Sprache und Gesetzgeber: Grenzen sprachgesetzlicher Regelungen in Deutschland und Frankreich nach dem EG-Vertrag und nationalem Verfassungsrecht [1 ed.] 9783428506996, 9783428106998

Ausgehend von dem französischen Gesetz zum Schutz der Sprache, der »loi Toubon« vom 4. 8. 1994, untersucht die Autorin,

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German Pages 228 Year 2002

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Sprache und Gesetzgeber: Grenzen sprachgesetzlicher Regelungen in Deutschland und Frankreich nach dem EG-Vertrag und nationalem Verfassungsrecht [1 ed.]
 9783428506996, 9783428106998

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Anne Theme . Sprache und Gesetzgeber

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 84

Sprache und Gesetzgeber Grenzen sprachgesetzlicher Regelungen in Deutschland und Frankreich nach dem EG-Vertrag und nationalem Verfassungsrecht

Von Anne Theme

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Theme, Anne: Sprache und Gesetzgeber: Grenzen sprach gesetzlicher Regelungen in Deutschland und Frankreich nach dem EG-Vertrag und nationalem Verfassungsrecht / von Anne Theme. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 84) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10699-7

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10699-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Meinem Vater zum Andenken

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2001 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis August 200 1 berücksichtigt. Herzlich danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Bodo Pieroth, der die Fragestellung der Arbeit aufgeworfen und mich während der ganzen Zeit engagiert betreut hat. Er hatte jederzeit ein offenes Ohr und begutachtete die Arbeit in kürzester Zeit. Herrn Prof. Dr. Reiner Schulze danke ich für das Zweitgutachten. Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, die mich uneingeschränkt unterstützt und so die Promotion ermöglicht hat. Von Herzen danke ich auch meinen Freunden für die große Hilfe. Düsseldorf, im September 2001

Anne Theme

Inhaltsverzeichnis

Einleitung . ........................................................................... .

21

A. Europäische Sprachregelungen ........................................ .. .......... .

21

B. Nationale Sprachregelungen ....................................................... .

23

C. Gang der Untersuchung ........................................................... .

25

Teil]

Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache -

die "Ioi Toubon" vom 4. 8. 1994

26

A. Die Bedeutung der Sprache in Frankreich ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

B. Geschichte der Sprachregelung .....................................................

29

1. Die ordonnance de Villiers-Cotterets, August 1539 ..........................

29

11. Das Gesetz des Nationalkonvents vom 2. thennidor des Jahres 11 (20. 7. 1794)

29

III. Die loi Bas-Lauriol, 1975 ...................................................

30

1. Motive des Gesetzgebers .. .. ........... .. ..............................

31

2. Regelungsinhalt des Gesetzes ...........................................

31

3. Anwendungsfälle der loi Bas-Lauriol ...................................

32

4. Kritische Beurteilung des Gesetzes .....................................

32

10

c.

Inhaltsverzeichnis IV. Änderung der Verfassung, 1992 .............................................

33

V. Die loi Toubon, 1994........................................................

35

Genese und Regelungsumfang der loi Toubon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

I. Motive des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

11. Der ursprüngliche Regelungsinhalt des Gesetzes ............................

38

111. Die Entscheidung des Conseil Constitutionnel vom 29.7. 1994 .............

42

1. Antrag der Kläger ......................................................

42

2. Art. 11 Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. 8. 1789 ..

43

3. Differenzierter Adressatenkreis .........................................

45

4. Verfassungswidrige Regelungen der loi Toubon .........................

46

5. Kritik an der Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

IV. Problematische Regelungen der heutigen loi Toubon ........................

50

1. Warenzeichenrecht (Art. 2 und 1410i Toubon) ..........................

51

2. Firrnennamen...........................................................

52

3. Werbung (Art. 2, 4 und 1210i Toubon) ..................................

53

4. Internet (Art. 2 und 410i Toubon) .......................................

54

5. Internationale Verträge (Art. 5 und 2 loi Toubon) ........................

57

6. Konferenzen und Wissenschaft (Art. 6 und 7 loi Toubon) ................

59

7. Sanktionen .............................................................

61

8. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich bei Waren und Dienstleistungen . ... ...... ..... .......... ...... ........ ...... .......... ...... ....

63

V. Anwendungsfälle der loi Toubon ............................................

63

VI. Kompetenz des Gesetzgebers ...............................................

64

VII. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung ................................

65

VIII. Art. 10 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten .............................................................

66

Inhaltsverzeichnis

11

Teil 2 Die Vereinbarkeit nationaler Sprachvorschriften mit dem EG-Vertrag

68

A. Einführung ............ . ................................................ . ...........

68

I. Die loi Bas-Lauriol, 1975 ....................................... . ...........

68

II. Die loi Toubon, 1994........................................................

69

B. Der freie Warenverkehr .............................................................

71

I. Begriff der Warenverkehrsfreiheit ...........................................

72

11. Dogmatik der Art. 28, 30 EG ...............................................

73

1. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen i.S.v. Art. 28 EG ...............

73

2. Maßnahmen gleicher Wirkung i.S.v. Art. 28 EG.........................

73

a) Die Dassonville-Formel ............................................

74

b) Die Cassis de Dijon-Formel ........................................

75

c) Das Urteil KecklMithouard ........................................

79

3. Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung gem. Art. 30 EG ...............

81

4. Ausblick................................................................

82

ill. Handelshemmende nationale Sprachregelungen .............................

84

1. Bezeichnung und Aufmachung (Etikettierung) von Waren ..............

84

a) Einführung .........................................................

84

aa) Differenzierung bei Waren i.S.v. Art. 23 II, 24 EG .............

85

bb) Europäisches Verbraucherleitbild ..............................

86

b) Lebensmittel, die direkt an den Endverbraucher gelangen...........

87

aa) Die Richtlinie 79/112/EWG des Rats (1978) und ihre Ände-

rungen (1984 - 1995) ..........................................

89

(1) Wortlaut..................................................

90

(2) Geschichte

91

(3) Systematik

92

(4) Zweck....................................................

92

12

Inhaltsverzeichnis bb) Die Richtlinie 97/4/ EG des Europäischen Parlaments und des Rats (1997) ...................... ,.............................

97

(1) Anwendung auf deutsche, belgische und französische

Sprachregelungen ........................................ 99 (a) Erforderlichkeit und Angemessenheit von § 3 III LMKV .............................................. 100 (b) Erforderlichkeit und Angemessenheit von Art. 11 arrete royal .......................................... 100 (c) Erforderlichkeit und Angemessenheit von Art. 2 I, 4 II loi Toubon ........................................... 101

(2) Ergebnis................. . ................................ 10 1

c) Lebensmittel, die an Importeure oder Großhändler geliefert werden, und sonstige Produkte .............................................. 102 aa) Anwendbarkeit ................................................ 103

bb) Tatbestand des Art. 28 EG ..................................... 103 cc) Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung....................... 106 (1) Zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls i. S. d. Cassis-Formel ................................................ 107 (2) Rechtfertigung aus Art. 30 EG ............ . ............... 109 2. Werbung................................................................

110

a) Einführung......................................................... 110 aa) Begriff und Bedeutung........................................ 110 bb) Das Euro-Marketing........................................... 111 cc) Regelungsbefugnisse und Ausgestaltungen .................... 112 dd) Werbebeschränkungen ......................................... 113 b) Vereinbarkeit der Art. 2 II, 4 II, 12 I und IV loi Toubon mit Art. 28 EG ......................................................... 114 aa) Vorrangige Sonderregelungen ................................. 114

bb) Anwendbarkeit................................................ 115 cc) Tatbestand des Art. 28 EG ..................................... 116 (1) Rechtliche Einordnung des Euro-Marketing .............. 118 (2) "Reine" und "produktbezogene" Verkaufsmodalitäten .... 121 dd) Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung....................... 123 c) Würdigung ......................................................... 124 3. Markenzeichen und Markennamen...................................... 125 a) Einführung ......................................................... 125

Inhaltsverzeichnis

13

aa) Begriff und Bedeutung ........................................ 125 bb) Nationales und europäisches Warenzeichenrecht ............... 126 (1) Nationales Warenzeichenrecht ............................ 126 (2) Europäisches Warenzeichenrecht ......................... 127 cc) "Vermerke" und "Informationen" i.S.v. Art. 2 IV loi Toubon ... 128 b) Vereinbarkeit der Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon mit Art. 28 EG .......... 131 aa) Vorrangige Sonderregelungen ................................. 131 bb) Anwendbarkeit................................................ 131 cc) Tatbestand des Art. 28 EG ..................................... 132 dd) Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung ....................... 133 (1) Zwingende Erfordernisse des Verbraucherschutzes i. S. d. Cassis-Formel............................................ 134 (2) Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums

gern. Art. 30 S. 1 EG ..................................... 134

c) Schlußbetrachtung ........ . ......................................... 135 C. Der freie Dienstleistungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Einführung ................................................................. 135 11. Anwendbarkeit .......... . .............. . ....................... . ........... 138 III. Tatbestand des Art. 49 I EG ................................................. 138 IV. Ergebnis.................................................................... 143 D. Würdigung und Ausblick............ . .............................................. 144

Teil 3 Der Schutz der deutschen Sprache in den Schranken des Grundgesetzes

149

A. Einführung.. .. . ..... . .... . . ... .... . . .... . .... .. . . .... . .... . ...... . . .... . .... . ... ... 149 B. Methoden der Sprachpolitik ........................................................ 151 C. Rechtliche Stellung der deutschen Sprache ......................................... 153 I. Normative Anknüpfungpunkte im Grundgesetz und in einfachen Gesetzen.. 153

14

Inhaltsverzeichnis 11. Regelbarkeit der Sprache

155

l. Grundgesetzliche Stellung .................... . . . ....................... 155

2. Eigenart der Sprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Kulturstaatlicher Auftrag zur Sprachpflege? ................................. 157 l. Parallele zur Sozialstaatlichkeit aus Art. 20 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

2. Nicht vorhandene Kulturstaatsklausel im Grundgesetz .................. 159 D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache? ...................... 162 I. Die ..ungeschriebenen" Gesetzgebungskompetenzen des Bundes............ 163 l. Zulässigkeit ............................................................ 164

2. Historische und komparative Bezüge ................................... 166 11. Kompetenz aus der Natur der Sache......................................... 167 l. Herleitung.............................................................. 168

2. Kompetenz des Bundes für ein Gesetz zum Schutz der Sprache? ........ 171 III. Kompetenz kraft Sachzusarnmenhangs ...................................... 175 l. Deutsch als Gerichtssprache, § 184 GVG ............................... 176

2. Deutsch als Amtssprache, § 23 I VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 179 3. Grenzen für gesetzliche Regelungen der Sprache........................ 181 IV. Ergebnis.................................................................... 183 E. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit............................................. 183 I. Schutzbereich betroffen..................................................... 183 11. Eingriff in den Schutzbereich ............................................... 185 III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung....................................... 186 l. Die Schranke der ..allgemeinen" Gesetze ............................... 186

a) Redaktionsversehen ................................................ 186 b) Personale Allgemeinheit ............................................ 187 c) Materiale Allgemeinheit............................................ 188

Inhaltsverzeichnis

15

d) Sachliche Allgemeinheit............................................ 189 e) Ergebnis............................................................ 192 2. Kollidierendes Verfassungsrecht ........................................ 193 F. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ............................ 194

G. Vereinbarkeit mit der allgemeinen Handlungsfreiheit ............................... 196

Bilanz und Ausblick .................................................................. 197 Anhang ............................................................................... 200

Literaturverzeichnis ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 208

Intemetverzeichnis ......................... . ......................................... 222

Sachverzeichnis....................................................................... 223

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABlEG

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs.

Absatz

a.E.

am Ende

a.F. AK Allg.VwR

alte Fassung Alternativkommentar Allgemeines Verwaltungsrecht

Anm. AO

Anmerkung Abgabenordnung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

Art. Ass. Nat. BAnz BayOLG

Artikel Assemblee Nationale Bundesanzeiger

Bd. BGB!.

Bayerisches Oberstes Landesgericht Band

BK

Bundesgesetzblatt Bonner Kommentar

BMI

Bundesministerium des Innern

BMJ bspw. BVerfG BVerfGE

Bundesministerium der Justiz beispielsweise Bundesverfassungsgericht

bzw. c.

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise contre

ca.

circa comte rendu

crim.

criminelle Der Betrieb

C.R. DB d.h. Diss. DJZ Dok.KOM

das heißt Dissertation Deutsche Juristenzeitung

DÖV

Dokumente der Kommission Die Öffentliche Verwaltung

DR DVB!. EAG

Dreier Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Atomgemeinschaft

Abkürzungsverzeichnis EG

EG-Vertrag

EGKS

Europäische Gemeinschaft fUr Kohle und Stahl

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

endg.

endgültig

etc.

et cetera

EU

EU-Vertrag

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EuR

Europarecht

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

e.V.

eingetragener Verein

evtl.

eventuell

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV

Vertrag zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

EWS

Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht

f.

folgende Seite

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FF

französischer Franc

ff.

folgende Seiten

Fn.

Fußnote

GATI gern.

General Agreement on Tariffs and Trade

GG

Grundgesetz

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Habil. Hdb.DStR

Habilitation Handbuch des Deutschen Staatsrechts

Hdb. StR

Handbuch des Staatsrechts

Hdb. VerfR

Handbuch des Verfassungsrechts

gemäß

Hs.

Halbsatz

i.e.S.

im engeren Sinne

IHK

Internationale Handelskammer

i.H.v.

in Höhe von

inc.

incorporation

i.R.d.

im Rahmen des I der

i.R.e.

im Rahmen eines

i.R.v.

im Rahmen von im Sinne des I der

i. S. d. i.S.v.

im Sinne von

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S.

im weiteren Sinne

2 Therne

17

Abkürzungsverzeichnis

18 JA

Juristische Arbeitsblätter

JP

Jarass / Pieroth Juristische Schulung

JuS

JZ

Juristenzeitung

lit.

litera

LMBG

Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz

LMKV

Lebensmittelkennzeichnungsverordnung

MaK

von Mangoldt / Klein

MD

Maunz / Dürig

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

Mio.

Million

MüK

von Münch / Kunig

m.w.N.

n

mit weiteren Nachweisen numero

NATO

North Atlantic Treaty Organization

n.P.

neue Fassung

NJW

Neue juristische Wochenschrift

Nr.

Nummer

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

o.ä.

oder ähnliches

OVG

Oberverwaltungsgericht

PrOVGE

Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts

PVÜ

Pariser Verbandsübereinkunft

RATP

Regie autonome des transports parisiens

RGB!.

Reichsgesetzblatt

R1W

Recht der Internationalen Wirtschaft

Rn.

Randnummer

Rs.

Rechtssache

Rspr.

Rechtsprechung

RTD.com.

Revue trimestrielle de droit commercial

RV

Reichsverfassung von 1871

S. SA SBK SGB Slg. SNCF SOFRES sog. StR SZ

Seite

u.a.

unter anderem

Sachs Schmidt-Bleibtreu / Klein Sozialgesetzbuch Sammlung Societe nationale des chemins de fer franE7ais Societ6 franE7aise d'enquete par sondages sogenannte(r) Staatsrecht Süddeutsche Zeitung

Abkürzungsverzeichnis UN urspr.F.

v.

United Nations ursprüngliche Fassung versus

VG vg!.

Verwaltungsgericht vergleiche

Vorb. VVDStRL VwVfG

Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz

WAZ

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WN

Westfälische Nachrichten Weimarer Reichsverfassung von 1919

WRV z.B. ZEuP ZEuS

zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht

ZHR

Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

zit.

ZLR

zitiert Zeitschrift für das gesamte Lebensrnittelrecht

zug!. ZVgIRWiss

zugleich Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

19

Einleitung Die Entwicklung der Nationalsprachen im 16. und 17. Jahrhundert verlief parallel zu der Entwicklung der Nationalstaaten. Die Sprachgrenzen waren besonders ausgeprägt, als sich die neu entstandenen Staaten gegeneinander abgrenzten. 1 Heute verlieren die Nationalstaaten im Zuge des europäischen Integrationsprozesses an Bedeutung. Auch die Globalisierung der Wirtschaft trägt dazu bei, daß mit den Nationalstaaten die nationalen Sprachen an Gewicht verlieren. Internationale Kommunikation, die schnell und ohne großen Kostenaufwand möglich ist, wird dabei immer wichtiger. Aus dieser Notwendigkeit ist teilweise die Forderung nach einer lingua franca laut geworden, nach einer Sprache, in der die internationale Kommunikation erfolgen kann. 2 In der Europäischen Gemeinschaft wurde lange Zeit für die französische Sprache als lingua franca plädiert (insbesondere, da Französisch die einzige Sprache der sechs Gründerstaaten war, die in allen Ländern gelehrt wurde),3 nach dem Beitritt Großbritanniens bietet sich auch das Englische an, da es bereits die Sprache des Weltmarkts ist und etwa eine Milliarde Menschen Englisch beherrschen oder erlernt haben. 4 Dabei stellt allerdings die Haltung der Briten zum europäischen Integrationsprozeß (Großbritannien gehört zu den Staaten, die nicht an der Einführung des Euro am 1. 1. 1999 teilgenommen haben, sondern entscheidet selbst, ob und wann es der Währungsunion beitritt) eine psychologische Barriere dar.

A. Europäische Sprachregelungen Schon innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hat sich der Rat in seiner ersten Verordnung vom 15. 4. 1958 mit der Sprachenfrage beschäf1 Antu, Die deutsche Sprache gibt es gar nicht, in: SZ vom 23./24. 5. 1998, FeuilletonBeilage, S. VII. 2 Wright, S. 50 f.; Feld, S. 202. Wardhaugh, S. 135, geht davon aus, daß Englisch bereits lingua franca der modemen Welt ist. Ebenso nimmt Truchot, S. 91, an, daß keine andere Sprache die Rolle einer internationalen lingua franca so ausfüllen kann, wie es das Englische vermag. Nach seiner Ansicht würden europaweit englische Medien zum einen Kosten reduzieren und zum anderen neue Märkte eröffnen, indem kulturelle und sprachliche Barrieren, die zugunsten der nationalen Produktion wirken, fallen, S. 92. Er plädiert daher dafür, Englisch als einzige offizielle Sprache der Europäischen Gemeinschaft anzunehmen, S. 92. 3 Truchot, S. 88. 4 Wright, S. 50.

22

Einleitung

tigt. 5 Die Verordnung stellt den Grundsatz auf, daß die Nationalsprachen innerhalb der EWG gleichberechtigt sind (zweiter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1). Gern. Art. 1 Verordnung Nr. 1 waren die Amts- und damit auch zugleich die Arbeitssprachen der Organe der Gemeinschaft Deutsch, Französisch, Italienisch und Niederländisch. Neben den Verträgen (zweiter Erwägungsgrund Verordnung Nr. 1) wurden (und werden) gern. Art. 4 Verordnung Nr. 1 Verordnungen und Schriftstükke von allgemeiner Geltung in den vier (heute elf) Amtssprachen abgefaßt. Auch das Amtsblatt der Gemeinschaft erscheint in diesen Sprachen (Art. 5 Verordnung Nr. 1). Heute bildet Art. 6 III EU den Anknüpfungspunkt für ein europäisches Sprachenregime, indem er bestimmt, daß die Union die "nationale Identität" ihrer Mitgliedstaaten achtet. Der Grundsatz der Gleichberechtigung der Nationalsprachen findet sich zudem in den Art. 314 EG, Art. 225 Euratom und Art. 53 EU. Er folgt aus der völkerrechtlichen Gleichberechtigung der Nationalstaaten. Für die Organe der Gemeinschaft wird die Sprachenfrage gern. Art. 290 EG vom Rat einstimmig geregelt. In den europäischen Institutionen (gern. Art. 7 I EG Parlament, Rat, Kommission, Gerichtshof und Rechnungshof) gibt es heute elf offizielle Amtssprachen, 6 die technisch gleichberechtigt sind. Aus diesem Grund verschlingen die Kosten für Dolmetscher, Übersetzungen und das notwendige Arbeitsmaterial 40 oder mehr Prozent der gesamten Verwaltungskosten der Europäischen Union? De facto werden Rechtsakte und Dokumente in Englisch und Französisch als den beiden zumeist genutzten Arbeitssprachen abgefaßt, um anschließend in alle Amtssprachen der Union übersetzt zu werden. Zwar ist Deutsch die in der Europäischen Union am meisten gesprochene Sprache, Englisch aber verstehen fast alle. 8 Im europäischen Binnenmarkt gern. Art. 3 I lit. c), 14 11 EG mit seinen vier Grundfreiheiten [Warenverkehrsfreiheit gern. Art. 28 ff. EG, Personenverkehrsfreiheit(en) gern. Art. 39 ff. EG (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) und Art. 43 ff. EG (Niederlassungsfreiheit), Dienstleistungsverkehrsfreiheit gern. Art. 49 ff. EG sowie Kapitalverkehrsfreiheit gern. Art. 56 ff. EG] können Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital frei zirkulieren. Diese Grundfreiheiten des Binnenmarkts erfordern für den Unionsbürger als Endkonsumenten einen gewissen Schutz. Gern. Art. 3 Ilit. t) EG leistet die Gemeinschaft einen Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes. Zudem trägt sie gern. Art. 153 11 EG den Erfordernissen des Verbraucherschutzes bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politiken Rechnung. Der Verbraucher muß die ihm angebotenen Waren und Dienstleistungen aufgrund ausreichender und verständlicher Informationen beurteilen und auswählen können. S Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ABlEG 1958, S. 385 f. / 58. 6 Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Griechisch, Holländisch, Dänisch, Schwedisch und Finnisch. 7 Coulmas. European integration and the idea of the nationallanguage, S. 23. 8 Deutsch sprechen viele, Englisch verstehen alle, in: SZ vom 5. 7. 1999, S. 3.

B. Nationale Sprachregelungen

23

Dafür muß er zunächst die ihm angebotenen Informationen verstehen, Sprache oder andere Kommunikationsmittel sind dazu unerläßlich. Insbesondere bei Lebensmitteln, Arzneien und gefährlichen Stoffen ist ein umfassendes Verständnis des Verbrauchers erforderlich. Aus diesem Grunde gibt es in allen europäischen Ländern Sprachregelungen, die jedoch unterschiedlich ausgestaltet sind.

B. Nationale Sprachregelungen Im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses sind nationale Sprachvorschriften notwendig. Sie dienen hauptsächlich dazu, den Verbraucher vor Gefahren zu schützen, die durch das Zusammenwachsen der nationalen Märkte entstehen. Im Gegenzug ist anzumerken, daß ein großer Teil der nationalen verbraucherschützenden Vorschriften auf dem Gemeinschaftsrecht beruht (wie bspw. in Deutschland das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das Verbraucherkreditgesetz und das Fernabsatzgesetz).

In Frankreich enthält die loi Toubon Sprachregelungen, die beinahe alle Bereiche des öffentlichen Lebens abdecken. In Belgien sind die Sprachregelungen ob der linguistischen Vielfalt sehr ausgeprägt. Der EuGH hat sich bereits in mehreren Rechtssachen mit belgischen Sprachregelungen beschäftigt. 9 Diese sind im Bereich der Bezeichnung und Aufmachung (Etikettierung) von Produkten mit den Regelungen der loi Toubon vergleichbar. lO Sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden ist der Gebrauch der Sprachen im Verkehr mit dem Verbraucher vieldiskutiert. Beschwerden hinsichtlich verwendeter Sprachen kommen dort häufig von Konkurrenten oder von Verbänden zur Förderung der nationalen Sprachkultur. 11 Im Vergleich dazu erhalten die Behörden in Frankreich und Portugal häufig Beschwerden einzelner Verbraucher sowie von Verbänden. 12 Mit den französischen vergleichbare Sprachregelungen gibt es auch in Italien. \3 In Deutschland existiert 9 EuGH, Slg. 1991, 1-2971 ff. (Piageme I); EuGH, Slg. 1995, 1-2955 ff. (Piageme 11); EuGH, Slg. 1999,1-3175 ff. (Colim/Bigg's). 10 Art. 13 loi sur les pratiques du commerce et sur I'information et la protection du consommateur du 14.7. 1991: ,,Les mentions qui font l'objet de I'etiquetage et qui sont rendues obligatoires par la presente loi, ... , les modes d' emploi et les bulletins de garantie sont au moins libelles dans la langue ou les langues de la region ou les produits sont mis sur le marche.... Les mentions de l' etiquetage doivent etre apparentes et lisibles et nettement distinctes de la publicire." Moniteur beige, 1991, n° 8.2,18712, 18717 f. Auch in Belgien müssen also die zwingend vorgeschriebenen Angaben auf der Etikettierung beim Inverkehrbringen eines Produkts in der / den Sprache / n des Verkaufsgebiets abgefaßt sein. 11 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Parlament betreffend den Gebrauch der Sprachen zur Information des Verbrauchers in der Europäischen Gemeinschaft, Dok. KOM (93) 456 endg., S. 13, Rn. 30. 12 Siehe Fn. 11. 13 Bei der Etikettierung von Produkten schreiben die italienischen Regelungen einerseits für bestimmte Produkte, andererseits auch allgemeinverbindlich die italienische Sprache vor,

24

Einleitung

zwar keine regelrechte Sprachgesetzgebung. Allerdings ist in letzter Zeit eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Hinblick auf die deutsche Sprache erkennbar. 14 Nicht zuletzt im Streit um die Rechtschreibreform wurde deutlich, daß Sprache bzw. in diesem Fall die Schreibung derselben ein politisch sensibles Thema darstellt, welches die Gemüter erhitzen und die Gerichte zu unterschiedlichen Urteilen motivieren kann. Verschiedene private Organisationen engagieren sich für die Pflege und Wahrung der Sprache (z. B. die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden und der Verein Deutsche Sprache e.v. in Dortmund I5 ). Auch außerhalb der Europäischen Union findet man Staaten, in denen der Gebrauch der Sprache gesetzlich fixiert ist oder problematisiert wird. In der Schweiz stellt das Sprachenrecht eine normative Teilordnung dar, die auf der Achtung der Menschenwürde gründet, und die Sprachenfreiheit ist als Freiheits- bzw. Menschenrecht anerkannt. 16 In den USA haben Sprachenfragen und ihre Regelung sowohl auf föderaler Ebene, als auch auf der Ebene der einzelnen Bundesstaaten eine Tradition. 17 In jüngerer Zeit existiert mit dem Official English Movement eine Bewegung, die die englische Sprache entweder in den Verfassungen der einzelnen Bundesstaaten oder der US-Verfassung schützen und einen nationalen Konsens darüber schaffen möchte, daß eine gemeinsame Sprache notwendig sei, um die nationale Einheit zu bewahren. 18 Die Bewegung zieht ihre Motivation aus der empfundenen Bedrohung der nationalen Identität durch Spanisch sprechende Einwanderer, durch die Gegenüberstellung mit der Europäischen Union und das Nordamerikanische Freihandelsabkommen. 19

Somma, S. 708. Aus diesem Grund werden sie teilweise als Verstoß gegen Art. 28 EG gesehen, ebenda. 14 So wird es teilweise auch begrüßt, daß nicht Deutsch, sondern Englisch die linguajranca der Wissenschaft ist, Bemd, Germanistik auf Englisch - Warum es auch ein Glück sein könnte, dass Deutsch nicht mehr Lingua franca der Wissenschaft ist, in: SZ vom 25. 1. 2000, S. V2/ 11. Der Trend zum Englischen sei historisch bedingt, denn nach dem zweiten Weltkrieg haben sich immer mehr Deutsche getreu dem Motto "lieber ein halber Ami denn ein ganzer Nazi" von ihrer Muttersprache abgewandt, ebenda. Teilweise wird hervorgehoben, daß Frankreich die Ausbreitung englischer Begriffe in der deutschen Sprache bedauert, Kuchenbecker, Franzosen beklagen Verfall der Sprache Goethes, ,,Le Figaro" beschäftigt sich mit dem "Virus des Denglisch", der Vermischung von Deutsch und Englisch, in: Die Welt vom 6. 1. 1999. 15 Im Internet findet man den Verein unter http://www.vds-ev.de. Unter Vorsitz von Prof. Dr. Walter Krämer ist der Verein von sieben Mitgliedern (1997) auf 6900 (Oktober 1999), Wolf, Von Widdiwoll und anderem Blödsinn - Sprachschützer-Verein wächst wie kein zweiter, in: WAZ vom 25.10. 1999, KULTUR, und zuletzt auf 12500 (Juni 2001) gewachsen. 16 Viletta, S. 195,206 f. 17 Sadat Wexler, S. 334 ff. 18 Sadat Wexler, S. 354. 19 Sadat Wexler, S. 352 ff.

c. Gang der Untersuchung

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c. Gang der Untersuchung Im ersten Teil der Arbeit wird als nationale Sprachregelung exemplarisch das französische Gesetz zum Schutz der Sprache, die loi Toubon vom 4. 8. 1994, dargestellt. Dabei wird insbesondere auf die Geschichte der französischen Sprachregelung und auf den Regelungsumfang des heutigen Sprachgesetzes eingegangen. Der zweite Teil untersucht die Vereinbarkeit nationaler Sprachregelungen mit den europäischen Freiheiten des Waren- und Dienstleistungsverkehrs bzw. mit dem Sekundärrecht. Als Schwerpunkte werden Sprachregelungen in den Bereichen Bezeichnung und Aufmachung (Etikettierung) von Waren, Werbung (Euro-Marketing) sowie Markenzeichen und Markennamen behandelt. Neben der Ebene des Binnenmarkts wird die Sprachenfrage auch auf der Ebene der europäischen Institutionen erläutert, es werden Ansätze zu ihrer Lösung vorgeschlagen. Thema des dritten Teils ist der Schutz der deutschen Sprache in den Schranken des Grundgesetzes. Dazu wird zunächst die rechtliche Stellung der deutschen Sprache geklärt. Anschließend wird die Kompetenz des Bundes zur Regelung der Sprache (in Form eines Gesetzes sowie in Form einzelner Regelungen, bspw. § 184 GVG, § 23 I VwVfG) untersucht. Schließlich wird geprüft, ob ein deutsches Sprachgesetz mit den Grundrechten vereinbar wäre.

Teil 1

Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache die "Ioi Toubon" vom 4. 8. 1994 A. Die Bedeutung der Sprache in Frankreich In Frankreich ist die Sprache von jeher ein bedeutender Faktor des nationalen Selbstbewußtseins und eine Angelegenheit des Staates. Staat und Sprache sind ineinander verwoben und bilden eine Symbiose. 1635 gründete Louis XIII. die Academie franraise. Nach Art. 24 des Statuts ist es ihre Hauptaufgabe, " ... mit aller möglichen Sorgfalt und allem möglichen Eifer unserer Sprache klare Regeln zu geben und sie rein, eloquent und tauglich für Künste und Wissenschaften zu machen.,,2o Seit 1694 veröffentlicht die Akademie ein Wörterbuch 21 sowie Werke über Grammatik, Rhetorik und Poesie. Zwar übt sie keine gesetzliche Kontrolle über die französische Sprache aus, die moralische Autorität und der symbolische Wert ihrer Aussagen sind aber unbestritten. 22 Heute gibt die Academie franraise zudem Stellungnahmen ab, in denen sie die Arbeit der Terminologiekommissionen beurteilt. 23 Diese Kommissionen wurden 1972 durch eine Verordnung errichtet und schöpfen Worte, damit die französische Sprache zeitgemäße Ausdrücke besitzt. Im französischen Sprachraum bilden Sprache und Kultur eine Einheit, sie bewahren und stiften nationale Tradition. Sprache wird als Voraussetzung für Kultur angesehen. 24 Neben der kulturellen Dimension eint die gemeinsame Sprache das Land und schafft nationale Identität. 25 Dieser hohe Wert der Sprache in Frankreich wurde im Europa des 18. Jahrhunderts bestätigt. Französisch war die universelle Sprache der Gebildeten, der Kunst und der Wissenschaften. Seit 1745 publizierte Faberon. S. 326 a.E., 327 (Übersetzung durch Verfasserin). Letzterschienene Auflage: ge edition du Dictionnaire de l' Acadernie fran~aise, ler tome, A-Enz., Paris 1994, Juillard. 22 Sadat Wexler, S. 300 a.E., 301. 23 Faberon. S. 327. 24 Belluzzi. S. 129. 2S Claisse. S. 17. Wright. S. 46, geht davon aus, daß die französische Sprachpolitik viel zu der heutigen Homogenität Frankreichs beigetragen hat. Die französischen Bürger einen eine gemeinsame Identität, eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Religion. Innerhalb des zentralistischen Staats kämpfen nur wenige Gruppen um ihre (nicht nur sprachliche) Unabhängigkeit (z. B. Basken und Korsen). 20

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A. Die Bedeutung der Sprache in Frankreich

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die Berliner Akademie der Wissenschaften in Französisch. 26 Antoine de Rivarol erhielt 1784 den Preis der Akademie für seinen Essay über "Die Universalität der französischen Sprache".27 In der Französischen Revolution wurde die Academie fran~aise während der Terreur abgeschafft, 1795 jedoch wieder eingerichtet. Den Revolutionären ging es darum, Französisch als "nationale" Sprache einzuführen. Zur Zeit der Revolution konnte die Hälfte der Bevölkerung (ca. 12 Mio. Menschen) kein Französisch. Nur drei Mio. Menschen konnten es korrekt sprechen. 28 Der Jakobiner-Führer Barere forderte, die sprachliche Schranke, die die Aristokratie durch das Französische zwischen sich selbst und den Massen errichtet hatte, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu den Organen der Regierung und der gesetzgebenden Gewalt, abzuschaffen. 29 Seiner Ansicht nach sollte Französisch zur Sprache des französischen Volkes, zur universellen Sprache der freien Volker werden. 30 Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs begann sich die englische Sprache im internationalen Rahmen immer mehr durchzusetzen. Durch den Marshall-Plan und die amerikanische Besatzungszeit in Deutschland hielten die amerikanische Sprache und die in ihr verkörperten Werte Einzug in Europa. Das wirtschaftliche Erstarken der USA auf der einen Seite und die schwächere französische Wirtschaftslage auf der anderen standen sich gegenüber. Parallel zu der wirtschaftlichen Entwicklung vollzog sich auch die Entwicklung der Sprache. Der universelle Charakter einer Sprache hängt nicht so sehr von ihren eigenen Qualitäten ab, als vielmehr von der wirtschaftlichen und politischen Macht, die sie repräsentiert. 31 Nach dem Ende der Kolonialherrschaft lebte der französische Universalitätsgedanke wieder auf. Die Idee eines in französischer Sprache gestalteten Kulturraums wurde in den sechziger Jahren durch die Gründung der Francophonie verwirklicht. Diese Gemeinschaft aus 49 Staaten und Regierungen "teilt die französische Sprache",32 wobei 19 Staaten der Gemeinschaft Französisch nicht als offizielle Sprache haben. 33 Im Rhythmus von zwei Jahren finden Gipfeltreffen auf höchster Ebene statt, auf denen die Richtlinien des Handeins in Politik, Wirtschaft und Kultur festgelegt werden. Anders als in Deutschland, wo Sprachkultur vor allem die Qualität und Beschaffenheit der Sprache meint, besitzt sie in Frankreich eine Dimension von Sprache Baum, S. 195. Sadat Wexler, S. 301. 28 Stuklt Wexler, S. 303. 29 Le rapport Barere, Rapport du Comite de Salut Public sur les idiomes, Archives parlementaires, 1° serie, t. LXXXIII, seance du 8 pluviöse an 11, n° 18, S. 713-717 (Paris 1961, C. N. R. S.); abgedruckt in Certeaul JulialRevel, S. 291, 296 f. 30 Siehe dazu Fn. 29, S. 297 f. 31 Claisse, S. 15. 32 Roudy, S. 11. 33 Djite, S. 90. 26

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

und Kultur. Sprache ist nicht lediglich ein Kommunikationsmittel, sondern stiftet zusammen mit der Kultur nationale Tradition. Dieses französische Verständnis der exception culturelle zeigt sich auch in der Außenpolitik. Bei den GAIT-Verhandlungen 1993 haben die französischen Vertreter eine Ausnahmeregelung erreicht, nach der die generelle Öffnung des französischen Markts nicht für den Kultursektor (Film, Theater, Fernsehen und Radio) gilt. Auf diesem Sektor sind französische Regelungen möglich, die die Regeln des internationalen Handels nicht berücksichtigen. 34 Hierdurch möchte der französische Staat seine Regisseure, Schauspieler, Produzenten und Moderatoren vor dem gefürchteten amerikanischen Einfluß schützen und die Einzigartigkeit der eigenen Kulturlandschaft bewahren. In diese Richtung gehen auch die im Gesetz zur Kommunikationsfreiheit vom 30. 9. 1986 vorgesehenen Quoten für französische Musik im Radio 35 sowie das Dekret Nr. 92279 vom 27. 3. 1992, das Ausstrahlungsquoten für französische Fernseh- und Kinoproduktionen festsetzt. 36 Das System der Quoten begrenzt zum einen den Anteil anderssprachiger (englischer) Werke in Radio, Kino und Fernsehen, zum anderen schreibt es ein Minimum von französischsprachigen Werken vor. 37 Marouzeau definiert Sprache juristisch als Idiom, welches im Gegenteil zum Dialekt sehr unterschiedlich von jedem anderen Idiom ist und welches die "Sprechenden" einer anderen Gruppe nicht ohne Erlernen verstehen können?8 Der rechtliche Schutz der Sprache ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgestaltet. Besonders in mehrsprachigen Ländern, wie z. B. in Belgien, Italien und in der Schweiz, ist das Sprachenrecht differenziert geregelt. In der Schweiz bspw. bildet es eine normative Teilordnung, die auf dem Gebot der Menschenwürde fußt: 39 Es regelt das die Sprache betreffende Verhalten des Menschen in der Gesellschaft, nicht den unmittelbaren Gebrauch der Sprache. Die Sprache selbst kann nie Rechtssubjekt sein, d. h. das Recht richtet sich nicht an die Sprache selbst. Vielmehr garantiert das Sprachenrecht bspw. den Angehörigen sprachlicher Minderheiten einen Anspruch auf eine angemessene Vertretung in den Behörden und auf einen angemessenen Anteil an den öffentlichen Ämtern. 4O

Mamou, Menace sur les quotas audiovisue1s, in: Le Monde vorn 19. 6. 1996. Loi n° 86-1067 du 30. 9. 1986 relative la liberte de cornrnunication, Journal Officiel, octobre 1986, S. 11755 ff. Die Rechtsgrundlage für ein entsprechendes Dekret ist in Art. 33, 5°, S. 11758, enthalten. 36 Art. 3, Art. 611 und Art. 7 III decret n° 92-279 du 27. 3. 1992 rnodifiant le decret n° 90 - 66 du 17. 1. 1990 pris pour I' application du 2° de l' artic1e 27 et du 2° de l' artic1e 70 de la loi n° 86-1067 du 30. 9. 1986 rnodifiee relative la liberte de cornrnunication et fixant les principes generaux concernant la diffusion des reuvres cinernatographiques et audiovisuelles, Journal Officiel, rnars 1992, S. 4311, 4312. 37 Pontier, L'Etat doit-il proteger la culture fran,.aise?, S. 187. 38 Marouzeau, S. 133. 39 Viletta, S. 195 f. 40 Viletta, S. 196 und Fn. 9. 34

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B. Geschichte der Sprachregelung

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In Frankreich sind Sprache und Kultur einer Regelung von vornherein nicht fremd. Vielmehr haben regelnde Eingriffe in beide Bereiche Tradition und werden anders als in Deutschland zumeist positiv bewertet. 41 Insbesondere staatliche Regelungen der Sprache reichen weit zuriick.

B. Geschichte der Sprachregelung I. Die ordonnance de Villiers-Cotterets, August 1539 Der wohl älteste Text, der die französische Sprache regelt, ist die ordonnance de Villiers-Cotterits aus dem Jahr 1539.42 Die Verordnung wurde von Fran\!ois I. erlassen und wird als sein wichtigster Akt angesehen. Sie enthält nur einen Artikel, der die Verwendung der Sprache betrifft. Art. 111 der Verordnung43 bestimmt, daß jedes gerichtliche Handeln in der Muttersprache Französisch geschehen muß. Diese Verordnung wurde niemals außer Kraft gesetzt, so daß sie heute noch für die Gerichtssprache gilt. 44 Sinn und Zweck der ordonnance de Villiers-Cotterets lagen darin, das Handeln der Gerichte, das zuvor häufig in Latein geschah, für einen großen Teil der Bevölkerung verständlich und damit auch befolgbar zu machen. 45 Zudem sollten Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung vermieden werden. 46 Wenn die Verordnung auch nicht die große Tragweite hat, die ihr von einigen zugeschrieben wird,47 ist doch ihr symbolischer Wert unverkennbar.

11. Das Gesetz des Nationalkonvents vom 2. thermidor des Jahres 11 (20. 7. 1794) Am 2. thermidor des Jahres 11 (nach dem Revolutionskalender) hat der Nationalkonvent ein Gesetz erlassen, nach dem jeder acte public in französischer Sprache 41 Minisrere de la Culture et de la Francophonie, Le 8 Mars 1994. Cornmunique. Resultats du sondage realise par la SOFRES sur l'attitude des Fran..ais a l'egard de la politique de la langue fran ..aise, http://www.culture.fr./culture/dglf/garde.htm.am 23. 7. 1998. 42 Die "Ordonnance sur le fait de justice" ist abgedruckt bei [sambert, Recueil general des anciennes lois fran ..aises depuis l'an 420 jusqu'a la Revolution en 1789, Bd. 12, S. 600 ff. 43 In ursprünglicher Schreibweise: ,,Et pour ce que teiles choses sont souvent advenues sur l'intelligence des mots latins contenus esdits arrests, nous voulons d'oresnavant que tous arrests, ensemle toutes autres procedures, soient de nos cours souveraines et autres subalternes et inferieures, soient de registres, enquestes, contrats, commissions, sentences, testaments, et autres queconques, actes et exploits de justice, ou qui en dependent, soient prononces, enregistres et delivres aux parties en langage maternel fran..ois et non autrement." 44 Faberon, S. 326; Claisse, S. 16. 45 VeIPeaux, Contröle des lois, S. 577. 46 Sadat Wexler, S. 299. 47 Pontier, Droit de la langue fran .. aise, S. 6.

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Teil I: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

abgefaßt sein muß (Art. 1).48 Zudem können Urkunden und private Erklärungen (acte sous seing privej nur noch registriert werden, wenn sie in französischer Sprache geschrieben sind (Art. 2).49 Jeder Beamte oder öffentlich Angestellte wird, wenn er in Ausübung seiner Tätigkeit, einer mündlichen Verhandlung, eines Urteils, eines Vertrags oder jedes anderen Akts einen Dialekt oder eine andere als die französische Sprache verwendet, vor den Strafgerichtshof seines Wohnorts gebracht, zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt und aus dem Staatsdienst entlassen (Art. 3). Gern. Art. 4 ist die gleiche Strafe bei der Registrierung von Dokumenten gern. Art. 2 anwendbar. Das Gesetz des Konvents erstreckt sich auf jedes öffentliche Handeln und hat demnach einen weiteren Anwendungsbereich als die ordonnance de Villiers-Cotterets. 50 Die heutige Gültigkeit des Gesetzes wird unterschiedlich beurteilt. Ein Gesetz vom 16. fructidor des Jahres 11 suspendiert seine Anwendbarkeit. 51 Deshalb geht der Conseil d'Etat davon aus, daß die "Verordnung" außer Kraft gesetzt iSt. 52 Der Konvent habe nicht die Mittel gehabt, um die Anwendung der "Verordnung" durchzusetzen und den Gebrauch der französischen Sprache vorzuschreiben. 53 Die Cour de Cassation hingegen geht davon aus, daß zwar die Vollstreckbarkeit der "Verordnung" vom 2. thermidor durch das Gesetz vom 16. fructidor suspendiert worden ist, allerdings habe ein Erlaß vom 21. prairial des Jahres XI die urspriinglichen Regelungen wieder in Kraft gesetzt. 54 Aus der ordonnance de Villiers-Cotterets und dem Gesetz vom 2. thermidor ergebe sich, daß jeder öffentliche Akt, der nicht in Französisch abgefaßt ist, für ungültig erklärt werden muß. Der verpflichtende Gebrauch der französischen Sprache sei ein wichtiges Prinzip des öffentlichen Rechts sowie erforderlich für die nationale sprachliche Einheit. 55

III. Die loi Bas-Lauriol, 1975 Auf Anregung des Präsidenten Pompidou wurde von den bei den Abgeordneten Bas und Lauriol das Gesetz Nr. 75 -1349 entworfen und am 31. 12. 1979 verab48 Art. 1 lautet: "Portant qu' acompter du jour de sa publication, nul acte public ne pourra, dans quelque partie que ce soit du territoire de la Republique, etre ecrit qu'en langue fran~aise." Bulletin des lois de la Republique Fran~aise, Nr. 25, S. 1. 49 Der Text des Gesetzes ist abgedruckt bei Sadat Wexler, S. 303 f. 50 Pontier, Droit de la langue fran~aise, S. 7. 51 " .•• qui suspend I' execution de ce1le du 2 therrnidor relative a la necessite d' ecrire en fran~ais tous les actes publics", Bulletin des lois de la Republique Fran~aise, Nr. 51, S. 5. 52 Latoumerie. Etudes et Documents du Conseil d'Etat, S. 87 f., 91. Dieser Ansicht ist auch Claisse, S. 16. 53

Faberon. S. 327.

Vgl. den Arret Giorgi c. Masaspino vom 4. 8. 1859, Jurisprudence generale (Dalloz) 1859, erster Teil, S. 453. Ebenso urteilt auch Sadat Wexler, S. 304. 55 Vgl. den Arret Giorgi c. Masaspino, Fn. 54. 54

B. Geschichte der Sprachregelung

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schiedet. 56 Dieses Gesetz entstand vor dem Hintergrund des wachsenden wirtschaftlichen Einflusses der USA. 57 Mit den amerikanischen Produkten hielten auch die darin verkörperten Werte Einzug in die Kultur und Mode Frankreichs. Gab es keine französischen Worte, mit denen man die neue Lebensart ausdriicken konnte, so wurden die englischen Ausdriicke übernommen. Diese ,Jnvasion" verletzte den nationalen Stolz der Franzosen, so daß sie sich gezwungen sahen, gesetzlich gegenzusteuern. 58

1. Motive des Gesetzgebers

Vorrangiger Zweck des Sprachgesetzes von 1975 war der Schutz des Konsumenten im weiten Sinne, d. h. des Verbrauchers und Nutzers von Produkten, Gütern und Dienstleistungen. Der französische Konsument sollte vor Mißverständnissen geschützt werden, die aus der Verwendung von ausschließlich oder teilweise fremdsprachigen Texten entstehen können. 59 Die Cour de Cassation geht allerdings davon aus, daß das Gesetz neben dem Verbraucherschutz durch Information auch den Schutz der französischen Sprache zum Ziel hat. 60

2. Regelungsinhalt des Gesetzes

Zwar ist die loi Bas-Lauriol die erste Sprachregelung von genereller Tragweite,61 im Vergleich zu dem zweiten Sprachgesetz von 1994 sind die Regelungen aber eher zuriickhaltend. Die loi Bas-Lauriol schreibt den Gebrauch der französischen Sprache in folgenden Bereichen· vor: bei dem Handel mit Produkten und Dienstleistungen sowie in der dazugehörenden Werbung (Art. 1 I 1); in Informationen und Darstellungen der Radio- und Fernsehprogramme, mit Ausnahme derjenigen, die an eine ausländische Öffentlichkeit gerichtet sind (Art. I 11); in Arbeitsverträgen (Art. 4 I) sowie in Stellenanzeigen, die in der Presse veröffentlicht werden (Art. 5 III); als Aufdruck auf Gegenständen, die einer Person des öffentlichen Rechts gehören oder einer Person des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllt (Art. 6 I 1) und in Verträgen, die mit einer Gebietskörperschaft oder einer öffentlichen Einrichtung geschlossen werden (Art. 8 I 1). In vielen Fällen kann der französische Text von einer oder von mehreren Übersetzungen begleitet werden (Art. 1 I 3, 6 I 2, 11, 8 11). Die Verpflichtung, die französische Sprache zu benutzen, Recueil Dalloz Sirey, Paris 1976, S. 74 f. Pontier; Droit de la langue fran~aise, S. 9. 58 Belluzzi, S. 130. 59 Circulaire du 14. 3. 1977 concernant la loi du 31. 12. 1975 relative a l'emploi de la langue fran~aise, Journal Officiel, mars 1977, S. 1483. 60 Cour de Cassation vom 20. 10. 1986, La Semaine Juridique 1987 n, S. 3. 6\ Claisse, S. 16. 56

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32

Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

wird von dem Verbot flankiert, ausländische Worte oder Begriffe zu verwenden, wenn ein französisches Äquivalent existiert, welches in dem Erlaß Nr. 72-19 vom 7. 1. 1972 zur Bereicherung der französischen Sprache vorgesehen ist (Art. 1 I 2, 4 I 2, 5 12, 6 I 3, 8 I 2). Werden von Gebietskörperschaften oder öffentlichen Einrichtungen Subventionen gewährt, so ist mit ihnen die Verpflichtung verbunden, die Regelungen der loi Bas-Lauriol zu beachten (Art. 7 I). Jede Verletzung der Vorschriften kann eine Rückforderung der Subvention zur Folge haben (Art. 7 11).

3. Anwendungsfälle der loi Bas·Lauriol

Obwohl unzählige Firmen und Privatpersonen dahingehend überprüft wurden, ob sie die Regelungen der lvi Bas-Lauriol beachteten, wurden die Vorschriften des Gesetzes gewöhnlich ignoriert oder umgangen. Allein zwischen 1990 und 1994 haben 4800 Untersuchungen, zumeist in den Bereichen Werbung und Gebrauchsanweisungen, stattgefunden, bei denen ca. 1000 Verstöße festgestellt wurden. 62 Nur in einigen Fällen kam es zu gerichtlichen Verfahren: Am 20. 12. 1983 wurde die Opera Nationale von der Cour d'appel Paris verurteilt, da sie ein englisches Konzertprogramm mit nur einigen französischen Auszügen verkauft hatte. 63 Drei Jahre später beschäftigte sich die Cour de Cassation mit einem französischen Franchisenehmer der Restaurant-Kette Quick, der seine Menüs in Englisch bezeichnet und beworben hatte. 64 In ihrer Entscheidung stellte die Cour heraus, daß Zweck der loi Bas-Lauriol nicht allein der Schutz der Verbraucher ist, sondern ihr allgemeiner Charakter den Schutz der französischen Sprache in den Vordergrund stellt. 65 Am 8. 12. 1987 verhängte der Tribunal de police Paris eine Geldbuße LH.v. 4000 FF gegen die Regie autonome des transports parisiens (RATP). Letztere hatte auf ihren Bussen und U-Bahnen ausschließlich in Englisch geworben ("All of Paris for just one ticket, ... ,,).66

4. Kritische Beurteilung des Gesetzes

Die loi Bas-Lauriol wurde in der Praxis kaum angewandt. Dies liegt hauptsächlich daran, daß sich die in den Art. 3, 6 111, IV, 7 11 loi Bas-Lauriol vorgesehen Sanktionen als unvollständig und nur schwer realisierbar herausgestellt haben. 67 Nelms-Reyes, S. 289, Fn. 100. Arret du 20. 12. 1983, Cour d'appel, Paris, n° 5.244/83 (Association generale des usagers de la langue fran~aise, A.G.U.L.F., v. Puaux). 64 Arret du 20.10.1986, Cour de Cassation (crim.), n° 85-90.934, Bulletin des arrets de la Cour de Cassation, Chambre crirninelle, 1986, S. 751 ff. (A.G.U.L.F. v. Jambon). 65 Cour de Cassation (crim.), Fn. 64, S. 754. 66 Arret du 8. 12. 1987, Tribunal de police, Paris, n° 132.966 (A.G.U.L.F. v. Reverdy). 62 63

B. Geschichte der Sprachregelung

33

Den Verpflichtungen, die das Gesetz enthielt, waren meist keine Sanktionen gegenübergestellt, um sie durchzusetzen. 68 Zudem hat der in Art. 3 loi Bas-Lauriol enthaltene Verweis auf die Sanktionen, die bei der Betrugsbekämpfung anwendbar sind, die Anwendung des Gesetzes erschwert. Die für die Durchsetzung des gern. Art. 3 loi Bas-Lauriol anwendbaren Gesetzes zur Betrugsbekämpfung vom 1. 8. 1905 zuständigen Beamten der Generaldirektion für Wettbewerb, Konsum und Betrugsbekämpfung haben die Verstöße gegen das Gesetz von 1975 als Kavaliersdelikte angesehen und für zu zahlreich gehalten, als daß sie hätten bekämpft werden können. 69 Zudem verfügten sie nicht über das nötige Überwachungspersonal, um das Gesetz durchzusetzen. Auch die Richter haben dem Gesetz häufig nur eine minimale Bedeutung beigemessen. Sie haben sich hinter die Gesetzgebung zu den Marken und zum gewerblichen Eigentum zurückgezogen und Verstöße gegen das Sprachgesetz nur geahndet, wenn sie Bestandteil von schwereren Verstößen waren (irreführende Werbung, Betrug, Verletzung von Sicherheitsvorschriften). 70 Problematisch ist zudem, daß die zuständigen Gerichte (gern. Art. 3 loi Bas-Lauriol die Strafgerichte) bestimmen müssen, ob ein Wort oder Ausdruck Bestandteil der französischen Sprache geworden ist oder ein Äquivalent in französischer Sprache besitzt. Für diese Beurteilung sieht das Gesetz weder Kriterien noch ein Verfahren vor. Hierdurch besteht die Gefahr, daß die Gerichte die Grenzen ihrer Autorität überschreiten und selbst Sprachpolitik betreiben. 71 Es ist bemerkenswert, daß Regelungen, die in dem Gesetz von 1975 enthalten waren und von dem 1994 ergangenen zweiten Sprachgesetz wieder aufgegriffen worden sind, durch den Conseil Constitutionnel für verfassungswidrig erklärt wurden. 72 Es handelt sich dabei um diejenigen Vorschriften, die auch dem einzelnen den Gebrauch der in dem offiziellen Wörterbuch fixierten Ausdrücke vorschreiben (Art. 1 I 2, 4 I 2, 5 I 2, 6 I 3, 8 I 2 loi Bas-Lauriol). Der lange Bestand der Vorschriften läßt sich nur durch die geringe Anwendung des Gesetzes in der Praxis erklären.

IV. Änderung der Verfassung, 1992 Ein weiterer Schritt der französischen Sprachgesetzgebung stellt die Änderung der Verfassung vom 25. 6. 1992 dar. Die Verfassungsänderung war nötig geworden, um den Vertrag von Maastricht ratifizieren zu können. 73 Zunächst ging es nur 67

Sadat Wexler, S. 309 f.

68

Pontier, Droit de la langue Vgl. dazu Pontier, Fn. 68. Faberon, S. 329. Belluzzi, S. 136.

69 70

71

72

73

Belluzzi, S. 138. Faberon, S. 331.

3 Therne

fran~aise,

S. 11.

Teil I: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

34

darum, die verfassungsrechtlichen Änderungen einzuführen, die der Conseil Constitutionnel gern. Art. 54 Constitution für die Ratifizierung für erforderlich gehalten hatte. Der Gesetzentwurf, der am 22. 4. 1992 der Assemblee Nationale von der Regierung vorgelegt wurde, beschränkte sich auf diese Punkte. 74 Es wurden jedoch zwei identische Änderungsvorschläge von der damaligen Opposition eingereicht, einerseits von Mitgliedern des Rassemblement pour la Republique (RPR) sowie andererseits von Mitgliedern der Union du eentre (UC) und der Union pour la demoeratie jranfaise (UDF), die allgemeine Zustimmung fanden. 75 Die Änderungsentwürfe sahen vor, in Art. 2 Constitution einen neuen Absatz 2 einzufügen, welcher lauten sollte: "Das Französische ist die Sprache der Republik". Diese Änderungsentwürfe wurden dadurch ausgelöst, daß Europa-Kritiker den fortschreitenden Prozeß der Integration zum Anlaß genommen hatten, die Sorge um die nationale Identität zu schüren. Es müsse eine verfassungsrechtliche Barriere gegen die englische Sprache errichtet werden, die im Zuge der europäischen Einigung immer weiter expandiere. Das aktive und passive Wahlrecht von Ausländern bei Kommunalwahlen, das Verschwinden des Frane im Jahr 2002 und die aufgrund der Schengener Abkommen fehlende Möglichkeit, die eigenen Grenzen autonom zu kontrollieren, würden eine dauernde Garantie für die französische Sprache erfordern. 76 Aus Furcht vor dem Verlust nationaler Identität und ihrer Symbole entstand die Initiative, die französische Sprache in die Verfassung aufzunehmen. Dem Transfer von Kompetenzen durch die Verfassung an europäische Institutionen soll die verfassungsrechtliche Garantie der Sprache gegenübergestellt werden. Die Formulierung des neuen Absatzes wurde noch einmal geändert. Um den Eindruck zu vermeiden, Französisch sei ausschließlich die Sprache der französischen Republik, wurde "das Französische" an das Ende des Satzes gestellt. 77 Die Staaten der Franeophonie sollten nicht brüskiert werden. Auf Vorschlag des Senats lautet daher die endgültige Formulierung des Art. 2 11 a.F. Constitution: ,,Die Sprache der Republik ist das Französische". In den Rang eines Verfassungsguts erhoben, war die französische Sprache bis zu der Verfassungsänderung von 1995 eingerahmt von dem Programmsatz, daß Frankreich eine unteilbare, laizistische, demokratische und soziale Republik ist (Art. 2 I a.F. Constitution) sowie von den Farben der Nationalflagge, blau, weiß, rot (Art. 2 III a.F. Constitution). Die systematische Stellung in einem Artikel mit den Organisationsprinzipien der Republik, mit trieolore und Marseillaise (Art. 2 IV a.F. Constitution) zeigte schon die große Bedeutung der Sprache. Nach der Verfassungsänderung vom 4.8. 1995, durch die der frühere Art. 1 Constitution

74 75 76 77

Debbasch, La reconnaissance constitutionnelle de la langue fran~aise, S. 457.

Pontier, Droit de la langue fran~aise, S. 35. Debbasch, Fn. 74, S. 461. Debbasch, Fn. 74, S. 464.

B. Geschichte der Sprachregelung

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abgeschafft und durch Art. 2 I ersetzt wurde,78 steht die Sprache jetzt an der Spitze des ersten Titels der Constitution "Von der Souveränität". Dies macht noch deutlicher, welcher überragende Wert der Sprache für die nationale Identität beigemessen wird. 79 Zwei Motive waren ursächlich für die Änderung der Verfassung: zum einen der Wille, die französische Sprache im europäischen Rahmen zu verteidigen, und zum anderen der Wunsch, mit der Francophonie eine andere Form der Solidarität zwischen den Völkern zu fördern. 8o Bei den vorangegangenen Verfassungsänderungen von 1946 und 1958 war die Regelung der Sprache unberücksichtigt geblieben. 81 Dies geschah jedoch nicht aus dem fehlenden Bewußtsein der Verfassungsväter. Man hielt es vielmehr für selbstverständlich, daß die Sprache der Republik das Französische sei und daß es sich dabei um ein principe essentiel de ['ordre public handele. 82 Zudem vermied die Nichterwähnung der Sprache in der Verfassung Konflikte mit den Vertretern der Regionalsprachen. 83 Hierbei wird ein gewisser Widerspruch sichtbar. Zwar engagiert Frankreich sich im Rahmen der Francophonie für die französischen Sprachminderheiten, bspw. in Kanada, auf nationaler Ebene gibt es aber weder ein Statut, welches die regionalen Minderheitssprachen (Baskisch, Elsässisch, Korsisch, etc.) schützt, noch hat Frankreich die europäische Charta der Regionalsprachen ratifiziert. 84 Dieses widersprüchliche Verhalten wird mit dem Prinzip der Unteilbarkeit der Republik aus Art. I S. I Constitution gerechtfertigt.

V. Die loi Toubon, 1994 Das Gesetz Nr. 94-665 über den Gebrauch der französischen Sprache wurde von dem damaligen Kulturminister Toubon in die Nationalversammlung eingebracht und wird deshalb loi Toubon genannt. Die Nationalversammlung hat das Gesetz am 30. 6. 1994 beschlossen, der Senat am 1. 7. 1994. 85 Im Gegensatz zu dem Gesetz von 1975 hat die Opposition das Gesetz nicht mitgetragen. Während 78 Art. 8 I und 11 loi constitutionnelle n° 95 - 880 du 4. 8. 1995 portant extension du charnp d'application du referendum, instituant une session parlementaire ordinaire unique, modifiant le regime de l'inviolabilite parlementaire et abrogeant les dispositions relatives la Communaute et les dispositions transitoires, Journal Officiel, aoiit 1995, S. 11744. 79 Vgl. dazu Roland Dumas: ..... le röle eminent de notre langue, expression privilegiee de notre identite nationale.", Revision de la Constitution, Suite de la discussion d'un projet de loi constitutionnelle, in: Journal Officiel, Ass. Nat., C. R., 1992, S. 1007, 1009. 80 Pontier; Droit de la langue fran~aise, S. 35. 81 Debbasch, Fn. 74, S. 459. 82 So argumentiert Debbasch, Fn. 74, S. 458. 83 Debbasch, Fn. 74, S. 459. 84 Debbasch, Fn. 74, S. 466. 85 Tessonneau, S. 6.

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

sich in der Nationalversammlung Sozialisten und Kommunisten enthalten haben, stimmten im Senat die Kommunisten zu, nur die Sozialisten enthielten sich. 86 Nach der Entscheidung des Conseil Constitutionnel vom 29. 7. 1994, durch die Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt worden sind, ist das Gesetz am 4. 8. 1994 im Journal Officiel verkündet worden und in Kraft getreten. Am 3. 3. 1995 ist eine Ausführungsverordnung 87 ergangen, die in Art. 23 loi Toubon vorgesehen ist. Sie fixiert die Strafbewehrung des Gesetzes, und von ihrer Veröffentlichung hing das Inkrafttreten einzelner Artikel der loi Toubon ab.

c. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon I. Motive des Gesetzgebers In den späten achtziger und frühen neunziger Jahren bewirkten verschiedene Umstände, daß die Frage der Sprachgesetzgebung erneut aktuell wurde. Zunächst trat die Dominanz des Englischen in den Wissenschaften und später in der Informationstechnologie immer deutlicher hervor. So wurden internationale Kongresse, die auf französischem Boden stattfanden, oftmals in Englisch abgehalten. 88 1989 erklärte das renommierte Institut Pasteur mit Sitz in Paris, daß es den Titel seiner Zeitschrift ändern werde. Aus der französischsprachigen Zeitschrift Annales de I' Institut Pasteur wurde die englischsprachige Research in Microbiology, Immunology and Virology.89 Auch in der Kunst eroberten amerikanische Film- und Fernsehproduktionen mehr und mehr den französischen Markt. Letztlich machte der fortschreitende europäische Einigungsprozeß vielen angst. Die Wiedervereinigung Deutschlands, dem nicht nur wirtschaftlich eine führende Rolle in Europa zuwuchs, und die neu in die Europäische Union aufgenommenen Staaten, die eher zu Englisch als zu Französisch als zweite Fremdsprache tendierten, verstärkten den schwindenden Einfluß. 90 Zudem verlor die französische Sprache in den internationalen Institutionen ihre Hegemonie. 91 All diese Faktoren gipfelten in einem Aufruf 250 bekannter Persönlichkeiten an die Regierung in der Tageszeitung Le Monde, "etwas dagegen zu tun".92 Diese Entwicklung mündete in der Forderung, das alte Sprachgesetz von 1975 zu reformieren, um so den neuen Anforderungen an den Schutz der französischen Sprache zu genügen. Das neue Sprachgesetz sollte ein Signal für einen offensiven Schutz der französischen Sprache setzen. 86 87 88

89 90 91

92

De Broglie, S. 93. Decret Nr. 95-240 vom 3.3.1995, Recueil Dalloz Sirey 1995, S. 230 ff. Rapport de Jacques Legendre, S. 5. Sadat Wexler, S. 313. Sadat Wexler, S. 314 f. Rapport de Jacques Legendre, S. 27 f. "Pour l'avenir de la langue fran~aise", in: Le Monde vom 6. 7. 1992.

C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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Als einfachgesetzliche Ausgestaltung des Art. 2 I Canstitutian versucht die lai Tauban, die Schwächen des Sprachgesetzes von 1975 zu venneiden. 93 Sie dehnt den Anwendungsbereich des alten Sprachgesetzes aus und verschärft seine Regelungen. 94 Während die lai Bas-Laurial vornehmlich dem Verbraucherschutz diente, ist der sachliche Anwendungsbereich der lai Toubon weiter. Zudem soll das Gesetz von 1994 einfacher anwendbar und damit effektiver sein als sein Vorgänger. 95 Nach Ansicht seiner Autoren will das Gesetz die Reinheit des Französischen nicht bewahren, indem es ,,Jagd auf ausländische Ausdrücke macht". Es will vielmehr das Französische als Sprache der internationalen Kommunikation erhalten und verhindern, daß es aus den Wissenschaften und der Wirtschaft verschwindet. 96 Sein Ziel ist es, den Franzosen das Recht zum Gebrauch ihrer Muttersprache in bestimmten Bereichen des täglichen Lebens und des Berufslebens zu sichern. 97 Die lai Toubon stellt den Grundsatz auf, daß das Französische die Sprache des Unterrichts, der Arbeit, des Handels und des service public ist sowie das Bindeglied zwischen allen Staaten, die zur Francophonie gehören (Art. 1 11 und III loi Toubon). Das Gesetz sei nicht gegen die Regionalsprachen gerichtet; sie blieben in ihrem Statut unberiihrt. 98 Neben dem Sprach- und Verbraucherschutz möchte das Gesetz den Plurilinguismus in Frankreich und Europa fördern. 99 Deshalb soll die Beherrschung zweier Fremdsprachen zu den grundlegenden Zielen des Unterrichts gehören. lOo Frankreich fühlt sich gegenüber den Staaten der Francophonie dazu verpflichtet, das Französische auch für sie zu bewahren. 101 Um die französische exception culturelle zu verwirklichen, unterstützt das Gesetz die Quotenregelungen für Rundfunk, Film und Fernsehen. Während der Debatten in der Assemblee Nationale und dem Senat hat Toubon herausgestellt, daß Frankreich bei seiner Sprachgesetzgebung keinen Sonderweg gehe. Vielmehr hätten 120 Staaten der Welt und auch die 17 Föderationsstaaten der USA Sprachgesetzgebungen, die zum Teil sogar über das Ausmaß der französischen hinausgingen. 102 In England bspw. sei es richterliches Gewohnheitsrecht, daß der Gebrauch der englischen Sprache in allen Situationen verpflichtend sei. Diese ungeschriebene Regel gelte für alle Bürger Ihrer Majestät. 103 Durch ihr GePontier, Droit de la langue fran~aise, S. 10. Endrös, S. 17. 95 Toubon, in: Journal Officiel, Ass. Nat., C. R., seance du 4. 5. 1994, S. 1436. 96 Presentation de la loi du 4 aofit 1994, hup://www.culture.fr./culture/dglflgarde.htm. am 23.7. 1998, S. 1. 97 Siehe dazu Fn. 96. 98 Toubon, Fn. 95, S. 1437; ders., in: Journal Officiel, Senat, R., seance du 12.4. 1994, S.949. 99 Toubon, in: Journal Officiel, Senat, C. R., seance du 12.4. 1994, S. 949. 100 Toubon, Fn. 95, S. 1438. 101 Toubon, Fn. 99, S. 950. 102 Toubon, Fn. 95, S. 1438; ders., Fn. 99, S. 948. 93

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

wohnheitsrecht gingen die Engländer noch weiter, als es die Franzosen vorhätten. 104 Zudem würden auch in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zu diesem Thema Gesetze erlassen. Dort würde jedoch niemand davon sprechen, da es normal sei. 105 Die loi Toubon soll ein Gesetz der Öffnung, des Verständnisses und der Integration sein. Sie sei ein offensives und kein defensives Projekt, welches darauf gerichtet ist, die Zukunft zu gestalten und nicht darauf, die Vergangenheit zu bewahren. 106 Das Gesetz zeige nicht den Willen Frankreichs, sich zu verschließen, sondern sei auf Solidarität in der Gesellschaft gerichtet und auf die Integration aller in die nationale Gemeinschaft. 107 Für die verfassungsrechtliche Beurteilung sei wichtig, daß die Regierung keine Unterscheidung zwischen den services publics und anderen juristischen oder natürlichen Personen wünschte, da das Französische die Sprache der gesamten Republik und nicht nur eine offizielle Sprache sei. 108 Die aufgezeigten Motive des Gesetzgebers sind breit geflichert. Der Erhalt der nationalen Identität ist jedoch allen anderen Motiven übergeordnet. Die hochgesteckten Ziele des Gesetzgebers zeigen sich in der ursprünglichen Gesetzesfassung (urspr.F.) vor der Entscheidung des Conseil Constitutionnel.

11. Der ursprüngliche Regelungsinhalt des Gesetzes Bevor die loi Toubon durch den Conseil Constitutionnel zensiert wurde, war ihr Regelungsinhalt bedeutend weiter als nach der Normenkontrolle. Das Gesetz übernahm wesentliche Regelungen des Sprachgesetzes von 1975, ergänzte diese aber häufig. Bei dem Adressatenkreis des Gesetzes wurde vielfach nicht differenziert: Diejenigen Vorschriften, die den Gebrauch spezieller Worte aus einem offiziellen Wörterbuch vorschrieben, unterschieden nicht nach juristischen Personen des öffentlichen Rechts, juristischen Personen des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, juristischen Personen des Privatrechts, die keine öffentliche Aufgabe erfüllen, und Privatpersonen. Für alle wurde unterschiedslos der Gebrauch der offiziell definierten Worte vorgeschrieben. Art. 1 I loi Toubon nimmt Bezug auf Art. 2 I Constitution und stellt damit heraus, daß das Gesetz die einfachrechtliche Umsetzung der Verfassungsnorm ist. Ohne normativen Wert ist die Proklamation, daß "die französische Sprache kraft 103 104 105 106

107 108

Rapport de Jacques Legendre, S. 11, Fn. 1. Toubon, Fn. 95, S. 1438. V gl. dazu Fn. 104. Toubon, Fn. 95, S. 1439. Toubon, Fn. 95, S. 1440. Toubon, Fn. 99, S. 949.

c. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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der Verfassung grundlegender Bestandteil der Persönlichkeit und des Kulturerbes Frankreichs" ist. Die Art. 2, 3 und 4 loi Toubon betreffen den Handel mit Waren und Dienstleistungen. Gern. Art. 2 I loi Toubon müssen Bezeichnung, Angebot, Aufmachung, Gebrauchsanweisung, Bedienungsanleitung und Garantiebedingungen von Produkten und Dienstleistungen in französischer Sprache abgefaßt sein. Dies gilt gern. Absatz 3 urspr.F. auch ftir schriftliche, gesprochene und audiovisuelle Werbung. Gern. Art. 3 I loi Toubon muß jede an einem der Öffentlichkeit zugänglichen Ort (auch öffentliche Verkehrsmittel) angebrachte Aufschrift, Anzeige oder Mitteilung in französischer Sprache verfaßt sein. Die Vorschrift verbietet bspw. Restaurants mit ausländischer Küche, sich landestypische Namen zu geben. Auch dürfen Souvenirläden nicht länger Schilder mit der Aufschrift" english spoken" oder" se habla espafiol" in ihren Fenstern aufstellen. Art. 3 I loi Toubon erfaßt außerdem Speisekarten, die in ausländischer Sprache abgefaßt sind. Zudem müssen bei Stadtrundfahrten fremdsprachige Broschüren immer mit einer französischen Übersetzung versehen sein. Art. 2 und 3 loi Toubon sind auf alle Produkte anwendbar, die in Frankreich in den Verkehr gebracht werden, unabhängig davon, ob es sich dabei um französische oder ausländische Produkte handelt. Werden die genannten Schriftzüge von einer oder von mehreren Übersetzungen begleitet, so muß gern. Art. 4 11 loi Toubon die französische Fassung ebenso leserlich, hörbar oder verständlich sein wie die Fassung in den anderen Sprachen. Wie noch näher auszuführen sein wird, dient diese Vorschrift vor allem dazu, fremdsprachige komplexe Warenzeichen zu verhindern. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts und solche des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, sieht Art. 4 I loi Toubon eine Sonderregelung vor. Bei Aufschriften, Anzeigen oder Mitteilungen an einem öffentlich zugänglichen Ort, die von einer Übersetzung begleitet werden, müssen mindestens zwei Übersetzungen angefertigt werden. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, daß die französische Fassung die Ursprungsfassung ist ("mindestens zwei fremdsprachige Fassungen"). Art. 2 11 und Art. 3 I 2 urspr.F. loi Toubon sehen vor, daß der Gebrauch eines fremdsprachigen Wortes unzulässig ist, wenn ein französisches Wort mit dem gleichen Sinn vorhanden ist, welches unter den Bedingungen, die durch die Verordnung über die Bereicherung der französischen Sprache vorgesehen sind, zugelassen ist. Gern. Art. 5 I lloi Toubon sind Verträge mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer juristischen Person des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllt, in französischer Sprache abzufassen. Zudem dürfen sie gern. Satz 2 keinen fremdsprachigen Ausdruck enthalten, wenn ein französischer Ausdruck existiert, der ministeriell zugelassen worden ist. Gern. Art. 5 IV loi Toubon ist eine fremdsprachige Bestimmung, auf die sich eine Vertragspartei beruft, gegenüber dieser Partei relativ unwirksam, wenn sie die Gegenpartei benachteiligt.

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

Art. 6 I 1 loi Toubon regelt, daß jeder Teilnehmer an in Frankreich von natürlichen oder juristischen Personen französischer Staatsangehörigkeit organisierten Veranstaltungen, Kolloquien oder Kongressen das Recht hat, sich in französischer Sprache auszudriicken. Gern. Satz 2 müssen auch die Programmunterlagen in französischer Sprache abgefaßt sein, können aber Übersetzungen in eine oder mehrere Fremdsprachen enthalten. Fremdsprachigen Arbeitsunterlagen, Aufzeichnungen und Arbeitsberichten muß mindestens eine Zusammenfassung in Französisch beigefügt werden (Art. 6 11 loi Toubon). Fremdsprachige Veröffentlichungen, Zeitschriften und Mitteilungen, die in Frankreich verbreitet werden und von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer juristischen Person des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllt, oder einer juristischen Person des Privatrechts, die eine öffentliche Subvention erhält, stammen, müssen mindestens eine Zusammenfassung in Französisch enthalten (Art. 7 I urspr.F. loi Toubon). Absatz 2 urspr.F. bestimmt,I09 daß die Gewährung jeder Hilfe zu Arbeiten in Lehre und Forschung durch eine öffentliche Stelle von dem Engagement des Begünstigten abhängt, eine Veröffentlichung oder Verbreitung in Französisch zu erreichen oder eine Übersetzung fremdsprachiger Publikationen zu veranlassen. Die Art. 8, 9 und 10 loi Toubon betreffen Änderungen des Arbeitsgesetzbuches. Schriftlich geschlossene Arbeitsverträge sind gern. Art. 8 11 1 urspr.F. loi Toubon in Französisch abzufassen. Enthält der Arbeitsvertrag einen fremdsprachigen Begriff, wenn kein französischer existiert, so muß er eine Erläuterung des Begriffs in Französisch enthalten (Art. 8 III loi Toubon). Die Betriebsordnung (Art. 9 I 2 loi Toubon) sowie Betriebs- und Tarifvereinbarungen (Art. 9 IV 2 loi Toubon) sind in Französisch abzufassen. Stellenausschreibungen für in Frankreich auszuführende Tätigkeiten, die nur durch einen fremdsprachigen Begriff ohne französische Entsprechung bezeichnet werden können, müssen gern. Art. 10 11 loi Toubon eine ausreichend genaue französische Beschreibung enthalten. Art. 8 11 2, Art. 9 I 3, 11 3, IV 3 und Art. 10 I 2 urspr.F. loi Toubon bestimmen, daß ein fremdsprachiger Ausdruck unzulässig ist, wenn ein französischer Ausdruck mit dem gleichen Sinn vorhanden ist, der unter den Bedingungen, die durch die Verordnung über die Bereicherung der französischen Sprache vorgesehen sind, zugelassen ist. Art. 11 I 1 loi Toubon bestimmt, daß Französisch die Sprache ist, die im Unterricht, bei Priifungen und in Auswahlverfahren sowie bei Doktorarbeiten und Abhandlungen zu benutzen ist. Art. 12 und 13 loi Toubon betreffen Änderungen des Gesetzes Nr. 86-1067 vom 30.9. 1986 über die Kommunikationsfreiheit, welches die Quoten für den An109 Art. 7 11 urspr.F.: ,,L'octroi par une personne publique de toute aide ades travaux d'enseignement ou de recherche est subordonne a I'engagement pris par les beneficiaires d'assurer une publication ou une diffusion en fran~ais de leurs travaux ou d'effectuer une traduction en fran~ais des publications en langue etrangere auxquelles ils donnent lieu, sauf derogation accordee par le ministre de la Recherche."

c. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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teil französischsprachiger Sendungen in Radio und Fernsehen festlegt. Bei allen Sendungen und Werbungen ist, außer bei Kinofilmen und audiovisuellen Werken in Originalfassung, die französische Sprache zu verwenden (Art. 12 I 2 loi Toubon). Gern. Art. 12 V urspr.F. loi Toubon muß die französische Fassung ebenso leserlich, hörbar oder verständlich sein, wenn sie von Übersetzungen in Fremdsprachen begleitet wird. Art. 12 IV urspr.F. loi Toubon sieht vor, daß fremdsprachige Ausdrücke unzulässig sind, wenn ein französischer Ausdruck existiert, der ministeriell zugelassen worden ist. Art. 14 loi Toubon regelt das Recht der Markenzeichen. Juristischen Personen des öffentlichen Rechts und solchen des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, ist es untersagt, ein fremdsprachiges Warenzeichen oder eine fremdsprachige Handels- oder Dienstleistungsmarke zu verwenden, wenn ein französischer Ausdruck mit dem gleichen Sinn vorhanden ist, der unter den Bedingungen, die durch die Verordnung zur Bereicherung der französischen Sprache vorgesehen sind, zugelassen ist (Art. 14 I loi Toubon). Gern. Art. 15 I loi Toubon hängt die Gewährung von Subventionen jeglicher Art durch Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts davon ab, daß der Empfänger die Bestimmungen des Gesetzes einhält. Jeder Verstoß kann die vollständige oder teilweise Rückforderung der Subvention zur Folge haben (Absatz 2). Die loi Toubon enthält keine Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten, sie werden in einer Rechtsverordnung geregelt, die in Art. 16 III loi Toubon vorgesehen ist. Die Strafbestimmung des Art. 17 loi Toubon definiert die Behinderung von Strafverfolgungs- oder Kriminalpolizeibeamten als Vergehen im Sinne von Art. 433 - 5 11 a.F. Code Penal. Den Sprachschutz- und Verbraucherschutzverbänden räumt Art. 19 loi Toubon das Recht ein, bei Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen, die zur Ausfiihrung der Art. 2,3,4,6, 7 und 10 loi Toubon erlassen worden sind, vor Gericht als Nebenkläger aufzutreten. Aus dieser Möglichkeit der Verbandsklage folgt insbesondere das Recht, die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch die Behörde zu erzwingen. Art. 23 loi Toubon regelt den zeitlichen Anwendungsbereich des Gesetzes: Art. 2 loi Toubon tritt am Tage der Veröffentlichung der Durchführungsverordnung in Kraft, spätestens 12 Monate nach der Veröffentlichung des Gesetzes im Journal Officiel. Die Bestimmungen der Art. 3 und 4 loi Toubon treten sechs Monate nach dem Inkrafttreten von Art. 2 loi Toubon in Kraft. Als handelsbeschränkende Regelungen sind die Art. 2, 3 und 4 loi Toubon in ihrer Wirksamkeit von dem Inkrafttreten der Durchführungsverordnung abhängig.

