Sprache, Dichtung, Musik: Texte zu ihrem gegenseitigen Verständnis von Richard Wagner bis Theodor W. Adorno [Reprint 2017 ed.] 9783111333823, 9783484190245


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German Pages 142 [144] Year 1973

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Oper und Drama (1851) Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft
2.Über Musik und Wort (1871)
3. Werkstattbriefe (1908)
4. Über die Kunst Richard Wagners (1911)
5. Werkstattbriefe* (1916)
6.Vorwort zu »Intermezzo« (1924)
7 . Deutsche Romantik in Dichtung und Musik (1947)
8. Von königlichem Rang: die Oper (1955)
9. Fragment über Mu«ik und Sprache (1956/57)
10. Die musikalische Form in der Literatur* (1964)
11. Vokalität im 20. Jahrhundert (1965)
12. Komposition von Sprache (1969)
Quellennachweise
Autoren - biografische Angaben
Bibliografie
Namenregister
Sachregister
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Sprache, Dichtung, Musik: Texte zu ihrem gegenseitigen Verständnis von Richard Wagner bis Theodor W. Adorno [Reprint 2017 ed.]
 9783111333823, 9783484190245

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Deutsche Texte

Herausgegeben von GOTTHART WUNBERG

25

Sprache, Dichtung, Musik Texte zu ihrem gegenseitigen Verständnis von RICHARD WAGNER bis THEODOR W . ADORNO

Mit einem Vorwort herausgegeben von JAKOB KNAUS

Max Niemeyer Verlag Tübingen

I S B N 3-484-19024-8 ©

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1973 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es audi nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany.

Inhaltsverzeichnis

VORWORT Ι

VII

RICHARD WAGNER

Oper und Drama (1851) Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft 2

1

FRIEDRICH NIETZSCHE

Über Musik und Wort (1871) 3

20

H U G O VON H O F M A N N S T H A L / R I C H A R D STRAUSS

Werkstattbriefe''

(1908)

4

THOMAS M A N N

5

H U G O VON HOFMANNSTHAL / R I C H A R D STRAUSS

32

Über die Kunst Richard Wagners ( 1 9 1 1 ) Werkstattbriefe* 6

35

(1916)

37

RICHARD STRAUSS

Vorwort zu > Intermezzo < (1924) 7

40

EMIL STAIGER

Deutsche Romantik in Dichtung und Musik (1947) 8

WERNER

47

EGK

Von königlichem Rang: die Oper (1955) 9

64

THEODOR W . ADORNO

Fragment über Mu«ik und Sprache (1956/57) 10

71

HORST PETRI

Die musikalische Form in der Literatur* (1964) Die Sonate Das Leitmotiv N

HERBERT EIMERT

12

DIETER SCHNEBEL

76 76 81

Vokalität im 20. Jahrhundert (1965) Komposition von Sprache (1969)

86 107

* Kursiv-Titel stammen vom Herausgeber.

V

QUELLENNACHWEISE

1X6

AUTOREN -

118

BIOGRAFISCHE ANGABEN

BIBLIOGRAFIE

120

NAMENREGISTER

123

SACHREGISTER

126

VI

Vorwort

Die Beziehungen zwischen der Literatur und der Musik - oder allgemeiner von Wort und Ton - treten immer deutlicher zutage. Sie werden auf dem Wege einer gegenseitigen Angleichung immer enger: Ein metrisiertes mehrstimmiges Sprechgebilde verwendet Konstruktionselemente aus dem Bereich der Musik, so wie die verbalisierte Musik mit Elementen der Sprache operiert. Deshalb wurde versucht, in einer Auswahl von Texten aus dem deutschen Sprachraum diese Entwicklung nachprüfbar zu machen. Text-Vertonung, Deklamation und Text-Verständlichkeit werden als praktische Probleme im Vordergrund stehen (Texte 1, 3, 5, 6, 11). Fragen des Stils, der Ausdrucksfähigkeit und der formalen Möglichkeiten behandeln die Texte 2, 4, 7, 8, 9 , 1 0 , 1 2 . A l l diese Probleme sind vorerst einmal jene des Komponisten, da in der Regel er einen bestehenden Text vertonen will. Die Fälle, in denen ein Dichter Musik «vertexten» mußte, sind so selten, daß ihm von hier aus kein Problem erwuchs. Sein Widerstand gegen eine Vertonung wurde vielmehr unter dem Eindruck genährt, dem Wort werde durch den Komponisten Gewalt angetan, es werde unterdrückt. Deshalb galt ein Libretto zu schreiben in Dichterkreisen lange Zeit - bis hin zu Hugo von Hofmannsthal und darüber hinaus - als Selbstaufgabe, als ein Opfer. D a ß diese Beziehungen zwischen Literatur und Musik die Dichter und Musiker mehr beschäftigt haben als jedes andere kunsttheoretische Thema, bezeugen zwei Kunstwerke, die diese Problematik zum Inhalt haben: Giovanni Battista Casti's Komödie (von Antonio Salieri vertont) und das von dieser Komödie ausgehende Konversationsstück für Musik< mit dem Haupttitel >Capriccio< von Richard Strauss. Und daß dies mit Mitteln geschah und geschehen mußte, die jederzeit die Problematik auf der Bühne direkt präsent hielten, vergrößerte den Reiz der Beschäftigung damit. Wenn Strauss im Vorfeld zu diesem >Capriccio< in einem Brief an Joseph Gregor vier Möglichkeiten erwähnt, wie dem Problem

VII

begegnet wurde, trifft er damit allerdings nur die Situation im 18. und 19. Jahrhundert: »Was mir vorschwebte: eine geistreiche dramatische Paraphrase des Themas: Erst die Worte, dann die Musik (Wagner) oder erst die Musik, dann die Worte (Verdi) oder nur Worte, keine Musik (Göthe) oder nur Musik, keine Worte (Mozart) um nur einige Schlagworte hinzusetzen! Dazwischen gibt es natürlich viele Zwischentöne und Spielarten! Diese in verschiedenen heiteren Figuren dargestellt, die sich überschneiden und in heitere Lustspielfiguren projiciert, das schwebte mir vor! Ζ. B. ein vollendetes Göthesches Gedicht braucht keine Musik, gerade bei Göthe schwächt die Musik und verflacht das Wort. Ein Mozartsches Streichquintett sagt alles Tiefe gefühlsmäßig schöner als jedes Wort. Aber ζ. B. das Liebesduett im II. Akt Tristan: der Anfang: »o sink hernieder Nacht der Liebe« bräuchte keine Worte, hier sagt die Musik alles, was auszudrücken ist, ebenso das H-dur-Finale! Erst von: »Lausch, Geliebter« tritt das Wort naturnotwendig ein und vertieft - aber ohne Wort wäre die ganze Mittelpartie der Liebesscene unverständlich. Bin ich deutlich? In der italienischen Oper halten Primadonna und Tenor das Wort für unnötig, wenn nur die Cantilene schön vorgetragen wird und die Töne selbst das Ohr bezaubern! Wenn nun auch die Arie in der Oper sehr wichtig und beinahe das Entscheidende ist. In einer halbwegs sinnvollen Oper - wenn man streckenweise vom Sänger keinen Text versteht: ist auch unmöglich. 3 Stunden lang nur Töne - unerträglich! Conflikt zwischen Darsteller und Dichter! Erst der Regisseur - dann der Kapellmeister! Erst der Kapellmeister - dann der Regisseur ist ebenso ein Thema, wie erst der Dichter, dann der Componist. Viele Lieder verdanken ihre Entstehung dem Umstand, daß der Componist zu einem schönen melodischen Einfall und einer poetischen musikalischen Stimmung ein Gedicht sucht: Brahmssche Lieder! Findet er kein Gedicht, wird's ein Lied ohne Worte (Mendelssohn). Oder das moderne Lied: der Vers gebiert erst die Gesangsmelodie nicht wie sehr oft sogar bei Schubert, daß die Melodie über den Vers gegossen wird, ohne dem Tonfall des Gedichtes ganz gerecht zu werden! VIII

D i e R e p r ä s e n t a n t e n allein dieses T h e m a s sind mindestens 8 bis 1 0 D a r s t e l l e r u n d S ä n g e r ! D i e s e in einer hübschen g r a z i ö s e n H a n d l u n g v e r a r b e i t e t - eine A u f g a b e w ü r d i g eines B e a u m a r c h a i s , Scribe u n d H o f m a n n s t h a l ! . . .«' D a m i t ist sehr Vieles u n d T r e f f l i ches über die P r o b l e m a t i k im 1 8 . u n d 1 9 . J a h r h u n d e r t ausgesagt, im 20. J a h r h u n d e r t aber k o m p l i z i e r t sich die S i t u a t i o n zusehends: D i e Singstimme, die bis z u den R o m a n t i k e r n n o c h v o n den Instrum e n t e n gestützt w o r d e n w a r , trennt sich nun bei R i c h a r d W a g n e r a b : die S i n g s t i m m e v e r s e l b s t ä n d i g t sich i m m e r mehr. Sie w i r d n a c h u n d nach z u m S p r e c h g e s a n g u n d bis z u r b l o ß e n r h y t h m i s c h e n D e k l a m a t i o n r e d u z i e r t . M a n k ö n n t e hier e i n w e n d e n , d a ß dieses A b r ü c k e n v o m eigentlichen G e s a n g einen R ü c k s c h r i t t b e d e u t e t , da n a c h l a n d l ä u f i g e r A n s i c h t M u s i k mehr leistet u n d eine A r i e die G e f ü h l e u n m i t t e l b a r e r a u s z u d r ü c k e n v e r m a g als Gesprochenes. D i e s e A u f f a s s u n g aber hat sich nur d a n k einer 1 5 0 j ä h r i g e n T r a d i t i o n etablieren k ö n n e n , die sich an den v o m O r c h e s t e r begleiteten oder z u m i n d e s t gestützten G e s a n g g e w ö h n t hatte. W i e sich die L i nien nun trennen, entstehen z w e i A u s d r u c k s e b e n e n : D i e S i n g - u n d die I n s t r u m e n t a l s t i m m e . D i e A u f s p l i t t e r u n g der I n s t r u m e n t a l stimme in T e i l t o n a l i t ä t e n u n d O r c h e s t e r g r u p p e n e r g a b w e i t e r e A u s d r u c k s e b e n e n , die sich um so selbständiger g e b ä r d e n k o n n t e n , als die T o n a l i t ä t a u f g e l ö s t w u r d e . D e r scheinbaren R e d u k t i o n der A u s d r u c k s m ö g l i c h k e i t e n f ü r die S i n g s t i m m e entspricht eine V e r v i e l f a c h u n g der A u s d r u c k s e b e n e n . D a s M u s i k h ö r e n ist im 20. J a h r h u n d e r t , nicht z u l e t z t aus diesen G r ü n d e n , sehr viel k o m p l i z i e r t e r geworden. I m v o r l i e g e n d e n B a n d h a n d e l t v o r allem das f i k t i v e D r e i e r - G e spräch v o n H e r b e r t E i m e r t d a v o n ( T e x t 1 1 ) . D i e A u s w a h l der T e x t e b e s c h r ä n k t sich - w a s deren E n t s t e h u n g s j a h r b e t r i f f t - auf die Z e i t v o n 1 8 5 0 bis heute. Es w ä r e ein Leichtes g e w e s e n , a u c h aus d e r Z e i t v o r h e r eine R e i h e v o n Ä u ß e r u n g e n a u f z u n e h m e n : v o n H e r d e r , G o e t h e , Schiller, W a c k e n r o d e r , Jean P a u l u n d Ε. Τ . A . H o f f m a n n , um nur einige z u nennen. Erst aber mit R i c h a r d W a g ner g e l a n g t die P r o b l e m a t i k der W o r t - T o n - B e z i e h u n g in den M i t t e l p u n k t ( T e x t 1 ) . W a g n e r s F o r d e r u n g an den v o l l k o m m e n künstlerischen M e n s c h e n , beides z u sein: M u s i k e r u n d D i c h t e r , setzt die 1

Brief vom 12. 5.1939 in: Richard Strauss und Joseph Gregor, Briefwechsel, im Auftrag der Wiener Philharmoniker herausgegeben von Roland Tensdiert. Salzburg 1955. S. 181/2.

IX

Gleichberechtigung beider Künste voraus. Dies widerlegt das Schlagwort von Strauss nicht, denn »erst die Worte, dann die Musik (Wagner)« ist dort nur zeitlich zu verstehen. Die Melodie ist für Wagner die »äußerste, vom Dichter notwendig zu ersteigende Höhe des Gefühlsausdrucks der Wortsprache«. Daß diese Gleichberechtigung gerade aus der Romantik heraus möglich wurde, macht der Text von Emil Staiger deutlich (Text 7). Wenn auch der romantische Hang zur Synästhesie der Künste für die Text-Ton-Beziehung nicht unmittelbar wirksam wurde, so ist doch schon der Kristallisationspunkt für die nachfolgende Vereinigung darin enthalten. Was dann Wagner am Beispiel stabgereimter Verse über den Vertonungsvorgang sagt, wird von Strauss viel anschaulicher in einem Brief an Hugo von Hofmannsthal erklärt (Text 5). Deshalb sind je zwei Briefe aus dem ergiebigsten aller Briefwechsel eines Komponisten mit einem Dichter ausgewählt worden (Texte 3 und 5). Aber nicht nur die Anforderungen an das Wortelement, sondern auch an das Libretto selbst kommen zur Sprache. 2 Daß sich sowohl Richard Wagner als auch Friedrich Nietzsche über die 9. Sinfonie von Beethoven äußerten (Texte 1 und 2), liegt in der Faszination begründet, die noch immer von ihr ausging. Wenn aber Wagner im Finalsatz seine Vorstellung von der Melodie erfüllt sah und diese Erfüllung sogleich erotisch zu deuten wußte - »diese Melodie war der Liebesgruß des Weibes an den Mann« - , so fühlte Nietzsche zwischen den Worten Schillers und der Musik von Beethoven eine »Incongruenz«, gegen die sich das Gefühl nur nicht auflehnt, »weil wir, durch die Musik für Bild und Wort völlig depotenzirt, bereits gar nichts von dem Gedichte Schiller's hören«. Das ganz praktische Problem der Textverständlichkeit wird hier lediglich angetönt, zur vollen Geltung kommt es dann im Vorwort von Richard Strauss zur Oper >Intermezzo< (Text 6). Viel bedeutsamer aber sind Nietzsches Bemerkungen zur Sprachmelodie. Dieser Begriff taucht bei ihm allerdings noch nicht auf; 2

Was Hofmannsthal dort unter »gebrochenen Linien« versteht, wird sofort klar, wenn man zum Beispiel den Dialog Elektra-Klytämnestra des Schauspieltextes mit der entsprechenden Passage im Operntext vergleicht. Genauere Übersicht in: Jakob Knaus, Hofmannsthals Weg zur Oper >Die Frau ohne SdiattenLiterarni svJStSatz< des Gebildes (im symphonischen Sinne) thematisch autark sein« (Doderer). 5 Ihm ermöglicht sie, den Inhalt der dynamischen Form zu unterstellen. D i e Strenge der musikalischen Formgesetze, auf die Sprache a n g e w a n d t , m u ß z u einer neuen sprachlichen Disziplin führen, die der Wiederholung speziell der variierten Wiederholung - eine b e v o r z u g t e Stellung einräumt. 4 5

In: Heimito von Doderer, Manuskriptband Divertimenti. S. 154. In: Merkur. 19. Jahrgang, 1965. S. 205. Begleitbrief zum kurzen, »dreisätzigen« Prosagebilde > Sonatine < an die Herausgeber der Zeitschrift.

XII

Nicht einmal die Formstrenge einer Fuge hat davon abgehalten, sie für die Dichtung zu verwenden: Paul Celan mit seiner Todesfuge. Er hat sie nicht als Text für vier Stimmen gestaltet, sondern eigentlich nur ihre statische Form mit verschobenem Themeneinsatz verwendet. Über die merk-würdige oder frag-würdige Form der Oper äußert sich der Opernkomponist Werner Egk (Text 8). Stein des Anstoßes ist ja meist der Opern-Text und die Künstlichkeit der Verarbeitung. Allerdings hat meistens nur der einseitig literarisch Orientierte Schwierigkeiten, sich an die Form der »vertonten Literatur« zu gewöhnen, weil ihm sehr o f t die Formgesetze unbekannt und die Einsicht in die Gestaltungsmöglichkeiten der Oper verschlossen bleiben. A m ehesten gelingt ihm noch der Zugang über illustrative Effekte. Diese lenken aber immer wieder von den eigentlich musikalischen Elementen ab, denn das, was den sogenannten Inhalt der Musik ausmacht, umfaßt mehr als nur das vordergründig Dargestellte und das aus dem Text in Musik überführte Geschehen. Auch die Erwartung, Musik meine etwas und über das Gemeinte könne sprachähnlich verfügt werden, verdunkelt mehr, als daß es erhellt. Die Erleuchtung bleibt auf Dinge beschränkt, die auch ohne Musik schon erkennbar wären. Musik ist zwar sprachähnlich, wer aber »Musik wörtlich als Sprache nimmt, den führt sie in die Irre« (Adorno, Text 9). Nicht ohne Grund hat sich dieser Unterschied auch im Sprachgebrauch eingenistet: »Sprache interpretieren heißt: Sprache verstehen; Musik interpretieren: Musik machen«. D a das Verstehen aber unabdingbare Voraussetzung für das Musik machen ist und Musik nicht anders vermittelt werden kann, gehört die Interpretation zur Musik selber, während Sprache auch ohne Interpretation existieren kann. Unterschiede zwischen sprachlicher und musikalischer Gestaltung werden auf diesem Wege aufgedeckt. Die Sprachähnlichkeit von Musik darf nicht darüber hinweg täuschen, daß ihr die Begrifflichkeit weitgehend fehlt. Die Sprache aber muß immer im zeitlichen Nacheinander ihren Beziehungsreichtum beweisen (das experimentelle Hörspiel versucht, sich dieser Bedingung zu entziehen), während die Musik gleichzeitig, zumindest durch Harmonie, Klangfarbe und Klangspannung zweier oder mehrerer Instrumentalfarben oder -gruppen, die Bezüge herstellen kann. Die Ausdrucksebene der Sing- oder Sprechstimme kommt hinzu.

