häusern wurde gewöhnlich Gouvernanten übertragen, welche vorwiegend Sprachen, Zeichnen, Schönschreiben, Musik, Tanz und Religion sowie praktischhausfrauliche Belange unterrichteten 40 ; also ebenfalls keine Berufsausbildung im bürgerlichen Sinn. D a ß man dabei Französinnen den Vorzug gab, erregte wiederholt die Ablehnung einer oft polemischen deutsch-nationalen Publizistik 41 , zeugt aber von dem noch immer vorherrschenden Einfluß französischer Etikette. Eleonore Sophie Fürstin Schwarzenberg f a n d über Mademoiselle Le Page, welche gleichzeitig mit ihren Nichten auch Theresia und 37

Criste, Johannes Liechtenstein, 179. Binzer, Drei Sommer, 79. 39 Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 421. 40 Über die Grundtendenzen der Mädchenerziehung des Sealsfield, Österreich, 162; Schönholz, Traditionen, 1, 138, aus Österreich, 104. 41 Besonders heftige Kritik in Österreich 1840, 1, 239, Grenzboten 5/1/1 (1846), 537 ff.; in gemilderter Form bei 377 ff. 38

Vormärz bei 177; Seufzer sowie in den Koch, Wien,

Unterricht für Töchter aus Adelsfamilien

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Anna Lobkowitz erzog 42 , nur begeisterte Worte („Ich glaube . . . daß meine lieben Mädchen in Le Page's Gesellschaft nur gewinnen können") und lobte sie als Mensch „mit reinen Grundsätzen, strenger Denkart und Gewissenhaftigkeit". Die Vermittlung einer entsprechenden Allgemeinbildung war wieder Emerich Hohler, der auch als Erzieher der Prinzen wirkte, anvertraut. Er erledigte seine Aufgabe vor allem durch Förderung literarischer Interessen ebenfalls zur vollsten Zufriedenheit der Fürstin: „Sie für alles Gründliche und Ernste empfänglich zu machen . . . halte ich für eine der schwersten Aufgaben, die einem gelehrten Mann gegeben werden können. Ihnen verdanke ich dadurch eine unerschöpfliche Quelle der angenehmsten und reichsten Lektüre." 4 3 Das private Erziehungssystem des Adels intendierte letztlich, dessen spezifisches Wertsystem zu erhalten und zu tradieren. Eine solche Einstellung läßt sich bei religiösen und sozialen Minoritäten überhaupt recht häufig nachweisen. Die größten Gefahren lagen dabei in einer Oberbewertung der eigenen Leitbilder, in anerzogener Abkapselung von den übrigen Bevölkerungsgruppen und Selbstüberschätzung der eigenen Persönlichkeit. In diesen Punkten setzte eine Kritik an den aristokratischen Erziehungsformen sogar aus den eigenen Reihen ein; auch Friedrich Fürst Schwarzenberg spielte darauf an 4 4 : „Dann soll der Junge nicht, wie es in der Privaterziehung geschieht, gewöhnen, sich selbst als alleinigen Mittelpunkt der Schöpfung zu betrachten, um welchen alle anderen Individuen wie Planeten sich bewegen. Seine Fehler und Tugenden sollen ihm nicht wie welthistorische Ereignisse dargestellt werden." Aus derartiger Egozentrik resultierten häufig Überheblichkeit und Standesdünkel, welche der adelsfeindlichen Literatur des Vormärz reiches Propagandamaterial lieferten und zu verbreiteten Pauschalurteilen Anlaß gaben. 4 2 Die Waisentöchter von Josef Fürst Lobkowitz und seiner Gattin Maria Karoline, geb. Schwarzenberg (vgl. Schwarzenberg, Geschichte, 185), wurden von Josef Fürst Schwarzenberg aufgenommen (vgl. Thür4 3 Berger, Felix Schwarzenberg, 179 f. heim, Leben, 1, 138). 4 4 Schwarzenberg, Antediluvianische Fidibusschnitzel, 1, 30 ff.; vgl. auch 2, 124: „Traurig sieht es allerdings mit unserer Erziehungsform, insbesondere des Adels, a u s . . . " Der Lanzknecht trat dabei für eine Intensivierung der praktischen Ausbildung, für verstärkten technologischen Unterricht und vor allem für religiös-sittliche Formung ein.

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5. T Ä T I G K E I T S B E R E I C H E UND POLITISCHE EINSTELLUNG Hausgesetze und traditionsgebundene Verhaltensweisen waren auch noch während des 19. Jahrhunderts f ü r die Berufswahl von Söhnen aus adeligen Häusern maßgeblich. D a es sich bei den fideikommissarischen Grundbesitzen großteils um Majorate handelte, fiel ihre Verwaltung automatisch dem Erstgeborenen aus der ältesten Linie als Chef des Hauses zu. Eine bevorzugte Spezialausbildung f ü r die künftigen Majoratsherren hat, wie bereits dargestellt, dieser vorgezeichneten Tätigkeit Rechnung getragen. Die umfangreichen Verwaltungsaufgaben und die wirtschaftliche Verantwortung für das Gesamthaus bewogen die Familienchefs, nur außerordentliche Repräsentationsberufungen von seiten des Staates anzunehmen, welche sowohl ihr persönliches Ansehen sowie das Prestige ihres Geschlechts aufwerteten, aber auch zur Demonstration aristokratischer Verpflichtungsideen nach josefinischem Muster dienten. So ging Josef II. Fürst Schwarzenberg 1 1972 als Begleiter des böhmischen Wahlbotschafters zur Kaiserwahl Leopolds II., hierauf zur Notifikation an die H ö f e von Parma, Modena und zum Heiligen Stuhl. 1816 fungierte er in München als Großbotschafter zur Werbung um Prinzessin Karolina Augusta von Bayern, wobei er die hohen Repräsentationskosten (etwa 43.000 fl. CM) aus eigenen Mitteln bestritt. Derartige Opferbereitschaft zählte zu dem umfangreichen Komplex von Verhaltensformen, welche Herrscher und Adelsgesellschaft von ihren wohlhabendsten und führenden Mitgliedern erwarteten. Auch Johann I. Fürst Liechtenstein soll in den bedrängten Tagen von 1809 sein gesamtes Privatvermögen dem Staat zur Verfügung angeboten haben 2 . 1 Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 148 ff.; Blasdiko, Ahnenreihe, 36 ff.; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 33, 86 ff.; Schwarzenberg, Geschichte, 148 ff. und die dort angeführte Literatur; StACK, H K R 1817, Summarium. 2 Criste, Johannes Liechtenstein, 178.

Funktionen des Primogenitus

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Das Gedankengut „josefinischer Karitas" hatte auf dem Gebiet der Armenfürsorge von einem christlichen Adeligen neben materieller Unterstützung auch intensives persönliches Engagement gefordert. Ganz im Sinne dieser Tradition stellte sich Fürst Josef I I . an die Spitze halboffizieller Kommissionen sowie privater Vereine und erwarb sich dabei durch seinen Einsatz allgemeine Anerkennung 3 . Einzelne dieser Funktionen übte nach ihm auch sein Sohn Johann Adolf I I . weiter aus, sonst aber beschränkte sich der Primogenitus auch im Hofdienst ebenfalls nur auf die gelegentliche Übernahme von Ehrenämtern. 1825 wohnte er als Botschaftskavalier der Krönung Karls X . in Paris bei, 1835 übernahm er eine Mission an den preußischen H o f zur Notifikation der Thronbesteigung Kaiser Ferdinands, 1838 wurde er als Sonderbotschafter zur Krönung von Königin Viktoria nach England entsandt (woraus ihm Unkosten von etwa 88.000 fl. erwuchsen), 1853 zum Obersthofmeister und Trauzeugen von Erzherzogin Henriette anläßlich ihrer Vermählung mit dem belgischen Kronprinzen, dem Herzog von Brabant, bestimmt 4 . — Von Alois II. Fürst Liechtenstein ist lediglich für 1835 die Übernahme einer diplomatischen Mission nach England belegt 5 . Abweichungen von den üblichen Gepflogenheiten sind in Kriegszeiten festzustellen, wo auch der Primogenitus aus einer Art Ehrenpflicht als „Vasall" des Herrschers in die Armee eintrat. Johann I. Fürst Liechtenstein stand zwischen 1793 und 1810 im aktiven Dienst, den er als Feldmarschall quittierte. Seine Mitarbeit an der Ratifikation des Friedens von Preßburg (1805) verschaffte ihm allgemein große Popularität 6 . Die Militärkarriere von K a r l I. Fürst Schwarzenberg, dem Chef der Sekundogenitur des Hauses, Vgl. S. 209 f. Mörath, Nekrolog; Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 159 ff.; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 33, 78 ff.; Schwarzenberg, Geschichte, 239 ff.; Heinrich Graf Schönfeld (Hrsg.), Erinnerungen aus dem Leben der Obersthofmeisterin Elisabeth Reichsgräfin von Schönfeld, 1907; StACK, H K R 1838, Summarium. 5 Lowy, Alois Liechtenstein; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 15, 140 ff.; weitere Literaturangaben bei Bohatta, Bibliographie, 1, 12 f. 0 Criste, Johannes Liechtenstein; Falke, Liechtenstein, 3, 285 ff.; Franz Graeffer - Johann Czikann, österreichische National-Encyclopädie, 2, 1835, 433 ff. 3

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Tätigkeitsbereiche und politische Einstellung

begann 1787. Seine WafTentaten, deren Höhepunkt der Sieg als Führer der verbündeten Armeen über Napoleon bei Leipzig (1814) bildete, sind in mehreren Biographien ausführlich dargestellt worden 7 . Auch bei ihm stand die Tätigkeit im Staatsdienst (1805/06 Vizepräsident, 1814—1818 Präsident des Hofkriegsrates, 1809 außerordentlicher Botschafter in Petersburg bei der Thronbesteigung von Alexander I., 1809—1813 Botschafter in Paris) mit seiner militärischen Laufbahn in Zusammenhang. Dem soldatischen Vorbild seines Vaters eiferte als ältester Sohn Fürst Friedrich nach, der in abenteuerlichem Wander- und Kriegerleben als „Lanzknecht" stets auf der Seite legitimistischer Systeme zu finden w a r . Als er 1834 die Leitung des Familienfideikommiß seinem jüngeren Bruder Karl II. übertrug, bedeutete dieser Rechtsakt nur mehr eine Sanktionierung längst bestehender privater Übereinkünfte 8 . Die Berufswahl der nachgeborenen Söhne war weitgehend vom Verhaltenskodex der aristokratischen Gesellschaft beeinflußt, welche eine Karriere im diplomatischen, Militär- oder Verwaltungsdienst als standesgemäßes Betätigungsfeld sowie als Mittel zur Aufrechterhaltung ihres Einflusses als Führungsschicht betrachtete. Die Terminologie zeitgenössischer Biographien aus der Mitte des 19. Jahrhunderts gibt dabei recht deutlich die Bestimmung des künftigen Berufes durch das Elternhaus wieder 9 . Ein rascher Aufstieg zu den monopolisierten Spitzenstellungen w a r durch einflußreiche Protektion und institutionalisierte Gepflogenheiten garantiert. Das System der „supernumerären Beamten" ermöglichte es z. B. einem wohlhabenden Adeligen, im Verwaltungsdienst nach unbezahlter Praxis zu avancieren und erst ab höheren Posten (Gubernialrat oder Kreishauptmann) ein systematisiertes Gehalt zu beziehen. 7 D i e letzte der zahlreichen Biographien des Fürsten stammt v o n Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg; hier ist unter anderem die genaue Zusammenstellung der vorhandenen Literatur, 447 ff., zu erwähnen. — Ü b e r die Tätigkeit des Fürsten in der Staatsverwaltung vgl. Walter, Zentralverwaltung, 130 f., 296. 8 Mühlndorfer, Friedrich Schwarzenberg; Castele, Friedrich Schwarzenberg; A D B , 33, 290 ff.; Schwarzenberg, Geschichte, 278 ff.; BettelheimGabillon, Friedrich Schwarzenberg; Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 194 ff. 9 So w a r man z. B. „für den Staatsdienst bestimmt", wie P h i l i p p Schlesinger, Erinnerung an . . . August Longin Fürsten v o n L o b k o w i t z , 1843, 14, schreibt. Ähnlich auch bei Thienen, Leo Thun, 64 f.

Karrieren von Agnaten

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Die Tradition des altösterreichischen Heeres bewirkte damals ein selbstverständliches Engagement der Aristokratie. Sämtliche Agnaten des Hauses Liechtenstein wählten diese Laufbahn: Die Fürsten Franz 1 0 und Eduard 1 1 traten als Generale in den Ruhestand, Fürst Karl 1 2 quittierte infolge einer Verletzung den aktiven Dienst als Major, Fürst August 13 als Rittmeister, Fürst Rudolf fiel 1848 14 . M i t der Sendung an den Sultanshof hatte er als einziger von den Brüdern 1846 eine Repräsentationsreise unternommen. Ähnliche Aufgaben waren z. B. dem späteren Feldmarschall (1867) Edmund Fürst Schwarzenberg, dem jüngsten Sohn des Siegers von Leipzig, übertragen worden: 1864 weilte er anläßlich der Thronbesteigung von Karl I. in Württemberg, 1865 zur Enthüllung eines Denkmals f ü r den Dänischen Krieg in Alsen 15 . Bei besonderer Eignung war eine Versetzung in Diplomatie und Verwaltung durchaus üblich. So wurde Felix Fürst Schwarzenberg, der 1818 zu den Kürassieren eingetreten war, 1824 auf Veranlassung Fürst Metternichs in den diplomatischen Dienst übernommen. Petersburg (1825), der Kaiserhof von Brasilien (1827), Portugal und London (1828), Paris (1830), Sardinien (1838—1844) und der Hof Beider Sizilien (ab 1844) bildeten die Stationen seiner von verschiedensten Abenteuern begleiteten Botschafterkarriere. Parallel dazu lief sein Militäravancement weiter, so daß Fürst Felix 1848 als Generalmajor ins Feld zog. Im gleichen Jahr wurde er zum Ministerpräsidenten ernannt, doch beendete sein plötzlicher Tod schon 1852 seine Bestrebungen um Konsolidierung eines

10 Hirtenfeld, Militär-Maria-Theresien-Orden, 2, 1079 ff.; Lukes, Maria-Theresien-Orden, 41 f., 526; Wrede, Wehrmacht, 3/1, 279; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 15, 143 ff.; Bohatta, Bibliographie, 1, 25 ff. 11 Wrede, Wehrmacht, 1, 148 ff.; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 15, 121 ff.; Militär-Schematismen 1828—1848. 12 Criste, Johannes Liechtenstein, 181 f.; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 15, 131; Militär-Schematismen 1821—1831. 13 Criste, Johannes Liechtenstein, 182; Militär-Schematismen 1832 bis 1842. 14 Nekrolog der Deutschen 26 (1848), 2, 1070; Militär-Schematismen 1835—1848. 15 Berger, Nekrolog; Strack, Generale, 240 ff.; Hirtenfeld, MilitärMaria-Theresien-Orden, 2, 1589 ff.; ADB, 33, 262 ff.; Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 208 ff.; Schwarzenberg, Geschichte, 294 ff.

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Tätigkeitsbereiche und politische Einstellung

konservativen Österreich und die Erringung einer Vormachtposition in Mitteleuropa 1 6 . K a r l II. Fürst Schwarzenberg, seit 1834 Fideikommißchef der Sekundogenitur, vertauschte 1849 seine Funktion als Generalmajor mit der eines Gouverneurs der Lombardei und Venetiens; zwei Jahre später wurde er zum Militär- und Zivilgouverneur von Siebenbürgen ernannt 1 7 . Nach seinem Ableben folgte ihm zwischen 1858 und 1861 mit dem General Friedrich Fürst Liechtenstein ebenfalls ein ehemaliger Soldat 18 , Für Familien der reichen Hocharistokratie bedeutete die althergebrachte Gewohnheit, „einen Sohn der Kirche zu schenken" (in ärmeren Bevölkerungsgruppen vielfach eine ökonomische N o t wendigkeit), nur mehr die reine Erfüllung einer Form. O b w o h l sich diese Tradition unter dem Einfluß des josefinischen Gedankengutes zusehends gelockert hatte, läßt sie sich z. B. bei der schwarzenbergischen Primogenitur noch weiterverfolgen: Fürst Ernst, der Bruder Josefs II., wurde schon als Zwölfjähriger 1782 Domizellar in Köln; er starb 1818 als Bischof von Raab 1 9 . Bei Prinz Friedrich war die gesamte Erziehung bereits auf eine künftige geistliche Laufbahn ausgerichtet, doch respektierte man bei seiner Entscheidung volle Willens- und Gewissensfreiheit. Der f ü r Söhne bedeutender Adelshäuser damals beträchtlich erleichterte Aufstieg zu hohen kirchlichen Ämtern und Würden bildete die Basis f ü r seine Wahl zum Erzbischof von Salzburg (1835), seine Weihe zum Kardinal (1842) und Ernennung zum Erzbischof von Prag (1849).

16 V o n den zahlreichen Publikationen über die Persönlichkeit und das politische Werk v o n Fürst Felix vgl. Schwarzenberg, Prince F e l i x ; H e l l e r , Felix Schwarzenberg; Kiszling, Felix Schwarzenberg; Kann, Nationalitätenproblem, 2, 72 ff. sowie 312 f. (Kritik der bekanntesten Literatur). 17 Eine ausführliche Darstellung seines Wirkens in Siebenbürgen gibt Grimm, Carl II. Schwarzenberg; vgl. weiters auch Schwarzenberg, Geschichte, 298 ff.; H e l f e n , R e v o l u t i o n , 1, 168, 347 ff.; 2, 404; W u r z bach, Biographisches Lexikon, 33, 88 ff.; Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 203 ff. 18 Wurzbach, Biographisches Lexikon, 15, 146 ff.; Strack, Generale, 2, 561 ff.; Wrede, Wehrmacht, 3/1, 300; H e l f e r t , Revolution, 1, 3 2 0 ; 2, 127 f., 144, 174 ff.; Hirtenfeld, Militär-Maria-Theresien-Orden, 1528 ff. 19 Schwarzenberg, Geschichte, 186; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 33, 3 9 ff.

Dynastisches Bewußtsein der Aristokratie

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Cölestin W o l f s g r u b e r h a t sein W i r k e n in einer umfangreichen, doch mitunter zu w o h l w o l l e n d e n Biographie ausführlich d a r gestellt 2 0 . A l s wesenhaft konservatives Element w a h r t e der Hochadel in solchen Positionen, die er durch rechtliche Bevorzugung leicht hatte erringen können, der K r o n e eine unerschütterliche L o y a l i t ä t . W e d e r J o h a n n I. Fürst Liechtenstein, seit 1 8 0 9 in häufigen D i f f e r e n z e n mit dem Kaiser und dessen V e r t r a u t e n , noch die schwarzenbergische Sekundogenitur schlössen sich d a v o n aus, o b w o h l letztere durch die nur zögernde kaiserliche Unterstützung der Familie nach dem Tod des Feldmarschalls d a z u allen G r u n d gehabt hätte. Eine solche Gesinnung, welche o f t als „schwarz-gelb" bezeichnet w o r d e n ist 2 1 , kennen w i r v o n J o h a n n I. Fürst Liechtenstein 2 2 wie auch J o h a n n A d o l f II. Schwarzenberg 2 3 , aus den Ansichten des K a r d i n a l s Friedrich über die R e v o l u t i o n v o n 1 8 4 8 2 4 , aus den Schriften des Lanzknechtes 2 5 , dem staatspolitischen K o n z e p t v o n Minister20 Neben Wolfsgruber, Kardinal Schwarzenberg, siehe über die Tätigkeit des Kardinals v o r allem Robert Nostitz-Rhieneck, Kardinal Schwarzenberg. List na p a m ä t k u , 1887; Anton Frind, Die Geschichte der Bischöfe und Erzbischöfe von P r a g , 1873; ADB, 33, 295 ff.; Erika Weinzierl-Fischer, Die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933, 1960, 29 ff. 21 Kann, Nationalitätenproblem, 1, 153; über „österreichische Whigs" vgl. Gollwitzer, Standesherren, 186 f., 218 ff. 22 „Streng monarchisch und konservativ gesinnt, seinem Kaiser bedingungslos ergeben . . . " , charakterisiert ihn Criste, Johannes Liechtenstein, 179. Am deutlichsten hatte der Fürst seine loyale H a l t u n g durch das Fernbleiben vom Rheinbund unter Beweis gestellt. V g l . M a l i n , Liechtenstein, 5 ff.; Albert Sdiädler, Die geschichtliche Entwicklung Liechtensteins, Jahrbuch des Historischen Vereins f ü r das Fürstentum Liechtenstein 19, 5 ff. — Auch Fürst Johanns Gattin Josefine w u r d e als „Legitimistin im strengsten Sinne des Wortes" mit „tiefem Abscheu gegen alle freiheitlichen Bestrebungen" bezeichnet (Criste, Johannes Liechtenstein, 179). 23 In den Nationalitätenproblemen Böhmens teilte Johann Adolf weder den staatsrechtlich-autonomistischen Standpunkt seines Sohnes noch die Politik seines Neffen Karl III. (Schwarzenberg, Geschichte, 246). 24 Helfert, Revolution, 2, 241. 2 5 Trotz seiner Abneigung gegen die österreichische Regierung und das „System" (über seinen Gegensatz zu Metternich z. B. bei Prokesch, Tagebücher, 173, welcher das bei Heinrich Ritter von Srbik, Metternich. Der Staatsmann und Mensch, 2, 1925, 162, als gut bezeichnete V e r h ä l t nis zwischen den Männern korrigiert), die ihn zur Unterzeichnung der

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Tätigkeitsbereiche und politische Einstellung

Präsident Felix Fürst Schwarzenberg26. Sie ist aus zwei in den Denkformen der Aristokratie tief verwurzelten Anschauungen erklärbar: dem Festhalten an traditionell-legitimistischen Autoritäten und dem an die Dynastie gebundenen Staatsbewußtsein. Sie prägten jene geistige Position, welche mit dem Terminus „feudaler Konservatismus" belegt wurde 27 . Aus dieser Einstellung folgten unter den reichsten und angesehensten Familien der österreichischen Hocharistokratie auch die Lieditenstein und Schwarzenberg während des Vormärz einer bestimmten Taktik politischer Betätigung, welche zuerst auf eine Wiederbelebung der praktisch zur Bedeutungslosigkeit verurteilten ständischen Korporationen abzielte 28 . Alois II. Fürst Lieditenstein galt in Wien als einer der regelmäßigsten und sachkundigsten Besucher der Ständeversammlungen 29 ; in Prag wieder hatte Karl II. Fürst Schwarzenberg an den Initiativen der Stände wesentlichen Anteil 30 . Auf den ersten Blick mögen diese Bestrebungen als widersprüchSchriftstellerpetition veranlaßte (Text bei O t t o Rommel, Der österreichische V o r m ä r z 1816—1847, 1931, 144 ff.), hielt er stets die kaiserliche Autorität hoch und identifizierte sich keineswegs mit den Ideen des aufsteigenden Bürgertums (dazu z. B. Josef F r h r . von H a m m e r Purgstall, Erinnerungen aus meinem Leben 1774—1852, bearbeitet von Reinhart Bachofen von Echt, 1940, 355). 26 Vgl. Anm. 16, S. 120. 27 Zum „feudalen Konservatismus" bei Johann Christoph AllmayerBeck, D e r Konservatismus in Österreich, 1959, 45 ff. Ü b e r die Wurzeln des „freiheitlichen Konservatismus" eines Grafen Thun bei Thienen, Leo Thun, 108 ff.; das Staatsbild eines Ultrakonservativen beschreibt Müller, Feldmarschall Windischgrätz. — Über das dynastische Bewußtsein der Aristokratie siehe Josef Redlich, D a s österreichische Staats- und Reichsproblem, 1920, 1/1, 1 ff., 1/2, 3 ff. Dieses monarchische Gefühl lebte z. B. noch in der Form der Erbhuldigung weiter (Brunner, Staat und Gesellschaft, 53). 28 Generell wurden die Initiativen des Adels auch innerhalb seiner eigenen Reihen gering eingeschätzt. D e r „Lanzknecht" beschrieb die Aristokratie als „abgesondert . . . qua garde nationale . . . in Reih und Glied gestellt! . . . Sie . . . bewacht nicht die N a t i o n , sie bewacht ihr Privilegium — das Eigenthum — und vor allem (wiewohl ziemlich unzureichend) sich selbst" (Schwarzenberg, Antediluvianische Fidibusschnitzel, 2, 25). 29 Bibl, N ö . Stände, 197. 3(1 Okäc, Cesky snem, z. B. 78.

Taktik politischer Initiativen

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lieh erscheinen, da mit dem verstärkten Eindringen vermögender bürgerlicher Kreise in den landständischen Grundbesitz 31 die langsam wieder zum Leben erwachenden Landtage ihren ursprünglichen Charakter als Herrschaftsstände zu verlieren begannen. Es formte sich hier ein neuständisches Konzept, in dem der Aristokratie nur mehr die Rolle einer gleichberechtigten sozialen Schicht zugewiesen war 3 2 . Man wird diese Haltung, besonders im Hinblick auf die böhmischen Verhältnisse, nicht allein mit dem Aufwallen des Nationalgefühls erklären können. Freilich kann angenommen werden, daß die böhmische Wiedergeburt, welche mit der Gründung einzelner Institutionen bis in die Zeit Josefs II. zurückreichte und in diesen Ursprüngen eine rein kulturelle Bewegung gewesen war, ohne die Mitwirkung des Adels unmöglich gewesen wäre 33 . Doch war dem überwiegenden Teil der angesehensten Feudalherren ein tiefes Nationalgefühl als umfassende Integrationskraft einer Großgruppe ziemlich fremd. Diese Indifferenz kann auf die Streuung des adeligen Besitzes auf verschiedene Ländergruppen, auf die traditionelle Bewahrung der alten Aufgabe als Stütze des Thrones zurückgeführt werden; sie wurde auch in einem gesamteuropäischen Geist gesehen, der viele Aristokraten sich von solchen Fragen distanzieren ließ 34 .

3 1 K u r z e Hinweise bei Engel-Janosi, Entwicklung, 1 0 0 f . ; über die Mobilität des Grundpotentials in den dreißiger J a h r e n bei W i ß h a u p t , Wirtschaftliche Lage 1 8 3 0 — 1 8 3 9 , 2 3 4 f . ; K a r l Richter, Über den S t r u k t u r w a n d e l der grundbesitzenden Oberschichte Böhmens in der neuesten Zeit, in: Probleme der böhmischen Geschichte. V o r t r ä g e der wissenschaftlichen Tagung des Collegium C a r o l i n u m in Stuttgart v o m 29. bis 3 1 . M a i 1 9 6 3 , 1 9 6 4 , 4 9 ff. 3 2 Brunner, Adeliges Landleben, 3 2 4 f f . 3 3 Vgl. Josef Hanüs, N a r o d n i müseum a nase obrozeni, 2 Bde., 1 9 2 1 — 1 9 2 3 . V o n der älteren L i t e r a t u r siehe Nebesky, Museum, über die Beurteilung der Schwarzenberg v g l . 42. 3 4 Siehe Emil Franzel, D e r A d e l in d e r Geschichte Böhmens, S t i f t e r Jahrbuch 7 (1962), 27 ff., bes. 4 8 : „ W e n n jemand ein K i n d Europas ist . . . k a n n er sich nicht d a f ü r begeistern, d a ß die S t r a ß e n t a f e l n oder die Speisek a r t e n in Pardubitz oder T r o p p a u deutsch oder tschechisch oder erst tschechisch und dann deutsch sind." V g l . auch ähnlich Emil Franzel, D e r böhmische Adel als gestaltende K r a f t in der Landes- und Reichsgeschichte, in: W a l d s t e i n - W a r t e n b e r g 1 1 5 9 — 1 9 5 9 , 8 0 0 - J a h r f e i e r eines Geschlechts aus dem altböhmischen Herrenstand, 1 9 5 9 , 1 5 ff.

124

Tätigkeitsbereiche und politische Einstellung

Den meisten hochadeligen Familien, deren Großgrundbesitz hauptsächlich in den Kronländern Böhmen und Mähren lag, ging es um eine Reaktivierung der Stände, da man in ihnen noch das „alte Recht" verkörpert sah. Wie die böhmische und mährische Hocharistokratie identifizierten sich auch die Schwarzenberg u n d Liechtenstein keineswegs mit dem auflebenden tschechischen Nationalismus. Man unternahm vielmehr einen letzten Versuch, zur Wahrung der bisherigen Stellung und zur Festigung der wankenden Privilegien die Lenkung jener Körperschaften in die H a n d zu nehmen, mit denen man historische Traditionen verknüpft sah 35 . Mit der Schaffung eines „Typus-Seigneur" 3 6 trachtete man den alten Ständestaat mit seinen abstammungsmäßig gegründeten Vorrechten noch einmal aufzurichten. Die These von einer daraus erwachsenden Manipulation und Ausnützung der Stände durch die Aristokratie ist vor allem von der tschechischen Historiographie vertreten worden 3 7 . Daher wird es auch begreiflich, w a r u m Karl II. Fürst Schwarzenberg ebenso wie sein Bruder Friedrich zur regierungsfreundlichen Adelsgruppe in Böhmen gezählt wurde, obwohl er Palacky sein Prager Haus f ü r die Abhaltung von Vorträgen über die Erneuerung der Landesverfassung — f ü r eine national-tschechische Veranstaltung — zur Verfügung gestellt hatte 3 8 . Seine von vielen als „ultratschechisch" mißdeutete Haltung 3 9 tat in der Folge seinem Avancement bei Militär und Diplomatie keinen Abbruch. Auch spätere Zweckbündnisse des böhmischen Adels mit Tschechen dienten zur 35 Uber die Einhelligkeit dieser A u f f a s s u n g in der Geschichtsschreibung der Rechten wie auch der Linken vgl. K a n n , Nationalitätenproblem, 1, 153 f. Bei der Beleuchtung der politischen Verhältnisse Böhmens kam man zu dem gleichen Schluß: vgl. Friedridi Walter, D e r Rücktritt Graf Carl Choteks v o m Oberstburggrafenamte und die Ernennung Erzherzog Stephans zum Landeschef in Böhmen, Mitteilungen des Vereins f ü r Geschichte der Deutschen in Böhmen 40 (1922), 169 ff. 36 August Knoll, Das „Kapitalismus"-Problem in der modernen Soziologie, in: Ernst Lagler - Johannes Messner, Wirtschaftliche Entwicklung und soziale Ordnung, 1952, 370 ff. 37 Anhand von Untersuchungen über Graf Leo Thun bei Miloslav N o v a k , Austroslavismus, Sbornik Archivnich Praci 6/1 (1956), 26 ff. 38 Okäc, Cesky snem, 78. Die Vorträge f a n d e n auf Anregung Deyms in der Zeit vom 15. Februar bis 13. M ä r z 1843 statt. Uber Friedrich Fürst Schwarzenberg vgl. 237, 243. 39 Binzer, Drei Sommer, 79.

Reaktion in Defensivpositionen

125

Wahrung ihrer Standesinteressen gegen die meist zentralistisdi eingestellten deutschen Landespolitiker 40 . Im Gegensatz zu solchen Bestrebungen mangelte es in vielen adeligen Salons jedoch völlig an Diskussionen über aktuelle grundsatzpolitische Fragen 4 1 . Außerhalb der „ersten Gesellschaft" gab es hier genug Ausnahmen: Im Haus von Baron Doblhofi z. B. versammelten sich freisinnige Mitglieder der niederösterreichischen Landstände und des juridisch-politischen Lesevereins, welcher das einzig wirklich bedeutende politische Forum in Wien bildete 42 . Ständige Kontakte mit Mitgliedern der Verwaltungsstellen und des diplomatischen Dienstes pflog auch Josef I I . Fürst Schwarzenberg. Graf Prokesch berichtet von oft heftigen Streitgesprächen mit Gentz und dem Fürsten, wobei die staatlichen Maßnahmen keineswegs immer dessen volle Zustimmung fanden 43 . Namentlich am Höhepunkt der Karriere von Fürst Felix war das Haus Schwarzenberg von politischer Atmosphäre erfüllt 4 4 . — Oft aber bildete sich in diesen Belangen ein umfassender Konformismus heraus. Eine solche Salonmeinung" 4 5 war nicht dazu angetan, mit konstruktiven Plänen den gesellschaftlichen Umwälzungen zu begegnen, obwohl die Aristokratie deren Gefahren für ihre eigene Position klar erkannt hatte 4 6 . So wurden die politischen Qualitäten des Adels ziemlich gering eingeschätzt; Felix Fürst Schwarzenberg hielt kaum zwölf Leute für ein mögliches Pendant zu einem englischen Oberhaus geeignet 47 . Auch durch den unaufhaltsamen Aufstieg in die mittleren Kategorien des Verwaltungsdienstes begann das Bürgertum einen wachsenden Machtfaktor darzustellen 48 . Die Stellung des Adels 4 0 Beispiele wie jenes Friedrich Fürst Schwarzenbergs bringt Gollwitzer, Standesherren, 219. 4 1 Über den Mangel an politischen Gesprächen bei Andlaw, Tagebuch, 1, 6 7 ; Briefe eines Diplomaten, 1, 108. * 2 Thienen, Leo Thun, 183. 4 3 Prokesch, Tagebücher, 13 ff. 4 4 Uhl, Leben, 94 f. 4 5 Kübeck, Tagebücher, 1/2, 318, über ein Gespräch mit Josef II. Fürst Schwarzenberg über die französische Julirevolution von 1830. 4 8 Schwarzenberg, Antediluvianische Fidibusschnitzel, 2, 59 ff. 4 7 Müller, Feldmarschall Windischgrätz, 199. 4 8 Querschnittsmäßige Erfassung bei Nikolaus von Preradovich, Die Führungsschichten in Österreich und Preußen ( 1 8 0 4 — 1 9 1 8 ) , 1955, 23 f., 39 f.; vgl. auch Walter, Zentralverwaltung, 18 f.

126

Tätigkeitsbereiche und politische Einstellung

wurde

dadurch

erschüttert;

über

die

Daseinsberechtigung

der

A r i s t o k r a t i e als traditionell privilegierte Schicht begannen sich nun völlig verschiedene Meinungen zu bilden. W ä h r e n d sie die Gegner ständischer

Staatskonzeptionen

als

„Anomalie

der

Zeit"

ab-

lehnten 4 9 , befürworteten sie die K o n s e r v a t i v e n als leitendes und schützendes Element im Staate. Kübedi erachtete in seinen Schriften einen Adel nach englischem Muster für vorbildlich 5 0 , Werburg

plädierte

in

Montesquieus

Tradition

für

stellung des Adels, welche nicht a u f überkommenen

Andrian-

eine

Kern-

Vorrechten,

sondern auf Achtung v o n seiten des Volkes beruhen solle. Lenker

„besonnenen

Fortschritts"

könnte

die Aristokratie

Als dann

z u m „Bindemittel der N a t i o n " w e r d e n 5 1 . Diesen

Anregungen

stand

jedoch

in

Adelskreisen

Passivität

gegenüber. Die Entgegnungen, welche m a n auf literarische Angriffe verfaßte,

entstanden aus einer unentrinnbaren

Defensivposition,

k a u m konstruktiv, lahm, nichtssagend 5 2 . Mitunter mündeten solche Äußerungen in schmerzliche Resignation. Friedrich F ü r s t Schwarzenberg, der Lanzknecht, fühlte sich als „ L e t z t e r M o h i k a n e r " , der in

der

österreichischen

Aristokratie

ein

Abbild

der

sterbenden

I n d i a n e r in der Neuen W e l t sah. In der „ A t m o s p h ä r e moderner C i v i l i s a t i o n " fühlte m a n sich wie diese dem U n t e r g a n g

geweiht.