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Teil I: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

III. Die Entscheidung des Conseil Constitutionnel vom 29. 7.1994

In einer Entscheidung vom 29. 7. 1994 110 wendet der Conseil Constitutionnel zum ersten Mal den 1992 eingefügten Art. 2 I Constitution an und definiert Anforderungen und Grenzen der Verfassungsnorm. 111 1. Antrag der Kläger

Im Gegensatz zur abstrakten Normenkontrolle des Grundgesetzes gern. Art. 93 I Nr. 2 GG, welche im Regelfall nur nach Verkündung der Norm zulässig ist,112 sieht die französische Verfassung eine vorbeugende (präventive) Normenkontrolle vor. Gern. Art. 6111 Constitution ll3 kann ein Gesetz nur vor der Ausfertigung auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft werden. Ein solcher Normenkontrollantrag ist im Hinblick auf die loi Toubon von sechzig Abgeordneten der sozialistischen Opposition gestellt worden. 114 Die Abgeordneten machen in ihrem Antrag geltend, daß die Art. 2, 3,4,6,7,12, 13, 14 und 17 loi Toubon verfassungswidrig sind. 115 Sie tragen vor, daß das Gesetz die Kommunikationsfreiheit von Gedanken und Meinungen, die unternehmerische Freiheit, die Freiheit des Handels und der Industrie sowie die Freiheit der Lehre verletze. Zudem seien das Gleichheitsgebot und das Prinzip der VerhäItnismäßigkeit der Strafe verletzt. Der Gesetzgeber habe seine Kompetenz aus Art. 34 Constitution 116 mißachtet, indem er es der Verwaltung überlassen habe, die notwendigen Garantien für die Wahrung der genannten Freiheiten und Rechte aufzustellen. Zudem habe er gegen Art. 40 Constitution 117 verstoßen.

La Semaine Juridique 1995,22359, S. 4 ff. Debbasch. Note. - La Constitution, la langue fran~aise et la liberte d'expression, S. 6. 112 Pieroth. in: Jp, Art. 93, Rn. 18. 1\3 ,,Aux memes fms, les lois peuvent etre deferees au Conseil constitutionnel, avant leur promulgation, par le President de la Republique, le Premier ministre, le president de l' Assemblee nationale,le president du Senat, ou soixante depures ou soixante senateurs." 114 Tessonneau. S. 6. 115 Conseil Constitutionnel, Decision Nr. 94-345 oe vom 29. 7. 1994, La Semaine Juridique 1995,22359, S. 4, 2°Considerant. 116 Art. 34 n 1 Constitution: ,.La loi fixe les regles concemant les droits civiques et les garanties fondarnentales accordees aux citoyens pour I'exercice des liberes publiques; ... ". 117 ,,Les propositions et amendements formules par les membres du Parlement ne sont pas recevables lorsque leur adoption aurait pour consequence soit une diminution des ressources publiques, soit la creation ou I'aggravation d'une charge publique." 110 1Jl

C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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2. Art. 11 Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. 8. 1789

In seiner Entscheidung nimmt der Conseil Constitutionnel nicht alle Punkte des Klägerantrags auf. Er bezieht sich hauptsächlich auf die Kommunikationsfreiheit von Gedanken und Meinungen aus Art. 11 der Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. 118 Diese Ausdrucksfreiheit ist über die Präambel 1l9 Bestandteil der heute gültigen französischen Verfassung vom 4. 10. 1958, sog. bloc de constitutionnalite. Sie umfaßt das Recht, inhaltlich frei zu reden sowie die Art und Weise des Ausdrucks frei zu wählen. 120 Die Ausdrucksfreiheit ist wertvoll, da sie Voraussetzung für die Ausübung anderer Rechte und Freiheiten iSt. 121 Ohne die grundlegende Freiheit, Meinungen auszutauschen, können die anderen Freiheiten nicht existieren. Außerdem ist der Pluralismus von sozio-kulturellen Strömungen eine Voraussetzung der Demokratie. 122 Art. 11 der Deklaration von 1789 kann nur von einer gleichwertigen Regelung, einer Regelung mit Verfassungsrang eingeschränkt werden. 123 Die Ausdrucksfreiheit findet zudem nach dem Wortlaut des Art. 11 Deklaration von 1789 eine immanente Schranke in ihrem Mißbrauch. Für die Freiheit gilt: "Was dem anderen schadet, liegt nicht in der ,Natur' der Freiheit".124 Mißbräuchlich ist eine Ausübung der Ausdrucksfreiheit daher nur dann, wenn sie mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Werten in Konflikt steht (bspw. mit der Menschenwürde, der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Moral).125 Zudem muß der Mißbrauch durch Gesetz fixiert worden sein. 126 Eine gesetzliche Regelung von Grundfreiheiten darf nach der Rechtsprechung des Conseil Constitutionnel nur dazu dienen, die Freiheiten zu verwirklichen (effectuer) oder sie mit anderen Verfassungsprinzipien durch eine Abwägung in Einklang zu bringen (concilier).127 Während die Verwirklichung von Grundrechten in 118 Art. 11 lautet: ,,La !ibre communication des pensees et des opinions est un des droits les plus precieux de I'hornme; tout citoyen peut donc parler, ecrire, imprimer librement, sauf repondre de l' abus de cette !iberte dans les cas detennines par la loi." 119 ,,Le Peuple fran~ais proc1ame solennellement son attachement aux droits de I'homme et aux principes de la souverainete nationale teIs qu'ils ont ere detinis par la Declaration de 1789, confrrmee et completee par le preambule de la Constitution de 1946... ". 120 Bigot, S. 262. 121 Conseil Constitutionnel, Decision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 5, 5 0 Considerant. 122 Conseil Constitutionnel, Decision Nr. 86-217 DC vom 18.9. 1986, Reeueil des decisions 1986, 141, 144, 11 0 Considerant; Verpeaux, Contröle des lois, S. 579. 123 Verpaux, Contröle des lois, S. 579. 124 Amold, S. 209. 125 Carcasonne, S. 334. 126 Art. 4 der Deklaration von 1789 fixiert den generellen Rahmen des Mißbrauchs einer Freiheit: ,,La !iberte consiste pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas autrui; ainsi l' exercice des droits natureIs de chaque homme n'a de bornes que celles qui assurent aux autres Membres de la Societe la jouissance de ces memes droits. Ces bornes ne peuvent etre detenninees que par la loi." 127 Conseil Constitutionnel, Decision Nr. 84-181 DC vom 10. und 11. 10. 1984, Reeueil des decisions 1984, 78, 83 a.E., 84.

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Teil I: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

Frankreich den Ausgestaltungs-, Konkretisierungs- und Regelungsaufgaben des deutschen Gesetzgebers entspricht, ist die französische Abwägung (conciliation) funktional mit dem deutschen Gesetzesvorbehalt vergleichbar. 128 Als Mittel einer umfassenden verfassungsrechtlichen Güterabwägung bezieht die conciliation Prinzipien, Normen und Ziele von Verfassungsrang mit ein. Sie dient als Mittel zur Feststellung von immanenten Schranken der Grundrechte. In einigen Entscheidungen hat der Conseil Constitutionnel den Verhältnismäßigkeitsgedanken des deutschen Verfassungsrechts nutzbar gemacht, nach dem freiheitsbeschränkende Maßnahmen erforderlich (necessaire) sein müssen. 129 Wie im deutschen Verfassungsrecht ist ein weites Ermessen des Parlaments bei der Gesetzgebung anerkannt ("Einschätzungsprärogative"). Die conciliation zwischen gleichrangigen verfassungsrechtlichen Werten ist jedoch durch den Conseil Constitutionnel vollständig nachpriifbar. 130 Es existieren drei Fallgruppen der conciliation. 131 Zunächst gibt es Abwägungen zwischen einem Grundrecht und einem verfassungsrechtlichen Element des interet general, insbesondere des ordre public, bei denen ein Ausgleich zwischen zwei widerstreitenden Interessen gefunden werden muß. Die Freiheitsbegrenzungen müssen dabei zur Erreichung des verfassungsrechtlichen Ziels erforderlich sein. Die zweite Fallgruppe bilden Kollisionen zwischen zwei Grundrechten im eigentlichen Sinne. In der dritten Gruppe findet eine Abwägung zwischen Grundrechten und anderen verfassungsrechtlichen Werten statt, wobei der verfassungsrechtliche Wert (bspw. das Pluralismusgebot) das Grundrecht (bspw. die Ausdrucksfreiheit aus Art. 11 Deklaration von 1789) verstärkt, sog. unechte eonciliation. Die conciliation, die der Conseil Constitutionnel im Fall der loi Toubon vornimmt, fällt unter die erste Fallgruppe. Das Gericht sucht einen Ausgleich zwischen dem Grundrecht der Ausdrucksfreiheit aus Art. 11 Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte und dem verfassungsrechtlichen Element des ordre publie, der Sprache gern. Art. 2 I Constitution. 132 Dabei fallt die Abwägung je nach 128

Amold, S. 198.

Decision n° 88-248 DC vom 17. 1. 1989, Rev. fr. Droit adm. 1989,228,232,300 und 34 0 Considerant; Decision n° 86-211 DC vom 26.8.1986, Recueil des decisions 1986, 120, 121,3 0 Considerant; Decision n° 80-127 DC vom 19. und 20. 1. 1981, Recueil des decisions 1981, 15,25. 130 Amold, S. 204 f. 129

131

Amold, S. 213 ff.

Decision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 5, 6 0 Considerant, S. 6, 22 0 Considerant. Gegen die Auffassung, daß die Sprache durch Art. 2 II Constitution als Element der öffentlichen Ordnung Eingang in die Verfassung gefunden hat, wendet sich Carcasonne, S. 334 a.E., 335. Der Schutz der französischen Sprache sei durch die Verfassungsbestimmung nicht zu einem Ziel mit Verfassungsrang erklärt worden, welches Schranken für andere Freiheiten rechtfertige. Carcasonne stützt seine Ansicht auf den Wortlaut des Art. 2 II Constitution, "Die Sprache der Republik ist das Französische." Unter "Republik" sei gern. Art. 2 IV, V und Art. 89 V Constitution (siehe zum Wortlaut dieser Verfassungsbestimmungen das Ende dieser Fn.) die Form der Regierung zu verstehen. Dabei seien Frankreich und Republik nicht gleich132

C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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den Adressaten der Verpflichtungen der loi Toubon unterschiedlich aus. Der Conseil Constitutionnel entwickelt so einen nach Privatpersonen, juristischen Personen des Privatrechts, die privatrechtlich tätig sind, juristischen Personen des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, und juristischen Personen des öffentlichen Rechts differenzierten Adressatenkreis. Eine Sonderstellung wird juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts eingeräumt, die in Rundfunk und Fernsehen tätig sind, sowie den Tätigkeiten in Lehre und Forschung. 3. Differenzierter Adressatenkreis

Für Privatpersonen tritt das Verfassungsgut Sprache im Rahmen der Abwägung hinter die Ausdrucksfreiheit zuriick. 133 Somit kann der einzelne den Inhalt seiner Sprache sowie die Art und Weise des Ausdrucks frei wählen. Zwar kann der Gesetzgeber in den Fällen und unter den Bedingungen, die er vorgesehen hat, den Gebrauch der französischen Sprache vorschreiben,134 er kann jedoch nicht den Inhalt der Sprache bestimmen. Deshalb kann der einzelne nicht unter Strafandrohung dazu gezwungen werden, bestimmte Worte zu verwenden, die durch einen Ministerialerlaß auf Vorschlag der Terminologiekommissionen zugelassen sind. 135 Diese Ausführungen gelten entsprechend für juristische Personen des Privatrechts, die keine öffentliche Aufgabe erfüllen. Hingegen können juristische Personen des öffentlichen Rechts und solche des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, Adressaten der Verpflichtung sein, nur ein offizielles Französisch zu verwenden. 136 Sie sind bei der Abwägung nicht schützenswert, da sie nicht Berechtigte, sondern eher Verpflichtete des Art. 11 Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte sind. Die verfassungsrechtliche Vorschrift des Art. 2 I Constitution, welche die Träger öffentlicher Gewalt bindet, tritt bedeutend. Deshalb könne eine Verpflichtung zur französischen Sprache nur für die Regierungsform, also für alle Institutionen der Republik, nicht aber für die Menschen, die in ihr leben, gelten. Nur die langue officieUe erhalte daher Verfassungsrang. Zwar könne Art. 2 11 Constitution mit Art. 11 Deklaration von 1789 in Einklang gebracht werden. Dies bedeute aber nicht, daß letztere Freiheit zugunsten der Verfassungsbestimmung geopfert werde. Vielmehr deklariere Art. 2 11 Constitution den offiziellen Charakter der französischen Sprache, lasse aber die regionalen Sprachen unberührt. Erst recht müsse dies für ausländische Sprachen gelten. Art. 2 IV Constitution: ,.La devise de la Republique est 'Liberte, Egalite, Fraternite'." Art. 2 V Constitution: "Son principe est: gouvernement du peuple, par le peuple et pour le peuple." Art. 89 V Constitution: ,,La forme republicaine du gouvernement ne peut faire l'objet d'une revision." \33 Decision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 5, 10 0 Considerant. 134 Decision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 5, 7 0 Considerant. 135 Decision Nr. 94 - 345 DC, Fn. 115, S. 5, 10 0 Considerant. 136 Decision Nr. 94- 345 DC, Fn. 115, S. 5, 8 0 Considerant.

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

daher nicht hinter Art. 11 Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte zurück. Der Gesetzgeber kann den Inhalt der Sprache von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie von solchen des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, regeln, indem er ihnen verbietet, einen fremdsprachigen Ausdruck zu verwenden, wenn ein französischer Ausdruck mit dem gleichen Sinn vorhanden ist, der ministeriell zugelassen worden ist. Das ministerielle Französisch kann somit nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts (formelles Kriterium) und juristischen Personen des Privatrechts, die ein öffentliche Aufgabe erfüllen (materielles Kriterium), vorgeschrieben werden. 137 Auch bei diesen Adressaten gibt es aber Tätigkeiten, die so eng mit der Ausdrucksfreiheit verknüpft sind, daß die conciliation zu einem anderen Ergebnis führt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und solche des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, können nicht zu einem offiziellen Französisch verpflichtet werden, wenn sie in Rundfunk und Fernsehen tätig sind. 138 Bei diesen Tätigkeiten, die in engem Zusammenhang mit dem Schutzzweck der Grundfreiheit stehen, überwiegt die Ausdrucksfreiheit aus Art. 11 Deklaration der Menschenund Bürgerrechte gegenüber dem Verfassungsgut Sprache. Eine Sonderstellung nehmen auch Forschung und Lehre ein, da sie ebenfalls in engem Zusammenhang mit der Grundfreiheit stehen. 139 4. Verfassungswidrige Regelungen der Ioi Toubon

In seiner Entscheidung erklärt der Conseil Constitutionnel einige Regelungen der loi Toubon in ihrer ursprünglichen Fassung für verfassungswidrig. Die Regelungen des Gesetzes, die fremdsprachige Worte und Ausdrücke verbieten, wenn ein französisches Wort oder ein französischer Ausdruck mit dem gleichen Sinn vorhanden ist, das bzw. der unter den Bedingungen, die durch die Verordnung über die Bereicherung der französischen Sprache vorgesehen sind,14O zugelassen ist (Art. 2 11, 3 I 2, 8 11 2, 9 I 3, 11 3, IV 3 und 10 I 2 urspr.F. loi Toubon)141, differenzieren nicht nach den Adressaten der Verpflichtung. Die Artikel schreiben somit auch Privatpersonen den Gebrauch des offiziellen Französisch vor und regeln den Inhalt der privaten Sprache. Nach Ansicht des Conseil Constitutionnel verstoßen Debbasch, Note. - La Constitution,la langue fran~aise et la liberte d'expression, S. 9. Decision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 5, 9 0 Considerant. 139 Decision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 6, 24 0 Considerant. 140 Es handelt sich dabei um ministerielle Erlasse, welche Ausdriicke anerkennen, die von Terminologiekommissionen in unterschiedlichen Bereichen geschaffen wurden (z. B. Telekommunikation, Weltraumtechnik, Gesundheit, Informatik, Landwirtschaft, Wirtschaft und Transport). Das Anerkennungsverfahren richtet sich nach den Vorschriften, die in der Verordnung zur Bereicherung der französischen Sprache enthalten sind. Faberon, S. 339. 141 Die Benennung der Artikel folgt dem Gesetzestext, abgedruckt im Recueil Dalloz Sirey 1994, Band 11, S. 416 ff., und nicht der Benennung in der Entscheidung Nr. 94-345 DC des Conseil Constitutionnel. 137

138

C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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die Regelungen deshalb gegen die Ausdrucksfreiheit aus Art. 11 der Deklaration von 1789 und sind verfassungswidrig. 142 Art. 12 IV urspr.F. loi Toubon enthält dieselbe Verpflichtung für Rundfunk- und Fernsehgesellschaften. Da ihre Tätigkeit in engem Zusammenhang mit dem Schutzzweck der Ausdrucksfreiheit steht, ist auch diese Bestimmung verfassungswidrig. 143 Es ist nicht möglich, die Begriffe "fremdsprachiger Ausdruck" und "französischer Ausdruck" zu definieren, ohne dadurch die Ausdrucksfreiheit anzutasten. Bereits eine Definition der Begriffe schränkt die Wortwahl der Sprechenden ein. 144 Die acht Mal wiederholte Formulierung des Gesetzes enthält einen inneren Widerspruch. 145 Einerseits verbietet sie fremdsprachige Ausdrücke, wenn ein französisches Äquivalent existiert. Andererseits existiert ein solches Äquivalent nur, wenn es nach den Bestimmungen zur Bereicherung der französischen Sprache zugelassen worden ist. Dafür müssen es die Terminologiekommissionen anerkannt oder geschaffen haben. Vorher gab es also kein französisches Äquivalent. Problematisch ist außerdem, daß die Regelung den Terminologiekommissionen die Kompetenz verleiht, den Umfang einer Grundfreiheit zu definieren. l46 Schließlich ist es das Recht jedes einzelnen, Worte neu zu schaffen. Es existiert keine Regelung in der Verfassung, die das Recht bei öffentlichen Institutionen monopolisiert. Aus diesen Gründen hat der Conseil Constitutionnel die vorgenannte Regelung, außer in den Art. 5 I 2 und 14 I 1 2. Hs. loi Toubon, die sich ausschließlich an juristische Personen des öffentlichen Rechts und an solche des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, richten, für verfassungswidrig erklärt. Art. 7 11 urspr.F. loi Toubon schreibt französischen und ausländischen Lehrenden und Wissenschaftlern vor, ihre Arbeiten in Französisch zu veröffentlichen oder eine Übersetzung fremdsprachiger Veröffentlichungen zu veranlassen. Ansonsten kann eine staatlich gewährte Subvention zurückgefordert werden. Die Vorschrift hindert Lehrende und Wissenschaftler daran, ihre Arbeiten in einem Verlag ihrer Wahl zu veröffentlichen. Wahlen sie eine fremdsprachige Zeitschrift o.ä. für die Veröffentlichung, stellt die erforderliche Übersetzung zum einen eine hohe Kostenbelastung dar, zum anderen verzögert sie den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine Befreiung von der Verpflichtung ist nur durch den Wissenschaftsminister möglich. Der Conseil Constitutionnel bemängelt, daß fiir die Befreiung keine Voraussetzungen, wie z. B. die Bewertung des wissenschaftlichen oder pädagogischen Interesses der Arbeit, vorgesehen sind. Deshalb stellt die Befreiungsmöglichkeit keine hinreichende Garantie für den Schutz der Freiheit dar. Art. 7 11 urspr.F. loi Toubon verletzt die Ausdrucksfreiheit aus Art. 11 Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte und ist verfassungswidrig. 147 142 143 144

145 146

Decision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 5,11°,12°,13 ° Considerant. Decision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 5.14 ° Considerant. Carcasonne, S. 335. Carcasonne, S. 335. Carcasonne, S. 335 a.E., 336.

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Teil 1: Oas französische Gesetz zum Schutz der Sprache

Hingegen liegt eine in dem Nonnenkontrollantrag gerügte Verletzung des Art. 40 Constitution dadurch, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts und die ihnen gleichgestellten juristischen Personen des Privatrechts bei Veranstaltungen Simultanübersetzungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen müssen, nicht vor, da der Conseil Constitutionnel einen Verstoß nur untersuchen könne, wenn die Frage der Zulässigkeit zuvor im Parlament erhoben worden ist. 148 Dies ist bei der loi Toubon nicht geschehen. Zu der von den Antragstellern gerügten Verletzung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit der Strafe durch Art. 17 loi Toubon führt der Conseil Constitutionnel aus, daß es ihm nicht zustünde, seine Einschätzung von der Notwendigkeit der Strafe an die Stelle der Einschätzung des Gesetzgebers zu setzen. 149 Nur wenn eine offenkundige Unverhältnismäßigkeit zwischen den Verstößen gegen das Gesetz und den dafür vorgesehenen Strafen bestünde, könne der Conseil Constitutionnel einschreiten. Da die Gerichte jedoch auch eine geringere Geldstrafe als 50.000 FF und eine geringere Freiheitsstrafe als sechs Monate für eine Behinderung oder Erschwerung der Ermittlungsarbeit der in Art. 16 I loi Toubon genannten Beamten vorsehen könnten, liege keine offenkundige Unverhältnismäßigkeit vor. 150 Art. 17 loi Toubon verkenne daher nicht das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Strafe. Darüber hinaus sei die Kompetenz des Gesetzgebers aus Art. 34 Constitution nicht dadurch verletzt, daß dieser die Regelung des Zulassungsverfahrens für Worte und Ausdrücke der Verwaltung übertragen habe. 15l Auf eine von den Antragstellern gerügte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes in bezug auf französische und ausländische Unternehmen sowie auf Presse / Verlage und audiovisuelle Kommunikationen 152 geht das Gericht nicht ein. Der Conseil Constitutionnel unterscheidet zwischen dem Inhalt der Sprache, der einzelnen Privatpersonen nicht durch den Gesetzgeber auferlegt werden kann, und dem Gebrauch der Sprache, der in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen verbindlich ist. 153 Er hat die loi Toubon für Privatpersonen sowie für Rundfunk- und Fernsehgesellschaften entschärft. Auch Forschung und Lehre werden durch die Entscheidung begünstigt, indem wissenschaftliche Veröffentlichungen nicht ausschließlich in französischer Sprache geschehen müssen (Art. 7 11 urspr.F. loi Toubon). Für ausländische Unternehmer, die Waren nach Frankreich importieren wollen, und für französische Wiederverkäufer sind die einschlägigen Regelungen des Gesetzes in Kraft geblieben (Art. 2, 3 und 4 11 loi Toubon).

147 148

rant.

149 150 151 152

153

Oecision Nr. 94 - 345 OC, Fn. 115, S. 6, 24 0 Considerant. Oecision Nr. 94-345 oe, Fn. 115, S. 5,170 und 18 0 Considerant, S. 6, 21 Oecision Nr. 94-345 OC, Fn. 115, S. Oecision Nr. 94-345 OC, Fn. 115, S. Oecision Nr. 94-345 OC, Fn. 115, S. Oecision Nr. 94-345 OC, Fn. 115, S. Ve1peaux. Contröle des lois, S. 578.

0

Conside-

6, 27 0 Considerant. 6, 28 0 Considerant. 5, 3 0 Considerant, S. 6, 25 0 Considerant. 5, 3 0 Considerant.

C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

49

Das Gericht ist überzeugt, "daß die französische Sprache sich wie jede lebende Sprache fortentwickelt, indem sie in ihr gewöhnliches Vokabular Ausdrücke verschiedener Herkunft integriert, seien es Ausdrücke regionaler Sprachen, Modeausdrücke oder fremdsprachige Worte.,,154 Die Ausdrucksfreiheit beinhalte für jeden das Recht, die Ausdrücke zu wählen, die er am besten dafür geeignet hält, seine Gedanken auszudrücken. 155 Mit diesem "Bekenntnis" tritt der Conseil Constitutionnel denjenigen entgegen, die meinen, eine Sprache müsse gesetzlich fixiert werden, damit es eine reine Sprache bleibe. 156 Durch die Entscheidung hat er den Unterschied zwischen öffentlicher und privater Sprache in der loi Toubon gesetzlich festgelegt. Der verfassungsmäßige Teil der loi Toubon wird in der französischen Literatur unterschiedlich beurteilt. Einige behaupten, das verkündete Gesetz sei nur ein Schatten des Ausgangsprojekts, auch wenn der Gebrauch des Französischen für diejenigen, die sich im öffentlichen Interesse ausdrücken, zwingender geworden ist. 157 Andere gehen davon aus, daß zwar die Auswirkungen des Gesetzes abgemildert worden sind, die Grundstruktur jedoch erhalten geblieben ist. Die Franzosen, sowohl Privatpersonen als auch öffentlich Angestellte, würden durch das Gesetz gezwungen, das Französische in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu verwenden. 15S 5. Kritik an der Entscheidung

Die französische Literatur kritisiert die Entscheidung des Conseil Constitutionnel unter verschiedenen Gesichtspunkten. Zunächst sei fraglich, ob die Privilegierung der öffentlichen Medien angesichts der Macht, die sie über das Denken der Menschen und über die verfassungsrechtlichen Institutionen ausüben, gerechtfertigt sei. 159 Problematisch sei zudem, daß die Richter keine sachliche Feststellung über die französische Sprache getroffen hätten, sondern vielmehr ihre eigene Wertung der sprachlichen Evolution der Entscheidung zugrunde gelegt hätten. l60 Außerdem wird grundsätzlich kritisiert, daß der Conseil Constitutionnel die acht Mal wiederholte Formulierung als Verstoß gegen Art. 11 der Deklaration von 1789 gewertet hat. 161 Die Verpflichtung, sich in Französisch auszudrücken, beeinflusse nicht den Inhalt von Ideen, den Sprachstil und den verwandten Ton. 162 Es sei beDecision Nr. 94-345 DC, Fn. 115, S. 5, 6 0 Considerant. Vgl. Fn. 154. 156 Verpeaux, Contröle des lois, S. 580. 157 So etwa Verpeaux, Langue frant;aise. S. 814. 158 Sadat Wexler, S. 331. 159 Tessonneau. S. 7; Pontier, Droit de la langue frant;aise. S. 13. 160 Pontier, Droit de la langue frant;aise. S. 14. 161 Pontier, Droit de la langue frant;aise, S. 91. 162 Pontier; Droit de la langue frant;aise, S. 13. 154 155

4 Therne

Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

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dauerlich, daß die differenzierenden Regelungen den Gebrauch der Sprache bei den Adressaten unterschiedlich veränderten. Hierdurch werde die Einheit der Nation berührt, deren Sprache ein wertvolles gemeinsames Erbe seL 163 Läßt man diese oftmals politischen Äußerungen außer acht, bleiben dennoch ernst zu nehmende Kritikpunkte. Wie schon bei dem Gesetz von 1975 entscheidet der Richter, welche Ausdrücke zur französischen Sprache gehören und welche nicht. Haben die Terminologiekommissionen ein Wort noch nicht anerkannt, liegt die Entscheidung bei ihm. Dabei ist die Pflege der französischen Sprache eigentlich Aufgabe der Academie franraise. Dadurch, daß nach den Adressaten der Sprachgesetzgebung differenziert wird, sind die gesetzlichen Regelungen uneinheitlich geworden. Diese Unklarheiten werden zum Teil als so gravierend angesehen, daß Forderungen nach einem neuen Gesetz laut geworden sind. Auch nach Auslegung der verfassungsmäßigen Bestimmungen bestehe kein einheitliches Regelwerk, die loi Toubon lasse mehr Fragen offen als sie beantworte. 164 Wesentliche Regelungen des Gesetzes sind für verfassungswidrig erklärt worden, deshalb müsse der Wille des Gesetzgebers erneut zum Ausdruck gebracht werden. Im folgenden soll untersucht werden, ob die Kritik an den nach der Entscheidung des Conseil Constitutionnel verkündeten Regelungen der loi Toubon gerechtfertigt ist. IV. Problematische Regelungen der heutigen loi Toubon

Der Gesetzgeber von 1975 hatte die Ziele, die er mit seinem Sprachgesetz verfolgte, nicht ausreichend deutlich gemacht. Erst die Cour de Cassation hat 1986 festgestellt, daß Zweck der loi Ras-Lauriol nicht allein der Schutz des Konsumenten ist. Vielmehr habe das Gesetz ein weiteres Ziel, welches darin besteht, die Präsenz des Französischen in allen Sektoren des öffentlichen Lebens sicherzustellen. 165 Der Gesetzgeber von 1994 hat das Ziel des Gesetzes in Art. 1 I loi Toubon definiert: Das Gesetz soll ". .. die französische Sprache kraft der Verfassung ein grundlegender Bestandteil der Persönlichkeit und des Kulturerbes Frankreichs" verteidigen. Durch diese Voranstellung wird deutlich, daß der oft vorgetragene Konsumentenschutz nicht das einzige Ziel des Gesetzes ist. Art. 1 I loi Toubon zeigt vielmehr, daß das Gesetz nicht nur eine wirtschaftliche, sondern primär eine kulturelle Dimension hat. 166 Zudem ist die loi Toubon aus einem Entwurf des Kulturrninisters und nicht des Wirtschaftsministers entstanden. Die loi Toubon enthält auch nach der Entscheidung des Conseil Constitutionnel noch Regelungen, die problematisch sind.

163 164

165 166

Tessonneau, S. 7. Kolifrath, S. 14. Arret du 20. 10. 1986, RTD corno 1988, S. 115 f. Pisantel Dupuis-Toubol, S. 348.

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C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

1. Warenzeicbenrecbt (Art. 2 und 1410i Toubon)

Gern. Art. 2 I loi Toubon ist bei der Bezeichnung und der Aufmachung eines Produkts die französische Sprache zu verwenden. Dies gilt gern. Art. 2 IV loi Toubon auch für die mit dem Markenzeichen eingetragenen Vermerke und Informationen. In der loi Bas-Lauriol von 1975 waren solche eingetragenen Vermerke und Informationen nicht enthalten; eingetragene Marken fielen selbst nicht unter das Gesetz, so daß auch fremdsprachige Markennamen zulässig waren. 167 Die Funktion einer Marke besteht darin, als Erkennungszeichen Produkte oder Dienstleistungen einer natürlichen oder juristischen Person zu unterscheiden. 168 Nach dem heutigen Gesetzestext müssen auch Vermerke und Informationen, die mit dem Markenzeichen eingetragen werden, in Französisch abgefaßt sein. Diese Bestimmung läßt aber den für Privatpersonen gültigen Grundsatz, nach dem fremdsprachige Markennamen zulässig sind, unberührt. 169 Zudem sieht Art. L. 711 - 1 a) Code de la propriere intellectuelle die Möglichkeit vor, eine "Ansammlung von Worten" als Marke eintragen zu lassen. 170 Zwar wird der Begriff ,,Marke" in den parlamentarischen Debatten in einem engen Sinn gebraucht, nach dem das Zeichen, welches die Marke bildet, nur den Namen des Herstellers umfaßt. 171 Diese enge Auffassung berücksichtigt jedoch die weite Definition im Code de la propriite intellectuelle nicht und führt dazu, daß das gesetzliche Verbot fremdsprachiger Vermerke und Mitteilungen nicht ausreicht, um zu verhindern, daß fremdsprachige Werbetexte auch weiterhin als Markennamen eingetragen werden können. Es ist dem Gesetzgeber nicht gelungen, seinen Willen zu fixieren. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts und für solche des Privatrechts, die eine öffentlichen Aufgabe erfüllen, gilt gern. Art. 1410i Toubon etwas anderes. Ihnen ist es untersagt, ein Warenzeichen und eine Handels- oder Dienstleistungsmarke mit einem fremdsprachigen Ausdruck zu verwenden, wenn ein französischer Ausdruck mit dem gleichen Sinn vorhanden ist. Diese unterschiedliche Behandlung ist insofern problematisch, als daß juristische Personen des öffentlichen Rechts - bspw. SNCF, France Telecom, La Poste - und solche des Privatrechts, die 167

Le Cohennec, S. 17.

Art. L. 711 - 1 Code de la propriere intellectuelle lautet: ,,La marque de fabrique, de commerce ou de service est un signe susceptible de representation graphique servant distinguer les produits ou services d'une personne physique ou morale.... ". 169 Bigot, S. 265. Le Cohennec, S. 17, f. Dagegen ist Schmitt, S. 1408, der Ansicht, daß der Wegfall des Art. 2 11 urspr.F. loi Toubon für Privatpersonen ein Verbot jedes fremdsprachigen Ausdrucks auslöst, so daß Privatpersonen von der Entscheidung des Conseil Constitutionnel stärker betroffen sind als juristische Personen des öffentlichen Rechts, für die das Verbot nur gilt, wenn ein äquivalenter französischer Ausdruck zugelassen ist (Art. 14 I 110i Toubon). 170 Art. L. 711 - 1: " ... Peuvent notamment constituer un tel signe: a) Les denominations sous toutes les forrnes telles que: mots, assemblages de mots, noms patronymiques et geographiques, pseudonymes, lettres, chiffres, sigles; ... ". 171 Schmitt, S. 1409. 168

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

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eine öffentliche Aufgabe erfüllen - bspw. die Konzessionsträger für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur (Autobahnen, Tunnel, Brücken, etc.) sowie städtische und lokale Dienste (Bereitstellung von Trinkwasser, Transporte) - häufig in Konkurrenz zu Privatunternehmen stehen. l72 Sie erleiden durch Art. 1410i Toubon einen Wettbewerbsnachteil. Indem der Conseil Constitutionnel den Art. 2 11 urspr.F. loi Toubon für verfassungswidrig erklärt hat, hat er für Privatpersonen und für juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie für solche des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, eine unterschiedliche Regelung geschaffen. Während Privatpersonen auch eine "Ansammlung von Worten" als Marke eintragen lassen können, die fremdsprachige Wörter enthält,173 dürfen juristische Personen des öffentlichen Rechts und die ihnen gern. Art. 14 I 2 loi Toubon gleichgestellten juristischen Personen des Privatrechts nur dann fremdsprachige Ausdrücke verwenden, wenn keine äquivalenten französischen Ausdrücke zugelassen sind. Indem der Gesetzgeber den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes auf Vermerke und Mitteilungen, die mit dem Markenzeichen eingetragen werden, ausgedehnt hat, wollte er die zuvor gängige Praxis verhindern, Werbeslogans als Markennamen eintragen zu lassen, um so die Regelungen des alten Sprachgesetzes von 1975 zu umgehen. 174 Dieser Wille des Gesetzgebers hat sich in der loi Toubon jedoch nicht manifestiert. Die Unklarheit ist gravierend, schließlich sind Verstöße gegen die Vorschriften mit Strafe belegt. Fraglich ist deshalb, ob fremdsprachige Vermerke und Informationen, die als Markenname eingetragen und so als geistiges Eigentum geschützt sind, im Handel verwendet werden dürfen. 175 Der Gesetzgeber wird dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot, das klare Regelungen fordert, damit der Bürger weiß, wie er sich zu verhalten hat, nicht gerecht. Auch eine genetische Auslegung von Art. 2 IV loi Toubon hilft nicht weiter, da bei den Gesetzesdebatten das Verständnis der Vorschrift nicht eindeutig war.

2. Firmennamen

Sowohl die loi Bas-Lauriol als auch die loi Toubon enthalten keine Regelungen über die Bezeichnung von Gesellschaften und Firmen. Ein Runderlaß vom 14. 3. 1977 176 präzisiert das Sprachgesetz von 1975 dahingehend, daß Gesell172

Le Cohennec, S. 18.

173 Anderer Ansicht ist dagegen Schmitt, S. 1408, der davon ausgeht, daß Privatpersonen

nach Wegfall des Art. 2 11 urspr.F. loi Toubon nicht nur bestimmte fremdsprachige Ausdrücke nicht verwenden dürfen, sondern gar keine fremdsprachigen Ausdrücke mehr. 174 Schmitt, S. 1408. 175 Bigot, S. 265. 176 Circulaire du 14. 3. 1977 concernant la loi du 31. 12. 1975 relative l'emploi de la langue franliaise, Journal Officiel, mars 1977, S. 1483 f.

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C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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schaftsbezeichnungen, die aus den Namen der verantwortlichen Teilhaber bestehen (raisons sociales), und Gesellschaftsbezeichnungen, die sich nach der Tätigkeit der Gesellschaft richten oder aus einem Phantasienamen bestehen (denominations sociales), nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. 177 Fraglich ist, ob die loi Toubon im Gegensatz zu dem alten Sprachgesetz auf derartige Gesellschaftsbezeichnungen anwendbar ist. Aus dem Wortlaut des Gesetzes läßt sich dies nicht entnehmen. Der Gesetzgeber hat wohl vergessen, die Regelungslücke zu schließen. Den vorbereitenden Arbeiten kann man entnehmen, daß die Interessen der französischen Wirtschaftsteilnehmer geschützt werden sollen. 178 Aus diesem Grund wurde ihnen nicht die Verpflichtung auferlegt, ausschließlich französische Markennamen zu verwenden. Analog dazu kann man schließen, daß auch Gesellschaftsbezeichnungen, die sich aus der Tätigkeit der Firma, einem Phantasienamen oder aus den Namen der verantwortlichen Teilhaber zusammensetzen, nicht verpflichtend französisch sein müssen. Raisons sociales und denominations sociales fallen daher nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der loi Toubon. 179 3. Werbung (Art. 2, 4 und 12loi Toubon)

Die loi Toubon ändert das alte Gesetz von 1975 im Bereich der Werbung nur geringfügig ab. Art. 2 11 loi Toubon greift Art. 1 I 1 loi Bas-Lauriol auf und bestimmt, daß bei jeder geschriebenen, gesprochenen oder audiovisuellen Werbung die französische Sprache zu verwenden ist. Der Begriff "Werbung" im Sinne der Vorschrift ist dabei weit zu verstehen, 180 so daß alle Formen von Werbung auf dem aktuellen Stand der Technik erlaßt sind. Durch die neue Regelung des Art. 2 IV loi Toubon verhindert der Gesetzgeber die schon unter der loi Bas-Lauriol gängige Praxis von Werbeagenturen, einen fremdsprachigen Werbeslogan als Markennamen eintragen zu lassen, nicht. Auch in Zukunft können Werbeagenturen diesen Weg gehen, um ihr geistiges Eigentum schützen zu lassen, aber auch, um ihrer Schöpfungsfreiheit in einer Fremdsprache nachzukommen. 181 Art. 4 11 loi Toubon nimmt den Grundsatz des Art. 1 I 3 loi Bas-Lauriol wieder auf, nach dem der Gebrauch des Französischen zwar verpflichtend ist, fremdsprachige Ausdrücke aber verwendet werden dürfen, wenn sie von einer französischen Übersetzung begleitet werden. Neu ist, daß die Fassung in französischer Sprache ebenso leserlich, hörbar oder verständlich sein muß, wie die Fassung in den anderen Sprachen. Hierdurch soll die Praxis unterbunden werden, daß ausländische Aufschriften, Bezeichnungen und Werbung von einer kleingedruckten französischen Übersetzung begleitet werden, die in der Realität kaum wahrnehmbar ist. 177

178 179 180 181

Dutour, S. 13. Rapport de Jacques Legendre, S. 86 a.E., 87. So im Ergebnis auch Dutour, S. 14. Bigot, S. 264. Dieser Ansicht ist auch Bigot, S. 265.

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

Durch die verlangte fonnale Gleichheit ist es kaum noch möglich, Kreativität in ausländischer Sprache zu entfalten. Das Erfordernis einer ebenso leserlichen, hörbaren oder verständlichen französischen Fassung führt dazu, daß fremdsprachige Werbung ihren Reiz verliert. Zudem ist insbesondere auf kleinen Produktetiketten kaum Platz, um zweisprachige Produktbezeichnungen anzubringen. Die scheinbar gewährte Freiheit ist daher nicht wirklich existent. Art. 4 11 loi Toubon wird die Werbernacher eher dazu drängen, ihre Slogans auch weiterhin als Markennamen eintragen zu lassen. Zu bevorzugen wäre daher eine Regelung, die keine streng fonnale Gleichheit fordert, sondern nur eine wahrnehmbare französische Fassung verlangt. Gern. Art. 12 I 2 loi Toubon ist bei allen Sendungen und Werbungen, die von den Rundfunk- und Fernsehanstalten ausgestrahlt werden, die französische Sprache zu verwenden (Ausnahme: Kino- und Fernsehfilme sowie Hörfunk in Originalfassung). Diese Bestimmung greift Art. 1 11 loi Bas-Lauriol wieder auf, der bereits vorsah, daß "alle Infonnationen oder Prograrnmbeiträge in Rundfunk und Fernsehen" auf Französisch gesendet werden müssen. Gern. Art. 1211 loi Toubon gilt die Verpflichtung zur französischen Sprache nicht für Musikwerke, deren Text ganz oder teilweise in einer Fremdsprache abgefaßt ist. Fraglich ist, ob solche Musikstücke dann Bestandteil von Rundfunk- oder Fernsehwerbung sein können. Kunstwerke bestehen unabhängig von dem Zweck, zu dem sie geschaffen wurden. Die Kunstfreiheit ist gewichtiger als der verpflichtende Gebrauch der französischen Sprache. Deshalb können auch fremdsprachige Musikstücke Bestandteil von Rundfunk- und Fernsehwerbung sein.

4. Internet (Art. 2 und 410i Toubon)

Die loi Toubon könnte auf das Internet anwendbar sein. Die Sachverhalte, die von dem Gesetz betroffen wären, sind vielschichtig. Zum einen geht es um Internetseiten, die Unternehmen in das Netz stellen, um sich selbst oder ihre Produkte und Dienstleistungen zu bewerben. Darunter fallen auch die Anbieter von Suchmaschinen. Zum anderen sind private Anwendungen wie das Verschicken elektronischer Post betroffen. Ein Runderlaß vom 6.3. 1997 erinnert die Verwaltungen und öffentlichen Einrichtungen des Staats daran, daß die Regelungen der loi Toubon auch auf Infonnationen anwendbar sind, die über einen Internetserver weitergeleitet werden, der von einem service public eingerichtet wurde. 182 Hingegen ist das Verschicken privater elektronischer Post mit herkömmlicher Post vergleichbar, die unter das Briefgeheimnis fällt. Die private Sprache des einzelnen fällt nicht in den Anwendungsbereich der loi Toubon, dies gilt auch für private elektronische Post. Die Versendung von Werbemails in großer Zahl an französische Adressaten hingegen wird Rundfunk- und Fernsehwerbung gleichgestellt, so daß die einschlägigen 182

Ledere, S. 80.

C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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Vorschriften der loi Toubon greifen. 183 Die Verpflichtung behindert zwar nicht direkt die Berufsfreiheit. Für ausländische Unternehmen, die ihre Produkte auf dem französischen Markt vermarkten wollen, bringt sie aber zusätzliche Kosten mit sich. Deshalb fordern einige, Onlinedienste, die im Internet Handel treiben oder Werbung machen, vom Anwendungsbereich der loi Toubon auszunehmen, wenn sie von ausländischen Anbietern getragen werden oder sich an Nichtfranzosen richten. 184 Um die sachliche Anwendbarkeit der loi Toubon auf Internetseiten zu untersuchen, ist es nötig, die Server, über die die Seiten in das Netz gestellt werden, in unterschiedliche Kategorien zu gliedern. Dabei kann man zwischen Servern, die in Frankreich beheimatet sind (mit der Adreßendung ".fr"), und Servern, die in anderen Ländern beheimatet sind, unterscheiden. 185 Die erste Kategorie untergliedert sich in solche, die sich auch an französische Nutzer richten, und solche, die ausschließlich für ausländische Nutzer betrieben werden. Bei der zweiten Kategorie kann man zwischen Servern unterscheiden, die von in Frankreich Handel treibenden Unternehmen gehalten werden, und Servern von Unternehmen, die nicht in den nationalen Handel verstrickt sind. Eine sachliche Anwendbarkeit der loi Toubon kommt nur bei in Frankreich beheimateten Servern, die sich auch an französische Nutzer richten, und bei "ausländischen" Servern in Betracht, die von einem Unternehmen betrieben werden, welches am nationalen französischen Markt teilnimmt. Zum ersten Mal hatte am 19.6. 1997 ein französisches Gericht Gelegenheit, zu der Anwendbarkeit der loi Toubon auf eine Internetseite Stellung zu nehmen. 186 Die Problematik wurde in einem Prozeß zwischen den Vereinigungen "Schutz der französischen Sprache" und ,,zukunft der französischen Sprache" gegen die amerikanische Ingenieurschule Georgia Tech Lorraine mit Sitz in Metz, europäische Plattform des Technologieinstituts in Georgia, Atlanta, vor dem Tribunal de police von Paris behandelt. 187 Dabei wurde Georgia Tech Lorraine vorgeworfen, daß die über ihren in Frankreich beheimateten Server in das Netz gestellten Seiten (Beschreibung ihrer Tätigkeiten sowie der Zugangsvoraussetzungen) ausschließlich auf Englisch abgefaßt waren und deshalb gegen Art. 2 I loi Toubon verstießen. 188 Durch die von Georgia Tech Lorraine verwandten englischen Begriffe werde das Ziel des Gesetzes, der Konsumentenschutz, verletzt.

Siehe dazu Fn. 182. Dies fordert bspw. Leclere, Fn. 182. 185 Renault, S. 30. 186 Rojinsky, S. 42. 187 Tribunal de police de Paris vom 19. 6. 1997, Les Petites Affiches, Nr. 120,6. 10. 1997, S. 11 f. 188 Dreyfus-Weill, S. 12. 183 184

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

Das Gericht mußte entscheiden, ob die von Georgia Tech Lorraine in das Netz gestellten Informationen einer geschriebenen oder audiovisuellen Werbung gleichgestellt werden können. Ist dies nicht der Fall, so könnten sie unter die Ausnahmevorschrift des Art. 11 I 2 loi Toubon fallen. Problematisch ist weiterhin, ob das Internet als privates Forum oder als öffentlicher Ort behandelt werden SOll.189 Der Tribunal de police hat sich in seiner Entscheidung jedoch nicht zu den materiellrechtlichen Fragen geäußert. Vielmehr hat er aus formellen Gründen die Klage beider Vereinigungen, die in einem Erlaß vom 3. 5. 1995 190 als Vereinigungen zum Schutz der französischen Sprache zugelassen worden waren, abgewiesen. Eine öffentliche Anklage erfordere, daß die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werde; die Vereinigungen könnten das Gericht nicht direkt anrufen. 191 Zudem sei zu der Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften der loi Toubon gern. Art. 18 I loi Toubon ein Protokoll erforderlich, welches nur die in Art. 16 I loi Toubon genannten zuständigen Stellen (die Strafverfolgungs- und Kriminalpolizeibeamten, die Beamten der Generaldirektionen für Wettbewerb, Verbrauch und Betrugsbekämpfung sowie die Beamten der Zollgeneraldirektion) aufsetzen könnten und welches dann an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden müßte. Zwar können gern. Art. 19 S. 2 loi Toubon anerkannte Sprachschutzvereinigungen in einem laufenden Verfahren als Nebenkläger auftreten, sie können jedoch nicht darüber entscheiden, ob tatsächlich ein Verstoß gegen die Vorschriften vorliegt. Insofern sei das durch die Art. 16, 17 und 18 loi Toubon vorgeschriebene Verfahren mißachtet worden. l92 Georgia Tech Lorraine hat ihre Internetseiten noch vor der Entscheidung in dreisprachige Seiten (französisch, englisch, deutsch) umgewandelt. Letztinstanzlich hat die Cour d' appel Paris am 29. 4. 1998 entschieden, die Entscheidung des Tribunal de police vom 19. 6. 1997 aufrechtzuerhalten. Die beiden Sprachschutzvereinigungen hätten sich zunächst an die öffentliche Verwaltung und nicht direkt an das Gericht wenden müssen. 193 Ihre Klage wird deshalb als unzulässig abgewiesen. Eine richterliche Entscheidung zur Anwendbarkeit der loi Toubon auf das Internet liegt damit noch nicht vor. Der Fall Georgia Tech Lorraine hat in der Öffentlichkeit eine große Resonanz ausgelöst, da immer mehr Wirtschaftsunternehmen ihre internationalen Geschäftskontakte über das Netz ausbauen. 194 90 Prozent der gesamten Kommunikation im Internet findet in englischer Sprache statt. 195 Zudem wird auch durch französische Autoren in Frage gestellt, daß sich der Schutz der französischen Sprache gerade im Sektor der Informationstechnologie zugunsten Feld, S. 171. Arrete du 3 mai 1995 portant agrement d'associations de defense de la langue franyaise, hup:/Iwww.culture.fr./culture/dglf/garde.htmam23. 7.1998, S. 1 f. 191 Tribunal de police de Paris vom 19.6.1997, Fn. 187, S. 12. 192 Vgl. dazu Fn. 191. 193 Rolland, Loi Toubon dans le cyberespace: deux groupes franyais perdent leur cause, hup:/Iwmtl.com/ actu/98-04/02-l97501.htrnl, am 8. 7. 1999. 194 Ledere, S. 80. 195 Feld, S. 171. 189

190

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des Konsumenten auswirkt. Häufig seien Benutzerhandbücher in der Sprache des Mutterunternehmens, insbesondere bei komplexen computerunterstützten Anlagen und Netzwerken, genauer und detaillierter als die französischen Übersetzungen. 196 Im Bereich der Informationstechnologie ist die loi Toubon unklar. Das neue Sprachgesetz hat die unter der loi Bas-Lauriol geltende Rechtslage nicht vereinfacht, sondern außer den bestehenden Problemen weitere Unsicherheiten geschaffen. Es bleibt unklar, ob sich private Unternehmen, die nach der loi Toubon nicht an eine offizielle Terminologie gebunden sind, weiterhin an die unter dem Sprachgesetz von 1975 verpflichtenden Erlasse zur Sprache im Bereich der Informationstechnologie (z. B. materiel statt hardware, logiciel statt software) halten müssen. 197 Problematisch ist also der rechtliche Stellenwert der vorhandenen Verwaltungstexte, die die Bereicherung der französischen Sprache betreffen. Auch die Rolle der schon bestehenden Terminologiekommissionen wird nicht konkretisiert. S. Internationale Verträge (Art. 5 und 2loi Toubon)

Gern. Art. 5 I 1 loi Toubon sind Verträge, bei denen eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine solche des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllt, Vertragspartner ist, in französischer Sprache abzufassen. Gern. Art. 5 III loi Toubon dürfen Verträge, die mit einem bzw. mehreren ausländischen Vertragspartnern geschlossen werden, auch eine bzw. mehrere Fassungen in einer Fremdsprache enthalten, die ebenfalls verbindlich sein können. Juristische Personen des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, sind allerdings nur dann von Art. 5 loi Toubon betroffen, wenn sie gerade in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe handeln. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 5 loi Toubon wird mit der relativen Unwirksamkeit der Vertragsbestimmungen sanktioniert (Art. 5 IV loi Toubon). Ein Vertragspartner kann sich nicht auf eine fremdsprachige Bestimmung berufen, wenn diese den anderen Vertragspartner benachteiligen würde. Dabei ist der Begriff ,,Nachteil" weit auszulegen, so daß darunter bereits jede Verpflichtung fallt. 198 Eine Ausnahme von der Verpflichtung des Art. 5 I 1 loi Toubon gilt gern. Art. 5 11 loi Toubon für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Industrie- und Handelstätigkeit verwalten. Verträge, die ausschließlich außerhalb des Staatsgebiets zu erfüllen sind, brauchen nicht in französischer Sprache abgefaßt sein. Juristische Personen des Privatrechts, die in Erfüllung eines service public handeln, werden grundsätzlich auf französischem Staatsgebiet tätig, so daß sie aus diesem Grund nicht in der Ausnahme erwähnt sind. 199 Fraglich ist jedoch, wie internatio196 197

198

Pisante! Dupuis-Toubol, S. 349. Vgl. dazu Fn. 196. Bessel L'Homme, 2° partie, S. 34.

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

nale Finanzierungsverträge von juristischen Personen des Privatrechts zu behandeln sind, die der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nur angegliedert sind. 2OO Problematisch ist außerdem, daß die Ausnahme nur für Verträge gilt, die "ausschließlich außerhalb des Staatsgebietes zu erfüllen" sind. Internationale Verträge beinhalten häufig einen grenzüberschreitenden Ab- und Rückfluß von Waren, Dienstleistungen oder Zahlungen. Deshalb hängt die genaue Tragweite der Regelung von der Auslegung der Bestimmung "ausschließlich außerhalb des Staatsgebiets" durch die Gerichte ab?OI Bei einer Emission von Euro-Obligationen bspw. wird eine Vielzahl von Verträgen geschlossen (zwischen dem Emissair, der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, und denjenigen, die die Emission durchführen, den nationalen Banken; zwischen den Banken, die bei der Emission ein Syndikat bilden; etc.). Wenn alle diese Verträge außerhalb von Frankreich erfüllt werden müssen, um den Voraussetzungen der Ausnahmeregelung zu genügen, fällt eine Emission von Euro-Obligationen immer unter Art. 5 I I loi Toubon. 202 Kolifrath schlägt für die Auslegung der Ausnahmevorschrift folgende pragmatische Unterscheidung vor: Internationale Verträge, die einen Import von Waren vorsehen, müssen in französischer Sprache abgefaßt sein; hingegen ist für Verträge die nur auf den Export gerichtet sind, der Gebrauch der französischen Sprache nicht erforderlich. 203 Nicht vollständig geklärt ist, ob Art. 5 loi Toubon eine abschließende Regelung für internationale Verträge enthält oder ob die Generalklausei des Art. 2 loi Toubon ergänzend für juristische Personen des Privatrechts, die keine öffentlichen Aufgaben erfüllen und deshalb nicht unter die Spezialregelung des Art. 5 loi Toubon fallen, herangezogen werden kann. 204 Dabei könnte Art. 2 loi Toubon nur auf einige besonders sensible Klauseln anwendbar sein oder wie Art. 5 I 1 loi Toubon auf den Vertrag insgesamt. Unter dem alten Sprachgesetz von 1975 wurde von der Verwaltung und einem großen Teil der Literatur angenommen, daß der gesamte Vertrag in Französisch abgefaßt sein muß, da Verträge über Waren oder Dienstleistungen begriffsnotwendig auch die "Bezeichnung" und "Aufmachung" dieser Ware oder Dienstleistung umfassen. 205 Bei der loi Toubon ist diese weite Auslegung jedoch nicht sicher, ebenso könnte eine enge Auslegung angesichts der verschärften SankKolifrath, S. 15 a.E., 16. Kolifrath, S. 15, plädiert dafür, solche Verträge nur dann der loi Toubon zu unterwerfen, wenn sie einer Aufgabe des service public "direkt und spezifisch angegliedert" sind. So sei ein komplexer Finanzierungsvertrag, der dazu diene, eine für eine Aufgabe des service public notwendige Sache anzuschaffen, nicht spezifisch dieser Aufgabe angegliedert. Er falle nicht unter die loi Toubon. 201 Hesse IL'Homme, 2° partie, S. 34. 202 Kolifrath, S. 16. 203 Siehe dazu Fn. 202. 204 Kolifrath, S. 14, 17. 20S Pisante! Dupuis-Toubol, S. 350. 199

200

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tionen geboten sein. 206 Dies würde eher der Entscheidung des Conseil Constitutionnel gerecht, nach der die Verpflichtung von Privatpersonen nicht so streng wie die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und der ihnen gleichgestellten juristischen Personen des Privatrechts sein darf. Während letztere den gesamten Vertrag auf Französisch abfassen müssen (Art. 5 I I loi Toubon), gilt dies bei Privatpersonen nur für einige sensible Klauseln (Art. 2 I loi Toubon). Bei einem solchen Verständnis ist allerdings problematisch, daß das Gesetz für Privatpersonen keine Ausnahmeregelung für internationale Verträge vorsieht, die außerhalb des französischen Staatsgebietes vollzogen werden. Werden die Widersprüche des Gesetzes nicht durch eine eindeutige Interpretation der Gerichte klargestellt, bleibt die Tragweite der Verpflichtungen teilweise unklar und sinnlos. Sie erschweren internationale Operationen, deren Realisierung von großer Bedeutung für die französische Volkswirtschaft ist. Zudem läuft die loi Toubon Gefahr, internationale Finanzierungsverträge juristischer Personen des öffentlichen Rechts unnötig zu komplizieren. Möchte bspw. eine Gebietskörperschaft ihren Fondsanteil am Euromarkt anheben oder möchte sich eine öffentliche Einrichtung an der Finanzierung eines Projekts im Ausland beteiligen, so wurde gewöhnlich Englisch als Vertragssprache verwandt. Generell werden internationale Finanzierungsverträge in Englisch ausgehandelt und geschlossen. Gern. Art. 5 I I, III loi Toubon muß jetzt auch eine verbindliche französische Version aufgesetzt werden. Dies ist problematisch, da der internationale Finanzhandel sehr schnellebig ist und die notwendige Übersetzung den Vertrags schluß hinauszögert und verteuert. 207 Zudem kann eine auch im Ausland rechtsgültige französische Version, die den Begriffen und Konzeptionen des ausländischen Rechts gerecht werden soll, leicht zu Differenzen und Rechtsstreitigkeiten führen. 208

6. Konferenzen und Wissenschaft (Art. 6 und 710i Toubon)

Im Bereich der Wissenschaft ist der Regelungsgehalt des Gesetzes durch die Entscheidung des Conseil Constitutionnel, welche den Art. 7 11 urspr.F. loi Toubon für verfassungswidrig erklärt hat, abgeschwächt worden. Dennoch wird Kritik an dem verbliebenen Art. 7 I loi Toubon geübt. Gern. Art. 7 I loi Toubon müssen fremdsprachige Veröffentlichungen, Zeitschriften und Mitteilungen, die in Frankreich verbreitet werden und von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sowie einer juristischen Person des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe erfüllt oder eine öffentliche Subvention erhält, stammen, mindestens eine Zusammenfassung in Französisch enthalten.

207

Kolifrath, S. 17. Kolifrath, S. 14.

208

Besse I L'Homme, 2° partie, S. 34.

206

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

Hintergrund dieser Vorschrift ist, daß gerade in den Naturwissenschaften das Englische die internationale Arbeitssprache geworden ist und viele Publikationen nur noch in Englisch erscheinen. Bei Publikationen in der eigenen Sprache mußten die französischen Wissenschaftler Anfang der siebziger Jahre feststellen, daß ihre Artikel von den internationalen Kollegen nicht gelesen und deshalb ignoriert wurden. 209 Sie haben deshalb begonnen, in Englisch zu veröffentlichen, damit die französische Forschung im internationalen Umfeld bestehen kann. Dies hat den Vorteil, daß Ungenauigkeiten, die durch eine Übersetzung entstehen können, vermieden werden. Zudem fallen die längeren Zeiträume bis zur Erstpublikation von Forschungsergebnissen weg, die von den Übersetzungsarbeiten beansprucht werden und die einen kostbaren Zeitvorsprung gegenüber der internationalen Konkurrenz zunichte machen können. Der verfassungswidrige Absatz 2 des Artikels 210 sah vor, daß französische Wissenschaftler ihre Veröffentlichung oder Verbreitung von Forschungsergebnissen in Französisch machen müssen oder einer fremdsprachigen Veröffentlichung ein Resume in Französisch beifügen müssen. Gegen die Vorschrift gab es großen Widerstand aus den Reihen der Wissenschaftler, die fürchteten, daß sie in Zukunft nicht mehr von der internationalen Wissenschaft wahrgenommen würden, wenn sie in Französisch publizieren, oder daß durch das vorgeschriebene Resurne zusätzliche Kosten entstünden und einige Fachzeitschriften nicht bereit sein würden, ein Resume zu veröffentlichen. 211 Daraus entstand die Forderung, zur Verteidigung der französischen Wissenschaft sei das Englische notwendig. Man müsse zwar mehrere Arbeitssprachen fördern, jedoch sei es in der aktuellen Situation unverzichtbar, auf die englische Sprache zurückzugreifen, um den Anschluß an die internationale Wissenschaft zu halten. 212 Man könne die französische Wissenschaft, Technologie und Kultur nur fördern, indem man sich gegenüber dem Ausland öffne. Ein Rückzug hinter nationalistische Regelungen würde das Ansehen Frankreichs im Ausland keineswegs fördern und seine Sprache ruinieren?13 Das von Art. 7 I loi Toubon geforderte französische Resurne einer fremdsprachigen Veröffentlichung stellt die französischen Wissenschaftler vor Probleme. Nicht alle Fachzeitschriften gestehen es Wissenschaftlern zu, ein solches Resurne mit abzudrucken. Die internationale Reputation eines Naturwissenschaftlers bemißt sich nach der Anzahl seiner Veröffentlichungen, die im Garfield-Index registriert sind. 214 Die Datenbank dieses Archivs erfaßt 3.000 von weltweit 70.000 wissenschaftlichen Zeitschriften. Sie wird von einem Unternehmen aus Philadelphia betrieben und verarbeitet zu einem großen Teil nur amerikanische Fachzeitschriften. 209

210 211 212 213

214

Balibar, L'anglais pour defendre la science fran~aise?, S. 1068. Vgl. zum Wortlaut Fn. 109. Balibar, Les chercheurs fran~ais face ala loi Toubon, S. 1190. Balibar, Fn. 211, S. 1190 f. Balibar, Fn. 211, S. 1191. Rapport de Jacques Legendre, S. 21.

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Für französische Wissenschaftler ist es problematisch, wenn außer der Hürde einer fremdsprachigen Veröffentlichung, die allein die Reputation des Wissenschaftlers fördert, noch eine Verpflichtung zu einem französischsprachigen Resurne hinzukommt. 215 Die Regelung des verbliebenen Art. 7 I loi Toubon beeinträchtigt daher die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wissenschaftler. Bemerkenswert ist, daß der Verpflichtung zu einem französischen Resurne in fremdsprachigen Fachzeitschriften nicht ein entsprechendes Recht für ausländische Wissenschaftler in Frankreich gegenübersteht. Diese haben nicht das Recht, ihre französischsprachigen Publikationen mit einem Resurne in ausländischer Sprache zu versehen. Gern. Art. 6 I 1 loi Toubon hat jeder Teilnehmer an in Frankreich von natürlichen oder juristischen Personen französischer Staatsangehörigkeit organisierten Veranstaltungen, Kolloquien oder Kongressen das Recht, sich in französischer Sprache auszudrücken. Die Programmunterlagen müssen in französischer Sprache geschrieben sein und können Übersetzungen in eine oder mehrere Fremdsprachen enthalten (Art. 6 I 1 loi Toubon). Vorbereitungs- und Arbeitsunterlagen sowie Aufzeichnungen und Arbeitsberichten, die in einer Fremdsprache abgefaßt sind, muß mindestens eine Übersetzung in Französisch beigefügt werden (Art. 6 11 loi Toubon). Dieser letzte Absatz des Art. 6loi Toubon ist problematisch. Wie sollen ausländische Wissenschaftler, die kein Französisch beherrschen, dazu bewegt werden, ihre Aufzeichnungen und Arbeitsberichte mit einem französischsprachigen Resume zu versehen? Sollen die Veranstalter diese Verpflichtung für eine Vielzahl von Schriften übernehmen? Wie kann man hoffen, daß die Autoren der Aufzeichnungen und Arbeitsberichte ein Resurne akzeptieren, wenn sie seine Richtigkeit und Genauigkeit nicht überprüfen können? Die loi Toubon enthält somit auch in den Bereichen der Wissenschaft sowie der internationalen Kolloquien und Konferenzen Vorschriften, die in ihrem Regelungsgehalt unklar sind und in der Praxis Probleme aufwerfen.

7. Sanktionen Neben den Organen, die gern. Art. 16 I loi Toubon für die Feststellung von Protokollen zuständig sind, verleiht Art. 19 loi Toubon den Helfern dieser "Sprachpolizei", den Vereinen zum Schutz der französischen Sprache, die Möglichkeit, vor Gericht als Nebenkläger aufzutreten. Das Gesetz selbst enthält keine Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten, sie werden gern. Art. 16 III loi Toubon durch eine Rechtsverordnung fixiert. Diese Ausführungsverordnung Nr. 95 - 240 vom 3.3. 1995 ist am 5.3. 1995 verkündet worden?16 Der erste Titel enthält Strafsanktionen, der zweite mögliche Beschlagnahmen, der dritte die Voraussetzungen der 215 Vgl. dazu BaUbar, Fn. 213. 216 Decret n° 95-240 du 3. 3. 1995 pris pour l'application de la loi n° 94-665 du

4.8. 1994 relative al'ernploi de la langue fran~aise, Journal Officiel, mars 1995, S. 3514 f.

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Teil I: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

Zulassung von Vereinen zum Schutz der Sprache und der letzte verschiedene weitere Vorschriften. Gern. Art. 1,2,3 und 4 Ausführungsverordnung werden Verstöße gegen die loi Toubon als Vergehen vierter Klasse behandelt. Sie können gern. Art. 131-12, 1° LV.m. Art. 131-13,4° Code Penal mit einer Geldstrafe i.H.v. maximal 5.000 FF bei natürlichen Personen und bis zu einer Höhe von 25.000 FF bei juristischen Personen geahndet werden. 217 Bemerkenswert ist, daß die Geldbußen im französischen Ordnungswidrigkeitenrecht kumuliert werden können. 218 Wird bspw. eine Produktverpackung gefunden, die gegen die gesetzlichen Vorschriften verstößt, kann das Bußgeld so oft verhängt werden, wie die Verpackung auftritt. Die Regelungen der Ausführungsverordnung sind kritisch zu beurteilen, da der Gesetzgeber keinen Sockelbetrag für die Geldstrafen fixiert hat, sondern es der Regierung überlassen hat, seine Kompetenz durch eine Rechtsverordnung wahrzunehmen. 219 Problematisch ist zudem, daß die Strafen einem Verstoß gegen das Gesetz automatisch nachfolgen und kein Ermessensspielraum für eine mögliche Befreiung durch den Richter vorgesehen ist. Art. 9 Ausführungsverordnung stellt als Bedingungen für die Anerkennung eines Vereins zum Schutz der französischen Sprache auf, daß 1) dessen Satzung als Ziel die Verteidigung der französischen Sprache formuliert, daß dieser 2) schon zwei Jahre besteht, 3) eine ausreichende Zahl von beitragszahlenden Mitgliedern hat, 4) eine effektive Tätigkeit zum Schutz der französischen Sprache entfaltet und 5) daß er uneigennützig tätig ist. 22o Nach dieser Vorschrift sind bereits durch einen Erlaß vom 3. 5. 1995 221 fünf Vereinigungen zum Schutz der französischen Sprache anerkannt worden (Association jrancophone d'amitie et de liaison, A.F.A.L.; Association des injonnaticiens de la langue jranraise, A.I.L.F.; Avenir de la langue jranraise,222 A.L.F.; Conseil international de la langue franraise, C.I.L.F. und Defense de la langue jran~aise, D.L.F.). Gern. Art. 17 loi Toubon macht sich jeder, der die in Art. 16 I loi Toubon genannten Beamten daran hindert, Verstöße gegen die in Ausführung von Art. 2 loi Toubon erlassenen Texte zu ermitteln und festzustellen, oder der ihnen nicht alle dazu erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt, im Sinne von Art. 433 - 5 11 Code Penal a.F. strafbar. Diese Behinderung der Strafverfolgung kann als Vergehen mit bis zu 50.000 FF Geldbuße und bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft werden. 223

Kolifrath. S. 18; Faberon. S. 338. EndTÖs. S. 21; Faberon. S. 338. 219 Carcasonne. S. 338. 220 Vgl. zu den Anerkennungsvoraussetzungen Fn. 216. 221 http://www.culture.fr./ culture / dglf / garde.htm vom 23. 7. 1998, S. 1 f. 222 Informationen zu dieser Sprachschutzvereinigung sind im Internet verfügbar unter http://www.rnicronet.fr/languefr. 217 218

C. Genese und Regelungsumfang der loi Toubon

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8. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich bei Waren und Dienstleistungen

Der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes erstreckt sich auf alle Waren und Dienstleistungen, die in Frankreich in den Verkehr gebracht werden. Der zeitliche Anwendungsbereich hingegen hängt davon ab, ob die Zollbehörden zuständig sind, schon an der Grenze die Einhaltung der Vorschriften der loi Toubon zu überprüfen. Fraglich ist deshalb, zu welchem Zeitpunkt importierte Waren den Anforderungen des Gesetzes genügen müssen. Unter dem Sprachgesetz von 1975 mußten zwar die Zollerklärungen in Französisch abgefaßt sein. Hingegen konnten alle damit eingereichten Papiere (bspw. Rechnungen, Ursprungsnachweise und Transitbescheinigungen) sowie die Verpackungen der Waren, Gebrauchsanweisungen und Garantiebedingungen fremdsprachig gestaltet sein. 224 Erst im Zeitpunkt der Vermarktung mußten die Texte den Anforderungen des alten Sprachgesetzes genügen. Zwar enthält die loi Toubon keine Regelungen über die zeitliche Anwendbarkeit auf Waren und Dienstleistungen. Jedoch kann man davon ausgehen, daß die frühere Praxis beibehalten werden soll. Es ist unrealistisch, daß ausländische Importeure schon bei der Verzollung alle Dokumente in französischer Sprache abgefaßt haben müssen. Zwar können die Beamten der Zollgeneraldirektion gern. Art. 16 I 1 loi Toubon eine Verletzung der Vorschriften des Gesetzes durch Protokoll feststellen. Würde Frankreich aber jedem Zollbeamten die Kompetenz zuerkennen, bereits an der Grenze Verstöße gegen die loi Toubon zu ahnden, läge eine ernsthafte Störung des gemeinschaftlichen und des internationalen Handels nahe. 225 Deshalb kann man davon ausgehen, daß die zeitliche Anwendbarkeit des Gesetzes bei der Vermarktung der Ware oder Dienstleistung beginnt. Es fällt so meistens dem französischen Importeur zu, die Dokumente zu übersetzen, so daß sie im Zeitpunkt der Vermarktung den Anforderungen der loi Toubon gerecht werden. 226

v. Anwendungsfälle der loi Toubon Am 16. 1. 1996 wurde ein Body-Shop in Chambery, Franchisenehmer einer britischen Kette von Körperpflegegeschäften, vom Tribunal de police Chambery wegen Verstoßes gegen Art. 2 loi Toubon zu einer Geldbuße von 1000 FF verurteilt. 227 Das Geschäft hatte Produkte mit englischen Etiketten verkauft, ohne diese 223 Conseil Constitutionnel, Oecision Nr. 94-345 OC, Fn. 115, S. 6, 260 und 28 0 Considerant. 224 Cour de Cassation, Paris, 8. 11. 1984, BRDA 1985, Nr. 5; Cour de Cassation, Rouen, 22.3. 1984, Bulletin Transp. 1984, S. 405. 225 Gegen eine Kompetenz der einfachen Zollverwaltung auch Pisante I Dupuis-Toubol, S.353. 226 Pisante! Dupuis-Toubol, S. 353.

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

zu übersetzen. Chronopost, eine Tochtergesellschaft von La Poste, hatte einen Über-Nacht-Lieferservice "Skypak" angeboten. Aus diesem Grund haben AD.C. und AAL.F. (zwei Vereinigungen zum Schutz der französischen Sprache) Chronopost vorgeworfen, gegen Art. 14loi Toubon zu verstoßen. 228 Mangels Klagebefugnis der beiden Vereinigungen hat das Gericht die Klage jedoch abgewiesen (private Vereinigungen können gern. Art. 19 loi Toubon keine Verletzung von Art. 14 loi Toubon geltend machen und eine der beiden Vereinigungen bestand noch nicht zwei Jahre, so daß die Anerkennungsvoraussetzungen 229 bei ihr noch nicht erfüllt waren).230 The Disney Store wurde 1995 vor dem Tribunal de grande instance Paris angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, in seiner Filiale auf den Champs-Elysees dadurch gegen Art. 2 loi Toubon verstoßen zu haben, daß verschiedene Spielzeuge und Kleidungsstücke in Englisch bezeichnet waren. 231 Obwohl das Gericht den Fall auch hier mangels Klagebefugnis der AD.C. abgewiesen hat, hat Disney alle englisch etikettierten Spielzeuge aus den Regalen genommen. 232 Ein weiterer Anwendungsfall der loi Toubon im Hinblick auf die Internetseiten der Ingenieurschule Georgia Tech Lorraine wurde bereits näher erörtert. 233

VI. Kompetenz des Gesetzgebers Fraglich ist, woraus sich eine Kompetenz des Gesetzgebers ableiten läßt, die Sprache zu regeln. Eine ausdrückliche Ermächtigung für den Gesetzgeber gibt es nicht. Die Kompetenz könnte sich aus Art. 34 11 1 Constitution 234 ableiten lassen. 235 Zwar kann der Gesetzgeber gern. Art. 3411 1 Constitution nur die libertes publiques regeln. Der sachliche Umfang des Art. 34 Constitution erstreckt sich jedoch auch auf die Menschenrechte der Deklaration von 1789, da auch diese Freiheitsrechte als Abwehrrechte gegen die öffentliche Gewalt gerichtet sind. 236 Art. 34 Constitution enthält zum einen eine Kompetenzzuweisung an den Gesetzgeber in Abgrenzung zur autonomen Verordnungs gewalt der Regierung gern. Art. 37 Constitution 237 • Zum anderen geht die Vorschrift in ihrer Bedeutung für die 227 Commerce: un magasin est sanctionne pour ne pas avoir traduit en fran~ais les instructions portees sur les etiquettes, in: Le Monde vom 23. 1. 1996. 228 Nelms-Reyes, S. 306 ff. 229 Vgl. dazu im einzelnen unter IV. 7. 230 Nelms-Reyes, S. 306. 231 Beschluß vom 6. 3. 1995, Tribunal de grande instance, Paris, Ref. 52514/95, n° 1/ JP (A.D.C. et Mme Fran~oise Vivier v. La Societe The Disney Store (France), S. A.). 232 Nelms-Reyes, S. 309 a.E., 310. 233 Vgl. dazu die Darstellung unter IV. 4. 234 Vgl. oben Fn. 116. 235 Pontier, Droit de la langue fran~aise, S. 56. 236 Amold, S. 203. 237 "I: Les matieres autres que celles qui sont du domaine de la loi ont un caractere reglementaire.

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Grundrechte über die Funktion einer Zuständigkeitsnorm im deutschen Verfassungsrecht hinaus. Art. 34 Constitution enthält einen Ausgestaltungsauftrag für den Grundrechtsbereich, d. h. der Gesetzgeber muß seine Zuständigkeit gerade für die Grundrechtsverwirklichung nutzen. 238 Bei der Wahrung der Ausgestaltungsaufgabe ist der französische Gesetzgeber an die Verfassung gebunden. 239 Indem der Conseil Constitutionnel dem Gesetzgeber das Recht zugesteht, in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen den Gebrauch der französischen Sprache vorzuschreiben, erkennt er explizit eine gesetzgeberische Kompetenz aus Art. 3411 1 Constitution an. 240 Diese generelle Ermächtigung, den Gebrauch des Französischen durch Gesetze zu regeln, wurde 1994 zum ersten Mal vom Conseil Constitutionnel ausgesprochen. Zwar könnte sich grundsätzlich eine Kompetenz des Gesetzgebers zur Regelung der Sprache auch aus Art. 11 Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 ergeben. 241 Die Deklaration enthält ebenfalls eine Ausgestaltungsaufgabe, die den Gesetzgeber jedoch nicht dazu berechtigt, den Grundrechtsgehalt sachlich zu verkürzen. 242 Nach dem Wortlaut von Art. 11 kann nur dann eine Einschränkung der Ausdrucksfreiheit durch Gesetz fixiert werden, wenn sie dazu dient, den Mißbrauch der Freiheit zu verhindern. Da nicht ersichtlich ist, daß der Gebrauch fremdsprachiger Worte und Ausdrücke einen Mißbrauch der Ausdrucksfreiheit darstellt (vielmehr fallt er unter den Schutzzweck der Norm), scheidet eine Kompetenz zur Regelung der Sprache aus Art. 11 Deklaration aus.