XIII

Haben sich die Texte von Horst Petri mit der Grobstruktur von musikalisch geformten Dichtungen beschäftigt, so versucht der Aufsatz von Dieter Schnebel, in der Feinstruktur musikalische Gestaltungsmittel aufzuspüren. Es ist naheliegend, bei Theodor W. Adorno anzusetzen. Dessen Buchtitel wie Quasi una fantasia, Noten zur Literatur, Moments musicaux, Impromptus usw. spielen auf musikalische Formen an und lassen, da er selbst auch Komponist war, musikalische Gestaltungsprinzipien vermuten (Text 12). Die neuesten Möglichkeiten mit dem Ziel, zwischen Semantik und Phonetik eine Einheit herzustellen oder unter Einbezug des einzelnen Lauts und des Geräuschs - seien sie nun von der Sprache selbst abgeleitet oder von direkteren Ausdrucksformen wie Lachen, Schreien, Flüstern oder Klatschen usw. - zu metrisierten Sprech- oder einfach Lautgebilden zu kommen, solche Ausformungen der neuesten Entwicklung behandelt Herbert Eimert (Text 1 1 ) . Er zeigt, welch entscheidende Bedeutung Arnold Schönbergs Pierrot lunaire ( 1 9 1 2 komponiert) zukommt und wie viel grundsätzlicher in der Folge der Umgang mit Sprache im Bereiche der Musik — aber auch umgekehrt — gepflegt wurde. Der »Anfang neuer Stufungen des Horchens«, den Alfred Kerr im Pierrot gehört hatte, zog eine reiche Fülle nach sich, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben. Sie ist so reichhaltig, daß nur ein eigens diesem Zeitabschnitt gewidmeter Band eine Orientierung vermitteln könnte. Die Texte sind mit wenigen Ausnahmen vollständig wiedergegeben. Auslassungen des Herausgebers werden durch eckige Klammern gekennzeichnet, Hervorhebungen im Originaltext einheitlich kursiv gedruckt. Bern, Herbst 1972 Jakob Knaus

XIV

RICHARD

WAGNER

Oper und Drama (1851)

Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft III. Der charakteristische Unterschied zwischen Wort- und Tondichter besteht darin, daß der Wortdichter unendlich zerstreute, nur dem Verstände wahrnehmbare Handlungs-, Empfindungs- und Ausdrucksmomente auf einem, dem Gefühle möglichst erkennbaren Punkt zusammendrängte; wogegen nun der Tondichter den zusammengedrängten dichten Punkt nach seinen vollen Gefühlsinhalte zur höchsten Fülle auszudehnen hat. Das Verfahren des dichtenden Verstandes ging im Drange nach Mitteilung an das Gefühl dahin, aus den weitesten Fernen sich zu dichtester Wahrnehmbarkeit durch das sinnliche Empfängnisvermögen zu sammeln; von hier aus, vom Punkte der unmittelbaren Berührung mit dem sinnlichen Empfängnisvermögen, hat sich das Gedicht ganz so auszubreiten, wie das empfangende sinnliche Organ, das zur Wahrnehmung des Gedichtes sich ebenfalls auf einen dichten, nach außen gewandten Punkt zusammen drängte, unmittelbar durch die Empfängnis sich in weitere und immer weitere Kreise, bis zur Erregung alles innerlichen Empfindungsvermögens, ausbreitet. Das Verkehrte in dem notgedrungenen Verfahren des einsamen Dichters und des einsamen Musikers lag bisher eben darin, daß der Dichter, um dem Gefühle sich faßlich mitzuteilen, sich in jene vage Breite ausdehnte, in der er zum Schilderer tausender von Einzelheiten wurde, die eine bestimmte Gestalt der Phantasie so kenntlich wie möglich vorführen sollten: die von vielfach bunten Einzelheiten bedrängte Phantasie konnte sich des vorgeführten Gegenstandes endlich immer wieder nur dadurch bemächtigen, daß sie diese verwirrenden Einzelheiten genau zu fassen suchte, und hierdurch in die Wirksamkeit des reinen Verstandes sich verlor, an den der Dichter sich einzig nur wieder wenden konnte, wenn er von der massenhaften Breite seiner Schilderungen betäubt sich schließlich nach einem ihm vertrauten Anhaltspunkte umsah. Der absolute Musiker sah sich dagegen bei seinen Gestalten gedrängt, ein unendlich weites Gefühlselement zu be1

stimmten, dem Verstände möglichst wahrnehmbaren Punkten zusammenzudrängen; er mußte hierzu der Fülle seines Elementes immer mehr entsagen, das Gefühl zu einem - an sich aber unmöglichen - Gedanken zu verdichten sich mühen, und endlich diese Verdichtung nur durch vollständige Entkleidung von allem Gefühlsausdrucke als eine gedachte, einem beliebigen äußeren Gegenstande nachgeahmte Erscheinung, der willkürlichen Phantasie empfehlen. - Die Musik glich so dem lieben Gotte unserer Legenden, der vom Himmel auf die Erde herabstieg, um sich dort aber ersichtlich zu machen, Gestalt und Gewand gemeiner Alltagsmenschen annehmen mußte: keiner merkte in dem o f t zerlumpten Bettler mehr den lieben Gott. Der wahre Dichter soll nun aber kommen, der mit dem hellsehenden Auge der höchsten erlösungsbedürftigen Dichternot in dem schmutzigen Bettler den erlösenden Gott erkennt, Krücken und Lumpen von ihm nimmt, und auf dem H a u c h e seines sehnsüchtigen Verlangens mit ihm sich in die unendlichen Räume aufschwingt, in die der befreite Gott mit seinem Atem unendliche Wonnen des seligsten Gefühles auszugießen weiß. So wollen wir die kärgliche Sprache des Alltagslebens, in welchem wir noch nicht das sind, was wir sein können, und deshalb auch noch nicht kundgeben, was wir kundgeben können, hinter uns werfen, um im Kunstwerke eine Sprache zu reden, in der wir einzig das auszusprechen vermögen, was wir kundgeben müssen, wenn wir ganz das sind, was wir sein können. Der Tondichter hat nun die Töne des Verses nach ihrem verwandtschaftlichen Ausdrucksvermögen so zu bestimmen, daß sie nicht nur den Gefühlsinhalt dieses oder jenes Vokales, als besonderen Vokales, kundgeben, sondern diesen Inhalt zugleich als einen allen Tönen des Verses verwandten, und diesen verwandten Inhalt als ein besonderes Glied der Urverwandtschaft aller Töne dem Gefühle darstellen. Dem Wortdichter war die Aufdeckung einer dem Gefühle und durch dieses dem Verstände endlich selbst einleuchtenden Verwandtschaft der von ihm hervorgehobenen Akzente nur durch den konsonierenden Stabreim der Sprachwurzeln möglich; was diese Verwandtschaft bestimmte, war aber gerade nur die Besonderheit des gleichen Konsonanten; kein anderer Konsonant konnte sich mit diesem reimen, und die Verwandtschaft war daher nur auf eine besondere Familie beschränkt, die gerade nur dadurch dem Ge2

fühle kenntlich war, daß sie als eine durchaus getrennte Familie sich kundgab. Der Tondichter dagegen hat über einen verwandtschaftlichen Zusammenhang zu verfügen, der bis in das Unendliche reicht; und mußte sich der Wortdichter damit begnügen, durch die volle Gleichheit ihrer anlautenden Konsonanten gerade nur die besonders hervorgehobenen Wurzelwörter seiner Phrase dem Gefühle als sinnlich wie sinnig verwandt vorzuführen, so hat der Musiker dagegen die Verwandtschaft seiner Töne zunächst in der Ausdehnung darzustellen, daß er sie von den Akzenten aus über alle, auch unbetonteren Vokale der Phrase ausgießt, so daß nicht die Vokale der Akzente allein, sondern alle Vokale überhaupt als unter sich verwandt dem Gefühle sich darstellen. Wie die Akzente in der Phrase ihr besonderes Licht nicht nur zuerst durch den Sinn, sondern in ihrer sinnlichen Kundgebung durch die in der Senkung befindlichen, unbetonteren Wörter und Silben erhalten, so haben auch die Haupttöne ihr besonderes Licht von den Nebentönen zu gewinnen, welche zu ihnen sich ganz so zu verhalten haben, wie die Auf- und Abtakte zu den Hebungen. Die Wahl und Bedeutung jener Nebenwörter und -Silben, sowie ihre Beziehung zu den akzentuierten Wörtern ward zunächst von dem Verstandesinhalte der Phrase bestimmt; nur in dem Grade, als dieser Verstandesinhalt durch Verdichtung umfangreicher Momente zu einem gedrängten, dem Gehörsinne auffallend wahrnehmbaren Ausdrucke gesteigert wurde, verwandelte er sich in einen Gefühlsinhalt. Die Wahl und Bedeutung der Nebentöne, sowie ihre Beziehung zu den Haupttönen ist nun vom Verstandesinhalte der Phrase insofern nicht mehr abhängig, als dieser im rhythmischen Verse und im Stabreime bereits zu einem Gefühlsinhalte sich verdichtet hat, und die volle Verwirklichung dieses Gefühlsinhaltes durch seine unmittelbarste Mitteilung an die Sinne von da an einzig nur noch bewerkstelligt werden soll, wo durch die Auflösung des Vokales in den Gesangston die reine Sprache des Gefühles als die einzig noch vermögende anerkannt worden ist. Von dem musikalischen Ertönen des Vokales in der Wortsprache an ist das Gefühl zum bestimmten Anordner aller weiteren Kundgebung an die Sinne erhoben worden, und das musikalische Gefühl bestimmt nun allein noch die Wahl und Bedeutung der Neben- wie Haupttöne, und zwar nach der Natur der Tonverwandtschaft, deren besonderes Glied durch den notwendigen Gefühlsausdruck der Phrase zur Wahl entschieden wird. 3

Die Verwandtschaft der Töne ist aber die musikalische Harmonie, die wir hier zunächst nach ihrer Ausdehnung in der Fläche aufzufassen haben, in welcher sich die Gliedfamilien der weitverzweigten Verwandtschaft der Tonarten darstellen. Behalten wir jetzt die hier gemeinte horizontale Ausdehnung der Harmonie im Auge, so behalten wir uns ausdrücklich die allbestimmende Eigenschaft der Harmonie in ihrer vertikalen Ausdehnung zu ihrem U r gründe f ü r den entscheidenden Moment unserer Darstellung vor. Jene horizontale Ausdehnung als Oberfläche der Harmonie ist aber die Physiognomie derselben, die dem Auge des Dichters noch erkennbar ist; sie ist der Wasserspiegel, der dem Dichter noch sein eigenes Bild zurückspiegelt, wie er dies Bild zugleich auch dem beschauenden Auge desjenigen, an den der Dichter sich mitteilen wollte, zuführt. Dieses Bild aber ist in Wahrheit die verwirklichte Absicht des Dichters, - eine Verwirklichung, die dem Musiker wiederum nur möglich ist, wenn er aus der Tiefe des Meeres der Harmonie zu dessen Oberfläche auftaucht, auf der eben die entzückende Vermählung des zeugenden dichterischen Gedankens mit dem unendlichen Gebärungsvermögen der Musik gefeiert wird. Jenes wogende Spiegelbild ist die Melodie. In ihr wird der dichterische Gedanke zum unwillkürlich ergreifenden Gefühlsmomente, wie das musikalische Gefühlsvermögen in ihr die Fähigkeit gewinnt, sich bestimmt und überzeugend, als scharf begrenzte, zu plastischer Individualität gestaltete, menschliche Erscheinung kundzugeben. Die Melodie ist die Erlösung des unendlich bedingten dichterischen Gedankens zum tiefempfundenen Bewußtsein höchster Gefühlsfreiheit: sie ist das gewollte und dargetane U n willkürliche, das bewußte und deutlich verkündete Unbewußte, die gerechtfertigte Notwendigkeit eines aus weitester Verzweigung zur bestimmtesten Gefühlsäußerung verdichteten, unendlich umfangreichen Inhaltes. Halten wir nun diese, auf der horizontalen Oberfläche der H a r monie als Spiegelbild des dichterischen Gedankens erscheinende, und der Urverwandtschaft der Töne durch Aufnahme in eine Familie dieser Verwandtschaft - die Tonart - eingereihte Melodie gegen jene mütterliche Urmelodie, aus der einst die Wortsprache geboren wurde, so zeigt sich uns folgender überaus wichtige, und hier mit Bestimmtheit ins Auge zu fassende Unterschied. Aus einem unendlich verfließenden Gefühlsvermögen drängten 4

sich zuerst menschliche Empfindungen zu einem allmählich immer bestimmteren Inhalte zusammen, um sich in jener Urmelodie der Art zu äußern, daß der naturnotwendige Fortschritt in ihr sich endlich bis zur Ausbildung der reinen Wortsprache steigerte. Das Bezeichnendste der ältesten Lyrik ist das, daß in ihr die Worte und der Vers aus dem Tone und der Melodie hervorgingen, wie sich die Leibesgebärde aus der allgemein hindeutenden und nur in öfterster Wiederholung verständlichen Tanzbewegungen zur gemesseneren, bestimmteren mimischen Gebärde verkürzte. J e mehr sich in der Entwicklung des menschlichen Geschlechtes das unwillkürliche Gefühlsvermögen zum willkürlichen Verstandesvermögen verdichtete; je mehr demnach auch der Inhalt der Lyrik aus einem Gefühlsinhalte zu einem Verstandesinhalte ward, - desto erkennbarer entfernte sich auch das Wortgedicht von seinem ursprünglichen Zusammenhange mit jener Urmelodie, deren es sich gewissermaßen für seinen Vortrag nur noch bediente, um einen kälteren didaktischen Inhalt dem altgewohnten Gefühle so schmackhaft wie möglich zuzuführen. Die Melodie selbst, wie sie einst dem Urempfindungsvermögen der Menschen als notwendiger Gefühlsausdruck entblüht war und in dem ihr entsprechenden Vereine mit Wort und Gebärde sich zu der Fülle entwickelt hatte, die wir noch heute in der echten Volksmelodie wahrnehmen, vermochten jene reflektierenden Verstandesdichter nicht zu modeln und dem Inhalte ihrer Ausdrucksweise entsprechend zu variieren; noch weniger aber war es ihnen möglich, aus dieser Ausdrucksweise selbst zur Bildung neuer Melodien sich anzulassen, weil eben der Fortschritt der allgemeinen Entdeckung in dieser großen Bildungsperiode ein Fortschreiten aus dem Gefühle zum Verstände war, und der wachsende Verstand in seinem Experimentieren sich nur gehindert fühlen konnte, wenn er zur Erfindung neuer Gefühlsausdrücke, die ihm fern lagen, irgendwie gedrängt worden wäre. So lange die lyrische Form eine von der Öffentlichkeit erkannte und geforderte blieb, variierten daher die Dichter, die dem Inhalte ihrer Dichtungen nach zum Erfinden von Melodien unfähig geworden waren, vielmehr das Gedicht, nicht aber die Melodie, die sie unverrückt stehen ließen, und der zu lieb sie nur dem Ausdrucke ihrer dichterischen Gedanken eine äußerliche Form verliehen, welche sie als Textvariation der unveränderten Melodie unterlegten. Die so überreiche Form der auf uns gekommenen griechischen 5

Sprachlyrik, und namentlich auch die Chorgesänge der Tragiker, können wir uns als aus dem Inhalte dieser Dichtungen notwendig bedingt gar nicht erklären. Der meist didaktische und philosophische Inhalt dieser Gesänge steht gemeinhin in einem so lebhaften Widerspruche mit dem sinnlichen Ausdrucke in der überreich wechselnden Rhythmik der Verse, daß wir diese so mannigfaltige sinnliche Kundgebung nicht als aus dem Inhalte der dichterischen Absicht an sich hervorgegangen, sondern als aus der Melodie bedingt, und ihren unwandelbaren Anforderungen mit Gehorsam zurechtgelegt, begreifen können. - Noch heute kennen wir die echtesten Volksmelodien nur mit späteren Texten, die zu ihnen, den einmal bestehenden und beliebten Melodien, auf diese oder jene äußere Veranlassung hin nachgedichtet worden sind, und - wenn auch auf einer bei weitem niedrigeren Stufe - verfahren noch heute, zumal französische Vaudevilledichter, indem sie ihre Verse zu bekannten Melodien dichten und diese Melodien kurzweg dem Darsteller bezeichnen, nicht unähnlich den griechischen Lyrikern und Tragödiendichtern, die jedenfalls zu fertigen, der ältesten Lyrik ureigenen und im Munde des Volkes - namentlich bei heiligen Gebräuchen - fortlebenden Melodien die Verse dichteten, deren wunderbar reiche Rhythmik uns jetzt, da wir jene Melodien nicht mehr kennen, in Erstaunen setzt. Die eigentliche Darlegung der Absicht des griechischen Tragödiendichters enthüllt aber, nach Inhalt und Form, der ganze Verlauf ihrer Dramen, der sich unstreitbar aus dem Schöße der Lyrik zur Verstandesreflexion hin bewegt, wie der Gesang des Chores in die nur noch gesprochene jambische Rede der Handelnden ausmündet. Was diese Dramen in ihrer Wirkung uns aber noch als so ergreifend hinstellt, das ist eben das in ihnen beibehaltene, und in den Hauptmomenten stärker wiederkehrende lyrische Element, in dessen Verwendung der Dichter mit vollem Bewußtsein verfuhr, gerade wie der Didaktiker, der seine Lehrgedichte der Jugend in den Schulen im gefühlbestimmenden lyrischen Gesänge vorführte. Nur zeigt uns ein tieferer Blick, daß der tragische Dichter seiner Absicht nach minder unverhohlen und redlich war, wenn er sie in das lyrische Gewand einkleidete, als da, wo er sie unumwunden nur noch in der gesprochenen Rede ausdrückte, und in dieser didaktischen Rechtschaffenheit, aber künstlerischen Unredlichkeit, liegt der schnelle Verfall der griechischen Tragödie begründet, der das Volk bald anmerkte, daß sie nicht sein Gefühl 6

unwillkürlich, sondern seinen Verstand willkürlich bestimmen wollte. Euripides hatte unter der Geißel des aristophanischen Spottes blutig für diese plump von ihm aufgedeckte Lüge zu büßen. Daß die immer didaktisch absichtlichere Dichtkunst zur staatspraktischen Rhetorik, und endlich gar zur Literaturprosa werden mußte, war die äußerste, aber ganz natürliche Konsequenz der Entwicklung des Verstandes aus dran Gefühle, und - für den künstlerischen Ausdruck - der Wortsprache aus der Melodie. Die Melodie, deren Gebärung wir jetzt lauschen, verhält sich aber zu jener mütterlichen Urmelodie als ein vollkommener Gegensatz, den wir nun, nach den vorangegangenen umständlicheren Betrachtungen, als ein Fortschreiten aus dem Verstände zum Gefühl, aus der Wortphrase zur Melodie, gegenüber dem Fortschreiten aus dem Gefühle zum Verstände, aus der Melodie zur Wortphrase, kurz zu bezeichnen haben. Auf dem Wege des Fortschreitens von der Wortsprache zur Tonsprache gelangten wir bis auf die horizontale Oberfläche der Harmonie, auf der sich die Wortphrase des Dichters als musikalische Melodie abspiegelte. Wie wir nun von dieser Oberfläche aus uns des ganzen Gehaltes der unermeßlichen Tiefe der Harmonie, dieses urverwandtschaftlichen Schoßes aller Töne,· zur immer ausgedehnteren Verwirklichung der dichterischen Absicht bemächtigen, und so die dichterische Absicht als zeugendes Moment in die volle Tiefe jenes Urmutterelementes in der Weise versenken wollen, daß wir jedes Atom dieses ungeheuren Gefühlschaos zu bewußter, individueller Kundgebung in einem dennoch nie sich verengenden, sondern stets sich erweiternden Umfange bestimmen; der künstlerische Fortschritt also, der sich in der Ausbreitung einer bestimmten, bewußten Absicht in ein unendliches, und bei aller Unermeßlichkeit dennoch wiederum genau und bestimmt sich kundgebendes Gefühlsvermögen heraustellt, - soll nun der Gegenstand unsrer weiteren schließlichen Darstellungen sein. Bestimmen wir zunächst aber noch Eines, um unsren heutigen Erfahrungen gegenüber uns verständlich zu machen. Wenn wir die Melodie, wie wir sie bis jetzt nur bezeichneten, als äußerste, vom Dichter notwendig zu ersteigende Höhe des Gefühlsausdruckes der Wortsprache faßten, und auf dieser Höhe den Wortvers bereits auf der Oberfläche der musikalischen Harmonie wiedergespiegelt erblickten, so erkennen wir bei näherer Prüfung zu unsrer Überraschung, daß diese Melodie der Erscheinung nach 7