4 9 Moering, Sybillinische Bücher, 1, 6 5 ; Vehse, Adel, 184 ff.; Aristokratie, 6 ff. 5 0 „Nach meiner Vorstellung scheint mir die englische Adelsinstitution am reinsten den Naturgesetzen zu entsprechen. Der Adel steht dort an der Spitze der Nation durch Reichtum, Macht, Intelligenz . . . Er ist dort wahrhaft leitend und schützend." Kübeck, Tagebücher, 1, 135, zitiert schon bei Brunner, Adeliges Landleben, 330 f. 5 1 Victor Freiherr von Andrian-Werburg, Österreich und dessen Zukunft, 3 1847, 31 ff. — Ähnliche Gedanken vertraten auch die Schrift Sociale Zustände, 102, sowie Schwarzenberg, Antediluvianische Fidibusschnitzel, 2, 39 ff. Das romantische Bild des Adeligen als „Vorbild und H e l f e r des Bauern" und „Patron des kleinen Gewerbsmannes und Arbeiters" zeichnete auch Heinrich Riehl, D i e bürgerliche Gesellschaft (Heinrich Riehl, Die Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Socialpolitik, 2), 2 1854, 185 ff. Daran knüpfte auch Carl Brinkmann in seinem Artikel „Adel" im Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 1, 1956, 24 ff., wenn er von einem „Patrimonialismus nach oben" und einem „Patriarchalismus nach unten" sprach. 5 2 Als Musterbeispiel mag hier dienen: Entgegnung auf die Broschüre ,Die österreichische Aristokratie'. Von einer adeligen Tochter Österreichs, 1848.

Reaktion in Defensivpositionen

127

Gleichzeitig bedeutete aber der Wunsch „Ist seine Zeit gekommen, so muß er sterben, aber er sterbe in seiner Natur" eine Rechtfertigung für die Beibehaltung des traditionellen Lebensstils 53 . 53 Schwarzenberg, Antediluvianische Fidibusschnitzel, 2, 59 ff.; vgl. auch 1, 27: „Man tödte sie demnach, aber man beschimpfe sie nidit, man füge nicht noch Hohn zu dem Todesurtheil, welches der unerbittliche Rathschluß der Zeit über sie gesprochen hat" (geschrieben im September 1842!). Der Lanzknedit ließ auch auf der Eingangstüre zu seinem Wohnzimmer auf dem Gut Marienthal die beziehungsvollen Worte „Fuit Ilium, Troes Fuimus" anbringen. Darüber bei Meyer, Erlebnisse, 1, 339.

6. L E B E N S S T I L Innerhalb der gesellschaftlichen Führungsschicht der Monarchie dominierte im Vormärz noch weiterhin die Zielvorstellung, den Rang seines Hauses nach Möglichkeit zu erhöhen, zumindest aber aufrechtzuerhalten und gegen neu aufsteigende Gruppen zu verteidigen. D a m i t bildeten auch Protokollfragen des höfischen Zeremoniells f ü r einen Aristokraten existentielle Probleme. Denn in einer Organisationsform wie der des Hofes, wo jeder H a n d l u n g ein bestimmter Prestigecharakter zukam, erhielt die Position jedes einzelnen bei Besuchen fremder Souveräne, Galadiners, Audienzen und Festen eine besondere gesellschaftliche Valenz. Am Wiener Hof hatten sich Auseinandersetzungen über die geltende Rangordnung an der Stellung der mediatisierten Fürsten entzündet 1 . In Vollziehung des Bundestagsbeschlusses vom 18. August 1825 bestanden die Chefs der vormals reichsständischen Häuser auf ihrem Vorrang vor den übrigen Fürsten sowie auf der selbständigen Festlegung der Rangordnung untereinander 2 . Es ist für die statischen Verhältnisse innerhalb der österreichischen H o f gesellschaft bezeichnend, daß Kaiser Ferdinand in seiner Beschlußfassung an keine Neuordnung dachte. Mit der Verleihung von Ehrenämtern am Hof standen einem Souverän ja besondere Möglichkeiten von Gunstbeweisen gegenüber bestimmten Personen zur Verfügung. Ferdinand ließ somit 1837 auf Grundlage der Verfügungen Kaiser Karls VI. vom 25. März 1728 folgende definitive Rangfolge entwerfen, welche in ihren Grundzügen bis zum Ende der Monarchie Geltung besaß: 1. Chefs der vormals reichsunmittelbaren, auf der Reichsfürsten1 Zum P r o b l e m der Positionen Mediatisierter vgl. Gollwitzer, Standesherren, 46 ff. 2 H H S t A , Deutsche Akten, Fasz. 122 a, Rangordnung der mediatisierten Fürsten am k. k. H o f e ; ah. Vortrag Metternichs v o m 30. April 1836. In derselben Sache waren bereits 1834 zwei Gesuche an Kaiser Franz gerichtet worden.

Rangordnung am Wiener Hof

129

bank mit Sitz und Virilstimme wirklich introduzierten Fürstenhäuser nach dem Datum der Introduktion: Arenberg (1582), Lobkowitz (1653), Salm-Salm (1654), SalmKyrburg (1654), Dietrichstein (1654), Auersperg (1654), Fürstenberg (1664), Schwarzenberg (1674), Thum-Taxis (1754). Souveräne Häuser waren in dieser Liste nicht enthalten; das Haus Liechtenstein wäre mit 1713 z . B . vor Thurn-Taxis einzureihen. 2. Chefs der vormals reichsunmittelbaren, jedoch nicht wirklich zur Introduktion gelangten Fürstenhäuser nach dem D a t u m ihres Fürstendiploms: Croy (1664), Löwenstein-Wertheim-Rosenburg (1711), Esterhazy (1712), Öttingen-Spielberg (1734), Solms-Braunfels (1742), H o h e n lohe-Waldenburg-Bartenstein (1744), Hohenlohe-Waldenburg-Taxtberg (1744), Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1744), Isenburg-Offenbach-Birstein (1744), Colloredo-Mansfeld (1763), Khevenhüller (1763), Kaunitz-Rietberg (1764), HohenloheLangenburg-Langenburg (1764), Hohenlohe-Langenburg-Oehringen (1764), Hohenlohe-Langenburg-Kirchberg (1764), Starhemberg (1765), Öttingen-Wallerstein (1774), Leiningen (1779), Wied (1784), Salm-Reifferscheid-Krautheim (1790), Rosenberg (1790), Schönburg-Waldenburg (1790), Schönburg-Hartenstein (1790), Solms-Hohensolms-Lich (1792), Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1792),Looz-Corswaren(l803), Waldburg-Wolfegg-Waldsee(l803), Waldburg-Zeil-Trauchburg (1803), Waldburg-Zeil-Wurzach (1803), Metternich (1803), Fugger-Babenhausen (1803), Salm-ReifferscheidKrautheim, auswärtige Linie (1804), Windischgrätz (1804), SaynWittgenstein-Hohenstein (1804), Trauttmansdorff (1805), Leyen (1806), Löwenstein-Wertheim-Freudenberg (1812), Salm-Horstmar (1817), Bentheim-Steinfurt (1817), Bentheim-Tecklenburg oder Rheda (1817). 3. Die Kadetten der Fürstenhäuser in der unter 1. und 2. angegebenen Reihenfolge; die Kadetten eines jeden Hauses untereinander in jener Ordnung, welche sich aus der Sukzession in der Regierung ihres Hauses ergab. Bei diesem Punkt stand man vor allem dem Problem gegenüber, wer von einem fürstlichen Haus als Kadett anzusehen war; bei den Liechtenstein z. B. nur die Mitglieder der regierenden (Franz-Linie) oder auch die der nicht regierenden (Karl-)Linie. 9

Stekl, Aristokratie

130

Lebensstil

4. Die übrigen nicht unmittelbar gewesenen vormaligen Reichsfürsten, dann die erbländischen Fürsten, und zwar nach dem Datum des Fürstendiploms. Ältere Fürstenhäuser, selbst deren Kadetten, gingen dabei jüngeren Häusern, sogar den Chefs, vor: Ligne (1601), Lubomirski (1617), Chigi (1659), Porcia (1662), Lamberg (1707), Odescalchi (1714), Jablonowski (1743), Kinsky (1747), Sultkowsky (1752), Batthiäny (1764), Clary (1767), Paar (1769), Belgiojoso (1769), Palm (1783), Grassalkovics (1784), Bretzenheim (1790), Lynar (1806), Pälffy (1807) sowie Collalto (1822). Die aristokratische Gesellschaft des österreichischen Vormärz war allerdings keine reine Hofgesellschaft mehr, in der Prestige und Rang einer Familie in erster Linie von der Gunst des Herrschers und dem Alter des Adelsdiploms abhingen. Neue Bewertungsmaßstäbe, wie Erfolge im wirtschaftlichen Bereich oder Prägung eines neuartigen Lebensstils, schoben sich — allerdings nur langsam — in den Vordergrund. D a ß die Bedeutung der Hoffähigkeit gegenüber der Barockkultur abgenommen hatte, war nicht zuletzt auf die Lebensweise der österreichischen Herrscher zurückzuführen. Kaiser Franz I. hatte sämtliche Repräsentationspflichten auf ein Minimum eingeschränkt und war mit seinem nach außen hin leutseligen Wesen u n d durch seine Anspruchslosigkeit als Typus des biedermeierlichen Familien- und Landesvaters zum Vorbild für weite Kreise der Bevölkerung geworden. Besonders in den letzten Lebensjahren des „guten Kaisers Franz" lebte der Hof „zurückgezogener denn je", und auch der eher unbedeutende Kaiser Ferdinand ließ sich bei Festlichkeiten wiederholt von Erzherzogen vertreten 3 . Damals konstituierte im privatgesellschaftlichen Bereich, der sich immer mehr vom Repräsentationskreis des Hofes trennte, eine neue und selbständige Rangordnung. Diese Tatsache bildete einen wesentlichen Beweggrund dafür, daß sich die österreichische Aristokratie während des Vormärz gern in die Sphäre ihrer Paläste und Landsitze zurückzog. Ein zweites, völlig andersgeartetes Motiv waren die vorläufig noch unter unpräzisen und undifferenzierten Begriffen wie „liberal", „democratisch", „socialistisch", „com3

Andlaw, Tagebuch, 1, 278; Andlaw, Erinnerungsblätter, 59; Zuschauer 1841, 263.

Die „erste" und „zweite Gesellschaft" Wiens

131

munistisch" auftretenden weltanschaulichen Strömungen 4 , welche die Existenzberechtigung einer privilegierten Adelsschicht grundsätzlich in Frage stellten. Sie drängten die Aristokratie in eine D e f e n s i v p o s i t i o n , welche verschiedene Reaktionsmöglichkeiten offenließ. N e b e n Beharrungstendenzen m i t verstärkter Konservierung überkommener Verhaltensmuster standen Anpassungsversuche und vereinzelte O f f e n s i v e n . O h n e diesen Anspruch als überholte soziale Realität zu durchschauen, f ü h l t e sich der Adel weiterhin als „die Gesellschaft'' schlechthin, bezeichnete sich in elitärem Selbstbewußtsein als „wahre haute volée" oder „Sozietät" 5 . Er schloß sich dabei überaus streng v o n der „zweiten Gesellschaft" ab, einem Schmelzprodukt aus teilweise nobilitierten Bankiers, Offizieren und Industriellen. Diese Teilung hatte sich als Folge der maria-theresianischen N o b i l i tierungspolitik bereits in der z w e i t e n H ä l f t e des 18. Jahrhunderts herausgebildet, w a r jedoch seit d e m V o r m ä r z besonders kraß in Erscheinung getreten 6 . Z w a r w a r der Ruf des Geldadels durch den K o n k u r s der Bankhäuser Fries und Parish etwas in Mißkredit gekommen, doch verstanden es Familien wie Eskeles 7 , Pereira 8 und Arnstein 9 , m i t vollendeter Gastlichkeit auch gegenüber Fremden 4 Einen Versuch der Begriffserklärung unternimmt Alexander Novotny, Politische Strömungen im Vormärz, Österreich in Geschichte und Literatur 10 (1966), 279 ff. 5 Vgl. z.B. Koch, Wien, 359 ff.; Trollope, Wien, 2, 35 ff.; Andlaw, Tagebuch, 1, 156 ff.; Bülow, Zeiten, 348; Bauernfeld, Wien, 340. 6 Bereits Pezzi erwähnte 1786 in seiner Skizze 1, 82 ff. diese allgemein übliche Unterscheidung. Zu den vormärzlichen Verhältnissen vgl. Trollope, Wien, 2, 35 : „Diese Einrichtung hat auf die Sitten . . . der Hauptstadt einen so wichtigen Einfluß, daß keine Schilderung ihres gesellschaftlichen Lebens richtig sein kann, wenn nicht dieser Zug einigermaßen mit jener Kraft gezeichnet wird, mit welcher er sich in Wirklichkeit darstellt." — Zahlenmaterial über die Nobilitierungen unter Maria Theresia bei H a n n s Jäger-Sunstenau, Statistik der Nobilitierungen in Österreich 1701 —1918, österreichisches Familienarchiv 1 (1963), 3 ff. Eine soziologische Analyse der neugeadelten Wirtschaftstreibenden versuchte Brigitte Andel, Adelsverleihungen f ü r Wirtschaftstreibende während der Regierungszeit Maria Theresias, phil. Diss., Wien 1969. 7 Über ihre Rolle vgl. z. B. Adam Wolf, Fürstin Eleonore Liechtenstein 1745—1812, 1875, 252. 8 Varnhagen, Denkwürdigkeiten, 6, 299; Trollope, Wien, 2, 224. 9 Trollope, Wien, 2, 85 f. schätzte Frau von Arnstein als eine „elegante und hochgebildete Frau", die aber trotz ihres Reichtums zu den „Ex-

9*

132

Lebensstil

eine anziehende und abwechslungsreiche Atmosphäre zu schaffen, welche sogar Angehörigen der übergeordneten Schicht eine gewisse Achtung abrang 1 0 . So waren es aus dieser im Grunde als „bürgerlich" zu bezeichnenden zweiten Gesellschaft 11 vornehmlich die reichen Bankiers, welche nicht nur durch intensive Kontakte mit Künstlern und Wissenschaftlern ihre Salons berühmt machten, sondern auch vermöge ihrer finanziellen Mittel mit der Hocharistokratie konkurrieren konnten. Die Schilderung des Wiener Schriftstellers Castelli von dem Haus Geymüller zeigt deutlich, daß dieses in Haushaltsführung und Luxusentfaltung durchaus mit einem adeligen vergleichbar war 1 2 . Die Verbindung der zweiten Gesellschaft zur hoffähigen Hocharistokratie bewegte sich vorwiegend im Rahmen einer reinen Interessengemeinschaft von Geschäftspartnern, da die Privatbankiers zu einem großen Teil den Geldbedarf des konsumintensiven Adels deckten. Überdies hatten sich zahlreiche Bürgerliche und Neuadelige in maßgebliche Positionen von Diplomatie und Verwaltung emporgearbeitet, so daß ein direkter Verkehr mit ihnen oft nicht zu umgehen war. Häufigerer gesellschaftlicher Kontakt wurde nach Möglichkeit vermieden, nur gelegentlich ließen sich Herren aus der ersten auch in der zweiten Gesellschaft blicken, Gegeneinladungen waren höchst selten 13 . Vereinzelt gelang es Salons, die Barrieren

cludirten" gehörte. — Auch G e n t z lobte das Arnsteinsche H a u s als „die größte, und gewissermaßen einzige Resource aller hier ankommenden F r e m d e n . . ." (Gentz, Briefe, 2, 9 7 ) . Ü b e r die freundliche A u f n a h m e in den Häusern der zweiten Gesellschaft vgl. auch H a i l b r o n n e r , Reisemappe, 1, 3 6 5 ff. 1 0 So bewunderte Prokesch, Tagebücher, 7 9 , 1 8 3 1 den für ihn artigen, doch „brillanten" Zirkel des Bankiers N e u w a l l .

neu-

11 O t t o Brunner, D a s W i e n e r Bürgertum, M o n a t s b l a t t des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 15 ( 5 0 ) , 1 9 3 3 , N r . 1/3, 2 2 0 ff. 1 2 Ignaz F r a n z Castelli, Aus dem Leben eines Wiener P h ä a k e n , 1912, 3 2 9 ff. 1 3 „Diese beiden Kategorien verkehrten mit einander n u r so weit, d a ß die H e r r e n der ersten mit in die zweite gingen, die der zweiten in die erste hier und da eingeladen wurden. Niemals aber sah m a n eine D a m e der ersten in der zweiten oder eine der zweiten in der ersten" ( H o h e n lohe-Ingelfingen, Leben, 3 2 3 f.). D i e gleiche Beschreibung lieferten die Oesterreichischen Zustände, 1, 1 8 3 8 , 1 2 6 ; die Grenzboten, 4 / 2 / 4 ( 1 8 4 5 ) , 4 3 1 sowie St. Aulaire, Souvenirs, 4 3 : „ J a m a i s cependant, ni a u x grands bals de cour, ni dans les fêtes aristocratiques, un banquier n ' a v a i t été

Die »erste" und „zweite Gesellschaft" Wiens

133

zwischen den beiden Schichten ein wenig zu durchbrechen. So galt vor allem das gutbürgerliche Haus der Schriftstellerin Karoline Pichler für die Jugend aus beiden Kreisen als Stätte der Vertiefung von Bildung und religiösem Verständnis 14 , die Aufnahme unmittelbarer Beziehungen zu dominierenden Personen aus der Oberschicht blieb jedoch auch der „österreichischen Madame Récamier" versagt 15 . Weiters wurde diese scharfe Trennung auch gelegentlich von den nachgeborenen Söhnen hochadeliger Familien mißachtet, welche sich bei der Wahl ihrer Gattinnen keineswegs gesellschaftlichen Konventionen beugten. So erregte z. B. die als „Mesalliance" bezeichnete Heirat zwischen Friedrich Fürst Liechtenstein und der in Wien damals gefeierten Sängerin Sophie Löwe beträchtliches Aufsehen. Die aus gegenseitiger Abhängigkeit und sozialer Distanzierung entstandenen Spannungen traten wiederholt deutlich zutage. Es versuchte die Hocharistokratie, die meisten Mitglieder der zweiten Gesellschaft als soziale Realität einfach zu ignorieren — man weigete sich z. B. beharrlich, Minister Bach zu empfangen 16 — , und machte aus ihrer Abneigung gegen die großteils jüdischen Bankiers kein Hehl 1 7 , wogegen diese wieder gegen den Totalitätsanspruch des Hochadels scharfe Einwände erhoben.

invité, jamais leurs femmes n'avaient échange une révérence a v e c les grandes dames de V i e n n e . " 14 „. . . H e r r A r n e t h [ J o s e f v o n A r n e t h , 1 7 9 1 — 1 8 6 3 , seit 1 8 4 0 D i r e k t o r des M ü n z - und Antikenkabinetts] . . . führte einen jungen Grafen Dietrichstein [ J o s e f F ü r s t Dietrichstein, 1 7 9 8 — 1 8 5 8 ] bei dem er M e n t o r stelle versah, nebst andern Jünglingen dieses Standes, wie Grafen W a l t e r Stadion, z w e i G r a f e n Lanckoronski, bei uns ein. Späterhin ließen sich zwei junge Fürsten Schwarzenberg bei uns vorstellen. Alle diese waren ausgezeichnete, sehr artige und einige d a v o n sehr gebildete Leute, welche unsere fixierten Abendgesellschaften fleißig besuchten . . . " (Pichler, Denkwürdigkeiten, 2, 87, Aufzeichnung aus dem W i n t e r 1 8 1 5 / 1 8 1 6 ) . 1 5 Die E l t e r n der adeligen Söhne wußten und billigten die K o n t a k t e mit dem H a u s e Pichler, ließen der Dichterin jedoch für ihre Tätigkeit bloß „durch andere Personen danken" (ebd.). 16 „ D a ß Wiens höchste A r i s t o k r a t i e sehr abgeschlossen w a r , erwähnte ich bereits. W o l l t e n doch die Schönburgs, Schwarzenbergs, Liechtensteins usw. den Minister Bach nicht bei sich e m p f a n g e n " ( H o h e n l o h e - I n g e l fingen, Leben, 3 2 3 ) . 1 7 Costenoble, Burgtheater, 1, 7 9 , 1 8 2 0 über eine T h e a t e r p r o b e im H a u s von B a r o n H ü g e l .

134

Lebensstil

Namentlich vor der Revolution von 1848 setzte sich die „Sozietät" nach zeitgenössischen Schilderungen primär nach dem Grundsatz des Geblütsrechtes zusammen 18 . Dieses elitäre Bewußtsein hatte auch auf die Prestigevorstellungen der neu emporkommenden Gruppen eingewirkt und dort im Streben um Nobilitierung auch zu einer Assimilation ständischer Denk- und Verhaltensweisen geführt. Der Erweis einer „makellosen Ahnenprobe", wie man sich gerne ausdrückte, bildete aber gleichzeitig das Kriterium für die starke Differenzierung der ersten Gesellschaft. Als Spitzenschicht hatte sich die sogenannte „crème de la crème" herauskristallisiert, in welcher vor allem die regierenden Häuser und Fürsten der Monarchie den Ton angaben. Diese Oberschicht w a r durch ein engmaschiges N e t z verwandtschaftlicher Beziehungen verbunden, so daß der Zutritt neuer Familien nur durch die Ehe mit einem ihrer Mitglieder möglich war. Dieser Grundsatz der „Ebenbürtigkeit" ist f ü r das Heiratsverhalten des Adels bestimmend geblieben und hat in den Hausgesetzen der meisten Familien seinen Niederschlag gefunden 1 9 . Das hervorstechendste Merkmal der selbsternannten und oft nur widerwillig anerkannten Crème bestand in einer überspitzten Exklusivität, welche sie aus dem umgebenden sozialen Feld herausheben sollte. Selbstzweckhafte Erfüllung sämtlicher Erfordernisse der Etikette, die man sich als ungeschriebenen Verhaltenskodex aufgestellt hatte, wurden hier zum dominierenden Lebensinhalt und wirkten beispielgebend f ü r die übrigen Kreise des Adels, von dem man sich dadurch bewußt distanzierte 20 . Ludovica Gräfin Thürheim, die in ihren scharfzüngigen Memoiren ein interessantes Bild der vormärzlichen Gesellschaft gezeichnet hat,

18 Dagegen polemisierten die Grenzboten, 4/2/4 (1845), 428, heftig: „Was jedoch in Wien den Titel der Societät usurpieren will, das ist nur eine Coterie, w o die Todten mehr zählen als die Lebendigen, der Stammbaum mehr als die Früchte, und w o die Doppelzahl der seize quartiers de rigeur auch die Rohheit und Ignoranz zur Aufnahme patentiren." 18 Beispiele bei Gollwitzer, Standesherren, 258 ff. 20 Mit Verständnislosigkeit wurden von Nichtadeligen der „heilige Ernst" in Etikettefragen und das betonte „Unter-sich-Bleiben" registriert, das z. B. auf Bällen nur die Mitglieder der Crème miteinander tanzen und Verstöße gegen die Ordnung ahnden ließ (Oesterreichisdie Zustände, 1, 121 f.). Auch der französische Gesandte St. Aulaire, Souvenirs, 39, amüsierte sich über ein derartiges Vorkommnis, „qui me représentait l'ancien monde dans un état de parfaite conservation".

Etikette und Aufbau der „Sozietät"

135

beschrieb jene A u f n a h m e r i t e n , welche ein junges Mädchen beim E i n t r i t t ins Gesellschaftsleben durchmachen mußte 2 1 ; Friedrich Fürst Schwarzenberg, der naturverbundene Lanzknecht, wieder t a d e l t e die sämtliche Lebensbereiche durchwirkende Etikette und den Z w a n g der „ K o n v e n i e n z " dieser Kreise 2 2 . D i e Wiener A r i s t o k r a t i e verhielt sich gegenüber F r e m d e n allgemein reserviert 2 3 ; in den Portierlogen der Paläste lagen Listen auf, welche die N a m e n der S a l o n f ä h i g e n verzeichneten 2 4 . N u r E i n f ü h r u n g e n durch B e k a n n t e oder E m p f e h l u n g e n konnten den Z u t r i t t erleichtern. Auch der N i m b u s des Exquisiten oder A u ß e r gewöhnlichen öffnete leichter T ü r und T o r : gerade Weltreisende

21 U m die Jahrhundertwende hatte man die jungen Mädchen gewöhnlich im Alter von 16 Jahren zuerst beim Wiener Hof präsentiert: „Man gab ihnen dann Schleppkleider und Spitzen, man schenkte ihnen eine kleine Ausstattung an schönen Roben und Hüten, führte sie zum Kaiser und zur Kaiserin, zu den Ministern und Gesandten und ließ sie endlich die Tournee bei der ganzen Gesellschaft machen. Von diesem Zeitpunkte an waren sie nicht allein zu H o f - und Stadtbällen eingeladen, sondern auch zu den Gesellschaften... Unser Eintritt in die Welt war mit Schwierigkeiten verbunden. Man mußte die Fron der vielen Visiten auf sich nehmen, welche die Obersthofmeisterin Gräfin Wratislaw anempfahl . . . Außerdem mußte man das Examen und die Kritik mehrerer 80jähriger Damen bestehen und stundenlang, ohne den Mund aufzutun, im Cercle stehen, der sie umgab" (Thürheim, Leben, 1, 91 f.). 22 „ D a ist sie schon aufgestellt die blutige Gasse, geschminkte Stiftsdamen und gepuderte Exzellenzen, parfümirte Stutzer und schwindsüchtige, blasse Komtessen, Federhelden und alte Bethschwestern ; — da steht oder sitzt die erbauliche Kompagnie im erleuchteten Salon und erwartete die Schuldigen, das junge fühlende Weib, den hochherzigen Mann, die sich nicht in den Kammasdiendienst der Konvenienz fügen wollten, und heimliefen von der Fahne an den Busen der Mutter Natur. Auch ich war hindesertirt aus dieser vermaledeiten Konvenienz-Welt, drückender und verpesteter, als jede Kaserne, und schon spitzen sie die Ruthen, mit welchen sie über mich herfallen wollen" (Schwarzenberg, Wanderbuch, 1, 25). 23 „. . . während man in Berlin Alles, was von weit her kam, mit allzu großer Zuvorkommenheit empfing, sah man in Wien jeden Fremden erst mit scheelen Augen an, bis man sich an sein Gesicht gewöhnt hatte . . ." (Hohenlohe-Ingelfingen, Leben, 1, 320). 24 Anläßlich von Besuchen bei Fürstin Eleonore Schwarzenberg „verschwand der Portier in der Loge, studierte lange und gründlich die Liste derer, die personae gratae waren und welche er allein zur Anmeldung zulassen durfte . . . " (Bülow, Zeiten, 34).

136

Lebensstil

waren dem romantischen Fernweh dieser Zeit willkommen 25 . Bei einigen Familien gab es sogenannte „Gesellschaftstage", an denen auch Fremde ohne Einladung erscheinen konnten: Graf Kolowrat empfing jeden Donnerstag, Fürst Colloredo jeden Samstag, dodi waren derartige Besuche mehr „Gegenstand der Ceremonie als der Fröhlichkeit" 26 . Aber auch die diplomatischen Vertreter des Auslandes in Wien mußten bei Dienstantritt oft ihre ganze Gewandtheit und Routine aufwenden, um der Crème Geltung abzuringen 27 . Hatte man sie einmal akzeptiert, so konnten vor allem die Gesandten der Großstaaten mit ihrem reichen Repräsentationsetat brillieren: z. B. entfaltete der Russe Graf Tatitscheff in den Räumen des gemieteten alten liechtensteinischen Stadtpalais einen sogar für das verwöhnte Wien erstaunlichen Luxus 28 ; der türkische Gesandte wieder veranstaltete im Esterhäzypalais in der Vorstadt Mariahilf prächtige Feste29; das Haus des badischen Generalleutnants Graf Tettenborn galt als „Mittelpunkt der besten und erwünschtesten Gesellschaft"30. Die Ordnungs- und Kontrollfunktionen standesgemäßen Verhaltens übten in der Crème ausschließlich Damen aus31. Eleonore 25 Fürstin Eleonore öffnete ihr H a u s gerne „Zelebritäten, Damen und H e r r e n von Ruf, besonders Reiseschriftstellern und Schriftstellerinnen, die ihr von Hochstehenden empfohlen wurden" (Uhi, Leben, 94 f.). Über die Aufnahme der bereits mehrfach zitierten Francis Trollope im H a u s e Metternich („Sie ist eine gutmüthige Frau, sehr einfach und natürlich, eine aufmerksame Zuhörerin und f ü r jeden Beweis von Theiln a h m e d a n k b a r . . . Sie hat die Eroberung meines Mannes und er, wie mir scheint, auch die ihrige gemacht") bei Metternich, Tagebücher, 6, 122. 28

Trollope, Wien, 3, 11; Fürst, Ansichten, 386. Dies erzählen Trollope, Wien, 2, 65; Briefe eines Diplomaten, 2, 100, über den Comte de St. Aulaire, 1832—1841 französischer Gesandter in Wien. 28 D e r Oberstkämmerer und Staatsrat Dimitri Tatitscheff v e r t r a t R u ß land 1827—1842 am Wiener H o f ; zu seinen Vorrechten gehörte es, den K a r n e v a l mit dem beliebten „Tagball" abzuschließen, der von Mittag des Faschingsdienstages bis Mitternacht währte. Vgl. Andlaw, Tagebuch, 1, 55 ff., 157 f.; Gentz, Briefe, 6 ff. 29 Trollope, Wien, 2, 65; Briefe eines Diplomaten, 2, 100. 30 Varnhagen, Denkwürdigkeiten, 348; A n d l a w , Tagebuch, 1, 129, 138; Karl Graf Tettenborn (1778—1845) w a r 1819—1845 Gesandter Badens in Wien. Vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon, 44, 39 ff. 31 D i e „Phalanx hochadeliger Damen, die den Löwenbund und die Ordensabstufungen der vielbesprochenen Crème und Crème de la Crème 27

Etikette und A u f b a u der „ S o z i e t ä t "

137

Fürstin Schwarzenberg wird als eine der tonangebenden Frauen beschrieben, welche eine maßgebliche Rolle bei der Aufstellung der Rangordnung sowie der Abhaltung von Festlichkeiten spielte und in sämtlichen Fragen der herrschenden „ M o d e " im Sinn bindender Verhaltensvorschriften als Autorität galt 3 2 . D e r U m f a n g von Anerkennung und Sympathie, den diese stillschweigend akzeptierten Zentralfiguren den Mitgliedern des Adels entgegenbrachten, bildete das konstitutive Element f ü r deren Status- und Machtchancen. Diese f ü r den einzelnen existenzbegründenden Züge waren nicht allein f ü r die österreichische, sondern auch für die meisten anderen „guten Gesellschaften" Europas dieser Zeit charakteristisch 33 . D i e erste Gesellschaft zerfiel ihrerseits wieder in zahlreiche „Coterien", welche jeweils eine relativ selbständige Stellung zueinander einnahmen, Mitglieder anderer Kreise jedoch keineswegs ausschlössen. Anzeichen für Zugehörigkeit und gegenseitige Anerkennung waren die Nennung beim T a u f n a m e n oder einem Spitznamen 3 4 , die ähnlich dem „ D u " zwischen Offizieren in der Armee durch betonte Vertraulichkeit mögliche Gegensätze abschwächten und v o r allem nach außen das Bild von Einheit und Geschlossenheit vermittelten. Neben verwandtschaftlichen Bindungen oder persönlichen Neigungen spielte die nationale Zugehörigkeit für die Herausbildung solcher Cliquen eine große Rolle. Die polnische zeichnete sich durch ihr ungemein enges Zusammeneingeführt haben" und sich gegen alle „ E i n d r i n g l i n g e " zur Wehr setzten, w u r d e wiederholt kritisiert. Vgl. Grenzboten, 4/2/4 (1845), 4 3 1 ; V a r n hagen, Denkwürdigkeiten, 6, 337 f. 3 2 „Bis 1873 schrieb sie allein die M o d e vor, gab den T o n an, wer zu den H o f z i r k e l n zugelassen und wer v o n ihnen ausgeschlossen werden sollte, stellte die R a n g l i s t e auf, ordnete an, welche Festlichkeiten gegeben und welche nicht gegeben wurden . . ." (Vasiii, Gesellschaft, 490). 3 3 „ . . . ob man seinen Weg in der Welt machte, hing d a v o n ab, wie viel oder wenig Anerkennung man der Prinzessin Lori abzuringen vermochte . . .", berichtete Vasiii, Gesellschaft, 490, über Eleonore Fürstin Schwarzenberg. Hohenlohe-Ingelfingen, Leben, 321, hob den Einfluß von L u d o v i c a Fürstin Schönburg (geb. Schwarzenberg, 1 8 0 3 — 1 8 8 4 ) herv o r : „Wer Zutritt zu dieser Fürstin Schönburg hatte, w a r in der Wiener Welt schon deshalb ein angesehener M a n n . . — Vergleichsbeispiele v o m Lebensstil in den Oberschichten v o n L o n d o n , Paris, Berlin bringt Elias, Höfische Gesellschaft, 144 ff. 3 4 Hohenlohe-Ingelfingen, Leben, 3 2 1 ; St. Aulaire, Souvenirs, 180.

Lebensstil

138 gehörigkeitsgefühl

aus;

als ihr

beliebtester

Treffpunkt

galt

zu

Lebzeiten des Fürsten das P a l a i s R a s u m o f s k y 3 5 . Die permanente O p p o s i t i o n zwischen der ungarischen und österreichisch-böhmischen A r i s t o k r a t i e zeigte sich in der R i v a l i t ä t ihrer Exponentinnen,

der Gräfin

Szâpàry

und

hervorragendsten

der Fürstin

Eleonore

Schwarzenberg, besonders bei den im M a i und Juni eines jeden J a h r e s stattfindenden Reitwettbewerben 3 6 . Dieses ständige Ringen um Positionen innerhalb der Elite weist d a r a u f hin, d a ß der R a n g eines Großteils ihrer Angehörigen hier keineswegs fixiert w a r . Lediglich die Mitglieder regierender H ä u s e r besaßen eine einigermaßen feste Stellung, die m a n allgemein, z. B . bei der Reservierung ausschließlich für sie bestimmter Plätze bei gesellschaftlichen

Veranstaltungen,

anerkannte37.

Der

ständigen

G e f a h r eines Prestigeverlustes und daraus resultierenden Absinkens ausgesetzt, bildete das Streben nach Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Geltung

das H a u p t z i e l

eines jeden

Grandseigneurs.

Dies konnte nicht nur durch erhöhten A u f w a n d , sondern auch durch Kultivierung

und

Perfektionierung

der

allgemein

anerkannten

L e b e n s a r t geschehen. So v e r k ö r p e r t e F r e i h e r r K a r l Hügel das Ideal eines englischen Gentleman, der nicht nur als Botanikfachmann in 3 5 Andlaw, Tagebuch 1, 164; zahlreiche Angaben bei Rasumofskys Schwägerin (Thürheim, Leben). 3 6 „La Bohême et la Hongrie ne pouvaient choisir de plus dignes rivales. Toutes deux jeunes, parées des grâces les plus diverses, mais également séduisantes . . . La société bohème et la société hongroise, en opposition instinctive et systématique à Vienne, ont naturellement placé sur ces deux jeunes femmes des affections de préférence. L a vanité nationale s'attache à leurs succès qui deviennent une question de coterie, presque une affaire de parti" (St. Aulaire, Souvenirs, 176 ff.). Über die Eifersucht unter einzelnen Zirkeln vgl. auch Oesterreichische Zustände, 1, 128; Schiffer, Österreich, 80. 3 7 St. Aulaire, Souvenirs, 40, widmet der Schilderung dieses Sachverhalts breiten Raum: In den meisten Salons der Hocharistokratie gab es ein Kanapee, das ausschließlich Prinzessinnen vorbehalten war. Erschienen diese bei einer Veranstaltung nicht, so blieb die Sitzgelegenheit leer. Die Plätze der „einfachen Sterblichen" — bloß Sessel — befanden sich in deutlicher Distanz davon: „Souvent j'ai vue madame de Metternich assise seule au milieu du sien pendant une grande partie de la soirée; les simples mortelles étaient placées sur des fauteuils à une trop grande distance pour qu'elle pût leur adresser la parole." — Als eine Fremde einmal aus Unkenntnis gegen die herrschenden Gepflogenheiten verstieß und auf dem „Prinzessinnenkanapee" Platz nahm, wurde sie zum Gesprächsthema des Abends.