VII. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung Neben der Frage nach einer Gesetzgebungskompetenz ist überlegenswert, ob eine gesetzliche Regelung der französischen Sprache erforderlich ist. An diesem Punkt sollte in Betracht gezogen werden, daß eine Sprache lebt, sich ständig verändert und weiterentwickelt. Wenn sie mit bestimmten Wortern festgeschrieben wird, geht damit immer eine relative "Verarmung" einher. Zumindest wird die Sprache mit ihrem status quo fixiert. Starre Instrumente des "Sprachschutzes" sind daher mit Vorsicht zu genießen, erfolgversprechender sind Instrumente, die sich dem Charakter einer lebenden Sprache anpassen. Maßnahmen im kulturellen Sektor II: Les textes de forme legislative intervenus en ces matieres peuvent etre modifies par decrets pris apres avis du Conseil d'Etat. Ceux de ces textes qui interviendraient apres l' entree en vigueur de la presente Constitution ne pourront etre modifies par decret que si le Conseil constitutionnel a declare qu'ils ont un caractere reglementaire en vertu de 1'alinea precedent." 238 Amold, S. 200 f. 239 Schellenberg, S. 445. 240 Vgl. dazu Pontier, Fn. 235. 241 Vgl. zum Wortlaut des Artikels Fn. 118. 242 Amold, S. 208 a.E., 209. 5 Therne

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Teil 1: Das französische Gesetz zum Schutz der Sprache

bspw. sind flexibler und stärken die Sprache bei den Menschen, von denen sie gesprochen wird. Ein vielfältiges kulturelles Angebot (Theater, Kino, Literatur, Musik, etc.) reicht im Gegensatz zu einer gesetzlichen Regelung direkt an die Menschen heran und gestaltet ihr Verhältnis zur Sprache. Einerseits braucht eine von sich aus reiche und aktuelle Sprache den "kulturellen Imperialismus" einer anderen nicht zu fürchten. Andererseits machen fremdsprachige Einflüsse eine Sprache offener und - insbesondere im europäischen Kontext - zukunftsorientiert. In Anbetracht vorhandener milderer Mittel erscheint es daher nicht erforderlich, auf gesetzliche Regelungen zurückzugreifen. VIII. Art. 10 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Die loi Toubon könnte im Hinblick auf Art. 10 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten 243 problematisch sein. Die Regelungen der Konvention sind direkt anwendbar, so daß sich der französische Bürger auf sie berufen kann. 244 Die Ausdrucksfreiheit des Art. 10 11 Konvention beinhaltet "die Meinungsfreiheit und die Freiheit, Informationen oder Ideen zu empfangen oder mitzuteilen, ohne daß sich öffentliche Autoritäten einmischen und ohne die Berücksichtigung einer Schranke". Gern. Art. 10 11 Konvention müssen für Einschränkungen der Freiheit oder für Sanktionen ihrer Ausübung drei Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst müssen die Einschränkungen oder Sanktionen in einem Gesetz vorgesehen sein. Weiterhin müssen sie den genannten legitimen Zielen dienen (nationale Sicherheit, territoriale Integrität, öffentliche Sicherheit, Verteidigung der Ordnung, Vorbeugung von Verbrechen, Schutz der Gesundheit oder der Moral, etc.). Schließlich müssen die getroffenen Maßnahmen "notwendig in einer demokratischen Gesellschaft" sein. Die loi Toubon schränkt die Ausdrucksfreiheit des einzelnen ein, indem sie die Verwendung der französischen Sprache in unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens vorschreibt. Zwar sind die Einschränkungen der Ausdrucksfreiheit durch Gesetz fixiert. Fraglich ist jedoch, ob ein in Art. 10 11 Konvention gefordertes Ziel verfolgt wird. Die in Art. 1 I loi Toubon vorgesehene Verteidigung der französischen Sprache als "Bestandteil der Persönlichkeit und des Kulturerbes Frankreichs" flillt nicht unter die Ziele des Art. 10 11 Konvention. Zudem müßte es sich bei den Vorschriften der loi Toubon um "notwendige Maßnahmen in einer demokratischen Gesellschaft" handeln. Nach dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist eine Regelung in diesem Sinne "notwendig", wenn sie propor243 ..Toute personne a droit a la liberte d'expression. Ce droit comprend la liberte d'opinion et la liberte de recevoir ou de communiquer des informations ou des idees sans qu'il puisse y avoir ingerence d' autorites publiques et sans consideration de frontiere .... ". 244 Bigot, S. 263.

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tional zu dem mit ihr verfolgten Zweck iSt. 245 Auch wenn eine gesetzliche Regelung geeignet ist, die Sprache zu schützen, sind andere gleich geeignete, mildere Mittel denkbar, die dieses Ziel erreichen können. 246 Maßnahmen der Kulturpolitik bspw. schützen auch die Sprache, sind aber weniger einschneidend. Deshalb ist eine Regelung der Sprache durch Gesetz nicht erforderlich und unproportional. Die loi Toubon genügt den Anforderungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten daher nicht.

245 Case Law of the European Court of Human Rights 1991-1993, S. 83, 86, Rn. 186 (Observer and Guardian); Case Law of the European Court of Human Rights 1960-1987, S. 323, 324, Rn. 661 (Lingens); Case Law of the European Court of Human Rights 19601987, S. 278, 279 f., Rn. 569 (Barthold). 246 Bigot, S. 263.



Teil 2

Die Vereinbarkeit nationaler Sprachvorschriften mit dem EG-Vertrag A. Einführung Das Recht der Europäischen Union enthält kaum sprachenrechtliche Vorschriften. Aus der Rechtsprechung des EuGH und den Mitteilungen der Kommission lassen sich gewisse Grundzüge entnehmen. Zudem sehen einige Verordnungen und Richtlinien des Rats, die eine Harmonisierung der nationalen Gesetzgebungen anstreben, um den gemeinschaftlichen Handel zu vereinfachen, sprachliche Regelungen vor. Diese Regelungen sollen ein Gleichgewicht zwischen den Zielen des freien Verkehrs von Waren und Dienstleistungen (Art. 28, 49 EG) und des Verbraucherschutzes (insbesondere des Schutzes der Gesundheit) herstellen. 247 Im Hinblick auf das französische Sprachenrecht hat sich die Kommission als sehr aufmerksam gezeigt. Sie hat bereits mehrmals die französische Regierung über Regelungen befragt, die nach ihrer Ansicht Handelshemmnisse darstellen könnten, und hat zudem Verfahren eingeleitet, die eine Änderung der französischen Gesetzeslage anstrebten.

I. Die loi Bas-lAurio~ 1975 Bereits das Sprachgesetz von 1975 war in Form eines ministeriellen Runderlasses Gegenstand einer Aufsichtsklage der Kommission gern. Art. 226 EG. 248 In schriftlichen Anfragen vom 22.2. 1983 und vom 10.3. 1983 richteten sich Wedekind und Seefeld an die Kommission, um auf die französische Praxis bei Zolldokumenten und bei Unterlagen, die in Handelsgeschäften verwendet werden, hinzuweisen. 249 Die Kommission wurde gefragt, ob in der französischen Handlungswei247 Rapport au Parlement sur l'application de la loi du 4 aout 1994, 1997, http://www.culture.fr / culture / dglf / garde.htm, arn 23. 7. 1998, S. 18. 248 Endrös. S. 21. 249 Schriftliche Anfragen Nr. 2241 /82 von Herrn Wedekind und Nr. 2319/82 von Herrn Seefeld an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, ABlEG 1983, Nr. C 212, S. 5. Ähnliche Anfragen wurden von Friedrich, Schriftliche Anfrage Nr. 2401/82 an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, ABlEG 1983, Nr. C 212, S. 10 f., und von Rogalla,

A. Einführung

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se eine Beeinträchtigung des freien Waren verkehrs in der Europäischen Gemeinschaft zu sehen sei und welche Maßnahmen die Kommission ergreifen werde. In der Antwort stellte Narjes im Namen der Kommission fest, daß der französische Runderlaß vom 20. 10. 1982 Folgen für den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten haben könne. 25o Deshalb leitete die Kommission am 9. 11. 1982 eine Aufsichtsklage gern. Art. 226 EG gegen die französische Regierung ein. Die französische Zollverwaltung erließ daraufhin einen Verwaltungs beschluß, der die von den Autoren der Anfragen gerügte Praxis abmilderte. 251 Zwar mußten Zollanmeldungen zum freien Verkehr auch weiterhin in Französisch abgefaßt sein. Die beigefügten Dokumente jedoch, die für die Abfertigung erforderlich sind (bspw. Rechnungen, Versandpapiere, Warenverkehrsbescheinigungen, Beförderungspapiere und Handelskorrespondenz), konnten in einer Fremdsprache abgefaßt sein. Im Bedarfsfall konnten die Zollbehörden lediglich eine freie Übersetzung verlangen; nur im Streitfall mußten die Schriftstücke amtlich übersetzt werden. Für Angaben, die mit der Ware verbunden sind, die aber nicht für die Abfertigung erforderlich sind (bspw. Etiketten, Verpackungen und Gebrauchsanweisungen), galten die Bestimmungen der loi Bas-Lauriol. Diese mußten aber erst im Zeitpunkt der Vermarktung und nicht schon bei der Abfertigung erfüllt sein. Nachdem die französische Regierung im Anschluß auf Anfrage der Kommission Stellung genommen und das modifizierte Zoll verfahren erläutert hatte, wurde das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt. 252 Die Kommission war zu der Ansicht gelangt, daß das damalige Gesetz nach dem Verwaltungsbeschluß der Zollbehörden europarechtskonform ausgelegt werden konnte, sofern in der Praxis nicht anders verfahren wurde?53 Die loi Bas-Lauriol wurde als vereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht angesehen.

11. Die loi Toubon, 1994 1995 hat die Kommission mehrere Anfragen zur Anwendung der loi Toubon an Frankreich gerichtet. 254 Schon von dem Berichterstatter des Gesetzes, Legendre, wird erwähnt, daß die Sprachgesetzgebung möglicherweise gegen den Grundsatz

Schriftliche Anfrage Nr. 1032/83 an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, ABlEG 1983, Nr. C 359, S. 11, an die Kommission herangetragen. 250 Gemeinsame Anwort von Herrn NaIjes im Namen der Kommission auf die schriftlichen Anfragen Nm. 2241/82 und 2319/82 vom 6.6.1983, ABlEG 1983, Nr. C 212, S. 5, 6. 251 Amtliches Miueilungsblau der Zollverwaltung, Nr. 4332 vom 13.4. 1983, zitiert nach: Gemeinsame Antwort von Herrn NaIjes im Namen der Kommission auf die schriftlichen Anfragen Nm. 2241/82 und 2319/82 vom 6.6.1983, ABlEG 1983, Nr. C 212, S. 5, 6. 252 McCarthy / Mercer, S. 309. 253 Vgl. dazu Fn. 250, S. 6. 254 Rapport au Parlement sur I'application de la loi du 4 aoilt 1994, Fn. 247, S. 20 f.

70

2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

des freien Warenverkehrs aus Art. 28 EG verstößt. 255 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Wortlaut des Art. 1 11 loi Toubon, nach dem Französisch die Sprache ist, "die ... , beim Austauschverkehr (im Handel) ... zu verwenden ist." Am 18. 10. 1995 richtete Schmid eine schriftliche Anfrage an die Kommission?56 Darin fragt er, ob die Regelungen der loi Toubon ein nichttarifäres Handelshemmnis darstellen, welches mit den Regeln des Binnenmarktes nicht vereinbar ist, da es in der Praxis die gleiche Wirkung entfaltet wie viele technische Normen. Er fragt außerdem, was die Kommission dagegen unternehmen will und was die Kommission unternehmen würde, wenn andere Staaten analoge Gesetze erließen. In der Antwort vom 30. 11. 1995 257 wird bestätigt, daß Vorschriften, welche die Verwendung einer bestimmten Sprache in den Geschäftsbeziehungen zwischen Wirtschaftsbeteiligten vorschreiben und nicht aus Griinden des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sind, ein Handelshemmnis i.S.v. Art. 28 EG darstellen können. Gelte eine solche Verpflichtung auch für den Verkauf an den Endverbraucher, so wäre sie unverhältnismäßig und verstieße gegen Art. 28 EG. Zu der französischen loi Toubon seien bereits mehrere Beschwerden eingegangen, die von der Kommission i.R.e. Vertragsverletzungsverfahrens gern. Art. 226 EG untersucht würden. Darin werde überpriift, ob Auslegung und Anwendung des Gesetzes mit den Art. 28 bis 30 EG vereinbar sind?58 Monti verweist in der Antwort auf eine Mitteilung der Kommission über die Verwendung der Sprachen beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln. 259 Die darin aufgestellten Grundsätze seien auch auf andere Produkte anwendbar. Zudem bezieht er sich auf eine Mitteilung der Kommission, die den Gebrauch der Sprachen zur Information des Verbrauchers betrifft. 260 Nach einer Intervention der französischen Regierung 261 hat die Kommission am 10. 11. 1993 eine Mitteilung an den Rat und das Parlament geschickt, in der sie Rapport de Jacques Legendre, S. 16. Schriftliche Anfrage E-2833/95 von Herrn Schmid (PSE) an die Kommission, ABlEG 1996, Nr. C 56, S. 45. 257 Antwort von Herrn Monti im Namen der Kommission, ABlEG 1996, Nr. C 56, S. 45. 258 Am 29. 9. 1999 wurde mir von der Kommission, Generaldirektion 15 (Binnenmarkt und Finanzdienste), mitgeteilt, daß der Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Anwendung der loi Toubon von den Dienststellen der Kommission für "angemessen" erklärt worden sei. Nach dem Inkrafttreten des Erlasses seien keine Beschwerden mehr eingegangen, so daß der Fall hätte eingestellt werden können. 259 Mitteilung der Kommission über die Verwendung der Sprachen beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Auslegung der Rechtsvorschriften) im Anschluß an das Urteil ,,Peeters", ABlEG 1993, Nr. C 345, S. 3 ff. 260 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Parlament betreffend den Gebrauch der Sprachen zur Information des Verbrauchers in der Europäischen Gemeinschaft, Dok. KOM (93) 456 endg., S. 1 ff. 261 Der Senat hatte im Juni 1993 gern. Art. 88 - 4 Constitution eine Resolution verabschiedet, die die französische Regierung dazu aufforderte, sich der Einführung einer entsprechenden Formulierung in eine andere Richtlinie zu widersetzen, Proposition de directive du Conseil concemant les OPCVM, Journal Officiel, Senat, C. R., 1993, S. 1833 ff. 255

256

B. Der freie Warenverkehr

71

explizit anerkennt, daß "... den Mitgliedstaaten nach dem Subsidiaritätsprinzip eine essentielle Verantwortung zu(fällt)", " ... , in den Rechtsvorschriften den Gebrauch der Sprache(n) des Landes, in dem der Verbrauch stattfindet, zu gewährleisten. ,,262 Die beiden Mitteilungen werden im folgenden noch näher behandelt.

Im zweiten Teil der Arbeit soll untersucht werden, wie weit nationale Sprachregelungen in Europa gehen können, ohne gegen die Vorschriften des EG-Vertrags zu verstoßen. Gern. Art. 3 I c) EG ist es Ziel der Gemeinschaft, einen Binnenmarkt zu errichten, in dem die Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten beseitigt sind. Nationale Sprachregelungen können dagegen protektionistischen Zielen dienen und für den Binnenmarkt Handelshemmnisse darstellen. Anhand der Warenverkehrsfreiheit gern. Art. 28 EG und der Dienstleistungsverkehrsfreiheit gern. Art. 49 I EG wird gepriift, welche Grenzen der EG-Vertrag für derartige Sprachregelungen aufstellt.

B. Der freie Warenverkehr Der freie Warenverkehr ist im dritten Teil des EG-Vertrags, Die Politiken der Gemeinschaft, unter einem eigenen Titel (Titel I, Der freie Warenverkehr) geregelt. Aus dieser systematischen Stellung wird bereits die Bedeutung sichtbar, die der freie Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union hat. Gern. Art. 2, 3 I a) und c), 1411 EG ist der freie Verkehr von Waren eine Voraussetzung für den Binnenmarkt. Die beiden Grundpfeiler des freien Warenverkehrs sind das Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung aus Art. 25 EG (Kapitell) und das Verbot von mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung aus Art. 28 EG und Art. 29 EG (Kapitel 2).263 Im folgenden soll das Augenmerk auf das praxisrelevantere Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung gerichtet sein. Art. 28 EG dient dem europäischen Integrationsprozeß, indem er eine möglichst umfassende, grenzüberschreitende Wahrnehmung der Privatautonornie im Bereich des Imports (Warenhandel und Warennachfrage) ermöglicht. 264 Art. 28 EG dient in diesem Binnenmarkt dazu, das Herkunftsstaatsprinzip durchzusetzen. 265 Dies erfordert keine binnenmarktweite Rechtsvereinheitlichung, allerdings müssen Waren, die in einem Mitgliedstaat nach den dort geltenden Vorschriften rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, auch in einem anderen Mitgliedstaat vermarktet werden können.

262

Vgl. dazu Fn. 260, S. 17.

264

Lux. in: Lenz. Art. 30, Rn. 1. Müller-Graf!. in: Groeben/Thiesing / Ehlermann. Art. 30, Rn. 2.

265

Mülbert. S. 20.

263

72

2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

Neben der Garantie auf primärrechtlicher Ebene ist der freie Warenverkehr in einigen Bereichen durch den Rat, die Kommission und das Parlament harmonisiert worden, d. h. es sind sekundärrechtliche Regelungen (Verordnungen und Richtlinien) ergangen, die das unterschiedliche nationale Recht vereinheitlichen sollen. In einern solchen Fall sind Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten nur noch zulässig, wenn die Harmonisierung nicht vollständig (abschließend) ist. 266 Die in Frage stehenden nationalen Vorschriften sind dann nicht am Primärrecht, 267 sondern am sachnäheren Sekundärrecht zu messen.

I. Begriff der Warenverkehrsfreiheit Art. 3 I c) EG nennt die Freiheit des Warenverkehrs als erste der vier Grundfreiheiten des Binnenmarkts. Seit dem Ablauf der Übergangszeit (31. 12. 1969) gilt die Freiheit unmittelbar,268 d. h. der einzelne Unionsbürger kann sich direkt auf sie berufen und sein Recht gerichtlich durchsetzen. 269 Sie verleiht dem Betroffenen ein subjektives Abwehrrecht und besitzt grundrechtsähnliche Qualität. 27o Jeder Unionsbürger hat das Recht, ungehindert von mengenmäßigen Beschränkungen der Mitgliedsstaaten sowie von Maßnahmen, die die gleiche Wirkung besitzen, im europäischen Binnenmarkt Handel zu treiben sowie Produkte und Güter angeboten zu bekommen. Sowohl die positive als auch die negative Ausübung der Grundfreiheit ist geschützt. Adressat des Art. 28 EG sind die Mitgliedstaaten, erfaßt werden alle staatlichen Maßnahmen 271 (auch Regierungsakte ohne zwingenden Charakter sowie Verwaltungspraktiken)272. Art. 28 EG hat in der Praxis eine überragende Bedeutung. Dies zeigt sich sowohl an der Anzahl der Entscheidungen des EuGH wie auch an den Verfahren der Kommission, die die Auslegung und Anwendung der Vorschrift behandeln. 273 Die zur Freiheit des Warenverkehrs ergangenen Entscheidungen des EuGH waren zum Teil richtungsweisend für das gesamte Gemeinschaftsrecht. 274

266 267 268 269 270 27l

272 273 274

Becker, 65, 72. Geiger, Art. 28, Rn. 3. Lux, in: Lenz. Art. 30, Rn. 6. Oppermann, EuropaR, Rn. 1290. Becker, S. 70. Hailbronner, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-Graf!, Art. 30, Rn. 3. EuGH, Sig. 1982,4005,4022 f., Rn. 25 ff. (Buy Irish). Müller-Graf!, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30, Rn. 4. Becker, S. 65.

B. Der freie Warenverkehr

73

11. Dogmatik der Art. 28, 30 EG 1. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen i.S.v. Art. 28 EG

Durch eine mengenmäßige Beschränkung wird die Einfuhr von Waren der Menge oder dem Wert nach begrenzt oder verboten. 275 Kontigentierungen der Einfuhr bzw. deren Verbote wurden innerhalb der Übergangszeit von den Mitgliedstaaten abgebaut,276 so daß der erste Fall des Art. 28 EG heute keine praktische Bedeutung mehr hat. 277

2. Maßnahmen gleicher Wirkung i.S.v. Art. 28 EG

Ebenso wie der Begriff der mengenmäßigen Beschränkungen ist der Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung im EG-Vertrag nicht definiert. Allerdings ist der unbestimmte Rechtsbegriff der Maßnahmen gleicher Wirkung entgegen dem klaren Tatbestand der mengenmäßigen Beschränkungen schwer zu definieren und abzugrenzen. 278 Dabei sind die Erfordernisse des freien Warenverkehrs und das Bedürfnis der Mitgliedstaaten, diesen zugunsten von Allgemeininteressen zu beschränken, miteinander auszugleichen. 279 Die Kommission hatte gern. Art. 33 VII EGVa.F. zunächst fünf Richtlinien erlassen,280 in denen Maßnahmen gleicher Wirkung in Fallkatalogen aufgezählt waren. In der Richtlinie 70150/EWG 281 unterscheidet die Kommission zwischen Regelungen, die Einfuhren gegenüber dem Absatz der inländischen Erzeugnisse erschweren, verteuern oder benachteiligen (Art. 2 I und 11), Seit EuGH, Slg. 1968, 633, 644 (Kommission./.ltalienische Republik), ständige Rspr. Oppennann, EuropaR, Rn. 1290. 277 Streinz, Rn. 730. 278 Oppennann, EuropaR, Rn. 1291. 279 Dubach, S. 597. 280 Richtlinie 70150 I EWG gestützt auf die Vorschrift des Artikels 33 Absatz 7 über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, die nicht unter andere auf Grund des EWG-Vertrags erlassene Vorschriften fallen, ABlEG 1970, Nr. L 13, S. 29 ff.; Richtlinie 70/321 EWG über die Lieferung von Waren an den Staat, seine Gebietskörperschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, ABlEG 1970, Nr. L 13, S. 1 ff.; Richtlinie 66/683/EWG für die Beseitigung jeder unterschiedlichen Behandlung zwischen inländischen Waren und den gemäß Art. 9 und 10 des Vertrages zum freien Verkehr zuzulassenden Waren auf Grund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die die Verwendung der genannten eingeführten Waren untersagen und die Verwendung inländischer Waren vorschreiben oder eine Vergünstigung von einer solchen Verwendung abhängig machen, ABlEG 1966, S. 3748 f.; Richtlinie 66/682/EWG für die Aufhebung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die die Einfuhr einer gemäß Art. 9 und 10 des Vertrages zum freien Verkehr zuzulassenden Ware von der Ausfuhr, dem Erwerb oder dem Verkauf der gleichen oder einer anderen inländischen Ware abhängig machen, ABlEG 1966, S. 3745 f.; Richtlinie 64/486/EWG betreffend die fortschreitende Beseitigung des Einfuhrkalenders für Kartoffeln in der Bundesrepublik Deutschland, ABlEG 1964, S. 2253 f. 281 ABlEG 1970, Nr. L 13,29,30 f. 275

276

74

2. Teil: Nationale Sprachyorschriften und der EG-Vertrag

und Regelungen, die unterschiedslos anwendbar sind (Art. 3). Die in Art. 2 Richtlinie 70/50/ EWG genannten Regelungen sind stets Maßnahmen gleicher Wirkung, während die unterschiedslos anwendbaren Regelungen dies gern. Art. 3 S. 1 Richtlinie 70/50/ EWG nur sind, wenn die beschränkende Wirkung über das ihnen immanente Maß hinausgeht. Keine von diesen Richtlinien enthielt eine abstrakte Definition, so daß die Aufzählungen stets zu eng gefaßt waren. 282 Die daran anschließende Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung läßt sich grob skizzieren. Zunächst nimmt der EuGH 1974 in der Dassonville-Formel eine extensive Begrifflichkeit der Maßnahmen gleicher Wirkung an. Im Anschluß stellt er im Cassis de Dijon-Urteil von 1979 klar, daß das Verbot der Maßnahmen gleicher Wirkung nicht nur bei diskriminierenden, sondern auch bei unterschiedslos geltenden Regelungen anwendbar ist, und dehnt damit das von der Kommission zunächst aufgestellte Diskriminierungsverbot zu einem Behinderungsverbot aus. Parallel zum Anwendungsbereich des Verbots werden in diesem Urteil auch die Rechtfertigungsmöglichkeiten für Beschränkungen des freien Warenverkehrs erweitert. Schließlich wählt der EuGH 1993 im Fall Keck/ Mithouard den entgegengesetzten Weg einer teleologischen Reduktion, um den Anwendungsbereich des Verbots für unterschiedslos geltende Regelungen wiederum einzuschränken.

a) Die Dassonville-Formel Nach der Dassonville-Formel vom 11. 7. 1974 ist eine Maßnahme gleicher Wirkung ,Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ... ".283 Der Begriff der Handelsregelung umfaßt dabei jede nationale Maßnahme, die objektiv auf den Warenverkehr einwirkt, eines handelspolitischen Zwecks bedarf es nicht. 284 Eine Behinderung ist jede negative Beeinflussung der Einfuhren, wobei auch nationale Vermarktungsvorschriften, die unterschiedslos gelten, einfuhrbehindernd sein können, wenn sie für nationale Produkte Schutzwirkungen entfalten, indem sie diese begünstigen und Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligen. 285 Es ist nicht erforderlich, daß die Handelsbeeinträchtigung gerade beim Grenzübertritt oder bei der Abfertigung zum freien Verkehr in Erscheinung tritt; eine Behinderung kann auch dann vorliegen, wenn ein bestimmtes Erfordernis erst auf der Einzelhandelsstufe zu erfüllen ist. 286 Eine mitSchweitzer/Hummer; Rn. 1114 f. EuGH, Slg. 1974,837,852, Rn. 5 (Dassonyille). 284 EuGH, Slg. 1978, 1935 (Joh. Eggers Sohn & Co.); EuGH, Slg. 1975,843,858, Rn. 3 (Rewe-Zentralfinanz GmbH); EuGH, Slg. 1975, 47, 62, Rn. 15 (Filippo Galli); EuGH, Slg. 1974,1123,1134, Rn. 13/17 (yan Haaster). 285 Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30, Rn. 27 f. 286 Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30, Rn. 30. 282 283

B. Der freie Warenverkehr

75

telbare Behinderung des Handels liegt vor, wenn eine Maßnahme nicht auf eine Einfuhrbeschränkung gerichtet ist (nicht unmittelbar kausal), im Ergebnis jedoch zu einer solchen führt (z. B. können Werbebeschränkungen im Einfuhrland dazu führen, daß die Importe eines Produkts zurückgehen).287 Für eine potentielle Behinderung des Handels reicht die Möglichkeit bzw. Eignung zur Behinderung aus, ohne daß diese tatsächlich vorliegen oder nachgewiesen werden muß. 288 Diese weite Auslegung des Verbots der Maßnahmen gleicher Wirkung diente dazu, die Europäische Integration gegen protektionistische Maßnahmen einzelner Staaten voranzutreiben. In den modernen Industriestaaten ist die Erzeugung und Distribution von Waren umfassend reglementiert, und diese Reglementierung wird häufig dazu verwendet, die internationalen Handelsströme zu steuern. 289 Der EuGH wollte durch die weitreichende unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 28 EG den Binnenmarkt fördern 290 und sah sich als "Motor der Integration". Jede nationale Maßnahme, die im entferntesten mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs in Konflikt geraten könnte, konnte unter den Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung subsumiert werden. Ungeklärt war zunächst noch, ob nur diskriminierende oder auch unterschiedslos anwendbare Regelungen als Maßnahmen gleicher Wirkung angesehen werden konnten. Durch die weite Dassonville-Formel des EuGH war die Struktur der Art. 28, 30 EG in eine Schieflage geraten. Dem weiten Anwendungsbereich der Vorschrift standen die geringen Einschränkungsmöglichkeiten des Art. 30 EG gegenüber, die zwar den sozialen und politischen Anforderungen im Zeitpunkt der Gründungsverträge 1957 entsprachen, jedoch neuen Anforderungen des Allgemeininteresses (Verbraucherschutz, Umweltschutz, Lauterkeit des Handelsverkehrs, etc.) nicht mehr gerecht wurden. Deshalb paßte der EuGH 1979 die Einschränkungsmöglichkeiten des Art. 28 EG den tatsächlichen Bedürfnissen an und klärte die Anwendbarkeit der Dassonville-Formel für unterschiedslos geltende Regelungen. b) Die Cassis de Dijon-Formel

In seinem Urteil vom 20.2. 1979291 stellt der EuGH grundsätzlich fest, daß die Mitgliedstaaten die Herstellung und Vermarktung von Waren auf ihrem Hoheitsgebiet regeln können, solange es keine abschließende gemeinschaftliche Regelung (vollständige Harmonisierung) des Regelungsbereichs gibt. Allerdings müssen die sich daraus ergebenden Handelshemmnisse nur dann hingenommen werden, wenn

290

Dubach, S. 597, Fn. 23. Dubach, S. 597, Fn. 24. Beutler/Bieber/Pipkom/Streil, S. 295. Steindorff, S. 153.

291

EuGH, Slg. 1979,649 ff. (Cassis de Dijon).

287 288 289

76

2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

sie 1) unterschiedslos für eingeführte und einheimische Waren gelten und wenn 2) die nationalen Regelungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden (insbesondere solchen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes).292 Weiterhin müssen die nationalen Regelungen 3) verhältnismäßig sein (Zweck-Mittel-Relation)?93 Daß auch unterschiedslos geltende nationale Regelungen vom Verbot der Maßnahmen gleicher Wirkung erfaßt werden können, ergibt sich aus dem Schutzzweck der Grundfreiheit. 294 Unterschiedslos geltende nationale Vorschriften, an die sich die inländische Wirtschaft längst angepaßt hat, können für EG-Ausländer eine faktische Zugangssperre bilden. Sie können mit der gleichen Intensität auf Importe aus dem EG-Ausland einwirken wie unterschiedlich anwendbare Regelungen. Deshalb werden auch sie vom Tatbestand des Art. 28 EG erfaßt. Der Katalog der zwingenden Erfordernisse ist nicht abschließend295 ("insbesondere"). In nachfolgenden Urteilen hat der EuGH den Umweltschutz296 und implizit auch kulturelle Zwecke297 als zwingende Erfordernisse anerkannt. Es muß sich jedoch wie bei Art. 30 EG um Erfordernisse nicht-wirtschaftlicher Art handeln. 298 Die dogmatische Einordnung der vom EuGH entwickelten "zwingenden Erfordernisse" ist unklar. Die darin enthaltene Rechtsgüterabwägung zwischen dem Vertragsziel eines einheitlichen europäischen Binnenmarkts und den Schutzinteressen der Mitgliedstaaten ist auf verschiedenen Ebenen möglich. Entweder führt das Vorliegen zwingender Erfordernisse als negative Tatbestandsmerkmale zu einem Tatbestandsausschluß oder die zwingenden Erfordernisse konkretisieren Art. 30 EG auf Rechtfertigungsebene. Der EuGH sieht die "zwingenden Erfordernisse" als immanente Schranke des Verbots der Maßnahmen gleicher Wirkung an. 299 Der Rechtfertigungsgrund sei bei Art. 28 EG selbst angesiedelt, die zwingenden Erfordernisse bildeten negative TatEuGH, Fn. 291, S. 662, Rn. 8. EuGH, Fn. 291, S. 664, Rn. 14. 294 Arndt, S. 470. 295 Matthies/von Borries, in: Grabitz/Hilf, Art. 30, Rn. 19. 296 EuGH, Slg. 1992, 1-4431, 4479, Rn. 32 (Kommission.! .Belgien); EuGH, Slg. 1988, 4607, 4630, Rn. 9 (Kommission. / .Dänemark). 297 EuGH, Slg. 1985,2605,2626, Rn. 22 f. (Cinetheque). Ablehnend Beutler/Bieber/Pipkom/Streil, S. 296, unter Bezugnahme auf EuGH, Slg. 1985, 1-1, 35, Rn. 28 ff. (Lec1erc). Die Ansicht geht jedoch fehl, da das Urteil diskriminierende Regelungen betrifft, die nur nach Art. 30 S. 1 EG gerechtfertigt werden können. Von Art. 30 S. 1 EG sind kulturelle Zwecke nicht erfaßt. 298 Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30, Rn. 85. 299 EuGH, Slg. 1997,1-3689, 3714, Rn. 13 (Farniliapress); EuGH, Slg. 1990, 1-667, 689, Rn. 19 (GB-INNO-BM); EuGH, Slg. 1987, 1227, 1270 ff., Rn. 28 ff., 1272, Rn. 37 (deutsches Reinheitsgebot für Bier); EuGH, Slg. 1980, 3839, 3853 f., Rn. 9 ff., 3854 f., Rn. 14 (Fietje); EuGH, Slg. 1979,649,662, Rn. 8 (Cassis de Dijon). 292 293

B. Der freie Warenverkehr

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bestandsmerkmale, bei deren Vorliegen bereits der Tatbestand des Art. 28 EG nicht erfüllt ist. Der Gerichtshof nimmt diese Einordnung vor, da er immer wieder betont hat, Art. 30 EG sei als eng auszulegender Ausnahmetatbestand zu verstehen, in dem die Ausnahmen vom Verbot der Maßnahmen gleicher Wirkung abschließend aufgezählt seien. 3OO Nach dieser Auffassung entfällt schon der Tatbestand einer Maßnahme gleicher Wirkung. In der Literatur überwiegen demgegenüber die Stimmen, die die Rechtfertigung einer Handelsbeschränkung aus zwingenden Erfordernissen als eine Konkretisierung von Art. 30 EG ansehen. 301 In die unbestimmten Rechtsbegriffe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung könnten die nationalen Schutzgüter (Verbraucherschutz, Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs, etc.) integriert werden, ohne daß dies eine unzulässige Auslegung des Wortlauts sei. 302 Die zwingenden Erfordernisse werden dabei als Rechtfertigungsgrund angesehen,303 der ähnlich wie Art. 30 EG geprüft wird. Die dogmatische Einordnung des EuGH als immanente Schranken der Warenverkehrsfreiheit sei auch deshalb nicht überzeugend, da sie sich zu sehr an der Grundrechtsdogmatik des BVerfG orientiere. 304 Im Ergebnis liegt zwar eine Maßnahme gleicher Wirkung vor, diese ist jedoch gerechtfertigt. Die dogmatische Einordnung durch den EuGH ist kritisierbar. Auch wenn der Gerichtshof die zwingenden Erfordernisse als immanente Schranken des Art. 28 EG ansieht, prüft er sie im Einzelfall nach demselben Verfahren und kommt zu demselben Ergebnis wie bei Art. 30 EG (insbesondere prüft er ihre Verhältnismäßigkeit)305. Bilden die zwingenden Erfordernisse aber negative Tatbestandsmerkmale, so ist bereits der Tatbestand des Art. 28 EG nicht erfüllt, auf die VerhäItnismäßigkeit der Maßnahme kommt es nicht an. Es ist daher dogmatisch sauberer, gleich von einer Konkretisierung des Art. 30 EG auszugehen und die zwingenden Erfordernisse analog zu prüfen. In letzter Zeit scheint sich der Gerichtshof tendenziell gegen eine Unterscheidung zwischen der Nichterfüllung des Tatbestands bzw. der Rechtfertigung des Eingriffs bei dem Vorliegen zwingender Allgemeininteressen zu wenden. 306 In einem Urteil vom 9. 7. 1997 stellt er zwingende Erfordernisse Bspw. in EuGH, Sig. 1981, 1625, 1638, Rn. 7 (Kommission.I.Irland). Schilling, Rechtsfragen zu Art. 30 EGV, S. 52 f. Feze" S. 320, differenziert und ordnet nur Verbotsnormen, die subjektive Rechte schützen, Art. 30 EG zu. Dubach, S. 598, geht davon aus, daß die zwingenden Erfordernisse mittels teleologischer Extension von Art. 30 EG gewonnene neue Rechtfertigungsgründe sind. Dagegen für eine teleologische Reduktion des Art. 28 EG bei unterschiedslos geltenden Vorschriften, die aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sind: Möschel, S. 430, sowie Arndt, S. 470. 302 Odendahl, S. 21. 303 ]arass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 224 f. 304 Arndt, S. 470. 30S EuGH, Sig. 1997,1-3689,3715 f., Rn. 18 ff. (Farniliapress); EuGH, Sig. 1990,1-3647, 3666, Rn. 17 ff. (Nespoli und Crippa); EuGH, Sig. 1988,4607, 4629 f., Rn. 6 ff., 4630 ff., Rn. 12 ff. (Kommission.I.Dänemark); EuGH, Sig. 1979,649,664, Rn. 14 (Cassis de Dijon); Schilling, Rechtsfragen zu Art. 30 EGV, S. 52 f. 306 Hirsch, S. 511. 300

301

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und die ausdrücklichen Rechtfertigungsgriinde des Art. 30 S. 1 EG gleich. 307 In einem weiteren Urteil vom 26. 6. 1997 werden die zwingenden Erfordernisse sogar ausdriicklich als Rechtfertigungsgrund bezeichnet. 308 Es zeichnet sich daher eine Umorientierung des Gerichtshofs ab, in der er sich der Literatur annähert. Mit dem Cassis de Dijon-Urteil ist der EuGH über das Prinzip der Gleichbehandlung von Inlands- und Importwaren im Bestimmungsstaat (Bestimmungsstaatsprinzip) hinausgegangen. 309 Es gilt nun vielmehr das Herkunftsstaatsprinzip, nach dem inländische Vorschriften hinsichtlich einer Ware zurücktreten müssen, die bereits den Vorschriften des Mitgliedsstaats genügt, aus dem sie importiert wurde. Die Vorschriften des Bestimmungsstaats gelten einschränkungslos nur noch für Inlandswaren. Zwar stellt die Cassis-Rechtsprechung einen konstruktiven Ausweg aus dem zu weiten Verbotskreis der Dassonville-Formel dar?10 In einzelnen Fällen hat der EuGH dennoch versucht, den durch die Dassonville- und die CassisFormel entstandenen weiten Anwendungsbereich des Art. 28 EG einzuschränken. 31l Die dabei zu beobachtende Widerspriichlichkeit und mangelnde begriffliche Konsequenz hat jedoch zu Rechtsunsicherheit geführt. Aufgrund einer Flut von Verfahren, die gegen alle erdenklichen Arten von Regelungen geführt wurden, welche häufig kaum im Zusammenhang mit einer Handelsbeschränkung standen, sah sich der EuGH veraniaßt, die bisherige Rechtsprechung weiterzuentwickeln. 312

EuGH, Slg. 1997,1-3875,3891, Rn. 45 (de Agostini). EuGH, Slg. 1997,1-3689,3690, Rn. 2, 3698, Rn. 12 (Familiapress). 309 Geiger, Art. 28, Rn. 16. 310 So auch Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30, Rn. 81. 3ll Zum einen schließt der Gerichtshof Vorschriften mit rein hypothetischen Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 EG aus, EuGH, Slg. 1993,1-2361,2390, Rn. 21 (Yves Rocher). Zum anderen verneint der Gerichtshof den Zusammenhang zwischen nationalen Regelungen und dem innergemeinschaftlichen Warenverkehr: EuGH, Slg. 1990, 1-3059, 3081, Rn. 11 (Quietlynn und Richards); EuGH, Slg. 1982, 1211, 1229, Rn. 9 (Blesgen). In einer weiteren Fallgruppe setzt der Gerichtshof finale Kriterien ein, um zu einem Tatbestandsausschluß zu gelangen, EuGH, Slg. 1990,1-583, 597, Rn. 10 (Krantz) "Die ... nationale Rechtsvorschrift ... soll nicht den Warenverkehr ... regeln" und EuGH, Slg. 1985,2605,2626, Rn. 21 (Cinetheque) " ... , daß eine derartige Regelung ... keine Lenkung der Handelsströme bezweckt ... ". Abschließend lehnt der Gerichtshof eine Handelsbeschränkung ab, indem er betont, daß die Verwirklichung eines Hindernisses zu ungewiß und von nur mittelbarer Bedeutung für den Warenverkehr sei, EuGH, Slg. 1993,1-5009,5021, Rn. 12 (CMC Motorradcenter) und EuGH, Slg. 1990,1-583, 597, Rn. 11 (Krantz). In der Sache handelt es sich bei diesen Versuchen, den Tatbestand des Art. 28 EG einzuschränken, um die Einführung einer Spiirbarkeitsgrenze, bei deren Unterschreitung keine Beschränkung des Handels vorliegt, lestaedtlKästle, S. 28. 312 In einer Mitteilung der Kommission über die Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120178 ("Cassis de Dijon"), ABlEG 1980, Nr. C 256, S. 2 f., entwirft die Kommission einen neuen Ansatz zur Rechtsangleichung im Binnenmarkt. Nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung sind in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und vennarktete Erzeugnisse auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats auch dann zuzulassen, wenn in beiden Staaten unterschiedliche 307 308

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c) Das Urteil Keck I Mithouard In dem Urteil KecklMithouard vom 24. 11. 1993 313 hat der EuGH seine Rechtsprechung im Hinblick auf den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung geändert. Er hat "entgegen der bisherigen Rechtsprechung" festgestellt, daß "nationaleer) Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten" dann nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, wenn sie 1) "für alle betroffenen Wirtschafts teilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben" und 2) "den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren".314 Für unterschiedslos geltende Maßnahmen konkretisiert der EuGH die Dassonville-Formel damit wie folgt: Während bei produktbezogenen Regelungen (hinsichtlich der Bezeichnung, der Form, der Abmessungen, des Gewichts, der Zusammensetzung, der Aufmachung, der Etikettierung und der Verpackung des ProduktS)315 Art. 28 EG weiterhin einschlägig ist, fallen absatzbezogene Regelungen (hinsichtlich des Zeitpunkts sowie der Art und Weise des Verkaufs - nicht das "Ob" des Marktzugangs, sondern das "Wie" des Verkaufs)316 nicht länger unter den Tatbestand des Art. 28 EG. Absatzbezogene Regelungen, die reine Verkaufsmodalitäten enthalten, sind keine Maßnahmen gleicher Wirkung und bedürfen daher keiner Rechtfertigung. Maßgebliches Kriterium dafür ist, daß solche Regelungen den ,,Marktzugang" für Produkte aus anderen Mitgliedstaaten nicht stärker versperren oder behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun. 317 Insgesamt bestehen vier Kategorien von Regelungen, die rechtlich unterschiedlich beurteilt werden. Absatzbezogene Regelungen, die unterschiedslos anwendbar sind, fallen nicht unter den Tatbestand des Art. 28 EG (Urteil KeckIMithouard). Absatzbezogene Regelungen, die diskriminierend sind, fallen unter den Tatbestand des Art. 28 EG, können aber aus Art. 30 EG gerechtfertigt sein. Produktbezogene Regelungen, die unterschiedslos anwendbar sind, fallen unter den Tatbestand des Art. 28 EG, können jedoch aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein (weiterentwickelte Cassis-Rechtsprechung). Ist dies nicht der Fall, so können sie immer noch aus Art. 30 EG gerechtfertigt sein. Produktbezogene Regelungen, die diskriminierend sind, fallen unter den Tatbestand des Art. 28 EG, können aber aus Art. 30 EG gerechtfertigt sein.

Regelungen gelten. Infolgedessen treten Maßnahmen der Rechtsangleichung hinter das Subsidiaritätsprinzip zuriick. 313 EuGH, Slg. 1993,1-6097 ff. 314 EuGH, Fn. 313, S. 6131, Rn. 16. 315 EuGH, Fn. 313, S. 6131, Rn. 15. 316 Arndt, S. 473. 317 EuGH, Fn. 313, S. 6131, Rn. 17.

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Der EuGH führt selbst die Motivation seiner geänderten Rechtsprechung an: "Da sich die Wirtschafts teilnehmer immer häufiger auf Art. 30 EWGV berufen, um jedwede Regelung zu beanstanden, die sich als Beschränkung ihrer geschäftlichen Freiheit auswirkt, auch wenn sie nicht auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten gerichtet ist, hält es der EuGH für notwendig, seine Rechtsprechung auf diesem Gebiet zu überprüfen und klarzustellen.,,318 Die neue Rechtsprechung bezweckt, Art. 28 EG nicht mehr zum Maßstab aller wirtschafts-, verbraucher- und sozialpolitisch motivierten Bestimmungen zu machen, um so mitgliedstaatliche Regelungen wieder vorrangig anhand ihrer Auswirkungen auf den Import von Waren zu beurteilen. 319 Das Echo zu der Entscheidung Keck/ Mithouard in der Literatur ist sehr vielfältig. Einige werfen dem Gerichtshof vor, das Urteil sei zu wenig begründet und stifte daher Verwirrung und Rechtsunklarheit. 320 Scharfe Kritikpunkte sind die fehlende Definition des unbestimmten Begriffs der "Verkaufsmodalitäten,,321 und die fehlenden Beispiele sowie fehlende Angaben, wie mit den früheren Urteilen des Gerichts zu verfahren ist. 322 Andere Stimmen begrüßen das Urteil als realistische Anpassung der Rechtslage an die Anforderungen des Binnenmarkts,323 der EuGH habe den Anwendungsbereich des Art. 28 EG auf sein eigentliches Regelungsthema zurückgeführt. 324 Die Aufgabe der umständlichen Konstruktion sei für die Akzeptanz der Rechtsprechung bei den Bürgern vorteilhaft. 325 Indem nationale Regelungen nur noch in geringerem Maße überprüft werden, werde ein sinnvoller Ausgleich zwischen Binnenmarktintegration und mitgliedstaatlicher Regelungsautonomie geschaffen?26 Es wird herausgestellt, daß nationale Verkaufsmodalitäten ein klassisches Beispiel für die in Art. 23 I S. 1 GG garantierte Subsidiarität der Europäischen Union bilden. 327 Daher sei die Wende der Rechtsprechung angesichts des Subsidiaritätsprinzips aus Art. 5 II EG, das der EuGH in dem Urteil Keck/Mithouard auch auf seine richterliche Rechtsangleichung anwendet, konsequent. 328 Mit der Keck-Rechtsprechung reduziert der EuGH die Warenverkehrsfreiheit partiell auf ein Diskriminierungsverbot329 und nimmt damit eine teleologische ReEuGH, Fn. 313, S. 6131, Rn. 14. Becker, S. 70. 320 Steindorff, S. 152, 159 f., 167; Arndt, S. 472, 473. 321 Ackermann, S. 192; Dubach, S. 602; Remien, S. 352. 322 Steindorff, S. 160. 323 Remien, S. 353; Dubach, S. 602; Fezer, S. 323. Letzterer nimmt auf S. 324 an, daß der EuGH mit dem Urteil KecklMithouard einen Spiirbarkeitstest in das Verbot der Maßnahmen gleicher WIrkung eingeführt hat. 324 Freund, S. 722. m Dubach, S. 602. 326 Ackermann, S. 192. 327 Amdt, S. 473. 328 Remien, S. 353. 318

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duktion des Art. 28 EG vor. Indem sich der EuGH von einer vollständigen HamlOnisierung der nationalen Rechtsvorschriften abwendet, bekennt er sich zu einem unvollkommenen Binnenmarkt. 330 Wirtschaftlich gesehen heißt das Keck / Mithouard-Urteil, daß bei der handelshemmenden Wirkung einer nationalen Regelung die Kosten außer acht bleiben, die aufgrund der föderalen Entscheidungsstruktur der Gemeinschaft (Subsidiaritätsprinzip) entstehen. Eine Handelsbeschränkung liegt erst dann vor, wenn Kosten darüber hinausgehen. 331 In diesem unvollkommenen Binnenmarkt beseitigen die Grundfreiheiten nur Hindernisse des zwischenstaatlichen Verkehrs, die durch fortbestehende Rechtsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten verursacht sind. Das Urteil ist sofort im Anschluß in der Hünermund-Entscheidung vom 15. 12. 1993 332 bestätigt worden.

3. GerneinschaftsrechtUche Rechtfertigung gern. Art. 30 EG

Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung können aus Art. 30 S. 1 EG gerechtfertigt sein. Diese Schranke des Verbots der Maßnahmen gleicher Wirkung enthält Tatbestände nicht-wirtschaftlicher Art, um zu verhindern, daß sich die Mitgliedstaaten zur Rechtfertigung einer den freien Warenverkehr beschränkenden Maßnahme auf wirtschaftliche Schwierigkeiten berufen können, die durch die Beseitigung der Beschränkungen i.S.v. Art. 28 und 29 EG entstehen. 333 Die Vorschrift berücksichtigt spezifisch nationale Regelungen, die aus legitimen öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten bestehen und nur langfristig angeglichen werden können. 334 Allerdings ist der Ausnahmetatbestand des Art. 30 S. 1 EG eng auszulegen,335 die Aufzählung der nationalen Interessen ist abschließend. 336 Schranken-Schranke der Rechtfertigungsmöglichkeit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser läßt sich zum einen aus der Formulierung "gerechtfertigt" in Art. 30 S. 1 EG ableiten und zum anderen aus dem Verbot einer verschleierten Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten in Art. 30 S. 2 EG. 337 Die öffentliche Ordnung i.S.v. Art. 30 S. 1 EG umfaßt die wesentlichen Grundregeln eines Gemeinwesens. 338 Als deren Teilbereich enthält die öffentliche Si329 330

331

Mülbert, S. 33. Steindorff, S. 160. Ackermann, S. 193.

EuGH, Slg. 1993,1-6787 ff. Hailbronner, in: HailbronnerIKleinIMagieraIMüller-Grajf, Art. 36, Rn. 13; Epiney, in: CalliesslRuffert, Art. 30, Rn. 13. 334 Oppermann, EuropaR, Rn. 1306. 335 Emmert, § 29 Rn. 31. 332 333

336

EuGH, Slg. 1981, 1625, 1638, Rn. 7 (Kommission./ .Irland), ständige Rspr.

EuGH, Slg. 1985, 3887, 3905, Rn. 23 (Motte); EuGH, Slg. 1983, 2445, 2463, Rn. 18 (Sandoz). 337

6 Tbeme

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

cherheit das Schutzsystem des Staats zur Erhaltung seines Gewaltmonopols?39 Beide Aspekte sind nur einschlägig, wenn wesentliche Interessen des Staats oder die Funktionsfähigkeit seiner Organe betroffen sind. 340 Unter den Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert fallen insbesondere Regelungen, die die Abwanderung nationalen Kulturguts beschränken oder verhindern (Ausfuhrlizenzen und -verbote).341 Der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums beinhaltet nationale Patent-, Warenzeichen_,342 Urheber-, Muster-/Modell- und Sortenschutzrechte (nicht dagegen den unlauteren Wettbewerb sowie Herkunfts- und Ursprungsangaben, die LR.d. CassisRechtsprechung unter den Schutz des lauteren Wettbewerbs bzw. den Verbraucherschutz fallen).343 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind die Gesichtspunkte des freien Warenverkehrs im konkreten Fall mit dem einschlägigen nationalen Aspekt des ordre public abzuwägen. 344 Damit eine Regelung gerechtfertigt ist, muß der nationale Aspekt des ordre public im Einzelfall höher zu bewerten sein als das gemeinschaftsrechtliche Interesse am freien Warenverkehr?45 Geprüft wird ähnlich wie in der deutschen Grundrechtsdogmatik. 346 Die mitgliedstaatliche Regelung muß geeignet und notwendig (kein milderes Mittel vorhanden, welches das betroffene Rechtsgut ebenso wirksam sChützt)347 sein; zudem darf die Regelung nicht übermäßig sein, d. h. sie darf nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck stehen (Zweck-Mittel-Relation).348 Dabei ist zu beachten, daß nationale Vorschriften nicht dazu dienen dürfen, Verbrauchergewohnheiten zu verfestigen, um so der inländischen Industrie Vorteile zu bewahren. 349 4. Ausblick

In einer jüngeren Entscheidung hat der EuGH den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit weiterentwickelt und festgestellt, daß auch ein Unterlassen eines Mitgliedstaats den Tatbestand des Art. 28 EG erfüllen kann. 35o Es besteht eine Schutz338 339 340

341 342

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344 345 346 347

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Epiney, in: Calliess I Ruffert, Art. 30, Rn. 26. Siehe Fn. 338, Rn. 28. Lux, in: Lenz, Art. 36, Rn. 5. SchweitzerlHummer, Rn. 1129. EuGH, Slg. 1994,1-2789,2846 f., Rn. 33 (Ideal Standard). Matthieslvon Borries, in: GrabitzlHilf, Art. 36, Rn. 19. EuGH, Slg. 1987,2525,2542, Rn. 10 (Gofette und Gilliard), ständige Rspr. Hailbronner, in: HailbronnerIKleinIMagieraIMüller-Graff, Art. 36, Rn. 1. Moench, S. 2689, 2692; Streinz, Rn. 737. EuGH, Slg. 1991,1-1763,1770, Rn. 27 (Bayem.I.Eurim Pharm GmbH). Matthieslvon Borries, in: GrabitzlHilf, Art. 36, Rn. 7. EuGH, Slg. 1987, 1227, 1228 (deutsches Reinheitsgebot für Bier). EuGH, Slg. 1997,1-6959,7006 (Kommission.I.Französische Republik).

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pflicht des Staats, Behinderungen des freien Warenverkehrs zu unterbinden; ihn trifft sozusagen eine GarantensteIlung. 351 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt waren in Frankreich spanische, belgische, dänische und italienische Obst- und Gemüsetransporte von privaten, insbesondere landwirtschaftlichen Interessengruppen angehalten, die Ladung war vernichtet und die Fahrer waren angegriffen worden. Zwar wurden die französischen Ordnungskräfte vorgewarnt, sie waren aber häufig nicht zur Stelle. Zudem wurden gegen die Störer so gut wie keine Maßnahmen ergriffen. In dem von der Kommission gern. Art. 226 11 EG eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren wurde Frankreich wegen Verletzung von Art. 28 EG i.V.m. Art. 10 I EG verurteilt. 352 Vor diesem Hintergrund ist die Verordnung (EG) Nr. 2679/98 des Rates 353 mit der beigefügten Entschließung des Rats und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten354 für den Bereich des freien Warenverkehrs (Art. 1 Verordnung Nr. 2679/98) ergangen. Die Verordnung ist anwendbar, wenn eine "Behinderung" i.S.v. Art. I Nr. I a) bis c) Verordnung Nr. 2679/98 vorliegt. Dies ist eine physische oder sonstige Verhinderung, Verzögerung oder Umleitung der Einfuhr, Ausfuhr oder Verbringung von Waren, die den freien Warenverkehr schwerwiegend beeinträchtigt, ernsthaften Schaden für betroffene Personen verursacht und ein unmittelbares Handeln verlangt. Erfordert die Behinderung ein unmittelbares staatliches Handeln, um ein Fortbestehen oder eine Ausweitung des Schadens oder der Beeinträchtigung zu verhindern (Art. I Nr. 1 b) Verordnung Nr. 2679/98), so haben die nationalen Behörden nur noch über das Wann und Wie des Eingreifens (Ausübungsermessen) zu entscheiden,355 aber nicht mehr über das Ob (Entschließungsermessen). Zudem enthält die Verordnung in den Art. 3 bis 5 ein Friihwarn- und Informationssystem, das eine effektive Umsetzung der Vorschriften ermöglichen soll. Im Rahmen der Entschließung des Rats und der Vertreter der Mitgliedstaaten wurde eine mögliche Verkürzung der Fristen im Vertragsverletzungsverfahren auf fünf Tage vorgesehen (Rn. 5 f.). Hierdurch kann die Kommission schneller entscheiden (fünf Tage Antwortfrist gern. Art. 5 IV Verordnung Nr. 2679/98 auf die Mitteilung, die das Mahnschreiben ersetzt, sowie fünf Tage Antwortfrist für die mit Griinden versehene Stellungnahme), ob sie den EuGH anrufen möchte oder nicht. Vorteil des neuen Verfahrens sind die beschleunigten Entscheidungswege und die erhöhte Transparenz, die dadurch entsteht, daß

Hirsch, S. 504. EuGH, Fn. 350. 353 Verordnung vom 7. 12. 1998 über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, ABlEG 1998, Nr. L 337, S. 8 f. 354 ABlEG 1998, Nr. L 337, S. 10 f. 355 Hauschild, S. 238. 351

352

6"

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

die zu treffenden Maßnahmen allgemein bekanntgemacht werden können (Art. 5 III Verordnung Nr. 2679/98). IH. Handelshemmende nationale Sprachregelungen Im Binnenmarkt können nationale Sprachrege1ungen den freien Verkehr von Waren behindern. Es soll untersucht werden, an welchen Stellen Sprachrege1ungen mit dem EG-Vertrag kollidieren können. Hierfür werden exemplarisch Vorschriften nationaler Sprachgesetze und Verordnungen herangezogen, die die Aufmachung und Bezeichnung (Etikettierung) von Waren, die Werbung sowie das Warenzeichenrecht betreffen. 1. Bezeichnung und Aufmachung (Etikettierung) von Waren

a) Einführung

Der Gebrauch der Sprache bei der Etikettierung von Waren ist im Gemeinschaftsrecht nur teilweise harmonisiert. Dabei differenziert die Regelungsintensität je nach Schutzbedürftigkeit der Verbraucher. In einigen gesundheitlich besonders sensiblen Bereichen schreiben bereits die europäischen Regelungen die Amtssprache des Verkaufsgebiets bei der Etikettierung von Produkten vor. Derartige Regelungen sind in der Richtlinie zur Kennzeichnung von Lebensmitteln, die mit ionisierenden Strahlen behandelt worden sind,356 in der Richtlinie über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln 357 und in der Richtlinie über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen 358 enthalten. Eine entsprechende Regelung findet sich auch in der Richtlinie zur Kennzeichnung von Kristallglaserzeugnissen?59 Während die Mitgliedstaaten in einigen sensiblen Bereichen die Etikettierung von Produkten in der Sprache des Verkaufs gebiets vorschreiben können, sind sie in anderen Bereichen in ihrer Regelungsbefugnis beschränkt. Die Richtlinien zur Sicherheit von Spielzeug,360 zur Kennzeichnung gefährlicher Zubereitun356 Art. 1 Nr. 8 und Nr. 19 Richtlinie 89/395/ EWG des Rates zur Änderung der Richtlinie 79/112/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, ABlEG 1989, Nr. L 186, S. 17, 18 f. 357 Art. 4 11 S. 1 und Art. 8 S. 1 Richtlinie 92/27/EWG des Rates über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln, ABlEG 1992, Nr. L 113, S. 8, 9,11. 358 Art. 1 Nr. 3 b) Richtlinie 92/ 41/ EWG des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/ 662/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen, ABlEG 1992, Nr. L 158, S. 30, 31. 359 Anhang I - Liste der Kristallglasarten, Richtlinie 69/493/ EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Kristallglas, ABlEG 1969, Nr. L 326, S. 36, 37.

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gen361 sowie über kosmetische Mittel,362 räumen den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, beim Inverkehrbringen ihre Amts- oder Landessprache(n) vorzuschreiben. Dagegen enthalten die Verordnung im Weinsektor,363 die Richtlinie zur Etikettierung von Lebensmitteln 364 sowie die Richtlinie über die Kennzeichnung des Ernährungswerts 365 aus Griinden des Verbraucherschutzes lediglich spezielle Regelungen zum Gebrauch der Sprache. Andere Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher enthalten keine Sprachregelungen (z. B. die Richtlinie zur irreführenden Werbung)366.

aa) Differenzierung bei Waren i.S.v. Art. 23 11, 24 EG Im Hinblick auf bestehende Harmonisierungsvorschriften ist bei Waren i.S.v. Art. 23 11, 24 EG zwischen Lebensmitteln, die direkt an den Endverbraucher gelangen, übrigen Lebensmitteln, die an Großhändler oder Importeure geliefert werden, und sonstigen Produkten zu unterscheiden. Während es für Lebensmittel, die direkt an den Endverbraucher gelangen, verschiedene, nicht abschließende Harmonisierungsrichtlinien des Rats, der Kommission und des Parlaments gibt,367 fallen die übrigen Lebensmittel sowie sonstige Produkte in den Anwendungsbereich des Art. 28 EG. Im ersten Fall werden nationale Vorschriften daher an Art. 1411 Richt360 Art. 11 V Richtlinie 88/378/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug, ABlEG 1988, Nr. L 187, S. 1,5. 361 Art. 8 IV Richtlinie 88/3791 EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen, ABlEG 1988, Nr. L 187, S. 14,24. 362 Art. 7 11 Richtlinie 76/768/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel, ABlEG 1976, Nr. L 262, S. 196, 171. 363 11. Erwägungsgrund, Art. 3 V, Art. 12 V, Art. 21 IV und Art. 28 VI Verordnung (EWG) Nr. 2392/ 89 des Rates zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und Traubenmoste, ABlEG 1989, Nr. L 232, S. 13, 14 ff. 364 Art. 1411 S. 1 Richtlinie 791 112/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, ABlEG 1979, Nr. L 33, S. 1,9. 365 Art. 7 11 Richtlinie 90/4961 EWG des Rates über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, ABlEG 1990, Nr. L 276, S. 40, 43. 366 Richtlinie 84/4501 EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABlEG 1984, Nr. L 250, S. 17 ff. 367 Richtlinie 791 112/EWG des Rates, ABlEG 1979, Nr. L 33, S. 1 ff.; Richtlinie 85/7 1 EWG des Rates, ABlEG 1985, Nr. L 2, S. 22 f.; Richtlinie 86/197 IEWG des Rates, ABlEG 1986, Nr. L 144, S. 38 f.; Richtlinie 89/395/EWG des Rates, ABlEG 1989, Nr. L 186, S. 17 ff.; Richtlinie 91/72/EWG der Kommission, ABlEG 1991, Nr. L 42, S. 27 f.; Richtlinie 931 102/EG der Kommission, ABlEG 1993, Nr. L 291, S. 14 ff.; Richtlinie 941 54/EG der Kommission, ABlEG 1994, Nr. L 300, S. 14 f.; Richtlinie 95/42/EG der Kommission, ABlEG 1995, Nr. L 182, S. 20; Richtlinie 971 4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABlEG 1997, Nr. L 43, S. 21 ff.

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linie 79/ 112/ EWG und Art. 28 EG gemessen (die Harmonisierungsrichtlinien werden im Lichte des Art. 28 EG ausgelegt), im zweiten Fall ist ausschließlich Art. 28 EG anwendbar. 368 bb) Europäisches Verbraucherleitbild Vor der eigentlichen Untersuchung ist darauf hinzuweisen, daß das Verbraucherleitbild des EuGH deutlich von dem der deutschen Gerichte abweicht. Der EuGH geht von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aus,369 der Informationen aufnehmen und eigenverantwortlich handeln kann. 37o Gern. Art. 15311 EG werden die Ziele des Verbraucherschutzes in die Erwägungen zu konkreten Aktionen und Maßnahmen in anderen Politikbereichen einbezogen. 371 Dabei werden hohe Anforderungen an das Informationsverhalten des Verbrauchers gestellt, wie auch an seine Fähigkeit, Kennzeichnungen zu verstehen und kritisch zu würdigen. 372 Das Instrument der Verbraucherinformation wird in der Gemeinschaftspraxis Normen und Eingriffen grundsätzlich vorgezogen. 373 Im Gegensatz dazu nimmt das deutsche Wettbewerbsrecht an, daß der Verbraucher unverständig und sprachunkundig ist und vor allen erdenklichen Arten der Irreführung geschützt werden muß. 374 Schon wenn die Umfrage eines Marktforschungsinstituts ergibt, daß 10-15 Prozent der Verbraucher getäuscht werden könnten, ist eine Irreführung gegeben. 375 Das deutsche Wettbewerbsrecht gewährleistet im europäischen Vergleich ein "Schutzniveau in einsamer Höhe".376 Auf europäischer Ebene werden deshalb immer wieder Bemühungen sichtbar, die deutschen Richter vom Leitbild des "flüchtigen Verbrauchers" abzubringen und dem europaweiten Leitbild des "mündigen und aufgeklärten Verbrauchers" anzunähern. 377

368 Mitteilung der Kommission über die Verwendung der Sprachen beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Auslegung der Rechtsvorschriften) im Anschluß an das Urteil ,'peeters", ABlEG 1993, Nr. C 345, S. 3. 369 EuGH, Slg. 1998,1-4681,4691, Rn. 31 (Gut Springenheide); EuGH, EuZW 1999,281, 283, Rn. 36 (Kessler Hochgewächs). 370 Everling, S. 234. 371 Geiger, Art. 153, Rn. 9. Siehe dazu im einzelnen unter 2. c). 372 Grube, S. 105. 373 Oppermann, EuropaR, Rn. 2043. 374 Dauses, S. 429. Möschel merkt auf S. 430 an, daß das deutsche UWG von einem "fast schon pathologischen Schwachkopf(es)" auszugehen scheint. 375 Everling, S. 233. 376 Vgl. Fn. 375. 377 EuGH, EuZW 1999,281,283, Rn. 32 f., 36 (Kessler Hochgewächs).

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b) Lebensmittel, die direkt an den Endverbraucher gelangen Exemplarisch für nationale Sprachregelungen, die die Etikettierung von Lebensmitteln betreffen, die direkt an den Endverbraucher gelangen, mag auf die Regelungen der deutschen Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV),378 der belgischen Königlichen Verordnung betreffend die Etikettierung von vorverpackten Lebensmitteln (arrete royal)379 sowie der französischen loi Toubon verwiesen werden. Gern. § I I LMKV gilt die Verordnung " ... für die Kennzeichnung von Lebensmitteln in Fertigpackungen ... ", die" ... an den Verbraucher (§ 6 des Lebensmittelund Bedarfsgegenständegesetzes)38o abgegeben ... " werden. Gern. § 3 Ill1 LMKV sind ,,Angaben ... auf der Fertigpackung oder einem mit ihr verbundenen Etikett an einer in die Augen fallenden Stelle in deutscher Sprache leicht verständlich, deutlich sichtbar, leicht lesbar und unverwischbar anzubringen". Der erst 1992 durch die fünfte Änderungsverordnung eingefügte Satz 2 bestimmt, daß "die Angaben ... auch in einer anderen leicht verständlichen Sprache angegeben werden (können) ... ".381 Bemerkenswert ist, daß dieser Satz 2 von der deutschen Kommentarliteratur dahin ausgelegt wird, daß er lediglich unterschiedliche Schreibweisen derselben Verkehrsbezeichnung zuläßt (z. B. das französische Wort "praline" statt des deutschen ,,Praline ).382 Seine praktische Bedeutung wird daher gering eingeschätzt. Verstöße gegen die LMKV stellen eine Ordnungswidrigkeit gern. § 54 I Nr. 2 LMBG i. V.m. § 10 LMKV dar. U

Der belgische arrete royal vom 13. 11. 1986 bestimmt in Art. 11, der den gleichlautenden Art. 10 arrete royal vom 2. 10. 1980 ersetzt hat: ,,Die in Art. 2 und die in besonderen Regelungen vorgesehenen Angaben müssen zumindest in der oder den Sprachen des Sprachgebiets abgefaßt sein, in dem die Lebensmittel zum Verkauf angeboten werden. ,,383 Das bedeutet, daß im flämischen Landesteil angebote-

378 LMKV vom 22. 12. 1982, BGBI. 1,1625 ff., in der Fassung der Bekannlmachung vom 6. 9. 1984, BGBI. I, S. 1221 ff., zuletzt geändert durch das Gesetz zur Ausführung des Abkommens vom 2.5. 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 27. 4. 1993, BGBI. I 1993,512,527. 379 Anite royal relatif a l'etiquetage des denrees alimentaires preemballees du 13. 11. 1986,Moniteurbelge du 2. 12. 1986,S. 16317ff. 380 § 6 I LMBG lautet: "Verbraucher im Sinne dieses Gesetzes ist derjenige, an den Lebensmittel, Tabakerzeugnisse, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände zur persönlichen Verwendung oder zur Verwendung im eigenen Haushalt abgegeben werden". 381 Art 1 Nr. 1 c) bb) Fünfte Verordnung zur Änderung der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung und anderer lebensmittelrechtlicher Verordnungen vom 18. 12. 1992, BGBI. I, S.2423. 382 Zipfel! Rathke, C 4, § 3 LMKV Rn. 45. Meyer, S. 56, geht davon aus, daß diese ,,Ausnahmeregelung" eingreift, wenn die Verkehrsbezeichnung in einer anderen Sprache mit der deutschen "nahezu identisch" ist.

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ne Lebensmittel auf Niederländisch etikettiert sein müssen, während im wallonischen Teil des Landes nur auf Französisch bezeichnete Lebensmittel angeboten und verkauft werden dürfen. Art. 11 arrete royal hat den EuGH in den Verfahren Piageme.l.Peeters I (1991) und 11 (1995) beschäftigt, auf die an späterer Stelle noch eingegangen wird. Art. 2 I der französischen loi Toubon bestimmt, "in der Bezeichnung, ... , der Aufmachung, ... von Gütern, Produkten oder Dienstleitungen ... ist die französische Sprache zu benutzen". Werden bei der Bezeichnung und der Aufmachung noch eine oder mehrere andere Sprachen verwandt, so muß gern. Art. 4 11 loi Toubon " ... die französische Fassung ebenso leserlich, hörbar oder verständlich sein wie die Fassung in den anderen Sprachen". Nach dem Runderlaß vom 19.3. 1996384 zur Ausführung der loi Toubon sind von den Art. 2 I, 4 11 loi Toubon " ... alle Schriftstücke zur Benutzer- oder Verbraucherinformation ... " betroffen, darunter insbesondere auch "Etiketten". 385 Verpflichteter dieser Sprachregelungen ist grundsätzlich jeder Verkäufer. 386 Allerdings obliegt dem gewerblichen Verkäufer eine gesteigerte Informationspflicht, welche in erster Linie auch den Hersteller trifft. Ein Unternehmer, der nach Frankreich exportiert, muß daher entweder selbst für die Übersetzung sorgen oder seinem französischen Vertragspartner diese Verpflichtung vertraglich auferlegen?87 Da die Vorschriften der loi Toubon nicht nur für Lebensmittel gelten, die direkt an den Endverbraucher gelangen, sondern auch für solche, die an Großhändler oder Importeure geliefert werden, sowie für sonstige Produkte, werden sie noch im folgenden Abschnitt b) unter einem anderen Blickwinkel zu untersuchen sein.

Die gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahmen im Lebensmittelsektor erstrecken sich von 1979 bis heute. Da die Richtlinien des Rats und der Kommission in diesem Bereich keine abschließende Regelung enthalten,388 entfalten sie keine Sperrwirkung gegenüber nationalen Vorschriften. Die Mitgliedstaaten können weiterhin Regelungen erlassen, die jedoch mit den sekundärrechtlichen Vorschriften

a

383 "Les mentions prescrites I' article 2 ainsi que celles prescrites par les reglementations particulieres doivent etre libellees au moins dans la ou les langues de la region linguistique ou les denrees alimentaires sont mises en vente." Fn. 379, S. 16322. 384 Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung des Gesetzes Nr. 94-665 vom 4.8. 1994 über den Gebrauch der französischen Sprache, deutsche Fassung aus http://www.cultureJr/ culture 1dglfl garde.htm, am 23. 7. 1998, S. I ff. 385 Vgl. Fn. 384, S. 2, Rn. 2.1.1.1. 386 Ludi, S. 996 a.E., 997. 387 Endrös, S. 19. 388 EuGH, Slg. 1990,1-4695,4719, Rn. 15 (SARPP) unter Verweis auf die neunte Begründungserwägung der Richtlinie 791 112 1EWG. EuGH, Slg. 1988,4233,4280, Rn. 17 (Drei Glocken GmbH); EuGH, Slg. 1999, 1-3175, 3216, Rn. 44, 3214, Rn. 35 (Colim. 1.Bigg's); Everling, S. 236 f. Im Gegensatz dazu geht Grube, S. 106, davon aus, daß die Richtlinie 791 112 1EWG eine Vollharmonisierung des allgemeinen Lebensmittelkennzeichnungsrechts herbeiführt.

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des Gemeinschaftsrechts vereinbar sein müssen. 389 Im folgenden werden die Harmonisierungsmaßnahmen des Rats und der Kommission, wie auch die parallele Rechtsprechung des EuGH zu nationalen Sprachregelungen hinsichtlich der Etikettierung von Lebensmitteln, die direkt an den Endverbraucher gelangen, dargestellt. Im Anschluß wird untersucht, ob die genannten deutschen, französischen und belgischen Sprachregelungen mit diesem Sekundärrecht vereinbar sind.

aa) Die Richtlinie 79/ 112/EWG des Rats (1978) und ihre Änderungen (1984-1995) Die erste Richtlinie "zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür" ist am 18. 12. 1978 ergangen. 390 Diese Richtlinie enthält "... die allgemeinen, horizontalen Gemeinschaftsregeln für alle Lebensmittel ... , die in den Handel gebracht werden" (dritter Erwägungsgrund). Dagegen müssen die "... spezifischen, vertikalen Regeln, die nur bestimmte Lebensmittel betreffen, ... im Rahmen der Vorschriften für diese Erzeugnisse festgelegt werden" (vierter Erwägungsgrund). Im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie betont der Rat, daß ,jede Regelung der Etikettierung von LebensmitteIn ... vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen (soll)". Art. 1 III Richtlinie 79/ 112/EWG definiert zunächst die Begriffe "Etikettierung,,391 und "vorverpackte Lebensmittel,,392. Im Anschluß werden in Art. 3 I Richtlinie 79/ 112/EWG die zwingend vorgeschriebenen Angaben bei der Etikettierung aufgezählt. 393 Gern. Art. 1411 Richtlinie 79/112/EWG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, "daß in ihrem Hoheitsgebiet keine Lebensmittel in den Verkehr 389 So für die Sammlung von Altölen EuGH, Slg. 1993,1-4975,4978, Rn. 9 (Vanacker/ Lesage). 390 Richtlinie des Rats 79/ 112/EWG, ABlEG Nr. L 33 vom 8. 2.1979, S. 1 ff. 391 Art. 1 III: ,Jm Sinne dieser Richtlinie bedeuten: a) 'Etikettierung' alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf jeglicher Art von Verpackung, Schriftstück, Tafel, Etikett, Ring oder Verschluß angebracht sind und dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen; ... ". 392 Art. 1 III: "Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten: b) 'Vorverpackte Lebensmittel' die Verkaufseinheit, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten abgepackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, daß der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne daß die Verpackung geöffnet werden muß oder eine Veränderung erfahrt". 393 Die Verkehrsbezeichnung, das Verzeichnis der Zutaten, bei vorverpackten Lebensmitteln die Nettofüllmenge, das Mindesthaltbarkeitsdatum, gegebenenfalls die besonderen Anweisungen für Aufbewahrung und Verwendung, der Name oder die Firma und die Anschrift des Herstellers, des Verpackers oder eines in der Gemeinschaft niedergelassenen Verkäufers, der Ursprungs- oder Herkunftsort, eine Gebrauchsanleitung.

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

gebracht werden dürfen, auf denen die in Artikel 3 und 4 Absatz 2 genannten Angaben nicht in einer dem Käufer leicht verständlichen Sprache abgefaßt sind, es sei denn, die Unterrichtung des Käufers ist durch andere Maßnahmen gewährleistet. Dies hindert nicht, daß diese Angaben in mehreren Sprachen abgefaßt werden". Die Richtlinie gilt gern. Art. 21 Richtlinie 79/ 112/EWG nicht für zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmte Erzeugnisse, sie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet (Art. 26 Richtlinie 79/ 1121 EWG). Zwar ist die Richtlinie im Anschluß mehrfach geändert worden,394 Art. 1411 Richtlinie 79/ 1121EWG zum Sprachgebrauch auf dem Etikett hat aber erst 1997 durch Art. 1 Nr. 8 der Richtlinie 97/4/ EG des Europäischen Parlaments und des Rats 395 eine neue Fassung erhalten. Zunächst soll die von 1979 bis 1997 geltende, urspriingliche Fassung des Art. 14 11 Richtlinie 79/112/ EWG näher beleuchtet werden. Entscheidend für die Tragweite der Richtlinie 79/112/ EWG im innergemeinschaftlichen Handel ist die Bedeutung der Begriffe der für den Käufer "leicht verständlichen Sprache" und der Unterrichtung des Käufers durch "andere Maßnahmen" in Art. 1411 1 Richtlinie 79/ 1121EWG urspr.F. Von der Auslegung dieser Begriffe hängt ab, wie weit die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten hinsichtlich nationaler Regelungen zur Sprache auf dem Etikett von Produkten reicht. Bei der Auslegung wirkt sich das europäische Verbraucherleitbild aus. ( 1) Wortlaut

Der Wortlaut des Art. 14 11 1 Richtlinie 79/1121EWG urspr.F. läßt keinen Schluß darauf zu, welche Sprache für den Käufer ,Jeicht verständlich" ist. Zwar erfüllt grundsätzlich die Sprache des Verkaufsgebiets das Merkmal der leicht verständlichen Sprache am besten. Aus Griinden des Verbraucherschutzes kommt es nach dem Wortlaut jedoch nicht auf eine bestimmte Sprache an, sondern vielmehr auf die Verständlichkeit der Aussage für den Käufer. Dies wird daran deutlich, daß die Information des Käufers nicht nur durch Sprache, sondern auch durch "andere Maßnahmen" gewährleistet werden kann. Diese Maßnahmen müssen nach dem Wortlaut ein anderes Medium verwenden, um den Käufer zu informieren. Es handelt sich dabei um Schaubilder, Symbole oder Piktogramme, die ohne Sprache auskommen. Ist es zulässig, die Unterrichtung des Käufers auch auf diesem Wege zu gewährleisten, kann es im Umkehrschluß nicht möglich sein, ausschließlich eine Etikettierung in einer bestimmten Sprache vorzuschreiben, ohne eine Unterrichtung durch "andere Maßnahmen" zuzulassen?96 Der Wortlaut ist demnach im HinVgl. Fn. 367. ABlEG Nr. L 43 vorn 14. 2.1997, S. 21, 23. 396 Der EuGH ist in seinem Urteil Piageme./.Peeters I, Slg. 1991,1-2971,2984, Rn. 14, anderer Ansicht und stellt fest, daß die grammatikalische Auslegung " ... einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die zur Unterrichtung des Verbrauchers allein den Gebrauch der Sprache oder der Sprachen des Gebiets, in dem die Erzeugnisse verkauft werden, zuließe, ...... 394 395

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blick auf die Unterrichtung des Käufers durch "andere Maßnahmen" deutlich, nicht jedoch hinsichtlich der "leicht verständlichen Sprache". (2) Geschichte Im Rahmen einer historischen Auslegung der Vorschrift kann auf den der Richtlinie zugrunde liegenden Vorschlag der Kommission zurückgegriffen werden sowie auf eine Stellungnahme des Europäischen Parlaments. In dem Vorschlag der Kommission vom 30. 3. 1976 fehlt der letzte Halbsatz des Art. 1411 1 Richtlinie 79/1121 EWG urspr.F., nach dem die Unterrichtung des Käufers auch durch "andere Maßnahmen" möglich ist. 397 Der Rat ist daher in der von ihm verabschiedeten Richtlinie über den Vorschlag der Kommission hinausgegangen, indem er festgesetzt hat, daß die Information des Käufers prinzipiell auch durch ein anderes Medium als durch Sprache erfolgen kann. Durch diese ausgedehnten Informationsmöglichkeiten wird eine weite Auslegung des Begriffs der "leicht verständlichen Sprache" nahegelegt. Das Europäische Parlament hingegen bezieht in einer Stellungnahme 398 eine gegenteilige Position. Nach seinem Entwurf zur Änderung des Vorschlags der Kommission sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, daß " ... das Inverkehrbringen von Lebensmitteln verboten wird ... ", wenn die zwingend vorgeschriebenen Angaben "... nicht in der oder den Landessprachen abgefaßt sind ... ".399 Der Hersteller soll verpflichtet werden, die auf der Verpackung des Erzeugnisses zur Information vorgeschriebenen Angaben in der oder den Sprachen des Empfängerlands aufzudrucken. 400 Bei Verabschiedung der Richtlinie hat der Rat den Vorschlag des Parlaments nicht übernommen und nicht die Landessprache 1n, sondern nur eine für den Käufer "leicht verständliche Sprache" vorgeschrieben. Daraus läßt sich ableiten, daß er unter einer für den Käufer "leicht verständlichen Sprache" i. S. d. Art. 1411 1 Richtlinie 79/ 112/EWG urspr.F. nicht ausschließlich die Landessprache / n versteht. Vielmehr legt die Formulierung nahe, daß auch andere Sprachen für den Käufer "leicht verständlich" sein können. Hierdurch ist der Rat mit der von ihm verabschiedeten Richtlinie sowohl über den Vorschlag der Kommission als auch über den des Parlaments hinausgegangen.

