Start in den Weltraum

Start in den Weltraum Ein Buch über Raketen, Satelliten und Raumfahrzeuge. Mit Beiträgen von Willy Ley. Nachwort von He

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German Pages 322 Year 1960 (?)

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Table of contents :
5: Der Auftakt: Bau der Weltraumstation ("The Beginning: Building the Space Station")
61: Tables & Figures
63: Die Ausrüstung der Weltraumstation ("The Equipment of the Space Station") by Willy Ley
82: Die Mondschiffe ("The Moon Ships")
111: Die Kugelkabinen ("The Spherical Cabins")
120: Der Flug nach dem Mond ("The Flight to the Moon")
135: Der Stützpunkt auf dem Mond ("The Moon Base")
146: Die Erforschung des Mondes ("The Exploration of the Moon")
166: Die Fahrt zum Krater Harpalus ("Driving to Harpalus crater")
176: Der Rückflug zur Erde ("Return to Earth")
183: Tables & Figures
187: Der rote Planet ("The Red Planet")
229: Das Marsprojekt ("The Mars Project")
251: Operation Space Lift (sic)
262: Die menschliche Seite des Problems ("The Human Side of the Problem")
272: Der Flug nach dem Mars ("The Flight to Mars")
305: Tabellen des Marsprojektes ("Tables for the Mars Project")
316: Der Planet Mars (Tables & Figures about Mars")
317: Nachwort - Absichten und Aussichten ("Postscript - Intentions and Outlook") by Heinz Gartmann
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Wernher von Braun Start in den Weltraum

Wernher von Braun

Start in den Weltraum Ein Buch über Raketen, Satelliten und Raumfahrzeuge Mit Beiträgen von Willy Ley Nachwort von Heinz Gartmann

1 m Bertelsmann Lesering

Die Illustrationen von Chesley Bonestell, Fred Freemann und Rolf Klep sind den amerikanischen Originalausgaben entnommenn. Die den Bänden _station im Weltraum• und ,Die Eroberung des Mondes• entnommenen Texte erschienen zuerst in englischer Sprache 1952 in Collier's Magazine. [The Crowell-Collier Publishing Company, New York]. Die dem Band ,Die Erforschung des Mars' entnommenen Texte erschienen zuerst in englischer Sprache unter dem Titel ,The Exploration of Mars• im Verlag The Viking Press. Oie Übersetzung und Bearbeitung besorgte Heinz Gartmann.

Lizenzausgabe für den Bertelsmann Lesering mit Genehmigung des S. Fischer Verlages, Frankfurt Einband und Schutzumschlag E. Diekmann Schrift 10 Punkt Garamond Monotype

Gesamtherstellung Mohn & Co GmbH, Gütersloh Printed in Germany

Der Auftakt:

Bau der Weltraumstation

n naher Zukunft wird die Erde einen neuen Begleiter am Himmel I ,oekommen, einen bemannten, künstlichen Satelliten, den ersten

Stützpunkt der Menschheit im Weltraum. Er wird von Menschen bewohnt und vom Boden aus als ein ruhig wandernder Stern erkenn­ bar sein und doch mit unglaublicher Geschwindigkeit um die Erde kreisen, eingebettet in jene finstere Unendlichkeit außerhalb der Atmosphäre, die wir „Weltraum" nennen. Dieser künstliche Mond, dessen Teile mit Raketen Stück für Stück in den Raum hinausgebracht werden, wird seine Bahn wahrscheinlich in 1 73 0 Kilometer Höhe ziehen und alle zwei Stunden einen Umlauf um die Erde vollenden. Für den „Antrieb" wird die Natur sorgen ; das genaue Gleichgewicht zwischen seiner Geschwindigkeit und der Anziehungskraft der Erde wird ihn auf seinem Kurs halten, genau wie den Mond, der durch dieselben Faktoren auf seiner Bahn bleibt. Die Geschwindigkeit, mit der sich der 75 Meter weite, radförmige Satellit ortbewegt, wird 7,08 Kilometer in der Sekunde oder 2 5 400 Kilometer in der Stunde betragen ; das ist zwanzigmal so schnell wie der Schall ! Trotzdem wird diese Geschwindigkeit für die Insassen nicht spürbar sein : Die Raumstation wird ihnen wie eine völlig feste Plattform vorkommen. Von diesem Stützpunkt aus wird der Flug nach dem Mond selbst nur noch ein Schritt sein, gemessen an den Enternungen, mit denen wir im Weltall zu rechnen haben. Die Wahl der sogenannten „2-Stunden-Bahn" - statt einer schnelleren, die der Erdoberfläche näher wäre, oder einer langsameren, wie es die 29-Tage-Bahn des Mondes ist - hat einen besonderen Grund : Diese Bahn ist weit genug entfernt, um Behinderungen durch die Atmo­ sphäre zu vermeiden, doch liegt sie noch nahe genug, um die Station zu einem überlegenen Beobachtungsposten zu machen. Die Techniker der Station können mit eigens dafür konstruierten mächtigen Teleskopen, die mit Bildschirmen, Radargeräten und

Kameras verbunden sind, Meere und Kontinente, Länder und Städte unaufhörlich beobachten. Sogar kleine Städte werden in diesen optischen Instrumenten gut zu erkennen sein. Die Beobachter im Weltraum werden sich also in der gleichen günstigen Position be­ inden wie ein Aufklärungsflugzeug in nur 1 5 oo Meter Höhe. Nichts kann ihrer Aufmerksamkeit entgehen. Da die Erde sich unter der Bahn des Satelliten weiter dreht, gelangt alle zwei Stunden ein Zwölftel ihrer Oberläche in den Gesichtskreis der Besatzung ; und in einem Zeitraum von 24 Stunden wird die ganze Erde einmal sichtbar gewesen sein. Über Nordamerika beispielsweise würde die Raumstation die Ost­ küste 1 0.00 Uhr vormittags passieren und zwei Stunden später, nach einem vollen Umlauf um die Erde, die sich inzwischen selbst auch weiter gedreht hat, die Westküste überqueren. Während dieses einen Umlaufs käme sie im Norden bis nach None in Alaska und im Süden bis nach Kleinamerika in der Antarktis. Um 1 0.00 Uhr vormittags am nächsten Tag aber würde sie wieder über der Ostküste Nord­ amerikas erscheinen. Trotz des ungeheuer weiten Gebietes, das auf diese Weise erfaßt wird, könnten besonders ausgewählte Punkte auf der Erdoberläche bis ins Detail inspiziert werden. Die Teleskope und Kameras der Weltraumstation würden es keiner Nation mehr gestatten, Kriegs­ vorbereitungen für längere Zeit zu verbergen. Luftbilder aus großen Höhen und astronomische Studien lehren uns : Dem unbewafneten Auge wird die Erde aus einer Entfernung von 1 7 3 0 Kilometer wie eine gigantisch leuchtende Kugel erscheinen. Sie wird einen ehrfurchtgebietenden Anblick bieten. Auf der Tages­ seite wird die Besatzung der Raumstation blendendweiße Wolken­ felder sehen, die das Licht der Sonne relektieren. Die Kontinente werden in allen Schattierungen von Grau und Braun hervortreten und das glänzende Blau der Meere umrahmen. Nordamerika wird ein großartiges Mosaik aus Braun, Grau und Grün sein, das sich bis zu den schneebedeckten Felsengebirgen hinzieht. Und die PolarQuerschn itt d u rch d i e Atmosphäre der Erde und den Weltra u m jenseits der Atmo­ sphäre. Ü ber 200 km Höhe ist die L uft so d ü n n , daß sie einem fliegenden Körper kei n en Widerstand mehr entgegensetzt. Dort beginnt also der Weltraumflug.

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kappe, die gerade Sommer hat, wird ein strahlendes Weiß zeigen, das viel zu hell ist, al s daß man es mit dem ungeschützten Auge betrachten könnte. Auf der Nachtseite aber werden die Weltstädte als glitzernde Licht­ punkte sichtbar. Umgeben vom Dunstkreis ihrer Atmosphäre wird die Erde von der absoluten Schwärze des Alls eingerahmt. Die Entwicklung der Raumstation ist so unabwendbar wie der Son­ nenaufgang ; der Mensch hat seine Nase bereits in den Raum hinaus­ gesteckt und wird sie nicht wieder zurückziehen. Am 14. September 1 944 erreichte eine deutsche V-2-Rakete, die von einer kleinen Insel an der Ostseeküste abgefeuert worden war, eine Höhe von 1 7 5 Kilometer. Zwei Jahre später, am 1 7. Dezember 1 946, flog eine andere V 2, die auf den White Sands Proving Grounds in Neumexiko gestartet wurde, 1 8 3 Kil ometer hoch ; und am 24. Fe­ bruar 1 949 erhob sich eine zweistuige Rakete, eine kleine Rakete des Typs „WAC Corporal", die aus der Spitze einer al s Träger oder „erste Stufe" dienenden V 2 abgefeuert wurde, bis zu einer Höhe von 402 Kilometer - das ist ungeähr die Enternung zwischen New York und Washington oder Frankfurt und München, aber nach oben ! Diese Projektile haben dasselbe Antriebsprinzip wie die „Düsen­ lugzeuge". Es beruht auf dem dritten Bewegungsaxiom von Isaak Newton, das etwa besagt : Jede auf einen Körper wirkende Kraft l öst eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft aus. Ein gutes Beispiel daür ist das Schießen. Wenn der Schütze abzieht und die Kugel den Lauf verläßt, gibt es einen Rückstoß, der den Gewehrkolben gegen seine Schulter preßt. Wäre das Gewehr leichter und die Ladung der Patrone viel stärker, würde es vielleicht über die Schulter um ein beträchtliches Stück nach hinten fliegen. Was verursacht diese Reaktion? Die Antwort ist einach : Das explo­ dierende Pulver erzeugt einen nach allen Seiten gleich wirkenden Druck. Der Druck auf das hintere Ende des Geschosses treibt dieses aus dem Lauf. Aber der gleiche Druck wirkt auch auf das geschl ossene hintere Ende des Laufs, und diesen Rückstoß fühlen wir beim Schie­ ßen an unserer Schulter. Wir wollen das Beispiel noch etwas erweitern und uns ein Maschinen­ gewehr vorstellen, das auf einem leichten Schienenwagen befestigt 8

ist. Wenn wir nun parallel zu den Schienen zu feuern beginnen, setzt der Rückstoß des ständigen Stroms von Kugeln unser Fahrzeug in Bewegung, und zwar in entgegengesetzter Richtung. Jede Kugel, die den Lauf verläßt, beschleunigt den Wagen um einen bestimmten Betrag. Wenn wir von der Reibung absehen, wird also die Geschwin­ digkeit des Fahrzeugs fortgesetzt zunehmen, bis die Munition des Maschinengewehrs verbraucht ist. Es mag unglaublich erscheinen, aber wenn der Schienenwagen leicht genug ist und genug Munition trägt, kann er eventuell schneller werden als die Geschosse, die den Lauf des Gewehrs verlassen. Es ist leicht einzusehen, daß diese Antriebsmethode auch ohne Luft funktioniert. Tatsächlich wäre die Geschwindigkeit der Geschosse und des Fahrzeugs im luftleeren Raum viel größer. Auf diesem Prinzip beruht der Raketenantrieb. Der Körper der Rakete entspricht dem Lauf des Maschinengewehrs ; die Gasmoleküle, die die Raketendüse verlassen, entsprechen den Kugeln. Die Leistung einer Rakete wird nicht in Pferdestärken (PS) gemessen, sondern in Kilogramm oder Tonnen Rückstoßkraft, genannt „ Schub". Dieser Schub wird erzeugt, wenn die Treibstofe einer Rakete zusammen­ gebracht und entzündet werden. Für diese Verbrennung ist keine sauerstofhaltige Atmosphäre notwendig, da eine wirkliche Rakete im Gegensatz zu einem Flugzeug mit Luftstrahlantrieb - den Sauer­ stof als Teil ihrer Treibstofe mit sich führt. Wir können daher festhalten, daß der ideale Bereich für die wirksamste Anwendung eines Raketenantriebs der leere Raum außerhalb der irdischen Atmosphäre ist. In kleinen Raketen verwendet man feste Treibsätze, bei denen der Brennstof und der Sauerstofträger, man sagt auch „Oxydator" oder „Aktivator", zu einer Mischung vereint sind. Für die gewöhnlichen Feuerwerksraketen dient eine schwächere Abart des alten Schwarz­ pulvers als Antriebsmittel, bei den kleinen Kriegsraketen, wie bei­ spielsweise der „Bazooka", nimmt man ein besonderes, rauchloses Pulver. In beiden Fällen befindet sich die Ladung innerhalb einer einachen Röhre, die gleichzeitig als Treibstofbehälter und als Brenn­ kammer dient. Am hinteren Ende der Röhre ist die Entspannungs­ düse angebracht. Die Rakete wird durch Entzündung des Treibsatzes abgeeuert. Sobald wir versuchen, derartige Treibsätze auch für 9

größere Raketen zu verwenden, ergeben sich trotz ihrer Einfachheit viele Unzulänglichkeiten. Die Erfahrung lehrt, daß es sehr schwierig ist, große Ladungen aus festen Treibstofen herzustellen. Außerdem muß der ganze Raketen­ körper, obgleich er hauptsächlich als Treibstofbehälter dient, be­ sonders kräftig und dickwandig sein, da er dem hohen Verbrennungs­ druck standhalten soll. Die Befestigung der Ladung im Innern der Rakete macht weitere Schwierigkeiten. Wird sie unmittelbar an der Wandung angebracht, wie bei der Feuerwerks-Rakete, kann die Verbrennungswärme sich in der Wand fortpflanzen und durch gleichzeitige Entzündung des gesamten Treibsatzes eine Explosion verursachen. Wird die Ladung im Innern der Röhre frei durch Drähte gehalten, wie bei den Kriegsraketen, kann diese Halterung weggebrannt werden, sobald die Brennzeit länger als ein paar Sekun­ den dauert. Auch die Schubdüse hält nur wenige Sekunden stand, da sie ungekühlt und daher nicht geschützt ist. Feste Treibsätze des alten Schwarzpulvertyps müssen gepreßt werden. Dadurch wird das Pulver spröde, und in der Ladung können winzige verborgene Risse entstehen. Auch Temperaturschwankungen können solche Risse verursachen, die das Funktionieren der Rakete beein­ trächtigen. Die Ladung brennt nämlich gleichmäßig, bis die Flamme einen dieser Spalte erreicht ; dann wird der Riß plötzlich zu einer zusätzlichen Brennfläche. Dadurch wird die Brennzeit verkürzt, der Schub unregelmäßig, und der Verbrennungsdruck steigt plötzlich an, häuig so stark, daß die Rakete auseinanderfliegt. Bei den neuen, aus einer asphaltartigen Masse gegossenen Treibsätzen verschiedener Kriegsraketen können keine Risse auftreten, doch können Luft­ blasen den gleichen Efekt haben. Schon bei einer Handvoll Raketen mit festen Treibsätzen ist es daher ziemlich schwierig, eine gleich­ mäßige Leistung zu erzielen. Aus diesen Gründen haben sich die Konstrukteure großer Raketen den lüssigen Treibstofen zugewendet. Um energiereiche chemische Kombinationen verwenden zu können, trennen sie Brennstof und Un bemannter Meßsatell it auf seiner U m laufbahn, 320 km hoch ü ber der amerikan ischen Atlantikküste. Die Mitte des Satelliten bedeckt Long Island. Am unteren B i l d rand Philadelppia.

Oxydator (Sauerstofträger) und bringen sie in verschiedenen Behäl­ tern unter. Diese Treibstofe werden dann in die Brennkammer ge­ pumpt, und nur die Pumpengehäuse, die Leitungen und der Brenn­ raum müssen genügend dickwandig sein, um dem Förder- und Verbrennungsdruck standhalten zu können. Ventile in den Leitungen regulieren den Durchflu ß. Die Kombinationsmöglichkeiten für flüssige Raketentreibstofe sind ast unbegrenzt. A l s Brennstof kann beinahe jede brennbare Flüssig­ keit oder verflüssigtes Gas benutzt werden ; und für die Oxydatoren ist schon eine l ange Liste von chemischen Verbindungen, die reich an Sauerstof sind, aufgestellt worden. Die Auswahl richtet sich nach dem Energiegehalt und einigen praktischen Überl egungen. Der Raketeningenieur muß viele wichtige Faktoren berücksichtigen. Er braucht Treibstofe, die eine hohe Ausströmgeschwindigkeit der Verbrennungsgase mit einer möglichst niedrigen Verbrennungs­ temperatur - wegen der Kühlung - verbinden. Die Treibstofe sollen ein hohes speziisches Gewicht haben, damit möglichst viel Treib­ stofgewicht in verhältnismäßig kl einen und darum l eichten Behältern untergebracht werden kann. Außerdem wird durch schwere Treib­ stofe auch das Gewicht der Pumpen, Ventile und Leitungen ver­ ringert, da das Volumen der zu befördernden Mengen kl einer ist. Verflüssigte Gase, die bei niedrigen Temperaturen aufbewahrt wer­ den müssen, erleiden Verdampungsverluste, neue Schwierigkeiten für die Organisation und Versorgung, vor allem, wenn große Mengen, weite Transportwege und unregel mäßige Startpläne zu berücksich­ tigen sind. Bei Verwendung von ätzenden Treibstofen muß sich der Ingenieur vergewissern, daß korrosionsfeste Baustofe für diejenigen Raketenteil e zur Verfügung stehen, die mit derartigen Treibstofen in Berührung kommen. Nicht zuletzt müssen auch die Kosten be­ rücksichtigt werden. Viele für Raketen geeignete Treibstofe wurden bisher überhaupt noch nie verwendet ; sie sind niemal s in großen Mengen hergestellt worden und daher sehr teuer, denn der Preis einer Ware hängt zum großen Teil vom Produktionsvolumen ab. Bei Berücksichtigung all dieser Faktoren bin ich zu dem Ergebnis Betan kung einer d reistuigen Satelliten rakete fü r den Transport eines Meßsatelliten auf d i e U m l a ufbah n um die Erde.

gekommen, daß eine Flüssigkeit aus Stickstof und Wasserstof, ge­ nannt „Hydrazin", die dem Ammoniak sehr ähnlich ist, einen vor­ züglichen Brennstof und daß die Salpetersäure einen ausgezeichneten Oxydator darstellt. Beide Flüssigkeiten stellen keinesalls eine aus­ schließliche Kombination dar, sind aber als die geeignetste zu be­ trachten. Die notwendigen Treibstofe für den Weltraumlug sind also vorhanden. Es ist kein Geheimnis, in welcher Weise das Raketenprinzip zum Bau der Weltraumstation anzuwenden ist. Auf der Grundlage des gegenwärtigen technischen Wissens ist nur eine entschlossene Anstren­ gung und das erforderliche Geld nötig. Und wenn die Vereinigten Staaten das Unternehmen nicht in Angrif nehmen, wird sich vielleicht bald eine andere Nation damit beassen. Wenn man soort damit beginnen, und wenn man mit größtem Tempo daran arbeiten könnte, würde das ganze Vorhaben etwa zen Jahre beanspruchen. Die ge­ schätzten Kosten würden vier Milliarden Dollar betragen - ungeähr zweimal soviel wie der Aufwand für die Entwicklung der Atombombe, aber weniger als ein Viertel des Betrags, der während der zweiten Hälfte des Jahres 195 1 vom Verteidigungsministerium der USA für Kriegsmaterial ausgegeben wurde. Zunächst würde man eine große Rakete brauchen, die es fertigbringt, eine Mannschaft und 3 0 bis 40 Tonnen Nutzlast auf die 2-Stunden­ Bahn zu transportieren. Diese Rakete kann gebaut werden. Um zu verstehen, wie, wollen wir uns wieder dem Beispiel des modernen Geschützes zuwenden. Das Geschoß erreicht im Lauf schnell eine gewisse Geschwindigkeit ; dann fliegt es dem Ziel antriebslos auf einer gekrümmten Bahn entgegen. Auch eine Fernrakete erhält ihre Geschwindigkeit während einer verhältnismäßig kurzen Zeit ; dann wird sie - nach dem Trägheitsgesetz - vom eigenen Schwung getragen. Die V-2-Rakete wird zum Beispiel während eines 3 00-Kilometer­ Fluges nur 6 5 Sekunden angetrieben. In dieser Zeit legt sie 3 2 Kilo­ meter zurück. Am Ende der Antriebsperiode hat sie eine Brenn­ schlußgeschwindigkeit von 5 800 Kilometer in der Stunde erreicht, die restlichen 270 Kilometer fliegt sie antriebslos. Wenn wir also die Reichweite einer Rakete vergrößern wollen, müssen wir ihre Geschwindigkeit in der Zeit des angetriebenen Fluges erhöhen. Könnten wir die Brennschlußgeschwindigkeit auf 1 3 3 00 Kilometer

verbessern, würde die Rakete 1 600 Kilometer weit liegen. Wenn ein Geschoß sein Ziel trefen soll, so muß der Lauf des Ge­ schützes angehoben und in die entsprechende Richtung gebracht werden. Wäre der Lauf senkrecht gen Himmel gerichtet, würde das Geschoß eine gewisse Höhe erreichen und dann einach wieder herunterallen, wobei es ziemlich nahe beim Geschütz aufschlüge. Genau das gleiche geschieht, wenn eine Rakete senkrecht abgefeuert wird. Soll sie nach dem senkrechten Start nach einem ernen Ziel liegen, muß sie gekippt werden, sobald sie eine gewisse Höhe über dem Boden erreicht hat. In einer Rakete, die Mannschaft und Nutz­ last tragen sollte, würde dieses Manöver mit Hilfe von drehbar ge­ lagerten Raketentriebwerken durchgeführt werden können. Stellt man sich nun dieses Verfahren bei einer Brennschlußgeschwin­ digkeit von etwa 28 ooo Kilometer in der Stunde vor, dann fliegt die Rakete um die halbe Erde, ehe sie am Boden einschlägt. Und wenn man die Brennschlußgeschwindigkeit noch ein wenig erhöht - etwa um 1 00 Kilometer in der Stunde-, dann stimmen die Flugbahn der antriebslos fliegenden Rakete und die Krümmung der Erdoberläche überein. Das heißt, die Rakete „fällt nun rund um die Erde herum", da ihre Geschwindigkeit und die Anziehungskraft der Erde im Gleichgewicht stehen. Sie kann niemals abstürzen, da sie nun als künstlicher Satellit nach den gleichen Gesetzen um die Erde kreist, die auch den Lauf des Mondes um die Erde bestimmen. Um das zu erreichen, sind genaueste Berechnungen notwendig. Aber wenn man an die bis auf Sekundenbruchteile eintrefenden Vorausberechnungen der Sonnen- und Mondinsternisse denkt, wird man zugeben, daß kein anderer Zweig der Naturwissenschaften exakter ist als derjenige, der sich mit der Bewegung der Himmelskörper beschäftigt. Es gibt eine Möglichkeit, die gewünschte, für unsere gewählte Kreisbahn notwendige Geschwindigkeit von 28 ooo Kilometer in der Stunde zu erreichen. Die WAC Corpora!, die aus der Spitze einer V 2 startete und bis auf 402 Kilometer stieg, zeigt, was wir tun müssen, wenn wir die Geschwindigkeit einer Rakete erheblich ver­ größern wollen. Das Triebwerk der WAC begann in dem Augen­ blick zu arbeiten, in dem die tragende V 2 ihre höchste Geschwin­ digkeit erreicht hatte. Dadurch wurde die Geschwindigkeit der WAC zu der bereits von der ersten Stufe erzielten Geschwindigkeit 15

addiert. Solch eine „Huckepack-Anordnung" nennt man „Zwei­ Stufen-Rakete" ; und wenn man die zweistuige Rakete auf eine noch größere stellt, bekommt man eine dreistufige. Die dreistufige Rakete kann die Geschwindigkeit, ie von einer Rakete allein erreicht wird, verdreiachen. Man kann es sogar noch besser machen. Man kann die dreistuige Rakete als Projektil mit drei Triebwerken ansehen ; sobald das erste verbraucht ist, wird es fallen gelassen, und genauso geht es dem zwei­ ten, wenn es an der Reihe ist. Die dritte Stufe der Rakete, die eigent­ liche Spitze, liegt, von allem überlüssigen Gewicht bereit, weiter. Neben dem Verlust der zwei unteren Stufen machen noch andere Faktoren den Flug der Rakete mit zunehmender Höhe leichter. Zunächst ist die Atmosphäre dicht und bremst die Rakete ; sobald diese erst einmal höher kommt, wird ihr Flug schneller. Zweitens haben Raketen in den dünnen Schichten der oberen Atmosphäre einen besseren Wirkungsgrad. Drittens braucht die Rakete, nachdem sie die dichtesten Teile der Atmosphäre passiert hat, nicht mehr senk­ recht zu steigen und kann wie j edes andere Fahrzeug auf einer verhält­ nismäßig lachen Bahn schneller an Geschwindigkeit zunehmen. Man stelle sich die Größe dieser gewaltigen dreistufigen Rakete vor : sie ist 80 Meter hoch, ungeähr so groß wie ein 24stöckiges Gebäude. Am unteren Ende hat sie einen Durchmesser von 20 Meter. Und das Gesamtgewicht des Raketengiganten ist 6 400 ooo Kilogramm oder 6400 Tonnen - soviel, wie ein leichter Kreuzer wiegt * . * Das hohe Abfluggewicht von

33,1

Tonnen. Bei der auf

1280

6400 Tonnen ergab sich aus

dreistufigen Transportrakete (siehe S.

Nutzlastkapazität nur

der großen Nutzlast von

Tonnen Startgewicht verkleinerten Ausführung einer

274) für die gleiche Umlaufbahn setzte v.

Braun als

lo Tonnen ein. Die Reduzierung der Nutzlast allein hätte ein

Abluggewicht von etwa

1940

Tonnen ergeben; durch Verbesserung konstruktiver

Einzelheiten und des ganzen Verfahrens konnte das Abfluggewicht beim Entwurf von

1956

darüber hinaus um etwa

Schluß des Kapitels.) H. G.

30°/0

verkleinert werden. (Vergleiche die Tabellen am

Ansichten d e r Erde aus etwa 40000 Kilometer Entfernung mit d e r maßstäblich ein­ gezeichneten Bahn der Weltraumstation. Die Station läuft alle 2 Stunden einmal um die Erde. infolge der Erd rotation können die Insassen der Weltraumstation während der 24 Stu nden eines Tages jeden Punkt der Erdoberfläche m i ndestens e i n mal sehen, viele Gebiete sogar mehrere Male.

Die Triebwerke der drei Stufen dieser Rakete werden mit den Treib­ stofen Salpetersäure und Hydrazin gespeist, die durch Turbopumpen in die Brennkammern gefördert werden. 5 l Raketenbrennkammern, die zusammen einen Schub von l 2 800 Tonnen haben, treiben die erste Stufe (Unterteil) an. Sie verbrauchen insgesamt 4800 Tonnen Treibstofe in der unglaublich kurzen Zeit von 84 Sekunden. So wird in weniger als einer halben Minute das Gewicht der Rakete um 75 Prozent vermindert. Die zweite Stufe (Mittelteil), die über der ersten angebracht ist, hat 3 4 Raketenbrennkammern mit einem Gesamtschub von 1 600 Tonnen und verbrennt 700 Tonnen Treibstofe. Sie ist nur l 24 Sekunden in Betrieb. Die dritte und letzte Stufe (Oberteil), die Mannschaft, Ausrüstung und Nutzlast trägt, hat 5 Raketenbrennkammern mit einem Gesamt­ schub von 200 Tonnen. Diese Kabinenstufe des Raketenschifes ent­ hält 8 3 Tonnen Treibstofe, einschließlich ausreichender Reserven für den Rückflug zur Erde. Außerdem kann sie eine Nutzlast von 3 2 , 5 Tonnen bis auf die 2-Stunden-Kreisbahn transportieren. Für den Rückflug hat die Oberstufe Traglächen, ähnlich denen eines Flugzeugs. Diese werden nur während des Abstiegs nach dem Wieder­ eintauchen in die Atmosphäre benützt. Die Wahl des Startplatzes erfordert große Sorgalt, denn wegen der großen Zahl von Anlagen - Treibstoftanks und Werkstätten, Funk­ und Radareinrichtungen, astronomischen und meteorologischen Stationen - braucht man ein ausgedehntes Gebiet. Außerdem ist es aus Gründen, die später erörtert werden, wichtig, daß die Rakete während der ersten Phase ihres Aufstiegs über dem Ozean liegt. Die kleine amerikanische Insel Johnston Island im Paziik oder das Versuchsfeld der Luftwafe bei Cocoa in Florida sind Beispiele für geeignete Plätze. Im Startgelände wird das schwere Raketenschif auf einer großen, transportablen Plattform zusammengebaut. Dann wird die Plattform über einen tunnelähnlichen „Strahlableiter" gerollt, der die feurigen Verbrennungsgase der Brennkammern der ersten Stue abührt. Schließlich startet die Rakete mit einem mächtigen Donner, der viele Meilen weit zu hören ist, so langsam, daß sie in der ersten Sekunde kaum fünf Meter steigt. Aber schnell nimmt ihre Geschwin18

digkeit zu, und zwanzig Sekunden später ist sie in den Wolken ver­ schwunden. Wegen der ürchterlichen Beschleunigung, die eine Minute später autritt, liegen die Insassen - die sich natürlich in der oberen, dritten Stufe aufhalten - lach auf „Kontur-Betten", die der Körperorm genau angepaßt sind. Während des ganzen Fluges bis auf die 2-Stun­ den-Bahn wird die Rakete von einem „automatischen Piloten", einem Kommandogerät, gesteuert. Die Berechnung der Flugbahn und die verschiedenen Flugmanöver müssen so genau ausgeührt werden, daß man diese Aufgabe nur einer Maschine anvertrauen kann. Nach kurzer Zeit dreht der Steuerautomat die Rakete in eine flache Bahn. 84 Sekunden nach dem Start, wenn die Treibstofe der ersten Stufe nahezu verbraucht sind, steigt das Raketenschif unter einem Winkel von 20, 5 Grad. In 40 Kilometer Höhe beträgt seine Geschwindigkeit 2,34 Kilometer pro Sekunde oder 84 5 o Kilometer pro Stunde. Damit sich die oberen Stufen vom Unterteil trennen können, muß der Schub der ersten Stufe bis auf Null gedrosselt werden. Dann beginnen die Brennkam­ mern der zweiten Stufe zu arbeiten, und die Verbindung zwischen dem jetzt nutzlosen Unterteil und dem Rest des Raketenschifes wird gelöst. Das Unterteil bleibt zurück, während die oberen Stufen der Rakete weiter emporstürmen. Nach erolgter Trennung wird an der ersten Stufe ein ringörmiger Bänderallschirm aus feinem Stahldrahtnetz automatisch ausgelöst. Er hat einen Durchmesser von 66 Meter und verringert die Fall­ geschwindigkeit. Inolge ihres Trägheitsmoments steigt aber die leere Stue zunächst noch bis zu einer Höhe von 64 Kilometer weiter, ehe sie zu allen beginnt. Da sie beim Auschlagen auf festem Boden völlig zerstört werden könnte und außerdem auch eine Geahr bilden würde, muß der erste Teil des Aufstiegs über dem Meer stattfinden. Nach der Wasserung wird die erste Stufe geborgen und nach dem Startplatz zurückgebracht. Der gleiche Vorgang wiederholt sich 1 24 Sekunden später. Auch die zweite Stufe ällt in den Ozean. Das Raketenschif hat nun eine Höhe von 64 Kilometer erreicht und ist 5 3 4 Kilometer vom Startort ent­ fernt. Seine Geschwindigkeit beträgt 2 3 ooo Kilometer pro Stunde. Jetzt fliegt die dritte und letzte Stufe, das mit der Kabine ausgerüstete

Oberteil, mit der Kraft der eigenen Raketentriebwerke weiter. 84 Se­ kunden nach dem Abwurf der zweiten Stufe erreicht das Raketen­ schif, das sich bereits mit 29 6 5 0 Kilometer in der Stunde fortbewegt, eine Höhe von rn2 Kilometer. Hier müssen wir uns an den Vergleich zwischen Rakete und frei fliegendem Geschoß erinnern, um die Vorgänge verstehen zu können. Sobald die Rakete in 1 02 Kilometer Höhe eine Geschwindigkeit von 29 6 5 0 Kilometer pro Stunde erreicht, werden die Triebwerke abgestellt, obgleich die Treibstofe keinesfalls verbraucht sind. Das Raketenschif liegt dann antriebslos weiter, bis es sich l 7 30 Kilo­ meter über der Erdoberfläche befindet. Das ist der Gipfelpunkt seiner Bahn ; es hat nun die Erde zur Hälfte umrundet. Dabei hat es zugleich die Höhe der 2-Stunden-Bahn, in der die Raumstation gebaut werden soll, erreicht. Jetzt sind nur noch zwei Flugmanöver notwendig. Beim antriebslosen Flug von rn2 auf 1 7 3 0 Kilometer Höhe verliert das Raketenschif durch die Anziehungskraft der Erde einen Teil seiner Geschwindigkeit. Die übrigbleibenden 23 7 5 0 Kilometer pro Stunde reichen aber nicht aus, die Rakete auf der gewählten Bahn um die Erde zu halten. Wenn man die Geschwindigkeit nicht erhöht, fällt sie auf der anderen Seite der Erde wieder herunter bis auf rn2 Kilometer Höhe, steigt dann abermals bis zum Gipfelpunkt in 1 7 30 Kilometer Höhe empor usw. - ein Satellit auf elliptischer Bahn. Hier erhebt sich die Frage : Warum ist man damit eigentlich nicht zufrieden? Nun, man kann sich mit dieser besonderen Bahn nicht begnügen, weil ein Teil von ihr in rn2 Kilometer Höhe durch die Atmosphäre führt. Und obgleich der Luftwiderstand dort nur noch gering ist, reicht er doch aus, die Rakete zum Absturz zu bringen. Die gewählte 2-Stunden-Bahn verläuft stets genau 1 730 Kilometer über der Erde. Sie ist kreisförmig und nicht elliptisch. Um das Raumschif für immer auf diese Bahn zu bringen, muß man �e Raketentriebwerke noch einmal für ein paar Sekunden in Gang setzen und die Geschwindigkeit steigern. Vorher aber muß die Position und Lage des Schifes korrigiert werden, denn die erforder­ iche Geschwindigkeitserhöhung muß genau in Richtung der Bahn erfolgen. 20

'··

Gesamtansicht der dreistufigen Rakete für den Transport von 33,1 Tonnen Nutzlast von der Erdoberfläche zur Bahn

der Weltraumstation

in 1730

Kilometer Höhe. Der Schnitt zeigt die drei Stufen mit ihren Treibstoffbehältern und Raketentriebwerken.

• z w E 1 T E s T u F E

Der Pilot eines Flugzeugs korrigiert die Position seiner Maschine, indem er sich nach dem Horizont richtet. Aber im Weltraum gibt es keinen Horizont. Wenn die Rakete die Kreisbahn erreicht hat und dort bleiben soll, muß sie erst einmal ganz genau in die richtige Lage gedreht werden, damit der Schub der Brennkammern in der gewünschten Richtung wirkt. Um diese Richtung zu inden, muß man aber einen „Horizont" haben. Für diese letzten beiden Manöver sind besondere Vorkehrungen erforderlich. Ein Flugzeug kann seine Lage durch Bewegung seiner Steuerflächen ändern. Im Raum j edoch wird nichts geschehen, wenn man die aerodynamischen Steuer des Raketenschifes bewegt, da es dort keine Luft gibt. Wir könnten die kleinen beweglichen Brenn­ kammern benutzen, die der Steuerung während des Aufstiegs mit Raketenkraft dienten. Aber der größere Teil des Austiegs erolgt antriebslos, und man vermeidet es gern, wertvolle Treibstofe durch Verwendung der beweglichen Brennkammern zu verschwenden. Da sich nun das Raketenschif antriebslos auf der vorgeschriebenen elliptischen Austiegsbahn ähnlich wie ein Schlitten auf einem ver­ eisten Hügel bewegt, kann es am Gipfelpunkt der Bahn in ganz beliebiger Lage ankommen, sogar mit dem Schwanz voran. Das Raketenschif hat also das Ziel erreicht, doch wissen wir nicht genau, welche Lage es in bezug auf die Kreisbahn hat. Können wir einen „Horizont" schafen, die richtige Lage heraus­ inden und dann das Schif im Raum drehen, ohne etwas von dem wertvollen Treibstofvorrat zu verbrauchen? Nehmen wir an, wir lassen in der Rakete ein Schwungrad rotieren. Wenn wir das Rad in Umdrehungen versetzen, wird - das entnehmen wir dem 3 . Bewegungsgesetz von Newton - eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft auf das Raketenschif ausgeübt. Da das Schwungrad viel leichter als das Raketenschif ist, muß es viele Umdrehungen machen, ehe die Rakete eine einzige vollzieht. Wir können also im leeren Raum mit Hilfe eines Elektromotors sogar ein sehr großes Schif mit einem verhältnismäßig kleinen Rad drehen. Aber ein Schwungrad allein reicht nicht aus, da ein frei beweglicher Körper im .Raum drei „Freiheitsgrade" hat : Man kann das Raketen­ schif mit seiner Spitze auf und ab bewegen, es nach links und rechts wenden und es auch um seine Längsachse drehen. Deshalb sind drei 22

elektrisch angetriebene Schwungräder, die sich in rechten Winkeln zueinander bewegen, zur Bewältigung dieser Aufgabe notwendig. Wenn wir erst einmal einen „Horizont" oder eine Bezugsebene ge­ schafen haben, können wir die erforderlichen Korrekturwinkel des Schifes in drei Freiheitsgraden bestimmen und dann die Schwung­ räder arbeiten lassen, bis das Schif die gewünschte Position erreicht hat. Für dieses Manöver benutzen wir einen verwickelten Mechanismus, den man m vorliegenden Fall einen automatischen Lagebestimmer nennen kann. Dieser darf nicht mit dem Steuerautomaten verwech­ selt werden, der das Schif während des Aufstiegs lenkt. Die Sache geht dann etwa folgendermaßen vor sich : Man hängt in einem Kardan­ system eine kleine Scheibe auf, deren Lage durch drei Kreisel stabi­ lisiert ist, jeder Freiheitsgrad durch einen. An zwei Seiten der Scheibe sind nun kleine bewegliche Teleskope angebracht, die mit einem System von Fotozellen ausgerüstet sind. Der Steuermann richtet j edes Teleskop auf einen bestimmten Stern und stellt es durch Ein­ schalten der Fotozellen fest darauf ein. Auf diese Weise schaft er künstlich eine Bezugsebene, die durch die beiden Sterne und das Raketenschif selbst bestimmt ist. Das ist unser „Horizont", auf dem jetzt ein dreidimensionales Koordinatensystem errichtet werden kann, in dessen Mittelpunkt sich das Schif beindet. Mit Hilfe seiner Navigationstafeln kann der Steuermann nun die notwendigen Richtungen des Schifes in den drei Freiheitsgraden bestimmen. Die auf solche Art gewonnenen Daten überträgt er auf die Skalen an j eder der drei Achsen der Kardanaufhängung und läßt dann die kleinen Servomotoren anlaufen. Jetzt beginnt das ganze Kardansystem langsam in die „richtige" Richtung einzuschwenken. Sobald dies ausgeführt ist, werden die drei Schwungräder in Bewe­ gung gesetzt ; sie laufen automatisch weiter, bis die Position des Raketenschifes genau mit der stabilisierten Steuerscheibe überein­ stimmt. Wenn sich das Schif in der berechneten Lage beindet, werden die Raketentriebwerke für etwa 1 5 Sekunden eingeschaltet. Dadurch wird die Geschwindigkeit auf 2 5 400 Kilometer pro Stunde erhöht. Mit dieser Geschwindigkeit kann das Schif auf der Kreisbahn bleiben. Das Ziel ist erreicht. Dabei verdient eine ungewöhnliche Tatsache besonders hervor-

gehoben zu werden : der Flug von der Erde auf die Kreisbahn hat nur 5 6 Minuten gedauert. Das Raketenschif wurde während dieser Zeit nur 5 Minuten lang angetrieben. Für die Besatzung des Raketenschifes in 1 7 3 0 Kilometer Höhe scheint sich die Erde alle zwei Stunden eimal um sich selbst zu drehen. Diese sichtlich schnelle Rotation der Erdkugel ist das einzige Zeichen ür die ungeheure Geschwindigkeit, mit der sich das Schif bewegt. Die Erde braucht natürlich volle 24 Stunden, um eine Umdrehung um ihre Achse zu vollenden, aber das Raketenschif umkreist sie in dieser Zeit zwölfmal. Bevor wir den Bau der Raumstation in der Kreisbahn erörtern, wollen wir das Verahren des Stufenabwurfs betrachten, denn die Not­ wendigkeit, die leeren Stufen zu bergen, ist besonders wichtig für die Wahl der Aufstiegsbahn. Angenommen, wir würden die dreistufige Rakete während der gesamten Antriebsperiode der ersten Stufe senkrecht steigen lassen und auf ihrer Bahn erst kippen, nachdem die Treibstoftanks des Unterteils entleert wären. Diese erste· Stufe würde dann in einer Höhe von etwa 64 Kilometer abgetrennt werden, während das Schif senkrecht mit einer Geschwindigkeit von über r 5 00 Meter in der Sekunde steigt. Der Bremsschirm der ersten Stufe würde in dieser Höhe sehr geringem Luftwiderstand begegnen, und bald würde dieser Widerstand überhaupt aufhören, da das abgetrennte, antriebslose Unterteil inolge seiner Trägheit weiter steigt. Bedingt durch die Anziehungskraft der Erde, würde es allmählich langsamer werden, in einer Höhe von rund 3 5 0 Kilometer für einen Augenblick verharren und dann zur Erde zurückallen. Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre würde es bereits eine Geschwindigkeit von über r 5 00 Meter pro Sekunde erreicht haben. Nun würde der Bremsall­ schirm wirken und die Fallgeschwindigkeit zu verringern suchen ; Die e rste Reise nach dem Mond wird ohne Landung mit einem Rau msch iff d u rchgef ü h rt, das n u r für den Flug d u rch den Weltra u m geeig net ist, von der Rau mstation startet und wieder zu ihr zurückkeh rt. H i e r befi ndet sich das „ Rund-u m-den-Mond-Schif" 80 K i l o­ meter über der Mondoberfläche, 380000 Kilometer von der Erde entfernt. Der g roße Krater i m Vorderg rund heißt Aristillus (56 Kilometer Du rch messer), der Krater dahinter Autolycus ; die fernen Berge i m H interg rund sind die Mond-Apenn i n en.

aber die Zeit, den Fall dieses gewaltigen Raketenteils u verlang-, samen, wäre zu kurz. Bevor der Fallschirm den Sturz ausreichend mindern könnte, wäre die Raketenstufe schon in den dichteren Luftschichten. Fallschirmwiderstand und -verzögerung würden dann rapide zunehmen, und schließlich würde der Fallschirm durch die gewaltige aerodynamische Belastung von dem Raketenteil abgerissen werden. Ofensichtlich ist es also nicht nur schwierig, sondern überhaupt unmöglich, die erste Raketenstufe bei einer senkrechten Austiegs­ bahn zu bergen. Um auch die entgegengesetzte Methode zu durchdenken, wollen wir annehmen, die Rakete würde schon während der Antriebs­ periode der ersten Stufe in eine völlig horizontale Bahn umgelenkt. Da die Rakete senkrecht startet, würde dies Verahren bedeuten, daß wir sie innerhalb der 84 Sekunden Brennzeit des Unterteils um volle 90 Grad wenden müßten. Nun erkennt man leicht, daß dann die Brennschlußhöhe niedriger ist als bei einer geringeren Umlenkung, und zwar betrüge sie 24 Kilometer statt der 40 Kilometer, die wir für die Prozedur als notwendig ansehen. Sogar in 40 Kilometer beträgt die Bremsung durch den Fallschirm 6 g ( sechsache Erd­ beschleunigung). Das heißt, der Stahlnetzschirm und seine Leinen müssen dem sechsachen Gewicht der leeren dritten Stufe standhalten. Aber in 24 Kilometer Höhe ist die Luft zehnmal so dicht wie in 40 Kilometer Höhe. Dementsprechend würde die Bremsung durch einen Fallschirm der gleichen Größe 60 g betragen, und der Schirm müßte also das sechzigache Gewicht des leeren Unterteils der Rakete tragen. Es ist unmöglich, einen Fallschirm mit einem Durch­ messer von 66 Meter herzustellen, der diese ungeheure Belastung aushalten könnte, es sei denn, die Fallschirmleinen hätten den Durch­ messer der riesigen Kabel, die die berühmte Hängebrücke von San Franzisko tragen. Aus diesen Überlegungen kann man bestimmte wichtige Schlüsse ziehen. Will man die leere erste Stufe bergen, dann muß man danach trachten, Geschwindigkeit, Höhe und Neigung der Austiegsbahn im Augenblick der Abtrennung so aufeinander abzustimmen, daß der Fallschirm die Geschwindigkeit allmählich verringern kann. Das ist für die Fallschirmbremsung der zweiten Stufe sogar noch =

wichtiger, da deren Geschwindigkeit bei Brennschluß erheblich größer ist. Ein Fallschirm braucht Zeit, um die hohe Brennschlußgeschwindig­ keit einer Stufe zu „vernichten". Man gewinnt diese Zeit durch Beachtung folgender Regeln : r. Man wählt eine Brennschlußhöhe, in der die Luftdichte gering ist, die Stufe b ei der erreichten Brennschlußgeschwindigkeit durch die Luftkräfte am Fallschirm mit nur wenigen „g" abzubremsen. 2 . Man wählt eine Aufstiegsbahn, bei der die Rakete im Augenblick der Stuentrennung in einem flachen Winkel steigt. Die Stufe wird sich dann infolge der Massenträgheit noch eine Zeitlang leicht auf­ wärts bewegen, so daß der Fallschirm deren Geschwindigkeit all­ mählich verringern kann. Der Abstieg in die dichteren Luftschichten beginnt dann erst nach erfolgter ausreichender Bremsung. Ein Fallschirm, mit dem die erste Stufe etwa mit der Durchschnitts­ geschwindigkeit eines normalen Fallschirmspringers landen würde, müßte wahrhaft phantastische Abmessungen haben. Seine Größe, sein Gewicht und seine Unterbringung in der Rakete wären prak­ tisch unmöglich. Trotzdem würde ein Sturz in den Ozean mit der niedrigen Fallgeschwindigkeit eines Fallschirmjägers die empind­ liche Struktur der ersten Stufe beträchtlich beschädigen. Man kann diese Schwierigkeiten auf folgende Weise umgehen. Der Durchmesser des Fallschirms wird auf ein praktisches Maß verringert. Man läßt also eine größere Fallgeschwindigkeit - etwa 45 Meter pro Sekunde - zu und vernichtet die Restgeschwindigkeit durch kleine Raketen mit festen Treibsätzen, kurz bevor die Stufe ins Wasser ällt. Diese Raketen können im Oberteil der ersten Stufe, das j etzt nach unten hängt, angebracht und durch einen Annäherungs­ zünder in Betrieb gesetzt werden. Wenn die Raketen groß genug sind und der Zünder genau eingestellt ist, taucht die Stufe mit der Geschwindigkeit „Null" ein. Sie wird so sanft wie ein Helikopter aufsetzen. Die Aufstiegsbahn der Transportrakete wurde nach sorgältiger Berechnung der Bremsung und der Landepunkt der ersten und zweiten Stue ausgewählt. Die erste Stufe wird, wie in diesem Kapitel schon erklärt wurde, in einer Höhe von 40 Kilometer und bei einem Bahnwinkel von 20, 5 Grad gegen die Horizontale abge-

trennt. Ihr Schwung trägt sie zunächst noch weiter empor ; dann fällt sie langsam in die dichteren Luftschichten und wassert in einer Ent­ fernung von 3 04 Kilometer vom Startplatz im Ozean. 45 Meter über dem Wasserspiegel beginnen zehn Raketen mit festen Treibsätzen, die einen Schub von zusammen 2480 Tonnen liefern, zu arbeiten, und die Stufe sinkt sanft ins Meer, wo sie bis zur Bergung schwimmt. Die zweite Stufe wird in einer Höhe von 64 Kilometer abgetrennt, während das Raketenschif unter einem Winkel von 2,5 Grad steigt. Um die erwünschten Trennungsbedingungen für die zweite Stufe zu erzielen, wird die Bahn ein wenig „gedrückt''. Die zweite Stufe wird durch einen ringförmigen Drahtnetzfallschirm getragen, der viel kleiner ist als der bei der ersten Stufe verwendete. Er bat einen Durchmesser von nur 22,5 Meter. 1 459 Kilometer vom Startplatz entfernt erreicht die zweite Stufe die Wasseroberläche, genau wie die erste durch kleine Raketen mit festen Treibsätzen, die 2 Sekunden vor dem Wassern einsetzen, gebremst. Schon acht Minuten nach dem Start des Raketenschifes wassert die zweite Stufe im Meer. Die Stufen, die wegen ihrer leeren Treibstofbehälter einen starken Auftrieb haben, fallen mit der Spitze zuerst ins Wasser. Unter dem Gewicht der schweren Triebwerke drehen sie sich dann wie ver­ wundete Wale, aber schließlich schwimmen sie wie mächtige Bojen, die ausgebrannten Bremsraketen himmelwärts gerichtet. Für sie stehen Bergungsschife bereit, die die fallenden Stufen durch Radar verfolgt haben, eines für die erste Stufe, 3 04 Kilometer, und das zweite, kleinere Schif für die zweite Stufe, r 45 9 Kilometer vom Startplatz entfernt. Diese Bergungsschife müssen viel größer als Schlepper sein. Es wird sich weniger um Schife als um seegängige Trockendocks handeln. Sie werden sich den Stufen vorsichtig unter dem Wind nähern, ihre Wassertanks fluten und halb eintauchen. Besonders geschulte Mannschaften werden dann die sperrigen Gefüge Ein Rauman zug sichert einem Menschen i m Vak u u m des Rau mes d i e normalen Bed in­ gu ngen seiner natü rlichen U mgebung in Meereshöhe. Die Luft i m I n n ern des Anzugs hat einen Druck von 1 Atmosphäre. Das H a u ptproblem ist, d iesen Anzug l uftd icht und gl eichzeitig bewegl ich zu machen. Um eine ü bermäßige Erwärmung zu vermeiden, ist er weiß. Der Sauerstofvorrat wird auf dem Rücken getragen, ebenso eine tragbare Radioa usrüstung für die Verbin d u ng m it der Rau mstation, dem Observatori u m , den

Rau m-Taxis und anderen Menschen im Raum. Der Antrieb erfolgt d urch e i n e k l e i n e tragbare Rakete. B e i Arbeiten i n der Nähe der Station werden M ä n n e r in Rau manzügen aus Sicherheitsg ründen angesei lt. I m Bild ist das G las des Fensters i m Kopfhe l m d u rch­ sichtig; i n Wirklich keit ist es d u n kel gefärbt, um die u ltravioletten Stra h l en der Sonne fernzuhalten. Da es u n mög l ich ist, einen Menschen im Raumanzug zu erken nen, werden die Anzüge wah rsche i n l ich m it auffal lenden Ken nzeichen a usgerüstet sein.

der Stufen sorgältig Zentimeter um Zentimeter an Seilen in die großen Öfnungen der Trockendocks ziehen. Sobald die Stufen an Bord sind, können die Tanks entleert werden ; die seegängigen Trockendocks schwimmen dann wieder normal. Nach vollzogener Bergung kehren sie mit ihrer wertvollen Ladung zum Startplatz zurück. Inzwischen ist die Mannschaft in 1 73 0 Kilometer Höhe dabei, die Raumstation zu errichten. Man beginnt, die 3 2 , 5 Tonnen Nutzlast, die man mitgebracht hat, auszuladen. Aber wie und wo machen die Männer das? Ringsum ist ja nichts als leerer Raum. Nun, die Ladung wird einach hinausgekippt. Sie ist ebenalls zu einem Satelliten geworden ! Und genauso ergeht es den Insassen der Rakete. Ausgerüstet mit grotesk aussehenden Druckanzügen und Sauerstofgeräten, können sie nun das Schif verlassen und herum­ schwimmen, ohne sich festzuhalten. Genauso wie ein Mensch am Erdboden nichts von der Geschwindig­ keit - 1 07 ooo Kilometer in der Stunde - merkt, mit der sich die Erde um die Sonne bewegt, spüren die Männer des Raumschifes nichts von der phantastischen Geschwindigkeit, mit der sie die Erde umkreisen. Im Gegensatz zu den Menschen am Erdboden merken die Menschen im Raum nichts von der Anziehungskraft. Wenn einer von ihnen bei der Arbeit in den Raum abtreiben würde, wäre das weniger geährlich als ein Sturz von einem Baugerüst. Es bedeutet nur, daß der Mann eine geringe Geschwindigkeit in einer unvorher­ gesehenen Richtung bekommen hat. Er kann sich auf die gleiche Weise helfen, in der j ede Geschwindigkeit m Raum erhöht oder verringert wird - durch Anwendung des Rückstoßes. Er könnte beispielsweise, theoretisch, einen Schuß in der unbeabsichtigten Bewegungsrichtung abfeuern ; er könnte sich auch dadurch fort­ bewegen, daß er ein bißchen Sauerstof aus dem Behälter auf seinem Rücken ausströmen läßt. In der Praxis wird sein Raumanzug mit einem kleinen Raketenmotor ausgerüstet sein. Aber sehr wahrschein­ lich wird auch j eder Mann während der Arbeit an der Rakete angeseilt sein. Genauso wird man die Werkzeuge sichern, denn sonst würden sie nach allen Seiten in den Raum inaustreiben. Die Raum-Männer - denn das sind die Mitglieder der Besatzung j etzt -

beginnen nun damit, die mitgebrachte Ausrüstung zu ordnen. Sie schweben in seltsamen Stellungen zwischen Bauteilen und Maschinen umher und verrichten ihre Arbeit in absoluter Stille, da die Luft zur Fortplanzung der Geräusche fehlt. Nur wenn zwei Monteure am gleichen Werkstück arbeiten und es berühren, kann der eine den Lärm, den der andere macht, hören, da Schall von den meisten Materialien geleitet wird. Sie können sich aber durch eingebaute Sprechfunkanlagen, sogenannte „walkie-talkie"-Geräte, miteinander verständigen. Das Baumaterial läßt sich leicht bewegen ; es gibt kein Gewicht und keine Reibung. Um ein Stück vorwärts u stoßen, muß der Raum-Mann nur seinen Raketen-Motor einschalten. Wenn er versucht, ein schweres Stück ohne Raketenantrieb zu schie­ ben, fliegt er selbst nach rückwärts ! Allerdings reicht die Ladung eines Raketenschifes - obgleich sie der von zwei großen Super-Constellations entspricht - nur ür den Beginn des Baues der gewaltigen dreistöckigen, 7 5 Meter weiten Raum­ station ; für die Herbeischafung des Materials ist ungeähr ein Dutzend solcher Flüge erorderlich. Diese Raketenschife, die planmäßig in ununterbrochener Folge mit dem Fortschreiten der Arbeit an dem­ selben Punkt im Raum eintrefen müssen, werden nach und nach die notwendigen Bauteile der auf der Erde vorbereiteten Raumstation heranschafen. Das genaue Heranbringen der von der Erde kommenden Raketen­ schife an die Baustelle der Raumstation ist navigatorisch ein be­ sonders schwieriges Kapitel. Die Station - ob der Bau vollendet ist oder noch nicht - und das ursprüngliche Raketenschif bewegen sich auf der Kreisbahn gleicmäßig mit 7,08 Kilometer in der Sekunde. Wenn also die Versorgungsraketen den vorausberechneten Tref­ punkt auf der Kreisbahn nur um eine Sekunde zu rüh oder zu spät erreichen, werden sie um 7 Kilometer zurück oder voraus sein. Die Aufgabe scheint erschreckend schwer zu sein, aber in Wirklichkeit läßt sie sich verhältnismäßig einach lösen, denn eine elliptische Austiegsbahn, deren Apogäum in der Kreisbahn liegt, ist nicht der einzig mögliche Kurs, auf dem die Baustelle erreichbar i st. Die Ver­ sorgungsraketen können den Trefpunkt auch auf elliptischen Routen erreichen, deren Gipfelpunkt höher als 1 73 0 Kilometer ist ; diese schneiden die Kreisbahn in einem lachen Winkel. Derartige Bahnen

erfordern höhere Brennschlußgeschwindigkeiten als elliptische Bah­ nen, die die Stationsbahn nur berühren. Sie sind daher weniger wirtschaftlich. Wir wollen einmal eine elliptische Standard-Austiegsbahn annehmen, die die Kreisbahn in 1 7 3 0 Kilometer Höhe in einem leichten Winkel schneidet - so lach, daß der zusätzliche Treibstofverbrauch außer acht gelassen werden kann. Wie wir gehört haben, ist der ganze Flug der Rakete vom Boden bis zur Kreisbahn automatisch. Wenn die Raketentriebwerke genau zur vorausberechneten Zeit abgeschaltet werden, fliegt das Schif auf seiner Standard-Ellipse antriebslos weiter empor und schneidet die Kreisbahn bei der Baustelle. Die sehr genaue Uhr in der Rakete, die vorher auf dem Startplatz eingestellt wurde, ist mit einem Beschleunigungsmesser verbunden, der die Absperrventile der Raketentriebwerke regelt. Wird nun etwa der Brennschlußpunkt eine Sekunde zu spät err.eicht, ändert die Uhr die Einstellung des Beschleunigungsmessers so, daß der Antrieb bei etwas höherer Geschwindigkeit abgeschaltet wird. Dadurch wird der sich ergebende antriebslose Aufstieg zur Kreisbahn um die eine oder die zwei Sekunden, die während des Fluges verlorengegangen waren, abgekürzt. Sollte j edoch der Brennschlußpunkt ein paar Sekunden zu rüh erreicht werden, dann schaltet die Uhr automatisch den Be­ schleunigungsmesser zurück auf eine etwas kleinere Brennschluß­ geschwindigkeit. Das Raketenschif wird dann in einer etwas längeren Ellipse weiterliegen, so daß der Flug zwei Sekunden länger dauert. Diese Regelung auf Bruchteile von Sekunden kann noch verfeinert, das Raketenschif durch Radar herangesteuert werden. Ein kurzer Raketenantrieb zur Korrektur würde für alle notwendigen Berichti­ gungen sorgen. Ja, der Fehler kann sogar dann noch berichtigt wer­ den, wenn die Rakete auf der Kreisbahn so ankommt, daß die Bau­ stelle ein paar Kilometer entfernt ist. Ein genau abgestimmtes An­ triebsmanöver mit ganz geringem Treibstofverbrauch löst das Pro­ blem, obgleich die Baustelle und die Versorgungsrakete vielleicht halb um die Erde treiben, ehe sie einander nahe genug sind, um die Ver­ bindung aunehmen zu können. Es ist überflüssig zu betonen, daß die Ladungen der Versorgungs­ raketen sorgfältig eingeteilt werden müssen, damit der Aufbau stetig und planmäßig voranschreiten kann. Mit der Ankunft der letzten

Last wird die Station fertig und das Unternehmen beendet sein. Die Kosten für den Bau einer auf diese Weise entstehenden Welt­ raumstation werden auf vier Milliarden Dollar, die Bauzeit auf etwa 1 0 Jahre geschätzt. Ein großer Teil der Summe würde für Forschung, Versuche, Bau der Treibstofwerke und andere notwendige Vorbe­ reitungen für die Entwicklung des Projekts ausgegeben werden. Der Rest umaßt die Ausgaben für die Bauteile der Station und die zwölf Raketenlüge, die erorderlich sind, um die Bauteile bis auf die Kreis­ bahn zu transportieren. Jedes Raketenschif dürfte voraussichtlich vier Millionen Dollar kosten und pro Flug für fünfhunderttausend Dollar Treibstofe verbrauchen. Die Begrenzung von Gewicht und Umfang der Bauteile wird also beim Entwurf der Raumstation ganz besonders zu berücksichtigen sein. Sobald j edoch der erste Teil des Projekts inanziert ist, werden die Kosten sinken. Von den vorgeschlagenen Treibstofen wird Salpeter­ säure schon heute in großen Mengen erzeugt ; ür Hydrazin, das gegen­ wärtig kaum im Handel ist, sind neue Produktionsstätten notwendig. Ihr Bau wird das ursprüngliche Budget belasten ; wenn aber die Massenproduktion erst einmal im Gange ist, werden die Treibstof­ kosten beträchtlich heruntergehen. Die Zahl von vier Millionen Dollar pro Raketenschif für das erste Dutzend mag schon niedrig erscheinen, sobald aber die Herstellung von Raketenschifen fortgesetzt wird - was zu erwarten ist -, wird selbst dieser Betrag noch kleiner werden. Wenn das ganze Projekt von Anfang an sorgältig geplant ist, müßten die geschätzten vier Milliarden Dollar für sämtliche Ausgaben reichen vom Zeichenpapier, auf dem die Experten die ersten Entwüre machen, bis zur Station selbst. Bei einem bestimmten Entwurfsbeispiel besteht die Station aus zwanzig Teilen, deren Material ein altbarer, nylonartiger Kunststof ist. Jedes Teil stellt eine unabhängige Einheit dar, welche später, wenn alle zu einem geschlossenen Ring vereinigt sind, in einzelne Räume, ähnlich wie in Unterseebooten, gegliedert werden kann. Um Transportraum zu sparen, werden diese Teile in gealtetem Zustand in die Kreisbahn gebracht. Sobald das „Rad" zusammengestellt und abgedichtet ist, wird es wie ein Autoreifen aufgeblasen, und zwar mit etwas weniger als atmosphärischem Druck. Dieser Druck liefert eine zum Atmen geeignete Atmosphäre im Innern des Ringes, und 33

er gibt der ganzen Anlage die notwendige Festigkeit. Die Luft muß natürlich ständig erneuert werden, da die Insassen sie verbrauchen. Auf festem Boden sind ast alle unsere täglichen Handlungen vom Gewicht abhängig. Wir stellen etwas auf einen Tisch, und es steht da, weil die Erde es anzieht. Wenn wir ein Glas Milch einschenken, zieht die Schwerkraft die Milch aus der Flasche, und wir angen sie im Glas auf. Im Raum aber ist alles gewichtslos - auch der Mensch. Wir erleben Gewichtslosigkeit ür ganz kurze Zeit, wenn wir vom Sprungturm ins Wasser springen. Mit dem Problem dauernder Gewichtslosigkeit beaßt sich z. B. die Raumflugmedizin, doch nicht wegen irgendeiner durch sie verursachten Krankheit, sondern um diesen Zustand zu erforschen. Dauernde Gewichtslosigkeit j edoch kann sich zweifellos oft als unbequem erweisen. Wir brauchen darum auf der Raumstation eine „synthetische" Schwerkraft. Nun kann man eine Zentriugalkraft die als Schwerkraftersatz wirkt - erzeugen, indem man das Rad langsam um seine Nabe rotieren läßt, wobei ein Teil der Nabe even­ tuell in Ruhe bleiben kann. Man wird deshalb an der Station ein kleines Raketentriebwerk an­ bringen, das genug Antrieb lieert, den Satelliten in Umdrehungen zu versetzen. Da es keinen Widerstand gibt, der das Rad wieder bremsen könnte, braucht das Triebwerk nicht ununterbrochen u arbeiten. Es ist nur so lange in Betrieb, bis die gewünschte Rotations­ geschwindigkeit erreicht ist, und kann dann abgeschaltet werden. Wie schnell lassen wir die Station rotieren? Das hängt davon ab, wieviel synthetische Schwerkraft wir haben wollen. Wenn der 7 5 Meter weite Ring alle 1 2, 3 Sekunden eine volle Umdrehung macht, bekom­ men wir eine künstliche Schwerkraft, die der natürlichen am Erdboden genau entspricht. Wir haben dann „ 1 g". Aus manchen Gründen mag es vorteilhaft sein, nicht ein volles g u erzeugen. Der Ring kann also langsamer rotieren ; beispielsweise könnte er eine Umdre­ hung in 22 Sekunden vollziehen, was eine künstliche Schwerkraft von etwa einem Drittel der natürlichen am Erdboden ergeben würde. Die Zentrifugalkraft, die durch das langsame Rotieren der Raum­ station entsteht, drückt alles von der Nabe weg. Gleichgültig, wo die Insassen sitzen, stehen oder gehen, ihre Köpfe werden immer nach 34

der Nabe zeigen. Mit anderen Worten, die Innenseite der Außen­ wand des Rades dient als Fußboden. Wie steht es mit der Temperatur in der Weltraumstation? Es ist ein weitverbreitetes Märchen, daß es außerhalb der Atmosphäre extrem kalt sei ; man spricht gern vom „absoluten Nullpunkt". Natürlich ist es kalt, und dennoch muß unsere Sorge dahin gehen, die Tempe­ ratur im Innern der Raumstation erträglich niedrig zu halten, und nicht, sie zu erhöhen. Im Raum hängt die Temperatur eines jeden Körpers völlig von der Absorption und Zerstreuung der Sonnen­ strahlen ab. Unsere Raumstation nun ist in der unangenehmen Lage, nicht nur direkte Wärmestrahlen von der Sonne zu empfangen, sondern auch reflektierte von der Erde. Da die Raumstation von einem vollkommenen Vakuum umgeben ist, wirkt sie wie eine Art Thermoslasche, die warm hält, was warm ist, und kalt, was kalt ist. Wenn man ihr einen weißen Anstrich gibt, wird sie ein Minimum an Sonnenwärme aunehmen. Nun kann man zusätzlich über die Oberläche der Station eine Anzahl von schwarzen Flächen verteilen, die wiederum durch Blenden abgedeckt werden können. Wenn diese Blenden ofen sind, werden die schwarzen Flächen auf der Sonnenseite mehr Wärme aunehmen und die Station heizen. Sind sie auf der Schattenseite ofen, werden die schwarzen Flächen mehr Wärme in den Raum ausstrahlen und dadurch die Station abkühlen. Man bewegt die Blenden mit kleinen Elektro­ motoren, verbindet sie mit einem Thermostaten und bezieht das ganze System in die Klimaanlage der Station ein - und schon hat man eine Temperaturkontrolle. Nun sorgt das Aufblasen des Ringes mit Luft nur kurze Zeit für eine atembare Atmosphäre. Jeder Insasse wird schätzungsweise pro Tag 1 , 3 5 Kilogramm Sauerstof verbrauchen. Dieser lebenspendende Sauer­ stof muß daher von Zeit zu Zeit durch Nachschub von der Erde aufgefrischt werden. Gleichzeitig müssen Kohlensäure und giftige oder schlecht riechende Substanzen ständig entfernt werden. Die Luft muß außerdem getrocknet werden, da j ede Person in der Raum­ station genau wie auf der Erde täglich über 1 400 Gramm Wasser durch Atmung und Ausdünstung verliert. Dieses Wasser kann zurückgewonnen, gereinigt und wieder verwendet werden. Belüftung und Wasserabscheidung verbrauchen Energie ; ebenso die 35

Radaranlagen, Rundfunksender, ·astronomischen Ausrüstungen, elek­ trischen Küchengeräte und alle anderen Maschinen. Als Energie­ quelle haben wir die Sonne. Auf der Erde steht Sonnenenergie nur an wenigen Plätzen zuverlässig zur Verfügung, nämlich da, wo Wolken den Himmel nur selten bedecken. Aber im Raum gibt es keine Wolken, und die Sonne ist die einachste Lösung für das Energieproblem der Station. Unser Kraftwerk besteht aus einem Hohlspiegel und einem Dampfkessel. Der Spiegel besteht aus einem hochpolierten Blechkanal, der rings um das Rad läuft. Die Station kann so ausgerichtet werden, daß der Spiegel ständig zur Sonne zeigt. Er konzentriert die Sonnenstrahlen dann auf eine Leitung, die in dem Spiegelkanal liegt. An einem Ende dieser Leitung wird lüssiges Quecksilber hineingepreßt, am anderen Ende der Leitung wird Quecksilberdampf entnommen. Dieser treibt einen Turbo­ generator an, der ungeähr 5 oo Kilowatt liefert. Natürlich muß das Quecksilber immer wieder verwendet werden. Wenn es in der Turbine seine Arbeit geleistet hat, wird es wieder in die Dampfleitung im Spiegel zurückgeschickt. Vorher muß der Dampf durch Abkühlung wieder zu flüssigem Quecksilber kondensiert werden. Das wird dadurch erreicht, daß er durch Leitungen geführt wird, die hinter dem Spiegel im Schatten liegen. Diese Leitungen strahlen die Wärme des Dampfes in den Raum aus. Wir haben also in der Raumstation eine vollkommen künstliche Umgebung geschafen, in der Menschen leben können. Natürlich werden sie auch drohenden Geahren gegenüberstehen ; manche, wie die kosmische Strahlung und die möglichen Zusammenstöße mit Meteoriten, sind sogar ziemlich ernst. Solchen Problemen wird im Augenblick nachgegangen, sie sind keinesfalls als unüberwindlich anzusehen. Die Station wird auf ihrer 2-Stunden-Bahn nicht allein sein. Fast immer werden einige Raketenschife dabei sein, Versorgungsgüter auszuladen. Sie werden in einiger Entfernung „geparkt" werden, damit die Station nicht durch einen Zusammenprall oder den Strahl der Raketentriebwerke beschädigt werden kann. Für den Transport von Menschen und Materialien vom Raketenschif zur Raumstation benutzt man kleine raketengetriebene Fahrzeuge begrenzter Reich­ weite, die wie überdimensionale Wassermelonen aussehen. Diese

„Raum- Taxis" werden luftdichte Kabinen haben ; wahrscheinlich wird es möglich sein, sie direkt in eine Luftschleuse am Raketenschif und eine ähnliche Luftschleuse in der Nabe der Raumstation ein­ zufahren. Sie werden dann so gebaut sein, daß sie genau in die Luft­ schleusen hineinpassen und die Öfnungen wie ein Pfropfen ver­ schließen. Die Insassen können also vom Schif zur Station gelangen, ohne dem luftleeren Raum ausgesetzt zu werden, so daß sie keine Raumanzüge anzulegen brauchen. Es wird auch ein Raum-Observatorium geben, ein kleines metallenes Gitterwerk in einiger Entfernung von der Raumstation. Darin wird sich ein Teleskop mit einem parabolischen Spiegel von 2 5 4 Zentimeter Durchmesser beinden, ähnlich dem Spiegel des berühmten Teleskops auf dem Mount Wilson. Mit diesem mächtigen Gerät kann man die Tiefen des Universums durchorschen und Aunahmen der Sterne und Planeten anertigen, die von keinem Observatorium der Erde mit entsprechender Ausrüstung erreicht werden können. Das Raum­ Teleskop kann auch dazu benutzt werden, Bilder der Erdoberfläche zu machen, wobei feinste Details sichtbar werden. Ein 2 5 4-Zentimeter-Spiegel vergrößert bis zu l 2 5 oach. Das bringt die Erde l 2 5 omal näher, und Einzelheiten der Erdoberfläche werden so deutlich zu erkennen sein, als sei das Observatorium nur 1 400 Meter hoch und nicht über 1 700 Kilometer. Im Raum-Teleskop wird man noch Objekte auf der Erde unterscheiden können, die nur 40 Zenti­ meter voneinander enternt sind. Es wäre zwecklos, stärkere Vergrößerungen mit einem 2 5 4-Zenti­ meter-Spiegel vorzunehmen, da das Bild getrübt würde und doch nicht mehr Einzelheiten herauskämen. Um z. B. die Auflösungs­ ähigkeit von 40 auf 20 Zentimeter zu verbessern, wäre ein 5 oo­ Zentimeter-Spiegel wie in dem großen Teleskop auf dem Mount Palomar erforderlich. Das Raum-Teleskop kann die Erdoberläche auch bei schlechtem Wetter beobachten. Sein Auge ist nur dann blind, wenn weite Gebiete mit dichten Wolken oder Nebel bedeckt sind. Dann können aber Radargeräte durch die Schlechtwettergebiete hindurchotografieren. In zehn Jahren werden diese Apparate noch weiter entwickelt sein, aber schon heute erzeugen solche Geräte unglaublich detailreiche Bilder. 37

Den optischen Instrumenten auf der Erde hat das Raum-Teleskop einen großen Vorteil voraus : Das Bild, das es liefert, wird nicht durch die Atmosphäre gestört. Wenn man auf der Erde durch ein Teleskop nach dem Himmel schaut, ist Luft in und vor dem Instrument. Kleine Unregelmäßigkeiten in der Lufttemperatur lassen das Bild flimmern. Das Raum-Observatorium ist von solchen Störungen „weit ent­ fernt". Die militärische Bedeutung des Raum-Teleskops liegt auf der Hand. Doch die Beobachtung der Erde aus strategischen Gründen wird nicht durch einen Techniker erolgen, der ständig durch das Okular starrt ! Alles wird fotograisch aufgenommen, und die Bilder werden durch Experten der Luftaufklärung ausgewertet. Mit dem Teleskop ist eine Spezialkamera verbunden, die nach den Erahrungen der otograischen Luftaufklärung gebaut ist. Während des zweistündigen Laufs der Station um die Erde wird diese Kamera, die mit einem automatischen Plattenwechsler oder Filmtransport versehen ist, wenigstens hundert Aunahmen machen. Die Kamera wird nicht von Hand bedient, da die Bewegungen des Fotografen die genaue Einstellung stören würden. Sie wird durch Fernsteuerung von der Station aus eingerichtet und ausgelöst. Das kann dadurch geschehen, daß das Raum-Observatorium mit einem dreiachen Schwungradsystem ausgerüstet wird, ähnlich dem, das die Rakete vor dem Erreichen der Kreisbahn in die richtige Lage brachte. Die Schwungräder können durch Fernlenkung in Bewegung ver­ setzt, gestoppt und gewendet werden. Der Beobachter in der Raum­ station benutzt ein kleines Fernrohr, mit dem er die Erdoberfläche absucht. Sobald er sich für die Beobachtung eines Gebietes ent­ schlossen hat, setzt ein Druck auf einen Knopf den Steuermechanis­ mus der Schwungräder in Betrieb. Das Raum-Observatorium schwenkt dann langsam herum, bis es in genau der gleichen Position ist wie das kleine Fernrohr im Innern der Raumstation. Nun wird eine Verbindung zwischen den Geräten in der Station und dem Raum­ Teleskop durch Bildunk hergestellt. Genau das Bild, das foto­ graisch aufgenommen werden soll, erscheint auf der Fläche des Fernsehapparats, der es den Technikern ermöglicht, noch genauere Einstellungen vorzunehmen. Der Auslöser wird dann ebenalls durch Fernsteuerung betätigt. Danach wird die Kamera automatisch für

