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German Pages 216 Year 2021
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1442
Staatsschulden Wider die Schuldenbremsen
Von
Karl Albrecht Schachtschneider
Duncker & Humblot · Berlin
KARL ALBRECHT SCHACHTSCHNEIDER
Staatsschulden
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1442
Staatsschulden Wider die Schuldenbremsen
Von
Karl Albrecht Schachtschneider
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort Die Staatsschulden steigen auch in Deutschland weit über die selbstgesetzten Grenzen. Deutsche Politiker haben den Stabilitäts- und Wachstumspakt und den Fiskalpakt durchgesetzt, weil sie durch die überbordende Verschuldung einiger Eurostaaten den Euro und gar die Europäische Union gefährdet sahen und eine Haftungsunion vor den Wählern nicht verantworten wollten. Südländische Lebensfreude sollte schwäbischer Sparsamkeit weichen. Die Schuldenbremsen in den deutschen Verfassungsgesetzen sollten den im hohen Maße von kostspieligen Krediten lebenden Ländern des Euroverbundes ein Beispiel geben. Die Austeritätszwänge der Stabilitätsmechanismen hatten, nicht unerwartet, verheerende wirtschaftliche und politische Folgen. Auch Bund und Länder haben die Schuldenbremsen bei erster Gelegenheit, der Corona-Pandemie, beiseite geschoben. Der mittels Propaganda gefestigten Angst vor einem Übermaß an Schulden für die Stabilität der Wirtschaft haben nur wenige Fachleute entgegenzutreten gewagt. Der wirkliche Grund der Exportstärke Deutschlands und der Exportschwäche vor allem der Südländer ist der europäische Binnenmarkt mit der Einheitswährung. Ohne Finanzausgleich ist der Euro-Verbund nicht lebbar. Wirtschafts-, Währungs- und Sozialpolitik können nicht auseinandergerissen werden. Aber ein Unionsstaat wäre wegen seiner Größe und Heterogenität nicht nur unfähig der Demokratie, sondern die beteiligten Völker müßten ihre Souveränität aufgeben, um ein Volk zu werden. Die notwendigen Verfassungsentscheidungen jedes der Völker sind nicht erreichbar. Diese bittere Wahrheit ist wegen des geradezu geheiligten Zwecks der totalen Integration der Europäischen Union nicht opportun. Derzeit wird die unhaltbare Lage durch monetäre Maßnahmen der Zentralbanken beruhigt, eigentumswidrige Nullzinsen und verbotene Staatsfinanzierung. Die Vertrags- und Verfassungswidrigkeit dieser Euro- Rettungsmaßnahmen ist der Motor der Integration, der Europäische Gerichtshof, nicht festzustellen gewillt. Das Bundesverfassungsgericht spielt nolens volens mit. Trotz allem: Schuldenbremsen sind mit ökonomischer Vernunft unvereinbar. Investitionen müssen möglich bleiben. Wesentlich sind Entwicklung der Volkswirtschaften und Preisniveaustabilität. Die stärksten Volkswirtschaften beweisen, das hohe Schulden nicht schaden müssen. Zudem: Niemand kann und wird die Schulden zurückzahlen. Bei ihren Zentralbanken müssen die Staaten ihre vermeintlichen Schulden nicht begleichen. Die monetäre Staatsfinanzierung begründet keine Schulden.
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Vorwort
Rüdiger Volker Tiedtke hat diese Schrift durch Gespräche und Hinweise dankenswert unterstützt. Dr. Florian Simon und Regine Schädlich danke ich für die wie immer bestmögliche Verlagsarbeit. Berlin, im November 2020
Karl Albrecht Schachtschneider
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 B. Texte zur Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Defizitprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Art. 136 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Fiskalpakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 IV. Art. 109, Art. 109 a, Art. 115, Art. 143 d GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Art. 109 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Art. 109 a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Art. 115 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4. Art. 143 d GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Legalität der Maßnahmen der EZB und des ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Maßnahmen der Staatsfinanzierung der EZB und des ESZB . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. NZB-Geldkonten, OMT, PSPP, PEPP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Maßnahmen der EZB und des ESZB ultra vires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Nicht Währungs-, sondern unbefugte Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Übernahme von Staatsanleihen am Sekundärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 IV. TARGET 2-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Monetäre Finanzierung mittels dem TARGET 2-System . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Die Rechtsnatur der TARGET-Salden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 V. Monetäre Eurorettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 D. Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Art. 126 AEUV, Stabilitäts- und Wachstumspakt, Six-Pack . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Art. 126 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Stabilitäts- und Wachstumspakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Six-Pack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Fiskalpakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Illusionärer Zweck, Regeln, Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Kreditaufnahmeverbote Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Widerspruch deutscher Schuldenbremsen zum Fiskalpakt . . . . . . . . . . . . . . . 68
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E. Europäischer Stabilitätsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Art. 136 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Relativierung des Bail-out-Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Konditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 IV. Unmittelbarer Erwerb von Staatsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 F. Finanz- und Budgethoheit der Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Souveränität der Bürger Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Ausübung der Staatsgewalt in Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Ausübung von Hoheitsrechten durch die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . 78 II. Finanz- und Budgethoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Finanzhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Budgethoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Mißachtung der Budgethoheit durch ESM-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Wirtschaftsregierung der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Haushalts- und Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Verschuldungs- und Haushaltsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Überwachungsregime der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 G. Sanierung oder Abwicklung von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Forderungsrisiko der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Systemrelevanz von Geldinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 H. Schuldenbremsen ohne ökonomische Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Scheitern der Haushaltsdisziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Illusion der Haushaltsdisziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Schuldenabbau insolventer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Von der Stabilitäts- zur Schuldengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Einheitliche Währung ohne optimalen Währungsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Finanzierung fremder Staaten zur Rettung des Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Haftungs- und Schuldengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Monetäre Finanzierung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Entwicklungsbehinderung durch Schuldenbremsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Europäistische Visionen und Schuldengrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Erfolglose Austeritätspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Zukunftsvorsorge durch kreditierte Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Rückschrittlichkeit der Schuldenbremsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Deutschland fern der technischen Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Hochverschuldete, aber erfolgreiche Volkswirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
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J. Schuldenbremsen und Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Finanzierung des Sozialstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Versorgung ohne Beitrag zum Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Geldverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 K. Kreditäre Geldvermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Mißbrauch globaler Geldmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Unrecht des Globalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I. Zentralbank und Geschäftsbanken Akteure der Geldversorgung . . . . . . . . . . . . . 154 1. Zentralbankgeld und Geschäftsbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Bankengeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Finanzierung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Zentralbankgeld oder Steuergeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Schulden des Staates durch monetäre Staatsfinanzierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Theorie und Dogmatik der Staatsschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Rückzahlung und Vollstreckung der ,Staatsschulden‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Tilgung der Staatsschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 IV. Verteilungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 V. Plakative Kritik der Staatsschuldendoktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Anhang 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Anhang 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Anhang 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Anhang 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
A. Einleitung Bund und Länder sind durch Art. 109 Abs. 3 GG verpflichtet, ihre Haushalte „grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“. Der Bund darf nach Satz 3 dieser Vorschrift Einnahmen aus Krediten haben, wenn diese 0,35 % im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Die Länder dürfen nach Satz 5 Einnahmen aus Krediten nicht zulassen. Ausnahmen werden für „von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklungen“ und für „Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, erlaubt. Für den Bund trifft Art. 115 GG nähere Regelungen. Art. 143 d GG hat Übergangsvorschriften getroffen. Diese Regelungen sind nach der Finanzkrise 2008/9 in das Grundgesetz geschrieben worden1. Die Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG ist ein Unionsprojekt. Dieses ist nicht nur mit der Souveränität der Völker, auch der Landesvölker, unvereinbar, sondern auch in einer Weise ökonomisch verfehlt, daß es wegen Sachwidrigkeit das Rechtsprinzip des Rechtsstaates verletzt. Grobe Mißachtung der praktischen Vernunft ist nicht nur unsittlich, sondern auch rechtswidrig2. Die vormalige Regelung, die die Kreditaufnahme außer an das Gebot des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts an das Investitionsvolumen gebunden hat, war trotz der Überdehnung des praktizierten Investitionsbegriffs staatsgemäß. Reduzierung der Schulden sollte die Rettungsmaßnahmen für Banken und Länder des Euroverbundes erübrigen. Die Schuldenbremse ist der hilflose Versuch den von vornherein zum Scheitern verurteilten und gescheiterten Euro zu erhalten. Dieses Ziel hat sich das System der Europäischen Zentralbanken (ESZB), geführt von der Europäischen Zentralbank (EZB), zu eigen gemacht. Das ESZB verfolgt das Ziel mit einer ökonomisch bedenklichen und verfassungs- und vertragsrechtlich untragbaren Geldpolitik. Eine Währung für verschiedene Staaten mit heterogenen Volkswirtschaften stärkt weder die Stabilität noch gar den Wohlstand der Völker. Sie bezweckt, die Entwicklung der Europäischen Union (EU) zu einem unitarischen Bundesstaat zu erzwingen, in dem homogene Lebensverhältnisse insbesondere durch Finanzausgleich geschaffen werden. Dieses Ziel hat keine Vertragsgrundlage und mißachtet die Souveränität der Völker der Mitgliedstaaten3. Dem steht auch das Subsidiaritäts1
Kritisch Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung – Ungleichheit, Geld und die Renaissance des Staates, 2018, S. 274 ff. 2 Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2007, S. 420 ff. 3 Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option. Plädoyer für die Bürgerlichkeit des Bürgers, 2017, S. 271 ff. zur politischen Finalität der Europäischen Union; ders., Zur
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A. Einleitung
prinzip entgegen, dessen Wahrung eine nach Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG wesentliche Voraussetzung der europäischen Integration für Deutschland ist. Das Subsidiaritätsprinzip ist in der Praxis des Integrationismus aber ohne Relevanz. Es widerstreitet dem Einheitsziel. Allein schon das Subsidiaritätsrügeverfahren des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verhindert die Relevanz dieses Verfassungsprinzips jedenfalls für die Teilnahme Deutschlands an der EU (Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG)4. Zur Souveränität der Bürger als deren Freiheit gehört essentiell das demokratische Prinzip. Ohne dieses gibt es keinen Rechtsstaat. Das demokratische Prinzip wird mit einem Übermaß an Integration in ein „vereintes Europa“ (Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG) aufgegeben. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 2 EUV), das demokratische Feigenblatt der EU, vom Bundesverfassungsgericht als „Fundamentalprinzip der Union“ ausgezeichnet (BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 158), ist erstmalig in dem soeben zitierten Urteil zu den staatsfinanzierenden Käufen von Staatsanleihen (Public Sector Purchase Programme, PSPP, Beschluß (EU) 2015/774 sowie die hierauf folgenden Beschlüsse (EU) 2015/2101, (EU) 2015/2464, (EU) 2016/702 und (EU) 2017/100) wirklich beachtet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zur Feststellung von Kompetenzüberschreitungen der EZB gezwungen gesehen. Es hat ohne prozessuale Veranlassung schnellstens Widerspruch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gefunden, der in einer Erklärung vom 8. Mai 2020 dem Bundesverfassungsgericht das Recht zum letzten Wort in Sachen der Befugnisse der EU abgesprochen hat, eine offene Kampfansage gegen die Souveränität der Mitgliedstaaten, ohne irgendeine verfahrensgerechte Befugnis des Europäischen Gerichtshofes. Die Kommission der EU prüft gar eine Vertragsverletzung Deutschlands durch das Urteil des höchsten deutschen Gerichts. Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher befunden, daß die Kompetenzgrenzen „noch“ nicht überschritten seien (BVerfGE 89, 155 ff., Rnrn. 90, 152; 123, 267 ff., Rn. 175)5. Die Ermächtigungen der EU sind weit und werden vom Europäischen Gerichtshof stetig erweitert6. In Sachen der Staatsfinanzierungsmaßnahmen der EZB durch den Ankauf von Staatsanleihen in so gut wie grenzenlosem Umfang (PSPP), verbunden mit einer Nullzinspolitik, ist die Überschreitung der Zuständigkeit der EZB dem Bundesverfassungsgericht trotz aller die Maßnahmen der EU schonenden rechtlich bedenklichen Kriterien endlich zu weit gegangen. Es hat die Maßnahmen als eine offensichtliche Zuständigkeitsanmaßung der EZB und des Europäischen Gerichtshofes (EuGH Urt. v. 11. 12. 2018, Az. C-493/17) für Wirtschaftspolitik, die nicht mehr als Währungspolitik (Art. 3 Abs. 1 lit. c AEUV) ausgegeben werden könne, politischen Finalität der Europäischen Union, Jahrbuch Politisches Denken 2016, 2017, S. 81 ff. 4 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre. Ein Beitrag zum deutschen Staats- und Völkerrecht, 2015, S. 472. 5 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 385 f.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, 2006, S. 71 ff. 6 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 479 ff.
A. Einleitung
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wegen Mißachtung des ultra-vires-Verbotes als vertragswidrig kritisiert, wenn die Verhältnismäßigkeit dieses Kompetenzverständnisses nicht dargetan werden könne. Es hat die Politik des leichten Geldes, des quantitative easing, des PSPP zudem als Verletzung des Budgetrechts des Deutschen Bundestages erkannt, die mit dem Recht auf Demokratie der Bürger Deutschlands wegen deren Souveränität nicht zu vereinbaren sei. Deswegen hat das Gericht der Bundesbank untersagt, an der Umsetzung der rechtswidrigen Beschlüsse mitzuwirken (BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 116 ff., 133 ff., 154 ff., 177, 236). Die wesentliche Kritik des Bundesverfassungsgerichts an dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist, daß es die faktischen wirtschafts- und fiskalpolitischen Wirkungen, die die Maßnahmen der EZB haben, aus der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des PSPP ausgeblendet habe (Rnrn. 143 ff., auch Rnrn. 164 ff.). Unbeirrt von dem nach dem Vorlagebeschluß vom 18. Juli 2017, BVerfGE 146, 216 ff., zu erwartenden soeben zitierten Schlußurteils des Bundesverfassungsgerichts zum PSPP hat die EZB mit dem Pandemie-Notfallankaufprogramm, dem Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP, die monetäre Staatsfinanzierung mit monetär geschöpften Geld nicht nur fortgesetzt, sondern mit dem Volumen von 1,35 Bill. Euro, 750 Mrd. auf Grund des Beschlusses (EU) 2020/440 vom 24. März 2020 und 600 Mrd. auf Grund des Aufstockungsbeschlusses vom 4. Juni 20207 erheblich erweitert. Die Schuldenbremsen haben einige Mitglieder des Euroverbundes in Not gebracht, weil sie zur Austeritätspolitik8 genötigt wurden, um die vermeintliche Überschuldung zu mindern. Dadurch wurde deren politische Stabilität erheblich geschwächt. Die deutschen Finanzpolitiker, die die Spardiktate schon im MaastrichtVertrag und im Stabilitäts- und Wachstumspakt, aber vor allem im Fiskalpakt gegen die ohnehin schwachen und in der Währungsunion mit einer einheitlichen Währung nicht wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften durchgesetzt haben, vernunftwidrig und demokratiewidrig, haben den Schuldenbegriff verkannt. Die Staatsfinanzierung durch die Zentralbank wie auch die durch das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) und die Europäische Zentralbank (EZB) führt nicht zu Schulden des Staates, die der Staat zurückzahlen müßte. Das Bundesverfassungsgericht weiß das offenbar nicht, wie die zitierten Urteile zum PSPP erweisen. Die Fragwürdigkeit der Schuldenbremsen und der irregeleitete Schuldenbegriff sind der Gegenstand dieser Abhandlung, der rechtlich, aber auch ökonomisch bearbeitet wird. Ohne Volkswirtschaftslehre kann Staatsrecht im Bereich der Wirtschaft nicht betrieben werden. 7 Dazu die von mir verfaßte Organklage der Fraktion der Alternative für Deutschland zum Bundesverfassungsgericht vom 26. August 2020, Homepage, KASchachtschneider.de, Downloads. 8 Zum strittigen Begriff der Austerität Klaus Gründler/Niklas Potrafke, Europäischer Austeritätsdiskurs: Was bedeutet „Austerität“? Wie wird der Begriff in öffentlichen und wissenschaftlichen Debatten verwendet? IfO-Institut, Januar 2019, Netz: https://www.ifo.de/ DocDL/ifo_Studie_Austeritaet_OEF_2019.pdf.
B. Texte zur Schuldenbremse I. Defizitprotokoll Das Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit bestimmt und regelt die ursprünglich in Artikel 104 c Absatz 2 EGV, dann in Art. 104 EGV und jetzt in Art. 126 Abs. 2 AEUV genannten Referenzwerte: Artikel 1 Die in Artikel 104 c Absatz 2 dieses Vertrags genannten Referenzwerte sind: – 3 % für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, – 60 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen. Artikel 2 In Artikel 104 c dieses Vertrags und in diesem Protokoll bedeutet – „öffentlich“ zum Staat, d. h. zum Zentralstaat (Zentralregierung), zu regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder Sozialversicherungseinrichtungen gehörig, mit Ausnahme von kommerziellen Transaktionen, im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen – „Defizit“ das Finanzierungsdefizit im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen; – „Investitionen“ die Brutto-Anlageinvestitionen im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen; – „Schuldenstand“ den Brutto-Gesamtschuldenstand zum Nominalwert am Jahresende nach Konsolidierung innerhalb und zwischen den einzelnen Bereichen des Staatssektors im Sinne des ersten Gedankenstrichs. Artikel 3 Um die Wirksamkeit des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zu gewährleisten, sind die Regierungen der Mitgliedstaaten im Rahmen dieses Verfahrens für die Defizite des Staatssektors im Sinne von Artikel 2 erster Gedankenstrich verantwortlich. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, daß die innerstaatlichen Verfahren im Haushaltsbereich sie in die Lage versetzen, ihre sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen in diesem Bereich zu erfüllen. Die Mitgliedstaaten müssen ihre geplanten und tatsächlichen Defizite und die Höhe ihres Schuldenstands der Kommission unverzüglich und regelmäßig mitteilen.
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Artikel 4 Die zur Anwendung dieses Protokolls erforderlichen statistischen Daten werden von der Kommission zur Verfügung gestellt.
II. Art. 136 AEUV (1) Im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion erlässt der Rat für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, Maßnahmen nach den einschlägigen Bestimmungen der Verträge und dem entsprechenden Verfahren unter den in den Artikeln 121 und 126 genannten Verfahren, mit Ausnahme des in Artikel 126 Absatz 14 genannten Verfahrens, um a) die Koordinierung und Überwachung ihrer Haushaltsdisziplin zu verstärken, b) für diese Staaten Grundzüge der Wirtschaftspolitik auszuarbeiten, wobei darauf zu achten ist, dass diese mit den für die gesamte Union angenommenen Grundzügen der Wirtschaftspolitik vereinbar sind, und ihre Einhaltung zu überwachen. (2) Bei den in Absatz 1 genannten Maßnahmen sind nur die Mitglieder des Rates stimmberechtigt, die die Mitgliedstaaten vertreten, deren Währung der Euro ist. Die qualifizierte Mehrheit dieser Mitglieder bestimmt sich nach Artikel 238 Absatz 3 Buchstabe a. (3) Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.
III. Fiskalpakt Im Rahmen der unionsrechtlichen Stabilitäts- und Wachstumspolitik schreibt der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, kurzgefaßt: der Fiskalpakt, vom 2. März 2012 vor: „TITEL I ZWECK UND ANWENDUNGSBEREICH ARTIKEL 1 (1) Mit diesem Vertrag kommen die Vertragsparteien als Mitgliedstaaten der Europäischen Union überein, die wirtschaftliche Säule der Wirtschafts- und Währungsunion durch Verabschiedung einer Reihe von Vorschriften zu stärken, die die Haushaltsdisziplin durch einen fiskalpolitischen Pakt fördern, die Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitiken verstärken und die Steuerung des Euro-Währungsgebiets verbessern sollen und dadurch zur Erreichung der Ziele der Europäischen Union für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Zusammenhalt beitragen.
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B. Texte zur Schuldenbremse (2) Auf die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, findet dieser Vertrag in vollem Umfang Anwendung. Für die anderen Vertragsparteien gilt er in dem in Artikel 14 festgelegten Umfang und unter den dort genannten Voraussetzungen. TITEL II KOHÄRENZ MIT DEM UNIONSRECHT UND VERHÄLTNIS ZUM UNIONSRECHT ARTIKEL 2 (1) Dieser Vertrag wird von den Vertragsparteien in Übereinstimmung mit den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, insbesondere mit Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, und mit dem Recht der Europäischen Union, einschließlich dem Verfahrensrecht, wann immer der Erlass von Sekundärgesetzgebung erforderlich ist, angewandt und ausgelegt. (2) Dieser Vertrag gilt insoweit, wie er mit den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, und mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Er lässt die Handlungsbefugnisse der Union auf dem Gebiet der Wirtschaftsunion unberührt. TITEL III FISKALPOLITISCHER PAKT ARTIKEL 3 (1) Die Vertragsparteien wenden zusätzlich zu ihren sich aus dem Recht der Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen und unbeschadet dieser Verpflichtungen die in diesem Absatz festgelegten Vorschriften an: a) Der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei ist ausgeglichen oder weist einen Überschuss auf. b) Die Regel unter Buchstabe a gilt als eingehalten, wenn der jährliche strukturelle Saldo des Gesamtstaats dem länderspezifischen mittelfristigen Ziel im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts, mit einer Untergrenze von einem strukturellen Defizit von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen, entspricht. Die Vertragsparteien stellen eine rasche Annäherung an ihr jeweiliges mittelfristiges Ziel sicher. Der zeitliche Rahmen für diese Annäherung wird von der Europäischen Kommission unter Berücksichtigung der länderspezifischen Risiken für die langfristige Tragfähigkeit vorgeschlagen werden. Die Fortschritte in Richtung auf das mittelfristige Ziel und dessen Einhaltung werden dem geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakt entsprechend auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltssaldo als Referenz dient und die eine Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen einschließt. c) Die Vertragsparteien dürfen nur unter den in Absatz 3 Buchstabe b festgelegten außergewöhnlichen Umständen vorübergehend von ihrem jeweiligen mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad abweichen. d) Liegt das Verhältnis zwischen öffentlichem Schuldenstand und Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen erheblich unter 60 % und sind die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering, so kann die Untergrenze des in Buchstabe b angegebenen mittelfristigen Ziels ein strukturelles Defizit von maximal 1,0 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen erreichen.
III. Fiskalpakt
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e) Erhebliche Abweichungen vom mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad lösen automatisch einen Korrekturmechanismus aus. Dieser Mechanismus schließt die Verpflichtung der betreffenden Vertragspartei ein, zur Korrektur der Abweichungen innerhalb eines festgelegten Zeitraums Maßnahmen zu treffen. (2) Die Regelungen nach Absatz 1 werden im einzelstaatlichen Recht der Vertragsparteien in Form von Bestimmungen, die verbindlicher und dauerhafter Art sind, vorzugsweise mit Verfassungsrang, oder deren vollständige Einhaltung und Befolgung im gesamten nationalen Haushaltsverfahren auf andere Weise garantiert ist, spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Vertrags wirksam. Die Vertragsparteien richten auf nationaler Ebene den in Absatz 1 Buchstabe e genannten Korrekturmechanismus ein und stützen sich dabei auf gemeinsame, von der Europäischen Kommission vorzuschlagende Grundsätze, die insbesondere die Art, den Umfang und den zeitlichen Rahmen der – auch unter außergewöhnlichen Umständen – zu treffenden Korrekturmaßnahmen sowie die Rolle und Unabhängigkeit der auf nationaler Ebene für die Überwachung der Einhaltung der in Absatz 1 genannten Regelungen zuständigen Institutionen betreffen. Dieser Korrekturmechanismus wahrt uneingeschränkt die Vorrechte der nationalen Parlamente. (3) Für die Zwecke dieses Artikels gelten die Begriffsbestimmungen, die in Artikel 2 des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit festgelegt sind. Zusätzlich dazu gelten für die Zwecke dieses Artikels die folgenden Begriffsbestimmungen: a) „Jährlicher struktureller Saldo des Gesamtstaats“ ist der konjunkturbereinigte jährliche Saldo ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen. b) „Außergewöhnliche Umstände“ sind ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der betreffenden Vertragspartei entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat, oder ein schwerer Konjunkturabschwung im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts, vorausgesetzt, die vorübergehende Abweichung der betreffenden Vertragspartei gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. ARTIKEL 4 Geht das Verhältnis zwischen dem gesamtstaatlichen Schuldenstand einer Vertragspartei und dem Bruttoinlandsprodukt über den in Artikel 1 des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit genannten Referenzwert von 60 % hinaus, so verringert diese Vertragspartei es gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 geänderten Fassung als Richtwert um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich. Das Bestehen eines übermäßigen Defizits durch die Verletzung des Schuldenkriteriums wird vom Rat nach dem Verfahren des Artikels 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgestellt werden.
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B. Texte zur Schuldenbremse ARTIKEL 5 (1) Eine Vertragspartei, die gemäß den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, Gegenstand eines Defizitverfahrens ist, legt ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auf, das eine detaillierte Beschreibung der Strukturreformen enthält, die zur Gewährleistung einer wirksamen und dauerhaften Korrektur ihres übermäßigen Defizits zu beschließen und umzusetzen sind. Inhalt und Form dieser Programme werden im Recht der Europäischen Union festgelegt. Sie werden dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission im Rahmen der bestehenden Überwachungsverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Genehmigung vorgelegt werden und auch innerhalb dieses Rahmens überwacht werden. (2) Die Umsetzung des Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramms und die mit diesem Programm in Einklang stehenden jährlichen Haushaltspläne werden vom Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission überwacht werden. ARTIKEL 6 Zur besseren Koordinierung der Planung für die Begebung von Staatsschuldtiteln erstatten die Vertragsparteien dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission im Voraus über ihre entsprechenden Planungen Bericht. ARTIKEL 7 Die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, verpflichten sich unter uneingeschränkter Einhaltung der Verfahrensvorschriften der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, zur Unterstützung der Vorschläge oder Empfehlungen der Europäischen Kommission, in denen diese die Auffassung vertritt, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union, dessen Währung der Euro ist, im Rahmen eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gegen das Defizit-Kriterium verstößt. Diese Verpflichtung entfällt, wenn zwischen den Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, feststeht, dass eine analog zu den einschlägigen Bestimmungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, unter Auslassung des Standpunkts der betroffenen Vertragspartei ermittelte qualifizierte Mehrheit von ihnen gegen den vorgeschlagenen oder empfohlenen Beschluss ist. ARTIKEL 8 (1) Die Europäische Kommission wird aufgefordert, den Vertragsparteien zu gegebener Zeit einen Bericht über die Bestimmungen vorzulegen, die jede von ihnen gemäß Artikel 3 Absatz 2 erlassen hat. Gelangt die Europäische Kommission, nachdem sie der betreffenden Vertragspartei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass diese Vertragspartei Artikel 3 Absatz 2 nicht nachgekommen ist, wird der Gerichtshof der Europäischen Union von einer oder mehreren Vertragsparteien mit der Angelegenheit befasst werden. Ist eine Vertragspartei unabhängig vom Bericht der Kommission der Auffassung, dass eine andere Vertragspartei Artikel 3 Absatz 2 nicht nachgekommen ist, so kann sie den Gerichtshof mit der Angelegenheit befassen. In beiden Fällen ist das Urteil des Gerichtshofs für die Verfahrensbeteiligten verbindlich, und diese müssen innerhalb einer vom Gerichtshof festgelegten Frist die erforderlichen Maßnahmen treffen, um dem Urteil nachzukommen. (2) Ist eine Vertragspartei nach eigener Einschätzung oder aufgrund der Bewertung der Europäischen Kommission der Auffassung, dass eine andere Vertragspartei nicht die in Absatz 1 genannten erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um dem Urteil des
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Gerichtshofs nachzukommen, so kann sie den Gerichtshof mit der Sache befassen und die Verhängung finanzieller Sanktionen gemäß den von der Europäischen Kommission im Rahmen von Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegten Kriterien verlangen. Stellt der Gerichtshof fest, dass die betreffende Vertragspartei seinem Urteil nicht nachgekommen ist, so kann er gegen diese Vertragspartei einen Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld verhängen, der/das den Umständen angemessen ist und nicht über 0,1 % ihres Bruttoinlandsprodukts hinausgeht. Die gegen eine Vertragspartei, deren Währung der Euro ist, verhängten Beträge sind an den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu entrichten. Anderenfalls werden die Zahlungen an den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union entrichtet. (3) Dieser Artikel stellt einen Schiedsvertrag zwischen den Vertragsparteien im Sinne des Artikels 273 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar. TITEL IV WIRTSCHAFTSPOLITISCHE KOORDINIERUNG UND KONVERGENZ ARTIKEL 9 Gestützt auf die wirtschaftspolitische Koordinierung im Sinne des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verpflichten sich die Vertragsparteien, gemeinsam auf eine Wirtschaftspolitik hinzuarbeiten, die durch erhöhte Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion sowie das Wirtschaftswachstum fördert. Zu diesem Zweck leiten die Vertragsparteien in Verfolgung des Ziels, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu fördern, weiter zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beizutragen und die Finanzstabilität zu stärken, in allen für das reibungslose Funktionieren des Euro-Währungsgebiets wesentlichen Bereichen die notwendigen Schritte und Maßnahmen ein. ARTIKEL 10 Den Anforderungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, entsprechend sind die Vertragsparteien bereit, in Angelegenheiten, die für das reibungslose Funktionieren des Euro-Währungsgebiets wesentlich sind, wann immer dies angemessen und notwendig ist, von den in Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Maßnahmen für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, und – ohne dabei den Binnenmarkt zu beeinträchtigen – von der in Artikel 20 des Vertrags über die Europäische Union und in den Artikeln 326 bis 334 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Verstärkten Zusammenarbeit aktiven Gebrauch zu machen. ARTIKEL 11 Um Benchmarks für vorbildliche Vorgehensweisen festzulegen und auf eine enger koordinierte Wirtschaftspolitik hinzuarbeiten, stellen die Vertragsparteien sicher, dass alle von ihnen geplanten größeren wirtschaftspolitischen Reformen vorab zwischen ihnen erörtert und gegebenenfalls koordiniert werden. In diese Koordinierung werden die Organe der Europäischen Union gemäß den Erfordernissen des Rechts der Europäischen Union einbezogen.
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B. Texte zur Schuldenbremse TITEL V STEUERUNG DES EURO-WÄHRUNGSGEBIETS ARTIKEL 12 (1) Die Staats- und Regierungschefs der Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, und der Präsident der Europäischen Kommission treten informell zu Tagungen des EuroGipfels zusammen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank wird zur Teilnahme an diesen Tagungen eingeladen. Der Präsident des Euro-Gipfels wird von den Staats- und Regierungschefs der Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, mit einfacher Mehrheit zu dem gleichen Zeitpunkt ernannt, zu dem der Europäische Rat seinen Präsidenten wählt; die Amtszeit entspricht der des Präsidenten des Europäischen Rates. (2) Euro-Gipfel werden bei Bedarf – mindestens jedoch zweimal jährlich – einberufen, damit die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, Fragen im Zusammenhang mit ihrer spezifischen gemeinsamen Verantwortung für die einheitliche Währung, weitere die Steuerung des Euro-Währungsgebiets betreffende Fragen und die dafür geltenden Vorschriften sowie strategische Orientierungen für die Steuerung der Wirtschaftspolitik und größere Konvergenz im Euro-Währungsgebiet erörtern. (3) Die Staats- und Regierungschefs der Vertragsparteien, deren Währung nicht der Euro ist und die diesen Vertrag ratifiziert haben, nehmen an den Beratungen der Tagungen der Euro-Gipfel teil, die für die Vertragsparteien die Wettbewerbsfähigkeit, die Änderung der allgemeinen Architektur des Euroraums und der grundlegenden Regelungen, die für diesen in Zukunft gelten werden, betreffen, sowie, wenn dies sachgerecht ist und mindestens einmal im Jahr, an Beratungen zu bestimmten Fragen der Durchführung dieses Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion. (4) Der Präsident des Euro-Gipfels gewährleistet in enger Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission die Vorbereitung und Kontinuität der Tagungen des Euro-Gipfels. Das mit der Vorbereitung und Nachbereitung der Tagungen des Euro-Gipfels betraute Gremium ist die Euro-Gruppe, deren Präsident zu diesem Zweck zur Teilnahme an diesen Tagungen eingeladen werden kann. (5) Der Präsident des Europäischen Parlaments kann eingeladen werden, um gehört zu werden. Der Präsident des Euro-Gipfels legt dem Europäischen Parlament nach jeder Tagung des Euro-Gipfels einen Bericht vor. (6) Der Präsident des Euro-Gipfels unterrichtet die anderen Vertragsparteien als die, deren Währung der Euro ist, und die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union laufend und eingehend über die Vorbereitungen und die Ergebnisse der Tagungen des EuroGipfels. ARTIKEL 13 Wie in Titel II des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr. 1) über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorgesehen, bestimmen das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente der Vertragsparteien gemeinsam über die Organisation und Förderung einer Konferenz von Vertretern der zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments und von Vertretern der zuständigen Ausschüsse der nationalen Parlamente, um die Haushaltspolitik und andere von diesem Vertrag erfasste Angelegenheiten zu diskutieren.
IV. Art. 109, Art. 109 a, Art. 115, Art. 143 d GG
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IV. Art. 109, Art. 109 a, Art. 115, Art. 143 d GG 1. Art. 109 GG (1) Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig. (2) Bund und Länder erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf Grund des Artikels 104 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin und tragen in diesem Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung. (3) Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Bund und Länder können Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen. Für die Ausnahmeregelung ist eine entsprechende Tilgungsregelung vorzusehen. Die nähere Ausgestaltung regelt für den Haushalt des Bundes Artikel 115 mit der Maßgabe, dass Satz 1 entsprochen ist, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Die nähere Ausgestaltung für die Haushalte der Länder regeln diese im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen mit der Maßgabe, dass Satz 1 nur dann entsprochen ist, wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden. (4) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden. (5) Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft im Zusammenhang mit den Bestimmungen in Artikel 104 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin tragen Bund und Länder im Verhältnis 65 zu 35. Die Ländergesamtheit trägt solidarisch 35 vom Hundert der auf die Länder entfallenden Lasten entsprechend ihrer Einwohnerzahl; 65 vom Hundert der auf die Länder entfallenden Lasten tragen die Länder entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf“.
Zu beachten ist das Haushaltsgrundsätzegesetz in der Fassung vom 14. August 2017. Auch die Länder haben Haushaltsverfassungen und Haushaltsordnungen, in denen auch Schuldenbremsen geregelt sind. Die weiter zur Haushaltsverfassung gehörenden Vorschriften des Grundgesetzes lauten:
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B. Texte zur Schuldenbremse
2. Art. 109 a GG (1) Zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, 1. die fortlaufende Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern durch ein gemeinsames Gremium (Stabilitätsrat), 2. die Voraussetzungen und das Verfahren zur Feststellung einer drohenden Haushaltsnotlage, 3. die Grundsätze zur Aufstellung und Durchführung von Sanierungsprogrammen zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen. (2) Dem Stabilitätsrat obliegt ab dem Jahr 2020 die Überwachung der Einhaltung der Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 durch Bund und Länder. Die Überwachung orientiert sich an den Vorgaben und Verfahren aus Rechtsakten auf Grund des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin. (3) Die Beschlüsse des Stabilitätsrats und die zugrunde liegenden Beratungsunterlagen sind zu veröffentlichen.
Zu beachten ist das Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Stabilitätsratsgesetz – StabiRatG) vom 10. August 2009 (BGBl. I S. 2702), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122). 3. Art. 115 GG (1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz. (2) Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Diesem Grundsatz ist entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Zusätzlich sind bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der nach den Sätzen 1 bis 3 zulässigen Kreditobergrenze werden auf einem Kontrollkonto erfasst; Belastungen, die den Schwellenwert von 1,5 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt überschreiten, sind konjunkturgerecht zurückzuführen. Näheres, insbesondere die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen und das Verfahren zur Berechnung der Obergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens sowie die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der Regelgrenze, regelt ein Bundesgesetz. Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. Der
IV. Art. 109, Art. 109 a, Art. 115, Art. 143 d GG
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Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden. Die Rückführung der nach Satz 6 aufgenommenen Kredite hat binnen eines angemessenen Zeitraumes zu erfolgen.
Zu beachten ist das Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 des Grundgesetzes (Artikel 115-Gesetz – G 115) vom 10. August 2009 (BGBl. I S. 2702, 2704), zuletzt durch Artikel 245 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert. 4. Art. 143 d GG Die Übergangsregelung des Art. 143 d GG lautet: (1) Artikel 109 und 115 in der bis zum 31. Juli 2009 geltenden Fassung sind letztmals auf das Haushaltsjahr2010 anzuwenden. Artikel 109 und 115 in der ab dem 1. August 2009 geltenden Fassung sind erstmals für das Haushaltsjahr 2011 anzuwenden; am 31. Dezember 2010 bestehende Kreditermächtigungen für bereits eingerichtete Sondervermögen bleiben unberührt. Die Länder dürfen im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2019 nach Maßgabe der geltenden landesrechtlichen Regelungen von den Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 abweichen. Die Haushalte der Länder sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Artikel 109 Absatz 3 Satz 5 erfüllt wird. Der Bund kann im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2015 von der Vorgabe des Artikels 115 Absatz 2 Satz 2 abweichen. Mit dem Abbau des bestehenden Defizits soll im Haushaltsjahr 2011 begonnen werden. Die jährlichen Haushalte sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2016 die Vorgabe aus Artikel 115 Absatz 2 Satz 2 erfüllt wird; das Nähere regelt ein Bundesgesetz. (2) Als Hilfe zur Einhaltung der Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 ab dem 1. Januar 2020 können den Ländern Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein für den Zeitraum 2011 bis 2019 Konsolidierungshilfen aus dem Haushalt des Bundes in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro jährlich gewährt werden. Davon entfallen auf Bremen 300 Millionen Euro, auf das Saarland 260 Millionen Euro und auf Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein jeweils 80 Millionen Euro. Die Hilfen werden auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung nach Maßgabe eines Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates geleistet. Die Gewährung der Hilfen setzt einen vollständigen Abbau der Finanzierungsdefizite bis zum Jahresende 2020 voraus. Das Nähere, insbesondere die jährlichen Abbauschritte der Finanzierungsdefizite, die Überwachung des Abbaus der Finanzierungsdefizite durch den Stabilitätsrat sowie die Konsequenzen im Falle der Nichteinhaltung der Abbauschritte, wird durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates und durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Die gleichzeitige Gewährung der Konsolidierungshilfen und Sanierungshilfen auf Grund einer extremen Haushaltsnotlage ist ausgeschlossen. (3) Die sich aus der Gewährung der Konsolidierungshilfen ergebende Finanzierungslast wird hälftig von Bund und Ländern, von letzteren aus ihrem Umsatzsteueranteil, getragen. Das Nähere wird durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geregelt. (4) Als Hilfe zur künftig eigenständigen Einhaltung der Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 können den Ländern Bremen und Saarland ab dem 1. Januar 2020 Sanierungshilfen in Höhe von jährlich insgesamt 800 Millionen Euro aus dem Haushalt des Bundes gewährt werden. Die Länder ergreifen hierzu Maßnahmen zum Abbau der
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B. Texte zur Schuldenbremse übermäßigen Verschuldung sowie zur Stärkung der Wirtschafts- und Finanzkraft. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die gleichzeitige Gewährung der Sanierungshilfen und Sanierungshilfen auf Grund einer extremen Haushaltsnotlage ist ausgeschlossen.
C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB9 I. Legalität der Maßnahmen der EZB und des ESZB Wenn überhaupt, so haben die Maßnahmen der EZB Legalität nur im Rahmen ihrer Aufgabe und ihrer Befugnisse. Die demokratische Legitimation der EZB ist brüchig, wie das Bundesverfassungsgericht schon im Maastricht-Urteil zugestanden hat (BVerfGE 89, 155 ff., Rnrn. 153 f.; auch im OMT-Urteil BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 188 f.; auch BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 143). Die Auffassung, daß eine „unabhängige Zentralbank“ wegen ihrer Sachkompetenz eine 9 Ich verweise für die Kritik an dem Fiskalpakt und an den übrigen Vereinbarungen der EU zur Eurorettung auf die von mir vertretene Verfassungsbeschwerde von Bruno Bandulet, Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty vom 29. Juni 2012, 2 BvR 1421/12, die zum ESM-Urteil Urteil des Bundesverfassungsgerichts geführt hat (Verfassungsbeschwerde gegen die Zustimmungsgesetze zu Art. 136 Abs. 3 AEUV, zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), zum Fiskalvertrag, gegen das ESM-Finanzierungsgesetz, gegen die Maßnahmen des ESZB und der EZB zur Staatsfinanzierung, gegen die sechs Rechtsakte der Europäischen Union zur Einrichtung einer Wirtschaftsregierung und gegen den Euro-Plus-Pakt vom 29. Juni 2012); berichtend Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 170 ff.). Sie vermag einen Überblick über das Gesamtgefüge der fragwürdigen Vereinbarungen zur Rettung der Finanzstabilität der EU, zumal des Eurosystems, zu geben. Hinzu gekommen sind die von mir vertretenen Verfassungsbeschwerden derselben Beschwerdeführer gegen das OMT- Programm, von Mario Draghi am 26. Juli 2012 angekündigt (Eurorettung „what ever it takes“); Beschluß der EZB vom 6. September 2012, vom 13. November 2012, Ergänzung der ESM-Verfassungsbeschwerde vom 29. Juni 2012, 2 BvR 1421/12, um den Antrag 7 a; berichtend Reinhard Crusius, a.a.O., S. 163 ff., 194 ff.; 2 BvR 2729/13), und meine Verfassungsbeschwerde zum EAPP (Politik des quantitave easing der EZB) und zum PSPP (Public Sector Purchase Programme) vom 4. Januar 2016 (Verfassungsbeschwerde (2 BvR 859/15 u. a.)) gegen die Anwendbarkeit des Beschlusses der EZB vom 22. Januar 2015 über das zusammengefaßte und erweiterte Programm zum Ankauf von Vermögenswerten, EAPP (Quantitave Easing) und die Mitwirkung Deutschlands an der Durchführung dieses Beschlusses vom 4. Januar 2016, gemeinsam mit Wolfgang Freitag. Die beiden letzteren Verfassungsbeschwerden haben zu den Beschwerden weitgehend zustimmenden Vorlagebeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zum EuGH geführt (BVerfGE 134, 134 ff.; 146, 216 ff.). Die genannten Verfassungsbeschwerden finden sich in meiner Homepage: KASchachtschneider.de unter Downloads. Die OMT-Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht im Schlußurteil BVerfGE 142, 123 ff. im Anschluß an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juni 2015, EuGH, 16. 06. 2015 – C-62/14, zum Teil verworfen und zum Teil zurückgewiesen, die PSPP-Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht entgegen dem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH Urt. v. 11. 12. 2018, Az. C-493/17) in der Sache positiv beschieden (BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 97 ff.).
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
sachgerechtere Geldwert- und insbesondere Geldmengenpolitik machen werde als die „Hoheitsorgane“ (BVerfGE 89, 155 ff., Rn. 154), hat sich erwartungsgemäß als irrig erwiesen10. Auch die Deutsche Bundesbank ist ein Hoheitsorgan, nicht anders als die EZB. Schwer nachvollziehbar hatte das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 59, 60, 61 erneut die Relevanz des demokratischen Prinzips für die existentielle Geld- und Währungspolitik mit Hinweis auf Art. 88 GG reduziert: „d) Die Einflussmöglichkeiten des Bundestages und damit der Wähler auf die Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch europäische Organe sind allerdings nahezu vollständig zurückgenommen, soweit die EZB mit Unabhängigkeit gegenüber der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten ausgestattet wird (Art. 130 AEUV). Diese Einschränkung der von den Wählern in den Mitgliedstaaten ausgehenden demokratischen Legitimation berührt das Demokratieprinzip, ist jedoch als eine in Art. 88 Satz 2 GG vorgesehene Modifikation dieses Prinzips mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar. Die im Blick auf die Europäische Union vorgenommene Ergänzung des Art. 88 GG gestattet eine Übertragung von Befugnissen der Deutschen Bundesbank auf die EZB, wenn diese den strengen Kriterien des Maastrichter Vertrages und der ESZB-Satzung hinsichtlich der Unabhängigkeit der Zentralbank und der Priorität der Geldwertstabilität entspricht. Diese Einflussknicke im Dienste der Sicherung des in eine Währung gesetzten Einlösungsvertrauens sind vertretbar, weil es der – in der deutschen Rechtsordnung erprobten und, auch aus wissenschaftlicher Sicht, bewährten – Besonderheit Rechnung trägt, dass eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik und für private Planungen und Dispositionen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheitsrechte eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind. Insofern genügt die Verselbständigung der Währungspolitik in der Hoheitskompetenz der unabhängigen EZB, die sich nicht auf andere Politikbereiche übertragen lässt, den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 89, 155 )“. „Die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten folgt dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 EUV). Das gilt auch für Aufgaben und Befugnisse, die die Verträge dem Europäischen System der Zentralbanken zuweisen, das aus der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken besteht (Art. 282 Abs. 1 Satz 1 AEUV). Dieses Mandat muss, um demokratischen Anforderungen zu genügen, eng begrenzt sein (…). Die Beachtung seiner Grenzen unterliegt in vollem Umfang gerichtlicher Kontrolle; diese obliegt zuvörderst dem Gerichtshof der Europäischen Union, dessen Aufgabe es ist, die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge zu sichern (Art. 19 Abs. 1 EUV) (…). (…) Die Unabhängigkeit, die die Europäische Zentralbank und die nationalen Notenbanken bei der Ausübung der ihnen übertragenen Befugnisse genießen (Art. 130, Art. 282 Abs. 3 Sätze 3 und 4 AEUV), stellt eine Durchbrechung der vom Grundgesetz formulierten Anforderungen an die demokratische Legitimation politischer Entscheidungen dar. Für Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass die mit der 10 Kritisch zum Postulat der Unabhängigkeit der EZB auch Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 348 ff.
I. Legalität der Maßnahmen der EZB und des ESZB
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Übertragung währungspolitischer Kompetenzen auf eine unabhängige Europäische Zentralbank einhergehende Einschränkung der von den Wählern in den Mitgliedstaaten ausgehenden demokratischen Legitimation das Demokratieprinzip berührt. Sie ist jedoch mit demokratischen Grundsätzen noch vereinbar, weil sie der erprobten und wissenschaftlich belegten Besonderheit der Währungspolitik Rechnung trägt, dass eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik eher sichert als Hoheitsorgane, die in ihrem Handeln von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind. Die so begründete verfassungsrechtliche Billigung der Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank ist jedoch auf den Bereich einer vorrangig stabilitätsorientierten Geldpolitik beschränkt und lässt sich auf andere Politikbereiche nicht übertragen (BVerfGE 134, 366 ; vgl. auch BVerfGE 142, 123 )“. „Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank wie auch der nationalen Notenbanken löst die von ihnen ausgeübte Hoheitsgewalt aus der unmittelbaren staatlichen oder supranationalen parlamentarischen Verantwortlichkeit. Ihre durch Art. 130 und Art. 282 Abs. 3 Sätze 3 und 4 AEUV garantierte Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung der unionsrechtlichen Befugnisse steht daher in einem deutlichen Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip und zum Grundsatz der Volkssouveränität. Ein wesentlicher Politikbereich, der mit dem Geldwert die individuelle Freiheit stützt und mit der Geldmenge auch das öffentliche Finanzwesen und die davon abhängigen Politikbereiche bestimmt, wird damit der Weisungsbefugnis der unmittelbar demokratisch legitimierten Repräsentanten und zugleich der gesetzgeberischen Kontrolle von Aufgabenbereichen und Handlungsmitteln entzogen. Diese Einschränkung der von den Wählern ausgehenden demokratischen Legitimation ist als solche zwar als eine in Art. 88 Satz 2 GG vorgesehene Modifikation des Demokratieprinzips durch spezifische Rahmenbedingungen der Währungspolitik gerechtfertigt (…). Kompensatorisch gebieten Demokratieprinzip und Volkssouveränität jedoch eine restriktive Auslegung des währungspolitischen Mandates der Europäischen Zentralbank und eine strenge gerichtliche Kontrolle seiner Einhaltung, um das abgesenkte demokratische Legitimationsniveau ihres Handelns zumindest auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken (BVerfGE 142, 123 )“.
Demgemäß hat das Gericht in BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 143 (auch Rnrn. 157 ff.) das Prinzip der begrenzten Ermächtigung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 EUV gegen die begriffliche Offenheit der Zuständigkeiten für die Währungspolitik einerseits und die Wirtschaftspolitik andererseits und die dank ihrer Unabhängigkeit geringe demokratische Legitimation der Zentralbanken positioniert: „Hinzu kommt, dass das Mandat des ESZB wegen der mit der Unabhängigkeit der EZB und der nationalen Zentralbanken (Art. 130, Art. 282 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 AEUV, Art. 88 Satz 2 GG) verbundenen Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus ihrer Entscheidungen eng begrenzt sein muss. Die gewährleistete Unabhängigkeit bezieht sich nur auf die der EZB durch die Verträge eingeräumten Befugnisse und deren inhaltliche Ausgestaltung, nicht aber auf die Bestimmung von Umfang und Reichweite ihres Mandats. Damit die EZB nicht entgegen dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung in gültiger Weise ein Programm beschließen und durchführen kann, das über den Bereich hinausgeht, der der Währungspolitik durch das Primärrecht zugewiesen wird, muss die Beachtung der Grenzen der Zuständigkeit der EZB in vollem Umfang gerichtlicher Kon-
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB trolle unterliegen (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 –, Rn. 134, 139, 211). Mit dieser verfassungsrechtlich gebotenen restriktiven Auslegung ist eine Interpretation der währungspolitischen Einzelermächtigungen offensichtlich unvereinbar, die die Angabe eines geldpolitischen Ziels beim Einsatz von Anleihekäufen ausreichen lässt und die wirtschaftsund fiskalpolitischen Wirkungen des PSPP sowohl für die Abgrenzung der Kompetenztitel als auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung für unmaßgeblich erklärt, selbst wenn diese Wirkungen vorhersehbar sind, bewusst in Kauf genommen oder möglicherweise sogar (stillschweigend) angestrebt werden“.
ESZB und EZB haben nach dem Plazet des Bundesverfassungsgerichts bewiesen, daß sie ihr Mandat für jedwede Politik nutzen, welche sie mit ihren monetären Maßnahmen bewerkstelligen können, ohne jede Rücksicht auf ihr Defizit an demokratischer Legitimität, ohne Rücksicht auf ihre begrenzte Ermächtigung, die Preisstabilität zu sichern, ohne Rücksicht auf die Ersparnisse der Bürger, nur im Interesse ihrer institutionellen und funktionellen Macht, im Interesse des Bestandes des Euros und der EU, im Interesse des internationalen Kapitals, dessen Einfluß auf die Zentralbanken schwerlich bestreitbar ist, wie allein schon die Präsidentschaft des Goldman-Sachs-Mannes Mario Draghi erwiesen hat. In jüngerer Zeit hat das Bundesverfassungsgericht die besondere Integrationsverantwortung der Staatsorgane, eine Art Schutzpflicht zugunsten der nationalen Souveränität, betont, „wenn öffentliche Gewalt durch Stellen ausgeübt wird, die nur über eine schwache demokratische Legitimation verfügen (vgl. BVerfGE 130, 76 (123 f.); 136, 194 (266 f. Rnrn. 176 f.); 142, 123 (208 ff., Rn. 165, 166 ff.); BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 –, Rn. 146)“, auch BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 108 f., 143). Gemeint ist augenscheinlich die öffentliche Gewalt der EZB, um deren Maßnahmen der Staatsfinanzierung es in dem Verfahren ging. Richtig ist die Erinnerung an die nationale Integrationsverantwortung gegenüber allen Unionsorganen, die durchgehend nicht demokratisch legitimiert sind. Es kommt darauf an, was man als „allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik“ für sachgerecht hält. Sachlichkeit ist eine Frage der Wissenschaftlichkeit der Politik allgemein. Mit den Argumenten des Bundesverfassungsgerichts kann man das demokratische Prinzip aufgeben und zur Diktatur der Experten übergehen. Herrscher sprechen sich meist eine überlegene Sachkompetenz zu. An der von den Herrschern reklamierte Sachkompetenz zu zweifeln, gibt die Geschichte auch und gerade Deutschlands hinreichend Anlaß. Darum steht das demokratische Prinzip der Republik nicht zur Disposition, nicht einmal der des Verfassungsgebers, auch nicht des Grundgesetzes. Das demokratische Prinzip ist die Essenz der unantastbaren Würde des Menschen, der Freiheit des Bürgers11. Wollte das Bundesverfassungsgericht das demokratische Prinzip und damit die Würde und 11 Karl Albrecht Schachtschneider, Zum Menschenwürdesatz des Grundgesetzes, 2019, Homepage, Aktuelles.
I. Legalität der Maßnahmen der EZB und des ESZB
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Freiheit der Bürger pflichtgemäß verteidigen, wäre das das Ende der Wirtschaftsund Währungsunion und damit des Ende der EU. Deren Bestand scheint das höchste Prinzip deutscher Politik zu sein, das alle anderen ,Werte‘ überragt. Das höchste Rechtsprinzip Deutschlands ist es aber nicht, ganz im Gegenteil, die Wirtschafts- und Währungsunion, ja die Integration Deutschlands in die EU, wie diese von den Gründungsverträgen verfaßt ist, widerspricht bereits dem Europaartikel 23 GG, vor allem, weil die weitreichende Übertragung der deutschen Hoheitsrechte auf die demokratieferne EU die Souveränität der Deutschen aushöhlt und funktional in der Praxis des Europäischen Gerichtshofs einen Zentralstaat geschaffen hat, dem die Deutschen nie zugestimmt haben12. Ihnen ist nicht einmal Gelegenheit gegeben worden, ihre Zustimmung oder Ablehnung in einem verbindlichen Verfahren zu manifestieren. Die Legalität der Währungspolitik des ESZB und der EZB ist im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse allenfalls durch die Integrationsverträge der Europäischen Union begründet, soweit deren Politik demokratisch legitimiert und dadurch legal ist. Das ist sie aber allenfalls, wenn das ESZB eine Stabilitätspolitik ohne Elemente der vertrags- und verfassungswidrigen Staatsfinanzierung betreibt. Die Verbote der Staatsfinanzierung des Art. 123 Abs. 1 AEUV und des Bail-outVerbot des Art. 125 AEUV sind bei aller Unklarheit der Grenzen eindeutig13. Sie sind Konstruktionselemente der vertraglichen Währungsunion (schon BVerfGE 89, 155 ff., Rn. 147). Nur einer „dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichteten Europäischen Zentralbank dürfen nach Art. 88 S. 2 GG die Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank übertragen werden“. Die Staatsfinanzierung stellt die Preisstabilität nicht zwingend in Frage, wie die Praxis erweist. Für die inflationäre Wirkung der außerordentlichen Geldmengenerweiterung, berechnet mittels des üblichen Warenkorbes von Gütern, gibt es, wenn die Güter nicht knapp sind, soweit ich sehe, nicht einmal eine Theorie. Ohne merkliche Lohnsteigerungen wird die Geldmengenerweiterung keine Inflation bewirken, sagt Bert Rürup14. Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Zentralbank gehört nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dennoch zum Kern der Verfassungsidentität (BVerfGE 134, 366 (392 ff., Rnrn. 36 ff., 55 ff., 150); BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 198 ff.15; BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 179 ff.; selbst EuGH, 16. 06. 2015 – C-62/14, Rnrn. 86, 98 ff., 102, NJW 2015, 2013 ff., freilich weitestgehend relativiert). Weder das demokratische Prinzip noch das Rechtsstaatsprinzip und erst recht nicht das Sozial(staats)prinzip tragen das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Zentralbanken und damit gehört dieses Verbot nicht zur Verfassungsidentität Deutschlands. Der Grundsatz, daß die Haushalte von Bund und Ländern ohne 12
Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 460 ff. Dazu Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S 172 f. 14 Bert Rürup, Die undemokratische Supermacht, Handelsblatt vom 2./3./4. Oktober 2020, Nr. 191, S. 12. 15 Siehe Anhang 1. 13
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
Einnahmen aus Krediten16 ausgeglichen werden sollen, ist zwar 2009 mit Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 in das Grundgesetz geschrieben worden, aber ökonomisch fragwürdig und folglich rechtlich nicht geboten. Infrastruktur- und Produktivitätsinvestitionen des Staates fördern die Standortqualität17. Sie generieren schon in der Phase der Infrastrukturinvestitionen Arbeit, Einkommen, Steueraufkommen.
II. Maßnahmen der Staatsfinanzierung der EZB und des ESZB 1. NZB-Geldkonten, OMT, PSPP, PEPP Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben weitgehend die Finanzierung der überschuldeten und defizitären Staatshaushalte übernommen. Sie nutzen dafür mehrere Techniken. Die EZB hat am 20. Dezember 2011 den Geschäftsbanken 500 Mrd. Euro mit Dreijahrestendern zu sehr günstigen Zinsen (1 %) und gegen Sicherheiten zur Verfügung zu stellen beschlossen, die bis dahin in wirtschaftlich stabilen Ländern der EU nicht zentralbankfähig waren, bis hin zu schuldscheinlosen Forderungen. Sieben Notenbanken der Euro-Krisenstaaten hat sie erlaubt, Sicherheiten auf eigenes Risiko zu akzeptieren, d. h. die Kreditbedingungen werden im Währungsverbund nicht nur unterschieden, sondern auf nachhaltige Sicherheiten wird verzichtet (NZB-Geldkonten)18. Die EZB hat diese Aktion am 29. Februar 2012 mit 530 Mrd. Euro wiederholt. Die Notenbanken des ESZB können mit Genehmigung der EZB die Geschäftsbanken mit Liquidität überschütten. Bis Ende Mai 2017 betrug das Volumen der Staatsanleihen, die das ESZB (80 %) und die EZB (10 %) vornehmlich (90 %) auf Grund des PSPP übernommen haben, 1.860 Mrd. Euro (BVerfGE 146, 216 ff., Rnrn. 82 f.), Ende 2019 bereits über zwei Billionen Euro. Im März 2012 war das Bilanzvolumen der EZB auf über drei Billionen Euro angeschwollen. Inzwischen beträgt es vornehmlich wegen der Ankäufe von Staatsanleihen fast fünf Billionen Euro19. 16
Der Kreditbegriff dieser Vorschrift wie überhaupt im volkswirtschaftlichen Zusammenhang ist in der Regel nicht auf Darlehen im Sinne des § 488 BGB begrenzt, sondern erfaßt alle Geldleistungen an den öffentlichen Sektor, die eine Rückzahlungspflicht mit sich bringen, insbesondere den Erwerb von Anleihen, so auch Helmut Siekmann, Kommentierung des Art. 109, in: M. Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 65 mit Hinweisen zu dieser streitigen Frage. 17 Joseph Stiglitz, The Price of Inequality: How Today’s Divided Society Endangers Our Future, Der Preis der Ungleichheit, Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht, aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt, 2012, S. 287; Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen, 2007, S. 218 ff. 18 Beschluß der Europäischen Zentralbank vom 20. Dezember 2010 über die Eröffnung von Konten zur Abwicklung von Zahlungen in Verbindung mit Darlehen der EFSF an Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (EZB/2010/31). 19 Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 57.
II. Maßnahmen der Staatsfinanzierung der EZB und des ESZB
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Mario Draghi hat am 26. Juli 2012 versprochen, „im Rahmen unseres Mandats alles Notwendige“ zu tun, um den Euro zu erhalten, „whatever it takes“20. Das führte zum Beschluß des EZB-Rates des OMT-Programms (Outright Monetary Transaction) vom 6. September 2012 und schließlich zum Beschluß des EZB-Rates des PSPP („Public Sector Purchase Programme) vom 4. März 2015 ((EU) 2015/774 sowie die hierauf folgenden Beschlüsse (EU) 2015/2101, (EU) 2015/2464, (EU) 2016/702 und (EU) 2017/100). Die Techniken dieser Programme sind weitgehend vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben. Die Ankäufe von Staatsanleihen dürfen nicht Mitgliedstaaten selektieren, sie müssen unangekündigt sein, ein nicht bekanntgegebenes, aber festgelegtes begrenztes Volumen haben, eine Mindestfrist nach der Emission abwarten, nur Staatsanleihen vom Mitgliedstaaten mit Marktzugang übernehmen und grundsätzlich vor Endfälligkeit wieder an den Markt zurückgegeben werden (BVerfGE 134, 366 ff., OMT-Vorlagebeschluß vom 14. Januar 2014, Ls. 1 a bb, Rnrn. 69, 73, 87, 150; BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 66, 181 ff., 199; vgl. auch den Vorlagebeschluß zum PSPP (quantitative easing) BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 18. Juli 2017 – 2 BvR 859/15 – Rnrn. 1 – 137, BVerfGE 146, 216 – 293) und begünstigen damit auch die Staaten der Eurozone, die der monetären Staatsfinanzierung nicht bedürfen, insbesondere Deutschland. Monatlich hat im Rahmen des PSPP die Bundesbank Anleihen deutscher Emittenten in einem Wert erworben, der 23,7 % des monatlichen Ankaufvolumens des PSPP entspricht (BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 85). Der Markt für Staatsanleihen des Bundes wie auch für andere Euromitglieder war 2017 erschöpft (BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 89). Für die Emittenten und die übrigen Marktteilnehmer besteht die sichere Erwartung, dass eine Anleihe von den Zentralbanken bis zur Ankaufsobergrenze erworben werden wird (BVerfGE 146, 216 ff., Rnrn. 91 f.). 2020 hat die EZB die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der CoronaPandemie, die zu erheblichen Konjunktureinbrüchen in vielen Branchen geführt hat und in diesen Unternehmen mit Insolvenz und Arbeitnehmer mit Arbeitslosigkeit bedroht hat, zum Anlaß genommen, das Pandemic Emergency Purchase Programme (Pandemie-Notfallankaufprogramm, PEPP) als geldpolitische Sondermaßnahme aufzulegen. Der EZB-Rat hat PEPP am 24. März 2020 beschlossen. Erklärtes Ziel von PEPP ist es, den Risiken für die geldpolitische Transmission und die Preisstabilität durch den außerordentlichen Rückgang wirtschaftlicher Aktivität im Euroraum infolge der Pandemie durch das Coronavirus (COVID-19) zu begegnen. Der wirkliche Zweck ist die Staatsfinanzierung21. Die EZB hatte das Pandemie-Not20
Dazu BVerfGE 134, 134 ff.; 146, 216 ff. und meine Verfassungsbeschwerde, vgl. die Hinweise in Fn. 9. 21 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Organklage der Fraktion der Alternative für Deutschland im Deutschen Bundestag vom 26. August 2020 gegen die Beschlüsse des Rates der Europäischen Zentralbank vom 24. März 2020 sowie vom 4. Juni 2020, 2 BvE 7/20, in denen das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) als Pandemie-Notfallankaufprogramm beschlossen bzw. erweitert wurde; Beschluss (EU) 2020/440 der Europäischen Zentralbank; Pressemitteilung der EZB vom 4. Juni 2020, Homepage KASchachtschneider.de unter Downloads; in der Organklage Näheres.
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
fallankaufprogramm (PEPP) im Umfang von 750 Mrd. Euro bereits am 18. März 2020 angekündigt. PEPP ist nach dem Beschluß vom 18. März 2020 ein temporäres Ankaufsprogramm in Höhe von 750 Mrd. EUR für Anleihen öffentlicher und privater Schuldner, wie sie bereits im Rahmen des Asset Purchase Programmes (APP) vom 22. Januar 2015 angekauft werden. Die Ankäufe im Rahmen des PEPP erfolgen zusätzlich zu und getrennt von den Ankäufen des APP, das am 12. März 2020 um 120 Mrd. EUR bis zum Jahresende 2020 aufgestockt wurde. PEPP-Ankäufe der Zentralbanken des ESZB wurden am 26. März 2020 begonnen und sollen in dem Maß erfolgen, in dem sie notwendig und verhältnismäßig sind. Vorgesehen war die temporäre Maßnahme zunächst solange, bis der Rat der EZB die COVID-19-Phase als abgeschlossen einschätzt, mindestens bis Ende des Jahres 2020. Wie bereits im APP führen auch im PEPP die nationalen Zentralbanken und die EZB die Ankäufe durch. Am 4. Juni 2020 hat der Rat der EZB beschlossen, das Volumen von PEPP um 600 Mrd. Euro auf insgesamt 1.350 Mrd. Euro zu erhöhen. PEPP soll nunmehr bis zum Ende der Corona-Krisenphase laufen – mindestens aber bis Ende Juni 2021 (Pressemitteilung der EZB vom 4. Juni 2020). Die Maßnahmen der EZB und der nationalen Zentralbanken haben die Geldmärkte besänftigt. Die Renditen der Staatsanleihen der insolvenzgefährdeten Staaten sind erheblich gesunken und die Kredite sind für diese Staaten finanzierbar geworden. Das hat die Euro-Rettungspolitik wesentlich erleichtert. Ob die EZB die nach Auffassung vieler Kritiker Inflationsgefahren bergende Politik abzubrechen gezwungen sein sollte, steht dahin. Relevante Investitionen in produktionsfördernde Infrastruktur hat diese außerordentliche Liquiditätserweiterung nicht angereizt22. Die Geschäftsbanken haben mit dem billigen Geld zur guten Hälfte teurere Schulden abgelöst. Die Wettbewerbsfähigkeit der weniger entwickelten oder unterentwickelten Volkswirtschaften wurde nicht merkbar gestärkt. Die fundamentale Schwäche der Währungsunion zwischen heterogenen Volkswirtschaften ist nicht behoben. Die Bundesbank hat sich gegen diese Maßnahmen vergeblich zu wehren versucht. Die Inflationsmentalität der lateinischen Staaten und Griechenlands hat sich gegen die Stabilitätskultur vor allem Deutschlands durchgesetzt, angesichts der Mehrheiten im ESZB und in der EZB nicht unerwartet, aber der Sache nach aus beachtenswerten Gründen.
2. Maßnahmen der EZB und des ESZB ultra vires Das Bundesverfassungsgericht hat den Schutz der Souveränität der Deutschen vor der Politik der Unionsorgane mehr und mehr relativiert. Im Beschluß vom 18. Juli 2017, BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 53, heißt es zur Integrationsverantwor22 Michael Hudson, Der Sektor. Warum die globale Finanzwirtschaft uns zerstört, Killing the Host. How Financial Parasites and Debt Bondage Destroy the Global Economy, aus dem Amerikanischen von Stephan Gebauer, Dorothee Merkel und Thorsten Schmidt, 2016, S. 12.
II. Maßnahmen der Staatsfinanzierung der EZB und des ESZB
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tung der Staatsorgane Deutschlands, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts selbst, gegenüber geldpolitischen Maßnahmen des ESZB und der EZB (quantitative easing): „Die Voraussetzungen für eine Ultra-vires-Kontrolle wurden in der Honeywell-Entscheidung aus 2010 (BVerfGE 126, 286 ) und im OMT-Urteil vom 21. Juni 2016 näher konturiert. Dort heißt es: bb) Eine solche Prüfung kommt – wegen der engen inhaltlichen Begrenzung des in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten „Rechts auf Demokratie“ – allerdings nur bei hinreichend qualifizierten Kompetenzüberschreitungen in Betracht. (…). „(1) Die Annahme eines Ultra-vires-Akts setzt – ohne Rücksicht auf den betroffenen Sachbereich – voraus, dass eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union offensichtlich außerhalb der übertragenen Kompetenzen liegt (…). Das ist der Fall, wenn sich die Kompetenz – bei Anwendung allgemeiner methodischer Standards (…) – unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen lässt (…). Dieses Verständnis von Offensichtlichkeit folgt aus dem Gebot, die Ultra-vires-Kontrolle zurückhaltend auszuüben (…). Bezogen auf den Gerichtshof der Europäischen Union folgt es zudem aus der Unterschiedlichkeit der Aufgaben und Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht einerseits und der Gerichtshof der Europäischen Union andererseits zu erfüllen oder anzuwenden haben. (…). Eine Grenze findet dieser mit der Aufgabenzuweisung des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV notwendig verbundene Spielraum erst bei einer offensichtlich schlechterdings nicht mehr nachvollziehbaren und daher objektiv willkürlichen Auslegung der Verträge. Erst wenn der Gerichtshof diese Grenze überschritte, wäre auch sein Handeln nicht mehr durch Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV gedeckt, fehlte seiner Entscheidung für Deutschland das gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG erforderliche Mindestmaß an demokratischer Legitimation. Die Annahme einer offensichtlichen Kompetenzüberschreitung setzt allerdings nicht voraus, dass keine unterschiedlichen Rechtsauffassungen zu dieser Frage vertreten werden. (…)“. Eine strukturell bedeutsame Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen (…) kann nur vorliegen, wenn die Kompetenzüberschreitung ein für das Demokratieprinzip und die Volkssouveränität erhebliches Gewicht besitzt. Das ist etwa der Fall, wenn sie geeignet ist, die kompetenziellen Grundlagen der Europäischen Union zu verschieben (…) und so das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zu unterlaufen. Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz durch das Organ, die Einrichtung oder sonstige Stelle der Europäischen Union eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (…), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (BVerfGE 142, 123 )“.
Diese Dogmatik hat das Bundesverfassungsgericht im Schlußurteil nach dem gegenläufigen Voraburteil des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 11. Dezember 2018 (Weiss u. a., C-493/17, EU:C:2018:1000)) in BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
5. Mai 2020, Rnrn. 110, 112, 113, näher Rnrn. 116 ff., 229 ff.23, weitgehend im gleichen Wortlaut wiederholt: „Die Voraussetzungen der Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht sind mittlerweile geklärt (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 –, Rn. 140 ff.). Ersichtlich ist ein Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur dann, wenn die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union die Grenzen ihrer Kompetenzen in einer das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung spezifisch verletzenden Art überschritten haben (Art. 23 Abs. 1 GG), der Kompetenzverstoß mit anderen Worten hinreichend qualifiziert ist. Das setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und innerhalb des Kompetenzgefüges zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen führt. Eine strukturell bedeutsame Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen liegt vor, wenn die Kompetenzüberschreitung im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt (vgl. BVerfGE 126, 286 ). Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz durch das Organ, die Einrichtung oder sonstige Stelle der Europäischen Union eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (vgl. EuGH, Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, EMRK-Beitritt, Slg. 1996, I-1783 ), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 –, Rn. 153)“. „Eine offenkundige Außerachtlassung der im europäischen Rechtsraum überkommenen Auslegungsmethoden oder allgemeiner, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Rechtsgrundsätze ist vom Mandat des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV nicht umfasst“. „,Offensichtlich‘ kann die Kompetenzüberschreitung auch dann sein, wenn ihre Annahme das Ergebnis einer sorgfältigen und detailliert begründeten Auslegung ist (vgl. BVerfGE 82, 316 ; 89, 243 ; 89, 291 ; 95, 1 ; 103, 332 ; 142, 123 ). Insoweit gelten im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle die allgemeinen Grundsätze (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 –, Rn. 152). Überschreitet der Gerichtshof diese Grenze, ist sein Handeln vom Mandat des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt, sodass seiner Entscheidung jedenfalls für Deutschland das gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG erforderliche Mindestmaß an demokratischer Legitimation fehlt (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 –, Rn. 151).“
Diese Ausführungen hat das Gericht wie schon in BVerfGE 129, 124 ff., Rnrn. 126 ff. zur Erläuterung der haushaltsrechtlichen Grenzen für die Übernahme der Schulden fremder Staaten aus dem demokratischen Prinzip gemacht, soweit diese Grenzen wegen Art. 20 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlich sind. Die Kontrollgrenzen, die das Gericht absteckt, „Offensichtlichkeit“ der Grenz23
Anlage 4.
II. Maßnahmen der Staatsfinanzierung der EZB und des ESZB
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überschreitung, „strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen“, „erheblich ins Gewicht fällt“, aber immer wieder „Einschätzungsspielraum“ des Parlaments (etwa BVerfGE 129, 124 ff., Rnrn. 131 f.; 142, 123 ff, Rnrn. 148 f., 174 ff., 197) und weitere allzuwenig bestimmte Rechtsbegriffe werden seit eh und je kritisiert, zu Recht. Sie sind zu weit. Das Gericht gibt der Politik zu viel Spielraum. 3. Nicht Währungs-, sondern unbefugte Wirtschaftspolitik Als Staatsfinanzierung brechen die Maßnahmen aus dem Ermächtigungsrahmen des ESZB aus, wenn sie Wirtschafts- und nicht Währungspolitik sind (anders mit Bedenken, dem EuGH folgend BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 177, 193 ff.; EuGH, 16. 06. 2015 – C-62/14, Rnrn. 43, 46 ff., 60, 63, 109; NJW 2015, 2013 ff.; jetzt aber souveränitätsbewußter BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 117 ff., 156 ff.), für die das ESZB und die EZB keine Befugnis haben (BVerfG 2 BvR 859/15, Rnrn. 117 ff., 156 ff.), wenn die Maßnahmen sich nicht als „Unterstützung des ESZB für die allgemeine Wirtschaftspolitik“ rechtfertigen lassen ( vgl. BVerfG 2 BvR 859/15, Rnrn. 163 f.). Sie verstoßen, wenn sie als vornehmlich Staatsfinanzierung Wirtschaftspolitik sind, gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (BVerfGE 89, 155 (181, 191 ff.); 123, 267 ff., Rnrn. 226, 234 ff., 262, 265, 272, 275, 298 ff., 300 ff., 326; BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 151, 180, 185, 201; BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 48; BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 119 ff., 156 ff., u. ö.)24. Die wirtschafts-, fiskal- und sozialpolitische Relevanz des Einsatzes währungspolitischer Instrumente (Art. 18.1 ESZB-Satzung, BVerfGE 146, 216 (284 ff., Rnrn. 115 ff.) im außerordentlich großem Umfang des PSPP (über zwei Billionen Euro und mittlerweile mehr als drei Jahren lang), die Staatsfinanzierung bezweckt, jedenfalls fraglos bewirkt (Rnrn. 170 ff.), hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 5. Mai 2020 (BVerfG 2 BvR 859/15, Rnrn. 124 ff., 143 ff., 156 ff., insb. 161 ff., 168 ff., 177) gemäß dem vom Europäischen Gerichtshof nicht vertragsgemäß beachteten kompetenzrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 EUV (Rnrn. 124 ff., 164 ff.) bestimmt, die Maßnahmen als Vertrags- und Verfassungsverletzung zu kritisieren. BVerfG 2 BvR 859/15, Rn. 135: „Wenn sich der Ankauf von Staatsanleihen durch das ESZB in der Sache als Gewährung von Finanzhilfen darstelle, handele es sich um eine der Europäischen Union untersagte Maßnahme der Wirtschaftspolitik (vgl. BVerfGE 146, 216 )“. 24 Karl Albrecht Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 71 ff.; ders., Souveränität, S. 501 ff.; richtig Hans-Werner Sinn, Richtungsweisendes Diktum. EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Pro, Handelsblatt, 22./23./24. Mai 2020, Nr. 98, S. 64; Kontra, Marcel Fratzscher, daselbst, der von dem demokratischen Prinzip der begrenzten Ermächtigung und der Souveränität der Mitgliedstaaten der EU nichts weiß oder besser nichts wissen will und besorgt, daß ohne die Staatsfinanzierung durch die EZB der Euro scheitern wird, richtig, aber zu Recht.
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
Seit der Präsidentschaft von Christine Lagarde befleißigt sich die EZB auch der Klimapolitik. Die Zentralbanken sollen und wollen künftig ihre Geschäfte – einschließlich der Anleihekäufe – daraufhin prüfen, „ob sie den Klimawandel bekämpfen. Denn am Ende des Tages entscheide das Geld“ (Financial Times vom 8. Juli 2020, Lagarde puts green policy top of agenda in ECB bond buying). Bereits die Ankündigung dieser ,grünen‘ Politik ist Einmischung in die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. Der Ankauf von Anleihen würde nicht mehr wesentlich Preisstabilität verfolgen, sondern entgegen der gebotenen Marktneutralität der Geldpolitik (Jens Weidmann)25 gewönne ein ökologischer Zweck, der der Mäßigung des Klimawandels, relevantes Gewicht. Die EZB ermächtigt sich allgemein zur Politik. Schließlich verfügt sie über das wirksamste Instrument der Politik, das Geld. Nur befugt ist sie nur zu einer Geldpolitik der Preisstabilität. Sie hat für andere Politiken allenfalls die Legitimation zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Union. In den Leitsätzen 6 a bis c und 7 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts im Urteil von 5. Mai 2020 (BVerfG 2 BvR 859/15 u. a.) ausgeführt: „(6) a) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten und die damit verbundene wertende Gesamtbetrachtung besitzen ein für das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Volkssouveränität erhebliches Gewicht. Ihre Missachtung ist geeignet, die kompetenziellen Grundlagen der Europäischen Union zu verschieben und das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zu unterlaufen. (158) b) Die Verhältnismäßigkeit eines Programms zum Ankauf von Staatsanleihen setzt neben seiner Eignung zur Erreichung des angestrebten Ziels und seiner Erforderlichkeit voraus, dass das währungspolitische Ziel und die wirtschaftspolitischen Auswirkungen benannt, gewichtet und gegeneinander abgewogen werden. Die unbedingte Verfolgung des währungspolitischen Ziels unter Ausblendung der mit dem Programm verbundenen wirtschaftspolitischen Auswirkungen missachtet offensichtlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 EUV. (165) c) Dass das Europäische System der Zentralbanken keine Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben darf, schließt es nicht aus, unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 EUV die Auswirkungen zu erfassen, die ein Ankaufprogramm für Staatsanleihen etwa für die Staatsverschuldung, Sparguthaben, Altersvorsorge, Immobilienpreise, das Überleben wirtschaftlich nicht überlebensfähiger Unternehmen hat, und sie – im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung – zu dem angestrebten und erreichbaren währungspolitischen Ziel in Beziehung zu setzen. (139) 7.
Ob ein Programm wie das PSPP eine offenkundige Umgehung von Art. 123 Abs. 1 AEUV darstellt, entscheidet sich jedoch nicht an der Einhaltung eines einzelnen Kriteriums, sondern nur auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung. Vor
25 CDU-Wirtschaftsrat. Klimaschutz ist nicht Sache der EZB. Der Verband kritisiert Pläne der Zentralbank, grüne Bonds bei Anleihekäufen zu bevorzugen, Handelsblatt, 6. August 2020, S. 33.