397 Art. 13 11 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür. ABlEG 1976. Nr. C 91, S. 3.7. 398 Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür. ABlEG 1976, Nr. C 178, S. 52 ff. 399 Art. 1311 vom Europäischen Parlament geänderter Text, Fn. 398, S. 56. 400 Siebter Erwägungsgrund, Fn. 398, S. 53.

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(3) Systematik In den Erwägungsgründen zu Beginn der Richtlinie stellt der Rat fest, daß die unterschiedlichen nationalen Vorschriften über die Etikettierung von Lebensmitteln den freien Waren verkehr behindern und eine ungleiche Wettbewerbslage hervorrufen können. 401 In diesem Zusammenhang ist auch Art. 1411 Richtlinie 791 112/EWG urspr.F. zu sehen, der es in Satz 2 begrüßt, wenn die zwingenden Angaben in mehreren Sprachen abgefaßt sind. Dadurch, daß sich die nationalen Vorschriften dem Niveau des Art. 14 11 Richtlinie 791 112/EWG urspr.F. anpassen sollen, werden die sprachlichen Anforderungen an die Etikettierung von Produkten relativ gering gehalten. Das Erfordernis einer für den Käufer "leicht verständlichen Sprache" kann einfacher erfüllt werden, als die Beschriftung in der Sprache des Verkaufslands. Zudem trägt die Möglichkeit, den Käufer durch "andere Maßnahmen" zu informieren, dazu bei, daß die Anforderungen an die Etikettierung eines Produkts nicht allzu hoch sind. Art. 1411 Richtlinie 79/112 IEWG urspr.F. wird in seiner zentralen Funktion, den innergemeinschaftlichen Handel zu erleichtern, durch ein Behinderungsverbot in Art. 15 I Richtlinie 791 112/EWG verstärkt. Danach dürfen die Mitgliedstaaten " ... den Verkehr mit Lebensmitteln, die den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechen, nicht durch die Anwendung nichtharmonisierter einzel staatlicher Vorschriften verbieten, die die Etikettierung und Aufmachung einzelner Lebensmittel oder der Lebensmittel im allgemeinen regeln". Dieses Behinderungsverbot zeigt das hinter Art. 14 11 Richtlinie 79/112/ EWG urspr.F. stehende Motiv, den freien Verkehr von Lebensmitteln durch Anforderungen an die Etikettierung möglichst wenig zu beschränken. Es findet jedoch keine Anwendung auf nichtharrnonisierte einzelstaatliche Vorschriften, die zum Schutz der Gesundheit, zum Schutz vor Tauschung, zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, der Herkunftsbezeichnungen und Ursprungsangaben sowie vor unlauterem Wettbewerb gerechtfertigt sind (Art. 15 11 Richtlinie 79/112/EWG). Die Systematik spricht daher für eine weite Auslegung des Begriffs der "leicht verständlichen Sprache". (4) Zweck Der vorrangige Zweck des Art. 1411 1 Richtlinie 791 112/EWG urspr.F. ergibt sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie: ,,Jede Regelung der Etikettierung von Lebensmitteln soll vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen ...402 Konkretes Ziel von Art. 14 11 1 Richtlinie 791 1121 EWG urspr.F. ist dabei, daß der Verbraucher die in der Richtlinie zwingend vorgeschriebenen Angaben (Art. 3,4 und 16 Richtlinie 791 112 1EWG) auf der Etikettierung mühelos zur Kenntnis nehmen kann. Dieses Normziel steht in einem Spannungsverhältnis zu dem Gesamtzweck der Richtlinie, der in ihren ersten drei Be401

402

Fn. 390, S. 1, erster Erwägungsgrund. Fn. 390, S. 1, sechster Erwägungsgrund.

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gründungserwägungen deutlich wird. Die Richtlinie dient vor allem dazu, die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede, die den freien Warenverkehr behindern, zu beseitigen und so das Funktionieren des Gemeinsamen Markts zu fördern. Daher begnügt sich Art. 1411 1 Richtlinie 791 112/EWG urspr.F. damit, die Information des Käufers in einer "leicht verständlichen Sprache" zu fordern und läßt auch "andere Maßnahmen" zu. Der EuGH und die Kommission beurteilen den vorrangigen Zweck des Art. 1411 1 Richtlinie 79/1121 EWG urspr.F. unterschiedlich. Im Urteil Piageme.l.Peeters I (18. 6. 1991),403 welches Art. 11 der belgisehen Königlichen Verordnung vom 13. 11. 1986404 zum Gegenstand hat, stellt der EuGH heraus, daß eine nationale Regelung, die zum einen die ausschließliche Verwendung der Sprache 1n des Verkaufsgebiets für die Etikettierung vorschreibt und zum anderen keine Information des Verbrauchers durch andere Maßnahmen vorsieht, über die Anforderungen der Richtlinie hinausgeht und eine Maßnahme gleicher Wirkung i. S. d. Art. 28 EG darstellen würde. 405 Gern. Art. 1411 1 Richtlinie 791 112/EWG urspr.F. bestehe die Verpflichtung, nur ". .. solche Erzeugnisse vom Handelsverkehr auszuschließen, deren Etikettierung für den Käufer nicht leicht verständlich ist, nicht aber, den Gebrauch einer bestimmten Sprache vorzuschreiben".406 Im Anschluß an dieses Urteil hat die Kommission am 10. 11. 1993 eine Mitteilung erlassen, in der sie zur Verwendung der Sprachen beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln Stellung nimmt. 407 Darin unterstreicht sie die Bedeutung des freien Warenverkehrs und hebt hervor, daß nationale Vorschriften, die die Amtssprache 1n oder zumindest die Sprache des Verkaufsgebiets bei der Etikettierung festsetzen, auch bei unterschiedsloser Geltung ein Handelshemrnnis darstellen. 408 Solche Vorschriften zwängen den Erzeuger, je nach Verkaufsland eine neue Etikettierung anzubringen bzw. die Begleitdokumente zu übersetzen und dadurch Mehrkosten zu tragen. 409 Die Kommission betont, daß Art. 14 11 1 Richtlinie 79/1121 EWG urspr.F. den Mitgliedstaaten einen großen Ermessensspielraum bezüglich des Begriffs der "leicht verständlichen Sprache" bei den zwingend vorgesehenen Angaben belasse. 41 0 Im allgemeinen seil en dies zwar die Amtssprache 1n des Verkaufslands. 411 Allerdings werde durch Art. 14 11 1 Richtlinie 79/112 IEWG urspr.F. EuGH, Slg. 1991,1-2971 ff. Vgl. Fn. 383. 405 Fn. 403, S. 2985, Rn. 16. ~ Fn. 403, S. 2984,Rn. 13. 407 Mitteilung der Kommission über die Verwendung der Sprachen beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Auslegung der Rechtsvorschriften) im Anschluß an das Urteil "Peeters", ABlEG 1993, Nr. C 345, S. 3 ff. 408 Fn. 407, S. 3, Rn. 5 f. 409 Fn. 407, S. 3, Rn. 6. 410 Fn. 407, S. 4, Rn. 20; S. 5, Rn. 30. 411 Fn. 407, S. 5, Rn. 23. 403 404

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nicht der Gebrauch einer bestimmten Sprache vorgeschrieben. Daher verstoße ein Mitgliedstaat gegen die Richtlinie, wenn er den ausschließlichen Gebrauch seiner Amtssprache/n vorsieht. 412 Festzuhalten ist, daß die Mitgliedstaaten nach Ansicht der Kommission in Anwendung von Art. 1411 1 Richtlinie 79/ 112/EWG urspr.F. ihre Amtssprache / n bei den zwingenden Angaben vorschreiben können, sofern dies eine Verwendung anderer Sprachen und Mittel zur Unterrichtung der Käufer nicht ausschließt. 413 Ein solches Handelshemmnis sei zum Schutz der Endverbraucher gerechtfertigt. 414 In einer zweiten Mitteilung der Kommission an den Rat und das Parlament betreffend den Gebrauch der Sprachen zur Information des Verbrauchers in der Europäischen Gemeinschaft (ebenfalls vom 10. 11. 1993)415 stellt die Kommission den Schutz der Verbraucher in den Vordergrund. Sie spricht den Mitgliedstaaten eine "essentielle Verantwortung" im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips zu, diese müßten "zur Förderung einer ordnungsgemäßen Verbraucherinformation ... in den Rechtsvorschriften den Gebrauch der Sprache(n) des Landes, in dem der Verbrauch stattfindet, ... gewährleisten".416 Zudem bekräftigt die Kommission, daß die Mitgliedstaaten den Gebrauch ihrer Landessprache / n bei der Etikettierung von Lebensmitteln für den Endverbraucher dann vorschreiben können, wenn sie die Verwendung anderer Sprachen oder Maßnahmen zur Information der Verbraucher nicht ausschließen. 417 Insgesamt setzt die Kommission also in ihren beiden Mitteilungen unterschiedliche Schwerpunkte (freier Warenverkehr in der ersten und Verbraucherschutz in der zweiten), die rechtliche Aussage der Mitteilungen ist aber dieselbe. Die Mitgliedstaaten dürfen ihre Amtssprache / n bei zwingend vorgeschriebenen Angaben vorschreiben, aber nur, wenn sie auch andere Sprachen und Mittel zur Information der Verbraucher zulassen. Diese Ansicht stimmt mit der Rechtsprechung des EuGH im Urteil Piageme. /.Peeters I überein. Die Kommission beharrt aus Griinden des Verbraucherschutzes auf einer engen Auslegung der "leicht verständlichen Sprache". Nur die Sprache des Verkaufslands / -gebiets erfülle das Merkmal. In dem Urteil Piageme. /.Peeters 11 (12. 10. 1995)418 geht der EuGH in der Auslegung des Begriffs der "leicht verständlichen Sprache" weiter als die Kommission in den gerade dargestellten Mitteilungen und auch weiter als in dem vorangegangenen Urteil Piageme. /.Peeters I. Der Begriff "leicht verständliche Sprache" sei weder mit "Amtssprache des Mitgliedstaats" noch mit "Sprache des Gebiets" gleichzusetzen, mit ihr solle die Information des Verbrauchers, nicht aber eine bestimmte 412 413 414 41S 416 417 418

Fn. 407, S. 5, Rn. 25, 26. Fn. 407, S. 5, Rn. 33. Fn. 407, S. 3, Rn. 7. Dok. KOM (93) 456 endg., S. 1 ff. Fn. 415, S. 17, Rn. 39. Fn. 415, S. 17, Rn. 39. EuGH, Slg. 1995,1-2955 ff.

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Sprache sichergestellt werden. 419 Selbst dann, wenn andere Sprachen nicht ausgeschlossen werden, gehe die Verpflichtung, eine bestimmte Sprache zu benutzen, über den Begriff der "leicht verständlichen Sprache" hinaus. 42o Es liege also ein Verstoß gegen Art. 1411 1 Richtlinie 79/112/EWG urspr.F. vor, wenn ein Mitgliedstaat die Sprache des Verkaufsgebiets vorschreibe, auch wenn andere Sprachen daneben nicht ausgeschlossen würden. 421 Der EuGH schlägt damit in seiner Rechtsprechung einen anderen Weg ein als die Kommission. Indem er den Begriff der "leicht verständlichen Sprache" weit auslegt, um den freien Warenverkehr möglichst ungehindert zu gewährleisten, reduziert er die Regelungsbefugnisse der Mitgliedstaaten. Während er im Urteil Piageme. /.Peeters I feststellt, daß eine nationale Regelung, die zwar die Sprache des Verkaufsgebiets vorschreibt, aber auch andere Sprachen erlaubt (wenn sie leicht verständlich sind), zulässig sein kann,422 geht er im Urteil Piageme. /.Peeters 11 davon aus, daß eine solche Regelung unzulässig ist, da bereits die Verpflichtung zur Etikettierung in einer bestimmten Sprache gegen Art. 14 11 1 Richtlinie 79/ 112/EWG urspr.F. verstoße. 423 Die Auslegung des Art. 14 11 1 Richtlinie 79/112/EWG urspr.F. durch den EuGH ist Kritik ausgesetzt. Im Urteil Piageme. /.Peeters I gibt er an, daß die Sprache des Sprachgebiets das Merkmal "leicht verständlich" am besten erfülle. 424 Daraus folgt für den Gerichtshof aber nicht, daß die Mitgliedstaaten diese Sprache vorschreiben dürfen. Im Urteil Piageme.l.Peeters 11 betont er vielmehr, daß "leicht verständliche Sprache" weder mit "Amtssprache des Mitgliedstaats" noch mit "Sprache des Gebiets" gleichzusetzen sei. 425 Dabei bleibt es dem nationalen Gericht überlassen, ob ein fremdsprachiger Ausdruck im Einzelfall für den Käufer "leicht verständlich" ist. 426 Der Gerichtshof widerspricht sich in den beiden Urteilen, und daraus folgen zwei Kritikpunkte. Zum einen schafft die Rechtsprechung für Wirtschaftsteilnehmer aus dem EG-Ausland, die ihre Produktion auf die nationalen Vorschriften des Verkaufslands abstimmen müssen, Rechtsunsicherheit, da letztendlich das nationale Gericht im Einzelfall entscheiden muß, ob ein fremdsprachiger Ausdruck für den Verbraucher leicht verständlich und damit rechtmäßig ist. Zwar verbietet der Fn. 418, S. 2976, Rn. 15. Fn. 418, S. 2977, Rn. 18. 421 Fn. 418, S. 2977, Rn. 21. 422 Fn. 403, S. 2985, Rn. 17. 423 Fn. 418, S. 2977, Rn. 21. 424 EuGH, Fn. 403, S. 2984, Rn. 14. 425 EuGH, Fn. 418, S. 2976, Rn. 15. 426 Dabei seien verschiedene Faktoren entscheidend: die Ähnlichkeit der Begriffe in den einzelnen Sprachen, die allgemeine Kenntnis von mehr als einer Sprache in der Bevölkerung sowie besondere Umstände (eine umfassende Informationskarnpagne, die weite Verbreitung des Erzeugnisses im Verkaufsgebiet), Fn. 418, S. 2979, Rn. 29 f. 419 420

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

EuGH abstrakt, die Sprache des Verkaufslands bei der Etikettierung vorzuschreiben. Im Einzelfall wird das nationale Gericht jedoch nur in Ausnahmefällen annehmen, daß ausländische Ausdrücke für die Verbraucher leicht verständlich sind. Naturgemäß ist die Sprache des Verkaufs gebiets die dort für den Verbraucher am leichtesten verständliche Sprache, deshalb wird es im Regelfall auf eine Etikettierung in dieser Sprache hinauslaufen. Das abstrakte Verbot des Gerichtshofs führt so im Einzelfall meist zu demselben Ergebnis wie eine generelle Gleichsetzung der "leicht verständlichen Sprache" mit der Sprache des Verkaufsgebiets. Nur die Rechtsunsicherheit für Wirtschaftsteilnehmer aus dem EG-Ausland ist größer. Zum anderen ist das Motiv, den freien Warenverkehr möglichst umfassend zu schützen, zwar löblich. Allerdings ginge der vom EuGH angestrebte vollkommene Binnenmarkt auf Kosten der Verbraucher. Gerade aus Gründen des Gesundheitsschutzes (z. B. bei Diabetes und bei Lebensmittelallergien) ist es nötig, daß der Verbraucher die Informationen auf dem Etikett des Produkts mühelos und vollständig verstehen kann. Eine solche umfassende Information kann durch Abbildungen, Schaubilder oder Piktogramme nicht gewährleistet werden. Daher ist es erforderlich, Lebensmittel in den Sprachen des Verkaufsgebiets zu etikettieren. Eine Übersetzung in weitere Sprachen sowie eine subsidiäre Information durch andere Maßnahmen können parallel den umfassenden Verkehr von Waren in der Union sicherstellen. Das Minus an Rechtssicherheit und Verbraucherschutz in der Rechtsprechung des EuGH könnte dadurch ausgeglichen werden, daß die Auslegung des Gerichtshofs einen Zugewinn an Marktoffenheit bringt. Dabei ist problematisch, daß fremdsprachige Angaben nur nach einer Einzelfallprüfung als "leicht verständlich" angesehen werden können. Mangels abstrakter Regelung, nach der fremdsprachige Ausdrücke zulässig sind, werden die nationalen Märkte nicht entscheidend für Waren aus anderen Mitgliedstaaten geöffnet. Importeure können nur nach eingehender juristischer Priifung beurteilen, ob ihre Etikettierung den Anforderungen des Einfuhrstaats genügt. Ein Zugewinn an Marktoffenheit ist nicht erkennbar. Während der EuGH die Gewährleistung des freien Warenverkehrs als vorrangigen Zweck des Art. 14 11 1 Richtlinie 79/ 112/EWG urspr.F. ansieht, stellt die Kommission den Schutz der Verbraucher in den Vordergrund. Aus diesem Grund haben das Europäische Parlament und der Rat 1997 eine neue Richtlinie erlassen, in der sie den Standpunkt der Kommission und nicht den des EuGH aufnehmen und weiterentwickeln. Der Verbraucherschutz und nicht der des freien Warenverkehrs ist dabei vorrangiger Zweck. Einer eingehenden Erörterung bedarf, wie der Begriff der "leicht verständlichen Sprache" weiterentwickelt worden ist und welche rechtliche Beurteilung nationaler Sprachregelungen sich aus der neuen Fassung des Art. 14 11 Richtlinie 79/ 112/ EWG ergibt.

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bb) Die Richtlinie 97 141 EG des Europäischen Parlaments und des Rats (1997) Am 27. 1. 1997 haben der Rat und das Europäische Parlament eine Richtlinie erlassen, in der sie den Sprachgebrauch bei der Etikettierung von Lebensmitteln, die direkt an den Endverbraucher gelangen, neu regeln. 427 Diese Richtlinie fügt der Richtlinie 79/1121 EWG zwei wesentliche Neuerungen hinzu. Zunächst ergänzt Art. 1 Nr. 1 Richtlinie 97/41 EG die Erwägungsgründe der Richtlinie 791 112/EWG. Hinter den sechsten Erwägungsgrund, welcher bestimmt, daß ,jede Regelung der Etikettierung von Lebensmitteln ... vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen" soll, wird ein neuer Erwägungsgrund eingefügt, der den Mitgliedstaaten explizit eine Regelungsbefugnis für die bei der Etikettierung zu verwendende Sprache zuerkennt: "Diese Anforderung bedeutet, daß die Mitgliedstaaten unter Beachtung der Bestimmungen des Vertrags Vorschriften über die zu verwendende Sprache vorsehen können. ,,428 Die zweite Neuerung enthält Art. 1 Nr. 8 Richtlinie 971 4/EG. 429 Dieser bestimmt, daß in die Richtlinie 791 112/EWG ein neuer Art. 13a eingefügt wird, der zum Teil Regelungen des alten Art. 14 11 Richtlinie 791 112/EWG übernimmt, zum Teil aber auch neue Regelungen enthält. Art. 13a I Richtlinie 791 1121 EWG n.F. entspricht in etwa dem alten Art. 1411 1 Richtlinie 791 112 1EWG,430 lediglich die Formulierung " ... es sei denn, die Information des Verbrauchers ist durch andere Maßnahmen für eine oder mehrere Angaben auf dem Etikett effektiv sichergestellt; diese Maßnahmen werden nach dem Verfahren des Artikels 17 festgelegt" ist neu. Art. 13a III Richtlinie 79/l12/EWG n.F. übernimmt Art. 14112 Richtlinie 791 112/EWG a.F. und besagt: "Die Absätze 1 und 2 stehen der Abfassung der Angaben auf dem Etikett in mehreren Sprachen nicht entgegen." Neu und entscheidend ist jedoch Absatz 2 des Art. 13a Richtlinie 791 1121 EWG n.F.: "Der Mitgliedstaat, in dem das Erzeugnis vermarktet wird, kann in seinem Hoheitsgebiet unter Beachtung der Bestimmungen des Vertrags vorschreiben, daß diese Angaben auf dem Etikett zumindest in einer oder mehreren von ihm bestimmten Amtssprachen der Gemeinschaft abgefaßt sind." Liest man Art. 13a 11 Richtlinie 791 112/EWG n.F. zusammen mit dem neuen Erwägungsgrund Nr. 6a, so werden die Mitgliedstaaten ermächtigt, für Lebensmit427 Richtlinie 97/4/ EG zur Änderung der Richtlinie 79/112/ EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, ABlEG Nr. L 43 vom 14.2. 1997, S. 21 ff. 428 Fn. 427, S. 21. 429 Fn. 427, S. 23. 430 Der lautet: "Die Mitgliedstaaten sorgen jedoch dafür, daß in ihrem Hoheitsgebiet keine Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden dürfen, auf denen die in Artikel 3 und Artikel 4 Absatz 2 genannten Angaben nicht in einer dem Käufer leicht verständlichen Sprache abgefaßt sind, es sei denn, die Unterrichtung des Käufers ist durch andere Maßnahmen gewährleistet. ..

7 Therne

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

tel, die auf ihrem Hoheitsgebiet vermarktet werden, den Gebrauch ihrer Amtssprache bei der Etikettierung vorzuschreiben. Gern. Art. 13a I Richtlinie 791 1121 EWG n.P. ist es weiter möglich, daß die Information des Verbrauchers durch "andere Maßnahmen", d. h. durch Schaubilder, Symbole oder Piktogramme auf dem Etikett "effektiv sichergestellt" wird. Fraglich ist, ob ein Mitgliedstaat ausschließlich die Etikettierung in seiner Amtssprache vorschreiben kann (Absatz 2) oder ob er die Möglichkeit offenlassen muß, den Verbraucher durch eine andere "leicht verständliche Sprache" oder durch "andere Maßnahmen" zu informieren (Absatz 1). Zudem ist unklar, welchen weiteren Anforderungen eine nationale Regelung genügen muß, die die Sprache des Verkaufslands vorschreibt. Nach dem Wortlaut ist Art. 13a I Richtlinie 791 112/EWG n.P. eine gebundene Vorschrift (,,Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, ... "), während Art. 13a 11 Richtlinie 791 112/EWG n.P. eine Ermessensnorm darstellt ("Der Mitgliedstaat, in dem das Erzeugnis vermarktet wird, kann ... "). Absatz 1 sorgt daher für ein minimales, europaweites Verbraucherschutzniveau. Nach Absatz 2 steht es im Ermessen der Mitgliedstaaten, ihr nationales Schutzniveau anzuheben und eine Etikettierung zumindest in einer oder in mehreren Amtssprache 1n zu verlangen. Aus systematischen Gründen kann daher argumentiert werden, daß es nunmehr zulässig ist, ausschließlich eine Etikettierung in der Sprache des Verkaufsgebiets zu verlangen, ohne daneben andere Sprachen zuzulassen. In seinem Urteil vom 3.6. 1999, Colim NV./.Bigg's Continent Noord NY,431 hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung aus den Urteilen Piageme. /.Peeters I und 11 den neuen normativen Vorgaben angepaßt. Er legt aber weiterhin das Schwergewicht auf den möglichst ungehinderten Verkehr von Waren innerhalb der Gemeinschaft. Damit bildet der EuGH den Gegenpart von Parlament und Rat, die beide den Schutz der Verbraucher in den Vordergrund stellen. Zunächst wiederholt der EuGH, daß sprachliche Anforderungen in nationalen Regelungen den innergemeinschaftlichen Handel behindern, da Erzeugnisse, die aus anderen Mitgliedstaaten stammen, mit anderen Etiketten versehen werden müssen, was zusätzliche Aufmachungskosten verursacht. 432 Da es sich dabei nicht um bloße Verkaufsmodalitäten, sondern vielmehr um produktbezogene Regelungen handele (Verpackung und Bezeichnung der eingeführten Erzeugnisse müssen geändert werden),433 könnten diese aus Gründen des Verbraucherschutzes nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie unterschiedslos für inländische und importierte Erzeugnisse gälten sowie verhältnismäßig seien. 434 Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben sich nach Ansicht des Gerichtshofs für eine nationale Regelung, die die Sprache des VerEuGH, Slg. 1999,1-3175 ff. Fn. 431, S. 3215, Rn. 36. Ebenso argumentiert der Gerichtshof in EuGH, Slg. 1994,13879,3899, Rn. 13 (Meyhui). 433 Fn. 431, S. 3215, Rn. 37. 434 Fn. 431, S. 3216, Rn. 43, S. 3215, Rn. 40. Entsprechende Voraussetzungen finden sich in EuGH, Slg. 1994,1-3879,3898, Rn. 10 (Meyhui). 431

432

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kaufslands vorschreibt, zwei Anforderungen. Sie darf die Verwendung von Schaubildern, Symbolen oder Piktogrammen als mildere Mittel nicht ausschließen, muß also erforderlich sein. 435 Zudem muß sie sich, um angemessen zu sein, auf die von dem betreffenden Mitgliedstaat zwingend vorgeschriebenen Angaben beschränken. 436 Bei den übrigen Angaben steht es im Ermessen des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers, ob er die Angaben übersetzt oder nicht. Insgesamt sind also nationale Sprachregelungen, die die Sprache des Verkaufslands I-gebiets vorschreiben, zulässig, wenn sie unterschiedslos gelten und im Hinblick auf das Ziel des Verbraucherschutzes verhältnismäßig sind (d. h. andere Mittel als die Übersetzung gewährleisten keine ausreichende Information der Verbraucher und die Vorschriften gelten nur für zwingend vorgeschriebene Angaben).437 Nachfolgend soll geklärt werden, wie die bereits angesprochenen nationalen Sprachregelungen vor diesem neuen normativen Hintergrund zu bewerten sind. ( 1) Anwendung auf deutsche, belgische und französische Sprachregelungen

§ 3 III der deutschen LMKV,438 Art. ll des belgisehen arrere royat39 sowie Art. 2 I und Art. 4 11 der französischen loi Toubon440 differenzieren in ihrem Geltungsanspruch nicht zwischen inländischen und eingeführten Lebensmitteln. Die Vorschriften gelten vielmehr unterschiedslos für alle Lebensmittel, die auf dem jeweiligen nationalen Markt in den Verkehr gebracht werden (vgl. dazu § 1 I und 11 LMKV; Art. I § 1 arrete royal; Art. 1 11 loi Toubon i. Y.m. dem Runderlaß vom 19. 3. 1996, Rn. 2.1.3.). Die Vorschriften müßten in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel des Verbraucherschutzes stehen. Während § 3 III LMKV die deutsche Sprache oder alternativ eine "andere leicht verständliche Sprache" vorschreibt (und deswegen unter Art. 13a I Richtlinie 79/1121 EWG n.F. fallt), gehen die belgisehe und die französischen Regelungen weiter. Die belgisehe Regelung schreibt eine Etikettierung zumindest auch in der Sprache des Verkaufs gebiets vor, parallel sind andere Sprachen möglich. Die Regelungen der loi Toubon fordern eine Etikettierung in französischer Sprache, parallel können ebenfalls Fremdsprachen verwandt werden. Beide Arten von Regelungen fallen unter Art. 13a 11 Richtlinie 79/112/EWG n.F. Alle genannten Sprachvorschriften sind geeignet, die Verbraucher vor Irreführung und Yauschung zu schützen sowie ausreichend zu informieren.

435 436 437 438 439 440

7*

Pn. 431, S. 3216, Rn. 41. Pn. 431, S. 3216, Rn. 42. Pn. 431, S. 3216, Rn. 44. Siehe dazu unter b). Siehe zu der belgischen Regelung unter b). Siehe zu den beiden französischen Vorschriften unter b).

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

(a) Erforderlichkeit und Angemessenheit von § 3 III LMKV § 3 III LMKV müßte erforderlich sein, um die Verbraucher zu schützen. Ein milderes Mittel als die Angaben zu übersetzen sind Schaubilder, Symbole oder Piktogramme, wenn sie eine vergleichbare, ausreichende ["effektiv(e)"] Information der Verbraucher sicherstellen. In der Vorschrift ist jedoch nicht vorgesehen, daß der Verbraucher auch durch "andere Maßnahmen" informiert werden kann. 441 Die Etikettierungsvorschrift des § 3 III LMKV bezieht sich auf die in § 3 I LMKV vorgesehenen Angaben. Die Verkehrsbezeichnung (Nr. 1), der Name oder die Firma und die Anschrift des Herstellers, des Verpackers oder eines in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft niedergelassenen Verkäufers (Nr. 2), die Zutaten (Nr. 3) und das Mindesthaltbarkeitsdatum (Nr. 4) können nicht durch Schaubilder, Symbole oder Piktogramme dargestellt werden. Andere Mittel als die Übersetzung442 gewährleisten daher keine effektive Information des Verbrauchers, so daß § 3 III LMKV erforderlich ist. Um angemessen zu sein, muß sich die nationale Sprachregelung auf zwingend vorgeschriebene Angaben beschränken. § 31II LMKV bezieht sich nicht auf alle Angaben, die sich auf einem Etikett befinden, sondern lediglich auf die in § 3 I LMKV zwingend vorgeschriebenen. Er ist daher angemessen und insgesamt verhältnismäßig. § 3 III LMKV entspricht den Anforderungen des Art. 13a I Richtlinie 79/112/EWG n.F.

(b) Erforderlichkeit und Angemessenheit von Art. 11 arrete royal Art. 11 arrete royal ist erforderlich, wenn andere Mittel als die Übersetzung der in Art. 2 arrete royal vorgesehenen Angaben die Verbraucher nicht ausreichend informieren. Bei den Angaben nach Art. 2 § 1 arrete royal handelt es sich um die Verkehrsbezeichnung, eine Liste der Zutaten, das Mindesthaltbarkeitsdatum, Aufbewahrungs- und Gebrauchsvorschriften, Namen oder Firmennamen und Adresse des Herstellers, Verpackers oder Verkäufers, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft niedergelassen ist, die Gebrauchsanweisung, den Herkunftsort und das Nettogewicht. Schaubilder, Symbole und Piktogramme sind bei diesen Angaben nicht gleich geeignet, um den Verbraucher zu informieren. Insofern ist Art. 11 arrete royal erforderlich. Die Verpflichtung zur Sprache des Verkaufsgebiets besteht zudem nur für die in Art. 2 arrete royal und anderen besonderen Regelungen zwingend vorgeschriebenen Angaben, so daß Art. 11 arrete royal verhältnismäßig ist. Die belgische Regelung genügt daher Art. 13a II Richtlinie 79/112/ EWG n.F.

441 Aus diesem Grund gehen Burmeister/Miersch, S. 276, (allerdings noch vor Inkrafttreten der Richtlinie 971 4/EG) davon aus, daß § 3 III LMKV insoweit gegen Art. 1411 1 Richtlinie 791 112/EWG urspr.F. verstößt und deshalb unanwendbar ist. 442 Ausgenommen sind die Nummern 2 und 4, die keine Übersetzung erfordern.

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(c) Erforderlichkeit und Angemessenheit von Art. 2 I, 4 11 lai Tauban Art. 2 I lai Tauban schreibt zum einen die französische Sprache bei der Etikettierung von Lebensmitteln vor, und Art. 4 11 lai Tauban geht zum anderen davon aus, daß diese stets Ursprungsfassung ist. Fremdsprachige Fassungen können lediglich beigefügt werden. Die Art. 2 I, 4 11 lai Tauban beziehen sich auf alle bei der Bezeichnung und der Aufmachung eines Lebensmittels gemachten Angaben, sobald das Produkt in Frankreich in den Verkehr gebracht wird. Insofern sind bei den zur gesundheitlichen Information des Verbrauchers nicht zwingend vorgeschriebenen Angaben (wie z. B. der Wiederverwertbarkeit und der Umweltfreundlichkeit) Schaubilder, Symbole oder Piktogramme gleich geeignet, den Verbraucher zu informieren. Indem die Vorschriften ausnahmslos eine Übersetzung fordern und andere Maßnahmen nicht zulassen, schließen sie mildere Mittel zum Schutz der Verbraucher aus. Sie sind nicht erforderlich. Da die Art. 2 I, 4 11 lai Tauban einschränkungslos auf alle Produktangaben anwendbar sind und sich nicht auf zwingend vorgeschriebene Angaben beschränken, sind sie zudem unangemessen. Art. 2 I, 4 11 lai Tauban verstoßen gegen Art. 13a 11 Richtlinie 79/ 1l2/EWG n.F. und sind europarechtswidrig. 443 (2) Ergebnis

Die Ausführungen machen deutlich, daß nationale Regelungen für Lebensmittel, die direkt an den Endverbraucher gelangen, anfällig für Verstöße gegen das Europarecht sind. Um eine dauerhafte Lösung zu entwickeln, muß man die nationalen Erfordernisse, aber auch die Möglichkeiten des Gemeinschaftsrechts berücksichtigen. Konflikte ließen sich dadurch vermeiden, daß auf europäischer Ebene eine mehrsprachige Etikettierung - neben der Etikettierung in der Sprache des Verkaufslands - zur Pflicht gemacht wird. Eine solche Etikettierung, die in einigen Bereichen schon die Regel ist (wie z. B. auf Saft- und Gebäckverpackungen sowie auf Schokoriegeln), bietet mehrere Vorteile. Zunächst schafft sie für die Hersteller Rechtssicherheit. Sie können darauf vertrauen, daß ihre Erzeugnisse rechtmäßig in verschiedenen Mitgliedstaaten verkauft werden können, ohne daß eine Neuverpakkung erforderlich ist. Eine generelle Pflicht zur Etikettierung in mehreren Sprachen der Europäischen Union hilft so, unnötige Kosten zu sparen. Weiterhin dient eine solche Pflicht dem Verbraucherschutz. Der Verbraucher kann die Informationen zu dem von ihm gekauften Produkt mühelos zur Kenntnis nehmen und wird 443 Als Besonderheit bei einem Verstoß gegen die Richtlinie 79/ 1121EWG hat der Gerichtshof in seinem Urteil SARPp, Slg. 1990,1-4695,4720, R. 16, folgendes festgestellt: "Die Richtlinie 79/ 112 hat ... Verpflichtungen in bezug auf die Kennzeichnung der in der gesamten Gemeinschaft gehandelten Lebensmittel begründet, ohne daß ... Unterscheidungen nach dem Ursprung ... vorgenommen werden dürfen. Wenn also die Vorschriften der Richtlinie der Anwendung einer nationalen Regelung über die Etikettierung von Lebensmitteln entgegenstehen, kann diese Regelung weder auf eingeführte Lebensmittel noch auf Lebensmittel einheimischen Ursprungs angewandt werden."

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

zudem an andere Sprachen herangeführt. Hierdurch werden Gefahren, die durch unvollständige Informationen entstehen können, vermieden, und das Recht des Verbrauchers auf Information aus Art. 153 I EG wird optimal gewährleistet. Außerdem trägt eine mehrsprachige Etikettierung dazu bei, die nationalen Märkte zu öffnen. Es wird verhindert, daß die Mitgliedstaaten mit Sprachregelungen protektionistische Ziele verfolgen können. Ähnlich wie bei der europäischen W3.hrung könnten auf der Verpackung ein nationales und ein gemeinschaftliches Element vorgesehen werden. Die Sprache des Herstellungslands könnte größer als die übrigen Sprachen aufgedruckt werden, damit sich der Unionsbürger mit seinen nationalen Produkten weiterhin identifizieren kann. Gemeinschaftliches Element wäre neben der Etikettierung in der Sprache des Verkaufslands - eine Etikettierung in den in der Europäischen Union am meisten gesprochenen und verstandenen Sprachen. Zudem bräuchte eine europarechtliche Verpflichtung zur mehrsprachigen Etikettierung nur für Import- und Exportprodukte gelten.

c) Lebensmittel, die an Importeure oder Großhändler geliefert werden,

und sonstige Produkte

Bei Lebensmitteln, die nicht direkt an den Endverbraucher gelangen, und bei sonstigen Produkten ist die Rechtslage eine andere. Es gibt keine europaweiten Harmonisierungsbestrebungen, die spezielle Anforderungen an die Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten stellen. Die nationalen Regelungen werden deshalb nicht anhand von sekundärrechtlichen Vorschriften, sondern anhand des Primärrechts (Art. 28, 30 EG) überprüft. 444 Auch die Sachlage ist eine andere. Aus Gesichtspunkten der Produkthaftung ist primär der Hersteller des Produkts Verpflichteter der nationalen Bezeichnungsvorschriften. Er kann diese Pflicht vertraglich auf den Importeur, den Groß- oder den Vertragshändler abwälzen. Spiegelbildlich zu dieser Verpflichtung sind Hersteller, Importeure und Händler Berechtigte des freien Warenverkehrs aus Art. 28 EG. In der Distributionskette Hersteller - Importeur bzw. Großhändler - Einzelhändler Verbraucher differiert die Schutzbedürftigkeit. Während sie bei dem Verbraucher, insbesondere bei Konsumprodukten, ebenso hoch ist, wie im vorangegangenen Abschnitt, sind die übrigen Glieder der Kette nur in geringerem Maße schutzbedürftig. Inländische Importeure und Großhändler, die in den meisten Fällen vertraglich zur Umsetzung der Sprachregelungen verpflichtet sein dürften, beherrschen häufig die Sprache ihres ausländischen Handelspartners oder ihnen stehen ausreichende Übersetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie sind daher aus Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes nicht schützenswert. Im Gegensatz dazu bleibt der Endverbraucher in erhöhtem Maße schutzbedürftig.

444

EuGH, Slg. 1981,3019,3020, Rn. 2 (Obstessig 11).

B. Der freie Warenverkehr

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Ziel dieses Abschnitts ist es, herauszuarbeiten, wie weit nationale Sprachregelungen gehen können, ohne gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs aus Art. 28 EG zu verstoßen. Dabei stützt sich die Untersuchung auf die Vorschriften der französischen loi Toubon hinsichtlich der Bezeichnung und Aufmachung (Etikettierung) von Waren. Anhand von Art. 2 I, 4 11 loi Toubon wird geklärt, ob entsprechende Sprachregelungen ein Hindernis für den freien Warenverkehr darstellen, welches auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene gerechtfertigt werden kann, oder ob sie europarechtswidrig sind. aa) Anwendbarkeit Art. 2 I, 4 11 loi Toubon gelten für alle Güter und Produkte, die in Frankreich in den Verkehr gebracht werden. Da diese Geldwert besitzen und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können, handelt es sich um Waren LS.v. Art. 23 11 EG. Die Art. 28, 30 EG sind anwendbar.

bb) Tatbestand des Art. 28 EG Es müßte sich bei den französischen Sprachregelungen um ein Handelshemmnis LS.v. Art. 28 EG, um eine Maßnahme gleicher Wirkung L S. d. Dassonville-Formel 445 handeln. Die Art. 2 I, 4 11 loi Toubon regeln die Sprache bei der Etikettierung von Produkten und zielen so nicht direkt auf eine Beschränkung der Einfuhren nach Frankreich ab. 446 Es könnte aber eine mittelbare Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels vorliegen. Um die handelsbeschränkende Wirkung einer nationalen Regelung zu ermitteln, vergleicht man die jeweiligen Kosten, die dem Warenanbieter durch die Vorschriften des Herkunfts- oder des Importstaats entstehen. Werden ausländische Warenanbieter durch produktbezogene Regelungen des Importstaats mit höheren Kosten als im Herkunftsstaat belastet, so reduziert sich ihr Gewinn und der Handel wird behindert. 447 Zusätzliche Kosten können sich insbesondere daraus ergeben, daß Produkte umetikettiert oder neu verpackt werden müssen, um den Vorschriften des Einfuhrstaats zu genügen. 448 Da44S Siehe dazu Fn. 283: ,,Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ... ". 446 Nach dem Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung der loi Toubon. http://www.culture.fr/culture/dglf / garde.htm, am 23.7. 1998, S. 4, Rn. 2.1.3. ist nicht die Einfuhr, sondern das Inverkehrbringen von Produkten, die in das französische Staatsgebiet eingeführt worden sind, von der Beachtung der sprachenrechtlichen Vorschriften abhängig. 447 Mülbert. S. 21 f.; Bemhard. S. 409. In der Rechtssache Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e.V./.Mars GmbH hat der EuGH, Slg. 1995,1-1923, 1941, Rn. 13, festgestellt, daß zusätzliche Verpackungskosten nach der Dassonville-Formel ein Handelshemmnis darstellen.

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

durch, daß alle Produkte, die in Frankreich vermarktet werden, in französischer Sprache bezeichnet und aufgemacht sein müssen, entstehen in der Distributionskette Hersteller (aus einem anderen Mitgliedstaat), Importeur, Groß- oder Vertragshändler (in Frankreich ansässig) zusätzliche Kosten, da diese speziell für Frankreich die Produkte umetikettieren müssen (insbesondere deshalb, weil die französische Fassung bei einer Etikettierung in mehreren Sprachen gern. Art. 4 11 loi Toubon ebenso leserlich oder verständlich sein muß, wie die Fassung in den anderen Sprachen). Kommt ein ausländischer Hersteller der ihm aus Produkthaftungsgesichtspunkten primär obliegenden Kennzeichnungspflicht nicht nach, kann er die Verpflichtung vertraglich auf einen französischen Importeur, Groß- oder Vertragshändler übertragen. Auf diese Weise entstehen in der Distributionskette, an welcher Stelle auch immer, höhere Kosten durch die nationalen Bezeichnungsvorschriften, die sich in dem Verkaufspreis des Produkts niederschlagen. Hierdurch wird für Waren aus anderen Mitgliedstaaten der Marktzugang in Frankreich erschwert, so daß die sprachlichen Anforderungen geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel mittelbar zu beschränken. Art. 2 I, 4 11 loi Toubon fallen nach der Keck-Rechtsprechung dann nicht unter den Tatbestand des Art. 28 EG, wenn sie unterschiedslos für inländische und importierte Erzeugnisse gelten und keine produktbezogenen, sondern lediglich absatzbezogene Regelungen enthalten. Fraglich ist zunächst, ob die Vorschriften importierte Erzeugnisse diskriminieren oder ob sie unterschiedslos gelten.

448 Wenn ein Etikett geändert werden muß, unter dem das Produkt im Ausfuhrstaat rechtmäßig vermarktet wird, nur weil im Einfuhrstaat die Bezeichnung "Iikeur" für einen bestimmten Alkoholgehalt vorgeschrieben ist, ist dies nach EuGH, Sig. 1980, 3839, 3855, Rn. 15 (Fietje) als eine durch Art. 28 EG verbotene Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen. Schreibt eine nationale Regelung vor, daß nur Erzeugnisse mit einem der Warenbezeichnung zugefügten 0 vermarktet werden dürfen, die in diesem Mitgliedstaat unter dem Warenzeichen eingetragen sind, oder entstehen für das betroffene Unternehmen aus dem EG-Ausland zusätzliche Verpackungskosten, da ein kosmetisches Erzeugnis in dem Mitgliedstaat unter einer anderen Bezeichnung verkauft werden muß als in den anderen Mitgliedstaaten, so stellen diese Regelungen Handelshemmnisse dar, EuGH, Sig. 1994,1-317,336 f., Rn. 18, 19 (Clinique). Bei einer griechischen Regelung, die den Vertrieb sämtlicher aus anderen Mitgliedstaaten eingeführter Erzeugnisse auf dem inländischen Markt von der Voraussetzung einer Etikettierung in griechischer Sprache abhängig machte, handelte es sich um ein Absatzverbot. Der EuGH hat das Verfahren jedoch eingestellt, nachdem die Republik Griechenland ihre nationalen Regelungen den europarechtlichen Vorgaben angepaßt hatte, Sig. 1987, 4383, 4389 ff. (Kommission. / .Republik Griechenland). Die Europäische Kommission, JUSletter 27 - 99 vom 16.7. 1999, Free movement of goods, Customs union, S. 4, hat Griechenland in einem anderen Fall eine begründete Stellungnahme gern. Art. 226 1 EG geschickt, in der sie griechische Regelungen riigt, die vorschreiben, daß auf allen in Griechenland verkauften nichtalkoholischen Getränken der Preis in Drachmen auf Griechisch und Englisch verzeichnet sein muß. Die Kommission ist der Ansicht, daß es sich dabei um ein nicht gerechtfertigtes Handeishemmnis handelt. Die Regelung sei unverhältnismäßig, da es ausreiche, den Verbraucher durch Preislisten zu informieren, die eine kostspielige Neuetikettierung überflüssig machen würden.

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Als Grundfonn aller Beschränkungen liegt eine Diskriminierung im Bereich des freien Warenverkehrs vor, wenn eine Ungleichbehandlung daran anknüpft, ob eine Ware eine innergemeinschaftliche Grenze überschreitet oder nicht (unzulässiges Differenzierungskriterium). 449 Eine "versteckte Diskriminierung" als Sonderfonn besteht, wenn eine Regelung zwar an andere Differenzierungskriterien anknüpft, jedoch zu ähnlichen Ergebnissen wie bei einer Anknüpfung an den Grenzübertritt führt. 45o Allerdings ist eine versteckte Fonn der Diskriminierung zu verneinen, wenn auch im Inland verbleibende Waren in erheblichem Umfang erfaßt werden (dann liegt eine unterschiedslos geltende Nonn vor).451 Der Anwendungsbereich der Art. 2 I, 4 11 loi Toubon erstreckt sich gern. Art. I 11 loi Toubon auf den gesamten französischen Handel. Es wird daher nicht an den Grenzübertritt eines Produkts angeknüpft, sondern vielmehr daran, daß es in Frankreich in den Verkehr gebracht wird (ganz gleich, woher es komrnt).452 Die Regelungen gelten ebenso für französische Hersteller, die ihrem Produkt durch eine englischsprachige Aufmachung ein fortschrittliches Image geben wollen, wie für den deutschen Safthersteller, der europaweit mehrsprachig etikettierte Verpackungen vertreibt, auf denen die französische Sprache jedoch kleiner aufgedruckt ist als die deutsche. Nicht zu vergessen sind internationale Konzerne (z. B. McDonald's), die zwar in Frankreich von französischen Eigentümern i.R. v. Franchisingverträgen geführt werden, die allerdings eine weltweite Produktbezeichnungs- und Vennarktungsstrategie verfolgen. 453 Die Vielzahl von Verfahren, mit denen französische Unternehmen wegen Verstößen gegen die loi Toubon und ihre Vorgängerin, die loi Bas-Lauriol, überzogen worden sind,454 zeigt, daß auch im Inland verbleibende Waren in erheblichem Umfang betroffen werden. Deshalb liegt weder eine Diskriminierung noch eine versteckte Fonn von ihr vor. Eine Regelung gilt unterschiedslos, wenn sie in ihrem Geltungsanspruch nicht zwischen inländischen und importierten Waren differenziert. 455 Davon abzugren449 Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 211 f. Im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs liegt bei Differenzierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit und der Ansässigkeit eine Diskriminierung vor, ebenda. 450 EuGH, Sig. 1996,1-2631,2637 ff., Rn. 17 ff. (O'Flynn). Diese Kriterien werden regelmäßig nur von inländischen Waren leicht erfüllt. 451 Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 213. 452 Runderlaß vorn 19. 3.1996 zur Ausführung der loi Toubon, S. 4, Rn. 2.1.3. 453 McCarthy/Mercer, S. 311. 454 Unter der loi Bas-Lauriol waren bspw. die Opera Nationale de Paris, die RATP sowie ein französisches Franchising-Unternehmen des Quick-Konzerns in Verfahren wegen Verletzung der sprachenrechtlichen Vorschriften verwickelt, Nelms-Reyes, S. 285 ff. Zwischen 1990 und 1994 wurden unter der loi Toubon 4800 Untersuchungen wegen Verstoßes gegen das Sprachgesetz eingeleitet, von denen 1000 mit einer Verurteilung endeten (zumeist im Bereich Werbung und Gebrauchsanweisungen), Nelms-Reyes, S. 289 Fn. 100. Verfahren wurden u. a. eingeleitet gegen La Poste (Chronopost), The Disney Store, The Body Shop und Benetton, Nelms-Reyes, S. 306 ff., 305 Fn. 207, 297 Fn. 155. 455 Müller-Graff, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30, Rn. 83.

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zen sind Regelungen, die zwar unterschiedslos gelten, aber dennoch Waren oder Bürger aus anderen Mitgliedstaaten an der Ausübung ihrer Grundfreiheit hindern. 456 Die Art. 2 I, 4 11 loi Toubon gelten ausnahmslos für alle Waren, die sich auf dem französischen Markt befinden. Sie betreffen daher de iure inländische und importierte Waren gleichermaßen. De facto werden durch die Verpflichtung, daß alle in Frankreich vermarkteten Produkte auf Französisch etikettiert sein müssen, hauptsächlich ausländische Hersteller getroffen. Produkte, die in anderen Mitgliedstaaten hergestellt worden sind, müssen für den französischen Markt neu oder zusätzlich etikettiert werden. Hierdurch entstehen Kosten, die französischen Herstellern erspart bleiben, da diese ihre Erzeugnisse von vornherein französisch bezeichnen und aufmachen. Obwohl die Art. 2 I, 4 11 loi Toubon unterschiedslos gelten, benachteiligen sie de facto Erzeugnisse und Hersteller aus anderen Mitgliedstaaten. Sie sind insofern materiell diskrirninierend. 457 Es handelt sich deshalb um de iure unterschiedslos für inländische wie für importierte Waren geltende Regelungen, die de facto Wirtschafts teilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Grundfreiheit aus Art. 28 EG behindern. Um nicht durch die teleologische Reduktion der Keck-Rechtsprechung aus dem Tatbestand des Art. 28 EG zu fallen, müssen die Art. 2 I, 4 11 loi Toubon weiterhin produktbezogene Regelungen enthalten. Die Regelung der Bezeichnung und Aufmachung (Etikettierung) eines Produkts betrifft nicht die Art und Weise seines Verkaufs, sondern unmittelbar das Produkt selbst.458 Da das Ob des Marktzugangs und nicht das Wie des Verkaufs in Frankreich betroffen ist, handelt es sich um produktbezogene Regelungen, die nach der Entscheidung Keck/ Mithouard weiterhin in den Tatbestand des Art. 28 EG fallen. Art. 2 I, 4 11 loi Toubon stellen eine Maßnahme gleicher Wirkung LS.v. Art. 28 EG dar.

cc) Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung Als unterschiedslos geltende Regelungen können die Art. 2 I, 4 11 loi Toubon zum einen aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls L S. d. Cassis-Formel gerechtfertigt sein oder zum anderen unter die Rechtfertigungsgründe des Art. 30 EG fallen (Schranken des freien Warenverkehrs).

4S6 Hirsch, S. 509. Auch eine solche unterschiedslose Geltung der Normen des Importstaats für ausländische Anbieter behindert den freien Warenverkehr. Dadurch, daß die Anbieter nicht mit ihrer landestypischen Leistung am Wettbewerb teilnehmen können, wird die Wahl der Abnehmer aus einem breitgefacherten Produktspektrurn eingeschränkt, Steindorff, S.163. 4S7 In diesem Sinne urteilen auch Albers/Swaak, S. 77 f.; sowie Ludi, S. 997 f. Hingegen vertritt Feld, S. 186 ff., die Ansicht, daß die Vorschriften der loi Toubon bereits nicht unterschiedslos anwendbar sind. 4S8 EuGH, Slg. 1993,1-6097,6131, Rn. 15 f. (Keck/Mithouard).

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(1) Zwingende Erfordernisse des Al/gemeinwohls i. S. d. Cassis-Formel Die Rechtfertigung einer fonnell unterschiedslos geltenden Regelung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls i. S. d. Cassis-Fonnel scheidet dann aus, wenn die Regelung materiell diskriminierend ist. 459 Damit nicht jedes beliebige Hindernis, welches de facto die Einfuhr von Waren aus anderen Mitgliedstaaten erschwert (und so eine materielle Diskriminierung darstellt),460 eine Rechtfertigung nach der Cassis-Fonnel ausschließt, sind jedoch gewisse Anforderungen an die materiell diskriminierende Wirkung zu stellen. Nur wenn die unterschiedslos geltende Regelung ein Erschwernis für Einfuhrwaren bezweckt oder mangels eines anderen Zwecks darauf gerichtet zu sein scheint, scheidet eine Berufung auf ,,zwingende Erfordernisse" aus. 461 Neben dem Schutz der französischen Sprache gern. Art. 1 loi Toubon sollen die Verbraucher durch die Etikettierung von Produkten gern. Art. 2 I, 4 11 loi Toubon geschützt werden. 462 Zudem gelten die Vorschriften der loi Toubon nicht für Vorgänge vor dem Inverkehrbringen von Gütern und Produkten, die in das französische Staatsgebiet eingeführt werden. Daher müssen Halbfabrikate oder Produkte, die ausschließlich für Fachmessen bestimmt und nicht unmittelbar Gegenstand von Geschäften sind, nicht unbedingt in Französisch präsentiert werden. 463 Insofern bezwecken die materiell diskriminierenden Vorschriften keine Behinderung der Einfuhren, sie sind nicht darauf gerichtet, importierten Waren den Zugang zum französischen Markt zu erschweren. Eine Rechtfertigung aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls ist deshalb möglich. Art. 2 I, 4 11 loi Toubon könnten notwendig sein, um zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes gerecht zu werden. Dabei müssen sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (Schranken-Schranke des freien Warenverkehrs). Bei dem Schutz der französischen Verbraucher handelt es sich um ein legitimes nationales Interesse. Hervorzuheben ist, daß in dem zugrunde liegenden Sachverhalt Hersteller, Importeure, Groß- oder Vertragshändler als Verpflichtete der Vorschriften diejenigen sind, die bei der Ausübung ihrer Grundfreiheit behindert werden. Der Schutz der eigentlichen Endverbraucher erfolgt also über einen Umweg und findet erst am Schluß der Distributionskette statt. Zwar sind die Art. 2 I, 4 11 loi Toubon als gesetzgeberische Maßnahme grundsätzlich geeignet, durch eine Verpflichtung der Hersteller, Importeure, Groß- oder Vertragshändler den französischen Verbraucher vor Täuschung und Irreführung zu schützen. Problematisch ist aber, ob sie erforderlich und angemessen sind. Geht man davon aus, daß andere Mittel als eine Übersetzung bei zwingend vorgeschriebenen Angaben nicht ausreichen, um den Verbraucher verständlich und umfassend zu informieren, ist Art. 2 I 459 Dubach, S. 597, Fn. 30. Es ist also de iure und de facto eine Gleichbehandlung erforderlich, Emmert, § 29 Rn. 26 ff. Schweitzer/Hummer; Rn. 1139. 460 Oppermann, EuropaR, Rn. 1299. 461 Müller-GrajJ, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 Rn. 83. 462 Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung der loi Toubon, S. 4, Rn. 2.1.3. 463 V gl. Fn. 462.

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

loi Toubon hinsichtlich dieser Angaben erforderlich. Um angemessen zu sein, darf die Verpflichtung aus Art. 2 I loi Toubon, bei der Etikettierung eines Produkts die französische Sprache zu verwenden, nicht außer Verhältnis zu dem von ihr angestrebten Schutz der Verbraucher stehen. Im Rahmen einer Güterabwägung zwischen der Grundfreiheit des ungehinderten Warenverkehrs und dem Schutz der französischen Verbraucher ist zu untersuchen, welches Rechtsgut bei der Etikettierung von Produkten überwiegt. Konkret ist dabei die Verkehrs fähigkeit eines fremdsprachig etikettierten Produkts in Frankreich für Hersteller, Importeure, Groß- und Vertragshändler mit eventuell aus dem Unverständnis der Produktangaben resultierenden Gesundheitsschäden bei den französischen Verbrauchern in Beziehung zu setzen. Die Gesundheit einzelner Menschen, die bei einer unverständlichen oder mißverständlichen Etikettierung durch Lebensmittelallergien, Diabetes oder andere Erkrankungen gefährdet sein kann, ist schutzwürdiger als die Verkehrsfahigkeit fremdsprachiger Produkte für Hersteller, Importeure, Groß- und Vertragshändler. Als höchstpersönliches Rechtsgut geht die Gesundheit der französischen Verbraucher allen wirtschaftlichen Interessen vor. Der freie Warenverkehr tritt daher bei der Etikettierung von Produkten, die in Frankreich verkauft werden, hinter den Verbraucherschutz zurück. Eine Übersetzung der fremdsprachigen Angaben auf der Verpackung eines Produkts, die einen optimalen Schutz der französischen Verbraucher gewährleistet, schränkt den freien Warenverkehr nicht außer Verhältnis ein, so daß Art. 2 I loi Toubon angemessen und insgesamt verhältnismäßig ist. Art. 2 I loi Toubon ist aus zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes i. S. d. Cassis-Formel gerechtfertigt. Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung des Art. 4 11 loi Toubon. Es ist fraglich, ob die Vorschrift erforderlich ist. Bei mehreren Sprachen auf einem Etikett muß die französische Fassung "ebenso leserlich, ... oder verständlich sein wie die Fassung in den anderen Sprachen". Hier könnte eine mildere, gleich geeignete Regelung ausreichen. Warum muß die Etikettierung in französischer Sprache der Fassung in der Sprache des Herstellungslands in der Größe entsprechen? Es gibt dafür keinen sachlichen Grund, solange die französische Beschriftung lesbar ist und nicht zum "Kleingedruckten" wird. Eine mildere Regelung würde daher verlangen, daß die französische Fassung lediglich ausreichend wahrnehmbar sein muß. Dies genügt, um den Verbraucher über die Eigenschaften des Produkts zu informieren und bedeutet für Hersteller, Importeure, Groß- und Vertragshändler eine geringere Belastung. Letzteren wird bei der Gestaltung der Etiketten eine größere Freiheit eingeräumt. Zudem können Hersteller ihre Produkte einfacher mehrsprachig etikettieren, so daß diese von vornherein in mehreren Ländern verkehrsfahig sind. Hierdurch werden Importeuren sowie Groß- und Vertragshändlern Kosten für eine Um- oder Neuetikettierung erspart. Insbesondere bei kleinen Etiketten ist die Verpflichtung, die französische Fassung in ebenso großen Lettern aufzudrucken wie in der Ursprungsfassung, kaum realisierbar. Sie kommt in diesem Einzelfall einem Verbot fremdsprachiger Beschriftungen nahe. Art. 4 11 loi Toubon enthält daher nicht das mildeste Mittel, um den französischen Verbraucher zu schützen. Er ist

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nicht erforderlich und deshalb unverhältnismäßig. Mangels Rechtfertigung aus Gründen des Verbraucherschutzes i. S. d. Cassis-Formel kommt allenfalls eine Rechtfertigung aus Art. 30 EG in Betracht. (2) Rechtfertigung aus Art. 30 EG

Art. 4 11 loi Toubon könnte gern. Art. 30 S. I EG gerechtfertigt sein. Von den dort abschließend aufgezählten nationalen Interessen, die Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen rechtfertigen können, kommt der Schutz des nationalen Kulturguts in Betracht. Insbesondere bestimmt Art. 1 I loi Toubon, daß die französische Sprache ein grundlegender Bestandteil des Kulturerbes Frankreichs ist. Das nationale Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert i.S.v. Art. 30 S. I EG muß nach nationalem Recht als solches eingestuft worden sein und entweder zu den Stücken zählen, die im Anhang der Richtlinie Nr. 93/7/ EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern genannt sind,464 zu einer öffentlichen Sammlung gehören oder im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt sein. 465 Zwar bleibt es weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen, die schützenswerten Güter zu bestimmen,466 es handelt sich dabei aber stets um "Sachen", die vor einer Verbringung in das Ausland geschützt werden sollen. 467 Die französische Sprache ist kein Kulturgut LS.v. Art. 30 S. 1 EG, so daß eine Rechtfertigung ausscheidet. Die Verpflichtung aus Art. 4 11 loi Toubon, bei der Etikettierung die französische Fassung ebenso leserlich oder verständlich wiederzugeben wie eine anderssprachige Fassung, stellt somit eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.v. Art. 28 EG dar, welche europarechtswidrig ist. Entsprechende nationale Regelungen bleiben zwar in Kraft, der Unionsbürger kann sich aber vor dem zuständigen nationalen Gericht darauf berufen, daß die Regelung ihn in seiner Grundfreiheit aus Art. 28 EG verletzt. Die Grundfreiheiten gewährleisten den grenzüberschreitenden Verkehr, so daß ihre Verletzung nur Rechtsfolgen für diesen auslösen kann. 468 Erklärt der EuGH die nationale Regelung für europarechtswidrig, so ist sie im grenzüberschreitenden Verkehr unanwendbar, bleibt jedoch in Kraft und für Inländer ver-

ABlEG 1993, Nr. L 74, 78 f. Siehr, S. 177. 466 Hailbronner, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-GrajJ, Art. 36, Rn. 32. 467 Lux, in: Lenz, Art. 36, Rn. 8, spricht sogar von "Waren", die als nationales Kulturgut anerkannt werden. 468 Arndt, S. 471. Nach der Gegenansicht von Fezer, S. 325 f., entfällt mit der Feststellung der Europarechtswidrigkeit einer Nonn auch deren nationale Geltung. Aus der einheitlichen Wettbewerbsordnung des Binnenmarkts folge, daß die gemeinschaftsrechtlichen Rechtssätze diskriminierungsfrei (vgl. Art. 12 I EG) im Binnenmarkt gelten. Der nationale Gesetzgeber müsse die Grundfreiheiten auch im innerstaatlichen Recht verwirklichen. 464

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

bindlich. Die daraus resultierende Inländerdiskriminierung wird vom EuGH als zulässig angesehen. 469 Auch bei Lebensmitteln, die zunächst an Importeure oder Großhändler geliefert werden, und bei sonstigen Produkten sind daher Überlegungen zu einer durch das Europarecht begründeten Pflicht mehrsprachiger Etikettierung sinnvoll. 47o Es gelten dabei dieselben Argumente wie bei Lebensmitteln, die direkt an den Endverbraucher gelangen. 471 Durch eine solche Pflicht würden die europäischen Verbraucher in größtmöglichem Maße geschützt, während der freie Warenverkehr kaum beeinträchtigt wird. Die oben gerügten zusätzlichen Kosten, die in der Distributionskette durch verschiedene nationale Sprachregelungen entstehen und die den Grund für ihre handelsbeschränkende Wirkung darstellen, würden entfallen.

2. Werbung

a) Einführung

aa) Begriff und Bedeutung Nach dem Grünbuch über kommerzielle Kommunikation im Binnenmarkt umfaßt Werbung "sämtliche Formen der Kommunikation, die auf die Förderung des Absatzes von Produkten oder Dienstleistungen bzw. des Image eines Unternehmens oder einer Organisation gegenüber den Endverbrauchern und I oder Vertriebsunternehmen abzielen. ,,472 Zum einen ist Werbung ein wichtiges Element der Verbraucherinformation, indem sie das Warenangebot transparent macht und so dem Verbraucher die Produktwahl vereinfacht (Mitteilungsfunktion).473 Zum anderen ist sie im Binnenmarkt Voraussetzung dafür, in Märkte anderer Mitgliedstaaten einzusteigen (Marktöffnungsfunktion). Von dem Erfolg der Werbung hängt ab, ob ein neues Produkt auf einem etablierten nationalen Markt Fuß fassen kann. Nur so können Hersteller oder Vertreiber aus anderen Mitgliedstaaten die nationalen Verbraucher auf ihre Produkte aufmerksam machen. Werbung ist daher ein ,,integraler Bestandteil" der Warenverkehrsfreiheit, wobei letztere der Schutzverstärkung durch die Freiheit grenzüberschreitender Produktwerbung bedarf (SchutzverstärEuGH, Sig. 1982,3723,3736 f., Rn. 15 ff. (Morson und Jhanjan); König, S. 595 ff. Mehrsprachige Etikettierung gehört heute bereits bei vielen internationalen Firmen zum Geschäft. Als Beispiele mögen ModefInnen dienen, die ihre Bekleidungsartikel in verschiedenen europäischen Größen und Preisen auszeichnen (z. B. Esprit, Springfield, Zara und Mango), Taschentiicherhersteller sowie Hersteller von Haushaltsgeräten und -waren (z. B. Kaffeemaschinen, Staubsaugerbeutel, etc.). Viele Gebrauchsanweisungen (z. B. von Uhren und Fotoapperaten) sind schon seit einiger Zeit mehrsprachig. 471 Vgl. dazu unter b) bb) (2). 472 Kommerzielle Kommunikation im Binnenmarkt - Grünbuch der Kommission, Dok. KOM (96) 192 endg., S. 7. 473 Dauses. S. 430. 469

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B. Der freie Warenverkehr

1ll

kungsfunktion).474 Eine Befugnis, in der ganzen Gemeinschaft ungehindert Werbung zu treiben und einheitliche Strategien zur Vermarktung von Waren zu entwikkeIn, ist eine wesentliche Gewährleistung des Binnenmarkts.475 Obwohl Werbefreiheit ein Bestandteil des Binnenmarkts ist, ist das Werberecht überwiegend nationales Recht, 476 Auch im Bereich der Werbefreiheit gilt der schon für die Etikettierung von Produkten gültige Leitgedanke der EuGH-Rechtsprechung, daß Verbrauchergewohnheiten nicht zum Nachteil von Einfuhrerzeugnissen verfestigt werden dürfen, sondern ihre Fortentwicklung zugunsten einer Durchdringung nationaler Märkte förderungswürdig ist,477 Die Verbraucher sollen nicht daran gehindert werden, ein in einem anderen Mitgliedstaat nach traditionellen Rezepten hergestelltes Produkt kennenzulernen. 478

bb) Das Euro-Marketing Im Zuge der Europäischen Integration hat sich das sog. Euro-Marketing immer weiter ausgedehnt,479 Diese globale Marketingstrategie verbindet ein innovatives Produktkonzept mit einem originellen Marketing zu einer Produkteinheit, 480 die europaweit vermarktet wird. 481 Hierdurch sparen Produkthersteller Kosten für unterschiedliche Absatzförderung in den einzelnen Mitgliedstaaten und brauchen nicht für geschlossene Vertriebs systeme zu sorgen. Wie solche grenzüberschreitenden Werbestrategien zu beurteilen sind, ist gegenwärtig noch nicht abschließend geklärt. 482 Euro-Marketing setzt ein breit gefächertes Medienspektrum ein, welches vom Etikett des Produkts über die Verpackung, über Werbeplakate, Werbung in Printmedien, Fernsehspots bis hin zu Werbeprodukten reicht,483 Das Etikett eiVgl. Fn. 473. Stein, Torsten, Freier Wettbewerb und Werbeverbote in der Europäischen Union, S.435. 476 Wägenbaur, Rolf, Werberecht und Werbeverbote, S. 431 a.E., 432. 477 EuGH, Slg. 1987, 1227, 1270 f., Rn. 32 (deutsches Reinheitsgebot für Bier); EuGH, Slg. 1980,417,434, Rn. 14 (Kommission.l.Großbritannien). 478 EuGH, Slg. 1983,947,957 f., Rn. 8 (Oe Kikvorsch). 479 Die Generaldirektion XV bietet eine "Kontrolliste bei der Vorbereitung internationaler Werbekampagnen" an, Anholt, http://europa.eu.int/ comm / dg 15/ comcom / newsletter / editionl21pageI7_de.htm, am 23. 11. 1999, S. 1 ff. 480 Fezer, S. 323. 481 Als Beispiele für effektives Euro-Marketing lassen sich europaweite Franchisesysteme (Yves-Rocher, McDonald's, etc.) nennen, bei denen die Absatzförderung und Art der Werbung durch die Muttergesellschaft einheitlich gestaltet und den Franchisenehmern zur Verfügung gestellt wird. Zu weiteren Beispielen siehe Fn. 483. 482 Streinz, Rn. 733. 483 Nach Meffert, S. 809, versuchen Unternehmen innerhalb einer solchen "globalen Markenstrategie" ein einheitliches Markenkonzept ohne Rücksicht auf nationale Unterschiede 474

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nes Produkts hat dabei häufig eine Doppelfunktion. Zum einen infonniert es den Verbraucher, zum anderen ist es Bestandteil der Werbung für die gesamte Produktpalette. 484 cc) Regelungsbefugnisse und Ausgestaltungen Obwohl kommerzielle Werbung ein eigenständiges Wirtschaftssegment darstellt, besteht keine spezielle Gemeinschaftskompetenz, eine entsprechende Marktordnung zu schaffen. 485 Grundsätzlich sind daher die Mitgliedstaaten (etwa zum Schutz von Allgemeininteressen) regelungsbefugt, nur dort, wo nationale Werberegelungen den Wettbewerb im Binnenmarkt behindern, besitzt die Gemeinschaft eine harmonisierende Kompetenz. 486 Auf Gemeinschaftsebene hat das Werberecht 1979 eine erste Ausgestaltung erfahren: die schon in Abschnitt 1. b) aa) dargestellte Richtlinie 79/ 112/EWG487 über Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie Werbung dafür. Nachfolgerin ist die allgemeine Richtlinie 84/ 450/ EWG488 über irreführende Werbung, welche Kriterien für das Vorliegen irreführender Werbung aufstellt (Art. 3) und die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung verpflichtet (Art. 4). 1989 wurden für den Bereich Fernsehwerbung erste Verhaltensregeln erlassen. Die Richtlinie 89/552/ EWG489 enthält ein absolutes Verbot der Werbung für Zigaretten und Tabakerzeugnisse im Fernsehen (Art. 13) sowie für Arzneimittel und ärztliche Behandlungen, die nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind (Art. 14). Zudem wird in Art. 15 Fernsehwerbung für alkoholische Getränke eingeschränkt. Werbung für Humanarzneimittel ist im einzelnen in der Richtlinie 92/28/ EWG490 geregelt. Seit 1997 läßt die Richtlinie 97/55/ EG vergleichende Werbung im Binnenmarkt unter bestimmten Voraussetzungen zu (Art. 1 Nr. 4).491 1998 sind durch die Richtlinie 98/43/ EG492 zur Angleichung international (im Falle des Euro-Marketing europaweit) durchzusetzen. Als Beispiele nennt er McDonald's und IKEA im Bereich der standardisierbaren Dienstleistungen; IBM, Sony, Kodak bei High-Tech-Produkten; Perrier; ChaneI, Bogner bei Prestigearktikeln sowie CocaCola, Levi's und Isostar bei nicht kulturgebundenen Gütern, S. 810. 484 McCarthy/Mercer; S. 309. 485 Stein, Torsten, Freier Wettbewerb und Werbeverbote in der Europäischen Union, S.435. 486 Siehe Fn. 485. 487 ABlEG 1979, Nr. L 33, S. 1 ff. 488 ABlEG 1984, Nr. L 250, S. 17 ff. Änderungsvorschläge in ABlEG 1991, Nr. C 180, S. 14 ff. und ABlEG 1994, Nr. C 136, S. 4 ff. 489 Richtlinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, ABlEG 1989, Nr. L 298, S. 23 ff. 490 ABlEG 1992, Nr. L 113, S. 13 ff. 491 Richtlinie 97/55/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 10. 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/4501 EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABlEG 1997, Nr. L 290, S. 18 ff.

B. Der freie Warenverkehr

113

der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen alle verbliebenen direkten und indirekten Werbemöglichkeiten für Tabakerzeugnisse verboten worden. Diese Richtlinie ist allerdings durch ein Urteil des EuGH vom 5. 10. 2000 für nichtig erklärt worden, da sie durch die Ermächtigungen aus Art. 95, 47 11 und 55 EG nicht gedeckt ist. 493

dd) Werbebeschränkungen Werbebeschränkungen können sich aus staatlichen Normen, aber auch aus Selbstbeschränkungskodizes der betroffenen Parteien (z. B. aus dem Internationalen Kodex der Werbepraxis der IHK) ergeben. Sie können sich auf spezielle Güter oder Dienstleistungen sowie auf Inhalt, Form und Mittel der Werbung beziehen. Beinahe in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist die Werbung für Tabakwaren, alkoholische Getränke, Lebens- und Arzneimittel sowie Finanz-, Erziehungs- und Reiseleistungen beschränkt.494 Auch Werbung für bestimmte freie Berufe (Ärzte, Rechtsanwälte, Wirtschaftspriifer) unterliegt europaweit verschiedenen Vorschriften. Nationale Regelungen, die Werbung gänzlich verbieten, etwa für Alkohol oder Tabak, bilden dabei eine Zugangs sperre für Markteinsteiger, die hauptsächlich ausländische Anbieter trifft. 495 Bei wirtschaftlicher Analyse sind daher die Verbote aus Griinden des Jugend- und Verbraucherschutzes protektionistische Maßnahmen gegen Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten. Werberechtliche Vorschriften treffen einen sensiblen Bereich des Binnenmarkts, an dessen Schnittstellen sich verschiedene Kapitel des EG-Vertrags beriihren. Neben dem Binnenmarkt als Ziel der Europäischen Gemeinschaft (Art. 3 I c) EG) sind der freie Warenverkehr (Titel I, Kapitel 2) und die Dienstleistungsfreiheit (Titel III, Kapitel 3) betroffen. Zudem bewegen sich werberechtliche Vorschriften im grundrechtsrelevanten Bereich (zum einen auf europarechtlicher Ebene im Bereich der als allgemeine Rechtsgrundsätze anerkannten Grundrechte aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und der EMRK496 und zum anderen im Bereich der nationalen Grundrechte). Potentielle Grundrechtsträger sind dabei die zu einem erheblichen Teil werbefinanzierten Medien, Werbewirtschaft (Werbeagenturen und deren Beschäftigte), Hersteller von Produkten (die Auftraggeber von Werbung) sowie der einzelne Verbraucher. 497 Einschlägige ABlEG 1998, Nr. L 213, S. 9 ff. EuGH, ZIP 2000, S. 1848, 1856. 494 Skouris, S. 443. 495 Dauses, S. 428. 496 Dauses, S. 431. 497 Stein, Torsten, Freier Wettbewerb und Werbeverbote in der Europäischen Union, S.437. 492 493

8 Tbeme

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

Grundrechte sind die Meinungs- bzw. Infonnationsfreiheit, Kunstfreiheit, Berufsfreiheit, das Recht auf Eigentum und der Gleichheitssatz. 498

b) Vereinbarkeit der Art. 2 II, 4 II, 12 1 und N loi Toubon mit Art. 28 EG Nationale Sprachregelungen treffen ein Hauptmedium der Werbung - die Sprache. 499 Nachfolgend soll geklärt werden, ob Sprache in der Werbung geregelt werden darf, bzw. ob eine bestimmte Sprache für Werbung vorgeschrieben werden kann. Dabei wird die rechtliche Beurteilung binnenmarktweiter Werbekonzepte (Euro-Marketing) beleuchtet. Beispielhaft werden dafür Art. 211,411, 12 I und IV loi Toubon herangezogen. 500 Fraglich ist, ob diese Vorschriften mit dem Grundsatz des freien Waren verkehrs aus Art. 28 EG vereinbar sind.

aa) Vorrangige Sonderregelungen Die französischen Vorschriften sind dann nicht an Art. 28 EG zu messen, wenn die Werbefreiheit auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene abschließend harmonisiert ist. Wie dargestellt, existieren zwar Richtlinien für bestimmte Produkte (Tabakerzeugnisse, alkoholische Getränke, Arzneimittel, etc.) sowie für bestimmte Werbefonnen (z. B. irreführende Werbung), es gibt jedoch keine Richtlinie, die Sprache in der Werbung umfassend regelt. Insofern besteht keine abschließende Sonderregelung, anband derer nationale Sprachvorschriften zu prüfen sind.

Skouris, S. 439. So stellt das Erfordernis der Auflage eines Versandhauskatalogs in inländischer Sprache als Werbebeschränkung zugleich eine Behinderung des Absatzes der Ware dar, MüllerGraf!, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30, Rn. 57. 500 Diese Vorschriften werden durch den Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung der loi Toubon, http://www.culture.fr/cuIture/dglf/garde.htm.am 23. 7.1998, S. 2, Rn. 2.1.1.3. ergänzt. Darin wird zunächst bestimmt, daß grundsätzlich bei jeder schriftlichen, gesprochenen oder audiovisuellen Werbung für vertriebene Güter oder Dienstleistungen die französische Sprache verbindlich zu benutzen ist. Anschließend werden drei Ausnahmen genannt. Art. 2, 3 und 410i Toubon gelten (wegen der Ausnahmen in Art. 12 I und III loi Toubon) nicht für fremdsprachige Auszüge aus Originalwerken, die in Verbindung mit einer Werbung ausgestrahlt oder an einem öffentlichen Ort angebracht werden. Sie gelten weiterhin nicht fUr Werbungen innerhalb von Programmen, die dem Erlernen einer Fremdsprache dienen oder vollständig in einer Fremdsprache ausgestrahlt werden (z. B. per Kabel, per Satellit). Abschließend sind die Art. 2, 3 und 4 loi Toubon nicht auf Werbungen in fremdsprachigen Zeitungen und Zeitschriften anwendbar. 498

499

B. Der freie Warenverkehr

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bb) Anwendbarkeit Art. 28 EG ist anwendbar, wenn es sich bei den durch die nationalen Vorschriften betroffenen Objekten um "Waren"SOI i.S.v. Art. 23 11 EG handelt. Während die Art. 2 11, 4 11 loi Toubon Werbeplakate, Werbeanzeigen und -blätter sowie Werbeprodukte betreffen, ist Art. 12 I, IV loi Toubon auf Werbespots und -sendungen in Radio und Fernsehen gerichtet. Werbeplakate, Werbeanzeigen und -blätter sowie Werbeprodukte sind körperliche Gegenstände, die Geldwert haben und deswegen Gegenstand von Handelsgeschäften sein können (d. h. in der Europäischen Gemeinschaft zirkulieren können).S02 Es handelt sich dabei um Waren. Fraglich ist, ob das auch für Werbespots und -sendungen in Radio und Fernsehen gilt. Es könnte sich dabei um Dienstleistungen LS.v. Art. 49 I EG handeln. Dienstleistungen sind seibständigeS03 Tätigkeiten,S04 die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden und zeitlich auf die Erfüllung eines Auftrags begrenztSOS sind. s06 Art. 5011 EG zählt gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten beispielhaft als selbständige Erwerbsleistungen (Dienstleistungen) auf. Im Bereich Werbesendungen und -spots in Rundfunk und Fernsehen können zwei Tätigkeitsbereiche unterschieden werden. Zum einen die zeitlich vorgelagerte Tätigkeit von Werbeagenturen, die Konzepte für Spots und Sendungen entwickeln und realisieren. Es handelt sich dabei um eine entgeltliche Tätigkeit, die inhaltlich von ihrem Auftraggeber frei (also selbständig) und zeitlich auf die Erfüllung des Auftrags begrenzt ist. Insofern liegt eine Dienstleistung vor. Zum anderen die Tätigkeit von Rundfunk- und Fernsehanstalten, die 501

Siehe zum Warenbegriff oben unter 1. c) aa).

