Sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften 9783110308556, 9783110308471

The author examines the ways in which specialized language development teachers assess the linguistic skills of preschoo

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German Pages 320 Year 2013

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Table of contents :
Danksagung
1 Einleitung
2 Kinder mit Deutsch als Zweitsprache
2.1 Differenzierung der Spracherwerbstypen
2.2 Früher Zweitspracherwerb
2.3 Verdeckte Sprachschwierigkeiten
2.4 Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache
2.4.1 Die hessischen Vorlaufkurse
2.4.2 Evaluationsstudien
2.4.3 Fallstudie: Sprachstandserhebung und Sprachförderung in den hessischen Vorlaufkursen
2.5 Zwischenfazit
3 Sprachstandserhebungen
3.1 Ziele von Sprachstandserhebungen
3.2 Methoden der Sprachstandserhebung
3.3 Anforderungen an Sprachstandserhebungen
3.3.1 Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher und spracherwerbstheoretischer Perspektive
3.3.2 Anforderungen aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung
3.3.3 Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive
3.4 Die Bedeutung der Sprachdiagnostik für die Sprachförderung
3.5 Zwischenfazit
4 Sprachförderkräfte
4.1 Aus- und Fortbildung von Sprachförderkräften
4.2 Kompetenzen von Sprachförderkräften
4.3 Forschungsstand: Sprachförderkompetenz
4.3.1 Wissen von Sprachförderkräften
4.3.2 Das Handeln der Sprachförderkräfte in der Sprachförderung
4.4 Zwischenfazit
5 Sprachdiagnostische Kompetenz
5.1 Diagnostische Kompetenz
5.2 Theoretischer Hintergrund: Sprachdiagnostische Kompetenz
5.3 Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften
5.3.1 Wissen als Basis sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften
5.3.2 Kompetenzbereiche sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften
5.3.3 Einordnung der empirischen Studien in das Modell „Sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften“
5.4 Sprachdiagnostische Kompetenz in der Lehrerausbildung
5.4.1 Sprachdiagnostische Kompetenz – Ein Desiderat in der Lehrerausbildung
5.4.2 Beispiele der Verankerung sprachdiagnostischer Kompetenz in die Lehrerausbildung
5.5 Zwischenfazit
6 Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz
6.1 Vorgehen in den Sprachstandserhebungen
6.2 Das Konstrukt der Urteilsgenauigkeit
6.3 Studien zur Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten
6.3.1 Unterschiede zwischen Grundschul- und Gymnasiallehrkräften
6.3.2 Fachspezifität und Stabilität diagnostischer Kompetenz
6.3.3 Frühidentifikation von zweisprachigen Schülern mit Leseschwierigkeiten
6.3.4 Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten von Vorschulkindern
6.4 Zwischenfazit
7 Studie A: Sprachstandserhebungen in der Schulanmeldung und zu Beginn der Sprachförderung
7.1 Fragestellungen
7.2 Untersuchungsdesign
7.3 Probanden
7.3.1 Probanden der Fragebogenstudie
7.3.2 Probanden der Interviewstudie
7.4 Methoden und Materialien
7.4.1 Fragebogen
7.4.2 Interview
7.5 Ergebnisse
7.5.1 Inhalte der Sprachstandserhebung
7.5.2 Methoden der Sprachstandserhebung
7.5.3 Sprachbiografische Faktoren
7.5.4 Interdisziplinärer Austausch
7.6 Diskussion der Ergebnisse
7.7 Zusammenfassung
8 Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept der Förderdiagnostik
8.1 Fragestellungen
8.2 Methode
8.2.1 Material
8.2.2 Auswertung
8.3 Ergebnisse
8.4 Diskussion der Ergebnisse
8.5 Zusammenfassung
9 Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten
9.1 Fragestellungen
9.2 Probanden
9.2.1 Sprachförderkräfte
9.2.2 Kinder
9.3 Methode und Material
9.3.1 Durchführung
9.3.2 Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (LiSe-DaZ)
9.3.3 Aktiver Wortschatztest (AWST-R)
9.3.4 Einschätzung der Sprachförderkräfte
9.3.5 Auswertung
9.3.6 Auswertung Übereinstimmung der Förderziele
9.4 Ergebnisse
9.4.1 Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten
9.4.2 Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit zwischen Sprachförderkräften
9.4.3 Übereinstimmung in der Beurteilung des Förderbedarfs
9.4.4 Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten
9.5 Diskussion der Ergebnisse
9.6 Zusammenfassung
10 Implikationen
11 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Index
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Sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften
 9783110308556, 9783110308471

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Barbara Geist Sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften

DaZ-Forschung

Deutsch als Zweitsprache, Mehrsprachigkeit und Migration

Herausgegeben von Bernt Ahrenholz Christine Dimroth Beate Lütke Martina Rost-Roth

Band 3

Barbara Geist

Sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften

DE GRUYTER

D.30

ISBN 978-3-11-030847-1 e-ISBN 978-3-11-030855-6 ISSN 2192-371X Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

| Für meine Familie

Danksagung Dieses Buch ist eine überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die an der Goethe-Universität Frankfurt am Main entstanden ist. Dass aus meiner Begeisterung für den Zweitspracherwerb, die Sprachdiagnostik und die Sprachdidaktik eine Promotion wurde, habe ich vielen Menschen zu verdanken: Zuallererst danke ich Petra Schulz für die exzellente Betreuung, ihre wertvollen Anregungen sowohl zu inhaltlichen als auch methodischen Aspekten und ihr Vertrauen. Ich schätze sie als Mentorin und Wegbegleiterin meiner wissenschaftlichen Entwicklung sehr. Meiner Zeitbetreuerin, Helga Kelle, danke ich für ihre hilfreichen Anmerkungen, den Einblick in ihre Perspektive auf Sprachdiagnostik, ihre methodische Expertise und ihren Rat. Zudem danke ich den Mitgliedern meines Promotionsausschusses Mareike Kunter, Esther Rinke und Ulrich Mehlem für die anregenden Diskussionen vor und nach der Disputation. Mein Dank gilt außerdem meinem Kollegium am Lehrstuhl Deutsch als Zweitsprache von Petra Schulz für die wunderbare Zusammenarbeit und den hilfreichen Austausch über sprachdidaktische und sprachwissenschaftliche Fragen. Stellvertretend und im Besonderen danke ich Barbara Voet Cornelli, Anja Kersten und Anja Müller für ihre großartige Unterstützung und ihre kostbaren Anregungen zu dieser Arbeit. Weiterhin danke ich den Teilnehmerinnen des Promotions- und Habilitationskolloquiums von Helga Kelle für die hilfreichen Diskussionen und Julia Ricart Brede für den wertvollen Austausch während der Datenerhebung. Meine wissenschaftliche Entwicklung wurde geprägt und unterstützt durch kompetente und interessierte Lehrer an den Universitäten Bielefeld und Frankfurt am Main. Für ihr Engagement und die Möglichkeit bei ihnen zu lernen danke ich stellvertretend: Eva Belke, Hans-Jürgen Eikmeyer, Marcus Hasselhorn, Martina Hielscher-Fastabend, Barbara Job, Birgit Lütje-Klose, Gert Rickheit und Prisca Stenneken. An dieser Stelle danke ich außerdem der Robert-Bosch Stiftung für die Aufnahme in das Forschungskolleg „Frühkindliche Bildung“ und der damit verbundenen Unterstützung. Außerdem danke ich meiner Mentorin, Susanne Riegler, und den StipendiatInnen des Forschungskollegs für zahlreiche bereichernde Gespräche. Den Herausgebern dieser Reihe Bernt Ahrenholz, Christine Dimroth, Beate Lütke und Martina Rost-Roth danke ich für die Möglichkeit, in ihrer Reihe zu publizieren. Für die Unterstützung während der Durchführung und Auswertung der Studien danke ich Kerstin Nafe, Andrea Kaufhold und Julia Ose, die an der Pilotierung der Methoden beteiligt waren, und Ella Schabram und Daniela Schäfer

viii | Danksagung

für die Transkription einiger Interviews. Barbara Voet Cornelli danke ich für die Reflexion der Interviewcodierung. Meiner Familie und meinen Freunden danke ich für ihre kontinuierliche Unterstützung, ihr Interesse an den großen und kleinen Schritten dieser Arbeit sowie ihr Verständnis. Ihr Rückhalt und ihr Rückenwind sind großartig und ich bin unendlich froh, dass es sie gibt. Mein Dank gilt außerdem der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und dem Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Unterrichtsforschung der GoetheUniversität Frankfurt a. M., die mich durch ein Promotionsstipendium finanziell unterstützt haben, sowie dem Hessischen Kultusministerium, das die Durchführung der Studien an hessischen Grundschulen genehmigte. Ganz besonders danke ich den Sprachförderkräften und den Kindern, die an den Studien, die ich im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt habe, teilgenommen haben. Ohne die Kooperationsbereitschaft und das Vertrauen der Sprachförderkräfte, die mir einen Einblick in ihre Arbeit und ihre Fähigkeiten gewährten, wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.

Inhalt Danksagung | vii 1

Einleitung | 1 

2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3

Kinder mit Deutsch als Zweitsprache | 8  Differenzierung der Spracherwerbstypen | 9  Früher Zweitspracherwerb | 10  Verdeckte Sprachschwierigkeiten | 13  Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache | 14  Die hessischen Vorlaufkurse | 14  Evaluationsstudien | 19  Fallstudie: Sprachstandserhebung und Sprachförderung in den hessischen Vorlaufkursen | 20  Zwischenfazit | 23 

2.5 3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.5 4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4

Sprachstandserhebungen | 25  Ziele von Sprachstandserhebungen | 26  Methoden der Sprachstandserhebung | 29  Anforderungen an Sprachstandserhebungen | 31  Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher und spracherwerbstheoretischer Perspektive | 33  Anforderungen aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung | 35  Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive | 37  Die Bedeutung der Sprachdiagnostik für die Sprachförderung | 38  Zwischenfazit | 40  Sprachförderkräfte | 41  Aus- und Fortbildung von Sprachförderkräften | 41  Kompetenzen von Sprachförderkräften | 43  Forschungsstand: Sprachförderkompetenz | 46  Wissen von Sprachförderkräften | 46  Das Handeln der Sprachförderkräfte in der Sprachförderung | 48  Zwischenfazit | 53 

x | Inhalt

5 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3

5.4 5.4.1 5.4.2 5.5 6 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.4 7 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2

Sprachdiagnostische Kompetenz | 55  Diagnostische Kompetenz | 56  Theoretischer Hintergrund: Sprachdiagnostische Kompetenz | 61  Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften | 64  Wissen als Basis sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften | 69  Kompetenzbereiche sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften | 72  Einordnung der empirischen Studien in das Modell „Sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften“ | 75  Sprachdiagnostische Kompetenz in der Lehrerausbildung | 77  Sprachdiagnostische Kompetenz – Ein Desiderat in der Lehrerausbildung | 78  Beispiele der Verankerung sprachdiagnostischer Kompetenz in die Lehrerausbildung | 81  Zwischenfazit | 82  Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz | 83  Vorgehen in den Sprachstandserhebungen | 84  Das Konstrukt der Urteilsgenauigkeit | 89  Studien zur Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten | 94  Unterschiede zwischen Grundschul- und Gymnasiallehrkräften | 95  Fachspezifität und Stabilität diagnostischer Kompetenz | 96  Frühidentifikation von zweisprachigen Schülern mit Leseschwierigkeiten | 97  Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten von Vorschulkindern | 98  Zwischenfazit | 102  Studie A: Sprachstandserhebungen in der Schulanmeldung und zu Beginn der Sprachförderung | 104  Fragestellungen | 105  Untersuchungsdesign | 107  Probanden | 109  Probanden der Fragebogenstudie | 109  Probanden der Interviewstudie | 111 

Inhalt | xi

7.4 7.4.1 7.4.2 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.6 7.7 8 8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 8.4 8.5 9 9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5 9.3.6 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3

Methoden und Materialien | 112  Fragebogen | 112  Interview | 115  Ergebnisse | 123  Inhalte der Sprachstandserhebung | 123  Methoden der Sprachstandserhebung | 133  Sprachbiografische Faktoren | 138  Interdisziplinärer Austausch | 143  Diskussion der Ergebnisse | 147  Zusammenfassung | 154  Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept der Förderdiagnostik | 156  Fragestellungen | 157  Methode | 157  Material | 157  Auswertung | 158  Ergebnisse | 160  Diskussion der Ergebnisse | 171  Zusammenfassung | 174  Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten | 176  Fragestellungen | 179  Probanden | 180  Sprachförderkräfte | 180  Kinder | 181  Methode und Material | 182  Durchführung | 183  Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (LiSe-DaZ) | 184  Aktiver Wortschatztest (AWST-R) | 190  Einschätzung der Sprachförderkräfte | 191  Auswertung | 194  Auswertung Übereinstimmung der Förderziele | 196  Ergebnisse | 198  Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten | 198  Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit zwischen Sprachförderkräften | 212  Übereinstimmung in der Beurteilung des Förderbedarfs | 215 

xii | Inhalt

9.4.4 9.5 9.6

Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten | 218  Diskussion der Ergebnisse | 225  Zusammenfassung | 234 

10

Implikationen | 236 

11

Fazit und Ausblick | 240 

Literaturverzeichnis | 248  Anhang | 266  Index | 304 

1 Einleitung Sprachförderkräfte sind mit der Herausforderung konfrontiert, die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern zu erfassen, zu beurteilen und sie darauf aufbauend in ihrem Spracherwerb zu unterstützen. Aufgrund verdeckter Sprachschwierigkeiten ist die Sprachdiagnostik bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache besonders komplex (Knapp 1999; Lengyel 2012). Insbesondere Kinder mit Deutsch als Zweitsprache benötigen jedoch aufgrund der kürzeren Kontaktdauer zum Deutschen eine frühzeitige und an ihren sprachlichen Fähigkeiten ausgerichtete Sprachförderung. Die Forderung nach einer adaptiven Sprachförderung wird sowohl seitens der Bildungspolitik als auch seitens der Wissenschaft erhoben. So findet sich in der vom Hessischen Kultusministerium veröffentlichten Handreichung zu den sogenannten Vorlaufkursen, die als Untersuchungsfeld der vorliegenden Arbeit dienen, folgende Empfehlung: „Insofern wird eine Lehrkraft in einem Vorlaufkurs die Lernausgangslage eines Kindes sehr genau beobachten, um ihm eine seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechende Unterstützung geben zu können.“ (Althaus et a. 2002: 15)

Ebenso wie die Bildungspolitik fordert auch die angewandte Sprachwissenschaft, den Sprachstand vor Beginn der Sprachförderung zu erfassen (Chilla, Rothweiler & Babur 2010: 119). Tracy (2007) stellt die Bedingung auf: „Nur wer erkennen kann, welche Meilensteine des Spracherwerbs ein Kind bereits gemeistert hat, kann dieses Kind individuell da „abholen“, wo es steht“ (Tracy 2007: 7). Ein entscheidender Unterschied zu den Empfehlungen für die hessischen Vorlaufkurse ist jedoch, dass sich sprachliche Fähigkeiten aus sprachwissenschaftlicher Perspektive nicht beobachten lassen. Ist die Frage, ob ein Vorschulkind bereits rückwärts laufen kann, mittels der Beobachtung seines Verhaltens zügig zu beantworten, so lassen sich die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes nicht einfach beobachten, sondern sind differenziert zu erfassen (u.a. Tracy 2007: 18; Schulz, Kersten & Kleissendorf 2009: 127). Die Aufgabe, die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern zu erfassen, ist komplex (Schulz & Tracy 2011). Um die Komplexität zu verdeutlichen und Kriterien zur Beurteilung von Sprachstandserhebungsverfahren zu schaffen, wurden in den letzten Jahren Anforderungen an Sprachstandserhebungen seitens der Sprachwissenschaft, Spracherwerbsforschung und Testtheorie formuliert, die in dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt werden. Die Sprachstandserhebung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache ist noch komplexer als bei einsprachigen Kindern (Lengyel 2012: 8), weil weitere Faktoren wie die Kontaktdauer zur Zweitsprache in die Beurteilung einfließen

2 | Einleitung müssen (Schulz & Tracy 2011). Es besteht die Gefahr, dass Kinder mit Deutsch als Zweitsprache „verdeckte Sprachschwierigkeiten“ (Knapp 1999) haben. Sie kompensieren z.B. Verstehensprobleme dadurch, dass sie sich am Verhalten anderer Kinder orientieren und aufgrund dessen bei informeller Beobachtung in ihren sprachlichen Fähigkeiten überschätzt werden (Knapp 1999). Ebenso zu Fehleinschätzungen führt der Vergleich mit einsprachigen Kindern, die aufgrund ihrer längeren Kontaktdauer zum Deutschen Kindern mit Deutsch als Zweitsprache z.B. im Wortschatzerwerb voraus sein können. In diesem Fall ist die Folge jedoch eine Unterschätzung (Genesee, Paradis & Crago 2004; Rothweiler 2007a). Pädagogische Fachkräfte, die für die Sprachförderung verantwortlich sind, stehen vor der Herausforderung, die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern so genau wie möglich zu erfassen und zu beurteilen, um a) Kinder mit und ohne Sprachförderbedarf voneinander zu unterscheiden und b) die Sprachförderung adaptiv an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder auszurichten. Sie führen nicht nur eine Sprachstandserhebung, sondern eine Sprachdiagnostik durch. Der Begriff der Sprachdiagnostik umfasst in Anlehnung an Lengyel (2012: 8) den gesamten Prozess von der Sprachstandserhebung, der Sammlung (sprach-)biografischer Informationen, der Beurteilung und Interpretation der Daten bis hin zur Ableitung des individuellen Förderbedarfs und der Förderziele. Sie benötigen neben der Sprachförderkompetenz (Hopp, Thoma & Tracy 2010) auch sprachdiagnostische Kompetenz. Die vorliegende Arbeit widmet sich einem Forschungsdesiderat der Sprachdidaktik: der sprachdiagnostischen Kompetenz (Bräuer & Winkler 2012: 78). In der Sprachdidaktik wurden bisher vorrangig Untersuchungen im Primar- und Sekundarstufenbereich durchgeführt. Diese Arbeit liefert einen theoretischen und empirischen Beitrag zur frühkindlichen Sprachdidaktik durch die Untersuchung der sprachdiagnostischen Kompetenz von Sprachförderkräften von Vorschulkindern mit Deutsch als Zweitsprache. Die frühkindliche Sprachdidaktik wird im Folgenden als Wissenschaft innerhalb der Sprachdidaktik verstanden, die sich jedoch spezifisch der Sprachdiagnostik und Sprachförderung im Elementar- und Primarbereich widmet. Die frühkindliche Sprachdidaktik befasst sich in Forschung und Lehre mit der Unterstützung der sprachlichen Fähigkeiten aller (Klein-)Kinder in Krippe, Kindergarten bzw. Kindertagesstätte und Grundschule im Sinne des Bildungsauftrags der Bildungs- und Erziehungspläne sowie mit der Unterstützung der sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit

Einleitung | 3

Sprachförderbedarf1, insbesondere Kinder mit Deutsch als Zweitsprache. Erzieher2, Lehrer oder auch Sozialpädagogen, die speziell für die Unterstützung der sprachlichen Fähigkeiten bzw. die Sprachförderung zuständig sind, bezeichne ich im Folgenden als Sprachförderkräfte. Im empirischen Teil dieser Arbeit wird in drei Studien das Vorgehen der Sprachförderkräfte in den Sprachstandserhebungen sowie deren Urteilsgenauigkeit in Bezug auf die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache untersucht. Die Kinder mit Deutsch als Zweitsprache besuchen eine Sprachfördermaßnahme, die hessischen Vorlaufkurse. In dieser an den Grundschulen angesiedelten Maßnahme werden Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen ein Jahr vor der Einschulung gefördert. Die Fokussierung auf Kinder mit Deutsch als Zweitsprache erfolgt, da davon ausgegangen wird, dass diese Kinder aufgrund verdeckter Sprachschwierigkeiten besonders stark von Über- und Unterschätzungen betroffen sind. Gleichzeitig ist bei diesen Kindern jedoch eine an ihren sprachlichen Fähigkeiten anknüpfende Sprachförderung dringend notwendig, um sie gezielt in ihrem Zweitspracherwerb zu unterstützen und dadurch die Bildungsgerechtigkeit zu erhöhen. In den hessischen Vorlaufkursen sind vor allem Grundschullehrkräfte als Sprachförderkräfte tätig und damit auch für die Sprachdiagnostik zuständig. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass „Lehrkräfte […] nicht dafür ausgebildet [sind,] Schwierigkeiten bei der Sprachaneignung zu diagnostizieren“ (Jeuk 2009: 62). Eine Sprachförderkraft, die sich auf ein Sprachförderkonzept stützt, das auch ein Sprachstandserhebungsverfahren enthält, und an der Interviewstudie im Rahmen der vorliegenden Arbeit teilgenommen hat, drückt die von Jeuk (2009) angenommenen Schwierigkeiten in der Einschätzung des Sprachstands wie folgt aus: SFK18: Aber im Prinzip ist man über die Entwicklung, die Sprachentwicklung gar nicht so informiert. Und, ähm, deswegen fällt einem das auch, würde mir das ganz schwer fallen, da zu gucken, wenn ich dieses Konzept nicht hätte, zu gucken, wo stehen die Kinder, was muss ich den Kindern anbieten, damit die die nächsten Schritte in der Sprachentwicklung machen, das würde ich von mir aus nicht leisten können. (Zeile 71)

||

1 Es ist zwischen Kindern mit Sprachförderbedarf und Kindern mit einer Sprachentwicklungsstörung im Sinne der ICD 10 (Dilling, Momnour & Schmidt 1998), die Sprachtherapie benötigen, zu unterscheiden. 2 Die maskuline Bezeichnung wird verwendet und die jeweils feminine Form ist mitgemeint. Die feminine Bezeichnung wird nur dann verwendet, wenn von einer spezifischen weiblichen Person gesprochen wird.

4 | Einleitung Umso überraschender ist es, dass sich den Ergebnissen der Studie A dieser Arbeit nach nur ein geringer Teil der Sprachförderkräfte bei der Sprachstandserhebung auf veröffentlichte Verfahren stützt. Vorrangig kommen hausinterne Verfahren zum Einsatz. Grund hierfür ist sicher auch ein Mangel an geeigneten Verfahren. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung existierte nur ein standardisiertes Verfahren zur Sprachstandserhebung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (HAVAS 5, Reich & Roth 2005). Inzwischen ist auch LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) erschienen. Ein weiterer Grund könnte jedoch auch eine nicht der Herausforderung entsprechende Qualifikation der Sprachförderkräfte sein. So wird die in der Spracherwerbsforschung und sprachtherapeutischen Praxis etablierte Methode der Spontansprachanalyse nur von einer Sprachförderkraft angewendet. Fast jede Schule hat ihre eigenen Methoden und Materialien zur Sprachstandserhebung entwickelt. Weitere Belege für die Heterogenität finden sich auch in Fallstudien von Voet Cornelli (2008) sowie Kelle (2011). Die Frage, wie der Sprachstand der Kinder erfasst werden soll, bleibt in Hessen den Lehr- und Sprachförderkräften überlassen, ohne dass eine auf diese Herausforderung abgestimmte und verpflichtende Weiterbildung angeboten wird. Sowohl für die Schulanmeldung, die u.a. zum Ziel hat, Kinder mit Sprachförderbedarf auszuwählen und ihnen den Besuch eines Vorlaufkurses zu empfehlen, als auch zu Beginn der Sprachförderung können die Lehrkräfte und die Sprachförderkraft des Vorlaufkurses entscheiden, welche Inhalte überprüft werden sollen und welche Methoden sie dafür verwenden. Im Unterschied dazu wird in anderen Bundesländern wie Hamburg und Nordrhein-Westfalen flächendeckend ein bestimmtes Sprachstandserhebungsverfahren eingesetzt; die Sprachstandserhebung ist Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte der Kindertagesstätten oder erfolgt in Kooperation mit der Grundschule (für eine Übersicht z.B. Lüdtke & Kallmeyer 2007a). Die Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung in Hessen kann – muss jedoch nicht – in Absprache mit den pädagogischen Fachkräften der Kindertagesstätten erfolgen. Einerseits ist es aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu begrüßen, dass bisher nicht flächendeckend ein Verfahren zur Sprachstandserhebung eingeführt wurde, weil die meisten derzeit verfügbaren Verfahren z.B. weder für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache normiert sind noch eine Ableitung des individuellen Sprachförderbedarfs zulassen (jedoch LiSe-DaZ, Schulz & Tracy 2011). Andererseits liegt die Verantwortung dadurch in der Hand der einzelnen Lehr- und Sprachförderkräfte, ohne dass eine flächendeckende Unterstützung angeboten wird. Die Heterogenität im Vorgehen der verschiedenen Bundesländer erweckt den Eindruck der Uneinigkeit in der Frage, wie sprachliche Fähigkeiten zu erfassen sind, und führte zu kritischen Kommentaren in der Presse:

Einleitung | 5

„Fünfzig sogenannte Sprachstandsfeststellungsverfahren zählte eine Studie des Bundesbildungsministeriums […] Zugespitzt formuliert: Die Kultusminister prüfen die Migrantenkinder, aber nicht die Effizienz ihrer eigenen Politik.“ (Spiewak, 21.10.2010, DIE ZEIT, Nr. 43)

Der Heterogenität zwischen den Bundesländern ist auf der Basis der Ergebnisse dieser Arbeit auch noch die Heterogenität zwischen den einzelnen Schulen in der Schulanmeldung und den Sprachförderkräften zu Beginn des Vorlaufkurses hinzuzufügen. Zu oft unbeachtet bleibt in der bildungspolitischen Debatte, wie komplex es ist, die sprachlichen Fähigkeiten von Vorschulkindern zu erfassen und zu fördern, erst Recht wenn die Kinder Deutsch als Zweitsprache erwerben. Insbesondere für diese Kinder ist es jedoch notwendig, dass ihr Sprachförderbedarf frühzeitig erkannt wird und sie gezielt in ihrem Zweitspracherwerb unterstützt werden. Denn vor allem Kinder und Jugendliche mit unzureichenden Deutschkenntnissen sind im deutschen Bildungssystem benachteiligt (Deutsches PISA Konsortium 2001). Die Ergebnisse der neusten PISA-Studie zeigen, dass Jugendliche aus zugewanderten Familien in der Leseleistung immer noch um mehr als ein Schuljahr zurückliegen (Klieme et al. 2010). Besonders betroffen von der Benachteiligung sind demnach Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, die Deutsch als Zweitsprache erwerben (Britz 2006). Um die Bildungsgerechtigkeit zu ermöglichen, ist eine frühzeitige Förderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache unerlässlich. Das Bundesland Hessen gilt mit den bereits 2002 eingeführten Vorlaufkursen, einer Sprachfördermaßnahme ein Jahr vor der Einschulung, als „bundesweiter Vorreiter“ (Zickgraf 2005). Inzwischen gibt es fast 1.000 Vorlaufkurse in Hessen (Euler, 13.05.2013, Frankfurt Allgemeine Zeitung). Aus der Perspektive der Spracherwerbsforschung, die für eine frühzeitige Sprachförderung plädiert, ist der Beginn der Vorlaufkurse ein Jahr vor der Einschulung sehr spät. Umso relevanter ist, dass sich die Sprachförderung an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder orientiert, d.h. adaptiv ist. Neben der Frage, wie die Sprachstandserhebungen gestaltet sind (Studie A), wird im Rahmen dieser Studie zudem untersucht, welche Bedeutung die Sprachstandserhebungen aus Sicht der Sprachförderkräfte für die Sprachförderung haben (Studie B) und wie genau die Sprachförderkräfte die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder, die den jeweiligen Vorlaufkurs der Sprachförderkraft besuchen, einschätzen können (Studie C). Die vorliegende Arbeit schließt an Studien an, die sich mit den Kompetenzen von Sprachförderkräften beschäftigen. Ricart Brede (2011) untersuchte das Handeln in der Sprachförderung, und Rothweiler, Ruberg und Utecht (2009) sowie Tracy, Ludwig und Ofner (2010) widmeten sich dem sprachwissenschaft-

6 | Einleitung lichen und spracherwerbstheoretischen Wissen von Sprachförderkräften. Wenige Erkenntnisse liegen jedoch darüber vor, wie pädagogische Fachkräfte in der Sprachstandserhebung vorgehen (für eine Fallstudie Voet Cornelli 2008). Vor und parallel zur Entstehung dieser Arbeit fand bereits eine Reihe von Initiativen zur Optimierung der Aus- und Weiterbildung von Sprachförderkräften statt (z.B. innerhalb der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (wiff); u.a. List 2010). Ohne eine theoretische Fundierung und empirische Erkenntnisse über die Kompetenz von Sprachförderkräften erscheint es aus Sicht der Autorin jedoch kaum möglich, die Aus- und Fortbildung zu konzipieren. Die Ergebnisse dieser Arbeit bieten die Möglichkeit, die Aus- und Weiterbildung an den bestehenden Kompetenzen der Sprachförderkräfte auszurichten. Die vorliegende Arbeit ist wie folgt gegliedert: Im Anschluss an das einleitende Kapitel 1 werden in Kapitel 2 Kinder mit Deutsch als Zweitsprache charakterisiert und das Untersuchungsfeld der vorliegenden Arbeit – die hessischen Vorlaufkurse – als Sprachfördermaßnahme für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache beschrieben. Die Fallstudie von Voet Cornelli (2008) über die Vorlaufkurse sowie die Evaluationsstudien zu den Vorlaufkursen werden vorgestellt. Im darauffolgenden Kapitel 3 werden die Ziele von Sprachstandserhebungen definiert und die Methoden von Sprachstandserhebungen erläutert. Die in den letzten sechs Jahren für den Elementar- und Primarbereich aus sprachwissenschaftlicher, (zweit-)spracherwerbs- und testtheoretischer Perspektive formulierten Anforderungen an Sprachstandserhebungsverfahren werden vorgestellt. In Kapitel 4 werden die in der Sprachförderung tätigen Fachkräfte – die Sprachförderkräfte – als Profession charakterisiert. Danach werden aktuelle Studien vorgestellt, die sich mit dem Wissen und dem Handeln von Sprachförderkräften und deren Qualifizierung auseinandersetzen. In Kapitel 5 wird die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften definiert. Bereits bestehende Definitionen und Modelle werden vorgestellt. Davon ausgehend wird das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften beschrieben. Sprachdiagnostische Kompetenz besteht demnach aus sprachdiagnostischem Wissen und sprachdiagnostischen Fähigkeiten. Die Studien der vorliegenden Arbeit werden in das im Rahmen der Arbeit entwickelte idealtypische Prozessmodell sprachdiagnostischer Fähigkeiten eingeordnet. Zum Abschluss des Kapitels wird die Verortung der sprachdiagnostischen Kompetenz in der Lehrerbildung reflektiert. Mit Kapitel 6, in dem der Forschungsstand zum Vorgehen in Sprachstandserhebungen sowie zur Urteilsgenauigkeit vorgestellt und diskutiert wird, schließt der theoretische Teil der vorliegenden Arbeit. Zusammen mit den Studien zu den hessischen Vorlaufkursen (Kap. 2), den Anforderungen an Sprachstandserhebungen (Kap. 3) und den

Einleitung | 7

Studien zum Wissen und Handeln von Sprachförderkräften stellt dieser Forschungsstand den Ausgangspunkt für die Studien dar, die ihm Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführt wurden. Es schließt sich der empirische Teil an, der aus drei Studien besteht. Exemplarisch am Beispiel Hessens wurde in Studie A das Vorgehen der Sprachförderkräfte in den Sprachstandserhebungen untersucht (s. Kap. 7). Hierzu wurden Sprachförderkräfte von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache mittels eines Fragebogens und eines Leitfadeninterviews befragt, um den Ist-Stand von Methoden und Inhalten der Sprachstandserhebungen zu erfassen. In Studie B wurden die in den Interviews von den Sprachförderkräften formulierten Rekonstruktionen, Reflexionen und Überzeugungen in Bezug auf das Konzept der Förderdiagnostik untersucht (s. Kap. 8). Äußerungen der Sprachförderkräfte, in denen sie ihre Perspektive auf die Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung schildern, werden analysiert und kontrastiert. In Studie C wurde die Urteilsgenauigkeit von zwölf Sprachförderkräften von 42 Kindern mit Deutsch als Zweitsprache, die an der Sprachfördermaßnahme dieser Sprachförderkräfte teilnehmen, untersucht (s. Kap. 9). Die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder wurden einerseits durch die Sprachförderkräfte eingeschätzt und andererseits mit standardisierten Sprachstandserhebungsverfahren erfasst. Die Einschätzung wurde zu Beginn und am Ende der Sprachförderung mit den Ergebnissen der Sprachstandserhebungsverfahren verglichen. Außerdem wurden die von den Sprachförderkräften angegeben Förderschwerpunkte mit den Ergebnissen einer Sprachstandserhebung verglichen. Die Dokumentation der sprachlichen Fähigkeiten stellt, ebenso wie die Ableitung von Förderschwerpunkten, eine Transferleistung aus der Sprachstandserhebung dar. Anhand eines Einzelfalls wird daher die Beschreibung der sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes zu Beginn und am Ende der Sprachförderung in einem freien Interview untersucht und in Beziehung zur schriftlichen Dokumentation der Sprachförderkraft gesetzt. Aus den Ergebnissen der drei Studien werden in Verbindung mit den im Theorieteil beschriebenen Erkenntnissen Implikationen für die Qualifizierung von Sprachförderkräften gezogen. Im Kapitel 11 werden die Ergebnisse der drei Studien zusammengefasst und sich an diese Arbeit anschließende Forschungsfragen formuliert.

2 Kinder mit Deutsch als Zweitsprache Die Sprachförderkräfte, deren sprachdiagnostische Kompetenz im Fokus dieser Arbeit steht, unterstützen Kinder mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in ihrem Spracherwerb. Im Folgenden werden Kinder mit DaZ anhand ihres Spracherwerbstyps (Kap. 2.1) und ausgewählter Forschungsergebnisse zum frühen Zweitspracherwerb des Deutschen (Kap. 2.2) charakterisiert. Die Annahme verdeckter Sprachschwierigkeiten, die die Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten insbesondere bei Kindern mit DaZ erschwert, wird beschrieben und davon ausgehend das Thema der vorliegenden Arbeit motiviert (Kap. 2.3). Daran anschließend wird die Notwendigkeit der Sprachförderung von Vorschulkindern mit DaZ begründet und das Forschungsfeld der vorliegenden Arbeit – die hessischen Vorlaufkurse – vorgestellt (Kap. 2.4). Das Kapitel endet mit einem Zwischenfazit (Kap. 2.5). Zunächst wird der Frage nachgegangen, wie viele Kinder Deutsch als Zweitsprache erwerben. Da keine Daten zur Anzahl von Kindern mit DaZ vorliegen, werden die Statistiken zu Kindern mit Migrationshintergrund als Anhaltspunkt genutzt. Insbesondere, jedoch nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder von Eltern mit Migrationshintergrund könnten eine andere Sprache als das Deutsche erwerben und mehrsprachig aufwachsen. „Bei den unter 5-Jährigen stellen Personen mit Migrationshintergrund inzwischen 34,6 % der Bevölkerung“ (Statistisches Bundesamt 2010: 8). Für die Region, in der die Studien im Rahmen dieser Arbeit angesiedelt sind (Schulamtsbezirke Frankfurt am Main, Offenbach am Main und Gießen), ist der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund höher als im Bundesdurchschnitt. In Frankfurt am Main hatten 2010 59 % und in Offenbach am Main 71 % der Kinder in Tageseinrichtungen einen Migrationshintergrund (Hessisches Statistisches Landesamt 2012). Der Begriff Migrationshintergrund ist nicht eindeutig. Sprachbiografische Angaben, wie der Erwerb des Deutschen als Zweitsprache, können als Maß zur Bestimmung des Migrationshintergrundes dienen. Jedoch gibt es eine Reihe weiterer Maße zur Bestimmung des Migrationshintergrundes (für eine Operationalisierung des Begriffs Settelmeyer & Erbe 2010). Die Daten über den Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund liefern einen groben Eindruck darüber, wie viele Kinder mehrsprachig sein könnten und verdeutlichen die von Gogolin (1994) bereits in den 1990er Jahren beschriebene multilinguale Schule bzw. hier die multilinguale Kindertagesstätte. Mehrsprachige Kinder erwerben das Deutsche nicht zwingend als Zweitsprache. Eine Unterscheidung zwischen den ver-

Differenzierung der Spracherwerbstypen | 9

schiedenen Spracherwerbstypen dient der genaueren Charakterisierung mehrsprachiger Kinder.

2.1 Differenzierung der Spracherwerbstypen Die Spracherwerbsforschung unterscheidet mehrere Spracherwerbstypen (s. Abb. 1). Innerhalb des Erstspracherwerbs differenziert man zwischen dem monolingualen Erwerb, d.h. man erwirbt eine Sprache von Geburt an, und dem bilingualen Erwerb (Rothweiler 2007b), d.h. das Kind erwirbt zwei Sprachen von Geburt an (de Houwer 1995) bzw. vor dem zweiten Geburtstag (Tracy & Gawlitzek-Maiwald 2000). Der bilinguale oder simultane Erwerb wird auch als doppelter Erstspracherwerb bezeichnet (Rothweiler 2007b). Der Zweitspracherwerb ist im Gegensatz dazu ein sukzessiver Erwerb, d.h. „der Erwerb der zweiten Sprache beginnt, nachdem der Erwerb einer ersten Sprache zumindest in Grundzügen vollzogen ist“ (Rothweiler 2007b: 106). Es wird zwischen ungesteuertem Zweitspracherwerb (ohne formalen Unterricht) und gesteuertem Zweitspracherwerb, z.B. dem Fremdsprachen Lernen in der Schule, unterschieden (Müller et al. 2007). Der ungesteuerte Zweitspracherwerb wiederum gliedert sich in den kindlichen Zweitspracherwerb und den Zweitspracherwerb im Erwachsenenalter. Bei dieser Unterscheidung spielt der Zeitpunkt des Erstkontakts zur Zweitsprache eine wichtige Rolle. Rösch definiert den frühen Zweitspracherwerb durch einen Erwerbsbeginn zwischen drei und sechs Jahren und grenzt ihn von dem Zweitspracherwerb von Kindern mit einem Erwerbsbeginn zwischen sechs und zwölf Jahren und dem Zweitspracherwerb von Jugendlichen und Erwachsenen mit dem Erwerbsbeginn nach der Pubertät ab (Rösch 2011: 11).3

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3 Im Unterschied zu Rösch (2011) grenzt z.B. Unsworth (2013) den frühen sukzessiven bilingualen Erwerb im Alter zwischen ein und drei Jahren vom kindlichen Zweitspracherwerb zwischen vier und zehn Jahren ab.

10 | Kinder mit Deutsch als Zweitsprache

Abb. 1: Spracherwerbstypen in Anlehnung an Müller et al. 2007; Rothweiler 2007: Rösch 2011

Studien zum Spracherwerb belegen die Unterteilung des Zweitspracherwerbs in einen frühen Zweitspracherwerb vor dem 6. Geburtstag und einen späten Zweitspracherwerb (Rothweiler 2007b: 122). Im Rahmen dieser Arbeit werden die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern untersucht, die Deutsch als frühe Zweitsprache erwerben, d.h. der Erwerb begann – angelehnt an Schulz & Tracy (2011) – im Alter zwischen zwei und fünf Jahren (s. auch Kap. 10.2.2). Im folgenden Kapitel wird die Forschung zum frühen Zweitspracherwerb des Deutschen kurz zusammengefasst. Im Rahmen dieser Arbeit ist keine detaillierte Darstellung der Ergebnisse einzelner Studien zum Zweitspracherwerb möglich. Vielmehr ist das Ziel des folgenden Kapitels, die vorliegenden Erkenntnisse zum frühen Zweitspracherwerb des Deutschen so zusammenzufassen, dass Schlussfolgerungen für die möglichen Inhalte von Sprachstandserhebung und Sprachförderung gezogen werden können.

2.2 Früher Zweitspracherwerb Studien zum frühen Zweitspracherwerb belegen, dass sich Kinder – vorausgesetzt sie haben einen intensiven Kontakt zur Zweitsprache – in Bezug auf grundlegende syntaktische Strukturen weitgehend wie einsprachige Kinder verhalten (u.a. Tracy & Thoma 2009). „Viele Kinder, die bis zum Alter von vier oder fünf Jahren mit dem Erwerb einer zweiten Sprache beginnen, scheinen den Spracherwerb problemlos zu vollziehen, während ältere Kinder und Jugendliche länger brauchen. Je später der Erwerbsbeginn liegt, umso mehr gleicht der Zweitspracherwerb dem Zweitspracherwerb Erwachsener.“ (Rothweiler 2007b: 122)

Früher Zweitspracherwerb | 11

Gründe für den scheinbar problemlosen Zweitspracherwerb werden darin gesehen, dass im frühen Zweitspracherwerb den Kindern noch Spracherwerbsmechanismen zur Verfügung stehen und sie auf bereits entwickelte kognitive Fähigkeiten und Weltwissen sowie Kenntnisse in der Erstsprache zurückgreifen können. Neben dem Alter bei Erwerbsbeginn stellt die Kontaktdauer, die angibt, wie lange ein Lerner bereits Kontakt mit der Zweitsprache hatte, ein wichtiges Charakteristikum dar. Eine Reihe von Studien weist auf einen Zusammenhang zwischen der Kontaktdauer und den sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit Deutsch als früher Zweitsprache hin (z.B. Kleissendorf & Schulz 2010a). Gleichaltrige Kinder verfügen abhängig von der Kontaktdauer über unterschiedlich weit entwickelte sprachliche Fähigkeiten (z.B. Chondrogianni & Marinis 2010). Faktoren, die sich auf den scheinbar „problemlosen“ Vollzug des sogenannten frühen Zweitspracherwerbs negativ auswirken können, sind neben dem Zeitpunkt des Erwerbsbeginns und der Kontaktdauer auch die Qualität des Inputs (Rothweiler 2007b). Die Zweitspracherwerbsforschung interessiert sich deshalb für qualitative und quantitative Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Erwerbsverläufen von ein- und mehrsprachigen Kindern. In sprachlichen Bereichen, die sich durch Ausnahmen auszeichnen und für die – im Unterschied zu den grundlegenden syntaktischen Strukturen – kaum generalisierende Regeln gebildet werden können, verläuft der frühe Zweitspracherwerb nach bisherigem Forschungsstand nicht so problemlos. Als Ursachen für die Variation in den Entwicklungsverläufen von Zweitsprachlernern werden z.B. unterschiedliche Erwerbsgelegenheiten diskutiert (Grimm & Schulz 2012). Es ist demnach zu berücksichtigen, „dass der Erwerb sprachlicher Phänomene eine unterschiedlich lange Kontaktdauer oder auch ein unterschiedliches Alter bei Erwerbsbeginn voraussetzen kann.“ (Grimm & Schulz 2012: 213) Die Erforschung des frühen Zweitspracherwerbs des Deutschen wurde im vergangenen Jahrzehnt forciert. Im Folgenden werden nur Studien referiert, die sich mit den mündlichen Fähigkeiten von Kindergarten- und Grundschulkindern beschäftigen, da die Sprachstandserhebung und Beurteilung mündlicher Fähigkeiten von Vorschulkindern den Kern der vorliegenden Arbeit darstellt. Insbesondere wurde der Erwerb syntaktischer und morphologischer Fähigkeiten untersucht. Wenige Studien widmeten sich den lexikalischen Fähigkeiten (jedoch Jeuk 2003; Lütke 2011 für Präpositionen; Apeltauer 2011 für Verben). Für die Sprachproduktion liegen u.a. Ergebnisse zum Erwerb der Subjekt-VerbKongruenz (Rothweiler, Chilla & Clahsen 2012), der Verbstellung (u.a. Haberzettl 2005; Rothweiler 2006; Ahrenholz 2006; Thoma & Tracy 2006, 2009; Wojtecka et al. 2013), des Genus (u.a. Wegener 1995; Kostyuk 2005; Kaltenbacher & Klages 2006; Jeuk 2008; Montanari 2010), der Determiniererphrase (Lemke 2008), des Kasus (u.a. Schönenberger, Rothweiler & Sterner 2012), der Präposi-

12 | Kinder mit Deutsch als Zweitsprache tionalphrase (Lütke 2011) und des Plurals (Scharff-Rethfeldt 2011) vor. Der Großteil dieser Studien basiert auf Daten aus Spontansprachkorpora und Erzählungen anhand von Bildergeschichten. Wenige Studien erheben Sprachproduktionsdaten in experimentellen Settings (jedoch z.B. Ose & Schulz 2010 für definite und indefinite Artikel; Schulz, Tracy & Wenzel 2008 für die Verbstellung). Einen wenig erforschten Bereich stellt das Sprachverständnis von Kindern mit DaZ dar (jedoch Schulz, Tracy & Wenzel 2008; Grimm & Schulz 2012, Schulz 2012 zum Verständnis von W-Fragen). Diese kurze Übersicht zeigt, dass die Zweitspracherwerbsforschung in den vergangenen zehn Jahren insbesondere einen Beitrag dazu geleistet hat, dass man die morphologischen und syntaktischen Fähigkeiten von Kindern mit DaZ für ausgewählte Bereiche beschreiben kann. Auf der Basis von Einzelfallstudien lassen sich Vermutungen über den Erwerb skizzieren. Wenige Studien haben sich auch mit der Frage beschäftigt, wie ein unauffälliger von einem auffälligen Zweitspracherwerb im Sinne einer Sprachentwicklungsstörung unterschieden werden kann (jedoch Rothweiler, Chilla & Clahsen 2012; Grimm & Schulz 2012). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Kinder mit einem frühen unauffälligen Zweitspracherwerb die regelgeleiteten Bereiche des Deutschen weitgehend wie Erstsprachenlernen erwerben. Die Qualität des Verlaufs ist für den Erwerb der Verbstellung analog zum Erstspracherwerb, wie u.a. die Daten von Rothweiler (2006) sowie Thoma und Tracy (2006) zeigen. Kinder mit DaZ haben jedoch im Vorschul- und teils auch noch im Grundschulalter nicht die gleichen sprachlichen Fähigkeiten im Deutschen wie Kinder mit Deutsch als Erstsprache (Dubowy et al. 2008). Dies betrifft im Besonderen nichtregelgeleitete Phänomene wie z.B. die Genuszuweisung und -markierung und den Ausbau des Wortschatzes. Darüber hinaus besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass die Kontaktdauer zum Deutschen und/oder die Qualität des Inputs bis zur Einschulung nicht ausgereicht haben, um bspw. den Erwerb der Verbstellung abzuschließen. Um die Chancengerechtigkeit und die Bildungsteilhabe zu erhöhen, ist deshalb eine frühe Sprachförderung insbesondere für Kinder mit DaZ notwendig. Für die Erhebung sprachlicher Fähigkeiten als Ausgangspunkt für die Sprachförderung zeigen die Studien zum frühen Zweitspracherwerb auf, welche sprachlichen Bereiche mit welchen Methoden erhoben werden können (s. hierzu Kap. 3.2). Es wird deutlich, dass eine differenzierte Erhebung und Auswertung notwendig ist, um Daten zur Sprachperformanz der Kinder mit DaZ in spezifischen Bereichen zu erhalten (s. hierzu auch Kap. 3). Eine bloße Beobachtung der sprachlichen Äußerungen ist aus der Perspektive der Spracherwerbsforschung nicht möglich (Schulz, Kersten & Kleissendorf 2009: 127) (s. auch Kap. 3.2). Es wird – wie im folgenden Kapitel dargestellt – angenommen, dass

Verdeckte Sprachschwierigkeiten | 13

Sprachschwierigkeiten der Kinder unentdeckt bleiben, wenn keine systematische Erfassung und Auswertung der sprachlichen Fähigkeiten erfolgt.

2.3 Verdeckte Sprachschwierigkeiten Eine die Phasen des Spracherwerbs der Kinder berücksichtigende Sprachstandserhebung ist für Kinder mit DaZ besonders wichtig, denn gerade Kinder mit DaZ scheinen in den ersten Schuljahren einer Überschätzung ausgesetzt, die aus „verdeckten Sprachschwierigkeiten“ (Knapp 1999: 31) resultiert. So wird angenommen, dass Lehrer die sprachlichen Fähigkeiten von Schülern mit DaZ aufgrund der stark ritualisierten Unterrichtssituationen, in denen sich die Schüler vieles aus dem Zusammenhang erschließen können, besser einschätzen, als diese tatsächlich sind. Es wird davon ausgegangen, dass Zweitsprachlerner „den Gebrauch von Wörtern und Strukturen, die sie nicht sicher beherrschen“ (Knapp 1999: 31), vermeiden, was bei den Lehrern zu einer Überschätzung der sprachlichen Fähigkeiten führen kann. Eine differenzierte Sprachstandserhebung ist erforderlich, um das Risiko einer Fehleinschätzung zu verringern. In Bezug auf die Differenzierung zwischen typischen Erwerbsphänomenen des Zweitspracherwerbs und einer Sprachentwicklungsstörung besteht die Gefahr einer „mistaken“ oder „missed identity“ (Paradis 2005: 173). Missed identity beschreibt die Situation, dass Ärzte oder Lehrer eine Sprachentwicklungsstörung nicht als solche erkennen, da aus ihrer Sicht die Sprachauffälligkeiten als ‚Zweitsprachphänomene‘ zu erklären sind (Paradis 2005: 173; Rothweiler 2007a: 110). So konnte in einer Untersuchung gezeigt werden, dass mehrsprachige Kinder in Berliner Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Sprache unterrepräsentiert sind (Moser 2007). Dies weist auf eine missed identity hin. Im Unterschied dazu wird bei der mistaken identity ein Kind als sprachentwicklungsgestört diagnostiziert, obwohl keine Sprachentwicklungsstörung vorliegt, sondern typische Merkmale des Zweitspracherwerbs zu beobachten sind. In diesem Fall würden Ressourcen (z.B. ein Platz in einer sprachtherapeutischen Praxis oder Sprachheilschule) verbraucht, die an anderer Stelle dringend benötigt werden. Inwieweit die Annahme der verdeckten Sprachschwierigkeiten auch auf Vorschulkinder mit DaZ zutrifft, ist bisher nicht untersucht worden. Studie B dieser Arbeit untersucht, wie genau Sprachförderkräfte in der Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit DaZ mit dem Ergebnis standardisierter Sprachstandserhebungsverfahren übereinstimmen (Kap. 8). Überschätzen die Sprachförderkräfte die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder, gemessen mittels der Sprachstandserhebungsverfahren, ist das ein Anzeichen für verdeckte

14 | Kinder mit Deutsch als Zweitsprache Sprachschwierigkeiten. Unterschätzen die Sprachförderkräfte die sprachlichen Fähigkeiten, müsste man von verdeckten Sprachfähigkeiten sprechen. Im Kontext der Sprachförderung von Vorschulkindern mit DaZ gilt es, die sprachlichen Fähigkeiten und Schwierigkeiten der Kinder so genau wie möglich zu kennen (s. Kap. 3.1), um darauf in der Sprachförderung eingehen zu können. Im folgenden Kapitel wird die Sprachförderung von Vorschulkindern mit DaZ motiviert und am Beispiel der Vorlaufkurse – dem Untersuchungsfeld der vorliegenden Arbeit – veranschaulicht.

2.4 Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache Nach einer „Förderungswelle“ (Schmidt-Denter 2008: 733) für Vorschulkinder in den 1960er und 1970er Jahren im Nachgang zum sogenannten „SputnikSchock“ ist die vorschulische Sprachförderung seit dem sogenannten „PisaSchock“, also seit der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie 2001 (Prenzel et al. 2007), erneut in den Fokus der Bildungs- und Sozialpolitik gerückt. Eine Ursache der Leistungsdefizite von 15-Jährigen Schülern in Deutschland sind den Daten der PISA-Studie nach Versäumnisse bei der Frühförderung, insbesondere von Kindern mit Migrationshintergrund (Britz 2006). Schulische Misserfolge dieser Kinder werden vor allem auf sprachliche Defizite zurückgeführt (Schmidt-Denter 2008). Vorschulische Sprachförderung wird aufgrund dessen als frühe kompensatorische Fördermaßnahme eingesetzt, um für den weiteren Bildungsweg eine Chancengerechtigkeit zu ermöglichen. Mittels der Sprachförderung im Vorschulalter sollen „die für den Grundschulunterricht notwendigen Sprachkenntnisse bei allen Kindern sicher[ge]stell[t] [werden]“ (KMK 2002: 8). Die Vorlaufkurse, die in Hessen 2002 eingeführt wurden und das Untersuchungsfeld der Studien dieser Arbeit darstellen, sind eine solche Fördermaßnahme. In diesem Kapitel werden zunächst die Vorlaufkurse charakterisiert (s. Kap. 2.4.1). Bisherige Studien über die Vorlaufkurse werden anschließend kurz beschrieben (s. Kap. 2.4.2 und 2.4.3).

2.4.1 Die hessischen Vorlaufkurse Im Jahr 2002 wurde in Hessen die Schulanmeldung auf den Herbst des Jahres vor der Einschulung vorgezogen, um Kinder mit Sprachförderbedarf frühzeitig

Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache | 15

zu erkennen (Althaus et al. 2002: 7). Vorrangig geht es dem Hessischen Kultusministerium (HKM) um Kinder mit DaZ. Seitdem können Kinder, bei denen ein Förderbedarf festgestellt wird, anschließend an einer vorschulischen Sprachfördermaßnahme teilnehmen, die in Hessen unter dem Namen Vorlaufkurs etabliert wurde.4 Die Vorlaufkurse finden in Gruppen von zehn bis 15 Kindern statt und umfassen in der Regel zehn bis 15 Wochenstunden, wobei Letzteres von den personellen und organisatorischen Möglichkeiten der Schule abhängt (Althaus et al. 2002: 9). Die Vorlaufkurse beginnen ein Jahr vor der Einschulung. Die Zuständigkeit für die Vorlaufkurse liegt beim Kultusministerium. Vorlaufkurse werden deshalb vorrangig von Grundschullehrern durchgeführt. Inzwischen ist die Schulanmeldung erneut vorgezogen worden und findet bereits im Frühjahr statt, also fast 1 ½ Jahre vor der Einschulung (HKM 2011). Der Vorlaufkurs beginnt seitdem direkt nach den Sommerferien und umfasst ca. elf statt ca. neun Monate, wie noch zum Zeitpunkt der Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Arbeit. Der Vorlaufkurs stellt eine „Sprachförderung im Elementarbereich“ (Leist 2006: 673) dar, kann jedoch außerdem als „Vorbereitung auf den Regelunterricht Deutsch“ (Luchtenberg 2006: 129) bzw. den gesamten Regelunterricht gesehen werden. Dazu heißt es in der Handreichung der Vorlaufkurse: „Der Vorlaufkurs soll Kinder beim frühzeitigen Erwerb der deutschen Sprache unterstützen und somit bereits vor der Schulaufnahme eine wesentliche Grundlage für den erfolgreichen Besuch des ersten Schuljahres schaffen.“ (Althaus et al. 2002: 10).

Im Gegensatz zu anderen Sprachförderkonzepten, die z.B. in der alltäglichen Interaktion der Kindertagesstätte stattfinden, ist der Vorlaufkurs nicht in den Alltag der Kinder integriert, sondern findet additiv statt (für einen Überblick über integrierte und additive Sprachförderprogramme Ricart Brede 2011). Um über die Vergabe der Förderplätze zu entscheiden, werden die sprachlichen Fähigkeiten im Rahmen der Schulanmeldung erhoben. Außerdem soll zu Beginn der Sprachförderung im Vorlaufkurs die sprachliche Ausgangslage der Kinder erfasst werden (Althaus et al. 2002: 14). Eine Änderung in der „Verordnung zum Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ (HKM 2009) führte dazu, dass der Sprachstand der Kinder nicht mehr nur am Anfang, sondern auch „am Ende

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Die Teilnahme an den „Vorlaufkurse[n] […] [ist] zwar „freiwillig“ (§ 6 der Verordnung zum Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache, HKM 2009), jedoch wird in Absatz 4 der Verordnung betont, dass den Eltern „die Teilnahme der Kinder an dem Vorlaufkurs […] dringend zu empfehlen“ ist.

16 | Kinder mit Deutsch als Zweitsprache der Vorlaufkurse […] in geeigneter Weise zu dokumentieren“ (HKM 2009: § 6) ist. Auch nach der Verordnungsänderung bleibt weiterhin unklar, wie diese Dokumentation erfolgen soll. Im Gegensatz zu den Anforderungen an Sprachstandserhebungen (s. Kap. 3.3) wird in den Vorgaben des HKM mit Verweis auf Luchtenberg (2002) empfohlen, „dass nicht notwendig auf testähnliche oder quantitative Diagnoseverfahren zurückgegriffen werden muss, wenn es um pädagogische Förderung geht“ (Althaus et al. 2002: 12). Es sei ein Verfahren einzusetzen ist, das „sich an den vielfältigen Erfahrungen der Grundschulen bei der bisherigen Einschulungspraxis orientiert“ (Althaus 2002: 12). Mit dem Argument, dass keine geeigneten Verfahren zur Sprachstandserhebung vorhanden sind, werden die Sprachförderkräfte in der Handreichung zu den Vorlaufkursen auf diagnostische Leitfragen von Knapp (2001) und Beobachtungsverfahren verwiesen (Althaus et al. 2002: 25). Das hessische Schulgesetz fordert die Einschulung von Kindern, die „bis zum 30. Juni [des Einschulungsjahres] das sechste Lebensjahr vollenden“ (Hessisches Schulgesetz § 58 Absatz 1). „Kinder, die nach dem 30. Juni das sechste Lebensjahr vollenden, können auf Antrag der Eltern in die Schule aufgenommen werden. […] Bei Kindern, die nach dem 31. Dezember das sechste Lebensjahr vollenden, kann die Aufnahme vom Ergebnis einer zusätzlichen schulpsychologischen Überprüfung der geistigen und seelischen Entwicklung abhängig gemacht werden“ (Hessisches Schulgesetz § 58 Absatz 1). Schulpflichtige Kinder sind in den „Monaten März/April des Jahres, das dem Beginn der Schulpflicht vorausgeht, zum Schulbesuch anzumelden, dabei sind die deutschen Sprachkenntnisse festzustellen“ (Hessisches Schulgesetz § 58 Absatz 1). Daraus folgt, dass die Kinder zum Zeitpunkt der Schulanmeldung mindestens 4;35 Jahre und maximal 5;9 Jahre alt sind.6 Trotz der weiten Altersspanne wird in der Handreichung eine einheitliche Aufgabenstellung für alle Kinder empfohlen. Um festzustellen, ob ein Kind eine Empfehlung zum Besuch des Vorlaufkurses erhält, wird in der Handreichung ein zweischrittiges Verfahren vorgeschlagen: „Gewinnen die Schulleiterin oder der Schulleiter bzw. die beteiligte Lehrkraft jedoch den Eindruck, dass ein Kind in einem Dialog sprachlich nicht adäquat reagiert, wird man ihm in einem zweiten Schritt gezielte Aufgaben stellen, um mehr über seine sprachlichen Möglichkeiten herauszufinden. Um besser vergleichen zu können, sollte die Schule bei all die-

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5 Jahre; Monate 6 Zum Zeitpunkt der Datenerhebung erfolgte die Schulanmeldung noch im Herbst des Jahres, das dem Beginn der Schulpflicht vorausgeht. Die Kinder waren demnach je ca. sechs Monate älter.

Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache | 17

sen Kindern die Art und Weise der Aufgabenstellungen möglichst beibehalten sowie eine bestimmte Reihenfolge einhalten. Je nachdem, wie schnell deutlich wird, ob ein Kind beispielsweise spontan Fragen beantworten oder zu einem Bild etwas in deutscher Sprache erzählen kann, desto mehr oder weniger Aufgaben wird man stellen müssen und umso länger oder kürzer wird die Beobachtungsphase sein. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass grammatikalische Fehler im Sprachgebrauch des Kindes hierbei unbeachtet bleiben. Wichtig sind zunächst die zur Verfügung stehenden Redemittel.“ (Althaus et al. 2002: 13f.)

Die Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung hat „nicht das Ziel, eine umfangreiche differenzierte Aufgliederung sprachlicher Fähigkeiten vorzunehmen“ (Althaus et al. 2002: 11). Dennoch soll aus der Schulanmeldung geschlussfolgert werden, „ob ein Kind sprachlich voraussichtlich in der Lage sein wird, dem Unterrichtsgeschehen zum Zeitpunkt der Einschulung grundsätzlich folgen und im Unterricht mitarbeiten zu können“ (Althaus et al. 2002: 12). In der Handreichung wird davon ausgegangen, dass „Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer […] dies sicherlich aufgrund ihrer Erfahrung bei der Feststellung der Schulfähigkeit der Kinder bisher auch schon recht zutreffend einschätzen können“ (Althaus et al. 2002: 12). Im Gegensatz zu der groben Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten in der Schulanmeldung wird in der Handreichung zu Beginn des Vorlaufkurses von den Lehrkräften gefordert „die Lernausgangslage eines Kindes sehr genau [zu] beobachten, um ihm eine seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechende Unterstützung geben zu können“ (Althaus 2002: 15). Aufgrund der Forderung lexikalische und grammatische Fähigkeiten zu fördern, ist davon auszugehen, dass zu Beginn des Vorlaufkurses für eben diese Fähigkeiten auch die „Lernausgangslage“ erfasst werden soll. Der hessische Bildungs- und Erziehungsplan fordert in Bezug auf die Sprachstandserhebung zu Beginn einer Sprachförderung: „Grundlage einer differenzierten Sprachförderung ist die frühzeitig einsetzende, regelmäßige und systematische Beobachtung und Dokumentation der Sprachentwicklung von Kindern – einschließlich der Entwicklung von literacybezogenen Kompetenzen.“ (Fthenakis, Berwanger & Reichert-Garschhammer 2007: 67)

In Bezug auf mehrsprachige Kinder wird außerdem gefordert, „die spezifischen Entwicklungsprofile und Bedürfnisse von mehrsprachig aufwachsenden Kindern wahrzunehmen und zu nutzen“ (Fthenakis, Berwanger & ReichertGarschhammer 2007: 67). Die Forderungen des Bildungs- und Erziehungsplans zeigen bereits Ansprüche an die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprach-

18 | Kinder mit Deutsch als Zweitsprache förderkräften auf. Diese werden in Kapitel 5, in dem die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften definiert wird, berücksichtigt. Welche Qualifizierungsoptionen haben die Lehrkräfte, die in den Vorlaufkursen unterrichten, um mit der Herausforderung der Sprachstandserhebung und Sprachförderung von Kindern mit DaZ umzugehen? Wie in Kapitel 4.1 und 5.4 noch ausgeführt wird, gehört die Sprachstandserhebung und Sprachförderung aktuell nicht zum verpflichtenden Ausbildungscurriculum für das Grundschullehramt. In Hessen führt dies zu dem Dilemma, dass zwar die bildungspolitische Forderung einer vorschulischen Sprachförderung in Form der Vorlaufkurse frühzeitig vom HKM umgesetzt wurde, jedoch die Lehrkräfte, die diese neue Aufgabe übernahmen, nicht dafür ausgebildet sind bzw. wurden. Die Verantwortung der Weiterbildung obliegt der jeweiligen Sprachförderkraft. Einige Schulamtsbezirke boten in den vergangenen Jahren Fortbildungen an, z.B. zu dem Sprachförderkonzept „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008). In einer Kooperation zwischen der Informations- und Forschungsstelle Deutsch als Zweitsprache der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem HKM wurde 2009 ein Projekt zur Weiterbildung von Sprachförderkräften der Vorlaufkurse etabliert. In einer Fortbildungsreihe hatten Vorlaufkurslehrer aller Schulamtsbezirke prinzipiell die Möglichkeit, sich in den Bereichen Sprachwissenschaft, Spracherwerb, Sprachdiagnostik und Sprachförderung weiterzubilden. Diese Initiativen stellen einen wichtigen Schritt hin zur Qualifizierung der Sprachförderkräfte in den Vorlaufkursen dar. Jedoch ist damit weiterhin keine flächendeckende Professionalisierung der Sprachförderkräfte der Vorlaufkurse möglich. Außerdem wäre neben der Qualifizierung in Form von Fortbildungsveranstaltungen eine Transferphase sinnvoll, wie sie Inckemann (2004) für den Anfangsunterricht vorschlug, um die Lehrkräfte in ihrer neuen Aufgabe als Sprachförderkräfte zu unterstützen. Die Supervision als zusätzlicher Bestandteil der Qualifizierung von Sprachförderkräften wird derzeit in einem Forschungsprojekt an der Goethe-Universität Frankfurt untersucht (Müller, Geist & Schulz in Druck). Die Vorgaben und Empfehlungen zu den Sprachstandserhebungen im Rahmen der Vorlaufkurse stellen eine wichtige Ausgangsbasis für den empirischen Teil dieser Arbeit dar. Seit der Implementierung der Vorlaufkurse 2002 wurden sie in zwei Studien evaluiert. Die Studien werden im Folgenden beschrieben und diskutiert, um zu zeigen, welche Forschung bisher zu den Vorlaufkursen erfolgt ist.

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2.4.2 Evaluationsstudien Eine Evaluation der Vorlaufkurse fand im Rahmen der DACHS-Studie (DeutschSprachförderung vor der Schule) des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) im Schuljahr 2007/08 statt (Sachse 2010; Sachse et al. 2010). Es zeigte sich, dass die Kinder, die an dem Vorlaufkurs teilnehmen, einen „deutlichen Sprachförderbedarf“ (Sachse 2010: 7) haben. Außerdem untersuchte die Forschergruppe den Unterschied zwischen einer sprachwissenschaftlichen und einer ganzheitlichen Sprachförderung und stellte fest, dass keine der Herangehensweisen der anderen überlegen war (Sachse et al. 2012). Die Ergebnisse der Kinder in den Sprachtests am Ende des Vorlaufkurses zeigen zudem, dass sich die die sprachlichen Leistungen der Kinder auch nach der Förderung auf einem „kritischen Niveau“ (Sachse et al. 2012: 1999) befinden. In der Studie wurde jedoch der Sprachstand der Kinder mit Verfahren gemessen, für die ausschließlich eine Normierung mit einsprachigen Kindern vorliegt. Außerdem stimmen die Inhalte, die in der sprachwissenschaftlichen Förderung im Vordergrund stehen, nicht mit den Inhalten des verwendeten Sprachstandserhebungsverfahrens überein (Kaltenbacher 2011: 164ff.). Dadurch können ausschließlich Aussagen über das Ausbleiben eines Transfers auf andere sprachliche Fähigkeiten getroffen werden. Weiter kritisiert Kaltenbacher, dass mit den Verfahren getestete grammatische Bereiche (z.B. Genus-, Kasus und Passivmorphologie) im frühen Zweitspracherwerb „in einem langwierigen Prozess erworben“ (Kaltenbacher 2011: 170) werden und deshalb ungeeignet sind, um „tatsächliche Entwicklungen in der Sprachkompetenz der Kinder abzubilden“ (Kaltenbacher 2011: 171). Darüber hinaus wird kritisiert, dass die Sprachförderung weitgehend eine „black-box“ (Eckhardt in Spiewak 2010) ist, d.h. es liegen keine Kenntnisse darüber vor, wie die Sprachförderung tatsächlich erfolgte. Sachse et al. (2012) diskutieren, ob die Fortbildung der Sprachförderkräfte, die die sprachwissenschaftlich orientierte Sprachförderung einsetzten, nicht intensiv genug war. Außerdem weisen sie darauf hin, dass die zeitlichen Ressourcen innerhalb der einzelnen Vorlaufkurse sehr unterschiedlich waren und die Länge der Fördereinheiten (teils 1,5 Std.) für Vorschulkinder möglicherweise nicht angemessen war (Sachse et al. 2012, 199). Darüber hinaus stellen Sachse et al. fest, dass die tatsächliche sprachförderliche Interaktionszeit eines Kindes mit der Förderkraft aufgrund relativ großer Gruppen (teils zwölf Kinder) nur sehr begrenzt war. Zusätzlich merken die Autoren an, „dass die Inhalte des Vorlaufkurses meist völlig isoliert vom restlichen Alltag sowie der sonstigen Förderung der Kinder stattfinden“ (Sachse et al. 2012: 199).

20 | Kinder mit Deutsch als Zweitsprache Fiebich und Probst (2011) untersuchten ebenfalls die Vorlaufkurse in einem Prä-Post-Test Design, jedoch ohne eine Kontrollgruppe zu erfassen. In dieser Studie wurden Testaufgaben, die sich an anderen Verfahren, u.a. dem HASETest (Brunner & Schöler 2002) und der Patholinguistischen Diagnostik (Kauschke & Siegmüller 2006) anlehnten, verwendet. Auf diese Testaufgaben trifft die Kritik ebenfalls zu, dass die Verfahren an einsprachigen Kindern normiert wurden. Jedoch verglichen Fiebich und Probst (2011) ausschließlich die Prozentzahl der gelösten Items und nicht die T-Werte zwischen den sieben Vorlaufkursen. Für die 80 Kinder aus sieben in die Studie einbezogenen Vorlaufkurse zeigt sich ein signifikanter Unterschied für die Gesamtsprachleistung. Dieser Analyse zufolge waren die Kinder eines Vorlaufkurses zu Beginn der Förderung so sprachkompetent wie die Kinder anderer Vorlaufkurse am Ende der Förderung (Fiebich & Probst 2011: 259). Diese Heterogenität bestätigt die Ergebnisse von Voet Cornelli (2008) in Bezug auf die Auswahl der Kinder (s. Kapitel 2.4.3). Fiebich und Probst untersuchten den Einfluss mehrerer Faktoren auf den Fördereffekt in Form der Sprachentwicklung zwischen Prä- und Posttest. Die Daten zeigen, dass eine hohe Qualifikation und Erfahrung der Lehrkräfte (erfasst mittels eines Interviews mit der Lehrkraft) sowie eine höhere wöchentliche Stundenzahl (erfasst mittels zwei bis drei Hospitationen im Vorlaufkurs) zu einem höheren Fördererfolg führen (Fiebich & Probst 2011: 260).7 Die Autoren plädieren für eine frühere Förderung und eine Qualifizierung der Sprachförderkräfte (Fiebich & Probst 2011: 261).

2.4.3 Fallstudie: Sprachstandserhebung und Sprachförderung in den hessischen Vorlaufkursen Aus der Perspektive der (Zweit-)Sprachdidaktik liegt bisher eine Studie vor, die die Vorlaufkurse untersuchte. Voet Cornelli (2008) interviewte Sprachförderkräfte, die den Vorlaufkurs leiten, und die jeweiligen Schulleiter. Die Interviews ergänzte sie durch Beobachtungen im Vorlaufkurs jeder Sprachförderkraft. Anhand von vier Grundschulen zeigt sie, dass sowohl in Bezug auf den schulinternen Entscheidungsprozess bezüglich der Auswahlkriterien als auch in Bezug auf die Inhalte und Materialien für die Sprachförderung eine große Heterogenität zwischen den Schulen herrscht. Die Auswahl der Kinder wurde z.B. an einer

||

7

Der Faktor Ausbildung und Erfahrung der Lehrkraft wurde auf der Basis einer dreistufigen Skala ausgewertet: „erstmalig, keine oder kaum Erfahrung, routiniert/mehrjährige Erfahrung und Ausbildung in Deutsch als Zweitsprache“ (Fiebich & Probst 2011: 259).

Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache | 21

Schule durch die Zusammensetzung der Schülerschaft determiniert (Gesamtanteil an Kindern mit Migrationshintergrund). Voet Cornelli stellt fest, dass an einer Schule mit einem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund von 30 % auch Kinder eine Empfehlung zum Besuch eines Vorlaufkurses erhielten, die „schon recht gut Deutsch“ (Voet Cornelli 2008: 77) sprachen, die jedoch in einem „sozialen Brennpunkt“ wohnten. An einer anderen Schule mit einem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund von etwa 90 %, wurden hingegen zuerst Kinder berücksichtigt, die keinen Kindergartenplatz hatten und dadurch keine außerfamiliäre, institutionelle Förderung erhielten. Die Heterogenität in der Auswahl der Kinder, wie sie Voet Cornelli (2008) zeigt, deckt sich mit den Erkenntnissen von Fiebich und Probst (2011), die die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu Beginn des Vorlaufkurses erfassten und zwischen den Vorlaufkursen große Unterschiede fanden. Trotz der Bedeutung äußerer Kriterien, wie dem Besuch eines Kindergartens, für die Auswahl der Kinder für den Vorlaufkurs, erfassten alle vier Schulen der Studie von Voet Cornelli (2008) den Sprachstand der Kinder im Rahmen der Schulanmeldung. Unklar bleibt, inwieweit die Ergebnisse der Sprachstandserhebung im Unterschied zu anderen Faktoren wie Wohnort oder Kindergartenplatz die Auswahl der Kinder beeinflusst, die eine Vorlaufkursempfehlung erhalten. Die Studie von Voet Cornelli (2008) liefert erstmals Daten darüber, wie die Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung erfolgt. Die Einschätzung der kindlichen Sprachfähigkeiten erfolgte an allen vier Schulen informell, variierte jedoch stark zwischen den Schulen in Bezug auf die verwendeten Aufgaben. Möglicherweise führen die Unterschiede in der Sprachstandserhebung auch zur Auswahl von Kindern mit verschiedenen sprachlichen Fähigkeiten. Anhand zweier Schulen aus dem Korpus von Voet Cornelli (2008) wird im Folgenden exemplarisch illustriert, welche Materialien und Methoden zur Sprachstandserhebung verwendet wurden. Materialien in Form von Frage- und Beobachtungsbögen erstellten die Lehrkräfte der Schulen selbst. So schätzte beispielsweise Schule 1 die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder beim Betrachten eines Wimmelbildes ein, „ohne dass konkrete Fragestellungen oder Aufgaben vorgegebenen werden“ (Voet Cornelli 2008: 70). Die sprachlichen Fähigkeiten sollten u.a. in einem Raster, das die Kategorien „Spricht in Sätzen/Spricht nur Wörter/Spricht gar nicht“ (Voet Cornelli 2008: 70) enthält, eingeordnet werden. Ergänzend zu dem Wimmelbild wurde der Wortschatz anhand von sechs Bildkarten erfasst. Minimalpaare wurden zur Überprüfung der Lautunterscheidung verwendet und durch das Nachsprechen von Kunstwörtern wurde das auditive Kurzzeitgedächtnis erfasst. Außerdem nutzte Schule 1 fünf komplexe Wörter wie „Thermometer“, um die Sprechmotorik zu überprüfen. Voet

22 | Kinder mit Deutsch als Zweitsprache Cornelli (2008) kritisiert die geringe Itemzahl je Aufgabe sowie das Fehlen von konkreten Aufgabenstellungen. Die Erhebung mündete dann in einer Einschätzung des Förderbedarfs, für den im Bereich Sprache nur die beiden Kategorien „Sprachfähigkeit/Wortschatz“ und „auditive Wahrnehmung“ zur Verfügung stehen. Darüber hinaus hatte die durchführende Lehrkraft zu entscheiden, ob das Kind „sprachauffällig“ ist. Voet Cornelli (2008) merkt an, dass eine differenzierte Erfassung des Förderbedarfs wünschenswert und in Bezug auf die Auffälligkeit der sprachlichen Fähigkeiten eine Unterscheidung zwischen Therapiebedarf und Förderbedarf sinnvoll sei. Im Vergleich zu Schule 1 verwendete Schule 4 gänzlich andere Aufgaben. Im Interview berichtete die Lehrkraft von einem „bewährten Modell“ (LP4 in Voet Cornelli 2008: 74), das von Kollegen zusammengestellt wurde. Den Kindern wurden Aufträge wie das Zeigen von Körperteilen an einem Bären, das Zählen von Blümchen auf einer Tischdecke, das Finden eines Bildes und das Hüpfen auf einem Bein gestellt. Ziel war es, laut der Lehrkraft, zu sehen, „ob sie das dann verstehen“ (LP4 in Voet Cornelli 2008: 74). Die Kinder wurden außerdem gefragt, was sie gerne essen. Obwohl die Lehrkraft ihr Vorgehen als bewährt beschrieb, erläuterte sie im Interview an anderer Stelle, dass sie aufgrund eines Gesprächs mit der Kindergartenleitung einiger Kinder das Vorgehen in der Schulanmeldung gerne ergänzen würde. Sie äußerte, dass sie hofft, durch eine weitere Beobachtung zuverlässiger zu erfassen, welche Kinder „wirklich die Dringendsten“ (LP4 in Voet Cornelli 2008: 76) sind. Erste Ergebnisse einer Pilotstudie von Kelle und Schwede (in Vorbereitung) zu den Praktiken in der Schulanmeldung und Schuleingangsuntersuchung weisen ebenfalls auf eine Heterogenität in der Schuleingangsdiagnostik hin. In einer Einzelfallstudie zeigen Voet Cornelli et al. (2011), dass die Einschätzung der Erzieherinnen der Kita für diese Lehrkraft von großer Bedeutung ist und die Sprachstandserhebung eine Möglichkeit der Kooperation zwischen Kita und Grundschule darstellt. Bei der Wahl der Methoden und der Zielsetzung für die Sprachförderung spielen persönliche Erfahrungen und Neigungen der Sprachförderkräfte sowie deren Aus- und Weiterbildung(en) eine Rolle. Die Sprachförderkraft der Schule 1 der Stichprobe von Voet Cornelli (2008) sah eine allgemeine Schulvorbereitung und ganzheitliche Förderung als Inhalt der Vorlaufkurse an (Voet Cornelli 2008: 85). Die Sprachförderkräfte der anderen drei Schulen hingegen betrachteten allgemeine Vorschularbeit und Sprachförderung als primäre Aufgabe des Vorlaufkurses. Für die Sprachförderkraft der Schule 2 standen insbesondere die Wortschatzerweiterung und das Einüben sprachlicher Phänomene wie Artikel und Präpositionen im Vordergrund. Sie griff auf fremdsprachendidaktische Methoden zurück (Voet Cornelli 2008: 87). In Schule 3 war die Förderung der Sprache allen anderen (vor-)schulrelevanten Inhalten übergeordnet, was sich

Zwischenfazit | 23

auch darin ausdrückte, dass die Sprachförderkraft eine spezifische Weiterbildung in einem Sprachförderkonzept für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache absolviert hatte. Die Sprachförderkraft der Schule 4 ließ persönliche Lebensanschauungen und Wertvorstellungen in die Sprachförderung einfließen; sie griff dabei auf ihren Erfahrungsschatz als langjährige Grundschullehrerin zurück (Voet Cornelli 2008: 93f.). Voet Cornelli untersuchte außerdem die Übergangskonsequenzen für Kinder, die den Vorlaufkurs besuchen. Neben der Einschulung in die erste Klasse besteht in Hessen auch die Möglichkeit, dass das Kind zunächst eine sogenannte Vorklasse besucht. Einige Schulen nutzten den Vorlaufkurs, um die Kinder genau zu beobachten und dann zunächst in eine Vorklasse einzuschulen oder ggf. von der Einschulung zurückzustellen oder ein sonderpädagogisches Gutachten anzufordern (Voet Cornelli 2008: 95f; zur Diskussion der Selektionspraktiken auch Voet Cornelli 2008: 112). Voet Cornelli schlussfolgert aus ihrer Untersuchung, dass eine verbesserte Qualifikation der Lehrkräfte auf dem Gebiet der Zweitsprachförderung notwendig ist: „Das heute verfügbare theoretische Wissen über den Zweitspracherwerb, und die daraus resultierenden Folgerungen für die Sprachstandsdiagnostik und -förderung müssen durch Aus- und Fortbildung sowie adäquate Testinstrumente und Fördermaterialien flächendeckend Eingang in die vorschulische Praxis finden.“ (Voet Cornelli 2008: 114)

Um diese Forderung zu untermauern, bedarf es weiterer empirischer Nachweise. Die Fallstudie von Voet Cornelli (2008) dient als Ausgangspunkt für die Studien, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführt wurden.

2.5 Zwischenfazit Kinder mit DaZ erwerben das Deutsche im Vergleich zu Kindern mit Deutsch als Erstsprache zeitlich versetzt, d.h. sukzessiv. Die bisherige Forschung legt nahe, dass dies jedoch nicht dazu führt, dass der Erwerb sich für regelgeleitete Bereiche qualitativ vom Erstspracherwerb unterscheidet. Mit dem Eintritt in die Schule haben sie allerdings u.a. aufgrund der geringeren Kontaktdauer keine vergleichbaren sprachlichen Fähigkeiten wie Kinder mit Deutsch als Erstsprache. Damit sich diese Ungleichheit in sprachlichen Fähigkeiten nicht auf ihre Bildungsteilhabe auswirkt, ist eine vorschulische Sprachförderung dringend erforderlich. Die hessischen Vorlaufkurse stellen eine solche Sprachfördermaßnahme dar, wobei der Beginn der Sprachförderung ein Jahr vor der Einschulung

24 | Kinder mit Deutsch als Zweitsprache aus spracherwerbstheoretischer Perspektive sehr spät ist. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass gerade bei einem Zweitspracherwerb im Alter von drei oder vier Jahren die Spracherwerbsmechanismen noch zur Verfügung zu stehen scheinen, die es den Kindern mit DaZ ermöglichen, das Deutsche in gleicher Weise wie Kinder mit Deutsch als Erstsprache zu erwerben. Wenn die Kinder erst ein Jahr vor der Einschulung, also mit meistens fünf Jahren, Sprachförderung erhalten, kann das schon zu spät sein, um die Kinder, aufbauend auf den natürlichen Spracherwerbsmechanismen, in ihrem Zweitspracherwerb zu unterstützen. Im Vordergrund dieser Arbeit steht die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften. Kinder mit DaZ stellen, aufgrund der Annahme verdeckter Sprachschwierigkeiten, eine große Herausforderung an die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften dar. Auch die Vorlaufkurse stellen nicht nur in Bezug auf die Sprachförderung hohe Anforderungen an die Lehrkräfte, die die Vorlaufkurse unterrichten, sondern auch bezüglich der Sprachdiagnostik. Bereits an dieser Stelle sei auf eine Diskrepanz zwischen den Erkenntnissen der Zweitspracherwerbsforschung und der Vorgabe des Hessischen Kultusministeriums (HKM) hingewiesen: Während aus der Zweitspracherwerbsforschung vorwiegend Erkenntnisse zu grammatischen Fähigkeiten vorliegen, weist das HKM darauf hin, in der Schulanmeldung nicht auf grammatische Fehler, die einen Erwerbsschritt markieren können, zu achten (s. hierzu auch Kap. 3.3). Andererseits verweist das HKM explizit auf die Erfahrung der Grundschule und damit der jeweiligen Lehrkräfte in Bezug auf die Ausgestaltung der Sprachstandserhebung. Die Studie von Fiebich und Probst (2011) zeigt, dass die Kinder, die einen Vorlaufkurs besuchen, sehr unterschiedliche Sprachstände zu Beginn der Förderung haben können. Dies lässt auf eine mögliche Heterogenität in der Auswahl der Kinder zwischen den Schulen schließen, wie sie auch die Daten von Voet Cornelli (2008) belegen. Wie die Sprachförderkräfte der Vorlaufkurse mit dieser Herausforderung der Sprachdiagnostik umgehen, wird in der vorliegenden Arbeit untersucht.

3 Sprachstandserhebungen Sprachstandserhebungen haben das Ziel, die sprachlichen Fähigkeiten im Mündlichen zu erfassen. Schriftliche Fähigkeiten hingegen werden mittels Schreibproben oder Schreibtests erhoben (für einen Überblick zur Beurteilung schriftsprachlicher Leistungen z.B. Budde, Riegler & Wiprächtiger-Geppert 2011). Der Begriff der Sprachdiagnostik steht im Unterschied zur Sprachstandserhebung für den gesamten Prozess von der Sammlung anamnestischer Informationen über die Auswahl der Inhalte und Methoden der Sprachstandserhebung bis zur Interpretation und schriftlichen Fixierung der Ergebnisse (s. hierzu auch Kapitel 5; van Ophuysen 2010; Lengyel 2012). Die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern werden im Vor- und Schulalter in vielfältigen Kontexten erfasst, z.B. in den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen oder im Rahmen der Schulanmeldung. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Sprachstandserhebungen im Vorschulalter und am Übergang in die Grundschule. Bevor Sprachstandserhebungen näher definiert werden und vorgestellt wird, welche Anforderungen sie erfüllen sollten, gilt es zu klären, dass Daten aus Sprachstandserhebungen Performanz- und keine Kompetenzdaten sind (Müller et al. 2007: 17). Die Leistungen eines Kindes in einer Sprachstandserhebung spiegeln damit seine sprachlichen Fähigkeiten notwendigerweise unvollständig und ungenau wider. Die Unterscheidung zwischen Performanz und Kompetenz stammt aus der generativen Grammatikforschung (Chomsky 1968). Kompetenz bezeichnet das häufig implizite Sprachwissen eines Sprechers. Mit Performanz hingegen beschreibt Chomsky (1968) die tatsächliche und individuelle Sprachverwendung, wobei individuelle und situative Bedingungen als konfundierende Faktoren fungieren. Diese ‚Störfaktoren‘ wie z.B. eine begrenzte Gedächtniskapazität des Sprechers, Unterbrechungen durch den Gesprächspartner u. ä. können dazu führen, dass die Sprachverwendung beeinflusst wird und es z.B. zu grammatisch unkorrekten Äußerungen kommt. Die Herausforderung der Sprachstandserhebungen besteht darin die konfundierenden Faktoren auszuschließen oder zumindest zu reduzieren, um Gelegenheiten zu schaffen, in denen die tatsächlichen sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes erfasst werden können. Mittels Sprachstandserhebungen werden demnach Performanzdaten erfasst, die der Kompetenz so nah wie möglich kommen sollen. Sprachstandserhebungen unterscheiden sich darin, welche sprachlichen Bereiche, mit welcher Methode und zu welchem Ziel erfasst werden. Im Fokus

26 | Sprachstandserhebungen der vorliegenden Arbeit stehen die Sprachstandserhebungen im Vorschulalter. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Sprachstandserhebung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (s. Kap. 2.1), da sie die Zielgruppe vieler Sprachfördermaßnahmen bilden (s. Kap. 2.2). Die Ziele von Sprachstandserhebungen werden im folgenden Kapitel 3.1 definiert. Daran schließt sich eine Übersicht über Methoden (Kap. 3.2) von Sprachstandserhebungen an. Ausgehend von dieser Charakterisierung werden Anforderungen an Sprachstandserhebungen vorgestellt (Kap. 3.3). Bisher wurden in der Literatur Anforderungen aus der Perspektive der Linguistik (Kap. 3.3.1), der (Zweit-)Spracherwerbsforschung (Kap. 3.3.2) und der Testtheorie (Kap. 3.3.3) an Sprachstandserhebungen gestellt. Die aus sprachdidaktischer Perspektive große Bedeutung der Sprach-diagnostik für die Sprachförderung wird in Kapitel 3.4 herausgearbeitet. Es folgt ein Zwischenfazit (s. Kap. 3.5).