vollkommen dieselbe ist, die aus der unermeßlichen Tiefe der Beethovenschen Musik an deren Oberfläche sich heraufdrängte, um in der »neunten Symphonie« das helle Sonnenlicht des Tages zu grüßen. Die Erscheinung dieser Melodie auf der Oberfläche des harmonischen Meeres ermöglichte sich, wie wir sahen, nur aus dem Drange des Musikers, dem Dichter Aug' in Auge zu sehen; nur der Wortvers des Dichters war vermögend, sie auf jener Oberfläche festzuhalten, auf der sie sonst sich nur als flüchtige Erscheinung kundgegeben hätte, um ohne diesen Anhalt schnell wieder in die Tiefe des Meeres unterzusinken. Diese Melodie war der Liebesgruß des Weibes an den Mann; das umfassende »ewig Weibliche« bewährte sich hier liebevoller als das egoistische Männliche, denn es ist die Liebe selbst, und nur als höchstes Liebesverlangen ist das Weibliche zu fassen, offenbare es sich nun im Manne oder im Weibe. Der geliebte Mann wich bei jener wundervollen Begegnung dem Weibe noch aus: was f ü r dieses Weib der höchste, opferduftigste Genuß eines ganzen Lebens war, war f ü r den Mann nur ein flüchtiger Liebesrausch. Erst der Dichter, dessen Absicht wir uns hier darstellten, fühlt sich zur herzinnigsten Vermählung mit dem »ewig Weiblichen« der Tonkunst so unwiderstehlich stark gedrängt, daß er in dieser Vermählung zugleich seine Erlösung feiert. Durch den erlösenden Liebeskuß jener Melodie wird der Dichter nun in die tiefen, unendlichen Geheimnisse der weiblichen N a tur eingeweiht: er sieht mit andren Augen und fühlt mit andren Sinnen. Das bodenlose Meer der Harmonie, aus dem ihm jene beseligende Erscheinung entgegentauchte, ist ihm kein Gegenstand der Scheu, der Furcht, des Grausens mehr, wie als ein unbekanntes, fremdes Element es seiner Vorstellung zuvor erschien; nicht nur auf den Wogen dieses Meeres vermag er nun zu schwimmen, sondern - mit neuen Sinnen begabt - taucht er jetzt bis auf den tiefsten Grund hinab. Aus seinem einsamen, furchtbar weiten Mutterhause hatte es das Weib hinausgetrieben, um des Nahens des Geliebten zu harren; jetzt senkt dieser mit der Vermählten sich hinab, und macht sich mit allen Wundern der Tiefe traulich bekannt. Sein verständiger Sinn durchdringt alles klar und besonnen bis auf den Urquell, von dem aus er die Wogensäulen ordnet, die zum Sonnenlichte emporsteigen sollen, um an seinem Scheine in wonnigen Wellen dahinzuwallen, nach dem Säuseln des Westes sanft zu plätschern, oder nach den Stürmen 8

des Nordes sich männlich zu bäumen; denn auch dem Atem des Windes gebietet nun der Dichter, - denn dieser Atem ist nichts andres, als der Hauch unendlicher Liebe, der Liebe, in deren Wonne der Dichter erlöst ist, in deren Macht er zum Walter der Natur wird. Prüfen wir das Walten des tonvermählten Dichters nun mit nüchternem Auge. — Das verwandtschaftliche Band der Töne, deren rhythmisch bewegte, und in Hebungen und Senkungen gegliederte Reihe die Versmelodie ausmacht, verdeutlicht sich dem Gefühle zunächst in der Tonart, die aus sich die besondere Tonleiter bestimmt, in welcher die Töne jener melodischen Reihe als besondere Stufen enthalten sind. — Wir sahen bis dahin den Dichter in dem notwendigen Streben begriffen, die Mitteilung seines Gedichtes an das Gefühl dadurch zu ermöglichen, daß er den aus weiten Kreisen gesammelten und zusammengedrängten Einzelheiten seiner sprachorganischen Ausdrucksmittel das unter sich Fremdartige benahm, indem er sie, namentlich auch durch den Reim, in möglichst darstellbarer Verwandtschaft dem Gefühle vorführte. Diesem Drange lag das unwillkürliche Wissen von der Natur des Gefühles zugrunde, das nur das Einheitliche, in seiner Einheit das Bedingte und Bedingende zugleich Enthaltende, das mitgeteilte Gefühl also nach seinem Gattungswesen, in der Art erfaßt, daß es sich von den in ihm enthaltenen Gegensätzen nicht nach eben diesem Gegensatze, sondern nach dem Wesen der Gattung, in welchem die Gegensätze versöhnt sind, bestimmen läßt. Der Verstand löst, das Gefühl bindet; d. h. der Verstand löst die Gattung in die ihr inliegenden Gegensätze auf, das Gefühl bindet die Gegensätze wieder zur einheitlichen Gattung zusammen. Diesen einheitlichen Ausdruck gewann der Dichter am vollständigsten endlich im Aufgehen des, nach Einheit nur ringenden Wortverses in die Gesangsmelodie, die ihren einheitlichen, das Gefühl unfehlbar bestimmenden Ausdruck aus der, den Sinnen unwillkürlich sich darstellenden Verwandtschaft der Töne gewinnt. Die Tonart ist die gebundenste, unter sich eng verwandteste Familie der ganzen Tongattung; als wahrhaft verwandt mit der ganzen Tongattung zeigt sie sich uns aber da, wo sie aus der Neigung ihrer einzelnen Tonfamilienglieder zur unwillkürlichen 9

Verbindungen mit andren Tonarten fortschreitet. Wir können die Tonart hier sehr entsprechend mit den alten patriarchalischen Stammfamilien der menschlichen Geschlechter vergleichen: in diesen Familien begriffen sich nach unwillkürlichem Irrtume die ihnen Angehörigen als Besondere, nicht als Glieder der ganzen menschlichen Gattung; die Geschlechtsliebe des Individuums, die sich nicht an einer gewöhnten, sondern nur an einer ungewöhnten Erscheinung entzündete, war es aber, was die Schranken der patriarchischen Familie überstieg und die Verbindung mit anderen Familien knüpfte. Das Christentum hat die Einheit der menschlichen Gattung in ahnungsvoller Verzückung verkündet: die Kunst, die dem Christentume ihre eigentümlichste Entwicklung verdankte, die Musik, hat jenes Evangelium in sich aufgenommen und zu schwelgerisch entzückender Kundgebung an das sinnliche Gefühl als moderne Tonsprache gestaltet. Vergleichen wir jene urpatriarchalischen Nationalmelodien, die eigentlichen Familienüberlieferungen besonderer Stämme, mit der Melodie, die aus dem Fortschritte der Musik durch die christliche Entwicklung uns heute ermöglicht ist, so finden wir dort als charakteristisches Merkmal, daß sich die Melodie fast nie aus einer bestimmten Tonart herausbewegt und mit ihr bis zur Unbeweglichkeit verwachsen erscheint; dagegen hat die uns mögliche Melodie die unerhört mannigfaltigste Fähigkeit erhalten, vermöge der harmonischen Modulation die in ihr angeschlagene Haupttonart mit den entferntesten Tonfamilien in Verbindung zu setzen, so daß uns in einem größeren Tonsatze die Urverwandtschaft aller Tonarten gleichsam im Lichte einer besonderen Haupttonart vorgeführt wird. Dies unermeßliche Ausdehnungs- und Verbindungsvermögen hat den modernen Musiker so berauscht, daß er, aus diesem Rausche wiederum ernüchtert, sogar absichtlich nach jener beschränkteren Familienmelodie sich umsah, um durch eine ihr nachgeahmte Einfachheit sich verständlich zu machen. Dieses Umsehen nach jener patriarchalischen Beschränktheit zeigt uns die eigentliche schwache Seite unsrer ganzen Musik, in der wir bisher — so zu sagen - die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten. Von dem Grundtone der Harmonie aus war die Musik zu einer ungeheuer mannigfaltigen Breite aufgeschossen, in der dem zweck- und ruhelos daherschwimmenden absoluten Musiker endlich bang zu Mute wurde: er sah vor sich nichts wie eine unendliche Wogenmasse von Möglichkeiten, in sich selbst aber ward er sich keines, 10

diese Möglichkeiten bestimmenden Zweckes bewußt, - wie die christliche Allmenschlichkeit auch nur ein verschwimmendes Gefühl ohne den Anhalt war, der es einzig als ein deutliches Gefühl rechtfertigen konnte, und dieser Anhalt ist der wirkliche Mensch. Somit mußte der Musiker sein ungeheures Schwimmvermögen fast bereuen; er sehnte sich nach den urheimatlichen stillen Buchten zurück, wo zwischen engen Ufern das Wasser ruhig und nach einer bestimmten Stromrichtung flöß. Was ihn zu dieser Rückkehr bewog, war nichts anderes als die empfundene Zwecklosigkeit seines Umherschweifens auf hoher See, genau genommen also das Bekenntnis, eine Fähigkeit zu besitzen, die er nicht zu nutzen vermöge, - die Sehnsucht nach dem Dichter. Beethoven, der kühnste Schwimmer, sprach diese Sehnsucht deutlich aus; nicht aber nur jene patriarchalische Melodie stimmte er wieder an, sondern er sprach auch den Dichtervers zu ihr aus. Schon an einer andren Stelle machte ich in diesem letzteren Bezüge auf ein ungemein wichtiges Moment aufmerksam, auf das ich hier zurückkommen muß, weil es uns jetzt zu einem neuen Anhaltspunkte aus dem Gebiete der Erfahrung zu dienen hat. Jene - wie ich sie zur Charakteristik ihrer historischen Stellung fortfahre zu nennen - patriarchalische Melodie, die Beethoven in der »neunten Symphonie« als zur Bestimmung des Gefühls endlich gefundene anstimmt, und von der ich früher behauptete, daß sie nicht aus dem Gedichte Schillers entstanden, sondern daß sie vielmehr, außerhalb des Wortverses erfunden, diesem nur übergebreitet worden sei, zeigt sich uns als gänzlich in dem Tonfamilienverhältnisse beschränkt, in welchem sich das alte Nationalvolkslied bewegt. Sie enthält so gut wie gar keine Modulation und erscheint in einer solchen tonleitereigenen Einfachheit, daß sich in ihr die Absicht des Musikers, als eine auf den historischen Quell der Musik rückgängige, unverhohlen deutlich ausspricht. Diese Absicht war eine notwendige für die absolute Musik, die nicht auf der Basis der Dichtkunst steht: der Musiker, der sich nur in Tönen klar verständlich dem Gefühle mitteilen will, kann dieses nur durch Herabstimmung seines unendlichen Vermögens zu einem sehr beschränkten Maße. Als Beethoven jene Melodie aufzeichnete, sagte er: - so können wir absoluten Musiker uns einzig verständlich kundgeben. Nicht aber eine Rückkehr zu dem Alten ist der Gang der Entwicklung alles Menschlichen, sondern der Fortschritt: alle Rückkehr zeigt sich uns überall als keine natürliche, sondern als eine künstliche. Auch die 11

Rückkehr Beethovens zu der patriarchalischen Melodie war, wie diese Melodie selbst, eine künstliche. Aber die bloße Konstruktion dieser Melodie war auch nicht der künstlerische Zweck Beethovens; vielmehr sehen wir, wie er sein melodisches Erfindungsvermögen absichtlich nur für einen Augenblick so weit herabstimmt, um auf der natürlichen Grundlage der Musik anzukommen, auf der er dem Dichter seine Hand hinzustrecken, aber auch die des Dichters zu ergreifen vermochte. Als er mit dieser einfachen, beschränkten Melodie die Hand des Dichters in der seinigen fühlt, schreitet er nun auf dem Gedichte selbst, und aus diesem Gedichte, seinem Geiste und seiner Form nach gestaltend, zu immer kühnerem und mannigfaltigerem Tonbau vorwärts, um uns endlich Wunder, wie wir sie bisher noch nie geahnt, Wunder wie das »Seid umschlungen, Millionen!«, »Ahnest du den Schöpfer, Welt?« und endlich das sicher verständliche Zusammenertönen des »Seid umschlungen« mit dem »Freude, schöner Götterfunken!« - aus dem Vermögen der dichtenden Tonsprache entstehen zu lassen. Wenn wir nun den breiten melodischen Bau in der musikalischen Ausführung des ganzen Verses »Seid umschlungen« mit der Melodie vergleichen, die der Meister aus absolutem musikalischem Vermögen über den Vers »Freude, schöner Götterfunken« gleichsam nur ausbreitete, so gewinnen wir ein genaueres Verständnis des Unterschiedes zwischen der - wie ich sie nannte - patriarchalischen Melodie und der aus der dichterischen Absicht auf dem Wortverse emporwachsenden Melodie. Wie jene nur im beschränktesten Tonfamilienverhältnisse sich deutlich kundgab, so vermag diese - und zwar nicht nur ohne unverständlich zu werden, sondern gerade erst um dem Gefühle recht verständlich zu sein — die engere Verwandtschaft der Tonart, durch die Verbindung mit wiederum verwandten Tonarten, bis zur Urverwandtschaft der Töne überhaupt auszudehnen, indem sie so das sicher geleitete Gefühl zum unendlichen, rein menschlichen Gefühle erweitert. Die Tonart einer Melodie ist das, was die in ihr enthaltenen verschiedenen Tönen dem Gefühle zunächst in einem verwandtschaftlichen Bande vorführt. Die Veranlassung zur Erweiterung dieses engeren Bandes zu einem ausgedehnteren, reicheren leitet sich noch aus der dichterischen Absicht, insofern sie sich im Sprachverse bereits zu einem Gefühlsmoment verdichtet hat, und zwar nach dem Charakter des besonderen Ausdrucks einzelner Haupttöne her, die eben vom Verse aus bestimmt worden sind. 12

Diese Haupttöne sind gewissermaßen die jugendlich erwachsenden Glieder der Familie, die sich aus der gewohnten Umgebung der Familie heraus nach ungeleiteter Selbständigkeit sehnen: diese Selbständigkeit gewinnen sie aber nicht als Egoisten, sondern durch Berührung mit einem andren, eben, außerhalb der Familie Liegenden. Die Jungfrau gelangt zu selbständigem Heraustreten aus der Familie nur durch die Liebe des Jünglings, der als der Sprößling einer anderen Familie die Jungfrau zu sich hinüberzieht. So ist der Ton, der aus dem Kreise der Tonart hinaustritt, ein bereits von einer andren Tonart angezogener und von ihr bestimmter, und in diese Tonart muß er sich daher nach dem notwendigen Gesetze der Liebe ergießen. Der aus einer Tonart in eine andre drängende Leitton, der durch dieses Drängen allein schon die Verwandtschaft mit dieser Tonart aufdeckt, kann nur als von dem Motive der Liebe bestimmt gedacht werden. Das Motiv der Liebe ist das aus dem Subjekte heraustreibende, und dieses Subjekt zur Verbindung mit einem andren nötigende. Dem einzelnen Tone kann dieses Motiv nur aus einem Zusammenhange entstehen, der ihn als besonderen bestimmt; der bestimmende Zusammenhang der Melodie liegt aber in dem sinnlichen Ausdrucke der Wortphrase, der wiederum aus dem Sinne dieser Phrase zuerst bestimmt wurde. Betrachten wir genauer, so werden wir ersehen, daß hier dieselbe Bestimmung maßgebend ist, die bereits im Stabreime entfernter liegende Empfindungen unter sich verband. Der Stabreim verband, wie wir sahen, dem sinnlichen Gehöre bereits Sprachwurzeln von entgegengesetztem Empfindungsausdruck (wie »Lust und Leid«, »Wohl und Weh«), und führte sie so dem Gefühle als gattungsverwandte vor. In bei weitem erhöhtem Maße des Ausdruckes vermag nun die musikalische Modulation solch eine Verbindung dem Gefühle anschaulich zu machen. Nehmen wir ζ. B. einen stabgereimten Vers von vollkommen gleichem Empfindungsgehalte an, wie »Liebe gibt Lust zum Leben«, so würde hier der Musiker, wie in den stabgereimten Wurzeln der Akzente eine gleiche Empfindung sinnlich sich offenbart, auch keine natürliche Veranlassung zum Hinaustreten aus der einmal gewählten Tonart erhalten, sondern er würde die Hebung und Senkung des musikalischen Tones, dem Gefühle vollkommen genügend, in derselben Tonart bestimmen. Setzen wir dagegen einen Vers von gemischter Empfindung, wie: »die Liebe bringt Lust und 13

Leid«, so würde hier, wie der Stabreim zwei entgegengesetzte Empfindungen verbindet, der Musiker auch aus der angeschlagenen, der ersten Empfindung entsprechenden Tonart, in eine andre, der zweiten Empfindung, nach ihrem Verhältnisse zu der in der ersten Tonart bestimmten, entsprechende überzugehen sich veranlaßt fühlen. Das Wort »Lust«, welches als äußerste Steigerung der ersten Empfindung zu der zweiten hinzudrängen scheint, würde in dieser Phrase eine ganz andre Betonung zu erhalten haben, als in jener: »die Liebe gibt Lust zum Leben«; der auf ihm gesungene Ton würde unwillkürlich zu dem bestimmenden Leitton werden, welcher mit Notwendigkeit zu der andren Tonart, in der das »Leid« auszusprechen wäre, hindrängte. In dieser Stellung zu einander würde »Leid und Lust« zu einer Kundgebung einer besonderen Empfindung werden, deren Eigentümlichkeit gerade in dem Punkte läge, wo zwei entgegengesetzte Empfindungen als sich bedingend, und somit als notwendig sich zugehörend, als wirklich verwandt, sich darstellten; und diese Kundgebung ist nur in der Musik nach ihrer Fähigkeit der harmonischen Modulation zu ermöglichen, weil sie vermöge dieser einen bindenden Zwang auf das sinnliche Gefühl ausübt, zu dem keine andre Kunst die Kraft besitzt. - Sehen wir aber zunächst noch, wie die musikalische Modulation mit dem Versinhalte gemeinsam wieder auf die erste Empfindung zurückzuleiten vermag. - Lassen wir dem Verse »die Liebe bringt Lust und Leid« als zweiten folgen: »doch in ihr Weh auch webt sie Wonnen«, so würde »webt« wieder zum Leitton in die erste Tonart werden, wie von hier die zweite Empfindung zur ersten, nun bereicherten, wieder zurückkehrt, - eine Rückkehr, die der Dichter vermöge des Stabreimes an die sinnliche Gefühlswahrnehmung nur als einen Fortschritt der Empfindung des »Weh« in die der »Wonnen«, nicht aber als einen Abschluß der Gattung der Empfindung »Liebe« darstellen konnte, während der Musiker gerade dadurch vollkommen verständlich wird, daß er in die erste Tonart ganz merklich zurückgeht, und die Gattungsempfindung daher mit Bestimmtheit als eine einheitliche bezeichnet, was dem Dichter, der den Wurzelanlaut für den Stabreim wechseln mußte, nicht möglich war. - Allein der Dichter deutete durch den Sinn beider Verse die Gattungsempfindung an: er verlangte somit ihre Verwirklichung vor dem Gefühle, und bestimmte den verwirklichenden Musiker für sein Verfahren. Die Rechtfertigung für sein Verfahren, das als ein unbedingtes uns 14

