197 102 4MB
German Pages 38 [77] Year 2022
Ein Wort
Für mb wider die Jesuiten.
Audiatur et altera pars.
Berlin, Druck und Verlag von Georg Reimer. 1891.
Vorrede. Der verstorbene Centrumsführer Dr. Windthorst hat des Oefteren darauf hingewiesen,
daß die aus dem reli
giösen Gebiete liegenden Differenzen
der beiden
großen
christlichen Confessionen nur im Wege einer wissenschaft lichen Erörterung zum Austrage gebracht werden können. Das gilt unbedenklich auch bezüglich der von Windt
horst
selbst angeregten Jesuitenfrage,
welche
durch
den
Tod des Antragstellers an Wichtigkeit eher zu- als abge
nommen hat. Wir haben
deßhalb geglaubt,
dem gebildeten Leser
beider Konfessionen einen Dienst zu erweisen,
wenn wir
unverkürzt und ohne jede Aenderung zwei Aussätze hier zum Abdruck bringen, von denen sich der eine gegen, der andere
für die Jesuiten ausspricht.
Der letztere gewinnt dadurch an Bedeutung, daß er,
wie die Chiffre ergiebt, aus der Feder eines,
durch seine
schriftstellerischen Leistungen bekannten Jesuiten herrührt. Der gegnerische Standpunkt ist durch die eingefügten Gegenbemerkungen gekennzeichnet.
I. Theil. Zesuilismus und Katholicismus. (Aus den Preußischen Jahrbüchern Bd. 67.)
Der Antrag, den Jesuiten-Orden in Deutschland wieder
zuzulassen ist auf die Tagesordnung der öffentlichen Discussion gestellt und von allen Seiten wird das Material zur Beurtheilung für und wider zusammengetragen.
Petition folgt der anderen.
Eine
Die Katholiken behaupten,
Lehre und Moral der Jesuiten sei keine andere, als die der katholischen Kirche.
Sei die letztere einmal vom Staate
anerkannt, so müßte es ihr auch gestattet sein,
sich in
ihren Institutionen frei und ungehindert zu bewegen; auch
erfordere es die Parität daß über die Zulassung von Or den, ihre Zahl und Gattung, die Katholiken allein zu
bestimmen hätten.
Man macht ferner geltend,
daß den
Jesuiten unserer Tage die Sünden einzelner Jesuiten in früheren Jahrhunderten nicht zur Last gelegt werden könnten, daß die 200 bis 300 deutschen Jesuiten, welche um sich
6 nicht der Einschränkung ihrer Wirksamkeit zu unterwerfen,
Deutschland verlassen haben, in den 25 Jahren ihre Wirk
samkeit in Deutschland sich keiner einzigen gesetzwidrigen Handlung schuldig gemacht,
daß sie sich im Gegentheil
durch hervorragende Tugenden ausgezeichnet, und während
des Feldzuges von 1870 sogar Gesundheit und Leben für das Vaterland eingesetzt hätten.
Endlich behaupten die
Katholiken, der Jesuitenorden sei das mächtigste Bollwerk gegen die immer mehr wachsende, Thron und Altar be drohende Socialdemokratie. —
Den Protestanten gilt der Jesuit nicht selten als der Inbegriff aller Schlechtigkeit.
Das war schon zu den Zeiten
des Martin Chemnitz (f 1586) und das ist auch heute noch vielfach der Fall. allerdings
Einzelne Protestanten sind dem Orden
günstiger gestimmt.
In einem bei Pustet im
Jahre 1872 erschienenen Schriftchen „der Jesuitenorden, Werke und Geheimnisse", auf welches wir
seine Gesetze,
noch zurückkommen werden, sind solche günstigeren Zeugnisse mitgetheilt.
Darunter befinden sich auch Auszüge aus den
Briefen Friedrich des Großen von d'Alembert und Voltaire, welche sich in diesem Sinne aussprechen*).
Aehnliche Zeug-
*) Nicht ganz richtig ist die Wendung, die ein Abgeordneter in
der Sitzung des Reichstages vom 19. Juni 1872 (S. 1136 der Sten.-
33er.) gebrauchte.
Er behauptete, Friedrich der Große habe gesagt:
„Nur Eitelkeit, Rachsucht und Eigennutz haben die Aufhebung des Jesuitenordens herbeigeführt." Thatsächlich spricht F. d. G. in dem offenbar gemeinten Briefe vom 3. April 1770 von der Vertreibung der Jesuiten (aus Frankreich); die Aufhebung des Ordens ist be
kanntlich erst int Jahre 1773 erfolgt.
7
niffe
bringt
das
neueste Schriftchen
vom Grasen
von
Hoensbroech 8. J.: „Warum sollen die Jesuiten nicht nach Deutschland zurückkehren".
(Freiburg bei Herder 1891.)
Jedenfalls scheint aber unter den heutigen Protestanten
darüber Einverständniß zu herrschen, daß, da der Jesuiten orden durch die Bestätigungsbulle des Papstes Paul III. vom 17. September 1540 vorzugsweise zum Kampfe für
das Papstthum berufen sei, die Wiedereinführung des Or
dens in Deutschland eine Beeinträchtigung des confessionellen Friedens und eine Gefährdung des evangelischen Bekennt
nisses enthalten würde.
sicht,
Auch ist man allgemein der An
daß die Gesellschaft Jesu eine Gewähr gegen die
Ausschreitungen der Socialdemokratie nicht biete, da trotz zahlreicher Jesuiten weder das katholische Belgien von so cialdemokratischen
Unterströmungen
noch
auch
Spanien,
Frankreich und Italien von verschiedenen Revolutionen be freit geblieben sei.
Nicht einmal den Kirchenstaat hätte
der Orden vor wiederholten politischen Umwälzungen zu
schützen vermocht.
Im Gegentheil; gerade hier habe trotz
der Anhäufung von Jesuiten in den Schichten des Volkes der krasseste Aberglaube und die größte Verwilderung der
Sitten geherrscht.
Es wird dabei unter anderen auf die
von Bunsen in seinem Buche „die Zeichen der Zeit" (Brock haus 1855) erwähnte amtliche Statistik hingewiesen, nach
welcher die Gefängnisse des damaligen Kirchenstaates in einem unerhörten Maße mit den scheußlichsten Verbrechern
— darunter allein 21 Vater-Mördern — gefüllt gewesen. Katholischerseits will man die unchristlichen und besonders
8 die revolutionären Erscheinungen in den katholischen Län
dern auf das Freimaurerthum zurückführen.
Da indessen
die Theilnahme an der Freimauerei von der Kirche bei
schwerer Sünde verboten ist, so scheint man indirekt zugeben zu müssen, daß die Kirche selbst da, wo sie, wie im
Kirchenstaate, die weltliche Gewalt allein in der Hand hatte, trotz der ihr zu Gebote stehenden Jesuiten nicht im Stande ist, dieser angeblichen Mutter-Sünde mit Erfolg entgegentreten zu können.
War doch selbst Voltaire ein
Schüler und Zögling der Jesuiten, in deren Hause er sieben Jahr gelebt hat.
Endlich wird Seitens der Protestanten
noch geltend gemacht, daß die Katholiken selbst über den Nutzen der jesuitischen Thätigkeit getheilter Meinung seien.
Die Thatsache ist richtig.
Es ist bekannt, daß bis zum
Jahre 1870 Professoren der katholischen Theologie über den
Druck klagten, welcher auf der deutschen theologischen Wissen schaft laste; daß ferner die Pfarrgeistlichkeit an den mit
Jesuiten-Niederlassungen versehenen Orten darüber erbittert war, daß ihr seelsorglicher Einfluß auf die Pfarrgemeinde
durch die Jesuiten vielfach durchbrochen und lahmgelegt wurde, und daß endlich selbst geistliche Lehrer an den Gym
nasien
das von den Jesuiten eingesührte und gepflegte
Spionirsystem unter den Schülern nicht billigten. Wenn demgegenüber jetzt in zahlreichen Petitionen die
Rückberufung der Jesuiten nach Deutschland verlangt wird, so wird die Beweiskraft dieser Kundgebungen durch
den
Umstand erheblich beeinträchtigt, daß man Seitens der
katholischen Agitation zu dem Mittel der Drohung mit
9
„öffentlichem Abmalen"
gegen diejenigen Katholiken
geschritten ist, welche etwa in Bezug aus die Betheiligung
an einer solchen Petition Bedenken haben sollten.
Bekannt
lich giebt es nicht wenige Katholiken, namentlich Gewerbtreibende, Kaufleute, Handwerker u. dergl.,
wie man zu sagen pflegt,
welche sich,
eher einen kleinen Finger ab
hauen, als in katholischen Zeitungen öffentlich abmalen ließen.
Und nicht mit Unrecht;
denn, wie die Mischung
der Farben bei solchen christlichen Malern keineswegs der
Vorschrift des Apostels im Briese an die Korinther 1. 13. 4—6 entspricht,
so
entbehrt auch der Mal-Stift der bei
Math. 22. 37—39 vorgeschriebenen Beschaffenheit, und das ganze Bild ist das gerade Gegentheil von dem bei Joh. 13.
34 u. 35 und Math. 5, 43 entworfenen Gemälde.
Nur die
Auctorität des Jesuiten P. Busenbaum ließe sich mit einigem
Schein von Berechtigung für ein solches Verfahren heran ziehen:
„wenn der Zweck erlaubt ist, so
sind auch die
Mittel erlaubt." (Busenbaum: Medulla theologiae moralis lib IV. Cap. III Dub. VII. Art. II. Res. 3: „Cum finis est licitus, etiam media sunt licita.“)
Der Cardinalpunkt für die Entscheidung wird in der
Beantwortung der Frage liegen, ob wirklich zwischen dem Jesuitismus und dem Katholicismus, Deutschland lebt,
nicht besteht.
wie er heute in
ein wesentlicher Unterschied besteht oder
Wir behaupten,
daß thatsächlich ein solcher
Unterschied besteht und daß die Unterschiede sich namentlich
auch aus solche Punkte erstrecken, welche für die Gestaltung des Verhältnisses des Christen zur staatlichen Ordnung so-
10 wie für das Verhältniß des Katholiken zu den protestanti schen Mitbürgern von maßgebender Bedeutung sind.
Jesuitischerseits bestreitet man das Vorhandensein der
artiger Unterschiede.
„Daß der Jesuiten-Orden sich aus
das Engste au die Kirchenlehre anschließt", sagt die oben erwähnte Broschüre „der Jesuitenorden" S. 121, „brauchen
wir kaum zu bemerken.
Der h. Ignatius macht das allen
Christen zur Pflicht; wie viel mehr nicht seinen Ordens
genossen?
Schon
daraus
folgt
der Widersinn der ge
hässigsten Beschuldigung gegen die Lehre und Moral des
Ordens, die schon deshalb nicht so verderbt sein kann, weil sie keine andere, als die der katholischen Kirche ist."
Da nun überdies — so argumentirt der Katholik weiter —
der katholische Glaube und die katholische Moral auf der ganzen Welt ein und dieselben sind, so kann auch zwischen den Lehren der Jesuiten und dem Glauben der deutschen
Katholiken ein Unterschied nicht bestehen gemäß den Worten
des h. Jrenius:
„den von
den Aposteln
empfangenen
Glauben bewahrt die Kirche sorgfältig, obgleich sie auf
dem ganzen Erdkreise zerstreut ist; . . . und weder glauben die in Germanien gegründeten Kirchen anders oder
lehren anders, noch die in Jberien oder in Gallien oder im Oriente oder in der Mitte der Welt gegründeten." Wenn wir nun gleichwohl den Beweis erbringen, daß
zwischen der jesuitischen Lehre und dem deutschen Glauben
solche Unterschiede nicht nur bestanden haben sondern noch bestehen, und daß ferner die religiöse Ueberzeugung
der deutschen Katholiken dem Staatswohle ungleich
11 förderlicher und günstiger ist,
als die entgegengesetzte
Anschauung und Lehre der Jesuiten, dann möchte sich für
Reichstag und Bundesrath die Gewissenspflicht ergeben, alles aufzubieten, um durch thunlichste Fernhaltung des
jesuitischen Einflusses den abweichenden religiösen Stand punkt der deutschen Katholiken möglichst zu conserviren.
Kann auch durch die Ausschließung des Ordens vom deut schen Vaterlande die Gefahr nicht gänzlich beseitigt werden,
so wird sie dadurch doch erheblich gemindert. Der Jesuiten orden aber hat kein Recht, sich über eine solche Ausnahme
stellung zu beklagen. wesen
haben
nur
Denn in einem geordneten Staats
diejenigen
Institutionen
einen
Anspruch auf Existenz, welche den Interessen des Ge meinwohles nicht zuwiderlaufen.
Selbst wenn es daher
richtig wäre, was Warnkönig in der Broschüre „Social demokraten und Jesuiten" (Berlin 1890) wohl mehr im
Hinblick auf die katholischen,
als auf die evangelischen
Staaten zu behaupten wagt, daß man in unserem heutigen Staatsleben sogar in Bezug aus die moralische Korruption
gleiche Freiheit für alle in Anspruch nehme, so würde diese, von Schwäche und Pflichtvergeffenheit des Staates
zeugende Thatsache dem Jesuitenorden in dem unterstellten
Falle noch keinen Anspruch auf Zulassung
in unserem
deutschen Vaterlande gewähren. — Für den Zweck unserer
gegenwärtigen Abhandlung
haben diejenigen Unterschiede, welche früher zwischen Ka tholicismus und Jesuitismus bestanden haben, nur eine untergeordnete Bedeutung.
Wir übergehen sie deshalb.
12
I.
Der erste Unterschied zwischen den Lehren der Jesuiten und den Anschauungen der deutschen Katholiken betrifft die
Lehre über das Verhältniß von Staat und Kirche.
Diese
Materie hat bekanntlich durch verschiedene päpstliche Kund gebungen alter und neuerer Zeit, insbesondere durch die
Bulle unam sanctam von Bonifaz VIII. und den Syllabus
Pius IX. vom Jahre 1864 eine dogmatische Regelung er fahren.
Aber der gesunde Sinn der deutschen Katholiken
sträubt sich so hartnäckig gegen die Reklamirung der mittel
alterlichen Rechte des Papstes für die Jetztzeit, daß man im Interesse der staatlichen Ordnung nur dringend wünschen kann, wenn die gegentheiligen Lehren der Jesuiten von un sern katholischen Mitbürgern,
auch von der
namentlich
katholischen Jugend möglichst fern gehalten werden.