3.1 Ziele von Sprachstandserhebungen Welche Ziele werden mit Sprachstandserhebungen verfolgt? Die Zielsetzung von Sprachstandserhebungen ist entweder die Selektion der Kinder und/oder die Ableitung der Förderung (Schlee 2002; Schulz, Kersten & Kleissendorf 2009). Darüber hinaus werden Sprachstandserhebungen in der Evaluation von Sprachfördermaßnahmen angewendet und für bildungs- und gesundheitspolitische Statistiken wie den Gesundheitsberichten genutzt. Ziel der Selektionsdiagnostik ist es, die sprachlichen Leistungen von Kindern zu klassifizieren und zu vergleichen (Schöler 2008). Aus einer Selektionsdiagnostik resultiert beispielsweise die Zuweisung zu einer Sprachfördermaßnahme oder die Rückstellung vom Schulbesuch (Kracht 2003: 40). Für die sonderpädagogisch-psychologische Diagnostik geht Schöler (2008) deshalb davon aus, dass es sich nicht um eine Selektions-, sondern eine Platzierungsdiagnostik handelt. Kracht sieht diese „Art von Feststellungsdiagnostik […] pädagogisch äußerst problematisch“ (Kracht 2003: 40) und kritisiert die Bildungspolitik, die „Sprachstandserhebungen primär nutzen möchte, um die Folgen der Migration für Erziehung und Bildung organisatorisch handhabbar zu machen“ (Kracht 2003: 40). Zu bedenken ist jedoch, dass so lange nur begrenzte Ressourcen z.B. für die Sprachförderung zur Verfügung stehen, eine Selektionsdiagnostik unabdingbar ist, um die Kinder mit erheblichem Förderbedarf zu erfassen und einer entsprechenden Maßnahme zuzuweisen. Ebenso ist eine Selektionsdiagnostik im Rahmen der Differenzialdiagnostik zwischen Kindern, die eine Sprachentwicklungsstörung haben, und Kindern, die keine Sprachentwicklungsstörung haben, erforderlich, um sowohl die begrenzten Ressourcen in

Ziele von Sprachstandserhebungen | 27

der Sprachtherapie als auch in der Sprachförderung denen zukommen zu lassen, die sie benötigen. Die Förderdiagnostik wird als Gegensatz zur Selektionsdiagnostik beschrieben (Kracht 2003, Schöler 2008). In der Debatte um Selektions- und Förderdiagnostik „manifestieren sich offenbar unterschiedliche Wissenskulturen, wie sie auch in den zurückliegenden Debatten über Schulfähigkeit und die Selektionsfunktion von Schuleingangsuntersuchungen zu beobachten waren (vgl. Kammermeyer 1999)“ (Schulz, Kersten & Kleissendorf 2009: 128). Es ist jedoch eine Ergänzung der Selektionsdiagnostik durch die Förderdiagnostik diskutieren. Beispielsweise ist es möglich, nach der Auswahl von Kindern mit Sprachförderbedarf differenzierter zu analysieren, in welchen sprachlichen Bereichen dieser Förderbedarf liegt. In der Förderdiagnostik wird der Sprachstand des Kindes erfasst, und Inhalte für die Sprachförderung werden abgeleitet (zur Bedeutung der Sprachdiagnostik für die Sprachförderung s. auch Kap. 3.4). Es besteht die Möglichkeit, eine individuelle und differenzierte Beschreibung zentraler sprachlicher Eigenschaften anzufertigen, aus denen sich konkrete Förderentscheidungen ableiten lassen (auch von Knebel 2007: 1088; Schulz & Tracy 2011: 106ff). Fried unterscheidet innerhalb der Förderdiagnostik zwischen der „treatmentvorbereitenden Statusdiagnostik“ und der „treatmentbegleitenden und -abschließenden Prozessdiagnostik“ (Fried 2004: 48f.). Während in der Statusdiagnostik vorab die Ausgangslage erfasst wird, um zu entscheiden, welche Maßnahme das Kind benötigt, hat die Prozessdiagnostik laut Fried zum Ziel, den Erfolg während und nach der Durchführung einer Maßnahme angemessen einzuschätzen. Diese terminologische Unterscheidung wird im Weiteren nicht übernommen, da sowohl aus der Status- als auch aus der Prozessdiagnostik die Ableitung von Förderzielen erfolgt. Der Prozess aus Sprachstandserhebungen und Sprachförderung im Sinne einer entwicklungsorientierten Sprachförderung wird im Folgenden als Kern der Förderdiagnostik herausgearbeitet. Durch die Förderdiagnostik werden die bereits vorhandenen sprachlichen Fähigkeiten des Kindes als Ansatz für die Förderung genutzt und der Förderbedarf wird beschrieben (Rittmeyer 2005: 17). Sie ist prozessorientiert und ermöglicht ein Wechselverhältnis zwischen Diagnostik und Förderung.8 Die enge Verbindung zwischen Sprachstandserhebung und Sprachförderung betonen Chilla und Kolleginnen wie folgt: „Bevor eine Förderung ansetzt, müssen für jedes ||

8 Jedoch sind laut List „die Zusammenhänge zwischen Sprachstandserhebung und Sprachförderung theoretisch noch nicht befriedigend geklärt“ (List 2010: 26). Es ist davon auszugehen, dass List hier die Konzepte anspricht, bei denen die Sprachstandserhebung ausschließlich zur flächendeckenden Beschreibung des Sprachstands z.B. aller vierjährigen Kinder genutzt wird, ohne dass Konsequenzen für die inhaltliche Gestaltung der Förderung abgeleitet werden.

28 | Sprachstandserhebungen Kind der Erwerbshintergrund und der aktuelle Sprachstand ermittelt werden“ (Chilla, Rothweiler & Babur 2010: 119). Fördermaßnahmen greifen insbesondere dann, wenn sie individuell und zielgenau aus dem erhobenen Sprachstand abgeleitet werden (Ehlich 2005: 11). Den Prozess von der Sprachstandserhebung zur Sprachförderung formuliert Schöler als Folge aus „Theorie – Diagnose – Intervention“ (Schöler 2008: 12). Er mahnt zur Vorsicht, da diese Verknüpfungen der Auswerter einer Sprachstandserhebung herstellen muss. Schöler (2008) kritisiert, dass die wenigsten Verfahren, die sich als Förderdiagnostik bezeichnen, diesen Schritt der Verknüpfung leisten. Gerade diese Leistung des Auswerters stellt eine Handlungskompetenz im Rahmen der sprachdiagnostischen Kompetenz dar (s. Kap. 5). „Die Aufgabenstellung selbst bietet […] kaum die Möglichkeit, die Intervention unmittelbar abzuleiten. Nur durch die Verknüpfung des Antwortverhaltens des Kindes mit dem Wissen über den Spracherwerb […] und mit anderen Informationen über das Kind und die Bedingungen und Voraussetzungen seiner Entwicklung ist eine Diagnose möglich.“ (Schöler 2008: 12)

Ausgehend von den Ausführungen von Schöler (2008) wird der Begriff der Selektionsdiagnostik im Rahmen der vorliegenden Arbeit für die Sprachstandserhebungen verwendet, an die sich keine Förderung anschließt. Beispielsweise werden im Rahmen der Schulanmeldung und Schuleingangsuntersuchung die sprachlichen Fähigkeiten aller Kinder eines Jahrgangs erfasst; die Ergebnisse der Sprachstandserhebung stehen den Institutionen, die das Kind in der Folge besucht, jedoch nicht zwingend zur Verfügung. Sind die Ergebnisse, z.B. für die Sprachförderkraft der Grundschule, nicht zugänglich oder verwendet diese die Daten nicht, dient die Sprachstandserhebung ausschließlich der Selektion oder Platzierung und wird im Folgenden als Selektionsdiagnostik bezeichnet. Werden die Daten der Sprachstandserhebung jedoch für die Sprachförderung genutzt, d.h. wird die Sprachförderung ausgehend vom Sprachstand des Kindes geplant, wird im Folgenden von einer Förderdiagnostik gesprochen. Einhergehend mit der Forderung nach einer Förderdiagnostik wird der Anspruch an die Verfahren zur Sprachstandserhebung gestellt nicht defizit- sondern kompetenzorientiert zu sein (Lütje-Klose 2007: 146) und die Sprachförderung auf den bereits vorhandenen Fähigkeiten des Kindes aufzubauen. „Den Zweck förderrelevante Resultate zu gewinnen, erfüllen grundsätzlich eher kompetenzorientierte Verfahren – solche also, die in der Form von „Kann-Aussagen“ Auskunft über dasjenige Repertoire geben, das ein Kind oder ein Jugendlicher im geprüften Ausschnitt sprachlicher Fähigkeiten bereits besitzt. Diese Fähigkeiten bilden nämlich den Ausgangspunkt für die Förderung selbst; auf sie muss beim weiteren Ausbau sprachlicher Fähigkeiten aufgebaut werden.“ (Gogolin, Neumann & Roth 2005: 14)

Methoden der Sprachstandserhebung | 29

Die Forderung, „Kann-Aussagen“ zu formulieren, ist nicht nur durch die Sprachstandserhebungsverfahren selbst zu erfüllen, sondern hängt zudem von den auswertenden Fachkräften ab. Demnach gilt es in der anschließenden Dokumentation, z.B. in Form eines Berichtes, eine Kompetenzorientierung beizubehalten bzw. zu entwickeln und nicht in die von Klein kritisierte „RotstiftPerspektive“ (Klein 2000: 540) (zurück-)zufallen. Lüdtke und Kallmeyer (2007b) zeigten in einer Übersicht zu vorliegenden Sprachstandserhebungsverfahren, dass insbesondere die flächendeckend eingesetzten Verfahren keine förderdiagnostischen Verfahren sind, sondern der Selektion dienen. Zwei Verfahren, die auch für Kinder mit DaZ geeignet sind, erheben einen förderdiagnostischen Anspruch: HAVAS 5 (Reich & Roth 2004) und LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011). Die Unterscheidung zwischen Selektions- und Förderdiagnostik kann – den Ausführungen von Schöler (2008) folgend – nicht per se an dem Verfahren selbst festgemacht werden. Eine entscheidende Funktion kommt auch den Rahmenbedingungen der Förderung zu. Lassen diese eine differenzierte Sprachstandserhebung zu, um die sprachliche Ausgangslage der Kinder, die gefördert werden sollen, zu erfassen? In der Handreichung zu den Vorlaufkursen, anhand derer die empirischen Studien dieser Arbeit erfolgen, ist dieser Prozess vorgesehen. Eine nicht minder relevante Funktion haben die Sprachförderkräfte, die nach der Auswertung der Sprachstandserhebung die Förderziele ableiten und darauf aufbauend die Förderung planen (s. auch Kap. 5). Während die Differenzierung der Sprachstandserhebungen anhand ihrer Ziele eng mit der Art und Weise der Verwendung verbunden ist, stellen die Methoden der Sprachstandserhebung ein eindeutiges Differenzierungsmerkmal dar und werden im folgenden Kapitel vorgestellt.

3.2 Methoden der Sprachstandserhebung Methodisch lassen sich unsystematische Einschätzungen und systematische Testverfahren zur Sprachstandserhebung unterscheiden (für einen Überblick Ehlich 2005 und Weinert, Doil & Frevert 2008). Die folgende Beschreibung lehnt sich an die Klassifikation von Schulz, Kersten und Kleissendorf (2009: 126) an. Unsystematische Einschätzungen erfolgen z.B. in Form von Beobachtungen (z.B. SISMIK9, Ulich & Mayr 2003). Den Rahmen bildet eine Alltagssituation in ||

9 SISMIK ist ein Beobachtungsverfahren mit Fragen zu sprachlichen Fähigkeiten und Literacy von Kindern mit Migrationshintergrund im Alter von ca. 3½ Jahren bis zum Schulalter.

30 | Sprachstandserhebungen der Kindertagesstätte oder eine freie Spiel- und Gesprächssituation, wie es im Rahmen der Schulanmeldung in Hessen häufig der Fall ist (Kleissendorf & Schulz 2010b). Die Ergebnisse werden nicht systematisch dokumentiert und ausgewertet. Rittmeyer geht davon aus, „dass sich viele relevante Informationen aus Beobachtungen in Alltagssituationen gewinnen lassen“ (Rittmeyer 2005: 20). Innerhalb der Sprachstandserhebungsverfahren ist der für den Vorschulbereich entwickelte Beobachtungsbogen Sismik (Ulich & Mayr 2003) verbreitet. Demirkaya und Kolleginnen (2009) heben die Stärken des SISMIKBeobachtungsbogens (Ulich & Mayr 2003) hervor. 10 Sie verweisen auf den strukturierten Aufbau des Bogens und betonen die Vielschichtigkeit des Verfahrens, da es auch die Sprachlernmotivation und den Bereich der Literacy (u.a. Textund Sinnverständnis) erfasst. Sie bezeichnen das Verfahren als „praxisgerecht konzipiert“ (Demirkaya, Gültekin-Karakoç & Settinieri 2009: 46). Für den Bereich der Grammatik stellte Jeuk jedoch in einer Fallstudie mit zwei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache, die er ein halbes Jahr vor der Einschulung mit SISMIK untersuchte, fest das sich die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten mittels SISMIK in Bezug auf die Beherrschung grammatischer Strukturen als ungenau erwies (Jeuk 2006: 67). Unsystematischen Einschätzungen liegt die Annahme zugrunde, es sei möglich, intuitiv die Fähigkeiten des Kindes adäquat zu beurteilen (Fried 2004). Sowohl Fried (2004) als auch Kany und Schöler (2007) stellen klar, dass das nicht möglich ist. Die Wahrnehmungspsychologie unterstützt die Meinung der drei Autoren, da die objektive Beobachtung in einer Alltagssituation beinahe unmöglich ist (für eine Auflistung von sogenannten Beobachtungsfehlern u.a. Kochinka 2010). Darüber hinaus argumentieren Wenzel, Schulz & Tracy (2009: 48), dass Alltagssituationen nur begrenzt nutzbar sind, um detaillierte Kenntnisse über sprachliche Fähigkeiten zu gewinnen. Sprachliche Fähigkeiten können nur durch systematische und standardisierte Verfahren zuverlässig erfasst werden (Schulz, Kersten & Kleissendorf 2009: 122).11 Kindgerechte, jedoch strukturierte Situationen sind notwendig, um der Komplexität des sprachlichen Wissenssystems gerecht zu werden (u.a. Wenzel, Schulz & Tracy 2009). Benötigt werden spezifische Vorgaben zur Durchführung, Dokumentation und Auswertung. Diese liefern systematische Verfahren. Deren Aufgabenauswahl ist entwicklungspsychologisch oder linguistisch fundiert und zeichnet ||

10 Auch Ueffing (2005) bewertet den Nutzen des Verfahrens für den Alltag in Kindertagesstätten als positiv. 11 Im Gegensatz dazu sind z.B. motorische Fähigkeiten beobachtbar. Der „Sichtbefund“ ist neben Anamnese und Tastbefund eine gängige Methode in der physiotherapeutischen Diagnostik (Kolster & Ebelt-Paprotny 2002).

Anforderungen an Sprachstandserhebungen | 31

sich durch eine Reihe von Vorstudien zur Erprobung des Aufgabenformates und der enthaltenen Items aus. Zu den systematischen Verfahren zählen Spontansprachanalysen (z.B. COPROF von Clahsen & Hansen 1991), Sprachanalysen anhand einer Bildvorlage (z.B. HAVAS-5 von Reich & Roth 2004), informelle Verfahren (Sprachtest Deutsch für den Schulstart (DfdS) von Kaltenbacher 2008) und Tests. Während bei Spontansprachanalysen lediglich die Auswertung standardisiert erfolgt, gilt dies bei Bildbeschreibungen, informellen Verfahren und Tests auch für die Durchführung (Kleissendorf & Schulz 2010b). Informelle Verfahren und Tests bedienen sich der gleichen Methoden (s. unten), unterscheiden sich jedoch darin, dass Testverfahren normiert sind und dadurch testtheoretischen Gütekriterien genügen (s. auch Kap. 3.3.3), während informelle Verfahren (noch) keine Belege für testtheoretische Gütekriterien liefern. Die Verfahren bedienen sich meist in der Entwicklungspsychologie und Spracherwerbsforschung etablierter Methoden. Exemplarisch sind Methoden mit je einem Beispiel eines Verfahrens, in dem diese Methode zum Einsatz kommt, in Tab. 1 aufgeführt.

Beispiele

Produktion

Beispiele

Verständnis

Tab. 1: Methoden und Sprachstandserhebungsverfahren Methode Nachsprechaufgaben (Elizitierte Imitation) Benennaufgaben Elizitierte Produktion Bildbeschreibung Ausagieren Wahrheitswertbeurteilungen Fragen-nach-einer-Geschichte

Beispiel für ein Verfahren HASE (Brunner & Schöler 2002) SETK 3-5 (Grimm 2001) LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) HAVAS 5 ( Reich & Roth 2005) SET 5-10 (Petermann, Metz & Fröhlich 2010) LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) PDSS (Kauschke & Siegmüller 2006)

Im folgenden Kapitel werden die Anforderungen an Sprachstandserhebungen beschrieben.

3.3 Anforderungen an Sprachstandserhebungen Für Verfahren, die „als diagnostische Grundlage für die Entwicklung, den Einsatz und die Optimierung individuell-biographischer Förderkonzepte genutzt werden“ (Ehlich 2005: 11), ergibt sich neben untersuchungsökonomischen Kriterien eine Reihe von Anforderungen aus verschiedenen Perspektiven. Drei Fragen finden sich in mehreren Analysen bestehender Verfahren und Experti-

32 | Sprachstandserhebungen sen zu Anforderungen an Sprachstandserhebungen wieder und sind aus sprachdidaktischer Perspektive relevant: Was? Wer? Wie? Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher und spracherwerbstheoretischer Perspektive fokussieren den Gegenstand der Erhebung: die Sprache. Für Sprachwissenschaftler steht die Frage „Was wird erhoben?“ im Vordergrund (s. Kap. 3.3.1). (Zweit-) Spracherwerbsforscher fragen außerdem nach der Zielgruppe des Verfahrens „Wer wird untersucht?“ und formulieren Anforderungen auf der Basis des Spracherwerbstyps des jeweiligen Kindes (s. Kap. 3.3.2). In der Psychologie dienen Testgütekriterien dazu, die Qualität von Verfahren zur Sprachstandserhebungen zu beurteilen und es wird gefragt „Wie wird erhoben?“ (s. Kap. 3.3.3).12 Es werden Anforderungen aus der Perspektive der Testtheorie erläutert. Laut Ehlich (2005) genügen trotz einer Vielzahl an Verfahren, die sprachliche Fähigkeiten erfassen, nur wenige den linguistischen, sprachdidaktischen, spracherwerbsorientierten und testtheoretischen Anforderungen an Sprachstandserhebungen. Insbesondere für den Elementar- und Primarbereich fand in den letzten Jahren aus sprachwissenschaftlicher (Ehlich 2005), sprachheilpädagogischer (Lüdtke & Kallmeyer 2007 a und b) und psychologischer (Kany & Schöler 2007; Weinert, Doil & Frevert 2008) Perspektive eine kritische Sichtung der Verfahren statt. Die Auswahl eines Verfahrens hängt stark vom Ziel der Erhebung (s. Kap. 3.1) ab. Während für eine Selektionsdiagnostik großer Stichproben13 untersuchungsökonomische Gesichtspunkte, wie eine kurze Durchführungsdauer, von besonderer Bedeutung sind, spielt dies bislang für die Förderdiagnostik einzelner Kinder mittels informeller Verfahren eine untergeordnete Rolle. Ziel der Förderdiagnostik ist es in erster Linie, detaillierte Aussagen über den Sprachstand zu treffen (Schulz, Kersten & Kleisendorf 2009: 127). Viele Verfahren im Vorschulbereich erlauben jedoch eine „völlig unzureichende Beurteilung des sprachlichen Entwicklungsstandes“ (Rothweiler, Ruberg & Utecht 2009: 115), da sie die sprachstrukturelle Entwicklung nicht berücksichtigen.

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12 Zu dieser Frage zählt auch die Wahl der Methode zur Erfassung sprachlicher Fähigkeiten. Eine Übersicht über Methoden der Sprachstandserhebung findet sich in Kapitel 3.2. Sowohl das Alter der Zielgruppe als auch das sprachliche Phänomen bedingen die zur Verfügung stehenden Methoden. Erläuterungen zur Komplexität der Methodenauswahl finden sich z.B. bei Blom und Unsworth (2010). 13 z.B. die verpflichtende Sprachstandserhebung aller vierjährigen Kinder eines Jahrgangs in Nordrhein-Westfalen, Erstellung eines Bildungspanels (Weinert, Doil & Frevert 2008)

Anforderungen an Sprachstandserhebungen | 33

3.3.1 Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher und spracherwerbstheoretischer Perspektive Sprache ist ein komplexes System, das sich in linguistische Ebenen (Phonologie, Morphologie, Lexikon, Semantik, Syntax und Pragmatik) unterteilen lässt (Meibauer et al. 2007: 9). Jede Ebene besteht aus spezifischen Charakteristika, z.B. den Lauten und der Silbenstruktur eines Wortes in der Phonologie und den Phrasen eines Satzes in der Syntax, die in der Sprachstandserhebung untersucht werden können. Die Psycholinguistik unterscheidet zwischen der Untersuchung der Sprachproduktion und des Sprachverständnisses (Meibauer et al. 2007: 9). In der Psycholinguistik wurden Methoden entwickelte, die die Untersuchung spezifischer sprachlicher Fähigkeiten innerhalb einer Ebene ermöglichen. Beispielsweise wird innerhalb der Produktion auf der Ebene der Morphologie analysiert, ob ein Kind die Verbflexion erworben hat, während in der Syntax die kindlichen Äußerungen danach untersucht werden, ob Hauptsätze mit Verbzweitstellung oder bereits Nebensätze mit Verbendstellung produziert werden. Die Asymmetrie zwischen Produktion und Verständnis erfordert es, beide Modalitäten zu erfassen (Schulz, Tracy & Wenzel 2008: 17). Die Auswahl der in der Sprachstandserhebungsverfahren zu untersuchenden sprachlichen Fähigkeiten innerhalb der Modalitäten ist spracherwerbstheoretisch zu motivieren.14 Eine spracherwerbstheoretische Begründung, eine sprachliche Fähigkeit in das Aufgabenrepertoire eines Sprachstandserhebungsverfahrens zu integrieren, setzt voraus, dass der Erwerb dieser Fähigkeit bereits detailliert untersucht wurde. Beispielsweise gibt es eine umfangreiche Forschung zur Produktion erster Wörter und Wortkombinationen (für einen Überblick Szagun 2011). Die Entwicklung des lautlichen Systems und der Grammatikerwerb wurden detailliert untersucht (für einen Überblick Rothweiler 2007c). Die Spracherwerbsforschung untersucht systematisch spezifische Phänomene einer linguistischen Ebene. Während einige Phänomene wie z.B. das der Verbzweitstellung im Deutschen, bereits für den unauffälligen Erstspracherwerb (Clahsen 1982; Tracy 1991), den gestörten Erstspracherwerb sowie dem Zweitspracherwerb (Grimm & Schulz 2013; Haberzettl 2005; Schulz 2003) untersucht sind, liegen für andere Phänomene keine Studien für das Deutsche vor oder nur für den unauffälligen ||

14 Jedoch forderten Lüdtke & Kallmeyer (2007a), dass in der Sprachstandserhebung alle linguistischen Ebenen beachtet werden. Ihrer Meinung nach sollten phonetisch-phonologische (z.B. Aussprache), lexikalische (z.B. Wortschatz), semantische (z.B. Verständnis von Satzbedeutung), morphologisch-syntaktische (z.B. Subjekt-Verb-Kongruenz und Satzbau) und kommunikativ-pragmatische Fähigkeiten erfasst werden.

34 | Sprachstandserhebungen Erstspracherwerb. Einen Forschungsschwerpunkt der Spracherwerbsforschung bilden regelgeleitet erworbene Bereiche, wie Morphologie und Syntax (Tracy 2007). Untersuchungen, die sich dem Lexikonerwerb, der idiosynkratischer Natur ist, widmen, erfassen den Erwerb des Verhältnisses zwischen Types und Token15 oder der Wortarten (z.B. Kauschke 2000). Auf die Spezifik des Lexikons, im Unterschied zu regelgeleitet erworbenen Bereichen, wird an dieser Stelle genauer eingegangen, da die Erfassung des Lexikons eine prominente Position in der Sprachstandserhebung einnimmt (Kleissendorf & Schulz 2010b). Aufgrund der stark individuellen Prägung, insbesondere des nominalen Wortschatzes (Günther 1991), stellt eine itembasierte Analyse des Wortschatzes die Ausnahme dar. In der Erforschung des Lexikonerwerbs wird die „Auswahl bestimmter Items […] von den unterschiedlichen Alltagserfahrungen und dem sozio-kulturellen Umfeld des Kindes sowie von den spezifischen kommunikativen Erfordernissen beeinflusst“ (Kauschke 2000: 124). Verfahren zur Erfassung des Wortschatzes müssen deshalb sehr umfangreich sein (z.B. AWST-R von Kiese-Himmel, WWT von Glück 2007). Im Gegensatz zum Lexikonerwerb ist der Syntaxerwerb so robust, dass er sich weitgehend unabhängig von spezifischen Inputbedingungen (z.B. mütterlicher Bildungsgrad) zu entwickeln scheint (für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache Schulz & Tracy 2011). Die Erfassung spezifischer syntaktischer Leistungen ermöglicht demnach generalisierbare Aussagen, während das für den Wortschatz nicht möglich ist (Kleissendorf & Schulz 2010b). Dies ist ein Grund dafür, dass sowohl für den Erst- als auch den Zweitspracherwerb der Syntaxerwerb wesentlich besser erforscht ist als der Lexikonerwerb. Die Erwerbsverläufe von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache gleichen für den Bereich der Syntax im Wesentlichen denen der Erstsprachlerner (Rothweiler 2006; Schulz, Tracy & Wenzel 2008; Tracy & Thoma 2009). Der Wortschatzerwerb im frühen Zweitspracherwerb wurde dagegen bis dato kaum untersucht (jedoch Jeuk 2003). Aus der Perspektive der Spracherwerbsforschung sind insbesondere die sprachlichen Phänomene, die robust sind und für die belegt wurde, wann sie erworben werden, als Aufgaben für Sprachstandserhebungsverfahren geeignet. Während für monolinguale Kinder das Alter die notwendige Bezugsgröße ist, sind bei mehrsprachigen Kinder weitere Parameter, wie z.B. die Kontaktdauer von Bedeutung (s. Kap. 3.3.2). Aus der Perspektive der Sprachwissenschaft ist festzuhalten, dass eine Sprachstandserhebung sowohl Produktions- als auch

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15 Die Type-Token-Relation ist ein Maß zur Beschreibung des Wortschatzes. In der Analyse von Spontansprachkorpora bezeichnen Types die Anzahl der verschiedenen Wörter, während Tokens die Anzahl aller Wörter sind.

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Verstehensfähigkeiten erfassen sollte. Nur jene sprachlichen Teilsysteme, für die detaillierte Forschungsergebnisse zum Erstspracherwerb und zum frühen Zweitspracherwerb vorliegen, sollten in die Verfahren einbezogen werden, mit denen sowohl ein- als auch mehrsprachige Kinder erfasst werden sollen. Vor allem regelgeleitete Teilsysteme bieten die Möglichkeit, generalisierbare Aussagen zu treffen. Trotz der Komplexität des Gegenstandes Sprache führen praktische und ökonomische Erwägungen dazu, dass insbesondere Verfahren für den flächendeckenden Einsatz kurz und einfach sein sollten (Schulz, Kersten & Kleissendorf 2009). Diese Eigenschaften lassen „sich jedoch weder mit der Komplexität des Sprachsystems und den unterschiedlichen Erwerbsszenarien vereinbaren, noch werden sie der zentralen Rolle gerecht, die der Sprache für den Bildungserfolg zukommt“ (Schulz Kersten & Kleissendorf 2009: 136).

3.3.2 Anforderungen aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung Eine weitere Disziplin, die Anforderungen an Sprachstandserhebungen stellt, ist die Zweitspracherwerbsforschung. Während die Spracherwerbsforschung die Methoden der Sprachstandserhebung prägt (s. hierzu Kap. 3.2), fordert die Zweitspracherwerbsforschung, dass die Differenzierung der Erwerbstypen in der Entwicklung und Verwendung von Sprachstandserhebungsverfahren berücksichtig wird. Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, deren sprachliche Fähigkeiten im Fokus des empirischen Teils dieser Arbeit stehen, wurden in Kapitel 2.1 in Abgrenzung zu den anderen Spracherwerbstypen charakterisiert. Bisherige Sprachstandserhebungsverfahren bedienen sich einer monolingualen Vergleichsgruppe; die Bezugsnorm dabei ist das chronologische Alter (z.B. im SETK 3-5, Grimm 2001). Bilinguale Kinder gleichen Alters dienen in einigen Verfahren als „Extremgruppe“ (z.B. im AWST-R, Kiese-Himmel 2005).16 Obwohl die genannten Verfahren nur für Kinder mit Deutsch als Erstsprache normiert sind, werden diese Verfahren auch genutzt, um den Sprachstand von Kindern mit DaZ zu erfassen (z.B. Dubowy et al. 2008), ohne die Kontaktdauer zu berücksichtigen (für eine Kritik dieses Vorgehens z.B. Jeuk 2006). Selbst ein neueres Verfahren, der Sprachstandserhebungstest für Kinder im Alter zwi||

16 Ein Vergleich mit einer „Extremgruppe“ dient der differenzierteren Validierung eines Verfahrens und liefert Informationen über die Diskriminationsfähigkeit eines Tests (Kiese-Himmel 2005: 55). Kiese-Himmel (2005) verglich für die Validierung des AWST-R neben bilingual aufwachsenden Kindern auch Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung mit der einsprachigen Bezugsnorm.

36 | Sprachstandserhebungen schen fünf und zehn Jahren (SET, Petermann, Metz & Fröhlich 2010), verweist auf die Möglichkeit einer Verwendung bei Kindern mit Migrationshintergrund hin (Petermann, Metz & Fröhlich 2010; Petermann & Rißling 2011), obwohl die Normierungsstichprobe überwiegend aus Kindern mit Deutsch als Muttersprache (709 Kinder monolingual Deutsch, 143 Kinder bilingual Deutsch und andere Sprache) bestand (Petermann, Metz & Fröhlich 2010: 43). Kinder mit Migrationshintergrund erwerben jedoch das Deutsche nicht zwingend als Mutter-/ Erstsprache, sondern als Zweitsprache.17 Kinder mit DaZ erzielen, verglichen mit ihren monolingualen peers (Kinder gleichen Alters), signifikant schlechtere Ergebnisse in diesen Sprachstandserhebungsverfahren (z.B. Dubowy et al. 2008). Aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung ist das nicht überraschend, da Kinder mit DaZ im Vergleich zu Kindern mit Deutsch als Erstsprache zum Zeitpunkt der Untersuchung weniger lange Kontakt zum Deutschen haben.18 Separate Normen für Kinder mit unterschiedlichen Spracherwerbstypen sind erforderlich, um nicht zuletzt Fehlklassifikationen (Paradis 2005; Rothweiler 2007a) zu vermeiden. Wenige Verfahren berücksichtigen neben dem chronologischen Alter weitere, für frühe Zweitsprachlerner relevante sprachbiografische Parameter, wie das Alter bei Erwerbsbeginn und die Kontaktdauer (s. hierzu auch Rohweiler 2007b), in der Normierung des Sprachstandserhebungsverfahrens (jedoch Schulz & Tracy 2011). Eine differenzierte Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten ermöglicht der bloße Vergleich mit einer einsprachigen Normgruppe nicht. Nur der Einbezug weiterer sprachbiografischen Parameter ermöglicht es, die Sprachentwicklung im Kontext der Zweisprachigkeit adäquat zu beurteilen, Förderentscheidungen entwicklungsorientiert abzuleiten und den Erwerbszuwachs im intraindividuellen Vergleich über die Zeit zu erfassen (Schulz, Kersten & Kleissendorf 2009). Zusätzlich führt die Erfassung der Kontaktdauer zu differenzierteren Bezugsnormen für den interindividuellen Vergleich, d.h. ein Kind mit DaZ wird mit den Kindern gleichen Alters und gleicher Kontaktdauer zur Zweitsprache verglichen (Schulz & Tracy 2011). Weitere den Zweitspracherwerb beeinflus-

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17 Der Begriff Migrationshintergrund ist nicht eindeutig. Es ist aus Sicht der Autorin davon auszugehen, dass die Empfehlung von Petermann und Rißling, den SET 5-10 auch zur Sprachstandserhebung von Kindern mit Migrationshintergrund zu verwenden, Kinder mit DaZ einschließt. Im Zusammenhang mit Sprachstandserhebungen liegt zurzeit keine einheitliche Terminologie vor. Eine Bestimmung der Zielgruppen von Sprachstandserhebungsverfahren anhand des Spracherwerbstyps wäre aus Sicht der Autorin sinnvoll. 18 Wenn für die Beurteilung der Sprachentwicklung zweisprachiger Kinder eine andere Bezugsnorm herangezogen wird als für einsprachige Kinder, sieht Reich die Gefahr einer „Sonderbehandlung“ (Reich 2006: 916), die im Gegensatz zur angestrebten Integration stünde.

Anforderungen an Sprachstandserhebungen | 37

sende Faktoren wie die Erstsprache(n) des Kindes, die Qualität und Quantität des Inputs, die lebensweltliche Relevanz und Wertigkeit der Zweitsprache sowie die Motivation zum Spracherwerb sind in der Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten und in der Interpretation der Ergebnisse von Sprachstandserhebungen zu berücksichtigen (Rothweiler 2007b: 122). Für die Differenzialdiagnostik bei dem Verdacht einer Sprachentwicklungsstörung bei mehrsprachigen Kindern sind laut Rothweiler (2007a) Erwerbszusammenhänge und die Sprachentwicklung in der Erstsprache zu berücksichtigen. Aktuell liegt für das Deutsche kein veröffentlichter Anamnese- oder Elternfragebogen vor, der alle zweitspracherwerbsspezifischen Parameter erfasst (jedoch COST-Questionaire, COST Action ISO804 201119). Der Elternfragebogen von Jedik (2003), der für die sprachtherapeutische Anamnese entwickelt wurde und in zehn Sprachen übersetzt ist, greift zwar die Verteilung der Erstsprache in der Familie auf und erfasst Aspekte der Erstsprachentwicklung, die Kontaktdauer zur Zweitsprache wird jedoch nicht systematisch erfasst. Um Fehlentscheidungen zu verhindern, sollten aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung in jedem Fall die Parameter chronologisches Alter, Kontaktdauer sowie Alter bei Erwerbsbeginn in der Sprachstandserhebung berücksichtigt werden.

3.3.3 Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive Sprachstandserhebungsverfahren unterscheiden sich im Grad der Systematik, in den eingesetzten Aufgaben und Methoden und in der Berücksichtigung testtheoretischer Gütekriterien (Kany & Schöler 2007: 92f; Kleissendorf & Schulz 2010b: 145). Entscheidende Kriterien aus testtheoretischer Perspektive sind der Grad der Standardisierung und die Erfüllung der Testgütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität (Bühner 2010). Die Objektivität beschreibt den Grad, in dem das Messinstrument sowie die Messergebnisse unabhängig von der Person sind, die die Untersuchung und / oder die Auswertung vorgenommen hat (Bühner 2010: 58). Man unterscheidet die Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität. Unter Reliabilität versteht man den Grad der Zuverlässigkeit und Exaktheit eines Tests (Bühner 2010: 60). Demzufolge sind Tests dann zuver-

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19 Im Rahmen der COST Action ISO804 „Language Impairment in a Multilingual Society: Linguistic Patterns and the Road to Assessment“ wurde ein detaillierter Fragebogen entwickelt, der in verschiedenen Sprachen vorliegt (u.a. Deutsch).

38 | Sprachstandserhebungen lässig, wenn die ermittelten Werte z.B. unabhängig vom Zeitpunkt der Messung sind (Retest). Es wird zwischen Konsistenz, Retest-Korrelation und ParalleltestKorrelation unterschieden (Bühner 2010: 58) Die Validität oder Gültigkeit beschreibt den Grad, mit dem ein Messinstrument das misst, was es zu messen vorgibt (Bühner 2010: 61). Es kann die Inhalts-, Konstrukt- und Kriteriumsvalidität gemessen werden. Weiter existieren in der Testtheorie die Nebengütekriterien Normierung, Vergleichbarkeit, Ökonomie, Nützlichkeit, Zumutbarkeit, Fairness und Nicht-Verfälschbarkeit (Bühner 2010: 71), die hier nicht weiter ausgeführt werden. In jeweils gesonderten Analysen liefern systematische Verfahren (s. auch Kap. 3.2) im dazugehörigen Manual eine Reihe von Informationen zu den verschiedenen Testgütekriterien (z.B. Grimm 2001; Kiese-Himmel 2005; Schulz & Tracy 2011). Bei unsystematischen Verfahren ist die Dokumentation und Auswertung nur unzureichend objektivierbar (Fried 2004). Schöler (2006) forderte aufgrund dessen den Einsatz valider Tests zur Messung der sprachlichen Fähigkeiten. „Will man verantwortungsvoll diagnostizieren und fördern, dann sind eine fundierte, explizite methodische Vorgehensweise und intersubjektiv nachvollziehbare Urteile unverzichtbar.“ (Schöler 2006: 910). Eine exakte Erhebung des Sprachstands von Vorschulkindern ist nur durch eine direkte Testung möglich, da die Sprachkompetenz von Vorschulkindern so komplex ist, dass sie nicht beispielsweise durch Beobachtungen zugänglich ist, sondern nur durch spezifizierte Aufgabenstellungen evoziert werden kann (Weinert, Doil & Frevert 2008). Systematische Verfahren, die die Testgütekriterien erfüllen, sind demnach aus testtheoretischer Perspektive vorzuziehen.

3.4 Die Bedeutung der Sprachdiagnostik für die Sprachförderung Die Diagnostik wurde laut Bredel et al. (2006) lange Zeit eher der Sonderpädagogik zugeordnet.20 Im Vorwort ihres Handbuches „Didaktik der deutschen Sprache“ stellen sie fest, dass sich „erst in letzter Zeit […] die Einsicht durch[setzt], dass auch das Regelschulwesen eine ausgewiesene Diagnostik braucht“ (Bredel et al. 2006: 13). Durch Beiträge von Reich (2006) und Wiprächtiger-Geppert (2011) in sprachdidaktischen Hand- bzw. Studienbüchern wurde ||

20 Für Sprachdiagnostik innerhalb der Sonderpädagogik, die sprachtherapeutische Differenzialdiagnostik und die der sprachtherapeutischen Intervention vorausgehende Sprachdiagnostik s. die Beiträge in Kapitel 16 in Schöler und Welling (Hrsg.) (2007).

Die Bedeutung der Sprachdiagnostik für die Sprachförderung | 39

die Sprachdiagnostik in der Sprachdidaktik etabliert. Den Nutzen und zugleich die Anforderungen an die Sprachdiagnostik aus sprachdidaktischer Perspektive beschreibt Reich unter dem Titel „Tests und Sprachstandsmessungen bei Schülern und Schülerinnen, die Deutsch nicht als Muttersprache haben“ (Reich 2006) wie folgt: „Didaktisch wichtiger und dringlicher sind allerdings die Verwendungen, die nicht auf Zuweisungen, sondern auf die Förderung der Schüler in der deutschen Sprache zielen. Um hierfür tauglich zu sein, müssen die Verfahren mehrere Aspekte des Sprachsystems und des sprachlich-kommunikativen Handelns der Schüler berücksichtigen, um Ansatzpunkte für eine zugleich differenzierte und gezielte Sprachförderung zu bieten.“ (Reich 2006: 915)

Auf die von Reich aufgegriffenen Anforderungen an die Sprachsystematik von Sprachstandserhebungsverfahren wurde in Kapitel 3.3 detailliert eingegangen. Die Sprachdiagnostik, d.h. der gesamte Prozess des Sammelns, Vergleichens und Interpretierens von Informationen, ist aus sprachdidaktischer Perspektive von großer Bedeutung für die Sprachförderung und sollte als Ausgangspunkt für die Sprachförderung dienen (Reich 2006). Eine Begründung für den Fokus auf die Förderdiagnostik findet sich u.a. in den Lerntheorien, derer sich die Sprachdidaktik bedient. Die Lerntheorien, die den Entwicklungsstand der Schüler einbeziehen und die eine strukturierte Planung der Lerninhalte beinhalten, dienen in dieser Arbeit als sprachdidaktische Argumentation für eine Sprachstandserhebung zu Beginn und im Verlauf der Förderung. Vygotsky (1978) beschrieb Lernen als Interaktion mit im Entwicklungsprozess weiter fortgeschrittenen Personen, um die Zone der nächsten Entwicklung zu erreichen (hierzu auch Rösch 2011: 65). Sprachstandserhebungen sind deshalb notwendig, um den Entwicklungsstand und ausgehend davon die Zone der nächsten Entwicklung festzustellen. Auch in der Inputhypothese (Krashen 1985) wird davon ausgegangen, dass der Input der Lehrenden im Sprachunterricht über den Kompetenzen der Lernenden sein sollte. Motiviert durch die „kognitive Wende“ in der Lernpsychologie wurde in der lernerorientierten Sprachdidaktik das Augenmerk auf die Lernenden und deren individuelle Prozesse des sprachlichen Lernens gerichtet (Rösch 2011: 27). Jüngst rückt die Sprachstandserhebung durch die Kompetenzorientierung im Anschluss an die PISA-Studien (Prenzel et al. 2007) immer mehr in den Vordergrund sprachdidaktischer Forschung. Es stellt sich die Frage, wie sich Sprachkompetenzen von Kindern und Jugendlichen möglichst genau erfassen lassen (Riegler 2011: 20). Aus sprachdidaktischer Perspektive ist einzufordern, dass der Sprachförderung eine Sprachstandserhebung vorausgeht, d.h. dass die Sprachförderung entwicklungsorientiert ist. Anstatt des Begriffs der Entwick-

40 | Sprachstandserhebungen lungsorientierung kann auch der in der Unterrichtsforschung verwendete Terminus der Adaptivität verwendet werden. Das Konzept der Kompetenzorientierung und der entwicklungsorientierten Sprachförderung, der eine Sprachstandserhebung zum Zweck der Förderplanung vorausgeht, verhindert eine Pathologisierung des frühen Zweitspracherwerbs. Die Sprachstandserhebung dient dann nicht dem Aufzeigen signifikanter Unterschiede zwischen Kindern mit Deutsch als Erst- und Deutsch als Zweitsprache, sondern führt bei jedem Kind zu einer individuellen Förderplanung.

3.5 Zwischenfazit Sprachstandserhebungen ermöglichen es, einen Eindruck von den sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes zu gewinnen, wobei nicht die tatsächliche Kompetenz, sondern lediglich die Performanz erfasst werden kann. Die in Kapitel 3.3 vorgestellten Anforderungen an Sprachstandserhebungen zeigen die Komplexität der Sprachstandserhebung, insbesondere von Kindern mit DaZ, auf. Die Anforderungen können Sprachförderkräften als Kriterien bei der Auswahl und Reflexion von Materialien und Verfahren zur Sprachstandserhebung dienen. Für die Sprachstandserhebung von Kindern mit DaZ, die im Rahmen dieser Arbeit im Mittelpunkt stehen, gilt es festzuhalten: Für grammatische Phänomene, die regelgeleitet sind, liegt umfangreiche Evidenz aus der Spracherwerbsforschung vor. Diese Phänomene sind für die Sprachstandserhebung und Sprachförderung von besonderer Bedeutung, da sie eine Entwicklungsorientierung ermöglichen. Um die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit DaZ innerhalb ihres Erwerbstyps beurteilen zu können, ist es erforderlich, sprachbiografische Faktoren zu erfassen und in Beziehung zu den sprachlichen Fähigkeiten zu setzen. Separate Normen für Kinder mit unterschiedlichen Spracherwerbstypen sind notwendig, um Fehlklassifikationen zu vermeiden. Standardisierte Verfahren sind unsystematischen Verfahren vorzuziehen, um eine möglichst hohe Reliabilität, Objektivität und Validität zu erreichen. Aus sprachdidaktischer Perspektive ist eine der Sprachförderung vorausgehende Förderdiagnostik erforderlich, um die Sprachförderung adaptiv gestalten zu können.

4 Sprachförderkräfte Bereits vor gut zehn Jahren wurde deutlich, dass es ein Forschungsdesiderat in Bezug auf die Lehrenden und deren Handeln im Unterricht gibt (Valtin 2000: 562). Inzwischen beschäftigt sich die Pädagogische Psychologie intensiv mit der „Forschung zum Lehrerberuf“ (Titel eines Handbuchs, Terhart, Bennewitz & Rothland 2011). Innerhalb der Fachdidaktiken ist die Lehrerforschung im Vergleich zur Pädagogischen Psychologie weniger etabliert (für die Deutschdidaktik Bräuer & Winkler 2012). Dieses Forschungsdesiderat besteht ebenfalls für Sprachförderkräfte. Während eine Reihe von Studien den Erfolg unterschiedlicher Sprachförderkonzepte evaluiert (u.a. Sachse et al. 2012; Hofmann et al. 2008), stehen die durchführenden Fachkräfte selten im Fokus von Forschungsprojekten (jedoch u.a. Rothweiler et al. 2009; Tracy et al. 2010; Ricart Brede 2011). In diesem Kapitel wird zunächst die Aus- und Fortbildung von Sprachförderkräften beschrieben (s. Kap.4.1). Anschließend werden Sprachförderkompetenzen anhand des Sprachförderkompetenzmodells von Hopp, Thoma und Tracy (2010) aus sprachwissenschaftlicher Perspektive definiert (s. Kap. 4.2). Neben der sprachdiagnostischen Kompetenz, der als Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ein eigenes Kapitel gewidmet wird, stellen das Wissen und die Handlungskompetenz in der Sprachförderung Merkmale der Sprachförderkompetenz dar. Der Stand der Forschung über das Wissen von Sprachförderkräften sowie deren Handeln in der Sprachförderung wird beschrieben (s. Kap. 4.3), und es folgt eine Zwischenfazit (s. Kap. 4.4).

4.1 Aus- und Fortbildung von Sprachförderkräften Zurzeit sind in den verschiedenen Sprachfördermaßnahmen im Vor- und Grundschulalter unterschiedliche Berufsgruppen als Sprachförderkräfte tätig. Nicht nur Erzieher und Lehrer werden eingesetzt. Dies zeigt z.B. die Qualifizierungsinitiative für Sprachförderkräfte des Landes Rheinland-Pfalz. Dort wird damit geworben, dass sich die Qualifizierung „an alle interessierten Personen mit einer einschlägigen Basisqualifikation (Erzieherinnen und Erzieher, Grundschullehrkräfte, DaZ-Lehrkräfte, Logopädinnen und Logopäden, Sozial- und Heilpädagoginnen und -pädagogen)“ richtet (Kita-Server Rheinland-Pfalz o. J.). Die Heterogenität des beruflichen Hintergrunds von Sprachförderkräften lässt

42 | Sprachförderkräfte auf ein heterogenes Vorwissen schließen, das z.B. durch Fortbildungen kompensiert werden soll. Nur wenige Hochschulen bieten eine grundständige Ausbildung im Bereich Sprachförderung an (s. Tab. 2). Tab. 2: Übersicht Studium Sprachförderung Institution Universität Tübingen

Pädagogigische Hochschule Karlsruhe

Studiengang BA Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung BA Sprachförderung und Bewegungserziehung

Hoffbauer Berufsakademie gGmbH

BA Sprache und Sprachförderung in Sozialer Arbeit

Seit wann? Wintersemester 2011/2012

Anmerkungen

Wintersemester 2007/2008

Der Studiengang wurde zum Wintersemester 2011/2012 ersetzt durch den Studiengang „Pädagogik der Kindheit“ Private Hochschule

Die grundständige Ausbildung im Bereich Sprachförderung ist zurzeit nur an zwei Ausbildungsorten möglich. Weitaus verbreiteter ist es, sich innerhalb eines allgemeineren Studiums auch mit dem Bereich Sprachförderung auseinanderzusetzen. Für den Elementarbereich ist zu verzeichnen, dass in den letzten Jahren Bachelorstudiengänge „Elementarpädagogik“ oder „Bildung und Erziehung“ gegründet wurden (für eine Übersicht Mackowiak 2008). In diesen Studiengängen ist die Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Erst- und Zweitsprache in den Curricula in unterschiedlichem Umfang enthalten. Die Stichwortsuche in der Studiengangsdatenbank der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (wiff) ergab für das Stichwort „Sprach“ 19 Treffer (Stand Februar 2013). In 19 der 84 kindheitspädagogischen Studiengänge in Deutschland zählt demnach „Sprache“, „Sprachentwicklung“ o.ä. zu den Studieninhalten. Unter dem Stichwort „Sprachförderung“ werden lediglich zwei Treffer angezeigt (Elementare Pädagogik an der Evangelischen Hochschule Berlin, Bildung und Erziehung im Kindesalter an der Katholischen Hochschule Paderborn). Für die Stichwörter „Sprachstandserhebung“ und „Sprachdiagnostik“ wurden keine Treffer angezeigt. Eine Reihe von Hochschulen bietet Masterstudiengänge an, die Deutsch als Fremd- und Zweitsprache behandeln (für eine Übersicht www.fadaf.de). Einen Schwerpunkt im Bereich Sprachförderung haben einige dieser Masterstudiengänge wie z.B. der MA Deutsch als Zweitsprache der Universität Heidelberg.

Kompetenzen von Sprachförderkräften | 43

Kenntnisse über die Unterstützung sprachlicher Fähigkeiten, insbesondere von Schülern mit Deutsch als Zweitsprache, sind für alle pädagogischen Fachkräfte im Elementarbereich sowie für Lehrkräfte aller Schulformen und Schulstufen von Bedeutung (Rost-Roth 2010: 13). Bisher haben jedoch wenige Universitäten den von der Kultusministerkonferenz 2002 formulierten Ausbildungsbedarf in Deutsch als Zweitsprache für die erste Phase der Lehrerausbildung für alle Lehramtsstudierenden umgesetzt (jedoch Humboldt-Universität zu Berlin (Lütke 2010)). Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland die „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als Zweitsprache“ als „übergreifenden Studieninhalt“ in § 5 Absatz 3 der Lehramtsprüfungsordnung NordrheinWestfalen 2011 definiert.21 Als Sprachförderkräfte tätige pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätte und Schule erweitern ihre Kompetenzen bis dato vor allem in Fortbildungen, da ihre jeweilige Ausbildung nicht auf die Herausforderung der Sprachstandserhebung und Sprachförderung vorbereitet. Was sollten Inhalte dieser Fortbildungen sein? Das im Folgenden beschriebene Modell der Sprachförderkompetenz stellt einen Orientierungsrahmen für die Curriculumentwicklung dar.

4.2 Kompetenzen von Sprachförderkräften Sprachförderkräfte stehen vor einer großen Herausforderung, die Hopp, Thoma und Tracy (2010) aus sprachwissenschaftlicher Perspektive umschreiben, indem sie das Ziel der Sprachförderung definieren: „Das Ziel von Sprachförderung ist es, Kindern Möglichkeiten zu eröffnen, um auf Grundlage des sprachlichen Wissens und der sprachlichen Fähigkeiten, die sie in ihrem Spracherwerb bereits erlangt haben, sowie unter Berücksichtigung ihrer kognitiven Entwicklung, ihre Kompetenzen in der Zielsprache weiter auszubauen.“ (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 611)

Die Aufgabe von Sprachförderkräften besteht demnach darin, „eine Sprachfördersituation zu schaffen, die das Kind in seiner sprachlich-kognitiven Entwicklung unterstützt“ (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 613). In Bezug auf die Sprachstandserhebung wurde im vorangehenden Kapitel bereits erläutert, welche ||

21 Bereits in den 1970er Jahren wurde die mangelhafte Ausbildung im Bereich Deutsch als Zweitsprache kritisiert (Krüger-Potratz & Supik 2008: 298). Um dem entgegenzuwirken, bieten einige Universitäten inzwischen DaZ-Zertifikate an, die im Rahmen eines Lehramtsstudiums ergänzend studiert werden können (z.B. http://home.edo.uni-dortmund.de/~hoffmann/ ZertifikatDAF.html).

44 | Sprachförderkräfte Anforderungen an die Verfahren zur Sprachstandserhebung gestellt werden. Um forschungsbasierte Kompetenzkriterien für die Aus- und Weiterbildung zu präzisieren, entwickelten Hopp, Thoma und Tracy (2010) ein sprachwissenschaftliches Modell der Sprachförderkompetenz. Im Folgenden wird das Modell vorgestellt. Anschließend werden bisherige Studien über die Kompetenzen von Sprachförderkräften in die Ebenen des Modells eingeordnet, vorgestellt und diskutiert. Es liegen bisher Untersuchungen zum Wissen von Sprachförderkräften und zu ihrem Handeln in der Sprachförderung vor; die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften ist der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit (s. u.a. Kap. 5). Das sprachwissenschaftlich und spracherwerbstheoretisch orientierte Modell der Sprachförderkompetenz von Hopp, Thoma und Tracy (2010) lehnt sich an das Kompetenzmodell von Lehrenden von Baumert und Kunter (2006) an. Es ist in drei Kompetenzbereiche unterteilt: „Kenntnisse (Wissen), Fähigkeiten (Können) und Handlungen (Machen)“ (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 614), denen die Gegenstandsbereiche Sprache, Spracherwerb und Mehrsprachigkeit, Sprachdiagnostik und Sprachförderung zugeordnet sind (s. Abb. 2). Allgemein pädagogische Dimensionen bleiben in dem Modell aufgrund der sprachwissenschaftlichen Perspektive unberücksichtigt (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 614). Das Wissen von Sprachförderkräften umfasst dem Modell nach Kenntnisse zur Struktur und Funktion von Sprache, insbesondere der geförderten Zielsprache, zum Spracherwerb in ein- und mehrsprachigen Kontexten sowie über Methoden und Inhalte der Sprachstandserhebung. Zu den Fähigkeiten einer Sprachförderkraft zählt die „Auswahl, Anwendung und Auswertung von sprachdiagnostischen Maßnahmen sowie die grundsätzliche Befähigung zur Durchführung von Sprachförderung und deren Reflexion“ (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 615). Dem Bereich der Handlung ordnen Hopp, Thoma und Tracy die „Umsetzung von Sprachförderung unter den gegebenen Echtzeit- und Randbedingungen in den jeweiligen Sprachfördersituationen“ (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 615) zu. Wissen und Fähigkeiten stellen die Voraussetzung für die Handlungskompetenz in der Sprachförderung dar. Die Zuordnung der Gegenstandsbereiche Sprache, Spracherwerb und Mehrsprachigkeit, Sprachdiagnostik und Sprachförderung zu den Kompetenzbereichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Handlungen ist meiner Meinung nach zu überdenken. Beispielsweise gibt es auch im Bereich der Sprachförderung ein zugrunde liegendes Wissen über Methoden der Sprachförderung (z.B. Dannenbauer 2002). Der Bereich Wissen könnte demnach ergänzt werden. Eine Unterscheidung in Wissen und Können (Baumert & Kunter 2006) oder Wissen und Handeln (Müller in Druck) würde aus meiner Sicht ausreichen. Sollte an der Unterteilung in Wissen, Fähigkeiten und Handlungen festgehalten werden,

Kompetenzen von Sprachförderkräften | 45

wäre für den Bereich der Sprachdiagnostik neben den Fähigkeiten ebenfalls das Handeln in der Sprachdiagnostik einzubeziehen, da dieses ebenso, wie Hopp, Thoma und Tracy (2010) es für die Sprachförderung skizzieren, von den Rahmenbedingungen beeinflusst wird. Sowohl für die Sprachdiagnostik als auch für die Sprachförderung ist die Ausführung zu dem Modell um den Aspekt der Planung oder Vorbereitung zu ergänzen. Neben der Auswahl, Anwendung und Auswertung der Sprachdiagnostik sowie der Durchführung und Reflexion der Sprachförderung (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 615) stellen die Vorbereitung bzw. Planung der Sprachdiagnostik und der Sprachförderung relevante Fähigkeiten dar.

Abb. 2: Sprachförderkompetenzmodell aus Hopp, Thoma & Tracy (2010: 614)

Im Vordergrund des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit steht die Sprachdiagnostik, die eine der vier Hauptebenen des Modells von Hopp, Thoma und Tracy (2010) darstellt und Inhalt von Kapitel 5 ist. Die Ebene des Wissens über Sprache, Spracherwerb und Mehrsprachigkeit ist u.a. Gegenstand des Forschungsprojekts „SprachKoPF“ (Tracy et al. 2010). In Kapitel 4.3 wird auf

46 | Sprachförderkräfte diese und weitere aktuelle Studien eingegangen, in denen Sprachförderkräfte im Fokus stehen.

4.3 Forschungsstand: Sprachförderkompetenz Nur wenige Studien stellen die Kompetenz von Sprachförderkräften in den Vordergrund. Bereits untersucht wurden das Wissen (s. Kap. 4.3.1) und das Handeln in der Sprachförderung (s. Kap. 4.3.24.3.2). Der Stand der Forschung über die Kompetenz von Sprachförderkräften wird im Folgenden dargestellt und die Studien der vorliegenden Arbeit zur sprachdiagnostischen Kompetenz werden in den Forschungsrahmen der Sprachförderkompetenz eingebettet.

4.3.1 Wissen von Sprachförderkräften Das Wissen über Sprache, den Spracherwerb, Methoden der Sprachstandserhebung und Sprachförderung erfassten Rothweiler und Kollegen (2009) in einem Wissenstransfer-Projekt der DFG vor und nach einer Fortbildung sowie einige Monate später. Ausgehend von der Annahme, dass linguistische Kenntnisse notwendig sind, um den Sprachentwicklungsstand eines Kindes zu beschreiben und zu beurteilen, wurde untersucht, inwieweit diese linguistischen Kenntnisse in einer Weiterbildung vermittelt werden können (Rothweiler 2010: 9). Das sprachliche Strukturwissen wurde nicht explizit, sondern über Aufgaben, wie die Analyse und Beurteilung der kindlichen Sprachentwicklung, vermittelt. Die Erhebung erfolgte mittels zweier im Projekt entwickelter Fragebögen. Für den Kompetenzfragebogen KomFra, der das Wissen der ErzieherInnen u.a. zur kindlichen Sprachentwicklung, zum mehrsprachigen Spracherwerb, zu Didaktik und Methodik sprachlicher Förderung, zu Instrumenten der Sprachstandsfeststellung und zum sprachlichen Strukturwissen erfasst, liegen Ergebnisse vor (Rothweiler 2010: 7f.). Zum sprachlichen Strukturwissen sind Items zu grammatischen Merkmalen, wie Kasus und Genus, sowie linguistischen Einheiten, wie Nebensätze und Wortarten, enthalten. Die Ergebnisse belegen für die Untersuchungsgruppe z.B. signifikante Zuwächse zwischen den beiden Testzeitpunkten für die grammatischen Merkmale, jedoch nicht für Nebensätze und Wortarten; für Kontrollgruppe (ohne Fortbildung) zeigt sich kein Zuwachs (Rothweiler 2010: 9). Die beiden Gruppen unterscheiden sich zum zweiten Testzeitpunkt in allen erfassten Einheiten, mit Ausnahme der Nebensätze, signifikant (Rothweiler 2010: 9). Der Wissenszuwachs der Untersuchungsgruppe zeigt sich auch noch bei der follow-up Testung sechs Monate nach der Weiterbildung

Forschungsstand: Sprachförderkompetenz | 47

(Rothweiler 2010: 9). Außerdem weist Rothweiler darauf hin, dass nur wenige Personen der Untersuchungs- und Kontrollgruppe vor der Weiterbildung linguistische Kriterien zur Beurteilung kindlicher Äußerungen anwendeten. Nach der Weiterbildung sind in der Untersuchungsgruppe, jedoch nicht in der Kontrollgruppe, signifikante Zuwächse für die Kriterien Artikelverwendung, Verbstellung, Satzklammer und Subjekt-Verb-Kongruenz zu verzeichnen (Rothweiler 2010: 9). Rothweiler zieht das Fazit, „dass die Analysekompetenz relevant gesteigert wird und dass sich dieser Kompetenzzuwachs als dauerhaft nachweisen lässt“ (Rothweiler 2010: 9). Auch das Projekt „SprachKoPF“ (Tracy, Ludwig & Ofner 2010) setzt sich mit dem Wissen von Sprachförderkräften auseinander. Im Rahmen des BMBFProjekts wurde ein Wissenstest entwickelt, „um speziell für Deutsch als Erstund Zweitsprache systematisch und standardisiert diagnostisches Know-how und Förderkompetenzen von pädagogischen Fachkräften zu erfassen“ (Tracy, Ludwig & Ofner 2010: 184). In einer Pilotierung mit 21 pädagogischen Fachkräften aus Kindertagesstätten und Grundschulen wurden die Aufgaben des Wissenstests auf ihre Verständlichkeit hin überprüft. Die ersten Ergebnisse der Pilotierung zeigen, dass „GrundschullehrerInnen stärker als PädagogInnen aus dem Elementarbereich dazu neigen, an den zur Diskussion gestellten kindersprachlichen Daten Mängel und Probleme hervorzuheben“ (Tracy, Ludwig & Ofner 2010: 199). Klein (2000: 540) bezeichnet dies als „Rotstift-Perspektive“. In einer weiteren Pilotierung zeigen Thoma et al. (2011), dass Frühpädagogikstudierende signifikant besser abschneiden als pädagogische Fachkräfte im Beruf und dass die Leistungsdifferenzen innerhalb der Gruppe der Fachkräfte höher sind als in der Gruppe der Frühpädagogikstudierenden. In einer dritten Studie mit 144 ErzieherInnen untersuchten Michel et al. (2012) neben dem Wissen auch die Beobachtungs- und Sprachförderfähigkeit. Die Beobachtungsfähigkeit wurde erhoben, indem die ErzieherInnen mittels Fragen zu Videosequenzen, die Kind-Erzieher-Interaktionen zeigen, die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes beurteilten. Die Sprachförderfähigkeit wurde erfasst, indem die ErzieherInnen zu einer Situation zwei geeignete Sprachfördermethoden aus einer Liste von 21 möglichen Methoden auswählten. Das Ergebnis im Wissenstest ist u.a. beeinflusst durch den Schulabschluss der ErzieherInnen, jedoch nicht durch die Quantität der besuchten Weiterbildungsmaßnahmen. Nur eine intensive Weiterbildungsdauer von mehr als zehn Tagen zeigt einen Effekt auf die Sprachförderfähigkeit (Michel et al 2012: 122). Michel et al. (2012) schlussfolgern aus der Bedeutung des Schulabschlusses für das Wissen der pädagogischen Fachkräfte, dass ggf. ein höherer Schulabschluss notwendige Voraussetzung für die Ausbildung sein sollte. Sie ziehen die Parallele zu Ländern wie Schweden oder Dänemark, in denen eine akademische

48 | Sprachförderkräfte Ausbildung von pädagogischen Fachkräften üblich ist. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Studie von Rothweiler (2010), die einen Effekt der Fortbildung zeigt, legen die Ergebnisse von Michel et al. (2012) sowie von Thoma et al. (2011) nahe, dass die Qualität der Weiterbildungen für ErzieherInnen im Bereich Sprache variiert. Außerdem zeigen die Analysen von Michel et al. (2012), dass es große Unterschiede in der Dauer der besuchten Fortbildungen gibt. Weitere Untersuchungen zum Effekt von Fortbildungen wie z.B. von Müller et al. (2012) sind notwendig. In Bezug auf die empirische Überprüfung des Modells von Hopp, Thoma und Tracy (2010) zeigt die Studie von Michel et al. (2012), dass das Wissen der ErzieherInnen moderat mit der Beobachtungsfähigkeit und leicht mit der Sprachförderfähigkeit korreliert. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass Wissen eine Voraussetzung für die Beobachtung sprachlicher Fähigkeiten ist. Sie schränken jedoch ein, dass die Erfassung der Beobachtungsfähigkeit nur unter der Verwendung eines Fachvokabulars möglich ist, welches automatisch zu einem Rückgriff auf das Wissen führt. Weitere Untersuchungen sind notwendig, die auch das Handeln der Erzieher in der Sprachförderung erfassen. Sowohl das Projekt von Rothweiler (2010) als auch das Projekt SprachKoPF von Tracy betonen die Relevanz des Wissens von Sprachförderkräften. Beide Projekte nehmen eine sprachwissenschaftliche Perspektive ein und argumentieren demnach auch dafür, dass Sprachförderkräfte bzw. pädagogische Fachkräfte über sprachspezifisches Wissen verfügen sollten. Auf der Basis des Projekts von Rothweiler entstand ein Lern- und Arbeitsbuch für pädagogische Fachkräfte zu den Themen „Spracherwerb und sprachliche Bildung“ (Ruberg, Rothweiler & Koch-Jensen 2013), das zeigt, welches Wissen erforderlich ist. In weiteren Studien wäre zu replizieren, ob eine Erweiterung des Wissens von Sprachförderkräften im Rahmen einer Weiterbildung möglich ist, und zu untersuchen, welche Variablen den Wissenserwerb beeinflussen. Außerdem sind weitere Studien zum Zusammenhang des Wissens mit den Fähigkeiten bzw. dem Handeln in Sprachstandserhebung und Sprachförderung notwendig.

4.3.2 Das Handeln der Sprachförderkräfte in der Sprachförderung Neben dem Wissen wurde das Handeln und die Selbsteinschätzung von Sprachförderkräften über ihr Handeln – beides relevante Komponenten der Sprachförderkompetenz – untersucht. Im Folgenden wird eine Studie vorgestellt, in der das Handeln der Sprachförderkräfte in der Sprachförderung mittels Videografie untersucht wurde und es werden vier Studien zur Selbsteinschätzung der Sprachförderkräfte u.a. in Bezug auf ihr Handeln in der Sprachförderung be-

Forschungsstand: Sprachförderkompetenz | 49

schrieben. Diese Studien sowie die in 4.3.1 vorgestellten Studien werden abschließend diskutiert. In einer Studie im Rahmen des Projekts „Sag mal was“ der Landesstiftung Baden-Württemberg untersuchte Ricart Brede (2011) das Vorgehen der Sprachförderkräfte in der Förderung mittels videobasierter Methoden. Der Fokus lag auf der Analyse der Aktivitäten, Sozial- und Arbeitsformen der „inszenierten Sprachlernsituation“ (Knapp et al. 2008). Außerdem wurde untersucht, welche Sprachebenen in die Sprachförderung eingebunden wurden und wie der Input der Sprachförderkraft gestaltet war. Mittels kontrastiver Analysen wurden Sprachfördersequenzen gegenübergestellt (Ricart Brede et al. 2009). Es zeigen sich Gemeinsamkeiten zwischen den Sequenzen, wie die Einbettung des Zielwortschatzes in einen Kontext oder die mittlere Äußerungslänge der Kinder. Unterschiede zwischen den Sequenzen liegen z.B. im Umfang der linksständigen Erweiterung der Nominalphrase der Sprachförderkraft vor (Ricart Brede et al. 2009: 90f.). In weiteren Auswertungen wurde die Art des Feedbacks der Sprachförderkraft auf kindliche Äußerungen analysiert (Ricart Brede 2011). So reagieren die Sprachförderkräfte auf 36 % der notierten Fehler. Etwa jeder fünfte bis siebte kindliche Gesprächsbeitrag wird von den Sprachförderkräften aufgegriffen. Ricart Brede reflektiert kritisch, ob die Quantität des Einsatzes der Expansionen grundsätzlich ausschlaggebend ist oder ob Expansionen nicht erst durch ihren gezielten Einsatz, welcher ein hohes Sprachbewusstsein seitens der Sprachförderkraft voraussetzt, förderlich werden. Ricart Brede schlussfolgert aus ihren Ergebnissen, dass eine Qualifizierung der Sprachförderkräfte erforderlich ist. Einen Ansatz zur Optimierung sieht sie u.a. darin häufiger und vor allem gezielter Fehler aufzugreifen, um sie implizit zu korrigieren. Die Studie stellt den ersten Korpus vorschulischer Sprachfördersequenzen dar. Der Korpus soll laut Knapp et al. (2007) genutzt werden, um anhand von best-practiceSequenzen ein Lehrvideo für die Aus- und Weiterbildung zu erstellen. Drei Untersuchungen haben die Selbsteinschätzung von Sprachförderkräften in Bezug auf ihr Handeln erhoben und in Interviews die Sprachförderkräfte zu einer Reflexion des eigenen Handelns in der Sprachförderung angeregt. In einer weiteren Studie wurden die Erzieher um die Einschätzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen gebeten. Die Reflexionsfähigkeit verorten Hopp, Thoma und Tracy (2010: 620) innerhalb der Kompetenzbereiche in den Strategien der Sprachförderung. Neugebauer (2010) und Fried (2007) untersuchten die Selbsteinschätzung von Sprachförderkräften. Kucharz et al. (2009) erforschten die Reflexionsfähigkeit von Sprachförderkräften in Bezug auf didaktische Überlegungen, Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Sprachförderung, ihre Weiterbildung, die Elternarbeit und Prioritäten bei der Sprachförderung. Cramer (2007) befragte Erzieher zu den zur Verfügung stehenden Ressourcen.

50 | Sprachförderkräfte Neugebauer (2010) untersuchte die Selbsteinschätzung von Sprachförderkräften (N=155) und Sprachfördermultiplikatoren22 (N=140) in Bezug auf deren Kompetenzen. Die Ergebnisse der Selbsteinschätzung zeigen, dass nur 3 % der Sprachförderkräfte die Aussage, ihnen fehle fachliche Sicherheit in der Durchführung von Förderstunden, mit „trifft (voll) zu“ beantworten und 54 % mit „trifft (gar) nicht zu“ (Neugebauer 2010: 44). Dennoch bekundeten 78 % der Sprachförderkräfte ein Interesse an Beratung in Fragen zur Sprachförderung (Neugebauer 2010: 42). Auf der Seite der Sprachfördermultiplikatoren zeigen die Ergebnisse laut Neugebauer, dass die Sprachfördermultiplikatoren von ihrer Kompetenz überzeugt sind. Dementsprechend wurde die Aussage „Ich fühle mich in der Lage, Maßnahmen zur Sprachförderung von Vorschulkindern selbst durchzuführen und zu dokumentieren“ von 58 % der Befragten mit „trifft voll zu“ bewertet. Etwa ein Fünftel davon gab allerdings an, dass die Qualifizierungsmaßnahme sie nicht ausreichend auf ihre Aufgabe als Multiplikator vorbereitet (Neugebauer 2010: 42). Neugebauer schlussfolgert aus den Ergebnissen, dass die Sprachförderkräfte sowie die Sprachfördermultiplikatoren von ihrer Kompetenz überzeugt sind. Er diskutiert, wie diese Ergebnisse vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Evaluationsstudie der Sprachfördermaßnahme (Hofmann et al. 2008), die die befragten Sprachförderkräfte durchgeführt haben, zu interpretieren sind: „Es muss somit auf Grundlage der Daten festgehalten werden, dass einerseits keine nachweisbaren Effekte der systematischen Sprachförderung bei den Kindern feststellbar sind, andererseits die Sprachförderkräfte mehrheitlich an ihrer Kompetenzüberzeugung festhalten“ (Neugebauer 2010: 44). Nicht diskutiert wird hingegen die Komplexität der Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenzen. Die hypothetische Gegenüberstellung der Evaluationsergebnisse mit den Ergebnissen der Selbsteinschätzung lässt noch keine Aussage über die tatsächliche Validität der Selbsteinschätzung von Sprachförderkräften zu. Ein nächster Schritt könnte sein, die Selbsteinschätzungen mit den getesteten Kompetenzen zu vergleichen, um die Validität der Selbsteinschätzung von Kompetenzen zu untersuchen. Eine weitere Studie zur Selbsteinschätzung von Erziehern (N=791) in Bezug auf die Sprachförderung führte Fried (2007) durch. Mittels eines Fragebogens mit vorrangig geschlossenen Fragen untersuchte sie Einstellungen, die für die Sprachförderung von Bedeutung sind, und bat die Erzieher um eine Selbstein-

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22 Im Rahmen eines Modellprojektes, gefördert durch die Landesstiftung Baden-Württemberg, wird das Konzept der „Sprachfördermultiplikatoren“ erprobt. Die Multiplikatoren sind meist auch Erzieher und erhalten eine Fortbildung mit dem Ziel, ihr Wissen anschließend an Kolleginnen weiterzugeben.

Forschungsstand: Sprachförderkompetenz | 51

schätzung ihres Wissens und ihrer Kompetenzen. 68 % der Erzieher gaben an, dass sie sich gut mit der Sprachentwicklung und 77 % mit Sprachentwicklungsstörungen auskennen (Fried 2007: 27). In Bezug auf mehrsprachige Kinder antworteten 40 %, dass sie spezielle Methoden und Mittel anwenden, um diese Kinder gezielt anzuregen und sie in ihrer Sprachentwicklung zu unterstützen. Welche Methoden und Mittel die verbleibenden 60 % der Erzieher anwenden, bleibt in der Studie offen. Die befragten Erzieher streben laut Fried (2007) an, ihre Sprachförderkompetenz weiterzuentwickeln. Für effektiv erachten die Befragten den Kontakt mit Fachleuten durch Beratung und Kooperation (73 %) sowie Fortbildungen (72 %). Anders als Neugebauer interpretiert Fried (2007) ihre Ergebnisse nicht als Hinweis auf eine „Kompetenzüberzeugung“ (Neugebauer 2010: 34), sondern sieht darin eine gute Voraussetzung für die weitere Qualifizierung. So gaben Erzieher, deren Wissen bereits sehr hoch scheint, in der Studie von Fried an, dass sie gerne mehr lernen möchten und drückten eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung und Freude an der Reflexion aus. In einer Interviewstudie im Rahmen des Projekts „Sag‘ mal was – Sprachförderung für Vorschulkinder“ der Landesstiftung Baden-Württemberg wurden 28 Erzieherinnen befragt, die für die Sprachförderung in ihrer Kindertagesstätte zuständig sind (Kucharz et al. 2009). Im Vordergrund des Interviews standen didaktische Überlegungen, Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Sprachförderung, Weiterbildung, Elternarbeit und Prioritäten bei der Sprachförderung (Kucharz et al. 2009: 29). In der Auswertung wurden die Interviewten in einen „unsicheren“ und einen „versierten Typus“ eingeordnet. Der versierte Typus ist durch eine höhere Fortbildungsdauer, eine Erweiterung des didaktischen Konzepts durch Literatur, eine individuelle Vermittlung in der Sprachförderung, die Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten bei Schwierigkeiten, das Einfordern der Elternzusammenarbeit und den Einbezug weiterer Interaktionsstränge gekennzeichnet (Kucharz et al. 2009: 38). Die Autoren schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass „Umfang und Gestaltung der Fortbildung für Sprachförderpersonen […] sorgfältig zu überlegen [sind]. Eine fundierte Ausbildung über einen längeren Zeitraum hinweg ermöglicht es den Teilnehmern leichter, ein professionelles Selbstkonzept und eine gewisse Sicherheit zu erwerben […]“ (Kucharz et al. 2009: 39f.). Alle drei Studien hinterfragen in unterschiedlichem Umfang und mit verschiedenen Methoden die Kompetenzen von Erziehern/Sprachförderkräften. Während Neugebauer (2010) die Selbsteinschätzung der Sprachförderkräfte aufgrund gegenteiliger Ergebnisse in der Evaluationsstudie der Sprachförderung in Frage stellt, sieht Fried (2007) die selbsteingeschätzten Kompetenzen als Basis für weitere Qualifizierungsmaßnahmen an und hebt die Lernbereitschaft der Erzieher hervor. Kucharz et al. zeichnen durch ihre Typisierung zwei

52 | Sprachförderkräfte „didaktische Extremgruppen“ (Kucharz et al. 2009: 27). Während einige der interviewten Sprachförderkräfte gut ausgebildet, sicher und versiert sind, scheinen andere unsicher und unzureichend qualifiziert. In weiteren Studien können Faktoren wie die Selbsteinschätzung, das Wissen und das Handeln der Sprachförderkräfte in Beziehung zueinander gesetzt werden. Ausgehend von diesen Untersuchungen gilt es möglicherweise, die Qualifizierung auf den spezifischen Bedürfnissen von Untergruppen der Sprachförderkräfte in einzelnen Bereichen abzustimmen. In den vorangehenden Studien standen die Kompetenzen der Sprachförderkräfte im Mittelpunkt. In der Studie des Sächsischen Landesverbandes des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes geht es u.a. darum, eine Einschätzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu erhalten. Um die Umsetzung des sächsischen Bildungsplanes zu untersuchen, führte der Wohlfahrtsverband eine Befragung an 262 Kindertagesstätten durch. Die Ergebnisse zeigen, dass die zeitlichen Ressourcen, die den Erziehern zur Verfügung stehen, nicht ausreichen, um z.B. den Forderungen des Bildungsplanes in Bezug auf die Entwicklungsbeobachtung, -dokumentation und -reflexion gerecht zu werden. Der Autor zeigt, dass Kindertagesstätten mit unter 50 Kindern seltener „gruppenfreie Erzieher“ zur Verfügung haben, die die Möglichkeit hätten, dem Kollegium „kinderfreie Zeiten“ zur Dokumentation und Reflexion zu ermöglichen (Cramer 2007: 11ff.). In der Erhebung bezieht sich kein Item direkt auf die Sprachförderung. Dennoch ist davon auszugehen, dass die im Folgenden zitierten Forderungen des sächsischen Bildungsplanes aufgrund der zeitlichen und personellen Ressourcen nur schwer einlösbar sind: „Sprachförderung ist in den Alltag eingebettet. Es geht darum, für Sprechanlässe sensibel zu sein und Mädchen und Jungen, bei denen Sprechbarrieren zu erkennen sind, zur Beteiligung am Dialog zu ermutigen.“ (Sächsisches Staatsministerium für Soziales 2007: 7)

Eine der Sprachförderung vorausgehende Sprachstandserhebung und eine Dokumentation der erkannten Fähigkeiten und Schwierigkeiten wird im Bildungsplan zwar nicht explizit genannt, ist deshalb jedoch nicht weniger notwendig. Inwieweit externe Faktoren, wie personelle und zeitliche Ressourcen, die Kompetenzen und/oder die Selbsteinschätzung der Sprachförderkräfte beeinflussen, wurde bisher nicht untersucht. Auch ist unklar, ob die Selbsteinschätzung von Sprachförderkräften oder die Typisierung auf der Basis von Interviews sich in dem objektiv messbaren Wissen und dem Handeln der Sprachförderkräfte in der Praxis widerspiegelt. In zwei Projekten wird derzeit erstmals sowohl das Wissen als auch das Handeln von Sprachförderkräften erforscht. Das Projekt PROfessio untersucht

Zwischenfazit | 53

das Wissen und das Handeln von Sprachförderkräften vor und nach einer Fortbildungsmaßnahme, die dazu dient, die Sprachförderkompetenz der Sprachförderkräfte zu erweitern (Müller et al. 2012). Das Projekt SprachKoPF geht in einer zweiten Förderphase u.a. der Frage nach, ob ein hohes bereichsspezifisches Wissen und Können zu einer besseren Handlungskompetenz in der Sprachförderung führt (Tracy et al. o.J.). Die bisher vorliegenden Studien zeigen, dass Sprachförderkräfte nicht zwingend für die Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Sprachförderung stehen, qualifiziert sind. Eine Erweiterung des Ausbildungscurriculums sowie ein spezifisches Fortbildungsangebot sind notwendig, um die pädagogischen Fachkräfte auf ihre Aufgabe als Sprachförderkraft vorzubereiten. Die Herausforderungen des Transfers des Gelernten in die Praxis gilt es, durch geeignete Maßnahmen (z.B. in Form von Supervision und Coaching vor Ort) zu begleiten (Müller, Geist & Schulz in Druck).

4.4 Zwischenfazit Obwohl die Notwendigkeit der vorschulischen Sprachförderung bildungspolitisch und gesellschaftlich verankert ist, steckt die Qualifizierung der ausführenden Fachkräfte – der Sprachförderkräfte – noch in den Kinderschuhen. Wenige eigenständige Studiengänge und wenige Veranstaltungen innerhalb der Curricula frühpädagogischer Studiengänge nehmen sich der großen Herausforderung an, vor der Sprachförderkräfte in der Sprachförderung insbesondere von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache stehen. Wie umfangreich die zu erwerbende Kompetenz einer Sprachförderkraft aus sprachwissenschaftlicher Perspektive sind, verdeutlicht das Modell von Hopp, Thoma und Tracy (2010). Durch derartige Modellierungen ist es möglich, empirische Studien zu rahmen und in Beziehung zueinander zu setzen. Aus den Studien zum Wissen und zur Handlungskompetenz von Sprachförderkräften ziehe ich den Schluss, dass die Anforderungen an Sprachförderkräfte, wie sie im Kompetenzmodell von Hopp, Thoma und Tracy (2010) verortet sind, noch nicht vollständig erfüllt sind. Neben den Forderungen nach Ausbau und Qualitätssicherung der Aus- und Fortbildung von Sprachförderkräften zeigt eine Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, dass auch personelle, zeitliche und räumliche Ressourcen aufzustocken sind, damit eine Sprachförderung gelingen kann. So hinterfragte Tracy bereits 2007, wie die Anforderungen, die an Erzieher und Lehrer bezüglich der individuellen Sprachförderung im Vorschulalter gestellt werden, im Kontext der aktuellen Bedingungen erfüllt werden können.

54 | In Zukunft sollte das Wissen und die Handlungskompetenz in der Sprachförderung nicht nur isoliert betrachtet werden, sondern auch deren Zusammenhang untersucht werden. Weitere Studien zur Kompetenzentwicklung von Sprachförderkräften sind erforderlich, um mehr über geeignete Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu erfahren. Nicht untersucht wurde bisher die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften, die jedoch eine wesentliche Dimension in dem Modell von Hopp, Thoma und Tracy (2010) darstellt. Im empirischen Teil dieser Arbeit wird deshalb die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache untersucht. In dem folgenden Kapitel 5 wird der theoretische Hintergrund und der Forschungsstand zur sprachdiagnostischen Kompetenz dargestellt.

5 Sprachdiagnostische Kompetenz Die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes zu erfassen, ist eine große Herausforderung. Sprachförderkräfte stellen sich dieser Herausforderung zum Einen, wenn es gilt Kinder für eine Sprachfördermaßnahme auszuwählen, und zum Anderen, wenn sie für die Kinder einer Sprachfördergruppe deren Ausgangslage bestimmen, um darauf aufbauend die Förderung zu planen. Um diese Herausforderung zu bewältigen, benötigen Sprachförderkräfte sprachdiagnostische Kompetenz. Im Unterschied zur Sprachstandserhebung ist der Begriff der Sprachdiagnostik breiter angelegt und umfasst den gesamten Prozess (van Ophuysen 2010; Lengyel 2012). Mit Sprachstandserhebung wird eine Situation benannt, in der mit spezifischen Materialien oder einem Verfahren die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes erfasst werden. Sprachdiagnostik hingegen umfasst, neben der Erhebung des Sprachstands, das Sammeln weiterführender, insbesondere anamnestischer Informationen sowie die Analyse, den Vergleich, die Bewertung, Interpretation und schriftliche Fixierung der Daten (hierzu auch Lengyel 2012). Dieses Kapitel hat das Ziel, das Konzept der sprachdiagnostischen Kompetenz von Sprachförderkräften zu definieren sowie den Forschungstand vorzustellen und zu diskutieren. In Kapitel 5.1 wird zunächst das Konzept der diagnostischen Kompetenz vorgestellt, das aus der Pädagogischen Psychologie stammt. Anschließend werden in Kapitel 5.2 bestehende Definitionen und Modelle sprachdiagnostischer Kompetenz vorgestellt und deren Anwendung auf die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften wird reflektiert. Davon ausgehend wird die sprachdiagnostischen Kompetenz von Sprachförderkräften aus sprachdidaktischer Perspektive definiert und das von der Verfasserin entwickelte Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften wird vorgestellt (Kap. 5.3). Die Fragestellungen der empirischen Studien, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurden, werden ebenfalls in Kapitel 5.3 in das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften eingeordnet. In Kapitel 5.4 wird die Verankerung der sprachdiagnostischen Kompetenz in der Ausbildung von Sprachförderkräften dargestellt und kritisch reflektiert. Das Kapitel endet mit einem Zwischenfazit (Kap. 5.5).