K U G E lKAB I N E

E I NSTI E G LU K E

LAG E R RA U M

G E R I C HTET

RADAR-ANTE N N E NACH D E R E R D E G E R I CHTET

VIER B E WE G L I C H E B R E N N KAM M E R N

STE U E R M E C HAN 1 S M U �

Die Rakete für den Flug u m den Mond. Der Mann unten rechts soll zeigen, wie groß sie ist. Das Triebwerk ist das gleiche wie i n der d ritten Stufe der Transportrakete für die Verbind ung zwischen Erdoberfläche und Weltraumstation.

die nächste Aunahme geladen. Einmal oder zweimal täglich holen die Techniker die belichteten Platten oder Filme mit einem Raum­ Taxi ab und legen einen neuen Film in die Kamera ein. Die Erde wird auch durch große Kameras in der Raumstation auf­ genommen werden können, für Details benutzt man besser Apparate des Raum-Observatoriums. Eine andere wichtige Aufgabe des mäch­ tigen Teleskops und seiner Kameras ist die Erorschung der Tiefen 39

des Universums von den Nachbarplaneten bis zu den fernen Milch­ straßen. Diese Himmelsaunahmen kann kein Observatorium auf der Erde nachmachen. Und während die Wissenschaftler den Geheimnissen des Universums auf der Spur sind, planen sie vielleicht auch einen anderen Vorstoß in den Raum - diesmal zur Erorschung des Mondes. Wie könnte eine solche Expedition vor sich gehen? Nun, wir können das Triebwerk der letzten Stufe unseres Raketenschifes nehmen und es an einem leichten Gerüst aus Aluminiumträgern montieren. Dann hängen wir einige große, zusammenlegbare Treibstofbehälter in dem Gerüst auf und füllen diese mit den Treibstofen. Schließlich ver­ legen wir Leitungen und Kabel und krönen die Konstruktion mit einer Kabine für die Mannschaft, komplett ausgerüstet mit Luft­ erneuerern, Wasserabscheidern und Navigationsgeräten. Das Ergeb­ nis wäre ein seltsam geormtes Fahrzeug, nicht viel größer als die dritte Stufe des Raketenschifes, aber groß genug, eine Mannschaft aus mehreren Personen bis zu einem Punkt über der Rückseite des Mondes und zurück zur Raumstation zu befördern. Dieses Raum­ schif hat wenig Ähnlichkeit mit den Mondraketen in utopischen Romanen. Der Grund dafür ist sehr einach : Die übliche aerody­ namische Formgebung ist im Weltraum nicht notwendig. Unsere Raumstation hat eine eigene Geschwindigkeit von 25 400 Kilometer in der Stunde, wie schon erwähnt wurde. Wenn das Raumschif für den Flug um den Mond die 2-Stunden-Bahn verläßt, muß es eine Geschwindigkeit von 3 5 5 oo Kilometer pro Stunde haben, um die 3 80 ooo Kilometer bis zum Mond zurücklegen zu können. Diese zusätzliche Geschwindigkeit wird durch einen kur­ zen, kaum zwei Minuten dauernden Raketenschub erreicht. Das bringt die Mondrakete auf eine langgestreckte Ellipse, deren entferntester Punkt hinter dem Mond liegt. Das Raumschif überwindet die Strecke dann antriebslos. Es verliert auf dem ganzen Weg Geschwindigkeit unter der ständigen Wirkung der Erdanziehungskraft, die zwar mit der Entfenung abnimmt, aber doch weit in den Raum hinausreicht. Ungeähr fünf Tage nach dem Abflug kommt das Raumschif ast zum Stillstand. Und wenn der Start richtig berechnet war, befindet es sich nun 80 Kilometer über der Rückseite des Mondes. Auf diesem

Flug kann man den größten Teil der unbekannten Seite des Mondes fotograieren, der Seite, die noch nie von der Erde aus gesehen wurde. Außerdem hat man nun eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Erde von dem bisher weitest entfernten Punkt zu betrachten ; aus der Nähe des Mondes sieht die Erde ungeähr viermal so groß aus, wie der Mond dem Menschen auf der Erdoberfläche erscheint. Für die Rückreise brauchen die Raketentriebwerke nicht eingeschaltet zu werden. Die Schwerkraft des Mondes ist zu gering, um das Schif merklich beeinflussen zu können ; wie das Geschoß, das senkrecht abgefeuert wurde, ällt das Raumschif einach zur Bahn der Raumstation zurück. Der lange, 5 Tage dauernde „Fall" gibt dem Schif seine Anangsgeschwindigkeit von 3 5 5 oo Kilometer in der Stunde zurück. Das sind rund 1 0 ooo Kilometer in der Stunde mehr als die Geschwindigkeit der Station. Wenn das Schif während seines Fluges um den Mond seine Lage nicht verändert hat, wird es sich der Station mit dem Düsenende voran nähern. Wahrscheinlich hat sich die Lage des Schifes aber in der Zwischenzeit geändert, so daß es durch die drei Schwungräder in die richtige Position gebracht werden muß. Wenn die Düsen genau in die Bewegungsrichtung zeigen, werden die Triebwerke wieder für 2 Minuten eingeschaltet. Dadurch wird die Geschwindigkeit auf den richtigen Wert für die Rückkehr in die 2-Stunden-Bahn gebremst. Eine Reise um den Mond, die in der Bahn der Raumstation beginnt und endet, ist tatsächlich ein verhältnismäßig einfaches Unternehmen. Der ganze Rundlug dauert nur etwa zehn Tage, und der Treibstof­ verbrauch ist bescheiden. Wichtiger j edoch ist die Tatsache, daß kein neues Spezialschif entwickelt werden muß. Die Mondrakete kann aus den Teilen gebaut werden, die nach der Errichtung der Raumstation zur Verfügung stehen. Nach dem ersten erfolgreichen Rundlug um den Mond wird es nicht mehr lange dauern, bis das erste Raumschif auf dem Mond landet. Zum erstenmal in der Geschichte werden dann Menschen einen anderen Himmelskörper betreten. Eine Landung auf dem Mond wird sich als ein schwieriges Manöver erweisen. Da der Mond keine Atmosphäre hat, kann man nicht wie mit einem Flugzeug landen. Das Raumschif muß auf dem eigenen Strahl landen, indem die Raketentriebwerke den Fall bremsen. Es 41

ist ziemlich wahrscheinlich, daß der erste V ersuch einer derartigen Landung halbautomatisch vorgenommen wird. Dabei wird der Schub der Raketentriebwerke automatisch durch Messung der Höhe und der Fallgeschwindigkeit geregelt werden, so daß Geschwindigkeit und Höhe im Augenblick des Aufsetzens Null sind. Während ein Flug um den Mond nur ein paar Tage dauert, haben wir mit Jahren zu rechnen, wenn wir Reisen nach anderen Planeten planen. Flüge nach den nächsten Planeten, wie Venus und Mars, liegen völlig im Bereich der Möglichkeit, auch bei Verwendung der gegenwärtig bekannten Treibstofe, wenn sie in einer Kreisbahn um die Erde beginnen und enden. Tatsächlich wäre der Treibstofbedarf pro Kilogramm Nutzlast für ein Marsschif, das von der 2-Stunden­ Bahn abfliegt, nicht viel größer als die notwendige Treibstofmenge für einen Flug von dieser Bahn nach dem viel näheren Mond. Ein Raumschif, das von der Kreisbahn nach dem Mond fliegt, braucht eine Geschwindigkeit, die beinahe ausreicht, die Anziehungskraft der Erde völlig zu überwinden. Diese Geschwindigkeit reicht aller­ dings noch nicht für eine Reise nach dem Mars oder der Venus aus. Um einen von den beiden Planeten zu erreichen, muß das Raum­ schif in der 2-Stunden-Bahn ein Antriebsmanöver ausführen, durch das es eine Geschwindigkeit bekommt, die etwas höher liegt als diejenige Geschwindigkeit, die notwendig ist, der Erdanziehungskraft zu entkommen. Dann treibt das Schif im Banne der Anziehungskraft der Sonne antriebslos wie ein geworfener Stein hinaus in die weiten interplanetarischen Räume. Wenn das Raumschif sich in Richtung der Erdbahn bewegt, wird es in einer Ellipse von der Sonne wegfliegen und die Marsbahn kreuzen. Wenn es sich auf der anderen Seite, entgegen der Richtung der Erdbahn, bewegt, wird es sich der Sonne nähern und die Venusbahn schneiden. Solche Flüge auf elliptischen Bahnen im Gravitationsfeld der Sonne dauern lange. Die Erde braucht länger als 3 6 5 Tage, um einen Umlauf um die Sonne zu vollenden. Mars, der weiter draußen ist, braucht nahezu doppelt so lange - 687 Tage. Eine elliptische Bahn, deren sonnennächster Punkt - das Perihel - in der Nähe der Kreisbahn um die Erde liegt, und deren sonnenfernster Punkt - das Aphel - in der Nähe einer Kreisbahn um den Mars liegt, wird eine Umlauzeit 42

ACHSE D E R AUFSTI E G S ELLIPSE

A C H S E D E R ABSTI E G S E LLIPSE

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STU N D E N

PU N KT F U R R U C K K E H R D E S RAU M S C H I F F S F U R D I E MONDUMKREISUNG I N DIE BAHN D E R RAU M STATI O N

Bahn für den Flug um den Mond mit Start und Landung bei der Weltraumstation.

haben, die länger als ein Erdenjahr, aber kürzer als ein Marsjahr ist. Die Flugzeit in solch einer Bahn, von der Kreisbahn um die Erde bis zu einer um den Mars und zurück zum Startpunkt, wäre 5 20 Tage. Das Raumschif würde die Hälfte der Ellipse in 260 Tagen durch­ fliegen und dieselbe Zeit für die Rückkehr brauchen. Außerdem muß die Reise so geplant werden, daß Mars und das Raumschif auf der Marsbahn zusammentrefen. Bei der Rückkehr ist die gleiche genaue Berechnung erforderlich - die Erde und das Raumschif müßten auf der Erdbahn zugleich und am selben Punkt eintrefen. Daraus ergibt sich für die Mannschaft eine Wartezeit am oder auf dem Mars von über 1 Jahr - nicht weniger als 449 Tage ! Diese Wartezeit und die Dauer der Hin- und Rückahrt summieren sich zu einer Gesamtflugzeit von über 21/ 2 Jahren. Der erste Versuch, auf dem Mond zu landen, wird das kühne Unter­ nehmen einer kleinen Mannschaft in einem einzelnen Raketenschif sein, die erste Reise nach dem Mars dagegen ist ein Projekt großen Umfangs. Eine Flotte von Raumschifen mit 5 0 oder 1 00 Personen wird die Kreisbahn um die Erde verlassen und erst nach 2 1 / 2 Jahren heimkehren. Es steht also nicht nur ohne Zweifel fest, daß wir von der Raum­ station aus die näheren Planeten erreichen können, sondern wir wissen auch, daß die Erforschung des Sonnensystems eines Tages auf die gleiche Weise versucht werden kann. Die Station im Weltraum wird neben ihrer Verwendung als Sprung­ brett für die Weltraumorschung noch viele andere Aufgaben zu erfüllen haben. Meteorologen können die Bewölkung über weiten Gebieten beobachten und das Wetter leichter, genauer und auf längere Zeit voraussagen. Für die Navigation von Schifen und Flugzeugen wird die Station als „Festpunkt" dienen, da sie immer zu finden sein wird. Aber es gibt noch eine andere mögliche Verwendung der Raum­ station - eine besonders furchtbare. Sie kann in einen wirksamen Atombombenträger verwandelt werden. Kleine geflügelte Raketen­ geschosse mit Atom-Sprengköpfen könnten von der Station so abge­ feuert werden, daß sie ihre Ziele mit Überschallgeschwindigkeit erreichen. Mit Radar könnte man diese Atomgeschosse nach j edem Punkt der Erde lenken. 44

Diese Geschosse könnten von einer kleinen Nebenstation aus abge­ lassen werden, die der eigentlichen Raumstation auf der gleichen Bahn in einer Entfernung von 3 8 5 o Kilometer folgt. Während die Raumstation und ihre Nebenstation den Erdball umkreisen, werden die Geschosse in der entgegengesetzten Richtung gestartet. Das ist aus folgendem Grund notwendig : Würde man das Geschoß ein­ ach von der Nebenstation loslassen, dann würde es wie jeder andere Satellit die Erde in der gleichen Bahn in 1 73 o Kilometer Höhe weiter umkreisen. Würde es in der Bewegungsrichtung der Station also „nach vorn" - abgelassen, dann würde es noch weiter in den Raum hinausfliegen. Nur wenn man es „nach hinten" abeuert, ver­ liert es genügend Geschwindigkeit, um von der Kreisbahn nach der Erde hinabfliegen zu können. Das Geschoß würde nur ein kleines Raketentriebwerk und sehr wenig Treibstof brauchen. Das Triebwerk wäre etwa 1 5 Sekunden lang in Betrieb. Während dieser Zeit muß das Geschoß durch Kreisel gesteuert werden, damit es den vorher bestimmten Kurs einhalten kann. Da es sich - gegenüber der Station - rückwärts bewegt, wird es durch den Antrieb nicht beschleunigt, sondern gebremst. Nach der kurzen Antriebsperiode ist seine Geschwindigkeit um 1 700 Kilo­ meter in der Stunde geringer als die Geschwindigkeit der Station. Infolge dieser Verlangsamung reicht die Zentrifugalkraft nicht mehr aus, die Erdanziehungskraft völlig auszugleichen und das Geschoß in der Stationsbahn zu halten. Daher schlägt das nun antriebslos weiterfliegende Geschoß eine elliptische Bahn ein, deren tiefster Punkt nach einem Flug um die halbe Erde in der Atmosphäre liegt. Wir müssen daran denken, daß die Raumstation alle zwei Stunden einmal um die Erde läuft und daß im Augenblick des Geschoßstarts das Ziel unsichtbar ist, da es auf der anderen Seite der sich tief unten drehenden Erde liegt. Wenn die Lage des Geschosses im Raum nach Brennschluß bei­ behalten wird - durch kleine Steuer-Raketen oder ein Schwungrad­ system -, taucht es mit der Spitze voran in die Atmosphäre ein. Der Luftwiderstand bremst es allmählich, so daß es schließlich auf die Erdoberläche stürzt. Die Raumstation und die Nebenstation, das Raum-Observatorium und die Versorgungsraketen, die sich zufällig in der Kreisbahn be45

inden, bewegen sich alle mit der gleichen Geschwindigkeit und beenden alle z Stunden einen Umlauf um die Erde. Das Geschoß braucht nur 5 1 Minuten, um halb um die Erde zu fliegen. Die Neben­ station, die als Munitionsdepot dient, wie oben gesagt wurde, be­ indet sich 3 8 5 o Kilometer hinter der Hauptstation. In dem Augen­ blick, in dem das Geschoß in die Atmosphäre eintritt, bleibt die Nebenstation auf der z-Stunden-Bahn schon zurück. Das Geschoß eilt der Nebenstation sogar dann noch leicht voraus, wenn es seinen Flug durch die bremsende Atmosphäre angetreten hat. Das kommt daher, daß das Geschoß die A tmosphäre mit einer Geschwindigkeit erreicht, die beträchtlich größer ist als die Geschwindigkeit der Neben­ station auf der Kreisbahn. Nun ist aber die Raumstation der Neben­ station um 3 8 5 0 Kilometer in der Kreisbahn voraus. Darum kann das Geschoß, während es durch die Atmosphäre gleitet, von den Technikern in der Station beobachtet werden. Und von hier aus können sie das Geschoß auch mit Radar bis ins Ziel lenken. Die Steuerung einer derartigen Raumwafe während ihres Fluges durch die Atmosphäre stellt ein verwickeltes Problem dar ; in man­ cherlei Beziehungen ist die Aufgabe jedoch viel einacher als etwa die Lenkung moderner Fernraketen, da die Beobachter in der Raum­ station in der beneidenswerten Lage sind, sowohl das Ziel als auch das Geschoß direkt und zur gleichen Zeit im Auge zu behalten. Nun kann man sich ein Steuerverfahren denken, bei dem das Geschoß einen Sender trägt, der bestimmte wichtige Daten, wie Geschwin­ digkeit und Höhe, automatisch nach der Station meldet. Außerdem kann das Geschoß, da es sich ständig im Gesichtsfeld bewegt, von der Station aus mit Radar verolgt werden. Während der ersten Phase des Gleitluges durch die Atmosphäre kann man Geschwin­ digkeit und Höhe - nach den Funkmeldungen des Geschosses - mit der zurückgelegten Strecke - nach den Radarmessungen von der Station aus - miteinander vergleichen. Auf diese Weise können die Schützen in der Raumstation das Geschoß nach vorher bestimmtem Flugplan steuern. Das Ziel bewegt sich wenige Minuten vor dem Auftrefen des Ge­ schosses ins Gesichtsfeld der Beobachter. Während die Station über dem Zielgebiet dahinzieht, wird das Radargerät der Station auf das Ziel fest eingestellt. Die Verbindungslinie zwischen Raumstation

und Ziel und die Verbindungslinie zwischen Raumstation und Geschoß, letztere wird durch Radarkontrolle der Geschoßbahn ge­ liefert, werden nun miteinander verglichen. Die Ergebnisse werden einer elektronischen Rechenmaschine anvertraut, die das Geschoß über Funk in der letzten Flugphase so leitet, daß die beiden Linien schließlich übereinstimmen - das heißt, daß das Geschoß sein Ziel getrofen hat. Man kann auch andere Verahren benutzen, und dann wäre kein Platz auf der Erde - von Pol zu Pol - sicher vor solchen Raumwafen, die von einer Station im Weltall aus abgefeuert werden. Wie steht es aber mit ihrer Angreifbarkeit? Muß die Raumstation nicht mit Vaubans berühmten Festungen des 1 7 · Jahrhunderts ver­ glichen werden, von denen behauptet wurde, sie könnten nur erobert werden, wenn der Angrif nach Vaubans Plänen erolge? Mit anderen Worten, wäre die Raumstation, groß, schwerfällig und an ihre Bahn gebunden, ohne eine Möglichkeit von Ausweichbewegungen, nicht ein leichtes Ziel ür ferngelenkte Raketengeschosse, die von der Erdoberfläche abgefeuert werden? Auf den ersten Blick scheint das die richtige Überlegung für den Feind zu sein. Er könnte sogleich an verhältnismäßig kleine Raketen mit höchstens zwei Stufen - denken, die in schräger Bahn aufsteigen, um in der Nähe der Station eine Atombombe zur Explosion zu bringen oder um die Station durch Rammen zu zerstören. Die nähere Untersuchung eines solchen Vorhabens ergibt aber, daß es niemals erfolgreich sein kann. Wir haben ja schon dargelegt, daß eine ganze Anzahl von ziemlich komplizierten Manövern notwendig ist, um eine Versorgungsrakete genau bei der Station ankommen zu lassen. Nach Brennschluß schneidet nämlich die Rakete die Stationsbahn nur ungeähr in der Nähe der Station, ein Umstand, der wiederholte Kurskorrekturen durch den Navigator der Rakete erordert. Wenn dabei ein Fehler gemacht würde, wäre es ziemlich schwierig, ihn später durch entsprechende Manöver zu korrigieren. Ein Angrifsraketengeschoß wäre unbemannt und müßte als Ersatz für den Piloten entweder ein so kompliziertes „elektrisches Gehirn" haben - wie man es niemals wird konstruieren können -, oder es müßte ständig vom Boden aus nachgesteuert werden. In j edem Falle wäre der Steuermechanismus wegen der notwendigen Genauigkeit 47

so schwer und umangreich, daß er von einem unbemannten Geschoß vermutlich überhaupt nicht transportiert werden könnte. Ein Feind könnte die Raumstation also nur mit bemannten Raketenschifen bedrohen, die nahe genug herankommen, um Raketen, Geschosse oder A rtillerie-Projektile auf die Station abfeuern zu können. Diese Situation wäre einer Seeschlacht sehr ähnlich. Die Raumstation könnte und würde Gegenaktionen einleiten, und da sie der größere der beiden Gegner ist, wäre auch ihre Feuerkraft stärker ; ihre Geschosse wären größer und weitreichender, und ihre Geschütze hätten ein größeres Kaliber. Man könnte solch eine Verteidigungsaktion von seiten der Raum­ station auch nicht als Angrif ansehen. Es besteht natürlich ein Unter­ schied zwischen einer Raumstation, die einen A ngreifer, der seine feindlichen Absichten handgreiflich demonstrierte, vernichtet, und einer Raumstation, die eindliche A nlagen auf dem Erdboden zerstört. Obwohl eine Präventivaktion der Raumstation richtig gewesen sein mag, kann ihre Abwehrrakete der erste Schuß in einem Krieg sein, den sie eigentlich verhindern wollte. Die Raumstation könnte aber auch Warnungsraketen nach einer feindlichen Bodenanlage schicken und damit ihre Fähigkeiten für einen ernsten Schlag warnend demon­ strieren. Es ist zwecklos, j etzt viel Zeit mit solchen Überlegungen u ver­ schwenden, da gewiß vieles oder praktisch sogar alles davon ab­ hängt, wie die politische und militärische Situation zu dem gegebenen Datum ist. Erst dann kann man den einzuschlagenden Kurs bestim­ men. Wichtig ist, daß die Raumstation sich selbst gegen einen Angrif verteidigen und die Errichtung feindlicher Stationen verhindern kann. Die Station im Weltall, gleichgültig, ob sie in der Hand einer einzelnen riedliebenden Nation oder der Vereinten Nationen ist, wäre darum ein wirksames Mittel, Kriege erfolgreich zu verhindern. Wir haben uns bisher damit beaßt, wie man vom Boden nach der 2-Stunden-Bahn gelangt, wie man eine Raumstation baut und wie man sich die unbekannte Rückseite des Mondes durch einen Flug von der Raumstation um den Mond herum ansehen kann. Wie steht es nun mit der Rückkehr zur Erde? Im Gegensatz zum Aufstieg, der durch einen Steuerautomaten kon-

UM IN OIE LANDE-ELLIPSE ZU KOMMEN, VERRINGERT O I E DRITTE STUFE O I E KREI SBAHNGESCHWI NDIGKEIT UM 0.·

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R STATION ZU GEGEBENER ZEIT UNO 220 TAGE SPÄTER (STELLUNG A)

zwischen den beiden Ebenen g leich. Was hier d i e vereinfachten Skizzen D und E zeigen, geschieht nun mit der Stationsbahn wirkl ich. Da die Station d e r Erdoberfläche ü ber d e m Äq uator n ä h e r ist - genauer gesagt, w e i l der Erd boden und d i e Meeresoberfläche i n Äq uatornähe „höher" sind -, d reht s i c h d i e ganze B a h n langsam u m d i e Erde. J edesmal, wenn d i e Station d i e Äquatorebene passiert, gesch ieht das etwas weiter westlich, als es ohne d i esen Effekt geschehen würde. A l les das hat n ichts d a m it zu tun, daß sich die Erde u m ih re Achse d reht; es w ü rd e sich genauso abspielen, wenn die Erde n icht rotierte, vorausgesetzt, daß sie einen Äquatorwulst hätte. Die g roße S kizze F zeigt, wie sich d i e Rückläufigkeit der Knoten abspielt. Die Raum· station erreicht stets den nörd l ichsten P u n kt i h re r Bahn ü ber dem nörd l ichen Polarkreis und den s ü d l i chsten ü ber dem südl ichen Polarkreis. I h re Bahnebene ist i m mer u m 66,5 G rad gegen d i e Äquatorebene geneigt, u n d ebenso bildet i h re Achse i m mer einen Win kel von 66,5 G rad m it der Erdachse. Aber d i e Achse der Stationsbahn wand ert langsam um d i e Erde. Sie hat nach 2640 U m läufen der Station oder - was das g leiche ist - nach 220 Tagen einen vol l en Kreis beschrieben. Da die Mondexpedition 52 Tage unterwegs ist, ändert sich die Lage der Stationsbahn i n d i eser Zeit merklich. Die G rund lagen d i eser Beweg ung sind j edoch so g ut bekannt, daß man sie bei der Berech­ n u ng des Fl uges berücksichtigen kan n. IOI

reich überwunden worden sind. Wir wissen also, daß ein A tomkraft­ werk gebaut werden kann. Aber auch hierbei ist das Gewicht unsere Hauptsorge. Kürzlich wurde in der Zeitschrift „Nucleonics" ein neuer Kernreaktor-Typ beschrieben, von dem behauptet wurde, er habe die Größe eines Fußballes und lieere ununterbrochen eine Leistung von 3 7 5 Pferdestärken in Form von Wärme. Weder das Gewicht des Reaktors noch Gewicht und Umangs des Strahlungs­ schutzes und der zusätzlichen Ausrüstung für die Energiegewinnung, zum Beispiel in Form von Dampf, wurden angegeben. Dieser Reak­ tortyp könnte für Raumfahrzeuge geeignet sein, wenn es gelänge, das Gewicht seiner zusätzlichen Ausrüstung auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Wenn wir eines Tages zum Flug nach dem Mond bereit sind, ist solch eine A nlage vielleicht schon greifbar. Im Augen­ blick j edoch stellt der Turbogenerator mit Sonnenspiegel die wirt­ schaftlichste Methode dar, die wir kennen. Unter den A uslegern für den Sonnenspiegel und die Antenne hat jedes Passagierschif achtzehn Treibstofbehälter aus nylonverstärktem Kunststof mit zusammen 3 ooo ooo Liter Hydrazin als Brennstof und Salpetersäure als sauerstofreichem Oxydator. Vier von diesen Behältern, zwei für Hydrazin und zwei für Salpetersäure, sind Kugeln mit einem Durchmesser von 1 0 Meter. Sie sind an leichten Trägern außerhalb des eigentlichen Schifsgerüstes angebracht und bestehen aus einem Kunststof, der dem von Gummibooten ähnlich ist. Dieses Material wiegt nur etwa 2 Kilogramm pro Quadratmeter und ist stark genug, dem leichten Innendruck von etwa sieben Hundertstel A tmosphären (0,07 Kilogramm pro Quadratzentimeter) standzuhal­ ten, der nötig ist, um die lüssigen Treibstofe im Zustand der Schwerelosigkeit beim Start von der Stationsbahn zu den Turbo­ pumpen zu drücken. Über die Hälfte der Treibstofvorräte - 2 200 ooo Liter oder 2840 Tonnen - beindet sich in diesen großen Kugeln. Diese gewaltige Menge wird beim A bflug von der Stationsbahn ver­ braucht. Sobald die Behälter leer sind, werden sie abgestoßen. Vier weitere große Behälter, die sich ebenalls auf der Außenseite des Schifsgerüstes befinden, aber eine zylindrische Form haben, enthalten die Treibstofe, die bei der Landung auf dem Mond ge­ braucht werden. Sie werden leer auf dem Mond zurückgelassen. Die beiden Passagierschife besitzen erner zehn zylindrische Behälter, 102

die unterhalb der Kugelkabine aufgereiht sind. Diese enthalten die Treibstofe für den Ablug vom Mond und die Rückkehr. Außerdem enthalten die Schife einen Vorrat an Wasserstofsuper­ oxyd zum Antrieb der Turbopumpen, welche das Hydrazin und die Salpetersäure in die Brennkammern ördern. Acht weitere kleine Behälter mit Helium sind bei j edem Schif über das Gerüst verteilt. Dieses Gas, das leichter als Luft ist, wird in die sich leerenden Treibstofbehälter geleitet, um diese auch während der Beschleuni­ gungsphase in Form und unter einem leichten Druck zu halten. Da das Lastschif nur die Treibstofe für den Hinflug mit sich zu führen braucht, besitzt es weniger Behälter : vier abwerfbare Kugel­ tanks wie die Passagierschife und vier zylindrische Behälter mit 6 1 1 ooo Liter Treibstof ür die Landung auf dem Mond. Im technischen Sinne ist das Lastschif am interessantesten. Unter seiner Kugelkabine ist außer den Treibstoftanks ein großer, silo­ ähnlicher Transportbehälter angebracht, der 2 3 Meter lang und 10 Meter breit ist. Dieser gewaltige Zylinder dient einem doppelten Zweck : Er enthält das Expeditionsmaterial, die wissenschaftliche Ausrüstung und drei Raupenschlepper mit je zwei Anhängern, alles in allem eine Ladung von 260 Tonnen Gewicht ; nach dem Aus­ schifen aber kann er in zwei Teile auseinandergenommen werden, die als in sich abgeschlossene Hütten dienen, ähnlich länglichen Wellblechbaracken mit gewölbtem Dach. Jedes Schif enthält Kräne, die während des Fluges am Gerüst anliegen und auf dem Mond das Aussteigen und Entladen erleichtern. An den Passagierschifen werden diese Ausleger nach der Landung ausgeschwenkt, befestigt und dann zum Ausschifen der Expeditions­ teilnehmer benutzt. An dem Lastfahrzeug dienen sie nach dem Aus­ schifen der Besatzung zunächst zum Entladen des Materials und dann zum Herablassen des in seine Teile zerlegten Transportbehäl­ ters. Diese Stücke werden auf die schleppergezogenen Fahrzeuge ge­ packt und nach der schützenden Spalte in der Mondoberläche ge­ schaft, die als Platz für das Hauptquartier der Expedition ausge­ wählt worden ist. Alle drei Fahrzeuge sind auch gegen die zwei Hauptgeahren der Weltraumahrt geschützt : gegen schnelle Meteore und extreme Tem­ peraturen.

Zum Schutz gegen Meteore sind alle wichtigen Teile der drei Schife die Treibstofbehälter, die Kugelkabinen und der Lastbehälter - mit etwa 2 Millimeter dicken Metallblechen abgedeckt, die so auf Bolzen befestigt sind, daß zwischen ihnen und der eigentlichen Wand etwa 3 Zentimeter Zwischenraum bleibt. Die großen Kugeltanks sind mit 4 Quadratmeter großen Duraluminblechen abgedech, die einzeln durch Bolzen an allen vier Ecken befestigt sind. Der Meteorschutz für alle vier Behälter wiegt etwa 10 Tonnen und ist kräftig genug, alle Meteore bis zu 3/1 0 Millimeter Durchmesser abzuhalten. Das scheint kein besonders guter Schutz zu sein, da nach volkstümlicher Vorstellung alle Meteore gewaltige Kerle sind. In Wirklichkeit sind aber die „liegenden Gebirge" im Weltraum äußerst selten. Was wir zu befürchten haben, sind die winzigen Teilchen, die nicht größer als Staubkörnchen oder Samenkörner sind. Die Beplankung kann uns zwar ganz gewiß nicht gegen die seltenen großen Meteoriten schützen, um so besser aber vor der viel größeren Bedrohung durch die häuigeren kleinen, die beim Auftrefen sofort zerplatzen. Zum Schutz gegen eine übermäßige Erwärmung sind alle Teile der drei Mondschife weiß angestrichen, da Weiß die Sonnenstrahlung nur in geringem Umang absorbiert. Andererseits sind zum Schutz gegen die Kälte kleine schwarze Flecke über die Behälter und Kugel­ kabinen verteilt. Diese Flecke sind mit weißen Gitterblenden bedeckt, die durch Thermostaten automatisch geregelt werden. Wenn die Blenden auf der Sonnenseite geöfnet sind, nehmen die schwarzen Flächen Wärme auf und heizen die Kabinen und Behälter ; wenn sie geschlossen sind, präsentiert das Schif der Sonne eine völlig weiße Oberläche, die ast keine Wärme einläßt. Und umgekehrt, wenn die Blenden auf der Schattenseite geöfnet sind, strahlen die schwarzen Flächen Wärme in den Raum aus, so daß die Temperatur in der Kabine und in den Behältern sinkt. Auf diese Weise kann die Tempe­ ratur in den Schifen stets auf der gewünschten gleichmäßigen Höhe gehalten werden. Der Bau der Schife auf der Kreisbahn ist viel schwieriger als die Errichtung der Weltraumstation. Der künstliche Satellit kann in zwanzig Einzelteilen, zu deren Transport nur zwölf Flüge erforderlich sind, auf seine Bahn geschaft werden. Für die Mondschife sind dagegen dreihundertundsechzig derartige Flüge notwendig. Wir

brauchen auch viel mehr Ingenieure und Techniker, da wir nicht erwarten können, daß die auf ihre Aufgaben spezialisierten achtzig Besatzungsmitglieder der Raumstation die Mondschife bauen. Es kommt hinzu, daß die Raumstation nur begrenzten Raum bietet, so daß die zusätzlich herangebrachten Monteure während der acht­ monatigen Bauzeit auf der Kreisbahn anderweitig untergebracht werden müssen. Man wird mit dieser Schwierigkeit dadurch fertig, daß man die Kugelkabine eines Mondschifes schon zu Beginn der Bauarbeiten auf die Bahn bringt, aufpumpt und als zeitweilige Unter­ kunft für die Bautrupps einrichtet. Schon Monate vor Baubeginn bringt man die Arbeiter zur Gewöh­ nung auf die Kreisbahn. Sie müssen lernen, sich in den massigen und schwerälligen Schutzanzügen im Raum zu bewegen und dabei mit dem Werkzeug umzugehen. Nach diesem Training kehren sie zu weiterer Spezialausbildung auf die Erde zurück. In großen Hangars in der Nachbarschaft der Transportraketenplätze montieren sie die Mondschife, um mit allen ihren Teilen vertraut zu werden. Jedes Fahrzeug hat seine eigene Bau-Mannschaft, die das Schif, welches sie später auf der Kreisbahn montieren soll, schon auf der Erde zusammensetzt, auseinandernimmt und gründlich untersucht. Alle Bauteile sind farbig gekennzeichnet. Blaue Klammern passen zum Beispiel in blaue Hülsen, rote Gerüstteile werden mit anderen von gleicher Farbe verbunden und so weiter. Viele Arbeiter haben nichts mit der eigentlichen Montage zu tun. Einige Gruppen sind beispielsweise beauftragt, die Ladungen aus­ zuschifen und zu vertäuen. Andere sind vollauf damit beschäftigt, das Material vom Ausschifungsplatz nach der Baustelle zu schafen. Und wieder andere pumpen die gewaltigen Mengen Hydrazin und Salpetersäure aus den unaufhörlich eintrefenden Tankraketen in die Treibstofbehälter. Alles muß sorgältig geplant sein. Sobald die Bauingenieure die Gerüste ihrer Schife fertig haben, treten andere mit der Aufgabe, die Treibstofbehälter und Kugelkabinen einzubauen, an ihre Stelle. Dann beginnen Elektriker, Triebwerksingenieure, Spezialarbeiter für die Klima-Anlagen und Instrumente, Funktech­ niker und so weiter mit ihrer Arbeit. Solch ein Organisationsplan läßt den Bau rüstig ortschreiten. Den Leser bewegt vielleicht eine Frage : Warum unterzieht man sich

der Mühe, die Mondschife erst auf der Kreisbahn zusammenzubauen ; kann man denn nicht einach von einem Platz auf der Erde, in der Nähe der Werke, starten, wo doch gewiß alle Anlagen für die Mon­ tage und den Start zur Verfügung stehen? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir ein wenig ausholen. Die im Weltraum zusammengestellten Mondschife wiegen beim Abflug je 3 964 Tonnen. Das meiste wiegen die Treibstofe für die Fahrt von der Stationsbahn nach dem Mond, für die Landung auf dem Mond und - im Falle der beiden Passagierschife - für die Rückkehr. Im Gegensatz zu dem bereits erwähnten kleinen Beobachtungsschif für die Mondumahrung, das eine Geschwindigkeit von 3 5 5 oo Kilo­ meter in der Stunde brauchte, genügen für die drei Schife schon 3 1 400 Kilometer in der Stunde, um auf die Flugbahn nach dem Mond zu gelangen. Das kleine Beobachtungsschif mußte etwas schneller sein, da sein Brennschlußpunkt näher bei der Erde lag. Folglich begann es schon rüher und in geringerer Höhe, wo die erforderliche Geschwindigkeit größer ist, ohne Antrieb zu fliegen. Die gewaltigen dreistufigen Transportraketen wiegen 6400 Tonnen, haben eine Höhe von So Meter und einen größten Durchmesser von 20 Meter am unteren Ende, und sie transportieren eine Last von 3 3 Tonnen. Einhundertundzwanzig Flüge dieser Transportraketen sind erorderlich, um alle Bauteile, Treibstofe, Vorräte und Besat­ zungsmitglieder eines 3 964 Tonnen schweren Mondschifes heran­ zubringen. Wenn wir also ein Raketenschif bauen wollten, das ein vollbeladenes Mondschif mit einem einzigen Flug auf die Ausgangs­ bahn bringen sollte, dann müßte dieses Fahrzeug etwa 1 2omal 6400 Tonnen wiegen, und das sind 770 ooo Tonnen ! Solch ein Raketenschif wäre etwa 400 Meter hoch und am unteren Ende 1 00 Meter breit ! Tatsächlich entsprechen diese erstaunlichen Zahlen ast der Größe eines Fahrzeuges, das man für einen Hin- und Rückflug zum Mond mit angemessener Ladung brauchen würde, sofern es direkt von der Erde ablöge. Natürlich können wir die Natur nicht betrügen. Wenn wir die Schwerefelder von Erde und Mond überwinden wollen, müssen wir - gleichgültig welche Tricks wir anwenden - die Zeche bezahlen. In diesem Falle entspricht die Zeche dem Treibstof­ bedarf, den man dafür braucht : Bezüglich der Treibstofkosten ist 1 06

es gleichgültig, ob wir direkt von der Erde nach dem Mond liegen, oder ob wir die vorabrizierten Teile in vielen Flügen auf die Aus­ gangskreisbahn bringen und die Mondschife erst dort zusammen­ setzen. Der Gewinn unseres Verahrens liegt in der Größe der eror­ derlichen Fahrzeuge. Unsere Entscheidung, den Flug nach dem Mond in zwei Etappen zu teilen, versetzt uns in die Lage, mit zwei Schifs­ typen von mäßigen Dimensionen das zu erreichen, was andernalls ein Fahrzeug von nicht realisierbaren Abmessungen verlangen würde.' Wir können unseren Bauplatz auf der Stationsbahn aber auch als eine Tankstelle im Weltraum betrachten. Erinnern wir uns daran, daß 3 900 Tonnen oder 9 8 , 5 Prozent des Abfluggewichts j edes Passa­ gierschifes Treibstofe sind. Aus der Luftfahrt wissen wir, daß Flug­ zeuge, mit denen man eine große Strecke bewältigen will, kleiner sein können, wenn man sie unterwegs zwischenlanden und nach­ tanken läßt. Jedes kleine Sportflugzeug kann, mit mehreren Zwischen­ landungen, von der Ostküste Nordamerikas nach der Westküste liegen, während man ür einen Nonstop-Flug eine große vier­ motorige Maschine braucht. Es gibt noch einen anderen wichtigen Grund für die Unterteilung des Mondfluges. Die im Weltraum gebauten Mondschife brauchen nicht stromlinienörmig zu sein, ja, sie müssen nicht einmal eine Verkleidung haben. Ein Mondschif, das von der Erdoberfläche startet und dorthin zurückkehrt, muß die Atmosphäre zweimal durch­ queren, einmal beim Aufstieg und später bei der Landung. Das heißt, es müßte Tragflächen, eine aerodynamische Steuerung, Flugzeug­ instrumente und ein Fahrwerk für die Landung haben. Außerdem müßte seine Haut hitzebeständig sein, da bei der Rückkehr zur Erde während des schnellen Gleitfluges durch Reibung in der Atmosphäre hohe Temperaturen entstehen. Diese ganze Sonderausrüstung müßte nach dem Mond und zurückgeschleppt werden. Dagegen sind die im Raum gebauten Mondschife von all diesen Nachteilen und Schwie­ rigkeiten frei. Sie sind nur für eine Verwendung im Weltraum kon­ struiert, und da sie nur für diese eine Aufgabe gedacht sind, können sie ihren Zweck besonders gut erfüllen. Alle diese Überlegungen beziehen sich auf eine vollständige, zur Erorschung eines angemessenen Teils der Mondoberfläche aus-

reichend ausgerüstete Expedition. Das Bild sieht ganz anders aus, wenn wir nur eine unbemannte Rakete von der Erde nach dem Mond schicken wollen. Es würde sich um ein verhältnismäßig kleines Gerät handeln, viel kleiner und leichter als unsere dreistuigen Raketenschife, das von der Erde abgefeuert und auf dem Mond zerschellen würde. Es würde keine Treibstofe für Landemanöver und Rückflug brauchen. Mit ein paar Hundert Kilogramm Explosiv­ stof würde es beim Aufschlag einen Blitz erzeugen, der in starken Teleskopen zu sehen wäre. Solch ein Versuch würde die Astronomen und andere Wissenschaftler interessieren. Man kann die Expedition nach dem Mond in zwei Abschnitte unter­ teilen, da anzunehmen ist, daß die Weltraumstation schon viel früher erbaut wird. Infolgedessen stehen die dreistuigen Raketenschife, die zunächst für den Bau der Raumstation verwendet werden, später für die Versorgungsoperation zur Verfügung. Die Kosten für die Ent­ wicklung der Station und der dreistuigen Raketenschife wurden auf ungeähr 4 Milliarden Dollar, das sind 400 ooo ooo Dollar für jedes der zehn Jahre Entwicklungszeit, geschätzt. Der Bau der Mond­ schife und die Ausrüstung der Expedition dürfte etwa 5 00 Millionen Dollar kosten ; von dieser Summe werden allein 60 Prozent oder 300 Millionen Dollar für den Treibstofbedarf der Versorgungs­ operation ausgegeben. Wenn die Mondschife ertig sind, gehen die Besatzungen, die Tech­ niker und die Wissenschaftler an Bord. Wer wird an der Expedition teilnehmen? r . Der Leiter der Expedition. Er kann als Wissenschaftler irgendeinem der vielen einschlägigen Fachgebiete angehören - der Astronomie, der Astrophysik, der Geologie, der Geophysik, der Raketentechnik und so weiter. Nach der Landung ,uf dem Mond leitet er die Durch­ führung der Forschungsaufgaben. 2 . Fünfzehn Mann Schiffsbesatzung. Einer von ihnen ist der Kom­ mandeur des Konvoys, und sein Fahrzeug ist das „Flaggschif" der Expedition. Jedes Schif hat eine Besatzung von fünf Mann, einen Kapitän, Navigatoren und Ingenieure. Der Kommandeur hat natür­ lich eine doppelte Aufgabe, da er gleichzeitig der Kapitän seines Fahrzeuges ist. Obgleich die fünzehn Mann Experten in ihren Berufen sind, haben sie außerdem eines der folgenden Fächer studiert : 108

Astronomie, Physik, Elektrotechnik, Medizin und Ingenieurwissen­ schaften. Auf dem Mond können die Mitglieder der Schifsbesatzungen die anderen Wissenschaftler also unterstützen. Mindestens ein Besat­ zungsmitglied j edes Schifes ist Arzt. 3 . Acht Elektrotechniker und Funker. Diese Männer sind für die ge­ samte elektrische Ausrüstung im Mondquartier verantwortlich. Sie bedienen die Sender, übertragen Bilder und Berichte und sorgen für den Sprechfunk zwischen dem Hauptquartier, der Raumstation und den abwesenden Forschergruppen. 4. Sechs Ingenieure. Ihre Aufgabe auf dem Mond ist, die Traktoren und Fahrzeuge und die Maschinen des Quartiers, wie Klima-Anlage, Stromerzeugung und so weiter, zu überwachen. 5 . Ein Astronom und ein Beobachter. 6. Drei Fotografen. 7. Ein Mineralogen- Team. Diese große Gruppe wird zwei Haupt­ abteilungen haben, ein Außen-Team und ein Laboratoriums­ Team. Zum Außen-Team gehören ein Geologe, ein Mineraloge, ein Bohr­ Ingenieur, ein Experte zur Messung von Radioaktivität, ein Spezialist für magnetische Messungen. Einige von ihnen werden auch im Laboratorium arbeiten. Zum Laboratoriums-Team gehören ferner ein Chemiker, der sich auf Mineralogie spezialisiert hat, ein Geoche­ miker und ein Fachmann ür Mikroskopie zur Durchführung von Analysen. 8. Ein geopJsikalisches Team. Zu dieser Gruppe gehören ein Beben­ forscher, ein Ballistiker, der mit den Sprengladungen, die man auf der Mondoberfläche anbringt, umgehen kann, und ein Spezialist für Gravitationsmessungen. Man wird auch einige kleine Raketen auf dem Mond abfeuern, mit dieser Aufgabe aber einen der Schifs­ ingenieure betrauen. Das geophysikalische Team wird eine Außen­ dienstgruppe bilden, da das, was es sammelt, erst auf der Erde analy­ siert wird. Dagegen führt das mineralogische Team den größten Teil seiner Analysen schon auf dem Mond durch, damit das Gewicht der mit zurückzunehmenden Proben nicht u groß wird. 9. Ein PJsiker- Team. Diese Gruppe hat fünf Mitglieder, einen auf kosmische Strahlen spezialisierten Physiker, einen Experten ür physikalische Chemie und Vakuumtechnik, einen Astrophysiker für

Spektralmessungen und zwei Spezialisten für die Behandlung der empindlichen Ausrüstung dieses Teams. Die fünfzig Expeditionsteilnehmer werden monatelang auf der Erde und in der Weltraumstation ür ihren langen Flug durch den Welt­ raum geschult und auf die zu erwartende Härte des Lebens auf dem Mond vorbereitet. Während sie nun auf den Start warten, begeben sie sich an Bord ihrer Schife, um sich an die engen Quartiere in den Kugelkabinen zu gewöhnen.

Die Kugelkabinen

S Bord der Mondschife begeben haben, beginnt für sie ein spartanisch obald sich die Besatzungsmitglieder und Expeditionsteilnehmer an

einfaches Leben in den Kugelkabinen. Schon wochenlang vor dem Start halten sie sich darin auf, um all das, was sie in der theoretischen Schulung gelernt haben, praktisch anzuwenden. Alle Instrumente werden wiederholt kontrolliert, wobei die Navigatoren die ständige Bewegung der Schife, die ja auf der Stationsbahn um die Erde kreisen, dazu benutzen, sich im Gebrauch ihrer Apparate zu üben und Standortbestimmungen nach den Gestirnen vorzunehmen. Für die Männer wird das Bordleben eng, aber nicht allzu unbequem sein. In j edem der beiden Passagierschife befinden sich zwanzig Mann, in dem Lastschif dagegen nur zehn. Da es auf dem Mond zurückbleibt, wird seine Besatzung für den Rückflug auf die beiden Passagierahrzeuge aufgeteilt. Die Kugelkabine j edes Schifes hat aber sogar Platz für alle fünfzig Mann, da man ja mit der Möglichkeit des Totalverlustes eines Schifes rechnen muß. Das ist nicht sehr wahrscheinlich, könnte aber doch passieren. Beispielsweise könnte ein Schif auf der Mondoberfläche durch einen Meteortrefer be­ schädigt werden. Außerdem enthält j edes Passagierschif genug Sauerstof, l , 2 5 Kilogramm pro Mann und Tag, Wasser, 2 Kilo­ gramm pro Mann und Tag, und Lebensmittel, l , 2 5 Kilogramm pro Mann und Tag, für die ganze Expedition und darüber hinaus eine Reserve für den Notall. Beim Entwurf der Kugelkabinen müssen die Konstrukteure alles berücksichtigen, was geschehen könnte, auch das Unwahrscheinliche. Sie entwerfen die Kabinen nicht nur für den zehntägigen Turnus von Hin- und Rückflug, sondern für einen längeren Zeitraum. Wenn alles klappt, werden die Teilnehmer ihre Schife natürlich nach fünf Tagen verlassen, ihre Mondbasis errichten und sich darin aufhalten. Nur ein paar von ihnen bleiben während der sechswöchigen Erfor­ schung des Mondes in den Schifen zurück. Die Funktechniker III

werden die Kabine schichtweise besetzt halten, und ab und zu kom­ men die Techniker, um sich durch Stichproben vom guten Zustand der Ausrüstung zu überzeugen. Trotzdem muß man für alle mög­ lichen Notälle vorsorgen. Der zylindrische Transportbehälter des Lastschifes wird, wie gesagt, auf dem Mond in zwei bezugsertige Unterkunftshütten zerlegt. Beim Ausladen kann zum Beispiel ein Teil davon beschädigt werden, oder beim Transport stürzen Schlepper und Anhänger durch eine dünne, trügerische Kruste in einen tiefen Spalt und gehen verloren. Es ist auch denkbar, daß eine der Hütten nach gelungener Montage in gefährlicher Weise undicht wird, ohne daß man das Leck dichten kann. Wenn so etwas passiert, müssen die Kugelkabinen für die ganze Dauer der Expedition als Unterkünfte dienen. Sie müssen also sowohl für den Flug nach dem Mond als auch für eine Benutzung im Notall auf dem Mond so bequem und praktisch wie möglich eingerichtet sein. Die Atmosphäre der Kabinen unterscheidet sich von der irdischen erheblich. Unsere Atmosphäre besteht bekanntlich zu 2 1 Prozent aus Sauerstof, zu 78 Prozent aus Stickstof und zu 1 Prozent aus anderen Gasen. In Meereshöhe hat sie einen Druck von 1 Atmosphäre oder 1 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Diesen Druck betrachten die Ingenieure beim Entwurf der Kugelkabine aber als zu hoch. Der Mensch kann nämlich auch bei einem niedrigeren Luftdruck leben. Praktisch kann sich jeder an einen Druck gewöhnen, der in 4 5 00 Meter Höhe gemessen wird, ungefähr o, 5 5 Kilogramm pro Quadratzenti­ meter. Bergbewohner und Bergsteiger erreichen zum Beispiel 6000 Meter Höhe und halten den dort herrschenden niedrigen Luftdruck, ohne Schaden zu nehmen, aus. Dadurch, daß wir den Druck in den Kabinen der Mondschife niedrig machen, sparen wir Gewicht. Nicht nur, daß die Kabinenwände dünner sein können ; auch Luft ist in so großen Räumen eine recht gewichtige Angelegenheit. Wenn wir aber die Kugelkabinen mit einer sorgältig ausgeklügelten Lutmischung füllen, können wir den Druck auf o, 5 5 Kilogramm pro Quadratzentimeter reduzieren. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Luft in den Kabinen eine andere Zusammensetzung haben wird. Gegenwärtig beabsichtigt man, 60 Prozent Helium und 40 Prozent Sauerstof zu nehmen. Bei dieser 112

Mischung erhalten die Insassen unter dem reduzierten Druck genauso­ viel Sauerstof wie auf der Erde unter Normaldruck. Das an Stelle des Stickstofes verwendete Helium verringert auch die physiolo­ gischen Geahren eines durch ein Leck verursachten plötzlichen Druckaballs. Schon lange vor dem Bau der Weltraumstation, ja, sogar schon vor der Erprobung der ersten dreistuigen Raketen­ schife, wird das Problem des günstigsten Druckes und der besten Zusammensetzung der Luft in den Raumschifkabinen durch Ver­ suche in besonderen Prüfkammern gelöst, und wenn die Mondschife eines Tages starten, wird die verwendete Atmosphäre schon mehrere Jahre in der Weltraumstation praktisch erprobt sein. Jeder, der mit den dreistuigen Raketenschifen aufsteigt, zur Besatzung der Welt­ raumstation gehört oder an der Expedition nach dem Mond teil­ nimmt, wird vorher in hochgelegenen Trainingslagern oder in Unterdruckkammern mit künstlicher Luftfüllung geschult und vor­ bereitet sein. Genau wie die Atmosphäre der Mondschife wird auch die Maschi­ nerie, die zur Aufrechterhaltung des künstlichen Klimas in den Kabinen dient, vorher auf der Erde oder in der Weltraumstation erprobt. Die Klima-Anlagen werden zwar nicht so groß, aber genauso zusammengesetzt sein wie diejenigen, die sich auf der Raumstation am besten bewährt haben. Wasserrückgewinnungsapparate und andere Maschinen werden ebenalls gründlich geprüft und dann an die Abmessungen der Schifskabinen angepaßt. Unser Schnittbild (Abbildung Seite 96) zeigt den inneren Aufbau der Kugelkabinen. Die Kabine hat fünf Decks und darunter eine Luftschleuse, durch die man das Fahrzeug betreten und verlassen kann. Oben liegt das Gehirn des Fahrzeuges, das Kommando-Deck, dem Pilotenraum eines modernen Flugzeuges vergleichbar. Ganz links beobachtet der Bordingenieur die Instrumente für Brennstof, Tempe­ raturen, Druck, Sauerstofgehalt und andere Anzeigen. Er hat etwa das gleiche zu tun wie der Bordingenieur eines Flugzeuges. Die Skalen lieern ihm alle wichtigen Betriebsdaten des Schifes, von der Stromerzeugung durch den Sonnenspiegel bis hin zur Wassermenge, die aus der Atmosphäre in der Kabine zurückgewonnen wird. Neben ihm beindet sich der Funker, in der Mitte nimmt der Navi113

gator mit einer Kombination von Teleskop und Kamera Stern­ peilungen auf, und ganz rechts ist der Kapitän. Der Funker hält während des Fluges natürlich Verbindung mit der Raumstation und den beiden anderen Schifen. Mit Kurzwelle, viel­ leicht im Zehnzentimeterband, kann er auch die Bodenstationen direkt erreichen. Auf dem Mond kann er ebenso gut mit der Raum­ station verkehren wie Botschaften von Schif zu Schif übertragen. Für alles dieses genügt eine schwache Sendeleistung. Der Kapitän, ganz rechts in unserem Schaubild, sitzt auf einem dreh­ baren Sessel, so daß er - wie das Bild zeigt - das Hauptschaltpult vor sich oder die zahlreichen anderen Instrumente hinter sich beob­ achten kann. Durch die Schalter in Reichweite kann er die Raketen­ triebwerke bedienen, und durch das Bordsprechnetz ständige Ver­ bindung mit dem übrigen Schif halten. Alle Sitze und Lager sind den Körperormen angepaßt ; j edermann ist angeschnallt, damit er im Zustand der Schwerelosigkeit nicht wegtreibt ; außerdem machen die Kontursitze den durch hohe Beschleunigung entstehenden Andruck erträglich. Auf dem Navigationsdeck darunter ist etwas mehr Platz, da es näher zum Mittelpunkt der Kugelkabine liegt. Auf diesem Deck arbeiten der Chenavigator und seine beiden Assistenten an einem Standort­ inder, einem Gerät, das Standort und Kurs des Schifes ständig automatisch auzeichnet. Hier beinden sich außerdem eine Rechen­ maschine und ein Raumlagen-Anzeiger. Letzterer besitzt drei Bild­ schirme, auf denen die drei Projektionen des Schifes erscheinen, so daß ein Navigator jederzeit die Lage des Schifes im Raum bestimmen kann. Diese ist durch einen künstlichen Horizont in dem ganz rechts beindlichen Astrodom festgelegt. Natürlich haben die zwei Beob­ achtungskuppeln im Navigationsdeck und darüber im Kommando­ deck Klappen, die immer geschlossen sind, wenn diese Beobachtungs­ stellen nicht besetzt sind. Sonst würde das Sonnenlicht sie unnötig erwärmen und die Insassen stark blenden. Wegen dieses gleißenden Sonnenlichtes und zum Schutz gegen die geährlichen ultravioletten Sonnenstrahlen bestehen die Beobachtungskuppeln aus einem dunkel­ geärbten Kunststof. Obgleich der Hauptteil dieses Decks der Navigation dient, enthält es noch einigen Stauraum für den Notall und außerdem ein BrauseI 14

bad. Dieses kann natürlich nur benutzt werden, solange das Schif auf dem Mond steht. Die Schwerkraft des Mondes, ungeähr ein Sechstel der irdischen Schwerkraft, reicht dann aus, das Wasser in gewohnter Weise aus der Brause zu „ziehen". Während des Fluges können diese Brausekabinen dagegen nur als Waschräume benutzt werden, bei denen ein Schwamm die Brause ersetzen muß. Eine Treppe tieer beinden sich auf dem größten und mittelsten Deck die . Wohnräume des Schifes. Schlafstätten säumen an Stützen die Wände, und ein kombinierter Koch- und Eßplatz nimmt den Hauptteil des Raumes ein. In der Mitte befindet sich eine automa­ tische Speiseanlage mit Eßtisch, Kurzwellenherd und Spülautomat. Auf dem Schnittbild sieht man, daß der „Koch" im Hintergrund dem Kühlschrank eine fertig zubereitete, verpackte Mahlzeit ent­ nommen und auf das laufende Band gelegt hat. Sie wandert nun in den Kurzwellenherd und dann in eine Schüssel, die durch einen federbelasteten Deckel verschlossen ist, damit das Essen nicht einfach wegfliegen kann. Die Schüssel wird auf einer der beiden äußeren Transportschienen befestigt (eine dient für Nahrungsmittel, die andere für Getränke), und nun kann der Essende sie, entlang einer Nut, zu sich heranziehen. Wenn er fertig ist, schiebt er den Napf in die dritte, innere Schiene, von wo er in den Spülautomaten ge­ langt. Riemen halten die Speisenden auf ihren Sitzen fest. Rechts sieht man einen Automaten ür belegte Brote und kalte Speisen, hauptsächlich für Besatzungsmitglieder, die im Dienst sind. Wozu braucht man solch eine komplizierte Eßmaschine? In erster Linie wegen der Gewichtslosigkeit. Würden wir einen gewöhnlichen Herd zum Kochen verwenden, müßten wir besondere Klammern haben, um Töpe und Pannen an Ort und Stelle estzuhalten. Der Koch dürfte beim Kochen niemals den Deckel lüften ; soort würde der Dampf den Topfinhalt nach allen Seiten schleudern, und Flüssig­ keit, in Kugeln geballt, Fleisch und Gemüse würden in der Luft umhertreiben ! Wie würde der Koch, wenn er die Mahlzeiten ohne Zwischenall zubereitet hätte, das Essen auftischen? Wieder würde er, schon beim Lüften der Deckel, Schwierigkeiten haben, das Essen auf die Teller zu bringen und dort estzuhalten. Und wie würde es mit dem Abwaschen stehen? Wegen des Fehlens j eglicher Schwere wäre es unmöglich, das Geschirr in gewohnter Weise abzuspülen. 115

Die Verbindung von Tisch, Herd und Spülautomaten löst das Problem der Gewichtslosigkeit beim Essen in angemessener Weise. Alle Lebensmittel an Bord der Mondschife sind fertig zubereitet, verpackt und tiefgekühlt. Jede Mahlzeit ist sorgältig nach den Regeln der Ernährungswissenschaft zusammengesetzt, und da alles schon gekocht ist, brauchen die Schife keinen hauptberuflichen Koch. Jedes Besatzungsmitglied kann die erorderliche Zahl Mahl­ zeiten auf das zum Herd laufende Band legen und als Essenverteiler fungieren. Die Besatzung verwendet auch weder Messer noch Gabeln und Löfel. Jede Speise ist ix und fertig zerschnitten, und die Getränke werden in plastischen Flaschen serviert, aus denen man sie direkt in den Mund drücken kann. Die Besteck-Kästen haben federbelastete Deckel, und die einzigen Eßgeräte, die verwendet werden können, haben die Form von Zangen. Unsere Küchen­ maschine ist leicht zu bedienen ; ihr Herd ist leistungsähig und sauber, und der Kurzwellenerhitzer verbraucht nichts von dem kostbaren Sauerstof. Das vierte oder Vorrätedeck darunter enthält den elektrischen Haupt­ schalter, das Lager und die Toiletten. Hier sind auch die Raum­ anzüge, die auf dem Mond getragen werden müssen, untergebracht. Das fünfte Deck beindet sich am unteren Ende der Kugel. Hier werden die schwersten Sachen aufbewahrt, hauptsächlich die Sauer­ stoftanks, die Behälter für das Trinkwasser und die Nutzwasser­ tanks, deren Inhalt durch die Wasserabscheider aus der Schifs­ atmosphäre gewonnen wird. Die Feuchtigkeit der Kabinenluft ist zwar beim Einschifen gering, nimmt aber dann schnell zu, da etwa 60 Prozent des Wassers, das ein Mensch trinkt, 2 Kilogramm pro Tag, durch Hautverdunstung und Ausatmung in die Atmosphäre ge­ langt. Diese Feuchtigkeit muß entfernt werden, da die Luft sonst unerträglich würde. Die Wasserwiedergewinnungsmaschine liefert zusammen mit der Klima-Anlage, die sich ebenfalls auf diesem Deck befindet, Wasser, das dann für alle möglichen Zwecke verwendet werden kann. Die kompliziertesten Instrumente befinden sich auf dem Kommando­ Deck. Ein Flug nach dem Mond wird der längste Flug sein, den die Menschen bisher unternommen haben, und die Flugbahn muß so sorgältig berechnet sein, daß die Steuerung jedes Schifes einem I I6

Automaten übertragen werden kann. Das Kommando-Deck enthält also eine große Menge elektrischer Geräte. Hinter dem Kapitän befindet sich eine im voraus vorbereitete Kollektion von Magnet­ bändern, die genaue Instruktionen für die automatische Steuerung des Schifes nach einem Prinzip ähnlich dem eines elektrischen Klaviers enthalten. Bevor wir die Arbeit dieser Bänder kennenlernen, müssen wir uns mit den verzwickten navigatorischen Problemen beassen, die sich aus der Anwesenheit der Schwerefelder von Erde und Mond ergeben. Bei der Berechnung des genauen Flugkurses nach dem Mond könnten wir unsere Zahlen zuerst auf das irdische Schwerefeld und seine Wirkungen beziehen. Dann könnten wir umschalten und für den letzten Teil der Fahrt das Schwerefeld des Mondes berücksichtigen. Das würde aber zu beträchtlichen Zahlenfehlern führen, da beide Schwerefelder ineinander übergehen. Ferner könnten wir unsere Berechnung auf der Annahme aufbauen, die Mondbahn sei kreisförmig, obgleich sie bekanntlich eher eine etwas exzentrische Ellipse ist. Alle solche Berechnungen wären Verein­ fachungen und daher für die Expedition praktisch nicht zuverlässig genug. Da die Schife mit Hilfe der für die Steuerautomaten vor­ bereiteten Bänder geführt werden, müssen wir alle Kräfte berück­ sichtigen, welche während des Fluges zu j eder Zeit auf die Schife wirken. Diese Forderung führt uns zu einer der schwierigsten Auf­ gaben der Mathematik : dem sogenannten Mehrkörperproblem. Das Mehrkörperproblem behandelt die Bewegung eines Objektes unter dem gleichzeitig wirkenden Einfluß der Schwerefelder mehrerer Himmelskörper. Generationen von Mathematikern haben versucht, eine „strenge Lösung", das heißt eine Gleichung oder eine Gruppe von Gleichungen zu inden, welche die ganze Bahn eines Objektes angeben, das sich mit bestimmter Geschwindigkeit im Einlußbereich mehrerer, ineinander übergehender Schwerefelder bewegt. Der ranzösische Mathematiker Jules Henri Poincare kam der Lösung des Problems mit seiner Arbeit „Un probleme restreint du probleme des trois corps" am nächsten. In Poincares Arbeit beschränkte sich das Mehrkörperproblem auf den vereinachten Fall eines kleinen Objektes ohne Schwerefeld, das sich so in den Schwerefeldern zweier Massen, von denen eine größer als die andere ist, bewegt, daß alle 117

drei Körper in der gleichen Ebene bleiben. Seine Gleichungen wurden zur Berechnung der Störungen von Kometenbahnen durch die Ein­ lüsse der Gravitation großer Planeten, wie beispielsweise Jupiter, benutzt. Unglücklicherweise können seine Gleichungen, die in der Astronomie erolgreich verwendet wurden, nicht auf Fahrzeuge, die zwischen Raumstation und Mond antriebslos fliegen, angewendet werden. Auch andere, wie die amerikanischen Mathematiker George William Hill und Darwin und der schwedische Astronom Elis Strömgren, haben das Mehrkörperproblem bearbeitet, aber ihre Gleichungen geben uns ebenalls nicht die Unterlagen, die wir für unser spezielles Problem brauchen. Wenn es für ein mathematisches Problem keine strenge Lösung gibt, suchen die Wissenschaftler bei einem Verahren Zuflucht, das man „numerische Integration" nennt. In unserem Falle bedeutet das, daß wir die Flugbahn unserer Raumschife einfach in eine Anzahl sehr kleiner Stücke unterteilen müssen. Zuerst müssen wir genau Stärke und Richtung aller Schwerekräfte, die auf die Schife zu Beginn j eder Spanne wirken, feststellen und dann Lage, Flugrichtung und Ge­ schwindigkeit am Ende der Spanne als Ergebnis dieser Kräfte berech­ nen. Daraufhin schätzen wir alle Kräfte in dieser neuen Lage ab und berechnen die neue Position, Flugrichtung und Geschwindigkeit am Ende des nächsten Intervalls. Wenn wir die vorgesehene Flug­ bahn unserer Reise in Tausende von Zeitintervallen teilen und j edes einzeln berechnen, erzielen wir eine ausreichende Genauigkeit. Das ist eine ungeheuer zeitraubende und mühselige Arbeit. Noch vor zwanzig Jahren hätte man zahllose Mathematiker für die Berechnung einer wirklich genauen Flugbahn nach dem Mond gebraucht, und diese hätten monatelang an der Lösung arbeiten müssen. Heute können wir uns j edoch der modernen elektrischen Rechenmaschinen bedienen, die dafür nur noch Minuten brauchen. Diese „elektrischen Gehirne" können bei der Berechnung unseres Kurses nicht nur die gleichzeitigen Wirkungen der Schwerefelder von Erde und Mond, sondern auch noch die Störungen durch die Sonne, die nahen Pla­ neten und die Abplattung der Erde berücksichtigen. Außerdem können sie, wenn man Abweichungen vom gewünschten Kurs annimmt, beispielsweise durch eine Verzögerung beim Start oder durch geringe Veränderung des Flugbahnwinkels, Hunderte von 118

Korrekturmanövern berechnen. Alle diese berechneten Manöver können auf magnetisierten Bändern festgehalten und in dieser Form für den Bedarfsall auf dem Kommandodeck bereitgehalten werden. Der Kapitän kann also, sobald ihm sein Navigator mitteilt, daß das Schif vom Kurs abweicht, die gewünschten Korrekturen vorneh­ men, indem er ein fix und fertig vorbereitetes Band in den Steuer­ automaten einführt. Das heißt nun aber nicht, daß auf j edem Kommandodeck ein Vorrat von Steuerbändern für eine unbegrenzte Zahl von Situationen mit­ geführt werden muß. Der Kapitän kann das Band j ederzeit aus­ schalten und die Steuerung des Schifes in seine eigenen Hände neh­ men. Auf dem Navigationsdeck befindet sich außerdem eine kleine elektrische Rechenmaschine, mit deren Hilfe der Navigator Steuer­ bänder für die in jeder beliebigen Situation bestmöglichen Korrektur­ manöver anfertigen kann. Es wäre j edoch höchst unerwünscht, den Navigatoren die Last solch schwieriger Berechnungen für j eden erwarteten und unerwarteten Fall einer Abweichung vom Kurs auf­ zubürden, da j edes Besatzungsmitglied im Zustand der Schwerelosig­ keit arbeitet und den zahlreichen anderen Anstrengungen der langen Reise durch den Raum ausgesetzt ist. Aus diesem Grunde besitzt j edes Schif eine ausgewählte Anzahl von vorbereiteten Steuerbändern, die zu gegebener Zeit benutzt werden können. Nun sind wir so weit, daß wir von der Umlaufbahn der Weltraum­ station nach dem Mond starten können.

Der Flug nach dem Mond

D

ie Mondschife sind startbereit. Ihr Abflug, das Hin und Her der kleinen Raum-Taxis, das Einschifen der restlichen Ladung, die sorgältigen allerletzten Kontrolten der Ingenieure und schließlich der Start selbst, wird von · Millionen miterlebt. Fernsehkameras auf der Weltraumstation übertragen die Szene auf die Empänger in aller Welt. Die Menschen auf der Nachtseite der Erde können sogar einen langen Lichtblitz hoch am Himmel erkennen, den vereinten Feuer­ strom von 90 Raketenbrennkammern, der plötzlich wie ein neuer, kurzlebiger Stern aufleuchtet. Der Abflug beginnt ziemlich langsam. Die Kapitäne haben die Steuerautomaten mit den Startbändern versehen. Nun beginnen sich die großen Mondschife schwerfällig zu bewegen, eines hinter dem anderen ; grüne, Flammen entströmen ihren R� ketenbatterien. . und allmählich werden sie schneller und schneller. Praktisch brauchen wir ja nicht viel Geschwindigkeit zu gewinnen. Die Geschwindigkeit, auf die wir kommen müssen, ist 3 1 400 Kilometer in der Stunde, aber da wir JS bereits mit ein�r _Geschwmdigkei! v_n 2 5 400 Kilumerer in der Stunde .111 dle drte bewegei1, bn.ucue11 wir nur nocn zu­ sätzliche 6000 Kilometer in ter Stunde. In dem Augenblick, in dem die fuebwer:e der Mondschife zu arbei­ ten beginnen, ist das Gleichgewicht zwischen der Anziehungskrat der Erde und der Zentriugalkraft, die sich bei der Geschwindigkeit von 2 5 400 Kilometer in der Stunde ergibt und die Raumstation auf ihrer Bahn hält, für die drei Fahrzeuge gestört. Die Startbänder in den Steuerautomaten führen die gewaltigen Schife auf eine auswärts gekrümmte Flugbahn. Die Besatzungen und Expeditionsteilnehmer, die eimge nugenblicke vorher noch gewichtslos waren, fühlen nun, wie ihr Gewicht wiederkehrt. Es ist nicht viel, nur etwa ein Zehntel ihres normalen irdischen Gewichts, eine Folge der Beschleunigungs­ kräfte, die beim Start zu wirken beginnen. Mit jeder Sekunde aber nimmt nun die Beschleunigung und damit das Gewicht zu. Dreiund1 20

dreißig Minuten nach dem Einschalten haben die Schife die Geschw:n­ digkeit von 3 l 400 Kilometer in der Stunde, die zum Flug nach der Mondbahn erforderlich ist, erreicht. In diesem Augenblick fühlen die Männer ein Drittel ihres irdischen Gewichts. Aber jetzt werden die Triebwerke abgeschaltet, da die erorderliche Geschwindigkeit erreicht ist, und soort sind die Besatzungen, Wissenschatler und Techniker an Bord wieder geA8FLUG-MANCVER ...

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MOND BEIM START ZUM AUCCFLUG

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MOND ZUR ZEIT DER ANKUNFT

Hin- und Rückfl ug ba h n zwischen Weltraumstation und Mond.

wichtslos. Nun liegen die Schife infolge ihrer Massenträgheit an­ triebslos weiter. In der Zeit vom Start von der Stationsbahn bis zum Abschalten der Triebwerke hat sich die Entfernung der Schife von der Erdober­ läche von 1 7 3 0 auf 4 1 00 Kilometer vergrößert. Tatsächlich sind wir aber schon l 8 5 oo Kilometer weit gelogen, da unsere Bahn in bezug auf die Stationsbahn einen langen, weiten Bogen beschreibt, der uns schon l 24 Grad um die Erde herumgeführt hat. Manöver l ist damit beendet (vgl. Tabellen auf den Seiten 1 8 3- 1 86.) Während wir so durch den Raum dahintreiben, können wir den Mond sehen, aber er steht so weit seitlich, daß wir ihn scheinbar nie erreichen können. In Wirklichkeit aber legt er natürlich, genau wie wir, während der fünf Tage unserer Reise eine große Strecke zurück und wird, wenn wir am Ende dieser Zeit den fernsten Punkt oder das Apogäum unserer elliptischen Bahn erreichen, genau vor uns stehen. 121

Wir sehen auch die Erde, die sich zum größten Teil wie ein gewaltiger, dunkelgrauer Ball in den tiefschwarzen Raum hineinwölbt und auf einem weiten Bogen vom hellen Sonnenlicht überflutet ist. In dieser hellen Sichel sehen die Kontinente, in denen Sommer ist, wie große grüne Landkarten, umrahmt vom blauen Ozean, aus. Weiße Wolken­ streifen bedecken manche Einzelheiten ; andere weiße Flecken sind Schnee- und Eisfelder auf hohen Bergen oder in den Polargebieten. Gegen die Dunkelheit der Nachtseite der Erde hebt sich ein leuch­ tender Punkt ab, die Raumstation, die das Licht der Sonne wider­ spiegelt. Zwei Stunden und 5 4 Minuten nach dem Start sind wir 28 600 Kilo­ meter von der Erdoberfläche entfernt. Unsere Geschwindigkeit hat sich auf 1 6 900 Kilometer in der Stunde verringert. Nach 5 Stunden und 8 Minuten ist die Erdoberfläche 5 3 ooo Kilometer entfernt, während unsere Geschwindigkeit nun nur noch 1 2 8 5 o Kilometer in der Stunde beträgt. Nach 3 0 Stunden haben wir einen Abstand von 2 1 2 ooo Kilometer erreicht, und unsere Geschwindigkeit ist 6400 Kilometer in der Stunde. Wenn die Navigatoren während des langen antriebslosen Fluges zwischen Erde und Mond eine Abweichung vom Kurs feststellen, was mit Hilfe von Radar von der Raumstation aus oder durch direkte Beobachtung des Zeitpunktes von Sternbedeckungen durch Mond oder Erde geschehen kann, beragen sie soort ihre Karten und Tabellen und wählen danach das ür die erorderliche Korrektur vorbereitete Steuerband aus. Es wird in den Steuerautomaten einge­ führt, der nun für das notwendige Korrekturmanöver die Trieb­ werke einschaltet. Das Band sorgt für alles. Es bringt die Spitze des Schifes in die gewünschte Richtung und schaltet nach erolgter Bahnkorrektur die Triebwerke wieder ab. Bei einem so umangreichen technischen Unternehmen, wie es unsere Reise nach dem Mond darstellt, muß man immer auf völlig unvorher­ gesehene Ereignisse geaßt sein. Nehmen wir zum Beispiel an, eines der drei Schife habe während des ersten Antriebsmanövers einen Versager des Steuersystems. Das betrofene Schif würde dann von seinem Kurs abkommen, so daß es den Mond am entferntesten Punkt unserer elliptischen Flugbahn nicht mehr trefen könnte. Die Fahrt müßte dann abgeblasen werden, und die Kapitäne aller drei Schife 1 22

würden soort sämtliche Triebwerke abschalten lassen. Dieser vor­ zeitige Brennschluß würde nun alle drei Schife auf mehr oder weniger exzentrischen Bahnen um die Erde kreisen lassen. Das betrofene Fahrzeug, das inolge des Versagers schon vor Brennschluß vom Kurs kam, würde sich auf einer bestimmten Bahn, die beiden anderen Schife, deren Triebwerke auf der korrekten Flugbahn abgeschaltet wurden, würden sich auf anderen Bahnen befinden. Mit anderen Worten, alle drei Schife würden sich nun auf eigenen elliptischen Bahnen um die Erde bewegen. Die Navigatoren beänden sich daher vor der schwierigen Aufgabe, die genaue Flugbahn der Schife zu berechnen, damit sie zum Startpunkt, der Raumstationsbahn, zurück­ kehren könnten. Ihre Aufgabe wäre aber noch viel komplizierter, weil die Schife ja mit der Raumstation selbst zusammentrefen müßten ; das heißt, es wäre noch das Problem zu lösen, die Rückkehr zur Kreisbahn so einzurichten, daß die Schife am vorgesehenen Trefpunkt mit der Station zusammenkommen. Das ist einer der Zwischenfälle, für die wir keine Steuerbänder im voraus präparieren können. Dafür ist ein anderes V erahren erforder­ lich. Die Flugbahnen der Schife werden durch „Doppler"-Funkmeßtech­ nik kontrolliert. Die Funkmessung erfolgt mit Hilfe eines von der Station nach den Schifen gesendeten Richtstrahls. Jedes Mondschif ist mit einem Wandler ausgerüstet, der in der Hauptsache aus Emp­ fänger und Sender kombiniert ist und die empangenen Signale auf einer anderen Welle wieder ausstrahlt. Das von den Mondschifen zurückkehrende Signal wird nun von verschiedenen auf der Stations­ bahn placierten Empängern aufgenommen. Durch einen Vergleich der in diesen verschiedenen Geräten empangenen Signale - die Echo­ Zeichen sind in j edem Falle verschieden - kann man Ort und Geschwin­ digkeit eines j eden Mondschifes genau bestimmen. Bei der Radarmessung sendet ein in der Stationsbahn Biegender Sender kurzzeitige „Funkblitze" zu der auf j edem Mondschif vor­ handenen „Bake". Diese empängt, verstärkt und sendet die emp­ angenen Impulse nach der Raumstation zurück. Genau wie eine normale Radarstation der Luftabwehr, kann die Radarstation in der Stationsbahn auf diese Weise die Entfernung der Mondschife durch Berechnung der Zeit feststellen, welche die Radarimpulse vom Augen1 23

FLUGBAHN DER MONDSCHIFFE

Nr

6

' 1

i i b - 55 00km !