502 EndTÖS, S. 19, nimmt an, daß zumindest Werbeplakate und Werbeprodukte am freien

Warenverkehr teilnehmen und daher Warenqualität haben. Wägenbaur, Rolf, Werberecht und Werbeverbote, S. 434, bejaht ein zumindest potentielles Zirkulieren im Binnenmarkt bei Presseerzeugnissen sowie bei Radio-, Fernseh- und Filmwerbung, hingegen stellt er es bei Plakaten, Spruchbändern und festen Leuchtreklamen in Frage. Wägenbaur, Bertrand, Das gemeinschaftsweite Verbot der Tabakwerbung, S. 148, nimmt für den speziellen Fall der Tabakwerbung an, daß Plakate, Spruchbänder und Kinowerbung aufgrund der in der Richtlinie 89/ 622/EWG (ABlEG 1989, Nr. L 359, S. 1 ff., geändert durch die Richtlinie 92/411EWG, ABlEG 1992, Nr. L 158, S. 30 ff.) enthaltenen Pflicht zur Etikettierung von Tabakerzeugnissen in der ,,Amtssprache des Landes der letzten Vermarktungsstufe" ausschließlich im innerstaatlichen Rahmen verbleiben und nicht zirkulationsfähig sind. Zudem seien Plakate und Plakatträger zwar eine Ware, allerdings seien sie national unterschiedlich genormt und würden deshalb den innerstaatlichen Rahmen nicht verlassen. Abschließend stellt er fest, daß Zeitungen und Zeitschriften weniger als 5 % ihrer Auflage in das Ausland verkaufen. Stein, Torsten, Freier Wettbewerb und Werbeverbote in der Europäischen Union, S. 435 a.E., 436, prüft Zeitschriften und Zeitungen (Presseerzeugnisse) als von Werbeverboten betroffene Waren. 503 In Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit gern. Art. 39 lEG. 504 In Abgrenzung zur Warenverkehrsfreiheit gern. Art. 28 f. EG. 505 In Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit gern. Art. 43 lEG. 506 Schweitzer / Hummer, Rn. 1186. S'

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

Werbesendungen und -spots (auch über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinweg) ausstrahlen. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine zeitlich begrenzte, entgeltliche und selbständige Arbeitsleistung, so daß der Dienstleistungscharakter naheliegt. Überschreitet im mitgliedstaatlichen Handel nur die Dienstleistung eine Grenze,507 im Fall des Art. 12 I, IV loi Toubon Werbespots und -sendungen, kann die Abgrenzung zur Freiheit des Warenverkehrs problematisch sein. 50S Für den Bereich Rundfunk und Fernsehen hat der EuGH 1974 dazu einige Leitlinien formuliert. 509 Danach stellt die Ausstrahlung von Fernsehsendungen, einschließlich Werbung, eine Dienstleistung dar, wohingegen der Handel mit sämtlichen dazugehörigen Materialien (Tonträgern, Filmen und sonstigen Erzeugnissen) unter die Bestimmungen des freien Warenverkehrs fäIlt. 51O Diese Grundsätze sind 1980 nochmals vom EuGH bestätigt worden. 511 Insofern können nationale Sprachregelungen, die die Sprache von Werbespots und -sendungen regeln, nicht den freien Waren-, sondern den freien Dienstleistungsverkehr beeinträchtigen. 512 Art. 28 EG ist deshalb zwar auf Werbeplakate, Werbeanzeigen und -blätter sowie auf Werbeprodukte i.S.v. Art. 211,411 loi Toubon anwendbar, nicht jedoch auf Werbespots und -sendungen in Rundfunk und Fernsehen i.S.v. Art. 12 I, IV loi Toubon. cc) Tatbestand des Art. 28 EG Die Art. 211,411 loi Toubon müßten ein Handelshemmnis i.S.v. Art. 28 EG, eine Maßnahme gleicher Wirkung i. S. d. Dassonville-Formel darstellen. Nationale Werberegelungen, die Einfuhren von Waren im Vorfeld behindern, beschränken den freien Warenverkehr mittelbar. 513 Dabei können auch unterschiedslos geltende Werberegelungen Einfuhrhindernisse darstellen. 514 Indem Art. 2 11, 4 11 loi Toubon vorschreiben, daß jede schriftliche und gesprochene Werbung in französischer 507 In den beiden anderen ,,klassischen" Fällen überschreitet zum einen der Dienstleistungserbringer die Grenze zu einem anderen Mitgliedstaat (aktive Dienstleistungsfreiheit) und zum anderen überschreitet sie der Dienstleistungsempfanger (passive Dienstleistungsfreiheit), Emmert, § 38 Rn. 1 ff. 508 Oppermann, EuropaR, Rn. 1597. 509 EuGH, Slg. 1974,409 ff. (Sacchi). 510 Siehe Fn. 509, S. 428, Rn. 5 ff. 511 EuGH, Slg. 1980,833,855, Rn. 8 (Debauve). 512 Eine Beeinträchtigung des freien Dienstleistungsverkehrs wird unter C. untersucht. 513 Dubach, S. 597, Fn. 23; Schilling, Rechtsfragen zu Art. 30 EGV, S. 64. 514 EuGH, Slg. 1990, 1-4695, 4723, Rn. 29 (SARPP): "Es läßt sich nämlich nicht ausschließen, daß der für den Wirtschaftsteilnehmer bestehende Zwang, entweder Form oder Inhalt einer Werbekampagne je nach dem betreffenden Mitgliedstaat zu ändern oder ein Werbesystem aufzugeben, das er für besonders wirksam hält, selbst dann ein Einfuhrhindernis darstellen kann, wenn solche Rechtsvorschriften unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse gelten." EuGH, Slg. 1982,4575,4587 f., Rn. 15 (Oosthoek's Uitgeversmaatschappij); Hailbronner; in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-GrajJ, Art. 30, Rn. 21.

B. Der freie Warenverkehr

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Sprache geschehen muß, bzw. daß die französische Fassung im Vergleich zu einer fremdsprachigen Fassung ebenso leserlich, hörbar oder verständlich sein muß, könnten sie den innergemeinschaftlichen Handel mittelbar beschränken. Zwar zielen die Vorschriften nicht direkt darauf ab, Einfuhren zu verringern. Sie dienen vielmehr dazu, die französische Sprache im öffentlichen Leben zu bewahren und die Verbraucher zu schützen. Fremdsprachige Werbeplakate, -blätter und Werbeprodukte dürfen auf dem französischen Markt nicht verwendet werden. Hierdurch können Werbemittel in der Europäischen Union nicht frei zirkulieren. Bedenkt man zudem, daß die sprachlichen Anforderungen eine eigens auf die französische Gesetzgebung abgestimmte Marketingstrategie erfordern, wird deutlich, daß einheitliche europaweite Werbekampagnen in Frankreich kaum realisierbar sind. Bilden Ware und Vertrieb (insbesondere Werbung) im Rahmen des Euro-Marketing eine Einheit, treffen sprachliche Anforderungen an den Vertrieb zugleich die Ware. Kann ein speziell für ein einheitliches Werbekonzept entwickelter Slogan in Frankreich nicht verwendet werden, muß die Kampagne in allen dortigen Medien geändert werden. Europaweit agierenden Unternehmen (z. B. The Body Shop, Disney Corporation, McDonald's, etc.) wird durch die französischen Sprachregelungen ein Euro-Marketing verwehrt. Art. 2 11, 4 11 loi Toubon sind daher geeignet, den Import von Waren nach Frankreich mittelbar zu behindern, und stellen Maßnahmen gleicher Wirkung i. S. d. Dassonville-Formel dar. Art. 211,411 loi Toubon fallen nach der Keck-Rechtsprechung dann nicht unter den Tatbestand des Art. 28 EG, wenn sie unterschiedslos für inländische wie für importierte Erzeugnisse gelten und keine produkt-, sondern lediglich absatzbezogene Regelungen enthalten. Zunächst muß geklärt werden, ob sie unterschiedslos anwendbar sind oder ob eingeführte Erzeugnisse diskriminiert werden. Der Geltungsanspruch beider Werberegelungen differenziert nicht zwischen Werbung für eingeführte oder inländische Produkte. Vielmehr gelten Art. 2 11, 4 11 loi Toubon für jede in Frankreich stattfindende Werbung,515 sei es auf Plakaten, in Zeitungsanzeigen,516 in Werbeblättern oder durch Produkte, die gratis verteilt oder günstig verkauft werden. Sie sind deshalb de iure unterschiedslos auf eingeführte und inländische Produkte anwendbar. De facto werden jedoch durch die Verpflichtung, jede Werbung in französischer Sprache abzufassen, Hersteller aus anderen Mitgliedstaaten oder ausländische Unternehmen benachteiligt. Die formal unterschiedslos geltenden Regelungen sind daher materiell diskriminierend. Problematisch ist, ob es sich bei den Art. 211,411 loi Toubon um produkt- oder absatzbezogene Regelungen handelt. Grundsätzlich gehört Werbung für ein Pro515

Vgl. Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung der loi Toubon, Fn. 500, S. 2,

Rn. 2.1.1.3.

516 Art. 2 11, 4 11 loi Toubon gelten jedoch nicht für Anzeigenkarnpagnen in Zeitungen, die vollständig in einer Fremdsprache gedruckt sind. So kann bspw. der deutsche SPIEGEL in Frankreich verkauft werden, ohne den sprachlichen Vorschriften für Werbung zu genügen. Diese Ausnahme von Art. 2 11, 4 11 loi Toubon ist im Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung der loi Toubon, Fn. 500, S. 2, Rn. 2.1.1.3. enthalten.

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2. Teil: Nationale 8prachvorschriften und der EG-Vertrag

dukt zur Art und Weise (dem Wie) des Verkaufs, so daß eine absatzbezogene Regelung vorliegt, die nach der teleologischen Reduktion der Keck-Rechtsprechung nicht unter den Tatbestand des Art. 28 EG fällt. 517 Dadurch, daß die Art. 211,411 loi Toubon auch europaweit einheitliche Werbekampagnen betreffen, ist diese Argumentation widerlegbar.

(1) Rechtliche Einordnung des Euro-Marketing Entscheidend für die rechtliche Einordnung des Euro-Marketing ist der Inhalt des Begriffs "Verkaufsmodalität" i. S. d. Keck-Rechtsprechung. In der Entscheidung Keck/Mithouard hat der EuGH den Begriff nicht näher konkretisiert,518 so daß aus den vorangegangenen bzw. folgenden Entscheidungen des Gerichts Rückschlüsse notwendig sind. In einer Grundsatzentscheidung zum Wettbewerbsrecht vom 7. 3. 1990 hat der EuGH zunächst festgestellt, daß das nationale Wettbewerbsrecht der Mitgliedstaaten an der gemeinschaftsrechtlichen Freiheit des Warenverkehrs zu messen iSt. 519 In diesem Verfahren ging es um die grenzüberschreitende Werbung eines belgischen Unternehmens in Luxemburg. Das belgische Unternehmen verwandte dabei Prospekte, in denen nach belgischem Wettbewerbsrecht zulässige Preisgegenüberstellungen enthalten waren, die jedoch nach luxemburgischen Recht unzulässig sind. Der EuGH hat in strikter Befolgung des Herkunftsstaatsprinzips geurteilt, daß nationales Wettbewerbsrecht auf eine Werbeaktion nicht angewandt werden darf, die im Ursprungsstaat rechtmäßig ist. 52o Mit diesem Urteil fördert der Gerichtshof das Ziel des Vertrags, den Binnenmarkt gern. Art. 3 I c) EG. In dem noch vor der Entscheidung Keck/ Mithouard ergangenen Urteil lVes Rocher vom 18. 5. 1993521 treibt der EuGH die Europäisierung des Wettbewerbsrechts voran. Das französische Mutterunternehmen Yves Rocher; welches Kosmetika produziert, hatte für alle Mitgliedstaaten eine einheitliche Konzeption der Werbung und Distribution entwickelt, um seine Produkte i.R.e. Euro-Marketing europaweit zu vermarkten. In den dafür hergestellten Katalogen und Prospekten waren Produkte abgebildet, bei denen der frühere dem jetzigen Preis direkt gegenübergestellt war. Eine solche Werbung mit Preisgegenüberstellungen war in Deutschland, in das die Produkte auch exportiert worden waren, gern. § 6e UWG verboten. Angesichts der internationalen Werbestrategie des Mutterunternehmens lVes Rocher hat der EuGH festgestellt, daß die Vorschriften über den Warenverkehr auch auf unterschiedslos geltende Werberegelungen anwendbar sind, wenn sie bestimmte Methoden der Absatzförderung beschränken oder verbieten. Entscheidend ist die 517 518 519 520 521

EuGH,8Ig. 1993,1-6787,6823, Rn. 21, 6822, Rn. 19 f. (Hünermund). EuGH,8Ig. 1993,1-6097,6131, Rn. 16 (Keck I Mithouard). EuGH,8Ig. 1990,1-667,686, Rn. 6 ff. (GB-lNNO-BM). Vgl. Fn. 519, 8. 689, Rn. 21. EuGH, 81g. 1993,1-2361 ff.

B. Der freie Warenverkehr

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Begründung des Gerichtshofs. § 6e UWG habe lVes Rocher gezwungen, ein System der Werbung und Absatzförderung, welches es für besonders wirkungsvoll gehalten habe, aufzugeben und nicht einheitlich in allen Mitgliedstaaten zu verwenden. 522 Aus diesem Grund habe § 6e UWG potentiell handelsbeschränkende Wirkung. 523 Der EuGH beurteilt also eine nationale Werberegelung, die das EuroMarketing eines Unternehmens beschränkt, als Maßnahme gleicher Wirkung i.S.v. Art. 28 EG. Betrachtet man die Entscheidung aus einer post Keck-Perspektive, kann es sich bei der Werberegelung des § 6e UWG nicht um eine "reine" Verkaufsmodalität524 handeln. Ansonsten wäre die Vorschrift als absatzbezogene Regelung nicht unter den Tatbestand des Art. 28 EG gefallen. In der Entscheidung Hünermund vom 15. 12. 1993,525 die im Anschluß an das Urteil Keck ergangen ist und der die offizielle Unterscheidung zwischen produktund absatzbezogenen Regelungen zugrunde lag, war Streitgegenstand ein standesrechtliches Verbot der Landesapothekenkammer Baden-Württemberg, außerhalb von Apotheken für apothekenübliche Waren zu werben. Dieses Werbeverbot behandelt der EuGH als Verkaufsmodalität i. S. d. Keck-Rechtsprechung, indem er feststellt, daß Art. 28 EG mangels Diskriminierung nicht anwendbar sei. 526 Vergleicht man die Entscheidung Hünermund mit der Entscheidung lVes Rocher; werden die unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen deutlich. Wahrend § 6e UWG i.R.d. Euro-Marketing einen direkten Bezug zur Produktentscheidung des Herstellers und somit zu seiner unternehmerischen Leistung aufweist, ist dies bei der Standesregel der Landesapothekenkammer im Fall Hünermund nicht so. Obwohl es sich in beiden Fällen um Verkaufsmodalitäten i. S. d. Keck-Rechtsprechung handelt, kann man nach ihrem Produktbezug differenzieren. Wahrend die Standesregel eine ,,reine" Verkaufsmodalität darstellt, regelt § 6e UWG eine "produktbezogene" Verkaufsmodalität, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Produkt i.R.d. Euro-Marketing unter Art. 28 EG fällt. Zu klären ist nun, ob sich diese Linie in der Rechtsprechung des EuGH fortgesetzt hat. Gegenstand der Entscheidung Clinique vom 2. 2. 1994527 war das mit § 3 UWG LV.m. § 27 LMBG für das Unternehmen Estie Lauder begründete Verbot, ein kosmetisches Mittel unter der Bezeichnung "Clinique" in Deutschland zu vermarkten, da diese Bezeichnung einen medizinischen Nutzen des Produkts vortäusche, den es in Wirklichkeit nicht hat. Obwohl das Produkt in den anderen Mitgliedstaaten Vgl. Fn. 521, S. 2388, Rn. 10. Vgl. Fn. 521, S. 2388, Rn. 11. Dagegen geht Remien, S. 352, davon aus, daß auch bei einer gemeinschaftsweit einheitlichen Konzeption der Werbung in § 6e UWG keine Handelsbeschränkung liegt. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei der Vorschrift um eine bloße Verkaufsmodalität. Der EuGH habe in seinem Urteil ,,falsch entschieden". 524 Das Begriffspaar ,,reine" und "produktbezogene" Verkaufsmodalität hat Fezer, S. 323, 321, entwickelt. Im folgenden wird auf die Begriffe näher eingegangen. 52S EuGH, Slg. 1993,1-6787 ff. (Hünermund). 526 Fn. 525, S. 6823, Rn. 21. 527 EuGH, Slg. 1994,1-317 ff. (Clinique). 522 523

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

unter der Bezeichnung" Clinique" im Handel war, durfte der Name in Deutschland weder auf der Verpackung noch in der Werbung benutzt werden. In dieser Entscheidung zu einem einheitlichen Werbe- und Vertriebs system stellt der EuGH fest, daß "der Umstand, daß das betroffene Unternehmen aufgrund dieses Verbots gezwungen ist, seine Erzeugnisse allein in diesem Mitgliedstaat unter einer anderen Bezeichnung zu vertreiben und zusätzliche Verpackungs- und Werbekosten auf sich zu nehmen, zeigt, daß diese Maßnahme den freien Warenverkehr beeinträchtigt".528 Der Gerichtshof differenziert dabei nicht zwischen Verpackungs- und Werbekosten. Dieses Urteil, das nach der Neuorientierung in der Keck-Entscheidung ergangen ist, setzt die Linie der Yves Rocher-Entscheidung zum Euro-Marketing fort. Insofern läßt sich daraus ableiten, daß die Yves Rocher-Entscheidung auch nach der Keck-Rechtsprechung noch gültig ist. 529 Greift man auf die im Anschluß an die Hünermund-Entscheidung entwickelten Kriterien zuriick, so ergibt sich, daß es sich bei dem Verbot gern. § 3 UWG i.Y.m. § 27 LMBG nicht um eine "reine", sondern um eine "produktbezogene" Verkaufsmodalität, die unter den Tatbestand des Art. 28 EG fällt, handelt. 53o Die teleologische Reduktion der KeckRechtsprechung ist daher auf Verkaufsmodalitäten, die zwar unterschiedslos gelten, jedoch de facta europaweite Marketingstrategien treffen und somit einen direkten Bezug zur Produktentscheidung der Hersteller aufweisen, nicht anwendbar. Abschließend soll das Urteil des EuGH vom 6. 7. 1995 in Sachen Mars 531 herangezogen werden. Der Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e.Y. hatte gegen die Mars GmbH Klage auf Unterlassung erhoben. Gegenstand des Verfahrens waren die von einem Unternehmen des amerikanischen Konzerns Mars [nc., Mc Lean in Frankreich rechtmäßig hergestellten Eiscremeriegel der Marken Mars, Snickers, Baunty und Milky Way, die im Rahmen einer europaweiten Werbekampagne den Aufdruck + 10% trugen und deren Menge um 10% erhöht worden war. Die Mars GmbH importierte diese Eiscremeriegel auch nach Deutschland. Der Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe trägt vor, daß die Einfuhr gegen §§ 1,3 UWG und § 15 GWB verstoße, da erstens die Ausstattung geeignet sei, beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, die Ware werde zu demselben Preis angeboten wie bisher, und da zweitens die optische Gestaltung den Eindruck erwecke, das Gewicht des Produkts sei in erheblichem Umfang vergrößert. In den Entscheidungsgriinden setzt der EuGH die Linie der Urteile Yves Racher und Fn. 527, S. 337, Rn. 19. Meyer, S. 136, führt zur Begründung dieser Ansicht zudem die zeitliche Nähe der mündlichen Verhandlung sowie des zweiten Schlußantrags des Generalanwalts in Sachen Keck und die Urteilsverkündung in Sachen lVes Rocher an. Daraus sei abzuleiten, daß schon vor Erlaß des Urteils lVes Rocher die Neuorientierung durch Keck feststand. 530 Dagegen argumentiert Everling, S. 228, daß die Bezeichnung Clinique sowohl für die Ausstattung der Ware als auch für Verkaufsmodalitäten (Werbung) wesentlich ist. In solchen Fällen sei für den Gerichtshof die Verbindung mit der Ware bedeutsamer als die daran anknüpfende Vertriebsrege1ung. Deshalb handele es sich um eine produktbezogene Handelsbeschränkung, die gerechtfertigt werden muß. 531 EuGH, Slg. 1995,1-1923 ff. (Mars). 528

529

B. Der freie Warenverkehr

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Clinique zum Euro-Marketing fort. Das unterschiedslos geltende Verbot könne " ... den Importeur dazu zwingen, die Ausstattung seiner Erzeugnisse je nach dem Ort des Inverkehrbringens unterschiedlich zu gestalten und demgemäß die zusätzlichen Verpackungs- und Werbekosten zu tragen".532 Zudem hebt der Gerichtshof die Gültigkeit des Herkunftsstaatsprinzips für das Euro-Marketing trotz des seit der Cassis-Entscheidung akzeptierten "unvollkommenen Binnenmarkts" hervor. ,,Ein Verbot, ... , das sich gegen das Inverkehrbringen von Erzeugnissen in einem Mitgliedstaat richtet, die den gleichen Werbeaufdruck tragen wie diejenigen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig verwendet werden, ist, auch wenn es unterschiedslos ... gilt, geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindem.,,533 Die Rechtsprechung des EuGH zum Euro-Marketing hat sich daher unbeeinflußt von der Keck-Entscheidung fortgesetzt. 534 (2) "Reine" und "produktbezogene" Verkaufsmodalitäten

Bei einer Differenzierung zwischen absatz- und produktbezogenen Regelungen kann, wie oben angedeutet, noch feiner unterschieden werden. Innerhalb der absatzbezogenen Regelungen existieren "reine" Verkaufsmodalitäten (wirken diskriminierungsfrei und weisen keinen Produktbezug auf), die unter die teleologische Reduktion der Keck-Rechtsprechung fallen und den Normalfall darstellen, sowie "produktbezogene" Verkaufsmodalitäten, die die Produktentscheidung des Herstellers und so dessen unternehmerische Leistung beeinflussen und deshalb ausnahmsweise den innergemeinschaftlichen Handel beschränken können. 535 Fächert man den vom EuGH in der Entscheidung Keck/ Mithouard verwendeten Begriff der Verkaufsmodalitäten so auf, läßt sich die Rechtsprechung zum Euro-Marketing Fn. 531, S. 1941, Rn. 13. Siehe Fn. 532. 534 Dies wird von JestaedtlKästle, S. 28 f., bezweifelt, die davon ausgehen, daß die frühere Rspr. des EuGH zu europaweiten Werbekarnpagnen nach Keck keine Gültigkeit mehr hat. 535 Fezer, S. 323, 321. AlberslSwaak wählen andere Unterscheidungskriterien. Zunächst stellen sie fest, daß es voreilig wäre, die Vorschriften der loi Toubon als Verkaufsmodalitäten einzustufen, S. 75. Sprachliche Anforderungen an Werbeslogans schränken nicht nur eine bestimmte Art von Werbung ein, vielmehr hätten sie schwerwiegende Auswirkungen auf das Image eines Produkts, welches einen größeren Einfluß als seine Qualität auf den Marktwert und die Beliebtheit habe, S. 73, 75. Zur Differenzierung zwischen produkt- und absatzbezogenen Regelungen stellen sie darauf ab, ob das Produkt Subjekt (produktbezogen) oder Objekt (absatzbezogen) der Regelung ist, S. 77. In dieser Unterscheidung verwenden Albersl Swaak dieselben Kriterien wie bei der Unterscheidung zwischen "reinen" und "produktbezogenen" Verkaufsmodalitäten, da es nach ihrer Ansicht auf den Bezug der Regelung zur Identität des Produkts/zur Entscheidung des Herstellers ankommt, S. 77. Freund, S. 720 f., geht hingegen davon aus, daß Werberegelungen als Verkaufsmodalitäten nur dann unter Art. 28 EG fallen können, wenn sie eine " ... gewisse Ungleichbehandlung einheimischer und eingeführter Waren hinsichtich des Marktzugangs zur Folge haben". Zusätzliche Kosten, die für den Importeur durch verschiedene nationale Regelungen entstehen, reichten hingegen nicht aus. 532 533

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

sinnvoll einordnen. "Reine" Verkaufsmodalitäten in den Urteilen Keck/ Mithouard und Hünermund auf der einen Seite und "produktbezogene" Verkaufsmodalitäten in den Urteilen lVes Rocher, Clinique und Mars auf der anderen. Hätte der EuGH den Begriff selbst konkretisiert, wäre ein Großteil der Kritik des Schrifttums ausgeblieben. Steindorff bringt dies auf den Punkt, indem er feststellt: "Das Urteil Keck und Mithouard hätte weniger Unsicherheit und Fragen provoziert, wenn es den enigmatischen Begriff bestimmter Verkaufsmodalitäten vermieden und statt dessen ausgesagt hätte, um was es lediglich geht: um Normen insbesondere zur Weiterverbreitung, die nicht die Produkt- und Vertriebsleistung einschließlich des Preises und der Werbung des ausländischen Anbieters betreffen".536 Das Euro-Marketing nimmt so eine Zwitterstellung ein. Durch die "Systemeinheit" zwischen Produkt und Vertrieb, schlagen absatzbezogene Regelungen auf die Produktgestaltung durch. 537 Lüder verdeutlicht dies, indem er bei dem physischen Erscheinungsbild eines Produkts und seiner europaweiten Verkehrsfähigkeit von Hardware und bei den mit dem Vertrieb verbundenen Absatz- und Vermarktungsstrategien sowie der Werbung von Software spricht. 538 Weisen Regelungen der Software einen direkten Produktbezug auf, können sie anhand von Art. 28 EG überprüft werden. 539 Obwohl Werberegelungen an sich Verkaufsmodalitäten darstellen, können sie bei einer europaweiten Werbung und Vermarktung die gesamte Marketingstrategie zu Fall bringen. 540 Globale Marketingstrategien genießen insofern den Schutz des Art. 28 EG. 541 Belastet eine nationale Werberegelung die Einfuhr von Waren aus dem EG-Ausland faktisch stärker als den Vertrieb inländischer Produkte, so liegt eine verschleierte Handelsbeschränkung im Gewand einer Verkaufsmodalität vor. 542 Bemerkenswert ist, daß der EuGH sowohl in der Entscheidung Clinique als auch in der Entscheidung Mars nicht zwischen Werbungs- und Verpackungskosten differenziert. Hierdurch wird deutlich, daß der Gerichtshof absatz- und produktbezogene Kosten in einer Handelsbeschränkung zusammenfaßt. Entscheidend ist, daß zusätzliche Kosten - ungeachtet ihrer Ursache - den Marktteilnehmer, der

Steindorff, S. 167. Möschel, S. 431; Fezer, S. 323. 538 Lüder, Die Grenzen der Keck-Rechtsprechung, S. 620. 539 Siehe Fn. 538. Fehlt ein solcher Produktbezug können sie allenfalls unter Art. 49 I EG fallen, Lüder, Mars: Zwischen Keck und Cassis, S. 609. S40 McCarthylMercer, S. 310. Streinz. Rn. 733, geht ohne nähere Einordnung einheitlicher Werbekonzepte und binnenmarktweiter Vermarktungskonzepte davon aus, daß deren Behinderung tatbestandIich unter Art. 28 EG fällt. Matthieslvon Borries. in: GrabitzlHilf, Art. 30, Rn. 38, stellen ohne nähere Erläuterung fest, daß Werbung dann in den Anwendungsbereich des Art. 28 EG fällt, wenn sie unmittelbar mit der Aufmachung und dem Erscheinungsbild des Produkts verbunden ist. 541 Meyer, S. 136. 542 Fezer, S. 323; Möschel. S. 430. 536 537

B. Der freie Warenverkehr

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durch sie betroffen ist, benachteiligen, indem sie die Rentabilität seiner Verkäufe gegenüber den Verkäufen inländischer Produzenten verringern. Art. 211,411 loi Toubon verhindern, daß ein Unternehmen ein europaweit einheitliches Werbekonzept auch in Frankreich verwendet. Um ein Produkt in Frankreich erfolgreich zu vermarkten, muß von der Werbung in den Medien bis hin zur Gestaltung des Produkts sprachlich alles umgestellt werden. Die Werberegeln der loi Toubon wirken sich insofern direkt auf die Produktgestaltung des Herstellers aus. Zudem müssen geschlossene Vertriebswege eingerichtet werden, damit nur Produkte, die den französischen Anforderungen entsprechen, auf den nationalen Markt gelangen. Daher handelt es sich bei Art. 2 11, 4 11 loi Toubon um "produktbezogene" Verkaufsmodalitäten, die auch nach der Wende in der Keck-Rechtsprechung Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen. Der Tatbestand des Art. 28 EG ist erfüllt.

dd) Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung Die unterschiedslos geltenden Art. 2 11 und 4 11 loi Toubon könnten aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls i. S. d. Cassis-Rechtsprechung gerechtfertigt sein. Als materiell diskriminierende Regelungen kann dies nur unter bestimmten Voraussetzungen geschehen. 543 Die Werberegelungen bezwecken nicht, Einfuhren von Waren aus anderen Mitgliedstaaten zu behindern. Sie sind vielmehr darauf gerichtet, die Präsenz der französischen Sprache in der Öffentlichkeit zu bewahren. 544 Zudem sollen die Vorschriften des Gesetzes die Verbraucher schützen. Sie können deshalb aus zwingenden Erfordernissen i. S. d. Cassis-Formel gerechtfertigt werden. Um aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt zu sein, müssen sich Art. 2 11, 4 11 loi Toubon im Hinblick darauf als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Art. 2 11 loi Toubon sieht vor, daß bei jeder schriftlichen und gesprochenen Werbung die französische Sprache zu benutzen ist. Zwar erscheint eine solche Regelung generell geeignet, den Verbraucher mit möglichst viel verständlicher Information über das beworbene Produkt zu versorgen und ihn so vor Täuschung und Irreführung zu schützen. Fraglich ist aber, ob die Regelung erforderlich ist. Ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Information der Verbraucher stellt die Bezeichnung und Aufmachung (Etikettierung) des Produkts dar. Diese hat der Verbraucher vor Augen, wenn er das Produkt kauft bzw. bevor er es konsumiert. Zwar trägt Werbung dazu bei, den Verbraucher zu informieren. Im Vergleich zur Etikettierung steht bei ihr aber im VorV gl. zur näheren Begründung die Ausführungen unter 1. c) cc) (1). Nach dem Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung der loi Toubon, Fn. 500, S. I, Rn. I, soll das Gesetz den Bürgern " ... das Recht auf Gebrauch ihrer Sprache in bestimmten Situationen ihres täglichen Lebens ... " garantieren. 543

S44

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

dergrund, den potentiellen Käufer auf das Produkt aufmerksam zu machen und zum Kauf zu animieren. Der eigentliche Bezug zum Produkt ist nur mittelbar. Wahrend der Verbraucher das Etikett eines Produktes liest, unmittelbar bevor er es konsumiert, kann die Werbung länger zurückliegen. Insofern müssen beide Sachverhalte unterschiedlich beurteilt werden. Wahrend der Verbraucher im Hinblick auf das Etikett eines Produkts des größtmöglichen Schutzes bedarf, ist seine Schutzbedürftigkeit bei der Werbung geringer. Zwar wird durch einen Fehlkauf, der auf mißverstandener Werbung beruht, sein Vermögen verringert. Bei der Etikettierung geht es jedoch um die Gesundheit. Eine Werbung in ausschließlich französischer Sprache ist daher nicht das mildeste Mittel zum Verbraucherschutz, da die bestehende Vorschrift zur Etikettierung (Art. 2 I loi Toubon in europarechtskonformer Auslegung) bereits ausreicht. Insofern ist Art. 2 11 loi Toubon und mit ihm erst recht Art. 4 11 loi Toubon nicht erforderlich, um den französischen Verbraucher zu schützen. Die Vorschriften sind unverhältnismäßig, so daß eine gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung des Handelshemmnisses ausscheidet. Die Art. 2 11, 4 11 loi Toubon verletzen den freien Warenverkehr aus Art. 28 EG und sind europarechtswidrig.

c) Würdigung

Nationale Werberegelungen sind stets am Ziel des EG-Vertrags, dem Binnenmarkt, zu messen. Aus der Perspektive des Binnenmarkts ist es geboten, Werbung nicht an strenge Regelungen zu binden und sie keinem zu strengen Verbot der Irreführung zu unterwerfen. Geht man davon aus, daß sich das Euro-Marketing als die dem Binnenmark entsprechende Strategie in Zukunft imlner mehr durchsetzen wird, bedingt dies, die nationalen Wettbewerbsrechte der Mitgliedstaaten an der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG auszurichten. Die daraus resultierende Europäisierung des Wettbewerbsrechts ist begrüßenswert. Im Gegensatz dazu ist eine europäische Werbeordnung nicht erstrebenswert. Kreative Werbung kann nur durch Vielfalt und in Freiheit entstehen, so daß einheitliche europäische Werberegelungen zu Eintönigkeit führen würden. Zudem besitzt die Gemeinschaft keine umfassende Kompetenz, Werbung zu regeln. Gern. Art. 95 I 2 EG könnte sie allenfalls eine Richtlinie zur Harmonisierung von Werberegelungen erlassen, wenn deren Unterschiedlichkeit das Funktionieren des Binnenmarkts behindert (insbesondere den freien Warenverkehr)545. Jedoch muß diese Richtlinie das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 11 EG beachten. 546 In Art. 153 EG ist der Verbraucherschutz, welcher durch europäische Werberegelungen gefördert werden könnte, explizit als Aufgabe der Gemeinschaft fixiert. Bei den ,,Erfordernissen des Verbraucherschutzes" i.S.v. Art. 15311 EG handelt es sich aber lediglich 545 546

Kahl, in: Calliess/Rujfert, Art. 95, Rn. 6. Kahl, in: Calliess/Rujfert, Art. 95, Rn. 7.

B. Der freie Warenverkehr

125

um eine Querschnittsaufgabe, die selbst keine Kompetenz zur Angleichung der Rechtsvorschriften verleiht, sondern nach der der Verbraucherschutz bei den anderen Politiken zu berücksichtigen ist. 547 Art. 153 III a) EG verweist auf Art. 95 EG, so daß sich der Erlaß von Richtlinien i.R.d. Verbraucherschutzpolitik nach dieser Kompetenznorm richtet. 548 Gern. Art. 95 III EG hat die Gemeinschaft dabei von einem hohen Schutzniveau auszugehen. Auch dieser Absatz verleiht der Gemeinschaft aber keine zusätzliche Kompetenz. Er will nur erreichen, daß bei der Angleichung der Rechtsvorschriften in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz nicht von dem geringen Schutzniveau eines Mitgliedstaats ausgegangen wird. 549 Der europäische Verbraucher ist im Hinblick auf verständliche Werbung nicht in einem erhöhten Maße schutzbedürftig. Natürlich darf er nicht irregeführt werden, ausschließliche Werbung in der Landessprache ist aber nicht erforderlich. Anders als bei der Etikettierung von Lebensmitteln ist das Rechtsgut Gesundheit nicht unmittelbar betroffen. 3. Markenzeichen und Markennamen

a) Einführung

aa) Begriff und Bedeutung Unter einer Marke versteht man einen Namen, eine Bezeichnung, ein Zeichen, ein Design, ein Symbol oder eine Kombination dieser Elemente zur Identifikation eines Produkts oder einer Dienstleistung und zur Differenzierung von Konkurrenten. 550 Eine Marke besteht aus zwei Elementen: zum einen aus dem Markennamen, dem verbalen Teil der Marke, und zum anderen aus dem Markenzeichen, dem nicht verbalen Teil (z. B. Symbol, Grafik, Farbe oder Schreibweise).55I Die Bedeutung einer Marke hängt eng mit der zuvor erörterten Werbung, die Bestandteil der kommerziellen Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer ist, zusammen. Das Image einer Marke wird durch Werbung und andere kommerzielle Kommunikationen aufgebaut. 552 Investitionen in Marketing, insbesondere in Werbung, sind Voraussetzung für den Erfolg einer Marke. Ein guter Ruf seiner Marke Mägele, S. 49. Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 95, Rn. 5. 549 Geiger, Art. 95, Rn. 6. 550 Gabler Wirtschafts-Lexikon, L-O, S. 2188 f. Meffert, S. 785, beschreibt eine Marke als ... .. ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung ... ". 551 Gabler Wirtschafts-Lexikon, Fn. 550. 552 Sheppard, Der Markenruf: Herzstück des Wachstums, http://europa.eu.intl comm / dgI5/comcom/newsletter/editionI5/page2Lde.htm, am 23.11. 1999, S. 1. 547

548

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

ennöglicht dem Hersteller, neue Produkte unter derselben Marke auf den Markt zu bringen, die von den Verbrauchern im Vertrauen auf das Ansehen der Marke ausprobiert werden. Es besteht insofern ein direkter Zusammenhang zwischen den immateriellen Vennögensgütern (Ruf, Innovationsfahigkeit) und dem erwirtschafteten Mehrwert, der wiederum zu Wachstum und der Schaffung neuer Arbeitsplätze führt. 553

bb) Nationales und europäisches Warenzeichenrecht Das Warenzeichenrecht, welches den Schutz von Marken (Waren- und Dienstleistungsmarken) regelt, ist durch Zweigleisigkeit gekennzeichnet. Zum einen existieren unterschiedliche nationale Warenzeichenrechte, zum anderen ist es auf europäischer Ebene in Teilbereichen harmonisiert bzw. angeglichen. Zwar hat der EuGH die Rolle des nationalen Markenrechts auf der Grundlage des europäischen Binnenmarkts mit seinem freien Warenverkehr definiert. Dennoch leidet der europäische Markenschutz darunter, daß die nationalen Markenrechte fortbestehen. ( 1) Nationales Warenzeichenrecht

Der spezifische Gegenstand des nationalen Warenzeichenrechts554 ist das ausschließliche Recht des Inhabers, eine Ware (erstmalig) in den Verkehr zu bringen, dabei ein bestimmtes Warenzeichen zu benutzen und hierdurch Schutz vor Konkurrenten zu erlangen, die widerrechtlich mit der Marke versehene Waren veräußern. 555 Dabei besteht die Hauptfunktion einer Marke darin, " ... dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit ihr versehenen Ware zu garantieren, indem ihm ennöglicht wird, diese Ware ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden" (Herkunftsgarantie).556 Neben dem Gegenstand und der Hauptfunktion ist das nationale Markenrecht durch drei weitere Eigenschaften gekennzeichnet. Zunächst handelt es sich um ein gebietsgebundenes Recht, d. h. grundsätzlich findet das Recht des Einfuhrstaats auf Markenwaren Anwendung. 557 Eine Marke ist ferner gern. Art. 6 III PVÜ558 unabhängig, sie kann m Siehe Fn. 552, S. 2. Zwischen nationalem und europäischem Warenzeichenrecht ist das einheitliche Warenzeichengesetz Bene1ux (Loi uniforme Bene1ux sur les marques des produits) angesiedelt, weIches das Gebiet dreier Staaten warenzeichenrechtlich zu einem Gebiet zusammenfaßt, Bulletin Benelux, 1992-2, S. 57; Protokoll vom 10. Il. 1983, Bulletin Benelux 1983, S. 72. 555 EuGH, Slg. 1997,1-6227,6253, Rn. 22 (Ballantine); EuGH, EuZW 1996,526, 529, Rn. 44 (Bristol-Myers Squibb). 556 EuGH, Slg. 1997,1-6227,6253 f., Rn. 24 (Ballantine); EuGH, EuZW 1996,526,529, Rn. 47 (Bristol-Myers Squibb). 557 Lüder, Die Angst vor der Verhältnismäßigkeitspriifung bei der Abwägung zwischen nationalem Markenrecht und der Freiheit des Warenverkehrs, S. 15. 554

B. Der freie Warenverkehr

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deshalb auch nur für ein Territorium übertragen werden. Neben der anfangs genannten Wiedererkennungsfunktion ist die Zuordnungsfunktion bedeutsam. Sie gewährleistet, daß alle Erzeugnisse, die mit einer Marke versehen sind, unter der Kontrolle eines Unternehmens hergestellt wurden, das für die Qualität verantwortlich ist.559 Nur so kann der Hersteller den mit der Marke verbundenen Goodwill der Käufer kontrollieren. Als gewerbliches Schutzrecht gehört das nationale Warenzeichenrecht zur Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten 560 und wird gern. Art. 295 EG vom Amsterdamer Vertrag nicht beriihrt.

(2) Europäisches Warenzeichenrecht Die Anforderungen des freien Waren verkehrs haben dazu geführt, die nationalen Schutzrechte auch auf Gemeinschaftsebene zu regeln. Das Warenzeichenrecht bildet dabei einen wesentlichen Teil eines Systems unverfalschten Wettbewerbs, das der EG-Vertrag schaffen will (Art. 3 I g) EG).561 Zunächst sind die nationalen Warenzeichenrechte 1988 durch die Richtlinie 891 104/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken562 harmonisiert worden. 563 Diese Richtlinie ist in Deutschland durch das Markenrechtsreformgesetz vom 25. 10. 1994564 umgesetzt worden. Im Rahmen der Rechtsangleichung war 1994 die Einführung der Gemeinschaftsmarke mit der Verordnung (EG) Nr. 40/94565 ein weiterer wichtiger Schritt. Die Gemeinschaftsmarke ist in die nationalen Systeme integriert und besteht parallel zu den nationalen Marken. 566 Sie ist ein Warenzeichen, das für Waren und Dienstleistungen erteilt wird, also nicht durch Verwendung erworben werden kann (Art. 6 Verordnung Nr. 40/94). Der Rechtsinhaber erwirbt durch sie - wie bei nationalen Marken auch - ein aus558 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883, zuletzt revidiert in Stockholm arn 14. 7. 1967, United Nations Treaty Series, Bd. 828, Nr. 11851, S. 305. 559 EuGH, Sig. 1990,1-3711,3758, Rn. 13 (HAG GF). 560 Oppermann, EuropaR, Rn. 1088; Beutler/Bieber/Pipkom/Streil, S. 301, Rn. 8.6.6. 561 EuGH, EWS 1999, 144, 148 f., Rn. 62 (BMW); EuGH, Sig. 1997,1-6227,6253, Rn. 22 (Ballantine); EuGH, EuZW 1996,526,529, Rn. 43 (Bristol-Myers Squibb). 562 ABlEG 1989, Nr. L 40, S. 1 ff. 563 Nach der Entscheidung 921 IO/EWG des Rates über die Verschiebung des Zeitpunktes, bis zu dem die Mitgliedstaaten der Richtlinie 89/l04/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken spätestens nachkommen müssen, ABlEG 1992, Nr. L 6, S. 35, mußten die Mitgliedstaaten die Richtlinie spätestens bis zum 31. 12. 1992 umsetzen. 564 Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 891 104/EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrechtsreformgesetz), BGBl. 1 1994, S. 3082 ff. 565 ABlEG 1994, Nr. L 11, S. 1 ff. 566 Warenzeichen: Bedeutung für die Wirtschaft, http://europa.eu.int/ comm 1dg 10 1pub ...ewsletters 1esf 1 1-19991 back_de.html , arn 23. 11. 1999, S. 3.

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

schließliches Recht an der Ware oder Dienstleistung (Art. 9 I I Verordnung Nr. 40/ 94). Im Gegensatz zu den nationalen Marken gilt sie jedoch in der ganzen Gemeinschaft (Art. 111 2 Verordnung Nr. 40/94), auch dann, wenn sie tatsächlich nur in einem EG-Mitgliedstaat genutzt wird (etwa durch kleinere Unternehmen, die ihre Waren nicht europaweit vermarkten). Urteile der Gemeinschaftsmarkengerichte (Art. 91 Verordnung Nr. 40/94) wirken in der gesamten Gemeinschaft und können dort vollstreckt werden (Art. 20 I Verordnung Nr. 40/94). Hingegen bleibt die Vollstreckung innerhalb des nationalen Markenschutzes über die Landesgrenzen hinaus beschränkt. Die Gemeinschaftsmarke gewährt so einen umfassenden, äußerst wirksamen Schutz. Da Markenzeichen ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie sind und sich ihr Buchwert bei den bekanntesten Marken auf mehrere Milliarden Euro beläuft, wird deutlich, wie wichtig die Vorteile der Gemeinschaftsmarke gegenüber den nationalen Marken sind. 567 Ihre Kosten hingegen bleiben gering (2075 Euro für die Anmeldung und Registrierung eines Warenzeichens als Gemeinschaftsmarke im Vergleich zu 3500 Euro für die Anmeldung und Eintragung einer nationalen Marke in allen Mitgliedstaaten).568 Hinsichtlich nationaler Sprachregelungen ist hervorzuheben, daß Art. 115 I Verordnung Nr. 40/94 eine Anmeldung von Gemeinschaftsmarken in jeder Amtssprache der Europäischen Gemeinschaft zuläßt. Weiterhin stellt die Durchführungsverordnung Nr. 2868/95 in ihrem achten Erwägungsgrund heraus, daß "die Marke selbst, Namen, Anschriften, Zeitangaben und ähnliche Angaben ... " nicht zur Übersetzung und Veröffentlichung in allen Amtssprachen geeignet sind. 569

cc) "Vermerke" und "Informationen" i.S.v. Art. 2 IV loi Toubon Art. 2 IV loi Toubon regelt, daß bei den mit dem Markenzeichen - d. h. dem Logo - eingetragenen Vermerken und Informationen die französische Sprache zu benutzen ist. Gern. Art. 4 11 loi Toubon müssen französische Vermerke und Informationen, wenn sie von fremdsprachigen Ergänzungen begleitet werden, ebenso leserlich, hörbar oder verständlich wie die fremdsprachige Fassung sein. Nach dem Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung des Gesetzes gelten diese Verpflichtungen jedoch nicht " ... für Warenzeichen, Handels- oder Dienstleistungsmarken, Markenzeichen oder Abwandlungen von Marken, die aus einem bzw. mehreren fremdsprachigen Begriffen bestehen, ... ".570 Sie können deshalb in Frankreich 567 Dies zeigt sich auch an den Anmeldungen beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) in Alicante, Spanien. Seit l. 4. 1996, an dem das Amt die Arbeit aufgenommen hat, sind mehr als lOO.()()() Anmeldungen für Gemeinschaftsmarken eingegangen. Dabei stammen die Anmelder aus über 100 Ländern und Gebieten. Siehe Fn. 566, S. 4. 568 Fn. 566, S. 3. 569 Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. 12. 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rats über die Gemeinschaftsmarke, ABlEG 1995, Nr. L 303, S. l.

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ohne Übersetzung angemeldet, eingetragen und verwandt werden. Fremdsprachige Vermerke und Informationen, die mit dem Markenzeichen eingetragen werden, müssen hingegen" ... , bei ihrer Verwendung in Frankreich eine französische Übersetzung aufweisen, ... ". Das gilt auch dann, wenn sie " ... gemäß dem Recht über das geistige Eigentum mit dem Markenzeichen eingetragen wurden". Unter einem "Vermerk" versteht man nach dem Anwendungserlaß vom 19. 3. 1996 " ... jeden beschreibenden Vermerk, der der Bezeichnung eines Merkmals eines Gutes, eines Produktes ... dient, sowie jeden Vermerk, der den Oberbegriff oder die gewöhnliche Bezeichnung in der Umgangs- oder Fachsprache eines Gutes, eines Produktes ... darstellt.,,571 "Information" ist" ... jede Angabe, die der Unterrichtung der Öffentlichkeit dient oder deren Aufmerksamkeit auf eine oder mehrere Eigenschaften eines Gutes, eines Produktes ... lenken soll. ,,572 Diese einzelnen Bezeichnungen und Definitionen sind problematisch. Es ist dem Gesetzgeber im Gesetzestext nicht gelungen, zwischen Markennamen, Zusätzen zum Markennamen und dem Markenzeichen sauber zu unterscheiden. In Art. 2 IV loi Toubon müßte es eigentlich heißen: " ... auf die mit dem ,Markennamen' (anstelle von ,Markenzeichen') eingetragenen Vermerke und Informationen ... ". Im Runderlaß zur Anwendung des Gesetzes werden u. a. Markenzeichen von der Verpflichtung zur französischen Sprache ausgenommen. Diese Markenzeichen bilden jedoch den nicht verbalen Teil der Marke, so daß eine Übersetzung von vornherein ausscheidet. Ein weiteres Beispiel für unsaubere begriffliche Arbeit bilden die ebenfalls im Runderlaß von der Verpflichtung ausgenommenen Handels- und Dienstleistungsmarken. Marken bestehen aus Markennamen und Markenzeichen, so daß eine Ausnahme für Handels- und Dienstleistungsmarkennamen ausgereicht hätte. Zudem gibt das Gesetz keine Leitlinien dafür, wo der Markenname aufhört und wo demzufolge Zusätze und Informationen zum Markennamen anfangen. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten verursachen Rechtsunsicherheit, insbesondere bei den betroffenen Unternehmen. Es kann außerdem leicht zu nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen kommen. In den folgenden Ausführungen wird strikt unterschieden zwischen dem Markennamen (bspw. Name der Unternehmung, Firmenname oder Phantasiename) und Zusätzen zum Markennamen, die häufig mit dem Werbeslogan einer Marke identisch sind. Beispiele für Vermerke und Informationen (Zusätze) zu Markennamen gibt es viele: Nike - "lust do it"; Benetton - "United Colours of Benetton "; American

Express - "Don't leave home without it"; Microsoft - "Where do you want to go today?"; IBM - "Solutions for a small planet"; Philips - "Invents for you"; Philips - "Let's make things better"; Grundig - "Sea, Sex and Sound"; AEG - "Aus Erfahrung gut"; BMW - "Freude am Fahren"; DaimlerChrysler- "Die Zukunft des Automobils"; Coca-Cola - "lust the taste of it"; "Always" Coca-Cola; Pepsi 570 57! 572

http://www.culture.fr/culture / dglf / garde.htrn, arn 23. 7. 1998, S. 3, Rn. 2.1.1.5. Siehe Fn. 570. Siehe ebenfalls Fn. 570.

9 Therne

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

"The taste of a new generation "; Lacoste-"Sportswear"; Luna-" Body-Wear"; Calvin Klein - "be hot, be cool, just be"; O.tel.o - "For a better understanding"; Nokia - "Connecting the people"; Ericsson - "Make yourself heard"; Sony - "It's not a trick, it's aSony"; Dunlop - "Tested for the unexpected"; Ebel- "The architects of time"; Breitling - "Instruments for professionals"; McDonald's - "Every time a good time". Alle diese Zusätze zu den eigentlichen Markennamen dienen dazu, ein bestimmtes Image des Produkts zu schaffen. Sie prägen sich dem Verbraucher durch Werbung ein, so daß dieser mit der eigentlichen Marke gleich ein bestimmtes Bild verbindet. Das Image des Produkts stellt für den Hersteller ein wichtiges immaterielles Vermögens gut dar. Internationale Konzerne vertreiben ihre Produkte häufig mit einer einheitlichen Verkaufs strategie: Ein Image, welches durch ein Markenzeichen und den Markennamen mit seinen Zusätzen in der Werbung vermarktet wird. Dabei greifen Werbeslogans die von Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon erfaßten Zusätze zum Markennamen auf. Für eine Werbekampagne, die nicht in französischer Sprache geschaltet wird, ist die Unterscheidung zwischen dem (auch in einer Fremdsprache möglichen) Markennamen und den (zwingend französischen oder mit einer Übersetzung zu versehenden) zusätzlichen Vermerken und Informationen daher von großer Bedeutung. 573 In Frankreich haben Unternehmen unter der loi Bas-Lauriol versucht, die strengen Sprachvorschriften dadurch zu umgehen, daß sie ihre Werbeslogans als Zusätze zum Markennamen haben eingetragen lassen. Hierdurch waren die Slogans als geistiges Eigentum geschützt und konnten verwendet werden. 574 Unter der loi Toubon ist das nicht länger möglich. Zwar können auch fremdsprachige Vermerke und Informationen mit dem Markennamen eingetragen werden (eine ,,Ansammlung von Worten"), sie dürfen in der französischen Öffentlichkeit jedoch nur in Begleitung einer gleich wahrnehmbaren Übersetzung verwandt werden. 575 Fremdsprachige Vermerke und Informationen haben daher in Frankreich keinen eigenen wirtschaftlichen Wert. Ein doppelter Zusatz, wie bspw. Nike - just do it I faites-le tout simplement oder United Colours of Benettonl Coleurs unis de Benetton, ist gerade bei modemen Produkten kaum geeignet, einen innovativen Ruf der Marke zu prägen. Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon kommen daher (insbesondere auf kleinen Verpakkungen) einem Verbot fremdsprachiger komplexer Warenzeichen nahe. 576 Werbestrategen werden gezwungen sein, ausschließlich in Französisch zu werben (dies gilt auch für Vermerke und Informationen zum Markennamen).577 Diejenigen VerNelms-Reyes, S. 297. Dies wird in den Beratungen zur loi Toubon von Perrut am Beispiel von Grundig ("sea, sex and sound") hervorgehoben, in: Journal Officiel, Ass. Nat., C. R., seance du 4.5. 1994, S. 1456. 575 Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon sind vor allem gegen Unternehmen wie bspw. Nike gerichtet. Vgl. dazu Toubon, in: Journal Officiel, Senat, C. R., seance du 26. 5. 1994, S. 1901. Dies ist erstaunlich, da Nike 1993 allein in Frankreich ca. 14 Mio. US $ in seine englischsprachige Werbekampagne investiert hat. 576 Endrös, S. 19. 573

574

B. Der freie Warenverkehr

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packungen, auf denen fremdsprachige komplexe Markenzeichen aufgedruckt sind, müssen für den Verkauf in Frankreich geändert werden. Daher können Hersteller ihre Produkte nicht gemeinschaftsweit unter einer einheitlichen Vermarktungsstrategie (Markenname, werbewirksame Zusätze, Markenzeichen) vertreiben. 578 Außerdem ist zu befürchten, daß bei einer Übersetzung, z. B. American Express - Ne Quittez Pas Chez Vous Sans Elle, unter den Verbrauchern Verwirrung entstehen könnte, ob es sich dabei wirklich um die "echte" American Express-Karte handelt. 579 Fraglich ist, ob Vermerke und Informationen, wenn sie für den Ruf der Marke bedeutsam sind, den gleichen Schutz verdienen, wie die Marke selbst, die fremdsprachig sein darf.

b) Vereinbarkeit der Art. 2 IV, 4 Illoi Toubon mit Art. 28 EG Im folgenden soll untersucht werden, ob eine Sprachregelung, die französische Zusätze zum Markennamen vorschreibt, gegen den freien Warenverkehr verstößt.

aa) Vorrangige Sonderregelungen Weder die Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften über die Marken 580 noch die Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke aus dem Jahr 1993 581 enthalten Vorschriften, die die Sprache von Vermerken und Informationen, welche mit einem Markennamen eingetragen werden, regeln. Es besteht daher auf Gemeinschaftsebene kein vorrangiges Sekundärrecht, das eine Anwendbarkeit von Art. 28 EG ausschließt.

bb) Anwendbarkeit Damit Art. 28 EG anwendbar ist, müßte es sich bei Vermerken und Informationen i.S.v. Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon um Waren handeln. Der Begriff "Ware" urnfaßt auch den "Rechtehandel" mit Schutzrechten des gewerblichen und kommerziellen 577 McCarthy/Mercer, S. 312, gehen davon aus, daß fremdsprachige Ausdrücke vor allem dazu verwendet werden, ein bestimmtes Image eines Produkts zu schaffen, und nicht unbedingt dazu, den Verbraucher zu informieren. Indern eine französische Übersetzung verlangt werde, verliere der ursprüngliche Slogan seine Vitalität und Stimmigkeit. Daher sei es nötig, ausschließlich für Frankreich eine neue Strategie zu entwickeln, in der Zusätze zum Markenzeichen sowie Slogans in der Werbung französisch seien. 578 McCarthy/Mercer, S. 312. 579 Feld, S. 189, Fn. 183. 580 V gl. Fn. 562. 581 Vgl. Fn. 565.

9'

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

Eigentums. 582 Indem Vennerke und Infonnationen mit dem Markennamen eingetragen werden, erhalten sie den gleichen Schutz wie das gesamte Warenzeichen selbst. Als Bestandteil des gewerblichen Schutzrechts, das gern. Art. 295 EG zur Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten gehört, können sie demnach Gegenstand von Handelsgeschäften sein. Sie sind Bestandteil des gewerblichen Eigentums ihres Inhabers und haben Geldwert. Art. 28 EG ist anwendbar.

cc) Tatbestand des Art. 28 EG Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon könnten als Maßnahmen gleicher Wirkung geeignet sein, den Handel i. S. d. Dassonville-Fonnel zu behindern. Indem sie vorschreiben, daß bei Vennerken und Infonnationen, die mit dem Markennamen eingetragen werden, die französische Sprache zu verwenden ist, bzw. daß bei der Vennarktung eingetragener fremdsprachiger Vennerke und Infonnationen eine ebenso leserliche, hörbare oder verständliche französischsprachige Übersetzung beigefügt werden muß, könnten sie geeignet sein, den innergemeinschaftlichen Handel mittelbar zu beeinträchtigen. Fremdsprachige komplexe Warenzeichen werden in unterschiedlichen Bereichen verwandt: bei der Kennzeichnung von Produkten, dem Bedrucken von Verpackungen 583 und schließlich im Bereich der Werbung (insbesondere innerhalb des Euro-Marketing). Indem fremdsprachige komplexe Warenzeichen nur mit einer ebenso wahrnehmbaren Übersetzung vennarktet werden dürfen, wird der Import nach Frankreich für Hersteller oder Verkäufer aus anderen Mitgliedstaaten erschwert. Sie müssen speziell für Frankreich Kennzeichnung und Verpackung ihrer Produkte ändern. Zudem kann eine sprachliche Änderung der Zusätze zum Markennamen das Produkt selbst verändern. Ein Produkt besteht nicht nur aus physischen Bestandteilen (bspw. Material, Qualität), sondern auch aus nicht-physischen (bspw. bei Nike-Schuhen ein junges, aktives, dynamisches und amerikanisches Image).584 Das Image eines Produkts wird vom Markennamen (bspw. Nike) und seinen Zusätzen (bspw. "lust do it") widergespiegelt. Markenname und Zusätze bilden so einen essentiellen Bestandteil des Produkts. Eine Änderung der nicht-physischen Bestandteile (bspw. Image, Werbung) verändert das Produkt sogar gravierender als eine Änderung seiner physischen Bestandteile. 585 Durch Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon wird es zum einen für Hersteller und Verkäufer aus anderen Mitgliedstaaten schwieriger, ihre Produkte auf dem französischen Markt zu verkaufen. Zum anderen verhindern die Regelungen, kulturelle und emotionale Werte, die in einer anderen Sprache verkörpert sind, für die Schaffung eines bestimmten Image zu verwenden und hierdurch den Absatz der importierten gegenüber demjenigen der inländischen Produkte zu fördern. Primäres Ziel der 582 583 584

585

Oppermann, EuropaR, Rn. 1268; Bleckmann, Rn. 1470. Endros, S. 19. Albers/Swaak, S. 72 f. Siehe Fn. 584, S. 73.

B. Der freie Warenverkehr

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Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon ist es zwar nicht, Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten zu erschweren. Dennoch sind die Vorschriften geeignet, die Vermarktung von Produkten unter komplexen fremdsprachigen Warenzeichen mittelbar zu behindern.

Nach der Keck-Restriktion fallen Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon aus dem Tatbestand des Art. 28 EG heraus, wenn sie unterschiedslos für inländische wie für importierte Erzeugnisse gelten und keine produkt-, sondern lediglich absatzbezogene Regelungen enthalten. Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon differenzieren in ihrem Geltungsanspruch nicht zwischen eingeführten und inländischen Waren, sondern gelten für alle Produkte, die in Frankreich in den Verkehr gebracht werden. Sie sind de iure unterschiedslos anwendbar. De facto werden aber hauptsächlich fremdsprachige komplexe Warenzeichen ausländischer Hersteller getroffen. Insofern sind die Vorschriften materiell diskriminierend. 586 Fraglich ist, ob sie eine produkt-oder eine absatzbezogene Regelung enthalten. Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon führen dazu, daß fremdsprachige komplexe Warenzeichen in Frankreich nicht ohne eine entsprechende Übersetzung verwandt werden dürfen. Stellen Hersteller ihr komplexes Warenzeichen um, da die Kombination aus Originalfassung und beigefügter Übersetzung dem Image des Produkts nicht entspricht, laufen sie zunächst Gefahr, daß ihr Produkt nicht ohne weiteres wiedererkannt wird (wenn sich das komplexe Warenzeichen zuvor schon eingeprägt hatte). Zudem harmonieren ein englischer oder anderssprachiger Markenname und französische Zusätze schwerlich miteinander. Hierdurch werden die nicht-physischen Bestandteile des Produkts beeinträchtigt. Dies kann zum Verlust des zuvor langfristig aufgebauten und mit vielen Investitionen verbundenem Image führen und den Goodwill der Käufer im Hinblick auf eine Marke zerstören. Physische und nicht-physische Bestandteile sind gleichberechtigt. Zwingt ein nationales Gesetz ausländische Hersteller oder Verkäufer dazu, die nicht-physischen Bestandteile zu ändern, so zwingt es sie dazu, ihr Produkt insgesamt zu ändern. Zudem sind auch physische Bestandteile betroffen: Die Verpakkung von Produkten, auf der komplexe fremdsprachige Warenzeichen aufgedruckt sind, muß geändert werden. Der Hersteller muß sich an dem Ort der Vermarktung orientieren und ist gezwungen, geschlossene Vertriebssysteme einzurichten, um zu verhindern, daß Produkte, die mit fremdsprachigen Zusätzen vertrieben werden, nicht auf das französische Staatsgebiet gelangen. Damit stellen Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon produktbezogene Regelungen dar, die auch nach der Keck-Rechtsprechung noch unter den Tatbestand des Art. 28 EG fallen. Eine Handelsbeschränkung liegt vor. dd) Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung Als unterschiedslos geltende Regelungen könnten Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon zum einen aus zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes i. S. d. Cassis-For586

Zu dieser Annahme gelangen auch Albers / Swaak, S. 77 f.

2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

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mel gerechtfertigt sein oder zum anderen zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums aus Art. 30 S. 1 EG. (1) Zwingende Erfordernisse des Verbraucherschutzes i. S. d. Cassis-Formel

Eine Rechtfertigung der materiell diskriminierenden Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon aus Gründen des Verbraucherschutzes ist zwar grundsätzlich möglich. Markennamen und -zeichen dienen aber nicht dazu, den Verbraucher zu informieren und zu schützen, sondern vielmehr dazu, das jeweilige Produkt von Produkten eines anderen Herstellers zu unterscheiden (Wiedererkennungsfunktion). 587 Auch komplexe Warenzeichen dienen ausschließlich der Unterscheidungsfähigkeit des Produkts. 588 Werden nicht die Markennamen, sondern lediglich Vermerke und Informationen gern. Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon in das Französische übersetzt, so beschränkt dies eher die Unterscheidungsfähigkeit als sie zu erhöhen. Es kann leicht Verwirrung entstehen, ob das Produkt tatsächlich von demselben Hersteller stammt, wenn es in den Mitgliedstaaten unter einem Markennamen mit verschiedensprachigen Zusätzen vermarktet wird. Insofern streben Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon keinen Schutz der französischen Verbraucher an und sind dazu auch nicht geeignet. Eine Rechtfertigung nach der Cassis-Formel scheidet aus. (2) Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums

gem. Art. 30 S. 1 EG

Die Maßnahmen gleicher Wirkung gern. Art. 2 IV, 4 11 EG könnten zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums LS.v. Art. 30 S. 1 EG gerechtfertigt sein. Der Schutz des gewerblichen Eigentums, welcher das Warenzeichenrecht umfaßt, gewährt dem Inhaber das Recht, sich jeder Benutzung der Marke zu widersetzen, insbesondere sich dem Import von Waren entgegenzustellen, die die Herkunftsgarantie seiner Marke verfälschen könnten. 589 Handelsbeschränkungen zur Wahrung der Rechte, die den spezifischen Gegenstand des gewerblichen Schutzrechts ausmachen, sind hinzunehmen. 59O Indem Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon nur die Verwendung fremdsprachiger komplexer Warenzeichen verbieten, tasten sie die Möglichkeit, fremdsprachige Vermerke und Mitteilungen zum Markennamen eintragen zu lassen, zwar nicht an. Diese können weiterhin als geistiges Eigentum geschützt werden. Der französische Staat kann sich jedoch für seine handelsbeschränkenden Vorschriften nicht auf den spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts berufen. Er ist nicht Inhaber des jewei587 Lüde" Die Angst vor der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Abwägung zwischen nationalem Markenrecht und der Freiheit des Warenverkehrs, S. 16. 588 Endrös, S. 23. 589

EuGH, EuZW 1996, 526, 529, Rn. 48 (Bristol-Myers Squibb); Beutler/Bieber/Pip-

S90

EuGH, Slg. 1997,1-6227,6252, Rn. 21 (Ballantine).

kom/Streil, S. 301, Rn. 8.6.6.

c. Der freie Dienstleistungsverkehr

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ligen Warenzeichenrechts, das durch die Importerschwernisse geschützt werden soll. Somit scheidet eine Rechtfertigung gern. Art. 30 S. I EG aus. Art. 2 IV, 4 11 loi Toubon verstoßen als Maßnahmen gleicher Wirkung gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs aus Art. 28 EG. Sie sind europarechtswidrig.

c) Schlußbetrachtung Nationale Sprachregelungen, die Zusätze zum Markennamen betreffen, sind im Binnenmarkt kontraproduktiv. Sie dienen weder dem Schutz der Verbraucher noch fördern sie das Zusammenwachsen der nationalen Märkte. Es ist nicht einsichtig, warum einzelne Markennamen nicht von einem werbewirksamen Zusatz in derselben Sprache begleitet werden sollen. Hinter den französischen Vorschriften, die vordergründig dem Sprachschutz dienen, verbergen sich handfeste wirtschaftliche Interessen. Gerade die wirtschaftliche Bedeutung von Marken, die europaweit den Unternehmen zugute kommt, die in ihre Markenartikel investieren, verdeutlicht die große Bedeutung dieses Marktsegments. Um die französischen Markenunternehmen mit ihren homogenen Markennamen/Zusätze-Paaren zu schützen, wird es Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten erschwert, auf dem französi~chen Markt Fuß zu fassen und sich dort zu behaupten. Insbesondere vor dem Hintergrund der Gemeinschaftsmarke, die in allen Amtssprachen der Gemeinschaft eingetragen werden sowie in allen Mitgliedstaaten verwendet werden kann und überall denselben Schutz genießt, wirken die französischen Sprachregelungen - um es mild auszudrücken - veraltet. Sie entsprechen weder dem Geist des Binnenmarkts noch sind sie für die französische Wirtschaft langfristig von Vorteil. Internationale Unternehmen, die vom französischen Markt profitieren wollen, können ihr Markenzeichen, ihren Markennamen sowie Zusätze dazu in Alicante in das Gemeinschaftsmarkenregister eintragen lassen und so auch in Frankreich verwenden. Auch im französischen Recht ist der Vorrang des Gemeinschaftsrechts anerkannt, so daß die Vorschriften der loi Toubon dies nicht verhindern können. Zwar werden Zusätze zum Markennamen im Zuge verschiedener Werbekampagnen geändert. Im Hinblick auf die geringen Kosten der Eintragung verschiedener Zusätze lohnt sich dieser Weg dennoch.

c. Der freie Dienstleistungsverkehr I. Einführung Der freie Dienstleistungsverkehr gern. Art. 2, 3 I c), 1411,49 ff. EG ist eine der vier Grundfreiheiten des Binnenmarkts. Der EG-Vertrag widmet der Dienstleistungsfreiheit das Kapitel 3 "Dienstleistungen", innerhalb des Dritten Titels des Dritten Teils "Die Politiken der Gemeinschaft". Aufgrund ihrer systematischen

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

Stellung stand die Dienstleistungsfreiheit lange im Schatten der Waren verkehrsfreiheit und wurde unterschätzt. Zwar ist sie in Art. 50 III EG ursprünglich als Diskriminierungsverbot (oder auch Inländergleichbehandlungsgebot) formuliert: " ... unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt". Hinsichtlich des effet utile der Grundfreiheit legt der EuGH sie jedoch seit dem Urteil van Binsbergen591 als Beschränkungsverbot aus. 592 Diese teleologische Auslegung berücksichtigt, daß auch unterschiedslos geltende Maßnahmen den freien Dienstleistungsverkehr erheblich erschweren können. 593 Insofern ist die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs parallel zu der des Warenverkehrs (deren Entwicklung zu einem Beschränkungsverbot im Rahmen der Entscheidungen Dassonville und Cassis vollzogen wurde) schrittweise von einem Diskriminierungs- zu einem Beschränkungsverbot weiterentwickelt worden. Nicht nur auf der Ebene des Tatbestands der Grundfreiheiten ist diese Parallelität erkennbar. Auch auf Schranken- bzw. Schranken-Schranken-Ebene hat der Gerichtshof die Freiheiten des Waren- und Dienstleistungsverkehrs einander angenähert und eine gemeinsame Systematik entwickelt. 594 Dabei werden die dogmatischen Entwicklungen der Warenverkehrsfreiheit vom EuGH auf die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs übertragen. In seinem Urteil Alpine Investments vom 10.5. 1995 stellt der Gerichtshof fest, daß zwar in dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt keine Regelung von Verkaufsmodalitäten i. S. d. Keck-Rechtsprechung vorliegt,595 er lehnt es aber nicht generell ab, die Keck-Formel auch auf die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs zu übertragen. 596 Vielmehr betont der Gerichtshof, daß ein Verbot des cold calling, der unaufgeforderten Telefonwerbung für Warentermingeschäfte, unmittelbar den ,,zugang" zum Dienstleistungsmarkt in anderen Mitgliedstaaten beeinflusse und daher geeignet sei, den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr zu behindern. 597 Diese Argumentation mit dem Marktzugang als entscheidendes Kriterium greift auf diejenige zur Warenverkehrsfreiheit zurück. Bei den Art. 49 ff. EG stellt sich aber noch deutlicher als bei den Art. 28 ff. EG die Frage, wie man den Begriff der "Dienstleistungserbringungsmodalitäten" definieren soll. Die Regelungen des Produkts (der Dienstleistung) sind eng mit den Regelungen über die Art und Weise des Vertriebs (ihrer Erbringung) verknüpft. 598 Die im Interesse der EuGH, Sig. 1974, 1299, 1309, Rn. 10/12 (van Binsbergen). Diese Auslegung wurde zuletzt bestätigt im Urteil Kohll, Sig. 1998, 1-1931, 1946, Rn. 33. Siehe auch EuGH, Sig. 1991,1-4221,4243, Rn. 12 (Säger). . 593 Streinz, Rn. 672. 594 Diese Annäherung wird in den Urteilen van Binsbergen, Fn. 591, S. 1309 f., Rn. 10/ 12 ff., Säger; EuGH, Sig. 1991,1-4221,4244, Rn. 15 und Alpine Investments, EuGH, EuZW 1995,404,406, Rn. 36 ff., 40 ff. deutlich. 595 EuGH, EuZW 1995, 404, 405, Rn. 33 f., 406, Rn. 35 f., 38. 596 Kort, S. 136; Reich, S. 408. Anderer Ansicht ist Idot, S. 122 f. 597 Fn. 595, S. 406, Rn. 38. 598 Kort, S. 136. 591

592

C. Der freie Dienstleistungsverkehr

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Rechtssicherheit nötige Abgrenzung zwischen bloßen Verkaufsmodalitäten und sonstigen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit ist daher kaum möglich. 599 Zur Rechtfertigung von Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs läßt der Gerichtshof zwingende Griinde des Allgemeininteresses i. S. d. Cassis-Formel zu. 600 Er macht so den Begriff aus der Schrankensystematik der Art. 28 ff. EG für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit nutzbar. Eine beinahe schulmäßige Priifung von zwingenden Griinden des Allgemeininteresses zur Rechtfertigung einer Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs mit anschließender Priifung der Verhältnismäßigkeit zeigt das Urteil Alpine Investments. 601 Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit können unter dem Begriff ,,Produktverkehrsfreiheiten" zusarnmengefaßt werden. 602 Beide ahnden Beschränkungen bzw. Beeinträchtigungen des Verkehrs mit bestimmten Produkten (Waren oder Dienstleistungen) und sind Freiheiten ohne Niederlassung im Empfängerland. 603 Als Auffangtatbestand604 ist Art. 50 I EG einschlägig, wenn andere Grundfreiheiten nicht eingreifen (" ... , soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Warenund Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen."). Fraglich ist, ob nationale Vorschriften über Sprache in der Werbung den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb des europäischen Fernsehmarkts, der gegenüber dem Rundfunkmarkt wirtschaftlich bedeutsamer ist, beeinträchtigen können. Wie schon innerhalb des freien Warenverkehrs angesprochen, kommt hierfür im Bereich der europaweiten Werbung exemplarisch Art. 12 I, IV loi Toubon in Betracht. Der Runderlaß vom 19. 3. 1996 zur Ausführung der loi Toubon sieht vor, daß die Verpflichtungen für alle Fernsehanstalten gelten, die vom französischen Staatsgebiet ausstrahlen. 605 599 Mülbert, S. 29, geht davon aus, daß Art. 49 EG als reines Beschränkungsverbot nur für unterschiedslos anwendbare, produktbezogene Regelungen gilt. Eine produktbezogene Dienstleistungsregelung liege vor, wenn eine bestimmte Gestaltung der Dienstleistung unmöglich gemacht oder gegenüber dem Herkunftsland verteuert wird, S. 29 f. Schroeder; S. 377 Fn. 46, stellt für das Urteil Schindler fest, daß das Verbot, Lotterien abzuhalten oder für solche zu werben, keine vertriebsbezogene Regelung darstellt, sondern vielmehr das Dienstleistungsprodukt selbst betrifft. 600 Roth, in: Hdb. des EU-Wirtschaftsrechts, Rn. E. I, 118 sowie Fn. 300 f.; Kort, S. 138. 601 Vgl. Fn. 595, S. 406, Rn. 40 ff. 602 Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 205. 603 Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 206. Es ist daher irreführend, wenn man die Dienstleistungsfreiheit als Personenverkehrsfreiheit bezeichnet, S. 207. Entscheidend ist nicht, ob eine Person die Grenze überschreitet, vielmehr kommt es darauf an, daß der wirtschaftliche Schwerpunkt (die Niederlassung) nicht in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wird, eben da. 604 Oppermann, EuropaR, Rn. 1592. Dabei steht die Dienstleistungsfreiheit jedoch nicht länger im Schatten der Warenverkehrsfreiheit. Vielmehr gewinnt der Dienstleistungssektor im europäischen Raum zunehmend an Bedeutung, so daß die Art. 49 ff. EG in der Praxis . immer wichtiger werden, Kort, S. 132 f. 605 http://www.culture.fr/culture/dglflgarde.htm.am 23. 7. 1998, S. 7, Rn. 2.5.

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

11. Anwendbarkeit Art. 49 I EG ist anwendbar, wenn die Werbespots und -sendungen i.S.v. Art. 12 I, IV loi Toubon Dienstleistungen i.S.v. Art. 50 I und 11 EG darstellen. 606 Für die in personaler Hinsicht geschützten Dienstleistungserbringer hat die Grundfreiheit unmittelbare Wirkung, d. h. sie können sich gegenüber den Mitgliedstaaten auf sie berufen und diese gerichtlich geltend machen. 607 Bei den Leistungserbringern kann unterschieden werden zwischen der zeitlich vorgelagerten Arbeit von Werbeagenturen, die Werbespots und -sendungen entwickeln und produzieren, sowie ihrer Ausstrahlung durch die Fernsehanstalten. Die Arbeit von Werbeagenturen ist eine freiberufliche Tatigkeit i.S.v. Art. SOlId) EG, sie ist inhaltlich von ihrem Auftraggeber unabhängig und zeitlich auf die Erfüllung des Auftrags begrenzt. Sie stellt deshalb grundsätzlich eine Dienstleistung dar. Bei der Ausstrahlung von Fernsehsendungen handelt es sich nach dem Grundsatzurteil des EuGH in der Rechtssache Sacchi608 ebenfalls um Dienstleistungen. 609 Im Gegensatz dazu fallt der Handel mit sämtlichen Materialien, wie z. B. Tonträgern, Filmen und sonstigen zur Ausstrahlung erforderlichen Erzeugnissen, unter den freien Warenverkehr. Demnach liegt sowohl bei der Arbeit von Werbeagenturen als auch bei der Ausstrahlung durch Fernsehanstalten eine Dienstleistung vor, und Art. 49 I EG ist anwendbar. III. Tatbestand des Art. 49 I EG Die Verpflichtungen aus Art. 12 I, IV loi Toubon, bei allen Werbungen, die vom französischen Staatsgebiet ausgestrahlt werden, die französische Sprache zu verwenden oder die französische Fassung bei einer fremdsprachigen Übersetzung ebenso leserlich, hörbar oder verständlich wie diese zu gestalten, könnten geeignet sein, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken. Gern. Art. 49 I EG gilt die Freiheit nur " ... für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind". Leistungserbringer und Leistungsempfänger müssen also im606

Zum Dienstleistungsbegriff vgl. oben unter B. III. 2. b) bb).

6(J/

Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, S. 209.

EuGH, Slg. 1974,409,428, Rn. 6 (Sacchi). In der Richtlinie 89/552/EWG vom 3.10. 1989, ABlEG 1989, Nr. L 298, S. 23, stellt der Rat im sechsten Erwägungsgrund fest, daß " ... Fernsehtätigkeit ... unter normalen Umständen eine Dienstleistung im Sinne des Vertrages dar(stellt)". In ihrer Anwendung auf die Ausstrahlung / Verbreitung von Fernsehsendungen ist die Dienstleistungsfreiheit eine spezifische gemeinschaftsrechtliche Ausprägung der Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 10 I EMRK, achter Erwägungsgrund. In einer Mitteilung an den Rat vom 14. 6. 1984, Fernsehen ohne Grenzen - Griinbuch über die Errichtung des Gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, insbesondere über Satellit und Kabel, Dok. KOM (84) 300 endg., S. 105 f., geht auch die Kommission davon aus, daß Rundfunk- und Fernsehsendungen Dienstleistungen darstellen. 608

609

C. Der freie Dienstleistungsverkehr

139

mer in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sein. 610 Dabei sind verschiedene Fallkonstellationen denkbar. 611 Zunächst kann sich der Erbringer der Dienstleistung in den Mitgliedstaat des Empfangers begeben, um bei ihm die Leistung zu erbringen (aktive Dienstleistungsfreiheit). Auch der umgekehrte Fall ist möglich, in dem sich der Empfanger der Leistung in den Mitgliedstaat des Erbringers begibt, um bei ihm die Leistung in Empfang zu nehmen (passive Dienstleistungsfreiheit). Außerdem genügt es, wenn nur die Dienstleistung grenzüberschreitend erbracht wird (sog. Korrespondenzdienstleistung). Leistungserbringer und -empfänger brauchen sich dazu nicht in den jeweils anderen Staat zu begeben. Zu klären ist, ob die unter Art. 12 I, IV loi Toubon subsumierbaren Sachverhalte einen solchen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen. Bei Fernsehwerbung sind vier Fallkonstellationen denkbar, die sich in ihrer rechtlichen Beurteilung unterscheiden. Zunächst kann eine in Frankreich ansässige Fernsehanstalt Werbung in Frankreich ausstrahlen (1). Die Sach- und Rechtslage ist eine andere, wenn eine nicht in Frankreich, sondern im angrenzenden EG-Ausland ansässige Fernsehanstalt mit ihrem Programm Werbung nach Frankreich ausstrahlt (2). Geht man in der zeitlichen Abfolge einen Schritt zuriick, kann man untersuchen, wie die Tatigkeit von Werbeagenturen, die nicht in Frankreich ansässig sind, zu beurteilen ist. Dieser Sachverhalt wird vorwiegend im Rahmen europaweiter Werbekampagnen auftreten. Zum einen kann eine Werbeagentur Werbung im angrenzenden EG-Ausland entwerfen und produzieren (z. B. wenn der Hauptsitz des auftraggebenden Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat ist), um sie dann an einen französischen Sender weiterzuleiten (3). Zum anderen kann sich ein Mitarbeiter I ein Team einer Werbeagentur nach Frankreich begeben, um dort die zuvor entworfene Werbung zu produzieren612 und sie anschließend an eine französische Fernsehanstalt weiterzuleiten (4). Die Sachverhaltsvariante (1) fallt zwar unter Art. 12 I, IV loi Toubon, insbesondere ist im Runderlaß vom 19. 3. 1996 bestimmt, daß die Regelungen des Sprachgesetzes für Fernsehanstalten gelten, die vom französischen Staatsgebiet ausstrahlen. 613 Dienstleistungserbringer (die Fernsehanstalt) und Dienstleistungsempfanger (die Zuschauer) sind jedoch beide in Frankreich ansässig, so daß kein grenzüberschreitender Charakter der Leistung vorliegt. Zwar differenziert Art. 12 I, IV loi Toubon zwischen in Frankreich und nicht in Frankreich niedergelassenen Sendern, so daß eine Diskriminierung (eine Ungleichbehandlung anhand des in Art. 49 I EG genannten Differenzierungskriteriums der Ansässigkeit) vorliegt. Hierdurch wer610

611

EuGH, Slg. 1986,3755,3800, Rn. 18 (Kommission.l.Bundesrepublik Deutschland). Oppermann, EuropaR, Rn. 1593 ff.