II. Maßnahmen der Staatsfinanzierung der EZB und des ESZB
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allem die Ankaufobergrenze von 33 % und die Verteilung der Ankäufe nach dem Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank verhindern, dass unter dem PSPP selektive Maßnahmen zugunsten einzelner Mitgliedstaaten getroffen werden und dass das Eurosystem zum Mehrheitsgläubiger eines Mitgliedstaats wird. (217)“.
Die „wertende Gesamtbetrachtung“ zur Feststellung der Verhältnismäßigkeit einer geldpolitischen Maßnahme ist Sache der EZB, die das Bundesverfassungsgericht auch der EZB wegen der ihr zugestandenen Sachkompetenz als auch wegen der ihr gerade wegen dieser Sachkompetenz eingeräumten Unabhängigkeit lassen muß und auch läßt. Nur die Mißachtung des Rechts, zu dem freilich auch die Grenzen der Befugnisse der EZB gehören, kann Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV zum Europäischen Gerichtshof oder wegen des Ultra-vires-Verbots Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten vor den nationalen Gerichten sein und sind es in Deutschland vor dem Bundesverfassungsgericht. Darum kann das Bundesverfassungsgericht lediglich eine tragfähige Begründung der Maßnahmen durchsetzen, nicht aber eine richtige Begründung. Das wird in diesen Tagen (Juni und Juli 2020) gerade am Beispiel PSPP exerziert. Der Vorwurf der Kompetenzanmaßung und der Verletzung des Prinzips der begrenzten Ermächtigung im Urteil vom 5. Mai 2020 ((BVerfG 2 BvR 859/15 u. a.) wird durch eine Darlegung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme PSPP durch die EZB leerlaufen. Die hohe Komplexität der Geldpolitik, deren Aufgabe die Preisstabilität ist, mit sehr ungewissen Parametern hat der Präsident der Notenbank Finnlands, der frühere Unionskommissar für die Wirtschaftsund Währungspolitik, Olli Rehn, am 2. Juli 2020 in einem Interview mit dem Handelsblatt (Nr. 125, S. 32) vor Augen geführt. Es ist schwer, sachgerechte Geldpolitik von dem Mißbrauch des geldpolitischen Mandats für die Wirtschaftspolitik, näherhin die Staatsfinanzierung, zu unterscheiden. Allenfalls offensichtliche Eingriffe in die Wirtschaftspolitik erkennbar ohne geldpolitische Zwecke können den Mißbrauchsvorwurf rechtfertigen. Mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Deutsche Bundestag auf Grund eines Antrages vom 30. Juni 2020 am 2. Juli 2020 den vom Bundesverfassungsgericht verlangten Darlegungen der EZB zur Verhältnismäßigkeit des PSPP mehrheitlich zugestimmt. Die Darlegungen waren so mit Informationen überlastet, daß sie kaum ein Abgeordneter in der sehr knappen Zeit, die dafür zur Verfügung stand, gelesen, geschweige denn verstanden haben dürfte. Der Kardinalfehler des Euro als einheitlicher Währung ist seine Existenz ohne optimalen Währungsraum. Die monetäre Staatsfinanzierung ist geradezu unausweichlich, weil die volkswirtschaftlich schwächeren Mitglieder des Euro-Verbundes durch die Währungsunion an der Abwertung ihrer Währung gehindert sind und dadurch nicht ausgleichbare Wettbewerbsnachteile haben. Der Ausgleich kann am Binnenmarkt und erst recht am globalen Markt nicht erreicht werden. Folglich muß er anders gefunden werden, durch ,Rettungsschirme‘ oder „Wiederaufbaufonds“ als Maßnahmen des Finanzausgleichs oder eben mittels der verbotenen Finanzierung durch die Zentralbanken.
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
Ich denke, das unvermeidliche Scheitern der Währungsunion war jedem klar26, wurde aber als nützlich für die zumindest faktische Integration der EU zu einem Staat hingenommen. Die einheitliche Währung heterogener Volkswirtschaften zwingt, wenn das geradezu geheiligte Projekt „Europa“ nicht aufgegeben werden soll, zur offenen oder verdeckten Schaffung eines Bundesstaates der Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes mit einer Wirtschafs- Währungs- und vor allem Sozialunion. Nicht ganz unbegründet spricht Frank Wiebe im Handelsblatt vom 1. Juli 2020 (Nr. 124, S. 26) von einer „schlechten Komödie“ der Verfassungsprozesse gegen die Maßnahmen der EZB zur monetären Staatsfinanzierung, in der das Bundesverfassungsgericht auf die Verhältnismäßigkeit der Geldpolitik der EZB abstelle. „Aus dem Drama wird eine Farce“, meint er. Der Erfolg der Beschwerdeführer vom 5. Mai 2020 im Verfahren BVerfG 2 BvR 859/15 u. a. (PSPP) ist der Musterfall eines Pyrrhussieges, weil das Bundesverfassungsgericht den Weg zu jedweder Staatsfinanzierung geebnet hat, wenn nur die wirtschaftspolitische Verhältnismäßigkeit der geldpolitischen Maßnahme von der EZB einigermaßen plausibel dargelegt wird. Das kann die durchaus kompetente Zentralbank. Den offensichtlichen Verstoß gegen das Verbot des Art. 123 AEUV, unmittelbar Schuldtitel der öffentlichen Einrichtungen zu erwerben, hat das Bundesverfassungsgericht freilich nicht endgültig festgestellt. Es hatte der EZB noch bis zum 4. August 2020 Gelegenheit gegeben, die Verhältnismäßigkeit des PSPP als Maßnahme der Geldpolitik trotz deren unbestreitbaren Auswirkung auf die Wirtschaftspolitik darzulegen (Rnrn. 180 ff.). Die Maßnahmen waren und sind realwirtschaftlich durch die Notwendigkeit der Schuldenfinanzierung hilfsbedürftiger Staaten veranlaßt, freilich zu Lasten aller Bürger der Union. Die EZB hat seit Beginn ihrer Eurorettungspolitik Anleihen im Umfang von 3.360 Bill. Euro angekauft, ohne daß diese Maßnahmen die Inflation nennenswert beeinflußt hätten. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, meint, die Globalisierung und Digitalisierung versteht man nicht zu berücksichtigen27. Das Bundesverfassungsgericht weist in BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 137 (auch Rn. 166) explizit darauf hin, daß die geldpolitische Wirkung der Ankäufe von Staatsanleihen in jüngerer Zeit bestritten wird, auch durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts: „Jüngere ökonomische Studien sprechen der Emission niedrig verzinster Staatsanleihen eine geldpolitische Wirkung ab (vgl. Heinemann, Die Bedeutung der EZB-Anleihekäufe für die Schuldenfinanzierung der Euro-Staaten, Oktober 2017, S. 7 f.; Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands, 3 Jahre EZB Wertpapierankäufe, S. 38 ff. ; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2017/2018, Dezember 2017, S. 167; Sachverständigenrat zur Begutach26 Wilhelm Hankel/Wilhelm Nölling/Karl Albrecht Schachtschneider/Joachim Starbatty, Die Euro-Klage. Warum die Währungsunion scheitern muß, 1998; Wilhelm Hankel/Wilhelm Nölling/Karl Albrecht Schachtschneider/Joachim Starbatty, Die Euro-Illusion. Ist Europa noch zu retten? 2001. 27 Die EZB und der Elfenbeinturm, Handelsblatt Nr. 168 vom 1. September 2020, S. 48.
II. Maßnahmen der Staatsfinanzierung der EZB und des ESZB
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tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2018/2019, Dezember 2018, S. 182)“.
Folglich ist oder wäre der Zweck der Ankäufe der Staatsanleihen, jedenfalls in Zeiten der Niedrigzinspolitik, ausschließlich oder wesentlich die Staatsfinanzierung. Das geringe Vertrauen in die Preisstabilität und die in den lateinischen Staaten geradezu eingeübte Erwartung inflationärer Entwicklungen sind der recht fruchtbare Nährboden von Inflationen. Der Immobilienmarkt, der Markt von Gold und Silber, aber auch der Aktienmarkt zeigen das deutlich. Wird diese Erwartung durchbrochen, sind die ,Gewinne‘ der inflationären Phase schnell verloren. Es versteht sich, daß die Preisentwicklung dieser Märkte nach Kräften manipuliert wird. Vielleicht ist das propagierte Bemühen der EZB, eine leichte Inflation (annähernd 2 %) herbeizuführen, dem die Geldmengenerweiterungen vorgeblich, aber erfolglos dienen soll, das gekonnte Instrument, Inflationserwartungen von vornherein zu ersticken. Es ist schwer vorstellbar, daß die EZB nicht weiß, daß die Geldmengenerweiterung als solche keine Inflationswirkung hat und gerade deswegen geeignet ist, die Staaten zu finanzieren. Psychologie der Massen ist ein unverzichtbares Werkzeug der Geldpolitik wie überhaupt der Markwirtschaft, deren wichtigstes Instrument die Werbung ist, die wenig mit Wahrheit zu tun hat. Wirtschafts- und Währungspolitik lassen sich nicht trennen. Das gelingt auch dem Bundesverfassungsgericht nicht (BVerfGE 146, 216 ff., Rnrn. 100 ff., 114 ff., 119 ff.; BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 117 ff., 161 ff.). Jede Währungsmaßnahme ist Wirtschaftspolitik (in diesem Sinne zum Beschluss (EU) 2015/774 der Europäischen Zentralbank EuGH Urt. v. 11. 12. 2018, Az. C-493/17, Rnrn. 50 bis 70, insb. Rn. 60). Jede Wirtschaftsmaßnahme hat Wirkung auf die Währung. Die ausschließliche Zuständigkeit der EU für die „Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist“ (Art. 3 Abs. 1 lit. c AEUV), ohne allgemeine Zuständigkeit für die Wirtschaftspolitik steht im Widerspruch zum Prinzip der wirtschaftlichen Stabilität. Die kompromißhafte Zuständigkeitsordnung der EU ist mit dem Bestimmtheitsprinzip und damit mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung schwerlich vereinbar. Aber das ist das Dilemma des unvollkommenen Staates, der die EU funktional ist. Die EU ist, weil die Souveränität der Völker nicht ohne deren Zustimmung beseitigt werden konnte, geradezu unausweichlich eine Art failed state, zum Schaden aller Mitgliedstaaten. Der Europäische Gerichtshof beseitigt Schritt für Schritt die strukturellen Defizite der EU. Das ist für den Bestand der EU notwendig, aber eben ein langgezogener Umsturz in Richtung eines zentralistischen Unionsstaates gegen die Souveränität der Bürger und Völker, ein Mißbrauch der Aufgabe und Befugnis dieses ,Gerichts‘ ohne jede demokratische Legalität28, die „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge zu sichern“ (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV). Wirtschafts-, Währungs- und Sozialpolitik müssen in der Hand eines für die gesamte Politik verantwortlichen Staates 28 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 484 ff.; ders., Die nationale Option, S. 248 ff.
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sein. Diese Staaten können nur die Einzelstaaten sein. Ohne die politische Union kann die Wirtschafts- und Währungsunion keinen Bestand haben. Das war immer klar. Einem vollkommenen Unionsstaat stehen unüberwindliche Hindernisse im Weg, nämlich der Wille der Völker, ihre nationalen Staaten und damit die Möglichkeit freiheitlicher demokratischer Lebensverhältnisse beizubehalten. Die Staatsfinanzierungspolitik des ESZB und der EZB wird vom Europäischen Gerichtshof mit bestimmten Kautelen, die sicherstellen sollen, daß die Maßnahmen Preispolitik bleiben und die Wirtschaftspolitik der EU nur unterstützen, gerechtfertigt (EuGH, 16. 06. 2015 – C-62/14, Rnrn. 43, 46 ff., 60, 63, 109, NJW 2015, 2013 ff.; vgl. auch EuGH Urt. v. 11. 12. 2018, Az. C-493/17, Rnrn. 50 ff., Währungspolitik), nachdem das Bundesverfassungsgericht sie als Unrecht erkannt hatte (BVerfGE 134, 366 ff., OMT-Vorlagebeschluß vom 14. Januar 2014; auch noch BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 198 ff., dazu Anhang 1; auch BVerfGE 146, 216 ff., Rnrn. 78 ff.; a. A. EuGH Urt. v. 11. 12. 2018, Az. C-493/17). Der Europäische Gerichtshof entbehrt, als Einrichtung der EU unvermeidlich, der demokratischen Legitimation und darum seine Judikate der rechtlichen Legalität. Er ist ein Machtorgan der EU, das mit der Souveränität der Völker unvereinbar ist29. Die Gerichte eines Volkes souveräner Bürger müssen das letzte Wort über die Rechtlichkeit der Ausübung der Staatsgewalt des Volkes haben. Die EU ist kein Staat und hat kein Volk. Sie ist ein völkerrechtlicher Verbund von Staaten souveräner Völker (BVerfGE 89, 155 (182, 186, 188 ff.); 123, 267 ff., Rnrn. 229, 233, 294; 142, 123 ff., 140), dessen Judikate der Rechtsklärung dienen, aber keine Verbindlichkeit beanspruchen können. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Nur der Staat eines Volkes übt die Gewalt aus, die den Rechtsentscheidungen Verbindlichkeit verschafft. Rechtsdogmatische Dignität können die Judikate des Europäischen Gerichtshofes nicht beanspruchen, auch wegen der Auswahl und Ernennung der Richter durch die Regierungen der Mitgliedstaaten nicht, den wirkungsstärksten Gefährdern des Rechts.
III. Übernahme von Staatsanleihen am Sekundärmarkt Die Zentralbanken kaufen am Sekundärmarkt Staatsanleihen nicht nur der Mitglieder des Euroverbundes, welche sie überfordernden Zinssätzen des Marktes ausgesetzt sind, oder akzeptieren solche Staatsanleihen als Sicherheiten für Kredite zu äußerst günstigen Zinsen, obwohl die Staatsanleihen auch als Sicherheiten so gut wie wertlos sind und am Markt als Schrottpapiere gelten. Sie übernehmen wegen des Verdikts des Bundesverfassungsgerichts gegen die Selektivität dieser Käufe der Staatsanleihen seit 2016 auch Staatspapiere aller Mitglieder des Eurosystems nach dem Schlüssel für die Kapitalzeichnung der EZB gemäß Art. 29 ESZB-Satzung, wenn die Staatsanleihen eine Mindestbonität haben (BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 83; vgl. auch BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 203, 209, 207 f.). Das ist mit den Aufgaben von ESZB und EZB, die nach Art. 127 Abs. 1 29
Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 484 ff.
III. Übernahme von Staatsanleihen am Sekundärmarkt
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AEUV primär die Preisstabilität zu gewährleisten und nur sekundär „die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union zu unterstützen haben, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist“, nach fast allgemeiner Meinung unvereinbar. Weder würde, meint man, diese Finanzierung notleidender Staatshaushalte die Preisstabilität gewährleisteten und damit Währungspolitik sein (BVerfGE 146, 216 ff., Rnrn. 108 ff.) noch Haushaltsfinanzierung durch das ESZB und die EZB die „allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union“ (Art. 127 Abs. 1 S. 2 AEUV) unterstützen (BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 113). Richtig ist: Die monetäre Staatsfinanzierung ist vertragswidrig, unabhängig davon, ob sie durch unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln des öffentlichen Sektors erfolgt (Art. 123 Abs. 1 AEUV) oder durch mittelbaren Erwerb von den Geschäftsbanken oder anderen Erwerbern der Schuldtitel. Die Mitgliedstaaten sind durch Art. 126 AEUV verpflichtet, eine Haushaltsdisziplin zu wahren, welche sie nicht in derartige Finanzierungsschwierigkeiten bringt. Sie müssen „übermäßige öffentliche Defizite vermeiden“ (Absatz 1). Die Kriterien der Haushaltsdisziplin sind gemäß dem zu B I zitierten Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit ein „geplantes oder tatsächliches öffentlichen Defizit“ von grundsätzlich nicht mehr als 3 % „im Verhältnis zum BIP“ und ein „öffentlicher Schuldenstand im Verhältnis zum BIP“ von grundsätzlich nicht mehr als 60 % (Absatz 2). Vertragswidrige Maßnahmen der ESZB und der EZB können nicht der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Union entsprechen. Auch dieser Begriff ist ein Rechtsbegriff, der sich in das System des Vertrages und der vertragsmäßigen Währungspolitik einfügen muß und sich nicht unter vermeintliche oder auch wirkliche Haushaltsnöte von Mitgliedstaaten beugen läßt. Auch die mittelbare Staatsfinanzierung verletzt das Staatsfinanzierungsverbot des Art. 123 Abs. 1 AEUV (BVerfGE 134, 366 ff., Rnrn. 84 ff., 92; EuGH, 16. 06. 2015 – C-62/14, Rnrn. 42, 93 ff, 101 ff., 121 (nicht, wenn sie im Wesentlichen Währungspolitik ist), NJW 2015, 2013 ff.; akzeptiert von BVerfGE 142, 123 ff., Rn. 198, im OMT-Schlußurteil; vgl. auch kritisch zum PSPP BVerfGE 146, 216 ff., Rnrn. 63 ff., 78 ff., 100 ff.; richtig jetzt BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 116 ff., 133 ff., 180 ff, 196 ff. (aber noch keine „offensichtliche Umgehung durch PSPP von Art. 123 AEUV, wenn Kriterien des Europäischen Gerichtshofes eingehalten werden, Rnrn. 213 ff.); a. A. EuGH Urt. v. 11. 12. 2018, Az. C-493/17). Die unmittelbare Staatsfinanzierung und der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln sind der EZB wie auch den nationalen Zentralbanken durch Art. 123 Abs. 1 AEUV explizit verboten. Der mittelbare Erwerb der Staatsanleihen über die Geschäftsbanken, die die Mitgliedstaaten der EU unmittelbar kreditieren, erfüllt den gleichen verbotenen Zweck, nämlich die Staatsfinanzierung, jedenfalls wenn die unmittelbaren Erwerber der Anleihen hinreichende „Gewissheit“ haben können, das die EZB oder eine der nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten der EU ihnen die Staatsanleihen abkaufen werden (BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 180 ff., 200 ff.). Die Kriterien, die nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (OMT-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juni 2015,
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
Gauweiler, C-62/14, EU:C:2015:400) und folgend des Bundesverfassungsgerichts (OMT-Schlußurteils BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 197 ff.) die Gewißheit ausschließen sollen, daß die Zentralbanken die Anleihen erwerben werden, überzeugen nicht. Es sind die Folgenden (Randnummern des Urteils des Europäischen Gerichtshofs): a) Ankäufe dürfen nicht angekündigt werden (Rn. 106). b) Das Volumen der Ankäufe ist zu begrenzen (Rn. 106). c) Zwischen der Emission eines Schuldtitels und seinem Ankauf durch das ESZB muss eine im Voraus festgelegte Mindestfrist liegen, die verhindert, dass die Emissionsbedingungen verfälscht werden (Rn. 106 f.). d) Es dürfen nur Schuldtitel von Mitgliedstaaten erworben werden, die einen ihre Finanzierung ermöglichenden Zugang zum Anleihemarkt haben (Rnrn. 116 und 119). e) Erworbene Schuldtitel dürfen nur ausnahmsweise bis zur Endfälligkeit gehalten werden (Rnrn. 117 f.). f) Ankäufe müssen begrenzt oder eingestellt, erworbene Schuldtitel müssen wieder dem Markt zugeführt werden, wenn eine Fortsetzung der Intervention oder ein weiteres Halten der Schuldtitel zur Verwirklichung der geldpolitischen Ziele nicht erforderlich ist (Rnrn. 112 ff., 117 ff.).
Das Verbot einer Maßnahme umfaßt auch die Umgehung des Verbotes. Schon deshalb ist der mittelbare Erwerb von Schuldtiteln des öffentlichen Sektors der EZB und den nationalen Zentralbanken untersagt. Sie können diese Umgehung nicht mit ihrer Befugnis, Offenmarktgeschäfte gemäß Art. 18 der Satzung des ESZB für ihre Geldpolitik einzusetzen, rechtfertigen. Der Erwerb von Schuldtiteln des öffentlichen Sektors ist Staatsfinanzierung, jedenfalls wenn die Zentralbanken, wie regelmäßig, die Staatsanleihen bis zur Endfälligkeit halten30. Der Beschluß vom 24. März 2020 über das Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP enthält erst gar keine Regelung, daß die Zentralbanken die Staatsanleihen nicht bis zur Endfälligkeit halten dürfen. Es ist davon auszugehen, daß die EZB und die nationalen Zentralbanken die Schuldtitel nicht vor der Endfälligkeit verkaufen. Der Grund dürfte sein, daß die Schuldtitel, zumal die Staatsanleihen, wegen der geringen Schuldentragfähigkeit der meisten Euro-Staaten allenfalls eine sehr geringe Marktfähigkeit haben. Die Kriterien, die die Ungewißheit des Erwerbs der Staatsanleihen durch die EZB und die nationalen Zentralbanken gewährleisten sollen, bleiben im Rahmen der PEPP-Maßnahmen, immerhin ein Volumen von 1,35 Billionen Euro, ohnehin durchgehend unberücksichtigt31. Die Erweiterung der Geldmenge durch den Kauf der Staatsanleihen versuchen das ESZB und die EZB in gewissen Grenzen durch Offenmarktgeschäfte, insbesondere Aufnahme von Krediten am Geldmarkt zu „sterilisieren“, um der Inflationsgefahr entgegenzuwirken, die mit der Geldmengenerweiterung verbunden sein kann und 30 Dazu näher die Organklage gegen PEPP vom 26. August 2020 (2 BvE 7/20), D II 2, S. 35 ff., IV, S. 62 ff. 31 Ebenda, D V 1, S. 69 ff.
III. Übernahme von Staatsanleihen am Sekundärmarkt
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deren Folge am Vermögensmarkt wegen der Knappheit der Immobilien und hinreichend sicherer Assets längst ist und am Gütermarkt sein wird, wenn Warenknappheiten hinzukommen (Handelsblatt Nr. 50, 9./10./11. März 2012, S. 32). Diese Geldpolitik ist mit den neoliberalen Stabilitätstheorien einer soliden Stabilitäts- und Finanzpolitik monetaristischer Art keinesfalls vereinbar. Aber ist eine neoliberale Finanzpolitik überhaupt geboten? Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt: „Der Erfolg des Dogmas der soliden Finanzpolitik ist darauf zurückzuführen, dass die Bevölkerung der neoliberalen Erzählung glaubt, dass die Verschuldung eines Staates mit der von Akteuren des Privatsektors vergleichbar ist. Wie wir […] dargelegt haben, führt diese Gleichsetzung auf einen äußerst gefährlichen Holzweg. Der Staat nämlich kann in beliebiger Menge Geld aus dem Nichts erschaffen. Und da er das kann, ist es auch gänzlich unmöglich, dass er in seiner eigenen Währung jemals in Zahlungsschwierigkeiten gerät“32.
Die Geschäftsbanken sollten und sollen mit den Krediten der Zentralbanken Staatsanleihen erwerben und haben das getan. Zum Teil haben sie das billige Geld auch für andere Geschäfte genutzt. Insbesondere haben sie die Kredite, die sie fast nichts kosten, eingesetzt, um selbst Kredite mit Zinsgewinn auszureichen. Die Maßnahmen des ESZB und der EZB erscheinen als klassische Inflationspolitik, sind das aber nur, wenn wegen der Knappheit der Leistungsangebote für deren Abnahme übermäßige Kosten, vom Staat oder von Privaten, aufgewandt werden (müssen)33. Die monetären Maßnahmen sind aber als unmittelbare oder mittelbare Staatsfinanzierung wegen Verstoßes gegen Art. 123 Abs. 1 AEUV vertragswidrig (schon BVerfGE 89, 155 ff., Rn. 147; 142, 123 ff., Rnrn. 198 ff. (Anhang 1); zuletzt BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 179 ff.; selbst EuGH, 16. 06. 2015 – C62/14, Rnrn. 86, 98 ff., 102), auch wegen Verstoßes gegen das neoliberal konzipierte Stabilitätsprinzip, und jedenfalls in Deutschland verfassungswidrig. Ein Prinzip wirtschaftlicher Stabilität folgt nicht nur aus Art. 14 Abs. 1 GG, der Eigentumsgewährleistung, sondern auch aus Art. 88 GG, der die Bundesbank und die EZB „dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität“ verpflichtet, sowie und vor allem aus dem Sozial(staats)prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG, weil nur stabiles Geld eine stabile Wirtschaft garantiert und damit den Lebensstandard im Lande zu sichern wesentlich ist (vgl. BVerfGE 89, 155 (200 ff.)34. Die Frage ist nur, was unter Geldwertstabilität ökonomisch zu verstehen ist. Ist der Begriff neoliberal oder in einem modernen Keynesianismus zu verstehen?
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Gescheiterte Globalisierung, S. 351. Günther Grunert, Sollte sich die Linke von MMT distanzieren? Debatte 9. Mai 2019, Netz, S. 5 f. 34 Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftliche Stabilität als Rechtsprinzip, in: W. Hankel/W. Nölling/ders./J. Starbatty, Die Euro-Illusion. Ist Europa noch zu retten? 2001, S. 314 ff. 33
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
IV. TARGET 2-System 1. Monetäre Finanzierung mittels dem TARGET 2-System Weiterhin hat das wenig durchsichtige System des TARGET 2 (Trans-European Automated Realtime Gross Settlement Express Transfer) der ESZB, in dem der Zahlungsverkehr unter den Mitgliedern des Euroverbundes verrechnet wird, nach den Analysen von Hans-Werner Sinn und Timo Wollmershäuser sowie des Münchener IFO-Instituts insgesamt35„Forderungen“ der Bundesbank gegen die EZB im Juni 2020 von gut einer Billion (1020 Mrd.) Euro seit der Finanzmarktkrise 2007 hervorgebracht, über 50 Prozent ihrer Bilanzsumme. Diese sind aus dem Ungleichgewicht der Zahlungsströme wegen der Exportstärke vor allem Deutschlands und der Exportschwäche der peripheren Euro-Staaten mit den schwächeren Volkswirtschaften, aber auch wegen der Kapitalflucht (des Geldes und der Arbeitskräfte, dem ,Humankapital‘)36 aus den insolvenzgefährdeten Staaten vor allem im Süden Europas entstanden. Die größten Target-Schuldner sind nach den Zahlen der Bundesbank die italienische und die spanische Notenbank mit mehr als 520 Mrd. bzw. 460 Mrd. Euro im Juni 2020. Während die Zentralbanken der Euro-Staaten der Peripherie dem Importüberschuß gemäße große Kreditmengen von den Zentralbanken geschöpften Geldes, zudem gegen unzureichende Sicherheiten, ausgereicht haben, hat die Bundesbank entsprechend geringe Kreditierungen vornehmen müssen oder nur können, weil die Geldmengen wegen der Exportüberschüsse vor allem Deutschlands, aber auch wegen der Kapitalflucht vornehmlich nach Deutschland dessen Unternehmen und Banken und damit in dem TARGET-System der Bundesbank zugeflossen sind. Deutschland war somit auf Kreditierungen mit Zentralbankgeld nicht oder weniger angewiesen. „Die in den Bilanzen der EZB dargestellten Salden messen deshalb die seit der Einführung des Euro entstandenen und mit Zins und Zinseszins aufsummierten Zahlungsbilanzdefizite und Zahlungsbilanzüberschüsse bzw. Geldabflüsse und Geldzuflüsse zwischen den Euroländern“ (Working Paper Nr. 105, S. 15). Möglich sei die monetäre Finanzierung nach den Erkenntnissen Sinns und Wollmershäusers angesichts der an sich knappen Geldbasis nur durch eine „riesige“ Kreditausgabe der Zentralbanken der exportschwachen Euroländer an deren Geschäftsbanken (S. 16). Neun Zehntel des kreditgeschöpften Zentralbankgeldes bleibe nicht im Inland, sondern laufe im Ausland um (S. 17 f.). Die TARGET-Konten würden neben der primären Geldbasis, die vor allem aus der Geldschöpfung der jeweils eigenen Zentralbank stammen, eine sekundäre Geldbasis in den exportstarken Euroländern, insbesondere Deutschland, schaffen, die aus der Geldschöp35
Hans-Werner Sinn/Timo Wollmershäuser, Target-Kredite, Leistungsbilanzsalden und Kapitalverkehr: Der Rettungsschirm der EZB, Ifo Working Paper Nr. 105 vom 24. Juni 2011, ifo-Website www.cesifo-group.de. 36 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 228, mit Arbeitslosigkeit verbunden, S. 228 ff., „Arbeit schafft Kapital, nicht umgekehrt“, der S. 245 ff. für eine „Gleichstellung von Kapital und Arbeit“ plädiert.
IV. TARGET 2-System
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fung der Zentralbanken der exportschwachen Euroländer herrühre (S. 18). Der Kapitalexport von den Kernländern des Euroraums in die Länder der Peripherie, der in der Krise an die Stelle des versiegenden privaten Kapitalexports getreten sei, sei durch das EZB-System erzwungen (S. 27). Die EZB habe diese Entwicklung durch die drastische Absenkung des Hauptrefinanzierungszinssatzes auf 1 % (inzwischen 0 % oder negativ), durch Vollzuteilung im beliebigen Umfang und ebenso drastische Senkung der Anforderungen an die Sicherheiten gefördert (S. 19). Weil diese niemals von den TARGET- Schuldnern beglichen werden können, seien (und sind) das Finanzierungen der Schuldnerstaaten. Der Eindruck, daß die Bundesbank zu einer riesigen Außenhandelsbank geworden sei, die den deutschen Export in die europäische Peripherie finanziert habe, lasse sich angesichts dieser Zahlen nicht ganz von der Hand weisen. Letztlich sei ein erheblicher Teil des gesamten Exportüberschusses der letzten drei Jahre (inzwischen bereits 12 Jahre) mit neu gedrucktem Geld bezahlt worden, für das sich die Länder der Peripherie bei der Europäischen Zentralbank zu Lasten, aber auch mit Billigung der Bundesbank die Druckerlaubnis geholt hätten. Der Zins für den Kredit lag bei nur 1 % (gegenwärtig weniger). Weil er unter dem Marktzins und unter der Inflationsrate lag, könne man diesen Kredit auch als eine implizite Exportsubvention begreifen (S. 39). Das ESZB habe bis Mitte 2011, errechnen Sinn und Wollmershäuser, 88 % der Leistungsbilanzdefizite finanziert (S. 43), nach der Leistungsbilanzstatistik der Bundesbank 72 % bis 2018. Den peripheren Euro-Staaten werden, durch das TARGET 2-System ermöglicht, Geldmengen und damit Kaufkraft zur Verfügung gestellt, die sie sonst, etwa durch Kreditaufnahme am Markt, nicht hätten, weil die Kredite zu teuer wären. Sinn und Wollmershäuser sprechen zu Recht davon, daß „de facto ein gewaltiger Bail-out stattfand, eine fiskalische Kreditgewährung, die im Kern keine Geldpolitik mehr ist“ (S. 2). Sie messen der TARGET-Saldierung die gleiche ökonomische Wirkung zu wie (kurzfristigen) Euro-Bonds (S. 33 f., auch S. 42, 46). Die Unausgeglichenheit der TARGET-Salden sei wegen der Überschuldung der Peripheriestaaten des Euroverbundes im Zahlungssystem der ESZB unausweichlich. Demgemäß habe das Parlament der ,Gläubiger‘ auf diese ,Schulden‘ keinen Einfluß. Jedenfalls würden ohne das TARGET 2- System die Exportdefizite der Schuldnerstaaten nicht finanzierbar sein. Deren Währung oder deren Löhne und Gehälter müßten im Exportinteresse drastisch abgewertet bzw. gesenkt werden37. Äußere Abwertung läßt die einheitliche Währung nicht und innere Abwertung das politische System nur in engen Grenzen zu. Folglich wäre die Kreditfähigkeit der insolvenzgefährdeten Euro-Staaten schnell an ihre Grenzen gestoßen. Das TARGET 2-System ermöglicht die Finanzierung der exportschwachen Euro-Staaten durch das ESZB und hat die Wirkung von Euro-Bonds, weil die exportstarken Euro-Staaten keinen Einfluß auf die durch die EZB genehmigte monetäre Geldschöpfung der nationalen 37 Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 84 ff., spricht von „Lohnstückkosten und Staatsquote als ,reformerische‘ Zuchtruten und statistische Erfolgsblendwerk“, S. 447 ff. richtig zur Überschätzung der Wirkungen der Agenda 2010 Gerhard Schröders.
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
Zentralbanken gegen unzureichende Sicherheiten hat. Die Importe der Euro-Staaten mit Exportdefiziten finanziert mittelbar, aber in der Substanz das ESZB mit monetären Krediten. Deren Rückzahlung drängt nicht, seit sie zinslos sind. Die Exporteure werden bezahlt, aber nicht aus dem Vermögen der Importeure, sondern mit dem monetär geschöpften Geld ihrer Zentralbanken, die die Importeure über deren Geschäftsbanken kreditieren. Diese Finanzierung mißachtet die Aufgabe und überschreitet die Befugnisse des ESZB und der EZB, die, vom Grundgesetz vorgeschrieben (BVerfGE 89, 155 ff., Rnrn. 143, 147 f. 154, mit Verweis auf Art. 88 S. 2 GG), der Preisstabilität, nicht der Finanzierung der Mitglieder des Eurosystems zu dienen haben. Dabei kommt es auf die Haftung für die Verluste der EZB nicht an, die richtigerweise nicht begründet ist (dazu 2.). Jedenfalls verstärken das ESZB und die EZB mittels des TARGET 2-Systems drastisch die Erweiterung der Geldmenge durch die gegenwärtig grenzenlose Kreditierung der Geschäftsbanken und damit deren Schuldner. Damit werden einerseits die exportschwachen Mitglieder der Eurogruppe, die zudem einen großen Kapitalabfluß erleiden, finanziert und andererseits auch deren exportstarke Mitglieder, die sonst weitaus weniger Absatz hätten. Allemal mißachten ESZB und EZB mit der enormen Ausweitung der Geldmenge ihre Aufgabe aus Art. 127 Abs. 1 AEUV, die Preisstabilität zu gewährleisten, wie die inflationären Preise der Immobilien und sonstiger Assets erweisen (vgl. BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 173). 2. Die Rechtsnatur der TARGET-Salden Der Forderungscharakter von bilanztechnischen Verrechnungsposten des ESZB ist trotz der Verzinsung der positiven TARGET-Salden eine rechtliche Systemfrage. Diese TARGET-Salden, etwa zugunsten von Deutschland, begründen keine durchsetzbaren Forderungen38, wie das mit großem Einfluß Hans-Werner Sinn vertreten hat39. Auch die Bundesbank scheint von einem Forderungscharakter der TARGETSalden auszugehen, der zu Verlusten der EZB führen könne, die von den nationalen Zentralbanken auszugleichen seien40. Forderungen haben rechtlich unterschiedliche Gegenstände und damit wirtschaftlich unterschiedliche Relevanz. Eine klageweise Inanspruchnahme der EZB durch die Bundesbank auf Bezahlung der Forderungen, also der Anspruchscharakter derselben, wäre mehr als fragwürdig. Die ,Bezahlung‘ 38 Karl Albrecht Schachtschneider/Matthias Rost, Die Rechtsnatur der TARGET-Salden, 2018, homepage: KASchachtschneider.de, Aktuelles. 39 Hans-Werner Sinn, Der Euro. Von der Friedensidee zum Zankapfel, 2015, S. 235 ff., 252, 254, 281; auch Hans-Werner Sinn/Timo Wollmershäuser, Working Paper Nr. 105, S. 13; irrig auch Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 151, 156 ff., wie fast alle entgegen der Gesetzeslage und der Politik der monetären Staatsfinanzierung. 40 FAZ vom 1. März 2012, Nr. 52, S. 9, in einem Bericht über einen Brief des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann an den EZB-Präsidenten Mario Draghi, in dem er die Rückkehr zu qualifizierteren Sicherheiten empfiehlt.
IV. TARGET 2-System
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würde allenfalls zur Geldmengenerweiterung führen. Für eine Inanspruchnahme der Euro-Staaten für die zu erwartenden Verluste der EZB gibt es keine Rechtsgrundlage, etwa für eine Nachschußpflicht, wenn die Abschreibungen bilanziell das Grundkapital aufzehren würden. Ein solcher Vorgang ist nicht etwa nicht geregelt, sondern nicht vorgesehen. Eine Anstaltslast, die zum Ausgleich des Grundkapitals verpflichten könnte, ist ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich41. Die Unberührbarkeit des Grundkapitals der EZB wie der Bundesbank ergibt sich daraus, daß eine Nachschußpflicht nicht vertraglich oder gesetzlich begründet ist. Vielmehr ist das Grundkapital festgelegt, für die EZB 5 Mrd. Euro im Art. 28 Abs. 1 der Satzung des ESZB und für die Bundesbank 2,5 Mrd. Euro im § 2 BBankG. Bilanzierungen spiegeln nicht notwendig die Rechtslage wieder. Die EZB als hoheitliche Verwaltung, sogar Organ der Europäischen Union (Art. 13 Abs. 1 S. 2 EUV), ist zwar überschuldungs-, aber nicht insolvenzfähig. Weil die EZB das ausschließliche Recht hat, innerhalb der Union die Ausgabe von Euro-Banknoten zu genehmigen und neben den nationalen Zentralbanken zur Ausgabe dieser Banknoten berechtigt ist (Art. 128 Abs. 1 AEUV), also ein nur durch das offene Preisstabilitätsprinzip begrenztes Recht der Geldschöpfung hat, auf das die staatliche Geldwirtschaft nicht verzichten kann, kann sie auch nicht illiquide werden. Ihre Verlustzuweisungen an ihre Träger, die nationalen Zentralbanken, gehen darum über die Minderung der Überschüsse, die nach Art. 32 Abs. 5 der Satzung der ESZB zu verteilen sind, nicht hinaus (Art. 33 Abs. 2 der Satzung der ESZB). Die Verteilung der Verluste ist in Art. 32 Abs. 2 der Satzung der ESZB geregelt und durch diese Regelung begrenzt. Diese Regelung der Verlustverteilung ist abschließend. Weitere Verluste der EZB bleiben bestehen und können auch nicht in den Folgejahren ausgeglichen werden, weil für den Verlustausgleich außer dem allgemeinen Reservefonds der EZB und den an die nationalen Zentralbanken zu verteilenden Gewinnanteile ausweislich Art. 33 Abs. 2 der Satzung des ESZB nur die monetären Einnahmen des „betreffenden Geschäftsjahres“, nämlich dem Jahr der Verluste, in dem Verhältnis der Gewinnbeteiligung der nationalen Zentralbanken genutzt werden dürfen. Das kann zu nicht unerheblichen jährlichen Einnahmeausfällen vor allem Deutschlands führen, weil die Bundesbank ihre Überschüsse an den Bund abzuführen hat (§ 27 Nr. 2 BBankG), und es führt dazu. Die Einnahmeeinbußen können sich wiederholen. Die Gewinnkürzungen werden aber erst durchzuführen sein, wenn die Verluste entstanden sind, also wenn die Sicherheiten ausfallen, etwa weil ein Land aus dem Euro-Verbund ausscheidet und seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt. Das geschieht in einem Rechnungsjahr und trifft somit die Bundesbank und damit Deutschland nur einmal. Die Einnahmeverluste halten sich somit in Grenzen. 41 BVerfGE 142, 123 ff., Rn. 217 mit Hinweisen auf das Bundesverwaltungsgericht; 146, 126, Rn. 126 für die EZB, nicht für die Bundesbank, wegen deren Funktionsfähigkeit und der institutionellen Garantie des Bundes, wenig überzeugend; bedenklich Helmut Siekmann, Die Einstandspflicht der Bundesrepublik Deutschland für die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank, Institute for Monetary and Financial Stability, Goethe Universität Frankfurt, Working Paper Series No. 120 (2017).
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
Die mehr als bedenklichen Gewinnabführungen der Bundesbank an den Bund sind sachlich nicht begründbar. Die ,Gewinne‘ der Bundesbank sind ohnehin fragwürdig, weil sie die Zentralbank ein Stück weit zu einer Geschäftsbank machen. Sie sind in das Gesetz geschrieben (§ 27 BBankG), weil das dem Bund Einnahmen aus letztlich monetärer Geldschöpfung verschafft. Das ist rechtlich bedenkliche monetäre Staatsfinanzierung. Die Zentralbank schafft das Geld, das sie ausgibt, aus dem Nichts und läßt das Geld, das sie einnimmt, ins Nichts verschwinden. Wenn sie nicht die Banknoten schreddert, streicht sie die Beträge der beglichenen Forderungen aus den Büchern. Ihre Aufgabe ist die Versorgung des Wirtschaftsverkehrs mit Geld als gesetzlichem Zahlungsmittel. Das ist Verwaltung, nicht Geschäft. Das Zahlungsmittel wird funktional erst Geld, nämlich gesetzliches Zahlungsmittel, wenn es rechtens ausgegeben ist. Vorher ist es, wenn es Bargeld werden soll, bedrucktes Papier, eben kein gesetzliches Zahlungsmittel, solange es nicht von der Zentralbank auf dem Konto eines Berechtigten, in der Regel einer Geschäftsbank, gutgeschrieben ist. Das Geld wird prinzipiell ohne Gegenleistung ausgegeben. Der Zins, den die Zentralbank erhebt, hat ausschließlich Steuerungsfunktion, nicht Gewinnfunktion. Die Geldausgabe ist nicht mit einem Tauschvorgang verbunden. Verluste entstehen der Zentralbank bei ihrer Verwaltungstätigkeit genausowenig wie Gewinne. Verwaltungen des Staates haben Kosten, keine Verluste. Gewinne sind mit dem Kostendeckungsprinzip42 staatlicher Verwaltung unvereinbar. Es gibt nur technisch unvermeidliche Überschüsse, die vom Gesetzgeber als Gewinne deklariert werden. Das Minus an Geldzufluß mindert den Überschuß und kann als solches nicht umverteilt werden. Die vermeintlichen Verluste sind auch nur insoweit rechtlich relevant, als sie den Überschuß mindern (§ 27 Ziff. 1 BBankG). Das Grundkapital der Bundesbank mag eine Ordnungsfunktion haben, eine geschäftliche Funktion hat es nicht. Seine Einrichtung ist ein Konstruktionsfehler. Die Bundesbank braucht es nicht. Darum erwähnt das Bundesbankgesetz Verluste nur im Rahmen der Feststellung der sogenannten Gewinne (§ 27 Ziff. 1 BBankG). Die Sorgen, welche Hans-Werner Sinn ausgelöst hat, erscheinen insofern unbegründet, aber nicht wegen der volkswirtschaftlichen Schäden des TARGET 2-Systems, das Ungleichgewichte der Zahlungsbilanzen ermöglicht, welche die Konvertierbarkeit der Währung gefährden und zu einer Zahlungsbilanzkrise führen kann, ganz abgesehen von Inflationswirkungen, die eine Geldmengenerweiterung im Falle unzureichender Produktion, die nicht durch Importe ausgeglichen werden kann, mit sich bringen kann. Freilich, meinen Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt, sind „Horrorgeschichten jedenfalls über drohende Staats- und Zentralbankpleiten und die mit der monetären Staatsfinanzierung verbundene galoppierende Inflation neoliberale Mythen, die nur zeigen, was die Erzähler von der Demokratie halten“43. Das überzeugt den, der sich von den „Horrorgeschichten“ nicht alarmieren läßt, wie mich. 42
Wolff, Hans J./Bachof, Otto/Stober, Rolf, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 42, Rn. 25; dazu etwa BVerwG 6 C 13.03, Urteil vom 03. 12. 2003; BVerfGE 50, 217 (226). 43 Gescheiterte Globalisierung, S. 169 ff., 348; Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 15, S. 24, „Unsinnsthese“ (Theo Waigels): „Staatskredite stellen ab einer bestimmten Größen-
V. Monetäre Eurorettung
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V. Monetäre Eurorettung Das OMT-Programm, die Politik des quantitave easing (PSPP) und das Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) der EZB haben die Finanzierung der EuroStaaten wesentlich geändert (dazu C. I., II.) und damit vorübergehend die Gefahren für den Bestand des Euro erheblich gemindert, freilich vertrags- und verfassungswidrig. Grenzen für Staatskredite werden nicht mehr gezogen und die Staatskredite kosten so gut wie nichts. Damit sind auch die Kredite des Finanzmarktes kostengünstig. Die monetäre Entlastung der defizitären Volkswirtschaften durch die Zinssubvention mittels Negativzinsen für die Bankeinlagen bei der EZB (mittlerweile 0,5 % für die Einlage von Überschußreserven), die Nullzinspolitik für die Kredite der EZB an die Geschäftsbanken (seit März 2016) und vor allem die monetäre Staatsfinanzierung war der wohl ausweglose Weg zur Rettung des Euro, auf Kosten der Sparer usw., die sich in hohen Milliardenverlusten rechnen (in Deutschland seit 2010 648 Mrd. Euro, Frank Wiebe Handelsblatt online 15. Mai 2019). Die Bilanzsumme der EZB ist durch die Ankäufe von Staatsanleihen geprägt. Sie ist durch die Wertpapierkäufe der EZB seit März 2015 von 2,6 Billionen auf etwa 4,7 Billionen Euro im Oktober 2019 gestiegen. Auch die Volkswirtschaften, die von der Einheitswährung wegen deren Unterbewertung im eigenen Land profitieren, sind durch diese Politik des quantitave easing wie auch die des PEPP begünstigt worden, vor allem Deutschland, das mittels der monetären Staatsfinanzierung das staatliche Defizit senken konnte. Die Zinsersparnisse des deutschen Staates betrugen von 2008 bis Ende 2019 rund 436 Mrd. Euro (Spiegel Wirtschaft online vom 20. Januar 2020 auf Grund von Berechnungen der Bundesbank). Diese Unionspolitiken haben die von der Einheitswährung benachteiligten und ohnehin schwachen Volkswirtschaften von den untragbaren Zinskosten des Geldmarktes entlastet und deren Wettbewerbsfähigkeit wieder gestärkt, die sie durch die Einheitswährung ohne monetäre Staatsfinanzierung nicht nur an den Märkten der Union, sondern auch an den globalen Märkten verloren hatten. Jetzt haben sie exorbitante Schulden, die Privaten und Unternehmen bei den Geschäftsbanken, diese und die Staaten bei den nationalen Zentralbanken. Eine Begleichung dieser Schulden bei dem ESZB ist nicht zu erwarten. Ultra posse nemo obligatur. Die EZB und die nationalen Zentralbanken werden dadurch nicht insolvent. Sie sind nicht insolvenzfähig. „Der Staat nämlich kann in beliebiger Menge ,Geld aus dem Nichts‘ schaffen“. Zentralbanken sind, wenn das Geld vom Staat geschaffen und ausgegeben wird, nicht insolvenzfähig44. Das ESZB ist Organ des funktionalen (nicht institutionellen) Staates EU, freilich ohne demokratische
ordnung in Relation zum BIP unverantwortliches Inflationspotential dar und gefährden die neue Eurowährung“. 44 Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 351 f.; Karl Albrecht Schachtschneider/Matthias Rost, Die Rechtsnatur der TARGET-Salden, S. 1 f.
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB
Legitimation45. Das ESZB und die EZB machen, was sonst die Nationalbanken allein gemacht hätten oder hätten machen müssen. Insoweit scheinen die Politiken des quantitave easing und der Staatsfinanzierung durch die EZB und die nationalen Zentralbanken, wenn auch vertragswidrig, im System des unbrauchbaren Euros wirtschaftspolitisch nicht verfehlt zu sein. Die mittel- und langfristigen finanzwirtschaftlichen Wirkungen dieser Politiken sind ungewiß. Viele erwarten eine schwere Finanzkrise. Auch diese Erwartung ist kontingent. Die Geschäftsbanken werden, falls sie durch die Forderungsausfälle in Gefahr einer Insolvenz geraten, wiederum „gerettet“ werden46. Die staatlichen Maßnahmen zur Bankenrettung haben den Steuerzahler nach Berechnung des Statistischen Bundesamtes knapp 52 Milliarden Euro gekostet, berichtet Gabor Steingart47. In großem Umfang ist die Bankenrettung monetär durch das ESZB mit der EZB mittels Ankaufes von Staatsanleihen, aber auch anderer Papiere, zum erheblichen Teil ohne Wert, finanziert worden. Sie geschieht durch staatliche Maßnahmen, der EZB und der Mitglieder des Eurosystems, aber auch durch staatliche Rettungsfonds wie den ESM. Die Geschäftsbanken haben Kredite an Private, vornehmlich Unternehmen, aber auch an Staaten gegeben. Diese Kredite dürften weitgehend uneinbringlich sein. Die wertlosen und nicht hinreichend besicherten Darlehensforderungen übernehmen die Zentralbanken. Sie sind die „Endlager“ für diese Schulden. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 16. Juni 2015, C62/14, EU:C:2015:400, Rnrn. 94, 117 f.; vgl. BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 78) dürfen „erworbene Schuldtitel außerdem nur ausnahmsweise bis zur Endfälligkeit gehalten werden“. Das Bundesverfassungsgericht hat an der Verwirklichung dieser Vorgabe jedenfalls 2017 Zweifel geäußert (BVerfGE 146, 216 ff., Rnrn. 96 ff.; auch BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 192 ff., 206, 209 ff.: Haltung bis zur Endfälligkeit „Indiz für eine unzulässige monetäre Haushaltsfinanzierung im Sinne von Art. 123 Abs. 1 AEUV“). Das ist in kritischen Lagen nicht judiziabel, schon aus Zeitgründen nicht. Das Gegenteil wird praktiziert, weil die verbrieften Forderungen in den überschuldeten Staaten nicht eintreibbar sind. Aus den Forderungen, deren Basis, das Vertrauen auf die Schuldentragfähigkeit der Schuldner, Private und Staaten, brüchig war und enttäuscht ist, haben die Zentralbanken mit Genehmigung der EZB und deren Beteiligung Geld gemacht, Geld, das sie den Geschäftsbanken für die ,Schrottpapiere‘ gezahlt haben. Dieses Geld bereichert die Banken, die schon für die fragwürdigen Kredite reichlich Zinsgewinne eingestrichen haben. Mehr Korruption, durch Gesetz und mehr noch durch rechtlose Praxis gestützt, ist kaum denkbar. Abgesehen von vielen weiteren finanziellen Lasten lastet mit Versprechungen von fast 500 Mrd. Euro das Rettungspaket für die Banken des Finanzmarkt-Stabilisierungsfonds von 2008 auf Deutschland (Tagesschau. de vom 14. Oktober 2008), also auf den Steuerzahlern, falls sich der Staat nicht monetär finanziert. 45 46 47
BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 187 ff. („demokratische Legitimation abgesenkt“). Dazu Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 199 ff. Morning Briefing 13. Mai 2019, Netz.
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Rainer Voss48 : „Bei der Vernetzung des Finanzsystems, wie wir es heute haben, bedeutet das (sc. ,wenn man, um ein Exempel zu statuieren, einfach eine Bank pleitegehen läßt‘) ,den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung‘. ,Die Problematik, daß einige Institute too big to fail sind, hat sich verstärkt‘. ,Der Staat wird jede Bank retten, die umfällt‘.“
Zudem ist durch Unionsvorschriften49 die Haftung der Gläubiger, das Bail-in, eingeführt worden, sprich letztlich auch die Haftung der Kontoinhaber50, die kein dingliches Eigentum an ihrem Geld haben, sondern nur schuldrechtliche Zahlungsansprüche gegen ihre Bank, ein altes Unrecht. Die Haftung erfaßt nicht die gedeckten Einlagen. Das sind für die üblichen Kontobestände 100.000 Euro (§ 8 EinlagensicherungsG Deutschlands von 2015; Art. 34 Abs. 1 b der in Fn. 49 angeführten Richtlinie der EU). Diese Gläubigerhaftung ist als Gläubigerbeteiligung in § 90 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes in Deutschland umgesetzt. Daß diese Haftung realisiert wird, ist zweifelhaft. Eine solche Maßnahme übersteht keine gewählte Regierung. Die für die Wettbewerbsfähigkeit erforderliche Abwertung der Währung defizitärer Staaten, denen das außenwirtschaftliches Gleichgewicht im magischen Viereck des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, nämlich der Zahlungsbilanzausgleich, nicht gelingt, jedenfalls solange es keine zinslosen Kredite in fast unbegrenzter Menge gibt, hat die Einheitswährung unterbunden. Sie mußten sich mit einer für ihre Wirtschaft überbewerteten Währung gegen Wettbewerber behaupten, die eine weit unterbewertete Währung nutzen konnten und können, zumal Deutschland. Dieses Währungsdumping war und ist schweres Unrecht, das durch die illusionären Projekte der EU, Binnenmarkt und Währungsunion, bewirkt wird. Aus der Währungs- und Wettbewerbskrise wurde eine Staatsschuldenkrise, weil von der EZB die unterschiedliche Entwicklung der Zinsen für Schulden der Staaten nicht unterbunden wurde51. Die Protagonisten eines zu einem Großstaat vereinten 48
Netz. 49
Ehemaliger Investmentbanker im Podcast-Interview mit Gabor Steingart, 13. Mai 2019,
Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive, „BRRD“) und die Verordnung zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds („SRM-Verordnung“); Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/ 35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates; umgesetzt vom Sanierungs- und Abwicklungsgesetz vom 10. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2091), zuletzt geändert durch Artikel 8 Absatz 10 des Gesetzes vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1002). 50 Dazu Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 176 ff. 51 Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 176, auch S. 281 ff., keine „genuine Staatsschuldenkrise“, auch zur „wesentlichen Schuld“ Deutschlands.
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„Europa“ sind nicht bereit, ihre ideologisch irregeleiteten Politiken aufzugeben. Die demokratiefernen Apparate der EU erweisen ein zähes Beharrungsvermögen. Durch nichts sind die Bürger eines Staates verpflichtet, andere Völker und Staaten zu finanzieren. Wer einen Großstaat schaffen will, in dem diese Art von Solidarität zur Pflicht wird, muß zumindest dahingehende Verfassungsentscheidungen der Völker aller beteiligten Staaten herbeiführen. Direkte Demokratie scheuen aber die Integrationisten, vor allem die deutschen Politiker. Die Völker haben, wenn sie denn abstimmen durften, meist gegen die integrationistischen Projekte der Protagonisten des Großstaates ,Europa‘ entschieden, wenn nicht erhebliche Transferleistungen winkten. Die Niederländer und Franzosen haben gegen den „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ vom 29. April 2004 gestimmt, der einen großen Schritt zu diesem Großstaat machen sollte. Bereits die Vertragsbenennung „Verfassung für Europa“ war eine Anmaßung, nicht anders als die Sympathie einfordernde Propagandaformel „Europa“ für die EU. Den Weg zum Großstaat hat freilich bald danach der weitgehend mit dem Verfassungsvertrag übereinstimmende Vertrag von Lissabon fortgesetzt, über den abzustimmen die politische Klasse den meisten Völkern verwehrt hat, vor allem den Deutschen. Die Iren hat man nach der Ablehnung des Vertrages ein zweites Mal abstimmen lassen, mit dem gewünschten Erfolg nach wirksamer Propaganda und erheblichem Einsatz von Geld. Die Briten haben 2016 für den Austritt Großbritanniens aus der EU gestimmt, nach mehr als vier Jahrzehnten Mitgliedschaft, vor allem weil sie die oktroyierte Freizügigkeit, aber auch die Bevormundung vor allem durch den Europäischen Gerichtshof leid waren. Der Brexit wurde am 31. Januar 2020 vollzogen. Die EU hat getan, was sie konnte, um ihn zu verhindern. Aber die ihrer Souveränität bewußten Briten haben in deutlicher Mehrheit dem Prime Minister ihre Stimmen gegeben, der die notwendige Durchsetzungskraft gegen die integrationistischen Sozialisten der Labour Party bewiesen hat, dem Konservativen Boris Johnson. Er hatte die tatkräftige Unterstützung von Nigel Farage, einem großen Europäer. Es gibt in den Völkern keine Begeisterung für „Europa“, die die ,Eliten‘ propagieren. Es gibt keine europäische Identität. Die Völker Europas wollen nicht an die Stelle ihrer annähernd freiheitlichen Gemeinwesen die demokratieferne Herrschaft eines durch und durch bürokratischen Monstrums erleiden52. Das Demokratiedefizit der EU ist unüberwindbar53. Ein Großstaat EU wäre für demokratische Willensbildung zu groß und zu heterogen54. Mit den immer noch weitgehend freiheitlichen Verhältnissen in den Mitgliedstaaten der EU, deren Wahlrecht die verfassungsmäßigen demokratischen Strukturen nach wie vor zurückzugewinnen erlauben, wenn die Bevormundung durch ,Brüssel‘ beendet ist, würde auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung wieder gestärkt 52
Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option, S. 219 ff.; Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 16 („kafkaeske Bürokraten“, „Erweiterungswahnsinn“), S. 41 („Nichtstaat“). 53 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 466 ff., ders., Die nationale Option, S. 239 ff. 54 Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option, S. 359 ff. bzw., S. 133 ff.
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werden können. Nichts schadet dieser so sehr wie der neoliberal globalistisch ausgerichtete Binnenmarkt mit der verheerenden Kapitalfreiheit und der Einheitswährung. Nicht nur aus Gründen der Souveränität müssen die Bürger und Völker ihre Hoheit über ihre Wirtschaft, ihre Währung, ihr Sozialsystem und vor allem ihre Bevölkerung zurückerobern, sondern auch um ihres Wohlstandes willen. Keine Politik, die wirtschaftlich falsch ist, genügt dem Recht. Die wirtschaftspolitische Unvernunft der Wirtschafts- und Währungsunion hat weitere vernunftwidrige Maßnahmen nach sich gezogen, nämlich die Austeritätspolitik für die notleidenden Mitgliedstaaten und eine Finanzstabilitätspolitik, deren Schuldenverbote nicht nur souveränitätswidriges Unrecht waren und sind, sondern auch die ökonomische Vernunft mißachten55. Zum einen können in einem Binnenmarkt mit Einheitswährung, aber ohne Finanzausgleich, schwächere Volkswirtschaften sich nicht behaupten, zum anderen sind ,Staatsschulden’ bei der Nationalbank, jedenfalls im Einzelstaat, ökonomisch unschädlich, ja unter gewissen Umständen um der Wohlstandsmehrung willen notwendig56. Wilhelm Nölling: „Die Frage ist, ob bei rationaler Politik im hier skizzierten Sinne ausgeschlossen bleiben muß, als ultima ratio auch Teilfinanzierungen über Geldschöpfungen der Notenbanken vorzusehen. Es muß klar sein, daß dieser Gedanke gegen Buchstaben und Geist der Vertrages von Maastricht verstößt, also die wohl größte Häresie darstellt“57
Auf eine Frage von Sebastian Puschner, ob die Konsolidierung der Staatsfinanzen in der Politik heute eigentlich keine Rolle mehr spielen sollte, antwortet Heiner Flassbeck: „Den Keynesianismus, dessen revolutionärer Gedanke war, dass der Staat dagegenhält, wenn die Unternehmen als Stabilisator der Wirtschaft ausfallen, gibt es nicht mehr. Die ganze Idee der Marktwirtschaft war darauf aufgebaut, dass Unternehmen diejenigen sind, die investieren. Heute sind sie in fast allen Ländern der Welt Sparer. Durch diese un-
55 Joseph Stiglitz, Der Preis der Ungleichheit, S. 302 f., zu Herbert Hoovers Austeritätspolitik, die den Börsencrash erst zur Weltwirtschaftskrise 1929 gemacht habe, und zu den Sparauflagen des IWF in Ostasien und den lateinamerikanischen Staaten, sowie die selbstauferlegte Sparpolitik (?, von Deutschland erzwungen, verantwortlich die Finanzminister Waigel und Schäuble); zur Finanzstabilitätspolitik grundlegend Max Danzmann, Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik, 2015. 56 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 21 f., mit Hinweis auf Erich Preiser, 1946, Kredit der Bürger für den Staat „Dauerinvestition“, wenn die Zinslast nicht wäre, keine Sorge „auch bei sehr großer Verschuldung“, und ff.; Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 347 ff., 351 u. ö.; in diesem Sinne auch Roland Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz – ein Plädoyer gegen den Kreditstaat, 1993. 57 Wilhelm Nölling, Unser Geld. Der Kampf um die Stabilität der Währungen in Europa, 1993, S. 248 ff., S. 251.
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C. Monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB glaubliche Veränderung ist der Staat aufgefordert, permanent Schulden zu machen – unabhängig vom bereits erreichten Schuldenstand“58.
Es dürfte eine Illusion sein, daß die Verschuldung des Staates keine Grenzen kennt. Viele, meist Alarmisten, erwarten den Crash jeden Tag, immer schon morgen. Aber auch ein höchst angesehener Geldpolitiker, nämlich Jens Weidmann, sagt (Potsdamer Neueste Nachrichten, online, 29. 03. 2012, auch Wirtschaftswoche, online): „Genauso wie der Turm von Babel wird auch die Mauer aus Geld niemals den Himmel erreichen. Wenn wir diese immer höher und höher machen, werden wir hingegen immer neue Probleme bekommen – finanzielle wie politische.“
Es sollten freilich keine Staatsschulden in fremder Währung oder gegenüber Privaten sein, die zurück gezahlt werden müssen. In der eigenen Währung eines Staates können die vermeintlichen Kredite der Zentralbank an den Staat die treibende Kraft der Volkswirtschaft sein59. Sie müssen nicht zurückbezahlt werden. Sie gehören zur monetären Geldschöpfung, die der Zentralbank als einem Organ des Staates obliegt. Sie begründen im eigentlichen Sinne keine Schulden (dazu zu L.). Trotz der so gut wie unbegrenzten und so gut wie zinslosen Kreditierung durch das ESZB und die EZB ist die Abwertungsmöglichkeit jedes Einzelstaates erforderlich, solange die Volkswirtschaften der Mitglieder des Geldverbundes nicht konvergent oder homogen, sondern divergent oder heterogen sind. Sie verlieren ohne Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur im Geldverbund, sondern auch global. Die wegen der geringen Wettbewerbsfähigkeit überbewertete Währung kann auch eine national wenig begrenzte und sehr kostengünstige Kreditvergabe, die das ESZB und die EZB ermöglichen, wegen der Einheitswährung nicht ausgleichen. Die nationale Geldmengenerweiterung fördert unter gewissen Umständen den Konsum und damit den Binnenmarkt, vorausgesetzt, daß das Land die dafür erforderlichen Unternehmungen hat. Aber die erweiterte Geldmenge schafft allenfalls in langer Zeit und durch eine gekonnte Wirtschafts- und Verteilungspolitik eine wettbewerbsfähige Wirtschaftsstruktur einer zunächst unterentwickelten Volkswirtschaft, die ja der Grund für den Mangel an Wettbewerbsfähigkeit war. Abgesehen davon, daß die wenig vernunftgeleitete Begehrlichkeit der Wähler nicht gerade geeignet ist, in demokratischen Verhältnissen vernünftige Politik der von Wahlen abhängigen Staatsorgane zu bewirken, kann die Geldmengenerweiterung zu allgemeiner oder partiellen Inflation führen, wie die Politik des quantitative easing gegenwärtig im Euroverbund im Immobilien- und Aktienbereich zeigt. Das Grundstückseigentum ist für das neoliberale Wirtschaftssystem von systemischer Relevanz. Wenn es nicht abgeschafft wird (wie in China, Erwerb von 58 Sebastian Puschner, Interview mit Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt vom 20. September 2018, Es braucht Aufklärung. Globalisierung ist ein Deckmantel des Neoliberalismus, sagen die Ökonomen Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt, Der Freitag. Das Meinungsmedium“, Ausgabe 38/2018. 59 Wilhelm Nölling, Unser Geld, S. 248 ff., S. 251.
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Wohnungseigentum nur auf begrenzte Zeit), dann muß die Grundstücksspekulation unterbunden werden. Wer mehr Kaufkraft zur Verfügung hat, in welcher Form auch immer, als er für den Lebensunterhalt benötigt, findet in Grundstücken und Unternehmensanteilen, aber auch sonstigen Assets und Gold oder Silber, vielleicht auch Kunstwerken, die eher wertbeständigen Anlagemöglichkeiten zur Sicherung des Vermögens. Fließendes Geld, wie das vorgeschlagen wird60, ist darum nicht nötig. Die Spekulationsgeschäfte absorbieren Kaufkraft. Das erweist sich gegenwärtig auch darin, daß die außerordentliche Geldmengenerweiterung nicht zu einer merklichen Inflation der Verbrauchsgütermärkte führt, wenn auch andere Umstände dazu beitragen dürften. Große Geldmengen versickern in Spekulationen und werden durch den Wertverfall der Sachwerte, der nach aller Erfahrung zu erwarten ist, vernichtet. Das Geld, das eingenommen wurde, sollte ausgegeben werden, um es zu nutzen. Dafür müßte es freilich benötigt werden. Sonst fließt es in den Vermögensmarkt, der gegenwärtig auch demgemäß aufgeblasen ist. Die Erbschaft an Grundstücken ist ökonomisch fragwürdig, wenn auch ein Menschenrecht. Sie sollte jedoch nicht zu übermäßigem Reichtum führen. Man darf dem Menschen nicht alle Möglichkeiten der Vermögensmehrung nehmen. Das widerspricht seinem Trieb zum Haben. Der Niedergang der tyrannischen Sowjetunion und auch der nicht minder tyrannischen DDR sollte vor den Schrecken jeder Art des Sozialismus warnen. Zu bedenken ist die ausschließlich staatliche Verfügungsgewalt über Grund und Boden. Das würde ein staatliches Verteilungssystem an der Nutzung der Grundstücke erfordern. Ein solches muß vor einer Art Leibeigenschaft oder Zinsknechtschaft bewahrt werden. Eigentum macht frei61. Es ist ein Menschenrecht. Dazu gehört auch, daß der Eigentümer sein Eigentum an seine Kinder weitergeben kann und darf. Die Kinder setzen in einem gewissen Sinne das Leben der Eltern fort. Eigentum ist ungleich verteilt. Das folgt aus der Schicksalshaftigkeit des Lebens und der Unterschiedlichkeit der Menschen. Nur totalitäre Staaten wollen entgegen Schicksal und Unterschiedlichkeit das Leben aller Menschen egalisieren. Das Eigentum ist die wichtigste Institution der Gewaltenteilung und der wichtigste Schutz gegen den totalitären Staat des Sozialismus. Bürgerlichkeit setzt Eigentum voraus, allerdings auch Bildung. Darum sind das Eigentum und das Recht auf Bildung zu Recht Menschenrechte (Art. 17 bzw. Art 26 AEMR). Für Grund und Boden läßt Art. 15 GG jedoch die Überführung in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft zu, freilich nicht ohne angemessene Entschädigung. Eine tragfähige Lebensordnung eines Gemeinwesens setzt praktische Vernunft voraus. Nur, praktische Vernunft von Politikern ist ein seltenes Glück der Völker. Unausweichlich ist ein steter Kampf gegen die Neigungen der Politiker, Habsucht, Herrschsucht, Ehrsucht. Ihre wichtigsten Instrumente, ihre Neigungen zu befriedigen, sind Bündnisse
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Andreas Popp/Rico Albrecht, Plan B, Wissensmanufaktur, Netz 30. August 2019. BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339), 97, 350 (370 f.); 101, 54 (75); 105, 252 (277), und ständig; näher Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 565 ff., mit Hinweisen. 61
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(Parteien) und Verlogenheit62. Wenn die Grundstücksspekulationen unterbunden werden, müssen auch übermäßige Einkommen unterbunden werden, erstens aus Gründen der Sittlichkeit oder, wenn man so will, sozialer Gerechtigkeit, zweitens droht sonst Inflation, weil die Geldmenge für das Warenangebot zu groß ist. In diesem Zusammenhang könnte ein fließendes Geld, also die Minderung der Kaufkraft des Geldes durch Zeitablauf, einen Sinn bekommen. Besser sind sachgerechte Steuern nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip, aber auch eine kleinteilige Unternehmenslandschaft, die die Bäume der Unternehmer, sprich Anteilseigner, nicht in den Himmel wachsen lassen. Es darf keine Multimilliardäre geben. Höchstpreise für Sach- und Dienstleistungen, also Preisregelungen, erscheinen mir sinnvoller als Schwundgeld. Daß all diese Maßnahmen dem Staat mehr Macht verschaffen, liegt auf der Hand. Dann tyrannisieren uns im Zweifel die „Politiker“, meist eine Negativauslese, noch mehr. Ähnliches wie für die Grundstücke müßte für Unternehmensanteile geregelt werden. Art. 14 GG läßt das zu. Führt der Konsum dank der zur Verfügung gestellten Gelder zu Importen, stärkt das die Wettbewerbsfähigkeit in keiner Weise, im Gegenteil, der Überschuß der Importe über die Exporte müßte zur Abwertung der Währung führen. Die aber schließt das Eurosystem aus. Wird allein die Wirtschaft, sprich die Unternehmen, subventioniert, gerät das Land weltwirtschaftsrechtlich wegen des Subventionsregimes des Art. XVI GATT und der Antisubventionskonvention (ÜSCM)63 in Schwierigkeiten. Über diese kann sich ein Land hinwegsetzen, wie die Wirtschaftspolitik vor allem Chinas zeigt, aber das bedarf der notwendigen Macht. Es besteht die Gefahr, daß das rechtswidrig subventionierende Land vom Weltmarkt ausgeschlossen oder mit Sanktionen belegt wird, etwa Importverboten anderer Staaten für seine Produkte, die es nicht durchstehen kann. Auch militärische Maßnahmen sind nicht ausgeschlossen. Begrenzt sich ein Land auf sich selbst, wird es die wirtschaftliche Prosperität nicht erreichen. Es paßt dann auch nicht mehr in das Eurosystem. Zudem muß das Land die Weltmarktfähigkeit seiner Produkte und die Märkte der Welt selbst erreichen. Das ist gegen die etablierten Wettbewerber so gut wie unmöglich. Die weltmarktgerechte Währung ist unverzichtbar. Im Euroverbund und zudem in der EU mit dem übermäßig deregulierten Binnenmarkt hat ein Mitgliedstaat jedoch die Ausübung seiner Souveränität in fremde Hände gegeben. Seine politische Freiheit kann er nicht nutzen. Dann nützt ihm die erweiterte zinslose Geldmenge nichts außer einer gewissen Stärkung des Konsums, soweit die Verteilung gelingt. Die Bankenrettung mittels von der EZB und nationalen Zentralbanken geschaffenen Geldes aus dem Nichts ignoriert allerdings die Verteilungsgerechtigkeit. Die anderen Mitglieder des Geldverbundes haben mittels der gleichen Geldbeschaffungsmöglichkeiten wegen der sogenannten Grundfreiheiten des Binnenmarktes die Befugnis, auch in dem 62
Hannah Arendt, Wahrheit und Lüge in der Politik, 2. Aufl. 1987. Karl Albrecht Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union, Teil 2: Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, 2010, S. 569 ff. 63
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Land, das sich entwickeln können soll, ihre größeren Fähigkeiten einzusetzen. Die uneingeschränkte Wirtschafts- und Währungshoheit eines Volkes ist unverzichtbar, wenn es prosperieren können will. Im Staatenverbund unitarischer Art wie der EU bietet auch die selektive Geldmengenerweiterung keine Chance, den Mangel an Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen. Selektive Verteilung des Geldes durch das ESZB und die EZB zur Staatsfinanzierung sind mit den Verträgen der EU unvereinbar (BVerfGE 134, 366 ff. Ls. 1 a bb, Rnrn. 69, 73, 87, 150; BVerfGE 142, 123 Rnrn. 66, 182). Der Euroverbund ist der Sache nach eine Verstärkte Zusammenarbeit, wenn auch nicht im Sinne der Art. 326 ff. AEUV, für den das Verbot der Verzerrung des Wettbewerbs erst recht gilt (Art. 326 Abs. 2 S. 2 AEUV). Die Finanzhilfen im Rahmen des Eurosystems verzerren den Wettbewerb ganz offensichtlich. Das ist geradezu ihr Zweck. Sie sollen verlorene Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen, also die Wettbewerbslage verändern. Der Fiskalpakt begründet gemäß seinem Art. 10 eine Verstärkte Zusammenarbeit im Sinne der Art. 326 ff. AEUV. Der Fiskalpakt aber verzerrt den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten. Soweit er ausgeführt wird, soll er und mag er auch zur Reduzierung des Defizits, zumal der ,Staatsschulden‘ führen, aber er schwächt die Wettbewerbsfähigkeit weiter, vor allem mangels Investitionen, aber auch wegen der Flucht befähigter Arbeitskräfte und des Kapitals, also wegen des Verlustes der Ressourcen des geknebelten Landes. Die zur Rezession genötigten Länder entfernen sich weiter von der (vertragsgebotenen) Konvergenz der Volkswirtschaften. Die Einheitswährung ruiniert wegen der Disziplinierung durch die sachunkundigen Stabilitäts- und Wachstumsbemühungen einschließlich des ESM und des Fiskalpaktes die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften, die eine ebenso irregeleitete wie verlogene Integrationspolitik zu „retten“ vorgibt.
D. Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten Die Politiken zur Finanzstabilität der EU, zumal der Eurozone, waren und sind unergiebig. Zu diesen Politiken der Haushaltsdisziplin gehören die ,Schuldenbremsen‘. Sie sind als Unionsmaßnahmen gegen die Souveränität der Völker durchgesetzt worden. Es ist mit der Souveränität der Völker unvereinbar, daß sie andere Völker unmittelbar durch Zahlungen oder Kredite oder mittelbar kraft ihrer Kreditfähigkeit Gewährleistungen finanzieren. Das ist staatswidrig.
I. Art. 126 AEUV, Stabilitäts- und Wachstumspakt, Six-Pack 1. Art. 126 AEUV Art. 126 AEUV, der Bestandteil des Konvergenzprinzips und Strukturprinzip der Währungsunion (Art. 140 Abs. 1 AEUV) ist, bezweckt, im Interesse der Preisstabilität in der Währungsunion, „übermäßige öffentliche Defizite“ der Mitgliedstaaten zu unterbinden. Die Kommission hat das Recht, „die Entwicklung der Haushaltslage und der Höhe des öffentlichen Schuldenstandes in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler“ zu überwachen (Art. 126 Abs. 2 S. 1 AEUV). Insbesondere prüft sie die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand der Kriterien des jährlichen Haushaltsdefizits, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, nach dem Referenzwert von 3 % (S. 2 lit. a), und den öffentlichen Schuldenstand, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, nach dem Referenzwert von 60 % (S. lit. b). Die Referenzwerte sind gemäß Art. 126 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV in Art. 1 des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (10. Protokoll zum EUVertrag 2007, ursprünglich 12. Protokoll zum EU-Vertrag 1992) festgelegt. Die Haushaltsdisziplin ist jeweils gewahrt, wenn im Fall Art. 126 Abs. 2 lit. a AEUV das Verhältnis des öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt „erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt“, und im zweiten Fall des Art. 126 Abs. 2 lit. b AEUV, wenn „das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt“ „hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert. In den Absätzen 3 ff. des Art. 126 AEUV ist das Verfahren näher geregelt, in dem die Mitgliedstaaten, welche es an der vertragsgemäßen Haushaltsdisziplin haben fehlen lassen, zur vertragsgemäßen Haushaltspolitik zurückgeführt werden sollen. Das Verfahren, das Öffentlichkeit als Druckmittel nutzen soll und als letztes Disziplinierungsinstrument hohe Geldbußen ausgerechnet für
I. Art. 126 AEUV, Stabilitäts- und Wachstumspakt, Six-Pack
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Staaten, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken, vorschreibt, ist mehr als unbehelflich und hat sich nicht bewährt. 2. Stabilitäts- und Wachstumspakt Durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt vom 16./17. Juni 1997 sind im Interesse der Stabilität des Euro die Befugnisse der EU verschärft worden. Insbesondere ist die Höhe der Geldbuße dahin festgelegt worden, daß der Mitgliedstaat, dessen Haushaltspolitik defizitär ist, 0,2 % (und eine variable Komponente) des Bruttoinlandsprodukts unverzinslich einzulegen hat (für Deutschland bis zu 10 Mrd. Euro64), die zur Geldbuße umgewandelt wird, wenn das übermäßige Defizit nicht zwei Jahre nach dem Einlagebeschluß korrigiert ist65. Weiterhin sollte der Rat entgegen Absatz 11 des Art. 126 AEUV kein Sanktionsermessen haben, sondern zu unmittelbaren Sanktionsmaßnahmen auf Grund des Defizits des Mitgliedstaates verpflichtet sein. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt war schon deswegen problematisch, hat aber auch die Zuständigkeitsordnung des Vertrages verletzt, weil die wesentliche Materie desselben durch den Europäischen Rat festgelegt worden war, der nach Art. 4 Abs. 1 EUV nicht befugt war und nach Art. 15 Abs. 1 S. 2 EUV Lissaboner Fassung nicht befugt ist, verbindliche Rechtsakte, Gesetze, zu erlassen. Dem Stabilitäts- und Wachstumspakt wird eine hohe politische Verbindlichkeit zugemessen66. Die Kommission hat auf seiner Grundlage Sanktionsmaßnahmen gegen Deutschland und Frankreich wegen deren Haushaltsdefiziten im Jahre 2002/3 durchzusetzen versucht und ist damit im Rat gescheitert67. Der Europäische Gerichtshof hat die Nichtigkeitsklage der Kommission gegen den Rat als unzulässig abgelehnt, aber die Schlußfolgerungen des Rates, mit denen dieser das Defizitverfahren aussetzen wollte, für nichtig erklärt68 Mehrere Mitgliedstaaten waren jahrelang nicht in der Lage und sind es noch immer nicht, das verbotene Defizit abzuwenden, Frankreich keinesfalls (Staatsschulden 83 % des BIP 2009, 98,6 % 2018), Italien schon gar nicht (Staatsschulden 112,5 % des BIP 2009, 132,1 % des BIP 2018, 155 % 2020, 2,53 Bill. Euro, Haushaltsdefizit 10,4 %), auch Deutschland lange nicht, bis zur Nullzinspolitik der EZB. Die Staatsschulden der Euro-Staaten betrugen nach 92,3 % im Jahre 2015 nur noch 81,7 % des BIP im Jahre 2019. Das ist vor allem dem 64 Zur innerdeutschen Verteilung der Sanktionslasten Art. 109 Abs. 5 GG (Föderalismusreform v. 30. 06. 2006). 65 Art. 12 und 13 der VO (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 07. 07. 1997 (ABl. L 209/6 ff.). 66 Vgl. die (15.) Erklärung zu den Bestimmungen der Verträge des Vertrages von Lissabon u. a.: „Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein wichtiges Instrument für die Verwirklichung dieser Ziele“ („Wachstumspotential zu steigern“ und „solide Haushaltslage“). „Die Konferenz bekennt sich erneut zu den Bestimmungen über den Stabilitäts- und Wachstumspakt als Rahmen für die Koordinierung der Haushaltspolitik in den Mitgliedstaaten“. 67 Entscheidung des ECOFIN v. 25. 11. 2003. 68 EuGH v. 13. 07. 2004 – Rs. C-27/04 (Kommission/Rat), Slg. 2004, 738, Rnrn. 29 ff., 44 ff., 81, 92.