0

BRENNPUNKT DER ELLIPSE

MOND

- - - - - - - J.116l � - -

- - - - - -

--ERDE

1 ------- -„----------------------------

Flugbahn nach dem Mond

Die Bahn der nach dem Mond fliegenden Schife ist eine lange und zieml ich schmale h a l be E l l i pse ; an dem vom Mond am weitesten entfernten Pun kt (in der Skizze mit „Perigäum" bezeichnet) berü hrt d i ese E l l i pse d i e Bahn der Weltraumstation. Das andere Ende der E l l i pse schneidet die Mondoberfläche. Die Entfernung vom Perigäum bis zu m Mitte l p u n kt der E l l i pse beträgt 1 96 000 K i lometer; das ist die Hälfte der „g roßen Hauptachse" der E l l i pse. Die „ kleine Hauptachse" ist 1 1 0 000 K ilometer lang ; d i e Schife passieren den Mittel p u n kt der E l l i pse, d e r natürlich a u f einer Geraden zwischen Erde und Mond l iegt, in einer Entfernung von 55000 Kilometer. Das stellt die weiteste Abweichung der Fl u g bahn von der Geraden dar. Der Antrieb arbeitet n u r auf der k u rzen Strecke zwischen den Pun kten, die m it „Zündung" und „Bren nsc h l u ß" bezeich­ net sind ; die Beschleunigung ist wirkl ich sehr gering ; sie beträgt beim Abflug n icht ganz '/10 und beim Brennschl u ß n u r '/• g. Der Brennsch l u ß p u n kt l iegt 90 G rad hinter dem Perigäum und 1 24 G rad hinter dem Zündungspunkt ; die Zeitspan n e dazwischen beträgt 33 Mi n uten. Da die Weltraumstation 41 ,5 Min uten braucht, um einen Bogen von 1 24 G rad zu d u rchlaufen, liegt sie bei Brennschluß um 25 G rad h i nter den Schifen und erscheint daher n icht „ u nten" und i rgendwo in der Mitte der Erdscheibe, sondern achteraus i n der Nähe des Außenrands der Scheibe. Ein paar Minuten später sehen d i e Schifsinsassen die Station ü ber die Scheibe der Erde dahinziehen. 1 24

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N

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- - -

L

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BAHN DER RAUMSTATION

Daten der Fl ugbahn nach dem Mond an Kontro l l p unkten

Kontrollpunkt

Zeit seit Abflug

Winkel

Entfernung vom

Geschwindigkeit

(Stunden)

gegen Perigäum

Erdmittelpunkt

der Schiffe (Kilo-

(Grad)

(Kilometer)

meter-Stunde)

N r. 1

0,55

90

1 0 500

31 400

N r. 2

2,9

1 35

35 000

1 6 900 1 2850

N r. 3

5,1 3

1 45

59 400

N r. 4

9,0

1 53

1 00000

9 960

Nr. 5

1 6,5

1 60

1 54000

7 760

Nr. 6

30,0

1 66

21 8 500

6 400

Rückwärts gelesen g i lt diese Tabelle auch für d i e Rückkehr vom Mond : Die heim­ kehrenden Schife passieren Punkt N r. 5 i n einer Entfernung von 1 54 000 K i l o m eter vom Erdmitte l p u n kt mit einer Geschwin d i g keit von 7760 Kilometer i n der Stunde, 1 6,5 Stunden vor d e m E i nfah ren i n d i e Bahn der Weltrau mstation. I25

blick der Ausstrahlung bis zum Empang brauchen. Mit etwas gerin­ gerer Genauigkeit kann die Radarstation auch die Raumrichtung zwischen Raumstation und Mondschifen vermitteln. Mit Hilfe einer dieser beiden Methoden, oder auch mit beiden Verahren gemeinsam, können die Bahnen der Mondschife von der Raumstation aus be­ stimmt werden, und zwar, was besonders wichtig ist, ohne das Zutun der Schifsbesatzungen. Nun wollen wir zu den auf ihren elliptischen Bahnen gestrandeten Mondschifen zurückkehren. Die Raumstation kann also ihre Flug­ bahnen bestimmen. Mit Hilfe der leistungsähigen Rechenmaschine an Bord der Raumstation, und vielleicht sogar mit zusätzlicher Unterstützung der noch leistungsähigeren Rechenmaschinen auf der Erde, können nun die Navigationsdaten für die Rückkehrmanöver aller drei Schife berechnet werden. Diese Unterlagen werden nun durch Funk nach den Scffen übermittelt, und zwar direkt in Form von Steuerbänderinstruktionen. Die Navigatoren brauchen nichts weiter zu tun, als Bandaunahmegeräte an ihre Empänger anzu­ schließen. Die Sendung, die komplette Steuerdirektiven für die Rückkehrmanöver enthält, wird also direkt auf die Steuerbänder übertragen, und zwar genauso, wie ein Musikreund ein Radiopro­ gramm auf Band aunimmt. Dieses Band wird nun in den Steuer­ automaten eingeführt ; die Schife schwingen in die richtige Lage ein, die Triebwerke gehen an, und das Antriebsmanöver für die Rückkehr zur Stationsbahn kann beginnen. Schon am ersten Tage unserer 3 84 ooo Kilometer weiten Reise werfen wir die gewaltigen, rn Meter breiten Kugeltanks für die Treibstofe des Abflug-Manövers, die nun leer sind, ab. Ingenieure in Raum­ anzügen steigen in die Luftschleusen und verlassen die Kabinen. Sie merken nicht, wie schnell sich die Schife ortbewegen ; im Gegen­ teil, sie scheinen im Raum stillzustehen. Da es im Weltraum keine Atmosphäre gibt, kann auch kein Fahrtwind entstehen und sie weg­ blasen. Nun klettern sie durch die Schifsgerüste zu den Kugeln hinüber und pumpen zunächst die Restmengen der Treibstofe in die Reservetanks. Dann schrauben sie die Druckleitungen für das Helium, die selbstschließenden Treibstofleitungen zu den Pumpen und alle elektrischen Anschlüsse für die Kontrolle der Tanktemperaturen, der Treibstofmengen und andere Messungen ab. Wenn das erledigt 126

ist, werden die Kugeltanks mitsamt ihren Anschlußstreben „abge­ worfen". Dadurch wird jedes Schif um etwa r 3 Tonnen erleichtert, wovon ast r o Tonnen allein auf die Meteorschutzbleche kommen, mit denen die Behälter umgeben sind. Das Ablösen der Behälter kann auf verschiedene Weise geschehen. Das einachste Verfahren besteht darin, die äußeren Streben abzu­ schrauben und den Behältern einen leichten Stoß zu versetzen. Erstaunlicherweise würde das bereits genügen, den massigen, über 6 Tonnen schweren Teilen so viel Geschwindigkeit zu geben, daß sie langsam von dem Schif wegtreiben. Sie folgen dann den antriebslos liegenden Schifen auf ihren elliptischen Bahnen noch ein Weilchen, treiben dabei allmählich immer weiter ab und verschwinden nach einigen Tagen schließlich als schwache Sternchen in dem Meer der Gestirne. Bei einem anderen Verahren wird das Schif in langsame Rotation um seine Längsachse versetzt. Schon drei Umdrehungen in zehn Sekunden ergeben genug Zentrifugalbeschleunigung, die Behälter abzuwerfen. Bei diesem Manöver kann man die äußeren Träger der Tanks mit Hilfe einiger Sprengbolzen, die elektrisch vom Haupt­ pult auf dem Kommando-Deck gezündet werden, ablösen. Das Abtrennen der Treibstofbehälter zwischen den eizelnen An­ triebsmanövern ist ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Konstruktion und Berechnung von Raumschifen. Auf den ersten Blick fühlt man sich versucht, am Gewicht der Meteorschutzbleche zu sparen, und zwar dadurch, daß man nicht alle Behälter einzeln, sondern das ganze Schif mit einem großen Meteorschutz umgibt. Ebensogut könnte man natürlich eine komplette Verkleidung für das Schif vorsehen, so daß es wie ein völlig geschlossenes, für die Atmosphäre bestimmtes Fahrzeug aussehen würde. Statt der ofenen Gerüste hätten wir dann eine völlig umkleidete Schifszelle, so daß nun nicht mehr die Temperatur der einzelnen Behälter, sondern die Temperatur im gesamten Schif zu kontrollieren und zu regeln wäre. Außerdem wäre solch ein Raumschif bei weitem nicht so häßlich wie die plumpen, eieruhrähnlichen Ungeheuer, die in diesem Buch vorgeschlagen werden. Die völlige Umkleidung eines Raumschifes bringt j edoch einige Nachteile mit sich. Unsere Mondschife haben bei ihrem Flug nach

dem Mond und zurück vier größere Antriebsmanöver durchzuführen. Beim ersten Manöver, dem Abflug von der Stationsbahn, ist der Treibstofvorrat viel größer als beim letzten Manöver, der „Landung" in der Stationsbahn nach dem Rücklug vom Mond. Nach dem ersten Manöver enthalten die Schife noch Treibstofe für ,die nächsten drei Manöver, aber beim Rückflug, nach erfolgtem Start auf dem Mond, sind sie beinahe leer. Es ist gerade noch genug Treibstof ür das letzte Manöver in der Stationsbahn übrig. Wir sehen also, daß das notwendige Tankvolumen von Antriebsmanöver zu Antriebsmanöver kleiner wird. Nun sind die Meteorschutzbleche erheblich schwerer als die Nylontanks. Wären die Schife ringsum vollständig verkleidet, müßten wir das Gewicht des Meteorschutzes bis nach dem Mond und wieder zurück schleppen, obgleich sich die Behälter von Manöver zu Manöver entleeren. Dadurch, daß wir die Behälter einzeln verkleiden und mit ihren Meteorschützern ab­ stoßen, verringern wir das Schifsgewicht ständig und erleichtern dementsprechend auch jede Phase unseres Fluges. Das Gerüst der Mondschife kann sehr leicht sein, da die Beschleu­ nigungen während des ersten Antriebsmanövers, wenn die Schife noch vollbeladen sind, gering bleiben. Bei den späteren Manövern sind die Beschleunigungen größer, aber dann wird schon die Ge­ wichtsabnahme wirksam ; schon in den ersten 3 3 Minuten des Fluges verschwinden über 70 Prozent des Schifsgewichts infolge des Treib­ stofverbrauches. Wir können also die Festigkeit des Gerüstes in allen vier Manövern voll ausnützen, da wir auch die verschiedenen Träger, welche die Behälter abstützen, mit abtrennen. Das Rüstgewicht der Schife ist also niemals größer als unbedingt notwendig. Da während des Fluges der gewohnte Wechsel von Tag und Nacht ehlt, leben wir nach einem bewußt gestalteten Zeitplan. Vom Start an macht die Besatzung nach einem genauen Stundenplan Dienst ; jede Schicht ist vier Stunden auf Posten. Kapitäne, Navigatoren und Funker verbringen die meiste Zeit mit Kursprüungen, immer bereit, etwa auftretende Abweichungen zu korrigieren. Aus dem gleichen Grund behalten die Techniker die empindlichen „elektrischen Gehirne", die Rechenmaschinen, Kreisel und Navigationsinstrumente, auf dem Kommando-Deck im Auge. Andere Spezialisten überwachen die Stromerzeugung, die Klima128

Anlage sowie die Druck- und Temperatur-Verhältnisse in den Treib­ stofbehältern. Am meisten haben die Bordingenieure und ihre Helfer zu tun, die sich häuig nach draußen begeben, um die Treibstoftanks, die Lei­ tungen, die Triebwerke, die Turbopumpen und die ganze andere wichtige Ausrüstung zu kontrollieren. Beispielsweise kann die über­ mäßige Erwärmung während der langen Antriebszeit des Abflug­ manövers in den Triebwerken feine Haarrisse verursachen ; Meteore können durch die dünnen Bleche dringen und die Behälter durch­ löchern ; Verschraubungen können sich lockern und so weiter. Die Ingenieure sind ständig auf der Hut, da alle diese Schäden sofort behoben werden müssen. Stündlich werden mit der Raumstation durch Funk Meldungen aus­ getauscht. Wir können nicht ununterbrochen mit dem künstlichen Satelliten verkehren, denn er macht j a alle 2 Stunden einen Umlauf um die Erde, und da er immer 5 0 Minuten lang hinter der Erde ver­ borgen ist, können wir nur während der verbleibenden 70 Minuten jeder Zweistundenperiode mit ihm in Verbindung treten. Ob­ gleich wir nun schon 290 ooo Kilometer entfernt sind, ist der Emp­ ang immer noch ausgezeichnet. Neben normalen Routinesendun­ gen, wie beispielsweise Navigationshilfe, die gelegentlich geor­ dert wird, überträgt der Sender auf der Raumstation auch Pro­ gramme von der Erde. Da die Station natürlich nur mit den irdischen Sendern, die sie gerade passiert, Verbindung aunehmen kann, stammen die Programme, die wir auf diese Weise empangen, von allen Teilen der Erde. Beim Frühstück hören wir vielleicht einen Sender in Indien und beim Mittagessen eine amerikanische Reklame-Sendung. Der Funkverkehr zwischen den Mondschifen und der Weltraum­ station erfordert keine große Sendeleistung. Die Sender in der Station und auf den Mondschifen, die mit einer Frequenz von 3000 Mega­ hertz, das ist eine Wellenlänge von etwa I O Zentimeter, arbeiten, haben eine Leistung von nur rno Watt. Die Raumstation und die Mondschife haben bewegliche parabolisch geormte Scheiben-Antennen von 4,5 Meter Durchmesser. Wenn die Raumstation sendet, strahlt die Scheiben-Antenne die Wellen in unsere Richtung aus. Dabei wirkt die Scheibe wie der Reflektor eines

Scheinwerfers, denn der eigentliche Antennenstab befindet sich im Brennpunkt. Der so erzeugte Strahl ist sehr scharf, er hat einen Öfnungswinkel von nur 1 Grad, so daß nur wenig Energie ver­ schwendet wird. Die Parabolantenne des Schifes konzentriert nun die einallenden Wellen wieder auf den in ihrem Brennpunkt liegenden Antennenstab, wie ein Hohlspiegel, mit dessen Hilfe man Sonnen­ strahlen auf ein Stück Papier konzentriert, um es u entzünden. Nach der Aunahme schaltet der Funker die Antenne von Empang auf Sendung m, während der Funker in der Raumstation gleichzeitig von Sendung auf Empang schaltet. Die 4, 5 Meter breiten Scheiben­ Antennen unserer Schife und der Raumstation können also sowohl zum Senden als auch zum Empangen dienen. Man kann sich zwi­ schen Station und Schifen ast genauso leicht unterhalten wie am Teleon, aber da wir 290 ooo Kilometer von der Station entfernt sind und Funkwellen die Geschwindigkeit des Lichts, fast 300 ooo Kilometer in der Sekunde, haben, braucht eine Sendung ast eine Sekunde, um uns zu erreichen, und unsere Antwort ist genau so lange nach der Station unterwegs. Diese Verzögerung widerlegt nicht unsere Behauptung, daß wir mit einer bescheidenen Sendeleistung arbeiten können. Auf der Erde brauchen Langwellenstationen oft eine große Sendeleistung, obwohl die zu überbrückenden Enternungen gering und die Ausbreitungs­ zeiten der Wellen vernachlässigbar klein sind. Das liegt daran, daß der Funkverkehr auf der Erdoberfläche viel schwieriger ist als durch die ofenen Weiten des Weltraumes. Radiowellen aller Längen breiten sich geradlinig aus, wenn sie nicht von äußeren Kräften beeinflußt werden. Wir können Sender, die unter dem Horizont liegen, emp­ fangen, weil die Rundfunkwellen durch verschiedene Schichten in der sogenannten „Ionosphäre" reflektiert werden. Häufig erschweren oder unterbrechen Sonnenflecken den Empang. Im Weltraum können wir alle diese Schwierigkeiten vergessen. Hier breiten sich die Funk­ wellen in einem Vakuum aus, das wir in dieser Vollkommenheit in keinem Laboratorium auf der Erde erzeugen können. Mit der Zeit werden unsere Schife langsamer. Am Anfang des vierten Tages ist ihre Geschwindigkeit auf 1 300 Kilometer in der Stunde geallen, das ist etwa soviel wie ein gewöhnlicher Strahljäger erreicht. Vor uns breitet sich nun deutlich die rissige Oberfläche des Mondes

aus ; hinter uns erscheint die blaugrüne Erdkugel so groß wie eine Plaume, die man mit ausgestrecktem Arm vor die Augen hält. Unsere immer noch ohne Antrieb fliegende Mondflotte erreicht jetzt den neutralen Punkt zwischen Erde und Mond. Ihre Ge­ schwindigkeit ist unter 800 Kilometer in der Stunde ge­ sunken, beginnt nun aber wieder zuzunehmen. Jetzt fängt nämlich der Absturz auf den noch etwa 3 8 ooo Kilometer entfernten Mond an. Da keine Atmosphäre den Sturz bremst, würden wir mit einer Geschwindig­ keit von fast 1 0 ooo Kilo-

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LANDEMANÖVER WENDUNG ZUM

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:ICHTUNG DER MONDBEWEGUNG

Die Antriebsmanöver bei m Flug von der Weltrau mstation nach dem Mond.

meter in der Stunde auf der Mondoberfläche zerschellen, wenn wir nichts unternehmen würden. Genau 6 Stunden und 40 Minuten nach dem Passieren des neutralen Punktes zwischen den Schwerefeldern von Erde und Mond, in einer Höhe von 8 8 5 Kilometer über der Mondoberfläche, schreiten wir zur Tat ; unser zweites Antriebsmanöver ist fällig (Abbildung Seite 1 3 1 ) Auf j edem Schif befindet sich dicht beim Schwerpunkt ein Gerät zur Beeinflussung der Schifslage, das aus drei senkrecht aufeinander­ stehenden, von Elektromotoren angetriebenen Schwungrädern be­ steht. Eines der Räder weist entlang der Längsachse des Fahrzeuges in Flugrichtung, wie die Hinterräder eines Autos. Das andere liegt parallel zur Querachse, wie das Steuerrad eines Ozeandampfers. Das dritte liegt horizontal. Wenn wir eines der Räder in Umdrehungen versetzen, dreht sich das Schif langsam anders herum. Piloten kennen diesen Efekt, den man „Gegendrehmoment" nennt ; wenn sich bei höherer Antriebsleistung der Propeller eines Flug7euges schneller zu drehen beginnt, hat der Pilot durch entsprechende Betätigung der Steuerung dafür zu sorgen, daß das Flugzeug nicht in der entgegen­ gesetzten Drehrichtung zu rollen beginnt. Die Kapitäne der Mondschife lassen nun die in der Längsachse liegenden Schwungräder anlaufen. Langsam angen die Fahrzeuge an, sich herumzudrehen ; nach einer halben Drehung werden sie ge­ stoppt. Jetzt fliegen sie mit dem hinteren Ende voran auf den Mond z u , so daß der Fall zur rechten Zeit mit den Raketentriebwerken ge­ bremst werden kann. Die Spannung an Bord der Schife nimmt zu. Die Landung ist schwierig, so schwierig, daß man sie völlig dem Steuerautomaten anvertraut, in den ein entsprechend vorbereitetes Steuerband einge­ führt wird. Die Navigatoren peilen von ihren Beobachtungskuppeln aus zum letztenmal die Sterne an, die j etzt hinter der schnell anwachsen­ den Mondscheibe verschwinden, um etwaige Kursabweichungen dar­ an erkennen zu können. Fortlaufend rechnen sie die Geschwindigkeit des Falles und seine Richtung in bezug auf den Mond nach, der sich mit einer Geschwindigkeit von 3 660 Kilometer in der Stunde im rechten Winkel zu unserem Kurs dahinbewegt. Auf Grund der Ergebnisse dieser Berechnungen und anderer wichtiger Auzeichnungen wählt der Kapitän schließlich das richtige Steuerband für die Landung aus. .

Kurz vor dem Ende der Reise beginnt die Schwerkraft des Mondes, der immer noch seitlich steht, uns von unserem elliptischen Kurs abzuziehen. Dieser Richtungswechsel ist bei der Drehung der Schife sorgältig berücksichtigt worden. In 8 8 5 Kilometer Höhe über der Mondoberfläche beginnen die Raketentriebwerke zu arbei­ ten. Wir fühlen den Druck ihrer Wirkung im Innern der Kugel­ kabinen, denn plötzlich ist unser Gewicht wieder da. Alle Gegen­ stände, die vorher nicht gesichert wurden, allen zu Boden. Die Leistung der Raketentriebwerke ist so eingeregelt, daß wir etwa ein Drittel unseres normalen Gewichtes wiederbekommen. Nach fünf schwerelosen Tagen scheint nun Blei durch die Adern zu fließen. Die letzten 1 0 Minuten, so lange dauert das Landemanöver, sind besonders auregend. Die Steuerbänder in den Automaten sind nun in voller Aktion. Zwei Instrumente über dem Platz des Kapitäns zeigen unsere Sturzgeschwindigkeit und Höhe über der Mondober­ fläche an. Die Werte werden mit Hilfe von Radar-Höhenmessern ermittelt. Die ausgestrahlten Radar-Impulse werden von der Mond­ oberläche relektiert. Aus der Zeit für ihren Hin- und Rückweg ergibt sich die Höhe, während die Änderung der Laufzeit die Ge­ schwindigkeit anzeigt, mit der wir allen. Dieser Höhenmesser hat noch eine andere, wichtigere Aufgabe ; seine Meßergebnisse werden auf ein raffiniertes Gerät übertragen, das den Schub der Raketen­ triebwerke durch Regelung der Treibstofpumpen-Drehzahl kon­ trolliert. Dieses Gerät hat dafür zu sorgen, daß Höhe und Fall­ geschwindigkeit im richtigen Augenblick und zur gleichen Zeit „Null" werden, das heißt, daß wir, sanft wie ein Helikopter, auf der Mondoberfläche ausetzen. Aber noch sind wir nicht unten. Die Kapitäne benutzen nun Fernsehschirme, auf denen sie die rasch näher kommende Mondoberfläche unter den Schifen sehen können. Der vorher ausgewählte Landeplatz im Sinus roris beindet sich genau im Schnittpunkt von zwei sich kreuzenden haarfeinen Linien auf der Mattscheibe. Die Kapitäne können nun Regulierknöpfe betätigen und den Schnittpunkt der Linien verschieben. Mit dieser Feinkon­ trolle des Kurses beeinflussen sie die im übrigen automatische Steuerarbeit der Kommandogeräte, um Hindernissen, wie großen Felsbrocken oder engen Spalten, die bei der fotografischen Durch­ musterung des Landegebietes übersehen worden sind, ausweichen 133

zu können. Sie benutzen diese Feinkontrolle außerdem zum Aus­ gleich der Horizontalgeschwindigkeit, welche die Schife kurz vor dem Aufsetzen eventuell noch haben. Selbst die geringste Horizon­ talgeschwindigkeit könnte verhängnisvolle Folgen haben ; ein oder zwei Meter in der Sekunde würden genügen, die Landestützen des niedergehenden Schifes beim Aufsetzen einzuknicken, und wenn die Quergeschwindigkeit etwas höher wäre, könnten die Schife nach einer sonst gelungenen Landung umkippen. Nun werden die Landestützen der Schife, vier lange Spinnenbeine, herabgelassen, die an den vier Ecken des Triebwerkträgers beweglich angebracht sind und bis j etzt im Gerüst eingezogen waren. Etwa 30 Meter über dem Boden bringt jedes Schif ein fünftes „Bein" der Landevorrichtung in Stellung, einen großen Teleskopstoß­ dämpfer in der Mitte des Triebwerkträgers, der nun durch den Feuer­ strom der Brennkammern herabgelassen wird. Jetzt schlagen die langen grünen Raketenlammen schon gegen die ausgedörrte Oberfläche des Mondes. Wolken bräunlichgrauen Staubes werden nach allen Seiten weggeschleudert. Der Staub sinkt in der geringen Anziehungskraft des Mondes nur langsam zu Boden, aber es bilden sich keine Staubwolken, da die Atmosphäre auf dem Mond ehlt. Schließlich gräbt sich der breite, runde Fuß des mittleren teleskopi­ schen Landebeines in den weichen vulkanischen Grund (Abbildung Seite 149·) Wenn er zu kräftig aufstößt, schaltet ein elektrischer Mecha­ nismus in den Triebwerken die Brennkammern soort auf höhere Leistung, um den Aufprall zu mildern. Ein paar Sekunden lang balanciert das Schif unsicher auf seinem mittleren Bein. Dann angen die vier Ausleger das Schifsgewicht ab. Jeder ist mit einer Pumpe ausgestattet, die Öl in einen hydraulisch wirkenden Zylinder drückt. Alle vier Pumpen werden durch die Schifskreisel kontrolliert, die schon auf die Horizontale eingestellt sind. Auf diese Weise werden nun die vier Beine ausgestreckt, gleichgültig, welchen Widerstand der Boden bietet, bis das Schif völlig senkrecht steht. In dieser Stellung werden die Zylinder in den vier Auslegern endgültig blockiert. Die beiden anderen Schife landen genauso. Das Summen ihrer Maschinen verstummt. Nun herrscht absolute Stille. Wir haben den Mond erreicht. 1 34

Der Stützpunkt auf dem Mond

W

ir sind, wie beabsichtigt, u Beginn des zwei Wochen langen, sonnenhellen Tages auf dem Mond angekommen. Die Besatzun­ gen, Wissenschaftler und Techniker des ersten gelandeten Schifes schnallen die Sicherheitsgurte ab, verlassen die Lager und legen ihre Raum­ anzüge an. Dann steigen sie auf den Leitern nach der Luftschleuse im unteren Teil der Kugelkabine hinab und versammeln sich dort. Immer zu dritt schleusen sie sich ein. Der Kompressor saugt die Luft aus dem kleinen Raum heraus und pumpt sie in die Kugelkabine zurück, und schon quellen die Raumanzüge infolge der Abnahme des Außendrucks auf. Nun leuchtet eine Meldelampe auf, und die drei Mann öfnen die Tür der Luftschleuse. Aus der Höhe des Schifsgerüstes, 5 4 Meter über dem Mondboden, bietet sich ein überwältigender Rundblick auf eine weite Einöde. Die von Rissen durchzogene Ebene des Landegebietes, Sinus roris, erstreckt sich wie eine gewaltige arblose Fläche aus Trümmern weit nach Süden, eine einzige riesige Wüste aus Felsen, Lavagestein und Schotter. Auf den drei anderen Seiten sind wir von hoch auragenden Bergen umgeben. Die Strahlen der aufgehenden Sonne tauchen die große Bergkette in ein blendendes Weiß, das sich von der tiefen Schwärze des Himmels abhebt. Aber sonst gibt es nirgendwo die leuchtenden Farben, die wir auf der Erde gewohnt sind, sondern nur dumpes und totes Braun und Grau. Es gibt auch keine Wolken, keinen Wind, keinen Regen und keinen Schnee, ja, es gibt überhaupt kein Wetter. Über uns stehen die Sterne starr wie Stecknadelköpfe ; sie funkeln nicht, da die trübende Atmosphäre der Erde hier fehlt. Ein deutlich gekrümmter Horizont trennt das Land vom schwarzen Himmel. Und dicht neben der noch tiestehenden Sonne sehen wir die schmale Sichel der Erde, die hier etwa viermal so groß wie der zunehmende Mond erscheint. Das Lastschif und das zweite Passagierschif sind ein paar Hundert Meter entfernt gelandet. Auch ihre Insassen drängen sich in der ersten 135

Auregung der Landung auf einem remden Weltkörper auf den Schifsgerüsten. Auf dem Mond drohen verschiedene Geahren. Kosmische Strahlen, unsichtbare, durchdringende Atomteilchen aus dem Weltraum, trefen, von keiner Atmosphäre gehindert, seine Oberfläche. Meteoriten, von der Größe mikroskopisch kleiner Körnchen bis zur Ausdehnung von riesigen Blöcken, können herabstürzen. Und unter uns, auf dem Mond­ boden selbst, lauern trügerisch dünne Krusten über großen Spalten, die jeden Schritt zu einem gefährlichen Abenteuer machen. Fels­ zacken können außerdem den Stof der lebenswichtigen, den Luft­ druck und die Sauerstofzufuhr garantierenden Raumanzüge gefähr­ den. Wie groß sind nun all diese Geahren? Wir wissen das nicht genau, aber wir können uns trotzdem gegen sie wappnen. Bis wir die Stärke der kosmischen Strahlen gemessen haben, bleiben wir möglichst unter ausreichender Abschirmung. Darum muß unser Hauptquartier in einer tiefen Spalte des Mondbodens liegen, die uns etwas Schutz gegen die kosmischen Strahlen, aber auch gegen die Meteoriten bietet. Wenn wir uns den kosmischen Strahlen immer nur kurze Zeit aussetzen, schaden sie uns wahrscheinlich nicht. Große Meteoriten dagegen würden das ganz bestimmt tun, aber wir brauchen nicht zu befürchten, daß wir einem begegnen werden ; die kleinen, sand­ körnchengroßen Meteoriten j edoch, die dauernd auf den Mond nieder­ prasseln, prallen auf unsere Raumanzüge, die dick genug sind. Die scharen Augen unserer Geologen bewahren uns vor Einbrüchen in der Kruste. Gegen Risse in den kostbaren Raumanzügen hüten wir uns durch umsichtiges Vorgehen. Wir dürfen also darauf ver­ trauen, daß wir den Mond in Sicherheit erforschen können. Nach der Landung schifen wir zunächst einmal die ganze Ausrüstung aus. Schon ein paar Minuten nach der Ankunft schwenken die Inge­ nieure die großen Kräne an den Seiten der Passagierschife aus, um mit ihrer Hilfe die Besatzungen, Wissenschaftler und Techniker zum Boden hinunterzulassen. Die Träger mit den „Kraftwerken" der Schife, die während des Landemanövers an die Tankstützen ge­ klappt waren, werden hydraulisch in eine horizontale Lage gebracht, so daß sich die Sonnenspiegel alsbald der Sonne zuwenden. Nun beginnen die Quecksilberdampf-Turbinen die elektrischen Batterien 136

wieder aufzuladen, die unsere Schife während der Landung mit Strom versorgten, solange die Sonnenspiegel zum Schutz gegen die Schifsgerüste zugeklappt waren. Dann tappen wir in unseren beschwerlichen Raumanzügen durch den Staub zum Lastschif hinüber, dessen Besatzung schon mit dem Aus­ laden begonnen hat. Obwohl unsere Bewegungen von den Anzügen behindert werden, fühlen wir uns leicht. Der Mond hat nämlich nur ein Sechstel der irdischen Schwerkraft, so daß ein auf der Erde 90 Kilogramm schwerer Mann hier nur 1 5 Kilogramm wiegt. Darum tragen wir auch beschwerte Schuhe, die das Gehen, so paradox es auch klingt, erleichtern. Zuerst muß eines der drei tankähnlichen, 6 Meter langen Bodenfahr­ zeuge ausgeladen werden, die in ihrer ganzen Länge mit Raupen­ ketten ausgerüstet sind, um die Flächenbelastung zu verringern und auf der rauhen Mondoberläche die größtmögliche Zugkraft und Beweglichkeit zu bieten. Der Antrieb liegt zwischen den Ketten, die längliche, zylindrische Druckkabine für sieben Mann und etwas Zuladung beindet sich darüber. Sie hat zwei große ovale Fenster für den Fahrer und mehrere seitliche Luken für die anderen Insassen. Sie enthält außerdem eine Sprechunkausrüstung zum Senden und Empangen, eine Radareinrichtung zur Messung von Höhen und Entfernungen, und nicht zuletzt Sauerstof, Wasser, Lebensmittel und Treibstofe für 1 2 Stunden. Ein durchsichtiges Türmchen, ähn­ lich dem Geschützturm eines Panzerwagens, krönt das Ganze. Unmittelbar hinter der Luftschleusentür, am hinteren Ende der Druckkabine, ist ein kleiner, aber leistungsähiger Kran angebracht, wie man ihn an Abschleppwagen indet. Die Motoren für diese Schlepper sind so eingerichtet, daß sie keine Atmosphäre brauchen. Sie werden mit zwei Treibstofen betrieben : mit konzentriertem Wasserstofsuperoxyd und gewöhnlichem Heizöl. Das Wasserstofsuperoxyd wird zunächst in einer Katalysatorkammer chemisch zum Zerfall gebracht, wobei ein Gemisch aus überhitztem Dampf und reiem Sauerstof entsteht. Dann wird eine bestimmte Menge Brennstof eingespritzt, der mit dem Sauerstof des Gemisches verbrennt. Durch eine Reihe von Düsen wird Wasser in das Ver­ brennungsgas gespritzt, so daß ein Dampf von mäßiger Temperatur entsteht, der mit geringen Mengen von Kohlendioxyd und Kohlen1 37

monoxyd aus der Ölverbrennung durchsetzt ist. Der Dampfstrom kann durch Drosselung aller drei Komponenten reguliert werden. Auf diese Weise wird die Turbine für den Antrieb der Raupenketten betrieben. Der Dampf wird in einem Niederdruck-Kondensator wieder ver­ lüssigt. Dieser Kondensator besteht aus einer Anzahl von Leitungen, die horizontal auf dem Oberdeck des Fahrzeuges angebracht sind, so daß die Wärme frei in den Raum ausstrahlen kann. Eine hoch­ polierte, bewegliche, mit einem automatischen Servomotor ausge­ rüstete Sonnenblende über den Kondensatorleitungen bietet den notwendigen Schatten. Wenn sich das Fahrzeug fortbewegt, hält die Regulierung die Blenden stets automatisch zwischen Sonne und Leitungen. Das Kohlendioxyd und Kohlenmonoxyd wird in dem Kondensator nicht verlüssigt, sondern ausgeschieden und durch eine Auspuf­ leitung entfernt, während das verflüssigte Wasser wieder der Brenn­ kammer zugeführt wird. Der Wirkungsgrad dieser Anlage ist ziem­ lich hoch, wenn man bedenkt, daß der Sauerstof, den ein gewöhn­ licher Verbrennungsmotor sonst einach der Atmosphäre entnimmt, hierbei künstlich zugeführt werden muß. Hinsichtlich Treibstof­ verbrauch und Gewicht ist die Maschine außerordentlich wirtschaft­ lich. Unsere Mondschlepper haben auf ebenem Boden eine Höchst­ geschwindigkeit von 40 Kilometer in der Stunde. Diese mächtigen RauQ;_nschlepper, die auf der Erde ein Gewicht von fast 9 Tonnen hab�. wieven auf d�m M_oL uur""etwa 1 , 5 '1 onnen. Sobald der erste Schlepper ausgeladen und kontrolliert ist, besteigt ihn eine Suchgruppe, um nach einer für das Mondquartier geeigneten Spalte Ausschau zu halten. Das Geährt rasselt davon, aber wir kön­ nen nur annehmen, daß es rasselt, da wir auf dem Mond keinerlei Geräusche hören können. Als es sich über das Gelände dahinbewegt, sehen wir auch, daß es, im Gegensatz zu solchen Fahrzeugen auf der Erde, keine Staubwolken aufwirbelt. Der Staub wird, da es keine Luft gibt, die ihn tragen könnte, von den Ketten wie die Bugwelle eines schnellen Motorbootes zur Seite geschleudert. Auf dem Gelände im Umkreis des Lastschifes herrscht lebhaftes Treiben. In unseren Kopfhörern vernehmen wir die pausenlosen Anordnungen des Ingenieurs, der das Ausschifen überwacht. Er rieb-

tet seine Befehle nicht an Namen, sondern an Nummern. Da man die Gesichter durch die schweren, dunkelgefarbten Gläser der Schutz­ helme nicht erkennen kann, tragen wir nämlich alle Nummern an unseren Raumanzügen zur Unterscheidung. Nun werden auch die beiden anderen Schlepper und deren Anhänger zum Boden herabgelassen, betankt und kurz überprüft, denn ihre Motoren müssen in Ordnung sein. Dann werden die 260 Tonnen der Ausrüstung ausgeschift, aber das ist nicht so schwierig, wie es aussieht, da das Mondgewicht der Ladung nur 43 Tonnen beträgt. Zu den Vorräten gehören Behälter mit Wasser und lüssigem Sauer­ stof, eingedoste und eingefrorene Lebensmittel, wissenschaftliche Instrumente, Explosivstofe und eine Anzahl von Raketen etwa von der Art der amerikanischen Höhenorschungsrakete „Aerobee". Danach beginnt der Abbau des siloähnlichen Lastbehälters des Transportschifes, denn er gehört zur Ausrüstung und muß ebenalls herabgeholt werden. Seine Wände enthalten bereits alle Leitungen für elektrischen Strom, Telefone, Klima-Anlage, Wasser und Abwässer ; der Länge nach geteilt wird der Lastbehälter in zwei Gebäude verwandelt, und die horizontalen Decks, welche bisher die einzelnen Abteilungen trennten, werden nun zu senkrechten Wän­ den. Die Ingenieure dirigieren das Abmontieren des Behälters vom Gerüst. Dann werden die Einzelteile sorgältig herabgelassen und auf die Anhänger verladen. Man braucht viele Stunden, um das Lastschif völlig zu entlade' und auseinanderzunehmen. Gerade als die Such­ gruppe eine für unser Hauptquartier geeignete Spalte gefunden hat und zurückkehrt, werden die letzten Teile herabgebracht. Nun kön­ nen die Teile und Vorräte nach dieser Spalte transportiert werden. Viele Fahrten sind erorderlich, ehe alles zur künftigen Basis geschaft worden ist. Das Gerüst des Lastschifes steht nun abgetakelt und einsam in der wüsten Ebene ; nur seine Kugelkabine ist unversehrt. Wir lassen es zurück und benutzen die Kugelkabine mit ihrer wert­ vollen Funkanlage und großen Scheibenantenne als Verbindungs­ station zur Erde, eine einsame aber wichtige Aufgabe für die Funker. Die ausgewählte Spalte ist tief, denn wir brauchen eine Tiee von 20 bis 3 0 Meter, und sie hat fast lotrechte Wände. Die Kräne am Heck unserer Schlepper lassen nun eine Vorausabteilung auf den 1 39

Boden dieser Kluft hinab. Diese Gruppe soll den Platz für unsere beiden vorfabrizierten, fertigen Gebäude vorbereiten ; mit Spitz­ hacken und kleinen Sprengladungen ebnen die Männer den Boden. Dann beginnen wir endlich mit dem Aufbau unserer Mondbasis. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß die ersten Besucher des Mondes, nach einer Reise von 3 84 ooo Kilometer durch den Weltraum, am Ziel unter der Oberfläche leben müssen. Diese Vorsichtsmaßregel ist jedoch für unsere Sicherheit unbedingt erforderlich, denn es ist zu erwarten, daß die Unterkünfte während des sechswqchigen Auf­ enthaltes sonst Meteortrefern ausgesetzt sein werden. Diese Geschosse aus dem Weltraum bestehen zum größten Teil aus winzigen Körnchen, die einen Durchmesser von weniger als I Mil­ limeter haben, also meist dünner als ein Pfennigstück sind. Auch die Erde zieht natürlich Meteore an, aber die meisten verbrennen schon in der Erd-Atmosphäre. Die Mondoberläche dagegen, die von keiner Lufthülle geschützt ist, wird von allen Seiten von Meteoren bombar­ diert. Sie kommen in j edem möglichen Winkel an, aus dem Zenit oder sogar horizontal. Wenn wir von dem statistischen Zahlenmaterial, das über das nor­ male Bombardement der Erdoberfläche vorliegt, ausgehen, können wir annehmen, daß j ede Baracke alle 40 Stunden einmal von einem Meteor getrofen wird. Und wenn wir mit noch kleineren Meteoriten rechnen, sagen wir von der Größe feinster Staubkörnchen, ergibt die Wahrscheinlichkeitsrechnung einen Trefer pro Stunde. Natür­ lich können diese winzigen Teilchen keinen Schaden anrichten. Der Lastbehälter wurde ja für die Bedingungen des freien Weltraumes entworfen und mit Doppelwänden ausgerüstet, und die Außenwand wird durch solche Trefer nicht durchlöchert. Ist j edoch, ein Meteorit einmal etwas größer, groß genug, beide Wände zu durchschlagen, dann werden die Insassen durch ein empindliches Druckmeßgerät gewarnt, das automatisch Alarm schlägt. Das Loch kann also dann verschlossen werden, ehe eine nennenswerte Menge Luft entwichen ist. Wir brauchen uns also nicht um die Mikrometeoriten zu sorgen. Nur wegen der an sich fernliegenden und unwahrscheinlichen, aber trotzdem immer drohenden Möglichkeit, daß einmal ein größerer Körper aus dem Weltraum herabstürzt, müssen wir unter die Ober­ läche gehen.

Es gibt noch einen zweiten Grund dafür: die kosmische Strahlung. Wir wissen noch nicht, in welchem Ausmaß wir auf dem Mond der kosmischen Strahlung ausgesetzt sein werden. Und wir haben, wiederum wegen des Fehlens der Atmosphäre, keinen natürlichen Schutz dagegen. Aber in der Tiefe einer Schlucht halten die Felsen den größten Teil der Strahlung ab, so daß wir dort nur jener geringen Menge Strahlung ausgesetzt sind, welche durch die schmale Öfnung am oberen Ende der Spalte eindringen kann. Wegen der Meteorgefahr wird das Ausschifen in größter Eile voran­ getrieben. Ein Trefer auf die auf ihren Abtransport wartenden Explosivstofbehälter wäre beispielsweise besonders geährlich. Natür­ lich muß man während der ganzen sechs Wochen der Expedition immer befürchten, daß ein gewaltiges Meteorit den •Landeplatz trift und die Fahrzeuge zertrümmert. Solch ein Ereignis ist aber genauso unwahrscheinlich wie das Risiko, von einem abstürzenden Flugzeug getrofen zu werden. Außerdem werden die Fahrzeuge auf alle Fälle in angemessenen Abständen aufgestellt. Sobald nun der Boden unserer Schlucht geebnet ist, werden die Teile der beiden vorfabrizierten Unterkunftsbaracken hinabgelassen und aufgestellt. Sie sind schnell montiert ; die Leitungen für den elek­ trischen Strom, die Klima-Anlage, das Trink- und Nutzwasser und die Abwässer werden festgemacht und angeschlossen. Schließlich wird die Stromerzeugungsanlage des Lastschifes am oberen Rand der Schlucht aufgebaut. Die beiden Hälften des Lastbehälters dienen nun verschiedenen Auf­ gaben. Eine wird nur als Wohnbaracke verwendet, in welcher die Teilnehmer der Expedition sich ausruhen, essen und schlafen. Die andere dient als Laboratorium, in dem allerlei Proben mikroskopisch untersucht oder chemisch analysiert und alle möglichen Experimente unternommen werden können. Auch andere notwendige Arbeiten, wie beispielsweise die Entwicklung von Fotomaterial, werden hier vorgenommen. Die Trennung von Quartier und Arbeitsraum, die wahrscheinlich von manchen Teilnehmern als unbequem empfunden wird, hat einen einfachen Grund. Auf dem Mond kann man die Gerüche der bei den Arbeiten verwendeten Chemikalien, wie zum Beispiel der Säuren in der Dunkelkammer, nicht etwa durch das Öfnen der Fenster ent-

fernen. Wenn wi; das täten, würden zwar die störenden Gerüche wegen des außen vorhandenen Vakuums soort hinausgesaugt wer­ den, aber die Luft im Raum ebenalls. Für die Luftreinigung sorgt die Klima-Anlage ; trotzdem ist das Laboratorium, das stets seine eigene, charakteristische Atmosphäre hat, kaum der geeignete Platz, an dem man sechs Wochen lang leben, essen und schlafen könnte. Am Rande der Spalte werden Vorräte mit dem Kran eines der Schlep­ per hinabgelassen. Auf gleiche Weise betreten und verlassen die Expeditionsteilnehmer die Schlucht ; sie können aber auch eine aus­ ziehbare Leiter benutzen. Zwischen der Leiter und dem Traktor befindet sich die Kraftanlage, die den notwendigen elektrischen Strom liefert. Sie ist, wie der Sonnenspiegel, aus dem Lastschif entnommen worden. • Beide Gebäude besitzen eine selbständige Klima-Anlage, Sauerstof­ versorgung und Luftrocknung, letztere sammelt und reinigt die überschüssige Feuchtigkeit in der künstlichen Atmosphäre, die die Hütten erfüllt, zwecks weiterer Verwendung. Die Klima- und Lufttrocknungsanlage des Laboratoriumsgebäudes liegt im Erdge­ schoß, direkt hinter der Leiter. Daneben beindet sich der Raum für chemische Untersuchungen und rechts davon die Dunkelkammer. Hinter der nächsten Tür arbeitet der Funker, der ständig Verbindung mit den im Außendienst arbeitenden Teilnehmern hält und ihre Durchsagen auf Band esthält. Diese besprochenen Bänder werden dann den Funkern im Lastschif zugestellt, die die Berichte nach der Erde übertragen. Der obere Stock an diesem Ende des Gebäudes dient zur Unterbringung von Vorräten und Wasser. Der Raum in der Mitte enthält eine doppelseitige Bildwand für Farbotograien, Bildstreifen und Filme, die während der wissen­ schaftlichen Arbeiten aufgenommen wurden. Ganz hinten in dem Raum beindet sich ein physikalisches Laboratorium ; hier geht man der Frage zu Leibe, ob der Mond Reste einer Atmosphäre besitzt, prüft Gesteinsproben auf Magnetismus und Radioaktivität und so weiter. Das Projektionszimmer ist dahinter ; daneben befindet sich ein Konferenzraum. Rechts davon, hinter der kleinen Leiter, liegt die Apotheke. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden darüber auf­ bewahrt. Der ganze Raum auf der rechten Seite des Labor-Gebäudes stellt

eine Vorkammer dar, in der Raumanzüge an Rollen aufgehängt sind. Beim Betreten oder Verlassen der Hütten müssen wir durch Luftschleusen kriechen. Wenn ein Mann die Luftschleuse des Labo­ ratoriums betritt, schlägt der äußere Deckel, von starken Federn bewegt, hinter ihm luftdicht zu, der innere öfnet sich, wenn ein Handrad gedreht wird. Eine luftdicht schließende Leitung verbindet die beiden Baracken. Im Notfall führt sie Wasser oder Luft von einem Gebäude ins andere. Im Vordergrund der Wohnbaracke sieht man in voller Größe die Klima- und Lufttrocknungsanlage. Der dahinter beindliche Raum enthält Betten und Spinde für die meisten Expeditionsteilnehmer und, auf der rechten Seite, einen Waschraum. Die Kojen für die übrigen Teilnehmer beinden sich im oberen Stock, der sich über die ganze Länge des Gebäudes erstreckt und sonst hauptsächlich zur Unterbringung von Material dient. Der größere Mittelteil enthält die Küche und den Eßraum. Ein Auf­ zug führt zur Speisekammer im oberen Stockwerk. Die mit Bänken kombinierten Tische am Eßplatz können zur Decke emporgezogen werden, wenn sie nicht gebraucht werden. An der rechten Seite dieses Teils beinden sich Waschmaschinen, Warmluft-Trockenräume und eine Brausekabine. Ganz hinten sind Kleiderspinde angebracht. Die Sauerstofvorräte für beide Gebäude beinden sich in den zylin­ drischen Behältern, die außen an den Barackenwänden angebracht sind, um Platz im Innern zu sparen. Auch die Scheinwerfer zur Beleuchtung der finsteren Schlucht sind draußen aufgestellt. Diese ganze Anlage erscheint ziemlich umangreich, aber sie umfaßt wirk­ lich nur das für einen sechswöchigen Aufenthalt Allernotwendigste. Die Klima-Anlage, die Vorrichtungen zur Lufttrocknung und Wasser­ rückgewinnung, die Kraftanlage mit dem Sonnenspiegel, ja sogar die Kojen gehörten ursprünglich zum Lastschif und werden nun in der Basis wieder verwendet. Bis alles ausgeladen, ein Platz gesucht und die Mondbasis errichtet ist, gibt es für alle nur wenig Schlaf, denn bei allen diesen Arbeiten tut Eile not. Man schätzt, daß dieser erste Teil des Expeditions­ programms innerhalb von 48 Stunden erledigt sein kann. Dann ist das ganze Material außer Reichweite der Meteoriten ; dann sind Wohn14 3

baracke und Laboratorium fertig und die Forscher nach emem erquickenden Schlaf bereit, mit der Arbeit zu beginnen. Auch wenn es für uns laut Greenwich-Normalzeit „Nacht" ist, scheint die unglaublich helle Sonne, und sie wird das während der fast zwei Wochen dieses ersten „Tages" auf dem Mond tun. Aber ihre Wärme dringt nicht in unsere Schlucht ein. Von der Erde aus haben die Wissenschaftler bisher die Temperaturen unter der Mond­ oberfläche noch nicht genau messen können ; man nimmt j edoch an, daß wir eine Temperatur erwarten können, die etwas unter dem Gerierpunkt des Wassers liegt. Wegen der schmalen Öfnung der Schlucht, in der wir unsere Mondbasis errichtet haben, kann nur wenig Sonnenlicht einallen. Die Schlucht hat daher stets eine gleich­ bleibende Temperatur, die, wenn die Wissenschaftler richtig schätzen, der Temperatur des Mondinnern entspricht und etwas unter dem Gefrierpunkt liegt. Obgleich es also außerhalb der Baracken kalt ist, kann man sie ohne Schwierigkeiten heizen. Da es auf dem Mond keinen Wind gibt, geht nur wenig Wärme verloren ; tatsächlich leben wir wegen der Doppelwände der Hütten so gut isoliert wie im Innern einer Thermosflasche. Sonnenspiegel und Stromerzeuger am oberen Rande der Schlucht sorgen für genügend Wärme, so daß wir in beiden Gebäuden ein angenehmes Klima haben.

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Die Land ung auf dem Mond. In dem dargestellten Augen bl ick befi nden sich d i e Schiffe noch 885 K i l o m eter ü ber der Mondoberfläche. Die Raketentriebwerke sind gerade eingeschaltet word en, um die hohe, d u rch den Absturz auf den Mond hervorgerufene Fallgeschwi ndig keit zu bremsen ; der Sturz began n , als die Schiffe jene L i n i e passierten, wo die Anziehungskräfte von Erde und Mond genau g leich g roß sind. Das ganze Landemanöver beansprucht 10 Min uten, nach deren Verlauf d i e Schiffe in bezug auf den Mond zum Stil lstand gekommen sein m üssen. Als Landeplatz ist die Ebene l i n ks vom Mitte l p u n kt des Bildes vorgesehen, die vom Feuerstrahl des Lastschifes (u nten l i n ks) teilweise bedeckt ist; der einsame Krater u n m itte l bar ü ber der B i l d mitte ist H arpalus, die g roße „ B ucht" rechts daneben ist S i n us irid u m , und der g roße Krater i n der oberen rechten Ecke ist Plato.

Die Erforschung d es Mondes

U

nser Landeplatz und Hauptquartier, Sinus roris, wurde nicht nur wegen seiner für alle Forschungen praktischen Lage gewählt, sondern auch wegen seiner erträglichen Temperaturen : minus 5 Grad Celsius während des Mond-Tages und 1 00 Grad Celsius unter dem Gerierpunkt während der Mond-Nacht. Die Mond-Nacht ist zwar ziemlich kalt, aber die von uns auf dem luftlosen Mond getrofenen Vorsichtsmaßnahmen reichen für unseren Schutz aus. Von unserem Hauptquartier aus können wir j eden Platz im Umkreis von 400 Kilometer erforschen ; die meisten Gebiete, welche unsere Wissenschaftler interessieren, sind von da aus leicht erreichbar. Natürlich kommen wir nicht um einige längere Auslüge herum, denn die uns interessierende Fläche ist größer als die Länder Bayern und Baden-Württemberg zusammen. Natürlich wäre j ede Stelle auf der Mondoberfläche für die Forscher von Interesse, aber Sinus roris wurde ganz bewußt ausgewählt. Wären wir zum Beispiel im Südpolgebiet des Mondes gelandet, würden wir uns dem wüstesten Terrain gegenübersehen, einem ungeheuren Dschungel von Mondkratern. Dort gibt es die lachen Ebenen wie in der Gegend von Sinus roris nicht. Die Krater im Südpolgebiet weisen alle möglichen Größen auf, von Clavius, dem größten von allen, mit seinem Durchmesser von 2 3 4 Kilometer, bis zu den steck­ nadelkopfgroßen, die von Mikrometeoriten geschlagen wurden. Am Aquator würden wir nicht nur eine sengende Temperatur, die am Mond-Tag r no Grad Celsius übersteigt, erleben, sondern auch die gewaltigen Mare oder sogenannten „Meere" finden, eine der irre­ führendsten Bezeichnungen, die j e in die Wissenschaft Eingang ge­ funden haben. Diese „Meere", von denen manche nahezu kreisörmig sind, scheinen mächtige Lavafelder zu sein, deren größtes, das Mare lmbrium, einen Durchmesser von über I 1 00 Kilometer hat. Das Gebiet, das wir ausgesucht haben, Sinus roris, ist ein sogenannter kleiner Meerbusen mit ebener Oberläche, nördlich der Gebirgs-

landschaft, welche das Mare Imbrium begrenzt. Unsere Erorschung soll uns 400 Kilometer weit führen, durch eine Gegend mit mäßig großen Kratern bis hin zum äußeren Rand des Mare Imbrium in der Nähe des Sinus iridium. Dieser ist ast so groß wie die größten Krater auf dem Mond. Zm Studium der Entstehung des Mondes gehört die Frage, ob die Krater durch eine Art vulkanischer Tätigkeit auf dem Mond oder durch mächtige Explosionen entstanden sind, neben denen die Gewalt der Wasserstofbombe verblassen würde. Die meisren Seleno­ graphen, Wissenschaftler, die die Oberflächenverhältnisse auf dem Mond studieren, glauben heute, daß der größte Teil der Krater durch Meteore entstanden ist, welche die Mondoberfläche mit Geschwin­ digkeiten von mehreren Kilometern in der Sekunde trafen und oft

Die wichtigsten Einzel heiten der Mondoberfläche in der Nähe des Mond nord pols mit dem Gebiet, das als Ziel der ersten Mondexpedition ausgewählt wurde. Die S kizze zeigt d i eses Gebiet, wie es dem u n bewafneten Auge aus einer Entfern ung von mehreren Tausend Kilometer erscheinen w ü rde. Die ü blichen Mond karten in astronomischen Büchern zeigen den Nord pol des Mondes unten, wei l die astronomischen Geräte das Bild u m kehren. 1 47

Durchmesser von mehreren Tausend Metern hatten. Dr. Ralph B. Baldwin, der im Laboratorium ür angewandte Physik der Johns Hopkins Universität arbeitete, geht sogar noch weiter und behauptet, daß nicht nur die Krater, sondern auch die großen „Meere" durch solche Zusammenstöße entstanden seien. Wir können uns die Gewalt dieser Explosionen kaum vorstellen. Um die Mare zu formen, müßten die herabstürzenden Körper Durchmesser von vielen Kilometern gehabt haben, da die Explosionen groß genug wären, um ein Gebiet von der Größe Westdeutschlands zu zerschmettern und eine Fläche von der Größe Mitteleuropas mit abgesprengtem Schutt zu übersäen. Vielleicht kann man durch eine sorgältige Erforschung der großen Lavaflächen im Gebiet von Sinus roris und der großen Gebirge, die sich quer über den äußeren Streifen des Mare lmbrium ziehen, diese Theorie von dem Ursprung der Mare bestätigen oder zurückweisen. Gewiß kann die gründliche Erorschung eines Kraters dazu beitragen, eine Antwort auf die uralte Frage nach den Naturkräften, welche diese Pockennarben verursachten, zu inden. Wonach halten wir während der sechs Wochen unserer Expedition noch Ausschau? Unsere Astronomen wollen wissen, ob es auf dem Mond Reste einer Atmosphäre gibt, die Geoph ysiker, welche Gesteine es dort gibt - viel­ leicht inden wir nützliche, seltene Erze -, ob der Mond ein Magnetfeld wie die Erde hat und welche Temperaturen unter der Mondoberfläche herrschen. Astronomen und Geophysiker wollen herausbekommen, auf welche Weise der Mond liat entstehen können, während andere den Mond und seine Bodenschätze ganz gern ausbeuten würden. Die reine Neugier spielt bei unserer Forschungsarbeit natürlich auch eine Rolle. Wir sind hier j a die ersten Menschen ; als erste blicken wir in die geheimnisvollen Mondtäler, als erste betrachten wir die Gebirge und Krater des Mondes aus der Nähe. Wer weiß, was wir alles finden werden? Ein Mondschif u n m ittelbar vor dem Aufsetzen auf der Mondoberfläche. Radar-Anten n e und Sonnenspiegel l i egen zum Schutz fest am Haltegerüst der Trei bstofbehälter a n . Das m ittlere Landebein, a u f dem nach der Landung d a s Gewicht d e s Schifes ruhen wird, ist eben ausgefahren worden ; d i e vier hydra u l ischen Teleskopbei n e an den Ecken des G erüstes verh indern ein Umki ppen des Schifes nach erfolgter Land ung. Der Feuer­ strahl der Bren n ka m mern g räbt einen kleinen Krater in den Mond boden.

Die Möglichkeiten sind äußerst fesselnd. Angenommen, wir stoßen auf große Lager wichtiger Rohstofe ; vielleicht würden wir dann die Gründung einer ständigen Niederlassung empfehlen. Wir können sie völlig selbständig machen, indem wir sie in eine gewaltige Kunst­ stofkuppel mit einer eigenen künstlichen Atmosphäre sicher ein­ betten. Solch eine Anlage könnte als überragendes wissenschaftliches Laboratorium dienen, besonders für Astronomen und Forscher, die ür ihre Arbeiten ein Vakuum brauchen ; sie könnte aber auch als Basis für weitere Vorstöße in den Weltraum dienen. Wenn wir auf dem Mond eine eigene Treibstof-Fabrikation einrichten können, was durchaus möglich sein mag, können wir den Start eines Raum­ schifes gewaltig vereinachen. Das Hauptziel dieser ersten Erorschung des Mondes ist j edoch rein wissenschaftlich. Unsere Untersuchungen werden dazu beitragen, ein Geheimnis des Universums zu entschleiern : Wie der Mond und die Planeten entstanden sind und aus was sie sich bildeten. Bis j etzt stammt alles, was wir darüber wissen, von Untersuchungen der Erde und Beobachtungen des Himmels von irdischen Observatorien aus. Der Mond wird uns eine neue Perspektive schenken, einen ganz anderen Blick auf die Gestirne und damit entscheidende Inormationen über seine Entstehung als Schlüssel zum Verständnis ür die Geburt anderer Trabanten, Planeten und Sterne. Wir wissen schon, daß der Mond sich nicht im Paziischen Ozean bildete und von dort an den Himmel geschleudert wurde, wie man noch vor ünzig Jahren allgemein glaubte. Es ist möglich, daß er einst ein selbständiger Planet war, der aus dem Weltraum in das Schwerefeld der Erde geriet, in den Pazifik stürzte und von dort auf seine gegenwärtige Bahn zurückgeschleudert wurde. Die plausibelste Annahme ist j edoch, daß der Mond ursprünglich aus Gasen und Mineralien bestand, die einen Ring um die sich bildende Erde form­ ten, ähnlich dem heutigen Saturnring, und sich schließlich zu einer festen Masse zusammenzogen. Das ist eine der Theorien, welche wir nachprüfen werden. Wenn sich geringe Spuren schwerer Gase, wie Xenon und Krypton, finden, können wir daraus schließen, daß der Mond niemals völlig glutflüssig war, denn extreme Wärme würde ale Gase vertrieben haben, und daher niemals ein selbständiger Weltkörper gewesen ist.

Die Physiker orschen nach diesen spärlichen Resten einer Atmo­ sphäre mit Hile von Kreiselpumpen oder anderen Vakuumpumpen, die alles, was an Gas überhaupt noch vorhanden sein mag, in einen langen, rohrähnlichen Behälter saugen und komprimieren. Auf jeden Fall gibt es auf dem Mond nicht viel Gas, wir wissen, daß seine Gesamtmenge auf der Mondoberläche geringer ist als ein Hundert­ millionstel der Lutmenge an der Erdoberläche, so daß es vielleicht viele Tage dauert, bis genug von dem vermuteten Gas gesammelt ist. Seine Untersuchung ist dagegen dann ziemlich einfach. Den Inhalt der Sammelrohre untersuchen die Physiker mittels Absorption von Licht, das viele Male durch das angesammelte Gas hin und her reflektiert wird ; dabei stellen sie fest, welche Farben verschwinden, um aus diesen selektiven Absorptionseigenschaften die vorhandenen Gase zu bestimmen. Sie erzeugen auch Funken oder Fluoreszenzerscheinungen in den Gasen, indem sie die einzelnen Gasatome in Schwingungen versetzen, so daß sie charakteristische Spektralarben ausstrahlen, wie Neon in fluoreszierenden Röhren oder gewöhnliches Salz, wenn es in eine Gasflamme ällt. Sie unter­ suchen die Gaszusammensetzung außerdem mit Hilfe eines besonders wichtigen Gerätes, eines sogenannten Massenspektrographen, der die verschiedenen Atome eines Gases nach ihren spezifischen Atomgewichten voneinander trennt. Dieser Apparat dient auch zur Trennung des U 2 3 5 von dem schwereren U 23 8 bei Atom­ versuchen. Wenn es auf dem Mond noch restliche Spuren einer Atmosphäre gibt, die etwa dem hundertmillionsten Teil der Erdatmosphäre ent­ spricht, können wir erwarten, daß dort auch Nordlichter auftreten, allerdings wesentlich schwächer als auf der Erde. Wie auf der Erde bilden sie sich durch Ströme von Korpuskeln, die von der Sonne Lastschif u n d Passag ierschiff der Mondexpedition. Beide haben d i e gleichen ä ußeren Abmessungen ; sie sind 49 Meter lang und 33 Meter breit, und jedes würde auf der Erde 3964 Tonnen wiegen. Das Lastschif ist jedoch n u r für den H i nfl ug best i m mt und kann deshalb Lad u n g im Gewicht der Treibstoffe mitfü h ren, welche die Passagierschife für den Rückflug mitneh men m üssen. Das Lastschiff ist mit 281 1 000 Liter Treibstofen betankt, von denen 2200000 Liter für den Abflug von der Bahn der Weltraumstation und 611 000 Liter für die Land u n g auf dem Mond gebraucht werden. Die Passagier­ schife müssen darü ber h i naus fast 240000 Liter Treibstofe für den Rückflug mitnehmen.

kommen. Auf der Erde übt j edoch das starke magnetische Feld eine merklich zusammenassende Wirkung auf diese Korpuskular­ strahlen, die aus Protonen (Kerne von Wasserstofatomen) und Elek­ tronen bestehen, aus. Daher kommen praktisch alle diese Erschei­ nungen am magnetischen Nord- und Südpol der Erde vor, während sie in den mittleren Breiten der Erde ast unbekannt sind. Außerdem werden diese Erscheinungen in der Nähe der Pole meistens durch die Magnetfelder auf verhältnismäßig kleine Räume konzentriert. Dr. Carl W. Gartlein vom Cornell und Dr. Aden Baker Meinel vom Yerkes Observatorium der Universität Chikago haben nachgewiesen, daß die Nordlichter zum Teil auf Wasserstofkerne oder Protonen zurückgehen, die mit Geschwindigkeiten von fast 3 000 Kilometer in der Sekunde in die Erdatmosphäre eindringen. Das Polarlicht entsteht hauptsächlich durch Zusammenstöße dieser Protonen und Elektronen mit den Teilchen der oberen Atmosphäre. Wenn der Mond nun ein schwaches oder vernachlässigbar kleines magnetisches Feld besitzt, kann es keinen Sammel-Efekt geben, und die Korpus­ kularströme von der Sonne werden nur leicht durch das Magnetfeld der Erde abgelenkt. Folglich muß man annehmen, daß die Polar­ lichter überall auf dem Mond auftreten, vielleicht sogar häuiger als auf der Erde, aber keinesalls so intensiv. Wenn die Atmosphäre schließlich, was anzunehmen ist, aus schweren Gasen, wie Xenon und Krypton oder schweren Molekülen wie Kohlendioxyd besteht, dann werden sich die Bilder der Polarlichter auf dem Mond von den entsprechenden Erscheinungen auf der Erde erheblich unterscheiden. Glücklicherweise kann man j edoch wegen des nahezu vollständigen Vakuums auf dem Mond die Strahlungen der Mond-Polarlichter spektroskopisch vom Infrarot über das sichtbare und ultraviolette Licht bis hin zum Gebiet der Röntgenstrahlen untersuchen. Der Astrophysiker der Expedition hat also die schwierige Aufgabe, das vielleicht vorhandene unsichtbare Licht in der Nähe der Mondober­ fläche spektroskopisch zu messen. Dafür bedient er sich eines Spek­ trographen mit einem besonders schnellen Linsensystem oder einem Spiegelsystem, den er in der langen Mondnacht über längere Zeit­ räume exponiert. Er belichtet in den verschiedenen Spektralbereichen bis zu zehn Tagen lang, um ein intensives Spektrum mit größtmög­ licher Dispersion zu bekommen. Außerdem verwendet er verschiedene

Spektrographen für verschiedene Spektralbereiche und Geschwindig­ keiten. Wir werden auf dem Mond auch nach einem Magnetfeld suchen. Eine einache Kompaßnadel würde uns soort ein starkes Magnetfeld anzeigen, aber die Physiker verwenden natürlich viel empindlichere Instrumente, um auch noch Spuren eines Magnetfeldes auzuspüren, das vielleicht über einmillionenmal schwächer sein mag als das Ma­ gnetfeld der Erde. Das Magnetfeld der Erde bleibt insofern rätselhaft, als sich die Lage der magnetischen Pole langsam ändert. Als Kolumbus nach Amerika segelte, beand sich der Magnetpol beispielsweise ast nördlich von England ; heute hat er sich weit nach Westen verschoben und beindet sich nun nahezu nördlich von Chikago. Das wäre nicht der Fall, wenn das Magnetfeld der Erde durch feste Magnete tief im Innern der Erdkugel hervorgerufen würde, und die meisten Geophysiker glauben daher, daß unser Magnetfeld durch elektrische Ströme in flüssigem Eisen tief im Kern der Erde verursacht wird. Wir haben Grund u der Annahme, daß das Innere des Mondes nicht glutlüssig ist, obgleich wir uns natürlich irren können. Wenn der Mond wirklich ein durch und durch fester Körper ist, muß sein Magnetfeld für alle Zeiten unveränderlich sein. Aber außer einem schwachen Magnetfeld über dem ganzen Mond könnte es auch noch viele schwache Einzelfelder geben, die durch verschiedene magnetische Stofe tief unter der Mondoberläche hervorgerufen werden. Wenn das der Fall ist, verändert die Kompaßnadel ihre Richtung, sobald wir uns von einem Platz nach einem anderen bewegen. Eisenerze und andere Metalle, die solche Felder erzeugen, können wir dann mit Hilfe von leichten, kompaßähnlichen Magnetometern aufspüren. Vielleicht können wir sogar feststellen, ob es einst ein viel stärkeres Magnetfeld um Erde und Mond gemeinsam gegeben hat, das den permanenten Magnetismus mancher Stofe bei ihrer Abkühlung für immer beeinlußt haben kann. Wir konnten auf der Erde Magnet­ felder der Vergaigenheit dadurch ermitteln, daß wir die Richtung des Magnetismus in alten Gesteinsschichten bestimmten. Auf ähnliche Weise kann man durch die Messung des Magnetismus begrenzter Gebiete auf der Mondoberläche mancherlei über die Entstehungs­ geschichte des Mondes in Erahrung bringen. I

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Auch die Temperaturen auf dem Mond werden wir messen. Und das wird nicht einmal so leicht sein. Die wissenschaftlich exakte Temperaturmessung auf dem Mond ist besonders schwierig, weil wir es dort mit ungewöhnlichen Tempera­ tur-Änderungen zu tun haben. Normale Thermometer sind für die Bestimmung der Oberflächentemperatur praktisch nutzlos, da die Geräte durch die ringsum wirkende Strahlung beeinflußt werden. Für genaue Messungen stehen uns aber viele andere empindliche Instrumente zur Verfügung, wie Strahlungsthermometer und ein Gerät, das unter dem Namen Bolometer bekannt ist, ein elektrisches Instrument zur Messung ganz geringer Wärmemengen, denn auf der Mondoberfläche stellen sich um die Mittagszeit ganz erhebliche Temperaturunterschiede ein, und zwar auch an Stellen, die oft nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt sind. Diese Abweichungen sind eine Folge der Staubschicht, deren Dicke von einer Stelle zur anderen wechselt. Auch die lotrechten Flächen, wie beispielsweise die Seiten von Felsen und die Flanken von Bergen, die nicht von Staub bedeckt sind, liefern andere Meßergebnisse als die horizontalen Flächen mit ihren isolierenden Schichten. Strahlungsthermometer lassen sich gut zur Temperaturmessung im Boden verwenden, wenn die Instrumente in eine Spalte gesteckt und nach außen mit einem strahlenabweisenden Material, beispiels­ weise Aluminiumfolie, abgedeckt werden, das alle Wärme von der Öfnung fernhält. Auf diese Weise liefern diese Thermometer exakte Werte. Die Physiker werden also sorgältig vorbereitete Temperatur­ schreiber von der Staubschicht an der Oberfläche bis zu einer Tiefe von mehreren Metern einsetzen, um die Temperaturen fortlaufend zu registrieren. Diese Messungen werden einen ganzen Mond-Tag über fortgesetzt, das heißt einen zwei irdische Wochen langen Tag und eine ebenfalls zwei irdische Wochen lange Nacht über. Zur Aus­ rüstung müssen daher auch Grabgeräte gehören, um mit diesen Thermometern in den Boden eindringen zu können. Wie schon erwähnt, wird die Mondoberfläche während des zwei Wochen langen Tages mächtig warm, um dann in der zwei Wochen Die Mond basis, ursprün g l ich Lastbehälter eines der d rei Mondschife, wird z u m Sch utz gegen Meteoriten in der Nähe des Landeplatzes in einer Schl ucht errichtet.