56 | Sprachdiagnostische Kompetenz

5.1 Diagnostische Kompetenz Kompetenzen werden in der Bildungsforschung definiert als „kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen“ (Klieme & Leutner 2006: 879), erlernbar sind und interindividuell variieren. Kompetenzen stellen eine Integration von Wissen in Handlungszusammenhängen dar (Weinert 2001: 56). Affektive, motivationale und volitionale Aspekte werden als Einflussfaktoren betrachtet. Die Definition von Kompetenzen als Disposition führen Klieme und Hartig (2007) auf die Arbeiten von Chomsky (1968) zurück. Für die empirische Auseinandersetzung folgt daraus, dass Kontexte zu schaffen sind, die dazu führen, eine bestimmte Performanz zu zeigen. Es sei angemerkt, dass aus spracherwerbstheoretischer Perspektive Kompetenz nach Chomsky (1968) gerade keine „erlernbare“ Disposition ist. Insofern unterscheidet sich der linguistische Kompetenzbegriff, der im Rahmen dieser Arbeit im Zusammenhang mit den in Sprachstandserhebungen erfassten Performanzdaten verwendet wird (s. auch Kap. 3), von dem Kompetenzbegriff der Bildungsforschung nach Klieme und Leutner (2006), der hier der Definition von (sprach-)diagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften zugrunde liegt. Eine inhaltliche Konkretisierung der Kompetenzen stellt die diagnostische Kompetenz dar. Das Konzept diagnostischer Kompetenz ist insbesondere durch Beiträge aus der Pädagogischen Psychologie geprägt, die vorrangig Lehrkräfte untersuchten. Die folgenden Definitionen und Umschreibungen des Konzepts diagnostischer Kompetenz aus psychologischer Perspektive dienen als Ausgangspunkt für die Definition sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften aus sprachdidaktischer Perspektive in Kapitel 5.3. Diagnostische Kompetenz ist laut Schrader (2006) eine spezielle Form von diagnostischer Expertise. Auch Helmke (2009) unterscheidet zwischen diagnostischer Kompetenz und diagnostischer Expertise. Während er unter diagnostischer Kompetenz versteht, „genaue diagnostische Urteile abzugeben“ (Helmke 2009: 121), stellt die diagnostische Expertise für ihn ein umfassendes Konzept dar, in das ebenso methodisches, prozedurales und konzeptuelles Wissen involviert ist. Im Gegensatz dazu beschreibt für Baumert und Kunter (2011) Kompetenz ein größeres Spektrum. Sie grenzen den Begriff der Lehrerexpertise als einen „primär wissensbasierten Begriff“ (Baumert & Kunter 2011: 47) ein. Im Rahmen dieser Arbeit verwende ich in Anlehnung an Baumert und Kunter (2011) ausschließlich den Begriff Kompetenz. Abs (2007) spricht sich für eine Erweiterung des Konzepts diagnostischer Kompetenz über die Diagnosegenauigkeit hinaus aus. Die Diagnose- oder Urteilsgenauigkeit wird im Rahmen dieser Arbeit als empiri-

Diagnostische Kompetenz | 57

sches Konstrukt verwendet, mit dem ein Bereich der diagnostischen Kompetenz gemessen werden kann (s. Kap. 5.3 und 5.4). Urteilsgenauigkeit ist demnach nicht gleichzusetzen mit diagnostischer Kompetenz (u.a. Abs 2007; Helmke, Hosenfeld & Schrader 2004). Diagnostische Kompetenz „gilt als Voraussetzung für angemessene Unterrichtsgestaltung und gezielte individuelle Förderung“ (Artelt & Gräsel 2009: 157). Neben dem konzeptuellen bildungswissenschaftlichen Grundlagenwissen, dem Allgemeindidaktischen Konzeptions- und Planungswissen und der Unterrichtsführung und Orchestrierung von Lerngelegenheiten werden die Fächerübergreifenden Prinzipien des Diagnostizierens, Prüfens und Bewertens zu den „Facetten generischen pädagogischen Wissens und Könnens“ (Baumert & Kunter 2006: 485) gezählt. Zur diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften generell zählt es, sowohl Merkmale oder Fähigkeiten von Schülern als auch Lern- und Aufgabenanforderungen adäquat einzuschätzen (Artelt & Gräsel 2009: 157). Bezugnehmend auf die Kriterien eines amerikanischen Lehrerverbandes zeigen Helmke, Hosenfeld und Schrader (2004) Standards zur diagnostischen Kompetenz auf. Darunter fallen u.a. die Auswahl angemessener Diagnoseverfahren, die Entwicklung von Diagnoseverfahren und die Anwendung, Auswertung und Interpretation von Testverfahren. Die „diagnostische Methodenkompetenz“ (Schrader 2009: 243) wird so nicht als Teil des allgemeinen pädagogischen Wissens, wie bei Baumert und Kunter (2006: 482) (s. oben), angesehen, sondern erhält einen eigenständigen Bereich (Bromme 2008: 164). Abs (2007) definierte im Zusammenhang mit einer Evaluationsstudie der zweiten Phase der Lehrerbildung ebenfalls Standards diagnostischer Kompetenz. Er führt die Rückmeldung an Schüler, den Umgang mit Instrumenten, um den Leistungsfortschritt festzustellen, das Erkennen leistungs-schwächerer und besonders begabter Schüler, die Differenzierung der Aufgabenstellung für leistungsschwächere und besonders begabte Schüler ebenso zu diagnostischer Kompetenz wie die Fähigkeit, sich bei Problemen in die Sicht- und Erlebnisweise von Schülern zu versetzen. Das der diagnostischen Kompetenz zugrunde liegende Wissen sowie damit verbundene Handlungen variieren je nach Autor bzw. Zielsetzung der Studie. So münden die Standards von Abs (2007) beispielsweise in eine Befragung der Referendare mit dem Ziel, die Selbsteinschätzung in Bezug auf die diagnostische Kompetenz zu erfassen. Aus der Perspektive der Primarpädagogik betont Mörtl-Hafizović (2004), dass es nicht nur darum geht, Defizite zu entdecken, sondern auch Entwicklungsprozesse zu dokumentieren. Die diagnostische Kompetenz ist als „Basis für eine Leistungsbeurteilung und Zertifizierung“ (Beutel 2006: 133) anzusehen. Beutel fordert aus der Sicht der Grundschulforschung, dass aus der Beurteilung eine „transparente, gerechte und zum weiteren Lernen ermutigende Rückmel-

58 | Sprachdiagnostische Kompetenz dung“ (Beutel 2006: 130) folgt. Somit beinhaltet diagnostische Kompetenz auch die Fähigkeit die Ergebnisse so aufzubereiten, dass sie den SchülerInnen als motivierender Ausgangspunkt für das weitere Lernen dienen. Unklar ist bisher, ob die diagnostische Kompetenz mit spezifischen anderen Fähigkeiten verbunden ist und – wenn ja – mit welchen (Schrader 2006: 96). Klug et al. (2012) zeigten beispielsweise, dass diagnostische Kompetenz mit Beratungskompetenz verbunden ist. Ebenfalls unklar ist der Einfluss persönlicher Voraussetzungen (Eignungshypothese) und kognitiver Merkmale, wie z.B. dem Professionswissen (Qualifikationshypothese), auf die diagnostische Kompetenz (s. zu den Hypothesen Kunter et al. 2011: 58). Ausgehend von der Kritik an der Gleichsetzung diagnostischer Kompetenz mit Urteilsgenauigkeit, z.B. von Schrader (2006), finden sich mittlerweile weiter gefasste Definitionen, die deklarative Wissenskomponenten und Methodenkenntnisse umfassen (hierzu auch Praetorius, Lipowsky & Karst 2012). Um die Erweiterungen des Konzepts der diagnostischen Kompetenz detailliert zu beschreiben und erfassbar zu machen, entwickelten einige Autoren theoretische Modelle diagnostischer Kompetenz. Praetorius, Lipowsky und Karst (2012) stellen drei Modelle diagnostischer Kompetenz von Lehrkräften gegenüber und kommen zu dem Schluss, dass diese, je nach theoretischem Hintergrund, sehr unterschiedlich sind. Das Modell von van Ophuysen (2010) wird hier näher beschrieben, da es in adaptierter Form auch für den Kontext der Sprachförderung herangezogen werden könnte. Van Ophuysen entwickelte ein Rahmenmodell, das die Verknüpfung zwischen diagnostischer und didaktischer Kompetenz veranschaulicht. Diagnostische Kompetenz umfasst methodisches Wissen und Fähigkeiten sowie didaktisches, pädagogisch-psychologisches Wissen. Didaktische Kompetenz umfasst ebenfalls didaktisches, pädagogischpsychologisches Wissen und didaktisches Wissen und Fähigkeiten der Unterrichtsgestaltung. Diese führen zu Qualitätsmerkmalen von Diagnose/Diagnostik bzw. Qualität der Unterrichtsadaptation und wirken sich dem Modell nach auf den Lernerfolg der Schüler aus (s. Abb. 3).

Diagnostische Kompetenz | 59

Abb. 3: Rahmenmodell diagnostischer und didaktischer Kompetenz (van Ophuysen 2010: 226, nachgezeichnet)23

Die Verbindung zwischen der Qualität der Diagnostik und der Qualität der Unterrichtsadaptation weist bereits auf einen Prozess hin, der in dem Modell von Klug et al. (2011) wesentlich expliziter ist, indem sie drei Phasen: Präaktional, Aktional und Postaktional des Diagnostizierens annehmen. Die Postaktionale Phase enthält u.a. die Förderplanung. Das dritte Modell in dem Vergleich von Praetorius, Lipowsky und Karst (2012) stammt von Karst (2012) und unterscheidet sich von den anderen beiden Modellen. Sie definiert einerseits individuelle Wissensstrukturen wie z.B. Schüler- und Aufgabenniveau sowie Schüler- und Aufgabenheterogenität und andererseits situationsspezifische Faktoren, in denen Schülervoraussetzungen zutreffend einzuschätzen sind. Die individuellen Wissensstrukturen und die situationsspezifischen Faktoren stellen Teilkompetenzen diagnostischer Kompetenz dar (Karst 2012: 94). Somit wird in dem ||

23 Ich danke Stefanie van Ophuysen für die Druckerlaubnis dieser Abbildung.

60 | Sprachdiagnostische Kompetenz Modell von Karst das Konzept der Urteilsgenauigkeit aufgefächert. Unberücksichtigt bleiben das zugrunde liegende Wissen (van Ophuysen 2010) und der Prozess, den es mittels diagnostischer Kompetenz zu bestreiten gilt (Klug et al. 2011). Es kann festgehalten werden, dass das Konzept diagnostischer Kompetenz zunächst eine fächerübergreifende Kompetenz von Lehrkräften ist. Diagnostische Kompetenz umfasst Wissen über Instrumente zur Leistungsbeurteilung, die Fähigkeit diese einzusetzen, Merkmale oder Fähigkeiten von Schülern sowie Lern- und Aufgabenanforderungen adäquat einzuschätzen und für eine adaptive Gestaltung der Lerngelegenheiten zu nutzen. Eine fachliche Spezifizierung ist jedoch in Anlehnung an Baumert und Kunter (2006) sowie Lorenz und Artelt (2009) (s. hierzu Kap. 6), die nicht von einer fachübergreifenden homogenen Fähigkeit ausgehen, erforderlich. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich ein Modell, das die diagnostische Kompetenz von Lehrkräften beschreibt, von einem Modell, das die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften beschreibt, unterscheidet. Grund ist, dass sich die Möglichkeiten, Unterricht für eine Klasse von ca. 30 SchülerInnen adaptiv zu gestalten, von den Möglichkeiten, die sich in der additiven Sprachförderung von Kleingruppen bieten, unterscheidet. In den vorangehenden Kapiteln wurde auf die Notwendigkeit einer der Sprachförderung vorausgehenden Sprachstandserhebung hingewiesen. Auch wenn Weinert und Schrader bereits 1986 neben der subjektiven handlungsleitenden Lehrerdiagnose den Einsatz objektiver Verfahren forderten, hat sich dies in Deutschland – anders als in den USA – bisher nicht durchgesetzt (Praetorius, Lipowsky & Karst 2012). In den USA wird von Lehrkräften erwartet, dass sie Diagnoseverfahren auswählen und deren Ergebnisse interpretieren. Praetorius, Lipowsky und Karst (2012) betonen hingegen die Bedeutung der Diagnostik in lernprozessbezogenen Situationen. Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive ist aufgrund der Komplexität von Sprache (s. Kap. 3.2.1) und aus testtheoretischer Perspektive ist aufgrund der Notwendigkeit einer objektiven Erfassung eine unterrichtsbegleitende bzw. förderbegleitende Sprachstands-erhebung in Form einer Beobachtung nicht ausreichend. Eine Spezifizierung der diagnostischen Kompetenz als sprachdiagnostische Kompetenz im Kontext der Sprachförderung ist aufgrund der oben genannten Punkte notwendig.

Theoretischer Hintergrund: Sprachdiagnostische Kompetenz | 61

5.2 Theoretischer Hintergrund: Sprachdiagnostische Kompetenz Sprachdiagnostische Kompetenz wird in der Literatur mit verschiedenen Wissensbereichen, Fähigkeiten und Handlung assoziiert. In diesem Kapitel wird die Literatur zu sprachdiagnostischer Kompetenz zusammengefasst; vier Definitionen und Modelle sprachdiagnostischer Kompetenz bzw. dem zugrunde liegenden Wissen werden vorgestellt und deren Anwendung in Bezug auf Sprachförderkräfte wird reflektiert. Aufbauend darauf wird in Kapitel 5.3 die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften definiert und modelliert. Das Modell liegt den empirischen Studien, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführt wurden, zugrunde. Wie wird sprachdiagnostische Kompetenz in Arbeiten zu Sprachstandserhebungen und Sprachförderung beschrieben? Sprachdiagnostische Kompetenz dient laut Jeuk und Schmid-Barkow (2009) u.a. der Erfassung von Differenzen in der Sprachentwicklung von Kindern mit dem Ziel, ein angemessenes Lernangebot zu konzipieren. Schöler (2008) betont, dass der Auswerter einer Sprachstandserhebung die Verknüpfung von Sprachstandserhebung und daran anschließender Sprachförderung herstellen muss, um ein angemessenes, d.h. entwicklungsorientiertes Angebot zu konzipieren. Sprachdiagnostische Kompetenz beinhaltet laut Fried (2004), dass Lehrkräfte und Erzieher die unterschiedlichen Funktionen und daraus resultierenden Anforderungen von Spracherfassungsverfahren kennen. Fried (2004) definiert, was Sprachförderkräfte kennen bzw. wissen sollten. Jeuk und Schmid-Barkow (2009) betonen neben der Handlung der Sprachstandserhebung ebenso wie Schöler (2008) die Ableitung von Förderzielen, die die Sprachförderkräfte leisten müssen. Die vorangehend zitierten Autoren verdeutlichen die Interdisziplinarität derer, die sich zu sprachdiagnostischer Kompetenz äußern und damit zur Definition dieses Konzepts beitragen (Sprachdidaktik: Jeuk und Schmid-Barkow, Psychologie: Schöler, Erziehungswissenschaft: Fried). Bevor die von der Verfasserin entwickelte Definition sprachdiagnostischer Kompetenz vorgestellt wird, werden im Folgenden vier bestehende Definitionen und/oder Modelle sprachdiagnostischer Kompetenz aus der Sprachdidaktik (Edelenbos & Kubanek-German 2004; Wildemann 2010), Sprachwissenschaft (Hopp, Thoma & Tracy 2010) und Erziehungswissenschaft (Lengyel 2012) vorgestellt und diskutiert. Eine erste Definition diagnostischer Kompetenz aus sprachdidaktischer Perspektive formulierten Edelenbos und Kubanek-German (2004) für die Anwendung bei Fremdsprachenlehrern im Primarbereich. Ähnlich wie zurzeit das

62 | Sprachdiagnostische Kompetenz Aufgabenfeld der Sprachförderung wurde der Fremdsprachenunterricht in der Grundschule zwar bereits praktiziert, jedoch erfolgte keine grundständige Ausbildung, sondern die Lehrkräfte wurden in Fortbildungen qualifiziert. Edelenbos und Kubanek-German (2004) nahmen dies zum Anlass, die diagnostische Kompetenz als eine neue Kompetenz, die die Sprachlehrer im Primarbereich benötigen, zu definieren. Diagnostische Kompetenz umfasst „the ability to interpret students´ foreign language growth, to skillfully deal with assessment material and to provide students with appropriate help in response to this diagnosis“ (Edelenbos & Kubanek-German 2004: 260). Diese drei Teilkompetenzen können als Ausgangspunkt für das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften dienen und werden in dem Modell im Rahmen dieser Arbeit ausdifferenziert. Das Sprachförderkompetenzmodell von Hopp, Thoma und Tracy (2010) benennt auch den Bereich der Sprachdiagnostik und verbindet diesen mit den Teilkompetenzen „Methoden“, „Instrumente“ und „Konsequenzen“ (s. Kap. 4.2). Pädagogische Fachkräfte sollen in der Sprachstandserhebung eine „Selektionsfunktion“, eine „förderdiagnostische Funktion“ und eine „Evaluationsfunktion“ erfüllen (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 619). Für Hopp, Thoma und Tracy bedeutet Sprachförderkompetenz von pädagogischen Fachkräften im Bereich Sprachstandsdiagnostik - grundlegende Methoden und Verfahren zu kennen - abhängig von der Funktion der durchzuführenden Diagnostik und nach Bereich der geplanten Förderung geeignete Instrumente auszuwählen - Schlussfolgerungen für die Auswahl, Planung und die Erfolgskontrolle von Sprachförderung zu ziehen, - Grenzen von sprachstandsdiagnostischen Instrumenten (z. B. Messfehler) kritisch zu reflektieren. (Hopp, Thoma & Tracy 2010: 619) Die Bereiche, die Hopp, Thoma und Tracy (2010) definieren, fokussieren den bewussten Umgang mit diagnostischen Materialien und zeigen die Verbindung zur Sprachförderung auf. Beide Bereiche sprachdiagnostischer Kompetenz definieren auch Edelenbos und Kubanek-German (2004) und sind auch in dem Rahmenmodell diagnostischer Kompetenz von van Ophuysen (2010) enthalten, das im vorangehenden Kapitel vorgestellt wurde. Über die Arbeit von Edelenbos und Kubanek-German (2004) hinaus verdeutlichen die Arbeiten von Hopp, Thoma und Tracy (2010) und van Ophuysen (2010) die Notwendigkeit, ein den Fähigkeiten und dem Handeln zugrunde liegendes Wissen in einem Kompetenzmodell zu verankern (hierzu auch Baumert & Kunter 2006, 2011). Auch das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Modell besteht in Anlehnung an das Kompetenzmodell von Baumert und Kunter (2006) aus den zwei Dimensionen

Theoretischer Hintergrund: Sprachdiagnostische Kompetenz | 63

Wissen und Können. Die Diagnosegenauigkeit der sprachlichen Fähigkeiten – die in den Arbeiten aus psychologischer Perspektive zurzeit einen hohen Stellenwert hat – bleiben in dem Modell von Hopp, Thoma & Tracy (2010) unberücksichtigt. Wildemann (2010) verwendet den Begriff der sprachdiagnostischen Expertise, definiert diese jedoch nicht mit dem Fokus auf Sprachförderkräfte, sondern in Bezug auf die Professionalität von Deutschlehrkräften. Ihre Kompetenzdimensionen „Wissen, Anwendung und Umsetzung“ (Wildemann 2010: 187) ähneln den Bereichen „Wissen, Können und Machen“ von Hopp, Thoma und Tracy (2010). Aufgrund ihres Fokus auf schulische Sprachdiagnostik und Schriftsprachdiagnostik ist für sie neben dem sprachlichen Wissen (auch Hopp, Thoma & Tracy 2010) das curriculare Wissen eine Determinante sprachdiagnostischer Expertise (Wildemann 2010). Prognostische Kompetenzen, d.h. den erwarteten Lernerfolg von Schülern formulieren zu können, zählt für Wildemann (2010) ebenso zu sprachdiagnostischer Expertise wie die Kenntnis verschiedener Verfahren und eine u.a. in Bezug auf die testtheoretische Konstruktion angemessene Auswahl der Verfahren. Eine weitere Determinante sprachdiagnostischer Expertise ist der Ausschluss von Framingtendenzen (Bezugsgruppeneffekten). Die kriterienorientierte Auswertung macht laut Wildemann (2010) die Diagnostik zum Ausgangspunkt für den Unterricht. Die Dokumentation der Lernentwicklung führt u.a. dazu, dass Lernprozesse nachvollzogen werden können. Zuletzt nennt Wildemann die Selbstreflexion und Evaluation als „ein wesentliches Kriterium für die sprachdiagnostische Expertise“ (Wildemann 2010: 187). Die Kompetenzdimensionen von Wildemann (2010) können nicht auf Sprachförderkräfte übertragen werden, da diese kein curriculares Wissen, sondern Wissen über den ungestörten Erst- und Zweitspracherwerb benötigen, um die Sprachförderung vom Sprachstand der Kinder aus planen zu können. Wissen über den Zweitspracherwerb berücksichtigt Lengyel (2012) in ihren Lernbereichen für die Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte zum Thema Sprachdiagnostik im Kontext von Mehrsprachigkeit, welche sie im Rahmen einer Expertise für die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (wiff) definiert hat. Ebenso wie das Modell von Hopp, Thoma und Tracy (2010) fokussiert sie die Spezifik der vorschulischen Sprachstandserhebung und Sprachförderung. Die von ihr definierten Lernbereiche sind: „Migration und Mehrsprachigkeit“, „Linguistik / Zweitspracherwerb / Sprachentwicklungspsychologie“, „Grundlagen pädagogischer Sprachdiagnostik“ und „Didaktik der Förderung“. Im Unterschied zu der sprachwissenschaftlichen Perspektive von Hopp, Thoma und Tracy (2010) nimmt Lengyel (2012) eine pädagogische, interkulturelle und migrationssoziologische Perspektive ein.

64 | Sprachdiagnostische Kompetenz Ein Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften sollte in Anlehnung an Baumert und Kunter (2006) das zugrunde liegende Wissen – wie es auch Lengyel (2012) definiert – und die darauf aufbauenden Fähigkeiten, die die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften auszeichnen, berücksichtigen. Keiner der vier vorgestellten Ansätze ist aus Sicht der Verfasserin als Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften, wie es für die vorliegende Arbeit benötigt wird, geeignet. Im folgenden Kapitel wird ein solches Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften entwickelt.

5.3 Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften Diese Arbeit leistet einen theoretischen und empirischen Beitrag zur Klärung der sprachdiagnostischen Kompetenz von Sprachförderkräften. In diesem Kapitel wird die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften definiert. In Anlehnung an das Kompetenzmodell von Baumert und Kunter (2006, 2011) sind Wissen und Können zentrale Komponenten professioneller Kompetenz von Lehrkräften. Dieses Modell wird hier auf Sprachförderkräfte übertragen. Die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften besteht aus Wissen, das in Anlehnung an die Spezifikation für das Professionswissen von Baumert und Kunter (2011) und das Modell von Hopp, Thoma und Tracy (2010) ausdifferenziert wird. Das Können der Sprachförderkräfte basiert auf diesem theoretisch-formalen Wissen und äußert sich als praktisches Wissen und Können in spezifischen Kontexten und konkreten Problemstellungen (Baumert & Kunter 2006: 483). Für die sprachdiagnostische Kompetenz werden mittels eines Prozessmodells diese spezifischen Kontexte definiert. Obwohl das praktische Wissen und Können im Handlungsvollzug i.d.R. implizit ist, besteht nach Fenstermacher (1994) die Möglichkeit, es zugänglich zu machen. Sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften wird aus der Perspektive der Sprachdidaktik modelliert. Dadurch soll einerseits die in der psychologischen Forschung vorgenommene Einschränkung der diagnostischen Kompetenz auf die Urteilsgenauigkeit überwunden werden und andererseits die notwendige Sprachspezifik hervorgehoben werden. Die Fähigkeit, die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern adäquat einzuschätzen, stellt einen jedoch nicht den einzigen Kompetenzbereich sprachdiagnostischer Kompetenz dar. Nicht alle bisher vorgestellten Modelle berücksichtigen die Urteilsgenauigkeit. Warum sollte ein theoretisches Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von

Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften | 65

Sprachförderkräften aus sprachdidaktischer Perspektive die Urteilsgenauigkeit berücksichtigen? Die Urteilsgenauigkeit ist als Zwischenschritt zwischen Sprachstandserhebung und Sprachförderung zu sehen. Praetorius, Lipowsky und Karst (2012) skizzieren drei Szenarien zum Zusammenhang von diagnostischer Kompetenz und adaptivem Unterricht, die sich auf die adaptive, d.h. entwicklungsorientierte Sprachförderung wie folgt übertragen lassen. Szenario 1: Die Sprachförderung erfolgt adaptiv, jedoch ist die zugrunde liegende Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten der Kinder, die an der Sprachförderung teilnehmen, durch die Sprachförderkraft inadäquat. Szenario 2: Die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten der Kinder durch die Sprachförderkraft ist adäquat, der Sprachförderkraft fehlt jedoch die didaktische Kompetenz, die Sprachförderung adaptiv zu gestalten. Szenario 3: Die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten der Kinder durch die Sprachförderkraft ist adäquat und die Sprachförderung erfolgt adaptiv. Szenario 3 stellt aus sprachdidaktischer Perspektive den Optimalfall dar. Die Sprachförderung setzt an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder an. In Szenario 1 und 2 hingegen besteht die Gefahr, dass die Sprachförderung weniger effektiv ist als in Szenario 3, weil die Sprachförderung nicht an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder ansetzt. In Szenario 1 ist es einerseits denkbar, dass in der Sprachförderung Spracherwerbsschritte durch die Sprachförderkraft angebahnt und unterstützt werden, die die Kinder bereits erworben haben (Unterschätzung). Andererseits könnte es auch passieren, dass sprachliche Fähigkeiten, die die Kinder noch nicht erworben haben, in der Sprachförderung unberücksichtigt bleiben (Überschätzung). Bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache nimmt Knapp (1999), wie bereits in Kapitel 2 ausgeführt, verdeckte Sprachschwierigkeiten – also Überschätzungen – an. Das Forschungsdesiderat der Urteilsgenauigkeit von Sprachförderkräften von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache wird im Rahmen dieser Arbeit zwar untersucht; unbeantwortet bleibt jedoch die Frage, ob eine genaue Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten tatsächlich eine notwendige Voraussetzung für eine effektive Sprachförderung darstellt. Nachweise für diese theoretisch plausible Annahme gibt es derzeit nicht. Untersuchungen aus der Pädagogischen Psychologie zur Bedeutung diagnostischer Kompetenz in Form der Urteilsgenauigkeit für die Qualität von Unterricht zeigen, dass direkte Zusammenhänge zwischen der Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte und den Schülerleistungen gering sind (Anders et al. 2010, Hosenfeld 2009). Praetorius, Lipowsky und Karst (2012) argumentieren für die Berücksichtigung weiterer zwischengeschalteter Variablen, wie z.B. der unterrichtlichen Umsetzung. Helmke und Schrader (1987) sowie Schrader (1989) stellen fest, dass sich die Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte positiv auf den Lern-

66 | Sprachdiagnostische Kompetenz erfolg der SchülerInnen auswirkt, wenn die Lehrkräfte im Unterricht ein ausreichendes Maß an Strukturierungs- und Unterstützungsmaßnahmen umsetzen. Für die Sprachförderung diskutiert Ricart Brede (2011) auf der Basis der Ergebnisse einer videobasierten Qualitätsanalyse von Sprachförderung die Notwendigkeit des adaptiven Einsatzes von Sprachfördermethoden. Der adaptive Einsatz von Sprachfördermethoden ist demnach eine Variable, die bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Urteilsgenauigkeit der Sprachförderkräfte und den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder im Verlauf der Sprachförderung zu berücksichtigen wäre. Dem theoretischen Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften liegt eine sprachdidaktische Perspektive zugrunde. Im empirischen Teil bezieht sich die Arbeit neben der Sprachdidaktik auch auf deren Bezugsdisziplinen Sprachwissenschaft und Psychologie (Bredel et al. 2006). Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive ist relevant, welche sprachlichen Bereiche wie erfasst werden und ob sprachbiografische Faktoren erhoben und in der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Aus psychologischer Perspektive wird die Erfüllung von testtheoretischen Gütekriterien gefordert. Aus sprachdidaktischer Perspektive sind eine adäquate Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten und die Ableitung des Förderbedarfs sowie der Förderziele aus den in der Sprachstandserhebung ermittelten sprachlichen Fähigkeiten der Kinder notwendig. Sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften besteht aus theoretisch-formalem Wissen und praktischem Wissen und Können, die hier als Fähigkeiten bezeichnet werden. Im Folgenden werden das sprachdiagnostische Wissen und die sprachdiagnostischen Fähigkeiten als Aspekte sprachdiagnostischer Kompetenz definiert und jeweils durch Abbildungen veranschaulicht. Im Anschluss daran erfolgt eine detaillierte Erläuterung zu beiden Aspekten sprachdiagnostischer Kompetenz. Das theoretisch-formale Wissen umfasst laut Baumert und Kunter (2011: 32 und 40) Fachwissen, fachdidaktisches Wissen, pädagogisch-psychologisches Wissen, Beratungs- und Organisationswissen. Professionelles Handeln entsteht erst aus dem Zusammenspiel von Professionswissen, professionellen Werten, Überzeugungen, Zielen, motivationalen Orientierungen und Fähigkeiten der professionellen Selbstregulation (Baumert & Kunter 2011). In der Adaptation des Modells wird nur das Professionswissen ausdifferenziert. Es wird zwischen Fachwissen, diagnostischem Wissen, fachdidaktischem Wissen und Wissen anderer Disziplinen unterschieden. Jedem Wissensbereich werden Wissensfacetten zugeordnet (s. Abb. 4).

Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften | 67

Abb. 4: Sprachdiagnostisches Wissen von Sprachförderkräften (SFK)

Das praktische Wissen und Können beschreiben Baumert und Kunter (2011) als „deklaratives, prozedurales und strategisches Wissen“ (Baumert & Kunter 2011: 33), welches „in spezifische Kontexte eingebettet und auf konkrete Problemstellungen bezogen“ (Baumert & Kunter 2011: 35) ist. Die sprachdiagnostischen Fähigkeiten bestehen aus drei Kompetenzbereichen: Kompetenzbereich 1) Auswahl, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Sprachstandserhebungen Kompetenzbereich 2) Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten und der Sprachentwicklung eines Kindes Kompetenzbereich 3) Ableitung des Förderbedarfs und Formulierung von Förderzielen Die drei Kompetenzbereiche sprachdiagnostischer Fähigkeiten bauen aufeinander auf, d.h. eine hohe Kompetenz in Bereich 2) setzt eine hohe Kompetenz in Bereich 1) voraus und eine hohe Kompetenz in Bereich 3) ist nur unter der Voraussetzung einer hohen Kompetenz in Bereich 2) möglich. Ein Prozessmodell, wie es in den letzten Jahren häufiger in der Frühpädagogik verwendet wurde (Anders 2012), eignet sich zur Darstellung dieser drei Kompetenzbereiche, da so der Prozesscharakter des professionellen Handels abgebildet wird, das Sprachförderkräfte in der Praxis leisten (sollten) (s. Abb. 5). Den sprachdiagnostischen Fähigkeiten liegt das sprachdiagnostische Wissen zugrunde. Es wird angenommen, dass es einer Sprachförderkraft nur vor

68 | Sprachdiagnostische Kompetenz dem Hintergrund dieses Wissens möglich ist, die Fähigkeiten, die mit den drei Kompetenzbereichen verbunden sind, zu entwickeln. Sprachdiagnostische Fähigkeiten von Sprachförderkräften (Kreise) stehen in dem Prozessmodell in Verbindung zur Sprachförderung, d.h. sprachdidaktischen Fähigkeiten (Rechteck). Ausgehend von den Sprachstandserhebungen soll die Sprachförderung konzipiert werden. Ebenso wie in dem Rahmenmodell von van Ophuysen (2010) wird in diesem Prozessmodell bereits deutlich wie sprachdiagnostische und sprachdidaktische Fähigkeiten an der Stelle der Förderplanung (Kompetenzbereich 3) verbunden sind. Ergänzend zu dem Prozess sprachdiagnostischer Fähigkeiten (durchgezogene Pfeile in Abb. 5), erfolgt während der Sprachförderung eine kontinuierliche Beobachtung und Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten mit dem Ziel der Adaptierung der Sprachförderung (gestrichelte Pfeile). Sprachdiagnostische und sprachdidaktische Fähigkeiten sind an dieser Stelle ebenso eng miteinander verbunden, wie in der Förderplanung im Anschluss an die vorgelagerte isolierte Sprachstandserhebung, wie sie z.B. zu Beginn der Sprachförderung erfolgt, oder im Rahmen einer Zwischenevaluation im Verlauf der Sprachförderung. Ausgehend von diesem Modell sind konkrete Handlungskontexte zu schaffen, um die Performanz empirisch untersuchen zu können.

Abb. 5: Sprachdiagnostische Fähigkeiten von Sprachförderkräften: Idealtypisches Prozessmodell

In Anlehnung an van Ophuysen (2010) (s. auch Kap. 5.1, Abb. 3) ist ein übergeordnetes theoretisches Rahmenmodell sprachdiagnostischer und sprachdidaktischer Kompetenz auch für die Sprachförderung vorstellbar. Die sprachdiagnostische Kompetenz bestimmt die Qualität der Sprachdiagnostik und die

Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften | 69

sprachdidaktische Kompetenz die Qualität der Sprachförderung. In dem Modell von van Ophuysen (2010) wären die Rahmenbedingungen, die die Qualität der Sprachdiagnostik und Sprachförderung maßgeblich beeinflussen, jedoch zu ergänzen und die Ebene des Wissens und der Fähigkeiten wäre zu spezifizieren. Im Folgenden werden die vier Wissensbereiche (s. Abb. 4) skizziert und es erfolgt eine Ausdifferenzierung der drei Kompetenzbereiche sprachdiagnostischer Fähigkeiten (s. Abb. 5). Anschließend werden die empirischen Studien dieser Arbeit in das Modell eingeordnet.

5.3.1 Wissen als Basis sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften Die vier Wissensbereiche Fachwissen, diagnostisches Wissen, fachdidaktisches Wissen und Wissen anderer Disziplinen stellen theoretisch-formales Wissen dar. Das Wissen ist vernetzt organisiert (Baumert & Kunter 2011: 34). Im Folgenden werden die vier Wissensbereiche, die die Basis sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften darstellen, erläutert. Facetten des Wissens anderer Disziplinen, die spezifisch für das sprachdiagnostische Wissen sind, werden exemplarisch genannt. Fachwissen Der Wissensbereich Fachwissen umfasst das Wissen über Sprache und das Wissen über (Zweit-)Spracherwerb. Das Wissen über Sprache beinhaltet den Aufbau des sprachlichen Systems (Phonologie, Morphologie, Semantik, Lexik, Syntax, Pragmatik). Außerdem ist in diesem Bereich das Wissen über die Modalitäten (Produktion und Verständnis) sowie die verschiedenen Register in dem Kontinuum zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit verankert. Die Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive (s. Kap. 3.2) sind den Sprachförderkräften bekannt. Im Rahmen ihrer sprachdiagnostischen Kompetenz sind Sprachförderkräfte dazu in der Lage, sich in der Sprachstandserhebung auf einzelne Ebenen der Sprache zu fokussieren und sprachliche Äußerungen eines Kindes getrennt für diese Ebenen zu analysieren. Das Wissen über Sprache wenden Sprachförderkräfte z.B. an, wenn sie Aufgaben und Verfahren zur Sprachstandserhebung auswählen und beurteilen. Das Wissen über (Zweit-)Spracherwerb zeigt, dass Sprachförderkräften die empirisch belegten Meilensteine des kindlichen Erst- und Zweitspracherwerbs bekannt sind. Außerdem haben sie Kenntnisse über die Besonderheiten bei Mehrsprachigkeit. Sprachentwicklungsstörungen, deren Ursachen, Auswirkungen und Interventionsmöglichkeiten sind ihnen ebenfalls bekannt. Relevante

70 | Sprachdiagnostische Kompetenz sprachbiografische Faktoren wie das Alter des Kindes, bei Kindern mit DaZ die Kontaktdauer zum Deutschen und die Erstsprache(n), das Alter, in dem erste Wörter und erste Wortkombinationen gesprochen wurden, und eine mögliche familiäre Disposition für eine Sprachentwicklungsstörung kennen die Sprachförderkräfte. Verknüpfen Sprachförderkräfte ihr Wissen über Sprache und den (Zweit-)Spracherwerb, sind sie dazu in der Lage, die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes unter Berücksichtigung von Alter und Erwerbstyp des Kindes zu beurteilen. Das Wissen über den (Zweit-)Spracherwerb verändert sich durch neue Forschungsergebnisse. Die Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse in der Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten ist notwendig. Ihr Wissen über Erkenntnisse der (Zweit-)Spracherwerbsforschung ist darüber hinaus für die spracherwerbsorientierte Ableitung von Förderzielen und die Planung der Sprachförderung von Bedeutung. Das Wissen über (Zweit-)Spracherwerb ist mit dem fachdidaktischen Wissen in Verbindung zu setzen, wenn es z.B. darum geht Förderziele festzulegen. Diagnostisches Wissen Sprachförderkräfte kennen Materialien und Methoden, mit denen sprachliche Fähigkeiten erfasst werden können. Außerdem sind ihnen Fragen bekannt, anhand derer sprachbiografische Faktoren erfasst werden können. Sie sind mit standardisierten und nicht-standardisierten Verfahren zur Sprachstandserhebung und damit verbunden verschiedenen Methoden der Durchführung und Auswertung vertraut. Sie haben Wissen über Testpsychologie, d.h. die testtheoretischen Gütekriterien; die Bedeutung von Normen sowie die Grenzen von Instrumenten (z.B. Messfehler) sind ihnen bekannt. Sie wissen, anhand welcher Kriterien (Inhalte, Methoden, Gütekriterien) sich Verfahren voneinander unterscheiden lassen. Wissenschaftlich basierte Verfahren fungieren laut Fried (2008) als eine Art „professionelle Brille“ und schärfen die Wahrnehmung der Sprachförderkräfte auf spezifische sprachliche Strukturen. Diese Bedeutung wissenschaftlich basierter Verfahren ist den Sprachförderkräften bewusst. Ziele einer Sprachstandserhebung können die Unterscheidung zwischen Kindern mit und ohne Sprachförderbedarf und/oder die Auswahl von Kindern mit ähnlichen Förderschwerpunkten für eine Sprachfördergruppe und/oder eine entwicklungsorientierte Sprachförderung und/oder die Evaluation der Sprachförderung sein. In diesem Wissensbereich ist das Wissen um die verschiedenen Ziele der Sprachstandserhebungen im Kontext der Sprachförderung enthalten. Außerdem verfügen die Sprachförderkräfte über ein Wissen über Dokumentationsformen. Sie kennen demnach den Aufbau von Berichten und wissen, wie diese adressatenorientiert (z.B. Eltern vs. Kollegen) formuliert werden.

Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften | 71

Dieses Wissens ist mit dem Wissen über Sprache und den (Zweit-) Spracherwerb zu verbinden, damit Sprachförderkräfte Situationen gestalten und Material oder Verfahren auswählen können, um die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes auf den verschiedenen Ebene des sprachlichen Wissenssystems alters- und erwerbsabhängig zu erfassen. Darüber hinaus ist dieses Wissen eine Voraussetzung, um Verfahren zur Sprachstandserhebung kritisch zu sichten und deren Anwendbarkeit für professionsspezifische Zwecke zu reflektieren. Beispielsweise führen die Kenntnisse über den Zweitspracherwerb und die Bedeutung der Normierung die Sprachförderkräfte zu der Erkenntnis, dass Verfahren, die an einsprachigen Kindern normiert wurden, bei Kindern mit DaZ zu verzerrten Ergebnissen führen können. Fachdidaktisches Wissen Dieses Wissen beinhaltet Kenntnisse über die Rahmenbedingungen, Materialien und Methoden der Sprachförderung. Darüber hinaus ist in diesem Bereich das Wissen über die Dokumentation des Sprachstands sowie der Förderplanung verankert. Das Wissen umfasst auch das Wissen über die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Sprachförderung. Dieses Wissen ist zusammen mit dem Wissen über Sprache und (Zweit-)Spracherwerb notwendig, damit die Sprachförderkraft dazu in der Lage ist, die Ergebnisse ihrer Sprachstandserhebung zusammenzufassen und in Förderschwerpunkte zu gliedern. Wissen anderer Disziplinen Berücksichtigt wird in dem Modell außerdem das Wissen anderer Disziplinen. Insbesondere ist das Wissen der Pädagogik zu nennen. So sind beispielsweise Kenntnisse über die kind- und altersgemäße Gestaltung der Sprachstandserhebungssituation notwendig und Kenntnisse über Beratung und Elternarbeit sind erforderlich, um die Ergebnisse der Sprachstandserhebung an diese zu kommunizieren. Interkulturelles Wissen ist erforderlich, damit kultur- und sozialfaire Materialien ausgewählt werden. Organisationswissen benötigen die Sprachförderkräfte, wenn z.B. nur begrenzte Ressourcen für die Sprachförder-ung zur Verfügung stehen und somit Selektionsentscheidungen zu fällen sind. Nachdem in diesem Kapitel die Wissensbereiche, die grundlegend für die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften sind, kurz beschrieben wurden, wird im Folgenden detailliert auf die drei Kompetenzbereiche sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften eingegangen. Im Anschluss daran werden die drei Studien im Rahmen dieser Arbeit in das Prozessmodell eingeordnet.

72 | Sprachdiagnostische Kompetenz 5.3.2 Kompetenzbereiche sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften Das idealtypische Prozessmodell sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften umfasst drei Kompetenzbereiche, auf die hier im Einzelnen eingegangen wird. 1)

Auswahl, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Sprachstandserhebungen Sprachdiagnostische Kompetenz bedeutet u.a., dass Sprachförderkräfte Materialien zur Sprachstandserhebung reflektiert auswählen und anwenden können. Ausgehend von ihrem Wissen über Sprache, (Zweit-)Spracherwerb, Sprachstandserhebung und Sprachförderung sind Sprachförderkräfte dazu in der Lage, Materialien zur Sprachstandserhebung zu bewerten. Sprachförderkräfte sind verantwortlich für die Konzeption der Sprachförderung. Ggf. müssen sie dafür vorab Kinder mit Sprachförderbedarf auswählen. Die Zusammenstellung der Materialien zur Sprachstandserhebung mit dem Ziel der Auswahl und mit dem Ziel der Sprachförderung führen sie unter Berücksichtigung der Anforderungen an Sprachstandserhebungen aus Sprachwissenschaft, (Zweit-)Spracherwerbsforschung und Testtheorie (s. Kap. 3.3) durch. Die bisherigen Analysen von Materialien und Verfahren zur Sprachstandserhebung zeigen, dass die verfügbaren Materialien und Verfahren nicht allen Anforderungen genügen. So gibt es zwar beispielsweise standardisierte Verfahren zur Erhebung der sprachlichen Fähigkeiten in den verschiedenen Ebenen des sprachlichen Wissenssystems, jedoch sind diese – bis auf LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) – nicht für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache normiert. Doch auch LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) erfasst die sprachlichen Fähigkeiten nur in ausgewählten Bereichen des sprachlichen Wissenssystems. Der reflektierte Umgang mit Materialien zur Sprachstandserhebung umfasst somit die reflektierte Sichtung bestehender Materialien und Verfahren durch die Sprachförderkraft, um für ihre Zwecke geeignete Materialien auszuwählen. In Anlehnung an Weinert, Doil und Frevert (2008) sind wissenschaftlich fundierte Verfahren aufgrund der Komplexität der kindlichen Sprachkompetenz für eine exakte Erfassung erforderlich. Sprachliche Strukturen müssen durch spezifizierte Aufgabenstellungen hervorgerufen werden, da sie meist nicht in der Alltagskommunikation beobachtbar sind und auch nicht zwingend mittels Spontansprachanalysen erfasst werden können. Darüber hinaus bezieht sich die reflektierte Anwendung von Materialien zur Sprachstandserhebung auf die Auswertung. In der Auswertung der Sprachstandserhebung sollte die Sprachförderkraft dazu in der Lage sein, die Ergeb-

Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften | 73

nisse vor dem Hintergrund des Alters und der Sprachbiografie der Kinder zu interpretieren. Es ist somit notwendig, dass die Sprachförderkraft sprachbiografisch relevante Faktoren für die Sprachstandserhebung (bei Kindern mit DaZ: Alter, Alter bei Erwerbsbeginn, Kontaktdauer zum Deutschen, Erstsprache(n)) erfragt und diese bei der Auswahl der Materialien zur Sprachstandserhebung sowie der Auswertung berücksichtigt. 2)

Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten und der Sprachentwicklung eines Kindes Sprachförderkräfte können die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder, die an der Sprachförderung teilnehmen, adäquat beurteilen und sind auch dazu in der Lage, die Sprachentwicklung dieser Kinder im Verlauf der Sprachförderung adäquat einzuschätzen. Dieser Kompetenzbereich sprachdiagnostischer Fähigkeiten ist durch das Konstrukt der Diagnose- oder Urteilsgenauigkeit messbar. Aufgrund der Komplexität sprachlicher Fähigkeiten ist davon auszugehen, dass sich die Urteilsgenauigkeit je nach sprachlicher Ebene und Modalität unterscheidet. Eine hohe Urteilsgenauigkeit des produktiven Wortschatzes lässt demnach nicht auf eine hohe Urteilsgenauigkeit der Satzstruktur schließen. Ich nehme an, dass das sprachdiagnostische Wissen und die Qualität der in Kompetenzbereichs 1) verorteten Auswahl, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Sprachstandserhebung die Urteilsgenauigkeit beeinflusst. Es wird davon ausgegangen, dass die Diagnosegenauigkeit für die adaptive Unterrichtsgestaltung und den Unterrichtserfolg eine bedeutende Rolle spielt. „Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Unterrichtsmaßnahmen dann eine optimale Wirkung erzielen, wenn eine hinreichende Passung zwischen den gestellten Anforderungen und den Fähigkeiten und Eigenschaften der Schülerinnen und Schüler vorliegt.“ (Karing 2009: 198) Diese Annahme gilt nicht nur für Unterrichtsmaßnahmen, sondern auch für die Sprachförderung. Voraussetzung für die Adaptivität der Sprachförderung ist, dass die Sprachförderkraft zunächst hinreichend über die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder – die Ausgangslage – informiert ist. Gilt es vor dem Beginn der Sprachförderung aus einer Gruppe von Kindern, diejenigen auszuwählen, die an der Sprachfördermaßnahme teilnehmen sollen, ist die Sprachförderkraft auch in dieser Situation dazu in der Lage, die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder adäquat zu beurteilen. Anstatt der Ableitung des Förderbedarfs und der Formulierung von Förderzielen ergibt sich aus dieser Entscheidung die Konsequenz für einige Kinder, dass sie nicht an der Sprachförderung teilnehmen werden. Es erfolgt eine Selektionsentscheidung.

74 | Sprachdiagnostische Kompetenz 3) Ableitung des Förderbedarfs und Formulierung von Förderzielen Aus sprachdidaktischer Perspektive ist es von großer Bedeutung, dass die Ergebnisse der Sprachstandserhebung in ein adaptives, d.h. entwicklungsorientiertes, sprachliches Handeln in der Sprachförderung münden. Um dies zu realisieren, muss die Sprachförderkraft in der Lage sein die Ergebnisse der Sprachstandserhebungen auf der Basis ihres Wissens über den (Zweit-)Spracherwerb zu interpretieren. Sie kann den Förderbedarf aus den Ergebnissen der Sprachstandserhebungen ableiten und diesen Förderbedarf nach sprachlichen Bereichen strukturieren, um entwicklungsorientiert Förderziele zu formulieren. Wildemann (2010) betont die Bedeutung der kriterienbezogenen Auswertung und Dokumentation, um nach einer Erhebung des Ausgangspunktes Konsequenzen für den Unterricht abzuleiten. Dieser Prozess wird in der Sonderpädagogik als Phase des Formulierens eines Förderplans bezeichnet (u.a. von Knebel & Schuck 2007). Hierzu zählt die Erarbeitung kurz-, mittel- und langfristig zu erreichender und erreichbarer Ziele der Förderung (von Knebel & Schuck 2007). In der Dokumentation der Sprachförderkraft sollte neben der Beschreibung der sprachlichen Fähigkeiten die Interpretation in Form des Förderbedarfs sowie eine Prioritätensetzung in Form von Förderzielen enthalten sein. Daran schließt sich die Sprachförderkompetenz (s. Kap. 4) an, die u.a. definiert, dass sich das sprachliche Handeln der Sprachförderkraft in der Sprachförderung an den vorab formulierten Förderzielen orientiert und dass die Sprachförderkraft auf Veränderung in den sprachlichen Fähigkeiten eingeht. Kunter und Klusmann (2010) stellen fest, dass der empirische Kenntnisstand über Kompetenzen von Lehrkräften generell gering ist, nicht zuletzt weil die empirische Untersuchung von Kompetenzen methodische Herausforderungen birgt. Vor dieser methodischen Herausforderung steht man auch bei der Untersuchung sprachdiagnostischer Kompetenz und im Besonderen, wenn man über das etablierte Konstrukt der Urteilsgenauigkeit hinausgehende Konstrukte empirisch erfassen möchte. Ziel dieser Arbeit ist es, das methodische Repertoire zu erweitern und das Konstrukt der Urteilsgenauigkeit im Kontext der Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache anzuwenden. Im folgenden Kapitel werden die empirischen Zugänge zu den drei Kompetenzbereichen sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften skizziert und es erfolgt eine Verortung der Studien, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführt wurden, im Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften.

Das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften | 75

5.3.3 Einordnung der empirischen Studien in das Modell „Sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften“ Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Aspekte der drei Kompetenzbereiche sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften in drei Studien untersucht. Nicht untersucht wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit das zugrunde liegende Wissen24. Das idealtypische Prozessmodell sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften liegt den empirischen Studien zugrunde. Welche empirischen Zugänge sind zur Untersuchung sprachdiagnostischer Fähigkeiten möglich? Das praktische Wissen bzw. Können (knowledge in action) ist u.a. an Fälle, Episoden und Skripts gebunden (Baumert & Kunter 2011). Obwohl dieses praktische Wissen oft implizit ist, ist es im praktischen Diskurs, wie z.B. die Transkriptausschnitte von Hiebert, Gallimore und Stigler (2002) zeigen, für Lehrkräfte möglich, dieses zu verbalisieren. Neben direkten Zugängen zu den Praktiken der Sprachförderkräfte in Form von Beobachtungen und Dokumentenanalysen, sind demnach auch weniger direkte Zugänge durch Interviews und Fragebögen möglich. Diese fordern die Sprachförderkräfte zu Generalisierungen über Fälle und Episoden hinweg auf. 1)

Auswahl, Vorbereitung und Durchführung von Sprachstandserhebungen Innerhalb dieses Kompetenzbereichs wird untersucht, welche Materialien die Sprachförderkräfte verwenden, um die sprachlichen Fähigkeiten zu erfassen. Der Begriff Materialien ist im Rahmen einer empirischen Untersuchung aufgrund dessen zu konkretisieren. Es wird untersucht: -

welche sprachlichen Inhalte erfasst werden, ob veröffentlichte oder selbsterstellte Materialien verwendet werden, welche Methoden der Sprachstandserhebung verwendet werden, ob sprachbiografische Faktoren erhoben werden.

Um über beobachtbare Einzelfälle hinaus zu erfassen, welche Materialien Sprachförderkräfte in den Sprachstandserhebungen verwenden, werden die Sprachförderkräfte mittels Fragebogen und Interview befragt. Sowohl mittels des Fragebogens als auch mittels des Interviews werden die Sprachförderkräfte dazu aufgefordert, ihr Vorgehen in den Sprachstandserhebungen über Fälle

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24 Hierzu ist ein Wissenstest, wie er z.B. derzeit im Projekt SprachKoPF (Thoma & Tracy 2012) entwickelt wird, erforderlich. Der Wissenstest lag zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht vor.

76 | Sprachdiagnostische Kompetenz hinweg zu rekonstruieren. Im Interview können Einzelfälle zur Repräsentation und Reflexion hinzugezogen werden. Das Vorgehen kann jedoch auch über alle Fälle hinweg rekonstruiert und reflektiert werden. Im Fragebogen ist es notwendig, das Vorgehen in der Sprachstandserhebung in Bezug zu den vorgegebenen Kategorien zu setzen und dadurch stark zu vereinfachen und zu generalisieren. Die Antworten werden deskriptiv ausgewertet. Unklar ist bisher, inwieweit die von den Sprachförderkräften ausgewählten Materialien den Anforderungen an Sprachstandserhebung seitens Sprachwissenschaft, (Zweit-) Spracherwerbsforschung und Testtheorie entsprechen. Die Ergebnisse werden aufgrund dessen mit den Anforderungen an Sprachstandserhebungen (Kap. 3.3) verglichen. Um zu untersuchen, wie die Materialien angewendet werden, ist die Beobachtung der Sprachförderkräfte während der Sprachstandserhebung notwendig. Dies erfolgt jedoch nicht im Rahmen der vorliegenden Arbeit (hierzu Kelle 2011). Der Forschungsstand hierzu wird in Kapitel 6.1 vorgestellt und diskutiert. In Bezug auf den Kompetenzbereich 1 des Modells sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften werden in Studie A (s. Kapitel 7) zwei übergeordnete Fragestellungen untersucht: A1: Wie gestalten die Sprachförderkräfte die Sprachstandserhebung? A2: Entspricht die Sprachstandserhebung den Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher, (zweit-)spracherwerbstheoretischer und testtheoretischer Perspektive? 2)

Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten und der Sprachentwicklung eines Kindes Bisher existiert ein etabliertes Konstrukt zur Überprüfung diagnostischer Kompetenz in Form der Diagnose- bzw. Urteilsgenauigkeit (Kap. 5.4). Im Rahmen dieser Arbeit wird dieses Konstrukt auf Sprachförderkräfte von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache übertragen. Um zu erfassen, ob die Sprachförderkräfte dazu in der Lage sind, nicht nur die sprachlichen Fähigkeiten, sondern auch die Sprachentwicklung eines Kindes zu erfassen, ist eine erneute Erhebung der Urteilsgenauigkeit notwendig. Die Urteilsgenauigkeit wurde deshalb zu Beginn und am Ende der Sprachförderung erhoben. Darüber hinaus wird untersucht, ob die von den Sprachförderkräften formulierten Förderschwerpunkte, mit dem durch eine standardisierte Sprachstandserhebung ermittelten Sprachförderbedarf übereinstimmen. In dieser Teilstudie wird von den Sprachförderkräften gefordert Förderschwerpunkte zu nennen, unabhängig davon, ob sie dies in ihrem eigenen Vorgehen in der Sprachförderung praktizieren (s. hierzu Kompetenzbereich 3).

Sprachdiagnostische Kompetenz in der Lehrerausbildung | 77

Die Fragestellung zu diesem Kompetenzbereich wird in Studie C1-3 (s. Kap. 9) untersucht: Wie genau können die untersuchten Sprachförder-kräfte den Sprachstand ihrer Schüler im Vergleich zu standardisierten Sprachstandserhebungsverfahren einschätzen? 3) Ableitung des Förderbedarfs und Formulierung von Förderzielen Um diesen Kompetenzbereich zu untersuchen, sind ebenso wie bei Kompetenzbereich 1 verschiedene empirische Zugänge möglich. Es ist eine Befragung der Sprachförderkräfte möglich, um zu erfragen, ob und wenn ja, wie sie den Förderbedarf aus den Sprachstandserhebungen ableiten und Förderziele formulieren. Außerdem ist eine Analyse von Dokumenten der Sprachförderkräfte möglich, um zu untersuchen, ob und wenn ja, wie die Sprachförderkräfte den Förderbedarf und die Förderziele formulieren. Im Rahmen dieser Arbeit werden in Studie B die Sprachförderkräfte in der Interviewstudie dazu angeregt zu rekonstruieren, wie sie Sprachstandserhebung und Sprachförderung verbinden (s. Kap. 8). Die Analyse der Dokumentation der sprachlichen Fähigkeiten erfolgt im Rahmen einer Einzelfallstudie (Studie C4, s. Kap. 9.4.4). Der innerhalb der Sprachförderung stattfindende kontinuierliche Prozess der Beurteilung und Adaptation der Sprachförderung an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder wird im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht. In einem Forschungsprojekt untersucht van Ophuysen (o.J.) wie Lehrkräfte in ihrem Unterrichtsalltag Schülerinformationen wahrnehmen und dokumentieren.

5.4 Sprachdiagnostische Kompetenz in der Lehrerausbildung In der Sprachförderung sind neben Erziehern insbesondere Lehrkräfte tätig. Da in den hessischen Vorlaufkursen, die das Untersuchungsfeld der empirischen Studien der vorliegenden Arbeit darstellen, Grundschullehrkräfte für die Sprachförderung zuständig sind, wird in diesem Kapitel exemplarisch die Verankerung sprachdiagnostischer Kompetenz in der Lehrerausbildung analysiert (für die Erzieherausbildung s. Kap. 4.1). Aus allen Studien zur diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften ziehen die Autoren die Schlussfolgerung, diese Kompetenz in jeder Phase der Lehrerbildung intensiver zu fördern. Außerdem soll die Verzahnung von diagnostischer und didaktischer Kompetenz bereits in der Lehrerbildung verankert sein (Mörtl-Hafizivić 2004). Im Folgenden wird zunächst das Desiderat in der Lehrerausbildung in Bezug auf die sprachdiagnostische Kompetenz erläutert und diskutiert, welche Konsequenzen das für die Zuständigkeit von Lehrkräften für

78 | Sprachdiagnostische Kompetenz die Sprachstandserhebung hat. An ausgewählten Beispielen wird anschließend beschrieben, wie die (sprach-)diagnostische Kompetenz bis dato in die Lehrerausbildung eingebunden ist.

5.4.1 Sprachdiagnostische Kompetenz – Ein Desiderat in der Lehrerausbildung Die sprachdiagnostische Kompetenz stellt ein Desiderat in der Lehrerausbildung dar. Knapp kritisierte bereits Ende der 90er Jahre, dass „die meisten Lehrer-innen und Lehrer in der Diagnose – insbesondere von mündlichen Äußerungen – unerfahren sind; sie wurden diesbezüglich nicht ausgebildet“ (Knapp 1999: 31). Ebenso stellen Fried (2004) und Jeuk (2009) in Frage, ob die Ausbildung im Bereich Sprachdiagnostik ausreichend ist. Jeuk geht dementsprechend davon aus, dass Lehrkräfte nicht dafür ausgebildet sind, die Sprachentwicklung und ggf. Schwierigkeiten im Spracherwerb zu diagnostizieren, da der gesamte Bereich „individuelle Diagnose und Förderung“ (Jeuk 2009: 62) nur in der Sonderpädagogik in das Ausbildungscurriculum integriert ist. Gogolin et al. (2005) kritisieren außerdem die mangelnde Abstimmung zwischen den Sprachstandserhebungsverfahren und den Kompetenzen der Lehrkräfte: „Die bisher vorliegenden Verfahren sind mit den Bedürfnissen aus der Praxis, insbesondere mit den Qualifikationsvoraussetzungen des pädagogischen Personals für die sachgerechte Anwendung der Instrumente, noch kaum abgestimmt.“ (Gogolin, Neumann & Roth 2005: 15).

Empirische Evidenz für das Ausbildungsdesiderat liefert eine Befragung zu Kenntnissen über sprachdiagnostische Verfahren an 170 Germanistikstudierenden der Universität Vechta (Wildemann 2010). Nur 33 % der befragten Masterstudierenden hatte im Rahmen des Deutschstudiums ein sprachdiagnostisches Verfahren erprobt und nur ca. ein Drittel der Bachelorstudierenden hatte sich zum Zeitpunkt der Befragung überhaupt im Deutschstudium mit Sprachdiagnostik auseinandergesetzt (Wildemann 2010). Obwohl die Verbindung zwischen fehlendem Angebot in der Ausbildung und mangelnder sprachdiagnostischer Kompetenz nahe liegt, fehlt für diese Hypothese bisher die empirische Evidenz. Eine Untersuchung der sprachdiagnostischen Kompetenz unter Berücksichtigung des Faktors Aus- und Fortbildung ist notwendig. Antoniazzi, Snow und Dickson-Swift (2010) zeigen, dass außerdem eine Untersuchung der sprachdiagnostischen Kompetenz notwendig ist, in der auch das Wissen der Lehrkräfte in den Bereichen Sprache, Spracherwerb und Mehrsprachigkeit erfasst wird.

Sprachdiagnostische Kompetenz in der Lehrerausbildung | 79

Ansatzpunkte zur Optimierung der Aus- und Weiterbildung im Bereich der sprachdiagnostischer Tätigkeiten formulieren bereits in den 1980er Jahren u.a. Boos-Nünning & Gogolin (1988) und erneut u.a. Lüdtke und Kallmeyer (2007a). Es wird eine fachlich fundierte Qualifizierung der Durchführenden von Sprachstandserhebungen gefordert und vorgeschlagen, Ausbildungsstandards in den Bereichen Sprachentwicklung und Sprachstörungen zu etablieren (Lüdtke & Kallmeyer 2007a). Die beiden Autorinnen stellen in ihrem Beitrag jedoch außerdem in Frage, ob eine Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften (z.B. Erziehern) tatsächlich eine Optimierung darstellt und ob die Sprachstandserhebung nicht vielmehr zu den Aufgaben „sprachspezifischer Wissenschaften, wie der Sprachheilpädagogik oder der Klinischen Linguistik, zählt“ (Lüdtke & Kallmeyer 2007a: 255). Diese Spezialisten sind für den Bereich der Differenzialdiagnostik von Sprachentwicklungsstörungen sowie der Sprachdiagnostik als Ausgangspunkt einer sprachtherapeutischen Intervention zwingend erforderlich (de Langen-Müller et al. 2012). Die Sprachdiagnostik als Ansatzpunkt für die Sprachförderung in Kindertagesstätten und Schulen, z.B. von Kindern mit DaZ, die keine Sprachentwicklungsstörung haben, sind jedoch Aufgabe der jeweiligen pädagogischen Fachkräfte (Lehrer bzw. Erzieher) (Althaus et al. 2002; Fthenakis, Berwanger & Reichert-Garschhammer 2007: 67). Darüber hinaus problematisiert Williams (2006) am Beispiel des australischen Systems des „specialist services“, dass Lehrkräfte dazu in der Lage sein müssen, auffällige Kinder zu entdecken, um dann einen Spezialisten – den Sprachtherapeuten – hinzuzuziehen. Auch wenn eine Überweisung zum Sprachtherapeuten in Deutschland nur durch den Arzt für Kinder- und Jugendmedizin möglich ist, stehen pädagogische Fachkräfte dennoch vor der Herausforderung, dass sie ebenfalls Auffälligkeiten bei den Kindern erkennen und Eltern in Gesprächen darüber informieren sollen (u.a. Fthenakis, Berwanger & ReichertGarschhammer 2007: 109). Ebenso wie in Australien erfolgt auch in Deutschland die Sprachdiagnostik durch einen Spezialisten nicht für alle Kinder, sondern kann nur bei dem Verdacht von Sprachauffälligkeiten veranlasst werden. Pädagogische Fachkräfte sind demnach verantwortlich für die Sprachdiagnostik im Zusammenhang mit der Sprachförderung und der Entwicklungsdokumentation. Hopp, Thoma und Tracy (2010) beziehen das sprachwissenschaftliche Sprachförderkompetenzmodell auf pädagogische Fachkräfte und betonen damit, dass diese für die Sprachdiagnostik und Sprachförderung verantwortlich sind (s. vorangehendes Kapitel). Die Autoren formulieren Kompetenzkriterien in Bezug auf das Fachwissen, das anwendungsbezogene und das allgemein pädagogische Wissen. Fried (2004) geht, konträr zu Lüdtke und Kallmeyer (2007a),

80 | Sprachdiagnostische Kompetenz ebenso wie Hopp, Thoma und Tracy (2010) davon aus, dass die Weiterqualifikation in jedem Fall bei den pädagogischen Fachkräften ansetzen sollte. „Die Konstruktion weiterer Spracherfassungsverfahren wird aber nur dann wirklich weiterhelfen, wenn parallel den Erzieherinnen, Erziehern, Erstklasslehrerinnen und -lehrern geholfen wird, ihre sprachdiagnostische Kompetenz zu verbessern. Das beinhaltet z.B. ihre Bewusstheit für unterschiedliche Funktionen und daraus resultierende unterschiedliche Anforderungen von Spracherfassungsverfahren zu schärfen.“ (Fried 2004: 29)

Die Notwendigkeit der Sprachdiagnostik im Vor- und Schulalter führt demnach zu einer Veränderung der Anforderungen an pädagogische Fachkräfte (z.B. Erzieher und Grundschullehrer). Wie die Aus- und Fortbildung pädagogischer Fachkräfte zu gestalten ist, um ihre sprachdiagnostische Kompetenz zu verbessern, gilt es zu erproben und in Evaluationsstudien zu untersuchen. Die Entwicklung von Sprachstandserhebungsverfahren, die den in Kapitel 3.2 erläuterten Anforderungen genügen, reicht laut Fried nicht aus. Sie sieht eine größere Bedeutung in den sprachdiagnostischen Kompetenzen der Sprachförderkräfte im Vergleich zur Eignung des Sprachstandserhebungsverfahrens. „Die entscheidende Frage lautet deshalb nicht: Welches sind – grundsätzlich – die besten, angemessenen Verfahren; sondern sie lautet: Welches sind die entscheidenden sprachdiagnostischen Kompetenzen, über die Praktikerinnen und Praktiker verfügen müssen, um Entwicklungsprozesse bei Kindern fruchtbringend erfassen zu können.“ (Fried 2004: 30)

Diese Schlussfolgerung verdeutlicht die Bedeutung der Sprachförderkräfte und deren Kompetenzen für die Sprachdiagnostik. Während in den 1980er Jahren „die Lehrerbildung, insbesondere die Fortbildung, an die Stelle der weiteren Ausarbeitung von Instrumenten“ (Reich 2006: 914) trat, gilt es heute, die Entwicklung von Instrumenten und die Lehrerbildung gleichermaßen zu nutzen, um den Anforderungen an Sprachstandserhebungen gerecht zu werden. Beispiele hierfür sind Fortbildungen zu den Sprachstandserhebungsverfahren HAVAS 5 (Reich & Roth 2004) und LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011), in denen der sprachwissenschaftliche Hintergrund zu dem jeweiligen Verfahren erläutert, das Verfahren erprobt und die Ansatzpunkte für die Sprachförderung erarbeitet werden.

Sprachdiagnostische Kompetenz in der Lehrerausbildung | 81

5.4.2 Beispiele der Verankerung sprachdiagnostischer Kompetenz in die Lehrerausbildung Die systematische Entwicklung der diagnostischen Expertise von Lehrkräften sollte laut Wildemann (2010) mit dem Studium beginnen. Sie kritisiert den geringen Fortschritt, um diese Ausbildungslücke zu schließen. Wie ist die Qualifizierung zukünftiger Lehrkräfte in Bezug auf die Entwicklung der sprachdiagnostischen Kompetenz bislang verankert? In Bezug auf die diagnostische Kompetenz im Allgemeinen sind je nach Schultyp unterschiedlich viele Veranstaltungen in der Psychologie in die erste Phase der Lehrerausbildung integriert. Diese Veranstaltungen decken jedoch ein breites Spektrum an Grundlagen ab, so dass nicht zwingend die sprachdiagnostische Kompetenz im Vordergrund stehen muss/kann. Ein spezifischeres Angebot finden Studierende z.B. an der Goethe-Universität Frankfurt am Main in den sprachdidaktischen Veranstaltungen zu Sprachstandserhebungen. Diese sind jedoch nicht verpflichtend, sondern innerhalb eines Moduls aus einem Angebot von verschiedenen Veranstaltungen frei wählbar. In der zweiten Phase der Lehrerbildung (Referendariat) hat die diagnostische Kompetenz inzwischen eine große Bedeutung. In den Rahmenvorgaben für den Vorbereitungsdienst des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen wird dieser Aspekt z.B. wie folgt definiert: „Diagnostizieren und Fördern Lernnotwendigkeiten diagnostizieren und Schülerinnen und Schüler entsprechend fördern Den jeweiligen Lernstand und Lernfortschritte sowie individuelle Lernprobleme und Leistungsmängel von Schülerinnen und Schülern erkennen und daraus Konsequenzen für die individuelle Förderung ziehen, diagnostische Kompetenzen für die Beurteilung von Leistungen und individuelle Fördermaßnahmen einsetzen, passive und aktive Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler diagnostizieren und Konsequenzen für die Förderung ziehen, Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Lernen oder mit herausragenden Leistungen und Begabungen fördern.“ (NRW 2004)

Ebenfalls eine Initiative zur Erweiterung der diagnostischen Kompetenz ist das Projekt „Unterricht-Diagnose-Kompetenz“ (UDiKom) (Telekom-Stiftung o.J.), das von der Telekom-Stiftung finanziert wird. Das Modellprojekt setzt an Standorten in NRW in jeder der drei Phasen der Lehrerbildung (Ausbildung Universität, Ausbildung Studienseminar, Fortbildung) an. Eine detaillierte Auseinandersetzung, welche sprachdiagnostische Kompetenz in die Lehrerausbildung allgemein und welche in die fachdidaktische Aus-

82 | bildung von Deutschlehrern etabliert werden soll, ist notwendig. Das Modell von Hopp, Thoma & Tracy (2010) und Kompetenzdimensionen sprachdiagnostischer Expertise von Wildemann (2010) sowie das Modell sprachdiagnostischer Kompetenz, das im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelt wurde, können dazu dienen, Ausbildungsinhalte zu konzipieren und bestehende Curricula zu analysieren.

5.5 Zwischenfazit Sprachdiagnostische Kompetenz ist eine erlernbare kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die aus theoretisch-formalem Wissen und praktischem Wissen in Form von sprachdiagnostischen Fähigkeiten besteht. Sprachdiagnostische Kompetenz bezieht sich funktional auf Situationen und Anforderungen, die in einem Prozessmodell im Rahmen dieser Arbeit definiert werden. Hierzu zählen die Auswahl, Vorbereitung und Durchführung der Sprachstandserhebung (Kompetenzbereich 1 des Prozessmodells), die Beurteilung der individuellen sprachlichen Fähigkeiten und der Sprachentwicklung der Kinder (Kompetenzbereich 2) und die Ableitung des individuellen Förderbedarfs und der Förderziele (Kompetenzbereich 3). Sprachförderkräfte benötigen sprachdiagnostische Kompetenz, um die Sprachförderung adaptiv an die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder anzupassen. Die Definition geht weit über die Gleichsetzung von diagnostischer Kompetenz und Urteilsgenauigkeit, wie sie in der pädagogisch-psychologischen Literatur teils vorgenommen wurde, hinaus. Die Eingrenzung auf die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften soll verdeutlichen, dass für den jungen Bereich der Sprachförderung eine spezifische professionelle Kompetenz erforderlich ist. Ergänzend zur Sprachförderkompetenz (Hopp et al. 2010) wird hier die sprachdiagnostische Kompetenz eingeführt. Beide sind bisher in der Lehrer- und Erzieherausbildung jedoch kaum verankert.

6 Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz Die bisherige Forschung zu Sprachförderkräften widmete sich deren Wissen, deren Selbsteinschätzung und deren beobachtbarem Handeln in der Sprachförderung (s. Kap. 4.3). Ein Forschungsdesiderat besteht in Bezug auf die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften. Zwei Studien schlossen in ihre Erhebung der Selbsteinschätzung von Sprachförderkräften auch den Bereich der Sprachstandserhebung ein. So zeigt Neugebauer (2010), dass 34 % der befragten Sprachförderkräfte (N=155) die Aussage „Ich kann die Verfahren zur Sprachstandserhebung auf den individuellen Einzelfall bezogen anwenden.“ (Neugebauer 2010: 44) mit „trifft (voll) zu“ beantworten. Die Erhebung mittels Fragebögen erfolgte im Zusammenhang mit dem Projekt „Sag‘ mal was“ in Baden-Württemberg. (Weitere Ergebnisse dieser Studie werden in Kap. 4.3.1 zu Sprachförderkompetenz vorgestellt.) Fried befragte 791 Erzieher mittels Fragebögen. Die Ergebnisse zeigen, dass fast 75 % der Befragten „Sprachdiagnostik als genuinen Bestandteil von Sprachförderung“ (Fried 2007: 27) ansehen. Selbsteinschätzungen liefern keine Informationen über die tatsächliche sprachdiagnostische Kompetenz. Im Rahmen dieser Arbeit werden aufgrund dessen andere methodische Zugänge gewählt. Zum einen werden Sprachförderkräfte gebeten, ihr Vorgehen in den Sprachstandserhebungen zu rekonstruieren, und zum anderen wird untersucht, ob sie in der Lage dazu sind, die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern in ihrer Sprachfördergruppe adäquat einzuschätzen. Bisher liegen zum Vorgehen in Sprachstandserhebungen ausschließlich Fallstudien vor. Weitaus umfangreicher ist der Forschungsstand in Bezug auf die Urteilsgenauigkeit. Um diagnostische Kompetenz zu untersuchen, existiert bisher ein insbesondere in der Pädagogischen Psychologie etabliertes, empirisches Konstrukt, das der Urteilsgenauigkeit. Mittels dieses Konstrukts wird die Genauigkeit des Urteils einer Lehrkraft im Vergleich zum Ergebnis eines Testinstruments untersucht. Im empirischen Teil dieser Arbeit wird dieses Konstrukt meines Wissens erstmals auf die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache übertragen. In Kapitel 6.1 werden Studien zu den Praktiken von Kinderärzten und Arzthelferinnen in der Sprachstandserhebung vorgestellt und diskutiert. In Kapitel 6.2 wird das Konstrukt der Urteilsgenauigkeit beschrieben und daran anschließend werden

84 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz in Kapitel 6.3 ausgewählte Studien zur Urteilsgenauigkeit in Bezug auf sprachliche Fähigkeiten zusammengefasst und diskutiert.

6.1 Vorgehen in den Sprachstandserhebungen In einer Fallstudie untersuchte Voet Cornelli (2008) in Form von Interviews u.a. die Sprachstandserhebungen, die Grundschullehrkräfte und Sprachförderkräfte durchführen. Ausgehend von dieser Fallstudie wurde die Befragung zum Vorgehen von Sprachförderkräften in den Sprachstandserhebungen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfolgt, konzipiert. Die Studie von Voet Cornelli (2008) wurde bereits im Zusammenhang mit dem Stand der Forschung zu den hessischen Vorlaufkursen in Kapitel 2.4.3 ausführlich vorgestellt. In Kapitel 3.3 wurden Anforderungen an Sprachstandserhebungen dargestellt, die teilweise auf Dokumentenanalysen bereits bestehender Verfahren beruhen (z.B. Lüdtke & Kallmeyer 2007; Weinert, Doil & Frevert 2008). Diese Dokumentenanalysen liefern keine Informationen, wie die Verfahren in der Praxis der Sprachstandserhebung verwendet werden. Die Erforschung der Praktiken der Sprachstandserhebung fokussiert das Vorgehen der Akteure. Bisher liegen Studien zu den Praktiken von Kinderärzten und Arzthelferinnen in der Sprachstandserhebung (u.a. Kelle 2006, 2010) vor. Im Folgenden werden die Arbeiten von Kelle, die sich mit den Praktiken der Sprachstandserhebung aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive (Kelle 2006) beschäftigen, anhand exemplarischer Studien darstellt. Im Rahmen des Projektes „Kinderkörper in der Praxis. Eine Ethnographie der Prozessierung von Entwicklungsnormen in kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (U3 bis U9) und Schuleingangsuntersuchungen“ untersuchte Kelle mit ihren Mitarbeiterinnen u.a. die Praktiken der Sprachstandserhebung innerhalb der Vorsorge- und Schuleingangsuntersuchungen aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive. Ziel der Forscherinnen ist es, die bisherige Lücke einer „wissenssoziologisch fundierte[n] Analyse frühdiagnostischer Prozesse bei Kindern, in die pädagogische Professionen und Eltern im pädagogischen Bezug auf ihre Kinder in vielfältigen Weisen involviert sind“ (Kelle 2006: 273) zu schließen. Das „Testen“ stellt für Kelle eine „kulturelle und soziale Praxis“ (Kelle 2006: 272) dar. Sie verwendete eine Methodenkombination aus teilnehmender Beobachtung und Dokumentenanalyse, wobei jede Form des Datenmaterials zunächst immanent analysiert wird (Kelle 2006: 277). In einer Fallstudie analysierte Kelle (2006) die Konstruktion und die Verwendung eines Verfahrens zur Überprüfung der Aussprache im Rahmen einer kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchung eines fünfjährigen Kindes (U9).

Vorgehen in den Sprachstandserhebungen | 85

Obwohl im Befundschema des Kinderuntersuchungsheftes (GBA 2005) sowohl für die U9 als auch die vorangehenden Vorsorgen (U6 - U8) ausschließlich eine Befragung der Eltern vorgesehen ist, stellt Kelle (2010) fest, dass die Kinderärzte die Beobachtung durch weitere Hilfsmittel und Instrumente unterstützen. Der von Kelle als „Sprachtest“ (Kelle 2006: 274) bezeichnete „Erfassungsbogen zur Sprechtafel“ (Kelle 2006: 278) besteht aus Bildern, die für Begriffe stehen, die eine bestimmte Lautkombination enthalten, deren Aussprache erfasst werden soll. Kelle stellt fest, dass der Titel den Eindruck erweckt, dass Bogen und Sprechtafel ursprünglich nicht identisch waren. In dem Beispiel fungiert jedoch der Bogen auch als Tafel (Kelle 2006). Das Verfahren wird den Kinderärzten von einem Pharmaunternehmen zur Verfügung gestellt (Kelle 2006). Mittels einer Dokumentenanalyse beschreibt Kelle den Aufbau des gesamten Dokuments und der Items. Die Items setzen sich aus einem Bild in Form einer Zeichnung, dem Zielitem als geschriebenem Wort, der zu überprüfenden Buchstabenkombination (z.B. „pf“ bei dem Zielitem „Apfel“) zusammen (s. nachgezeichnet in Abb. 6). Außerdem enthält jedes Item den Buchstaben „V“ für „Verständnis“ und „A“ für „Aussprache“ (Kelle 2006: 279).

Abb. 6: Exemplarische Items aus dem „Erfassungsbogen zur Sprechtafel“ (Kottmann o.J.) nachgezeichnet aus Kelle (2006: 278)

Kelle reflektiert u.a., dass die beiden Kategorien „Verständnis“ und „Aussprache“ ein Hinweis darauf sind, dass offenbar zwei verschiedene Kompetenzen überprüft werden sollen (Kelle 2006). Im Anschluss an eine Reflexion der Darstellungen der Begriffe hinterfragt Kelle, welche alternativen Darstellungsformen (z.B. die Verwendung von Objekten) denkbar wären und diskutiert Vorund Nachteile der Präsentationsformen. Außerdem weist Kelle darauf hin, „dass die Durchführung des Tests nur ein geringes Maß an professioneller Kompetenz voraussetzt. D.h. in der Konsequenz aber auch, dass seine Ergebnisse professionelle Interessen an einer differenzierten Sprach- und Sprechstörungsdiagnose nicht befriedigen können“ (Kelle 2006: 280). Die kostengünstige Anschaffung

86 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz setzt Kelle (2006) in Verbindung mit dem gesundheitspolitischen Modell, das laut Kelle eine gestufte Anwendung diagnostischer Verfahren vorsieht. In einem zweiten Schritt analysiert Kelle die Verwendung des Verfahrens anhand der Beobachtung einer Testsituation, in der die Sprechstundenhilfe den oben beschriebenen Aussprachebogen mit einem fünfjährigen Mädchen durchführt. Indem die Beobachterin die Perspektive des Kindes und des Instruments hervorhebt, eröffnet laut Kelle „die Beschreibung einen Zugang zu spezifisch pädagogisierten, um nicht zu sagen ‚pseudo-pädagogischen‘ Interaktionsstrukturen und -dynamiken in der Vollzugslogik der Testpraxis“ (Kelle 2006: 286). Durch das Feedback der Sprechstundenhilfe in Form von Äußerungen wie „richtig“ und Korrekturen, z.B. als das Kind eine „Gans“ als „Ente“ bezeichnet, wird laut Kelle (2006) die Situation als Prüfung bestätigt, ohne dass dieser Prüfungsrahmen explizit eingeführt wurde. „Sie vertraut darauf, dass die Situation aus sich selbst heraus für das Kind verstehbar sein wird“ (Kelle 2006: 282). Im Verlauf der Sprachstandserhebung führt diese intransparente Situation dazu, dass das Kind annimmt, es müsse Gegenstände auf Bildern erkennen. Die Mutter, die Sprechstundenhilfe und die Beobachterin wissen jedoch, dass es um die Aussprache geht und deshalb ganz spezifische Zielwörter genannt werden müssen. Beispielsweise sieht die „Prinzessin“ zwar aus wie eine „Königin“ (erste Reaktion des Kindes), dennoch korrigiert die Sprechstundenhilfe das Mädchen und bittet, das Zielwort „Prinzessin“ nachzusprechen, ohne zu erläutern, worin die Logik des Tests liegt. Die These von Kelle ist, dass der Sprechstundenhilfe Strukturmerkmale des Abfrageprozesses, die dem Kind als pädagogische Routinen geläufig seien, helfen, indem sie die Testsituation als pädagogische Situation tarnt. Außerdem analysiert Kelle (2006) den Mangel an Antworten auf durchführungsrelevante Fragen, z.B. in Bezug auf die Prüfung des Verständnisses und der Aussprache und deren Gewichtung, obwohl der Test vermeintlich selbsterklärend ist. Der Aspekt der mangelnden Transparenz ist auch für Situationen in Kindertagesstätten und Schulen relevant. Dieses Fallbeispiel verdeutlicht, dass ein vermeintlich strukturiertes Verfahren in seiner konkreten Durchführung viele Fragen offen lässt und die durchführende Person hier situativ entscheidet, ob z.B. das Item bei einer falschen Benennung korrigiert wird oder das Kind zum Nachsprechen des korrekten Begriffes aufgefordert wird, um die Aussprache überprüfen zu können. In einer weiteren Publikation fasst Kelle (2010) ihre Erkenntnisse zu allen im Rahmen des Projekts durchgeführten Beobachtungen mit einem Fokus auf die Überprüfung von Sprachkompetenzen zusammen. In den kinderärztlichen Vorsorgen setzen 17 von 19 Kinderärzten neben einem Gespräch mit den Eltern und dem Kind weitere sprachdiagnostische Mittel, wie Bildimpulse oder Nachsprechaufgaben, ein (Kelle 2010). Zehn Kinderärzte setzen die Denver-

Vorgehen in den Sprachstandserhebungen | 87

Entwicklungsskalen (DES) (dt. Version Flehmig et al. 1973) ein. Die Untersuchungen von Kelle (2010) zeigen, wie variantenreich dieses teilstandardisierte Entwicklungsscreening verwendet wird. Modifikationen eines diagnostischen Verfahrens bilden sich, so Kelle, „in spezifischen Routinen der einzelnen Kinderarztpraxen praktisch heraus […]“ (Kelle 2010: 217). Die Abwandlung eines spezifischen Verfahrens bezeichnet eine Schulärztin in einer Studie über die Praktiken in den Schuleingangsuntersuchungen (SEU) von Kelle als „eigene Standardisierung“ (Kelle 2010: 241). Sie ergänzt das für die SEU vorgeschriebene Screening des Entwicklungsstandes (S-ENS) (Döpfner et al. 2005) durch die Erfassung spontaner Sprachäußerungen anhand eines Bilderbuches (Kelle 2010: 241). Die „Bedeutung eigener Standardisierungen der praktischen Durchführungen der SEUen […] [und] die Fokussierung auf die individualdiagnostische Aufgabe als Schulärztin“ (Kelle 2010: 242) beschreibt die Schulärztin mit Verweis auf ihre Praktik, unterschiedliche Arbeitsprozesse immer nach verschiedenen Kriterien zu analysieren. Demnach ist das Malen eines Bildes im Rahmen der SEU zunächst eine Handlungsanweisung, die es sprachlich zu verstehen gilt. Außerdem ist das Malen eines Bildes jedoch eine motorische Handlung, und das Ergebnis kann unter verschiedenen Gesichtspunkten (z.B. Gestaltung und Vollständigkeit) beurteilt werden. „Zum Komplex der Möglichkeiten und Grenzen des fallbezogenen Einsatzes des DES gehört dabei gerade auch die Frage der Sprachüberprüfung bei mehrsprachigen Kindern“ (Kelle 2010: 234). Bei mehrsprachigen Kindern werden die DES in den kinderärztlichen Vorsorgen durchgeführt, obwohl bei diesen Kindern keine Differenzierung zwischen Fehlern, die „allein dem Erwerbsstand in der Zweitsprache Deutsch geschuldet sind oder auch in der Erstsprache auftreten und somit auf eine zugrundeliegende Sprachentwicklungsstörung hinweisen“ (Kelle 2010: 234), möglich ist. Für 40 der 132 Kinder, deren SEU beobachtet wurde, haben die Beobachterinnen einen Migrations- bzw. mehrsprachigen Hintergrund notiert (Kelle 2010). Für diese Kinder konstatiert Kelle, „dass die individualdiagnostisch motivierte Inklusion mehrsprachiger Kinder problematische epidemiologische Effekte zeitigen kann, wenn nämlich ihre sprachlichen Auffälligkeiten und Störungen subsumiert werden und dadurch die Gruppen der Kinder mit Migrations- und Mehrsprachigkeitshintergrund ‚überrepräsentiert‘ oder gewissermaßen fehlrepräsentiert werden“ (Kelle 2010: 254).

Eine ebenfalls für die Sprachstandserhebung in anderen Kontexten relevante Feststellung ist, dass die interaktive Kompetenz teilweise an das Instrument übertragen wird (Kelle 2006). Grund hierfür ist auch, dass „das vorstrukturierte Testmaterial schon für sich genommen die Professionalität des Testvorgangs zu

88 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz garantieren verspricht“ (Kelle 2006: 287). Als Anforderung an Sprachstandserhebungen kann aus den Ergebnissen von Kelle abgeleitet werden, dass Sprachstandserhebungsverfahren die Gestaltung des Testvorgangs genau beschreiben und ggf. auch mit einem Video illustrieren sollten. Darüber hinaus ist in Bezug auf die Qualifizierung der durchführenden Personen der kindgerechte Umgang mit vorstrukturierten Testmaterialien in Fortbildungen zu erproben und die Ressourcen der durchführenden Fachkraft sind mit denen des Tests zu verknüpfen.25 Inwieweit diese Erkenntnisse auf Situationen, Verfahren und Vorgehensweisen wie die Schulanmeldung oder die Sprachstandserhebung zu Beginn einer Sprachfördermaßnahme zutreffen, wurde bisher nicht untersucht (jedoch Kelle 2011). Während Kelle (2006, 2010) die Praktiken der Sprachstandserhebungen im medizinischen Kontext erfasste, erforscht Voet Cornelli (2008) u.a. die Praktiken der Sprachstandserhebung und der Sprachförderung im Untersuchungsfeld der vorliegenden Arbeit – den hessischen Vorlaufkursen. Die bereits in Kapitel 2.4.3 vorgestellte Fallstudie von Voet Cornelli (2008) zeigt, dass Inhalte und Materialien der Sprachstandserhebungen mittels Interviews rekonstruiert werden können. In Bezug auf die sprachdiagnostische Kompetenz konstatiert Voet Cornelli (2008), dass ein Qualifikationsbedarf besteht. Im Unterschied zu Kelle, die „den Eigensinn der praktischen Routinen auf[spürt] […]“ (Kelle 2010: 210), wird in der vorliegenden Arbeit das Vorgehen der Sprachförderkräfte in der Sprachstandserhebung den Anforderungen an Sprachstandserhebungen (s. Kap. 3.3) gegenübergestellt. Kelle bezeichnet ihr Vorgehen als „qualitativ-explorative Praxisanalyse“ (Kelle 2010: 210), die sich durch „normative Enthaltsamkeit und Distanzierung“ (Kelle 2010: 210) auszeichnet. Sie kritisiert, dass die anwendungsorientierte Spracherwerbsforschung „einen normativen Überschuss [reproduziert], der die Schere von ‚Anforderungen an Methoden/Verfahren‘ und ‚Probleme der praktischen Anwendung‘ nicht unbedingt hat kleiner werden lassen“ (Kelle 2010: 210). Kelles Feststellung einer Schere zwischen Anforderungen an Methoden und Verfahren einerseits und Problemen der Praxis andererseits ist für die Sprachstandserhebung von Sprachförderkräften bisher nur anhand der Daten aus der Fallstudie von Voet Cornelli (2008) zu bestätigen. Weitere Untersuchungen sind ||

25 Bisher zählten Sprechstundenhilfen von Kinderarztpraxen nicht zur Zielgruppe von Fortbildungen über Sprachstandserhebungen. Die Ergebnisse von Kelle (2006) und erste Ergebnisse des Forschungsprojektes „cammino – Mehrsprachigkeit am Übergang zwischen Kita und Grundschule“ zeigen jedoch, dass oftmals Sprechstundenhilfen die Sprachstandserhebungen im Rahmen der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen durchführen (Voet Cornelli et al. 2012).