Besuchszeremoniell

139

seinen gepflegten Treibhäusern in Hietzing Außergewöhnliches zu bieten wußte, sondern sich auch auf seinen häufigen Auslandsreisen durch die Weitergabe von Bestellungen f ü r Stoffe, Porzellan und Pflanzen allgemeine Wertschätzung schuf 38 . Besonders seit 1848 traten aber Tendenzen zu einer höheren Bewertung von Kenntnissen und Erfolgen in sämtlichen Bereichen des Wirtschaftslebens auf. Die Maßstäbe f ü r die Einschätzung einer Persönlichkeit verschoben sich: nicht mehr die Bewährung in den vielgestaltigen Formen der Geselligkeit allein zählte, sondern auch ihre Leistung in bisher rein „bürgerlichen" Prestigebereichen. Durch die Übernahme von schichtfremden Idealen war somit eine Umkehr des gegenseitigen Befruchtungsprozesses eingetreten: waren dodi sonst die adeligen Lebensformen f ü r andere Bevölkerungsgruppen vorbildlich gewesen. Jene Aristokraten, welche um eine solche Synthese von Tradition und Zeitgeist bemüht waren, begannen immer mehr Zeit den Angelegenheiten der Güterverwaltung sowie der Lektüre dafür grundlegender Fachpublikationen zu widmen 3 9 . Dazu wurden vorwiegend die Vormittage verwendet, an denen die Söhne und Töchter gewöhnlich mit Studien beschäftigt waren und die Dame des Hauses nach dem „Lever" (aufgestanden wurde je nach Dauer der Gesellschaft des Vortages zwischen 8 und 10 Uhr) sich den notwendigen Fragen des Haushaltes widmete. Morgenbesuche — ausgenommen solche rein freundschaftlicher N a t u r — waren höchst selten. Die Zeit ab zwölf Uhr w a r Ausfahrten in den Prater oder Augarten, Spaziergängen im H o f g a r t e n bzw. am Glacis oder Besuchen gewidmet. Fürstin Eleonore Schwarzenberg hatte zu diesem Zweck ein „Journal des visites" angelegt, in dem die N a m e n aller Personen verzeichnet waren, bei welchen im Laufe der Zeit 38 Hügel, „der Pfeiler, um den sich die junge elegante Männerwelt drehte", war daher bei den meisten Gesellschaften ein gern gesehener Gast. Vgl. Wiest, Schriften, 31 ff.; Andlaw, Tagebuch, 1, 166. 39 Außerdem widmete man sich der obligatorischen Zeitungslektüre. Im Sinne der legitimistischen Haltung des Adels dominierten dabei regierungsfreundliche Blätter. Johann Fürst Liechtenstein las täglich den „österreichischen Beobachter" sowie die „Wiener Zeitung" und hatte auch die „Augsburger Allgemeine Zeitung" abonniert (HALV, H K R , Unterschiedliche Ausgaben; Criste, Johannes Liechtenstein, 180). — Fürst Alois II. bezog auch französische und englische Journale sowie mehrere österreichische Unterhaltungsblätter (Theaterzeitung, Humorist).

140

Lebensstil

Anstandsbesuche absolviert werden mußten. D a das Datum des letzten Kontaktes jeweils vermerkt wurde, war ein Versäumnis weitgehend ausgeschlossen40. Die gewissenhafte Erfüllung dieser Vorschriften, welche die herrschenden Sitten an den Einzelnen stellten, ist wieder charakteristisch für die Bedeutung eines standesgemäßen Benehmens dieser Menschen zueinander. Eine Verletzung dieser Forderungen war gleichbedeutend mit einer Geringschätzung des anderen, einer Verweigerung seiner Anerkennung als Mitglied der gleichen Gesellschaft, was sowohl zu dessen Deklassierung wie auch zu eigenen Prestigeeinbußen führen konnte, da man sich ja über die geltenden Normen hinwegsetzte. Nur wenigen Angehörigen der Creme, und auch hier nur den tonangebenden, waren solche Freiheiten gestattet 41 . Das subtile Gefühl der Aristokraten für Rangunterschiede zeigte sich auch in der Ankündigung der Besuche: bei der Ankunft des Angehörigen eines regierenden Hauses läutete man dreimal, bei Grafen oder Freiherren zweimal, bei anderen Adeligen einmal 42 . Mit der Organisation scheinbar nebensächlicher Dinge waren offensichtlich Handlungsabläufe verbunden, die als Indikatoren von Rang- und Einflußverhältnissen wirkten. — Die Stunden vor der Mahlzeit konnten auch Lieblingsbeschäftigungen gewidmet werden. Eine Modeerscheinung bildete das Dilettieren in der bildenden Kunst: bekannt sind das Zeichentalent von Pauline 43 und Bischof Ernst Schwarzenberg 44 ; auch Fürstin Eleonore nahm mehrere Malstunden 45 . Das Diner bildete eine wesentliche gesellschaftliche Phase im S t A C K , F. P. h./13. „Sie n a h m sich die Freiheit nur d a s zu tun, w a s ihr paßte, aber sie w a r eine so liebreizend schöne F r a u , d a ß es ihr niemand ü b e l n a h m " , erzählte B ü l o w , Zeiten, 34 über Eleonore Fürstin Schwarzenberg. — Ähnliche Charakteristik der Fürstin L o u i s e Schönburg („. . . eine originelle Frau . . . die sich aber an keine Rücksicht b a n d " ) gab HohenloheIngelfingen, Leben, 321. 4 2 S e u f z e r aus Österreich, 106. 43 16 Zeichnungen und Radierungen der Fürstin wurden in einer eigenen M a p p e gesammelt (Wurzbach, Biographisches L e x i k o n , 33, 120). 4 4 Über die Landschaftsskizzen v o n seiner Besitzung Aigen vgl. Pillwein, Biographisches L e x i k o n , 2, 4 5 ; S p a u r , S p a z i e r g ä n g e , 1, 56, 7 2 ; Schwarzenberg, Geschichte 186. 4 5 Sie übte in den f ü n f z i g e r J a h r e n unter Anleitung des Malers A d a m Brenner. Vgl. S t A C K , F. P. b./Eleonore Schwarzenberg; über Brenner Ö B L , 1, 112. 40

41

Diners

141

T a g e s a b l a u f eines Adeligen. U n t e r dem Einfluß englischer Lebensart w a r der Zeitpunkt der H a u p t m a h l z e i t — bisher 2 U h r — i m m e r weiter hinausgeschoben w o r d e n 4 6 . D i e Einladungen ergingen, z u m Teil a u f Vordrucken, in der Regel einige T a g e vorher schriftlich; die Z a h l der Gäste lag gewöhnlich um z w a n z i g . Die Speisenfolge w a r a u f Tischkarten mit T i e r - und Pflanzenmotiven festgehalten, an

Festtagen

wurden

handgemalte

Menükarten

verwendet,

die

gewissen künstlerischen W e r t aufwiesen 4 7 . Schon diese „Äußerlichkeiten" zeigen, wie sehr der eigentliche R a h m e n einer Mahlzeit dem jeweiligen Perfektion

R a n g eines Hauses auch im kleinen,

entsprechen in Details,

mußte.

war

Eine

geboten,

gewisse um

den

E r w a r t u n g e n kritisch urteilender Besucher gerecht zu werden. D i e gebotenen Speisen zeichneten sich durch reiche Abwechslung aus. Vorspeise, Suppe, drei bis fünf G ä n g e und Nachspeise w a r e n die üblichen Bestandteile eines D i n e r s 4 8 ; bei Mahlzeiten im engsten Familienkreis,

welche

keinen

Repräsentationswert

besaßen,

be-

schränkte m a n sich auf ein bis zwei Gänge. D i e Freitage w u r d e n gewöhnlich als fleischfreie F a s t t a g e gehalten 4 9 . E s wurde dabei z u 4 6 „Eine eigene Metamorphose ging in Wien mit der Essensstunde vor; nachdem Einladungen früher um 2 oder 3 Uhr erfolgten, und man schon glaubte, seinem Magen ein Opfer zu bringen, wurde diese Stunde in jedem Jahre weiter hinausgerückt; man ist schon von 5 auf halb 6 und 6 Uhr angelangt, und geht es so fort, wird man, mit Talleyrand zu sprechen, am Ende nächsten Morgen zu Mittag essen." Soweit Andlaw, Erinnerungsblätter, 96; vgl. auch Pichler, Denkwürdigkeiten, 2, 267; Hailbronner, Reisemappe 2, 421 f.; Turnbull, Reise, 139 f.; Trollope, Wien, 3, 28 ff. — Diese Tendenzen traten bereits Ende des 18. J a h r hunderts auf. Nach Pezzl, Skizze, 1, 141 speisten „die Leute von Stande um 2 U h r ; und einige vom höchsten Adel noch später". 47 S t A C K , F. P. h./13. 48 Vgl. z. B. Speisezettel der Familie Liechtenstein von Sonntag, 25. April 1837 (HALW, H 1803): Vorspeisen: Sardellenfilet, Schinken, Butter, Radieschen Suppe: Schöberlsuppe Hauptspeisen: Backhuhn Rindfleisch in Sauce mit Kohlrabi und Kartoffeln Gebratenes Rebhuhn Gebratener Poulard Nachspeise: Mehlspeise 4 9 Man reichte in der Regel Fisch, meist Karpfen, Hecht oder Forelle; auch Eierspeise oder ausgiebigere Mehlspeisen wurden bevorzugt (vgl. H A L W , H 1803, Speisezettel aus der Zeit von Jänner bis April 1827 sowie vom Juni 1837).

142

Lebensstil

jedem Gang die passende Weinsorte, doch nur in geringen Mengen kredenzt; gelegentlich folgte f ü r jeden der Gäste ein Glas Champagner; Bier hingegen wurde selten angeboten 50 . An den überaus prunkvoll dekorierten Tischen wurden die Speisen von der Bedienung vorgelegt, wodurch keine Schüsseln, Tassen etc. auf den Tisch kamen und die Wirkung des Tischschmuckes beeinträchtigten. D a jeweils zwei Bediente an den entgegengesetzten Enden der Tafel zu servieren begannen, mußte man über den doppelten Satz des gesamten aufeinander abgestimmten Geschirrs verfügen. Zur Erhöhung der glänzenden Wirkung eines Banketts verwendete man zahlreiche Aufsätze, Vasen, Figuren sowie wertvolles Goldund Silbergeschirr aus dem alten Familienbesitz. (1858 schätzte man die Gegenstände in der fürstlich liechtensteinischen Silberkammer auf 75.000 fl. CM 51 .) Die Dauer der Mahlzeiten war verhältnismäßig kurz, maximal eineinhalb Stunden. Nach dem Aufheben der T a f e l wurden in einem der angrenzenden Salons Kaifee und Liköre gereicht. Die Geladenen empfahlen sich dann gewöhnlich nach längstens einer halben Stunde; nie blieb man länger als bis 19 Uhr beisammen 52 . Bei der Familie Schwarzenberg war es gelegentlich üblich, den Diners durch musikalische Untermalung — Darbietungen der Kammermusiker des Hauses bzw. von Mitgliedern einzelner Regimentskapellen — eine besondere N o t e zu verleihen 53 . Bei der Gestaltung von Abendgesellschaften durch Adelige wurde des öfteren auf die Gleichartigkeit der Unterhaltungen mit jenen des Bürgerstandes hingewiesen 54 — „Man bevorzugte im kleinen Kreis oft Pfänderspiele, Tanzspiele und Possen aller Art. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch die zu Beginn des Jahrhunderts von polnischen und russischen Damen in die Gesellschaft eingeführten 50

„ . . . das gewöhnliche Getränk sowohl der Frauen als auch der M ä n n e r ist Wasser, und dies nehmen sie . . . in reichlichem Maße zu sich . . . Verheiratete Frauen wagen sich z u w e i l e n an ein Glas C h a m pagner, aber eine Dame kann Wein keiner A r t berühren, ohne dadurch die Feinheit ihrer hohen Erziehung wesentlich zu beflecken." — Fürst Esterhazy b o t nach seiner Rückkehr aus England wiederholt Bier mit Käse an. V g l . Trollope, Wien, 3, 31 ff. 51 H A L W , H 1201, „Summarium uiber den Nachlaß weiland Sr. Durchlaucht des Fürsten Alois v . u. z. Liechtenstein". 52 Vgl. d a z u die Schilderung eines Diners bei Sealsfield, Österreich, 164 f f . ; Seufzer aus Österreich, 107 ff. 53 S t A C K , H K R , Musik- und Komödienauslagen. 54 Zum Beispiel N o r m a n n , Wien, 1, 21.

Abendgesellschaften

143

,lebenden Bilder', welche als Darstellung von Schauspielszenen, Gemälden oder historischen Ereignissen reichste Prachtentfaltung zuließen", berichtete die Fürstin Metternich 55 . Stets en vogue waren Laientheateraufführungen, wie sie im Majoratspalast Herrengasse bereits unter Johann Fürst Liechtenstein großen Anklang gefunden hatten 5 6 . Sein Sohn Alois I I . ließ den Theatersaal des Palais Rasumofsky restaurieren und hier von Mitgliedern der Creme vorwiegend französische Stücke oder Pantomimen spielen. Über den bloßen Unterhaltungszweck hinaus wurden diese Veranstaltungen besonders für die Damen vorübergehend zum Lebensinhalt: „Dies verdreht allen jungen Frauen den Kopf und sie denken an nichts anderes mehr . . .", bemerkte die Fürstin Metternich 57 . I n dem ständig mit feiner Klinge geführten Konkurrenzkampf des Adels boten diese Gesellschaften jedem einzelnen Möglichkeiten zur Bewährung, zur Überwindung des anderen durch persönliche Qualitäten und Fähigkeiten, das Hervorkehren neuer Geschmacksnuancen, gesteigerten materiellen Aufwand 5 8 . Häufig waren auch Soireen mit musikalischen Darbietungen und Rezitationen, welche sich im Gegensatz zu den Glanzaufführungen Haydns und Beethovens am Beginn des Jahrhunderts freilich bescheidener ausnahmen 59 , wenngleich man weiterhin durch die Einladung namhafter Künstler persönlichen Wünschen folgte oder gesellschaftlichen Ehrgeiz zeigte. Im Haus des Grafen Ficquelmont 6 0 wie der Herzogin von Sagan 6 1 bewegten sich alle Berühmt5 5 Metternich, Tagebücher, 6, 293 ff. über die Festlichkeiten beim Besuch des russischen Thronfolgers. Die Betonung des Spielerischen tritt auch bei Thürheim, Leben, z. B. 2, 316 f. in den Vordergrund. 5 8 Ebd., 1, 242 f. über eine Aufführung am 4. April 1808. 5 7 Metternich, Tagebücher, 6, 374. Im Haus Liechtenstein spielte man am 30. März 1840 das französische Drama „Saltimbanques", wobei sich besonders Berta Lobkowitz, Eleonore Auersperg und Baron Hügel auszeichneten. Bei der anschließenden Pantomime erwiesen sich Graf Szâpâry als ein „trefflicher Harlekin", Fürst Auersperg als „vollendeter Leander" und Josef Fürstenberg als Pierrot „ganz wunderbar". 5 8 Berichte bei Prokesdi, Tagebücher, 2 1 0 f.; Andlaw, Tagebuch, 1, 288. 5 9 Zum Beispiel Metternich, Tagebücher, 6, 304. — Vgl. auch S. 198 ff. 6 0 Über Karl Graf Ficquelmont ( 1 7 7 7 — 1 8 5 7 ) , Staats- und Konferenzminister, vgl. Vitzthum, Berlin und Wien, 60. 6 1 Prokesdi, Tagebücher, 33; über ihre Wohnung, die beinahe einem Museum glich, bei Andlaw, Tagebuch, 1, 283 f.

144

Lebensstil

heiten der Musikwelt; in den Salons des Fürsten Josef II. Schwarzenberg traten der Klaviervirtuose Thalberg, die Sängerin G r ü n baum, der stets geschätzte Anschütz vom Hofburgtheater a u f 6 2 , bei dem französischen Botschafter St. Aulaire rezitierte der Dichter Zedlitz Werke von Goethe, Grillparzer und Calderon 6 3 ; im P a l a s t des G r a f e n Louis Szechenyi zeigte man an den Werken zeitgenössischer österreichischer Schriftsteller besonderes Interesse 6 4 . T r o t z d e m hat man dem Adel wiederholt eine gewisse Sterilität und Oberflächlichkeit in seinen Unterhaltungsformen vorgeworfen 6 5 . Auch innerhalb der Aristokratie w a r man sich der L a n g e weile durchaus bewußt, doch wagte es k a u m jemand, sich dagegen auszusprechen, da gerade auf Gesellschaften und im U m g a n g mit den anderen Personen die Geltung des Einzelnen bestimmt wurde. D e r H a u p t g r u n d für diese Kritik dürfte wohl darin zu suchen sein, daß Künstler nur als Repräsentationsmedien des Gastgebers fungierten, sie aber kaum in den unmittelbaren Verkehrskreis des Adeligen integriert wurden und es daher selten zu einer echten Diskussion mit Männern der Wissenschaft oder Vertretern neuer Geistesströmungen kam 6 6 . Hier fehlte es oft an gegenseitiger Bereitwilligkeit zur Schaffung eines geeigneten Diskussionsforums: Totalitätsanspruch legitimistischer D e n k a r t und überspitzter E x klusivität wie auch mitunter gehässige und polemische Angriffe des radikalen Bürgertums erwiesen sich als unüberbrückbare Gegensätze. So w u r d e die „zweite Gesellschaft" z u m eigentlichen T r ä g e r Prokesdi, Tagebücher, 25, über eine Soiree i m A p r i l 1830. T r o l l o p e , Wien, 3, 67. 84 B a u e r n f e l d , Wien, 211 ff. zeigte sich über die freundliche A u f n a h m e seines von der Zensur verbotenen „ F o r t u n a t " (1835) sehr erstaunt, f ü h r t e jedoch die Einladung seiner Gastgeber auf „reine N e u g i e r " zurück und bezeichnete sie als Leute, „die v o n der Poesie keine Idee h a b e n " . 6 5 D a r ü b e r bemerkte Trollope, Wien, 3, 65: „Während in Wien der S a l o n der Fürstin S. oder G r ä f i n Z . im J a h r e 1837 genau das ist, w a s er im J a h r e 1836 war . . . " Diese „stereotype Wiederholungsmanier" bemängelte auch Schiffer, Österreich, 6 3 ; vgl. auch Aristokratie, 13 f. A n f a n g d e r fünfziger J a h r e tadelte Hohenlohe-Ingelfingen, Leben, 1, 3 2 3 : „Wenn jede große Gesellschaft mehr in die Breite geht als in die T i e f e , so leisten sich doch diese in Wien an Oberflächlichkeit mehr, als eigentlich unter gebildeten Menschen erlaubt sein sollte." 6 6 S o klagten die Grenzboten, 4/2/4 (1845), 428, über die sofortige A b s o n d e r u n g der Künstler nach ihren Darbietungen und über ihren A u s schluß von der Tischgesellschaft. Vgl. ähnlich auch Koch, Wien, 362. 62

63

Abendgesellschaften

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des geistigen Lebens in Wien, dessen kulturelle Ausstrahlung über die gesamte Monarchie nur im böhmischen Geistesleben eine adäquate Richtung fand. Echte Bildungslektüre wurde nur vereinzelt in kleinen Zirkeln gepflogen, z. B. im Bekanntenkreis der Fürstin Maria Anna Schwarzenberg. Adalbert Stifter kam Mitte der vierziger Jahre auf Vermittlung von Josefine Baronin Mink in das H a u s der Fürstin 67 . In seinem „Nachsommer" hat er der bewunderten und klugen Frau ein Denkmal gesetzt 68 : „Aber geistige Erholung oder Anstrengung — wie man den Ausdruck nehmen will — w a r ihr ein Bedürfnis geblieben. Sie wollte nicht bloß das wissen, was jetzt noch auf geistigen Gebieten hervorgebracht wurde . . . sondern sie nahm auch oft ein Buch von solchen Personen in die H a n d , die in ihre Jugendzeit gefallen, und dort bedeutsam gewesen waren . . . ja sie nahm Werke der ältesten Vergangenheit vor, die jetzt Leute außer sie wären Gelehrte nur in dem Munde führen, nicht lesen . . . Von dem, was in den Verhältnissen der Staaten und Völker vorging, wollte sie beständig unterrichtet sein . . . An manchen Abenden z u der Zeit, da sie in der Stadt war, sammelte die Fürstin einen kleinen Kreis um sich, in welchem entweder etwas vorgelesen wurde, oder in welchem man über wissenschaftliche oder gesellige oder Staatsdinge oder Dinge der Kunst sprach . . Der Kreis um die Feldmarschallin blieb stets ein ausgewählter: ihre nächsten Angehörigen, ihre Nichte Theresia Gräfin Pälffy, die Fürstin Grassalkovics, der allgemein als kunstsinnig anerkannte Moriz Dietrichstein, gelegentlich Repräsentanten der Staatsverwaltung, der Kunst und Gesellschaft 69 . Oft nur mit den engsten Vertrauten ihres verstorbenen Gatten, seinem ehemaligen A d j u t a n ten Graf Paar sowie Graf Prokesch-Osten, las die Fürstin die philosophischen Schriften von Hegel und Lamenais, die politischen Aufsätze von Gentz, auch Lord Byron, Benjamin Constant oder 67

Vgl. Alois Raimund Hein, Adalbert Stifter. Sein Leben und seine Werke, 2 1952, 149, 292; Urban Roedl ( = Bruno Adler), Adalbert Stifter, Geschichte seines Lebens, 2 1958, 192, 204, 214. — Weitere Literatur bei Eduard Eisenmeier, Adalbert Stifter Bibliographie, 1964. 68 Stifter, Nachsommer, 310 ff. 69 „Lauter Menschen und gar keine Leute", schrieb Paoli (vgl. über sie Anm. 72), Aufsätze, im Brief vom 13. November 1844 beeindruckt an Friedrich Fürst Schwarzenberg. 10

Stekl, Aristokratie

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Lebensstil

Tiedk. Man beschäftigte sich sogar mit dem Koran, mit dem sich Prokesch anläßlich einer Orientreise geistig auseinandergesetzt hatte 7 0 . Zeitgeschichtliche Publikationen waren auch noch zu Lebzeiten des Feldmarschalls häufig gelesen worden 7 1 . 1843 engagierte die damals 75jährige Feldmarschallin die Schriftstellerin Betty Paoli als Gesellschafterin, und ihr Gedankenaustausch w a r f ü r beide Frauen bereichernd 72 . Dieser Rückzug der Fürstin auf einen sehr engen Freundeskreis ist einerseits aus ihren relativ beschränkten finanziellen Mitteln, in besonderem Maße jedoch aus ihrem bewußt vom üblichen Schema abweichenden Lebensstil zu verstehen. In den zahlreichen Möglichkeiten der Abendgestaltung bildete auch das Theater einen ständigen Anziehungspunkt, wenngleich die Hemmnisse der Zensur deutlich zu erkennen waren und vor allem das Hofburgtheater mehr durch die Darstellungskraft seiner Schauspieler als durch Qualität der Stücke zu glänzen wußte 7 3 . Die Einbeziehung des Theaters in die Ebene des Gesellschaftslebens der „schönen Welt", wie man die adelige Gesellschaft in Übernahme der französischen Terminologie bezeichnete, erfolgte durch das Mieten einer Loge an den renommiertesten Bühnen, dem Kärntnertor- und Hofburgtheater. Dabei bestand ein Privileg der Aristokratie darin, daß ihr die Plätze im ersten und zweiten Rang vorbehalten waren, wogegen die Mitglieder der „zweiten Gesellschaft" 70 Eine ausführliche Darstellung dieser Abendgesellschaft gibt Prokesch, Tagebücher, 38 ff. 71 Vgl. Karl I. Fürst Schwarzenbergs Urteil über D. D . de Pradts „Du Congrès de Vienne", 1815 (Novâk, Briefe, 433). 72 Elisabeth Glück, Schriftstellerin unter dem Pseudonym Betti Paoli, wurde der Fürstin von ihrem Sohn Friedrich empfohlen, welcher die Dichterin um Ottilie von Goethe kennengelernt hatte. (Ober Paoli vgl. N Ö B , 5, 48 ff.) — Auf den starken Einfluß der Feldmarschallin hat Paoli wiederholt hingewiesen: „Groß war der Gewinn, den ich aus dem beständigen Verkehr mit dieser wahrhaft außerordentlichen Frau zog. Ich gewann namentlich geistigen Überblick und Verständnis der Menschen und Dinge, wie an innerm Halt" (Paoli, Aufsätze, X , X V I ) . — „Es ist wenig Gutes an mir, dessen Ausbildung ich nicht ihr verdanke. Was Erziehung an mir versäumte, hat der Umgang mit diesem ganz großen und reinen Charakter nachgeholt" (NÖB, 5, 52). 73 Über das Wiener Theaterwesen des Vormärz zusammenfassend bei Kindermann, Theatergeschichte, 5, 2 7 0 f f . ; zu den Auswirkungen der Zensur vgl. Julius Marx, Die österreichische Zensur im Vormärz, 1959.

Ballfeste

147

erst im dritten eigene Logensitze abonnieren konnten 7 4 . Das Erscheinen im Theater besaß auch einen nicht zu unterschätzenden Repräsentationswert. Durch die Einladung von Bekannten in die eigene Loge wurden gesellschaftliche K o n t a k t e vertieft, gleichzeitig jedoch eine gewisse Überlegenheit demonstriert und Abhängigkeitsverhältnisse fühlbar. N u r selten blieb man, wie die Tagebuchaufzeichnungen von Gentz z. B. zeigen, für die Dauer des gesamten Stückes im Theater, sondern verließ es frühzeitig zur Teilnahme an einer der zahlreichen Abendgesellschaften, welche in der Regel bis über Mitternacht dauerten. Dem Mieter einer Loge war außerdem die Möglichkeit zu einer den geltenden Vorschriften entsprechenden Ausgestaltung seiner Loge vorbehalten, womit dem Betreffenden wieder die Möglichkeit zu ostentativem A u f treten geboten war 7 5 . Den gleichen Zweck verfolgte auch die Veranstaltung von Ballfesten, wenngleich man die Komponente reiner Unterhaltungsfunktion nicht zu gering einschätzen darf. Bei den Veranstaltungen von Diplomaten spielte auch das Element staatlicher Repräsentation eine große Rolle — so etwa bei Metternich, der — sicher nidit ohne Impulse seiner dritten Gattin — oft bis zu 800 Personen zu seinen Bällen eingeladen hatte 7 6 und dessen Geburtstagsfeiern gesellschaftliche Ereignisse waren, bei denen zahlreiche Künstler, auch des bodenständigen Wiener Volkstheaters, mitwirkten 7 7 . — 74 „Bis zum zweiten Rang gehörte jedes schöne Gesicht der hohen eingeborenen Aristokratie oder der Diplomatie an. Erst im dritten gelingt es den reichen Bankiers, eigene Logen zu gewinnen. Sie sind auch hier unter sich, das Theater ist ihr Salon." Vgl. dazu W. Alexis, Das Burgtheaterpublikum im Vormärz, in: Paul 'Wertheimer (Hrsg.), Alt Wiener Theater, 1920, 121 ff. 75 D i e jährlichen Theaterauslagen der Schwarzenberg lagen gewöhnlich um 2000 fl. CM. — Wie sein Vater Josef hatte auch Johann Adolf II. die Familienlogen im Hofburgtheater (Loge Nr. 13 im ersten Rang um 800 fl.) und Kärntnertortheater (Loge Nr. 7, 1600 fl. pro Jahr) abonniert. 1845 z . B . sind rund 220 fl. CM als Ausgaben für dort notwendige Tapeziererarbeiten nachzuweisen (StACK, H K R , 1845, pag. 32). 78 Franz August von Kurländer, Briefe aus und über Wien (An eine Dame in München), Mittheilungen aus Wien 1833, Heft 1, 68 ff.; Prokesch, Tagebücher, 176. 77 1 8 3 4 stellten Mitglieder des Theaters an der Wien lebende Bilder dar, die Volksschauspieler Nestroy und Scholz gaben ihre Couplets zum besten, ein Feuerwerk beschloß den Abend. Näheres bei Andlaw, Tagebuch, 292.

10*

148

Lebensstil

Wie sein Vater hielt auch Johann Adolf I I . Fürst Schwarzenberg gewöhnlich nur zwei bis drei Bälle pro Saison in einzelnen dafür prunkvoll ausgestatteten Räumen des Garten- oder Stadtpalais ab. Mit maximal 150 Gästen waren diese Unterhaltungen auf einen ausgewählten Teil der Oberschicht beschränkt 78 . Als Galaveranstaltung ging jedoch jenes Ballfest in die Annalen der High-Society Wiens ein, welches der Fürst am 18. Februar 1840 im Gartenpalais auf der Landstraße gab 7 9 . Um Brüskierungen und alle daraus resultierenden Peinlichkeiten zu vermeiden, hatte man neben einem Verzeichnis der Mitglieder des Hofes und diplomatischen Korps gewissermaßen ein „Inventar" der ersten Gesellschaft erstellt. Bei jedem der rund 500 Namen dieser Liste war ausdrücklich vermerkt, ob es sich um einen Tänzer handelte, so daß eine Abstimmung der Unterhaltungsmöglichkeiten für sämtliche Geladene gegeben war. Die Berücksichtigung von Rangunterschieden wieder zeigt die Form der Einladungen. Während die Angehörigen regierender Häuser persönlich eingeladen wurden, verständigte man die anderen Gäste schriftlich. Auch die Sitzordnung war Gegenstand der Etikette und Indikator für die Rangigkeit innerhalb des Adels: die Elite der Aristokratie, etwa 100 Personen, speiste in der zu einem Soupersaal umgestalteten Galerie, die Tische für die anderen Personen waren in den verschiedenen Räumen verteilt 8 0 . Die Relevanz der Sitzordnung war derart groß, daß man sich bei manchen Festlichkeiten zur Verlosung der Plätze genötigt sah, um offene Auseinandersetzungen zu vermeiden 81 .

7 8 Die Kosten lagen zwischen 1 5 0 0 und 3 0 0 0 fl. C M p r o A b e n d , was dem Jahresgehalt von mittleren bzw. leitenden Beamten entsprach. Ober die gesellschaftlichen Veranstaltungen der Primogenitur überhaupt vgl. S t A C K , F . P . h . / 1 3 ; Beschreibung z. B. bei Glossy, Wien, 2, 84 f. 79

Theaterzeitung 3 3 ( 1 8 4 0 ) , 1 9 0 f.; D e r Adler, 1 8 4 0 , 3 6 6 , 3 8 2 f.

Vgl. ähnliche Berichte v o n dem Ball, welchen J o h a n n A d o l f II. F ü r s t Schwarzenberg 1841 g a b : „Die Gesellschaft vertheilte sich in kleine Coterien um eine größere Tafel, an der die höchsten Herrschaften P l a t z genommen h a t t e n . " D a r ü b e r im Zuschauer 1841, 2 6 2 f. — Bei solchen Anlässen mußte m a n über zahlreiches Geschirr verfügen. Ein I n v e n t a r der sdiwarzenbergischen Silberkammer von 1 8 2 9 (StACK, F. P . h . / 7 ) führte 9 2 9 Gläser, 6 1 8 Stück Tafelgeschirr, 6 2 4 G e f ä ß e für Tee, Kaffee, Schokolade aus Gold, Silber und P o r z e l l a n an. 80

8 1 Metternich, Tagebücher, 3, 553 über ein dejeuner d a n s a n t im B u r g g a r t e n . Wiederholt w a r es vorgekommen, d a ß solche Zwistigkeiten

149

Ballfeste

Im Mittelpunkt des Festes stand die Demonstration prunkvoller Raumgestaltung: neue Möbel, Luster und andere Ausstattungsgegenstände gaben einen Einblick in verfeinertes Luxusempfinden; reicher Blumenschmuck und Umbauten im Kuppelsaal wieder schufen die durchaus dem romantischen Naturempfinden der Zeit entsprechende Illusion eines Wintergartens 8 2 . Die Ballvorbereitungen lagen in den Händen des schwarzenbergischen Architekten Beer u n d erstreckten sich infolge der langwierigen Professionistenarbeiten über mehr als vier Wochen. Die Endabrechnung, etwa 18.500 fl. CM, ist nur wenig gegliedert 83 , doch lassen detailierteste Angaben, wie sie Criste von einem Ball im Hause des Fürsten Johann I. Liechtenstein (1808) überliefert hat, die Vielfalt von Vorbereitungsarbeiten erkennen 8 4 . Die Übersiedlung in neu erworbene Paläste, die Renovierung einzelner Räumlichkeiten oder der Bezug von Neubauten bildeten die H a u p t g r ü n d e f ü r die Abhaltung von Galaveranstaltungen. Sie zeigen gleichzeitig, welches Gewicht den Wohneinheiten und Gesellschaftsräumen als Statussymbol zukam. So bat Alois II. Fürst Liechtenstein nach seiner Übersiedlung ins Rasumofskypalais 1837 zu einem Diner mit anschließendem Ball 85 und lud anläßlich der durch einen Wettlauf entschieden wurden. Darüber bei Andlaw, Tagebuch, 1, 156. 82 Vgl. S. 183. 83 StACK, F. P. h./13, Verzeichnis der Unkoesten des am 18. Februar 1840 im Gartenpalais abgehaltenen Balles (in fl./xr CM): Zehrungskoesten Beleiditungskoesten Beheitzungskoesten Musikkoesten Kauf- und Handwerksleute Verschiedene Ausgaben

1 912.20 V2 1 598.45 222.24 182.46 V2 13 346.40 Va 1 254.21 V« 18 517.18

84

Criste, Johannes Liechtenstein, 251 ff., Summarischer Ausweis aller Ballunkosten vom 20. Januarii 1808. 85 Das Palais war „mit einem Luxus ausgestattet, den man nur bewundern konnte; Alles war schön und prächtig und trug einen festlichen Charakter. So gelang es auch, Dank den Bemühungen, die Louis darauf verwendete, dieses Fest zu einem der anziehendsten und großartigsten zu gestalten, welches ich in meinem Leben gesehen.. . Ein besserer Empfang konnte den Gästen nicht geboten werden, als in diesem Hause . . ( M e t t e r n i c h , Tagebücher, 6, 225 f.).

Lebensstil

150 Eröffnung

des vollkommen neu adaptierten Majoratspalastes

in

der Bankgasse an die 4 0 0 Personen zur Eröffnung seines Hauses 8 6 . Auch J o h a n n Adolf I I . Fürst Schwarzenberg gab nach der F e r t i g stellung v o n Restaurierungsarbeiten a m Stadtpalais 1 8 4 1 ein B a l l fest, von dem die Gesellschaftszeitungen ausführlich berichteten 8 7 . D e m allgemeingültigen Lebensstil der Oberschicht folgend, w e l cher nur durch die Franzosenkriege eine Unterbrechung erfahren hatte, w a r Wien Schauplatz dieser Festlichkeiten. Die Stadt h a t t e in den Wintermonaten, e t w a v o n D e z e m b e r bis April, ihre eigentliche „Saison". Im Frühling z o g m a n gerne in das Gartenpalais o d e r eine eigens gemietete V o r s t a d t v i l l a , welche die Bequemlichkeiten des Städterdaseins mit den Vorteilen des Landlebens v e r einen sollte. J o h a n n I. Fürst Liechtenstein verbrachte diese Z e i t a m liebsten in seiner Schüttelbadvilla 8 8 , deren T o r das M o t t o „ A g r e stia miscet gaudia urbanis" im „Krapfenwaldl"

t r u g ; gelegentlich hielt er sich auch

bei Grinzing 8 9 , auf dem K a h l e n b e r g 9 0

in der H ü t t e l d o r f e r Villa 9 1 auf. D i e Schwarzenberg

oder

bevorzugten

88 Die „sich auf kleinste Details erstreckende Harmonie der Formen" sowie die Perfektion der Ausführung erregte allgemein helle Begeisterung. Vgl. Andlaw, Erinnerungsblätter, 69 f.; Andlaw, Tagebuch, 2, 1 0 4 ; Bülow, Zeiten, 19, 24. 8 7 Zuschauer 1841, 262 f.; Glossy, Wien, 1, 272. 8 8 Vgl. S. 170. 8 9 Alois I I . Fürst Liechtenstein veräußerte 1839 die Besitzung um 14.000 fl. an Karl Freiherrn von Reichenbadi. 90 Fürst Johann I. hatte die reizvolle Herrschaft Josefsdorf 1819 von Josepha von Traunwieser ankaufen lassen. (Über die langwierigen Verhandlungen vgl. H A L W , H 1206; der Vertrag vom 20. Dezember 1819 legte den Preis von 90.000 fi. W , 2000 fl. CM sowie die Überlassung einer Gratiswohnung in Wien fest.) Seit 1827 verlor der Besitz jedoch seine Funktion als Herrsdiaftssitz, eine angestrebte Vermietung der Gebäude kam nicht zustande (vgl. Inserat in der Wiener Zeitung vom 18. Jänner 1827). 1849 ging das Gut an den Schlossermeister Johann Finsterle über. Vgl. dazu S. 27, 177. 9 1 Hütteldorf galt als allgemein beliebte Sommerfrische. Hier besaßen die Familien Paar und Esterhazy, der Dichter Castelli, die Schauspielerin Julie Rettich ihre Villen (Groner, Wien, 248; Seidl, Wiens Umgebungen, 180). 1833 ließ Johann I. Fürst Liechtenstein ein Landhaus samt Park ankaufen und nach Entwürfen von Gartenkontrollor Kramer umgestalten. Der Besitz wurde aber nur selten von Mitgliedern der fürstlichen Familie bewohnt und diente vorwiegend als Mietobjekt ( H A V L , H K R 1835 ff., Einnahmen/Hauszinsen).