langen Nacht bis auf minus 1 00 Grad Celsius und mehr abzukühlen. Doch schon wenige Meter unter der Oberläche ist die Temperatur ast konstant, und zwar glauben wir annehmen zu können, daß sie dort um einige Grade unter dem Gerierpunkt liegt. An diesen Unter­ schieden ist der feine Mondstaub schuld, der die Mondoberläche als Isolierschicht bedeckt. Auch die Geologen und Geophysiker müssen auf der Suche nach Gesteinsproben ein bißchen in den Mond „eindringen". Sie haben natürlich die Absicht, soviel wie möglich zu sammeln und ihre Aus­ beute dann im Mondlaboratorium gründlich zu untersuchen. Eine vorläuige Übersicht gewinnen sie schon an Ort und Stelle, wobei sie vielleicht auch manche unbekannten Typen entdecken ; im Labo­ ratorium können sie dann ihre Proben mit chemischen, spektro­ skopischen, mikroskopischen oder anderen Methoden, die keine schwere Ausrüstung erfordern, klassiizieren. Dadurch wird die Zahl der Gesteinsproben, die man mit zur Erde zurücknehmen muß, erheblich reduziert, und das ist notwendig, da das Gewicht beim Rücklug begrenzt ist. Gestein, das man an der Mondoberläche indet, und zwar in einiger Entfernung von den Lavafeldern und Kraterrändern, lieert uns vielleicht Hinweise auf die Urbestandteile des Universums. Struktur und Zusammensetzung der Gesteine, die wir an der Mondoberläche inden, zeigen uns, welche Stofe sich in großen Wolken über einem neugeborenen Stern sammeln. Die Untersuchung der mineralogischen Formationen auf dem Mond bereichert unser Wissen mehr als die entsprechenden Untersuchungen auf der Erde oder an Meteoriten, welche die Erdatmosphäre durchschlagen haben. Der berühmte Kosmologe Dr. Harold C. Urey von der Universität Chikago nimmt an, daß die Achondriten, eine besondere Art seltener Meteorsteine, die den Sturzflug durch die Atmosphäre überstehen und auf der Erde gelegentlich geunden werden, für diese Mondsteine typisch sind. Ureys Schlüsse können beinahe durch einen Spaziergang überprüft werden, sobald wir erst einmal den richtigen Teil des Mondes betreten haben. Aber werden wir denn überhaupt seltene Mineralien inden? Nun, der Begrif „wertvoll" ändert sich bei der Erforschung des Mondes erheblich. Gold, Platin und sogar Diaman­ ten haben dort für uns keinen Wert. Viel wichtiger wäre uns -

neben Uran - ein Mineral, aus dem man Wasser gewinnen könnte. Unglücklicherweise deutet alles darauf hin, daß wir auf der Mond­ oberläche oder in Spalten und unterirdischen Höhlen weder Wasser noch Eis inden werden. Immerhin ist es denkbar, daß Eis entdeckt wird, das im Mondinnern an manchen Stellen eingeschlossen ist, aber dann müßten wir, alls wir wirklich etwas inden, es aus den chemischen Verbindungen gewinnen, die es mit den dort vorhandenen Mineralien eingegangen ist. Obgleich viele Steine im Erdinnern bis zu 3 Prozent Wasser in kristallisiertem Zustand enthalten, ist es durchaus nicht sicher, daß es auf dem Mond nun genauso sein muß. Unsere nach Wasser suchenden Geologen werden also auf j eden Fall so lange danach forschen, bis sie festgestellt haben, ob auf dem Mond Eis in dieser Form vorhanden ist oder nicht. Natürlich wissen die Geologen und Geophysiker, daß sie mit Brech­ stange und Spaten nicht weit in die Geheimnisse des Mondinnern eindringen können. Nun kann man aber den Inhalt einer Schachtel oft dadurch erraten, daß man sie einach schüttelt. Durch das Studium der Erdbeben haben wir eine ganze Menge über das Erdinnere ge­ lernt. Geschwindigkeit und Richtung der Bebenwellen liefern uns nämlich gute Aufschlüsse über die Dichte, Zusammensetzung und Struktur des Erdinnern. Auf dem Mond können wir keine Beben erwarten, es sei denn, daß große Meteoriten vielleicht in seltenen Fällen oberflächliche Erschütterungen hervorrufen. Sollte sich diese Hypothese aber als alsch erweisen und Mondbeben häuiger auf­ treten, dann können uns empindliche planmäßig verteilte Seismo­ graphen zeigen, ob der Mond einen glutflüssigen Kern besitzt. Wenn der Kern glutlüssig ist, können ihn bestimmte Wellen nicht passieren ; ist er dagegen fest, gehen sie hindurch, und wenn er nur aus festem Geröll besteht, das niemals glutflüssig gewesen ist, werden sie gedämpft. Wir werden die Mondoberläche auch selbst ein bißchen erschüttern. Da wir nicht mit Mondbeben rechnen können, erzeugen wir die Erschütterungen zum Studium des Mondinnern auf eigene Faust. In der Nähe unserer Basis bringen wir unterirdische Sprengladungen an, lassen sie hochgehen und registrieren dann mit unseren Seismo­ graphen, wie sich die Wellen im Mondinnern ausbreiten. Auf diese Weise können wir auch die Dicke der Lavaschichten in I59

den „Meeren" messen. Manche können mehrere Kilometer dick sein. Die Wellen werden an der Unterseite der Lavaschicht relektiert, so daß wir ein „Echo" der Wellen messen und aus der gesamten Laufzeit der Wellen die Dicke der betrefenden Schicht genau be­ stimmen können. Diese seismographische Forschung hängt davon ab, wie fest wir das Innere des Mondes inden werden. Wenn der Mondkern fest ist, versetzen wir weit auseinanderliegende Teile der Oberfläche durch Raketen, beispielsweise vom Typ „Aerobee", mit hochwirksamen Sprengköpfen in Erschütterungen. Mit diesen Raketen können wir große Entfernungen überbrücken, da sie hier wegen der geringeren Schwerkraft des Mondes viel weiter liegen können als auf der Erde. Die Seismographen registrieren dann die künstlichen Mondbeben, sobald die Raketen beim Aufschlag explodieren. Die Mondbebenwellen können auch bei der Suche nach Erzlagern verwendet werden. Zunächst stellen die Geologen durch eine Unter­ suchung der Gesteine an der Oberläche und dicht darunter fest, was für Schichten überhaupt vorhanden sind ; daraus können sie dann auf die Mineralien, die man vielleicht in größerer Tiefe finden würde, schließen. Ob wirkliche Erzlager vorhanden sind, wird schließlich mit Hilfe der Bebenwellen geprüft. Außer der Forschung mit Hacke und Spaten und mit magnetischen und seismographischen Messungen gibt es noch andere Verahren zur Untersuchung des Mondinnern. Jedes Stück Materie im Mond trägt zu seiner Anziehungskraft bei. Die genaue Größe und Richtung dieser Anziehung sind ein Maß für die Zusammensetzung und Vertei­ lung der Materie im Mondinnern. Zur Bestimmung d er Intensität der Gravitation verwenden wir hochempindliche, leichte Schwer­ kraftmesser. Diese feinen Instrumente registrieren j ede Veränderung der Schwerkraft, wenn wir uns von einer Stelle zu einer anderen bewegen. Beispielsweise kann eine Ader schweres Erz ohne weiteres die „Anziehung" in einem gewissen Bereich verstärken, was von unserem Schwerkraftmesser soort angezeigt wird. Im Umkreis der Mondkrater gibt uns der Schwerkraftmesser Auf­ schluß darüber, was für Gestein die Kraterwälle bildet, indem er ihre Dichte mißt. Auf diese Weise können wir die Kraterböden und Berg­ gipfel untersuchen. Die Messungen zeigen uns dann, ob sich die 1 60

Kraterberge in ihrer Zusammensetzung und dementsprechend in ihrer Entstehung von den anderen Mondbergen unterscheiden. Wenn wir mit genügend Hilfskräften lange genug auf dem Mond bleiben könnten, wären wir in der Lage, das Mondinnere mit Hilfe der Schwerkraftmesser buchstäblich zu „durchleuchten". Es gibt noch eine weitere Methode, das Innere des Mondes zu erfor­ schen, aber unglücklicherweise können wir diese bei der ersten Expedition noch nicht anwenden. Wenn wir eine unbemannte Rakete auf eine Kreisbahn um den Mond schicken könnten, das heißt in anderen Worten, einen „Mond" des Mondes schafen würden, dann würden wir noch bessere Meßergebnisse bekommen. Die Rakete würde ür j eden Umlauf nur etwa zwei Stunden brauchen, und wir könnten ihre Abweichungen vom berechneten Kurs messen. Ihre Bahn würde sich je nach der Anziehungskraft der verschiedenen Stofe im Mondinnern geringfügig ändern. Diese Meßwerte würden uns, zusammen mit den Anzeigen der Schwerkraftmesser, Aufschlüsse über die Dichte der Materie von der Oberfläche des Mondes bis zu seinem Kern liefern. Auf Grund dieser Ergebnisse könnten wir schließlich die innere Struktur des Mondes auzeichnen. Die Schafung eines mit Instrumenten beladenen künstlichen Satelliten über der Mondoberfläche erordert jedoch eine ganze Menge zusätzliche Aus­ rüstung und Hilspersonal und ist daher während dieser ersten Expedition undurchführbar. Einen anderen Schlüssel zur Erforschung der Entstehung des Mondes kennen wir schon : die Narben auf seiner Oberfläche. Die großen Ebenen auf dem Mond sind von Rissen durchzogen. Außerdem gibt es große Gebirgskämme, die sich kilometerweit in vielen Windungen über die Böden der „Meere" erstrecken. Die Besichtigung der Mond­ oberfläche aus der Nähe wird uns zeigen, ob es sich um Risse oder Falten handelt. Wenn die Falten häufiger als die Risse sind, besteht guter Grund zu der Vermutung, daß der Mond zur Zeit seiner Ent­ stehung glutlüssig war und sich seitdem abgekühlt hat. Die Falten wären dann eine Folge der Schrumpung. Wenn aber die Risse an Zahl überwiegen, war der Mond vielleicht ursprünglich kalt und hat sich seitdem, möglicherweise durch Radioaktivität, erwärmt. Ist die Radioaktivität auf dem Mond so intensiv wie in den äußeren Schich­ ten der Erdkugel, dann könnte sie die Mondtemperatur ohne wei-

teres um eimge Grade erhöht und eine Ausdehnung verursacht haben, die die Mondoberläche rissig machte. Glücklicherweise sind die Geburtsmerkmale des Mondes, Risse, Falten, Krater und Meere, nicht wie auf der Erde durch die Erosion beseitigt worden. Neuerdings entdeckt man auch auf der Erde immer mehr große Krater, die fast so groß wie die Mondkrater sind ; sie sind verwittert, voll von Ablagerungen und durch Erdbewegungen entstellt, aber in vielen Fällen kommen sie durch Erosion wieder zum Vorschein und können dann leicht erkannt werden. Manchmal sehen sie wie halbierte hartgekochte Eier aus. Auf dem Mond dagegen ist alles noch so, wie es zu Beginn gewesen ist, außer äußerlichen Verände­ rungen durch die ständig auf die Oberläche stürzenden Meteoriten. Dieses Bombardement aus dem Weltraum, das das Gesicht des Mon­ des seit undenklichen Zeiten allmählich verändert hat, wird uns viel verraten. Möglicherweise hat der Mond durch die Explosionen dieser ungeheuer schnellen Geschosse nicht an Masse gewonnen, sondern verloren. Wenn ein Teil der Oberfläche durch einen Meteo­ riten gesprengt wird, wird jedesmal etwas Materie mit einer Geschwin­ digkeit weggeschleudert, die groß genug ist, die Anziehungskrat des Mondes zu überwinden. Wir nehmen nun an, daß ein Teil dieses pulverisierten Materials oder Staubes infolge der geringen Schwer­ kraft des Mondes in den Weltraum geschleudert wird, während der Rest auf seine Oberfläche zurücksinkt. Die großen Wälle, die die Krater umgeben, können aus solchem Schutt und Staub bestehen. Zur Überprüung unserer Theorien von der Entstehung der Krater durchforschen wir diese Wälle. Wenn wir Lavaströme an ihren Hän­ gen inden, zeigen diese eher eine vulkanische Tätigkeit als Meteor­ explosionen an. Wenn sich jedoch unsere Meteoritentheorie als richtig erweisen sollte, wollen wir feststellen, wieviel Staub und Schutt aus diesen Trefern und Explosionen sich auf der Mondoberfläche ange­ sammelt hat. Vielleicht inden wir auch ansehnliche Reste dieser „Geschosse". Vielleicht liefert uns eine sorgfältige radiologische und chemische Analyse des Meteoritenalls, der seit 3 Milliarden Jahren auf dem Mond niedergeht, Aufschlüsse über die Geschichte der kleinen Weltkörper in unserem Sonnensystem. Soviel über die Vergangenheit des Mondes. Wir wollen auch ver­ schiedene Probleme seines gegenwärtigen Zustandes lösen. Zu den

wichtigsten gehört die genaue Intensität der kosmischen Strahlung auf der Mondoberläche und die Frage, wie sich diese in bestimmten Zeiträumen ändert. Aus diesen Untersuchungen werden wir manches über das Bombardement der Erde durch die gleichen Strahlen ler­ nen. Wenn die kosmischen Strahlen die Moleküle der Erdatmosphäre trefen, werden die schwächeren schon in großen Höhen zerstreut, so daß nur die stärkeren die Erdoberläche erreichen. Durch diese Zusammenstöße entstehen zahlreiche schwächere Sekundärstrahlen, so daß die größte Konzentration der kosmischen und sekundären Strahlen in einer Höhe von 1 5 bis 2 5 Kilometer anzutrefen ist. Der Erdmagnetismus leitet die schwächeren kosmischen Strahlen nach den Magnetpolen ab, so daß die Gesamtintensität in großen Höhen über diesen Polen viel größer ist. Die kosmischen Strahlen werden also durch das Magnetfeld der Erde erheblich beeinlußt. Möglicher­ weise übt aber auch das Magnetfeld der Sonne einen Einfluß auf sie aus, von dessen Stärke wir bis jetzt kaum etwas wissen. Die sorgältigen Intensitätsmessungen der kosmischen Strahlen auf dem Mond erlauben es, uns ein Bild von der Stärke und Verteilung der kosmischen Strahlen in bezug auf die Erde zu verschafen. Da das irdische Magnetfeld auf dem Mond nur eine schwache Wirkung hat, können wir vielleicht eststellen, inwiefern das Magnetfeld der Sonne die Verteilung der kosmischen Strahlen beeinflußt. Wahrschein­ lich stammen sogar viele kosmische Strahlen von der Sonne, was wir ebenalls nachprüfen können. Das Studium der Gesteine auf der Mondoberläche wird uns außer­ dem zeigen, ob die kosmische Strahlung auch allmählich Materie zersetzt, die ja im Falle des Mondes seit Milliarden Jahren ununter­ brochen exponiert gewesen ist. Sobald wir uns in unserem Quartier eingerichtet haben, stellen wir Instrumente zur Strahlenmessung auf. Daür benutzen wir Geigerzähler und „Foto-Sandwiches". Letztere bestehen aus einer größeren Anzahl von Blättern besonders präpa­ rierten Fotopapiers, die wie Spielkarten aufeinandergelegt sind. Wenn nun ein kosmischer Strahl so ein „ Sandwich" trift, hinterläßt er auf den durchschlagenen Filmschichten eine räumlich bestimmbare Spur. Meistens werden die Strahlungsmessungen jedoch mit relativ kleinen Elektronenröhren durchgeführt, die den Geigerzählröhren

ähnlich sind. Diese Röhren registrieren die Ionisierung, die entsteht, wenn sie von kosmischen Strahlen getrofen werden. Auf diese Weise kann jedes Partikel einzeln registriert und die Gesamtzahl durch ein Zählgerät bestimmt werden. Außerdem stellen wir Instrumente zur Bestimmung der Häufigkeit von Meteoreinschlägen aus. Bis dahin haben wir bereits auf der Weltraumstation eine ganze Menge Erahrungen mit Meteoriten gesammelt, aber auf dem Mond, wo wir es mit einer im Vergleich zur Erde geringen Anziehungskraft zu tun haben, können die Ver­ hältnisse verschieden sein. Das beste Zählinstrument ür die nur körnchengroßen Meteoriten ist wahrscheinlich ein Apparat, der die Fallgeräusche der auf große Metalltafeln trefenden Meteoriten regi­ striert. Noch einacher wäre es, dünne Aluminiumolie auszuspannen und in bestimmten Zeitabständen die von den winzigen Meteoriten geschlagenen Löcher zu zählen. Zwei Wochen lang widmen wir uns nur diesen verschiedenen Ver­ suchen, wobei wir uns hauptsächlich auf die Erorschung eines Gebietes im Umkreis von etwa 30 Kilometer beschränken. Dabei bilden die Expeditionsteilnehmer Gruppen, von denen sich j ede einer eigenen, speziellen Aufgabe widmet, aber ihre Arbeit zeitigt täglich so viele neue und überraschende Ergebnisse, daß die Forschungs­ programme von Tag zu Tag neu aufgestellt werden müssen, um die Expedition so erolgreich wie nur möglich zu machen. Sogar in der Nähe des Expeditionslagers wird sich die Forschungs­ arbeit als schwierig und geährlich erweisen. Wir müssen in unseren plumpen Schutzanzügen über Meteorlöcher klettern, in Spalten kriechen und auf große Felsenhaufen klettern, immer in Sorge wegen schweifender Meteoriten und ständig auf der Hut vor scharfen Zacken und dünnen Krusten. Da wir niemals wirklich genau wissen können, wie sicher wir auf dem Mond sind, gleichgültig wie lange wir auch dort sind, bemühen wir uns, unaufhörlich ins Mikrophon unseres tragbaren Senders zu sprechen, nicht um uns damit Mut zu machen, sondern aus praktischen Gründen : Wenn uns etwas passiert, haben die im Hauptquartier zurückgebliebenen anderen Teilnehmer der Expedition wenigstens einen Bericht über unsere Arbeiten. Aus dem gleichen Grunde steht die Expedition ständig in Funk-

verbindung mit der Erde. Jedes Ergebnis wird sofort durch Funk oder Bil dfunk nach der Erde übermittel t, so daß, was aus uns auch immer werden mag, ein l ückenl oser Bericht zur weiteren Auswertung verfügbar sein wird. Fernsehen wird vielleicht nicht möglich sein, da unsere Sendeenergie zu schwach ist ; die Übertragung von Funk­ bil dern muß uns genügen. Während der ganzen sechs Wochen unserer Expedition wird auf der Erde eine auserl esene Schar von Fachl euten ununterbrochen tagen. Die besten Köpfe der Astronomie, Astrophysik, Geophysik, Minera­ l ogie, Geol ogie und Medizin werden jeden Schritt, den wir auf dem Monde tun, durch Sprech- und Bildfunk verfol gen, um stets genau über unsere Ergebnisse und Schwierigkeiten unterrichtet zu sein so wie sicherlich die ganze übrige Welt unseren Arbeiten und Aben­ teuern gespannt folgen wird. Nach dem Empfang der Gruppenberichte am Ende jedes Tages werden die Gruppenl eiter auf dem Mond mit den Experten des Komitees auf der Erde konerieren. Sie werden gemeinsam neue Entwicklungen und Ziele diskutieren und Verahren zur Bewälti­ gung von Schwierigkeiten in allen Phasen unserer Forschungsarbeit erörtern, von technischen Mängeln und Zwischenällen bis zur Schafung neuer Instrumente, die wir vielleicht benötigen werden. Manchmal werden die Experten auf der Erde die Wiederholung eines Versuches oder eine Änderung unserer Pl äne vorschl agen. So kann nahezu j eder Zweig der Wissenschaft aus unserer Forschungs­ arbeit vollen Nutzen ziehen.

Die Fahrt zum Krater H arpalus

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ährend der ersten beiden Wochen reißt die Arbeit nie ab und hält uns alle in ständiger Spannung. In dieser Zeit müssen wir die selbstregistrierenden Meßinstrumente, wie Thermometer, Seismographen, Meteorzähler und Strahlenmesser aufstellen. Gleichzeitig muß unser Laboratorium Überstunden machen, denn Hunderte von Unter­ suchungen, die wir anstellen müssen, erfordern sorgfältige chemische, radiologische, mikroskopische und spektroskopische Analysen. Die Foto-Abteilung ist vielleicht die am meisten beschäftigte Gruppe. Neben gewöhnlichen Fotograien müssen Tausende Meter 3 5 -Milli­ meter-Farbilm entwickelt und sachgemäß gelagert werden. Außerdem gibt es Aunahmematerial von mehreren besonders großen Kameras, welche detaillierte Übersichtsbilder von entfernten Objekten liefern. Eine von ihnen ist zur Verwendung von inrarotempindlichem Film-Material eingerichtet. Auch die von Teleskop-Kameras auf­ genommenen Filme müssen bearbeitet werden. Alles in allem muß in der Dunkelkammer Tag und Nacht gearbeitet werden, wenn man dort mit den täglich erarbeiteten Ergebnissen Schritt halten will. Auch allerlei Proben strömen tagaus, tagein in unser Laboratorium. Ganze Gruppen sammeln praktisch Muster von allem, Vas zu sehen ist : Staub, Minerale, Steine und Lavastücke. Wir müssen in diesen zwei Wochen des ersten Mond-Tages in ieber­ hater Eile arbeiten, um den hellen Sonnenschein gründlich aus­ zunutzen. Wir müssen sogar in Schichten essen und schlafen, damit die Forschungsarbeiten und Übertragungen der Ergebnisse nach der Erde nicht unterbrochen werden. Aber schließlich sinkt die Sonne doch unter den Horizont, und alsbald beherrscht die Erde, die nun die Plichten der Sonne übernimmt, in ihrer ganzen majestätischen Schönheit die j etzt beginnende zwei Wochen lange Mond-Nacht. Seit unserer Ankunft war die Erde ständig wenige Grade über dem Horizont zu sehen. Als wir landeten, sahen wir sie als leuchtende Sichel ; der unbeleuchtete Teil war ast unsichtbar. Tag um Tag wurde 1 66

der silberne Bogen breiter und merklich heller. Als die Sonne schließ­ lich unterging und die blendendweißen Gipfel der nahen Berge sich allmählich verdunkelten, ging das Braun und Grau des Mond-Tages in eine grünliche Verfärbung über. Nun werfen gie Berge lange Schatten, die Krater und Rillen erscheinen völlig schwarz. Die Erde, nun der untergehenden Sonne genau gegenüber und daher voll be­ leuchtet, erscheint nahezu Gomal so hell wie der Vollmond, von der Erde aus gesehen. Für mehrere Tage nach Sonnenuntergang leben wir in einer Art Zwielicht, einer kalten, aber ziemlich hellen Beleuch­ tung durch die Erde. Die Hitze ist verschwunden. Außerhalb der Mondbasis sind die Temperaturen auf minus 1 00 Grad Celsius und mehr gefallen. Niemand darf die Quartiere jetzt allein verlassen ; während in der Wärme und Helligkeit des Mond-Tages je ein Beglei­ ter als ausreichende Sicherheit betrachtet wurde, sofern es sich um geringe Entfernungen vom Hauptquartier handelte, dürfen die Leute den Schutz der Basis jetzt nur noch zu dritt oder noch besser zu fünft verlassen. Gegen Ende der vierzehntägigen Mond-Nacht nehmen wir das auf­ regendste Vorhaben der ganzen Expedition in Angrif: eine lange Fahrt über die Ebenen bis hin zu einem großen Krater und den Vor­ bergen am Mare lmbrium. Wir müssen diesen Auslug bis dahin ver­ schieben, weil alle Fahrzeuge, solange die Sonne scheint, für wich­ tige Arbeiten in der Nähe der Basis ständig gebraucht werden ; infolgedessen müssen wir in der Dunkelheit fahren. Das ist nicht schön, aber wir haben keine andere Wahl. Die Erde, jetzt „abneh­ mend", liefert uns eine relativ gute Beleuchtung, aber zum Fahren und Arbeiten benutzen wir trotzdem zusätzlich die Scheinwerfer und Lampen der Zugmaschinen. Unser Ziel ist ein Krater, der in „Luftlinie" etwa 300 Kilometer von der Basis entfernt ist, während die Trecker auf dem Boden etwa 400 Kilometer zurückzulegen haben. Es handelt sich also um unsere weiteste Ausfahrt. Dieser Krater, namens Harpalus, ist der interes­ santeste in unserer Reichweite ; er hat 3 9 Kilometer Durchmesser, sein Ringwall ist ast 1 000 Meter hoch und der Krater selbst v;om Gipfel bis zum Boden ungefähr 3 000 Meter tief. Nur ein gewaltig großer Meteorit kann mit solcher Wucht in die Mondoberläche eingeschlagen sein ; aber war es wirklich ein Meteorit? Das ist eine

der Fragen, auf die wir eine Antwort suchen. Beim Aufbruch wissen wir nur, daß ein Meteorit solch einen Krater schlagen könnte, wenn er die Größe eines kleinen Berges und eine Geschwindigkeit von mehreren Tausend Kilometern in der Stunde hätte. An der Expedition nach dem Krater Harpalus nehmen zehn Mann mit zwei Zugmaschinen und deren Anhängern teil. Wir könnten zwar vierzehn Forscher mitnehmen, aber da einem der Trecker unter­ wegs etwas zustoßen könnte, was durchaus nicht ausgeschlossen ist, müssen wir die Teilnehmerzahl auf zehn beschränken. Dann müssen zehn Mann, drei mehr als zulässig, beim Ausfall einer Zugmaschine die andere für die Rückahrt benutzen. Obgleich wir keine Pannen erwarten, müssen wir dennoch aus Sicherheitsgründen die Teil­ nehmerzahl so begrenzen, daß die normale Kapazität der beiden Fahrzeuge nicht voll ausgenutzt ist. Der Fahrer jeder Zugmaschine muß gleichzeitig Funker und Trans­ port-Ingenieur sein. Da wir während der Fahrt unbedingt wissen müssen, wo wir uns j eweils bei Durchführung von Messungen und Sammlungen beinden, ist der Vermessungstechniker ein wich­ tiger Teilnehmer der Expedition. Unser geologischer Experte ist bei der Auswahl der Mineralproben und detaillierten Planung der unter­ wegs durchzuführenden Versuche nicht zu entbehren. Ein Astronom ist für unser Unternehmen ziemlich wichtig, aber er hat an sich keine unmittelbaren Plichten, so daß er nebenbei noch als ofizieller Foto­ graf tätig sein kann. Für die bedeutungsvollen seismischen Unter­ suchungen des Mondinnern muß uns ein Seismologe begleiten, und außerdem ein Ballistiker für den Umgang mit den Sprengladungen. Unser Experte für magnetische Messungen arbeitet gleichzeitig als Radiologe, das heißt, er registriert die entlang unseres Kurses fest­ gestellte Radioaktivität, aber da seine Ausrüstung nicht besonders kompliziert ist, kann er ohne Schwierigkeiten beide Funktionen aus­ üben. Das Gerät für die Schwerkraftmessungen j edoch, das eine wichtige Rolle bei unseren wissenschaftlichen Untersuchungen spielt, beansprucht die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Geo­ phy:sikers. Der zehnte Teilnehmer der Expedition ist ein Astro­ physiker. Die Auswahl der Wissenschaftler für diese große Ausahrt ist für den Expeditionsleiter besonders schwierig. Zweiellos werden alle 168

teilnehmen wollen. Bei der Auswahl kann man nicht von den wissen­ schaftlichen Fähigkeiten j edes einzelnen ausgehen, da alle fünzig Mann Experten auf ihren Gebieten sind, sondern muß die Mindest­ orderungen der Fahrt berücksichtigen. Jeder Teilnehmer muß neben seinem Spezialwissen ausreichende Erfahrungen in einem anderen Fach haben oder einige Kenntnisse besitzen, die für den Erfolg des Unternehmens nützlich sind. Beispielsweise soll ein Mann der hinausahrenden Gruppe, der natürlich ein Experte in seinem Fach sein muß, außerdem noch ein erahrener Arzt sein ! Bestimmt müssen die Wissenschaftler alle in der Lage sein, abwechselnd die Zugmaschine zu steuern. Bei Dunkelheit und rauhem Terrain sind wir roh, wenn wir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwas über 3 Kilometer in der Stunde erreichen. Wenn wir unser 400 Kilometer weit enterntes Ziel in fünf Tagen erreichen wollen, müssen wir also ununterbrochen fahren. Nicht nur die Zahl der teilnehmenden Fachleute, sondern auch die Transportkapazität unserer Fahrzeuge ist zu berücksichtigen. Wir müssen ja ausreichende Vorräte an Lebensmitteln, Wasser und Luft für zwei Wochen mitnehmen. Wie weit unsere Expedition vordringen kann, wissen wir praktisch nicht, da ein völlig unbekanntes Gelände vor uns liegt. Obgleich wir nun schon einige Erahrungen beim Erkennen von trügerischen Stellen in den Lavafeldern gesammelt und infolgedessen auch einiges Vertrauen gewonnen haben, ist unsere Fortbewegung trotzdem noch sehr langsam und behutsam. Wir könnten natürlich lange Meßfühler vor den Zugmaschinen ein­ setzen, um uns zentimeterweise sicher vorwärts zu tasten, aber dann würden wir für die 400 Kilometer mehr Zeit benötigen, als wir über­ haupt haben. Außerdem möchten wir gern noch etwas weiterzu­ kommen versuchen, sagen wir bis zum äußersten Rand des Mare Imbrium, wenn sich das Vorwärtskommen als leichter erweist als vorher angenommen wurde. Wir setzen ünf Tage für die Hinahrt und vier Tage für die Rückahrt an. Natürlich wollen wir einen oder zwei Tage bei dem Krater bleiben, so daß wir für die ganze Fahrt insgesamt etwa zehn Tage brauchen, aber um ganz sicher zu gehen, nehmen wir Reserven für weitere vier Tage mit.

Unsere Fahrt ist also langsam und beschwerlich. Die beiden Fahr­ zeuge suchen sich vorsichtig ihren Weg um große Felsen und tiee Löcher (Abbildung Seite 2 1 3). Die Scheinwerfer der Zugmaschinen durchdringen die Finsternis vor uns, aber wir haben auch immer noch etwas Licht von der Erde. An verdächtig aussehenden Stellen steigt der Geologe aus, um den Boden nach dünnen Krusten abzu­ suchen und den bestmöglichen Umweg zu inden. Wenn trotz unserer Vorsichtsmaßnahmen einmal einer der Trecker in einer Spalte steckenbleibt, zieht ihn der andere heraus. Geigerzähler, die außen an den Fahrzeugen angebracht sind, zeigen ständig j egliche Radio­ aktivität entlang unseres Weges an, und automatische, mit Blitz­ lichtern ausgerüstete Kameras, machen Aunahmen der Umgegend in bestimmten zeitlichen Abständen. Die Zugmaschinen sind mit einem Automaten zum Aufgreifen von Proben und mit einem elek­ trischen Bohrer zur Entnahme von Proben aus dem Mondboden ausgerüstet. Während der Fahrt sammelt der Automat in Abständen von einigen Hundert Metern oder an Stellen, die der Geologe be­ stimmt, Staub oder kleines Oberflächengestein ; gelegentlich halten die Fahrzeuge an, damit mit Hile des Bohrers Proben aus dem Mond­ boden entnommen werden können. Das meiste wird reilich nach kurzer Besichtigung gleich wieder weggeworfen, und nur diejenigen Stücke werden mitgenommen, die das besondere Interesse des Geologen erregen. An bestimmten Stellen unterbrechen wir die Fahrt, um Spreng­ ladungen anzubringen (ein Teil unserer seismischen Untersuchungen), die dann später von den in der Basis zurückgebliebenen Technikern durch Fernzündung zur Detonation gebracht werden. Möglicherweise kann man diese Explosionen auf der Erde mit starken Fernrohren sehen und fotografieren. Unser Seismologe registriert außerdem die Explosion von kleineren Ladungen, die wir in geringer Entfernung von unserem Kurs anbringen und hochgehen lassen. Der Vermes­ sungstechniker führt fotograische Messungen unserer Position in bezug auf erkennbare markante Punkte durch ; außerdem markiert er j eden Halteplatz mit farbigen Stäben, so daß wir am nächsten einen Bezugspunkt für die weitere Orientierung haben. Unterwegs werden wir uns besonders mit der Untersuchung der geheimnisvollen „ Strahlen" befassen, die als gerade weiße Linien

auf der Mondober.äche erscheinen und bei Vollmond besonders deutlich sind. Sie gehen von Kratern aus, einige von den größten, und lassen sich über die ganze Mondoberläche hinweg verfolgen. Es ist sicher, daß diese Strahlen etwas mit Kratern zu tun haben, die erst in jüngerer Vergangenheit entstanden sind, und man hat die Vermutung ausgesprochen, daß sie vielleicht große Rillen in der Mondoberfläche darstellen - obgleich sie niemals Schatten werfen oder daß sie breite, mit erkalteter Lava gefüllte Gräben darstellen, wie wir sie manchmal an irdischen Bergen inden. Die meisten Astronomen nehmen an, daß sie von den Explosionen der Krater herrühren, gleichgültig, ob diese meteorischen oder vulkanischen Ursprungs sind. Unser Weg nach dem Krater Harpalus führt über einige dieser Strahlen hinweg, so daß wir Proben des Staubes sammeln können. Wir wissen noch nicht, ob wir große Mengen hellfarbiger Gesteins­ brocken vorfinden, aus denen die sogenannten Strahlen ofenbar bestehen, oder ob die Schicht nur einige Millimeter dick ist. Wie dem auch sei, wir werden Proben davon mitbringen und so ein weiteres Rätsel der Mondoberfläche lösen. Wie werden wir denn während der Fahrt leben? Da wir nur zehn Mann sind, müssen wir in Schichten schlafen. Schlafen wird natür­ lich in den sich ständig bewegenden und rüttelnden Fahrzeugen nicht leicht sein. Die kleine Druckkabine j edes Treckers bietet zwar Platz genug für sieben sitzende Personen und im Notall auch für zehn, aber sie hat nur vier Schlafplätze. Da wir Reserven an Lebensmitteln, Wasser und Sauerstof in Flaschen mit uns führen, sind nur zwei Betten zum Schlafen frei. Es können also nur immer vier Mann, in j eder Zugmaschine zwei, 2ur gleichen Zeit schlafen. Wir leben von Armee-Verplegung und Kafee, für den wir das Wasser in besonderen Flaschen durch die Maschinen anwärmen lassen. Nach j eweils einigen Stunden Dienst ruht sich eine Schicht in den Kabinen aus ; die Männer schrauben die massigen Helme der Raumanzüge ab und erholen sich. Die Zeit wird benutzt, um die Sauerstofbehälter, die hinten an den Raumanzügen befestigt sind, neu zu laden. Wir haben es gar nicht bequem, wir essen wenig und schlafen nur ein bißchen, aber wir halten durch. Nach vier Tagen taucht der äußere Rand des Kraters Harpalus vor

uns auf. Im Weiterahren sehen wir die ersten Strahlen der Sonne, die uns unseren zweiten „ Tag" auf dem Mond anzeigen und die Flanken des Bergzuges vor uns und die Bergkette des Mare lmbrium zur Rechten in helles Licht tauchen. Bei der Ankunft am Fuße des Bergrückens lutet wieder volles Sonnenlicht auf uns herab. Aus einer Entfernung von einigen Kilometern messen wir das Ring­ gebirge mit geometrischen Instrumenten und fotograieren es mit Spezialkameras. Während wir uns nähern, sammeln wir Lavastücke, alls welche vorhanden sind, und bohren Löcher zur Gewinnung weiterer Proben. Einige Teilnehmer der Expedition lesen Tempe­ raturen ab, messen den Magnetismus, sammeln Staubproben und ühren weitere Versuche von der Art durch, wie wir sie schon bei den Aufenthalten unterwegs vorgenommen haben. Der Aufstieg wird recht schwierig sein, nicht etwa, weil die Krater­ wand steil ist, sondern weil sie wahrscheinlich mit Schotter aller Größen bedeckt sein wird. Auch mit anderen Hindernissen, wie Löchern, Spalten und kleineren Abgründen ist zu rechnen. Die Außenwand wird wegen dieser Abweichungen Hänge von nur r bis 3 Grad Steigung haben ; die innere Wand dürfte dagegen viel steiler sein, vielleicht bis zu einem Winkel von 2 5 Grad gegen die Hori­ zontale. Wir ahren mit unseren Zugmaschinen so weit an den Saum des Kraterwalls heran wie möglich und klettern dann in unseren plumpen Raumanzügen den schuttbedeckten äußeren Hang hinauf. An manchen Stellen, die besonders zerklüftet sind, kommen wir nur langsam voran und müssen uns einer regelrechten Bergsteiger-Ausrüstung bedienen. An anderen Stellen zwingen uns steile Wände, Haltehaken mit Hile leichter Raketen emporzuschießen, damit wir den Grat über Strickleitern erreichen können. Es ist j edoch unwahrscheinlich, daß wir außen steile Hänge vorinden werden. Spitzhacken und Seile dürften ür die Besteigung der unregelmäßigen flachen Abhänge völlig ausreichen. Vielleicht können wir es sogar mit einem der Trecker auf der felsigen Außenseite des Kraterwalls probieren. Das hängt natürlich ganz davon ab, wie schwierig die Hänge sind. Auf Grund rüher ge­ machter Übersichtsfotos können wir zwar die Steigung ungeähr abschätzen, aber erst wenn wir am Ziel sind und den Schutt unmittel172

bar geprüt haben, können wir mit Sicherheit sagen, ob eine Zug­ maschine darüber hinwegkommen wird. Und wenn wir einen Trecker bis auf den Gipfel des Kraterwalls bringen, so kann er doch ganz bestimmt nicht auf dem viel steileren Abhang der Innenseite hinunter­ fahren. Zu Fuß klettert die Gesellschaft so weit wie möglich in den Krater hinab, um dann schließlich einen Mann zur Untersuchung des Krater­ bodens und Sammlung einiger Gesteinsproben an Seilen hinab­ zulassen. Das wird eine verzwickte und gefährliche Sache sein ; trotz der verhältnismäßig geringen Anziehungskraft ist ein Sturz genauso geährlich wie auf der Erde. Auch eine Verletzung des Raumanzuges an einem scharfen Stein kann sehr ernste Folgen haben, so daß j eder Schritt äußerste Vorsicht erfordert. Wir müssen schnell arbeiten, da unsere Zeit beschränkt ist. Nach ein oder zwei Tagen müssen wir eine Antwort auf die Frage gefunden haben, ob die Mondkrater durch die Einschläge gewaltiger Meteoriten oder andere Vorgänge entstanden sind. Schutt und Lava an den Flanken der Kraterwälle werden uns darüber Aufschluß geben. Die Schwere-Messungen zeigen uns, wieviel Materie aufgeworfen wurde und ob im Mittelpunkt des Kraters etwa eine große Eisenmasse begraben ist. Ehe wir zurückfahren, sind noch weitere anstrengende Bergtouren und Untersuchungen ällig. Wenn einer der vielen geschwungenen Gebirgszüge in diesem Gebiet vorkommt, müssen wir ihn inspizieren. Wir durchqueren auch das kleine gebirgige Gebiet in der Nähe des Kraters Harpalus, um seinen Ursprung zu untersuchen. Von der Erde aus gesehen, machen einige dieser Berge den Eindruck, als wären sie einst ein Teil des gewaltigen Mare lmbrium gewesen ; es sieht so aus, als wären sie durch eine gewaltige Explosion auf die Mondoberfläche geschleudert worden. Andererseits ist es möglich, daß diese Berge schon vorhanden waren, ehe das Mare sich bildete, und daß dabei Materie auf sie geschleudert wurde, die bis zu einem gewissen Grade die Gipfel einschmolz. Man kann die Antworten auf diese Fragen nicht aus den Fotografien lesen, die auf der Erde gemacht werden, aber manches deutet doch darauf hin, daß diese großen Berge tatsächlich einmal über die halbe, uns zugekehrte Seite des Mondes geschleudert wurden. 1 73

Wenn unsere Arbeiten so weit gediehen sind, wie es die Zeit erlaubt, treten wir die Rückahrt zu unserer Basis an. Wir machen dabei noch einen Umweg zur Erforschung des äußeren Randes der großen Gebirgskette, die das Mare lmbrium umgibt, wo es interessante Gesteins- und Lavaformationen und höhlenähnliche Löcher unbe­ kannter Herkunft gibt. Wir hofen, auch eine Antwort auf die Frage zu inden, ob das Mare lmbrium durch die Explosion eines ungeheuer großen Meteoriten, größer als alle anderen, die die gewöhnlichen Krater auf dem Mond schlugen, entstanden ist. Eine Untersuchung der „Wälle" wird die Antwort liefern. Wir werden auch viele kleinere Krater in diesem Gebiet und die Strahlen, die von ihnen ausgehen, erorschen. Nicht alle Krater ge­ hören der Größe nach zur Harpalus-Klasse. Die meisten von ihnen sind kleiner, und die kleinsten Krater, die wir auf der Erde durch unsere Teleskope gerade noch erkennen können, sind etwa so groß wie der Meteor-Krater in Arizona, der ungefähr 1 80 Meter tief ist und einen Durchmesser von 1 5 oo Meter besitzt. Diese kleineren Krater sind wahrscheinlich leichter zu erorschen als Harpalus. Wir wollen natürlich auch einige der „ertrunkenen" Krater besichtigen. Diese Senken werden so genannt, weil sie mit Lava gefüllt sind. Die Untersuchung ihrer Wälle wird uns zeigen, ob die Lava durch Risse in den Wällen eingedrungen oder aus dem Innern heraus­ gequollen ist. Vielleicht inden wir auf diese Frage auch keine klare Antwort, aber wir werden es trotzdem versuchen. Auf der Rückahrt halten wir uns an die Spuren, die wir auf dem Weg zum Krater Harpalus hinterlassen haben. Die Fahrt geht j etzt viel schneller vonstatten, obgleich unsere Fahrzeuge schwer mit allerlei Gesteinsproben beladen sind ; diesmal ahren wir ja bei Sonnenlicht. In ein paar Tagen sind wir wieder im Hauptquartier angelangt. Obgleich unsere Expedition, wenn alles geklappt hat, die Anstren­ gungen wert sein wird, herrscht doch einige Enttäuschung, da wir die andere Seite des Mondes nicht inspizieren konnten, jene Seite, die wir von der Erde aus nicht sehen können, weil sie von uns abgewandt ist. Die Wissenschatler nehmen nicht an, daß sich die abgewandte Seite des Mondes beträchtlich von der bekannten unter­ scheidet ; vielleicht gibt es nur einen Unterschied : Da auf der der Erde abgekehrten Seite des Mondes niemals Mondinsternisse vorkommen, 1 74

ist sie vielleicht noch rauher, mit härterem Gestein, einer festeren Oberfläche und viel weniger Staub, als wir auf der bekannten Seite inden werden. Bei den Mondinsternissen wird nämlich das Sonnenlicht ziemlich schnell durch die einen Schatten werfende Erde unterbrochen, so daß die Temperatur sehr rasch vom Siedepunkt des Wassers bis unter minus 1 00 Grad Celsius fällt. Dieser enorme Temperaturwechsel kann den Felsenboden durch Zusammenziehung und Ausdehnung aufplatzen lassen. Da die unbekannte Seite diesen extremen und plötzlichen Temperaturänderungen nicht ausgesetzt ist, kann man logischerweise annehmen, daß sie eine rauhere und festere Oberfläche besitzt. Eine Fahrt nach der anderen Seite des Mondes wäre zwar nicht ganz so lang wie unsere Expedition zum Krater Harpalus, aber anstatt über weite Ebenen zu fahren, müßten wir nun Gebirgsketten und ein besonders schwieriges Gelände überqueren. Unsere Erahrungen beim Besteigen der Außenwand des Harpalus und der Vorberge des Mare Imbrium werden zweifellos genügen, selbst unsere abenteuer­ lustigsten Wissenschaftler davon zu überzeugen, daß es besser ist, die Erforschung der unbekannten Rückseite des Mondes einer späteren Expedition zu überlassen.

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Der Rücklug zur Erde

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ährend unseres Aufenthaltes läuft der Mond einundeinhalbmal um die Erde und erreicht schließlich die für eine Rückkehr der Expedi­ tion zur Weltraumstation geeignete Stellung. Wenn es soweit ist, müssen wir starten. Nun steht uns noch eine unserer wichtigsten Aufgaben bevor : die Errichtung einer automatischen, unbemannten, wissen­ schaftlichen Station auf dem Mond, die in gewissen Zeitabständen In­ ormationen über kosmische Strahlen, Erschütterungen durch Meteor­ trefer auf der Mondoberfläche, Temperaturveränderungen und andere Daten, die wir während unseres kurzen Aufenthaltes auf dem Mond nicht vollständig ermitteln konnten, nach der Erde funken soll. Die Einrichtung dieser und zwei kleinerer Hilfsstationen liegt in den Händen einiger Elektro-Ingenieure und Spezialisten. Sie haben schon während des größten Teils unseres sechswöchigen Aufenthaltes an der Vorbereitung dieser Automaten gearbeitet. Die elektrische Energie ür die Stationen wird von dem gleichen Sonnenspiegel geliefert, den wir im Mondquartier verwendet haben. Das Licht der Sonne, das während des zwei Wochen langen Mond-Tages auf den Spiegel ällt, liefert genug Energie für den Betrieb der Stationen und die Auf­ ladung der Batterien für die zwei Wochen lange Mond-Nacht. Die Automaten, die nicht größer als Schreibtische sind, übertragen die Meßwerte genauso, wie es bei den gegenwärtigen Höhenfor­ schungsraketen üblich ist. Bei diesem Verahren der Meßwertüber­ tragung (im Englischen „telemetering") werden die Daten von 20 bis 30 Meßinstrumenten gleichzeitig übermittelt. Eine „ Symphonie" von Wellen, bei der j eder Ton die Ablesung eines bestimmten Meßinstru­ mentes präsentiert, wird nach der Weltraumstation ausgestrahlt. Diese kombinierte Sendung wird nach der Erde weitergefunkt, dort auf­ genommen und entschlüsselt, wobei jede Ablesung einzeln in Form von Diagrammen und Kurven auf langen Papierrollen erscheint. Die Sender werden vorher so eingestellt, daß die Übertragungen ununterbrochen oder in bestimmten Zeitabständen vor sich gehen.

Da wir das Lastschif auf dem Mond zurücklassen, können wir seine Funkanlage und die große scheibenörmige Antenne benutzen. Darum wird die Hauptstation auf dem Landeplatz eingerichtet, während die beiden Hilfsstationen im Abstand von einigen Kilometern entstehen. Zu den zahlreichen Meßinstrumenten, die wir zur Übertragung von wissenschaftlichen Messungen nach der Erde verwenden können, gehört auch ein äußerst empindlicher Seismograph, der den Auf­ schlag großer Meteoriten auf einem beträchtlichen Teil der Mond­ oberfläche registriert. Automatische Thermometer sammeln fort­ laufend Daten über die Wirkung der Sonnenwärme auf die Oberfläche und das Innere des Mondes. Energiemeßgeräte beobachten die Änderungen der Sonnenstrahlung, hauptsächlich im ultravioletten Teil des Spektrums und bevorzugt dann, wenn die gewaltigen Eruptionen auf der Sonnenoberläche auftreten, welche auch andere kurzwellige Strahlen erzeugen. Zählgeräte messen die Intensität der unsichtbaren, überschnellen Partikel der kosmischen Strahlen und ergänzen unser Wissen von den Eigenschaften dieser Strahlen. Die beiden Hilsstationen werden die seismographischen Informationen über große Meteoriten, die beim Aufschlagen auf der Mondoberfläche Erschütterungen hervorrufen, bestätigen. Diese fortgesetzten seis­ mischen Messungen liefern uns allmählich immer mehr Aufschlüsse über die Beschafenheit des Mondinnern und außerdem über die Häu­ igkeit, mit welcher große Meteoriten die Mondoberfläche trefen. Abgesehen von etwaigen technischen Mängeln oder Meteortrefern können diese Stationen viele Jahre lang ohne Wartungsdienst in Betrieb sein. Auch die elektrische Ausrüstung wird wegen des Vaku­ ums auf der Mondoberfläche sehr lange Zeit halten. Die Lebensdauer der Automaten hängt hauptsächlich von der Lebensdauer der Energie­ quelle, der Generatoren und Batterien, ab. Unglücklicherweise kann man den Sonnenspiegel nicht schützen, da seine Aufgabe ja darin besteht, Sonnenstrahlen einzuangen. Daher kann er am leichtesten von Meteoriten beschädigt werden, so daß die Lebensdauer der automatischen Station von der Voraussicht der Konstrukteure des kleinen Kraftwerkes - und vom Glück abhängt. Während die Elektro-Ingenieure in den letzten Tagen auf dem Mond an den automatischen Meßstationen arbeiten, sind die Ingenieure und Techniker schon dabei, unsere beiden Mondschife wieder für

den Start fertigzumachen. Raketenbrennkammern, Turbopumpen, elektrische Kontakte und Treibstofbehälter werden sorgältig kon­ trolliert. Alle Treibstofreste in den Landebehältern des Lastschifes, das wir ja zurücklassen, werden in die Treibstofbehälter unserer Passagierschife umgefüllt. Wir pumpen auch die Hydrazin- und Salpetersäure-Reste in den Landebehältern unserer beiden Schife um, da wir diese Behälter ebenalls auf dem Mond zurücklassen. Das Lastschif ist ast völlig „ausgeschlachtet" worden. Es wurde abgetakelt und seiner Treibstofbehälter sowie des großen Last­ behälters, der ja als Mondbasis diente, beraubt. Alles, was von diesem Schif stehenbleibt, ist die Kugelkabine, das Gerüst und der Trieb­ werksatz. Kurz vor dem Aufbruch wird der Sonnenspiegel vom Rand der Schlucht, in der wir unsere Basis aufgeschlagen hatten, herbei­ geholt und wieder am Lastschif montiert. Dann werden lange Kabel von der Funkanlage in der Kabine und der elektrischen Stromquelle in dem Schif nach den automatischen Meßstationen verlegt. Nun verschwindet die Sonne wieder hinter dem Horizont. Der Lande­ platz wird abermals von der Dunkelheit verschlungen, genauso wie in den unvergeßlichen vierzehn Tagen unserer ersten Mond-Nacht, als uns das bleiche „Erdlicht" als natürliche Beleuchtung diente. Die tiefstehende Erde befindet sich nun der Sonne ast gegenüber, und ihre leuchtende Sichel wird von Tag zu Tag breiter. Bald haben wir „ V ollerde". Am Tag vor dem Aufbruch werden alle Sammlungen an Bord ge­ bracht. Die Zugmaschinen eilen zwischen der Mondbasis und dem Startplatz hin und her, um die Berichte, Filme und Kisten mit geolo­ gischen Proben heranzuschafen, das Quellenmaterial für die wirkliche - Geschichte des Mondes, seine Vergangenheit und Gegen­ wart, welche nach weiterert Studien · auf der Erde später geschrieben wird. Sobald alle diese wertvollen Funde und Berichte gut unter­ gebracht sind, beginnen die Fahrzeuge mit dem Transport von Lebens­ mitteln, persönlichen Dingen und unverbrauchten Sauerstofbehäl­ tern. Dann werden die runden Türen der Luftschleusen an der Wohn­ baracke und am Laboratorium geöfnet, damit die künstliche Atmo­ sphäre entweichen kann. Alles, was in den Räumen zurückbleibt, einschließlich der Instrumente, Maschinen und Einrichtungsgegen­ stände, wird nun von d;m Vakuum des Weltraumes konserviert.

Der Startplatz ist in den letzten Stunden unseres Auenthaltes auf dem Mond recht belebt. Die Besatzungen überprüen die Instrumente ihrer Schife wieder und wieder, die Kräne holen die Ladung ein, und .die immer noch hin und her ahrenden Trecker schafen die rest­ lichen Vorräte heran. Das Aussehen der Passagierschife hat sich seit dem Ablug von der Bahn der Weltraumstation erheblich ge­ ändert. Sie sehen ohne ihre großen kugelörmigen Abflugtanks und die zylindrischen Landebehälter recht hager und mager aus. Jedes Schif hat direkt unter seiner Kugelkabine noch zehn Treibstof­ zylinder, vier für den Start auf dem Mond, zwei für das Antriebs­ manöver in der Bahn der Weltraumstation und vier als Reservetanks. Die entladenen Fahrzeuge werden, eines nach ·dem anderen, neben dem Skelett des Lastschifes geparkt, wo sie bis zur nächsten Mond­ expedition stehenbleiben. Nun werden die Wissenschaftler, Ingenieure und Spezialisten an Bord der Passagierschife gezogen. Dann werden die Kräne und Sonnenspiegel gegen die Schifsgerüste gelegt, und nun sind die Schife fertig zum Abflug. Noch einmal sehen wir hinaus. Die „Vollerde" bescheint den Mond, so daß der Startplatz und die entfernten Gebirge in kaltes, ahles Grün, Weiß und Braun getaucht sind. Und nun beginnt die komplizierte Maschinerie der Schife zu arbeiten. Die Kapitäne lassen sich die Startbänder geben und führen sie in die automatischen Kommandogeräte ein. Dann beginnt der Kommandeur des Konvoys laut die letzten Sekunden bis zum Start zu zählen ; j eder kann ihn im Bordnetz hören. Die Besatzungen und Wissenschaftler schnallen sich an und machen es sich auf ihren Konturlagern bequem. Bei X-4, vier Sekunden vor dem Start, macht sich in den Kabinen ein donnerndes Rumpeln bemerkbar : Die Raketentriebwerke haben gezündet. Nun werden die Turbopumpen eingeschaltet und fördern Hydrazin und Salpetersäure in die Brennkammern. Hintereinander heben sich die Schife langsam von der Mondoberfläche ab. Das komplizierte Startmanöver, das uns genau auf den Kurs zu der in 3 84 ooo Kilometer Entfernung um die Erde kreisenden Weltraum­ sation setzen soll, wird nun allein vom automatischen Piloten mit Hilfe des Steuerbandes durchgeführt. Wir haben unseren Abflug so angesetzt, daß wir die Weltraumstation genau im erdnächsten Punkt unserer Rückkehr-Ellipse erreichen. 1 79

Unter uns schwindet die Mondoberfläche schnell dahin ; der ge­ krümmte Horizont vor uns erweitert sich, und die kreisrunden Krater und ausgedehnten Gebirge des Mondes kommen in Sicht. Da die Treibstofbehälter, die bei der Landung auf dem Mond ent­ leert wurden, nun auch fehlen, ist jedes Schif beim Start um weitere 4 Tonnen leichter. Gleich nach dem Ablug werfen die Schife ihre vier langen Landebeine und das mittlere, zur Dämpfung des Lande­ stoßes verwendete fünfte „Bein" ab, um noch mehr Gewicht zu sparen. Sie verlieren dadurch weitere 1 2 Tonnen. Beim Start kehrt unser irdisches Gewicht wieder, so daß wir uns nach sechs Wochen geringerer Mondschwerkraft erstaunlich schwer vorkommen. Die Beschleunigung, die uns in die Polster unserer Konturlager preßt, macht sich brutal bemerkbar, obgleich sie beim Start nur genau 1 g beträgt und nur unser normales irdisches Gewicht wiederherstellt. Da die Gewindigkeit der Schife stark zunimmt, wer­ den wir durch die Beschleunigungskräfte sogar immer schwerer und schwerer, bis wir in einer Höhe von 6 5 Kilometer über dem Mond, etwa 21/ 2 Minuten nach dem Start, 3 1 / 2 g, das heißt das Drei­ einhalbfache unseres Erdgewichtes, verspüren. Nun haben wir aber auch unsere Höchstgeschwindigkeit (unter Raketenantrieb) erreicht : 9400 Kilometer in der Stunde. Diese Geschwindigkeit genügt, um die Anziehungskraft des Mondes und seine eigene Geschwindigkeit von 3 660 Kilometer in der Stunde zu überwinden. Jetzt können wir die Triebwerke abstellen. Die Trägheit der Schife bringt uns bis zu dem Punkt, an dem die Anziehungskraft der Erde stärker als die Anziehungskraft des Mondes ist. Von hier ab allen wir einach auf unser Ziel zu. Der Start auf dem Mond ist ein schwieriges Manöver. Der Landeplatz in Sinus roris liegt nahe am Ostrand des Mondes, also auf der Seite, die „vorwärts", das heißt in Richtung der Bewegung des Mondes um die Erde, weist. Wenn wir also senkrecht aufsteigen würden, dann würden wir die Schifsgeschwindigkeit einach zur Mond­ geschwindigkeit addieren und infolgedessen nach dem Abschalten der Triebwerke weiter in den Weltraum hinaustreiben. Wir müssen aber in die Bahnebene der Weltraumstation einschwenken und daher zunächst einmal die Kreisbahngeschwindigkeit des Mondes „ver­ nichten". Die Triebwerke müssen uns also eine Geschwindigkeits1 80

komponente von 3 660 Kilometer in der Stunde, entgegengesetzt zur Fortbewegungsrichtung des Mondes, geben und gleichzeitig die zusätzliche Geschwindigkeit liefern, welche die Schife zur Über­ windung der Anziehungskraft des Mondes brauchen, damit sie in die Rückflug-Ellipse nach der Weltraumstation gelangen können. Daher hat unsere Antriebsbahn zunächst einen ziemlich flachen Winkel gegen die Mondoberfläche und führt auf Südwestkurs zum Mondäqua­ tor. Am Ende der Antriebsbahn, 1 80 Kilometer vom Startplatz entfernt und 6 5 Kilometer über der Mondoberfläche, beginnen die Schife antriebslos in die Umlaufbahn der Weltraumstation zurückzufallen. Der „Absprung " von der Mondoberläche und das Manöver, das uns auf die richtige Flugbahn bringt, verlangen solche Präzision und exakte Regelung, daß sie niemals von Hand durchgeführt werden könnten. Daher nehmen uns die lange vor dem Aufbruch der Mond­ expedition vorbereiteten Steuerbänder diese Arbeit ab. In dem Augenblick, in dem die Triebwerke bei Beendigung des Ab­ flugmanövers abgeschaltet werden, werden wir wieder gewichtslos. Von nun an ist der Flug Routinearbeit. Die Navigatoren prüfen dauernd die Flugbahn, indem sie die Position der Schife an Hand von Sternbedeckungen und mit Hilfe der Radarberichte von der Weltraumstation bestimmen. Vor uns erblicken wir die ständig be­ leuchtete Erdkugel. Weit hinter uns zieht der Mond seitwärts davon und wird kleiner und kleiner. Bei Kursänderungen verlassen wir uns auf die für solche Korrek­ turen bestimmten Steuerbänder. Wenn die Meldungen der Naviga­ toren zeigen, daß ein Korrekturmanöver erforderlich ist, wird das passende Band gesucht und in die automatischen Kommandogeräte eingeführt. Zur angegebenen Zeit schalten diese dann die Triebwerke ein und nach vollzogenem Manöver wieder ab. So werden die Schife auf ihrem Kurs gehalten. Sobald die beiden Schife den sogenannten „neutralen Punkt " , wo sich die Anziehungskräfte von Erde und Mond gegenseitig aufheben, passiert haben, nimmt ihre Geschwindigkeit zu. Da nun die Anzie­ hungskraft der Erde zu überwiegen beginnt, werden wir schneller. In einem Abstand von 2 I O ooo Kilometer von der Bahn der Welt­ raumstation, 3 0 Stunden vor dem Ende der Fahrt, haben wir eine Geschwindigkeit von 6400 Kilometer in der Stunde. Etwa einen 181

Tag später sind wir kaum noch 27 ooo Kilometer von der Stations­ bahn entfernt und haben eine Geschwindigkeit von r 6 900 Kilometer in der Stunde ; nun ist es an der Zeit, ans Bremsen zu denken. Wir führen dazu ein Manöver durch, das dem vor der Landung auf dem Mond ähnlich ist. Diesmal wollen wir aber nicht unsere ganze Geschwindigkeit verlieren, sondern mit der Geschwindigkeit der Weltraumstation, also mit z 5 400 Kilometer in der Stunde, in die Stationsbahn einahren. Wir benutzen wieder das Schwungradsystem, das uns, wie schon in Kapitel 4 erklärt wurde, in die Lage versetzt, die Schife im Weltraum langsam so herumzudrehen, daß die Raketen­ triebwerke nun in Richtung auf die Weltraumstation zeigen. Nun müssen wir sehr sorgältig auf unsere Geschwindigkeit achten. Weit voraus zieht die Weltraumstation, die aus dieser Entfernung wie ein heller Stern aussieht, ihre Bahn. Die Kapitäne führen neue Steuerbänder in die automatischen Kommandogeräte ein. Sobald unsere Fallgeschwindigkeit 3 5 600 Kilometer in der Stunde erreicht, stellen die Steuerautomaten die Triebwerke an. Da die Brennkammern j etzt nach vorn, in Bewegungsrichtung, zeigen, wirken sie als Brem­ sen. Dieses Manöver wird nur mit den zwölf Steuermotoren der Schife durchgeführt. Die achtzehn fest angebrachten Triebwerke werden aus gutem Grund nicht benutzt : Der Stoß der plötzlichen Bremsverzögerung würde sich für die Schife und ihre Insassen als geährlich erweisen. Inolge des Treibstoverbrauches in den vorangegangenen Manövern sind unsere Schife so leicht geworden, daß die Expeditionsteilnehmer bei einem plötzlichen Einsetzen aller Triebwerke mit einem Gesamt­ schub von 369 Tonnen eine unmittelbare Verzögerung von 3 1 /2 g erleben würden, die bis Brennschluß auf mörderische 1 0 g steigen würde, das heißt bis auf das Zehnache des normalen irdischen Gewichtes. Eine derartig hohe Beschleunigung wäre nicht nur für die Insassen nach fünf gewichtslosen Reisetagen und vorangegan­ genen sechs Wochen mit geringer Mondschwerkraft zuviel, sondern würde auch die Schifsgerüste übermäßig beanspruchen. Darum benutzen wir nur die beweglichen Steuerbrennkammern. Sie liefern genug Bremsschuh ( 1 48 Tonnen), um unsere Geschwindigkeit all­ mählich zu verringern. Wenn sich der Konvoy der Stationsbahn nähert, schalten die „Be-

schleunigungsintegratoren" die Triebwerke nach einer Brennzeit von genau 1 3 2 Sekunden ab. Die Zeiger der Geschwindigkeitsmesser sind während der Bremsung langsam zurückgeallen. Bei genau 2 5 400 Kilometer in der Stunde werden die Triebwerke ausgeschaltet. Beim Einahren in die Stationsbahn wiegen unsere Schife nur noch 3 5 , 5 Tonnen, weniger als 1 Prozent des Abfluggewichtes. Mit einer Geschwindigkeit, die der Geschwindigkeit der Weltraumstation genau entspricht, sind wir nun wieder Satelliten der Erde, die in 1 7 3 o Kilometer Höhe schnell genug dahinziehen, der Anziehungs­ kraft der Erde zu widerstehen. - Wir sind wieder am Ausgangspunkt ; die erste Mondexpedition ist beendet. Wir sind die ersten gewesen, aber wir werden nicht die letzten sein. Ei nige astronomische Daten des Mondes

Entfernung von der Erde G rößte (Apogä u m) Klei nste (Perigäum) Durchsch n ittl iche D u rch messer Du rchmesser im Vergleich zum Erd d u rchm esser (1 2 756 km) Verhältn is der Oberflächen Erde : Mond Volu men (Erde 1) Masse (Erde 1) Dichte (Wasser 1) Schwerkraft a n d e r Oberfläche (Erde 1) Fluchtgeschwindigkeit (Erd e : 1 1 ,2 km/sec) Kreisbahngeschwindig keit (Erd e : 7,95 km/sec) A l bedo Siderische Umlaufzeit (gegen ü ber den Fixsternen) Synodische Umlaufzeit (geg e n ü ber der Sonne) Exzentrizität der Bahn Neigung der Mon d bahn gegen d i e E k l i pti k D u rchschnittliche G rößte Kleinste Dauer einer U m d rehung um eigene Achse W i n kel zwischen Mondäq uatorebene und Bahnebene Mittlerer sch e i n barer Du rch m esser (von der Erde g esehen) Mittlere Geschwindig keit des Mon d es auf seiner Bahn um die Erde Voll kommen unsichtbare Oberfl äche =

=

=

=

1

Die durchschnittliche Dichte der Erde ist

5,5.

(Wasser

=

1)

406 000 k m 356 000 km 384 403 km 3476 km 0,2722 1 3,4 : 1 1 /50 1 /81 ,56 3,33' 0,1 65 2,41 5 km/sec 1 ,705 km/sec 0,07 27,32166 Tage 29,53059 Tage 0,0549 5°8'43 5° 20' 4° 57' 27,32 Tage 1 °32' 31'5" 1 ,023 km/sec 41 %

I

Hauptdaten der Passagierschife

369 Ton nen Gesamtsch u b Zahl der Raketen brennkam mern (je 1 2,3 t Sch u b) Bewegl iche Steuer-Brenn kam mern 12 18 Feste Bre n n ka m m e rn Trei bstoffvorrat insgesamt Trei bstofverbrauch bei Vollsch ub Spezifischer I m puls Stra h l g eschwind ig keit Bren n kam merd ruck Druck i m Münd ungsquerschn itt (absol ut) Fläche der Düsen m ün d u n g Gesamtlänge der Schife G rößter D u rch messer d e r Schife

Brenn kam mern insgesamt 30 3900 Ton n e n 1 300 kg/sec 285 sec 2850 m/sec 1 5 at 0,00984 at 1 35,8 m2 49 m 33 m

Die Treibstofbehälter der Mondsch i fe

Abflug behälter (4) MANÖVER 1 Gesamtvolumen Vol u m en e i n es Behälters Durchm esser (Kugelform)

2 200 000 Liter 550 000 Liter 1 0, 1 6 Meter

M A N Ö V E R 2 Landebehälter (4) Gesamtvolumen Vol umen eines Behälters Durchm esser (Zy l inderform mit halbkugelförmigen Deckeln)

61 1 000 Liter 1 53 000 Liter 4,6 Meter

M A N Ö V E R 3 Startbehälter (4) Gesamtvol u men Vol u men eines Behälters Du rch messer (Zy l i n derform m it hal bkugelförmigen Deckeln)

1 59 000 Liter 39 800 Liter 2,32 Meter

MAN ÖV E R 4 Behälter für An passungsmanöver bei Rückkehr (2) Gesamtvolumen Vol umen e i n es Behälters Durch m esser (Zy l i n derform m it hal bkugelförmigen Deckeln)

55 600 Liter 27 800 Liter 1 ,92 Meter

RESERVEN Reservebehälter (4) Gesamtvolumen Vol umen e i n es Behälters D u rch messer (Zyl inderform mit halbkugelförmigen Deckeln)

80 000 Liter 20 000 Liter 1 ,6 Meter

D i e Flug- und Leistungsdaten der Mondsch i fe

M A N Ö V E R 1 (Abflug von der Bahn der Weltraumstation) Startgewicht Trei bstofg ewicht Endgewicht Anfangsbeschleunigung End beschleunig ung

3964 Ton n e n 2843 Ton n e n 1 1 21 Ton nen 0,0934 g 0,33 g

2000 sec Brennzeit (ohne Trei bstofreserve) 5900 km/sec Geschwi n d i g keitszuwachs 1 2 700 km/sec Antrieb' 1 24° Rad i usvektor-Wi nkel zwischen Start und Brennschl u ß 1 8 500 km Länge der Antriebsbahn Höhe beim Abflug 1 730 km 4100 km Brennsch l ußhöhe 25 400 km/h Geschwindig keit beim Start Geschwin d i g keit bei Brennschluß 31 400 km/h 2200 m3 Fassungsvermögen der 4 Behälter vom Manöver 1 1 0, 1 6 Meter I n n erer Behälterdu rchmesser Gewichtsverminderung nach Manöver 1 1 3 Tonnen (Abtrennung der Behälter mit Meteorsch utz und ä ußeren Trägern) M A N Ö V E R 2 (Landung auf dem Mond) 1 1 08 Tonnen Gewicht bei Beg i n n des Manövers Trei bstofgewicht 790 Tonnen Endgewicht 318 Ton nen Anfangsbeschleunigung ( = Verzögerung) 0,33 g End beschleunigung ( Verzögerung) 1 ,1 6 g Brennzeit (ohne Trei bstofreserve) 600 sec Aufschlaggeschwindigkeit auf dem Mond, wenn es kein Manöver 2 gäbe 9300 km/h Antrieb1 12 600 km/h Höhe ü ber dem Mond beim Einschalten 885 km Fassungsvermögen der 4 Behälter von Manöver 2 61 1 m3 I n n erer Behälterdurch messer 4,6 m Gewichtsverminderung nach Manöver 2 und kurz nach 16 Tonnen Beg i n n Manöver 3 (Abtrennung der Behälter für Manöver 2 m it Meteorschutz, der Landegestelle und des Stoßdämpfers) M A N Ö V E R 3 (Ablug vom Mond) Abfluggewicht 302 Tonnen T rei bstoffvorrat 1 95 Tonnen Endgewicht 1 07 Tonnen Absolute Startbeschleunigung 1 ,2 g Relative Startbeschleunigung 1 ,0 g End beschleunigung 3,5 g Brennzeit (ohne Treibstofreserve) 1 SO sec Bren nsch 1 u ßgeschwind ig keif 9400 km/h Antrieb' 10 450 km/h Brennsch l ußhöhe 65 km Entfernung bei Brennschl u ß 1 80 km Fassungsvermögen der 4 Behälter v o n Manöver 3 1 59 m 3 =

1 Unter »Antrieb« versteht

man die Geschwindigkeit, welche eine Rakete i n einem

schwerefreien Raum erreichen würde. Ihre wirkliche Geschwindigkeit ist beim Aufstieg in einem Schwerefeld kleiner.

Innerer Tan k d u rchmesser Gewichtsverminderung nach Manöver 3 M A N Ö V E R 4 (Einahrt in die Bahn der Weltraumstation) Sch u b (n u r 1 2 beweg l iche Brennkammern) Gewicht bei Beg i n n des Manövers Trei bstofvorrat Endgewicht (siehe u nten) Anfangsbeschleunigung ( = Verzögerung) End beschleunigung Brennzeit (ohne Reserve) Geschwindig keitsänderung Antrieb' Länge der Antriebsba h n H ö h e b e i m Einschalten der Triebwerke Brennsch l ußhöhe Geschwin d i g keit beim Einschalten Geschwind igkeit bei Brennschl u ß Fassungsvermögen der 2 Behälter für Manöver 4 I n n erer Behälterd u rchmesser

2,32 m keine 1 48 Tonnen 1 07 Ton nen 71 ,5 Tonnen 35,5 Tonnen 1 ,4 g 4,2 g 1 32 sec 1 0 300 km/h 11 320 km/h 11 250 km 2400 km 1 730 km 35 600 km/h 25 400 km/h 55,6 m3 1 ,92 m

Gewichtsplan eines Mondschi fes

(für Passag iere; nach Rückkehr in d i e Bahn der Weltrau mstation) 30 Raketentriebwerke mit je 1 2,3 Tonnen Sch u b, einschließl ich besonders langer Sch u bd üsen, Turbopu m pen, Leitungen, Ventile und so weiter N icht abtrenn bare Teile des Gerüstes einsch l i eßlich Triebwerksträger Kugelkabine m it Meteorschutz (leer) Luftschleuse Ein richtung der Kugelkabine Navigationsgeräte Steuerautomat und Z u behör Belüftungsanlage Anlage zur Lufttrockn ung und Wasserrückgewinnung F u n kanlage (einschließlich beweg l icher Richtantenne) Sonnengenerator Steuersystem zur Veränderung der Schifslage im Raum H e l i u mbehälter und Z u behör Ersatztei le und Werkzeuge 25 Insassen (je 90 kg) Persönl iches Gepäck (30 kg pro Mann) Sauerstof (1 ,25 kg pro Man n und Tag, für 10 Tage, einschl. Res.) Lebensmittel (1 ,25 kg pro Mann und Tag, für 10 Tage, einschl. Res.) Trin kwasser (2 kg pro Man n und Tag, für 10 Tage, einschl. Res.) 25 Raumanzüge (zu je 38 kg) Trei bstofbehälter mit Meteorschutz (Manöver 3, 4 und Res.) Zusammen 1 86

Ton nen 5,90 2,80 4,80 0,75 0,90 0,90 1 ,35 0,90 0,90 0,90 1 ,75 1 ,35 0,45 0,95 2,25 0,75 0,35 0,35 0,55 0,95

� 35,50

Der rote Pl anet

E nördlichen Halbkugel des Planeten Erde. In klaren Nächten war

s war zu Beginn unseres Jahrhunderts im Winter 1 900/ 1 90 1 auf der

inmitten der bekannten Sternbilder ein heller rötlicher Stern zu sehen. Dieser Stern stand nicht immer dort, aber die Menschen, die ihn auf die verschneite Winterlandschaft scheinen sahen, wußten genau, um was für einen Himmelskörper es sich handelte, denn ihre Zeitungen und Zeitschriften hatten seit langem darüber berichtet. Es handelte sich um den Planeten Mars, der sich der Erde wieder einmal näherte. Die Zeitungen hatten auch über den Monat der größten Annäherung berichtet : Februar 1 90 1 . Danach würde der Mars wieder allmählich schwächer und schließlich für das ungeschulte und unbewafnete Auge unsichtbar werden. Erst im Frühjahr 1 903 würde er wieder am Himmel erscheinen. Lehrer zeigten ihren Schülern den roten Planeten, Väter führten ihre Söhne spät in der Nacht ins Freie oder auf die Dächer der Häuser, um ihn zu betrachten, und praktisch wohl zum erstenmal in der Geschichte sahen die Menschen den Mars ohne Furcht. Mars, das Symbol des Kriegsgottes, beunruhigte sie mit seinem Erscheinen nicht mehr, sondern weckte 'ihre Neugier, gemischt mit einer seltsam altruistischen Hofnung. Sie erwarteten nicht Nachrichten über Kriege und Unruhen, sondern Neuigkeiten aus einer für gewöhnlich wenig beachteten Quelle : den astronomischen Observatorien. Dort beanden sich die Männer, die den roten Planeten nicht nur betrachteten, son­ dern mit den besten und stärksten Instrumenten j ener Zeit beob­ achteten und schon bald darüber berichten sollten. Fast jedermann war von vornherein davon überzeugt, daß diese Neuigkeiten beach­ tenswert und „gut" sein würden. Die Gewohnheit, den Mars nicht mehr furchtsam, sondern eher erwartungsvoll zu betrachten, war auf die klaren wissenschaftlichen Erklärungen von Forschern und hauptsächlich Astronomen der letzten zwanzig Jahre zurückzuführen. Bis dahin hatte das Erscheinen

des Mars Furcht und Unsicherheit hervorgerufen. Sein plötzliches, regelmäßiges Auftauchen bed eutete für unsere Vorfahren, obwohl es sich vorausberechnen ließ, daß sie nicht Herren ihres Schicksals, sondern Opfer unentrinnbarer Einflü sse waren. Die rote Farbe erin­ nerte sie an Feuer und Blut. Sobald die Menschheit schreiben lernte, wurde auch der Name des roten Himmelslichtes, das jedes zweite Jahr hell und unheilvoll ein paar Monate lang aulammte, niedergeschrieben. Die Ägypter nann­ ten es Harmakhis, die Chaldäer Nergal, und Nergal war zugleich der Name für den Gott des Krieges und des Todes. Als im Laufe der Geschichte andere Völker mit anderen Sprachen Bedeutung gewannen, änderten sich zwar die Namen für den röt­ lichen Himmelskörper, aber die zuerst von den Chaldäern aufgebrachte Idee blieb unverändert. In Persien galt der Planet als Pahlavani Siphir, der himmlische Krieger, für die Griechen war er Ares. Die Sprachforscher wissen nicht genau, ob Ares von aew (töten) oder von aea (Unglück oder Vergeltung) abgeleitet ist, aber die allgemeine Bedeutung ist klar. In Rom war Mars ebenalls der Gott des Krieges. Sogar das Symbol für Mars Ce), das von Astrologen benutzt wird, die Kundschaft zu beeindrucken, von Astronomen, um Platz zu sparen, und von Biologen, um das männliche Geschlecht zu kenn­ zeichnen, wird für ein aus Schild und Speer zusammengesetztes militärisches Symbol gehalten. Gleich den anderen wichtigen Göttern des Altertums, wurde Mars ein Tag der Woche geweiht : Martis dies. Dieser Name hat sich fast unverändert in dem französischen Wort Mardi erhalten. Der gleiche Vorgang führte zu dem englischen Tuesday (Dienstag), nachdem der römische Mars durch den nordischen Kriegsgott Tyr ersetzt war. Da der Gott des Krieges nicht nur gefürchtet, sondern auch genau beobachtet wurde, überrascht es nicht, daß der Planet Mars in alten Schriften häufig erwähnt wird. Das Christentum beseitigte schließlich den Sternenkult, aber semper aliquid haeret, wie die Römer zu sagen pflegten, das heißt, es bleibt immer etwas hängen, denn weder das Erscheinen von Mars am Himmel noch die vermeintlichen Folgen seines Auftauchens auf der Erde hörten damit auf. Wer abergläubisch genug war, konnte sogar noch 1 900 darauf hinweisen, daß Mars in den Kriegsjahren 1 8 1 1 , 1 8 1 3 , 1 864, 1 8 7 1 und 1 899 nahe gewesen 188

war und daß der Burenkrieg, der in dem zuletzt erwähnten Jahr begann, sogar noch andauerte. Doch für die meisten Menschen, die in der Winternacht des Februars 1 90 1 nach Mars Ausschau hielten, waren alle diese alten Geschichten zwar gewiß recht unterhaltsam, aber nur noch von historischem Interesse. Gewiß, die Menschheit hatte genug mit Kampf und Krieg zu tun, aber da oben auf dem Planeten, der sich genau wie die Erde um die Sonne bewegte und dabei zwei irdische Jahre für einen vollen Umlauf brauchte, weil er weiter von der Sonne entfernt war, auf diesem anderen und kleineren Planeten lebte eine andere, wahrschein­ lich ältere und auf jeden Fall weisere Menschheit, die keinen Bruder­ krieg mehr kannte. Astronomen hatten den Zeitungen Berichte und Zeichnungen übergeben, welche kolossale, die menschlichen Fähig­ keiten übersteigende, technische Bauten andeuteten. Diese Idee ging auf eine Meldung zurück, die zwei Jahrzehnte rüher aus Italien gekommen war. Der Direktor des Mailänder Observato­ riums Giovanni Virginio Schiaparelli hatte auf der Oberfläche des Mars ein Netz von feinen Linien entdeckt. Diese Linien waren, dem Bericht zufolge, anscheinend völlig gerade und viele Hundert Kilometer lang. Schiaparelli hatte sie „canali" genannt. Dieses italienische Wort bedeutet „Rinnen" oder „Furchen", aber es lag ofenbar sehr nahe, es mit „Kanäle" zu übersetzen. Unmittelbar nach dem Erscheinen von Schiaparellis erstem Bericht ( 1 878) veröfentlichten zahlreiche Zeitgenossen schnellgeaßte und festgefügte Meinungen. Ebenso viele wählten zweifellos den ver­ nünftigen Weg, die neuen Erkenntnisse zunächst einmal ruhig zu verarbeiten, um abzuwarten, ob künftige Oppositionen den Bericht bestätigen würden, aber da sie wenig oder nichts äußerten, wurden sie auch nicht gehört. Diejenigen, die sich vernehmen ließen, teilten sich in zwei Lager. Die Vertreter des einen Lagers sagten dem Sinne nach : „Ich bin ein guter und erfahrener Beobachter ; ich verfügte über ein gutes oder besseres Fernrohr als Schiaparelli ; ich beobachtete während der Opposition. Aber ich sah keine Kanäle. Demnach existieren sie nicht, denn wenn sie vorhanden wären, würde ich sie auch gesehen haben. Demnach muß Schiaparelli sich geirrt haben." Es ist erwähnenswert, daß dieses Lager sich hauptsächlich aus Astronomen zusammensetzte.