Be
trachten wir zunächst die Stellung der Katholiken zum Syllabus. tung:
Satz 23 des Syllabus verwirft die Behaup
„Die römischen Päpste und die allgemeinen Con
cilien haben die Grenzen ihrer Gewalt überschritten und
Rechte der Fürsten usurpirt." Satz 24 verdammt die Behauptung:
„Die Kirche hat
nicht die Macht, äußeren Zwang anzuwenden, noch irgend
eine zeitliche direkte oder indirekte Gewalt." Satz 77 u. 78 verurtheilt die Ansicht: In unserer Zeit
ist es nicht mehr möglich, daß die katholische Religion als
die einzige Staatsreligion unter Ausschluß aller anderen Culte gehalten werde; es war daher gut gethan, in ge-
13 wissen katholischen Ländern den Einwanderern gesetzlich die
freie Ausübung ihres Kultus zu garantiren."
Gegen
diese,
für einen
ehrlichen Deutschen
etwas
harten Urtheile des Papstes hilft man sich katholischerseits auf die verschiedendste Art und Weise. Ansicht,
Die einen sind der
daß eine Kathedral-Entscheidung des Papstes in
dem Syllabus nicht enthalten sei.
Wir kennen katholische
Professoren, welche diese Meinung vertreten.
Andere glau
ben, als verdammt könnten nur die Lehrsätze in der nega
tiven Form gelten, keineswegs seien damit zugleich die contradictorischen positiven Sätze als unfehlbare Wahrheiten Wieder andere sind der Meinung, das
hingestellt worden. Verzeichniß
der
80 Sätze
sei
nur
eine
Wiederholung
früherer Aussprüche, sodaß bei Beurtheilung der Trag
weite derselben
auf
die ursprüngliche Entscheidung des
Papstes zurückgegangen werden müsse.
an welche uns
behufs
Von den Bischöfen,
richtiger Erfassung
des
etwas
schwer zu verstehenden Syllabus ein katholischer Ab geordneter in der Sitzung des Reichstages vom 19. Juni 1872 verwies, äußert sich Martin folgendermaßen:
„Mit
Nichten sind diejenigen Propositionen, die den im Syllabus nicht verworfenen (denn verworfen ist streng genommen im Syllabus keine einzige Proposition) sondern als bei früheren
Gelegenheiten vom Oberhaupte der Kirche verworfenen in ihm bloß zusammengestellten Propositionen contradictorisch
(nicht etwa bloß conträr) entgegengesetzt sind, nunmehro,
nachdem die Lehrentscheidungen des Papstes ex cathedra für unfehlbar erklärt worden sind, sämmtlich als verbin-
14
dende katholische Glaubenslehren hingestellt. Nur diejenigen sind es,
nicht
die den vom Papste als häretisch censurirten, —
diejenigen die den vom Papste mit anderen Cen
suren belegten contradictorisch entgegengesetzt sind*)." was sagen nun die Jesuiten,
welche bekanntlich
Und
der Ab
fassung des Syllabus ganz besonders nahe gestanden, zu
diesen Windungen des deutschen Gewissens?
Hören wir
statt anderen den Jesuiten P. Schrader in seiner Schrift „Der Papst und die modernen Ideen" (Wien 1865), dessen
Buch nicht nur
die Ordens-Censur passirt hat,
sondern,
wie das Vorwort er giebt, vom Papste Pius IX. noch ganz besonders belobt worden ist.
Der Jesuit sagt:
„Alle die 80 Sätze (des Syllabus)
und jeder einzelne derselben werden vom Papste verworfen, verboten und verdammt.
Von allen und von jedem ein
zelnen derselben will und befiehlt der Papst, daß die Kinder der katholischen Kirche sie durchaus für verworfen, verboten
und verdammt halten sollen. „So weit diese Sätze das politische Gebiet berühren, hat der Papst mit denselben eine unverletzbare Linie ge
zogen auf dem Gebiete natürlicher Disciplinen, Statthalter Christi auf Erden eben
weil der
keine Trennung
der
natürlichen von der übernatürlichen Ordnung zugeben kann,
keine Trennung der Religion von der Politik, keine Tren nung der menschlichen Gesetzgebung von dem Gesetze Gottes. *) Der wahre Sinn der Baticanischen Lehrentscheidung über das unfehlbare päpstliche Lehramt von Dr. Conrad Martin, Bischof von Paderborn. (F. Schöningh. 1871. 3. Anst. Seite 41.)
15 „Das Verzeichniß
der 80 Sätze ist auch nicht bloß
eine einfache Wiederholung von Aussprüchen, welche schon vor längerer oder kürzerer Zeit öffentlich erfolgt sind, son dern eine neue, feierliche Zusammenfassung und Gesammt-
verdammung aller der Irrthümer unserer Zeit, welche in
den früheren Akten Pius IX.
und zwar von seiner An-
tritts-Encyclica vom 9. November 1846 angefangen (also
lange vor den traurigen Erfahrungen, welche der Papst in
seinen eigenen Staaten und an seiner eigenen geheiligten Person
über
die unheilvollen
Wirkungen
der modernen
Ideen gemacht hat) bis zu dem neuesten Akte einzeln und
nach einander verurtheilt worden sind. „Das Verzeichniß der 80 Sätze stellt endlich eben so viele positive Lehrsätze auf, als es irrige Lehrsätze verdammt,
da es allgemein bekannte Regel und feste Norm ist, daß
mit der Verwerfung
eines bestimmt sormulirten irrigen
Satzes der gerade einfache (contradictorische) Gegensatz mit
gleicher Auctorität als Wahrheit zu halten ist.
Deshalb
haben wir es in dem Syllabus oder Verzeichniß versucht,
jedem einzelnen dieser 80 Sätze in der deutschen Uebersetzung seinen contradictorischen Gegensatz gegenüber zu stellen." „Diese Gegensätze lauten" nach demselben Autor:
„Die römischen Päpste und die allgemeinen Concilien
haben die Grenzen
ihrer Gewalt nicht überschritten;
die
Rechte der Fürsten nicht usurpirt."
„Die Kirche hat die Macht,
äußeren Zwang an
zuwenden, sie hat auch eine directe und indirecte zeit liche Gewalt."
16 „In unserer Zeit ist es auch noch nützlich, daß die
katholische Religion als die einzige Staatsreligion unter
Ausschluß aller anderen Culte gehalten werde." „Es war daher nicht gut gethan in gewissen katholi schen Ländern, den Einwanderern gesetzlich die freie Aus
übung ihres Cultus zu garantiren."
Also — die Kirche hat nach
dem von den Jesuiten
verkündeten Dogma auch das Recht, Gewalt anzuwenden.
Zu dieser Lehre haben zwei Jesuiten P. Florian Rieß und
P. Schneemann in den „Stimmen aus Maria-Laach" fol gende Bemerkungen gemacht. Zunächst Schneemann im VII. Hefte S. 23:
„Die Kirche darf zur Ausführung ihrer Gesetze und
Urtheilssprüche und zur Wahrung ihrer Rechte die physische Gewalt des Staates beanspruchen, und derselbe muß, wenn
er anders nach den in der göttlichen Wahrheit und im Rechte begründeten katholischen Principien handeln will,
sich verpflichtet erachten, den Aufforderungen der Kirche nachzukommen . . . Ganz unbegründet ist es,
dung der physischen Gewalt,
die Anwen
bloß auf bürgerliche und
politische Dinge beschränken zu wollen."
Und sodann Rieß im XII. Hefte S. 52: „Es ist zu unterscheiden zwischen denjenigen,
welche
sich immer außer dem Schoße der Kirche befunden, als da sind die Ungläubigen und Juden, und jenen, die sich der Kirche durch den Empfang des Taufsakramentes unterworfen
haben. Die Ersten dürfen zum Bekenntniß des katholischen
17 Glaubens nicht gezwungen werden; dagegen sind die An deren dazu anzuhalten." Diese Auslassungen wurden im Jahre 1871 von ver schiedenen liberalen Zeitungen commentirt, und sodann in einer Petition des katholischen Central-Comitc's in Cöln zur Kenntniß des Reichstages gebracht, wogegen katholische Zeitungen an der Hand sonstiger Aussprüche der „LaacherStimmen" und der Civilta cattolica die gänzliche Unge fährlichkeit derartiger Doktrinen darzustellen suchten. Die letzteren Ausführungen wiederholte alsdann P. Schneemann selbst in einer Erklärung in der Germania vom 22. No vember 1871, welche dazu bestimmt war, die Protestanten in Betreff der Staatsgefährlichkeit der jesuitischen Lehre zu beruhigen. Diese Veröffentlichung des P. Schneemann würde vielleicht für die jetzt in Betracht kommende Ent scheidung des Reichstages und des Bundesrathes eine größere Bedeutung haben, wenn sie zweier Worte entlehnte, durch welche die ganze Beruhigung wieder in Frage ge stellt wird, die beiden Worte „zunächst" und „können". Der Jesuit sagt, nachdem er versichert, daß die beiden mit getheilten Citate zunächst den Staat in abstracto beträfen, nicht aber einen coukreten Staat mit gemischter Bevölkerung vor Augen gehabt hätten, wörtlich folgendes: Dies ist also die Lehre der „Civilta", der Laacher „Stimmen", der italienischen, belgischen und deutschen Je suiten, eine Lehre, die für gemischte paritätische Staaten, wie das deutsche Reich, maßgebend und einzig maßgebend ist: daß Nichtkatholiken, „sei es durch Verfassungen, sei Für und wider die Jesuiten. 2
18 es durch Verträge, sei es durch Herkommen und Gewohn heiten, welche Gesetzeskraft erworben haben, ein wahres Recht erlangen" können, und daß in diesem Falle „die
Katholiken, insgesammt und die Regierungen, so wie jede andere geistliche oder weltliche Behörde, verpflichtet sind, dieses Recht zu respectiren"*).
Warum, so fragen wir, sagt der Jesuit nicht kurz und einfach: Ihr Protestanten Deutschlands habt von unserer
Lehre nichts zu fürchten; denn Ihr habt durch Euere
Verfassungen, (z. B. trotz des Konkordats auch in Bayern), ein wahres Recht auf Existenz erlangt.
In Bezug auf
Deutschland, namentlich auch hinsichtlich Bayerns, hat die Kirche kein Recht, äußeren Zwang anzuwenden, und zwar
unter keinen Umständen selbst dann nicht, wenn politische
Konstellationen ihr die Möglichkeit gewähren sollten, einen solchen Zwang anzuwenden. —?
Der tiefere Grund
der jesuitischen Lehre
liegt
in
folgender Erwägung: Einen Anspruch auf Existenz hat nur die Wahrheit,
nicht der Irrthum.
Da nun vom Standpunkte der katholi
schen Kirche aus nur diese im alleinigen Besitze der Wahr
heit ist, so hat auch nur sie ein wirkliches Existenzrecht.
Katholische Länder dürfen
deshalb Andersgläubigen die
Ausübung ihrer Religion nicht gestatten, in protestantischen Ländern dagegen erfordert es die Parität,
daß den Ka
tholiken die volle und freie Ausübung ihrer Religion ge*) Vergl. hierüber das Nähere in der Broschüre „der Jesuiten
orden, seine Gesetze, Werke und Geheimnisse" S. 147 f.
19 währleistet wird.
Denselben Grundsatz vertritt bekanntlich
auch die russisch-orthodoxe Kirche.
Auch sie verwechselt,
ebenso wie die Jesuiten, subjektive und objektive Wahrheit, Irrthum und irrende Menschen, sündhaften und ent
schuldbaren Irrthum.
Beide Ansichten
zu dem
führen
Satze: Religion ist Machtfrage. Die obige Erklärung des Jesuiten Schneemann läßt übrigens keinen Zweifel darüber, daß nach jesuitischer An
schauung den Nichtkatholiken selbst in gemischt pari tätischen Staaten an und für sich ein Recht auf Existenz nicht zusteht.
Der Jesuit räumt nichts weiter
ein, als die Möglichkeit, daß ein solches Recht durch Herkommen u. s. w. erworben werden könne!
Wie ganz anders denkt dagegen der deutsche Katholik
über Glaubenszwang und politische Freiheit! einige Beispiele.
Hier nur
Nachdem der Verfasser der „Geschichts
lügen" den Beweis zu erbringen versucht hat, daß es eine
Unwahrheit sei, zu sagen,
die spanische Inquisition habe
Cultur und Wissenschaft unterdrückt, fährt er fort:
„Wir wollen uns nicht zum Lobredner der spanische Inquisition als solcher aufwerfen; vielmehr verurtheilen
wir rückhaltslos allen staatlichen Religionszwang, sofern er durch die Inquisition vertreten worden ist*)." Während Papst Pius IX. bekanntlich wiederholt ent
schieden, daß die katholischen Beamten Preußens in keiner Stellung und unter keinen Umständen bei der Ausführung
*) „Geschichtslügen'' 6. Anfl. S. 287.
20 der Maigesetze mitwirken dursten, äußerte sich ein CentrumsAbgeordneter in der Sitzung des preuß. Abgeordnetenhauses
vom 10. März 1875 über diesen Punkt folgendermaßen: „Die Christen sind schuldig, der Obrigkeit Unterthan und gehorsam zu sein in Allem, so ohne Sünde geschehen
mag; wenn aber der Obrigkeit Gebot nicht ohne Sünde
geschehen kann,
den
muß man Gott mehr gehorsam sein,
Menschen."
„Nun,
meine Herrn,
Standpunkt von Anfang an gewesen, punkt der Encyclica.
das
als
ist unser
das ist der Stand
Nach der religiösen Seite hin, nach
der Gewissensseite können solche Gesetze,
welche die Ver
fassung einer Kirche umstoßen, nicht Anerkennung fordern. Dagegen versteht
es sich für mich
zu
allen Zeiten von
selbst, daß die staatsrechtliche Gültigkeit eines Gesetzes un abhängig ist von diesen kirchlichen Voraussetzungen, die aus
das Innere des Menschen Einfluß zu üben berechtigt sind. Nach
der
staatsrechtlichen Seite ist es mir kein Zweifel,
daß die Bürger, und Beamten, die Beamten jeder Con-
fession,
die Beamten als Richter,
wie als Verwaltungs
beamte verpflichtet und gebunden sind, ihrem Amtseide ge mäß
die Gesetze nach bestem Wissen und Gewissen anzu
wenden und auszuüben."