Aufenthalt auf den Herrschaften

151

den Palast auf der Landstraße 9 2 , wogegen das Gut Neuwaldegg ab den letzten Lebensjahren von Fürst Josef I I . 9 3 als Sommersitz an Bedeutung verlor. A b Mitte Mai übersiedelte man auf die Herrschaften, wobei regionale Verteilung des Besitztums, dienstliche Verpflichtungen und individuelle Züge der Personen eine einheitliche Charakteristik adeliger Verhaltensweisen ausschließen. A u f jeden Fall lebte man hier zeitweise als Privatmensch, der sich aus dem ermüdenden obligatorischen Auftreten in der „Öffentlichkeit" seiner Gesellschaftsschicht zurückzog und persönlichen Neigungen widmete. Es dominierten dabei Lebensformen, wie sie etwa Heinz Gollwitzer in seiner Physiognomie der Standesherren unter dem Typus „patriarchalisches Stilleben" beschrieben hat 9 4 . Felix Fürst Schwarzenberg wurde eine besondere Vorliebe für den Angelsport nachgesagt 95 , sein Bruder Friedrich war — nicht zuletzt unter dem Einfluß des Salzburger Professors Thurwieser — zum begeisterten Wanderer und Bergsteiger geworden 9 6 . Johann I. Fürst Liechtenstein unternahm, wie sein Biograph berichtet 8 7 , auf seinem Lieblingssitz Liechtenstein bei Mödling gern längere Ausfahrten oder Ausritte in die Umgebung, abends wieder saß er diskutierend im engsten Familienkreis. Bei Besuchen von intimen Bekannten wurden gewöhnlich zweimal in der Woche Diners gegeben. 1820 hatte er als neues Wohngebäude einen kleinen Herrensitz errichten lassen, der funktionell wie ein

9 2 Ab 1697 erbaut von Lukas von Hildebrandt für Heinrich Franz Fürst von Mansfeld-Fondi, 1716 erworben von Adam Franz Fürst Schwarzenberg und von Johann Bernhard Fischer von Erlach und dessen Sohn fertiggestellt. Ober die Baugeschichte vgl. Berger, Schwarzenbergisdies Gartenpalais; Ilg, Palais Schwarzenberg; Schwarzenberg, Baugeschichte; Frey, Schwarzenbergpalais. 9 8 Fürst Josef II. hatte 1801 die Herrschaft von Moriz Graf L a c y unter der Bedingung geerbt, daß er für die Erhaltung des Besitzes und die Gnadengehälter der Dienerschaft des Feldmarschalls aufkomme. Dazu bei Schwarzenberg, Geschichte, 2 0 7 ; StACK, B, Fasz. 1430—1433. Vgl. audi S. 173 f. 9 4 Gollwitzer, Standesherren, 288 ff. 9 5 Heller, Felix Schwarzenberg, 194. 9 6 Wolfsgruber, Kardinal Schwarzenberg, 1, 40 ff.; Blau Weisse Blätter, 3/3 (1955), 2 ff. 9 7 Criste, Johannes Liechtenstein, 175. — Literatur zur Geschichte der Herrschaft Liechtenstein bei Bohatta, Bibliographie, 3, 115 ff., vgl. audi S. 1 7 4 f.

152

Lebensstil

Stadtpalast gegliedert war und in seiner zweiten Etage zahlreiche Gästezimmer aufwies. Höflichkeitsvisiten empfing der Fürst nicht hier, sondern in einem großen Meierhof in der Brühl, wo jeden Donnerstag und Samstag große Gouters stattfanden. Auch sein Nachfolger Alois II. schätzte diese Besitzung. 1837 ließ er bei dem zentral gelegenen Gasthof „Zu den zwei Raben" einen Tanzsaal erbauen, der bald zum Zentrum der Wiener Modewelt wurde. Die Beliebtheitsskala der Besitzungen des Fürsten läßt sich aus einer Instruktion an den Haushofmeister von 1837 ablesen 98 : „Großkomplete" Schlösser hatten f ü r eine längere Anwesenheit der Familie und des gesamten Hofstaates mit allen Erfordernissen versehen zu sein; zu dieser Kategorie zählten Eisgrub, Feldsberg, Kollodejn, Neuschloß und Adamsthal. „Mittelkomplete" wie Seebenstein und Liechtenstein waren im Hinblick auf eine beschränktere „Sejour" auszustatten; Schönau und Stuppach im Semmeringgebiet sollten stets f ü r Kurzaufenthalte eingerichtet sein. Sommersitz der schwarzenbergischen Primogenitur w a r die südböhmische Herrschaft Krumau; die Sekundogenitur verlebte diese Zeit am liebsten in Worlik. Die Sommeraufenthalte waren von gelegentlichen Inspektionsfahrten auf die Güter sowie immer mehr in Mode kommenden Kuren unterbrochen, wobei die böhmischen Bäder Karlsbad, Theresienbad und Marienbad den besten Ruf genossen 89 . Ärztliche Behandlung und körperliche Rekreation waren dabei verquickt mit der Verpflichtung zu einer aufwendigen Repräsentationstätigkeit 100 , welche aber durch neue Bekanntschaften und Verbindungen das f ü r die Geltung eines Adeligen so wichtige N e t z seiner Einfluß- und Kontaktsphäre weiter ausbaute 101 . Der 98

HALW, H 4. Sealsfield, Österreich, 32 ff.; Wiener Gesellschaft, 125; Metternich, Tagebücher, 5, 428; 6, 109; 7, 155. 100 Josef Fürst Schwarzenberg verbrachte bis 1826 regelmäßig mehrere Tage in einem der Badeorte; die „Karlsbader Kurauslagen" betrugen 10.000 bis 27.000 fl. pro Jahr (StACK, H K R 1815—1826). Über die Badeaufenthalte von Fürst Felix vgl. Metternich, Tagebücher, 5, 428; 6, 155. Vgl. auch Johannes Steudel, Therapeutische und soziologische Funktion der Mineralbäder im 19. Jahrhundert, in: Der Arzt und der Kranke in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, hrsg. v. Walter Artelt und Walter Ruegg, 1967, 82 ff. 99

101 Karl Fürst Schwarzenberg fuhr auf Anraten des Feldstabsarztes Dr. Sachs 1817 und 1818 nach Karlsbad, w o er in seinem reizvoll gelegenen Haus (Metternich, Tagebücher, 3, 102) auch den allgemein

Jagden

153

allen gesellschaftlichen Zwängen abgeneigte „Lanzknecht" Friedrich Schwarzenberg hat die dortige Atmosphäre allerdings sehr deutlich abgelehnt 102 . In den dreißiger Jahren gewann Ischl steigende Popularität: Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg hielt sich wie Metternich häufig hier auf 1 0 3 . Daneben war Baden bei Wien ständig ein stark frequentierter Kurort, der als einer der beliebtesten Treffpunkte der „schönen Welt" galt 104 . Ab September begannen auf den adeligen Herrschaften die Jagden, welche sich aus Prestigerücksichten immer mehr zu gesellschaftlichen Großveranstaltungen entwickelten: Johann Fürst Liechtenstein hatte in Feldsberg gelegentlich bis zu 80 Personen zu Gast; in den Abendstunden wurden Musikveranstaltungen abgehalten, welche bis zu ihrer Auflösung die fürstliche Kapelle, später eigens verpflichtete Musiker bestritten. Am deutlichsten läßt sich der Aufwand dieses Stils an den Verbrauchsziffern der Küche ablesen: der Bedarf stieg in den Monaten Oktober bis November gegenüber den Aufenthalten auf Liechtenstein um die Hälfte bis das Doppelte, gegenüber Wien bis auf das Dreifache des Durchschnittes 105 . Ähnlichen Repräsentationscharakter besaßen die Jagden, welche die Schwarzenberg in den ausgezeichnet gehegten Herrschaften Frauenberg und Wittingau gaben 106 . Soweit es seine dienstlichen Verpflichtungen und sein Gesundheitszustand zuließen, veranstaltete auch Karl I. Fürst Schwarzenberg auf Worlik größere Jagden 107 . Wenn auch seine Witwe in verehrten Goethe empfing (Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 4 1 5 ff.). Über das Abwechslungsreiche seiner Gesellschaft aus der Sicht eines jungen Mädchens bei Thürheim, Leben, 2, 221 ff. 1 0 2 „Sie ist wie die K u r : Viel Wasser, Geist = 0." Schwarzenberg, Antediluvianische Fidibusschnitzel, 5, 38. 1 0 3 Der Fürst verbrachte die Jahre zwisdien 1835 und 1 8 3 9 regelmäßig in Bad Ischl, die Auslagen dafür schwankten zwischen 4 5 0 0 und 6300 fl. CM ( S t A C K , H K R 1835—1839, „Ischler Kurauslagen"). Metternich, Tagebücher, 6, 613 ff. 104 Normann, Wien, 1, 20; Thürheim, Leben, 2, 280; Wiener Gesellschaft 125; Metternich, Tagebücher, z. B. 5, 100. 1 0 5 Criste, Johannes Liechtenstein, 176 f.; Briefe eines Diplomaten, 2, 66 f.; H A L W . H 1803. 1 0 6 Über die Rolle der Jagd als Wirtschaftsfaktor vgl. Duschek, Wirtschaftsgeschichte, 89 ff., 1 2 7 ff., 139 ff., 1 9 5 ; vgl. auch Normann, 1, 18 f. 107 Ygj ( J a 2 u die ausführliche Schilderung Emilie von Gerschaus, verehelichte Binzer, aus dem Jahr 1 8 1 9 (Binzer, Drei Sommer, 78 ff.). —

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Lebensstil

freilich wesentlich bescheidenerem Rahmen des engsten Familienund Bekanntenkreises als Gastgeberin a u f t r a t (neben ihren Angehörigen statteten die Familien des Grafen Gyulai und der Fürsten Colloredo, Dietrichstein und Fürstenberg häufig längere Besudle ab), so zeigte sich gerade in ihrem Lebensstil ein von den üblichen Verhaltensformen durchaus und vielleicht auch gewollt abweichendes Bild 108 . H a t t e bereits ihr Gatte aus seiner Abneigung gegen übertriebene gesellschaftliche Verpflichtungen kein Hehl gemacht 108 , so erachtete Fürstin Maria Anna ihre Anwesenheit in Wien während der Saison durchaus nicht als verpflichtend, sondern blieb während dieser Zeit oft auch länger in Prag. Während des Frühlings und Sommers logierte sie am liebsten in Neuwaldegg bei Wien 110 , als auf dieser Besitzung aber nur mehr die notwendigsten Instandhaltungsarbeiten durchgeführt wurden, verlegte sie ihren ständigen Aufenthaltsort nach Worlik. Das Landleben wurde häufig von längeren Reisen durchbrochen, welche die Feldmarschallin in einem f ü r diese Zeit ungeheuer raschen Tempo zu machen pflegte 111 . Die alte Verbindung von Adel und Reitkunst hatte sich immer wieder in einem großen Tierbestand, der Anlage eigener Gestüte

Die vergleichsweise niedrigeren „Jagdauslagen" schwankten von 1815 bis 1819 zwischen 5000 und 9000 fl. W W (StAT, H K R 1815—1819, Summarien). 108 Die besten Quellen f ü r die Lebenshaltung der Fürstin Maria A n n a Schwarzenberg bilden zwei Schriften, welche jeweils nur einen kurzen Zeitraum beleuchten: die Aufzeichnungen des G r a f e n Prokesch-Osten aus den Jahren 1830—1834 (Prokesch, Tagebücher, 13—227) sowie die Briefe der Vorleserin Betty Paoli a b 1843 (Paoli, Aufsätze, X ff.; Wittner, Briefe, 282 ff.). 109 N o v a k , Briefe, z. B. 98 f., 100: „. . . ich k a n n v o r geladenen Soupes und Dines kaum zu O d e m kommen, aber das ist f ü r mich eine fürchterliche Frohnarbeit . . . " (Brief aus Petersburg v o m 22. Juli 1801). 110 Zum Beispiel Gentz, Briefe, 2, 131, über ein Mittagessen bei Karl Fürst Schwarzenberg in Neuwaldegg (4. Juni 1803). 111 1844 unternahm die Fürstin eine Fahrt über Dresden und H a m burg nach Helgoland sowie über H a n n o v e r und Braunschweig wieder zurück nach Böhmen innerhalb von fünf Wochen! — Besonders ab 1842 zeigte die Fürstin eine wachsende Reiselust; die einschlägigen Ausgaben stiegen in diesen Jahren bis auf 1700 fl., also das Vierfache des langjährigen Durchschnittes. Vgl. StAT, Rechnung I h r o Durchlaucht der Frau Feldmarschallin Fürstin C a r l zu Schwarzenberg, 1842—1847.

Reitsport

155

sowie dem Bau von Reitschulen und Marställen manifestiert. Diese Besitztümer waren stets beliebte Demonstrationsobjekte für Besucher, ihre Größe und Ausstattung besaßen dabei erheblichen Prestigewert, und manche Gebäude verdanken ihre Entstehung dem Umstand, daß die vorhandenen Baulichkeiten nicht die Billigung Höhergestellter fanden 1 1 2 . H a t t e schon Johann I. Fürst Liechtenstein als begeisterter Pferdeliebhaber gegolten 113 , so machte vor allem sein Sohn Alois II. mit seiner verstärkten Nachahmung englischen Lebensstils Parforcejagden und Pferderennen in der ersten Gesellschaft zu populärem „sport" 1 1 4 . Unter seiner Regierung stiegen die Stallauslagen von 3 auf 5 Prozent der Gesamtausgaben 115 , für die jährliche Hubertusjagd wurde im Theimwald auf der Herrschaft Feldsberg eine eigene neugotische Kapelle errichtet 116 . Als Präses der Wiener Pferderennen ließ er zahlreiche Tiere aus seinem ungarischen Gestüt in Acs bei Wettbewerben in der Freudenau laufen; daneben unterstützte er mehrere Reitsportvereinigungen 117 . Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg verlegte das Murauer Gestüt nach Frauenberg; hier fungierte ein Engländer als Stallmeister 118 . Auch Karl II. Fürst Schwarzenberg, Zweitältester Sohn des Feldmarschalls, wendete als Gouverneur von

112 Für den Bau des Marstalles auf der Sekundogeniturherrschaft Worlik war angeblich eine abfällige Bemerkung Kaiser Franz' bei seinem Besuch im Jahre 1810 maßgeblich. Vgl. über diese Episode bei Kerchnawe-Veltze, Feldmarschall Schwarzenberg, 13. 1,3 Nach dem Frühstück begab sidi der Fürst gewöhnlich in die Reitschule des Wiener Stadtpalastes, w o er dem Zureiten seiner Pferde (er besaß in Wien allein meist 60 bis 80) beiwohnte. Audi die Parforcejagden auf seinen Herrschaften waren in der Gesellschaft beliebt. Vgl. Criste, Johannes Liechtenstein, 173, 175 ff. 114 „Er ahmte das high life von Altenglands Aristokratie nach und suchte ihre . . . Pferde, Wettrennen, ihre Kutschen und Bedienten bei dem Hochadel Österreichs einzubürgern", bemerkte Kudlich, Rückblicke, 1,45. 115 Von den Stallauslagen im Jahr 1845 (insgesamt knapp 80.000 fl.) entfielen allein 33.000 fl. auf den „Englischen Stall", 11.000 fl. auf den Wettrennstall (HALV, H K R 1845, Summarium). 116 Höß, Feldsberg, 80. 117 Zum Beispiel erhielt der Wiener Pferdewettverein ein zinsenloses Darlehen von 3000 fl. mit unbegrenzter Laufzeit (HALV, H K R 1845, pag. 56). Vgl. auch Jagdzeitung 1858, 292 ff. 118 StACK, F. P. d./28.

156

Lebensstil

Siebenbürgen immense Summen f ü r diese Hobbys auf 1 1 9 . Sie wurden über bloße Lieblingsbeschäftigungen hinaus so etwas wie „neuherrschaftliche" Vorrechte eines Adels, dessen politische Privilegien immer mehr geschmälert wurden. Daher wird es auch verständlich, d a ß man der Ausgestaltung von Sattelkammern und Stallungen erhöhtes Augenmerk schenkte und diese Räume in Gemälden festhalten ließ. Für die starke Breitenwirkung dieser Haltung ist bezeichnend, d a ß der Ausdruck „horse-jockey" f ü r einen Aristokraten in der österreichfeindlichen Literatur wie ein Schimpfwort gebraucht wurde 1 2 0 . Im Gesellschaftsleben der H a u p t - und Residenzstadt Wien kam damals auch den kirchlichen Feiertagen große Bedeutung zu. Bei diesen Anlässen erhielt dem Hofzeremoniell entsprechend der Adel eine öffentlich handelnde Rolle zugewiesen, welche keineswegs mit der persönlichen Überzeugung des einzelnen in Einklang stehen mußte. So f a n d an Gründonnerstagen in der Hofburgkapelle die Fußwasdiung an Pfleglingen des Armenhauses durch Kaiserin und Hofdamen statt — eine von vielen mehr als Farce denn als Ausdruck der Demut bezeichnete Handlung 1 2 1 . An der Fronleichnamsprozession nahmen zahlreiche Aristokraten teil; mitunter kam man auch f ü r die Errichtung eines Altares auf 1 2 2 . In der Weihnachtszeit wieder finden wir den Adel als Brauchtumsträger, da man den von Erzherzogin Henriette in Wien eingeführten Christbaum nicht nur im eigenen Hause aufstellte 123 , sondern auch öffentlichen

119

Grimm, Carl II. Schwarzenberg, 11. Moering, Sybillinische Bücher, 2, 307. 121 Vgl. eine ausführliche Beschreibung bei Trollope, Wien, 3, 145 ff. — Ober die Teilnahme der Schwarzenberg und Liechtenstein bei diesen Feierlichkeiten berichtet Metternich, Tagebücher, 6, 488 f. 122 Metternich, Tagebücher, 7, 302 f. über die Errichtung eines Altares an der Front des Schwarzenbergpalais auf dem Neuen M a r k t . 123 Der französische Graf Montbel erlebte diesen Brauch zum ersten Mal 1830 im Schwarzenbergpalais und f a n d an der gemütvollen Familienfeier großen Gefallen: „C'est là que pour la première fois de ma vie, j'ai assisté le jour de Noël, à la charmante coutume du Christbaum. Au milieu d'une vaste pièce était placé un sapin, qui supportait une multitude d e bougies, de globes dorés, de guirlandes de fleurs, du rubans, de jouets, de bijoux précieux. Le vénérable chef de l'illustre famille distribua des cadeaux à ses enfants et petit-enfants qu'il bénit tout ensuite avec une religieuse émotion" (Montbel, Souvenirs, 388). 120

Festtage

157

Wohlfahrtsanstalten entsprechende Beträge d a f ü r z u r Verfügung stellte 124 . Als Frühlingsfest wurde der l . M a i gefeiert; an diesem Tag unternahm man die traditionelle Praterfahrt, bei der jeder die neuen Karossen und Kleider vorzustellen pflegte. Der Ostermontag galt jeweils als eine A r t „Generalprobe" f ü r dieses Ereignis. Wie jedes Erscheinen in der Öffentlichkeit dienten auch diese Festlichkeiten der Demonstration persönlichen Geschmacks und materiellen Aufwandes, mit denen die Aristokratie unter sich ihren ständig fein geführten Kampf um Prestigegewinn fortsetzte 125 . 124 Über solche Schenkungen des „Lanzknechts" Friedrich Fürst Schwarzenberg an das Wiener Invalidenhaus vgl. StAT, UK, FAR, Fürst Friedrich, 1/9, 13—15; vgl. S. 210. 125 Schilderungen bei Levitschnigg, Wien, 21; Hanslick, Leben, 90; Uhl, Leben, 86; Metternich, Tagebücher, 3, 552; St. Aulaire, Souvenirs, 23. — Am Nachmittag des l . M a i fand der Wettlauf der herrschaftlichen Laufer statt, doch wurde diese Veranstaltung von einem Teil der Bevölkerung als gelenkte „barbarische Hetze" abgelehnt (z. B. Normann, Wien, 2, 129; vgl. auch Glossy, Wien, 1, 51, 139, 196 f., 254).

7. W O H N S T R U K T U R E N

UND

WOHNKULTUR

D e r Soziologe Norbert Elias hat als erster am Beispiel der französischen Aristokratie des ancien régime auf die Bedeutung der Wohnweise für die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen Angehörigen einer sozialen Schicht hingewiesen. Nach seinen Interpretationen idealtypischer Baupläne von Adelspalästen aus der „Encyclopédie" sind alle Integrationsformen von Menschen stets auch durch räumliche Kategorien ausdrückbar: die A n l a g e von Wohnobjekten, Durchbildung des Äußeren sowie Ausgestaltung der Innenräume charakterisieren die Eigenart sozialer Verflechtung 1 . D e r Adel der vormärzlichen Monarchie hat sich als eine höchst mobile Gesellschaft erwiesen: D i e Wintermonate verbrachte er in seinem Stadtpalais, das Frühjahr meist in der Vorstadt oder Umgebung der Residenz, Sommer und Herbst auf seinen eigenen Besitzungen, als Gast auf den Gütern befreundeter Familien oder auf Reisen. Es bildeten sich somit drei Schwerpunkte geselligen Beisammenseins mit jeweils spezifischem Lebensstil heraus, der von verschiedenen Geschmacksnuancen und Repräsentationsäußerungen bestimmt war. Bei allem aber blieb Wien, Sitz des Kaiserhofes, H a u p t s t a d t der Monarchie, Wirtschafts- und Verwaltungszentrum, f ü r die Aristokratie der eigentliche Mittelpunkt. Hier liefen alle Fäden des Gesellschaftslebens zusammen, entstanden neue Modeströmungen, wurden sämtliche für Verhalten und Position eines Adeligen wichtigen Regeln der Etikette kreiert, verfeinert und durchlebt. Ein ständiger Wohnsitz in Wien bildete daher für einen Angehörigen der „ m o n d e " eine Existenznotwendigkeit, wenn er in dem engmaschigen Beziehungsnetz der Elite seine Geltung aufrechterhalten wollte. Bei einer Analyse der soziologisch relevanten Wohnbedürfnisse der ersten Gesellschaft Wiens ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, 1

Elias, Höfische Gesellschaft, 68 ff.

Raumfunktionen und innerfamiliäre Beziehungen daß Hausbeschreibungen

159

oder zeitgenössische Schilderungen

wenige Angaben über Verwendungszweck

bzw.

Verteilung

nur der

Räumlichkeiten enthalten. D i e vereinzelten Hinweise wieder haben zeitlich nur beschränkte Gültigkeit, da entsprechend B e d a r f oder Neigung

der B e w o h n e r

wiederholte

Änderungen

vorgenommen

wurden. Dies w a r ziemlich häufig der Fall, da während des V o r märz die Bautätigkeit des Adels in der Innenstadt sehr gering war, Umbauten oder Restaurierungsarbeiten

dagegen oft durch-

geführt wurden. D e r Hochadelige w a r in seinen Wohnbedürfnissen noch weitgehend an die räumliche Gliederung der großteils barocken Stadtpaläste gebunden, bei denen in der Regel das erste Stockwerk die „belle étage" mit den zahlreichen Prunksalons bildete. Doch hatten

hier

die beschränkten

Platzverhältnisse

der

Stadt, welche ja bis über die M i t t e des 19. Jahrhunderts hinaus von Befestigungsmauern umschlossen blieb, in vielen Fällen voll befriedigende bauliche Lösungen verhindert 2 . Vielleicht w a r

die

lange gegebene Bindung an ein bestimmtes O b j e k t zusammen mit dem Traditionsbewußtsein der Aristokratie für eine gewisse K o n tinuität in ihrem Wohnverhalten

verantwortlich. Diese

Erschei-

nung zeigt unter anderem der einzige Musterentwurf eines „standesgemäßen" Adelspalastes, den Louis Montoyer 3 f ü r das Palais des russischen Gesandten in Wien, Andreas Fürst R a s u m o f s k y 4 , ausgearbeitet hat. D i e S k i z z e mit der dreiflügeligen Ehrenhofanlage verriet den Einfluß französischer Vorbilder, dürfte a b e r offenbar ohne nähere Kenntnisse der Terrainbeschaffenheit verfertigt worden sein, weil dadurch eine völlig neue, mit der späteren Ausführung nahezu identische Planung notwendig wurde. Die G r ü n d e für

den

radikalen Stilwechsel von barocken zu streng klassizistischen F o r men sind allerdings unbekannt geblieben 5 . D a ß

der erste

Plan

2 Vgl. bei N i e m a n n , P a l a s t - B a u t e n , über das Palais Kinsky. — Im liechtensteinischen M a j o r a t s p a l a s t Bankgasse mußten infolge der schlechten Belichtung die Repräsentationsräume in den zweiten Stock verlegt werden. 3 Ü b e r M o n t o y e r vgl. Thieme-Becker, L e x i k o n , 28, 1 0 0 f. 4 Andreas Fürst R a s u m o f s k y ( 1 7 5 2 — 1 8 3 6 ) w a r 1 7 9 2 — 1 8 0 7 russischer Gesandter in Wien sowie V e r t r e t e r R u ß l a n d s beim W i e n e r K o n g r e ß . Vgl. Wurzbach, Biographisches L e x i k o n , 2 5 , 6 ff., sowie zahlreiche Angaben in den Memoiren seiner Schwägerin L u d o v i c a Gräfin Thürheim ( T h ü r heim, Leben). 5 Erklärungsversuche bei W a g n e r , Architektur, 32.

160

Wohnstrukturen und Wohnkultur

jedoch keine unrealisierbare Gedankenspielerei des Architekten, sondern eine durchaus gelungene Synthese von städtischem Wohngebäude und ländlichem Herrensitz darstellte, beweisen die Beschriftungen aus der Hand Fürst Rasumofskys, die seinen Vorstellungen über die künftige Verwendung der Räume Ausdruck gaben 6 . Ein triumphbogenartiges Tor führte in einen nahezu quadratischen Ehrenhof, der zur Straße durch ein Gitter, die Nachahmung eines barocken Laubenganges, abgeschlossen wurde. Das einstöckige Mittelgebäude betrat man durch ein risalitartig vorspringendes Vestibül, die „Passage", an die sich die Loge des Portiers und ein Zimmer für die Empfangsbediensteten schlössen. Von dort gelangte man in die „Salle", eine runde Halle, die sich beiderseits in zwei kleine Räume öffnete, welche den Zugang zu den in das erste Stockwerk führenden Wendeltreppen sowie zu den Gesellschaftsräumen des Erdgeschosses bildeten. Deren Mittelpunkt aber bildete, weiter in der Querachse des Gebäudes und gegen den Garten etwas vorspringend, der elliptische Kuppelsalon, getragen von acht paarweise zusammengefaßten freistehenden Säulen. — Vor den Repräsentationsräumen beider Flügel des Mitteltraktes lagen große Antichambres, bestimmt für kurze Wartezeiten von Besuchern und Aufenthaltsort der Domestiken, um jederzeit für Aufträge der Herrschaft verfügbar zu sein. Die anschließenden Gesellschaftssalons waren derart gestaffelt, daß sie bei Festlichkeiten zu einem einheitlichen Rahmen zusammengeschlossen werden konnten. Schon die Bezeichnung der Räume drückte in feiner Bedeutungsnuancierung die Annäherung zu den Privatgemächern aus: Von einem „Salle pour le jour" kam man in den „Salle d'assemblee" und weiter in den „Salle de compagnie". Daran reihten sich jeweils als letzte Zimmer des Hauptgebäudes die Privatgemächer, und zwar rechts die der Dame des Hauses, links die des Hausherrn. Diese Räumlichkeiten hatten einen nahezu symmetrischen Aufbau: Frau und Mann besaßen eigene Schlafzimmer, Bäder, Toilettezimmer und Garderoben; das unvermeidliche Antichambre trennte 6 Albertina Wien, Architekturzeichnungen, M a p p e 37, Umschlag 1, N r . 3, I n v . - N r . 8366, 8367. Vgl. Abbildung S. 161. V o n eingehenden kunstgeschichtlichen Untersuchungen vgl. R u p e r t Feuchtmüller, Louis M o n t o y e r und sein P a l a i s R a s u m o f s k y , in: Festschrift W. Sas-Zaloziecky z u m 60. Geburtstag, 1956, 40 f f . ; G i r a r d i , P a l a i s R a s u m o f s k y .

R a u m f u n k t i o n e n u n d i n n e r f a m i l i ä r e Beziehungen

161

Erster Plan des Palais Rasumofsky in Wien von Louis Montoyer'

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Sellerie Manège C h a m b r e à reposer Bibliothèque C h a m b r e à écrire C h a m b r e à coucher C h a m b r e d'audience Garderobe Retirade Toilette Communication Bain P o u r le valet de la c h a m b r e Salle de compagnie Billard Salle d'assemblée Antichambre p o u r v e n i r chez le comte 18 Salon 19 Salle

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

Entrée C h a m b r e des domestiques Loge d u p o r t i e r Passage Salle p o u r le jour Antichambre p o u r v e n i r chez la comtesse Salle d'assemblée Salle à m a n g e r Salle d e compagnie C h a m b r e à coucher Retirade Garderobe Toilette Bain P o u r la f e m m e de la chambre Communication C h a m b r e à servir Antichambre Chapelle

* D e m hier vereinfacht wiedergegebenen P l a n liegt ein F e d e r a q u a r e l l d e r Graphischen S a m m l u n g A l b e r t i n a , Wien ( I n v . N r . 8367), z u g r u n d e , mit deren freundlicher G e n e h m i g u n g der A b d r u c k erfolgte. 11

Stekl, Aristokratie

162

Wahnstrukturen und Wohnkultur

wieder v o m Stubenmädchen b z w . Kammerdiener, denen man räumlich näher w a r als dem Ehegatten. Diese Konzeptionen charakterisieren sehr deutlich die Rollen von Mitgliedern der adeligen Gesellschaft. Der D a m e des Hauses f ä l l t hier die dominierende Rolle z u ; in ihrem T r a k t des Palastes überwiegen jene Appartements, in denen sich das gesellige Leben abspielt. Dabei zeigen sich feine Abstufungen, welche für das alle Lebensäußerungen der Aristokratie durchwirkende Rangempfinden bezeichnend sind: Im „Tagessalon" werden die Routinevisiten absolviert, wogegen für engere Bekannte die dahinterliegenden mehr auf Bequemlichkeit als Etikette abgestimmten R ä u m e offenstehen. Bei besonderen Festlichkeiten werden auch die Privatgemächer zum Repräsentationsmittel: so bildete das Ankleidezimmer von Eleonore Fürstin Schwarzenberg bei Prunkbällen eine allgemein bewunderte Sehenswürdigkeit. Durch eingehende Beschreibungen in den Gesellschaftszeitungen verlor auch dieser Intimbereich immer mehr von seiner „Privatheit" 7 . — Die Herrenzimmer des Palais Rasumofsky dagegen sind auf die Berufspflichten des Hausherrn als Vertreter seines Staates abgestimmt: D e r Gesandte benötigt ein eigenes Audienz- und Schreibzimmer; auch die Bibliothek, Arbeitsbehelf und Sammelobjekt des Mannes, liegt in seinem Palaisflügel. (Im Schwarzenbergpalais stößt die Bildergalerie eben-

7 Bei dem Ballfest a m 17. F e b r u a r 1840 zollten die Gazetten besonderen B e i f a l l der Ausstattung der „zwei Damentoiletten, welche aus in Z e l t f o r m z u s a m m e n g e f ü g t e n Goldstangen mit faßionirtem weißem Mousselin auf r o s a f a r b n e m Grund Übermacht bestanden. Toilettische mit Silberspiegeln, an deren beiden Seiten in üppigsten Blüthenzustande Rosen in K ö r b chen aus R o h r geflochten v o n P a r i s aufgestellt waren, Damenruhbetten, Ankleidspiegeln, Waschtische mit chinesischem Porzellain, runde Tischdien mit französischen Blumenkörbchen und dem schönsten lebenden Rasen, d a n n Bronce-Lampen waren prachtvoll und so wie der herrlich neue Fußteppich von rothem G r u n d e mit weiß und grünen Desseins d e m G a n z e n angemessen. Sehr innig und gelungen erblickte man an den P l a t f o n d s und Vorhängen Rosenguirlanden angebracht. D i e T a p e z i e r kunst hatte hier alles bisher in dieser Art gesehene weit übertroffen und m a n kann sagen einen T r i u m p h gefeiert" ( D e r A d l e r 1840, 383). — In ähnlich begeisterten Schilderungen über „ d a s Heiligthum der Schönheit, die Damentoilette, mit ihrem Rosenschimmer, ihren orientalischen Wohlgerüchen . . ." ergingen sich die Berichterstatter v o n dem Ballfest im schwarzenbergischen S t a d t p a l a i s a m 14. F e b r u a r 1841. V g l . Zuschauer 1841, 262 f.