Heute, ein dreiviertel Jahrhundert später, ist die Antwort darauf sehr einach, da die Canali inzwischen von sehr vielen ehrbaren Beobachtern bei sehr vielen Gelegenheiten gesehen wurden. Doch selbst l 878 waren die Kanäle nicht einmal eine Neuigkeit, wie manche Kritiker zu beweisen versuchten. Tatsächlich indet man auf vielen älteren Zeichnungen Linien, die an die Canali erinnern. Schiaparelli muß das gewußt haben, denn er behauptete niemals, der Entdecker der Kanäle zu sein, obgleich ihn andere gewöhnlich so nennen. Er war nicht einmal der erste, der dieses Wort für Linien auf dem Mars benutzte. Pater Angelo Secchi hatte das schon vor ihm getan, aller­ dings als Bezeichnung für einen ziemlich breiten und kurzen Streifen. Das wirklich Neue an Schiaparellis Beobachtungen war die Tatsache, daß er so viele Canali gesehen hatte. Auf der Karte, die er nach seinen Beobachtungen während der Opposition von 1 877 zusammen­ stellte, beinden sich 40. Merkwürdig ist j edoch, daß gerade während dieser Opposition niemand anders welche gesehen zu haben scheint. Während das eine Lager die Existenz der Kanäle leugnete, neigte das andere dazu, Schiaparellis Bezeichnung anzunehmen. Die Über­ setzung von „Canali" in „Kanäle" wurde nicht als Fehler erkannt, sondern als Erklärung betrachtet. Kanäle waren Kunstbauten ; ihr Vorhandensein ließ auf Bewohner schließen, die intelligent genug sein mußten, um solche Bauten zu schafen. Schiaparelli selbst hielt sich von den Diskussionen, die seine Meldung angeregt hatte, fern. Er achtete sorgältig darauf, niemals direkt zu erklären, daß er die Kanäle als Werke intelligenter Wesen betrach­ tete, doch mit der gleichen Vorsicht bemühte er sich, „dieser Ver­ mutung, die nichts Unmögliches enthält, nicht entgegenzutreten". Nach der Opposition von l 879 berichtete Schiaparelli, daß etwas sehr Merkwürdiges geschehen war : Der Kanal, den er auf der Karte von 1 877 Nilus genannt hatte, war doppelt erschienen. Wo vorher nur ein Kanal gewesen war, erschienen jetzt zwei. Während dieser Opposition beaßte sich Schiaparelli damit, die Gebiete nördlich des Marsäquators auf seiner Karte mit Kanälen zu füllen. Obgleich der Planet während der nächsten Opposition von l 8 8 l weiter ent­ fernt war, hatte Schiaparelli wiederum gute Erfolge. In der Oppo­ sition von l 8 66 meldeten andere Beobachter „Kanäle". Perrotin und Thollon zeichneten eine Teilkarte des Mars mit über zwei

Dutzend verschiedener Kanäle, von denen etwa acht doppelt erschie­ nen. Die Lage entsprach den Angaben auf Schiaparellis Karte ; die Karte sieht jener von Schiaparelli sehr ähnlich. Während dieser Opposition sahen auch andere Beobachter in Belgien, England und in den USA Kanäle. Alle Zeichnungen stimmten in einem Punkt üherein : Kein „Kanal" verschwand je in einem hellen Gebiet ; sie führten alle von einem dunklen Gebiet zum anderen, und wo sich mehrere Kanäle trafen, bildeten sich jene ziemlich großen runden Flecken, die Schiaparelli „ Seen" genannt hatte. Sechs Jahre später ergänzte der amerikanische Astronom William H. Pickering diese Beobachtung mit der Angabe, daß sich an allen Kanalkreuzungen kleine dunkle Stellen befänden ; sie waren zu klein, um als „ Seen" bezeichnet zu werden, und Pickering schlug für sie den Begrif „Oase" vor. Die Opposition von 1 8 92 rundete das neue Bild des Mars ab. Schia­ parelli beschrieb es in einem langen Artikel, der am 1 5 . Februar 1 89 3 in „Natura e d Arte" erschien und von Pickering ins Englische über­ setzt wurde. Merkwürdigerweise war das die erste direkte Übertragung einer Arbeit von Schiaparelli ins Englische ; alles, was früher von ihm übersetzt worden war, war zuerst ins Deutsche oder Französische übertragen worden und dann erst ins Englische. In diesem Artikel erörterte Schiaparelli Punkt ür Punkt die Oberflächenmerkmale des Mars. Er begann mit den Polarkappen, schilderte dann die Mars­ atmosphäre und schrieb schließlich über die Kanäle : „Die Kontinente sind in ihrer ganzen Ausdehnung durch ein Netz zahlreicher Linien und feiner Striche von mehr oder weniger dunkler Farbe bedeckt, deren Aussehen sehr unterschiedlich ist. Sie über­ queren den Planeten auf weiten Strecken in geraden Linien, die nichts mit dem gewundenen Lauf unserer Ströme gemein haben. Von den kürzeren sind einige kaum 5 oo Kilometer lang, andere erstrecken sich über viele Tausend Kilometer und nehmen ein Viertel oder sogar ein Drittel des Planetenumangs ein. Von diesen sind etliche sehr leicht zu erkennen, besonders derjenige, der den Namen Nilosyrtis erhielt. Andere dagegen sind äußerst schwierig und sehen wie feinste über die Scheibe (des Mars) gezogene Spinnenäden aus. Sie sind auch erheblichen Veränderungen ihrer Breite unterworfen, die 200 oder gar 3 00 Kilometer bei Nilosyrtis erreichen kann, wohingegen

andere kaum 30 Kilometer breit sind. Diese Linien sind die berühmten Marskanäle. Ihre Länge und Anordnung ändern sich nicht oder nur in sehr engen Grenzen. Jeder beginnt und endet stets in den gleichen Gebieten. Ihr Aussehen und ihre Sichtbarkeit ändern sich dagegen bei allen von einer Opposition zur nächsten und sogar von Woche zu 90°

o•

270°

Die Bahnen der i n n eren Planeten des Son.ensystems. Ven us- und Erd bahn sind nahezu kreisförmig, Merkur- und Morsbahn zeigen eine deutl ich erkenn bare Exzentrizität.

Woche beträchtlich. Manche werden ot undeutlich oder sogar völlig unsichtbar, während andere neben ihnen so weit zunehmen, daß sie sogar in mäßigen Fernrohren aufallen. Unsere Karte zeigt alle Kanäle, die in einer langen Reihe von Beobachtungen gesehen wur­ den ; sie stimmt keineswegs mit dem Bild überein, das Mars zu irgend­ einer Zeit bietet, denn gewöhnlich sind nur einige von ihnen gleich­ zeitig sichtbar. Die Kanäle können sich unter allen möglichen Win­ keln schneiden, meist vereinigen sie sich jedoch in den kleinen

lecken, die wir als , Seen' bezeichnen. Sieben trefen z. B. in Lacus ,Phoenicis, acht in Trivium Charontis, sechs in Lunae Lacus und sechs in Ismenius Lacus zusammen.-'' Über di� Verdoppelung der Kanäle berichtete Schiaparelli, daß sie sehr schnell innerhalb weniger Tage „oder vielleicht sogar binnen weniger Stunden" erolge, um dann fortzuahren : „Die zwei Linien liegen sehr dicht neben dem ursprünglichen Kanal, und sie enden an der gleichen Stelle wie dieser. Häuig deckt eine von ihnen genau den rüheren Verlauf. Doch kommt es auch vor, daß beide Linien auf völlig neuem Boden u beiden Seiten des vor­ herigen Kanals liegen. Der Abstand der beiden Linien ist bei den verschiedenen Verdoppelungen verschieden groß ; er schwankt von über 600 Kilometer bis hinab u jener Grenze, an der zwei Linien in den großen Fernrohren eben noch einzeln zu erkennen sind, das heißt bis auf weniger als 5 o Kilometer." Schiaparelli wußte natürlich, daß die Leser auf seine Ansicht über die Natur der Kanäle besonders neugierig waren. Einleitend beschrieb er die Schneeschmelze an den Marspolen : „Wir haben bereits gesehen, daß sie (die Polkappen) während der Schmelze ofenbar von einer dunklen Zone umgeben sind. Um diese Zeit werden die Kanäle in den anschließenden Gebieten dunkler und breiter, bis sich die ganze gelbe Fläche zwischen der Schneegrenze und 60° nördlicher Breite in zahlreiche kleine Inseln verwandelt. Dieser Zustand dauert so lange, bis der Schnee, der auf eine kleine Restfläche zurückgegangen ist, zu schmelzen aufhört. Dann nimmt die Kanalbreite ab, die Seen verschwinden, und das gelbe Gebiet nimmt wieder seinen rüheren Umfang an. Die verschiedenen Phasen dieser sehr ausgedehnten Erscheinungen wiederholen sich im Rhyth­ mus der Jahreszeiten, und wir konnten sie in allen Einzelheiten während der Oppositionen von 1 8 8 2, 1 8 84 und 1 8 86, als der Planet den Erdbeobachtern seinen Nordpol zuwandte, sehr gut erkennen. Die natürlichste und einachste Erklärung liefert die von uns ge­ trofene Annahme einer großen Überschwemmung infolge der Schneeschmelze, sie ist völlig logisch und durch eine klare Analogie zu irdischen Erscheinungen gestützt. Wir ziehen daraus den Schluß, daß es sich wirklich, und nicht nur dem Namen nach, um Kanäle handelt. Man braucht sie nicht für Bauten intelligenter Wesen zu 1 93

halten, und obwohl ihre ganze Anlage nahezu geometrisch erscheint, neigen wir zu der Annahme, daß sie sich im Laufe der Entwicklung des Planeten selbst gebildet haben, wie auf der Erde der Ärmelkanal und der Kanal von Mozambique." Obgleich Schiaparelli mehr als alle anderen Forscher vor ihm dazu beigetragen hatte, die Karte des Mars zu ändern und ihn dadurch außerordentlich populär zu machen, unterschied sich sein Konzept des Planeten von 1 89 3 nicht allzusehr von dem, das Herschel ein Jahrhundert zuvor entworfen hatte. Es gab die großen Polarkappen aus Eis und Schne, welche j eden Sommer abschmolzen, weil dieser zweimal so lange dauerte wie auf der Erde, und die Sonne um 1 1 / 2° höher über die Pole kletterte. In der Nähe des Südpols gab es eih großes ofenes Meer, das Mare australe, das die bei der Eisschmelze rei werdenden Wasserfluten, ohne über die Ufer zu treten, aunehmen konnte ; am Nordpol j edoch fehlte solch ein großes natürliches Bek­ ken, so daß es in j edem nördlichen Frühling Überschwemmungen gab. In beiden Fällen beörderten dann die vermutlich natürlichen Kanäle das Wasser in die Äquatorgegend, wo es verdunstete, um sich an j enem Pol, der gerade Winter hatte, niederzuschlagen. Etwa um diese Zeit entdeckte ein Beobachter einen besonders typi­ schen Kanal in einem der „Meere". Das ließ sich nur so erklären : Der Name „Meer" traf nicht zu. Eine andere Erklärung war bereits 1 8 8 8 , also fünf Jahre bevor Schiaparelli den oben zitierten Artikel schrieb, in der Zeitschrift „ Science" erschienen ; die Meere wären, da sie nicht den Anblick boten, den man von einem Meer erwartet, möglicherweise Gebiete mit Vegetation. Diese Ansicht wurde dadurch bekräftigt, daß kein Mensch jemals in einem der „Meere" die Refle­ xion des Sonnenlichts beobachtet hatte, die aber unbedingt auftreten mußte, wenn es sich wirklich um ofenes Wasser handelte. Inolge­ dessen konnten also auch die Kanäle keine ofenen Wasserflächen über 1 5 o Kilometer Breite sein, sondern höchstens Vegetationsstrei­ fen. Der eigentliche Kanal, ob künstlich oder natürlich, so meinte man, wäre wahrscheinlich nur ein Kilometer oder sogar noch weniger breit und daher unsichtbar. Der durch ihn bewässerte Landgürtel jedoch wies eine sich von der benachbarten Wüste deutlich abhebende Vegetation auf, und diese konnte von der Erde aus gesehen werden. Es gab sogar einen ähnlichen Vorgang auf der Erde, der, vom Mars 1 94

aus betrachtet, wie ein ganz typischer Erdkanal aussehen mußte, nämlich die Überschwemmungen des Nil. Jedes Jahr tritt der Nil über seine Ufer, bewässert die Wüste, und die Vegetation beginnt sich zu entwickeln. Diese Folgen der Nilüberschwemmungen könnte man vom Mars aus beobachten, gäbe es dort Astronomen mit Tele­ skopen von etwa der gleichen Stärke wie bei uns. Der Strom selbst bliebe dagegen für diese Beobachter unsichtbar. Natürlich fließt der Strom nicht schnurgerade, doch das Land zwischen seinen zahl­ reichen Windungen füllt sich mit Vegetation, so daß das Ganze wie ein dunkler, ast gleichmäßig breiter und ofenbar schnurgerader Kanal erscheint. Alle diese von Schiaparelli beobachteten und beschriebenen Tat� sachen, das Dunkelwerden der gelben Gebiete, die „Füllung" der Canali, ihr allmähliches Verschwinden nach dem Schmelzen der Polarkappe - ließen sich durch den Begrif einer Vegetation erklären. Auch unsere irdische Wüstenvegetation ruht, wenn die Wüste trocken ist, und ihre Farbe gleicht dann, von gewissen feinen Nuancen abgesehen, ebenalls der Wüste. Sobald man aber die Wüste bewässert, erwacht die Vegetation zum Leben - „in wenigen Tagen oder vielleicht sogar in ein paar Stunden" -, um in der Trockenzeit wieder einzuschlafen. Mars ist, wie wir gesehen haben, ein schwieriges Objekt. Der Planet ist klein und selbst im günstigsten Falle doch ziemlich weit entfernt. Im allgemeinen erscheint er bei r 5 oacher Vergrößerung s o groß wie der Mond dem unbewafneten Auge. An sich wäre das kein be­ sonderer Nachteil, da sich die Vergrößerung leicht weiter treiben läßt, doch unglücklicherweise müssen wir durch die Erdatmosphäre sehen. Wenn auch die Luft auf dem Gipfel hoher Berge als „klar" anzusehen ist, weil dort praktisch aller Staub und Rauch und der größte Teil des Wasserdampfes tief unter dem Beobachter liegen, so ist sie doch niemals „ruhig". Oder vielmehr, sie ist in unregelmäßigen Abständen höchstens ein paar Sekunden oder ein paar Minuten hintereinander „ruhig". Das sind die Augenblicke perfekter „ Sicht", und wenn es überhaupt Orte auf der Erde gibt, wo solche Augen­ blicke häuiger auftreten, so müssen sie erst noch gefunden werden. Mars ist, wie gesagt, ein schwieriges Objekt, und das wird besonders 195

schön durch die Reaktion eines Laien illustriert, der einmal Gelegen­ heit hat, einen Blick durch ein mittleres Teleskop zu werfen. Er hat vorher vielleicht höchstens durch ein kleines tragbares Fernrohr gesehen, besitzt aber doch eine gewisse Vorstellung, denn in seiner Bücherei zu Hause stehen auch einige Astronomiewerke. Zunächst geht alles gut. Venus, nach Einbruch der Nacht schon tief am Hori­ zont, zeigt die erwartete brillante Sichel. Die Berge des Mondes mit ihren tiefen Schatten sehen genauso aus wie auf großen Foto­ grafien. Die Krater haben tatsächlich Zentralberge, und das große Tal der Mondalpen ist klar zu sehen. Der rötliche Jupiter erscheint im Teleskop mit seinen markanten Wolkengürteln parallel zum Äquator, und von seinen vier großen Monden sind zuällig drei sichtbar. Das Bild des Saturn mit den prachtvollen Ringen leuchtet unirdisch schön vor dem dunklen Hintergrund des Nachthimmels. Aber Mars, rundheraus gesagt, eine Enttäuschung. Der interessierte Laie weiß aus seinen Büchern, daß er nicht Schiaparellis Karte am Himmel erwarten kann. Obgleich ihm der Begrif „schwieriges Objekt" schon oft begegnet ist, hat er doch etwas mehr erhoft. Was er nun wirklich im Fernrohr sieht, ähnelt mehr oder weniger einer hell beleuchteten, weit enternten Mandarine, die oben einen besonders weißen unregelmäßigen Fleck aufweist. Die Schale der Mandarine, um bei diesem Vergleich zu bleiben, sieht verfärbt aus : Manche Stellen sind dunkler und von einem grünlichen Schimmel überzogen, andere zeigen ein mäßig helles Gelb. Bereits nach knapp einer Minute weiß der Anänger, warum Marsotograien so dürftig sind, und er wird wahrscheinlich auch den Gedanken, das eben Beobachtete aufzuzeichnen, zurückweisen. Wie verwirrend die Gebilde auf der Marsscheibe auf den ersten Blick auch sein mögen, der Beobachter lernt sie allmählich unterscheiden : Syrtis maj or wird gewöhnlich zuerst ausgemacht ; dann erkennt man das Gebiet des Sinus Sabaeus und des Margaritifer Sinus wieder. Der „ Sonnensee", Lacus Solis, ist ein weiteres aufallendes Gebilde, und gewöhnlich tritt auch Trivium Charontis scharf und dunkel hervor. Alle Beobachter in j edem Klima der Erde sind sich über diese Hauptzüge einig, das heißt über ihre Gestalt und Lage, aber nicht über ihre Natur. Über die Kanäle gehen die Ansichten jedoch noch auseinander. Manche Astronomen betrachten sie nach wie vor

als nicht vorhanden, wobei sie sich auf bekannte und ähige Beob­ achter als Zeugen berufen. Asaph Hall zum Beispiel sah niemals einen Kanal, obgleich er doch die winzigen und schwierigen Marsmonde entdeckte. Auch Frankreichs großer Marsspezialist E. M. Antoniadi sah viele Jahre hindurch keine Kanäle ; erst gegen Ende seines Lebens gab er zögernd zu, daß es eine geringe Anzahl von Gebilden gebe, die man Kanäle nennen könnte. Ein weiterer Planetenspezialist, der niemals einen Marskanal sah, war Professor K. Graf in Deutsch­ land. Er pflegte ständig darauf hizuweisen, daß ihn dieser Umstand nicht im geringsten überraschte. „In diesem Durcheinander grauer, gelblicher und bräunlicher Schatten an der Grenze der Sichtbarkeit" konnte etwas so schwer Erkennbares wie ein Kanal doch überhaupt nicht zutage treten ! Proessor Graf meinte, daß er schon Kanäle gesehen haben würde, wenn diese tatsächlich existierten, und er schloß daraus auf eine etwas übertriebene Einbildungskraft der Leute, die keine so guten disziplinierten Beobachter waren, wie beispiels­ weise Professor Graf! Anhänger der Kanaltheorie waren außer Schiaparelli William H. Pickering und Percival Lowell. Es trifft zu, daß ihre Ansichten auseinandergingen. Percival Lowell zeichnete sehr feine Linien, die ein sehr künstlich aussehendes Netz bildeten ; Professor Pickering dagegen zog weiche und ziemlich breite Striche, und nur gelegentlich sah er feine Linien, nämlich dann, wenn sich ein Kanal „verdoppelte". Alle Beobachter, die je Kanäle gesehen haben, erklären überein­ stimmend, daß diese beim ersten Blick durch das Fernrohr nicht wahrnehmbar seien. Zunächst, und häuig für längere Zeit, zeigt der Mars sein gewohntes Bild, doch dann tauchen plötzlich Kanäle auf, und man sieht auf einmal drei, vier oder fünf ganz deutlich. Sie sind vorhanden, klar und scharf „wie eine Radierung", bis die Sicht sich wieder verschlechtert und die Erscheinung verschwindet. Des scheinbaren Rätsels Lösung ist vermutlich die mehr oder weniger gute Sicht, das heißt eine zeitweilig besonders ruhige Atmosphäre in Blickrichtung. Man kann sich leicht eine große Zahl von Orten vorstellen, wo solch eine gute Sicht kaum jemals vorkommen dürfte, und die geographische Verteilung der Astronomen, die niemals einen Kanal gesehen haben, ist in diesem Zusammenhang besonders auf­ schlußreich. Professor Graf war Direktor des Observatoriums von 1 97

Bergedorf bei Hamburg. Professor Asaph Hall arbeitete in Washing­ ton D. C„ und E. M. Antoniadi war Direktor des Observatoriums von Meudon in Frankreich. Giovanni Schiaparelli dagegen war in Mailand tätig, William H. Pickering an seinem Observatorium in Jamaika, und Percival Lowell saß auf dem Gipfel eines Berges hoch über der Wüste von Arizona. Es spricht stark für das Vorhandensein der Kanäle, daß die von ver­ schiedenen Beobachtern bei verschiedenen Oppositionen gesehenen Linien stets an denselben Stellen erscheinen, und zwar da, wo Schia­ parelli sie zuerst auf seinen Karten eingetragen hat. Wären sie pure Einbildung, dann tauchten sie einmal da, einmal dort auf. Ein Deu­ tungsversuch - die Idee wurde zuerst von Vincenzo Cerulli ausge­ sprochen und später von Antoniadi übernommen - bezeichnet die Kanäle als eine „induzierte optische Illusion", das heißt feine Einzel­ heiten, die auf einer mehr oder weniger geraden Linie liegen, werden nicht getrennt, sondern als eine zusammenhängende Linie wahrge­ nommen. Dieser Gedanke wurde von E. Walter Maunder, einem Fellow der Royal Astronomical Society, experimentell untersucht, und zwar mit 200 Schülern der Greenwich-Hospitalschule. Mr. Maun­ der wies ausdrücklich darauf hin, daß die für den Versuch gewählten Jungen nicht nur gute Augen besaßen, sondern auch „daran gewöhnt waren, Beehle, ohne zu fragen, auszuführen". Außerdem „wußten sie nichts über Astronomie, und ganz gewiß nichts über den Mars" . Bei solchen Voraussetzungen wäre e s heute gewiß äußerst schwierig, dieses Experiment zu wiederholen. Mr. Maunder fuhr dann in seinem Bericht ort : „Wir hängten ein Bild auf, das nach der einen oder anderen Zeichnung des Planeten von Schiaparelli, Lowell oder eines anderen Marsbeobachters ange­ fertigt worden war. Darauf fehlten jedoch die Kanäle, statt dessen waren hier und dort ein paar Punkte oder unregelmäßige Zeichen eingeügt worden. Die Jungen erhielten verschieden weit enternte Plätze und den Auftrag, genau aufzuzeichnen, was sie sahen. Diejeni­ gen, die dem Bild am nächsten waren, konnten die kleinen, unregel­ mäßigen Zeichen erkennen und gaben sie in ihrer richtigen Anord­ nung und Form wieder. Diejenigen im Hintergrund des Raumes konnten überhaupt nichts davon sehen und zeichneten daher nur die deutlichsten Details des Bildes auf, die Kontinente und Meere. Die

in der Mitte des Raumes saßen, waren zu weit entfernt, um die kleinen Zeichen zu erkennen, aber sie waren doch nahe genug, um sie irgendwie wahrzunehmen ; was sie sahen, war dann stets ein Netz­ werk von geraden Linien . . . " So interessant dieser Versuch auch ist, in Wirklichkeit beweist er nicht viel, selbst wenn die Bilder genauso ausielen, wie sie Maunder beschrieb. Es besteht nicht nur ein gewaltiger Unterschied zwischen einem scharfäugigen Schuljungen, der wegen seines Gehorsams und seiner Unkenntnis ausgewählt wurde, und einem reifen Beob­ achter mit geschulten Augen und Händen, sondern die Bedingungen müssen auch sonst recht unterschiedlich gewesen sein. Das Experi­ ment wurde vermutlich während der Schulstunden vorgenommen, das heißt bei Tageslicht ; das Bild war wahrscheinlich schwarz-weiß, und die „Punkte und unregelmäßigen Zeichen" waren durch den Prüfer angebracht worden. Dieses Experiment verhält sich zur Wirk­ lichkeit etwa so, wie eine kunstvoll zusammengezimmerte Kriminal­ story zu einem wirklichen V erbrechen. Cerulli, der diese Idee aufbrachte, zeichnete selbst eine ganze Reihe von Kanälen ; ofenbar sah er sie, war aber trotzdem davon überzeugt, daß es sich nur um durch sonst unsichtbare Details verursachte Illusionen handelte. Selbst wenn er völlig recht hätte, wäre es noch eine verwickelte Aufgabe, einmal die natürlichen Kräfte zu ermitteln, die feine Einzelheiten entlang gerader Linien verteilten. Außerdem müßte der gleiche Efekt dann auch auf andere Himmelskörper zu­ trefen. Man könnte z. B. den Mond mit so geringen Vergrößerungen betrachten, daß er im Teleskop nur so groß erscheint wie der Mars bei den größtmöglichen Vergrößerungen. Das Ergebnis müßte dann ein ganzes Kanalnetz auf dem Mond sein, da dieser ganz gewiß nicht unter einem Mangel an Details auf seiner Oberfläche leidet. Das ist natürlich auch versucht worden, und einige Autoren haben derartige Zeichnungen veröfentlicht, um das zu beweisen. Diese Zeichnungen können j edoch beim besten Willen nicht als überzeugend bezeichnet werden. Die Tatsache bleibt bestehen, daß die Kanäle, was auch immer sie darstellen mögen, ür den Mars exklusiv sind. Was aber „Einbildung" und „ Wunschträume" betrift, darauf gibt es keine bessere Antwort als eine deutliche Erklärung von Dr. Robert S. Richardson vom Mount Wilson Observatorium : „Wenn Wunsch1 99

Marskarte m it den gegenwärtig ü b l ichen Namen der hauptsächl ichen Oberflächen­ details. Nach einer Gesamtkarte des Mars von Gerard de Vauco u l e u rs, zusam men­ gestellt aus Fotograien und Zeich n ungen nach persö n l ichen Beobachtungen wäh rend der Oppositionen von 1 939 und 1 941 von Earl C. S l i pher i n Bloemfonte i n , von Lyot,

träume Kanäle hervorzaubern könnten, würde ich längst welche gesehen haben." Und erst im Jahre 1 9 5 4 bekam er wenigstens einen mit Sicherheit zu Gesicht. Vor einem halben Jahrhundert konnten zahlreiche Marsprobleme als geklärt gelten. Der Durchmesser war bekannt und damit auch die Oberläche. Zuällig ist die gesamte Marsober!äche ein wenig 200

Carmichel und Gentil i a uf dem Pie d u Mid i, Frankreich, und von de Vaucouleurs i m Le­ Houga-Observatori u m , Fran kreich. (Mit G eneh m i g u n g von Macm i l lan, New York, Faber and Faber, London, Ed itions Albin Michel, Paris.)

größer als das Festland der Erde. Es war auch bekannt, daß ältere Vorstellungen über eine Abplattung des Mars an den Polen erheblich übertrieben waren, und man nahm an, daß der Unterschied zwischen Äquator und Polardurchmesser des Mars nur etwa 3 0 Kilometer betrug. Genauere Forschungsergebnisse haben diese Zahl wieder ein wenig vergrößert ; Mars ist also etwas stärker abgeplattet als die 201

Erde. Man hatte damals festgestellt, daß die Marsatmosphäre in der Nähe der Planetenoberfläche nur so dicht war wie die Erdatmosphäre auf dem Gipfel eines sehr hohen Berges ; inzwischen ist diese Zahl ziemlich drastisch herabgesetzt worden. Es war bekannt, daß es auf dem Mars sehr wenig Wasser gibt, und es schien so, daß sogar die Südsee, das Mare australe, nicht eine zusammenhängende Wasserläche, sondern höchstens ein Sumpfgebiet darstellt. Da man aus der bekannten Ent­ fernung des Planeten von der Sonne berechnen konnte, wieviel Wärme ein Pol während des Frühlings und Sommers aufnahm, konnte man auch ausrechnen, wie dick eine Polarkappe sein durfte, um doch noch von der verfügbaren Wärme völlig weggeschmolzen zu werden. Die Antwort lautete : „Durchschnittlich nicht mehr als 1 , 5 0 bis 2 Meter, obgleich an manchen Stellen auch dickere Schichten vorkommen können." Im großen und ganzen gilt diese 5 o Jahre alte Angabe heute noch, allerdings wurden die Zahlen drastisch auf l 5 bis 20 Zentimeter reduziert. Um 1 900 waren auch die jahreszeitlichen Verfärbungen der dunklen Gebiete unbestritten. Diese Gegenden wurden im Laufe j edes Früh­ lings um eine Schattierung dunkler und nahmen eine grünliche Farbe an, die später im Sommer wieder schwand. Mit dem Schmelzen einer Polarkappe schob sich eine „dunkle Welle" in Richtung auf den Äquator, die später allmählich verschwand und sich vom anderen Pol her wiederholte, wenn dort der Frühling begann. Ein anderes anerkanntes Phänomen waren die „gelben Wolken", die sofort als gelbe Staubstürme in den Wüsten erklärt wurden. Berge wurden nicht gefunden. Die meisten Beobachter gewannen den Eindruck, daß die dunkleren Gebiete, die „Meere", „Seen", „Oasen", und vielleicht auch die Kanäle tiefer als die gelben und rötlichen Wüsten liegen, die Wüsten selbst j edoch erschienen eben. Gäbe es dort Berge, so müßten wir, wenigstens zeitweise, ihre Schatten sehen, und nichts dergleichen wurde entdeckt. Wenn es auf dem Mars doch noch Berge gibt, müssen sie sehr niedrig, das heißt weniger als 5 oo Meter hoch sein. Nachdem alle diese Tatsachen feststanden, war nun nur noch eine Erklärung dafür zu inden und ein Gesamtbild des Planeten u ent­ werfen, das mit den Beobachtungsergebnissen übereinstimmte oder ihnen wenigstens nicht widersprach. Das gefühlvollste und daher 202

populärste Bild wurde von Percival Lowell in den U SA und Camille Flammarion in Europa vertreten. Es war das Bild einer nicht mehr bewohnbaren Welt, auf der eine übernationale Gemeinschaft von Menschen mit Hilfe eines den ganzen Planeten umspannenden Bewässerungssystems um ihr Weiterleben kämpfte. Der Planet war ungastlich geworden, aber seine intelligenten Bewohner lebten noch, weil sie zu denken und zu erinden vermoch­ ten und zusammen arbeiteten. Percival Lowell schrieb über diese Idee, obgleich er nicht der eigentliche Urheber ist und sie sogar nur zögernd akzeptiert hat : „Nun, im besonderen Falle des Mars haben wir vor uns das Schauspiel einer Welt, die viel älter als die Erde ist. Mars zeigt unmißverständliche Zeichen seines Alters. Die fortschrei­ tenden Jahre haben ihre Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen. Alle seine Kontinente sind abgelacht ; seine Meere sind ausgetrocknet. Wenn er einmal eine wilde Jugend gehabt hat, so ist diese längst vergangen. Obgleich er nach dem wildesten der Götter genannt wurde, ist er gegenwärtig, was auch immer er früher gewesen sein mag, der friedlichste der Himmelskörper. Sein Name ist ein Fehlgrif; in der Tat scheinen die Alten in der Wahl ihrer Planetennamen nicht besonders glücklich gewesen zu sein. Angesichts des so friedlichen Mars, des jungen Jupiter und der schüchtern in Wolken gehüllten Venus stimmen die Namen der Planeten schlecht mit ihren Tempe­ ramenten überein." Lowell war sich darüber im klaren, daß das skeptische neunzehnte Jahrhundert die Behauptung, es gebe Menschen auf dem Mars, nicht ohne Stirnrunzeln hinnehmen würde, obgleich die Naturwissen­ schaftler der Vergangenheit von Christian Huyghens bis Immanuel Kant nüchtern und selbstbewußt von den Bewohnern anderer Pla­ neten gesprochen hatten. „ Wir stellen fest : erstens, daß die allgemeinen physikalischen Eigen­ schaften des Planeten nicht einer Entwicklung von Leben entgegen­ stehen ; zweitens, daß an der Planetenoberläche ein sichtlicher Wasser­ mangel herrscht und daher hinreichend intelligente Lebewesen, falls diese den Planeten bewohnen, ihre Zulucht zur künstlichen Bewäs­ serung nehmen müßten ; drittens, daß ein Netz von Linien die Planetenscheibe bedeckt, das genauso aussieht wie ein Bewässerungs­ system ; und, zu guter Letzt, daß es eine Anzahl von auffallenden

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S CH E I N BARE G R O S S E DES MARS B E I P E R I H E L-OPPOSITION, A P H E L-OPPO­ S I T I O N U N D APHEL-KONJUNKTION

Die Mars-Oppositionen von 1 924 bis 1 971 m it einem Kalender, der die Jah reszeiten a n g i bt, in denen sie stattgefunden haben oder stattfi nden werden. Aphel und Perihel der Erde sind auf der Erdbahn angegeben. Die d u rchgehende Linie ist die Verbindungs­ l i n i e der Knoten ; wenn d i e Marsbahnebene mit der Ebene d i eser Seite identisch ist, m u ß man sich den Teil der Erdbahn oberhal b d ieser Linie etwas a us d e r Druckseite herausgehoben denken, den Teil unterhalb d ieser Linie dagegen etwas unter der Seite. 204

Punkten gibt, die da liegen, wo man künstlich urbar gemachte Äcker zu inden erwartet, und sich wie bewußt geschafene Oasen ausnehmen. Das alles kann natürlich nur eine Reihe von nichtssagenden Zufällen sein ; doch die Wahrscheinlichkeit verweist auf das Gegenteil. " Lowell wies dann darauf hin, daß der Gedanke an intelligente Be­ wohner, die ihren Fortbestand durch eine großräumig planende Technik sichern, sich logischerweise aus dem hohen Alter des Planeten ergäbe. „Nach dem wenigen, was wir sehen können, scheint das der Fall zu sein . . . Höchstwahrscheinlich verügen die Marsmenschen über Erindungen, von denen wir uns bisher nichts träumen ließen, und für sie gehören Elektrophone (Telefone) und Kinetoskope (Filme) schon der Vergangenheit an, alles Dinge, die als Überreste von plumpen Geräten aus der primitiven Kindheit der Rasse in Museen aufbewahrt werden. Was wir sehen, weist gewiß auf die Existenz von Wesen hin, die uns in ihrer Entwicklung weit voraus sind." Die intelligenten Lebewesen des Mars waren für Lowell nicht allein die beste Erklärung dessen, was er sah, sondern die einzige logische Erklärung, auf jeden Fall eine logischere als einige der von anderen vorgebrachten Hypothesen, die Lowell zusammen mit den Einwänden gegen „Marsmenschen" wie folgt abtat : „So überraschend das Ergebnis dieser Beobachtungen auf den ersten Blick sein mag, in Wirklichkeit ist daran überhaupt nichts Ungewöhn­ liches. Die Chance lag in den Karten, seit die Existenz des Mars selbst erkannt wurde . . . Wie der Wilde, der nichts so sehr fürchtet wie einen Fremden, wie Crusoe, der beim Anblick remder Fußspuren erblaßt, lehnt der zivilisierte Denker instinktiv jeden Gedanken an einen anderen V erstand als den, den er selbst kennt, ab . . . Jede

Die schein bare G röße der Marsscheibe i n einem Fernrohr von gegebener Verg rößerung wäh rend der Oppositionen von 1 956 bis 1 971 .

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Hypothese, die Tatsachen zu erklären, gaz gleich wie unwah_r schein­ lich oder gar handgreiflich absurd sie auch sein mag, ist besser als das. Kappen aus gerorenem Kohlensäuregas (Trockeneis), ein Planet, der auf eine völlig unsinnige Art und Weise zerrissen ist, Meteore, die ihre Furchen über seine Oberfläche mit einer derartig mathematischen Präzision ziehen, daß sie dafür ,ausgebildet' sein müssen, usw. usw., Hypothesen, von denen eine immer erstaunlicher ist als die andere, kommen dem Menschen gerade recht, wenn er dadurch nur davor bewahrt bleibt, etwas zuzugeben, was seiner Art verwandt sein könnte . . . (doch) wir müssen uns auch davor hüten, nicht ins andere Extrem zu verallen. Wer von Marswesen spricht, braucht nicht Marsmenschen zu meinen. Die Wahrscheinlichkeit spricht so sehr für die einen wie gegen die anderen . . . Man kann kaum in einem Satz oder in zwei Sätzen sagen, warum die meisten Berufsastronomen Lowell nicht zustimmten und weshalb seine Schlußolgerungen trotz des ofensichtlich logischen Aufbaus seiner Hypothese heute allgemein als falsch gelten. Wahrscheinlich lagen nicht so sehr alsche Schlüsse, sondern irrtümliche Voraus­ setzungen vor. Zunächst einmal setzte er Oberflächenbedingungen voraus, die den irdischen viel zu ähnlich waren. Es gibt auf dem Mars weniger Luft, als er glaubte, aber diese Tatsache allein hätte seine Argumente noch nicht entkräften können. Erheblich stärker ins Gewicht fallt, daß es dort weniger Wasser gibt, als er dachte. Die Rechnung mit soundso vielen Quadratkilometern bewachsener Fläche und soundso vielen Kilometern von Kanälen gegen soundso viele Quadratkilometer Polarkappen ging bei einer durchschnittlich zwei Meter dicken Polarkappe auf, aber nicht bei einer nur 20 Zenti­ meter dicken. Vor allem aber dürfte ihm das Netz der Kanäle viel geometrischer vorgekommen sein, als es tatsächlich der Fall ist. Obgleich ihm manche Astronomen beipflichteten, und die Laien natürlich mächtig asziniert waren, bemühten sich doch manche Wissenschaftler, ein Bild des Mars zu entwerfen, das mit den beob­ achteten Tatsachen besser übereinstimmt, ohne von der Voraus­ setzung des Vorhandenseins intelligenter Bewohner auszugehen. Zu diesen Forschern gehörte Professor Elihu Thompson. Er baute sich ein Fernrohr, das rechtzeitig für die Opposition von r 906 fertig war ; dann beobachtete er nicht nur selbst die Kanäle, sondern ließ "

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seine Familie und seine technischen Mitarbeiter unabhängig von­ einander Zeichnungen anfertigen, die alle gut übereinstimmten, auch mit den Skizzen von Lowell. Thompson glaubte zwar nicht an intelligente Marswesen, nahm j edoch immer noch an, daß die Kanäle auf Handlungen lebender Wesen zurückgingen. Seine Schlußfolgerung sah so aus : „Obgleich auf dem Planeten nur wenig Wasser oder Sauerstof u F E BRUAR

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Die N e i g u n g der Marsbahnebene zur Erd bahnebene, d i e E k l i pt i k und d i e Lage d e r Achsen beider Planeten. Wenn d i e E r d e dem Mars während des Sommers a u f d e r nördl ichen H a l bkugel d e r Erde begeg net, hat d i e südliche Hal bkugel des Mars Sommer. Wen n d i e nörd l iche H a l bkugel der Erde Winter hat, herrscht auf der nörd l ichen H a l b­ kugel des Mars Sommer.

inden ist, kann es dort genug Kohlensäure geben, um eine beträcht­ liche Vegetation zu ermöglichen. Es mag sogar primitive Formen tierischen Lebens geben. Mit den warmen Jahreszeiten auf dem Mars dehnt sich das warme feuchte Klima des Äquatorgürtels in Richtung auf die Pole aus, wie auf der Erde, und nimmt die Vegetation mit sich. Das ruft j ährliche Wanderungen von Lebewesen hervor. Da sie nicht von Bergen oder großen Flüssen aufgehalten werden, können die Tiere ihre jährlichen Züge in die höheren Breiten des kleinen Globus auf geraden Wegen ausführen. Die ständig wieder­ kehrende Düngung und der lange Abnutzungsprozeß hat allmählich zur Ausbildung von Wegen geführt, die von einer dichten Vegetation bedeckt sind, während der Rest des Planeten eine Wüste blieb. In dieser großen Entfernung kann das Muster der sich kreuzenden Pade irrtümlich für ein Kanalsystem gehalten werden."

Merkwürdigerweise hat der deutsche Erinder Hermann Ganswindt von den Kanälen als· „Routen wandernder Tiere" gesprochen, bevor Percival Lowell sein erstes Buch herausgab. 1 907 brachte der alte Alred Russell Wallace, der unabhängig von Darwin auf die Idee der Evolution gekommen war und allein dadurch die Veröfentlichung von Darwins eigenem Werk beschleunigt hatte, ein 1 1 0 Seiten dickes Buch heraus, in dem er Lowell ziemlich scharf in breiter Front angrif. Wallace hatte nach seinen eigenen Worten eigentlich mit einer Besprechung eines Buches von Lowell begonnen, die dann aber zu einem besonderem Buch angeschwollen war. Er hatte keine eigenen Beobachtungen angestellt und mußte sich daher auf vorliegende Berichte, meist auf die von William H. Pickering, stützen, der ein ebenso eiriger Marsbeobachter wie Lowell war. Pickering hatte einmal erklärt, die Kanäle könnten natürliche Risse in der Oberläche sein, aus denen Kohlendioxyd und Wasserdampf vulkanischen Ursprungs aufsteigen und die von der Erde gesehene Vegetation hervorrufen. Wallace machte sich diese Anregung zu eigen und versuchte dann zu zeigen, daß sich Tausende von Kilo­ metern lange Risse bilden müssen, wenn eine noch warme Planeten­ kruste sich über einem Planetenkern abkühlt, der bereits kalt ist und sich nicht mehr zusammenzieht. Dann mußte er natürlich auch be­ weisen, daß Mars tatsächlich einen nicht mehr schrumpfenden Kern in einer noch schrumpfenden Rinde besitzt. Da das zu den Problemen der Planetenentstehung führte, geriet ihm die Beweisführung stellen­ weise etwas daneben. Selbst wenn diese Erklärung nicht akzeptiert würde, fuhr Wallace in seinem Buch fort, hätte Lowell in jedem Punkte unrecht. Erstens, „sind alle Physiker sich darin einig, daß Mars wegen seiner Ent­ fernung von der Sonne eine mittlere Temperatur von minus 3 7° Celsius haben müsse, selbst wenn seine Atmosphäre dichter als die unsere wäre". Zweitens haben die Beobachtungen klar ergeben, daß die Temperaturen auf dem Mars tatsächlich nicht über dem Gerierpunkt des Wassers liegen. Drittens kann Wasserdampf in der Atmosphäre des Mars nicht existieren ; inolgedessen kann es auf Mars überhaupt kein Wasser geben. Das Buch schloß : „Mars ist daher nicht nur nicht von intelligenten Wesen, wie sie Mr. Lowell postuliert, be­ wohnt, sondern absolut unbewohnbar." 208

Die Erzeugung von Mond beben mit H ilfe von Sprengungen gehört zu den Forschu ngs­ aufgaben der Expedition. Die etwa 25 Kilogra m m schweren Lad u ngen werden m it verhältn ismäßig kleinen Raketen bis zu 1 50 Kilometer weil gefeuert. Die Art und Weise, wie sich die Erschütterung der Explosion im Mondboden ausbreitet, l i efert mancherlei A ufsch l üsse ü ber die Struktur des Mondes. Im Vorderg rund sieht man einen Seismo­ g raphen und Theodol iten mit gebogener Einsichtblende, d i e der Form der Rau m he l m e angepaßt ist. Die H e l m e s i n d mit N u m mern versehen, d a m i t s i c h die Träger gegenseitig schn e l l erken nen können.

Das Buch, das dem Trompetenstoß von Wallace zeitlich folgte, war sogar noch überraschender. Es erschien 1 909 in Zürich unter dem Titel : „Die Erklärung der Oberfläche des Planeten Mars". Sein Verasser war ein gewisser Adrian Baumann, der buchstäblich nahezu alle Beweise umkehrte und das Bild des Mars völlig auf den Kopf stellte. Außer Wallace, der dem Mars überhaupt kein Wasser zuge­ stehen wollte, waren alle Forscher sich darin einig, daß es auf dem Mars sehr wenig Wasser gibt. Falsch, sagte Baumann, Mars hat min­ destens soviel Wasser wie die Erde, nur ist es zum größten Teil dauernd gefroren. Die von jedermann als Wüsten bezeichneten Gebiete sind nur in einem übertragenen Sinne „Wüsten", denn sie sind gerorene Meere. Die dunklen Stellen sind die Festländer und tragen möglicherweise Vegetation ; sie können sogar tierisches Leben beherbergen. Die Inseln in den gefrorenen Meeren sind haupt­ sächlich aktive Vulkane ; wenn sie ausbrechen, sehen wir die „gelben Wolken", und es ist der Niederschlag dieser Wolken, der die ge­ frorenen Meere gelb und rötlich färbt. Die ziemlich oft zu beob­ achtenden weißen Gebiete und die Polarkappen sind als Rauhreif und Eiskristallwolken anzusehen. Die Kanäle, die von den noch aktiven vulkanischen Inseln zum Festland laufen, sind weite Risse in den gerorenen Meeren, ein völlig logisches Ergebnis des Vulka­ nismus in einer so großen Masse soliden Eises. Der nächste, der nach Baumann die Eigenschaften des Mars zu erklären versuchte, war wieder ein berühmter Wissenschaftler, min­ destens so berühmt wie Alred Russell Wallace, obgleich auf einem ganz anderen Gebiet. Es war der Physiker und Chemiker Svante August Arrhenius, Nobelpreisträger der Chemie von 1 903 und ab 1 90 5 Direktor des Nobelinstituts für physikalische Chemie. Seine Meinung über unseren Nachbarn im Weltraum - „Mars ist zweifellos eine tote Welt" - wurde mit den Schlüssen, auf die sich diese Ansicht stützte, an verschiedenen Stellen veröfentlicht, zuerst 1 9 1 0 in der Zeitschrift „Kosmos" . Das war der Artikel, den der alte Schiaparelli las und kurz vor seinem Tode kommentierte. In einer Hinsicht stimmte Arrhenius mit Wallace und Baumann überein : Die Temperatur auf Mars mußte so tief sein, daß Wasser gewöhnlich geroren war. Arrhenius gab zu, daß die Temperatur örtlich zur Mittagszeit über den Gerierpunkt steigen konnte, was 210

Die U m laufbahnen der beiden Mars­ monde, maßstäblich gezeichnet. Der D u rch messer von Phobos beträgt etwa 1 5 km, der von Deimos n icht mehr a ls 8 km.

Umlouh:eit •

30h \8•

Umlo ufgeshw .•

1,35

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Umlo ufgeschw. •

M I TT E L P U N K T D E S MARS

2,22

" 9 300 k m , '' 1� 2 3 400 c m

km/sec.

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in Verbindung mit dem niedrigen Luftdruck ein schnelles Verdamp­ fen oder Schmelzen des Schnees hervorrufen konnte. Die Wüsten des Mars hielt Arrhenius für sehr alt. Wegen ihres hohen Alters haben sie genügend Zeit gehabt, beträchtliche Mengen kos­ mischen Staubes, hauptsächlich Eisen, anzusammeln, das oxidierte und dadurch die typische rote Farbe des Planeten verursachte. Die sogenannten Seen waren nur tiefliegende Gebiete und die Kanäle Erdbebenspalten. Diese wurden jedoch nicht infolge von Vegetation sichtbar ; der ganze Prozeß des Farbwechsels, die berühmte „dunkle Welle", war ein rein chemisches Phänomen. Er nahm an, daß es in tiefliegenden Gebieten gelegentlich echte Seen geben könnte, „ sehr flach, mit sehr salzigem und häufig völlig verdunstendem Wasser, wie die Wüstenseen auf der Erde". Wenn solch ein See verdunstet, setzen sich die weniger löslichen Salze, die Schwefelsalze, an den Küsten zuerst in kristallischer Form ab. Dann folgen der Reihe nach die gewöhnlichen Salze und Chlormagnesium. In der Mitte bleibt etwas flüssiges Wasser oder wenigstens eine gesättigte wäßrige Lösung von Chlorkalk übrig, die erst bei minl+S 5 5 ° Celsius gefriert. Dann verdunsten die Eiskristalle wegen der allgemeinen Trocken­ heit der Atmosphäre und ziehen zum kältesten Teil des Planeten, u dem Pol, der gerade Winter hat, wo sie eine Polarkappe bilden. Wenn der Frühling kommt und diese Polarkappe verdunstet, wird das Wasser von den gewöhnlichen stark hygroskopischen Salzen angezogen, die dann wieder ein dunkles Aussehen annehmen. Wenn 211

man, so schloß Arrhenius, die Annahme trift, daß etwas Wasserdampf, gemischt mit Kohlendioxyd, Schweeldioxyd und Chlorwasserstof, an manchen Stellen noch aus dem Inneren zutage tritt, dann läßt sich die dunkle Welle durch zwei teilweise einander überschneidende Ursachen erklären : einmal als unmittelbares Dunklerwerden inolge von Feuchtigkeit, zum anderen als eine chemische Reaktion, die das rötliche Eisenoxyd in schwarze Sulfide verwandelt. Mars war für Arrhenius demnach im großen und ganzen eine kalte Wüste, und wo er keine Wüste war, bestand er aus eisigen Salz­ sümpfen ohne j egliches Leben, j edoch mit jahreszeitlichen Farb­ änderungen auf Grund von chemischen Kunststücken. Es handelt sich um eine glänzende Gedankenkette, wie man sie vom Direktor des Nobeinstituts für physikalische Chemie erwarten konnte ; ob es sich aber um die richtige Erklärung handelte, hing von einer Reihe von Faktoren ab, die erst noch gesichert werden mußten. Am wich­ tigsten war die wirkliche Oberlächentemperatur auf dem Mars. Sie konnte natürlich berechnet werden, aber alle Rechenmethoden waren auf ein paar unsichere Annahmen angewiesen. Außerdem konnte niemand darauf pochen, daß er wirklich alle Faktoren berücksichtigt hatte. Kurzum : Man mußte die Oberflächentemperatur des Mars messen, anstatt weiter herumzuraten. Nach der sehr schönen Opposition von 1 924 wurde die immer wiederkehrende Frage nach der Temperatur auf dem Mars schließ­ lich beantwortet. Die Veröfentlichung Nr. 5 l 2 des Bureau of Standards, abgeschlossen am 2 8 . April 1 9 2 5 , berichtete über radio­ metrische Messungen des Lowell-Observatoriums in Flagstaf, Ari­ zona, in 24 Nächten während der Monate Juli bis September 1 924. Die Temperaturen sowohl der hellen gelben Gebiete nahe der Mitte der Planetenscheibe als auch der dunklen Gebiete, wie Syrtis major, waren bei Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und zur Mittagszeit (Marszeit) gemessen worden. Die Zahlen waren für viele Theoretiker Die Mondexpedition auf dem Weg am Hang eines kleinen Kraterwal l s in d e r Ebene des S i n us roris. Jeder Schlepper zieht, von einer zweistufigen Ö l-Wasserstoffsuperoxyd­ Turbine angetrieben, zwei seiner d rei A n hänger h i nter sich her. Das h e l l e Leuchten auf der gegenüberliegenden Bergwand wird von der Sonne veru rsacht, das Licht ü ber der Landschaft sta m mt von der Erde. 212

eine Überraschung und für manche vielleicht eine Erleichterung ; sie waren viel höher, als an manchen Schreibtischen angenommen wor­ den war. Bei Sonnenaufgang während der Opposition betrug die Temperatur eines bestimmten Gebietes minus 4 5 ° Celsius. Auf der Sonnenunter­ gangsseite des Planeten lag die Temperatur genau am Gerierpunkt, o0 Celsius. Allerdings konnten diese von außerhalb durch die Mars­ atmosphäre hindurch vorgenommenen Messungen nicht völlig genau ausallen. Ein Gebiet, in dem durch die Marsatmosphäre hin­ durch o° Celsius gemessen wurden, muß in Wirklichkeit eine etwas höhere Temperatur besitzen. In der Mitte der Scheibe, am Marsmittag für diese Gegend, ergab sich eine beträchtliche Diferez zwischen der hellen Wüste (vermut­ lich eine Hochebene) und dem dunklen Tiefland. Die Mittagstempe­ raturen der Wüste schwankten zwischen minus 1 0° Celsius und plus 5 ° Celsius. In den dunklen Gebieten lagen die Mittagstemperaturen zwischen plus 1 0° und plus 20° Celsius. Mit anderen Worten, für einen Menschen wäre die Mittagstemperatur in einem dunklen Gebiet tatsächlich ziemlich angenehm. Freilich nur die Mittags­ temperatur. Als Tagesdurchschnitt für die gesamte Planetenscheibe ergaben sich minus 3 0° Celsius. Die Nachttemperaturen konnten natürlich nicht gemessen, aber auf Grund der Morgentemperaturen geschätzt werden : Die durchschnittliche Nachttemperatur muß bei etwa minus 70° Celsius liegen. W. W. Coblentz, der den Bericht schrieb, fuhr fort : „Die beobachteten hohen Oberflächentemperaturen lassen sich viel­ leicht darauf zurückühren, daß die dunklen Gebiete eine Vegetation aufweisen mit ähnlichen Eigenschaften wie die Büschel bildenden Gräser unserer hohen Steppen und die Büschel, Moose und Flechten unserer trockenen Tundren, die eine starke Aunahmeähigkeit für Sonnenstrahlung und eine schlechte Wärmeleitähigkeit auf­ weisen . . . Die radiometrischen Beobachtungen zeigen, daß im Sommer auf dem Mars die Mittagstemperaturen denen von hellen kühlen Tagen auf unserer Erde entsprechen, das heißt zwischen 5 bis 1 5 ° Celsius liegen." Sogar in der Astronomie gibt es etwas, das man mangels eines besseren Ausdrucks „Modeströmungen" 'nennen könnte. Die sehr schöne

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Opposition von l 924 war gut genutzt worden, und bis schließlich das gesamte Beobachtungsmaterial veröfentlicht war, kam die mäßige gute Opposition von 1 926 heran. Nachdem auch diese Ergebnisse veröfentlicht waren, ging die Literatur über den Mars sichtlich zurück. Das lag zum Teil am Wechsel der Oppositionen, doch auch andere astronomische Interessen trugen erheblich dazu bei. Der Mars, der seit l 877 mit nur kleinen Unterbrechungen mitten auf der astro­ nomischen Bühne gestanden hatte, wurde durch ferne Sterne, die plötzlich eine große Bedeutung erlangten, verdunkelt. Auf einer typischen astronomischen Tagung der dreißiger Jahre sprach man über veränderliche Cepheiden, extragalaktische Nebel, atomare Transormationen in Fixsternen und alles mögliche, außer über die Planeten unseres Sonnensystems. Als Robert S. Richardson Kollegen über ihre Pläne für eine bevorstehende Opposition während des zweiten Weltkrieges beragte, wußte ein erstaunlich großer Prozent­ satz überhaupt nicht, daß eine Marsopposition zu erwarten war. Nach dem Kriege änderte sich diese Haltung erneut, und da sich mehrere schöne Oppositionen boten, wurde ein Marskomitee ge­ bildet, um die Forschungsarbeit zu koordinieren und die Ergebnisse zu sammeln. Das Komitee traf sich zum ersten Mal im Oktober 1 9 5 3 im Lowell-Observatorium. Es trat auch während der Opposition von 1 9 5 4 in Tätigkeit und war während der von 1 9 5 6 wiederum sehr aktiv. Da es keine völlig neue Theorie über den Mars gibt, ist es am besten, alles, was wir über ihn wissen und von ihm glauben, Punkt für Punkt durchzugehen. Zunächst die Marsatmosphäre. Sie ist dünn ; die besten Messungen Die Mondexpedition ungefä h r 24 Stun d en nach der Landung auf dem Boden von S i n us roris. Die n i cht m e h r notwen d i g en Landebehälter sind schon von den Schifen entfernt worden, d i e bewegl iche Ausrüstung wurde auf d i e Raupensch lepper und Anhänger verstaut. Der g roße Lastbehälter des Lastschiffes wurde d emontiert und zu Boden g elassen, um nun als vorfabriziertes Mon d q u a rtier zu d ienen. Die Erde steht am H im m e l ; sie hat einen Hof: d i e von der Sonne beleuchtete Atmosphäre. Die Sonne ist h i nter der Kugel kabine des h inten l i n ks stehenden Mondschifes verborgen. Der schräge Licht­ schein am d u n klen H i mmel ist das Zod iakal-Licht, das dad urch entsteht, daß d i e Sonne kosmischen Sta u b i m Weltra u m bescheint. Der helle Stern l i n ks von der Erde ist der Planet Mars. 215

erlauben den Schluß, daß der Lutdruck an der Oberläche etwa zwischen 62 und 70 Millimeter Quecksilber liegt, was einer Höhe von 1 6, 5 bis 1 7, 5 Kilometer in der Erdatmosphäre entspricht. In diesen Höhen herrscht in unserer Atmosphäre die Temperatur der unteren Stratosphäre, minus 5 5 ° Celsius. An der Marsoberfläche sind die Temperaturen natürlich anders ; sie entsprechen ungeähr den von Coblentz im Jahre 1 92 5 angegebenen Zahlen. Die Frage nach der Zusammensetzung der Marsatmosphäre ist noch schwerer zu beant­ worten als nach dem Druck. Das Spektroskop, das Instrument, das solch eine Frage beantworten könnte, wird durch die Tatsache be­ hindert, daß die Lichtstrahlen auch die Erdatmosphäre passieren müssen, die natürlich viele Linien im Spektrum hervorruft. Auf Grund der neuesten Schätzungen setzt sich die Marsatmosphäre zu ungeähr 96% aus Stickstof und zu 4% aus Argon zusammen. Das Vorhandensein von Kohlensäure wurde spektroskopisch nachge­ wiesen ; tatsächlich ist der Prozentsatz der Kohlensäure in der Mars­ atmosphäre größer als in der Erdatmosphäre. Spuren von Wasser­ dampf scheinen gelegentlich vorzukommen, aber meistens besitzt das Wasser in der Marsatmosphäre die Form von schwebenden Eis­ kristallen, die das Spektroskop nicht zeigt. Ob es auch Spuren von Sauerstof gibt, konnte noch nicht festgestellt werden. Man pflegt heute allgemein zu sagen, daß der einst in der Mars­ atmosphare vorhandene Sauerstof chemisch in der Planetenkruste gebunden ist. Rupert Wildt von der Princeton -Universität gab vor einiger Zeit eine interessante Erklärung, wie das zustande gekommen sein könnte. Hoch oben in der Erdatmo.sphäre verwandeln die von der Sonne kommenden ultravioletten Strahlen einen Teil des vor­ handenen Sauerstofs in die dreiatomige Form, die als Ozon bekannt ist. Infolge des geringeren Druckes in der Marsatmosphäre würde solch eine Ozonschicht in der Nähe der Oberfläche liegen, und da Ozon chemisch viel aktiver ist als der gewöhnliche Sauerstof, müßte es sich durch Oxydation in der Oberfläche ebenso schnell verbraucht haben, wie es sich bildete. Der Sauerstof wurde also auf dem Umweg über die Bildung von Ozon chemisch gebunden, doch in diesem Falle war der Umweg bei weitem der schnellere Weg. Das umangreichste Gebilde des Mars ist natürlich die Wüste, die drei Viertel der Oberfläche bedeckt. Mit Ausnahme von Baumann 218

und ein paar anderen Theoretikern, die mehr oder weniger in seine Fußtapfen traten, hatte es niemals einen ernsthaften Streit über ihre Natur gegeben, nämlich, daß es sich um eine durch einen mäßig hohen Prozentsatz von Eisenverbindungen rot geärbte Wüste han­ delt, wobei das Eisen zu einem Teil sogar aus dem Weltraum gekom­ men sein könnte, wie Arrhenius glaubte� Bezüglich der Polarkappen ist man sich darin einig, daß sie aus ge­ rorenem Wasser bestehen, doch die alte Frage, „wieviel gerorenes Wasser", ist noch nicht beantwortet. Neuere Schätzungen liegen zwischen 2 und 200 Millimeter ; „einige Zentimeter" ist noch immer eine sichere und vermutlich auch korrekte Aussage. Ob es sich um Schnee oder Eis handelt, ist eine andere Frage. Die meisten Astro­ nomen dachten an einen ziemlich lockeren Schnee, da die geringe Schwerkraft des Mars den Schnee nur wenig zusammenpreßt. Der russische Astronom G. A. Tichov entschied jedoch nach dem Stu­ dium von Bildern, die während der Opposition von 1 9 3 9 aufgenom­ men wurden, daß die Polkappen wahrscheinlich aus reifbedecktem Eis bestehen. Sein Landsmann V. V. Sharonov kam zu dem gleichen Ergebnis, und es gibt wenig Material, mit dem ein Widerspruch begründet werden könnte. Eine lange umkämpfte Frage scheint durch Gerard de Vaucouleurs, den gegenwärtigen ranzösischen Marsspezialisten, endgültig entschieden worden zu sein. Viele Beob­ achter hatten einen „dunklen Rand" um die schmelzende Eiskappe gesehen, und viele hielten diese für sehr laches Wasser oder wenig­ stens feuchten Boden. Später wurde erklärt, daß die Perspektive ganz alsch wäre, daß der dunkle Rand nicht die Gestalt hätte, die er haben müßte, und daß es sich wahrscheinlich nur um einen optischen Kontrast zu dem blendenden Weiß der Eiskappe handelte ; überhaupt würde die Eiskappe bei dem niedrigen atmosphärischen Druck ver­ dampfen und nicht schmelzen. Nachdem de Vaucouleurs den dunklen Rand mehrere Male klar gesehen hatte, kam er zu dem Schluß, daß es sich tatsächlich um feuchten Boden handelt und die Eisfläche wirklich schmilzt, nachdem ein beträchtlicher Teil verdampft und dadurch die Luft über der Polarkappe vorübergehend nicht völlig trockeri ist. Diese Erklärung paßt gut zu der Tatsache, daß die einzigen spektroskopischen Beobachtungen, die Wasserdampf anzuzeigen schienen, über den schmelzenden Eiskappen vorgenommen wurden. 219

Das nächste Problem sind die Wolken in der Marsatmosphäre. Es gibt zwei oder drei Typen, das muß noch geklärt werden, und ein geheimnisvolles Etwas, das man „Nebel" nennt, um ihm wenigstens einen Namen zu geben. Das größte, verbreitetste und am leichtesten zu erklärende Phänomen sind die „gelben Wolken" über den Wüsten, die das sind, was ihr Name und die Umstände besagen : Wolken aus feinem Staub, die durch einen Sturm aufgewirbelt sind. Das andere Wolkenphänomen ist unter dem Begrif „blaue" Wolken oder „blau­ weiße" Wolken bekannt, und die Frage ist, ob es sich dabei um zwei verschiedene Typen handelt oder nicht. Helle weiße Wolken wurden oft von Beobachtern des letzten Jahrhunderts gemeldet, und wenn sie hell von der Sonne erleuchtet in der Nähe der Scheibe auftauchten, wurden sie häuig für Signale der Marsmenschen gehalten. Der Begrif „blaue" Wolken ist nicht wörtlich zu verstehen ; die Farbangabe bezieht sich auf das bei fotometrischen Aufnahmen ver­ wendete Farbilter. Wird Mars durch Farbilter fotograiert, ent­ sprechen die mit Gelb- oder Orangefiltern gewonnenen Aunahmen dem gewöhnlichen Bild. Genauso ist es bei Rotilteraunahmen, nur daß die Polarkappe dann kaum zu erkennen ist. Bei Verwendung von blauen oder violetten Filtern dagegen verschwinden die meisten Einzelheiten, mit Ausnahme der Polarkappe, die dann stark hervor­ tritt, und der Planet selbst erscheint größer. Auf Blauilteraunahmen zeigen sich manchmal schwache Wolken, die bei visueller Beobach­ tung nicht zu sehen sind : die sogenannten „blauen" Wolken. Natür­ lich muß sich eine weiße Wolke auf einem Blauilterbild genauso abbilden, wie die Polarkappe ; die Frage ist, ob es sich bei den „blauen" Wolken nur um weiße Wolken, die zu schwach sind, um direkt gesehen zu werden, oder um eine andere Art handelt. Die sichtbaren weißen Wolken gelten allgemein als Wolken aus Eiskristallen. Abflug der beiden Passagierschife, d i e nach sechs Wochen Aufenthalt z u r Weltraum­ station zurückkehren. Die Vol lerde steht am Mond h i m mel ; d i e Weltraumstation kan n dagegen aus d i eser Entfern ung n icht mit un bewafnetem Auge gesehen werden. Das Bild zeigt den Blick vom Gerüst des zurückgelassenen Lastsch ifes ü be r d i e Ebene des S i n us roris in Richtung auf den Mondäq uator. Die Beschleunigung beim Abflug vom Mond ist nur ein bißchen g rößer als 1 g , kommt aber den Forschern, die sechs Wochen lang in der geringen Mondschwere ( n u r etwa ein Sechstel der normalen i rd ischen ) gearbeitet haben, sehr stark vor. 220

Das Bild des Mars sieht durc� ein Blatilter etwas größer aus, weil das rote und gelbe Licht die Marsatmosphäre bis zur Oberläche durchdringt, die kürzeren Wellenlängen des blauen und violetten Lichts dagegen nicht. Eine Blauilteraunahme bildet mithin nicht den Planeten, sondern seine Atmosphäre oder genauer gesagt das verstreute blaue Licht in der Atmosphäre ab. Aber in der Mars­ atmosphäre dürfte es eigentlich keine so starke Zerstreuung geben. Man muß darum eine Atmosphärenschicht annehmen, die nach den Worten von E. C. Sliphers eine „erstaunliche Difusions- und Absorp­ tionskraft für kurze Wellen besitzt". Das ist die sogenannte „Violett­ schicht''. Man hat versucht, sie durch feine Eiskristalle zu erklären, aber das ist nur eine bloße Vermutung. Daß es sich um eine besondere Schicht handeln muß, die jene phantastische Zerstreuung hervor­ ruft, wird durch die Tatsache bewiesen, daß es hin und wieder eine „blaue Aufklärung" gibt. Wenn sie auftritt, kann man Oberlächen­ details durch ein Blauilter otografieren ; eine Blauilteraunahme des Mars gleicht dann einem mit Gelbilter gewonnenen Bild. Ein besonders interessanter Punkt ist, daß die blaue Aufklärung stets bei einer Opposition autritt - zumindest seit die Astronomen darauf geachtet haben. Da bei einer Opposition die Erde zwischen Sonne und Mars steht, meinte E. P. Martz, daß die Aufklärung durch die Erde oder vielmehr durch das Magnetfeld der Erde verursacht sein könnte, das die den Mars erreichenden Sonnenstrahlen verändert. Eine besondere Wolkenart verdient noch erwähnt zu werden, ob­ gleich dieser Fall noch nicht restlos geklärt ist. Am 1 5 . Januar 1 9 5 o beobachtete der japanische Astronom Tsumeo Saheki in dem Gebiet von Eri@,nia und Electri� eine große dunkle gelblichgraue Wolke, die einen runden Fleck von etwa 700 Kilometer Durchmesser bildete und sich schätzungsweise bis auf 1 00 bis 1 5 0 Kilometer Höhe erhob. Amerikanische und europäische Observatorien konnten den Mars um diese Zeit nicht beobachten, und als für sie die Nacht kam, war die Wolke ofensichtlich schon wieder verschwunden. Andere j apa­ nische Beobachter bestätigten j edoch den Bericht. Am 29. März des gleichen Jahres sah ein weiterer japanischer Astronom, S. Ebisawa, eine ähnliche graue Wolke über dem südöstlichen Teil des Mare Sire­ num. Sie war noch am 2. April zu sehen, hatte aber ihre Farbe ver­ ändert und zeigte nun ein mattes Blauweiß. Eine dritte derartige 222

Wolke wurde im Februar und Anang März 1 9 5 2 über Eridania gesehen und eine vierte, ungefähr an der gleichen Stelle, am I 6. April 1 9 5 2· Diese Wolken unterschieden sich von den „normalen" gelben Wolken in doppelter Hinsicht : Ihre Farbe war anders, und sie stiegen zu großer Höhe empor. Eine einzelne Wolke dieser Art hätte sich leicht als sichtbare Folge des Aufpralls eines sehr großen Meteoriten oder kleinen Asteroiden auf der Marsoberläche erklären lassen, aber da alle vier in einem Gebiet von etwa 800 Kilometer Durch­ messer auftauchten, kommen wohl eher vulkanische Ursachen als Erklärung in Betracht. Es sei daran erinnert, daß Antoniadi l 909 und l 9 l 1 wiederholt Wolken im Gebiet der Deucalionis regio, ziemlich weit von Eridania entfernt, sah, die er für vulkanisch hielt. Tsuneo Saheki konnte auch über ein anderes Phänomen berichten, das gelegentlich in der Vergangenheit gesehen worden war. Am 4. Juni l 93 7 sah der Astronom Sizuo Mayeda plötzlich einen äußerst hellen Fleck, der wie ein Stern limmerte, viel heller als die Polar­ kappe war, doch nach etwa fünf Minuten wieder verschwand. Die Stelle lag im Gebiet des Tithonius Lacus in der Nähe des Mars­ äquators etwa am 9 5 . Längengrad. Das nächste Beispiel sah Saheki selbst am 8. Dezember 1 9 5 l : „Ich sah plötzlich einen scharf be­ grenzten, hellen, aufallend leuchtenden Fleck im rithonius _ Lacus erscheinen. Er war so hell wie ein Sternchen sechster Größe - ent­ schieden heller als die nördliche Polarkappe - und funkelte etwa fünf Minuten lang. Dann wurde die Erscheinung schwächer und sah fünf Minuten später wie eine kleine weiße Wolke aus, etwa von der Größe des Tithonius Lacus. Weitere fünf Minuten später war sie kaum noch sichtbar und glich einem sehr schwachen großen weißen Fleck, und nach weiteren 40 Minuten war dieser Teil der Marsober­ läche wieder normal." Wilde Schlüsse werden aus solchen Beobachtungen stets nur von jenen gezogen, die nur darüber gelesen haben, kaum jedoch durch den Beobachter selbst. Sahekis Zusammenfassung ist denn auch ein Meisterwerk zurückhaltender und vorsichtiger Beurteilung : „ Wir können die Möglichkeit verneinen, daß es sich bei diesen Lichtern um Sonnenlichtreflexe einer hypothetischen Wasseroberfläche auf dem Mars handelt, ihre Lage auf dem Planeten hinsichtlich Sonne und Erde schließen das aus. Relexion an einer eisbedeckten Gebirgs-

lanke ist von diesem Einwand nicht betrofen, kann aber nicht die Bildung einer Wolke kurz nach dem Verschwinden des Lichts erklären, wie es 1 9 5 1 geschah. Der Absturz eines Meteoriten auf dem Mars könnte sowohl Licht als auch Wolken hervorruen, läßt sich aber wohl kaum zur Erklärung für die beobachtete Leuchtdauer von fünf Minuten heranziehen . . . " Er kam zu dem Schluß, daß man zwar vul kanische Aktivität und Wolkenbildung verantwortlich machen könnte, daß aber das Leuchten für einen Vulkanausbruch wiederum zu kurz wäre. Obgleich er keine beriedigende Erklärung fand, war er doch von der Realität des Phänomens überzeugt. Es bleibt nur noch eine Erscheinung zu besprechen, nämlich die dunklen Gebiete. Über ein halbes Jahrhundert lang hatte praktisch jedermann sie als Vegetationslächen betrachtet, doch ehlte stets eme gute Entgegnung auf die Behauptung von Arrhenius, daß es sich um hygroskopische Mineralien handle, die bei Anwesenheit von Feuchtigkeit ihre Farbe verändern. Diese Antwort wurde erst vor ein paar Jahren durch den estnischen Astronomen E. J. Öpik gegeben. Da die Stürme den Wüstenstaub vor sich hertreiben, wären Gebiete sich verdunkelnder Kristalle, so meinte er, längst durch den gelben Staub bedeckt, besonders wenn diese Gebiete, wie allgemein angenommen, tiefer liegen. Da sie aber nach jedem Staubsturm hartnäckig wieder erscheinen, muß es sich um etwas handeln, was die Kraft hat, erneut durchzubrechen, und das kann nur etwas Lebendiges sein. Man könnte außerdem hinzufügen, daß, wenn Arrhenius recht hätte, jede beobachtete Veränderung in der

Der Planet Mars, u nser Nachbar im Weltal l , von seinem äußeren Mond Deimos a us gesehen, in einer Entfernung von 20000 Kilometer von Oberfl äche zu Oberfläche. Deimos, dessen Du rchmesser auf 8 Kilometer geschätzt wird, läuft in 30 Stunden und 18 Mi n uten ei n m a l u m den Planeten. Da Mars für eine tägl iche U md rehung etwas länger braucht als d i e Erde, nämlich 24 Stunden und 371/2 Minuten, steht Dei mos lange Zeit ü ber dem g l e ichen Gebiet des Mars. Ein Beobachter a uf Dei mos könnte einen besti m mten P u n kt auf d e m Mars fast 60 Stunden h i ntereinander sehen. Der i n n ere Mond des Mars, Phobos, dessen Du rchm esser auf 16 Kilometer geschätzt w i rd, ist 6000 Kilometer (von Oberfläche zu Oberfläche) vom Mars entfernt und läuft in 7 Stunden und 39 M i n uten um seinen Planeten. Beide Marsmonde bi lden a n n e h m­ bare natürliche Rau mstationen und werden von künftigen Rau mforschern wah rschein­ l ich als Außenstationen ben utzt werden. 22 5

langsamen Vernichtung einer weiteren dunklen Fläche durch den gelben Staub bestehen müßte. Doch die in den letzten 1 00 Jahren tatsächlich beobachteten Veränderungen zeigten gewöhnlich das Gegenteil : Die dunklen Gebiete nahmen an Größe zu, dehnten sich in der einen oder anderen Richtung aus, oder zwei benachbarte dunkle Gebiete wuchsen zusammen ; so ist z. B. die Bildung einer Verbindung zwischen Lacus Moeris und Syrtis major beobachtet worden. Während der Opposition von 19 5 4 erschien ein dunkles Gebiet in einer Gegend, in der man bis dahin keine Erscheinungen dieser Art beobachtet hatte. Es wurde von Dr. Earl G. Slipher vom Lowell­ Observatorium bei Forschungsarbeiten am Lamont-Hussey-Obser­ vatorium in Bloemfontein, Südarika, beobachtet und fotograiert. Das Gebiet war von beträchtlicher Größe, sogar für irdische Maß­ stäbe, denn es bedeckte etwa 5 oo ooo Quadratkilometer, also nahezu das Gebiet von Texas. Das Zentrum lag 20 ° nördlich des Mars­ äquators in einer Gegend der Marswüste, wo man vorher nur Kanäle gesehen hatte. Dr. Slipher stellte fest, daß es die gleiche blaugrüne Färbung wie die seit langem bekannten dunklen Flächen aufwies und somit ofenbar von gleicher Natur war wie diese. Dr. Slipher ist davon überzeugt, daß es sich um Vegetation handelt. Auf die Frage „welche Art von V�getation?" wurde in den letzten drei Jahrzehnten gewöhnlich geantwortet : Moose und Flechten, mit besonderer Beto"nung von Flechten. Flechten sind in Wirklichkeit zwei Planzen, die in der engstmöglichen Symbiose leben. Der Körper der Planze ist ein Pilz, doch in die Pilzäden sind Zellen von chloro­ phyllhaltigen Algen eingebettet, die Nährstofe durch Photosynthese erzeugen können. Die meisten Flechten haben die Farbe der Steine, auf denen sie wachsen ; manche Formen, die auf Felsen an häuig nebligen Küsten gedeihen, besitzen eine hellorange Farbe ; andere sind einach grau oder schwärzlich. In manchen Fällen hängt die Farbe davon ab, ob die Planze trocken oder feucht ist. Im trockenen Zustand sieht sie grau aus, was die Hauptarbe des Pilzteils der Planze ist ; im feuchten Zustand wird der Pilzteil j edoch durchsichtig, die grünen Algenzellen können undeutlich gesehen werden, und der Gesamteindruck ist ein Dunklerwerden mit einem grünlichen Schim­ mer. An Gestalt gleichen diese Pflanzen gewöhnlich papierdünner 226

Rinde, einige sehen aber auch wie Schwämme aus, wie herabhängende Haare. Flechten gelten bei der Frage nach dem Planzenleben auf dem Mars als Favoriten, weil sie auf blanken Felsen in jedem Klima und in j eder Höhe leben können und vorkommen. In Grönland und auf

Flechten. Die zähen Flechten der Erde könnten vielleicht unter den schwierigen Bed i n ­ g ungen a u f dem Mars existieren, und man n i m mt an, daß d i e Marsvegetation ä h n l ich entwickelt ist. In Wirkl ichkeit bestehen Flechten a us zwei zusam menlebenden Pflanzen : Algen und Pilzen. L i n ks : Querschnit d u rch Flechtengewebe zeigt d i e runden in Pilz­ fäden eingebetteten Algen. Rechts : ein Beet K rustenflechten (Parmel ia) auf Felsen.