Die Lehre der Bulle unam sanctani über das Ver
hältniß
der weltlichen Macht zur geistlichen beseitigt der
deutsche Katholik in der einfachsten Weise.
In dieser Bulle
verkündet Papst Bonifaz VIII. der Christenheit die folgen
den Wahrheiten: sich
„In der Gewalt der Kirche befindet
das geistige Schwert und das weltliche Schwert.
21
Das eine muß für die Kirche, das andere von der Kirche gebraucht werden; das eine von der Hand des Priesters, das andere von der Hand der Könige, aber zu Wink des Priesters und so lange er es duldet u. s. w. Dieser Lehre gegenüber wurde gelegentlich der JesuitenDebatte im Reichstage in der Sitzung vom 16. Mai 1872 von einem Centrums-Abgeordneten wörtlich folgendes aus geführt: „In der Bulle unam sanctam steht vielerlei; darin steht zunächst die historische Einleitung mit Motiven und dann heißt es darin: nach allem diesen definiren wir, daß der Primat des Papstes angenommen werden müsse!" (Der lateinische Text lautet: „Porro subesse Romano pontifici omnem hum an am creaturam declaramus dicimus definimus et pronunciamus omnino esse de necessitate salutis.“) „Das ist der einzige materielle dogmatische Inhalt dieser Bulle, wie ihn der Bischof Fessler, der doch wahrscheinlich von der Sache etwas weiß, und genug weiß, um uns zu beruhigen, ausdrücklich interpretirt. Es kommt aber hinzu, daß Papst Pius IX. selbst noch viel ausdrücklicher erklärt hat, daß alle diese staats rechtlichen Einwirkungen des Papstthums in früheren Jahr hunderten nur ein Zubehör des damaligen, dem Stuhle überwiesenen politischen Rechtes kraft des Willens der Staaten und Bölker gewesen sei, und daß es mit der kirch lichen Gewalt des Papstthums gar nichts zu schaffen habe. Er weist also diese staatshoheitlichen Rechte, die das Mittelalter ihm gegeben, welches ihn zum Schiedsrichter zwischen den Königen und Völkern hingestellt hat, als
22 der heutigen Stellung des Papstthums vollständig fern liegend ab." Praktisch haben wir Alle den Gegensatz zwischen deutsch katholischer Anschauung und der Lehre der Jesuiten bei der Stellung des Centrums in der sogenannten Septennatsfrage zu Tage treten sehen. Schon Bellarmin hatte in seiner Abhandlung über den Römischen Pontifex auf den Unterschied hingewiesen, welcher zwischen den Rechten des Papstes in rein zeitlichen Angelegenheiten und in nicht rein zeitlichen Angelegenheiten besteht. „Der Papst", sagt der Jesnit, „kann keine weltlichen Beamten ein- und ab setzen, keine bürgerlichen Gesetze erlassen, bestätigen oder aufheben, — es sei denn, daß etwas derartiges zum Heile der Seelen nothwendig wäre. Wenn aber ein bürgerliches Gesetz sich mit rein zeitlichen Ange legenheiten befaßt, so ist es nicht möglich, daß eine päpst liche Verfügung dasselbe abschafft." Nach der Lehre der Jesuiten, welche auch der Kardinal Manning in dem bekannten Vortrage vom 23. December 1873 vertritt, kann es aber weiterhin nicht zweifelhaft sein, daß über die Frage, ob es sich bei einer bestimmten welt lichen Angelegenheit gleichzeitig um Glauben, Moral, um die Regierung oder das sonstige Interesse der Kirche oder das Heil der Seelen handelt, lediglich der Papst selbst vermöge des ihm zustehenden Primats zu entschei den habe. Nun hatte aber der Papst in Hinsicht auf die soge nannte Septennatsfrage dahin entschieden, daß dieselbe mit
23
religiösen und moralischen Fragen zusammenhänge, daß es sich
dabei
sehr
wesentlich
um
die Interessen der
und daß das Centrum die letz
Kirche handele,
teren nicht nach eigener Anschauung vertreten könne. Trotz dieser klaren Entscheidung folgte der größere
Theil des Centrums dem ausgesprochenen Wunsche des Papstes nicht, folgte vielmehr der Weisung des Abgeord
neten Windthorst, sodaß man nicht recht einsieht, was für ein Interesse gerade der letztere an der Zurückberufung der Jesuiten hat.
Der Kernpunkt der Entscheidung des Papstes lau tete wörtlich folgendermaßen: „Dem Centrum in seiner Eigenschaft als politischer
Partei ist stets Actionsfreiheit eingeräumt worden; sobald
es sich
aber um die Interessen der Kirche han
delt, würde es in dieser Eigenschaft dieselben nicht nach
eigener Anschauung vertreten können. Wenn der h. Vater geglaubt hat, dem Centrum seine Wünsche hinsichtlich des Septennats aussprechen zu müssen,
so ist das
dem
Umstande
zuzuschreiben,
daß diese
Frage mit Fragen von religiöser und moralischer
Bedeutung zusammenhängt." (Schreiben des KardinalStaatssekretärs Jakobini vom 21. Januar 1887.) Was
nützt
es
dieser
päpstlichen
Entscheidung
ge
genüber, wenn der Jesuit Graf v. Hoensbroech in seiner bereits erwähnten Schrift S. 111 das nachfolgende Citat aus
dem Buch
des
P.
Pesch (Die christliche Staats
lehre, Aachen 1887) seinen Lesern mittheilt:
„Die Kirche
24 würde
so
gut
eines
Uebergriffs
sich
schuldig
machen,
wenn sie sich in die Staatsgeschäfte als solche einmischen wollte, wie der Staat, wenn er rein kirchliche Dinge vor
sein Forum zöge."
Was heißt: als solche?
Wie steht
es denn bei P. Pesch und v. Hoensbroech mit den soge nannten gemischten Angelegenheiten?
Grenzen?
(Satz 42 des Syllabus.)
kanische Koncil ausdrücklich,
Wer bestimmt die
Sagt nicht das vati
„daß die bischöfliche Juris-
diktionsgcwalt des Papstes eine unmittelbare ist, welchem
gegenüber die Hirten und Gläubigen, sowohl jeder ein
zelne für sich, wie alle insgesammt die Pflicht hierarchi scher Unterordnung und wahren Gehorsams haben, nicht allein in Sachen des Glaubens und der Sitten, sondern
auch in Sachen der Disciplin und Regierung der über den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche!"
Deshalb betonte der Papst in der Note an das Cen trum den Zusammenhang der Septennatsfrage mit Fragen
von religiöser und moralischer Bedeutung, welche das Centrum nicht nach eigener Anschauung vertreten könne.
Wenn doch Graf v. Hoensbroech sich über diese
„ge
mischten" Angelegenheiten des näheren aussprechen möchte!
II. Staatsgefährlich ist ferner die Lehre der Jesuiten über
den Eid.
Es erscheint allerdings kaum glaublich, daß
sogar in Betreff derjenigen Institution, welche als die
Grundlage der menschlichen Ordnung und Wohlfahrt be trachtet werden muß, solche Abweichungen zwischen der
25 deutschen Katechismuslehre und den Grundsätzen der Je
suiten bestehen sollten; und doch ist das so. Die Vorschriften der ersteren sind auch hier klar und einfach:
„die erste Bedingung", sagt Bischof Martin in
seinem Handbuche der katholischen Religion*),
ich nur dasjenige beschwöre,
„ist, daß
was ich mit der zweifel
losesten Gewißheit als wahr erkenne, oder, Wenns ein Versprechen
gilt,
was
ich
zu
erfüllen
aus
das
Ent
schiedenste entschlossen bin, mit einem Worte, daß ich die
Wahrheit sage, und nur die Wahrheit sage, und die
Der Heiligkeit des Eides durch
ganze Wahrheit sage.
aus zuwider und einem falschen Eide gleichznachten
sind namentlich alle inneren Vorbehalte und Zwei deutigkeiten,
denen die Absicht zu Grunde liegt,
Eid Abnehmenden zu hintergehen.
den
Die zweite Be
dingung fordert, daß die Gründe, die zum Eide veranlassen, wichtig und dringend sind.
Die dritte Bedingung fordert,
daß der Gegenstand selbst, wozu ich mich durch einen Eid verpflichte, sittlich erlaubt ist."
Nun fehlt es zwar nicht
an Theologen, welche der Ansicht sind, daß die einfachen Katechismuslehren nicht für alle Fälle des Beichtstuhls ausreichten.
Indessen,
wie dem auch sein mag, soviel
scheint doch unzweifelhaft festgehalten zu werden müssen, daß auch im Beichtstühle der Beurtheilung des daselbst zur
Sprache gebrachten Einzelsalles kein anderes Sittengesetz
zum Grunde gelegt werden kann, als das allgemeine; daß
°) § 74. S. 331.
26 man nicht im Beichtstühle innere Vorbehalte und Zwei
deutigkeiten bei der Eidesleistung
für
zulässig erachten
darf, wenn man im Katechismus lehrt, daß
sie unter
allen Umständen der Heiligkeit des Eides zuwiderlaufen und einem falschen Eide gleichzuerachten sind.
Und wenn
die Jesuiten in diesem Punkte anderer Ansicht sein sollten,
so ist es im staatlichen Interesse um so dringender geboten, sie und ihren Einfluß vom deutschen Vaterlande möglichst
fern zu halten. Thatsächlich ist nun aber kaum bei
einer anderen
Lehre, und zwar sowohl von den Jesuiten als von anderen
Orden, soviel gefrevelt worden,
als gerade beim Eide.
Hier sind die Christen des 17. Jahrhunderts weit hinter
die Moral der Heiden zurückgegangen.
Man hat Unter
scheidungen aufgestellt zwischen Eiden mit und ohne Vor behalt, und dann wieder zwischen solchen mit rein inner lichen Vorbehalten und Vorbehalten, die nicht im strengen Sinne innerliche sind.
Man hat unterschieden, ob es sich
um einen Eid in einer unwichtigen Angelegenheit handelt,
oder in einer wichtigeren u. bergt
Wir übergehen andere
Aussprüche der sog. Casuisten und verweisen hier nur auf
zwei Sätze derselben, welche Papst Innozenz XI. durch die
Bulle vom 4. März 1679 zu verwerfen genöthigt war: „Wenn Jemand, sei er allein oder vor Anderen, sei es aus Befragen oder aus et gern Antriebe oder der Unterhaltung wegen oder aus irgend einem Endzweck schwört, er habe
etwas, das er wirklich gethan, nicht gethan, mit dem Hin
zudenken bei sich von Etwas, das er wirklich nicht gethan
hat, oder von einer anderen Weise, als er es gethan hat,
oder an irgend einer anderen wahren Zuthat, so lügt
er in Wirklichkeit nicht und begeht keinen Mein eid."
Ferner:
„Es ist jedesmal eine gewisse Ursache
vorhanden, sich der Zweideutigkeiten zu bedienen, so oft dieses nothwendig oder nützlich ist, um das Wohl,
Ehre,
das Vermögen des Bürgers zu wahren,
irgend einer anderen tugendlichen Handlung,
die
oder zu
also daß
dann die Verheimlichung der Wahrheit für nützlich und günstig erachtet wird*)."
Wundert man sich, wie solche unsittlichen Lehren"), die wohl in erster Linie den Boden bereitet haben, aus
welchem hundert Jahre später die Frivolität und Gottlo
sigkeit der ersten französischen Revolution erwachsen ist, überhaupt haben entstehen können, so erscheint es fast noch
*) Die Bulle ist in dem bullarium romanum tom. VIII Seite 80 abgedruckt. Die verworfenen Propositionen sind die zu 26 und 27 aufgeführten und lauten wörtlich: Vigesimo sexto: 81 quis vel solus, vel corain aliis, sive interrogatus, sive propria sponte, sive recreationis causa, sive quocumque alio fine juret, se non fecisse aliquicl, quod revera fecif, intelligendo intra se aliquid aliud, quodnon fecit, vel aliam viam ab ea, in qua fecit, vel quodvis additum verum, revera non mentitur, nec est perjurus. Vigesimo septimo: Causa justa utendi bis amphibologiis est, quoties id necessarium, aut utile est ad salutem corporis, honorem, res familiäres tuendas, vel ad quemlibet alium virtutis actum, ita ut veritatis accultatio censeatur tune expediens et studiosa.
**) Die Bulle selbst bezeichnet die Lehren als unheilvoll und verderbenbringende.
28
mehr befremdlich, daß der Moralist Liguori in seiner Theologia Moralis es für erforderlich erachtet, diese beiden Aus sprüche des Papstes wörtlich mitzntheilen, um darzuthun, daß eine rein innerliche Mental-Reservation bei der Eides leistung nicht erlaubt ist. Dann aber fährt Liguori fort: E contrario licitum est, justa causa uti restrictione non pure mentali, etiam cum juramento, si illa ex circunistantiis percipi potest*). Während also der deutsche Ka techismus schlechtweg alle inneren Vorbehalte und solche Zweideutigkeiten, denen die Absicht zu Grunde liegt, den Eid Abnehmenden zu hintergehen, verwirft und dem Meineide gleicherachtet, wird hier die Zweideutigkeit unter Umständen als zulässig statuirt. Justa causa aber, sagt der Moralist, kann jeder ehrbare Zweck zur Erhaltung von Gütern, die dem Geiste oder dem Leibe nützen, anzu sehen sein (justa autem causa esse potest quicumque finis honestus ad servanda bona spiritui vel corpori utilia). Da die Morallehre Liguori's von den Jesuiten ganz be sonders begünstigt wird, so wollen wir hier noch zwei Entscheidungen derselben mittheilen, welche wegen ihrer Beziehung zur deutschen Strafprozeßordnung und Civilprozeßordnung für die Reichsgesetzgebung von besonderem Interesse sind. Sie sind beide der bereits erwähnten Theologia Moralis entnommen und lauten wie folgt: *) Theologia Moralis tom. II. p. 372 ff. lib. 4. trac. 2. cap. 2. Dubium IV.: an in juramento liceat uti aequivocatione. Vergl. hierzu jetzt auch die Schrift von Prof. Henn. Hering: Die Lehre von
29 154. De reo vel teste non legitime interrogato.