willkürlich und unverständlich erscheinen würde, erhält der Musiker daher aus der Absicht des Dichters, — aus einer Absicht, die dieser eben nur andeuten oder höchstens nur für die Bruchteile seiner Kundgebung (eben im Stabreime) annähernd verwirklichen konnte, deren volle Verwirklichung aber eben nur dem Musiker möglich ist, und zwar durch das Vermögen, die Urverwandtschaft der Töne für eine vollkommen einheitliche Kundgebung ureinheitlicher Empfindungen an das Gefühl zu verwenden. Wie unermeßlich groß dieses Vermögen ist, davon machen wir uns am leichtesten einen Begriff, wenn wir uns den Sinn der beiden oben angeführten Verse in der Art bestimmter noch dargelegt denken, daß zwischen dem Fortschritte aus der einen Empfindung und der im zweiten Verse schon ausgeführten Rückkehr zu ihr eine längere Folge von Versen die mannigfaltigste Steigerung und Mischung zwischenliegender, teils verstärkender, teils versöhnender Empfindungen, bis zur endlichen Rückkehr zur Hauptempfindung, ausdrückte. Hier würde die musikalische Modulation, um die dichterische Absicht zu verwirklichen, in die verschiedensten Tonarten hinüber und zurück zu leiten haben; alle die berührten Tonarten würden aber in einem genauen verwandtschaftlichen Verhältnisse zu der ursprünglichen Tonart erscheinen, von der aus das besondere Licht, welches sie auf den Ausdruck werfen, wohl bedingt, und die Fähigkeit zu dieser Lichtgebung gewissermaßen selbst erst verliehen wird. Die Haupttonart würde, als Grundton der angeschlagenen Empfindung, in sich die Urverwandtschaft mit allen Tonarten offenbaren, die bestimmte Empfindung somit, vermöge des Ausdrucks, während ihrer Äußerung in einer Höhe und Ausdehnung kundtun, daß nur das ihr Verwandte für die Dauer ihrer Äußerung unser Gefühl bestimmen könnte, unser allgemeines Gefühlsvermögen von dieser Empfindung, vermöge ihrer gesteigerten Ausdehnung einzig erfüllt würde, und somit diese eine Empfindung zur allumfassenden, allmenschlichen, unfehlbar verständlichen erhoben worden wäre. Ist hiermit die dichterisch-musikalische Periode bezeichnet worden, wie sie sich nach einer Haupttonart bestimmt, so können wir vorläufig das Kunstwerk als das für den Ausdruck vollendetste bezeichnen, in welchem viele solcher Perioden nach höchster Fülle sich so darstellen, daß sie, zur Verwirklichung einer höchsten dichterischen Absicht, eine aus der andren sich bedingen und zu einer reichen Gesamtkundgebung sich entwickeln, in welcher 15

das Wesen des Menschen nach einer entscheidenden Hauptrichtung hin, d. h. nach einer Richtung hin, die das menschliche Wesen vollkommen in sich zu fassen imstande ist (wie eine Haupttonart alle übrigen Tonarten in sich zu fassen vermag), auf das Sicherste und Begreiflichste dem Gefühle dargestellt wird. Dieses Kunstwerk ist das vollendete Drama, in welchem jene umfassende Richtung des menschlichen Wesens in einer folgerichtigen, sich wohl bedingenden Reihe von Gefühlsmomenten mit solcher Stärke und Überzeugungskraft an das Gefühl sich kundgibt, daß, als notwendige bestimmteste Äußerung des Gefühlsinhaltes der zu einem umfassenden Gesamtmotiv gesteigerten Momente, die Handlung aus diesem Reichtume von Bedingungen als letztes unwillkürlich gefordertes, und somit vollkommen verstandenes Moment hervorgeht. Ehe wir vom Charakter der dichterisch-musikalisch melodischen Periode aus auf das Drama, wie es aus der gegenseitig sich bedingenden Entwicklung vieler nötiger solcher Perioden zu erwachsen hat, weiter schließen, müssen wir zuvor jedoch genau noch das Moment bestimmen, welches auch die einzelne melodische Periode nach ihrem Gefühlsausdrucke aus dem Vermögen der reinen Musik heraus bedingt, und uns das unermeßlich bindende Organ zur Verfügung stellen soll, durch dessen eigentümlichste Hilfe wir das vollendete Drama erst ermöglichen können. Dies Organ wird uns aus der - wie ich sie bereits nannte - vertikalen Ausdehnung der Harmonie, da, wo sie sich aus ihrem Grunde herauf bewegt, erwachsen, wenn wir der Harmonie selbst die Möglichkeit teilnehmendster Mittätigkeit am ganzen Kunstwerke zuwenden. IV. Wir haben bis jetzt die Bedingungen für den melodischen Fortschritt aus einer Tonart in die andre als in der dichterischen Absicht, so weit sie bereits selbst ihren Gefühlsinhalt offenbart hatte, liegend nachgewiesen, und bei diesem Nachweis bewiesen, daß der veranlassende Grund zur melodischen Bewegung, als ein auch vor dem Gefühle gerechtfertigter, nur aus dieser Absicht entstehen könne. Was diesen, dem Dichter notwendigen Fortschritt einzig ermöglicht, liegt natürlich aber nicht im Bereiche der Wortsprache, sondern ganz bestimmt nur in dem der Musik. Dieses 16

eigenste Element der Musik, die Harmonie, ist das, was nur insoweit noch von der dichterischen Absicht bedingt wird, als es das andre, weibliche Element ist, in welches sich diese Absicht zu ihrer Verwirklichung, zu ihrer Erlösung ergießt. Denn es ist dies das gebärende Element, das die dichterische Absicht nur als zeugenden Samen aufnimmt, um ihn nach den eigensten Bedingungen seines weiblichen Organismus zur fertigen Erscheinung zu gestalten. Dieser Organismus ist ein besondrer, individueller, und zwar eben kein zeugender, sondern ein gebärender; er empfing vom Dichter den befruchtenden Samen, die Frucht aber reift und formt er nach seinem eigenen individuellen Vermögen. Die Melodie, wie sie auf der Oberfläche der Harmonie erscheint, ist f ü r ihren entscheidenden rein musikalischen Ausdruck einzig aus dem von unten her wirkenden Grunde der Harmonie bedingt: wie sie sich selbst als horizontale Reihe kundgibt, hängt sie durch eine senkrechte Kette mit diesem Grunde zusammen. Diese Kette ist der harmonische Akkord, der als eine vertikale Reihe nächst verwandter Töne, aus dem Grundtone nach der Oberfläche zu aufsteigt. Das Mitklingen dieses Akkordes gibt dem Tone der Melodie erst die besondere Bedeutung, nach welcher er zu einem unterschiedenen Momente des Ausdruckes als einzig bezeichnend verwendet wurde. So wie der aus dem Grundtone bestimmte Akkord dem einzelnen Tone der Melodie erst seinen besonderen Ausdruck gibt - indem ein und derselbe Ton auf einem andren ihm verwandten Grundtone eine ganz andre Bedeutung f ü r den Ausdruck erhält so bestimmt sich jeder Fortschritt der Melodie aus einer Tonart in die andre ebenfalls nur nach wechselndem Grundtone, der den Leitton der Harmonie, als solchen, auf sich bedingt. Die Gegenwart dieses Grundtones, und des aus ihm bestimmten harmonischen Akkordes, ist vor dem Gefühle, welches die Melodie nach ihrem charakteristischen Ausdruck erfassen soll, unerläßlich. Die Gegenwart der Grundharmonie heißt aber: Miterklingen derselben. Das Miterklingen der Harmonie zu der Melodie überzeugt das Gefühl erst vollständig von dem Gefühlsinhalte der Melodie, die ohne dieses Miterklingen dem Gefühle etwas unbestimmt ließe; nur aber bei vollster Bestimmtheit aller Momente des Ausdrucks bestimmt sich auch das Gefühl schnell und unmittelbar zur unwillkürlichen Teilnahme, und volle Bestimmtheit des Ausdrucks heißt aber wiederum nur: vollständigste Mitteilung all' seiner notwendigen Momente an die Sinne. 17

Das Gehör fordert also gebieterisch auch das Miterklingen der Harmonie zur Melodie, weil es erst durch dieses Miterklingen sein sinnliches Empfängnisvermögen vollkommen erfüllt, somit befriedigt erhält, und demnach mit notwendiger Beruhigung dem wohlbedingten Gefühlsausdrucke der Melodie sich zuwenden kann. Das Miterklingen der Harmonie zur Melodie ist daher nicht eine Erschwerung, sondern die einzig ermöglichende Erleichterung f ü r das Verständnis des Gehöres. N u r wenn die Harmonie sich nicht als Melodie zu äußern vermöchte, — also wenn die Melodie weder aus dem Tanzrhythmus noch aus dem Wortverse ihre Rechtfertigung erhielte, sondern ohne diese Rechtfertigung, die sie einzig vor dem Gefühle als wahrnehmbar bedingen kann, sich nur als zufällige Erscheinung auf der Oberfläche der Akkorde willkürlich wechselnder Grundtöne kundgäbe, - nur dann würde das Gefühl, ohne bestimmenden Anhalt, durch die nackte Kundgebung der Harmonie beunruhigt werden, weil sie ihm nur Anregungen, nicht aber die Befriedigung des Angeregten zuführte. [ " • Ι . . Wenn somit bisher der Musiker seine Musik, so zu sagen, aus der Harmonie heraus konstruierte, so wird jetzt der Tondichter zu der aus dem Sprachverse bedingten Melodie die andre notwendige, in ihr aber bereits enthaltene, rein musikalische Bedingung, als miterklingende Harmonie, nur wie zu ihrer Kenntlichmachung noch mit hinzufügen. In der Melodie des Dichters ist die Harmonie, nur gleichsam unausgesprochen, schon mitenthalten: sie bedang ganz unbeachtet die ausdrucksvolle Bedeutung der Töne, die der Dichter f ü r die Melodie bestimmte. Diese ausdrucksvolle Bedeutung, die der Dichter unbewußt im Ohre hatte, war bereits die erfüllte Bedingung, die kenntlichste Äußerung der H a r monie; aber diese Äußerung war f ü r ihn nur eine gedachte, noch nicht sinnlich wahrnehmbare. An die Sinne, die unmittelbar empfangenden Organe des Gefühles, teilt er sich jedoch zu seiner Erlösung mit, und ihnen muß er daher die melodische Äußerung der Harmonie mit den Bedingungen dieser Äußerung zuführen, denn ein organisches Kunstwerk ist nur das, was das Bedingende mit dem Bedingten zugleich in sich schließt und zur kenntlichsten Wahrnehmung mitteilt. Die bisherige absolute Musik gab harmonische Bedingungen; der Dichter würde nur das Bedingte in seiner Melodie mitteilen, und daher ebenso unverständlich als jener bleiben, wenn er die harmonischen Bedingungen der aus dem 18

Sprachverse gerechtfertigten Melodie nicht vollständig an das Gehör kundtäte. Die Harmonie konnte aber nur der Musiker, nicht der Dichter erfinden. Die Melodie, die wir den Dichter aus dem Sprachverse erfinden sahen, war, als eine harmonisch bedingte, daher eine von ihm mehr gefundene, als erfundene. Die Bedingungen zu dieser musikalischen Melodie mußten erst vorhanden sein, ehe der Dichter sie als eine wohlbedungene finden konnte. Diese Melodie bedang, ehe sie der Dichter zu seiner Erlösung finden konnte, bereits der Musiker aus seinem eigensten Vermögen: er f ü h r t sie dem Dichter als eine harmonisch gerechtfertigte zu, und nur die Melodie, wie sie aus dem Wesen der modernen Musik ermöglicht wird, ist die den Dichter erlösende, seinen Drang erregende wie befriedigende Melodie. Dichter und Musiker gleichen hierin zwei Wanderern, die von einem Scheidepunkte ausgingen, um von da aus, jeder nach der entgegengesetzten Richtung, rastlos gerade vorwärts zu schreiten. Auf dem entgegengesetzten Punkte der Erde begegnen sie sich wieder; jeder hat zur H ä l f t e den Planeten umwandert. Sie fragen sich nun aus, und einer teilt dem andren mit, was er gesehen und gefunden hat. Der Dichter erzählt von den Ebenen, Bergen, Tälern, Fluren, Menschen und Tieren, die er auf seiner weiten Wanderung durch das Festland traf. Der Musiker durchschritt die Meere und berichtet von den Wundern des Ozeans, auf dem er oftmals dem Versinken nahe war, dessen Tiefen und ungeheuerliche Gestaltungen ihn mit wollüstigem Grausen erfüllten. Beide, von ihren gegenseitigen Berichten angeregt und unwiderstehlich bestimmt, das andre von dem, was sie selbst sahen, ebenfalls noch kennen zu lernen, um den nur auf die Vorstellung und Einbildung empfangenen Eindruck zur wirklichen Erfahrung zu machen, trennen sich nun nochmals, um jeder seine Wanderschaft um die Erde zu vollenden. Am ersten Ausgangspunkte treffen sie sich dann endlich wieder; der Dichter hat nun auch die Meere durchschwömmen, der Musiker die Festländer durchschritten. N u n trennen sie sich nicht mehr, denn Beide kennen nun die Erde: was sie früher in ahnungsvollen Träumen sich so und so gestaltet dachten, ist jetzt nach seiner Wirklichkeit ihnen bewußt geworden. Sie sind eins; denn jeder weiß und fühlt, was der andre weiß und fühlt. Der Dichter ist Musiker geworden, der Musiker Dichter: jetzt sind sie beide vollkommener künstlerischer Mensch.

[...] 19

FRIEDRICH

NIETZSCHE

Über Musik und Wort (1871) (Bruchstück) Was wir hier über das Verhältniß der Sprache zur Musik aufgestellt haben, muß aus gleichen Gründen auch vom Verhältniß des Mimus zur Musik gelten. Auch der Mimus, als die gesteigerte Geberdensymbolik des Menschen, ist, an der ewigen Bedeutsamkeit der Musik gemessen, nur ein Gleichniß, das deren innerstes Geheimniß nur sehr äußerlich, nämlich am Substrat des leidenschaftlich bewegten Menschenleibes, zum Ausdruck bringt. Fassen wir aber auch die Sprache mit unter die Kategorie der leiblichen Symbolik und halten wir das Drama, gemäß unserm aufgestellten K a non, an die Musik heran: so dürfte jetzt ein Satz Schopenhauer's in die hellste Beleuchtung treten, an den an einer späteren Stelle wieder angeknüpft werden muß. »Es möchte hingehn, obgleich ein rein musikalischer Geist es nicht verlangt, daß man der reinen Sprache der Töne, obwohl sie, selbstgenugsam, keiner Beihülfe bedarf. Worte, sogar auch eine anschaulich vorgeführte Handlung, zugesellt und unterlegt, damit unser anschauender und reflektirender Intellekt, der nicht ganz müßig sein mag, doch auch eine leichte und analoge Beschäftigung dabei erhalte, wodurch sogar die Aufmerksamkeit der Musik fester anhängt und folgt, auch zugleich Dem, was die Töne in ihrer allgemeinen bilderlosen Sprache des Herzens besagen, ein anschauliches Bild, gleichsam ein Schema, oder wie ein Exempel zu einem allgemeinen Begriff, unterlegt wird: ja, dergleichen wird den Eindruck der Musik erhöhen.« (Schopenhauer, Parerga II, Zur Metaphysik des Schönen und Ästhetik § 224). Wenn wir von der naturalistisch äußerlichen Motivirung absehn, wonach unser anschauender und reflektirender Intellekt beim Anhören der Musik nicht ganz müßig sein mag, und die Aufmerksamkeit, an der Hand einer anschaulichen Aktion, besser folgt, - so ist von Schopenhauer mit höchstem Rechte das Drama im Verhältniß zur Musik als ein Schema, als ein Exempel zu einem allgemeinen Begriff charakterisirt worden: und wenn er hinzufügt: »ja, dergleichen wird der Eindruck der Musik erhöhen«, so bürgt die ungeheure Allgemeinheit und Ursprünglichkeit der Vokalmusik, der Verbindung von Ton mit Bild und Begriff, für die Richtigkeit dieses Ausspruchs. Die Musik jedes Volkes be20

ginnt durchaus im Bunde mit der Lyrik, und lange bevor an eine absolute Musik gedacht werden kann, durchläuft sie in jener Vereinigung die wichtigsten Entwicklungsstufen. Verstehen wir diese Urlyrik eines Volkes, wie wir es ja müssen, als eine Nachahmung der künstlerisch vorbildenden N a t u r , so muß uns als ursprüngliches Vorbild jener Vereinigung von Musik und Lyrik die von der N a t u r vorgebildete Doppelbett im Wesen der Sprache gelten: in welches wir jetzt, nach den Eröterungen über die Stellung von Musik zum Bild, tiefer eindringen werden. In der Vielheit der Sprachen giebt sich sofort die Thatsache kund, daß Wort und Ding sich nicht vollständig und nothwendig decken, sondern d a ß das Wort ein Symbol ist. Was symbolisirt aber das Wort? Doch gewiß nur Vorstellungen, seien dies nun bewußte oder, der Mehrzahl nach, unbewußte: denn wie sollte ein Wort-Symbol jenem innersten Wesen, dessen Abbilder wir selbst, sammt der Welt, sind, entsprechen? N u r als Vorstellungen kennen wir jenen Kern, nur in seinen bildlichen Äußerungen haben wir eine Vertrautheit mit ihm: außerdem giebt es nirgends eine direkte Brücke, die uns zu ihm selbst führte. Auch das gesammte Triebleben, das Spiel der Gefühle Empfindungen Affekte Willensakte, ist uns - wie ich hier gegen Schopenhauer einschalten muß bei genauester Selbstprüfung nur als Vorstellung, nicht seinem Wesen nach, bekannt: und wir dürfen wohl sagen, daß selbst der »Wille« Schopenhauer's nichts als die allgemeinste Erscheinungsf o r m eines uns übrigens gänzlich Unentzifferbaren ist. Müssen wir uns also schon in die starre Nothwendigkeit fügen, nirgends über die Vorstellungen hinauszukommen, so können wir doch wieder im Bereich der Vorstellungen zwei Hauptgattungen unterscheiden. Die einen offenbaren sich uns als Lust und Unlustempfindungen und begleiten als nie fehlender G r u n d b a ß alle übrigen Vorstellungen. Diese allgemeinste Erscheinungsform, aus der und unter der wir alles Werden und alles Wollen einzig verstehen und f ü r die wir den N a m e n »Wille« festhalten wollen, hat nun auch in der Sprache ihre eigne symbolische Sphäre: und zwar ist diese f ü r die Sprache ebenso fundamental, wie jene Erscheinungsform f ü r alle übrigen Vorstellungen. Alle Lust- und Unlustgrade - Äußerungen eines uns nicht durchschaubaren Urgrundes - symbolisiren sich im Tone des Sprechenden: während sämmtliche übrigen Vorstellungen durch die Geberdensymbolik des Sprechenden bezeichnet werden. Insofern jener Urgrund in allen Menschen derselbe ist, ist 21