Island stellen sie tatsächlich die vorherrschende Form des Planzen­ lebens dar. Außerdem entnehmen sie die Feuchtigkeit, die sie brau­ chen, aus der Luft, da sie keine Wurzeln besitzen. Flechten scheinen ast alle Lebensbedingungen ertragen u können, außer trockene Hitze und durch Schwefeldämpfe vergiftete Luft. Sie sehen so aus, als wären sie eigens ür die Lebensbedingungen auf dem Mars ge­ schafen, aber man sollte die Analogie nicht zu weit treiben. Man kann nicht, oder sollte wenigstens nicht, darauf bestehen, daß Lacus Solis und Trivium Charontis zwei riesengroße Flechtengebiete dar227

stellen. Dagegen darf man wohl sagen, daß die Flechten, wenn eine Auswahl von irdischen Pflanzen zum Mars gebracht würde, wohl die meiste Aussicht besäßen, das Experiment zu überleben. Da sich die Marsvegetation in einer ganz anderen Umgebung entwickelt hat, muß sie unseren Flechten an Gestalt und Struktur nicht unbedingt ähnlich sein ; die sehr wichtige Fähigkeit, Feuchtigkeit aus der Luft auzunehmen, ist nicht auf Flechten beschränkt, nicht einmal auf der Erde. Am 1 9. Mai 1 9 5 0 berichtete Dr. Edward C. Stone in der Zeitschrift Science, daß ein Gebirgsbaum der amerikanischen West­ küste, die Coulter Tanne, in der Lage wäre, sich durch „negative Atmung", also durch Feuchtigkeitsaunahme durch die Blätter, selbst in einem völlig ausgetrockneten Boden am Leben zu erhalten. Der russische Astronom Tichov widmete einen beträchtlichen Teil seiner Forschungen den Pflanzen der Arktis und großer Höhen, um deren Farbwerte mit den Farbwerten der Marsvegetation zu ver­ gleichen. Er wies darauf hin, daß die Vegetation der kalten Tundren eher zu blaugrüner als grüner Farbschattierung neigt. Er maß außer­ dem im Winter die von Bäumen im nördlichen Rußland relektierten inraroten Strahlen (Wärmestrahlen). Die blattlose ruhende Birke reflektierte ungeähr 5 0% der infraroten Strahlen, die Tanne nur 1 6 % . Das alles zeigt, daß die Pflanzen auf der Erde sich an ihre Umwelt angepaßt haben, wo es aus klimatischen Gründen notwendig war ; was auch immer auf dem Mars wachsen mag, es muß diese Fähigkeit ebenalls besitzen und vielleicht in einem viel höheren Grade. Das ist also das Bild des Mars in der Mitte unseres Jahrhunderts : Ein kleiner Planet, der zu drei Vierteln aus eisiger Wüste besteht, während der Rest seiner Oberfläche von einer Pflanzenart bedeckt ist, die wir uns noch nicht ganz erklären können. Der Mars ist nicht der tote Planet, wie ihn Arrl;ienius gemalt hat, aber er kann auch nicht j ene intelligenten Lebewesen beherbergen, von denen viele Menschen um l 900 träumten.

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Das Marsprojekt

D und Häfen und sogar die Planung von Verkehrslinien zur See und er Bau von Straßen und Eisenbahnen, die Anlage von Flugplätzen

in der Luft - das alles ist „Technik auf der Grundlage geographischer Realitäten" genannt worden. Mit noch größerem Recht kann man die Weltraumahrt eine „Technik auf der Grundlage astronomischer Realitäten" nennen. Tatsächlich reichen die Wurzeln des Weltraum­ fluges, der auf den ersten Blick eine so moderne Wissenschaft zu sein scheint, weit in die Geschichte der Astronomie zurück. Als Johannes Kepler die elliptische Farm der Planetenbahnen ent­ deckte, lieerte er, ohne es zu wissen, einen großen Beitrag für die schließliche Eroberung des Weltraumes und die Expedition nach dem Mars, da sich künftige Raumschife auf elliptischen Bahnen be­ wegen werden. Und als Sir Isaac Newton das Gesetz der allgemeinen Gravitation aufstellte, da lieferte er einen sogar noch größeren Bei­ trag, denn dieses Gesetz lehrt uns, warum die Planeten und Raum­ schife elliptischen Bahnen folgen müssen. Viele andere Gelehrte, berühmte und weniger berühmte, trugen ebenalls mehr oder weniger, auch immer, ohne es zu wissen, zu einer Wissenschaft bei, die noch in der Zukunft lag, doch von Chemie und Physik, von Metallurgie und Medizin proitieren sollte. Zu Beginn der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts hatte das eror­ derliche Wissen auf vielen Gebieten einen Umang angenommen, der es weitsichtigen Physikern und Mathematikern, Robert H. Goddard in den USA und Hermann Oberth in Deutschland, ermöglichte, die ersten theoretischen Studien über Weltraumahrt zu schreiben. Ihre Bücher erschienen 1 920 un.d 1 92 3 , und künftige Geschichts­ schreiber werde.n vielleicht diese Daten als den „Beginn" der Welt­ raumfahrt bezeichnen. Wenn sie nämlich für die Deinierung des Anangs lieber praktische Versuchserolge wählen würden, wäre es schwierig, ein besonderes Ereignis herauszugreifen. Sollten sie z. B. den ersten Start einer Flüssigkeitsrakete als den Anang betrachten?

Dann läge der Beginn der Weltraumahrt im Jahre 1 92 8 , als eine von Goddards ersten Raketen sich in die Lut erhob: Oder sollten sie sich für die erste Rakete entscheiden, die eine Höhe von l 5 o Kilometer überschritt, wo 99;9% der Erdatmosphäre unter ihr liegen? In diesem Falle wäre das historische Jahr 1 944 und die Rakete eine der ersten A-4-(V-2-)Raketen, die von Peenemünde starteten. Oder sollten sie den ersten erfolgreichen Aufstieg einer zweistufigen Flüssigkeits­ rakete herausgreifen? Dann ist das Datum das Jahr 1 949, als eine zweistufige Rakete aus einer V 2 und einer WAC Corporal von den White Sands Proving Grounds aufstieg, wobei die WAC Corporal eine Gipfelhöhe von 403 Kilometer erreichte. Vielleicht sollten sie auch den ersten bemannten Flug eines Raketenflugzeugs bevorzugen? Dann könnte man ein Dutzend verschiedener Daten zitieren. Mög­ licherweise wird man eines Tages den ersten erolgreichen Aufstieg künstlicher Satelliten als den wahren Beginn des Weltraumfluges betrachten ; dann wäre das historische Datum im Internationalen Geophysikalischen Jahr zwischen 1 9 5 7 und 1 9 5 8 zu suchen. Aus der Perspektive des Jahres l 9 5 6 kann man die Reihenolge der voraussichtlichen Ereignisse angeben ; allerdings ist es nicht gut möglich, auch bereits die Daten zu prophezeien. Nach den ersten Versuchen mit künstlichen Satelliten, die zum Teil noch Höhen erreichen, wo sie vom restlichen Luftwiderstand gebremst werden und schließlich in der Atmosphäre verbrennen, werden weitere Satelliten eine „ sichere" Höhe erreichen, für immer auf ihren Bahnen bleiben und die von ihren Meßinstrumenten aufgenommenen Daten an die Bodenstationen übertragen. Vielleicht wird es einige Satelliten geben, die ziemlich weit von der Erdoberfläche entfernt sind und Bilder der Erdoberfläche übertragen, auf denen die Meteorologen die großräumigen Bewegungen von Luftmassen beobachten können. Es kann dann sogar noch weiter entfernte künstliche Satelliten geben, die als Übertragungsstationen für das Fernsehen verwendet werden. Wegen ihrer verschiedenen Sonderaufgaben werden alle diese Satel­ liten die Erde in verschiedenen Abständen und wahrscheinlich auch verschiedenen Umlaufbahnebenen umkreisen ; einige werden ständig über dem Äquator bleiben, andere von Pol zu Pol fliegen und man­ che auf Bahnen, deren Ebenen schräg zur Äquatorebene liegen. Mit zunehmender praktischer Erahrung im Einsatz unbemannter

Satellitenraketen und auf dem Gebiet der Raumlugmedizin kommen wir schließlich zu lugzeugähnlichen Endstufen großer Raketen, in denen Piloten Höhen und Geschwindigkeiten erreichen, die gegen­ wärtig noch eine Domäne unbemannter Forschungsraketen sind. Schließlich wird solch ein Schif zeitweilig auf eine Umlaufbahn m die Erde gehen, und danach die erste bemannte Weltraumstation erbaut werden. Die Weltraumstation übertrift die unbemannten künstlichen Satel­ liten erheblich an wissenschaftlichem Wert, so daß es wahrscheinlich bald weitere bemannte Stationen dieser Art geben wird, die für Sonderzwecke entworfen, gebaut und eingesetzt sind und sich wie ihre unbemannten Vorgänger auf verschiedenen Bahnen und in ver­ schiedenen Bahnebenen um die Erde bewegen. Astronomische Forschung auf einer Weltraumstation wird einen großen Teil j ener Pläne lösen, mit denen sich die Astronomen heute noch abquälen. Unsere Atmosphäre absorbiert rund zwei Drittel aller aus dem Weltraum ankommenden Strahlen, das heißt, nur etwa ein Drittel erreicht die Erdoberfläche. Ein Teleskop, eine Kamera oder ein Spektroskop kann j enseits der Atmosphäre alle Strahlen auf­ nehmen. Auch die Sicht ist im Weltraum stets vollkommen. Viele, wenn auch nicht alle Rätsel des Mars wird man mit Hilfe eines Fern­ rohrs außerhalb der Atmosphäre lösen können. Trotz perfekter Sicht und unglaublich großer und scharfer fotograischer Aunahmen kann man sich dann noch über die Dicke eines weißen Flecks, der kürz­ lichen Schneeall anzeigt, streiten. Und selbst wenn das Raumteleskop jeden Zweifel daran beseitigt hat, daß, sagen wir, Zea Lacus in der Mitte von Hellas ein Vegetationsgebiet ist, bleibt doch noch Spiel­ raum genug für endlose Debatten über die Natur dieser Vegetation, ihren Atemmechanismus und ihre Art der Fortpflanzung. Die gleiche Einschränkung trift auch auf den Mond zu. In den letzten siebzig Jahren gab es beispielsweise eine Auseinandersetzung über die Frage, ob die Mondkrater durch den Aufschlag großer Meteoriten oder vulkanische Aktivität entstanden sind. Selbst ein meterbreites Bild eines kleinen Kraters wird die Dickköpfe der beiden Richtungen nicht überzeugen können ; beide werden auf direkten Untersuchungen von Gesteinsproben bestehen, um festzustellen, ob es sich um Bruch­ stücke von Meteoriten oder Lava handelt.

Sobald erst einmal eine bemannte Weltraumstation um die Erde kreist, wird es auch Expeditionen geben, denn diese ist sozusagen das Sprung­ brett für längere Flüge. Der nächste logische Schritt nach dem Bau einer Weltraumstation ist ein Flug um den Mond, zunächst ohne Landung, der zeitlich so abgestimmt ist, daß die von der Erde aus ständig unsichtbare Seite des Mondes bei Tageslicht fotograisch aufgenommen werden kann. Obgleich das Fahrzeug ür dieses Unter­ nehmen wahrscheinlich ziemlich klein sein wird, unterscheidet es sich doch grundlegend von allen bis dahin gebauten Raumahrzeugen. Es wird das erste „Fern-Raumschif" sein. Vom Standpunkt des Inge­ nieurs bringen solche Fern-Raumschife, die nicht von der Erdober­ läche starten, weniger Probleme mit sich. Der Start von der Erde erordert z. B. einen Raketenschub, der beträchtlich größer als das Startgewicht der Rakete ist, damit diese überhaupt abheben kann. Beim Abflug aus einer Bahn um die Erde ist dieses Verhältnis zwi­ schen Raketenschub und Schifsgewicht nicht erforderlich, da das Gewicht der Rakete vollständig durch die beim Umlauf entstehende Zentrifugalkraft aufgehoben wird. Ein Fern-Raumschif kann und wird daher Raketentriebwerke besitzen, die beträchtlich schwächer und leichter sind als die Triebwerke aller für den Start von der Erde gebauten Raketen. Das Schif braucht ferner keine aerodynamische Verkleidung, da es niemals durch eine Atmosphäre liegen wird. Es kann j ede Form haben, die aus konstruktiven oder anderen Gründen zweckmäßig erscheint. Trotzdem wird es wie die Weltraumstation an der Erd­ oberfläche gebaut und Stück für Stück von den projektilförmigen Raketenschifen, die schon die Teile der Weltraumstation beörderten, auf die Bahn um die Erde gebracht werden. Dort wird es zusammen­ gebaut ; die Weltraumstation ist dann der Platz, wo die Monteure essen und schlafen können. Dieser Flug um den Mond ohne Zwischenlandung ist ein sehr wich­ tiger Versuch. Natürlich ist die kleine Besatzung des Schifes bereits an den Weltraum gewöhnt ; j edes Mitglied der Besatzung hat an mehreren Flügen zwischen Erde und Weltraumstation teilgenommen und auf der Weltraumstation einige Zeit Dienst getan. Der Flug von der Erde nach der Weltraumstation dauert j edoch nur etwa eine Stunde, und das Leben in den relativ geräumigen Quartieren der

Weltraumstation ist nicht mit dem Leben in der kleinen Kabine eines Raumahrzeuges zu vergleichen. Der Zehn-Tage-Flug um den Mond stellt also einen Probedienst für Menschen und Maschinen dar und vermittelt praktische Erahrung in der schwierigen Kunst der Raum­ navigation ; er bietet Gelegenheit, Funk- und Radarverahren der weiterentwickelten Astronavigationstechnik zu erproben. Einige Jahre nach dem ersten Flug um den Mond kann eine Expedition mit zwei oder mehr größeren „Fern-Raumschifen" eine Landung auf dem Mond versuchen. Doch selbst nach der erfolgreichen Rück­ kehr dieser Expedition, die vier oder sechs Wochen auf dem Mond verbringen wird, werden wir nur eine schwache Vorstellung von den Problemen und Geahren haben, die sich auf dem monatelangen Flug durch den weiten Raum zwischen Erde und Mars für die see­ lische, geistige und körperliche Gesundheit des Menschen ergeben. Die Expedition nach dem Mars sollte daher als die Krönung einer schrittweisen und oft schmerzlich langsamen Entwicklung des be­ mannten Weltraumlugs betrachtet werden, die viele Jahrzehnte be­ anspruchen dürte. Sichere Aussagen über die voraussichtliche technische Entwicklung kommender Jahrzehnte werden durch den schnellen Fortschritt der Naturwissenschaften und die Möglichkeit erschwert, daß völlig neue Verahren entstehen. Es ist z. B. ohne weiteres möglich, daß inner­ halb eines Jahrzehnts oder sogar rüher Versuche mit einem Raketen­ antriebssystem auf der Grundlage der Kernenergie Erfolg haben. Doch wahrscheinlich werden nukleare Raketenantriebssysteme ihre erste Anwendung nicht in Raketen, die von der Erdoberfläche starten, sondern erst in Fern-Raumschifen inden. Für diese Annahme gibt es viele gute Gründe. Fern-Raumschife können länger mit geringerem Schub operieren. Dieser Umstand ermöglicht es, die erorderliche Leistung und das Reaktorgewicht niedrig zu halten. Außerhalb der Atmosphäre kann der Strahlen­ schutz für die Besatzung auf einen einachen Schirm in Sichtlinie zwischen Reaktor und Kabine, einen sogenannten „ Schatten­ Schirm", beschränkt werden. Außerdem gibt es im Vakuum des freien Raumes nicht das Problem der radioaktiven Verseuchung der Startbasis. Wahrscheinlich wird man also noch nach Entwicklung von Atom23 3

raketen für die Flüge von der Erdoberfläche zur Abflugbahn im Weltraum chemische Raketen einsetzen. Auch das fundamentale Konzept einer Unterteilung der Expedition in Vorbereitungsflüge von und zur Ablugbahn um die Erde, den eigentlichen interplane­ tarischen Flug und die Landungsoperation am Ziel, j ede Teilopera­ tion mit eigens dafür entwickelten Fahrzeugen, wird man höchst­ wahrscheinlich beibehalten. Es wird viele wissenschaftliche Entdeckungen geben, bis die Zeit ür eine Reise nach dem Mars reif ist. Viele Erindungen, von denen wir uns bis heute noch nichts träumen lassen - und nicht nur auf dem Gebiet des Antriebs -, werden den Ingenieuren, die dann die wirklichen Mars schife konstruieren müssen, zur Verfügung stehen. Wie dem auch sei, die Gesetze der Astronomie und Mechanik ge­ statten uns, die grundlegenden technischen Anorderungen einer Expedition nach dem Mars zu analysieren, und es ist ebenso span­ nend wie lehrreich, die Ergebnisse einer derartigen Untersuchung auf technische Lösungen auf der Grundlage unseres gegenwärtigen technischen Könnens zu übertragen. Auch wenn diese Entwürfe sich erheblich vom tatsächlichen Aussehen der Marsschife in einigen 3 0 bis 5 0 Jahren unterscheiden mögen, ist der Versuch doch der Mühe wert, denn was heute technisch möglich erscheint, wird sich in Zukunft bestimmt verwirklichen lassen. Nur wenn wir uns stand­ haft an technische Lösungen auf Grund des uns heute zur Verfügung stehenden Wissens halten und strikt jede Spekulation auf künftige Entdeckungen vermeiden, können wir beweisen, daß dieses phan­ tastische Abenteuer, die Marsexpedition, grundsätzlich möglich ist. Der Abbildung auf Seite 1 9 2 entnehmen wir, welche „astronomische Realität" hinter dem Gedanken an eine Expedition nach dem Mars steht : Die Tatsache, daß sich alle Planeten in der gleichen Richtung und ungeähr in der gleichen Ebene um die Sonne bewegen. Ihre Umlaufgeschwindigkeit ist, wie Kepler feststellte, m so größer, je näher sie der Sonne sind. Dagegen wußte Kepler nicht, daß die nahezu kreisförmigen Bahnen der großen Planeten uns sozusagen den Gleichgewichtszustand zwischen der mit der Umlaufgeschwindig­ keit eines Planeten zusammenhängenden Zentrifugalkraft und der Anziehungskraft der Sonne für diese Entfernung praktisch vor­ führen. Unsere Erde braucht bei durchschnittlich 1 49,5 Millionen 23 4

Kilometer Abstand von der Sonne eine Geschwindigkeit von 29,8 Kilometer in der Sekunde, um auf ihrer Bahn zu bleiben. Wenn die Sonne plötzlich kein Gravitationsfeld mehr besäße, würde sich die Erde im gleichen Augenblick mit dieser Geschwindigkeit in gerader Linie auf einer Tangente ihrer früheren Bahn entfernen.

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/ HAUPTACHSE DER HYPERBEL

BAH N BEWEGUNG DER ERDE

FLUCHT-ASYMPTOTE

Manöver 1 - Abflug von einer Satel litenbahn u m die Erde. Das eigentliche A bflug­ manöver erstreckt sich von dem m it „ Z ü n d u n g " bezeichneten P u n kt bis zu dem mit „ Brennschluß" bezeichneten P u n kt. Die aus dem Raketenantrieb gewonnene Geschwin­ dig keitszunahme bringt di e beiden Sch ife aus i h rer U mlaufba h n , auf der sie zusam men­ gesetzt wurden, auf den Fluchtast der Abfl ug-Hyperbel.

Da der Mars von der Sonne weiter entfernt ist, der durchschnittliche Abstand beträgt 2 2 7 Millionen Kilometer, braucht er nur 24, r Kilo­ meter pro Sekunde, um auf seiner Bahn zu bleiben. Angenommen, es wäre möglich, die Umlaufgeschwindigkeit der Erde an einem be­ liebigen Punkt ihrer Bahn zu erhöhen. Die Erde wäre dann für ihre gegenwärtige Bahn zu schnell ; die Anziehungskraft der Sonne würde nicht mehr ausreichen, die Erde in einer Entfernung von 1 49 , 5 Mil­ lionen Kilometer zu halten, und diese würde sich daher auf einer neuen elliptischen Bahn von der Sonne entfernen. Könnten wir die 23 5

Geschwindigkeit der Erde um 3 ,03 Kilometer pro Sekunde auf 3 2, 8 3 Kilometer pro Sekunde erhöhen, würde der sonnenfernste Punkt der neuen Bahn die Marsbahn berühren. Die neue Bahn wäre also eine Ellipse mit dem Aphel in der Marsbahn und dem Perihel in der ursprünglichen Bahn der Erde. Allerdings können wir nicht die Umlaufgeschwindigkeit der gesamten Erde vergrößern, wohl aber die Geschwindigkeit eines winzigen Teils von ihr. Könnte ein Raketenschif das Gravitationseld der Erde mit einer Geschwindigkeit von 3 ,03 Kilometer pro Sekunde in Richtung der Umlaufbewegung der Erde um die Sonne verlassen, so würde es solch einen kleinen Teil der Erde darstellen. Dieses Raketenschif müßte sich natürlich zunächst von der Anzie­ hungskraft der Erde bereien, wenn es mit einer Restgeschwindigkeit von 3 ,03 Kilometer pro Sekunde in den ofenen interplanetarischen Raum gelangen soll. Durch Ablug aus einer Umlaufbahn um die Erde anstatt unmittelbar von der Erdoberläche, können wir diese Aufgabe vereinachen, und zwar in dreiacher Hinsicht : Das Marsschif startet aus einer Höhe, wo die Anziehungskraft der Erde merklich geringer als am Boden . ist. Es braucht nicht gegen den Luftwiderstand zu kämpfen, weil der Flug bereits oberhalb der Atmosphäre beginnt. Und das Wichtigste : Die vorhandene Umlauf­ geschwindigkeit gibt dem Marsschif einen fliegenden Start. Wählen wir beispielsweise eine Abflugbahn in 1 730 Kilometer Höhe, was einer Umlauzeit von genau zwei Stunden entspricht, dann beträgt die Anangsgeschwindigkeit des Marsschifes 7,07 Kilometer pro Sekunde. Wird es durch Raketenantrieb um 2, 5 7 Kilometer pro Sekunde beschleunigt, während es auf eine Brennschlußhöhe von 3 1 70 Kilometer steigt, dann verläßt es das Gravitationsfeld der Erde mit der erforderlichen Restgeschwindigkeit von 3 ,03 Kilometer pro Sekunde. Diese Beschleunigungsperiode, das Abflugmanöver, ist das erste von insgesamt vier Antriebsmanövern der beabsichtigten Reise. Man kann dieses Ablugmanöver so einrichten und ausführen, daß das Schif genau in Richtung der Umlaufbewegung der Erde Biegt, wenn in einer Entfernung von Millionen Kilometern das Schwerefeld der Erde schon so schwach ist, daß man sagen kann, das Schif habe die Erdgravitation überwunden. Von da an wird die Bewegung des Schifes nur noch durch seine eigene Massenträgheit und das Gravi-

tationsfeld der Sonne beeinlußt. Ohne weiteren Antrieb folgt es einer elliptischen Bahn, auf der es 260 Tage später die Marsbahn erreicht. Der bemerkenswerteste Punkt einer solchen Reise durch das Sonnen­ system ist vielleicht die Tatsache, daß das Raketenschif, um Treib­ stof zu sparen, nicht den kürzesten Weg nach dem Mars einschlägt, sondern im Gegenteil eine sehr sehr lange Route halbwegs um die

Die Fl ugzeit auf der Halb-El l i pse zwischen Erd bahn und Marsbahn ist l änger als e i n hal bes Erdjahr, a b e r kü rzer a l s ein hal bes Marsjah r : 260 Tage.

Sonne. Wir haben uns eben daran zu gewöhnen, daß man auf einer interplanetarischen Reise nicht schnurstracks auf sein Ziel zustrebt. Da das Schif vorübergehend selbst ein winziger, Leben tragender Himmelskörper ist, zieht es eher wie ein Komet durch das Sonnen­ system. Nur unter voller Ausnutzung der Umlaufgeschwindigkeit der Erde kann das Schif sich mit dem geringstmöglichen Treibstof­ verbrauch zur Marsbahn hinausschwingen. Die auf dem Hinlug zurückgelegte Strecke ist daher viel länger als die 5 6 Millionen Kilo­ meter, die bei der günstigsten Opposition zwischen Erde und Mars liegen. Sie ist nicht weniger als 5 90 Millionen Kilometer lang ! Die für den kometengleichen Flug von Planetenbahn zu Planetenbahn erfor­ derliche Zeit muß länger sein als ein halbes Erdjahr ( 1 8 2, 5 Tage) 23 7

und kürzer als ein halbes Marsjahr ( 3 43 , 5 Tage). Eine einache Rech­ nung ergibt, daß der Hinflug 260 Tage oder etwas länger als acht Monate dauert (Abb. Seite 23 7) . Diese 260 Tage müssen bei der Wahl des Abflugdatums sehr sorg­ ältig in Rechnung gestellt werden. Es kommt uns nicht allein darauf an, die Mars bahn im Aphel der Flugellipse zu berühren : Wichtiger ist, daß sich der Planet selbst an diesem Punkt seiner Bahn befindet, wenn das Schif ankommt. Ofenbar muß das Schif also die Erde zu einer Zeit verlassen, in der Mars an einem Punkt seiner Bahn steht, von dem aus er ebenalls 260 Tage braucht, um zum Stelldichein zu kommen. Trefpunkt ist natürlich das Aphel der Reiseellipse. Auch die Lage der Fahrtellipsenebene haben wir zu beachten. Vor dem Abflugmanöver muß sich das Schif in der Ekliptikebene oder genauer in der leicht abweichenden Ebene der Marsbahn bewegen (Abb. Seite 207). Die Tatsache, daß das Schif die Erde eine Zeitlang in der Abflugbahn umlaufen muß, führt unglücklicherweise zu einer Kom­ plikation. Wegen der Abplattung der Erde ist die Bahnebene des umlaufenden Schifes gewissen periodischen Änderungen unter­ worfen. Diese können jedoch vorausberechnet werden ; man hat dann nur darauf zu achten, daß am Tage des Abflugs, der sich nach der Position des Mars richtet, auch die Ebene der Abflugbahn richtig liegt. Während des 260 Tage langen reien Fluges durch die Halbellipse entfernt sich das Raumschif von der Sonne, das heißt, es treibt gegen die ständige Anziehung der Sonnengravitation „bergauf". Inolge­ dessen nimmt die Geschwindigkeit von 3 2,08 Kilometer pro Sekunde, die es ursprünglich im sonnennächsten Punkt seiner Bahn besaß, ständig ab. Wenn es tangential zur Marsbahn im Aphel ankommt, hat sich seine Geschwindigkeit auf 2 r , 5 5 Kilometer pro Sekunde verringert, so daß es um 2, 5 5 Kilometer pro Sekunde langsamer ist als der Planet. Beände sich das Schif bei der Ankunft im Aphel genau auf der Marsbahn, würde es vom Schwerefeld des Mars senkrecht herabgezogen werden und auf der Marsoberfläche zer­ schellen. Wir können j edoch das Aphel der Reiseellipse um ein paar Tausend Kilometer zurückverlegen. Mars wird das Schif dann so anziehen, daß es mit ständig zunehmender Geschwindigkeit eine hyperbolische Bahn durchläut (Abb. Seite 241). Im Scheitel dieser Hyperbel ist das

Schifder Marsoberfläche am nächsten, und es würde sich im zweiten Teil dieser scharfen Kurve wieder vom Mars entfernen, wenn wir es jetzt nicht bremsen würden. Mit Hilfe der als Bremsen eingesetzten Raketentriebwerke des Schifes kann seine Geschwindigkeit, kurz bevor es den Scheitel erreicht, ausreichend herabgesetzt und das

(HAlBE) H I N R E I S E- ElllPSE M, M A R S BAH N

Stel l ung der beiden Planeten während des F l uges nach dem Mars. Wen n d i e beiden Schiffe unweit der Marsbahn i m Aphel i h rer Flugell i pse ankommen, hat sich ihre Geschwindig keit a uf 21 ,55 km/sec vermindert. Mars bewegt sich mit einer d u rchschn itt­ l ichen Geschwi n d i g keit von 24, 1 0 km/sec, ist also um 2,55 km/sec sch n e l l e r als d i e beiden Schiffe. Die Geschwindig keit der Sch ife n i m mt n u n j edoch unter d e r Wirkung der Schwerkraft des Planeten zu. E i n Tei l d ieser ü bersch üssigen Geschw i n d i g keit wird d urch Rückstoßbremsung vernichtet. Das End resultat ist sch l ießl ich eine U m laufbahn u m den Mars, auf der sich die Sch ife um den Planeten bewege n , und zwar i nnerhalb der Bahn des i n n eren Marsmondes.

Schif in eine kreisörmige Bahn um den Mars geführt werden. Wenn das Aphel der Reiseellipse 8800 Kilometer von der Marsbahn ent­ fernt ist, beindet sich der Scheitel der Anflughyperbel 1 000 Kilometer über der Marsoberfläche ; das ist dann auch die ungeähre Höhe der schließlich erreichten Umlaufbahn des Schifes um den Mars. Die Raketentriebwerke müssen während dieses „Einfangmanövers" die Geschwindigkeit in der Nähe des Scheitels der Ellipse um 2,01 Kilo­ meter pro Sekunde verringern ; das ist das zweite Antriebsmanöver, für das Raketentreibstof vorhanden sein muß. 239

Das Schif ist nun zu einem künstlichen Satelliten des Mars geworden und kann auf dieser Bahn bleiben, solange es nötig ist. Von hier aus erfolgt der Abstieg zur Marsoberfläche in einem besonderen Lan­ dungsboot, das außerdem in der Lage sein muß, später nach dem auf der Umlaufbahn wartenden Schif zurückzukehren. Diesen Teil der Reise, der kein interplanetarisches, sondern ein „örtliches" Trans­ portproblem darstellt, wollen wir später erörtern. Zunächst wollen wir den Rückflug zur Erde betrachten. Der Abflug aus der Mars-Umlaufbahn stellt das dritte Antriebs­ manöver dar, für das wir Raketentreibstof brauchen. Die zum Ver­ lassen der Bahn erforderliche Geschwindigkeitsänderung ist genauso groß wie beim Einangmanöver, nämlich 2,01 Kilometer pro Sekunde. Die genaue Abflugzeit, bei der es auf Minuten und Sekunden an­ kommt, ist durch die Bedingung gegeben, daß das Schif, wenn es mit einer Geschwindigkeit von 2, 5 5 Kilometer pro Sekunde die letzten Spuren der Marsgravitation hinter sich läßt, in einer Richtung fliegt, die der Umlaufbewegung des Mars genau entgegengesetzt ist. Doch wenn wir von 24, 10 (Geschwindigkeit des Mars) 2 , 5 5 abziehen, bleiben immer noch 2 1 , 5 5 Kilometer in der Sekunde übrig. Auf der anderen Halbelipse, die man als natürliche Fortsetzung der zum Mars führenden Hälfte betrachten kann, die durch das Einangmanöver unterbrochen wurde, fliegt das Schif dann rei und ohne weiteren Antrieb zurück zur Erdbahn. Der Abflugtag aus der Marsumlaufbahn - bei dieser Betrachtung kommt es nicht auf Minuten und Sekunden an - ist an eine ähnliche Bedingung gebunden wie der Tag des Abflugs aus der Erdbahn : Wir müssen sichergehen, daß die Erde am Trefpunkt ist, wenn das Schif den sonnennächsten Punkt der Rückkehrellipse erreicht. Da es für den Rückflug ebenalls 260 Tage braucht, beginnt der Rückflug zur Erde an einem Tage, an dem die Erde selbst 260 Tage vor dem vorgesehenen Trefpunkt steht. Der Abstand des Schifes von der Sonne nimmt während des antriebs­ losen Fluges durch die Rückkehrellipse ständig ab. Da sich das Schif nunmehr „bergab" bewegt, wird es schneller. Infolgedessen kommt es mit einer Geschwindigkeit von 3 2,8 3 Kilometer pro Sekunde in der Erdbahn an, ist also um 3 ,0 3 Kilometer in der Sekunde schneller als die Erde. Das Schif muß nun so gesteuert werden, daß

A N N Ä H E R U NGS-ASYMPTOTE

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Manöver 2 - Einfangen der Schife d urch den Mars. Das Schwerefeld des Mars zieht die beiden Schiffe aus i h rer e l l i ptischen Fl ugbahn um die Sonne und zwingt sie in eine Fl ug-Hyperbel. Bremsung der Schiffe auf dem Anfl ug-Ast d i eser Hyperbel bri ngt sie in 1 000 km Höhe über der Marsoberfläche auf e i n e kreisförmige U mlaufbahn. Die ku rze Bremsstrecke auf dem Anflug-Ast der Hyperbel ist m it B. S. gekennzeich net. Der abge­ tren nte Ballast, der n i cht mit gebremst wird, fliegt auf dem FI ucht-Ast der Hyperbel weiter.

es sich der Erde von einem Punkt nähert, der viele Tausend Kilometer außerhalb der Erdbahn liegt, damit es nicht geradewegs von der Erde angezogen wird und lotrecht in die Atmosphäre stürzt. Wenn wir den Abstand zwischen dem Perihel der Rücklugellipse und der Erdbahn auf 1 27 ooo Kilometer ansetzen, passiert das ins Schwerefeld der Erde allende Schif den Scheitel der Einfanghyperbel mit einer Ge­ schwindigkeit von 4,26 Kilometer in der Sekunde (vgl. Abb. Seite 249). Das vierte und letzte Antriebsmanöver, bei dem die Raketentrieb­ werke wieder als Bremsen dienen, setzt die Geschwindigkeit des Schifes um 2, 1 4 auf 2, 1 2 Kilometer in der Sekunde herab und führt es auf diese Weise in eine Parkbahn um die Erde, deren Radius 90 ooo Kilometer beträgt. Zusammenfassend können wir sagen, der Flug nach dem Mars aus einer Umlaufbahn m die Erde mit anschließender Rückkehr in eine

ähnliche, doch keineswegs identische Umlaufbahn, zerällt in fol gende 4 Hauptantriebsmanöver : 1 . Abflug aus einer Umlaufbahn um die Erde in einem verhältnis­ mäßig geringen Abstand von der Erdoberläche. Daraus ergibt sich ein Flug auf einer halben Keplerschen E llipse, deren Aphel in der Nähe der Marsbahn liegt. 2. Einangen durch den Mars in eine Umlaufbahn um den Planeten ; der Anflug erfolgt auf einer Hyperbel, die um den Planeten herum­ führt und durch Raketenbremsung in eine nahezu kreisförmige Bahn verwandelt wird. 3 . Abflug aus der Marsumlaufbahn. Daraus ergibt sich ein Flug auf der zweiten Hälfte der Keplerschen E llipse, deren Perihel in der Nähe der Erdbahn liegt. 4. Einangen durch die Erde in eine Parkbahn um die Erde ; der Anflug erfolgt ebenfalls auf einer Hyperbel ; diese wird in eine ast kreisörmige Parkbahn um die Erde verwandelt, die aber viel weiter von der Erdoberfläche entfernt ist al s die Abflugbahn. Außer in diesen vier Hauptantriebsperioden mussen die Raketen­ triebwerke noch für verschiedene kurze zusätzliche Korrektur­ manöver eingeschaltet werden. Es ist wohl klar, daß der Anflug zu den beiden Einangmanövern eine besonders genaue Navigation erordert. Nehmen wir als Beispiel das Einangen in die Marsbahn. Wenn das Schif sich auf einer Umlaufbahn in 1 000 Kilometer Höhe über der Marsoberläche etablieren soll , muß der Einall in das Mars­ schwerefeld an einem Punkt 8 800 Kilometer innerhalb der Marsbahn einsetzen. Nun beträgt aber die Distanz zwischen diesem ersten Kontaktpunkt mit der Marsgravitation und dem Perihel, wo das Schif die Erde verläßt, rund 3 75 Millionen Kilometer, das ist die Summe der Entfernungen beider Planeten von der Sonne, denn das Schif mußte ja halbwegs um die Sonne herumfliegen, um dorthin zu gelangen (vgl . Abb. Seite 2 3 9). Man kann nicht erwarten, daß das Schif nach einem antriebslosen Flug von 260 Tagen genau 8 800 Kilo­ meter innerhalb der Marsbahn ankommt. Das läßt sich nur durch ein zusätzliches korrigierendes Antriebsmanöver erreichen, das höchst­ wahrscheinlich ein paar Tage vor dem Einangen vorgenommen wird. Man kann vorher ausrechnen, wo sich der Mars gegenüber dem Schif zu bestimmten Augenblicken befinden muß und wie groß die

Entfernungen zwischen Schif und Planet zu sein haben. Der Navi­ gator vergleicht bei seinen Positionsbestimmungen die Stellung des Mars gegenüber den Fixsternen im Hintergrund ; die Enternung zwischen Schif und Planet bestimmt er durch Messungen des schein­ baren Planetendurchmessers - und mit Radar zur Kontrolle ; schließ­ lich schlägt er dem Kapitän vor, was getan werden muß, um die Bahn des Schifes der vorausberechneten anzupassen. Die erorderlichen Geschwindigkeitsänderungen der vier Haupt­ antriebsmanöver und die voraussichtlichen Geschwindigkeitsände­ rungen für Korrekturen bilden die Grundlage für die Berechnung der notwendigen Treibstofvorräte. Man muß sich stets vor Augen halten, daß die Treibstofe für spätere Antriebsmanöver während der vor­ herigen Manöver einen Ballast darstellen. Selbst für gleich große Geschwindigkeitsänderungen werden daher verschieden große Treib­ stofmengen verbraucht ; eine bestimmte Geschwindigkeitsänderung während des ersten Teils der Reise erordert weit mehr Treibstof als eine gleichgroße Änderung während des letzten Teils der Reise. Bevor wir den Treibstofbedarf bestimmen können, brauchen wir einen Gesamtplan für die Expedition. Wir müssen herausfinden, wie lange sie dauern wird. Dann haben wir uns für die Zahl der Teil­ nehmer zu entscheiden und festzulegen, wieviel und was für Material die Forscher brauchen. Die Frage nach der Ausrüstung ist sehr wich­ tig und darf bei einem Unternehmen von solch einem Umang nicht als Nebensache behandelt werden. Immerhin ist eine Reise durch den weiten Raum zwischen zwei Planeten kein Autoauslug, auf dem der Reisende die Luft des Staates, durch den er fährt, atmen und seinen Wagen in j eder Tankstelle abschmieren lassen kann. Wir können auch nicht mit Marsmenschen rechnen, welche die Forscher mit Erfri­ schungen begrüßen. Darum müssen wir die Expedition praktisch mit allem ausrüsten, was sie während ihrer Abwesenheit von der Erde braucht - mit Luft, Lebensmitteln und Trinkwasser, Werkzeugen, Ersatzteilen, heizbaren und luftdichten Quartieren für den Aufenthalt auf der kalten Marsoberfläche, Landahrzeugen mit genügend Kraft­ stof und sogar so alltäglichen Dingen wie einer Waschmaschine und einem Bleistiftanspitzer. Die Expedition braucht auch eine Funk­ station für Sendung und Empfang, welche die mehrere Hundert Milli­ onen Kilometer zwischen der Erde und den einsamen Forschern über2 43

brücken kann. Auch ein starkes Fernrohr muß vorhanden sein, damit die Forscher die Oberfläche des roten Planeten von der Marsumlauf­ bahn aus beobachten und eine geeignete Landestelle vor dem Abstieg suchen können. Ein Teil der Ausrüstung wird nun für den Flug von Umlaufbahn zu Umlaufbahn benötigt ; ein Teil muß zur Marsoberfläche mit hinab genommen werden. Manche Vorräte werden schon auf dem Weg zum Mars verbraucht, andere auf dem Mars selbst, und der Rest muß für den 260 Tage langen Rückflug aufbewahrt werden. Viel Material wird unterwegs aufgegeben, da es sich nicht lohnt, es den ganzen Weg zurück zur Erde mitzuschleppen. Das Gepäck wird also im Laufe der Reise leichter. Bei vernünftiger Planung darf die Expedition nur mit einem Minimum an Vorräten und Ausrüstungsgegenständen in die Erdbahn zurückkehren. Wir wollen zunächst die Expeditionsdauer berechnen. Der Hinflug nach dem Mars und die Rückkehr zur Erde beanspruchen j e 260 Tage. Bei der Erörterung des Rendezvousproblems haben wir bereits ge­ sehen, daß die Expedition nur an einem Tage abreisen kann, an dem der Mars auf seiner Bahn eine bestimmte Stellung gegenüber der Erde einnimmt. Ebenso können die Reisenden den Mars nur dann ver­ lassen, wenn die Erde an einem bestimmten Punkt ihrer Bahn ange­ kommen ist. Diese beiden relativen Positionen von Erde und Mars auf ihren Bahnen, nach denen sich die „zulässigen Abflugdaten" für Hin­ und Rückflug richten, lassen sich für Jahre und sogar Jahrhunderte vorausberechnen. Daraus ergibt sich außerdem stillschweigend, wie lange ein Schif in der Marsumlaufbahn auf das nächste zulässige Abflugdatum für die Rückkehr warten muß. Diese „Wartezeit", während der der Abstieg zur Marsoberläche, die Erforschung des Mars und der Wiederaufstieg zur Marsumlaufbahn erolgen müssen, dauert 449 Tage, also ast ein Jahr und drei Monate (Abb. Seite 245 Mitte). Zusammen mit den zweimal 260 Tagen für Hin- und Rück­ lug erhalten wir mithin für die gesamte Expedition eine Dauer von 2 Jahren und 2 3 9 Tagen. Um die Kosten für das Unternehmen niedrig zu halten, soll die Expe­ dition auf 1 2 Teilnehmer beschränkt werden. Ihre 1 200 Kilogramm allen auf der Nutzlastliste ast nicht ins Gewicht. Jeder Teilnehmer darf persönliches Gepäck im Gewicht von 1 oo Kilogramm mitnehmen. 244

Er verbraucht täglich l , 2 4 Kilogramm Sauerstof, l , 2 0 Kilogramm Lebensmittel und 2,0 Kilogramm Trinkwasser. „Nutzwasser" zum Waschen, Baden usw. wird nicht an Bord genommen, sondern ällt unterwegs von selbst an. Von den 2 , 0 Kilogramm Flüssigkeiten, die j eder Teilnehmer pro Tag verbraucht, wandert ein hoher Prozentsatz, in der Größenordnung von etwa l , 6 Kilogramm, durch Ausatmung und Schwitzen in die Atmosphäre des Schifes. Dieses Wasser muß durch die Klimaanlage wieder entfernt werden, um die Luftfeuchtig-

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Die Planeten beweg ung während der Marsexped ition. Flug nach dem Mars ( l i n ks). Z u Beg i n n des Fluges m u ß der langsamere Mars u m 44 G rad der Erde voraus sein. Die beiden Planeten stehen bei E1 und M1 . Am 73. Tag des H i n­ fluges haben sowohl d i e Expedition als a uch d i e Erde einen Winkel von 72 G rad d u rchlaufen, so daß Sonne, Erde und Schife eine gerade Linie bilden, so daß es einen D u rchgang von Erde und Mond vor der Sonnensch eibe g i bt. Nach 260 Tagen treffen sich Sch ife und Ziel planet bei M„ aber n u n beindet sich d i e Erde bei E• um 72 G rad vor dem Mars. Die Wartezeit (Mitte). Wäh rend der 449 Tage langen Wartezeit bewegt sich der Mars von M. nach M3 d urch einen Win kel von 235 G rad. Die Erde, d i e etwa 1 G rad pro Tag zurücklegt, hat einen vollen U mlauf vollzogen und d arüber hinaus 83 G rad, zusammen also 443 G rad. Am Ende der Wartezeit steht d i e Erde daher bei E„ also von der Sonne aus betrachtet u m 76 G rad h i nter d e m Mars. Der Rückflug kann erst beg i n n e n , wenn die beiden Planeten in d ieser Ste l l u n g sind. Der Rückflug (rechts). Der Rückflug beg in nt, wenn Mars bei M, steht. Wäh rend d as Schif in 260 Tagen 1 80 G rad zurücklegt, bewegt sich die Erde um 1 80 p l us 76 G rad weiter, so daß sich Schiff und Erde bei E4 trefen. Am 1 87. Tage des Rückfluges befi n d et sich das Schif noch um 72 G rad h i nter E4, und ein weiterer Durchgang von Erde und Mond vor der Sonnenscheibe fin d et statt. Wäh rend des Rückfluges bewegt sich der Mars um 1 36 G rad weiter und steht schl ießl ich bei M4 um 44 G rad hinter der Erde. 24 5

keit auf einem erträglichen Niveau zu halten ; es wird gründlich ent­ keimt und steht dann als Nutzwasser zur Verügung. Im Notall könnte es sogar wieder als Trinkwasser benutzt werden ; wenn die Zeit für die Marsexpedition reif ist, wird man bereits über reiche Er­ ahrungen auf diesem Gebiet verfügen, da sich ähnliche Probleme aus dem Betrieb auf der Weltraumstation ergeben. Jedenalls wird sich zwischen den Antriebsmanövern ziemlich viel überschüssiges Wasser ansammeln, das dann zusammen mit Müll und Aball vor dem nächsten Manöver aus dem Schif entfernt wird. Für Bücher, Tabellen und Navigationsmaterial sind 700 Kilogramm zugelassen ; für Werkzeuge und Ersatzteile 1 900 Kilogramm ; das Teleskop für die Beobachtung der Marsoberfläche aus der Umlauf­ bahn wiegt 1 5 00 Kilogramm. Weitere 1 900 Kilogramm sind für Raketensonden reserviert, die zur Untersuchung der Marsatmosphäre aus der Umlaufbahn eingesetzt werden sollen. 2000 Kilogramm dürften für eine komplette Funkstation einschließlich Antenne zur Verbindung mit der Erde ausreichen, denn es genügt eine Sende­ leistung von nur 1 o Kilowatt, um diese gewaltige interplanetarische Entfernung zu überbrücken. Der schwerste Brocken auf der Transportliste ist jedoch das Lan­ dungsboot für den Flug von der Umlaufbahn zur Marsoberfläche. Im wesentlichen handelt es sich um ein großes Flugzeug, das einen langen Gleitflug durch die dünne Marsatmosphäre ausführen kann. Das Manöver ähnelt stark der Rückkehr einer geflügelten Raketenstufe von der Weltraumstation zur Erde. Ein kurzes Einschalten des Ra­ ketentriebwerkes mit den Düsen nach vorn verringert die Geschwindig­ keit des um den Mars kreisenden Landungsbootes, so daß es tangen­ tial in die oberen Schichten der Marsatmosphäre eintaucht. Der Lut­ widerstand macht sich nun ebenalls bremsend bemerkbar, das Boot sinkt tiefer in die Atmosphäre ein und geht in einen sehr langen flachen Gleitflug über. Ein paar Hundert Meter über dem Boden wird das Spezialfahrwerk ausgefahren, und schließlich landet der große Gleiter wie ein Flugzeug auf dem Sand der Marsebene. Aus zwei Gründen muß das Landungsboot sehr groß und schwer sein. Es muß das gesamte Expeditionsmaterial aufnehmen. Wenn wir an­ nehmen, daß von den zwölf Teilnehmern neun zur Oberfläche hinab­ steigen und 400 von den 449 Tagen der „Wartezeit" auf dem Mars

selbst verbringen, dann müssen allein 1 7 Tonnen Sauerstof, Wasser und Nahrungsmittel transportiert werden. Die Forscher brauchen außerdem ein heizbares, zusammenlegbares Zelt, das durch eine künstliche Atmosphäre aufgeblasen wird, damit sie gelegentlich ihre Druckazüge verlassen können und nachts gegen die bittere Kälte des Mars geschützt sind. Außerdem müssen wir sie mit Forschungs­ material und zwei bescheidenen Landahrzeugen ausrüsten, damit sie auf dem Mars nicht nur mit wichtiger Miene vor ihrem gelandeten Flugzeug auf und ab zu gehen brauchen, sondern etwas mehr aus­ richten können. Das ergibt weitere 3 2 Tonnen. Es gibt noch einen zweiten und sogar wichtigeren Grund für das hohe Gewicht des Landungsbootes. Es muß genug Treibstof mit nach dem Mars hinabnehmen, um unter eigener Kraft wieder zur Marsumlaufbahn zurückkehren zu können. Glücklicherweise ist das Schwerefeld des Mars viel schwächer als das der Erde, so daß für den Rückflug eine einstuige Rakete genügt. Vor dem Start werden Trag­ flächen, Lastbehälter und Fahrwerk des Landungsbootes abgenom­ men. Dann wird der lügellose Rumpf mit Hilfe von Winden der Landfahrzeuge aufgerichtet. Wie eine Rakete startet er zum Rückflug zur Marsumlaufbahn. An Bord befinden sich nur die neun Forscher und 5 ,0 Tonnen auf dem Mars gesammeltes Material. Die gesamte Ausrüstung wird auf der Marsoberläche zurückgelassen. Alle diese Forderungen ergeben ein Landungsboot von beträcht­ lichen Abmessungen. Beim V erlassen der Marsumlaufbahn wiegt es l 6 1 Tonnen. Es verbraucht l l Tonnen Treibstof zur Einahrt in die Landeellipse, deren tiefster Punkt die Marsatmosphäre in einer Höhe von l l 5 Kilometer berührt. Mit einem Gewicht von 1 5 o Tonnen landet es auf der Marsoberfläche. Alle diese Gewichte sind „irdische Tonnen". Auf dem Mars beträgt das tatsächliche Landegewicht nur 5 6, 7 Tonnen. Das zurückgelassene Material und die auf dem Mars verbrauchten Vorräte wiegen 49 Tonnen, die Tragflächen, der Last­ behälter und das Fahrwerk, die vor dem Rückflug abgetrennt werden, 3 2 Tonnen. Mithin wird das Gewicht des Flugzeuges vor dem Rück­ flug auf 69 Tonnen reduziert. Davon werden 5 6 , 5 Tonnen Treibstofe während des Aufstiegs verbraucht, so daß der kleine lügellose Rumpf des einst so großen und schweren Gleiters bei der Rückkehr in die Marsumlaufbahn nur noch l 2, 5 Tonnen wiegt. 247

Auf dem Weg zum Mars bedeuten j edoch diese 1 6 1 Tonnen des voll­ bel adenen und betankten Gleiters Nutzlast. Man würde ein Fern­ Raumschif von wahrhaft gigantischen Abmessungen brauchen, um das schwere Landungsboot bis zur Marsumlaufbahn zu transportieren, wenn noch genügend Treibstof für den Rückflug zur Erde vorhanden sein soll . Wir können uns die Aufgabe aber erheb lich erleichtern, wenn wir zwei Fern-Raumschife einsetzen. Eines, das „Passagier­ schif", ist für Hin- und Rücklug vorgesehen und verfügt nur über die absolut notwendige Transportkapazität. Das andere, das „Last­ schif", ist nur für den Hinflug bestimmt. An Stelle des Treibstofs für den Rückflug, das heißt für die beiden l etzten Hauptantriebs­ manöver und die Korrekturmanöver während des Rücklugs, trägt es das vollbeladene Land:ngsboot und darüber hinaus alle Vorräte und Materialien, die bis zu dem Tag des Abflugs aus der Marsumlauf­ bahn gebraucht werden. Durch diesen Schachzug können wir Ab­ messungen und Gewicht j edes Schifes in erträglichen Grenzen hal ten. Jedes der beiden Marsschife wiegt beim Ablug 1 700 Tonnen. Jedes Schif wird zunächst von l 2 Raketentriebwerken angetrieben, die Hydrazin al s Brennstof und Salpetersäure al s Sauerstofträger be­ nutzen. Die l 2 Triebwerke liefern zusammen einen Schub von 3 60 Tonnen. Das erste Antriebsmanöver, der Abflug aus der Erdbahn, dauert 948 Sekunden. In dieser Zeit verschlingen die 1 2 Triebwerke 1 247 Tonnen Treibstofe, das sind etwa 7 3 % des ursprünglichen Schifsgewichts. Die Aµfangsbeschleunigung ist gering ; sie beträgt etwa 1/5 der normal en Erdbeschleunigung. Da das Gewicht während des ersten Antriebsmanövers durch den Treibstoverbrauch ab­ nimmt, steigt die Beschl eunigung allmählich auf 7 /10 g an. Die Schife starten auf 1 7 3 0 Kil ometer Höhe und sind bei Brennschluß 3 1 70 Kil o­ meter hoch ; ihre Geschwindigkeit beträgt beim Abflug 7,07 Kil ometer in der Sekunde und bei Brennschluß 9,64 Kilometer in der Sekunde. Dieses erste Antriebsmanöver bringt die beiden Schife durch den Fluchtast der Ablug-Hyperbel direkt in die antriebsl ose Reise­ E llipse zum Mars. Sie wiegen nun nur noch etwa 45 3 Tonnen und folgen ihrer vorgeschriebenen elliptischen Bahn wie „zwei Kometen in Formationsflu g", bis sie nach 260 Tagen die Marsbahn erreichen. Vor dem Einangmanöver, aber nach Durchführung aller Korrektur-

manöver, entledigt sich j edes Schif der vier l eeren Kugelbehälter, in denen sich die Treibstofe für das Abflugmanöver beanden, und des während der 260 Tage angesammelten Aballs, um Treibstof zu sparen. Beide Schife werden dann so herumgedreht, daß sie sich dem Scheitel der Hyperbel rückwärts nähern. Kurz vor Erreichen des Scheitel s werden die Triebwerke angestellt, um die Fluggeschwindig-

\ HAU PTACHSE

\ DER \ HYPE R B E L \

\ BAHN BEWEGUNG

- · - · - · - · - ·

DER E R D E

..

11

RICHTUNG Z U R SO N N E

A N N Ä H E R U N G S-ASYMPTOTE

-

Manöver 4 Rückkehr in d i e 90 000-km-Bahn u m d i e Erde. Die kurze, m i t B . S . bezeich­ nete Strecke auf dem Anflug-Ast der Hyperbel stellt die Bremsstrecke dar. Die beiden zu Beg i n n von Manöver 4 a bgetrennten Triebwerke fliegen auf dem Fl ucht-Ast der Hyperbel weiter.

keit auf die Geschwindigkeit der Einfangbahn u reduzieren. Da die Schife j edoch j etzt viel l eichter sind als zu Beginn der Abflugmanöver von der Erdbahn, kann das Einangmanöver it weniger Schub aus­ geführt werden. Daher werden nur sechs von den zwölf Raketentrieb­ werken in Betrieb genommen und die übrigen sechs im Augenblick des Einschaltens vom Schif getrennt. Die restlichen 6 Triebwerke liefern zusammen einen Schub von 1 20 Tonnen. Die Anangsbe­ schleunigung von etwas weniger als 3/10 g nimmt während der 5 3 0 2 49

Sekunden Brennzeit auf mehr als 1/ 2 g zu. Mit einem Gewicht von 1 9 8 Tonnen je Schif laufen das Passagierschif und das Lastschif mit dem Landungsboot in der Marsumlaufbahn ein. Für das Lastschif ist die Reise nun vorüber. Es besteht nur noch aus den vier leeren länglichen Behältern, welche die Treibstofe für das Einfangmanöver enthielten, und den sechs Raketentriebwerken - ins­ gesamt 7 , 5 Tonnen Gewicht. Nun wird der 1 6 1 Tonnen schwere Gleiter von diesem verbrauchten „interplanetarischen Antrieb" ge­ trennt und für den Abstieg zur Marsoberfläche fertiggemacht. Beim Abflug aus der Erdbahn war der zylindrische Hauptrumpf des Passagierschifs von sechs Treibstofbehältern für das erste und zweite Antriebsmanöver umgeben. Nach dem Abwurf der vier leeren Kugel­ behälter hatte es das Einangmanöver in der Nähe des Mars und alle notwendigen Korrekturen in der Marsumlaufbahn mit den Treib­ stofen in den beiden noch vorhandenen Extrabehältern durchgeführt. Für den Rückflug zur Erde werden diese beiden Behälter ebenalls entfernt ; die Treibstofe für die Raketentriebwerke werden dann dem Vorrat von 1 64 Tonnen in dem zylindrischen Rumpf selbst entnom­ men. Mit einem Abfluggewicht von 2 l 5 ,4 Tonnen tritt das Passagierschif mit allen l 2 Expeditionsteilnehmern den Rücklug zur Erde an. Es verbrennt l 1 7, 3 Tonnen Treibstofe, um in die Rückkehrellipse um die Sonne zu gelangen : diese Zahl schließt wieder eine ausreichende Reserve für notwendige Bahnkorrekturen ein. Der Rest von 46,6 Tonnen dient zur Durchührung des letzten Manövers, wenn die Geschwindigkeit des hyperbolischen Falls in das Schwerefeld der Erde ausreichend verringert werden muß, um das Schif in eine Kreisbahn um die Erde mit einem Radius von 90 000 Kilometer (Abb. Seite 249) zu führen. Vor dem letzten Manöver werden noch zwei Raketentrieb­ werke abgetrennt. Nachdem alle Treibstofe verbraucht sind, wiegt das Schif schließlich nur noch 3 4,9 Tonnen, das sind 2% seines Abluggewichts. Die auf der Reise verlorengegangenen 9 8 % des Passagierschifs bestanden aus Treibstofen, abgetrennten Behältern und Raketentriebwerken und unterwegs verbrauchten Vorräten.

O peration Space Lift

L

eider haben wir im vorigen Kapitel nur die Häl fte der Geschichte gehört. Bisher haben wir einach angenommen, daß die beidenMars­ schife von einer Umlaufbahn in 1 7 3 0 Kil ometer Höhe über der Erd­ oberfläche abfliegen. Doch j edes Gramm ihres Abfluggewichts von zweimal qoo Tonnen muß zunächst einmal auf diese Bahn gebracht werden, wo die beiden Schife zusammengebaut und betankt werden und von wo sie nach dem Mars aufbrechen. Für den „ Space Lift" von der Erdoberläche zur Abflugbahn im Weltraum brauchen wir eine Fl otte von besonderen Transport­ raketen. Grundsätzlich kann der Transport mit einer geringen Anzahl von Flügen sehr großer Schife mit entsprechend großer Nutzlast­ kapazität oder mit einer größeren Anzahl von Fl ügen kl einerer Schife mit entsprechend geringerer Nutzlastkapazität durchgeführt werden. Bei der Wahl entscheiden ein paar praktische Überl egungen. Größere Schife sind in der Entwicklung etwas kostspieliger, im Ein­ satz etwas wirtschaftlicher ; sie brauchen größere Bodenanlagen, aber im Verhäl tnis zur transportierten Nutzl ast etwas weniger Treibstofe. Kl einere Schife ero rdern wegen der dann notwendigen größeren Zahl von Flügen eine sorgältige zeitliche Abstimmung von Nach­ schub und Montage in der Umlaufbahn. Außerdem müssen dann die vorfabrizierten Marsschife in kl einere Teil e zerl egt werden, was natürlich die Arbeit der Monteure in der Umlaufbahn erschwert. Eine praktische Lösung dürfte eine dreistuige Verbindungsrakete mit einer Nutzlastkapazität von 1 0 Tonnen bei trockener Zuladung sein. Wenn Treibstofe für die Marsschife beördert werden, ist die Nutz­ lastkapazität ein wenig größer, 1 0, 2 Tonnen, da die Treibstofe in extragroßen Behältern der dritten Stufe transportiert werden und keine besonderen Laderäume erordern. Da die beiden Marsschife, voll beladen und betankt, ein Gewicht von j e qoo Tonnen haben, müssen etwa 3 3 5 Fl üge unternommen werden, um die Teil e der Schife und ihre Treibstofe zur Abflugbahn zu bringen. Weitere Flüge

sind nötig, um während des Zusammenbaus der Marsschife die Mon­ teure regelmäßig abzulösen, und später noch einmal, um die Expe­ ditionsteilnehmer von ihrem Schif, das dann die Erde in einer ziem­ lich entfernten Parkbahn umkreist, zur Erdoberfläche zurückzu­ bringen. Dadurch kommen wir auf rund 400 Versorgungsflüge. Das Transportschif ist eine dreistufige Rakete von etwa 5 5 Meter Länge und l l , 7 Meter Heckdurchmesser. Sein Startgewicht beträgt l 2 80 Tonnen. Die erste Stufe wird durch eine Batterie von Raketen­ triebwerken angetrieben, die zusammen einen Schub von 2 5 60 Tonnen lieern und 84 Sekunden lang in Betrieb sind. Der Start selbst erfolgt genau senkrecht. Wenn die leere erste Stufe abgetrennt wird, hat das Schif eine Geschwindigkeit von 2 3 5 o Meter in der Sekunde und eine Höhe von 40 Kilometer erreicht. Sein Aufstiegswinkel gegen den Horizont beträgt dann etwa 20 Grad. Die Triebwerke der zweiten Stufe liefern zusammen einen Schub von 3 20 Tonnen ; sie sind 1 24 Sekunden in Betrieb und erhöhen die Schifsgeschwindigkeit auf 6420 Meter pro Sekunde. Der Aufstiegswinkel beträgt nun nur noch 2 , 5 Grad. In 64 Kilometer Höhe wird die leere zweite Stufe abge­ trennt. Die restliche Spitze des Schifes jagt, getrieben von den 40 Tonnen Schub des Triebwerks der dritten Stue, weiter. Bei einer Geschwindigkeit von 8 2 60 Meter in der Sekunde, die das Schif in 102 Kilometer Höhe in waagerechtem Flug erreicht, wird die Treib­ stofzufuhr zum Triebwerk der dritten Stufe unterbrochen. Auf einer elliptischen Flugbahn treibt die dritte Stufe nun antriebslos halbwegs m die Erde herum, wobei sie stetig weitersteigt, bis. sie eine Höhe von l 7 3 o Kilometer erreicht hat. In einem kurzen Anpaßmanöver wird ihre Apogäumgeschwindigkeit von 66 ro Meter pro Sekunde auf die richtige Geschwindigkeit, 7070 Meter pro Sekunde, der zirku­ laren 1 7 3 0-Kilometer-Bahn gebracht, auf der die Marsschife zu­ sammengesetzt werden. Die erste Transportrakete, die zur Umlaufbahn aufsteigt, hat eine Kabine für 1 4 Mann, einschließlich zwei Mann Besatzung, und ist mit Flügeln ausgerüstet, um zur Erdoberfläche zurückkehren zu können. Sie kann außer Besatzung und Passagieren nur eine Tonne trockne Nutzlast befördern, denn sie ist hauptsächlich für den sicheren Trans­ port von Personal gebaut. Vor dem Rückflug werden die leeren Treibstofbehälter der dritten Stufe und das Triebwerk der dritten

Stufe auf der Umlaufbahn abgetrennt. Dann schwingt sich die ge­ lügelte Endstufe, die praktisch eine vierte Stufe darstellt, mit Hile ihres eigenen kleinen Raketentriebwerks zurück in die Atmosphäre. Diese bemannte Version der Versorgungsrakete mit vier Stufen ist j edoch eine Ausnahme. Die Lastraketen sind unbemannt. Die Lastrakete besitzt weder eine vierte Stufe noch kann ihre dritte Stufe zur Erde zurückkehren. Das Bodenpersonal startet sie in einem vorher genau errechneten Augenblick ; während des angetriebenen Fluges wird sie durch ein eingebautes „künstliches Gehirn" gesteuert wie eine Fernlenkwafe. Wenn sie schließlich antriebslos in die Umlauf­ bahn einschwenkt, übernimmt ein Pilot, der im Astrodom der zuvor gestarteten bemannten Rakete vor einem Fernlenkgerät sitzt, die Führung, er schaltet ihr Raketentriebwerk für das Anpassungsmanöver ein und aus und bringt sie auf Bahn und Geschwindigkeit des be­ mannten Schifes. Jede der unbemannten Lastraketen verbraucht zur Beö rderung von 1 0 Tonnen trockener Nutzlast (oder 10,2 Tonnen Treibstof) nach der Umlaufbahn 1 1 00 Tonnen Treibstofe. Für die gesamte Operation sind 400 Flüge erforderlich. Diese Zahl schließt 28 Flüge ohne Nutzlast (einen pro Woche) mit rückflugfähigen Endstufen zur Ablösung der Monteure ein, ferner einen Flug, um die Expeditionsteilnehmer zu ihren fertigen Schifen hinauzubringen. Wenn wir durchschnittlich zwei Flüge in 24 Stunden vorsehen, kann der gesamte „ Space Lift" in etwa sieben Monaten durchgeführt werden. Der gesamte Treibstof­ verbrauch dieser Operation beträgt 445 ooo Tonnen, was etwas weniger ist als das Gewicht des während der „Berliner Luftbrücke" verbrauchten Benzins. Vor Durchührung des „ Space Lift", für die Marsexpedition, ist ein Transportproblem auf der Erdoberfläche zu lösen. Alle Schife und ihre Vorräte, kurzum alles, was für die Expedition und ihre Vorbe­ reitung gebraucht wird, muß zunächst zur Bodenstation gebracht werden, wo die Raketen in den Raum starten. Die Lage dieser Basis ist leider nicht nur eine Frage leichter Verbin­ dung zu den Fabrikationswerkstätten : Sogar der Ort der Bodenstation richtet sich nach „astronomischer Realität". Eine wichtige Forderung ist z. B., daß sie entweder am Äquator oder wenigstens so nahe am Äquator liegt, wie es die geographischen Bedingungen erlauben. Am 25 3

Äquator besitzt eine Rakete natürlich die Geschwindigkeit ihres Standplatzes. Diese Geschwindigkeit, die sich aus der Rotation der Erde ergibt, beträgt 462 Meter in der Sekunde. Sie ist ein Geschenk für j ede Rakete, die in östlicher Richtung zu einer Umlaufbahn auf­ steigt. Da die Bahn, in der die Marsschife zusammengebaut werden müssen, zur Äquatorebene geneigt ist, kommen die Frachtraketen nicht in den vollen Genuß dieser Umangs geschwindigkeit, aber selbst in diesem Falle ergibt der Start vom Äquator eine beträchtliche Treib­ stofeinsparung, besonders, wenn es sich um so viele Flüge handelt. Die Wahl der Bodenstation ist durch weitere Überl egungen begrenzt. Das billigste Transportmittel für umangreiche und schwere Fracht­ stücke aller Art ist seit jeher ein Ozeanschif, und das gilt auch ür die Zukunft. Inolgedessen muß die Bodenstation von seegängigen Schifen angelaufen werden können. Außerdem müssen östlich des Startplatzes mindestens 1 000 Kil ometer ofenes Wasser liegen, weil die ersten und zweiten Stuen aller Transportraketen in die Atmo­ sphäre zurückallen und auf · die Erde stürzen. Das einachste Ver­ ahren, Schaden zu verhüten und diese Stufen gleichzeitig l oszuwer­ den, besteht darin, sie dort in das ofene Meer fallen zu lassen, wo sich keine p lanmäßigen Schifsrouten beinden. Es wäre natürich auch möglich, die l eeren Stufen mit Hil fe von Bänderallschirmen u,d Bremsraketen zu bergen. Der praktische Wert eines sol chen Verahrens ist jedoch noch umstritten. Die Kon­ struktion und der Betrieb von seegängigen Bergungsschifen ist kost­ spielig. Die geborgenen Stufen werden eine gründliche Überholung und häuig auch teure Reparaturen nötig haben. Hinzu kommt die Wahrscheinlichkeit, daß ein gewisser Prozentsatz der Stufen sich nicht mehr reparieren lassen wird, oder vielleicht sogar ganz ver­ l orengeht ; es könnte also der Fall eintreten, daß die Kosten der Bergung die Ersparnisse überschreiten. Da heute auf diese Fragen keine endgültige Antwort gegeben werden kann, ist die Bergung für das Unternehmen „ Space Lift" nicht in Erwägung gezogen worden. Schließlich sollen auch die Wetterbedingungen im Startgebiet die Pl äne der Transportoperation nicht allzusehr stören. Automatisch gesteuerte Lastraketen können zwar bei bedecktem Himmel und dichtem Nebel ohne weiteres starten, bei schweren Stürmen müssen sie j edoch am Boden bl eiben. Außerdem soll die Basis nicht nur die 25 4

startenden Verbindungsraketen, sondern auch die l andenden ge­ lügelten Endstufen für den Personal transport abertigen. In einem Notall könnten diese Gl eiterstufen ohne weiteres auf j edem Fl ug­ pl atz der Erde landen, doch dann müßten sie zum Startplatz zurück­ transportiert werden, da sie ohne die Hil fe ihrer ersten und zweiten Stufen keinen weiteren Flug zur Uml aufbahn unternehmen können. Es ist kl ar, daß zuverlässige und sicher vorhersagbare Wetter­ bedingungen dazu beitragen, unangenehme Unterbrechungen der Operation zu vermeiden. Alle diese Faktoren : Lage am oder nahe beim Ä quator, Zugang für seegängige Schife, mehr al s 1 000 Kil o­ meter ofenes Wasser in einer bestimmten Richtung und allgemein gutes Wetter begünstigen die Wahl einer Insel im Pazifischen Ozean. Diese Wahl wird schon l ange vor der ersten Besprechung über den „ Space Lift" für die Marsexpedition getrofen sein, denn al le diese Überlegungen trefen auch für die Operation zum Bau der Wel traum­ station zu. Der gl eiche Stützpunkt wird natürlich auch für die Ver­ sorgung der Wel traumstation benutzt. Die Insel darf nicht zu kl ein sein, denn sie muß einen großen Hafen, einen Flugplatz mit l angen Startbahnen, Versuchsgelände, den Raketenstartplatz und eine Anzahl von weit verstreuten Gebäuden aufnehmen. Da die Treibstofe aus Stickstof und Wasserstof (Luft und Wasser) bestehen und heutzutage große Energiemengen fast überall ziemlich wirtschaftl ich durch Kernreaktoren geliefert werden können, ist es vielleicht möglich, die Treibstofe in der Nähe der Bodenstation herzustellen, um sich so ihren Antransport über große Entfernungen zu ersparen. Wenn das nicht möglich ist, erfordert der Transport der Treibstofe für den „ Space Lift" ( 272 ooo Tonnen Salpetersäure und 1 7 3 boo Tonnen Hydrazin) die Kapazität von 4 1 Tankern mit einer Wasserverdrängung von je 12 ooo Tonnen. Die Wahl einer l 730 Kil ometer hohen Bahn mit einer Umlauzeit von genau zwei Stunden al s Montage- und Abflugbahn muß noch etwas erklärt werden. Die gesamte Operation erfordert, wie gesagt, sieben Monate, wenn tägl ich zwei Fl üge durchgeführt werden. Da die Bahn zur Äquatorebene geneigt ist und die Erde innerhalb der Bahn sich in 24 Stunden vom Westen nach Osten einmal um ihre Achse dreht, passiert das „Montagegebiet" im Weltraum den Äqua­ tor bei j edem Umlauf ein wenig weiter westlich. Da die Montage255