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Abbau der Staatsschulden Deutschlands von 72,5 % des BIP 2009 auf 59,8 % des BIP 2018 zu danken69. Sanktionen haben sich gegen diese Mitgliedstaaten nicht durchsetzen lassen. Die Voraussetzungen für die Feststellung des öffentlichen Haushaltsdefizits und des übermäßigen öffentlichen Schuldenstandes sind von den Regierungschefs in der Regierungskonferenz vom 22./23. März 2005 durch einfachen Beschluß70geändert worden. Insbesondere sollte Deutschland nach näheren Kriterien die Transferleistungen in die neuen Länder und die Nettozahlungen an die EU bei der Berechnung des Haushaltsdefizits und des Schuldenstandes mindernd berücksichtigen dürfen. Der vom damaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi öffentlich als „stupido“ bezeichnete Stabilitäts- und Wachstumspakt, das (Mach)Werk des damaligen Bundesfinanzministers Dr. Theo Waigel, ist dadurch zumindest in zentralen Teilregelungen geändert und in der Sache für obsolet erklärt worden. Nicht anders werden die neuerlichen Sanktionsmaßnahmen, welche die Haushaltsdisziplin sichern sollen, zumal die des Fiskalpaktes und die Verschärfung des wirkungslosen Stabilitäts- und Wachstumspaktes von 1997 durch die sechs Rechtsakte der Union zur Einrichtung einer Wirtschaftsregierung gehandhabt werden71. Sie sind wirtschaftlich illusionär und politisch zwar bedrängend, aber gerade deswegen kaum durchsetzbar. 3. Six-Pack Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde nach der Finanzkrise ab 2007 durch den Six-Pack zu einem Überwachungsinstrument der EU über die Finanzpolitik der Mitgliedstaaten im Sinne einer Fiskalunion entwickelt. Die sechs Rechtsakte der EU sind: 1. VO (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/1997 über die Beschleunigung und Klärung bei einem übermäßigen Defizit. 2. Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und die Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken vom 16. November 2011, VO (EU) Nr. 1175/2011. 69 Daten Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 55. 70 Vgl. die Änderungsverordnungen (EG) Nr. 1055 und 1056 des Rates vom 27. 06. 2005 (ABl. 2005 L 174/1 und L 174/5). 71 Dazu die von mir vertretene Verfassungsbeschwerde der vier Professoren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider, Joachim Starbatty und Dr. Bruno Bandulet gegen die Zustimmungsgesetze zu Art. 136 Abs. 3 AEUV, zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), zum Fiskalvertrag, gegen das ESM-Finanzierungsgesetz, gegen die Maßnahmen des ESZB und der EZB zur monetären Staatsfinanzierung, gegen die sechs Rechtsakte der Europäischen Union zur Einrichtung einer Wirtschaftsregierung und gegen den Euro-Plus-Pakt vom 29. Juni 2012, S. 90 ff.
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3. Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet vom 16. November 2011, VO (EU) Nr. 1173/2011 vom 28. September 2011 (C7 – 0298/2010). 4. Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten. 5. Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte. 6. Verordnung (EU) Nr. 1174/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet. Hinzu kommen noch das Europäische Semester, der Euro-Plus-Pakt und weitere Instrumente, die hier nicht näher behandelt werden. Diese Regelungen der EU sind in der in Fn. 71 angeführten Verfassungsbeschwerde S. 90 ff. näher erörtert. Im Folgenden skizziere ich die Kritik an der Überwachung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten durch Kommission und Rat der EU: Die sechs Rechtsakte institutionalisieren eine Wirtschaftsregierung der EU über die Mitgliedstaaten, vor allem die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist. Die Verletzung der Souveränität der Völker können die Verordnungen und die Richtlinie nicht verbergen. Die Wähler haben allerdings oft genug entgegen wirtschaftlicher Vernunft für ihren kurzfristigen Vorteil gestimmt und die mittel- und langfristigen Folgen der Politik, deren Propagandisten sie Einfluß oder gar die parlamentarische Mehrheit verschafft haben, außer acht gelassen. Der Schuldenstnd der Staaten, die jetzt der Finanzhilfe bedürfen, ist ein beredtes Beispiel für Ausgaben, deren Mittel nicht erwirtschaftet, sondern kreditiert sind. Hinzu kommen die in den TARGET 2Salden bilanzierten monetären Kreditierungen. Die negativen Saldi belaufen sich, wie zu C IV angesprochen, auf mehr als eine Billionen Euro. Freilich haben die Parteien durch leichtfertige Wahlversprechen die Wähler zu ihrer Wahl verführt, einzig und allein, um Ämter, Einkommen und Macht zu erobern. Das müssen die Völker, die sich haben verführen lassen, allein ausbaden und daraus lernen. Die fremde Hilfe nach dem eigenen Versagen ist gänzlich unangebracht, soweit die Helfer nicht selbst Nutznießer des Leichtsinns waren oder sind. Es geht vornehmlich um den Bestand des Euro, der als Garant für die Integration zu einem Unionsstaat ,Europa‘ gesehen wird. Aber deswegen den Bürgern die Freiheit und den Völkern die Hoheit über ihre Wirtschaft zu nehmen, ist nicht nur völkerrechtswidrig, freiheits-, demokratie- und rechtswidrig, es ist entstaatlichend und souveränitätswidrig. Die Überwachung wegen der gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichte, also die Wirtschaftsaufsicht, trägt funktional wesentlich zum Unionsstaat bei, der bislang durch die Völker nicht institutionalisiert wurde. Die Völker der Euroländer mögen wählen,
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wen sie wollen. Für die Wirtschaftspolitik, welche die Wahlen zu dominieren pflegen, ist das kaum von Bedeutung; denn die Wirtschaftspolitik bestimmt mittels der haushaltspolitischen und makroökonomischen Überwachung im Interesse der Haushaltsdisziplin die Kommission der Union, wenn nicht der Rat mit qualifizierter Mehrheit deren Beschlüsse ablehnt. Der Binnenmarkt im Verbund mit der Einheitswährung hebelt um der (vermeintlich) gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftsstabilität der verbundenen Staaten willen weitgehend die Demokratie aus. Der Rat der EU hat denn auch nach Art. 121 Abs. 1 AEUV die Befugnis, die Wirtschaftspolitik, soweit sie von gemeinsamen Interesse ist, durch Grundzüge zu koordinieren und, um eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, die Befugnis nach Art. 121 Abs. 3 AEUV, die wirtschaftliche Entwicklung in jedem Mitgliedstaat sowie die Vereinbarkeit der Wirtschaftspolitik mit den genannten Grundzügen zu überwachen (multilaterale Überwachung). Von einem dem demokratischen Prinzip gemäßen begrenzten Einzelermächtigung (Hinweise zu Fn. 24) kann angesichts dieser Befugnisse schlechterdings nicht die Rede sein72. Das ist die Logik der Politischen Union, jedenfalls der Wirtschafts- und Währungsunion mit heteronomen Volkswirtschaften, deren Divergenz in Konvergenz gewandelt werden soll, die sich von allein nicht einstellt. Weil der reale unionale Einheitsstaat nicht verfaßt ist, sondern die Mitgliedstaaten noch institutionell eigenständig und souverän sind, so daß eine demokratische Legitimation einer Wirtschaftspolitik der Union für alle Unionsbürger nicht möglich ist, werden die demokratischen Elemente der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten im Wesentlichen dem gemeinsamen Interesse an einer Wirtschaftspolitik geopfert, die von einer in keiner Weise demokratisch legitimierten Behörde diktiert wird. Der Dialog der Kommission und des Rates mit dem Europäischen Parlament ist eine Farce. Keinesfalls kann er die wirtschaftspolitische Entdemokratisierung der Völker kompensieren. Das Europäische Parlament vermag keine demokratische Legitimation zu stiften, allein schon deswegen nicht, weil es nicht gleichheitlich gewählt wird, aber auch und vor allem deswegen, weil es kein Volk der Unionsbürger gibt, das es vertreten könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat das im Lissabon-Urteil erneut festgestellt (BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 280 f., 286, 296, 346 f.). Aber nicht nur die Völker, denen die Parteienoligarchie auch durch ihren Europäismus keinen sachpolitischen Einfluß läßt, sind entmachtet, sondern die parteiengeprägten Organe der Mitgliedstaaten ebenfalls. Weder die Parlamente noch die Regierungen, aber schon gar nicht die Gerichte der Mitgliedstaaten, die sich dem Vorrang des Unionsrechts unterwerfen, können die Wirtschaftspolitik verwirklichen, die ihren Verfassungsgesetzen entspricht oder gar die, welche ihr Gemeinwohl fordert. Die Staaten werden einmal mehr schutzlos gegenüber der keinesfalls über alle Zweifel erhabenen Bürokratie der EU. Der überbordende Lobbyismus in Brüssel spricht für sich. Den Völkern bleibt nur der Austritt aus dieser zunehmend rechtsfernen Organisation, wie 72 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 135 ff.
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diesen die Briten vollzogen haben. Der ist zu raten, wenn die Völker ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände nehmen und die verordnete Austeritäts- in eine Prosperitätspolitik wandeln wollen. Mit dem Euro geht das nicht. Zum Trost sei gesagt, daß die Völker sich den Überwachungsdiktaten der Eurokraten recht wirksam entziehen. Finanziert werden sie trotzdem von der Union, im denkbar großen Maß von den Zentralbanken mittels Ankaufs von Schuldtiteln des öffentlichen Sektors (OMT, PSPP, PEPP, dazu C. II.) und jetzt mit der willkommenen Ausrede, die wegen der Corona-Pandemie daniederliegende Wirtschaft in der Union „wiederaufbauen“ zu müssen, auf Betreiben der Kommission, ebenfalls finanziert mit Anleihen, deren Rechtmäßigkeit noch ungeklärt, aber höchst zweifelhaft ist. Daß die Wirtschaftsdiktatur der Union nicht erfolgreich sein kann, liegt daran, daß niemand Unmögliches leisten kann. Auch und gerade durch Austeritätsmaßnahmen gequälte Völker sind nicht fähig, Wachstum zu erwirtschaften, wenn sie mit einer überbewerteten Währung zurechtkommen müssen. Wenn Volkswirtschaften in die Rezession getrieben werden, können sie Defizite nicht abbauen. Das konnte Deutschland (in begrenztem Umfang) auch nur, weil es durch eine zum Schaden der Partner erheblich unterbewertete Währung begünstigt ist. Seit dem Konjunktureinbruch durch die Corona-Pandemie ist das vorbei, wohl auf längere Zeit. Wachstum hat im übrigen Voraussetzungen, die sich nicht durch ständige Wachstumspostulate herbeireden lassen, sondern eine lange Entwicklung der Volkswirtschaft, die auch Entbehrungen mit sich bringen kann, erfordert. Keinesfalls besteht für Volkswirtschaften eine Wachstumschance, die im Wettbewerb mit überlegenden Volkswirtschaften stehen, d. h. deren Wirtschaftsgebiet nicht gegen Importe aus stärkeren Volkswirtschaften geschützt ist. Das aber schließt der Binnenmarkt mit der Zollunion aus. Es bleiben außer innerer Abwertung, die politisch in Parteienstaaten schwer oder nicht durchsetzbar ist, nur Subventionen, die schon reichlich geflossen und erwartungsgemäß verpufft sind. Also kommt außer der monetären Staatsfinanzierung, die gegenwärtig im beängstigendem Maße betrieben wird (OMT,PSPP,PEPP), nur noch die etatistische Verteilung der Gesamtleistung der Union unter allen Mitgliedstaaten in Frage, der Finanzausgleich unter allen Mitgliedstaaten, die Haftungs- oder Schuldenunion, die Bankenunion, Eurobonds, Projektbonds oder wie die Instrumente auch genannt werden, die alle auf das Gleiche hinauslaufen, auf die Sozialisierung der Schulden und damit der Lebenshaltungskosten der Völker in den Mitgliedstaaten, also der Bundesstaat, zudem in demokratiewidriger Form. Darauf läuft die Politik der Union zu. Sie wird die gesamte Wirtschaft der Union ruinieren, weil sie durch die verfehlte Einheitswährung für 19 der Mitgliedstaaten trotz monetärer Notfinanzierung der Weltmarktfähigkeit der Mitgliedstaaten mit überbewerteter Währung keine Chance läßt. Aber sie wird zum sozialistischen Einheitsstaat, sprich zur sozialistischen Diktatur führen. Der Kapitalismus ist dann in der Union besiegt; denn das Kapital wird, scheu wie ein Reh, schnellsten abfließen. Es braucht ein solches Europa nicht. Nicht alle werden über eine solche Entwicklung unglücklich sein, nicht Elon Musk, der seine Produktion von Elektrofahrzeugen in Brandenburg nahe Berlin angesiedelt hat, weil er dort eine gute Infrastruktur, ins-
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besondere kostengünstige Arbeitskräfte aus Polen, beachtliche staatliche Förderung seiner Produktionsstätten und seiner Produkte, vor allem aber eine sehr förderliche unterbewertete Währung vorfindet. Elon Musk ist wendig genug, seinen Standort schnell zu verlagern, wenn die Vorzugslage in Deutschland ihr Ende finden sollte. Aber die meisten Menschen werden merken, daß sie mehr und mehr die Armut gewählt haben, als sie zunehmend den sozialistischen Kräften ihre Stimme gegeben haben, die soziale Gerechtigkeit versprochen haben, aber deren Voraussetzung nicht wahr haben wollten, die allseitige Leistung, Eigenverantwortung, Unterscheidung des Ungleichen, Freiheit und Sittlichkeit, Recht und Staat, Bürger und Volk.
II. Fiskalpakt 1. Illusionärer Zweck, Regeln, Implementierung Der Fiskalpakt wurde im Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion vereinbart. Er bezweckt nach dem Entwurf des Zustimmungsgesetzes der Regierungsfraktionen (BT-Drs. 17/ 9046) „die Wirtschafts- und Währungsunion durch neue vertragliche Regelungen zu verstärken, um die Haushaltsdisziplin zu verbessern, gesunde öffentliche Finanzen zu erreichen und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung zu ermöglichen“73. Er wurde als eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag geschlossen, weil die erwünschte Änderung des Unionsvertrages nicht die Zustimmung aller Mitgliedstaaten gefunden hätte, nämlich nicht die des Vereinigten Königreiches und der Tschechischen Republik. Am 29. Juni 2012 hat der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit das Gesetz zu dem Fiskalpakt beschlossen. Der Bundesrat hat am 29. Juni 2012 mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt. Die Illusionen, die dem Fiskalpakt zugrunde liegen, bringt die Begründung des Entwurfs des deutschen Zustimmungsgesetzes zum Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion zum Ausdruck: „Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion führt zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik in den Mitgliedstaaten des EuroWährungsgebiets und weiteren Vertragsparteien, soweit diese die Verpflichtungen schon vor Euro-Beitritt übernehmen möchten. Die betreffenden Mitgliedstaaten werden – durch den Europäischen Gerichtshof überprüfbar – dazu verpflichtet, verbindliche und dauerhafte Regelungen in ihren innerstaatlichen Rechtsordnungen vorzusehen, die Haushalte gewährleisten müssen, welche ausgeglichen sind oder Überschüsse aufweisen sowie, sofern dieses Ziel noch nicht erreicht wurde, die Einhaltung eines Anpassungspfades zu diesem Haushaltsziel. Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen darüber hinaus ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auflegen, das von Rat und Kommission genehmigt und überwacht wird. Außerdem bewirkt der Vertrag eine weitge73 Zur Kontrolle der nationalen Haushalts- und Wirtschaftspolitik durch die Kommission Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 189 ff.
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hende Automatisierung des Defizitverfahrens. Flankiert wird dies durch Regelungen zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung und Steuerung, die ihrerseits die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Finanz- und Haushaltspolitik in der Wirtschafts- und Währungsunion verstärken. Die Zustimmung zum Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion leistet einen Beitrag zur mittel- bis langfristigen Prävention von Staatsschuldenkrisen im Euro-Währungsgebiet. Sie ist außerdem Ausdruck eines entschlossenen Handelns zur Stärkung der Haushaltsdisziplin in der Wirtschafts- und Währungsunion und somit eine wichtige Grundlage für das Vertrauen der Märkte in die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen im Euro-Währungsgebiet“.
Der Fiskalpakt bezweckt, die Maßstäbe des Maastricht-Vertrages für die Haushaltsdisziplin durchzusetzen, nämlich ein jährliches Haushaltsdefizit von nur 3 % des BIP und einen Staatsschuldenstand von nicht mehr als 60 % des BIP (jetzt Art. 126 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 1 des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit vom 7. Februar 1992, 12. Protokoll zum Maastricht-Vertrag, nach Novellierung 10. Protokoll zum Lissabon-Vertrag). Das ist noch nie gelungen und wird auch nicht gelingen, schon gar nicht durch Rezessionspolitik. Weder die vom Maastricht-Vertrag den Euro-Staaten vorgeschriebene Disziplin ist eingehalten oder durchgesetzt worden noch die des Stabilitäts- und Wachstumspaktes von 1997. Mit Spargeboten in Verträgen und Gesetzen kann man die Wettbewerbsfähigkeit schwacher Volkswirtschaften im globalen Markt nicht stärken74, nicht einmal deren Konjunktur beleben. Das geht nur durch Abwertung, Zölle oder Kosten-, also Lohnsenkung (innere Abwertung75), durch Schutz der entwicklungsbedürftigen Volkswirtschaft und durch, wenn nötig, kreditierte Investitionen in die Fähigkeiten der Menschen und in die Maschinen, nicht aber in der kapitalistischen Illusion des unions- und gar weltweiten Freihandels, zumal des grenzenlosen und entgrenzten freien Kapitalverkehrs76. Die Vertragstechnik des Fiskalpaktes nutzt die Möglichkeiten der „verstärkten Zusammenarbeit“ eines Teils der Mitgliedstaaten der Union nach Art. 20 EUV und Art. 326 bis 334 AEUV und des Art. 136 Abs. 1 AEUV, der Regelungen zur „verstärkten Koordinierung und Überwachung der Haushaltsdisziplin“ der Euro-Staaten vorzuschreiben erlaubt. Nach diesen Vertragsregelungen müssen die Grundlagen der Union durch die besonderen Regelungen unberührt 74 Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 100 ff., nennt richtig „die Spargebote und Reformdiktate gezielte Grausamkeiten“; vgl. auch die Kritik des neoliberalen Kapitalismus der großen Märkte und des als „Wettbewerb der Systeme“ verharmlosten Wettbewerbs niedriger Löhne von Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 225 ff. 75 Ganz so eine Erklärung französischer Persönlichkeiten gegen den tabuisierten Euro, der wegen seiner Überbewertung den Niedergang der Wirtschaft und des Lohn- und Rentenniveaus Frankreichs mit sich gebracht habe, Guy Berger u. a., Die Existenz des Euros – Hauptursache für die ,Gelbwesten‘, in: Zeit-Fragen, Nr. 29/30 vom 18. Dezember 2018, S. 3, sie empfehlen statt unergiebiger Versuche den Euro zu retten, die monetäre Abwertung eines neuen Franc, in den die Staatsschulden nach der lex-monetae-Regel umgerechnet würden. 76 Dazu kritisch Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 111 ff., 430 ff., 624 ff.; auch Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 150, berichtend.
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bleiben. Diese werden schon dadurch verletzt, daß die Sparzwänge der Währungsunion entgegen Art. 2 EUV demokratiewidrig sind und die Souveränität der Mitgliedstaaten ignorieren77. Die geradezu gigantischen Verschuldungsangebote der EZB, zuletzt durch das PEPP (dazu zu C. II.), stehen im klaren Widerspruch zu den Spardiktaten des Fiskalpaktes. 2. Kreditaufnahmeverbote Deutschlands Deutschland hat die Kreditaufnahmeverbote für den Bund und die Länder, die der Fiskalpakt für die Euroländer vorgeschrieben hat, schon im Zuge der Föderalismusreform 2009 in das Grundgesetz geschrieben. Diese Politik der Verschuldungsvermeidung war gewissermaßen ,Vorbild‘ für die Wirtschafts- und Währungsunion der EU, weil vor allem die deutschen Regierungen, zumal die irregeleiten, fachunkundigen Finanzminister, in den Verschuldungsverboten den Schlüssel zur wirtschaftlichen Stabilität, insbesondere zur Preisniveaustabilität, gesehen haben. Nach Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG sind die Haushalte von Bund und Ländern „grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“. Nach Art. 115 Abs. 2 GG in der seit 2011 anzuwendenden Fassung sind demgemäß „Einnahmen und Ausgaben (sc. des Bundes) grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“. „Diesem Grundsatz ist“ nach Satz 2 „entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (2018 3.339 Bill. Euro, 2019 3.436 Bill. Euro) nicht überschreiten“. Das wäre im Jahre 2018 ein Kreditrahmen von etwa 11,7 Mrd. Euro, im Jahre 2019 von etwa 12,03 Mrd. Euro. Mit der Kreditaufnahme ist (verfassungsrechtlich bedenklich) die Nettokreditaufnahme gemeint. Im Jahre 2010 betrug die Neuverschuldung vergleichsweise 70 Mrd. Euro, im Jahr 2011 dank guter Konjunktur (nach der vorhergehenden Rezession) 17,3 Mrd. Euro. Art. 143 d Abs. 1 S. 5 GG hat dem Bund erlaubt, in den Jahren 2011 bis 2015 von der Vorgabe des Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG abzuweichen. Die Länder dürfen nach Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG „keine Einnahmen aus Krediten zulassen“, d. h. Netto-Neukredite. Das gilt für die Länder ab dem Haushaltsjahr 2020 (Art. 143 d Abs. 1 S. 4 GG). Die Anordnung unpopulärer Maßnahmen wie Schuldensperren wird möglichst in die fernere Zukunft verschoben. Die Gegenwart erzwingt eine Ausnahme, heißt es gern. So wurde wegen der CoronaPandemie die Schuldenbremse des Bundes auf Grund des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG ausgesetzt (Überschreitung der Kreditobergrenzen)78. Die Konjunktur erlaubt nach Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG ohnehin be77 Dazu grundlegend Jens Burkhard Funk, Der Internationale Währungsfonds. Status, Funktion, Legitimation, 2018, S. 371 ff. 78 Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2020 (Nachtragshaushaltsgesetz 2020), Entwurf vom 23. März 2020, Drucksache19/ 18100; Beschluß des Bundestages gemäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 und 7 des Grundgesetzes
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sondere Regelungen, wie auch „Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Die jährlichen Haushalte sollten aber so aufgestellt werden, daß bereits im Haushaltsjahr 2016 diese Vorgabe erfüllt wurde (Art. 143 d Abs. 1 S. 7 GG). Die tatsächliche Entwicklung kann auch geldwirtschaftlich schnell in eine andere Richtung gehen als in den Zeiten der Nullzinspolitik und guter Konjunktur. Freilich wird eher eine lange Dauer der Niedrigzinspolitik erwartet79. Allein eine schon aus Gründen der Inflationsbekämpfung notwendige Zinsanhebung der EZB um 100 Basispunkte (1 %) würde die derzeitigen (31. August 2020) Zinslasten Deutschlands um fast 21 Mrd. Euro erhöhen. Mittels Steuern, Beiträgen und Gebühren sind derartige zusätzliche Kosten schwer zu decken. Die Schuldensperre kann ebenso einfach, wie sie in das Grundgesetz geschrieben wurde, auch wieder aus diesem gestrichen werden. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat ist für die Parteienoligarchie, die keine hinreichend mächtige Opposition hat, kein Hindernis. Die Corona-Pandemie hat die Illusion, weitere Defizite könnten vermieden und Schulden gar gesenkt werden, unerwartet, aber radikal auch für Deutschland enttäuscht. Mittels Staatsanleihen monetär kreditierte Finanzmittel werden im Eurosystem in die Billionen Euro gehen, freilich gestützt auf die Ausnahmebefugnis des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG für die „außergewöhnliche Notsituation“ der Pandemie. Ob diese sich der „Kontrolle des Staates entzieht“, obwohl der Staat die Notsituation durch kleinteilige Vorschriften steuert, ist zweifelhaft, soll hier aber nicht erörtert werden. Die Verschuldungsgrenze des vorherigen Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG, die im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen, ist durch einen weiten Investitionsbegriff (Ausgaben mit „zukunftsbegünstigendem Charakter“, aber nicht schon Kosten für Ausbildung, „human capital“) und durch die Ausnahme einer Kreditaufnahme „zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ aufgeweicht worden, welche das Bundesverfassungsgericht als Alternative behandelt, deren Anwendung dem Einschätzungsspielraum des Parlaments unterliege und die keiner formellen Feststellung bedürfe (BVerfGE 79, 311 (334 ff., Rnrn. 71 ff.)). Diese Kreditaufnahmen waren jedenfalls insoweit verfassungsrechtlich bedenklich, als die Investitionen abgeschrieben waren und der Nachwelt keinen Vorteil bringen konnten, weil sie die Wirtschaftslage langfristig nicht verbessert haben. Die Beendigung der gesamtwirtschaftlichen Störung wurde niemals genutzt, die Verschuldung zu reduzieren. vom 25. März 2020, Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Drucksache 19/18108; Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz – WStFG), Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 24. März 2020, Drucksache 19/18109. 79 Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 55.
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3. Widerspruch deutscher Schuldenbremsen zum Fiskalpakt Wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, daß der Fiskalpakt Deutschland und damit auch die Länder Deutschlands im Rahmen des Prinzips der „umkehrbaren Selbstbindung“ (BVerfGE 89, 155 (190); 123, 267 (350, Rn. 233)) verpflichtet und demzufolge auch Art. 109 Abs. 3 GG wie auch die novellierten Art. 115 GG und Art. 143 d GG den Bund und die Länder Deutschlands binden, ist zu vermerken, daß weder Art. 109 Abs. 3 GG noch die Art. 115 Abs. 2 GG und Art. 143 d GG dem Fiskalpakt genügen. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. b des Vertrages „gilt die Regel unter Buchstabe a“ („Der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei ist ausgeglichen oder weist einen Überschuss auf“) „als eingehalten, wenn der jährliche strukturelle Saldo des Gesamtstaats dem länderspezifischen mittelfristigen Ziel im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts, mit einer Untergrenze von einem strukturellen Defizit80 von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen, entspricht. Die Vertragsparteien stellen eine rasche Annäherung an ihr jeweiliges mittelfristiges Ziel sicher. Der zeitliche Rahmen für diese Annäherung wird von der Europäischen Kommission unter Berücksichtigung der länderspezifischen Risiken für die langfristige Tragfähigkeit vorgeschlagen werden. Die Fortschritte in Richtung auf das mittelfristige Ziel und dessen Einhaltung werden dem geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakt entsprechend auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltssaldo als Referenz dient und die eine Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen einschließt“. Nach lit. c „dürfen die Vertragsparteien nur unter den in Absatz 3 Buchstabe b festgelegten außergewöhnlichen Umständen vorübergehend von ihrem jeweiligen mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad abweichen“. Lit. d: „Liegt das Verhältnis zwischen öffentlichem Schuldenstand und Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen erheblich unter 60 % und sind die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering, so kann die Untergrenze des in Buchstabe b angegebenen mittelfristigen Ziels ein strukturelles Defizit von maximal 1,0 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen erreichen“. Lit. e: „Erhebliche Abweichungen vom mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad lösen automatisch einen Korrekturmechanismus aus. Dieser Mechanismus schließt die Verpflichtung der betreffenden Vertragspartei ein, zur Korrektur der Abweichungen innerhalb eines festgelegten Zeitraums Maßnahmen zu treffen“.
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Mit dem strukturellen Defizit bezeichnet der Sachverständigenrat den Teil des Gesamtdefizits der öffentlichen Haushalte, der dauerhaften Charakter hat, sich also nicht im Laufe eines Konjunkturzyklus selbsttätig abbaut oder durch gesetzlich befristete Maßnahmen begründet ist, und der den mittelfristig als unbedenklich, somit als akzeptabel erscheinenden Umfang staatlicher Kreditfinanzierung überschreitet. Das strukturelle Defizit entspricht also jenem Teil des Gesamtdefizits, der bei Normalauslastung des Produktionspotentials die dauerhaft akzeptable Neuverschuldung überschreitet; vgl. Gustav A. Horn, Strukturelles Defizit, Netz, 15. Februar 2020; Gabler, Volkswirtschaftslexikon, 1997, Q – Z, S, 1034.
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Absatz 2 des Artikels 3 ist der Pferdefuß des illusorischen Vertragswerkes, nämlich: „Die Regelungen nach Absatz 1 werden im einzelstaatlichen Recht der Vertragsparteien in Form von Bestimmungen, die verbindlicher und dauerhafter Art sind, vorzugsweise mit Verfassungsrang, oder deren vollständige Einhaltung und Befolgung im gesamten nationalen Haushaltsverfahren auf andere Weise garantiert ist, spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Vertrags wirksam“.
Die Parteien sollen weitere nationale Korrekturmechanismen nach den Grundsätzen der Kommission einrichten, um der Regelung des Absatz 1 gerecht werden zu können. Ein weiterer Schwachpunkt des Vertrages aus der Sicht seines Zwecks ist Artikel 4: „Geht das Verhältnis zwischen dem gesamtstaatlichen Schuldenstand einer Vertragspartei und dem Bruttoinlandsprodukt über den in Artikel 1 des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit genannten Referenzwert von 60 % hinaus, so verringert diese Vertragspartei es gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (sc. der Stabilitäts- und Wachstumspakt) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 geänderten Fassung als Richtwert um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich. Das Bestehen eines übermäßigen Defizits durch die Verletzung des Schuldenkriteriums wird vom Rat nach dem Verfahren des Artikels 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgestellt werden“.
Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 und Art. 143 d Abs. 1 GG regeln den jährlichen Defizitabbau und verstehen das als die Rückführung der Nettokreditaufnahme. Wenn allerdings alle Haushaltslagen, in denen die aufgetürmten Verbindlichkeiten nicht bezahlt werden können, als „außergewöhnliche Notsituationen“ eingestuft werden, wie das praktiziert wird, wäre die Schuldenbremse ausgehebelt. Das widerspräche freilich der normativen Vorgabe, daß die Notsituation sich der Kontrolle des Staates entziehen muß. Die wachsenden Sozialausgaben sind Verantwortung des Staates, nämlich irregeleiteter Zuwanderungs- und Sozialpolitik. Jedem Haushaltspolitiker dürfte klar sein, daß die Kosten dieser Politik nicht finanzierbar sein werden, wenn das ESZB und die EZB ihre Politik der Kreditschwemme beenden und dadurch oder auch aus Gründen der weltwirtschaftlichen Entwicklung und/oder der Auswirkungen des Rückstandes deutscher Investitionen und des Rückfalles deutscher Wettbewerbsfähigkeit die Finanzierungskraft Deutschlands schwindet. Außerdem würde ein solches Verständnis des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG die Schuldenbremse dementieren. Zusätzlich sei darauf hingewiesen, daß Art. 109 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 143 d Abs. 1 S. 4 GG den Ländern abgesehen von den Ausnahmelagen der anormalen Konjunktur und der Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, Einnahmen aus Krediten verbietet. Einnahmen aus Krediten sind nicht nur
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D. Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten
solche, die zu Nettoneuverschuldungen führen. Das ist eine interessierte Restriktion des Begriffs des Kredits in Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG, die weder im Wortlaut noch im Zusammenhang der Regelung eine Stütze findet. Sie will lediglich nach der Rückzahlung von Krediten neue Einnahmen der Länder aus Krediten ermöglichen. Das aber will die Regelung des Grundgesetzes unterbinden. Wenn der Verfassungsgesetzgeber das so hätte regeln wollen, hätte er es auch so formulieren müssen. Der Begriff Nettoneuverschuldung ist schließlich nicht neu. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat das bei dem umfassenden Begriff belassen. Somit sind auch Einnahmen aus Krediten verboten, die zurückgezahlte Kredite zu ersetzen bezwecken, entgegen allen wohlmeinenden Kommentierungen.
E. Europäischer Stabilitätsmechanismus I. Art. 136 Abs. 3 AEUV Auf der Grundlage des Art. 48 Abs. 6 EUV hat der Europäische Rat im vereinfachten Vertragsänderungsverfahren durch Beschluß vom 25. März 2011, in Kraft getreten am 1. Mai 2013 nach Zustimmung der Mitgliedstaaten, Art. 136 AEUV durch einen Absatz 3 ergänzt. Satz 1 der Ergänzung ermächtigt „die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist“, „einen Stabilitätsmechanismus einzurichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren“ (ultima ratio-Prinzip). „Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen“, schreibt Satz 2 vor. Der permanente Schutzmechanismus ESM (Europäische Stabilitätsmechanismus) ist an die Stelle der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) des temporären Schutzmechanismus, zu dem auch der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) gehörte, getreten, die weiter abgewickelt wurden und werden. Die Vertragsänderung ist sowohl vom Europäischen Gerichtshof wie vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert worden (EuGH, Urteil vom 27. November 2012, Rs. C-370/12, Pringle, Slg. 2012, I-0000, Rn. 106 ff.; BVerfGE 135, 317 ff., Rnrn. 158 ff., 176 ff.) Der ESM sollte und soll das „reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion“ ermöglichen, wenn trotz aller Disziplinierung der Haushalte der Mitgliedstaaten „die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren“ nicht gewährleistet ist, weil Mitgliedstaaten dafür die Mittel fehlen. Der ESM wurde von Spanien (2012), Zypern (2013) und Griechenland (ab 2015 als drittes Hilfsprogramm) in Anspruch genommen, ohne den vertraglichen Zweck zu erreichen. Die „strengen Auflagen“ der aufgezwungenen Austeritätsmaßnahmen, ein striktes wirtschaftliches Reform- und Anpassungsprogramm, haben nicht genutzt, sondern erwartungsgemäß nur geschadet. Der ESM hat die Stabilität der Eurozone nicht bewirkt. Erst die Programme der EZB, das OMT-Programm und das PSPP mit der Niedrigzinspolitik, die zu C II 1 erörtert sind, waren wirksam und haben vorerst den Euro gerettet. Jetzt ist das PEPP der EZB das Rettungsinstrument für den Euro und die EU (dazu auch C. II. 1.). Diese Vertragsergänzung sollte der Euro-Rettungspolitik die Vertragswidrigkeit nehmen. Sie relativiert das Bail-out-Verbot des Art. 125 AEUV und hat entgegen Art. 3 Abs. 1 lit. c AEUV den Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, in wenn auch nicht näher bestimmten, so doch in besonderen Fällen eine Zuständigkeit für Währungspolitik gegeben.
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E. Europäischer Stabilitätsmechanismus
II. Relativierung des Bail-out-Verbots Die Ermächtigung des Art. 136 Abs. 3 AEUV hebt das Bail-out-Verbot des Art. 125 AEUV auf, „wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren“. „Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen“. Diese Ermächtigung ist allzu offen, geradezu unbestimmt. Sie stellt die klare Vertragsregelung des Art. 125 AEUV zur politischen Disposition und ist damit rechtsstaatswidrig. Stetig ist die Stabilität der Euro-Zone abzusichern. Das System der Europäischen Zentralbanken hat ausweislich Art. 127 Abs. 1 AEUV keine andere Aufgabe, als die Preisstabilität zu sichern. Das verlangt auch Art. 88 S. 2 GG. Der Stabilität ist auch die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten verpflichtet. Die Neuregelung besagt, der „Stabilitätsmechanismus“ könne geschaffen werden, wenn das nötig erscheint. Dabei ist in keiner Weise definiert, welches der Stabilitätsmechanismus sein soll. Zurzeit hat man davon gewisse Vorstellungen, aber es sind auch gänzlich andere Konzepte und Instrumente vorstellbar. Schließlich ist auch die gegenwärtige Ordnung der Währungsunion, die sich freilich nicht bewährt hat, ein Stabilitätsmechanismus. Wenn somit eine andere Politik, als sie vertraglich geregelt ist, von den Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, im Interesse der Stabilität der Euro-Zone als notwendig angesehen wird, können diese eine solche vereinbaren. Sie sind dann nicht mehr an Art. 125 AEUV gebunden. Die Vertragsänderung stellt sie von der Bindung frei, die sie in der Krise ohnehin ignoriert haben, wie sie seit Bestehen der Währungsunion auch den Stabilitätsmechanismus des Vertrages, nämlich die vereinbarte Haushaltsdisziplin als systemische Grundlage der Stabilität der gemeinsamen Währung mißachtet haben.
III. Konditionierung Die Konditionierung durch „strenge Auflagen“ ist nicht definiert. Die Auflagen sind somit beliebig oder eben Sache der Vereinbarung. Sie werden nicht dadurch rechtsstaatlich bestimmt, daß sie ein „makroökonomisches Anpassungsprogramm“ enthalten sollen (Art. 12 Abs. 1 ESM-Vertrag). Damit stehen auch die Vertragsregelungen über die Haushaltsdisziplin des Art. 126 AEUV, die ihrerseits niemals eingehalten wurden, zur politischen Disposition. Die Regelung gewinnt nicht dadurch an Bestimmtheit, daß die Auflagen „streng“ sein müssen. Es ist weder gesagt, daß die Auflagen rechtlich verbindlich noch daß sie sanktionsbewehrt sein noch daß die Kredite gesichert noch daß die Kreditnehmer angemessene Kreditzinsen zahlen müssen noch daß auch Haushaltszuschüsse gezahlt werden können und viele andere denkbare Varianten. Die „strengen Auflagen“ für Griechenland, Irland, Portugal und Spanien, die sich unter den „Rettungsschirm“ begeben mußten, haben sich für diese Länder als verheerend erwiesen. Die drei Länder sind in eine Rezession gezwungen worden, die
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ihnen großen Schaden zugefügt hat, im besonderen Maße Griechenland. Widerstand war die Antwort der Hellenen. Aber auch Italien und Frankreich haben, um nicht den „Rettungsschirm“ nutzen zu müssen, Austerität geübt, zum Schaden ihrer Länder. Ökonomisch vernünftig wäre es allein, daß sie aus der Währungsunion ausscheiden, ihre eigene Währung durch den Markt leistungsgerecht bewerten lassen und sich entweder von ihren Schulden zu Lasten der Banken und anderer Gläubiger ganz oder teilweise lossagen oder diese, soweit das die Preisniveaustabilität zuläßt, ignorieren, wenn die Schulden auf Forderungen ihrer Zentralbank beruhen. Die harte oder weiche Schuldbefreiung ist für insolvente Staaten unausweichlich. Wenn Banken dadurch in Schwierigkeiten geraten, folgt das dem Risiko, das diese eingegangen sind. Vornehmlich werden durch die Euro-Rettungsmaßnahmen Banken, Versicherungen und Fonds, auch und insbesondere solche mit staatlicher Beteiligung, vor Schaden geschützt, welche im Übermaß Kredite an Staaten und an Private ausgereicht haben, die erwartungsgemäß, ja geradezu zwangsläufig notleidend geworden sind. Systemrelevant ist keine Bank, keine Versicherung und kein Fonds. Durch Insolvenzen notleidenden Pensionären usw. kann (und sollte) mit dem erforderlichen und im Regelfall weitaus geringerem Geldeinsatz, notfalls mittels Finanzierung durch die staatliche Zentralbank, geholfen werden. Kredite der Zentralbanken begründen keine Schulden des Staates, wie zu L dargelegt ist. Das Vermögen der Einleger ist außerdem teilweise, wenn auch nicht hinreichend, durch Fonds gesichert.
IV. Unmittelbarer Erwerb von Staatsanleihen Das „internationale Finanzinstitut“ ESM hat wie die Zweckgesellschaft ESFS als Fonds eine Bankfunktion übernommen, welche der EZB durch Art. 123 Abs. 1 AEUV ausdrücklich verboten ist, nämlich den unmittelbaren Erwerb von Staatsanleihen. Auch der ESM wird zur zentralen Nebenbank der Mitglieder der Euro-Zone neben der EZB. Ihre Befugnis, Staatsanleihen der Mitglieder zu erwerben, dient augenscheinlich der Umgehung des staatsgemäßen Verbots des Art. 123 AEUV. Das Verbot hat die Funktion, die direkte Finanzierung von Staaten durch die EZB im Interesse der Geldmengenbegrenzung und damit der Preisstabilität zu unterbinden, die jedenfalls ohne für die Realwirtschaft zu große Geldmenge nicht gefährdet ist. Der Zweck des ESM wie schon des ESFS ist jedoch die stabilitätswidrige Haushaltsfinanzierung ohne realwirtschaftliche Grundlagen, sogar unabhängig von den Finanzmärkten. Das verfassungsrangige Stabilitätsprinzip, das im Sozialprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und in der Eigentumsgewährleistung verankert ist, wird mißachtet. Es war eine wesentliche Weiterentwicklung des Instrumentariums der Vergemeinschaftung der Haftung für die Schulden anderer Mitglieder des Euroverbundes, daß der ESM gemäß Art. 21 Abs. 1 ESM-Vertrag Staatsanleihen unmittelbar (nicht aber mittelbar) aufnehmen darf81. Die Zweckgesellschaft des temporären Schutzmechanis81 „Der ESM ist befugt, zur Erfüllung seiner Aufgaben an den Kapitalmärkten Anleihen von Banken, Finanzinstituten oder sonstigen Personen und Institutionen aufzunehmen“.
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E. Europäischer Stabilitätsmechanismus
mus, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), ist ein Fonds der öffentlichen Hände, organisiert in einer Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts. Ein Fonds der öffentlichen Hände ist trotz des völkerrechtlichen Status auch der ESM, wenn auch in der Form einer internationalen Organisation, die nicht typisiert ist. Der ESM hat seinen Sitz auch in Luxemburg. Soweit Deutschland am ESM beteiligt ist, sind die Einrichtungen in das deutsche Verfassungsrecht eingebunden. Nur wenn und soweit Deutschland Staatsanleihen anderer Staaten erwerben darf, darf das auch die Zweckgesellschaft ESFS und darf das auch der ESM, wenn Deutschland an diesem beteiligt ist. Ein Staat, jedenfalls Deutschland, darf seinen Organisationen, seien diese staatlich oder zwischenstaatlich, keine Befugnisse einräumen, die er selbst nicht hat. Das wäre ultra vires. Richtigerweise ist die rechtliche Existenz einer Republik auf die Befugnisse begrenzt, welche das Verfassungsgesetz oder im Rahmen der Verfassung der Gesetzgeber ihr gibt; denn der Staat ist die Organisation eines Volkes zur Verwirklichung des gemeinen Wohls. Das aber wird in dem Verfassungsgesetz und den Gesetzen materialisiert, welche den Willen der Bürgerschaft, des Volkes, formulieren82. Zinsgewinne rechtfertigen keinesfalls ein staatliches Geschäft; denn dem Staat ist gewinnorientiertes Handeln verboten83. Die Staatsanleihen sollen aus einem ganz anderen Grunde erworben werden, nämlich um die Mitglieder des ESM, d. h. der Euro-Gruppe, „die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, „unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist“ (Art. 3 ESM-Vertrag). Der primäre Erwerb der Staatsanleihen ist Kredit- und Finanzhilfe und verschafft den kreditsuchenden Staaten marktunabhängige Finanzierungsbedingungen, insbesondere Zinsen. Die Rücknahme der Anleihen, also die Rückzahlung des Übernahmepreises, wird meist zweifelhaft sein. Aber davon unabhängig ist die Finanzierung fremder Staaten, wiewohl der Erwerb von Anleihen fremder Staaten üblich ist, ein staatsfremdes Geschäft, welches die Befugnisse eines Staates, jedenfalls Deutschlands, übersteigt. Aus diesem Grunde darf der Staat keinerlei Risiko eingehen. Nicht einmal im Bundesstaat wie Deutschland kommt eine solche Finanzierung der Länder als Glieder des Bundesstaates in Betracht. Wenn die Länder Finanzierungsschwierigkeiten haben, können sie nach Maßgabe der Finanzverfassung des Grundgesetzes Hilfe der anderen Länder und auch des Bundes beanspruchen. Grundsätzlich sichert der bundesstaatliche Finanzausgleich (Art. 107 Abs. 2 GG) die Landesfinanzierung mit dem Kriterium der einheitlichen Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet (Art. 106 Abs. 3 Nr. 2 GG). Nach Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG kann das Finanzausgleichsgesetz in Deutschland bestimmen, „daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen 82
Karl Albrecht Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 50 ff., 94 ff., 150 f. BVerfGE 61, 82 (107); BVerwGE 39, 329 (333 f.); BGHZ 82, 375 (381 ff.); Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff. 83
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Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt“. „Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und der Gemeinden“, „die zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind“, kann der Bund den Ländern nach Art. 104 b Abs. S. 1 GG (seit der Föderalismusreform) auch gewähren, soweit er die Gesetzgebungsbefugnis hat. Darüber hinaus kann „der Bund im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, auch ohne Gesetzgebungsbefugnis Finanzhilfen gewähren“ (S. 2). Das sind die bundesstaatstypischen Möglichkeiten der Finanzhilfen des Bundes für die Länder. Umgekehrt sind Finanzhilfen der Länder für den Bund nicht vorgesehen und nicht nötig, weil der Bund die finanzpolitische Gesetzgebungsmacht hat. Das geschlossene System der Ausgabenfinanzierung von Bund und Ländern, das mit dem Einnahmesystem, welches vor allem auf Steuern beruht, aber auch mit der Aufgabenverantwortung und der demokratischen Legitimation der Gesetzgebung abgestimmt ist, verbietet weitere Finanzierungsmaßnahmen, deren Gebrauch in das verfassungsrechtliche Gefüge eingreifen würde. Ganz abwegig wäre es, wenn der Bund einem Land, dem es Kredit gewährt, gar gegen Erwerb von Staatsanleihen, Vorschriften über seine Politik machen wollte. Genauso abwegig wäre es, wenn ein Land dem Bund oder einem anderen Land als Bedingung der Kreditierung solche Vorschriften machen würde. Aber über den ESM soll es erlaubt sein, „souveränen“ Staaten „strenge Auflagen“ mit einem „makroökonomischen Anpassungsprogramm“ zu machen84, also den finanzierten Staaten die Politik vorzuschreiben (Art. 12 Abs. 1 ESM-Vertrag). Das ist mit der existentiellen Staatseigenschaft unvereinbar. Im Währungsverbund soll auf Grund einer so gut wie unbestimmten Zuständigkeitsöffnung erlaubt sein, was im entwickelten Bundesstaat verboten ist. Das ist nichts anderes als rechtlose Bevormundung mit dem Zwangsmittel der Schulden- und Finanzhilfe, also der „goldene Zügel“. Eine Finanzierung des Staates durch die Zentralbank, etwa durch den unmittelbaren Erwerb von Staatsanleihen, ist dem Staatsprinzip zuwider. Das kann auf inflationäre, der staatlichen Leistungsfähigkeit widersprechende Staatsfinanzierung durch Geldmengenerweiterung hinauslaufen, wenn weitere Umstände dazukommen. Weder darf im Bundesstaat der Bund die Länder durch Erwerb von deren Staatsanleihen finanzieren noch dürfen umgekehrt die Länder den Bund auf diese Weise finanzieren. Das muß erst recht im Verhältnis unabhängiger Staaten zueinander gelten, welche die Mitgliedstaaten der Union noch immer zu sein beanspruchen. Der Deutschen Bundesbank sind Darlehen sowohl an den Bund als auch an die Länder durch § 20 in Verbindung mit § 19 Nr. 1 BBankG untersagt. Das schließt den mittelbaren Erwerb solcher Anleihen durch die 84
„Ist dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar, so kann der ESM einem ESM-Mitglied unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen Stabilitätshilfe gewähren. Diese Auflagen können von einem makroökonomischen Anpassungsprogramm bis zur kontinuierlichen Erfüllung zuvor festgelegter Anspruchsvoraussetzungen reichen“.
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E. Europäischer Stabilitätsmechanismus
Bundesbank am offenen Markt im Rahmen ihres Auftrages nicht aus. Folgerichtig sind der EZB und den nationalen Zentralbanken durch Art. 123 Abs. 1 AEUV der „unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln“ (u. a.) der „Zentralregierungen, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften“ untersagt. Der unmittelbare Erwerb von Staatsanleihen durch den Euro-Stabilitätsfonds und den ESM mißbraucht staatswidrig die Kreditwürdigkeit einiger Mitglieder der Euro-Zone, insbesondere Deutschlands, zur Finanzierung anderer Mitglieder, als seien die Staaten, die die Kredite sichern, Banken.
F. Finanz- und Budgethoheit der Völker I. Souveränität der Bürger Deutschlands 1. Ausübung der Staatsgewalt in Bund und Ländern Der Bund der Bundesrepublik Deutschland ist ein Staat. Seine Bürger sind frei. Ihre politische Freiheit ist ihre Souveränität85. Die Souveränität üben die Bürger mittels des Bundes gemeinsam aus. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) oder: „Das Volk ist Träger der Staatsgewalt“ (etwa Art. 2 Abs. 2 BbgVerf). Die Staatsgewalt „wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“ (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG; BVerfGE 129, 194 ff., Rn. 105, st.Rspr.). Die Gesetzgebung des Bundes üben der Deutsche Bundestag und der Bundesrat in Verbindung mit der Bundesregierung aus (Art. 76 bis 78 GG). In den Ländern sind neben den Landesvölkern die Landtage die wesentlichen Gesetzgebungsorgane. Die vollziehende Gewalt, soweit die Bundesgesetze nicht von den Ländern ausgeführt werden (Art. 30, 83 ff. GG), liegt in den Händen der Bundesregierung und der Bundesbehörden. „Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt“ (Art. 92 GG). Auch die Länder Deutschlands sind Staaten („mit nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter Hoheitsmacht“, BVerfGE 1, 14 (34; 6, 309 (346 f.); 34, 9 (19 f.); 60, 175 (207, 209); 81, 310 (331)). Ihre Bürger sind souverän; denn sie sind frei. Auch die Landesvölker üben ihre Souveränität, ihre „Hoheitsmacht“, mittels ihres Staates gemeinsam aus86. Die Gesetzgebung wird in den Ländern durch die Landtage ausgeübt, in manchen Ländern auch durch Volksentscheid. Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Landesregierung, der Verwaltungsbehörden und der Selbstverwaltungsorgane. Die Rechtsprechung ist unabhängigen Richtern der Landesgerichte und den Bundesgerichten sowie den Verfassungsgerichten der Länder und dem Bundesverfassungsgericht übertragen. Die Bestimmungen des Grundgesetzes gehen denen der Landesverfassungen vor (etwa Art. 2 Abs. 5 S. 1 BbgVerf). „Bundesrecht bricht Landesrecht“ (Art. 31 GG). Durch den Bund mit den anderen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland geben die Länder ihre Souveränität nicht auf. „Die Ausübung der staatlichen Be85 86
Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 289 ff., 312 ff. Näher Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 402 ff.
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F. Finanz- und Budgethoheit der Völker
fugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt“ (Art. 30 GG). Die Ausübung der Souveränität ist somit zwischen Bund und Ländern geteilt und weitgehend gemeinsam durch das Grundgesetz geordnet87. Der Bund ist nicht befugt, den Ländern die Souveränität streitig zu machen. Das widerspräche dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, das nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers steht (Art. 79 Abs. 3 GG), auch nicht zur Disposition von Integrationsverträgen der Europäischen Union (Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG). Demgemäß dürfen Änderungen des Grundgesetzes die Souveränität der Länder nicht im Kern beschränken. Die Mitgliedschaft in einem unitarischen Bundesstaat88 wie der Bundesrepublik Deutschland, einem unechten Bundesstaat89, bringt notwendig eine Beschränkung der Souveränität mit sich. Bestimmte Staatsaufgaben werden dem Bund übertragen und bestimmte Staatsaufgaben werden nach gemeinschaftlichen Regeln ausgeübt, die in dem gemeinsamen Verfassungsgesetz, dem Grundgesetz, stehen. Aber ein Kern der Souveränität muß unberührt bleiben. Sonst würden das Selbstbestimmungsrecht des Volkes und damit auch dessen Souveränität ausgehöhlt. Das verletzt die Freiheit der Bürger des Landes. Die territorial vertikale Gewaltenteilung des Föderalismus ist für die Freiheit der Bürger von größerer Bedeutung als die horizontale Gewaltenteilung der sogenannten Staatsgewalten eines Staates in der parteiengeprägten Demokratie90. 2. Ausübung von Hoheitsrechten durch die Europäische Union „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland“ nach Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG „bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet“ (vgl. BVerfGE 89, 155 (187 f.), nicht explizit)91. „Der Bund kann hierzu“ nach S. 2 87
Ebenda. Ebenda, S. 413. 89 Näher Karl Albrecht Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa, S. 279 ff., auch in meiner Homepage, KASchachtschneider.de unter Downloads; ders., Souveränität, S. 402 ff., 408. 90 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 413; ders., Die nationale Option. Plädoyer für die Bürgerlichkeit des Bürgers, 2017, S. 362 f. 91 Dazu Paul Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland, in: J. Isensee (Hrsg.), Europa als politische Idee und als rechtliche Form, 1993, S. 63 ff., 96 f., 97 f.; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, HStR, Bd. VII, Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, 1992, § 183, Rnrn. 58 ff., 61 ff.; Eckart Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 71, 81 f.; Hermann Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, HStR, Bd. VII, Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, 1992, § 175, Rn. 65 ff. (zurückhaltend für das Bundesstaatsprinzip); Hans Peter 88
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des Art. 23 Abs. 1 GG „durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen“. Auf dieser Verfassungsgrundlage entwickelt sich die europäische Wirtschafts- und Währungsunion, in deren Rahmen sich die Euro-Union gebildet hat. Die Hoheitsrechte sind der EU von den Mitgliedstaaten zur gemeinschaftlichen Ausübung übertragen (BVerfGE 89, 155 (184, 186 f.)92. Wegen der demokratischen Verantwortbarkeit der Unionspolitik durch die Mitgliedstaaten, entweder unmittelbar durch deren Völker oder mittelbar durch deren Volksvertretungen, kann die Union nur begrenzt ermächtigt werden. Die Ermächtigungen müssen hinreichend bestimmt sein, so daß die Politik der Union durch ihre Voraussehbarkeit auch verantwortbar ist (Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, BVerfGE 89, 155 (189, 191 ff.); 123, 267 ff., Rnrn. 226, 234 ff., 262, 265, 272, 275, 298 ff., 300 ff., 326)93. Die Gründungsverträge der EU sind Verträge des Völkerrechts. Diese haben kein Unionsvolk geschaffen und können das ohne Zustimmung der Völker durch Referenden nicht (BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 179, 224, 263). Ohne Unionsvolk gibt es keinen neuen Träger der Staatsgewalt und somit keine Souveränität der Europäischen Union. Deutschland hat keinerlei Hoheit, Staatsgewalt oder Souveränität durch die europäische Integration eingebüßt. Das erweist vor allem das Recht, jederzeit die Union zu verlassen, im Austrittsrecht, dessen Anerkennung ich gegen die allgemeine Meinung und gegen die Ideologie der Unumkehrbarkeit der Integration im Maastricht-Prozeß 1993 durchgesetzt habe (BVerfGE 89, 155 (190)) und das jetzt in Art. 50 EUV steht und mit einem gewissen Verfahren ausgestattet ist. Richtig spricht das Bundesverfassungsgericht jetzt (BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 233, 299, 329 f.) die vor mir „ständige Freiwilligkeit der Mitgliedschaft“ in einer völkerrechtlichen Organisation genannte Rechtslage als Prinzip „umkehrbarer Selbstbindung im Staatenverbund“ an. Das Volk hat, zum Staat verfaßt, existentielle Staatseigenschaft. Die steht in keiner Weise zur Disposition der Politik der Volksvertreter. Wenn diese neugestaltet, etwa aus den einzelstaatlichen europäischen Völkern ein Volk der Unionsbürger Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, 1992, § 181, Rnrn. 9, 58 ff., 67; Rudolf Bernhardt, Verfassungsrecht und völkerrechtliche Verträge, HStR, Bd. VII, Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, 1992, § 174, Rn. 26, akzeptiert als Grenze der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 79 Abs. 3 GG erst die „vollständige Aufgabe deutscher Staatlichkeit“; Karl Albrecht Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union. Ein Beitrag zur Lehre vom Staat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag über die Europäische Union von Maastricht, in: W. Blomeyer/K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 75 ff., 101 f., 105 f.; ders., Souveränität, 2015, S. 460 ff.; ders., Die nationale Option, 2017, S. 219 ff.; Doris König, Die Übertragung von Hoheitsrechten im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses, -Anwendungsbereich und Schranke des Art. 23 des Grundgesetzes, 2000, S. 264 ff., 417 ff., 463 ff. 92 Karl Albrecht Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 66 ff., insb. S. 74 f. 93 Karl Albrecht Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 71 f.
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geschaffen werden soll, müssen sich alle beteiligten Völker dafür durch Volksabstimmungen öffnen (so auch BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 179, 228, 263). Die funktionale Staatlichkeit kann nach Art. 23 Abs. 1 GG zur gemeinsamen Ausübung Organen der EU übertragen werden (Souveränität, S. 24 ff., 479 ff.). Die Hoheit bleibt dabei die der Völker. Sie verlieren diese nicht, dogmatisch. Die EU ist (bisher) kein Staat im existentiellen Sinne verfaßter Bürgerlichkeit, der um des Rechts willen die Gebietshoheit und vor allem die Verfassungshoheit oder auch nur die sogenannten drei Staatsgewalten innehätte94. Wegen dieses von der „Souveränität“ her definierten Staatsbegriffs (BVerfGE 89, 155 (188 ff.)) hält das Bundesverfassungsgericht daran fest, der EU den Staatscharakter abzusprechen (BVerfGE 89, 155 (188); so ständig seit BVerfGE 22, 293 (296)), insoweit zu Recht. Demzufolge begreift das Gericht die EU als „Union der Völker Europas“, als „Verbund demokratischer Staaten“, kurz und vor allem als „Staatenverbund“ (BVerfGE 89, 155 (184, 186, 188 ff.); 123, 267 ff., LS. 1, Rnrn. 229, 233, 294). Wenn und soweit der Staatsbegriff wegen des Prinzips der Gesetzlichkeit mit der Befugnis und der Möglichkeit verbunden ist, die Gesetzlichkeit zu erzwingen, ist die Europäische Union als solche kein Staat; denn jedenfalls die genannte Befugnis, aber auch die Möglichkeit ist den Mitgliedstaaten (noch) verblieben95. Die Unionsverträge begründen weder eine „von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten deutlich geschiedene, supranationale, öffentliche Gewalt“ (BVerfGE 22, 293 (295 f.)), noch eine „einheitliche und originäre, europäische öffentliche Gewalt„96, noch eine „außerstaatliche Hoheitsgewalt„97 oder eine „Gemeinschaftsgewalt“ (BVerfGE 89, 155 (187))98, aber auch keine „Hoheitsgewalt“ oder „von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedene öffentliche Gewalt“ (BVerfGE 89, 155 (175)). Es ist somit auch kein „neuer Hoheitsträger entstanden, der über eigene Hoheitsrechte verfügt“, gar über eine „autonome supranationale Hoheitsgewalt“99. Die Verträge verschaffen der Union überhaupt keine eigenständige Gewalt, sondern 94 Karl Albrecht Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, S. 279 ff., 297 ff. 95 Karl Albrecht Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994, S. 545 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 100 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 118 ff. 96 So Peter Badura, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstrukturen in den internationalen Gemeinschaften, VVDStRL 23 (1966), S. 54 ff., 57, 59; i.d.S. auch Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, § 9, 61, S. 232; gegen die Originarität der Rechtsetzungsgewalt Paul Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR Bd. VII, 1992, § 183, Rn. 38. 97 So Christian Tomuschat, Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), GG, Zweitbearbeitung 1981, Rn. 8 zu Art. 24. 98 So Thomas Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rnrn. 615 ff., S. 228 ff. („autonome Gemeinschaftsgewalt“), Rnrn. 893, S. 337. 99 Doris König, Die Übertragung von Hoheitsrechten im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses – Anwendungsbereich und Schranke des Art. 23 des Grundgesetzes, 2000, S. 61, 566.
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integrieren deren Organe in die Staatlichkeit der Mitgliedstaaten. Sie organisieren die gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt in der Weise, daß die staatliche Hoheit und die Zwangsbefugnisse den Völkern als den existentiellen Staaten, die allein Hoheit haben, verbleiben. Die Unionsorgane sind staatlich und im institutionellen Sinne Staatsorgane, nämlich gemeinschaftliche Organe der Mitgliedstaaten, Teil von deren staatlicher Organisation. Der Gewaltbegriff in den zitierten Formulierungen kann somit nur die hoheitlichen Funktionen meinen, welche die Union aufgrund der übertragenen Hoheitsrechte gemeinschaftlich, für alle Mitgliedstaaten gemeinsam wahrnimmt, Funktionen ohne Zwangsrechte. Gemeint ist der funktionale Gewaltbegriff, der auch die Legislative und die Judikative als staatliche Gewalt versteht. Staatsgewalt hat nur ein Volk. Eine Gebietshoheit, welche eigene Staatsgewalt einschließlich von Zwangsbefugnissen einschließt, hat die Union nach wie vor nicht (vgl. Art. 88 Abs. 3 S. 2 AEUV für Europol). Zwangsbefugnisse wären notwendiges, wenn auch nicht hinreichendes Kriterium eines Staates im existentiellen Sinne. Ohne Gebietshoheit im engeren Sinne von Zwangsbefugnissen ist die Rechtlichkeit des Gemeinwesens nicht sichergestellt, so daß das Gemeinwesen kein Rechtsstaat und damit kein Staat wäre100. Auch Zwangsbefugnisse können gemeinschaftlich ausgeübt werden, wie die militärische Zusammenarbeit, insbesondere die der NATO, zeigt, aber das Verteidigungsbündnis schafft keinen Staat im existentiellen Sinne, dessen Dogmatik vielmehr die normale Lage erfassen muß. Die gemeinschaftliche Staatlichkeit ist die Staatsgewalt der Mitgliedstaaten, die gemeinschaftlich ausgeübt wird. Das Bundesverfassungsgericht spricht davon, daß die Mitgliedstaaten „die Europäische Union gegründet“ hätten, „um einen Teil ihrer Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen und insoweit ihre Souveränität gemeinsam auszuüben“ (BVerfGE 89, 155 (188 f.)). Der Union wird nicht etwa Staatsgewalt oder gar Souveränität übertragen101, sondern die gemeinschaftliche Ausübung der Hoheitsrechte überantwortet. Trotz des Wortlauts des Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG, der es dem Bund erlaubt, „Hoheitsrechte zu übertragen“, kann das nur eine Ausübungsbefugnis bewirken, weil die Staatsgewalt als Souveränität die Freiheit der Bürger ist, die schlechterdings nicht veräußert werden kann, schon gar nicht vom Staat. Im übrigen kann ein Mitgliedstaat auch die Union verlassen und damit die Ausübung seiner Hoheitsrechte wieder in die eigenen Hände nehmen, wie das die Briten getan haben. Das wäre nicht möglich, wenn die Hoheitsrechte auf einen anderen Träger öffentlicher Gewalt gewissermaßen dinglich übertragen worden wären. Die „Gesetze“ der Union sind in die Rechtsordnung jedes Mitgliedstaates 100
Karl Albrecht Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff. So aber etwa Udo Di Fabio, Das Recht offener Staaten. Grundlinien einer Staats- und Rechtstheorie, 1998, S. 94, wie fast alle, die nicht wissen, was Souveränität ist. Unklar BVerfGE 37, 271 (277 ff.); 73, 339 (374 ff.); klar zur Souveränitätsübertragung BVerfGE 75, 223 (242 ff.), Gemeinschaft „kein souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts“, auf sie kann „weder die territoriale Souveränität noch die Gebiets- und Personalhoheit der Mitgliedstaaten übertragen werden“. 101
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integriert, die Organe der Union gehören zur Organisation jedes Mitgliedstaates, als Gemeinschaftsorgane. Die Rechtsakte der gemeinschaftlichen Organe sind darum Rechtsakte jedes Mitgliedstaates. Die vornehmlich in den Unionsverträgen formulierte (materiale und funktionale) „Verfassung“ der Union ist Teil der Verfassungsordnung jedes einzelnen Mitgliedstaates. Das Unionsrecht, sowohl das primäre als auch das sekundäre, ist Teil der innerstaatlichen Rechtsordnungen, jedenfalls nach deutschem Verfassungsrecht, nicht etwa eine eigenständige andere Rechtsordnung (a.A. noch BVerfGE 22, 293 (296); 31, 145 (173 f.); 37, 339 (367); 58, 1 (27); nicht eindeutig BVerfGE 89, 155 (175): „… Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation …“)102. Rechtens kann es in Deutschland keine originäre europäische öffentliche Gewalt geben, aber auch keine europäischen Rechtsakte, die ihre Legalität nicht aus dem Willen der Deutschen gemäß dem Verfassungsgesetz Deutschlands herleiten, sondern über dem Recht Deutschlands stehen. Logisch ist die Unionsverfassung der Verträge in die Verfassung der Völker, in Deutschland also in das Grundgesetz, integriert. Eine von der Verfassung der Völker unabhängige, also insofern eigenständige europäische Staatsgewalt, ein Staat Europa im existentiellen Sinne also, setzt eine europäische Verfassung voraus, welche nicht nur eine europäische Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungshoheit sowie eine europäische Gebietshoheit, sondern auch eine europäische Verfassungshoheit schafft und damit die deutschen Hoheiten, insbesondere die deutsche Verfassungshoheit, aufheben oder doch bundesstaatlich einschränken würde. Diese Entwicklung wird vorangetrieben. Ein Verfassungsgesetz der EU würde das Grundgesetz als höchstes Gesetz Deutschlands und als das Verfassungsgesetz, das Deutschland zum Staat (im existentiellen Sinne) verfaßt, ablösen oder zumindest einschränken. Deutschland wäre entweder kein Staat (im existentiellen Sinne) mehr oder würde seine existentielle Staatseigenschaft und damit seine Souveränität mit der EU teilen103. Die EU ist nach wie vor trotz der neuen Verfassungsgrundlage Deutschlands in Art. 23 GG eine zwischenstaatliche Organisation, wie diese Art. 24 GG ermöglicht hatte und weiterhin ermöglicht, also ein internationales Gebilde. Sie verbindet Nationen. Diese Verbindung ist sehr intensiv und hat seit langem funktional die Intensität eines Bundesstaates. Aber die Union ist kein existentieller Staat, vor allem weil sie nicht die Organisation eines souveränen Unionsvolkes ist, das sie legitimieren oder besser legalisieren könnte. Sie ist darum nicht souverän und hat auch an 102 Hans Peter Ipsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rn. 58, spricht (fragwürdig) von „unterschiedlichen Rechtsmassen der nationalen Rechtsordnungen und der Gemeinschaftsordnung verschiedenen Geltungsgrundes“. 103 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, in: W. Hankel/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty (Hrsg.), Der Ökonom als Politiker – Europa, Geld und die soziale Frage, Festschrift für Wilhelm Nölling, 2003, S. 279 ff.; ders., Souveränität, S. 460 ff., ders., Die nationale Option, S. 219 ff.
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der Souveränität der Völker nicht teil. Sie ist in die Organisation der Mitgliedstaaten integriert und ist damit in die Ausübung der Souveränität der Völker der Mitgliedstaaten einbezogen, nicht anders als andere Staatsorgane der Völker, freilich in Gemeinschaft mit den anderen Unionsvölkern. Mittels der Union üben die völkervertraglich verbundenen Völker einen Teil ihrer Staatsgewalt gemeinschaftlich aus. Die nationalen Bürgerschaften verwirklichen auf diese Weise im gemeinschaftlichen Interesse ihre Freiheit als ihre Souveränität. Diese Dogmatik wird nicht davon berührt, daß die Befugnisse der Union sowie deren Handhabung weitgehend und tiefgehend die Souveränität der Bürger verletzt. Das hat die politische Klasse der EU zu verantworten, der die europäische Integration zu einem zentralistischen Großstaat mit einheitlichen Lebensverhältnissen wichtiger ist als die Freiheit ihrer Bürger. Diese gebietet Rechtlichkeit und damit Achtung der Souveränität. Hoheitsrechte sind in einem solchen Maße zur Ausübung an die Union übertragen, daß die Union längst ein Staat, ein Bundesstaat im funktionalen Sinne ist. Das Bundesverfassungsgericht teilt mit mir die Auffassung, daß der Umfang der übertragenen Hoheitsrechte und der Grad der politischen Verselbständigung bei der Wahrnehmung der übertragenen Hoheitsrechte Kriterium des Verlustes an demokratischem Legitimationsniveau ist (BVerfGE 123, 267 ff., Rn. 262), räumt aber nicht ein, daß das längst Realität ist (Rn. 275). Die Europäische Union ist funktional ein vertraglicher Bundesstaat, ein echter Bundesstaat, der auf Vertrag, nicht wie Deutschland als ein unechter Bundesstaat auf einem Verfassungsgesetz beruht. Sie ist aber kein existentieller Staat. Sie hat auch keine eigenständige Legitimation oder gar Legalität und vermag eine solche mangels eines Volkes auch nicht hervorzubringen104. Eigentlich lebt sie nur von der elitären Ideologie der politischen Klasse in Deutschland, in der Union und in der Welt, daß das große Europa eine gute, ja alternativlose Politik sei. Die großen Medien gehören zur politischen Klasse und propagieren seit Jahren, Tag für Tag, nichts anderes. In Wirklichkeit wird die zum Staat vereinte EU niemals demokratisch, rechtsstaatlich und sozial sein, wie auch jetzt schon nicht. Die unionale Europolitik macht das augenfällig. Die verstaatlichte Union wird eine diktatorisch verwalteter, wirtschaftlich heruntergekommener Rand Asiens mit einer multiethnischen, überwiegend islamischen Bevölkerung sein, erweitert nach Vorderasien und in das nördliche Afrika hinein. Das betreibt der Barcelona Prozeß mittels der Mittelmeerunion. Es drohen religiöse Bürgerkriege, aber es kann auch zu einer kampflosen Unterwerfung unter den Islam kommen. Die Menschen lassen sich in einem Großstaat leichter beherrschen. Die Europäische Union ist ein Staat ohne Legitimation und ohne Legalität105. Die Übertragung der Hoheitsrechte auf die Europäischen Union nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG (vor dessen Einführung wegen des Maastricht-Vertrages nach Art. 24 104
Zum Ganzen Karl Albrecht Schachtschneider, Verfassungsbeschwerde vom 23./25. 05. 2008 gegen den Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007, Homepage KASchachtschnei der.de, downloads. 105 Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option, S. 224 ff.
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Abs. 1 GG), die, wie gesagt, nur zur gemeinschaftlichen Ausübung der „Souveränität“ übertragen werden (so schon das Maastricht- Urteil, BVerfGE 89, 155 (188 f.); jetzt in diesem Sinne das Lissabon-Urteil, BVerfGE 123, 267 ff., Rn. 233, 248)106darf allenfalls in engen Grenzen der Verantwortbarkeit und Voraussehbarkeit der nationalen Parlamente erfolgen. Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt fünf Begrenzungen der Geltung von Unionsrecht in Deutschland: Rechtsakte der Gemeinschaft dürfen erstens den Wesensgehalt der Grundrechte nicht verletzen und damit den „unabdingbaren Grundrechtsstandard“ mißachten, den das Bundesverfassungsgericht in einem „Kooperationsverhältnis“ mit dem Europäischen Gerichtshof im Grundrechtsschutz zu verantworten meint (BVerfGE 89, 155 (174 f.); BVerfGE 102, 147 (163)). Der Europäische Gerichtshof soll „den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantieren“, so daß das Bundesverfassungsgericht „sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsstandards (…) beschränken“ könne (BVerfGE 89, 155 (174 f.); so schon BVerfGE 73, 339 (387)). Zweitens sollen die Rechtsakte die Strukturprinzipien der deutschen Verfassung nicht beeinträchtigen dürfen (BVerfGE 37, 271 (279); 73, 339 (376)), zumal jetzt Art. 23 Abs. 1 S. 1 und 2 GG die Übertragung von Hoheitsrechten nur für die Entwicklung einer Europäischen Union erlaubt, „die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen“ und im übrigen „dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet“ (vgl. BVerfGE 89, 155 (187 f.), nicht explizit). Das Gericht hat im Beschluß vom 14. Oktober 2004 (2 BvR 1481/04, Rn. 36) vom „weit zurückgenommenen Souveränitätsvorbehalt“ nach Art. 23 Abs. 1 GG gesprochen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die genannten Strukturprinzipien, etwa das weitgefächerte Rechtsstaatsprinzip, zu verletzen. Drittens dürfen die Rechtsakte nicht das Prinzip der begrenzten und bestimmbaren Ermächtigung der Union und der Gemeinschaften mißachten, also ultra vires ergehen, so daß „die deutschen Staatsorgane aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert wären, diese Rechtsakte in Deutschland anzuwenden“ (BVerfGE 89, 155 (187 ff., 191 ff.); 123, 267, Rnrn. 241, 339 f., 343)). Die Union und ihre Gemeinschaften würden die ihnen eingeräumten Hoheitsrechte überschreiten, also ihre Befugnisse verletzen, wenn sie viertens das Subsidiaritätsprinzip nach Art. 2 Abs. 2 EUV und Art. 5 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 5 Abs. 1 EUV) mißachten. Das Subsidiaritätsprinzip hat das Bundesverfassungsgericht für die Union und für die Europäische Gemeinschaft als „verbindlichen Rechtsgrundsatz“ erkannt und als Kompetenzausübungsschranke eingestuft (BVerfGE 89, 155 (189, 193, 210 ff.)). Fünftens schließlich hat das Bundesverfassungsgericht das gemeinschaftsrechtliche Mehrheitsprinzip „gemäß dem aus der Gemeinschaftstreue folgenden Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme“ in die Grenzen der Verfassungsprinzipien und der „elementaren Interessen der Mitgliedstaaten“ gewiesen (BVerfGE 89, 155 (184)). Auch dieses Rechtsprinzip, das den 106 Vgl. Karl Albrecht Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 66 ff., u. ö.; ders., Souveränität, S. 479 ff.
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dahingehenden Luxemburger Kompromiß von 1966 verallgemeinert und verbindlich macht, ist von den Gerichten zu beachten. Die „elementaren Interessen“ Deutschlands haben die zuständigen deutschen Organe zu definieren, vor allem also die Legislative. Wenn diese jedoch versagt oder irrt, haben die Gerichte dieses Prinzip wie alle anderen Rechtsprinzipien zu verantworten, weil Deutschland seine elementaren Interessen nicht der mehrheitlichen Disposition der Union oder deren Gemeinschaften überantworten durfte und darum rechtens derart zu handhabende Hoheitsrechte nicht übertragen hat. Von diesem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung kann in der Praxis keine Rede sein. Das ist eine Verletzung nicht nur des demokratischen Prinzips, sondern auch der existentiellen Staatlichkeit und damit der inneren und äußeren Souveränität des Volkes. Das Bundesverfassungsgericht stellt im Lissabon-Urteil (BVerfGE 123, 267 ff., Rn. 228) an sich richtig klar: „Integration setzt den Willen zur gemeinsamen Gestaltung und die Akzeptanz einer autonomen gemeinschaftlichen Willensbildung voraus. Integration in eine freiheitliche Gemeinschaft verlangt aber weder eine der verfassungsrechtlichen Begrenzung und Kontrolle entzogene Unterwerfung noch den Verzicht auf die eigene Identität. Das Grundgesetz ermächtigt die für Deutschland handelnden Organe nicht, durch einen Eintritt in einen Bundesstaat das Selbstbestimmungsrecht des Deutschen Volkes in Gestalt der völkerrechtlichen Souveränität Deutschlands aufzugeben. Dieser Schritt ist wegen der mit ihm verbundenen unwiderruflichen Souveränitätsübertragung auf ein neues Legitimationssubjekt allein dem unmittelbar erklärten Willen des Deutschen Volkes vorbehalten“.
Es hat die schweren Rechtsverletzungen der Praxis bisher aber nicht zu erkennen und auszusprechen für opportun gehalten. Rn. 275 des Lissabon-Urteils: „Das Legitimationsniveau der Europäischen Union entspricht im Hinblick auf den Umfang der übertragenen Zuständigkeiten und den erreichten Grad von Verselbständigung der Entscheidungsverfahren noch (Hervorhebung von mir) verfassungsrechtlichen Anforderungen, sofern das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verfahrensrechtlich über das in den Verträgen vorgesehene Maß hinaus gesichert wird“. „Mit dem Vertrag von Lissabon wird weder die für die Verfassungsorgane unverfügbare verfassungsgebende Gewalt übertragen noch die staatliche Souveränität der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben“.