612 Vor Ort ist es einfacher, erfahrenes Personal in der jeweiligen Muttersprache für das Casting und die Leitung von Synchronisationen zu finden sowie die rechtlichen Genehmigungen für die Fernsehwerbung einzuholen, Anholt, Kontrolliste bei der Vorbereitung internationaler Werbekampagnen, http://europa.eu.int 1cornm 1dg 151 corncorn 1newsletter 1edition12 1 page17_de.htrn, am 23.11. 1999, S. 3. 613 Siehe oben Fn. 605.

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

den die im europäischen Ausland ansässigen Sender jedoch besser gestellt als inländische, da die Sprach vorschrift für sie nicht gilt. Die daraus resultierende SchlechtersteIlung der inländischen Fernsehanstalten (Inländerdiskriminierung) wird von Art. 49 I EG nicht verboten. Mangels grenzüberschreitenden Charakters der Dienstleistung sind die Art. 49 ff. EG nicht anwendbar. In der Sachverhaltsvariante (2) bleiben Dienstleistungserbringer und -empfänger in ihren Mitgliedstaaten, nur die Dienstleistung überschreitet die Grenze. Die im angrenzenden Ausland niedergelassene Fernsehanstalt ist nach dem Runderlaß vom 19.3. 1996 nicht an Art. 12 I, IV loi Toubon gebunden, da sie nicht vom französischen Staatsgebiet ausstrahlt und deshalb nicht der französischen Regelungshoheit unterliegt. Vielmehr ist für das europaweite Fernsehen die vom Rat erlassene Richtlinie 89/552/ EWG vom 3. 10. 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit614 ("Fernsehen-ohne-Grenzen-Richtlinie") einschlägig. Ziel dieser Richtlinie ist, die freie Erbringung von Fernsehdienstleistungen zu gewährleisten und Ungleichheiten zwischen den nationalen Gesetzgebungen hinsichtlich der Übertragungsleistungen zu beseitigen615 (nicht hannonisiert werden hingegen Bereiche der Wettbewerbs- und Verbraucherpolitik, 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 89/552/ EWG). Die Richtlinie stellt das Herkunftsstaatsprinzip in den Vordergrund und bestimmt, daß es notwendig und ausreichend ist, wenn alle Fernsehsendungen dem Recht des Mitgliedstaats entsprechen, in dem sie ihren Ursprung haben (12. und 14. Erwägungsgrund). Zudem bestimmt Art. 1 Nr. 3 I der Richtlinie 97 /36/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 30. 6. 1997 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG,616 daß die Mitgliedstaaten den freien Empfang von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in den Bereichen, die die Richtlinie hannonisiert, gewährleisten und deren Weiterverbreitung nicht behindern. Der zugrundeliegende Sachverhalt besitzt zwar grenzüberschreitenden Charakter, er fällt jedoch unter die Fernsehen-ohne-Grenzen-Richtlinie des Rats und nicht unter Art. 12 I, IV loi Toubon. Produziert eine nicht in Frankreich ansässige Werbeagentur in Sachverhaltsvariante (3) im Rahmen einer europaweiten Werbekampagne nicht ausschließlich französischsprachige Werbung und liefert diese in Form von Filmen für ihren Auftraggeber an eine in Frankreich ansässige Fernsehanstalt zur Ausstrahlung, so ist ein grenzüberschreitender Charakter der Lieferung gegeben. Fraglich ist jedoch, ob es sich dabei noch um eine Dienstleistung handelt. Der Handel mit sämtlichen Materialien, die zur Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehsendungen benötigt werden, mit Tonträgern, Filmen und sonstigen Erzeugnissen, fällt seit dem Urteil 614 ABlEG 1989, Nr. L 298, S. 23 ff. McGarry, EuGH bekräftigt Konzept der Verbraucherschutzes im Bereich der Fernsehwerbung, http://europa.eu.intlconun/dgI5/comcomlnewsletter/edition09/page22_de.htm,am 23. 11. 1999, S. 2. 616 ABlEG 1997, Nr. L 202, S. 60 ff. 615

C. Der freie Dienstleistungsverkehr

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Sacchi617 unter den freien Warenverkehr und stellt keine Dienstleistung dar. Um den Sachverhalt richtig zu erfassen, muß man sich die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse vor Augen führen. Das Unternehmen hat mit der Werbeagentur einen Werkvertrag geschlossen, dessen Gegenstand die Herstellung der Werbung ist. Die Agentur schuldet also mit ihrer Dienstleistung einen bestimmten Erfolg. Ist dieser "Erfolg" erbracht, hat die Agentur ihre Leistungspflicht erfüllt. Leitet sie den Werbefilm an eine in Frankreich niedergelassene Fernsehanstalt weiter, kann die Fernsehanstalt ihrerseits den mit dem Unternehmen geschlossenen Vertrag über die Ausstrahlung der Werbung erfüllen. Es handelt sich also um zwei verschiedene Schuldverhältnisse. Zum einen ist die Werbeagentur selbst Schuldnerin der zu erbringenden Dienstleistung, zum anderen ist sie bloße Erfüllungsgehilfin des werbenden Unternehmens, die eine Nebenpflicht des Gläubigers aus dem zweiten Schuldverhältnis (durch die Lieferung des Filmmaterials die Ausstrahlung zu ermöglichen) erfüllt. Die Lieferung der "fertigen" Werbung an die Fernsehanstalt ist für das werbende Unternehmen von eigenem wirtschaftlichen Interesse und stellt nicht bloß einen Annex zur Dienstleistungserbringung durch die Werbeagentur dar. Im Gegensatz zum Urteil Schindler vom 24. 3. 1994, in dem der EuGH festgestellt hat, daß die Einfuhr von Werbematerial und Anmeldeformularen für eine im europäischen Ausland veranstaltete Lotterie unter den freien Dienstleistungsverkehr fällt, da die Einfuhr der Werbung kein Selbstzweck sei, sondern die Teilnahme an der Lotterie erst ermögliche,618 ist der Schwerpunkt hier ein anderer. Zwar ermöglicht auch in diesem Fall die Einfuhr der Filme erst die spätere Ausstrahlung der Werbung. Allerdings ist die Werbung hier Selbstzweck und nicht erst ein späteres Ereignis, für das geworben wird (wie im Urteil Schindler die Lotterie). Da Werbung in Form von Filmen, die einen eigenen wirtschaftlichen Wert als gegenständliche Verkörperung der Dienstleistung haben, nach Frankreich eingeführt wird, handelt es sich um eine Warenlieferung. Der Schwerpunkt liegt auf der Lieferung der Filme als körperliche Gegenstände, die Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. Demnach sind die Art. 28 ff. EG einschlägig, die Art. 49 ff. EG hingegen scheiden aus. In der letzten Sachverhaltsvariante (4) ist die rechtliche Bewertung eine andere. Kommt ein Mitarbeiter / ein Team einer im EG-Ausland niedergelassenen Werbeagentur nach Frankreich, um eine zuvor entworfene Werbung zu produzieren, konzentriert sich das wirtschaftliche Interesse des werbenden Unternehmens auf die dortige Produktion der Werbung. Der Mitarbeiter / das Team begibt sich nach Frankreich, um erst die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen (den Erfolg herbeizuführen). Für die Entgeltlichkeit der Dienstleistung ist es dabei unerheblich, wer die Agentur bezahlt (das Unternehmen und nicht die Fernsehanstalt). Zwischen Werbeagentur und Fernsehanstalt muß zudem kein Rechtsverhältnis be617 Vgl. oben Fn. 608, S. 428 f., Rn. 7/8. 618 EuGH, Slg. 1994,1-1039, 1088, Rn. 22, 23 ff. (Schindler).

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

stehen und auch ein wirtschaftliches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist nicht erforderlich. 619 In der Tätigkeit der Werbeagentur liegt daher ein "klassischer" Fall aktiver Dienstleistungsfreiheit. Da Art. 12 I, IV loi Toubon i.Y.m. dem Ausführungserlaß vom 19. 3. 1996620 vorschreibt, daß Werbung, die vom französischen Staatsgebiet ausgestrahlt wird, in französischer Sprache abgefaßt sein muß oder bei einer fremdsprachigen Übersetzung ebenso leserlich, hörbar oder verständlich wie diese sein muß, kann der Mitarbeiter / das Team die von seiner Agentur entworfene, ganz oder teilweise fremdsprachige Werbung nicht ohne eine zusätzliche französische Fassung an eine Fernsehanstalt zur Ausstrahlung weitergeben. Der Fernsehveranstalter wird die ursprüngliche Fassung nicht senden, da er sonst Gefahr läuft, sich strafbar zu machen. 621 Beide Alternativen, entweder die gesamte Werbung in Französisch zu gestalten oder eine französische Fassung beizufügen, stellen den zuvor angefertigten Werbeentwurf in Frage. Eine mögliche Übersetzung des Werbetexts in eine andere Sprache ruft wahrscheinlich - auch wenn sie korrekt ist - andere Assoziationen hervor. 622 Humor und Ironie sind in den einzelnen Sprachen sehr unterschiedlich, so daß Texte, Bilder und Inhalte von Werbung nicht ohne weiteres in eine andere Sprache übertragen werden können. Die Erbringung der Dienstleistung durch den Mitarbeiter / das Team der Werbeagentur wird somit durch Art. 12 I, IV loi Toubon erschwert. Fraglich ist, ob eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs unter den Tatbestand des Art. 49 I EG fällt. Nationale Vorschriften, die Sprachkriterien für Werbung aufstellen, werden von der Richtlinie 89/552/ EWG623 erfaßt. Damit existiert niederrangiges Sekundärrecht, welches Sprache in der Werbung regelt, so daß die Art. 49 ff. EG als Primärrecht zurücktreten und nicht einschlägig sind. Art. 12 I, IV loi Toubon sind daher anhand der Fernsehen-ohne-GrenzenRichtlinie des Rats auf ihre EG-Rechtskonforrnität zu überprüfen. Der 26. Erwägungsgrund der Richtlinie bestimmt, daß die Mitgliedstaaten eine aktive Sprachpolitik zugunsten einer bestimmten Sprache betreiben dürfen, indem sie ausführlichere oder strengere Bestimmungen festlegen, die insbesondere an Sprachkriterien ausgerichtet sind. Diese müssen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein und dürfen nicht für die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Staaten gelten. Art. 3 I i. Y.m. Art. 8 Richtlinie 89/552/ EWG sehen vor, daß solche Bestimmungen nur in den von der Richtlinie erfaßten Bereichen (einiger oder aller Sendungen) und nur für Fernsehveranstalter, die der Rechtshoheit des jeweiligen Mitgliedstaats unterworfen sind, getroffen werden dürfen. Dabei ist die Niederlassung Hauptkriterium, um die Rechtshoheit eines Mitgliedstaats zu bestimmen, zehnter 619 620 621 622 623

Mitteilung der Kommission an den Rat, Fn. 609, Dok. KOM (84) 300 endg., S. 107. Vgl. oben Fn. 605. Siehe dazu Fn. 605. Fn. 612, S. 4 f. Siehe oben Fn. 614, 26. Erwägungsgrund, Art. 3 I und 8 Richtlinie 89/552/ EWG.

C. Der freie Dienstleistungsverkehr

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Erwägungsgrund und Art. 1 Nr. 2 11 1. Spiegelstrich der Änderungsrichtlinie 971 36/EG. 624 Der Niederlassungsbegriff umfaßt die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels fester Einrichtung auf unbestimmte Zeit, 11. Erwägungsgrund Richtlinie 97/361 EG. Hervorzuheben ist noch der 44. Erwägungsgrund, welcher besagt: "Die Mitgliedstaaten können für Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, strengere oder ausführlichere Bestimmungen in den durch diese Richtlinie koordinierten Bereichen vorsehen, unter anderem Bestimmungen zur Realisierung sprachpolitischer Ziele, ... ". Sprachpolitische Ziele werden also von der Richtlinie 89/552/EWG erfaßt, und die Mitgliedstaaten sind europarechtlich befugt, diese Ziele durch nationale Regelungen zu verwirklichen. Insofern verzichtet die Richtlinie auf eine Harmonisierung und toleriert unterschiedliche Regelungen in den nationalen Rechtsordnungen. Für den Bereich Fernsehtätigkeit dürfen von den Mitgliedstaaten Sprachkriterien für alle Sendungen und damit auch für die darin enthaltene Werbung festgesetzt werden, die diese zu erfüllen haben. Demnach kann der französische Gesetzgeber mit Art. 12 I, IV loi Toubon den seiner Rechtshoheit unterliegenden, in Frankreich niedergelassenen Fernsehveranstaltern vorschreiben, daß sie nur französischsprachige Werbung ausstrahlen dürfen und die französische Fassung bei einer fremdsprachigen Übersetzung gleich wahrnehmbar sein muß. Art. 12 m loi Toubon sieht vor, daß Programme oder darin enthaltene Werbung von den Verpflichtungen befreit sind, wenn sie vollständig in einer Fremdsprache ausgestrahlt werden. Die Weiterverbreitung von Werbung innerhalb von Programmen aus dem EG-Ausland durch in Frankreich niedergelassene Fernsehsender oder Kabelanstalten wird also nicht behindert. Das französische Sprachgesetz entspricht insofern Art. 2 11 1 Richtlinie 891 552/EWG i.Y.m. Art. 1 Nr. 3 I Richtlinie 97 136/EG. Art. 12 I, IV loi Toubon genügt den Anforderungen des Sekundärrechts und ist europarechtskonform.

IV. Ergebnis Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß die loi Toubon im Bereich Fernsehwerbung mit dem Europarecht vereinbar ist. Bemerkenswert sind die unterschiedlichen Ergebnisse bei der Werbung mit Plakaten, Anzeigen und Produkten625 sowie der Werbung im Fernsehen. Während nationale Sprach vorschriften, die bestimmen, daß Werbung auf Plakaten, in Anzeigen oder auf Produkten in der Landessprache sein muß, nicht mit dem EG-Recht vereinbar sind, ist dies bei entsprechenden Regelungen für Werbung im Fernsehen der Fall. Versucht man, diese unterschiedliche Gewichtung sprachpolitischer Belange durch das EG-Recht zu erklären, wird die 624 Richtlinie 97/36/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Femsehtätigkeit, ABlEG 1997, Nr. L 202, S. 60, 64. 625 Vgl. dazu oben unter B. 111. 2.

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

Beurteilung der einzelnen Segmente des Binnenmarkts deutlich. Während die europäischen Institutionen davon ausgehen, daß der Binnenmarkt der Telekommunikation und damit auch der grenzüberschreitenden Fernsehwerbung verwirklicht ist und großen Einfluß auf die Konsumentenentscheidung hat, halten sie es nicht für erforderlich, sprachpolitische Belange im Bereich der sonstigen Werbung entsprechend zu berücksichtigen. In der Richtlinie über irreführende Werbung626 sind deshalb keine Bestimmungen über den Sprachgebrauch in der Werbung enthalten. Hingegen gesteht der Rat den einzelnen Mitgliedstaaten für die Fernsehtätigkeit im 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 89/552/ EWG explizit eine aktive Politik zugunsten einer bestimmten Sprache zu und erkennt damit das Bedürfnis an, nationale Maßnamen zum Schutz einzelner Sprachen zu treffen. Der Fernsehsektor wird folglich als sensibler kulturpolitischer Bereich eingestuft, in dem die Mitgliedstaaten größere Regelungskompetenzen besitzen. Problematisch sind diese unterschiedlichen Ergebnisse für die Rechtssicherheit und -klarheit. Marketingkonzepte nutzen häufig alle verfügbaren Medien. Sind die Anforderungen des EG-Rechts für einzelne Bereiche unterschiedlich, wird es schwieriger, einheitliche Werbekonzepte mit dem geltenden Recht abzustimmen. Zudem zeigt das französische Beispiel, daß sich der nationale Gesetzgeber häufig nicht im Klaren darüber ist, wie weit er in einzelnen Bereichen mit seinen Vorschriften gehen darf. Hierdurch laufen Unternehmen und Werbeagenturen Gefahr, Werbung zu produzieren, die gegen nationales Recht verstößt, und sich so strafbar zu machen. Gibt es europaweit kein einheitliches Konzept für Werbesprache und differieren deshalb auch die nationalen Regelungen, ist dies grenzüberschreitender Werbung im Binnenmarkt abträglich. Langfristige Zielsetzung sollte es daher sein, zumindest auf europäischer Ebene die sprachlichen Anforderungen an Werbung exakt zu formulieren. Die Parlamente der einzelnen Mitgliedstaaten müssen wissen, ob ihnen in den einzelnen Bereichen Regelungsbefugnisse zustehen und welche Grenzen ihren Kompetenzen gesetzt sind. Von daher ist eine einheitliche europäische Rechtsetzung nötig, die Unsicherheiten im Hinblick auf mitgliedstaatliche Kompetenzen, die Landessprache in verschiedenen Bereichen verbindlich vorzuschreiben, ausräumt.

D. Würdigung und Ausblick Die Sprachenfrage wird innerhalb der Europäischen Union häufig unterschätzt. Auf zwei Ebenen besteht dabei Klärungsbedarf. Zunächst besteht er, wie dargelegt, auf Ebene des Binnenmarkts bzw. hinsichtlich der Regelungskompetenz der einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb dieses Binnenmarkts. Die Sprachenproblematik fußt im Spannungsverhältnis zwischen den Kompetenzen der einzelnen Mitgliedstaaten, sprachliche Regelungen zu treffen, und dem Grundsatz des freien Waren626

Siehe oben Fn. 366.

D. Würdigung und Ausblick

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verkehrs bzw. den anderen Grundfreiheiten. Da die Europäische Gemeinschaft das Sprachenregime nicht umfassend hannonisiert hat, erschwert das Spannungsverhältnis zwischen beiden Prinzipien die Verwirklichung des Binnenmarkts i.S.v. Art. 3 I c) EG. Die Parlamente der Mitgliedstaaten müssen erkennen können, inwieweit sie nationale Sprachen im Binnenmarkt den europarechtlichen Vorgaben entsprechend vor Fremdeinflüssen schützen dürfen. Die Beantwortung dieses Fragenkomplexes hat, wie am Beispiel der französischen loi Toubon gezeigt, große wirtschaftliche Bedeutung. Eine wichtige Rolle spielt das Sprachenregime auch auf Ebene der europäischen Institutionen. Gern. Art. 290 EG wird die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Gemeinschaft vom Rat einstimmig getroffen. Bislang gibt es elf Amtssprachen627 und drei in der Praxis überwiegende Arbeitssprachen628 . Rechtsdokumente müssen in alle Amtssprachen übersetzt werden, bevor sie in Kraft treten können. Zudem wird in offiziellen Sitzungen des Ministerrats und des Europäischen Parlaments in elf Amtssprachen debattiert. Die Unionsbürger können sich in allen Amtssprachen an die Organe der Gemeinschaft wenden und haben einen Anspruch darauf, Antworten in ihrer Landessprache zu erhalten. Angesichts der geplanten (Ost-) Erweiterung,629 ist zu klären, welche Sprachen künftig in den Europäischen Organen Amts- und Arbeitssprachen sein werden. Können alle Länder mit ihren Sprachen paritätisch vertreten sein? Sollen demographische Gegebenheiten berücksichtigt werden (die deutsche Sprache ist bspw. die in der Europäischen Union am meisten gesprochene Sprache) oder wird vielmehr auf die Praxis des internationalen Handels Rücksicht genommen (in dem Englisch Hauptgeschäftssprache ist)? Muß das Sprachenregime, um europaweit Anerkennung zu finden, kulturelle Besonderheiten einzelner Mitgliedstaaten berücksichtigen (hier sei das Beispiel Frankreich genannt)? Die fehlende Kohärenz, mit der die Sprachenfrage im Gemeinschaftsrecht und in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften behandelt wird, ist zum einen durch verschiedene Sachgebiete bzw. Einzelfälle und zum anderen durch die unterschiedlichen Grenzen des EG-Vertrags für den nationalen und den europäischen Gesetzgeber bedingt. Die Vielfalt der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen mit ihren unterschiedlichen sprachlichen Anforderungen macht eine Vereinfachung wünschenswert. Dabei sind drei Themenbereiche hervorzuheben. Zunächst eine Förderung mehrsprachiger Information, um ein hannonisches Funktionieren des Binnen627 Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Griechisch, Holländisch, Dänisch, Schwedisch und Finnisch. 628 Englisch, Französisch und häufig auch Deutsch. Wahrend Französisch in der Kommission und im EuGH dominiert, wird im Parlament zunehmend Englisch gesprochen. 629 Gern. Art. 49 I 1 EU kann jeder europäische Staat, der die in Art. 6 I EU genannten Grundsätze (Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit) achtet, Mitglied der Union werden. Gegenwärtig haben 13 Staaten ihren Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft beantragt. In Reihenfolge der Beitrittsanträge: Türkei (1987), Zypern (1990), Malta (1990), Ungarn (1994), Polen (1994), Rumänien (1995), Slowakei (1995), Lettland (1995), Estland (1995), Litauen (1995), Bulgarien (1995), Tschechische Republik (1996) und Slowenien (1996).

JO Tbeme

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2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

markts zu erleichtern. Dabei kommt - neben der Sprache - Schaubildern, Symbolen und Piktogrammen sowohl im Interesse der Hersteller als auch der Verbraucher eine immer größere Bedeutung zu. Die mehrsprachige Information darf jedoch nicht das Recht der Mitgliedstaaten und die ihnen zukommende Pflicht vereiteln, im Lebensmittelsektor eine Etikettierung in der Sprache des Verkaufsgebiets zwingend vorzuschreiben. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes ist sie unverzichtbar. Schließlich kann angestrebt werden, das Europarecht hinsichtlich des Sprachgebrauchs im Verkehr mit dem Verbraucher zu vervollständigen. Dafür könnte in jeder Gemeinschaftsregelung, die umgesetzt werden muß und zur Verbraucherinformation dient, eine Verpflichtung fixiert werden, den sprachlichen Status festzulegen. Hierdurch würden die europäischen Vorgaben und mit ihnen die nationalen Regelungen homogener. In jüngerer Zeit sind Forderungen nach einer lingua franca für den europäischen Markt und die europäische Politik laut geworden. 63o Die Gründe für diese Forderungen sind vielschichtig. Zunächst befriedigt eine gemeinsame Handelssprache das Bedürfnis nach umfassender Kommunikation, das während der Umwandlung der Märkte besteht. Für den europaweiten Handel ist es unentbehrlich, präzise und effektiv sowie ohne Zeitverlust zu kommunizieren. Sind alle Informationen leicht zugänglich, beschleunigt und erleichtert dies den Handel. Außerdem verhindert eine gemeinsame Handelssprache nationale Sprachregelungen im Wirtschaftssektor. Hierdurch können Mitgliedstaaten protektionistische Maßnahmen nicht länger hinter kulturpolitischen Sprachregelungen verstecken. Hingegen behalten die Mitgliedstaaten ihre Kompetenz, kulturelle Aspekte außerhalb des Wirtschaftsbereichs zu regeln. Abschließend erleichtert also eine gemeinsame Handelssprache in der Europäischen Union die wirtschaftliche Integration, den Binnenmarkt und fördert so das Fortkommen des Euro. Eine lingua franca für die europäische Politik weist vergleichbare Vorteile auf. Sie spart Zeit und Kosten für die Übersetzung der Gemeinschaftsdokumente in alle elf Amtssprachen. Zudem werden Sitzungen des Ministerrats und des Parlaments unkomplizierter und kostengünstiger. In der zweiten Jahreshälfte 1999 ergab sich unter finnischer Ratspräsidentschaft eine Kontroverse über den Gebrauch der deutschen Sprache bei informellen Ministerratstagungen. 631 Im finnischen Oulou waren bei einem Treffen der Industrieminister als Arbeitssprachen lediglich Englisch, Französisch und Finnisch vorgesehen. Bundeskanzler Schröder argumentierte dagegen, daß auch Deutsch Arbeitssprache sein müsse, da dies unter deutscher und dann österreichischer Ratspräsidentschaft zum Gewohnheitsrecht geworden wäre. Eine Fortsetzung des Sprachenstreits kündigte sich im März 2000 in Brüssel an. 632 Ein bevorstehender Dolmetscher-Streik bedrohte bei Beratungen auf Botschafter-Ebene Deutsch als Arbeitssprache neben Englisch und Französisch. Nachdem die Außenminister der 630 631 632

Siehe dazu oben Fn. 2. Deutsch sprechen viele, Englisch verstehen alle, in: SZ vom 5. 7. 1999, S. 3. EU wendet neuen Sprachenstreit ab, in: SZ vom 21. 3. 2000, S. 2.

D. Würdigung und Ausblick

147

Europäischen Union den freiberuflichen Dolmetschern eine Besteuerung nach dem günstigen Gemeinschaftssatz zugesagt hatten, war der Streik und damit auch ein neuer Sprachenstreit abgewandt. Diese Diskussionen zeigen, daß die Sprachenfrage innerhalb der Union ein Reizthema darstellt, welches der Lösung bedarf. Differenziert man zwischen gemeinsamer Handelssprache und gemeinsamen Amts- und Arbeitssprachen, ist bei letzteren eine Einigung der Mitgliedstaaten unwahrscheinlicher. Während der Handelssprache wirtschaftliche Gesichtspunkte vertraut sind, stehen bei den Amts- und Arbeitssprachen machtpolitische Aspekte im Vordergrund. Gerade die Regierungssprache trifft den Kern nationaler Souveränität, zudem ist Sprache in einigen Ländern auf das engste mit dem Nationalstolz verknüpft. Es werden also keine praxisorientierten Kompromisse zu erwarten sein. Aus ökonomischen Griinden wird vielfach Englisch als europaweite Amts- und Arbeits- bzw. Handelssprache vorgeschlagen. 633 Dieser Vorschlag ist zwar praxisorientiert, da internationale Politik (außerhalb der Europäischen Union) und Wirtschaft bereits auf Englisch abgewickelt werden. Gegen einen solchen Vorschlag spricht jedoch neben der ablehnenden Haltung fast aller Mitgliedstaaten die integrationsbremsende Haltung der Briten. In den Europäischen Institutionen wird ein "künstliches Reservat" gleichberechtigter Sprachen aufrechterhalten. 634 Da in offiziellen Sitzungen des Ministerrats und des Parlaments in allen Amtssprachen debattiert wird und Rechtsdokumente in alle Amtssprachen übersetzt werden, bevor sie in Kraft treten können, sind die Kosten enorm. Die Europäische Union wird sich in Zukunft vor ihrer Sprachenproblematik nicht verschließen können. Um auf wirtschaftlicher Ebene mit den Großmächten USA und Japan, die ohne interne Sprachbarrieren operieren, konkurrieren zu können, muß sie Reibungsverluste, die durch unterschiedliche Sprachregelungen entstehen, möglichst gering halten. Aber nicht nur auf wirtschaftlicher, auch auf institutioneller Ebene ist sichtbar geworden, daß eine umfassende Regelung des Sprachenregimes notwendig ist. Kommen zu den 15 Mitgliedstaaten weitere hinzu,635 ist das heutige Sprachenregime der Europäischen Union nicht länger tragbar. 636 Um die Funktionsfahigkeit der europäischen Organe zu erhalten, sind Vereinfachungen im Organisationsrecht vonnöten. Für ein zukünftiges Sprachenregime schlägt Oppermann eine Differenzierung nach drei Ebenen vor: "Bürgerebene" [Unionsbürger - öffentliche (Gemeinschafts-)Gewalt], "Politische Ebene" (z. B. Plenarsitzungen des Parlaments) und "Arbeitsebene" (z. B. interne Verwaltung, Zusammenkünfte der Gemeinschaft mit nationalen Experten).637 Während auf den 633 Vgl. dazu oben Fn. 2. Im Gegensatz dazu geht Berteloot, S. 101, davon aus, daß eine allgemein gültige lingua franca für mehrere Völker eine Utopie ist. 634 Zum Vergleich: Die UN arbeiten mit sechs, der Europarat und die NATO mit jeweils zwei Arbeitssprachen, Wright, S. 49. 635 Zu den derzeit 13 Staaten, die einen offiziellen Antrag auf Beitritt gestellt haben, vgl. Fn.629. 636 Ähnlich urteilt auch Alber, S. 483. 637 Oppermann, Das Sprachenregime der Europäischen Union - reformbedürftig?, S. 17 f.

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148

2. Teil: Nationale Sprachvorschriften und der EG-Vertrag

ersten beiden Ebenen die Gleichberechtigung der nationalen Sprachen beibehalten werden müsse,638 sei auf der dritten Ebene ein pragmatischer Kompromiß zugunsten einer Arbeitssprache in der internen Verwaltung (Englisch) und zugunsten von 5 - 6 Arbeitssprachen bei Zusammenkünften zwischen Gemeinschafts- und nationalen Bediensteten (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und evtl. Niederländisch) möglich. 639 Das auf der "Arbeitsebene" entstehende "linguistische Gewohnheitsrecht" könne möglicherweise später in das Sekundärrecht übernommen werden. 64o Soll der Binnenmarkt und mit ihm auch die gemeinsame Währung, der Euro, Zukunft haben, muß die Union homogener werden. Dieser Prozeß sollte abgeschlossen sein, bevor die neuen Beitrittskandidaten zur Union stoßen. Erst nach Abschluß der institutionellen Erneuerung, sei es durch eine "Europäische Verfassung", sei es durch eine umfassende Reform der Griindungsverträge, können neue Mitgliedstaaten aufgenommen werden. Ansonsten wird die Gemeinschaft immer schwerfälliger und droht, ihre Handlungsfahigkeit zu verlieren.

638 Pfeil, S. 146 f., geht sogar davon aus, daß dem Gemeinschaftsbürger ein Grundrecht auf den Gebrauch der eigenen Rechtssprache gegenüber den EG-Organen zusteht. 639 Oppermann, Fn. 637, S. 18 ff. 640 Siehe dazu Fn. 637, S. 20.

Teil 3

Der Schutz der deutschen Sprache in den Schranken des Grundgesetzes A. Einführung Im dritten Teil der Arbeit werden die Grenzen sprachgesetzlicher Regelungen auf der Ebene des deutschen Verfassungsrechts herausgearbeitet. Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Annahme, die Vorschriften der französischen loi Toubon würden innerhalb eines deutschen Sprachgesetzes erlassen. Die rechtliche Stellung der Sprache in Deutschland soll geklärt werden, insbesondere ist das Augenmerk darauf gerichtet, ob und wie sie geregelt werden darf. Schwerpunkte der Prüfung bilden die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein Gesetz zum Schutz der Sprache sowie die Vereinbarkeit eines solchen Gesetzes mit den Grundrechten. Was ist eigentlich "die deutsche Sprache"? Sprache ist Teil und Ergebnis historischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. Dabei ist die Gesamtsprache (z. B. Deutsch) nur eine abstrakte Summe ihrer verschiedenen Systeme (z. B. Hochsprache, Umgangssprache und Dialekt), die wiederum Subsysteme aufweisen 641 (z. B. die Wissenschaftssprache als Subsystem der Hochsprache, die Jugendsprache als Subsystem der Umgangssprache). Diese "innere Mehrsprachigkeit" ist ein zentraler Bestandteil einer pluralistischen Gesellschaft und kostbares Gut der Demokratie. 642 Es gibt daher keine bestimmten sprachlichen Normen, die "die deutsche Sprache" verkörpem. 643 Deshalb kann man den Sprachgebrauch einer gesellschaftlichen Gruppe nicht als davon abweichend qualifizieren. 644 Obwohl die deutsche Sprache kein homogenes, fertiges Gebilde ist, wird von Zeit zu Zeit über ihren Verfall geklagt. Sprache vereint in sich Kontinuität und Wandel, wobei letzterer häufig negativ gesehen wird. Es ist von einem Niedergang der Sprache die Rede, von einer Überfremdung durch fremdsprachige Begriffe,

Trabold, S. 46, 51. Trabold, S. 47. 643 Amu, Die deutsche Sprache gibt es gar nicht, in: SZ vorn 23./24. 5. 1998, FeuilletonBeilage, S. VII. 644 Trabold, S. 51. 641

642

ISO

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

von einer Abkehr von der Schriftsprache, zudem werde die Rechtschreibung immer schlechter. 645 Im Rahmen der wirtschaftlichen Globalisierung ist Englisch als Werbesprache auf dem Vormarsch. Mit der wirtschaftlichen Präsenz der Vereinigten Staaten in Europa geht die Präsenz ihrer Sprache und der amerikanischen Werte einher. Bei englischsprachiger Werbung amerikanischer oder britischer Firmen bleibt es nicht. Auch deutsche Werbeagenturen verwenden immer häufiger Anglizismen, um dem Zeitgeist zu entsprechen und den beworbenen Produkten ein internationales und innovatives Image zu geben. 646 In letzter Zeit sind vermehrt Stimmen laut geworden, die sich gegen englische Slogans richten. Zwar sind die Bundesbürger daran durch weltweit agierende US-Firmen [z. B. "Can't beat the feeling" (Coca-Cola), "It's not a trick, it's asony" (Sony) , "Solutions for a small planet" (IBM), "The choice of a new generation" (Pepsi) und "Don 't leave home without it" (American Express)] gewöhnt. Als jedoch auch die Nachfolgeunternehmen der monopolistischen Staatsbetriebe Bahn647 und Post648 anfingen, ihre Dienstleistungen in englischer Sprache zu bezeichnen, begann sich Widerstand zu regen. Dabei gehört der 1997 in Dortmund gegriindete Verein zur Wahrung der deutschen Sprache e.V. 649 (6000 Mitglieder) neben der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden (2000 Mitglieder) zu den Wortführern. Auf Betreiben des ersten bspw. hat die Deutsche Telekom Anfang 1999 ihre Tarifstruktur geändert und erneut Orts-, Nah-, und Ferngespräche anstelle von CityCalls, GermanCalls und GlobalCalls eingeführt. Zudem hat der Verein eine Unterschriftenaktion veraniaßt, um die Stadt Frankfurt von ihren Plänen abzubringen, den offiziellen Titel City of the Euro anzunehmen. Englische Werbespriiche sind problematisch, da nur 49 Prozent der Westdeutschen und 26 Prozent der Ostdeutschen Englisch sprechen können. 65o Au645 Bodenstedt, Die "Selbstbedienung" mußte dem "self service" weichen, in: SZ vom 6./ 7.6. 1998, S. 8, spricht gar vom "Elend" der deutschen Sprache. Einen Verlust von Qualität und Konstanz nimmt Brandstetter an. in: Lüger, Deutsche Gegenwartssprache: Tendenzen und Perspektiven. S. 358. Gegen die These vom Sprachverfall wendet sich Sitta. in: Lüger, Deutsche Gegenwartssprache: Tendenzen und Perspektiven, S. 357. 646 !t's a trick. in: Der Spiegel. 17/1998. S. 124 ff. 64? Z. B. Service Point statt Auskunft. First statt Erster (Klasse). Night statt Nacht bei der Deutschen Bahn. 648 Z. B. CityCali statt Ortsgespräch. GermanCali statt Inlandsgespräch, GlobalCali statt Internationales Ferngespräch bei der Deutschen Telekom und Lucky Päcks statt Päckchen bei der Deutschen Post. 649 Der Verein zur Wahrung der deutschen Sprache e.V. führt in seinen Leitlinien auf S. I an. daß "die übergroße Zahl von Amerikanismen und Anglizismen ... zu Verstehens- und zu Verständigungshindernissen. vor allem bei älteren Menschen und bei Menschen ohne entsprechende Kenntnisse in der englischen Sprache" führe. Nach Art. 3 III I GG dürfe jedoch niemand wegen seiner Sprache benachteiligt werden. Zudem müsse das Demokratiegebot des Grundgesetzes in seinen Konsequenzen für den alltäglichen Sprachgebrauch neu bedacht und erörtert werden. ebenda. 650 Dies ergab eine Erhebung aus dem Jahr 1996. Fn. 646, S. 124.

B. Methoden der Sprachpolitik

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ßerdem ist das in der Werbung verwandte Englisch häufig grammatikalisch falsch. 651 In jüngerer Zeit sind deshalb Forderungen der Sprachschützer nach einem Gesetz laut geworden. 652 In diesem Gesetz sollen, dem französischen Vorbild der loi Toubon folgend, englische Begriffe in Werbung, Medien und Behörden aus Griinden des Verbraucherschutzes verboten werden. 653 Die deutsche Sprache soll durch das Gesetz bewahrt und geschützt werden. Im folgenden wird diese Forderung weitergedacht und anhand des Grundgesetzes auf ihre Verfassungsmäßigkeit überpriift.

B. Methoden der Sprachpolitik Um ein fiktives Sprachgesetz einordnen zu können, bedarf es einer kurzen Darstellung des sprachpolitischen Kontexts. Sprachpolitik sind alle systematischen Bemühungen, mit politischen Zielen Sprache zu beeinflussen. 654 Es gibt dabei verschiedene Methoden: Je nach Intensität der staatlichen Eingriffe in die Sprache läßt sich zwischen Sprachpflege, Sprachplanung, Sprachlenkung und -reinigung differenzieren. Sprachpflege wahrt, ohne in die Sprache einzugreifen, ihren Bestand und fördert ihre Entwicklung. Ein solches Mandat wurde und wird in Deutschland etwa vom Duden wahrgenommen. Letzterer wurde in einem Beschluß der Ständigen Konferenz der Kultusminister und -senatoren der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Kultusministerkonferenz) vom 18./19. 11. 1955 bei Schreibweisen und Regeln in Zweifelsfallen für verbindlich erklärt. 655 Diese Verbindlichkeit ist am 30.11./1. 12. 1995 durch erneuten Beschluß mit Wirkung zum 1. 8. 1998 aufgeho651 O. tel. 0, ein ehemaliges Gemeinschaftsunternehmen von Veba und RWE warb für die von ihm angebotenen Telekommunikationsleistungen mit dem Slogan "For better understanding", der dann später in "Fora better understanding" umgewandelt wurde, Fn. 646, S. 124. Keines Kommentars bedürfen folgende Sätze, die von einem McDonald's Tischset (Dezember 1999) stammen: "Harn & Eggs: Gerührt, not geschüttelt, please.... The Schönste, was eggs passieren kann: our Koch has it gerührt. . .. Mitten inside of the eggs: saftige stripes vom harn.... Beautiful warm and knusprig getoastet: a leckeres Weizenbrötchen in two Teilen.... This Butter makes, daß the Weizenbrötchen is not so alone." Es bleibt noch anzumerken, daß das deutsche "Handy" im Englischen nicht existiert, vielmehr heißt es dort mobile phone. 652 Verein will Schutz vor "Gefasel", in: WN vom 18. 10. 1999, S. R WF 1. Im Gegensatz dazu lehnt das Institut für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim eine sprachpflegerische oder sprachnormative Rolle ab, Stickel, in: Lüger, Deutsche Gegenwartssprache: Tendenzen und Perspektiven, S. 360. 653 ,,Anglizismen sollen verboten werden" - Sprachschützer fordern Gesetz, in: FAZ vom 18. 10. 1999, S. 11. Für den Filmrnarkt, auf dem arnerikanische Filme immer häufiger unter ihren englischen Originaltiteln laufen anstelle unter einer Übersetzung, Auf ein Wort - TitelKämpfe, in: WAZ vom 18.9.1999, KULTUR. 654 Bergsdorj, S. 39. 655 BAnz Nr. 242 vom 15. 12. 1955, S. 4.

152

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

ben worden (Ziffer 9).656 Noch 1996 erklärte der langjährige Duden-Herausgeber Drosdowski allerdings, daß der Duden nicht nur sprachpflegend tätig werde, sondern vielmehr auch sprachliche Normen setze und damit regulierend in die Sprache eingreife. 657 Bei Sprachplanung handelt es sich hauptsächlich um Reformen der Schreibweise. 658 Obwohl die Schreibung nichts mit dem Inhalt der Sprache zu tun hat, sondern nur mit ihrer Schriftform, ist die politische und gesellschaftliche Bedeutung der Schreibung groß. Die Resonanz auf die Rechtschreibreform hat gezeigt, daß Sprache und ihre Schreibung in Deutschland ein gesamtgesellschaftliches Thema darstellen. Unsicherheiten hinsichtlich der rechtlichen Bewertung von Sprache haben die dazu ergangenen stark divergierenden Entscheidungen der Gerichte gezeigt. 659 Die größte Eingriffsintensität besitzen Sprachlenkung und Sprachreinigung. Beide beeinflussen gezielt den Sprachgebrauch. Während Lenkung Begriffe umdeutet, vermeidet oder verbietet, ist Reinigung darauf gerichtet, die Sprache von fremden Einflüssen zu "säubern".66o Ein der französischen loi Toubon entsprechendes Sprachgesetz fiele in diese Kategorie. 661 Es würde versuchen, der Sprachgemeinschaft die Wertung zu vermitteln, die eigene Sprache sei schützenswert und müsse verteidigt werden. Fremdsprachige Einflüsse seien bedrohlich und würden das nationale Erbe und damit auch die nationale Identität gefährden. Die in dem Gesetz vorgesehenen Vereine zum Schutz der Sprache fungierten dabei als Sprachwächter, die Verstöße anzeigen könnten. Hierdurch könnten sie die öffentliche Sprache kontrollieren. Dadurch, daß Verstöße gegen das Gesetz sanktioniert würden, wäre der einzelne gezwungen, sich in deutscher Sprache an die Öffentlichkeit zu wenden. Er müßte fremdsprachige Begriffe vermeiden und durch deutschsprachige ersetzen, die evtl. eine andere Bedeutung hätten.

Der Beschluß ist abgedruckt in BVerfG, NJW 1998,2515,2516. Drosdowski, in: Der Duden. Geschichte und Aufgabe eines ungewöhnlichen Buches, S. 30,41,45. 658 Coulmas, Sprache und Staat, S. 67, 72; Bergsdorf, S. 40. 659 Bspw. sprechen sich VG Berlin, NJW 1998, 1243, 1244 ff. und VG Hannover, NJW 1997,2538,2539 f. dafür aus, daß die Reform der Schreibung im Hinblick auf Art. 6 II 1 GG wesentlich ist; dagegen wird sie von OVG Schleswig, NJW 1997,2536, 2537 und VG Weimar, NJW 1997,2403 abgelehnt. Menzel, S. 1177, konstatiert eine "Heterogenität im justizieHen Zugriff'. 660 Bergsdorf, S. 40 f. Kirchhof, in: Hdb. StR I, § 18, Rn. 52, faßt unter dem Oberbegriff "Sprachbeeinflussung" Planung, Lenkung und Reinigung zusammen. Davon grenzt er lediglich die Sprachpflege ab. 661 Haas, S. 166 ff., verurteilt die französische Sprachpolitik als modernen Sprachimperialismus. Die französischen Bemühungen, den Beitritt Großbritanniens zu den damaligen Europäischen Gemeinschaften zu verhindern, zeigten nicht lediglich einen Sprachpurismus, sondern einen durch Nationalismus genährten Sprachimperialismus. Die loi Bas-Lauriol steHe eine Methode der "Sprachbeeinflussung" dar, S. 168. 656

657

C. Rechtliche Stellung der deutschen Sprache

153

Weitere Beispiele für Sprachlenkung und -reinigung finden sich in der Geschichte. So hatte bspw. das Wort "Propaganda" in der politischen Sprache der DDR eine positive Bedeutung. Hiermit wurde alles betitelt, was das Regime lobte. Ungeachtet ihres Gehalts hieß dagegen jede Kritik "Hetze".662 Im faschistischen Italien wurden Neologismen geschaffen, um zu verhindern, daß fremdsprachige Worte in die italienische Sprache eindrangen. 663 Fremdwortgebrauch war bei der Benennung von Firmen und Lokalen sowie bei der Etikettierung von Produkten verboten. 664 Eine großangelegte "amtliche Säuberung" der Sprache fand im nationalsozialistischen Deutschland statt. 665 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die gewählten Methoden der Sprachpolitik ein Indikator für ein eher offenes oder geschlossenes politisches System sind. 666 Dabei ist entscheidend, ob staatliche Institutionen einen ihren politischen Zielen entsprechenden Sprachgebrauch nur empfehlen oder auch erzwingen können. Erwähnenswert ist an dieser Stelle eine vorbildliche Aussage des schweizerischen Sprachenrechts. Das Recht richtet sich nicht an die Sprache selbst, letztere kann nie Rechtssubjekt sein. 667 Indem der Sprechende als Subjekt von Regelungen ausgeschlossen wird, erfährt die Sprache keine lenkenden oder reinigenden Eingriffe.

C. Rechtliche Stellung der deutschen Sprache Im folgenden Abschnitt wird die rechtliche Stellung der deutschen Sprache herausgearbeitet. Dazu werden zunächst die normativen Anknüpfungspunkte im Grundgesetz und in einfachen Gesetzen genannt. Es wird untersucht, ob Sprache überhaupt geregelt werden kann oder ob ein grundsätzliches Regelungsverbot besteht. Abschließend wird ein kulturstaatlicher Auftrag des Bundes zur Pflege der Sprache gepriift.

I. Normative Anknüpfungpunkte im Grundgesetz und in einfachen Gesetzen Im Gegensatz zu anderen Verfassungen kennt das Grundgesetz keine ausdrückliche Vorschrift über die Sprache der Republik. 668 Explizit erwähnt ist Sprache im 662 663 664

665

Bergsdorf, S. 41. Somma, S. 704. Siehe dazu Fn. 663. Bergsdorf, S. 40.

Bergsdorf, S. 42. Viletta, S. 196. 668 Bspw. zu Art. 8 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes und Art. 2 I der französischen Constitution. Hingegen bestimmt die schweizerische Bundesverfassung in Art. 18: 666

667

154

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

Grundgesetz nur in Art. 3 III 1 GG: "Niemand darf wegen ... , seiner Sprache, ... benachteiligt oder bevorzugt werden." Dieses Diskriminierungsverbot schließt Sprache als rechtfertigenden Grund für eine Ungleichbehandlung aus. 669 Insofern verankert es gerade nicht eine bestimmte Sprache, sondern besagt, daß Sprache nicht als Unterscheidungskriterium für staatliche Ungleichbehandlungen herangezogen werden darf. Für die rechtliche Stellung der deutschen Sprache im Grundgesetz kann dem speziellen Gleichheitsgebot nichts entnommen werden. Implizit läßt sich die Deutschsprachigkeit dem Grundgesetz entnehmen. Das Grundgesetz selbst ist in deutscher Sprache verfaßt, es definiert den Staat und seine Organe deutsch (bspw. der "Deutsche(n) Bundestag(es)" in Art. 38 I 1 GG). Das "Deutsche Volk" hat sich "dieses Grundgesetz gegeben" (Präambel, S. 1); die "Deutschen" haben die ,,Einheit und Freiheit Deutschlands" vollendet, das Grundgesetz gilt für das gesamte "Deutsche Volk" (Präambel, S. 2 und 3). Neben dem "Deutsche(n) bzw. deutsche(n) Volk(es)" (Präambel, S. 1 und 3; Art. 1 11,56 S. 1, 146 GG) ist Rede von der "deutsche(n) Staatsangehörigkeit" (Art. 16 I 1 GG), von der "Bundesrepublik Deutschland" (Art. 20 I, 2111 1,73 Nr. 10 c), 87 I 2 GG) oder einfach von der "Einheit und Freiheit Deutschlands" (Art. 146 GG) sowie von den "deutschen Länder(n)" (Art. 144 I GG). Zudem gibt es Grundrechte, die nur Deutschen zustehen (die sog. Bürgerrechte in den Art. 8 I, 9 I, 11 I, 12 I, 16 I 1 und 11, 20 IV, 33 I, 11 und III sowie 38 I 1 GG). Die einfachgesetzlichen Aussagen zur deutschen Sprache sind ergiebiger. Gern. § 184 GVG ist die Gerichtssprache deutsch, gern. § 23 I VwVfG die Amtssprache. Gern. § 244 HGB ist der lahresabschluß in deutscher Sprache aufzustellen. Da die einfachgesetzlichen Ausgestaltungen in ihren Formulierungen weiter reichen als die grundgesetzlichen Vorgaben, ist fraglich, woraus sich die Kompetenz des Gesetzgebers ableitet, den Status der deutschen Sprache derart zu normieren. Diese Frage soll an späterer Stelle geklärt werden. Festgehalten werden kann, daß das Grundgesetz den Status der deutschen Sprache nicht explizit normiert, aber implizit den Schluß zuläßt, daß Deutsch die Sprache der staatlichen Gewalt und der Bürger ist. Fraglich ist, ob die deutsche Sprache deshalb ein Rechtsgut mit Verfassungsrang darstellt. Im Grundgesetz existiert kein der österreichischen oder französischen Verfassung entsprechender Artikel. 670 Der Wortlaut spricht daher gegen den Charakter der deutschen Sprache als Verfassungsgut. Einer historischen Interpretation lassen sich für die rechtliche Stellung der Sprache im Grundgesetz keine Erkenntnisse entnehmen. 671 Aus der

,,Die Sprachenfreiheit ist gewährleistet." Häufig kommen Sprachenartikel in den Verfassungen der Entwicklungsländer vor: bspw. in Art. 58 Verfassung Guatemala, Art. 38 Verfassung Peru, Art. 76 Verfassung Costa Rica und Art. 1 II Verfassung Republik Senegal; zitiert nach Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 10 ff. und Fn. 12 f. 669 Pieroth/Schlink, Rn. 428 f. 670 Siehe zu den Artikeln Fn. 668.

C. Rechtliche Stellung der deutschen Sprache

155

Systematik ergeben sich, wie gerade gezeigt, gewisse Anhaltspunkte für eine implizite verfassungsrechtliche Anerkennung. Nach Sinn und Zweck schließlich ist nicht alles, was im Grundgesetz benannt ist, ein Rechtsgut mit Verfassungsrang. Ansonsten könnten die vorbehaltlos gewährten Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrechts leicht beschränkt werden (sei es auf Schutzbereichs- oder auf Schrankenebene).672 Dies widerspricht ihrer hohen Schutzintensität. Erst recht können dann Güter, die nicht explizit im Grundgesetz normiert sind, keine Rechtsgüter mit Verfassungsrang darstellen. Der Charakter vorbehaltlos gewährter Grundrechte und ihre Begrenzung bzw. Beschränkung nur durch kollidierendes Verfassungsrecht liefe ansonsten leer. Die deutsche Sprache ist daher ein im Allgemeingebrauch stehendes Gut, deren Bestand zwar grundgesetzlich erwähnt ist, die jedoch kein Verfassungsgut darstellt.

11. Regelbarkeit der Sprache Fraglich ist, ob die deutsche Sprache (nicht nur ihre Schreibung) staatlich geregelt werden kann. Anknüpfungspunkte der Untersuchung sind dabei ihre grundgesetzliche Stellung und ihre Eigenart.

1. GrundgesetzUehe SteUung

Einerseits kann aus einer nicht vorhandenen verfassungsrechtlichen Fixierung als "Sprache der Republik" und aus der Nichtaufnahme in die Kompetenztitel des Art. 73 GG auf eine gewisse Staatsferne der Sprache geschlossen werden. Menzel sieht die Staatsferne unter Bezugnahme auf den fehlenden Kompetenztitel als verfassungsrechtlich verankert an. 673 Andererseits muß nicht jede staatliche Maßnahme auf einer grundgesetzlichen Ermächtigung beruhen. 674 Es besteht kein "verfassungsrechtlicher Totalvorbehalt" für jedes staatliche Tatigwerden. Das Grundgesetz geht davon aus, daß der Staat generell befugt ist, im Gemeinwohlinteresse zu handeln. 675 Er muß dabei die formellen und materiellen Anforderungen des Grundgesetzes beachten.

671 Im Parlamentarischen Rat wurde die Materie "Sprache" nur innerhalb der Beratungen des Art. 3 III GG angesprochen. Entsprechend einer Formulierung des Abgeordneten Bergsträßer (SPD) wurden die Worte "seiner Sprache" in Abs. 3 aufgenommen, um die gleiche Behandlung fremdsprachiger Minderheiten zu gewährleisten, Matz, in: Leibholz/von Man-

goldt, S. 69. 672 Pieroth/Schlink, Rn. 328, 321 ff. 673 Menzel, S. 1183. 674 So BVerfG, NJW 1998,2515,2519. 675 Siehe dazu Fn. 674.

156

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes werden einen Sprachenartikel nicht unbewußt ausgelassen haben. Vielmehr sind sie entweder davon ausgegangen, daß die Deutschsprachigkeit der damaligen Bonner Republik selbstverständlich war und keiner Erwähnung bedurfte, oder sie haben es nicht für wichtig erachtet, der deutschen Sprache einen grundgesetzlichen Status zuzuerkennen. In beiden Fällen haben sie Sprache seit den Anfängen der Republik bewußt aus dem Bereich gesetzlicher Regelung herausgehalten. Hiergegen läßt sich einwenden, daß die Mütter und Väter des Grundgesetzes kein Regelungsverbot für Sprache in die Verfassung aufgenommen haben. Da Sprache ein im Gemeingebrauch stehendes Gut ist und sich ein Bedürfnis nach ihrer Regelung erst später ergeben kann (der französische Sprachenartikel bspw. ist erst 1992 in die Verfassung eingefügt worden), wird durch die Nichtaufnahme eines Kompetenztitels die Regelbarkeit nicht ausgeschlossen. 676 Ebenso könnte das Grundgesetz unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen geändert werden, so daß Deutsch als Sprache der Republik fixiert würde. Mangels expliziter grundgesetzlicher Erwähnung wird das Argument vorgebracht, die Kompetenz des parlamentarischen Gesetzgebers sei nicht tota1. 677 Vielmehr bilde Sprache einen integrierenden Teil menschlicher Identität,678 sie sei durch die Grundrechte vor Beeinflussung geschützt. 679 Dem ist zuzugestehen, daß der parlamentarische Gesetzgeber nicht allzuständig ist. Das Parlament muß die formellen und materiellen Anforderungen des Grundgesetzes beachten und ist nicht autark (Art. 20 III und Art. 1 III GG). Diese Überlegung führt aus sich heraus aber nicht dazu, eine Regelbarkeit der Sprache abzulehnen. Wenn das Parlament seine Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung und an die Grundrechte wahrt, ist eine Regelung möglich. Aus der grundgesetzlichen Stellung der deutschen Sprache ergibt sich insofern kein Regelungsverbot.

2. Eigenart der Sprache

Gegen eine Regelbarkeit könnte sprechen, daß die Sprache schon vor einer verfaßten deutschen Staatlichkeit "da" war. 680 Dieser "vorstaatliche Charakter,,681 der 676 Nach BVerfG, NJW 1998, 2515, 2519, kann sich ein Regelungsverbot " ... nicht schon aus einer fehlenden verfassungsrechtlichen Ermächtigung, sondern nur aus den verfassungsrechtlichen Schranken staatlicher Entscheidungen ergeben." 677 Das OVG Lüneburg, NJW 1997, 3456, 3460 verweist unter Berufung auf Mahrenholz darauf, daß es in einem freiheitlichen Staat keine "Totalität der Parlamentskompetenz" gebe. 678 VG Hannover, NJW 1998, 1250, 1251. 679 Kirchhof, in: Hdb. StR I, § 18 Rn. 54. 680 Kissel, S. 1097, stellt fest: "Sprache und Schrift sind einfach 'da'''. Beide existierten in einer "normativen Nische", da rechtliche Normen eine ,,Rarität" seien. 681 Nach OVG Lüneburg, NJW 1997,3456,3459, bewirkt der vorstaatliche Charakter der Sprache eine "fortdauernde grundsätzliche Ent-Staatlichung". Sprache gehöre daher zu den Gegenständen, die der Staat "prinzipiell nicht ordnet". Nach VG Hannover, NJW 1998, 1250,

C. Rechtliche Stellung der deutschen Sprache

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Sprache stellt ihre Formbarkeit durch parlamentarisches Gesetz in Frage. 682 Obwohl Sprache dadurch existiert, daß sie von einer Sprachgemeinschaft gesprochen wird, drückt diese Beziehung kein "Gehören" im rechtlichen Sinne aus. 683 Sprache ist ein allgemeines Kommunikationsmittel, so daß niemand ihre Regelung verbieten kann. Daraus, daß Sprache "dem Volk gehört", ergibt sich insofern kein Regelungsverbot. Ein weiteres Argument gegen die Regelbarkeit ergibt sich daraus, daß sprachliche Normen von sozialer Akzeptanz abhängen und nicht von staatlicher Regelung. 684 Der einzelne als Privatperson (nicht als Amtsträger) spricht und schreibt so, wie er es für richtig hält. Selbst wenn er sich, wie unter der loi Toubon, bei öffentlichen Äußerungen an die gesetzlichen Vorschriften hält, wird er sie in seinem Privatleben nur befolgen, wenn er hinter ihnen steht. Dieses Argument läßt sich auf lange Sicht widerlegen. Werden sprachliche Normen im staatlichen Kindergarten oder in der Schule gesetzt, nehmen die Lernenden sie auf. Langfristig entsteht dadurch ein gesellschaftlicher Druck, sich eben diesen Normen anzupassen. Sprachplanungs-, Sprachlenkungs- und -reinigungsprojekte haben bewiesen, daß Sprachentwicklung geregelt werden kann. Die Eigenart der Sprache steht daher einer Rege1barkeit nicht entgegen. Insgesamt sprechen überzeugende Argumente für eine grundsätzliche Rege1barkeit der Sprache. Das Grundgesetz enthält kein Regelungsverbot, vielmehr sind bei einer Regelung die formellen und materiellen Anforderungen der Verfassung zu beachten. 111. Kulturstaatlicher Auftrag zur Sprachpflege?

Um die Bedeutung der Sprache innerhalb der staatlichen Aufgaben einschätzen zu können, wird jetzt beleuchtet, ob ein kulturstaatlicher Auftrag zu ihrer Pflege ist Sprache vorstaatlich, da der Staat sie nicht geschaffen habe und sein Wille nicht ihr Geltungsgrund sei. 682 Etwas abschwächend OVG Sch1eswig, NJW 1997, 2536, 2537: "Sprache ist wohl auch nicht - positiv - durch parlamentarische Gesetze formbar." Häberle, in: JZ 1996, S. 719, stellt lapidar fest: "Sprache ist nicht einfach 'Manövriermasse' staatlicher Kompetenzen." In VG Wiesbaden, NJW 1998, 1246, 1247, wird unter Berufung auf das OVG Bautzen festgestellt, daß Änderungen der Sprachgestalt sich innerhalb der Sprachgemeinschaft vollzögen. Sie gingen "vom Sprachvolk als dem natürlichen Sachwalter der Sprache" aus und nicht vom Staat. 683 So BVerfG, NJW 1998, 2515, 2519. Das Gericht hebt hervor, daß auch wenn ein Gegenstand dem Staat nicht "gehört", es diesen nicht daran hindert, " ... seinen Gebrauch bestimmten Regeln zu unterwerfen." Roellecke, S. 2500, geht zwar auch davon aus, daß die Sprache niemandem "gehört", er zieht daraus aber den gegenteiligen Schluß ihrer Nichtregulierbarkeit, S. 2501. 684 Allgemein für sprachliche Normen OVG Schleswig, NJW 1997, 2536, 2537. Nur für die Schreibweise BVerfG, NJW 1996, 2221, 2222.

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

besteht. Einerseits könnte sich dieser aus einer Parallele zur Sozialstaatlichkeit ergeben, andererseits könnte die Tatsache, daß im Grundgesetz keine Kulturstaatsklausel vorhanden ist, gegen die Bundesrepublik als "Kulturstaat" und deshalb auch gegen kulturstaatliche Pflichten des Bundes sprechen. Von welchem Begriff der "Kultur", von welchem Begriff des "Kulturstaats" ist dabei auszugehen? Der Begriff "Kultur" ist unter dem freiheitlich demokratischen Grundgesetz ein universaler, offener. 685 Universal, da er jede Art von menschlicher Entfaltung erfaßt (gegen den elitären Kulturbegriff von Huber tritt das aus der Autonomie des Menschen gedachte Kulturverständnis von Kant),686 und offen, da er Veränderung und Weiterentwicklung enthält (nicht nur Tradition, sondern auch Innovation).687 Das BVerfG definiert Kultur als " ... die Gesamtheit der innerhalb einer Gemeinschaft wirksamen geistigen Kräfte, die sich unabhängig vom Staate entfalten und ihren Wert in sich tragen, ...... 688 Das Verhältnis zwischen Kultur und Staat ist durch Autonomie der ersten und Neutralität des zweiten gekennzeichnet (Kulturstaat der Moderne).689 Dabei druckt Autonomie die Eigengesetzlichkeit der Kultur, bedingt durch individuelle Entfaltung aus. Die Neutralität des Staates fordert, daß es keine Staatskultur gibt, daß der Staat nicht Mittel und Inhalte von Kultur bestimmen kann. 1. Parallele zur Sozialstaatlichkeit aus Art. 20 I GG

Es wird vorgebracht, der Staat sei im Wege einer "kulturstaatlichen Daseinsvorsorge" dazu beauftragt, die deutsche Sprache zu pflegen. 69o Deutsch integriere als Umgangs- und Staatssprache den einzelnen in die Kultur- und Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik. Deshalb müsse der Staat die einheitsbildende und -wahrende Sprache sowie das gemeinschaftsbewußte Sprechen pflegen. 691 Sprache sei ein wesentliches Stück Lebenswirklichkeit und Daseinsform, daher habe der Staat den Kulturauftrag, "... für die Erhaltung und Schaffung immaterieller Werte, d. h. sprachlich geprägter und geformter Gedankenwelt einzutreten und zu sorgen ...692 Gegen diese Argumentation sprechen kompetenzrechtliche Bedenken. Wird der Bereich "Kultur" dem des Sozialstaats zugeordnet, kann der Bund gern. Art. 74 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) in die Kulturhoheit der Länder übergrei685 Maihofer; in: Hdb. VerfR, § 25, Rn. 49. Vgl. zu den verschiedenen Kulturbegriffen und zu einem rechtswissenschaftlichen Kulturbegriff, Geis, S. 181 ff. 686 Maihofer; in: Hdb. VerfR, § 25, Rn. 12 f., 21 ff. 687 Maihofer; in: Hdb. VerfR, § 25, Rn. 25. 688 BVerfGE 10, 20, 36. 689 Steiner; in: Hdb. StR III, § 86, Rn. 9; Maihofer; in: Hdb. VerfR, § 25, Rn. 33. 690 Dieser Ansicht von Kirchhof, in: Hdb. StR I, § 18, Rn. 50 ff., haben sich Autoren angeschlossen, ohne ihre Ansichten näher auszuführen oder zu begründen: etwa Wassermann, Rechtschreibung als Rechtsproblem, S. 6 und Haas, S. 168. 691 Kirchhof, in: Hdb. StR I, § 18, Rn. 50 f. 692 Siehe dazu Fn. 691, Rn. 50.

C. Rechtliche Stellung der deutschen Sprache

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fen. 693 Indem kulturelle Bedürfnisse parallel zu sozialen Bedürfnissen definiert werden, verwischt die Grenze zu den Länderkompetenzen aus Art. 70 I GG im Kulturbereich. Der Bund hätte es in der Hand, über die sozialen Bedürfnisse seine eigenen Kompetenzen in kultureller Hinsicht zu definieren. Es liegt nahe, daß dann die Länderkompetenzen zugunsten der Bundeskompetenzen zurückgedrängt würden. Aus föderaler Sicht ist daher eine Parallele zwischen Kultur und Sozialstaat abzulehnen. Für eine Verankerung des Kulturbegriffs im Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 I GG kann die Teilhabe aller an den Kulturgütern als Ausdruck sozialer Gerechtigkeit angeführt werden. 694 Durch eine Pflicht, Kultur zu schützen, zu fördern und möglichst breit zu vermitteln, kommt der Staat einer umfassenden Daseinsvorsorge nach. Einerseits spricht gegen eine solche Verankerung des Kulturbegriffs, daß Kultur sich nicht in einem Verfassungsziel erschöpft, das primär darauf gerichtet ist, wirtschaftliche Not zu bekämpfen sowie das Existenzminimum zu sichern. 695 Selbst wenn auch geistige Güter unter das Existenzminimum fielen, muß der Gesetzgeber nur Minimalbedingungen grundrechtlicher Freiheiten gewähren, eine umfassende Gewährung ist ausgeschlossen. 696 Andererseits spricht dagegen, daß Kultur nicht Gesichtspunkten sozialer Akzeptanz und Relevanz unterworfen werden kann. 697 Eine solche Unterwerfung stellt die Autonomie der Kultur und damit den universalen Kulturbegriff des Grundgesetzes in Frage. Zugunsten des Föderalismus und eines universalen Kulturbegriffs kann keine Verpflichtung des Staats zu kulturstaatlicher Daseinsvorsorge in Parallele zur Sozialstaatlichkeit angenommen werden. Kultur- und Sozialverantwortung sind zwei unterschiedliche Bereiche, deren Vermischung die Kompetenzordnung des Grundgesetzes in Frage stellt. Eine Anknüpfung an Art. 20 I GG, um einen kulturstaatlichen Auftrag zur Sprachpflege zu begründen, scheidet daher aus. 2. Nicht vorhandene Kulturstaatsklausel im Grundgesetz

Obwohl im Grundgesetz keine Aussage dazu enthalten ist, wird ein staatlicher Kulturauftrag entweder aus einem traditionellen Kulturstaatsverständnis, aus Geis, S. 194 f. Bult, S. 304. 695 Diese Ziele nennt Zacher; in: Hdb. StR I, § 25, Rn. 25, als u. a. wichtigste Ziele des Sozialstaats. 696 Geis, S. 194. Hoffmann-Riem, in: VVDStRL 42 (1984), Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen (Aussprache), S. 97, 131, 132 f., spricht davon, daß der Staat seinen Auftrag zur Kulturvorsorge erfüllt, indem er strukturelle Rahmenbedingungen schafft. 697 Nach Schmitt Glaeser; in: AöR 107 (1982), S. 364, darf Kulturpolitik in einem Sozialstaat nicht zu einer "Unterabteilung" der Sozialpolitik degenerieren und Kultur nicht durch rechtliche Perfektionierung ihrer Eigengesetzlichkeit beraubt werden, S. 365. Steiner; in: Hdb. StR III, § 86, Rn. 5, stellt heraus, daß eine allgemein am sozialen Nutzen der Kulturförderung orientierte Kulturpolitik verfassungswidrig ist. 693

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

Art. 5 III 1 GG oder aus Art. 1 I GG abgeleitet. Teilweise wird hervorgehoben, daß sich die Kulturpflege seit dem 19. Jahrhundert (mit Ausnahme der Jahre 19331945) kontinuierlich entwickelt habe. 698 Sie entfalte gewohnheitsrechtlieh eine normative Wirkung zugunsten des Staats, diesen treffe ein Verfassungsauftrag zum Schutz und zur Pflege von Kulturgütern. 699 Einige heben Art. 5 III 1 GG als grundlegende Wertentscheidung und als Fundamentalgarantie des Kulturbereichs hervor. Die Norm enthalte einzelne Strukturmerkmale des grundgesetzlichen Kulturstaats: u. a. kulturpolitische Neutralität und Toleranz des Staats sowie die staatliche Pflicht, Kunst und Wissenschaft zu fördern und zu pflegen. 7OO Der "Kulturstaat" sei Staatszielbestimmung 701 und Verfassungsauftrag. 702 Andere gehen davon aus, daß Art. 1 I GG maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Kulturauftrag des Staats sei. 703 Dieser Anknüpfungspunkt korrespondiere mit dem universalen Kulturbegriff des Grundgesetzes, der auf die Verwirklichung individueller Rechte des einzelnen abstellt. Staatliche Kulturförderung diene der Verwirklichung von Grundrechten. 704 Der Staat sei verpflichtet, die Kultur in den einzelnen Grundrechtsbereichen zu achten, zu schützen und zu pflegen. 705 Gegen das historische Kulturstaatsverständnis ist einzuwenden, daß es "den Kulturstaat" nicht gibt. Vielmehr bezeichnet der Begriff je nach dem Vorverständnis von Kultur " ... den Rechtsstaat, den autoritären, den totalen Staat ... , (er) kann eine individuelle oder kollektivistische Staatskonstruktion bezeichnen, kann positivistisch oder metaphysisch begründet sein, ... ".706 Aus diesem Grund kommt dem historischen Verständnis des Kulturstaats für die Annahme eines kulturstaatlichen Auftrags keine normative Kraft ZU. 707 Gegen die Ansicht, daß Art. 5 III 1 GG einen Auftrag zu staatlicher Kulturpflege enthält, spricht, daß nicht e minore ad maius von der in Art. 5 III 1 GG erwähnten "Kunst" auf "die Kultur" im allgemeinen geschlossen werden kann. Ansonsten würde die Dogmatik des Art. 5 III GG auf andere Kulturbereiche übertragen und diese müßten sich der Kunstfreiheit 698 Steiner, in: Hdb. StR III, § 86, Rn 1. Vom Brocke, S. 745 a.E., zur preußischen "liberalen Kulturstaatstradition", die noch im Deutschen Reich von 1871 und über 1918 hinaus zur Modemisierung des Bildungswesens beigetragen habe, S. 746. 699 Für einen Verfassungsauftrag im Hinblick auf kulturelle Tradition und Innovation, Maihofer, in: Hdb. VerfR, § 25, Rn. 34 f. 700 Scholz, in: MD, Art. 5 III, Rn. 8; Benda, Die Kunstfreiheit und ihre Grenzen, S. 348 f. 701 So BVerfGE 36, 321, 331; in der Entscheidung wird aus Art. 5 III GG aber nur ein staatlicher Auftrag zur Förderung der Kunst, nicht der Kultur allgemein abgeleitet. Für die Förderung der Wissenschaft BVerfGE 35, 79, 114. 702 Schoh, in: MD, Art. 5 III, Rn. 8. 703 Häberle, in: Hdb. StR I, § 20, Rn. 60. Grimm, in: VVDStRL 42 (1984), S. 67, 65, nimmt an, daß Art. 1 und 2 I GG die Stelle einer Kulturstaatsklausel einnehmen. Ein Kulturauftrag bestehe, ohne daß er ausdrücklich formuliert sei, S. 65. 704 Blankenagel, S. 230. 705 Geis, S. 262 f. 706 Geis, S. 260, 267, Ziffer 12, 121. 707 Geis, S. 162.

C. Rechtliche Stellung der deutschen Sprache

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unterordnen. 70S Das BVerfG geht davon aus, daß der Staat nach Art. 5 III 1 GG nur zur Förderung der Kunst, nicht aber allgemein der Kultur verpflichtet ist. 709 Durch eine gegenteilige Annahme würde der Wortlaut des Artikels durchbrochen. Am ehesten erscheint es daher plausibel, daß der Bund kulturelle Aspekte innerhalb der grundrechtlichen Schutzbereiche mit berücksichtigen kann, da jedes Grundrecht einen Menschenwürdekern enthält. Gern. Art. 70 I GG liegt die Kulturhoheit jedoch bei den Ländern. Ein staatlicher Kulturauftrag des Bundes kann aufgrund dieser eindeutigen Kompetenzverteilung nicht bestehen. Im kulturellen Bereich kann der Bund allenfalls dann Regelungen treffen, wenn ihm ungeschriebene Kompetenzen zukommen. Diese müssen für jede Materie einzeln begründet werden, ein allgemeiner Kulturauftrag des Bundes scheidet aus. Bemerkenswert ist das Schweigen des Grundgesetzes zum "Kulturstaat". 1983 wurde eine Sachverständigenkommission ,,staatszielbestimmungen / Gesetzgebungsaufträge" einberufen, die sich mit der Aufnahme einer Kulturstaatsklausel in Art. 20 I GG befaßt,7l0 eine Staatszielbestimmung "Kulturstaat" jedoch abgelehnt hat. 7Jl Die Aufnahme des "Kulturstaats" in Art. 20 I GG würde eine Verschiebung der Kulturkompetenzen zugunsten des Bundes bedeuten. 712 Zwar nähme die Formulierung über Art. 79 III GG nicht an der Unabänderlichkeit teil, da nur die ursprünglichen Fassungen der Art. 1 und 20 GG erfaßt sind,113 dennoch würde sie es dem Bund erleichtern, originäre Länderkompetenzen an sich zu ziehen. Teilweise wird befürwortet, eine Kulturstaatsklausel zugunsten der Länder in Art. 28 I 1 GG aufzunehmen. 714 Diese würde den Kulturauftrag der Gemeinden aus Art. 28 11 1 GG ergänzen. 7l5 Eine Kulturstaatsklausel zugunsten der Länder hätte indes lediglich deklaratorischen Charakter, da die den Ländern gern. Art. 30, 70 I und 83 GG zustehenden Residualkompetenzen den Kulturbereich urnfassen. 716

708 Steiner; in: VVDStRL 42 (1984), S. 14, hebt hervor, daß Art. 5 III GG kein Generalgrundrecht der Kulturfreiheit ist. Zudem enthalte er keinen allgemeinen Verfassungsauftrag zur Kunstförderung. 709 Siehe Fn. 701. 710 Bericht der Sachverständigenkornrnission "Staatszielbestirnrnungen I Gesetzgebungsaufträge" beim BMIIBMJ, Stand: 15. 7. 1983, Teil III (Kultur) des Besonderen Teils, Rn. 207 ff.; zitiert nach Steiner; in: Hdb. StR III, § 86, Rn. 28, Fn. 134 und Geis, S. 18, Fn. 14. 7ll Siehe dazu Geis, S. 18. 712 Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 24; Steiner; in: Hdb. StR 111, § 86, Rn.28. 713 Hesse, Rn. 761; Stern, StR I, § 5 IV 5, S. 172. 714 Siehe dazu Fn. 710. Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 24 f. 715 Steiner; in: Hdb. StR III, § 86. Rn. 22, lehnt eine Pflicht der Gemeinden zur Kulturpolitik ab. 716 In einigen Länderverfassungen gibt es allgemeine oder spezielle Kulturstaatsklauseln: etwa in Art. 3 I 1 bayerische Verfassung, Art. 1 S. 2 und Art. 11 sächsische Verfassung und Art. 34 11 1 brandenburgische Verfassung. 11 Therne

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

In der nicht vorhandenen Kulturstaatsklausel ist kein Nachteil zu sehen, deutlich sichtbar wird vielmehr die Trennung zwischen Staat und Kultur. Autonomie der Kultur sowie staatliche Neutralität werden dadurch festgeschrieben. 717 Der Staat darf nicht in die Kultur eingreifen, er darf sie nur gegen Eingriffe Dritter schützen. 718 Dabei liegt grundsätzlich die Kulturhoheit bei den Ländern, sie sind primärverantwortlich. 719 Erwähnenswert ist, daß einige Länderverfassungen explizit die Kulturförderung als Landesaufgabe deklarieren. 72o Dagegen hat der Bund nur in einigen aufgezählten Bereichen kulturelle Kompetenzen (Art. 74 Nr. 5 (aufgehoben), Art. 74 Nr. 13,75 I Nr. la und 2, 91a I Nr. 1 und 91b GG).721 Zwar nimmt er in der Verfassungs wirklichkeit weitere Aufgaben war, diese müssen jedoch mit ungeschriebenen Kompetenzen begriindet werden 722 (bspw. mit einer gesamtdeutschen Verantwortung vor der Wiedervereinigung).723 Insofern besteht kein genereller Auftrag des Bundes zur Kulturpflege, er würde die Kompetenzordnung des Grundgesetzes umstoßen. Es ist daher zumindest voreilig, ohne nähere Begriindung von einem kulturstaatlichen Auftrag des Bundes zur Sprachpflege auszugehen. Auch wenn der "amtlich beliehene" Duden einen solchen für sich von 1955 bis 1998 beansprucht hat, konnte er sich dabei nicht auf eine gesetzliche Grundlage berufen. Mangels normativen Anknüpfungspunkts ist daher ein kulturstaatlicher Auftrag des Bundes allgemein und für die Pflege der deutschen Sprache im besonderen abzulehnen.

D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache? Auch wenn der Bund die deutsche Sprache nicht pflegen muß, ist offen, ob er sie gesetzlich regeln darf. Ist der Bund zur Regelung der Sprache kompetent? Dazu werden zunächst die Arten der Gesetzgebungskompetenzen angesprochen, wobei insbesondere die "ungeschriebenen" Kompetenzen dargestellt und bewertet werden. Es wird untersucht, ob sich aus der Natur der Sache eine Bundeskompetenz So auch Maihofer, in: Hdb. VerfR, § 25, Rn. 4. Siehe dazu Fn. 717. 719 Steiner, in: Hdb. StR III, § 86, Rn. 4. 720 Bspw. Art. 18 I nordrhein-westfälische Verfassung, Art. 3 II, 140 bayerische Verfassung und Art. 34 I und II saarländische Verfassung. Teilweise ist das Förderungsversprechen auf Kunst beschränkt: so in Art. 11 II bremische Verfassung. 721 Eine Zusammenstellung der Zuständigkeiten des Bundes im Kulturbereich findet sich bei Maihofer, in: Hdb. des VerfR, § 25, Rn. 53 ff. 722 Steiner, in: Hdb. StR III, § 86, Rn. 18 f., lehnt die "gesamtstaatliche Repräsentation" als ungeschriebene Kulturkompetenz des Bundes ab. 723 Steiner, in: Hdb. StR III, § 86, Rn. 17, sieht etwa die Pflege, Förderung und Verbreitung der gemeinsamen deutschen Sprache als wichtigste Klammer für die kulturelle Entwicklung in den beiden früheren deutschen Staaten an. 717 718

D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

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für ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache (entsprechend der französischen loi Toubon) ergeben kann. Schließlich ist klärungsbedürftig, wodurch der Bund zur einfachgesetzlichen Fixierung des Status der Sprache etwa in GVG und VwVfG ermächtigt ist.