Rens aut testis a judice non legitime interrogatus potest jurare, se nescire crimen, quod re vera seit; subintelligendo nescire crimen, de quo legitime possit inquiri, vel nescire ad deponendum.
Ita Caj. Sporer, Azor. Rone.
Sanch. cum Nav. Tolet. Val. etc. ex eodem d. Th. Idem,
si testis ex alio capite non teneatur deponere, nempe
si ipsi constet, crimen caruisse culpa, ut Salm, et Bibel; vel si sciat crimen, sed sub secreto, cum nulla praecesserit infamia, ut Card. Reus tarnen, vel
testis,
qui legitime a judice interrogatur, nequit ulla
aequivocatione uti, quia tenetur justo praecepto superioris
parere.
Est communis Salm, cum Sot. Less. Sanch etc.
cum Bus. Et idem dicendum de juramento in contractibus
onerosis, quia alias injuria alteri irrogaretur.
Salm. ib.
Excipe in judicio, si crimen fuerit omnino occultum; tune enim potest, imo tenetur testis
dicere, reum non commisisse. Pot. ut. sup.
Tamb. cum Card, et
Et idem potest reus, si non adest
semiplena probatio etc.
Tamb. cum communi, quia
tune judex non legitime interrogat. 159. De debitore, qui alias non tenetur. Qui mutuum accepit, sed postea satisfecit, potest negare, se accepisse mutuum, subintelligens, ita, ut debeat solvere; Salm, et Spor, cum Suar., Nav., Azor.,
dem erlaubten Doppelsinn beim Eid aus Liguoris Moral-Theologie mitgetheilt und erläntert. Berlin, H. Reuther. 1891.
30
Laym., Sanch., Cov. et aliis. Sic pariser, si quis fuerit coactus ad matrimonium, potest judici asserere etiam cum juramento, se non contraxisse scilic. libere, ut par erat. Und nun zum Schluß noch zwei Entscheidungen des Jesuiten Gury, welche mit der deutschen Katechismuslehre im offenbaren Widerspruche stehen: „Der fingirte oder bloß äußerliche Versprechungseid hat keine Geltung, weil der Wille zu schwören dabei gefehlt hat. Wer einen solchen Eid ablegt, begeht aber eine Sünde, wenn auch wohl nur eine leichte, weil nur eine mit einer eiteln Anrufung des Namens Gottes ver bundene Lüge verübt worden ist!" „Oft ist das jedoch eine Todsünde mit Rücksicht aus den gemeinen oder parti kulären Schaden*)." Ferner: „Ein Eid, der zwar mit der Absicht zu schwören, aber nicht, sich zu verpflichten, oder umgekehrt, geschworen wird, gilt wahrscheinlich nicht, weil das keinen Werth hat. In wichtigeren Angelegenheiten aber kann ein solcher Eid per modum promissionis binden**)!" *) Non valet juramentum promissorium fictum seu merum externum ob voluntatis defectum. Peccat vero sic jurans sed probabilius venialiter tantum per se loquendo quia non est nisi mendacium cum vana nominis Dei usurpatione. Saepe tarnen hoc mortale est ratione damni communis vel particularis. **) Non valet probalius juramentum factum cum animo quidem jurandi, sed non se obligandi, nec vice versa, quia hoc nugatorium est. In potiori autem casu potest obligare per modum promissionis. (Vgl. hierüber Buchrnann, Ueber und gegen den Jesuitismus, Breslau 1872. Seite 46 folgende.)
— 31 Wenn nun auch
—
dem hessischen Abgeordneten Rack«
darin beizutreten ist, daß das Buch von Gury lateinisch
geschrieben und nicht dazu bestimmt ist, in die Hände von Köchinnen, Mägden und sonstigen Leuten überzugehen, so
dient es doch, wie der Verfasser der „Geschichtslügen" zu
treffend ausführt, dazu, die katholischen Priester anzuleiten, wie sie sich in dem Beichtstühle zu verhalten haben, wie
sie urtheilen und rathen sollen"). Wir müssen es aber im Interesse des Staates drin gend wünschen, daß die Schwurpflichtigen vor den Rath
schlägen der Jesuiten-Moral möglichst bewahrt bleiben, und wir geben uns
der Hoffnung hin,
daß die Herrn
Reichstagsabgeordneten und Bundesrathsmitglieder durch
ihr Votum über den Windthorstschen Antrag dieser An sicht beipflichten werden.
III. Ein ferneres Bedenken, welches der Rückberufung der Jesuiten nach Deutschland entgegensteht, ergiebt sich aus
der Lehre derselben über das Verhältniß der Katholiken zu ihren protestantischen Mitbürgern.
Auch hier weicht der
deutsche Katechismus nach Form und Inhalt sehr von dem Katechismus der Jesuiten ab.
halber Martin und Perron.
Vergleichen wir beispiels
Der erstere lehrt:
Wer von
edlem Verlangen nach Wahrheit beseelt, die Wahrheit auf richtig sucht, dem kann, wenn er sie nicht findet, solches
*) Geschichtslügen S. 542 und 543.
32 nicht zur Sünde angerechnet werden.
Ueberhaupt richtet
die Kirche, indem sie sich für die allein seligmachende er kennt nicht über die persönliche Schuld oder Unschuld derjenigen,
indem sie das Gericht
die außer ihr stehen,
dem Herrn überläßt! Diejenigen, welche nach bestem Wissen und Gewissen
Guteszuthun redlich bemüht sind,
werden,
wenn sie auch
äußerlich von der Kirche getrennt sind, doch der Gesinnung nach von ihr als mit ihr verbunden angesehen.
Es kann
daher nicht zweifelhaft sein, daß, wenn wir auch den Irr
thum hassen, wir die Irrenden selbst lieben müssen. — Was sollen wir aber in unserem deutschen Vaterlande
mit den Anschauungen eines der bedeutendsten und ange sehensten Jesuiten anfangen, welcher in dem von ihm bear
beiteten Katechismus folgendes lehrt*): „Der Protestantismus ist in religiöser Beziehung, was
in natürlicher Hinsicht die Pest ist.
Die Lehre desselben
ist schrecklich in der Theorie und unmoralisch in der
Praxis; sie ist lästerlich in Bezug auf Gott und den Menschen, nachthcilig für die Gesellschaft und den gesunden Menschenverstand und der sittlichen Zucht hohnspre
chend.
Das reine Evangelium, wie sich der Protestantis
mus nennt, ist nichts anderes als der Unglaube und die mit schönen Worten verdeckte Sittenlosigkeit.
Den Pro
testantismus müßt ihr von ganzem Herzen hassen. aber Protestanten
eure Freunde,
Sind
Gefährten, Hausge-
*) Vgl. Dr. Schulze, der Unterschied zwischen kath. u. evang. Sittlichkeit, Halle bei Eugen Strien 1888.
33 «offen, so müßt ihr dasselbe thun, was die alten Christen
in Rom thaten,
wenn sie mit den Heiden verkehren
mußten: soviel sie konnten, flohen sie ihren Umgang." Es ist einleuchtend,
daß die Lehre über das Ver
hältniß des Katholiken zum Protestanten entwickelungsfähig
ist, und zwar nach zwei Richtungen hin:
Nach der Seite
der christlichen Liebe, des gegenseitigen Wohlwollens,
der
Zusammengehörigkeit als Kinder ein und desselben Vater
landes oder nach der Seite des Fliehens, der beiderseitigen Abschließung,
des Mißtrauens und der Verabscheuung.
Für den Reichstag und Bundesrath wird es hoffentlich
nicht zweifelhaft sein, welchen von beiden Richtungen bei
dem Votum über die Rückberusung der Jesuiten im Inter esse des Vaterlandes Rechnung getragen werden muß. —
Druckfehlerb erichtigu iig: S. 28 in der Anmerkung lies lib. 3 statt lib. 4; und n. 152 statt p. 372.
II. Theil.
Hh. Jesuitismus und Katholicismus. (Aus der „Germania". Zeitung für das deutsche Volk o. 21. Febr. 1891.)
Im neuesten Heft der Preußischen Jahrbücher von Hans Delbrück ist unter obiger Aufschrift ein Aufsatz er schienen, welcher den Beweis erbringen will, „daß zwischen der jesuitischen Lehre und dem deutschen Glauben Unter
schiede nicht nur bestanden haben, sondern noch bestehen, und daß
ferner
die
deutschen Katholiken
religiöse dem
förderlicher und günstiger ist, gesetzte
Anschauung
und
Ueberzeugung
Staatswohle
der
ungleich
als die entgegen
Lehre
Jesuiten".
der
Daran wird dann die Mahnung geknüpft,
„daß sich für
den Reichstag nnd Bundesrath die Gewissenspflicht ergebe, alles aufzubieten, um durch thunlichste Fernhaltung des
jesuitischen Einflusses
den abweichenden religiösen Stand
punkt der deutschen Katholiken möglichst zu conserviren".
Es ist, wie man sieht, das alte Lied: Wir verfolgen die Jesuiten, aber nicht die katholische Kirche;
denn beide
35 haben
„entgegengesetzte
Anschauungen
und
Lehren".
Eigentlich müßte man über solche Schreibereien lachen und
sie abthun mit der
einfachen Bemerkung,
daß doch
die
deutschen Katholiken: Bischöfe, Priester und Laien, es besser wissen müssen, ob ein Gegensatz besteht zwischen ihnen und
den Jesuiten,
als die Preußischen Jahrbücher und
Aber leider hat Parteileiden-
Professor Hans Delbrück.
schast und blinde Voreingenommenheit weite Kreise unem
pfänglich gemacht für die einfachsten Wahrheiten des ge sunden Menschenverstandes,
und es bleibt uns Katholiken immer und immer wieder zur
nichts Anderes übrig,
als
Feder zu greisen und
die behaupteten Unwahrheiten als
solche nachzuweisen.
Wer aus unsern Gegnern sich belehren
lassen will, dem fehlt es nicht an Gelegenheit.
Die Preußischen Jahrbücher stellen schiede
drei Unter
„den Lehren der Jesuiten und
auf zwischen
den
Anschauungen der deutschen Katholiken". I.
„Der
erste Unterschied
betrifft die Lehre über
das
Verhältniß von Staat und Kirche." Hier wird zuerst der Syllabus vom 8. December 1864
angeführt in seinen Sätzen 24, 77, 78, um an deren Er klärung diesen „Unterschied" zwischen wissen" und den Jesuiten zu beweisen.
„deutschen Gewissens"
dem „deutschen Ge
Als Vertreter des
erscheint Bischof Konrad
Martin
von Paderborn (Der wahre Sinn der Vaticanischen Lehr entscheidung
über
das
unfehlbare
päpstliche 3*
Lehramt.
36
Paderborn 1871), als Vertreter der jesuitischen Anschauung P. Schrader:
„Hören
wir
statt
anderen
den Jesuiten
P. Schrader in seiner Schrift: „Der Papst und die modernen Ideen" (Wien 1865), „dessen Buch die Ordenscensur passirt
(S. 196.)
hat."
Daß Bischof Martin Vertreter der deutschen Katho liken oder,
wie
die Jahrbücher sich
ausdrücken,
des
„deutschen Gewissens" ist, hat seine Richtigkeit, aber voll
ständig unrichtig ist, daß die Schrift: „Der Papst und die
modernen Ideen" den Jesuiten P. Schrader zum Verfasser oder „die Ordenscensur" passirt hat. Hätte die Redaction der Preußischen Jahrbücher dieses Buch sich angesehen, sie würde — dies Vertrauen setzen wir aus ihre Ehrlich
keit — diese Behauptung nicht haben durchgehen lassen. Von „Ordenscensur passiren"
ist in der ganzen Schrift
nichts ersichtlich und kann nichts ersichtlich sein,
da der
genannte Jesuit Schrader gar nicht der Verfasser
ist.
Das Buch, welches vor mir liegt, ist in fünf Liefe
rungen (1864—1869) anonym erschienen.
Die zweite
Lieferung trägt den Titel: Der Papst und die modernen Ideen.
2. Heft.
Die Encyclica vom 8. December 1864.
Nebst einem Vorwort von P. Clemens Schrader 8. J.
Dieses Vorwort beträgt nicht ganz sechs Seiten, und diese sechs Seiten sind in dem 628 Seiten starken Bande Alles,
was den P. Schrader zum Verfasser hat, sonst nichts.
Es
ergiebt sich hieraus, daß die von den Preußischen Jahr
büchern zum Erweise des Gegensatzes zwischen Katholiken und Jesuiten citirten und dem Jesuiten Schrader
„als
37 Autor" zugeschriebenen Sätze eine objective Fälschung oder
besser Unterschiebung darstellen.
Freilich auf diese Weise
ist es leicht, Gegensätze darzuthun zwischen Jesuiten und
dem „deutschen Gewissen", und leider erscheint ja dieses
Mittel in vielen protestantischen Zeitungen und Zeitschrif ten als sehr beliebt zum Zweck der Anschwärzung der Jesuiten. Ich erinnere nur an den stets wieder austauchen den „Jesuiten" Lang, den „Jesuiten" Diana u. s. w.
Da nun aber einmal der Jesuit Schrader die Vorrede zu einem Heft des erwähnten Sammelwerkes geschrieben hat
und in dieser Vorrede sagt, daß er auch beim ersten Heft
durch „Anregung und Weisung" mitgewirkt habe,
so läßt
sich immerhin mit einem Schein von Berechtigung behaup
ten, die incriminirten Sätze in
diesem Buche enthalten
dennoch die jesuitische Ansicht, wenn sie auch nicht von einem Jesuiten geschrieben worden sind. Soweit vorläufig Hh. Hierzu ist folgendes zu bemerken:
Der Vorwurf der „Fälschung"
ist ein ebenso
schwerer, als unbegründeter, er enthält eine offen sichtliche Verletzung des 8. Gebots und würde nach
christlichen Grundsätzen den Herrn Hh. zum Wider ruf verpflichten.
Mit der in Rede stehenden Bro
schüre hat es nämlich folgende Bewandtniß:
Dieselbe trägt den Titel: „Der Papst und die
modernen Ideen." 8. Dezember 1864.
II. Heft.
Die Encyclica vom
Nebst einem Vorworte von
P. Clemens Schrader 8. J.
Dritte Auflage.
Be
gleitet von einem päpstlichen Belobungsschreiben.