Das Gericht sieht aber die Grenze der Ermächtigungen der Union beinahe als erreicht an. „Noch“ würden dem Deutschen Bundestag „eigene Aufgaben und Zuständigkeiten von hinreichendem Gewicht“ verbleiben (Rn. 275). Die angestrebte und weitgehend verwirklichte Fiskal- und Sozialunion dürfte auch dem Gericht zu weit gehen, weil sie die Grenze zum Bundesstaat überschreitet. Wenn die gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt auf Grund der übertragenen Hoheitsrechte die Grenzen existentieller Staatlichkeit oder eben die Grenzen, die die Souveränität der Bürger zieht, nicht einhält, wird die Ausübung der Staatsgewalt, die das Bundesverfassungsgericht mit der Souveränität verbindet, staats- und souveränitätswidrig, zumal demokratiewidrig ausgehöhlt. Wenn diese „Souveräni-
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tät“ nur noch das Recht ist, die EU zu verlassen, ist sie angesichts der Lage und der Machtverhältnisse in Deutschland, Europa und in der Welt so gut wie wertlos. Der gebotene Austritt Deutschlands aus der EU oder auch nur aus dem Euro-Verbund dürfte schwere internationale Verwerfungen nach sich ziehen. Der Bundeskanzler Helmut Kohl hat sibyllinisch die Währungsunion als eine Frage von Krieg und Frieden bezeichnet, sicher besser informiert als das deutsche Volk. Die Feindstaatenklauseln in der Charta der Vereinten Nationen, die manche wegen der realen Friedenslage als obsolet ansehen, bleibt ein Stachel im Fleisch der deutschen Souveränität107. Die Bürgerschaften müssen um der Freiheit als der Souveränität108 willen allemal die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und die Verwaltung in ihren Händen halten. Nur eine Koordinierung der Ausübung der Staatsgewalt, welche die eigenständige demokratische Willensbildung der Völker wahrt, ist mit der Souveränität vereinbar. Das ist die gemeinschaftliche Ausübung durch die Unionsorgane nicht, solange deren Befugnisse übermäßig weit sind, schon gar nicht die „Regierung“ der Europäischen Zentralbank durch ebenso willkürliche wie verbotene Staatsfinanzierung. Die Teilhabe aller Bürger, auch der Minderheiten, an der Staatsgewalt muß hinreichend gewährleistet sein. Das folgt aus dem Recht auf Demokratie, welches aus Art. 38 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgt (BVerfGE 89, 155 (171 f.), 123, 267 ff., Rnrn. 167 ff.). Die politische Klasse, die das Parlament auf Grund fragwürdiger (Verhältniswahlsystem mit 5 % Sperrklausel, Parteienfinanzierung, Propaganda der Medien, u. a.) Wahlen in der Hand hat, hat nicht das Recht, die (vermeintliche) Minderheit der Wähler und Nichtwähler dadurch von der Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt, der politischen Willensbildung, auszuschließen, daß sie die Politiken durch übermäßige Übertragung der Hoheitsrechte auf die EU Organen überantwortet, deren Organwalter nicht wesentlich vom jeweiligen Volk, sondern überwiegend von anderen Völkern legitimiert sind. Das ist nur in engen Grenzen tragfähig, Grenzen, die schon der Vertrag von Maastricht 1992 weit überschritten hat. Schließlich ist die Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt das wichtigste Recht der Bürger, nämlich die politische Freiheit. Die Agenda existentieller Staatlichkeit müssen in der Hand des existentiell betroffenen Volkes bleiben. Sonst büßen die Bürger ihre Souveränität ein. Das gilt insbesondere für die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialpolitik, die eine Einheit sind und als Einheit verantwortet werden müssen, aber das gilt auch für die Sicherheits-, die Gesundheits-, die Bildungs- und andere Politiken. Monetäre Staatsfinanzierung (OMT, PSPP, PEPP), TARGET 2, Stabilität- und Wachstumspakt, Euro-Plus-Pakt, Fiskalpakt, ESM-Vertrag, Verschuldungs- und Haushaltsregeln, Finanzierung fremder Staaten verletzen, um den Euro zu retten, die 107
Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, 452 ff. Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 301 ff., 321 ff., ders., Die Souveränität Deutschlands. Souverän ist, wer frei ist, 2012, 2. Aufl. 2016, S. 129 ff. 108
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Souveränität der Mitgliedstaaten, obwohl die Souveränität der Mitgliedstaaten trotz aller Übertragung von Hoheitsrechten zur gemeinsamen Ausübung die essentielle Vertragsgrundlage der EU als Staatenverbund ist, wie das Bundesverfassungsgericht zu erklären nicht müde wird (etwa BVerfGE 89, 155 (186 f., 188 ff. – MaastrichtUrteil); 111, 307 ff., Rnrn. 33, 35 f. – EMRK- Urteil); 123, 267 ff., Rnrn. 223 ff., 231, 247 f, 262 f., 275, 281, 329, 338 ff., 347 – Lissabon-Urteil); 140, 317 (338, Rn. 44); 142, 123 ff., LS. 2, Rnrn. 82, 115, 121, 123, 127 f., 132, 135, 142, 145, 151, 170 ff., 188, f., OMT-Urteil; BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 111: „Staaten-, Verfassungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungsverbund“). Die EuroLänder sind der Sache nach aus der EU der Gründungsverträge ausgeschert und haben sich durch die kritisierten Maßnahmen eine eigene Union geschaffen, einen Bundesstaat, wenn auch nur funktional, nicht institutionell. Die Union der EuroStaaten ist zwar für die anderen Mitgliedstaaten der EU offen (Art. 2 Abs. 1 ESMVertrag), wenn sie durch Beschluß des Rates der EU gemäß Artikel 140 Abs. 2 AEUV in die Euro-Gruppe aufgenommen worden sind. Das gemeinschaftliche wirtschaftliche und politische Schicksal dieser Euro-Union geht letztlich auch zu Lasten der anderen Mitgliedstaaten, die unvermeidlich in den unabwendbaren wirtschaftlichen Niedergang hineingezogen werden. Wenn die EU institutionell ein Staat, ein Bundesstaat, werden soll, bedarf es, wie schon mehrfach gesagt, der Zustimmung aller beteiligten Völker (BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 203, 228).
II. Finanz- und Budgethoheit 1. Finanzhoheit Seit den Anfängen der Souveränitätslehre gehört die Finanzhoheit zum Kernbestand der Souveränität109. Zur Finanzhoheit gehören die Befugnis des Staates und damit die des Bundes und die der Länder, die Finanzierung der Staatsaufgaben sicherzustellen. Das berechtigt sie auch zur monetären und kreditären Beschaffung von Finanzen (dazu D.). Dabei sind sie verpflichtet, die Finanzstabilität110 zu wahren. Das gebieten das Sozialprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, aber auch die Verpflichtung, den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts 109 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 385 f.; Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung – Ungleichheit, Geld und die Renaissance des Staates, S. 87 f., 90, 300; Hans-Peter Schneider, Die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Grenzen einer „Schuldenbremse“, dms – der moderne staat – Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management, 4. Jg., Heft, 2/2011, S. 465 – 480, 475 ff. 110 Dazu Max Danzmann, Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik. Seine Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank am Beispiel der Eurorettungspolitik, 2015.
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Rechnung zu tragen (Art. 109 Abs. 2 GG)111. Die Finanzstabilität läßt sich nicht in jeder Lage sicherstellen. Geldversorgungs- und Kreditaufnahmevorschriften des Bundes gegenüber den Ländern sind souveränitätsrechtlich bedenklich. Kreditaufnahmeverbote sind an sich verfassungswidrig112. Die Länder sind, wie gesagt, Staaten. Zur von den Ländern ausgeübten Souveränität der Landesbürger gehört die Finanz- und die Haushaltshoheit. Art. 109 Abs. 1 GG stellt klar: „Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig“. Absatz 2 des Art. 109 GG relativiert die Souveränität der Länder wegen der „gemeinesamen Erfüllung der Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf Grund des Art. 104 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin …“ Das sind jetzt die Verpflichtungen gegenüber der EU aus Art. 126 AEUV. Die Verpflichtungen der Länder durch Verträge, die der Bund geschlossen hat, ist trotz der Zustimmung des Bundesrates wegen der mit den Verträgen verbundenen Verfassungsänderungen (Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG) fragwürdig, weil die einzelnen Länder entgegen ihrer Eigenstaatlichkeit und Souveränität ihrer Bürger nicht an der Vertragsschließung beteiligt waren. Der integrationsrechtlichen Problematik eines Bundesstaates in einen Staatenverbund wie der EU kann in dieser Schrift nicht nachgegangen werden. Für die Grundlagen verweise ich auf meine Schrift zur Souveränität, 2015, insb. S. 402 ff. Der Bund, dessen Einrichtung die Deutsche Bundesbank ist113, muß die Geldversorgung der Länder sicherstellen, so, daß die Länder mit ihrer Politik, soweit diese mit dem Grundgesetz übereinstimmt, für ihr Land sorgen können. Darum muß die Finanzhoheit des Bundes und der Länder durch die souveränen Bürger demokratisch verantwortet werden, nicht durch demokratieferne Bürokraten. Souveränität und Selbstbestimmung der Völker (Art. 1 Nr. 2, Art. 2 Nr. 1 Charta der Vereinten Nationen) sind Grundprinzipien der Freiheit und gebieten unverzichtbar demokratische Verantwortung114, auch und gerade für die Finanzpolitik. Die kann die EU nicht bieten. 111
Zur keynesianischen Globalsteuerung Karl Schillers Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen, 2007, S. 234 ff., die eine Nationalsteuerung war, S. 162 ff.; zum Keynesplan mit dem bancor, IWF und SZR und dem Scheitern des Bretton Woods-Systems 1973, Hans-Martin Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip. Die gesamtwirtschaftliche Stabilität der deutschen Wirtschaftsverfassung und die Europäische Währungsunion, 2002, S. 42 ff., 138 ff., 142 ff., 152 ff.,166 ff.; auch Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftliche Stabilität als Rechtsprinzip, S. 314 ff. 112 Hans-Peter Schneider, Die Haushaltswirtschaft der Länder – Verfassungsrechtliche Grenzen einer „Schuldenbremse“, dms, 4. Jg., Heft, 2/2011, S. 465 – 480 („verfassungswidriges Verfassungsrecht“, S. 475 ff., 479), der die unionsrechtlichen Implikationen der Schuldenbremse nicht aufgreift; dazu knapp, wenig kritisch Helmut Siekmann, Kommentierung von Art. 109, in: M. Sachs, Grundgesetz Kommentar 8. Aufl. 2018, Rnrn. 16 ff., 34 f., 83, zum Kreditaufnahmeverbot Art. 109, Rnrn. 64 ff., 81 f., mit Hinweisen. 113 „Die Deutsche Bundesbank ist eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts“, § 2 S. 1 BBankG. 114 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 301 ff., 354 ff., 460 ff.
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Wilhelm Hankel: „Denn Staat, Wirtschaft, Rechts – und Wirtschaftsordnung sind ,zeitlos‘ nicht zu trennen; sie allein bilden das Gegengewicht gegen ein Zuviel an Markt und Zuwenig an Gerechtigkeit in einer globalen rechts-, staats- und ordnungs-,freien‘ Gesellschaft. Sie läuft Gefahr, das Erbe der Aufklärung, die Synthese aus Demokratie, Rechts- und Sozialstaat und der daraus hervorgehenden Bürgergesellschaft zu verwirtschaften“115.
Der Finanzausgleich des deutschen Bundesstaates verhindert Zinsunterschiede und Abwertungszwänge der wettbewerbsschwachen deutschen Länder. Das ist das Modell für das Euro-Gebiet, das die Europäisten zu verwirklichen bestrebt sind. Deutschland verkraftet den inneren Transfer, weil der Bund als Staat die soziale Homogenität und damit weitgehend die wirtschaftliche Konvergenz des ganzen Landes herstellt, freilich mit wenig transparenten Transfers durch das Steuer- und Beitragssystem. Die Deutschen sind ein Volk in Solidarität. In der Europäischen Union gibt es diese Solidarität nicht und es wird sie nicht geben, solange die Völker sich noch als solche erkennen. Die Völker sind zwar mehr oder weniger befreundet, noch, aber trotz und wegen des aufgezwungenen Integrationismus bleiben sie sich fremd. 2. Budgethoheit Mittels des Staatshaushalts begrenzt das Volk nicht nur die Ausgaben des Staates und damit dessen Macht, sondern auch dessen Finanzbedarf, der grundsätzlich durch Steuern gedeckt wird. Die Budgetpolitik ist in einer Demokratie eine essentielle Kompetenz des Parlaments. Im Lissabon-Urteil vom 30. Juni 2009 hat das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, daß das Parlament im Rahmen seiner Integrationsverantwortung Einnahmen und Ausgaben des Staates, also Deutschlands, im Wesentlichen bestimmen können muß116. Zu Rn. 256 von BVerfGE 123, 267 ff. hat es ausgeführt: „Eine das Demokratieprinzip und das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag in seinem substantiellen Bestimmungsgehalt verletzende Übertragung des Budgetrechts des Bundestages läge vor, wenn die Festlegung über Art und Höhe der den Bürger treffenden Abgaben in wesentlichem Umfang supranationalisiert würde. Der Deutsche Bundestag muss dem Volk gegenüber verantwortlich über die Summe der Belastungen der Bürger entscheiden. Entsprechendes gilt für wesentliche Ausgaben des Staates. In diesem Bereich obliegt gerade die sozialpolitische Verantwortung dem demokratischen Entscheidungsprozess, auf den die Bürger mit der freien und gleichen Wahl einwirken wollen. Die Hoheit über den Haushalt ist der Ort konzeptioneller politischer Entscheidungen über den Zusammenhang von wirtschaftlichen Belastungen und staatlich gewährten Vergünstigungen. Deshalb wird die parlamentarische Aussprache über den Haushalt – einschließlich des 115 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 18; Karl Albrecht Schachtschneider, Die Nationale Option, S. 285, 342 ff. 116 BVerfGE 123, 267 ff., Rn. 256.
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F. Finanz- und Budgethoheit der Völker Maßes der Verschuldung – als politische Generaldebatte verstanden. Nicht jede haushaltswirksame europäische oder internationale Verpflichtung gefährdet die Gestaltungsfähigkeit des Bundestages als Haushaltsgesetzgeber. Zu der vom Grundgesetz erstrebten Öffnung der Rechts- und Sozialordnung und zur europäischen Integration gehört die Anpassung an Vorgaben und Bindungen, die der Haushaltsgesetzgeber als nicht unmittelbar beeinflussbare Faktoren in die eigene Planung einstellen muss. Entscheidend ist aber, dass die Gesamtverantwortung mit ausreichenden politischen Freiräumen für Einnahmen und Ausgaben noch im Deutschen Bundestag getroffen werden kann“.
Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat (eigentlich aller Staatsorgan) kann jeder Bürger auf Grund seiner Freiheit gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG als Teil der Integrationsverantwortung des Staates einfordern (BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 249 ff.; 142, 123 ff., Rnrn. 210 ff.; BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 104 ff., 114 f., 230, 234). Bundesverfassungsgericht im PSPP-Vorlagebeschluß BVerfGE 146, 216 ff., Rn. 56: „Die Identitätskontrolle zur Wahrung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages hat der Senat insbesondere in seiner Rechtsprechung zum ESM näher konturiert: Art. 38 Abs. 1 GG wird namentlich verletzt, wenn sich der Deutsche Bundestag seiner parlamentarischen Haushaltsverantwortung dadurch entäußert, dass er oder zukünftige Bundestage das Budgetrecht nicht mehr in eigener Verantwortung ausüben können (…). Die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand ist grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat (…). Der Deutsche Bundestag muss deshalb dem Volk gegenüber verantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entscheiden. Insofern stellt das Budgetrecht ein zentrales Element der demokratischen Willensbildung dar (…). Eine notwendige Bedingung für die Sicherung politischer Freiräume im Sinne des Identitätskerns der Verfassung (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG) besteht darin, dass der Haushaltsgesetzgeber seine Entscheidungen über Einnahmen und Ausgaben frei von Fremdbestimmung seitens der Organe und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union trifft und dauerhaft ,Herr seiner Entschlüsse‘ bleibt (…). Aus der demokratischen Verankerung der Haushaltsautonomie folgt (…), dass der Bundestag einem intergouvernemental oder supranational vereinbarten, nicht an strikte Vorgaben gebundenen und in seinen Auswirkungen nicht begrenzten Bürgschafts- oder Leistungsautomatismus nicht zustimmen darf, der – einmal in Gang gesetzt – seiner Kontrolle und Einwirkung entzogen ist (…). Es dürfen zudem keine dauerhaften völkervertragsrechtlichen Mechanismen begründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind. Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs im internationalen oder unionalen Bereich muss vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden (BVerfGE 132, 195 ; vgl. auch BVerfGE 129, 124 )“.
Diese Erkenntnisse hat das Gericht in dem Urteil vom 5. Mai 2020 zum PSPP (BVerfG 2 BvR 859/15, Rnrn. 104 ff., 114 f., 230, 234) bestätigt und gestärkt.
II. Finanz- und Budgethoheit
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3. Mißachtung der Budgethoheit durch ESM-Vertrag Der Gouverneursrat ist nach Art. 9 Abs. 1 ESM-Vertrag (gemäß Art. 5 Abs. 6 ESM-Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen der anwesenden Mitglieder, bei dem Enthaltungen nicht berücksichtigt werden, Art. 4 Abs. 3 ESM-Vertrag) befugt, „genehmigtes nicht eingezahltes Kapital jederzeit abzurufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung zu setzen“. Deutschlands eingezahlter und abrufbarer Kapitalanteil beträgt insgesamt 190 Mrd. Euro. Das Direktorium des ESM ist durch Art. 9 Abs. 2 ESM-Vertrag befugt, „genehmigtes nicht eingezahltes Kapital durch Beschluss mit einfacher Mehrheit abzurufen, um die Höhe des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen, wenn diese durch das Auffangen von Verlusten unter den in Artikel 8 Absatz 2 festgelegten Betrag – der vom Gouverneursrat gemäß dem Verfahren nach Artikel 10 geändert werden kann – abgesunken ist, und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung zu setzen“, „ausstehende Einlagen auf das Grundkapital abzurufen, um die ursprüngliche Höhe des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen“, ohne daß eine Zustimmung der Parlamente zu diesen die Haushalte schwer belastenden Zahlungen vorgeschaltet wäre. „Der Geschäftsführende Direktor ruft“ nach Art. 9 Abs. 3 S. 1 ESM-Vertrag genehmigtes nicht eingezahltes Kapital rechtzeitig ab, falls dies notwendig ist, damit der ESM bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM nicht in Verzug gerät. Der Geschäftsführende Direktor setzt das Direktorium und den Gouverneursrat über jeden derartigen Abruf in Kenntnis. Das Bundesverfassungsgericht hat im ESM-Urteil vom 18. März 2014 (2 BvR 1390/12, BVerfGE 135, 317 ff., Rnrn. 188 ff.) entschieden, daß diese Kapitalabrufe ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages dessen Budgethoheit wegen der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Parlaments verletzen und rechtswidrig sind. Hinzu kommt, daß nach Art. 10 Abs. 1 ESM-Vertrag der Gouverneursrat die Änderung des Grundkapitals beschließen kann, wenn das Ausleihevolumen das erfordert. Die Mitglieder müssen den Beschluß in ihren „nationalen Verfahren“ notifizieren, bevor der Beschluß über die Kapitalerweiterung in Kraft tritt. Der politische Druck auf die Parlamente, der Änderung des Grundkapitals des ESM um der ,ewigen‘ Euro-Rettung willen zuzustimmen, wird nicht geringer sein als gegenwärtig. Ein Staatshaushalt ist durch langfristige Ausgabenverpflichtungen weitestgehend festgelegt. Das erweisen die Sozialpolitik, aber auch die Personalkosten. Diese Verpflichtungen ergeben sich aus Gesetzen, die mittels genauer Tatbestandsmerkmale bestimmt sind. Das Parlament hat somit die Ausgabenverantwortung im Einzelnen wahrnehmen können. Die Kosten der langfristigen Politiken sind ein wesentliches Politikum. Im ESM wird aber die Entscheidung über die Kredite den Finanzministern der Euro-Mitglieder übertragen. Lediglich der Ausschuß des Bundestages für Europafragen wird über die einzelnen Maßnahmen informiert. Bisher sind diese Informationen zudem vertraulich. Das Parlament wird dadurch
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F. Finanz- und Budgethoheit der Völker
seiner Budgetkompetenz im Wesentlichen beraubt. Angesichts des Umfanges der Verpflichtungen, die fast zwei Drittel eines Bundeshaushaltes erreichen, ist das haushaltsverfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Eine pauschale Ausgabenermächtigung von diesem Umfang entspricht nicht der Vorschrift des Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG, wonach „alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen“ sind. Das haushaltsrechtliche Bestimmtheitsprinzip folgt nicht nur allgemein aus dem demokratisch fundierten Rechtsstaatsprinzip, sondern ergibt sich auch aus der Bundeshaushaltsordnung (BHO), insbesondere aus §§ 13 und 17 BHO. Wenn der Haushaltsplan nur noch einen Einnahmen- und einen Ausgabenbetrag enthielte, wäre es augenscheinlich, daß das Budgetrecht des Parlaments, das Einfluß auf die Politik im Einzelnen sichern soll, entleert wäre. Den Haushaltsplan hat das Bundesverfassungsgericht als „Regierungsprogramm in Gesetzesform“ bezeichnet, welches die „Regierungspolitik in Zahlen widerspiegelt“117. Er bedarf also hinreichender Differenzierung. Bei einer Ermächtigung zur Verausgabung gut der Hälfte eines jährlichen Bundeshaushalts kann nichts anderes gelten. Diese Übertragung einer wesentlichen hoheitlichen Befugnis an ein demokratisch nicht legitimiertes internationales Organ wie den ESM verletzt jedes der betroffenen Völker und jeden Bürger in dem Recht, die Politik mittels Ausgabenentscheidungen der gewählten Vertreter des Volkes zu steuern. Hinzu kommt, daß die Finanzierung fremder Staaten und Völker ohnehin mit den haushaltsverfassungsrechtlichen Prinzipien einer Republik unvereinbar ist, auch deshalb, weil Staatsorgane eines Volkes nicht die Politik eines anderen Volkes, etwa die Steuer-, Sozial- und Personalpolitik, mittels der Haushaltsfinanzierung bestimmen dürfen, wenn das demokratische Prinzip gewahrt bleiben soll. Das hat das Bundesverfassungsgericht in dem zitierten Absatz 256 des Lissabon-Urteils richtig herausgestellt. Sonst bevormundet ein Volk ein anderes Volk. Das ist das grundsätzliche Problem der Konditionierung der Finanzhilfen des Rettungsschirmes und im Übrigen auch der Kredite des IWF. Es würde allzu schmerzlich spürbar, wenn etwa der Deutsche Bundestag öffentlich über tragfähige Gehälter, Löhne, Renten, Pensionen, Sozialhilfen usw. in Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, bald in Belgien und Italien und irgendwann in Frankreich debattiert. Der Druck, den auch Deutschland auf die Opposition im hellenischen Parlament ausgeübt hat, den knebelnden Auflagen, von denen weitere Kreditzahlungen abhängig gemacht wurden, zuzustimmen, läßt an Erpressung denken; denn es wurde die Rettung des Euro bezweckt, der durchaus Deutschland die größten wirtschaftlichen Vorteile bringt. Die meisten Griechen haben durch die Hilfen keinen Gewinn. Griechenland sollte seine Gläubiger befriedigen. Es könnte die Kreditrückzahlungen ohne Schaden für das eigene Land verweigern. Die Verträge mit dem ESM, die möglichst unauffällig ausgehandelt wurden und möglichst vertraulich blieben, sollten diese unverbesserlich demokratiewidrige Politik den betroffenen Staaten erträglicher machen.
117
BVerfGE 79, 311 (328 f., Rn. 55).
III. Wirtschaftsregierung der EU
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III. Wirtschaftsregierung der EU 1. Haushalts- und Fiskalpolitik Ein Eingriff in die Eigenständigkeit der Staaten, wie ihn der Fiskalpakt, wenn auch brüchig, bezweckt, ist staats-, also souveränitätswidrig, zumal er Änderungen des Verfassungsgesetzes erwartet hat. Er mißachtet auch den Unionsvertrag, der die Haushaltsdisziplin mit eigenständigen Schuldenbremsen regelt, nämlich in Art. 126 AEUV in Verbindung mit Art. 1 des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, die 3 % öffentliches Defizit und 60 % öffentlichen Schuldenstand, jeweils im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, zulassen. Die Elemente einer Wirtschaftsregierung der Union sind ökonomisch unvereinbar mit der Eigenständigkeit der Volkswirtschaften, die nicht essentiell beendet ist, und rechtlich unvereinbar mit der Souveränität der Völker, die vor allem auch ausweislich des Völkerrechts, etwa Art. 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 9. Dezember 1966, ihr wirtschaftliches und soziales Schicksal allein zu bestimmen das Recht haben. Das Bundesverfassungsgericht hat im Lissabon-Urteil diese Eigenständigkeit zum Kern der Verfassungsidentität Deutschlands als der Substanz der Souveränität erklärt (BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 249 ff.). Das Bundesverfassungsgericht freilich hat, immer der europäischen Integration, soweit es irgend geht, dienlich, der Bevormundung der Haushalts- und Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten die Steine aus dem Weg geräumt. Das aber ändert die Rechtslage nicht. Die Freiheit der Bürger und damit deren Selbstbestimmungsrecht und Souveränität stehen nicht zur Disposition eines Gerichts, auch nicht des Bundesverfassungsgerichts. Sie machen die Würde der Bürger aus. Zudem entbehren die folgenden Sätze des Gerichts der Begründung. Es verfügt ohnehin nicht über eine tragfähige Freiheits- und über gar keine Souveränitätsdogmatik. Im ESM-Urteil vom 18. März 2014, BVerfGE 135, 317 ff., Rnrn. 171 ff., heißt es: „Die Verpflichtung des Haushaltsgesetzgebers auf eine bestimmte Haushalts- und Fiskalpolitik kann grundsätzlich auch auf der Basis des Unions- oder Völkerrechts erfolgen. (1) Die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union niedergelegten Anforderungen an eine tragfähige Haushaltswirtschaft (Art. 123 bis Art. 126, Art. 136 AEUV) begrenzen den Spielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Wahrnehmung seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung. Vergleichbares gilt – seine Übereinstimmung mit dem Primärrecht, die hier nicht zu untersuchen ist, unterstellt – für das unionale Sekundärrecht (vgl. im Einzelnen BVerfGE 132, 195 , Rn. 122). (2) Es steht den Mitgliedstaaten im Übrigen frei, über die bestehenden wirtschafts- und haushaltspolitischen Bindungen des Unionsrechts hinaus weitere Bindungen einzugehen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben geraten (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Die Bundesrepublik Deutschland kann daher innerstaatlich strengere Regelungen für ihre Haushaltspolitik einführen und sich auch entsprechend vertraglich verpflichten (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 132, 195 , Rn. 123).
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F. Finanz- und Budgethoheit der Völker cc) Dabei ist es in erster Linie Sache des Gesetzgebers, abzuwägen, ob und in welchem Umfang zur Erhaltung demokratischer Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume auch für die Zukunft Bindungen in Bezug auf das Ausgabeverhalten geboten und deshalb – spiegelbildlich – eine Verringerung des Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums in der Gegenwart hinzunehmen ist. Das Bundesverfassungsgericht kann sich hier nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle der dazu zuvörderst berufenen Gesetzgebungskörperschaften setzen (BVerfGE 129, 124 ). Es hat jedoch sicherzustellen, dass der demokratische Prozess offen bleibt, aufgrund anderer Mehrheitsentscheidungen rechtliche Umwertungen erfolgen können (vgl. BVerfGE 5, 85 ; 44, 125 ; 123, 267 ) und eine irreversible rechtliche Präjudizierung künftiger Generationen vermieden wird (BVerfGE 132, 195 , Rn. 124)“.
Die Fraktionen der CDU, CSU und der FDP, welche das Zustimmungsgesetz zum Fiskalpakt in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht haben, haben als dessen „Problem und Ziel“ genannt: „Eine nachhaltige Haushaltspolitik und gesunde Staatsfinanzen in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, aber auch der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sind angesichts der umfassenden politischen und volkswirtschaftlichen Interdependenzen zwischen diesen Staaten unabdingbar. Sie sind notwendige Voraussetzungen für Vertrauen in einen handlungsfähigen Staat, dauerhaft günstige Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen und den Zusammenhalt der Wirtschafts- und Währungsunion. Im Verlauf der vergangenen Jahre hat sich gezeigt, dass die finanzielle Solidität der Euro-Mitgliedstaaten und das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion durch die im Rahmen des Vertrags von Maastricht vereinbarten Regelungen nicht in ausreichendem Maße gewährleistet werden. Dies kann zu essenziellen Problemen für die betroffenen Mitgliedstaaten, das Euro-Währungsgebiet und die Europäische Union als Ganzes führen. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, die Wirtschafts- und Währungsunion durch neue vertragliche Regelungen zu verstärken, um die Haushaltsdisziplin zu verbessern, gesunde öffentliche Finanzen zu erreichen und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung zu ermöglichen. Ursprüngliches Ziel war es, diese Regelungen durch eine Änderung der Unionsverträge einzuführen. Dies ist derzeit nicht realisierbar. Vor diesem Hintergrund sollen die von den Staats- und Regierungschefs des Euroraums am 9. Dezember 2011 vereinbarten inhaltlichen Eckpunkte im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrags umgesetzt werden. Vertragsparteien sind die Euro-Mitgliedstaaten sowie – zum jetzigen Zeitpunkt – acht der zehn übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Bundesregierung wird auf eine frühestmögliche Überführung der Regelungen des Vertrags in den Rechtsbestand der Verträge der Europäischen Union hinwirken, die im Vertrag explizit angelegt ist“.
2. Verschuldungs- und Haushaltsregeln Kreditaufnahmeverbote sind besonders bedenklich, ökonomisch und verfassungsrechtlich, wenn die Finanzstabilität durch eine internationale Organisation wie die EU, die jedenfalls institutionell weder Staat noch Bundesstaat ist (BVerfGE 22, 293 (296), 89, 155 (184, 186, 188 ff.); 123, 267 ff., Rnrn. 228, 277, 296; BVerfG 2
III. Wirtschaftsregierung der EU
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BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rn 111: „Schwelle zum Bundesstaat nicht überschritten“), abgenötigt wird. Die Stabilitätspolitik der EU, zu der auch die Fiskalvorschriften des Fiskalpaktes gehören, ist durch die ,Überschuldung‘ einiger Mitgliedstaaten der EU veranlaßt, die auch und gerade Deutschland zu erheblichen Unterstützungszahlungen und Kreditgewährleistungen veranlaßt hat. Um die Schuldenländer wegen der teilweise nicht tragbaren Kreditkosten zu einer möglichst kreditarmen Finanzpolitik zu zwingen, die solche Hilfsmaßnahmen erübrigen, sind die verschiedenen Mechanismen zur Förderung der Finanzstabilität unter den meisten Mitgliedern der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vereinbart worden. Der wesentliche Grund ist, daß die Unionspolitik die Einheitswährung des Euro zu stabilisieren trachtet, weil die staatenübergreifende Währung das wesentliche Instrument ist, die fortschreitende Integration der EU zu einem europäischen Staat, tendenziell einem unitarischen Bundesstaat, zu nötigen118. Ohne politische, vor allem sozialpolitische, Union hat die Wirtschafts- und Währungsunion keine Bestandschance119. Das Unterfangen hat sich als chancenlos erwiesen. Der Euro ist gescheitert120 und ist als solcher nicht zu retten. Die Integration Deutschlands, von Bund und Ländern, in die EU als einem funktionalen Bundesstaat, in dem die Haushaltsdisziplin des Bundes und der Länder nach den Vorgaben der EU überwacht werden, erweist sich in Art. 109 a Abs. 2 GG: „Dem Stabilitätsrat obliegt ab dem Jahr 2020 die Überwachung der Einhaltung der Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 durch Bund und Länder. Die Überwachung orientiert sich an den Vorgaben und Verfahren aus Rechtsakten auf Grund des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin“.
Nach § 5 a StabilitätsratsG überprüft der Stabilitätsrat die Einhaltung der grundgesetzlichen Verschuldungsregel ab 1. Januar 2020. (1) Der Stabilitätsrat überprüft regelmäßig im Herbst eines Jahres die Einhaltung der Verschuldungsregel des Artikels 109 Absatz 3 des Grundgesetzes durch den Bund und jedes einzelne Land für das jeweils abgelaufene, das aktuelle und das darauffolgende Jahr. (2) Die Überwachung nach Absatz 1 orientiert sich an den Vorgaben und Verfahren aus Rechtsakten aufgrund des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin. Grundlage ist ein einheitliches Konjunkturbereinigungsverfahren. Die Beschlüsse und Berichte werden veröffentlicht.
Bereits der Stabilitätsrat, dem Art. 109 a Abs. 1 GG in Ziffer 1 die fortlaufende Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern durch ein gemeinsames Gremium (Stabilitätsrat) überträgt, führt eine souveränitätswidrige Misch-
118
Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 506 ff. Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 212 ff.; Karl Albrecht Schachtschneider, a.a.O. 120 Karl Albrecht Schachtschneider, Die Rechtswidrigkeit der Eurorettungspolitik, S. 9 und durchgehend; ders., Souveränität, S. 396 f., 503; ders., Die nationale Option, S. 285 ff. 119
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verwaltung von Bund und Ländern ein. Der Stabilitätsrat besteht nach § 1 Stabilitätsratsgesetz aus zwei Bundesministern und den Landesministern der Finanzen. § 51 Haushaltsgrundsätzegesetz in der Fassung vom 14. August 2017 regelt: „Koordinierende Beratung der Grundannahmen der Haushalts- und Finanzplanungen; Einhaltung der Haushaltsdisziplin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (1) Zur Koordinierung der Haushalts- und Finanzplanungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Gemeindeverbände berät der Stabilitätsrat über die zugrundeliegenden volks- und finanzwirtschaftlichen Annahmen. Dabei ist den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Union auf Grund der Artikel 121, 126 und 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin und in diesem Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Der Stabilitätsrat kann zur Koordinierung der Haushalts- und Finanzplanungen Empfehlungen beschließen. Die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der in § 52 genannten Einrichtungen sollen in die Beratungen und Empfehlungen einbezogen werden, soweit sie nicht schon in den Finanzplanungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Gemeindeverbände enthalten sind. (2) Das strukturelle gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen darf eine Obergrenze von 0,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Für Einzelheiten zu Abgrenzung, Berechnung und zulässigen Abweichungen von der Obergrenze sowie zum Umfang und Zeitrahmen der Rückführung des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits im Falle einer Abweichung sind Artikel 3 des Vertrages vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (BGBl. 2012 II S. 1006, 1008) und die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 209 vom 2. 8. 1997, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1175/2011 (ABl. L 306 vom 23. 11. 2011, S. 12) geändert worden ist, maßgeblich“.
Nach § 1 HaushaltsgrundsätzeG sind Bund und Länder verpflichtet, ihr Haushaltsrecht nach diesen Grundsätzen (sc: des ersten Teils des Gesetzes; das sind die Vorschriften bis § 48, die die Regeln des Haushaltswesens bestimmen) zu regeln. Mit der Souveränität der Länder ist diese Bindung des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren. Verfassungsgemäß ist allein der Vorrang des Bundesrechts vor dem Landesrecht, den Art. 31 GG vorschreibt. Aber der hängt vom Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern ab. Das Haushaltswesen ist Kernbestand der Staatsgewalt der Länder, deren Souveränität121. Verschiedene Landesregierungen und Vertreter der Landtage haben sich im Zuge der Umgestaltung der Finanz- und Haushaltsverfassung gegen die zunehmende Mischverwaltung ausgesprochen, vergeblich. 121
Hinweise in Fn. 109.
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3. Überwachungsregime der EU a) Souveränitäts-, freiheits- und demokratiewidrig sind insbesondere Art. 5 und 6 des Fiskalpaktes. Die Texte ergeben das ohne weiteres. Die Haushaltshoheit der Staaten, die für ein souveränes Volk essentielle Budgethoheit, wird im Defizitverfahren beiseite geschoben. Es muß gar ein „Wirtschaftspartnerschaftsprogramm“ eingereicht werden, das „Haushalts- und Strukturreformen“ beschreibt, deren Inhalt und Form die EU festlegt. Die Programme sollen „eine wirksame und dauerhafte Korrektur des übermäßigen Defizits“ der betroffenen Staaten gewährleisten. Die Programme müssen von der EU genehmigt werden. Die Einhaltung der Programme wird von der EU überwacht. Das ist eine staatswidrige, die Völker entwürdigende Aufsicht, weit schärfer als einst die Reichsaufsicht nach Art. 4 der Reichsverfassung von 1871 über die Länder des Deutschen Reichs. Mit den zwingenden Grundsätzen des Völkerrechts, der Souveränität und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, ist eine derartige Unterwerfung einzelner Völker unvereinbar. Art. 7 des Vertrages offenbart trotz seines Verpflichtungscharakters die Strukturschwäche der Disziplinierungsordnung, nämlich mit Mehrheit können die Euro-Staaten ihre Anwendung relativieren. Mehrheitsentscheidungen von Völkerverbünden als internationalen Organisationen sind nur verbindlich, wenn sie (ausnahmsweise) vertraglich vereinbart sind. Das wird in großen Verbünden praktiziert122. Prinzipiell folgt aus der souveränen Gleichheit der Völker gemäß Art. 2 Nr. 1 UNO-Charta der Grundsatz der „konsensualen, koordinationsrechtlichen“ Rechtsetzung unter den Völkern, also das vertragliche Einstimmigkeitsprinzip123. Als Alibi wird durch Art. 8 des Fiskalpaktes die Rechtsklärung durch den Europäischen Gerichtshof angedient, als wenn von diesem „Motor der Integration“124Schutz der Souveränität und Selbstbestimmung
122
Christian Gloria, Der Staat im Völkerrecht, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 26, Rn. 12, S. 331; Wolff Heintschel von Heinegg, Abschluß, Inkrafttreten und Geltungsgrund völkerrechtlicher Verträge, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 10 Rnrn. 9 ff.; Karl Albrecht Schachtschneider, Die Nationale Option, S. 241, 277, 298. 123 Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, S. 9, § 12; Angelika Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, 2007, S. 160 ff.; Christian Gloria, Der Staat im Völkerrecht, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 26, Rn. 12, S. 331; Wolfgang Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Quellen des Völkerrechts, in: ders., Völkerrecht (Hrsg.) 1997, 1. Abschnitt, S. 6 ff., Rn. 55, S. 39; Eckart Klein, Die Internationalen Organisationen als Völkerrechtssubjekte, in: ders., Völkerrecht (Hrsg.) 1997, 4. Abschnitt, Rnrn. 133 ff., S. 330 ff. zu den Abstimmungsregeln der beispielhaften Generalversammlung der Vereinten Nationen, die gemäß Art. 18 UNO-Charta die Mehrheitsregel praktizieren, aber auch ein consensus-Verfahren, das Abstimmungen der in der Regel nur empfehlenden Beschlüsse zu vermeiden sucht, indem Einwände vorweg ausgeräumt werden. 124 Martin Höpner (Max Planck Institut für Gesellschaftsforschung), Der Europäische Gerichtshof als Motor der Integration. Eine akteursbezogene Erklärung, Berliner Journal für Soziologie (21) 2, 2011, S. 203 ff.: „Der EuGH betreibt seit etwa fünf Dekaden eine dezidiert proeuropäische Rechtsprechung, die ihn zum Motor der Integration werden ließ“; „Skepsis gegenüber nationalem Souveränitätsdenken, kreative […] rechtsschöpfende Juristen und die Dominanz output-orientierter Legitimationsmuster“; zu diesem antidemokratischen Legiti-
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der Mitgliedstaaten der EU erwartet werden könnte. Diese Gerichtshof genannte Institution ist kein Gericht und entbehrt der für ein Höchstgericht unentbehrlichen demokratischen Legalität125. Aber es gibt auch Möglichkeiten, die Schuldenbremsen des Fiskalpaktes zu umgehen, etwa der Erwerb von Vermögen, der mittels Kreditaufnahme von Infrastrukturgesellschaften des Staates finanziert werden kann, weil die Kosten für den Erwerb von Vermögen durch den Staat nicht als Staatsausgabe eingestuft werden126. b) Schon die Vertragsstaaten des ESM, die sich in einem Defizitverfahren befinden, sollten und sollen dem Rat und der Kommission ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm vorlegen, das die einzelnen Strukturreformen beschreibt. Dessen Einhaltung sollte und soll im Rahmen des 2011 verschärften Stabilitäts- und Wachstumspaktes von 1997 überwacht werden. Diese Verpflichtung ist augenscheinlich souveränitätswidrig. Dieses Verfahren hat sich in keiner Weise bewährt. Gewissermaßen als Gegenleistung konnte und kann das bedürftige ESM-Mitglied mit Kredithilfen des ESM rechnen, welche zwar die Haushaltsfinanzierung erleichtern, aber die Schulden nicht mindern, jedenfalls aber der Wirtschaft des Staates nicht helfen. Die Wettbewerbsfähigkeit bleibt unzureichend, weil die schwachen Volkswirtschaften in einem Binnenmarkt gegenüber den starken Volkswirtschaften, zumal wenn diese geringere Stückkosten haben oder nicht surrogierbare Produkte liefern können, keine Entwicklungschance haben. Sie sind zum Niedergang verdammt, wenn sie keine absoluten Vorteile gegenüber den Wettbewerbern haben und halten, wie wesentlich geringere Lohnkosten127. „Freie Concurrenz kann für beide (sc. „in der Cultur weit vorgerückte Nationen“) nur dann wohltätig wirken, wenn beide sich auf einem ungefähr gleichen Standpunkt der industriellen Bildung befinden, …“ (Friedrich List, 1841)128. Wettbewerb setzt Gleichheit der Chancen und Gleichberechtigung voraus129. Eine Volkswirtschaft, die ihre Währung nicht abwerten kann, muß, um wettbewerbsfähig zu werden oder zu bleiben, die Lohnkosten senken. Gerade aber eine solche Politik vermögen die Mitglieder eines Staatenverbundes nicht zu mamationsversuch kritisch Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 174 ff., 190 ff.; Dieter Grimm, Gericht mit Agenda, Merkur 2014, S. 1045 ff. 125 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 485 ff. 126 Ruth Berschens/Martin Greive/Jan Hildebrand/Moritz Koch/Jan Mallien/Jens Münchrath/Christian Rickens/Thomas Sigmund, Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 52 ff., mit Hinweis auf Jens Südekum, S. 55. 127 Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 372, 396; ders., Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 430 ff., 624 ff. 128 Das System der politischen Oekonomie. Erster Band. Der internationale Handel, die Handelspolitik und der deutsche Zollverein, 1841, S. VII. 129 Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht. Kritik der Fiskustheorie am Beispiel des § 1 UWG, 1986, S. 322 ff.; ders., Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 634 ff.; auch Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 284.
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chen. Die Verarmung der Arbeitnehmer, ,Sklaven‘ in humanisierter Abhängigkeit, vermag die Wirtschaft eines Landes nicht zu stärken. Die Kaufkraft der Bevölkerung bestimmt den Konsum. Wenn der sinkt, sinken auch die Produktion und damit Beschäftigung und Wachstum. Der Verarmung durch politische Maßnahmen sind Grenzen gezogen, solange die Bürger noch ihr elementares demokratisches Recht haben, unmittelbar und mittelbar ihre Vertreter in den Staatsorganen zu wählen. Die betroffenen Staaten sind der Wirtschafts- und Währungsunion beigetreten, um, wie es ihren Völkern versprochen wurde, den Lebensstandard der eigenen Bevölkerung zu erhöhen. Aber das gerade geht im Binnenmarkt, der den Wettbewerb zu seinem bestimmenden Wirtschaftsprinzip erhoben hat, nicht, schon gar nicht mit einer Einheitswährung, jedenfalls nicht für alle Mitgliedstaaten. Die weniger oder nicht wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften können die Kosten der dafür notwendigen Löhne und Transferleistungen nicht aufbringen, soweit sie die Kredite in der Fremdwährung Euro verzinsen müssen. Alle Subventionen haben an der Wettbewerbsschwäche nichts geändert, auch weil die Einheitswährung die notwendige Abwertung ausschließt. Die divergente Entwicklung des europäischen Binnenmarktes sollte das jedem vor Augen führen; denn die PIIGS (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) sind es, welche mit Abstand die meisten Subventionen erhalten haben und erhalten. Subventionen behindern nach aller Erfahrung die innovative Strukturierung der Wirtschaft. Kurzfristig helfen Subventionen, mittel- und langfristig schaden sie mehr als sie nützen, weil sie die notwendige Entwicklung verhindern und die existentielle Wettbewerbsfähigkeit nicht fördern. Die Strukturfehler müssen korrigiert werden, der Binnenmarkt und die Einheitswährung. Die Konvergenz der Volkswirtschaften war und ist das vertragliche Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion, aber die Divergenz hat erwartungsgemäß zugenommen. Das Beispiel der neuen Länder Deutschlands, die in einem außerordentlichen Maße unterstützt wurden und werden, lehrt das skizzierte ökonomische Gesetz. Kreditäre Finanzhilfen können Sparzwänge nicht rechtfertigen. Wilhelm Hankel: „Ohne die Knautschzone strukturausgleichender Wechselkurse verwandelt sich der makroökonomische Wettbewerb der Währungen in den mikroökonomischen der Firmen. Nur der Größte, Stärkste und Brutalste überlebt, das Opfer sind die Kleinen“. „Den Großen der Wirtschaft kann die Erweiterung der EU und der Eurozone nicht groß genug sein; ihre Markposition kann das nur stärken. Den neuen Beitrittskandidaten droht das Schicksal der früheren DDR“130.
c) Die Finanzhilfen selbst mißachten wegen der unzumutbaren und demokratiewidrigen Konditionierung die Souveränität der Völker. Sie nehmen den Völkern mit der Eigenständigkeit auch die politische Freiheit. Sie mißachten die Würde der Bürger der gedemütigten Völker. Würde ist die Freiheit der Bürger, vor allem von der Fremdbestimmung durch andere Staaten oder deren Verbünde. Für einen souveränen 130
Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 226 f.
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Staat gibt es nur eine Chance, sich wirtschaftlich zu konsolidieren, eine eigene Währung mit der Abwertungsmöglichkeit, gezielte Schutzmaßnahmen und die eigenständige Finanzpolitik mit von fremden Staaten unabhängiger monetärer Geldversorgung131. Die ebenso liberalistische wie globalistische Freihandelsdoktrin mit ihren völkerübergreifenden Finanzstabilitätsmaximen ist das Unglück der verführten Völker132.
131
Michael Hudson, Der Sektor, S. 475, „Zentralbank ohne einen Staat“ und „Staaten ohne eine Zentralbank“ „dysfunktionales wirtschaftliches Gebilde“ (Varoufakis), „Zwangsjacke des Euro“. 132 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 434 ff., 629 ff.; i.d.S. auch die Kritik am neoliberalen Monetarismus Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 280 f. und durchgehend.
G. Sanierung oder Abwicklung von Kreditinstituten I. Forderungsrisiko der Gläubiger Gläubiger tragen das Risiko ihrer Forderungen. Das ist in einer auf Vertrag und Eigentum aufgebauten Wirtschaftsordnung selbstverständlich. Aber den Gläubigern von bonitäts- und insolvenzbedrohten Mitgliedstaaten der Euro-Zone nimmt die Gruppe der Euro-Staaten dieses Risiko ab. Im Rahmen des ESM und auf Grund verschiedener Richtlinien133 und Verordnungen sollen auch nach deutschen Gesetzen, insbesondere nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz134, private Gläubiger am Sanierungsbedarf und an Abwicklungsausfällen beteiligt werden. Gemäß der 12. Vertragserwägung ist „entsprechend der Praxis des IMF in Ausnahmefällen eine Beteiligung des Privatsektors in angemessener und verhältnismäßiger Form in Fällen in Betracht zu ziehen, in denen die Stabilitätshilfe in Verbindung mit Auflagen in Form eines makroökonomischen Anpassungsprogramms gewährt wird“. In den Schlußfolge133 Artikel 34 Abs. 1 Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, Allgemeine Grundsätze für eine Abwicklung: Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Abwicklungsbehörden bei der Anwendung der Abwicklungsinstrumente und Ausübung der Abwicklungsbefugnisse alle geeigneten Maßnahmen treffen, damit die Abwicklung im Einklang mit nachstehenden Grundsätzen erfolgt: a) Verluste werden zuerst von den Anteilseignern des in Abwicklung befindlichen Instituts getragen; b) Nach den Anteilseignern tragen die Gläubiger des in Abwicklung befindlichen Instituts die Verluste in der Rangfolge der Forderungen im regulären Insolvenzverfahren, sofern in dieser Richtlinie nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist; g) Kein Gläubiger hat größere Verluste zu tragen, als er im Fall einer Liquidation des Instituts oder des Unternehmens im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der Schutzbestimmungen der Artikel 73 bis 75 zu tragen gehabt hätte; h) Gedeckte Einlagen sind vollständig abgesichert; i) Die Abwicklungsmaßnahmen werden nach Maßgabe der in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzbestimmungen getroffen“. 134 Hinweise in Fn. 49; § 90 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) Instrument der Gläubigerbeteiligung: Liegen bei einem Institut oder einem gruppenangehörigen Unternehmen die Abwicklungsvoraussetzungen gemäß § 62 oder § 64 vor, so kann die Abwicklungsbehörde nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen anordnen, dass 1. berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten des Instituts oder des gruppenangehörigen Unternehmens umgewandelt werden in Anteile oder in andere Instrumente des harten Kernkapitals an a) diesem Institut oder gruppenangehörigen Unternehmen, b) einem relevanten Mutterinstitut oder c) einem Brückeninstitut, auf das Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten des Instituts oder des gruppenangehörigen Unternehmens übertragen werden, oder 2. im Fall des § 96 Absatz 1 Nummer 1 auch der Nennwert oder der ausstehende Restbetrag von berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten des Instituts oder des gruppenangehörigen Unternehmens ganz oder teilweise herabgeschrieben wird; im Fall des § 96 Absatz 7 kann eine Herabschreibung ohne Durchführung einer Umwandlung erfolgen.“
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G. Sanierung oder Abwicklung von Kreditinstituten
rungen des Europäischen Rates zum ESM vom 24./25. März heißt es u. a.135 : Wenn „die Analyse ergibt, daß ein makroökonomisches Anpassungsprogramm die Staatsverschuldung realistischerweise auf ein langfristig tragbares Niveau zurückführen kann, so ergreift der begünstigte Mitgliedstaat Initiativen, um die wichtigsten privaten Anleger zu ermutigen, ihr Engagement beizubehalten“. „Kommt man zu dem Schluß, daß ein makroökonomisches Anpassungsprogramm die Staatsverschuldung realistischerweise nicht auf ein langfristig tragbares Niveau zurückführen kann, so muß der begünstigte Mitgliedstaat mit seinen Gläubigern bona fide aktive Verhandlungen aufnehmen, die darauf abzielen, sie unmittelbar in die Wiederherstellung einer tragbaren Verschuldung einzubeziehen. Im letzteren Fall wird die Gewährung der Finanzhilfe davon abhängig gemacht, daß der Mitgliedstaat über einen glaubwürdigen Plan verfügt und ausreichend Einsatz zeigt, um eine angemessene und verhältnismäßige Beteiligung des Privatsektors sicherzustellen“. Die „Fortschritte bei der Durchführung des Plans“ sollen „im Rahmen des Programms überwacht und beim Beschluß über die Auszahlungen berücksichtigt werden“. Die Inanspruchnahme der privaten Gläubiger ist somit mehr als unsicher und im Übermaß von Einschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig, also verhandelbar. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift und der 10. Vertragserwägung sollen ab Juli 2013 in neu ausgegebenen Staatsanleihen der Euro-Zone mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr standardisierte Umschuldungsklauseln aufgenommen werden, die „sicherstellen, daß ihre rechtlichen Auswirkungen in allen zum EuroWährungsgebiet gehörenden Gerichtsbarkeiten identisch sind“. Die Staatsanleihen können auch mit kürzerer Laufzeit ausgegeben werden und die Verbindlichkeit der Umschulungsklauseln läßt der Vertragstext offen. Die Sozialisierung ausgerechnet des kapitalistischen Risikos wird Element der Volkswirtschaften, das freilich zur Privatheit der Gewinne im Widerspruch steht. Die sittenwidrigen Gewinne der spekulativen Kredite gewährleisten und zahlen letztlich die Völker der Geberstaaten. Die Gläubiger sind meist institutionelle Investoren, international agierende Banken, Versicherungen und Fonds, zumal Pensionsfonds. Deutsche Institute sollen 500 Mrd. Euro, französische und britische Institute jeweils 400 Mrd. Euro, insgesamt somit 1,3 Bill. Euro, Kreditforderungen gegen die finanziell gefährdeten Länder haben. Die Abnahme des Risikos ermöglicht Geldinstituten ein illegitimes Geschäft, weil für die Kredite Zinsen gezahlt werden, die mehr oder weniger das Risiko berücksichtigen, welches wegen der erwartbaren und erwarteten Haftungsübernahme nicht wirklich besteht. Die begünstigten Gläubiger weisen keinerlei Hilfsbedürftigkeit auf. Sie spekulieren (erfolgreich) auf die Risikoübernahme durch die Staaten zu Lasten der Völker. Das pervertiert den Kapitaleinsatz und ist Ausdruck totalitären Kapitalismus. In der Debatte zur Entschuldung der Staaten wurde und wird demgemäß der (teilweise) Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen gefordert.
135 Vgl. Karl Albrecht Schachtschneider, Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik. Ein Staatsstreich der politischen Klasse, 2011, S. 166 f.
II. Systemrelevanz von Geldinstituten
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II. Systemrelevanz von Geldinstituten Eine Systemrelevanz der privaten Kreditinstitute besteht entgegen den politischen Rechtfertigungsversuchen der Euro-Rettungsmaßnahmen nicht. Von fast allen Seiten wurde die Restrukturierung der Schulden/Umschuldung von Griechenland gefordert. Die auch nur teilweise Tilgungsverweigerung würde die Gläubigerbanken, die bisher ohne Risiko große Gewinne gemacht haben, belasten, auch die EZB. Die EZB selbst als hoheitliche Verwaltung, sogar Organ der Europäischen Union (Art. 13 Abs. 1 S. 2 EUV), ist zwar überschuldungs-, aber nicht insolvenzfähig. Weil sie das ausschließliche Recht hat, die Ausgabe von Euro-Banknoten zu genehmigen und neben den nationalen Zentralbanken des ESZB zur Ausgabe dieser Banknoten berechtigt ist (Art. 128 Abs. 1 AEUV), kann sie auch nicht illiquide werden. Die Einlagen der Kunden der Geschäftsbanken sind weitgehend durch vorgeschriebene Einlagensicherungssysteme gesichert. Kapitalsammelfonds dienen meist nur privater Bereicherung und entziehen sich weitgehend dem Bankenaufsichtsrecht. Sie sind nicht schutzwürdig. Die Ansprüche des Publikums gegen Versicherungen und Pensionsfonds sind durch verschiedene Instrumente weitgehend gesichert. Versicherungen müssen sichere Anlagen wählen. Wenn sie das nicht tun, weil sie es nicht zu tun verpflichtet sind, ist es legitim, wenn ihre Vertragspartner, die Versicherungsnehmer, das Risiko der Insolvenz tragen. In Notfällen würde die staatliche Solidargemeinschaft helfen und wäre dazu im Sozialstaat berechtigt und verpflichtet. Auch Banken müssen ihre Kredite sichern, aber die Sicherungsverpflichtungen, insbesondere die Vorschriften über die Ausstattung mit Eigenkapital (Basel III, gesamtes Eigenkapital 13 % der nicht risikofreien Kredite), stellt nicht alle zufrieden, insbesondere von den Banken werden sie als zu kostspielig kritisiert. Einer wirklichen Krise, wie sie von vielen, meist freilich Alarmisten, erwartet wird, werden auch die (vermeintlich) systemrelevanten Banken kaum gewachsen sein. Wegen der Corona-Pandemie wird die Rekapitalisierung der Kreditinstitute mit Hilfe des ESM empfohlen136. Systemrelevanz ist kein Rechtsprinzip. Es gibt weder einen verfassungsgesetzlichen noch einen gesetzlichen und auch keinen unionsvertraglichen Tatbestand der Systemrelevanz, der es zu rechtfertigen vermöchte, daß Deutschland oder ein Staatenverbund wie die Mitglieder der Währungsunion außerordentliche Verpflichtungen zu Lasten ihrer Staatshaushalte und damit zu Lasten ihrer Bürger übernehmen, um vermeintlich systemrelevante Privatunternehmen zu erhalten. Bislang ist Systemrelevanz lediglich ein politisches Argument für systemwidrige, nämlich rechtswidrige, Willkürmaßnahmen vor allem zugunsten von Banken und Versicherungen, welche von den Risiken, die sie „gierig“ eingegangen sind, überfordert werden. Zur Verängstigung des Publikums, mit der die Rettungsmaßnahmen zu rechtfertigen versucht werden, gehört auch die Drohung, daß ohne die Hilfen ruinöse Kettenreaktionen in der Wirtschaft ausgelöst würden. Diese Drohung, die sich insbesondere der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble zueigen gemacht hat (Handelsblatt 26. Mai 2011, S. 6 f.), ist ohne Substanz, 136
Markus Frühauf, Europas Banken droht riesige Kapitallücke, FAZ. NET, 25. Juni 2020.
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G. Sanierung oder Abwicklung von Kreditinstituten
wie sachkundige Fachleute einräumen137. Dem Gemeinwohl wird auf diese Weise nicht gedient. Gemeinwohl ist, was der Gesetzgeber als solches im Rahmen der Verfassung definiert138. Die haushaltsrechtlichen Ermächtigungen können gesetzliche Sanierungstatbestände nicht ersetzen. Sie haben zum einen nur eine budgetrechtliche Funktion, welche die Leistungen des Staates im Verhältnis zu den Bürgern und den Unternehmen nicht zu legalisieren vermag, weil richtigerweise auch Subventionen nicht nur einem Haushaltsvorbehalt, sondern dem Gesetzesvorbehalt unterliegen139, und sind zum anderen rechtsstaatswidrig unbestimmt. Das Volumen der Ermächtigungen macht ohne weitere Differenzierungen halbe Haushalte des Bundes oder mehr aus. Die Verwaltungsvereinbarungen, welche mit den Kreditierungen und den Bürgschaften verbunden werden, genügen dem Gesetzesvorbehalt nicht, auch nicht die aufgrund des Art. 13 Abs. 3 und Abs. 5 des ESM-Vertrag zwischen dem ESM, vertreten durch den Gouverneursrat, und dem ESM-Mitglied, das um Finanzhilfe ersucht. An der Formulierung der in dieser Vorschrift vorgesehen „Absichtserklärung“ oder besser: Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität (Memorandum of Understanding, MoU) ist die Kommission gemäß Art. 13 ESM-Vertrag wesentlich beteiligt. Die Subventionen sind grob gleichheitswidrig, weil andere Privatunternehmen gleicher Branche, die nicht in meist aus gewinnorientierten Spekulationen erwachsenden Finanzierungs- oder auch nur Bilanzierungsnöten sind, nicht begünstigt werden. Der Wettbewerb wird dadurch stark verzerrt. Zu Markt und Wettbewerb gehört essentiell das Insolvenzrisiko, das der Staat nicht abnehmen darf, schon gar nicht für Unternehmen fremder Staaten, auch nicht mittelbar durch Finanzhilfen für fremde Staaten, die mit diesen Mitteln Privatunternehmen bezahlen. Wenn Agenden staatserheblich, also vom Gemeinwohl gefordert sind, müssen diese entweder vom Staat veranstaltet, also in staatlichen Rechtsformen in demokratischer Verantwortung durchgeführt werden140, oder der Staat muß die gemeinwohlverpflichtete Ingerenz in Markt und Wettbewerb in hinreichend differenzierten unternehmensrechtlichen Tatbeständen regeln. Der internationale Kapitalismus hat keinerlei Rechtfertigung in einer Welt demokratischer und sozialer Rechtsstaaten141, jedenfalls rechtfertigt der Einsatz des Kapitals zur kreditären gewinnorientierten Finanzierung fremder Staaten nicht die Haftungs- und Schuldenübernahme durch dritte Staaten. In der Euro-Zone sind die Mitglieder, welche für die Schulden der insolvenzbedrohten Euro-Staaten einstehen, vielfach die Sitz137 Etwa J. P. Ferry, Wirtschaftsforschungsinstitut Bruegel, Brüssel, Das Lehmann-Gespenst, Handelsblatt vom 8. Juni 2011, S. 56. 138 Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 235 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 257. 139 Karl Albrecht Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 113 ff., 150; a.A. BVerwGE 6, 282 (287 f.); st. Rspr.; BVerwGE 58, 45 (48). 140 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff. 141 Karl Albrecht Schachtschneider, Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: ders. (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 253 ff.; ders., Demokratische und soziale Defizite der Globalisierung, 2004, in: ders., Freiheit – Recht – Staat, hrsg. von D. I. Siebold/A. Emmerich-Fritsche, 2005, S. 617 ff.
II. Systemrelevanz von Geldinstituten
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staaten der Gläubigerbanken und -versicherungen. Sie hätten den riskanten Einsatz des Kapitals im Ausland keinesfalls zulassen dürfen, wenn die Gläubigerinstitute tatsächlich systemrelevant wären. Die Euro-Länder haben aber den Gläubigerinstituten auch keinerlei Sicherheiten zugesagt, die sie zur Haftungsübernahme verpflichten würden. Der internationale Kapitalismus, ohnehin mit dem demokratischen Prinzip unvereinbar142, hat den Kapitaleignern und deren Managern außerordentliche Gewinne auf Kosten der Menschen und Völker beschert. Durch die kreditäre Geldmengenerweiterung sind die Finanzmärkte aufgebläht und inflationieren. Die Rückbindung an die Realwirtschaft ist verlorengegangen. Vorstandsgehälter, Boni und Provisionen erreichen sittenwidrige Höhen. Die Renditen sind nicht real erwirtschaftet. Der Zusammenbruch der Kapitalmärkte, die von den Zinsen und Zinserwartungen leben, erscheint vielen Kritikern unausweichlich. Diesen auf Kosten der Menschen und Völker abzuwenden oder auch nur zu verzögern ist nicht minder unsittlich, zumal der Schaden noch vergrößert wird. Es ist schweres Unrecht, dessen sich die politische Klasse schuldig macht. Sie gefährdet durch dieses korrupte Handeln nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Stabilität der Republiken.
142 Karl Albrecht Schachtschneider, Demokratie versus Kapitalismus, Zeit-Fragen Nr. 24 vom 10. Juni 2002, S. 5 ff.; auch Homepage: www. KASchachtschneider.de, unter Downloads.
H. Schuldenbremsen ohne ökonomische Vernunft I. Scheitern der Haushaltsdisziplinierung 1. Illusion der Haushaltsdisziplin Die Haushaltsdisziplin, die die Gründungsverträge der EU, namentlich Art. 126 AEUV (dazu D. I. 1.), vorschreiben, ist niemals von allen Mitgliedstaaten eingehalten worden. Schon bei der Einführung des Euro wurden die Konvergenzregelungen überspielt. Sie sind Illusion von volkswirtschaftlich schlecht beratenen oder beratungsresistenten Politikern. Ohne die monetäre Finanzierung der Volkswirtschaften durch die EZB und die nationalen Zentralbanken wären fast alle Mitgliedstaaten auch ohne den besonderen Finanzbedarf wegen der durch die CoronaPandemie veranlaßten Konjunkturhilfen weit von den (vermeintlichen) Stabilitätskriterien entfernt, auch Deutschland. Integrierte Finanzstabilitätspolitik von Staaten mit heterogenen Volkswirtschaften verträgt sich nicht mit dem Staatsprinzip und mißachtet die ökonomische Vernunft. Die gegenseitige Gewährleistung der Finanzstabilität nimmt den Völkern auch die Anreize, ihre Finanzstabilität143 zu pflegen, auch den Unternehmen, die wegen ,Systemrelevanz‘ mit rettenden Finanzhilfen rechnen können, und insbesondere Staaten, die wissen, daß die EU sie in der Union, zumal in dem Euroverbund halten will. Finanzstabilität kann nur in der Einheit des Staates hergestellt werden, des Staates, der die gesamte Politik verantwortet, auch und gerade die Sozialpolitik, bekanntlich der weitaus größte Teil eines Staatshaushalts von Wohlfahrtsstaaten144. Finanzpolitik ist existentielle Angelegenheit eines Volkes. Die Budgethoheit gehört zum Kern der nicht disponiblen Verfassungsidentität (BVerfGE 123, 267 ff., insb. zu Rn. 256, zitiert oben in F. II. 2.); 142, 123 ff., Rnrn. 153, 211). Die Schuldenbremsen des Fiskalpaktes haben die Haushaltsdisziplinierung nicht herbeigeführt und werden sie nicht herbeiführen, vor allem weil das wirtschaftlich nicht geleistet werden kann, aber auch politisch nicht durchgesetzt werden wird. Daß sie in die Verfassungsgesetze geschrieben werden, verstärkt ihre politische Relevanz nicht. Falls sie nicht wieder gestrichen werden, wenn die „Straße“ das erzwingt, so werden sie umgangen oder sonstwie mißachtet werden, wie seit eh und je die deutsche Schuldenbremse, die der Sache nach schon in Art. 115 GG stand, der die 143
Grundlegend zur Finanzstabilität Max Danzmann, Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik. Seine Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank am Beispiel der Eurorettungspolitik, 2015. 144 Max Danzmann, ebenda, S. 325 ff.
I. Scheitern der Haushaltsdisziplinierung
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Kreditaufnahme des Bundes auf das im Haushaltsplan veranschlagte Investitionsvolumen beschränkt hatte. Zum einen ließ die 1967er Verfassungsnovelle Karl Schillers und Wilhelm Hankels zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Ausnahmen zu, zum anderen wurde der Investitionsbegriff derart weit ausgedehnt, daß er keine relevante Begrenzung der Kreditaufnahme mehr zu bewirken vermochte. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Januar 1989 die „Begrenzung zulässiger Staatsverschuldung“ deutlich angemahnt145. Immerhin waren die Staatsschulden Deutschlands wegen der außergewöhnlichen Konjunktur, dank der durch den Euro bewirkten Währungsdumpings insbesondere Deutschlands und wegen der Nullzinspolitik der EZB 2017/8 auf etwa 2 Billionen Euro gesunken146. Die Corona-Pandemie hat eine nicht erwartete schnelle Wende dieser Entwicklung erzwungen. Es war ohnehin nicht zu erwarten, daß die Schulden stetig reduziert werden könnten, allein schon nicht wegen der Zinspolitik der EZB, die auf relevante inflationäre Entwicklungen mit einer Anhebung der Zinsen reagieren muß, vor allem aber, weil die Sozialkosten wegen der Alterung der Bevölkerung und wegen der Massenzuwanderung immens wachsen werden. Auch in Deutschland wird die Schuldenbremse kaum getreten werden, wenn Geld benötigt wird und die Kreditkosten moderat sind. Die wirtschaftlichen Schwächen wegen der Corona-Pandemie 2020 sollen mit Staatsleistungen der EU in einem Volumen beantwortet werden, das ohne monetäre Verschuldung nicht zu leisten ist. Von den Staats- und Regierungschefs ist bereits ein Wiederaufbaufonds der EU von 750 Mrd. Euro beschlossen, der noch die Zustimmung aller Mitgliedstaaten finden muß. Die Kreditierung mittels Staatsanleihen der EU, deren Rechtmäßigkeit allein schon wegen Art. 123 AEUV mehr als zweifelhaft ist, ist Teil des Programms. Aber durch Ausgabe von Staatsanleihen erzielte Einnahmen sind wirtschaftlich Kredite, also Fremd-, nicht Eigenmittel, für deren Beschaffung Art. 311 AEUV keine Rechtsgrundlage gibt. Deutschland hat zur Bewältigung des Wirtschaftseinbruchs durch die Corona-Maßnahmen in einem „Konjunktur- und Zukunftspaket“ haushaltswirksame Maßnahmen von insgesamt 353,3 Mrd. Euro und Garantien von insgesamt 819,7 Mrd. Euro beschlossen. Zur Finanzierung will der Bund neue Kredite in Höhe von rund 156 Mrd. Euro aufnehmen. Der Bundestag hat nach dem ersten Nachtragshaushalt am 23. März 2020 über 156 Mrd. Euro am 2. Juli 2020 einen zweiten Nachtragshaushalt über knapp 62 Mrd. Euro (insgesamt 217,8 Mrd. Euro) gebilligt. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF)147 Deutschlands hat 145 Dazu BVerfGE 79, 311 ff., 2 BvF 1/82, Rn. 114, Auszüge des informativen Urteils im Anhang 3. 146 Vgl. Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 33. 147 Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz – WStFG) vom 27. März 2020, BGBL 2020 Teil I Nr. 14, 27. März 2020, S. 543; den Anteilserwerb regelt das Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarkt- und eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Stabilisierungsfondsgesetz – StFG) in § 5a: „Der Fonds ist berechtigt, im Zusammenhang mit der Stabilisierung eines Unternehmens des Finanzsektors
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H. Schuldenbremsen ohne ökonomische Vernunft
ein Volumen von 600 Mrd. Euro (400 Mrd. Euro Staatsgarantien für Verbindlichkeiten, 100 Mrd. Euro für direkte staatliche Beteiligungen, 100 Mrd. Euro für Refinanzierung durch die KfW). Mehr und mehr beteiligt sich Deutschland an Unternehmen, denen sonst die Insolvenz droht. Die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen werfen wenig geklärte Verfassungsprobleme auf148, auch Volkswagen seit eh und je mit immer noch 18 % Anteil des Landes Niedersachsen, weil der Staat nicht der Gewinnmaxime folgen darf, die für Unternehmer bestimmend ist. Auch die Grundrechtsberechtigung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen ist fragwürdig, weil der Staat sich nicht auf Grundrechte berufen kann. Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Grundrechtsberechtigung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen ab, wenn diese von der öffentlichen Hand auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Mehrheit beherrscht werden (BVerfGE 128, 226 ff., Rn. 58, Fraport). Ausländische Konzerne lassen ihre Tochterunternehmen in Deutschland von Deutschland, das die Arbeitsplätze erhalten will, ein Vorwand für jedwede Art von Rechtsbruch, finanziell stabilisieren, etwa die MV Werften, Mutterkonzern der malaysische Mischkonzern Genting Group, der Kreuzfahrtkonzern Aida Cruises mit ausländischer Muttergesellschaft, der britisch-USamerikanische Carnival Corporation & plc, auch Ford mit einem finanzkräftigen US-amerikanischen Mutterkonzern Ford Motor Company. Dabei ist nicht immer klar, ob die Finanzhilfen nicht für den fremden Konzern genutzt werden149. Als Investor, sprich Hedgefonds, eignet sich der Staat trotz seiner so gut wie unbegrenzten Finanzierungsmöglichkeiten nicht. Er soll den Unternehmen einen freiheitlichen Ordnungsrahmen geben und dafür sorgen, daß das Recht beachtet wird, aber nicht selbst als Unternehmer agieren. In Deutschland etabliert sich dem zuwider ein typisch sozialistischer Staatskapitalismus, der weder mit dem Grundgesetz noch gar mit dem Wettbewerbsprinzip der Welthandelsordnung zu vereinbaren sein dürfte. Die Schuldenbremse ist schon bei der ersten Gelegenheit ignoriert worden. Zur Finanzierung wird Deutschland in diesem Jahr Kredite in Höhe von 217,8 Mrd. Euro aufnehmen. Damit wird die Obergrenze der Schuldenregel deutlich überschritten: um etwa 118 Mrd. Euro. Mit beiden Nachträgen sieht der Bundeshaushalt 2020 statt Anteile an dem betroffenen Unternehmen oder an einem unmittelbaren oder mittelbaren Tochterunternehmen von diesen Unternehmen oder von Dritten zu erwerben. Ein solcher Anteilserwerb soll nur erfolgen, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und der vom Bund erstrebte Zweck sich nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt. Die §§ 65 bis 69 der Bundeshaushaltsordnung finden keine Anwendung. § 5 Absatz 2 und 5 bis 9 der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung in der am 1. Januar 2015 geltenden Fassung gilt für Maßnahmen nach Satz 1 entsprechend“. 148 Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 176 f., 203, 229 f. 149 Dazu Martin Greive, Stefan Menzel, Thomas Sigmund, Corona Krise. Heikle Staatsrettung, Handelsblatt vom 28. September 2020, Nr. 187, S. 6 f.; Moritz Koch, Bundeswirtschaftsministerium. Umstrittenes Geheimpapier, daselbst S. 7; Martin Greive, Staatseinstieg. Unvernünftig, daselbst, S. 15.
I. Scheitern der Haushaltsdisziplinierung
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362 Mrd. Euro nun Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 508,5 Mrd. Euro vor. Die Ausgaben für Investitionen steigen auf 71,3 Mrd. Euro150. Die vertragswidrige monetäre Staatsfinanzierung der EZB durch PEPP im Umfang von 1.350 Bill. Euro kommt hinzu (dazu C. II.). Allein die noch nicht fälligen Sozialrenten- und Pensionsansprüche, die zu den versteckten, impliziten Staatsschulden gehören, beliefen sich 2007 auf 5,7 Bill. Euro. Diese ,Schulden‘ werden, wenn die Wirtschaftslage die Zahlungen an die Rentner und Pensionäre nicht zuläßt, ohne große Kürzung der Ansprüche nicht beglichen und bereinigt werden können. „Schulden“ sind freilich ein fragwürdiges Wort für durch Gesetze geregelte Erwartungen von Leistungspflichten. Ein Rentner hat erst einen Rentenzahlungsanspruch, ein Pensionär einen Pensionszahlungsanspruch, wenn er den Zeitpunkt erlebt, in dem dieser Anspruch erfüllt werden muß (§§ 35, 99, 102 Abs. 5 SGB VI für die Altersrente; §§ 4 Abs. 2, 17 ff. Beamtenversorgungsgesetz für Beamte und Richter des Bundes). Die Sozialleistungsansprüche, zu denen die Renten- und Pensionsansprüche in diesem Zusammenhang gehören, stehen unter dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt der Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung bzw. des Dienstherrn. Die Erwartungen auf die Renten und Pensionen sind noch nicht einmal Anwartschaften oder gar Eigentum, deren Kürzungen Enteignungen sein könnten. Wer noch nicht geboren ist, hat keinesfalls schon Sozialleistungsansprüche. Die fiktiven Berechnungen haben lediglich die Funktion, wirtschaftliche Vorsorge zu treffen. Wenn die Lasten, die in Gesetzen geregelt sind, nicht mehr getragen werden können, werden sie durch Novellierung der Gesetze gekürzt werden. Neu ist das nicht, rechtswidrig auch nicht. Der Zwang zu Rechtsbrüchen ist der europäischen und globalen Integration geradezu systemimmanent, aber dennoch nicht gerechtfertigt. Das fehlerhafte System, die Wirtschafts- und Währungsunion, muß beseitigt und darf keinesfalls mit weiteren Fehlgriffen wie den Schuldenbremsen verfestigt werden. Die Bürger der einzelnen Staaten sind dem Mechanismus ohnmächtig ausgesetzt, auch wegen des außerordentlichen Drucks, der auf ihre Regierungen und damit mittelbar auf sie ausgeübt wird. Die Eurorettungspolitik gibt beredtes Zeugnis dafür. Die Gebervölker werden genötigt, ihre Wirtschaftsleistungen zur Finanzierung der (wirklichen oder vermeintlichen) Mißwirtschaft anderer Staaten und Völker hinzugeben. Der Stabilisierungsmechanismus ist ein getarnter Ausbeutungsmechanismus, geradezu eine Aufforderung zum „beggar your neighbour“. Die Wirtschaftsüberwachung der EU wird die Haushaltsdisziplin, wie die Erfahrung zeigt, trotz der Sanktionsmöglichkeiten nicht herbeiführen, weil die Schuldenreduzierung nicht möglich ist, solange die Währungseinheit ohne Abwertungsmöglichkeit im Verbund mit dem Binnenmarkt besteht und dadurch die schwachen Volkswirtschaften schutzlos dem Export der durch die einheitliche Währung zusätzlich begünstigten stärkeren Volkswirtschaften ausgeliefert sind.
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https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/forschung/zweiter-nachtragshaushalt.
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H. Schuldenbremsen ohne ökonomische Vernunft
Die Schuldenbegrenzung bei der Nationalbank ist auch nicht nötig. „Die ,Schuldenfalle‘ ist „ein Mythos“, ein für den staatsfernen „effizienten Marktmechanismus“ nützlicher, ja notwendiger Mythos, wie Paul Samuelson eingeräumt hat151, aber eben gegen die politische Vernunft. Zudem steht die Verbindlichkeit der Aufsichtsmaßnahmen zur Disposition der qualifizierten Mehrheit des Rates und damit der Interessen der Staaten mit schwachen Volkswirtschaften. Eher scheiden Mitgliedstaaten aus der Union aus, als daß sie sich Verarmungsmaßnahmen diktieren lassen. Die Konditionen für Griechenland sind denn auch ständig gemildert, die Schulden reduziert worden, damit das Land nicht aus dem Euroverbund oder gar der EU ausscheidet. 2. Schuldenabbau insolventer Staaten Ein Schuldenabbau überschuldeter, nach Insolvenzprinzipien insolventer Staaten ist nicht möglich und kann schon deshalb keine verfassungsrechtliche Pflicht sein. Auch insolvente Privatschuldner werden nicht zur unmöglichen Schuldentilgung genötigt, wie früher einmal in einem Schuldturm bei Brot und Wasser, sondern können sich mittels Privatinsolvenz entschulden (§§ 286 ff. InsO, Restschuldbefreiung natürlicher Personen; §§ 304 ff. Verbraucherinsolvenzverfahren/Kleinverfahren). Um Entschuldung zu bewirken, wird Wachstum postuliert, aber gegen Wachstum eine Austeritätspolitik des eisernen Sparens betrieben. Weder das eine noch das andere ist vernunftgeleitet152, beides zusammen unsinnig. Jens Beckert/Wolfgang Streeck: „Der hier bereits angelegte antirepublikanische und antidemokratische Einschlag der Integration durch Recht wird nunmehr nochmals verschärft durch den Integrationsmodus einer ,technokratischen Disziplinierung der europäischen Nationen zur Durchsetzung von Austerität im Süden und Kollektivhaftung (,Solidarität‘) im Norden‘153. Dies überführt die bisherige Liberalisierungsgemeinschaft in eine der Not geschuldete „Austeritätsgemeinschaft“154. Dieses wiederum führe unter Anderem zu einer Neutralisierung der mitglied-
151 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 21 ff.; Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 352, Samuelson, zitiert in: Wray L. Randall, Modern Monetary Theory, A Primer on Macroeconomics for Sovereign Monetary Systems, 2012; berichtend, selbst kritisch Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 149 ff., 472, 480 f., insbesondere zur Inflationsgefahr. 152 Ganz so Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 267, 278, 281 ff., 300, 347 ff.; Michael Hudson, Der Sektor. Warum die globale Finanzwirtschaft uns zerstört, S. 10 f., 152; Joseph Stiglitz, Der Preis der Ungleichheit, Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht, 2012, aus dem amerikanischen Englisch Thorsten Schmidt, 2012, S. 302 f. 153 Jens Beckert/Wolfgang Streeck, Die Fiskalkrise und die Einheit Europas, in: APuZ 4/ 2012, S. 16 f. 154 Ebenda, S. 13.