APOGÄUM

Die Fl ugbahn des Entsatzschiffes. Ein besonderes Entsatzschif bringt d i e Mitgl ieder der Expedition von i h re m Schif zur Weltraumstation. Das Marsschif bleibt auf der 90 000km-Bahn zurück.

bahn für einen Umlauf genau zwei Stunden braucht, passiert das Montagegebiet, wenn es von der nördlichen zur südlichen Hemi­ sphäre übergeht, den Äquator j edesmal um 3 0 Grad weiter westlich. Nach 1 z Umläufen oder 24 Stunden beindet es sich genau wieder über dem Meridian der Startbasis, der inzwischen einen vollen Kreis durchlaufen hat. Nur in dieser relativen Position zwischen Umlauf­ bahn und Startplatz kann das Montagegebiet von den aufsteigenden Versorgungsraketen erreicht werden. Somit ist ein täglicher Flugplan nur möglich, wenn die Umlaufdauer ein ganzer Bruchteil des 24stün­ digen Tages ist. Die Zwei-Stunden-Bahn, die dieser Forderung ent­ spricht, ist für wirtschaftliche Versorgungslüge noch niedrig genug. Lange nach dem Abschluß der Transportflüge wird Operation „Space Lift" noch einmal aktiviert, um eine wichtige Lücke im Gesamtplan zu schließen. Am Ende der interplanetarischen Reise

kehrt das Marsschif nicht in die 1 730-Kilometerbahn, von der es einst vor 2 Jahren und 2 3 9 Tagen gestartet ist, zurück. Stattdessen läuft es in eine sehr hohe Erdumlaufbahn ein, deren Radius 90 ooo Kilometer beträgt. Der Grund dafür ist, daß man eine beträchtlich größere Treibstofmenge brauchen würde, um das zurückkehrende Schif in eine Bahn einzuführen, die so niedrig ist wie die Abflugbahn, und da der Rückflug zur Erdbahn das letzte Antriebsmanöver des Passagierschifs ist, müßte dieser zusätzliche Treibstof den ganzen Weg zum Mars und zurück mitgeschleppt werden. Er würde in allen vorherigen Antriebsmanövern zusätzlichen Ballast darstellen und mithin den Treibstofbedarf und das Anangsgewicht des Schifes beträchtlich erhöhen. Die Gesamttreibstofrechnung würde natürlich noch viel höher, denn das größere Anfangsgewicht muß zunächst in vielen zusätzlichen Versorgungsflügen auf die Umlaufbahn ge­ bracht werden. Unglücklicherweise können die dreistufigen Trans­ portraketen nicht von der Erdoberfläche direkt zu der 90 ooo­ Kilometerbahn aufsteigen, um die zurückgekehrten Marsforscher abzuholen. Wir können aber mit einem weiteren einachen Kunstgrif die kostspielige Aufgabe, ein besonderes Schif für diese besondere Mission zu entwickeln und zu bauen, umgehen. Zunächst wird eine geflügelte und bemannte Rakete auf die Zwei­ Stunden-Abflugbahn geschickt. Diesem ersten Schif folgen acht gewöhnliche unbemannte Lastraketen, von denen jede 1 0 Tonnen Treibstofe als Nutzlast in den extra großen Treibstofbehältern der dritten Stufe transportiert. Wenn alle acht „Tankernasen" durch Fernsteuerung herangeführt sind und sich auf der Zwei-Stunden-Bahn dicht nebeneinander befinden, werden sie alle voll nachgetankt ; das erfordert weitere 1 0 Tankerflüge. Indessen wird die flugzeugähn­ liche Spitze des bemannten Raketenschifs systematisch von allem überflüssigen Gewicht bereit. Die dritte Stufe, die sich noch daran befindet, wird abgetrennt ; die Tragflächen, die Leitwerksteile und das Fahrwerk werden abgenommen, so daß nichts übrig bleibt außer der Kabine und den Navigationsmitteln. Wir haben nun eine abgetakelte Passagierstufe und acht vollbetankte dritte Stufen von Lastschifen samt ihren Raketentriebwerken. Sie sind mit Hilfe von vorbereiteten Verbindungsstücken so verbunden, daß eine das Zentrum bildet und die anderen drumherum angeordnet 257

sind. Dann werden die Raketentriebwerke der sieben äußeren Stufen abgenommen und die Treibstofbehälter aller Stufen an das in der Mitte verb leibende eine Triebwerk angeschl ossen. Schließl ich wird die Passagierstufe mitten auf diese Behältergruppe gestellt. Das Ergebnis ist ein zwar seltsam aussehendes , aber sehr leistungsähiges Fahrzeug, das sich prächtig für die Aufgabe, die es erfüllen soll, eignet. Nachdem das Marsschif nach Rückkehr von seiner l angen Reise und Einfahrt in die 90 ooo-Kil ometer-Bahn um die Erde wenigstens einen vollen Umlauf in dieser Bahn vollzogen hat, sind die genaue Form, Entfernung und Lage dieser Bahn bekannt. Die notwendigsten Mes­ sungen erfolgen durch Beobachtungen vom Boden und von der Weltraumstation aus. Auch der Navigator im Marsschif kann dazu beitragen. Die verschiedenen Beobachter werden wahrscheinlich unabhängig voneinander arbeiten, ihre Ergebnisse durch Funkspruch vergleichen und durch ein Zentralbüro prüfen lassen, das die end­ gültigen Zahlen an das Hilsschif, das inzwischen in der Zwei-Stunden­ Bahn zusammengestell t wurde, übermittelt. Beim ersten Antriebs­ manöver verläßt das Hilfsschif die Zwei-Stunden-Bahn in l 7 3 0 Kil o­ meter Höhe über der Erde und steigt auf einer halben Ellipse zu der 90 ooo-Ki lometer-Bahn des zurückgekehrten Marsschifes empor. Für diesen Zweck muß das Raketentriebwerk eine Geschwindigkeits­ änderung von 2 , 5 3 Kilometer pro Sekunde zusätzlich zu den 7,07 Kil ometer pro Sekunde der Zwei-Stunden-Bahn liefern. Die zusätz­ liche Geschwindigkeit führt das Schif in eine langgestreckte Ellipse über, die in ihrem Apogäum, das heißt ihrem höchsten Punkt über der Erde, die 90 ooo-Kilometer-Bahn des Marsschifs erreicht. Der an­ triebsl ose Austieg durch die halbe E llipse dauert 3 0 Stunden. In einem kurzen Anpaßmanöver erhöht das Hilfsschif dann seine Geschwindigkeit um 1 , 2 5 5 Kil ometer in der Sekunde, um sich der Geschwindigkeit des umlaufenden Marsschifs anzupassen und die zwölf Forscher an Bord zu nehmen. Nun reduziert das Hilsschif seine Geschwindigkeit wieder um 1 , 2 5 5 Kilometer in der Sekunde, um sich zur Zwei-Stunden-Bahn hinabzuschwingen. Da seine Geschwindigkeit inolge des Falls von der höheren zur niedrigeren Bahn zunimmt, kommt es schließlich mit einem Geschwindigkeitsüberschuß von 2 , 5 3 Kilometer pro Sekunde in der Zwei-Stunden-Bahn an, also mit der gl eichen Geschwindigkeit,

mit der es diese Bahn verließ. Mit dem vierten und letzten Antriebs­ manöver wird diese Geschwindigkeitsdiferenz beseitigt. Wieder in der Zwei-Stunden-Bahn, steigen die Marsforscher in die gelügelte Endstufe eines Versorgungsschifs um, mit dem sie schließ­ lich zur Erdoberfläche zurückkehren. Lange bevor die Transportraketen in den Himmel donnern, um ihre Ladungen auf die Abflugbahn zu bringen, werden die beiden Mars­ schife im Hangar des Herstellerwerkes montiert und geprüft. Ein flüchtiger Blick in die Montagehalle würde den Eindruck er­ wecken, daß viele der Konstruktionsprinzipien beim Bau des Fern­ Raumschifs aus der Pionierzeit der Luftfahrt entlehnt sind. Die großen Treibstofbehälter aus dünnem Fiberglasstof für die ersten zwei Aritriebsmanöver erinnern an die Heliumballonets, das Filigranwerk der genieteten Duraluminträger, in welchen diese Tanks aufgehängt werden, an die Rahmen der lange entschwundenen Zeppeline. In einer Ecke des Gebäudes steht die kugelörmige Kabine des „Passagierschifs". Sie gleicht einem glänzenden Silberballon von 8 Meter Durchmesser. Im Innern arbeitet ein Bautrupp an der Ein­ richtung ; er muß die Kabine durch die bereits fertiggestellte Luft­ schleuse betreten und verlassen, da ein leicht erhöhter Innendruck die Kugel prall hält. Wenn auf diese Weise die elektrischen Leitungen und Gummischläuche für die Klimaanlage angepaßt worden sind, werden sie gleich der gesamten übrigen Ausrüstung wieder ent­ fernt, so daß die Kugel genauso wie die Treibstofbehälter zusammen­ gelegt und in dieser Form zur Abflugbahn transportiert werden kann. Die Kabine wird oben in der Bahn wieder aufgeblasen ; ihre Fiber­ glashaut wird sodann mit dünnen Duraluminblechen als Schutz gegen meteorischen Staub umkleidet. Im Oberteil der Kugel am vorderen Ende des Schifes beindet sich das Steuerdeck. Die Krönung bildet der Antennenmast für die Funk­ verbindung von Schif zu Schif und die Verständigung zwischen dem auf der Bahn um den Mars bleibenden Passagierschif und der Landegruppe nach deren Abstieg zur Marsoberläche. Die Komman­ dozentrale ist von einer verwirrenden Auswahl von Meßinstrumenten, Kreisel- und Navigationsgeräten, elektronischen Ausrüstungsstücken und Schaltpulten erfüllt. 259

Die beiden Decks unter der Kommandozentral e enthalten die Wohn-, Speise-, Arbeits- und Schlafräume und bieten genug P latz für alle 1 z Expeditionsteilnehmer auf dem 260 Tage langen Rückflug. Zur Ausrüstung gehören ein elektronischer Herd zum Anwärmen der Mahlzeiten, ein Eisschrank, ein Geschirrwaschgerät, eine Kranken­ stube und ein Waschraum. Einen Teil des Raumes nimmt die Anlage zur Wasser- und Luftregenerierung ein, und in einer abgetrennten Ecke beindet sich eine genial e Einrichtung, die die doppelte Auf­ gabe einer Toilette und eines interplanetarischen Müllausstoßers erfü llt. Die verschiedenen Decks sind durch konzentrische Öfnungen mit­ einander verbunden, durch die eine Feuerwehr-Rutschstange führt, denn im Zustand der Gewichts losigkeit während der Reise wären Leitern oder Treppen überlüssig. Ganz am unteren Ende der Kugel beindet sich die Luftschleuse. Nachdem das Passagierschif auf der Umlaufbahn zusammengestellt ist, führt diese Luftschleuse direkt in den zylindrischen Rumpf, der in einer anderen Ecke des Hangars montiert wurde. Der Rumpf umaßt die Treibstofbehälter für die beiden Rückflugmanöver. Seine Hülle besteht aus Duralumin, das die inneren Behälter gegen mete­ orische Partikel schützt und gleichzeitig d ie Kugel kabine fest mit den Raketentriebwerken am Schifsheck verbindet. Eine Reihe von thermostatisch kontrollierten Bl enden auf der Hülle regu liert die Wärmeeinstrahlung von der Sonne, so daß die Treibstofe in den inneren Behältern weder verdampfen noch einfrieren können. Am unteren Ende des Rumpfes ist das den Schub aufnehmende Gerüst der zwöl f Raketentriebwerke befestigt, die vor der Montage des Schifes auf einem Prüfstand gründlich geprüft und eingestellt worden sind. Zu j eder Brennkammer gehört ein Satz von Zentrifugal­ pumpen für die beiden Treibstofkomponenten Hydrazin und Sal­ petersäure. Die Pumpen werden von Turbinen angetrieben, die Turbinen durch drei Gasgeneratoren - k leine Hochdruckbrenn­ kammern, die mit den Haupttreibstofen betrieben werden. Zwei Gasgeneratoren treiben die Turbopumpen für die acht festen Brenn­ kammern in der Mitte der Triebwerksbatterie, von denen sechs nach dem ersten Antriebsmanöver und zwei vor dem letzten abgetrennt werden. Der dritte Gasgenerator bedient die vier äußeren Triebwerke, 260

deren Brennkammern beweglich aufgehängt sind und das Schif steuern. In einem anderen Hangar befindet sich das geflügelte Landungsboot, mit dem die Forscher zur Marsoberfläche hinabgleiten werden. Im Vergleich zu den gewaltigen Traglächen mit einer Spannweite von 1 3 7 Meter sieht der Rumpf winzig aus. Und dennoch wird nur der dünnere Vorderteil des Rumpfes zur Marsumlaufbahn zurückkehren, nachdem die Landegruppe ihre Aufgaben auf dem Mars erfüllt hat. Das geräumigere hintere Ende des Rumpes ist nichts weiter als ein großer Lastbehälter. Er enthält die interplanetarische Funkstation, das Teleskop, die Forschungsraketen für die Untersuchung der Mars­ atmosphäre und die Vorräte für den Rückflug, die alle vor dem Abstieg zur Marsoberläche umgeladen werden. Außerdem bietet der Behälter Raum für alles, was die Forscher während ihres Auenthaltes auf dem Marsboden an Ausrüstungsgegenständen und Vorräten brauchen. Die große Flügelläche von 2280 Quadratmeter ist eine Konzession an die geringe Dichte der Marsatmosphäre. Da die Dichte an der Marsoberfläche nur einem Zwölftel der Dichte auf der Erde ent­ spricht, beträgt der aerodynamische Auftrieb eines gegebenen Flügels bei gleicher Fluggeschwindigkeit ebenalls nur ein Zwölftel. Glück­ licherweise wird dieser Nachteil ein wenig durch die geringere Anziehungskraft des Mars ausgeglichen, die an der Oberläche nur 3 8% der Gravitation an der Erdoberfläche beträgt. In olgedessen wiegt das landende Flugzeug auf dem Mars nicht 1 5 o, sondern nur 5 6,7 Tonnen. Das ist das Gewicht, das die Flügel tragen müssen, wenn das Flugzeug zur Landung auf der Marsoberfläche ansetzt. Die beiden eben zitierten Zahlen, 1/1 2 des verfügbaren aerodyna­ mischen Auftriebs gegen eine Gewichtsreduktion auf 3 8 % , besagen, daß jeder Gleiter, ganz gleich wie groß er ist, auf dem Mars ungeähr eine doppelt so hohe Landegeschwindigkeit besitzt wie auf der Erde. Umgekehrt können wir daraus schließen, daß wir für eine Landung auf dem Mars die Flügellächen vervierachen müssen, wenn wir die gleiche Landegeschwindigkeit wie auf der Erde einhalten wollen.

Die m enschliche Seite des Problems

D nichts mit moderner technischer Forschung zu tun hat, nährt vor­ ie Öfentlichkeit, besser gesagt, j ener Teil der Öfentlichkeit, der

eingenommen und hartnäckig ein paar eingefleischte Vorurteile, die bei einigem Nachdenken wie Kohlensäureeis an einem warmen Tag verdunsten würden. Ein typisches Beispiel dafür ist der Beruf des Testpiloten ; die meisten Menschen halten einen Versuchsflieger immer noch für einen verwegenen Burschen, der einen neuen und unerprobten Flugzeugtyp nach ihrer Meinung nur deshalb gen Him­ mel steuert, weil er Geahr liebt. Er ist für sie ein Mensch, der ganz seinem persönlichen Glück vertraut. Wäre es tatsächlich so, welche Firma würde ihn in der Kanzel eines Flugzeugs Platz nehmen lassen � das etliche Millionen gekostet hat? In Wirklichkeit ist ein Testpilot ein besonders pedantischer und vor­ sichtiger Mensch. Er ist ein sehr guter Flieger mit einem ausgeprägten Sinn für Verantwortung, auf den gewöhnlich zu Hause eine Frau und drei Kinder warten. Keineswegs wurde er, sozusagen, für seine Auf­ gabe geboren, gewissermaßen als modernes Gegenstück musika­ lischer oder mathematischer Wunderkinder. Natürlich muß er einige Voraussetzungen mitbringen, im übrigen jedoch wird er mit großer Sorgalt aus einer beträchtlichen Anzahl guter, im langjährigen Dienst bewährter Piloten ausgesucht. Solche und ähnliche Überlegungen gelten auch für jene Männer, die sich anschicken, die erste Expedition nach dem Mars zu unternehmen. Stellt sich bei den psychologischen Prüfungen heraus, daß einer der Männer auf der vorläuigen Teilnehmerliste ein verwegener Typ ist und sich für einen Übermenschen hält, dann wird sein Name ge­ strichen. Neigt er zu Streitsucht, dann wird er von der Teilnahme an der Expedition, wenn auch nicht unbedingt vom gesamten Projekt, sofern er sonst tüchtig ist, genauso ausgeschlossen wie ein anderer Anwärter, dessen gründliche ärztliche Untersuchung vielleicht ein Leberleiden ergab.

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Die zur Ausbildung herangezogenen Männer, zu denen nicht nur der Kreis der tatsächlichen Expeditionsteilnehmer, sondern auch eine Reserve gehört, da mancher sich noch in l etzter Minute als untauglich erweisen kann und dann ersetzt werden muß, müssen viele gemein­ same Charakterzüge besitzen. Sie müssen gesund und körperlich geeignet sein ; einige Typen, wie sehr große und übermäßig lange Männer, kommen von vornherein nicht in Betracht. Sie werden wahrscheinlich alle schon hoch in den Zwanzigern sein, da sie Jahre gebraucht haben, die nötige Erahrung und das erforderliche um­ angreiche Wissen zu erwerben. Es wird sich um Männer handeln, die ruhig und begabt sind, eine hervorragende Lern- und Anpassungs­ ähigkeit besitzen und gern gemeinschaftlich arbeiten. Sie müssen Sinn für Humor haben und praktische Ansichten mit einer unbegrenz­ ten Vorstellungskraft verbinden. Herr Müller und Herr Lehmann werden diese Männer trotz ihrer phantastischen Aufgabe vielleicht für ein wenig merkwürdig halten, denn man wird sie aus jenem Kreis von Menschen wählen, der bereits mit dem Wel traum vertraut ist. Wenn die Zeit für die Vorbereitung der Marsexpedition herankommt, gibt es nämlich seit Jahren Weltraumstationen und daher viele, eventuell bereits rund tausend Männer, die eine Zeitlang Dienst auf einer Raumstation getan haben. Es wird dann wenigstens hundert Raketenpil oten geben, die Versorgungsschife zur Raumstation ge­ logen haben ; eine größere Zahl wird mit anderen Aufgaben an diesen Versorgungsflügen teilgenommen haben. Sie alle haben wieder­ holt, manche sogar häufig, die starke Beschleunigung des Starts und Aufstiegs der dreistufigen Raketenschife erl ebt. Für sie sind Dinge, wie „antriebsloser Flug zur Umlaufbahn", „Anpaßmanöver", „Bremsmanöver" und „Wiedereintauchen in die Atmosphäre" nicht nur Worte, deren genaue Bedeutung man kennt, sondern lebendige Wirklichkeit. Diese Männer, die Männer mit Raum-Erahrung, stellen jene Gemeinschaft dar, aus der sich die Expeditionsteilnehmer rekrutieren werden ; zumindest gehören diesem Kreis diejenigen an, deren Anträge in Erwägung gezogen werden können. Auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit brauchen sie keinen Astronomie-Unterricht ; sie verstehen alle etwas von Himmel smechanik und verfügen über praktische Erahrungen im Umgang mit Raketenschifen und Raketen­ triebwerken. Sie haben auch die ärztlichen Untersuchungen und

psychologischen Prüungen längst hinter sich. Kurzum, sie bilden eine Gruppe, die bereits für eine ähnliche Aufgabe ausgewählt wurde. Man braucht nur noch eine nachträgliche, strenge Auswahl zu trefen und die Anwärter für ihre Sonderaufgabe entsprechend auszubilden. Da diese Expedition auf ein Unternehmen hinausläuft, bei dem zwölf Mann über zwei Jahre lang völlig auf sich selbst angewiesen sein werden, ohne j ede Aussicht auf äußere Hilfeleistung - im Notfall können sie höchstens durch Funk Instruktionen anordern und emp­ angen -, sind persönliche Gewandtheit und eine vielseitige Ausbil­ dung unerläßliche Voraussetzungen. Es gibt keine Möglichkeit, die geistige und körperliche Verassung irgendeines Menschen für über zwei Jahre im voraus exakt zu bestimmen. Der Funker kann beispiels­ weise erkranken und seinen Dienst wochenlang versäumen ; der Chefingenieur kann unter der schweren Last der Verantwortung, die er während des monatelangen Fluges durch die Weiten des inter­ planetarischen Raumes zu tragen hat, zusammenbrechen, der Expe­ ditions-Arzt kann sterben, der Navigator bei einem Unfall getötet oder ernstlich verletzt werden. Dann muß natürlich der Funker den Platz des Navigators, der zweite Pilot des Landungsflugzeugs die Stelle des Chefingenieurs einnehmen können ; und wenigstens drei Mitglieder der Besatzung sollten über ausreichende Kenntnisse und Erahrungen in Medizin und Zahnbehandlung verfügen. In dieser Beziehung unterscheidet sich die Ausbildung für die Teilnahme an der Expedition vom Unterricht für den Dienst in der Weltraumstation, die ja nicht nur eine größere Besatzung hat, sondern auch nicht mehr als zwei Flugstunden vom heimatlichen Stützpunkt entfernt ist. Außer theoretischen Unterricht erhalten die Expeditionsteilnehmer auch eine umfangreiche praktische Ausbildung, zum größten Teil in Simulatoren, die eine doppelte Aufgabe erfüllen : Sie machen den Mann mit seinem Dienst vertraut und zeigen gleichzeitig, wie er im Dienst reagiert. Zu diesen Ausbildungsgeräten gehört der „Kom­ mandodeck-Simulator", ein kuppelartiger Raum mit einer exakten Nachbildung des Oberdecks der kugelö rmigen Kabine des Passa­ gierschifes. Bei der Nachahmung des Abflugmanövers von der Mars-Umlauf­ bahn, zum Beispiel, werden Kapitän, Navigator, Funker und Bord­ ingenieur inmitten eines Labyrinths von Armaturen, Funkapparaten

und zahlreichen anderen Geräten auf ihre Konturensitze geschnallt. Durch die Eigenverständigungsanlage wechseln sie knappe Mel­ dungen, unverständlich für j eden, der in der Fachsprache des fort­ geschrittenen Raumahrers nicht versiert ist. Gedämpfter Donner aus einem Lautsprecher zeigt an, daß die Raketentriebwerke arbeiten. Der luftleere Raum trägt natürlich keinen Schall, aber das Trieb­ werksgeräusch ist trotzdem in der Kabine zu hören, da es von der Schifsstruktur übertragen wird. Eine Batterie von Manometern auf dem großen Armaturenbrett des Ingenieurs zeigt die Drücke aller Raketenbrennkammern an. Der Mischungsverhältnismesser daneben inormiert ihn darüber, ob die Durchsätze der Treibstofe, Hydrazin und Salpetersäure, stimmen. Ferner gibt es Fernanzeiger für Behälter­ drücke, Pumpendrehzahlen, Druck und Temperatur der Kabinen­ luft, Stellung der beweglichen Steuerbrennkammern und eine Fülle anderer wichtiger Meßwerte. Unterhalb des Armaturenbretts ist eine Meldetafel angeordnet, die wie das verkleinerte Abbild der Weichen­ überwachung eines Eisenbahn-Stellwerks aussieht ; die darauf erschei­ nenden dunklen und hellen Zeichen und die aufleuchtenden grünen und roten Meldelämpchen geben an, welche Ventile ofen und welche geschlossen sind. Der Navigator betrachtet indessen gespannt einen Fernsehschirm, auf dem ein Umrißbild des Schifes dessen Lage im Raum hinsichtlich der kreiselstabilisierten Steuerplatte angibt. Diese Steuerplatte dient als Bezugssystem im reien Raum, wo Begrife wie „oben" und „un­ ten" ihre Bedeutung verlieren. Der gleiche Bildschirm zeigt auch Abweichungen des Schifs vom vorgeschriebenen Kurs an, der durch zwei sich kreuzende Leuchtlinien bezeichnet wird. Mit einem Blick kann der Navigator mithin sehen, ob sich das Schif rechts oder links, oberhalb oder unterhalb der korrekten Flugbahn beindet und seine Nase .n die richtige Richtung zeigt, um etwa vorkommende Abwei­ chungen zu korrigieren. Unter dem Schirm ist eine lange Skala ange­ bracht, über die von links nach rechts zwei Zeiger wandern. Der untere gibt an, welche Geschwindigkeit das Schif durch den Raketen­ antrieb errreichen müßte, der obere dagegen zeigt die wirkliche Geschwindigkeit. Wenn der obere Zeiger hinter dem unteren zurück­ bleibt, bewegt sich das Schif zu langsam, wenn er weiter als der untere ausschlägt, nimmt die Fluggeschwindigkeit u schnell zu.

Plötzlich wird der knappe Wortwechsel regelrecht nervös. Wir hören, wie der Bordingenieur etwas in die Verständigungsanlage schreit und der Kapitän aufgeregt antwortet. Der Ingenieur tastet hastig nach dem Regelschalter, denn auf seiner Kontrolltafel flackert warnend ein rotes Lämpchen. Gleich darauf geht die grüne Meldeleuchte wieder an, und seine Züge entspannen sich. Die Besatzung weiß, daß „der Teufel" ihnen einen seiner Streiche gespielt hat. Außerhalb der Steuerdeck-Attrappe steht nämlich ein im richtigen Schif fehlendes Schaltpult, hinter dem ein Mann sitzt, der gelegentlich verschmitzt lächelt, denn er ist an die Verständigungs­ anlage angeschlossen und kann deutlich das klägliche Gespräch zwischen Ingenieur und Kapitän hören, wenn er auf den Anzeige­ geräten in der Attrappe eine Situation heraufbeschwört, die darauf abzielt, die Männer durcheinanderzubringen. Da er auf diese Weise auch erfährt, was die Besatzung vorhat, vermag er ihre Gegenmaß­ nahmen im Handumdrehen zu stören und sie durch alle möglichen von ihm eigens zu diesem Zweck produzierten „Funktionsmängel" ins Schwitzen zu bringen. Plötzlich, mitten in einem Antriebs­ manöver, kann zum Beispiel das Atemluftgebläse stehenbleiben. Oder eines der Steuerkabel zeigt einen verdächtig hohen Stromwert. Am schlimmsten und auregendsten ist es, wenn er ihnen auf mehreren Meßinstrumenten gleichzeitig eine Störung der Raketentriebwerke vormacht. Dazu gehört eine täuschend echte Imitation von Stottern und Heulen der sonst gleichmäßig rauschenden Feuerstrahlen. Wenn dann Kapitän und Mannschaft nicht augenblicklich die richtigen Entscheidungen trefen, ist die ganze „Expedition" geährdet. In Wirklichkeit sind die Übungen im Kommandodeck-Simulator natürlich ungefährlich. Hinterher kann man einen Fehler und seine Konsequenzen durchsprechen und sich in aller Ruhe die besten Gegenmaßnahmen einallen lassen. Alle „besonderen Vorkommnisse" können so oft wiederholt werden, bis die Besatzung völlig automatisch richtig reagiert. Der Kommandodeck-Simulator ist nur eines der zahlreichen Übungs­ geräte, an denen die Besatzungen der Marsschife auf ihr großes Abenteuer vorbereitet werden. In einem anderen Raum befindet sich eine vollständige Attrappe der elektrischen Anlagen des Passagier­ schifes, die so hergerichtet ist, daß das Aufspüren und Beseitigen 266

von Störungen geübt werden kann. Der Instrukteur zieht beispiels­ weise einen einzelnen Draht aus den Hunderten von Steckern heraus und beobachtet dann mit der Stoppuhr in der Hand, wie lange der Kandidat braucht, um den Fehler zu inden und zu beseitigen. Es gibt eine komplette Nachbildung der Anlage für die Luft- und Wasserregenerierung, an der man die gesamte Wartung, wie das Reinigen von Filtern, das Auswechseln von Patronen und das Ersetzen schadhafter Ventile, praktisch üben und darüber hinaus kritische Situationen, wie einen Ausfall des elektrischen Stromes oder Ventilatorschäden, mit allen ihren echten Schrecken imitieren kann. Ein Schulungsgerät für das fliegende Personal des Landungsboots besteht aus einer vollständig instrumentierten Attrappe der Piloten­ kanzel, in der die Besatzung sämtliche Vorgänge der Landung auf dem Mars, vom Abflug aus der Parkbahn im Weltraum bis zum Aufsetzen auf der Planetenoberfläche, durchexerzieren kann. Ein ausgeklügelter elektronischer Flugbahn-Simulator markiert auf dem Instrumentenbrett genau, wie das Flugzeug auf die Steuerimpulse anspricht. Dabei wird sogar die unten vorüberrollende Marsland­ schaft auf arbigen Bildschirmen abgebildet, die die Stelle von Fen­ stern einnehmen. Nach diesen Übungen in Simulatoren müssen alle Expeditionsteil­ nehmer, denen die Aufgabe, eine Landung auf dem Mars durch­ zuführen, im Ernstall übertragen werden könnte, auch einige prak­ tische Landeübungen absolvieren. Der dafür benutzte Gleiter ist so konstruiert, daß er in der Erdatmosphäre die gleichen Flug- und Bedienungseigenschaften besitzt wie das Landungsboot in der Mars­ atmosphäre. Seine Landegeschwindigkeit ist ungewöhnlich hoch. Die Piloten können das Aufsetzen zuerst auf festem Boden, zum Beispiel auf dem völlig ebenen und harten Grund des ausgetrockneten Sees von Muroc in Kalifornien, später auf Salzflächen und abschließend in der von Hindernissen durchsetzten Wüste von Arizona trainieren. Mit der größten Überraschung wartet j edoch der Ausbildungs­ Simulator für Navigation auf. Er besteht aus einer innen schwarzen Hohlkugel von etwa 20 Meter Durchmesser. In ihrem Mittelpunkt wird eine kreiselstabilisierte Nachbildung der Beobachtungskuppel des Passagierschifes mit einem Sitz für den auszubildenden Mann kardanisch aufgehängt. Die ihn umgebende große Hohlkugel ist an

zahlreichen Stellen nach dem Muster von Sternbil dern durchlöchert und in eine zweite äußere Kugel eingeschlossen. Das Licht starker Lampen zwischen den Kugelwänden fällt durch die Löcher und täuscht dem Schüler einen gestirnten Himmel vor, ähnlich dem künstlichen Himmel eines Pl anetariums. Sonne, Erde, Mond und P laneten können in jeder gewünschten Größe auf die Kuppel projiziert werden. In dieser eindrucksvollen Anlage werden die Expeditionsnavigatoren in der schwierigen Aufgabe unterwiesen, alle Abweichungen der Marsschife vom vorausberechneten Kurs zu bestimmen und die erorderlichen Korrekturmanöver anzusetzen. Während des monate­ langen antriebsl osen Fluges durch den interplanetarischen Raum ist der Dienst eines Navigators ziemlich einfach. Mit einem Gerät, das wie ein Sextant aussieht, mißt er täglich die Winkel zwischen Sonne, Mond oder einem nahen Planeten und einigen danebenstehenden Fixsternen und bestimmt danach die Schifsposition im Raum. Sobald aber eines der beiden heik len Einfangmanöver beim Mars oder bei der Erde bevorsteht, beispiel sweise das Rückkehrmanöver in die 90 ooo Kil ometer hohe Parkbahn um die Erde, wird sein Dienst erheblich schwieriger und die Zeit knapper. In imposanter Größe erscheint die halb von der Sonne beleuchtete Erdkugel vor dem samtschwarzen Hintergrund der künstlichen Himmelskuppel . Während sich das Schif nähert, wandert ihre mäch­ tige viel arbige Gestalt langsam über verschiedene Fixsterne. Für den beklommen in seiner Beobachtungskuppel liegenden Navigator nimmt ihre Größe außerdem scheinbar zu. Er mißt den Winkel zwischen Erdmittelpunkt und bestimmten Fixsternen und überträgt die Ergebnisse auf die vor ihm befindliche Tastatur. Sobald einer der angepeilten Fixsterne hinter dem Erdrand verschwindet, drückt der Navigator eine Reihe weiterer Tasten. Zur Sicherheit mißt er auch noch die Mondparallaxe und überträgt sie auf gleiche Weise. Die Tastatur gibt die Messungen des Navigators an einen Rechen­ automaten weiter, der binnen Minuten ermittelt, wie weit die hyper­ bolische Fallkurve in Richtung Erde vom vorgeschriebenen Kurs abweicht. Ist die Abweichung zu gering, um ein weiteres Korrektur­ manöver zu rechtfertigen, wird das ällige Bremsmanöver eingeleitet. Von nun an wird die Prozedur weitgehend automatisch. Stellt der Rechenautomat zum Beispiel fest, daß das Schif auf Hyperbel 2 3 7 268

hereinkommt, dann wähl t er Magnetband 2 3 7 für das bevorstehende Antriebsmanöver. Das Steuerband 2 3 7 wurde zusammen mit Hun­ derten von anderen Bändern lange vor dem Aufbruch der Expedition vorbereitet und ruht auf Abruf in einem Verteiler, der nach dem gl eichen Prinzip wie die gewöhnlichen Musik-Automaten arbeitet. Sobal d das Band sich im Steuermechanismus des Schifes beindet, erl edigt es alles Weitere völlig automatisch. Zunächst dreht es das Schif so herum, daß es mit dem Heck voran fliegt, sobal d es den Scheitel der Hyperbel passiert. Dann setzt es den Zeitschalter für pünktliche Zündung der Raketenbrennkammern in Gang. Schließ­ lich schaltet es den integrierenden Beschl eunigungsmesser ein ; dieser mißt die Geschwindigkeitsänderung, nicht die Geschwindigkeit sel bst, nach dem Einschalten der Raketentriebwerke und stellt, sobal d die Änderung den richtigen Wert erreicht hat, die Treibstof­ zufuhr zu den Brennkammern wieder ab. Nach diesem Bremsmanöver muß sich das Schif auf der Parkbahn um die Erde befinden. Die Schulung wird so lange fortgesetzt, bis j eder, nicht zul etzt jeder Mann der Besatzung selbst, völlig zurieden ist und keine weiteren Bel ehrungen mehr nötig sind. Inzwischen wurden natürl ich die Versorgungsraketen gebaut und ihre Besatzungen ausgebil det. Die Marsschife sel bst sind ebenalls fertig und haben alle im Hersteller­ werk möglichen Prüfungen hinter sich. Die „Operation Space Lift" kann beginnen. Nach ihrer vorläuigen Montage und der Überprüfung in den Werks­ hangars sind die Marsschife wieder demontiert worden. Die Fiber­ glashülle der Kugel kabine des Passagierschifes und einige zusammen­ klappbare Treibstofbehälter werden gealtet im Laderaum eines unbe­ mannten Lastschifes untergebracht. Die Teil stücke der Duralumin­ Träger für die äußeren Treibstofbehäl ter inden in anderen Lade­ räumen Platz. Die großen Tragflächen des Landungsbootes sind in 2 Meter l ange Stücke mit sorgsam gekennzeichneten Verbindungs­ und Anschlußstellen für den Zusammenbau auf der Umlaufbahn zerlegt worden. Der geräumige Laderaum des Landungsbootes sowie der Rumpf des Passagierschifes werden ebenfalls in transpor­ tabl e Stücke geteilt, die man auf der Umlaufbahn mit Schnellver­ schlüssen schnell und l eicht wieder zusammenfügen kann. Für das Vorderende des Landungsbootrumpfes - das ist j ener Teil des Flug-

zeugs, der schließlich wieder zur Umlaufbahn um den Mars zurück­ kehrt -, sehen die Pläne „der Operation Space Lift" eine bemerkens­ werte Ausnahme vor. Al s flugfähige Rakete, komplett mit Triebwerk und Treibstofbehältern, wird sie an Stelle der normalen 3 . Stue auf die beiden unteren Stufen einer Lastrakete montiert und mit eigener Kraft in die Umlaufbahn gelogen. Da die Unterbringung der empindlichen Teile eine heikle Aufgabe ist, werden die Laderäume der Lastraketen schon im Werk beladen. Wegen des sehr unterschiedlichen Umangs der zu transportierenden Güter sind die Nasen der Lastraketen verschieden lang, weisen aber alle den gleichen Heckdurchmesser von 2, 1 4 Meter auf, um auf die Behälter der 3 . Stufen der Transportraketen zu passen. Bei voller Ausnutzung der Transportkapazität beträgt die Zuladung stets 1 0 Tonnen. In einem Hafen unweit des Werks werden die schwerälligen Kisten mit den vollbepackten Lastraketen in den Bauch eines Hochsee­ rachters versenkt, der die kostbare Ladung zum Startplatz im Paziik bringt. Die Startzeiten des Unternehmens „ Space Lift " sind genau auf die Termine der Montage-Arbeiten in der Umlaufbahn abgestimmt. Sobal d das erste bemannte Schif auf der Montage-Bahn angekommen ist, liefert ein unbemannter Lasttransporter die zusammengeklappte Kugel kabine des Passagierschifes an. Mit den nächsten Lastzügen kommt flüssige Luft zum Aufblasen der Kabine und die gesamte Einrichtung herauf, die man braucht, um für einige Zeit in der Kabine l eben zu können, denn sie soll nun vorübergehend al s Unter­ kunft für die Monteure dienen. Man könnte den Männern vielleicht auch bequemere Quartiere zur Verfügung stellen, wenn die Mars­ schife in der Nähe einer Wel traumstation montiert würden. Wahr­ scheinlich wird es bis dahin sogar mehrere Wel traumstationen geben, doch dürften sie anderen Aufgaben dienen und daher auf Bahnen um die Erde l aufen, die mit jener Bahn, auf der die Marsschife montiert werden müssen, nicht übereinstimmen. Weitere Transporter bringen nun zunächst eine Anzahl von Treib­ stofbehältern für die Marsschife herauf, damit die Betankung unver­ züglich beginnen kann. Monteure in Raumanzügen legen Schl äuche an die eintrefenden Tankraketen und pumpen Hydrazin und Salpeter-

säure in die Behälter der erst halbfertigen Marsschife. Die Montage selbst schreitet indessen planmäßig voran. Alle 24 Stunden starten im Abstand von wenigen Minuten kurz nacheinander zwei Trans­ porter ; der ständige Strom der „Tanker" wird nur gelegentlich von einer Rakete mit „trockener Last" oder Personal unterbrochen. Mit einem der letzten Transporter trift das Vorderteil des Landungs­ bootes ein ; es bewältigt den l etzten Teil der Strecke mit eigener Kraft. Nachdem die Montage abgeschlossen und das kompl ette Landungs­ boot mit seinem „interpl anetarischen Antrieb" verbunden ist, beginnt eine zeitraubende Inspektion. Mehrere Wochen lang werden sämt­ liche Teile und Geräte auf einwandreies Funktionieren geprüft. Schließlich ist es soweit. Der Chefprüfer erkl ärt die zwei Mars­ schife „in j eder Hinsicht raumkl ar". Das letzte Schif des Unter­ nehmens „Space Lift" bringt die Expeditionsteilnehmer selbst herauf. (Mit den geschiderten Untersuchungen bfaßt sich die „Raumlugmedizin" oder „Bio-Astronautik", deren hervorragendster Vertreter Professor Dr. Hubertus Strughold ist.)

Der Flug nach dem Mars

D haben bereits am Tage zuvor darüber berichtet, daß die Passagier­

er Tag ür den Aufbruch der Mars-Expedition ist da. Die Zeitungen

rakete mit den Expeditionsteilnehmern zur Umlaufbahn hinauf­ gelogen ist. Nun schlägt die Stunde des Abflugs, auf die Sekunde genau berechnet. Die Männer schnallen sich auf ihren Konturensitzen fest und nehmen die letzten vorgeschriebenen Prüfungen vor. Sie sind mit allen Handgrifen vertraut, sie sind an den Weltraum gewöhnt, und nichts ist für sie wirklich neu - bis auf die Spannung, die nun alle ergrifen hat. Denn jetzt ist der große langerwartete Augenblick gekommen ! Die letzten Minuten und Sekunden werden laut mitgezählt. Die Stimme des Zählenden ertönt aus den Lautsprechern in den beiden Schifen. Sie dringt aus den Lautsprechern in den Weltraumstationen, sie wird in den unzähligen Beobachtungsstationen auf der Erde abgehört, und man vernimmt sie in den Millionen von Häusern, wo jetzt die Schirme der Fernsehgeräte zwei anscheinend kleine Schife vor dem Hintergrund der dunklen Unendlichkeit zeigen. X minus 4 Sekunden. Ein dumpfes Rumoren geht durch die beiden Schife - die Raketentriebwerke sind auf „Zündstufe" geschaltet. Unter leichtem Heliumdruck strömen nun verhältnismäßig geringe Mengen der beiden Treibstofe in die zwölf Raketenbrennkammern, wo sie sich spontan entzünden. Um sicherzustellen, daß die Treib­ stofpumpen im Zustand der Schwerelosigkeit die Treibstofe ansau­ gen können, muß zunächst eine geringe Beschleunigung erzeugt werden. Zu diesem Zweck werden die Treibstofe aus besonderen Behältern durch Preßgas in die Raketenbrennkammern gedrückt, um eine Anfangsbeschleunigung zu gewinnen. Elastische Beutel in diesen Sonderbehältern für den Start dienen dazu, die flüssigen Treibstofe vom Preßgas im Zustand der Schwerelosigkeit zu trennen. Die Schife bewegen sich kaum, aber diese Vorstufe ist auch deshalb nötig,

damit mit Sicherheit eine Zündflamme in j eder Raketenbrennkammer vorhanden ist, wenn die Hauptstufe eingeschaltet wird. X minus 1 . Die Zündstufe ist einwandfrei entwickelt, und bei „Null" beginnt die Hauptstufe zu arbeiten : Die Turbopumpen laufen an und drücken die Treibstofe unter hohem Druck in die Brennkam­ mern. Das Rumoren schwillt zu einem mächtigen Donnern an ; der Schub steigt sehr schnell auf seinen Maximalwert von 3 60 Tonnen. Schwerällig, doch sichtbar setzen sich die großen Marsschife in Bewegung. Das Dröhnen der Raketentriebwerke dauert etwas mehr als 1 5 Minuten. Dann verstummt es so plötzlich, wie es begann. Das helle Singen der Kreisel läßt nach, und bald ist nur noch das Summen der Ventilatoren zu hören. Der antriebslose 260 Tage lange Flug nach dem Mars hat begonnen. Tag und Nacht haben nun für die Expeditionsteilnehmer nicht mehr die gewohnte Bedeutung. Im Raum, wo die Sonne immer scheint, wird der Tageslauf durch die Schifszeit bestimmt, und die Schifszeit wird „amtlich festgesetzt". Die acht Mann im Passagierschif und die vier Mann im Pilotenraum des Landungsbootes, von dem aus sie das Lastschif lenken, schließen pünktlich um 20 Uhr Bordzeit die Bullaugen. Ebenso pünktlich um 7 Uhr am „nächsten Morgen" werden die Klappen wieder von den Bullaugen entfernt. Der Tages­ lauf an Bord ist nun durch den Dienstplan bestimmt, denn selbst während des antriebslosen Fluges ist an Bord mehr zu tun, als man auf den ersten Blick annimmt. Eine wichtige Aufgabe ist die Kontrolle der Treibstoftemperaturen. Die Temperaturen in den Behältern werden durch Thermostaten geregelt, die Regulierblenden betätigen. Da die Lage des Schifes während des antriebslosen Fluges nicht beeinflußt wird, trudeln beide Schife langsam dahin, während sie sich auf ihrer elliptischen Flug­ bahn vorwärts bewegen. Infolgedessen kann es geschehen, daß einer der äußeren Treibstofbehälter vorübergehend im Schatten eines anderen liegt. Wenn dieser Zustand längere Zeit anhält, werden die Flüssigkeiten in dem Behälter nicht von der Sonne erwärmt und kühlen zu sehr aus ; sie könnten eventuell sogar einrieren. Glück­ licherweise ist die Wärmekapazität der äußeren Behälter so groß, daß die Temperatur in einem solchen Falle nur langsam heruntergehen würde. Trotzdem muß der Wachhabende die Behältertemperaturen 273

Dreistufige Lastrakete m it u n bemannter Endstufe.

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im Auge behalten und notalls die Schwungräder anstellen, um das Schif aus solch einer „ver­ botenen Lage" zu drehen. Auch die Klimaanlage erordert Beachtung. Die Mannschafts­ kabinen in den Marsschifen ent­ halten eine Atmosphäre, die sich von der Luft der Erde ziemlich unterscheidet. In der Meeres­ höhe hat die irdische Atmo­ sphäreeinenDruckvon 1 kg/cm2 ; sie besteht aus 2 1 % Sauerstof, 78% Stickstof und etwa 1 % anderen Gasen. Um Gewicht zu sparen, ist der Druck in den Kabinen der Marsschife auf 5 5 % dieses Wertes herabgesetzt worden. Zum Ausgleich wurde der Sauerstofgehalt auf 40% heraufgesetzt ; außerdem wurde der Stickstof durch Helium er­ setzt, das weniger wiegt und die Geahr von Luftembolien bei plötzlichem Druckverlust erheb­ lich verringert. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und Sauerstofgehalt in den Aufenthaltsräumen wer­ den automatisch geregelt, doch der Wachhabende muß die Wer­ te regelmäßig überprüfen. Bei längerem Aufenthalt in einer künstlichen Atmosphäre, die so völlig in sich abgekapselt ist wie in einem Raumschif, besteht immer die Geahr, daß sich mit

der Zeit Gifte ansammeln. Gift­ spezialisten haben festgestellt, daß in einem durchschnittlichen Haushalt nicht weniger als 29 verschiedene Gifte entstehen können. So bildet sich z. B. bei dem ganz alltäglichen Vorall des Anbrennens eines Spiegel­ eies ein sehr starkes Gift, das Acrolein. In einem Hause stört es natürlich kaum, da der Hustenreiz die Hausrau veran­ laßt, ein Fenster zu öfnen oder einen Ventilator anzustellen. In dem geschlossenen Luftkreislauf des Raumschifes aber könnte der gleiche Vorfall sehr ernste Kon­ sequenzen haben, da das Gift in den Kreislauf eintreten, und, wenn es nicht gründlich heraus­ geiltert wird, immer wieder ein­ geatmet würde. Die meisten giftigen Bestand­ teile der Luft können durch Kühlung der zirkulierenden Atmosphäre entfernt werden ; dadurch werden die schädlichen Bestandteile herausgeroren. Man kann sie auch mit Hilfe von Aktivkohle oder anderen chemischen Filtern entfernen. Trotzdem bildet die komplizierte technische Ausrüstung der Mannschaftsräume eines Raum­ schifes eine ständige Quelle möglicher Vergiftungen der künstlichen Atmosphäre. jn

Vierstuige Passag ierrakete m it flugzeug ä h n l icher Endstufe für die Rückke h r zur Erdoberfläche.

Die Endstufen der Transportraketen : Beman nte und gefl ügelte Endstufe einer vierstufigen Passag ierrakete mit noch n icht abgetrennter d ritter Stufe. Diese wird erst vor dem Rückfl ug abgetrennt.

Meßgerät kann zerbrechen, so daß Quecksilber in den Luftkreislauf gelangt. Ein Kontakt kann verschmoren, so daß eine winzige Menge irgendeines anderen Giftstofes in die Luft gerät. Deshalb muß der Wachhabende regelmäßig die Reinheit der in die Kabine zurück­ gepumpten Luft überprüfen.

Die dritte Stufe einer Lastrakete, d i e in verschiedenen Längen eingesetzt wird, j e nachdem, ob trockene oder flüssige N utzlast zu befördern ist. Diese N utzlastspitzen kehren n icht z u r Erde zu rück.

Sollten die Kontrollen Spuren eines Giftes ergeben, muß der Dienst­ tuende zunächst versuchen, sie durch Einführen von Zusatziltern in die Luftleitungen zu entfernen. Wenn auch das nicht hilft, muß er zur letzten Zulucht greifen und die Luft der Kabinen langsam in den Raum entweichen lassen und gleichzeitig die Verluste aus den

Vorratsbehältern für lüssigen Sauerstof und lüssiges Helium er­ setzen. Die Temperaturen dieser Behälter müssen, ebenso wie die Tempe­ raturen der Wassertanks und der Lebensmittelkammern, die alle ganz verschieden sind, regelmäßig abgelesen und ins Logbuch eingetragen werden, damit von diesen im interplanetarischen Raum lebens­ wichtigen und unersetzlichen Vorräten nichts durch einen Fehler des thermostatischen K ontrollmechanismus verlorengeht oder ver­ dirbt. Die Anlage zur Erzeugung elektrischen Stromes muß besonders sorg­ ältig und ununterbrochen überwacht werden. Sie ist das Herz des ganzen komplizierten Systems von Signallampen und Fernanzeige­ geräten, die den Mann auf Wache über die Lage im ganzen Schif inormieren. Elektrizität treibt auch die Motoren der Schwungräder an, die die Lage des Schifes im Raum verändern können, und sie dreht die Jalousien der Temperaturregler in die gewünschte Stellung. Vor allem aber treibt sie die Pumpen und Ventilatoren der Klimaan­ lage mit allen ihren Reglern und Anzeigern an. Sollte der kleine nukleare Turbogenerator stehenbleiben, würde die Luftzirkulation schon nach ein paar Stunden inolge Erschöpfung der Reservebatterie versagen. Im Falle eines solchen Versagens würde der Wachhabende soort alle dienstreien Besatzungsmitglieder alarmieren. Während der Chef­ elektriker sich bemüht, den Schaden zu beheben, versorgt die Sonnen­ batterie das Schif mit einem Minimum von Notstrom. Im Falle eines größeren Schadens wird das Schwesterschif aufgefordert, so nahe wie möglich heranzukommen. Dann legt ein Besatzungsmitglied einen Raumanzug an und bringt ein Notkabel zu dem havarierten Schif hinüber. Durch diese Nabelschnur wird das betrofene Schif mit der lebenswichtigen Elektrizität versorgt, bis die Reparaturen erfolgreich beendet sind. Nach fünf Tagen. Die Entfernung zwischen den Marsschifen und der Erde ist auf ast 1 , 5 Millionen Kilometer angewachsen, und die Erde sieht nur so groß aus wie der Mond von der Erdoberfläche her. Da nur die rechte Hälfte von der Sonne beleuchtet ist, gleicht sie einem zunehmenden Halbmond. In einigem Abstand von der Erde ist ein leuchtendes Scheibchen von etwa einem Viertel Erddurchmesser u

sehen : der Mond, der die Erde auf ihrem Weg um die Sonne begleitet. Die bremsende Anziehungskraft des irdischen Gravitationsfeldes ist praktisch verschwunden, als die beiden Schife, die in der gleichen Richtung um die Sonne liegen wie die Erde, in die lange elliptische Flugbahn zum Mars eintreten. Während der ersten fünf Tage der Reise mögen die beiden Schife in­ folge kleiner Fehler ihrer automatischen Steuerungen sich um etwa So Kilometer voneinander entfernt haben. Das Lastschif ist im hellen Sonnenlicht zwar noch immer als ein besonders hell leuchtender Stern zu sehen, doch ist es besser, eine „Formation" zu bilden, um im Not­ all der Hilfe des anderen Schifes sicher zu sein. Die Navigatoren stellen deshalb zunächst fest, wie weit j edes Schif vom vorgeschriebe­ nen Weg abgewichen ist. Durch einen kurzen Austausch von Funk­ sprüchen zwischen beiden Schifen teilen sich die Navigatoren mit, was sie unabhängig voneinander gefunden haben : Der Kurs des Lastschifs ist gut, doch das Passagierschif liegt ein wenig zurück. Ein ganz kurzer Schubstoß der vier beweglichen Raketenbrenn­ kammern erhöht die Geschwindigkeit des Passagierschifes um etwa 0,3 Meter in der Sekunde. Drei Tage später hat es das Lastschif wieder eingeholt. Nun werden seine vier Steuermotoren um r 80 Grad ge­ dreht und wieder ganz kurz in Gang gesetzt, um die Geschwindigkeit anzupassen. Von nun an bleiben die beiden Schife zusammen, bis die Navigatoren eines Tages feststellen werden, daß ihr Kurs abermals korrigiert werden muß. 7 3 Tage unterwegs. Aus den Flugbahnberechnungen ist bekannt, daß dieser Tag ein Schauspiel bringen wird, das menschliche Augen noch nie gesehen haben - einen „Durchgang" der Erde und des Mondes. Zu einer be­ stimmten Zeit passieren Erde und Mond die Sonnenscheibe. Für die Navigatoren ist das eine einzigartige Gelegenheit, die Position der Expedition besonders genau nachzuprüfen. Zuerst logen die Schife auf ihrer elliptischen Bahn der Erde mit einer Geschwindigkeit von 3 ,03 Kilometer in der Sekunde voraus. Dann aber begann die Anziehungskraft der Sonne den „bergauf führenden" Schwung u verringern. Tag für Tag wurde die Fluggeschwindigkeit auf diese Weise kleiner, bis die Schife eine geringere Winkelge­ schwindigkeit hatten als die Erde. Nun begann die Erde auf ihrer 2 79

Bug und Heck des Entsatzschiffes. Das Entsatzschiff besteht aus dem R u m pf einer vierten Stufe, an dem ein zentraler und sieben ä ußere Trei bstofbehälter a us der d ritten Stufe einer Transportrakete befestigt sind. Die Scheibe am Bug dient als Strah lenschutz gegen

weiter innen liegenden Bahn die Schife zu überholen. 7 3 Tage nach dem Aufbruch geht sie nun zwischen den Schifen und der Sonne in einer Entfernung von 1 9 Millionen Kilometer durch. In den Tagen vor diesem Ereignis war der helle Doppelstern, den Erde und Mond bildeten, immer schwächer und schwächer geworden, 280

den in der Spitze u ntergebrachten Kern reaktor. Die konzentrischen Ringe am H eck sind Leitungen f ü r Hyd razin und Sal petersäu re. Sie werden m it den ä u ßeren Behältern zusammen vor dem l etzten Antriebsmanöver des Schiffes abgetrennt.

bis er schließlich völlig verschwand. Erde und Mond kehrten den davonliegenden Marsschifen ihre Nachtseiten zu. Die Männer haben sich vor den Bullaugen versammelt. Mit dunklen Gläsern zum Schutz der Augen beobachten sie. Schließlich sehen sie einen winzigen dunklen Fleck vor der lammenden Sonnenkorona. 281

Sehr langsam bewegt er sich von der Seite in den glühenden Feuerball hinein. Etwa eine Stunde später erscheint ein weiterer Punkt, kleiner als der erste, der diesem auf dem Weg zum Mittelpunkt der Sonne folgt. Der gesamte Durchgang dauert etwa 8 Stunden. Die Navigatoren nehmen zwei Serien von Messungen vor. Eine beaßt sich mit den Winkeln gegenüber benachbarten Fixsternen, unter denen Erde und Mond über die Sonnenscheibe wandern. Daraus läßt sich berechnen, wie weit die Reiseellipse aus der Ekliptikebene abgewichen ist. Die zweite Reihe von Messungen betrift die genauen Zeiten des Durch­ gangs. Der erste und letzte Kontakt der beiden kleinen dunklen Scheiben mit dem Rand der Sonne ergibt, nach Vergleich mit der genauen Schifszeit, ob die Schife auf ihrer elliptischen Bahn um die Sonne Verspätung oder gar einen Vorsprung haben. Beide Messungen zusammen zeigen, ob eventuell ein Korrekturmanöver erforderlich ist und wie groß es sein muß, damit die Expedition den Mars genau an dem noch 1 87 Tage entfernten Rendezvousplatz antrift. Nach weiteren zwei Monaten machen sich Müdigkeit und Trägheit in der Besatzung bemerkbar. Gegenseitige Reibereien führen zu Span­ nungen. Hin und wieder wird Personal zwischen den beiden Schifen ausgetauscht, um die unerträgliche Monotonie etwas zu mildern. Zu den beliebtesten Abwechslungen gehört die tägliche Radiosendung von der Erde, die den davonziehenden Marsschifen durch eine be­ sondere Übertragungsstation neben einer der Weltraumstationen über­ mittelt wird. Trotz der 6 5 Millionen Kilometer, die j etzt die Schife vom Heimatplaneten trennen, ist der Empang so klar und rein, als käme er vom nächsten Ortssender. Die Sendungen setzen sich gewöhn­ lich aus Nachrichten, einem Vortrag und Musik zusammen, obgleich von Zeit zu Zeit auch ein normales Programm u den Schifen über­ tragen wird. Ein paar Männer der Besatzung legen eines Tages Raumanzüge an, verlassen die Kabine des Passagierschifs durch die Luftschleuse und schweben nach einer kurzen Betätigung ihrer Rückstoßpistolen zu dem Lastschif hinüber, das scheinbar bewegungslos etwa z Kilometer entfernt hängt. Sie wollen die Funkstation bei der Arbeit beobachten. Als sie sich dem Lastschif nähern, sehen sie einen Duraluminmast, der aus dem Laderaum des Landungsahrzeuges herausragt und am 282

Ende eine bewegliche parabolische Scheibe trägt. Das ist die kombi­ nierte Empangs- und Sendeantenne der interplanetarischen Funk­ station. Die parabolische Scheibe mit dem eigentlichen Antennenstab im Brennpunkt bündelt die herausgehenden Radiowellen in Richtung der Erde wie der Reflektor eines Scheinwerfers. Beim Empang kon­ zentriert sie die aufgenommenen Wellen auf den Antennenstab wie ein Hohl spiegel . Im Funkraum, der in einem besonderen luftdichten Behäl ter in einer Nische des großen Laderaums eingerichtet ist, erahren die Besucher, daß der Gewinn aus dieser Konzentration von Sende- und Empangs­ energie erst ein Teil des Tricks ist, der das Wunder des interplaneta­ rischen Funkverkehrs ermöglicht. Natürlich wird der Funkverkehr über den weiten Weltraum nicht durch die Krümmung des Erdballs und die vielen atmosphärischen Efekte, wie Abhängigkeit von ionosphärischer Relexion oder Störungen infolge von Gewittern, die einen Fernempang auf der Erde so schwierig machen, gestört. Doch dieser Vorteil wird durch die grundsätzliche Schwierigkeit auf­ gehoben, die sich aus den beispiell osen Entfernungen ergeben, welche die Funkwellen zwischen dem Marsschif und der Erde zurückzulegen haben. Die ankommende Energie nimmt mit dem Quadrat der Ent­ fernung ab, das heißt, sie verringert sich auf ein Viertel , wenn wir die Entfernung verdoppeln, und auf ein Millionstel, wenn wir die Entfernung vertausendachen. Über eine Entfernung von 6 5 Millio­ nen Kilometer gelangt somit nur ein winziger Betrag der ursprüng­ lichen Sendeenergie in den Empänger. Auf der anderen Seite verbringen Radioempänger Wunder in der Verstärkung selbst der schwächsten Funkwellen. Die einzige Grenze für eine verwendbare Verstärkung liegt in der sogenannten Bandbreite. Die Bandbreite gibt an, wie weit ein Empänger, der auf eine bestimmte Wellenlänge eingestellt ist, auch l ängere und kürzere Wellen zur gleichen Zeit empangen kann. Je schmaler das Band ist, desto schwächer ist das durch unvermeidliche Wärmeefekte in den Radio­ röhren hervorgerufene „Rauschen". Da man für einen guten Empang ein erträgliches Verhältnis zwischen Sendung und Rauschen braucht und die ankommende Energie hier so schwach ist, muß bei einem inter­ planetarischen Radioempänger die Bandbreite so schmal wie möglich gehalten werden.

Sowohl der Schifssender als auch die Funkstation auf der Umlaufbahn arbeitet mit einer Sendeleistung von nur 10 Kilowatt. Während die Station auf der Umlaufbahn eine Antennenscheibe von 8 Meter Durchmesser hat, ist die Schifsantenne mit Rücksicht auf Gewicht und Volumen auf 4 Meter Durchmesser reduziert. Die Wellenlänge beträgt zehn Zentimeter. Diese Gegensprechanlage kann Musik und Sprache tadellos über ungefähr 1 00 Millionen Kilometer übertragen, also über eine Entfernung, welche die Schife etwa 1 60 Tage nach dem Abflug erreichen. Danach hört die direkte Sprechfunkverbindung all­ mählich auf, da die aufgenommene Sendeenergie so schwach wird, daß die Bandbreite des Empfängers zu weit verringert werden muß. Mit automatischen Fernschreibern, die eine viel geringere Bandbreite erfordern und längst nicht so empfindlich gegen Störungen sind wie der Sprechfunk, kann der Gegenverkehr über eine Entfernung von über 5 00 Millionen Kilometer aufrechterhalten werden. Diese Ent­ ernung ist größer als der Abstand zwischen Erde und Mars bei Konjunktion, so daß die Verbindung zwischen den in der Marsbahn wartenden Schifen und der Erde (oder der Weltraumstation) niemals allein wegen der Entfernung unterbrochen werden muß. Es gibt eine Unterbrechung, wenn Mars, Sonne und Erde eine gerade Linie mit der Sonne in der Mitte bilden. Dann wird die Erde nicht nur optisch unsichtbar, sondern auch für den Funk unerreichbar, da die Sonne, die auch Funkwellen ausstrahlt, erheblich stört. Diese kurze Unter­ brechung des Funkverkehrs �ird jedoch höchstens einen Monat dauern. Auch wenn die Schife nach kosmischen Maßstäben noch nicht sehr weit von der Erde entfernt sind, gibt es bei Gesprächen über Sender und Empänger ein merkwürdiges Phänomen. Zwischen Fragen und Antworten entstehen Pausen, da die Radiowellen mit der gleichen Geschwindigkeit wie das Licht, 300 ooo Kilometer pro Sekunde, wandern. Bei einer Entfernung von 64 Millionen Kilometer brauchen die Funkwellen 2 1 5 Sekunden, um vom Schif zur Erdstation zu gelangen, und die Antwort ist ebenfalls 2 1 5 Sekunden unterwegs, insgesamt also rund 7 Minuten. 2 5 o Tage unterwegs. Nur noch 10 Tage bis zum zweiten Hauptantriebsmanöver, das den Einfang der Schife durch den Mars abschließen soll. Der Planet, der

N ach der Land ung auf dem Mars werden die Tragflächen und das Fahrwerk der Landungsrakete abgenom men. Der R u m pf wird i n verti kale Startstel l un g gebracht. 285

mit bloßem Auge wie ein kleiner rötlicher Halbmond aussieht, ist nur noch 2 200 ooo Kilometer entfernt. Die sichtbare Hälfte der Marsscheibe leuchtet mit intensivem Orangerot, das von grünlichen Flecken unterbrochen ist, und man kann mit bloßem Auge gut die weiße Fläche der Südpolarkappe erkennen, die in den warmen Sonnenstrahlen des Marssommers schmilzt. Die andere Hälfte ist in das Dunkel der Nacht gehüllt. Bisher begnügten sich die Navigatoren damit, alle 24 Stunden die Parallaxe des Planeten zu messen, aber j etzt schweben sie alle drei Stunden in die Astrodome, um die scheinbare Bewegung des Mars relativ zu den Fixsternen zu bestimmen. Denn bis zu dem letzten Korrekturmanöver, das die Schife in die richtige Ausgangsposition für den hyperbolischen Anlug des Planeten bringen soll, sind es nur noch zwei Tage. Dieses Korrekturmanöver verläuft planmäßig, und die Geschwindig­ keit der beiden Schife hat sich nun um 2 1 Meter pro Sekunde genau in der Richtung verändert, die, wie die Navigatoren vorher errechnet haben, die Schife im richtigen Augenblick in einen Abstand von 8 800 Kilometer zur Marsbahn bringen wird. Eine weitere Reihe von Beobachtungen der Lage der Marsscheibe bezüglich des Fixstern­ himmels ergibt, daß die Korrektur erfolgreich war. Die großen Treibstofbehälter, aus denen die Treibstofe für das Ab­ flugmanöver und die folgenden fünf Korrekturmanöver entnommen wurden, sind nun überlüssig. Die restlichen Treibstofe werden in kleine Reservebehälter umgepumpt und die Schnellschlüsse in den Treibstofleitungen zwischen den leeren Behältern und den Pumpen durch Druck auf einen Schalter im Kommandoraum getrennt. Schließlich werden die Schife mit Hilfe der Schwungräder in eine langsame Rotation um ihre Längsachse versetzt, durch Druck auf einen Knopf die Sprengbolzen in den Behälteraufhängern zur Deto­ nation gebracht, und die zwei Paar großen weißen Kugeln durch die Zentrifugalkraft inolge der langsamen Rotation weggeschleudert ; majestätisch treiben sie nach entgegengesetzten Richtungen in den Raum hinaus. Auch leere Lebensmittelkartons, zerbrochene Werkzeuge und Instru­ mente und der ganze, während der Reise angeallene Müll müssen j etzt aus den Schifen entfernt werden. Mehrere Tonnen Nutzwasser gehen 286

U n m itte l bar nach der Land ung und dem Aufrichten der Land ungsrakete wird auf der Marsoberfläche d i e Bodenstation errichtet. Als Stützpunkt d ient ein druckbel üftetes Zelt. In der U mgebung des Landeplatzes beg innen die Forscher m it i h ren Untersuchungen, wobei sie sich der Raupenschlepper m it hermetischer Kabine bed ienen.

ebenfalls über Bord. Jedes Gramm, das j etzt abgestoßen werden kann, trägt dazu bei, während des bevorstehenden Antriebsmanövers Treib­ stofe zu sparen. Nach der ermüdenden Langeweile der monatelangen interplaneta­ rischen Reise beginnen die Ereignisse sich j etzt zu überstürzen. 24 Stunden vor dem Einangmanöver erscheint Mars viermal so groß wie die Sonne, und 5 Stunden, bevor die Triebwerke eingeschaltet werden, ist der Planet eine gewaltige vielarbige Scheibe, die einen Blickwinkel über 7 Grad füllt - 1 4mal so groß wie der scheinbare Sonnendurchmesser von der Erde aus gesehen. Die zwei Schife fliegen in einem Abstand von wenigenHundertMetern und sind nun nur noch 5 4 ooo Kilometer vom Marsmittelpunkt entfernt. 64 Minuten bevor die Raketentriebwerke eingeschaltet werden, hat sich die Entfernung vom Marsmittelpunkt auf r 3 600 Kilometer ver­ ringert, und die Geschwindigkeit relativ zum Mars ist von ursprüng­ lich 2 , 5 5 auf 3 , 5 5 Kilometer in der Sekunde gestiegen. Mars selbst mit seinen leuchtend roten, weißen und grünen Farben nimmt nun einen Blickwinkel von fast 30 Grad ein. Die Planetenoberfläche scheint mit ständig zunehmender Geschwindigkeit zu rotieren, denn die Schife stürzen nicht lotrecht auf sie hinab, sondern rasen tangential auf sie zu. Nun werden die Schife herumgedreht, so daß sie mit dem Heck voranfliegen. Als der Zeitschalter die Raketentriebwerke in Gang setzt, fliegen die Schife relativ zum Mars mit einer Geschwindigkeit von 5 , r 5 Kilo­ meter pro Sekunde. Ihre Beschleunigung ist geringer als 1 /3 g, denn nur zwei von den acht festen Raketentriebwerken und die vier beweg­ lichen Brennkammern bremsen den hyperbolischen Fall in die Ein­ angbahn. Die Schifsgewichte haben sich durch den Treibstofver­ brauch so sehr verringert, daß der volle Schub von 3 60 Tonnen, mit dem sie die Erdbahn verlassen haben, die Schifsstruktur und die Körper der Insassen viel zu stark belasten würde. Wir dürfen ja nicht vergessen, daß die Expeditionsteilnehmer über acht Monate gewichts­ los gewesen sind. In dem Augenblick, in dem die restlichen sechs

Der erste ameri ka n ische Erdsatel l it „1 958 Alpha Explorer 1" vor dem E i n bau in d i e Spitze e i n e r „J upiter C"-Rakete der ameri kan ischen Armee. 288

Triebwerke, die zusammen einen Schub von 1 200 Tonnen liefern, zu arbeiten beginnen, werden die nicht mehr benötigten Triebwerke au­ tomatisch abgetrennt. Sie liegen mit voller Geschwindigkeit durch den Scheitel der Flugbahn und verlassen das Schwerefeld des Mars wieder auf dem Fluchtast der Einfanghyperbel, da die Schife mit dem Heck voranliegen und die arbeitenden Triebwerke als Bremsen wir­ ken. Die sechs Raketen arbeiten 5 30 Sekunden (ast neun Minuten lang), und reduzieren die Geschwindigkeit von 5 , 1 5 auf 3 , 1 4 Kilo­ meter in der Sekunde, so daß sie bei Brennschluß der zirkularen Geschwindigkeit der 1 000 Kilometer hohen Bahn um den Mars ge­ nau entspricht. Diese Umlaufbahn ist dem Mars sogar näher als der sehr nahe natürliche Mond Phobos. Die Umlauzeit beträgt zwei Stunden, 26 Minuten und 24 Sekunden ; die Umlaufbahnebene stimmt mit der Ebene der Bahn des Planeten um die Sonne überein. Die erste Aufgabe der Forscher in der Marsumlaufbahn ist eine gründ­ liche Erforschung der Planetenoberläche. Mit dem astronomischen Fernrohr können sie aus 1 000 Kilometer Höhe die gleichen Details erkennen wie mit dem bloßen Auge aus einer Entfernung von 1 5 00 Meter. Der ganze Planet wird betrachtet, otografiert und karto­ graphiert ; die Oberlächentemperaturen in verschiedenen Breiten werden bei Tag und Nacht gemessen, die Wolkenformationen genau studiert. Alle Ergebnisse werden sofort durch Funk an die Erde über­ mittelt, um sie für den Fall sicherzustellen, daß die Expedition einer Katastrophe zum Opfer fällt. Obgleich die Beschränkung der Band­ breite keine richtige Fernsehverbindung mit der Erde gestattet, kann man mit der vorhandenen Funkausrüstung doch wenigstens ruhende Bilder übertragen. Die genaue Erorschung der Marsoberläche dient nicht zuletzt der Wahl eines Landeplatzes für das Gleitlugzeug. Ursprünglich wurde die Wahl des in Frage kommenden Gebietes hauptsächlich durch den verständlichen und logischen Wunsch beeinlußt, einen Platz zu finden, der eine Vielalt von Forschungsobjekten verspricht. Wegen der Temperaturen sollte er nicht zu weit vom Äquator enternt sein, so daß man wenigstens während des Tages auf Heizung verzichten kann. Interessant wäre zum Beispiel die Gegend östlich oder westlich des Margaritifer Sinus, wo es ein großes dunkles Gebiet und mehrere Kanäle, Hydaspes und Indus, gibt. Ein anderes vielversprechendes

Gebiet würde nördlich des Moeris Lacus liegen, in dessen Nähe sich Syrtis maj or und der bekannte Kanal Toth Nepenthes beinden. Diese äquatornahen Gebiete sind nicht nur während des Tages erträglich warm, sondern unterliegen während des gesamten Aufenthalts der Expedition nur geringen jahreszeitlichen Temperaturschwankungen. Es gibt noch einen anderen Grund, sie den sonst recht interessanten Gebieten von Hellas im Süden und des Mare acidalium im Norden vor­ zuziehen. Ein Landeplatz in der Nähe des Marsäquators bietet natür­ lich den gleichen Vorteil wie eine Bodenstation in der Nähe des Erd­ äquators. Die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten hilft dem ab­ liegenden Schif. Mars rotiert etwa mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Erde, aber da er nur einen halb so großen Durchmesser wie die Erde besitzt, ist die Umfangsgeschwindigkeit eines Punktes am Marsäquator entsprechend geringer. Weil j edoch auch die Mars­ gravitation viel schwächer ist, ist der Gewinn trotzdem beträchtlich und sollte ausgenützt werden, und sei es auch nur als Sicherheits­ aktor in den Berechnungen. Noch wichtiger als dieser Vorteil ist aber der Umstand, daß die Ekliptikebene über dem Äquatorgürtel liegt und daher nur dieser Gürtel für die Lage des Startpunktes in Frage kommt. Schon lange bevor die Planung der Marsexpedition in Angrif ge­ nommen wurde, hat man durch astronomische Beobachtungen von der Weltraumstation der Erde aus ein wirklich interessantes Gebiet für die Landung ermittelt, doch das letzte Wort haben nun die Ex­ peditionsteilnehmer selbst, die den Mars in ihren Schifen umkreisen. Aus dieser kurzen Enternung können sie z. B. ein ursprünglich ge­ wähltes Landegebiet verweren, weil die Oberläche zu viele geährliche Unebenheiten aufweist. Das Landegebiet muß lach und fest genug sein, um eine völlig sichere Landung des schweren Flugzeugs zu gestatten. Vor der eigentlichen Landung wird noch eine gründliche Untersu­ chung der Marsatmosphäre mit Hilfe von Raketensonden, relativ kleinen kreiselstabilisierten Feststofraketen, vorgenommen. Ein kurzer Schubstoß reduziert die ursprüngliche Umlaufgeschwindigkeit um etwa I 80 Meter in der Sekunde, so daß die Raketensonde in eine elliptische Flugbahn gelangt, deren Perigäum auf der gegenüber­ liegenden Seite des Mars innerhalb der Atmosphäre liegt. Der Wider-

stand der Marsluft, verstärkt durch Bremsklappen, verringert die Geschwindigkeit der Rakete allmählich und bringt sie auf diese Weise schließlich zu Boden. Die Raketensonden sind so instrumentiert, daß sie neben der relativ einachen Aufgabe, Luftdruck, Temperatur, Feuchtigkeit und Höhe zu messen, auch die chemische Zusammensetzung der Marsatmo­ sphäre in verschiedenen Höhen automatisch bestimmen und alle Er­ gebnisse durch Funk an die zurückbleibenden Schife übermitteln können. Diese Fernmeßtechnik wird bereits bei der Erorschung der hohen Atmosphäre der Erde mit Raketen angewendet, allerdings in „umgekehrter Richtung". Während die letzten Meldungen der Raketensonden ausgewertet werden, wird das Landungsflugzeug von seinem Mutterschif, dem Lastschif, getrennt. Was die Landegruppe nicht benötigt, wird aus dem großen Vorratsraum entfernt. Vorräte für die drei zurück­ bleibenden Wachhabenden und den Rückflug zur Erde werden auf das Passagierschif umgeladen. Die interplanetarische Funkstation wird aus ihrer Nisc,he in den Wänden des Laderaums genommen und vor­ übergehend mit dem Rumpf des Passagierschifs verbunden. Das astronomische Teleskop wird einach rei schwebend auf der Umlauf­ bahn zurückgelassen. Es besitzt ein eigenes, äußerst genaues Lage­ kontrollsystem und wird von den Wachhabenden dazu benutzt, das Landemanöver zu beobachten. Die drei Männer, die die etwas undankbare und gewiß eintönige Auf­ gabe haben, auf der Marsumlaufbahn zu bleiben, während die eigent­ liche Expedition zur Oberfläche hinabfliegt, haben strikten Befehl, zur Erde zurückzukehren, wenn die Wartezeit verstrichen ist, und zwar auch dann, wenn die Landeexpedition bis dahin nicht zu den Schifen zurückgekehrt sein sollte. Ihre Aufgabe besteht, kurz gesagt, darin, wenigstens einige Ergebnisse der Expedition zur Erde zurück­ zubringen, wenn den Expeditionsteilnehmern auf der Marsoberfläche etwas zustößt. Jedes größere Mißgeschick, das eine Expedition erleidet, soll schließ-

Die Rakete J u piter C m it dem ersten Explorer-Satelliten.

lieh auf schlechte oder unvollständige Vorbereitung zurückzuführen sein. Das mag für eine Expedition in die Polargebiete der Erde oder auf den Mount Everest völlig richtig sein, da man in diesen Fällen über genug Erahrungen verfügt, um wenigstens theoretisch alle erforderlichen Vorbereitungen trefen zu können. Doch bei der ersten Expedition nach einem anderen Planeten kann davon keine Rede sein. Es ist also möglich, wenn auch vielleicht unwahrscheinlich, daß der Landegruppe der Expedition etwas zustößt, aber da sie alles Be­ richtenswerte stets soort an das Schif in der Umlaufbahn übermittelt und sich auch dann meldet, wenn nichts Besonderes vorliegt, werden wenigstens alle anallenden Forschungsergebnisse auf dem Schif gesammelt. Wenn auf der Marsoberfläche etwas schiefgehen sollte, würde man aus diesen Berichten wahrscheinlich auch auf die Ursache schließen können. Die Männer in dem Schif auf der Umlaufbahn haben die Aufgabe, alle diese Informationen vorübergehend zu sammeln, und die Plicht, sie möglichst bald nach der Erde zu über­ mitteln. Nach einer gründlichen Inspektion des Landebootes und seiner La­ dung, die mehrere Tage beansprucht, schnallen sich die neun Forscher in ihren Sitzen fest, um den Abstieg zur Marsoberfläche anzutreten. Langsam dreht sich der mächtige Gleiter unter der Wirkung der seit­ lichen Steuerdüsen, bis er mit dem Heck voran fliegt. Dann wird das kleine Landetriebwerk eingeschaltet. In 1 5 7 Sekunden setzt es mit seinem geringen Schub von nur 20 Tonnen die Geschwindigkeit des 1 6 1 Tonnen schweren Gleiters um 1 73 Meter in der Sekunde herab. Bei Brennschluß beginnt der Freiflug durch die Landeellipse. In etwas über einer Stunde gelangt der Gleiter auf dieser Landeellipse halbwegs um den Mars herum auf die Nachtseite des Planeten. Ein leises, zunächst kaum hörbares, aber allmählich an Stärke zunehmen­ des Zischen läßt erkennen, daß das Gleitlugzeug in die Marsatmo­ sphäre eingetaucht ist, und bald beginnt das Flugzeug auf die Steuer­ bewegungen des Piloten zu reagieren. Kurz danach zeigt der elek­ trische Höhenmesser an, daß das Flugzeug das Perigäum der Lande­ ellipse in einer Höhe von 1 5 5 Kilometer erreicht hat. Die enorme Höhe, in der der verzögerte aerodynamische Gleitflug beginnt, ist für die merkwürdigen physikalischen Bedingungen auf dem roten Planeten bezeichnend. Dieser Gleitflug scheint der geringen

Eine Batterie N i ke-Ajax­ Raketen (USA)

Turmprüfstand fü r amerikanische G roßraketen.