R a u m f u n k t i o n e n und innerfamiliäre Beziehungen

163

falls an die Privaträume des Fürsten 8 .) N u r vereinzelt besaßen auch Frauen, wie Franziska Fürstin Liechtenstein, die Gattin Alois' II., eine eigene Bibliothek, welche gleichzeitig als Schreibzimmer diente 9 . — Der Hausherr kann sich auch ein ungleich größeres Maß persönlicher Neigungen erfüllen als seine F r a u : R a s u m o f s k y richtete sich zur Ruhe und Entspannung ein eigenes „ C h a m b r e ä reposer" sowie ein Billardzimmer ein. Als Kuriosum zur Freizeitgestaltung sei hier die Kegelbahn erwähnt, die Alois II. Fürst Liechtenstein im ehemaligen Palais Harrach auf der L a n d straße bauen ließ 10 . Ähnliche Grundzüge der Raumverteilung sind auch im Palais Schwarzenberg anzutreffen 1 1 . Die „Wohnung der regierenden Fürstin" umfaßte E m p f a n g s - , Frauen-, Schlaf- und Toilettezimmer, die Garderobe sowie einen R a u m f ü r die K a m m e r z o f e . Die „Wohnung des regierenden Fürsten" wieder bestand aus Vorzimmer, Konferenz-, Tafel-, Schlaf- und Billardzimmer, einem „salle de compagnie", dem Schreibkabinett und schließlich noch dem „Hamiltonischen Cabinett" als kleiner Bildergalerie 1 2 . N a mentlich in den Wohnbedürfnissen der Chefs von Adelshäusern läßt sich die Auflösung der alten Einheit von Berufs- und Privatleben 1 3 erkennen, welche immer deutlicher wurde, je mehr die Valenz des „Höfischen" als allein statusbestimmendes Kriterium abnahm. Die Bewährung in Wirtschafts- und Verwaltungsangelegenheiten erhielt im Wertdenken des Adeligen größeres Gewicht und machte auch die Einrichtung spezieller Arbeitsräume in den Palästen immer notwendiger. D i e Trennung der Privatgemächer von Mann und Frau wurde auch noch in der zweiten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts beibehalten. Ilgs Grundriß vom Schwarzenbergpalais am Rennweg, welches Ilg, P a l a i s Schwarzenberg, T a f e l I. H A L W , H 1201. 10 H A L W , H 1207. 11 S t A C K , U K , F a s z . 1765, Raumverzeichnis im schwarzenbergischen S t a d t p a l a i s (etwa 1805). 12 D e r berühmte T i e r m a l e r J o h a n n G e o r g H a m i l t o n ( 1 6 7 2 — 1 7 3 7 ) war v o n A d a m F r a n z Fürst Schwarzenberg (1680—1732) bei der Ausstattung d e r Schlösser O h r a d und Frauenberg in den J a h r e n zwischen 1706 und 1718 häufig beschäftigt worden (Schwarzenberg, Geschichte, 155). 13 O b e r diese Doppelgesichtigkeit des höfischen Lebens im 18. J a h r hundert v g l . Elias, Höfische Gesellschaft, 84. 8

8

11"-

164

Wohnstrukturen und Wohnkultur

damals entgegen den Intentionen seines Erbauers nur mehr wenige Züge einer ländlichen Enklave aufwies, zeigt die Appartements der Fürstin (zwei Salons, dazu wahrscheinlich noch Schlafzimmer, Garderobe und Zimmer f ü r Stubenmädchen) zur Rechten, jene des Fürsten zur Linken des barocken Kuppelsaales 14 . Diese Erscheinung ist, ähnlich wie die Verwendung von eigenen Equipagen 15 oder die Verfügung über einen gesonderten Stab von Bediensteten, f ü r die Kontakte zwischen Ehepartnern in der ersten Gesellschaft bezeichnend: sie ist weiträumig genug, um f ü r die Eheleute verschiedene Verkehrskreise zu bieten 16 . Wie selbstverständlich dies den Menschen gewesen sein muß, zeigt schon die Anwendung des Begriffes getrennter „Wohnungen" von Fürst und Fürstin in ihrem Palast. Es unterliegen also nicht so sehr ihre Beziehungen zueinander einer Kontrolle durch die Gesellschaft, sondern vielmehr ihre Rolle als Vertreter ihres „Hauses", ihres Geschlechts. Über das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in einer adeligen Familie hat sich die Behandlung der üblichen Erziehungsformen als recht aufschlußreich erwiesen 17 . Die Ergebnisse werden in einer Analyse der Wohnstrukturen bestätigt 1 8 : Kindermädchen, Gouvernante und Gouverneur, welche im wesentlichen die Erziehungsrolle der Eltern übernommen haben, wohnen neben den Zimmern der Kinder, welche sich mitunter in einem anderen Stockwerk als die Appartements von Mutter und Vater befinden. Die „Fürstlichen Kindszimmer" bilden eine Welt f ü r sich, mit eigenem Speisezimmer (man ißt ja nur sonntags gemeinsam mit den Eltern), Kredenzzimmer, Studier- und Aufenthaltsräumen. Die Ausstattung ist im Vergleich zu den Privaträumen der Erwachsenen viel einfacher, doch finden sich bereits die gleichen zahlreichen Einrichtungsgegenstände 19 . 14

Ilg, Palais Schwarzenberg, 7. Seufzer aus Österreich, 105. 16 So berichtet z . B . Hohenlohe-Ingelfingen, Leben, 321, über das Haus Schönburg: Während die Fürstin vorwiegend in den exklusiven Zirkeln ihrer Salons verkehrte, hielt sich ihr Gatte meist im Kasino auf, belächelt als „ein freundlicher, unbedeutender alter Herr, der in seinem Hause gar nichts galt". 17 Vgl. S. 103 ff. 18 H A L W , H 1201. 19 Nach der Renovierung des Bankgassenpalais lagen die Appartements von Fürstin und Fürst Liechtenstein in der zweiten, die 15

Raumfunktionen und innerfamiliäre Beziehungen

165

Für die Stellung adeliger Dienstgeber zu ihrem Personal wieder ist charakteristisch, daß Rasumofsky — abgesehen von den Räumen f ü r die persönlichen Bedienten — keine Verfügungen über die Verteilung der Wirtschaftsräume und Quartiere für die Domestiken trifft; diese Belange fallen in den Wirkungsbereich des Haushofmeisters. Freilich gibt es auch andere Fälle, wie etwa Alois II. Fürst Liechtenstein, der noch in ganz patriarchalischem Stil an der Verteilung von Wohnungen persönlich mitarbeitet. Im großen und ganzen aber bleibt der adelige Hofstaat stets im Hintergrund: ein umfangreiches Personal ist f ü r den Aristokraten zwar wichtig, da es ihn für die Erfüllungen gesellschaftlicher Anforderungen freisetzt, seine Tätigkeit bleibt jedoch in einem streng abgesonderten Bereich. Rasumofsky hat d a f ü r den rechten Seitentrakt des Palastes sowie das schon in der Fassadengliederung einfacher gestaltete erste Stockwerk ausersehen. In den barocken Vorstadtpalästen hatte man Stall-, Garten- oder Galeriepersonal ebenfalls in vorgelagerten ebenerdigen Seitenflügeln oder in Gartenpavillons untergebracht: so im Liechtensteinpalais in der Rossau 20 , im ehemaligen Harrachpalais 2 1 und im schwarzenbergischen Gartenpalais 2 2 auf der Landstraße, bei Herzog Ferdinand von Württemberg in der Alservorstadt 2 3 . War hier wie in den Stadthäusern ursprünglich eine räumliche Einheit von Wohn- und Arbeitsstätte angestrebt worden 2 4 , so führte die große Anzahl von Dienstnehmern z. B.

Kinderzimmer in der ersten Etage: „Ebenso bietet sich rückwärts im H o f e eine Anzahl geschmackvoll ausgestatteter, aber schmuckloser Appartements für die durchlauchtigsten Kinder dar" (Theaterzeitung 1847, Nr. 75 v. 29. März 1847). — Verzeichnisse der Einrichtungsgegenstände siehe HALW, H 1201. 20 HALW, H 1192, Fürstlich Liechtensteinische Fidei Comiss Häuser in Wien; AStLW, Konskriptionsbogen des Hauses Rossau Nr. 131; HALW, H 1211, Beschreibung und Zins Ertrags Bekenntnis des Hauses Nr. 131 in der Vorstadt Rossau von Michaeli 1849 bis dahin 1850. — Zum Palais vgl. S. 167 f. 21 HALW, H 1207. — Das Palais wurde 1830—1837 von den Familien der Fürsten Liechtenstein bewohnt. Siehe auch S. 61. 22 Vgl. S. 171, Anm. 45. 23 Herzog Ferdinand von Württemberg hatte diesen Besitz von Johann I. Fürst Liechtenstein ab der Kongreßzeit bis 1834 gemietet. HALW, H 1194; siehe S. 171. 24 Im liechtensteinischen Herrengassenpalais z. B. waren die Zimmer des Kücken- und Stallpersonals bei den Wirtschaftsräumen im Erdgeschoß

166

Wahnstrukturen und Wohnkultur

bei den Liechtenstein zu neuen M a ß n a h m e n : der Einrichtung eigener nahegelegener Personal wohnobjekte 2 5 . Als Mittel zur Rep r ä s e n t a t i o n des adeligen H a u s e s aber treten die Bediensteten in den V o r d e r g r u n d : Bei Festlichkeiten bilden ihre K l e i d u n g und die P e r f e k t i o n in der Bedienung einen M a ß s t a b für die Einschätz u n g des Gastgebers 2 6 , als oberste V e r w a l t u n g s i n s t a n z arbeitet die fürstliche H o f k a n z l e i wie eine staatliche B e h ö r d e in einem besonderen A m t s g e b ä u d e 2 7 . E i n e ausgesprochene D o m ä n e des A d e l s bildete die Dressurreiterei, welche sich in den Reitschulen v o n Versailles, C o b u r g und Wien besonderer Pflege und Ausbildung erfreut hatte. E i n e Reitschule d u r f t e daher in einem standesgemäßen Palais nicht fehlen: R a s u m o f s k y verlegte sie in den linken Seitentrakt seines Palastes, in d e m anschließenden kreisrunden P a v i l l o n gegen die S t r a ß e zu b e f a n d sich die S a t t e l k a m m e r . D i e meisten A d e l s f a m i l i e n verf ü g t e n auf ihren Wiener Besitzungen über ausgedehnte Stallungen

untergebracht (HALW, H 1 1 9 2 , Fürstlich Liechtensteinische Fidei Comiss Häuser in Wien). Ähnlich verfuhr man im Majoratspalast Bankgasse (HALW, H 1201). 2 5 Diesem Zweck diente neben dem Haus Bauernmarkt Nr. 587 (Familienbesitz seit 1622; vgl. Schimmer, Häuser-Chronik, 111; HALW, H 1193, H 1 1 9 9 , Mieterverzeichnisse; H 1200, Quartiers Beschreibung) vor allem das „Brunngassihaus" Nr. 264 (1714 erworben von Florian Fürst Liechtenstein, Neubau 1788, abgetragen 1913; Harrer, Wien, 7, 43 f.), welches hinten an das Herrengassenpalais anschloß. Der Grundriß der Unterkünfte zeigt deutlich, daß man bereits beim Bau des Objekts seinem künftigen Verwendungszweck Rechnung getragen hatte. Jede Wohnung umfaßte maximal fünf Räume (zwei Zimmer, Küche, Vorzimmer, Kabinett) und konnte nach Bedarf weiter unterteilt werden (HALW, H 1213, Beschreibung und Zins Ertrags Bekenntnis des Hauses in der Stadt Brunngasse von Michaeli 1845 bis dahin 1846; AStLW, Konskriptionsbogen des Hauses Brunngasse Nr. 264). — Auch das „Pomeranzenhaus" Rossau N r . 130 (nach seiner früheren Verwendung im Volksmund so bezeichnet) diente in seinen beiden Stockwerken zur Unterbringung der Angestellten im benachbarten Gartenpalais (HALW, H 1209, H 1192; Kisch, Vorstädte, 2, 568); ebenso das 1842 erworbene H a u s Rossau Nr. 132 (HALW, H 1 2 1 1 ; AStLW, Konskriptionsbogen des Hauses Rossau Nr. 132). 2 0 Es vermerkte der Zuschauer 1841, 263, daß beim Ball im Schwarzenbergpalais die Bedienung ausschließlich durch „Hausofficiers" erfolgte. 27 So bildete das „Kanzleihaus" einen Teil des Herrengassenpalais. Vgl. auch S. 51.

Innenausstattung

167

und Reitschulen, welche, wie bereits dargestellt, einen wesentlichen Prestigefaktor bildeten 28 . Zeitgleich mit dem romantischen Historismus in der Architektur erfolgte zwischen 1830 und 1860 in der Innenraumgestaltung die Ausbildung des „zweiten Rokoko". Als H a u p t w e r k dieser Richtung ist die Innenausstattung des Palais Liechtenstein in der Bankgasse zu nennen, welche Fürst Alois II. 1836—1847 unter Leitung des englischen Architekten P. H . Desvignes herstellen ließ2*. Von Stilmitteln des Rokoko ausgehend, gelangte man durch Einbeziehung naturalistischer englischer Motive und phantastischer Neuschöpfungen zu einer eigenartigen, primär vom Formwillen des Architekten getragenen Stilisierung 30 . Das gesamte Palais bildete anläßlich der Eröffnungsfeierlichkeiten eine einheitliche Repräsentationssphäre 3 1 . Mittelpunkt w a r der Ballsaal, der in Ausstattung und mit ausgeklügelten technischen Finessen völlig Neues bot: Die vier zwölf Fuß hohen Riesenspiegel konnten durch einen versteckten Mechanismus gedreht werden und stellten dadurch eine Verbindung mit den Gängen her; die Türen zu den benachbarten Salons wurden bei Bedarf gehoben, so daß die angrenzenden Räume dann den Festsaal erweiterten. Für das Orchester war in der Saalkuppel Platz vorgesehen. In den zahlreichen Gesellschaftszimmern, welche wieder höchst differenzierte („Empfangs-", „Speisesalon"), teilweise von ihrer Anlage oder der Innenraumgestaltung abgeleitete N a m e n 28

Siehe S. 155. Zweig, Zweites Rokoko, 16 ff.; Wagner, Architektur, 135 f.; Ranzoni, Kunstgewerbe; Klaus Eggert, Die Ringstraße, 1971, 13 ff. 30 Wie sehr dies dem Kunstverständnis der Zeit entsprach, zeigt eine Stelle aus Stifters Nachsommer, 86: „Wir lernten an dem Alten; aber wir ahmten es nicht nach, wie es noch zuweilen in der Baukunst geschieht, in der man in einem Stile, dem sogenannten gotischen, ganze Bauwerke nachbildet. Wir suchten selbständige Gegenstände für die jetzige Zeit zu verfertigen mit Spuren des Lernens an vergangnen Zeiten." 31 Beschreibung in Theaterzeitung 1847, 184, 298 f., 619; Weidmann, Wien, 51 f. Details über die Einrichtung vgl. auch H A L W , H 1 2 0 1 . — Die Tapisseriearbeiten stammten vom k. k. Hoftapezierer Stöger sowie von der Firma Weissenberger; die Gießereien lieferte die Firma Kitschel (hier erregte besonders der Luster des Ballsaales — Höhe 15 Fuß, Durchmesser 13 Fuß — allgemeine Begeisterung); die Marmorarbeiten stammten von H. Moosbrugger; für die prachtvollen Stoffe zeichneten renommierte Häuser wie Hornbostel, Lechner und Thomas verantwortlich, als Vergolder waren die Betriebe Göll und Sartori tätig. 29

168

Wohnstrukturen und Wohnkultur

trugen (z. B. „Quadratischer", „Rother", „Blauer", „Bouquettensalon"), faszinierten allgemein die grellen und satten Farben, die der Tapezierer Karl Leistler in effektvollem Kontrast zum Dunkel des Mahagoni- und Palisanderholzes gewählt hatte. Im Lesezimmer des Fürsten und im Schreibzimmer seiner Gemahlin bestachen die kunstvoll geschnitzten Möbel, Werke des später berühmten Michael Thonet. Audi das — hier gemeinsame — Schlafzimmer fungierte wieder als Paradeappartement, ein wertvoller „Baldachin" bildete das Prunkbett. 1858 wurde der Schätzwert (meist zwei Drittel des Handelswertes) sämtlicher Einrichtungsgegenstände, Teppiche, Vorhänge etc. mit etwa 220.000 fl. C M angegeben; diese Summe entsprach etwa dem Wert eines repräsentativen Stadtwohnhauses. Entgegen sonstigen Gepflogenheiten waren umfangreiche Aufträge an inländische, vor allem an Wiener Fabrikanten erteilt worden. D a ständige Ausbauten und Erhaltungsarbeiten vorgenommen werden mußten, erhielt das Palais im Volksmund die Bezeichnung „Künstler-Versorgungshaus" 32 . Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg ließ um 1840 einige bisher unbenützte Salons sowie den Tanzsaal des Stadtpalais am Neuen Markt im Stil der Neorenaissance renovieren und mit Originalmöbeln ausstatten 33 . In den darauffolgenden Jahren wurden auch die Privatgemächer im Geschmack des Biedermeier neu möbliert, die Gesamterfordernisse bezifferten sich auf etwa 130.000 fl. CM. Rudolf von Alt hat um 1850 das Interieur mehrerer dieser Räume mit subtiler Präzision dargestellt 34 . In der Einrichtung des Schreibzimmers des Fürsten wird der Versuch einer

3 2 Kisch, Wien, 1, 578. — Über die stärkere Beschäftigung einheimischer Erzeuger und Professionisten durch Hochadelige vgl. M a r x , R e v o l u t i o n , 72 f., doch wurden wiederholt K l a g e n über große Auslandsa u f t r ä g e des Adels laut (Glossy, Wien, 2, 84 f.). D i e B e d e u t u n g der A r i s t o k r a t i e für das Florieren bestimmter G e w e r b s z w e i g e w a r beträchtlich. D a s Absinken des H a n d e l s mit K u r z - und M o d e w a r e n während der S o m m e r m o n a t e w u r d e primär ihrer Abwesenheit zugeschrieben. D a r ü b e r Wißhaupt, Wirtschaftliche L a g e 1830—1839, 204 f. 3 3 Beschreibungen des renovierten S a l o n s anläßlich des Eröffnungsballes bringen Sternberg, Fasching, 1 2 9 ; G l o s s y , Wien, 1, 2 7 2 ; Zuschauer 1841, 262 f. 3 4 F r a n z Windisch-Graetz, Wandlungen eines Interieurs. Kulturhistorische Erläuterungen zu R u d o l f von A l t s Aquarellen des P a l a i s Schwarzenberg, alte und moderne kunst 2 (1957), 7/8, 32 ff.

Reduzierung des Hausbesitzes

169

Synthese zwischen romantisch-behaglicher W o h n k u l t u r und zweckbetonten Erfordernissen der Zeit deutlich spürbar. In der Durchdringung v o n aristokratisch-feudalen und großbürgerlich-modernen Elementen wirken die ererbten kostbaren Bilder, Luster und Ziergegenstände, welche die Räume zu schmücken pflegten 35 , als Dokumente einer nie vergessenen glänzenden Vergangenheit und Geltung des Geschlechts. Diese Pflege einer repräsentativen adeligen Wohnkultur ging Hand in Hand mit der Beschränkung auf nur ein einziges Stadtbzw. Vorstadtpalais. Umfangreicher Hausbesitz in der Residenz w a r nicht mehr wie früher Maßstab f ü r das Ansehen eines A r i s t o kraten und daher eine standesgemäße Notwendigkeit. Besonders unter Alois II. Fürst Liechtenstein w u r d e der Großteil des umfangreichen Hausbesitzes der Familie zu einem Teil vermietet: 1 8 3 7 das Herrengassenpalais, unter Johann I. noch Hauptsitz und W i n t e r residenz, an den russischen Gesandten G r a f Tatitscheff, ab 1 8 4 5 an Staatsstellen, das Adelige Kasino sowie einzelne Privatpersonen 3 6 ; das Haus Herrengasse 2 5 2 an Adelige oder reiche Bürgerliche 37 ;

35 Zu Beschreibungen wertvoller Einzelstücke vgl. z. B. Ernst Koller, Ein chinesischer Setzschirm aus Pekinglack im Palais Schwarzenberg, alte und moderne kunst 4 (1959), 1/2, 12 ff.; ders., Ein chinesischer Setzschirm aus Kormandellack im Palais Schwarzenberg, alte und moderne kunst 6 (1961), 46, 6 ff.; Dora Heinz, Altorientalische Teppiche in fürstlichem Besitz, alte und moderne kunst 2 (1957), 7/8, 27 ff. — Von seinen Englandreisen hatte Johann Adolf II. zahlreiche Kostbarkeiten mitgebracht (z. B. FA, 200 ex 1839). 36 H A L W , H 1 2 0 0 , Vertrag vom 20. Februar 1837; Vertrag vom 26. Juli 1845 mit dem Finanzärar in Vertretung der Direktion in Dikasterial-Gebäude-Angelegenheiten; Vertrag vom 11. Oktober 1845 mit dem Adeligen Kasino (vgl. darüber bei Groner, Wien, 390). In den noch freibleibenden Wohnungen wohnten wohlhabende Privatpersonen, darunter Viktor Freiherr von Andrian-Werburg, der Verfasser von „Österreich und dessen Zukunft" (vgl. H A L W , H 1200, Beschreibung und Zins-Ertrags-Bekenntniß des Hauses Nr. 251 1845—1846). Durch die Aufteilung an mehrere Mieter stiegen die Zinseinnahmen (unter Tatitscheff nur 10.000 fl. CM pro J a h r ) nicht unwesentlich (HALV, H K R 1845, p a g . 7 7 ) . 37 Von Mitgliedern des Adels waren Männer wie Johann Graf Auersperg und Josef Graf Schaffgotsdie unter den Mietern zu finden. Vgl. H A L W , H 1 2 0 3 , Beschreibung und Zins Ertrags-Bekenntniß des Hauses No. 252 1845—1846.

170

Wohnstrukturen und W o h n k u l t u r

ebenso die H ä u s e r Wallnerstraße 267 3 e , B a u e r n m a r k t 5 8 7 3 9 u n d das Schlößchen in der L e o p o l d s t a d t N r . 13 5 4 0 . Zahlreicher nichtfideikommissarischer H a u s b e s i t z w u r d e v e r ä u ß e r t : 1 8 3 7 das e h e m a l i g e Harrachpalais auf der Landstraße, welches v o r d e m K a u f

des

R a s u m o f s k y p a l a i s nur als Interimsquartier der fürstlichen Familie gedient hatte 4 1 ; 1839 d i e V i l l a „ A m Schüttel", L i e b l i n g s a u f e n t h a l t v o n Fürst Johann I. 4 2 ; 1 8 4 0 das H a u s A l s e r v o r s t a d t 9 8 , welches bereits früher teilweise v e r m i e t e t gewesen w a r 4 3 ; 1841

Wallner-

38 Das H a u s wurde 1798 von Alois I. Fürst Liechtenstein um 50.000 fl. erworben. — H i e r fällt bei einer Betrachtung der Sozialstruktur der Bewohner die f ü r damals typische Schichtung der Mieter ins Auge. Die erste und zweite Etage waren große Wohneinheiten f ü r wohlhabende Personen; man vermietete auch oft möbliert. Die Räume in den anderen Stockwerken dagegen w a r e n auf mehrere kleine Wohnungen aufgeteilt und beherbergten vielfach ärmere Leute. Eine ungewöhnlich große Zahl von Klagen zur Einbringung von Zinsrückständen bzw. Ansuchen um Zinsverminderung oder Nachlaß (welche die liechtensteinische H o f kanzlei meist positiv erledigte) wiesen darauf hin. Vgl. H A L W , H 1209, Verzeichnisse der Mieter aus den Jahren 1813—1816; H A L V , H K R 1820 ff., Einnahmen/Hauszinsen; AStLW, Konskriptionsbogen des Hauses Wallnerstrasse 267; zu den Zinsangelegenheiten siehe H A L W , H 1213, f ü r das J a h r 1838 z. B. H A L W , 7268, 7269, 7474 ex 1838. 39 Vgl. H A L W , H 1192, Regesten; H A L W , H 1193, 1199 Mieterverzeichnisse. 40 Joseph Freiherr v o n Egger ließ 1777 einen Gartengrund parzellieren, so d a ß die „Neue Gasse" (die spätere Untere Augartenstraße) entstand. Auf diesem Grundstück, das sich v o m U f e r des D o n a u k a n a l s bis zur heutigen Oberen Augartenstraße erstreckte, standen das Grassalkovics- und Liechtensteinschlössel. Letzteres w a r seit 1808 im Besitz der Familie und wurde 1842 um 53.000 fl. C M an Josef Melnitzky und Anton Schlepnitzka verkauft. Vgl. Groner, Wien, 136, 348; D i e Leopoldstadt. Ein Heimatbuch, 1937, 268, 312; H A L W , H 1664; AStLW, Konskriptionsbogen des Hauses Leopoldstadt N r . 135. 41 Es w u r d e am 28. J ä n n e r 1837 um 30.000 fl. an Leopold Graf P ä l f f y verkauft. Vgl. H A L W , H 1207; siehe auch S. 61. 42 Sie ging mit Vertrag v o m 29. Oktober 1839 um 36.000 fl. C M an Christoph Hasenauer über. Siehe H A L W , H 1212 sowie S. 61. 43 Als berühmtester Mieter ist der Maler K a r l Marko zu erwähnen, welcher hier während seines zweiten Wienaufenthaltes A n f a n g der dreißiger J a h r e wohnte und f ü r seinen Gönner Baron Geymüller arbeitete (Wurzbach, Biographisches Lexikon, 16, 460 ff.). — Das H a u s w a r seit 1789 liechtensteinischer Besitz und wurde am 3. Juli 1840 vom Tischlermeister Josef Leistler u n d dessen Gesellschafter um 22.000 fl. C M erworben ( H A L W , H 1194; H A L V , H K R 1825, pag. 78).

Reduzierung des Hausbesitzes

171

S t r a ß e 2 6 7 4 4 ; 1842 d a s o b e n e r w ä h n t e „Liechtensteinschlössel"

in

der L e o p o l d s t a d t ; 1847 d e r f r ü h e r e P a l a s t der G r a f e n P a a r , den bis

1834

schon H e r z o g

Ferdinand

von

Württemberg

bewohnt

h a t t e 4 5 . N e u a n k ä u f e w u r d e n n u r als K a p i t a l a n l a g e n g e t ä t i g t . D i e H ä u s e r L ö w e l b a s t e i N r . 14 u n d ebenso das H o t e l Wollzeile

771 4 8 ,

„Zum die

Weißen

sich

beide

17 4 6 w a r e n

reine

Schwan"47

und

in

Mietobjekte; das

Gebäude

schwarzenbergischem

Besitz

befanden. D i e s e H a l t u n g ist a u f e i n e v ö l l i g v e r ä n d e r t e E i n s t e l l u n g Realitätenbesitz

überhaupt

zurückzuführen,

welcher

zum

nun

vor-

w i e g e n d als E r t r a g s o b j e k t a n g e s e h e n w i r d . D a m i t w e r d e n

auch

die e h e m a l i g e n V i l l e n u n d S o m m e r p a l ä s t e in d e n einst b u k o l i s c h e n , nun aber immer mehr verstädterten Vororten und der U m g e b u n g W i e n s a b g e s t o ß e n o d e r sich selbst ü b e r l a s s e n , D e r englische P a r k 44

N e u e r Eigentümer w a r gemäß K o n t r a k t vom 7. Oktober wieder Christoph Hasenauer, der Kaufpreis 80.000 fl. Siehe H A L W , H 1213. 45 Das Palais w a r von Fürst Johann I. 1795 angekauft worden. 1837 wurde die Liegenschaft, die nur bis zum Wiener Kongreß als gelegentlicher Sommersitz der Familie fungiert hatte, an Stefan Graf Zichy übergeben, der eine Parzellierung des Grundes anstrebte. Ein endgültiger Vertrag kam jedoch erst n a d i Übertragung der Kaufrechte an Josef Leistler am 2. Juli 1847 zustande; der Preis betrug 50.000 fl. CM. Vgl. Groner, Wien, 429; Karl H o f b a u e r , Die Alservorstadt, 1861, 49; Kisch, Wien, 2, 523 ff.; H A L W , H 1194. 46

Sie wurden am 28. August 1837 um 11.500 bzw. 153.500 fl. von Franz Graf Palffy erworben und dienten ab 1839 als Amtsgebäude der Obersten Justizstelle, -welche eine Jahresmiete von 9200 fl. bezahlte. Vgl. Schimmer, Häuser-Chronik, 15; H A L W , H 1208; FA, 1239, 1457 ex 1846. 47 Das Hotel im Bereich K ä r n t n e r Straße-Neuer Markt w u r d e 1802 von Josef Fürst Schwarzenberg gekauft und zählte zu den renommiertesten Gaststätten Wiens. Vgl. Alexander Graf H ü b n e r , Ein J a h r meines Lebens 1848—1849, 1891, 199; Friedrich Kerst (Hrsg.), Die Erinnerungen an Beethoven, 1, 1913, 95, 98; Briefe des jüngsten Eipeldauers an seinen H e r r n Vettern in Kakran, 1820, 75; Bilder und Träume, 1, 29. — 1846 entstand hier nach E n t w ü r f e n des Baumeisters Ignaz Lößl ein Mietobjekt (Jahresertrag etwa 15.000 fl. CM), dessen Baukosten sich auf etwa 156.000 fl. beliefen (vgl. AStLW, M. A. 20, E. Z. 786/1). 48 1783 erworben, befand sich das Gebäude nadi Fachgutachten 1846 in irreparablem Zustand; als K ä u f e r fand sich Simon Freiherr von Sina, der 160.000 fl. bezahlte. D a s H a u s w a r längere Zeit um 12.000 fl. an den neapolitanischen Botschafter vermietet gewesen. Siehe H a r r e r , Wien, 4, 12; Schimmer, H ä u s e r - C h r o n i k , 147; StACK, U K , Fasz. 167; S t A C K , z. B. H K R 1815, pag. 5.

172

Wohnstrukturen und W o h n k u l t u r

der schwarzenbergischen Herrschaft Neuwaldegg, in zeitgenössischen Schilderungen enthusiastisch gerühmt, macht einem Naturgarten Platz, die Fasanerie wird aufgelassen, das Personal reduziert 49 . An die Stelle dieser Güter treten neugeschaffene exklusive Wohnzentren in der Innenstadt. Gleichzeitig setzt eine großartige Bautätigkeit auf den böhmischen und mährischen Herrschaften ein, wo neue Formen des antiken Ideals vom „Leben auf dem Lande" gefunden werden. 49 Vgl. neben Weidmann, Umgebungen Wiens, 58 ff.; Schmidl, Wiens Umgebungen, 1, 109 ff., v o r allem Johann Hoheisel, D e r Fürst Schwarzenberg'sche Lustpark v o m Neu-Waldeck bey Dornbadi, 1823. Zur Geschichte der Besitzung siehe Anton Becker, Schloß und P a r k N e u waldegg, Monatsblatt des Vereins f ü r Landeskunde und Heimatschutz von Niederösterreich 1 (1926), 33 ff.; Franz J. Kaltenberger, Geschichte der Ortschaften Dornbach und Neuwaldegg (bei Wien) nebst deren H ä u s e r - C h r o n i k , 1884; österreichische Kunsttopographie, 2, 247 ff. — Die Erhaltungskosten f ü r diese Besitzung lagen zwischen 15.000 und 25.000 fl. W W pro Jahr (StACK, H K R 1815—1848, Summarien).

8. B A U F O R M E N U N D

GARTENKUNST

Bei vielen älteren Beschreibungen adeliger Herrensitze stand die ästhetische Erscheinung von Schlössern und Parks im Mittelpunkt. Über die Bewertung des rein Künstlerischen hinaus ist jedodi auch die Frage aufzuwerfen, welchen Einfluß politische und sozialökonomische Entwicklungen auf diese Phänomene ausüben konnten und welche Stellung ihnen in der schichtspezifischen Wertskala der Aristokratie zukam. Die Reformgesetze nach der Revolution des Jahres 1848 stellten den Abschluß einer jahrzehntelangen Entwicklung dar, welche den Feudaladel von einer privilegierten Elite zu einer „eigenen sozialen Schicht einer modernen Gesellschaft" werden ließ 1 . Zu dieser Zeit, da das „alte Recht" der Aristokratie immer mehr Erschütterungen ausgesetzt war, wurde England mit seiner geglückten Verbindung zwischen Bürgertum und einem auch politisch einflußreichen Adel nicht nur in wirtschaftlichen Belangen, sondern im gesamten Lebensstil zum Vorbild. Im künstlerischen Bereich entsprach dieser Wandel dem Ubergang von Stilformen des „Klassizismus" zur Richtung des „romantischen Historismus", der vor allem f ü r den Wiener Bereich Gegenstand neuerer kunsthistorischer Untersuchungen geworden ist 2 . Auf dem Inselreich hatte ab der Mitte des 18. Jahrhunderts die englische Präromantik auf dem Gebiet der Gartenkunst starken Widerhall gefunden und zur Anlage von Landschaftsgärten geführt. Eine künstlich geschaffene Szenerie mit Baumgruppen, verschlungenen Wegen, weiten Wiesen, Bächen, Seen und Felsgruppen sowie reichem Wildbestand verdrängte als scheinbar unberührtes Stüde „ N a t u r " die geometrischen Gelände- und Vegetationsformen f r a n zösischer Parks 3 . In der Umgebung Wiens ließ Moriz Graf Lacy ab 1

Grundlegend dafür ist Brunner, Adeliges Landleben, 313 ff. Wagner, Architektur, bes. 23—75. 3 Vgl. vor allem F. Hallbaum, Der Landschaftsgarten, 1927; Alfred Hoffmann, Der Landschaftsgarten, 1963. 2

174

Bauformen und Gartenkunst

1766 bei seinem Schlößchen in Neuwaldegg, dem späteren schwarzenbergischen Besitz, unter Einbeziehung der Hügelketten des Wienerwaldes eine solche malerische Anlage gestalten; in Böhmen gab Johann Rudolf Graf Czernin 1780 den Auftrag zur Errichtung eines Naturparks auf seiner Herrschaft Schönhof. Zahlreich folgte man diesen Beispielen, die schließlich in der Umgestaltung des kaiserlichen Parks in Laxenburg unter Josef II. und Franz I. eine vollendete Ausführung erfuhren. Audi Johann I. Fürst Liechtenstein ließ kurz nach seinem Regierungsantritt (1805) die Umgebung seines Sommersitzes Eisgrub in Mähren in eine ausgedehnte Parklandschaft umwandeln 4 . Künstlich angelegte Inseln, neu aufgeführte Erdpartien, einheimische und exotische Pflanzen verschiedenster Sorten sowie ein reicher Wildbestand schufen den pittoresken Rahmen f ü r eine Mischung von klassizistischen Bauten (z. B. Apollotempel, Zirkus der drei Grazien, römischer Triumphbogen des „Rendezvous"), romantischmittelalterlichen Objekten (Hansenburg, Fischerhaus, Jagdhütten) und fremdländischen Motiven (orientalischer Turm). Mit dem „Monument auf der Raisten", das dem Andenken des Vaters und der vier Brüder gewidmet war, schuf der Fürst ein in Landschaftsgärten gerne verwendetes Mahnmal der Vergänglichkeit. Die Einbeziehung ganzer Landschaftspartien in einen N a t u r p a r k ist auch am Beispiel der Ausgestaltung der liechtensteinischen Besitzungen in der Hinterbrühl bei Mödling (Niederösterreich) zu beobachten. Die Erwerbung der Herrschaft Liechtenstein, des Stammsitzes seines Geschlechts, war eine typisch romantische Erfüllung einer vermeintlichen Verpflichtung dem fürstlichen Haus gegenüber 5 . Im folgenden Jahr (1808) wurde das benachbarte Gut 4 Anschauliche Beschreibungen bei Criste, Johannes Liechtenstein, 166 ff.; Michael Witzany, D i e Marktgemeinde Eisgrub, 2, 1901, 347 ff.; Reichel, J o h a n n II. Liechtenstein, 33 ff.; J(osef) H ( a r d t m u t h ) , Die schönen Bauten und Gartenanlagen Sr. Durchlaucht des regierenden Fürsten J o h a n n von Liechtenstein, Neues Archiv f ü r Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst 1 (20), 1829, 129 ff., 147 ff, 155 ff., 166 ff, 179 ff. 5 Die Glorifizierung dieser Einstellung ist auch noch in Ginzkeys R o m a n „Liselotte und ihr Ritter" anzutreffen (Franz K a r l Ginzkey, Liselotte und ihr Ritter, Ausgewählte Werke 3, 1960, 137—294). Die Realisierung dieser Idealvorstellung spielt sich jedoch in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in einer sozialgeschichtlich völlig neuen Situation ab. Gewissermaßen als Lohn f ü r seine standhafte Liebe und edle

A n l a g e v o n Landschaftsgärten

175

Johannstein-Sparbach angekauft und mit Liechtenstein zu einem Komplex vereinigt. Sofort begann man mit der Bepflanzung und Bewässerung des kahlen Berggeländes, dessen zerklüftete Kalkformationen man geschickt in das Gestaltungskonzept einbezog. Die Ruinen der Burgen Mödling, Liechtenstein und Sparbach wurden restauriert, antikisierend klassizistische Bauten, wie der „Husarentempel" und zahlreiche Türmchen, Obelisken und P y r a miden, errichtet 6 . Eine romantisch-naturechte Ausgestaltung erhielten später auch die liechtensteinischen Herrschaften im Semmeringgebiet 7 . Bei diesen frühen Bauvorhaben ist noch nichts von einem „politischen" Stil zu bemerken, wie man den Durchbruch der Neogotik in Österreich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen „gouvernementalem" und „freiheitlichem Konservatismus" gesehen hat, der bis „in seine letzten ästhetischen Konsequenzen hinein" ausgetragen wurde 8 . Man folgte dabei ganz einfach einem Modegeschmack, der gerade auf dem Gebiet der Gartenkunst in England durch theoretische Schriften eines Middleton und Horace Walpole fundiert 9 und im deutschen Sprachraum in zahlreichen Anleitungen popularisiert worden war 1 0 . In diesem Sinn ist auch der Ausbau des Gutes Aigen durch Ernst

Bescheidung geht der Wunschtraum des Helden, eines v e r a r m t e n adeligen Offiziers, in E r f ü l l u n g : Durch H e i r a t mit der angebeteten Tochter aus reichem Hause gelangt er w i e d e r in den Besitz der Stammburg seiner Ahnen. 8 Vgl. die Schilderung bei Criste, Johannes Liechtenstein, 1 6 3 f., sowie v o n der zahlreichen Literatur über diese Besitzungen bei Bohatta, Bibliographie, 3, 1 1 5 ff.; K a r l Gianonni, Geschichte d e r S t a d t M ö d l i n g , 1 9 0 5 , 2 5 5 ff.; Topographie v o n N ö . , 5, 833 ff.; Trollope, Wien, 2, 64 ff.; H ö ß , J o h a n n II. Liechtenstein, 2 2 4 ff. 7 Zeitgenössische Beschreibungen v o n Schloß und Tiergarten a u f der Herrschaft Stuppach, von künstlichen Wasserfällen u n d einfachen L a n d häusern in den A r d l i t z g r ä b e n bei Kübeck, Tagebücher, 2, 579 ff., 6 9 4 . Vgl. auch Ignaz Josef Zupancic, D i e Besitzungen des souveränen hochfürstlichen Hauses Liechtenstein in nö. Voralpengebiete, 1908. 8 Thienen, Leo Thun, 81 ff. — Z u r geistesgeschichtlichen Interpretation der Neugotik vgl. A l f r e d K a m p h a u s e n , Gotik ohne G o t t , 1 9 5 2 . 9 Literatur bei Wagner, Architektur, 73 A n m . 4. 1 0 Zum Beispiel J o h a n n G o t t f r i e d G r o h m a n n , Ideenmagazin f ü r die Liebhaber v o n Gärten, Englischen Anlagen und f ü r Besitzer v o n L a n d gütern, 1 7 9 6 ff.