I. Scheitern der Haushaltsdisziplinierung
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staatlichen Demokratien durch „inter- und supranationale Institutionen, die in erster Linie den internationalen Kapitalmärkten verpflichtet sind.“155
Die schwachen Volkswirtschaften haben, wie schon gesagt, im Binnenmarkt mit einheitlicher Währung keine Wachstumschance. Der Sparzwang führt in Rezession und Deflation, den schnellen Niedergang der Wirtschaft156. Die Rezession vergrößert die Defizite, nicht umgekehrt157. Ultra posse nemo obligatur, dieser Satz, daß niemand über sein Können hinaus verpflichtet werden kann, sollte trotz allen Eifers, die Öffentlichkeit mit einem schwäbischen Sparwillen zu täuschen, beachtet werden. Betriebswirtschaftlich kann wegen der Gefahr der Insolvenz die Abwicklung eines Unternehmens richtig sein. Eine Volkswirtschaft muß saniert werden, etwa durch Restrukturierung der Schulden und monetäre Finanzierung. Ein Volk muß leben können. Die in die Verfassungsgesetze geschriebenen Schuldengrenzen sollten durchgehend erst nach vielen Jahren ihrer Inkraftsetzung maßgeblich werden, in Deutschland nach Art. 143 d Abs. 1 GG im Bund 2015, in den Ländern 2020 (so etwa auch in Spanien). Die Erwartung, daß bis dahin eine Währungsreform die Schuldenlast genommen (und die Vermögen vernichtet) haben würde, war hoch158, ist aber durch die Eingriffe des ESZB in die Finanzpolitik der Staaten der Eurozone, geführt von der EZB, enttäuscht worden. Staatsanleihen werden ohne Rücksicht auf die tatsächliche Liquidität in die oberste Liquiditätskategorie mit dem geringsten Abschlag eingeordnet. Hierdurch werden insbesondere Staatsanleihen mit geringem Emissionsvolumen gegenüber Anleihen privater Schuldner mit hoher wie niedriger Liquidität bevorzugt. Sicherheit von Staatsanleihen kann allenfalls von Anleihen des eigenen Staates erwartet werden, der sich bei seiner Zentralbank die Mittel beschaffen kann, die er für die Einlösung der Verpflichtungen aus den Staatsanleihen benötigt. Gegebenenfalls haben die nominellen Rückzahlungen einen geringeren Geldwert und damit eine geringere Kaufkraft als das Geld, mit dem die Staatsanleihen bezahlt wurden. Ansprüche gegen einen fremden Staat sind dem Wesen nach noch unsicherer als gegenüber dem eigenen Staat. Wenn ein Staat in Not gerät, ist es seine Sache, die Notlage zu bewältigen. Er sollte die Lasten gerecht teilen. Das bedarf des Gesetzes. Die EU ist jedoch kein Staat, wenn sie sich auch so geriert. Sie ist ein Verbund souveräner Staaten, die ihren Völkern verpflichtet sind, nicht fremden Völkern. Daran ändert die viel beschworene „Solidarität“ nichts, durch die sich Mitgliedstaaten der EU nach Art. 2 EUV „auszeichnen“. Als Pflicht wäre das Postulat souveränitätswidrig.
155
Ebenda, S. 13. Michael Hudson, Der Sektor, S. 28. 157 Joseph Stiglitz, Der Preis der Ungleichheit. S. 279. 158 Bernd-Thomas Ramb, Der Zusammenbruch unserer Währung … und wie man sich darauf vorbereitet, 7. Aufl. 2011, S. 111 ff. 156
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II. Von der Stabilitäts- zur Schuldengemeinschaft 1. Einheitliche Währung ohne optimalen Währungsraum Die wirtschaftliche Verantwortung für die durch die Einheitswährung verbundenen Staaten tragen auf Grund des permanenten Schutzmechanismus ESM, so dieser in Anspruch genommen wurde und wird, alle Mitglieder des Euroverbundes gemeinsam. Das schafft noch keine einheitliche Volkswirtschaft. Der Weiterentwicklung zu einer Sozialunion der Euro-Staaten dient der Euro-Plus-Pakt, geschlossen im März 2011. Dieser soll die Politiken aller Euro-Länder derart auszurichten versuchen, daß sie die Schulden-, Finanz- und Sozialunion bilden können, welche eine einheitliche Währung zu tragen vermag, nämlich den währungstheoretisch notwendigen optimalen Währungsraum hervorbringen, sicherlich vergeblich. Das nähert sich, selbst wenn die staatlichen Strukturen nur föderalisiert sind wie in der EU, allemal im Euroverbund, einer einheitlichen Volkswirtschaft. Die gleichgeschaltete Staatsfinanzierung durch den ESZB und die EZB kommt hinzu. Auf die volkswirtschaftliche Einheit zielt die europäische Integration seit ihrem Beginn, nur entgegen den Verfassungsgesetzen der Mitgliedstaaten, jedenfalls Deutschlands, und entgegen dem Willen der Völker. Kein Volk ist bisher aufgefordert worden, darüber abzustimmen, ob es in einer bundesstaatlichen Volkswirtschaft mit den anderen Völkern und zwar mit allen anderen 26 Völkern der Union oder auch nur mit den 19 Völkern, deren Währung der Euro ist, leben will. Ein Bundesstaat ist regelmäßig eine wirtschaftliche Schicksalsgemeinschaft und strebt einheitliche Lebensverhältnisse an, die ohne eine einheitliche und damit einheitsstaatliche Politik nicht herbeigeführt und nicht aufrechterhalten werden können. Es mag Länder geben, die am (vermeintlichen) Wohlstand Deutschlands und einiger dessen Nachbarländer teilhaben wollen. Einige Mitgliedstaaten der EU haben den Wohlstand in Deutschland dank der Union längst erreicht und übertroffen, zumal Frankreich, und dennoch nicht die Bereitschaft, in einer politischen Union mit all den anderen Völkern der EU zu leben und schon gar nicht die Bereitschaft, durch die Vereinheitlichung der politischen Strukturen Demokratie, Rechts- und Sozialstaat aufzugeben. Das aber wäre die unvermeidliche Folge der Integration der EU zu einem Bundesstaat. Eine solche Politik kann nicht einmal eine ordentliche Vertragsordnung begründen. Es bedarf des durch Volksabstimmungen ermittelten Willens der Völker, ihre Eigenstaatlichkeit zugunsten einer europäischen Schicksalsgemeinschaft, also eines Unionsbundesstaates, aufzugeben. Die „Stabilität der Euro-Zone“ kann nicht gesichert werden, weil auch die Schulden-, Finanz- und Transferunion, die mit dem ESM zum Teil geschaffen wurde, nicht zu dem optimalen Währungsraum wird, der allein eine Währungsunion zu tragen vermag. Ohne Abwertungsmöglichkeit sind mit einer einheitlichen Währung nicht hinreichend wettbewerbsfähige Volkswirtschaften nicht in der Lage, den (weltweiten) Wettbewerb mit überlegenen Volkswirtschaften zu bestehen. Die Bereitschaft aller Völker, sich bestmöglich für den Wohlstand ihres Landes einzusetzen, wird angesichts der Chancenlosigkeit, sich am Weltmarkt zu behaupten, sinken. Im Binnenmarkt können sie mit
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Transferleistungen rechnen, die die Lebensverhältnisse ohne eigene Leistung mit sozialistischen Maßnahmen ausgleichen. Erst eine einheitliche Staatlichkeit eines einheitlichen Staates der Union wird mit der Einheit der Wirtschaft und des Sozialen eine Einheitswährung ermöglichen. Der eigentliche Zweck des Euro ist denn auch, die EU zu einer einheitlichen Volkswirtschaft zu zwingen (dazu I. I.). Ein solcher existentieller Staat setzt die hinreichende wirtschaftliche und soziale Homogenität der Völker voraus. Ein existentieller Unionsstaat der europäischen Völker wird aber nicht nur nicht demokratisch sein, sondern wirtschaftlich niedergehen und verarmen. Ihm fehlt die innere Solidarität der Menschen der verschiedenen Völker, auch aus geschichtlichen und kulturellen Gründen. Eine äußere Solidarität wird man zu erzwingen versuchen und in einem freiheitswidrigen Sozialismus enden. Anstatt den Versuch der Währungsunion aufzugeben, rennen die Staats- und Regierungschefs seit dem Maastricht-Vertrag gegen die ökonomischen Gesetze an, in der Hoffnung, mit einer untragbaren Vergemeinschaftung der Schulden den optimalen Währungsraum zu erringen. Die Ziele der Unionisten sind jedenfalls solange unerreichbar als nicht die Wirtschafts- und Währungsunion durch eine Sozialunion ergänzt ist, die in der EU in etwa gleiche Lebensverhältnisse durchsetzt. Das verlangt den unionsweiten Finanzausgleich (vgl. Art. 107 Abs. 2 GG), jedenfalls den in der Eurozone159. Diese Sozialunion wird denn auch kraftvoll, vor allem durch Frankreich, vorangetrieben. Sie wird nicht gelingen und alle Völker der Union in wirtschaftliche und politische Not bringen. Wilhelm Hankel: „Noch nie sind sich rechter Kommerz und linker Zeitgeist so nahe gekommen (und bis heute geblieben) wie in der Einschätzung der Europäischen Integration und ihrer Folgen. Diese Linke verschwendet keinen Gedanken darauf, was in einer staatenlos gewordenen Gesellschaft aus sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit wird. Wer sie dann noch garantiert und durchsetzt. … Ja, die Amnesie der Linken geht so weit, dass sie nicht mehr wahrnimmt, dass National – und Sozialstaat identisch sind. Stirbt der eine, verkümmert auch der andere!“160
Es ist mit der Souveränität der Völker unvereinbar, daß ein Mitgliedstaat einen anderen finanziert. Eine verfassungspolitische Entscheidung der Völker für die Bildung eines Unionsvolkes und eines Unionsstaates gibt es nicht. Allein durch Verträge der Staaten, sprich deren Politiker, sind Unionsvolk und Unionsstaat nicht begründbar. Der Schritt zum Bundesstaat setzt vielmehr Volksabstimmungen voraus, durch die die Völker in einem jeweils neuen Verfassungsgesetz beschließen, in einem Unionsvolk auf- (und unter-)zugehen. Der Schritt zum unionalen Bundesstaat bedarf einer neuen Verfassung Deutschlands gemäß Art. 146 GG hat das Bundesverfas159
Dazu richtig Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, 2014, S. 69 ff., 479 ff. (Konstruktionsfehler); Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 147 und ff.; ders., Souveränität, S. 153, 509 ff.; ders., Die nationale Option, S. 267. 160 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 15, auch ff.; ganz so Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option, S. 342 ff., 365 ff.
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sungsgericht im Lissabon-Urteil klargestellt (BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 203, 228), aber auch dahingehender Referenden der Völker der anderen Mitgliedstaaten der EU. Das wird sich nicht ereignen. Die perennierende staatliche und mediale Propaganda gegen die Nationalstaaten und für den Unionsstaat, zugleich ein Schritt zum global Government, überzeugt die Völker nicht. Es ist ein Projekt der egalitaristisch ideologisierten und kapitalistisch gesteuerten, aber weitgehend abgelehnter, die praktische Vernunft, Freiheit und Demokratie diskriminierender ,Eliten‘161. 2. Finanzierung fremder Staaten zur Rettung des Euro Mit all den Maßnahmen der Finanzierung der Euro-Staaten verletzen die EZB und die nationalen Zentralbanken des ESZB das demokratische Prinzip und damit die Souveränität der Völker. Diese Maßnahmen sind, wie zu C dargelegt, vertragswidrig und schon deswegen verfassungswidrig, weil sie ultra vires, ausbrechende Rechtsakte sind (BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 116 ff., 133 ff., 154 ff., 177), die von dem Vertragswillen der Völker nicht getragen sind. Die unmittelbare oder mittelbare Finanzierung fremder Staaten ist vor allem mit dem Staatsprinzip unvereinbar. Die Belastungen, die etwa das ESM-Finanzierungsgesetz Deutschland zumutet, gehen über die Grenzen hinaus, welche der Verfassungskern des Grundgesetzes zuläßt. Weiterhin belastet das Pandemic Emergency Purchase Programme der EZB (PEPP) die Finanzen der Euro-Staaten in Billionenhöhe162, wenn sie sich verpflichtet sehen und versuchen, die Kredite der Zentralbanken zurückzuzahlen und in der Annahme, dazu verpflichtet zu sein, die Verluste der Zentralbanken auszugleichen. Zu den wenig bestimmten Grenzen derartiger Finanzierung fremder Staaten durch Deutschland, über die der Bundestag als Hüter der Finanzhoheit des Volkes, zumal des Budgetrechts, nicht zuvor entschieden hat, hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 7. September 2011, BVerfGE 129, 124 ff., zu den Rnrn. 127 ff. richtige Ausführungen gemacht, die im Anhang 2163 zitiert sind. Das Gericht hat Beanspruchungen des Haushalts Deutschlands mit der Haftung für Schulden, die „auf Willensentscheidungen Dritter“ und nicht auf Beschlüssen des Deutschen Bundestages beruhen, für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 129, 124 ff., Rnrn. 127, 136 f.) und die Verpflichtung zur Finanzierung fremder Staaten ohne Einverständnis Deutschlands durch hinreichend bestimmte Verträge im Urteil zum PSPP vom 5. Mai 2020 (BVerfG 2 BvR 859/15, 20, Rn. 227) erneut zurückgewiesen: 161 Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung (Menschheitsrechtliche Kritik der Globalisierung), S. 624 ff.; ders., Die nationale Option, S. 359 ff. (Nationalstaat, Großstaat, Weltstaat); i.d.S. auch Hans Köchler, Globalität auf dem Prüfstand: Ethisch verantwortbare Alternativen zum derzeitigen Weltwirtschaft- und Finanzsystem, in: Zeit-Fragen, 31. Dezember 2019, 27. Jg., Nr. 29. S. 1 f. 162 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Organklage gegen PEPP vom 26. August 2020, 2 BvE 7/20. 163 Siehe Anhang 2.
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„Jedenfalls eine (nachträgliche) Änderung der Risikoverteilung würde mit Blick auf die in einem Umfang von mehr als zwei Billionen Euro unter dem PSPP erworbenen Staatsanleihen die vom Senat entwickelten Grenzen der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berühren (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 132, 195 ; 135,317 ; 142, 123 ) und wäre mit Art. 79 Abs. 3 GG unvereinbar. Sie liefe möglicherweise auf eine Rekapitalisierung der Bundesbank hinaus (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 146, 216 ) und stellte in der Sache eine vom Grundgesetz verbotene Haftungsübernahme für Willensentscheidungen Dritter mit schwer kalkulierbaren Folgen dar (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 146, 216 .“
Die monetäre Staatsfinanzierung ist zwar weder ökonomisch noch rechtlich Verschuldung, wie zu L dargelegt wird, aber das rechtfertigt noch lange nicht die Finanzierung fremder Staaten. Die Finanzierung des Staates durch die Zentralbank ist eine Form der Geldversorgung des Staates. Wenn ein Staat fremde Staaten mittels einer wegen der einheitlichen Währung gemeinsamen Zentralbank finanziert, entstehen Forderungen des finanzierenden Staates und Schulden des finanzierten Staates. Die Geldmenge, die ein Staat hervorbringt, dient der Alimentation seiner Wirtschaft, zu der auch der Staatshaushalt gehört, nicht der Wirtschaft fremder Staaten. Das von der Zentralbank ausgegebene Geld wird vom Staat, den verschiedenen Einrichtungen, denen der von der Zentralbank finanzierte Staatshaushalt die Verteilung des Geldes übertragen hat, unter denen verteilt, die zu dem Währungs-, Wirtschafts- und Sozialsystem, dem Staat, gehören. Hinzu kommt das Buchgeld aus den Krediten der Geschäftsbanken, das auch Kaufkraft verschafft. Die Kosten des Buchgeldes werden von der Zentralbank mittels der Mindestreservepflicht, derzeit 1 %, der mindestreservepflichtigen Einlagen (Art. 19 der Satzung des ESZB), und dem Leitzinssatz (Hauptrefinanzierungssatz), derzeit 0 %, gesteuert. Das Verteilungssystem hat essentielle Relevanz für das Gemeinwesen. Es soll möglichst gerecht sein, an Bedarf und Leistung orientiert, aber auch in Beachtung von Eigentum und Markt. Es darf die Stabilität des Gemeinwesens nicht gefährden. Die Finanzierung fremder Staaten ist in dieses System nicht eigeschlossen. Das würde die politischen Grundlagen des Gemeinwesens in Frage stellen, insbesondere das demokratische Prinzip der Republik, aber auch das Rechtsstaatsprinzip und insbesondere das Sozialprinzip. Diese Gefahren gehen derzeit nicht nur aber auch von der überbordenden Geldmenge aus, aber derzeit agieren die Staaten auch mit einem Kreditsystem, in dem die Geldverteilung mit Verschuldung verbunden ist. Die ausgegebenen Gelder müssen gegebenenfalls mit Zinsen zurückgezahlt werden. Der Staat verschafft sich die Mittel für die Minderung der strukturellen Schulden mittels der Abgaben, wenn nicht durch eigene Unternehmen. Die Einheitswährung Euro hat zwar funktional einen Staat geschaffen, aber einen unvollkommenen Staat, der Schaden für die beteiligten Völker anrichtet. Demgemäß drängen die europäistischen ,Eliten‘ auf die weitere Integration der EU, insbesondere des Euroverbundes, zu einem vollkommenen Bundestaat. Nur der setzt dahingehende Entscheidungen der Völker voraus, wie zu C. V., F. I. 2. und H. II. 1. dargelegt ist.
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Die Fehlentscheidung für die einheitliche Währung in der Union muß korrigiert werden. Diese Währung hat in der Struktur der EU, die auf der Souveränität der Völker und damit deren haushaltliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit aufbaut, keine Chance. Darum wird die Entwicklung der politischen Union vorangetrieben, aber diese ist mit den Verfassungsgesetzen der Mitgliedstaaten, zumal mit dem Grundgesetz Deutschlands unvereinbar. Die Souveränität Deutschlands und die der anderen Mitgliedstaaten legt auch das Bundesverfassungsgericht seinen Erkenntnissen zugrunde. Aber beides, Währungsunion und Souveränität, geht nicht. Souveränität ist mit der Währungshoheit unauflöslich verbunden. Der Strukturfehler der Währungsunion muß um des Rechts und um der Souveränität als der Freiheit der Bürger willen korrigiert werden. Das ist zugleich ökonomisch geboten. Es genügt dem Rechtsprinzip nicht, wenn die Wirtschafts- und Währungspolitik die Völker und Staaten in den wirtschaftlichen Ruin manövriert, um andere Ziele zu erreichen, den vermeintlich geopolitisch und machtpolitisch notwendigen Großstaat Europa. Dieser Zweck wird stetig in die Debatte eingebracht, wenn die Kritik an dem Euro und der Eurorettungspolitik nicht mehr widerlegt werden kann. Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Großstaat. Nur die kleinen Einheiten, in Europa die Nationalstaaten, gewährleisten Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat. Die Stabilität des Staates, die ohne wirtschaftliche Stabilität und damit ohne stabile Währung und ohne stabilen Haushalt nicht besteht, ist Staats- und Souveränitätsprinzip. Es ist in dem fundamentalen Satz des Grundgesetzes verankert: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ (Art. 20 Abs. 1 GG). Ein wirtschaftlich und demgemäß politisch instabiler Staat ist nicht „demokratisch“. Es ist allemal nicht „sozial“. Instabilität nimmt einem Staat im Wesentlichen seine Staatsqualität. Man spricht vom „failed state“. Das Sozial(staats)prinzip hat das Bundesverfassungsgericht in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 38 Abs. 1 GG einbezogen (Lissabon-Urteil BVerfGE 123, 267 ff. zu den Rnrn. 167 f., 181 f., auch Rnrn. 217, 226; BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 115). Eine Währungsunion kann nur Bestand haben, wenn die durch die einheitliche Währung verbundenen Staaten eine hinreichend konvergente oder homogene Wirtschaft haben. Diese aber ist von den sozialen Verhältnissen der Länder nicht zu trennen. Die Währungsunion muß somit zugleich Wirtschafts- und Sozialunion sein. Das ist durch das Scheitern des Euro auch allen klargeworden. Darum forciert die Euro-Rettungspolitik, die zugleich Integrationspolitik ist, die Entwicklung der Schulden- und Finanzunion, die nichts anderes ist als die Sozialunion. Das aber ist eine Politik der Verstaatlichung der Union, für die die Verfassungsgrundlagen fehlen. Es fehlen aber auch die ökonomischen und die lebensmäßigen Voraussetzungen. Als Bundesstaat mit dem Prinzip einheitlicher Lebensverhältnisse wird die EU insgesamt zu einem „failed state“ werden. Der „Automatismus“ zur „Vergemeinschaftung der Staatsschulden“ (BVerfGE 129, 124 ff., Rn. 130) ist längst in Gang gesetzt, durch die „Alternativlosigkeit“ der Euro-Rettung. Die Schuldenunion ist, ebenfalls entgegen der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts „ein unumkehrbarer Prozeß“ (Rnrn. 137 f.) geworden,
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freilich ein politischer Prozeß in der EU. Wenn das Euroabenteuer nicht beendet wird und der Bestand der Union an den Bestand des Euro geknüpft wird – ein großer Irrtum, aber die Einschätzung der Bundeskanzlerin – sind die Schulden- und Finanzunion unausweichlich. Schritt für Schritt geht die Union diesen Weg, diese Einbahnstraße, ohne Umkehr. Er fällt Deutschland zunehmend schwerer, aber Deutschland, geführt von der gegenwärtigen, allzulange amtierenden Bundesregierung, schleppt sich weiter, bis zu dem deutlich sichtbaren Abgrund. Vor jedem Schritt zur politischen Union sträubt sich die Bundesregierung oder tut so, als sträube sie sich, läßt sich aber schließlich bestimmen, den Schritt mitzugehen. Das ist der Automatismus, den das geradezu zivilreligiöse Bekenntnis zum Euro auslöst. Für die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages bleibt kein Spielraum, jedenfalls nicht, wenn die Gewährleistungen einzulösen sein werden. Es genügt nicht, wenn das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprinzipien benennt, aber Deutschland in den Niedergang ziehen läßt. Die Euro-Rettung wird mit der Entwicklung der Union zum Bundesstaat verbunden. Dem muß Einhalt geboten werden, indem auch die Zustimmungsgesetze zum ESM-Vertrag wie zum Fiskalvertrag und das ESM-Finanzierungsgesetz für nichtig erklärt werden. Das Beste wäre die Änderung der Zustimmungsgesetze zum Maastricht- und zum Lissabon-Vertrag, die die Beteiligung Deutschlands an der Währungsunion beenden würde. Diese Rettungsmaßnahme für Deutschland und die anderen Unionsländer wären rechtens (BVerfGE 89, 155 (200 ff., 205); auch BVerfGE 129, 124 (181 f.)164. Nur das rettet das „vereinte Europa“ (Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG) und Deutschland, seine Wirtschaft und seine Verfassung. Nur dieser Schritt gibt der Entwicklung zu einem prospierenden Europa eine Chance. Die Finanzierung der Staaten durch das ESZB und die EZB erfolgt zwar durch monetär geschöpftes Geld, aber das ESZB und die EZB sind gemeinsame Einrichtungen der Euro-Staaten, die in die Staatsorganisation jedes der beteiligten Staaten integriert sind. Demzufolge nimmt jeder dieser Staaten an der Finanzierung der Staaten teil, die mit dem monetär geschöpften Geld geleistet wird. Das sind wegen des Verbotes der Selektivität des Erwerbs von Staatsanleihen durch das ESZB (BVerfGE 134, 366 ff. Ls. 1 a bb, Rnrn. 69, 73, 87, 150; BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 66, 182) alle diese Staaten, soweit der Ankauf der Staatsanleihen durch die Mitglieder des ESZB im Verhältnis zu deren Anteilen an der EZB den Staaten Einnahmen verschafft (PEPP ignoriert dieses Verbot der Selektivität165). Die vermeintlichen TARGET-Schulden allerdings sind nicht proportional verteilt. Vielmehr haben die einen TARGET-Defizite und die anderen TARGET-Überschüsse. Ohne das Eurosystem wäre den Staaten mit defizitären Volkswirtschaften die Finanzierung ihres Imports mit dem Euro aus Staaten dieses Systems nicht möglich. Sie hätten eine schwächere Währung mit geringerer Kaufkraft. Auch im Eurosystem bleibt ihre Finanzierung eine solche von fremden Staaten. 164 165
Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 501 ff. Vgl. die Organklage gegen PEPP vom 26. August 2020, 2 BvE 7/20.
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Ein Volk organisiert sich in einem Staat, um in seinem Schicksal das gute Leben aller Bürger in Freiheit zu meistern, nicht um mit seiner Arbeit fremde (,befreundete‘) Staaten zu finanzieren. Eine Politik, welche dem Volk die Finanzierung fremder Staaten, mögen diese auch in einen Staatenverbund integriert sein, abverlangt, zumal gegen die Verfassung seines Staates und gegen die Verträge des Verbundes, beutet das Volk nicht nur aus, sondern kann sich nicht auf den Willen der Bürgerschaft berufen. Meinungsumfragen ersetzen keine verfahrensgerechte Willensbildung, abgesehen davon, daß das deutsche Volk die Politik der Finanzunion mit großer Mehrheit und in aller Klarheit ablehnt. Die mit der Finanzunion verbundene Bevormundung der subventionierten Völker ist auch mit der Souveränität als der Freiheit dieser Völker unvereinbar. Diese nehmen zwar die Hilfen entgegen, die ihnen freilich auch wegen der unionalen Großstaatspolitik aufgezwungen werden, wehren sich aber gegen die Entmündigung. Das Vertrauen in die Haushaltsdisziplin der Mitglieder des Euro-Verbundes, welches Grundlage der Währungsunion des Maastricht-Vertrages war, ist ruiniert. Das Interesse der Geber an der Kontrolle über die Nehmer ist begründet, aber unverbesserlich demokratiewidrig, staatswidrig, souveränitätswidrig. Die Lösung des Widerspruchs ist es, die ohnehin rechtlich und wirtschaftlich untragbare Finanzierung fremden Staaten zu unterlassen. Die Souveränität sowohl der Geber- als auch der Nehmerländer steht der Europolitik entgegen. Souveränität ist Freiheit. Es gibt keinen wirtschaftlichen Grund, die Freiheit beiseite zu schieben. Es gibt dafür auch keinen politischen Grund. Politik hat die Aufgabe, das Recht zu verwirklichen und mit dem Recht die allgemeine Freiheit166. Hinzu kommt, daß die kritisierte Euro-Politik auch wirtschaftlich gescheitert ist und niemals eine Erfolgschance hatte oder haben wird. Der einzige Weg sie durchzusetzen ist das Unrecht. Dies wird nolens volens seit Jahren ins Werk gesetzt. Die Euro-Rettungspolitik hat Deutschland wirtschaftlich und politisch belastet und belastet Deutschland weiter, hilft aber den andern Euro-Ländern nicht substantiell. Das vermag keine vornehmlich der Bankenrettung und dem Konsum dienende Schuldenmehrung, die mit der kreditären Staatsfinanzierung, sei es durch kreditäre ,Geldschöpfung‘167 der privaten Finanzinstitute, sei es durch monetäre 166
Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 248, 593, 633, auch S. 288 ff. 167 Die sogenannte private Geldschöpfung ist keine Geldschöpfung, sondern eine Kreditierung, die Kaufkraft mittels des Vertrauens auf die Zahlungsfähigkeit der Kreditgeber, vornehmlich der Kreditinstitute, schafft. Man spricht von Bankgeld. Nur die EZB und die nationalen Zentralbanken der Staaten des Eurosystems haben das Befugnis, Euro-Banknoten auszugeben, die nationalen Zentralbanken Banknoten und Euro-Münzen nur im Rahmen der Genehmigung der EZB. Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel (Art. 128 Abs. 1 und 2 AEUV; § 14 BBankG). „Private Geldschöpfung“ ist ein bankenkritischer Argumentationsbegriff. Wer privat Geld herstellt, macht sich wegen Geldfälschung nach § 146 StGB strafbar. Aber dem Bankgeld kann die Geldfunktion schwerlich abgesprochen werden. Die Bankkredite schaffen Kaufkraft. Wenn die Kredite nicht beglichen werden und die Bank insolvent zu werden droht, wird sie im Regelfall im Interesse der politischen Stabilität vom Staat mit monetären Finanzmitteln gerettet.
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Geldschöpfung der Notenbanken, jeweils Geldschöpfung aus dem Nichts, finanziert wird. Die wirtschaftlichen Fähigkeiten des Schuldners werden durch eine solche, zudem oktroyierte Verschuldung nicht gestärkt. Sie ist nur Verschiebung des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Man spricht davon, daß Zeit gekauft werde. Die bisherigen Maßnahmen zur Rettung des Euro waren augenscheinlich unzureichend. Sie haben die Lage nur verbösert. Daß der Euro noch existiert, ist einzig und allein der skizzierten vertrags- und verfassungswidrigen Geldpolitik des ESZB und der EZB zu danken. Deren Staatsfinanzierung (OMT-Programm, PSPP, PEPP (dazu C.)), die sie im großen Stil mittels monetärer Geldschöpfung gegen die Unionsverträge und gegen das Staatsprinzip freier Völker durchführen, verschafft den Mitgliedern des Euroverbundes die ,Kredite‘, die sie am Finanzmarkt wegen zu hoher Zinsen nicht aufnehmen konnten und könnten, wenn die EZB und die nationalen Zentralbanken ihnen nicht mit der Politik des leichten Geldes und der Finanzierung der Länder die Zinslasten genommen hätten. Auf Zinsen verzichten die Zentralbanken. Die kreditäre monetäre Finanzierung der Volkswirtschaften, zumal der Staatshaushalte, spiegelt sich weiterhin in den TARGET-Salden wieder, die in den Billionenbereich reichen. Diese TARGET-Salden begründen zwar, wie zu C. IV. 2. ausgeführt, keine durchsetzbaren Forderungen, aber zeigen doch, daß das ESZB die Forderungen der Lieferanten bezahlt, welche die Besteller der Waren ohne Kredite nicht bezahlen könnten. Die Gläubiger der Forderungen gegen die Besteller der Waren bleiben die Zentralbanken als deren Zessionare, die für die Kredite schlicht ihr Geldschöpfungsmonopol genutzt haben und kraft Genehmigung der EZB nutzen durften. Die Zentralbanken werden ihre Forderungen niemals eintreiben und auch niemals eintreiben können. Das würde ihre ,Euro-Rettungsaktionen‘ (Mario Draghi; „what ever it takes“) zum Erliegen bringen. Den Staaten nehmen die EZB und die nationalen Zentralbanken zu deren Finanzierung die Staatsanleihen ab, weitestgehend mittelbar am Sekundärmarkt (dazu zu C.). Sie können sich gegenwärtig mehr oder weniger zinslos ,kreditär‘ finanzieren und sogar wegen der geringen Zinsen der Neuverschuldung die Altschulden reduzieren. Die Ersparnisse der deutschen Staatshaushalte durch die Zinssenkungen werden mit etwa 460 Milliarden Euro berechnet (Januar 2020). Die Mieten werden jedoch, weil wegen der Geldmengenerweiterung und der Knappheit der Immobilien die Immobilienpreise blasenhaft gestiegen sind, für viele Großstadtbewohner unerschwinglich. Das hat in Berlin eine gesetzliche Deckelung von Mietpreisen provoziert, die mit der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG kaum vereinbar ist. Die Sparer bekommen für ihre Ersparnisse keine Zinsen. Die Verluste ihrer Spareinlagen durch die Niedrigzinspolitik und die, wenn auch moderate Inflationsrate in der Euro-Zone (in etwa 1, 5 %) belaufen sich seit der Finanzkrise 2008, heißt es, auf etwa 650 Mrd. Euro. Wenn Sparer freilich Sparverträge aus Hochzinsphasen haben, sind sie begünstigt, weil der Warenkorb sich nur moderat verteuert. Lohnende Erträge hatten die Sparer allerdings selten, weil die Sparzinsen selten relevant über der Inflati-
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onsrate lagen. Die Lebensversicherer können ihre Versprechen, daß das gesparte Vermögen wachsen werde, nicht mehr erfüllen168. 3. Haftungs- und Schuldengemeinschaft Die Vertragsergänzung des Art. 136 AEUV durch Absatz 3 hat die Währungsunion in ihrem Wesen verändert. Diese ist von einer Stabilitätsgemeinschaft, die sie sein sollte und nach dem Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 12. Oktober 1993 nur sein durfte (BVerfGE 89, 155 (205), auch der Euro-Beschluß vom 31. März 1998, BVerfGE 97, 350 (376)), aber niemals war, zu einer Haftungs- und Schuldengemeinschaft geworden. Sie wird dadurch weitgehend Finanzunion und erweitert die Transferunion. Die Voraussetzungen der Währungsunion waren wirtschaftliche Konvergenz und stabile Haushalte der Mitgliedstaaten (Art. 109 j EGV, jetzt Art. 140 und Art. 126 AEUV). Beides entsprach nie der Realität. Die neue Ermächtigung stellt den Bestand des Euro über Haushaltsdisziplin und wirtschaftliche und monetäre Stabilität. Die Haushaltsdisziplin sollte zunächst durch „strikte Bedingungen“ durchgesetzt werden, jetzt nur noch durch „strenge Auflagen“. Das hat mangels Automatismus des Regelvollzugs, also hinreichenden Zwanges, noch nie funktioniert. Solange die Mitglieder der Euro-Gruppe über deren Anwendung mehrheitlich entscheiden, also Sünder über Sünder befinden und damit diplomatische Rücksichten genommen werden (müssen), sind die Auflagen ein stumpfes Schwert. Allein die harten Marktgesetze, also risikogerechte Zinsen, oder/und der Zwang, die Euro-Gruppe verlassen zu müssen, können die Haushaltsdisziplin sichern. Der „Stabilitätsmechanismus“ ist ein Risikopuffer, der die Schulden der EuroGruppe zu vergemeinschaften erlaubt und das geradezu aufgedrängt. Nicht stabilitätsorientierten Mitgliedern wird Inflationspolitik, etwa durch preistreibende Lohnpolitik, oder Verschuldungspolitik auf Kosten der Haushalte und damit der Wirtschaft der Währungspartner, letztlich deren Steuerzahler und Transfereinkommensbezieher fremder Völker, ermöglicht. Die Wirtschaft der durch die Währungseinheit begünstigten wird für die benachteiligten Völker herhalten müssen. Politischer Einfluß kann nur im Rahmen der Bedingungen, welche der Stabilitätsmechanismus zuläßt und die das Einverständnis aller beteiligten Staaten finden, genommen werden. Die Bürger der einzelnen Staaten sind diesem Mechanismus ohnmächtig ausgesetzt, auch wegen des außerordentlichen Drucks, der auf ihre Regierungen und damit mittelbar auf sie ausgeübt wird. Die Rettungspolitik gibt beredtes Zeugnis dafür. Die Gebervölker werden genötigt, ihre Wirtschaftsleistungen weitgehend zur Finanzierung der Mißwirtschaft anderer Staaten und Völker hinzugeben. Der Stabilisierungsmechanismus ist ein getarnter Ausbeutungsmechanismus, geradezu eine „Aufforderung zum „beggar your neighbour“. 168 Dazu Gunther Tichy, Niedrigzinsen: EZB-Politik oder ökonomisches Gesetz? Wirtschaftsdienst. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 99. Jg. 2019, Heft 3, S. 203 – 209, der auf marktliche Gründe neben der Niedrigzinspolitik für die Nachteile der Sparer hinweist.
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Um der für völkerrechtliche Verträge prinzipiell gebotenen formellen Gleichbehandlung der Vertragspartner willen werden auch die durch Begünstigungen des Binnenmarktes und der Einheitswährung prosperierenden Vertragspartner in die fragwürdigen Regelungen der Verträge der Finanzstabilitätspolitik der EU einbezogen. Kreditaufnahmeverbote stören Mitgliedstaaten wenig, die der Kredite nicht bedürfen und wenn, eine hohe Schuldentragfähigkeit haben. Mitgliedstaaten mit geringer Wettbewerbsfähigkeit können durch die von den Europäisten erzwungene Wettbewerbsverzerrung die Vorgaben der Finanzstabilitätspolitik der EU nicht einhalten, ohne ihre Völker in unzumutbare Not zu bringen und dadurch die politische Stabilität ihrer Staaten zu ruinieren. Die Bürger Italiens haben neue Parteien an die Macht gebracht, die nicht daran denken, die vor allem von Deutschland mittels des Fiskalpaktes der EU aufgedrängte Austeritätspolitik169 zu vollziehen. Sie werden demgemäß von den Integrationisten der EU verunglimpft und mit Sanktionsmaßnahmen überzogen. Sie handeln schlicht sachgerecht und haben auf Grund der Souveränität ihrer Völker das Recht und die Pflicht dazu. Ein Mitgliedstaat, Großbritannien, hat sich, gut begründet, nach fast 50 Jahren Mitgliedschaft in der EU, sogar mit privilegiertem Status, für den Austritt aus der EU entschieden und wurde mit durchsichtigen und undurchsichtigen Methoden der EU (unannehmbares Austrittsabkommen) gut zwei Jahre lang am Vollzug dieser Entscheidung des Volkes gehindert. Die Briten haben durch eine Neuwahl, die beharrlich von der EU-hörigen Labour-Party zu verhindern versucht wurde, die Regierung von Boris Johnson ermöglicht, der den Brexit zum 31. Januar 2020 zu vollziehen durchgesetzt hat. Ich erwarte eher ein Aufblühen Großbritanniens, wenn die Corona-Krise überwunden ist, und nicht etwa den wirtschaftlichen Niedergang, den Europäisten geradezu herbeiwünschen. Jedenfalls haben die Briten, mit freiheitlichem Souveränitätsbewußtsein gesegnet, den unionalen Integrationismus abgeschüttelt, der ihre Selbstbestimmung mehr und mehr verengt hat. Die stete Belastung des Bundeshaushalts mit der Gewährleistung von Krediten des ESM an Mitgliedstaaten der Euro-Zone, welche zur Abwehr, besser: zur Verzögerung ihrer Zahlungsunfähigkeit oder auch nur, weil sie die Kredite des Marktes nicht mehr bezahlen können oder auch nur wollen, in der (zunächst) vertraglich und gesetzlich zugestandenen Höhe von 190 Mrd. Euro (168 Mrd. Euro Gewährleistung plus 22 Mrd. Euro ESM-Kapitalanteil) ist eine Aushöhlung des parlamentarischen Budgetrechts, wenn nicht die Sachgerechtigkeit der Kredite, Bürgschaften oder sonstigen Gewährleistungen im Einzelnen einer Entscheidung des Parlaments vorbehalten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat freilich im ESM-Urteil die jeweilige Erweiterung der Gewährleistung Deutschlands durch Kreditierung hilfsbedürftiger Staaten von dem Einverständnis des Deutschen Bundestags abhängig gemacht (BVerfGE 135, 317 ff., Rnrn. 183 ff., 219 ff.). Nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (StabMechG) vom 22. Mai 2010 (BGBl I Seite 627) werden die Beteiligungsrechte des Deutschen 169 Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 54.
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H. Schuldenbremsen ohne ökonomische Vernunft
Bundestages von einem Sondergremium des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages wahrgenommen, soweit ein Aufkauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt geplant war und die Bundesregierung die besondere Vertraulichkeit der Angelegenheit geltend gemacht hatte. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Delegation der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages an ein Sondergremium des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in BVerfGE 130, 318 ff., Rnrn. 132 ff. für rechtmäßig erklärt. Das Sondergremium ist seit 2018 nicht vollständig besetzt, weil die von einer Fraktion für das Sondergremium benannten Abgeordneten vom Plenum des Bundestages nicht gewählt worden sind. Deutschland kann somit zurzeit dem Ankauf von Staatsanleihen nicht wirksam zustimmen. Der ESM ist insoweit nicht handlungsfähig. Das Bundesverfassungsgericht bearbeitet zum Aktenzeichen 2 BvE 5/19 eine Verfassungsklage vom 11. November 2019 und vom 8. Februar 2020 wegen der Mißachtung der parlamentarischen Fraktions- und Abgeordnetenrechte, die ich vertrete. Wenn die EU institutionell ein Staat, ein Bundesstaat, werden soll, bedarf es der Zustimmung aller beteiligten Völker (BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 203, 228), wie oben zu H. II. 1. angesprochen ist.
III. Monetäre Finanzierung des Staates Wenn man davon ausgeht, daß die monetäre Finanzierung des Staates Schulden desselben begründet (dazu kritisch zu K.), bedürfen Bund und Länder Deutschlands und erst recht die meisten anderen Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes, allein um ihre Zinspflichten begleichen zu können, der monetären Finanzierung, jedenfalls wenn die Zinsen steigen. Noch sind die Kreditkosten Deutschlands wegen der Zinspolitik der EZB und des Ratings Deutschlands geringer als die Inflationsrate von knapp 2 %. Der Zinssatz kann und wird durch Erhöhung des Leitzinssatzes (zeitweilig 0,00 %) und durch Senkung des Ratings schnell auf das Vielfache wachsen. Spanien etwa hatte im März 1995 ein Allzeithoch der Zinsen für langfristige Kredite von 12,26 %. Die Staatsschulden Berlins betrugen im Jahr 2018 57,6 Mrd., das BIP Berlins erreichte 2018 etwa 147 Mrd. Euro. Das ergibt 39,18 % Staatsschulden im Verhältnis zum BIP. Der Staatshaushalt Berlin kostete 2018 etwa 10.818 Mrd. Euro. 5 % Zinsen auf die Staatsschulden würden Berlin jährlich etwa 2,88 Mrd. Euro kosten. Das sind etwa 26,62 % des Landeshaushalts Berlins. Das ist aus Abgaben nicht zu leisten. Die außerordentlichen Ausgaben, welche durch die Gewährleistungen im Rahmen der Euro-Schutzmechanismen auf den Bund zukommen, wird er nicht ohne monetäre Finanzierung und seien dies Kredite im großen Umfang finanzieren können. Im Zuge der Entwicklung würde seine Kreditwürdigkeit gesenkt werden. Das würde die Kreditaufnahme erheblich verteuern. An sich lohnt es nicht, diese Aspekte überhaupt zu erörtern, weil der Staatshaushalt durch die kreditierten EuroRettungsversuche zusammenbrechen würde und die verfassungsgesetzlichen Vor-
III. Monetäre Finanzierung des Staates
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gaben sich als Makulatur erweisen würden, sobald die EZB die Politik des billigen Geldes zu beenden gezwungen wäre. Die Schuldenbremsen haben propagandistische, aber auch finanzmarktpolitische Täuschungsfunktion. Die Schuldensperre hat sich schon am Anfang ihrer Geltung nicht bewährt. Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt: „Zunächst aber ist es unabdingbar, dass alle Schuldenbremsen, sei es auf Ebene der EU, des Bundes, der Länder oder der Kommunen, sofort ersatzlos gestrichen werden“170.
Die Lage der deutschen Schuldenbremse zeigt, was von den Schuldenbremsen zu erwarten ist, welche die ESM-Mitglieder durch den Fiskalpakt in ihre Verfassungsgesetze oder ihre Gesetze zu schreiben verpflichtet worden sind. Sie haben das gemacht, weil davon ihre Kreditierung durch den EFSF oder den ESM, sprich vor allem von Deutschland, aber durchaus auch noch von anderen Ländern, abhing, jedenfalls abzuhängen schien. Die rechtliche Verbindlichkeit der Schuldenbremsen in den einzelnen Ländern wäre zu prüfen, jedenfalls ist die politische Verbindlichkeit fragil. Sie bestand und besteht in dem völkerrechtlich mehr als fragwürdigen Druck, den vor allem Deutschland als der wichtigste Zahlmeister, gestützt auf geldwissenschaftliche Irrtümer, ausgeübt hat und weiter ausübt. Die Finanzminister Deutschlands, in jüngerer Zeit Juristen, verstehen wenig von der Ökonomie und nicht einmal genug vom Geld. Aber sie haben Ministerien, die gewisse Sachkunde haben und sich zumindest sachkundig machen könnten. Sachkunde käme aber dem Geschäftsinteresse der Geschäftsbanken und des großen Geldes nicht zu Gute. Weltweit wird die neoliberale Austeritätspolitik von namhaften Ökonomikern, zumal Joseph Stiglitz, scharf kritisiert (Handelsblatt vom 16. April 2012, S. 20 f.)171. Sie führt unweigerlich zur Rezession und löst kein Schuldenproblem. Die Apologie der Austeritätsdiktate des Internationalen Währungsfonds und des Eurosystems, vor allem der deutschen Unionspolitik, von Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart, daß Staatsschulden, die 90 % des BIP ausmachen, das Wirtschaftswachstum dramatisch einbrechen lassen würde, beruhten nicht nur auf fehlerhaftem Rechenwerk, sondern vor allem auf der Idee der ,Goldenen Schuldenregel‘, unter die die Analysen der weitgehend unsystematischen Zahlenwerke zur Begründung gebeugt wurden. Thomas Herndon, ein Masterstudent der University of Massachusetts Amherst, hat, unterstützt von seinen Lehrern, die Rechenfehler im Cambridge Journal of Economics offengelegt172. 170
Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 360 f. Joseph Stiglitz, Der Preis der Ungleichheit, S. 302; auch Michael Hudson, Der Sektor, S. 33, Mainstream pro Gläubiger, 1 % der Reichsten; Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 282; Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 103, „politischer und ökonomischer Skandal den Völkern von außen bürokratisch aufgezwungen“, S. 480 f. „Troika-Diktate“; Jens Burkhardt Funk, Der Internationale Währungsfonds, S. 371 ff. 172 Patrick Kaczmarczyk, Schuldenquoten, Wachstumsraten, Wissenschaft, Netz 14. Mai 2015, zu Kenneth Rogoff/Carmen Reinhart, Growth in a Time of Debt, 2009. 171
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H. Schuldenbremsen ohne ökonomische Vernunft
Längst war klar, daß der private Forderungsverzicht auf 107 Mrd. Euro, freilich auf Forderungen, die wertlos waren, nicht genügte, um die Kreditfähigkeit Griechenlands wieder herzustellen. Der Forderungsverzicht auch der öffentlichen Gläubiger und sogar der EZB wurde postuliert, insbesondere vom Internationalen Währungsfonds. Die Gläubiger von Banken sind bereits zu deren ,Schuldnern‘ gemacht worden, wenn der Bank Insolvenz droht. Geldeinlagen sind volatil geworden. Das ist realitätsnah, aber rechtlos. Griechenland war und ist (ohne monetäre Staatsfinanzierung) zahlungsunfähig, trotz aller Unterstützungszahlungen und trotz, besser: wegen des Austeritätszwanges. Die aufgezwungenen Sparmaßnahmen hatten die erwartete, aber von den Rettungspolitikern nicht zugestandene Wirkung, die beschleunigte Rezession und Deflation. Eine Deflation ruiniert eine Volkswirtschaft noch wirksamer als eine Inflation173. Die relative Preisstabilität der Eurozone wird auch durch das Nebeneinander von Deflation in den Rezessionsstaaten und Inflation in den prosperierenden Staaten und der partiellen starken Inflation des Vermögenssektors gestützt. Angesichts dieser lehrreichen Realität haben der Euro-Plus-Pakt (Schlußfolgerungen des Europäischen Rates vom 24./25. März 2011, empfehlend, Deutschland folgend)174 und der Fiskalpakt alle Mitglieder des ESM verpflichtet, Schuldenbremsen in ihren Rechtsordnungen zu verankern. Die Mitgliedstaaten, fast alle, sind nach der üblichen Geldlehre überschuldet und haben keine Chance, ihre Schulden abzuarbeiten, zumal der geforderte Schuldenabbau sie in die Rezession, wenn nicht Depression, zwingen würde. Ihnen wurde und wird ein haushaltsverfassungsrechtliches Instrument aufgedrängt, das sich bisher weder bewährt hat noch bewähren konnte. Das ist nicht nur eine Groteske, sondern ein grober Verstoß gegen die Souveränität der Völker. Sie werden genötigt, jedenfalls wenn sie der Hilfe bedürfen und Hilfe erbitten, ihre Wirtschaft zu ruinieren und die Notlage zu verschlimmern, nur um den Euro, ohnehin eine ökonomisch und damit rechtlich verfehlte Einrichtung, zu verteidigen. Schlimmer noch, sie lassen sich nötigen, finanzpolitische Maßnahmen sogar in ihre Verfassungsgesetze zu schreiben, die mit Erkenntnissen des Geldwesens unvereinbar sind. Praktische Vernunft, die Sittlichkeit des freiheitlichen Staates, ist gegen die Erkenntnisse der Wirklichkeit nicht möglich175. Die Verpflichtungen aus dem Fiskalpakt treffen aber auch Deutschland, das sich die Haushalts- und Wirtschaftspolitik hat aus der Hand nehmen lassen, einem wesentlichen Teil der existentiellen Staatlichkeit und Souveränität des Volkes als dessen Freiheit. Es sei vermerkt, daß das Bundesverfassungsgericht im Urteil des Zweiten Senats vom 18. März 2014 (2 BvR 1390/12, BVerfGE 135, 317 ff.) zu Rn. 222 eigens darauf hingewiesen hat, daß Deutschland sich durch Änderung des Zustimmungsgesetzes 173
Dazu Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 154 f. Näher Karl Albrecht Schachtschneider, Verfassungsklage gegen die Maßnahmen zur Eurorettung vom 29. Juni 2012, S. 106 ff. 175 Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 420 ff. 174
III. Monetäre Finanzierung des Staates
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zum ESM-Vertrag durch Austritt oder Kündigung von der Bindung an diesen Vertrag wieder lösen könne. Das darf man als Fingerzeig ansehen, daß auch das Bundesverfassungsgericht Zweifel an der ökonomischen Vernunft dieses Paktes hegt. Diese Option besteht nicht minder für den Fiskalpakt wie es auch schon die ratio cognoscendi des Maastricht-Urteils war, welches das Austrittsrecht aus der EU begründet hat (BVerfGE 89, 155 (190); 123, 267 ff., Rnrn. 23, 299, 329 f.)176.
176
Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Souveränität, S. 380 ff.; von mir durchgesetzt im Namen von Manfred Brunner, vgl. die Verfassungsbeschwerde (2 BvR 2134/92) gegen das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (Vertrag von Maastricht) vom 18. Dezember 1992 mit Schriftsätzen vom 29. März 1993 und vom 22. Juni 1993, 157 Seiten.
I. Entwicklungsbehinderung durch Schuldenbremsen I. Europäistische Visionen und Schuldengrenzen Die EU hat wegen integrationspolitischer Visionen die Schuldensperren vorgeschrieben. Deutschland hat diese Schuldenpolitik zum Schaden aller Mitgliedstaaten der EU durchgesetzt. Es hatte selbst schon 2009, wie zu D. II. 3. dargelegt, Kreditaufnahmeverbote (mit Ausnahmen) in das Grundgesetz geschrieben. Nur wenige erwarten und niemand konnte und kann ernsthaft erwarten, daß die Politik die Schuldensperren und die zugleich aufgenötigte Austerität respektieren werde. Ganz im Gegenteil, die Euro-Rettungspolitik ignoriert die Schuldensperre in grober Weise mit dem abwegigen Argument, die Gewährleistungen würden nicht in Anspruch genommen werden und wenn doch, dann würden die Kredite von den kreditnehmenden Mitgliedstaaten zurückbezahlt werden, so daß Deutschland und die anderen kreditgebenden Staaten nur Sicherheit, aber nicht Geld gegeben haben werden. Das ist reine Illusion, wie die Entwicklung der Staatsschuldenkrise der Euro-Länder gezeigt hat und zeigt. Geradezu gesetzmäßig mußte ein PIIGS-Staat nach dem anderen die Finanzhilfen in Anspruch nehmen, bis die gewissermaßen neo-keynesianische Politik Mario Draghis (quantitative easing, Politik des leichten Geldes, dazu C. II.), geholfen hat177, freilich entgegen dem demokratischen Prinzip, weil die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag nicht um ihre Zustimmung gefragt wurden, wie das Bundesverfassungsgericht am 5. Mai 2020 entschieden hat (BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 102 ff.). Jedem, der nicht aus Gründen politischer Opportunität die Realität geleugnet hat, war klar, daß Griechenland auch die verbliebenen erheblich abgesenkten Kredite nicht zurückzahlen können werde und auf eine weitere Restrukturierung der Schulden, also den weiteren Hair-Cut178, die insolvenzmäßige Schuldenkürzung, zugeht, nachdem die privaten Gläubiger auf Forderungen von 107 Mrd. Euro zu verzichten gedrängt wurden Der Verzicht wurde den Gläubigern durch den Umtausch der Schrottpapiere in vergleichsweise werthaltige Forderungen versüßt. Immer wieder fordert Griechenland die zeitliche Streckung der Auflagenerfüllung und der Rückzahlung und stößt mit dieser Forderung auf Verständnis auch der Regierungen der Geberstaaten. Das war und ist der Anfang des Endes der Konditionierung der Finanzhilfen und damit der Beginn der bedingungslosen Finanzierung hilfsbedürftiger Euro-Länder. Seit dem 177
Zustimmend Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 281. Dazu Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 434 ff.; Michael Hudson, Der Sektor, S. 14, nach den Erfahrungen Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg notwendig, Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg beruht auf der fast vollständigen Schuldenrestrukturierung im Zuge der Währungsreform der Amerikaner in Deutschland. 178
II. Erfolglose Austeritätspolitik
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Jahr 2013 enthalten Staatsanleihen im Euro-Raum Collective Action Clauses (CACs). Die Zustimmung einer Mehrheit der Gläubiger reicht auf Grund der CACs aus, um eine Restrukturierung der Schulden zu Lasten aller durchzusetzen. Der Schuldenerlaß ist notwendig, wenn ein überschuldeter Staat saniert werden soll, aber er muß auch eine eigene Währung haben oder einführen, wenn er seine Finanzen und seine Wirtschaft stabilisieren will. Aber Griechenland mußte um des Bestandes der EU und des Euros willen ,gerettet‘ werden, zum Schaden der Griechen. Im Übrigen: Schulden bleiben Schulden, solange sie nicht beglichen sind. Wilhelm Hankel: „Beide Male versuchte es der neue Staat (Deutschland), die Schulden zu liquidieren, mit der Einführung einer neuen Währung: 1924 der Reichsmark (RM), 1948 der Deutschen Mark (DM). Beide Male verband er die Einführung der neuen Währung mit einer rigorosen Streichung der von der Vorgängerregierung gemachten und aufgeblähten Staatsschulden – und vernichtete damit Hunderte von Millionen privater Geldersparnisse seiner Bürger“179.
II. Erfolglose Austeritätspolitik Die Versuche, die defizitären Volkswirtschaften des Euroverbundes durch harte Austeritätspolitik zur Schuldentragfähigkeit und Finanzstabilität zu führen, waren erwartungsgemäß vergeblich. Nathalie Freitag: „Die Austeritätspolitik und die damit einhergehende Kürzung von Staatsausgaben sind gemäß MMT hingegen keine probaten Mittel zur Bekämpfung einer Rezession. Die Eurozone verzeichnete erst nach Beendigung der Austeritätspolitik wieder moderate Wachstumsraten, so dass eine wirtschaftliche Erholung eher aus dem Ende der Kürzungspolitik und nicht in Folge einer erfolgreichen Durchführung resultiert“180.
Die mit den Schuldenbremsen verbunden Austeritätsmaßnahmen haben die Kreditfähigkeit der finanziell notleidenden Länder nicht gestärkt, aber die Armut verbösert und auch politische Umwälzungen herbeigeführt. Der wesentliche Grund der untragbar hohen Kreditkosten dieser ohnehin wenig wettbewerbsfähigen Länder war der Binnenmarkt mit der Einheitswährung. Wenn die Wirtschaft eines Staates insgesamt nicht wettbewerbsfähig ist und nicht wettbewerbsfähig zu werden verspricht, müssen die Länder höhere Zinsen zahlen, werden aber doch meist kreditiert. Über die Einheitswährung konnten und können die Mitglieder des Eurosystems nicht wie über eine nationale Währung souverän verfügen, insbesondere die Währung nicht abwerten. 179 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 29 f., „Geldvermögen der Sparer um 96,5 % gestrichen“, „Sachwert- und Aktienbesitzer gingen frei aus und wurden zu den eigentlichen Gewinnern des späteren Wirtschaftswunders“. 180 Review Dr. Dirk Ehnts, Modern Monetary Theory, Internet, 8.4.19; näher zur MMT Dirk Ehnts, Modern Monetary Theory und europäische Makroökonomie, 2017, Berliner Debatte Initial 28 (3), S. 89 – 102, Kritik der Austeritätspolitik S. 95; Michael Hudson, Der Sektor, S. 14 und durchgehend.
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I. Entwicklungsbehinderung durch Schuldenbremsen
Die finanzielle Notlage der überschuldeten Euro-Staaten hat sich durch das OMTProgramm und die Politik des quantitave easing (PSPP) der EZB (dazu C. II.) wesentlich geändert.
III. Zukunftsvorsorge durch kreditierte Investitionen 1. Rückschrittlichkeit der Schuldenbremsen Die Schuldenbremsen der EU und der Mitgliedstaaten behindern die Entwicklung der Volkswirtschaften und damit den Wohlstand der beteiligten Völker. Peter Bofinger und Gustav Horn181: „Die Schuldenbremse verkürzt das zentrale Ziel der Zukunftsvorsorge einer Volkswirtschaft auf die Stabilisierung des Schuldenstandes der öffentlichen Hand. Mit dieser eindimensionalen Sichtweise fällt sie konzeptionell weit hinter die von den meisten Finanzwissenschaftlern und auch vom Sachverständigenrat befürwortete ,goldene Regel‘ zurück. Diese sieht vor, dass öffentliche Investitionen durch Kredite finanziert werden können. Die ,goldene Regel‘ erkennt also an, dass es neben der passiven Zukunftsvorsorge, die in einer Begrenzung der Verschuldung besteht, auch eine aktive Zukunftsvorsorge in der Form öffentlichen Investitionen geben muss. Wenn die Länder durch das Grundgesetz in Zukunft daran gehindert werden, sich für Zukunftsinvestitionen zu verschulden, besteht bei anhaltenden und von vielen Politikern aktiv geförderten Forderungen nach Steuersenkungen die große Gefahr, dass die aktive Zukunftsvorsorge unter der Räder kommt. Es kann dann vielleicht erreicht werden, dass die Schulden nicht weiter ansteigen, aber um den Preis, dass zukünftige Generationen unzureichend ausgebildet sind, über eine abgewirtschaftete Infrastruktur verfügen und in einer schlechten Umwelt leben müssen. Eine wirklich nachhaltige Finanzpolitik muss deshalb die aktive und die passive Zukunftsvorsorge gleichermaßen im Auge haben. Dazu bedarf es einer verbindlichen mittelfristigen Finanzplanung. Sie sollte Zielvorgaben enthalten für die Schuldenstandsquote, für die Staatsquote, und dabei insbesondere die Quote der wachstums- und nachhaltigkeitswirksamen Ausgaben, die Steuer- und die Sozialabgabenquote. Dies würde zum einen in der Öffentlichkeit deutlich machen, welche Zielkonflikte zwischen Steuersenkungen, der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und den Zukunftsinvestitionen bestehen. Zugleich ließen sich daraus Pfade für die Ausgabenentwicklung von Bund und Ländern ableiten, die jederzeit leicht zu überwachen wären und frühzeitig erkennen ließen, wenn es zu einer unsoliden Haushaltspolitik käme. Für die Zielformulierung und Überwachung sollte ein Zukunftsrat errichtet werden. Die Kritik an der Schuldenbremse und ein Plädoyer für ein Mehr an nachhaltiger Finanzpolitik sind kein Widerspruch. Ausgearbeitete Konzepte hierfür liegen vor.
181 Peter Bofinger/Gustav Horn, Die Schuldenbremse gefährdet die gesamtwirtschaftliche Stabilität und die Zukunft unserer Kinder, 2009, mit vielen Unterstützern der Wirtschaftswissenschaft, online abrufbar: http://www.boeckler.de/pdf/imk_appell_schuldenbremse.pdf (Stand: 20. 08. 2012).
III. Zukunftsvorsorge durch kreditierte Investitionen
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Insgesamt halten wir es für unverantwortlich gegenüber den aktiven wie den zukünftigen Generationen, wenn mit der Schuldenbremse einem kaum erprobten Konzept unmittelbar Verfassungsrang eingeräumt werden soll, das mit Ausnahme der Schweiz in keinem anderen Land praktiziert wird und das auch dort im Jahr 2003, bei der ersten größeren Belastung, de facto außer Kraft gesetzt wurde.“
Olivier Blanchard, ehemaliger Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds: „Was immer es für Notwendigkeiten gegeben haben mag, die Staatsschulden zu reduzieren, so ist dies vorbei. Die Kosten sind niedriger. Die Risiken sind auch niedriger. Es gibt keine Schuldenkrise.“182
Gita Gopinath, Chefvolkswirtin des Internationalen Währungsfonds, die Olivier Blanchard zustimmt: „Deutschland hat den fiskalischen Spielraum und sollte die Möglichkeit nutzen, daß es sich zu negativen Zinsen verschulden kann. Es gibt sinnvolle Investitionsmöglichkeiten. Aus Kosten-Nutzensicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um zu investieren, wenn man bedenkt, wie günstig es ist. Die Ausgaben für Infrastruktur müssen ja ohnehin getätigt werden. Es geht nicht um die kurzfristige Sicht, sondern auch um die langfristige.“183
Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt: „Alle wichtigen Institutionen, die mit der Zukunftsvorsorge einer Volkswirtschaft (also mit dem Investieren und seinen Voraussetzungen) zu tun haben, sollten auf der Ebene des Staates angesiedelt sein. Das gelte in ganz besonderem Maße natürlich für die öffentliche Daseinsvorsorge.“ „Die soziale Sicherung, Verkehrs- und Geldwesen, Verteidigung, Forschung, Kindergärten, Schulen, Universitäten, Polizei, Rechtspflege, Gesundheitswesen, Kultur, Wohnraum, die Steuerverwaltung, Wasser- und Energieversorgung, Müllabfuhr, Kanalisation etc. sind Güter, deren Herstellung zumindest der Gewährleistung durch den Staat bedürfen“. „Was hindert den Staat daran, Unternehmen, die für die öffentliche Daseinsvorsorge unabdingbar sind, wieder in die öffentliche Hand zurückzuführen und die entsprechenden Verwaltungseinheiten so finanziell auszustatten, dass sie diese Leistungen auch zuverlässig erbringen können? Die kurze Antwort lautet: Der grassierende Marktfundamentalismus und die endemische Staatsvergessenheit. Wir brauchen in erster Linie eine Abkehr von dem Glauben, der Markt und damit gewinnorientierte Unternehmen könnten alles besser und der Staat stehe der Wohlfahrt der Menschen nur im Weg. Bei den Sachzwängen, mit denen Privatisierungen begründet wurden und werden, handelt es sich in der Regel um ausgemachte Lügengeschichten“. „Die Vorstellung, dass private Unternehmen die Leistungen der Daseinsvorsorge effizienter erbringen und beim Staat nur noch die Aufgabe verbleiben sollte, diese über einen Ausschreibungswettbewerb und über finanzielle Anreizsysteme zu steuern, ist von der Praxis eindrucksvoll widerlegt worden. Es ist gerade die private Leistungserbringung mit öffentlichen Geldern, die Vetternwirtschaft und politischer Korruption Tür und Tor öffnet. Die Leistungen der Daseinsvorsorge müssen daher zukünftig ganz überwiegend und unmittelbar von öf-
182
Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 52 ff., Hinweis auf die Jahrestagung der amerikanischen Ökonomenvereinigung (AEA), Atlanta 2019. 183 Interview mit Jan Mallien, ebenda, S. 58 f.
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I. Entwicklungsbehinderung durch Schuldenbremsen
fentlich-rechtlichen Organisationen übernommen werden, die expressis verbis nicht nach dem Profitprinzip gesteuert werden dürfen.“184
Staatlicher Aufbau von Industrien zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung eines Landes mit monetären Mitteln des Staates kommt für die Mitgliedstaaten in der EU schon wegen des grundsätzlichen Beihilfeverbots im Interesse eines Binnenmarktes ohne Verfälschungen des Wettbewerbs im Allgemeinen nicht in Betracht. „Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen“ (Art. 107 Abs. 1 AEUV). Es gibt Ausnahmen nach Absatz 2 und Absatz 3 des Art. 107 AEUV185. Selbst Öffentliche Unternehmen dürfen nach Art. 106 AEUV nichts tun, was auch private Unternehmen nicht dürfen, es sei denn sie leisten „Dienste von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ (Art. 14 AEUV) im Sinne der Daseinsvorsorge. Diese Ausnahme wird eng praktiziert. Die Finanzierungshilfen wegen der Schäden der Corona-Pandemie suchen ihre unionsrechtliche Rechtfertigung in diesen Ausnahmeregelungen zum Beihilfeverbot. Die unverzichtbare eigenständige Geld- und Währungspolitik ist ohnehin im Eurosystem ausgeschlossen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit mit allen durch die Judikative des Europäischen Gerichtshofes abgestützten Mißbräuchen nimmt den Mitgliedstaaten die Hoheit, eine ihre Wirtschaft fördernde Zuwanderungspolitik zu machen. Meist ist der freie Zug der ,Arbeitnehmer‘ Zuwanderung in die ergiebigeren Sozialsysteme. Der Binnenmarkt ist funktional ein Staat186, das Eurosystem allemal, internationalistisch und globalistisch in demokratie- und sozialwidrig (nicht nur) geld- und finanzpolitisch entmachteten Nationalstaaten187, ein Staat nach neoliberalem Muster, dem internationalen Kapital dienlich, unter der ,Hoheit‘ der Hedgefonds. Einer der Großaktionäre der Deutschen Bank etwa ist Black Rock. Die maßgebliche Organisationsform moderner Gesellschaften ist der souveräne demokratische Nationalstaat, lehren die Nationalökonomen Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt188. In dem 184
Gescheiterte Globalisierung, S. 352 ff., S. 358 f. schildern die Autoren, wie eng die Versicherungswirtschaft mit manchen Abgeordneten, einem Minister und einem Kanzler verbunden waren oder sind und, füge ich hinzu, mit vielen Sachverständigen; gegen „die neoliberale Strategie der Privatisierung von staatlichen bzw. öffentlichen Einrichtungen der allgemeinen Daseinsvorsorge“ richtig auch Reinhard Crusius, Rettet Europa, nicht nur die Banken, S. 103 f.; auch Michael Hudson, Der Sektor, S. 33, erfolgreiche Volkswirtschafen waren und sind nur Mischwirtschaften von privaten und öffentlichen Unternehmen. 185 Dazu näher Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 374 ff. 186 Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 53 ff. 187 Karl Albrecht Schachtschneider, Demokratische und soziale Defizite der Globalisierung, S. 668 ff.; Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 41 f., der sich auf Richard Musgrave, Public Finance, stützt, S. 39 ff., 211. 188 Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 11 f., auch S. 300, 352, 360; i.d.S. auch Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 15.
III. Zukunftsvorsorge durch kreditierte Investitionen
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schon zitierten Interview im „Freitag“ antwortet Paul Steinhardt Sebastian Puschner: „Wer die Macht von Nationalstaaten leugnet, der verwechselt die Realität mit seinem schönen, liberalen Traum, in dem es keinen mehr gibt, der den Menschen sagt, was sie zu tun und zu lassen haben. Auf der linken Seite des politischen Spektrums begegnet einem da eine Naivität, die mich manchmal sprachlos macht.“ „Dass der Nationalstaat durch die ,Globalisierung‘ zurückgedrängt oder gar obsolet wurde, das ist ein Märchen. „Globalisierung“ ist eine Chiffre für den Umbau der Gesellschaft nach neoliberalen Vorgaben, begleitet von dem Versprechen, dass, wenn die Märkte nur von allen Fesseln befreit werden, es allen besser geht und sie frei sind. Dafür muss man den Arbeitsmarkt flexibilisieren, das heißt, die Bedingungen verschlechtern, die Löhne senken. Absurd. Das Globalisierungsnarrativ dient als Rechtfertigung dafür, dass der Staat seine Macht nicht mehr einsetzt, um das Gemeinwohl zu fördern, sondern um den Sozialstaat zu zerstören, öffentliche Daseinsvorsorge zu privatisieren und die Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Tatsache ist doch: Es gibt keine realistische Perspektive auf die vielbeschworene Überwindung des Nationalstaates. Das Einzige, worum es wirklich geht, ist, den Staat seine Macht nutzen zu lassen, sodass es der Mehrheit der Menschen zukünftig besser und nicht schlechter geht.“
In Gescheiterte Globalisierung sagen Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt: „Wirtschaftsliberale sind, wie wir in diesem Buch detailliert ausgeführt haben, der Meinung, der Staat müsse lediglich einen rechtlichen Rahmen zur Verfügung stellen, der es gewinnorientierten Unternehmen ermöglicht, im Wettbewerb mit anderen (und ohne staatliche Interventionen) Güter und Dienstleistungen zu produzieren. In einem solchen rechtlichen Rahmen soll dann allein der Preismechanismus dafür sorgen, dass alle Bürger effizient mit allen nur denkbaren Wirtschaftsgütern optimal versorgt werden. Völlig ausgeblendet bleibt dabei, dass die Ergebnisse dieses Prozesses […] Arbeitnehmer sytematisch in eine schlechte Verhandlungsposition bringen.“189
Wilhelm Hankel: „Mit dem Nationalstaat stirbt der Sozialstaat“190
Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG hatte in der von Karl Schiller und Wilhelm Hankel initiierten Fassung von 1969 die auf Lorenz von Stein zurückzuführende Goldene Regel der staatlichen Investitionsvorsorge in die Finanzverfassung aufgenommen, freilich Ausnahmen zur Abwehr von Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zugelassen (vgl. BVerfGE 79, 311 ff., 2 BvF 1/82, Rnrn. 114 ff., im Anhang 2 zitiert). Die Schuldenpolitik Deutschlands hat sich von dieser Regelung nicht einschränken lassen.
189
Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 353 f. Wilhelm Hankel, Die Euro-Lüge S. 223 ff.; Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option, S. 349 ff. 190
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I. Entwicklungsbehinderung durch Schuldenbremsen
2. Deutschland fern der technischen Revolution Während vorwärts strebende Staaten technische Innovationen, die ihrer Wirtschaft Stärke geben, mit großen finanziellen Mitteln, oft im Rahmen der Militärhaushalte, unterstützen, verordnet sich die EU die Schuldenbremse. Deutschland macht bei dieser den Niedergang betreibenden Politik nicht nur mit, sondern forciert diese mehr als andere Mitgliedstaaten der EU, um die ,Partner‘ der Union zur Haushaltsdisziplin nötigen zu können. Deutschland hat nicht nur, trotz vorübergehender erheblicher Haushaltsüberschüsse, einen schwerwiegenden Investitionsrückstand191, sondern wird seine Wettbewerbsfähigkeit, die auf technischen Entwicklungen der Vergangenheit beruht, einbüßen. Im Bereich der Elektrotechnik, zumal der Digitalisierung, ist Deutschland drittklassig192. Deutschland ist in der Kommunikationstechnik von den Vereinigten Staaten, von China und von Südkorea abhängig. Das bringt auch Gefahren für die Kommunikationssicherheit mit sich. Deutschland ist auch in der Entwicklung batteriemotorischer und autonomer Fahrzeuge rückständig. In den anderen Unionsmitgliedstaaten sieht es nicht besser aus. Führend ist Deutschland in der Ideologie menschengemachten Klimawandels, einem ebenso alarmistischen wie moralistischen Irrtum193, der zur weiteren Verhinderung technischen Fortschritts beiträgt. Deutschland wird von wissensfeindlichen moralistischen Ideologien beherrscht, typisch für sozialistische Systeme. In diesen Kontext gehört auch die Schuldenbremse. Das starre Verbot der Kreditaufnahmen in konjunkturellen Normallagen verhindert staatliche Förderungen notwendiger technischer Innovationen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, aber auch notwendiger Investitionen in die Infrastruktur, etwa in Verkehrswege und insbesondere in Wohnungen in Ballungsgebieten. Die Stagnation der technischen Entwicklung ist für den zukünftigen Wohlstand Deutschlands von großem Schaden; denn Deutschland befindet sich in hohem Maße in einem weltweiten wirtschaftlichen Verbund und weltweiten zum Teil unfairen Wettbewerb. Die Vernachlässigung der Infrastruktur schadet dem guten Leben im Lande194, zumal der Verkehrssicherheit, und gefährdet den inneren Frieden. Die frühere Regelung des Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG hat die Einnahmen aus Krediten an die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen gebunden. Die Kreditaufnahmen wurden somit von der vorgängigen Entscheidung über die Investitionsaufwendungen abhängig gemacht. Das war flexibel, sachgerecht, von ökonomischer Vernunft getragen195. Zudem durften selbst davon 191
Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 218 ff., u. ö. Thomas Hanke/Thorsten Riecke, Digitale Transformation. Frankreich läuft Deutschland den Rang ab, Handelsblatt Nr. 172 vom 7. September 2020, S. 15. 193 Dazu die Beiträge des Europäisches Institut für Klima & Energie, Eike e.V., etwa HorstJoachim Lüdecke, Energie und Klima, Chancen, Risiken, Mythen, 2013, 2. Auflage 2016. 194 Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 361 („120 Milliarden Investitionsrückstände“, „Ursache des skandalösen Verfalls der Infrastruktur unseres Landes“, 2018). 195 Ebenda, S. 361. 192
III. Zukunftsvorsorge durch kreditierte Investitionen
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weitere Ausnahmen zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gemacht werden. Die Ausnahmen von der Vorgabe des Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG, daß die Haushalte von Bund und Ländern ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind, nämlich die Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung und Ausnahmeregelungen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, lassen die finanzielle Förderung von großtechnischen Entwicklungen, gewissermaßen die Teilnahme an der technischen Revolution, nicht zu, schon gar nicht in konjunkturellen Normallagen. Ganz im Gegenteil, Deutschland läßt es zu, daß Unternehmen mit führenden technischen Fähigkeiten von Unternehmen fremder Staaten übernommen werden, vornehmlich von Unternehmen aus China und aus den USA. Ohnehin ist die deutsche Industrie weitgehend in ausländischer Hand, jedenfalls die Großindustrie. Die im DAX notierten Unternehmen gehören nur zu gut 15 % Deutschen, zu fast 85% Ausländern (Anfang Juni 2019: 34,6 % Nordamerika, 19,5 % Großbritannien und Irland, 18,8 % Europa ohne Deutschland (15,3 %), 6,5 % Skandinavien, 3,5 % Asien und Pazifik, 1,8 % Rest der Welt)196. 9,4 % der Anteile an DAX- Unternehmen hält allein der Hedgefonds BlackRock. BlackRock übt mit seiner Kapitalmacht auch in Deutschland politische Macht aus, die Politiken durchzusetzen vermag, die durchzusetzen dem Staat schwerfällt. Larry Fink hat im Januar 2020 in Unterwerfung unter die gretaistische ,Klimahysterie‘ von den Unternehmen, an denen BlackRock Anteile hält, politisch korrektes Bewußtsein für nachhaltiges Wirtschaften verlangt, sprich, sich nicht an der Errichtung oder dem Betrieb von Kohlekraftwerken zu beteiligen. Zum Hintergrund gehört auch, daß BlackRock stark in der Öl- und Gasindustrie investiert ist. Die Finanzkraft von BlackRock übertrifft das durchschnittliche Jahres-BIP Deutschlands bei weiten. Der Fonds hat 2019 ein Vermögen von 7,43 Billionen Dollar verwaltet. Er nimmt damit als größter Einzelaktionär relevanten Einfluß auf DAX-Konzerne vor allem der Chemie-, Technologie-, Energie- und Informatikindustrie. Deutschland hatte 2018 eine Wirtschaftsleistung von 3,95 Billionen Dollar197, die allenfalls in Bruchteilen für Kapitalbeteiligungen verwendet werden können und dürfen. BlackRocks Investments sind von Staatserheblichkeit. Das darf um der Souveränität willen ausländischen Fonds nicht erlaubt werden198. Immer weniger mittelständische deutsche Unternehmen, die auch immer weniger deutschen Unternehmern gehören, haben Weltmarktrelevanz. Die verblassende Stärke der mittelständischen Unternehmen waren und sind zum Teil noch nachwirkende deutsche Ingenieursleistungen und frühere „deutsche Tugenden“, die noch immer deutsche Unternehmer und deutsche Meister und Gesellen in sich haben, aber 196
Daniel Goffart, Der Ausverkauf. Wem gehört Deutschland? FOCUS Magazin j Nr. 43 (2019), 26. 10. 2019. 197 Bericht von Gabor Steingart, Morning Briefing vom 15. Januar 2020, Netz. 198 Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, 2. Aufl. 1966, S. 407 ff. zu „Unternehmen von öffentlicher Bedeutung“.
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I. Entwicklungsbehinderung durch Schuldenbremsen
zunehmend weniger weitergeben können. Das verhindert schon jetzt und für lange Zeit das deutsche Schulwesen, das ohne hinreichende Anforderungen jedem, der sich nicht wehrt, die Hochschulreife aufdrängt und zum oft erfolglosen Studium verführt. „Das Abitur ist niveaulos und ungerecht – der reine Betrug“, konstatiert die Pädagogik-Professorin der Universität Rostock Katja Koch199. Facharbeiter mit dualer Ausbildung, die Deutschlands Wirtschaft stark gemacht haben und die Deutschland nötigst braucht, werden im egalitaristischen Deutschland systemisch verhindert. 3. Hochverschuldete, aber erfolgreiche Volkswirtschaften Auch in normalen Konjunkturlagen müssen staatlich geförderte Investitionen für die technologische Entwicklung erlaubt sein. Das geht nicht ohne Finanzmittel, notfalls Kredite. Die Rückzahlung der Kredite ist nicht das dringendste Problem, wenn die technische Entwicklung die weltweite Wettbewerbsfähigkeit und damit die Schuldentragfähigkeit stärkt. Kredite sind zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB, vor der Schuldrechtsreform § 607 BGB), aber die Kreditgeber interessieren Zinsen und Kreditsicherheit, also ihr Vorteil. Selten haben Staaten die Schulden vollständig beglichen. Das hat ihre Kreditfähigkeit angesichts des Überhanges von den Zentralbanken zur Verfügung gestellter Geldmenge nur relativ beeinträchtigt. Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten 2018 Staatsschulden von 21,456 Billionen Dollar (deutscher Billionenbegriff), die mit 105,8 % das BIP 2018 von 20,5 Billionen Dollar (2009 86,7 % des BIP) übertreffen. Die privaten Schulden der US-Amerikaner summieren sich 2018 auf 13,5 Billionen Dollar (65,4 % des BIP). Die USA sind nach wie vor die führende Wirtschaftsmacht der Welt. China finanziert seinen wirtschaftlichen Aufstieg mit großen Schulden des Staates (etwa 50,5 % des BIP 2018; 34,3 % des BIP 2009) und noch größeren der Privaten (etwa 200 % des BIP)200, die keineswegs aus dem BIP beglichen werden (können). China schickt sich an, langfristig die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt zu werden und kauft zu diesem Zweck auch deutsche Unternehmen. Japans ,Staatsschulden‘ belaufen sich auf fast 240 % des BIP (BIP 2020 5,4 Billionen US-Dollar), aber Japan hat durch eine vernunftgeleitete weitgehend von Inländern kreditierte, aber auch monetäre Staats- und Landesfinanzierung im Rahmen der Abenomics den Einbruch seiner Wirtschaft, insbesondere die schwere Krise der 90er und auch weiterer Jahre der Deflation nach der exorbitanten Immobilienblase der 80er Jahre, überwunden. Japan pflegt enge Zusammenarbeit mit den asiatischen Staaten, zumal mit China. Japan ist eng verbunden mit der Freihandelszone AFTA des ASEAN-Staatenbundes. Japan lehnt eine Währungsunion strikt ab. Mir scheint es, ohne daß ich näher mit den Verhältnissen in
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Focus online vom 27. 06. 2020; dazu Katja Koch/Mathias Brotkorb, Der Abiturbetrug – Vom Scheitern des deutschen Bildungsföderalismus. Eine Streitschrift, 2020. 200 Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, in: Handelsblatt, 28./29./30. Juni, Nr. 122. S. 55.