38 Wien 1865.
Verlag von Carl Sartori.
Dem 80
Seiten enthaltenden Buche geht eine etwa 6 Seiten lange Vorrede des Jesuiten Pater Schrader voraus.
Der Jesuit constatirt, daß bereits das I. (hier nicht interesfirende) Heft in Folge seiner Anregung und
Weisung entstanden sei, und daß der Einfluß, welchen
er auf das I. Heft genommen
und die Wichtigkeit
und Bedeutung des II. Heftes gleiche Theilnahme (Anregung und Weisung) an dem zweiten Hefte
fordern.
Der Jesuit empfiehlt deßhalb das Buch
dem göttlichen Segen: „Darum möge es unter dem
Segen von Oben Gedeihen und Leben gewinnen. Denn Leben ist d'as Wort,
das es enthält,
„„Weil diese Stimme, ... die Stimme des
Lebens ist, und wie sie ihre Bekenner zum Himmel erhebt, so stürzt sie ihre Verleugner in die Hölle hinab.
Denn es bleibt das Vor
recht des Petrus: wo immer nach seiner Gerechtig
keit das Urtheil gefällt wird,
da ist weder die
Strenge zu groß noch die Milde, wo nichts gebun den nichts gelößt ist, was nicht der selige Petrus
gebunden oder gelößt hat."" Wien am Feste der Epiphanie 1865.
Clemens Schrader 8. J." Mit Rücksicht auf diese eingestandene intellek
tuelle Urheberschaft und thatsächliche Mitarbeiter schaft des Herrn Schrader, sowie in Anbetracht seiner
39 außergewöhnlichen Empfehlung der Broschüre ist die, ohne Angabe eines anderen Autors erschienene
Schrift kurz als das Buch des Pater Schrader be Daß dies Buch — und zwar in
zeichnet worden.
seinem ganzen Umfange — die Censur passirt hat, versteht sich nach den maßgebenden Bestimmungen
des Jesuitenordens von selbst; den
Schriftstellern
desselben
es
denn
nichts
darf von
veröffentlicht
werden, was nicht von den Ordenscensoren revidirt worden wäre, (Der Jesuitenorden, seine Gesetze u.s.w. S. 151).
Diese Vorschrift bezieht sich ebensowohl
auf die 6 Seiten
derselben
lange Vorrede,
empfohlene,
als
auf die in
im Wesentlichen aus den
Vorredner selbst zurückzuführende Schrift.
rede und Abhandlung verhalten
sich
Vor
zu einander
wie referens und relatum, und es wäre eine wun
derbare Ordenscensur, welche lediglich die Empfeh lung,
nicht aber des von dem Jesuiten so warm
Empfohlene prüfte! Bei dieser Sachlage kann von einer Fälschung
gegenüber
dem Jesuiten Pater Schrader nicht die
Rede sein. Oder würde man wohl, — um ein naheliegen
des Beispiel zu erwähnen — von einem PseudoIsidor reden,
wenn der Jesuit Franz Torres
seinem bekannten Streite mit dem Prediger Blonde! den Beweis in
in
calvinistischen
erbracht hätte, daß
der That der h. Isidor die Vorrede zu
der
40 quaest. Dekretalensammluug geschrieben und in der selben versichert hätte, daß die Dekretalen auf seine Anregung und Weisung gesammelt seien? Gerade
die zahlreichen Fälschungen, welche das erste Jahr tausend christlicher Zeitrechnung in der kath. Kirche
aufzuweisen hat, und die Art und Weise, wie sich die katholische Wissenschaft
mit
diesen Fälschun
gen abfindet, sollte vorsichtiger Weise den Herrn Hh. veranlassen, nicht ohne den zwingendsten Grund das Wort „Fälschung" in die Debatte zu werfen.
Be
kanntlich ist in der damaligen Zeit alles Mögliche
gefälscht worden.
Nicht bloß, daß man Canones
und apostolische Sendschreiben anfertigte,
als ob
dieselben direkt von den Aposteln versaßt wären, man hat auch Dekrete
und Briefe verschiedener
Päpste erdichtet, die niemals erlassen waren,
hat
ächte
Aussprüche
späterer
Päpste
man
früheren
Päpsten in den Mund gelegt; man hat auch Con cilien erdichtet und dergleichen mehr.
Viele Jahr
hunderte hindurch sind diese Fälschungen nicht be merkt worden.
herein
Jetzt sind sie, trotz des von vorn
aussichtslosen Vertheidigungskampfes
Jesuiten Torres, allgemein anerkannt.
des
Heutzutage
streitet man nur noch über die Absicht der Fälscher, die Heimath der Fälschungen und den Einfluß der
selben aus die Entwickelung der kirchlichen Ver
fassung. Aber selbst wenn man in dieser Beziehung
den Ausführungen katholischer Schriftsteller folgen
41 wollte,
so ist doch
das Gesammtergebniß immer
noch ein so gravirendes,
daß die obige Warnung
zur Vorsicht wohl am Platze ist. es befriedigen,
wenn
Denn, wen kann
ein berühmter
katholischer
Kirchenrechtslehrer behufs richtiger Würdigung des
des Pseudo-Isidor auf die damaligen Zeitumstände hinweist und sagt: „Wie unendlich viele Dokumente wurden damals gemacht, aber sie wurden nicht gemacht, um
zu betrügen, sondern um eine wirkliche Wahrheit, die
urkundlichen
stellen."
Beweises
bedurfte,
Oder, wenn Walter meint:
festzu
„Bei
den
Fälschungen wirkte der ist jener Zeit mächtige Trieb mit ein, bestehenden Verhältnissen einen ehrwürdi gen, alten, historischen Hintergrund zu geben.
Oder
endlich, wenn derselbe Walter den Ausspruch des
protestantischen Geschichtschreibers Luden als „tref fende Worte"
bezeichnet, in welchem es heißt:
„Der ganze Betrug
der Dekretalen bestand nur
darin, daß sie das Bestehende als schon bestehend in frühere Zeiten verlegten, oder den Ursprung
desselben mit Bestimmtheit angaben, während es sich im Ablauf der Jahre allmählich und so gestaltet hatte, wie es im neunten Jahrhundert
bestand." 2. Um den Vorwurf der Fälschung zu begründen,
bedient sich Herr Hh. der Vermittelung des Buch binders.
Er hat nämlich das hier allein in Be-
42
tracht kommende, im Jahre 1865 als Broschüre er
schienene 2. Heft, mit früher und später erschienenen,
hier nicht interessirenden Heften zusammenbinden lassen,
erhält dadurch einen stattlichen Band von
628 Seiten und sagt dann: Jesuiten Schrader beträgt
„Das Vorwort des
nicht ganz 6 Seiten,
und diese 6 Seiten sind in dem 628 Seiten starken
Bande Alles, was
zum
Verfasser
hat,
den Jesuiten Pater Schrader sonst
nichts."
Aus
dieser
Hineinziehung des Buchbinders in den Streit über die Autorschaft der Syllabusbroschüre vom Jahre
1865, welche beiläufig bemerkt, heute noch für 1
Mark 25 Pf. käufkich zu haben ist, ergiebt sich, wie
es dem Herrn Hh. klar gewesen ist,
daß die Leser
seiner Entgegnung ein anderes Bild von der Sache erhalten haben würden, wenn er ihnen wahrheits
gemäß berichtet hätte, daß die Broschüre über den Syllabus nur 80 Seiten enthält, und daß zu die
sen 80 Seiten der Jesuit Schrader eine 6 Seiten lange Vorrede geschrieben habe.
Auch die weitere Bemerkung: „Da nun einmal
der I. Schrader die Vorrede zu erwähnten
Sammelwerks
einem
Hefte des
geschrieben hat,"
enthält
eine arge Täuschung, da es sich, wie wiederholt
bemerkt, hier keineswegs um ein beliebiges Heft eines Sammelwerks handelt, sondern um ein ganz bestimmt bezeichnetes.
Solche Verschiebungen
des wahren Sachverhalts pflegt man in Deutschland
43
mit einem für die Jesuiten nicht gerade schmeichel haften Worte zu bezeichnen.
deutsche
Diese
Redeweise paßt aber vollends
auf die Erwägung des Herrn Hh., „in der ganzen
Schrift des Pater Schrader sei von „Ordenscensurpassiren"
nichts ersichtlich."
Wir ersuchen Herrn Hh.
die 2. Auflage der Broschüre des ihm
gewiß be
kannten Jesuitenpaters Grafen von Hoensbroech zu lesen.
Vielleicht ist auch in dieser Schrift trotz der
bekannten Ordensbestimmung (S. 151 der Broschüre
„der Jesuitenorden rc."), von Ordenscensur-passiren Was folgt daraus?
nichts ersichtlich.
3. Die Unrichtigkeit der Behauptung,
Bischof
Martin sei in dem fraglichen Abschnitt als Vertreter des deutschen Gewissens hingesteüt worden,
bedarf
Die bezeichnete Stelle
ergiebt
keines Nachweises.
gerade das Gegentheil.
Es
ist
dort (S. 13) des
näheren bemerkt worden, wie innerhalb des deutschen
Katholicismus
die Lehre
des Syllabus
über
das
Verhältniß von Staat und Kirche in der allerver schiedensten, (keineswegs überall mit Martin's „der
wahre Sinn der vatikanischen Lehrentscheidung" über einstimmenden) Weise aufgefaßt und geglaubt wird. Martin ist
eben nur als der Repräsentant einer
dieser verschiedenen Auffassungen hingesteüt worden.
Hh. fährt fort: Also
wäre der behauptete Gegensatz der Sache nach
doch vorhanden.
44 Auch das ist unrichtig. Bischof Martin („das deutsche
Gewissen") und das Buch: „Der Papst und die modernen
Ideen" (die Jesuiten) sagen ganz genau dasselbe.
Daß
dies in den Preußischen Jahrbüchern dem unbewan
derten und ahnungslosen Leser nicht selbst ersichtlich wird, ist nur deshalb der Fall, weil dort die Worte des Bischofs
Martin aus dem Zusammenhang
gerissen und die ihnen
unmittelbar vorhergehenden Sätze unterdrückt worden
sind.
Die Jahrbücher schreiben (S. 196): „Der Jesuit (soll heißen:
das Buch:
„der Papst u. s. w.") sagt:
„Alle die
80 Sätze des Syllabus und jeder einzelne derselben werden
vom Papst verworfen, verboten und verdammt. Von allen
und von jedem einzelnen derselben will und befiehlt der Papst, daß die Kinder der katholischen Kirche sie durchaus
für verworfen, verboten und verdammt halten sollen."" Die Ausdrücke
„verworfen,
verboten und verdammt" be
zeichnen die kirchliche Censur, durch welche die im Syllabus aufgeführten Sätze vom Papste theils als irrig, theils als
verwegen, theils als falsch, theils auch als häretisch erklärt worden sind.
Was lehrt nun in Bezug hierauf Bischof
Martin? Ganz dasselbe.
Er schreibt:
„Es ist theologisch
gewiß, daß die Kirche unfehlbar sei in jenen Urtheilen, wodurch sie verkehrte Meinungen oder Lehren mit geringeren
Censuren, als mit der Häresie belegt . .. Sie censurirt sie
als irrig, als der Häresie nahe kommend, als verwegen, als falsch, als unfromm, gotteslästerlich, schismatisch, ärger lich und was dergleichen Bezeichnungen mehr sind ... Es
45
ist theologisch ganz gewiß und unzweifelhaft, daß die Kirche
unfehlbar ist in denjenigen Urtheilen, wodurch sie verkehrte Behauptungen mit Censuren, die geringer sind als die der
Häresie ächtet und verurtheilt" (a. a. O. S. 36, 38, 40). Wenn es aber nach der Lehre des Bischofs gewiß ist, daß
die Kirche unfehlbar ist im Aussprechen solcher Censuren, dann ist es ebenfalls nach der Lehre des Bischofs gewiß,
daß die Kinder der katholischen Kirche jeden vom Papste
verworfenen, verbotenen und verdammten, d. h. mit einer der genannten Censuren belegten Satz, gleichfalls verwerfen, verbieten und verdammen.
Die Worte des Bischofs aber,
welche
Jahrbücher
die Preußischen
Unterdrückung
besagen nur,
daß
der
anführen (mit
unmittelbar vorhergehenden)
diese eben vorgetragene
theologisch
ganz unzweifelhafte Lehre einstweilen noch keine „ver bindende katholische Glaubenslehre"
sei, weil sie als
solche von der Kirche noch nicht formell definirt worden
ist.
Das aber ist auch mit keinem Wort in dem Buche:
„Der Papst und die modernen Ideen" behauptet worden. Wo bleibt also der Gegensatz?
Soweit Hh.
Ihm ist folgendes zu erwidern.
Die angeblich unterdrückten Sätze sind ja nun von Hh. mitgetheilt. Sie haben für die hier inter-
essirende Frage keinerlei Bedeutung.
Davon kann
sich ein jeder überzeugen, indem er sie aus dem vorstehenden Absatz des Herrn Hh. auf den Aufsatz
der Jahrbücher überträgt und an der betreffenden Stelle (S. 13) einschiebt.
46 Der Unterschied zwischen Martin und Schrader
besteht unter anderem in Folgendem: a. Martin ist der Ansicht, daß strenggenommen im Syllabus keine einzige Proposition verworfen
worden sei. Dieser Ansicht ist Schrader offenbar nicht; im
Gegentheil; er geht davon aus, daß die feierliche
Verdammungsformel der Encylica sich ohne weiteres auf jede einzelne Proposition des
Syllabus beziehe. Gerade der
obige Ausspruch Martin's dient
einem großen Theile gläubiger Katholiken zur Be
ruhigung und gleichzeitig Ansicht,
zur
Befestigung
ihrer
daß der Syllabus eine Kathedralentschei
dung überhaupt nicht enthalte.
Es kann staatlicherseits nicht genug darauf ge achtet werden, daß die deutschen Katholiken in die ser ihrer Auffaffnng gemacht werden.
durch die Jesuiten nicht irre
Denn die Lehren des Syllabus
vom Standpunkte des Pater Schrader sind für das
deutsche
Gemeinwesen
von
der
größten
Gefahr.