176

Bauformen und Gartenkunst

Fürst Schwarzenberg, damals Domherr in Salzburg, zu verstehen 11 . Von Karl I. Fürst Schwarzenberg und seiner Gattin ist ihre Freude an der persönlichen Leitung der Arbeiten auf der Herrschaft Worlik bekannt; die Fürstin hielt den Feldmarschall auch während seiner Kriegszüge und diplomatischen Dienste über alle noch so nebensächlichen Belange von Neubauten, Pflanzungen usw. auf dem laufenden 1 2 . Wilhelm Friedrich von Mayern, einer der populärsten Modeschriftsteller der Zeit, soll dem Fürstenpaar bei der Umgestaltung der Moldauufer zu einer romantischen Parklandschaft manchen R a t gegeben haben 13 . In der Architektur wieder war man weitgehend an die Auffassungen der engagierten Künstler gebunden: Bei den Liechtenstein wirkten mit den Baudirektoren Josef H a r d t m u t h und Josef Kornhäusel zwei Exponenten des Klassizismus. — Erst ab den dreißiger Jahren ist eine Wiederbelebung gotischer Stilelemente vor allem bei den größeren Bauten des böhmischen Raumes festzustellen 14 . Die Auftraggeber stammten vorwiegend aus den Kreisen des begüterten Klerus und der Hocharistokratie. Sowohl bei den Liechtenstein als auch bei den Schwarzenberg kam mit Fürst Alois II. (1836) und Fürst Johann Adolf II. (1833) damals eine neue Generation an die Spitze des Hauses. Beide hatten auf ihren Reisen England kennengelernt und dort eine Fülle von Anregungen empfangen; auch die Vorliebe von Eleonore Fürstin Schwarzenberg f ü r das in der Populärliteratur romantisch verklärte Schottland ist bekannt 1 5 . Für die ausschließliche Ausrichtung nach englischen Vorbildern w a r nunmehr das verstärkte persönliche Engagement des Bauherrn zu einem sehr hohen Grad maßgeblich.

11

Ausführliche Darstellungen bei Spaur, Spaziergänge, 25 ff.; C o n versationsblatt 3 (1821), 273 f.; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 33, 40; P i l l w e i n , Biographisches Lexikon, 45. 12 Zahlreiche Belege bei N o v ä k , Briefe, z. B. 253, 334, 4 1 9 , 4 4 7 f. Ein I d y l l zeichnete Prokesch, Feldmarschall Schwarzenberg. Schloß Worlik w a r nach dem Brand v o n 1802 mit einigen architektonischen Veränderungen wiederhergestellt worden; auch die Söhne des Feldmars&alls ließen kleinere neugotische U m b a u t e n durchführen (Engel, Böhmen, 106; Schwarzenberg, Schlösser, 250 f.). 13 Schwarzenberg, R o m a n t i k , 16. 14 Vgl. den reich bebilderten A u f s a t z v o n Kotrba, N e u g o t i k . 15 Schwarzenberg, Geschichte, 241. — D i e Fürstin ließ v o n Amerling auch ihren Sohn in Sdiottentracht malen.

Neugotische Schloßbauten

177

Auf Schloß Eisgrub waren klassizistische Umbaupläne durch Arbeiten von Kornhäusel (1814—1817 ein neuer Trakt mit reich ausgestatteten Gesellschaftsräumen) und Engel schon teilweise realisiert worden. Alois II. ging jedoch von solchen Vorlagen radikal ab und ließ 1846—1858 seine eigenen Vorstellungen durch den Architekten Georg Wingelmüller in die Tat umsetzen, nachdem bereits 1843—1845 ebenfalls in neugotischem Stil das Palmenhaus nach Plänen eines Engländers erbaut worden war 1 8 . Um eine möglichst getreue Nachbildung von Originalen zu erreichen, wurde der überaus talentierte Wingelmüller 1846 sogar auf eine Studienreise nach England geschickt, die gleichzeitig auch dem Einkauf von Kunstgegenständen dienen sollte 17 . Zu den bedeutendsten Bauvorhaben dieser Zeit zählte der Umbau des schwarzenbergischen Schlosses Frauenberg im Stil der Tudorgotik 1 8 . Unter der Leitung des Wiener Architekten und fürstlichen Baukonsulenten Franz Beer erstreckten sich die Arbeiten von 1840 bis 1857. Eine durchgreifende Umgestaltung der gegebenen Dimensionen des alten Baubestandes und eine Fülle gotischer Details bildeten eine historisierende Formwelt, welche die Illusion einer mittelalterlichen Ritterburg schuf und sich damit in bewußten Gegensatz zu den Zweckbauten des Bürgertums 19 stellte. Auch in der Umgestaltung der Gartenanlagen ging man den bisherigen Weg weiter: Ab 1840 ließ Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg den Krumauer Schloßpark in eine Waldpartie um18 G e n a u e bau- und kunstgeschichtliche I n f o r m a t i o n e n mit anschaulichem Bildmaterial bei P r o k o p , Mähren, 4, 1371 ff.; H u b a l a , Mähren, 82 ff.; H ö ß , J o h a n n I I . Liechtenstein, 254 ff.; Wirth-Benda, Burgen und Schlösser, 270 f. — Über Wingelmüller ( 1 8 1 0 — 1 8 4 8 ) siehe auch in Thieme - Becker, L e x i k o n , 36, 5 4 ; die Arbeiten wurden seinen E n t w ü r f e n f o l g e n d unter der L e i t u n g v o n J o h a n n Heidrich zu E n d e geführt. 1 7 Wie sich der A d e l solche Informationen durch eigens angestellte F a c h k r ä f t e erworben haben m a g , beschreibt Stifter, N a c h s o m m e r , z. B. 9 9 : Freiherr v o n Risach hatte einen seiner Bediensteten als Zeichner ausbilden lassen. „ E r ist eben d a r a n , die Verzierungen, die in unserem L a n d e an B a u w e r k e n , H o l z a r b e i t e n oder sonstwo v o r k o m m e n , und die wir in unseren Blättern v o n größeren Werken noch nicht haben, zu zeichnen." 18 K o t r b a , N e u g o t i k , 43 f.; Engel, Böhmen, 109 f . ; J i r i K o s t k a J i r i V o n d r a , Statni z ä m e k H l u b o k a , 1961. 1 9 Anton M a c k u , Bürgerliche B a u k u n s t des V o r m ä r z , Jahrbuch des Vereins f ü r Geschichte der S t a d t Wien 8 (1949/50), 39 ff.

12

Stekl, Aristokratie

178

Bauformen und Gartenkunst

wandeln, Rotenhof plante der Lobkowitzsche Baurat und Gartendirektor Karl Ritter, in Frauenberg, wo man auch einen Tiergarten errichtete, arbeiteten der fürstliche Gärtner Gervasius Immelin, weiters Theodor Rehder, der Sohn des fürstlich Pücklersdien Gärtners aus Muskau, sowie der ehemalige Thunsche Gärtner R . Wächa 2 0 . Eines aber war diesen „Ubergesamtkunstwerken" 21 als Architektur und Skulptur räumlich in sich einschließenden Schöpfungen gemeinsam: Überall wurde ein Stück „Natur" geschaffen 22 , in dem Elemente einer fernen, unbekannten Welt sowie einer ruhmreichen Vergangenheit ihre harmonische Vereinigung finden sollten. In dieses Zauberreich, das auf religiös-mythologischen Vorstellungen von einem paradiesischen Urzustand der Welt beruhte (Johann Adolf I I . Fürst Schwarzenberg ließ die Gegend um den böhmischen Fluß Kubani in einen „Urwald" verwadisen und in Wittingau Biberkolonien ansiedeln), konnte sich der Adel aus der Alltagswelt zurückziehen, wenn Bürgertum, Bürokratie und Industriegesellschaft an seinen überkommenen Privilegien rüttelten. Es trifft jedoch nicht den Kern der Sache, ein sentimentales Rückzugsbedürfnis in die Idylle als monokausale Erklärung für das Entstehen dieser Anlagen anzuführen. Psychologische Faktoren waren mit anderen Motiven verknüpft und besaßen bei den einzelnen Personen verschiedenes Gewicht. Konservative Staatstheoretiker hatten in ihren Schriften die Bedeutung unterstrichen, welche ein erfolgreiches Wirken in der Güterverwaltung für die gesamtgesellschaftliche Anerkennung eines politisch fühlbar entmachteten Adels besitzen konnte. Realistische Aristokraten, die trotzdem eindeutig im tradierten Standesbewußtsein und Wertdenken ihrer Schicht verhaftet blieben, fügten sich dieser Notwendigkeit. Durch administrative und wirtschaftspolitische Maßnahmen verstanden sie ihre Fähigkeit zu Anpassung und Behauptung in geänderten sozialökonomischen Verhältnissen unter 2 0 Silva-Taroüca, Gartenanlagen, 13 ff.; Adolf Berger, Zur Geschichte des Thiergartens zu Frauenberg in Böhmen, Jagdzeitung 1875, 598 ff. 2 1 Zur geistesgeschichtlichen Deutung dieses Phänomens bei Hans Sedlmayr, Verlust der Mitte, Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit, 1948. 2 2 Uber den Gegensatz zwischen Naturvorstellung und den damals konzipierten Begriffen von Zivilisation und Kultur bei Brunner, Adeliges Landleben, 332.

Biedermeiergärten

179

Beweis zu stellen. Ihre Landsitze bildeten den Ausgleich für eine „Arbeitstätigkeit" im bürgerlichen Sinn, von der man sich allerdings nach Belieben entbinden und durch angestellte Fachleute vertreten lassen konnte. Die neugotischen Adelsschlösser stellten aber auch das Ergebnis eines akzeptierten, letztlich selbstauferlegten Mode- und Stildiktats dar. Der Landsitz galt in der aristokratischen Gesellschaft noch wie früher als wesentlicher Prestigefaktor, welcher R a n g und Geltung eines Geschlechts ausdrückte. Viele französische Grandseigneurs des ancien regime waren durch den A u f w a n d für ihre Bauten zugrunde gegangen 2 3 ; Untersuchungen über die Vermögens Verhältnisse englischer Adeliger haben die Bauauslagen als wesentliches Element für Verschuldungen bezeichnet 24 . U n d auch im 19. Jahrhundert dienten, wie gezeigt wurde, hohe Kreditaufnahmen noch vorwiegend der Finanzierung von Palästen und Schlössern. Dieser große A u f w a n d bezweckte letztlich die sichtbare Dokumentation eines Herrschaftsanspruches 25 : „Nach unten" stellten solche Bauten für die ehemaligen Untertanen und oft noch weiterhin existenzabhängigen Personen schon emotionell ein Zeichen von ständiger adeliger Präsenz und Vorrang dar. „Nach oben" legten sie Zeugnis von ungebrochenem Selbstbewußtsein ab. Denn wenn z. B. die Schwarzenberg mit Schloß Frauenberg einen Sommersitz in der A r t des englischen Windsor ausführten, so nicht zuletzt deshalb, weil man sich damit eine Residenz schaffen wollte, die — zumindest in verkleinertem Maßstab — der eines Souveräns gleichkam. Audi am Beispiel des Biedermeiergartens läßt sich ersehen, daß keinesfalls ein bestimmtes Motiv allein für die ästhetische K o m ponente maßgeblich war. In den Jahren nach dem Wiener Kongreß war diese Gestaltungsform bürgerlichen Ursprungs mit bewußter Enge und Kleinräumigkeit sowie überreichem Blumenschmuck gewissermaßen als Erweiterung des Wohnraumes immer mehr in 2 3 Elias, Höfisdie Gesellschaft, 85, verweist in diesem Zusammenhang auf einen Ausspruch des Herzogs von Croy: „ C e sont les maisons qui ont écrasé la plupart des grandes familles." 24 Spring, English Landownership, 472 f. 25 Vgl. ähnliche, allerdings ideologisch überspitzte Formulierungen bei Reinhard Bentmann - Michael Müller, Die Villa als Herrschaftsarchitektur. Versuch einer kunst- und sozialgesdiichtlidien Analyse, 1970,

116 ff.

12*

180

B a u f o r m e n und G a r t e n k u n s t

Mode gekommen 26 . Die österreichische Aristokratie folgte ebenfalls dieser Entwicklung, so daß sich schließlich die Trennung zweier verschiedener Bereiche beobachten ließ. Weite englische Parks wurden vorwiegend auf den Gütern angelegt, welche infolge ihrer Größe viel leichter eine Nachahmung der Originallandschaft ermöglichten. In den Gärten der Wiener vorstädtischen Besitzungen löste man ebenfalls die strengen Formen des französischen Ziergartens auf und ging zum englischen Stil über, nahm aber gleichzeitig auch Charakteristika von Biedermeiergärten auf. Durch die beim bürgerlichen Typus seltene Großräumigkeit kam es zur Entwicklung eigenartiger Sammelformen. Ein interessantes Beispiel dafür bilden die Anlagen im liechtensteinischen Palais in der Rossau, welche nach Plänen des Gartenkontrollors Kramer im wesentlichen in den Jahren 1828 bis 1832 errichtet wurden. Fürst Johann I. nahm persönlich an dem Bau regen Anteil, legte den Verantwortlichen z w a r Sparsamkeit ans Herz, betonte jedoch, daß „in jedem Falle . . . die Sache vollkommen gut und schön werden" müsse 27 . Den Mittelpunkt der Anlage bildete, in der Mitte eines Gartengebäudes, eine Rotunde mit Glaswänden, einem kleinen Teich, reizvollen Blumenarrangements und zahlreichen Sitzgelegenheiten. An ihren beiden Seiten schlössen sich die Glashäuser an, die mit exotischem Tierbestand die Illusion einer Urwaldlandschaft boten und zu dem „romantischen Teil" im Erd- und Untergeschoß des Gartenpalastes überleiteten: „Das Glashaus zur Linken des erwähnten Mittelsaales ist überdieß bevölkert durch mehrere Affen und Papageyen, welche . . . den Reiz des Ganzen durch Pracht ihres Gefieders und ihrer eigenthümlichen Erscheinung sehr erhöhen . . . die Erdgeschosse des Gartenpalastes . . . sind zu einem wahrhaft magischen Aufenthalte umgestaltet worden. Die Pfeiler sind auf Felsenart bemalt, durch künstlich zusammengesetzte Steingebilde ist der Täuschung möglichst nachgeholfen. Pflanzungen von Nadelhölzern sind damit in Ver2 6 Heinz A l t h ö f e r , W i e n e r G ä r t e n des V o r m ä r z , W i e n e r Jahrbuch f ü r Kunstgeschichte 18 (22), 1 9 6 0 , 1 0 3 — 1 2 4 ; Wagner, Architektur, 71 f. 2 7 H A L W , H 1 1 9 4 , Baubewilligung v o m 2 1 . M ä r z 1 8 2 8 . Die Arbeiten verzögerten sich infolge Zwistigkeiten zwischen dem Baumeister und der fürstlichen V e r w a l t u n g beträchtlich (vgl. H A L W , H 1 2 1 1 ) . Ober die Gesamtkosten des weiteren Ausbaues fehlen die Angaben, doch weisen allein einige wenige Kostenvoranschläge f ü r Teilarbeiten die S u m m e v o n r u n d 2 6 . 0 0 0 fl. C M aus (vgl. H A L W , H 1 7 3 2 , H 1 7 3 3 , H 1 2 1 0 ) .

Biedermeiergärten

181

bindung gebracht, ein Bach ist durch die Gewölbe geleitet, dessen klaren

Wellen stolze Schwäne umherschwimmen.

auf

Silber-

fasane treiben sich auf labyrinthischen Gängen umher, und durch die eingesetzten Fenster von farbigem G l a ß e verbreitet sich ein eigenthümlicher zauberischer G l a n z a u f diese wirklich in ihrer A r t einzige Anlage . . . " 2 8 Auch die Tierwelt, sonst nur mit Taubenschlägen etc. vorhanden, w u r d e mit dem B a u eines „ G a m s g a r t e n s "

und einer

Menagerie

mit einbezogen 2 9 . U m möglichst perfekte Nachahmungen z u zielen,

scheute

man

sogar

vor

baulichen

Veränderungen

er-

nicht

zurück: D e r A u f g a n g zur reizvollen Barockgloriette w u r d e durch zwei umbusdite Aufgänge mit ruinenähnlichem G e m ä u e r ersetzt 3 0 . N a c h josefinischem Beispiel ließ J o h a n n I. F ü r s t

Liechtenstein

auf das T o r zu diesem öffentlichen G a r t e n in der Rossau die W o r t e „ D e r N a t u r und ihren V e r e h r e r n " setzen. Auch die Anlagen beim Schwarzenbergpalais auf der L a n d s t r a ß e waren schon nach

1780

z u r allgemeinen Benützung freigegeben w o r d e n 3 1 . Seit 1 8 2 4

fand

2 8 F. C. Weidmann, Der Wintergarten am Pallaste Sr. Durchlaucht des Fürsten von Liechtenstein, Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 1831, 658 ff. — Begeisterte Beschreibungen audi bei Eduard Boas, Reiseblüten aus der Oberwelt, 1834, 216 ff.; Criste, Johannes Liechtenstein, 171; Metternich, Tagebücher, 3, 5 4 9 ; Theaterzeitung 1840, Nr. 100 vom 25. April. 2 9 Ersterer bestand seit 1829 ( H A L W , H 1731), der Zoo stammte aus dem J a h r 1832; die Voranschläge betrugen knapp 3300 fl. ( H A L W , H 1732). 3 0 Falke, Liechtenstein, 2, 339. Zur Gloriette, welche 1873 durch den Neubau Heinrich Ferstels ersetzt wurde, bei Höß, Johann II. Liechtenstein; Karola Bielohlawek, Die Baudaten von J . B. Fischers von Erlach Belvedere Liechtenstein, Monatsblatt des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 11 (46), 1929, Nr. 1/3, 1—12; Norbert Knopp, Das GartenBelvedere. Das Belvedere Liechtenstein und die Bedeutung von Ausblick und Prospektbau für die Gartenkunst, 1971. 3 1 Die ersten Planungen waren durch Jean Trehet erfolgt, mit der Vollendung wurde der jüngere Fischer von Erlach betraut. Das ansteigende Terrain war in vier Terrassen gegliedert. Teiche, symmetrische Buschgruppen und Plastiken Lorenzo Matiellis (Der Raub der Sabinerinnen) hatten einen Park nach französischen Vorbildern geschaffen. 1721 wurde hier zum Antrieb der Wasserspiele die erste Dampfmaschine des Kontinents aufgestellt. Nach der Umgestaltung blieben nur sie und die Terrassengliederung erhalten. Vgl. audi Schwarzenberg, Baugeschichte, 19; Realis, Curiositäten-Lexicon, 2, 326; Jäck, Wien, 2 9 1 ; Drouin, Reise, 105 f ; Weidmann, Wien, 19.

182

Bauformen und Gartenkunst

hier jeweils im Mai eine Blumen- und Pflanzenausstellung, ab 1838 unter der Ägide der Wiener Gartenbaugesellschaft, statt. Der biedermeierlichen Blumenbegeisterung entsprechend, gewann die Schau bald große Popularität; 1835 zählte man bereits rund 2 0 0 Aussteller, auch die schwarzenbergische Gärtnerei lieferte Exponate 3 2 . — Alois II. Fürst Liechtenstein erwarb mit dem Palais Rasumofsky einen der schönsten Gärten Wiens, welchen der berühmte Kunstgärtner Conrad Rosenthal angelegt hatte 3 8 . In den meisten Parks von Adelsfamilien befanden sich auch Glashäuser, die sich damals großer Beliebtheit erfreuten 3 4 . Auch Hausgärten kamen zu dieser Zeit groß in Mode. Fürst Alois II. ließ 1842 die Basteihäuser Löwelstraße 11, 12 und 1164 3 5 demolieren und an ihrer Stelle die sogenannte „Gloriette" errichten, die mit dem Palais in der Bankgasse durch einen Schwibbogen verbunden war. Umgeben von einem Blumengarten, bildete das bukolische Gebäude eine der wenigen Erholungsoasen der Innenstadt 3 6 . 5 8 Theaterzeitung 1835, Nr. 106; Glossy, Wien, 1, 255. Die Qualität des Gebotenen fand audi den Beifall verwöhnter ausländischer Besucher (Trollope, Wien, 3, 220). 3 3 Die ursprüngliche Ausgestaltung nach einem klassizistischen Landschaftsideal wurde in der Folge durch reiche Blumenpflanzungen verändert. Vgl. HALW, H 1 2 0 7 , Schaetzungs Protokoll vom 25sten Aug. 1843. 3 4 Überaus gepflegt war das 17 Meter lange Glashaus, das mit dem Rasumofskypalais in direkter Verbindung stand. — Im schwarzenbergischen Vorstadtpalais wieder verfügte man auch noch über eine größere Orangerie, ein eigenes Granat- und Feigenhaus sowie zahlreiche kleinere Treibhäuser zu Züchtungszwecken (StACK, UK, Fasz. 1771, Gartenbeschreibung; weitere Hinweise bei Böckh, Schriftsteller, 451 ff.; Weidmann, Wien, 20). Über das berühmte liechtensteinische Glashaus in Eisgrub vgl. S. 177. 8 5 Löwelstraße Nr. 11 war seit 1694 Familienbesitz. Das kleine einstöckige Gebäude diente teils als Stalldepot, zeitweise war es vermietet (Harrer, Wien, 7, 245; Schimmer, Häuser-Chronik, 15; AStLW, Konskriptionsbogen des Hauses Innere Stadt Nr. 11 ; HALV, z. B. H K R 1825, pag. 76). Nr. 12 war 1837 von Franz Graf Pälffy um 11.500 fl. CM angekauft worden (HALW, H 1 2 0 8 , Kaufvertrag vom 28. August 1837), Nr. 1164 im Jahre 1836 von Peter Graf Petrovitz d'Armis um 26.000 fl. CM (HALW, H 1208, Kaufvertrag vom 15. Juni 1836; Harrer, Häuserbuch, 7, 245). 3 8 „Das ganze Palais, im episch-breiten Baustyle gehalten, hat durch diesen neuen Anbau auch eine etwas heitere Charakterseite, eine freund-

Haus- und Wintergärten

183

Die Einbeziehung der Natur in den Wohnraum gelang durch die Anlage von Wintergärten, welche kaum in einem Adelspalast fehlten. Prestigebedingt kam es hier zu übersteigerten Formen, so etwa, wenn die Schwarzenberg auf ihren Ballfesten den Kuppelsaal des Landstraßenpalais in einen künstlichen Garten mit Grotte und Wasserspielen umgestalten ließen 37 : „An dem Eingange waren zu beiden Seiten große Gruppen aus Orangen und Rhododendrons, deren äußere Seite mit Blumen geziert, angebracht. An den Seitenwänden prangten ebenfalls Pflanzengruppen . . . In der Mitte der Hinterwand war eine große Grotte sichtbar, die aus emporragenden natürlichen Felsen bestand, an welchen mehrere Gattungen Farnenkräutern . . . sichtbar waren. Auf den sich in Postamentform erhebenden Felsen ruhten drei große vergoldete Delphine, vor denen in verhältnismäßiger Größe eben so viele Muscheln angebracht waren . . . um das aus denselben geflossene Wasser aufzunehmen. Ober den Delphinen erblickte man einen gläsernen Behälter, in dem sich viele Goldfische bewegten, und aus der Mitte dieser Glasschale ragte majestätisch eine große künstliche Palme empor, durch deren goldene Blätter von dem höchsten Punkte . . . reichlich Wasser quillte, einen Wasserfall bildend . . . während noch 16 Springquellen aus verschiedenen Orten dieser Grotte emporquillten. Zu beiden Seiten dieser Grotte, so wie ober derselben gewahrte man wunderliebliche Gruppen, bestehend aus den schönsten und größten Neuholländerpflanzen, deren Vordergrund mit den seltensten blühenden Pflanzen und Blumen, in Rabattenform geziert, und alles so naturgetreu dargestellt war, daß Jeder der Eintretenden von dem Gefühle der Wonne ergriffen, und in das Frühjahr in einen der schönsten Gärten versetzt sich fühlte." lichere Lichtgebung erhalten. Zudem haben wir in der Gloriette eines der interessantesten Pradit-Baustücke im ganzen Palais. Es ist dies die herrliche, freitragende, 4 Fuß breite, fein durchbrochene Treppe samt Geländer aus Eisenguß mit eingelegten weißen Marmorplatten . . . In der Gloriette selbst finden wir einen der reizendsten, anmuthigsten Salons des ganzen Palastes . . . Dieser Salon trägt mehr den Charakter pikanter, tändelnder Geschmackscaprice in der ganzen Ausstattung . . . es überkommt uns nicht das Gefühl des Unheimlichen . . . wir fühlen uns im Gegenteil gleich heimisch in diesen freundlichen, lachenden, sonnig-verklärten Räumen" (Wiest, Schriften, 89 f.). — Das Gebäude wurde im Zuge der Wiener Stadterweiterung demoliert. " Der Adler 1840, 366.

184

Bauformen und Gartenkunst

Übersteigerter Aufwand — der Abend kostete etwa 18.500fl. 38 —, Darbietung von Exquisitem, Luxuriösem sind wieder bezeichnend für das Moment des Statusverbrauchs, welches den Adeligen zum Aufmachen eines seiner Stellung in der Aristokratie entsprechenden Hauses zwang. 38

Vgl. die detaillierte Kostenaufstellung S. 149.

9. A D E L I G E S M Ä Z E N A T E N T U M U N D KARITATIVE LEISTUNGEN Eine großzügige Förderung und Unterstützung künstlerischer und wissenschaftlicher Bestrebungen entsprach der Tradition einer alten Adelskultur, wie sie Otto Brunner dargestellt hat 1 . Vielseitiges Mäzenatentum war zu einem wesentlichen Element in der Rollenstruktur der aristokratischen Gesellschaft geworden. Es bildete eine jener Verhaltensanforderungen, die sich im Zuge ständiger Prestigekonkurrenz an die Mitglieder der Eliteschicht stellte. Auch Künstler und Publikum erwarteten, daß ein wohlhabender Hochadeliger die Rolle eines freigiebigen Gönners, sachverständigen Sammlers, kunstsinnigen Freundes von Musik und Malerei übernahm. Aus der Gruppe der Standesherren hat Heinz Gollwitzer zahlreiche Beispiele dafür angeführt 2 . In der Instruktion des Fürsten Karl Eusebius Liechtenstein ( 1 6 1 1 — 1 6 8 4 ) für seinen Sohn Johann Adam — einem noch ungedruckten und kaum bekannten Werk der Hausväterliteratur 3 — bildet das Streben nach dem Ruhm der Nachwelt eine Hauptwurzel für das Mäzenatentum dieses Barockfürsten, der allgemein als der eigentliche Gründer der liechtensteinischen Gemäldegalerie bezeichnet wird. Mit der Geschichte dieser Kunstsammlung, welche 1722 als Fideikommiß in den Besitz der Primogenitur übergegangen war, hat sich Karl H ö ß eingehend befaßt 4 . Es war bereits eine umfangreiche Sammlung von etwa 1000 E x ponaten 5 , die Fürst Johann I. 1806 aus dem Majoratspalast in das Brunner, Adeliges Landleben, 139 ff. Gollwitzer, Standesherren, 306 ff. 3 Falke, Liechtenstein, 2, 3 1 9 ; kurze Auszüge 395 ff. Vgl. auch Fleischer, Karl Eusebius Liechtenstein. 4 Höß, Johann II. Liechtenstein, über die ältere Literatur S. 3 ; von späteren Untersuchungen siehe vor allem Stix - Strohmer, Gemäldegalerie, Erwähnungen der Galerie in der umfangreichen Reise- und Memoirenliteratur des Vormärz bringt Gugitz, Bibliographie, 1, 150 ff. 5 Diese Zahl (Neues Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst 1 [ 1 8 2 9 ] , 329 ff.) dürfte den Tatsachen entsprechen, da der 1 2

186

Mäzenatentum und karitative Leistungen

Rossauer Gartenpalais übertragen ließ. Hier zentralisierte man auch zahlreiche Bilder aus dem Palast in der Herrengasse, aus verschiedenen Depoträumen sowie von Schlössern fürstlicher Herrschaften. Diese Neuaufstellung erfolgte nicht nur aus Platzgründen, sie war vielmehr das Ergebnis einer veränderten Einstellung gegenüber Kunstwerken. Ansätze dazu wurden bereits unter Alois I. (1759—1805) faßbar, als dieser die Galerie des Majoratshauses Privatinteressenten und Kunstliebhabern zugänglich machte und zahlreichen Künstlern die Erlaubnis für Kopierarbeiten erteilen ließ. Weitreichende Unterstützung erhielt damals der Schabkünstler Johann Peter Pichler, welcher ausgezeichnete Reproduktionen lieferte. Die Gemälde dienten somit nicht mehr primär als Schmuckgegenstand von privaten Wohn- und Prunkgemächern, sondern wurden im Geiste josefinischer Bildungsideen dem Volk zugänglich gemacht. Freilich standen hinter der Übersiedlung auch Prestigeerwägungen. Die geschlossene Darbietung einer umfangreichen Kunstsammlung dokumentierte Großzügigkeit und Kunstsinn des Geschlechts, der repräsentative Rahmen des Barockpalastes war ein ostentatives Zeichen herrschaftlichen Stils. Die Prachtsäle der ersten Etage dienten zur Aufstellung der hervorragendsten Italiener und Niederländer, als Mittelpunkt Rubens' berühmter Decius-Zyklus. Die Räume des zweiten Stockwerkes dagegen waren zu musealen Zwecken nur beschränkt geeignet: Kleinräumigkeit und Mangel an entsprechender Belichtung bildeten die häufigsten Ansatzpunkte von Kritiken 6 . Ein anderer Nachteil der Galerie bestand darin, daß die Bilder nicht nach einem einheitlichen Prinzip geordnet waren 7 . Damit war ein deutlicher Abfall z. B. gegenüber der Systematik der EsterhazyKatalog von 1780 713 Nummern anführt (Déscription des Tableaux, 1 ff.) und unter Alois I. etwa 300 Stücke erworben wurden (Höß, Johann II. Liechtenstein, 25 f.). * „Zur Zeit ist jede Wand dieser übergroßen Baulichkeit mit Bildern vollgepfropft, so dicht, daß eines dem andern schadet und der Gesamteindruck eher der eines Auktionssaales als der einer Galerie eines Palais ist", bemerkte Mitte der dreißiger Jahre Trollope, Wien, 2, 281. Auch Paoli, Gemälde-Gallerien, 216, klagte, daß die gedrängte Aufstellung vor allem für kleinere Bilder „zu einer wahren Tarnkappe" wurde. 7 » . . . il n'y a aucune méthode pour leur classement . . . " , bedauerte Duchesne, Iconophile, 123; ähnlich auch Paoli, Gemälde-Gallerien, 216.

Gemäldegalerien

187

oder Harrachgalerie zu bemerken 8 . Dieser Umstand war audi darauf zurückzuführen, daß Johann I. die Sammlung — nach dem Kunstgeschmack der Zeit „in nicht immer glücklicher Weise" 9 — um mehr als ein Drittel erweitert hatte: 1833 zählte man bereits 1648 Nummern. Seine Auslagen für den Ankauf von Gemälden wurden auf 3 0 0 . 0 0 0 fl. W geschätzt 10 . Ob dabei auch „unaristokratische'' ökonomische Gedanken an eine Kapitalanlage mitgespielt haben, mag offenbleiben. Eine Ordnung der Bildersammlung nach kunstwissenschaftlichen Kriterien erfolgte erst unter Johann II. Fürst Liechtenstein ( 1 8 4 0 bis 1929). E r ließ eine Reihe unbedeutenderer Werke und Kopien entfernen, so daß die Galerie 1885 in auch ästhetisch befriedigender Neuaufstellung nur mehr 8 3 9 Bilder enthielt 11 . Mit der exakten Beschriftung der Exponate wurde ein weiterer Mißstand beseitigt, der ausländischen Besuchern oft nur unter der Führung von Fachleuten genauen Einblick ermöglicht hatte 1 2 . 1873 ersetzte ein neuer

8 Lob bei Böckh, Schriftsteller, 298 ff. Das gleiche Urteil eines kunstinteressierten Laien bei Herbert Paulhart - Georg Wacha, Ein Aufenthalt in Wien 1823. Nach den Tagebuchauf Zeichnungen des Lambacher Benediktiners Franz Kollendorfer, Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 17/18 (1961/62), 200 ff. • Falke, Liechtenstein, 3, 332; Falke, Lebenserinnerungen, 166 f.; Criste, Johannes Liechtenstein, 170. — „Es würde das Aussehen der Sammlung in hohem Grade gewinnen, wenn man sie in zwei Hälften theilte, die bessere behielte und die schlechtere ausschiede", meinte auch Trollope, Wien, 3, 187. 10 Diese Schätzung für die Jahre 1805 bis 1829 dürfte noch zu niedrig sein, da sich allein für 1818, 1820, 1825 und 1830 ein Aufwand von 70.000 fl. WW nachweisen läßt. Schwierigkeiten für exakte Angaben ergeben sich aus den verschiedenen Modalitäten der Rechnungslegung. Die „Gallerie-Auslagen" wurden in den H K R in den seltensten Fällen detailliert, wodurch auch Ausgaben für Rahmenerzeugung und diverse Professionistenarbeiten in diese Rubrik fielen. — Unter Fürst Alois II. verrechnete man sämtliche Erwerbungen unter der Bezeichnung „Auf hochfürstliche Anschaffung"; detaillierte Nachweise sind auch hier nicht zu erbringen. 11 Stix - Strohmer, Gemäldegalerie, X I I f. 12 Jäck, Wien, 202, betonte, daß nur ein zufälliges Zusammentreffen mit dem Grafen Lamberg ihm ein Kennenlernen vieler Gemälde ermöglicht hatte, da die Titel vielfach fehlten, die Namen der Künstler verballhornt waren. Ähnliches kritisiert noch etwa 30 Jahre später Paoli, Gemälde-Gallerien, 205.