III. Zukunftsvorsorge durch kreditierte Investitionen
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Japan vertraut wäre, daß die Politik Shinzo Abes alles richtig macht201. In Japan schaut man mit freudigem Bedauern auf die EU, die sich durch heterogenen Binnenmarkt mit Währungsunion systemisch ruiniert und sich zusätzlich mit einer Masseneinwanderung, weitestehend illegal202, nicht nur exorbitante Kosten auflädt, sondern auch den großen Teil der Mitgliedstaaten destabilisiert. Beide Entwicklungen sind allein Vollzug von Ideologien jenseits des Rechts und der praktischen Vernunft, vor allem der ebenso egalitaristischen wie sozialistischen Politik der One World, das Großprojekt der Vereinten Nationen, gestützt von kapitalistischer Globalisierung zum Zwecke der Ausbeutung der Völker, sowohl der Arbeitskraft der Billiglohnländer als auch der Kaufkraft der Wohlstandsländer203. Wesentlicher Grund ist, daß Deutschland wie auch andere Unionsstaaten entgegen ihren demokratischen Verfassungen führerbestimmte Parteienstaaten sind. Ihre politischen Systeme sind Verfallserscheinungen der Republik, entgegen der stetigen Selbstdarstellung nicht freiheitlich und nicht demokratisch im eigentlichen Sinne. Gabor Steingart: „Der Nikkei-Index steigt seit fünf Jahren. Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren. Das Netto-Auslandsvermögen liegt inzwischen bei märchenhaften 2,7 Billionen Euro. Japans Direktinvestitionen im Ausland übertreffen selbst die der Chinesen. Die von deutschen Ökonomen oft kritisierte Staatsverschuldung der Japaner von immerhin 236 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wirkt, aber anders als die von Italienern und Griechen. Denn Japan leiht sich das Geld bei den eigenen Landsleuten. Außerhalb der Landesgrenze ist Japan heute das, was einst die USA waren: der größte Kreditgeber der Welt“. „Japan ist heute der stabilste Staat der Weltwirtschaft. Zum ersten Mal seit fast 30 Jahren steigen die Löhne und man merkt bei den japanischen Firmen: Es sprudeln Kreativität und Gewinn. Europa ist aus asiatischer Sicht zum kranken Mann der Welt geworden. In Asien spricht niemand mehr über eine Währungszone, wie sie im Euro-Raum entstanden ist. Weil eindeutig klar ist, dass der Euro eigentlich nicht funktioniert. Dieses währungspolitische Experiment ist aus asiatischer Sicht gescheitert“.204
Jasper Koll zur Sicht Japans und Asiens: „Japan ist die stabilste Wirtschaft der Welt. Europa ist der kranke Mann der Welt geworden. Der Euro ist gescheitert.“
Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt: „Die Finanzkrise hat zudem offenbart, dass sie (sc. die EZB) selbst der beschränkteren Aufgabe, in ihrem Währungsgebiet ein einheitliches Zinsniveau zu gewährleisten, nicht 201
Joseph Stiglitz, Der Preis der Ungleichheit, S. 279, Befürchtung baldiger Zahlungsunfähigkeit „grenzt ans Absurde“, ausgeführt für die USA. 202 Karl Albrecht Schachtschneider, Verfassungsbeschwerde gegen die Masseneinwanderung vom 30. Januar 2016, Homepage, Downloads; ders., Die nationale Option, S. 164 ff. 203 Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option, S. 303 ff., 359 ff.; dazu auch zu K. II. 204 Gespräch Gabor Steingarts mit dem deutschen Finanzmanager Jasper Koll, Vorstandschef von WisdomTree Japan, ein Vermögensverwalter mit rund 40 Milliarden Dollar Anlagevolumen, in: Podcast zum Morning Briefing vom 25. April 2019, Netz.
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I. Entwicklungsbehinderung durch Schuldenbremsen
nachkommen kann, wenn sie ihrem Staat bzw. ihren Staaten nicht uneingeschränkt als lender of last resort zur Verfügung steht.“205
Wenn allerdings eine gescheiterte Währungspolitik, der Euro, verteidigt werden soll, ergeben sich andere Zwänge, freilich auf Grund eines vernunftwidrigen und verfassungswidrigen Projekts206, das keine Unterstützung verdient und schon gar nicht die Mißachtung der Souveränität der Staaten rechtfertigt (dazu H. II. und III.). Schuldenbremsen verkennen den globalen Wettbewerb gründlich. Dieser ist ein Wirtschaftskrieg, an dem deutscher Moralismus nichts ändern wird. In einer wenig solidarischen Weltwirtschaftslage ist eine Volkswirtschaft mit einer Schuldenbremse genausowenig gut beraten207 wie in einem Binnenmarkt mit heterogenen Volkswirtschaften mit einer Währungsunion, mit Kapitalverkehrsfreiheit, auch im Verhältnis zu Staaten, die eine Steuerdumpingpolitik nutzen. Mit Recht halten Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt wie viele andere eine Kapitaltransfersteuer zur Kompensation der sozialen Folgen der globalen Kapitalverkehrsfreiheit für erforderlich208. Wer offene Güter- und Kapitalmärkte einrichtet, hat seine wirtschaftliche Souveränitätsausübung beschränkt209. 205
Gescheiterte Globalisierung, S. 347; auch Bert Rürup, Die undemokratische Supermacht, Handelsblatt vom 2./3./4. Oktober 2020, Nr. 191, S. 12. 206 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, verschiedene Schriften, siehe Homepage, etwa: Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik. Ein Staatsstreich der politischen Klasse, 2011; ders., Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 157 ff.; ders., Souveränität, S. 501 ff. 207 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 11; Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 264 ff., 281 ff.; so all die Volkswirte mit der zurzeit größten Öffentlichkeit, nämlich Olivier Blanchard, Marcel Fratzscher, Clemens Fuest und Michael Hüther, aber auch Jens Südekum, jedenfalls in Zeiten der Nullzinspolitik der EZB, vgl. Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 52 ff., skeptisch wegen der mißbräuchlichen Praxis der kreditären Finanzierung zu Recht Lars Feld, daselbst S. 54: „Die Verschuldungsspielräume würden vor allem für höhere Transfer- und Konsumausgaben genutzt“, für Wahlgeschenke, nicht für langfristig wirkende Investitionen; so machen das jedenfalls die Parteien in Deutschland mit den Krediten aus den durch das Verbot der Selektivität der monetären Staatsfinanzierung des ESZB (BVerfGE 134, 366 ff., Ls. 1 a bb, Rnrn. 69, 73, 87, 150; BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 66, 182; vgl. auch BVerfGE 146, 216 ff.) durch die vom ESZB übernommenen Staatsanleihen, die ein in der Öffentlichkeit verschwiegener Grund der Haushaltsüberschüsse sind; weitgehend richtig auch Jens Südekum, Es ist nicht die Zeit zu sparen, Handelsblatt vom 11. Mai 2020, Nr. 90, S. 48: „Wir leihen uns das Geld quasi selbst“, der die Logik dieses Satzes noch nicht erkennt, nämlich daß dadurch kein Schulden begründet werden, aber sich vor Staatsschulden nicht fürchtet, zumal nicht in Zeiten der Nullzinspolitik; skeptisch sieht die „exzessive Verschuldung“ Axel Weber, Keine schnelle Erholung, Handelsblatt Nr. 171 vom 4./5./6. September 2020, S. 8 f., der befürchtet, daß die Staatsanleihen „keine Gläubiger mehr finden“ könnten, aber nicht ins Auge faßt, daß der Gläubiger die Zentralbanken sind. 208 Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 23; zur Demokratieund Sozialwidrigkeit der Kapitalverkehrsfreiheit Karl Albrecht Schachtschneider, Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, S. 253 ff., insb. S. 289 ff., 308 ff., ders., Demokratische und soziale Defizite der Globalisierung, S. 668 ff. 209 Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 283.
J. Schuldenbremsen und Sozialstaat I. Finanzierung des Sozialstaates Das Sozialstaatsprinzip steht den Schuldenbremsen entgegen. Der Sozialstaat wird herkömmlich mittels Beiträgen und Steuern finanziert. Beide Finanzierungsweisen sind für die Verteilung der Kaufkraft, die von einer Volkswirtschaft erarbeitet wird, fragwürdig. Die Beiträge für die Altersversorgung der Mehrheit des Volkes sind an die rentenversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse geknüpft. Das ist ersichtlich nicht mehr tragfähig, weil die Arbeit zunehmend durch Maschinen und Digitalisierung ersetzt wird. Wenn die Altersversorgung wesentlich durch staatliches Grundeinkommen finanziert wird, trägt die Kosten ohnehin das Gemeinwesen insgesamt, vornehmlich mittels des Steueraufkommens. Vor allem die Rentenversicherung kommt ohne Zuschüsse des Staates aus Steuermitteln selten aus. Die Finanzierung des Sozialstaates aus Steuermitteln wird zunehmend ausgeweitet. Die Einnahmen der Rentenversicherung in Deutschland insgesamt betrugen 2018 312,3 Mrd. Euro (236,4 Mrd. Euro Beiträge, 75,9 Mrd. Euro Bundeszuschüsse), die Ausgaben 307,9 Mrd. Euro. Die Bundeszuschüsse belaufen sich 2020 auf etwa 100 Mrd. Euro210. Die Besteuerung, die mehr schlecht als recht, keinesfalls bei allen Steuerarten, zumal nicht bei der Körperschaftsteuer, der Umsatzsteuer und den Verbrauchsteuern, dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgt211, ist das wichtigste Instrument der Verteilung. Aber die Verteilung des Steueraufkommens vermag die Gleichheitlichkeit der Verteilung nicht zu erreichen. Die Steuergerechtigkeit wird nicht erreicht, schon gar nicht in der Unternehmensbesteuerung der globalisierten Wirtschaft. Zudem sind die Abgaben der Arbeitnehmer mit in fast der Hälfte der 210 Martin Geive/Gregor Waschinski, Finanzierung des Sozialstaats. Marsch in den Steuerstaat, Handelsblatt vom 2./3./4. Oktober 2020, Nr. 191, S. 10 f. 211 Klaus Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 1993, 2. völlig überarbeitete Auflage. 2000, S. 479 ff.; vgl. Joachim Lang, Rechtsstaatliche Ordnung des Steuerrechts, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, 18. Aufl. 2005, § 4, Rnrn. 81 ff., S. 82 ff., „Fundamentalnorm“; sibyllinisch Dieter Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen. Ein Beitrag zu den Grundfragen des Verhältnisses Steuerrecht und Verfassungsrecht, 1983, S. 50 ff.; ders., Steuerrecht, 8. Aufl. 2005, Rnrn. 33 ff., S. 12 ff.; kritisch Walter Leisner, Von der Leistung zur Leistungsfähigkeit – die soziale Nivellierung. Ein Beitrag wider das Leistungsfähigkeitsprinzip, StuW 1983, S. 97 ff. („Pseudobegründung der Leistungsfähigkeit“, S. 97); ders., Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, 1980, S. 189 ff.; Karl Albrecht Schachtschneider, Steuern auf Steuern. Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, in: P. Kirchhof/H. Nieskens, Festschrift für Wolfram Reiß (65), 2008, S. 101 ff., 109 ff.; ders., Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung. Rechtsgrundsätze versus Gerichtspraxis, 2004, S. 73 ff.
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J. Schuldenbremsen und Sozialstaat
Verdienste unerträglich hoch. Die Beamten sind am Rentenversicherungssystem nicht beteiligt, aber ihre Gehälter sind demgemäß auch niedrig. Der Staat als Dienstherr spart den Arbeitgeberanteil. Finanziert werden die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes mit Steuermitteln. Die Verteilung der Kaufkraft würde, soweit der Staat daran beteiligt ist, besser gestaltet werden können, wenn sie nicht mit der Sozialversicherung, zumal der Rentenversicherung, und der Besteuerung verknüpft wäre. Es könnte ein Verteilungssystem entwickelt werden, das eigenen Maximen folgt. In Notzeiten, in denen die Wirtschaft zum Erliegen gekommen ist, versagen die Verteilung durch Beiträge und Steuern ohnehin, weil und insoweit nicht mehr gearbeitet wird und folglich keine Arbeitseinkommen mit Beiträgen und Steuern belastet werden können. Die Corona-Krise beweist diese Lage. Um die notwendige Finanzierung großer Teile der Bevölkerung durch Geldzahlungen aufrechterhalten zu können, nimmt der Staat Geld auf. Der Bundestag hat die Kreditobergrenze des Bundes gemäß Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG wegen der außergewöhnlichen Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt, durch Beschluß vom 25. März 2020 vorübergehend ausgesetzt212. Gleichzeitig wurde in einem Nachtragshaushalt des Bundesfinanzministeriums eine Neuverschuldung von rund 156 Mrd. Euro beschlossen. Der Nachtragshaushalt soll zum einen die neuen Unterstützungsleistungen für Arbeitnehmer und Unternehmen in der Corona-Krise finanzieren und zum anderen die erwarteten Steuerausfälle kompensieren. Es wäre zumindest verteilungstechnisch vorzuziehen, die Sozialleistungen mit Mitteln der Zentralbank zu erbringen, die, wie zu L. dargelegt werden wird, keine Schulden des Staates bewirken. Der Staat kann sich unmittelbar durch die Zentralbank finanzieren lassen oder mittelbar durch Steuern und Beiträge. Die bisherige Methode ist umständlich, unergiebig und ungerecht. Sie kostet zudem unverhältnismäßig viel Arbeitseinsatz für die Unternehmer und den Staat. Die soziale Realisation darf nicht an Schuldenbremsen scheitern, schon gar nicht, soweit die ,Staatsschulden‘ auf einer Dogmatik beruhen, die rechtlich nicht zu überzeugen vermag. Die gegenwärtige Verteilung der Kaufkraft in Deutschland ist dem Sozialprinzip zuwider, dessen Zweck um der Freiheit aller Bürger willen deren wirtschaftliche Selbständigkeit ist213. Um die ist es schlecht bestellt. Die neoliberale globalisierte Wirtschaftspraxis hat zu Lebensverhältnissen geführt, die verändert werden müssen. Das erfordert Finanzmittel des Staates, die er gegebenenfalls nur mittels der ,Kredite‘ der Zentralbank aufbringen kann. Schuldenbremsen dürfen der verfassungsgebotenen Sozialpolitik nicht entgegenstehen.
212 213
Hinweise in Fn. 78. Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 636 ff.
II. Versorgung ohne Beitrag zum Gemeinwohl
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II. Versorgung ohne Beitrag zum Gemeinwohl Schon lange und in zunehmend großem Umfang ist die Versorgung großer Teile der Bevölkerung mit Kaufkraft von deren Beitrag zur Wertschöpfung entkoppelt. Das ist im Sozialstaat zwingend geboten und Verfassungsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht leitet aus der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, die Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG dem Schutz aller staatlichen Gewalt überantwortet, ein Recht auf das Existenzminimum her (BVerfGE 82, 60 ff., Rn. 104; 110, 412 ff., Rn. 96; auch BVerfGE 123, 267 ff., Rnrn. 257, 259; 125, 175 ff., Rnrn. 132 ff.; schon BVerwGE 1, 159 (161 f.), 5. Senat, Urteil vom 24. Juni 1954, Az: V C 78.54)214, dogmatisch fragwürdig215, aber im Ergebnis, gestützt auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, richtig. Eine Art ,Helikoptergeld‘ im Sinne nicht erarbeiteter Kaufkraft gibt es somit seit langem. Eine soziale Verteilung der Kaufkraft mittels des Marktes mißlingt, zumal in dem globalisierten Markt, durch den die Staaten weitgehend ihre Ordnungsmacht eingebüßt haben. Dem Anspruch der sozialen Marktwirtschaft, Gerechtigkeit zu verwirklichen216, genügt der globale, kapitalistisch gesteuerte Markt in keiner Weise. Der Wettbewerb, der die Unternehmen zu Grenzkostenpreisen zwingen soll, die Gleichgewichtstheorie, ist Illusion des Ordoliberalismus217. „Wohlstand für alle“ (Ludwig Erhard) wird durch Markt und Wettbewerb nicht erreicht, so wichtig diese für ein erfolgreiches Wirtschaftssystem auch sind. Die ordnende Hand des Staates, „die sichtbare Hand des Rechts“ (ErnstJoachim Mestmäcker), muß eingreifen, damit die Gerechtigkeit nicht völlig aus dem Auge gerät218. Die marktliche Sozialwirtschaft ist durch die Europäische Union und die weltweite Kapitalverkehrsfreiheit auf Grund des Art. 63 Abs. 1 AEUV zur tendenziell neoliberalen Kapitalwirtschaft verzerrt, die dem Sozialprinzip widerspricht219. Die soziale Realisation ist Sache der Einzelstaaten, denen der Binnenmarkt der EU und der globale Markt, vor allem der globale Kapitalmarkt, notwendige Möglichkeiten nehmen220. Das Wirtschaftssystem versorgt die wirklich Reichen weit 214
Rechtsanspruch auf öffentliche Fürsorge, eine 3/2-Entscheidung; zustimmend etwa Peter Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, Handbuch. des Staatsrechts, HStR, Bd. I, 1987, § 20, Rn. 77. 215 Karl Albrecht Schachtschneider, Zum Menschenwürdesatz des Grundgesetzes, 2019, Homepage, Aktuelles. 216 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 25 ff., 262 ff. 217 Etwa Franz Böhm, Demokratie und ökonomische Macht, 1961, S. 22, ders., Wettbewerb und Monopolkampf, 1933, S. 179; kritisch Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 262 ff., 270 ff. m.w.H. 218 Die sichtbare Hand des Rechts. Über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem bei Adam Smith, in: ders., Recht und ökonomisches Gesetz, 2. Aufl. 1984, S. 104 ff.; Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 319, 349. 219 Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 48 ff., 624 ff. 220 Ebenda, S. 51 ff., 111 ff., 624 ff.
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J. Schuldenbremsen und Sozialstaat
über ein erträgliches Maß hinaus mit Geldmacht, die wirklich Armen mit zu wenig Kaufkraft. Die Kaufkraft mit dem Beitrag zum Gemeinwohl zu verknüpfen stützt das Leistungsprinzip. Der überbordende Reichtum vieler Kapitaleigner, aber auch vieler Dienstleister hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts zu tun. Leistung ist nationalökonomisch der Beitrag zum Gemeinwohl, nicht die eigene sittenwidrige Bereicherung. Die außerordentliche, unverdiente Kaufkraft von manchen Managern, Händlern, aber auch, durch die öffentliche Hand finanziert221, Entertainern, Fußballspielern, Tennisspielern usw. beruht auch auf geradezu unvermeidlichem Marktversagen und auf einer Geldzuteilung, die sich mangels tragfähiger Relation zur Leistung nicht vom leistungsloser Geldzuteilung unterscheidet. Die Zahlungen sind im neoliberalen Wirtschaftssystem erklärbar, aber dadurch nicht gerechtfertigt. Der Markt schafft eben keine Gerechtigkeit, schon gar nicht der globale Markt. Das übermäßige Geld wird den ,Glücklichen‘ zugespielt, weil die Gesetze der Staaten es ermöglichen oder gar erzwingen. Die Staaten geben keine Steuergesetze, die dem steuerrechtlichen Grundprinzip der Leistungsgerechtigkeit, näherhin dem Leistungsfähigkeitsprinzip222, genügen, und sie sorgen nicht dafür, daß die Wertschöpfung der Völker gemeinwohldienlich in deren Händen und damit im Zugriff der Staaten bleibt, die das Wohl der Völker zu besorgen haben. Manch einer, der frühzeitig den Zusammenbruch des Geld- und Wirtschaftssystems vorhergesagt haben will, erwartet, nicht ohne zeitgeistlichen Alarmismus, den Einsatz des letzten Mittels der Zentralbanken, das „Helikoptergeld“223. Es mag sein, daß die EZB derartige Maßnahmen der Geldversorgung bedenkt und vorbereitet. Die USA praktizieren eine begrenzte Geldstreuung, um den vielen Arbeitslosen wegen des weitgehenden Stillstandes der Wirtschaft in der Corona-Pandemie 2020 ein wenig Kaufkraft zu verschaffen, freilich ein Tropfen auf den heißen Stein. Deutschland beginnt auch mit solchen Maßnahmen, etwa mit undifferenzierten Hilfsgeldern wegen der Corona-Pandemie für Familien mit Kindern. Nicht alle Eltern sind an ihrer Berufstätigkeit gehindert. Deutschland unterstützt zudem Unternehmen und Arbeitnehmer mit Kurzarbeitergeld, das (nach näherer Regelung) bis zum Ende des Jahres 2021 gezahlt werden soll. Es waren in Deutschland laut Statista 221 Vor allem durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten mittels der vom Staat erzwungenen Rundfunkbeiträge, etwa Freistaat Bayern: §§ 12 ff. Rundfunkstaatsvertrag in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 2001, in der Fassung des Zweiundzwanzigsten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge, B v. 15. 4. 2019, 162; Inkrafttreten 1. 5. 2019; Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vom 21. Dezember 2010 (GVBl. I/11, [Nr. 9]), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages (Gesetz vom 08. 05. 2018) vom 18. Dezember 2017 (GVBl. I/18, [Nr. 9], S. 1, GVBl. I/18, [Nr. 9], S. 5); § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, zuletzt geändert durch den Zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 08. – 16. Dezember 2016, Bekanntmachung vom 19. April 2017 (GVBl. 2017 S. 86); Rundfunkbeitragssatzung vom 05. 12. 2016, in Kraft ab 1. 1. 2017 (StAnz Nr. 51 – 52/2016). 222 Hinweise in Fn. 211. 223 Gabor Steingart, Morning-Briefing vom 29. Juli 2019.
III. Geldverteilung
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2020 im Mai 7,3 Millionen, im Juni 6,7 Millionen, im Juli 5,6 Millionen, im August 4,6 Millionen Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld bezogen haben. Das Kurzarbeitergeld kaschiert die Arbeitslosigkeit, die sonst die Folge notwendiger Entlassungen wäre, sei es wegen Insolvenz der Unternehmen oder, um Insolvenz zu verhindern oder zu verschieben. Kurzarbeitergeld, das der Staat zahlt, ist eine ebenso wirtschaftspolitisch wie sozialpolitische, aber auch wahlpolitisch veranlaßte Transferleistung. Es beträgt 60 %, nach vier Monaten Bezugszeit 70 %, nach sieben Monaten 80 % des ausgefallenen Nettoentgelts, für Beschäftigte mit mindestens einem Kind 67 % bzw. 77 % bzw. 87 % des ausgefallenen Nettoentgelts. Kurzarbeitergeld wird eigentlich für 12 Monate gezahlt. Die Bezugszeit ist, augenscheinlich wegen der Bundestagswahl im September 2021, auf 21 Monate verlängert worden. Die Transferzahlung des Staates schafft auch ,Zombieunternehmen‘, die die wirklichen Verhältnisse der Wirtschaft verschleiern224. Der Vorschlag, die Bevölkerung mit Kaufkraft nach dem ,Gießkannenprinzip‘ ohne Gegenleistung durch Gutschriften auf den Girokonten zu versorgen, geht auf den Monetaristen Milton Friedman zurück225. Dieser hat, wenn die Wirtschaft in rezessiver Stagnation zu erstarren droht, empfohlen, aus dem Hubschrauber Geld regnen zu lassen, mit dem die Wirtschaft belebt werden würde. Friedman hat sich entgegen seiner neoliberalen Markttheorie von dem Vater der Modernen Geldtheorie John Maynard Keynes belehren lassen, der schon vorgeschlagen hatte, notfalls zur Stabilisierung des Geld- und Wirtschaftssystems Geld in alten Flaschen in einem stillgelegten Bergwerk, in tiefem Schlamm vergraben zu lassen, das wie Gold geschürft werden müsse, um Arbeit zu schaffen und die Wirtschaft zu beleben226.
III. Geldverteilung Das Geldverteilungssystem hat keine Relation zur Produktion der Waren und Dienstleistungen, die sich theoretisch erfassen ließe227. Die Produktivität ist in weiten Teilen nicht mehr von Arbeit abhängig, sondern wird von Maschinen erledigt. Die digitale Revolution macht einen Großteil menschlicher Arbeit überflüssig. Eine Maschinen- oder Digitalsteuer sind entgegen vielfachen Postulats nicht eingeführt. Die Unternehmenssteuern erfassen die Gewinne. Das Angebot von Werk- und Dienstleistungen, die spezifische Befähigungen von Menschen, wie Handwerkern, 224 Kritik von Lars Feld, Nicht zu Steuererhöhungen greifen, Podcast Gabor Steingart, Morning-Briefing vom 31. August 2020; Jens Südekum, Jobs kommen nicht mit Kostensenkung, Handelsblatt Nr. 168 vom 1. September 2020, S. 11; Axel Weber, Keine schnelle Erholung, Handelsblatt Nr. 171 vom 4./5./6. September 2020, S. 8 f. 225 The Optimum Quantity of Money, Aldine Publishing Company, 1969, p. 4. 226 The General Theory of Employment, Interest and Maney (Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes), 1936, S. 116. 227 Zur neoklassischen Theorie der Einkommensverteilung, die die Einkommensverteilung eng mit der Produktionstheorie verbindet, Werner Lachmann, Volkswirtschaftslehre 1. Grundlagen, 5. Aufl. 2005, S. 162 ff.,170 ff.
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J. Schuldenbremsen und Sozialstaat
Pflegern, Erziehern, Lehrern, Informatikern, Ärzten, Juristen, voraussetzen, leidet Not. Sie machen den größten Teil der Volkswirtschaft aus228. Ein großer Teil solcher Leistungen, vor allem die Pflege und Erziehung der Kinder und die Pflege alter und kranker Menschen, wird im übrigen unentgeltlich erbracht, in den Familien, von Frauen, Kindern und Enkelkindern der Großeltern, auch von Männern, wenn auch weniger, viel auch von Großeltern für die Enkelkinder. Dieser unverzichtbare Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung ist, weil er nicht bezahlt wird, wenn auch zum Teil vom Staat durch Kindergeld, Elternzeit und Elterngeld, Pflegegeld unterstützt, keine Arbeit im Sinne des Bruttosozialprodukts. Die Kapazität des durch Maschinen produzierten Warenangebots und digital geleisteten Dienste ist so gut wie unbegrenzt. Hinzu kommen die auch so gut wie unbegrenzten Importmöglichkeiten, solange diese nicht durch besondere Nöte wie Kriege, Pandemien u. a., gestört sind229. Der Absatz bedarf freilich der Abnehmer, vor allem der Konsumenten. Ohne Absatz wird die Produktion sinnlos, ja ruinös. Die Geldverteilung sorgt für hinreichende Konsummöglichkeiten, von wem auch immer, und muß dafür sorgen. Den Unternehmern, meist internationalen Kapitaleignern, ist es gleichgültig, wer ihre Waren abnimmt. Wichtig ist ihnen der Umsatz. Fremde im finanzkräftigen Industrieland sind ihnen nützlicher als im unterentwickelten Ausland, weil die Fremden wegen der Sozialleistungen, die ein Wohlstandsland diesen geben kann, dort weitaus höhere Kaufkraft haben als regelmäßig in den Herkunftsländern. Wenn sich Fremde etwa in Deutschland aufhalten, legal oder illegal, dient ihnen Deutschland reichlich Kaufkraft, tragfähige Unterkunft, zum Teil in vier oder fünf Sterne-Hotels, und medizinische Leistungen mit hohem Standard an. Die Unternehmen suchen Migranten nicht als Arbeitskräfte, sondern als Konsumenten, deren Bedarf zudem besonders hoch ist, Wohnungen, Ausstattung, Gesundheit, Kommunikation. Arbeitsleistungen können sie von diesen Menschen nicht erwarten, die regelmäßig keine ausreichenden Befähigungen haben. Einfache Arbeiten, die nicht von Maschinen geleistet werden kann, gibt es immer weniger. Das Geld, das der Mehrheit der Konsumenten zur Verfügung gestellt wird, ist keine Gegenleistung für eine Leistung, etwa einem Beitrag zum Gemeinwohl. Der weitaus größere Teil der Konsumenten ist an der Wertschöpfung nicht beteiligt. Die ,Sozialleistungen‘ werden der Sache nach monetär finanziert. Dafür bedarf es gegebenenfalls der monetären ,Kredite‘, also der Verschuldung. Die Corona-Pandemie erweist diese Notwendigkeit. Die Schuldenbremse des Bundes wurde, wie schon erwähnt, auf Grund des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 115 Abs. 2
228 Im Jahr 2018 betrug der Anteil der Dienstleistungsbereiche an der Bruttowertschöpfung rund 68,2 Prozent. Der Anteil des produzierenden Gewerbes betrug 25,8 Prozent, der Anteil des Baugewerbes 5,3 Prozent. Mit 0,7 Prozent an der Bruttowertschöpfung war der Anteil des Wirtschaftszweiges Land- und Forstwirtschaft, Fischerei im genannten Jahr am geringsten, Statistisches Bundesamt, Januar 2019. 229 Zur Notwendigkeit hinreichend autarker Volkswirtschaft Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option, S. 319 ff.
III. Geldverteilung
143
S. 6 GG ausgesetzt230. Ob die Gelder mittels Abgaben dem staatlichen Verteilungssystem zufließen oder mittels Kreditierung des Staates durch die Zentralbank, ist unerheblich. Sie sind Geldleistungen, denen keine Leistungen gegenüberstehen. Frühere Theorien der Volkswirtschaftslehre, die von den Schrecken der Überschuldung bestimmt waren und die noch immer die politische Argumentation dominieren, sind durch die weitgehend unbegrenzte Produktivkraft entwickelter Industriestaaten, die ebenfalls unbegrenzte Kapitalkraft derselben durch die mehr und mehr unbegrenzte Geldschöpfung der Zentralbanken zur Staatsfinanzierung, vornehmlich Finanzierung der Sozialleistungen, und die Kapitalverkehrsfreiheit sowie die leistungslose Versorgung des größten Teils der Abnehmer überholt. Die Schuldenphobie hängt an der Theorie, daß die Bankkredite von den Ersparnissen abhängten, die die Banken sammeln. In den meisten Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre ist das noch immer zu lesen231. Die erfolgreichsten Volkswirtschaften der Welt sind, wie zu I. III. 3. berichtet, hochverschuldet. Die Knappheit der Güter, die Grundannahme der meisten volkswirtschaftlichen Theorien232, besteht nicht mehr für alle Güter, die dennoch nicht „freie Güter“ sind, sondern viel kosten, beispielsweise Kraftfahrzeuge. Mehr und mehr wird bedingungsloses Grundeinkommen propagiert. Einem solchen als Verteilungsprinzip, ein Postulat, das im Plan B mit der Geldreform verbunden ist, begegnen Bedenken. Es schafft kein ökonomisches Problem, sondern ein ethisches, weil es den Menschen mangels eines Beitrags zum Gemeinwohl Anerkennung und Würde nimmt. Die Bürgerlichkeit des Bürgers hat dann keine Chance mehr. Der Staat wird total und dem Sozialismus ist nichts mehr entgegenzusetzen. Wann aber hat sich Ethik gegen ökonomische Möglichkeiten behauptet? Die Verteilungsprinzipien sollten auf der Grundlage der Gleichheit der Bürger der Bedarf, die Leistung, das Marktergebnis und das Eigentum sein233. Der Bedarf ist danach zu bemessen, was für die Existenz des jeweiligen Menschen notwendig ist. Die Leistung sollte nach Kriterien bemessen werden, die sich im Rahmen des Beitrages zum Gemeinwohl nach der Befähigung und nach dem Einsatz des Einzelnen richtet. Das Marktergebnis muß Berücksichtigung finden, um unternehmerisches Handeln zu ermutigen. Das Eigentum darf nicht vernachlässigt werden, um dem, was erarbeitet wurde, gerecht zu werden, auch dem Erbe als erarbeitetes Vermögen der Eltern. Niemand sollte jedoch mehr als das Zehnfache der Durchschnittskaufkraft zur Verfügung haben. Das ist ein ethischer Zugriff, mit dem die Gleichheit einerseits und die Leistung einschließlich des Markterfolges und des Nutzens aus dem Eigentum in ein tragfähiges Verhältnis gebracht werden könnte. Darüberhinausgehende Einkommen kann der Staat für die Verteilung in Anspruch nehmen, durch Steuern oder in anderer Weise. Es ist schwer, eine hinreichend ge230
Hinweise in Fn. 78. Werner Lachmann, Volkswirtschaftslehre 1. Grundlagen, 5. Aufl. 2005, S. 140; ders., Volkswirtschaftslehre 2. Anwendungen, 2. Aufl. 2004, S. 308 f. 232 Werner Lachmann, Volkswirtschaftslehre 1. Grundlagen, 5. Aufl. 2005, S. 9 f. 233 Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 551 ff. 231
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J. Schuldenbremsen und Sozialstaat
rechte Verteilung zu bewerkstelligen, weil die Menschen sehr unterschiedlich mit ihrem Vermögen umgehen. Die einen bauen auf, die anderen reißen ein. Die einen leben bescheiden, die anderen aufwendig. Die einen leisten viel, die anderen wenig oder gar nichts. Es ist eine stetige Aufgabe des Sozialstaates, eine tragfähige und damit gerechte Verteilung der Kaufkraft zu erhalten. Diese Aufgabe muß einerseits in demokratischen Verfahren und andererseits in praktischer Vernunft bewältigt werden. Beides ist eigentlich dasselbe; denn Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat sind Einrichtungen einer Bürgerschaft, die durch freiheitliche Sittlichkeit definiert ist234. Davon ist Deutschland weit entfernt, aber es sind die Grundprinzipien eines Gemeinwesens der Menschenwürde. Es muß viel geändert werden, um der praktischen Vernunft und damit bürgerlichem Leben eine Chance zu geben. Vor allem muß der Internationalismus auf das Maß reduziert werden, das Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat bewahrt. Ohne nationales Prinzip in einer Welt, in der mittels des Völkerrechts der Frieden gesichert wird, ist das nicht möglich235. Die allgemeine Verstärkung der Kaufkraft des Volkes, die das Bedarfs- und das Leistungsprinzip nicht vernachlässigt, ist somit der ungleichen Zuteilung von Kaufkraft durch den Markt, die einseitig das Eigentum begünstigt, zumal das Eigentum Fremder, vorzuziehen. Wer über Kaufkraft, die seinen Bedarf weit übersteigt und nicht einmal durch Leistung gerechtfertigt ist, verfügt, muß nicht zusätzlich durch Geldzuteilungen bereichert werden. Die leistungslose Verteilung darf in Grenzen der Korrektur der unterschiedlichen Verteilung durch die jeweilige Entwicklung dienen. Das rechte Maß236 muß um der Gerechtigkeit willen gewahrt bleiben. Das ist eine wesentliche Aufgabe der demokratischen Willensbildung und damit der Gesetzgeber. Um diese Aufgabe kreist die Politik ohnehin. Wesentlich ist für die Geldpolitik, daß sie als solche keine Verteilungspolitik ist und nicht die Verteilung der Kaufkraft bezwecken darf. Verteilungspolitik ist Sache der Gesetzgebung, die demokratisch legalisiert sein muß. Die Aufgabe der Geldpolitik ist die „Sicherung der Preisstabilität“ (Art. 88 S. 2 GG; Art. 127 Abs. 1 S. 1 AEUV). Die institutionelle Unabhängigkeit der Zentralbanken von der sonstigen Politik ist nicht ohne Fragwürdigkeit. Die Zentralbanken, insbesondere deren System in der EU und die EZB, machen unvermeidlich Fiskalpolitik, gegenwärtig besonders intensiv, haben aber dafür keine demokratische Legitimation. Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank, hatte das kritisiert, aber nach dem OMT-Urteil des Europäischen Gerichtshofes seine Kritik relativiert237. 234
Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 34 ff., 256 ff., 606 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, 2006. 235 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option. Plädoyer für die Bürgerlichkeit des Bürgers, 2017. 236 Zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Unionsrecht BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rn. 124 ff. 237 Mark Schieritz, Europäische Zentralbank: Jens Weidmann bekennt sich zu Anleihekäufen, ZEIT ONLINE, 19. Juni 2019: „Meine Argumentation war aber auch keine rechtliche, sondern mich hat die Sorge umgetrieben, dass die Geldpolitik ins Schlepptau der Fiskalpolitik
III. Geldverteilung
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Bert Rürup: „Faktisch betreiben die Notenbanken damit Wirtschafts-, Finanz- und Umweltpolitik, die eigentlich demokratisch legitimiert sein sollten“. „Faktisch kommt das Wegducken der gewählten Politiker vor unangenehmen Entscheidungen und deren Abschieben auf die Zentralbanken einem Offenbarungseid der Demokratie nahe – welche dramatische Fehlentwicklung“.238
Das ist der Sache nach eine berechtigte Kritik an der Währungsunion, weil Währungs- und Wirtschaftspolitik und damit auch Sozialpolitik nicht zu trennen sind. Die der Verfassung nach demokratisch legitimierten Staatsorgane haben keinen hinreichenden Einfluß auf die Geld- und Währungspolitik. Das Bundesverfassungsgericht hat den Einfluß von Bundesregierung und Bundestag im Urteil vom 5. Mai 2020 gestärkt (BVerfG 2 BvR 859/15, Rnrn. 104 ff., 114 f., 230, 234). Der Einfluß müßte im Sinne einer guten Zusammenarbeit eingerichtet werden. Das ist institutionell gesagt, wohl wissend, daß von demokratisch legalisierter Politik in Parteienstaaten keine Rede sein kann239. Darum hat das Bundesverfassungsgericht die demokratiefernen Institutionen des ESZB und der EZB zugelassen, erklärtermaßen, wie oben zitiert, um der Sachlichkeit willen (BVerfGE 146, 216 ff., Rnrn. 59, 60, 61), als wäre das nicht Prinzip jeder Politik. Es ist Sache der Bürger, aus den rechtsfernen Parteienstaaten bürgerliche Gemeinwesen der praktischen Vernunft, der Sittlichkeit also, zu entwickeln – eine schwere Aufgabe, die eines Sisyphus.
geraten kann. Natürlich muss eine Notenbank im Fall der Fälle entschlossen handeln, vor dem Hintergrund ihrer Unabhängigkeit sollte aber kein Zweifel bestehen, dass sie sich damit im Rahmen ihres Mandats bewegt“. 238 Bert Rürup, Die undemokratische Supermacht, Handelsblatt vom 2./3./4. Oktober 2020, Nr. 191, S. 12. 239 Karl Albrecht Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff.; ders. u. a., Die nationale Option, S. 68 ff.
K. Kreditäre Geldvermehrung I. Mißbrauch globaler Geldmengen Die Schuldenbremsen binden den Staat, Bund und Länder. Aber mit den Finanzmitteln vermehrt der Staat in vielfältiger Weise die Finanzierungsmöglichkeiten der Privaten, die der Konsumenten und die der Unternehmen. Er verstärkt die Kaufkraft. Somit wird die Geldmenge der ganzen Volkswirtschaft erweitert. Gegen die monetäre Geldmengenerweiterung zur Verstärkung der Nachfrage ist wenig einzuwenden, wenn die Preisstabilität gewahrt bleibt. Die Vermittlung des Geldes an die Verbraucher durch Arbeitsverhältnisse usw. oder Kreditverhältnisse ist geldtheoretisch oder geldpolitisch nicht geboten. Die Verpflichtungen der Unternehmer, die ein Einkommen erzielen wollen und müssen, stimulieren Beiträge zum Gemeinwohl, nämlich die Produktion von Gütern und die Leistung von Diensten, nicht anders als die Kredite, die zurückgezahlt werden müssen. Die Kredite ermöglichen Konsum und fördern damit mittelbar die Warenproduktion. Sie verschaffen zudem den Banken Geschäfte und gegebenenfalls Gewinn. Herstellung und Verteilung sind an sich nicht Sache des Geldwesens. Dieses soll lediglich Produktion und Distribution alimentieren, ohne deren Preise zu bestimmen240. Der Preisneutralität dient die Preisniveaustabilität. Übermäßige Geldmengenvermehrung kann Folgen haben, die für die Stabilität der Wirtschaft, insbesondere der Währung, Bedenken auslösen. Diese Sorgen könnten die Schuldenbremsen rechtfertigen. Die globalen Geldmengen haben vor allem durch die Buchgeldschöpfung der Geschäftsbanken ein überbordendes Volumen, das für die Alimentierung der Realwirtschaft nicht erforderlich ist. Die Realwirtschaft benötigt für ihren Geschäftsverkehr nur einen Teil der weltweiten Geldmenge (M 1, Bargeld und Sichteinlagen der Nichtbanken bei Kreditinstituten). Liquiditätsüberschüsse über die nominale Wirtschaftsleistung BIP verstärken sich durch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken241. Große Geldmengen, vielfach in Guthaben auf Bankkonten ausgewiesene Forderungen gegen Banken, deren Grundlage weitgehend die sogenannte private 240 Zur Inflationstheorie Joachim Klaus, Inflationstheorie, 1974; auch Karl Albrecht Schachtschneider, Imperative Lohnleitlinien unter dem Grundgesetz, Der Staat 16 (1977), S. 493 ff., insbesondere zum Einfluß der Tarifpartner auf die Inflationsentwicklung. 241 Sebastian Becker, Globale Liquiditätsschwemme und Vermögenspreisinflation. Fakt oder Fiktion? Deutsche Bank Research vom 11. Juli 2007, Aktuelle Themen 391.
I. Mißbrauch globaler Geldmengen
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Geldschöpfung der Geschäftsbanken, der Sache nach Kreditschöpfung (Giralgeldschöpfung von sogenanntem Buchgeld) im Rahmen der weit über das Eigenkapital der Banken hinausgehenden Kreditierungsmöglichkeiten (1 % bis 3 % des Kreditvolumens Mindestreserve bei der Zentralbank) ist242, werden für spekulative Käufe von Wertgegenständen eingesetzt. Gegebenenfalls werden die Geldmengen durch einen Marktverfall der Sachwerte vernichtet. Es gibt große Geldmengen, die nur der Spekulation dienen. Algorithmen ermöglichen An- und Verkauf insbesondere von Devisen in kürzester Zeit. Währungen werden von Großfinanziers und Fonds entgegen deren Preisniveaustabilität manipulativ durch Verkauf geschwächt, um sie kostengünstig zu kaufen, wenn Computer mit ihrem Preisanstieg rechnen. Kleinste Differenzen ermöglichen im Hochfrequenzhandel große Gewinne. Dafür sind Finanzderivate, CFDs, Leerkäufe oder Leerverkäufe und viele andere Instrumente entwickelt worden. Täglich werden mehr als drei Billionen Dollar auf dem Devisenmarkt umgesetzt. Die durch die Spekulationen generierten exorbitanten Vermögen ermöglichen großen Einfluß auf die Politik, sei es durch kriminelle Maßnahmen wie Bestechungen korrupter Politiker in aller Welt, sei es durch legale Investitionen in Unternehmen von Staaten, die sich dem Einfluß der Finanziers beugen, sei es durch die Finanzierung von Non Governmental Organisationen, die auf die Politik eines Landes Einfluß nehmen. Die Macht des Geldes verwandelt demokratisch verfaßte Parteienstaaten in Plutokratien, die allenfalls einen Schein von Demokratie lassen oder stabilisiert demokratieferne Oligarchien, wenn nicht Autokratien. Spekulationshindernde Maßnahmen sind gegen diese Vermögensmehrungen ohne gemeinwohldienliche Leistungen dringend geboten, aber bisher nicht eingeführt. Empfohlen werden u. a. Finanztransaktionssteuern, Kapitalverkehrsbeschränkungen, Verbot von Leerverkäufen, Verbot des Eigenhandels von Banken. Die alle Volkswirtschaften schädigenden Spekulationen sind strafwürdig. Sie sind im globalistischen Kapitalverkehr besonders ergiebig. Mit der marktlichen Sozialwirtschaft, der Wirtschaftsordnung Deutschlands243, sind Kapitaleinsätze, die ausschließlich auf spekulative Gewinne ausgerichtet sind, unvereinbar. Das zeigt besonders klar die Verfassung des Freistaates Bayern von 1946, die Vorbild für das Sozialprinzip des Grundgesetzes war. In Art. 157 BayVerf. heißt es in den Absätzen 1 und 2: „Kapitalbildung ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Entfaltung der Volkswirtschaft. Das Geld- und Kreditwesen dient der Werteschaffung und der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bewohner“. Das gilt nach wie vor, aber niemand richtet sich danach. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hat im internationalen Kapitalismus so gut wie keine Chance. Kapital ist Eigentum. Eigentum ist alles
242 Zur Kritik des Giralgeldes des Banken Josef Huber, Vollgeld, 1998; ders., Reform der Geldschöpfung – Wiederherstellung des staatlichen Geldregals durch Vollgeld, Zeitschrift für Sozialökonomie Nr. 142, September 2004, S. 13 ff. 243 Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 25 ff.
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K. Kreditäre Geldvermehrung
Eigene: das Mein und Dein, das der Staat durch Gesetze schützt244 und nach Art. 14 Abs. 1 GG zu schützen verpflichtet ist, sofern nicht andere Verfassungsprinzipien dem entgegenstehen. Grundrechts- wie menschenrechtsgeschütztes Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 29 Abs. 2 AEMR ist durch Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit definiert245. „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ (Art. 14 Abs. 2 GG). Aber von den Finanzmächten abhängige globalistische Politiker haben für Verhältnisse gesorgt, in denen die Sozialpflichtigkeit nicht mehr verwirklicht werden kann, sondern Kapital nicht nur, aber auch, jedenfalls wenn es spekulativ eingesetzt wird, ausschließlich privatnützig als ein Recht zur Willkür mißbraucht wird, genaugenommen als ein Recht zur Ausbeutung anderer oder zur eigenen Bereicherung an Vermögen und Macht. Auch den multinationalen Unternehmen, vor allem Banken und Fonds, wird grundrechtsgeschützt Eigentum zugestanden. Auch das ist fragwürdig; denn diese Unternehmen haben nicht die Möglichkeit, dem Wesen des Eigentums zu genügen, nämlich die Sozialpflichtigkeit zu verwirklichen. Sie suchen diese Möglichkeit auch nicht. Die Sittlichkeit des Eigentumsgebrauchs, also die Gemeinwohlverantwortung des Eigentümers, zumal des Unternehmers, ist ihnen schon durch die Internatio244
Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 537 ff., 544 ff. Privatnützigkeit: BVerfGE 24, 367 (390); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 42, 263 (294); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 58, 300 (345); 70, 191 (200); 79, 174 (198); 79, 292 (303); 81, 208 (220); 83, 201 (208 f.); 87, 114 (138 f.); 91, 294 (308 f.); 93, 121 (137); 100, 226 (247); 100, 289 (303); 101, 54 (74 f.); 102, 1 (15); u. ö.; grundlegend Rudolf Reinhardt, Wo liegen für den Gesetzgeber die Grenzen, gemäß Art. 14 des Bonner Grundgesetzes über Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, in: ders./U. Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 10 ff., 33 ff.; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 442, 444, S. 191 ff.; Walter Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 171 ff. (kritisch); ders., Eigentum – Grundlage der Freiheit, 1994, in: ders., Eigentum. Schriften zu Eigentumsrecht und Wirtschaftsverfassung 1970 – 1996, hrsg. von J. Isensee, 1996, S. 21 ff., 26, 44; ders., Eigentum, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 149, S. 1023 ff., Rn. 44, 74, 140; Hans-Jürgen Papier, Unternehmen und Unternehmer in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, VVDStRL 35 (1977), S. 55 ff., 79, 81 ff.; ders., Kommentierung des Art. 14 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, 1983, 2002, Art. 14, Rn. 375 ff.; Peter Badura, Eigentum, in: E. Benda/W, Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (HVerfR), Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 10, S. 327 ff., 330, 342; vgl. Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; ders., Res publica res populi, S. 1004, 1023 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum. Aspekte freiheitlicher Eigentumsgewährleistung, in: J. Isensee/H. Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, FS für W. Leisner (70), 1999, S. 743 ff., 754, 772; Karl Albrecht Schachtschneider/Peter Wollenschläger, Umweltschutz, Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 342 f.; Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 544 ff.; Otto Depenheuer, Kommentierung von Art. 14 GG, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz. Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., S. 1289 ff., Art. 14, Rn. 9, 68. Sozialpflichtigkeit: BVerfGE 8, 71 (80); 20, 351 (356); 25, 112 (117); 37, 132 (140 f.); 52, 1 (29); 81, 208 (222); 89, 1 (9); 100, 226 (240 f.); 102, 1 (17 f.); Karl Albrecht Schachtschneider, FS W. Leisner, S. 755 ff., insb. S. 773 f.; ders./P. Wollenschläger, Umweltschutz, S. 342 f.; Karl Albrecht Schachtschneider, Atomrecht, in: ders., Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 375 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 573 ff. 245
I. Mißbrauch globaler Geldmengen
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nalität verwehrt. Welchem Gemeinwohl sollen sie dienen? Was ist das Gemeinwohl? Es gibt kein internationales Gemeinwohl, allenfalls wenig materialisiert das, daß alle Menschen leben, möglichst gut leben. Keinesfalls ist der Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG der gegen die Währungen der Völker spekulierenden Kapitaleigner hinzunehmen. Wenn das mißbrauchte Kapital konfisziert wird, ist das nicht einmal eine Enteignung, sondern eine Abwehr von Unrecht. Globalismus und Sittlichkeit sind unvereinbar. Das Gemeinwohl der Menschheit ist rechtlich verbindlich nicht definierbar. Wer sollte es definieren? Gemeinwohl ist ein formaler Begriff und kann nur durch Gesetze definiert werden246. Die Gesetze sind national oder jedenfalls einzelstaatlich, in der EU weitestgehend unional und schon deswegen nicht demokratisch. Die Sittlichkeit als innere Freiheit setzt die Zugehörigkeit zum Gemeinwesen voraus, die existentielle Betroffenheit, die Verantwortlichkeit für das eigene Land, das Land der Väter und Mütter und das Land der Kinder und Enkel, den Bürgerstatus. Nur wer der p|kir angehört, ist Politiker. Wer sich sonst in die Politik eines Volkes einmischt, interveniert, mißachtet dessen Souveränität. Die außerordentliche Geldmengenvermehrung, die sich allenfalls begrenzt im Warenkorb auswirkt und vom Publikum nicht durch inflationäre Auswüchse erfahren wird, hat zur Verteuerung der Vermögenswerte, Aktien, Immobilen usw., geführt247 und erheblich zur Bereicherung der Reichen und Verarmung der Armen beigetragen248. Bert Rürup: „Dabei ist unstrittig, daß von der Zinspolitik und vor allem den gigantischen Wertpapierkäufen der Notenbanken enorme Verteilungswirkungen ausgehen, die es wert wären, politisch diskutiert zu werden. So sind die Vermögenspreise rasant gestiegen, während die Vorsorgeersparnisse bei negativen Realzinsen unter Druck geraten“.249
Nach einer Untersuchung der EZB vom 9. April 2013 ist die Armut in Deutschland in den Euroländern am größten. „Das Nettovermögen der Masse der deutschen Haushalte ist nach Daten der EZB niedriger als in jedem anderen Euroland. Das Medianvermögen beträgt hierzulande 51.400 Euro, in Zypern
246 Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 ff., 242 ff., 247 ff., 253 ff.; ders., Res publica res populi, S. 819 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 256 f., 326, 374; ders., Freiheit in der Republik, S. 92, 486 f., 500 ff., 632); ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung. Exemplifiziert am Beispiel des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern, 2005, S. 40 ff., 271 ff., 306 ff., auch S. 45 ff. 247 Michael Hudson, Der Sektor, S. 12 f., verbunden mit einer Schuldendeflation; Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 27, 149 ff., insb. S. 156 ff., S. 217; Sebastian Becker, Globale Liquiditätsschwemme und Vermögenspreisinflation. Fakt oder Fiktion? Deutsche Bank Research vom 11. Juli 2007, Aktuelle Themen 391. 248 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 21 ff., 27, 149 ff. 249 Die undemokratische Supermacht, Handelsblatt vom 2./3./4. Oktober 2020, Nr. 191, S. 12.
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K. Kreditäre Geldvermehrung
266.900 Euro“250. Der Internationale Währungsfonds kritisiert die Vermögensarmut der Deutschen (Bericht vom 10. Oktober 2018). Immobilien- und Aktienpreise und die Preise anderer Vermögenswerte werden nicht in den Warenkorb, der der Feststellung der Inflationsrate zugrunde liegt, einbezogen. Der Warenkorb der Verbraucher und damit die persönliche Inflation ist je nach Lebensweise und Kaufkraft durchaus unterschiedlich. Auch Wachstum und Wohlstand werden mit Hilfe des Bruttoinlandsproduktes gemessen, obwohl es keine validen Maßstäbe für die Berechnung des realen BIPs gibt251. In Großstädten sind die Mietpreise wegen der inflationären Immobilienpreise für viele Bewohner unerschwinglich geworden252. In ländlichen Regionen gibt es diese Teuerung nicht, schon gar nicht in den entleerten Gegenden, in denen kaum Arbeit zu finden ist, kaum Ärzte praktizieren, kaum Einkaufsmöglichkeiten bestehen und Schulbesuch weite Anfahrtswege erzwingt. Die Volkswirtschaftslehre begegnet den Entwicklungen der Weltwirtschaft, die zudem im hohen Maße globalisiert ist, mit Ratlosigkeit. Es gibt Ausnahmen. Die von offener Unsicherheit gekennzeichneten Einlassungen selbst renommierter Nationalund Globalökonomen etwa zu Gefahren der außerordentlichen Verschuldung gerade der wirtschaftsstarken Industriestaaten erweisen die theoretische Notlage. Der Grund dieser fachlichen Schwäche mag darin liegen, daß Volkswirte nicht mehr wissen, ob sie Nationalökonomen sein sollen oder sich lieber dem zeitgeistlichen internationalistischen, zumal europäistischen Moralismus folgend, als Globalökonomen gerieren sollten. Dafür fehlen ihnen meist alle Voraussetzungen, nämlich hinreichende Kenntnisse des Staats- und Völkerrechts. Die Propaganda für „Europa“, wie viele die EU auf journalistischem Niveau schön zu reden bemüht sind, braucht niemand. Die Theorielosigkeit gibt zugleich Alarmisten die oft genutzte Chance, mit Crashgeschmiere als Bestsellern Geld zu machen. Die wenn auch labile Stabilität der Volkswirtschaft jedenfalls der wirtschaftlich starken Staaten wie auch Deutschlands ist eine Leistung vor allem der Geld- und Verteilungspolitik, die kein Ziel hat und keinen Weg geht, aber doch ein solches Maß an Trägheit, daß sie recht gut steht. Vielleicht ist die eigentliche ,Leistung‘ der Bundeskanzlerin, daß sie nichts bewegt und die Politik der EZB überläßt.
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Stefan Ruhkamp, EZB-Umfrage: Deutsche sind die Ärmsten im Euroraum, Netz, aktualisiert am 09. 04. 2013. 251 Norbert Häring, Die Defizite des BIP, Handelsblatt, 11. November 2019, Nr. 217, S. 13. 252 Matthias Streit/Anna Wiktorin, Trendwende bei Wohnungen, in: Handelsblatt, 21. Januar 2020, Nr. 14, S. 30 f.
II. Unrecht des Globalismus
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II. Unrecht des Globalismus Der schlimmste Treiber der Ausbeutung, der Schere zwischen Reich und Arm, ist der Globalismus, vor allem die Kapitalverkehrsfreiheit253. Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet „alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten (sc. der EU) sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern“. Wesentlich wird die wirtschaftliche Globalisierung durch den freien Kapitalverkehr bestimmt, den die höchst- und hochentwickelten, aber auch viele der weniger und am wenigsten entwickelten Staaten so gut wie ohne Einschränkung erlauben oder zu erlauben gedrängt oder auch gezwungen werden, vornehmlich von den USA mittels des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank254. Der freie Kapitalverkehr ist, wohl von den Kapitaleignern der USA gefordert, eine wesentliche Politik der EU (Art. 63 Abs. 1 AEUV), die eine wichtige Region des Globalismus ist. Diese Politik war schon Gegenstand des Multilateralen Abkommens über Investitionen zwischen den OECD-Staaten (MAI), das weitgehende Investitionsschutzansprüche gegen die Mitgliedstaaten durch privatmäßige Schiedsgerichte ähnlich dem jetzt im Streit befindlichen Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) etablieren wollte, aber 1998 am Widerspruch der Assemblee Nationale gescheitert war. Wer Mitglied der Union sein oder werden will, muß sich dieser neoliberalen, kapitalistischen Politik fügen. Die Kapitalverkehrsordnung ist verbunden mit einer weitgehenden Legalisierung derivativer Finanzgeschäfte, welche vornehmlich spekulativ betrieben werden. Etwa 97 % des globalen Geldumlaufs sind durch solche Geschäfte veranlaßt, nicht durch die Bezahlung von Warenlieferungen oder Dienstleistungen. Der globale Kapitalverkehr, der über große Geldmengen verfügen kann, die er weitgehend für spekulative Kapitaltransaktionen ohne realwirtschaftliche Notwendigkeiten mit zudem unterschiedlichen Währungen und Währungsentwicklungen nutzt, macht die Kausalitäten geldwirtschaftlicher Instabilität noch undurchschaubarer als diese es ohnehin schon sind. Das Kapital, das die global spekulierenden Unternehmen für ihre Aktivitäten benötigen, schafft das Finanzsystem vor allem durch Kredite, die Geschäftsbanken ihnen einräumen, meist private Geldschöpfung genannt, ohne realwirtschaftliche Leistung. Die Nichtbanken haben kein Konto bei der Zentralbank, also keinen Zugang zu Zentralbankgeld, abgesehen vom Bargeld. Der Kreditierungsrahmen der Kreditinstitute errechnet sich durch den Geldschöpfungsmultiplikator der von der Zentralbank den Geschäftsbanken kontingentiert und gegen Gebühr zur Verfügung ge253 Dazu Johannes Müller, Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union. Bedeutung, Inhalt und Umfang, Weiterentwicklung, Auswirkung auf Völkerrecht und nationales Recht, 2000. 254 Dazu Joseph Stiglitz, Schatten der Globalisierung, 6. Aufl. 2002; Jens Burkhard Funk, Der Internationale Währungsfonds, Status, Funktion, Legitimation, 2018, S. 220 ff., 440 ff.
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K. Kreditäre Geldvermehrung
stellten Geldbasis (Hauptrefinanzierungsinstrument). Solche „leichten Kredite“ sind von der spekulativen Erwartung großer Gewinne getragen und setzen durchaus erfahrungsgestützt auf die Übernahme der Bankschulden durch die Heimatstaaten der Kreditinstitute zur Stützung der vermeintlich systemrelevanten Banken. Die Staaten refinanzieren sich mittels Anleihen, die ihre Zentralbanken mit Mitteln monetärer Geldschöpfung übernehmen. Mangels eigener Wertschöpfung der Kreditinstitute lassen sich mittels des weitestgehend selbstgeschaffenen Kapitals Gewinne nur solange und soweit erwirtschaften, als für die kreditierte Produktion von Unternehmen Absatzmärkte in den Ländern mit zahlungsfähiger Bevölkerung bestehen. Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet „alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten (sc. der EU) sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern“255. Diese große Freiheit des Kapitals ist ein Sieg der Globalisten zum Schaden aller betroffenen Völker, vor allem zu Lasten der Völker, deren Männer, Frauen und Kinder aus bitterer Not wie Sklaven ohne physischen und sozialen Schutz für Hungerlöhne schuften, um für ihre Ausbeuter, internationale Unternehmer, insbesondere Hedgefonds, und ihre ,Sklavenhalter‘ in den Armutsländern, aber auch die Konsumenten in den wohlhabenden Ländern, Billigware, etwa fast-fashion-Ware, zu produzieren, deren Vertrieb in den zahlungskräftigen Ländern reichlich Gewinn verspricht. Die Machthaber der Importländer lassen diese illegale Ware einführen, illegal, weil die Produktion die Menschenrechte der Arbeitnehmer verletzt256, auch Deutschland, das sich in seiner Propaganda heuchlerisch seiner Werte rühmt. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist ein wesentliches Instrument der internationalistischen Finanzialisierung der Lebensverhältnisse (Unterwerfung unter die Finanzwirtschaft), schon lange in Deutschland und unter der Präsidentschaft von Emmanuel Macron, einem Mann der Hochfinanz257, auch mehr und mehr in Frankreich. Zu diesem Zweck sind auch die staatlichen Unternehmen auf der Grundlage der verfassungswidrigen Fiskusdoktrin258, der Privatrechtlichkeit staatlicher Institutionen und staatlichen Handelns, im großen Umfang privatisiert, kapitalisiert und damit entdemokratisiert worden. Sie sind dadurch Zugriffsmasse des internationalen Kapitals. Dessen bestimmende Maxime ist der Gewinn, nicht das Gemeinwohl259. Die Völker haben ihre Politik nicht mehr in ihrer Hand. Ihre Sou255
Dazu Johannes Müller, Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union, 2000; Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 111 ff. 256 Karl Albrecht Schachtschneider, Zur Rolle und Fortentwicklung des Rechts im Hinblick auf die Verantwortlichkeit der multinationalen Unternehmen, in: Deutsches Netzwerk Ethik (Hrsg.), Globalisierung und Sozialstandards, 2001, S. 135 ff. 257 Dazu Thierry Meyssan, Wessen Schuldner ist Emmanuel Macron? in: Zeit-Fragen Nr. 28/30 vom 18. Dezember 2018, S. 3 f. 258 Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, Kritik der Fiskustheorie am Beispiel des § 1 UWG, 1986; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 190 ff.; ders., Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 486 ff. 259 Karl Albrecht Schachtschneider, Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: ders., Herausgeber, Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 253 ff., insb. S. 289 ff., 308 ff., ders.,
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veränität ist ausgehöhlt. Eine Chance, zum Recht zu finden, gibt es nur in den kleinen Einheiten der Nationalstaaten260. Der globale Kapitalismus, mächtigster Akteur der Denationalisierung der Staatenwelt, ist nicht hinzunehmen. Wenn er zu internationalen Herrschaftssystemen geführt hat (EU, weniger staatsähnlich ASEAN, NAFTA, MERCOSUR u. a., Ziel: One World, civitas maxima), kann und wird er in sozialistische Tyrannis umschlagen, wenn nicht in einen weltweiten Islamismus (aus weiteren Gründen, vor allem der Gewaltbereitschaft und -fähigkeit des Islam). Das wäre das Ende aller aufklärerischen Bemühungen. Ob und wann die große Finanzkrise kommt, kann niemand sagen, aber daß diese unausweichlich ist, ist fast allgemeine Meinung, freilich ohne belastbare theoretische Grundlage. Es spricht einiges dafür, daß die EZB unter der Führung von Mario Draghi die ökonomische Vernunft auf ihrer Seite hatte, nämlich wie Japan Kredite zu geben, ohne sich um den größer werdenden Schuldenberg zu bekümmern. Die ökonomische Vernunft dürfte den Autoren der Gründungsverträge der EU gefehlt haben, insbesondere den Hardlinern der „Stabilitäts- und Wachstumspolitik“ mit falschen Mitteln, der Verbote oder Grenzen von Defiziten261, zwei Bundesfinanzministern, der eine, Theodor Waigel, feiert sich noch immer als Vater des Euro, der nur schadet, der andere, Wolfgang Schäuble, hat anderen Staaten seine Irrtümer aufgenötigt und sie fast ruiniert. Er rühmt sich noch heute der schwarzen Null, die Deutschland der weit unterbewerteten Währung zu danken hatte und hat. Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise macht die Illusionen der Sparpolitik ohnehin zunichte.
Demokratische und soziale Defizite der Globalisierung, 2004, in: ders., hrsgg. von D. I. Siebold/ A. Emmerich-Fritsche, Freiheit-Recht-Staat, 2005, S. 668 ff. 260 Karl Albrecht Schachtschneider, Die nationale Option, S. 303 ff., 359 ff. 261 Joseph Stiglitz, Der Preis der Ungleichheit, S. 287: „Defizitfetischismus“.
L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat Der Staat im engeren Sinne kann sich durch Geld finanzieren, das er selbst schafft, durch monetäre Geldschöpfung. Der Staat kann sich auch durch das von ihm geschaffene Geld finanzieren, welches er zuerst den Unternehmen, den Bürgern und den sonstigen Bewohnern seines Landes für deren Geschäftsverkehr überläßt und von diesen als Abgaben, insbesondere Steuern, zurücknimmt.
I. Zentralbank und Geschäftsbanken Akteure der Geldversorgung 1. Zentralbankgeld und Geschäftsbanken In einem System staatlichen Geldes hat der Staat die alleinige Befugnis zur Geldherstellung und Geldausgabe. Die Zentralbank gehört zum Staat im engeren Sinne als Organisation der Bürgerschaft, des Staates im weiteren Sinne, zur Verwirklichung des gemeinen Wohls, des guten Lebens aller in Freiheit262. Durch die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung übt das Volk, wenn nicht durch Wahlen und Abstimmungen, die Staatsgewalt aus (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Die Zentralbank, deren Aufgabe die Versorgung des Landes mit Geld ist und die regelmäßig allein befugt wird, Geld auszugeben (§ 14 Abs. 1 S. 1 BBankG, vgl. auch Art. 128 Abs. 2 S. 2 AEUV), kann, sollte und ist im Interesse der Wissenschaftlichkeit ihrer Aufgabenbewältigung unabhängig von anderen Staatsorganen sein (Art. 88 GG; § 12 S. 1 BBankG). Sie ist aber ein Staatsorgan. Es gibt in Deutschland und den anderen Staaten des Eurosystems nur staatliches Geld, Euro-Banknoten und Euro-Münzen (Art. 128 AEUV). Dieses Geld ist gesetzliches, also vom Staat allein legalisiertes Zahlungsmittel. Die Ausgabe von EuroBanknoten kann nur die EZB genehmigen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken des ESZB sind berechtigt, die Euro-Banknoten im Rahmen der Genehmigungen der EZB auszugeben. Gegenwärtig ist die Genehmigung so gut wie unbegrenzt. Die Mitgliedstaaten haben das Recht zur Ausgabe von Euro-Münzen. Der Umfang dieser Ausgabe bedarf auch der Genehmigung der EZB.
262 Karl Albrecht Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 19, 20, 55 ff., 167; ders., Freiheit in der Republik, S. 243, 450; ders., Souveränität, S. 249, 308, 322, 428.
I. Zentralbank und Geschäftsbanken Akteure der Geldversorgung
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Die Zentralbank kann den Geschäftsbanken Kredite geben, die zurückzuzahlen sind. Die Kredite werden besichert, durch Anleihen, zumal Staatsanleihen, oder andere Wertpapiere, notfalls durch Abtretung von Forderungen zur Sicherheit. Die Geschäftsbanken können Giralgeld auf ihre Konten bei der Zentralbank einzahlen. Das wandelt sich damit in Zentralbankgeld. Sie können auch Zentralbankgeld von ihrem Zentralbankkonto abheben, etwa wenn sie dieses benötigen, um Bargeld an Kunden auszuzahlen. Die Bargeldmenge hat in jüngerer Zeit stetig zugenommen263. Die Geschäftsbanken räumen den Nichtbanken Kredite auf ihren Bankkonten ein, die sie auch für die Einzahlung ihres Geldes, regelmäßig Überweisungen von ihren Schuldnern von deren Girokonten (Kontokorrentkonten), nutzen. Die Einschaltung der Geschäftsbanken in die Geldversorgung ermöglicht die Zinsnahme der Geschäftsbanken von ihren Kreditnehmern. Wegen der getrennten Geldkreisläufe, dem der Banken untereinander einschließlich der Zentralbank und dem des allgemeinen Geschäftsverkehrs, ermöglicht das Zentralbankwesen den Geschäftsbanken Geschäftsmöglichkeiten und Gewinnchancen. Mit Nichtbanken, den Unternehmen, den anderen Privaten und auch dem Staat i. e. S., den öffentlichen Verwaltungen, kann die Deutsche Bundesbank die in § 19 Abs. 2 Ziff. 1 – 7 Bundesbank aufgeführten Geschäfte machen (§§ 19 bis 25 BBankG, Kapitel IV, Art. 17 bis Art. 24 ESZB-Satzung), u. a. auch Darlehen gegen Sicherheiten gewähren (§ 19 Nr. 1 BBankG) und Giroeinlagen und andere Einlagen annehmen (§ 19 Nr. 2 BBankG). Allerdings macht Art. 21 Abs. 1 ESZB-Satzung eine wesentliche Einschränkung: „Nach Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den nationalen Zentralbanken für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken“.
Eine unmittelbare Geldversorgung der Nichtbanken allein durch die Zentralbank wäre auch ohne Banken möglich. Freilich müßte der Apparat der Zentralbank erheblich vergrößert werden. Die Geschäftsbanken brauchen Einnahmen für ihren Bestand, für Vorrichtungen, Gehälter, Dividenden und auch für Steuerzahlungen. Die Zinsgewinne der Geschäftsbanken sind schwerlich zu rechtfertigen. Zinsen für Geldgeschäfte stehen seit Jahrtausenden in der Kritik. Es sei an die religiösen Zinsverbote sowohl der Juden (nur gegenüber Juden) als auch der Christen und Muslime erinnert. Aristoteles hat in seiner Politik die Begründung für das Zinsverbot zeitlos formuliert:
263 Deutsche Bundesbank. Eurosystem, Wie entsteht Geld? – Teil III: Zentralbankgeld, 12. 07. 2017.
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L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat
„Da es aber eine doppelte Erwerbskunst gibt, wie wir gesagt haben, die des Kaufmanns und die des Hausverwalters, und diese notwendig und lobenswert ist, die Tauschkunst dagegen mit Recht getadelt wird (denn sie hat es nicht mit der Natur zu tun, sondern mit den Menschen untereinander), so ist erst recht der Wucher hassenswert, der aus dem Geld selbst den Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld da ist. Denn das Geld ist um des Tausches willen erfunden worden, durch Zins vermehrt es sich aber durch sich selbst. Daher hat es auch seinen Namen: Das Geborene ist gleicher Art wie das Gebärende, und durch den Zins (Tokos) entsteht Geld aus Geld. Diese Art des Gelderwerbs ist also am meisten gegen die Natur“ (Erstes Buch, 10 b1).
Die Technik der monetären Staatsfinanzierung durch die Zentralbank mittels unmittelbaren oder mittelbaren Erwerbs von Staatsanleihen (regelmäßig Schuldverschreibungen auf den Inhaber gemäß § 793 BGB), führt zu Zahlungspflichten des die Staatsanleihen emittierenden Staates i. e. S., der für die Staatsanleihen Zentralbankgeld erhalten hat. Diese Staatsverschuldung ist durch die Notwendigkeit, den Staat mit Finanzmitteln auszustatten, nicht geboten. Die organisatorische Trennung der Zentralbank von den anderen Staatseinrichtungen ermöglicht die Zwischenschaltung der Geschäftsbanken bei der Geldversorgung auch des Staates i. e. S. und damit außer den Zinsen, die die Zentralbank erhebt, die Zinsnahmen der Geschäftsbanken, die die Staatsanleihen zunächst erwerben und an die Zentralbank weiterreichen, auf die Zahlungsverpflichtungen aus der Schuldverschreibung. Auch die Unternehmen und die anderen Privaten erhalten das Zentralbankgeld als Bargeld von den Geschäftsbanken, denen es die Zentralbank mittels mehr oder weniger werthaltig besicherter Krediten überläßt. Die Weitergabe der Staatsanleihen von den Geschäftsbanken an die Zentralbanken ist für die ,Verteilung‘ der Anleihen allenfalls erforderlich, weil nach Art. 123 Abs. 2 AEUV die unmittelbare Staatsfinanzierung den Zentralbanken verboten ist. Mühsam und ohne die geringste Überzeugungskraft bestreiten der Europäische Gerichthof und das Bundesverfassungsgericht (EuGH, 16. 06. 2015 – C-62/14, Rnrn. 132, 135, 138 ff.; BVerfG Urteil vom 21. Juni 2016, BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 195 ff., 210 ff.; BVerfG 2 BvR 859/15, Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 186 ff., 197) die verbotene unmittelbare Staatsfinanzierung durch die Zentralbanken dadurch, daß der Erwerb der Staatsanleihen durch die Zentralbank von den Geschäftsbanken ein den Zentralbanken durch Art. 18 des ESZB und EZB Protokolls erlaubtes Offenmarktgeschäft sei, das nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts mangels „offensichtlicher“ Umgehung des Art. 123 Abs. 1 AEUV nicht dem Verdikt der monetären Staatsfinanzierung unterliege, wenn die Übernahme der Anleihen von der Zentralbank jedenfalls bis zur Endfälligkeit hinreichend unsicher sei. Davon kann keine Rede sein (dazu C. III.). Ohne den erwarteten Erwerb der Staatsanleihen durch die Zentralbanken würden die Anleihen nicht emittiert werden, schon weil die Anleihen vieler der Euro-Staaten keinen Markt hätten, auch Deutschland nicht im Umfang des äußerst großen Geldbedarfs etwa für die CoronaHilfen.
I. Zentralbank und Geschäftsbanken Akteure der Geldversorgung
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Ökonomisch sind die Käufe von Staatsanleihen durch die Geschäftsbanken oder auch durch die Zentralbank ein Kreditgeschäft. Alle Zuflüsse von Geld, die zu vertraglich begründeten Rückzahlungsansprüchen führen, gelten im Finanzverfassungsrecht (Art. 109, 115 GG) als Kredite264. Das einträgliche Geschäft der bei der Geldverteilung zwischengeschalteten Geschäftsbanken war und ist der Zweck der Zentralbanken als Banken der Banken, denen das alleinige Recht zur Geldschöpfung übertragen wurde. Die Gemeinwesen könnten sich diese Kosten zumindest für die monetäre Staatsfinanzierung sparen und das Geld durch ihre Finanzbehörden herstellen und verteilen lassen. Die Zwischenschaltung der gewinnorientierten Geschäftsbanken ist nicht erforderlich. Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt: „Das profitorientierte Bankensystem sei ein Problem. Die Abhängigkeit vom spekulationsträchtigen und zinsgierigen Finanzmarkt müsse beendet werden. Staatliche Geldschöpfung ex nihilo müsse erlaubt sein“265 .
2. Bankengeld Es gibt keine private Geldschöpfung. Bankenkredite sind kein gesetzliches Zahlungsmittel. Aber sie haben wirtschaftlich Geldfunktion. Das sollten die Kritiker des sogenannten Bankengeldes, etwa die Vollgeldbefürworter, aber auch der Plan B von Andreas Popp und Rico Albrecht266, klarstellen. Die Geschäftsbanken geben Versprechungen, Zentralbankgeld zur Verfügung zu stellen, regelmäßig in größerem Umfang, als sie über Zentralbankgeld verfügen oder sich beschaffen können. Das wird in den Grenzen bestimmter Multiplikatoren der Geldbasis, des vorgeschriebenen Eigenkapitals (Basel I, II, III, bald IV) zugelassen. Wenn Geschäftsbanken Kredite einräumen, sprechen viele von Kreditschöpfung oder, besser, von Buchgeldschöpfung. Die Kredite, Darlehen (§ 488 BGB), verschaffen auf Grund des Vertrauens in die Fähigkeit der jeweiligen Bank, das Buchgeld in Zentralbankgeld auszuzahlen, geldgleiche Kaufkraft. Die Geschäftsbanken verlangen für ihre Kredite, soweit es der Markt ermöglicht, als Entgelt Zinsen. Das Buchgeld, Forderungen gegen die Banken, in den Konten der Bankenkunden ausgewiesen, wird zur Zahlung durch Buchgeldübertragung, eine Forderungsübertagung, auf die Konten der Gläubiger der Kunden benutzt und als solche regelmäßig wiederum im Vertrauen auf die hinreichende Solvabilität und Schuldentragfähigkeit der die Zahlung verbuchenden Geschäftsbank angenommen. Das Vertrauen in die Fähigkeit der jeweiligen Geschäftsbank, die Forderungssumme in Zentralbankgeld auszuzahlen, ist die geldgleiche Währung. Die Erfüllung der For264 BerlVerfGH NVwZ-RR 1997, 506; Helmut Siekmann, Kommentierung der Art. 104 a ff. GG, in: M. Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 109 GG, Rn. 65, Art. 115, Rn. 14. 265 Gescheiterte Globalisierung, S. 351. 266 Wissensmanufaktur, Netzeinsicht 30. August 2019.
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L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat
derungen von Gläubigern durch Übertragung von Forderungen (Buchgeld, gegebenenfalls Kreditforderungen) der Schuldner gegen dessen Geschäftsbank auf die Geschäftsbanken der Gläubiger ist in den Zahlungsdienstverträgen oder Zahlungsdienstrahmenverträgen (§ 675 Abs. 1 und 2 BGB) der Bankkunden mit ihren Banken geregelt, explizit oder implizit. Die Geschäftsbanken führen die Zahlungsaufträge ihrer Kunden auf Grund der Bankverträge mit den Kunden nach Maßgabe ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus. Das Zahlungssystem zwingt das Publikum weitgehend, sein Einkommen auf Bankkonten einzahlen zu lassen. Die Geldforderungen, etwa die Lohn- oder Gehaltsforderungen, werden regelmäßig nicht durch Übertragung von Eigentum an Geld an den Gläubiger erfüllt, sondern dadurch, daß für ihn durch Buchgeldüberweisung Geldforderungen gegen seine Geschäftsbank begründet werden. Der Gläubiger der Forderung erhält Buchgeld des Zahlungsdienstleisters, der Bank. Das ist eine riskante Schwächung des Geldeigentums, die durch die schmalen Einlagensicherungen für den Fall der Insolvenz von Geschäftsbanken oder gar eines Zusammenbruchs des labilen Bankensystems in keiner Weise behoben wird. Die Geldmengen, die für die Realwirtschaft nicht benötigt werden, gefährden die Finanzstabilität und das Buchgeldsystem jeden einzelnen Buchgeldinhabers. Im Zweifel hat sich der Forderungsberechtigte in seinem Schuldverhältnis auf die Erfüllung seines Anspruchs, meist Bezahlung seiner Leistung, auf die Zahlung von Buchgeld explizit oder konkludent eingelassen. Dieses Zahlungssystem beruht, wie gesagt, auf dem Vertrauen der Bankkunden in die Zahlungsfähigkeit der Banken. Man kann alles Geld nennen, womit bezahlt wird, Gold, Zigaretten usw., eben auch das Buchgeld. Es sind Geldsurrogate. Gegenwärtig werden 90 % der weltweiten Geldmenge nicht für den realwirtschaftlichen Geschäftsverkehr benötigt, sondern spekulativ genutzt. Das schafft leitungsfernen Reichtum und gefährdet die Geldwertstabilität. Die Geschäftsbanken haben Kredite an Private, vornehmlich Unternehmen, aber auch an Staaten gegeben, die in erheblichem Umfang uneinbringlich sind. Die wertlosen und nicht hinreichend besicherten Darlehensforderungen übernehmen weitgehend die Zentralbanken. Sie sind die „Endlager“ (Max Danzmann) für diese Schulden267. Aus den Forderungen, deren Basis, das Vertrauen auf die Schuldentragfähigkeit der Schuldner, Unternehmer, Private und Staaten, brüchig war und enttäuscht ist, haben die Zentralbanken mit Beteiligung und Genehmigung der EZB Geld gemacht, Geld, das sie den Geschäftsbanken für die ,Schrottpapiere‘ gezahlt haben. Dieses Geld bereichert die Banken, die schon für die fragwürdigen Kredite Zinsgewinne eingestrichen haben. Mehr Korruption, durch Gesetz und mehr noch durch deren rechtlose Praxis gestützt, ist kaum denkbar.