Das Sträuben der deutschen Katholiken gegen die
jesuitische Auffassung bildet den besten Beweis dafür. b. Die feierlichen
Worte
des
Papstes:
„Wir verwerfen, verbieten und verdammen"
bilden einen Ausspruch, durch welchen nach der vul
gären kath. Anschauung eine Lehre oder Meinung
als häretisch verworfen wird.
An die Richtigkeit
47 solcher Aussprüche zu glauben, ist für den Katho liken strenge Glaubenspslicht; die contradicto-
risch entgegengesetzten Propositionen sind Dogmata. Bei den nicht feierlich verworfenen und ver dammten, sondern mit geringeren Censuren z. B. als irrig als
der Häresie nahekommend, als ver
wegen, falsch, unfromm, schismatisch, ärgerlich und
bergt bezeichnete Meinungen, besteht nach Martin eine solche Glaubenspflicht nicht; sie können
nur eine sog. theologische Gewißheit, nicht die Au torität eines Dogmas beanspruchen. Martin will nun bei der Frage nach der (dog matischen) Bedeutung des Syllabus auf den Ursprung
der
einzelnen
Proposition
Er
znrückgehen.
meint, als verbindende kath. Glaubenslehren könn
ten nur diejenigen hingestellt werden, welche den bei früheren Gelegenheiten vom Papste als häre tisch censurirten contradictorisch seien, nicht aber diejenigen,
entgegengesetzt
die den vom Papste
mit anderen Censuren belegten contradictorisch ent gegengesetzt sind.
Dieser Ansicht ist Herr Schrader offenbar nicht; im Gegentheil; Schrader behauptet, das Verzeich-
niß der 80 Sätze des Syllabus sei nicht bloß eine einfache
Wiederholung
von
Aussprüchen,
welche
schon vor längerer Zeit öffentlich erfolgt sind, son dern eine
neue feierliche Gesammtvcrdammung
der Irrthümer unserer Zeit.
aller
Auf jeden einzelnen
48
Satz
bezieht
Papstes.
sich
das
Verdammungsurtheil
des
Schrader macht also hinsichtlich der dog
matischen Tragweite
der
einzelnen Propositionen
keinen Unterschied, während Martin einen solchen
Unterschied unbedingt statuirt wissen will, und den
selben mit nackten Worten zum Ausdruck bringt! Für den Zweck der gegenwärtigen Darstellung
interessirt es nicht, noch weitere Unterschiede zwischen Martin und Pater Schrader hervorzuheben.
Hh. fährt fort: Nicht glücklicher sind die Jahrbücher mit dem zweiten Be
weis für den Gegensatz zwischen jesuitischer und katholischer Staatslehre. tholischen
Der Jesuit Schneemann wird hier dem ka
Werke:
„Geschichtslügen"
(Paderborn,
1889,
9. Aust.) und einer Rede des Abgeordneten Peter Reichens
perger vom 10. März 1875 gegenübergestellt. P. Schneemann hatte aus einen Angriff des Kölner
staats- und altkatholischen Comitös (nicht, wie die Jahr
bücher schreiben, des katholischen Comites) mit einer Er klärung in der Germania (22. Nov. 1871) erwidert.
In
dieser Erklärung heißt es: „Was speciell den Vorwurf augeht, die Ultramontanen
wollten eine zwangsweise Bekehrung aller Andersgläubigen ins Werk setzen, sobald sie die Macht dazu hätten, so weisen
die Laacher-Stimmen selbst die gegen sie erhobene Anklage
auf das Entschiedenste im Voraus zurück.
Wir wollen
aus vielen Stellen nur eine auswählen, weil sie zugleich die Ansicht der Civilta wiedergiebt.
„In gewissen Fällen"
49
— heißt es S. 209 der XII. Broschüre —
„ist es un
zweifelhaft, daß zu jener (Religions)-Freiheit zuzustimmen,
nicht allein erlaubt, sondern selbst lobwürdig ist, und so hat auch die Kirche thatsächlich zugestimmt.
Obwohl sie
die Religionsfreiheit an sich mißbilligt, hat sie gestattet,
daß der französische und belgische Episkopat die betreffen den Verfassungen ihrer Länder beschworen hat, in denen
dieselbe ausdrücklich aufgestellt ist. Damit ist dem Irrthum
selber kein Recht eingeräumt; wohl aber konnten die Irren den, sei es durch langes Herkommen und Gewohnheiten,
welche Gesetzeskraft erworben haben, ein wahres Recht er langen. Ist dieses einmal eingetreten, so hat Niemand mehr
in Zweifel gezogen, daß die Katholiken insgesammt und die
Regierungen, sowie jede andere geistliche oder weltliche Be hörde verpflichtet sind, dieses erworbene Recht zu respectiren."
(Civilta cattolica v. X. P. 546). „Gilt nun diese in den jesuitischen Zeitschriften ent wickelte Theorie von Ländern wie Belgien, wo unter Millio nen Katholiken sich kaum einige Tausend Protestanten be
finden, wie viel mehr gilt sie dann von Preußen und an deren gemischten Staaten."
Was die Civilta cattolica und die Stimmen aus Maria-
Laach im obigen Satze mit kurzen Worten aussprechen, hat
ein belgisches Mitglied der Gesellschaft Jesu, Kestens, durch eine eigene von der Civilta belobte Schrift „La liberte des cultes“ ausführlich zu beweisen gesucht.
Dies also ist die Lehre der Civilta, der Laacher Stim men, der italienischen, belgischen und deutschen Jesuiten, Für und wider die Jesuiten. 4
50 eine Lehre, die für gemischte paritätische Staaten, wie das Deutsche Reich, maßgebend und einzig maßgebend ist:
daß Nichtkatholiken, sei es durch Verfassungen, sei es durch Verträge, sei es durch Herkommen und Gewohnheiten, welche Gesetzeskraft erworben haben, ein wahres Recht erlangen
können, und daß in diesem Falle die Katholiken insgesammt und die Regierungen, sowie jede andere geistliche oder welt
liche Behörde, verpflichtet sind, dieses Recht zu respectiren.
Ist das die auch für die deutschen Verhältnisse maßgebende Lehre der Jesuiten und speciell der Stimmen aus MariaLaach, so kann es für das Deutsche Reich höchst gleichgiltig sein, was an der (von den Kölner Protestkatholiken) incri-
minirten Stelle von ideellen oder auch von rein katho lischen Staaten bezüglich der Cultusfreiheit gelehrt wird."
Es ist hier so klar und unzweideutig wie möglich die
Lehre ausgestellt,
daß Nichtkatholiken ein wirkliches und
wahres Recht erlangen können; es werden die Bedin gungen aufgezählt, unter welchen diese Möglichkeit zur Wirk lichkeit wird; es wird wiederholt und ausdrücklich hervor
gehoben, daß im Deutschen Reich diese Bedingungen erfüllt sind, daß also in Deutschland die Nichtkatholiken ein wahres Recht erlangt haben und es thatsächlich besitzen: und
dennoch schreiben die Preußischen Jahrbücher (S. 199): „Die obige Erklärung des Jesuiten Schneemann läßt keinen Zweifel darüber, daß nach jesuitischer Anschauung den Nicht
katholiken selbst in gemischt paritätischen Staaten an und für sich ein Recht auf Existenz nicht zusteht.
Der Jesuit
räumt nichts weiter ein, als die Möglichkeit,
daß ein
51 solches Recht durch Herkommen u. s. w. erworben werden
könne."
Man wird sich fragen, wie ist es möglich, daß
die Preußischen Jahrbücher, ohne von ihren Lesern Einspruch befürchten zu müssen, eine solche den thatsäch lichen und klar vorliegenden Prämissen so schnurstracks widersprechende Folgerung in die Welt schicken konnten?
Das ist dadurch möglich geworden, daß die Erklärung des P. Schneemann — wiederum sind wir überzeugt, ohne
Wissen der Redaction — sinnstörend verstümmelt in den Preußischen Jahrbüchern abgedruckt worden ist. Nachdem die jesuitische Lehre auf diese Weise entstellt worden ist, rufen die Preußischen Jahrbücher mit Emphase
aus: „Wie ganz anders denkt dagegen der deutsche Katholik über Glaubenszwang und politische Freiheit!"
Und es wird
zum Belege aus den Geschichtslügen der Satz citirt: „Wir
wollen uns nicht zum Lobredner der spanischen Inquisition als solcher aufwerfen, vielmehr verurtheilen wir rückhaltlos
allen staatlichen Religionszwang, sofern er durch die In
quisition vertreten worden ist."
Abermals eine Fälschung
des Sinnes dieser Worte, wie der Zusammenhang auf den ersten Blick zeigt.
Die Geschichtslügen schreiben im Ein
gang des Artikels, dessen Schluß die von den Jahrbüchern angeführten Worte bilden: „Man versteht unter spanischer
Inquisition nicht die im vorletzten Artikel besprochene rein
kirchliche Anstalt, sondern eine neue, vielfach anders ge artete Inquisition, welche auf Betreiben namentlich
der
Staatsgewalt in Spanien eingeführt worden ist."
(A.
a. O. S. 268.)
Dann wird von den Geschichtslügen aus 4*
52
den Protestanten Ranke, Leo, Guizot, Menzel und aus den
Katholiken Hefele, Hergenrother, Gams, Knöpfler der Be
weis erbracht, daß diese spanische Inquisition eine Staats
anstalt gewesen sei; und gegen den Religions- und Ge wissenszwang dieser Staatsaustalt verwahren sich dann die
Geschichtslügen in den obigen Worten. Diese Verwahrung unterzeichnen aber auch alle Jesuiten.
Also wiederum stim
men die Jesuiten mit dem „deutschen Gewissen" überein.
Was dann die Rede des Herrn Abgeordneten Reichens perger vom 10. März 1875 betrifft, so
dabei von
kann
einem Gegensatz zwischen ihm und der Lehre der Jesuiten gar keine Rede sein, denn die Ausführungen des Herrn Ab
geordneten bezogen sich nicht auf Ansichten der Jesuiten,
sondern handelten von einem Schreiben des Papstes.
Das
Märchen aber, daß der hochverdiente Führer des Centrums sich zum Papste in einem Gegensatz befinde, bedarf doch
wohl keiner Widerlegung. Als Anhängsel zu diesem „ersten Unterschied zwischen
den Lehren der Jesuiten und den Anschauungen der deut schen Katholiken" erörtern die Preußischen Jahrbücher,
wem denn nach den Jesuiten die Entscheidung zustände über „gemischte" Angelegenheiten, d. h. solche, staatlicher, theils kirchlicher Natur sind. Stellen aus
den Jesuiten Chr. Pesch.
welche theils
Sie citiren da
(Die
christliche
Staatslehre) und v. Hoensbroech (Warum sollen die Jesuiten
nicht nach Deutschland zurück?), und äußern den Wunsch:
„Wenn doch der Jesuit Graf v. Hoensbroech sich über diese „gemischten"
Angelegenheiten
des
nähern
aussprechen
53 möchte!"
Nun, derselbe hat sich in der 2. Auflage seiner
Schrift über diese gemischten Angelegenheiten des nähern
ausgesprochen.
Was dort gesagt ist, kann nicht nur jeder
deutsche Katholik, sondern auch jeder deutsche gläu bige Protestant unterschreiben.
Soweit Hh. Hierauf ist folgendes zu erwiedern: 1. Der Schwerpunkt der Argumentation Hh.’§ liegt in der Behauptung, Pater Schneemann habe
es wiederholt und ausdrücklich hervorgehoben, daß im deutschen Reiche die Bedingungen, unter denen Nicht katholiken ein wahres Recht erlangen können, er
füllt seien, daß also in Deutschland die Nichtkatho liken ein wahres Recht erlangt haben.
Diese Behauptung ist, wie der Augenschein lehrt,
unwahr.
Man
hätte diese Schlußfolgerung,
wie
S. 18 gezeigt, erwarten sollen, Pater Schneemann
hat sie
aber nicht gezogen.
Der Grund für diese
Erscheinung ist S. 19 angegeben, Hh. hat es aber
nicht für der Mühe werth gehalten, darauf zu ant worten. Daß aber nach der Ansicht des Jesuiten den Nichtkatholiken selbst in paritätischen Staaten
an
und für sich ein Recht auf Existenz nicht zusteht, ergiebt sich aus
der Thatsache,
daß Schneemann
ihnen nur dann ein solches Existenzrecht concediren
will, wenn sie durch langes Herkommen u. s. w.
dasselbe erworben haben.
An und für sich, (ipso
54
jure) haben also selbst in paritätischen Staaten die Protestanten nach der Ansicht des Jesuiten ein sol
ches Existenzrecht nicht; denn hätten sie ein solches an und für sich, so brauchten sie es nicht erst zu erwerben! 2. Bei dem Referate aus den „Geschichtslügen"
verschweigt Hh., daß die letzteren ausdrücklich her vorheben, wie Papst Sixtus IV. im Jahre 1478 die
spanische Inquisition kirchlich bestätigt hat (S. 274,
6. Auflage). Auffassung
Das eigenthümlich Deutsche in der
des Verfassers
liegt nun darin,
daß
er
der
„Geschichtslügen"
trotz dieser feierlichen
Sanktionirung der Inquisition Seitens der höchsten kirchlichen Autorität die Versicherung abgiebt, daß
er
rückhaltslos
allen
staatlichen
Religionszwang
dieser, (vom Oberhaupte der katholischen Chri stenheit bestätigten) Inquisition verwerfe.
Der Syllabus (Satz 77/78) und mit ihm der Jesuit Schrader (Seite 40 a. a. O.) dagegen tadelt
die Staatsgewalt, welche z. B. in Spanien andere Culte zuläßt oder gar den Einwanderern die freie Ausübung ihres Cultus garantirt. 3. Was für eine Bewandniß es mit dem „Mär
chen" von dem Gegensatze zwischen Centrumsführer
und Papst hat, ist bekannt. Nicht bloß die Führer, sondern auch das ganze Centrum hat sich wieder holt in einem solchen Gegensatze befunden.
Die
Centrums-Abgeordneten, welche in ihrer Eigenschaft
55 als Beamte an der Bestrafung von Bischöfen und
Geistlichen Theil genommen, bezw. in sonstiger Weise
bei der Ausführung der Maigesetze mitgewirkt haben, haben sich in solchen Gegensätzen bewegt; desgl. das
Centrum in der sogen. Septennatsfrage (S. 23).