auch der Tonuntergrund der allgemeine und über die Verschiedenheit der Sprachen hinaus verständliche. Aus ihm entwickelt sich nun die willkürlichere und ihrem Fundament nicht völlig adäquate Geberdensymbolik: mit der die Mannigfaltigkeit der Sprachen beginnt, deren Vielheit wir gleichnißweise als einen strophischen Text auf jene Urmelodie der Lust- und Unlustsprache ansehen dürfen. Das ganze Bereich des Consonantischen und Vokalischen glauben wir nur unter die Geberdensymbolik rechnen zu dürfen Consonanten und Vokale sind ohne den vor Allem nöthigen fundamentalen Ton nichts als Stellungen der Sprachorgane, kurz Geberden - ; sobald wir uns das Wort aus dem Munde des Menschen hervorquellen denken, so erzeugt sich zu allererst die Wurzel des Wortes und das Fundament jener Geberdensymbolik, der Tonuntergrund, der Wiederklang der Lust- und Unlustempfindungen. Wie sich unsre ganze Leiblichkeit zu jener ursprünglichsten Erscheinungsform, dem »Willen« verhält, so verhält sich das consonantisch-vokalische Wort zu seinem Tonfundamente. Diese ursprünglichste Erscheinungsform, der »Wille« mit seiner Skala der Lust- und Unlustempfindungen, kommt aber in der Entwicklung der Musik zu einem immer adäquateren symbolischen Ausdruck: als welchem historischen Proceß das fortwährende Streben der Lyrik nebenher läuft, die Musik in Bildern zu umschreiben: wie dieses Doppelphänomen, nach der soeben gemachten Ausführung, in der Sprache uranfänglich vorgebildet liegt. Wer uns in diese schwierigen Betrachtungen bereitwillig, aufmerksam und mit einiger Phantasie gefolgt ist - auch mit Wohlwollen ergänzend, wo der Ausdruck zu knapp oder zu unbedingt ausgefallen ist - der wird nun mit uns den Vortheil haben, einige aufregende Streitfragen der heutigen Ästhetik und noch mehr der gegenwärtigen Künstler sich ernsthafter vorlegen und tiefer beantworten zu können, als dies gemeinhin zu geschehen pflegt. Denken wir uns, nach allen Voraussetzungen, welch ein Unterfangen es sein muß, Musik zu einem Gedichte zu machen, d. h. ein Gedicht durch Musik illustriren zu wollen, um damit der Musik zu einer Begriffssprache zu verhelfen: welche verkehrte Welt! Ein Unterfangen, das mir vorkommt als ob ein Sohn seinen Vater zeugen wollte! Die Musik kann Bilder aus sich erzeugen, die dann immer nur Schemata, gleichsam Beispiele ihres eigentlichen allgemeinen Inhaltes sein werden. Wie aber sollte das Bild, die Vorstellung aus sich heraus Musik erzeugen können! Geschweige 22

denn, daß dies der Begriff oder, wie man gesagt hat, die »poetische Idee« zu thun im Stande wäre. So gewiß aus der mysteriösen Burg des Musikers eine Brücke in's freie Land der Bilder führt - und der Lyriker schreitet über sie hin - , so unmöglich ist es, den umgekehrten Weg zu gehen, obschon es Einige geben soll, welche wähnen, ihn gegangen zu sein. Man bevölkere die Luft mit der Phantasie eines Raffael, man schaue, wie er, die heilige Cäcilia entzückt den Harmonien der Engelchöre lauschen - es dringt kein Ton aus dieser in Musik scheinbar verlorenen Welt, ja stellten wir uns nur vor, daß jene Harmonie wirklich, durch ein Wunder, uns zu erklingen begänne, wohin wären uns plötzlich Cäcilia, Paulus und Magdalena, wohin selbst der singende Engelchor verschwunden! Wir würden sofort aufhören, Raffael zu sein: und wie auf jenem Bilde die weltlichen Instrumente zertrümmert auf der Erde liegen, so würde unsre Malervision, von dem Höheren besiegt, schattengleich verblassen und verlöschen. - Wie aber sollte das Wunder geschehen! Wie sollte die ganz in's Anschauen versunkene apollinische Welt des Auges den Ton aus sich erzeugen können, der doch eine Sphäre symbolisirt, die eben durch das apollinische Verlorensein im Scheine ausgeschlossen und überwunden ist! Die Lust am Scheine kann nicht aus sich die Lust am Nicht-Scheine erregen: die Wonne des Schauens ist Wonne nur dadurch, daß Nichts uns an eine Sphäre erinnert, in der die Individuation zerbrochen und aufgehoben ist. Haben wir das Apollinische im Gegensatz zum Dionysischen irgendwie richtig charakterisirt, so muß uns jetzt der Gedanke nur abenteuerlich falsch dünken, welcher dem Bilde, dem Begriffe, dem Scheine irgendwie die K r a f t beimäße, den Ton aus sich zu erzeugen. Man mag uns nicht, zu unserer Widerlegung, auf den Musiker verweisen, der vorhandene lyrische Gedichte componirt: denn wir werden, nach allem Gesagten, behaupten müssen, daß das Verhältnis des lyrischen Gedichtes zu seiner Composition jedenfalls ein anderes sein muß als das des Vaters zu seinem Kinde. Und zwar welches? Hier nun wird man uns, auf Grund einer beliebten ästhetischen Anschauung, mit dem Satze entgegenkommen: »nicht das Gedicht, sondern das durch das Gedicht erzeugte Gefühl ist es, welches die Composition aus sich gebiert.« Ich stimme nicht damit überein: das Gefühl, die leisere oder stärkere Erregung jenes Lust- und Unlust-Untergrundes, ist überhaupt im Bereich der produktiven Kunst das an sich Unkünstlerische, ja erst seine gänzliche Aus23

Schließung ermöglicht das volle Sich-Versenken und interesselose Anschauen des Künstlers. Hier möchte man mir etwa erwidern, daß ich ja selbst soeben vom »Willen« ausgesagt habe, er komme in der Musik zu einem immer adäquateren symbolischen Ausdruck. Meine Antwort, in einen ästhetischen Grundsatz zusammengefaßt, ist diese: der Wille ist Gegenstand der Musik, aber nicht Ursprung derselben, nämlich der Wille in seiner allergrößten Allgemeinheit, als die ursprünglichste Erscheinungsform, unter der alles Werden zu verstehn ist. Das, was wir Gefühle nennen, ist, hinsichtlich dieses Willens, bereits schon mit bewußten und unbewußten Vorstellungen durchdrungen und gesättigt und deshalb nicht mehr direkt Gegenstand der Musik: geschweige denn, daß es diese aus sich erzeugen könnte. Man nehme beispielsweise die Gefühle von Liebe, Furcht und Hoffnung: die Musik kann mit ihnen auf direktem Wege gar nichts mehr anfangen, so erfüllt ist ein jedes dieser Gefühle schon mit Vorstellungen. Dagegen können diese Gefühle dazu dienen, die Musik zu symbolisiren: wie dies der Lyriker thut, der jenes begrifflich und bildlich unnahbare Bereich des »Willens«, den eigentlichen Inhalt und Gegenstand der Musik, sich in die Gleidinißwelt der Gefühle übersetzt. Dem Lyriker ähnlich sind alle diejenigen Musikhörer, welche eine Wirkung der Musik auf ihre Affekte spüren: die entfernte und entrückte Macht der Musik appellirt bei ihnen in ein 2.wischenreich, das ihnen gleichsam einen Vorgeschmack, einen symbolischen Vorbegriff der eigentlichen Musik giebt, an das Zwischenreich der Affekte. Von ihnen dürfte man, im Hinblick auf den »Willen«, den einzigen Gegenstand der Musik, sagen, sie verhielten sich zu diesem Willen, wie der analogische Morgentraum, nach der Schopenhauerischen Theorie, zum eigentlichen Traume. Allen jenen aber, die der Musik nur mit ihren Affekten beizukommen vermögen, ist zu sagen, daß sie immer in den Vorhallen bleiben und keinen Zutritt zu dem Heiligthum der Musik haben werden: als welches der Affekt, wie ich sagte, nicht zu zeigen, sondern nur zu symbolisiren vermag. Was dagegen den Ursprung der Musik betrifft, so habe ich schon erklärt, daß dieser nie und nimmer im »Willen« liegen kann, vielmehr im Schooße jener Kraft ruht, die unter der Form des »Willens« eine Visionswelt aus sich erzeugt: der Ursprung der Musik liegt jenseits aller Individuation, ein Satz, der sich nach unsrer Erörterung über das Dionysische aus sich selbst beweist. An dieser Stelle möchte ich mir gestatten, die entscheidenden Behauptungen, 24

zu denen aus der behandelte Gegensatz des Dionysischen und des Apollinischen genöthigt hat, noch einmal übersichtlich neben einander zu stellen. Der »Wille«, als ursprünglichste Erscheinungsform, ist Gegenstand der Musik: in welchem Sinne sie Nachahmung der Natur, aber der allgemeinsten Form der Natur genannt werden kann. Der »Wille« selbst und die Gefühle - als die schon mit Vorstellungen durchdrungenen Willensmanifestationen - sind völlig unvermögend Musik aus sich zu erzeugen: wie es andernseits der Musik völlig versagt ist, Gefühle darzustellen, Gefühle zum Gegenstand zu haben, während der Wille ihr einziger Gegenstand ist. Wer Gefühle als Wirkungen der Musik davonträgt, hat an ihnen gleichsam ein symbolisches Zwischenreich, das ihm einen Vorgeschmack von der Musik geben kann, doch ihn zugleich aus ihren innersten Heiligthümern ausschließt. Der Lyriker deutet sich die Musik durch die symbolische Welt der Affekte, während er selbst, in der Ruhe der apollinischen Anschauung, jenen Affekten enthoben ist. Wenn also der Musiker ein lyrisches Lied componirt, so wird er als Musiker weder durch die Bilder noch durch die Gefühlssprache dieses Textes erregt: sondern eine aus ganz andern Sphären kommende Musikerregung wählt sich jenen Liedertext als einen gleichnißartigen Ausdruck ihrer selbst. Von einem nothwendigen Verhältniß zwischen Lied und Musik kann also nicht die Rede sein: denn die beiden hier in Bezug gebrachten Welten des Tons und des Bildes stehn sich zu fern, um mehr als eine äußerliche Verbindung eingehen zu können; das Lied ist eben nur Symbol und verhält sich zur Musik wie die ägyptische Hieroglyphe der Tapferkeit zum tapferen Krieger selbst. Bei den höchsten Offenbarungen der Musik empfinden wir sogar unwillkürlich die Rohheit jeder Bildlichkeit und jedes zur Analogie herbeigezogenen Affektes: wie ζ. B. die letzten Beethoven'schen Quartette jede Anschaulichkeit, überhaupt das gesammte Reich der empirischen Realität völlig beschämen. Das Symbol hat angesichts des höchsten, wirklich sich offenbarenden Gottes keine Bedeutung mehr: ja es erscheint jetzt als eine beleidigende Äußerlichkeit. Man verarge uns hier nicht, wenn wir auch von diesem Standpunkte aus den unerhörten und in seinen Zaubern nicht auflösbaren letzten Satz der neunten Symphonie Beethoven's in unsre 25

Betrachtung ziehn, um über ihn ganz unverhohlen zu reden. Daß dem dithyrambischen Welterlösungsjubel dieser Musik das Schiller'sche Gedicht »an die Freude« gänzlich incongruent ist, ja wie blasses Mondlicht von jenem Flammenmeere überfluthet wird, wer möchte mir dieses allersicherste Gefühl rauben? J a wer möchte mir überhaupt streitig machen können, daß jenes Gefühl beim Anhören dieser Musik nur deshalb nicht zum schreienden Ausdruck kommt, weil wir, durch die Musik für Bild und Wort völlig depotenzirt, bereits gar nichts von dem Gedichte Schiller's hören? Aller jener edle Schwung, ja die Erhabenheit der Schiller'schen Verse wirkt schon neben der wahrhaft naiv-unschuldigen Volksmelodie der Freude störend, beunruhigend, selbst roh und beleidigend: nur daß man sie nicht hört, bei der immer volleren Entfaltung des Chorgesanges und der Orchestermassen, hält jene Empfindung der Incongruenz von uns fern. Was sollen wir also von jenem ungeheuerlichen ästhetischen Aberglauben halten, daß Beethoven mit jenem vierten Satz der Neunten selbst ein feierliches Bekenntniß über die Grenzen der absoluten Musik abgegeben, ja mit ihm die Pforten einer neuen Kunst gewissermaßen entriegelt habe, in der die Musik sogar das Bild und den Begriff darzustellen befähigt und damit dem »bewußten Geiste« erschlossen worden sei? Und was sagt uns Beethoven selbst, indem er diesen Chorgesang durch ein Recitativ einführen läßt: »Ach Freunde, nicht diese Töne, sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere!« Angenehmere und freudenvollere! Dazu brauchte er den überzeugenden Ton der Menschenstimme, dazu brauchte er die Unschuldsweise des Volksgesanges. Nicht nach dem Wort, aber nach dem »angenehmeren« Laut, nicht nach dem Begriff, aber nach dem innig-freudenreichsten Tone griff der erhabene Meister in der Sehnsucht nach dem seelenvollsten Gesammtklange seines Orchesters. Und wie konnte man ihn mißverstehen! Vielmehr gilt von diesem Satze genau dasselbe, was Richard Wagner in Betreff der großen Missa solemnis sagt, die er »ein rein symphonisches Werk des echtesten Beethoven'schen Geistes« nennt. (Beethoven, S. 47.) »Die Gesangstimmen sind hier ganz im Sinne wie menschliche Instrumente behandelt, welchen Schopenhauer diesen sehr richtig auch nur zugesprochen wissen wollte: der ihnen unterlegte Text wird von uns, gerade in diesen großen Kirchencompositionen, - nicht seiner begrifflichen Bedeutung nach aufgefaßt, sondern er dient, im Sinne des musikalischen Kunstwerkes, lediglich als 26

Material für den Stimmgesang und verhält sich nur deswegen nicht störend zu unsrer musikalisch bestimmten Empfindung, weil er uns keineswegs Vernunftvorstellungen anregt, sondern, wie dies auch sein kirchlicher Charakter bedingt, uns nur mit dem Eindrucke wohlbekannter symbolischer Glaubensformeln berührt.« Übrigens zweifle ich nicht, daß Beethoven, falls er die projektirte zehnte Symphonie geschrieben hätte - zu der noch Skizzen vorliegen - , eben die zehnte Symphonie geschrieben haben würde. Nahen wir uns jetzt, nach diesen Vorbereitungen, der Besprechung der Oper, um von ihr nachher zu ihrem Gegenbild in der griechischen Tragödie fortgehen zu können. Was wir im letzten Satze der Neunten, also auf den höchsten Gipfeln der modernen Musikentwicklung, zu beobachten hatten, daß der Wortinhalt ungehört in dem allgemeinen Klangmeere untergeht, ist nichts Vereinzeltes und Absonderliches, sondern die allgemeine und ewig gültige Norm in der Vokalmusik aller Zeit, die dem Ursprünge des lyrischen Liedes einzig gemäß ist. Der dionysisch erregte Mensch hat ebensowenig wie die orgiastische Volksmasse einen Zuhörer, dem er Etwas mitzutheilen hätte: wie ihn allerdings der epische Erzähler und überhaupt der apollinische Künstler voraussetzt. Es liegt vielmehr im Wesen der dionysischen Kunst, daß sie die Rücksicht auf den Zuhörer nicht kennt: der begeisterte Dionysusdiener wird, wie ich an einer früheren Stelle sagte, nur von Seinesgleichen verstanden. Denken wir uns aber einen Zuhörer bei jenen endemischen Ausbrüchen der dionysischen Erregung, so müßten wir ihm ein Schicksal weissagen, wie es Pentheus, der entdeckte Lauscher, erlitt: nämlich von den Mänaden zerrissen zu werden. Der Lyriker singt »wie der Vogel singt«, allein, aus innerster Nöthigung und muß verstummen, wenn ihm der Zuhörer fordernd entgegen tritt. Deshalb würde es durchaus unnatürlich sein, vom Lyriker zu verlangen, daß man auch die Textworte seines Liedes verstünde, unnatürlich, weil hier der Zuhörer fordert, der überhaupt bei dem lyrischen Erguß kein Recht beanspruchen darf. Nun frage man sich einmal aufrichtig, mit den Dichtungen der großen antiken Lyriker in der Hand, ob sie auch nur daran gedacht haben können, der umherstehenden lauschenden Volksmenge mit ihrer Bilderund Gedankenwelt deutlich zu werden: man beantworte sich diese ernsthafte Frage, mit dem Blick auf Pindar und die äschyleischen Chorgesänge. Diese kühnsten und dunkelsten Verschlingungen des Gedankens, dieser ungestüm sich neu gebärende Bilderstrudel, die27

ser Orakelton des Ganzen, den wir, ohne die Ablenkung durch Musik und Orchestik, bei angespanntester Aufmerksamkeit so oft nicht durchdringen können - diese ganze Welt von Mirakeln sollte der griechischen Menge durchsichtig wie Glas, ja eine bildlich-begriffliche Interpretation der Musik gewesen sein? Und mit solchen Gedankenmysterien, wie sie Pindar enthält, hätte der wunderbare Dichter die an sich eindringlich deutliche Musik noch verdeutlichen wollen? Sollte man hier nicht zur Einsicht in Das kommen müssen, was der Lyriker ist, nämlich der künstlerische Mensch, der die Musik sich durch die Symbolik der Bilder und Affekte deuten muß, der aber dem Zuhörer Nichts mitzutheilen hat: der sogar, in völliger Entrücktheit, vergißt, wer gierig lauschend in seiner Nähe steht. Und wie der Lyriker seinen Hymnus, so singt das Volk das Volkslied, für sich, aus innerem Drange, unbekümmert, ob das Wort einem Nichtmitsingenden verständlich ist. Denken wir an unsre eignen Erfahrungen im Gebiete der höheren Kunstmusik: was verstanden wir vom Texte einer Messe Palestrina's, einer Cantate Bach's, eines Oratoriums Händel's, wenn wir nicht etwa selbst mitsangen? Nur für den Mitsingenden giebt es eine Lyrik, giebt es Vokalmusik: der Zuhörer steht ihr gegenüber als einer absoluten Musik. Nun aber beginnt die Oper, nach den deutlichsten Zeugnissen, mit der Forderung des Zuhörers, das Wort zu verstehn. Wie? Der Zuhörer fordertf Das Wort soll verstanden werden? Die Musik aber nun gar in den Dienst einer Reihe von Bildern und Begriffen zu stellen, sie als Mittel zum Zweck, zu ihrer Verstärkung und Verdeutlichung, zu verwenden — diese sonderbare Anmaßung, die im Begriff der »Oper« gefunden wird, erinnert mich an den lächerlichen Menschen, der sich mit seinen eignen Armen in die Luft zu heben versucht: was dieser Narr, und was die Oper nach jenem Begriffe versuchen, sind reine Unmöglichkeiten. Jener Opernbegriff fordert nicht etwa von der Musik einen Mißbrauch, sondern - wie ich sagte - eine Unmöglichkeit! Die Musik kann nie Mittel werden, man mag sie stoßen, schrauben, foltern: als Ton, als Trommelwirbel, auf ihren rohesten und einfachsten Stufen überwindet sie noch die Dichtung und erniedrigt sie zu ihrem Wiederschein. Die Oper als Kunstgattung nach jenem Begriff ist somit nicht sowohl Verirrung der Musik, als eine irrthümliche Vorstellung der Ästhetik. Wenn ich übrigens hiermit das Wesen der Oper für die Ästhetik rechtfertige, so bin ich na28