Das Konstrukt der Urteilsgenauigkeit | 89

notwendig. Aus Sicht der Verfasserin sind die Anforderungen in jedem Fall eine notwendige Systematik zur Beurteilung der Verfahren. Eine Forschungslücke besteht, wie Kelles Kritik verdeutlicht, in der Untersuchung der Probleme der praktischen Anwendung. Aus ihrer Sicht „gilt [es] letztendlich nicht nur die Verfahren der Sprachüberprüfung auf der Ebene der Instrumente, sondern auch die Analyse ihrer vielfältigen, vielfach hybriden praktischen Durchführung zu professionalisieren, wenn die Praxis entwickelt werden soll“ (Kelle 2010: 211). Bereits Voet Cornelli (2008) berücksichtigt durch die Befragung der Durchführenden von Sprachstandserhebungen und Sprachförderung deren Perspektive in der Erforschung der Sprachstandserhebung. In der vorliegenden Arbeit wird diese Methode aufgegriffen und durch eine Fokussierung auf Sprachstandserhebungen spezifiziert. Mittels eines Leitfadeninterviews werden die Sprachförderkräfte gebeten, ihr individuelles Vorgehen in der Sprachstandserhebung zu rekonstruieren. Es wird davon ausgegangen, dass die Interviewten Auskunft über ihr Denken und Handeln geben. Aus den Beschreibungen der Sprachförderkräfte wird dann mittels deduktiver und induktiver Analysen rekonstruiert, welche sprachlichen Bereiche in der Sprachstandserhebung erfasst werden. Die Perspektive des Interviewten, der die Sprachstandserhebung durchführt, wird erfasst. Von besonderer Bedeutung aus sprachdidaktischer Perspektive ist, dass dadurch auch die Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung, wie die Sprachstandserhebung und Förderplanung zu Beginn des Vorlaufkurses (Studie B), die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und einer Beobachtung nur schwer zugänglich wäre, erfasst werden kann. Kelle versteht aufgrund ihrer erziehungswissenschaftlichen Perspektive das „Testen als kulturelle und soziale Praxis“ (Kelle 2006: 272). Ich nehme eine sprachdidaktische Perspektive ein, aus der heraus die Sprachstandserhebungen sowie der gesamte Prozess der Sprachdiagnostik als sprachspezifisches und professionelles Handeln zu verstehen ist26.

6.2 Das Konstrukt der Urteilsgenauigkeit Die Fähigkeit, Personen zutreffend zu beurteilen, wird als ein Maß diagnostischer Kompetenz angesehen (Schrader 2006). Mittels des Konstrukts der Ur||

26 Auch in der Erziehungswissenschaft wird „pädagogische Diagnostik als professionelles Handeln“ (Carle 2010: 831) bezeichnet und es wird die Forderung formuliert, sich wissenschaftlicher Methoden und Gütekriterien zu bedienen (Carle 2010). Somit ist innerhalb der Erziehungswissenschaft möglicherweise zwischen einer an der Bildungsforschung (z.B. Carle) und einer an der Sozialforschung (z.B. Kelle) orientierten Perspektive zu unterscheiden.

90 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz teilsgenauigkeit oder Veridikalität von Urteilen wird untersucht, wie gut ein Urteil, z.B. eines Lehrers, mit den „tatsächlichen“ Merkmalen oder Fähigkeiten der Beurteilten, z.B. der Schüler, übereinstimmt (Schrader 2006). Ausgangspunkt der Forschung zur Urteilsgenauigkeit als Teil der diagnostischen Kompetenz von Lehrern war die Forschung zur Zensurgebung, die zeigte, dass Lehrerurteile vielfach weder objektiv noch reliabel und valide sind (Schrader 2006). Einschätzungen von Lehrern zeigen in Bezug auf Schülermerkmale, wie z.B. die Intelligenz oder erzielte Leistungen in einem Schultest, nicht in allen Studien akzeptable Gütekriterien (für eine Übersicht Hoge 1983). Gründe für die Unterschiede zwischen den Studien sind u.a. in der Datenerhebung und auswertung zu sehen. Es wird zwischen einer direkten und indirekten Datenerhebung unterschieden (Hoge & Coladarci 1989). Während in der indirekten Datenerhebung die Einschätzung der Lehrkraft global auf einer Skala erfolgt, wird in der direkten Erhebung z.B. die Lehrkraft um ein Urteil für spezifische Items des Messinstrumentes, mit dem die Leistungen der Schüler erfasst wurden, gebeten (Hoge & Coladarci 1989). In der Auswertung werden häufig ausschließlich Korrelationen durchgeführt, die lediglich das „klasseninterne Bezugssystem“ (Schrader 2006: 97) ansprechen. Schrader (2009) hinterfragt, ob eine hohe Urteilsgenauigkeit, wenn auch wünschenswert, für das Handeln im Unterricht immer erforderlich ist, da aus seiner Sicht für viele pädagogische Handlungen bestimmte Mindestausprägungen der diagnostischen Kompetenz ausreichen könnten. Aus Sicht der Sprachdidaktik ist das Ziel, durch die sprachdiagnostische Kompetenz der Lehrkraft Differenzen in der Sprachentwicklung von Kindern zu erfassen und ein vom Sprachstand des Kindes ausgehendes Lernangebot zu konzipieren (auch Jeuk & Schmid-Barkow 2009). In diesem Fall ist demnach eine hohe Urteilsgenauigkeit erforderlich, wobei die exakte Höhe bisher nicht definiert wurde. Die Frage nach beeinflussenden Faktoren und zugrunde liegendem Wissen für die Urteilsgenauigkeit ist ebenso wie für die diagnostische Kompetenz im Allgemeinen noch nicht geklärt (u.a. Artelt & Gläser 2009). Helmke (2009) stellt in einer Übersicht drei Komponenten vor, mit denen die Urteilsgenauigkeit erfasst werden kann. Die Korrelationskomponente wird mittels einer Korrelation (z.B. Spearman Rho oder Pearson (Bühl 2008: 345ff.)) berechnet. Der Korrelationskoeffizient zeigt, wie sehr „reale und geschätzte Rangordnung übereinstimmen“ (Helmke 2009: 136). Mit realer Rangordnung ist das Ergebnis z.B. eines Testverfahrens, das mit dem Kind oder Schüler durchgeführt wurde, gemeint. Die geschätzte Rangordnung ist die z.B. von einer Lehrkraft eingeschätzte Leistung. Eine Vielzahl von Studien wertete die Korrelationskomponente aus (für eine Übersicht Hoge & Coladarci 1989), die als Hin-

Das Konstrukt der Urteilsgenauigkeit | 91

weis dafür gesehen wird, inwieweit Lehrkräfte „im Großen und Ganzen“ (Helmke et al. 2004: 126) angemessene Einschätzungen vornehmen. Die Niveaukomponente wird mittels eines Mittelwertvergleichs (z.B. T-Test oder Mann-Whitney-U-Test (Bühl 2008: 303 und 318) berechnet. Das Ergebnis zeigt, ob die geschätzten Fähigkeiten im Mittel über oder unter den tatsächlichen Schülerleistungen liegen oder gerade richtig sind. Die Streuungskomponente wird berechnet, indem die Streuungen der Mittelwerte der realen und geschätzten Fähigkeiten verglichen werden (z.B. F-Test oder Bartlett-Test (Graf et al. 1987)27). Das Ergebnis zeigt, ob sich die Streuungsbereiche der Leistungen der Schüler und der Einschätzungen der Lehrkräfte entsprechen. Ist der Streuungsbereich der geschätzten Werte kleiner als der der erfassten Werte, sind der Lehrkraft die „Ausreißer“ nicht bekannt. Selten werden in Studien zusätzlich zur Korrelationskomponente die Niveau- und Streuungskomponente ausgewertet. Niveau- und Streuungskomponente sind laut Schrader (2011) keine eindeutigen Indikatoren für diagnostische Kompetenz, geben jedoch Hinweise auf Strenge- oder Mildeeffekte, Tendenzen zur Mitte oder extreme Urteile. Hoge und Coladarci zeigten für die Korrelationskomponente, dass diese in der von ihnen durchgeführten Metaanalyse im Mittel bei r = 0,66 liegt (Hoge & Coladarci 1989: 303), wobei sich die indirekte (r zw. 0,28 und 0,86; Mediankorrelation = 0,62) und die direkte Erfassung (r zw. 0,48 und 0,92; Mediankorrelation = 0,69) der Urteilsgenauigkeit unterscheiden (Hoge & Coladarci 1989: 308). Zur Interpretation der Größe des Betrags des Korrelationskoeffizienten sind die folgenden Abstufungen laut Bühl (2008) üblich (s. Tab. 3): Tab. 3: Interpretation der Korrelationskoeffizienten (Bühl 2008: 346) Wert bis 0,2 bis 0,5 bis 0,7 bis 0,9 über 0,9

Interpretation sehr geringe Korrelation geringe Korrelation mittlere Korrelation hohe Korrelation sehr hohe Korrelation

Nach Bühl (2008) ist eine Korrelation um r = 0,6 als mittlere Korrelation zu interpretieren. Für Hoge und Coladarci (1989) drückt der Korrelationskoeffizient ein Maß der Validität des Lehrerurteils aus. Sie ziehen damit eine Parallele zu den Testgütekriterien. Dort werden die Ergebnisse zweier Testverfahren, die ||

27 Als nichtparametrische Variante des Bartlett-Tests nennt Kabacoff (2011) den Flingner-Test.

92 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz vorgeben die gleiche Fähigkeit zu erfassen, miteinander verglichen. Hoge und Coladarci schlussfolgern aus dem Ergebnis ihrer Metaanalyse: “Our conclusion that the performance judgments are, by and large, valid also has important implications for the practical use of teacher-based assessments. In particular, it speaks to members of the public and to educational professionals (e.g., university-based researchers, school psychologists) who express doubts regarding the quality of teacherbased assessments of students. Although the studies in our review by no means provide a final evaluation of the accuracy of achievement judgments or any evidence that the judgments are without error, this literature does not support the total rejection of teacher judgments that one sometimes encounters.” (Hoge & Coladarci 1989: 309)

Hoge und Coladarci (1989) brechen nicht nur, wie das Zitat verdeutlicht, eine Lanze für die Berücksichtigung der Lehrerurteils, sondern formulieren darüber hinaus eine Reihe von Implikationen für die weitere Erforschung der Urteilsgenauigkeit. Demnach soll die weitere Forschung spezifische Urteile berücksichtigen und stärker darauf achten, dass Urteil und Kriterium zueinander passen. Sie plädieren für die parallele Erhebung des indirekten und direkten Urteils und sprechen sich dafür aus, ergänzende Variablen auf der Seite der Schüler (z.B. allgemeine Leistung) und der Lehrer (z.B. Erfahrung, Ausbildung usw.) zu erfassen. Der Korrelationskoeffizient der Metaanalyse wird in verschiedenen Studien als Vergleichsmaß genutzt (z.B. Karing 2009), um die eigenen Ergebnisse zu reflektieren. Selten wurde in Studien zur Urteilsgenauigkeit bisher die prozentuale Übereinstimmung angegeben (jedoch z.B. Coladarci 1986). Die prozentuale Übereinstimmung gibt konkrete Angaben zum Anteil der Übereinstimmungen sowie der Über- und Unterschätzungen. Während sich die von Helmke (2009) vorgestellten Komponenten immer auf die Mittelwerte und Standardabweichungen einer Stichprobe beziehen, liefert die prozentuale Übereinstimmung einen Einblick in den gesamten Datensatz. In der direkten Erhebung der Urteilsgenauigkeit wird z.B. für jedes Item eines Tests codiert, ob eine Übereinstimmung, Über- oder Unterschätzung im Vergleich zu den beim Kind erfassten Fähigkeiten vorliegt. Aufgrund der häufig verwendeten indirekten Einschätzung, z.B. auf einer Likert-Skala, wird die Auswertung der prozentualen Übereinstimmung selten durchgeführt. Die prozentualen Angaben liefern jedoch klare Informationen zur Über- und Unterschätzung der Schüler, während die anderen drei Komponenten (Korrelations-, Niveau- und Streuungskomponente) diese Angaben nur indirekt beinhalten. In der vorliegenden Arbeit werden Korrelations- und Niveaukomponente sowie die prozentuale Übereinstimmung ermittelt (s. hierzu Studie C, Kap. 9).

Das Konstrukt der Urteilsgenauigkeit | 93

Eine weitere Methode, die Urteilsgenauigkeit zu untersuchen, ist die Einschätzung von Gruppenzugehörigkeiten. Hierzu werden Lehrkräfte gebeten, die Kinder ihrer Klassen Kategorien zuzuordnen (z.B. Rost & Hanses 1997; Williams 2006). Das Ergebnis einer solchen Untersuchung ist z.B. der „hochbegabte Underachiever“ (Schüler mit mittelmäßigen schulischen Leistungen, aber hohem Intelligenzquotienten). Als Maß dient u.a. die aus der Medizin stammende Sensitivität, die z.B. anzeigt, wie viele der Kinder mit Förderbedarf tatsächlich (auf der Basis eines standardisierten Erhebungsinstrumentes) als Kinder mit Förderbedarf klassifiziert wurden. Die Sensitivität (richtig-positiv) zeigt die korrekt als „mit Risiko“ klassifizierten Kinder an, während die Spezifität (richtig-negativ) anzeigt, wie hoch der Anteil der korrekt als „ohne Risiko“ klassifizierten Kinder ist. Falsch-negativ bedeutet demnach, Kinder „mit Risiko“ wurden fälschlicherweise als „ohne Risiko“ klassifiziert. Falsch-positiv umfasst den Fall, dass Kinder, die kein Risiko haben, laut Test fälschlicherweise als „mit Risiko“ eingestuft wurden. In der Pädagogischen Psychologie ist die Erforschung der Urteilsgenauigkeit etabliert. Im Fokus der Studien steht die Urteilsgenauigkeit von Lehrern; einige Studien widmen sich jedoch auch der Urteilsgenauigkeit von Eltern (z.B. Rost 1991). Die Merkmale, die für die Urteilsgenauigkeit bereits untersucht wurden, sind vielfältig, z.B. Intelligenz (z.B. Rost & Hanses 1997), Fähigkeitsselbstwahrnehmung, Lernmotivation und Leistungsängstlichkeit (Spinath 2005) oder Interesse (Karing 2009). Studien, die die Urteilsgenauigkeit in Bezug auf sprachliche Fähigkeiten untersuchten, werden im folgenden Kapitel vorgestellt. Abs (2007) kritisiert, dass die „Diagnosekompetenz in der bisherigen psychologischen Forschung weitgehend auf das Konzept der Diagnosegenauigkeit reduziert wird“ (Abs 2007: 64) und fordert die didaktische Relevanz in der Konzeption ein. Er schlägt vor, das methodische Repertoire zur Untersuchung diagnostischer Kompetenz um Selbsteinschätzungen, Wissenstests und Tests mit Fallvignetten zu erweitern (Abs 2007). Van Ophuysen (2010) argumentiert, dass neben der Urteilsgenauigkeit Merkmale der diagnostizierenden Person und des diagnostischen Prozesses die Qualität der Diagnose beeinflussen. Hierzu zählt sie u.a. den systematischen Einsatz geeigneter (in-)formeller Erhebungsverfahren. Für diese Auswahl benötigt die diagnostizierende Person Wissen über mögliche Verfahren und die Fähigkeit, diese gezielt und fachgerecht einzusetzen. Es ist – wenn auch empirische Belege fehlen – plausibel, dass dieses Wissen und diese Fähigkeiten in einem positiven Zusammenhang mit der Urteilsgenauigkeit stehen (van Ophuysen 2010). Bislang fehlen jedoch Methoden, um das Wissen und die Fähigkeiten über die Urteilsgenauigkeit hinaus zu erfassen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird meines Wissens erstmals mittels eines Fragebogens und eines Interviews die Rekonstruktion u.a. der Methoden und Inhalte

94 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz der Sprachstandserhebungen und der Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung im Sinne der Förderdiagnostik durch die Sprachförderkräfte erfasst.

6.3 Studien zur Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten Im Vordergrund der im Folgenden beschriebenen Studien steht die Frage, wie adäquat Lehrkräfte die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern einschätzen. Während mehrere Studien die Einschätzung schriftsprachlicher Fähigkeiten, insbesondere die Lesefähigkeit, untersuchten (u.a. Bates & Nettlebeck 2001; Hoge & Coladarci 1989; Karing 2009), erforschten nur wenige Wissenschaftler die Einschätzung der mündlichen Sprachfähigkeit (jedoch u.a. Antoniazzi, Snow & Dickson-Swift 2010; Williams 2006). Speziell mit mehrsprachigen Kindern beschäftigte sich nur eine Studie zur Urteilsgenauigkeit der Lesefähigkeit (Limbos & Geva 2001). Andere Untersuchungen (z.B. Antoniazzi, Snow & Dickson-Swift 2010) schlossen Kinder mit Zweitspracherwerb aus, wieder andere Studien differenzierten nicht zwischen ein- und mehrsprachigen Kindern (z.B. Karing 2009; Dörfflinger et al. 2011). Bevor ausgewählte Studien vorgestellt werden, sollen die sich unterscheidenden Ziele der Studien verdeutlicht werden. Die Ziele sind u.a. abhängig von der theoretischen Grundlage der Studie. Z.B. untersuchten Antoniazzi, Snow und Dickson-Swift (2010) sowie Williams (2006) aus der Perspektive der Sprachtherapie, ob pädagogische Fachkräfte (z.B. Lehrer und Erzieher) zwischen Kindern mit und ohne (Risiko für eine) Sprachentwicklungsstörung unterscheiden können. Die in einer Einzeltestung erfassten Fähigkeiten der Kinder in Sprachproduktion und -verständnis standen im Vordergrund. Die Befragung der pädagogischen Fachkräfte erfolgte nicht anhand des Testmaterials, mit dem die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder erfasst wurden, sondern Williams (2006) ließ die pädagogischen Fachkräfte eine Kategorisierung der Kinder in die Kategorien „Kind mit Sprachentwicklungsstörung“ und „Kind ohne Sprachentwicklungsstörung“ vornehmen. Hingegen erfassten Antoniazzi, Snow und Dickson-Swift (2010) die Einschätzung der pädagogischen Fachkräften anhand eines Fragebogens (childrens communication checklist, Bishop 2003), der auch als diagnostisches Verfahren eingesetzt wird. Aus der Perspektive der Pädagogischen Psychologie erfassten Karing (2009) sowie Lorenz und Artelt (2009) die Einschätzung der Lehrkräfte ebenfalls mittels eines Fragebogens. Dieser wurde jedoch speziell zur Untersuchung der Urteilsgenauigkeit erstellt und enthielt wenige Items, die die Einschätzung in Form von LikertSkalen erfragte, z.B. 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz

Studien zur Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten | 95

zu“ (Lorenz & Artelt 2009: 216). Die Wissenschaftler setzten die Skalen in Verbindung zu den Subtests, die mit den Schülern durchgeführt wurden. Karing sowie Lorenz und Artelt werteten dann nicht die Übereinstimmung in der Klassifizierung von Schülern (z.B. auffällig vs. unauffällig) aus, sondern berechneten den Zusammenhang zwischen Lehrerurteil und Testergebnis als Maß für die diagnostische Kompetenz der Lehrkräfte. Sprache wird in diesen beiden Studien als ein Aspekt von „Fachspezifität“ (Lorenz & Artelt 2009: 214) angesehen. Im Unterschied zu den Untersuchungen zur Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten von Vorschulkindern, deren sprachliche Fähigkeiten mündlich erfasst wurden (z.B. Williams 2006; Dörfflinger et al. 2011), erhoben Karing sowie Lorenz und Artelt die Fähigkeiten schriftlich. In den folgenden Kapiteln werden ausgewählte Studien näher beschrieben.

6.3.1 Unterschiede zwischen Grundschul- und Gymnasiallehrkräften Karing (2009) untersuchte die diagnostische Kompetenz von Grundschul- und Gymnasiallehrkräften u.a. im Bereich Wortschatz und Textverstehen. Hypothese war, dass die Einschätzung der Grundschullehrkräfte akkurater ist als die der Gymnasiallehrkräfte. Karin begründete dies damit, dass „insbesondere zwischen der Grundschule und dem Gymnasium erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Leistungsheterogenität der Klasse, die Lehrerausbildung […] bestehen“ (Karing 2009: 199). Als Erhebungsinstrumente dienten für die Grundschüler der Subtest „Wortschatz“, der Grundintelligenztest-Skala 2 (CFT 20) (Weiß 1998) und der Subtest „Wortschatz“ des Kognitiven Fähigkeitstests für 4. bis 12. Klassen Revision (Heller & Perleth 2000) für die Gymnasialschüler. Das Textverstehen wurde mit dem Subtest „Textverständnis“ aus dem Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler (ELFE) (Lenhard & Schneider 2006) und mit nicht veröffentlichten Verfahren erhoben. Die Einschätzung der Lehrkräfte wurde mit den Items „Er/Sie verfügt über einen umfangreichen Wortschatz.“ und „Er/Sie kann Texte gut verstehen.“ (Karing 2009: 202) auf einer fünfstufigen Skala erfasst. Die Erwartung bestätigte sich: Die Grundschullehrkräfte schätzten ihre Schüler akkurater ein als die Gymnasiallehrkräfte, wobei sich auch in dieser Studie die in der Literatur für andere Fähigkeiten beschriebene Heterogenität zwischen den Lehrkräften einer Gruppe bestätigte. Karing merkte jedoch an, dass bei der Ergebnisinterpretation die Unbekanntheit der oben genannten eingesetzten Tests für die Lehrkräfte zu berücksichtigen sei. Außerdem sieht sie es als problematisch an, dass die in der Untersuchung getroffenen Urteile keine Funktion für die Lehrkräfte hätten und verweist auf eine Studie, die zeigt, dass „unterschiedliche Ziele bei der Verarbeitung von Schülermerkmalen die pädagogische

96 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz Leistungsbeurteilung beeinflussen“ (Karing 2009: 206). Darüber hinaus diskutiert sie das Ungleichgewicht zwischen einer differenzierten Erhebung der Leistungen der Schüler und einer globalen Beurteilung der Lehrkräfte und geht damit auf den Unterschied zwischen der Erhebung der direkten und indirekten Urteilsgenauigkeit ein.

6.3.2 Fachspezifität und Stabilität diagnostischer Kompetenz In einer der ersten längsschnittlichen Studien untersuchten Lorenz und Artelt (2009) die Fachspezifität und Stabilität diagnostischer Kompetenz von Grundschullehrkräften in den Fächern Deutsch und Mathematik anhand des Datensatzes von Karing (2009) (s. oben). Die Ergebnisse zeigen eine mittelhohe bis hohe Stabilität für die Urteilsgenauigkeit von Testzeitpunkt 1 zu Testzeitpunkt 2 (Abstand sechs Monate).28 Die Autorinnen schlussfolgern, dass es „Gründe für die Annahme einer zeitlich überdauernden fachbezogenen diagnostischen Kompetenz von Grundschullehrkräften gibt“ (Lorenz & Artelt 2009: 211). Außerdem konnte gezeigt werden, dass die „Zusammenhänge der Indikatoren diagnostischer Kompetenz innerhalb des sprachlichen Bereichs (Textverstehen und Wortschatz) deutlich höher sind als zwischen dem sprachlichen und dem mathematischen Bereich“ (Lorenz & Artelt 2009: 219). Lorenz und Artelt diskutieren ausgehend davon, dass „Lehrerexpertise kontext- und anforderungsspezifisch ist und nicht über Fächer und Klassenstufen hinweg generalisiert werden kann“ (Lorenz & Artelt 2009: 219). Sowohl in der Studie von Karing (2009) als auch in der Studie von Lorenz und Artelt (2009) beträgt die Urteilsgenauigkeit Korrelationen um r = ,60. Dieser Korrelationskoeffizient entspricht dem der Metaanalyse von Hoge und Coladarci (1989). Ob sich ähnliche Ergebnisse erzielen lassen, wenn ein differenziertes Maß genutzt wird, um die Lehrerurteile zu erheben, wurde bisher nicht untersucht. In beiden Studien wird die Heterogenität zwischen den Lehrerurteilen diskutiert. Wie groß die Heterogenität zwischen Schülern war und wie sich diese auf das Lehrerurteil auswirkt, wurde allerdings nicht diskutiert. Jedoch zeigten Untersuchungen zur Identifikation hochbegabter Schüler, dass Lehrer soge-

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28 In einer englischsprachigen Studie, die die Urteilsgenauigkeit von Lehrkräften in der Einschätzung literarischer Fähigkeiten von Kindergartenkindern untersuchte, zeigte sich jedoch „that teacher perceptions and students achievement become more closely linked during the kindergarten year“ (Ready & Wright 2010: 356).

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nannte „hochbegabte Underachiever“ seltener als „hochbegabt“ identifizierten als Schüler mit guten schulischen Leistungen (Rost & Hanses 1997). Ähnliches könnte in den Studien von Karing (2009) sowie Lorenz und Artelt (2009) für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache gelten, deren Sprachschwierigkeiten verdeckt sein können (Knapp 1999).

6.3.3 Frühidentifikation von zweisprachigen Schülern mit Leseschwierigkeiten In einer Studie, die sich speziell Schülern mit frühem Zweitspracherwerb widmet, wurde die Urteilsgenauigkeit von Grundschullehrern in Kanada in Bezug auf das Risiko von Leseschwierigkeiten untersucht (Limbos & Geva 2001). Zu zwei Testzeitpunkten wurden Grundschüler mit einer Reihe von mündlichen und schriftlichen Verfahren untersucht, während die Lehrer die Fähigkeiten der Schüler in jedem erfassten Bereich (z.B. Buchstabieren, Lesen, Wortschatz, Nachsprechen von Sätzen unterschiedlicher Komplexität) auf siebenstufigen Skalen einschätzten (Limbos & Geva 2001). Zusätzlich wurden Interviews mit den Lehrkräften geführt, in denen Hinweise auf ein Risiko oder Förderbedarf codiert wurden. Während die Ergebnisse zu Testzeitpunkt 1 noch eine etwas geringere Sensitivität für die Identifikation von Schülern mit Englisch als Zweitsprache mit einem Risiko für Leseschwierigkeiten im Vergleich zu Schülern mit Englisch als Erstsprache zeigen, reduziert sich dieser Unterschied zu Testzeitpunkt 2 (Limbos & Geva 2001). Die Spezifität ist zu beiden Testzeitpunkten hoch. Die Autorinnen diskutieren, welche Bedeutung die geringere Sensitivität zu Testzeitpunkt 1 für die frühe Intervention bei Schülern mit Englisch als Zweitsprache hat. Außerdem reflektieren Limbos und Geva (2001) kritisch, dass Kinder, die fälschlicherweise als Kinder mit Risiko für Leseschwierigkeiten klassifiziert wurden, eine niedrigere mündliche Sprachkompetenz hatten als Kinder, die fälschlicherweise als Kinder ohne Risiko klassifiziert wurden. Die Autorinnen gehen davon aus, dass die Lehrkräfte die mündlichen Sprachfähigkeiten gerade bei Schülern mit Zweitspracherwerb als Maß nutzen, um deren allgemeine akademische Kompetenz einzuschätzen. Es stellt sich die Frage, ob hier ebenfalls eine Art underachiever-Phänomen zu beobachten ist. Während die bisherigen Studien die schriftsprachlichen Fähigkeiten der Kinder als Vergleichsmaß nutzen bzw. schriftbasiert erheben (z.B. der Wortschatz in den Studien von Karing 2009 und Lorenz & Artelt 2009), erfassen nur wenige Studien die mündlichen Sprachfähigkeiten.

98 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz 6.3.4 Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten von Vorschulkindern Da bei Vorschulkindern die sprachlichen Fähigkeiten nicht schriftbasiert erhoben werden können, wurden die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder der folgenden Studien in Einzeltestungen in der mündlichen Modalität erhoben. Botting, Conti-Ramsden und Crutchley (1997) untersuchten das Lehrer- und Therapeutenurteil für eine Gruppe von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. Im Gegensatz zu den bisherigen Studien gingen die Autorinnen davon aus, dass weder die verwendeten Tests noch das Lehrerurteil den „gold standard“ (Botting, Conti-Ramsden & Crutchley 1997: 322) beschreiben. Dies liegt u.a. daran, dass sie sprachliche Fähigkeiten u.a. im Bereich Pragmatik untersuchten, für die kein standardisierter Test vorlag. Die Erfassung erfolgte anhand von Beobachtungsbögen. Die Studie zeigt, „[that the] agreement between formal assessment and teacher/SLT [speech and language therapist] opinion became less strong as the type of language difficulty became more complex” (Botting, Conti-Ramsden & Crutchley 1997: 325). Artikulation, Phonologie und Syntax stellen für die Autorinnen weniger „komplexe“, Semantik und Pragmatik komplexere Fähigkeiten dar. Sie schlussfolgern, dass die formale Erhebung semantischer und pragmatischer Sprachschwierigkeiten weitergehend untersucht werden muss. Eine weitere Studie kritisiert, dass Botting, Conti-Ramsden und Crutchley (1997) nicht zwischen den Professionen (Lehrer und Sprachtherapeuten) differenzieren (Williams 2006). Williams (2006) unterscheidet zwischen dem Urteil von Lehrkräften, die im Kindergarten, der Vorschule oder der ersten Klasse unterrichten. Sie untersuchte, inwieweit die Lehrkräfte die sprachlichen Schwierigkeiten von Kindern im Vergleich zu Testverfahren identifizieren können. Die Lehrkräfte wurden gebeten, Kinder anzugeben, bei denen sie geringe sprachliche Fähigkeiten vermuten, und Kinder „whose speech and/or language skills placed them at risk of difficulty in acquiring literacy” (Williams 2006: 140). Die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder wurden mit zwei Verfahren untersucht, wovon das eine die generellen sprachlichen Fähigkeiten und das andere die phonologische Bewusstheit erfasst. „Results indicate that teacher identification compared more favourably with formal test outcomes for pre-primary and Year 1 children than was the case when their judgements of kindergarden children were included.” (Williams 2006: 135)

Die Autorin geht davon aus, dass Lehrkräfte bei Kindergartenkindern eher dazu tendieren, mehr Kinder als notwendig als Risikokinder zu klassifizieren. Sie nimmt an, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass die Angebote zur Professi-

Studien zur Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten | 99

onalisierungsentwicklung für Lehrkräfte sich vorrangig mit Kindern in etwas höheren Altersgruppen beschäftigen und die Lehrkräfte zu wenig Wissen über Spracherwerbsschwierigkeiten bei Kindergartenkindern haben (Williams 2006). Williams (2006) merkt an, dass in weiteren Studien zu untersuchen ist, inwieweit die Befunde auf eine größere Stichprobe von Lehrkräften aus anderen Bezirken29 zutreffen. Im Gegensatz zu Williams (2006) stellten Antoniazzi, Snow und DicksonSwift (2010) den Lehrkräften einen detaillierten Fragebogen (Children’s Communication Checklist (CCC), Bishop 2003) für die Einschätzung der Kinder zur Verfügung. Jedoch nutzten die Autoren selbst dieses Verfahren nicht, um die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu erheben. Die ausschließlich monolingual aufwachsenden Kinder wurden mit zwei standardisierten Screenings getestet (Sprache: Clinical Evaluation of Language Fundamentals Screening Test, Semel, Wiig & Secord 2004; Kognition: Coloured Progressive Matrices, Raven, Raven & Court 1998). Zeigten die Ergebnisse ein Risiko für eine Sprachstörung, wurde eine weitere Sprachdiagnostik durch einen Sprachtherapeuten durchgeführt. Die Ergebnisse von Antoniazzi, Snow und Dickson-Swift (2010: 248f.) zeigten eine sehr niedrige Sensitivität (41 %).30 Die Spezifität ist mit 73 % ähnlich der Spezifität in Williams (2006: 144) (68 % bzw. 86 %31).32 D.h., während die Lehrkräfte in der Lage sind, die Kinder ohne eine Sprachstörung anhand der CCC zu identifizieren, gilt dies nicht für die Kinder mit einer Sprachstörung. Die Autorinnen ziehen zwei Schlussfolgerungen aus ihren Ergebnissen. Die hohe Anzahl an fälschlicherweise als mit Risiko für eine Sprachstörung identifizierten Kindern (N=32) haben Konsequenzen für das ohnehin beschränkte Zeitkontingent der Sprachtherapeuten, die in den Schulen tätig sind (Antoniazzi, Snow & Dickson-Swift 2010). Die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten durch die Lehrkräfte anhand der CCC als Vorstufe der Überweisung zum Sprachtherapeuten hat sich, den Ergebnissen nach, nicht bewährt. Neben der Ausnutzung der Ressourcen der Sprachtherapeuten und damit zusammenhängenden Kosten aufgrund von Fehlüberweisungen schätzen Antoniazzi, Snow und DicksonSwift (2010) die Nicht-Überweisungen der Kinder mit einer nicht-entdeckten Sprachstörung als inakzeptabel hoch ein. ||

29 Die Studie wurde nur in einem Bezirk von Australien (Perth Metropolitan area) durchgeführt. 30 In der Studie von Williams (2006: 144) lag die Sensitivität bei 86 %. Schloss man die Kindergartenkinder aus, lag die Sensitivität sogar bei 92 %. 31 Williams (2006) berechnete auch die Spezifität sowohl für alle Kinder der Stichprobe als auch nur für die Kinder der „pre-primary“ und der ersten Klasse. 32 Die Auswertung basierte auf der Anzahl der als „sprachgestört“ identifizierten Kinder.

100 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz In einer Studie im Auftrag der Caritas Ulm, zu der ein Projektbericht publiziert ist, wurde die fachliche Einschätzung von Erziehern im Vergleich zu den Ergebnissen eines standardisierten Testverfahrens untersucht (Dörfflinger et al. 2011). Der Sprachstand von 106 dreijährigen Kindern aus 13 Kindergärten wurde mit dem SETK 3-5 (Grimm 2001) erfasst. Die Erzieher wurden in einem Fragebogen gebeten, den Sprachstand der Kinder für jeden Untertest des SETK 3-5 (Grimm 2001) im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern anhand einer dreistufigen Skala („überdurchschnittlich gut“, „durchschnittlich gut“ und „unterdurchschnittlich gut“) einzuschätzen (Dörfflinger et al. 2011: 34). Außerdem sollten die Erzieher einschätzen, ob das Kind ihres Erachtens nach „keinen Sprachförderbedarf“, „Sprachförderbedarf (im Rahmen des Orientierungsplans)“ oder „deutlichen Sprachförderbedarf“ hat (Dörfflinger et al. 2011: 35). Ziel der Studie war es, die Frage zu beantworten, „inwieweit [es] gelingt […] mittels fachlicher erzieherischer Einschätzung valide zu diagnostizieren, ob Kinder im Alter von drei Jahren nach den Richtlinien des SETK 3-5 Sprachförderung benötigen oder nicht?“ (Dörfflinger et al. 2011: 4). Die Einschätzungen der Erzieher wurden mit den T-Werten des SETK 3-5 (Grimm 2001) verglichen. Die Kinder wurden nach dem Ergebnis im SETK 3-5 von Dörfflinger et al. (2011) unterteilt in: -

-

Kinder mit deutlichem Sprachförderbedarf bzw. Sprachtherapiebedarf: in drei Untertests T-Wert kleiner als 40 Kinder mit Sprachförderbedarf: in einem Untertest T-Wert kleiner als 40, in einem Untertest T-Wert kleiner als 45 oder in zwei Untertests T-Wert zwischen 40 und 44 Kinder ohne Sprachförderbedarf: in allen Untertests T Wert größer als 45, bzw. in einem Untertest T-Wert kleiner als 45. (Grimm 2001: 50 und Dörfflinger et al. 2011: 7)

Die Ergebnisse zeigen, dass die Erzieher für ca. 60 % der Kinder (minimale Variation je nach Untertest) mit dem Ergebnis des SETK 3-5 (Grimm 2001) übereinstimmen. Den Sprachförderbedarf gesamt schätzen sie bei 64 % der Kinder in Übereinstimmung mit dem Ergebnis des SETK 3-5 (Grimm 2001) ein (Dörfflinger et al. 2011). Innerhalb der Fehleinschätzung zeigt sich für die Untertests Verstehen von Sätzen (32 % Überschätzungen, 12 % Unterschätzungen) und phonologisches Arbeitsgedächtnis für Nichtwörter (23 % Überschätzungen, 15 % Unterschätzungen) eine Tendenz zur Überschätzung (Dörfflinger et al. 2011). In den anderen beiden Untertests (Enkodierung semantischer Relationen und morphologische Regelbildung) treten gleich viele Über- und Unterschätzungen auf. Ebenfalls eine Tendenz zur Überschätzung innerhalb der Fehleinschätzungen zeigt sich für den Sprachförderbedarf gesamt (27 % Überschätzungen, 8 % Unterschätzungen) (Dörfflinger et al. 2011). Dörfflinger et al. interpretieren die

Studien zur Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten | 101

Ergebnisse als „leichten Trend zur Mitte“ (Dörfflinger et al. 2011: 22), da die Erzieher in 32 % der Fälle „Sprachförderbedarf vorhanden“ auswählen, während die Ergebnisse des SETK 3-5 deutlichere Zuweisungen innerhalb der Kategorien „kein“ (63 %) oder „deutlicher Sprachförderbedarf“ (14 %) und weniger in der mittleren Kategorien „Sprachförderbedarf vorhanden“ (23 %) zeigen (Dörfflinger et al. 2011: 22). Sowohl im Untertest Verstehen von Sätzen als auch in der Beurteilung des Sprachförderbedarfs gesamt zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Ergebnissen des SETK 3-5 und den Einschätzungen der Erzieher. Die Unterschiede in den anderen drei Untertests sind nicht signifikant (Dörffinger et al. 2011). Dörfflinger et al. (2011) schlussfolgern, dass die Übereinstimmungen in 56 % bis 64 % der Fälle nicht ausreicht, um Kinder im Alter von drei Jahren in Bezug auf ihren Förderbedarf einzuschätzen. Sie fordern bei einem Rückgriff auf die Einschätzung der Erzieher eine zusätzliche Ausbildung und schlagen als Alternative eine Testung mit einem standardisierten Instrument vor, z.B. dem SETK 3-5 (Grimm 2001) (Dörfflinger et al. 2011). In der Studie wurde nicht unterschieden, welchen Spracherwerbshintergrund die Kinder haben. Dementsprechend wurden die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache mit dem SETK 3-5 (Grimm 2001) erfasst und anhand der T-Werte, deren Basis eine monolinguale Norm ist, in die drei Kategorien unterteilt. Obwohl die Autoren angeben, dass sie „nicht die Qualität der beiden Testverfahren“ (Dörfflinger et al. 2011: 29) (SETK 3-5 und Erziehereinschätzung) bewerten, so ist es ausgehend von den Anforderungen aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung doch notwendig, die Auswahl der Stichprobe und der Materialien aufeinander abzustimmen und zu reflektieren. Die Erzieher wurden gebeten, ihre Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern zu tätigen. Inwieweit diese Aufgabe nicht zwei Einschätzungen in einer Frage verlangt, diskutieren Dörfflinger et al. (2011) nicht. Jedoch müssen die Erzieher zum einen einschätzen, wie gleichaltrige Kinder, d.h. die Norm, und zum anderen, wie das jeweilige Kind die Aufgabe löst. Um diese Dopplung zu vermeiden, wäre es notwendig, die Erzieher nur nach der Einschätzung der Reaktion des Kindes zu fragen und nicht um eine Kategorisierung im Vergleich zur Norm zu bitten. Das methodische Vorgehen (Ermittlung des Unterschieds zwischen Verfahren zur Lehrereinschätzung und zur Sprachstandserhebung auf der Seite der Kinder) ist in Anlehnung an die Überlegungen von Karing (2009) zu diskutieren: In weiteren Studien gilt es zum einen zu untersuchen, ob das Verfahren, das zur Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten von den Lehrkräften genutzt wurde, geeignet ist, und zum anderen, ob die diagnostische Kompetenz der Lehrkräfte ausreicht, um die an sie gestellten Anforderungen (z.B. Differenzierung zwi-

102 | Forschungsstand: Sprachdiagnostische Kompetenz schen Kindern mit und ohne Sprachentwicklungsstörung oder mit und ohne Förderbedarf in der Zweitsprache) zu erfüllen. Darüber hinaus ist es notwendig, dass als Vergleichsmaß geeignete Verfahren für die jeweilige Zielgruppe (z.B. Kinder mit DaZ) verwendet werden (s. auch Kap. 3.3.2). Um der Komplexität der Sprache gerecht zu werden, sollten die Lehrkräfte um eine Einschätzung in verschiedenen sprachlichen Bereichen (z.B. Wortschatz und Grammatik) gebeten werden (s. auch Kap. 3.2.1). Zudem sollte neben der Erfassung der Einschätzung auf einer Skala oder in Form einer Kategorisierung, die direkte Einschätzung erfragt werden (hierzu auch Hoge & Coladarci 1989). In den vorgestellten Studien wurde nicht diskutiert, ob die untersuchten Lehrkräfte bzw. Erzieher überhaupt dafür ausgebildet sind, die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern einzuschätzen. Hoge und Coladarci (1989) verwiesen bereits darauf, lehrerbezogene Variablen wie Berufserfahrung oder Ausbildungsgrad (hierzu den Vergleich in Karing 2009) in der Auswertung zu berücksichtigen. Im Folgenden wird analysiert, welche Rolle die diagnostische Kompetenz und die sprachdiagnostische Kompetenz im Besonderen in der Lehrerausbildung in Deutschland spielten.

6.4 Zwischenfazit In diesem Kapitel wurde der aktuelle Forschungsstand zur (sprach-) diagnostischen Kompetenz dargestellt. Diagnostische Kompetenz gilt als eine Voraussetzung für angemessene Unterrichtsgestaltung. Als Maß für die diagnostische Kompetenz wird meist die Urteilsgenauigkeit verwendet, die anzeigt, wie gut ein Urteil, z.B. eines Lehrers, mit den „tatsächlichen“ Merkmalen oder Fähigkeiten der Beurteilten, z.B. der Schüler, übereinstimmt (Schrader 2006). Methodisch wird zwischen einer indirekten und einer direkten Erhebung der Urteilsgenauigkeit unterschieden, d.h. die Einschätzung der Lehrkraft erfolgt entweder auf einer Skala (indirekt) oder ein Urteil für spezifische Items des Messinstrumentes, mit dem die Leistungen der Schüler erfasst wurden, wird erfragt (direkt). Die beschriebenen Studien zeigen, dass die diagnostische Kompetenz von Lehrkräften stabil über die Zeit ist und es Hinweise gibt, dass es sich um eine fachspezifische Kompetenz handelt (u.a. Lorenz & Artelt 2009). Die meisten Studien, die die sprachdiagnostische Kompetenz von pädagogischen Fachkräften untersuchen, sind in den vergangenen 15 Jahren im angloamerikanischen Raum entstanden. Botting, Conti-Ramsden und Crutchley (1997) zeigen Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit in Abhängigkeit von der Komplexität der sprachlichen Ebene (Artikulation, Phonologie und Syntax: wenig komplex vs.

Zwischenfazit | 103

Semantik und Pragmatik: sehr komplex). Ebenso wie Karing (2009) findet auch Williams (2006) Unterschiede zwischen Lehrkräften verschiedener Schulformen. So sind die Klassifikationen der Lehrkräfte für Kinder der Vorschule und der ersten Klasse näher an den Ergebnissen der Sprachtests, mit denen die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder erfasst wurden, als für die Kindergartenkinder. Die Autoren der Studien zur Urteilsgenauigkeit schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass die diagnostische Kompetenz in den verschiedenen Phasen der Lehrerbildung intensiver zu fördern ist, um den Unterricht noch näher an den Fähigkeiten der Schüler auszurichten. Anhand der Ergebnisse der Studien, in denen die Klassifikation von Risikokindern mit Sprachstörungen untersucht wurde, fordern die Autoren einen Ausbau des Angebotes durch Sprachtherapeuten. Es wird davon ausgegangen, dass dies hilft, Fehlklassifikationen zu vermeiden oder früher Interventionsmaßnahmen einleiten zu können. Bisher nicht untersucht wurde die Urteilsgenauigkeit von Sprachförderkräften in Bezug auf die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache. Die Urteilsgenauigkeit stellt einen Kompetenzbereich der sprachdiagnostischen Fähigkeiten dar und dient dazu, die Sprachförderung adaptiv gestalten zu können.

7 Studie A: Sprachstandserhebungen in der Schulanmeldung und zu Beginn der Sprachförderung In Studie A werden am Beispiel der hessischen Vorlaufkurse die Sprachstandserhebungen von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) untersucht. Die Gestaltung der Sprachstandserhebungen durch die Lehrkräfte stellt eine Forschungslücke dar, die bisher nur mittels Fallstudien von Voet Cornelli (2008) sowie Kelle (2011) geschlossen wurde. In dieser Studie gilt es, anhand einer größeren Stichprobe zu zeigen, wie Sprachförderkräfte die Sprachstandserhebungen gestalten. Hierzu werden die Sprachförderkräfte mittels eines Fragebogens gebeten, ihr Vorgehen in vorgegebene Kategorien einzuordnen. In einem Interview werden sie ebenfalls gebeten, ihr Vorgehen zu rekonstruieren, jedoch wesentlich offener als die mittels eines Fragebogens möglich ist, und darüber hinaus zu reflektieren. Die Studie gibt Aufschluss über die in den Sprachstandserhebungen verwendeten Methoden und Inhalte. Außerdem wird gezeigt, welche Personen an den Sprachstandserhebungen beteiligt sind. Zwar geben die Empfehlungen des Hessischen Kultusministeriums (HKM) einen ersten Eindruck, wie in den Sprachstandserhebungen vorzugehen ist (Althaus et al. 2002) (s. Kap. 2.4.1); inwieweit die Praxis jedoch diesen Empfehlungen entspricht, ist unklar. Zwei Zeitpunkte der Sprachstandserhebung stehen im Vordergrund dieser Untersuchung: Schulanmeldung und Beginn der Sprachförderung. Laut des HKM dient die Schulanmeldung dazu, „den Entwicklungsstand der Kinder hinsichtlich ihrer kognitiven, motorischen, sozialen und sprachlichen Kompetenzen zu beschreiben, um Fördermaßnahmen einleiten zu können.“ (Althaus et al. 2002: 7). Zu Beginn der Sprachförderung wird die Sprachförderkraft laut der Empfehlungen „die Lernausgangslage eines Kindes sehr genau beobachten, um ihm eine seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechende Unterstützung geben zu können.“ (Althaus et al. 2002: 15) Die Empfehlungen enthalten keine verbindlichen Vorgaben. Somit sind Sprachförderkräfte in der Wahl der Materialien, die sie in der Sprachstandserhebung verwenden, frei. Die Auswahl, Vorbereitung und Durchführung der Sprachstandserhebungen stellt einen von drei Kompetenzbereichen sprachdiagnostischer Fähigkeiten in dem in Kapitel 5.3 entwickelten Prozessmodell dar. Sprachdiagnostische Fähigkeiten und sprachdiagnostisches Wissen zeichnen die sprachdiagnostische Kompetenz aus. Die in Kapitel 3.2 vorgestellten Anforderungen an Sprachstandserhebungen sollten von den Sprachförderkräften

Fragestellungen | 105

berücksichtigt werden, um eine hohe Qualität der Sprachstandserhebungen zu erreichen. Aufgrund dessen werden die empirischen Befunde dieser Studie mit den Anforderungen an Sprachstandserhebungen verglichen. Die Anforderungen an Sprachstandserhebungen stellen wissenschaftliche Qualitätskriterien dar. Sollten die von den Sprachförderkräften ausgewählten Materialien nicht den Anforderungen an Sprachstandserhebungen entsprechen, ist das ein Hinweis darauf, dass sie diese nicht kennen oder aber in ihrem praktischen Alltag nicht umsetzen können. Weitere Studien sollten, ausgehend von den Ergebnissen dieser Studie, das Wissen der Sprachförderkräfte erfassen und in Form von Beobachtungen und Reflexionsgesprächen die Rahmenbedingungen berücksichtigen. Im Folgenden werden die Fragestellungen der Studie A vorgestellt (Kap. 7.1). Dann werden das Untersuchungsdesign (Kap. 7.2), die Probanden (Kap. 7.3) sowie die Materialien und Methoden (Kap. 7) beschrieben. Anschließend werden die Ergebnisse dargestellt (Kap. 7.5). In Kapitel 7.6 werden die Ergebnisse diskutiert. Es folgt die Zusammenfassung des Kapitels (Kap. 7.7).

7.1 Fragestellungen Zwei Fragestellungen stehen im Vordergrund der Studie A: A1: Wie gestalten die Sprachförderkräfte die Sprachstandserhebung? A2: Entspricht die Sprachstandserhebung den Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher, (zweit-)spracherwerbstheoretischer und testtheoretischer Perspektive? Auf der Grundlage dieser Fragestellungen wurden Teilfragestellungen formuliert, die sich an den in Kapitel 3.3 formulierten Anforderungen an Sprachstandserhebungen orientieren. In den Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive steht im Vordergrund, ob die in der Sprachstandserhebung eingesetzten Verfahren und Methoden testtheoretischen Gütekriterien genügen. Da nicht bekannt ist, welche Verfahren und Methoden die Sprachförderkräfte verwenden, gilt es, diese zu erfassen und dann mit den Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive zu vergleichen. A1.1: Welche Verfahren und Methoden verwenden die Sprachförderkräfte zur Sprachstandserhebung? A2.1: Entsprechen die Verfahren den Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive?

106 | Studie A: Sprachstandserhebungen Wohlwissend dass zum Zeitpunkt der Erhebung kein standardisiertes Verfahren für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache veröffentlicht war, ist das Ziel dieser Frage insbesondere zu untersuchen, ob und wenn ja in welchem Umfang Verfahren verwendet werden, die a) veröffentlicht sind b) für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache konzipiert sind. Darüber hinaus wird untersucht, ob vorrangig systematische oder unsystematische Methoden verwendet werden. Die Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive und aus der Perspektive der (Zweit-)Spracherwerbsforschung verdeutlichen, dass sich die Komplexität der Sprache in der Sprachstandserhebung widerspiegeln sollte. Außerdem sollen nur sprachliche Phänomene in die Sprachstandserhebung einbezogen werden, für die Forschungsergebnisse über den Erst- und Zweitspracherwerb vorliegen. Daraus ergeben sich die folgenden Fragen in Bezug auf das Vorgehen der Sprachförderkräfte: A1.2: Welche sprachlichen Teilbereiche berücksichtigen die Sprachförderkräfte in der Sprachstandserhebung? A2.2: Entsprechen die sprachlichen Teilbereiche den Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive und aus der Perspektive der (Zweit)Spracherwerbsforschung? Ebenfalls aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung heraus wird gefordert, die sprachbiografischen Parameter zu erfassen, die für den Erwerbstyp relevant sind. Basierend auf diesen Daten sollen Kinder mit Deutsch als Zweitsprache nicht (nur) mit einer monolingualen gleichaltrigen Norm verglichen werden, sondern auch mit Kindern mit gleicher Kontaktdauer zur Zweitsprache. Für diese Studie stellen sich die folgenden Fragen: A1.3: Welche Rolle spielt die Sprachbiografie des Kindes für das Vorgehen in der Sprachstandserhebung? A2.3: Entspricht die Rolle der Sprachbiografie des Kindes für das Vorgehen den Anforderungen aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung? Die Heterogenität in der Sprachstandserhebung im Rahmen der Vorlaufkurse spiegelt sich laut der Fallstudie von Voet Cornelli (2008) auch darin wider, ob und wie andere Professionen (z.B. die Erzieher der Kindertagesstätte) und die Eltern der Kinder in die Sprachstandserhebungen einbezogen werden. Auch die Empfehlungen des HKM greifen z.B. die Kooperation zwischen Kindertagestätte und Schule im Rahmen der Sprachstandserhebungen auf. Im Gegensatz dazu

Untersuchungsdesign | 107

fordern Lüdtke und Kallmeyer (2007) die Übertragung der Aufgabe der Sprachstandserhebung an Experten (z.B. Sprachheilpädagogen). Auf der Grundlage der Idee einer Aus- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte plädieren jedoch u.a. Tracy et al. (2010) dafür, dass die pädagogische Fachkräfte selbst die Sprachstandserhebung durchführen. Für die Diskussion um die Zuständigkeit und Qualifizierung in Bezug auf Sprachstandserhebungen ist es demnach notwendig zu wissen, welche Professionen an der Sprachstandserhebung beteiligt sind. Sollten neben den Sprachförderkräften aus den Schulen z.B. die Erzieher der Kindertagesstätten an der Auswahl der Kinder beteiligt sein, ist auch bei dieser Berufsgruppe der Bedarf an Weiterbildungsmaßnahmen zu erfragen und sind deren Kompetenzen zu untersuchen. Außerdem ist es für die Erforschung der Gestaltung der Sprachstandserhebungen durch die Sprachförderkräfte relevant zu wissen, welche Professionen sie hinzuziehen, welche Aufgaben diese Professionen übernehmen und warum die Sprachförderkräfte sie in die Sprachstandserhebungen einbeziehen. Es stellt sich für die Ist-Stand-Analyse im Rahmen dieser Studie die Frage: A1.4: Wer ist an den Sprachstandserhebungen beteiligt? Die vier Teilfragestellungen 1.1 bis 1.4 stellen die Gliederung für die Ergebnisse (s. Kapitel 8.3) dar. Die drei Teilfragestellungen 2.1 bis 2.3, anhand derer die Umsetzung der Anforderungen an Sprachstandserhebungen untersucht wird, werden in der Diskussion (s. Kap. 8.4) beantwortet. Um jedoch zunächst zu erfahren, wie die Fragestellungen untersucht wurden, wird im folgenden Kapitel das Untersuchungsdesign erläutert.

7.2 Untersuchungsdesign Die Fragestellungen der Studie werden mittels zweier Methoden (Fragebogen und Leitfadeninterview) untersucht. Im Folgenden wird begründet, wieso diese zwei Methoden verwendet werden. Anschließend wird die zeitliche Organisation der Studie kurz beschrieben. Inckemann geht davon aus, dass die Anwendung verschiedener qualitativer und quantitativer Methoden zu einer „umfassendere[n] Erfassung, Beschreibung und Erklärung eines Gegenstandsbereichs“ (Inckemann 2008: 203) führen kann. Kelle schränkt jedoch ein: „Die Anwendung verschiedener Einzelmethoden erhöht nicht per se das erkenntnisgenerierende Potenzial der qualitativen Forschung, sondern zunächst die Reflexivität in

108 | Studie A: Sprachstandserhebungen Bezug auf die Gegenstandskonstruktion qua Methode in den konkreten einzelnen Verfahren.“ (Kelle 2006: 277 in Anlehnung an Flick 1998: 445)

In der vorliegenden Studie liegt der Vorteil der Methodenkombination darin, dass mittels der quantitativen Methode (Fragebogen) strukturierte Daten einer großen Stichprobe erfasst werden konnten. Die qualitative Methode (Leitfadeninterviews) bietet darüber hinaus die Möglichkeit, detaillierte Angaben aus der Perspektive der Sprachförderkräfte zu erheben. Während der Fragebogen vorgegebene Antwortfelder enthält, um strukturierte Daten zu erfassen, besteht der Leitfaden aus offenen Fragen und bietet den Sprachförderkräften die Möglichkeit, ihre Antworten frei zu formulieren. Aufgrund der klar formulierten Anforderungen an Sprachstandserhebungen galt es, in der geschlossenen Befragung mittels des Fragebogens zu erfassen, inwieweit sich die geforderten Methoden und Inhalte in den Sprachstandserhebungen der Sprachförderkräfte wiederfinden. Neben der geschlossenen Befragung sollten die Sprachförderkräfte in einer offenen Befragung mittels eines Interviews selbst zu Wort kommen. Die Stärke qualitativer Methoden liegt darin, dem Forscher die Möglichkeit zu geben, subjektive Sinnsetzungen und Handlungsorientierungen der Akteure im empirischen Material zu entdecken (Kelle & Erzberger 1999: 518). In der vorliegenden Studie wurde diese Stärke genutzt, um die Repräsentation, Reflexionen und Überzeugungen der Sprachförderkräfte über die Sprachstandserhebungen zu erfassen. Ziel ist eine umfassendere Erhebung mit einer erhöhten Reflexivität als es mit nur einer Methode möglich gewesen wäre. Der Gewinn liegt m. E. darin, dass die offene Befragung geeignet ist, die Ergebnisse der geschlossenen Befragung zu ergänzen. Die Interviewstudie bietet, über die quantitative Analyse des Fragebogens und der Interviews hinaus, die Möglichkeit, durch die Beschreibungen der Sprachförderkräfte nicht nur Erkenntnisse über Inhalte und Methoden der Sprachstandserhebung zu erhalten, sondern auch über die Anwendung (s. Studie B Kapitel 9). Der zeitliche Ablauf der Studie sah wie folgt aus: Die Fragebögen wurden wenige Wochen nach den Sommerferien 2008 verschickt, d.h. zum damaligen Zeitpunkt der Schulanmeldung. Der Rücklauf erfolgte zwischen Oktober und November 2008. Die Lehrkräfte und Sprachförderkräfte füllten den Fragebogen demnach nach der Schulanmeldung und kurz vor oder kurz nach dem Beginn des Vorlaufkurses aus. Die Sprachförderkräfte, die den Fragebogen beantwortet und sich darin bereit erklärt hatten, an einem Interview teilzunehmen, wurden kontaktiert sobald der Fragebogen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main einging. Die Interviews fanden dann zwischen Ende Oktober 2008 und Februar 2009 statt. Der Vorlaufkurs hatte zum Zeitpunkt der Interviews seit mindestens einer Woche begonnen. Die Sprachförderkräfte konnten in den Interviews dem-

Probanden | 109

nach ihr kurze Zeit zurückliegendes bzw. aktuelles Vorgehen in den Sprachstandserhebungen rekonstruieren und reflektieren.

7.3 Probanden Die Probandenbeschreibung beinhaltet Informationen zur Stichprobenauswahl, Rekrutierung und Stichprobengröße. Außerdem werden die Probanden anhand von Angaben zur Aus- und Fortbildung sowie der Region ihrer Schule (Unterscheidung Groß- vs. Kleinstadt bzw. ländlicher Raum) charakterisiert. Für die Probanden, die am Interview teilgenommen haben, liegen außerdem Informationen zu Alter und Berufserfahrung vor. Die Angaben zu Berufserfahrung, Ausund Fortbildung stellen bereits ein Ergebnis dieser Studie dar. Bisher lagen keine Informationen dazu vor, wer in den hessischen Vorlaufkursen als Sprachförderkraft tätig ist. Im Folgenden werden die Probanden beider Teilstudien (Fragebogen und Interview) getrennt charakterisiert.

7.3.1 Probanden der Fragebogenstudie Es wurden 129 Grundschulen, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung (Schuljahr 2008/2009) einen Vorlaufkurs anboten, aus drei Schulamtsbezirken in Hessen angeschrieben. Dem Anschreiben lag der Fragebogen bei. Die Schulamtsbezirke wurden danach ausgewählt, dass sowohl eine Großstadt (über 100.000 Einwohner) als auch Kleinstädte und ländliche Regionen in der Stichprobe enthalten sind. Ein weiteres Kriterium war die Erreichbarkeit der Schulamtsbezirke, um den Ablauf der Datenerhebung der Studie C so optimal wie möglich zu gestalten. Da eine Selbstselektion der Stichprobe nicht ausgeschlossen werden kann, ist die Stichprobe nicht repräsentativ. Rückschlüsse von dieser Stichprobe auf die Grundgesamtheit der Vorlaufkurse sind demnach nur eingeschränkt möglich. Der Fragebogen enthielt drei Teile (für eine detaillierte Beschreibung des Materials s. Kap. 8.4.1), die sich jeweils an die Schulleitung, die für die Schulanmeldung verantwortliche Lehrkraft und die Sprachförderkraft des Vorlaufkurses richteten. Die Rücklaufquote beträgt 36,4 % (N=47 Grundschulen).33 Hiervon

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33 Eine eindeutige Beurteilung des Rücklaufs von Fragebögen im Kontext der Schulforschung liegt nicht vor. Häufig scheint der Rücklauf bei ca. 20 % zu liegen (Albert & Koster 2002, 26). Schrader und Helmke (2003) berichten bei einer Umfrage, die sich an Schulleiter in Rheinland-

110 | Studie A: Sprachstandserhebungen befinden sich 29 Schulen (61,7 %) auf dem Land oder in Kleinstädten (< 100.000 Einwohner) und 18 Schulen (38,3 %) in einer Großstadt (≥ 100.000 Einwohner). An 22 Schulen wird die Sprachfördermaßnahme Vorlaufkurs seit ihrer Konzeption durch das Hessische Kultusministerium 2001/2002 angeboten. Alle weiteren Schulen (N=25) richteten die vorschulische Sprachfördermaßnahme zwischen 2003 und 2007 ein. Im Fragebogen wurden die Lehrkräfte und Sprachförderkräfte um Angaben zu ihrer Aus- und Fortbildung gebeten. Tab. 4 illustriert die Studienfächer und Fortbildungen im Bereich Sprachstandserhebung der Lehr- und Sprachförderkräfte. An 17 Schulen ist die Sprachförderkraft des Vorlaufkurses auch für die Schulanmeldung verantwortlich, und an 22 Schulen sind unterschiedliche Personen zuständig. An sieben Schulen ist ein Team für die Schulanmeldung verantwortlich, so dass keine Angaben zur Aus- und Fortbildung gemacht wurden. Tab. 4: Aus- und Fortbildung der Stichprobe Studie A

Studienfach Deutsch natur- oder gesellschaftswissenschaftliche Fächer u.a. Sozialpädagogik Fehlende Angaben Fortbildungen Mind. eine Fortbildungen zu Sprachstandserhebung oder DaZ Keine Fortbildung zu Sprachstandserhebung oder DaZ Fehlende Angaben

Anzahl Lehrkräfte der Schulanmeldung (N=47)

Anzahl Sprachförderkräfte (N=47)

27 7

31 4

5 7

8 4

32

31

9

15

6

1

Unter den Sprachförderkräften, die den Vorlaufkurs leiten, befinden sich mehr Lehrkräfte mit dem Fach Deutsch und mehr Sozialpädagogen im Vergleich zu den Lehrkräften, die für die Schulanmeldung verantwortlich sind. Es ist festzuhalten, dass 68 % der Lehrkräfte der Schulanmeldung und 72 % der Sprachför-

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Pfalz richtete, einen Rücklauf von 8 %, während Hübner und Pfitzner (2001) bei einer Umfrage über Schulsportunfälle einen Rücklauf zwischen 85 % und 93 % von den Unfallschülern und den unterrichtenden Lehrkräften erhalten. Neugebauer schätzt den Rücklauf von 52 % in seiner Studie als „typisch“ (Neugebauer 2010: 39) ein.

Probanden | 111

derkräfte das Fach Deutsch studiert haben und somit über Grundlagen in den Wissensbereichen Sprache und Didaktik verfügen sollten. In beiden Stichproben haben 66 % bzw. 68 % mindestens eine Fortbildung zu den Themen „Sprachstandserhebung“ und/oder „Deutsch als Zweitsprache“ besucht. Die Anzahl der Sprachförderkräfte, die keine Fortbildung besucht hat, ist höher im Vergleich zu den Lehrkräften, die für die Schulanmeldung verantwortlich sind. Alle beschriebenen Unterschiede sind allerdings so gering, dass die Anzahl der fehlenden Angaben die Unterschiede bereits ausgleichen könnte. Deutlich wird an der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte und Sprachförderkräfte jedoch, dass offenbar weder das Studienfach Deutsch noch eine Fortbildung zu Sprachstandserhebung und Deutsch als Zweitsprache Voraussetzung sind, um die jeweiligen Aufgaben bei der Schulanmeldung und im Vorlaufkurs auszuüben.

7.3.2 Probanden der Interviewstudie Bei den Sprachförderkräften, die an der Interviewstudie teilnahmen, wurden ausgewählte biografische Angaben im Anschluss an das Interview erfasst, um diese Stichprobe genauer zu charakterisieren. Neben der Aus- und Fortbildung wurden die Faktoren Alter und Berufserfahrung erhoben. 20 Sprachförderkräfte, die an der Fragebogenstudie teilgenommen hatten und einen Vorlaufkurs unterrichten, stellten sich für das Interview zur Verfügung. Alle interviewten Sprachförderkräfte sind weiblich. Das Alter der Sprachförderkräfte lag zwischen 27 und 63 Jahren (Mittelwert (M): 48 Jahre, Standardabweichung (SD): 10 Jahre) und die Berufszeit zwischen 2 und 41 Jahren (M: 22 Jahre, SD: 12 Jahre). Sieben Sprachförderkräfte unterrichten an einer Schule im „ländlichen Raum“, 13 in einer Großstadt. Sechs Sprachförderkräfte hatten bisher ein Jahr lang einen Vorlaufkurs unterrichtet, zwei unterrichteten bereits den siebten Vorlaufkurs (M: 3 Jahre, SD: 2 Jahre). Charakteristisch für die Vorlaufkurse ist der unterschiedliche berufliche Hintergrund (s. auch Kap. 7.3.1). 15 der Sprachförderkräfte haben das Lehramt für Grundschulen und drei der Sprachförderkräfte Sozialpädagogik studiert. Eine Sprachförderkraft ist Erzieherin und eine Physiotherapeutin. Sieben Sprachförderkräfte haben eine Fortbildung im Bereich der Erhebung sprachlicher Fähigkeiten und im Bereich Deutsch als Zweitsprache besucht, sieben Sprachförderkräfte haben sich in einem der beiden Bereiche und sechs Sprachförderkräfte haben sich in keinem der beiden Bereiche fortgebildet. Acht Sprachförderkräfte arbeiten u.a. mit den Materialien des Sprachförderprogramms „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) (Probandenübersicht s. Tab. 34 im Anhang S. 266).

112 | Studie A: Sprachstandserhebungen

7.4 Methoden und Materialien Es wurden ein Fragebogen und ein Interviewleitfaden konzipiert. Im Folgenden werden die Materialien vorgestellt sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Methoden reflektiert.

7.4.1 Fragebogen Der Fragebogen gliedert sich in drei Teile, die jeweils von der Schulleitung, der Lehrkraft der Schulanmeldung und der Sprachförderkraft des Vorlaufkurses einer Schule bearbeitet wurden. Tab. 5 zeigt, dass allgemeine Informationen zu Schulform und Schülerzahl im Fragebogen, den die Schulleitung ausfüllte, erfragt wurden. Der Fragebogen, der sich an die Lehrkraft der Schulanmeldung richtet, umfasst Fragen zur Aus- und Fortbildung der Lehrkraft sowie zur Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung. Die Sprachförderkraft wurde in ihrem Fragebogen um Angaben zu ihrer Aus- und Fortbildung, zur Sprachstandserhebung im Rahmen der Sprachförderung sowie zu Materialien und Inhalten der Sprachförderung gebeten. Tab. 5: Inhalte des Fragebogens Teile des Fragebogens

Items zu den Themen

Proband

Allgemeine Informationen Schulanmeldung

Schulform Schülerzahlen Qualifikationen der Lehrkraft Sprachstandserhebung Qualifikationen der Lehrkraft Sprachstandserhebung Sprachförderung

Schulleitung

Vorlaufkurs

Lehrkraft: Schulanmeldung Sprachförderkraft Vorlaufkurs

Anzahl der Fragen 7 9 20

Der Fragebogen wurde per Post an die Schulen mit der Bitte verschickt, diesen innerhalb von vier Wochen zu beantworten und an die Universität zurückzuschicken; ein Rückumschlag wurde nicht beigelegt. Die Teilnahme an der Umfrage erfolgte freiwillig und anonym; die Bearbeitungszeit betrug je Fragebogen zwischen fünf und 15 Minuten. (Der vollständige Fragebogen befindet sich im Anhang Abb. 32ff. auf S. 267ff.) Der Fragebogen wurden auf der Basis der Literatur zur Sprachstandserhebung und Sprachförderung, der Empfehlungen des hessischen Kultusministeriums (HKM) (Althaus et al. 2002) und den damals vorliegenden Ergebnissen der

Methoden und Materialien | 113

Fallstudie von Voet Cornelli (2008) erstellt. Die Fragen und Antworten sind deshalb stark durch die verschiedenen Disziplinen geprägt, die sich mit der Sprachstandserhebung und Sprachförderung auseinandersetzen. Vorrangig wurden Mehrfachwahlaufgaben gestellt, um eine schnelle Beantwortung des Fragebogens zu ermöglichen. Um die Möglichkeit zu geben, bereits im Fragebogen über die vorgegebenen Antworten hinaus Informationen mitzuteilen, sind Ergänzungsfelder wie in (F3) im untersten Ausschnitt enthalten. Insgesamt enthält der Fragebogen 36 Fragen. Davon sind 14 Fragen als freie Ergänzungsaufgaben wie in Fragebeispiel (F1) formuliert. 22 Fragen beinhalten ein gebundenes Antwortformat in Form von Ja-Nein-Fragen wie in Fragebeispiel (F2) sowie Mehrfach-Wahlaufgaben wie in Fragebeispiel (F3). (F1) Seit wann sind Sie für den Vorlaufkurs verantwortlich? ____ (Jahre) (F2) Wird die Sprachbiografie (z.B. „Wie alt war das Kind, als es erste Wörter sprach?“ Bei zweisprachigen Kindern: „Welche Verteilung der Sprachen gibt es innerhalb der Familie?“ „Wann war der erste Kontakt zum Deutschen?“) des Kindes erfasst? Nein Ja (F3) Welche sprachlichen Bereiche werden erfasst? Sprachproduktion Sprachverständnis Aussprache Wortschatz Grammatik phonologische Bewusstheit Kommunikation generell interkulturelle Fähigkeiten Weitere sprachliche Bereiche: _________________________________ Die Auswahl der Antwortfelder in Beispiel (F3) (s. oben) erfolgte angelehnt an die Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive (s. Kap. 3.3.1) und an die Handreichung des HKM (Althaus et al. 2002). Die Termini orientieren sich an den in der Handreichung des HKM verwendeten Begriffen. So werden nicht die sprachwissenschaftlichen Termini für die Ebenen (Phonologie/Phonetik, Morphologie, Semantik, Syntax und Pragmatik) als Items genutzt, sondern die in der Handreichung verwendeten Begriffe. Außer den beiden Modalitäten Verständnis und Produktion enthält die Frage (F3) die Items Aussprache, Wortschatz und Grammatik. Zusätzlich wurden phonologische Bewusstheit, interkulturelle Fähigkeiten und generelle Kommunikation aufgenommen. Die Items sind nicht direkt einer sprachlichen Ebene zuzuordnen. Vielmehr stellen die Items „Aussprache“ und „phonologische Bewusstheit“ Teilaspekte der Ebene Phonologie/Phonetik dar und das Item „Grammatik“ umfasst die Ebenen Morphologie und Syntax. Anhand dieser Items kann demnach keine Aussage darüber getroffen werden, ob semantische und pragmatische Fähigkeiten erfasst

114 | Studie A: Sprachstandserhebungen werden. Der Bereich interkulturelle Fähigkeiten wird aufgrund der sprachdidaktischen Perspektive dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Der Bereich wurde in den Fragebogen aufgenommen, da interkulturelle Fähigkeiten Gegenstand der Sprachförderung sein können (für eine Diskussion Michalak 2010: 138) und bisher nicht bekannt ist, ob sich dieser Bereich dann auch in der Sprachstandserhebung widerspiegelt. Um die Materialien, die in der Sprachstandserhebung verwendet werden, zu erfassen, wurden folgende Auswahlmöglichkeiten angeboten: (F4) Wenn ja, wie werden die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes erhoben? Mit hausinternen Materialien o in Form eines Fragebogens an die Eltern o in Form einer Beobachtung (z.B. Wie spricht das Kind in einer freien Spielsituation?) o in Form einer Analyse sprachlicher Äußerungen (z.B. Aufnahme eines Gesprächs oder einer Bildbeschreibung und anschließende Auswertung) o in Form von konkreten Aufgaben (z.B. Benennen und Zeigen von Bildern, Bilden des Plurals bei Angabe des Singulars, Nachsprechen von Worten, Ergänzen von Sätzen, etc.) o Weitere: ___________________________________________________ In Verlagen veröffentliche Materialien Welche? (Bitte geben sie Autor und Titel an.)__________________________ Um den Lehrkräften die Möglichkeit zu geben, individuelle Anmerkungen hinzuzufügen, wurden Ergänzungsfelder zur Verfügung gestellt (s. F3 und F4). Die Antworten der Probanden auf Ja-Nein-Fragen und Mehrfachwahlaufgaben wurden als Ja-Nein-Antworten codiert. Antworten auf offene Fragen wurden wörtlich übertragen. Die Codierung ermöglichte eine quantitative Auswertung der Häufigkeiten. Der Fragebogen wurde mit zwei Lehrkräften und drei Sprachförderkräften erprobt, die die Vorlaufkurse kennen, jedoch zum Zeitpunkt der Pilotierung keinen Vorlaufkurs leiteten. Die Sprachförderkräfte werden mittels des Fragebogens dazu aufgefordert, ihr Vorgehen in den Sprachstandserhebungen anhand vorgegebener Kategorien einzuordnen. Ihr praktisches Wissen soll durch die Fragen im Fragebogen zugänglich gemacht werden, indem sie ihr Vorgehen in der Auswahl, Vorbereitung und Durchführung der Sprachstandserhebungen rekonstruieren. Die Verdichtung ihrer ausgewählten und angewendeten Inhalten und Methoden in den

Methoden und Materialien | 115

Sprachstandserhebungen auf die vorgegebenen Kategorien wird in Kauf genommen, um Daten einer möglichst großen Stichprobe zu erfassen.

7.4.2 Interview Im Folgenden wird der Aufbau des Interviewleitfadens, die Durchführung, Auswertung und Ergebnisdarstellung der Interviews beschrieben. Interviewleitfaden Der Interviewleitfaden wurde auf der Basis der Handreichung des Hessischen Kultusministeriums (Althaus et al. 2002), der Anforderungen an Sprachstandserhebungen, der Literatur zu Sprachstandserhebung (u.a. Kany & Schöler 2007) und den Ergebnissen von Voet Cornelli (2008) konstruiert und anhand der Ergebnisse der Fragebogenumfrage erweitert. Eine Pilotierung des Leitfadens erfolgte mit Grund- und Sonderschulpädagogen, die die Vorlaufkurse kennen, jedoch nicht in einem Vorlaufkurs unterrichten. Diese Einschränkung war notwendig, um die Stichprobe nicht zu verringern. Im Anschluss an die Pilotierung erfolgte eine Modifikation des Leitfadens, indem Fragen, die bereits in der Pilotierung anders formuliert wurden, in dieser veränderten Formulierung in den Leitfaden übernommen wurden. Zudem wurde die Pilotierung von der Interviewerin genutzt, um die Interviewdurchführung zu erproben. Das Interview umfasst 23 Fragen, die in einem Interviewleitfaden festgehalten sind (s. Abb. 38ff. im Anhang S. 273ff.). Der Leitfaden gewährleistet, dass die für die Studie relevanten Aspekte bei jedem Probanden vollständig erfragt werden, ohne dabei die Befragten in ihrer Ausdrucksmöglichkeit zu stark zu reglementieren (Hopf & Schmidt 1993). Der Interviewleitfaden (L) ist gegliedert in die Abschnitte Einleitung, Auswahl, Vorlaufkurs, Förderung, Förderziele, Verlaufsdokumentation und Ausklang. Alle Fragen wurden als Informationsfragen gestellt und regten die Sprachförderkräfte zum Beschreiben an (s. z.B. folgende Frage (L2)). (L2) Welche Kriterien entscheiden über die Zuordnung zu einem Vorlaufkurs? In fünf Fragen wurden die Sprachförderkräfte gebeten, ihr Vorgehen in den Sprachstandserhebungen (s. z.B. folgende Frage (L17)) bzw. in der Konzeption der Sprachstandserhebungen zu erläutern. (L17) Wie dokumentieren Sie Ihr Vorgehen im Rahmen des Vorlaufkurses und auch die Fähigkeiten der Kinder?

116 | Studie A: Sprachstandserhebungen Mit anderen Fragen wurde eine inhaltliche oder methodische Positionierung der Sprachförderkraft erfasst (s. z.B. die folgende Frage (L4)). (L4) Woran orientieren Sie (und die Kollegin, die die Schulanmeldung durchführt) sich bei der Zusammenstellung der Übungen für die Erhebung der sprachlichen Fähigkeiten? In den Abschnitten „Auswahl Vorlaufkurs“ und „Förderziele“ wurden die Sprachförderkräfte außerdem zur Selbstreflexion angeregt (s. z.B. die folgende Frage (L5)). (L5) Was spricht für und was gegen die Aufgaben und Materialien, die Sie zur Erhebung sprachlicher Fähigkeiten verwenden? Der Interviewleitfaden soll die Sprachförderkräfte dazu anregen, ihr Vorgehen in der Sprachstandserhebung und Förderplanung zu rekonstruieren. Diese Darstellungen enthalten Verdichtungen und Generalisierungen über alle von der Sprachförderkraft durchgeführten Sprachstandserhebungen hinweg. Anders als mittels Beobachtungen werden so nicht die tatsächlichen Praktiken der Sprachförderkräfte anhand eines Einzelfalls erfasst, sondern deren Repräsentationen von und Reflexionen über ihre Praktiken. Im Unterschied zum Fragebogen wird das Vorgehen in den Sprachstandserhebungen in der Datenerhebung nicht durch die Methode, sondern durch die Interviewten selbst verdichtet. Erst während der Datenauswertung (s. unten) erfolgt dann eine weitere Verdichtung durch die Erheberin, indem die Aussagen der Sprachförderkräfte kategorisiert werden. Datenerhebung Die Datenerhebung erfolgte im Herbst und Winter 2008. Alle Interviews wurden von der Autorin selbst durchgeführt. Die Interviews dauerten zwischen 30 und 50 Minuten und fanden jeweils nach Unterrichtsschluss statt. Den Ort der Interviews wählten die Sprachförderkräfte selbst. Bis auf zwei Interviews, die bei den Interviewten zu Hause bzw. in einem Café stattfanden, wurden die Interviews in den Räumlichkeiten der jeweiligen Schule durchgeführt. Die Aufnahme des Interviews erfolgte mit einem digitalen Diktiergerät. Die Probandin stimmte der Aufnahme vor Beginn des Interviews zu. In Anlehnung an Inckemann (2008: 195) erfolgte das Interview so genau wie möglich anhand des Leitfadens; dabei blieb die Flexibilität erhalten, situationsabhängig vom Leitfaden abzuweichen, um anschließend wieder zur Struktur des Leitfadens zurückzukehren. Dadurch wurde der Charakter einer Gesprächssituation, trotz der Strukturierung durch den Leitfaden, gewahrt. Die Sprachförderkräfte nutzten die Gelegenheit, um über ihre Tätigkeit als Vorlaufkurslehrerin zu berichten. Alle Sprachförderkräfte gaben im Anschluss

Methoden und Materialien | 117

an das Interview an, dass sie die Interviewsituation als angenehm, wenn auch ungewohnt empfunden haben, und erklärten sich bereit, weiterhin an der Studie teilzunehmen. Das Interview stellt eine Form des „Experteninterviews“ (Gläser & Laudel 2006; Meuser & Nagel 2005) dar. Die Lehrperson wird, in Anlehnung an Heinzel (2010: 123ff.), als gleichberechtigte Praxisexpertin angesehen. Der Expertenstatus der Lehrperson besteht aufgrund ihrer Tätigkeit als Sprachförderkraft in einem Vorlaufkurs, durch die sie über besonderes Wissen verfügt (s. hierzu auch Littig 2008). Datenauswertung Nach der Datenerhebung erfolgte die Transkription, die von geschulten Personen übernommen wurde. Bei der Transkription stand die Lesbarkeit der Transkripte im Vordergrund.34 Aus diesem Grund wurde weitgehend darauf verzichtet, komplexe Informationen (z.B. die Wortprosodie) im Transkript wiederzugeben. Die Verschriftung orientierte sich an der Standardorthografie (Kuckartz et al. 2007: 27). Pausenfüller, wie „äh“ oder „ähm“, wurden ergänzend zu den Pausen (s. Tab. 6) wiedergegeben. Eine Reduzierung auf die in Tab. 6 genannten Zeichen (in Anlehnung an Kallmeyer und Schütze (1976) und Kuckartz et al. (2007)) diente dazu, relevante Informationen im Transkript zu verschriftlichen, irrelevante Informationen auszublenden und die Lesbarkeit zu erhöhen (Dresing & Pehl 2010: 728). Diese Entscheidung geschah unter Berücksichtigung der Fragestellungen, die in dieser Studie im Vordergrund standen. Um die regionale Herkunft zu bewahren, blieben dialektale und umgangssprachliche Aspekte erhalten. Die Interviews wurden anonymisiert, d.h. Städteund Personennamen durch xxx unkenntlich gemacht. Tab. 6: Transkriptionsregeln Kennzeichnung . , ? . / .. / … (???) (LACHEN)

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Erläuterung Inhaltliches Satzende Inhaltlicher Satzabschnitt Fragenintonation Kurze Pause / Pause bis zu 3 Sekunden / Pause > 3 Sekunden Unverständlich Charakterisierung von nicht sprachlichen Vorgängen

34 Ein komplexes Transkriptionssystem wie HIAT (Ehlich & Rehbein 1976) oder GAT (Selting et al. 1998) hätte die Lesbarkeit erschwert. Die von Kowal und O’Connell (2008) formulierten Empfehlungen zur Entwicklung eines Transkriptionssystems dienten als Hilfe bei der Abgrenzung zwischen notwendigen und nicht erforderlichen Transkriptionsregeln für diese Studie.

118 | Studie A: Sprachstandserhebungen

Die Analyse erfolgte computergestützt mit dem Programm MAXQDA. Es wurde auf zwei Methoden zurückgegriffen. Das THEMATISCHE CODIEREN (Hopf & Schmidt 1993) bietet die Möglichkeit, deduktiv entwickelte Auswertungskategorien zu nutzen. Die QUALITATIVE INHALTSANALYSE (Mayring 2008) ermöglicht eine induktive Erweiterung der Auswertungskategorien. Es entstand ein der Komplexität der Fragestellungen sowie der Datenmenge angemessenes Kategoriensystem. In Bezug auf die deduktiven Kategorien wird nicht davon ausgegangen, dass ein „vorgegebener theoretischer Rahmen in der Auseinandersetzung mit den eigenen Daten die Wahrnehmung und Beobachtungsmöglichkeiten zu stark einschränken könne“ (Hopf & Schmidt 1993: 14). Sowohl das THEMATISCHE CODIEREN als auch die QUALITATIVE INHALTSANALYSE bilden zunächst Kategorien, aus denen dann ein Codesystem entwickelt wird. „Was überhaupt eine Kategorie ist und wie man Kategorien bildet, wird in Methodentexten meist nicht weiter problematisiert, sondern stillschweigend vorausgesetzt“ (Kuckartz 2010: 58). Synonym verwendet werden z.B. Variable, Merkmal oder Merkmalsausprägung (Kuckartz 2010). In der vorliegenden Studie werden Kategorien einerseits als Mittel zur Textstrukturierung gesehen, und anderseits können Kategorien die Funktion von Variablen übernehmen. Im Folgenden wird beschrieben, wie die Kategorien dieser Studie gebildet wurden. Die Kategorien oder auch Codes wurden sowohl aus dem Material heraus gebildet als auch von außen hinzugezogen. Das Leitprinzip des THEMATISCHEN CODIERENS ist „der Austausch zwischen Material und theoretischem Vorverständnis“ (Schmidt 2008: 448). Für die Auswertung innerhalb der vorliegenden Teilstudie war es wichtig, eine Auswertungsstrategie zu nutzen, die es ermöglicht, induktiv – vom Material ausgehend – das von den Sprachförderkräften rekonstruierte Vorgehen aufzuzeigen. Das THEMATISCHE CODIEREN ermöglicht es darüber hinaus, das theoretische Vorwissen der Autorin nicht auszublenden, sondern bewusst in den Auswertungsprozess einzubeziehen und deduktive Kategorien hinzuzufügen. Das Wechselspiel zwischen theoretischen Überlegungen und Erkenntnissen aus dem Material führte dazu, diese Auswertungsstrategien zu verwenden. Die fünf Schritte des THEMATISCHEN CODIERENS sind nach Schmidt (2008: 448ff.): 1. 2. 3. 4. 5.