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

Katalog endlich den völlig veralteten Führer aus dem Jahr 1780, welchen Fürst Franz Joseph f ü r die stark ausgebaute und neu aufgestellte Sammlung hatte abfassen lassen 13 . Wesentlichen Einfluß auf die N e u a n k ä u f e besaß der Galerieinspektor, der im Einvernehmen mit seinem Dienstgeber die Gemälde bei Händlern oder auf Versteigerungen erwarb 1 4 . Bis in den Vormärz waren die Leiter der Sammlungen mit den nach alter Gepflogenheit engagierten Hofmalern identisch. Im Hause Liechtenstein wurde nach Gaetano und Vincenzo Fanti, Josef Reinisch, Johann Dallinger von Dalling dem Älteren sowie Lukas Bauer unter Fürst Johann I. Josef Anton Bauer auf diesen Posten berufen. Seit 1803 stand ihm Johann Dallinger von Dalling der Jüngere als A d j u n k t zur Seite; 1820 wurde er zum Inspektor ernannt. 1831 übernahm er Bauers Stelle als Leiter der Sammlung. Dallinger hatte sich als jüngster Sproß einer Künstlerfamilie wie schon sein Vater auf Tierstücke spezialisiert; er galt auch als geschickter Restaurator. 1869 folgte ihm Jakob Falke, ehemals Konservator am Germanischen Museum in Nürnberg, der bereits seit 1858 als Bibliothekar und R a t in Kunstfragen in fürstlichen Diensten stand 1 5 . Der in Adelskreisen verbreitete Dilettantismus auf dem Gebiet der bildenden Kunst, wie ihn u. a. Pauline Fürstin Schwarzenberg mit Vorliebe praktizierte, führte zur Anstellung Ferdinand Runks als Zeichenmeister der schwarzenbergischen Primogenitur. Seine Haupttätigkeit bestand in Unterrichtsstunden f ü r Prinzen und

13

Description des tableaux, 1 ff. Dieser Katalog hatte die erste in italienischer Sprache 1767 von Fanti zusammengestellte Obersicht abgelöst. 14 In der H K R 1818 ( H A L W , H 1749) sind z . B . Bilder im Wert von 243 fl. angeführt, welche im Februar „auf der gräfl. Apponischen Licitation" ersteigert wurden. — Einkäufe machte man gern bei der Wiener Kunsthandlung G o l d m a n n , 1835 waren es allein 31 Bilder um 3025 fl. C M (HALV, H K R 1835, pag. 208). 15 Über die liechtensteinischen Galeriedirektoren vgl. H ö ß , Johann II. Liechtenstein, 23 f., 33; zu Josef A n t o n Bauer, der vornehmlich als Historienmaler wirkte und auch durch einige geschabte Blätter nach Rubens auffiel, bei Wurzbach, Biographisches Lexikon, 1, 185. — Über Dallinger den Jüngeren siehe Wurzbach, Biographisches Lexikon, 3, 133 f . ; Slovnik naucny, 3, 14; österreichische Zeitschrift f ü r Geschichte und Staatenkunde 1 (1835), 313 ff.

Gemäldegalerien

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Prinzessinnen sowie in Auftragsarbeiten, Gouachen, Aquarellen und Federzeichnungen mit Motiven von fürstlichen Herrschaften 1 6 . In Wittingau beschäftigte Josef Fürst Schwarzenberg 1826 Franz Flath als Maler 17 , 1839 nahm Johann Adolf I I . Charles Louis Phillipot „in Anbetracht seiner durch vorteilhafte Zeugniße und durch die zur Zufriedenheit vollführte Restaurirung mehrerer alter Gemähide erprobte Kunstthätigkeit unter dem Titel eines H o f mahlers" in seine Dienste. Phillipots vordringlichste Aufgaben bestanden in der Schaffung bzw. Restaurierung von Familienporträts sowie der Bilder in der Krumauer Pfarrkirche 1 8 . Die Kustodentätigkeit trat dabei stark in den Hintergrund, da das Fürstenhaus Schwarzenberg nur eine kleine planmäßig aufgebaute Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte. Bei dieser Galerie im Marmorsaal des Landstraßenpalais handelte es sich um eine besondere Sehenswürdigkeit, die einzige in ihrer ursprünglichen Form erhaltene Barockgalerie der Residenz mit Bildern von Carree, Tamm, van den Velde, Wouverman und Hamilton 1 9 . Noch waren die Gemälde vorwiegend Dekorationsgegenstände. Manche Räume des Stadtpalastes müssen mit Bildern geradezu tapeziert gewesen sein: in den Appartements, welche Kardinal Fürst Friedrich während seiner Wienaufenthalte bewohnte, befanden sich sechzig Bilder. Dem Mangel an geeigneten Aufstellungsmöglichkeiten war es auch zuzuschreiben, d a ß bemerkenswerte Werke in Verwaltungsräumen hingen 20 . Zu planvollen Zentralisierungsbestrebungen kam es erst 1839. In einem Zirkular forderte Fürst Johann Adolf II. alle Herrschaftsämter auf, „alle Gegenstände antiquarischen Werthes, wenn selbe auf die hochfürstl. Familie, oder vorangegangene Besitzer der Herrschaften Bezug haben, welche sich auf den 16

Über Runk vgl. S. 107. SAM, Schematismus 1826, 47. 18 Phillipot (1801—1856) trat 1850 mit 250 fl. C M Pension in den Ruhestand. Vgl. über ihn S t A C K , F. P. h./23; F. P. d./35; Thieme Becker, Lexikon, 26, 550 f.; K r a j n y , Phillipot, 56 ff. Als Hilfskraft stand ihm Johann Leidner zur Seite. 18 Z u r Zusammensetzung der Sammlung im J a h r 1832 vgl. S t A C K , F. P. h./2; Realis, Curiositäten-Lexicon, 2, 326. 20 In der Zimmerwärterwohnung des Gartenpalais befand sich z. B. eine Darstellung der Heiligen Drei Könige aus der Schule Tintorettos (StACK, U K , Fasz. 1765). 17

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hochfürstl. Besitzungen befinden, als Waffen, Fahnen, Denkmünzen oder Bilder und Gebrauchssachen aller Art, und der gleichen" zu sammeln. Diese Gegenstände wurden dann nach Krumau transportiert, wo man bereits in den vorangegangenen Jahren eine „Rüst- oder romanische Kammer" eingerichtet hatte 21 . Unter dem Einfluß romantischen Geschichtsbewußtseins konzentrierte man sämtliche Schätze aus Familienbesitz auf dem Mittelpunkt der böhmischen Herrschaften. Diese an sich begrüßenswerte Bestandsaufnahme historisch und künstlerisch wertvoller Objekte bedeutete aber gleichzeitig einen Rückschritt von sonst üblichen modernen Formen musealer Darbietung zum alten Kuriositätenkabinett. Hinter dieser Anordnung stand jedoch nicht nur adelige Distanzierung in eine Privatenklave, sondern auch ein ganz nüchterner Grund. In Wien war kein Platz f ü r die Aufstellung von Sammlungen vorhanden. Ende der vierziger Jahre besaß die Primogenitur nach dem Verkauf der Häuser in der Wollzeile und der heutigen Marco d'Aviano-Gasse nur mehr Garten- und Stadtpalais, welche als Verwaltungssitz, Wohn- und Repräsentationszentren voll ausgelastet waren. — Die Rüstkammer in Krumau aber konnte ihre Geschlossenheit nur kurz bewahren. Nach dem Neubau von Schloß Frauenberg wurden viele der Antiquitäten auf diesen neuen Sommersitz transportiert. Persönliche Initiativen von Familienmitgliedern des Fürstenhauses zur Ausgestaltung der Gemäldegalerien lagen weitgehend in der Bestellung von Porträts. Wie Karl I. Fürst Schwarzenberg bevorzugte man Modemaler, z. B. Thomas Lawrence 22 , Gérard, einen der offiziellen Maler Napoleons 23 , oder den berühmten Miniaturmaler Isabey24. 21

StACK, F. P. h./4, Zirkular vom 2. Februar 1839. Karl I. Fürst Schwarzenberg bezahlte Lawrence für ein Porträt 800 Guinees. Die endgültige Fertigstellung des Gemäldes, das sich heute in Schloß Windsor befindet, erfolgte erst 1830 durch William Seguir. Vgl. Sir Thomas Lawrence Pra 1769—1830. An exhibition of paintings and drawings . . . Ed. by the Royal Academy of Arts Diploma Gallery, London 1861; Douglas Golding, Regency portrait painter. The Life of Sir Thomas Lawrence, 1951; Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 511 und Tafel X I V ; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 33, 112; StAT, UK, F. ü./VI. 23 Sein Bild Karls I. bei Schwarzenberg, Geschichte, 216. 24 Leisdiing, Miniatur, bes. 36—38. 22

Gemäldegalerien

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Einige Jahre später war es Friedrich von Amerling, den die erste Gesellschaft mit Aufträgen überhäufte. „Es gehörte zum Ehrgeiz der vornehmsten und reichen Gesellschaft . . . von Amerling gemalt zu werden. Man strebte nach der Gunst des vielumworbenen Meisters, man mußte wochenlang warten, bis der Einzelne an die Reihe kam", bemerkte sein Biograph 25 . Amerling verfertigte Bilder der Liechtenstein26 wie auch Schwarzenberg, und das Honorar von 170 Dukaten (765 fl. CM) f ü r ein Porträt des siebenjährigen Prinzen Adolf Josef Schwarzenberg (1837) zeigt, daß man die beachtlichen Forderungen des Künstlers jederzeit erfüllte 27 . Auf die Bedeutung Josef Kriehubers für das Porträtschaffen des Vormärz hat bereits Wurzbach in seinem biographischen Abriß hingewiesen28. Der Künstler wurde von der schwarzenbergischen Sekundogenitur besonders bevorzugt; Bildnisse der Feldmarschallin, des Lanzknechts, der Fürsten Karl II. und Edmund gingen auch als Lithographien in Druck. Daneben stand während des 19. Jahrhunderts noch die Miniaturmalerei in voller Blüte. Auf diesem Gebiet hob der Kunsthistoriker Eduard Leisching vor allem Moriz Michael Daffinger hervor und bezeichnete seine Darstellung der Fürstin Eleonore Schwarzenberg (um 1838) als „Juwel unter den heimischen Miniaturen"; das Bild ihrer Schwiegertochter Ida (1846) zeichnete sich durch „treffliche Ähnlichkeit" aus und brachte die Natürlichkeit des Kindes in harmonische Beziehung mit der umgebenden Natur 2 9 . Zu dieser unmittelbaren Kunstförderung durch Auftragsarbeiten 25

Ludwig August Frankl, Friedrich von Amerling, 1881, 35, 63. Über die Auftragsarbeiten des Künstlers bei den Häusern Liechtenstein und Schwarzenberg siehe auch Günther Probszt, Friedrich von Amerling. Der Altmeister der Wiener Porträtmalerei, 1927, bes. 46, 112 ff.; Thieme Becker, Lexikon, 1, 401 f. 26 Besonderes Niveau zeigten die Kinderdarstellungen der schlafenden Prinzessin Marie (1836), des Erbprinzen Johann auf einem Schimmelpony (1845); vgl. auch Fritsche, Gesellschaftsleben, 54. Auch mehrere andere Bilder des Künstlers, wie das Porträt seiner Mutter (1828) oder die Lautenschlägerin (1838), befanden sich im Besitz der Liechtenstein. 27 StACK, H K R 1839, pag. 75; besonders gelungen war auch das Bild des Fürsten Friedrich anläßlich seiner Kardinalserhöhung (1841). 28 Wurzbach, Biographisches Lexikon, 13, 219 ff. — Von der älteren liechtensteinischen Linie zeichnete Kriehuber die Fürsten Alois II. und Johann II., von der jüngeren fast sämtliche Mitglieder. 2 » Leisching, Miniatur, 139 ff., 181 ff., 243 ff.

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

zählte auch die Beschäftigung weniger bekannter Künstler, wie Emanuel Peter 30 oder Alois von Anreiter 31 , als Kopisten. Die Tätigkeit in einem angesehenen Adelshaus bedeutete für einen Künstler ein Einführen in die vornehme Welt und brachte einen nicht zu unterschätzenden Popularitätsgewinn. Wiederholt wurden auch Gelegenheitsarbeiten reisender Maler angekauft 3 2 oder Bestellungen f ü r bestimmte Bilder aufgegeben. Kardinal Friedrich Schwarzenberg ließ von Rüben, Haushofer und Wachsmann zahlreiche Bilder mit Salzburger Gebirgsmotiven malen 33 . Auch Fürst Josef und Johann Adolf wurde ein tieferes persönliches Interesse in Fragen der Kunst zugeschrieben. Ihre Vorliebe f ü r die zeitgenössische Biedermeiermalerei ist durch ständige Kontakte mit Füger, Krafft und Rebell belegt; Gauermann und Alt arbeiteten häufig f ü r das Fürstenhaus; auch die Kupferstecher Schmutzer und Passini wurden von ihnen besonders gefördert 3 4 . Für den Ausbau adeliger Bibliotheken waren ähnliche Motive wie bei der Anlage von Gemäldesammlungen maßgeblich. Den Grundstein zur liechtensteinischen Büchersammlung hatte Fürst H a r t m a n n II. (1544—1585) gelegt, dessen N a m e n zahlreiche wertvolle Inkunabeln tragen. Die Bibliothek wurde unter seinen Nachfolgern zwar ständig vergrößert, lag aber ohne praktischen Nutzen in Kellerdepots, ehe sie Fürst Josef Wenzel (1696—1772) im Majoratspalast aufstellen und einen Katalog verfassen ließ. Viele

30 Thieme - Becker, Lexikon, 26, 4 7 6 ; Leisdiing, Miniatur, 162 ff. Peter b e z o g für seine Arbeiten, meist K o p i e n v o n Miniaturen, Honorare zwischen 25 und 50 fl. CM. Aus seiner eigenständigen Produktion ist v o r allem die reizvolle Miniatur der Fürstin Eleonore zu nennen (Leisching, Miniatur, 196). 31 Über Anreiter v g l . ÖBL, 1, 2 4 ; Leisching, Miniatur, 172 f. Eine Miniatur der Fürstin Leopoldine Liechtenstein, der Mutter Eleonore Schwarzenbergs, brachte ihm z . B . 144 fl. C M ( H A L V , H K R 1845, pag. 110). 32 Darunter ist beispielsweise das Gemälde v o n Schloß Liechtenstein v o n dem Landschaftsmaler Johann Fischbach einzureihen. D a s Werk entstand 1825 während einer Studienreise; das H o n o r a r dafür betrug 125 fl. C M ( H A L V , H K R 1825, pag. 118). U b e r Fischbach v g l . Ö B L , 1, 319. 33 Blau-Weisse Blätter, 3/3 (1955), 3. 34 Kisch, Wien, 1, 530.

Bibliotheken

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Erwerbungen aus den verschiedensten Wissensgebieten sind seinen vielseitigen persönlichen Interessen z u verdanken 3 5 . M i t dem N e u b a u des Herrengassenpalais hatte Alois I. Fürst Liechtenstein im z w e i t e n Stockwerk des sogenannten „Kanzleihauses" einen repräsentativen Bibliothekssaal errichten lassen. M a n besaß damals noch nicht die später modernen staubschützenden Glasschränke 3 6 , doch hatte die S a m m l u n g — abgesehen v o n einzelnen kleinen Unzukömmlichkeiten 3 7 — v o r allem w e g e n ihrer systematischen O r d n u n g und der thematisch breiten Streuung der Bestände (griechische und lateinische Klassiker m i t philologischen Untersuchungen, historische Werke, Schriften über Kriegstaktik und Kriegsgeschichte, medizinische Publikationen) allgemein ausgezeichneten R u f 3 8 . M i t den rund 4 0 . 0 0 0 Bänden zählte sie z u den größten Bibliotheken Wiens 3 9 . D i e schwarzenbergische Büchersammlung wies im V o r m ä r z e t w a 3 0 . 0 0 0 Werke auf, welche „in vier zusammenhängenden A b theilungen in Kästen aus Eichenholz" im Stadtpalais der Primogenitur am N e u e n Markt in Wien aufgestellt waren. Sie zeichnete sich durch seltene Prachtausgaben sowie eine Fülle v o n juristischen 35

Hanns Bohatta, Fürst Wenzel von Liechtenstein und sein Verhältnis zu den Büchern, Jahrbuch des Vereins f ü r das Fürstentum Liechtenstein 33 (1933), 135 ff.; Hanns Bohatta, Katalog der in den Bibliotheken der regierenden Linie des fürstlichen Hauses von und zu Liechtenstein befindlichen Bücher aus dem X V I . — X X . Jahrhundert, 3 Bände, 1931, besonders 1, Vorrede. 36 Solche waren damals bei Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen und beim Grafen Fries in Verwendung (Jäck, Wien, 94 f.). 37 Der einzige Zugang zur Bibliothek f ü h r t e an den übelriechenden Ställen vorbei. Als ironisch-selbstkritische Entschuldigung hatte man dort die Inschrift „Equis et Musis" anbringen lassen. Vgl. Rüssel, Reise, 2, 254 f. 38 „Elle se distingue autant par la beauté du local que par la quantité de ses livres", bemerkte Balbi, Essai, 100. Dudiesne, Iconophile, 125, urteilte: „La bibliothèque . . . mérité d'être remarquée surtout par sa disposition à la fois simple que noble, et qui pourrait servir d'exemple pour d'autres établissements de ce genre." — Über den Bibliothekssaal vgl. auch H ö ß , Johann II. Liechtenstein, 223 f.; Wagner, Architektur, 65. 39 Balbi, Essai, 112 f.; Pezzi, Wien, 274. — Die Angabe von 50.000 Bänden bei Sdimidl, Wien, 144 (übernommen von Böckh, Schriftsteller, 110), bezweifelte schon Jäck, Wien, 91. In der Residenz wurde die liechtensteinische Büchersammlung an U m f a n g nur von der H o f - , Universitäts- sowie der Privatbibliothek von Kaiser Franz übertroffen. 13 Stekl, Aristokratie

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Mäzenatentum und k a r i t a t i v e Leistungen

Werken, aber auch Veröffentlichungen aus den Bereichen der Naturwissenschaften und Landwirtschaftskunde aus. Der mitunter kritisierte Mangel „am Reiz neuer Kostbarkeiten" wird ähnlich wie bei den Gemälden auf das Fehlen einer konsequenten Zentralisierung zurückzuführen sein 40 . — Neben diesem Familienbesitz besaß auch Fürstin Eleonore, die Gattin Johann Adolfs II., eine kleine eigene Bibliothek 4 1 . Für die Leitung der Sammlungen suchte man wieder qualifizierte Leute zu gewinnen, welche diese Tätigkeit oft nebenberuflich ausübten. Johann I. Fürst Liechtenstein hatte den ehemaligen Reichsbücherrevisor Franz Wolf aus Frankfurt am Main angestellt, der gleichzeitig als Kurator der Beckschen Buchhandlung in Wien wirkte 4 2 . 1840 löste ihn Michael Kratochwil ab, der diesen Posten wie sein Vorgänger zur vollsten Zufriedenheit des Dienstgebers ausfüllte 43 . Auch die Doppelfunktion Erzieher-Bibliothekar war häufig anzutreffen. Bei der schwarzenbergischen Primogenitur versah Emerich Hohler beide Aufgaben, bei der jüngeren Linie Josef Bueler, früher Offizial am Haus-, H o f - und Staatsarchiv in Wien 4 4 . Der genaue Bücherzuwachs in den einzelnen Jahren ist nicht mehr eindeutig festzustellen. Bei den Liechtenstein lag der Jahresdurchschnitt der Bibliotheksauslagen meist um 1500 fl. W W — das entsprach den jährlichen Mindestbezügen eines Theologieprofessors an der Universität Wien. Beim Ankauf ganzer Bibliotheken wurde diese Summe erheblich überschritten 45 . Bei den Schwarzenberg be4 0 Bödch, Schriftsteller, 1 1 1 ; Balbi, Essai, 1 0 7 ; Koch, Donaureise, 119; J ä c k , Wien, 98. — Schmidl, Wien, 1 4 4 , der allgemein höhere Schätzungen v o r n a h m , gab den Bestand 1 8 3 7 mit 4 0 . 0 0 0 B ä n d e n an. 41 C a t a l o g u e alphabétique des livres qui composent la Bibliothèque de Son Altesse M a d a m e la Princesse Eleonore de Schwarzenberg, née Princesse de Liechtenstein ( S t A C K , F . P . h . / l ) . 4 2 Böckh, Schriftsteller, 1 1 1 ; Jäck, Wien, 9 1 . 4 3 Falke, Lebenserinnerungen, 1 6 7 . — Bei Kratochwils Posten, der mit 6 0 0 fl. C M p r o J a h r systemisiert w a r , dürfte es sich um eine ganztägige Stellung gehandelt haben. W o l f s Gehalt h a t t e mit 1 0 0 0 fl. W W nicht einmal dem eines Kanzlisten entsprochen ( H A L V , H K R 1 8 2 0 , pag. 1 6 5 ; H A L W , H 1778, Besoldungsliste 1840). 4 4 Vgl. S. 110. 45 1 8 3 0 z . B . wurde die S a m m l u n g der Gräfin Sternberg um 4 4 1 2 fl. C M erworben ( H A L V , H K R , Bibliotheksauslagen, welche n u r summarisch mit dem Verweis auf eine v o m Bibliothekar abgefaßte Liste angegeben wurden).

Verschiedene Sammlungen

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trugen die Gesamtauslagen für Bücher zwischen 1820 und 1848 etwa 28.000 fl. CM 4 6 . Der auf 15.000 Bände geschätzte Besitz der Sekundogenitur wurde nach dem Tod des Feldmarschalls großteils veräußert, die Bücherausgaben sanken damit auf maximal 350 fl. C M pro Jahr, etwa ein Zehntel ihrer früheren Höhe, ab 47 . Ein planmäßiger Neuaufbau erfolgte nicht mehr. Die Bedeutung von Lektürezirkeln und Kontakten mit Dichtern f ü r die adelige Salonkultur wurde bereits erwähnt. Einen Hinweis auf ein möglichst vielseitiges Bildungsstreben der Aristokraten geben uns auch jene Bücher, die nach dem Tod von Josef II. Fürst Schwarzenberg in seinem Schreibpult auf Schloß Frauenberg gefunden wurden und wahrscheinlich seine tatsächliche Lektüre gebildet hatten 4 8 . In den historischen Werken (einer Geschichte der Inkas sowie der englischen Seereisen; einem Buch über französische Geschichtsschreibung) zeigt sich eine Mischung von wissenschaftlichem Interesse und romantischer Neigung zu versunkenen Kulturen und Abenteuern; die naturwissenschaftlichen Schriften (eine Abhandlung über die Arten der Salpetererzeugung und ein Lehrbuch der praktischen Geometrie) entsprechen den Bedürfnissen eines Landwirtes, der sich Einblick in Grundfragen und Hilfsmittel seiner Tätigkeit verschaffen muß. Beschäftigung mit „schöner Literatur" (eine französische Übersetzung von Fabeln) auch auf fachlicher Basis (Schrift über die Theorie der deutschen Dichtungsarten) durfte nicht fehlen; aber auch die privaten Neigungen (eine Anleitung zum Whistspiel) bedurften ständiger Perfektion. Kupferstichsanimlungen wurden in der Regel gemeinsam mit Bibliotheken betreut. Durch den Ankauf der Baron Gundelschen Sammlung um 30.000 fl. hatte Fürst Alois I. den Grundstock für die liechtensteinischen Bestände gelegt 49 . Freilich konnten sie weder an U m f a n g noch an Qualität mit dem Besitz eines Grafen Fries, der Esterhäzy oder Herzog Albrechts von Sachsen-Teschen gleichkommen. Das Schätzungsprotokoll über den Nachlaß Fürst 46

StACK, H K R , Ausgaben/Bibliothek. Schwarzenberg, Feldmarschall Schwarzenberg, 77; Kerdinawe Veltze, Feldmarschall Schwarzenberg, 12 f.; StAT, U K , HKR/Bibliotheksauslagen; StAT, F. ü./VI. 48 StACK, F . P . h . / l . 49 Pezzl, Wien, 325; Realis, Curiositäten-Lexicon, 2, 122; Böckh, Schriftsteller, 325; Sdimidl, Wien, 230; Koch, Donaureise, 154. 47

13*

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

Alois' I I . bezifferte den Wert von „Bilder, Kupferstieche, Album" im Majoratspalast auf 45.762 fl. CM 5 0 . Erst Fürst Johann I I . widmete sich dieser Sammeltätigkeit wieder neu, nachdem das Biedermeier eine gewisse Stagnation bedeutet hatte. 1883 erwarb er die berühmte Hauslab-Sammlung, welche zahlreiche hervorragende Stücke aufwies 51 . Auch die Stiche von Karl I. Fürst Schwarzenberg hatten beträchtlichen Wert besessen, waren jedoch wie die meisten anderen Kunstgegenstände der jüngeren Linie nach seinem Tod notgedrungen veräußert worden 52 . Die weiteren Sammlungen, welche sich in den Händen fürstlicher Familien befanden, waren mehr oder weniger Zufallsprodukte, die aus Schenkungen stammten oder gerade nach der spezifischen Neigung eines Familienmitgliedes angelegt, erworben und rasch ausgebaut wurden, dann aber langsam in Vergessenheit gerieten und in Depots verschwanden. Eine der wenigen bemerkenswerten Mineraliensammlungen im Besitz Adeliger war die liechtensteinische, die Fürst Alois I. vom Grafen Kolowrat erworben hatte 53 . Die Aufsicht über die Bestände sowie ihre Erweiterung waren dem berühmten Gelehrten Friedrich Mohs übertragen. Der Austritt des Forschers und der Tod des Fürsten ließen jedoch den großzügig begonnenen Ausbau rasch an Bedeutung verlieren. Fürst Johann I. zeigte zwar noch reges Interesse und ließ die Sammlung nach mehrmaligem Wechsel des Aufstellungsortes in seinem Hauptsitz, dem Herrengassenpalais, unterbringen, um ihr dort leichter „seine freien Augenblicke widmen zu können". Ein systematischer weiterer Ausbau erfolgte jedoch nicht 54 . Oft stammten solche Sammlungen auch aus Widmungen oder Schenkungen; Friedrich Fürst Schwarzenberg hatte seine Mineraliensammlung zu seinem 14. Geburtstag von dem Wittingauer Arzt Matthias Klement erhalten 55 .

H A L W , H 1201. H ö ß , J o h a n n II. Liechtenstein, 2 2 4 , 3 2 4 ff. 5 2 Siehe S. 33. 53 Böckh, Schriftsteller, 5 4 5 f., nannte neben E r z h e r z o g R a i n e r die G r a f e n W r b n a und Fries sowie die Fürsten E s t e r h ä z y und L o b k o w i t z als einzige Aristokratenfamilien mit nennenswerten Mineraliensammlungen. 50

51

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Criste, Johannes Liechtenstein, 170.

55

Wolfsgruber, K a r d i n a l Schwarzenberg, 1 , 1 7 .

Verschiedene Sammlungen

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Die schwarzenbergische Primogenitur besaß auch eine Münzsammlung, welche im Schloß Krumau lagerte 56 . Da mit der Betreuung ein Holzschwemmkontrollor betraut war, fehlte es an fachmännischer Leitung. Die Oberaufsicht hatte ein Beamter der Grenzgeschäftskommission, der auch für die Aufstellung der Exponate in der schon erwähnten „Rüst- oder romanischen Kammer" verantwortlich war 5 7 . Diesen reinen Verlegenheitslösungen entsprechend, waren auch Neuanschaffungen ziemlich gering 58 , die meisten Münzen, vorwiegend Gedenkmedaillen von Privaten oder Gesellschaften, stellte der Fürst selbst bei. Der Musikliebhaber Ernst Fürst Schwarzenberg hatte während seiner Tätigkeit in Salzburg und Raab eine kleine Musikaliensammlung angelegt, deren Wert auf etwa 2000 fl. geschätzt wurde. Sie ging nach seinem Ableben in den Besitz von Fürst Josef II. über, der sie mit den von seinem Großvater erworbenen Stücken vereinigte 59 . Die Entstehung der Kartensammlung von Karl I. Fürst Schwarzenberg bietet wieder einen Beweis für die hervorragende Ausstattung, die man Söhnen aus fürstlichem Haus auf ihren Lebensweg mitzugeben trachtete. Im Hinblick auf die vom Elternhaus vorbestimmte Militärlaufbahn des Prinzen war 1797 die Sammlung des Feldmarschalls Maximilian Graf Browne um 3000 fl. angekauft worden. Der wertvolle Bestand mit seltenen Kartenwerken aus dem 17. und 18. Jahrhundert blieb Familienbesitz und wurde auch von den Söhnen des Siegers von Leipzig weiter ausgebaut 60 . Die ältere schwarzenbergische Linie verfügte außer den bereits genannten noch über Sammlungen von Autographen, alten Handschriften, Siegeln und Stempeln 61 . Die liechtensteinische Gemäldegalerie wurde 1706 mit dem Besitz von Bildhauerarbeiten und kunstgewerblichen Gegenständen vereinigt. Fürst Karl Eusebius war der Initiator dieser Bestrebungen gewesen, als er die besten Stücke zu dekorativen Zwecken in der Galerie hatte aufstellen lassen; sein Ideal einer eigenen Skulpturen56 57 58 59 60 61

S t A C K , F. P. h./3. Zum Beispiel SAM, Schematismus 1822, 27. 1 84 3 betrugen die Auslagen nur 89 fl. 58 xr W . S t A C K , F. P. h./26/l/l; Mörath, Tonkunst. Statnl Archiv v Treboni, 3, 163 f. Ebd., 161 f.

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

Sammlung blieb unerreichbar. Fürst Johann I I . sind hier zahlreiche Neuerwerbungen zu verdanken, welche er mit dem Altbestand nach stilistischen Kriterien auf die verschiedenen Säle verteilen ließ 6 2 . Neben intensiver Sammeltätigkeit und reicher Förderung von bildender und darstellender Kunst pflog man zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Wiener Adelskreisen noch eine großzügige Unterstützung des Musikschaffens. Man stand dabei vielfach unter dem Einfluß alter Familientraditionen, die bei den Schwarzenberg von Fürst Josef I. ( 1 7 2 2 — 1 7 8 2 ) ausgegangen war. Damals wirkte Scarlatti als Musiklehrer der Prinzessinnen, wurden musikalisch vorgebildete Leute bei der Aufnahme in fürstliche Dienste bevorzugt und im Rahmen der Hofkapelle weiter ausgebildet, gelangten zahlreiche musikalische Akademien im Stadtpalais zur Aufführung. Fürst Johann I. (1742—1789) schloß sich dem Kreis der „Associirten" um Gottfried van Swieten an, der Aufführungen von Kompositionen Bachs, Händeis und Mozarts veranstaltete. Fürst Josef I I . folgte dem Vorbild seines Vaters. E r beschäftigte Komponisten wie Anton Hofmeister und Johann Went, unterstützte den jungen Beethoven, lud Antonio Salieri als Gast auf seine Herrschaften. Ebenfalls Mitglied der adeligen Musikgesellschafl, welcher damals noch die Fürsten Esterhäzy, Trauttmansdorff, Lobkowitz, Kinsky, Liechtenstein und Lichnowsky, die Grafen Marschall, Harrach und Fries sowie die Freiherren Spielmann und van Swieten angehörten, stellte er 1798 sein Palais zur Uraufführung von Josef Haydns „Schöpfung", 1801 zur ersten Wiedergabe der „Jahreszeiten" zur Verfügung. Sein Haus führte damals die barocke Musikpflege eines Fürsten Kaunitz und Esterhäzy sowie Prinzen von Hildburghausen fort und nahm damit eine ähnlich glanzvolle Stellung ein wie die Salons des Fürsten Anton Isidor Lobkowitz, dessen berühmte Musikabende der Kapellmeister Reichardt ausführlich beschrieben hat. Auch die

6 2 Der Katalog von 1780 erwähnte 138 „grouppes, bustes et statues", welche in den damals zwölf Sälen aufgestellt waren (Description des tableaux, 256 ff.). 1840 verfügte man bereits über 358 Exponate (Pezzi, Wien, 3 2 4 ; Archiv für österreichische Geschichte 1829, 365). Genaue Beschreibungen bei Fleischer, Karl Eusebius Liechtenstein, 44, 199 f.; H ö ß , Johann II. Liechtenstein, 77 ff.; Erica Tietze-Conrat, Die Bronzen der Fürstlich Liechtensteinischen Kunstkammer, 1918.

Musikschaffen

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Unterstützung, welche Beethoven und Mozart in Adelskreisen genossen hatten, ist hinlänglich bekannt 63 . In Salzburg förderte Ernst Fürst Schwarzenberg, Besitzer des Gutes Aigen, namentlich Michael Haydn und Hacker, die ihm als Dank einige ihrer Kompositionen widmeten. Bei Fürst Ernst finden sich auch erste Ansätze zur biedermeierlichen Hausmusik, wenn er als begeisterter Musikdilettant und passabler Sänger zu seinen Abendgesellschaften wiederholt bekannte Salzburger Interpreten beizog 84 . Eine neuere zusammenfassende Arbeit über das Musikleben im vormärzlichen Wien steht noch aus. Doch hat schon der Musikkritiker und Professor Eduard Hanslick in seiner Untersuchung über das Wiener Konzertwesen festgestellt, daß seit den Napoleonischen Kriegen die Hocharistokratie von aufwendiger Musikförderung und Großveranstaltungen abging 65 . Nur auf einigen wenigen Adelsherrschaften hielt man sich noch Hauskapellen: Heinrich Graf Haugwitz in Namiest, Adolf Graf PodstatzkyLichtenstein auf Schloß Teltsch und Ferdinand Peter von Laurencin galten in Mähren als Exponenten einer Musikpflege alten Stils 66 . Johann I. Fürst Liechtenstein hatte noch 1815/16 im Zubau zu Schloß Eisgrub einen eigenen Musiksaal einrichten lassen, doch führten materielle Erwägungen sowie die bewußt vollzogene Beschränkung auf den Gesellschaftskreis der eigenen Angehörigen sowie ebenbürtiger Familien schließlich zur Auflassung der „fürstlichen Harmonie" und Entlassung oder Pensionierung der Kammermusiker 67 . Musikalische Soireen blieben z w a r weiterhin beliebte

63 S t A C K , F. P. b., Fasz. 509; Mörath, Tonkunst; K a r l Kobald, Josef Haydn. Bild seines Lebens und seiner Zeit, 1932; ders., AltWiener Musikstätten, 2 1 9 2 3 ; Eduard Hanslidc, Der österreichische Adel und die Musik, in: Neue Freie Presse, Morgenblatt, 1865, Nr. 385, 388; ders., Concertwesen, 46 f.; Reidiardt, Briefe, über Josef Fürst Schwarzenberg vgl. 2, 2 5 ; d'Elvert, Musik in Mähren, 182 f. 64 Pillwein, Biographisches Lexikon, 2 1 4 ; Wurzbach, Biographisches Lexikon, 33, 29 ff. 95 Hanslick, Concertwesen, 45 ff. e" d'Elvert, Musik in Mähren, 183 f., Beilagen 47 ff. 67 H A L W , S. 288a, vgl. audi S. 91. Als liechtensteinischer Kapellmeister hatte bis 1809 Josef Triebensee gewirkt. Vgl. über seine Bedeutung als Künstler H A L W , H 73, Personalakt; Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Encyclopädie der Musik 13 (1966), 663.

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

Abendunterhaltungen, für die man wie für Bälle erste Kräfte des Hofoperntheaters und der Wiener Unterhaltungsmusik zu gewinnen trachtete. Das Schwergewicht der Musikförderung verlagerte sich zusehends in die Salons der „Zweiten Gesellschaft", in das Bürgertum, auf Fachorganisationen. Ihre Bedeutung für die Wiener Musikgeschichte wurde am Beispiel von Raphael Georg Kiesewetter, Hofrat beim Hofkriegsrat, ausführlich dargestellt 68 . An Stelle vornehmer Protektoren bildete sich ein breites Publikum, Musikveranstaltungen wandelten sich damit von privaten zu öffentlichen Darbietungen. Die adelige Musikförderung begann sich nun weitgehend in die Anonymität der materiellen Unterstützung von Vereinen zu verlagern. Johann Adolf I I . Fürst Schwarzenberg ließ an zehn solcher Privatorganisationen regelmäßige Jahresbeiträge überweisen. Die 1812 gegründete Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, die auf dem Gebiet der Tonkunst großen Einfluß besaß, erhielt wie schon unter Fürst Josef jährlich 100 fl., fallweise wurden diese Beträge wesentlich erhöht: 1 8 2 1 — 1 8 3 6 auf 300 fl. zur Errichtung eines Konservatoriums, 1836—1838 auf 600 fl. Die Zahlungen an kleinere regionale Vereinigungen, wie z. B. die Kirchenmusikvereine St. Karl oder St. Anna in Wien, waren wesentlich niedriger, sie lagen gewöhnlich zwischen 20 und 25 fl. C M 6 9 . Wie bei der Musikförderung war auch im Schauspielwesen eine reiche mäzenatische Tätigkeit mit gesellschaftlichen Repräsentationsnotwendigkeiten verbunden. Alois I. Fürst Liechtenstein z. B. hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf Schloß Feldsberg zur Unterhaltung seiner zahlreichen Jagdgäste einen eigenen Theatersaal errichten lassen. Die mit Jahresverträgen engagierten Schauspieler waren verpflichtet, außerhalb der Herbstsaison auch in anderen Städten (Wien, Troppau, Wiener Neustadt) zu spielen. In der Residenzstadt Wien wurde ein Saal im Schreyerschen Haus in Penzing gemietet und am 14. Mai 1803 eröffnet. Die Bühne sollte vor allem einen Anziehungspunkt für den im nahen Hietzing wohnenden Adel bilden; auch von der Nähe des kaiser6 8 Herfrid Kier, Raphael Georg Kiesewetter (1773—1850). Wegbereiter des musikalischen Historismus, 1968. Vgl. auch Müller, Briefe, 219. 9 9 Zum Beispiel StACK, H K R 1829, pag. 84; H K R 1835, pag. 7 4 ; Mörath, Tonkunst; Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 150 f.