türlich weit entfernt, damit schlechte Opernmusik oder schlechte Operndichtungen rechtfertigen zu wollen. Die schlechteste Musik kann immer noch der besten Dichtung gegenüber den dionysischen Weltuntergrund bedeuten, und die schlechteste Dichtung Spiegel, Abbild und Wiederschein dieses Untergrundes sein, bei der besten Musik: so gewiß nämlich der einzelne Ton, dem Bild gegenüber, bereits dionysisch, und das einzelne Bild, sammt dem Begriff und Wort der Musik gegenüber, bereits apollinisch ist. Ja selbst schlechte Musik sammt schlechter Poesie kann noch über das Wesen der Musik und der Poesie belehren. Wenn also zum Beispiel Schopenhauer die N o r m a Bellini's als Erfüllung der Tragödie, hinsichtlich ihrer Musik und Dichtung, empfand, so war er, in seiner dionysisch-apollinischen Erregung und Selbstvergessenheit, dazu völlig berechtigt, weil er Musik und Dichtung in ihrem allgemeinsten, gleichsam philosophischen Werte, als Musik und Dichtung überhaupt, empfand: während er mit jenem Urtheil einen nur wenig gebildeten, d. h. historisch vergleichenden Geschmack bewies. Uns, die wir in dieser Untersuchung absichtlich jeder Frage nach dem historischen Werthe einer Kunsterscheinung aus dem Wege gehen und nur die Erscheinung selbst, in ihrer unveränderten gleichsam ewigen Bedeutung, somit auch in ihrem höchsten Typus, in's Auge zu fassen uns bemühn - uns gilt die Kunstgattung der Oper als ebenso berechtigt wie das Volkslied, insofern wir in beiden jene Vereinigung des Dionysischen und Apollinischen vorfinden und f ü r die Oper - nämlich f ü r den höchsten Typus der Oper — eine analoge Entstehung voraussetzen dürfen wie f ü r das Volkslied. N u r insofern die uns historisch bekannte Oper seit ihrem Anfang eine völlig verschiedene Entstehung hat als das Volkslied, verwerfen wir diese »Oper«: als welche sich zu jenem eben von uns vertheidigten Gattungsbegriff der Oper verhält wie die Marionette zum lebenden Menschen. So gewiß auch die Musik nie Mittel, im Dienste des Textes, werden kann, sondern auf jeden Fall den Text überwindet: so wird sie doch sicherlich schlechte Musik, wenn der Componist jede in ihm aufsteigende dionysische K r a f t durch einen ängstlichen Blick auf die Worte und Gesten seiner Marionetten bricht. H a t ihm der Operndichter überhaupt nicht mehr als die üblichen schematisirten Figuren mit ihrer ägyptischen Regelmäßigkeit geboten, so wird der Wert der Oper um so höher sein, je freier, unbedingter, dionysischer die Musik sich entfaltet und je mehr sie alle so29

genannten dramatischen Anforderungen verachtet. Die Oper in diesem Sinne ist dann freilich im besten Falle gute Musik und nur Musik: während die dabei abgespielte Gaukelei gleichsam nur eine phantastische Verkleidung des Orchesters, vor Allem seiner wichtigsten Instrumente, der Sänger, ist, von der der Einsichtige sich lachend abwendet. Wenn die große Masse sich gerade an ihr ergötzt und die Musik dabei nur gestattet: so geht es ihr wie allen Denen, die den goldenen Rahmen eines guten Gemäldes höher als dieses selbst schätzen: wer möchte solchen naiven Verirrungen noch eine ernsthafte oder gar pathetische Abfertigung gönnen? Was wird aber die Oper als »dramatische« Musik zu bedeuten haben, in ihrer möglichst weiten Entfernung von reiner, an sich wirkender, allein dionysischer Musik? Denken wir uns ein buntes leidenschaftliches und den Zuschauer fortreißendes D r a m a , das als Aktion bereits seines Erfolges sicher ist: was wird hier »dramatische« Musik noch hinzuthun können, wenn sie nichts davon nimmt? Sie wird aber erstens viel davonnehmen: denn in jedem Momente, wo einmal die dionysische Gewalt der Musik in den Zuhörer einschlägt, umflort sich das Auge, das die Aktion sieht, das sich in die vor ihm auftretenden Individuen versenkt h a t : der Zuhörer vergißt jetzt das D r a m a und wacht erst wieder f ü r dasselbe auf, wenn ihn der dionysische Zauber losgelassen hat. Insofern die Musik aber den Zuhörer das D r a m a vergessen macht, ist sie noch nicht »dramatische« Musik: was ist das aber f ü r Musik, die keine dionysische Gewalt auf den H ö r e r äußern darf? U n d wie ist sie möglich? Sie ist möglich als rein conventioneile Symbolik, in der die Convention alle natürliche K r a f t ausgesogen hat: als Musik, die sich zu Erinnerungszeichen abgeschwächt hat: und ihre Wirkung hat darin ihr Ziel, den Zuschauer an Etwas zu mahnen, was ihn beim Anblick des Dramas, zu dessen Verständniß, nicht entgehn darf: wie ein Trompetensignal f ü r das Pferd eine Aufforderung zum Trabe ist. Endlich wäre noch vor Beginn des Dramas und in Zwischenscenen oder in langweiligen, für die dramatische Wirkung zweifelhaften Stellen, ja selbst in seinen höchsten Momenten, eine andere, nicht mehr rein conventioneile Erinnerungsmusik erlaubt, nämlich Aufregungsmusik, als Stimulanzmittel f ü r stumpfe oder abgespannte Nerven. Diese beiden Elemente vermag ich allein in der sogenannten dramatischen Musik zu unterscheiden: eine conventionelle Rhetorik und Erinnerungsmusik und eine vor Allem physisch wirkende Aufregungsmusik: 30

und so schwankt sie zwischen Trommellärm und Signalhorn einher, wie die Stimmung des Kriegers, der in die Schlacht zieht. Nun aber verlangt der durch Vergleichung gebildete und an reiner Musik sich erlabende Sinn für jene beiden mißbräuchlichen Tendenzen der Musik eine Maskerade; es soll »Erinnerung« und »Aufregung« geblasen werden, aber in guter Musik, die an sich genießbar, ja werthvoll sein muß: welche Verzweiflung für den dramatischen Musiker,' der die große Trommel maskiren muß durch gute Musik, die aber doch nicht »rein musikalisch« sondern nur aufregend wirken darf! Und nun kommt das große mit tausend Köpfen wackelnde Philister-Publikum und genießt diese sich immer vor sich selbst schämende »dramatische Musik« mit Haut und Haar, ohne etwas von ihrer Scham und Verlegenheit zu merken. Vielmehr fühlt es sein Fell angenehm gekitzelt: ihm wird ja gehuldigt in allen Formen und Weisen, ihm dem zerstreuungssüchtigen mattäugigen Genüßling, der Aufregung braucht, ihm dem eingebildeten Gebildeten, der an gutes Drama und gute Musik wie an gute Kost sich gewöhnt hat, ohne übrigens viel daraus zu machen, ihm dem vergeßlichen und zerstreuten Egoisten, der zum Kunstwerke mit Gewalt und mit Signalhörnern zurückgeführt werden muß, weil fortwährend ihm eigensüchtige Pläne, auf Gewinn oder Genuß gerichtet, durch den Kopf kreuzen. Wehselige dramatische Musiker! »Beseht die Gönner in der Nähe! Halb sind sie kalt, halb sind sie roh.« »Was plagt ihr armen Thoren viel, zu solchem Zweck, die holden Musen?« Und daß diese von ihnen geplagt, ja gemartert und geschunden werden - sie leugnen es selbst nicht, die Aufrichtig-Unglücklichen! Wir hatten ein leidenschaftliches den Zuhörer fortreißendes Drama vorausgesetzt, das auch ohne Musik seiner Wirkung gewiß sei: ich fürchte, Das, was an ihm »Dichtung« und nicht eigentliche »Handlung« ist, wird sich zu wahrer Dichtung ähnlich verhalten wie die dramatische Musik zur Musik überhaupt: es wird Erinnerungs- und Aufregungsdichtung sein. Die Poesie wird als Mittel dienen, um conventionsmäßig an Gefühle und Leidenschaften zu erinnern, deren Ausdruck durch wirkliche Dichter gefunden und mit ihnen berühmt, ja normal geworden ist. Sodann wird ihr zugemuthet werden, der eigentlichen »Handlung«, sei das nun eine criminalistische Schreckensgeschichte oder eine verwandlungstolle Zauberei, in den gefährlichen Momenten aufzuhelfen und um die Rohheit der Aktion selbst einen verhüllenden Schleier zu breiten. 31

Im Gefühl der Scham, daß die Dichtung nur Maskerade ist, die kein Tageslicht verträgt, verlangt nun eine solche »dramatische« Dichterei nach der »dramatischen« Musik: wie anderseits dem Dichterling solcher Dramen wieder der dramatische Musiker auf dreiviertel des Wegs entgegenläuft, mit seiner Begabung zur Trommel und zum Signalhorn und seiner Scheu vor ächter, sich vertrauender und selbstgenugsamer Musik. Und nun sehn sie sich und umarmen sich, diese apollinischen und dionysischen Karikaturen, dieses par nobile fratrum!

H U G O VON HOFMANNSTHAL / RICHARD

STRAUSS

Werkstattbriefe (1908) Rodaun, 4. V I I . 1908 Mein lieber Herr Doktor, Bitte schicken Sie mir den Zettel mit den Korrektüren doch recht bald, damit ich alles erledige. Im September hoffe ich, vielleicht auf einen Sprung nach Garmisch zu kommen, weiß aber noch nicht, ob es geht, denn ich habe für diesen Sommer außerordentlich viel Arbeit vor. Ich hatte mich Ende Mai zu entscheiden, welchen von meinem zum Teil angefangenen Szenarien und Entwürfen ich mich zuwenden sollte, und zwar ausschließlich aus Rücksicht auf Sie, sehr verehrter Herr Doktor. Hätte ich nämlich jetzt an einem anderen Stück zu arbeiten angefangen und wäre in der Phantasie von jener glücklich erfaßten Casanovakomödie wieder abgekommen, so hätte es sich leicht ereignen können, daß ich auch im nächsten Frühjahr nicht wieder hineingekommen wäre. Mein Kopf ist sehr launisch und ich habe eine Fülle von Stoffen, und da wären Sie dann im nächsten Frühjahr enttäuscht und mit Recht auf mich ärgerlich dagesessen. Ich habe also diesen Stoff angefangen und bin schon dort, wo er dem Mädchen nach ins Boot springt, wenn auch der vorliegende Text vielleicht nicht als definitiv bestehen können wird, sondern nur als eine sehr genaue Untermalung. Aber lassen Sie mich nun sogleich Ihren Hauptpunkt zur Sprache bringen und antworten Sie mir zugleich zu meiner Beruhigung. Nicht wahr, Sie begreifen es und haben es auch gar nicht anders erwartet, als daß ich die Komödie zunächst so, wie ich sie nieder32

schreibe, auf dem Sprechtheater zur A u f f ü h r u n g bringe. Ich glaube, anders wäre es auch gar nicht zu machen, vor allem künstlerisch, denn was mich an dem Stoff anzieht, und worauf ich losarbeite (nachdem das gute, schlanke Szenarium gegeben ist), das ist eine möglichste Rundung der Figuren und ein möglichst natürlicher Dialog mit vielfach gebrochener Linie. Es ist nun sehr möglich, daß Sie sich dieses Dialoges, mit starken Kürzungen, so wie bei der >SalomeFigaros Hochzeit< vorgenommen hat. Dazu werden Sie mich gerne bereit finden, aber niemals wäre ich imstande, von A n f a n g an auf diese lyrische Formulierung des Textes, die das meiste der Charakterisierung dem Musiker überläßt, loszuarbeiten. Ich würde dabei alle Sicherheit verlieren und etwas nach beiden Seiten hin Verfehltes liefern. Liegt dagegen die Komödie vor, hat sie sich auf dem Theater bewährt und existiert jede ihrer Figuren sozusagen wie etwas Wirkliches schon, so hat man auch die nötige Frechheit, dann eventuell alles sehr en raccourci zu behandeln. Sie sind so sehr Künstler und verstehen auch von meinem Metier so viel, das Sie sich diesen Argumenten gewiß nicht verschließen werden. Und warum auch einen Modus verlassen, der sich bei >Salome< so schön bewährt hat und bei >Elektra,< wie wir hoffen dürfen, bewähren wird. Ich habe Ihnen das o f f e n dargelegt und erhoffe in Kürze von Ihnen ein paar freundlich zustimmende Zeilen. Wie ich mich freue, zu denken, dass Sie das Szenarium mit so lebhafter Freude aufgenommen haben und daß hier unter Ihrer H a n d wirklich etwas ganz Einziges an Spieloper entstehen könnte, brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen. Ich bin mit vielen Grüßen Ihr herzlich ergebener Hofmannsthal Garmisch, 6. 7. 08 Geehrter Herr von Hofmannsthal! Ihren freundlichen Brief vom 4. dankend erhalten! Anbei Ihre Schlußverse, die ich so viel als möglich zu erweitern bitte als Zwie-

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gesang von Elektra und Chrysothemis nebeneinander. Nichts Neues, nur Wiederholungen und Steigerungen desselben Inhalts. Ihre Verse bei der Erkennung des Orest durch Elektra sind wunderschön und bereits komponiert. Sie sind der geborene Librettist, in meinen Augen das größte Kompliment, da ich es für viel schwerer halte, eine gute Operndichtung zu schreiben als ein schönes Theaterstück. Sie werden natürlich anderer Ansicht sein und haben dabei ebenso recht wie ich! Was Ihre Wünsche bezüglich des Casanova betrifft, so ist es nicht ganz leicht, darauf zu erwidern. Prinzipiell ist natürlich dagegen nichts einzuwenden, und meinen Standpunkt, daß jeder Künstler so viel Nutzen als möglich aus seinen Werken ziehen soll, kennen Sie ja. Meine Bedenken, den Casanova zuerst als Lustspiel laufen zu lassen, sind künstlerischer Art insofern, als ich nicht weiß, ob es für mich gut ist, wenn eine Komödie, die so sehr auf eine Pointe zugespitzt ist, wie Ihr Entwurf, vor meiner Opernpremiere als Lustspiel abgenützt ist. Ich werfe in meinem Interesse vorläufig diese Frage auf. Erwägen Sie's bitte! I I . scheint mir Ihr Entwurf so rein und so schön lyrisch, daß ich nicht weiß, ob er gesprochen die Wirkung nur annähernd machen wird, die er als Oper machen muß. I I I . Wenn Sie ihn jetzt als rezitiertes Lustspiel aufführungsreif machen wollen, fürchte ich, daß Sie ihn mir dialogisch zu sehr zersplittern und gedanklich zu sehr belasten. I V . Halte ich den Stoff für ein gesprochenes Stück für zu mager und dünn. Er ist der geborene Operntext. Ich fürchte also zweierlei: Wenn Sie ihn jetzt ganz als Lustspiel ausarbeiten in der Art Ihres >Abenteurer und die SängerinBuddenbrooksNibelungenringes< einen Hauch zu verspüren. Lange Zeit stand des Bayreuthers N a m e über all meinem künstlerischen Denken und Tun. Lange Zeit schien mir, daß alles künstlerische Sehnen und Wollen in diesen gewaltigen N a m e n münde. 35

Zu keiner Zeit aber, auch nicht, als ich keine >TristanTasso< dem >Siegfried< nachstünde? Werden denn Wagners Kunstschriften auch nur gelesen? Woher eigentlich dieser Mangel an Interesse für den Schriftsteller Wagner? Daher, daß seine Schriften Parteischriften und nicht Bekenntnisse sind? Daß sie sein Werk, worin er wahrhaftig in seiner leidenden Größe lebt, sehr mangelhaft, sehr mißverständlich kommentieren? Man müßte diese 36

Entschuldigung gelten lassen. Es ist wahr, man kann aus Wagners Schriften nicht viel über Wagner lernen. Nein, ich spreche von seinem mächtigen Werke selbst, das heute beim bourgeoisen Publikum den Höhepunkt seiner Popularität erreicht hat, von seiner Kunst als Geschmack, als Stil, als Weltempfindung. Man lasse sich nicht täuschen durch den Begeisterungslärm der jungen Leute im Stehparterre. In Wahrheit ist heute in der höheren Jugend viel Wagnerkritik, viel instinktives, wenn auch stummes Mißtrauen, ja, es muß gesagt werden, viel Gleichgültigkeit gegen Wagner vorhanden. U n d wie könnte das anders sein? Wagner ist neunzehntes Jahrhundert durch und durch, ja, er ist der repräsentative deutsche Künstler dieser Epoche, die vielleicht als groß und gewiß als unglückselig im Gedächtnis der Menschheit fortleben wird. Denke ich aber an das Meisterwerk des zwanzigsten Jahrhunderts, so schwebt mir etwas vor, was sich von dem Wagner'schen sehr wesentlich und, wie ich glaube, vorteilhaft unterscheidet, - irgend etwas ausnehmend Logisches, Formvolles und Klares, etwas zugleich Strenges und Heiteres, von nicht geringerer Willensspannung als jenes, aber von kühlerer, vornehmerer und selbst gesunderer Geistigkeit, etwas, das seine Größe nicht im Barock-Kolossalischen und seine Schönheit nicht im R a u sche sucht, - eine neue Klassizität, dünkt mich, muß kommen. Aber noch immer, wenn unverhofft ein Klang, eine beziehungsvolle Wendung aus Wagners Werk mein Ohr t r i f f t , erschrecke ich vor Freude, eine A r t Heim- und Jugendweh kommt mich an und wieder, wie einstmals, unterliegt mein Geist dem klugen und sinnigen, sehnsüchtigen und abgefeimten Zauber.