Materialorientierte Bildung von Auswertungskategorien Zusammenstellung der Auswertungskategorien zu einem Codierleitfaden Codierung des Materials Quantifizierende Materialübersicht Vertiefende Fallinterpretation

Es erfolgten zwei wesentliche Abweichungen von diesen fünf Schritten. Die Auswertungskategorien wie in Schritt 2 an einzelnen Interviews in diskursiver

Methoden und Materialien | 119

Form im Forschungsteam zu erproben (Schmidt 2008: 452), wurde in der vorliegenden Untersuchung aufgrund der personellen Ressourcen nicht umgesetzt.35 In der vorliegenden Analyse werden die Ergebnisse quantifizierend dargestellt und mit Interviewbeispielen untermauert. Auf eine Fallinterpretation wird in dieser Studie verzichtet (hierzu Voet Cornelli 2008). Innerhalb des Codierens, bei dem Textsegmente als Indikator für das Vorliegen einer bestimmten, genau definierten Kategorie angesehen werden, unterscheidet Kuckartz (2010) zwischen Faktencodes, thematischen und bewertenden Codes. Zu den Faktencodes zählen „objektive“ Gegebenheiten (Kuckartz 2010: 61), die ebenso von Laien benannt werden können. In der vorliegenden Arbeit trifft das z.B. auf die an der Sprachstandserhebung beteiligten Personen zu. Thematische Codes „dienen als Zeiger auf bestimmte Themen im Text. Ähnlich Verkehrsschildern an der Landstraße gelten die Codes nur als Hinweis darauf, dass man an einer bestimmten Stelle die so benannten Themen, Phänomene, Ereignisse, Argumente etc. findet“ (Kuckartz 2010: 61). Thematische Codes wurden in der vorliegenden Arbeit verwendet, um die Textstellen zu markieren, in denen die Sprachförderkräfte über ihre Praktiken, z.B. in der Sprachstandserhebung, reflektieren. In einem nächsten Schritt wurden dann bewertende Codes zur Spezifizierung der Äußerung entwickelt. Bewertungscodes unterscheiden sich von Faktencodes dadurch, dass sie komplexer sind und auf externe, z.B. fachliche Bewertungsmaßstäbe bezogen sind. In der vorliegenden Arbeit basieren die Formulierungen der Codes, z.B. zu Methoden und Inhalten der Sprachstandserhebung auf sprachwissenschaftlichen, sprachdidaktischen und methodologischen Termini und deren fachwissenschaftlichem Verständnis. Werden die Codes jedoch explizit von einem Interviewten genannt, ist eine Unterscheidung zwischen Faktencodes und bewertenden Codes nicht mehr möglich. In der vorliegenden Arbeit baut die Codierung darauf auf, aus den Äußerungen der Interviewten für die Fragestellungen relevante Textstellen zu identifizieren, explizit genannte Aspekte der Fragestellungen zu codieren und Beschreibungen zu kategorisieren bzw. in Codes zu überführen. Dies führt sowohl zur Verwendung von Faktencodes als auch von thematischen und bewertenden Codes. ||

35 Stattdessen stellte die Autorin Beispiele des Codierleitfadens im Forschungskolloquium „Spracherwerb“ (Prof. Dr. Petra Schulz) vor, diskutierte dort mit den Teilnehmern anhand von Interviewausschnitten die Formulierung der Codes sowie die Zuordnung der Interviewpassagen. Der Codierleitfaden wurde minimal modifiziert, z.B. wurden einzelne Subcodes zusammengefasst. Außerdem nutzte die Autorin die Möglichkeit, im Doktoranden- und Habilitantenkolloquium (Prof. Dr. Helga Kelle) Interviewausschnitte zu diskutieren. Eine erneute Modifizierung des Codierleitfadens erfolgte nicht.

120 | Studie A: Sprachstandserhebungen Auch wenn in dieser Arbeit nicht die Entwicklung jeder Kategorie und jedes Codes beschrieben werden kann, wird anhand eines Beispiels das Vorgehen erläutert. Frage 3 des Leitfadens (L3) thematisierte die Personen, die in die Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten im Rahmen der Schulanmeldung einbezogen werden, um u.a. die Kinder für den Vorlaufkurs auszuwählen. (L3) Wer wird noch in die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten einbezogen? Bereits während der Leitfadenentwicklung und im Verlauf der Pilotierung wurden erste Kategorien deduktiv gebildet. In Bezug auf die beteiligten Personen kamen so die folgenden Kategorien, die nach Kuckartz (2010) als Faktencodes bezeichnet werden und „eine bestimmte „objektive“ Gegebenheit zum Ausdruck bringen“ (Kuckartz 2010: 61), zustande: -

Vorlaufkurslehrer Eltern Erzieher Kinderarzt Sprachtherapeut

Im Rahmen des ersten Auswertungsschrittes, der materialorientierten Bildung von Kategorien, wurde diese Liste durch eine Reihe weiterer Professionen ergänzt (z.B. die Schulleitung, einen Sonderschullehrer, der die Schule betreut, und die Lehrer, die das nächste erste Schuljahr übernehmen). Der ergänzte Codierleitfaden wurde mit Ankerbeispielen aus dem Material versehen (exemplarische Ankerbeispiele s. Tab. 36 im Anhang S. 285ff.). Das so entstandene Raster ermöglichte eine strukturierte Auswertung bzw. regelgeleitete Interpretation (Mayring 2010: 603). In Anlehnung an den Ablauf der QUALITATIVEN INHALTSANALYSE nach Mayring (2008: 75) wurde der Codierleitfaden nach der Bearbeitung der Hälfte des Materials erneut überarbeitet. Codes wurden zusammengefasst oder gelöscht, wenn sie nicht im Material enthalten waren (z.B. Kinderarzt). Mit dem endgültigen Codierleitfaden (s. Tab. 35 im Anhang S. 277ff.) wurde die erste Hälfte des Materials erneut ausgewertet und anschließend auf die zweite Hälfte des Materials angewendet. Die computergestützte Auswertung ermöglichte eine strukturierte Codierung und einen anschließenden Zugriff auf spezifische Interviewsequenzen. Gütekriterien „Quantitative Kriterien sind nicht für die Bewertung qualitativer Forschung geeignet: Sie wurden für ganz andere Methoden […] entwickelt […].“ (Steinke 2008: 322) Auch wenn Kuckartz vorschlägt, Faktencodes mittels einer Interra-

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terreliablität zu überprüfen (Kuckartz 2010: 61), wird aufgrund der qualitativen Forschungsmethodologie der Studien A und B in Anlehnung an Steinke (2008) nicht auf quantitative Gütekriterien zurückgegriffen. An die in den Studien A und B verwendete Methode des Leitfadeninterviews und deren Auswertung in Anlehnung an die QUALITATIVE INHALTSANALYSE und das THEMATISCHE CODIEREN sind Gütekriterien der qualitativen Forschung anzulegen. In Anlehnung an Steinke (2008: 324) und Ilg und Boothe (2010) wurden zu Fragestellungen, Gegenstand und verwendeter Methode passende Gütekriterien berücksichtigt. Steinke formulierte einen Kriterienkatalog, der „untersuchungsspezifisch […] konkretisiert, modifiziert und gegebenenfalls durch weitere Kriterien ergänzt werden“ sollte (Steinke 2008: 324). Im Folgenden wird erläutert, welche Gütekriterien berücksichtigt wurden, und begründet, warum einige Gütekriterien, die Steinke (2008) sowie Ilg und Boothe (2010) vorschlagen, nicht für die Studien A und B geeignet waren. Die intersubjektive Nachvollziehbarkeit kann nach Steinke (2008: 324ff.) durch die Dokumentation des Forschungsprozesses, die Interpretation in Gruppen und die Anwendung codifizierter Verfahren erfolgen. Die Datenerhebung, die Materialien und die Datenauswertung wurden detailliert dargestellt. Hier ist insbesondere der Prozess der Codierung hervorzuheben, der im vorangehenden Kapitel ausführlich beschrieben wurde. Die Interpretation in Gruppen erfolgte während der Konzeption des Materials und während der Datenauswertung im Rahmen der Kolloquien von Frau Prof. Dr. Schulz und Frau Prof. Dr. Kelle. Da die Kollegen und Kolleginnen der Kolloquien nicht im gleichen Projekt arbeiten, kann dies als „peer debriefing“ (Lincoln & Guba 1985: 308) bezeichnet werden. Die Konzeption des Leitfadens und die Codierung der Interviews wurden außerdem mit einer Kollegin diskutiert, die mit dem Thema Vorlaufkurse und Sprachstandserhebung vertraut ist. Laut Steinke stellt die Verwendung eines codifizierten Verfahrens (in der vorliegenden Studie der QUALITATIVEN INHALTSANALYSE und des THEMATISCHEN CODIERENS) eine Vereinheitlichung des methodischen Vorgehens dar und trägt dadurch zur intersubjektiven Nachvollziehbarkeit bei (Steinke 2008: 324ff.). In Anlehnung an Steinke (1999) wird es als sinnvoll erachtet, das Vorverständnis der Forscherin offenzulegen. Dieser Einblick in die Identität der Forscherin findet sich in einer Reihe von qualitativen fremdsprachendidaktischen Forschungsarbeiten, wobei der Umfang stark variiert (z.B. Kallenbach 1996; Caspari 2003). Basierend auf der Annahme, dass in jedem Forschungsprojekt subjektive Entscheidungen gefällt werden, wird dieser Aspekt in der Darstellung des Forschungsprozesses und in der Interpretation der Ergebnisse jedoch nicht berücksichtigt. Vielmehr wird die Offenlegung des Vorverständnisses der Forscherin und dessen Reflexion als Teil der Dokumentation des Forschungs-

122 | Studie A: Sprachstandserhebungen prozesses gesehen. Neben der Herleitung der Fragestellungen aus der Theorie und dem Stand der Forschung prägt das Vorverständnis der Forscherin ebenfalls die Ausrichtung des Forschungsprojektes. In den vorangehenden Kapiteln wurde die sprachdidaktische Perspektive der Forscherin betont. Ein weiteres Gütekriterium ist die Indikation des Forschungsprozesses, zu dem nach Steinke (2008) u.a. die Indikation des qualitativen Vorgehens, der Methodenwahl, von Transkriptionsregeln und Samplingstrategien zählt. Die Begründung des quantitativen Vorgehens mittels Fragebogen und des qualitativen Vorgehens mittels Leitfadeninterviews wurde bereits in Kapitel 7.2 erläutert. Außerdem wurde die Auswahl der Transkriptionsregeln begründet. In die Stichprobe wurden alle Sprachförderkräfte einbezogen, die sich nach der Fragebogenumfrage zur Teilnahme an einem Interview bereiterklärten. Alle Interviews wurden anschließend in Anlehnung an die QUALITATIVE INHALTSANALYSE und das THEMATISCHE CODIEREN ausgewertet. In der Ergebnisdarstellung wurden dann jedoch Aussagen von Sprachförderkräften ausgewählt, die entweder ein Ergebnis der Fragebogenumfrage untermauern oder die im Kontrast zu einer anderen Aussage stehen. Die empirische Verankerung der Theoriebildung ist ein weiteres Gütekriterium qualitativer Forschung (Steinke 2008: 328). Sowohl die Verwendung eines codifizierten Verfahrens als auch „hinreichende Textbelege für die entwickelte Theorie“ sind laut Steinke (2008: 328) zur Prüfung der empirischen Verankerung geeignet. Eine weitere Möglichkeit ist die kommunikative Validierung, d.h. die Ergebnisse werden den Untersuchten zur Diskussion vorgelegt. Die Darstellung des Codierleitfadens erfolgte bereits in Kapitel 7.4.2. Auf die Einbindung hinreichender Textbelege in die Ergebnisdarstellung wurde geachtet (s. 7.5 und 8.3). Die kommunikative Validierung als Prüfung der empirischen Verankerung wurde für die vorliegende Arbeit nicht angewendet. Die Gültigkeit der Codierung und damit der Ergebnisse wird nicht von der Zustimmung der Untersuchten abhängig gemacht (Kunze 2004: 79). Unter dem Kriterium Limitation fordert Steinke (2008: 329), die Verallgemeinerbarkeit einer entwickelten Theorie und von Forschungsergebnissen zu prüfen. Ilg und Boothe (2010) unterscheiden in dem von ihnen formulierten Kriterium „Generalisierung“ zwischen einer generellen und einer spezifischen Erkenntnisgewinnung. Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine spezifische Erkenntnisgewinnung. Die qualitativen Daten stellen die Repräsentationen, Reflexionen und Überzeugungen der befragten Sprachförderkräfte dar und können nicht generalisiert werden.

Ergebnisse | 123

7.5 Ergebnisse In Studie A wird untersucht, welche Inhalte und Methoden in den Sprachstandserhebungen verwendet werden (Kap. 7.5.1 und 7.5.2), ob sprachbiografische Informationen erfasst werden (Kap. 7.5.3) und welche Professionen an der Sprachstandserhebung beteiligt sind (Kap. 7.5.4). Die quantitativen Ergebnisse basieren auf der Fragebogen- und der Interviewstudie. Ausgewählte Interviewausschnitte werden dargestellt, um z.B. ein quantitatives Ergebnis durch die Aussagen einer Sprachförderkraft zu veranschaulichen, zu untermauern oder zu kontrastieren. Bevor die Ergebnisse für die in Kapitel 8.1 formulierten Fragestellungen dargestellt werden, ist die Frage zu beantworten, wie viele Schulen überhaupt den Sprachstand der Kinder erfassen. Die Fragebogenstudie ergab, dass eine Erhebung sprachlicher Fähigkeiten zum Zeitpunkt der Schulanmeldung an 39 der 47 Schulen (83 %), die an der Fragebogenstudie teilgenommen hatten, stattfand. Weitere sechs Schulen kooperierten in Bezug auf die Auswahl der Kinder für den Vorlaufkurs mit den umliegenden Kindertagesstätten. Zwei Schulen gaben an, dass sie den Sprachstand ausschließlich bei möglichen Vorlaufkurskindern erheben. Wie diese Schulen entscheiden, welches Kind ein „mögliches Vorlaufkurskind“ ist, war im Rahmen der Fragebogenstudie nicht feststellbar. 37 der Schulen (79 %) führen zu Beginn des Vorlaufkurses eine Sprachstandserhebung durch. Den zehn Sprachförderkräften (21 %), die den Sprachstand nicht erneut erheben, stehen (bis auf einen Einzelfall) die Ergebnisse aus der Schulanmeldung zur Verfügung.

7.5.1 Inhalte der Sprachstandserhebung Die Angaben zu den Inhalten der Sprachstandserhebungen zu den beiden Zeitpunkten Schulanmeldung und Beginn der Sprachförderung werden in Abb. 7 dargestellt.36 Der Wortschatz der Kinder wird in der Schulanmeldung an 89 %, Sprachverständnis und Aussprache an 82 % der Schulen erfasst, während Fähigkeiten in der Sprachproduktion an 57 %, in der Grammatik an 51 % und in der phonologischen Bewusstheit an 47 % der Schulen erhoben werden. Zu Beginn der Sprachförderung ist das Verhältnis zwischen den Bereichen ähnlich. ||

36 Die Anzahl der Nennungen für den Bereich „Kommunikation generell“ entspricht zu beiden Testzeitpunkten der der „Sprachproduktion“ und wird deshalb nicht gesondert aufgeführt. Mehrfachnennungen waren möglich.

124 | Studie A: Sprachstandserhebungen Demnach wird der Wortschatz der Kinder an allen 37 Schulen, die zu Beginn des Vorlaufkurses erneut eine Sprachstandserhebung durchführen, erhoben. Fähigkeiten im Bereich Grammatik werden zu diesem Zeitpunkt an 68 % der Schulen erfasst.

Abb. 7: Inhalte der Sprachstandserhebungen (N = 47 Schulen)

In den Interviews zeigt sich ein ähnliches Bild, nimmt man die Anzahl der Codes als Maß. Für die Sprachförderkräfte, die an dem Interview teilnahmen (N=20), nimmt die Erhebung des Wortschatzes eine prominente Rolle in der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung ein (N=16). Die Erzählfähigkeit wird von 14 Sprachförderkräften in der Sprachstandserhebung erfasst. Zwölf Sprachförderkräfte erheben grammatische Fähigkeiten. Weitere genannte Bereiche sind Sprachverständnis (N=7), Aussprache (N=4) und Nachsprechen (N=4). Je ein oder zwei Sprachförderkräfte erfassen auch das Hörverständnis, das Vortragen eines Gedichts und schriftsprachliche Vorläuferfertigkeiten in der Sprachstandserhebung. Im Gegensatz zu der vorangehenden Grafik, die ausschließlich die Anzahl der Sprachförderkräfte je sprachlichem Bereich darstellt, wird im Folgenden gezeigt, welche Kombinationen von Inhalten die individuellen Sprachförderkräfte erheben. Die Auswertung erfolgt auf der Basis der Codierungen der Interviewtranskripte (N = 20). Am häufigsten wird die Kombination Wortschatz, Erzählfähigkeit und Grammatik genannt (N = 9). Die in die Sprachstandserhebung integrierten Bereiche werden in der folgenden Tab. 7 für die 20 Sprachförderkräfte getrennt dargestellt. In den Zeilen sind die Probanden der Inter-

Ergebnisse | 125

viewstudie und in den Spalten die Kategorien (ohne Subcodes), die zur Sprachstandserhebung in der Schulanmeldung gebildet wurden, dargestellt. Jedes Kreuz in der Tabelle stellt eine Codierung dar. Die Abbildung zeigt eine Häufung in den Bereichen Lexikon und Semantik und Erzählen. Außerdem ist abgebildet, welche Kategorien nur von wenigen Sprachförderkräften erfasst werden (z.B. Nachsprechen oder Hörverständnis). Das einzige veröffentlichte Verfahren, das zum Zeitpunkt der Schulanmeldung eingesetzt wird, ist das Marburger Sprachscreening (Holler-Zittlau et al. 2003) (N=3). In den Interviews wurde eine Reihe nichtsprachlicher Aspekte (N=8) genannt. Die Summen (Σ) der jeweiligen Bereiche sind in der rechten Spalte angegeben.

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Sprachförderkräfte 1 2 3 4

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Σ 3 3 1

20 X

37 Die Auswahl der Kinder für den Vorlaufkurs erfolgt in der Stadt der Schule von SKF7 nicht im Rahmen der Schulanmeldung, sondern zentral über eine Fachkraft der Stadt.

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Kategorien Sprachverhalten allgemein Hintergrundinformationen Vorläuferfertigkeiten Schriftsprache Gedicht vortragen Hörverständnis Aussprache Grammatik Sprachverständnis Erzählen Nachsprechen Lexikon und Semantik Marburger Sprachscreening In Anlehnung an Kieler Einschulungsverfahren Nichtsprachliche Aspekte

Tab. 7: Fallbasierte Darstellung der erfassten Bereiche der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung auf der Basis der Interviewcodierung (N=20)

126 | Studie A: Sprachstandserhebungen

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Diese quantitative Darstellung zeigt die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Sprachförderkräften (SFK) auf. Während z.B. SFK4 das Erzählen, das Lexikon und nichtsprachliche Aspekte erfasst, achtet z.B. SFK11 auf drei andere Bereiche (Aussprache, Grammatik und Sprachverständnis). Die Interviewstudie gibt Aufschluss über die Frage, wie die Sprachförderkräfte die Verwendung der einzelnen Inhalte und die Gestaltung der Sprachstandserhebung rekonstruieren. Anhand ausgewählter Interviewausschnitte wird ein Einblick in die Rekonstruktionen und Reflexionen der Sprachförderkräfte gegeben. Die Interviewausschnitte bestehen jeweils aus der gesamten Äußerung der Sprachförderkraft zu einer Frage. Die Passagen, die das Ergebnis treffend widerspiegeln, werden fett markiert. Die Sprachproduktion der Kinder wird von den meisten der 20 Sprachförderkräfte in einem freien Gespräch erhoben, bei dem z.B. Bilder oder Fragen zur Lebenswelt des Kindes als Gesprächsanlass dienen sollen. Im folgenden Interviewausschnitt rekonstruiert SFK9, welche Aufgaben in der Schulanmeldung genutzt werden, um über die Vorlaufkursempfehlung für ein Kind zu entscheiden. I: „Welche Kriterien entscheiden über die Zuordnung zu einem Vorlaufkurs?“ SFK9: „Die Kriterien sind in unserem Anmeldegespräch festgelegt, das heißt wir haben immer zwei Kolleginnen, die ein Kind anmelden. Das ist die Schulleitung plus einer Kollegin, die ein zukünftiges erstes Schuljahr bekommt oder aber die Vorlaufkursleiterin, aber in dem Fall aber flach fiel, weil sie nicht mehr da war, oder unsere Lehrerin, die wir für Erziehungshilfe an unserer Schule haben. Es ist immer ein Tandem, das die Kinder begrüßt und notiert, aufnotiert, welche welche Fähigkeiten schon vorhanden sind. Wir testen nicht rein auf Sprache, sondern wir haben ein allgemeines Verfahren für mathematisches Verständnis, im sozialen Bereich, also emotional-sozialen Bereich, in dem wir Fragen zum Umfeld des Kindes stellen, und aber auch im sprachlichen Bereich, sprich eine Bildergeschichte in Zusammenhang bringen, sprich ein Poster als Sprechanlass und eben freies Sprechen zum Umfeld des Kindes bezüglich Freunde, Schuleintritt. Also diese drei Sachen Poster, Bildgeschichte und freies Sprechen dienen uns dazu festzustellen, wie weit das Kind in der Lage, ist die sprachlichen Fähigkeiten, die wir voraussetzen zum ersten Schuljahr, erreicht hat. Das ist ein Kriterium.“ (Absatz 6+7)

Das Zitat zeigt, welche Materialien und Methoden die Sprachförderkraft nutzt, um den Bereich „Erzählen“ in der Schulanmeldung zu erfassen. Bildmaterial wird als Erzählanlass genutzt, und das Kind wird zum Umfeld befragt. Das Bildmaterial umfasst ein Poster „als Sprechanlass“ (SFK9) und eine Bildergeschichte, bei der es der Sprachförderkraft neben dem Erzählen im Allgemeinen um die Kohärenz der Geschichte geht. Die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes werden laut SFK9 an dem gemessen, was „wir“ – wobei hier offen ist, auf wen

128 | Studie A: Sprachstandserhebungen dieses „wir“ referiert – zum ersten Schuljahr voraussetzen. Welche sprachlichen Leistungen ein Kind in den Aufgaben zeigen muss, damit die Sprachförderkraft prognostisch davon ausgeht, dass das Kind die Anforderungen des ersten Schuljahres bewältigen kann, bleibt offen. Auch die SFK20 nutzt ein Bilderbuch als Erzählanlass. Ihre Beschreibung lässt darauf schließen, dass das Erzählte in eine Art Komplexitätsraster („spricht“, „nur Einwortsätze“, „mehr“ als Einwortsätze und „Gedicht vortragen“ (SFK20)) eingeordnet wird. Als Quelle der Materialien, die SFK20 verwendet, nennt sie eine Kollegin, von der sie die Aufgaben und Materialien übernommen hat. I: „Woran orientieren Sie und die Kollegin, die die Schulanmeldung durchführt, sich bei der Zusammenstellung der Übungen für diese Einschätzung?“ SFK20: „Also ich hab das so einfach übernommen, was die Frau xxx sich vor vielen Jahren zusammengestellt hat. Und da kommt dann noch "Klatsch in die Hände, hüpfe auf einem Bein, reibe deinen Bauch" und Farben, solche verschiedenen Steckwürfel, die sie drehen müssen, und Bilder, die an der Wand hängen, wo ich nur erzähle, finde mal den Teddy und die Ente, die da zusammen zu Mittag essen. Und dass wir gucken, ob das Kind das Bild findet. Und dann gibt's so Blümchen auf der Tischdecke zählen, ob's schon, wie weit es zählen kann, ob's überhaupt zählen kann. Und dann Bilder aus einem kleinen Büchlein, wo's beschreibt, was es sieht, und wo wir aufschreiben, wie es eben spricht, ob es nur Einwortsätze oder eben schon mehr sind, ähm. Und manchmal gibt's ja Kinder, die auch schon ein Gedicht vortragen können oder wie auch immer. Und dann wird eben der allgemeine Eindruck aufgeschrieben. Und ich hab eben festgestellt, dass das alleine zu wenig ist, obwohl wir uns, was weiß, 10 Minuten, 10 Minuten ist nicht viel Zeit, auch in dieser neuen, in dieser fremden Situation, is nicht viel Zeit. Und deswegen hab gesagt, das ist egal, wie gut oder wie schlecht so'n Test ist, da müssen die Erzieher mitwirken und mitentscheiden. Und von daher hab ich jetzt, ich hab keine anderen Tests gesehen, hab ich mir auch keine weiteren Gedanken gemacht. Aber die Gespräche mit den Eltern, auch z.B. hat es traumatische Erlebnisse gehabt oder ist es sehr ängstlich, das zählt einfach auch. Wenn's möglich ist. Das hängt ja davon ab, wie viele Kinder, wir hatten also zwei Kinder dabei, die wir unbedingt im Vorlauf haben wollten. Die sind nie erschienen.“ (Absatz 27+28)

In den vorangehenden Interviewausschnitten stand das Erzählen im Allgemeinen im Vordergrund. SFK20 beschrieb außerdem ein grobes Komplexitätsraster. Neben dem Erzählen erfasst SFK16 außerdem die Bereiche Lexikon, Aussprache und Grammatik. I: „Welche Kriterien haben dazu geführt, eine Zuordnung zu einem Vorlaufkurs bei den Kindern zu entscheiden?“

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SFK16: „Ja, also, einmal haben wir ja die Schüleranmeldeverfahren im Oktober, und das ist ja auch aus diesem Grund so früh verlegt worden von Februar auf Oktober, damit man rechtzeitig Kinder, die eben der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind, dass man die rausfiltern kann und mit denen noch mal gezielt übt in diesem Vorlaufkurs. Und wir haben hier, das war aber auch schon vor meiner Zeit, also nach dem Kieler Einschulungsverfahren, ist aber nicht direkt Kieler Einschulungsverfahren, sondern es ist auch noch mal ne eigene Zusammenstellung. Ähm, ja weil was hier diese Einzeluntersuchung eines Kindes ausmacht. Und hier wird auch eben eine Einschätzung gegeben der sprachlichen Leistungen. Also einmal der deutsche Wortschatz, ob die Kinder Gegenstände, Personen, Tätigkeiten nennen können. Und zwar gibt's da immer ein Bild, wozu die erzählen. Und da kann man ja auch sehr gut erkennen, wie ist der Wortschatz des Kindes, können die Kinder Artikel formulieren oder sprechen sie sehr gebrochen oder verstehen sie überhaupt oder verstehen sie gar nix. So und danach wird dann auch, werden die sprachlichen Leistungen eingeschätzt. Also einmal der deutsche Wortschatz, der Satzbau, ob das Kind in Einwortsätzen, Mehrwortsätzen spricht oder ob es Sätze verdreht, ob es Wortendungen weglässt, ob es Artikel verwechselt, Einzahl, Mehrzahl und an sich das Sprechverhalten. Ob die Laute deutlich artikuliert sind, klar oder undeutlich, verwaschen usw.“ (Absatz 8+9)

SFK16 beschreibt, dass sie sich auf ein publiziertes Verfahren (Kieler Einschulungsverfahren38) stützen, dies jedoch durch eine „eigene Zusammenstellung“ verändert haben. An der Schule von SFK16 werden der Nomen- und Verbwortschatz, das freie Erzählen zu einem Bild und morphologische Fähigkeiten (z.B. der Gebrauch von Artikeln, Auslassungen von Flexionen, Pluralmarkierungen) sowie syntaktische Fähigkeiten (Komplexität des Satzbaus) erhoben. Über das Raster von SFK20 hinaus beschreibt SFK16, dass sie darauf achtet, ob „Sätze verdreht“ (SFK16) sind. An dieser unklar bleibt, woran die Sprachförderkraft festmacht, dass ein Kind „sehr gebrochen“ (SFK16) spricht. Dies kann sich beispielsweise auf die Sprechflüssigkeit oder auch auf die grammatikalische Wohlgeformtheit der sprachlichen Äußerungen beziehen. Die bisherigen Interviewausschnitte zeigen bereits, dass der Fokus der Erhebung in der Schulanmeldung auf den produktiven Fähigkeiten, nicht auf dem Sprachverständnis der Kinder liegt. SFK16 differenzierte in dem vorangehenden Interviewausschnitt zwischen „verstehen sie überhaupt“ oder „verstehen sie gar nix“. Anhand der folgenden Interviewpassagen, in denen die Erhebung des Sprachverständnisses beschrieben wird, kann dennoch gezeigt werden, wie die ||

38 Das Kieler Einschulungsverfahren (Fröse, Mölders & Wallrodt 1998) enthält die Module Elterngespräch, Unterrichtsspiel und ggf. Einzeluntersuchung. Es können Beobachtungen zu den Bereichen Wahrnehmung, Mengen, Denkfähigkeit, Gliederungsfähigkeit, Formwiedergabe, Sprache und Sprechverhalten, Gedächtnis, allgemeine Motorik und Feinmotorik, Leistungsmotivation, Arbeitsverhalten, Sozialverhalten und Emotionalität durchgeführt werden. Die Korrelation mit dem Lehrerurteil beträgt r = ,95.

130 | Studie A: Sprachstandserhebungen Sprachförderkräfte rezeptive Fähigkeiten erfassen. Einige Sprachförderkräfte, so auch SFK13 (s. unten), beschreiben, dass sie das Sprachverständnis anhand von „Suchaufgaben“ auf einem Wimmelbild erfassen. I: „Woran orientieren Sie und die Kollegen sich einmal bei der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung? Also welche, wie werden Übungen zusammengestellt für die Erhebung der Sprachfähigkeit einmal jetzt zum Zeitpunkt der Schulanmeldung?“ SFK13: „[…] Ähm dann haben wir ein, so ein Wimmelbilderbuch, immer mit einer anderen Situation. Diesmal war es eine Kaufladensituation, und dann gibt es Detektivsuchaufgaben, das ist, ich weiß jetzt leider nicht, wie die, äh es gibt so eine Vorlage aus Bayern, da, die gliedern das in verschiedene Stationen. Da haben wir uns ein bisschen dran orientiert, mir fällt jetzt der Titel nicht ein, ich kann´s nachgucken. Ja ähm also da ist es, diese Detektivaufgaben, also erst mal sich zum Bild äußern, dann aber auch „wo ist der Junge mit dem blauen Pullover und den blauen Gummistiefeln", so das Sprachverständnis. Ähm da sind dann auch verschiedene W-Fragen dabei. […]“ (Absatz 16+18)

SFK13 nennt den Beispielsatz „Wo ist der Junge …“. Hierbei handelt es sich um das Verständnis einer Argumentfrage mit dem Fragepronomen „Wo“. Die syntaktische Komplexität der Frage wird durch eine Präpositionalphrase („mit dem blauen Pullover und den blauen Gummistiefeln“) erhöht. Die Präpositionalphrase beschreibt Eigenschaften des Jungen, so dass er sich von anderen Jungen abgrenzt und für das Kind auf dem Bild eindeutig zu identifizieren ist. Eine andere Aufgabenstellung verwendet SFK10 (s. unten). Sie erläutert, dass sie semantisch nicht-korrekte Sätze wie z.B. „Elefanten schlafen auf Bäumen.“ (SFK10) vorspricht und die Reaktion des Kindes beobachtet. Während die Suchaufgaben (s. oben SFK13) von mehreren Sprachförderkräften beschrieben werden, wird diese Aufgabe zur Erfassung des Sprachverständnisses ausschließlich von SFK10 erwähnt. I: „Welche Kriterien entscheiden über die Zuordnung zu einem Vorlaufkurs?“ SFK10: „[…] Und dann machen wir es so, dass wir den Kindern Sinn- und Unsinnsätze vorlesen und dann die Reaktion beobachten und auch gucken, lachen die teilweise da drüber oder wie verstehen sie das überhaupt, und können sie auch erklären, wie es richtig ist, wenn es Unsinn war. […]“ (Absatz 9+10) I: „Können Sie bei dem Zeitpunkt der Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten beschreiben, woran sich diese Zusammenstellungen der Übungen orientieren? Wie ist das entstanden, dass man das macht?“ SFK10: „[…] Wir haben drei Tage die Anmeldung und hab das so jetzt, weil ich schon finde, anhand dieser Sinn- und Unsinnsätze - da sind so „Elefanten schlafen auf

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Bäumen“ oder so ein Satz, „wenn es kalt ist, ziehe ich mir einen Mantel an und setze ein Glas auf den Kopf“, und dann sieht man auch an der Reaktion, haben sie es verstanden. Manche müssen erst überlegen und lachen dann und andere ähm sagen ja ne so. Aber da weiß man auch nicht, ist es einfach die Angst, viele Kinder sind dann auch eingeschüchtert. Aber generell finde ich, reicht das so.“ (Absatz 45+46)

SFK10 rechtfertigt den Einsatz dieser Aufgabe, indem sie davon ausgeht, dass das aus ihrer Sicht „generell […] reicht“ (SFK10). SFK3 beschreibt innerhalb der Kategorie „Sprachverständnis“ die Erfassung des Anweisungsverständnisses. Dem Kind werden Anweisungen im Imperativ gesagt oder Fragen mit dem Modalverb „können“ gestellt. I: „Woran orientieren Sie sich und auch ihre Kollegin in der Schulanmeldung bei der Zusammenstellung der der Übung für die Erhebung sprachlicher Fähigkeiten? Sie haben jetzt die Materialien beschrieben und eigentlich auch schon, mit welchem Blickwinkel Sie darauf schauen. Können Sie das vielleicht noch mal spezifizieren, um was geht es Ihnen, egal welches Material man verwendet?“ SFK3: „Ja, uns geht es darum, dass die Kinder, sind die Kinder in der Lage, das, was wir sagen, aufzunehmen, und uns eine Antwort zu geben können. Können sie uns signalisieren, sie haben uns verstanden und geben uns so ein Feedback zurück, das ist das eine. Und ähm das andere einfach ähm, wir probieren natürlich auch, wenn wir uns selbst unsicher sind, so kleine Sachen aus, indem wir dann sagen, ähm, äh "Gib mir mal das rote Blättchen." oder "Kannst du auf einem Bein stehen?". Und dann sehen wir an der Reaktion der Kinder, sie verstehen das, was wir meinen und können das auch durchführen. Das sind eigentlich so die Kriterien. Wir haben gesagt, wir lassen die relativ offen und äh ja eigentlich, das ist es eigentlich, ja.“ (Absatz 47+48)

Die Sprachförderkraft sagt „wir probieren […] aus“. SFK3 bezieht die Erfassung des Anweisungsverständnisses insbesondere dann in die Schulanmeldung ein, wenn sie „unsicher“ (SFK3) ist. Die Aufforderungen, die SFK3 verwendet, sind nicht vorgegeben. SFK10 und 13 (s. oben) orientieren sich hingegen an einer Bildvorlage (SFK13) bzw. vorgegebenen Unsinnssätzen (SFK10). Zu Beginn der Sprachfördermaßnahme wird nach den Angaben in den Fragebögen der Wortschatz der Kinder am häufigsten erhoben (89 %). In den Interviews beschreiben sieben der 20 Sprachförderkräfte, dass sie den Wortschatz der Kinder erheben. Acht Sprachförderkräfte erheben die Fähigkeiten der Kinder mit dem Sprachtest aus dem Förderprogramm „Deutsch für den Schulstart“39 (im Folgenden DfdS-Sprachtest genannt) (Kaltenbacher 2008), der vorrangig grammatische Fähigkeiten erfasst. ||

39 Dieser ‚Test‘ ist ein nicht-standardisiertes Verfahren, das im Rahmen des Förderprogramms „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) eingesetzt wird. Er beinhaltet zwei Subtests.

132 | Studie A: Sprachstandserhebungen Über den Wortschatz und die grammatischen Fähigkeiten hinaus beschreiben die Sprachförderkräfte in den Interviews die Erfassung weiterer sprachlicher Fähigkeiten detailliert. SFK6 fiel zu Beginn des Vorlaufkurses auf, dass einige Kinder Probleme mit der Aussprache haben. I: „Ja, können Sie beschreiben, was Sie so in den ersten Wochen des Vorlaufkurses machen, um vielleicht da differenziertere Informationen zu erhalten.“ SFK6: „Also ich versuch, die zunächst mal auf Spielsituationen herzustellen, so dass ich dann auch Möglichkeiten habe, mit einzelnen Kindern noch mal zu sprechen und dabei Fragen, die ich den Kindern stelle, die sie auch beantworten sollen im Einzelgespräch. Oder auch tatsächlich über gemeinsames Spiel rauszufinden, welche Sprachstrukturen haben sie schon. Auffällig wäre zum Beispiel jetzt besonders an diesem Kurs, dass die Kinder natürlich noch ne ganze Menge Probleme, Probleme haben, gerade im grammatikalischen Bereich, aber jetzt habe ich auch ne ganze Menge Kinder, die einfach auch viele Laute überhaupt nicht aussprechen können, also wo ich auch den Eindruck habe, das liegt nicht daran, dass es ne Zweitsprache ist. Die können diese Laute wahrscheinlich auch in ihrer Muttersprache nicht richtig sprechen. Ja also, die sind da in ihrer Sprachentwicklung noch sehr . ja, also da gibts noch einiges, was gefördert und geschult werden muss, damit sie überhaupt im ersten Schuljahr in die Lage versetzt werden, Laute auch abzuhören. Wenn sie selbst nicht sprechen, ist das ganz schwierig. Also ich denke über Gespräch, über Bücher, über das miteinander Spielen kriegt man schon auch einen relativ guten Eindruck, was die Kinder können. Bei den Spielen auch, .. versuche ich durchaus auch so einige wiederkehrende Sachen zu machen, also dass es auch irgendwelche Floskeln gibt oder Sätze, die immer wieder gleich anfangen, mit denen wir dann arbeiten, wo ich auch merke, können die Kinder das umsetzen, können sie das nachsprechen, vielleicht was anwenden. Genauso auch über Lieder, da versuchen wir auch noch mal, so einiges einfach festzustellen, wie weit sind sie da auch in der Lage, was aufzunehmen.“ (Absatz 42+43)

Die Sprachförderkraft geht in dem vorangehenden Interviewausschnitt außerdem auf die in der Sprachstandserhebung verwendeten Methoden ein und beschreibt den Einsatz von spontanen Gesprächen, Nachsprechaufgaben oder Beobachtung in Spielsituationen. Die verwendeten Methoden stehen im Mittelpunkt des folgenden Kapitels. In Bezug auf die Inhalte der Sprachstandserhebungen ist zusammenzufassen, dass der Bereich Wortschatz eine prominente Rolle einnimmt. Die Auswertung der Interviews zeigt darüber hinaus, dass abgesehen von der Gemeinsam||

In Subtest 1 wird die „sprachliche Wiedergabe von abgebildeten Sachverhalten“ (Kaltenbacher 2008: 1) erfasst. Überprüft werden der Wortschatz, der Satzbau und die Formenbildung des Genus (Kaltenbacher 2008). Subtest 2 beinhaltet eine Aufgabe zum „Ordnen von Bildern“ und zum „Nacherzählen einer Bildergeschichte“. Dadurch werden die Fähigkeit der Serialisierung und die Erzählfähigkeit erfasst (Kaltenbacher 2008.).

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keit der Erhebung des Wortschatzes zwischen den Sprachförderkraften eine große Heterogenität in Bezug auf die weiteren sprachlichen Bereiche herrscht.

7.5.2 Methoden der Sprachstandserhebung Wie systematisch eine Sprachstandserhebung ist, hängt von der verwendeten Methode und dem Grad der Standardisierung ab. Im Fragebogen wurde zwischen hausinternen Materialien und veröffentlichten Verfahren unterschieden. Innerhalb der hausinternen Materialien standen die Methoden Fragebogen, Beobachtung, Analyse sprachlicher Äußerungen und konkrete Aufgaben sowie ein Ergänzungsfeld zur Auswahl. In den Interviews wurde erfasst, wie die Sprachförderkräfte ihre Anwendung der verschiedenen Methoden beschreiben. Einen Überblick über die Methoden, die in der Sprachstandserhebung zum Zeitpunkt der Schulanmeldung eingesetzt werden, gibt Abb. 8. Mehrfachantworten waren möglich, so dass Schulen angeben konnten, wenn sie verschiedene Methoden kombinieren.

Abb. 8: Verfahren und Materialien der Sprachstandserhebung (N = 47 Schulen)

Vorrangig finden hausinterne Materialien in Form von Beobachtung, Analyse sprachlicher Äußerungen und konkreten Aufgaben Verwendung. Veröffentlichte Verfahren, wie z.B. das Marburger Sprachscreening (Holler-Zittlau, Dux & Berger 2003), das Sprachstandserhebungsverfahren aus dem Förderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) (DfdS-Sprachtest) oder das „Kieler Einschulungsverfahren“ (Fröse et al. 1988) werden selten verwendet.

134 | Studie A: Sprachstandserhebungen Bereits der Interviewausschnitt von SFK16 Kapitel 7.5.1 (s. S. 129) zeigt zudem, dass veröffentlichte Verfahren nicht unbedingt der Handanweisung entsprechend durchgeführt und ausgewertet werden. Bereits das vorangehende Kapitel verdeutlichte, dass die Interviewstudie die quantitative Analyse um die individuellen Rekonstruktionen und Reflexionen der Sprachförderkräfte über ihre Sprachstandserhebung erweitern kann. Innerhalb der Interviewstudie wurden die Methoden nicht codiert, da die Beschreibungen der Sprachförderkräfte alleine keine eindeutige Zuordnung zuließen. Vielmehr wurden die Interviews genutzt, um die Repräsentationen und Reflexion der Sprachförderkräfte über ihr methodisches Vorgehen in der Sprachstandserhebung zu untersuchen. Eine Differenzierung zwischen den Erhebungsmethoden, so wie dies während der Entwicklung des Fragebogens aus der Literatur heraus konstruiert wurde, fand sich in den Beschreibungen der Sprachförderkräfte nicht wieder. Deutlich wird in den Interviews, dass die Sprachförderkräfte ebenfalls zwischen veröffentlichten Materialien und hausinternen Materialien unterscheiden. Neben der direkten Erhebung sprachlicher Fähigkeiten, nutzen die Sprachförderkräfte die Befragung der Erzieher als weitere Informationsquelle. Die meist mündliche Befragung der Erzieher ist für die Sprachförderkräfte von besonderer Bedeutung (s. hierzu Kap. 7.5.4). Die Interviews zeigen – im Folgenden anhand der Aussagen von drei Sprachförderkräften dargestellt – wie unterschiedlich der Grad der Standardisierung und Systematik der Sprachstandserhebungen zwischen und auch innerhalb der Schulen ist. SFK10 nutzt zu Beginn des Vorlaufkurses und zur Evaluation im Verlauf der Sprachförderung ein genaues Setting in der Durchführung anhand einer Bildvorlage. Sie wertet die Beschreibung der Kinder dann jedoch nicht strukturiert und einheitlich aus. I: „Können Sie beschreiben, woran Sie eben diese Fortschritte oder auch NichtFortschritte ähm festmachen?“ SFK10: „Na ja es ist ja schon so, dass ich mir in regelmäßigen Abständen Notizen mache, wie, ähm ja wie also, dass ich mir so Kinder dann zum auch mal so zum Einzelgespräch hole und gucke. Da nehme ich dann meistens ne Bildvorlage und sprech mit denen da drüber oder spiele etwas und gucke, wie war das im Vergleich zu vorher oder, dass ich auch durchaus mal in Form von Memory auch durchaus mal Wörter abfrage, um zu gucken, ist jetzt was davon hängengeblieben, von dem Wortschatz, den wir erarbeitet haben oder ist nichts hängengeblieben. Und das mach ich in der Regel so, wenn die anderen dann Freispiel haben, dass ich mir ein oder zwei Kinder hole. Und das schreibe ich mir dann immer so in Etappen auf, und daran kann ich dann eben ne Entwicklung sehen. Und manchmal ist es auch gerade so, in der Gruppe ist es dann auch einfach so, dass ich auch merke, wie machen sie mit. Ich weiß ja, wie die Gruppe ist

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und und merke, geht es jetzt voran oder sind wir eben auf so einem, bleiben so auf einem gleichen Stand stehen.“ (Absatz 177+178)

Eine Transkription der kindlichen Äußerungen als systematische Form der Spontansprachauswertung erstellt im Rahmen der Schulanmeldung nur SFK13. I: „Woran orientieren Sie und die Kollegen sich einmal bei der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung? Also welche, wie werden Übungen zusammengestellt für die Erhebung der Sprachfähigkeit einmal jetzt zum Zeitpunkt der Schulanmeldung?“ SFK13: „[…] Und dann haben wir noch ne, is ne Bildergeschichte, die äh nehmen wir auch auf, die ähm und ich hör mir die dann ab hinterher und protokollier das kurz, und unterstreich halt so Auffälligkeiten. Und die gibt‘s so, die die Punktwertung bezieht sich nicht auf die Bildergeschichte, aber das ist dann so noch mal ein Entscheidungs ein wichtiges Entscheidungskriterium, ja wie haben sie sich da frei geäußert, also wie haben sie da erzählt. Wobei das uns dann nicht hauptsächlich drauf ankommt, dass sie das jetzt inhaltlich richtig strukturieren, da helfen wir dann auch, sondern wie sie sich ausdrücken. Und das ist das Ergebnis immer wieder von Überdenken nach der Sprachstandserhebung, haben wir die nun wirklich die Gruppe, die wir wollen, erfassen können alle oder nicht. Und ähm ja das ist jetzt so das Endergebnis. So richtig zufrieden bin ich immer noch nicht damit, kann das aber im Moment auch schwer beschreiben warum. Äh vielleicht, weil diesmal war es so, dass Kindergarten zum Teil das ganz anders eingeschätzt hat als wir. Das ist also das erste Mal so gravierend anders äh bei bestimmt vier Kindern ausgefallen.“ I: „Und auch in unterschiedliche Richtungen?“ SFK13: „Ja. War allerdings ein, ne es waren zwei Kindergärten, also die meinten, die Kinder können Deutsch, können ausreichend Deutsch und es sei überhaupt nicht notwendig, natürlich nicht schlecht und sie würden es auch befürworten aber, aber, aber. Und und ähm ich hab mir dann, ich hab dann einfach die Protokolle vorgelesen, und das konnten die dann oft gar nicht fassen, dass das wirklich so gesprochen hat das Kind. Und dann hab ich gesagt, na ja, das ist in ner Alltagssituation ganz logisch, man spricht kaum in vollständigen Sätzen, äh man versteht sich durch Gestik und die Situation und da kriegt man so viel nicht mit. Ja ähm also die haben mir aber fast, ich hatte immer den Eindruck, ich müsste mich rechtfertigen. Ich hab da gesagt, ich kannte das Kind vorher nicht, also das ist jetzt, was wir mit protokolliert haben. Also das ist jetzt das erste Mal so aufge äh aufgetaucht dieses Problem.“ (Absatz 16-20)

SFK13 reflektiert ihr Vorgehen kritisch. Sie erläutert im Interview, dass sie nicht zufrieden mit ihrem Vorgehen sei. Als mögliche Ursache für diese Unzufriedenheit nennt sie eine geringe Übereinstimmung mit der Einschätzung der Erzieher des Kindergartens. Im weiteren Verlauf des Interviews beschreibt SFK13, dass sie den Erziehern den Unterschied zwischen der Alltagsbeobachtung und ihrer Analyse der Protokolle als Erklärung nannte. Sie reflektiert damit vor allem das

136 | Studie A: Sprachstandserhebungen unterschiedliche methodische Vorgehen zwischen ihr und dem Kindergarten. Während sie systematisch die protokollierten Äußerungen der Kinder analysiert, stehen den Erziehern keine Transkripte zur Verfügung, und sie müssen ihre Einschätzung auf die Beobachtung der Äußerungen der Kinder im Alltag stützen. Zu Beginn der Sprachfördermaßnahme ist davon auszugehen, dass die Sprachförderkräfte, die den DfdS-Sprachtest (Kaltenbacher 2008) anwenden, die kindlichen Äußerungen protokollieren. In den Interviews verbalisieren die betreffenden Sprachförderkräfte diese Methode nicht. Im vorangehenden Interviewausschnitt beschreibt SFK13, wie das Vorgehen in der Sprachstandserhebung reflektiert werden kann. Die Selektion der Kinder (mit/ohne Förderbedarf bzw. für den Vorlaufkurs nicht geeignet/geeignet) hat für diese SFK13 offenbar eine große Bedeutung. Eine Übereinstimmung in der Einschätzung und Auswahl der Kinder mit anderen Akteuren im Bildungssystem (für SFK13 den Erziehern) ist ihr anscheinend wichtig. SFK1 reflektiert im Zusammenhang mit den verwendeten Verfahren ebenfalls, ob die Auswahl der ‚richtigen‘ Kinder erfolgt (s. folgende Sequenz). SFK1 nutzt zu Beginn des Vorlaufkurses bei allen Kindern exakt die gleichen Aufgaben und wertet diese einheitlich aus, während sie im Rahmen der Schulanmeldung ein unsystematisches Vorgehen beschreibt. I: „Wenn Sie an Ihr Material denken, was Sie nutzen für die Erhebung der sprachlichen Fähigkeiten? Was würden Sie sagen, woran orientiert sich das, ... wonach ist das zusammengestellt?“ SFK1: „Im Kindergarten oder beim Sprachstandserhebung?“ I: „Im Kindergarten, noch die Situation vorher.“ SFK1: „Das ist nur ein ganz kleiner Bereich mit der Sprache, und das orientiert sich einmal in der Einschätzung, spricht das Kind überhaupt, spricht es in Sätzen, spricht es nur Wörter, am Wortschatz im Wesentlichen. Wortschatz am Wortschatz im Wesentlichen. Ja, ich glaube, es ist einmal die die Frage, spricht es überhaupt mit uns, mit ganz Fremden frei? Und ja, wie ist der Wortschatz, der aktive, passive, hm, war dieses Jahr doch auch dabei, aber weniger.“ I: „Ja, ja und ähm die Ideen für das Material haben Sie aus anderen Verfahren herausgezogen oder selber zusammengestellt?“ SFK1: „Ja, die hat man natürlich irgendwo zusammengeklaut. Wir hatten jetzt eine Schatzkiste und einen Zauberstab zum, wir haben auch was nachsprechen lassen, fällt mir jetzt gerade ein, obwohl das ja nicht so ein großes Kriterium ist, und dann hatten wir Dinge in der Schatzkiste, Gegenstände, die man rausnehmen und benennen konnte, und dann hat-

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ten wir Bildkarten, die irgend nen ... irgend nen Ereignis so darstellten, dass sie nen Aufforderungscharakter zum Sprechen hatten.“ I: „Können Sie so eine ähnliche Herleitung für das machen, was Sie zu Beginn des Vorlaufkurses mit den Kindern machen?“ SFK1: „Für die Sprachstandserhebung? Da hab ich über die Jahre gewechselt. Im Moment arbeite ich ausschließlich mit dem Heidelberger Sprachstandsdingens da und auch mit dem Heidelberger Konzept.“ I: „Was würden Sie sagen, wenn Sie ähm, vielleicht ist es einfacher, beide getrennt zu betrachten, beide Sprachstandserhebungen. Was spricht für und was spricht gegen die Aufgaben und Materialien, die Sie aktuell verwenden?“ SFK1: „.. Ich fand es in diesem Jahr ziemlich gut, was wir gemacht haben im Kindergarten, weil wir wirklich einen Eindruck gekriegt haben davon, .. ob ein Kind Bedarf hat. Das war jetzt nur nur so ganz global, aber wir haben oft, glaub ich, in den letzten Jahren Kinder, die so so Blender waren, die haben wir übersehen, dass die, dass die nicht nicht wirklich sprechen können. Ne also wir haben vielleicht Kinder übersehen, die Vorlaufkurs gebraucht hätten, und das ist uns dieses Jahr glaube ich in dem Maße nicht passiert.“ I: „Können Sie das an den Aufgaben festmachen, warum das dieses Mal anders war oder an .. Erfahrungen?“ SFK1: „Ja wir haben, vielleicht haben wir auch über die Jahre gelernt, genauer zu gucken ... und dann ... ja ich finde zum Beispiel der Sprachs, die Sprachstandserhebung von den Heidelbergern ist, die hat so was Systematisches, was uns vorher gefehlt hat. Man zum ersten Mal auch so so gucken kann, dieses Kind spricht zwar, aber es hat überhaupt keine Satzmuster, es kann die Artikel gar nicht. So was haben wir vorher überhaupt nicht feststellen können.“ (Absatz 14-25) I: „Und ähm für die Situation im Kindergarten vorher, also im Prinzip die Vorauswahl, ist es da schwierig da für und gegen ..“ SFK1: „Da haben wir es zum ersten Mal selber gemacht. Ich, wahrscheinlich ist das der Punkt. Wir haben zum ersten, sonst haben wir, haben die Erzieherinnen das gemacht ... weil ... sie und auch wir dachten, dass die Kinder weniger gehemmt sind vielleicht, wenn vertraute Personen das machen. Aber wir waren immer ganz unzufrieden, weil jeder Kindergarten, wir haben sechs im Einzugsbereich, hat das anders gemacht. Das war keine, wir konnten das gar nicht vergleichen und das waren manchmal einfach nur so enge Fragen gestellt, dass die Kinder mit ja und nein geantwortet haben, was uns nicht geholfen hat ... oder es ging . irgendwie nur um Bücher. Also es war war uns zu einseitig, und wir haben das jetzt versucht, selber in die Hand zu nehmen.“ (Absatz 26-27)

138 | Studie A: Sprachstandserhebungen Die Ergebnisse der Fragebogen- und der Interviewerhebung zeigen, dass Beobachtungen in mehr oder weniger konkreten Situationen in der Sprachstandserhebung der Schulanmeldung die Regel sind. Einige Schulen führen außerdem systematische Aufgaben mit den Kindern durch (z.B. das Nachsprechen von Pseudowörtern), wobei dies z.B. für SFK1 kein „großes Kriterium“ (Absatz 19) ist. Zu Beginn des Vorlaufkurses führen knapp 80 % eine erneute Sprachstandserhebung durch. Die Sprachförderkräfte setzen sich teilweise sehr differenziert damit auseinander, wie sie methodisch in der Sprachstandserhebung vorgehen. Durch eine Fortbildung sind einige Sprachförderkräfte auf das Förderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) aufmerksam geworden. Der dazugehörige DfdS-Sprachtest (Kaltenbacher 2008) bietet ihnen einen strukturierten Rahmen, um die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder des Vorlaufkurses erheben zu können.

7.5.3 Sprachbiografische Faktoren Die Sprachbiografie der Kinder wird im Rahmen der Schulanmeldung an 40 % der Schulen (N=19), die an der Fragebogenumfrage teilgenommen haben, erhoben. Laut der beteiligten Lehrkräfte liegen demnach einem Großteil (60 %) der befragten Schulen (N=28) keine Informationen zur Erstsprache des Kindes, der Kontaktdauer und dem Alter bei Erwerbsbeginn vor. Zu Beginn der Sprachförderung werden sprachbiografische Faktoren an 54 % der Schulen (N=20) erhoben. Zu Beginn der Sprachförderung verfügen demnach 46 % Akteure (N=27) nicht über Informationen zur Erwerbsdauer der Zweitsprache oder der/den Erstsprache(n). In den Interviewdaten finden sich ebenfalls wenige Passagen, in denen die Sprachförderkräfte berichten, dass sie sprachbiografische Parameter erheben. Anhand von drei Sprachförderkräften wird im Folgenden beschrieben, wie sprachbiografische Faktoren erhoben werden. SFK20 erfasst z.B., ob die Kinder bereits in sprachtherapeutischer Behandlung sind. I: „Inwieweit spielen Einschätzungen, die Erzieher haben Sie jetzt gerade schon genannt, von weiteren Kontaktpersonen der Kinder, also die Eltern“ SFK20: „[…] Eltern, ja, wenn die Eltern erzählen von Schwierigkeiten oder von Krankheiten, dass das Kind noch nicht so gelernt hat, mit anderen Kindern unbeschwert umzugehen oder so was, ja, ja. (I: Ja.) Wenn das Kind sprechen kann. Es gibt ja heute viel mehr Kinder, die, also mit ihrer Sprache, mit ihrem Sprechen Probleme haben, logopädische Probleme haben. Und die nehmen wir auch gern noch dazu, wenn's möglich ist. Also weil die ja in der (unverständlich) Logopädie haben schon irgendwo,

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aber nur alleine und nicht in der Gruppe. Und das ist ja noch mal eine Situation, wo sie sich bewähren können oder wo sie üben können in einer größeren Gruppe mit anderen Kindern.“ (Absatz 23+26)

Diese Sprachförderkraft erfasst den Faktor Sprachtherapie nicht nur als sprachbiografische Information, sondern um Kinder mit Therapiebedarf zusätzlich in den Vorlaufkurs aufzunehmen. Eine weitere Sprachförderkraft erfasst, ob zu Hause die Muttersprache und/oder die Umgebungssprache gesprochen werden. I: „Vielleicht können Sie noch mal beschreiben, welche Kriterien über die Zuordnung zu einem Vorlaufkurs entscheiden, also Zeitpunkt Schulanmeldung im Normalfall.“ SFK3: „Wie welche Kriterien, also die sprachlichen Kriterien oder was?“ I: „Genau, sind es die sprachlichen Kriterien und wenn ja, wie halten Sie die fest?“ SFK3: „[…]“ „Ja und das ist, äh und wir sehen, also ist eh wie ist der Wortschatz der Kinder, können sie sich schon in ganzen Sätzen ausdrücken, oder bringen sie nur Ein- oder Zweiwortsätze zustande, ja wenden sie schon Präpositionen an, also das ergibt sich aus diesen Gesprächen ganz gut. Und ähm ja und dann gucken wir auch schon ähm, wird zu Hause nur die Muttersprache gesprochen oder auch Deutsch, wie ist es im Kindergarten. Also wir sind immer ganz eng auch mit dem Kindergarten verbunden und tauschen uns da aus und, also die Sprache, wie ist es zu Hause, und äh ist das Kind sehr schüchtern und zurückhaltend und würde ihm einfach auch gut tun, in so einer kleinen Gruppe schon ein bisschen Schulluft zu schnuppern.“ (Absatz 9-11, 21)I: „Bei der Zusammenstellung der Übungen für die Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten, Sie haben gerade schon ein Buch erwähnt. Woran orientieren Sie sich und auch die Kollegen, Sie machen ja die Schulanmeldung so im Team, bei der Zusammenstellung dieser Übungen und Materialien?“ SFK6: „Also zum einen schon Programme, die wir kennen, also zum Beispiel Küspert "Lauschen, lernen" äh, aber auch mit Hilfe unserer Sprachheillehrerin, die halt eben sich besonders da auch engagiert im, in diesem Schulaufnahmebereich haben wir da Übungen ausgewählt, die möglichst äh ja dann auch so angelegt sind, dass wir was draus erkennen können, ja sowohl über den Wortschatz als auch über ähm ja so wirklich Sprachstand und Schriftspracherwerbsentwicklung. Es kann ja nur wirklich der Anfang sein, ja dass wir da Übungen aussuchen, die möglichst trennscharf auch sind. Da sind wir auch jedes Jahr wieder am Verbessern, verändern auch wieder was, weil wir sagen, daran konnten sie letztes Mal gut erkennen, an einer anderen nicht so gut.“ I: „Eher in die Richtung ähm Alter der Kinder oder Kontaktmonate zum Deutschen oder überhaupt Deutsch als Muttersprache, Deutsch als Zweitsprache?“ SFK6: „Das sind Sachen, die frag ich dann am Elternabend, also wenn die Eltern Interesse zeigen und sagen „Ja, mein Kind soll aufgenommen werden, soll am Vor-

140 | Studie A: Sprachstandserhebungen laufkurs teilnehmen“, von ihrer Seite aus. Dann erfrage ich von den Eltern aus noch mal ganz genau, ob, anhand dieses Fragebogens, der vom vom Kultusminister als Hilfestellung rausgegeben wurde. Wie ist das mit der Zweisprachigkeit des Kindes, welche Sprache hat es zuerst gelernt, wie, ist es hier geboren oder ist es irgendwann zugezogen, wie sprechen die Eltern untereinander, wie ist der Kontakt zu anderen Kindern. Also das sind dann, ist dann erst mal Erhebung, wenn die Eltern sich entscheiden, das Kind hierher zu schicken.“ I: „Okay, und in Bezug auf die Übung ist es also nicht so, dass man sagt, man macht was anders mit einem Kind, das jünger ist oder mit einem Kind, das noch nicht so lange Kontakt zur deutschen Sprache hat, dass das meine ich noch mal mit.“ SFK6: „Also, wir haben ganz vereinzelt dann Kinder, die erst sehr kurz in Deutschland sind, die dann einfach auch noch nicht auf so einem Sprachniveau sind, dass sie überhaupt diesen allgemeinen Schulaufnahmetest durchführen können. Also da sind wir dann eher darauf angewiesen, erst mal Kontakt zu dem Kind aufzubauen, so dass man dann so stückchenweise abzufragen, ja rauszufinden, was kann das Kind schon. Also da hatten wir letztes Jahr einen Fall, dieses Jahr denke ich auch einen Fall, der wo das Kind so wenig spricht, dass, wir eigentlich diese diesen Test nicht durchführen konnten, aber im Grunde genommen dann auch über diesen Kontakt mit dem Kind sehr schnell rausgefunden haben, was noch alles fehlt.“ (Absatz 21-28)

Vermutlich handelt es sich bei den Fragen, auf die SFK6 verweist, um die in Abb. 9 dargestellten Fragen, die das HKM in seiner Handreichung (Althaus et al. 2002) für das Gespräch mit den Eltern zur Verfügung stellt:

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Abb. 9: Fragen für das Elterngespräch aus Althaus et al. (2002: 30)

In der Handreichung wird nicht erläutert, ob diese Fragen den Eltern im Rahmen der Schulanmeldung oder zu Beginn des Vorlaufkurses gestellt werden sollen. Auch SFK20 erläutert, dass sie keine sprachbiografischen Faktoren des Kindes (z.B. Alter, Alter bei Erwerbsbeginn und Kontaktdauer) im Rahmen der Sprachstandserhebung erfasst. SFK20 beschreibt, dass sie mit allen Kindern die gleichen Aufgaben durchführt und das gleiche Maß anlegt. I: „Sind die Aufgaben, die Sie gerade beschrieben haben, Aufgaben, die mit allen Kindern gemacht werden, also egal welche Muttersprache?“ SFK20: „Ja.“ I: „Und auch für alle gilt so dasselbe Maß?“ SFK20: „Ja, für alle dasselbe. [...] Ja, also des ist, das ist für alle gleich gemacht.“ (Absatz 30-33)

142 | Studie A: Sprachstandserhebungen SFK20 erläutert ein anderes Kriterium, das hier aufgrund des Kontakts zum Deutschen in der Kindertagesstätte als sprachbiografischer Faktor angesehen wird. Sie erfasst, ob ein Kind eine Kindertagesstätte besucht und definiert den Besuch der Kindertagesstätte als ein Kriterium der Sprachstandserhebung. I: „Also es geht zunächst um die Erhebung oder Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten. Welche Kriterien führen bei Ihnen denn dazu, dass ein Kind zugeordnet wird zum Vorlaufkurs?“ SFK20: „Ich hab das mir noch mal geben lassen von der Frau xxx, von unserer Rektorin, wie wir des gemeinsam machen. Da gibt's, hat sie mal vor vielen Jahren wohl so einen Bogen erstellt, wo, wir sitzen beide gemeinsam im selben Raum. Ich nehm das Kind mir vor, und da, ein riesengroßer Teddy, und dann frag mer halt: „Wer sitzt auf dem Stuhl, wo sind die Augen" und darf das Kind zeigen. Und sie spricht mit den Eltern und kriegt natürlich auch mit, wie das Kind reagiert, so dass wir dann im Endeffekt vier Augen sind, die das Kind sehen. Und ein Kriterium ist natürlich die Sprache, ein anderes Kriterium ist, ob es einen Kindergartenplatz hat oder nicht.“ (Absatz 13-14)

Im vorangehenden Abschnitt wurden Ergebnisse zur Rolle des sprachbiografischen Hintergrundes der Kinder gezeigt. Die Ergebnisse der Fragebogenumfrage zeigen, dass sprachbiografische Faktoren der Kinder nicht an allen Schulen erfasst werden. Die Interviewdaten zeigen darüber hinaus, dass die sprachbiografischen Daten nicht zwingend in die Beurteilung des Sprachstands im Rahmen der Schulanmeldung einbezogen werden, sondern z.B. im Fall von SFK6 erst nach der Schulanmeldung zu Beginn des Vorlaufkurses erfasst werden. Die Zitate von SFK20 verdeutlichen, dass für diese Sprachförderkraft die Information, ob das Kind in Sprachtherapie ist und ob es einen Kindergartenplatz hat, von Bedeutung für die Auswahl der Kinder für den Vorlaufkurs ist. Im Interview blieb offen, welche Zielsetzungen die Sprachförderung aus Sicht der Sprachförderkraft einerseits für die in Sprachtherapie und andererseits für Kinder ohne Kindergartenplatz hat. Im Rahmen der Interviewanalyse wurde deutlich, dass neben den Inhalten und Methoden der Sprachstandserhebungen sowie der Bedeutung sprachbiografischer Faktoren für die Sprachförderkräfte relevant ist, wer an den Sprachstandserhebungen beteiligt ist. Auch unter dem Gesichtspunkt der Professionalisierung ist es notwendig zu erfahren, wer für die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten und/oder die Auswahl der Kinder, die eine Sprachförderung erhalten, zuständig ist. Im folgenden Kapitel wird gezeigt, wer an den Sprachstandserhebungen beteiligt ist.

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7.5.4 Interdisziplinärer Austausch Das Hessische Kultusministerium (Althaus et al. 2002: 33) schlägt vor, die Erzieher der Kindertagesstätte, die die Kinder besuchen, im Rahmen der Schulanmeldung zu befragen. Elternbefragungen finden vor allem bei jüngeren Kindern, z.B. in den ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, statt (s. u.a. Grimm & Doil 2000). Um sprachbiografische Faktoren zu erheben, werden z.B. in der sprachtherapeutischen Praxis Anamnesegespräche mit Eltern von Schulkindern geführt, wenn auch zunehmend das Kind selbst in das Gespräch eingebunden werden sollte (s. hierzu auch Gumpert, Korntheuer &Vogt 2010). In den Interviews wird deutlich, welche Akteure in die Sprachstandserhebung einbezogen werden. Es könnte z.B. der Kinderarzt aufgrund der Vorsorgeuntersuchungen mit vier und fünf Jahren ein Ansprechpartner sein, der das Kind zum Zeitpunkt der Schulanmeldung ca. einmal pro Jahr untersucht hat und dabei auch die Sprachentwicklung erfasst. Während deduktiv Kategorien für externe Akteure (z.B. Eltern, Kinderarzt, Sprachtherapeut) gebildet wurden, kann mit der induktiven Auswertung der Interviews gezeigt werden, dass schulintern eine Reihe von Lehrkräften involviert ist. An sieben Schulen ist der Sonderpädagoge, je nach fachlicher Spezialisierung ein Sprachheilpädagoge oder Förderschullehrer mit einem anderen Förderschwerpunkt, in die Sprachstandserhebung eingebunden. An fünf Schulen erhebt explizit die Schulleitung als Teil des Lehrerkollegiums den Sprachstand der Kinder mit. Einige Schulen haben eine Arbeitsgemeinschaft zur Entwicklung der Aufgaben für die Schulanmeldung gebildet. An vier Schulen erhebt ein solches Team den Sprachstand als Tandem. Die häufigste Konstellation bilden jedoch die Sprachförderkraft und die Erzieher (s. Tab. 8). Neben diesem institutionsübergreifenden Team (N=11) bitten weitere fünf Schulen die Erzieher um ihre Einschätzung.

Kategorien Vorlaufkurslehrkraft Erzieher Sonder-/Sprachheilpädagoge Schulleitung Lehrer im Team Lehrkraft Schwerpunkt DaZ Lehrkraft erste Klasse Sprachtherapeut Personal der Stadt Eltern

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Tab. 8: Fallbasierte Darstellung der an der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung beteiligten Akteure auf der Basis der Interviewcodierung (N=20)

Σ 11 16 7 5 4 1 1 1 1 8

144 | Studie A: Sprachstandserhebungen

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Die anhand der quantitativen Ergebnisse aus den Interviews dargestellte Bedeutung der Erzieher für die Auswahl der Kinder zu einem Vorlaufkurs wird im Folgenden anhand fünf ausgewählter Interviewpassagen untermauert. SFK6 betont, dass sie zuerst mit den Erzieherinnen spricht. Sie begründet dies mit der Möglichkeit der Verlaufsbeobachtung, die bei den Erzieherinnen über Jahre hinweg möglich ist. I: „Vielleicht noch mal an den Punkt, meistens ist es in den Schulen die Schulanmeldung, welche Kriterien entscheiden über die Zuordnung zu einem Vorlaufkurs beziehungsweise die Empfehlung dazu?“ SFK6: „Also der erste Schritt ist auf alle Fälle schon mal das Gespräch mit den Erzieherinnen. Also wir nehmen Kontakt zum Kindergarten auf und fragen, welche Kinder nach Einschätzung der Erzieherinnen wohl für einen Vorlaufkurs in Frage kommen, weil die ja diejenigen sind, die die Kinder am besten kennen, auch über Jahre hinweg die Entwicklung beobachten konnten.“ (Absatz 10-11)

Auch SFK11.240 betont die Kooperation mit den Kindertagesstätten. Hier erfolgt nicht nur zur Auswahl der Kinder für den Vorlaufkurs ein Gespräch, sondern es finden regelmäßig Treffen zwischen den Institutionen statt. I: „Welche Kriterien entscheiden darüber über die Zuordnung zu einem Vorlaufkurs?“ SFK11.2: „Die Kriterien: Entscheidend sind bei uns einmal die Gespräche mit den Kindergärten. Das gibt hier einen regen Austausch, so ein regelmäßiges Treffen mit allen Erzieherinnen, allen Erziehern, da kommen die ersten Vorschläge. Und dann haben wir natürlich dieses Einschulungsverfahren, das ja ein Jahr vorgezogen ist. Da wird auch noch mal ein kleiner Test gemacht, und meistens bestätigt sich dann die Einschätzung der Erzieherinnen.“ (Absatz 17-18)

SFK4 nutzt die Einschätzungen der Erzieher bereits als Maß, um beim Schulamt einen Vorlaufkurs zu beantragen.41 Während SFK11.2 erläutert, dass das Ergebnis der Schulanmeldung die Einschätzung der Erzieher bestätigt, beschreibt SFK4, dass es bereits Unterschiede in der Einschätzung gab. Auf eine Diskre-

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40 An dieser Schule nahmen zwei Vorlaufkurslehrerinnen an dem Interview teil (SFK 11.1 und 11.2). 41 Die hier angesprochenen Problematik, dass das Schulamt die Ressourcen für den Vorlaufkurs bereits im Frühjahr vor der Einschulung einplanen muss, die Schulen bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Sprachstandserhebung durchführen konnten, verdeutlicht die Komplexität der Sprachfördermaßnahme Vorlaufkurs auf institutioneller Ebene. Dieser sowie andere Aspekte haben dazu geführt, dass die Schulanmeldung erneut vorverlegt wurde und inzwischen im April, also eineinhalb Jahre vor der Einschulung stattfindet.

146 | Studie A: Sprachstandserhebungen panz in der Einschätzung gingen auch bereits SFK1 und SFK13 in Kapitel 7.5.2 ein. I: „Vielleicht können Sie zunächst beschreiben, welche Kriterien darüber entscheiden, dass ein Kind in einen Vorlaufkurs kommt.“ SFK4: „Das ist zum einen die Meldung der Kindergärten, dass wir die Zahlen sagen, so etwa im April. Das sind jetzt die Zahlen .. von jedem Kindergarten, auch mit Namen, das melde ich so ans Schulamt weiter, damit überhaupt ein Vorlaufkurs eingerichtet wird. So und dann, wenn es so in Richtung Schulanmeldung geht, nach den Sommerferien äh frag ich noch mal nach im Kindergarten beziehungsweise ich gehe zum Teil auch persönlich hin, guck mir die Kinder selbst an und mach mit denen kleine Aufgaben. Aber das habe ich dieses Jahr nur bei einem Kindergarten geschafft, denn das ist sehr zeitintensiv. Es kann auch, oft werden Kinder gemeldet vom Kindergarten, die nicht in den Vorlaufkurs gehören, hab ich auch festgestellt. Ja, und dann noch mal bei der Schulanmeldung hier in der Schule. Wir haben das dieses Jahr anders gemacht.“ (Absatz 13-14)

Neben den Erziehern ziehen sieben Schulen den Förderschullehrer, der die Schule ambulant betreut, hinzu. SFK14 beschreibt, dass sowohl die Einschätzung der Erzieherin erfragt als auch eine Förderschullehrerin in die Einschulungsuntersuchung einbezogen wird. Auch SFK14 begründet die Konsultierung der Erzieher mit deren Möglichkeit, die Kinder im Verlauf von mehreren Monaten und Jahren zu beobachten und die Kinder im Alltag erleben. I: „Welche Kriterien entscheiden über die Zuordnung zu einem Vorlaufkurs bei Ihnen?“ SFK14: „Also erst mal die Einschätzung der Kindergärtnerin als erstes, ähm dann ähm meine Einschätzung, wenn ich dann, die ähm oder steht vielleicht an dritter Stelle, also erstens die Kindergärtnerin, dann war, hat meine Schulleiterin zusammen mit ähm mit ähm einer Förderschullehrerin die äh Einschulungsuntersuchung, gemacht, da war ich nicht mit dabei. Und ähm ich bin in die Kindergärten gefahren und habe mir die Kinder angeguckt, wo die Erzieherinnen meinten, vielleicht eh. Also diese drei äh Faktoren waren es im Grunde genommen. Das Wichtigste dabei sind aber die Erzieher, also weil die ja tagtäglich mit den Kindern dann eh arbeiten und dann auch ähm Lücken, die man vielleicht in einem kurzen Gespräch nicht erkennt, ähm dann ähm durchaus eher sehen. Weil, es gibt schon Kinder, die können einem so ganz gut antworten, aber können dann und verstehen auch alles und so, aber bei der Satzbildung ähm hapert es dann doch. Und das merkt man dann teilweise erst später, dass man im ersten Moment denkt, wieso, die, die spricht doch deutlich und eh versteht doch alles und so. Aber ähm dann irgendwas Neues zu erzählen, das fällt denen dann doch oft schwer. Und das in einem ganz kurzen Gespräch kommt das dann nicht unbedingt raus bzw. wir müssten ja alle Kinder angucken, wenn wir nicht erst mal die Kindergärtnerin dann fragen würden, welche Kinder es sind.“ (Absatz 10-11)

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Die ,Validierung‘ der eigenen Sprachstandserhebung mit den Einschätzungen der Erzieher wurde bereits im vorangehenden Kapitel angesprochen. Neben den Vorteilen des Austausches zeigt der folgende Interviewsauschnitt, welche Unsicherheit eine uneinheitliche Einschätzung zur Folge haben kann. Ebenso wie SFK4 beschreibt SFK13, dass sich die Einschätzungen der Erzieher und ihre eigenen unterscheiden (hier wird nur ein Teil der Interviewpassage wiedergegeben, s. auch S. 127f.). I: „Woran orientieren Sie und die Kollegen sich einmal bei der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung? Also welche, wie werden Übungen zusammengestellt für die Erhebung der Sprachfähigkeit einmal jetzt zum Zeitpunkt der Schulanmeldung?“ SFK13 „[…] So richtig zufrieden bin ich immer noch nicht damit, kann das aber im Moment auch schwer beschreiben warum. Äh vielleicht, weil diesmal war es so, dass Kindergarten zum Teil das ganz anders eingeschätzt hat als wir.“ (Absatz 16+18)

Neben den Inhalten und Methoden der Sprachstandserhebung haben die vorangehenden Ausschnitte deutlich gemacht, dass an den Schulen verschiedene pädagogische Fachkräfte in die Sprachstandserhebung eingebunden sind. Die Eltern spielen in der Sprachstandserhebung eine untergeordnete Rolle. Es zeichnet sich kein einheitlicher Weg in der Reihenfolge der Ansprachen oder der Aufgabenverteilung ab, jedoch legt ein Großteil der Schulen großen Wert auf die Befragung der Erzieher, um zwischen Kindern mit und ohne Förderbedarf zu unterscheiden.

7.6 Diskussion der Ergebnisse In Studie A wurden die folgenden generellen Fragen untersucht: Wie gestalten die Sprachförderkräfte die Sprachstandserhebung? Erfüllen die von den Sprachförderkräften durch Angaben im Fragebogen und im Interview repräsentierten Sprachstandserhebungen die Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher, zweitspracherwerbstheoretischer und testtheoretischer Perspektive? Die Analyse der Fragebögen zeigt, dass die Sprachstandserhebung an der überwiegenden Anzahl der untersuchten Schulen (83 %) fester Bestandteil der Schulanmeldung ist. Die vom Hessischen Kultusministerium (HKM) empfohlene Kooperation mit Kindertagesstätten der Umgebung (Althaus et al. 2002: 33) findet sowohl ergänzend zur Sprachstandserhebung statt als auch anstelle einer eigenen innerschulischen Sprachstandserhebung. Zu Beginn der Sprachfördermaßnahme erheben 79 % der Sprachförderkräfte den Sprachstand der Kinder. Nach den hier vorgestellten Ergebnissen hat sich an diesen Schulen ein zweistu-

148 | Studie A: Sprachstandserhebungen figes System aus Selektions- und Förderdiagnostik42 etabliert. Auf die Auswahl der Kinder mit Förderbedarf (Selektion) im Rahmen der Schulanmeldung folgt eine erneute Sprachstandserhebung zu Beginn der Förderung. Im Folgenden werden die Ergebnisse jeder Teilfragestellung diskutiert. Frage A1.1 dieser Studie lautet: Welche Verfahren verwenden die Sprachförderkräfte zur Sprachstandserhebung? Die Ergebnisse zeigen, dass alle Lehrkräfte, die den Sprachstand in der Schulanmeldung selbst erfassen, (auch) hausinterne Verfahren (N=42) verwenden, während nur sieben dieser 42 Lehrkräfte auch veröffentlichte Verfahren einsetzen. Auch in der Untersuchung zum Abgleich von gesetzlich festgelegten Aufgaben und Zielen und den vorhandenen Personal- und Zeitressourcen in sächsischen Kindertageseinrichtungen verwenden die Erzieher in der Entwicklungsbeobachtung vorrangig hausinterne Beobachtungsbögen (Cramer 2007: 43). Beide Ergebnisse belegen, dass diese zu den unsystematischen Methoden zählende Form von den pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten und Grundschulen gewählt wird, wenn ihnen die Gestaltung der Sprachstandserhebung freigestellt ist. Außerdem haben hausinterne gegenüber veröffentlichten Verfahren einen hohen Stellenwert in der Sprachstandserhebung. Frage A2.1) lautet: Entsprechen die Verfahren den Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive? Hausinternen Konzepten ist gemeinsam, dass sie jeweils spezifische Ziele der einzelnen Einrichtung berücksichtigen, jedoch die Anforderungen seitens der Testpsychologie in Form der Gütekriterien nicht erfüllen. In der vorliegenden Studie ist die Nutzung eigener Materialien in der Sprachstandserhebung vermutlich auch darauf zurückzuführen, dass zum Zeitpunkt der Datenerhebung kein standardisiertes Verfahren vorliegt, das sich für ein- und zweisprachige Kinder gleichermaßen eignet. Darauf weist das HKM auch in seiner Handreichung hin (Althaus et al. 2002: 12). Die Interviewausschnitte verdeutlichen darüber hinaus, dass das Material für die Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung selten systematisch aufgebaut ist. Ausschließlich Sprachförderkräfte, die das Programm „Deutsch für den Schulstart“ (DfdS) (Kaltenbacher 2008) verwenden, protokollieren die Aussagen einer Bilderbeschreibung in der Sprachstandserhebung zu Beginn der Sprachförderung. Der DfdS-Sprachtest (Kaltenbacher 2008) ist nach linguistischen Kriterien zusammengestellt und enthält systematische Vorgaben zur Durchfüh-

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42 Der Begriff Förderdiagnostik bezeichnet hier die der Förderung vorausgehende Sprachstandserhebung. Inwieweit tatsächlich aus dieser Sprachstandserhebung Förderziele abgeleitet werden, wie es die Definition der Förderdiagnostik (s. Kap. 3.1) erfordert, kann anhand der vorliegenden Ergebnisse nicht geklärt werden (s. hierzu Kap. 1).

Diskussion der Ergebnisse | 149

rung und Auswertung. Eine Normierung, insbesondere für die Phaseneinteilung, die mittels des DfdS-Sprachtests vorgenommen wird, liegt nicht vor. Nur eine der Sprachförderkräfte verwendet die Methode der Transkription sprachlicher Äußerungen bereits im Rahmen der Schulanmeldung. Konkrete Aufgaben werden von 32 Sprachförderkräften im Rahmen der Schulanmeldung, von 30 Sprachförderkräften zu Beginn der Sprachförderung gestellt. Die Interviews verdeutlichen jedoch, dass die Auswertung meist nicht standardisiert erfolgt. Die Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Sprachstandserhebung weder im Rahmen der Schulanmeldung noch zu Beginn der Sprachförderung die Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive erfüllen. Die Beobachtung (N=27 im Rahmen der Schulanmeldung, N=35 zu Beginn der Förderung) als vorrangige Methode ist nicht objektiv. Die Durchführung erfolgt zwar meist strukturiert, die Auswertung jedoch nicht. Außer dem Marburger Sprachscreening (MSS) (Holler-Zittlau et al. 2003) ist kein Verfahren, das zur Sprachstandserhebung im Kontext der Vorlaufkurse verwendet wird, normiert. Das MSS ist jedoch für Kinder mit Deutsch als Erstsprache normiert und nicht für die Differenzierung zwischen Kindern mit Deutsch als Zweitsprache mit und ohne Förderbedarf geeignet. Inwieweit die Nutzung hausinterner Materialien ohne Standardisierung und Normwerte auch Ausdruck der von Reich (2004) und Bredel (2005) beschriebenen Testaversion der 1970er Jahre im heutigen Schulalltag ist, wurde in den Interviews nicht zum Ausdruck gebracht. Die Pilotstudie von Kelle (2011), die die Schulanmeldung in Hessen untersuchen, weist auf eine Ablehnung standardisierter Verfahren seitens der Lehrkräfte in der Schulanmeldung hin. Deutlich wird in der Interviewstudie, dass die Sprachförderkräfte, die die Fortbildung zu den Materialien „Deutsch für den Schulstart“ besucht haben, den DfdSSprachtest (Kaltenbacher 2008) verwenden und dessen Systematik positiv bewerten. Der Sprachtest von Kaltenbacher ist, ähnlich dem Hamburger Sprachscreening HAVAS-5 (Reich & Roth 2004), standardisiert, jedoch nicht normiert. In Bezug auf die Sprachstandserhebung verweisen die Sprachförderkräfte in den Interviews nicht auf die Empfehlungen aus der Handreichung des HKM. Althaus et al. (2002) haben dort eine Übersicht über Beobachtungsschwerpunkte zusammengestellt und verweisen auf die diagnostischen Leitfragen von Knapp (1999). Die Bedeutung von Fortbildungen für das Vorgehen in der Sprachstandserhebung wird anhand der Verwendung des Sprachtests von Kaltenbacher (2008) von allen Sprachförderkräften, die die Fortbildung zu DfdS besucht haben, deutlich. Frage A1.2 lautet: Welche sprachlichen Teilbereiche berücksichtigen die Sprachförderkräfte in der Sprachstandserhebung? An fast allen Schulen werden in der Schulanmeldung (N=42) sowie zu Beginn der Sprachförderung (N=37) der

150 | Studie A: Sprachstandserhebungen Wortschatz (N=40) und das Sprachverständnis (N=32), den Interviews nach meist in Form des Anweisungsverständnisses (N=3), erfasst. Grammatikalische Fähigkeiten werden an 24 Schulen im Rahmen der Schulanmeldung erhoben. An einer Reihe von Schulen werden mehrere Bereiche (z.B. Wortschatz, Erzählen, Grammatik) erhoben. Die Dominanz des Wortschatzes beschreibt Ricart Brede (2011: 32 und 185) ebenfalls für die Sprachförderung im Elementarbereich und kritisiert eine starke Fokussierung auf Nomen, während andere Wortarten unberücksichtigt bleiben. Eine Berücksichtigung der für den Satzbau relevanten Wortarten wie z.B. den Verben in der Sprachstandserhebung sowie in der Sprachförderung ist notwendig (Schulz & Tracy 2011: 108). Die Auswertung der Interviews zeigt, wie heterogen die Inhalte sind, die in den Sprachstandserhebungen erfasst werden. Frage A2.2 lautet: Entsprechen die sprachlichen Teilbereiche den Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive und aus der Perspektive der (Zweit-)Spracherwerbsforschung? Die Ergebnisse zeigen, dass aktuelle Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung nicht an allen Schulen Berücksichtigung in der Auswahl der erhobenen Inhalte finden. Für die Bereiche, die von den Sprachförderkräften in der Schulanmeldung vorrangig erfasst werden (z.B. Wortschatz, Sprachverständnis in Form des Anweisungsverständnisses und Aussprache), liegen bis dato nur wenige Erkenntnisse aus der Zweitspracherwerbsforschung vor, die eine adäquate Entscheidung über den Sprachentwicklungsstand der Kinder zuließen. Darüber hinaus steht mit dem Lexikon ein Teilsystem im Vordergrund der Sprachstandserhebung, das bei der Erfassung einer geringen Itemzahl keine generalisierbare Aussagen erlaubt. Aufgrund der idiosynkratischen Natur müssen Wortschatztests sehr umfangreich sein. Der AWST-R (Kiese-Himmel 2005) enthält z.B. 51 Nomen und 24 Verben. Die von den Sprachförderkräften beschriebene Wortschatzüberprüfung entspricht jedoch bei Weitem nicht diesem Umfang. Grammatische Phänomene werden im Rahmen der Schulanmeldung nur an 24 und zu Beginn der Förderung an 25 Schulen beachtet, obgleich für den frühen Zweitspracherwerb zu den Bereichen Morphologie und Syntax detaillierte Ergebnisse vorliegen (s. Kap. 3.3.2). Die Ergebnisse der Interviewstudie geben einen Einblick in das konkrete Vorgehen der Sprachförderkräfte in der Sprachstandserhebung. Im Bereich Grammatik werden komplexe Fähigkeiten (z.B. der Satzbau) meist im Gespräch oder in einer Bildbeschreibung erfasst. Wesentlich strukturierter werden hingegen Fähigkeiten erhoben, über die für den Erwerb des Deutschen als Zweitsprache (DaZ) bislang wenig bekannt ist. Beispielsweise liegt für den Erwerb der Pluralbildung bei Kindern mit DaZ aktuell nur eine Studie von Scharff Rethfeldt (2011) vor. Ob hier – wie bei der Subjekt-Verb-

Diskussion der Ergebnisse | 151

Kongruenz (Thoma & Tracy 2006) – der Erwerb der Zweitsprache ebenso wie in der Erstsprache verläuft, ist bisher nicht untersucht worden. Die erfassten Inhalte in der Sprachstandserhebung entsprechen an knapp 50 % der Schulen den Anforderungen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive. Nicht erfüllt werden die Anforderungen insbesondere an den Schulen, die die Fähigkeiten der Kinder im Bereich Grammatik nicht erfassen (N=23 von 42) oder ausschließlich Fähigkeiten in der Produktion erheben (N=7 von 42). Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass in der Handreichung des HKM ohne Begründung empfohlen wird, „grammatische Fehler“ (Althaus et al. 2002: 14) der Kinder nicht zu beachten. Dies führt ggf. dazu, dass einige Schulen die Fähigkeiten in der Grammatik überhaupt nicht erfassen. Grammatische Fehler nicht zu beachten bedeutet jedoch nicht, die grammatischen Fähigkeiten der Kinder gar nicht zu erfassen. Explizitere Empfehlungen in den Handreichungen und eine Veranschaulichung durch Beispiele wären sinnvoll, um die Sprachförderkräfte in ihren Aufgaben zu unterstützen. Frage A1.3 lautet: Welche Rolle spielt die Sprachbiografie des Kindes für das Vorgehen in der Sprachstandserhebung? Nur wenige Schulen erheben laut Fragebogen sprachbiografische Faktoren (N=19). In den Interviews wird deutlich, dass sprachbiografische Faktoren die Durchführung und Auswertung der Sprachstandserhebung nicht beeinflussen. So spielt weder das chronologische Alter der Kinder noch der Erwerbshintergrund für die Auswahl der Aufgaben und deren Auswertung eine Rolle. An keiner Schule, deren Sprachförderkraft an der Interviewstudie teilgenommen hat, haben (sprach-)biografische Faktoren eine Auswirkung auf die Auswertung der sprachlichen Fähigkeiten, die in der Schulanmeldung erfasst werden. In standardisierten und veröffentlichten Sprachtests unterscheiden sich hingegen die Aufgaben (z.B. SETK 3-5, Grimm 2001) oder die Auswertung abhängig vom Alter der Kinder (z.B. AWST-R, KieseHimmel 2005) und deren Kontaktdauer zur Zweitsprache (LiSe-DaZ, Schulz & Tracy 2011). Schulz und Tracy (2011) veröffentlichten erstmals ein Verfahren mit alters- und kontaktdauerabhängigen Normwerten im deutschsprachigen Raum. Frage A2.3 lautet: Entspricht die Rolle der Sprachbiografie des Kindes für das Vorgehen den Anforderungen aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung? Informationen zum Alter, zur Kontaktdauer und zum Alter bei Erwerbsbeginn müssen systematisch erhoben und in der Auswertung berücksichtigt werden, um adäquat über den Förderbedarf von Kindern mit DaZ zu entscheiden. Den Anforderungen aus der Perspektive der Zweitspracherwerbsforschung genügt das von den Sprachförderkräften beschriebene Vorgehen demnach nicht. Frage A1.4 lautet: Wer ist an der Sprachstandserhebung beteiligt? An der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung können die folgenden

152 | Studie A: Sprachstandserhebungen Akteure beteiligt sein: Sprachförderkraft des Vorlaufkurses, Lehrkräfte der Schule, Schulleitung, Sonder-/Sprachheilpädagoge, Erzieher der Kindertagesstätte, in die das Kind geht. An einer Schule erfolgt die Sprachstandserhebung im Rahmen der Schule durch Personal der Stadt, das dann auch bestimmt, welches Kind den Vorlaufkurs besucht. Außerdem befragen acht der 20 Schulen, die an der Interviewstudie teilgenommen haben, die Eltern im Rahmen der Sprachstandserhebung. Eine Schule bezieht auch eine Sprachtherapeutin in die Sprachstandserhebung ein. Die Ergebnisse zeigen, dass die Meinung der Erzieher eine besondere Rolle spielt, da sie an 16 der 20 Schulen in die Sprachstandserhebung einbezogen werden. An Schulen wie von SFK11.2 und SFK6 nehmen die Erzieher der umliegenden Kindertagesstätten bereits eine Vorauswahl vor. An der Schule der SFK11.2 findet ein Vergleich der Kinder, die die Schule bestimmt hat, mit denen, die die Erzieher ausgewählt haben, statt. Die Sprachförderkräfte betonen in den Interviews den Vorteil der kontinuierlichen Arbeit der Erzieher über Jahre hinweg, die eine Verlaufsbeobachtung der Sprachentwicklung ermöglicht. List plädiert im folgenden Zitat dafür, die Erzieher weitaus stärker in die Sprachstandserhebung und Fördergestaltung einzubeziehen. „Statt also aufwändige und doch nicht treffsichere Erhebungen verbaler Daten durchzuführen, erscheint es viel sinnvoller, die Energien eher auf die Beratung von Fördermaßnahmen zu lenken. Für eine Entscheidung über die Notwendigkeit solcher spezieller Förderung im Einzelfall kann dem Votum der Erzieherinnen in den vorschulischen Einrichtungen, die jedes Kind ja genau kennen, ein hoher Stellenwert zuerkannt werden – vorausgesetzt, man gibt ihnen entsprechende Handreichungen für die Formulierung an die Hand.“ (List 2005: 55)

Eine weitere Personengruppe, die entweder direkt in die Schulanmeldung eingebunden ist oder bei Zweifelsfällen sowie zur detaillierteren Diagnostik bei dem Verdacht auf eine Sprachentwicklungsstörung hinzugezogen wird, sind die Sonder-/Sprachheilpädagogen. Der Förderschwerpunkt der in den Interviews angesprochenen Kollegen ist meist Sprache, jedoch werden ebenso Förderschullehrer mit anderen Förderschwerpunkten (z.B. Lernen oder Soziale Entwicklung) hinzugezogen. Die Förderschullehrer stehen den Schulen durch ambulante Unterrichtsstunden für sogenannte „I-Kinder“ (integrativ unterrichtete Kinder) zur Verfügung. Insgesamt zeigt sich bei den an der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung beteiligten Akteuren erneut, wie heterogen das Vorgehen der Schulen ist. Innerhalb dieser Heterogenität ist zu hinterfragen, welche Variante zielführend in Bezug auf das Ziel der Auswahl der Kinder mit Förderbedarf und welche Variante zeitlich und personell ressourcenschonend ist.