Theaterwesen

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liehen Schlosses Schönbrunn erhoffte man guten Besuch. Nach anfänglichen Schwierigkeiten waren bald echte Fortschritte zu verzeichnen. Doch Organisation und Finanzierung der Theatergesellschaft waren allein der Initiative Fürst Alois' I. zu verdanken gewesen. Mit seinem Tod wurden sämtliche fertigen Pläne für eine Vergrößerung des Theaters sowie für das Engagement bekannter Künstler fallengelassen 70 . Aus einem Inventarium von Theatereffekten ist ersichtlich, daß sich 1793 auch auf der liechtensteinischen Herrschaft Eisgrub bereits ein Theatersaal befand. Zwei Jahre später hatte sich Alois I. mit dem Gedanken getragen, im Park des Schlosses ein Sommertheater, vielleicht eine Freilichtbühne, erbauen zu lassen. Entwürfe von Ignaz Holle kamen jedoch nicht zur Ausführung. Erst Fürst Johann I. ließ hier 1812 durch Franz Engel einen Theatersaal errichten. 1815/16 wurden an der Ostseite des Schlosses mehrere Repräsentationsräume zugebaut, welche mit der Galerie des Theaters in Verbindung standen. Auch in den Wiener Adelspalästen waren Schauspiele überaus beliebt. Alois I. Fürst Liechtenstein hatte 1792 einige Räume des Majoratspalastes zu einem Theater umbauen lassen, in dem seine Schauspieltruppen auftraten und Mitglieder des Hochadels Laienaufführungen veranstalteten. In verstärktem Ausmaß wurden solche Stücke auf die Initiative von Fürst Alois I I . inszeniert, welcher entsprechend adaptierte Räumlichkeiten im Rasumofskypalais zur Verfügung stellte. Diese Theaterabende fanden in der Hautevolee Wiens begeisterte Zustimmung 71 . Beibehalten wurde während des Vormärz die unmittelbare finanzielle Förderung aktiver Schauspieler und Dichter durch die Widmung eines angemessenen Betrages bei Benefizvorstellungen. Josef I I . Fürst Schwarzenberg erwies sich in dieser Hinsicht als recht großzügig. Spenden in der Höhe von 40 bis 80 fl. CM (diese Höchstsumme entsprach dem baren Jahresgehalt eines „minderen

7 0 Hanns Bohatta, Das Theaterwesen am Hofe der Fürsten von und zu Liechtenstein, Jahrbuch der Gesellschaft für Wiener Theaterforschung 1950/51, 38 ff.; Emil Karl Blümml - Gustav Gugitz, Alt-Wiener Thespiskarren. Die Frühzeit der Wiener Vorstadtbühnen, 1925, 87 ff. 7 1 Vgl. S. 143.

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

Dieners") waren keine Seltenheit. D i e Auslagen seines Sohnes überstiegen bei solchen Anlässen hingegen kaum 20 fl. 7 2 . Es ist also auch auf dem Gebiet der Theaterförderung ein Abgehen von barockem A u f w a n d und Rückzug auf den privaten Kreis eines „entres nous" festzustellen, welcher mit einer gewissen Routinisierung materieller Unterstützungstätigkeit parallel lief. Diese Entwicklung ist auch bei den Schwarzenberg festzustellen, deren Theatersaal mit den berühmten Fresken auf Schloß K r u m a u 7 3 nur mehr für gelegentliche Fest- und Wohltätigkeitsveranstaltungen verwendet wurde 7 4 . Sie entsprach einem Wandel adeliger Repräsentationselemente, mußte aber gleichzeitig auch aus der Entwicklung des Wiener Schauspielwesens verstanden werden. Zwischen einem immer populärer werdenden bodenständigen Volkstheater und einer von erstklassigen K r ä f t e n getragenen H o f bühne vermochte sich ein eigenes Privattheater nicht mehr zu halten. D i e öffentlichen Bühnen wurden, wie die Beschreibung des Gesellschaftslebens gezeigt hat, häufig und gern besucht. Zum Teil m a g die Zurückhaltung auf diesem Gebiet auch durch finanzielle Rückschläge bewirkt worden sein, die z. B. den Fürsten Lobkowitz als Pächter der Hoftheater ruiniert hatten. Derartige Ereignisse hatten auch zur Auflösung der privaten „Theaterunternehmungsgesellschaft" geführt, deren Mitglied Josef II. Fürst Schwarzenberg gewesen war 7 5 . Eine planvolle und konsequente Wissenschaftsförderung von seiten der Hocharistokratie fehlte fast gänzlich. D i e K l u f t zwischen Gelehrtem und Adeligem w a r auf Gesellschaften a u f g r u n d des meist verschiedenen sozialen Milieus nicht zu übersehen 7 6 . Somit 72 S t A C K , H K R 1817, p a g . 47, weist z . B . für eine Benefizvorstellung zugunsten der berühmten Schauspielerin Antonie A d a m b e r g e r 40 fl., f ü r den D r a m a t i k e r K o t z e b u e 80 fl. C M aus. — Über J o h a n n A d o l f II. siehe H K R 1734—1848, Ausgaben/Theaterauslagen. 7 3 Beschreibung, Bildmaterial und Literatur bei K i n d e r m a n n , Theatergeschichte, 5/2, 645 f f . ; T r u d e A l d r i a n , D i e Fresken des Maskensaales im Schwarzenbergischen Schloß K r u m m a u a. d. M o l d a u , Schwarzenbergisches J a h r b u c h 1956, 209 ff. 7 4 Über F e s t a u f f ü h r u n g e n an den Ehrentagen einzelner Familienmitglieder siehe S t A C K , F A R , J o h a n n A d o l f Schwarzenberg, l b , 4b. 7 5 Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 150. 7 6 Gollwitzer, Standesherren, 307, bringt als Beleg f ü r die lange D a u e r solcher Einstellungen noch das Beispiel des Professors in H o f m a n n s t h a l s „ D e r Schwierige".

Wissenschaft

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lag die während des Vormärz vorwiegend übliche Förderung im Bereich der Bildungspolitik, wo sie sich weitgehend an den gesetzlichen Verpflichtungen eines Herrschaftsbesitzers orientierte. Es entsprach dabei einer alten Gepflogenheit, daß der Schulpatron f ü r Instandhaltung oder Erneuerung der Gebäude aufkam, mit seiner Gemahlin gelegentlich den Abschlußprüfungen beiwohnte, bedürftige Schulkinder mit Lernbehelfen oder Almosen ausstattete, Schulfeste veranstaltete und für fähige Pädagogen sorgte. Mit diesem Erziehungswerk verfolgte man aber nicht nur eine „Überwindung der Armut" und „Erweckung der politischen Tugenden", wie Franz Anton Graf Thun zugeschrieben wurde 7 7 , sondern auch durchaus eigennützige Bestrebungen: Indem man gerade unter Beamtenkindern die Weiterbildung besonders begabter Schüler finanzierte78, Studienbeihilfen auszahlte 76 , Promotionskosten übernahm 8 0 und f ü r die Widmung von Dissertationen H o n o r a r e überreichen ließ 81 , schuf man sich mehr oder weniger bewußt einen verpflichteten Personenkreis, welcher ein Reservoir f ü r die Auswahl einer loyalen und tüchtigen Verwaltungs- und Dienerschaft bildete. Diesen Intentionen entsprach das ökonomische Institut auf der schwarzenbergischen Herrschaft Krumau (1815—1845), welches aus der Goldenkroner Anstalt (gegründet 1801) hervorgegangen war 8 2 . Die Schule stand Interessenten zwischen 14 und 20 Jahren mit Absolvierung von mindestens vier Grammatikaiklassen nach Ablegung einer Eignungsprüfung offen. Im ersten Studienjahr erfolgte Unterricht in Naturgeschichte und Physiologie, Mathematik, Tschechisch und Deutsch. Neben Chemie, Physik, landwirtschaftlichem Bauwesen und Veterinärmedizin wurde der Sprach77

Thienen, Leo Thun, 66 f. „Lehrgelder" lagen zwischen 180 und 250 fl. WW pro Jahr (StACK, H K R 1815, pag. 136; StAT, H K R 1821, pag. 56). 79 Sie betrugen 40—50 fl. W im Jahr, wurden aber bei Beamtensöhnen auf das Doppelte erhöht (StACK, UK, Fasz. 1772; StAT, H K R 1815, pag. 53). 80 StAT, H K R 1837, pag. 49. 81 Man bewilligte dabei einmalige Zuwendungen zwischen 30 und 40 fl. CM (StACK, H K R 1839, pag. 75; H A L V , H K R 1845, pag. 112). 82 StACK, Fasz. 720—724, 743—746; Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 162 f.; Blaschko, Ahnenreihe, 39; Gottfried N . Schnabel, Statistik der landwirtschaftlichen Industrie Böhmens, 1846, 241 ff. 78

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

Unterricht auch im zweiten J a h r fortgesetzt. D e r letzte Abschnitt umfaßte eine Spezialausbildung in ökonomischen Belangen, Technologie und Verwaltungsgeschäftskunde sowie intensive Praktika auf den fürstlichen Gütern. I m Wintersemester dieses Jahrganges dienten die Nachmittage zur Arbeit in der fürstlichen Kanzlei; der Religionsunterricht wurde von dem jeweiligen Schloßkaplan abgehalten. — D e r Erhaltungsaufwand für diese Anstalt war beträchtlich, der Durchschnitt lag bei etwa 5 0 0 0 fl. C M pro Jahr. Nach Auflösung der Lehranstalt wurden die reichhaltigen Lehrmittel, zu denen eine Mineraliensammlung (etwa 1600 Stück), eine Sammlung von Käfern und Schmetterlingen, ein Herbarium sowie Früchtesammlungen zählten, in das neuerrichtete Fachmuseum im schwarzenbergischen Jagdschloß Ohrad überstellt 8 3 . Mit zoologischen, mineralogischen, holztechnologischen und prähistorischen Beständen entsprachen die Sammlungen denen eines naturhistorischen Museums. Die Aufstellung von Waffen und volkskundlichen O b jekten ging zwar auf Kosten der ursprünglich angestrebten Systematik, doch suchte man mit der Einrichtung einer umfangreichen forstwissenschaftlichen Bibliothek den fachspezifischen Bedarf des Personals zu decken. Eine wesentliche Bereicherung bildeten auch die ehemalige Krumauer Bücherei sowie eine interessante H o l z sammlung. Besonderen Gewinn brachte die Verwaltung durch Wenzel Spatny (bis 1882), der zahlreiche Präparationen durchführte. Auch die Finanzierung von Bildungsreisen eigener Angestellter kam letztlich wieder dem adeligen Haus zugute. Die neuen E r fahrungen, welche namhafte Botaniker u. a. auf einer Amerikareise gemacht hatten 8 4 , die Studienfahrten von Gärtnern 8 5 und Architekten 8 6 dienten in erster Linie einer praktischen Umsetzung, welche das Image des Hauses durch bisher Fremdes und Neuartiges wesentlich erhöhte. Ausführlich bei Duschek, Wirtschaftsgeschichte, 2 5 7 f. Die F a h r t w a r über A u f t r a g v o n Alois I. Fürst Liechtenstein unternommen worden. Vgl. W u r z b a c h , Biographisches L e x i k o n , 15, 1 4 0 . 85 Der schwarzenbergische G ä r t n e r Immelin, zum Nachfolger seines V a t e r s ausersehen, wurde 1 8 5 2 / 5 3 auf eine Reise nach H o l l a n d , E n g l a n d , Frankreich und Deutschland geschickt; der T i e r a r z t K o l l e r ging 1 8 4 1 nach Deutschland ( S t A C K , U K , F a s z . 1 7 7 2 ) . 66 Auf die liechtensteinischen B a u t e n hatten die Englandreisen des Architekten Wingelmüller nachhaltigen Einfluß. 83

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Vereinsunterstützung

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Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, bei den Schwarzenberg z . B . ab 1789, erfolgte die Neuordnung der Familienarchive. Wechselnde Registratursysteme, ständiger R a u m m a n g e l , wiederholte Transferierung von Archivalien, große Rückstände und steigender Zuwachs erschwerten die Arbeit der Beamten. Aus dieser Tätigkeit entstanden auch die ersten genealogischen und biographischen Forschungen, welche gewöhnlich von den Archivaren, Bibliothekaren und Hauslehrern durchgeführt w u r d e n und in erster Linie der Glorifizierung des Hauses dienten. Auch die wissenschaftlich ernstzunehmenden Publikationen von Adolf Berger oder J a k o b Falke aus der zweiten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts haben sich von panegyrischen Tendenzen nicht ganz freimachen können. — In diese Zeit fielen auch die Benützungsbewilligungen der Archive f ü r fremde Gelehrte 8 7 . Beispiele f ü r eine großzügige Finanzierung wissenschaftlicher Bestrebungen blieben selten. Eine solche Ausnahme bildete die Unterstützung vor allem kunstgeschichtlicher, archäologischer und historischer Untersuchungen, w i e sie Johann II. Fürst Liechtenstein vorgenommen hat 8 8 . Die allgemein übliche Form mäzenatischen Wirkens bestand in der Förderung einer Vielzahl von Vereinen. J o h a n n Adolf II. Fürst Schwarzenberg w a r Mitglied von 145 Vereinigungen: 63 land- und forstwirtschaftlichen, 3 montanistischen Gesellschaften, 36 Vereinen zur Beförderung von Handel, Gewerbe und Industrie sowie 43 für Kunst und Wissenschaften 89 . Die Ehrenmitgliedschaft bei nationalökonomischen und landwirtschaftlichen Gesellschaften der Monarchie und des Auslandes w a r in einer Zeit starken w i r t schaftlichen Aufschwungs in erster Linie Prestigesache 90 . Als Protektor w i r k t e der Fürst nur bei kleineren lokalen Vereinigungen, die sich auf den ehemaligen fürstlichen Herrschaften konstituiert hatten. Ihre Wirkungskreise reichten von wirtschaftlichen über soziale zu kulturellen Belangen. Obwohl die Mehrzahl dieser 8 7 Archive des Hauses Schwarzenberg, bes. 1 — 2 9 ; J o h a n n Vesely, Erinnerung an das Archiv zu W i t t i n g a u , 1 8 7 1 . 8 8 H ö ß , J o h a n n II. Liechtenstein, 3 1 7 f f . 8 9 S t A C K , F. P. h./Johann A d o l f II. Schwarzenberg. 90 H i e r sind z. B. die Landwirtschaftliche A k a d e m i e in Florenz, die ökonomische Gesellschaft in Petersburg, der Niederländische Verein zur Beförderung des Gartenbaues sowie die Salzburger, Kroatische und K r a i n e r Landwirtschaftsgesellschaft einzuordnen.

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

Institutionen erst nach dem Revolutionsjahr gegründet wurde, ist es für das Weiterbestehen alter Bindungen bezeichnend, daß man die frühere „Herrschaft" um Übernahme dieser Funktion ersuchte. Die Funktion eines Präsidenten nahm Johann Adolf II. nur bei jenen Körperschaften an, deren Zielsetzungen sich mit seinen Geschäfts- bzw. Privatinteressen deckten. Darunter fallen der Vorsitz im Verwaltungsrat der Creditanstalt für H a n d e l und Gewerbe, der Ersten Böhmischen Dampfmühlengesellschaft, des Organisationskomitees der Wiener Weltausstellung, das Präsidium des österreichischen Reichsforstvereins und des Böhmischen Forstvereins. Hinter der Übernahme solcher Agenden hat man Versuche gesehen, die auf eine patrimoniale Lenkung der ökonomischen Entwicklung abzielten und dabei auch in die Sphäre des Mittelstandes eingriffen. Der drohende Funktionsverlust des österreichischen Adels sollte durch diese Maßnahmen nach Möglichkeit abgewendet werden 9 1 . — Die Unterstützung kultureller Organisationen war weitgehend Routine geworden; für die geschichtsfreudige H a l t u n g jener Zeit ist dabei bezeichnend, daß die einzigen außerhalb von Wien und Böhmen geförderten Vereine der historischen Forschung dienten 8 2 . E i n ähnliches Bild läßt sich von Alois II. Fürst Liechtenstein gewinnen, der Mitglied von 74 Vereinigungen war 9 3 . D i e Beitragshöhe war in den einzelnen Fällen recht verschieden; 150 fl. C M pro J a h r können als ungefähre Höchstgrenze angenommen werden 9 4 . Bedeutendere Leistungen an der Spitze solcher Vereine kamen nur durch persönliches Engagement zustande. 1849 über91 H a n s Raupach, D e r tschechische Frühnationalismus. Ein Beitrag zur Gesellschafts- und Ideengeschichte des V o r m ä r z , 1938; ein konkretes Beispiel bei K . J . Kreutzberg, Der Verein zur E r m u n t e r u n g des Gewerbegeistes in Böhmen, seine Begründung und Wirksamkeit, 1833. 92 D a s Ferdinandeum, der Historische Verein f ü r Steiermark, der Leseverein am J o a n n e u m zählten d a z u . 9 3 L o w y , Alois II. Liechtenstein, 29 f. 9 4 J o h a n n I. Fürst Liechtenstein hatte zur G r ü n d u n g des Böhmischen N a t i o n a l m u s e u m s ein S t i f t u n g s k a p i t a l v o n jährlich 400 fl. C M z u r Verf ü g u n g gestellt; sein Sohn bezahlte jährlich 150 fl. ( N e b e s k y , Museum, 248). — Bei Johann A d o l f II. Fürst Schwarzenberg reichten die Beit r ä g e gewöhnlich von 2 0 fl. (z. B. f ü r die Wiener Gartenbaugesellschaft) bis lOOfl. C M ( f ü r den Wiener Gewerbeverein) ( S t A C K , H K R 1839, p a g . 74).

Armenfürsorge

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nahm Alois II. nach 22jähriger Mitgliedschaft das Präsidium der Wiener Landwirtschaftsgesellschaft und führte es bis zu seinem Tod (1858). Reorganisation der Gesellschaft, Förderung von Bienen- und Seidenzucht, Vorarbeiten zur Gründung eigener Obstund Weinbauschulen sowie Initiative zur Herausgabe einer allgemeinen land- und forstwirtschaftlichen Zeitung zählten zu den wesentlichsten Leistungen seiner Funktionsperiode. Außerdem setzte der Fürst Stipendien aus und ließ f ü r hervorragende Zuchtergebnisse Prämien zuteilen 95 . Für die in Staatsdiensten stehenden Aristokraten war das Schwergewicht ihrer Förderungstätigkeit vom jeweiligen Dienstort bestimmt. So überließ Karl II. Fürst Schwarzenberg die Unterstützung böhmischer Vereine seinem Sohn 96 und wandte als Gouverneur von Siebenbürgen sein Hauptaugenmerk den dortigen Organisationen zu. Die finanzielle und ideelle Hilfe f ü r den Verein f ü r Siebenbürgische Landeskunde, die Naturhistorische und Landwirtschaftliche Gesellschaft sowie das im Entstehen begriffene Siebenbürgische Museum entsprangen nicht nur der Notwendigkeit standesgemäßen Auftretens und stärkerer Kontaktnahme mit der regionalen Oberschicht, sondern auch den Bestrebungen, in dem rückständigen unterstellten Landesteil kulturelle Kristallisationspunkte zu schaffen 97 . Ebenso wie mäzenatisches Wirken bildeten auch großzügige karitative Leistungen sichtbare Ausdrucksmittel adeligen Standesbewußtseins. Schon in seiner Eigenschaft als Landbesitzer war jeder Aristokrat den öffentlich-rechtlichen Aufgaben eines Grundherrn entsprechend auch zur Armenfürsorge auf seinen Gütern verpflichtet. Anfang des 19. Jahrhunderts folgte man dabei vielfach dem organisatorischen Vorbild jenes Armenbetreuungssystems, welches Johann Nepomuk Graf Buquoi ab 1779 auf seinen südböhmischen Herrschaften eingerichtet und dessen Verbreitung Kaiser Josef II. dringend befürwortet hatte 0 8 . Darüber hinaus bestanden auf den adeligen Besitzungen häufig noch mehrere 95

Schreibers, Landwirtschaftsgesellschaft, 24 ff.; Häusler, Landwirtsdiaftsgesellschaft, 19 ff. M Übersicht vgl. StAT, UK, FAR, Karl II. Sdiwarzenberg/13, 21, 23. 97 Grimm, Carl II. Schwarzenberg, 41. 98 Als Beispiel vgl. die Ordnung der Armenbezirke auf den Thunschen Herrschaften bei Thienen, Leo Thun, 100 f.

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Mäzenatentum und karitative Leistungen

fromme Stiftungen oder Vermächtnisse, zahlreiche Geldspenden wurden gemeinnützigen Zwecken gewidmet. Aus einem Verzeichnis sämtlicher beim Fürstenhaus Liechtenstein bestehender Stiftungen, das nach dem Tod von Fürst Alois II. (1858) zusammengestellt wurde, lassen sich jedoch die Nachteile dieser Widmungen erkennen: Die Einzelleistungen standen in krassem Mißverhältnis zum Vermögen der Familien und waren überdies auf einen kleinen Personenkreis beschränkt, womit den im Zuge wirtschaftlicher Strukturveränderungen entstehenden sozialen Problemen nicht mehr wirkungsvoll begegnet werden konnte 8 9 . Das zweite Schwergewicht karitativer Tätigkeit des Hochadels lag in seinem Hauptsitz, der Residenz Wien, wo vorerst noch die Auswirkungen der Napoleonischen Kriege stark f ü h l b a r waren und später mit dem raschen Bevölkerungswachstum und der einsetzenden industriellen Entwicklung der Komplex der „sozialen Frage" zusehends in den Vordergrund trat. Staatliche Maßnahmen erwiesen sich dabei als unzureichend, und auch von Seiten der Kirche fehlten wirkungsvolle Hilfsaktionen, da sie noch ganz im Geist des Josefinismus als Vollzugsorgan obrigkeitlicher Anordnungen auftrat. Eine fürsorgerische Tätigkeit entfalteten in ihrem Rahmen lediglich die Ordensgemeinschaften, z. B. Barmherzige Brüder 100 und Barmherzige Schwestern 101 oder Elisabethinerinnen 102 , sowie die Armeninstitute einzelner Pfarren 1 0 3 , welche 99 H A L W , ohne Signatur, Ausweis über die sämtlichen . . . bis zum Tode . . . des Fürsten Alois II. von und zu Liechtenstein . . . errichteten Stiftungen jeder A r t . 100 Das schwarzenbergische „Ordinarium" betrug 60 fl. C M pro Jahr, dazu kamen noch Holzdeputate im Wert von 50 fl. und Pflegezuschüsse in derselben H ö h e (StACK, H K R 1829, pag. 77). Die Liechtenstein spendeten f ü r die Ordensheime in der Leopoldstadt und auf der Landstraße je 40 fl. CM (HALV, H K R 1845, pag. 185). 101 Die Schwarzenberg stellten ihnen 150 fl. CM im J a h r zur Verf ü g u n g (StACK, H K R 1835, pag. 74). 102 Sie erhielten von der schwarzenbergischen Primogenitur vorerst 100 fl. W W (StACK, H K R 1815, pag. 17), später 60 fl. C M (StACK, H K R 1829, pag. 77), von den Liechtenstein 40 fl. C M ( H A L V , H K R 1845, pag. 185). 103 Die ältere schwarzenbergische Linie überwies an das Armeninstitut St. Augustin 200, an St. Carl 40 fl. C M ; bei Wallfahrten, Prozessionen und Sammlungen waren weitere Zahlungen üblich (StACK, H K R 1829, pag. 77). Von den Liechtenstein erhielten die Armeninstitute der Wiener Kirchen jährlich 200 fl. C M ( H A L V , H K R 1845, pag. 185).

Armenfürsorge

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auch durch den Adel regelmäßige Dotationen erhielten. Für bedeutendere eigenständige karitativ-soziale Unternehmungen kirchlicher Kreise mangelte es jedoch an Mitteln und Initiativen; erst die Ausstrahlungen des Hofbauerkreises vermochten einen Umschwung einzuleiten 104 . Aus diesen Gründen kam damals den humanitären Privatvereinigungen, welche nach englischen und französischen Vorbildern auch in der Monarchie entstanden waren, im Bereich der Sozialfürsorge eine wichtige Rolle zu. Irren- und Taubstummenanstalten, Kindergrippen, Blindenhäuser, Witwen- und Waiseninstitute sowie Bewährungshilfen erhielten von Adeligen ständige Unterstützungen, entweder in Form von Stiftungskapitalien, Jahresbeiträgen oder einmaligen Zuwendungen 105 . Von Alois I I . Fürst Liechtenstein wird in diesem Zusammenhang berichtet, daß er die Verteilung solcher Gelder persönlich vornahm und jeweils Beitragshöhe sowie Laufzeit festsetzte 106 . Johann Adolf II. Fürst Schwarzenberg wieder fungierte in 54 Wohltätigkeitsvereinen als Gründer, Protektor, Ehrenmitglied oder unterstützendes Mitglied 107 . Karitative Leistungen bestanden also vorwiegend in Geld- oder Sachspenden, intensiver persönlicher Einsatz dagegen war selten geworden. Eine Ausnahme bildete z. B. Josef II. Fürst Schwarzenberg, der sich schon als Leiter der Hofkommission zur Regulierung und Leitung der Wohltätigkeitsanstalten zwischen 1801 und 1815 durch seine umfangreichen Arbeiten allgemeine Anerkennung erworben hatte 1 0 8 . 1814 übernahm er das Präsidium des Wiener Militärinvalidenfonds. Seine ständigen Spendenaufrufe fanden in breiten Kreisen der vermögenden Bevölkerung Widerhall, so daß die Notlage der Betroffenen bald fühlbar erleichtert werden konnte. Dieser Fonds erhielt, wie die meisten Invalidenhäuser, namhafte Unterstützung vor allem von aktiven oder ehemaligen Soldaten. Feldmarschall Karl I. Fürst Schwarzenberg und sein Sohn Friedrich 104 Y g j Ferdinand Anhell, Caritas und Sozialhilfen im Wiener E r z bistum ( 1 8 0 2 — 1 9 1 8 ) , 1971. 1 0 5 Stiftungskapitalien konnten bis zu 1 0 0 0 fl. erreichen, Jahresbeiträge lagen meist u m 50 fl. C M . 1 0 9 L o w y , Alois II. Liechtenstein, 2 9 f. 1 0 7 S t A C K , F . P . b. Johann Adolf Schwarzenberg/6. 1 0 8 S t A C K , F . P . b. Josef Schwarzenberg, Fasz. 5 3 3 ; Berger, Fürstenhaus Schwarzenberg, 149.

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Stekl, Aristokratie

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Mäzenatentum und k a r i t a t i v e Leistungen

ließen ebenso wie die Fürsten Liechtenstein besonders dem Wiener Militärinvalidenhaus in diesen Jahren regelmäßig Summen zukommen 109 . 1817 stellte sich Fürst Josef II. an die Spitze des Zentralvereins zur Unterstützung der Notleidenden, welcher um Betreuung der durch Mißernte, Teuerung und Arbeitsrückgang betroffenen Bevölkerung bemüht war. Der Fürst zeichnete selbst einen respektablen Subskriptionsbetrag und stellte Räumlichkeiten wie auch Beamte für Verwaltungszwecke zur Verfügung. In wiederholten Aufrufen warb er neue Mitglieder und beschaffte durch die Abhaltung von musikalischen Akademien und Bällen die erforderlichen Gelder, so daß der Verein bald über ein Kapital von 250.000 fl. WW verfügte. Damit konnte diese Organisation — von vornherein nur für die Dauer eines Jahres gegründet — zur Lösung der dringendsten Probleme wesentlich beitragen und bildete so einen wichtigen Faktor in der privaten Sozialfürsorge Wiens 110 . Weitere Popularität gewann der Fürst als Protektor des „Allgemeinen Witwen- und Waisen-Pensions-Instituts" (1823), indem er die monatlichen Ausschußsitzungen und Jahresvollversammlungen meist persönlich leitete, wieder Verwaltungsräume beistellte und die verschiedensten Zuwendungen bewilligte. Durch das Engagement des Fürsten erhielt der Fonds bald im Volksmund die Bezeichnung „Schwarzenbergisches Pensionsinstitut" 111 . Im Vergleich mit den Einkünften waren jedoch die finanziellen Mittel, welche ein fürstliches Haus für karitative Zwecke bereit109 Zum historischen H i n t e r g r u n d v g l . A l f r e d o C o n t é del Castelle di Benkovich-Begna, Geschichte des Wiener k. k. Militär-InvalidenH a u s e s , 1886. — Die S t i f t u n g des Feldmarschalls bezog sich auf 218 I n v a lide, die zwischen 4 0 und 100 fl. W W erhielten ( S t A T , U K , F. ü./ I X ) . — Bei den Liechtenstein bestand eine S t i f t u n g f ü r die Invaliden des A r m e e k o r p s v o n Fürst J o h a n n I. aus dem K r i e g v o n 1809, eine andere f ü r 52 Bewohner der Invalidenhäuser v o n Wien, Pest und P r a g . Sie erforderten einen J a h r e s a u f w a n d v o n rund 550 fl. C M ( H A L V , H K R 1825, p a g . 118). Vgl. auch S t A T , U K , F A R , Friedrich Schwarzenberg 1/9, 13—15. 1 1 0 Statuten des Vereins in der Wiener Zeitung v o m 2 0 . M ä r z 1817. V g l . auch die Ausgaben des Blattes v o m 27. F e b r u a r , 17. M ä r z , 15. und 21. September 1817. 1 1 1 Wurzbach, Biographisches L e x i k o n , 33, 87; Schmidl, Wien, 3 0 4 ; Wiener Zeitung vom 2 4 . Februar 1 8 2 3 ; S t A C K , F. P . b. J o s e f Schwarzenberg, F a s z . 508.

Armenfürsorge

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stellte, ziemlich gering: D i e A l m o s e n a u s l a g e n der Schwarzenberg betrugen mit einem Jahresdurchschnitt von 4 0 0 0 bis 5 0 0 0 fl. W W bloß 6 bis 7 P r o z e n t der H o f s t a a t s a u s l a g e n 1 1 2 . Außerordentliche höhere B e t r ä g e w a r e n z. B. in den Testamenten f ü r die H e r r schaftsarmen oder Wohltätigkeitsanstalten vorgesehen 1 1 3 . Auch in N o t z e i t e n oder bei E l e m e n t a r k a t a s t r o p h e n stellte m a n größere S u m m e n zur V e r f ü g u n g . J o h a n n I. F ü r s t Liechtenstein spendete f ü r die durch die D o n a u ü b e r s c h w e m m u n g 1830 in Mitleidenschaft gezogenen Personen G e l d und W a r e n im Wert von etwa 30.000 fl. W W 1 1 4 . Auch sein Sohn A l o i s I I . 1 1 5 sowie die Schwarzenb e r g 1 1 6 schlössen sich derartigen A k t i o n e n an. D i e M o t i v e f ü r die Unterstützung N o t l e i d e n d e r lagen in einer V e r b i n d u n g v o n standesbewußtem Denken und christlicher Nächstenliebe, häufig in F o r m sozialethischer Verpflichtungsideen „josefinischer K a r i t a s " 1 1 7 . Wenn ein großer H e r r in N o t z e i t e n seinen R a n g durch großzügige S p e n d e n demonstrierte oder seine StACK, H K R , Summarien. Josef II. Fürst Schwarzenberg traf in seinem Testament z. B. folgende Verfügungen (StACK, U K , Lade 30): Wiener Armenanstalten: 4000 fl.; Allgemeines Krankenhaus: 1000 fl.; Normalschulfonds: 500 fl; Wohltätigkeitshofkommission: 10.000 fl.; Versorgungshäuser in Österreich unter der Enns: 10.000 fl. — Außerdem entfielen auch Erbschaftsabgaben, Promilleanteile am Verlassenschaftsvermögen, auf gemeinnützige Zwecke. Vom Gesamtvermögen eines verstorbenen Aristokraten in Wien und Niederösterreidi waren folgende Zahlungen zu leisten: 4 Promille an den Normalschulfonds, 4V2 Promille an das Allgemeine Krankenhaus, V2 Prozent dieser Summe an die Wohltätigkeitshofkommission (HALW, S 285—288a, Verlassenschaftsabhandlung nach Johann I. Fürst Liechtenstein). 112

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Wurzbach, Biographisches Lexikon, 15, 148 ff. Wurzbach, Biographisches Lexikon, 15, 141, führte folgende bedeutende Spenden an: 1843: 400 Dukaten für die durch ein Großfeuer betroffene Bevölkerung Hamburgs; 1838: 12.500 fl. für die Opfer der Überschwemmung in Ungarn; 1845: je 500 fl. für die notleidende Bevölkerung in Nordungarn und Galizien; 2000 fl. für Überschwemmungsopfer in Böhmen; 1848: 3000 fl. für Notleidende an das Ministerium für Handel und Gewerbe; 1853: 3600 fl. an Jellacic für wohltätige Zwecke; 3000 fl. zur Gründung eines Knabenseminars in Olmütz; 1858: 5800 fl. anläßlich der Geburt des Kronprinzen. 116 Josef II. Fürst Schwarzenberg z . B . spendete 1816—1818 jeweils 2000 fl. für die Armen Wiens (StACK, H K R 1816—1818, Ausgaben/ Almosen). 117 Darüber bei Winter, Josefinismus, 235 ff. 114

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Mäzenatentum und k a r i t a t i v e Leistungen

Persönlichkeit in den Dienst einer guten Sache stellte, so zählten diese Handlungen zu jenen Verhaltensformen, welche man in solchen Situationen allgemein von ihm erwartete. Die ärmeren Bevölkerungsschichten erachteten es geradezu als Selbstverständlichkeit, daß Herrscher oder Aristokratie für Hilfe sorgten, wenn ihre bisherigen Lebensverhältnisse (welche sich ohnehin meist um das Existenzminimum bewegten) gefährdet waren. Es konnte dies, wie beim Umbau des Liechtensteinpalais gezeigt wurde, durch verstärkte Beschäftigung einheimischer Professionisten und Händler oder aber durch große Ausgaben und Geldgeschenke geschehen. Bei einer Übertragung dieser Aspekte, welche Eric Hobsbawm in seinen Untersuchungen über den großstädtischen Mob in den Vordergrund gerückt hat 118 , auf die vormärzlichen Verhältnisse der Monarchie erhebt sich allerdings die Frage, ob solche Erwägungen als Beschwichtigungsmittel und zur Verschleierung sozialer Mißstände auch bewußt hinter den zahlreichen Hilfsaktionen standen. Man identifizierte sich nämlich unter dem Einfluß romantischer Geisteshaltung mit mittelalterlichen Ritteridealen und trat — wie es der Lanzknecht Friedrich Fürst Schwarzenberg formuliert hat 1 1 9 — als „Beschützer von Witwen und Waisen" aus „christlicher Nächstenliebe" und „Regung des Herzens" helfend auf. Mit völligem Unverständnis stand der Adel mit seiner patriarchalischen Versorgungstradition jenen Strömungen gegenüber, welche seine freiwilligen karitativen Leistungen plötzlich als soziale Verpflichtung bezeichneten. Eine weitere überkommene Einstellung der Aristokratie war damit in Frage gestellt worden. Auch dadurch sah sich der Adelige immer mehr in eine isolierte Position gedrängt, welche seine Anpassung und Behauptung im Wandel der Gesellschaftsformen wesentlich erschwerte.

118 119

Eric J . H o b s b a w m , Sozialrebellen, 1971, 146 ff. Schwarzenberg, Antediluvianische Fidibusschnitzel, 2, 77.

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