Start der Kam pfrakete Redstone

Dichte der Marsatmosphäre geradezu zu widersprechen und ist doch völlig logisch, denn die geringe Luftdichte an der Marsoberläche, die auf der Erde einer Höhe von etwa 1 8 Kilometer entsprechen würde, ist nur teilweise auf die Tatsache zurückzuführen, daß es auf dem Mars nun einmal sehr wenig Luft gibt. Ein ebenso wichtiger Faktor ist das schwache Gravitationsfeld des Mars, das die Atmo­ sphäre nicht so weit zusammendrücken kann wie die Erdatmosphäre. Inolgedessen ist die Marsatmosphäre tatsächlich höher als die ir­ dische Lufthülle, und über etwa 3 0 Kilometer Höhe übersteigt der Luftdruck sogar den der Erdatmosphäre. Die Perigäumgeschwindigkeit von 3 ,6 5 Kilometer in der Sekunde nimmt allmählich unter der Wirkung des Luftwiderstandes ab. Zu­ nächst haben die Forscher ein wenig das Gefühl, in ihren Schulter­ riemen zu hängen, als der Pilot den Steuerknüppel nach vorn drückt, um zu verhindern, daß das Flugzeug auf dem zweiten Ast der Lande­ ellipse wieder aus der Atmosphäre hinaustreibt. Doch sobald die Geschwindigkeit sich der zirkularen Geschwindigkeit nähert, ver­ schwindet dieses Gefühl, und die Männer spüren nun nur noch einen leichten Zug nach vorn, der ihnen zeigt, daß die Bremsung durch den Luftwiderstand anhält. Schließlich schlägt das Gefühl des Hängens in das Gegenteil um, und die Insassen beginnen zum ersten Mal seit 9 Monaten wieder ihr Gewicht zu spüren, anangs nur wenig, dann immer mehr, denn nun beginnt der Auftrieb der Tragflächen zu wirken und den allzu schnellen Abstieg des Gleitlugzeugs in die tieferen Schichten der Marsatmosphäre zu verlangsamen. Der Nacht­ himmel wird heller, nimmt allmählich blaue Farbe an (der erste blaue Himmel seit Monaten !), und schließlich taucht der Gleiter wieder in das helle Tageslicht ein. In einer Höhe von 3 8 Kilometer hat das Flugzeug, nachdem es seit dem Passieren des Perigäums halbwegs um den Mars herumgeflogen ist, nur noch Schallgeschwindigkeit. Mit Unterschallgeschwindigkeit strebt es nun in langen Spiralen zum vorgesehenen Landeplatz hinab, nachdem die Nasenklappen ausge­ ahren sind, um die aerodynamischen Eigenschaften des dünnen Über­ schallflügels bei geringen Luftgeschwindigkeiten zu verbessern. Es wäre unklug, für eine hohe Landegeschwindigkeit zu konstruieren, da das Flugzeug auf einem unvorbereiteten Gelände niedergehen muß. Eine Landegeschwindigkeit von 200 Kilometer in der Stunde ist

Serienherste l l u n g der Kampfrakete „Redstone" in den Chrysler-Werken bei Detroit.

wahrscheinlich das Äußerste, was man mit Sicherheit zulassen darf. Aus diesem Grunde braucht man mit Rücksicht auf die geringe Bodendichte der Marsatmosphäre sehr große Tragflächen. Das Fehlen von Betonpisten auf dem Mars wirkt sich auch auf die Konstruktion des schweren Fahrwerks aus, das aus zwei breiten Kufen mit einge­ bauten Raupenketten besteht. Die vordere Kufe befindet sich unter dem Bug des Flugzeugs, die hintere unter dem verdickten rückwärti­ gen Ende des Rumpfs. Zwei zusätzliche leichte Ausleger sollen die Tragflächen stützen, sobald das Flugzeug nach der Landung zum Stillstand gekommen ist. Wenn das Flugzeug eine Höhe von ein paar Tausend Meter erreicht hat, wird eine Rauchbombe geworfen, m

Wind- und Anflugrichtung u ermitteln. Landeklappen, Fahrwerk und Auslegerkufen werden ausgeahren, und schließlich rumpelt das schwere Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von 1 96 Kilometer in der Stunde über die sandige Ebene, bis es in einer mächtigen, alles ein­ hüllenden Staubwolke zum Stillstand kommt. In Druckanzüge gekleidet, versammeln sich die ersten neun Menschen, die den Fuß auf den Mars setzen wollen, um die Kabinentür. Nachein­ ander betreten sie die Luftschleuse und lauschen dem Zischen der ent­ weichenden Luft, während die Schleuse auf den geringen Außendruck gebracht wird. Dann öfnet sich die Außentür, und sie treten auf die mächtige Tragfläche hinaus. Das Land, das sich unter ihnen ausbreitet, könnte ebenso gut eine sonnenbestrahlte Wüste im amerikanischen Südwesten unter einem dunkelblauen wolkenlosen Himmel sein. Das Gefühl der wiederhergestellten Schwere ist sehr unangenehm. Die Männer sind nach über 9 Monaten Schwerelosigkeit recht weich in den Knien. Erst als sie zögernd den Sprung von den 6 Meter hohen Flügeln auf den Marsboden hinab wagen, spüren sie richtig, wie schwach die Schwerkraft tatsächlich ist, denn ihr Fall ist nicht viel mehr als ein sanftes Schweben. Trotzdem glauben sie, Blei in ihren Adern zu haben, und spüren das heftige Verlangen, sich niederzulegen. Doch jetzt ist nicht die Zeit für eine Rast. Als Eindringlinge auf einem fremden Planeten, der alle möglichen Überraschungen bieten kann, dürfen sie nichts riskieren. Ihre erste Aufgabe besteht darin, das Vorderende des Landungslug­ zeugs für einen schnellen Rückzug zur Marsumlaufbahn vorzubereiten. Sie öfnen die große untere Luke des Laderaums und lassen zwei Raupenschlepper zu Boden. Dann befestigen sie zwei Verstrebungen am oberen Ende der projektilähnlichen Spitze, die eine Art Brücke bilden. Sie verbinden den Scheitel dieser Brücke mit der Winde auf einem der Raupenschlepper, der hinter dem Heck des Landeflugzeugs aufgestellt ist. Ein weiteres Kabel wird von der Spitze der Rakete zu dem zweiten Raupenschlepper gezogen, der sich auf der anderen Seite des Flugzeugs .befindet. Die beiden großen Flügel werden in der Nähe ihrer Wurzeln aufgebockt, um als feste Unterlage ür das Auf­ richten des Vorderteils zu dienen. Schließlich entfernen die Männer die Bolzen, welche die Spitze und das hintere Ende des Landeflug-

Prüfung des H ecks der Kam pfrakete „Redstone" vor der End montage.

zeugs miteinander verbinden, und beginnen mit dem schwierigen Prozeß des Aurichtens. Sobald der hinten aufgestellte Schlepper damit beginnt, das eine Kabel auzurollen, bewegt sich das Vorderende um die beiden in den Flügel­ wurzeln verborgenen Zapfen. Ein paar Minuten später steht die Rakete lotrecht : ihre Stabilisierungsflächen ruhen auf breiten A lumi­ niumschuhen, die im Sand ausgebreitet worden sind. Die nächste Aufgabe besteht in der Errichtung des pneumatischen Zeltes, das für die Expeditionsteilnehmer als Unterkunft und Haupt­ quartier auf dem Mars dienen soll. Das „ Zelt", praktisch eine Kugel von etwa 6 Meter Durchmesser, besteht aus gummiertem Stof. Es ist mit einer wirksamen Wärme-Isolation versehen und wurde im Lade-

raum des Landungsflugzeugs, zusammengelegt wie ein Fal tboot, transportiert. Nun wird es von einem der Raupenschlepper nach einem geeigneten Platz unweit des Flugzeugs gezogen und mit der Standardatmosphäre des Wel traumfahrers, 40% Sauerstof und 60% Helium, aufgeblasen. In diesem Zel t können die Forscher essen, schl afen und arbeiten, ohne die unbequemen Raumanzüge tragen zu müssen. Die Luftschl euse, durch die man das Zelt betritt und verl äßt, bietet Raum für die Aufbewahrung der Raumanzüge und ist außer­ dem mit keimtötenden Ultraviol ettlampen ausgerüstet, um eventuelle Geahren durch unbekannte Marsbakterien abzuwehren. Die Schlepper dienen al s Verkehrsmittel für die Erforschung eines Gebietes im Umkreis von etwa 1 5 0 Kil ometer. Sie sind, wie alle anderen Ausrüstungsteil e, so l eicht wie möglich gebaut, wiegen jedoch mit all ihren komplizierten Einrichtungen immer noch je 3 Tonnen. Auf dem Mars dagegen beträgt ihr wirkl iches Gewicht nur wenig mehr al s 1 Tonne. Aus diesem Grunde mußten die beiden Fahrzeuge wäh­ rend des Emporwindens der schweren Rakete im Boden verankert werden. Der zylindrische, luftdichte Rumpf j edes Schleppers bietet Raum für 4 Mann und darüber hinaus ausreichend Ladefläche für Versorgungs­ güter und Forschungsgerät. Am hinteren Ende befindet sich ein kl einer Kran wie bei einem Abschl eppwagen. Der Antrieb der Schlepper kann von verschiedener Art sein, je nach­ dem wie klein und verl äßlich die zu jener Zeit verügbaren Atomreak­ toren sein werden. Wenn es bis dahin geeignete Fahrzeugreaktoren geben sollte, könnte man mit ihnen Dampf für einen Turbinenantrieb erzeugen, etwa wie in dem Triebwerk des Unterseebootes Nautilus. Der Vorteil eines Kernreaktors würde darin bestehen, daß das erorderl iche Treibstofgewicht praktisch Null wäre. Die Antriebsan­ l age dürfte daher ruhig etwas mehr wiegen al s die im olgenden be­ schriebene, chemische Brennstofe verbrauchende Maschine. Deshalb würde ein atomgetriebener Schlepper eine praktisch unbe­ grenzte Reichweite haben, was l eider für den Schl epper, den wir heute für diese Aufgabe entwickel n können, nicht zutrift. Die Konstruktion einer chemischen Antriebsmaschine für einen Mars­ schlepper ist ein interessantes Problem ; wegen des Sauerstofmangel s in der Marsatmosphäre verwendet sie wie ein Raketentriebwerk zwei 300

Treibstofe, nämlich Wasserstofsuperoxyd und Dieselöl. In einer Katalysatorkammer wird das Wasserstofsuperoxyd zunächst chemisch in eine Mischung aus heißem Dampf und reiem Sauerstof zerlegt. Dann wird Dieselöl eingespritzt, das mit dem in der Mischung be­ findlichen Sauerstof verbrennt. Schließlich wird Wasser in die Flamme gespritzt. Das Ergebnis ist ein Dampf von mäßiger Temperatur, der nur leicht mit Kohlendioxyd und Kohlenmonoxyd aus der Ölver­ brennung durchsetzt ist. Der Dampfstrom kann durch Regelung des Zuflusses der drei Stofe beeinflußt werden. Er wird auf eine Turbine geführt, die als Antrieb für die Raupenketten dient. Nachdem der Dampf die Turbine passiert hat, wird er in zwei Niederdruckkühlern durch die dünne Marsluft mit Hilfe von zwei großen Gebläsen kon­ densiert. Das Kohlendioxyd und das Kohlenmonoxyd bleiben in Dampfform, werden durch einen kleinen Kompressor herausge­ zogen und ausgestoßen, während das Wasser in lüssiger Form von den Kühlkondensatoren zur Brennkammer zurückgepumpt wird. Die Expedition führt sechs Tonnen Schleppertreibstof mit sich. Diese Menge reicht für insgesamt 2 5 oo Kilometer Fahrtstrecke aus. Da beide Schlepper wahrscheinlich in etwa gleichem Ausmaß eingesetzt wer­ den, kann man sagen, daß j eder Schlepper etwa r 2 5 o Kilometer zu­ rücklegen kann. Die Kapazität der Treibstofbehälter eines Schleppers erlaubt Fahrten von 80 bis r oo Kilometer ohne Treibstofaunahme, aber diese Reichweite kann; wenn nötig, dadurch vergrößert werden, daß man auf der Fahrt einen besonderen Anhänger mit Treibstof mitführt. I

Nach mehr als einem Jahr auf der Marsoberfläche sind die Vorräte nahezu erschöpft, und die Forscher beginnen den Ablug vorzube­ reiten. Die Anstrengungen und Belastungen dieses Jahres lassen sich mit denen in einem Winterlager in der Arktis vergleichen. Die Gruppe mußte mit allen möglichen technischen Schwierigkeiten und Über­ raschungen fertig werden, von denen sich die Konstrukteure der Ausrüstung nichts hatten träumen lassen. Sandstürme bedrohten die komplizierten Geräte der ür den Rücklug bestimmten Rakete, so daß die Forscher gelegentlich befürchteten, sie würden für immer auf diesem remden Planeten bleiben müssen. Aber es war auch ein Jahr erregender wissenschaftlicher Entdeckun-

gen, ein Jahr höchster Beriedigung, denn zum ersten Mal konnten Forscher das Wetter und das Klima, die Gesteine und die Bodenbak­ terien, das Pflanzenleben und die jahreszeitlichen Veränderungen auf einem anderen Planeten gründlich studieren. Sie haben auch die innere Zusammensetzung des Mars untersucht ; sie brachten Spreng­ stofladungen auf der Oberfläche zur Detonation und maßen dann die Ausbreitungen der Stoßwellen mit Seismographen im Umkreis von mehreren Kilometern. Sie suchten nach möglicherweise vorhandenen Überresten höherer Lebensformen aus der Vergangenheit des Mars und nachAnzeichen dafür, ob der Mars jemalsvon intelligenten Wesen bewohnt gewesen ist. Sämtliche Ergebnisse sind mit großer Sorgfalt zu dem in der Umlauf­ bahn kreisenden Passagierschif und von dort zur Erde übermittelt worden. Tausende von Farbaunahmen, große Mengen belichteter Filme, eine umangreiche Sammlung von Gesteinen und Proben des Pflanzenlebens auf dem Mars werden m it zurückgebracht ; die Menge des Forschungsmaterials ist nur durch die Nutzlast begrenzt, die das zurückkehrende Raketenschif transportieren kann. Der Zeitpunkt des Starts wird in Übereinstimmung mit den letzten Bahndaten des umlaufenden Passagierschifes genau festgesetzt, denn während der ast vierhundert Tage des Aufenthaltes auf dem Mars war diese Bahn verschiedenen Störungen unterworfen, die in Rech­ nung gestellt werden müssen. Die letzte Woche auf dem Mars wird zu einer gründlichen Überprü­ fung aller Teile der Rakete verwendet. Dann schlägt die Stunde des Abflu gs. Mit einer Beschleunigung von etwa 1 g erhebt sich die Ra­ kete von der Marsoberfläche. Bald danach schlägt sie einen Kurs nach Osten ein. Nach 1 47 Sekunden fliegt sie genau horizontal mit einer Geschwindigkeit von 3 , 7 Kilometer in der Sekunde. Etwas .mehr als 1 Stunde später erreicht sie das Apogäum der antriebslosen Aufstieg­ ellipse. Nun wird das Triebwerk noch einmal mit halber Kraft einge­ schaltet, um die Geschwindigkeit der Rakete an die Geschwindigkeit des umlaufenden Passagierschifes anzupassen. Ein weiteres kritisches Abenteuer ist glücklich überstanden. Durch die kreisörmige Luke der Rakete sehen die Forscher das mächtige Fernraumschif, das scheinbar bewegungslos an dem schwarzen sternenübersäten Himmel hängt. Sein Aussehen hat sich

während ihrer Abwesenheit verändert. Die großen zylindrischen Tanks, welche die Treibstofe für das Einangmanöver enthielten, sind verschwunden und nur noch der zylindrische Rumpf mit den Behältern, die den Treibstof für den Rückflug enthalten, ist vor­ handen. Die interplanetarische Funkstation ist von dem Passagier­ schif getrennt worden und schwebt in dessen Nähe. Auch das merk­ würdige Behälter- und Triebwerk-Aggregat des interplanetarischen Antriebs für das Landungsflugzeug ist verschwunden. Inolge der geringen Diferenzen der Umlaufbahndaten ist es langsam von dem Passagierschif fortgetrieben. Es wird als dritter Marsmond auf seiner Bahn bleiben. Die Männer legen ihre Raumanzüge an und steigen auf das Passagier­ schif um. Noch einmal erleben sie das Abenteuer des reien Schwe­ bens Hunderte von Kilometern über der phantastischen vielarbigen Landschaft des Mars. „ X minus 1 Minute", verkünden die Lautsprecher. Der entscheidende Augenblick ist gekommen. Befinden sich der komplizierte Mechanismus der 6 Raketentriebwerke und alle Kreisel, Rechengeräte, Schalter, Verstärker und Relais des Steuersystems noch in dem gleichen guten Zustand wie vor 449 Tagen, als das Schif in die Bahn des Mars einschwenkte? Hunderte von Untersuchungen und Funktionstests haben angeblich alle Zweifel der in den Schifen verbliebenen Männer beseitigt, aber vielleicht wurden sie durch die lange Wartezeit auch übermäßig beansprucht? In wenigen Sekunden werden wir die Antwort kennen. „ X minus 20 Sekunden. " Der zweite Pilot und der Ingenieur überfliegen hastig ihre kompli­ zierten Armaturentafeln. Das helle Singen der Kreisel dringt durch das monotone Summen der Ventilatoren. Und nun zeigt ein Klick­ Klick-Klick an, daß das Steuerband läuft. „ X minus 1 0- 9- 8-7-6-5 -4 . . . Zündung - gespannte Erwartung. Ein paar Sekunden später be­ ginnen die Hauptstufen der Triebwerke ihr dröhnendes Lied zu singen. Nach etwas über 4 Minuten Brennschluß und Schweigen. Der Rückflug hat begonnen. Schließlich geht der 260 Tage lange Rückflug seinem Ende zu ; die Vorbereitungen für das Einangmanöver in die Rückkehrbahn begin"

nen. Ein abschließendes Korrekturmanöver bringt das Schif in seine Ausgangsposition 1 27 ooo Kilometer außerhalb der Erdbahn. Die Erde selbst ist noch 1 , 5 Millionen Kilometer entfernt. Das Schif bewegt sich schneller als die Erde und beginnt den hyperbolischen Fall in das irdische Schwerefeld mit einem Geschwindigkeitsüberschuß von 3 ,03 Kilometer pro Sekunde. Seine Geschwindigkeit nimmt nun langsam zu. Es fliegt, durch die Schwungräder herumgedreht, mit dem Heck voran. Mit einer Geschwindigkeit von 4,26 Kilometer in der Sekunde relativ zur Erde nähert es sich dem Scheitel der Einfang­ hyperbel. Nur die 4 beweglichen Raketentriebwerke werden einge­ schaltet. In diesem Augenblick werden die beiden letzten Trieb­ werke abgetrennt ; ungebremst fliegen sie durch den Scheitel der Hyperbel weiter und wied er in den interplanetarischen Raum hinaus. Nach einer Brennzeit von 306 Sekunden verstummt das Dröhnen der Triebwerke. Die Geschwindigkeit ist auf 2, 1 2 Kilometer in der Sekunde reduziert. Das Schif befindet sich in der Rückkehrbahn, 90 ooo Kilometer über dem Mittelpunkt der Erde. Wenige Tage nach dem Einangmanöver trift das Spezial-Entsatzschif der Organisation „Space Lit" ein und bringt die Expeditionsteilnehmer zur Abflug­ bahn in nur 1 7 3 0 Kilometer Höhe über der Erdoberfläche zurück. Hier steigen sie noch einmal um - dieses Mal in die geflügelte Per­ sonenstufe eines Versorgungsschifes. Eine Stunde später nach dem Flug durch die Landeellipse wird das Zischen der Atmosphäre ver­ nehmbar ; eine weitere Stunde danach setzt das Schif auf dem Flugplatz des Stützpunktes auf, von dem die Forscher vor zwei und einem halben Jahr aufgebrochen sind. Die erste Marsexpedition ist beendet.

Tabel len des Marsproj ektes

Tabe l l e

1 : Hau ptdaten des Verso rgungsschifes

Ausgangsbahn 2 Stunden U m laufzeit 81 1 0 k m Bahnrad ius H ö h e ü be r d e m Erd boden 1 730 km U m laufgeschwi n d i g keit 7,07 km/sec W i n kel zwischen Bahnebene und Äq uatorebene 23,5° Erste Stue 2650 t 1 Sch ub 2 Startgewicht 1 280 t 3 Leergewicht (1 . Stufe al lein) 1 40 t 4 Endgewicht (1 . Stufe leer, 2. und 3. Stufe voll) 320 t 5 Bauaufwandszahl (Leergewicht 1. Stufe zu Trei bstoffgewicht) 0, 1 46 6 Trei bstoffgewicht 960 t 7 Trei bstofd urchsatz 1 1 ,1 5 t/sec 2250 m/sec 8 Strahlgeschwi n d i g keit 9 Spezifischer I m puls (Meereshöhe) 230 sec 10 Startbeschleunigung (relativ) 0,9 g 11 End beschleunigung (absol ut) 8,9 g 1 2 Brennzeit 84 sec 1 3 Brennzeitreserve 2 sec 14 Brennsc h l u ßhöhe 40 k m 15 Brennschl ußgeschwindig keit 2350 m/sec 16 Brennsch l ußweite 50 km 17 Bahnerhöh ungswinkel bei Brennsc h l u ß 20,5° 18 Länge der 1 . Stufe (ohne Stabili­ sierungsflossen, aber mit Schacht für Triebwerke der 2. Stufe) 22,2 m 1 1 ,7 m 1 9 Heckd u rchmesser Zweite Stufe 20 Sch ub

320 t

1 80 t 21 Anfangsgewicht 22 Leergewicht (2. Stufe al lein) 14 t 23 Endgewicht (2. Stufe leer, 40 t 3. Stufe vol l) 24 Bauaufwandszah l (Leergewicht 0, 1 0 2. Stufe zu Trei bstoffgewicht) 1 40 t 2 5 Trei bstoffgewicht 26 Trei bstoffd urchsatz 1, 1 2 !/sec 2800 m/sec 27 Strahlgeschwind ig keit 28 Spezifischer I m puls 285 sec 29 Anfangsbesch leunigung (absol ut) 1 ,8 g 30 End besch leunigung (absol ut) 8,0 g 1 24 sec 31 Brennzeit 32 Bren nzeitreserve 1 sec 33 Brennsch l u ß höhe 64 k m 34 Brennsch l u ß6420 m/sec geschw in d i g keit 35 Brennsch l u ßweite (vom Startplatz) 534 k m 3 6 Bahnerhöhungswin kel bei 2,5° Bren nsch 1 u ß 37 Länge der 2. Stufe (ohne Triebwerke, aber mit Schacht für Triebwerke der 3. Stufe) 1 6,9 m 38 Heckd urchmesser (an den Behältern) 7,8 m

Drifte Stufe 40 t 39 Sch u b 26 t 40 Anfangsgewicht 41 Leergewicht (ohne N utzlastspitze) 2,1 t 42 Endgewicht nach d e m Aufstiegsmanöver 1 5,7 t 43 Bauaufwandsza h l (Leergewicht 41 zu Treibstoffgewicht44 + 60) 0,1 65

44 Treibstofgewicht (Aufstiegs1 0,3 t manöver) 1 41 kg/sec 45 Trei bstofd urchsatz 2800 m/sec 46 Strahlgeschwi n d igkeit 285 sec 47 Speziischer I m pu l s 48 Anfangsbeschleunigung (ab1 ,54 g sol ut) 49 End beschleunigung (absolut) 2,55 g 73 sec 50 Brennzeit 1 02 km 51 Brennsch l ußhöhe 52 Brennschl ußgeschwindigkeit (einschl. 425 m/sec d u rch Erd8260 m/sec rotation) 53 Brennsc h l u ßweite (vom Startplatz) 1 054 km 54 Bahnerhöhungsw i n ke l bei Brennsch l u ß 0° 55 Länge der 3. Stufe (ohne Trieb­ werk, N utzlastspitze oder Tank­ verlängerung für Trei bstofnachsch ubflüge) 2,9 m 56 Heckdurchmesser (an den Behältern) 2,14 m

Dritte Stufe (Anpaßmanöver) 40 t 57 Sch ub 1 5,7 t 58 Anfangsgewicht 59 Endgewicht nach An paß1 3,3 t manöver 2,4 t 60 Trei bstofgewicht 1 7 sec 61 Brennzeit 62 Geschwi n d i g keitsänderung 460 m/sec für An passen Gewichtsaufteilung der 3. Stufe 63 Raketentriebwerk, 40 t Schub, 1 ,0 t schwenkbar aufgehängt 64 Trei bstoffbehälter (Kapazität 0,7 t 1 2,7 t) .

65 Triebwerk-Schwenkantrieb 66 Raumlage-Kontrolld üsen

67 Gesamtgewicht ohne Trei bstofe 2,1 t

Gewichtsaufteilung der Nutzlastspitze (unbemannt) 1 1 ,2 t 68 Gesamtgewicht (59-67) 69 Steuerung, einschl. Batterie, Vertei ler, Empfänger für Anpaßmanöver usw. 1 ,0t 70 N utzlastbehälter (für trockene Lad ung) 0,2 t 71 N utzlastkapazität (68-69-70) 1 0,0 t 72 N utzlastkapazität für Trei bstofe • 1 0,2 t Gewichtsaufteilung der rücklugföhigen Spitze (bemannte 4. Stufe) 73 Gesamtgewicht beim Verlassen der U m l a ufbahn (g l eich 68) 1 1 ,2 t 74 Trei bstofe für das Rückkehr1 ,8 t manöver (siehe 96) 75 Endgewicht (Landegewicht, 9,4 t 73-74) 76 N utzlast zur U m laufbahn oder zurück : 14 Man n, einschl. 2 Mann Besatzung, und 1 ,0 t extra Zuladung ,2,4 t 77 R u m pf (mit Wärmesch utz für 0,8 t Ü berschal lg leilfl ug) 78 Tragflächen (ebenso aus1 ,4 t gerüstet) 79 Leitwerk (ebenso ausgerüstet) 0,3 t 0,5 t 80 Fahrwerk 0,1 t 81 Sitze 0,3 t 82 Luftschleuse 83 Bullaugen und Navigations0,3 t kuppeln

* Treibstofe für die Marsschife werden mit extra langen Treibstofbehältern der

mit einer Kapazität von

0,1 t 0,3 t

3. Stufe

22,9 t auf die Ausgangsbahn gebracht. Das sind ro,2 t mehr als

die Behälterkapazität von

r 2, 7 t bei Flügen mit trockener Nutzlast oder Passagieren.

Trotz ihrer größeren Kapazität wiegen diese Behälter nicht mehr, da sie nicht die Längs­ und Biegebeanspruchungen aushalten müssen, die durch die „trockene Nutzlastspitze" oder die rücklugfahige bemannte

3 . Stufe hervorgerufen werden.

84 Steuerungsanlage für den Aufstieg (69) 85 Fernsteuerung für das An paß­ manöver un bemannter Versorg ungsschiffe 86 Instru mentierung für Schl echtwetteranflug und dgl. 87 Raumlage-Kontrolldüsen für Flug i m Vak u u m 88 Wärme-Isolierung der K a b i n e für den Ü berschallgleitfl ug 89 K l i maanlage, einsch l. Sauerstof für 5 Tage 90 Raketentriebwerk für das Rückfl ugmanöver, 1 t Schu b 91 Trei bstoffbehälter für das Rückfl ugmanöver 92 Gesamtgewicht 76 bis 91 (

=

1 ,0 t

0,2 t 0,4 t 0,3 t 0,2 t 1 ,0 t 0,1 t 0,1 t

75) 9,4 t

Rücklugfähige, bemannte 4. Stufe (Rücklugmanöver, Gleitflug und Landung) 93 Schub 1 ,0 t 94 Anfangsgewicht (wie 68 oder 73) 1 1 ,2 t 95 Endgewicht (Landegewicht) 9,4 t 96 Treistofgewicht 1 ,8 t 97 Trei bstoffd u rchsatz 3,5 kg/sec 98 Brennzeit 51 5 sec 99 Geschwindig keitsabnahme für das Rückfl ugmanöver 480 m/sec Tabelle

1 00 Höhe des Perigäums der 80 km Landee l l i pse 1 29 m2 1 01 Tragende Fläche 73 kg/m2 1 02 Flächen belastung 1 03 Höchste Tragflächen-Temperatur (bei etwa 5 km/sec i n 60 km Höhe) 732° C 1 04 Höhe, i n der d i e Schallge­ schwin d i g keit untersch ritten 24 km w i rd 1 05 km/h 1 05 Landegeschwi n d i g keit Abmessungen des Versorgungsschifes 1 06 Basisd u rchmesser (Heck der 1 1 ,7 1. Stufe) 1 07 Länge vom Heck der 1 . Stufe bis zum Vorderende der Behälter der 3. Stufe 42,0 1 08 Länge der N utzlastspitze, je 8-1 6 nach Lad ung 1 09 Länge der rückfl ugfähigen be­ 13 mannten 4. Stufe 25,4 1 1 0 Spannweite d i eser Stufe 1 1 1 Durchmesser der N utzlastspitzen (bemannt und un beman nt) 2,1 4 1 1 2 Gesamtlänge der Versorg ungsschife 50-58 U n bemannt (1 07 + 1 08) 55 Bemannt (107+1 09)

m

m m m m

m

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2: Hau ptdaten der Marsschife

Lastschif führt n u r Manöver 1 und 2 aus

Manöver 1 Abflug aus der Umlaufbahn 1 Sch u b : 8 feste Triebwerke m it je 40 t Sch u b und 4 beweg l iche Triebwerke mit je 10 t Sch u b 360,0 t 2 Trei bstoffd urchsatz 1 260 kg/sec 3 Anfangsgewicht 1 700,0 t 4 Treibstofvorrat (einsch l. 1 0% Geschwindig keitsreserve) 1 246,6 t 5 Endgewicht (Behälter für Manöver 1 leer) 453,4 t 6 Anfangsbeschleunigung 0,21 2 g

7 End beschleunigung (bezogen auf wirkl iche, n icht auf d i e gesamtmögl iche Brennzeit) 0,710 g 8 Wirkliche Brennzeit 948 sec 9 Anfangsgeschwi n d i g keit auf der U m laufbahn (relativ zum E rd mittel p u n kt) 7,07 km/sec 10 Rad ius der Ausgangsbahn 81 1 0 km (Umlaufba h n) 1 1 Brennschl u ßgeschwind i g keit (relativ zum Erd mittelp u n kt) 9,64 km/sec

1 2 Geozentrischer W i n kel (beschr. während Manöver 1 ) 55,4° 1 3 Geschwindigkeitszunah m e d u rch Manöver 1 2,57 km/sec 1 4 Abstand des Brennschl uß p u n kts vom Erd m itte l p u n kt 9550 km 1 5 Restg eschw in d ig keit nach Verlassen des Erdg raviationsfeldes (relativ zum Erdm ittelp u n kt) 3,03 km/sec 1 6 Bahngeschwindigkeit der Erde (relativ zur Sonne) 29,80 km/sec 1 7 Perihel-Geschwi n d i g keit der marswä rts gerichteten Fl ug32,83 km/sec e l l i pse (1 5 + 1 6) 1 8 Gesamtbren nzeit (völ l i g e Leerung der Behälter) 990 sec 1 9 Geschwindig keitsreserve für Fl ug bahn korrekturen nach 0,30 km/sec Manöver 1

Gewichtsreduktion vor Manöver 2 20 Sauerstoff-, Lebensm ittel- und Wasserverbrauch d u rch 6 Mann Besatzung in 260 Ta- 7,4 t gen Fl ugzeit• 21 4 abgetrennte Behälter für Manöver 1 (einsch l. Träger, Druckbelüftung, Leitungen und 2-m m-Al u m i n i u m - 4,5 t Meteorsch utz ) 22 6 abgetrennte feste Trieb- 6,0 t werke 23 Gesamte Gewichtsreduktion -1 7,9 t -

Manöver 2 Einfangen in der Mars-Umlaufbahn 24 Schu b : 2 feste Triebwerke m it je 40 t Sch ub, 4 beweg!. Triebwerke m it je 10 t

1 20,0 t

25 Trei bstoffd u rchsatz 421 kg/sec 26 Anfangsgewicht (5-23) 435,5 t 27 Trei bstofvorrat (einschl. 1 0% Geschw i n d i g keitsreserve) 237,5 t 28 Endgewicht (Behälter für Manöver 2 leer) 1 98,0 t 0,275 g 29 Anfangsbesc h l e u n i g u n g 30 End beschleu n i g u n g (bezogen a uf wi rkliche, n icht a uf ge0,564 g samte Brennzeit) 31 Wirkliche Brennzeit 530 sec 32 Aphel-Geschwi n d i g keit der marswärts führenden E l l i pse (relativ zur Son n e) 21 ,55 km/sec 33 Umlaufgeschwi n d i g keit des Mars 24, 10 km/sec 34 Anfangsgeschwi n d i g keit des hyperbol ischen Falls in Richtung auf den Mars (relativ zum Marsm ittelp u n kt) (33-32) 2,55 km/sec 35 Abstand der Asymptote der Ei nfanghyperbel vom Marsmittel p u n kt 8800 km 36 Geschwi n d i g keit i m Ein­ fang hyperbelscheitel (relativ zum Marsmittel5,1 5 km/sec punkt) 37 Zi rkulare Geschwindig­ keit der Ei nfangbahn (relativ zum Marsmittelp u n kt) i n 1 000 km Höhe 3 , 1 4 km/sec 38 Geschwindig keitsa bnahme für Manöver 2 (36-37) 2,01 km/sec 39 Gesamtbrennzeit (vö l l ige 564 sec Leerung der Behälter) 40 Geschwindigkeitsreserve für Korrekturen auf der Mars-U m laufbahn nach Manöver 2 0,20 km/sec

* Wegen des begrenzten Kabinenraumes in der Landungsrakete reisen im Lastschif nur 4 Teilnehmer, im Passagierschif dagegen 8. Um gleiche Anfangsgewichte beider Schiffe

für Manöver 2 zu erhalten, wird der Verbrauch von 2 Mann (z,4 t) während des 260 Tage langen Hin!uges vom Lastschif zum Passagierschif gebracht.

Gewichtszunahme vor Manöver 3 41 Sauerstoff, Lebensm ittel u n d Vasser für 260 Tage Rückflug plus 20 Tage Reserve (bis Verbin d u n g m i t H ilfsschif) für 1 2 Man n Besatzung. (Diese Vorräte werden während der „Vartezeit" vom Lastschif z u m Passagierschiff gebracht) 42 2 Behälter für Manöver 2 abgetrennt (einsch l. Träger, D u rckbelüftun g , Leit u n g en u n d 2-mm-Al u­ m i n i u m-Meteorschutz) 43 4 weitere Besatzungsmit­ g l ieder und 5,0 t auf dem Mars gesam meltes For­ sch ungsmaterial an Bord genommen 44 Gesamte Gewichtszunahme

+ 1 5,7 t

- 3,7 t

+ 5,4 t + 1 7,4 t

Manöver 3 - Abflug von der Mars-Umlaufbahn 45 Sch u b : 2 feste Triebwerke m it je 40 t Sch u b und 4 bewegl iche Triebwerke 1 20,0 t m it je 10 t 46 Trei bstoffd u rchsatz 421 kg/sec 47 Anfangsgewicht (28 + 44) 21 5,4 t 48 Trei bstofvorrat (einsch l . 1 0% Geschwindig keits­ 1 1 7,3 t reserve) 49 Endg ewicht (Behälter für 98,1 t Manöver 3 l eer) 50 Anfangsbesch l e u n i g u n g 0,558 g 5 1 End besch l e u n i g u n g (be­ zogen a uf die wirkl iche, n icht auf die gesamte Brennzeit) 1 ,444 g 52 Virkliche Bren nzeit 262 sec 53 Anfangsgeschwindigkeit (zi rk u l a re Geschwindig-

keit auf der U m laufbahn) 3,14 km/sec 54 Brennschi ußg eschwi nd i g keit (relativ z u m Marsmittel p u n kt) 5,1 5 km/sec 55 Geschwindig keitszunahme d u rch Manö2,01 km/sec ver 3 (54-53) 56 Abstand der Asym ptote der FI uchthyperbel vom 8800 km Marsmitte l p u n kt 57 Restgeschwindig keit nach dem Verlassen des Marsg ravitationsfeld es (relativ zum Marsm ittelp u n kt) 2,55 km/sec 58 U m laufgeschw i n d i g keit 24, 10 km/sec des Mars 59 Aphel-Geschw i n d i g keit der erdwärts führenden Flugel l i pse (58-57) 21 ,55 km/sec 60 G esamtbrennzeit (vö l l ige Leeru n g der Behälter) 279 sec 61 G eschwi n d ig keitsreserve für F l u g b a h n korrekturen nach Manöver 3 0,20 km/sec

Gewichtsreduktion vor Manöver 4 62 Sauerstof-, Lebensmittelund Vasserverbrauch d u rch 12 Mann Besatzung i n 260 Tagen Fl ugzeit (20 Tage Reserve für d i e Vartezeit a uf H i lfsschif noch vorhanden) 63 2 feste Triebwerke a bgetrennt 64 G esamte G ewichts­ red u ktion Manöver 4 - Rückkehr in die 74-Stunden-Bahn um die Erde 65 Sch u b : 4 beweg l iche Triebwerke mit je 10 t

-14,6 t - 2,0 t -1 6,6 t

40,0 t

1 40 kg/sec 66 Trei bstofd urchsatz 81 ,5 t 67 Anfangsgewicht (49-64) 68 Trei bstofvorrat (einsch l. 1 0% Geschwin d i g keits­ 46,6 t reserve) 69 Endgewicht (Behälter 34,9 t fü r Manöver 4 leer) 0,491 g 70 Anfangsbesch leunigung 71 End beschleun igung (be­ zogen auf wirkl iche, n icht auf gesamte Brenn­ 1 .036 ,g zeit) 306 sec 72 Wi rkliche Brennzeit T3 Perinel-Geschwindis "eit aer erdwärts tunrenden F l u g e l l i pse (relativ zur 32,83 km/sec Sonne) 74 U m laufgeschwi n d i g keit der Erde 2l.80 km/sec 75 Anfangsgeschwi n d i g keit des hyperbol ischen Fal ls in Richtung auf d i e Erde (relativ zum E rd mittelp u n kt, 73-74) 3,03 km/sec 76 Abstand der Asymptote der Einfang hyperbel 1 27 000 km vom Erdm itte l p u n kt 77 Geschwindigkeit i m Ein­ fang hyperbelscheitel (relativ zum Erd m ittelp u n kt) 4,26 km/sec 78 Zi rkulare Geschwindig­ keit der Einfan g ba h n (relativ zum E rd mittel­ p u n kt), Bah n rad i us 2,1 2 km/sec 90000 km 79 Geschwindig keitsabnahme d urch Manöver 4 (77-78) 2,14 km/sec 80 Gesamtbrennzeit (völl ig e Leerung der Behälter) 333 sec 81 Geschwindig keitsreserve fü r Korrekturen nach 0,21 km/sec Manöver 4 3 10

Gewichtsaufteilung des Passagier­ schifs ,nach Rückkehr in die Erdbahn 82 Schale der Kugel kabi n e : 8 m D u rchmesser, Innen­ d ruck 0,56 kg/cm2, gum­ m i e rtes Nylongewebe mit 2 mm starkem Al u m i­ n i u m-Meteorsch utz 83 Luftschleuse 84 B u l laugen und Beob­ achtungskuppeln 85 I n nenein richtung (Böden, Vorratskam mer, M ü l l a uswerfer, Toilette, Waschmasch i n e usw.) 86 Steuerung 87 N avigationsan lage 88 Kombinierte Anlage zur Rückgewinnung von Wasser und Luft, einschl. Behälter für Flüssig­ sauerstoff und H e l i u m 8 9 Funkan lage für mäßige Reichweite, einschl. Anten nen 90 N ukleare Stromerzeu­ g u ng (20 kW), einsch l. Absch irmung 91 N otstromquellen (5 kW), solare und chemische Batterien 92 Fernanzeiger, Tem pera­ turregelung usw. 93 Schifszy l i nder, 8 m D u rchmesser, 1 8 m Länge, Schale a us 2 m m Aluminium 94 Behälter für Manöver 3 und 4 (Kunststof, ohne Meteorschutz, da in Schifszyl i nder unter­ gebracht) 95 Druckbelüftungsa n l ag e

2,5 t 0,5 t 0,6 t

1 ,7 t 2,0 t 0,7 t

2,5 t

0,8 t

1 ,9 t

0,8 t 0,8 t

2,5 t

0,8 t

96 97

98 99

1 00

für d i ese Behälter (Heli­ u mflaschen und Druck­ m i nderer für Behälter­ d ruck von 3,5 kg/cm2) Trei bstoffleitungen, Ven­ +ile �w. Stab i l isierungssystem für die lau m laqe (Schwungräder und Reg l e r) Kabelgeschi rr, Verteiler usw. 4 beweg l iche Raketen­ triebwerke m it je 10 t Sch u b, einschl. Aufhän­ g ung, Bre n n kammern, Gaserzeuger, Pumpen, Venti len und Leitungen Hydraul ischer Antrieb für Triebwerkbeweg ung

1 01 Schif ohne N utzlast i ns­ gesamt 1 02 12 Rau manzüge 1 03 Ersatztei l e und Werkzeuge 1 04 1 2 Man n Besatzung 1 05 Persönl iches Gepäck 1 06 Sauerstof-, Lebensmittel­ und Wasserreserve für 20 Tage Wartezeit auf dem H i lfsschif 1 07 Auf dem Mars lesa m­ meltes Forsch u ngs­ material 1 08 Gesamte N utzlast 1 09 Schif m it N utzlast insgesamt (69) Strukturgewicht des Passagier­ schifes vor Abflug von der Erdbahn („ Trockengewicht", ohne Nutzlast) 1 1 0 Trockengewicht nach Manöver 4, Rückkehr in die Erdbahn (1 01 )

0,5 t U,6 '

1 ,3 t 1 ,0 t

1 ,4 t 0,4 t

--

23,3 t 1 ,2 t 1 ,9 1 1 ,2 1 1 ,2 '

1 ,1 t

5,0 t

--

1 1 ,6 t

34,9 t

23,3 t

1 1 1 2 vor Manöver 4 abge­ trennte Triebwerke (63) 1 1 2 2 vor Manöver 3 abgetrennte Behälter (42) 1 1 3 4 vor Manöver 2 abgetrennte Behälter (21 ) 1 1 4 6 vor Manöver 2 abge­ trennte Triebwerke (22)

2,0 ' 3,7 ' 4,5 ' 6,0 t

1 1 5 Trockengewicht vor Manöver 1 Gewichtsaufteilung des Lastschifes nach Ankunft in der Umlaufbahn um den Mars 1 1 6 Gewicht bei m Eintreffen in der Mars-U m l a uf­ bahn (28) 1 1 7 2 Behälter für Manöver 2 (42) 1 1 8 2 feste Raketentriebwerke (63) 1 1 9 4 beweg l iche Raketentriebwerke (99) 1 20 Hydra u l ischer Antrieb (1 00)

39,5 1

1 98,0 1 3,7 ' 2,0 ' 1 ,4 ' 0,4 '

1 21 Gewicht des „i nterplane!arischen Antriebs" (1 1 7-1 20) 1 22 Beladenes und betan ktes Land u ngsfl ugzeug, einschl. der n icht auf dem Mars benötigten Lad u n g (1 1 6-121) 1 23 Anfangsgewicht des Landungsflugzeuges vor dem Abstieg 1 24 Aus dem Landungsfl ugzeug genom mene Lad u ng vor dem Abstieg zur Mo rsoberfläche (1 22-1 23) ; besteht aus 1 25-1 30 1 25 Sauerstof, Lebensmittel und Wasser für 260 Tage Rückfl ug p l us 20 Tage

7,5 '

1 90,5 '

1 61 ,0 '

29,5 t

3II

Reserve für 1 2 Mann Besatzung (41 ) 1 26 Sauerstof, Lebensmittel und Wasser für 449 Tage Wartezeit für 3 Posten, d i e im Passagierschif blei ben 1 27 Sauerstoff, Lebensm ittel und Wasser für 49 Tage, in denen 9 Mitg l ieder der Landungsgruppe auf der Mars- U m la ufbahn bleiTabelle

3

6,3 t

ben (vgl. Tab. 3, 1 2) 1 28 Teleskop 1 29 I nterplanetarische Funkanlag e 1 30 Raketensonden für Mars­ atmosphäre einschl. Startvorrichtung und Fern meß- E m pfangsanlage (125, 1 26 und 1 27 werden vor dem Abstieg zur Marsober­ fläche zum Passag ierschiff ü bergefü h rt.)

2,1 t 1 ,5 t 2,0 t

1 ,9 t

Hauptdaten des Landungslugzeugs

Landungsmanöver aus der Mars-Umlaufbahn 1 Sch u b 2 Anfangsgewicht 3 Endgewicht („ird isches Gewicht") 4 Brennzeit, ei nschl. 1 ,0 t Trei bstofreserve 5 Geschwindig keits­ a bnahme für das Lande­ manöver 6 Höhe des Perigäums der Landee l l i pse 7 Landegeschwi n d i g keit Gewichtsreduktion vor dem Wiederaufstieg 8 Tragflächen (2280 m2) 9 Raketentriebwerk für Landemanöver 10 Landekufen 11 Lastbehälter 12 Sauerstoff, Lebensm ittel u n d Wasser für 9 For­ scher für 400 Tage a uf d e m Mars 1 3 2 Rau penschlepper 14 1 Bren nstoffanhänger 15 Kraftstoff für Schlepper 16 D ruckl uftzelt, einschl. Rückgewinn ungsan lage

312

1 5,7 t

20,0 t 1 61 ,0 t

17

1 50,0 t

18

1 57 sec

19 20 21

1 73 m/sec 1 55 km 1 96 km/h

24,5 t 0,5 t 4,5 t 2,5 t

1 7,0 t 6,0 t 1 ,0 t 6,0 t

für Luft und Wasser, F u n kausrüstung, Sch laf­ stätten, Luftschleuse usw. Heizung für Druckl uft­ zelt 10 Raumanzüge (1 Reserveanzug) Forschungsmaterial Werkzeug Vorrichtung zum Auf­ richten des rückflugfähi­ gen Teils des Landefl ug­ zeuges

22 Gesamte Gewichts­ reduktion

Wiederaufstiegsmanöver zur Mars-Umlaufbahn 23 Schub 24 Anfangsgewicht („irdisches Gewicht", bezogen a uf 1 g ; 3-22) 25 Leergewicht (ohn e N utz­ l ast) 26 N utzlast beim Aufstieg (9 Mann plus 5,0 t Samml u ngen der Forscher) 27 Trei bstofverrat für das Wiedera ufstieg manöver 28 Trei bstoffreserve für das Anpaßmanöver in der

7,0 t 3,0 t 1 ,0 t 5,0 t 1 ,0 t

2,0 t 81 ,0 t

1 00,0 t

69,0 t 6,6 t

5,9 t 55,6 t

Um laufba h n 29 Endgewicht nach dem Abschl u ß des Wieder­ aufstiegsmanövers (25 +26 + 28) 30 Startbesc h l e u n i g u n g 3 1 Brennzeit 32 Bren nsch l u ßhöhe 33 Bren nsch l u ßgeschw in­ d i g keit (horizontale)

0,9 t

1 3,4 t 1 ,07 g 1 47 sec 1 25 km 3,7 km/sec

Anpaßmanöver in der MarsUmlaufbahn 34 Sch u b (halb g ed rosselt) 35 Anfangsgewicht (29) 36 Endgewicht (Behälter leer) Tabel l e

4

50 t 1 3,4 t 1 2,5 t

37 Brennzeit 38 Geschw i n d i g keitszu nah me f. das An passen

Abmessungen 39 Gesamtlä nge, R u m pf (vollständ iges Land ungs­ flugzeug) 40 Heckd u rc h m esser (Lastbehälter) 41 F l ü gelfläche 42 Span nweite 43 Länge der Rakete für Rückflug in die U m l a uf­ bahn 44 D u rchmesser der Rakete

4,8 sec 1 80 m/sec

40 m 5,5 m 2280 m 2 1 37 m

20 m 4 m

Hau ptdaten des H i lfsschiffes

Anfangsgewicht vor Ablug aus der 2-Stunden-Umlaufbahn (Erde) 1 Landegewicht der normalen rückfl ugfähigen 4. Stufe (75) • 2 Normale N utzlast bei Lan d u ng (76) 3 Tragfläche (78) 4 Leitwerk (79) 5 Fah rwerk (80) 6 Fernsteuerung (85) 7 Triebwerk der 4. Stufe (90) 8 Trei bstoffbehälter f ü r Triebwerk (91 ) 9 Gewicht des abgetakelten R u m pfes der 4. Stufe (1-2 bis 8) 10 2 Man n Besatzung 1 1 Kompl. 3 . Stufe m it Triebwerk (67) 12 7 extra Trei bstoffbehälter für 3. Stufe (64 und F u ßnote zu 72) 1 3 Leitungen für 7 Zusatzbehälter

9,4 t -2,4 t -1 ,4 t -0,3 t -0,5 t -0,2 t -0,1 t -0,1 t

4,4 t 0,2 t 2,1 t

4,9 t 0,2 t

14 Trockengewicht des H i lfssch ifes vor dem Abflug (9-1 3) 15 Trei bstoffzuladung (8 Behälter m it je 22,9 t) 1 6 Anfangsgewicht des H i lfsschiffes vor dem Abflug (1 4 + 1 5)

1 1 ,8 t 1 83,2 t

1 95,0 t

Hauptdaten der Hilfsoperation 1 7 Rad i us der Parkbahn des zu rückgekeh rten Mars90 000 km schiffes 1 8 U mlaufzeit auf der Parkbahn 74 h 1 0 m i n 0 sec 1 9 Z i rkulare Geschwindigkeit der Parkbahn 2,1 2 km/sec 20 Geschw i ndi g keit i m Perigäum der M i n i m u mEI 1 i pse zwischen der Parkbahn und der 9,60 km/sec 2-Stunden-Bahn 21 Z i rkulare Geschwindigkeit der 2-Stu nden-Bahn 7,07 km/sec 22 Geschwi n d ig keits-

* Alle Hinweise in diesem Abschnitt der Tabelle 4 über

(64)

beziehen sich auf Tabelle I

23 24 25 26

27 28 29 30 31

zunah me, Manöver 1 2,53 (20-21 ) Massenverhältnis für 22 (spezif. I m puls 285 sec) Gewicht des H i lfsschiffes nach Manöver 1 (1 6 : 23) Geschwi ndigkeit im Apogäum der Verbi n d u ngsell i pse 0,865 Geschw i n d igkeitszunahme d u rch Manöver 2 (1 9-25) 1 ,255 Massenverhältn is für 26 Gewicht des H i lfsschiffes nach Manöver 2 (24: 27) Gewicht d e r 1 2 Heimkehrer Gewicht des H i lfsschiffs vor Manöver 3 (28+ 29) Geschwindig keitsabnahme d u rch Manö1 ,255 ver 3 (1 9-25)

Tabe l l e

5

km/sec 2,47 79,0 t km/sec

km/sec 1 ,57 50,3 t 1 ,2 t 51 ,5 t

km/sec

32 Erforderliches Massenverhältnis für 31 1 ,57 33 Gewicht des Hilfsschifes 32,8 t nach Manöver 3 (30 : 32) 34 7 a bgetretene A u ßenbehälter (vg l. 1 2) -4,9 t 35 Gewicht des H i lfsschiffes vor Manöver 4 (33-34) 27,9 t 36 Geschwindigkeitsabnahme d u rch 2,53 km/sec Manöver 4 (wie 22) 37 Massenverhältnis für 36 2,47 38 Gewicht des H i lfssch iffes nach Rückkehr in d i e 1 1 ,3 t 2-Stunden-Bahn (35 : 37) 39 Trockengewicht des H ilfsschifes, einschl. 8,1 t N utzlast (1 4-1 2+ 29) 40 Trei bstoffreserve nach Durchfü h rung der Ope3,2 t ration (38-39)

Nachschu boperation ( „Space Lift")

Beförderung von Material und Personal zur Erd-Umlaufbahn Passagierschif d iese Triebwerke kön­ nen aus aufgegebenen 1 Trockengewicht 39,50 t (Tabelle 2, 1 1 5) 3. Stufen der Versor­ 2 Sauerstof, Lebensm ittel g ungsraketen in der U m­ und Wasser für Besatlaufbahn geborgen wer­ 7,40 t den, daher keine „ N utz­ zung, F l u g zum Mars (2, 20) last") 3 N utzlast nach Rückkehr 8 Gesa mte trockene La­ (2, 1 08) 1 1 ,60 t 4 1 2 Mann Besatzung ; mit d ung (1-7) Lastschif dem rückfl ugfähigen 9 Gewicht des „ interplane­ Schif zur Abfl ug bahn -1 ,2 t gebracht (29 ; 2, 1 04) tarischen Antriebs"· nach Ankunft in der Mars­ 5 20-Tage-Reserve an Sauerstof, Lebensmitteln U m laufbahn (2, 1 21 ) 1 0 6 Raketentriebwerke und und Wasser für Warte­ 4 Behälter, abgetrennt zeit auf H ilfsschiff (2, 1 06 ; -1 ,1 t vor Manöver 2 (2, 21 , 22) i n 1 3 enthalten) 6 Sam m l ungen der For1 1 8 Raketentriebwerke (7) 12 Gesamte trockene La­ -5,0 t scher vom Mars (2, 1 07) 7 8 Raketentriebwerke mit dung ohne Landungsje 40 t Schub (2, 1 1 1 , 1 1 4 ; flugzeug (9-1 1 )

-8,0 t 43,2 t

7,5 t

1 0,5 -8,0 t

1 0,0 t

Landungslugzeug 1 3 Gewicht nach Ankunft i n d e r Mars-U m l a ufbahn, beladen und betankt (2, 1 22) 1 4 Sauerstoff, Lebensm ittel und Wasser für Last­ sch iffbesatzung auf dem F l u g z u m Mars (2, 20) 1 5 Trei bstofe für das Abstieg manöver (3, 2-3) 1 6 Trei bstofe für den Wiederaufstieg (3, 27) 1 7 Trei bstofe für das Anpaßmanöver (3, 28) 1 8 Leergewicht des unge­ flügelten R u m pfes ohne N utzlast (3, 25) ; wird u n bemannt zur Abfl ug­ bahn g eflogen wie eine normale 3. Stufe ; vg l. auch 33 1 9 Gesamtes Trockenge­ wicht des Lan d u ngsflug­ zeugs einschl. N utzlast (1 3-1 8) Gesamte in die Abflugbahn zu beördernde Gewichte 20 Gesamte trockene Lad ung für Versorgu ngs­ fl üge (8 + 1 2 + 1 9) 21 Versorg u ngsfl üge mit je 1 0 t trockener Lad u n g , insgesamt 22 Trei bstof für d a s Passagierschiff, insgesamt (2, 4 + 27 + 48 + 68) 23 Trei bstoffe für „ i nter­ planetarischen Antrieb" insgesamt (2, 4 + 27) 24 Treibstoffe für das Lan­ d ungsfl ugzeug, i nsge­ samt (1 5 + 1 6 + 1 7)

1 90,50 t

7,40 t -1 1 ,00 t -55,60 t -0,90 t

-6,60 t

1 23,8 t

1 77,0 t

1 8 Flüge

1 648,10 t

1 484, 1 0 t

67,50 t

25 2 Transportfl üge des H i lfsschifes von der 2-Stunden-Bahn zur äu ßeren Parkbahn und zurück; 2mal Gesamt­ trei bstofe für das H ilfssch if (4, 1 5) 26 Z u r Erd-U m l a ufbahn zu befördernde Trei bstoffe i nsgesamt (22-25) 27 Gesamtzahl der Treibstoff-Anfl üge m it j e 1 0,2 t

Personaltransporte (In gefl ügelten Endstufen für 1 4 Mann, einschl. 2 Mann Besatzung. Zusätzliche N utz­ lastkapazität von 1 t pro FI ug bleibt reserviert für Ersatz­ teile, Werkzeuge usw. wäh­ rend der Montage) 28 Wöchentl ich 1 Aufstieg zur Ablösung der Bautru pps 29 Beförderung der Expe­ d itionstei lnehmer zur Erd-U m l a ufbahn 30 Beförderung d e s H i lfs­ schifsrum pfes 31 Rückkehr der Expedition aus der 2-Stunden-Bahn zur Erde 32 Personaltransporte insgesamt 33 Un bemannter Transport des Land ungsflugzeugrum pfes zur Erd-Umlaufbah n ; Tragflächen usw. werden als gewö h n l iche Lasten befördert 34 Transportflüge insgesamt (21 +27 + 32 + 33) 35 Trei bstoffverbrauch f ü r „Space Lift", 1 1 1 2 t pro F l u g , insgesamt

366,40 t

3566,00 t 350 F l ü g e

28 Flüge

1 Flug 1 Flug

1 Flug 31 F l ü g e

1 FI ug 400 F l ü g e

445 000 t

Der Planet Mars

Abstand von der Sonne 228000 000 k m Mittlerer (1 ,5237 A. E.) 248 000 000 k m Aphel (1 ,6658 A. E.) 206000 000 k m Peri hel (1 ,3826 A. E.) Entfernung von der Erde 56 000000 k m Perihel-Opposition 99 000000 k m Aphel-Opposition 397 000000 k m Aphel-Ko n j u n ktion Bahngeschwindig keit 24,1 1 km/sec Mittlere 21 ,95 km/sec Im Aphel 26,37 km/sec Im Perihel 5,04 km/sec Fl uchtgeschwindig keit an Oberfläche 3,56 km/sec Z i r k u l a re Geschwi n d i g keit an Oberfläche 6780 k m Äq uatordurch messer Tageslänge 2 4 h, 37 m i n , 22,668 sec Siderisch 24 h, 39 m i n , 35,247 sec Solar 686,979 Erdtage J a h reslänge (668,599 Marstage) 0,09336 Bahnexzentrizität 1 886,51 9 Bogensekunden Mittlere siderische Beweg ung in 24 Stunden 1° 50' 59,8 Bahnneig u n g gegen Ekl i ptik 25° 1 0' Winkel zwischen Bahnebene und Äq uatorebene 49° 1 3' 05,5 H e l i ozentrische Länge der Knoten (1 956) 335° 1 4' 56,6 Heliozentrische Länge des Perihels (1 956) Masse (Erde = 1 ) 0,1 08 0,1 51 Vol u men (Erde 1) 0,71 0 Dichte (Erde = 1 ) 3,91 0 Dichte (Wasser = 1 ) 0,278 Oberfläche (Erde 1) 0,38 G ravitation a n d e r Oberfläche (Erde 1) A. E. = Astronomische E i n heit = Entfern ung Erde-Son n e (genauer : g roße Hal bachse der Erdbahn um d i e Sonne). „





=

=

=

N achwort

·

Absichten und Aussichten

I daß eines der wesentlichsten neueren Bücher über Weltraumahrt im m Frühjahr r 9 5 6 hörte ich durch Freunde in den U SA zum erstenmal,

Entstehen sei - sozusagen das verbesserte zweite „Marsprojekt" von Wernher von Braun. Da der bekannte internationale Publizist der Weltraumahrt, Willy Ley, als Mitarbeiter genannt wurde, schrieb ich ihm nach New York und erhielt postwendend Aufklärung : „Das Buch hat nur zwei Verfasser, nämlich Wernher von Braun und mich, und nur einen Illustrator, nämlich Chesley Bonestell. Der Titel ist ,The Exploration of Mars' . Die ersten Kapitel sind von mir und sind eine Geschichte der Marsorschung. Die anderen Kapitel sind eine Neuassung des von Braunsehen Marsprojekts. Es ist ihm ge­ lungen, durch verschiedene Tricks den Brennstofverbrauch ganz ordentlich herunterzudrücken. Es ist erstaunlich, was man fertig­ bringt, wenn man auf einem Gedanken lange genug herumreitet. Wir fingen damit an, als wir den ersten Film für Walt Disney machten. Nachdem erst einmal das gedankliche Eis gebrochen war, kam alles andere beinahe von selbst . . . " Um die ganze Tragweite dieser Nachricht richtig verstehen zu können, muß man die verschiedenen Bücher von Wernher von Braun kennen. Bereits r 9 5 2 war seine erste Studie einer interplanetarischen Expedi­ tion, „Das Marsprojekt", als Sonderhet der von mir herausgegebenen Zeitschrit „Weltraumahrt" in Frankfurt am Main erschienen - eine den Laien schier überwältigende, aber dennoch wohlgeordnete und wohldurchdachte Sammlung von Berechnungen, Gleichungen und Zahlentabellen. Dann kamen nacheinander heraus : „Station im Welt­ raum", die Darstellung einer technisch möglichen Weltraumstation der Erde ; „Die Eroberung des Mondes", eine wissenschaftlich und technisch exakte Schilderung der Mondexpedition, und schließlich das bereits genannte Werk „Die Erforschung des Mars". Bis auf die erste Marsprojekt-Studie entspricht diese Reihenolge, die auch in dem vorliegenden Buch gewahrt wurde, der voraussehbaren wei3 I7

teren Entwicklung des Weltraumflu ges, der mit den künstlichen Satelliten in unseren Tagen begann und mit der Expedition nach dem Mars in nicht mehr allzu ferner Zukunft einen seiner Höhepunkte und die Erüllung vieler Träume finden wird. Mit seiner ersten Marsprojekt-Studie wollte Wernher von Braun zeigen, daß die Durchführung großzügig ausgestatteter Expeditionen nach unseren Nachbarplaneten mit konventionellen chemischen Raketentreibstofen und einem Aufwand möglich ist, der zwar groß bleibt, aber wenigstens zu den Möglichkeiten einer derartigen inter­ planetarischen Expedition in einem vernünftigen Verhältnis steht. Immerhin bestand diese Expedition aus zehn Fernraumschifen mit einer Besatzung von 70 Mann. Der Abstieg zur Marsoberläche sollte mit drei Landungsraketen vorgenommen werden, der Rück­ lug zur Erde mit sieben Fern-Raumschifen erfolgen. Die Transport­ raketen für den Verkehr zwischen Erdoberläche und Ausgangs­ bahn in 1 730 Kilometer Höhe waren dreistufig und bei Nutzlasten von 3 9,4 Tonnen rund 80 Meter lang und 6400 Tonnen schwer. 9 5 0 Flüge von der Erdoberläche zur Ausgangskreisbahn waren erforderlich, um die Expedition vorzubereiten, und dabei würde man 5 3 20 ooo Tonnen Raketentreibstofe verbrauchen. Die eigent­ liche Marsexpedition brauchte nur 3 6 000 Tonnen Treibstofe, und in der Mondbahn um den Planeten Mars, wo die Fern-Raumschife künstlichen Satelliten gleich kreisen sollten, würden 600 Tonnen Nutzlast für die Expedition zur Verfügung stehen. Das sind nur ein paar der wichtigsten Daten dieser ersten interplanetarischen Studie, hier wiedergegeben, m uns den Vergleich mit dem neuen, verbes­ serten Marsprojekt zu ermöglichen. Nach viel zeitraubender Detailarbeit sieht Wernher von Braun für die Marsexpedition j etzt nur noch zwei Fern-Raumschife vor, ein Passa­ gierschif und ein Lastschif mit einer Landungsrakete. Die Nutz­ lastkapazität der Transportraketen für den Verkehr zwischen Erd-· oberläche und Ausgangskreisbahn wurde auf rund r o Tonnen ver­ ringert. Durch konstruktive und rechnerische Maßnahmen wurde das Abluggewicht dieser großen Raketen weiter reduziert, so daß sie beim Start nur noch r 280 Tonnen wiegen - gegenüber 6400 Ton­ nen beim ersten Entwurf. Die Raketen sind nach wie vor dreistufig und 5 0 bis 5 8 Meter lang, je nach Form und Abmessungen der ver318

wendeten Nutzlastspitzen. Willy Ley hatte tatsächlich recht : Es ist wirklich erstaunlich, was man erreichen kann, wenn man sich nur lange genug mit einer Idee beschäftigt ! Am Ende einer derartigen Fülle von Projekten und Unternehmungen, wie sie das vorliegende Buch bietet, liegt die Frage nahe, in was für Schritten wir uns dieser Art künftiger Weltraumahrt nähern werden. Der Blick über die gegenwärtig erkennbaren Wege der Strahl­ antriebstechnik erlaubt es uns, aus Erreichtem und ernsthaft Geplan­ tem künftige Entwicklungslinien abzulesen. Dem Überschallflug mit Flugzeugen und Raketen ist bereits die Aussendung von Meß­ satelliten kurzer Lebensdauer geolgt. Versuche mit bemannten und geflügelten Endstufen mehrstuiger Raketen, wie sie Wernher von Braun in seinen verschiedenen Studien beschreibt, werden folgen, wobei neue Hochleistungs-Raketenflugzeuge, die vermutlich bald Satellitengeschwindigkeiten erzielen, eine große Rolle spielen können. Daraus ergeben sich erste bemannte Satelliten beschränkter Lebens­ dauer, während gleichzeitig viele Einzelteile weiter zielender Raum­ lugprojekte, ganz im Sinne Wernher von Brauns, erprobt werden können. Nach einer Phase der Konsolidierung des Erreichten und der Aus­ wertung vorliegender Messungen, deren Dauer schwer abzuschätzen ist, könnte man an den Bau eines größeren bemannten Satelliten der Erde denken, der die Bezeichnung Station im Weltraum verdient. Nach Ausbau dieses Stützpunkts außerhalb der Erdatmosphäre ist die Realisierung weiter reichender astronautischer Pläne möglich : der Flug nach dem Mond, die Landung auf dem Mond, die Expedition nach dem Mars. Das alles mag kühn erscheinen, sogar noch in der Epoche der künstlichen Satelliten, dennoch trägt der hier skizzierte Weg, der den von Wernher von Braun aufgestellten Wegweisern olgt, alle Kennzeichen einer ruhigen, systematischen technischen Evolution. In diesem Bild ist kein Platz mehr für Zweifel, denn die Fortschritte in der Entwicklung starker Strahlantriebe haben Geschwindigkeiten und Flughöhen so sehr vergrößert, daß wir nun unsere Vorstellungen von Höhenlug und Höhenorschung getrost erweitern und ihre Konsequenz, die Weltraumahrt, nur noch als eine logische Entwick­ lungsstufe auf dem Fundament der Raketentechnik ansehen können.

Bei der Darstellung astronautischer Unternehmen ist man allerdings auf die der Öfentlichkeit zugänglichen Tatsachen angewiesen, wobei man in gewissen Grenzen unterstellen darf, daß die Technik in Wirk­ lichkeit stets einige Schritte weiter ist, das heißt in unserem Falle schnel­ ler, höher und weiter auf der Erde und im Weltraum, so daß für we­ nige Bevorzugte Gegenwart ist, was uns noch Zukunft zu sein scheint. Man geht gewiß nicht fehl, wenn man Wernher von Braun zu den wenigen Bevorzugten zählt, zu jenen al so, die den Weg in den Welt­ raum genau kennen und ihn mit ihrer Arbeit ·mehr oder weniger bereits beschritten haben. Wer wollte ihn nach seinen Erolgen mit dem Explorer-Satelliten etwa noch einen Phantasten nennen ! Ein Teil dessen, was er vorausgesagt und versprochen hat, ist trotz mancher Hemmnisse eingetrofen, das Weitere, das noch kommen soll, ist nicht weniger realistisch. Daß es uns bei aller Sachlichkeit der Darstellung und Nüchternheit der Berechnungen trotzdem fesselt, liegt in der Natur des Themas. Denn wer häte nicht schon wenig­ stens einmal seine eigene Phantasie durch den Weltraum schweifen lassen, nach dem Mond und nach dem roten Planeten Mars, den zu betreten eine neue Generation von Entdeckern sich anschickt ! Lassen wir uns getrost führen von j enen Männern, die den Weg in den Weltraum kennen, und freuen wir uns der Tatsache, daß Raketen nicht nur Wafen, sondern auch Mittel der friedlichen Forschung sein können ! Heinz Gartmann