Diskussion der Ergebnisse | 153

Die Ergebnisse zeigen eine große Heterogenität darin, wie die Sprachstandserhebung in der Schulanmeldung und zu Beginn der Sprachförderung inhaltlich und methodisch gestaltet ist (s. auch Voet Cornelli 2008 und Kelle, Ott & Schweda 2012). Das Risiko einer mangelnden Chancengerechtigkeit erhöht sich in Bezug auf den Zugang zur Sprachfördermaßnahme Vorlaufkurs dadurch, dass die Anforderungen aus der Perspektive der Sprachwissenschaft, (Zweit-)Spracherwerbsforschung und Testtheorie nicht oder nur teilweise erfüllt werden. Auf der Basis der Ergebnisse dieser Studie gilt es, in weiteren Studien zu untersuchen, ob tatsächlich die Kinder mit Sprachförderbedarf die Empfehlung für einen Vorlaufkurs erhalten und Kindern ohne Sprachförderbedarf der Besuch eines Vorlaufkurses nicht empfohlen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, ist weiter zu untersuchen, ob die Beachtung spracherwerbsbiografischer Faktoren in der Sprachstandserhebung sowie die Verwendung von Verfahren, die testtheoretischen Gütekriterien standhalten, die Chancengerechtigkeit erhöhen würden. Interpretiert man die Ergebnisse dieser Studie vor dem Hintergrund des Modells sprachdiagnostischer Kompetenz, zeigt sich, dass Sprachförderkräfte, die in Fortbildungen systematische Verfahren (hier den DfdS-Sprachtest (Kaltenbacher 2008) kennengelernt haben, diese anwenden und dessen Systematik positiv bewerten. Es stellt sich die Frage, ob dies ein Beleg dafür ist, dass bei den Sprachförderkräften, die ausschließlich hausinterne Materialien verwenden, die eine Standardisierung in Durchführung und Auswertung vermissen lassen, nicht über das nötige zugrunde liegende Wissen über Sprachstandserhebungen verfügen. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Sprachförderkräfte über das zugrunde liegende Wissen verfügen, jedoch dieses nicht anwenden können. Gründe hierfür wären einerseits in der sprachdiagnostischen Kompetenz der Sprachförderkräfte und andererseits in den Rahmenbedingungen zu sehen. Auch in Bezug auf die Anforderungen aus der Perspektive der Sprachwissenschaft und (Zweit-)Spracherwerbsforschung zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass nicht alle Sprachförderkräfte diese Anforderungen in der Auswahl und Anwendung der Materialien zur Sprachstandserhebung berücksichtigen. Inwieweit die Gründe in dem zur Verfügung stehenden Wissen über Sprache und (Zweit-)Spracherwerb zu sehen sind oder in dessen Umsetzung in der Sprachstandserhebung, ist unklar. Weitere Studien zum Zusammenhang zwischen dem Wissen von Sprachförderkräften und deren Vorgehen in den Sprachstandserhebungen sind ebenso notwendig wie Studien, die die Rahmenbedingungen und zur Verfügung stehenden Ressourcen einbeziehen. Ausgehend von dem im Rahmen dieser Studie durch die Sprachförderkräfte rekonstruierten Vorgehen in den Sprachstandserhebungen, gilt es, in weiteren Studien das Handeln in der Sprachstandserhebung anhand von Fallbeispielen zu untersuchen (Kelle 2011).

154 | Studie A: Sprachstandserhebungen

7.7 Zusammenfassung In Studie A wurde der Ist-Stand der Sprachstandserhebungen im Rahmen der Schulanmeldung und zu Beginn der Sprachfördermaßnahme am Beispiel der hessischen Vorlaufkurse analysiert. Die Rekonstruktion der Gestaltung der Sprachstandserhebung wurde mittels eines Fragebogens und Leitfadeninterviews erfasst. Die Stichprobe der Fragebogenstudie setzte sich aus der Schulleitung, der an der Schulanmeldung beteiligten Lehrkraft und der Sprachförderkraft des Vorlaufkurses aus 47 Schulen zusammen. Es wurde untersucht, ob die Ergebnisse den Anforderungen aus der Perspektive der Sprachwissenschaft, der (Zweit-)Spracherwerbsforschung und der Testtheorie an Sprachstandserhebungen entsprechen. Die Inhalte und Methoden, die in den Sprachstandserhebungen verwendet werden, wurden zunächst mittels eines Fragebogens erfragt. Darüber hinaus wurde mit 20 Sprachförderkräften eine offene Befragung mittels eines Leitfadeninterviews durchgeführt. Die Auswertung der Interviews erfolgte in Anlehnung an die QUALITATIVE INHALTSANALYSE und das THEMATISCHE CODIEREN. Die Ergebnisse zeigen, dass der Sprachstand sowohl bei der Schulanmeldung als auch zu Beginn der Sprachförderung erfasst wird und somit Bestandteil des (Vor-)Schulalltags ist. Hausinterne Verfahren und informelle Beobachtungen werden an mehr als Dreiviertel der Schulen verwendet, während veröffentlichte Verfahren nur von weniger als 20 % der Schulen genutzt werden. Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt vermutlich einem Mangel an verfügbaren adäquaten Testverfahren geschuldet. Der Wortschatz wird an fast jeder Schule, die Grammatik hingegen nur an der Hälfte der Schulen erfasst. Trotz der Häufigkeit des Einsatzes von konkreten Aufgaben, der Analyse sprachlicher Äußerungen sowie der Methode der Beobachtung an jeweils ca. Dreiviertel der Schulen zeigen die vorliegenden Daten, dass die Grundschulen die Aufgabe der Sprachstandserhebung sehr unterschiedlich umsetzen. Die Rekonstruktionen der Sprachförderkräfte zeigen, dass jede Schule ihre eigenen Aufgaben und Bewertungsmaßstäbe für die Sprachstandserhebung entwickelt. Sprachbiografische Faktoren, wie Kontaktdauer und Alter bei Erwerbsbeginn, werden an weniger als der Hälfte der Schulen berücksichtigt. Konträr zu den Anforderungen an Sprachstandserhebungen aus der Perspektive der Sprachwissenschaft und Spracherwerbsforschung wird der am intensivsten untersuchte Bereich der Morpho-Syntax (Grammatik) nur selten erfasst, und sprachbiografische Faktoren bleiben unberücksichtigt. Die verwendeten Methoden, wie Beobachtung und hausinterne Aufgaben, sind unzureichend standardisiert und genügen den Anforderungen aus testtheoretischer Perspektive nicht.

Zusammenfassung | 155

Die Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung ist neben den Methoden und Inhalten davon geprägt, welche Akteure an der Erhebung beteiligt sind. In den Ergebnissen der Interviewstudie wird deutlich, dass eine institutionenübergreifende Kooperation zwischen Kindertagesstätte, Förderschule und Grundschule an vielen Schulen etabliert ist. Die Einschätzungen der sprachlichen Fähigkeiten durch die Erzieher werden als alleiniges Maß, als Orientierungsrahmen oder Vergleichswert für die eigene Einschätzung der Sprachförderkräfte genutzt. Dies ist ein weiterer Beleg für die Heterogenität in den Sprachstandserhebungen.

8 Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept der Förderdiagnostik In Studie B werden die Äußerungen von Sprachförderkräften im Rahmen eines Leitfadeninterviews in Bezug auf die Bedeutung der Sprachstandserhebung für die Sprachförderung untersucht. Der theoretische Hintergrund zur Förderdiagnostik wurde bereits in Kapitel 3.2.1 erläutert. Förderdiagnostik bedeutet, dass die Sprachstandserhebung, außer zur Auswahl der Kinder mit Förderbedarf (Selektionsdiagnostik) auch dazu dient, die Sprachförderung auf der Grundlage der sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu planen und zu gestalten. Innerhalb des Prozessmodells sprachdiagnostischer Fähigkeiten ist dieser Schritt in Kompetenzbereich 3 Ableitung des Förderbedarfs und Formulierung von Förderzielen verankert. Ziel der Studie ist es zu untersuchen, welche Sprachförderkräfte das Konzept der Förderdiagnostik beschreiben, die individuellen Ausprägungen des Konzeptes Förderdiagnostik in den Repräsentationen und Reflexionen zu rekonstruieren sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachförderkräften zu verdeutlichen. Hierzu werden die Repräsentationen und Reflexionen von neun Sprachförderkräften aus dem Interviewkorpus aus Studie A (N=20) untersucht. Ausgangspunkt der Studie ist, dass die Sprachförderkräfte – laut der Handreichung des HKM – den „besonderen Förderungsbedarf des Kindes in Einzelbereichen, denen gezielt nachgegangen werden kann“ (Althaus et al. 2002: 24), dokumentieren. Dies entspricht dem Konzept der Förderdiagnostik (s. Kap. 3.1). Seitens der Sprachförderkraft verlangt das Konzept der Förderdiagnostik nicht nur, dass sie den Sprachstand der Kinder erfasst, sondern dass sie die Ergebnisse der Sprachstandserhebung vor dem Hintergrund einer anschließenden Förderung interpretiert. In dem Prozessmodell sprachdiagnostischer Fähigkeiten setzt dies die Auswahl, Vorbereitung und Durchführung der Sprachstandserhebung (Kompetenzbereich 1) sowie die Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten (Kompetenzbereich 2) voraus. Inwieweit dieser Aufbau zutreffend ist, wird anhand der Ergebnisse der Studie C diskutiert. Im Rahmen dieser Studie wird untersucht, ob das Konzept der Förderdiagnostik von den Sprachförderkräften umgesetzt wird, und wenn ja, in welcher Art und Weise. Außerdem zeigte sich in der Auswertung der Interviews, dass die Sprachförderkräfte die Interviews nutzten, um über mögliche Schwierigkeiten in der Umsetzung der Förderdiagnostik zu reflektieren. Die induktive Analyse der Interviews im Rahmen dieser Studie ermöglicht es, diesen Aspekt in der Auswertung einzubeziehen.

Methode | 157

Aus sprachdidaktischer Perspektive ist es von besonderer Bedeutung zu untersuchen, ob die von fast allen Sprachförderkräften durchgeführten Sprachstandserhebungen zu Beginn der Sprachförderung (s. Studie A) im Sinne der Förderdiagnostik genutzt werden. Hintergrund ist, dass die Sprachförderung adaptiv, d.h. an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder orientiert und konzipiert sein sollte (s. u.a. Kap. 3.1). Im Folgenden werden die Fragestellungen der Studie B erläutert (s. Kap. 8.1). Die Probanden entsprechen der Stichprobe der Interviewstudie innerhalb der Studie A, die im vorangehenden Kapitel 7.3.2 beschrieben wurde. Das Material und die Auswertung werden beschrieben (s. Kap. 8.2.2) und die Ergebnisse werden vorgestellt (s. Kap. 8.3.3). Anschließend werden die Ergebnisse vor dem Hintergrund der Anforderung aus der Perspektive der Sprachdidaktik diskutiert (s. Kap. 8.4). Zuletzt wird das gesamte Kapitel zusammengefasst (s. Kap. 8.5.5).

8.1 Fragestellungen Die übergeordnete Frage dieser Studie lautet: Wie rekonstruieren und reflektieren die untersuchten Sprachförderkräfte das Konzept der Förderdiagnostik im Rahmen der Interviews? Diese Fragestellung wurde in drei Fragen expliziert: B1: Beschreiben die Sprachförderkräfte das Konzept der Förderdiagnostik im Rahmen des Interviews? B2: Beschreiben die Sprachförderkräfte, dass sie die Ergebnisse der Sprachstandserhebung für die Planung und Gestaltung der Sprachförderung nutzen und wenn ja wie? B3: Welche Qualifikation in Form der Weiterbildung haben die Sprachförderkräfte?

8.2 Methode Im Folgenden werden das Material und die Auswertung der Interviewstudie beschrieben.

8.2.1 Material Für die Interviewstudie wurde ein Leitfaden (s. Abb. 38ff. im Anhang S. 273ff.) konzipiert, der bereits im Rahmen der Studie A in Kapitel 7.4.2 vorgestellt wur-

158 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ de. Um die Sprachförderkräfte dazu anzuregen, die Verankerung des Konzepts der Förderdiagnostik innerhalb ihres Vorgehens zu rekonstruieren und über die Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung zu reflektieren, wurde Frage L12 in den Leitfaden (L) einbezogen (s. folgender Ausschnitt aus dem Leitfaden): (L12) Wie lassen Sie die Ergebnisse der Erfassung der sprachlichen Fähigkeiten aus der Schulanmeldung (falls vorliegen) und zu Beginn des Vorlaufkurses in die Sprachfördermaßnahme einfließen? (L13) Verändern sich Förderschwerpunkte o. ä. im Verlauf der Förderung? (L14) Woran machen Sie Veränderungen in den sprachlichen Fähigkeiten fest? Fragen (L13) und (L14) gehen indirekt auf die Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung ein, beziehen sich jedoch auf den Verlauf der Förderung und nicht auf den Beginn (wie Frage (L12)). Darüber hinaus sprachen Sprachförderkräfte von sich aus über die Bedeutung der Sprachstandserhebung für die Sprachförderung und beschrieben das Konzept der Förderdiagnostik. Das Untersuchungsdesign und die Durchführung der Datenerhebung sind identisch mit der Studie A (s. Kap. 7.2ff.). Im Folgenden wird daher nur auf die Auswertungsmethode eingegangen, bevor die Ergebnisse dargestellt werden.

8.2.2 Auswertung Hier wird nur auf Abweichungen von der in Kapitel 7.4.2 erläuterten Auswertungsmethode eingegangen. Im Gegensatz zu der vorrangig quantifizierenden Ergebnisdarstellung in Studie A werden die Ergebnisse hier qualitativ ausgewertet. Während der Analyse der Daten wurde deutlich, dass es entscheidende Unterschiede zwischen den Sprachförderkräften in Bezug auf deren Rekonstruktionen und Reflexionen über die Umsetzung der Förderdiagnostik gab. Zur Darstellung der Ergebnisse wurde deshalb auch auf die Methode der Kontrastierung zurückgegriffen (u.a. Heinzel 2010; Kelle & Kluge 1999). In Anlehnung an die rekonstruktive qualitative Forschung, zu der auch die interviewbasierte qualitative Forschung zählt, werden extreme Fälle ausgewählt und kontrastiv dargestellt (Heinzel 2010: 124). Ziel dieser Ergebnisdarstellung ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Untersuchungsfeld durch in den Daten gefundene Beispiele zu veranschaulichen (Heinzel 2010: 124). Als Beispiele dienen in die-

Methode | 159

ser Studie Rekonstruktionen und Reflexionen der Sprachförderkräfte über die von ihnen hergestellte Verbindung bzw. nicht hergestellte Verbindung zwischen Sprachstandserhebung und Sprachförderung. Die folgenden Codes zur Kategorie „Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung“ wurden induktiv gebildet: -

Individualisierung/Differenzierung ermöglichen Fähigkeiten der Kinder kennen Spezielle Probleme der Kinder erkennen Auswahl der Förderphase Gruppeneinteilung Verlaufsdokumentation Sprachstandserhebung wenig/keinen Einfluss auf Förderung Individualisierung/Differenzierung nicht nötig/nicht möglich.

Die induktiv gebildeten Codes zeigen, wie sich das Konzept der Förderdiagnostik in den Rekonstruktionen und Reflexionen der Sprachförderkräfte ausprägen kann. Einige Sprachförderkräfte gingen auf das Konzept der Förderdiagnostik ein. Sie beschrieben im Interview, dass ihnen eine individuelle bzw. differenzierte Förderung wichtig ist, die auf dem Sprachstand der Kinder aufbaut (Code: Individualisierung/Differenzierung ermöglichen). Einige Sprachförderkräfte erläuterten außerdem, dass es relevant sei, die Fähigkeiten oder die spezielle Probleme der Kinder zu kennen. Die Codes „Auswahl der Förderphase“ und „Gruppeneinteilung“ wurden gebildet, da Sprachförderkräfte, die mit den Materialien „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) arbeiten, beschrieben, sie verwendeten die Sprachstandserhebung dazu, die „Förderphase“, in der ein Kind einzuordnen ist, zu kennen und ggf. auch die Gruppeneinteilung des Vorlaufkurses am Sprachstand orientiert vorzunehmen. Die bisher erläuterten Codes zeigen, dass die Sprachförderkräfte der Sprachstandserhebung – im Sinne der Förderdiagnostik – eine Bedeutung für die Sprachförderung zuschreiben. Die beiden Codes „Sprachstandserhebung wenig/keinen Einfluss auf Förderung“ und „Individualisierung/Differenzierung nicht nötig/nicht möglich“ hingegen wurden gebildet, da Sprachförderkräfte im Interview beschreiben, dass sie die Sprachförderung unabhängig von den Ergebnissen der Sprachstandserhebung planen oder eine individuelle Sprachförderung für nicht notwendig oder möglich halten. Diese beiden Codes zeigen, dass die Sprachförderkräfte der Sprachstandserhebung keine Bedeutung für die Sprachförderung zuschreiben oder Gründe, wie die Rahmenbedingungen, keine am Sprachstand orientierte Sprachförderung (d.h. Adaptation) zulassen. Die Codes dienen der Strukturierung des Materials, d.h. anhand der Codes lassen sich für die Fragestellungen relevante Textpassagen in den Transkripten

160 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ wiederfinden. In den Ergebnissen wird nicht (wie in Studie A) die Häufigkeit des Vorkommens eines Codes dargestellt, sondern die Codes werden beschreibend in die Ergebnisdarstellung eingebunden. Die Ergebnisse werden in Form kurzer Einzelfallbeschreibungen dargestellt. Die Kernaussagen werden eingebettet in den Gesprächskontext (meist die komplette Aussage der Probandin sowie die vorangehende Frage der Interviewerin) wiedergegeben. Die Sprachförderkräfte, die die Fortbildung zu dem linguistisch-orientierten Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ von Kaltenbacher (2008) besucht haben, bezogen sich in ihren Aussagen zum Konzept der Förderdiagnostik auf das Sprachförderprogramm. Aufgrund dessen wird zwischen Sprachförderkräften, die die Fortbildung zu dem linguistisch-orientierten Sprachförderprogramm von Kaltenbacher (2008) besucht haben, und denen, die diese Fortbildung nicht besucht haben, unterschieden.

8.3 Ergebnisse Die Ergebnisdarstellung erfolgt auf der Basis der Aussagen von neun Sprachförderkräften. Sprachförderkräfte, die beschreiben, wie sie die Sprachstandserhebung für die Planung und Gestaltung der Sprachförderung nutzen (s. z.B. unten Aussage SFK6), stehen solchen Sprachförderkräften gegenüber, die erläutern, dass sie die Sprachförderung unabhängig von den Ergebnissen der Sprachstandserhebung gestalten (s. z.B. unten Aussage SFK4). „Da entdeckt man dann, was kann das Kind, wo sind noch Strukturen, die unbedingt geübt werden müssen.“ (SFK6)

vs. „Was ich feststelle, wo die Schwierigkeiten liegen, ist für mich jetzt nicht so relevant.“ (SFK4)

Darüber hinaus wird gezeigt, dass es Sprachförderkräfte gibt (s. z.B. Aussage unten SFK12), die das Konzept der Förderdiagnostik kennen, die jedoch beschreiben, es nicht im Rahmen des Vorlaufkurses anzuwenden. „Also da da findet keine saubere Diagnostik am Anfang statt und wir sagen auch nicht, dieses Kind, das bräuchte aber noch ein Training in dedede […]“ (SFK12)

Die Ergebnisse werden in Form von einzelfallbezogenen Interviewpassagen präsentiert. Zunächst werden die Rekonstruktionen und Reflexionen von fünf

Ergebnisse | 161

Sprachförderkräften dargestellt, die mit dem linguistisch-orientierten Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ (DfdS) von Kaltenbacher (2008) arbeiten. Das Sprachförderprogramm enthält eine nicht-standardisierte Sprachstandserhebung und die Materialien sind in drei Phasen aufgeteilt. Abhängig vom Sprachstand der Kinder soll in der Sprachförderung mit den Materialien der Phase 1 (niedrigste) bis 3 (höchste) begonnen werden. Bevor Sprachförderkräfte das Förderkonzept verwenden dürfen, müssen sie eine Fortbildung besuchen. SFK18 unterrichtet seit einem knappen Jahr im Vorlaufkurs und hat vor einigen Monaten mit dem Besuch der Fortbildung zu dem Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“, die in mehrere Veranstaltungen aufgeteilt ist, begonnen. In dem folgenden Interviewausschnitt beschreibt SFK18 ihre Meinung zu den Materialien, die in der Sprachstandserhebung verwendet werden (hier dem DfdS-Sprachtest von Kaltenbacher (2008)). I: „Was spricht Ihrer Meinung nach für und gegen die Materialien, die Sie im Vorlaufkurs verwenden?“ SFK18: „Also dafür spricht ganz eindeutig, dass es, dass man ein Konzept in der Hand hat. Dass die meisten, die Lehrer, die, denke ich gehe ich einfach mal davon aus, jetzt gar nicht so ne Vorbildung haben, so geht's mir ja auch, ich hab mich ja auch erst reinarbeiten müssen und hab die Fortbildung dazu gemacht. Aber im Prinzip ist man über die Entwicklung, die Sprachentwicklung gar nicht so informiert. Und, ähm, deswegen fällt einem das auch, würde mir das ganz schwer fallen, da zu gucken, wenn ich dieses Konzept nicht hätte, zu gucken, wo stehen die Kinder, was muss ich den Kindern anbieten, damit die die nächsten Schritte in der Sprachentwicklung machen, das würde ich von mir aus nicht leisten können. Und von daher bin ich dankbar, dass ich dieses Konzept habe. Nachteil ist ganz eindeutig, dass alle Kinder auf einer Stufe stehen müssen, was in der Regel nicht realisierbar ist. Und dass äh ja die die, ähm, sprachliche Entwicklung, so wie es mir im Moment vorkommt, sehr schnell vollzogen werden muss. Und ich weiß nicht, ob das so bei allen Kindern dann auch wirklich der Fall ist. Ob die Kinder so schnell lernen, wie das Konzept es vorsieht.“ (Absatz 69-70)

SFK18 rekonstruiert das Konzept der Förderdiagnostik in Form eines Wechselspiels aus Sprachstandserhebung und Förderung. Die Sprachstandserhebung (hier der DfdS-Sprachtest) dient laut SFK18 dazu, „zu gucken, wo stehen die Kinder, was muss ich den Kindern anbieten, damit die den nächsten Schritt in der Sprachentwicklung machen“ können (SFK18, Absatz 70). Sie verweist darauf, dass dieses Konzept einer Vorbildung bedarf, die sie sich durch die Fortbildung angeeignet hat. SFK18 betont außerdem, dass das Förderkonzept dann

162 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ davon ausgeht, dass die Kinder der Sprachfördergruppe „auf einer Stufe stehen“ (SFK18, Absatz 70). Die Rahmenbedingungen des Vorlaufkurses, die – anders als im Sprachförderprogramm vorgesehen – nicht zulassen, Kleingruppen von bis zu vier Kindern zu fördern, stehen jedoch laut SFK18 im Kontrast zum Anspruch einer individuellen Sprachförderung. SFK18 geht davon aus, dass ihre Kompetenzen nicht ausreichen würden, die Sprachförderung entwicklungsorientiert zu planen und reflektiert, dass das Sprachförderprogramm DfdS sie daran unterstützt, diesem Anspruch der entwicklungsorientierten Sprachförderung dennoch gerecht zu werden. SFK2 unterrichtet seit drei Jahren den Vorlaufkurs. Vor einem Jahr hat sie die Fortbildung zu dem Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ besucht und setzt im Schuljahr der Erhebung des Interviews erstmals die Materialien ein. In dem folgenden Interviewausschnitt beschreibt SFK2, wie sie sich den Einfluss der Ergebnisse der Sprachstandserhebung auf die Sprachförderung vorstellt. I: „Wie lassen Sie Ergebnisse aus der Sprachstandserhebung sowohl aus der Schulanmeldung als auch aus dem, was Sie zu Beginn des Vorlaufkurses machen, in die Sprachfördermaßnahmen einfließen?“ SFK2: „Dadurch, dass ich mit diesem Programm arbeite .. hab ich ja eigentlich kaum Spielraum. Also ich starte dann ja an einem bestimmten Punkt, den ich mir in etwa errechne. Ich mach's ja dann jetzt zum ersten Mal ... und äh es ist ja nicht so, dass ich jetzt ein individuell abgestimmtes Konzept mache für die Kinder, sondern äh ich habe dieses Konzept, weiß aber natürlich um die unterschiedlichen Fähigkeiten der Kinder und muss dann ähm trotz dieser doch einheitlichen Vorgehensweise, doch den ein oder anderen anders ansprechen, denke ich mal. Aber ... eine Planungsfreiheit in dem Sinne hab ich ja nicht.“ (Absatz 92+93)

SFK2 verdeutlicht, dass sie die unterschiedlichen Fähigkeiten der Kinder kennt und dass sie auf diese Heterogenität differenziert eingehen möchte. Der DfdSSprachtest ermöglicht es ihr, einen Sprachstand der Kinder zu „errechnen“ (SFK2, Absatz 93). Dass sich daran anschließende Sprachförderprogramm ist laut SFK2 für eine „einheitliche Vorgehensweise“ konzipiert. Gleiches beschreibt auch SFK18 (s. oben). Das Material lässt aus Sicht der beiden Sprachförderkräfte eine individuelle Sprachförderung kaum zu. SFK2 fühlt sich trotz der einheitlichen Vorgehensweise verpflichtet, individuell auf die Kinder einzugehen. SFK8 konkretisiert diese Problematik an einem Beispiel, wie im Folgenden gezeigt wird. SFK8 unterrichtet seit fünf Jahren den Vorlaufkurs und hat die Fortbildung zu dem Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ von Kaltenbacher (2008) vor ca. einem Jahr besucht. Anhand eines exemplarischen Kindes ver-

Ergebnisse | 163

deutlicht SFK8 die Schwierigkeit in der Sprachförderung, den Kindern mit unterschiedlichem Sprachstand und unterschiedlichem Förderbedarf gerecht zu werden. I: „Wie lassen Sie die Ergebnisse der Erfassung sprachlicher Fähigkeiten sowohl aus der Schulanmeldung als auch zu Beginn des Vorlaufkurses in die Förderung einfließen?“ SFK8 „Ich lass sie eigentlich, ich kann sie nicht besonders einfließen lassen, weil ich alle mit Phase eins anfangen lassen muss. Wenn ich jetzt zum Beispiel Kinder dabei habe, die sehr sehr schwach sind, kann ich aber nicht nur auf das Kind Rücksicht nehmen. Ich muss auch gucken, dass ich einfach weitermache, weil die anderen Kinder das sonst total langweilt, also das heißt, ähm ich kann jetzt nicht sagen, also dadurch, dass ich nicht die Möglichkeit habe, einfach zwei Gruppen zu bilden, sonst würde ich natürlich mit den Kindern, die fast gar kein Deutsch sprachen, wesentlich langsamer noch vorgehen, ja.“ (Absatz 99+100)

SFK8 beschreibt, dass sie um die unterschiedlichen sprachliche Fähigkeiten der Kinder weiß. Sie erläutert, dass sie zur Differenzierung sowohl eine Teilung der Gruppe als auch ein langsameres Vorgehen mit Kindern, die kaum Deutsch sprechen, für sinnvoll hält. Ähnlich wie SFK2 verdeutlicht SFK8, dass man aufgrund der Konzeption des Sprachförderprogramms mit allen Kindern den gleichen Inhalt in gleichem Tempo bearbeitet muss. Sie geht davon aus, dass sie durch eine Unterteilung der Gruppe eine individuellere, stärker am Sprachstand des Kindes ausgerichtete Sprachförderung realisieren könnte. SFK8 nennt keine Gründe, wieso eine Unterteilung des Vorlaufkurses nicht möglich ist. Einen anderen Weg wählt SFK13, die seit zwei Jahren den Vorlaufkurs unterrichtet. Der Vorlaufkurs umfasst bei ihr dreimal drei Stunden pro Woche. Sie arbeitet neben dem linguistisch-orientierten Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ von Kaltenbacher (2008) mit anderen Materialien, die sie, je nach den Fähigkeiten der Kinder, einsetzt. SFK13 wertet neben der Sprachstandserhebung des Sprachförderkonzeptes die Transkripte der Gespräche mit den Kindern aus, um daraus Förderschwerpunkte zu bilden. I: „Wie lassen Sie die Ergebnisse der Erhebung sprachlicher Fähigkeiten, bei Ihnen primär aus der Schulanmeldung, in die Sprachfördermaßnahme einfließen?“ SFK13: „Ja, indem ich also geguckt hab, wo sind die Felder, wo alle Probleme haben. Ja also erst mal der gemeinsame Schwerpunkt äh und dann mach ich das aber weiter. Wo häuft sich noch was? Wiederholung ist auch für andere gut. Oder ich differenziere dann da mal äh oder differenziere dann da. Da fällt dann ja eigentlich auch gar kein Bereich aus.“ (Absatz 136+137)

164 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ SFK13 verändert die Rahmenbedingungen des Vorlaufkurses (hier die zeitliche Struktur) und kombiniert diagnostische und sprachförderdidaktische Konzepte und Ideen. Um einer von den sprachlichen Fähigkeiten des Kindes ausgehenden Sprachförderung gerecht zu werden, setzt sie Prioritäten in Form von „Schwerpunkten“. Sie geht davon aus, dass so die Bedürfnisse aller Kinder in der Sprachförderung aufgegriffen werden. Auch SFK15 weiß um die spezifischen Bedürfnisse der Kinder des Vorlaufkurses. Sie unterrichtet bereits seit fast sieben Jahren in Vorlaufkursen und hat u.a. die Fortbildung zu dem Programm „Deutsch für den Schulstart“ von Kaltenbacher (2008) besucht. Im Gegensatz zu den vorangehenden Einzelfällen, die ein Sprachstandserhebungsverfahren einsetzen, erfasst SFK15 die relevanten Informationen über den Sprachstand der Kinder in Alltagsbeobachtungen. Die Konsequenzen für die Sprachförderung bezieht sie nicht auf spezifisch sprachliche „Bereiche“ (SFK13, s. oben), sondern eher pädagogische, z.B. die Motivation einzelner Kinder zur aktiven Teilnahme an der Sprachförderung. Der DfdSSprachtest des linguistisch-orientierten Sprachförderprogramms (Kaltenbacher 2008) wird von SFK15 ausschließlich zur Phaseneinteilung innerhalb des Konzeptes genutzt. I: „Wir haben jetzt über die Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten und über die Förderung gesprochen. Ich würde gern noch mal auf die Verbindung beider Aspekte eingehen. Wie lassen Sie die Ergebnisse der Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten von der Schulanmeldung und auch vom Beginn des Vorlaufkurses in die Sprachfördermaßnahme einfließen?“ SFK15: „Also das ist schwierig, da so differenziert drauf zu gucken, ne? Also das ist ähm ja, ph, so konkret äh guck ich da nicht drauf. Also ich denke, das ist mehr so im Gesamtzusammenhang, dass man das halt mehr so auf die Gruppe bezogen sieht. Also ich denke, ähm wenn man die Möglichkeit hat, wäre das schon sinnvoll, dann eben nochmal zu gucken äh, was braucht das Kind jetzt. Aber das kriegt man auch mit, wenn die jeden Tag kommen, ne? Also dass welche man halt mehr äh motivieren muss und welche man bremsen muss und wo man dann noch mal, die äh in, also ein paar spielen, und dann holt man sich noch mal jemand und guckt noch mal genauer drauf, ne? Also das ist jetzt äh mehr ungeplant oder ungezielt, wie das abläuft.“ (Absatz 204+205)

Ihre Ausführungen verdeutlichen, dass die Sprachförderkraft ihr Handeln, die Alltagsbeobachtungen und ggf. die spontanen Entscheidungen bei einzelnen Kindern „noch mal genauer“ zu schauen, reflektiert. Die Bedeutung des individuellen Sprachstandes für die Förderung und die systematische Erhebung sind SFK15 prinzipiell bewusst. Die methodische Umsetzung ist jedoch anscheinend unklar. Ergänzend zu der Arbeit mit dem linguistisch-orientierten Sprachför-

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derprogramm, beschreibt SFK15 ein ungeplantes und ungezieltes diagnostisches Vorgehen innerhalb der Sprachförderung. Eine differenzierte Sprachstandserhebung erscheint ihr „schwierig“ (SFK15, 205). Allen bisher vorgestellten Sprachförderkräften ist gemeinsam, dass sie um die unterschiedlichen sprachlichen Fähigkeiten der Kinder wissen. Das Konzept der Förderdiagnostik, das Ableiten von Förderschwerpunkten aus der Sprachstandserhebung, ist ihnen bekannt. Es ist ihnen bewusst, dass die unterschiedlichen sprachlichen Fähigkeiten der Kinder differenziert gefördert werden könnten. Die Sprachförderkräfte haben sich jedoch für ein Sprachförderprogramm entschieden, das mit allen Kindern des Vorlaufkurses durchgeführt wird. Der im Sprachförderprogramm enthaltene DfdS-Sprachtest (Kaltenbacher 2008) wird vorrangig oder ausschließlich genutzt, um eine „Phaseneinteilung“ vorzunehmen. Nur eine Sprachförderkraft (SFK13) erweitert die Sprachstandserhebung um eigene Methoden (hier eine Spontansprachanalyse) und erstellt dadurch ein Profil für jedes Kind. Weitere Sprachförderkräfte ziehen gelegentlich einzelne Kinder aus der Gruppe heraus (z.B. SFK 15). Die Übertragung des Sprachförderkonzepts DfdS von der Kindertagesstätte in die Vorlaufkurse führt in den Aussagen der Sprachförderkräfte zu einem starren Gerüst, das anscheinend die Förderung individueller Schwerpunkte nicht zulässt. Für SFK8 bedeutet dieses Gerüst, dass sie meint, auf schwächere Kinder nicht individuell eingehen zu können. Es stellt sich die Frage, ob Sprachförderkräfte, die nicht mit einem bestimmten Sprachförderprogramm arbeiten, sondern sich Materialien selbst zusammengestellt haben, das Konzept der Förderdiagnostik ebenfalls kennen und wenn ja, wie sie Sprachstandserhebung und Sprachförderung verbinden. Im Folgenden werden deren Rekonstruktionen und Reflexionen in Bezug auf das Konzept der Förderdiagnostik dargestellt. Es wurden vier Sprachförderkräfte ausgewählt, die nicht mit den Materialien des Sprachförderprogramms „Deutsch für den Schulstart“ von Kaltenbacher (2008) arbeiten. SFK12 unterrichtet seit drei Jahren den Vorlaufkurs und hat bisher keine Fortbildung zu Deutsch als Zweitsprache, Sprachstandserhebung oder Sprachförderung besucht. Sie beobachtet die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder in den ersten Wochen des Vorlaufkurses und tauscht sich mit den Erziehern der jeweiligen Kindertagesstätten der Kinder über deren Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten aus. I: „Wenn Sie an die ersten Wochen im Vorlaufkurs denken in Bezug auf, ich habe einen Erzählkreis und beobachte sprachliche Fähigkeiten, tausche mich mit Kollegen und Erziehern aus und das jetzt mal so als eine, ihre Vorgehensweise darum geht es ja irgend-

166 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ wie, ich will festhalten, wie machen Sie es denn. Kann man sagen, was dafür und was dagegen spricht so vorzugehen, aus Ihrer Sicht?“ SFK12: „Was dafür spricht ist, dass das mit dem, mit der Lebenssituation der Kinder zu tun hat. Also wir machen keine . keine standardisierte Diagnostik. Ja wir bringen die Kinder nicht in Situationen, die sie vielleicht als unangenehm empfinden könnten, und halten uns nicht an an so einem, ich sag mal, starren Gerüst äh fest, an an vorgegebenen Strukturen, sondern versuchen, das, was im Kindergarten, was sie aus dem Kindergarten kennen, aufzugreifen an Spielformen, an an Liedform, en an Bewegungssachen und versuchen, daraus äh die Kind also ein Sprachförderkonzept zu machen, das das den Kinder entspricht. Das spricht dafür. Was dagegen spricht ist, dass es etwas (LACHT), ich will nicht sagen, es ist unstrukturiert, aber es ist nicht, es ist nicht ganz greifbar, was wir da machen, also auch an den Daten letztendlich wieder. Also es ist nicht sauber, es ist keine saubere Datenerhebung da am Anfang und am Ende auch nicht und zwischendrinnen auch nicht, sondern ähm wir verlassen uns da auf unser pädagogisches oder (unverständlich) didaktisches, auf unsere Erfahrung als Lehrerin, als als Sprachlehrerin auch hier an der Schule. Und unser Ziel ist es letztendlich, den Kindern zu ermöglichen, dass sie einen besseren Start haben in der Schule, dass sie mehr verstehen, dass sie mehr, dass sie mehr verstehen, dass sie hier nicht aufgeschmissen sind am Anfang. Allerdings fördern wir da die Kinder äh wie soll ich denn das sagen also nicht so im sonderpädagogischen Sinne. Also da da findet keine saubere Diagnostik am Anfang statt und wir sagen auch nicht, dieses Kind, das bräuchte aber noch ein Training in dedede und dieses Kind ein Training in dedede, sondern wir haben die gleiche Gruppe, äh wir haben eine Gruppe, mit der machen wir das Gleiche und da wird nicht mehr differenziert, was wir später im Unterricht schon versuchen, immer wieder zu machen oder hier auch unerlässlich ist zu differenzieren, und da machen wir wir das nicht.“ I: „Unerlässlich weil?“ SFK12: „Weil die Kinder hier ganz unterschiedlich. Ich hab ja gerade eine erste Klasse, die kommen hier komplett anders an. Ich habe lesende Kinder, die die sind nahezu lesend in die Schule gekommen, einige haben es jetzt automatisch gelernt.“ (Absatz 157-162)

SFK12 verdeutlicht in ihren Ausführungen, dass sie sich mit der Situation beschäftigt hat, die eine Sprachstandserhebung für Kinder darstellen kann. Sie sieht die Gefahr, dass ein Kind die Situation der Sprachstandserhebung als unangenehm empfindet. Ebenso reflektiert sie, dass die aus ihrer Sicht „angenehmere“ Vorgehensweise jedoch weniger Struktur bietet, als es bei einer standardisierten Sprachstandserhebung der Fall wäre. Im Vordergrund steht für SFK12, das methodische Repertoire des Elementarbereichs in Form von Singund Spielformen aufzugreifen und auf der Basis ihrer pädagogischen und didaktischen Erfahrung als „Sprachlehrerin“ (SFK12) sprachförderlich zu gestal-

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ten. Die Professionsbezeichnung „Sprachlehrerin“ (SFK12) verwendet sie als Spezifizierung der Bezeichnung „Lehrerin“ (SFK12). Am Ende des Interviewausschnittes wird deutlich, dass SFK12 das Konzept der Förderdiagnostik als Herausfiltern der Phase der nächsten Entwicklung, die in der Förderung fokussiert wird, bekannt ist, obwohl sie es in die Rekonstruktion ihres Vorgehens im Vorlaufkurs nicht einbezogen hat. Sie differenziert hier zwischen ihrer Tätigkeit als Erstklasslehrerin und ihrer Tätigkeit als Sprachförderkraft. Während im Anfangsunterricht der ersten Klasse, ihrer Meinung nach, eine Förderdiagnostik und eine daraus folgende Förderplanung, z.B. für den Bereich des Schriftspracherwerbs notwendig ist, hält die SFK12 dies in der Sprachförderung nicht für erforderlich. Als einen Grund nennt sie, dass die Kinder der ersten Klasse so heterogen in Bezug auf ihre schriftsprachlichen Fähigkeiten sind. Es bleibt offen, ob sie eine Förderdiagnostik und damit verbundene Förderplanung für die Kinder im Vorlaufkurs nicht für notwendig erachtet, da sie davon ausgeht, dass diese homogen in Bezug auf ihre sprachlichen Fähigkeiten sind. Nach diesem Interviewausschnitt ist nicht endgültig geklärt, aufgrund welcher Faktoren sich das Vorgehen der Sprachförderkraft in Bezug auf die Förderdiagnostik zwischen Vorlaufkurs und erstem Schuljahres unterscheidet. SFK12 erläutert die Idee der Förderdiagnostik mit eigenen Worten „im sonderpädagogischen Sinne. […] saubere Diagnostik […] dieses Kind, das bräuchte aber noch ein Training in dedede“ (SFK12, 162), stellt jedoch klar, dass sie im Vorlaufkurs die Inhalte für alle Kinder einheitlich präsentiert. Im weiteren Verlauf des Interviews geht SFK12 auf die Schwierigkeiten ein, die ihr die Ableitung von Förderzielen bereitet. I: „Im Prinzip kann man bei Ihnen ja sagen, Sie haben am Ende der Schulanmeldung Ergebnisse einiger dieser Aufgaben vorliegen. Zusätzlich die Eindrücke der ersten Wochen des Erzählkreises und der ganzen Situation letztendlich. Also, man ist ja die ganze Zeit dabei. Lassen Sie solche Erkenntnisse über sprachliche Fähigkeiten in die Sprachförderung einfließen und wenn ja, wie?“ SFK12: „Nicht, also, wenn man es so bezeichnen könnte, dass wir die oder dass ich die einfließen lasse, dann so im Erleben der Kinder oder der Gruppe. Also wie schwierig ist es für die Kinder, bestimmte Reime für sich zu merken oder nachzusprechen oder bestimmte Bewegungen nachzuvollziehen, bestimmte Lieder zu lernen oder kleine Sprachmuster zu lernen. Und dann, klar ist es so, dass ich natürlich mit denen später also nicht nach nem bestimmten Programm, zack zack, schnell schnell, meinen Kram abarbeite, sondern natürlich fließt das dann mit ein. Aber es ist nicht so, wie soll ich das denn sagen, es ist nicht so, ich setz' mich nicht an den Schreibtisch und denke drüber nach, wie kann ich jetzt diesen, diese bestimmte Sprachauffälligkeit oder diesen Förderbereich, wie kann ich den jetzt superoptimal fördern. Dazu fehlt mir noch die Kompetenz.“ (Absatz 334+335)

168 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ SFK12 setzt ihre fehlenden Kompetenzen im Bereich Sprachstandserhebung und Sprachförderung in Beziehung zu ihrer Vorgehensweise im Vorlaufkurs. Ähnlich SFK15 verdeutlichen die Aussagen von SFK12, dass das Konzept der Förderdiagnostik zwar bekannt ist, jedoch die Umsetzung in der Praxis eine Hürde darstellt. Das Fallbeispiel von SFK12 zeigt außerdem, dass sie ihr Vorgehen zur Differenzierung aus der Deutschdidaktik des Anfangsunterrichts nicht in die vorschulische Sprachförderung überträgt. Im Gegensatz zu den vorangehend beschriebenen Sprachförderkräften gibt SFK4, die zum ersten Mal einen Vorlaufkurs leitet, an, sich mit der Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung bisher nicht auseinandergesetzt zu haben. I: „[…] Wie lassen Sie Ergebnisse aus der Erfassung sprachlicher Fähigkeiten aus der Schulanmeldung, primär ja, dann in die Sprachförderung einfließen?“ SFK4 „Also wie gesagt, das ist ja jetzt der erste Durchlauf, damit habe ich mich jetzt noch gar nicht befasst. Hm, und da das, mmm also, ich hab selbst den sprachlichen Teil auch getestet, und ich weiß, wo die Schwachpunkte liegen, werte ich das jetzt für mich nicht so hoch. Für mich ist eigentlich wichtiger dann die Arbeit im Unterricht mit den Kindern. Was ich feststelle, wo die Schwierigkeiten liegen, ist für mich jetzt nicht so relevant.“ (Absatz 177+178)

SFK4 kennt die sprachlichen „Schwachpunkte“ (SFK4, 178) der Kinder, misst diesen für „die Arbeit im Unterricht“ (SFK4, 178) jedoch kaum eine Bedeutung bei. Unklar bleibt, ob die geringe Bedeutung der Ergebnisse der Sprachstandserhebung für SFK4 damit zusammenhängt, dass sie keine Kompetenzen, sondern Defizite der Kinder feststellt. Gleichwohl beschreibt SFK4 ihre Sprachförderung im weiteren Verlauf des Interviews als „differenziert“ (SFK4, 234). Im Unterschied zu den anderen Sprachförderkräften zieht SFK4 ihre Erkenntnisse für eine individualisierte Sprachförderung nicht aus der Sprachstandserhebung. Das mögliche Potenzial einer Sprachstandserhebung im Sinne der Förderdiagnostik thematisiert sie nicht. Es bleibt offen, ob der Sprachförderkraft das Konzept der Förderdiagnostik nicht bekannt ist, d.h. das theoretisch-formale Wissen fehlt, oder ob der Transfer auf ihre Tätigkeit im Vorlaufkurs nicht erfolgt. Ebenso wie SFK4 kennt auch SFK5 die sprachlichen Schwierigkeiten der Kinder im Vorlaufkurs. SFK5 unterrichtet seit sechs Jahren Vorlaufkurse und hat an verschiedenen Fortbildungen zu den Themen Deutsch als Zweitsprache, Sprachstandserhebung und Sprachförderung teilgenommen. I: „Wie lassen Sie Ergebnisse der Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten aus der Schulanmeldung oder auch aus Beobachtungen zu Beginn des Vorlaufkurses in die Sprachförderung einfließen?“

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SFK5 „Das ist eigentlich äh erfahrungs- und gefühlsmäßig, weil ich ja kein Raster habe, wo ich gucke, bei diesem Kind wollte ich genau das und das jetzt machen, sondern wenn das Kind jetzt da ist, dann weiß ich, da hat der Probleme gehabt, das merke ich mir, das sind nicht viele Kinder. Und dann mach ich das ja, nehme ich dieses Spiel, wenn jetzt nur zwei da sind, dann kommt ein Spiel dran, was für den einen richtig ist; der andere muss es mitspielen. Und wenn denn alle anderen fehlen, das ist ja mal zu wenig oder in umgekehrter, dann machen wir noch was anders, was für den gut ist. Ähm es ist ja nicht so, dass ich viel am Schreibtisch sitze, sondern ich bin ja viel mit den Kindern in Aktion. Und es geht viel über Sachen, die ich mir merke. Natürlich um es, wenn ich jetzt einen Bericht schreiben würde, wie über jedes Vorklassenkind, was manche sicherlich der Kolleginnen auch machen und äh von der Schulleitung gefordert, weiß ich nicht, dann hätte ich da das noch mehr im Blick, weil ich mir dann ein paar Notizen mache und am Anfang auch Beobachtungsbogen nur mit ankreuzen (unverständlich). Wo ist es denn ganz schwach und mittel und und und vergleiche das nach einem halben Jahr oder am Ende und da ergibt sich dann mein Abschlussbericht, das wäre für die Kinder, das wäre in der Sprachgruppe Vorlauf natürlich auch sinnvoll, aber da reinzugucken, ich weiß es eigentlich, wie es sich entwickelt ja, das ist in der Praxis, es wäre Theorie. Wenn ich sie nicht so gut kennen würde und das noch jemand kooperieren würde und es war auch schon der Vorlaufkurs in zwei Händen. Dann muss man absprechen ein bisschen mehr, und was hast du für Spiele gemacht, dieses Kind hat noch da Probleme und so. Ja aber das hat mich nicht betroffen, weil ich hab den immer alleine betreut. Das war die zweite Gruppe, die dann in zwei, bei zwei Kolleginnen war. Und was sehr ungünstig ist, wenn man sowieso nur drei Tage anbietet, finde ich sehr ungünstig, wenn die Anleiterin wechselt. Aber, na ja, es ist schon äh für die Beobachtung und äh wie weit ist man fortgeschritten und was hat dazu geführt, ja, das ist schon sinnvoll, ja aber es ist einfach nicht so, dass ich das mache ja. Es ist sehr viel Intuition und Beobachtung und Erfahrung, die da einfließt.“ (Absatz 185-186)

Den Sprachstand erhebt SFK5 offenbar unsystematisch. Sie baut auf ihre Erfahrung. Aufgrund der geringen Gruppengröße an einigen Tagen, erläutert SFK5, kann sie individuell auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen. SFK5 meint, dass eine Berichtspflicht oder eine zweite Sprachförderkraft, die den Vorlaufkurs mitbetreut, ihren „Blick“ (SFK5) auf die sprachlichen Fähigkeiten und die Sprachentwicklung der Kinder zusätzlich schärfen würde. Im Gegensatz zu den Sprachförderkräften, die auch mit dem linguistisch-orientierten Sprachförderprogramm arbeiten, deuten die Aussagen von SFK5 darauf hin, dass sie wesentlich flexibler in der Gestaltung der Sprachförderstunden ist. Sie argumentiert, dass sie dadurch individueller auf die Kinder eingehen kann. Die Rekonstruktion ihres Vorgehens zeigt eine Sprachförderung, die direkt an dem ansetzt, was ihr ad hoc bei einem Kind auffällt. Während SFK4 die Sprachstandserhebung für die Sprachförderung für „nicht so relevant“ (SFK4, 178) hält und SFK5 ihre von Erfahrung geleitete Vorgehensweise entwickelt hat, setzt SFK12 ihre fehlenden Kompetenzen im Bereich Sprachstandserhebung und Sprachförderung in Beziehung zu ihrer Vorgehensweise im

170 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ Vorlaufkurs. Im Gegensatz z.B. zu SFK4, ist dieser Sprachförderkraft durchaus bewusst, dass eine differenziertere Förderung der sprachlichen Fähigkeiten nötig und/oder möglich wäre. Jedoch ist SFK12 aus ihrer Sicht dafür nicht ausgebildet. SFK6 unterrichtet seit zwei Jahren den Vorlaufkurs und hat bisher keine Fortbildung im Bereich Deutsch als Zweitsprache, Sprachstandserhebung und Sprachförderung besucht. In der Auswahl der Kinder im Rahmen der Schulanmeldung kooperiert sie eng mit der Sprachheillehrerin, die die Schule stundenweise betreut. I: „Was spricht Ihrer Meinung nach für und was gegen die Aufgaben und Materialien, die Sie für die Erhebung sprachlicher Fähigkeiten verwenden und da vielleicht schon mal versuchen, differenziert nach, in der Schulanmeldung, und was Sie zu Beginn des Vorlaufkurses vielleicht dann noch zusätzlich machen?“ SFK6 „[…] es ist aber trotzdem schwierig, darüber sehen wir noch nicht so ganz genau, was das Kind kann und das erfährt man natürlich auch erst dann im Alltag des Vorlaufkurses. Da entdeckt man dann, was kann das Kind, wo sind noch Strukturen, die unbedingt geübt werden müssen. Aber wir haben schon mal so eine erste Orientierung.“ (Absatz 40+41)

Im Anschluss an die Einschätzung der Erzieher und die Sprachstandserhebung durch die Sprachheillehrerin ist es SFK6 wichtig, genauer zu schauen, was das Kind kann. SFK6 nutzt die ersten Stunden des Vorlaufkurses, um mit jedem Kind in Einzelsituationen sprachliche Fähigkeiten zu überprüfen. Daraus leitet sie ab, was in der Sprachförderung unbedingt zu berücksichtigen ist. Im Gegensatz zu SFK4 sind für SFK6 die sprachlichen Schwierigkeiten der Kinder von besonderer Bedeutung für die Sprachförderung. Am Beispiel einer Nebensatzkonstruktion und semantischer Wortschatzfelder erläutert SFK6 an anderer Stelle, wie ihre Erkenntnisse aus der Sprachstandserhebung in die Sprachförderung einfließen. I: „Wie lassen Sie Ergebnisse aus der Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten, sei es aus der Schulanmeldung oder auch aus den Beobachtungen der ersten Wochen, in die Förderung einfließen?“ SFK6 „Also zum einen, wenn ich denke, da gibt es einen Bereich, wo insbesondere der Wortschatz noch nicht so ausgeprägt ist, dann kann ich das ja auch als Themenschwerpunkt mit aussuchen. Ähm, ich versuch dann aber auch manchmal, solche Situationen herzustellen, wo bestimmte Satzstrukturen äh immer wieder geübt werden, funktioniert aber auch nicht immer. Ja also hatte ich mich letztes Jahr mal versucht, äh wenigstens so ne Nebensatzkonstruktion äh ein bisschen einzuüben, dass das immer wieder vorkommt so, „Ich erinnere mich daran, dass" ja und hab das auch immer

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wieder ähm selbst verwendet, hab auch so die Fragen gestellt, und die Kinder sollten halt eben sagen, woran sie sich dann auch erinnern aus der letzten Woche oder aus unserem letzten Unterrichtsgang oder ähm Besuch irgendwo, „Ich erinnere mich daran, dass". Aber das, ich weiß, es gibt da einfach Kinder, die das trotzdem nicht verwenden, ja so, dass ich mich dann schon auch gefragt hab, ist das überhaupt eine Methode, um so etwas äh ja äh einzuüben. Also manche Kinder sind da resistent, aber gut.“ (Absatz 136+137)

SFK6 wählt Themen der Sprachförderung so, dass dadurch der Wortschatz der Kinder erweitert werden kann. Sie gestaltet außerdem z.B. Situationen so, dass eine bestimmte Satzstruktur präsent ist. Sie geht davon aus, dass sprachliche Fähigkeiten, die sie zu Beginn der Sprachfördermaßnahme erfasst hat, Kern der Sprachförderung sind. Ohne eine Fortbildung über Sprachstandserhebung und Sprachförderung besucht zu haben, hat diese Sprachförderkraft neben der Selektions- eine Förderdiagnostik in den Vorlaufkurs integriert.

8.4 Diskussion der Ergebnisse Die Interviewausschnitte zeigen, dass für acht der neun vorgestellten Sprachförderkräfte die Sprachstandserhebung eine Bedeutung für die Sprachförderung hat und das Konzept der Förderdiagnostik Bestandteil ihrer im Interview angesprochenen Reflexionen und Überzeugungen von Sprachstandserhebungen ist. Die Fälle unterscheiden sich jedoch darin, wie sie die Sprachstandserhebung und Sprachförderung gestalten und wie sie die Sprachstandserhebung für die Sprachförderung nutzen. Die Diskussion der Ergebnisse erfolgt für die Sprachförderkräfte, die die Fortbildung zu dem Sprachförderprogramm DfdS (Kaltenbacher 2008) besucht haben, im Unterschied zu den Sprachförderkräften, die diese Fortbildung nicht besucht haben. Fünf Sprachförderkräfte haben die Fortbildung besucht und wenden das linguistisch-orientierte Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ von Kaltenbacher (2008) an. Bei diesen Sprachförderkräften (SFK2, SFK8, SFK13, SFK15 und SFK18) steht – der Aussage der Sprachförderkräfte nach – die Gruppen-/Phaseneinteilung im Vordergrund der Sprachstandserhebung. Eine Interpretation der Förderschwerpunkte eines jeden Kindes und deren Integration in die Förderplanung erfolgt anschließend nicht. SFK13 ist die einzige Sprachförderkraft dieser Gruppe, die die Sprachstandserhebung ergänzt und eine Art Sprachprofil für jedes Kind anlegt. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Sprachstandserhebung legt sie die Förderschwerpunkte fest. Sie plant die Sprachförderung basierend auf den in der Sprachstandserhebung erfassten Schwerpunkten jedes Kindes und leitet aus den Ergebnissen individuelle För-

172 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ derziele ab, wie es in dem idealtypischen Prozessmodell sprachdiagnostischer Fähigkeiten (s. Kap. 5.3) dargestellt ist. In der Sprachförderung ergänzt sie das Sprachförderprogramm um weitere Materialien. SFK2 reflektiert im Interview das Dilemma der einheitlichen Vorgehensweise durch das Sprachförderprogramm und der unterschiedlichen sprachlichen Fähigkeiten, auf die sie dennoch differenziert eingehen möchte. Sie wendet das Sprachförderprogramm zum ersten Mal an. Anhand dieses Falles wird deutlich, dass bei der Implentierung eines Sprachförderprogramms eine wissenschaftliche Begleitung sinnvoll wäre, um diese Reflexionen sowie die Möglichkeiten und Grenzen der tatsächlichen Umsetzung zu erfassen. Im Unterschied zu SFK13 beschreibt SFK15, dass es für sie schwer sei, sich von den starren Strukturen des Sprachförderprogramms zu lösen; eine individuelle Förderung beschreibt sie als nicht möglich. Die Verbindung der Sprachstandserhebung mit der Sprachförderung beschränkt sich, laut der Sprachförderkräfte, auf die ‚Phaseneinteilung‘, die in dem Sprachförderprogramm vorgesehen ist. In weiteren Studien gilt es zu untersuchen, ob diese Beschränkung durch die Konzeption des Sprachförderprogramms verursacht wird und ob eine weitere Qualifizierung in Bezug auf die sprachdiagnostische Kompetenz der Sprachförderkräfte dazu führt, eine individuelle Förderplanung ausgehend vom Sprachstand der Kinder zu ermöglichen. Wie rekonstruieren und reflektieren die vier Sprachförderkräften, die nicht die Fortbildung zu DfdS besucht haben, ihr Vorgehen in Bezug auf das Konzept der Förderdiagnostik? SFK6 nutzt die ersten Wochen unterstützt durch die Sprachheillehrerin, um sich einen Eindruck von den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu machen. Im Gegensatz zu SFK13, die mit der Spontansprachanalyse eine spezifische Methode der Sprachstandserhebung verwendet, beschreibt SFK6 für diesen Schritt jedoch kein bestimmtes methodisches Vorgehen. Offen bleibt auf der Basis ihrer Rekonstruktionen, ob sie ihre Beobachtungen ebenso wie SFK13 schriftlich fixiert oder ob dieser Schritt ausbleibt. SFK5 greift innerhalb der Sprachförderung sprachliche Auffälligkeiten einzelner Kinder ad hoc auf. Die Beobachtung sprachlicher Fähigkeiten im Rahmen der Sprachförderung und deren direktes Aufgreifen stellen nach van Ophuysen (2010) für den schulischen Unterricht einen kontinuierlichen Prozess dar. Dieser ist ergänzend zu einer Sprachstandserhebung zu Beginn der Sprachförderung notwendig, ersetzt jedoch die systematische Erfassung der sprachlichen Fähigkeiten zu Beginn der Sprachförderung, die differenzierte Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten, die Ableitung des individuellen Förderbedarfs und die Hierarchisierung der individuellen Förderziele nicht. Für SFK4 sind die in der Sprachstandserhebung festgestellten Schwierigkeiten nicht von Bedeutung für die Sprachförderung. Ob diese Trennung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung auf mangelndes sprachdiagnosti-

Diskussion der Ergebnisse | 173

sches Wissen und/oder Fähigkeiten, auf Überzeugungen der Sprachförderkraft oder auf ungünstige Rahmenbedingungen wie z.B. zeitliche Ressourcen zurückzuführen ist, bleibt in dieser Studie offen. SFK12 differenziert zwischen ihrer Arbeit im Anfangsunterricht der ersten Klasse und dem Vorlaufkurs und betont die förderdiagnostische Praxis für die heterogene Schülerschaft im Anfangsunterricht. Sie schlussfolgert als einzige, dass ihr für die Arbeit im Vorlaufkurs Kompetenzen fehlen, um auch dort im Sinne der Förderdiagnostik die Förderung am Sprachstand der Kinder auszurichten. Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen ebenso wie die Ergebnisse der Studie A (s. Kap. 7.6), wie unterschiedlich das von den Sprachförderkräften rekonstruierte Vorgehen ist. Die Sprachförderkräfte, die die Fortbildung zu dem linguistisch-orientierte Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ von Kaltenbacher (2008) besucht haben, beschreiben, dass sie den DfdSSprachtest (Kaltenbacher 2008) als Selektions- bzw. Platzierungskriterium verwenden. Der aus sprachdidaktischer Perspektive erforderlichen individuellen Adaptation der Sprachförderung an den sprachlichen Fähigkeiten kann man, den Rekonstruktionen und Reflexionen der Sprachförderkräfte nach, mit diesem Programm nicht gerecht werden. Die Empfehlung des HKM, dem Kind ausgehend von seiner „Lernausgangslage“ „eine seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechende Unterstützung geben zu können“ (Althaus et al. 2002: 15), wird offenbar nicht umgesetzt, außer das Vorgehen in der Sprachstandserhebung (SFK13) und/oder Sprachförderung (SFK13 und SFK2) wird ergänzt. SFK6, die nicht mit dem Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ arbeitet, bittet die Sprachheillehrerin, die die Schule stundenweise betreut, um Unterstützung in der Sprachstandserhebung. Dieser schulinterne, jedoch interdisziplinäre Austausch, steht nicht an allen Schulen zur Verfügung. Es wäre jedoch eine Möglichkeit, die sprachdiagnostische Kompetenz der Sprachförderkräfte ggf. ergänzend zu Fortbildungen durch die Reflexion in der Praxis auszubauen. Aus der Perspektive der Sprachdidaktik ist die Überzeugung von SFK 12, dass ihre Kompetenzen für eine Förderdiagnostik im Vorlaufkurs nicht ausreichen, besonders interessant. Sie verdeutlicht dadurch, dass für die Sprachstandserhebung und Sprachförderung spezifische Kompetenzen erforderlich sind, die sich nicht mit ihren Kompetenzen als Lehrerin im Anfangsunterricht Deutsch decken. Für die in Kapitel 10 abgeleiteten Implikationen für die Qualifizierung ist diese Überzeugung ebenso von Bedeutung, wie der Austausch mit einer Sprachheillehrerin, den SFK6 beschreibt. Der in dem Prozessmodell sprachdiagnostischer Fähigkeiten verankerte Schritt von der Sprachstandserhebung über die Beurteilung der sprachlichen

174 | Studie B: Rekonstruktionen und Reflexionen über das Konzept Förderdiagnostik‘ Fähigkeiten hin zur individuellen Förderplanung ist, wie bereits Schöler (2008) betont, nicht von den Verfahren, sondern von den Sprachförderkräften zu leisten. Den Rekonstruktionen der Sprachförderkräfte nach wird diese Anforderung bisher selten erfüllt. Das bedeutet, dass die Sprachförderung nicht immer an den tatsächlichen sprachlichen Fähigkeiten der Kinder ansetzt. Bisher wurde nicht untersucht, inwieweit sich die Effektivität der Sprachförderung in Abhängigkeit von der Adaptivität unterscheidet. Jedoch wäre ein Zusammenhang zwischen Adaptivität und Effektivität plausibel, d.h. eine Sprachförderung, die an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder ansetzt, sollte effektiver sein als eine Sprachförderung, die den Sprachstand der Kinder nicht berücksichtigt. Kelle, Ott und Schweda (2012) belegen in einer Fallstudie, dass das im Rahmen des Einschulungsverfahrens gesammelte Wissen über die Kinder kaum förderdiagnostisch genutzt wird. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen ebenfalls, dass die durch die Sprachstandserhebungen vorhandenen Informationen nicht förderdiagnostisch aufbereitet werden. In weiteren Studien gilt es zu untersuchen, wie das Ausbleiben der Förderdiagnostik zu erklären ist und welche Maßnahmen notwendig sind, um eine Förderdiagnostik zu ermöglichen.

8.5 Zusammenfassung In Studie B wurden mittels leitfadengestützter Interviews die Rekonstruktionen, Reflexionen und Überzeugungen von neun Sprachförderkräften in Bezug auf das Konzept der Förderdiagnostik untersucht. Es stellte sich nicht nur die Frage, ob die Sprachförderkräfte auf das Konzept der Förderdiagnostik im Rahmen des Interviews eingehen, sondern wenn ja, wie sie die Ergebnisse der Sprachstandserhebung für die Planung und Gestaltung der Sprachförderung nutzen. Es wurden extreme Fälle (N=9) aus dem Korpus (N=20) ausgewählt und kontrastiv dargestellt. Die Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung zeigt sich in Interviewsequenzen, in denen die interviewten Sprachförderkräfte ihre Handlungsabläufe beschrieben, ihr Handeln reflektierten und gezielt gefragt wurden, ob aus den Ergebnissen der Sprachstandserhebungen Konsequenzen für die Sprachförderung gezogen werden. Die Ergebnisse zeigen zusammenfassend, dass sieben der neun Sprachförderkräfte die Sprachförderung auf den in der Sprachstandserhebung erfassten oder in der Sprachförderung beobachteten Fähigkeiten der Kinder aufbauen bzw. dieses versuchen. Bei fünf dieser sieben Sprachförderkräfte, die mit dem Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) arbeiten, wird die Sprachstandserhebung jedoch vorrangig zur Platzierungsentscheidung und Gruppeneinteilung genutzt.

Zusammenfassung | 175

Eine hohe Bedeutung gewinnt die Sprachstandserhebung für die Sprachförderung nur bei einer Sprachförderkraft, die die Inhalte der Förderung systematisch aus den Ergebnissen der Sprachstandserhebung ableitet. Durch den Vergleich einer anderen Sprachförderkraft von sonderpädagogischen Vorgehensweisen mit der Unterrichtsgestaltung im Anfangsunterricht wird deutlich, dass das Konzept der Förderdiagnostik – in der individuelle Förderziele aus der Sprachstandserhebung abgeleitet werden – bekannt ist. Die gleiche Sprachförderkraft geht jedoch davon aus, dass für eine adaptive Unterrichtsgestaltung im Anfangsunterricht andere Kompetenzen notwendig sind, als für die Gestaltung einer adaptiven Sprachförderung. Diese Überzeugung verweist auf die Spezifik, die durch das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Modell sprachdiagnostischer Kompetenz von Sprachförderkräften zum Ausdruck kommt. Die neun Fälle zeigen auf, wie heterogen die Sprachförderkräfte in Bezug auf ihre Rekonstruktionen, Reflexionen und Überzeugungen über das Konzept der Förderdiagnostik sind. Diese Heterogenität sollte in möglichen Qualifizierungsmaßnahmen berücksichtigt werden.

9 Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten In Studie A wurde deutlich, dass die Sprachförderkräfte vorrangig hausinterne Verfahren in der Sprachstandserhebung verwenden. Die wenigen Sprachförderkräfte, die mit dem Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) arbeiten, verwenden zu Beginn der Sprachförderung den Sprachtest dieses Programms. Der Großteil der Sprachförderkräfte beobachtet die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder während der Sprachförderung und führt hausinterne Aufgaben durch. Die lexikalischen Fähigkeiten der Kinder stehen im Vordergrund dieser Sprachstandserhebungen. Grammatikalische Fähigkeiten finden weniger Beachtung. Der sprachbiografische Hintergrund der Kinder wird nur an ungefähr der Hälfte der Schulen erfasst. In Studie B beschreiben die Sprachförderkräfte eine Verbindung zwischen Sprachstandserhebung und Sprachförderung. Jedoch werden selten tatsächliche Förderschwerpunkte aus der Sprachstandserhebung für die Sprachförderung abgeleitet. In der Reflexion über ihre Sprachstandserhebungen sprechen die Sprachförderkräfte an, dass es schwierig sei, die sprachlichen Fähigkeiten differenziert zu erfassen. Durch den Vergleich ihrer Einschätzung mit der der Erzieher der Kindertagesstätte reflektieren u.a. SFK13 und SFK1, wie unterschiedlich die Einschätzungen zwischen den Akteuren ausfallen können (s. Kap. 7.5.4). Es stellt sich die Frage, wie adäquat die Sprachförderkräfte die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder einschätzen können. Die adäquate Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten und der Sprachentwicklung stellt einen Kompetenzbereich sprachdiagnostischer Fähigkeiten von Sprachförderkräften dar (s. Kap. 5.3). Ebenso zählt zu den sprachdiagnostischen Fähigkeiten von Sprachförderkräften, dass sie den Sprachförderbedarf bestimmen können. Hier setzt die Studie C an, die aus vier Teilstudien besteht. Im Vordergrund steht die Untersuchung der Urteilsgenauigkeit in Bezug auf den Sprachstand, die Sprachentwicklung und den Förderbedarf. In einer Einzelfallstudie wird die Dokumentation und Beschreibung der sprachlichen Fähigkeiten und des Sprachförderbedarfs untersucht. In Teilstudie C1 wurden die Einschätzung der Sprachförderkräfte und der Sprachstand der Kinder mittels standardisierter Verfahren zu zwei Testzeitpunkten (am Anfang und am Ende der Sprachförderung) erhoben. Im Gegensatz zu bisherigen Studien wurden die Sprachförderkräfte jedoch nicht um eine globale Einschätzung der Kinder (z.B. Karing 2009) oder die Klassifikation als unauffällige versus Risikokinder (Williams 2006) gebeten. Aus sprachdidakti-

Zusammenfassung | 177

scher Perspektive ist von besonderer Bedeutung, ob die Sprachförderkräfte die spezifischen Fähigkeiten und darüber hinaus den Förderbedarf der Kinder adäquat einschätzen können. Die Stabilität des Urteils kann aufgrund der beiden Testzeitpunkte erfasst werden. Die beiden Testzeitpunkte bieten außerdem die Möglichkeit, nicht nur zu erfassen, ob die Sprachförderkräfte den Sprachstand, sondern auch die Veränderungen der sprachlichen Fähigkeiten im Verlauf der Sprachförderung adäquat beurteilen können. Die Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (Schulz & Tracy 2011) und der Aktive Wortschatztest – Revision (Kiese-Himmel 2005) werden als Vergleichsmaß zur Einschätzung der Sprachförderkräfte herangezogen. In Anlehnung an vorherige Studien, die deutliche Unterschiede in der rangordnungsbezogenen Genauigkeit der Lehrerurteile fanden (Schrader 2006, Spinath 2005), wurde in Teilstudie C2 exemplarisch für zwei Untertests eine Auswertung für jede Sprachförderkraft vorgenommen. Außerdem wurden die Sprachförderkräfte, die die Fortbildungsreihe des Sprachförderprogramms „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) besucht hatten, mit den Sprachförderkräften, die diese Fortbildungsreihe nicht besucht hatten, verglichen. Teilstudie C3 untersucht, ob Förderschwerpunkte, die durch die Sprachstandserhebung LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) festgestellt wurden, von den Sprachförderkräften ebenfalls ermittelt werden. Gelingt es den Sprachförderkräften, die Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung herzustellen, wenn sie nach konkreten Förderschwerpunkten für jedes Kind ihres Vorlaufkurses gefragt werden? Neben der Urteilsgenauigkeit in Bezug auf die sprachlichen Fähigkeiten und den Förderbedarf, ist die Dokumentation des Sprachstandes, des Förderbedarfes und der Förderziele Teil der sprachdiagnostischen Fähigkeiten von Sprachförderkräften. Diese Fähigkeit ist im Modell im Kompetenzbereich Ableitung des Förderbedarfs und Formulierung von Förderzielen verankert. Anhand eines Einzelfalls werden in Teilstudie C4 die Interviews zu Beginn und am Ende der Sprachförderung zur Beschreibung der sprachlichen Fähigkeiten ausgewertet, und es wird eine Analyse der zur Verfügung gestellten Dokumentationsmaterialien vorgenommen. Als Grundlage für die Untersuchung der Urteilsgenauigkeit dient die Überlegung, dass Sprachstandserhebungsverfahren, deren Methoden in der Spracherwerbsforschung etabliert sind und die sprachwissenschaftlich fundiert sind, geeignet sind, den Sprachstand eines Kindes zu erfassen. Der Stand der Forschung zeigt, dass bereits eine Reihe von Ergebnissen der Spracherwerbsforschung in Sprachstandserhebungsverfahren übertragen wurde (z.B. LiSe-DaZ Schulz & Tracy 2011; PDSS Kauschke & Siegmüller 2006; TSVK Siegmüller et al.

178 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten 2010). Wie bereits in Kapitel 3 thematisiert, ist jedoch eine Erfassung der Sprachkompetenz grundsätzlich nicht möglich. Lediglich auf der Basis der Sprachperformanz, die mittels der Sprachstandserhebungsverfahren erfasst wird, ist ein Rückschluss auf die Sprachkompetenz möglich. Die Verwendung eines standardisierten Sprachstandserhebungsverfahrens hat zum Ziel, aufgrund der wissenschaftlichen Fundierung des Verfahrens, der Kompetenz so nahe wie möglich zu kommen (s. auch Kap. 3). Diese Studie liefert einen Beitrag zur Schließung der Forschungslücke der Urteilsgenauigkeit von Sprachförderkräften in Bezug auf die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache. Sowohl die Sprachförderkräfte als auch der Testleiter eines Sprachstandserhebungsverfahrens erfassen die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes. Abhängig von den verwendeten Methoden und den erhobenen sprachlichen Bereichen können die Einschätzungen der Sprachförderkräfte mit den Ergebnissen der Sprachstandserhebung übereinstimmen oder davon abweichen. Abb. 10 veranschaulicht diese Forschungslücke und die möglichen Ausprägungen eines Vergleichs der Ergebnisse der standardisierten Sprachstandserhebung mit der Einschätzung der Sprachförderkraft.

Abb. 10: Übereinstimmung zwischen Sprachstandserhebung und Einschätzung der Sprachförderkraft (SFK)

Die Einschätzung der Sprachförderkraft beruht auf den von ihr durchgeführten Sprachstandserhebungen und Beobachtungen im Verlauf der Sprachförderung. Die Ergebnisse der Studie A zeigen, dass die Sprachförderkräfte nicht (zwingend) die sprachlichen Fähigkeiten erfassen, die Gegenstand der standardisierten Sprachstandserhebungen sind, die im Rahmen dieser Studie eingesetzt werden. Eine Fokussierung auf die sprachlichen Bereiche, die mittels der standardisierten Sprachstandserhebungen erfasst werden, erfolgt durch die Spezifik der Fragen, anhand derer die Einschätzung der Sprachförderkräfte erfasst wird (s. Kap. 9.3.4). Neben der Übereinstimmung in Bezug auf die sprachlichen Fähigkeiten zwischen standardisierter Sprachstandserhebung und Einschätzung

Fragestellungen | 179

der Sprachförderkraft können die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes überoder unterschätzt werden.

9.1 Fragestellungen Die zentrale Fragestellung lautet, wie genau die Sprachförderkräfte den Sprachstand der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache ihrer Sprachfördermaßnahme im Vergleich zu standardisierten Sprachstandserhebungsverfahren einschätzen. Zu jeder Teilstudie (C1-C4) wird im Folgenden eine Fragestellung formuliert. Für Teilstudien, deren Auswertung auch statistische Analysen in Form von Signifikanztests enthält (C1 und C2), werden außerdem Zusammenhangs- oder Unterschiedshypothesen gebildet. Studie C enthält fünf Teilfragestellungen: C1.1: Wie genau schätzen Sprachförderkräfte den Sprachstand von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache im Vergleich zu standardisierten Sprachstandserhebungsverfahren zu Beginn und am Ende der Sprachfördermaßnahme ein? C1.2: Verändert sich die Übereinstimmung zwischen den Einschätzungen der Sprachförderkräfte und den Ergebnissen der Sprachstandserhebung von T1 zu T2? C2: Gibt es einen Unterschied in der Urteilsgenauigkeit zwischen den Sprachförderkräften? C3: Stimmen die Sprachförderkräfte in der Bestimmung der Förderschwerpunkte mit dem aus der Sprachstandserhebung abgeleiteten Förderbedarf überein? C4: Wie dokumentiert eine Sprachförderkraft den Sprachstand und/oder Verlaufsbeobachtungen? Die Fragen C3 und C4 beziehen sich auf explorative Studien, d.h. es liegen keine Hinweise aus der Literatur vor. Eine Hypothesenbildung ist deshalb nicht notwendig bzw. bei der Einzelfallstudie C4 nicht möglich. Für die ersten drei Fragestellungen werden die folgenden Hypothesen formuliert. H1 Zwischen den Einschätzungen der Sprachförderkräfte und den Ergebnissen der Sprachstandserhebung besteht je Aufgabe des Verfahrens zu T1 und zu T2 ein signifikanter Zusammenhang. H2.1 Es besteht ein Unterschied in der Urteilsgenauigkeit zwischen Sprachförderkräften, die eine Fortbildung zu einem linguistisch-orientierten

180 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Sprachförderprogramm besucht haben, und Sprachförderkräften, die diese Fortbildung nicht besucht haben. H2.2 Für jede Sprachförderkraft gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen ihren Einschätzungen und den Ergebnissen der Sprachstandserhebung.

9.2 Probanden Im Folgenden werden die Probanden vorgestellt. Zuerst werden die Sprachförderkräfte (s. Kap. 9.2.1) und anschließend die Kinder (s. Kap. 9.2.2), die von den Sprachförderkräften eingeschätzt wurden, charakterisiert.

9.2.1 Sprachförderkräfte Zu Testzeitpunkt 1 (T1) nahmen 12 Sprachförderkräfte mit ihren Vorlaufkursen an der Studie teil. Zu T2 konnten zwei Sprachförderkräfte aus schulinternen Gründen (1x Lehrerwechsel im Vorlaufkurs, 1x Überlastung) nicht mehr an der Erhebung teilnehmen. Die Probandenbeschreibung erfolgt für die Stichprobe zu T1 (N=12) (s. Tab. 9). Die Sprachförderkräfte, die an Studie C teilgenommen haben, sind zwischen 37 und 60 Jahren alt. Die Berufserfahrung beträgt im Mittel 22 Jahre (SD=11 Jahre), wobei ein Ausreißer nach unten mit nur zwei Jahren Berufserfahrung in der Stichprobe enthalten ist. Die Anzahl der Jahre, die die Sprachförderkräfte bereits den Vorlaufkurs leiten, variiert zwischen einem und sieben Jahre (M=3,35; SD=2,08). Acht der untersuchten Sprachförderkräfte sind Grundschullehrkräfte. Drei Sprachförderkräfte haben Sozialpädagogik studiert; eine Sprachförderkraft ist ausgebildete Physiotherapeutin, arbeitet als Quereinsteigerin und ist an der Schule ausschließlich für den Vorlaufkurs verantwortlich.43 Drei Sprachförderkräfte44 haben keine Fortbildung zu Themen wie Sprachstandserhebung und Deutsch als Zweitsprache besucht. Die Hälfte der Sprachförderkräfte hat an der Fortbildung zu dem Konzept „Deutsch für den ||

43 Die Physiotherapeutin wurde als Mutter eines Schülers von der Schule angesprochen, ob sie sich vorstellen könnte, sich in den Bereich Sprachförderung einzuarbeiten. Sie leitet seit zwei Jahren den Vorlaufkurs und besuchte parallel dazu Fortbildungen zu Themen wie Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. 44 Bei allen drei Sprachförderkräften handelt es sich um Grundschullehrerinnen, die u.a. das Fach Deutsch studiert haben.

Probanden | 181

Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) teilgenommen und arbeitet im Vorlaufkurs auch oder ausschließlich mit diesen Materialien. Die andere Hälfte der Sprachförderkräfte verwendet kein spezifisches Konzept und hat im Fragebogen der Studie A angegeben, vorrangig ganzheitlich orientiert zu arbeiten. Tab. 9: Probandenbeschreibung Studie C Sprachförderkräfte Vorlaufkurs (N=12) (Berufs-)Biografische Angaben Alter (in Jahren)

Berufserfahrung (in Jahren) Schule in Großstadt/Schule in Kleinstadt oder ländlicher Region Erfahrung in Vorlaufkursen (in Jahren) Ausbildung Lehramt Grundschule Sozialpädagogik Physiotherapie Fortbildung Sprachstandserhebung und Deutsch als Zweitsprache Sprachstandserhebung oder Deutsch als Zweitsprache Keine Fortbildung in Sprachstandserhebung oder Deutsch als Zweitsprache Vorrangiges Sprachförderkonzept Sprachwissenschaftlich orientiert (z. B. Deutsch für den Schulstart (Kaltenbacher 2008)) Ganzheitlich orientiert

Mittelwert (M) = 48,5 Standardabweichung (SD) = 8,1 Min. = 37, Max. = 60 M = 22; SD = 10,7; Min. = 2; Max. = 41 7/5 M = 3,3 (fehlende Angaben N=2); SD = 2,1 Min. = 1; Max. = 7 8 3 1 4 5 3

6 6

9.2.2 Kinder Aus den zwölf Vorlaufkursen erklärten sich insgesamt 79 Eltern damit einverstanden, dass ihr Kind an der Studie teilnimmt. In die Studie zur Urteilsgenauigkeit wurden nur Kinder einbezogen, die zu T1 an beiden Testtagen anwesend waren. Pro Vorlaufkurs wurden dann vier bis fünf Kinder mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) ausgewählt, die von der Sprachförderkraft beurteilt wurden. Die Kinder, die von der Sprachförderkraft eingeschätzt werden sollten, wurden per Losverfahren bestimmt. Die Stichprobe setzt sich zu T1 aus 42 Kindern mit DaZ

182 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten zusammen, die sich auf die zwölf Vorlaufkurse, wie in Tab. 10 dargestellt, verteilen. Die Stichprobe reduzierte sich zu T2 auf 31 Kinder, weil zwei Sprachförderkräfte ihre Tätigkeit im Vorlaufkurs nicht bis zum Ende des Schuljahres fortsetzen konnten, und zwei Kinder vorzeitig aus dem Vorlaufkurs ausschieden. Tab. 10: Anzahl der Kinder je Vorlaufkurs (VLK) zu T1 und T2 VLK

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

Gesamt

T1 T2

3 3

2 1

5 -

4 4

3 3

2 2

3 3

4 3

4 4

4 4

4 -

4 4

42 31

Im Folgenden werden die Kinder, die zu T1 an der Untersuchung teilgenommen haben, als Stichprobe beschrieben. Von den 42 Kindern sind 20 Mädchen und 22 Jungen. Der Altersdurchschnitt beträgt 6;0 Jahre (Min. 5;1, Max. 6;7, SD = 0,4). Alle Kinder erwerben das Deutsche als frühe Zweitsprache, d.h. der Erwerb des Deutschen begann nach dem 2. Lebensjahr (M = 41,5 Monate, Min. 26, Max. 66, SD = 9,7). Die Kontaktdauer zum Deutschen beträgt zum ersten Testzeitpunkt zwischen 4 und 47 Monaten (M = 31 Monate, SD = 9,9). Ein Kind wächst bilingual (Französisch/Italienisch) auf, alle anderen Kinder wurden monolingual erzogen, bis sie mit dem Deutschen in Kontakt kamen. In der Stichprobe sind 17 Erstsprachen vertreten. Türkisch stellt mit 36 % die größte Sprachgruppe dar (Auflistung der Erstsprachen s. Tab. 37 im Anhang S. 292). Fünf Kinder befinden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung in sprachtherapeutischer Behandlung (für ein weiteres Kind fehlt die Angabe, ob eine sprachtherapeutische Behandlung stattfindet). Über die Diagnose liegen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Informationen vor. Bis auf ein Kind besuchen alle Kinder zum Zeitpunkt der Erhebung eine Kindertagesstätte, wobei die Besuchsdauer zwischen 20 und 45 Stunden pro Woche (M = 28,9 Stunden, SD = 8,57) liegt.