I. Die "ungeschriebenen" Gesetzgebungskompetenzen des Bundes Explizit werden dem Bund im Grundgesetz ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen sowie Rahmen- und Grundsatzkompetenzen zugesprochen. Die Länder haben gern. Art. 70 I GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, " ... soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht." Neben den geschriebenen Gesetzgebungskompetenzen können dem Bund ungeschriebene Kompetenzen zustehen. Dabei müssen sich alle Kompetenzen aus der geschriebenen Verfassung ableiten lassen,724 so daß besser von "mitgeschriebenen" Kompetenzen gesprochen werden kann. 725 Achterberg definiert sie als " ... Zuständigkeiten des Bundes ... , die im Wortlaut einer Kompetenznorm nicht so hinreichend umschrieben sind, daß sie dem Gesetzeswortlaut durch Wortsinn- oder Begriffssinn-Interpretation entnommen werden können, sondern daß es hierzu darüber hinausgehender Mittel der Rechtsgewinnung aus dem geschriebenen Verfassungsrecht bedarf." 726 Mitgeschriebene Kompetenzen werden in beinahe allen Bundesstaaten problematisiert. 727 Innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes (Präambel S. 2, Art. 20 I, 28 I I und 2, III, 29, 30 und 79 III GG) darf der Einfluß des Gesamtstaats den der Gliedstaaten nicht aushöhlen, gleichzeitig muß das Funktionieren des Gesamtstaats gewährleistet sein. Eine föderalistische, ausgewogene Kompetenzverteilung ist grundlegend für einen funktionierenden Bundesstaat. Fragen mitgeschriebener Kompetenzen sind daher stets vor dem Hintergrund des Bundesstaats zu sehen. Je nach Änderungsfreundlichkeit ("starre" oder "weiche" Verfassung) sind mitgeschriebene Kompetenzen ein geeignetes Mittel, um die Verfassung den Erfordernissen der Verfassungswirklichkeit anzupassen, ohne daß eine förmliche Änderung erforderlich ist. 728

724 Pieroth, in: JP, Art. 70, Rn. 3; Kunig, in: MüK, Art. 70, Rn. 22; Bothe, in: AK, Art. 30, Rn. 13; Harms, S. 411 f. A.A. ist Pestalozza, in: MaK, Art. 70, Abs. I, Rn. 89 f., für die Natur der Sache, die nach seiner Meinung eine eigenständige, im Text der Verfassung nicht angelegte Zuständigkeit begründet. 725 Pemice, in: DR, Art. 30, Rn. 32; von Mutius, S. 499; Schote, S. 90; Harms, S. 412. 726 Achterberg, S. 64 f. 727 Herrfahrdt, in: BK, Art. 70, Rn. 11. 3., spricht von einer "typische(n) Streitfrage bundesstaatlicher Verfassungen". 728 Bei "starren" Verfassungen spielen rnitgeschriebene Kompetenzen eine größere RoHe als bei "weichen" Verfassungen, da letztere gewandelten Anforderungen ohne weiteres durch

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

Unter dem Grundgesetz sind mitgeschriebene Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs, kraft Annex und aus der Natur der Sache anerkannt. Dabei wird die Annexkompetenz systematisch teilweise als selbständige Kompetenz, teilweise als Unterfall des Sachzusammenhangs gesehen. 729 1. Zulässigkeit

Obwohl (oder gerade weil) mitgeschriebene Kompetenzen, wie noch gezeigt wird, weit in die Verfassungsgeschichte zurückreichen, können Bedenken gegen ihre Zulässigkeit geäußert werden. Sie begründen Gesetzgebungskompetenzen, ohne den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich zu ändern und könnten daher eine gern. Art. 79 I I GG verfassungswidrige Textdurchbrechung darstellen. 73o Zwar spricht für diese Argumentation ein hohes Maß an Klarheit, da sie sich auf den Wortlaut des Grundgesetzes berufen kann. Es handelt sich jedoch um mitgeschriebene Kompetenzen, die aus der Verfassung abgeleitet werden können und so bereits in ihr enthalten sind. Sind sie bereits enthalten, kann ihre Ableitung die Verfassung nicht ändern. Eine Verfassungsänderung würde daher nur die bereits bestehende materielle Rechtslage klarstellen. Aus diesem Grund kann die Zulässigkeit mitgeschriebener Kompetenzen nicht unter Berufung auf Art. 79 I I GG verneint werden. Wenn man das Grundgesetz als "Vollverfassung" ansieht, beinhaltet Art. 70 I GG für den Bereich der Gesetzgebung eine lückenlose Kompetenzverteilung. In allen Fällen, in denen der Bund nicht durch Enumeration zur Gesetzgebung ermächtigt ist, sind die Länder zuständig. Art. 70 I GG ist die Regel, während die Art. 73, 74, 74a, 75 und 105 GG Ausnahmen zu dieser Regel aufstellen. Für mitgeschriebene Kompetenzen ist in einer lückenlosen Kompetenzverteilung kein Raum. Gegen das Grundgesetz als Vollverfassung sprechen jedoch die politischen Umstände, unter Verfassungsänderung angepaßt werden können. Beispielhaft sind hier die USA zu nennen, deren "starre" Verfassung von 1787 die überragende Bedeutung mitgeschriebener Kompetenzen begründet, Maibach, S. 6 f. Obwohl auch das Grundgesetz (etwa im Vergleich zu den Verfassungen von 1871 und 1919) eine relativ starre Verfassung ist, spielen mitgeschriebene Kompetenzen keine vergleichbare Rolle wie in den USA, wo die Verfassungsänderung höhere Voraussetzungen erfüllen muß. 729 Pieroth, in: JP, Art. 70, Rn. 7, und Stein, Ekkehart, StR, S. 124, sehen in der Annexkompetenz einen Unterfall der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Maunzüberwiegenden " Sachzusammenhangs darstellt. Pernice, in: DR, Art. 30, Rn. 35, und Bothe, in: AK, Art. 30, Rn. 14, sprechen von einer Variante des Sachzusammenhangs. Pestaloua, in: MaK, Art. 70, Abs. 1, Rn. 109 ff., 112, lehnt die Annexkompetenz als kompetenzergänzenden Sachzusammenhang ab. Sie sei verfassungswidrig. 730 So urteilen Maibach, S. 102, und Maunz, Ungeschriebene Bundeszuständigkeit, S. 645 f. Heute geht Maunz, in: MD, Art. 70, Rn. 48, davon aus, daß sie bei enger Auslegung zulässig sind. Maibach, S. 102. Ringelmann, zitiert nach Dennewitz, in: BK, Art. 30, Rn. 11., geht von einer Verfassungsänderung durch Zuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs oder aus der Natur der Sache aus. Daher sei für solche Zuständigkeiten kein Raum.

D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

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denen es zustande kam, und die Schnelligkeit, mit der es entworfen wurde.?31 Zudem ist es als "Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland" tituliert und nicht als "Verfassung". Gern. Art. 146 GG hat es Übergangscharakter bis eine "Verfassung" beschlossen wird. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Kompetenznormen wird durch mitgeschriebene Kompetenzen nicht außer Funktion gesetzt. Zwar kommen zu den Ausnahmen neue hinzu, an der grundsätzlichen Länderzuständigkeit ändert sich aber nichts. Die Befürchtung, mitgeschriebene Kompetenzen, insbesondere die kraft Sachzusammenhangs, würden die Kompetenzordnung des Grundgesetzes untergraben und so die Kompetenzen der Länder nivellieren, kann entkräftet werden. Zwar ist dieser Argumentation zuzugestehen, daß der Herrenchiemseer Verfassungskonvent, dessen Ergebnisse für den Parlamentarischen Rat unverbindliches Diskussionsmaterial darstellten, die Kompetenz aus der Natur der Sache für zulässig, diejenige kraft Sachzusammenhangs hingegen für unzulässig gehalten hat.?32 Wenn aber für eine Kompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs strenge Grenzen formuliert werden, um ein "Überwuchern" der Länder- durch Bundeskompetenzen zu verhindern, wird die Kompetenzordnung des Grundgesetzes gewahrt. Ein "Durcheinander der Zuständigkeiten" wird verhindert.?33 Für die Zulässigkeit mitgeschriebener Gesetzgebungskompetenzen spricht weiterhin der Wortlaut des Art. 70 I GG. Er bestimmt: ,,Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht." Außer Frage steht, daß eine Verleihung der Kompetenzen durch "dieses Grundgesetz" erfolgen muß. Übergesetzliche, naturrechtliche Gesetzgebungskompetenzen des Bundes scheiden aus.?34 Die Gesetzgebungsbefugnisse müssen "verliehen" werden,?35 das Grundgesetz sagt hingegen nicht, in welcher Form (ob ausdrücklich oder stillschweigend). Als komparatives Argument kann man auf einen Antrag innerhalb der Beratung des X. Amendment der US-amerikanischen Verfassung Bezug nehmen. Dieser sah vor, das Wort expressly in eine dem Art. 70 I GG ähnelnde Regelung aufzunehmen.?36 Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, künftig eine freiere Auslegung der Verfassung zu ermöglichen.?3? Auch in Art. 70 I GG weist das Fehlen des Worts "ausdriicklich" darauf Achterberg, S. 81. Zur Anerkennung der Kompetenz aus der Natur der Sache, Achterberg, S. 87 f. und Pestalozza, in: MaK, Art. 70, Rn. 22. 733 Diese Formulierung verwendet Maunz, Ungeschriebene Bundeszuständigkeit, S. 644. 734 A.A. ist Pestalozza, in: MaK, Art. 70 Abs. 1, Rn. 89 f., der davon ausgeht, daß die Natur der Sache" ... eigenständige, im Text der Verfassung nicht angelegte Zuständigkeiten" begründet. ,,Natürliche" Zuständigkeiten seien solche, " ... die von Natur aus, d. h. auch ohne positiv-rechtliche Grundlage, jemandem zukommen, weil sie schlechterdings von jemand anderem nicht wahrgenommen werden könnten." 735 Maunz, Ungeschriebene Bundeszuständigkeit, S. 644, schließt daraus, daß jede ungeschriebene Zulassung von Kompetenzen ausgeschlossen ist. 736 Maibach, S. 24, 20. 731

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

hin, daß Kompetenzen stillschweigend durch das Grundgesetz verliehen werden können. 738 Insgesamt sprechen die Bedürfnisse der Verfassungswirklichkeit für die Zulässigkeit mitgeschriebener Gesetzgebungskompetenzen. Als relativ starre Verfassung muß sich das Grundgesetz gesellschaftlichem Wandel anpassen können (z. B. konnte der Bund die unaufschiebbaren Aufgaben der Wiedervereinigung durch eine Gesetzgebungskompetenz aus der Natur der Sache regeln) 739. Zwar kann dazu auch die Verfassung geändert werden. In engen Grenzen und dogmatisch fundiert stellen aber mitgeschriebene Kompetenzen ein leistungsfähiges Mittel dar, gesellschaftlichen Wandel zu erfassen und so den Geist der Verfassung lebendig zu halten.

2. Historische und komparative Bezüge

Der Sachzusarnmenhang und die Natur der Sache können weit zurückverfolgt werden. Aus den implied power/40 der US-amerikanischen Verfassungsrechtslehre wurden unter der Reichsverfassung von 1871 "Konsequenzkompetenzen".741 Diese finden sich unter der Weimarer Reichsverfassung von 1919 als "Kompetenzen kraft sachlichen Zusarnmenhangs,,742 und werden unter dem Grundgesetz zu Maibaeh, S. 20. Mit entsprechender Argumentation für Art. 30 GG, Aehterberg, S. 86. 739 Pieroth, in: JP, Art. 70, Rn. 9. 740 Die "doctrine of implied powers" wurde von Alexander Hamilton in einem Gutachten vom 23. 2. 1791 über die Befugnis des Bundes zur Gründung einer Nationalbank entwickelt: ,,Jede Machtbefugnis, die einer Regierung übertragen ist, ist ihrer Natur nach souverän und schliesst insoweit begriffsnotwendig das Recht ein, alle Mittel zu gebrauchen, die zur Erreichung der Zwecke einer solchen Machtbefugnis erforderlich und geeignet sind, die nicht durch besondere, in der Verfassung aufgeführte Einschränkungen und Ausnahmen ausgeschlossen sind und nicht den wesentlichen Zwecken der menschlichen Gesellschaft zuwiderlaufen." Zitiert nach Maibaeh, S. 23. Ihre klassische Formulierung hat die doctrine 1819 durch lohn Marshall in dem Rechtsstreit Me Culloeh v. Maryland erfahren: ,,Eine vernünftige Auslegung der Verfassung muss der nationalen Legislative jenen Ermessensspielraum geben, der diese Körperschaft im Hinblick auf die Mittel zur Durchführung der ihr übertragenen Befugnis befähigt, die dem Wohle des Volkes am besten nützt .... Soweit der angestrebte Zweck legitim ist, sind alle Mittel, die dem Zweck entsprechen, die diesem Zweck vollkommen angepasst sind und die nicht verboten sind, sondern sich mit dem Buchstaben und dem Geist der Verfassung vereinbaren lassen, verfassungsmäßig." Zitiert nach Maibaeh, S. 23. 741 Maibaeh, S. 30. Die Konsequenzkompetenzen unterscheiden sich von den parallel bestehenden Analogiekompetenzen dadurch, daß sie sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Einzelermächtigung halten, während Analogiekompetenzen über ihn hinausgehen, Maibaeh, S. 28. Triepel, in: Festgabe für Laband 11, S. 289, definiert Konsequenzkompetenzen wie folgt: ,,Das Reich besitzt im Zweifel außer den ihm ausdrücklich verliehenen Kompetenzen auch alle diejenigen, welche es braucht, um eine ausdrücklich eingeräumte Kompetenz vollständig und wirksam auszuführen." 742 Eine Aufzählung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede findet sich bei Maibaeh, S.34f. 737

738

D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

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Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs. 743 Die resulting powers744 der US-amerikanischen Verfassungsrechtslehre spiegeln sich unter der Reichsverfassung in den "Analogiekompetenzen,,745 wieder. In der Weimarer Republik verlieren Analogiekompetenzen zugunsten "natürlicher Kompetenzen" an Bedeutung. 746 Die heutige Natur der Sache wurzelt in den "natürlichen Kompetenzen" der Weimarer Verfassungsrechtslehre (dies zeigen die Anschütz'sche Formel747 und die historischen Bezüge des BVerfG) und ist auf die resulting powers der US-amerikanischen Verfassungsrechtslehre zuriickzuführen. 748 11. Kompetenz aus der Natur der Sache Überträgt man die französische loi Toubon auf Deutschland, ist fraglich, ob der Bundesgesetzgeber ein solches Gesetz zum Schutz der Sprache erlassen darf. Eine Kompetenz dazu könnte sich aus der Natur der Sache ergeben. Eine solche wird vom BVerfG angenommen, wenn " ... gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit apriori entriickte Angelegenheiten (des Bundes) darstellen, (vom Bund) und nur von ihm geregelt werden können"; "Schlußfolgerungen ,aus der Natur der Sache' müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordem.,,749 Eine Kompetenz aus der Natur der Sache kann ausschließlich dem Bund zustehen. 75o 743 Für das direkte Verhältnis zwischen der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs und den implied powers sowie der aus der Natur der Sache und den resulting powers, Achterberg, S.65f. 744 Resulting powers sind Zuständigkeiten, die sich nicht durch Auslegung ergeben, sie sind vielmehr das Resultat ,,{rom the whole mass of the powers of the govemment", Hamilton, zitiert nach Achterberg, S. 75. 745 Maibach, S. 33. Durch Analogie wurden Kompetenzen, die nicht in der Verfassung geregelt waren, nachträglich entwickelt. Es mußte also eine Lücke in der Verfassung bestehen, Maibach, S. 31. 746 PestaloZZQ, in: MaK, Art. 70, Rn. 12. Aus dieser Zeit stammt die Formel von Anschütz, in: Hdb. DStR I, S. 367: ..Sie (die Gesetzgebungskompetenz) kann sich stützen ... auf den ungeschriebenen, im Wesen der Dinge begründeten, mithin einer ausdrücklichen Anerkennung durch die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit apriori entrückte Angelegenheiten des Reichs darstellen, vom Reiche und nur von ihm geregelt werden können." 747 Vgl. zu der ursprünglichen Fassung der heute vom BVerfG verwandten Formel, Fn.746. 148 Siehe dazu Fn. 743. 149 BVerfGE 11, 89, 99. Eine fundierte Kritik dieser Formel (zusammengesetzt aus der Formel von Anschütz, 1. Teil, und einer eigenen Formulierung des BVerfG, 2. Teil) findet sich bei Bullinger. S. 269 ff. Schote, S. 105, 103, kritisiert die Formulierung des BVerfG als zu unbestimmt und die Anschütz'sche Formel mit dem Hinweis darauf, daß ..... der Versuch, aus der apriorischen Betrachtung des ,Wesens der Dinge' weitreichende normative Schlüsse

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

Schote751 bildet im Anschluß an die Rechtsprechung des BVerfG folgende Fallgruppen von Kompetenzen aus der Natur der Sache: Überregionalität, Verantwortung des Bundes gegenüber dem Grundgesetz (Selbstorganisation des Bundes und Eintretenspflicht bei Weigerung der Länder) sowie nationale und gesamtstaatliche Repräsentation. Im Hinblick auf die deutsche Sprache kommen Gesichtspunkte der gesamtstaatlichen Repräsentation und der Überregionalität in Betracht.

1. Herleitung

Eine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache wird unterschiedlich hergeleitet. Teilweise wird sie in Analogie zu bestehenden Kompetenztiteln entwikkelt,752 teilweise aus einem abstrakten oder einem historisch konkreten Verständnis des Bundesstaats hergeleitet. 753 Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen die genannte zusammengesetzte Formel nur selten verwandt. 754 Häufig wird die Natur zu ziehen, nicht gelingen kann." Er modifiziert die Anschütz'sche Formel, um sie in Einklang mit dem Grundgesetz zu bringen: "Synthetische Urteile apriori, die sich aus der Betrachtung der Natur einer Sache ergeben, können zusammen mit Regelungen aus dem Grundgesetz zur Begründung von Kompetenzen dienen.", S. 104. Stettner, in: DR, Art. 70, Rn. 57, kritisiert die Anschütz'sche Formel wegen ihrer "Verfassungsfeme". Im Gegensatz dazu geht Harms, S. 416 f., davon aus, daß sich bereits Anschütz mit dem Begriff apriori auf den konkreten historischen Bundesstaat bezog und keinen abstrakten, zeitlosen Begriff zugrunde legen wollte. 750 Pestalozza, in: MaK, Art. 70, Rn. 90; Kunig, in: MüK, Art. 70, Rn. 27; Degenhan, StR I, Staatsorganisationsrecht, Rn. 103. 751 S. 106 ff. 752 Schote, S. 120 ff. Bullinger, S. 280 ff. Er stellt heraus, daß " ... zwischen Auslegung und Analogie nur graduelle Unterschiede in der Entfernung vom primären, nach dem Wortlaut mehr oder weniger ,selbstverständlich' erscheinenden Sinngehalt bestehen", S. 28l. Zudem sei eine " ... sorgsam an der gegebenen Sachstruktur von Kompetenznormen und ihrem speziellen Kompetenzsinn orientierte Analogie zugunsten des Bundes ... für das von der konkreten Verfassung bezweckte Kompetenzgefüge ... viel weniger gefährlich als eine Begriindung von Kompetenzen aus dem ,Wesen', der ,Natur' oder dem ,Begriff' des Bundesstaates", S. 28l. 753 Die Entscheidungen des BVerfG sind in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Teilweise geht es auf den Bundesstaat des Grundgesetzes nicht ein, so daß ein abstraktes Verständnis naheliegt: Unter Hinweis auf den "eindeutig überregionalen Charakter" von bestimmten Aufgaben der Jugendhilfe sowie auf den "Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens", BVerfGE 22, 180,217 f.; in BVerfGE 3, 407, 427 f. findet sich der knappe Satz: "Im Bundesstaat muß es also auch eine Raumplanung für den Gesamtstaat geben." Teilweise wird ein konkretes Verständnis sichtbar: So stellt BVerfGE 15, I, 24 fest: ,,Eine Zuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache kommt nicht in Frage, wenn die Auslegung der Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes eindeutig die Kompetenz der Länder ergibt." Harms, S. 413, nimmt an, daß das BVerfG auch seinen friihen Entscheidungen keinen abstrakten, vom Grundgesetz losgelösten Bundesstaatsbegriff zugrundegelegt hat. Sannwald, in: SBK, Vorb. v. Art. 70, Rn. 5, leitet eine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache aus " ... dem Wesen und der verfassungsmäßigen Organisation des Bundes" her. 754 Etwa in BVerfGE 26,246,257; 22, 180,217; 12,205, 25l.

D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

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der Sache nur schlagwortartig, ohne ihre Voraussetzungen zu prüfen und ohne auf die Formel Bezug zu nehmen, gebraucht. 755 Dabei wird eine Kompetenz zum Teil aus Zweckmäßigkeitserwägungen verneint/ 56 zum Teil aber auch aus Gesichtspunkten der Effektivität bejaht. 757 Einige nehmen eine Kompetenz aus der Natur der Sache bei evident höherwertigen Bundesinteressen an. 758 Andere entwickeln sie durch eine die gesamte Verfassung umfassende systematische Auslegung. 759 Gegen Analogien zu bestehenden Kompetenztiteln spricht, daß die Mütter und Väter des Grundgesetzes versucht haben, die Bundeskompetenzen möglichst vollständig wiederzugeben. Angesichts der Auffangnorm in Art. 70 I GG erscheint es zweifelhaft, daß die Kompetenzkataloge der Art. 73 ff. GG vom Verfassungsgeber nicht gewollte, planwidrige Lücken aufweisen. Nach dem Auffinden einer Lücke in der Verfassung bedarf es für eine Analogie eines vergleichbaren Normzwecks und einer vergleichbaren Interessenlage. 760 Bei den Voraussetzungen fließen daher immer auch Wertungen in die Beurteilung ein. Wenn Kompetenzen neben den ausdrücklich zuerkannten angenommen werden, sollte ihre Herleitung auf einem objektiven Verfahren beruhen. Analogien zu bestehenden materiellen Kompetenzen ändern den Gehalt der Verfassung und fallen daher unter Art. 79 I I GG?61 Versteht man bei der Natur der Sache die "Sache" als "den Bundesstaat",762 ist es für die Herleitung einer Kompetenz unverzichtbar, diesen zu definieren. Ableitungen aus dem "Wesen" oder der ,,Natur" des Bundesstaats führen zu einem Zirkelschluß. Dabei werden Aussagen, die zuvor in das Wesen oder die Natur hineininterpretiert wurden, zwingend daraus abgeleitet. Wählt man ein abstraktes Verständnis des Bundesstaats, so weist dies verschiedene historische Erscheinungsformen sowie zum Teil fließende Übergänge zu den Bezeichnungen "Staatenbund" oder ,,Einheitsstaat" auf. 763 Ein abstraktes Bundesstaatsverständnis hilft daher nicht weiter, um eine Kompetenz des Gesetzgebers unter dem Grundgesetz herzuleiten. 764 Der einzig gangbare Weg ist ein konkretes historisches BundesstaatsSo etwa in BVerfGE 41,291,312; 15, 1,24; 3,407,421 f. BVerfGE 26, 246, 257; 11,6, 18. 757 BVerfGE 22, 180,216 f. 758 Hanns, S. 419, 426 f. Nach Achterberg, S. 68, kann sich eine Kompetenz aus der Natur der Sache entweder aus "evident höherwertigen Bundesinteressen" oder aus Analogie ergeben. 759 Pieroth, in: IP, Art. 70, Rn. 8; Bothe, in: AK, Art. 30, Rn. 15; Pernice, in: DR, Art. 30, Rn. 33. Allgemein für stillschweigend mitgeschriebene Kompetenzen, Degenhart, in: SA, Art. 70, Rn. 22, und von Mutius, S. 499. Nach Stern, StR H, S. 613, kann die Natur der Sache nur in Verbindung mit einem ausdrücklichen Kompetenztitel Kompetenzen begründen. Er rückt sie in die Nähe von Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs. 760 Achterberg, S. 92. 761 Maibach, S. 106, geht davon aus, daß sie den Inhalt der Verfassung ergänzen oder ausweiten und daher gegen Art. 79 I 1 GG verstoßen. 762 So etwa bei Hanns, S. 416. 763 Bullinger, S. 269 f. 755

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

verständnis. 765 Es muß der konkrete Bundesstaat des Grundgesetzes bestimmt werden, um dann aus diesem Schlußfolgerungen für mögliche mitgeschriebene Kompetenzen des Bundes ziehen zu können. Der konkrete Bundesstaat des Grundgesetzes wird - dogmatisch sauberer - auch in einer systematischen Verfassungsauslegung, auf die noch eingegangen wird, berücksichtigt. Von einem konkreten Bundesstaatsverständnis gehen auch diejenigen aus, die die Natur der Sache als Evidenzargument bei höherwertigen Bundesinteressen sehen. Aus dem Bundesstaat des Grundgesetzes sollen sich Bundesinteressen ableiten lassen, die gegenüber den Länderinteressen höherwertig sind. Kriterium für eine Höherwertigkeit ist dabei die Evidenz. Wann aber sind Bundesinteressen evident höherwertig? Zur Bestimmung des Evidenzbegriffs beziehen sich die Vertreter der Ansicht teils auf philosophische, teils auf sprachphilosophische Erkenntnisse. 766 Gegen eine Ermittlung mitgeschriebener Kompetenzen durch Anleihen bei anderen Fachbereichen spricht, daß dann gesetzgeberische Kompetenzen von der philosophischen bzw. sprachphilosophischen Definition der Evidenz abhängen. Die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und an die Grundrechte (Art. 20 III und Art. 1 III GG) ginge verloren. Zudem kann eine Evidenz der Höherwertigkeit nicht anhand geschrieben Rechts gerichtlich überprüft werden. Hierdurch würde eine Kontrolle durch das BVerfG vereitelt (Art. 93 I Nr. 2 und Art. 100 I 1 GG). Insofern ist die Natur der Sache als Evidenzargument bei höherwertigen Bundesinteressen abzulehnen. Die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und an die Grundrechte bleibt hingegen gewahrt, wenn Kompetenzen aus der Natur der Sache aus einer umfassenden systematischen Auslegung der Verfassung hergeleitet werden. Dann bleibt ihre Ableitung gerichtlich nachprüfbar und muß keine Anleihen bei anderen Fachbereichen machen. Zudem fließen neben dem in der Verfassung enthaltenen konkreten Bundesstaatsverständnis noch andere Aspekte (wie z. B. die Grundrechte) in die Herleitung ein. Dabei können die Länderinteressen gegenüber denjenigen des Gesamtstaats ausreichend berücksichtigt werden. Eine umfassende systematische Auslegung knüpft an das geschriebene Recht an und bietet daher ein Höchstmaß an Klarheit. Zudem kann sie gerichtlich überprüft werden: Es besteht keine Gefahr, Kompetenzen aus subjektiven Erwägungen anzunehmen, vielmehr kann auf eine dogmatisch abgesicherte Auslegungsmethode zurückgegriffen werden. Harms, S. 412. Bullinger, S. 271 f. 766 Nach Achterberg, S. 68 f., folgt die Evidenz philosophischen Erkenntnissen. Evident ist, was augenscheinlich oder höchst einsichtig ist. Die Kompetenz aus der Natur der Sache ergibt sich ..... durch die Augenscheinlichkeit einer auf einer (vorgegebenen) feststehenden Tatsache beruhenden Aussage ... ", Achterberg, S. 69 f. Harms, S. 420 ff., wählt einen sprachphilosophischen Ansatz. Kompetenzen aus der Natur der Sache können nach ihrer Ansicht logischen Ableitungen aus evidenten Sätzen, insbesondere aus dem allgemeinen Bundesstaatsbegriff des Grundgesetzes, entnommen werden, S. 423 f., 426 f. 764

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D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

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2. Kompetenz des Bundes für ein Gesetz zum Schutz der Sprache?

Auf eine das gesamte Grundgesetz umfassende Auslegung sind die allgemeinen Auslegungsgrundsätze wenigstens prinzipiell anwendbar. 767 Dabei bilden die von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Prinzipien der Verfassungsinterpretation 768 zum größten Teil Unterfälle der herkömmlichen Auslegungsmethoden. 769 Innerhalb einer systematischen Interpretation werden neben dem argumentatorisch dargestellten Kontext der Wortlaute sachliche Übereinstimmungen zwischen Gesetzesbestimmungen betrachtet, die Normbereiche der systematisch miteinander verbundenen Vorschriften analysiert sowie grundrechtliche und sonstige verfassungsrechtliche Normbereichselemente mit einbezogen. 77o Um die deutsche Sprache in einen Bedeutungszusarnmenhang mit geschriebenen Vorschriften des Grundgesetzes zu bringen, kann auf die Ausführungen zu ihrer rechtlichen Stellung zuriickgegriffen werden. In einigen Bestimmungen des Grundgesetzes ist vom "Deutsche(n)" bzw. "deutsche(n) Volk(es)" (Präambel, S. 1 und 3; Art. 1 11,56 S. 1 und 146 GG) oder von den ,,Deutschen" (Präambel, S. 2) die Rede. Hierdurch wird auch Bezug auf die von ihnen gesprochene Sprache genommen. Allerdings ist die Sprache nicht konstituierend für die Bundesrepublik, schließlich wird auch außerhalb ihrer Grenzen Deutsch gesprochen. Zwar bilden nur Deutsche, gern. Art. 116 I GG Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit, das deutsche Volk. Wer die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Abstammung erworben hat, muß für ihren Erwerb u. a. Sprachkenntnisse in einem gewissen Umfang nachweisen. Art. 73 Nr. 2 GG ermächtigt den Bundesgesetzgeber dazu, "die Staatsangehörigkeit im Bunde" zu regeln; er kann so den Erwerb der Staatsangehörigkeit an bestimmte (auch sprachliche) Voraussetzungen knüpfen. Hieraus läßt sich aber e minore ad maius keine Kompetenz des Bundes ableiten, den Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit zu fordern. Das Grundgesetz ist in deutscher Sprache betitelt und verfaßt, es ermächtigt in den Art. 70 ff. GG zu deutschsprachiger Gesetzgebung. Auch der Staat (Art. 20 I GG: ,,Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.") sowie seine Organe und Organteile (bspw. Art. 38 I I GG: "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. ") sind deutschsprachig fixiert. Das bedeutet zwar, daß der Staat auf Deutsch handelt. Zudem kann er für seine Amtsträger den Gebrauch der deutschen Sprache und eine bestimmte Schreibung verbind-

So generell für die Verfassungsinterpretation, LarenzlCanaris, S. 183. Eine Zusammenstellung der einzelnen Prinzipien der Verfassungsinterpretation findet sich bei MüllerlChristensen, Rn. 130. 769 MüllerlChristensen, Rn. 376 a.E. 770 MüllerlChristensen, Rn. 365; LarenzlCanaris, S. 145 f. 767 768

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

lieh vorgeben. Für den allgemeinen Sprachgebrauch durch die Bürger lassen sich daraus aber keine Kompetenzen des Bundes ableiten. In den Artikeln, in denen von der "Bundesrepublik Deutschland" (Art. 20 I, 21 11 1, 73 Nr. 10 c), 87 I 2 GG), den "deutschen Länder(n)" (Art. 144 I GG), den "Deutschen" oder von dem "Deutsche(n) Volk" die Rede ist, wird zwar Deutsch als Staats- und Umgangssprache angesehen. Da es aber "die deutsche Sprache" nicht gibt, wird sie durch das Grundgesetz nicht mit einem bestimmten status qua festgeschrieben. Sprache kann nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, in diesem Fall dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. 5. 1949 (Art. 145 11 GG), vollständig abgebildet werden. Das Grundgesetz schlieBt ihre Fortentwicklung durch fremdsprachige Begriffe nicht aus. Art. 3 III 1 GG verbietet, für staatliche Ungleichbehandlungen an das Kriterium der Sprache anzuknüpfen. Die Sanktionen eines dem französischen Vorbild entsprechenden Sprachgesetzes sind anwendbar, wenn sich jemand in der Öffentlichkeit fremdsprachiger Ausdriicke bedient. Dazu reichen bereits einzelne Wörter aus. Wird eine solche (mündliche oder schriftliche) ÄuBerung angezeigt, so wird gegen den Verfasser ein BuBgeld verhängt. Die staatliche Sanktion knüpft also an den Gebrauch einer anderen als - in diesem Fall - der deutschen Sprache an. Hierdurch werden fremdsprachige Begriffe zu einem Kriterium staatlicher Ungleichbehandlung. Gerade dies soll durch das spezielle Gleichheitsgebot ausgeschlossen werden. Wird dem einzelnen durch ein Sprachgesetz bei Äußerungen in der Öffentlichkeit der ausschließliche Gebrauch deutscher Begriffe vorgeschrieben, ist diese Verpflichtung auch freiheitsrechtlieh relevant. Besteht für einen fremdsprachigen Begriff kein deutscher, der dieselbe Bedeutung hat, kann der einzelne nicht exakt das ausdriicken, was er möchte. Insofern liegt es nahe, daß der Schutzbereich der Meinungsfreiheit oder zumindest der der allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen ist. Dieser Schutz steht nicht nur deutschen Staatsangehörigen, sondern auch fremdsprachigen Mitbürgern zu. Zwar gibt es Grundrechte, die nur Deutschen zustehen (die sog. Bürgerrechte).771 Die Grundrechtsberechtigung knüpft dabei nicht an die Deutschsprachigkeit, sondern an die deutsche Staatsangehörigkeit an (Art. 116 I GG). Auch wenn sich ausländische Mitbürger nicht auf den Schutz der Bürgerrechte berufen können, stehen ihnen die gleichen Freiheiten, allerdings mit größeren Beschränkungsmöglichkeiten, über Art. 2 I GG ZU. 772 Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt grundrechtsrelevantes Handeln ausländischer Mitbürger, welches in den Schutzbereich der Bürgerrechte fallen würde. Um von der höheren Schutzintensität der Bürgerrechte auf eine privilegierte Stellung der deutschen Sprache zu schlieBen, fehSiehe dazu die Aufzählung oben unter C. I. Pieroth, Der Wert der Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG, S. 41 f.; Degenhart, Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, S. 167 f. 771

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D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

173

len im Grundgesetz Anhaltspunkte. Vielmehr spricht das Diskriminierungsverbot des Art. 3 III 1 GG gerade gegen eine solche Privilegierung der deutschen Sprache. Dem Bund könnte eine Befugnis zur Regelung der Sprache aus Aspekten gesamtstaatlicher Repräsentation zustehen. Art. 22 GG fixiert: "Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold." Da es sich bei dem Grundgesetz um ein Bundesgesetz handelt,773 läßt sich daraus ableiten, daß dem Bund die repräsentativen Symbole des Gesamtstaats (z. B. Flagge, Hymne, Wappen und Hauptstadt) zustehen und daß er im zweigliedrigen Staatsautbau774 die Staatlichkeit der Bundesrepublik repräsentiert. Art. 22 GG enthält insoweit den Grundsatz einer Bundeskompetenz bei gesamtstaatlich repräsentativen Aufgaben. 775 Kann der Staat durch den einzelnen kritisiert werden, wie im Grundgesetz durch Art. 5 I 1 Hs. 1 GG sichergestellt, so muß er demgegenüber eine Möglichkeit der Selbstdarstellung haben. 776 Damit der Bürger zwischen den in Regierung und Opposition wechselnden Parteien auf der einen und dem konstant bleibenden Staat auf der anderen Seite unterscheiden und sich mit letzterem identifizieren kann, steht dem Staat die gesamtstaatliche Repräsentation ZU. 777 Fraglich ist, ob der Schutz der Sprache zur gesamtstaatlichen Repräsentation zählt. Die deutsche Sprache ist kein repräsentatives "Symbol,,778 des Gesamtstaats Bundesrepublik. Sie wird etwa auch in Österreich sowie in Teilen der Schweiz und Italiens gesprochen. Von daher fällt sie eher in den kulturellen Bereich. Die Repräsentation der (Kultur-)Nation, welche im Gegensatz zur Repräsentation des Gesamtstaats auch Sprache umfaßt, gehört gern. Art. 70 I GG zu den Kompetenzen der Länder. Die deutsche "Kulturnation" manifestiert sich im föderalen Staatsautbau hauptsächlich auf regionaler Ebene. Aufgaben nationaler Repräsentation können ebenso gut und zudem der bundesstaatlichen Struktur entsprechender auf Länderebene erfüllt werden. Insofern ergibt sich keine Kompetenz des Bundes zum Schutz der deutschen Sprache aus Aspekten gesamtstaatlicher Repräsentation. Weiterhin könnten Gesichtspunkte der Überregionalität eine Kompetenz des Bundes begriinden. Kompetenzen des Bundes für überregionale Sachverhalte lassen sich vor allem den ausschließlichen Kompetenztiteln des Art. 73 GG entnehmen. Diese beinhalten Materien, die nur einheitlich für das gesamte Bundesgebiet geregelt werden können. Zudem sollen die Materien der ausschließlichen Gesetzgebung die Existenz und Bedeutung des Gesamtstaats gegenüber den Gliedstaaten Pieroth, in: JP, Art. 83, Rn. 5; Lerche, in: MD, Art. 83, Rn. 74. BVerfGE 36, 342, 360 f.; 13,54,77 f.; Hesse, Rn. 217 und § 7, Fn. 1; Stern, StR I, § 19 I 3, S. 650 f. 775 Schote, S. 127. 773

774

776 Eine Aufzählung von Formen staatlicher Selbstdarstellung findet sich bei Stern, StR I, § 91111, 2, S. 282f. 777 Schote, S. 124 f. 778 ,,symbole sind einen tieferen Sinn andeutende Zeichen, die für einen Begriff oder Vorgang stehen." Schote, S. 128.

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

absichern. Zwar ist die deutsche Sprache ein bundeseinheitlicher Sachverhalt. Bei der Reform ihrer Schreibung war aber rechtlich nichts dagegen einzuwenden, daß ein einzelnes Land die bundeseinheitliche Reform zunächst nicht umsetzt. 779 Allerdings ist bei der Rechtschreibreform sichergestellt, daß zwischen den einzelnen Ländern trotz reformierter oder alter Schreibweise keine sprachlichen Konflikte entstehen. Weder die Verständlichkeit der Sprache noch ihre Lesbarkeit leiden darunter/so lediglich Schulbücher können nicht mehr bundesweit vertrieben werden. Wenn es um den Inhalt der Sprache geht, ist die Sachlage eine andere. Ein Sprachgesetz, welches in einzelnen Bundesländern verabschiedet würde, in anderen dagegen nicht, stellt den Gebrauch von Fremdwörtern, der in manchen Ländern rechtmäßig ist, in anderen unter Strafe. Dadurch könnte bspw. eine Zeitung, die in München rechtmäßig gedruckt wird, aber fremdsprachige Begriffe enthält, in Nordrhein-Westfalen nicht verkauft werden, wenn der Gebrauch von Fremdwörtern dort mit Bußgeld belegt ist. Insofern spricht der Gesichtspunkt der Überregionalität zwar für einen bundeseinheitlichen Sachverhalt. Die Überregionalität des Sachverhalts allein genügt aber für eine Kompetenz des Bundesgesetzgebers nicht. Aus dem Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes lassen sich darüber hinaus keine Gesichtspunkte für eine Kompetenz des Bundes hinsichtlich der Materie "Sprache" herleiten. Die deutsche Sprache ist nicht "Sprache der Republik", sie ist weder als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz aufgenommen worden noch wird sie durch eine Institutsgarantie geschützt. Aus dem Grundgesetz läßt sich insofern keine Wertung zugunsten ihrer Regelung erkennen. Um die geistige Einheit der Verfassung zu wahren, kann daher keine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache angenommen werden. Die Funktion des Grundgesetzes als Instrument normativer Integration ginge verloren, wenn aus ihm eine Kompetenz des Bundes für ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache, welches fremdsprachige Ausdrücke sanktioniert, abgeleitet würde. Zur Bestätigung und KlarsteIlung kann zudem darauf verwiesen werden, daß ein solches Gesetz in der deutschen Lebenswirklichkeit kaum durchgesetzt werden könnte (zumal in Deutschland kein mit Frankreich vergleichbares Verhältnis des einzelnen zu seiner Muttersprache besteht) und insofern nicht praktikabel ist. Einzige Möglichkeit, um eine Kompetenz des Bundes zum Schutz der Sprache annehmen zu können, wäre eine Änderung der Verfassung. In Anlehnung an Art. 2 I der französischen Constitution könnte formuliert werden: "Deutsch ist die Sprache der Bundesrepublik."

BVerfG, NJW 1998,2515,2520. Nach BVerfG, Fn. 779, ist zwar ein hohes Maß an einheitlicher Schreibung erforderlich, um die Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten und damit die Kommunikation zwischen den Schreibenden sicherzustellen. Dies bedeute jedoch keine Übereinstimmung in allen Einzelheiten. 779

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D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

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III. Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Im folgenden Abschnitt soll untersucht werden, ob sich der Bund für einfachgesetzliche Regelungen der Sprache (etwa in § 184 GVG und § 23 I VwVfG) auf eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs berufen kann. Dabei werden die Grenzen seiner Kompetenz aufgezeigt: Fraglich ist, ob der Bund auf beliebigen Sachgebieten Deutsch als verbindliche Sprache vorschreiben darf. Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs liegt vor, "... wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie.,,781 Dieser "formelhafte" Sachzusammenhang findet sich nur in wenigen Entscheidungen des BVerfG. 782 Teilweise wird ein Sachzusammenhang angenommen, ohne daß auf die genannte Formulierung und ihre Voraussetzungen zurückgegriffen wird, sog. "formelfreier" Sachzusammenhang,783 teilweise werden ähnlich gelagerte Fälle ohne Hinweis auf den Sachzusammenhang mit vergleichbaren Erwägungen entschieden, sog. "unbenannter" Sachzusammenhang. 784 Es können nach Bullinger vier Fallgruppen von Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs unterschieden werden: Hilfszuständigkeit für eine unselbständige Materie (auch Annexkompetenz genannt), Zuständigkeit für untergeordnete Nebenzwecke, Zuständigkeit zur Spezialregelung und übergreifende Zuständigkeit. 785 Im Hinblick auf die Regelung von Deutsch als Gerichts- und Amtssprache kommt eine Hilfszuständigkeit für eine ihrer Art nach unselbständige Materie 786 in Betracht. Wcihrend sich eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs durch Übergreifen in eine Materie, für die eine Länderkompetenz (bzw. Bundeskompetenz) besteht, charakterisiert,787 verbleibt eine Annexkompetenz innerhalb der Materie, die durch den ausdrücklichen Kompetenztitel bezeichnet ist. 788 Es werden lediglich BVerfGE 3, 407, 421. Etwa in BVerfGE 98,265,299; 15, 1,20; 12,205,237. 783 Entscheidungen mit einem "formelfreien Sachzusammenhang" sind bspw. BVerfGE 22, 180,212 f.; ll, 192, 199; 7, 29, 43. 784 Diese differenzierte Bezeichnung des Sachzusammenhangs stammt von Bullinger; S. 241 ff. Ein "unbenannter" Sachzusammenhang findet sich in BVerfGE 28, 119, 145 f., 147; 26, 338, 370; 24, 300, 353 f. 785 Bullinger; S. 261. 786 Maunz, in: MD, Art. 30, Rn. 25, spricht dabei von ,,Anhängsel". 787 Degenhan, StR I, Staatsorganisationsrecht, Rn. 105; von Mutius. S. 499. 788 Kunig. in: MüK, Art. 70, Rn. 26, differenziert danach, daß es sich beim Sachzusammenhang um die materielle Reichweite der Zuständigkeit handelt, während es bei der Annexkompetenz um die Umsetzung anderer materieller Regelungen innerhalb eines Regelungsbereichs geht. 781

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

Stadien der Vorbereitung und Durchführung in die Regelung einbezogen. 789 Dabei umfaßt die Kompetenz für die Hauptmaterie im Zweifel, ohne daß die Regelung "unerläßlich" oder "notwendig" sein muß, solche Regelungen, die unselbständig sind und ihre Funktion erst zusammen mit der Hauptmaterie erhalten. 79o Eine Kompetenz zur Fixierung des Status der deutschen Sprache als Gerichtsbzw. Amtssprache müßte sich im Wege der Auslegung aus den für die Sachgebiete einschlägigen Kompetenztiteln ableiten lassen. 791 1. Deutsch als Gerichtssprache, § 184 GVG

Gern. § 184 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Dies gilt grundsätzlich für alle Amtshandlungen des Gerichts und für alle Äußerungen gegenüber dem Gericht. 792 Deutsch ist die Sprache der mündlichen Verhandlung, der Schriftsätze, Anträge und Eingaben sowie aller gerichtlichen Äußerungen (z. B. der Entscheidungen, Ladungen, Aufforderungen und Belehrungen).793 Während § 184 GVG gern. § 2 EGGVG nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit anwendbar ist, erklären ihn Verweisungsvorschriften auch in anderen Gerichtsbarkeiten für entsprechend anwendbar (§ 55 VwGO, § 8 FGG, § 61 SGG, § 52 I FGO und § 9 11 ArbGG). § 184 GVG geht auf zwei historische Wurzeln zuriick. Zum einen beruht er auf dem nationalstaatlichen Pathos, das 1879 bei Inkrafttreten des GVG herrschte und das nach den Materialien zu § 184 GVG dazu führte, das Französische (in ElsaßLothringen) und das Polnische (in der preußischen Provinz Posen) als Gerichtssprachen des deutschen Reichs zu beseitigen. 794 Zum anderen ist § 184 GVG eine Errungenschaft des Bürgertums, das sich gegen die Ausklarnmerung des Volkes aus dem Gerichtsgeschehen gewandt hatte. Bis in das letzte Jahrhundert hinein war Latein neben Deutsch Sprache des Gerichtsprozesses, so daß § 184 GVG insofern in der Tradition der Aufklärung steht. 795 Er wird sogar als ,,historische Errungenschaft(en) allerersten Ranges" gesehen. 796 789 Bei der Annexkompetenz erfolgt die Kompetenzausdehnung nicht in die Breite der Aufgabenpalette wie beim Sachzusammenhang, sondern in die Tiefe einer Aufgabe, Maunz, in: MD, Art. 30, Rn. 26 und Art. 70, Rn. 49. Sannwald, in: SBK, Vorb. v. Art. 70, Rn. 6. 790 Bullinger, S. 261 f. 791 Achterberg, S. 67 f.; Schote, S. 90 f. 792 Wolf, in: LükelWalchshöfer, § 184, Rn. 4. 793 Schreiber, in: WieczoreklSchütze, § 184, Rn. 6 f. und 13. Im Gegensatz dazu sieht Schneider, S. 535, § 184 GVG als lex impeifecta an: Obwohl § 184 GVG die Struktur eines logischen Urteils habe, sei er eine Anweisung ohne Rechtsfolge, er spreche lediglich ein Gebot aus. 794 Hahn, Gesetzesmaterialien zu dem GVG 1,1879, S. 176; zitiert nach Paulus, S. 369. 795 Paulus, S. 369. 7% Paulus, S. 370.

D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

177

Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. 1. 1877/97 in der Fassung der (Neu-) Bekanntmachung vom 9. 5. 1975 798 ist auf Art. 74 I Nr. 1 GG gestützt, der den Bund im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung dazu ermächtigt, "die Gerichtsverfassung" zu regeln. Die Gerichtsverfassung beinhaltet die äußere Organisation der Rechtsprechung,799 d. h. alle Vorschriften, die das Errichten und Einrichten dieser Organe regeln (wie etwa den Aufbau der Gerichte, die Dienstaufsicht, die Ressortierung, die funktionelle und sachliche Zuständigkeit, die allgemeine Regelung der örtlichen Zuständigkeit, Revisionsmöglichkeiten, die Staatsanwaltschaft und die Gerichtsvollzieher).800 Die Gerichtsverfassung sichert die Funktionsfahigkeit der Rechtsprechung und verwirklicht die Justizgrundrechte der Art. 101 ff. GG. Wie schon unter ihrer rechtlichen Stellung erörtert, ist die Sprache im Grundgesetz nicht explizit geregelt. Zwar ergibt sich die Deutschsprachigkeit der Bundesrepublik implizit aus dem Grundgesetz, Verfassungsrang kommt der deutschen Sprache hingegen nicht zu. Für ihre Regelung gibt es weder einen eigenständigen Kompetenztitel noch ist die deutsche Sprache grundgesetzlieh geschützt. Es erscheint daher naheliegend, daß die Gerichtssprache eine unselbständige Materie darstellt, die als Annex der Gerichtsorganisation im GVG geregelt ist. In den Vorgängernormen des Art. 74 I Nr. 1 GG in der Reichsverfassung von 1871 (Art. 4 Nr. 13 RV)801 und der Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Art. 7 Nr. 3 WRV)802 war die Materie "Gerichtsverfassung" nicht erwähnt. Es wurde davon ausgegangen, daß das dort genannte "gerichtliche Verfahren" die Grundzüge der Gerichtsorganisation einschließt. 803 Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 wurde so als Annex des "gerichtlichen Verfahrens" erlassen,804 es enthielt bereits in § 184 GVG die Regelung von Deutsch als Gerichtssprache. Durch die Aufnahme der "Gerichtsverfassung" in Art. 74 I Nr. 1 GG wechselte letztere vom Annex des "gerichtlichen Verfahren(s)" zu einem selbständigen Kompetenztitel. Historisch kann man daher argumentieren, daß deshalb auch die Regelung der Sprache in § 184 GVG nicht länger eine Annexregelung darstellt, sondern ihre Grundlage in Art. 74 I Nr. 1 GG findet.

797

RGB!., S. 41.

798 BGB!. I, S. 1077.

799 Kunig, in: MüK, Art. 74, Rn. 17; Pieroth, in: IP, Art. 74, Rn. 7; Bothe, in: AK, Art. 74, Rn. 5. Pestalozza, in: MaK, Art. 74 Abs. I Nr. 1, Rn. 122, zu internen und externen Aspekten der Gerichtsorganisation. 800 Maunz, in: MD, Art. 74, Rn. 74. 801 Verfassungsänderndes Gesetz vom 20. 12. 1873, RGB!., S. 379. 802 RGB!. 1919, S. 1383, 1384. 803 Pestalozza, in: MaK, Art. 74 Abs. I Nr. 1, Rn. 12,23. Diese Ansicht kristallisierte sich in verschiedenen Anträgen von 1867 bis 1872 heraus, ders., in: MaK, Art. 74 Abs. 1 Nr. I,

Fn.5. 804

Pestalozza, in: MaK, Art. 74 Abs. 1 Nr. I, Rn. 14.

12 Theme

178

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

Einerseits könnte dem Bund noch immer eine Annexkompetenz zur Festschreibung der deutschen Sprache vor den Zivil- und Strafgerichten zustehen. Andererseits könnte die Fixierung von Deutsch als Gerichtssprache bereits Bestandteil der Materie "Gerichtsverfassung" sein. Dann bräuchte der Bund keine Annexkompetenz zu ihrer Regelung, vielmehr reicht Art. 74 I Nr. 1 GG aus. Die Sprache vor Gericht ist keine bloße Formalität, sondern dient dazu, die Verfassung der Gerichte grundrechtskonform auszugestalten, insbesondere verwirklicht § 184 GVG den Anspruch des einzelnen auf rechtliches Gehör80S aus Art. 103 I GG. Jedermann hat das Recht, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen und zu verteidigen. Dafür ist es unverzichtbar, daß er in der Landessprache an die deutschen Gerichte herantreten kann. Zum einen wird durch § 184 GVG derjenige geschützt, der seine Rechte geltend macht, zum anderen wird das rechtliche Gehör der übrigen Verfahrensbeteiligten gewahrt. Insgesamt trägt § 184 GVG so zu einem rechtsstaatlichen Verfahren bei. 806 Es ist ein Ausfluß des Demokratieprinzips aus Art. 20 I GG, daß der Bürger mit den staatlichen Organen in seiner Landessprache kommunizieren kann und daß die Entscheidungsverfahren dieser Organe allgemein verständlich sind. 807 Indem die Öffentlichkeit gerichtlichen Verfahren beiwohnt und Entscheidungen der Gerichte in der Landessprache vorfindet, kann sie die rechtsprechende Gewalt kontrollieren. 808 § 184 GVG gewährleistet insofern den sprachlichen Zugang der Bürger zu den Gerichten und ermöglicht eine Kontrolle der gerichtlichen Tätigkeit durch die Öffentlichkeit. Eine funktionierende Gerichtsbarkeit ist für die Gewaltenteilung des Grundgesetzes und für die gegenseitige Kontrolle der Gewalten unverziehtbar. Sogar die Funktionsfähigkeit des Staats insgesamt hängt davon ab, daß die Gerichte möglichst schnell und effektiv arbeiten. § 184 GVG gewährleistet eine reibungslose Verständigung vor Gericht, indem der Prozeß in einer Sprache abläuft. 809 Insofern erleichtert und beschleunigt die einheitliche Sprache das gerichtliche Verfahren. 810 805

Rn. 1.

Wolf, in: LükelWalchshöjer; § 184, Rn. 1; Schreiber; in: WieczoreklSchütze, § 184,

806 Dieser Grundsatz verbietet es, einen Beteiligten, der die deutsche Sprache nicht oder nur unzulänglich beherrscht, zu einem bloßen Objekt des Verfahrens herabzuwürdigen, BVerfGE 64, 135, 145. Für Nichtdeutschsprachige ist daher eine einschränkende Auslegung des § 184 GVG geboten: Wird eine Frist aufgrund von Sprachschwierigkeiten unverschuldet versäumt, so kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand großzügig gehandhabt werden; das Gericht ist bei fremdsprachigen Schriftsätzen verpflichtet, dem Einreicher die Vorlage einer Übersetzung aufzugeben, Gummer; in: Zöller, § 184, Rn. 2 ff.; Schreiber; in: WieczoreklSchütze, § 184, Rn. 2. 807 BVerfGE 89, 155, 185; Stelkens, in: StelkenslBonklSachs, § 23, Rn. 3. 808 Schreiber; in: WieczoreklSchütze, § 184, Rn. 1. 809 BVerfG, NVwZ 1987, 785; Albers, in: BaumbachlLauterbachlAlberslHarrmann, § 184, Rn. 1. 810 BGH, NJW 1993,71,72. Grummer; in: Zöller; § 184, Rn. 3, spricht von einem "geordneten Ablauf(s) des gerichtlichen Verfahrens."

D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

179

Zudem dient § 184 GVG der Wahrheitsfindung, da sich das Gericht und die Beteiligten in der Muttersprache am besten ausdrücken können. 811 Die Gerichtssprache stellt daher keine unselbständige Hilfsmaterie dar, die als Annex zur Gerichtsverfassung geregelt werden kann. Sie ist vielmehr ein entscheidender Bestandteil der Gerichtsorganisation und prägt den gesamten Bereich der Gerichtsverfassung. 812 Somit kann der Bund, gestützt auf seine Kompetenz zur Regelung der Gerichtsverfassung aus Art. 74 I Nr. 1 GG, die Gerichtssprache als Bestandteil des Organisationsrechts regeln.

2. Deutsch als Amtssprache, § 23 I VwVfG

§ 23 I VwVfG bestimmt, § 184 GVG folgend: ,,Die Amtssprache ist deutsch.,,813 Er gilt im Anwendungsbereich des VwVfG (§§ 1 und 2 VwVfG). In Abgrenzung zur Gerichtssprache ist die Amtssprache die von und vor einer Behörde i. S. d. § 1 IV VwVfG im Rechtsverkehr benutzte Sprache. 814 Daß die Sprache der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, wird durch den Begriff "Amt" verdeutlicht. 815 Deutsch als Amtssprache gilt für den mündlichen und schriftlichen Verkehr von und mit Behörden. 816 Um gern. § 29 I 1 VwVfG Akteneinsicht gewähren zu können, müssen die Akten in deutscher Sprache geführt werden. 817 Da der Bund keinen Kompetenztitel zu einer einheitlichen Regelung des Verwaltungsverfahrens für Bundes- und Landesbehörden hat, gab es bis 1976 kein VwVfG des Bundes. 818 Das VwVfG beruht auf einem Musterentwurf, der durch einen Bund-Länder-Ausschuß erarbeitet und am 17. 3.1964 der Öffentlichkeit vorgelegt worden iSt. 819 Nachdem das VwVfG des Bundes am 25. 5. 1976 verkündet worden und am 1. 1. 1977 in Kraft getreten ist (§ 103 I VwVfG), haben die (alten) Bundesländer inhaltlich weitgehend übereinstimmende Landesverwaltungsverfahrensgesetze 820 erlassen. Der Bund konnte das VwVfG gestützt auf eine Kompetenz aus der Natur der Sache zur Regelung des Verwaltungsverfahrens der Bundesbe-

811

Schreiber, in: WieczoreklSchütze, § 184, Rn. 1.

812 Nach Wolf, in: LükelWalchshöjer, § 184, Rn. I, ist die Anordnung von Deutsch als Ge-

richtssprache ..... Ausfluß der Gerichtshoheit, wonach der Staat als Träger der Gerichtshoheit auch das offizielle Verständigungsrnittel vor den Gerichten festlegt." 813 Als Spezialrege1n über die Amtssprache gehen § 23 I VwVfG vor: § 87 I AO und § 19 I SGBX. 814 Stelkens, in: StelkenslBonklSachs, § 23, Rn. 11. 815 Siehe dazu Fn. 814. 816 Clausen, in: Knack, § 23, Rn. 3.2, 4.1; Engelhardt, in: Obermayer, § 23 Rn. 20. 817 Engelhardt, in: Obermayer, § 23, Rn. 40. 818 VwVfG vom 25. 5. 1976, BGBl. I, S. 1253. 819 Stelkens, in: StelkenslBonklSachs, Einleitung, Rn. 36, 39. 820 Maurer, § 5, Rn. 1.

12*

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

hörden und auf Art. 84 I und 85 I GG zur Regelung des Vollzugs der Bundesgesetze durch die Landesbehörden erlassen. 821 Parallel zu der Problematik bei § 184 GVG ist auch bei § 23 I VwVfG fraglich, ob die Norm eine Annexregelung der Hauptmaterie des Verwaltungsverfahrens darstellt oder ob die Amtssprache als Bestandteil des Verwaltungsverfahrens in der Kompetenz des Bundes zu dem Erlaß des VwVfG enthalten ist. Schon innerhalb der Beratungen des VwVfG wurde diskutiert, ob neben formell-rechtlichen Vorschriften, die das Verfahren i.e.S. regeln, auch materiell-rechtliche Vorschriften (sog. annexe Materien) in das VwVfG aufgenommen werden sollten, um eine sinnvolle zusammenhängende Regelung zu ermöglichen. 822 Bereits nach dem Beschluß des 43. Deutschen Iuristentags 1960, welcher sich für eine einheitliche Regelung des Verwaltungsverfahrens ausgesprochen hatte, sollten " ... konnexe Materien des Allgemeinen Verwaltungsrechts, insbesondere die Frage der Bestandskraft der Verwaltungsakte, einbezogen werden. ,,823 Stellt eine Fixierung von Deutsch als Amtssprache eine solche materiell-rechtliche Materie dar, die bei einem hinreichend engen Sachzusarnmenhang zum Verwaltungsverfahren 824 mitgeregelt werden kann? Annexe Regelungen im VwVfG sind bspw. die Regelungen über die Amtshilfe, amtliche Beglaubigungen, den Begriff des Verwaltungsakts, die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen, die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten, die Zusicherung und über die Zulässigkeit der Rücknahme und des Widerrufs von Verwaltungsakten. 825 Im Gegenzug betrifft das eigentliche Verwaltungs verfahren das "Wie" des VerwaltungshandeIns. Es beinhaltet " ... die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinteme Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf ... ".826 Die Fixierung der Amtssprache beinhaltet keine materielle Regelung des allgemeinen Verwaltungsrechts. Sie betrifft vielmehr Modalitäten des behördlichen HandeIns. Im Gegensatz zum schlichten Handeln durch Realakt agiert die Behörde mit Hilfe der Amtssprache verbal. Als 821 Maurer; § 5, Rn. 4; Lerche, in: MD, Art. 83, Rn. 30, 33 ff., 37. Ohne eine Kompetenz aus der Natur der Sache zu erwähnen, Pieroth, in: JP, Art. 83, Rn. 2, Kunig, in: MüK, Art. 70, Rn. 8 und Badura, in: Allg. VwR, § 33, Rn. 12. Nur unter Bezugnahme auf Art. 84 I und 85 I GG, Peine, S. 63. Andere vertreten die Ansicht, daß die Verwaltungskompetenzen des Bundes stets Annexkompetenzen zu seinen Gesetzgebungskompetenzen aus den Art. 70 ff. GG sind: etwa Kopp, Vorbem. § 1, Rn. 12. 822 Kopp, Vorbem. § 1, Rn. 8 f., 13; Stelkens, in: Stelkens/ Bank/Sachs, Einleitung, Rn. 45. Maurer; § 5, Rn. 1,3, und Badura, in: Allg. VwR, § 33, Rn. 19 f., sprechen im Anschluß an den 43. Deutschen Juristentag von ,,konnexe(n) Materien". 823 Zitiert nach Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Einleitung, Rn. 38. 824 So für materiell-rechtliche Regelungen i.R.d. Art. 84 I GG, Pieroth, in: JP, Art. 84, Rn. 4. 825 Kopp, Vorbem. § 1, Rn. 9. 826 BVerfGE 75, 108, 152; 55, 274, 320 f.

D. Kompetenz des Bundes zur Regelung der deutschen Sprache?

181

Handlungsfonn bildet die Sprache der Behörde eine verfahrensrechtliche Regelung, die nicht zu den materiell-rechtlichen Annexmaterien zählt. Sind Amts- und Gerichtssprache deutsch, ist ein einheitliches Verfahren vor den Behörden und Gerichten sichergestellt. Akten des behördlichen Verfahrens können vor Gericht verwandt werden, Verwaltungsbehörden können zu ihrer Entscheidung Urteile der Gerichte heranziehen. Dadurch, daß keine Übersetzungen nötig sind, wird das Verfahren vereinfacht und beschleunigt. In paralleler Argumentation zu § 184 GVG wird durch § 23 I VwVfG der Anspruch des einzelnen auf rechtliches Gehör durch Anhörung in deutscher Sprache gern. § 28 I VwVfG gewahrt. Die Sprache von und vor Behörden gehört zum Verwaltungsverfahren: Um das Funktionieren der Verwaltung sicherzustellen und ein effektives behördliches Verfahren zu ennöglichen, kann der Bund aus seiner Kompetenz zur Regelung des VwVfG die Amtssprache definieren. Insofern ist kein Sachzusammenhang nötig, damit der Bundesgesetzgeber die deutsche Sprache als Annex des Verwaltungsverfahrens regeln darf. Vielmehr kann er sie als Inhalt des Verfahrensrechts, gestützt auf seine Kompetenz aus der Natur der Sache für Bundesbehörden und auf Art. 84 I und 85 I GG für Landesbehörden, fixieren. 3. Grenzen für gesetzUche Regelungen der Sprache

Zwar kann der Bund gern. § 184 GVG und gern. § 23 I VwVfG Deutsch als verbindliche Sprache von und vor den Gerichten und den Verwaltungsbehörden vorschreiben. Fraglich ist aber, ob er auf anderen Sachgebieten ebenso verfahren darf (bspw. bei internationalen Verträgen der Wirtschaft). Dafür ist entscheidend, wie weit die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers bezüglich der Sprache reicht. Innerhalb der Gerichtsverfassung kann der Bund die Gerichtssprache als Aspekt staatlicher Selbstorganisation bestimmen. Hierdurch sichert er die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung und gewährleistet eine grundgesetzkonfonne Ausgestaltung der Gerichtsverfassung. Einerseits ist die Fixierung von Deutsch als verbindliche Sprache insofern auf Aspekte staatlicher Selbstorganisation beschränkt. Andererseits kann der Bund die Sprache für öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit verbindlich vorschreiben. Um die Funktionsfähigkeit der Verwaltung sicherzustellen, hat er Deutsch als Amtssprache von und vor Behörden festgeschrieben. Dabei hat der Gesetzgeber den Status der Sprache als Bestandteil des Verwaltungsverfahrens innerhalb des VwVfG normiert. Eine solche verbindliche Fixierung der Deutschsprachigkeit ist im öffentlichen Recht, welches durch Über- und Unterordnungsverhältnisse gekennzeichnet ist, möglich. Das Privatrecht hingegen ist durch Gleichordnung und die Autonomie des einzelnen geprägt, deshalb unterliegt auch die Sprachenwahl grundsätzlich der Disposition. 827 § 23 I VwVfG gilt mangels 827 Nach Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 23, Rn. 10, ist das Privatrecht nicht auf eine bestimmte Sprache festgelegt. Engelhardt, in: Obermayer, § 23, Rn. 15.

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

planwidriger Regelungslücke und vergleichbarer Interessenlage nicht analog. 828 Der Gesetzgeber kann den einzelnen nicht zwingen, privatrechtlich nur die deutsche Sprache zu verwenden. Er kann bspw. nicht bestimmen, daß internationale Verträge, die deutsche Unternehmen mit ausländischen Partnern schließen, in deutscher Sprache abgefaßt sein müssen. Die Sprache von privatrechtlichen Willenserklärungen ist disponibel, die Sprache von Verträgen unterliegt der Vertragsfreiheit als Ausfluß der Privatautonomie. Wird eine Behörde privatrechtlieh oder verwaltungsprivatrechtlich tätig, so ist fraglich, ob § 23 I VwVfG analog anwendbar ist. Obwohl das VwVfG nur für öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit gilt (§ 1 I und 11 VwVfG), nehmen einige Autoren an, daß der "allgemeine(n) Rechtsgedanke(ns)" des § 23 I VwVfG auch auf privatrechtliches und verwaltungsprivatrechtliches Handeln von Behörden anwendbar ist. 829 Dagegen spricht, daß für privatrechtliches Handeln von Behörden das Privatrecht gilt, das auf keine bestimmte Sprache festgelegt ist. Das VwVfG ist nicht anwendbar, wenn die Verwaltung in der Form des Privatrechts, einschließlich des Verwaltungsprivatrechts, handelt. 830 Nur für einzelne allgemeine bzw. analogiefahige Rechtsgedanken kann die Anwendbarkeit bejaht werden. 831 Für Deutsch als Amtssprache besteht im Privatrecht bzw. im Verwaltungsprivatrecht weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine gleichgerichtete Interessenlage. Das Privatrecht ist durch die (auch sprachliche) Autonomie des einzelnen gekennzeichnet. Insofern ist § 23 I VwVfG auf privatrechtliches oder verwaltungsprivatrechtliches Handeln einer Behörde nicht analog anwendbar. Innerhalb des Privatrechts gilt die deutsche Sprache lediglich für Erklärungen mit öffentlichem Charakter, wie z. B. für Beurkundungen durch Notare gern. §§ 5 I, 26 11 Nr. 6 und 50 I 1 BeurkG oder für den lahresabschluß eines Kaufmanns gern. § 244 HGB. Der einzelne hat aus Art. 5 I 1 Hs. 1 GG, aus Art. 2 I i.Y.m. Art. I I GG oder aus Art. 2 I GG das Recht, seine Sprache frei zu wählen. 832 Würde der Staat in privatrechtlichen Rechtsbeziehungen die deutsche Sprache verbindlich vorschreiben, läge eine Verletzung der genannten Grundrechte nahe. 833 Insofern beschränkt sich eine Bundeskompetenz zur Fixierung der Sprache auf Materien staat828 829

Rn. 5.

Engelhardt, in: Obermayer, § 23, Rn. 15. Kopp, § 23, Rn. 13, 1,3. So noch Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, 4. Auflage, § 23,

Maurer, § 5, Rn. 9. Ehlers, in: Allg. VwR, § 2, Rn. 79, bejaht dies fUr die §§ 14, 20, 21, 28, 30 und 40 VwVfG. 832 Für das Recht aus Art. 2 I GO, sich "sinngetreu auszudrücken", Engelhardt, in: Obermayer, § 23, Rn. 4. Ders. stellt in Rn. 33 fest, daß die freie Wahl der Sprache als Grundrecht aus " ... Art. 2 Abs. 1 GG und der zu achtenden Würde der Person ... " folge. Auch Stelkens, in: Stelkens / Bonk/ Sachs, § 23, Rn. 4, geht davon aus, daß für Ausländer das Recht, die eigene Sprache benutzen zu dürfen, aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und aus der Menschenwürde folgt. 833 Diese wird in den folgenden Abschnitten E., F. und G. geprüft. 830

831

E. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit

183

licher Selbstorganisation und auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse, insbesondere auf das Verfahren vor Organen der öffentlichen Gewalt. Damit der Staat seine Funktionsfähigkeit sicherstellen kann, darf er die Gerichts- und Amtssprache innerhalb des GVG und des VwVfG regeln. Eine darüber hinausgehende Fixierung der deutschen Sprache scheidet aus.

IV. Ergebnis Aus einer umfassenden systematischen Verfassungsinterpretation ergibt sich, daß dem Bund keine Kompetenz aus der Natur der Sache für ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache zusteht. Die Kompetenz des Bundes, die deutsche Sprache als Gerichts- und Amtssprache in § 184 GVG und § 23 I VwVfG zu bestimmen, ergibt sich nicht aus einer Annexkompetenz. Vielmehr ist der Bund bereits aus Art. 74 I Nr. 1 GG für das GVG und aus der Natur der Sache sowie aus Art. 84 I und 85 I GG für das VwVfG dazu befugt, die Gerichts- und Amtssprache als Aspekt der Organisation bzw. des Verfahrens zu regeln.

E. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit Die folgenden Abschnitte gehen von der Prämisse aus, der Bund habe ein der französischen loi Toubon entsprechendes deutsches Sprachgesetz erlassen. Es wird geklärt, ob die Grundrechte des Grundgesetzes einer solchen Sprachregelung Grenzen setzen. Dabei wird insbesondere die Vorschrift überprüft, welche dem einzelnen bei mündlichen oder schriftlichen Äußerungen in der Öffentlichkeit die deutsche Sprache verbindlich vorschreibt (entsprechend Art. 3 I loi Toubon soll § 3 I Sprachgesetz lauten: ,,Jede auf offener Straße, in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Ort oder in einem öffentlichen Verkehrsmittel angebrachte Aufschrift oder Anzeige bzw. gemachte Mitteilung, die der Unterrichtung der Öffentlichkeit dient, muß in deutscher Sprache verfaßt sein."). Schwerpunkte der Untersuchung bilden die Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 Hs. 1 GG (E.), mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I LV.m. Art. 1 I GG (F.) sowie mit der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG (G.). I. Schutzbereich betroffen Das von § 3 I Sprachgesetz geregelte Verhalten müßte in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen. Ihr sachlicher Schutzbereich urnfaßt das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Meinungsäußerungen sind in erster Linie Werturteile, gleichgültig, welchen Inhalt sie haben. 834 Entscheidend ist ein Element der Stellungnah834

Pieroth/Schlink, Rn. 550.

184

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

me, des Dafürhaltens oder Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung oder anderen sozialen Kommunikation. 835 Der Schutzzweck der Meinungsfreiheit ist, daß "jeder ... frei sagen können (soll), was er denkt, ... ".836 Hierdurch wird ein geistiger Kampf der Meinungen gewährleistet, dessen Freiheit unabdingbare Voraussetzung für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung ist. 837 Die Meinungsfreiheit ist daher zum einen der "unmittelbarste(r) Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft", zum anderen ist sie für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung "schlechthin konstituierend". 838 Damit das von § 3 I Sprachgesetz geregelte Verhalten in den Schutzbereich des Grundrechts fällt, müßte gerade die Verwendung fremdsprachiger Worte und Begriffe ein Werturteil verkörpern. Dies ist der Fall, wenn fremdsprachige Worte und Begriffe eine bestimmte Bedeutung haben, die sich durch eine deutsche Übersetzung nicht hundertprozentig wiedergeben läßt. Dann drückt der Äußernde sein Urteil gerade durch die fremdsprachigen Worte und Begriffe aus, ohne daß er ihm in deutscher Sprache denselben Inhalt geben könnte. Häufig können fremdsprachige Worte und Begriffe nicht eins zu eins in die deutsche Sprache übersetzt werden. Haben sie in etwa die gleiche Bedeutung, fehlen Nuancierungen, versteckte Wertungen oder enthaltener Humor. Es gibt viele Beispiele für eine solche Nichtübersetzbarkeit: etwa savoir-vivre, ars vivendi, restaurant, cafi, digestif, aperitif, dessert, amuse-gueule, ex ante, ex post, conditio sine qua non, meeting, briefing, outsourcing, manager, world wide web, internet, server, hardware, software, onlinebanking, chatten, e-mail.mailen. party, walkman, happy, cool und crazy. Indem die Sprachregelung dem einzelnen den Gebrauch einer bestimmten Sprache vorschreibt, sucht sie den Inhalt der individuellen Sprechweise und damit das persönliche Werturteil zu beeinflussen. Zudem soll der einzelne für sich annehmen, die eigene Sprache sei schutzwürdig und müsse gegen fremdsprachige Einflüsse verteidigt werden. Insofern betrifft die Sprachregelung nicht nur den Inhalt der Meinungsäußerung, sondern drängt dem sich Äußernden eine bestimmte Wertung auf, die er in seinen Äußerungen verbreiten soll. Der Verfasser kann seine Meinung in Wort, Schrift und Bild äußern und verbreiten. Äußern und verbreiten sind als Kundgabemodalitäten "unauflöslich miteinander verknüpft", sie bilden keine abgrenzbaren Tatbestandsmerkmale. 839 Die Ausdrucksformen Wort, Schrift und Bild sind nur beispielhaft aufgezählt,840 zumindest

835 836 837

BVerfGE 93, 266, 289; 90, 241, 247; 71,162,179. BVerfGE 61, 1,7. BVerfGE 25, 256, 265.

838 BVerfGE 7, 198,208 spricht zudem von der "Grundlage jeder Freiheit überhaupt". In einer neueren Entscheidung etwa BVerfGE 76, 196,208 f. Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I, 11, Rn. 1, spricht von "Urgrundrecht". 839 Wendt. in: MüK, Art. 5, Rn. 17.

E. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit

185

sind sie weit auszulegen. 841 Auch die Form des Ausdrucks ist geschützt,842 der Schutz ist dabei allerdings geringer als der des Inhalts einer Meinung. 843 Das "Wort" ist zunächst das unmittelbar gesprochene Wort als Elementarform individuellen Ausdrucks. Unerheblich ist dabei, in welcher lebenden, toten oder künstlichen Sprache gesprochen wird. 844 Der einzelne kann seine Sprache frei wählen. 845 Gedruckt fällt das Wort unter die Ausdrucksform "Schrift". 846 Indem § 3 I Sprachgesetz vorschreibt, daß Meinungen nur in deutschen Worten und deutscher Schrift geäußert werden dürfen, betrifft er Formen des Ausdrucks. Der persönliche Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfaßt deutsche Bürger und ausländische Mitbürger. 847 Als Menschenrecht (,Jeder hat das Recht, .... ") differenziert er für den Schutz nicht nach der Nationalität. § 3 I Sprachgesetz gilt auch für ausländische Mitbürger, die sich in der Öffentlichkeit äußern möchten. Beherrschen sie die deutsche Sprache nicht oder nur unzureichend, stellt die Sprachvorschrift eine öffentliche Äußerung generell in Frage. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit ist damit zum einen unter dem Aspekt des Inhalts und zum anderen unter dem der Form einer Meinungsäußerung betroffen. 11. Eingriff in den Schutzbereich Ein Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit liegt vor, wenn dem einzelnen durch staatliches Handeln ein Verhalten, welches in den Schutzbereich fällt, ganz oder teilweise unmöglich gemacht wird,848 wenn eine Meinungsäußerung verboten, behindert oder geboten wird. 849 Ein Eingriff liegt stets dann vor, wenn ein grundrechtlich geschütztes Verhalten zum Anknüpfungspunkt staatlicher Sanktionen gemacht wird. 85o Art. 5 I 1 Hs. 1 GG schützt die Modalitäten der Meinungs840 Jarass, in: IP, Art. 5, Rn. 7; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5, Rn. 25; Wendt, in: MüK, Art. 5, Rn. 16; Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I, 11, Rn. 73.

Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I, 11, Rn. 69; Wendt, in: MüK, Art. 5, Rn. 15. Nach BVerfGE 93, 266, 289 sogar polemische oder verletzend formulierte Aussagen. 843 BVerfGE 42, 143, 149 f. 844 Starck, in: MaK, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 29; Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 133. 845 Haas, S. 122. Nach Kirchhof, in: Hdb. StR I, § 18, Rn. 13 f., 54, umfaßt die Sprechfreiheit als das Recht, seine Sprechweise selbst zu wählen, die Wortschöpfung, Sprachprägung und Sprachverfremdung. Fremdsprachige Worte und Begriffe fallen dabei unter die Sprachprägung. Kannengießer, in: SBK, Art. 5, Rn. 3, formuliert: "Das Grundrecht umfaßt auch die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wie ein Gedanke formuliert werden soll." 846 Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 134. 847 Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1,2, Rn. 28; Wendt, in: MüK, Art. 5, Rn. 4. 848 PierothlSchlink, Rn. 240, 207. 849 Jarass, in: IP, Art. 5, Rn. 9; Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 149. Für das Verbot, eine bestimmte Äußerung zu machen, BVerfGE 42, 143, 149. 841

842

186

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

kundgabe, so daß auch dann ein Eingriff vorliegt, wenn Verbote oder Sanktionen sich auf die Form einer Äußerung beziehen. 851 Indem § 3 I Sprachgesetz für mündliche und schriftliche Äußerungen in der Öffentlichkeit die deutsche Sprache vorschreibt, kann der einzelne nicht mehr das ausdriicken, was er durch fremdsprachige Worte und Begriffe ausdriicken möchte. Verwendet der Grundrechtsberechtigte bspw. fremdsprachige Fachbegriffe, strebt er nach internationaler Kommunikation und zeigt Weltoffenheit. Wer englische "Modewörter" in der Öffentlichkeit benutzt, möchte ein junges Publikum ansprechen, indem er dessen Lebensgefühl Ausdruck verleiht. Wird dem Verfasser diese Ausdrucksmöglichkeit verwehrt, kann er den Inhalt seiner Äußerung nicht frei wählen. Zudem sind seine Ausdrucksformen eingeschränkt. Zwar kann er sich zur Meinungskundgabe der Medien "Wort" und "Schrift" bedienen, diese dürfen aber nur deutschsprachig sein. Insofern wird mit der freien Wahl der Sprache auch die freie Wahl der Ausdrucksform unterbunden. Für ausländische Mitbürger, die die deutsche Sprache nicht oder nur unzulänglich beherrschen, verhindert die Sprachregelung jede mündliche oder schriftliche Äußerung in der Öffentlichkeit. Hervorzuheben ist weiterhin, daß die Nichtbefolgung der Sprachregelung eine Ordnungswidrigkeit darstellt und Bußgelder nach sich ziehen kann. Insofern wird die grundrechtlich geschützte freie Wahl des Inhalts und der Form einer Meinungsäußerung zum Anknüpfungspunkt staatlicher Sanktionen. Dadurch, daß der einzelne gern. § 3 I Sprachgesetz den Inhalt und die Form seiner Meinungsäußerung nicht frei wählen kann und ein Mißachten der Vorschrift staatliche Sanktionen auslöst, liegt ein Eingriff in den Schutzbereich vor.

ill. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Die Schranke der ,,allgemeinen" Gesetze

Die Meinungsfreiheit steht unter dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 5 11 GO, dessen wichtigste Schranke die der "allgemeinen Gesetze" ist. Über die Auslegung dieser Schranke besteht Uneinigkeit. Da sich der Begriff der allgemeinen Gesetze bereits in Art. 118 I 1 WRV findet, kann auf die damals vertretenen Ansichten zurückgegriffen werden. Diese spiegeln sich in dem heutigen Meinungsstand wieder. a) Redaktionsversehen Unter der Weimarer Reichsverfassung wurde dem Wort "allgemein" teilweise jede Bedeutung abgesprochen. Innerhalb der Genese des Art. 118 WRV war vom 850

851

Pieroth/Schlink, Rn. 246. Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 149.

E. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit

187

damaligen Verfassungsausschuß in zweiter Lesung beschlossen worden, das Wort "allgemein" vor dem Wort "Gesetz" zu streichen. 852 Dieser Beschluß wurde von dem Redaktionsausschuß nicht ausgeführt, so daß der Artikel nach Annahme durch die Nationalversammlung seine ursprüngliche Fassung behielt. 853 Jellinek,854 Kitzinger,855 das Preußische Oberverwaltungsgericht 856 sowie das Bayerische Oberste Landesgericht857 gingen deshalb davon aus, daß der Begriff "allgemein" als Redaktionsversehen unbeachtlich sei. Gegen diese Annahme sprach jedoch der Wortlaut der Vorschrift, der keinen gegenständlich uneingeschränkten Gesetzesvorbehalt enthielt. Zudem wurde Art. 118 WRV im Plenum der Nationalversammlung ordnungsgemäß beschlossen858 und verkündet. Eine abweichende Meinung im Stadium der Vorbereitung eines Plenarbeschlusses kann nicht dazu führen, daß eine Norm entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut ausgelegt wird.

b) Personale Allgemeinheit

Teilweise wird der Begriff "allgemein" auf den Adressatenkreis des Gesetzes bezogen. Im Sinne einer personalen Allgemeinheit müsse ein allgemeines Gesetz für jeden Staatsbürger gelten,859 es dürfe nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet sein. 860 Die Allgemeinheit erschöpfe sich in der Forderung nach einem abstrakt-generellen Gesetz. 861 Jedes Gesetz, das nicht an eine Einzelperson zur Regelung eines Einzelfalls gerichtet ist, ist dann allgemein. Gegen eine solche Auslegung ist einzuwenden, daß alle Gesetze verfassungswidrig wären, die sich nur an bestimmte Personengruppen richten (insbesondere Regelungen besonderer Gewaltverhältnisse, z. B. der Beamtenverhältnisse). Außerdem könnte der Gesetzgeber die Meinungsfreiheit beliebig beschränken, wenn sich das Gesetz nur an alle Staatsbürger richtet. Die Auslegung als abstrakt-generelles Gesetz wiederholt le852 Rothenbücher; in: VVDStRL 4 (1928), S. 18 f.; Anschütz, in: WRV, Art. 118, Anm. 2., S.552. 853 Rothenbücher; Fn. 852; Anschütz, Fn. 852. 854 Jellinek, in: VVDStRL 4 (1928), S. 82 f. 855 Kitzinger; S. 203. 856 PrOVGE 77,512,519; zitiert nach Hoppe, S. 734, Fn. 3. 857 BayOLG, DJZ 1923, Sp. 504. 858 Anschütz, in: WRV, Art. 118, Anm. 2., S. 553, spricht davon, daß es ..zum Gesetz erhoben" wurde. 859 Vervier; in: AöR 45 (Bd. 6 der Neuen Folge) (1924), S. 4, 6. 860 Jellinek, in: VVDStRL 4 (1928), S. 83, nimmt an, daß das Verbot von Individualgesetzen die bei Vemeinung eines Redaktionsversehens naheliegende Bedeutung ist. 861 Dies wird auch heute nicht gänzlich von der Hand gewiesen; vgl. Bethge, in: SA, Art. 5, Rn. 142, der davon spricht, daß ..... es - angeblich - nicht gestattet (sei), die allgemeinen Gesetze ohne weiteres mit der allgemeinen Rechtsordnung gleichzusetzen; für diesen Fall wären die beiden anderen Schrankenelemente - Jugendschutz und Ehrschutz - überflüssig. Zwingend ist diese Sicht aber nicht."

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

diglich die Aussage des Art. 19 I 1 GG und ist deshalb überflüssig. 862 Zudem wären daneben die beiden anderen Schranken des Art. 5 11 GG, die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre von lediglich deklaratorischer Bedeutung. 863 Aufgrund dieser systematischen Argumente ist man sich heute einig, daß der Begriff der allgemeinen Gesetze in Art. 5 11 GG eine eigene inhaltliche Qualität besitzt. 864

c) Materiale Allgemeinheit

Wird der Begriff der Allgemeinheit in einem materialen Sinn ausgelegt, bedeutet dies die Abkehr von der Gegenüberstellung allgemeine - besondere Gesetze. Allgemein sind dann diejenigen Gemeinschaftswerte, die gegenüber den individualistisch gedachten Grundrechtsbetätigungen vorrangig sind. 865 Unter der Weimarer Reichsverfassung wurden darunter etwa die Staatssicherheit, die öffentliche Ordnung und Sicherheit, Sittlichkeit sowie konkurrierende Rechte und Freiheiten anderer verstanden, die die "materiale Allgemeinheit der Aufklärung" bildeten. 866 Allgemeine Gesetze sind danach solche, die wichtigere Gesellschaftsgüter schützen als die Meinungsfreiheit. 867 Sie besitzen aufgrund ihrer besonderen Bedeutung Vorrang vor den Schutzgütern des Art. 5 I 1 und 2 GG. 868 Dieser Vorrang wird durch eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem durch das Gesetz geschützten Rechtsgut ermittelt (sog. Abwägungslehre). Problematisch an einer solchen Abwägung ist, daß sie leicht den hohen Wert der Meinungsfreiheit relativieren kann. Art. 5 I I Hs. 1 GG hat neben seiner herausragenden Bedeutung für die menschliche Persönlichkeit einen unschätzbaren Wert für die freiheitliche Demokratie des Grundgesetzes. fließen nach der Abwägungslehre bereits auf Ebene des Tatbestands der Schranke Wertungs gesichtspunkte ein, besteht die Gefahr einer unnötigen Beschränkung des Grundrechts. 869 Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I, 11, Rn. 252 ff. Eriehsen, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit, S. 87. 864 Das BVerfG, JZ 1986,491, stellt fest: "Doch ändert eine Ausdehnung des Adressatenkreises von Sonderrecht noch nichts an einem Mangel sachlicher Allgemeinheit." Pierothl Sehlink, Rn. 587; Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I, 11, Rn. 255 a.E. 865 Smend, in: VVDStRL 4 (1928), S. 52. 866 Smend, Fn. 865, S. 51 f. 867 Smend, Fn. 865, S. 52. 868 Dem Ansatz von Smend folgend etwa: Seheuner, in: VVDStRL 22 (1965), S. 81; Häherle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 32. Das BVerfG verwendet die Formulierung (" ... dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat") zusammen mit der der Sonderrechtslehre, auf die noch eingegangen wird, etwa in BVerfGE 7, 198,209 f. 869 Nach Sehmidt-Jorzig, in: Hdb. StR VI, § 141, Rn. 43, ist ,,Für eine Einbringung wertmäßiger Gesichtspunkte schon in die Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen ... mithin weder Anlaß noch Bedarf." Bedenken in diese Richtung äußert auch Stein, Ekkehart, 862 863

E. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit

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Der Ausdruck "allgemeine(n) Gesetze" sagt begrifflich zu einer Güterabwägung und zu dem Vorrang anderer Rechtsgüter vor der Meinungsfreiheit nichts aus. 870 Zudem ließe eine rein materielle Betrachtungsweise das Kriterium der Allgemeinheit bedeutungslos werden, indem sie allein darauf abstellt, daß das zu schützende Rechtsgut gegenüber der Meinungsfreiheit höherrangig ist. 871 Daher spricht der Wortlaut gegen eine solche Auslegung der Allgemeinheit. Gegen die Abwägungslehre sprechen zudem gewichtige systematische Argumente. Der Jugendschutz und das Recht der persönlichen Ehre, die neben den allgemeinen Gesetzen in Art. 5 11 GG als Schranken der Meinungsfreiheit genannt sind, sind verfassungsrechtlich geschützt (sowohl der Jugendschutz als auch das Recht der persönlichen Ehre in Art. 2 I i.Y.m. Art. 1 I GG).872 Im Rahmen einer Abwägung mit der Meinungsfreiheit wären sie Ld.R. vorrangig. 873 Würde der Begriff der allgemeinen Gesetze gerade diesen Vorrang bezeichnen, wäre ihre Nennung in Art. 5 11 GG überflüssig. 874 Jede Grundrechtsschranke muß gegenüber dem durch sie beschränkten Grundrecht vorrangig sein. 875 Insofern stellt eine solche Auslegung der Allgemeinheit keine eigenständige Schranken-Schranke dar. 876 Es erscheint daher angezeigt, die Güter- und Interessenabwägung der Abwägungslehre auf Ebene der Schranken-Schranken einzuordnen. Dadurch fließen die Wertungsgesichtspunkte der Abwägung nicht bereits auf Ebene des Tatbestands des Art. 5 11 GG ein, vielmehr kann die Grundrechtsbeschränkung LR.d. Verhältnismäßigkeit (Verhältnismäßigkeit Le.S.) auf ihre Stimrnigkeit 877 überpriift werden.

d) Sachliche Allgemeinheit Versteht man die Allgemeinheit als eine sachliche, werden allgemeine von besonderen Gesetzen nach ihrem Inhalt unterschieden (nicht etwa nach dem AdressaStR, S. 311, indem er feststellt, daß von der Abwägungslehre kein Kriterium angegeben werde, um den höheren Rang eines Werts festzustellen. A.A. ist Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 170, der davon ausgeht, daß bereits i.R.d. Tatbestandsmerkmale der Schranke eine Abwägung erfolgt. 870 Wendt, in: MüK, Art. 5, Rn. 76 f.

Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 66. Für den Jugendschutz BVerfGE 83, 130, 140; für das Recht der persönlichen Ehre BVerfGE 93, 266, 290. 873 Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I, 11, Rn. 268. 871

872

874 Ipsen, Rn. 442. Stern, in: Festschrift für Hübner, S. 821 f., weist zudem darauf hin, daß es sich verbietet, eine Güterabwägung in nur eine der drei genannten Schranken hinein zu interpretieren. 875 Jarass, in: JP, Art. 5, Rn. 56 a.E. 876 Jarass, Fn. 875; Wendt, in: MüK, Art. 5, Rn. 77.

877

Pierothl Schlink, Rn. 594.

190

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

tenkreis wie bei einem Verständnis als personale Allgemeinheit). Ein Gesetz ist allgemein, wenn es sich nicht gegen eine Meinung als solche richtet,878 also kein Sonderrecht gegen eine bestimmte Meinung darstellt. 879 Es muß meinungsneutral sein. 88o Dies ist der Fall, wenn es nicht zu bestimmten Meinungsinhalten bekehren oder von bestimmten Inhalten abbringen will und die Wertlosigkeit oder Schädlichkeit von Meinungsinhalten nicht zu Tatbestandsvoraussetzungen von Eingriffen macht. 881 Es handelt sich also um Normen, die das allgemeine menschliche Zusammenleben regeln und die deshalb auch für Meinungsäußerungen gelten. 882 Unzulässiges Sonderrecht liegt hingegen vor, wenn eine Meinung allein wegen ihrer geistigen Zielrichtung und der dadurch hervorgerufenen geistigen Wirkung verboten oder beschränkt wird. 883 Unter der Weimarer Reichsverfassung wurde für diese Ansicht Art. 135 S. 3 WRV als systematisches Argument herangezogen. Art. 135 S. 1 und 2 regelte den Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie der ungestörten Religionsausübung und enthielt in Satz 3 ebenfalls eine Schranke der "allgemeinen Staatsgesetze". Darunter wurden in der Weimarer Staatsrechtslehre beinahe einstimmig gesetzliche Vorschriften verstanden, die sich in ihrem Inhalt und Zweck nicht gegen bestimmte Glaubensmeinungen als solche richteten. 884 Was für Glaubensmeinungen durch den speziellen Art. 135 S. 3 WRV galt, wurde auf den allgemeinen Art. 118 I 1 WRV übertragen. 885 Gegner der Sonderrechtslehre kritisierten daran, daß es sich um eine rein formallogische Auslegung handele: 886 Allgemeine ließen sich von besonderen Gesetzen nicht durch formale, sondern nur durch materielle Kriterien scheiden. Unter dem Grundgesetz spricht die Systematik für die Sonderrechtslehre. Neben den allgemeinen Gesetzen sind - im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung die Gesetze zum Schutz der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre in 878 Anschütz, in: VVDStRL 4 (1928), S. 75. Diese Fonnu1ierung aus der Weimarer Staatsrechtslehre bildet den ersten Teil der Fonnulierung des BVerfG: etwa in BVerfGE 71, 206, 214 ("bestimmte Meinung"); 62, 230, 243 f.; 59, 231, 263 f. ("bestimmte Meinung"); 50, 234,240 f. So auch Rothenbücher, in: VVDStRL, 4 (1928), s. 20. Positiv fonnuliert er dort: Allgemeine Gesetze sind diejenigen Gesetze, " ... die dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen, ... " Diese Formulierung bildet den zweiten Teil der Fonnulierung des BVerfG: etwa in BVerfGE 62, 230, 243 f.; 50, 234, 240 f.; 28, 282, 292. 879 Häntzschel, in: Hdb. DStR 11, S. 651,659 f. 880 Pieroth/Schlink, Rn. 593; Schmidt-Jorzig, in: Hdb. StR VI, § 141, Rn. 41. Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 66, spricht von kommunikationsneutral. 881 Pieroth/Schlink, Rn. 593. 882 Stein, Ekkehart, StR, S. 312. Pieroth/Schlink, Rn. 597, sprechen vom handfesten, tatkräftigen und nicht nur geistigen Wirken der Menschen. 883 Häntzschel, in: Hdb. DStR 11, S. 659 f. 884 Anschütz, in: WRV, Art. 118, Anm. 3., S. 554, Fn. 3. 885 Rothenbücher, in: VVDStRL 4 (1928), S. 19 f.; Reisnecker, S. 135 f. 886 Smend, in: VVDStRL 4 (1928), S. 51.

E. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit

191

Art. 5 11 GG als weitere Schranken genannt. Gesetze zum Jugendschutz und zum Recht der persönlichen Ehre beschränken oder verbieten Meinungen wegen ihrer geistigen Zielrichtung und ihrer schädlichen geistigen Wirkung, sie stellen deshalb Sonderrecht gegen die Meinungsfreiheit dar. 887 Sie wurden in Art. 5 11 GG genannt, damit sie nicht unter das Verbot, "besonderer" Gesetz fallen. Nur diese Auslegung ermöglicht eine sinnvolle Einordnung der beiden weiteren Schranken des Art. 5 11 GG. Als entscheidendes teleologisches Argument spricht für die Sonderrechtslehre, daß sie unabhängig von dem konkreten Inhalt einer Meinung anwendbar ist. 888 Sie schützt deshalb eher die Freiheit des Geistes 889 als eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem sie beschränkenden Rechtsgut. Bei einer abstrakten Abwägung beider Rechtsgüter besteht die Gefahr, daß der Inhalt der konkreten Meinungsäußerung das Ergebnis beeinflußt. Zwar mutet die Sonderrechtslehre der Gesellschaft auch extreme Äußerungen zu, zugleich gewährleistet sie aber die Meinungsfreiheit in einem größtmöglichen Umfang. Dies entspricht der Bedeutung des Grundrechts für die persönliche Entfaltung des einzelnen ("Recht der freien Rede,,)890 und für die freiheitliche demokratische Gesellschaft unter dem Grundgesetz. Das BVerfG versteht unter allgemeinen Gesetzen seit dem Lüth-Urteil aus dem Jahr 1958 diejenigen Gesetze, " ... die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat. ,,891 Zwar kombiniert das BVerfG in dieser Formulierung Sonderrechts- und Abwägungslehre. Das Vorliegen eines allgemeinen Gesetzes wird in der Prüfung jedoch vor der Güterabwägung bejaht. 892 Durch seine kombinierte Formel verstärkt das BVerfG die Sonderrechtslehre: 893 Nicht jedes meinungsneutrale Gesetz darf die Meinungsfreiheit beschränken, es muß vielmehr einem besonders schützenswerten Zweck dienen. Um zu prüfen, ob es sich bei § 3 I Sprachgesetz um ein allgemeines Gesetz handelt, wird auf die Sonderrechtslehre zurückgegriffen. Zur Schrankenbestimmung 887 888

889

890 891

PierothlSchlink, Rn. 590; Ipsen, Rn. 443; Hoppe, S. 736; Stein, Ekkehart, StR, S. 312. Hoppe, S. 735. Pierothl Sehlinie, Rn. 590; Hoppe, S. 735, 738. Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I, 11, Rn. 55. BVerfGE 7,198,209 f.

892 So etwa in BVerfGE 35, 307, 309; 34, 384,401 f.; 34, 269, 282; 7, 230, 234. Weber, in: Festschrift für Huber, S. 184 f. ffi. w. N. Dieses sehen auch Schmitt Glaeser, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Schluß), S. 278, 281; Erichsen, StR und Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 29; Hesse, Rn. 399; Weber, in: Festschrift für Huber, S. 182 f. 893 PierothlSchlinle, Rn. 592; Erichsen, StR und Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 29.

192

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

wird die Abwägungslehre zwar abgelehnt, sie findet sich jedoch in der Verhältnismäßigkeitsprüfung als Verhältnismäßigkeit i.e.S. wieder. 894

e) Ergebnis

§ 3 I Sprachgesetz ist ein allgemeines Gesetz LS.v. Art. 5 11 GG, wenn er sich nicht gegen eine bestimmte Meinung als solche richtet, sondern meinungsneutral ist. Die Vorschrift verbietet öffentliche Meinungsäußerungen, die sich fremdsprachiger Worte und Begriffe bedienen. Hierdurch kann der einzelne nicht exakt das ausdrücken, was er fremdsprachig ausdrücken möchte. Er kann den Inhalt seiner Meinungsäußerung nicht frei wählen. § 3 I Sprachgesetz sucht den einzelnen zu bewegen, die eigene Sprache für schutzwürdiger zu erachten als Fremdsprachen und sie daher ausschließlich zu verwenden. Der einzelne soll davon abgebracht werden, seine Meinungsinhalte fremdsprachig zu äußern, er soll zu deutschsprachigen Inhalten "bekehrt" werden. Indem § 3 I Sprachgesetz diesen missionarischen Eingriffszweck verfolgt, suggeriert er die Wertlosigkeit von Meinungsinhalten, die fremdsprachige Elemente enthalten. Sie werden sogar zum Anknüpfungspunkt für staatliche Sanktionen. § 3 I Sprachgesetz wendet sich so gegen bestimmte Meinungen und unterbindet sie wegen ihrer geistigen Zielrichtung. Er ist nicht meinungsneutral und nach der Sonderrechtslehre nicht allgemein LS.v. Art. 5 11 GG. Das BVerfG hat in seinem Lüth-Urteil die sog. Wechselwirkungslehre entwikkelt. Ihr zufolge ist "die gegenseitige Beziehung zwischen Grundrecht und ,allgemeinem Gesetz' ... nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts durch die ,allgemeinen Gesetze' aufzufassen; es findet vielmehr eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die ,allgemeinen Gesetze' zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzten, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen. ,,895 Als Friihform des Übermaßverbots 896 (der Verhältnismäßigkeit Le.S.)897 beinhaltet die Wechselwirkungslehre zugleich 894 Hoppe, S. 736; Pieroth/Schlink, Rn. 594; Erichsen, StR und Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 29. 895 BVerfGE 7, 198,208 f. 896 Ipsen, Rn. 459, 461. Erichsen, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit, S. 87 f., setzt die Wechselwirkungstheorie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. w.S. gleich. Ebenso Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 72 und Bethge, in: SA, Art. 5, Rn. 146, der von einer "Variante" des Übermaßverbots spricht. Abgelehnt wird die Wechselwirkungstheorie von Schmidt-Jorzig, in: Hdb. StR VI, § 141, Rn. 42 f. 897 BVerfG, JZ 1986,491 bezeichnet die Wechselwirkung als "verfassungsmäßige(n) Zuordnung": Die Einschränkung der Freiheit "... muß geeignet und erforderlich sein, den Schutz zu bewirken, den die Vorschrift sichern soll; das, was mit ihr erreicht wird, muß in angemessenem Verhältnis zu den Einbußen stehen, welche die Beschränkung für die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG mit sich bringt." In der nachfolgenden Prüfung wird die ,,zuord-

E. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit

193

den Grundsatz der verfassungskonfonnen Auslegung. 898 Heute hat sich der VerhäItnismäßigkeitsgrundsatz über die Wechse1wirkungslehre hinaus verselbständigt. I.R.d. VerhäItnismäßigkeit muß das Gesetz zunächst einen legitimen Regelungszweck verfolgen. 899 Bei Eingriffen in die Meinungsfreiheit muß dieser Zweck meinungsneutral sein, er muß sich begründen lassen, ohne daß auf den Inhalt, den Wert oder die geistige Wirkung von Meinungsinhalten abstellt wird. 9OO Da § 3 I Sprachgesetz kein allgemeines Gesetz im Sinne der Sonderrechtslehre darstellt, ist der Schutz der deutschen Sprache durch Verbote fremdsprachiger Worte und Begriffe bereits kein legitimer Regelungszweck i.R.d. Verhältnismäßigkeit. Insofern scheidet eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung aus Art. 5 11 GG aus.

2. Kollidierendes Verfassungsrecht

Eine Rechtfertigung der Sprachvorschrift könnte sich abschließend aus kollidierenden Grundrechten Dritter oder aus anderen Rechtsgütern mit Verfassungsrang ergeben. 901 "Besondere" Gesetze können durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden. 902 Da im Grundgesetz jedoch kein Artikel enthalten ist, der den verfassungsrechtlichen Status der deutschen Sprache absichert, und die Sprache kein Rechtsgut mit Verfassungsrang darstellt, scheidet eine solche Rechtferti-

nung oder Gesarntabwägung" im Rahmen der Angemessenheit erörtert, S. 492. Vgl. auch BVerfGE 59, 231, 265. Hoffmann-Riem. Anmerkung zu BVerfG, JZ 1986,491, sieht die Verhältnismäßigkeit i.e.S. als rechtsdogmatischen Anknüpfungspunkt der Wechselwirkungslehre, S. 494. Ebenso Stein. Ekkehart, StR, S. 312. Jarass. in: IP, Vorb. vor Art. I, Rn. 44; in Art. 5, Rn. 57, verlangt er eine "fallbezogene Güterabwägung". Ohne die Wechselwirkungslehre zu nennen, spricht Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 1701, von einer "verhältnismäßige(n) Zuordnung". Im Gegensatz dazu geht Hoppe, S. 737, davon aus, daß die Wechselwirkungslehre eine modifizierte Abwägungstheorie darstellt. 898 In diesem Sinne ist sie auch in neueren Entscheidungen vom BVerfG angewandt worden: BVerfGE 54,129,136 f. und 68,226,231 f. PierothlSehlink, Rn. 595; Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I und 11, Rn. 263 f.; Hoppe, S. 736. 899 Pierothl Sehlink, Rn. 279 f. 900 Sehlinie, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 200 f. PierothlSehlink, Rn. 593, 607; Hoffmann-Riem, Anmerkung zu BVerfG, IZ 1986, 491, S. 494. Nach Hoffmann-Riem. in: AK, Art. 5 Abs. I, 2, Rn. 40, ist Voraussetzung, daß das Gesetz ein Rechtsgut sichert, " ... das in der Rechtsordnung unabhängig davon geschützt ist, ob es durch Meinungen oder auf andere Weise gefährdet wird (Legitimität des Rechtsgüterschutzes)." 901 Das BVerfG hat diese Rechtfertigungsmöglichkeit aus dem Gedanken der Einheit der Verfassung entwickelt, vgl. etwa BVerfGE 52, 232, 246 f.; 66, 116, 136. Herzog, in: MD, Art. 5 Abs. I, 11, Rn. 293, sieht verfassungsimmanente Schranken als einen Sonderfall der systematischen Verfassungsauslegung an. A.A. ist Bethge, in: SA, Art. 5, Rn. 176 f.: Er geht davon aus, daß kollidierendes Verfassungsrecht bei schrankenbewehrten Freiheitsrechten keine Eingriffe rechtfertigen kann, da die statuierten Vorbehalte abschließend seien. 902 Jarass, in: IP, Art. 5, Rn. 56, 65; Wendt, in: MüK, Art. 5, Rn. 78. \3 Thorne

194

3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

gung aus. Mangels verfassungsrechtlicher Rechtfertigung verletzt § 3 I Sprachgesetz das Grundrecht der Meinungsfreiheit.

F. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Art. 2 I GG, welcher die freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt, gewährleistet zum einen das Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit und zum anderen LV.m. Art. 1 I GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht. 903 Hierdurch wird ein umfassender Schutz der Gesamtpersönlichkeit in ihrem "Tun" und "Sein" ge sichert. 904 Wahrend die allgemeine Handlungsfreiheit jegliches menschliche Verhalten schützt905 ("Tun"), gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht die "engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen,,906 ("Sein"). Beide Komponenten der Persönlichkeitsentfaltung unterscheiden sich in ihrem Schutzzweck. Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt das aktive, selbstbestimmte Handeln des einzelnen nach außen, dagegen beinhaltet das allgemeine Persönlichkeitsrecht das "Recht auf Respektierung des geschützten Bereichs. ,,907 Es schirmt den einzelnen gegen ein Eindringen in seine engere persönliche Lebenssphäre ab. Diese passive Schutzrichtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts findet sich konkretisiert etwa in Art. 6 I, 10 I, 13 I und 14 I (in seiner Ausschließungsfunktion) GG wieder. 90S Die in Art. 2 I GG verankerten Grundrechte schützen insofern aktive (allgemeine Handlungsfreiheit) und passive (allgemeines Persönlichkeitsrecht) Komponenten der freien Persönlichkeitsentfaltung. 909

903

268 f.

Vgl. zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht etwa BVerfGE 80, 367, 373 f.; 79, 256,

904 Schmitt Glaeser; in: Hdb. StR VI, § 129, Rn. 19; Degenhart, Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, S. 167. Art. 2 I GG wird deshalb auch als "Recht der Person auf freie Entfaltung in Selbstbestimmung" bezeichnet, Degenhart, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG, S. 361. 905 BVerfGE 6, 32, 36 f. spricht von einer "Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne" und verweist auf die urspriingliche Fassung: ,)eder kann tun und lassen was er will". BVerfG, EuGRZ 1989, 341, 345. Pieroth, Der Wert der Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG, S. 33. 906 BVerfGE 79, 256, 268. 907 BVerfGE 54, 148, 153. In Anlehnung an die Entscheidung Jarass, in: JP, Art. 2, Rn. 28; Badura, Rn. C 34. 908 Degenhart, Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, S. 161 f. Vgl. für das Unverletzlichkeitsrecht des Art. 13 GG, BVerfGE 51, 97, 107 und fUr den Schutz der ehelichen Privatspähre, BVerfGE 42, 234, 236. 909 Schmitt Glaeser; in: Hdb. StR VI, § 129, Rn. 18 f.; Degenhart, Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, S. 161 f., 165, 168. Nach Degenhart, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG, S. 361, bedingen sich beide Komponenten wechselseitig.

F. Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht

195

§ 3 I Sprachgesetz schreibt dem einzelnen bei mündlichen und schriftlichen Äußerungen in der Öffentlichkeit die deutsche Sprache vor. Durch das Medium Sprache vermag der einzelne seine Gedanken und Ideen anderen mitzuteilen und zu realisieren. Deshalb liegt es nahe, die Wahl der Sprache zu der engeren persönlichen Lebenssphäre des einzelnen zu zählen. 910 Wird für öffentliche Äußerungen eine bestimmte Sprache vorgeschrieben, ändert dies die Grundbedingungen dieser Lebenssphäre. § 3 I Sprachgesetz betrifft insofern die personale Entfaltung des einzelnen. Nach dem ersten Anschein sind daher sowohl die Meinungsfreiheit als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschlägig, so daß geklärt werden muß, welches Grundrecht innerhalb dieser Konkurrenz maßgeblich ist. Dafür werden die einschlägigen Grundrechtstatbestände präzise festgestellt und voneinander abgegrenzt. 911

Konkurriert das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit speziellen Freiheitsrechten, in diesem Fall mit der Meinungsfreiheit, können zwei Richtungen seines Persönlichkeitsschutzes 912 unterschieden werden. Auf der einen Seite schützt es die Privatsphäre, das Recht des einzelnen, im weitesten Sinne "in Ruhe gelassen zu werden".913 Auf der anderen Seite schützt es die personale Entfaltung, die zentralen Voraussetzungen für das Tätigwerden einer Person in der Öffentlichkeit. 914 Der einzelne kann eine personengerechte Darstellung in der Öffentlichkeit erwarten, so wird bspw. durch das "Recht am eigenen Wort" als differenzierte Ausprägung sichergestellt, daß man immer nur für das steht, was man tatsächlich gesagt hat915 (Gedanke der Selbstbestimmung). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt so vor untergeschobenen Äußerungen und Falschzitaten. 916 Während das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausrichtung auf den Schutz der Privatsphäre neben den speziellen Freiheitsrechten anwendbar ist,917 gehen ihm letztere im Bereich 910 In der Diskussion um die Rechtschreibreform wird die "sprachliche Integrität" des Menschen als Bestandteil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesehen, VG Hannover, NJW 1998, 1250, 1251 und Kopke, S. 1082 f. Nach Kirchhof, in: Hdb. StR I, § 18, Rn. 14, hat die Sprechfreiheit ihren Geltungsgrund im allgemeinen Persönlichkeitsrecht. In Anlehnung an letzteren OVG Lüneburg, NJW 1997,3456,3460. Einige stellen auf die Schreibfreiheit als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab, Hufeid, S. 1073, und Gröschner/Kopke, S. 299. Dies wird allerdings ausdrücklich offengelassen von BVerfG, NJW 1998, 2515,2523. 911 Stern, StR III/2, S. 1379 f., 1394 f. 912 Schmitt Glaeser; in: Hdb. StR VI, § 129, Rn. 32, charakterisiert diese als Sicherung der "personalen" und "sozialen Identität". Ebenso Jarass, in: IP, Art. 2, Rn. 29 f. 913 BVerfGE 44, 197,203; 90, 255, 260. 914 Jarass, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz, S. 859. 915 BVerfGE 54,208,217. Zum Gedanken der im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankerten personalen grundrechtlichen Autonomie und Selbstbestimmung, Degenhart, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG, S. 368. 916 BVerfGE 54, 208, 217, 219; 54,148,155 f. 917 Jarass, in: IP, Art. 2, Rn. 29. Für das Recht auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen aus Art. 2 I LV.m. Art. 1 I GG, das mit Art. 12 GG idealkonkurriert, Scholz, in: MD, Art. 12, Rn. 116.

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3. Teil: Der Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz

der personalen Entfaltung als Spezialregelungen vor. 918 Aus dem Vorrang der speziellen vor der generellen Norm folgt dann, daß sich der Schutz allein nach dem speziellen Grundrecht richtet. 919 Bei der öffentlichen Meinungsäußerung LS. v. § 3 I Sprachgesetz handelt es sich nicht um einen Bestandteil der Privatsphäre, vielmehr stellt das Heraustreten in die Öffentlichkeit eine Komponente persönlicher Entfaltung dar. Insofern ist die Meinungsfreiheit für den Schutz von öffentlichen Äußerungen spezieller, das allgemeine Persönlichkeitsrecht tritt als subsidiär zurück.

G. Vereinbarkeit mit der allgemeinen Handlungsfreiheit Die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG schützt als subsidiäre Generalklausel der Freiheitsrechte 920 jedes menschliche Tun in einem umfassenden Sinn. 921 Sie sichert das aktive Element der Persönlichkeitsentfaltung. Dieses wird in einigen thematisch benannten Freiheitsrechten aufgenommen und näher aus geformt [bspw. in Art. 12 I und 14 I GG (in seiner nutzungsbezogenen Schutzfunktion) sowie in den Kommunikationsgrundrechten].922 Die allgemeine Handlungsfreiheit ist zwar einschlägig, wenn nur der Regelungsbereich eines speziellen Freiheitsgrundrechts einschlägig ist,923 sie tritt aber zurück, wenn der Schutzbereich betroffen ist. 924 Das von § 3 I Sprachgesetz erfaßte Verhalten fallt bereits in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Damit die speziellen Schranken des Art. 5 11 GG nicht durch die "verfassungsmäßige Ordnung" des Art. 2 I GG ausgehöhlt werden, muß die allgemeine Handlungsfreiheit zurücktreten. Art. 5 I I Hs. 1 GG ist gegenüber Art. 2 I GG lex specialis. 925 Eine Regelung des deutschen Gesetzgebers, welche entsprechend Art. 3 I loi Toubon für mündliche und schriftliche Äußerungen des einzelnen in der Öffentlichkeit die deutsche Sprache verbindlich vorschreibt, würde unter dem Grundgesetz gegen die Meinungsfreiheit aus Art. 5 11 Hs. 1 GG verstoßen. Naheliegend ist ein weiterer Verstoß gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG (durch eine Regelung entsprechend Art. 2 I und 11 loi Toubon, die für Produzenten und Werbetreibende die deutsche Sprache auf Produkten und in der Werbung vorschreibt). 918 Siehe dazu Jarass, Fn. 917. PierothlSchlink, Rn. 339.

919

920

BVerfGE 89, 1, 13.

921 BVerfGE 97,332,340. 922 Für die Berufsfreiheit BVerfGE 71, 183,201; für die Eigentumsgarantie BVerfG, NJW 1989,970,971. 923 Pierothl Schlink, Rn. 369; Dreier; in: DR, Art. 2 I, Rn. 66 und Fn. 264. Nach a.A. wird Art. 2 I GG bereits dann verdrängt, wenn der sachliche Regelungsbereich eines anderen Freiheitsgrundrechts einschlägig ist, vgl. etwa Degenhart, Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, S. 169; Erichsen, Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, S. 370. 924 BVerfGE 89,1,13; Herzog, in: MD, Art. 8, Rn. 77. 925 Jarass, in: IP, Art. 5, Rn. 1; Erichsen, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit, S. 89.

Bilanz und Ausblick Auf Ebene des nationalen Verfassungsrechts hat die Untersuchung gezeigt, daß ein der französischen loi Toubon entsprechendes Sprachgesetz in Deutschland verfassungswidrig wäre. Die verfassungsrechtlichen Grenzen sprachgesetzlicher Regelungen divergieren in beiden Ländern. Während in Frankreich die Kompetenz des Gesetzgebers für ein Gesetz zum Schutz der Sprache aus Art. 34 11 I Constitution abgeleitet wird, fehlt in Deutschland ein Anknüpfungspunkt im Grundgesetz. Einer umfassenden systematischen Auslegung der Verfassung läßt sich keine Kompetenz aus der Natur der Sache für ein solches Gesetz entnehmen. Auf Grundrechtsebene wird in Frankreich im Rahmen der Abwägung zwischen der Kommunikationsfreiheit von Gedanken und Meinungen aus Art. 11 Declaration des droits de l'homme et du citoyen und dem Verfassungsgut der französischen Sprache aus Art. 2 I Constitution nach den Adressaten des Sprachgesetzes differenziert. Diese conciliation ersetzt funktional den deutschen Gesetzesvorbehalt. Zwar kann der einzelne in seinem Privatleben nicht zu einer bestimmten Sprache bzw. der Verwendung bestimmter Worte gezwungen werden, in der Öffentlichkeit ist die französische Sprache jedoch verbindlich. Obwohl die Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 dem deutschen Grundrechtskatalog als Vorbild gedient hat, unterscheidet sich die Beurteilung eines Sprachgesetzes von der in Frankreich. In Deutschland verstößt eine Regelung, die dem einzelnen eine bestimmte Sprache bei öffentlichen Äußerungen vorschreibt, gegen die Meinungsfreiheit aus Art. 5 11 Hs. 1 GG. Sie scheitert an dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 5 11 GG, der eine Beschränkung durch "allgemeine(n) Gesetze" verlangt. Auf europäischer Ebene setzt das Gemeinschaftsrecht sprachgesetzlichen Regelungen der Mitgliedstaaten Grenzen. Der Abbau nationaler Handelsschranken im europäischen Binnenmarkt darf nicht dadurch umgangen werden, daß diese über den Umweg eines Sprachgesetzes wieder eingeführt werden. Nationale Sprachregelungen erweisen sich dabei insbesondere im Hinblick auf den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr als problematisch. Als Denkanstoß für künftige Entwicklungen mögen folgende Ausführungen dienen. Anhand der französischen loi Toubon ist gezeigt worden, daß in den für den Binnenmarkt sensiblen Bereichen Etikenierung von Produkten, Werbung und Warenzeichenrecht eine Vereinheitlichung europäischer Regelungen für nationale Sprachen wünschenswert ist. Zwar gibt es eine solche für die Etikenierung von Lebensmitteln, die direkt an den Endverbraucher gelangen, und für die Fernsehwerbung bereits. Erstrebenswert ist jedoch eine allgemeine Formel, die auch auf andere Bereiche übertragen werden kann. Diese muß vor allem berücksichtigen, inwieweit Sprache unmittelbar dazu dient, den eu-

198

Bilanz und Ausblick

ropäischen Verbraucher zu schützen (insbesondere vor Gesundheitsschäden), und zudem, welche Informationen er benötigt, um eine freie, vernünftige und wirtschaftlich begründete Produktwahl zu treffen. Das europäische Sprachenregime muß dabei im Bereich der Etikettierung von Produkten unterschiedlichen Verbrauchertypen gerecht werden, insbesondere Verbrauchern, die nicht mehrere Sprachen beherrschen, Kindern, Diabetikern und Lebensmittelallergikern. Für die Etikettierung von Produkten (sowohl für Lebensmittel als auch für andere Produkte) kann durch eine europäische Richtlinie angestrebt werden, daß die Produkte neben der Sprache des Verkaufslands in den drei (geschichtlich und wirtschaftlich) bedeutendsten Sprachen der Union, in Französisch, Englisch und Deutsch etikettiert werden,926 wobei das Etikett auch weitere Sprachen aufweisen kann. Einerseits schützt eine solche mehrsprachige Information den Verbraucher und fördert seine Toleranz sowie seine Kompetenz, Informationen in anderen Sprachen aufzunehmen. Andererseits trägt sie dazu bei, die nationalen Märkte zu öffnen, sie schafft für den Produzenten Rechtssicherheit und erspart ihm (oder dem Händler) erneute Verpackungskosten. Die Bereiche Warenzeichen und Werbung sind hingegen nicht vergleichbar eng mit dem Verbraucherschutz verknüpft. Für das Warenzeichenrecht zeigt sich dies insbesondere an der Gemeinschaftsmarke, die in allen Amtssprachen der Gemeinschaft eingetragen und europaweit verwendet werden kann sowie in der gesamten Gemeinschaft geschützt ist. Mitgliedstaatliche Vorschriften, die insbesondere für Vermerke und Informationen zum Markennamen die nationale Sprache vorschreiben, haben daher keine Zukunft. Wählen Unternehmen nicht den Weg der Gemeinschaftsmarke, dürfen sie dennoch nicht durch nationale Sprachvorschriften gehindert werden, ihre in einem anderen Mitgliedstaat eingetragene Marke auch mit fremdsprachigen Zusätzen zu verwenden. Im Bereich der Werbung sollte eine entsprechende Sprachtoleranz für fremdsprachige Werbung auf Plakaten und in Anzeigen gelten. Zwar dient Werbung auch der Verbraucherinformation. Versteht ein Verbraucher fremdsprachige Plakate oder Anzeigen nicht, wird er das beworbene Produkt nicht kaufen. Kauft er es dennoch, wird er durch die Etikettierung des Produkts in "seiner" Sprache informiert und so ausreichend geschützt. Zudem ist es angesichts fremdsprachiger Zeitungen und Magazine, die europaweit vertrieben werden, überflüssig, fremdsprachige Werbung in nationalen Zeitungen zu verbieten. Schließlich ist sie auch in fremdsprachigen Printmedien enthalten. Eine europäische Werbeordnung ist im Interesse von Werbungsvielfalt und -freiheit allerdings nicht erstrebenswert. Die Gemeinschaft hat zudem keine Kompetenz, Werbung umfassend zu regeln. Allenfalls

926 Im Gegensatz dazu geht Schilling, in: EuZW 1996, 16, davon aus, daß sich eine Marktöffnung unter Beriicksichtigung des Verbraucherschutzes nur dadurch erreichen läßt, daß Verpackungen in allen Gemeinschaftssprachen beschriftet werden. Daß dies regelmäßig möglich sei, zeigen nach seiner Ansicht die Saft- und Gebäckhersteller.

Bilanz und Ausblick

199

könnte sie Werberegelungen gern. Art. 95 I 2 EG in einer Richtlinie harmonisieren, wenn deren Unterschiedlichkeit das Funktionieren des Binnenmarkts behindert. Für den Bereich der Fernsehwerbung steht die Richtlinie 89/552/ EWG im Raum,927 die die Mitgliedstaaten ermächtigt, für Sendungen bzw. Werbungen, die von im jeweiligen Mitgliedstaat niedergelassenen Fernsehanstalten ausgestrahlt werden, Sprachkriterien festzusetzen. Gerade beim Fernsehen handelt es sich im Unterschied zu der Werbung auf Plakaten und in Anzeigen sowie im Unterschied zu Markennamen von Produkten (bzw. zugefügten Vermerken und Informationen) um einen kulturpolitisch sensiblen Bereich. Fernsehen hat heute, mehr denn je, einen großen Einfluß auf Kultur und Gesellschaft. Die Richtlinie 89/552/ EWG gilt deshalb auch primär für Fernsehsendungen und nur sekundär für die darin enthaltene Werbung. Besonders in diesem Bereich könnten die Freiheit der Programmwahl und die Informationsfreiheit durch ein homogenes, US-dominiertes Programm eingeschränkt werden. Gerade ein pluralistisches Mediensystem ist aber für eine Demokratie unverzichtbar. Aus diesen Gründen fördert die Richtlinie in den Art. 4 ff. "europäische Werke" i.S. v. Art. 6 Richtlinie 89/552/ EWG, die in Mitgliedstaaten oder europäischen Drittländern produziert worden sind. Es erscheint legitim, in diesem kulturell wichtigen Bereich eine mitgliedstaatliche Regelungskompetenz hinsichtlich Sprache anzuerkennen. Sowohl einzelne Bürger als auch Mitgliedstaaten haben das Recht, ihre kulturelle Identität zu bewahren und Werte und Ideen sowie ihr Verständnis zu teilen. Insofern trägt die Richtlinie 89/552/EWG für den Fernsehsektor dazu bei, die kulturelle Diversität der Mitgliedstaaten zu schützen. Sprache ist ein Politikum. Dies gilt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um so mehr, als die Union wirtschaftlich und politisch zusammenwächst. Zum einen ist sie auf innenpolitischer Ebene der Mitgliedstaaten ein brisantes Thema, zum anderen spielt sie auf Ebene des Binnenmarkts und der europäischen Institutionen eine große Rolle. Dieses Plädoyer für eine gemeinsame Sprachpolitik der Europäischen Union möchte die nationalen Kulturen der Mitgliedstaaten nicht antasten. Gern. Art. 6 III EU achtet die Union die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten und gern. Art. 3 I q) EG liegt die Kulturhoheit bei ihnen. Es geht lediglich darum, den Sprachgebrauch im Verkehr mit den Verbrauchern im Gemeinschaftsrecht klarer und verständlicher zu machen. Zudem dürfen dem Binnenmarkt im Interesse aller Mitgliedstaaten nicht mehr Hindernisse in den Weg gestellt werden als unbedingt nötig.

927

Siehe oben Fn. 614.

Anhang GESETZ Nr. 94-665 vom 4. August 1994 über den Gebrauch der französischen Sprache Die Nationalversammlung und der Senat haben das folgende Gesetz beschlossen, das aufgrund der Entscheidung des Verfassungsrates Nr. 94-345 De vom 29. Juli 1994 mit folgendem Wortlaut vom Staatspräsidenten hiennit verkündet wird: In dieser Fassung sind die Änderungen, die durch die Entscheidung des Verfassungsrates vom 29. Juli 1994 vorgenommen wurden, sowie die Änderung in ArtikelS Absatz 2 aufgrund des Gesetzes Nr. 96-597 vom 2. Juli 1996 zur Modernisierung der Finanztätigkeiten berücksichtigt.

Artikel 1 Als Sprache der Republik ist die französische Sprache kraft der Verfassung ein grundlegender Bestandteil der Persönlichkeit und des Kulturerbes Frankreichs. Sie ist die Sprache, die im Unterricht, bei der Arbeit, beim Austauschverkehr sowie im öffentlichen Dienst zu verwenden ist. Sie ist das bevorzugte Bindeglied zwischen allen Staaten der Gemeinschaft französischsprechender Völker.

Artikel 2 In der Bezeichnung, dem Angebot, der Aufmachung, der Gebrauchsanweisung oder Bedienungsanleitung, der Beschreibung des Umfangs und den Garantiebedingungen von Gütern, Produkten oder Dienstleistungen sowie in Rechnungen und Quittungen ist die französische Sprache zu benutzen. Dieselben Bestimmungen kommen bei jeder schriftlichen, gesprochenen oder audiovisuellen Werbung zur Anwendung. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten allerdings nicht für die Benennung typischer Produkte und Spezialitäten mit ausländischer Herkunftsbezeichnung, die der breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Das Warenzeichenrecht steht dem nicht entgegen, daß die Absätze 1 und 2 dieses Artikels auf die mit dem Markenzeichen eingetragenen Vermerke und Informationen zur Anwendung kommen.

Anhang

201

Artikel 3 Jede auf offener Straße, in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Ort oder in einem öffentlichen Verkehrsmittel angebrachte Aufschrift oder Anzeige bzw. gemachte Mitteilung, die der Unterrichtung der Öffentlichkeit dient, muß in französischer Sprache verfaßt sein. Wenn die unter Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Bestimmungen verfaßte Aufschrift durch einen Drittbenutzer auf einem Gegenstand, der das Eigentum einer juristischen Person des öffentlichen Rechtes ist, angebracht wird, muß letztere den Benutzer auffordern, die festgestellte Ordnungswidrigkeit auf eigene Kosten und innerhalb der von ihr festgesetzten Frist einzustellen. Wird der Aufforderung nicht nachgekommen, kann dem Zuwiderhandelnden unter Beriicksichtigung des Ausmaßes des Verstoßes und ungeachtet der Vertragsklauseln oder der in der ihm erteilten Genehmigung enthaltenen Bestimmungen die Nutzung des Gegenstandes entzogen werden.

Artikel 4 Wenn die in vorstehendem Artikel genannten Aufschriften, Anzeigen oder Mitteilungen, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder von juristischen Personen des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen, angebracht bzw. vorgenommen werden, übersetzt werden, müssen mindestens zwei fremdsprachige Fassungen angefertigt werden. In allen Fällen, in denen die in den Artikeln 2 und 3 dieses Gesetzes genannten Vermerke, Mitteilungen und Aufschriften durch eine oder mehrere Übersetzungen ergänzt werden, muß die französische Fassung ebenso leserlich, hörbar oder verständlich sein wie die Fassung in den anderen Sprachen. In einer nach Anhörung des Staatsrates erlassenen Rechtsverordnung sind die Fälle und die Bedingungen festgelegt, bei bzw. unter denen im Bereich des internationalen Transports von den Bestimmungen dieses Artikels abgewichen werden kann.

Artikel 5 Unabhängig von Gegenstand und Form sind die Verträge, bei denen eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine juristische Person des Privatrechts, die eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, Partner ist, in französischer Sprache abzufassen. Sie dürfen keine fremdsprachigen Ausdriicke oder Begriffe enthalten, wenn ein französischer Ausdruck oder Begriff mit dem gleichen Sinn vorhanden ist, der unter den Bedingungen, die durch die Verordnungen über die Bereicherung der französischen Sprache vorgesehen sind, zugelassen ist. Diese Bestimmungen gelten nicht für Verträge, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die Industrie- und Handelstätigkeiten verwaltet, von der Bank von Frankreich oder von der Hinterlegungs- und Konsignationskasse abgeschlossen werden und ausschließlich außerhalb des Staatsgebietes zu erfüllen sind. Für die Ausführung dieses Absatzes gelten als ausschließlich außerhalb Frankreichs ausgeführte Verträge die Anleihen, die gemäß Artikel 131-4 des Steuergesetzbuches begeben werden, sowie die Verträge über die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im Sinne von Artikel 4 des Gesetzes Nr. 96 - 597 vom

202

Anhang

2. Juli 1996 zur Modernisierung der Finanztätigkeiten, deren Ausführung einer ausländischen Gerichtsbarkeit unterliegt. Die in diesem Artikel genannten Verträge, die mit einem bzw. mehreren ausländischen Vertragspartnern abgeschlossen werden, dürfen neben dem französischen Text auch eine bzw. mehrere Fassungen in einer Fremdsprache enthalten, die ebenfalls verbindlich sein können. Eine Partei eines Vertrages, der unter Nichtbeachtung des ersten Absatzes abgeschlossen worden ist, kann sich nicht auf eine in einer Fremdsprache abgefaßte Bestimmung berufen, die die Gegenpartei benachteiligen würde.

Artikel 6 Jeder Teilnehmer an in Frankreich von natürlichen oder juristischen Personen französischer Staatsangehörigkeit organisierten Veranstaltungen, Kolloquien oder Kongressen hat das Recht, sich in französischer Sprache auszudriicken. Die Programmunterlagen, die vor und während der Tagung an die Teilnehmer verteilt werden, müssen in französischer Sprache abgefaßt sein und können Übersetzungen in eine oder mehrere Fremdsprachen enthalten. Wenn im Rahmen einer Veranstaltung, eines Kolloquiums oder eines Kongresses Vorbereitungs- oder Arbeitsunterlagen an die Teilnehmer verteilt werden oder Aufzeichnungen und Arbeitsberichte veröffentlicht werden, muß den in einer Fremdsprache verfaßten Texten oder Beiträgen mindestens eine Zusammenfassung in Französisch beigefügt sein. Diese Bestimmungen gelten weder für Veranstaltungen, Kolloquien oder Konferenzen, die nur für Ausländer bestimmt sind, noch für Veranstaltungen zur Förderung des französischen Außenhandels. Wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine juristische Person des Privatrechts, die mit der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe betraut ist, die Initiative für die Durchführung der in diesem Artikel genannten Veranstaltungen ergreift, muß der Einsatz geeigneter Mittel vorgesehen werden, um die Übersetzung durchzuführen.

Artikel 7 Die in einer Fremdsprache verfaßten Veröffentlichungen, Zeitschriften und Mitteilungen, die in Frankreich verbreitet werden und von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer mit der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe betrauten juristischen Person des Privatrechts oder einer juristischen Person des Privatrechts, die eine öffentliche Subvention erhält, stammen, müssen mindestens eine Zusammenfassung in Französisch enthalten.

Artikel 8 Die drei letzten Absätze von Artikel L. 121-1 des Arbeitsgesetzbuchs werden durch vier Absätze mit folgendem Wortlaut ersetzt: "Der schriftlich abgeschlossene Arbeitsvertrag ist in Französisch abzufassen."

Anhang

203

"Wenn die Arbeit, die Gegenstand des Vertrages ist, nur durch einen fremdsprachigen Begriff ohne französische Entsprechung bezeichnet werden kann, muß der Arbeitsvertrag eine Erklärung des fremdsprachigen Begriffs in Französisch enthalten." "Wenn der Arbeitnehmer Ausländer ist und der Vertrag schriftlich abgeschlossen wird, ist der Vertrag auf Ersuchen des Arbeitnehmers in dessen Sprache zu übersetzen. Vor Gericht sind dann beide Texte gleichermaßen verbindlich. Im Falle einer Nichtübereinstimmung zwischen den beiden Texten kann nur der in der Sprache des ausländischen Arbeitnehmers verfaßte Text gegen ihn verwandt werden." "Der Arbeitgeber kann sich dem Arbeitnehmer gegenüber nicht auf Klauseln eines unter Nichtbeachtung dieses Artikels abgeschlossenen Arbeitsvertrages berufen, die den Arbeitnehmer beschweren würden."

Artikel 9 Artikel L. 122-35 des Arbeitsgesetzbuchs wird durch einen Absatz mit folgendem Wortlaut ergänzt: "Die Betriebsordnung ist in Französisch abzufassen. Ihr kann eine Übersetzung in eine oder mehrere Fremdsprachen beigefügt werden." Nach Artikel L. 122-39 des Arbeitsgesetzbuchs wird ein Artikel L. 122-39-1 mit folgendem Wortlaut eingefügt: "Art. L. 122 - 39 -1. - Jedes Schriftstück, das Verpflichtungen für den Arbeitnehmer oder Bestimmungen, deren Kenntnis für die Ausführung seiner Arbeit erforderlich ist, enthält, muß in französischer Sprache abgefaßt sein. Eine Übersetzung in eine oder mehrere Fremdsprachen kann beigefügt werden. Diese Bestimmungen gelten nicht für Schriftstücke, die aus dem Ausland kommen oder für Ausländer bestimmt sind." In Artikel L. 122 - 37 Absatz 1 und 3 des Arbeitsgesetzbuchs werden die Worter "Artikel L. 122-34 und L. 122-35" durch die Worter "Artikel L. 122-34, L. 122-35 und L. 122 - 39 - 1" ersetzt. Nach Artikel L. 132-2 des Arbeitsgesetzbuchs wird ein Artikel L. 132.-2-1 mit folgendem Wortlaut eingefügt: ,,Art. L. 132-2-1. - Tarifvereinbarungen und -verträge sowie Unternehmens- oder Betriebsvereinbarungen müssen in französischer Sprache abgefaßt sein. Jede in einer Fremdsprache abgefaßte Bestimmung ist gegenüber einem Arbeitnehmer, den sie beschweren würde, unwirksam."

Artikel 10 Artikel L. 311 - 4 Absatz 3 des Arbeitsgesetzbuchs erhält folgenden Wortlaut: ,,3. Ein in einer Fremdsprache abgefaßter Text" "Wenn die angebotene Stelle oder Arbeit nur durch einen fremdsprachigen Begriff ohne französische Entsprechung bezeichnet werden kann, muß der französische Text eine aus-

204

Anhang reichend genaue Beschreibung enthalten, damit Mißverständnisse im Sinne des vorstehenden Absatzes 2 vermieden werden."

..Die Bestimmungen der beiden vorstehenden Absätze gelten für in Frankreich auszuführende Dienste, unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Verfassers des Angebots oder des Arbeitgebers, sowie für außerhalb Frankreichs auszuführende Dienste, wenn der Verfasser des Angebotes oder der Arbeitgeber französischer Staatsangehörigkeit ist, selbst wenn die einwandfreie Kenntnis einer Fremdsprache eine der erforderlichen Voraussetzungen für den Erhalt der angebotenen Stelle ist. Direktoren von Veröffentlichungen, die teilweise oder ganz in einer Fremdsprache verfaßt werden, können jedoch in Frankreich Arbeitsangebote, die in dieser Sprache abgefaßt sind, entgegennehmen."

Artikel 11 Französisch ist die Sprache, die im Unterricht, bei Prüfungen und Auswahlverfahren sowie bei Doktorarbeiten und Abhandlungen in öffentlichen und privaten Lehranstalten zu benutzen ist, vorbehaltlich der Ausnahmen, die durch die Erfordernisse des Unterrichts regionaler oder ausländischer Sprachen und Kulturen gerechtfertigt sind, oder wenn es sich bei den Lehrkräften um außerplanmäßige Professoren oder Gastprofessoren aus dem Ausland handelt. Ausländische Schulen oder Schulen, die eigens für Schüler ausländischer Staatsangehörigkeit eröffnet wurden, sowie Lehranstalten, deren Unterricht international ausgerichtet ist, unterliegen nicht dieser Verpflichtung. Nach Artikel 1 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 89-486 vom 10. Juli 1989 über die Orientierung des Unterrichtswesens wird ein Absatz mit folgendem Wortlaut eingefügt: ,,Die Beherrschung der französischen Sprache und die Kenntnis zweier weiterer Sprachen gehören zu den grundlegenden Zielsetzungen des Unterrichts."

Artikel 12 Vor Kapitel I in Titel 11 des Gesetzes Nr. 86-1067 vom 30. September 1986 über die Kommunikationsfreiheit wird ein Artikel 20-1 mit folgendem Wortlaut eingefügt: ,,Art. 20-1. - Bei allen Sendungen und Werbungen, die von den Rundfunk- und Fernsehanstalten ausgestrahlt werden, ist unabhängig von der Art der Ausstrahlung oder Verbreitung und außer bei Kinofilmen und audiovisuellen Werken in Originalfassung die französische Sprache zu verwenden." ..Vorbehaltlich der Bestimmungen von Artikel 28 Absatz 2bis dieses Gesetzes gilt der vorstehende Absatz nicht für Musikwerke, deren Text teilweise oder ganz in einer Fremdsprache abgefaßt ist." ..Die im ersten Absatz vorgesehene Verpflichtung gilt nicht für Programme, Teile von Programmen oder darin enthaltene Werbungen, die fiir eine vollständige Ausstrahlung in einer Fremdsprache bestimmt sind oder die dem Erlernen einer Sprache dienen, sowie nicht fiir die Übertragung kultische Veranstaltungen."

Anhang

205

"Wenn die im ersten Absatz dieses Artikels genannten Sendungen oder Werbungen von Übersetzungen in Fremdsprachen begleitet werden, muß die französische Fassung ebenso leserlich, hörbar oder verständlich sein wie die Fassungen in der Fremdsprache."

Artikel 13 Das obengenannte Gesetz Nr. 86-1067 vom 30. September 1986 wird wie folgt abgeändert: Nach Absatz 6 von Ziffer II in Artikel 24 wird ein Absatz mit folgendem Wortlaut eingefügt: ,,- die Achtung der französischen Sprache und die Ausstrahlungskraft der französischsprechenden Gemeinschaft." In Artikel 28 wird nach Absatz 4 ein Absatz 4bis mit folgendem Wortlaut eingefügt:

,Abis. Die Bestimmungen, die die Achtung der französischen Sprache und die Ausstrahlungskraft der französischsprechenden Gemeinschaft sicherstellen sollen;". In Artikel 33 wird nach Absatz 2 ein Absatz 2bis mit folgendem Wortlaut eingefügt:

,,2bis. Die Bestimmungen, die die Achtung der französischen Sprache und die Ausstrahlungskraft der französischsprechenden Gemeinschaft sicherstellen sollen;".

Artikel 14 Die Verwendung eines Warenzeichens, einer Handels- oder einer Dienstleistungsmarke mit einem fremdsprachigen Ausdruck oder Begriff ist juristischen Personen des öffentlichen Rechts untersagt, wenn ein französischer Ausdruck oder Begriff mit dem gleichen Sinn vorhanden ist, der unter den Bedingungen, die durch die Verordnungen über die Bereicherung der französischen Sprache vorgesehen sind, zugelassen ist. Dieses Verbot gilt für juristische Personen des Privatrechts bei der Wahrnehmung einer ihnen übertragenen öffentlichen Aufgabe. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für Markenzeichen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes zum ersten Mal verwandt worden sind.

Artikel 15 Die Gewährung von Subventionen jeglicher Art durch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts hängt davon ab, ob die Empfänger die Bestimmungen dieses Gesetzes einhalten. Jeder Verstoß gegen diese Bestimmungen kann die vollständige oder teilweise Rückerstattung der Subvention zur Folge haben, nachdem dem Betreffenden Gelegenheit zu einer Stellungnahme geboten worden ist.

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Anhang

Artikel 16 Neben den Strafverfolgungs- und Kriminalpolizeibeamten, die gemäß den Bestimmungen der Strafprozeßordnung handeln, sind die in Artikel L. 215-1 in den Absätzen 1,3 und 4 der Verbraucherrechtsvorschriften genannten Beamten befugt, die Verstöße gegen die Bestimmungen der zur Ausführung von Artikel 2 dieses Gesetzes erlassenen Texte zu ermitteln und festzustellen. Zu diesem Zweck können die Beamten tagsüber in die in Artikel L. 213-4 Absatz 1 dieser Rechtsvorschriften genannten Räume und Fahrzeuge sowie in jene, in denen die in Artikel L. 216-1 genannten Tatigkeiten ausgeübt werden, mit Ausnahme derer, die auch zu Wohnzwecken dienen, eindringen. Sie können die Vorlage der Unterlagen verlangen, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe erforderlich sind, Kopien davon erstellen und nach Ladung oder vor Ort die für die Wahrnehmung ihrer Aufgabe notwendigen Auskünfte und Belege einholen. Sie dürfen auch ein Exemplar der beanstandeten Güter oder Produkte unter den Bedingungen entnehmen, die in der nach Anhörung des Staatsrates erlassenen Rechtsverordnung vorgesehen sind.

Artikel 17 Jeder, der die in Artikel 16 Absatz 1 genannten Beamten mittelbar oder unmittelbar an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben behindert oder ihnen nicht alle hierzu erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt, macht sich im Sinne von Artikel 433 - 5 Absatz 2 des Strafgesetzbuches strafbar.

Artikel 18 Verstöße gegen die Bestimmungen der zur Ausführung dieses Gesetzes erlassenen Texte werden durch Protokolle festgestellt, die bis zur Erbringung des Gegenbeweises maßgebend sind. Die Protokolle sind bei Strafe der Nichtigkeit innerhalb von fünf Tagen nach ihrer Erstellung dem Staatsanwalt zu übermitteln. Eine Kopie ist ebenfalls dem Betroffenen innerhalb der gleichen Frist zuzustellen.

Artikel 19 Nach Artikel 2-13 der Strafprozeßordnung wird ein Artikel 2-14 mit folgendem Wortlaut eingefügt: "Art. 2-14 - Jeder ordnungsgemäß eingetragene Verein, der satzungsgemäß die Verteidigung der französischen Sprache zum Ziel hat und unter den Bedingungen, die durch nach Anhörung des Staatsrates erlassene Rechtsverordnung festgelegt sind, zugelassen worden

Anhang

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ist, kann bei den Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der Texte, die zur Ausführung der Artikel 2, 3, 4, 6, 7 und 10 des Gesetzes Nr. 94-665 vom 4. August 1994 über den Gebrauch der französischen Sprache erlassen wurden, als Nebenkläger auftreten."

Artikel 20 Das vorliegende Gesetz ist zwingendes Gesetzesrecht. Es gilt für Verträge, die nach seinem Inkrafttreten abgeschlossen werden.

Artikel 21 Die Bestimmungen dieses Gesetzes kommen unbeschadet der Gesetze und Verordnungen über die Regionalsprachen Frankreichs zur Anwendung und stehen ihrem Gebrauch nicht entgegen.

Artikel 22 Die Regierung hat den Parlamentarischen Versammlungen jedes Jahr vor dem 15. September einen Bericht über die Ausführung dieses Gesetzes und der Bestimmungen internationaler Übereinkommen oder Verträge über den Status der französischen Sprache in den internationalen Organisationen vorzulegen.

Artikel 23 Die Bestimmungen von Artikel 2 treten am Tage der Veröffentlichung der nach Anhörung des Staatsrates erlassenen Rechtsverordnung, in der die Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Artikels definiert sind, und spätestens zwölf Monate nach Bekanntgabe dieses Gesetzes im Journal Officiel in Kraft Die Bestimmungen von Artikel 3 und 4 dieses Gesetzes treten sechs Monate nach Inkrafttreten von Artikel 2 in Kraft.

Artikel 24 Das Gesetz Nr. 75 -1349 vom 31. Dezember 1975 über den Gebrauch der französischen Sprache wird außer Kraft gesetzt, jedoch mit Ausnahme seiner Artikel Ibis 3, die bei Inkrafttreten von Artikel 2 dieses Gesetzes aufgehoben werden, und dessen Artikel 6, der bei Inkrafttreten von Artikel 3 dieses Gesetzes aufgehoben wird. Das vorliegende Gesetz wird als Staatsgesetz ausgeführt. Geschehen zu Paris am 4. August 1994.

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Sachverzeichnis absatzbezogene Regelungen siehe Keck / Mithouard Urteil Abwägung45 Academie franc;aise 26 f., 50 allgemeine Handlungsfreiheit 183, 194, 196ff. allgemeines Persönlichkeitsrecht 183, 194 ff. - Recht am eigenen Wort 195 Alpine Investments Urteil 136 f. Amtssprache(n) 22, 85, 145, 147, 154, 175 f., 179ff., 183,198 annexe Materien 180 f. Annexkompetenz 175, 178, 183 siehe auch mitgeschriebene Kompetenzen Annexregelung 180 Anschütz'sche Formel siehe mitgeschriebene Kompetenzen Anspruch auf rechtliches Gehör 181 Arbeitssprache(n) 22, 60, 145 ff. Arbeitsverträge 40 Arzneiminel 23, 112 Assemblee Nationale 34, 37 Aufsichtsklage 68 f. Ausdrucksfreiheit 45, 47, 49, 66 siehe auch Meinungsfreiheit

Cassis de Dijon-Formel 74, 75ff., 79, 106ff., 123, 133 f., 137 - zwingende Erfordernisse 76ff., 106ff., 123,134 Clinique-Entscheidung 119 f. Colim NY . /. Bigg's Continent Noord NY 98f. conciliation 44, 46 Conseil Constitutionnel 33, 34, 36, 38, 42ff., 46ff., 59 Cour d'appeI32, 56 Cour de Cassation 31, 32, 50

Behinderungsverbot 74 Belgien 23 - arrete royal 87, 99 f. Berliner Akademie der Wissenschaften 27 Berufsfreiheit 55 Beschränkungsverbot 136 Bestimmungsstaatsprinzip siehe Binnenmarkt Binnenmarkt 22, 70ff., 84, 111 ff., 124, 135, 144f.,197 - Bestimmungsstaatsprinzip 78 - Herkunftsstaatsprinzip 71, 78, 118 bloc de constitutionnalite 43 Bundesstaat 163, 168 ff.

effet utile 136 e-Mail siehe loi Toubon Endverbraucher 85 Etikettierung von Lebensmitteln 89 ff., 197 - von Produkten 197, 198 - von Waren 84 ff. Euro-Marketing 111 f., 114, 117, 118ff. Euro-Obligationen 58 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten 66f. Europäische Union 68, 144 - Integrationsprozeß 21, 23, 36, 71 - Sprachenregime 22, 198

Daseinsvorsorge 159 Dassonville-Forme1 74J, 103, 116f., 132 Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte 43, 197 Demokratieprinzip 178 Dienstleistungen 115 Dienstleistungsmarke(n) 51, 126 Dienstleistungsverkehrsfreiheit 22, 135 ff., 197 Diskriminierung 105 Diskriminierungsverbot 74,80, 136, 154 Duden 152, 162 Durchschnittsverbraucher 86

224

Sachverzeichnis

- Subsidiaritätsprinzip 80 f. - Verbraucherleitbild 86 ff. - Verfassung 148 - Werbeordnung 198 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 21 f. Europäische Zentralbank 58 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 66 exception culturelle 28, 37 Existenzminimum 159 Fachzeitschriften siehe loi Toubon Fernabsatzgesetz 23 Fernsehwerbung siehe Werbung Föderalismus 159 Fran~ois I. 29 Francophonie 27, 34, 35, 37 Frankreich 23 fremdsprachige Veröffentlichungen siehe loi Toubon Garfield-Index 60 GATT-Verhandlungen 28 Gebrauchsanweisungen siehe loi Bas-Lauriol und loi Toubon Geldbuße/-strafe siehe loi Toubon Gemeinschaftsmarke 127f., 131, 135 Gemeinschaftsmarkenregister 135 Gerichtssprache 29, 154, 175, 176Jf., 179, 181, 183 Gesellschaft für deutsche Sprache 24, 150 Gesellschaftsbezeichnungen siehe loi Toubon Gesetzesvorbehalt 44 Gesetzgebungskompetenz 64f., 149 Gesundheitsschutz 146 Gewaltenteilung 178 gewerbliches Eigentum 82, 134 Gleichberechtigung der Nationalsprachen 22, 148 Gleichheitsgebot 42 Gleichheitsgrundsatz 48 Goodwill 127, 133 Grundfreiheit(en) 43, 47, 145 Handelshemmnisse 75, 103, 116 Handelsmarke 51 Handelsschranken 197

Handelssprache 147 Harmonisierungsmaßnahmen 88 Harmonisierungsvorschriften 85 f. Herkunftsgarantie siehe Marke Herkunftsstaatsprinzip siehe Binnenmarkt Herrenchiemseer Verfassungskonvent 165 Hünerrnund-Entscheidung 81, 119 immanente Schranke(n) 44, 76 f. implied powers 166 Inforrnationstechnologie siehe loi Toubon Inländerdiskriminierung 110, 140 Inländergleichbehandlungsgebot 136 Institut Pasteur 36 Integrationsprozeß siehe Europäische Union interet general 44 internationale Verträge siehe loi Toubon Internet siehe loi Toubon irreführende Werbung siehe Werbung Italien 23 Jahresabschluß siehe Sprache Keck/Mithouard Urteil 74, 79Jf., 104, 117 f., 133, 136 - absatzbezogene Regelungen 79,117,133 - produktbezogene Regelungen 79,117,133 - Verkaufsmodalität(en) 79f., 118, 136f. Kinofilme 41 kollidierendes Verfassungsrecht 193 f. kommerzielles Eigentum 134 Kompetenz aus der Natur der Sache siehe mitgeschriebene Kompetenzen Kompetenz kraft Sachzusammenhangs siehe mitgeschriebene Kompetenzen Kongresse siehe loi Toubon Kosmetika 85 Kultur 26, 158 - Begriff 159 f. - Gut 109 - Politik 67 Kulturhoheit 199 - der Länder 158 Kulturstaat 160 f. - Auftrag zur Sprachpflege 153, 157Jf. - Daseinsvorsorge 158 - Verständnis 160 Kulturstaatsklausel 159 ff., 161 f.

Sachverzeichnis

225

Landessprache 85 Lebensmittel 23, 84 Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung 87,99f. lingua franca 21, 146 loi Bas-Lauriol 30Jf., 50, 51, 68 f., 105 - Gebrauchsanweisungen 32 - Werbung 32 loi Toubon 23, 25, 35Jf., 50Jf., 69f., 88, 99, 101,149 - Anwendungsfälle 63 f. - e-Mail 54 - Fachzeitschriften 60 - Firmennamen 52 f. - fremdsprachige Veröffentlichungen 40 - Gebrauchsanweisungen 39 - Geldbuße I -strafe 62 - Gesellschaftsbezeichnungen 52 f. - Gesetzgebungskompetenz 64 f. - Informationstechnologie 56 f. - internationale Verträge 57 ff. - Internet 54 ff. - Konferenzen 59 ff. - Kongresse 40, 61 - Onlinedienste 55 - Ordnungswidrigkeit 62 - Produktaufmachung 51 - Sanktionen 61 f. - Server 55 - Subvention(en) 41, 47 - Suchmaschine 54 - Warenzeichen 51 f. - Werbung 53 f. - Wissenschaft 59 ff. Louis XIII. 26

Mars-Urteil 120f. Marshall-Plan 27 Maßnahme(n) gleicher Wirkung siehe Warenverkehrsfreiheit materielle Diskriminierung 106 f., 123 Mehrsprachigkeit 149 - Etikettierung 101 f., 110 - Information 198 Meinungsfreiheit 42, 43Jf., 66, 183Jf., 195, 197 - Abwägungslehre 188 f., 191 - Eingriff in den Schutzbereich 185 f. - Form der Meinungsäußerung 184 ff., 186 - Inhalt der Meinungsäußerung 184, 186 - Lüth-Urteil 191 - persönlicher Schutzbereich 185 - sachlicher Schutzbereich 183 ff. - Schranke der allgemeinen Gesetze 186 ff. - Sonderrechtslehre 189Jf., 191, 193 - Weimarer Reichsverfassung 186 f., 190 mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen siehe Warenverkehrsfreiheit mitgeschriebene Kompetenzen 163 ff. - Anschütz'sche Formel 167 - aus der Natur der Sache 164, 167Jf., 179, 181,183,197 - historische und komparative Bezüge 166f. - kraft Annex 164 siehe auch Annexkompetenz - kraft Sachzusammenhangs 164, 175Jf., 181 - Zulässigkeit 164 ff. Mitteilung(en) der Kommission 68, 93, 94 Mitteilungsfunktion siehe Werbung

Maastrichter Vertrag 33 Marke 51, 125Jf. - Begriff 125 f. - Herkunftsgarantie 126 - Wiedererkennungsfunktion 127, 134 - Zuordnungsfunktion 127 Markenname(n) 51 ff., 125Jf., 198 Markenrechtsreformgesetz 127 Markenzeichen 41, 51 f., 125Jf. Marketing 111, 125 Marktöffnungsfunktion siehe Werbung Marktzugang 104, 106, 136

nationale Markenrechte 126 nationale Sprachregelung(en) 23, 25, 71,84, 87,89,197 nationales Warenzeichenrecht 126 f. Nationalstaaten 21 f. - Sprachen 21 Naturwissenschaften 60 Niederlande 23 Niederlassungsbegriff 143 Normenkontrolle 42 - Antrag 48

15 Theme

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Sachverzeichnis

Official English Movement 24 Onlinedienste siehe loi Toubon Ordnungswidrigkeit siehe loi Toubon ordonnance de Villiers-Cotterets 29 ordre public 44, 82 Parlamentarischer Rat 165 Piageme .1. Peeters I 93, 94 f, 98 Piageme .1. Peeters 11 94f. 98 Plurilinguismus 37 Pompidou 30 Portugal 23 Primärrecht 72, 142 Produktaufmachung siehe loi Toubon produktbezogene Regelungen siehe Keckl Mithouard Urteil produktbezogene Verkaufsmodalitäten 121 ff. Produkthaftung 102 Querschnittsaufgabe 125 Rechtschreibreform 24, 152, 174 Rechtssache Sacchi 138 Reichsverfassung von 1871 177 - Analogiekompetenzen 167 - Konsequenzkompetenzen 166 reine Verkaufsmodalitäten 121 ff. resulting powers 167 Sanktionen 61 ff. Schindler Urteil 141 Schranke 106, 136 Schranken-Schranke 81,107,136 Schutzverstärkungsfunktion siehe Werbung Sekundärrecht72,142 Senat 37 Server siehe loi Toubon Sozialstaat 158 Sozialstaatlichkeit 158 f. Sozialstaatsprinzip 159 Spielzeug 84 Sprache 26, 28, 149ff., 153ff., 174,199 - der Republik 153, 155, 174 - Eigenart 156f. - Gebrauch 146, 149 - Gesetz 197 - Grenzen 21

-

grundgesetzliche Stellung 155 f. lahresabschluß 182 Kultur27 kulturstaatlicher Auftrag zur Pflege 157 ff. - Lenkung 151 ff. - normative Anknüpfungspunkte 153 ff. - Pflege 151 - Planung 151 f. - Politik 151ff.. 153.199 - Regelbarkeit 155 ff. - Regelungskompetenz des Bundes 162 ff. - Reinigung 151 ff. - Schutz 37 - Staatsfeme 155 - Verfassungsgut 45 - vorstaatlicher Charakter 156 f. Sprachenartikel 156 Sprachenfrage 21 f., 144f. Sprachenfreiheit 24 Sprachenrecht 24. 28 Sprachenregime 145, 147 siehe auch Europäische Union Sprachgesetzgebung 24, 36 Sprachminderheiten 35 Sprachregelungen 84 - europäische 21 ff. - nationale 23 f. Sprachschutzverbände 41 - Vereine 6lf. - Vereinigungen 56 staatliche Kulturpflege 160 Staatszielbestimmung 160 "starre" Verfassung 163, 166 Subsidiaritätsprinzip siehe Europäische Union Subvention(en) siehe loi Toubon Suchmaschine siehe loi Toubon Tabakerzeugnisse 84. 112 Terminologiekommission 26, 45, 50 Terreur 27 Tribunal de police 56 Umweltschutz 76 ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen 162 ff. siehe auch mitgeschriebene Kompetenzen

Sachverzeichnis Ungleichbehandlung 105 Universalität 27 van Binsbergen-Urteil 136 Verbraucher 86 - Infonnation 198 Verbraucherkreditgesetz 23 Verbraucherleitbild siehe Europäische Union Verbraucherschutz 22, 31, 37, 68, 75, 77, 82, 85, 90, 96, 107f., 110, 123ff., 133, 198 - Verbände 41 Verein Deutsche Sprache e.V. 24 Verein zur Wahrung der deutschen Sprache 150 Verfassungsauftrag 160 Verfassungsgut Sprache siehe Sprache Verfassungsinterpretation 171 ff., 183 Verhältnismäßigkeit 42, 44, 48, 77, 81 f., 123,192f. Verkaufsmodalität(en) siehe Keck/Mithouard Urteil versteckte Diskriminierung 105 Vertragsverletzungsverfahren 69 f. Verwaltungsverfahren 179 f. Vollverfassung 164 vorstaatlicher Charakter der Sprache siehe Sprache Warenverkehr 197 Warenverkehrsfreiheit 22, 71 ff. - Begriff72 - Maßnahme(n) gleicher Wirkung 73 ff., 81, 116, 132 - mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen 73,81

15*

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Warenzeichen 51, 82, 198 Warenzeichenrecht 126ff., 197,198 - europäisches 127 f. - nationales 126f. Wechselwirkungslehre 192 f. "weiche" Verfassung 163 Weimarer Reichsverfassung 177 - Kompetenzen kraft sachlichen Zusammenhangs 166 - natürliche Kompetenzen 167 Werbefreiheit 111 Werbung 31, 32, 39, 41, 53f., ll0ff., 197, 198 - Anzeigen 115 - Begriff 110 f. - Beschränkungen 113 - Euro-Marketing siehe dort - im Fernsehen 140, 142ff., 199 - irreführende 85 - Marktöffnungsfunktion 110 - Mitteilungsfunktion 110 - Plakate 115 - Produkte 115 - Schutzverstärkungsfunktion 110 f. - Sprache 150 - Text 51 Wettbewerbsrecht 86, 118 Wiedererkennungsfunktion siehe Marke Wissenschaft 60 f. Wissenschaftler 60 f. Yves Rocher-Urteil 118 f. Zeitschriften 40 Zuordnungsfunktion siehe Marke zwingende Erfordernisse siehe Cassis de Dijon-Fonnel