H U G O VON H O F M A N N S T H A L / R I C H A R D STRAUSS

Werkstattbriefe (1916) Garmisch, 28. 7 . 1 6 Lieber Herr von Hofmannsthal! Herzlichen D a n k f ü r den lieben Brief und Ihre Ermahnungen, die auf fruchtbaren Boden fallen sollen. Ich bin ganz Ihrer A n sicht, daß das Vorspiel zu >Ariadne< der neue eigene Weg ist, der gegangen werden muß, und meine eigene Neigung geht nach dem realistischen Lustspiel mit wirklichen interessanten Menschen, sei

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es mehr lyrischen Inhaltes, wie der >Rosenkavalier< mit seiner prächtigen Marschallin - sei es burlesken, parodistischen Inhaltes nach der Seite der Offenbach'schen Parodie zu. Aber bei der »Frau ohne Schatten< den Stil anwenden, der Ihnen sympathisch und auf den wir beide zusteuern müssen - geht eben wirklich nicht. D a macht es nicht etwas mehr oder weniger Musik oder Text, das liegt am Stoff selbst mit seiner Romantik, seinen Symbolen - Figuren wie Kaiser und Kaiserin nebst Amme sind nicht mit so roten Blutkörperchen zu füllen wie eine Marschallin, ein Octavian, ein Ochs. D a kann ich mein H i r n anstrengen, wie ich will, und ich plage mich redlich und siebe und siebe durch, aber das Herz ist nur zur H ä l f t e dabei, und sobald der K o p f die größere H ä l f t e der Arbeit leisten muß, wird ein Hauch akademischer K ä l t e darin wehen (was meine Frau sehr richtig »musizieren« nennt), den kein Blasebalg zu wirklichem Feuer anblasen wird. So habe ich jetzt den ganzen letzten Schluß der Oper: das Quartett und die Chöre entworfen, es hat Schwung und große Steigerung - aber meine Frau findet es kalt und vermißt die zu Herzen gehende, zündende Melodik des >Rosenkavaliermit einem gewissen sprechenden Ausdruck< verlangt, so hebt er dabei nur, reflektierend, ein allgegenwärtiges Moment der Musik hervor. Man pflegt das Unterscheidende darin zu suchen, daß Musik den Begriff nicht kenne. Aber manches in ihr kommt den p r i m i t i ven Begriffen< recht nahe, von denen die Erkenntnistheorie handelt. Sie benutzt wiederkehrende Sigel. Geprägt wurden sie von der Tonalität. Wenn nicht Begriffe, so zeitigte diese doch V o k a beln: vorab die stets wieder mit identischer Funktion einzusetzenden Akkorde, auch eingeschliffene Verbindungen wie die der K a denzstufen, vielfach selbst melodische Floskeln, welche die H a r monie umschreiben. Solche allgemeinen Sigel vermochten je in den besonderen Zusammenhang einzugehen. Sie boten Raum f ü r die musikalische Spezifikation wie der Begriff f ü r das Einzelne und wurden zugleich, sprachähnlich, von ihrer Abstraktheit geheilt k r a f t des Zusammenhangs. N u r lag die Identität dieser musikalischen B e g r i f f e in ihrer eigenen Beschaffenheit, nicht in einem von ihnen Bezeichneten. Ihre Invarianz hat sich gleichwie eine zweite N a t u r sedimentiert. Sie macht dem Bewußtsein den Abschied von der Tonalität so schwer. Aber die neue Musik lehnt sich auf gegen den Schein an solcher zweiten Natur. Die geronnenen Formeln und ihre Funktion beseitigt sie als mechanisch. Nicht jedoch die Sprachähnlichkeit überhaupt, sondern nur die verdinglichte, welche das Einzelelement als Spielmarke, als entqualifiziertes Signal nicht minder starrer subjektiver Bedeutungen mißbraucht. Auch musikalisch entsprechen Subjektivismus und Verdinglichung einander. Aber ihre Korrelation umschreibt nicht ein f ü r allemal die Sprachähn72

lichkeit von Musik überhaupt. Heute ist das Verhältnis von Sprache und Musik kritisch geworden. Gegenüber der meinenden Sprache ist Musik eine von ganz anderem Typus. In ihm liegt ihr theologischer Aspekt. Was sie sagt, ist als Erscheinendes bestimmt zugleich und verborgen. Ihre Idee ist die Gestalt des göttlichen Namens. Sie ist entmythologisiertes Gebet, befreit von der Magie des Einwirkens; der wie immer auch vergebliche menschliche Versuch, den N a m e n selber zu nennen, nicht Bedeutungen mitzuteilen. Musik zielt auf eine intentionslose Sprache. Aber sie scheidet sich nicht bündig von der meinenden wie ein Reich vom anderen. Es waltet eine Dialektik: allenthalben ist sie von Intentionen durchsetzt, und gewiß nicht erst seit dem stile rappresentativo, der die Rationalisierung der Musik daran wandte, über ihre Sprachähnlichkeit zu verfügen. Musik ohne alles Meinen, der bloße phänomenale Zusammenhang der Klänge, gliche akustisch dem Kaleidoskop. Als absolutes Meinen dagegen hörte sie auf, Musik zu sein, und ginge falsch in Sprache über. Intentionen sind ihr wesentlich, aber nur als intermittierende. Sie verweist auf die wahre Sprache als auf eine, in der der Gehalt selber offenbar wird, aber um den Preis der Eindutigkeit, die überging an die meinenden Sprachen. U n d als sollte sie, die beredteste aller Sprachen, über den Fluch des Mehrdeutigen, ihr mythisches Teil, getröstet werden, strömen Intentionen in sie ein. Stets wieder zeigt sie an, was sie meint, und bestimmt es. N u r ist die Intention immer zugleich verhüllt. Nicht umsonst hat gerade K a f k a in einigen denkwürdigen Texten ihr eine Stelle eingeräumt wie keine Dichtung zuvor. Er verfuhr mit den Bedeutungen der gesprochenen, meinenden Sprache, als wären es die der Musik, abgebrochene Parabeln; im äußersten Gegensatz zur >musikalischen•

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tare Äußerung im Sprachgestus hervor. Als drittes Beispiel dieser Art: »Aventures« f ü r drei Sänger und sieben Instrumentalisten von György Ligeti. Für dieses Stück hat Ligeti sich eine eigene Lautsprache geschaffen. Es sind über hundert verschiedene Laute, und sie stehen immer in Verbindung mit Ausdruckscharakteren wie: sehr intensiv, aufgeregt, keuchend atmen, mit offenem Mund, mit soviel Luft wie möglich, mit tiefem Seufzen, mit Sehnsucht, mit plötzlich ausbrechendem Lachen usw. B: — Wie steht es nun mit dem gesungenen oder gesprochenen Wort in Verbindung mit elektronischen Mitteln? A: - Luciano Berio hat in seinem »Omaggio a Joyce« den von einer Frauenstimme gesprochenen Text - er stammt aus dem Sirenen-Kapitel des Romans »Ulysses« - auf Tonband aufgenommen. Die phonetischen Laute wurden dann als musikalisches Material verarbeitet, mit allen möglichen Varianten des An- und Abschwellens, der wechselnden Tempi, der Echowirkungen und der polyphonen Gleichzeitigkeit von mehreren Stimmschichten. Joyce hat in diesem Kapitel viel Laut- und Wortmalerei gestaltet. Berio will das wortmalerische Element aber nicht im einzelnen vertonen, vielmehr zielt er, wie er selber sagt, auf den »musikalischen Charakter des Onomatopoetischen«. Das Improvisatorische ist bei Berio nicht zu überhören; dagegen fehlt es gänzlich in dem streng seriell strukturierten »Gesang der Jünglinge« von Karlheinz Stockhausen. Die Laute, Lautfolgen und Worte werden von einer Knabenstimme gesungen. Die kompositorische Idee war die, den Dualismus zwischen gesungenen Tönen und elektronischen Klängen so aufzuheben, daß beide in ein gemeinsames Klangkontinuum eingeschmolzen werden. C : - Gehört eigentlich das kammermusikalische Theaterstück »Sur scene« von Mauricio Kagel auch in diese Kategorie? A: - Nein, »Sur scene« ist ein Stück absurden Theaters, zwischen Ionesco und John Cage. Am Vortragspult auf der Bühne steht ein gepflegter H e r r , selbstverständlich Brille, und beginnt eine musikwissenschaftliche Vorlesung mit hochgestochenen Kommentaren und pseudointellektuellen Verstiegenheiten. Beim H ö r e n achtet man natürlich zuerst auf das hübsche, hintergründige Gefasel und auf die Glissando-Clownerie der Stimme, die sich allmählich immer höher schraubt. Aber vergessen wir auch nicht die Hauptsache, die H a u p t f r a g e , die wir vorhin schon einmal gestellt 106

hatten, die Frage: Gibt es denn heute noch Komponisten, die Melodramen schreiben, auch wenn sie sie nicht mehr so nennen? Hier die Antwort.

DIETER

SCHNEBEL

Komposition von Sprache (1969) Adorno schrieb Texte und Musik; war philosophischer Schriftsteller und Komponist. Die beiden Tätigkeiten, verwandt im A k t des Schreibens, sind verschieden. Naheliegend, daß sie bei einem, der sie zugleich ausübt, einander durchdringen; daß Erfahrungen, wie sie Gestaltung von Sprache gewinnt, in Musik übertragen werden, umgekehrt kompositorisches Verhalten sich beim Schreiben von Texten auswirkt. Nicht, als ob Adorno die Bereiche vermischt hätte. Seine Kompositionen sind absolute Musik. Und er hat auch nicht Sprache wie Musik behandelt: er arbeitet kaum mit sprachlichen Melodien oder mit Wortklängen. Einzig, daß Wiederholungen vermieden werden, könnte von Übertragung der musikalischen Reihentechnik herrühren. Jedoch findet bei Adorno eine Art Komposition in Sprache statt, und Musik wird bei ihm in hohem M a ß beredt. Übliche Sprachgestaltung schreitet von Satz zu Satz fort, drückt also den Gedankengang aus oder zeichnet eine Sache nach. Komponieren verfährt weniger einlinig; heißt verschiedene Vorgänge gestalten und in Beziehung setzen. Wohl werden auch hier Fortsetzungen gebildet und kommt es auf logischen Prozeß an. Außerdem arbeitet Komposition mit Variation und Kontrast, überhaupt mit Umgestaltung (Verkürzung, Erweiterung), die in mannigfache Richtungen führt. Entscheidend aber ist das zeitliche Element: daß Prozesse entstehen und auf Zukünftiges verweisen oder an Zurückliegendes erinnert wird; wie überhaupt im Verlauf einer Komposition ein Beziehungsnetz entsteht, worin Vergangenes neue Aspekte gewinnt und Ahnungen von Kommendem sich einstellen. (Vgl. das Schema auf S. 108). Die Nr. 78 aus >Minima MoraliaÜber den BergenDie Wunde Heine< mit einer kurzen thematischen Einleitung. Der behauptende, ja polemische Inhalt ist in apodiktische, fest konturierte Sprache gefaßt. Auslassungen wie das mehrfach fehlende »von« — »und (von) seinem Verhältnis«; »und (von dem) was« — wirken konzentrierend, verschmelzen zu einem durchgehenden Prozeß. Die immer wieder eingesetzte Kopula »und« gerät fast störend und setzt Marken, welche den Vorgang artikulieren. Die analoge Gliederung von erstem und drittem Satz schafft einen geschlossenen Ablauf - gleichsam eine ABA-Form: »Wer im Ernst zum Gedächtnis Heines am hundertsten Tag seines Todes beitragen will und keine bloße Festrede halten, muß von einer Wunde sprechen: von dem, was an ihm schmerzt und seinem Verhältnis zur deutschen Tradition, und was zumal in Deutschland nach dem zweiten Krieg verdrängt ward. Sein Name ist ein Ärgernis, und nur wer dem ohne Schönfärberei sich stellt, kann hoffen, weiterzuhelfen.« Dieser Einleitung folgen zwei introduzierende Abschnitte gegensätzlicher Art über den Lyriker und den Prosaschriftsteller Heine. Hier kommt die Sprache in Fluß, wird diskursiv - läßt sozusagen die kritischen K r ä f t e des Gehalts heraus: »Nicht erst von den Nationalsozialisten ist Heine diffamiert worden. Ja, diese haben ihn beinahe zu Ehren gebracht, als sie unter die Loreley jenes berühmt gewordene >Dichter unbekannte setzten, das die insgeheim schillernden Verse, die an Figurinen der Pariserischen Rheinnixen einer verschollenen Offenbachoper mahnen, als Volkslied unerwartet sanktionierte.«

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Erst im vierten Abschnitt behandelt der Essay das Thema >Die Wunde HeineMinima Moralia< Inventionen vergleichen; Struktur und Ablauf werden vom Thema geprägt. Sind diese »Sätze« kleine Formen, im style d'une teneur gehalten, so ähneln die größeren der Essays mehr denen von Sonaten, worin mehrere Charaktere eine Rolle spielen und der Formverlauf dialektisch wird. Die kleineren unter ihnen, wie etwa die Arbeiten über > Wörter aus der FremdeNoten zur Literatur< entsprechen einsätzigen Gebilden. Die umfänglichen Texte sind mehrsätzig - so der extensive Aufsatz >Parataxis< (Zur späten Lyrik Hölderlins), der zwei Teile hat, welche entsprechend dem Inhalt: Koordination unzusammenhängender Satzglieder, so verschränkt sind wie die beiden Sätze in Bergs Violinkonzert. Der >Versuch, das Endspiel zu verstehen< hat analog zum Gegenstand einen fast monotonen Verlauf. Die einzelnen Teile bilden mehr interne Struktur der Gesamtform, werden überdies so verwischt und integriert, wie in Schönbergs erstem Quartett und in der ersten Kammersinfonie die vier Sätze zu einem Gesamtverlauf verschmolzen werden. Die Großformen der Bücher aber sind quasi Sinfonien - auch wenn sie aus Sammlungen erwachsen sind, wie >Quasi una fantasiaNoten zur Literatur< sind meist so kunstvoll wie die Objekte, von denen sie handeln. Passen sich ihnen auch an, so daß der Sprachduktus davon eingefärbt wird. Im Eichendorff-Essay gehen die Zitate fast bruchlos 113

in den Text ein, und im >Versuch, das Endspiel zu verstehen^ der vielleicht resigniertesten Arbeit Adornos, wo die >bestimmte Negat i o n auf die Spitze getrieben wird, nimmt auch seine Sprache etwas von Becketts Eintönigkeit an. Die ästhetische, ja musikalische Gestalt solcher Texte resultiert aus einfühlendem Nachdenken wie aus dem Bemühen, dem Inhalt adäquate Form zu geben, steht aber zugleich im Widerspruch zu dessen kritischer Intention: Die Schärfe des Gedankens wird durch die Schönheit der Äußerung gemildert. Diese ist überdies noch von Überkommenem geprägt: Adornos Sprache kommt aus der großen - mittlerweile affirmativ gewordenen - Tradition von Philosophie und Dichtung; ist durch die sprachlichen Erfahrungen Hegels, Marxens und Nietzsches hindurchgegangen, und ihre Disziplin ward bei Tacitus gelernt. Die traditionellen Elemente und das ästhetische Äußere mögen Adornos Sprache veraltet erscheinen lassen; geben ihr jedenfalls einen Gestus, welcher der großen bürgerlichen Kultur entstammt. Indes wird hier keineswegs unbesehen weitergegeben, sondern kraft kritischer Reflexion. Das eigene bürgerliche Bewußtsein, wie immer es noch vorwalten mag, und die Sprache, in der es sich äußert, werden in Frage gestellt. Jene Aufsätze, die sich weniger mit Traditionellem als mit Akutem befassen, so etwa die kritischen Modelle >Eingriffe< und >StichworteDialektik der Aufklärung< haben wenig mehr von traditionellem Sprachgehabe - wie dieses ohnehin immer wieder von unpassend scharfen Äußerungen durchschlagen wird. Die Komposition der Sprache geschieht hier weniger so, daß der Inhalt durch die Sprachgestalt symbolisiert wird, als daß er sich selbst in der Sprachbewegung dynamisch ausprägt. Die Dialektik der Aufklärung schließt fast agitatorisch mit dem Satz: »Die ihrer selbst mächtige, zur Gewalt werdende Aufklärung selbst vermöchte die Grenzen der Aufklärung zu durchbrechen.« Indes mag selbst das noch schön erscheinen. Nun läßt sich solch ästhetisches Wesen schlecht vermeiden, denn es gründet in der Sache: Jeder sprachlich präzis geformte Gedanke ist Kunst, und was als Text in Schrift fixiert wird ohnehin. Freilich wird Sprache dabei leicht so versteinert wie das Material, in das sie einst als Schrift für die Ewigkeit eingehauen wurde. Beinahe jedes Wort gerät zu einem Monolithen, anschaubar, auch anzugreifen, nicht 114

aber selbst in Bewegung begriffen. Adornos Sprachkompositionen aber reißen die im Text gleichsam festgenagelte Sprache von ihren Verhakungen los, bringen sie in Fluß - als ecriture und als Vorgang von Sprache selbst. Das Fixierte - und damit auch das Ästhetische - wird aufgelöst, die Eigendynamik der Worte in Kraft gesetzt, so daß ein jedes zu einem anderen weist: Bei der Lektüre von Adornos Texten läßt sich schlecht bei einzelnen Sätzen oder Worten stehenbleiben - und immer wieder finden sich aufstörende Momente. So verwandelt die Komposition der Sprache noch ihre schriftliche Gestalt, den Text, in einen angreifenden Prozeß; indem sie aus seinen Elementen gewissermaßen Feuer schlägt und sie zerschmilzt, entbindet sie ihre Energie und gibt dem Inhalt Brisanz. Solche Freisetzung trotzt noch dem diszipliniertest Formulierten ein Rhapsodisches ab, läßt Sprache in fast unmittelbaren Ausdruck explodieren, um dem Andrang dessen, was sich hier unterm Druck realer Verhältnisse komprimierte, Luft zu verschaffen - Ausbruch in Protest oder einfach in bewegenden Ton, und sei's den der Klage. Nicht von ungefähr hat Adornos Sprache Affinität zu der Nietzsches, wo sie ebenfalls zu einem Movens wird. Das mag immer noch bürgerlich individualistisch vorkommen - zumal wegen des Ausdrucks, obschon gerade da Unerträgliches zu Protest gebracht wird. Indes ist hier - wie auch bei Benjamin und Bloch - eine Sprache visiert, welche die Kraft des Inhalts direkt äußert und also zum Anstoß wird. Von solcher Absicht her rührt die Gewalt mancher polemischer Texte Adornos und ihr kritischer Charakter insgesamt. Der Inhalt macht's nicht allein noch der revolutionärste Satz kann orthodox wirken, wenn der sprachlichen Gestalt die entsprechende Dynamik fehlt. Adorno erstrebte sie in einer Hegels und Marx' Sprache weitertreibenden Konzeption, wo ein jedes ihrer Momente auf andere zielt und dadurch der Zusammenhang selbst in Bewegung kommt. Zugleich suchte er - hierin Marxsche und Nietzschesche Tendenzen realisierend - die immanente Sprachbewegung nach außen zu wenden: Sprache selbst zu einem Anstoßenden werden zu lassen. Es ist schwer zu entscheiden, wieviel Adorno von solcher Intention zu realisieren vermochte. Wesentlich aber ist, daß sein Entwurf einer komponierten Sprache, welche Zeit zu ihrem eigentlichen Element macht, eine für Theorie und Praxis adäquate Sprache vorsieht, die mobilisiert und dadurch den unerträglichen Zustand zu ändern trachtet - von dem ihr Ausdruck handelt. 115

Quellennachweise

x Richard Wagner, Oper und Drama. Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft. In: Wagner, Sämtliche Schriften und Dichtungen in 16 Bänden. Band 4, 6. Auflage Leipzig 1 9 1 1 . S. 1 3 8 - 1 5 9 . 2 Friedrich Nietzsche, Uber Musik und Wort. In: Nietzsche, Die Geburt der Tragödie. Werke Band 1 . Aus dem Nadilaß 1869-1873. Leipzig o. J . S. 233-250. Ludwig Rohner schreibt dazu in Deutsche Essays Band 2: »Die drei kleinen Abhandlungen Der griechische Staat, Das griechische Weib und Über Musik und Wort müssen mit der von Nietzsche selbst veröffentlichten Geburt der Tragödie zusammengesehen werden. Es handelt sich um Bruchstücke eines geplanten großen Buches über die Griechen. Nietzsche überschrieb eine handschriftliche kleine Sammlung 1872 mit Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern; Musik und Wort, ein Jahr zuvor entstanden, findet sich unter den fünf angeführten Titeln nicht, aber läßt sich ebenfalls als »Vorrede zu einem ungeschriebenen Buche< verstehen.« 3 Hugo von Hofmannsthal / Ridiard Strauss, Werkstattbriefe. In: Richard Strauss - Hugo von Hofmannsthal, Briefwechsel, im Auftrag von Franz und Alice Strauss, hrg. von Willi Schuh, Zürich: Atlantis 1964. S. 39-42. 4 Thomas Mann, Ober die Kunst Richard Wagners. Antwort auf eine Rundfrage. Erstdruck in: Merker. Wien 2. Jg. Nr. 19/20 (Juli) 1 9 1 1 . - Abdruck nach: Thomas Mann, Das essayistische Werk, Taschenbuchausgabe in 8 Bänden, hrg. von Hans Bürgin. Band 7, Autobiographisches Frankfurt a. M.: S. Fischer 1968. S. 34-36. 5 Hugo von Hofmannsthal / Richard Strauss, Werkstattbriefe. In: Richard Strauss - Hugo von Hofmannsthal, Briefwechsel, im Auftrag von Franz und Alice Strauss, hrg. von Willi Schuh, Zürich: Atlantis 1964. S. 353-356. 6 Ridiard Strauss, Vorwort zu Intermezzo. Eine bürgerliche Komödie mit sinfonischen Zwischenspielen in zwei Aufzügen von Richard Strauss, op. 72. Partitur und Klavierauszug, Adolph Fürstner, Berlin 1924. Abdruck nach: Richard Strauss, Betrachtungen und Erinnerungen, hrg. von Willi Schuh, 2. Aufl. Zürich: Atlantis 1957. S. 140 -149. 7 Emil Staiger, Deutsche Romantik in Diditung und Musik. In: Staiger, Musik und Dichtung. 2. Aufl. Zürich: Atlantis 1959. S. 61-85. Vor-

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trag, gehalten im Frühjahr 1947 in der Universität Basel auf Einladung der Musikforschenden Gesellschaft und der Studentenschaft. 8 Werner Egk, Von königlichem Rang: die Oper. Erstdruck in: Deutsche Zeitung, 1 0 . 1 0 . 1 9 5 5 . - Abdruck nach: Kontrapunkte - Schriften zur deutschen Musik der Gegenwart. Hrg. von Heinrich Lindlar. H e f t 2, Die Stimme des Komponisten. Aufsätze, Reden, Briefe 1907 - 1 9 5 8 . Rodenkirchen/Rhein: Tonger. S. 78-85. 9 Theodor W.Adorno, Fragment über Musik und Sprache. In: Jahresring 1956/57. Stuttgart 1956. S. 96 f f . Abdruck nach: Adorno, Quasi una fantasia, Musikalische Schriften I I . Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1963. S. 9 - 1 6 . 1 0 Horst Petri, Die musikalische Form in der Literatur. In: Petri, Literatur und Musik - Form- und Strukturparallelen. Göttingen: Sachse Sc Pohl 1964. S. 4 3 - 5 1 / 57-62. 1 1 Herbert Eimert, Vokalität im 20. Jahrhundert. Als Dreigespräch verfaßt für das Nachtstudio des Südwestfunks Baden-Baden. Abdruck nach: Melos. 1965/10. S. 350-359. 1 2 Dieter Schnebel, Komposition von Sprache. Erster Teil des Aufsatzes Komposition von Sprache - sprachliche Gestaltung von Musik in Adornos Werk. In: Th. W. Adorno zum Gedächtnis. Frankfurt 1 9 7 1 . Abdruck nach: Schnebel, Denkbare Musik - Schriften 1952 - 1 9 7 2 . Köln: M. DuMont Schauberg 1972. S. 461-466.