9.3 Methode und Material Im Folgenden wird die Durchführung der Studie beschrieben. Danach werden die verwendeten Materialien vorgestellt und anschließend wird erläutert, wie die Daten ausgewertet wurden.

Methode und Material | 183

9.3.1 Durchführung Der Testzeitpunkt 1 (T1) lag mindestens zwei Monate nach Beginn des Vorlaufkurses, so dass jede Sprachförderkraft die Kinder bereits seit mehreren Wochen kannte. Außerdem hatte zu T1 jede Sprachförderkraft ihre eigenen Sprachstandserhebungen abgeschlossen. T2 fand im Durchschnitt 4 Monate (Min. 3, Max. 6 Monate, SD=0,96) später statt. Zu diesem Zeitpunkt sollten die Sprachförderkräfte nach Möglichkeit ihre eigenen Abschlusserhebungen bereits durchgeführt haben. Dies war an einer Schule nicht möglich. Die Erhebung der Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten durch die Sprachförderkräfte erfolgte mit verschiedenen Verfahren. Die Sprachförderkräfte wurden zunächst in einem offenen Interview gebeten, die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu beschreiben (Teilstudie C4). Die Interviews fanden im Anschluss an den Unterricht statt und lagen zeitlich in derselben Woche wie die Sprachstandserhebungen der Kinder. Im Anschluss an das Interview erhielten die Sprachförderkräfte für jedes Kind einen Fragebogen (im Folgenden SFK-Fragebogen genannt) mit der Bitte, die sprachlichen Fähigkeiten für einzelne Aufgaben aus Sprachstandserhebungsverfahren einzuschätzen (für eine genauere Beschreibung s. Kap. 9.3.4) (Teilstudien C1 - C3). Die meisten Sprachförderkräfte füllten die SFK-Fragebögen sowohl zu T1 als auch zu T2 noch in der gleichen Woche aus, eine Sprachförderkraft füllte die SFK-Fragebögen zu T1 drei Wochen nach der Sprachstandserhebung aus. Die Sprachförderkräfte, die die sprachlichen Fähigkeiten unabhängig von der vorliegenden Studie dokumentierten, wurden gebeten, exemplarisch Materialien zur Verfügung zu stellen. Zwei Sprachförderkräfte stellten einen Dokumentationsbogen, eine Sprachförderkraft außerdem einen Abschlussbericht zur Verfügung (Teilstudie C4). Die Materialien waren anonymisiert. Die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder wurden mittels zweier standardisierter Sprachstandserhebungsverfahren erhoben (für eine genauere Beschreibung s. Kap. 9.3.2 und 9.3.3) (für eine Übersicht Tab. 11).

Material

Tab. 11: Übersicht der Materialien Teilstudie C1 - C3 Urteilsgenauigkeit

Sprachförderkraft SFK-Fragebogen (T1 und T2)

C4 Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten

SFK-Interview (T1 und T2) und Dokumentation der Sprachförderkraft

Kind LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) (T1 und T2) AWST-R (Kiese-Himmel 2005) (T1) --

184 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten

Die Sprachstandserhebung erfolgte zu T1 in zwei Einzelsitzungen (je ca. 30 Minuten) und zu T2 in einer Einzelsitzung. Die Erhebung erfolgte überwiegend während des Vorlaufkurses in einem Raum der Schule. Gelegentlich (N=12) fand die Erhebung darüber hinaus in einer Kindertagesstätte, die die Kinder des Vorlaufkurses besuchten, statt. Mit jedem Kind wurde zu T1 in der ersten Sitzung die Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (LiSe-DaZ) (Schulz & Tracy 2011) und in der zweiten Sitzung der Aktive Wortschatztest (AWST-R) (Kiese-Himmel 2005) durchgeführt. Zu T2 wurden die sprachlichen Fähigkeiten nur mit LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) erhoben. Der AWST-R (Kiese-Himmel 2005) wurde zu T2 nicht erneut durchgeführt, da zu diesem Zeitpunkt alle Kinder mindestens sechs Jahre alt waren, der AWST-R jedoch für den Altersbereich 3-5,5 Jahre bestimmt ist.

9.3.2 Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (LiSeDaZ) Die Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (LiSe-DaZ) (Schulz &Tracy 2011) besteht aus zwei Modulen, die das Sprachverständnis und die Sprachproduktion überprüfen (s. Tab. 12). LiSe-DaZ ist für Kinder mit Deutsch als Erstsprache im Alter von 3;00 bis 6;11 und für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache im Alter von 3;00 bis 7;11 Jahren normiert. Tab. 12: Untertests (U) der Linguistischen Sprachstandserhebung - Deutsch als Zweitsprache (Schulz & Tracy2011) Sprachverständnis U1 Verbbedeutung (Wahrheitswertaufgabe) U2 W-Fragen (Frage-nach-einer-GeschichteAufgabe) U3 Negation (Wahrheitswertaufgabe)

Sprachproduktion U1 Satzstruktur U2 Subjekt-Verb-Kongruenz U3 Kasus U4 Wortklassen

Die rezeptiven Fähigkeiten werden mittels Wahrheitswertaufgaben und einer Frage-nach-einer-Geschichte-Aufgabe erhoben. Beide Methoden sind in der Spracherwerbsforschung etabliert (u.a. de Villiers & Roeper 1996; für die Diagnostik auch Kauschke & Siegmüller 2006). Die produktiven Fähigkeiten werden mittels der elizitierten Produktion erhoben (u.a. McDaniel, McKee & Cairns 1996). LiSe-DaZ verfolgt drei Ziele:

Methode und Material | 185

„(a) die zuverlässige Einschätzung des individuellen Sprachentwicklungsstands von Kindern (vor allem) nicht-deutscher Erstsprache in Bezug auf zentrale syntaktische, morphologische, semantische und ausgewählte pragmatische Eigenschaften des Deutschen, (b) die Ableitung von konkreten Förderentscheidungen und (c) die Überprüfung von Entwicklungsfortschritten durch Wiederholungsmessungen.“ (Schulz et al. 2008: 18)

Diese Ziele sind für die Studien der vorliegenden Arbeit von besonderer Bedeutung. Es ist notwendig, ein zuverlässiges Maß, das den testtheoretischen Gütekriterien standhält, als Instrument in der Untersuchung der Urteilsgenauigkeit einzusetzen. Um die Erhebung zu zwei Testzeitpunkten (hier zu Beginn und am Ende der Sprachförderung) durchführen zu können, ist ein Instrument (hier LiSe-DaZ) zu verwenden, das Wiederholungsmessungen erlaubt. Da in Teilstudie C3 die Urteilsgenauigkeit für konkrete Förderentscheidungen untersucht wird, ist es außerdem notwendig, dass sich aus dem Instrument konkrete Förderentscheidungen ableiten lassen. Im Gegensatz zu anderen Sprachstandserhebungsverfahren (beispielsweise dem SETK 3-5 (Grimm 2001)) enthält LiSeDaZ eine eigene Norm für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache. Für drei- und vierjährige Kinder setzt LiSe-DaZ die Ergebnisse der Untertests außer zum Alter auch in Beziehung zur Kontaktdauer der Kinder und kommt damit einer Anforderung an die Sprachstandserhebung von Kindern mit DaZ nach (s. Kap. 3.3.2). Die Ergebnisse in Form von Rohwerten können, analog zu anderen Verfahren, in T-Werte und Prozentränge umgewandelt werden. Darüber hinaus ermöglicht LiSe-DaZ, unabhängig von den T-Werten, den Förderbedarf je Untertest für Kinder mit DaZ zu ermitteln. „Förderbedarf heißt dabei, dass das zielsprachliche Niveau in diesem Bereich noch nicht erreicht ist“ (Schulz & Tracy 2011: 105). Eine Unterstützung in diesem Bereich wird empfohlen, weil im Vergleich zu Kindern mit Deutsch als Erstsprache von einer weniger günstigen Inputsituation ausgegangen wird (Schulz & Tracy 2011: 105). LiSe-DaZ wurde mit allen Kindern vollständig durchgeführt. Für die Untersuchung der Urteilsgenauigkeit wurden die drei Untertests des Moduls Sprachverständnis und der Untertest Satzstruktur verwendet (s. auch Kap. 9.3.4). Die für die Untersuchung der Urteilsgenauigkeit relevanten Aufgaben werden anhand exemplarischer Items vorgestellt. Eine genaue Darstellung der Durchführung und Auswertung findet sich im Testmanual (Schulz & Tracy 2011). Sprachproduktion: Untertest Satzklammer Mittels des Moduls Sprachproduktion wird u.a. die Produktion verschiedener Satzstrukturen erhoben, die sich an den syntaktischen Meilensteinen orientie-

186 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten ren, welche auch für den Zweitspracherwerb nachgewiesen werden konnten (Rothweiler 2006; Thoma & Tracy 2006). Während im Untertest Subjekt-VerbKongruenz die Kongruenz und Finitheit der Verben erfasst werden, ist das Ziel des Untertests Satzklammer zu überprüfen, in welchem Maß sich Kinder bereits den zielsprachlichen Strukturen von Hauptsatz und Nebensatz – analysiert anhand der Verbposition – genähert haben. Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Stichprobe sind diese beiden zielsprachlichen Strukturen. Hauptsätze mit Verbzweitstellung werden in LiSe-DaZ als EntwicklungsstufenSatzklammer ESS III und Nebensätze mit Verbendstellung als ESS IV bezeichnet (s. Tab. 13). Alle Kinder der Stichprobe produzieren zu T1 bereits Hauptsätze mit Verbzweitstellung und einige Kinder produzieren darüber hinaus Nebensätze mit Verbendstellung. Tab. 13: Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungsstufen-Satzklammer Vorfeld

Links

Jetzt Mama

geh hat Konjunktion wenn

Mittelfeld Tür Mama auch Bus ich (den) Hund

Rechts auf fahren hoch (ge)füttert

Nachfeld

(die) Mama den Hund

füttert

im Park.

ESS ESS II ESS III

ESS IV

(Schulz & Tracy 2011: 33)

ESS IV wird im Modul Sprachproduktion u.a. durch Item 4 (s. Abb. 11) erhoben: Untersucher: Warum macht der Hund so ein trauriges Gesicht?

Abb. 11: Beispiel Sprachproduktion LiSe-DaZ Item 4 (Bildausschnitt aus Schulz & Tracy 2011: 47)45

In Tab. 14 wird den Äußerungen von vier Kindern der Stichprobe zu Item 4 die entsprechende ESS zugeordnet.

||

45 Der Hogrefe-Verlag hat den Abdruck exemplarischer Items in dieser Arbeit genehmigt.

Methode und Material | 187

Tab. 14: Beispieläußerungen zu Item 4 des Moduls Sprachproduktion Kind IA AF46 IB BN

Äußerung er wollte essen warum der . der war in Mülltonne . der is traurig weil der jemanden gefunden hat weil die Familie verloren hat

Entwicklungsstufe-Satzklammer III III IV IV

Während IA und AF jeweils mit einem bzw. zwei Hauptsätzen mit Verbzweitstellung auf Item 4 reagieren (ESS III), antworten IB und BN mit einem Nebensatz mit Verbendstellung (ESS IV). Eine ESS gilt als erreicht, „wenn sich dafür mindestens drei Belege finden lassen“ (Schulz & Tracy 2011: 49). Es werden acht Hauptsätze (ESS III) und sechs Nebensätze (ESS IV) elizitiert. Außerdem enthält das Modul Sprachproduktion einen Untertest Wortklassen und einen Untertest Kasus. Verstehen von W-Fragen Das Sprachverständnis von W-Fragen wird mit zehn Testitems erfasst, denen zwei Übungsitems vorausgehen. Ein- und zweisprachige Kinder erwerben zunächst das Verständnis für Subjektfragen; es folgen Objekt- und anschließend Adjunktfragen (Friedman & Novogrodsky 2004; Schulz & Tracy 2011). Um sicherzustellen, dass die Kinder den verwendeten Wortschatz kennen, der für das Verständnis der Fragen vorausgesetzt wird, wird im Modul Sprachproduktion der notwendige Wortschatz eingeführt. Da das Verständnis der Kinder überprüft wird, ist keine verbale Antwort des Kindes erforderlich; das Kind kann auch durch Zeigen reagieren (s. Abb. 12). Untersucher: Ibo hilft dem Hund aus der Tonne. Er ist eingesperrt und kann nicht alleine raus. Wem hilft Ibo aus der Tonne? Abb. 12: Beispiel Objekt-W-Fragen Item 5 (Bild aus Schulz & Tracy 2011: 52)

In Tab. 15 werden drei Reaktionen von Kindern der Stichprobe genannt, die einer Beurteilung zugeordnet werden.

||

46 Die Punkte in der Äußerung von AF stehen für kurze Pausen.

188 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Tab. 15: Beispielreaktionen zu Item 5 des Untertests W-Fragen Kind IA AB TB

Reaktion Hund zeigt auf Hund (nonverbal) Ibo

Beurteilung richtiger Satzteil richtiger Satzteil anderer Satzteil

Die Reaktionen von IA und AB enthalten den richtigen Satzteil. Die W-Frage aus Item 5 gilt als korrekt beantwortet. TB hingegen antwortet mit einem anderen Satzteil (hier dem Subjekt Ibo). Die W-Frage aus Item 5 gilt als nicht korrekt beantwortet. Das Beispiel verdeutlicht, dass neben dem Zeigen oder Nennen des richtigen Satzteils andere Reaktionen möglich sind (z.B. das Nennen eines anderen Satzteils). Möglich ist außerdem eine Ja-/Nein-Antwort, die zeigt, dass das Kind den Unterschied zwischen Entscheidungs- und Informationsfrage noch nicht erworben hat. Für die Untersuchung der Urteilsgenauigkeit werden die W-Fragen ausschließlich danach ausgewertet, ob das Kind den richtigen Satzteil nennt/zeigt oder nicht nennt/zeigt. Eine qualitative Auswertung nach Antworttypen findet nicht statt, weil dies nicht Bestandteil der Einschätzung der Sprachförderkräfte war. Verstehen der Verbbedeutungen In diesem Untertest wird anhand von zwölf Items erfasst, ob das Kind die Bedeutung von Prozessverben (malen, bauen) und endzustandsorientierten Verben (austrinken, aufmachen) erworben hat. Mit Hilfe eines Fotobuches werden Ausgangssituation und Veränderung dieser Situation (s. Abb. 13) dargestellt. Zunächst sieht das Kind nur die linke Ausgangssituation. Nachdem der Untersucher die Ausgangssituation beschrieben hat, wird das Bild, das den Endzustand zeigt, aufgedeckt. Eine detaillierte Beschreibung der Durchführung ist im Manual (Schulz & Tracy 2011) nachzulesen.

Methode und Material | 189

Untersucher: Diese Frau hatte Durst. Guck, da ist ihre Hand und hier ist das Glas. Und dann... (deckt rechtes Bild auf) Testfrage (Handpuppe): Hat sie’s ausgetrunken? Beispieläußerung Kind: Ja (richtig) Nein (falsch) Abb. 13: Beispiel Verbbedeutung Item 3 (Bilder aus Schulz & Tracy 2011: 43)

In der Auswertung wird die Anzahl der richtigen Reaktionen gezählt, wobei erneut verbale und nonverbale (z.B. Kopf schütteln) Reaktionen möglich sind. In einer qualitativen Auswertung kann unterschieden werden, ob die Bedeutung beider Verbklassen erworben wurde oder ob der Erwerb der Bedeutung einer Verbklasse noch aussteht. Verstehen von Negation Dieser Untertest erfasst anhand von zwölf Items das Verständnis der Satznegation in einfachen Sätzen. Das Kind entscheidet jeweils, ob ein verneinter Satz zu einem Bild passt. Eine Antwort ist verbal oder nonverbal möglich (s. Abb. 14). Untersucher: Guck mal, hier sind Lise und der Hund. Handpuppe: Lise streichelt im Park den Hund nicht. Untersucher: Stimmt das? Beispielantworten: Nein, das stimmt nicht (richtig) Doch (richtig) Das stimmt (falsch) Abb. 14: Beispiel Untertest Negation Item 7 (Bild aus Schulz & Tracy 2011)

190 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten 9.3.3 Aktiver Wortschatztest (AWST-R) Der Aktive Wortschatztest (AWST-R) von Kiese-Himmel (2005) stellt die überarbeitete Version des AWST von Kiese & Kozielski (1979) dar. Durch die Farbdarstellung der Items (im AWST wurden Schwarz-Weiß-Zeichnungen verwendet), die Erhöhung des Verbanteils und die Ersetzung einiger Items, die nicht dem frühkindlichen Wortschatz entsprechen, beachtet Kiese-Himmel (2005) einige Kritikpunkte, die Rothweiler (2001) für den AWST (Kiese & Kozielski 1979) nannte. Durch die Überarbeitung fehlen jedoch die Adjektive, obwohl sie im kindlichen Wortschatz im Alter von drei Jahren einen durchschnittlichen Anteil von 6,04 % (Types) bzw. 3,24 % (Token) einnehmen (Kauschke 2000: 126).47 Rothweiler schlussfolgert jedoch, dass „trotz der Kritikpunkte […] der AWST […] zu einer rein quantitativen Einschätzung des Wortschatzumfangs ein[zu]setzen [ist]“ (Rothweiler 2001: 128), dies ist auch Ziel dieser Studie C. Der AWST-R (Kiese-Himmel 2005) bietet, im Gegensatz zum AWST (Kiese & Kozielski 1979), neben der quantitativen auch eine qualitative Auswertung an. Für die Untersuchung der Urteilsgenauigkeit wurde diese allerdings nicht verwendet, sondern nur eine quantitative Auswertung durchgeführt. Der AWST-R enthält 51 Nomen und 24 Verben, die von den Kindern benannt werden sollen. Der Untersucher fragt das Kind bei Nomen „Was ist das?“ und bei Verben „Was macht die/der?“. Die Items sind als Farb-Fotografien dargestellt (s. Abb. 15) (jedoch hier in schwarz-weiß).

Beispiel: Nomen

Beispiel: Verb

Untersucher: Was ist das? Zielantwort: Hubschrauber

Untersucher: Was macht die? Zielantwort: pfeifen

Abb. 15: Beispielitems AWST-R (Kiese-Himmel 2005)48

||

47 Der Anteil der Adjektive an der Gesamtanzahl der Datenbankeinträge beträgt in der Längsschnittstudie von Kauschke (2000: 124), die 32 Kinder ab dem Alter von 13 bis 36 Monaten untersucht hat, 9,5 %. 48 Der Hogrefe-Verlag hat den Abdruck exemplarischer Items in dieser Arbeit genehmigt.

Methode und Material | 191

Aktuell gibt es keinen standardisierten Wortschatztest, der für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache normiert ist. Im Gegensatz zur LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) ist der AWST-R (Kiese-Himmel 2005) nicht für zweisprachige Kinder normiert. Es ist deshalb bisher offen, wie zuverlässig der Wortschatz von Kindern mit DaZ anhand des AWST-R erfasst werden kann. Für die vorliegende Studie wird der AWST-R dennoch verwendet, da keine Normwerte benötigt werden. Der AWST-R wurde bereits von Siegelová (2008) an zehn Kindern mit Deutsch als Zweitsprache erprobt und als durchführbar bewertet. Die Auswertung erfolgt nur anhand der Rohwerte. Die Prozentränge und T-Werte werden nicht verwendet.

9.3.4 Einschätzung der Sprachförderkräfte Um die Einschätzung der Sprachförderkräfte zu erheben, wurde zunächst ein fokussiertes Interview mit ihnen geführt. Die Interviewerin bat jede Sprachförderkraft die sprachlichen Fähigkeiten jedes Kindes, das an der Untersuchung teilnahm, zu beschreiben. Die folgende Bitte war Teil des Leitfadens: „Bitte beschreiben Sie die sprachlichen Fähigkeiten von (Name des Kindes) zum heutigen Zeitpunkt.“

Die Sprachförderkräfte beschrieben die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder frei. Außerdem wurden die Sprachförderkräfte gebeten, der Untersucherin ihre Dokumentationen oder Berichte (falls vorhanden) zur Verfügung zu stellen. Eine exemplarische Darstellung anhand eines Einzelfalls findet sich in Kapitel 9.4.4. Für eine Untersuchung der Urteilsgenauigkeit wurde die Einschätzung der Sprachförderkräfte mit einem Fragebogen erhoben (der vollständige SFKFragebogen befindet sich in Abb. 42ff im Anhang S. 293ff.). Im Gegensatz zu dem freien Interview enthält der SFK-Fragebogen ausgewählte Items der Sprachstandserhebungsverfahren, mit denen die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder erfasst wurden (s. Kap. 9.3.2 und 9.3.3). Es sind genaue Kategorien vorgegeben, innerhalb derer die Sprachförderkraft den Sprachstand der Kinder einschätzen sollte. Aufgabenstellung war, die sprachlichen Fähigkeiten für jedes Kind mit Hilfe der folgenden Skala (s. Abb. 16) einzuschätzen:

192 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten

Abb. 16: Ausschnitt Fragebogen: Skala zur Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten

Die Skala wurde, je nach Aufgabe, um Unterkategorien erweitert (s. Abb. 17). Die Sprachförderkräfte erhielten, abhängig von der Aufgabenstellung des Sprachstandserhebungsverfahrens, eine kurze Beschreibung des Untertests, damit sie die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes tatsächlich im Kontext des Untertests einschätzen konnten (s. Abb. 17). Abhängig von der sprachlichen Fähigkeit, die im Fokus stand, und der Aufgabenstellung, mit der diese Fähigkeit erfasst wurde, wurde eine Itemauswahl für den SFK-Fragebogen getroffen. Für die W-Fragen zeigt der folgende Ausschnitt, dass für jedes W-Pronomen ein Item ausgewählt wurde. Dadurch sind im Fragebogen alle drei in LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) erfassten Fragetypen enthalten (eine Subjekt-, drei Objekt-, zwei Adjunkt-W-Fragen). Die Reaktion des Kindes sollte anhand der Skala (s. Abb. 17) eingeschätzt werden. Ergänzend wurden die Antwortkategorien „j/n antwortet mit ja oder nein auf die Frage“ und „0 keine Antwort/Reaktion“ hinzugefügt, um eine Auswertung nach Fehlertypen (z.B. Kind reagiert auf WFragen wie auf Entscheidungsfragen und antwortet mit „Ja“ oder „Nein“) zu ermöglichen.

Abb. 17: Ausschnitt Fragebogen: Einschätzung der W-Fragen

Methode und Material | 193

Die Einschätzung des Wortschatzes wurde anhand von 33 der 75 Items, die im AWST-R (Kiese-Himmel 2005) enthalten sind, erfasst (s. im Anhang S. 295). Die Itemauswahl erfolgte so, dass, entsprechend dem Anteil im Testverfahren, Nomen und Verben mit verschiedener Itemschwierigkeit49 enthalten waren (18 Nomen und 14 Verben) (s. Tab. 38 im Anhang S. 301) Im Gegensatz zu den Untertests W-Fragen, Verbbedeutung, Negation sowie dem AWST-R war für die Einschätzung der Satzstruktur (in der Sprachstandserhebung durch die elizitierte Produktion in LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) erfasst) keine Eins-zu-eins-Zuordnung der Items zwischen SFK-Fragebogen und Sprachstandserhebung möglich. In einer freien Produktion ist die Variabilität der kindlichen Äußerungen zu groß. Stattdessen wurden den Sprachförderkräften im Fragebogen prototypische Sätze als Beispiele für die verschiedenen Meilensteine des Erwerbs der Satzstruktur angeboten (s. auch 9.3.2). Innerhalb dieses Rasters (s. Abb. 18) sollten die Sprachförderkräfte einschätzen, welche Art von Sätzen das jeweilige Kind bereits produzierte und welche noch nicht.

Abb. 18: Ausschnitt Fragebogen: Einschätzung der Satzstrukturen

Anhand der Einschätzung der Satzstruktur wird bereits deutlich, dass die Erfassung der aufgaben-/itemsbezogenen Urteilsgenauigkeit je Untertest unterschiedlich operationalisiert wurde.

||

49 Die Itemschwierigkeit (P) ist ein Schwierigkeitsindex, mit dem selektiert werden kann. Die Itemschwierigkeit gibt den Anteil der Probanden an, die das Item richtig benannt haben.

194 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Die „Übersetzung“ der Untertests Subjekt-Verb-Kongruenz und Kasus aus LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) in den SFK-Fragebogen erschien der Autorin nicht sinnvoll, da ein weiteres Aufgabenformat, z.B. das Formulieren einer möglichen Äußerung des Kindes, notwendig gewesen wäre. Beide Bereiche wurden im SFK-Fragebogen deshalb so erfasst, dass eine Übereinstimmung mit einer Auswertung der Spontansprache möglich wäre. Letztendlich wurden jedoch nur standardisierte Verfahren der Sprachstandserhebung in die Auswertung der Urteilsgenauigkeit einbezogen. Ein Vergleich mit der Einschätzung der Sprachförderkraft ist aus Sicht der Autorin nur dann zulässig, wenn das Sprachstandserhebungsverfahren den Testgütekriterien genügt. Für eine Reihe von Items im SFK-Fragebogen (z.B. Aussprache, Verwendung von Präpositionen, Konjunktionen und des Negationspartikels) traf dieses Kriterium nicht zu. Ursprünglich sollte die Urteilsgenauigkeit auch anhand der Spontansprachanalyseverfahren HAVAS 5 (Reich & Roth 2004) und TOGA (Kracht in Vorbereitung) erfolgen. Der Fragebogen enthält deshalb auch Items, die mittels einer Analyse der HAVAS 5Daten der Kinder, die zu T1 und T2 erfasst wurden, verglichen werden könnten. Erst im Verlauf der Auswertung stellte die Forscherin das Kriterium auf, dass die Erhebung sprachlicher Fähigkeiten zur Untersuchung der Urteilsgenauigkeit nicht mittels Verfahren, die nicht den Testgütekriterien entsprechen, erfolgen sollte. Die Auswertung der Urteilsgenauigkeit erfolgte deshalb anhand der folgenden Untertests: -

Satzklammer

-

W-Fragen

-

Negation

-

Verbbedeutung

-

Wortschatz

aus LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) aus AWST-R (Kiese-Himmel 2005).

Ergänzend zur Einschätzung spezifischer Aufgaben aus den Sprachstandserhebungsverfahren wurden die Sprachförderkräfte im SFK-Fragebogen gebeten, die Förderschwerpunkte für jedes Kind zu benennen (offenes Antwortformat). Diese wurden mit dem aus der LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) abgeleiteten Förderbedarf in Teilstudie C3 verglichen.

9.3.5 Auswertung Zunächst wird die Auswertung der Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten beschrieben. Je nach Untertest in der Sprachstandserhebung und Itemformat des SFK-Fragebogens variiert die Auswertungsmethode. Im Anschluss wird

Methode und Material | 195

erläutert, wie die Übereinstimmung des Förderbedarfs ausgewertet wurde. Die Interviews zur Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten und die zur Verfügung gestellten Dokumente wurden in Anlehnung an die QUALITATIVE INHALTSANALYSE (Mayring 2008) und das THEMATISCHE CODIEREN (Hopf & Schmidt 1993) ausgewertet (s. Kap. 7.4.2). Die Auswertung erfolgte hier aufgrund des explorativen Charakters der Teilstudie ausschließlich deskriptiv. Das Interview, der Dokumentationsbogen und der Abschlussbericht wurden für eine Übersicht über das Material nach den sprachlichen Fähigkeiten, die von der Sprachförderkraft angesprochen wurden, codiert. Die „Urteilsgenauigkeit“ (Helmke 2009) wurde mittels verschiedener statistischer Verfahren analysiert (s. auch Kap. 6.2). Vorrangig wurden Korrelationen eingesetzt (u.a. Schrader 2011). Zwar liefert der Vergleich der Mittelwerte und Streuungen einen ersten Eindruck davon, ob eine Tendenz zur Über- oder Unterschätzung vorliegt, jedoch ist dieses Maß gerade bei der geringen Anzahl an Items je Aufgabe (z.B. zwei Items für die Verbbedeutung) zu grob, um die Einschätzung der Sprachförderkräfte zu analysieren. Ergänzend zu diesem globalen Maß in Form von Korrelationen wurde deshalb untersucht, wie häufig eine Übereinstimmung zwischen Sprachförderkraft und den sprachlichen Fähigkeiten des Kindes in der Sprachstandserhebung vorliegt und wie häufig sie die Fähigkeiten über- oder unterschätzte. Hierzu wurde ein Analyseraster entwickelt. Das Raster setzt die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes in der Sprachstandserhebung und die Einschätzungen der sprachlichen Fähigkeiten durch die Sprachförderkraft in Bezug zu Übereinstimmungen richtiger und falscher Leistungen sowie in Bezug zu Über- und Unterschätzungen in Verbindung (s. Tab. 16).50 Tab. 16: Analyseraster: Übereinstimmung, Über- und Unterschätzung

Reaktion auf ein Item

||

Ergebnis des Tests +

SFK-Urteil +

Klassifikation Übereinstimmung (+ +)

-

+

Überschätzung (- +)

+

-

Unterschätzung (+ -)

-

-

Übereinstimmung (- -)

50 + bedeutet, das Item wurde korrekt beantwortet bzw. die Sprachförderkraft geht davon aus, - bedeutet, das Item wurde nicht korrekt beantwortet bzw. die Sprachförderkraft geht davon aus.

196 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten 9.3.6 Auswertung Übereinstimmung der Förderziele Um die Förderziele der Sprachförderkräfte mit den Förderzielen, die sich aus der Sprachstandserhebung ergeben, vergleichen zu können, mussten zunächst die von den Sprachförderkräften angegebenen Förderziele zu Kategorien zusammengefasst werden. Der Förderbedarf, der sich aus der Sprachstandserhebung ergibt, wurde anhand der Handanweisung des Sprachstandserhebungsverfahrens ermittelt. Ein klar definierter Förderbedarf konnte nur mittels LiSeDaZ (Schulz & Tracy 2011) erfasst werden; der AWST-R (Kiese-Himmel 2005) bietet diese Auswertungsmöglichkeit nicht. Anhand des Vergleichs der Förderschwerpunkte der Sprachförderkräfte mit dem Untertest „Satzstruktur“ der LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) wird die Kategorisierung der Förderschwerpunkte, die die Sprachförderkräfte im SFKFragebogen genannt haben, im Folgenden illustriert. Die folgenden, von den Sprachförderkräften genannten, Förderschwerpunkte wurden als „Förderbedarf Satzstruktur“ kategorisiert. In Klammern wird jeweils eine Sprachförderkraft angegeben, die diesen Förderschwerpunkt bei einem Kind im Fragebogen angegeben hat: -

„Satzstrukturen“ (SFK1)

-

„Satzmuster“ (SFK1)

-

„Ganze Sätze bauen“ (SFK3)

-

„Satzbildung“ (SFK5)

-

„Satzbau“ (SFK7)

-

„Nebensätze“ (SFK13)

-

„Satzbau - Aussagesätze, Satzklammerprinzip“ (SFK15)

Nicht in diese Kategorie fielen die folgenden Angaben, die aus Sicht der Autorin nicht spezifisch genug sind. Mit dem Förderschwerpunkt „Grammatik“ können neben der Erweiterung der Satzstruktur auch andere morphologische Förderbereiche (z.B. die Förderung des Kasussystems oder die Subjekt-Verb-Kongruenz) gemeint sein. -

„grammatikalische Verbesserung“ (SFK14)

-

„grammatikalisch richtig sprechen“ (SFK14)

-

„Grammatik“ (SFK3)

Die Auswertung erfolgte dann in Anlehnung an Untersuchungen von Williams (2006) sowie Limbos und Geva (2001) in einem Vierfeldermodell, das die Sensitivität, Spezifität, Falsch-Negativen und Falsch-Positiven anzeigt (s. Tab. 17).

Methode und Material | 197

Sensitivität und Spezifität sind Maße, die in medizinischen und psychologischen Klassifikationsstudien (Sackett et al. 1997) und Studien zu Sprachstörungen verwendet werden (z.B. Heath & Hogben 2004; Siegmüller, Kauschke, van Minnen & Bittner 2011). In der vorliegenden Studie beschreibt die Sensitivität (Korrekt-Positiv-Rate) die Gruppe der Kinder, die laut der Sprachstandserhebung einen ‚Förderbedarf‘ (Schulz & Tracy 2011: 58) in einem bestimmten sprachlichen Bereich hat und die auch laut der SFK einen ‚Förderschwerpunkt‘ (Wortlaut des Items im SFK-Fragebogen zur Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten) in diesem Bereich hat. Die Spezifität (Korrekt-Negativ-Rate) ist das Maß für die Gruppe, die sowohl nach der Sprachstandserhebung als auch laut der Sprachförderkräfte keinen Förderbedarf/Förderschwerpunkt in einem bestimmten Bereich hat. Falsch-Positiv sind die Kinder, die laut Sprachstandserhebung keinen Förderbedarf in einem bestimmten Bereich haben, die Sprachförderkräfte hier jedoch einen Förderschwerpunkt annehmen. Falsch-Negative umfasst die Kinder, die laut der Sprachförderkräfte keinen Förderschwerpunkt in einem Bereich haben, obwohl die Sprachstandserhebung einen Förderbedarf anzeigt. Folglich würden bei einer Sensitivität von 100 % alle Kinder, die laut der Sprachstandserhebung einen Förderbedarf in dem bestimmten Bereich haben, auch laut der Sprachförderkräfte in diesem Bereich ihren Förderschwerpunkt haben. Tab. 17: Vierfeldermodell zur Auswertung der Übereinstimmung des Förderziels zwischen Sprachförderkraft und LiSe-DaZ

Sprachförderkraft: Förderschwerpunkt im Bereich x

Ja

LiSe-DaZ: Förderbedarf im Bereich x Ja Nein Korrekt-Positiv Falsch-Positiv

Nein

Falsch-Negativ

Korrekt-Negativ

Aufgrund der unterschiedlichen Terminologie zwischen Sprachstandserhebungsverfahren (Förderbedarf) und SFK-Fragebogen (Förderschwerpunkt) und den sich daraus ergebenden sprachdidaktischen Konsequenzen liegt der Fokus dieser Untersuchung auf den Werten Korrekt-Positiv, Korrekt-Negativ und Falsch-Positiv. Die Falsch-Negativ-Rate kann auch aus einer sprachdidaktischen Gewichtung des Förderbedarfs durch die Sprachförderkraft resultieren. Beispielsweise gibt eine Sprachförderkraft die für sie zum Zeitpunkt der Befragung wichtigsten Förderbereiche an. Weitere Bereiche, in denen sie einen Förderbedarf des Kindes sieht, gibt sie nicht an, da diese zurzeit keinen Förderschwerpunkt darstellen. Entsprechend kann aus den ‚Falsch-negativen‘ nicht ge-

198 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten schlossen werden, dass die Sprachförderkraft den Förderbedarf nicht erkannt hat, da sie ihn ggf. zurzeit nicht als Förderschwerpunkt ansieht. Im Folgenden werden die Ergebnisse zur Urteilsgenauigkeit dargestellt.

9.4 Ergebnisse Dieses Kapitel ist wie folgt gegliedert. In Kapitel 9.4.1 werden die Ergebnisse der Urteilsgenauigkeit der sprachlichen Fähigkeiten (Teilstudie C1) zu zwei Testzeitpunkten (T1 und T2) dargestellt. Unterschiede zwischen den Sprachförderkräften (Teilstudie C2) werden in Kapitel 9.4.2 beschrieben. Inwieweit die Sprachförderkräfte den Förderbedarf der Kinder mit DaZ adäquat einschätzen (Teilstudie C3), wird in Kapitel 9.4.3 dargestellt. Anhand eines Fallbeispiels werden die freie Beschreibung der sprachlichen Fähigkeiten in den Interviews und die Dokumentation der sprachlichen Fähigkeiten analysiert (Teilstudie C4, s. Kap. 9.4.4).

9.4.1 Urteilsgenauigkeit sprachlicher Fähigkeiten Die Urteilsgenauigkeit der sprachlichen Fähigkeiten wurde zu zwei Testzeitpunkten (T1 und T2) untersucht. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt einzeln für jeden Untertest. Je Untertest werden die Ergebnisse der berechneten Komponenten (z.B. Korrelationskomponente) je Testzeitpunkt genannt. Zunächst werden die Ergebnisse aus den produktiven Untertests (Wortschatz und elizitierte Sprachproduktion für die Entwicklungsstufen-Satzklammer), dann die Ergebnisse aus den Sprachverständnis-Untertests (Verbbedeutung, W-Fragen und Negation) präsentiert. Sowohl die Urteile der Sprachförderkräfte als auch die Ergebnisse der Sprachstandserhebung sind in Bezug auf den Wortschatz normalverteilt (Kolmogoriv-Smirnov-Z = ,831 und ,675 p = ,495 und ,752). Die Urteile der Sprachförderkräfte und die Ergebnisse der Untertests aus LiSe-DaZ sind nicht normalverteilt. Für den Wortschatz wurden deshalb parametrische, für alle anderen Bereiche nichtparametrische statistische Prüfungen verwendet. Sprachproduktion: Wortschatz zu T1 Die deskriptive Statistik für den Wortschatz ist in Tab. 18 dargestellt. Die hier angegebenen Werte basieren auf den Items, die für die Erfassung der Urteilsgenauigkeit herangezogen wurden (33 der 75 Items des AWST-R). Mittelwert und Standardabweichung der Urteile der Sprachförderkräfte (im Folgenden

Ergebnisse | 199

SFK-Urteil) sind etwas höher im Vergleich zu den Ergebnissen des AWST-R (Kiesel-Himmel 2005). Tab. 18: Deskriptive Statistik der SFK-Urteile und der Sprachstandserhebung: Wortschatz T1

Mittelwert (M) Standardabweichung (SD) Min. Max.

SFK-Urteil Max. = 33 16,4 6,7 6 31

Testergebnis im AWST-R Max. = 33 13,5 4,7 1 28

Um die Niveaukomponente51 darzustellen, wurde die Differenz der Mittelwerte berechnet.52 Die mittleren Werte des Urteils der Sprachförderkräfte und des Testergebnisses unterscheiden sich für den Wortschatz (AWST-R: Nomen und Verben) signifikant (T = 2,991; df = 41; p = ,006). Die Sprachförderkräfte überschätzen die Kinder im Wortschatz. Da weder Niveau- noch Streuungsunterschiede ein eindeutiger Indikator für diagnostische Kompetenz sind (Schrader 2011, 690), wurde die Streuungskomponente nicht ausgewertet. Die rangbezogene Genauigkeit mittels Korrelationen stellt den am häufigsten verwendeten Indikator für diagnostische Kompetenz dar (Schrader 2011). Aus diesem Grund wird diese Komponente ergänzend zur Niveaukomponente ausgewertet. Die durch die Kinder korrekt benannten Items im AWST-R und die von den Sprachförderkräften eingeschätzten Items (je N=33) korrelieren signifikant (r = ,405, p = ,008). Die Korrelationskomponente zeigt, dass ein geringer signifikanter Zusammenhang zwischen beiden Maßen besteht. Ergänzend wurde die Prozentkomponente berechnet, die für alle Items des Bereichs Wortschatz zeigt, ob eine Übereinstimmung oder eine Über- oder Unterschätzung vorliegt (s. Abb. 19).

||

51 Die Niveaukomponente wird mittels eines Mittelwertvergleichs berechnet. Das Ergebnis zeigt, ob die geschätzten Fähigkeiten im Mittel über oder unter den tatsächlichen Schülerleistungen liegen oder gerade richtig sind. 52 Bei dem Untertest Satzklammer handelt es sich um eine ordinale Skala mit zwei Ausprägungen. Eine Berechnung der Komponenten in Anlehnung an Helmke (2009) scheint daher nicht sinnvoll.

200 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten

Abb. 19: Übereinstimmung AWST-R zu T1

Zunächst ist festzuhalten, dass die Sprachförderkräfte mehr als die Hälfte der Items übereinstimmend mit dem Ergebnis der Sprachstandserhebung eingeschätzt haben. Die Übereinstimmung splittet sich in Items auf, die laut Sprachstandserhebung und laut SFK-Urteil korrekt (+ +) und Items, die laut Sprachstandserhebung und laut SFK-Urteil nicht korrekt benannt wurden (- -). Die Sprachförderkräfte schätzen von den Kindern korrekt benannte Items zu 31 % ebenfalls als korrekt benannt ein. Eine Übereinstimmung in den nicht korrekt benannten Items zeigte sich in 29 %. In 9 % der Items fand eine Unterschätzung statt. Die Sprachförderkräfte überschätzten 20 % der Items. Fehlende Einschätzungen lagen in 11 % der Items vor, d.h. die Sprachförderkräfte gaben an, dass bisher kein Kontext vorhanden war, in dem das Kind ein solches Wort hätte verwenden müssen (im Fragebogen gekennzeichnet durch ein ?), oder die Sprachförderkräfte ließen das entsprechende Feld im Fragebogen leer. Im Wortschatz äußern sich Fehleinschätzungen überwiegend in Form einer Überschätzung. Diese Tendenz äußerte sich bereits in der Niveaukomponente. Um die Über- und Unterschätzung genauer zu betrachten, werden diese in der folgenden Abbildung getrennt für Nomen und Verben dargestellt. Die Überund Unterschätzung wurde im Verhältnis zu der Anzahl der Items berechnet. Es zeigt sich, dass der Nomenwortschatz wesentlich häufiger von den Sprachförderkräften überschätzt als unterschätzt wird. Dieser Unterschied zeigt sich im Verbwortschatz nicht.

Ergebnisse | 201

Abb. 20: Prozentuale Über- und Unterschätzung getrennt für Nomen und Verben zu T1

Da es sich um 33 Items handelt, lässt sich aus der bisherigen Analyse nicht schließen, bei wie vielen Kindern eine Überstimmung, Über- oder Unterschätzung vorliegt. Aus diesem Grund wurde die Anzahl der Über- und Unterschätzungen je Kind ausgewertet. Drei Kinder wurden von ihrer jeweiligen Sprachförderkraft in keinem Item über- oder unterschätzt. Alle anderen Kinder wurden in min. 1 und max. 20 Items über- oder unterschätzt. Im Mittelwert unterschätzten die Sprachförderkräfte 2,9 Items je Kind und überschätzten 9,0 Items je Kind. Der Wortschatz wurde zu T2 nicht erneut erfasst. Sprachproduktion: Entwicklungsstufen-Satzklammer zu T1 Für die Einschätzung der Satzklammer wurde keine Korrelation berechnet, da es sich um eine ordinale Skala handelt. Für die Satzklammer wurden zunächst die Übereinstimmung sowie die Über- und Unterschätzung ausgewertet (s. Abb. 21). Die Kategorie Übereinstimmung - - entfällt in diesem Untertest, da jedes Kind eine der Entwicklungsstufen Satzklammer produziert.

202 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten

Abb. 21: Übereinstimmung Satzklammer zu T1

Für 62 % der Kinder stimmen SFK-Urteil und Sprachstandserhebung überein. Für 33 % der Kinder gehen die Sprachförderkräfte von einer geringeren Entwicklungsstufe (ESS) aus, als in der Sprachstandserhebung dokumentiert wurde. Eine Überschätzung liegt nur für zwei Kinder (5 %) vor. Fehleinschätzungen in der ESS äußern sich vorrangig in einer Unterschätzung der sprachlichen Fähigkeiten des Kindes. In einem zweiten Schritt wurde die Verteilung je Entwicklungsstufe verglichen (s. Tab. 19). Tab. 19: Satzklammer: SFK-Urteil und Testergebnis je ESS zu T1 Satzklammer

SFK-Urteil

ESS I (Ohne Verb) ESS II (Unflektiertes Verb am Ende)

Testergebnis LiSeDaZ Satzklammer ---

Unterschied

ESS III (Hauptsatz mit Verbzweit)

54,8 %

73,8 %

p = ,077

ESS IV (Nebensatz mit Verbend)

45,2 %

21,4 %

p = ,013

2,4 % 2,4 %

Das SFK-Urteil liegt bei allen erfassten Entwicklungsstufen unter dem der Sprachstandserhebung. Zwei Sprachförderkräfte schätzen Kinder, die bereits ESS III erworben haben, als Kinder ein, die auf ESS II bzw. I stehen. Die meisten Überschätzungen erfolgen, indem Sprachförderkräfte Kinder, die bereits ESS IV erworben haben, als auf ESS III stehend einschätzen. Der Unterschied zwischen

Ergebnisse | 203

Sprachstandserhebung und SFK-Urteil ist für ESS IV signifikant.53 Ob dieser Unterschied ebenso zu T2 besteht, wird im folgenden Abschnitt berechnet. Sprachproduktion: Entwicklungsstufen-Satzklammer zu T2 Nach durchschnittlich vier Monaten wurde die Urteilsgenauigkeit am Ende des Vorlaufkurses erneut erhoben. Die Übereinstimmung lag zu T2 mit 52 % niedriger als zu T1 (s. Abb. 22).

Abb. 22: Übereinstimmung Satzklammer zu T2

Weiterhin überwiegen in den Fehleinschätzungen die Unterschätzungen (39 %). Zwei Sprachförderkräfte überschätzen die Entwicklungsstufe des jeweiligen Kindes (6 %). Die Einschätzung zu einem Kind (3 %) fehlt. Ebenso wie zu T1 schätzen die Sprachförderkräfte Kinder, die bereits ESS IV erworben haben, auch zu T2 als Kinder ein, die ausschließlich Sätze auf ESS III produzieren (s. Tab. 20). Tab. 20: Satzklammer: SFK-Urteil und Testergebnis je ESS zu T2 Satzklammer

SFK-Urteil

ESS I (Ohne Verb)

Testergebnis LiSeDaZ Satzklammer --

ESS II (Unflektiertes Verb am Ende)

--

--

ESS III (Hauptsatz mit Verbzweit)

22,6 %

58,1 %

p = ,004

ESS IV (Nebensatz mit Verbend)

77,4 %

38,7 %

p = ,004

Fehlend

--

|| 53

Der Unterschied wurde mit dem McNemar-Test berechnet.

Unterschied

--

3,2 %

204 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Der Unterschied zwischen den SFK-Urteilen und den Testergebnissen ist erneut signifikant (jeweils p = ,004). Zwischen der Zahl der Übereinstimmungen zu T1 und T2 ist kein signifikanter Unterschied festzustellen (s. Tab. 21) (p = ,815).54 Tab. 21: Vergleich der Übereinstimmung im Untertest Satzklammer zu T1 und T2 Übereinstimmungen Satzklammer zu T1 Keine Übereinstimmung Übereinstimmung

Übereinstimmung Satzklammer zu T2 Keine Übereinstimmung 6 10

Übereinstimmung 8 6

Sprachverständnis zu T1 Für die Items des SFK-Fragebogens aus den drei Untertests des Moduls Sprachverständnis liegen die Mittelwerte des SFK-Urteils minimal unter den Testergebnissen ermittelt durch LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011). Die Standardabweichungen des SFK-Urteils liegen über denen der Sprachstandserhebung, wobei der Unterschied für W-Fragen und Negation minimal ist (s. Tab. 22, 23, 24). Tab. 21: Deskriptive Statistik der SFK-Urteile und der Testergebnisse: Verbbedeutung zu T1

Mittelwert (M) Standardabweichung (SD) Min. Max.

SFK-Urteil Max. = 2 1,26 ,880 0 2

Testergebnis LiSe-DaZ: Verbbedeutung Max. = 2 1,74 ,497 0 2

Tab. 22: Deskriptive Statistik der SFK-Urteile und der Testergebnisse: W-Fragen zu T1

Mittelwert (M) Standardabweichung (SD) Min. Max.

||

54

SFK-Urteil Max. = 6 4,8 1,3 2 6

Testergebnis LiSe-DaZ: W-Fragen Max. = 6 5,0 1,1 1 6

Der Unterschied wurde mit dem McNemar Test berechnet.

Ergebnisse | 205

Tab. 23: Deskriptive Statistik der SFK-Urteile und der Testergebnisse: Negation zu T1

Mittelwert (M)

SFK-Urteil Max. = 3 2,51

Testergebnis LiSe-DaZ: Negation Max. = 3 2,58

Standardabweichung (SD) Min Max

,692 1 3

,636 1 3

Die Niveaukomponente zeigt für die drei Untertests des Sprachverständnisses, dass sich weder die Ränge55 der Items der W-Fragen noch der Negation signifikant unterscheiden (Negation Z = ,735; p = ,462; W-Fragen Z = -,763; p = ,446). Es liegt ein signifikanter Unterschied in der Verbbedeutung zwischen SFK-Urteil und Testergebnis vor (Z = -2,980; p = ,003). Es ergab sich weder eine signifikante Korrelation für die Verbbedeutung (r = -,036; p = ,827) noch für die Negation (r = -,235; p = ,174) oder die W-Fragen (r = ,188, p = ,233). In der Analyse der Prozentkomponente für die drei Bereiche zeigte sich, dass die Übereinstimmung zielsprachlich verstandener Items für die W-Fragen mit 68 % am höchsten über alle Untertests hinweg ist (s. Abb. 23).

Abb. 23: Übereinstimmung W-Fragen zu T1

Eine Unterschätzung findet für die W-Fragen nur bei 7 % der Items statt. Die Übereinstimmung nicht zielsprachlich verstandener Items ist für die W-Fragen ||

55 Aufgrund des nichtparametrischen Tests wurde nicht die Differenz der Mittelwerte, sondern die der Ränge mittels des Wilcoxon-Tests berechnet.

206 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten mit 5 % gering. Dies liegt jedoch daran, dass insgesamt nur 17 % der Items von den Kindern im Untertest W-Fragen nicht zielsprachlich verstanden wurden. Für diese geringe Anzahl an Items ist die Überschätzung mit 10 % relativ hoch, der Mittelwertunterschied (Analyse der Niveaukomponente) war jedoch nicht signifikant. Für 10 % der Items fehlte die Einschätzung der Sprachförderkräfte. Um ähnlich dem Wortschatz auch im Verständnis von W-Fragen die Überund Unterschätzungen genauer zu analysieren, wurden die Über- und Unterschätzungen in die drei vorhandenen W-Fragen-Typen (Subjekt-, Objekt- und Adjunktfragen) unterteilt (s. Abb. 24). Die Über- und Unterschätzung wird im Verhältnis zu der Anzahl der Items (eine Subjektfrage, drei Objektfragen und zwei Adjunktfragen je N=42) berechnet.

Abb. 24: Prozentuale Über- und Unterschätzung W-Fragen nach Typen zu T1

Der Anteil der Überschätzungen ist bei Adjunktfragen höher als bei Objektfragen, und bei Objektfragen höher als bei Subjektfragen. Dagegen ist der Anteil der Unterschätzungen bei Adjunktfragen höher als bei Subjekt- und Objektfragen. Bei den Adjunktfragen treten etwas häufiger Unter- als Überschätzungen auf. Bei den Objektfragen treten häufiger Über- als Unterschätzungen auf. Analysiert man die Über- und Unterschätzungen je Kind, zeigt sich, dass 26 Kinder in keinem Item von der Sprachförderkraft über- oder unterschätzt werden. Die Über- und Unterschätzungen verteilen sich demnach auf 16 Kinder. Im Mittel werden 0,43 Items unter- und 0,26 Items überschätzt. Das Minimum liegt jeweils bei 0 Item, das Maximum bei den Überschätzungen bei 2 Items, bei den Unterschätzungen bei 4 Items. Für die beiden exemplarischen Items des Untertests Verständnis von Verbbedeutungen liegt eine Übereinstimmung in mehr als 50 % der Items vor (s. Abb. 25).

Ergebnisse | 207

Abb. 25: Übereinstimmung Verbbedeutung zu T1

Es wird deutlich, dass sich Fehleinschätzungen im Verständnis von Verbbedeutungen vorrangig in einer Unterschätzung der sprachlichen Fähigkeiten des Kindes äußern (30 %). An diesem Untertest wird deutlich, dass das grobe Maß der Niveaukomponente diese Tendenz aufgrund der geringen Itemanzahl nicht zeigen konnte. Der negative Korrelationskoeffizient ist ein erster Hinweis. Deutlich wird die Tendenz zur Unterschätzung jedoch erst in der Darstellung der prozentualen Verteilung. Analysiert man die Über- und Unterschätzungen je Kind, zeigt sich, dass 23 Kinder in keinem der beiden Items von der Sprachförderkraft über- oder unterschätzt werden. Die Über- und Unterschätzungen verteilen sich demnach auf 19 Kinder. Der Mittelwert ist für die Unterschätzungen 0,60 Items je Kind und für die Überschätzungen 0,12 Item je Kind. Das Minimum liegt jeweils bei 0 Items, das Maximum bei den Überschätzungen bei 1 Item, bei den Unterschätzungen bei 2 Items. Mit insgesamt 77 % ist die Übereinstimmung in den Items des Untertests Sprachverständnis von Negation ebenso wie des Untertests W-Fragen hoch (s. Abb. 26). Die Fehleinschätzungen zeigen sich vorrangig in Unterschätzungen (13 %).

208 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten

Abb. 26: Übereinstimmung Negation zu T1

Die Analyse je Kind zeigt, dass 27 Kinder in keinem der drei Items von der Sprachförderkraft über- oder unterschätzt werden. 15 Kinder werden im Untertest Negation von der jeweiligen Sprachförderkraft über- und/oder unterschätzt. Der Mittelwert ist für die Unterschätzungen 0,41 Items je Kind und für die Überschätzungen 0,05 Items je Kind. Das Minimum liegt jeweils bei 0 Items, das Maximum bei den Überschätzungen bei 1 Item, bei den Unterschätzungen bei 2 Items. Sprachverständnis T2 Im Folgenden werden die SFK-Urteile zu T2 (durchschnittlich vier Monate später) am Ende des Vorlaufkurses beschrieben. Die Mittelwerte des SFK-Urteils liegen für die Items der Untertests Verbbedeutung und Negation – wie bereits zu T1 – minimal unter den Mittelwerten des Testergebnisses (s. Tab. 24 und 25). Tab. 24: Deskriptive Statistik der SFK-Urteile und der Testergebnisse: Verbbedeutung zu T2

Mittelwert (M) Standardabweichung (SD) Min. Max.

SFK-Urteil Max. = 2 1,45 ,768 0 2

Testergebnis LiSe-DaZ: Verbbedeutung Max. = 2 1,68 ,475 1 2

Ergebnisse | 209

Tab. 25: Deskriptive Statistik der SFK-Urteile und der Testergebnisse: Negation zu T2

Mittelwert (M) Standardabweichung (SD) Min. Max.

SFK-Urteil Max. = 3 2,70 ,535 1 3

Testergebnis LiSe-DaZ: Negation Max. = 3 2,77 ,430 2 3

Die Standardabweichung des SFK-Urteils liegt für die Items beider Untertests – ebenso wie zu T1 – über der des Testergebnisses, wobei der Unterschied in der Verbbedeutung größer ist als in der Negation. Für die Items des Untertests W-Fragen liegt der Mittelwert des SFK-Urteils, im Gegensatz zu T1, minimal über, die Standardabweichung minimal unter den Werten des Testergebnisses (s. Tab. 26). Tab. 26: Deskriptive Statistik der SFK-Urteile und der Testergebnisse: W-Fragen zu T2

Mittelwert (M) Standardabweichung (SD) Min. Max.

SFK-Urteil Max. = 6 5,42 ,987 3 6

Testergebnis LiSe-DaZ: W-Fragen Max. = 6 5,32 1,08 1 6

Für die Niveaukomponente zeigt sich, dass sich weder die Ränge der Items aus dem Untertest W-Fragen (Z = -,071, p = ,943) noch aus dem Untertest Negation (Z = -,775, p = ,499) signifikant von dem SFK-Urteil und dem Testergebnis unterscheiden. Der Unterschied für die Items aus dem Untertest Verbbedeutung ist jedoch signifikant (Z = - 2,646, p = ,008). Die Unterschätzung zeigt sich in der Niveaukomponente. Für die Korrelationskomponente besteht weder für die Items des Untertests W-Fragen noch des Untertests Negation ein signifikanter Zusammenhang zwischen SFK-Urteil und Testergebnis (W-Fragen: r = ,079, p = ,702; Negation: r = -,131, p = ,499). Trotz des Unterschieds zwischen SFK-Urteil und Testergebnis besteht für die Items des Untertests Verbbedeutung ein signifikanter Zusammenhang (r = ,888, p = ,000). Der Korrelationskoeffizient mit r=.888 gilt als hohe Korrelation und zeigt, dass trotz des signifikanten Unterschieds zwischen den Rängen (s. oben) ein klarer Zusammenhang zwischen SFK-Urteil und Testergebnis besteht. Die Itemanzahl für Verbbedeutung und Negation ist sehr ge-

210 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten ring. Die Ergebnisse sollten deshalb mit einer höheren Itemanzahl repliziert werden. Für den Bereich Sprachverständnis werden im Folgenden ergänzend zu Niveau- und Korrelationskomponente die Ergebnisse der Prozentkomponente für die drei Untertests aus LiSe-DaZ dargestellt. Die Übereinstimmung liegt für die W-Fragen bei 80 % (s. Abb. 27). Auch zu T2 ist keine klare Tendenz zur Über(8 %) oder Unterschätzung (6 %) zu erkennen. Die hohe Übereinstimmung, die sich in der Prozentkomponente zeigt, konnte durch die Korrelationskomponente nicht bestätigt werden.

Abb. 27: Übereinstimmung W-Fragen zu T2

Für die Verbbedeutung ist trotz einer Übereinstimmung von insgesamt 69 % weiterhin innerhalb der Fehleinschätzungen eine klare Tendenz zur Unterschätzung (23 %) zu erkennen, wie bereits durch die Niveaukomponente verdeutlicht (s. Abb. 28).

Abb. 28: Übereinstimmung Verbbedeutung zu T2

Ergebnisse | 211

Für die Items des Untertests Negation zeigt sich ein ähnliches Bild wie für den Untertest W-Fragen (s. Abb. 29).

Abb. 29: Übereinstimmung Negation zu T2

Die Übereinstimmung liegt bei 87 %. Wie bereits zu T1 überwiegen die Unterschätzungen (10 %) gegenüber den Überschätzungen (0 %). Die hohe Übereinstimmung zeigt sich allerdings auch zu T2 nicht in der Korrelationskomponente. Zu Beginn des Vorlaufkurses (T1) zeigt sich, dass die Urteilsgenauigkeit der Sprachförderkräfte von der sprachlichen Ebene (z.B. Syntax vs. Semantik) und der Modalität (Produktion vs. Verständnis) abhängt. Nicht alle Variablen sind für die von Helmke (2009) definierten Komponenten geeignet. Geht man jedoch davon aus, dass auch in der direkten Einschätzung in Form der einzelnen Items eines Sprachstandserhebungsverfahrens eine zumindest mittlere Korrelation, wie Hoge und Coladarci (1989) sie in ihrer Metaanalyse beschreiben, notwendig ist, zeigen die Daten, dass die Sprachförderkräfte dieses Kriterium nicht erreichen. Aus sprachdidaktischer Sicht ist relevant, wie sich die Ungenauigkeit in der Einschätzung äußert. Zum ersten Testzeitpunkt kann festgehalten werden, dass in allen sprachlichen Bereichen mindestens 50 % und bis zu 77 % der Items entsprechend dem Ergebnis der Sprachstandserhebung eingeschätzt werden. Über- und Unterschätzungen treten jedoch auf und schwanken bei den verschiedenen Aufgaben zwischen 15 % und 33 % der Items. Innerhalb der Fehleinschätzungen zeigt sich für die Satzstruktur, die Verbbedeutung und die Negation vorrangig eine Unterschätzung, während sich Fehleinschätzungen im Wortschatz vorrangig in Überschätzungen äußern.

212 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Die Ergebnisse haben sich von T1 zu T2 kaum verändert.56 Weiterhin zeigt sich für die Items aus den Untertests zum Sprachverständnis eine Übereinstimmung von 69 % und mehr. Auch am Ende der Sprachfördermaßnahme äußert sich eine Fehleinschätzung in der Satzstruktur, der Verbbedeutung und der Negation vorrangig in einer Unterschätzung. Bereits vorherige Studien warfen die Frage auf, inwieweit sich die Urteilsgenauigkeit zwischen Klassen bzw. Lehrern unterscheidet. Für die vorliegende Studie wird dies im Folgenden für die zwölf Sprachförderkräfte untersucht.

9.4.2 Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit zwischen Sprachförderkräften Um festzustellen, ob es Unterschiede in der sprachdiagnostischen Kompetenz zwischen den Sprachförderkräften gibt, wurde exemplarisch für zwei Untertests der Korrelationskoeffizient für jede Sprachförderkraft berechnet. Außerdem wurde untersucht, ob sich Sprachförderkräfte mit einer linguistisch-orientierten Fortbildung von Sprachförderkräften, die diese Fortbildung nicht besucht haben, unterscheiden. Sechs Sprachförderkräfte nahmen an einer linguistisch-orientierten Fortbildungsreihe des Sprachförderprogramms „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) teil und arbeiteten in der Sprachförderung nach diesem Programm. Die anderen sechs Sprachförderkräfte hatten keine Fortbildung (N=3) oder eine Fortbildung, die weniger umfangreich und nicht linguistischorientiert war (N=3), besucht.57 Der Vergleich zwischen Sprachförderkräften mit und ohne Teilnahme an einer linguistisch-orientierten Fortbildungsreihe mittels des Mann-Whitney-UTests zeigt, dass sich die beiden Gruppen für den Bereich Wortschatz statistisch nicht unterscheiden (s. Tab. 27).

||

56 Eine Testung auf Signifikanz war aufgrund der Auszählung der Übereinstimmung über mehr als ein Item je Untertest – im Gegensatz zum Untertest Satzklammer – für die Sprachverständnis-Untertests nicht möglich. 57 Die Sprachförderkräfte, die an der Fortbildungsreihe teilgenommen hatten, schätzten insgesamt 20 Kinder, die Sprachförderkräfte ohne Fortbildungsreihe schätzten insgesamt 22 Kinder ein.

Ergebnisse | 213

Satzklammer

Wortschatz

Tab. 27: Vergleich zwischen Sprachförderkräften mit und ohne Fortbildungsreihe: Wortschatz und Satzklammer

Übereinstimmung korrekt Übereinstimmung falsch Überschätzung Unterschätzung Fehlende Einschätzungen Übereinstimmung Überschätzung Unterschätzung

Sprachförderkräfte mit Fortbildungsreihe 9,6 (4,9)58

Sprachförderkräfte ohne Fortbildungsreihe 10,1 (3,7)

Unterschied

p = ,686

9,4 (5,4)

9,1 (6,3)

p = ,860

5,8 (3,5) 2,4 (3,1) 4,8 (6,3)

7,3 (4,1) 3,2 (3,3) 2,3 (4,0)

p = ,245 p = ,416 p = ,140

1359 2 5

13 0 9

p = ,749

Deskriptiv wird ein Unterschied deutlich. Sprachförderkräfte, die die Fortbildungsreihe besucht haben, haben im Vergleich zu den Sprachförderkräften, die die Fortbildungsreihe nicht besucht haben, z.B. im Mittel weniger Items aus dem Wortschatztest unter- bzw. überschätzt. Die Analyse für den Untertest Satzklammer zeigt keinen signifikanten Unterschied für die Anzahl der Übereinstimmungen. Für die Über- und Unterschätzungen in der Satzklammer zeigt sich deskriptiv ein geringer Unterschied. Sprachförderkräfte, die die Fortbildungsreihe nicht besucht haben, unterschätzen die Fähigkeiten häufiger im Vergleich zu den Sprachförderkräften, die die Fortbildungsreihe besucht haben (N=4). Hingegen überschätzen zwei Sprachförderkräfte, die die Fortbildungsreihe besucht haben, je ein Kind. Dies trifft auf keine Sprachförderkraft zu, die die Fortbildungsreihe nicht besucht hat. In Anlehnung an die Ergebnisse der VERA-Studie (Helmke & Hosenfeld o.J.) wurde außerdem die Urteilsgenauigkeit jeder Sprachförderkraft ausgewertet. Zum einen wurden die Korrelationskoeffizienten für die Items des Bereichs Wortschatz und zum anderen die Übereinstimmung und Über-/Unterschätzung

||

58 Für den Wortschatz werden Mittelwert und Standardabweichung (in Klammern) angezeigt. Je Kind wurde über alle Items hinweg ausgezählt, wie viele Übereinstimmungen, Über-, Unterschätzungen und fehlenden Angaben die jeweilige Sprachförderkraft hatte. Für die beiden Gruppen konnte ausgehend davon je ein Mittelwert für jede Kategorie errechnet werden. 59 Für die Satzklammer wird die absolute Häufigkeit angegeben.

214 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten für den Untertest Satzklammer für alle zwölf Sprachförderkräfte zu T1 ausgewertet (s. Tab. 28). Tab. 28: Urteilsgenauigkeit je Sprachförderkraft

SFK Id 1 2 3 4 5 6 7 8 10 13 14 15

Anzahl d. Kinder 3 2 5 4 3 2 3 4 4 4 4 4

Wortschatz KorrelationsSignifikanzkoeffizient niveau -,170 ,891 1,00 ,01 -,039 ,950 ,746 ,254 ,971 ,154 60

,721 -,850 ,971 ,108 ,219 ,526

,488 ,150 ,029 ,892 ,781 ,474

Satzklammer Anzahl ÜberAnzahl Übereinstimmung schätzung 2 1 2 4 1 1 3 2 1 1 1 2 (1 Unters.) 2 2 3 1 2 2 3 1 2 1 (+1 Unters.)

Für den Wortschatz zeigt sich für zwei Sprachförderkräfte eine positive signifikante Korrelation mit den Ergebnissen der Sprachstandserhebung (in Tab. 28 fett markiert). Für drei Sprachförderkräfte ergibt die Auswertung einen negativen Koeffizienten, für sechs Sprachförderkräfte liegt ein positiver, jedoch nicht signifikanter Koeffizient vor. Im Untertest Satzklammer stimmt SFK3 für vier von fünf Kindern, die sie eingeschätzt hat, mit der Sprachstandserhebung überein (in Tab. 28 fett markiert). SFK10 und SFK14 stimmen für drei von vier Kindern mit der Sprachstandserhebung überein (in Tab. 28 fett markiert). SFK2 überschätzt beide Kinder. Alle weiteren Sprachförderkräfte stimmen für einige Kinder mit der Sprachstandserhebung überein, überschätzen jedoch auch einige Kinder. Die einzigen Sprachförderkräfte, die ein Kind in diesem Untertest unterschätzen, sind SFK7 und SFK15. Wie die vorangehend beschriebenen Ergebnisse zeigen, besteht ein Unterschied zwischen den Sprachförderkräften. So korreliert das Urteil von SFK10 im Wortschatz sehr hoch mit dem Ergebnis der Sprachstandserhebung, und die Übereinstimmung im Untertest Satzklammer ist mit 75 % im Vergleich zu den anderen Sprachförderkräften hoch. SFK3 stimmt für 80 % der Kinder mit dem

||

60 Eine Korrelationsberechnung war nicht möglich, da mindestens eine Variable konstant ist (SPSS 19).

Ergebnisse | 215

Ergebnis des Untertests Satzklammer überein, jedoch ist die Korrelation im Wortschatz negativ und nicht signifikant. Es zeigt sich, dass die Urteilsgenauigkeit in Abhängigkeit vom sprachlichen Bereich (hier Lexikon vs. Syntax) variieren kann. Deutlich wird dieser Unterschied in den sprachlichen Bereichen auch bei SFK4 (hohe, jedoch nicht signifikante Korrelation im Wortschatz und 25 % Übereinstimmung in der Satzklammer). Die Urteilsgenauigkeit ist innerhalb der vorliegenden Stichprobe heterogen. In den beiden vorangehenden Teilstudien wurde gezeigt, dass die Urteilsgenauigkeit über die Zeit stabil ist. Zwischen den Sprachförderkräften bestehen jedoch Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit. Ergänzend zur Urteilsgenauigkeit wird in der folgenden Teilstudie aus sprachdidaktischer Perspektive untersucht, ob die Sprachförderkräfte in der Beurteilung des Förderbedarfs mit den Ergebnissen eines förderdiagnostischen Verfahrens übereinstimmen.

9.4.3 Übereinstimmung in der Beurteilung des Förderbedarfs Ziel der Sprachstandserhebung kann sowohl die Auswahl der Kinder mit Sprachförderbedarf (Selektionsdiagnostik) als auch die Sprachförderung (Förderdiagnostik) sein (s. Kap. 3.1). Für die Planung und Gestaltung der Sprachförderung sollen durch eine Förderdiagnostik Schwerpunkte für die Förderung basierend auf den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder formuliert werden. Das Sprachstandserhebungsverfahren LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) bietet die Möglichkeit, den Förderbedarf eines Kindes in den einzelnen Untertests aus den Ergebnissen abzuleiten (s. Kap. 9.3.2). Inwieweit die von den Sprachförderkräften bestimmten Förderschwerpunkte mit dem anhand der LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) bestimmten Förderbedarf übereinstimmen, wird im Folgenden untersucht. Die Ergebnisse werden in einem Vierfeldermodell (Übereinstimmung Förderbedarf ja/ja, Übereinstimmung Förderbedarf nein/nein, Falsch-positive und Falsch-negative) angegeben. Die Übereinstimmung in den Förderschwerpunkten wurde für die sechs Untertests Satzklammer, Kasus, Subjekt-VerbKongruenz, Verständnis von Verbbedeutung, W-Fragen und Negation (Schulz & Tracy 2011) zu T1 ausgewertet. Die Kategorisierung der von den Sprachförderkräften genannten Förderschwerpunkte wurde in Kapitel 9.3.6 beschrieben. Tab. 29 zeigt, für wie viele Kinder die Sprachförderkräfte einen Förderschwerpunkt in der Kategorie Satzklammer angegeben haben (N=26) und für wie viele Kinder sich in der Sprachstandserhebung LiSe-DaZ ein Förderbedarf im Untertest Satzklammer zeigt (N=15).

216 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Tab. 29: Übereinstimmung Förderbedarf Satzstruktur

Ja Sprachförderkräfte: Förderschwerpunkt Satzklammer

Ja Nein Σ

16 3 19

LiSe-DaZ: Förderbedarf Satzklammer Nein Σ 12 8 20

28 11 39

Bei drei Kindern haben die Sprachförderkräfte nur einen allgemeinen Förderbedarf, z.B. in Grammatik, angegeben. Diese Fälle wurden in die Analyse nicht einbezogen (s. auch Kap. 9.3.6). Bei drei Kindern haben die Sprachförderkräfte keinen Förderbedarf in der Kategorie Satzklammer angegeben, obwohl laut LiSe-DaZ ein Förderbedarf vorliegt. Für 24 von hier 39 Kindern61 stimmen die Sprachförderkräfte im Förderschwerpunkt Satzklammer mit dem Ergebnis des Sprachstandserhebungsverfahrens überein (in Tab. 29 fett). Für zwölf Kinder gehen die Sprachförderkräfte von einem Förderschwerpunkt Satzklammer aus, obwohl in der Sprachstandserhebung LiSe-DaZ im Untertest Satzklammer kein Förderbedarf festgestellt wurde. Dieses Ergebnis verdeutlicht erneut die Unterschätzung der untersuchten Kinder in diesem Bereich (s. auch Kap. 9.4.1). Die Untertests Subjekt-Verb-Kongruenz (SVK) und Kasus wurden zwar nicht in die Auswertung der Urteilsgenauigkeit einbezogen (s. hierzu auch Kap. 9.3.4), jedoch im Folgenden für den Vergleich des Förderbedarfs genutzt. Beide Untertests gehören zum Modul Elizitierte Produktion der Linguistischen Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (Schulz & Tracy 2011). Während die Sprachförderkräfte bei vielen Kindern eine genaue Angabe in der Kategorie „Satzstruktur“ machten (s. auch Kap. 9.3.6), ist dies nur bei wenigen Kindern für die Kategorie SVK und Kasus der Fall. Zu SVK zählten die folgenden Angaben der Sprachförderkräfte (N=14): „Beugung von Verben“ (z.B. SFK2), „Verbesserung beim Beugen der Verben“ (z.B. SFK10), „Verbformen“ (z.B. SFK13), „Formenbildung bei Verb“ (z.B. SFK15). Die Angabe „Verben“ (N=3) konnte nicht eindeutig dem Förderziel SVK zugeordnet werden, da es sich hierbei auch um ein Förderziel im Bereich Wortschatz

||

61 Für drei der insgesamt 42 Kinder gaben die Sprachförderkräfte Förderschwerpunkte an, die nicht eindeutig zugeordnet werden konnten („grammatikalische Verbesserung“, „grammatikalisch richtig sprechen“, „Grammatik“). Diese Kinder wurden aus der Analyse der Übereinstimmung des Förderbedarfs Satzstruktur ausgeschlossen.

Ergebnisse | 217

handeln könnte. Für den Bereich Kasus war eine genaue Zuordnung zur Kategorie für die Angaben „Kasus“, „Akkusativ“ und „Dativ“ möglich (N=28). Angaben wie „richtige Verwendung der Artikel“ (N=9) beziehen sich nicht direkt auf den Kasus, da durch den Artikel sowohl der Kasus als auch das Genus markiert werden. Angaben zur korrekten Artikelverwendung wurden deshalb erst in einem zweiten Analyseschritt hinzugezogen (s. Tab. 30 Angaben in Klammern). Tab. 30: Übereinstimmung Förderbedarf Kasus

Ja Sprachförderkräfte: Förderschwerpunkt Kasus

LiSe-DaZ: Förderbedarf Kasus Akkusativ Dativ Nein Σ Ja Nein

Σ

Ja

4 (+1)

3 (+8)

7

5 (+3)

3 (+6)

8

Nein Σ

6 10

15 18

21 28

6 11

14 17

20 28

Im Untertest Kasus zeigt sich eine hohe Übereinstimmung (N=19 von 28) für den Förderbedarf im Akkusativ und Dativ. Bezieht man außerdem die Angaben der Sprachförderkräfte in die Analyse ein, die sich auf die Artikelverwendung allgemein beziehen, liegt die Übereinstimmung für den Akkusativ bei 20 und für den Dativ bei 22. Jedoch haben hier sechs Kinder im Akkusativ und sechs Kinder im Dativ einen Förderbedarf, der von den Sprachförderkräften nicht festgestellt wurde. Jeweils für drei Kinder gehen die Sprachförderkräfte von einem Förderschwerpunkt im Kasus aus, obwohl kein Förderbedarf im Untertest Kasus bestand. Berücksichtigt man zudem die Angaben zur Artikelverwendung, erhöht sich die Zahl um acht Unterschätzungen im Akkusativ und um sechs Unterschätzungen im Dativ (Zahlen in Klammern). Für den Untertest Subjekt-Verb-Kongruenz konnte für alle 42 Kinder eine Kategorisierung der Förderschwerpunkte vorgenommen werden (s. Tab. 31). Tab. 31: Übereinstimmung Förderbedarf Subjekt-Verb-Kongruenz (SVK)

Sprachförderkräfte: Förderschwerpunkt SVK

Ja Nein

LiSe-DaZ: Förderbedarf Subjekt-Verb-Kongruenz Ja Nein Σ 7 4 11 24 7 31

Σ

31

11

42

Es zeigt sich eine Überschätzung der morphologischen Fähigkeiten der Kinder in diesem Bereich. Zwar stimmen die Sprachförderkräfte für 14 Kinder mit den Ergebnissen der Sprachstandserhebung überein. Für 24 Kinder sehen die

218 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Sprachförderkräfte jedoch keinen Förderschwerpunkt in diesem Bereich, obwohl die Kinder nach LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) förderbedürftig sind. Auch hier können didaktische Erwägungen dazu führen, dass die Subjekt-VerbKongruenz aus der Perspektive der Sprachförderkräfte zur Zeit der Datenerhebung keinen Förderschwerpunkt darstellt. Für fünf Kinder nehmen die Sprachförderkräfte einen Förderschwerpunkt in der SVK an, obwohl die Kinder in LiSe-DaZ hier keine abweichenden Strukturen produziert haben. Für das Sprachverständnis stellt Tab. 32 eine Übersicht für die drei Untertests des Moduls Sprachverständnis dar. Tab. 32: Übereinstimmung Förderbedarf Sprachverständnis

Sprachförderkräfte: Förderschwerpunkt Sprachverständnis

Ja

LiSe-DaZ: Förderbedarf Sprachverständnis Verbbedeutung W-Fragen Negation Ja Nein Σ Ja Nein Σ Ja Nein Σ 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Nein

1

41

42

10

30

40

22

20

42

Es wurde für kein Kind ein Förderschwerpunkt in einem Bereich des Sprachverständnisses von den Sprachförderkräften angegeben. 15 Kinder haben in LiSeDaZ keinen Förderbedarf in den drei Untertests zum Sprachverständnis. Alle anderen 27 Kinder haben mindestens in einem Untertest des Moduls Sprachverständnis einen Förderbedarf, der von der jeweiligen Sprachförderkraft nicht als Förderschwerpunkt angegeben wurde. Sechs Kinder haben in zwei Untertests einen Förderbedarf, der von der jeweiligen Sprachförderkraft nicht als Förderschwerpunkt angegeben wurde. Im Gegensatz zu der hohen Übereinstimmung in der Einschätzung der Items dieser Untertests (s. Kap. 9.4.1) zeigt sich in der Auswertung der Förderschwerpunkte eine deutliche Überschätzung der rezeptiven Fähigkeiten der Kinder. In weiteren Studien gilt es zu untersuchen, warum die Sprachförderkräfte sich in den formulierten Förderschwerpunkt ausschließlich auf produktive Fähigkeiten beziehen.

9.4.4 Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Eine weitere Fähigkeit innerhalb des Kompetenzbereichs Ableitung des Förderbedarfs und der Förderziele ist die Fähigkeit zur Beschreibung und Dokumentation sprachlicher Fähigkeiten. Wie bereits in Kapitel 9.3.1 erläutert, wurden die Sprachförderkräfte, bevor sie den Fragebogen zur Urteilsgenauigkeit ausfüllten,

Ergebnisse | 219

in einem Interview gebeten, die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu beschreiben. Außerdem wurden sie gebeten, Dokumentationsbögen oder Berichte (falls vorhanden) zur Verfügung zu stellen. Um diese Fähigkeit an einem konkreten Fall zu verdeutlichen, werden im Folgenden für ein Kind die Beschreibungen der Sprachförderkraft im fokussierten Interview vorgestellt. Hierbei handelt es sich um die Äußerung der Sprachförderkraft, angeregt durch die offene Aufforderung der Interviewerin, die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zum Zeitpunkt des Interviews zu beschreiben. Außerdem wird das zur Verfügung gestellte Material analysiert. Hierbei handelt es sich um die Dokumentation der Sprachförderkraft, die sie zu Beginn und am Ende des Vorlaufkurses für sich erstellt hat. Der Bericht, den die Sprachförderkraft verfasst hat, wird außerdem der Schulakte des Kindes beigelegt, so dass sich u.a. die Lehrkraft, die das Kind im ersten Schuljahr unterrichtet, einen Eindruck von den sprachlichen Fähigkeiten des Kindes aus der Sicht der Sprachförderkraft verschaffen kann. Die Methoden unterscheiden sich hinsichtlich der Adressaten (Interviewerin vs. Förderplanung der Sprachförderkraft vs. Kollegen) und der Dokumentationsform (mündlich vs. schriftlich). Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beschreibungen werden gegenübergestellt. Die Sprachförderkraft SFK13 unterrichtet den Vorlaufkurs seit zwei Jahren. Das Mädchen, deren sprachliche Fähigkeiten sie beschreibt, ist 6 Jahre alt und hat zu T1 seit 32 Monaten Kontakt zum Deutschen. Ihre Erstsprache ist Türkisch. Zum Zeitpunkt des Interviews besteht der Vorlaufkurs seit vier Wochen. SFK13 beschreibt die sprachlichen Fähigkeiten zu T1 wie folgt: SFK13: „Also ich fange jetzt einfach mal mit M. an, die ja heute auch da noch mal zum zweiten Mal da war. Die M., die ist, nachdem sie so bisschen schüchtern und zurückhaltend und schweigsam war, taut sie so'n bisschen auf und spricht überhaupt erst mal mehr. Da hat M. am Anfang sehr wenig gesprochen, ähm ist aber jetzt so sehr lebhaft eigentlich und spricht viel. Die hat Probleme ähm auch ähm also von der Aussprache her. Das sind da auch so die die die die sch- und s-Laute. Ähm was jetzt so die des Deutsche betrifft, ist es also die Artikel, also Genus und Kasus, also jedes, beides. Das ist eigentlich bei allen durchgängig. Bei ihr ist es also stärker. (I: Ja.) Gibt da ja Nuancen Pluralbildung, Präpositionen, also das ist meistens bei oder im das geb ich ihnen gleich weiter ähm also Plural, Präposition und was bei ihr aufgefallen ist ähm, dass auch diese Subjekt-VerbKongruenz, aber also nicht nur bei unregelmäßigen Verben ähm hat sie Schwierigkeiten, sondern schon bei diesen Übereinstimmung. Ja, das ähm macht ihr auch schon noch Schwierigkeiten ähm längere Sätze, Nebensätze sind schwierig. Das ist so M. ähm der Wortschatz, vom also Sprachverständnis gibt's eigentlich wenig Probleme. Da fehlen ihr manchmal jetzt, aktiv fehlen ihr manche Wörter, aber sie kramt doch ne ganze Menge Begriffe raus. Also da ist sind, ist so vieles so'n bisschen im Zwischenbereich, was jetzt vielleicht aktiviert wird so.“

220 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Im Interview beschreibt die Sprachförderkraft zunächst das sozial-emotionale und kommunikative Verhalten des Kindes (SFK13 „nachdem sie so bisschen schüchtern und zurückhaltend und schweigsam war“) und verbindet das mit der Sprechhäufigkeit (SFK13 „taut sie so'n bisschen auf und spricht überhaupt erst mal mehr“). Dann geht die Sprachförderkraft detaillierter auf die sprachlichen Fähigkeiten ein. Die Produktion einzelner Laute („sch“ und „s“) ist laut der Sprachförderkraft nicht zielsprachlich. Davon grenzt sie die Fähigkeiten im Deutschen (SFK13 „Ähm was jetzt so die des Deutsche betrifft“) ab. Ob dies bedeutet, dass die Schwierigkeiten in der Artikulation auch im Türkischen bestehen, kann anhand der vorliegenden Daten nicht geklärt werden. Die Sprachförderkraft spricht die Fähigkeiten im Bereich Wortschatz und Sprachverständnis an (SFK13 „eigentlich wenig Probleme. Da fehlen ihr manchmal jetzt, aktiv fehlen ihr manche Wörter, aber sie kramt doch ne ganze Menge Begriffe raus“) und grenzt diese von stärkeren Schwierigkeiten in der Grammatik ab. Hier differenziert die Sprachförderkraft zwischen Morphologie und Syntax. In der Morphologie spricht sie die Genus- und Kasuszuweisung und die Pluralbildung an und vergleicht die Fähigkeiten des Mädchens mit denen anderer Kinder (SFK13 „ist es also die Artikel, also Genus und Kasus, also jedes beides. Das ist eigentlich bei allen durchgängig. Bei ihr ist es also stärker.“). An der Schnittstelle Morphologie und Syntax geht die Sprachförderkraft auf die Subjekt-VerbKongruenz ein und verweist darauf, dass das Kind nicht nur bei unregelmäßigen Verben, sondern auch bei regelmäßigen Verben Schwierigkeiten habe. In der Syntax bereiten dem Mädchen laut der Sprachförderkraft „längere Sätze, Nebensätze“ Schwierigkeiten. Sie ordnet das Kind im „Zwischenbereich“ (SFK13) ein. Der Bezugsrahmen oder die Norm dieses „Bereichs“ bleibt an dieser Stelle undefiniert. Zu T2 beschreibt die Sprachförderkraft die sprachlichen Fähigkeiten wie folgt. Während dieses Interviews nutzt die Sprachförderkraft den „Beurteilungsbogen für Vorlaufkinder“ (s. Abb. 50 und 51 im Anhang S. 302f.), den sie am Ende des Vorlaufkurses für jedes Kind ausgefüllt hat, als Orientierung. I: „Wenn Sie die sprachlichen Fähigkeiten der Vier beschreiben müssten zum heutigen Zeitpunkt, was würden Sie da nennen?“ SFK13: „Ja dann fang ich mal mit M., weil ich das jetzt hier gleich schon so ähm aufgeschlüsselt habe also.“ I: „Ja.“ SFK13: „Die M. hat ähm ihren aktiven Wortschatz sehr erweitert. Ich hab ein bisschen Schwierigkeiten, den jetzt so einzuschätzen in dem Vergleich zu anderen, aber das ist ein

Ergebnisse | 221

prinzipielles Problem. Da also, sie hat sich sehr viel mehr Wörter gemerkt. Die hatte ja auch so Wortfindungsschwierigkeiten. Das hat sich gebessert. Sie hat es zum Teil noch, aber sie hat ihren, wirklich, kann sich viel differenzierter ausdrücken, verwendet nicht immer wieder dieselben Wörter, oder mh sucht so oft nach Wörtern, wie sie das getan. Das hat sich wirklich auffällig verbessert. Sie versteht eigentlich ähm alle Arbeitsanweisungen, auch kleine Geschichten und ähm Handlungsabläufe, und ähm das erfasst sie. Braucht da eigentlich also nicht mehr als irgendein anderes Kind, und dann hat es vielleicht auch inhaltliche Probleme und nicht sprachliche ähm. Sie hat noch Schwierigkeiten mit ähm ja mit dem Satzbau, eigentlich nicht, also das Bauprinzip ist ihr klar, aber sie macht halt grammatische Fehler nach wie vor. Also ähm der Artikel beim Subjekt, da ist sie auch viel sicherer geworden und es gibt schon noch Wörter, bei denen es falsch ist, und dann Dativ, Akkusativ, die Form da hat sie noch große Schwierigkeiten oder auffällig. Jedenfalls beim Subjekt hat sich das ganz gut getan ähm auch bei den Präpositionen ist das noch ganz oft „bei“ dieses Universalwörtchen, aber ähm sie stutzt dann oft. Also es ist so ein Bewusstsein entstanden, und setzt es dann richtig ein. Oder wenn sie merkt, das steht jetzt im Mittelpunkt der Übung und konzentriert sich drauf, dann sind ist das bei den Präpositionen auch viel besser geworden, als es am Anfang war. Also ich habe sie so in die mittlere Schiene eingeschob eingestuft, und das hätte ich am Anfang da nicht gemacht. Sie kann ähm bei Bildergeschichten die richtige Reihenfolge absolut wiedergeben. Das ist jetzt ähm natürlich sprachlich nicht immer ganz korrekt formuliert, aber ähm das gibt sie verständlich wieder. Sie kann sich also auch ganz verständlich ausdrücken. Und ähm beim Erzählen ist es eben noch nicht so differenziert, wie es sein könnte, weil ihr dann doch da oder dort eben mal ein Wort fehlt. Aber ähm sie hat ein großes Interesse, auch die Sprache zu lernen und die zu verbessern. Und das, denke ich, wird sie jetzt auch in Zukunft, wenn sie dann wirklich in der Schule ist und so ein ständiger Sprach . zusammenhang da ist ähm, wird sie sich da noch weiter verbessern. Ja das ist so zum momentanen Stand und impliziert so ein bisschen die Entwicklung eigentlich schon ja und . äh weitere Förderung? Also sie soll in logopädische Behandlung bleiben, weil auch diese Wortfindungsunsicherheiten, dass sie das noch weiter übt. Und äh ja einfach so Sprach . defizite aufgrund von Zweisprachigkeit sind ja noch da, und da ist es gut. Und was sie in der Schule betrifft, so werde ich ja am Anfang zumindestens in den Stunden ja zu nem großen Teil ja mit in den ersten Schuljahren sein und hoffe, dass ich dann diese Kinder eben vielleicht auch mit anderen zusammen noch mal besonders unterstützen und fördern kann.“ I: „Was wären bei so ner Unterstützung im ersten Schuljahr so die die großen Baustellen bei M., die Sie angehen würden sprachlich?“ SFK13: „Ähm, … ja, äh die Grammatik (I: Okay), die Grammatik, ähm ja Verb, ähm richtige Verb für‘s Subjekt, obwohl das ist auch ganz gut geworden eigentlich, aber ja die Schwierigkeiten, die sie da grammatisch hat beim Satzbau, ob bei den Objekten den richtigen Fall da einzusetzen, Artikel oder auch ähm wenn da an an an . Adjektiv oder so was dabei steht und Präposition. Das denke ich, das muss es sein. Ähm was den Wortschatz, den aktiven betrifft, ich denke, das wird sich entwickeln, ja ähm weiterentwickeln, ohne dass man da jetzt noch mal ganz gezielt Übungen macht. Sondern auf die Grammatik bezogen muss man da noch was tun.“

222 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten I: „Ja also das heißt, auch M. wird ins erste Schuljahr eingeschult?“ SFK13: „M. wird ins erste Schuljahr eingestuft, ja, eingeschult.“

Zu T2 betont die Sprachförderkraft, dass das Kind seine lexikalischen Fähigkeiten erweitert hat. „Wortfindungsschwierigkeiten“, die am Anfang laut der Sprachförderkraft zu beobachten waren, sind weniger geworden; dennoch ist eine sprachtherapeutische Behandlung aus ihrer Sicht weiterhin erforderlich. Erneut nennt die Sprachförderkraft die Präpositionen als eine besondere Schwierigkeit (SFK13 „auch bei den Präpositionen ist das noch ganz oft bei dieses Universalwörtchen“). In der Morphologie ist die Genuszuordnung laut der Sprachförderkraft inzwischen sicherer, während der Kasus dem Mädchen weiterhin „große Schwierigkeiten“ bereitet. Die syntaktischen Fähigkeiten des Kindes im Satzbau haben sich entwickelt (SFK13 „also das Bauprinzip ist ihr klar“). Außerdem geht die Sprachförderkraft in ihrer Beschreibung auf die Erzählfähigkeiten des Kindes ein, z.B. eine Bildergeschichte verständlich zu beschreiben. Nur kurz spricht die Sprachförderkraft das Interesse an Sprache an (SFK13 „Aber ähm sie hat ein großes Interesse, auch die Sprache zu lernen und die zu verbessern“). Von Bedeutung für die Sprachförderkraft ist, dass das Kind weiterhin eine sprachtherapeutische Intervention erhält. Diese scheint parallel zum Vorlaufkurs initiiert worden zu sein, da auf dem Elternfragebogen zu T1 noch keine Sprachtherapie angegeben wurde. Für die weitere Sprachförderung, die die Sprachförderkraft in den ersten Wochen des ersten Schuljahres anbietet, sind Förderschwerpunkte weiterhin die Genus- und Kasuszuordnung sowie ggf. die Subjekt-Verb-Kongruenz und der Satzbau. Im Vergleich von T1 zu T2 wird deutlich, dass sich die Sprachförderkraft zu T2 noch mehr auf die Beantwortung der Frage nach den sprachlichen Fähigkeiten konzentriert. Die Beschreibung ist für die verschiedenen Sprachebenen sehr differenziert. Zu T1 beschreibt die Sprachförderkraft vor allem das, was das Kind noch nicht kann. Die „Rotstift-Perspektive“, die auch Tracy, Ludwig und Ofner (2010) sowie Klein (2000: 540) beschreiben, prägt die Beschreibung. Im Unterschied dazu beschreibt die Sprachförderkraft zu T2 sowohl das, was das Kind noch nicht kann (Schwierigkeiten), als auch das, was das Kind bereits erworben hat (Fähigkeiten). Innerhalb der Sprachebenen hat die Sprachförderkraft der Beschreibung nach kein Konzept, das es ihr ermöglicht, anhand des Spracherwerbs das Kind in seiner eigenen Entwicklung einzustufen und davon ausgehend die nächsten Förderziele abzuleiten. Möglicherweise stellt die Satzlänge, die sie zu T1 nennt, innerhalb der Syntax für die Sprachförderkraft jedoch einen Erwerbsprozess von kurzen zu langen Sätzen bzw. Nebensätzen dar.