4. Die Angabe, daß der Jesuit Graf Hoensbroech in der 2. Auflage feiner Broschüre: „Warum sollen die Jesuiten nicht nach Deutschland zurück kehren?" zu
der hier angeregten Streitfrage
über das Verhältniß von Staat und Kirche in Be
zug auf die sogen, gemischten Angelegenheiten in einer auch nur einigermaßen klärenden Weise Stel lung genommen habe, ist unrichtig.
Warum hat
denn Hh. die Stelle, wo Graf Hoensbroech das an
geblich gethan hat, nicht wiedergegeben?
richtigkeit
der Behauptung
ergiebt sich
Die Un schon aus
der Bemerkung, daß dort Gesagte könne nicht nur jeder deutsche Katholik, sondern auch jeder deutsche
gläubige Protestant unterschreiben.
Gewiß,
dar
über werden alle gläubigen Christen einverstanden
sein, daß der Staat seinen göttlichen Ursprung da durch anerkennen muß,
daß er sich als abhängig
bekennt von Gott und dem letzten Ziele, welches Gott den Menschen,
für welche der Staat da ist, gesetzt
hat" (v. Hoensbroech a. a. O. S. 116). der Jesuit —
aus muß —
Wenn aber
wie er es von seinem Standpunkte
bei dieser Aeußerung an die Stellver
treterin Gottes auf Erden denkt, wenn er dem un-
56 sichtbaren Gotte die sichtbare Kirche und deren Ober
haupt, den Papst, substituirt wissen will, wenn er
also indirekt meint, der Staat müsse sich als abhän
gig bekennen von dem Vicarius Christi auf Erden, dem römischen Pontifex, so verletzt er die Wahrheit mit der Behauptung, eine so gemeinte Unterordnung
des Staates unter den Willen der göttlichen Ord nung würde auch der Protestant acceptireu können. Nicht einmal das kath. Centrum hat, wie so eben
gezeigt, die Auktorität des Papstes in den sog. ge
mischten Angelegenheiten respektirt.
An diesen gan
zen Theil jener Ausführung ist übrigens, worauf wir doch noch extra hinweifen wollen, Hh. mit Still
schweigen vorübergegangen. Hh. fährt fort:
II. „Staatsgefährlich ist ferner die Lehre der Jesuiten über den Eid.
Es erscheint allerdings kaum glaublich, daß so
gar in Betreff derjenigen Institutionen, welche als die
Grundlage der menschlichen Ordnung und Wohlfahrt be trachtet werden muß, solche Abweichungen zwischen der deut schen Katechismuslehre und den Grundsätzen der Jesuiten
bestehen sollten; und doch ist das so."
(S. 202.)
Noch einmal Bischof Martin contra Jesuiten, oder richtiger contra Alphons v. Liguori, denn aus ihm wird
von den Preußischen Jahrbüchern fast ausschließlich argumentirt und nebenbei nur ein Jesuit, Gury,
nannt.
ge
57 Die Preußischen Jahrbücher schreiben: „Die erste
Bedingung", sagt Bischof Martin (Lehrbuch der katholischen Religion, II, § 151, S. 249.
Das in den Jahrbüchern
gegebene Citat ist unrichtig), „ist, daß ich nur dasjenige beschwöre, was ich mit der zweifellosesten Gewißheit als wahr erkenne, oder, wenn's ein Versprechen gilt, was ich zu er
füllen auf das Entschiedenste entschlossen bin, mit einem
Wort, daß ich die Wahrheit sage und nur die Wahrheit
sage, und die ganze Wahrheit sage.
Der Heiligkeit des
Eides durchaus zuwider und einem falschen Eide gleichzu
achten sind namentlich alle inneren Vorbehalte und Zwei deutigkeiten, denen die Absicht zu Grunde liegt, den EidAbnehmenden zu hintergehen. dert, daß die Gründe, und dringend sind.
Die zweite Bedingung for
die zum Eide veranlassen,
wichtig
Die dritte Bedingung fordert, daß der
Gegenstand selbst, wozu ich mich durch einen Eid verpflich tet, sittlich erlaubt ist." Als Gegensatz hierzu bringen die Jahrbücher folgende Stelle aus der Moraltheologie des h. Alphons v. Liguori
(lib. 3, tract. 2, cap. 2, dubium 4, n. 152): „Dagegen ist
es erlaubt, sich auch beim Eide eines nicht rein innerlichen Vorbehaltes zu bedienen, wenn dieser Vorbehalt aus den Umständen erkannt werden kann."
(Die Jahrbücher geben
diese Stelle lateinisch, aber wiederum falsch citirt), und fahren dann fort: „Während also der deutsche Katechismus
(d. h. Bischof Martin) schlechtweg alle inneren Vorbehalte und solche Zweideutigkeiten, denen die Absicht zu Grunde liegt, den Eid-Abnehmenden zu hintergehen, verwirft und
58
—
dem Meineid gleich erachtet, wird hier die Zweideutigkeit unter Umständen als zulässig statutirt" (S. 204). Darauf ist zu erwidern, der Verfasser des Aufsatzes hat den lateinischen Text Liguoris entweder nicht verstan den, oder wollte ihn nicht verstehen; denn die beiden gegen übergestellten Sätze des „deutschen Katechismus" und der „jesuitischen Moral" beziehen sich auf etwas Verschiedenes. Bischof Martin spricht im allgemeinen von den Bedin gungen der Erlaubtheit des Eides, Liguori handelt von der Frage, ob beim Eid irgend ein Vorbehalt gestattet sei. Dort, wo sie beide denselben Gegenstand behandeln, sagen sie auch ganz genau fast wirklich dasselbe. Aber diese Stellen haben die Preußischen Jahrbüch er, oder besser, der Verfasser des Aufsatzes wiederum unterdrückt. Liguori schreibt bei dem Capitel von der Erlaubtheit des Eides im Allgemeinen: „Der Eid auf rechte Weise ge leistet ist erlaubt. Dann aber wird er auf rechte Weise ge leistet, wenn bei ihm drei Punkte beobachtet werden: Ueberlegung, Gerechtigkeit, Wahrheit. . . . Fehlt es beim Eid an der Wahrheit, so ist das eine schwere Sünde, und ein solcher Eid ist ein Meineid" (Theologia moralis, lib. 3, tract. 2, cap. 2, dubium 3, n. 144. 147). Man vergleiche nun diese Stelle mit den eben angeführten Wor ten des Bischofs Martin. Bischof Martin schreibt dagegen, wo er die Frage behandelt, ob beim Eid ein Vorbehalt erlaubt sei: „Wo ich mich der restrictio non pure mentalis (des nicht rein inneren Vorbehaltes) und der Amphi-
59
holte in der gewöhnlichen Rede bedienen darf, darf's ich anch beim Eide" (Lehrbnch der katholischen Moral, 3. Aufl., S. 488). Man vergleiche nun diese Stelle mit den eben angeführten Worten des h. Alphons von Liguori. Es sei noch bemerkt, daß Bischof Martin, d. h. der „deutsche Katechismus" in seiner Abhandlung über den Eid (a. a. O.) sich zur Erhärtung seiner eigenen Ansicht auf vier Jesuiten beruft: Suarez, Azor, Sanchez, An toine. Bischof Martin mit seinem „deutschen Gewissen" fühlte sich also durchaus nicht im Gegensatz zu der Lehre der Jesuiten. Und nun zum Jesuiten Gury. Von ihm führen die Preußischen Jahrbücher „zwei Entscheidungen an, welche mit der deutschen Katechismuslehre im offenbaren Widersprüche stehen": „Der fingirte oder bloß äußerliche Versprechungseid hat keine Geltung, weil der Wille zu schwören dabei gefehlt hat. Wer einen solchen Eid ablegt, begeht aber eine Sünde, wenn auch wohl nur eine leichte, weil nur eine mit einer eitlen Anrufung des Namens Gottes verbundene Lüge verübt worden ist!" „Oft ist das jedoch eine Todsünde mit Rücksicht auf den gemeinen oder particulären Schaden." Ferner: „Ein Eid, der zwar mit der Absicht zu schwören, aber nicht, sich zu verpflichten, oder umgekehrt, geschworen wird, gilt wahrscheinlich nicht, weil das keinen Werth hat. In wichtigeren Angelegenheiten aber kann ein solcher Eid per modum promissionis binden."
60 Die unrichtige Uebersetznng, weil sie nicht gerade we sentlich unrichtig ist, lasse ich auf sich beruhen. Zum Ver
gleich setze ich nur einfach „die deutsche Katechismuslehre" des Bischofs Martin hierher: „Von Seiten des Schwören den ist zur Verbindlichkeit des Eides erforderlich, daß man
die Intention zu schwören hatte.
Schwören ohne Inten
tion zu schwören (also fingirt schwören) ist zwar unter allen Umständen schwer sündhaft, eine eigentliche Verbind
lichkeit entspringt aber aus solch' einem Eid nicht...
Ein dritter denkbarer Fall ist: der Schwörende hätte die ausdrückliche Intention, das Versprechen nicht zu erfüllen;
es fragt sich, ob dann der Eid für ihn doch verbindlich sei. Einige Theologen antworten bejahend, andere verneinend"
(a. a. O. S. 492, 493).
Der einzige Unterschied zwischen Bischof Martin und dem Jesuiten Gury besteht also darin, daß Ersterer den
fingirten Versprechungseid immer für schwer sündhaft hält,
Letzterer ihn vielfach als schwer sündhaft bezeichnet, immer aber für Sünde erklärt.
Ueber die Nicht-Verbindlich
keit eines solchen fingirten Eides — und darum handelte es sich — sind aber Bischof und Jesuit
ganz derselben Meinung.
Uebrigens bezieht sich diese
Nicht-Verbindlichkeit nur auf das Gewissen, forum Internum.
auf das
Ist aber der fingirte Eid vor Gericht
abgelegt worden, und kann die Fiction nicht gerichtlich be wiesen werden, so lehrt jeder Jesuit, wie jeder katholische
Theologe, daß trotz der Fiction das Gericht berechtigt ist, den Betreffenden zur Leistung des im fingirten Eide Ver-
61
sprochenen zu verurtheilen.
Eine Gefahr für die äußere
Rechtsordnung ist somit in der „jesuitischen" Lehre vom Eide
nicht vorhanden. Soweit Hh. Zu diesen Ausführungen ist zu bemerken:
1. die Redewendung: „das Citat der preuß. Jahr bücher ist falsch, die Uebersetzung ist nicht gerade
wesentlich unrichtig" u. bergt wird von Hh. mehr fach gebraucht; sie scheint dazu dienen zu sollen, den Vorwurf der „Fälschung" und „Entstellung" in den Augen der Leser zu verstärken. Nun ist es zwar
für die materielle Beurtheilung der Sache ganz gleichgültig, ob z. B. das Citat aus Martin's Re
ligionshandbuch im § 151 S. 249, oder im § 74 S. 331 sich befindet — aber das Citat der „Preußi
schen Jahrbücher" ist sogar vollständig richtig.
Während dem Verfasser des Aufsatzes in den Jahrbüchern die 15. Auflage des Martin'schen Lehr
buches vorgelegen, hat der Gegner vielleicht eine
andere Ausgabe eingesehen und benutzt nun die
Differenz zu einem Seiteuhieb. 2. Unwahr ist die Darstellung, als ob der Auf satz in den Jahrbüchern den Bischof Martin schlecht weg als
hätte.
„den deutschen Katechismus"
hingestellt
Nur das dort erwähnte Lehrbuch der kath.
Religion verdient eine solche Bezeichnung und nur dieses Buch hat dort eine solche Bezeichnung erhal
ten.