Herausgeber und Verlag danken den Autoren und Verlagen für die Genehmigung zum Abdruck der Beiträge.

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Autoren - biografische Angaben

Richard Wagner (22. 5 . 1 8 1 3 - 13. 2.1883), Schöpfer des modernen Gesamtkunstwerks, Komponist und Dichter, schrieb die Texte für seine Musikdramen selber. In seiner Zürcher Zeit (1849-58) entwickelt er aus einem Artikel über das Wesen der Oper sein theoretisches Hauptwerk Oper und Drama 1851. Friedrich Nietzsche (15.10.1844 - 25. 8.1900), Philosoph, anfangs ein begeisterter Wagner-Anhänger. Lebte eine Weile mit dem Gedanken, sich ganz der Musik zu widmen. Nietzsche komponierte selber eine Anzahl von Liedern und Klavierstücken. Dann Angriffe gegen Wagner; Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik 1872 und Richard Wagner in Bayreuth 1876, Der Fall Wagner 1888 und Nietzsche contra Wagner 1888. Hugo von Hofmannsthal (x. 2.1874 - 15. 7.1929), Dichter und Essayist. Ab 1906 neben seiner eigenen Produktion Zusammenarbeit mit Richard Strauss, Veränderung des E/e&ira-Schauspieltextes, dann aber direkte Arbeiten für Musik: Der Rosenkavalier 1 9 1 1 , Ariadne auf Naxos 1912, Josephslegende (Ballett) 1914, Die Frau ohne Schatten 1919, Die Ägyptische Helena 1928 und Arabella 1933. Richard Strauss (11. 6.1864 - 8. 9.1949), Komponist von 15 Opern. Vor der Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal sind Guntram 1893 (eigener Text), Feuersnot 1901 (Text von Ernst von Wolzogen) und Salome 1905 (nach Oscar Wilde) entstanden. Nach dem Tode Hofmannsthals Zusammenarbeit mit Stefan Zweig, Joseph Gregor und Clemens Crauss: Die schweigsame Frau 1935 (Zweig), Daphne 1938 (Gregor), Ein Friedenstag 1938 (Crauss), Capriccio 1942 (Crauss) und Die Liebe der Danae 1943 (Gregor). Daneben Orchesterwerke und ca. 200 Lieder. Thomas Mann (6. 6.1875 - 12. 8.1955), mit ihm gewinnt die deutsche Prosaliteratur jene Bedeutung zurück, die sie bis Jean Paul besessen hat. Frühe Schopenhauer- und Wagner-Verehrung, intensive Auseinandersetzung mit Musik, vor allem in Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde 1947 (Roman) und Die Entstehung des Doktor Faustus 1949 (Roman eines Romans), speziell mit Wagner in Leiden und Größe Richard Wagners 1935·

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Emil Staiger (geb. 8. 2.1908), Professor für Germanistik an der Universität Zürich, Übersetzer und Essayist. Er trat für eine vorwiegend werkimmanente Interpretation ein: Die Zeit als Einbildungskraft des Did)ters 1939, Meisterwerke deutscher Sprache 1942, Grundbegriffe der Poetik 1946, Die Kunst der Inteipretation 1955, Stilwandel 1963. Bedeutender Goethe-Interpret. Werner Egk (geb. 1 7 . 5 . 1 9 0 1 ) , deutscher Opern- und Ballettkomponist, verfaßte seine Libretti selber: Die Zaubergeige 1935 (nach Pocci), Peer Gynt 1938 (nach Ibsen), Columbus 1942, Circe 1948 (nach Calderon), Irische Legende 1955 (nach Yeats) und Der Revisor 1957 (nach Gogol). 1936-40 Kapellmeister an der Berliner Staatsoper, 1950-53 Direktor der Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg, heute freischaffend. Theodor W. Adorno ( 1 1 . 9 . 1 9 0 3 - 6. 8.1969), Professor für Philosophie und Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt, war 1925 Kompositionsschüler von Alban Berg, von 1928-32 Leiter der Wiener Musikzeitschrift Anbruch; seit dieser Zeit als Theoretiker der Neuen Musik bekannt. Nur wenige seiner Kompositionen sind gedruckt erschienen. Horst Petri (geb. 19. 4 . 1 9 3 7 ) , 1958 Abitur, anschließend Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik in Frankfurt a. M. in einer »Solo Klasse Klavier«, gleichzeitig Jura- und Soziologie an der Joh.-Wolfgang-Goethe-Universität, letzteres bei Th. W. Adorno, von dem er auch private Interpretationsanweisungen für moderne Musik erhielt. Interpretationskurse bei Eduard Steuermann und Paul Jacobs. Mehrere Aufsätze über Literatur und Musik. Seit 1967 Rechtsanwalt in Frankfurt a. M. mit eigener Kanzlei. Herbert Eimert (8. 4 . 1 8 9 7 - 1 5 . 1 2 . 1972), Theoretiker, Kritiker, Komponist. Schrieb eine Atonale Musiklehre (1924), ein Lehrbuch der Zwölftontechnik (1950), gründete 1952 beim Kölner Funkhaus des N W D R ein Studio für Elektronische Musik und gibt seit 1955 gemeinsam mit Karlheinz Stockhausen eine Schriftfolge Die Reihe, Information über serielle Musik heraus. Dieter Schnebel (geb. 1 4 . 3 . 1 9 3 0 ) , studierte Musik (Klavierlehrerexamen 1952), ab 1952 Theologie und Musikwissenschaft, 1955 Promotion. Herausgeber der Texte von Karlheinz Stockhausen und der Monografie Mauricio Kagel, Musik, Theater, Film. Kompositionen u. a.: Glossolalie (Vokal-Collage), ki-no (Nachtmusik für Projektoren und Hörer), MONO (Musik zum Lesen), für Stimmen (. . . missa est) (Chorzyklus).

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Bibliografie

Dieses Verzeichnis erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; es dient nur der weiteren Orientierung. Theodor W. Adorno, Der getreue Korrepetitor. Lehrschriften zur musikalischen Praxis. Frankfurt 1963. - Philosophie der neuen Musik. Tübingen 1949. - Versuch über Wagner. Berlin und Frankfurt 1952. - Vers une musique informelle. In: Adorno, Quasi una fantasia. Frankfurt 1963. S. 365-437. Gustav Becking, Der musikalische Rhythmus als Erkenntnisquelle. 1928. R. Benz, Die Welt der Dichter und die Musik. Düsseldorf 1949. Luciano Berio, Musik und Dichtung - eine Erfahrung. In: Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik. 1959. S. 36 f f . Wolfgang Butzlaff, Paul Celan: Todesfuge. In: Der Deutschunterricht. 12. Jahrgang, i960, Heft 3. S. 4 2 - 5 1 . Hans H . Eggebrecht, Von der Musikalität der Dichtung. In: Musica. 1950, Heft 4. S. 9 - 1 5 . Hermann Fähnrich, Richard Strauss über das Verhältnis von Dichtung und Musik in seinem Opernschaffen. In: Musikforschung 1961. T. Georgiades, Musik und Sprache. Das Werden der abendländischen Musik. Berlin - Göttingen - Heidelberg 1954. - Schubert. Musik und Lyrik. Göttingen - Züridi 1967. St. Gilbert, Das Rätsel Ulysses. Zürich i960. G.Heike, Musik und Sprache. In: movens. Wiesbaden i960. (Mit Literaturhinweisen) H . v. Hofmannsthal/Ridiard Strauss, Der Rosenkavalier. Fassungen Filmszenarium Briefe. Hrsg. von Willi Schuh, Frankfurt 1 9 7 1 . L. Hotes, Das Leitmotiv in der neuen deutschen Romandichtung. Dissertation. Frankfurt 1 9 3 1 . K . G. Just, Musik und Dichtung. In: Deutsche Philologie im Aufriß. Berlin 1962. Hans Klein, Musikalische Komposition in deutscher Dichtkunst. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literatur und Geistesgeschichte. 1930, Heft 8. S. 680-716.

120

J . K l e i n , Die musikalischen Leitmotive in Hölderlins Hyperion. manisch-Romanische Monatsschrift. 1935. H e f t 23.

In: Ger-

Jakob Knaus, Hofmannsthals Weg zur Oper Die Frau ohne Berlin - New Y o r k 1 9 7 1 .

Schatten.

Louis Köhler, Die Melodie der Sprache in ihrer Anwendung besonders auf das Lied und die Oper. 1853. Johannes Mittenzwei, Das Musikalische in der Literatur. Ein Übergang von Gottfried v. Strassburg bis Brecht. Halle (Saale) 1962. Josef Müller-Blattau, Die Musik in Thomas Manns Doktor Faustus und Hermann Hesses Glasperlenspiel. In: Annales Universitatis Saraviensis. Jahrgang 2 , 1 9 5 3 . S. 1 4 5 - 1 5 4 · Ronald Peacock, Probleme des Musikalischen in der Sprache. In: Weltliteratur. Festgabe für Fritz Strich. Bern 1952. S. 85-100. - Das Leitmotiv bei Thomas Mann. 1934. Horst Petri, Literatur und Musik. Form- und Strukturparallelen. Göttingen 1964. (Mit Literaturhinweisen) Georg Reichert, Literatur und Musik. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Berlin 1959. (Mit ausführlicher Bibliografie). Hermann Reutter, Wort und Ton im neuen Lied. In: Kontrapunkte. Hrsg. von Heinridi Lindlar. H e f t 2. Rodenhausen/Rhein 1958. S. 74 -78. Nicolas Ruwet, Von den Widersprüchen der seriellen Sprache. In: Die Reihe, H e f t 6, Wien i960. S. 59-70. Martin Erich Schmid, Symbol und Funktion der Musik im Werk Hugo von Hofmannsthals. Heidelberg 1968. Dieter Schnebel, Denkbare Musik. Schriften 1 9 5 2 - 1 9 7 2 . Köln 1972. M. Schochow, Der musikalische Aufbau in Thomas Manns Tonio Kröger. ZfdB. Heft 4,1928. Max See, Die heitere Opernmelodie. Zum Ausdrucksproblem der dramatischen Musik. In: Neue Zeitschrift für Musik, H e f t 1 0 , 1962. Peter Seidensticker,Paul Celan: Todesfuge. In Deutschunterricht 1 2 . Jahrgang, i960. H e f t 3. S. 35-42. Emil Staiger, Musik und Dichtung. Zürich 1959. Herbert von Stein, Dichtung und Musik im Werk Richard Wagners. Berlin 1963. Jul. Stenzel, Sinn, Bedeutung, Begriff, Definition. Ein Beitrag zur Frage der Sprachmelodie. In: Jahrbuch für Philologie, Band 1 , 1925. S. 160 -201. Karlheinz Stockhausen, Musik und Sprache. In: Die Reihe, H e f t 6, Wien i960. S. 36-58.

121

Rene Tschirky, Heimito von Doderers Posaunen von Jericho. Berlin 1971. Jul. Tenner, Über Versmelodie. In: Zeitschrift für Ästhetik. Heft 8 , 1 9 1 3 . S. 247-279 und 353-402. Eva Tiegel, Das Musikalische in der romantischen Prosa. Dissertation Erlangen 1934. Oskar Walzel, Leitmotive in Dichtungen. In: Walzel, Das Wortkunstwerk. 1926. S. 1 5 2 - 1 8 1 . Hans Rudolf Zeller, Mallarme und das serielle Denken. In: Die Reihe, Heft 6, Wien i960.

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Namenregister

Adorno, Th. W. X I I I , X I V , 78-82, 107-11$ Auber, D. F. 70 Bach, J . S. 28, $7, 58f., 63, 2 S - 2 7> 4°. 57. 63, 72, 78, 79. 91. 93 - 9. Sinfonie 8, 1 1 , 12, 2$, 26 - übrige Werke 26, 27f., 68, 7072. 79 Bellini, Vincenzo 29 Benjamin, Walter 11$ Berg, Alban X I , 68, 87,92,99, 113 Berio, Luciano 106 Berlioz, Hector 8 2 f., 93 Boulez, Pierre 98-102 Brahms, Johannes VIII, 93 Brecht, Bertolt 69, 70 Brentano, Clemens $i, $$-57, $9, 62, 63 Broch, Hermann X I I , 8$ Büchner, Georg 68 Bülow, Hans von 4}ff. Busoni, Ferruccio 101 Cage, John 106 Casti, G. Β. V I I Celan, Paul X I I I Char, Rene 99 Chopin, Frederic $9-63 Doderer, Heimito von X l l f f .

Drux, Herbert 91 Egk, Werner X I I I Eichendorff, Jos. Fr. von $3, $$, 59. 63. " 3 Eimert, Herbert IX, X I V Fichte, J. G. $2, $$, 63 Fortner, Wolfgang 101 Giraud, Albert 92 Gluck, Ch. W. 40, 71 Goethe, J . W. VHIff., I X , 36, 4753, $9, 62ff., 63, 1 1 2 Gregor, Joseph VII Händel, G. F. 28, 92 Haie, Adam de la 68 Hartleben, Otto E. 92 Haubenstock-Ramati, R. 103 Haydn, Joseph 60, 61, 63, 93 Hegel, G. W. F. $4, 60, 61, 79, 80, 114, 11$ Heine, Heinrich i n , 1 1 2 Henze, Hans Werner 89 Herder, J . G. IX, 47, $ofi., 63 Hindemith, Paul 6$, 91 Hölderlin, Friedrich 113 Hoffmann, Ε. Τ. Α. I X , 6 3 f., 81 Hofmannsthal, Hugo von VII, IX, X , 32-3$, 37-40 Horkheimer, Max 11$ Humperdinck, Engelbert 94f. Ionesco, Eugene 101, 106 Jahnn, Hans Henny X I , X I I , 8$86

123

Janacfek, Leo? X l f f . Joyce, James X I I , 8if., 8j,

101,

io6f.

K a f k a , Franz 73 Kagel, Mauricio 106 Kant, Immanuel 47 Kerr, A l f r e d X I V , 100 Klinger, F. M . 48, 50 Klopstock, F. G . 3 j Krenek, Ernst 101 Kurth, Ernst 57 Lenz, J. R. M. 48, 113 Lessing, G . E. 51, 63 Ligeti, G y ö r g y 103, io6f. Liszt, Franz 82, 91 Mahler, Gustav 79f. Mallarm^, Stephane 102, 103 Mann, Thomas X I , X I I , 76-78, 81 f., 83-85, 113 - Werke X I , X I I , 35, 76-78, 81, 83, 84 Marschner, Heinrich 40, 8 r Marx, K a r l 114, 115 Mendelssohn, Felix V I I I , 56f., 58 Monteverdi, Claudio 71 f. Mozart, W . A . 8f., 4of., 56, 57, 60, 61, 63f., 66, 68, 92, 93, 1132 - Werke 33, 39, 40, 41, 65, 68, 7 i f f . , 92 Nicolai, O t t o 4of., 57 Nietzsche, Friedrich X f f . , 114, 115 N o n o , Luigi 101, 103 Novalis, 50, 51, 56 Offenbach, Jacques 38, 111 Opitz, Martin 59 Palestrina, G . P. 28 Petri, Horst X I , X I I , X I V Pindar 27, 28 Ponte, Lorenzo da 33, 68 Pound, Ezra 78, 81

124

Ravel, Maurice 90 Rilke, Rainer Maria 73 Rolland, Romain 65 Rousseau, J. J. 50 Salieri, Antonio V I I , 91 f. Schelling, F. M. 62 Schiller, Friedrich I X , X , 11, 26, 47 Schillings, M a x von 94 Schlegel, Friedrich 50, 63 Schnebel, Dieter X I V Schönberg, A r n o l d X I V , 75, 86103, 113 - Werke X I V , 87, 92, 94-103, 113 Schopenhauer, Arthur 2off., 21, 24, 26, 29 Schubert, Franz V I I I , 56, 57fr., 60, 61, 86-93, 1 0 0 Schumann, Robert 55-59, 6 i f f . , 63, 93 Scribe, Eugene I X Shakespeare, William 51 f. Searle, Humphrey 101 Silesius, Angelus 52 Staiger, Emil X Stamitz, Johann 63 Stockhausen, Karlheinz 103, 106 Strauss, Richard V I I - X I , 32-35, 37-40, 71, 94 - Werke V I I - X I , 32-33, 37-46, 68, 71, 90, 92 Strawinsky, Igor 69^, 70, 98 Tieck, Ludwig 63f.

5of.,

51,

54,

57,

Verdi, Giuseppe V I I I , 70 Wackenroder, W . H . 55, 63 Wagner, Richard V I I I - X I , 26, 3 5 37. 41, 45. 62, 71, 75, 81-82, 86-93 - Werke V I I I , 35, 3 6f., 37, 42fr., 43f., 61, 87fr., 92

Weber, C. Μ. von 57-60, 81 - Werke 5 6, 57, 60, 81 Webern, Anton 87-89, 98-103 Wilde, Oscar 68

Winckelmann, J . J . 51, 63 Zimmermann, Bernd 103

Alois

101,

125

Sachregister

Aesthetik, aesthetisch X I , 22-24, 26, 28f., 49, j j f . , 60, 67, 74-76, 7