267 Grundlegend Max Danzmann, Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik, S. 265 ff.
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Vor der gänzlichen Abschaffung des Bargeldes kann man sich nur fürchten268. Dann bekommt das Publikum Zentralbankgeld nicht mehr in die Hand. Die Abschaffung des Bargeldes würde gegen die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verstoßen. Allerdings hat auch das Zentralbankgeld seine Substanz allein in dem Vertrauen auf die Stabilität des politischen und wirtschaftlichen Systems. Das Zentralbankgeld ist weder Gold noch goldgedeckt. Materiell ist es wertlos. Mit einem Federstrich des Gesetzgebers kann es seine Kaufkraft verlieren. Es genügt auch die Schließung der Banken oder auch nur der Zentralbanken. Preisstabilität (Art. 88 S. 2 GG) setzt politische Stabilität voraus. Die Modern Monetary Theory (MMT)269 nimmt zur Kenntnis, daß das Geld keinen Materialwert hat, sondern Kaufkraft des Geldes allein auf dem Gesetz beruht. Es ist gesetzliches Zahlungsmittel. Dem Metallismus hat schon Georg Friedrich Knapp 1905 den Chartalismus entgegengestellt270. Die Zentralbank kann unbegrenzt Geld ausgeben. Ihre monetäre Geldschöpfung ist normativ durch ihr vorrangiges Ziel, die Preisstabilität zu wahren (Art. 127 Abs. 1 S. 1 AEUV, Art. 88 S. 2 GG) begrenzt. Sie hat somit primär die Geldmenge so zu steuern, daß der Geschäftsverkehr finanziell preisstabilitätsgerecht alimentiert wird. Das scheint ihr nicht recht zu gelingen. Die Geldmengen führen augenscheinlich zu inflationären Entwicklungen im Immobilien- und Asset-Sektor. Viele Autoren, auch seriöse wie Paul Krugmann271, sehen in der auch vom MMT zugrundegelegten Befugnis der Zentralbank, die Geldmenge allein nach praktischer Vernunft, also wissenschaftlich, zielgerecht zu bestimmen, eine durchgreifende Inflationsgefahr. Die ist nicht von der Hand zu weisen, weil praktische Vernunft Politik einschränkt und darum Sittlichkeit voraussetzt, die auch bei rechtlich unabhängigen Politikern ein rares Gut ist. Eine Theorie der Inflation von Geldmengenpolitik ohne Anbindung an eine Golddeckung ist bislang nicht entwickelt. Vollbeschäftigung und Wachstum, die auch die EZB im Auge hat, wie vor allem das PEPP erweist, dürfen allenfalls sekundäre Ziele der EZB und der nationalen Zentralbanken sein, anders als in den USA. Sie sind Sache der Wirtschaftspolitik von Parlament und Regierung. Das wichtigste Instrument der Geldpolitik der Zentralbanken ist der Zins. Die Geschäftsbanken werden für die Verteilung des Geldes im Sinne der Verteilung von Kaufkraft nicht benötigt. Mit einer staatlichen Verteilung des Geldes entfallen die gewinnorientierten Zinsen der Geschäftsbanken, die auf Kreditverträgen beruhen und nicht schon begrifflich im Bankensystem begründet sind. Die Banken berechnen gegebenenfalls auch Entgelte für ihre Dienstleistungen, die der Staat als Gebühren für seine Verteilungsverwaltung auch erheben könnte. Der Staat 268 Norbert Häring, Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen. Der Weg in die totale Kontrolle, 2016. 269 Hinweise in Fn. 180: MMT ist umstritten, aber scheint mir der richtige geldtheoretische Ansatz zu sein. 270 Staatliche Theorie des Geldes, 1905. 271 Deficits and the Printing Press, The New York Times vom 25. März 2011; ders., MMT again, The New York Times vom 15. August 2011.
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L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat
verteilt Geld in großen Mengen ohne Zinsnahme und ohne Verwaltungsgebühren, etwa Transferzahlungen.
II. Finanzierung des Staates 1. Zentralbankgeld oder Steuergeld Der Staat muß finanziert werden. Der Staat kann wählen, ob er sich das Geld, das er zur Finanzierung der Staatsausgaben benötigt, durch Ausgabe von Zentralbankgeld an sich selbst oder durch Erhebung von Steuern beschafft. Er kann sich von der Zentralbank Geld zuteilen lassen, soviel er benötigt, solange er das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nicht stört (Art. 109 Abs. 2 GG). Grenzen ziehen die in dieser Schrift in Frage gestellten Schuldenbremsen, die auf der Regelung beruhen, daß der Staat sich nur mittels zinspflichtiger Verschuldung (meist Anleihen), wenn nicht durch Erheben von Steuern, finanzieren kann oder besser darf. Bei der Steuererhebung muß er die Grenzen der Belastbarkeit der Steuerpflichtigen auch im Interesse der Prosperität der Wirtschaft berücksichtigen, aber auch die Kosten der Steuererhebung. Die Schuldenbremsen sind bei ihrer ersten Belastung, wie zu erwarten war, sofort ausgesetzt worden272. Wilhelm Hankel: „Der Staat hat nun die Wahl, den wirtschaftlichen Teil seiner Aufgaben wie ein Unternehmer aus Krediten zu finanzieren oder den Steuer- und Abgabeneintreiber zu spielen. Gerade der sich verschuldende Staat ist bürger- und unternehmerfreundlich, denn er hält den konfiskatorischen Zugriff auf die privaten Einkommen und Vermögen niedrig. ,Ein Staat ohne Staatsverschuldung tut entweder zu wenig, oder er fordert zu viel von seiner Gegenwart‘, konstatierte einer der großen Finanzwissenschaftler des 19. Jahrhunderts: Lorenz von Stein. Ist das, was damals richtig war, inzwischen falsch geworden?“273 „Der Staatskredit ist die zivile Alternative zur obrigkeitsstaatlichen Erhebung von Steuern und Abgaben“274.
Auch das Geld, das die Steuern dem Staat einbringen, ist insoweit Staatsgeld, das der Staat selbst ausgegeben hat, als es nicht Kreditgeld ist, das die Banken geschaffen haben. Vornehmlich wird es Bankengeld sein, das der Staat durch die Steuerzahlungen einnimmt. Es macht geldtheoretisch und schuldenbegrifflich keinen Unterschied, ob der Staat sich durch Steuern finanziert oder durch Geld, das er bei der Herstellung und Ausgabe desselben einbehält (unmittelbar oder mittelbar), sei es von seiner Zentralbank, dem Status ihres Vorstandes nach ein oberste Bundesbehörde des Staates (§ 29 Abs. 1 S. 1 BBankG), funktionell und institutionell Teil des Staates, sei es durch eine seiner Verwaltungsbehörden. 272
Hinweise in Fn. 78. Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 22. 274 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 32; so auch Günther Grunert, Sollte sich die Linke von MMT distanzieren? Debatte, 9. Mai 2019, Netz, S. 1 ff. 273
II. Finanzierung des Staates
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Als Steuerstaat kann sich der Staat i. e. S. ausschließlich aus Steuern (und andere Abgaben) finanzieren müssen. Dann darf er sich kein Geld für seinen Gebrauch von der Zentralbank nehmen und muß auf die monetäre Staatsfinanzierung, in welcher Technik auch immer, verzichten. So ist die Rechtslage in Deutschland und in der EU (BVerfGE 134, 366 ff., Rn. 150; BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 198 ff.275 ; EuGH, 16. 06. 2015 – C-62/14, Rnrn. 86, 98 ff., 102, NJW 2015, 2013 ff.; BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 181 f.). Die Besteuerung in Deutschland ist hoch. Für die Arbeitnehmer einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung, die im erörterten Zusammenhang zur Staatsfinanzierung gerechnet werden müssen, macht sie durchschnittlich 34 % Bruttolohnes aus276. Es könnten noch höhere Abgaben sein, wenn der Staat die Lebenshaltungskosten mittels Transferleistungen ganz oder zum Teil finanziert, etwa durch Grundeinkommen. Für viele „Menschen im Lande“, auch Bürger, ist das Realität. Die Rentner und Pensionäre werden ohnehin wie auch die Bürger (und auch Fremde) ohne Arbeit oder sozialversicherungsrechtliche Ansprüche vom Staat finanziert, sei es aus dem Steueraufkommen, sei es aus Mitteln, die der Staat von der Zentralbank erhält. Die Steuern können angesichts des globalen Wettbewerbs nicht grenzenlos erhöht werden, wenn die Wirtschaft überhaupt noch den Staat i. e. S. finanzieren können soll. Der Staat ist mehr und mehr auf die monetäre Finanzierung angewiesen. Der Staat könnte sich auch ohne Steuern ausschließlich monetär, durch eigene Geldschöpfung, finanzieren, nur durch Herstellen des Geldes, das er zum Teil zur Finanzierung seiner Aufgaben in Anspruch nimmt, zum Teil der Privatwirtschaft für deren Zahlungsverkehr zur Verfügung stellt (auf den bekannten und gegebenenfalls weiter zu entwickelnden Wegen). Der Staat nimmt durch Steuern und durch andere Abgaben den privaten Abgabeschuldnern einen Teil des Geldes wieder ab, das er und die Geschäftsbanken den Privaten einschließlich den Unternehmern gegeben haben. Das Geld, sei es Zentralbankgeld oder Bankengeld, dient zudem dem gesamten Wirtschaftsverkehr, ohne daß sein Bestand ständig erneuert oder erweitert werden muß. Das ist vor allem wegen des realen oder auch nur nominalen Wachstums erforderlich, aber auch, wenn die Verteilung zu Geldvermögen führt, das im Wirtschaftsverkehr nicht verwendet wird. Das zwingt den Staat, für die finanzielle Ausstattung der Menschen im Lande zu sorgen, die sonst über keine Einnahmen verfügen. Der Staat kann die Technik nutzen, sich von der Zentralbank von dieser ausgegebenes Geld übertragen zu lassen, etwa in der Technik des Erwerbes von Anleihen, gegebenenfalls mit einer Zinsverpflichtung auf die Anleiheschuld, besser nicht in Form von Krediten, gar verzinslich. Wozu das? Zur Disziplinierung der Politiker? Die sind verpflichtet, praktische Vernunft walten zu lassen, um den Bürgern ein gutes Leben zu ermöglichen. Es steht der Zentralbank nicht zu, Regierung und Parlament zu erziehen. 275
Siehe Anhang 1. Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen, www.sozialpolitik-ak tuell.de. 276
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L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat
Der Staat kann aber auch das Geld durch eine Behörde, etwa des Finanzministeriums, selbst schaffen und einbehalten, die für den Staat kostengünstigere Technik277. Er wird dadurch nicht Schuldner278. Schuldner im Rechtssinne wird er auch in der ersten Technik nicht, wie gleich noch dargelegt wird. Wenn der Staat die vermeintlichen Schulden gegenüber der Zentralbank begleichen wollte, ohne erneut ,Schulden‘ zu machen, müßte er dafür Steuern erheben. Sollte der Staat die Schulden wirklich begleichen wollen, wie er es verspricht, würde er die Finanzierungslast vertagen, meist vertagen müssen. Die Verschiebung kann sinnvoll sein, wenn die Mittel aus dem Verschuldungsgeschäft (Anleihen, Darlehen usw.) die Entwicklung des Landes zum Vorteil später lebender Bürger gefördert haben. Die Finanzierungstechnik des Staates hat Folgen für die Methode der Verteilung der Finanzkraft auf die Privaten einschließlich der Unternehmer und auf den Staat, aber nicht für die Verschuldung des Staates. Die Steuereinnahmen des Staates begründen keine Schulden des Staates. Mit den Steuern holt sich der Staat zum einen das Zentralbankgeld zurück, das er unter den Unternehmen und Privaten zur Verfügung gestellt hat, zum anderen nimmt er den Steuerpflichtigen das Bankengeld ab, das diese als Kredite geschaffen haben. Er hätte sich das Geld, das er benötigt, auch gleich von der Zentralbank geben lassen und auf die Erhebung von Steuern verzichten können. Warum sollte die erste, übrigens uralte Methode der Staatsfinanzierung, den Staat verschulden? Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Geld, lehren Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt, ist vor allem ein wirtschaftspolitisches Steuerungsmittel zur Aktivierung ökonomischer Ressourcen279. Die Mißbrauchsgefahr der unmittelbaren monetären Staatsfinanzierung sei nicht höher als die der Finanzierung durch Kredite von Geschäftsbanken280. Der Finanzsektor müsse „extrem restriktiv“ reguliert werden281. Die Zentralbanken sollen im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts die Preisstabilität wahren (Art. 88 GG, Art. 127 Abs. 1 S. 1 AEUV). Um das Gemeinwesen nicht der immer parteilichen, sprich sachwidrigen, Politik auszusetzen, sind die Zentralbanken von den Staatsorganen unabhängig (Art. 130 AEUV, Art. 88 GG). Dieses Credo ist durchaus fragwürdig; denn Geldpolitik ist nie politisch neutral. Darum muß sie demokratisch verantwortet werden282. Das ist freilich so oder so ein Wagnis.
277 Das war in etwa die Technik der Staatsfinanzierung mittels immer billigeren Metallgeldes als aureus denarius und Silberdenare der ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte des Römischen Reichs, in denen die Besteuerung der Wirtschaft und der Bürger sehr gering war, Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 152 ff. 278 Dazu Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 264 ff., 267. 279 Gescheiterte Globalisierung, S. 268 f., 348, 360 u. ö. 280 Ebenda. S. 270 f.; zu den Bankkrediten als „ergiebigste Refinanzierungsquelle“ Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 168 ff. 281 Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 297, auch ff. 282 Gans so Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 348 ff.
II. Finanzierung des Staates
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Wenn der Staat sich einer Gemeinschaftswährung unterworfen hat, wie die Mitglieder des Eurosystems, hat er freilich seine Finanzhoheit und damit einen wesentlichen Teil seiner Souveränität aufgegeben. Das durch Bankenkredite geschöpfte Geld wirft eigenständige Fragen auf, die für die Geld- und Staatsschuldentheorie nicht ausgeklammert werden können. Sie müssen für die theoretische Durchdringung des Wirtschafts- und Finanzsystems in die Überlegungen einbezogen werden. Die Kredite der Geschäftsbanken müssen zurückgezahlt werden. Die Rückzahlungsverpflichtung trifft den jeweiligen Schuldner. Der kann auch der Staat sein. Meist werden Private die Schuldner sein. Sie begleichen gegebenenfalls mittels des Bankenkredits die Steuerschuld. Wenn Geschäftsbanken dem Staat Schuldpapiere, zumal Staatsanleihen, abnehmen, also den Staat funktional kreditieren, kann der Staat seine Schulden bei den Geschäftsbanken mittels der Steuereinnahmen bezahlen oder mittels Zentralbankgeld, das ihm die Zentralbank zur Verfügung stellt. Das muß nicht durch den Erwerb von Staatsanleihen geschehen, die ihrem Begriff nach zurückzukaufen sind, also wirtschaftlich betrachtet als Forderungen der Zentralbank beglichen werden müssen. Die Zentralbank kann auch verpflichtet werden, dem Staat Zentralbankgeld unentgeltlich für seine Agenden zu überlassen. Das ist das staatsadäquate Verfahren. Bemerkt sei, daß der Staat auch die Menge des kreditgeschöpften Bankengeldes durch die Einwirkung der Zentralbank auf die Geschäftsbanken verantwortet. Dem dient vor allem die Mindestreservepolitik, aber auch die Zinspolitik. Hinzu kommt die Bankenaufsicht. Zur Geldmenge M 1 gehört auch das Buchgeld. Zum (geringeren) Teil ist das Zentralbankgeld durch Einlage bei Geschäftsbanken in Buchgeld umgewandelt, zum (größeren) Teil ist es durch Kreditschöpfung der Geschäftsbanken entstanden. Staatsschulden bestehen in Schulden gegenüber der Zentralbank, die meist durch den Erwerb von Staatsanleihen, unmittelbar oder mittelbar, durch die Zentralbank begründet werden. Sie können aber außer durch Veräußerung von Staatsanleihen an die Geschäftsbanken auch durch Kredite der Geschäftsbanken an den Staat entstehen, die die Geschäftsbanken nur mittels Buchgeld ausreichen können. Diese Schulden wird der Staat regelmäßig begleichen, weil sonst die Geschäftsbanken insolvent würden und das Finanzsystem mit der Volkswirtshaft insgesamt in Gefahr geriete. Folglich werden die langfristigen Staatsschulden vor allem Schulden gegenüber der Zentralbank sein. Die Bundesbank, Teil des ESZB, ist der größte Gläubiger des Bundes. Sie hielt 2017 etwa 25 % des ausstehenden nominalen Volumens an Bundeswertpapieren der vom Bund emittierten Staatsanleihen. Es dürften inzwischen (Oktober 2020) 33 % sein283, die durch das StaatsanleiheKaufprogramm der EZB gesetzte und vom Europäischen Gerichtshof akzeptierte Grenze des Ankaufs der Anleihen eines Mitgliedstaates der EU.
283 Michael Rasch, Die Bundesbank ist der grösste Gläubiger Deutschlands, NZZ online vom 23. 09. 2017 unter Hinweis auf Tammo Diemer, einem der beiden Geschäftsführer der Deutschen Finanzagentur.
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L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat
Die Kredite an den Staat aus dem Ausland muß der Staat zurückzahlen. Sie sind für Deutschland wenig relevant und bleiben hier außer Betracht. Auch öffentliche Einrichtungen staatlicher Lebensbewältigung wie ,öffentliche Unternehmen‘ belastet der Staat mit Steuern und Abgaben, um die Gleichheit im Wettbewerb mit privaten Unternehmen herzustellen, ein sinnloses Unterfangen, weil Unternehmertum als Privatheit und staatliche unternehmensartige Verwaltung gänzlich anderen Prinzipien folgen, insbesondere der Gewinnmaximierung statt dem Gemeinwohl. Staatlichkeit und Privatheit sind prinzipiell unterschiedlich. Die Anwendung der Wettbewerbsordnung auf den Staat ist ein Auswuchs der verfassungswidrigen Fiskusdoktrin284.
III. Schulden des Staates durch monetäre Staatsfinanzierung? 1. Theorie und Dogmatik der Staatsschulden Die monetäre Staatsfinanzierung des Staates i. e. S. begründet selbst entgegen der gewillkürten Technik der Geldversorgung und entgegen der fast allgemeinen und praktizierten Auffassung keine Staatsschulden. Die rechtliche Dogmatik und ökonomische Theorie von den Staatsschulden gegenüber der Zentralbank ist ein folgenschwerer Irrtum der Staatswissenschaft, nicht von den Kennern, wie Wilhelm Hankel, auch Wilhelm Nölling und insbesondere Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt. Aber der wirkliche oder vermeintliche Irrtum wird praktiziert, vor allem von Deutschland und der EU. Schulden (im substantiellen Sinne) kann der Staat dadurch eingehen, daß er sich von seinen Bürgern kreditieren läßt, etwa durch deren Erwerb von Staatsanleihen. Er kann sich auch aus dem Ausland kreditieren lassen. Das sollte er freilich lassen, zumal es nicht erforderlich ist, wenn er das von ihm geschaffene Geld ohne kostspielige Zwischenschaltung der Geschäftsbanken nutzt. Eine Verpflichtung des Staates, die Überweisungen der Zentralbank zurückzuzahlen, also eine Schuld im rechtlichen Sinne, besteht nicht. Die Zentralbank, obwohl juristische Person, ist im funktionalen und substantiellen Sinne Organ des Staates. Es gibt nur Rechtsverhältnisse zwischen den Organen einer Rechtsperson und damit auch unter den Organen des Staates, soweit die Verhältnisse zwischen den Organen des Staates durch Gesetze als Rechtsverhältnisse ausgestaltet sind. Wenn Rechtsverhältnisse zwischen den Organen des Staates durch Gesetze begründet werden, haben diese einen fiktiven Charakter, um Auseinandersetzungen unter den Organen judiziabel zu machen, etwa Kompetenzstreitigkeiten. Ein Beispiel bietet der Organstreit unter Bundesorganen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG. Die Länder haben entsprechende Regelungen eingeführt. Verfassungsgeboten sind natürliche Personen 284 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff.; ders., Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 486 ff.; kritisch auch Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 355 ff.
III. Schulden des Staates durch monetäre Staatsfinanzierung?
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rechtsfähig (§ 1 BGB)285. Juristischen Personen wird um bestimmter Zwecke willen Rechtsfähigkeit zugesprochen. Ihre Personenhaftigkeit ist fingiert, eine Zweckschöpfung des Gesetzgebers286. Auch Organe einer juristischen Person können Subjekte von Rechten und Pflichten sein. Maßgeblich sind die jeweiligen Gesetze, die Zwecke rechtstechnisch zu verwirklichen suchen287. Rechtstechniken werden aus meist guten Gründen genutzt, vielfach um die gerichtliche, also friedliche und verbindliche Rechtsklärung, zu ermöglichen. Organisationstechniken bestimmen nicht die Substanz von Rechtsverhältnissen, von Rechten und Pflichten. So ist auch die Rechtspersonenhaftigkeit der Bundesbank als bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts (§ 2 S. 1 BBankG) nicht geeignet, die materielle Einheit der Bundesbank mit dem Bund als dem Staat des Bundesvolkes in Frage zu stellen. Der Vorstand der Bundesbank als deren Organ hat denn auch die „Stellung einer obersten Bundesbehörde“ (§ 29 Abs. 1 S. 1 BBankG). Nach der für den Status der Bundesbank richtigen Durchgriffsdogmatik288 ist maßgeblich, wer Träger der juristischen Person ist. Träger ist der Bund; denn dem Bund steht das Grundkapital der Bundesbank zu (§ 2 S. 2 BBankG). Der Bund ist die staatliche Organisation der Deutschen. Alle Organbzw. Amtswalter der Organe und Behörden des Bundes vertreten als Vertreter des Volkes das Bundesvolk, die Bürger Deutschlands. Aus den gegebenenfalls nützlichen Rechtstechniken können keine substantiellen personenhaften Rechtsverhältnisse hergeleitet werden. So können daraus, daß die Bundesbank das Zentralbankgeld herstellt und ausgibt, keine Schulden des Bundes (oder auch der Länder) gegenüber der Bundesbank entstehen, wenn der Bund von der Bundesbank mit Geld versorgt wird, unmittelbar oder mittelbar. Die Geldbeschaffung von der EZB im Eurosystem ist ein Sonderfall, weil die EZB ein Organ des rechtsfähigen Staatenverbundes EU im Rahmen des ESZB ist (Art. 13 Abs. 1 EUV), nicht ein Organ nur eines der Mitgliedstaaten, sondern ein gemeinsames Organ aller Mitglieder des Eurosystems, integriert in die staatliche Organisation dieser Mitglieder289. Staatsschulden werden dadurch aber auch nicht be285 Palandt-Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018, Rn. 1 des Überblickes des Abschnitts Personen, Rn. 1 zu § 1 BGB; Wolfram Höfling, Kommentierung des Art. 1 GG, in: M. Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 8. Aufl. 2018, Rn. 35 zu Art. 1. 286 Palandt-Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018, Rn. 1 Einführung vor § 21 (Juristische Personen). 287 Dazu Hans J. Wolff/Otto Bachof/Rolf Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, 5. Aufl. 2004, § 83 I 2, Rnrn. 11 ff., S. 210 ff. 288 Zur Durchgriffshaftung Palandt-Ellenberger, a.a.O., Rn. 12. Die grundsätzliche Beschränkung der Haftung auf die juristische Person verfolgt allein den Zweck, die Haftung der Mitglieder zu beschränken, um das Kapital der juristischen Person im Interesse der Minderung des Unternehmensrisikos der Anteilseigner zu verselbständigen. Diese Haftungsbeschränkung, zumal der Aktiengesellschaft, ist ein wesentlicher Baustein der Wirtschaft, den man als geschäftsfördernd begrüßen, aber auch wegen der Verhinderung der Haftung der Verantwortlichen als asozial ablehnen kann. 289 Zum Integrationsprinzip der EU Karl Albrecht Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union. Ein
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gründet. Die unbegrenzte Befugnis zur monetären Geldschöpfung, die die EZB den nationalen Zentralbanken des ESZB im Zuge der Eurorettung durch die Politik des quantitative easing (APP, PSPP) eingeräumt hat, hat den Effekt, daß die Mitglieder des ESZB den Euro wie eine eigene Währung handhaben können290. Rückzahlungspflichten entstehen, wenn man die Staatsschulden richtig begreift, genausowenig wie für Einzelstaaten gegenüber ihrer Zentralbank, die sie mit Geld versorgt. 2. Rückzahlung und Vollstreckung der ,Staatsschulden‘ Die Zentralbank verfügt über kein durchgreifendes Rechtsinstrument, den Staat zur Rückzahlung seiner vermeintlichen Schulden zu zwingen. Sofern der Staat zahlungsfähig und zahlungswillig ist, werden die Staatsanleihen, die die Zentralbank erworben hat, vom Staat, der sie aufgelegt hat, bezahlt. Nach gegenwärtiger Praxis hat die Zentralbank aus den Staatsanleihen, die sie am Sekundärmarkt kauft, Forderungen gegen den Staat, der die Anleihen emittiert hat. Staatsanleihen sind abstrakte Schuldversprechungen gemäß § 780 BGB, regelmäßig auf den Inhaber, die die Verpflichtung selbständig begründen und von dem zugrundeliegenden Kausalverhältnis unabhängig sind. Die Zentralbank kann im Rahmen der Offenmarkt- und Kreditpolitik (Art. 18 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank) auch Wertpapiere kaufen oder als Sicherheiten für Kredite entgegennehmen. Die spezifischen den Wertpapieren zugrundeliegenden Forderungen kann sie eintreiben. Aber als Schuldner ist die öffentliche Hand privilegiert. § 170 VwGO regelt die Vollstreckung wegen einer Geldforderung gegen die öffentliche Hand. Absatz 3 schränkt die Zugriffsmasse wesentlich ein, nämlich: „1 Die Vollstreckung ist unzulässig in Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht. 2 Über Einwendungen entscheidet das Gericht nach Anhörung der zuständigen Aufsichtsbehörde oder bei obersten Bundes- oder Landesbehörden des zuständigen Ministers“.
Alles was der Staat unternimmt, ist öffentliche Aufgabe, Ausübung von Staatsgewalt des Volkes, also hoheitlich. Zu anderen Agenden ist der Staat nicht befugt. Das sieht freilich die Praxis anders, die die Fiskusdoktrin291 für privatheitliche, nämlich privatrechtlich agierende, Unternehmen des Staates nutzt.
Beitrag zur Lehre vom Staat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag über die Europäischen Union vom Maastricht, in: W. Blomeyer/K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 75 ff., 87 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 66 ff., insb. 70 f.; ders., Souveränität, S. 309, 480. 290 I.d.S. auch Günther Grunert, Sollte sich die Linke von MMT distanzieren? S. 6 f. 291 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 190 ff.; ders., Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 486 ff.; kritisch auch Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 355 ff.
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Die Mittel der vermeintlichen öffentlichen Unternehmen dürften in keiner Weise ausreichen, um die Schulden des Staates zu tragen. Wenn die Zugriffsmasse des Staates als Schuldner auf diese Mittel begrenzt wird, ist er insolvent, nämlich überschuldet. Wenn man die Praxis zugrunde legt, dürfen auch die Schulden des Staates aus den emittierten Staatsanleihen nicht gegen als juristische Personen eigenständige Einheiten der öffentlichen Hand durchgesetzt werden. Diese staatlichen Einheiten sind rechtstechnisch nicht die Schuldner der Zentralbank. Eine Vollstreckung des Staates, der Zentralbank, gegen den Staat, den Bund, der ihr Träger ist, ist ein staatsrechtliches Unding. Es verdankt sich der Rechtstechnik, die die substantielle Einheit des Staates durch die Vervielfältigung der juristischen Personen des Staates, seien diese öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert, ausblendet. Aber alle Staatsgewalt geht von Volke aus. Es ist ein Volk, das in seinem Gebiet nur einen Staat bildet. Dessen substantielle Teilung des Staates in viele verschiedene juristische Personen, die mehr ist als bloße Rechtstechnik, entbehrt einer Begründbarkeit, die vor den Prinzipien der Republik, vor allem dem demokratischen Prinzip, aber auch dem Rechtsstaatsprinzip, Bestand haben könnte. Die Vollstreckung ist ein Instrument, das dem Staatlichen innerhalb der Staatsorganisation fremd ist. Absurd wäre es, wollte man den Staat, das ganze Volk, oder stellvertretend einen Staatswalter, etwa den Bundespräsidenten, in Haft setzen, um eine Vermögensauskunft des Staates zu erzwingen. Für Forderungen aus dem Ausland ist prinzipiell die Staatsimmunität anerkannt (BVerfG NJW 2012, 293 (295)), etwa BGH, Beschluss vom 04. 07. 2013 – VII ZB 63/12, Rnrn. 14 ff.: „Die Vollstreckungsimmunität ist eine Ausprägung des Grundsatzes der Staatenimmunität, der aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten folgt. Nach heutigem Völkerrecht sind staatliche Vermögenswerte vor Vollstreckungsmaßnahmen anderer Staaten immun, soweit sie hoheitlichen Zwecken dienen (BVerfG, IPRax 2011, 389, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2009 – VII ZB 37/08, NJW 2010, 769, jeweils m.w.N.). Es besteht mithin eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, wonach die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen ist, in Gegenstände dieses Staates ohne dessen Zustimmung unzulässig ist, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen (BVerfG, NJW 2012, 293, 295; BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2009 – VII ZB 37/08, a.a.O., jeweils m.w.N.). Ob ein Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient, richtet sich danach, ob er für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden soll (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2009 – VII ZB 37/08, a.a.O.). Die Abgrenzung zwischen hoheitlichen oder nicht hoheitlichen Zwecken ist mangels entsprechender Kriterien im allgemeinen Völkerrecht grundsätzlich nach der Rechtsordnung des Gerichtsstaats vorzunehmen (BVerfG, NJW 2012, 293, 295; BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2009 – VII ZB 37/08, a.a.O., 770)“.
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3. Tilgung der Staatsschulden Bemerkenswert ist, daß die Staaten ihre ,Schulden‘ gegenüber der Zentralbank netto eher selten begleichen292. Die ominöse schwarze Null hat denn auch nur die Nettoneuverschuldung im Auge, nicht die erneute Bruttoverschuldung etwa durch neue Staatsanleihen, um mit den Einnahmen aus dem Verkauf der neuen Staatsanleihen die alten Staatsanleihen, wie zugesagt, zu bezahlen. Die ,Staatsverschuldung‘ Japans beläuft sich auf knapp 236 % des BIP. Japan ist wirtschaftlich wieder stabil, ohne Inflation, nach zeitweise außerordentlich hohen Kostenblasen der Immobilien, etwa im Umfeld des Palastes des Tennos, die mit verheerenden deflationären Folgen geplatzt ist. Aber auch die meisten Mitgliedstaaten der EU bauen ihre Schuldenberge nicht ab, sondern lassen sie wachsen, abgesehen von geringen Reduzierungen dieser Schulden, wenn die kostengünstigere Bruttoneuverschuldung einen Spielraum für Tilgung der ,Nettoschulden‘ des Staates auch gegenüber der Zentralbank gibt, ohne die schwarze Null zu gefährden, wie für Deutschland durch die Niedrigzinspolitik der EZB seit Mario Draghis Versprechen im Juli 2012, „im Rahmen unseres Mandats alles Notwendige“ zu tun, um den Euro zu erhalten, „whatever it takes“. Diese sehr begrenzte Schuldentilgung hat die Corona-Pandemie radikal beendet. Auch eine Austeritätspolitik kann vorübergehend Mittel des Staates freisetzen, die für die Schuldentilgung genutzt werden. Deutschland betreibt eine derartige Sparpolitik. Der Staat läßt die Infrastruktur verkommen, spart an Ausgaben für die Ausbildung, für das Gesundheitswesen u.a.m., aber er nutzt die finanziellen Möglichkeiten aus dem hohen Steueraufkommen und aus den wegen des schon angesprochenen Verbots der Selektivität der Ankaufs der Staatsanleihen durch das ESZB aufgezwungenen Krediten des ESZB vorrangig für die Finanzierung von Sozialleistungen an Fremde, die nicht in das Land gehören293. Das Verbot der Selektivität der Kreditierung der Euro-Staaten hat das Bundesverfassungsgericht erfunden (BVerfGE 134, 366 ff., Ls. 1 a bb, Rn. 69, 73, 87, 150; BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 66, 182; vgl. auch BVerfGE 146, 216 ff.). Die Wirtschaftslage kann es durchaus geraten sein lassen, nicht schon in Zeiten des Finanzbedarfs die Bürger durch Besteuerung mit den dafür erforderlichen Kosten zu belasten. Dann bietet sich augenscheinlich die Finanzierung der Ausgaben mittels eigener Geldschöpfung des Staates an. Das ist oft so gehandhabt worden und wird so gehandhabt, meist verschleiert durch Verschuldungen, die zu begleichen nicht nur nicht beabsichtigt, sondern auch nicht möglich ist. Die Steuerschuldner haben, abgesehen vom Buchgeld und gegebenenfalls Devisen, auch nur Geld ihres Staates, das 292 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 23: „Der Staat ,muss‘ so wenig wie ein Privatunternehmen seine Schulden abbauen, besonders dann nicht, wenn er weiter wachsen und seine ihm durch die Verfassung aufgegebenen Pflichten ausüben oder gar ausweiten will“. 293 Kritisch zur Hypertrophie der Sozialleistungen, ohne in politischer Korrektheit deren eigentlichen Grund zu nennen, Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 54 (Hinweis auf den ,Wirtschaftsweisen‘ Lars Feld), 57.
IV. Verteilungspolitik
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durch Verteilung, Entlohnung, Geschäfte, Erbschaft oder in sonstiger Weise in ihre Hände gelangt ist.
IV. Verteilungspolitik Die Verteilungsproblematik hat als solche weder mit dem Geldbegriff noch mit dem Schuldenbegriff zu tun. Die Verteilung ist eine Frage der Gesetze im Rahmen des verfassungsmäßigen Sozial- und Wirtschaftssystems. Es ist dem Geschick des Gesetzgebers und der Verwaltung überantwortet, die Verteilung des Geldes so zu steuern, daß die Geschäfte der Volkswirtschaft bestmöglich mit dem Tauschmittel Geld alimentiert werden. Dabei sollten die vom Staat selbst ausgegebenen Zentralbankgelder weder unmittelbar noch mittelbar den Banken zugespielt werden, soweit das nicht durch die der Volkswirtschaft dienenden Aufgaben der Banken geboten ist. Richtig ist neben den privaten, gewinnorientierten Geschäftsbanken die Einrichtung staatlicher Geldinstitute, die nach genauen Regeln im Interesse des Gemeinwohls agieren. Die Geschäftsbanken sollten keinesfalls ,gerettet‘ werden. Keine Bank ist too big to fail, wenn das Finanzsystem sachgerecht geordnet ist, wenn insbesondere die Kreditgeldschöpfung der Banken unterbunden oder auf das Maß beschränkt wird, das für die Realwirtschaft erforderlich ist. Das ist auch eine Frage der Gesetze, also des Rechts. Die Abgaben, vor allem Steuern, werden nicht nur für die Einnahmen des Staates genutzt, sondern auch eingesetzt, um die Steuerpflichtigen für die Staatsfinanzierung je nach Leistungsfähigkeit, also unterschiedlich in Anspruch zu nehmen. Der Fiskus nimmt, was er bekommt. Die Verbrauchsteuern und Lenkungssteuern sollen zugleich das Handeln beeinflussen. Die hohen Umsatzsteuern vernachlässigen das verteilungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip294 des Steuerrechts bedenklich. Zudem mindern die Steuern die Kaufkraft des privaten Sektors und erhöhen den des staatlichen Sektors mit gänzlich anderen Verteilungswirkungen, nicht denen des Marktes, sondern denen des Gesetzes295. Der Markt ordnet die Wirtschaft nicht aus sich heraus. Gerechtigkeit bringt der Markt mittels Adam Smiths „unsichtbaren Hand“ schon gar nicht hervor. Das vermag nur die „sichtbare Hand des Rechts“ (Ernst-Joachim Mestmäcker) zu bewerkstelligen296. Die spontane Marktordnung, die Gerechtigkeit schafft, ist ein neoliberales Hirngespinst, das aber vom internationalen Kapitalismus durchaus gepflegt wird. 294 Dazu Karl Albrecht Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung. Rechtsgrundsätze versus Gerichtpraxis, 2004, S. 73 ff.; ders., Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer– ohne sachlichen Grund und ohne rechtes Maß, in: P. Kirchhof/H. Nieskens, Festschrift für Wolfram Reiß (65), 2008, S. 101 ff., 109 ff.; weitere Hinweise in Fn. 211. 295 Günther Grunert, Sollte sich die Linke von MMT distanzieren? S. 4 f., 7. 296 Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 39, 228 ff., 231 ff.; Karl Albrecht Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 349; ders., Die nationale Option, S. 342 ff.
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L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat
Die Ordnung der Gemeinwesen bedarf um des guten Lebens willen der Politik. Diese ist eine Kunst, die freilich kaum ein ,Politiker‘ beherrscht. Alan Greenspan, neoliberaler Finanzwissenschaftler, gut 18 Jahre als Chef der Federal Reserve Bank, der FED, einer der mächtigsten Männer, wenn nicht der mächtigste Mann der Welt, vertraute ganz den Selbstheilungskräften des Marktes. Er hat in einer Anhörung vor dem US-amerikanischen Kongress zur Finanzkrise 2008 zugestanden, die Finanzkrise stelle für ihn einen Beleg dafür dar, daß sich der konzeptuelle Rahmen, indem sich sein volkswirtschaftliches Denken über die letzten vierzig Jahre bewegte, sein Marktfundamentalismus, als falsch erwiesen habe297. Damit die Menschen leben können, müssen Lebensmittel erarbeitet werden, Nahrung, Kleidung, Wohnungen, Infrastruktur usw. Die erforderliche Arbeit kann auf unterschiedliche Weise motiviert werden, etwa durch Schläge (Sklaven), durch Belobigungen (Held der Arbeit), durch Anerkennung (eine soziale Währung), durch Pflicht zur Schuldentilgung (eine sanktionsbewehrte Rechtspflicht), durch sittliche Pflicht usw. Diese Mittel sind entweder verboten oder genügen nicht, um die für das Gemeinwesen erforderlichen Arbeiten zu bewirken. Die Erwirtschaftung des Lebensunterhalts wird immer ein wichtiges Motiv für Arbeit sein. Es gibt ein Recht auf Arbeit, aber auch eine Pflicht zur Arbeit298. Eines anderen Geldsystems, etwa des fließenden Geldes, eine Art Schwundgeld, bedarf es dafür nicht. Die Konsumkraft des erarbeiteten Einkommens wird bei jedem Kauf durch die Umsatzsteuer reduziert, obwohl bereits die Einkommensteuer die Kaufkraft des Entgeltes für die Arbeit kräftig reduziert hat. Andere Steuern kommen hinzu. Ob der Staat das Geld im Rahmen der Geldausgabe behält oder ob er von den Privaten einschließlich der Unternehmen von ihm hergestelltes Geld mittels Steuern zurücknimmt, ist für die Geld- und Staatsschuldenbegriffe gleichgültig, nicht für die Verteilungstechnik. Ob die Verteilung des Geldes besser in der einen oder der anderen Technik oder in der praktizierten Mischtechnik gelingt, steht dahin. Hier geht es um den Begriff der Staatsschulden.
V. Plakative Kritik der Staatsschuldendoktrin Das Volk kann keine Schulden gegen sich selbst als Gläubiger haben. Der Gläubiger ist der Staat als Organisation des Volkes für die Verwirklichung des gemeinen Wohls und dieser Staat ist auch der Schuldner. Das Volk sind die Bürger, jeder einzelne und alle zusammen als Staat. Wenn das Volk die vermeintlichen Schulden an den Staat als das Volk zurückzahlt, zahlt das Volk an das Volk zurück, an alle Bürger 297
Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 226, die auf Irwin, Neil & Paley, Amit R. (2008) „Greenspan says he was wrong on regulation“, in: Washington Post 24. Oktober 2008, hinweisen. 298 Karl Albrecht Schachtschneider, Recht auf Arbeit – Pflicht zur Arbeit, in: ders./H. Piper/ M. Hübsch (Hrsg.), Transport – Wirtschaft – Recht, Gedächtnisschrift für Johann G. Helm, 2001, S. 827 ff.
V. Plakative Kritik der Staatsschuldendoktrin
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gemeinsam als den Staat. Gegebenenfalls wird der einzelne Bürger nach seinen Möglichkeiten in Anspruch genommen, nämlich gemäß seinem Beitrag zur Finanzierung des Staates, vornehmlich durch Steuern. Jeder Bürger erhält zur Erfüllung der Forderung, die er gemeinsam mit den anderen Bürgern gegen seinen Staat hat, seinen Anteil an der Zahlung. Jeder Bürger erhält prinzipiell den gleichen Teil, aber eben differenziert nach den Verteilungsregelungen des Staates, Steuerentlastungen, Sozialleistungen, Sachleistungen, Infrastruktur, Polizei, Schulen, Hochschulen usw. Das vermittelt wiederum der Staat als die organisierte Bürgerschaft299. Die Trennung von Staat und Gesellschaft ist Folge der freiheitswidrigen, republikwidrigen Herrschaftsdoktrin300 mit erheblichen Folgen für die Rechtsordnung. Die sogenannte Budgethoheit des Parlaments, das das Volk vertritt, ist die Budgethoheit des Volkes, die Hoheit des Volkes über sein Geld, das Geld des Staates. Die Bürger könnten, als Volk vereint, auch gleich das Geld, das sie zur Tilgung der Schulden des Volkes zahlen, nach Maßgabe der Rechte und Pflichten zuteilenden Gesetze behalten; denn sie zahlen gewissermaßen an sich selbst als die Gläubiger, wenn sie an den Staat zahlen, nämlich, wenn ,Staatsschulden‘ an dessen Zentralbank beglichen werden. Freilich benötigt der Staat immer wieder Geld. Aber die vermeintliche Schuld müßte nicht von der Bürgerschaft als Staat beglichen werden. Der Staat kann sich ohnehin bei seiner Zentralbank mit Geld versorgen. Die ,Schulden‘ des Staates bei seiner Zentralbank sind eben keine Schulden, deren Begriff es ist, eine Pflicht des Schuldners zu einer Leistung zu sein, im Falle der Darlehensschuld eine Pflicht zur Rückzahlung eines Geldbetrages (§§ 241 Abs. 1, 488 Abs. 1 BGB). Die alarmistische Auffassung, daß die Nachkommen, „unsere Enkel“, die Schulden tilgen müßten, die der übermäßige Verbrauch der gegenwärtig lebenden Menschen hinterläßt, ist Propaganda301, wie der ganze Privatismus der Unternehmenstheorie „neoliberales Trommelfeuer seitens der Leitmedien ist, dass marktkonforme Ideen als alternativlos gelten und Menschen ihr Denken und Handeln 299 Zum Staatsbegriff Karl Albrecht Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 19, 20, 55 ff., 167; ders., Freiheit in der Republik, S. 243, 450; ders., Souveränität, S. 249, 265 ff., 308, 322, 428. 300 Karl Albrecht Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 207 ff. 301 Die Auffassung ist auch auf der Grundlage der üblichen Schuldentheorie brüchig, wenn mit den Krediten Investitionen finanziert werden, die das Wachstum und damit den Wohlstand des Gemeinwesens stärken, vgl. Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./30. Juni 2019, Nr. 122, S. 54, die auf Michael Hüther hinweisen; auch Martin Greive/Thomas Sigmund, Schuldendebatte. Was erlauben Hüther?, Handelsblatt 14./15./16. Februar 2020, S. 7, die auf die Bedenken gegen den von Michael Hüther vorgeschlagenen Investitionsfonds von 450 Milliarden Euro, vom Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Bundesverband der Deutschen Industrie unterstützt, hinweisen, die der Außenhandelsverband BGA und der Verband der Familienunternehmer dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages unterbreitet haben, die die „Rückkehr in den Schuldenstaat“ fürchten und der „Ausgabendisziplin“ der Politiker, wenn das Geld nicht knapp sei, nicht vertrauen, letzteres zu Recht, weil entgegen Hüthers Optimismus in die Vernunft der Wähler diese auf Wahlgeschenke genauso reagieren, wie die Politiker es erwarten.
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L. Doktrin von Schulden des Staates gegenüber dem Staat
zunehmend an solchen Ideen ausrichten“302. Den Bürgern fehlt der Durchblick durch das Geldwesen ihres Staates, viele Geldtheoretiker und Geldpolitiker suchen ihn nicht, die Profiteure des neoliberalen Kapitalismus verhindern die Erkenntnisse so gut sie können. Die vor allem den Banken nützliche Irrlehre der Staatsschulden des Staates gegenüber seiner Zentralbank haben Ökonomiker, vielfach unwissend, oft interessiert, in der Öffentlichkeit zu einem Aberglauben (Rüdiger Volkmar Tiedtke) stilisiert. Auch Ökonomiker schreiben ab, was in den Lehrbüchern steht, und machen sich nicht alle die Mühe, den ökonomischen Verhältnissen auf den Grund zu gehen. Meist haben sie dafür mangels hinreichender Kenntnisse vom Staat nicht das Rüstzeug. Kritische Köpfe werden ignoriert, weil sie denen, die von den Irrlehren profitieren, nicht nützen. Die haben aber meist das Geld und die Macht. Das Handelsblatt war eine Kultstätte dieses Mythos der systemgefährdenden Staatsschulden, scheint aber seit dem mehrfach zitierten Artikel von Ruth Berschens u. a., Comeback der Schulden. Das gefährliche Vergessen, Handelsblatt, 28./29./ 30. Juni 2019, Nr. 122, S. 52 ff., von diesem Mythos abzurücken. Sie stellen eine Äußerung von Olivier Blanchard, Ex-Chefvolkswirt des IWF, heraus: „Was immer es für eine Notwendigkeit gegeben haben mag, die Staatsschulden zu reduzieren, so ist sie vorbei“.
302 Heiner Flassbeck/Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung, S. 358; kritisch auch Wilhelm Hankel, Die Euro Lüge, S. 38 ff.
Anhang 1 Zu Fn. 15, 266: BVerfGE 142, 123 ff., Rnrn. 198 ff. „a) In seinem Urteil vom 16. Juni 2015 bekräftigt der Gerichtshof nicht nur, dass den Verträgen ein Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung zugrunde liegt; er erkennt auch an, dass sich aus Art. 123 Abs. 1 AEUV ein Umgehungsverbot ableiten lässt. Staatsanleihen dürften auch am Sekundärmarkt nicht erworben werden, wenn dies die gleiche Wirkung wie ein unmittelbarer Erwerb von den emittierenden Körperschaften habe (EuGH C-62/14, Rn. 97). Zur Gewährleistung der Einhaltung dieses Verbots „muss die EZB, wie der Generalanwalt in Nr. 227 seiner Schlussanträge betont hat, wenn sie Staatsanleihen an den Sekundärmärkten erwirbt, ihr Tätigwerden mit hinreichenden Garantien versehen, um sicherzustellen, dass es mit dem in Art. 123 Abs. 1 AEUV festgelegten Verbot der monetären Finanzierung in Einklang steht“ (EuGH C-62/14, Rn. 102). Daraus sowie aus den in Bezug genommenen Ausführungen des Generalanwalts (Schlussanträge GA Cruz Villalòn vom 14. Januar 2015 zu EuGH, C-62/14, EU:C:2015:7, Rn. 227) ergibt sich, dass der Gerichtshof diese einschränkenden Parameter als rechtsverbindliche Maßgaben ansieht. Zu deren näherer Bestimmung lässt sich der Gerichtshof von dem mit Art. 123 AEUV verfolgten Zweck leiten (vgl. EuGH, Gauweiler, a.a.O., Rn. 98 ff.). Aus diesem Zweck leitet er ab, dass Anleihen nicht am Primärmarkt erworben werden dürfen, der Erwerb am Sekundärmarkt den betroffenen Mitgliedstaaten nicht die Gewissheit geben darf, dass ihre Anleihen durch das ESZB erworben werden, und dass der Erwerb den betroffenen Mitgliedstaaten nicht den Anreiz nehmen darf, eine gesunde Haushaltspolitik zu verfolgen (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 103, 104 und 107). Unabhängig davon, dass das Programm nach Auffassung des Gerichtshofs nicht in einer Weise durchgeführt werden darf, durch die eine Harmonisierung der Zinssätze unabhängig von den Unterschieden bewirkt würde, die sich aus der makroökonomischen Lage oder der Haushaltslage der Staaten ergeben (EuGH C-62/14, Rn. 113), lassen sich dem Urteil des Gerichtshofs folgende Maßgaben für das OMT-Programm entnehmen: Ankäufe dürfen nicht angekündigt werden (Rn. 106). Das Volumen der Ankäufe ist zu begrenzen (Rn. 106). Zwischen der Emission eines Schuldtitels und seinem Ankauf durch das ESZB muss eine im Voraus festgelegte Mindestfrist liegen, die verhindert, dass die Emissionsbedingungen verfälscht werden Rn. 106 f.). Es dürfen nur Schuldtitel von Mitgliedstaaten erworben werden, die einen ihre Finanzierung ermöglichenden Zugang zum Anleihemarkt haben (Rn. 116 und 119). Erworbene Schuldtitel dürfen nur ausnahmsweise bis zur Endfälligkeit gehalten werden (Rn. 117 f.). Ankäufe müssen begrenzt oder eingestellt, erworbene Schuldtitel müssen wieder dem Markt zugeführt werden, wenn eine Fortsetzung der Intervention oder ein weiteres Halten der Schuldtitel zur Verwirklichung der geldpolitischen Ziele nicht erforderlich ist (Rn. 112 ff., 117 ff.). Da diese Maßgaben sicherstellen sollen, dass die emittierenden Mitgliedstaaten keine Gewissheit haben, dass ihre Anleihen durch das ESZB erworben werden (vgl. EuGH, Gauweiler, a.a.O., Rn. 104 und 106), können sie nur so verstanden werden, dass die Rahmenbe-
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dingungen einer bestimmten Sekundärmarktintervention solange nicht veröffentlicht werden dürfen, bis diese abgeschlossen ist. b) In dieser Auslegung entspricht das OMT-Programm bei wertender Gesamtbetrachtung den Anforderungen, die der Senat im Vorlagebeschluss vom 14. Januar 2014 formuliert hat (vgl. BVerfGE 134, 366 [416 f. Rn. 99 f.]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem in Art. 123 Abs. 1 AEUV normierten Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung um eine fundamentale Regel der Währungsunion handelt (vgl. BVerfGE 134, 366 [394 Rn. 43]), deren Ausnahmen nach den allgemeinen, vom Gerichtshof anerkannten Grundsätzen (siehe oben Rn. 159) eng auszulegen sind (vgl. Schlussanträge GA Cruz Villalòn vom 14. Januar 2015, a.a.O., Rn. 219). aa) Eingriffe in die Preisbildung am Markt werden in ihrer Wirkung dadurch reduziert, dass die Entscheidung, bestimmte Anleihen zu erwerben, und das Volumen der geplanten Ankäufe nicht angekündigt werden dürfen (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 106). Ferner muss zwischen der Emission eines Schuldtitels und dessen Ankauf im Rahmen des OMT-Programms eine im Voraus festgelegte Mindestfrist liegen, die verhindert, dass die Emissionsbedingungen verfälscht werden (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 106 f.). Schließlich dürfen die Marktteilnehmer keine Gewissheit haben, dass erworbene Anleihen bis zur Endfälligkeit gehalten werden (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 117 f.). Dies setzt ebenso wie das Verbot, durch ein Halten bis zur Endfälligkeit gezielt Ausfallrisiken zu übernehmen, voraus, dass der nur vorübergehende Erwerb die Regel bleibt. bb) Eine Begrenzung des Volumens des Ankaufs von Anleihen einzelner Mitgliedstaaten wird, über die in den am 6. September 2012 beschlossenen Rahmenbedingungen hinaus, dadurch erreicht, dass der Umfang einer Sekundärmarktintervention vorab festgelegt werden muss, aber nicht angekündigt werden darf (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 106). Ändert der betroffene Mitgliedstaat sein Ausgabeverhalten, muss darauf gegebenenfalls reagiert werden (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 117). cc) Zwar sieht der Gerichtshof, anders als der Senat (vgl. BVerfGE 134, 366 [412 f. Rn. 88 f.]), in der Möglichkeit eines Schuldenschnitts kein Spannungsverhältnis zum Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 126; anders Steinbach, The Yale Journal of International Law Online 39 [2013], S. 15 [30]; vgl. auch Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, 2015, § 4 Rn. 76). Allerdings seien Ankäufe von Staatsanleihen nur solcher Mitgliedstaaten zulässig, die Zugang zum Anleihemarkt hätten (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 86), womit der Gerichtshof über die im Grundsatzbeschluss über das OMTProgramm formulierten Rahmenbedingungen hinausgeht, die diese Anforderung nur für bestimmte Fälle vorsehen. Das schlösse Anleihen von Mitgliedstaaten in zerrütteter finanzieller Lage aus (vgl. EuGH C-62/14, Rn. 119; Ohler, NVwZ 2015, S. 1001 [1005]). Dass die Europäische Zentralbank, wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2016 dargelegt hat, einem Schuldenschnitt nicht zustimmen würde, spricht für eine solche Einschätzung. 3. Da sich das OMT-Programm vor diesem Hintergrund nur dann nicht als Ultra-vires-Akt darstellt, wenn der vom Gerichtshof bestimmte Rahmen beachtet wird, darf sich die Deutsche Bundesbank an seiner Durchführung nur beteiligen, wenn sich die Durchführungsakte innerhalb des vom Gerichtshof aufgezeigten Rahmens halten (a). Sollten bei Durchführung des OMT-Programms diese Maßgaben nicht beachtet werden, wären Bundesregierung und Bundestag zum Einschreiten verpflichtet (b). a) Die Deutsche Bundesbank darf sich an einer künftigen Durchführung des OMT-Programms nur beteiligen, wenn und soweit die vom Gerichtshof aufgestellten Maßgaben
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(Rn. 199) erfüllt sind, das heißt wenn Ankäufe nicht angekündigt werden, das Volumen der Ankäufe im Voraus begrenzt ist, zwischen der Emission eines Schuldtitels und seinem Ankauf durch das ESZB eine im Voraus festgelegte Mindestfrist liegt, die verhindert, dass die Emissionsbedingungen verfälscht werden, nur Schuldtitel von Mitgliedstaaten erworben werden, die einen ihre Finanzierung ermöglichenden Zugang zum Anleihemarkt haben, die erworbenen Schuldtitel nur ausnahmsweise bis zur Endfälligkeit gehalten werden und die Ankäufe begrenzt oder eingestellt werden und erworbene Schuldtitel wieder dem Markt zugeführt werden, wenn eine Fortsetzung der Intervention nicht erforderlich ist. Sollte eine Durchführung des Grundsatzbeschlusses des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 diese Konditionen nicht erfüllen, stellte sie sich als hinreichend qualifizierte Kompetenzüberschreitung im Sinne der Ultra-vires-Kontrolle dar (vgl. BVerfGE 134, 366 [392 ff. Rn. 36 ff., 398 ff. Rn. 55 ff.)). b) Da es sich beim Grundsatzbeschluss über das OMT-Programm vom 6. September 2012 in der vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommenen und hier zugrundegelegten Konkretisierung nicht um einen Ultra-vires-Akt handelt, bestand auch keine Verpflichtung von Bundesregierung und Bundestag, diesem Beschluss im Rahmen ihrer Integrationsverantwortung entgegenzutreten.“
Anhang 2 Zu Fn. 163 BVerfGE 129, 124 ff. 127 „a) Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Zusammenhang mit der zur Verwirklichung eines vereinten Europas erstrebten Öffnung der staatlichen Herrschaftsordnung hin zur Europäischen Union (vgl. Art. 23 GG) auf verfassungsrechtliche Schranken hingewiesen, die das Grundgesetz gegenüber einer parlamentarischen Selbstbeschränkung des Budgetrechts errichtet (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 97, 350 ). Danach läge eine das Demokratieprinzip und das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag verletzende Übertragung wesentlicher Bestandteile des Budgetrechts des Bundestages jedenfalls dann vor, wenn die Festlegung über Art und Höhe der den Bürger treffenden Abgaben in wesentlichem Umfang supranationalisiert und damit der Dispositionsbefugnis des Bundestages entzogen würde (vgl. BVerfGE 123, 267 )“. 128 „Eine notwendige Bedingung für die Sicherung politischer Freiräume im Sinne des Identitätskerns der Verfassung (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG) besteht darin, dass der Haushaltsgesetzgeber seine Entscheidungen über Einnahmen und Ausgaben frei von Fremdbestimmung seitens der Organe und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union trifft und dauerhaft „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt. Zu diesem Grundsatz stehen Gewährleistungsermächtigungen, mit denen die Zahlungsfähigkeit anderer Mitgliedstaaten abgesichert werden soll, in einem erheblichen Spannungsverhältnis. Es ist zwar in erster Linie Sache des Bundestages selbst, in Abwägung aktueller Bedürfnisse mit den Risiken mittel- und langfristiger Gewährleistungen darüber zu befinden, in welcher Gesamthöhe Gewährleistungssummen noch verantwortbar sind (vgl. BVerfGE 79, 311 ; 119, 96 ). Aus der demokratischen Verankerung der Haushaltsautonomie folgt jedoch, dass der Bundestag einem intergouvernemental oder supranational vereinbarten, nicht an strikte Vorgaben gebundenen und in seinen Auswirkungen nicht begrenzten Bürgschafts- oder Leistungsautomatismus nicht zustimmen darf, der - einmal in Gang gesetzt - seiner Kontrolle und Einwirkung entzogen ist. Würde der Bundestag in erheblichem Umfang zu Gewährleistungsübernahmen pauschal ermächtigen, könnten fiskalische Dispositionen anderer Mitgliedstaaten zu irreversiblen, unter Umständen massiven Einschränkungen der nationalen politischen Gestaltungsräume führen“. 129 „Daher dürfen keine dauerhaften völkervertragsrechtlichen Mechanismen begründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind. Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs im internationalen oder unionalen Bereich muss vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden. Soweit überstaatliche Vereinbarungen getroffen werden, die aufgrund ihrer Größenordnungen für das Budgetrecht von struktureller Bedeutung sein können, etwa durch Übernahme von Bürgschaften, deren Einlösung die Haushaltsautonomie gefährden kann, oder durch Beteiligung an entsprechenden Finanzsicherungssystemen, bedarf nicht nur jede einzelne Disposition der Zustimmung des Bundestages; es muss darüber hinaus gesichert sein, dass weiterhin hinrei-
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chender parlamentarischer Einfluss auf die Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln besteht. Die den Deutschen Bundestag im Hinblick auf die Übertragung von Kompetenzen auf die Europäische Union treffende Integrationsverantwortung (vgl. BVerfGE 123, 267 ) findet hierin ihre Entsprechung für haushaltswirksame Maßnahmen vergleichbaren Gewichts“. 130 „b) Die Bestimmungen der europäischen Verträge stehen dem Verständnis der nationalen Haushaltsautonomie als einer wesentlichen, nicht entäußerbaren Kompetenz der unmittelbar demokratisch legitimierten Parlamente der Mitgliedstaaten nicht entgegen, sondern setzen sie voraus. Ihre strikte Beachtung gewährleistet, dass die Handlungen der Organe der Europäischen Union in und für Deutschland über eine hinreichende demokratische Legitimation verfügen (BVerfGE 89, 155 ; 97, 350 ). Die vertragliche Konzeption der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft ist Grundlage und Gegenstand des deutschen Zustimmungsgesetzes (BVerfGE 89, 155 ). Die Verträge laufen dabei nicht nur hinsichtlich der Währungsstabilität mit den Anforderungen des Art. 88 Satz 2 GG, gegebenenfalls auch des Art. 14 Abs. 1 GG, parallel, der die Beachtung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und das vorrangige Ziel der Preisstabilität zu dauerhaft geltenden Verfassungsanforderungen einer deutschen Beteiligung an der Währungsunion macht (vgl. Art. 127 Abs. 1, Art. 130 AEUV). Auch weitere zentrale Vorschriften zur Ausgestaltung der Währungsunion sichern unionsrechtlich verfassungsrechtliche Anforderungen des Demokratiegebots. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere das Verbot des unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln öffentlicher Einrichtungen durch die Europäische Zentralbank, das Verbot der Haftungsübernahme (Bail-out-Klausel) und die Stabilitätskriterien für eine tragfähige Haushaltswirtschaft (Art. 123 bis 126, Art. 136 AEUV). Ohne dass es hier auf die Auslegung dieser Bestimmungen im Einzelnen ankäme, lässt sich ihnen doch entnehmen, dass die Eigenständigkeit der nationalen Haushalte für die gegenwärtige Ausgestaltung der Währungsunion konstitutiv ist, und dass eine die Legitimationsgrundlagen des Staatenverbundes überdehnende Haftungsübernahme für finanzwirksame Willensentschließungen anderer Mitgliedstaaten - durch direkte oder indirekte Vergemeinschaftung von Staatsschulden - verhindert werden soll“. 131 „3. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bei der Feststellung einer verbotenen Entäußerung der Haushaltsautonomie im Hinblick auf den Umfang der Gewährleistungsübernahme auf evidente Verletzungen zu beschränken und namentlich mit Blick auf das Eintrittsrisiko von Gewährleistungen einen Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers zu respektieren“. 132 „a) Die Beschränkung auf evidente Verletzungen gilt für die Frage, bis zu welcher Höhe eine Gewährleistungsübernahme unter dem Aspekt der Eintrittsrisiken und die dann zu erwartenden Folgen für die Handlungsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers noch verantwortbar ist. Ob und inwieweit sich unmittelbar aus dem Demokratieprinzip eine justiziable Begrenzung des Umfangs von Gewährleistungsermächtigungen herleiten lässt, ist fraglich. Anders als bei Kreditaufnahmen sieht Art. 115 Abs. 1 GG eine solche Begrenzung jedenfalls nicht explizit vor (vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rn. 78, 124, 241 f.; Wendt, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 115, Rn. 26; vorsichtiger zur alten Rechtslage Siekmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 115, Rn. 21, demzufolge Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen jedenfalls in Höhe der erfahrungsgemäß realisierten Zahlungsverpflichtungen der Kreditaufnahme ohne Einschränkung hinzugerechnet werden müssten). Inwieweit die durch das 57. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes im Jahre 2009 in das Grundgesetz aufgenommene sogenannte Schuldenbremse (Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG) dennoch
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zur Einhaltung von Obergrenzen zwingt, muss mit Blick auf die angegriffenen Gesetze nicht entschieden werden. Jedenfalls kommt es im vorliegenden Zusammenhang mit seiner allgemeinen Maßstäblichkeit aus dem Demokratieprinzip nur auf eine evidente Überschreitung von äußersten Grenzen an“. 133 „b) Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit für Gewährleistungen einstehen zu müssen, kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu, der vom Bundesverfassungsgericht zu respektieren ist. Entsprechendes gilt auch für die Abschätzung der künftigen Tragfähigkeit des Bundeshaushalts und des wirtschaftlichen Leistungsvermögens der Bundesrepublik Deutschland. Hier kann das Bundesverfassungsgericht sich nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle der zuvörderst dazu demokratisch berufenen Gesetzgebungskörperschaft setzen“. 134 „Das Wahlrecht aus Art. 38 Abs. 1 GG ist durch das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz und das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus nicht verletzt. Der Bundestag hat sein Budgetrecht nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise entleert und damit den substantiellen Bestimmungsgehalt des Demokratieprinzips mißachtet“. 135 „1. Soweit sich aus den durch Art. 79 Abs. 3 GG für unveränderbar erklärten demokratischen Grundsätzen des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG für Konstellationen wie die vorliegende ein Verbot entnehmen lässt, gegenwärtige oder künftige Haushalte des Bundes mit in der Höhe unverhältnismäßigen Verpflichtungen, und seien es auch nur Gewährleistungen, zu belasten, lässt sich eine Überschreitung einer solchen Belastungsgrenze jedenfalls hier nicht feststellen“. 136 „Eine unmittelbar aus dem Demokratieprinzip folgende Obergrenze für die Übernahme von Gewährleistungen könnte nur überschritten sein, wenn sich im Eintrittsfall die Gewährleistungen so auswirkten, dass die Haushaltsautonomie jedenfalls für einen nennenswerten Zeitraum nicht nur eingeschränkt würde, sondern praktisch vollständig leerliefe. Das kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die Einschätzung des Gesetzgebers, die in § 1 des EuroStabilisierungsmechanismus-Gesetzes ausgesprochene Gewährleistungsermächtigung in Höhe von 147,6 Milliarden Euro (123 Milliarden Euro + 20 %) sei auch in Addition zu der im Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz beschlossenen Gewährleistungsermächtigung zugunsten Griechenlands in Höhe von 22,4 Milliarden Euro haushaltswirtschaftlich hinnehmbar, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dasselbe gilt für die Erwartung, selbst im Fall der vollständigen Realisierung des Gewährleistungsrisikos wären die Verluste von rund 170 Milliarden Euro über Einnahmesteigerungen, Ausgabenkürzungen und über längerfristige Staatsanleihen, wenngleich möglicherweise unter Verlust von Wachstumsmöglichkeiten und Bonität mit entsprechenden Einnahmeverlusten und Risikoaufschlägen, noch refinanzierbar. Es kommt insoweit insbesondere nicht darauf an, ob die Gewährleistungssumme gegebenenfalls weit größer ist als der größte Haushaltstitel des Bundes und die Hälfte des Bundeshaushalts erheblich überschreitet, weil dies allein nicht der Maßstab einer verfassungsrechtlichen Begrenzung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers sein kann“. 137 „2. Keines der angegriffenen Gesetze begründet oder verfestigt einen Automatismus, durch den der Deutsche Bundestag sich seines Budgetrechts entäußern würde. Derzeit besteht keine Veranlassung, einen unumkehrbaren Prozess mit nachteiligen Konsequenzen für die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages anzunehmen“. 138 „a) Schon die geltenden Rechtsgrundlagen der Währungsunion, auf die beide angegriffenen Gesetze keinen Einfluss nehmen können, lassen einen Automatismus, durch den sich der Deutsche Bundestag seiner Haushaltsautonomie entäußern könnte, nicht zu. Alle rechtlichen wie tatsächlichen Auswirkungen der beiden angegriffenen Gesetze, insbesondere dieje-
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nigen der in ihnen angelegten weiteren Vollzugsschritte, werden maßgeblich beeinflusst durch die vertragliche Konzeption der Währungsunion. Deren Entwicklung ist voraussehbar normiert und parlamentarisch verantwortbar (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 97, 350 ; 123, 267 ). Das deutsche Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht (BGBl II 1992 S. 1253; mittlerweile in der Fassung des Vertrags von Lissabon, BGBl II 2008 S. 1038) gewährleistet nach wie vor verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland keinem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren Automatismus einer Haftungsgemeinschaft unterwirft (vgl. BVerfGE 89, 155 ). Faktische Veränderungen, die die Verbindlichkeit dieses rechtlichen Rahmens in Frage stellen könnten, sind verfassungsgerichtlich derzeit nicht feststellbar; dies gilt auch mit Blick auf die aktuelle Diskussion über Änderungen im Anreizsystem der Währungsunion“.
Anhang 3 Zu Fn. 145 BVerfGE 79, 311 ff., 2 BvF 1/82: Rn. 60 „Durch den 1967 eingefügten Art. 109 Abs. 2 GG sind Bund und Länder verpflichtet worden, bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Diese Verfassungsänderung wurde vom Erlaß des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (BGBl. I S. 582) begleitet. Ihr lag die auf der ökonomischen Theorie von J.M. Keynes beruhende Auffassung zugrunde, der Ablauf der seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beobachtenden kontinuierlichen Konjunkturzyklen lasse sich durch fiskalpolitische Maßnahmen des Staates beeinflussen; daher sei es – zumal in den modernen Industriestaaten – ökonomisch angezeigt und politisch geboten, die staatliche Haushalts- und Finanzpolitik im Interesse der Konjunkturstabilisierung auf eine antizyklische Steuerung des Konjunkturablaufs auszurichten und ihr die dazu notwendigen rechtlichen Instrumentarien zu verschaffen. Da die Konjunkturpolitik immer stärker auf die Wirtschaftsentwicklung in mehrjährigen Zeiträumen Bedacht zu nehmen habe und das konjunkturpolitische Raffen und Strecken von Ausgaben in eine mittelfristige Wirtschaftspolitik einzuordnen sei, sollten die Jahreshaushalte als Teile einer mehrjährigen Finanzplanung konzipiert werden“ Rn. 66 „Der bislang geltende objektbezogene Deckungsgrundsatz führe zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Verwirklichung einer Art. 109 Abs. 2 GG entsprechenden antizyklischen Finanzpolitik. In der Neufassung bezeichneten die Worte „in der Regel“ eine gesamtwirtschaftliche „Normallage“, bei deren Vorliegen der Umfang der Kreditaufnahme auf den Höchstbetrag der veranschlagten Ausgaben für Investitionen beschränkt sei. Demgegenüber dürfe diese Grenze etwa im Falle einer das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit überschritten werden“ Rn. 70 „Für die Normallage wird die Kreditaufnahme nicht ausgeschlossen. Sie wird vielmehr grundsätzlich zugelassen, aber nach Maßgabe dessen eingeschränkt, was in Wahrung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts geboten erscheint; diesen Erfordernissen ist Rechnung zu tragen. Hiernach kann beispielsweise die Kreditaufnahme gering zu halten oder eine im gesamtwirtschaftlichen Interesse eingegangene erhebliche Verschuldung zurückzuführen sein, falls ein solches Haushaltsgebaren im Hinblick auf eine an der Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ausgerichtete mittelfristige Wirtschaftspolitik vonnöten erscheint. Im übrigen läßt die Verfassung Raum für die traditionelle Bedarfsdeckungsfunktion des Haushalts und damit für die Vielzahl ausgabenintensiver politischer Zwecke, denen die Bedarfsdeckung dient“ Rn. 81 „Der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, der auch in Art. 104 a Abs. 4 und Art. 109 Abs. 4 GG verwendet wird, ist in der Verfassung nicht näher definiert. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 109 Abs. 2 GG geht hervor, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber in der gleichzeitig entstandenen Vorschrift des § 1 Satz 2 StWG eine zutreffende Umschreibung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sah, daß er aber die dortigen vier
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wirtschaftspolitischen Teilziele (Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum) nicht im Grundgesetz festschreiben wollte, um dieses für künftige Fortentwicklungen der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnis offenzuhalten (5. Deutscher Bundestag, Beratungen des Rechtsausschusses, 17. Sitzung am 22. September 1966, StenProt., S. 13 ff., 38 ff.; 49 ff.; vgl. auch zu BTDrucks. V/1686, S. 3). Demnach stellt der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts einen unbestimmten Verfassungsbegriff dar, der einen in die Zeit hinein offenen Vorbehalt für die Aufnahme neuer, gesicherter Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften als zuständiger Fachdisziplin enthält. Da indessen nach deren gegenwärtigem Kenntnisstand gesicherte abweichende Erkenntnisse nicht vorliegen, kann zur Konkretisierung dieses Begriffs weiterhin auf die Teilziele des § 1 Abs. 2 StWG zurückgegriffen werden (vgl. auch FischerMenshausen, a.a.O., Rdnr. 10 zu Art. 109 GG m.w.N.)“. Rn. 114 „Das normative Regelungskonzept des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zielt in beiden Halbsätzen im Rahmen der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG) auf eine Begrenzung zulässiger Staatsverschuldung. Zu seiner vollen Realisierung ist es, wie dargelegt (siehe oben I 3,S. 335 ff.), an die in Art. 115 Abs. 1 Satz 3 GG vorgesehene ausführende Gesetzgebung gebunden. Ohne eine solche bleibt es, trotz seiner fundamentalen Bedeutung für die Sicherung und Handlungsfähigkeit des modernen Leistungs- und Sozialstaates, unvollständig und teilweise wirkungslos. Das vorliegende Verfahren gibt Anlaß, den Gesetzgeber an die vollständige Erfüllung dieses Gesetzgebungsauftrags, der – anders als etwa in Art. 112 Satz 3 GG – nicht als bloße Ermächtigung formuliert ist, zu erinnern“ Rn. 116 „Nach § 51 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 28. März 1849 wurde die Reichsgewalt nur „in außerordentlichen Fällen“ zur Staatsverschuldung für befugt erklärt, und Art. 73 der Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 machte die Kreditaufnahme von einem „außerordentlichen Bedürfnis“ abhängig“ Rn. 117 „Hinter all diesen Regelungen stand die – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem von Lorenz v. Stein und Adolph Wagner vertretene – Maxime, daß nicht schon jede die Zukunft begünstigende Ausgabe einer Kreditfinanzierung zugänglich sei. Ausgaben für Investitionen, die durch den gegenwärtigen Bereich der Staatstätigkeit und das bestehende Verwaltungssystem laufend anfielen, gehörten zum ordentlichen Finanzbedarf und seien durch Steuern zu finanzieren. Nur einmalige und besondere Aufwendungen, worunter hauptsächlich Investitionen in staatliche Erwerbsunternehmen, die einen Ertrag erwarten ließen, gezählt wurden, sollten einer Kreditfinanzierung zugänglich sein, allerdings keineswegs notwendig in vollem Umfang (vgl. etwa L. v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 1, 5. Aufl., 1885, S. 230 ff.; A. Wagner, Finanzwissenschaft, 1. Theil, 3. Aufl., 1883, S. 135 – 139)“ Rn. 118 „Die praktische Handhabung der Regelungen, nicht zuletzt des Art. 87 WRV und des Art. 115 a.F. GG, ließ jedoch dieses normative Konzept der Begrenzung der Staatsverschuldung in den Hintergrund treten, indem die Begriffe „außerordentlicher Bedarf“ und „werbende Zwecke“ weit ausgelegt wurden, so daß in der Praxis zunehmend auch laufende Investitionsausgaben und solche Investitionen, die keinen eigenen finanziellen Ertrag erwarten ließen, kreditfinanziert werden konnten. Die Haushaltsreform des Jahres 1969 ließ dann im Übergang zur konjunkturorientierten staatlichen Finanzpolitik diese ältere, durch die Praxis weithin ausgehöhlte Begrenzung der Kreditaufnahme fallen; die Kreditaufnahme wurde zu einem nicht mehr von einem außerordentlichen Bedarf abhängigen Finanzierungsinstrument gemacht, und sie wurde dabei bis zur Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für jegliche, nicht nur für besonders geartete Investitionen zugelassen. Die Begrenzung dieser Verschuldung sollte darin liegen, daß im Rahmen der zulässigen Höchstgrenze des Art. 115
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Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GG die Kreditaufnahme nicht ohne weiteres freigegeben, sondern an den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nach Art. 109 Abs. 2 GG auszurichten ist. Diese normative Vorgabe hat sich allerdings in der Praxis als zu unbestimmt erwiesen, um aus sich heraus vollziehbar zu sein“. Rn. 121 „Von Art. 109 Abs. 2 GG soll für die staatliche Kreditaufnahme schon vor und außerhalb der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine Regulierungsfunktion ausgehen. Sie soll u. a. verhindern, daß sich – jeweils unterhalb der Höchstgrenze des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GG – ein stetig wachsender Schuldensockel bildet, der schließlich die Fähigkeit des Staatshaushalts, auf die Probleme der Gegenwart und der Zukunft zu reagieren, in Frage stellt. Diese Regulierungsfunktion gewinnt um so mehr an Gewicht, je weiter der die Höchstgrenze staatlicher Kreditaufnahme außerhalb einer gesamtwirtschaftlichen Störungslage ausweisende Investitionsbegriff des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG gefaßt wird. Sie kann sich indes praktisch nicht entfalten, solange eine Regelung fehlt, die handhabbare Orientierungen dafür festlegt, ob und in welchem Umfang in einer gesamtwirtschaftlichen Normallage unter den Gesichtspunkten des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine staatliche Kreditaufnahme als unbedenklich angesehen werden kann, einer besonderen Rechtfertigung bedarf oder ausgeschlossen sein muß; hierbei ist auch die Verwendung des sogenannten Bundesbankgewinns zur Ausgabenfinanzierung – in der Wirkung einer Kreditaufnahme bei der Notenbank ohne Zins- und Tilgungsverpflichtung gleichkommend – zu bedenken. Es mag sein, daß eine solche gesetzliche Regelung angesichts der Unbestimmtheit und der dynamischen Komponente des Begriffs gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht sowie der begrenzten Vorhersehbarkeit wirtschaftlicher Konstellationen einer in die Weltwirtschaft verflochtenen nationalen Volkswirtschaft in bestimmtem Umfang über verfahrensmäßige Vorkehrungen einschließlich der Festlegung von Begründungspflichten nicht wird hinausgehen können. Auch dann ist sie aber als Mittel und Weg zur Begrenzung der Staatsverschuldung nicht wirkungslos; sie hält den Haushaltsgesetzgeber zur Rechenschaft vor sich selbst an, und zwar im Zusammenhang einer öffentlichen Meinungs- und Willensbildung“.