Martin's Religionshandbuch kann allerdings
62
mit Recht als der Katechismus der gebildeten Ka tholiken Deutschlands angesehen werden. Seit vielen Dezennien an den preußischen und beziehungsweise deutschen Gymnasien eingeführt, bildet dieses Lehr buch die Grundlage für den der Jugend zu Theil werdenden katholischen Religionsunterricht. Millio nen deutscher Katholiken haben theils direkt theils indirekt den Inhalt ihres Glaubens aus Martin's Lehrbuch empfangen. (§ 111 S. 198 a. a. O.) Die sonst von demselben Verfasser herausgegebenen Bü cher, welche selbst gebildete Laien nicht einmal den Namen nach kennen, können ohne Verschiebung der Wahrheit als „deutscher Katechismus" nicht bezeich net werden. Es ist deshalb nicht der Wahrheit entsprechend, wenn Herr Hh. die Sache so darstellt, als ob der „deutsche Katechismus" an einer in den Jahrbüchern unterdrückten Stelle, über den Vor behalt beim Eide etwas anderes lehrte, als das, was dort mitgetheilt war, während Hh. dabei gar nicht den erwähnten Katechismus, sondern ein an deres Buch desselben Verfassers im Auge hatte. Auch diese Manipulation pflegt man in Deutschland mit einem, den Jesuiten entlehnten Namen zu be zeichnen. 3. Aber auch „Martin's Moral" deckt sich selbst verständlich nicht mit der Lehre der Jesuiten vom Eide. Das zeigt sich namentlich bei demjenigen
63
Punkte, auf welchen es für den Zweck der gegen wärtigen Erörterungen und für die demnächstige Entscheidung des Reichstages und Bundesraths über die Rückkehr der Jesuiten in erster Linie ankommt: bei der Frage, was lehrt Martin und was lehren Liguori und die Jesuiten über das von einem kath. Zeugen vor Gericht zu beobachtende Verhalten. Was Liguori darüber lehrt, ist auf Seite 29 an einigen Aussprüchen gezeigt worden. Hier zur Illustration zwei Beispiele: Es ist ein Verbrechen begangen worden, welches ganz geheim ist, von welchem nur der Zeuge A. Kenntniß hat. Der Richter fragt den Zeugen danach. Liguori lehrt, daß in einem solchen Falle der Zeuge antworten dürfe, der Angeschuldigte habe das Ver brechen nicht begangen; (si crimen fuerit omnino occultum, tune potest imo tenetur testis dicere, reum non commisisse). Nach Liguori, dem Je suiten Tamburinus und anderen kann der Zeuge diese unwahre Aussage mit gutem Gewissen be schwören (S. 29). Nach Gury würde es in einem solchen Falle darauf ankommen, ob nach dem betreffenden Landesgesetze zur Feststellung der Schuld des Angeklagten 2 Zeugen erforderlich sind, oder ob einer genügt (908 Fr. 4). H. hat sein Haus angesteckt und befindet sich wegen Brandstiftung in Untersuchung. B. hat die Brandstiftung mit eignen Augen wahrgenommen,
64
er ist aber der Ueberzeugung, daß H. im Momente der That geistesverwirrt gewesen ist, (constet ipsi, crimen caruisse culpa). Der Richter fragt den Zeu gen, was ihm von dem Verbrechen der Brandstif tung bekannt sei, B. schwört, er wisse nichts davon. Nach Liguori ist ein solcher falscher Eid zulässig. Nach dem deutschen Katechismus macht sich der Zeuge in einem solchen Falle des Meineides schul dig, weil er die Pflicht hat, die nackte und unverhüllte Wahrheit zu sagen. Daß Bischof Martin diese Entscheidungen Liguori's nicht billigt, ist so selbstverständlich, daß eigentlich darüber kein Wort zu verlieren wäre. Nachdem aber Hh. die ungeheuerliche Behauptung einmal aufgestellt hat, zwischen „Martin's Moral" und Liguori's Lehre über den geheimen Vorbehalt bestehe kein Unterschied, bleibt nichts übrig, als die Martin'schen Ausführungen hier vollständig mitzutheilen. Martin sagt an der von Hh. verstümmelt wiedergegebenen Stelle seines Buches der Moral S. 490 der 4. Auflage folgendes: „Die restrictio non pure mentalis, wodurch man in seiner Rede solche Momente ausläßt, die der Andere möglicher Weise selbst suppliren kann, und die Amphibolie, die darin besteht, daß man sich ab sichtlich solcher Worte bedient, die wegen ihrer Zwei oder Vieldeutigkeit den wahren Sinn ebenso sehr verhüllen, als enthüllen, ist unerlaubt, so oft mir
65
die Pflicht der Liebe oder Gerechtigkeit gebietet, die ganze und unverhüllte Wahrheit zu sagen, wie z. B. vor Gericht, vor der Obrigkeit u. dgl.; wo aber eine solche Pflicht nicht besteht, ist sie erlaubt, oft sogar geboten; namentlich dann, wenn ich die Kenntniß der fraglichen Sache als Geheimniß zu verbergen verpflichtet bin. Wo ich mich nun der restrictio non pure men talis und der Amphibolie in der gewöhnlichen Rede bedienen darf, darf ichs auch beim Eide; und wo ichs in der gewöhnlichen Rede nicht darf, darf ichs auch beim Eide nicht." — Es ist nicht zu leugnen, daß der letztere Satz in seiner nackten Gestalt geeignet ist, für eine frivole Auslegung einen gewissen Spielraum zu gewähren, und zwar um deßwillen, weil Martin an dieser Stelle nicht sagt, in welchen Fällen Jemand in der gewöhnlichen Rede sich der restrictio non pure mentalis und der Amphibolie bedienen darf, und in welchen Fällen nicht. Hierüber giebt aber, wenigstens was die Amphibolie angeht, Martin's Religionshandbuch in dem Kapitel über die Lüge (§ 112 S. 379) eine unzweideutige Auskunft. Dort heißt es wörtlich: „Als Mittel, der förmlichen Lüge auszuweichen und doch den Zweck derselben zu erreichen, hat man (wir setzen hinzu: hat der jesuitische Kasuist) den geheimen Vorbehalt (restrictio mentalis) und Für und wider die Jesuiten. 5
66
den Gebrauch zwei- oder vieldeutiger Ausdrücke (usus acquivocationum) etfuitbc«. Ein geheimer Vorbehalt findet Statt, wenn die Worte sowohl nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung, wie nach allen ob waltenden Umständen gerade so gedeutet werden müssen, als der Vernehmende sie deutet und diese Deutung dennoch den wahren Sinn des Redenden nicht erreicht, weil dieser den Hauptpunkt, das eigent lich Entscheidende, verbirgt oder im Hintergründe hält. Ist ein solcher geheimer Vorbehalt auch keine förmliche Lüge, so trägt er doch das wahre Wesen derselben in sich, weil er darauf berechnet ist, Andre zu bethören, oder irrezuleiten, und er kann daher nach dem Geiste des Christenthums unter keiner Bedingung entschuldigt, geschweige gebilligt wer den. In etwas unterschieden hiervon ist der Ge brauch zwei- oder vieldeutiger Ausdrücke, indem er, wenn er auch die Ausfassung des wahren Sinnes des Redenden sehr erschwert, sie doch dem scharf Aufmerkenden und die obwaltenden Umstände sorg fältig Bedenkenden wenigstens möglich macht. Streng kirchlich gesinnte Morallehrer haben daher auch den Gebrauch der zwei- oder vieldeutigen Rede unter fol genden (3) Bedingungen für sittlich zulässig erklärt: a) daß ein vernünftiger Grund vorhanden, warum man sich solcher Ausdrücke bediene. b) daß der Sprechende in dem gegebenen Falle keine Verpflichtung hat, die Wahrheit nackt und un-
67 verhüllt zu offenbaren, wie er z. B. hierzu ver pflichtet ist vor Gericht, vor der Obrigkeit, vor dem Beichtvater oder vor sonst Berechtigten; c) u. s. w." — Dies genügt für unsere Zwecke. Denn, wenn der Zeuge vor Gericht sich selbst dann keiner Amphibolie bedienen darf, wenn er un eidlich vernommen wird, so darf er es vollends nicht, wenn er sein Zeugniß eidlich erhärten muß. Gänzlich unmöglich ist es daher, an der Hand der Grundsätze des Martin'schen Neligionslehrbuches die Entscheidungen zu rechtfertigen, welche Liguori auf S. 29 giebt. Martin, welcher bei der Eidesleistung alle inneren Vorbehalte und Zweideutigkeiten, denen die Absicht zu Grunde liegt, den Eid-Abnehmen den zu hintergehen, unter schwerer Sünde für unstatthaft erklärt (§74 S. 362. R. L. B.); welcher schon den uneidlich vernommenen Zeugen für verpflichtet erachtet, vor Gericht die nackte und unverhüllte Wahrheit zu offenbaren (§112 S.379 ebenda); welcher diese Verpflichtung in noch höherem Maße für den beeidigten Zeugen in der Abhand lung über die restrictio non pure mentalis im § 218 S. 490 des Lehrbuchs der Moral anerkennt, Martin duldet es nicht, daß der Zeuge seine un wahre Aussage mit der Erwägung rechtfertige: crimen caruisse culpa.
68
Wie das deutsche Strafgesetzbuch eine solche Mentalreservation behandeln würde, ist bekannt. Die deutschen Prozeßordnungen kennen wohl ein Recht der Eidesweigerung, aber kein Recht einer solchen wahrheitswidrigen Bekundung. 4. Der Unterschied zwischen der Lehre des Je suiten Gury und der des deutschen Katechismus über die Heiligkeit des Versprechungseides ist so groß, wie der Unterschied zwischen Himmel und Hölle, zwischen Leben und Tod. Während der deutsche Katechismus jeden fingirten oder bloß äußer lichen Versprechungseid als Todsünde ansieht, gehört nach Gury eine solche Sünde je nach den Umstän den znr Kategorie derjenigen Sünden, in welche selbst der Gerechte siebenmal im Tage fällt; während Gury dem falsch schwörenden je nach Befinden das Feg feuer in Aussicht stellt, muß sich der Meineidige nach Martin stets auf die Hölle gefaßt machen. Gerade die ans Seite 30 mitgetheilte Entscheidung Gury's zeigt so recht deutlich, wie außerordentlich lax die Grundsätze der Jesuiten über den Eid sind. Sie steht übrigens nicht vereinzelt da, sondern wird bestätigt durch mehrfache andere Entscheidungen, von denen wir nach der bekannten Uebersetzung des kath. Priesters Georg Wesselack (Regensburg 1858) folgende hervorhebcn: a) Nr. 301, III, heißt es: die Obligation des Eides ist auch nach den stillschweigenden Bedingungen
69
zu interprctiren, welche in demselben einge schlossen, oder hinzugedacht worden sind; diese Bedingungen sind: 1) wenn ich das eidliche Versprechen ohne großen Schaden werde halten können! b) Nr. 304 Entscheidung 3.: Durch seinen Eid ist nicht obligirt, wer einer reichen Jungfrau eid lich versprochen hat, sie zu heirathen, wenn sie in Armuth fällt; weil dann das einfache Verfprechen nicht obligirt! Der deutsche Katechismus steht auf einem an deren Boden. Für ihn gilt der Satz: Ein Mann, ein Wort! dem deutschen Katechismus widerstrebt es, die Verpflichtung zur Aussage der Wahrheit, zum Halten der Treue, zur Hochhaltung der Heilig keit des Eides von der Erwägung über den größeren oder geringeren eigenen Vortheil oder Nachtheil ab hängig zu machen. c) Entscheidung 5 ebenda: Derjenige sündigt nicht, welcher ein beschworenes Geheimniß entdeckt, wenn er es ohne eigenen oder des Anderen großen Schaden nicht mehr geheim halten kann, weil das Versprechen, eine Sache geheim zu halten, nur unter der Bedingung verpflichtet: „wenn es nicht sehr schädlich ist." d) Nr. 300. 5 Fr. Ohne Gerechtigkeit schwören, d. h. sich durch einen Schwur zu etwas uner laubtem verbindlich machen, ist eine Todsünde,
70
wenn es sich um eine wichtige Sache handelt. Der wahrscheinlicheren Meinung nach aber ist es keine Todsünde, wenn es sich um etwas Geringfügiges handelt; denn daraus scheint keine große Beleidigung gegen Gott zu entspringen! Was würde wohl aus unserem Vaterlande wer den, wenn den deutschen Katholiken derartige un sittliche Lehren über den Eid als Grundsätze der katholischen Moral beigebracht würden, oder wenn der Beichtvater einen Schwurpflichtigen nach solcher Moraltheorie instrniren würde? Hh. fährt fort: III.
„Ein ferneres Bedenken, welches der Rückberufung der Jesuiten nach Deutschland entgegensteht, ergiebt sich aus der Lehre derselben über das Verhältniß der Katholiken zn ihren protestantischen Mitbürgern. Auch hier weicht der deutsche Katechismus nach Form und Inhalt sehr von dem Katechis mus der Jesuiten ab" (S. 206). Viele Worte sind hier nicht nothwendig. Es ist auch hier die „Gegnerschaft" nur dadurch erreicht worden, daß die Preußischen Jahrbücher aus Bischof Martin Stellen über die Protestanten, d. h. über die Personen, aus dem Je suiten Perrone Stellen über den Protestantismus, d. h. über die Sache anführen. Wo Beide über die „protestan tischen Mitbürger" sprechen, herrscht bei Beiden die vollste Uebereinstimmung. Hier die Worte Per-
71 rone's: „Alle Protestanten, welche nie einen ernstlichen Zweifel über den Irrthum ihrer Religion hegten, auch dann, wenn sie einen Zweifel hatten, aber nach reiflicher Ueberlegung dennoch aufrichtig an die Wahrheit des Pro testantismus glauben, sind im guten Glauben. Diese sind auch gerechtfertigt vor Gott, falls sie ihm nach besten Kräften durch Beobachtung der göttlichen Gebote dienen und durch die Verdienste Jesu Christi auf die ewige Seligkeit hoffen. . . . Die Personen dürfen wir nicht Haffen, weil dies unsere heilige Religion verbietet." (Ueber Protestantismus und Kirche. Controvers-Katechismus S. 70, 81.) So weit Hh. Hierauf ist zu erwidern. Die Katholiken sollen die Protestanten „nicht Haffen". Sollte es wirklich für die Einheit des Lebens der deutschen Nation genügen, daß die Ka tholiken sich enthalten ihren protestantischen Mit bürger „zu Haffen"? Ja entspricht diese Vorschrift auch nur dem christlichen Gebote den Nächsten zu lieben? Zur Illustration möge es uns gestattet sein, einmal den Fall umzukehren. Zwei Protestanten, Martinius und Peronius schreiben über den Jesuiten orden. Wo beide über die Mitglieder des Ordens sprechen, herrscht bei Beiden vollständige Ueberein stimmung. Sie sagen: „der einzelne Jesuit ist oftmals ein ebenso kluger als frommer und seelen eifriger Mann. Keine Mühe ist ihm zu schwer,
72 keine Anstrengung zu groß, kein Opfer zu theuer, wenn es sich um die Ehre Gottes und den Glanz
des Ordens handelt". Alsdann fährt Peronius fort:
„Was dagegen den Jesuitenorden angeht, so ist
er in religiöser Beziehung, was in natürlicher Hin sicht die Pest ist.
Die Lehre derselben ist schrecklich
in der Theorie und unmoralisch in der Praxis; sie
ist lästerlich in Bezug
auf Gott (namentlich die
Lehre vom Eide), nachtheilig für den Staat und der
sittlichen Zucht hohnsprechend, u. s. w. Sollte Herr Hh. in der That der Meinung sein,
daß die beiden Protestanten über den Jesuitismus ganz dasselbe gesagt haben?
Hh. schließt: Mit Rücksicht auf den angesehenen Namen der Zeit
schrift, in welcher der Aufsatz „Jesuitismus und Kotholi-
cismns" sich findet, enthalten wir uns, ihm jene Bezeich nung
zu geben, welche er reichlich verdient.
Frage an die Oeffentlichkeit ist am Platz:
Aber eine
Wird nicht
Deutschland zur Genüge mit Schmäh- und Hetzschriften
aus den trüben Regionen des
„Evangelischen Bundes"
überschwemmt, wollen denn auch vornehme publicistische
Organe sich in den Dienst der Entstellung und Unwahr heit begeben?
Wir haben als Antwort auf diese Frage nur die eine Bitte: Möge das vornehme d. h. das ge
bildete katholische Deutschland die hier angeregten
Bedenken einer ernsten, leidenschaftslosen und un-
73
parteiischen Erwägung unterziehen; mögen nament lich die zahlreichen katholischen Beamten, welche in erster Linie zur Förderung des Gemeinwohls berufen sind, zu den Erörterungen über die beiderseitige Eideslehre Stellung nehmen; vielleicht findet dann der eine oder der andere noch Gelegenheit, vor der Erledigung des Windthorst'schen Antrags im Reichs tage zu Gunsten des deutschen Katechismus eine Lanze einzulegen.