Anhang 4 Zu Fn. 9 u. ö. BVerfG 2 BvR 859/15 u. a., Urteil vom 5. Mai 2020, Rnrn. 116 bis 123 116 „Nach diesen Maßstäben haben Bundesregierung und Deutscher Bundestag die Beschwerdeführer zu I. bis III. in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletzt, soweit sie es unterlassen haben, geeignete Maßnahmen dagegen zu ergreifen, dass die EZB im Beschluss (EU) 2015/774, geändert durch die Beschlüsse (EU) 2015/2101, (EU) 2015/2464, (EU) 2016/702 und (EU) 2017/100 weder geprüft noch dargelegt hat, dass die beschlossenen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Der Beschluss (EU) 2015/774 und die ihn abändernden Beschlüsse (EU) 2015/2101, (EU) 2015/2464, (EU) 2016/702, (EU) 2017/100 stellen deshalb eine qualifizierte, weil offensichtliche und strukturell bedeutsame Überschreitung der der EZB in Art. 119, Art. 127 ff. AEUV und Art. 17 ff. ESZB-Satzung zugewiesenen Kompetenzen dar. Dem steht die anderweitige Auffassung des Gerichtshofs im Urteil vom 11. Dezember 2018 nicht entgegen, da das Urteil in diesem Punkt schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und insoweit ultra vires ergangen ist (1.). Dagegen kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Verhältnismäßigkeit der Beschlüsse im konkreten Fall gegeben ist (2.). Die Auslegung von Art. 123 AEUV durch den Gerichtshof hält sich – trotz nicht unerheblicher Bedenken im Detail – noch im Rahmen des methodisch Vertretbaren. Auf dieser Grundlage lässt sich ein Verstoß der in Rede stehenden Beschlüsse gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung nicht feststellen (3.). In Beantwortung insbesondere der Frage 5 der Vorlage hat der Gerichtshof ein Risiko für die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages der Sache nach verneint. Damit scheidet eine Berührung der Verfassungsidentität durch die in Rede stehenden Beschlüsse aus (4.). Bundesregierung und Bundestag sind im Rahmen der ihnen als Verfassungsorgane zukommenden Integrationsverantwortung verpflichtet, geeignete Schritte für eine Einhaltung des Integrationsprogramms zu unternehmen. Sie haben darüber hinaus die weitere Durchführung des PSPP zu beobachten, um Risiken für die Einhaltung des Integrationsprogramms und/oder die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages frühzeitig entgegentreten zu können (5.). Der Bundesbank ist es grundsätzlich untersagt, an Umsetzung und Vollzug des Beschlusses (EU) 2015/774 sowie der hierauf folgenden Beschlüsse (EU) 2015/2101, (EU) 2015/2464, (EU) 2016/702 und (EU) 2017/100 mitzuwirken (6.)“. 117 „1. Der Beschluss des EZB-Rates vom 4. März 2015 (EU) 2015/774 sowie die hierauf folgenden Beschlüsse (EU) 2015/2101, (EU) 2015/2464, (EU) 2016/702 und (EU) 2017/100 sind mit Blick auf Art. 119 und Art. 127 ff. AEUV sowie Art. 17 ff. ESZB-Satzung trotz der anders lautenden Antwort des Gerichtshofs auf die Vorlagefragen 3 und 4 des Senats als Ultravires-Maßnahmen zu qualifizieren. Zwar bindet die Auslegung des Gerichtshofs das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich. Die Handhabung der Kompetenzabgrenzung durch den Gerichtshof ist jedoch schlechterdings nicht mehr vertretbar (a). Im Ergebnis bestehen gegen den PSPP-Beschluss des EZB-Rates vom 4. März 2015 (EU) 2015/774 sowie die hierauf
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folgenden Beschlüsse (EU) 2015/2101, (EU) 2015/2464, (EU) 2016/702 und (EU) 2017/100 durchgreifende kompetenzielle Einwände (b)“. 118 a) „Stellt sich bei einer Ultra-vires- oder Identitätskontrolle die Frage nach der Gültigkeit oder Auslegung einer Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, so legt das Bundesverfassungsgericht seiner Prüfung grundsätzlich den Inhalt und die Beurteilung zugrunde, die die Maßnahme durch den Gerichtshof erhalten hat. Dies gilt jedoch nicht bei einer schlechterdings nicht mehr nachvollziehbaren und daher objektiv willkürlichen Auslegung der Verträge (vgl. Rn. 112 f.)“. 119 „Die Auffassung des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 11. Dezember 2018, der Beschluss des EZB-Rates über das PSPP-Programm und seine Änderungen seien noch kompetenzgemäß (aa), verkennt Bedeutung und Tragweite des auch bei der Kompetenzverteilung zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 EUV) offensichtlich und ist wegen der Ausklammerung der tatsächlichen Wirkungen des PSPP methodisch nicht mehr vertretbar (bb). Das Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2018 überschreitet daher offenkundig das ihm in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV erteilte Mandat und bewirkt eine strukturell bedeutsame Kompetenzverschiebung zu Lasten der Mitgliedstaaten. Da es sich selbst als Ultra-vires-Akt darstellt, kommt ihm insoweit keine Bindungswirkung zu (cc)“. 120 „aa) Nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2018 ist zur Entscheidung über die Frage, ob der Beschluss (EU) 2015/774 und die ihn ändernden Beschlüsse zu der ausschließlich dem ESZB zugewiesenen Währungs- oder zu der grundsätzlich den Mitgliedstaaten zustehenden Wirtschaftspolitik gehören, hauptsächlich auf die Ziele sowie die Mittel, die die Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele einsetzt, abzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2018, Weiss u. a., C-493/17, EU:C:2018:1000 , Rn. 50 ff.). Zum einen verfolge das PSPP ausweislich seines vierten Erwägungsgrunds das Ziel, dass die Inflationsraten sich mittelfristig wieder einem Niveau von unter, aber nahe 2 % annähern, und sei damit dem vorrangigen Ziel der Währungspolitik der Union zuzuordnen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 54, 57). Zum anderen verweist der Gerichtshof darauf, dass mit dem durch den Beschluss (EU) 2015/774 eingesetzten Mittel des Ankaufs von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt eines der geldpolitischen Instrumente genutzt werde, die das Primärrecht vorsehe (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 68 f.). Vor diesem Hintergrund falle der Beschluss (EU) 2015/ 774 in Anbetracht seines Ziels und der zur Erreichung dieses Ziels vorgesehenen Mittel in den Bereich der Währungspolitik im Sinne der Art. 127 Abs. 1, Art. 282 Abs. 2 AEUV (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 57, 70)“. 121 „Die Zuordnung des Beschlusses (EU) 2015/774 und der ihn ändernden Beschlüsse zur Währungspolitik im Sinne der Art. 127 Abs. 1, Art. 282 Abs. 2 AEUV werde nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass das damit beschlossene PSPP erhebliche Auswirkungen auf die Bilanzen der Geschäftsbanken und auf die Finanzierungsbedingungen der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets habe (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 58). Zwar sei unstreitig, dass sich das PSPP nach seinem Grundgedanken und seinen Modalitäten sowohl auf die Bilanzen der Geschäftsbanken als auch auf die Finanzierung der von diesem Programm erfassten Mitgliedstaaten auswirken könne und solche Auswirkungen gegebenenfalls durch wirtschaftspolitische Maßnahmen angestrebt werden könnten (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 59). Die Bindung des ESZB an die in Art. 119 AEUV festgelegten Grundsätze und die in Art. 127 Abs. 1 AEUVangesprochene Aufgabe, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union zu unterstützen, zeige jedoch, dass die Verfasser der Verträge innerhalb des institutionellen Gleichgewichts, das durch die Bestimmungen in Titel VIII des AEUV, darunter die dem ESZB durch Art. 130 und Art. 282 Abs. 3
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AEUV garantierte Unabhängigkeit, hergestellt werde, keine absolute Trennung zwischen Wirtschafts- und Währungspolitik vornehmen wollten (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 60). Eine währungspolitische Maßnahme könne daher nicht allein deshalb einer wirtschaftspolitischen Maßnahme gleichgestellt werden, weil sie mittelbare Auswirkungen haben könne, die auch im Rahmen der Wirtschaftspolitik angestrebt werden könnten (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61 mit Verweis auf Urteil vom 27. November 2012, Pringle, C-370/12, EU:C:2012:756, Rn. 56, sowie Urteil vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a., C-62/14, EU:C:2015:400, Rn. 52)“. 122 „Der Auffassung des Senats, dass nicht alle Auswirkungen eines Programms für Offenmarktgeschäfte, die vom ESZB bewusst in Kauf genommen worden und für dieses sicher vorhersehbar gewesen seien, als (lediglich) mittelbare Auswirkungen dieses Programms anzusehen seien, sei nicht zu folgen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 62). Zum einen habe der Gerichtshof bereits in den Rechtssachen Pringle (Urteil vom 27. November 2012, C-370/12, EU:C:2012:756) und Gauweiler (Urteil vom 16. Juni 2015, C-62/14, EU:C:2015:400) Auswirkungen, die bereits bei Erlass der Maßnahmen, die Gegenstand dieser Rechtssachen waren, als Folgen vorhersehbar waren und somit zu diesem Zeitpunkt bewusst in Kauf genommen worden sein mussten, als mittelbare Auswirkungen der betreffenden Maßnahmen angesehen, die keine Konsequenzen für deren währungs- oder wirtschaftspolitische Einstufung hatten (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 63). Zum anderen beinhalte die Geldpolitik fortlaufend, dass auf die Zinssätze und die Refinanzierungsbedingungen der Banken eingewirkt werde, was zwangsläufig Konsequenzen für die Finanzierungsbedingungen des Haushaltsdefizits der Mitgliedstaaten habe; insbesondere beeinflussten geldpolitische Maßnahmen des ESZB die Preisentwicklung unter anderem durch die Erleichterung der Kreditvergabe an die Wirtschaft sowie die Veränderung des Investitions-, Konsum- und Sparverhaltens der Wirtschaftsteilnehmer und Privatpersonen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 64 f.). Um Einfluss auf die Inflationsraten zu nehmen, müsse das ESZB daher zwangsläufig Maßnahmen ergreifen, die gewisse Auswirkungen auf die Realwirtschaft hätten und die – zu anderen Zwecken – auch im Rahmen der Wirtschaftspolitik angestrebt werden könnten (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 66). Der Ausschluss jeglicher Möglichkeit des ESZB, solche Maßnahmen zu ergreifen, wenn ihre Auswirkungen vorhersehbar seien und bewusst in Kauf genommen würden, würde es dem ESZB in der Praxis verbieten, die Mittel anzuwenden, die ihm durch die Verträge zur Erreichung der Ziele der Geldpolitik zur Verfügung gestellt seien, und könne insbesondere im Kontext einer Wirtschaftskrise, mit der ein Deflationsrisiko einhergehe, ein unüberwindbares Hindernis für die Erfüllung der ihm nach dem Primärrecht obliegenden Aufgabe darstellen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 67)“. 123 „bb) Der Ansatz des Gerichtshofs, auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (1) die tatsächlichen Wirkungen des PSPP außer Acht zu lassen und eine wertende Gesamtbetrachtung nicht vorzunehmen (2), verfehlt die Anforderungen an eine nachvollziehbare Überprüfung der Einhaltung des währungspolitischen Mandats von ESZB und EZB. Damit kann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die ihm in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 EUV zukommende Korrektivfunktion zum Schutz mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten nicht mehr erfüllen. Diese Auslegung lässt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV im Grunde leerlaufen (3)“.
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Stichwortverzeichnis p|kir
149
Abe, Shinzo 135 Abenomics 134 Abgabe 161 Abgaben 154 – Steuern 169 Absatz, Konsumenten 142 Absatzmärkte 152 Abwertung 54, 99 – äußere 45 – innere 45, 65 – Währung, mehr Importe als Exporte 56 – Zölle 65 Abwertungszwänge 89 Alarmismus 140 Alarmisten ohne Theorie 150 Albrecht, Rico 157 Algorithmen 147 Alterung Bevölkerung 107 Anerkennung 170 Anleihen – Ankaufsobergrenze ESZB 31 – Erwerb durch Bundesbank 31 Anpassungsprogramm, makroökonomisch 72, 102 Anstaltslast ESZB/EZB, keine Rechtsgrundlage 47 Anteilseigner 56 Antisubventionskonvention 56 Anwartschaften 109 Arbeit – Motivierung 170 – Recht und Pflicht 170 Arbeitnehmer, Verarmung 99 Arbeitnehmerfreizügigkeit 130 Arbeitsplätze 150 Aristoteles, Zinsverbot 155 Armut in Deutschland 149 Art. 88 GG 43 Art. 109 GG 21
Art. 109 a GG 22 Art. 109 a Abs. 2 GG 95 Art. 115 GG 22 Art. 143 d GG 23 Arztpraxen 150 ASEAN-Staatenbund 134 Assets 43, 55 Aufklärung, Ende 153 Auflagen, strenge 72 Aufsichtsmaßnahmen, qualifizierte Ratsmehrheit 110 Ausbeutung – Globalismus 151 – Recht 148 – Völker 135 Ausbeutungsmechanismus 120 Ausgabe Euro-Banknoten, EZB/Zentralbanken ESZB 47 Austerität im Süden 110 Austeritätsdiktate, IWF 123 Austeritätsmaßnahmen 71 Austeritätspolitik 53, 110, 121, 127, 168 – neoliberale 123 Austeritätszwang 124 Austritt – aus EU 121 – EU 81 Austritt Deutschlands EU 86 Austrittsabkommen, unannehmbar 121 Austrittsrecht EU 79 Ausübung gemeinschaftliche, übertragene Hoheitsrechte 79 Bail-out 45 Bail-out-Klausel 71 Bail-out-Verbot 29, 72 Banken, systemrelevant 152 Bankenaufsicht 163 Bankengeld 157 – kreditgeschöpft 163 Bankenkredite 163
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Stichwortverzeichnis
Bankenkunden 157 Bankenrettung 56, 118 Bankensystem 159 – labil 158 – profitorientiert 157 Bankfunktion des ESM 73 Bankgeld 118 Bankkonten, Forderungen 146 Barcelona Prozeß 83 Bargeld, Abschaffung 159 Batteriemotoren 132 Beckert, Jens 110 Bedarf 143 Bedarfs-/Leistungsprinzip 144 Befähigung/Einsatz 143 Befugnisse des Staates 74 Befugnisse ESZB/EZB 46 Begehrlichkeit Wähler, vernunftwidrig 54 Begrenzte Einzelermächtigung 12 Begrenzte Einzelermächtigung EU, nicht praktiziert 85 Begrenzte Ermächtigungen, Bestimmtheit 79 Belobigungen 170 Bergwerk, stillgelegtes 141 Berschens, Ruth u. a. 172 Beschäftigung, Wachstum 99 Bestechungen korrupter Politiker 147 Besteuerung 161 – Deutschland 161 Bestimmtheitsprinzip 39 – haushaltsrechtliches 92 Betroffenheit, existentielle 149 Bevormundung subventionierter Völker 118 Bewußtsein, politisch korrektes 133 Bezos 56 Bilanzsumme 44 – EZB 49 Billiglohnländer, Arbeitskraft 135 Binnenmarkt 54 – dereguliert 56 – Einheitswährung ohne Finanzausgleich 53 – funktionaler Staat 130 – Grundfreiheiten 56 – hetrerogene Volkswirtschaften 136 – mit Einheitswährung 121, 127
– neoliberal globalistisch 53 – Wettbewerb 99 Binnenmarkt EU 139 – Divergenz 99 Binnenmarkt und Währungseinheit, Exportvorteil Deutschlands 109 Binnenmarkt/Währungsunion 51 – heterogen ruinös 135 Black Rock – Finanzkraft 133 – Großaktionär Deutsche Bank 130 – Investments staatserheblich 133 – politische Macht 133 Blanchard, Olivier 172 Brexit 52, 121 Bruttoinlandsprodukt 150 – nominales 11 Bruttoneuverschuldung, kostengünstigere 168 Bruttoverschuldung 168 Buchgeld 147 – Forderungen gegen Bank 157 – geldgleiche Kaufkraft 157 – Zahlungsdienstleister 158 – Zentralbankgeld 157 Buchgeldinhaber 158 Buchgeldschöpfung 157 Buchgeldübertragung, Forderungsübertragung 157 Budgethoheit 89, 90, 97 – Bund/Länder 88 – Parlament 171 Bund und Länder, geteilte Souveränität 78 Bundesbank 32, 44 – Außenhandelsbank 45 – Einheit mit Staat 165 – Gewinne 48 – Grundkapital 48 – Grundkapital Bund 165 – Hoheitsorgan 26 – Rechtspersonenhaftigkeit 165 – Überschüsse Abführung 47 Bundesbankgeld, keine Bundesschulden 165 Bundesbankvorstand, oberste Bundesbehörde 165 Bundesbehörden 77 Bundesgerichte 77
Stichwortverzeichnis Bundeskanzlerin bewegt nichts 150 Bundesrat 77 Bundesrecht bricht Landesrecht 77 Bundesregierung 77 – zu lange amtierend 117 Bundesstaat 112, 113 – einheitliche Lebensverhältnisse 116 – EU 113 – unechter 78 – unitarisch 95 – unitarischer 78 Bundesstaat EU, zentralistisch 39 Bundesstaat Euroländer, funktional durch ESM 87 Bundesstaatsprinzip 78 Bundesverfassungsgericht 77 Bürger Fremde, ohne Arbeit 161 Bürgergesellschaft 89 Bürgerkriege, religiöse 83 Bürgerliches Gemeinwesen, praktische Vernunft 145 Bürgerlichkeit – Bildung 55 – des Bürgers 143 – Eigentum 55 Bürgerstatus 149 Chartalismus 159 China – Schulden 134 – zweite Wirtschaftsmacht 134 Crashgeschmiere, Bestseller 150 Darlehen, unbesichert 50 Darlehensforderungen – der Bürger gegen Staat 171 – wertlos unbesichert 158 Darlehensschuld 171 Daseinsvorsorge 129 f. – Privatisierung 131 DAX 133 DAX-Konzerne 133 DDR, tyrannisch 55 Defizit – Reduzierung 57 – staatliches 49 – strukturelles 68 – übermäßiges 69
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Defizit öffentliches, übermäßig 41, 58 Defizitabbau, jährlicher 69 Defizitgrenzen 153 Defizitkriterien, Illusion 106 Defizitverfahren 97 – Automatisierung 65 Deflation 111, 134, 168 – Inflation 124 Demokratie – direkte 52 – parteiengeprägt 78 – Recht 33 – Rechtsstaat 144 – Rechtsstaat, Sozialstaat 116 Demokratie, Rechts- und Sozialstaat, Synthese 89 Demokratien, neutralisiert 111 Demokratieprinzip durch Art. 88 S. 2 GG modifiziert 26 Demokratisches Legitimationsniveau, Verlust durch EU 83 Demokratisches Prinzip 12, 28, 85 – nicht dispositiv 28 – Würde/Freiheit der Bürger 28 Deutscher Bundestag 77 Deutschland – BIP 2018 133 – elementare Interessen 85 – ideologisch/moralistisch 132 – Stagnation 132 – Zahlmeister 123 Devisen, An- und Verkauf 147 Devisenmarkt, täglich drei Billionen Umsatz 147 Dienstleister, Einkommen 146 Dienstleistungen – Banken Entgelte 159 – unentgeltlich 142 Diktatur der Experten 28 Disziplinierung – der Politiker 161 – Geldbußen 58 – technokratische 110 Disziplinierungsordnung, Strukturschwäche 97 Divergenz, Volkswirtschaften 99 Draghi, Mario 31, 126, 153 – Goldmann Sachs 28
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Stichwortverzeichnis
Dreijahrestender 30 Durchgriffsdogmatik, Bundesbankstatus 165 EFSF 71 Egalitarismus, totalitär 55 egalitaristisch 114 Eigenes Mein und Dein 148 Eigenkapital Banken, Kreditierungsgrenzen 147 Eigentum 143 f. – gegen totalitären Sozialismus 55 – geschütztes Eigenes 147 – Gewaltenteilung 55 – Menschenrecht 55 Eigentumsgebrauch, Sittlichkeit 148 Eigentumsgewährleistung 159 – stabiles Geld 43 Einheitswährung 49, 51, 53 f., 99 – Fehler 116 Einkaufsmöglichkeiten 150 Einkommen – übermäßige 56 – Zehnfache des Durchschnitts 143 Einkommenssystem, Leistungssystem 141 Einkommensteuer 170 Einlagensicherung 51 – schmal 158 Einnahmeausfälle, Bundesbank 47 Einnahmen aus Krediten 11 Einnahmen/Ausgaben, Ausgleich ohne Kredite 66 Einzelermächtigung, begrenzte 12, 33, 35, 39 Einzelermächtigung EU, begrenzte 26 Einzelstaaten 40, 139 – Zentralbank keine Rückzahlungspflichten 166 Elektrotechnik, Deutschland drittklassig 132 Eliten, abgelehnte 114 Emittenten 31 Entmündigung 118 Entwicklung – konjunkturelle 133 – technologische 134 Entwicklung des Landes, Kredite 162 Entwicklungsbehinderung 126
Entwicklungschance 98 Erbe 143 Erbschaft, Menschenrecht 55 Erhard, Ludwig 139 Ermächtigung EU, begrenzt bestimmbar 84 Ermächtigungen, EU stetig erweitert 12 Ersparnisse der Bürger 28 ESM 71, 98 – Haushaltsprogramm 98 – Kredithilfen 98 – Strukturrefomen 98 – Wirtschaftspartnerschaftsprogramm 98 ESM-Finanzierungsgesetz 114, 117 ESM-Vertrag, Zustimmungsgesetz 125 ESZB 11, 30, 111, 165 – Euro 166 – nicht insolvenzfähig 49 – ohne demokratische Legitimation 49 – Organ EU 49 – Staatsfinanzierung 86 ESZB/EZB – demokratiefern 145 – Fiskalpolitik 144 Ethik, Ökonomie 143 EU 153 – Austritt 121 – Bevormundung 52 – Binnenmarkt/Währungsunion 51 – Bundesstaat 113 – Bundesstaat funktional 95 – Demokratiedefizit 52 – demokratiefern 52 – Europa Propagandaformel 52 – failed state 39 – Finanzausgleich 113 – Großstaat 51 – Großstaat Protagonisten 52 – Herrschaft 52 – höchstes Prinzip 29 – Monstrum 52 – ohne Volk/kein Staat 40 – Staatenverbund 87 – strukturelle Defizite 39 – unitarischer Bundesstaat 11 – unitarischer Statenverbund 57 – unvollkommener Staat 39 – Verbund von Staaten 40 – weder Staat noch Bundesstaat 94
Stichwortverzeichnis EU Integration, Übermaß 12 EuGH 12 – Bevormundung 52 – langgezogener Umsturz 39 – Machtorgan der EU 40 – Motor der Integration 97 – ohne demokratische Legalität 39 – ohne demokratische Legitimation 40, 98 – Rechtsklärung 40 – Richterernennung 40 – willkürliche Vertragsauslegung 33 EuGH Judikate ohne Legalität 40 Euro – Einheitswährung 95 – gescheitert 11, 95, 136 – Integration 95 – Zivilreligion 117 Euro-Banknoten 154 – Genehmigung EZB 47 Euro-Länder 87 Euro-Münzen 154 Euro-Plus-Pakt 112 Euro-Plus-Pakt/Fiskalpakt 124 Euro-Rettungspolitik 32, 126 Euro-Schutzmechanismen 122 Euro-Staaten, periphere 45 Euro-Verbund Ausscheiden, Verbindlichkeiten 47 Euroabenteuer 117 Europa – Elitenprojekt 52 – Prosperität ohne EU 117 Europäische Stabilitätsmechanismus 71 Europäische Union – Ausübung Staatsgewalt souveränitätswidrig 85 – Bundesstaat funktional 83 – elitäre Ideologie 83 – funktional Bundesstaat 82 – gemeinschaftliche Ausübung Souveränität 84 – gemeinschaftliche Ausübung Staatsgewalt Mitgliedstaaten 83 – Gemeinschaftstreue 84 – Gewalt supranationale Organisation 82 – Grenzen Ermächtigung überschritten 85 – Großstaat Herrschaft 83 – Großstaat zentralistisch 83
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– Hoheitsgewalt außerstaatliche 80 – Hoheitsrechte Übertragung 86 – Hoheitsrechte Verantwortbarkeit Voraussehbarkeit 84 – Hoheitsträger 80 – Ideologie politische Klasse 83 – kein existentieller Staat 82 – kein souveränes Unionsvolk 82 – Legitimation Legalität 83 – Legitimationsniveau 85 – nicht demokratisch rechtsstaatlich sozial 83 – Organisation Mitgliedstaaten 83 – Organisation zwischenstaatliche 82 – Politik Voraussehbarkeit 79 – Rand Asiens ruiniert 83 – Region des Globalismus 151 – Rücksichtnahme wechselseitige 84 – Staat existentiell 80 – Staat ohne Legitimation Legalität 83 – Staatenverbund 80 – Subsidiarität 84 – Verbund demokratischer Staaten 80 – Verfassung 82 – Verletzung Souveränität Bürgerschaften 83 – vertraglicher Bundesstaat 83 – Völker Europas 80 Europäisten 89 Europol 81 Eurorettung 166 – alternativlos 116 Eurorettungsaktionen 119 Eurorettungsmaßnahmen 119 Eurorettungspolitik 109, 118 – Integrationspolitik 116 Eurostabilitätsmechanismus 71 Eurosystem 56, 163 – demokratie-, sozialwidrig 130 – EZB gemeinsames Organ 165 Euroverbund 11, 44 – Kreditierung der Mitglieder 119 Eurozone 58, 111 – Deflation/Inflation 124 Evolutivklausel 33 Existenzminimum, Recht aus Menschenwürde 139
198
Stichwortverzeichnis
Exportdefizite Schuldnerstaaten, ohne Target 2 nicht finanzierbar 45 Exporteure 46 Exportstärke Deutschlands 44 Exportsubvention, monetärer Kredit 45 Exportüberschuss 45 EZB 11, 28, 30, 111 – Bilanzsumme 49 – Bilanzvolumen 5 Bill. 30 – Defizit demokratischer Legitimation 28 – Geldpolitik für Euro und EU 28 – Legalität 25 – Legitimität 25 – nicht insolvenzfähig 47 – Niedrigzinspolitik 168 – Organ EU, hoheitlich 47 – Organ Staatenverbund 165 – Wertpapierkäufe 49 EZB Nationalbanken – ohne parlamentarische Verantwortlichkeit 27 – Unabhängigkeit 26 Facharbeiter, duale Ausbildung 134 failed state 116 Farage, Nigel 52 fast-fashion-Ware 152 Feindstaatenklauseln, nicht obsolet 86 Finanzausgleich 11 – bundesstaatlicher 74 – deutscher Bundesstaat 89 Finanzderivate 147 Finanzen – Euro-Währungsgebiet, Tragfähigkeit/Vertrauen Märkte 65 – öffentliche, gesunde 64 – staatliche, Beschaffung 87 Finanzgeschäfte, derivative 151 Finanzhilfen 126 – Euroraum 57 – Konditionierung 99 – kreditäre, Sparzwänge 99 Finanzhoheit, Souveränität 87, 163 Finanzialisierung 152 Finanzierung – der Euro-Staaten durch ESZB/EZB 114 – durch ESZB/EZB 117 – durch fremde Staaten 117
– Euroländer 126 – Mitgliedstaaten 46 – monetäre 111 – notleidende Staatshaushalte 41 – Sozialleistungen 168 Finanzierung fremder Staaten 118 – souveränitätswidrig 113 Finanzierung fremder Völker, staatswidrig 58 Finanzierung monetäre 122 – ESZB/EZB 106 Finanzierungsdefizit, strukturelles, gesamtstaatliches 96 Finanzierungskraft Deutschlands 69 Finanzierungslast, Vertagung 162 Finanzkontrolle – fremder Staaten staatswidrig 118 – Geber über Nehmer 118 Finanzkrise 50, 153 Finanzlage, staatliche 11 Finanzmächte 148 Finanzmarkt – Zinsen 119 – zinsgierig 157 Finanzmarktkrise 2007 44 Finanzminister Deutschlands 123 Finanzministerium als Geldbehörde 162 Finanzpolitik – demokratisch 88 – existentiell für das Volk 106 – kreditarme 95 – neoliberale 43 Finanzsektor, restriktive Regulierung 162 Finanzstabilisierungsfazilität 71 Finanzstabilität 87, 127, 158 – nur in staatlicher Einheit 106 Finanzstabilität EU 58 Finanzstabilitätsmaximen, völkerübergreifend 100 Finanzstabilitätspolitik 53 – integrierte staats- und vernunftwidrig 106 Finanzstabilitätspolitik EU 121 Finanztechnik, Methode der Verteilung 162 Finanztransaktionssteuern 147 Finanzunion 118, 120 Fink, Larry 133 Fiskal- Sozialunion, Unionsbundesstaat 85
Stichwortverzeichnis Fiskalpakt 15, 57, 64, 95, 123 – gegen Unionsvertrag 93 – Illusion 64 – souveränitätswidrig 97 – staats-/souveränitätswidrig 93 – Umgehung 98 – umkehrbare Selbstbindung 68 – Zustimmungsgesetz 94, 125 Fiskusdoktrin 152, 166 – verfassungswidrig 164 Flassbeck, Heiner 43, 48, 123, 129 – 131, 135 f., 157, 162, 164 Flucht, Arbeitskräfte/Kapital 57 Föderalismus 78 Forderungen – Anspruchscharakter 46 – schuldscheinlose 30 – TARGET-Salden 119 Forderungscharakter, TARGET-Salden 46 Forderungsverzicht – öffentlicher Gläubiger 124 – privater 124 Fortschritt technischer, Verhinderung 132 Franzosen, Verfassungsvertrag 52 Freihandel weltweit, kapitalistische Illusion 65 Freihandelsdoktrin, globalistische 100 Freiheit, Würde der Bürger 93 Freiheit der Bürger – Selbstbestimmung/Souveränität 93 – Souveränität 77 Freiheit des Kapitals 152 Freiheit innere, Zugehörigkeit 149 Freiheitsdogmatik, BVerfG ungenügend 93 Freistaat Bayern, Verfassung von 1946 147 Freizügigkeit, okroyiert 52 Fremdbestimmung – anderer Mitgliedstaaten 90 – durch Staaten 99 Fremde – Befähigungen 142 – Kaufkraft Sozialleistungen 142 – nützlich als Konsumenten 142 Fremdwährung Euro 99 Friedman, Milton 141 Funktionen EU, ohne Zwangsrechte 81 Fußballspieler 140
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Gebervölker 109 Gebietshoheit 80 – EU 82 – Zwangsbefugnisse 81 Gegenden, entleert 150 Gegenleistung 142 Geld 154 – fließendes 55 f., 170 – für Schrottpapiere 158 – gesetzliches Zahlungsmittel 48, 154 – monetär geschöpft 117 – staatlich 154 – staatliches 154 – Steuerungsmittel 162 Geld-/Einkommenssystem 141 Geld-/Staatsschuldenbegriffe 170 Geld-/Staatsschuldentheorie 163 Geld-/Verteilungspolitik, Trägheit 150 Geld-/Währungspolitik – eigenständige 130 – gegen demokratisches Prinzip 26 – ohne demokratische Legitimation 145 Geld-/Wirtschaftssystem, Zusammenbruch 140 Geldabflüsse/Geldzuflüsse 44 Geldausgabe, Staatsbefugnis 154 Geldausgabe Nationalbanken, Genehmigung der EZB 154 Geldbuße, defizitäre Haushaltspolitik 59 Geldeinlagen, volatil 124 Geldersparnisse, private Streichung 127 Geldforderungen, Erfüllung Buchgeldüberweisung 158 Geldherstellung, Staatsbefugnis 154 Geldinstitute, staatliche 169 Geldkreisläufe, getrennte 155 Geldleistung ohne Gegenleistung 143 Geldmärkte, Besänftigung durch ESZB/ EZB 32 Geldmenge 159 – erweiterte 54 – Erweiterung 42 – Realwirtschaft 10 % 158 – Warenanagebot 56 – zinslose 56 Geldmenge M 1 147 – auch Buchgeld 163
200
Stichwortverzeichnis
Geldmengen – Realwirtschaft 158 – Spekulation 147 Geldmengen große, Kapitaltransaktionen spekulative 151 Geldmengenerweiterung 47 – Inflation 54 – Inflationswirkungen 48 – monetäre 146 – nationale 54 – selektive 57 Geldmengenpolitik, praktische Vernunft 159 Geldmengenvermehrung, inflationäre Wirkungen 149 Geldpolitik 36, 154 – ESZB/EZB 119 – keine Verteilungspolitik 144 – nicht politisch neutral 162 – Preisstabilität 144 – verfassungs-/vertragswidrig 11 Geldschöpfung – des Staates 168 – keine private 157 – kreditäre private 118 – monetär privat 151 – monetäre 45, 54, 119, 154, 159 – private 118, 147 – Recht 47 – Zentralbank 44 – Zentralbanken unbegrenzt 143 Geldschöpfung monetäre, Zentralbanken Anleiheübernahmen 152 Geldschöpfungsmonopol 119 Geldsurrogate 158 Geldtheoretiker/Geldpolitiker, ohne Durchblick 172 Geldtheorie, moderne 141 Geldvermittlung – Arbeitsverhältnisse 146 – Kreditverhältnisse 146 Geldversorgung – der Privaten 156 – eigenständige monetäre 100 – gewillkürte Technik 164 – Länder 88 – Staat Zentralbank 171 Geldverteilung 169 – Kaufkraftverteilung 159
– Konsummöglichkeiten 142 – staatlich 159 – staatlich ohne Zinsnahme 160 Geldwertstabilität 43, 158 Geldwesen, Alimentierung der Wirtschaft 146 Geldwirtschaft, staatliche 47 Geldzuteilungen 144 Gemeinschaftsgewalt EU 80 Gemeinschaftswährung 163 Gemeinwesen der Menschenwürde 144 Gemeinwirtschaft 55 Gemeinwohl 104, 169 – Beiträge 146 – formal 149 – internationales 149 Gemeinwohlverantwortung, Eigentum 148 Generationen künftige, irreversible Präjudizierung 94 Gerechtigkeit, soziale 56 Gerichte der Länder 77 Gesamtverantwortung, haushaltspolitische 90 Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 160, 162 – Abwehr von Störungen 131 – Störungsabwehr 67, 107, 133 Geschäftsbanken 46, 155, 156 f. – Forderungsausfälle 50 – Geschäftsinteresse 123 – gewinnorientiert 169 – Insolvenz 163 – keine Rettung 169 – Kredite an Staat 163 – Staatsanleihen 43 – Zinsen nicht nötig 159 – Zwischenschaltung 157 Geschäftsbedingungen, allgemeine 158 Gesellschaft globale, ordnungsfrei 89 Gesetzgeber, verfassungsändernder 78 Gesetzgebungshoheit EU 82 Gesetzlichkeit, Erzwingbarkeit 80 Gewährleistungen, Euro 126 Gewalt – europäische öffentliche originäre 80 – originäre europäische öffentliche 82 – supranationale, öffentliche 80
Stichwortverzeichnis Gewalt Europäische Union, öffentliche nicht Staatsgewalt Mitgliedstaaten 80 Gewaltbegriff – funktionaler 81 – hoheitliche Funktionen 81 Gewaltbereitschaft/-fähigkeit, Islam 153 Gewaltenteilung – horizontale 78 – vertikale 78 Gewinn nicht Gemeinwohl 152 Gewinnabführungen Bundesbank 48 Gewinnanteile EZB, Zentralbanken ESZB 47 Gewinne Bundesbank 48 Gießkannenprinzip 141 Giralgeldschöpfung 147 Gläubiger – Haftung 51 – private 101 Gleichgewicht – außenwirtschaftliches 51 – gesamtwirtschaftliches 11, 51, 87 Gleichgewichtstheorie, ordoliberale Illusion 139 Gleichheit der Bürger 143 Globalisierung 131 – kapitalistische 135 – wirtschaftliche 151 Globalisten schaden allen Völkern 152 Gold 158 – schürfen 141 Gold Silber 55 Goldene Regel 128 Goldene Schuldenregel 123 Government, globales 114 Grenzkostenpreise 139 Griechenland, Schuldner 126 Großbritannien 121 Großfinanziers 147 Großindustrie Deutschlands in ausländischen Händen 133 Großstaat Europa 116 Großstaatspolitik, unionale 118 Grund und Boden – Gemeineigentum 55 – staatlich 55 Grundeinkommen 161 – bedingungslos 143
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– keine Anerkennung 143 – Verteilungsprinzip 143 Grundfreiheiten 56 Grundkapital – Abschreibungen 47 – Bundesbank 48 Grundkapital EZB/Bundesbank, unberührbar 47 Grundrechtsstandard, BVerfG 84 Grundstücke – Erbschaft 55 – staatliche Verteilung 55 Grundstückseigentum 54 Grundstücksspekulation 55 Gründungsverträge EU ohne ökonomische Vernunft 153 Güter-/Kapitalmärkte, offene 136 Gutes Leben in Freiheit 118 Habsucht Herrschsucht Ehrsucht, Politiker 55 Haftung fremde Schulden, verfassungswidrig 114 Haftungsübernahme für Willenserklärungen anderer Staaten 90 Hair-Cut 126 Handelsblatt, Kultstätte neoliberaler Mythen 172 Hankel, Wilhelm 89, 99, 107, 113, 127, 131, 160, 164 Hauptrefinanzierungszinssatz, Absenkung 45 Haushalte 11 Haushalts- und Strukturreformen 97 Haushalts-/Wirtschaftspartnerschaftsprogramm, -Genehmigung/-Überwachung 64 Haushalts-/Wirtschaftspolitik, existentielle Staatlichkeit 124 Haushaltsausgleich ohne Einnahmen aus Krediten 29, 133 Haushaltsautonomie – Bundestag 90 – Deutscher Bundestag 117 Haushaltsdefizit/Schuldenstand 65 – durch Regierungskonferenz geändert 60 Haushaltsdisziplin 58, 64 f., 120 – Euroverbund 118
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Stichwortverzeichnis
– Haushaltsdefizit/Schuldenstand 58 – koordiniert/überwacht 65 – Mitgliedstaaten 41 – Nötigung 132 – relativiert 58 – Wirtschafts- und Währungsunion 96 Haushaltsdisziplinierung 106 Haushaltsfinanzierung 98 – keine Wirtschaftspolitik 41 Haushaltshoheit 97 Haushaltsnöte 41 Haushaltspolitik, nachhaltige 64 Haushaltspolitik nachhaltig, Staatsfinanzen gesund 94 Haushaltspolitische Gesamtverantwortung von EU begrenzbar 93 Haushaltsrecht 96 Haushaltsüberschüsse – Deutschland 132 – Kredite des ESZB 136 Haushaltswesen, Souveränität der Länder 96 Hedgefonds 130, 152 Helikoptergeld 140 Herndon, Thomas 123 Herrschaftsdoktrin 171 Herrschaftssysteme, internationale 153 Hilfsmaßnahme solidarische, Billigung des Bundestages 90 Hirngespinst, neoliberales 169 Hochfinanz 152 Hochfrequenzhandel 147 Hochschulreife 134 Hoheit, Bevölkerung 53 Hoheit der Völker, nicht übertragbar 80 Hoheitsgewalt EU 80 – autonome supranationale 80 Hoheitsorgane ohne geldpolitisches Vertrauen 26 Hoheitsrechte – Übertragung 81 – Übertragung Ausübungsbefugnisse 81 – Übertragungsgrenzen 84 Homogenität 113 Homogenität soziale, Konvergenz wirtschaftliche 89 Honeywell-Entscheidung 33 Horrorgeschichten 48
Humankapital 44 Hungerlöhne 152 Identität, europäische 52 Identitätskern, Verfassung 90 Identitätskontrolle 90 Ideologien, rechtlos 135 Ideologien moralistisch, wissenschaftsfeindlich 132 Immobilien-/Aktienbereich 54 Immobilien-/Aktienpreise, nicht im Warenkorb 150 Immobilien Assets, Preise inflationär 46 Immobilienblase Japan 134 Importeure 46 Importländer 152 Importmöglichkeiten, wenig begrenzt 142 Importüberschuß 44 Inflation galoppierende, neoliberaler Mythos 48 Inflationsbekämpfung, Zinsanhebung 67 Inflationsgefahr 42 Inflationsgefahren 32 Inflationsmentalität, lateinische Staaten 32 Inflationspolitik 120 – klassische ESZB/EZB? 43 Infrastruktur, vernachlässigt 132 Ingenieursleistungen, deutsche 133 Innovationen, technische 132 Insolvenz 111 – Geschäftsbanken 158 Insolvenzprinzipien 110 Integration 93 – in freiheitliche Gemeinschaft 85 – kein Verzicht Identität 85 – Unionsorgane Mitgliedstaaten 81 Integration EU, Haushalts-/Fiskalpolitik 93 Integrationismus, aufgezwungener entfremdet 89 Integrationisten 52, 121 Integrationspolitik, irregeleitet/verlogen 57 Integrationsverantwortung 33 Integrationsverantwortungsgesetz 33 Integrationsverträge EU 78 Interdependenzen EU, volkswirtschaftlich 94
Stichwortverzeichnis Internationalismus, Reduzierung 144 Investitionen – Infrastruktur 32, 132 – kreditierte 65 – Rückstand 69 – staatlich gefördert 134 Investitionen des Staates, Standortqualität 30 Investitionsbegriff 67 – ausgedehnt 107 – Überdehnung 11 Investitionsrückstand, Deutschland 132 Iren, Vertragsabstimmung 52 Islamismus, weltweit 153 Japan – dritte Wirtschaftsmacht 134 – Kredite 153 – Staatsschulden 134 – Staatsverschuldung 168 – Währungsunion 134 – Wirtschaft 135 Johnson, Boris 52, 121 Juristische Person – Organe 165 – Zweckschöpfung 165 Juristische Personen des Staates vielfältig 167 Kapital – Mißbrauch Konfiskation 149 – selbstgeschaffen 152 Kapitalabfluß 46 Kapitalbildung, nicht Selbstzweck 147 Kapitaleigner, Spekulanten gegen Währungen 149 Kapitalexport 45 Kapitalflucht 44 Kapitalfreiheit 53 Kapitalismus – globaler 153 – internationaler 105, 147, 169 kapitalistisch 114 Kapitalkraft, Industriestaaten unbegrenzt 143 Kapitalmarkt, global 139 Kapitalmärkte, internationale 111 Kapitaltransfersteuer 136
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Kapitalverkehr – Beschränkungen 151 f. – entgrenzt/grenzenlos 65 – freier 151 – globaler 151 – globalistisch 147 Kapitalverkehrsbeschränkungen 147 Kapitalverkehrsfreiheit 136, 143, 151 – weltweit 139 Kapitalwirtschaft, neoliberale 139 Kaufkraft – Konsum 99 – nicht erarbeitet 139 – soziale Verteilung/Markt 139 – ungleich durch Markt 144 – unverdiente 140 Kaufkraft des Volkes, Verstärkung 144 Kausalverhältnis 166 Keynes, John Maynard 141 Keynesianismus 53 – moderner 43 Kinder 55 Kleine Einheiten 153 – Nationalstaaten demokratiefähig 116 Klimahysterie 133 Klimapolitik 36 Knapp, Georg Friedrich 159 Knappheit, Leistungsangebote 43 Knappheit der Güter 143 Kohl, Helmut 86 Kohlekraftwerke 133 Koll, Jasper, Japan EU 135 Kollektivhaftung im Norden 110 Kommunikationssicherheit 132 Kommunikationstechnik, Deutschland abhängig 132 Kompetenzgefüge, Bund, Länder 96 Kompetenzüberschreitung EuGH 33 Kompetenzüberschreitungen EU 12 Kompetenzverstoß, Offensichtlichkeit 33 Konditionen gemildert 110 Konditionierung – demokratiewidrig 99 – Finanzhilfen 126 Konjunktur 11 – anormale 69 Konjunkturlagen, normale 134
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Stichwortverzeichnis
Konsum 54 – Importe 56 Konsumenten 152 Konsumkraft, Einkommen Umsatzsteuer 170 Kontoinhaber, Haftung 51 Kontrollgrenzen, Evidenz, Einschätzungsspielraum 34 Konvergenz – Volkswirtschaften 54, 57, 99 – wirtschaftliche 120 Konvergenzprinzip, Währungsunion 58 Kooperationsverhältnis, Grundrechtsschutz BVerfG EuGH 84 Koordinierung/Steuerung 65 – wirtschaftspolitische 64, 94 Korrekturmechanismus 68 Korruption 158 – durch Gesetz 50 – politische 129 Kosten, Löhne/Transferleistungen 99 Kostenblasen, Immobilien Japan 168 Kostendeckungsprinzip 48 Kraftfahrzeuge, kostspielig 143 Kreditaufnahme – am Markt zu teuer 45 – Infrastrukturgesellschaften 98 – Investitionsvolumen 11 Kreditaufnahme Bund, Investitionsvolumen Haushaltsplan 107 Kreditaufnahmeverbot, konjunkturelle Normallage 132 Kreditaufnahmeverbote 88, 94, 121 Kredite 11 – Geschäftsbanken 162 – Konsum 146 – kostenlos 43 – leichte notleidend 152 – monetäre 46 – Rückzahlung 126, 134 – zinslose 51 Kredite Zentralbank 54 Krediteinnahmen, Investitionsausgaben 132 Kreditfähigkeit 134 – insolvenzgefährdete Euro-Staaten 45 Kreditgeld 160 Kreditgeldschöpfung, Banken 169
Kreditgewährleistungen 95 Kreditgewährung, fiskalische, keine Geldpolitik 45 Kreditierung – Geschäftsbanken grenzenlos 46 – mit Zentralbankgeld 44 Kreditinstitute/Wertpapierfirmen, Sanierung/ Abwicklung 51 Kreditkosten 95, 127 – Inflationsrate 122 Kreditschöpfung 147, 157 – Geschäftsbanken 163 Kreditschulden des Staates, nicht durchsetzbar 167 Kreditschwemme, ESZB/EZB 69 Kreditsicherheit 134 Kreditvergabe, kostengünstig 54 Kreditwürdigkeit des Bundes 122 Kreditzins unter Marktzins/Inflationsrate 45 Krugmann, Paul 159 Kunstwerke 55 Labour Party 52 Lagarde, Christine 36 Land der Väter, Kinder, Enkel 149 Länder – Hoheitsmacht 77 – Souveränität 77 Länder Deutschland, Staaten 77 Landesregierung 77 Landtage 77 Leben – bürgerliches 144 – schicksaalhaft 55 Lebenshaltungskosten, Transferleistungen Staat 161 Lebensmittel 170 Lebensstandard 43, 99 Lebensunterhalt durch Arbeit 170 Lebensverhältnisse – einheitliche 74, 83 – freiheitlich demokratisch 40 – homogene 11 Lebensverhältnisse EU, gleichheitlich 113 Lebensversicherer 120 Leerkäufe/Leerverkäufe 147 Leerverkäufe, Verbot 147
Stichwortverzeichnis Leibeigenschaft 55 Leistung – Beitrag zum Gemeinwohl 140, 143 – nicht sittenwidrige Bereicherung 140 Leistungsangebote, übermäßige Kosten 43 Leistungsbilanzdefizite 88 %, finanziert vom ESZB 45 Leistungsfähigkeit, Vorbehalt 109 Leistungsfähigkeitsprinzip 140 – Steuern 56 – Steuerrecht 169 Leistungsgerechtigkeit 140 – steuerrechtliches Grundprinzip 140 Leistungspflichten, Erwartungen 109 Leistungsprinzip 140 Leitzinssatz 122 Lenkungssteuern 169 Liberalisierungsgemeinschaft, Austeritätsgemeinschaft 110 Lieferverträge 146 Liquidität, Geschäftsbanken 30 Liquiditätserweiterung 32 Lissabon, Vertrag 52 List, Friedrich 98 Lohn-/Gehaltsforderungen 158 Lohnkosten 98 Lohnpolitik 120 Lohnsenkung 65 Luxemburger Kompromiß 85 Maastricht-Urteil 25, 84, 120 – Austrittsrecht 125 Maastricht-Vertrag 65, 118 – Zustimmungsgesetz 117 Macht des Geldes 147 Macron, Emmanuel 152 Markt – global, kapitalistisch 139 – globalisiert 139 – Wirtschaftsordnung 169 Markt/Gerechtigkeit 89 Markt/Wettbewerb 139 Marktergebnis 143 Marktfundamentalismus 129 Marktgesetze 120 Marktmechanismus, staatsfern 110 Marktneutralität der Geldpolitik 36 Marktordnung, spontane 169
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Markttheorie, neoliberale 141 Marktverfall, Sachwerte 147 Marktwirtschaft soziale, Gerechtigkeit 139 Maschinen 141 f. Maschinenproduktion, Kapazität kaum begrenzt 142 Maschinensteuer 141 Maßnahmen, militärische 56 Masseneinwanderung 135 Massenzuwanderung 107 Medianvermögen 149 Mehrheitsentscheidungen, Völkerverbünde 97 Mehrheitsprinzip EU, elementare Interessen Mitgliedstaaten 84 Meinungsumfragen, keine Willensbildung 118 Menschenrechte, Arbeitnehmer 152 Mestmäcker, Ernst-Joachim 139, 169 Metallismus 159 Mieter 119 Mietpreise, Immobilienpreise 150 Migranten, Arbeitskräfte Konsumenten 142 Militärhaushalte 132 Mindestreserve 147 Mindestreservepolitik 163 Mischverwaltung, Bund und Länder 96 Mißwirtschaft, Finanzierung 109 Mitgliedschaft EU, ständige Freiwilligkeit 79 Mittelmeerunion 83 MMT 159 Modern Monetary Theory, MMT 159 Monetäre Geldschöpfung 44 Monetarist 141 Moralismus, deutscher 136 Nachfrage, Verstärkung 146 Nachkommen, Schuldenbelastung 171 Nachschußpflicht/Verluste EZB, keine Rechtsgrundlage 47 Nationalstaat – souverän demokratisch 130 – Sozialstaat 131 Nationalstaat/Sozialstaat, identisch 113 Nationalstaaten 114, 153 – entmachtet 130
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Stichwortverzeichnis
NATO 81 Naturkatastrophen 11, 69, 133 Negativzinsen, Bankeinlagen 49 Neoliberaler Kapitalismus, Erkenntnisverhinderung 172 Nettokreditaufnahme 66 Nettokreditaufnahme, Rückführung 69 Nettoneuverschuldung 168 Nettoneuverschuldungen 70 Nettoschulden, Tilgung 168 Nettovermögen 149 Nettozahlungen an die EU, Minderung Defizit/Schuldenstand 60 Neue Währung, Streichung Staatsschulden 127 Neuverschuldung – 2010 66 – Altschulden 119 Niederländer Verfassungsvertrag 52 Niedrigzinspolitik 71 – EZB 168 Nölling, Wilhelm 53, 164 Normallagen, konjunkturelle 133 Notsituationen 11 – außergewöhnliche 69, 133 Nullzinspolitik 67 – EZB 59, 107
Offenheit demokratischer Prozess, Mehrheitsentscheidungen 94 Offenmarkt-/Kreditpolitik 166 Offenmarktgeschäfte 42 Öffentliche Aufgabe, alles Staatliche 166 Öffentliche Hand, privilegierter Schuldner 166 Öffentliche Unternehmen 164 Öffentlichkeit, Druckmittel 58 Ökonomiker ohne Staatslehre 172 OMT-Programm 49, 71, 128 OMT-Urteil 25, 33 One World 153 – egalitaristisch sozialistisch 135 Opportunität, politische 126 Opposition 67 Ordnung, Politik 170 Organe, EU 80 Organe des Staates 77
Organe Union, Organisation Mitgliedstaaten 82 Organisationstechnik, Rechtsverhältnisse 165 Organstreit 164 Pandemie – Notfallankaufprogramm 13, 42, 49 – Notfallkaufprogramm 31 Parteienfinanzierung 86 Parteienoligarchie 67 Parteienstaat, Verfallserscheinungen Republik 135 Parteienstaaten – führerbestimmte 135 – keine demokratische Politik 145 – Plutokratien 147 – rechtsfern 145 PEPP 13, 31, 42, 49, 114 Personen, natürliche rechtsfähig 164 Pflege, weitgehend nicht BIP 142 Pflegeleistungen, Familie/Frauen 142 Pflicht sittliche 170 PIIGS 99 Plan B – Geldreform Grundeinkommen 143 – Popp/Albrecht 157 Plutokratien, Scheindemokratien 147 Politik – parteilich sachwidrig 162 – Verwirklichung des Rechts 118 – Wissenschaftlichkeit 28 Politik des leichten Geldes, ESZB/EZB 119 Politiker 149 – Bündnisse Verlogenheit 56 – Negativauslese 56 – Neigungen 55 – praktische Vernunft 55 Politische Freiheit, Teilhabe Ausübung Staatsgewalt 86 Politische Klasse 86 Politische Union 116 Popp, Andreas 157 Praxis rechtlose 50 Preisdumping 51 Preisniveaustabilität 146 f. Preispolitik 40 Preisregelungen 56
Stichwortverzeichnis Preisstabilität 36, 46, 146, 162 – Aufgabe ESZB/EZB 41 – mißachtet 46 – vorrangiges Ziel 29 – vorrangiges Ziel Bundesbank 43 – Währungsunion 58 Preisstabilitätsprinzip 47 Prime Minister 52 Prinzip begrenzter Einzelermächtigung 79 Privatschuldner, Insolvenz 110 Privatwirtschaft 161 Prodi, Romano 60 Produktion 99 – ohne Arbeit 141 Produktion/Verteilung 146 Produktivkraft, Industriestaaten unbegrenzt 143 Profitprinzip 130 Programmüberwachung EU, Aufsicht 97 Propaganda 52, 114 – Deutschland Werte 152 – Medien 86 Prosperität 56 Protokoll, übermäßiges Defizit 58 PSPP 30 f., 49, 71, 128 – Ankaufsvolumen 31 Puschner, Sebastian 131 Quantitative easing
31, 49, 54, 126, 166
Realisation soziale, Einzelstaaten 139 Realwirtschaft 169 – 10 % der Geldmenge 146 Recht auf Demokratie 86 Rechtes Maß, Gerechtigkeit 144 Rechtlichkeit, allgemeine Freiheit 118 Rechts-/Wirtschaftsordnung, notwendige Einheit 89 Rechtsakte – europäische Wille Mitgliedsvölker 82 – gemeinschaftliche 82 Rechtsakte sechs, Wirtschaftsregierung 60 Rechtsbrüche, Integration systemimmanent 109 Rechtsfähigkeit juristischer Personen 165 Rechtsinstrument, Zwang zur Rückzahlung Staatsschulden 166 Rechtsklärung 165
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Rechtsprechende Gewalt 77 Rechtsprechung, unabhängig 77 Rechtsprechungshoheit EU 82 Rechtsstaat – nicht ohne Demokratie 12 – Zwangsbefugnisse 81 Rechtsstaatsprinzip 84 Rechtstechniken, Rechtsverhältnisse 165 Rechtsverhältnisse zwischen Organen 164 Referenden 114 Referenzwerte, Haushaltsdefizit 58 Reform- und Anpassungsprogramm 71 Regionen, ländliche 150 Reich und arm 149 Reichsaufsicht, Reichsverfassung 1871 97 Reichtum – leistungsfern 158 – vieler Kapitaleigner 140 Reinhart, Carmen 123 Rentner/Pensionäre 109, 161 Ressourcen, ökonomische 162 Restrukturierung, Schulden 111, 126 Rettungsmaßnahmen für Banken und Länder 11 Revolution, technische 133 Rezession 57, 72, 111 Rezessionspolitik 65 Richter 77 Rogoff, Kenneth 123 Rückzahlungspflichten 166 Sachlichkeit, Pflicht jeder Politik 145 Sachwidrigkeit, rechtsstaatswidrig 11 Samuelson, Paul 110 Sanierung, Volkswirtschaft 111 Sanktionen nicht durchsetzbar 60 Sanktionsermessen des Rates 59 Sanktionsmaßnahmen 121 – gegen Deutschland/Frankreich 59 Schiller, Karl 107, 131 Schrottpapiere 40, 50, 126 Schulbesuch 150 Schulden – private USA 134 – Reduzierung 11 – Restrukturierung 111 Schulden-/Finanzunion 116 Schulden fremder Staaten, Übernahme 34
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Stichwortverzeichnis
Schulden reduziert 110 Schuldenabbau 110 – Rezession Depression 124 Schuldenbegleichung durch den Staat 162 Schuldenberg 153 Schuldenbremse 11, 69, 123, 132 – Texte 14 Schuldenbremsen 58, 160 – Entwicklungsbehinderung 128 – Fiskalpakt 106 – gegen praktische Vernunft 124 – globaler Wettbewerb 136 – Kritik 77 – Propaganda 123 Schuldenerlaß 127 Schuldenfalle, Mythos 110 Schuldenfinanzierung hilfsbedürftiger Staaten 38 Schuldengemeinschaft 120 Schuldengrenzen 111 Schuldenkürzung, insolvenzmäßig 126 Schuldenmehrung für Konsum 118 Schuldenreduzierung ohne Abwertung unmöglich 109 Schuldensperre 126 – unpopulär 66 Schuldenstand – öffentlicher 41 – Stabilisierung 128 Schuldentilgung 168, 170 Schuldentragfähigkeit 50, 121, 127, 134, 158 – Geschäftsbank 157 Schuldenverbote 53 Schuldrechtsreform 134 Schuldverhältnis, Erfüllung mit Buchgeld 158 Schulwesen, deutsches 134 Schutzmaßnahmen, wirtschaftliche 100 Schwarze Null 153, 168 Schwundgeld 56, 170 Sekundärmarkt 166 – Staatsanleihen 40 Selbstbestimmung – Briten 121 – EU-Mitgliedstaaten 97 Selbstbestimmungsrecht – des Volkes 78
– Deutsches Volk Souveränität Deutschlands 85 Selbstbindung – umkehrbare 68 – umkehrbare Staatenverbund 79 Selbstgestaltungsfähigkeit, Verfassungsstaat 90 Selbstverwaltungsorgane 77 Selektivität – Anlageverkäufe verboten 117 – Anleihekäufe untersagt 40 Selektivitätsverbot, Ankauf Staatsanleihen 168 Sicherheiten – der Kredite unzureichend 46 – drastische Absenkung 45 – nicht nahhaltig 30 – nicht zentralbankfähig 30 – unzureichende 44 Sicherheits-, Gesundheits-, Bildungspolitik 86 Sichtbare Hand des Rechts 139, 169 Sinn, Hans-Werner 44, 46 Sittlichkeit 145 – freiheitliche 144 Sklaven 152, 170 Sklavenhalter, Armutsländer 152 Sklaverei, humanisiert 99 Smith, Adam 169 Solidargemeinschaft 103 Solidarität 52, 113 – äußere 113 – EU 89 – finanzielle in EU 94 – in Deutschland 89 Solvabilität 157 Souveräne Staatengleichheit 167 Souveränität 66, 124, 136, 153 – Austrittsrecht EU 86 – Briten 52 – der Bürger 77 – der Völker 58 – Deutschlands 116 – Eigenständigkeit der Volkswirtschaft 93 – EU 79 – EU-Mitgliedstaaten 97 – Freiheit 118 – Freiheit Bürger 81
Stichwortverzeichnis – Freiheit der Bürger 12 – gegen Finanzierung fremder Staaten 118 – gemeinsame Ausübung 81 – in fremden Händen 56 – innere äußere 85 – Länder 96 – Schutz relativiert 32 – Staatsgewalt nicht übertragbar 81 – Völker/Landesvölker 11 – Vorbehalte 86 – Währungshoheit 116 – widerspricht Einheitswährung 116 – Wirtschaft/Währung 53 Souveränität Mitgliedstaaten, Vertragsgrundlage 87 Souveränität/Selbstbestimmung 88 Souveränitätsausübung, wirtschaftliche 136 Souveränitätsbewußtsein, Briten 121 Souveränitätsdogmatik, BVerfG keine 93 Souveränitätsübertragung, Volksentscheid 85 Souveränitätsvorbehalt 84 Sowjetunion, tyrannisch 55 Sozial(staats)prinzip 116 – stabiles Geld 43 Sozial-/Wirtschaftssystem 169 Sozialausgaben, wachsende 69 Sozialisierung 102 Sozialismus 55, 113 – unausweichlich 143 Sozialisten, integrationistisch 52 Sozialistisches System, Deutschland 132 Sozialkosten, wachsend 107 Sozialleistungen – monetär finanziert 144 – staatsfinanziert 143 Sozialleistungsansprüche 109 Sozialpflichtigkeit 148 – Finanzmächte 148 – Kapitaleigner 147 Sozialpolitik 106 Sozialprinzip 87, 139, 147 Sozialrentenansprüche 2007 5,7 Billionen Euro 109 Sozialstaat, Zerstörung 131 Sozialsystem 53 Sozialunion 113, 116
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Sozialversicherung, Beiträge 161 Sozialwirtschaft, marktliche 139, 147 Sparen 110 Spargebote 65 Sparmaßnahmen, Rezession Deflation 124 Sparpolitik zu Lasten Infrastruktur 168 Sparwillen, schwäbisch 111 Sparzwang 111 Sparzwänge, Währungsunion 66 Spekulation 147, 158 – Beschränkungen 147 Spekulationen, strafwürdig 147 Spekulationsgeschäfte 55 Staat – Banken 169 – Europa 82 – Insolvenz 110 – neoliberal kapitalhörig 130 – total 143 – und Gesellschaft 171 Staaten – globalisiert wenig Ordnungsmacht 139 – insolvenzgefährdet 44 – Übernahme Schulden 152 Staatenverbund 118 Staatlichkeit – existentielle 85 – funktionale gemeinsame Ausübung 80 – gemeinschaftliche 81 Staatsanleihen 32, 119, 156, 164, 166 – abstrakte Schuldversprechen 166 – Ankaufskriterien 31 – Forderungen 166 – oberste Liquiditätskategorie 111 – oft wertlos 40 – Sekundärmarkt 40 – Sicherheiten 40 – unmittelbarer Erwerb 73 – Volumen 2 Bill. 30 Staatsbegriff 154, 170 Staatscharakter EU 80 Staatseigenschaft, existentielle Deutschland 82 Staatsfinanzen, Konsolidierung 53 Staatsfinanzierung 154 – Besteuerung Geldausgabe 160 – durch ESZB/EZB 40, 119 – durch ESZB und EZB 25
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Stichwortverzeichnis
– Eurorettung 49 – Herstellen von Geld 161 – Kredit 161 – kreditäre 118 – Kreditierung Besteuerung 160 – Leistungsfähigkeit 169 – mittels Zentralbankgeld 160 – monetäre 48, 115, 156, 161 f., 164 – monetäre Techniken 30 – ultra vires ESZB/EZB 35 – Verbot 29 Staatsfinanzierung ESZB/EZB – mittelbare verboten 41 – ultra vires und staatswidrig 114 – unmittelbare verboten 41 – vertragswidrig 41 Staatsfinanzierung monetäre – Verbot Selektivität 136 – Verbot Verfassungsidentität 29 Staatsgewalt 154 – des Volkes 77 – EU Ausübung Koordinierung 86 – EU gemeinschaftliche Ausübung 85 – europäische 82 – Minderheit 86 – Mitgliedstaaten 81 – Teilhabe Bürger 86 – Völkern vorbehalten 81 Staatsgewalten, drei 80 Staatshaushalte – Finanzierung durch ESZB/EZB 119 – überschuldete/defizitäre 30 Staatsimmunität, Auslandsforderungen 167 Staatskredite 49 Staatsorgane 154 Staatsorganisation, ESZB 117 Staatsschulden 164 – Begriff 170 – Euro-Staaten 59 – fremde Währung 54 – gegenüber Privaten 54 – gegenüber Zentralbank 172 – implizite 109 – rechtliche Dogmatik/ökonomische Theorie 164 – Vergemeinschaftung 116 – Zentralbankschulden 163
Staatsschulden Berlins 122 Staatsschulden Nationalbank, unschädlich 53 Staatsschuldendokrin 154 Staatsschuldenkrise 51 – Euro-Länder 126 Staatsschuldenkrisen, Prävention 65 Staatsteilung unbegründbar 167 Staatsunternehmen, Verwaltung 164 Staatsvergessenheit 129 Staatsverschuldung 156 – Begrenzung BVerfG 107 Staatswissenschaft, Irrtum 164 Stabilisierungsmechanismus, Ausbeutungsmechanismus 109 Stabilität 11 – Euro 59 – monetäre 120 – politische 121 Stabilität des Staates, stabile Währung, Haushalt 116 Stabilität/Wachstum 57 Stabilitäts-/Wachstumspakt 59, 64, 65, 98 – Materie Europäischer Rat 59 – politisch verbindlich 59 Stabilitäts-/Wachstumspolitik 153 Stabilitätsgemeinschaft 120 Stabilitätskriterien 106 Stabilitätskultur Deutschlands 32 Stabilitätsmechanismus 71 Stabilitätspolitik der EU 95 Stabilitätsprinzip, neoliberal 43 Stabilitätsrat 95 Stabilitätstheorien, neoliberale 43 Stagnation, rezessive 141 Standortqualität 30 Stein, Lorenz von 131 Steingart, Gabor, Japan 135 Steinhardt, Paul 43, 48, 123, 129 – 131, 135 f., 157, 162, 164 Steuerdumpingpolitik 136 Steuereinnahmen, Staatsgeld 160 Steuern 154 Steuerpflichtige 169 Steuerschuldner, Geld des Staates 168 Steuerstaat 161 Steuerzahler 120 Stiglitz, Joseph 123
Stichwortverzeichnis Streeck, Wolfgang 110 Strukturprinzipien, Achtung durch Unionsrecht 84 Strukturreformen 98 Stückkosten 98 Subsidiaritätsprinzip – Kompetenzausübungsschranke 84 – reine Farce 12 – Zuständigkeit EU 84 Subsidiaritätsrügeverfahren 12 Subventionen 99 – gegen Innovationen 99 Subventionsregime, GATT 56 Sünder 120 Systemrelevanz 103 – kein Rechtsprinzip 103 TARGET 2 44 TARGET-Defizite 117 Target-Forderungen Bundesbank 44 TARGET-Konten, sekundäre Geldbasis 44 TARGET-Kredite, Finanzierung Schuldnerstaaten 45 TARGET-Salden 119 – Forderungscharakter 46 – Unausgeglichenheit 45 TARGET-Saldierung, Euro-Bonds Wirkung 45 TARGET-Schulden 117 TARGET-Überschüsse 117 Tauschmittel Geld 169 Teuerung 150 Tiedtke, Rüdiger Volkmar 172 Transfer durch Steuern und Beiträge 89 Transfereinkommensbezieher 120 Transferleistungen 52 Transferleistungen in neue Länder, Minderung Defizit/Schuldenstand 60 Transferunion 120 Transferzahlungen 160 Trieb zum Haben 55 Trommelfeuer, neoliberales 171 Tugenden, deutsche 134 Tyrannis, sozialistische 153 Übergangsvorschriften Überschuldung 94 f.
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Übertragung Hoheitsrechte EU, enge Grenzen 83 Überwachung, Haushaltslage/Schuldenstand 58 ultima ratio-Prinzip 71 Ultra-vires-Kontrolle 33 Ultra-vires-Lehre 84 Umsatz 142 Umsatzsteuern 169 Umschuldungsklauseln 102 Umwälzungen, politische 127 Ungleichgewicht, Zahlungsströme 44 Union, sozialpolitische 95 Unionisten 113 Unionsgesetze – keine eigenständige Rechtsordnung 82 – Rechtsordnung Mitgliedstaaten 81 Unionsgewalt, keine besondere Hoheitsgewalt 82 Unionsorgane, Organe gemeinschaftliche Mitgliedstaaten 81 Unionspolitik, demokratische Verantwortung 79 Unionsrecht – Geltungsgrenzen 84 – primäres 82 – sekundäres 82 Unionsstaat 113 – vollkommen 40 Unionsverfassung 82 Unionsvolk 79 – Träger Staatsgewalt 79 Unionsvolk/Unionsstaat ohne Verfassungsgrundlage 113 Unrecht, Europapolitik 118 Unsichtbare Hand 169 Unternehmen – mittelständische 133 – multinationale 148 – öffentliche 130 – staatliche privatrechtlich 152 Unternehmen Zugriffsmasse, internationalen Kapitals 152 Unternehmenslandschaft, kleinteilig 56 Unternehmenssteuern 141 Unternehmenstheorie, Privatismus 171 Unternehmenswettbewerb, mikroökonomisch 99
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Stichwortverzeichnis
Unternehmer, internationale Kapitaleigner 142 Unternehmer internationale, Ausbeuter 152 Unternehmertum, Privatheit 164 Unterstützungszahlungen 95 Unterwerfung unter Islam 83 Unumkehrbarkeit, Integration EU 79 USA – führende Wirtschaftsmacht 134 – Staatsschulden 134 Vater des Euro 153 Verarmung 99 Verarmungsmaßnahmen 110 Verbrauchsteuer 169 Verfahren, demokratisch 144 Verfassungsgesetz 113 – EU 82 Verfassungshoheit 80 – EU 82 Verfassungsnovelle 1967, Karl Schiller/Wilhelm Hankel 107 Verhältnismäßigkeit 12 Verhältniswahlsystem mit Sperrklausel 86 Verlustausgleich, Reservefonds EZB 47 Verluste EZB – Haftung 46 – Verteilung 47 Verlustzuweisungen EZB, nur Minderung Überschüsse 47 Vermögen 146 – politische Macht 147 Vermögensarmut, Deutschland 150 Vermögensauskunft des Staates 167 Vermögensmarkt 43 – aufgeblasen 55 Vermögensmehrungen ohne Leistungen 147 Vermögenssektor, inflationär 124 Vernunft – ökonomische 153 – praktische 11, 55, 144 Verrechnungsposten ESZB, bilanztechnische 46 Verschuldung 115 – Ökonomiker ratlos 150 – oktroyierte 119 – theoretische Notlage 150
Verschuldungsgrenze, veranschlagte Investitionen 67 Verschuldungspolitik 120 Versorgung mit Kaufkraft weitgehend leistungslos 139 Verstaatlichung EU 116 Verteidigungsbündnis 81 Verteilung – gerechte 144 – leistungslos 144 Verteilung Geld, selektiv 57 Verteilungsgerechtigkeit 50 Verteilungspolitik, Gesetzgeber 144 Verteilungsprinzip, Grundeinkommen 143 Verteilungsprinzipien 143 Verteilungsproblematik 169 Verteilungsregelungen des Staates 171 Verteilungssystem, staatliches 143 Verteilungstechnik 170 Verteilungswirkungen, Staatsausgaben 169 Vertrag von Lissabon 52 Vertragsänderung 33 Vertragspartner, Gleichbehandlung 121 Vertrauen in Banken 157 Verwaltungsbehörden 77 Verwaltungsgebühren 160 Verwaltungshoheit EU 82 Visionen, integrationistische 126 Volk – Bürgerschaft 170 – keine Schulden gegen sich selbst 170 – Staat 167 – Staatseigenschaft, existentielle 79 – Unionsbürger 79 Völkerrecht, Frieden 144 Volksabstimmungen 113 – Unionsvolk 80 Volksentscheid 77 Volkswirtschaft – einheitliche 112 – Geschäfte 169 – labile Stabilität 150 Volkswirtschaften – defizitäre 117 – heterogene 11, 32 – Konvergenz 99 Volkswirtschaften EU, eigenständig Verfassungsidentität 93
Stichwortverzeichnis Volkswirtschaftslehre, Weltwirtschaft 150 Vollgeld 157 Vollstreckung – Staat gegen Staat 167 – zivilistisches Instrument 167 Vollstreckungsimmunität 167 – Gegenstände für hoheitliche Zwecke 167 Vollzuteilung Zentralbankgeld, beliebiger Umfang 45 Vorrang Bundesrecht vor Landesrecht 96 Wachstum 110, 159 Wachstum/Wohlstand 150 Wachstumschance 111 Wahlen, demokratisches Recht 99 Wahlen/Abstimmungen 154 Wahlen und Abstimmungen 77 Währung – Abwertung 98 – Konvertierbarkeit 48 – überbewertet 54 – weltmarktgerechte 56 Währungen, Schwächung 147 Währungs-/Wirtschaftspolitik 41 – Sozialpolitik 145 Währungsdumping Deutschlands durch Euro 107 Währungskausalitäten, undurchschaubar 151 Währungspolitik, vertragsmäßige 41 Währungspolitik ESZB/EZB, Legalität EUVerträge 29 Währungspolitik EZB, Verselbständigung 26 Währungsraum, optimaler 112 f. Währungsreform – Schuldenbeseitigung 111 – Vermögensvernichtung 111 Währungsunion 136 – beseitigen, nicht verfestigen 109 – Krieg Frieden 86 – Strukturprinzip 58 – Wirtschafts- Sozialunion 116 Währungsverbund, Kreditbedingungen unterschiedlich 30 Währungswettbewerb, makroökonomisch 99 Waigel, Theo 60
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Ware illegale 152 Warenknappheiten 43 Warenkorb, persönliche Inflation 150 Warenproduktion, Konsum 146 Wechselkurse, Strukturausgleich 99 Weltmarkt 56 Weltmarktfähigkeit 56 Weltmarktrelevanz 133 Weltwirtschaftslage wenig solidarisch 136 Werk-/Dienstleistungen mit Befähigung 141 Wertpapiere, Sicherheiten 166 Wertpapierkäufe EZB 49 Wertschöpfung 139 – Konsumenten 142 – Pflegeleistungen 142 Wertschöpfung der Völker 140 Wertverfall Sachwerte 55 Wettbewerb – Chancengleichheit 98 – Gleichberechtigung 98 – Gleichheit 164 – Lohnkosten 98 – unfair weltweit 132 – verbotene Verzerrung 57 Wettbewerb globaler, Wirtschaftskrieg 136 Wettbewerber, Währung 51 Wettbewerbsfähigkeit 56 f., 98 f., 121 – Abwertung 54 – Abwertung Währung 51 – deutsche Rückfall 69 – Volkswirtschaften 32, 65 – weltweite 134 Wettbewerbsordnung, Staatsunternehmen 164 Wettbewerbsschwäche trotz Subventionen 99 Wettbewerbsverzerrung 121 Willen, Bürgerschaften 118 Willensbildung, demokratische 144 Willensbildung demokratische, Budgetrecht 90 Willensbildung politische 86 Willkür, Eigentümer 148 Wirtschaft, Niedergang 111 Wirtschaft konvergent homogen, Währungseinheit 116 Wirtschaft stabile, stabiles Geld 43
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Stichwortverzeichnis
Wirtschaften, nachhaltiges 133 Wirtschafts-, Währungs-, Sozialpolitik 86 Wirtschafts- und Währungsunion 95 Wirtschafts-Verteilungspolitik 54 Wirtschafts-/Währungs-/Sozialunion 39 Wirtschafts-/Währungshoheit 57 Wirtschafts-/Währungspolitik 35, 39, 116 Wirtschafts-/Währungsunion 53, 99 Wirtschafts-/Währungsunion, Sozialunion 113 Wirtschaftsaufsicht EU, wirkungslos 109 Wirtschaftsentwicklung 130 Wirtschaftslenkung 41 Wirtschaftspartnerschaftsprogramm 97 Wirtschaftspolitik, China 56 Wirtschaftspolitik EU 41 Wirtschaftsregierung EU gegen Souveränität 93 Wirtschaftsstruktur, wettbewerbsfähig 54 Wirtschaftssystem – für die Reichen 139 – neoliberal 54 Wirtschaftswachstum 123 Wissenschaftlichkeit, Geldpolitik 154 Wohl des Volkes 140 Wohlfahrtsstaaten 106 Wohlstand der Völker 11 Wohlstand für alle 139 Wohlstandsland Deutschland 142 Wohlstandsländer, Kaufkraft 135 Wohlstandsmehrung, Staatsschulden 53 Wohnungen, Ballungsgebiete 132 Wollmershäuser, Timo 44 Wort letztes des Rechts über Ausübung der Staatsgewalt 40 Würde des Menschen 139 Zahlungsansprüche gegen Bank/Unrecht 51 Zahlungsbilanzausgleich 51 Zahlungsbilanzdefizite 44 Zahlungsbilanzkrise 48 Zahlungsbilanzüberschüsse 44 Zahlungsdienstrahmenverträge 158 Zahlungsdienstverträge 158 Zahlungssystem – Bankenzwang 158 – Zahlungsfähigkeit Banken 158
Zahlungssystem ESZB 45 Zentralbank 154 – Bank der Banken 157 – Erzieher von Regierung Politiker 161 – Geschäftsbanken 163 – Kauf von Staatsanleihen 163 – Staat 154, 160 – Staatsorgan 164 – Überschüsse 48 – Unabhängigkeit 154 – Verluste 48 Zentralbank unabhängige, Sachkompetenz Geldpolitik 25 Zentralbanken – als Geschäftsbanken 48 – keine Zinsen 119 – nicht insolvenzfähig 49 – Schuldenendlager 158 – Unabhängigkeit 144, 162 – Zessionare 119 Zentralbanken EU, Peripherie 44 Zentralbankgeld, Buchgeld durch Einlage 163 Zentralbankgeldmenge, Überhang 134 Zentralbankkredite keine Staatsschulden 54 Zentralbankpleiten, neoliberaler Mythos 48 Zentralbankschulden – keine Staatsschulden 171 – vom Staat netto selten beglichen 168 Zentralbanküberweisungen an Staat keine Zahlungsverpflichtung 164 Zigaretten 158 Zins Zentralbank, Steuerungsfunktion 48 Zinsen 134 – Entgelt für Kredit 157 Zinsfinanzierung, Kredite 122 Zinsgewinn für Kredite 158 Zinsknechtschaft 55 Zinsnahme, gewillkürt 156 Zinspolitik 163 Zinssätze, überfordernd 40 Zinssubvention 49 Zinsverbote, religiöse 155 Zugriffsmasse – Staat öffentliche Unternehmen 167 – Vollstreckung gegen Staat 166 Zukunftsrat 128
Stichwortverzeichnis Zukunftsvorsorge 128 Zusammenarbeit – militärische NATO 81 – verstärkte 57, 65 Zuständigkeitsordnung EU, kompromißhaft 39 Zustimmungsgesetze, EM-Vertrag, Fiskalvertrag 117
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Zuwanderung in Sozialsystemen 130 Zuwanderungs-/Sozialpolitik 69 Zuwanderungspolitik, wirtschaftsfördernde 130 Zwangsbefugnisse, Einzelstaaten 81 Zweidrittelmehrheit, Bundestag Bundesrat 67