Ergebnisse | 223

Neben den Interviews zu beiden Testzeitpunkten steht für dieses Kind der „Beurteilungsbogen für Vorlaufkinder“ zur Verfügung, den die Sprachförderkraft am Ende des Vorlaufkurses ausgefüllt hat (s. Anhang S 302f). Der Beurteilungsbogen wird von der Schulleitung und der Sprachförderkraft unterzeichnet. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit besteht, den Bogen der Schulakte des Kindes beizulegen. Der Bogen enthält Skalen zu den vier Bereichen „Emotionale Entwicklung“ (3 Items), „Soziale Entwicklung“ (3 Items), „Entwicklung der Motivation/Arbeitsverhalten“ (5 Items) und „Entwicklung der Sprache“ (12 Items). Für jedes Item steht eine fünfstufige Skala zur Verfügung, auf der die Beurteilung für das jeweilige Kind eingetragen werden soll. Außerdem gibt es ein Feld, in das „zusätzliche Fördermaßnahmen“, und ein Feld, in das „Bemerkungen“ eingetragen werden können. Der Bereich „Entwicklung der Sprache“ ist mit zwölf Items der ausführlichste Bereich. Die Formulierung des minimalen und maximalen Wertes der fünfstufigen Skala variiert je nach Item (s. Abb. 30). 4. Entwicklung der Sprache Sprachmotivation

gering

x hoch

Aktiver Wortschatz

noch gering

Passiver Wortschatz

versteht Aufgaben nicht

Satzbau

unvollständig, fehlerhaft

Artikel beim Subjekt

keine oder falsche Artikel

Artikel beim Objekt

keine oder falsche Artikel

x

korrekt

Präpositionen

verwendet nur eine od.

x

korrekt

x

reichhaltig x versteht Aufgaben

x

korrekt

x

korrekt

zwei Präp. Phonologische

zeigt noch Unsicherheiten

x sicher

falsche Reihenfolge

x richtige Reihen-

Bewusstheit Bildergeschichten

folge Erzählen

unvollständig, ungeordnet

x

Merkspanne

gering

x

Kinderliteratur

wenig Interesse

differenziert hoch x großes Interesse

Abb. 30: Ausschnitt aus dem Beurteilungsbogen für Vorlaufkinder (Original s. Anhang S. 302f)

Im Interview beschreibt die Sprachförderkraft sowohl ihre Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten anhand der Items des Beurteilungsbogens als auch darüber hinausgehende sprachliche Fähigkeiten (z.B. die Subjekt-VerbKongruenz und das Verständnis von Arbeitsanweisungen). Die Sprachförderkraft verwendet jedoch nicht die Adjektive, die in dem Bogen die „Beurteilungsskala“ darstellen, sondern ergänzt und ersetzt diese durch detaillierte Um-

224 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten schreibungen. Diese Umschreibungen enthalten zu T2 nicht nur ihre Einschätzung des Sprachstandes, sondern auch der Entwicklung des Kindes seit dem Besuch des Vorlaufkurses. Am Beispiel des Items „Satzbau“ wird auf die Unterschiede in Bezug auf die Terminologie, die die Sprachförderkraft verwendet und die ihr im Beurteilungsbogen zur Verfügung steht, eingegangen. Im Beurteilungsbogen ist auf einer fünfstufigen Skala von „unvollständig, fehlerhaft“ bis „korrekt“ einzutragen, wie die Sprachförderkraft den „Satzbau“ einschätzt. Die Sprachförderkraft nutzt für die Beschreibung der Fähigkeiten im Satzbau bereits zu T1 ein differenziertes Fachvokabular. Sie betont z.B. Schwierigkeiten in der Produktion von Nebensätzen. Die Erwerbsstufen innerhalb des Satzbaus lassen sich in dem Beurteilungsbogen nicht abbilden. Im Interview erläutert die Sprachförderkraft jedoch, dass das Kind noch die Nebensatzstruktur erwerben muss. Zu T2 geht die Sprachförderkraft auf diesen Erwerbsschritt nicht im Detail ein. Sie geht davon aus, dass das Kind das „Bauprinzip“ (SFK13) der Sätze erworben hat, jedoch grammatikalisch noch Fehler produziert. Ob sich diese Fehler auf den Satzbau oder auf andere grammatische Phänomene beziehen, bleibt an dieser Stelle offen. In einem späteren Absatz nennt die Sprachförderkraft jedoch als grammatische Fehler im Zusammenhang mit dem Satz die Produktion des falschen Kasus. Sie unterscheidet nicht eindeutig zwischen den verschiedenen Erwerbsbereichen bzw. unterscheidet sie innerhalb der Grammatik nicht zwischen Morphologie und Syntax (z.B. Kasus vs. Satzstruktur). Das Sprachverständnis muss in dem Bogen nicht beurteilt werden. Im Interview geht die Sprachförderkraft jedoch auf das Verständnis von „Arbeitsanweisungen“, „kleinen Geschichten“ und „Handlungsabläufen“ (SFK13) ein. Unklar ist, worin die Sprachförderkraft in Bezug auf das Verständnis von Geschichten den Unterschied zwischen Inhalt und Sprache sieht. Als „Bemerkungen“ schreibt SFK13 in den Beurteilungsbogen Folgendes: „M. ist ein aufgeschlossenes und freundliches Mädchen. Zu Beginn des Vorlaufkurses war sie eher zurückhaltend und still. Im Laufe der Zeit wurde ihr die neue Umgebung vertraut und sie ging auf die Kinder zu, die sie vorher nicht kannte. Sie war in der Gruppe anerkannt, hatte zu allen guten Kontakt und verhielt sich kooperativ und hilfsbereit. Sie beteiligte sich regelmäßig mit Interesse und Lernfreude an Gesprächen, am Lernen und an den Spielen. Beim Aufsagen und Singen unserer Verse und Lieder hat sie sich mit Freude beteiligt und konnte sie sich nach angemessener Übung merken und wiedergeben. Ihre sprachlichen Leistungen haben sich im Laufe des Vorlaufkurses verbessert. Ihr aktiver Wortschatz hat sich merklich erweitert. Sie ist sicherer bei der Pluralbildung von Nomen und

Diskussion der Ergebnisse | 225

dem richtigen Gebrauch von Präpositionen und Artikeln beim Subjekt. Auch ihr Satzbau (Subjekt-Verb-Kongruenz) hat sich verbessert. Arbeitsaufträge und Aufgabenstellungen hat sie sprachlich erfassen und Handlungsabläufe oder kleine Geschichten richtig ordnen und wiedergeben können.“

In den ersten beiden Absätzen dokumentiert die Sprachförderkraft ihren Eindruck des Sozial- und Arbeitsverhaltens. Anschließend beurteilt sie das Kurzzeitgedächtnis des Kindes und betont dessen Motivation. Danach zieht die Sprachförderkraft ein positives Fazit für die Sprachentwicklung im Verlauf des Vorlaufkurses und führt hierfür Beispiele aus den Bereichen Wortschatz und Morphologie an. In den Bemerkungen ist die Subjekt-Verb-Kongruenz ein Beispiel oder ein Bestandteil des Satzbaus. Morphologische und syntaktische Fähigkeiten werden demnach erneut nicht getrennt betrachtet. Im letzten Absatz geht die Sprachförderkraft kurz auf das Anweisungsverständnis und das Ordnen von Geschichten (vermutlich Bildergeschichten) ein.

9.5 Diskussion der Ergebnisse Im Folgenden werden die Ergebnisse der vier Teilstudien in Beziehung zu den Anforderungen an Sprachstandserhebungen und damit verbunden an Sprachförderkräfte sowie den Stand der Forschung gesetzt. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass aufgrund der Stichprobengröße eine weitere Überprüfung der Ergebnisse dieser quantitativen Studie erforderlich ist. Studie C1: Urteilsgenauigkeit Die Urteilsgenauigkeit der Sprachförderkräfte hängt den Ergebnissen der Studie C1 zufolge von den sprachlichen Bereichen ab. Frage C1.1 dieser Studie, wie genau die Sprachförderkräfte den Sprachstand der Kinder im Vergleich zu standardisierten Sprachstandserhebungsverfahren einschätzen, kann demnach nicht pauschal beantwortet werden, sondern ist für jeden sprachlichen Bereich einzeln zu diskutieren. Eine Veränderung der Übereinstimmung zwischen T1 und T2 (Frage C1.2) ist nicht festzustellen. Die Urteilsgenauigkeit bleibt wie auch in der Studie von Lorenz und Artelt (2009) stabil. Um die Übereinstimmungen mit anderen Studien zur Urteilsgenauigkeit zu vergleichen, wird aufgrund des ähnlichen Designs die Studie von Dörfflinger et

226 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten al. (2011) hinzugezogen.62 Innerhalb der drei Untertests zum Sprachverständnis ist im Unterschied zu der Studie von Dörfflinger et al. (2011), die Übereinstimmungen zwischen 55 % und 62 % berichten, die Übereinstimmung zwischen Sprachstandserhebung und Einschätzung der Sprachförderkräfte mit 67 % bis 87 % hoch. Eine Ausnahme bildet die Übereinstimmung im Untertest Verbbedeutung zu T1, die mit 57 % vergleichbar mit den Ergebnissen von Dörfflinger et al. (2011) ist. Im Wortschatz und im Untertest Satzklammer zeigen sich zu T1 Übereinstimmungen für 60 % bzw. 62 % der Items. Diese Werte sind vergleichbar mit den Übereinstimmungen der Studie von Dörfflinger et al. (2011). Hingegen ist die Übereinstimmung von 52 % im Untertest Satzklammer zu T2 im Vergleich zu den Ergebnissen von Dörfflinger et al. (2011) niedriger. Ist das Ziel eine objektive Erfassung der sprachlichen Fähigkeiten, dann ist dies für den Untertest Satzklammer nicht mit der Einschätzung der Sprachförderkräfte, sondern nur mit entsprechenden Sprachstandserhebungsverfahren zu realisieren (auch Dörfflinger et al. 2011). Dörfflinger et al. (2011: 26) sind der Meinung, dass die in ihrer Studie erreichten Übereinstimmungen nicht ausreichen, und empfehlen eine Erfassung des Sprachförderbedarfs anhand eines standardisierten und normierten Tests. Diese Schlussfolgerung berücksichtigt jedoch nicht, dass auch ein Test lediglich die Sprachperformanz erfasst und auf dessen Basis werden Rückschlüsse auf die Sprachkompetenz des Kindes gezogen. Es sei zudem angemerkt, dass die Anwendung standardisierter Tests nur dann sinnvoll ist, wenn diese die Sprachförderkräfte im Sinne der von Fried (2008) beschrieben „professionellen Brille“ in der Sprachstandserhebung durch die Systematik unterstützen. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Einschätzungen der Sprachförderkräfte und den Ergebnissen der Sprachstandserhebung liegt zu T1 nur für den Wortschatz und zu T2 für den Untertest Verbbedeutung vor. H1 kann für den Bereich Wortschatz (nur zu T1 erhoben) und für den Untertest Verbbedeutung zu T2 bestätigt werden. Für die Untertests aus dem Modul Sprachverständnis besteht zu T1 und für die Untertests Negation und W-Fragen auch zu T2 keine signifikante Korrelation. H1, die besagte, dass zwischen den Einschätzungen der Sprachförderkräfte und den Ergebnissen der Sprachstandserhebung je Aufgabe des Verfahrens zu T1 und zu T2 ein signifikanter Zusammenhang bestünde, kann für diese Bereiche nicht bestätigt werden. Im Vergleich zu den

||

62 Das Design der Studie von Dörfflinger et al. (2011) ist zwar in Bezug auf die Auswertung mit der vorliegenden Studie vergleichbar, da in beiden Studien die Anzahl der Übereinstimmungen angegeben wurde. Die Studien unterscheiden sich jedoch in dem verwendeten Verfahren zur Sprachstandserhebung und in der Itemkonstruktion innerhalb des Beurteilungsfragebogens.

Diskussion der Ergebnisse | 227

Ergebnissen der Studie von Lorenz und Artelt (2009), die für den Wortschatz eine mittlere Korrelation von r = ,55 (T1) und r = ,54 (T2) feststellten, ist die Korrelation in dieser Studie mit r = ,408 niedriger. Ob dieser Unterschied mit den verschiedenen Erhebungsmethoden63 oder den unterschiedlichen Stichproben64 zu erklären ist, bleibt an dieser Stelle offen. In einer Literaturübersicht werden mittlere Korrelationen von r = ,62 bzw. r = ,69 zwischen Lehrerurteil und Testleistung berichtet (Hoge & Coladarci 1989: 303). Die in der Literaturübersicht enthaltenen Studien beschäftigen sich nicht mit dem Wortschatz, sondern vorrangig mit Lesefähigkeit und mathematischen Fähigkeiten. Dennoch kann die Übersicht als Vergleichsmaß dienen, welche Korrelation in Untersuchungen zur Urteilsgenauigkeit prinzipiell zu erwarten sind. Die Korrelation von r = ,405 im Wortschatz zu T1 stellt eine geringe Korrelation dar (Bühl 2008: 346). Schrader (2011) geht davon aus, dass eine mittlere Korrelation eine „für das unterrichtliche Handeln akzeptable Genauigkeit“ (Schrader 2011: 690) darstellt. Das bedeutet, dass bezugnehmend auf die Korrelationskomponente weder für den Wortschatz noch für die Untertests des Moduls Sprachverständnis von einer akzeptablen Genauigkeit für das Handeln in der Sprachförderung gesprochen werden kann. Mittels der Niveaukomponente ist für den Wortschatz, die Verbbedeutung und die Satzklammer ein signifikanter Unterschied festzustellen. Die Niveaukomponente belegt für die drei Untertests die Über- bzw. Unterschätzung, die sich in der Prozentkomponente bereits gezeigt hat. Für die anderen Untertests zeigen die nicht signifikanten Unterschiede möglicherweise, dass die Niveaukomponente „auch allgemeine Erwartungen und Urteilstendenzen wie Strengeoder Mildeeffekte oder Tendenzen zur Mitte oder zu extremen Urteilen“ (Schrader 2011: 690) widerspiegelt. Die Tendenz zur Mitte in diesen Untertests (Negation und W-Fragen) führt ggf. dazu, dass keine oder negative Korrelationen erzielt werden. Alle drei Komponenten (Niveau-, Streuungs- und Korrelationskomponente) beruhen auf dem mittleren Rohwert je Untertest. Um die tatsächliche Über- oder Unterschätzung sprachlicher Fähigkeiten, wie von Knapp (1999) postuliert, aufzuzeigen bzw. Übereinstimmungen zu verdeutlichen, wurde zusätzlich die Prozentkomponente ausgewertet. Insbesondere für die ordinalskalierten Entwicklungsstufen-Satzklammer ermöglicht diese Komponente eine Auswertung.

||

63 Lorenz und Artelt (2009) erfassten die Einschätzung über eine fünfstufige Skala und nicht für jedes Item. 64 Lorenz und Artelt (2009) erfassten alle Kinder einer Klasse und nicht nur die Kinder mit DaZ.

228 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten Darüber hinaus zeigt sie bei allen Untertests das Verhältnis zwischen Übereinstimmung und Fehleinschätzungen an. Tab. 33: Übersicht der Ergebnisse für alle fünf sprachlichen Bereiche (T2 in Klammern)

Wortschatz Satzklammer W-Fragen Verbbedeutung Negation

Korrelationskomponente

Niveaukomponente

r = ,405; p = 006 (-65) -66

p = ,006 (-)

n.s. (n.s) n.s (r = ,888; p = ,000) n.s. (n.s.)

p = ,013 (p = ,004)67 n.s p = ,003 (p = ,008) n.s.

Übereinstimmung 60 % (-)

Prozentkomponente ÜberUnterschätzung schätzung 20 % (-) 9 % (-)

62 % (52 %)

5 % (6 %)

33 % (39 %)

73 % (80%) 57 % (69 %)

10 % (8 %) 6 % (6%)

7 % (6%) 30 % (23 %)

77 % (87 %)

2 % (0%)

13 % (10%)

Abhängig von der sprachlichen Ebene, der Modalität (Produktion vs. Verständnis) und dem Spracherwerbsverlauf sind mehr oder weniger Über- und/oder Unterschätzungen festzustellen. Es scheint keine klare Tendenz zur Überschätzung sprachlicher Fähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache im Sinne der „verdeckten Sprachschwierigkeiten“ (Knapp 1999) zu geben. In Bezug auf die produktiv-syntaktischen Fähigkeiten von Kindern ist eher von verdeckten Sprachfähigkeiten auszugehen. Aus sprachdidaktischer Sicht relevant sind die Konsequenzen der Ungenauigkeit in beiden Ausprägungsformen. Geht man davon aus, dass die Sprachförderung im Sinne der Zone der nächsten Entwicklung am Spracherwerb orientiert gestaltet werden soll, würden im Fall „verdeckter Sprachschwierigkeiten“ Bereiche nicht gefördert, obwohl sie ausgehend vom Spracherwerb des Kindes Priorität hätten. Ursache hierfür wäre, dass die Schwierigkeiten nicht auffallen. Im Fall verdeckter Sprachfähigkeiten wird kostbare Zeit bei der Förderung auf Fähigkeiten verwendet, die das Kind bereits erworben hat. In dieser Studie wurde die direkte Urteilsgenauigkeit erfasst, d.h. die Sprachförderkräfte schätzten die sprachlichen Fähigkeiten anhand einzelner Items aus den Sprachstandserhebungsverfahren ein. In bisherigen Studien wurde meist die indirekte Urteilsgenauigkeit erfasst, z.B. in Form einer Skala je sprachlichem Bereich (u.a. Lorenz & Artelt 2009). Der Fragebogen mittels dem ||

65 Nur zu T1 erhoben. 66 Die Korrelationskomponente wurde aufgrund der ordinalskalierten Daten nicht berechnet. 67 Unterschied für ESS IV.

Diskussion der Ergebnisse | 229

das Urteil der Sprachförderkräfte erfragt wurde, lenkt die Aufmerksamkeit der Sprachförderkräfte auf spezifische sprachliche Phänomene (für die Einschätzung von Kindern mit Sprachauffälligkeiten Ygual-Fernandez et al. 2011). In Bezug auf die Erfassung der direkten Urteilsgenauigkeit ist zu reflektieren, wie hoch die zur Einschätzung vorgelegte Itemanzahl je Untertest sein muss, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. In der vorliegenden Studie variiert die zur Einschätzung vorgelegte Itemanzahl stark (Wortschatz N=32, W-Fragen N=6, Satzklammer N=4, Negation N=3 und Verbbedeutung N=2). Die Itemauswahl erfolgte anhand linguistischer (in LiSe-DaZ z.B. ein Item je W-Pronomen) und testtheoretischer Kriterien (im Wortschatz Verben und Nomen mit verschiedener Itemschwierigkeit). Studie C2: Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit zwischen Sprachförderkräften Frage C2 befasst sich mit möglichen Unterschieden in der Urteilsgenauigkeit zwischen Sprachförderkräften. Kunter et al. (2011: 59) nehmen an, dass Vorwissen und Vorerfahrungen einen Einfluss auf die professionellen Kompetenzen haben. Bisherige Studien zu diagnostischen Kompetenzen liefern erste Hinweise, dass auch die Urteilsgenauigkeit zwischen Lehrkräften mit unterschiedlicher Ausbildung (Grundschul- vs. Gymnasiallehrkräfte) variiert (u.a. Karing 2009). Auf Einzelfallbasis lassen sich für die beiden exemplarisch analysierten Untertests (Wortschatz und Satzklammer) Unterschiede feststellen. Demnach weisen die Korrelationskoeffizienten im Wortschatz eine Heterogenität auf. Während z.B. SFK4 drei von vier Kindern im Untertest Satzklammer überschätzt (75 %), überschätzen andere Sprachförderkräfte (z.B. SFK10) nur eines von vier Kindern (25 %). (H2.2) besagt, dass für jede Sprachförderkraft ein positiver Zusammenhang zwischen den Einschätzungen und den Ergebnissen der Sprachtests besteht. Diese Hypothese konnte – ausgewertet für den Wortschatz – nicht bestätigt werden, da nur für acht von zwölf Sprachförderkräften eine positive Korrelation vorlag. Anhand der vorliegenden Daten kann nicht erklärt werden, wie die Unterschiede zwischen den Sprachförderkräften (Korrelationkoeffizienten zw. r = -,850 und r = 1,00) zustande kommen. In weiteren Analysen könnten die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder in Bezug zur Urteilsgenauigkeit der Sprachförderkräfte gesetzt werden. Der Forschung zu „hochbegabten Underachievern“ (Rost & Hanses 1997) folgend könnte dadurch untersucht werden, ob eine Ursache für die Fehleinschätzungen verdeckte Sprachfähigkeiten der zweisprachigen Kinder sind. In Anlehnung an die Ergebnisse von Williams (2006) ist es auch möglich, dass die Grundschullehrkräfte weniger Erfahrung mit der Beurteilung der Sprachentwicklung von Vorschulkindern haben und sich deshalb von Sozialpädagogen mit ausgewiesener Expertise im Elementarbereich

230 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten unterscheiden. In weiteren Analysen sind mehrere Merkmale auf der Seite der Sprachförderkräfte zu erfassen und in Bezug zur Urteilsgenauigkeit zu setzen. In der vorliegenden Studie wurde der Unterschied in der Urteilsgenauigkeit zwischen Sprachförderkräften, die eine linguistisch-orientierte Fortbildung besucht haben, und Sprachförderkräften, die diese Fortbildung nicht besucht haben, untersucht (H2.1). Diese Auswertung erfolgte, wie in der Auswertung je Sprachförderkraft, exemplarisch für den Wortschatz und die Satzklammer. Es besteht kein signifikanter Unterschied zwischen SFK-Urteil und Sprachstandserhebung bei Sprachförderkräften mit und ohne Teilnahme an einer linguistisch-orientierten Fortbildung für den Wortschatz und den Untertest Satzklammer. Deskriptiv zeigt sich jedoch z.B., dass die Sprachförderkräfte, die die Fortbildungsreihe besucht haben, im Vergleich zu den Sprachförderkräften, die die Fortbildungsreihe nicht besucht haben, weniger Kinder im Untertest Satzklammer unterschätzen. Zwei Sprachförderkräfte, die die Fortbildungsreihe besucht haben, überschätzen allerdings je ein Kind, während dies auf keine Sprachförderkraft zutrifft, die die Fortbildungsreihe nicht besucht hat. Das Ergebnis vermittelt den Eindruck, dass die Qualifikation der Sprachförderkräfte keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Urteilsgenauigkeit hat. Grund hierfür könnte sein, dass die Fortbildung der Anwendung eines linguistischorientierten Förderprogramms, dem ein nicht-standardisierter Sprachtest (DfdSSprachtest) (Kaltenbacher 2008) vorausgeht, dient. Der DfdS-Sprachtest erfasst andere Fähigkeiten (z.B. den Erwerb des Genus). Nicht erfasst wird der hier untersuchte Bereich Wortschatz. Die Inhalte der Fortbildung und damit auch der dazugehörige Sprachtest bereitet die Sprachförderkräfte nicht explizit auf die Einschätzung des Wortschatzes vor. Die sprachlichen Fähigkeiten im Bereich Satzstruktur werden in dem Sprachtest nicht mittels einer Elizitierungsaufgabe, sondern durch die Beschreibung einer Bildergeschichte erfasst. Möglicherweise lassen sich Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit zwischen Qualifikationen nur dann nachweisen, wenn die Inhalte und Methoden der verwendeten Sprachstandserhebungsverfahren und die Inhalte der Fortbildung stärker aufeinander abgestimmt sind. Studie C3: Einschätzung der Förderschwerpunkte In einer weiteren Studie wurde der Förderbedarf der Kinder anhand der Ergebnisse von LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) mit den von den Sprachförderkräften im SFK-Fragebogen angegebenen Förderschwerpunkten verglichen. Diese Teilstudie bezieht sich auf den Kompetenzbereich 3 im Prozessmodell sprachdiagnostischer Fähigkeiten. Die Ergebnisse dieser Teilstudie bestätigen die Ergebnisse der Untersuchung der Urteilsgenauigkeit. Die Übereinstimmung der Sprachförderkräfte mit den Ergebnissen von LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011)

Diskussion der Ergebnisse | 231

variiert abhängig von dem sprachlichen Bereich, den es einzuschätzen gilt. Während für die Untertests Satzklammer, Kasus und Negation 20 bis 24 Übereinstimmungen vorliegen, stimmen die Sprachförderkräfte für die Untertests WFragen und Verbbedeutung bei 30 bzw. 41 mit dem Ergebnis des Sprachstandserhebungsverfahrens überein. Im Untertest Subjekt-Verb-Kongruenz gibt es jedoch nur bei 14 Kindern eine Übereinstimmung. Während sich im Untertest Satzklammer die Fehleinschätzungen überwiegend in Form von Überschätzungen zeigen (N=12), überwiegen im Untertest Subjekt-Verb-Kongruenz die Unterschätzungen (N=24). Es wird deutlich, dass sich eine hohe Urteilsgenauigkeit (z.B. in den Untertests Verbbedeutung und W-Fragen) darüber hinaus in einer hohen Übereinstimmung in der Festlegung von Förderschwerpunkten widerspiegeln kann. Die vergleichsweise niedrige Übereinstimmung in der Festlegung des Förderschwerpunkts im Untertest Negation (N=22) zeigt jedoch, dass dies nicht grundsätzlich der Fall ist. Wenn davon ausgegangen werden kann, dass die von den Sprachförderkräften angegebenen Förderschwerpunkte einen Einblick in die Gestaltung des Förderunterrichts bieten, hat dies ggf. Konsequenzen für den Erfolg der Sprachförderung. Die Kinder, die der Sprachstandserhebung nach eine gezielte Unterstützung im Bereich Negation benötigen, erhalten diese nicht. Auch dieses Ergebnis bestätigt die Annahme von Knapp (1999), dass Kinder mit Deutsch als Zweitsprache verdeckte Sprachschwierigkeiten haben. Gleiches gilt für sechs Kinder, die laut Sprachstandserhebung im Kasus, und für 24 Kinder, die laut Sprachstandserhebung in der Subjekt-Verb-Kongruenz einen Förderbedarf haben, der von den Sprachförderkräften nicht als Förderschwerpunkt angegeben wurde. Für beide Untertests liegen keine Ergebnisse zur Urteilsgenauigkeit der sprachlichen Fähigkeiten vor. Es ist unklar, ob die Sprachförderkräfte die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder in diesem Bereich überschätzen oder ob sie aus sprachdidaktischen Erwägungen andere Prioritäten in den Förderschwerpunkten setzen. Im Fragebogen wurden die Sprachförderkräfte gebeten, auf die folgende Frage zu antworten: „15) Welche sprachlichen Förderschwerpunkte sehen Sie für das Kind?“. Die Frage fordert die Sprachförderkräfte auf, die Schwerpunkte zu nennen. Es besteht die Möglichkeit, dass die Sprachförderkräfte diesen Förderbedarf erkannt haben, ihn jedoch zurzeit nicht als Förderschwerpunkt sehen. Dies könnte auf Kinder zutreffen, die in vielen Bereichen einen Förderbedarf haben, was eine Prioritätensetzung erfordert. Um diese Unklarheit zu umgehen, wäre es notwendig gewesen, die Sprachförderkräfte zu bitten, alle Bereiche zu nennen, in denen sie einen Sprachförderbedarf für das Kind sehen. Die Frage im Fragebogen bezog sich jedoch bewusst auf die sprachlichen Förderschwerpunkte, da davon

232 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten ausgegangen wurde, dass diese Frage für die Sprachförderkräfte schneller zu beantworten ist, als die Frage nach dem gesamten Sprachförderbedarf. Williams (2006) diskutiert, ob Ergebnisse, wie in Teilstudie C3 die falschnegativen Förderbedarfe, darauf zurückzuführen sind, dass Lehrer Kindergartenkinder bezugnehmend auf ihr Wissen über den Spracherwerb älterer Kinder beurteilen. Für die Vorschulkinder mit Deutsch als Zweitsprache dieser Studie stellt sich die Frage, ob die Sprachförderkräfte, von denen acht Grundschullehrer sind, ihren Sprachstand ebenfalls bezugnehmend auf ihr Wissen über den Spracherwerb älterer oder einsprachiger Kinder beurteilen. Hierzu bedarf es weiterer Untersuchungen, die die Konsequenzen vorschulischer Aufgaben, die von Grundschullehrern übernommen werden, in den Blick nehmen. In der vorliegenden Arbeit sind nur acht der zwölf Sprachförderkräfte Grundschullehrer. Die Sozialpädagogen (N=3) sind nicht ausschließlich für eine Altersgruppe ausgebildet. Jedoch besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass berufsspezifische Faktoren einen Einfluss auf das Handeln in der Sprachförderung haben. Der Besuch einer Fortbildungsreihe hat nach den in Teilstudie C2 vorgestellten Ergebnissen allerdings keine Auswirkungen auf die Urteilsgenauigkeit. Die Unterschätzung der sprachlichen Fähigkeiten in der Urteilsgenauigkeit im Untertest Satzstruktur führt in der Teilstudie zur Bestimmung des Förderbedarfs dazu, dass die Sprachförderkräfte hier bei Kindern einen Förderschwerpunkt annehmen, obwohl die Kinder die Nebensatzstruktur mit Verbendstellung bereits beherrschen. Das Phänomen der verdeckten Sprachfähigkeiten zeigt sich demnach nicht nur in der Urteilsgenauigkeit des Sprachstandes, sondern auch in der Bestimmung der Förderschwerpunkte. Wenn bereits erworbene sprachliche Fähigkeiten weiterhin gefördert werden, fehlen diese Ressourcen an anderer Stelle. Die Förderschwerpunkte sollten dort ansetzen, wo die Kinder in ihrem Erwerb noch Unterstützung benötigen. In weiteren Studien ist zu analysieren, welche sprachlichen Merkmale der Kinder mit DaZ und welche Persönlichkeits- und Qualifikationsmerkmale der Sprachförderkräfte die Einschätzung von Förderschwerpunkten beeinflussen. In weiteren Studies ist zu untersuchen, ob die Sprachförderung tatsächlich nicht adaptiv erfolgt und wenn ja, gilt es zu erproben, wie eine höhere Adaptivität der Sprachförderung, z.B. durch den Einsatz standardisierter Sprachstandserhebungsverfahren, erreicht werden kann. Den vorangehend diskutierten Teilstudien zur Urteilsgenauigkeit ist gemein, dass in einem praxisfernen Setting mittels eines Fragebogens die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten durch die Sprachförderkräfte erfasst wurde. Möglichkeiten einer praxisnahen Datenerhebung z.B. in Form von Dokumentenanalysen, die die Sprachförderkräfte ohnehin erstellen, gilt es in Zukunft zu erproben.

Diskussion der Ergebnisse | 233

Studie C4: Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten In der Teilstudie C4 wurden an einer Fallstudie die Beschreibung des Sprachstandes und die Verlaufsbeobachtung sowie deren Dokumentation untersucht (Frage C4). Hierzu wurde die Sprachförderkraft zu Beginn und am Ende des Vorlaufkurses in einem Interview zu den sprachlichen Fähigkeiten jedes Kindes befragt, und es wurde eine Dokumentenanalyse durchgeführt. Die Sprachförderkraft beschreibt die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes, das ihren Vorlaufkurs besucht, im Interview detailliert. Sie geht auf alle linguistischen Ebenen ein. Innerhalb der Sprachebenen hat die Sprachförderkraft jedoch anscheinend kein Konzept, das es ihr ermöglicht, das Kind anhand des Spracherwerbs in seiner eigenen Entwicklung einzustufen und davon ausgehend die nächsten Förderziele abzuleiten. Sie ordnet das Kind in einem „Zwischenbereich“ (SFK13) ein. Ob der Bezugsrahmen dieses „Bereichs“ andere Kinder gleichen Alters sind oder z.B. die Entwicklung auf dem Weg zu einer Sprachnorm, bleibt an dieser Stelle unklar. Die Sprachförderkraft hebt Schwierigkeiten stärker hervor als Fähigkeiten. In den Transkripten finden sich Belege für die „Rotstift-Perspektive“, die auch Tracy, Ludwig und Ofner (2010) sowie Klein (2000: 540) beschreiben. Allerdings zeigt die Sprachförderkraft, dass sie ebenso dazu in der Lage ist, die bereits erworbenen Fähigkeiten des Kindes zu benennen. Der Beurteilungsbogen weist einen starken Fokus auf produktive Fähigkeiten auf. Neben sprachlichen Bereichen enthält der Bogen Fragen zum Interesse des Kindes an Kinderliteratur. In den Bemerkungen der Sprachförderkraft auf dem Beurteilungsbogen sind die Verlaufsbeobachtungen notiert. Die Sprachförderkraft beschreibt eine Verbesserung der sprachlichen Leistungen im Verlauf des Vorlaufkurses und begründet diese mit einer „merklichen“ (SFK13) Erweiterung des aktiven Wortschatzes und dem sichereren Gebrauch der Pluralbildung. Ebenso wie im Interview ist beim Wortschatz unklar, welche Norm die Sprachförderkraft verwendet, um von einer „merklichen“ (SFK13) Erweiterung sprechen zu können. Die Interview- und Dokumentenanalyse veranschaulichen, wie die Sprachförderkraft die sprachlichen Fähigkeiten und die Entwicklung im Verlauf des Vorlaufkurses in eigenen Worten und anhand der Skala des Beurteilungsbogens beschreibt. Es zeigt sich ein Unterschied zwischen der mündlichen Beschreibung im Rahmen des Interviews und der schriftlichen Dokumentation. Die mündliche Beschreibung ist detaillierter und differenzierter als die schriftliche Dokumentation. Einzelne Aspekte der Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten, die relevant für die Förderung dieses Kindes sind, werden in der Dokumentation nicht genannt. Beispielsweise fehlen im Beurteilungsbogen der Schule die Be-

234 | Studie C: Urteilsgenauigkeit und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten schreibung der Wortfindungsschwierigkeiten, die Artikulationsprobleme sowie der Verweis auf die Bedeutung der sprachtherapeutischen Behandlung. Außerdem findet sich keine Formulierung von Förderzielen oder -schwerpunkten, die es z.B. im Rahmen des Anfangsunterrichts in der ersten Klasse zu beachten gilt. In weiteren Studien ist die Dokumentation der sprachlichen Fähigkeiten und der Förderplanung anhand weiterer Fälle zu untersuchen. Es ist bisher offen, welchem Zweck die Dokumentation aus Sicht der Sprachförderkräfte dient. Ergänzend zu Beobachtungs- und Interviewstudien liefern die Dokumente Informationen über den Grad der Differenzierung in der Sprachstandserhebung und die Fähigkeiten der Sprachförderkräfte, die Sprachförderung ausgehend von den Ergebnissen der Sprachstandserhebung adaptiv zu planen.

9.6 Zusammenfassung Studie C untersuchte die Urteilsgenauigkeit und die Beschreibung und Dokumentation sprachlicher Fähigkeiten als Maß der sprachdiagnostischen Fähigkeiten in Kompetenzbereich 2 und 3 des Prozessmodells (s. Kap. 5.3). Die Urteilsgenauigkeit der untersuchten zwölf Sprachförderkräfte variiert stark zwischen den sprachlichen Bereichen, die eingeschätzt wurden. Innerhalb der Fehleinschätzungen gibt es sowohl Evidenzen für Über- wie für Unterschätzungen. Die Urteilsgenauigkeit der Sprachförderkräfte ist zwischen den beiden Testzeitpunkten stabil. Für zwei exemplarisch analysierte Untertests (Wortschatz und Satzklammer) besteht außerdem eine große Heterogenität in der Urteilsgenauigkeit zwischen den zwölf Sprachförderkräften. Unterschiede zwischen Sprachförderkräften, die eine linguistisch-orientierte Fortbildungsreihe besucht haben, und Sprachförderkräften, die keine oder vorrangig ganzheitlichorientierte Fortbildungen besucht haben, sind für die Einschätzung des Wortschatzes nicht signifikant. Die Übereinstimmung zwischen der Einschätzung der Förderschwerpunkte durch die Sprachförderkräfte und dem durch LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) abgeleiteten Förderbedarf variiert ebenfalls zwischen den sprachlichen Bereichen. Überschätzungen zeigen sich in dieser Teilstudie z.B. in den Untertests zum Sprachverständnis. Unterschätzungen liegen bei der Ableitung des Förderbedarfs im Untertest Satzklammer vor. Dieser Befund deckt sich mit dem Ergebnis aus der Teilstudie zur Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten. Anhand eines Einzelfalls wurde gezeigt, wie detailliert eine Sprachförderkraft die sprachlichen Fähigkeiten – jedoch auch die Schwierigkeiten – eines Kindes in einem Interview beschreibt. Deutlich wurde, dass die detaillierte Beschreibung aus dem Interview sich nicht in der Dokumentation der Sprachför-

Zusammenfassung | 235

derkraft anhand eines Beurteilungsbogens der Schule widerspiegelt. Dementsprechend werden z.B. für die Förderung dieses Kindes relevante Informationen zwar im Interview, jedoch nicht in der Dokumentation genannt. Neben verdeckten Sprachschwierigkeiten zeigen sich in den Teilstudien auch verdeckte Sprachfähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache. Inwieweit die Sprachförderung an den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder ansetzt, wurde in dieser Studie nicht untersucht. Die Urteilsgenauigkeit lässt jedoch darauf schließen, dass eine adaptive Sprachförderung nicht in allen sprachlichen Bereichen erfolgt.

10 Implikationen Aus der theoretischen und empirischen Untersuchung der sprachdiagnostischen Kompetenz von Sprachförderkräften werden in diesem Kapitel Implikationen für die Qualifizierung von Sprachförderkräften und die Konzeption der Sprachdiagnostik und Sprachförderung abgeleitet. Ein erstes Ergebnis dieser Arbeit ist, dass die Sprachförderkräfte, die die Vorlaufkurse leiten, sehr unterschiedlich qualifiziert sind. Dies zeigt sich in der großen Variation der Art und des Umfangs ihrer Aus- und Fortbildung. Deutlich wird daran, dass die vorauszusetzenden Qualifikationen von Sprachförderkräften noch nicht klar definiert sind. Ein Qualifikationsrahmen für Sprachförderkräfte sollte entwickelt werden, damit deutlich wird, welche Voraussetzungen in Aus- und Fortbildung erfüllt sein müssen, um der herausfordernden Aufgabe der Sprachdiagnostik und Sprachförderung gerecht zu werden. Die Heterogenität in der Aus- und Fortbildung der Sprachförderkräfte lässt auf ein uneinheitliches Wissen schließen, welches es in Fortbildungsmaßnahmen berücksichtigt werden sollte. Eine Adaptivität der Fortbildungsmaßnahmen an den Wissensstand der Sprachförderkräfte ist sinnvoll. Müller et al. (2012) und Lengyel (2012) stellen fest, dass eine bloße Wissensvermittlung nicht ausreicht. Für die Sprachdiagnostik fordert Lengyel (2012), die Implementation von sprachdiagnostischen Tätigkeiten zu begleiten. Die vorliegenden Studien zeigen, dass diese Begleitung über den gesamten Prozess sprachdiagnostischer Fähigkeiten von der Auswahl, Vorbereitung und Durchführung der Sprachstandserhebungen über die Beurteilung individueller sprachlicher Fähigkeiten bis hin zur Ableitung des individuellen Förderbedarfs und der Förderziele notwendig wäre. In Studie A wurde die Heterogenität zwischen den Schulen in ihrem Vorgehen in den Sprachstandserhebungen belegt. Jede Schule hat eigene Konzepte und Vorstellungen entwickelt, wie der Sprachstand der Kinder zu erheben ist. Ein moderierter Austausch zwischen den Sprachförderkräften könnte mit der Vermittlung aktueller Erkenntnisse der (Zweit-)Spracherwerbsforschung, Sprachwissenschaft und Testtheorie verknüpft werden und so ausgehend von den individuellen Vorgehensweisen eine Reflexion über die verwendeten Inhalte und Methoden anstoßen. Die weitere Auswahl von Materialien und Verfahren würde durch eine gemeinschaftliche Analyse bestehender Konzepte und Verfahren erleichtert. Für die Sprachstandserhebungen im Rahmen der Schulanmeldung könnte diskutiert werden, ob der von van Ophuysen (2010) vorge-

Implikationen | 237

schlagene höhere Formalisierungsgrad, insbesondere für punktuelle Platzierungsentscheidungen, wie sie im Rahmen der Schulanmeldung für die Vorlaufkursempfehlung getroffen werden, sinnvoll ist. Beispielsweise könnten zentrale sprachliche Bereiche und sprachbiografische Faktoren festgelegt werden, die zu berücksichtigen sind. Die Reflexion der Beurteilung sprachlicher Fähigkeiten kann durch die Arbeit an Fallbeispielen von Kindern mit Deutsch als Erst- und Deutsch als Zweitsprache sowie durch die Interpretation mittels verschiedener Methoden gewonnener Daten angeleitet werden. Die Gefahr verdeckter Sprachschwierigkeiten und verdeckter Sprachfähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache, wie sie in Studie C deutlich wurden, sollte veranschaulicht werden. Daran könnte sich der Transfer in die Praxis anschließen, um die dort erzielten Ergebnisse in einer erneuten moderierten Supervision zu reflektieren. Die Ergebnisse der Studie B verdeutlichen, dass die Ableitung des individuellen Förderbedarfs und der individuellen Förderziele bisher selten erfolgt. Dieser notwendige Schritt, um eine adaptive Sprachförderung zu ermöglichen, ist bereits in der Aus- und Fortbildung zu erproben. Für die in der Praxis tätigen Sprachförderkräfte wäre auch für diesen Schritt eine Begleitung der sprachdiagnostischen Tätigkeit am Übergang zur sprachdidaktischen Tätigkeit in der Sprachförderung erforderlich. Die in Studie B analysierten Fälle zeigen, dass die Sprachförderkräfte teils auf ihre Fähigkeiten als Deutschlehrerinnen zurückgreifen. Davon ausgehend könnten die Besonderheiten in der Förderplanung der vorschulischen Sprachförderung herausgearbeitet werden. Für die Aus- und Fortbildung interessant ist, dass sich die detaillierte mündliche Beschreibung der Sprachförderkraft der Einzelfallstudie (s. Kap. 9.4.4) nicht in der schriftlichen Dokumentation widerspiegelt. Einzelne Aspekte der Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten, die relevant für die Sprachförderung dieses Kindes sind, werden in der Dokumentation nicht genannt. Die Einzelfallstudie zeigt auch, dass in der Aus- und Fortbildung die Bedeutung der sich an die Sprachstandserhebung und Verlaufsbeobachtung anschließenden Dokumentation für den Unterricht und der kollegiale Austausch stärker in den Vordergrund gerückt werden sollte. Gemeinsam mit den Sprachförderkräften könnten geeignete Dokumentationsbögen entwickelt und erprobt werden, die praktische Bedürfnisse ebenso berücksichtigen. Geeignete Formate der Aus- und Weiterbildung (bereits Rothweiler 2009) sowie die Begleitung der Implementation z.B. durch Supervisionen (bereits Müller, Geist & Schulz in Druck) und individuelle Coachings (z.B. erprobt in dem Projekt „frühstart“) sollten evaluiert werden. Die Entwicklung von geeigneten Konzepten für die verschiedenen Zeitpunkte der Sprachstandserhebung (Schulanmeldung, Beginn der Sprachförderung, Ende der Sprachförde-

238 | Implikationen rung/Übergang in die erste Klasse) könnten wissenschaftlich begleitet werden. Schrader (2006) schlussfolgert, dass informelle Diagnosen durch formelle Diagnosen (z.B. Testverfahren) abgesichert werden sollten, um die Fehleranfälligkeit und Verzerrung zu minimieren. Ob, und wenn ja, wie dies für den Bereich der Sprachstandserhebung im Schulalltag umzusetzen ist, sollte mit den Sprachförder-kräften und den Verantwortlichen Bildungsinstitutionen sowie Spracherwerbsforschern und Sprachdidaktikern diskutiert werden. Auf der Basis der Daten dieser Arbeit können außer für die Qualifizierung der Sprachförderkräfte auch Schlussfolgerungen für die Konzeption der Sprachdiagnostik und Sprachförderung am Übergang zwischen Kindertagesstätte (Kita) und Grundschule gezogen werden. Am Beispiel der hessischen Vorlaufkurse wurde deutlich, dass bisher ein Konzept der vorschulischen Sprachdiagnostik und Sprachförderung fehlt. Die Konzeption der Sprachdiagnostik und Sprachförderung obliegt in Hessen den Lehr- und Sprachförderkräften der Grundschulen. Dies führt zu einer sehr großen Heterogenität. Vor dem Hintergrund der Spracherwerbsforschung sollte ein Konzept der (vor-) schulischen Sprachdiagnostik und Sprachförderung, das auch den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule umfasst, entwickelt werden, um eine frühzeitige und kontinuierliche Unterstützung der sprachlichen Fähigkeiten, insbesondere von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache, zu ermöglichen. Dieses Konzept würde die Möglichkeit bieten, Ressourcen, die bisher für die Erstellung hausinterner Materialien verwendet werden, in die Qualifizierung und die tatsächliche Arbeit mit den Kindern in der Sprachdiagnostik und Sprachförderung zu verschieben. Ergänzend zu dem Konzept der institutionenübergreifenden Sprachdiagnostik und Sprachförderung in Kita und Grundschule sind Formate der Kooperation zu entwerfen. Evaluationen stellen die Erfolgs- und Qualitätskontrolle sicher. Die Qualifizierung der Fachkräfte würde ebenfalls institutionenübergreifend erfolgen und auf dem Konzept aufbauen. Die (vor)schulische Sprachdiagnostik in Kita und Grundschule erfolgt ergänzend zur medizinischen Sprachdiagnostik der Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen sowie der Schuleingangsuntersuchung. In der medizinischen Sprachdiagnostik steht die Differenzialdiagnostik zwischen Kindern mit und ohne Sprachentwicklungsstörung, die Einleitung von Sprachtherapie und die Ermittlung von Störungsschwerpunkten im Vordergrund (de Langen-Müller; Kiese-Himmel & Notterdaeme 2012). Ziel der (vor-) schulischen Sprachdiagnostik in Kita und Grundschule ist hingegen die frühzeitige Ermittlung von Kindern mit Sprachförderbedarf und die Initiierung der alltagsintegrierten Sprachförderung sowie der adaptiven Sprachförderung in Kleingruppen. Abb. 31 illustriert die Struktur eines Konzepts (vor-)schulischer Sprachdiagnostik und Sprachförderung in Kita und Grundschule, das auf Er-

Implikationen | 239

kenntnissen der Sprachwissenschaft, (Zweit-)Spracherwerbsforschung, Sprachdidaktik, Psychologie (insbesondere Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie und Testtheorie) sowie Erziehungswissenschaft fußt.

Abb. 31: Konzept der (vor-)schulischen Sprachdiagnostik und Sprachförderung in Kita und Grundschule

Neben der Konzeption der Sprachdiagnostik und Sprachförderung sowie der Qualifizierung der Sprachförderkräfte sollten die Rahmenbedingungen zu optimieren. Eine bessere Unterstützung der Sprachförderkräfte, die an deren Bedürfnissen ansetzt und den aktuellen Forschungsstand berücksichtigt, ist notwendig (hierzu u.a. Tracy 2007). Dazu zählt vor allem die Bereitstellung zeitlicher Ressourcen. Außerdem könnten finanzielle Ressourcen für die kontinuierliche Weiterbildung und die Möglichkeit der Supervision der Sprachstandserhebung und Sprachförderung zur Verfügung gestellt werden, damit die Sprachförderkräfte begleitet werden können. Die Forderungen richten sich weniger an die Sprachförderkräfte selbst, als vielmehr an die Bildungspolitik, die die Bedeutung der vorschulischen Sprachförderung durch ausreichende Ressourcen und die Qualifikation der Fachkräfte betonen könnte.

11 Fazit und Ausblick Aufgrund der Annahme verdeckter Sprachschwierigkeiten von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache einerseits und der Notwendigkeit einer adaptiven, d.h. an den individuellen sprachlichen Fähigkeiten ansetzenden, Sprachförderung andererseits, ist die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften von großer Bedeutung. In der vorliegenden Arbeit steht deshalb die sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften, die Vorschulkinder mit Deutsch als Zweitsprache in ihrem Zweitspracherwerb unterstützen, im Mittelpunkt. Sprachdiagnostische Kompetenz setzt sich nach dem Modell, das in dieser Arbeit entwickelt wurde, aus Wissen und Fähigkeiten zusammen. In dieser Arbeit wurden die Fähigkeiten der Sprachförderkräfte untersucht. Sprachdiagnostische Fähigkeiten bestehen aus drei Kompetenzbereichen: 1) Auswahl, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Sprachstandserhebungen 2) Beurteilung der individuellen sprachlichen Fähigkeiten und der Sprachentwicklung 3) Ableitung des individuellen Förderbedarfs und der Förderziele. In drei Studien wurden die sprachdiagnostischen Fähigkeiten von Sprachförderkräften anhand der folgenden Fragen untersucht: A: Wie gestalten die Sprachförderkräfte die Sprachstandserhebung? B: Wie rekonstruieren und reflektieren die Sprachförderkräfte das Konzept der Förderdiagnostik? C: Wie genau schätzen die Sprachförderkräfte den Sprachstand der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache im Vergleich zu standardisierten Sprachstandserhebungsverfahren ein? Studie A ist Kompetenzbereich 1 zuzuordnen, Studie B Kompetenzbereich 3 und Studie C Kompetenzbereich 2. Studie A Mittels eines Fragebogens und eines Leitfadeninterviews wurde erstmals an einer größeren Stichprobe (Fragebogen: N=47, Interview: N=20) untersucht, wie Sprachförderkräfte den Sprachstand erfassen. Das Untersuchungsfeld stellten die in Hessen 2002 eingeführten Vorlaufkurse dar: eine Sprachfördermaßnah-

Fazit und Ausblick | 241

me, die die Grundschule ein Jahr vor der Einschulung für Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen anbietet. Die Auswertung der Fragebögen zeigte, dass an vielen Schulen eine zweistufige Sprachstandserhebung erfolgt. So wird an den meisten Schulen der Sprachstand der Kinder im Rahmen der Schulanmeldung (39 von 47) und von den Kindern, die die Sprachfördermaßnahme besuchen, erneut zu Beginn der Sprachfördermaßnahme (37 von 47) erfasst. Nicht alle an den Schulen verwendeten Methoden und Inhalte werden den Anforderungen an Sprachstandserhebungen aus der Perspektive der Sprachwissenschaft, (Zweit)Spracherwerbsforschung, Testtheorie und Sprachdidaktik gerecht. So werden relevante sprachliche Bereiche wie die Grammatik nur an 51 % der Schulen erfasst; sprachbiografische Faktoren werden nur an 54 % der Schulen berücksichtigt. Außerdem kommen vorrangig nicht-standardisierte, hausinterne Aufgaben zum Einsatz (85 %). Besonders auffällig ist, dass das Vorgehen in beiden Sprachstandserhebungen in Bezug auf die Inhalte und Methoden zwischen den Schulen stark variiert. Ebenfalls sind an den Schulen jeweils unterschiedliche Personen bzw. Kombinationen von Personen an der Sprachstandserhebung im Rahmen der Schulanmeldung beteiligt. Diese Studie belegt die von Voet Cornelli (2008) sowie Kelle (2011) anhand von Fallstudien dargestellte Heterogenität in den Sprachstandserhebungen. Studie B Die Rekonstruktionen von neun Sprachförderkräften wurden in Bezug auf die Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung mittels eines Leitfadeninterviews untersucht. Das Konzept der Förderdiagnostik ist zwar in den Reflexionen von acht der neun analysierten Sprachförderkräfte enthalten, jedoch zeigen die Rekonstruktionen ihres Vorgehens, dass eine Umsetzung nur begrenzt erfolgt. So beschreibt lediglich eine Sprachförderkraft (SFK13) explizit, wie sie die Förderplanung an den im Erwerb folgenden Entwicklungsschritten zu orientieren versucht. Im Unterschied dazu steht u.a. eine Sprachförderkraft, die das Konzept der Förderdiagnostik zwar detailliert beschreibt, jedoch ihr förderdiagnostisches Vorgehen im Anfangsunterricht der ersten Klasse nicht auf ihr Vorgehen im Vorlaufkurs überträgt. Sie begründet dies mit nicht ausreichenden Kompetenzen. Die fünf Sprachförderkräfte, die mit dem Sprachförderprogramm „Deutsch für den Schulstart“ (Kaltenbacher 2008) arbeiten, reflektieren in den Interviews, dass anhand des im Sprachförderprogramm enthaltenen Sprachtests lediglich eine Platzierungsentscheidung möglich ist. Es wird deutlich, dass die in Kompetenzbereich 3 des Prozessmodells sprachdiagnostischer Fähigkeiten idealtypisch verankerte Ableitung des individuellen Förderbedarfs und der Förderziele (s. Abb. 5, S. 68) nicht bzw. nur in Ausnahmen erfolgt. Die

242 | Fazit und Ausblick von Wissenschaft und Bildungspolitik geforderte adaptive, d.h. am Sprachstand der Kinder orientierte, Sprachförderung findet den Rekonstruktionen der Sprachförderkräfte nach (noch) nicht statt. Studie C Im Mittelpunkt der Arbeit steht eine Studie, die die Urteilsgenauigkeit von zwölf Sprachförderkräften untersucht. Insgesamt wurden die sprachlichen Fähigkeiten von 42 Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (je ca. 4 Kinder pro Sprachförderkraft) durch die Sprachförderkräfte anhand eines Fragebogens eingeschätzt. Die gleichen Kinder wurden zudem mit zwei Sprachstandserhebungsverfahren (LiSe-DaZ, Schulz & Tracy 2011 und AWST-R, Kiese-Himmel 2005) getestet. Der Fragebogen zur Erfassung der Einschätzung der Sprachförderkräfte enthielt ausgewählte Items der Untertests der Sprachstandserhebungsverfahren. Die mit den Sprachstandserhebungsverfahren erfassten sprachlichen Fähigkeiten wurden mit den Einschätzungen der Sprachförderkräfte verglichen. Die Analysen ergaben, dass die zwölf untersuchten Sprachförderkräfte in zwei der drei Untertests zum Sprachverständnis von LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) eine hohe Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Sprachstandserhebung erzielen. Dagegen sind vor allem die geringe Übereinstimmung im Untertest Satzklammer auffällig. Für diesen Untertest sowie für den Untertest Verbbedeutung und den Wortschatz zeigen sich auch signifikante Unterschiede zwischen den Urteilen der Sprachförderkräfte und dem jeweiligen Ergebnis der Sprachstandserhebung. Diese bestätigen die Tendenz zur Überschätzung im Wortschatz und zur Unterschätzung in der Verbbedeutung sowie der Satzklammer. Dieses Ergebnis gibt einen Hinweis darauf, dass Kinder mit Deutsch als Zweitsprache nicht nur die von Knapp (1999) angenommenen verdeckten Sprachschwierigkeiten, sondern auch verdeckte Sprachfähigkeiten haben können. Die Konsequenz aus der Unterschätzung im Untertest Satzklammer zeigt sich auch in der Untersuchung zur Einschätzung der Förderschwerpunkte. Hier gehen einige Sprachförderkräfte von einem Förderschwerpunkt im Bereich Satzbau aus, obwohl die Kinder bereits die nächste Entwicklungsstufe (Nebensätze) erworben haben. Auffällig ist außerdem, dass sich die hohe Übereinstimmung im Sprachverständnis in den Ergebnissen zu den Förderschwerpunkten nicht widerspiegelt. Der Förderbedarf einiger Kinder im Bereich Sprachverständnis wurde von den jeweiligen Sprachförderkräften nicht erkannt. Trotz einer hohen Übereinstimmung in der Studie zur Urteilsgenauigkeit scheinen Schwierigkeiten im Sprachverständnis dennoch verdeckte Sprachschwierigkeiten zu sein. Die Ergebnisse zeigen, dass das im Prozessmodell angenommene aufeinander Aufbauen der sprachdiagnostischen Fähigkeiten nicht für alle sprachlichen

Fazit und Ausblick | 243

Bereiche zutrifft. So ist die Beurteilung des Sprachverständnisses von W-Fragen und Negation adäquat, jedoch folgt daraus nicht eine adäquate Ableitung des Förderbedarfs. Die Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten kann demnach übereinstimmend mit der Sprachstandserhebung sein, obwohl die Sprachförderkräfte diesen Bereich nicht selbst in ihrer Sprachstandserhebung erfasst haben. Im Unterschied dazu zeigt sich für den Untertest Satzklammer, dass der Bereich der Grammatik nicht von allen Sprachförderkräften erfasst wird (Studie A), eine adäquate Beurteilung nicht von allen Sprachförderkräften geleistet wird und eine abweichende Ableitung des Förderbedarfs im Vergleich zum Ergebnis der LiSe-DaZ (Schulz & Tracy 2011) erfolgt. Dieses Ergebnis ist demnach ein Beleg für das angenommene aufeinander Aufbauen der sprachdiagnostischen Fähigkeiten. Weitere Studien sind notwendig, um die Frage des Zusammenhangs der sprachdiagnostischen Fähigkeiten zu beantworten. Dass die Sprachförderkräfte die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder teils mit einer sehr hohen Übereinstimmung zum Sprachstandserhebungsverfahren einschätzten, hängt möglicherweise mit der Methode der direkten Einschätzung zusammen. In der direkten Einschätzung beurteilen die Sprachförderkräfte Items aus den Sprachstandserhebungsverfahren. Im Unterschied dazu wird in der bisherigen Forschung zur Urteilsgenauigkeit, die insbesondere aus der Pädagogischen Psychologie stammt, vorrangig die indirekte Einschätzung globaler sprachlicher Fähigkeiten erfasst. Ein Vergleich der direkten mit der indirekten Einschätzung, die nicht Urteile für spezifische Untertests verlangt, würde die Bedeutung der Erhebungsmethode für das Ergebnis aufklären. Möglicherweise führt die in dieser Studie eingesetzte direkte Erhebung bereits dazu, dass die Sprachförderkräfte die von Fried (2008) als „professionelle Brille“ bezeichnete sprachspezifische Sicht auf die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder hatten. Die vorliegende Studie unterscheidet sich nicht nur in der Beurteilung, die von den Sprachförderkräften verlangt wurde, von bisherigen Studien aus der pädagogischen Psychologie. Die Erfassung der sprachlichen Fähigkeiten der Kinder erfolgte im Gegensatz zu Untersuchungen von Schulkindern, wie sie in den pädagogisch-psychologischen Studien im Mittelpunkt stehen, nicht schriftlich im Klassenverband, sondern in Form von mündlichen Einzeltestungen. Der höhere Aufwand der direkten Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten durch die Sprachförderkräfte und der Umfang der Sprachstandserhebungen führten zu einer vergleichsweise kleinen Stichprobe. Die Einzelfallstudie, zur Dokumentation und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten, die ebenfalls in dieser Arbeit beschrieben wurde (s. Kap. 9.4.4), verdeutlicht den Fokus der Sprachförderkraft auf produktive Fähigkeiten, die möglicherweise zu den verdeckten Sprachverständnisschwierigkeiten bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache führen. Außerdem findet sich das Konzept der

244 | Fazit und Ausblick Förderdiagnostik, in dem konkrete Förderziele für die Sprachfördermaßnahme aus der Sprachstandserhebung abgeleitet werden, nicht in der schriftlichen Dokumentation der Sprachförderkraft wieder. Unklar muss im Rahmen dieser Studie bleiben, welchem Zweck die Dokumentation aus Sicht der Sprachförderkraft dient und ob z.B. aufgrund des Adressaten Informationen bewusst zurückgehalten werden. Mit dieser Arbeit wurde die Erforschung der sprachdiagnostischen Kompetenz von Sprachförderkräften angestoßen. Offen bleiben musste z.B. die Frage, ob sprachdiagnostisches Wissen und sprachdiagnostische Fähigkeiten tatsächlich in dem von dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Modell sprachdiagnostischer Kompetenz postulierten Zusammenhang stehen. Weitere Forschungsfelder umfassen die Sprachdiagnostik als Prozess (theoretisch von van Ophyusen 2010 modelliert), die Dokumentation der Sprachdiagnostik und Förderplanung, die Evaluation der Auseinandersetzung und des Einsatzes von Sprachstandserhebungsverfahren sowie weitergehende Fragen zur Urteilsgenauigkeit von Sprachförderkräften, die im Folgenden kurz skizziert werden: Sprachdiagnostik als Prozess in der Sprachförderung? Neben der Ableitung des individuellen Förderbedarfs und der Förderziele aus den Ergebnissen einer vorab durchgeführten Sprachstandserhebung wird in den Rekonstruktionen einiger Sprachförderkräfte in Studie B deutlich, dass während der Sprachförderung eine kontinuierliche Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten und eine Adaptation der Sprachförderung erfolgt. Sowohl in Bezug auf sprachdiagnostische wie auch sprachdidaktische Kompetenzen gilt es, auch diesen Prozess in zukünftigen Forschungsprojekten zu untersuchen. Beispielsweise stellt sich die Frage, auf welche sprachlichen Strukturen die Sprachförderkräfte während der Sprachförderung achten und auf der Basis welcher Beobachtungen sie dann die Inhalte und Methoden der Sprachförderung anpassen. Dokumentation der Sprachdiagnostik und Förderplanung Die Fähigkeiten von Sprachförderkräften in der Dokumentation und Beschreibung sprachlicher Fähigkeiten wurden im Rahmen dieser Arbeit anhand eines Einzelfalls untersucht. Anhand einer größeren Stichprobe könnte erfasst werden, wie Sprachförderkräfte die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder, den Förderbedarf, die Förderziele und die Förderplanung dokumentieren. Um die Qualifizierung auch für diese sprachdiagnostische Fähigkeit zu evaluieren, wäre eine longitudinale Untersuchung wünschenswert, in der die (Weiter-)

Fazit und Ausblick | 245

bildung der Sprachförderkräfte auch anhand der Dokumentationen evaluiert wird. Evaluation der Auseinandersetzung und des Einsatzes von Sprachstandserhebungsverfahren Die Ergebnisse dieser Studie geben einerseits keinen Hinweis, dass die vorrangige Verwendung hausinterner und nicht-standardisierter Verfahren per se zu einer Fehleinschätzung führt. Beispielsweise schätzen die Sprachförderkräfte das Verständnis von W-Fragen weitgehend übereinstimmend mit den Ergebnissen des Sprachstandserhebungsverfahrens ein, obwohl sie selbst das Verständnis von W-Fragen bei den Kindern nicht erhoben haben. Gründe hierfür sind, wie oben angesprochen in der direkten Erhebung der Einschätzung zu suchen, die die Sprachförderkräfte auf das sprachliche Phänomen aufmerksam macht. Die direkte Erhebung der Einschätzung sensibilisiert die Sprachförderkräfte möglicherweise dafür, zu reflektieren, ob das Kind diese explizite Aufgabe bewältigen kann. Andererseits wird anhand der Ergebnisse deutlich, dass eine informelle Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten nicht automatisch Hinweise darauf gibt, wie ein Kind in einer standardisierten Sprachstandserhebung abschneidet. Ein Beleg hierfür sind die vielen Fehleinschätzungen im Untertest Satzklammer. Es stellt sich die Frage, ob eine Weiterbildung, in der sich die Teilnehmer mit standardisierten und linguistisch-orientierten Verfahren auseinandersetzen – wie es in den Anforderungen (s. Kap. 3.3) formuliert wurde – das Wissen der Sprachförderkräfte in den Bereichen Sprachwissenschaft, Spracherwerb, Testtheorie und Sprachdidaktik (hierzu bereits Rothweiler 2009) steigert. Außerdem könnte untersucht werden, ob der Einsatz standardisierter Sprachstandserhebungsverfahren Ressourcen schonen würde, da die Sprachförderkraft sich nicht mit der Konzeption eigener Materialien befassen müsste. An dieser Stelle sei auf die Notwendigkeit eines Konzepts der (vor-)schulischen Sprachdiagnostik und Sprachförderung verwiesen, welches dringend erforderlich ist, um Ressourcen gezielt einsetzen zu können (s. Kap. 10). In diesem Zusammenhang sollten Evaluationen durchgeführt werden, die z.B. untersuchen, ob der Einsatz standardisierter Sprachstandserhebungsverfahren verbunden mit einer Weiterbildung mit dem Schwerpunkt in der Ableitung der Förderziele und der adaptiven Gestaltung der Sprachförderung zu einer zielorientierteren Sprachförderung führen würde. Urteilsgenauigkeit Ausgehend von der hier vorgestellten Studie zur Urteilsgenauigkeit ergeben sich weitere Forschungsfragen. Inwieweit zeigen sich die Unterschiede in der

246 | Fazit und Ausblick Einschätzung von Kindern mit Erst- und Zweitspracherwerb (Limbos & Geva 2001) auch für Vorschulkinder? Führt die Selektionsentscheidung, die die Lehrer in der Schulanmeldung fällen müssen, dazu, dass alle Kinder mit Sprachförderbedarf erfasst werden (hierzu bereits Sachse et al. o.J.)? Welche Kinder erhalten die Empfehlung, an der Sprachförderung teilzunehmen? Die Urteilsgenauigkeit wurde im Rahmen dieser Studie nur für die mit den verwendeten standardisierten Sprachstandserhebungsverfahren zu erfassenden sprachlichen Bereichen untersucht. Die Erforschung der Urteilsgenauigkeit könnte für weitere sprachliche Bereiche ausgeweitet werden. Sprachdiagnostische Kompetenz ist nicht nur für Sprachförderkräfte von besonderer Bedeutung. Ausgehend von der Modellierung von Wildemann (2010) für Deutschlehrkräfte und den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Studien könnte die Empirie zur sprachdiagnostischen Kompetenz von Deutschlehrkräften weiter ausgebaut werden. Bräuer und Winkler (2012) empfehlen, ein deutschdidaktisches Forschungsinstrument zu entwickeln, um unterrichtsnahe Diagnosekriterien, -prozesse und -leistungen von Lehrkräften zu untersuchen. Die drei Studien dieser Arbeit sind ein erster Schritt, diese Empfehlung umzusetzen. Die Befragung von Sprachförderkräften zu Diagnosekriterien und prozessen mittels Interviews, wie sie in dieser Arbeit durchgeführt wurden, könnte auf Deutschlehrkräfte übertragen werden. Beispielsweise im Grundschulunterricht Deutsch stehen die Lehrkräfte vor der Herausforderung, „die sprachlichen Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes so umfassend wie möglich [zu fördern]“ (NRW 2008, Lehrplan Grundschule Deutsch). Auch dort sollen die Lehrkräfte, z.B. laut Lehrplan des Schulministeriums NRW (2008), die individuelle Förderung auf den zuvor ermittelten sprachlichen Fähigkeiten aufbauen. Wie die Lehrkräfte die Herausforderung, die der Lehrplan formuliert, bisher bewältigen, ist nicht bekannt. Außerdem unterscheiden die bisherigen Studien zur Urteilsgenauigkeit mit Deutschlehrkräften nicht zwischen Schülern mit Deutsch als Erst- und Deutsch als Zweitsprache. In weiteren Forschungsprojekten könnte der Frage nachgegangen werden, wie Lehrkräfte die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Erst- und Deutsch als Zweitsprache z.B. zu Beginn des ersten Schuljahres erfassen und wie genau sie die sprachlichen Fähigkeiten einschätzen können. Auf diesen Ergebnissen aufbauend könnte ein Konzept ausgearbeitet werden, das konkrete Vorschläge liefert, wie im Rahmen des Deutschunterrichts die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Erst- und Zweitsprache erfasst und wie die Sprachförderung gestaltet werden sollte.

Fazit und Ausblick | 247

Die Trennung von Anfangsunterricht und Sprachförderung im Rahmen des Vorlaufkurses, wie sie SFK12 vornimmt, wirft weitere Forschungsfragen und Fragen für die praktische Umsetzung von Sprachförderung auf. Bestehen tatsächlich keine Parallelen zwischen dem unterrichtlichen Handeln der Sprachförderkraft, die als Grundschullehrerin mit dem Fach Deutsch an der Schule tätig ist, einerseits und der vorschulischen Sprachstandserhebung und Sprachförderung anderseits? Entweder sollten die Parallelen aus sprachdidaktischer Perspektive expliziert werden oder es bedarf möglicherweise einer eigenen Profession für die (vor-)schulische Sprachförderung. Die Ergebnisse dieser Studie und der Hinweis von Williams (2006), dass es möglichweise für Grundschullehrkräfte schwierig ist, die Fähigkeiten von Kindergartenkindern einzuschätzen, zeigen, dass Grundschullehrkräfte der Herausforderung der Sprachdiagnostik und individuellen Sprachförderung von Vorschulkindern nicht ohne entsprechende Weiterqualifikationen gewachsen sind. Nicht nur in Hessen stehen Grundschullehrkräfte im Rahmen der Schulanmeldung vor der Herausforderung, den Sprachstand von Vorschul-/Kindergartenkindern einzuschätzen. Bundesweit sind pädagogische Fachkräfte und Grundschullehrkräfte für Sprachdiagnostik und Sprachförderung zuständig, ohne dass es Ausbildungsstandards für Sprachförderkräfte gibt. Das hier entwickelte Modell sprachdiagnostischer Kompetenz sowie das Modell der Sprachförderkompetenz (Hopp, Thoma & Tracy 2010) stellen einen Orientierungsrahmen dar, auf dem Qualifikationsstandards aufgebaut werden können. Gleichzeitig verdeutlichen die Modelle jedoch auch, dass für eine Umsetzung in der Praxis umfangreiche Ressourcen zur Verfügung stehen müssten. Für die sprachdidaktische Forschung und die universitäre Ausbildung kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich der Sprachdiagnostik und Sprachförderung auch im Vorschulalter intensiver als bisher gewidmet werden sollte. Die weitere Forschung sollte die sprachdiagnostischen und sprachdidaktischen Kompetenzen von Sprachförderkräften untersuchen. Der Herausforderung der Sprachdiagnostik und Sprachförderung könnte durch darauf spezialisierte Studiengänge und/oder Schwerpunkte innerhalb der universitären Ausbildung von Grundschullehrkräften und Elementarpädagogen Rechnung getragen werden. Der Ausbau der frühkindlichen (Zweit-)Sprachdidaktik (hierzu bereits Leist 2006) ist dringend erforderlich, um Kinder insbesondere mit Deutsch als Zweitsprache frühzeitig und bestmöglich in ihrem Spracherwerb zu unterstützen und dadurch einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit zu leisten. Dementsprechend sollte die Qualität der Aus- und Fortbildung der Sprachförderkräfte sichergestellt werden und wären weitere spezifische Forschungsprojekte wünschenswert.

248 | Literaturverzeichnis

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266 | Anhang

Anhang Tab 34: Beschreibung der Stichprobe der Interviewstudie (Berufs-)Biografische Angaben

Sprachförderkräfte

(N=20) Alter (in Jahren)

Mittelwert: 48 (27-63)

Berufserfahrung (in Jahren)

Mittelwert: 22 (2-41)

Schule in Großstadt / Schule in Kleinstadt oder ländli-

13/7

cher Region Anzahl der bisher unterrichteten Vorlaufkurse (in Jah-

3 (1-7)

ren) Ausbildung Lehramt Grundschule

15

Sozialpädagogik

3

ErzieherIn

1

Physiotherapie

1

Fortbildung Sprachstandserhebung und Deutsch als Zweitsprache

7

Sprachstandserhebung oder Deutsch als Zweitsprache

7

Keine Fortbildung in Sprachstandserhebung oder

6

Deutsch als Zweitsprache

Vorlaufkurs

Anhang | 267

Abb. 32: Fragebogen Sprachstandserhebung und Sprachförderung: Schulleitung

268 | Anhang

Abb. 33: Fragebogen Sprachstandserhebung und Sprachförderung: Lehrkraft Schulanmeldung S. 1

Anhang | 269

Abb. 34: Fragebogen Sprachstandserhebung und Sprachförderung: Lehrkraft Schulanmeldung S. 2

270 | Anhang

Abb. 35: Fragebogen Sprachstandserhebung und Sprachförderung: Sprachförderkraft des Vorlaufkurses S. 1

Anhang | 271

Abb. 36: Fragebogen Sprachstandserhebung und Sprachförderung: Sprachförderkraft des Vorlaufkurses S. 2

272 | Anhang

Abb. 37: Fragebogen Sprachstandserhebung und Sprachförderung: Sprachförderkraft des Vorlaufkurses S. 3

Anhang | 273

Abb. 38: Interviewleitfaden S. 1

274 | Anhang

Abb. 39: Interviewleitfaden S. 2

Anhang | 275

Abb. 40: Interviewleitfaden S. 3

276 | Anhang

Abb. 41: Interviewleitfaden S. 4

Anhang | 277

Tab. 35: Codebaum Kategorie

Hauptcode

Subcode

Verbindung von Sprachstandserhebung und Sprachförderung Verlaufsdokumentation Gruppeneinteilung schwierig Sonstiges Individualisierung / Differenzierung nicht nötig/möglich Sprachstandserhebung wenig/keinen Einfluss auf Förderung Evaluation Fähigkeiten der Kinder kennen Individualisierung / Differenzierung ermöglichen Spezielle Probleme erkennen Auswahl der Förderphase Gruppeneinteilung Grundlagen für die Gestaltung der Sprachförderung Sprechmotivation implizites Lernen Spracherwerb Didaktik der Sprachförderung Grammatik Artikel Erfahrung Schulvorbereitung Wortschatz Interesse, Freude und Motivation der Kinder Stand der Kinder Ablauf des Konzepts Themen Bewegung Rituale Phasenwechsel zwischen

278 | Anhang Aktivitäten Gründe für die Bereiche zu Beginn des VLK Wissen Erfahrung Gefühl Systematisch Sprachliche Bereiche der Sprachstandserhebung zu Beginn des VLK Sprachbiografie Teil der Schrödel-Box Fragebogen HKM Nicht-sprachliche Bereiche Spontansprache Wir verstehen uns gut (E. Schlösser) Arbeits- und Sozialverhalten Zahlen Mengenverständnis Rechnen Anweisungsverständnis Reime (wieder)erkennen und bilden Merkspanne für Abzählverse Nachsprechen von Abzählversen Präpositionen Hörverständnis Wortschatz Farben Fachbegriffe Adjektive Verhalten im Gesprächskreis Arbeitsverhalten Transkript Bildergeschichte erzählen Artikel Satzmuster Nachsprechen Laute aussprechen

Anhang | 279

Grammatikalische Bereiche Artikel Kasus Pluralbildung Subjekt-Verb-Kongruenz Sprachtest Deutsch für den Schulstart Konjunktionen Satzklammer Artikelverwendung Gründe für / gegen erneute Sprachstandserhebung Kinder erst mal kennenlernen keine erneute Sprachstandserhebung Evaluation Dokumentationsgrundlage Phaseneinteilung nach Kaltenbacher Gruppeneinteilung Förderansätze kennen Fehlentscheidungen revidieren Erneute Selektion Erneute Sprachstandserhebung zum Beginn des VLK Notizen / Beobachtung parallel zum Vorlaufkurs Gründe für Bereiche der Sprachstandserhebung der Schulanmeldung Absicherung gegenüber Einschätzung der Erzieher In Anlehnung an „Hören, lauschen, lernen" Ermöglicht Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten Kasus und Präpositionen werden abgefragt keine vorgegebenen Satz-

280 | Anhang muster Kindgemäß (Förder-)Schwerpunkte finden Anhaltspunkte für die Differenzierung finden gemeinsame Schwerpunkte finden Empfehlung des Sprachheillehrers Zeit Erfahrung ermöglichen Selektionsentscheidung Sprachentwicklungsgestörte Kinder an Sprachheillehrer verweisen Sprechanlass Selbst zusammengestellt Bereiche in der Sprachstandserhebung in der Schulanmeldung Sprachverhalten allgemein Spricht Deutsch Spricht ja/nein Spricht mit Fremden Hintergrundinformationen Sprachbiografie Kind ist bereits in sprachtherapeutischer Behandlung Kindergartenplatz ja/nein Vorläuferfertigkeiten Schriftspracherwerb In Anlehnung an Kieler Einschulungsverfahren Gedicht vortragen Marburger Sprachscreening Hörverständnis Aussprache Sprechen gebrochen

Anhang | 281

Grammatik Auslassung von Wortendungen Kind soll in ganzen Sätzen sprechen Spricht in Sätzen Spricht in Wörtern, Spricht in Ein- / Zweiwortsätzen Sätze umstellen Singular- und Pluralbildung Artikel Satzbau Satzstruktur Kasus Sprachverständnis Verständnis Sinn/Unsinnssätze W-Fragen Anweisungsverständnis Erzählen Buch angucken Geschichte nacherzählen Bild / Bildergeschichte beschreiben Bildergeschichte in einen Zusammenhang bringen Transkriptauswertung Nachsprechen Nachsprechen Nichtwörter Lexikon und Semantik Unsinnssätze korrigieren Zuordnen zu Wortfeldern Zahlen kennen / zählen Präpositionen Zahlen benennen Farben kennen Nicht-sprachliche Aspekte Zusammenhänge erkennen Gründe für die Personengruppen in der Selektionsdiagnos-

282 | Anhang tik Schulanmeldung subjektiv Unterteilung der Kinder in Leistungsgruppen Regelmäßiger, langer Kontakt / kennt das Kind Wenn das Kind schüchtern ist Wenn Schulanmeldung versäumt wurde Kind ist in sprachtherapeutischer Behandlung Kind könnte in der Schulanmeldung ängstlich sein Erfahrung Eine Lehrkraft protokolliert Vorab kein Kontakt zu den Eltern Wenn Lehrer unsicher Zeitliche Aufteilung Zur Empfehlung von Sprachtherapie / Logopädie Wenn Kind auffällig An der Selektionsdiagnostik beteiligte Personengruppen Lehrer im Team Personal der Stadt Eltern Schulleitung Logopäde / Sprachtherapeut Erzieher Lehrer Schwerpunkt DaZ Lehrer des ersten Schuljahres Sonder- / Sprachheilpädagoge Vorlaufkurslehrer Bedeutung der Sprachförderkraft in der Förderung Inputspezifizierung ausgewählter Wortschatz Wortschatz nach Vorgaben

Anhang | 283

DfdS Kindgerecht Langsamer Richtig vorsprechen und auffordern zum Nachsprechen Keine schwierigen Wörter Kurze Sätze Nicht verbessern In ganzen Sätzen sprechen Dialekt Wortschatz erklären Gestik und Mimik Blickkontakt Auffordern zu ganzen Sätzen Loben Ermutigung Wiederholung Verbessern Korrektives Feedback Modellierungstechniken Stimme und Prosodie Handpuppe Handlungsbegleitendes Sprechen Wenig Komplexität Steigern Aussprache deutlicher Sprachvorbild Gründe für den Unterricht im Vorlaufkurs neu angestellt für die VLK Einsatz des Schulamts Abwechslung schulinterne Organisation Vorerfahrung Fremdsprachenunterricht Vorerfahrung Vorlaufkurs Vorerfahrung Anfangsunterricht Vorerfahrung Deutsch

284 | Anhang Vorerfahrung Vorklasse Vorerfahrung Lehrerausbildung Vorerfahrung DaF Vorerfahrung DaZ keine Vorerfahrung Interesse

Anhang | 285

Tab. 36: Exemplarische Ankerbeispiele Interviewfrage

Ankerbeispiel

Welche Personen sind an

VLK-Lehrer SFK2 S.2 „und ich auch“; SFK3 S.2 „und aus der

der Sprachstands-

Vorlauflehrerin“

erhebung mit dem Ziel

Sonder-/Sprachheilpädagoge SFK1 S.2 „Also wir gehen zu

einer Selektion beteiligt?

Beginn des Schuljahres in die Kindergärten, eine Sonderpädagogin und ich, im Wesentlichen wir zu zweit“; SFK2 S.2 „plus eine Sprachheilkollegin, jeweils Sonderschulkollegin“ Lehrer erstes Schuljahr SFK9 S.2 „einer Kollegin, die ein zukünftiges erstes Schuljahr bekommt“ Lehrer DaZ SFK3 S.2 „Lehrerin, die Deutsch als Zweitsprache macht“ Erzieher SFK1 S.2 „und was die Erzieherinnen uns sagen, entscheiden wir, wer zum Vorlaufkurs eingeladen wird“; SFK2 S.4 „führen wir immer noch mit den Kindergärtnerinnen ein Gespräch“; SFK3 S.4 „wir haben jetzt die, die wir ausgewählt haben, nochmal mit denen äh verglichen, die die Kindergärten uns vorher […] schon mal signalisieren.“ Logopäde SFK1 S.3 „Logopäden haben wir manchmal mit im Boot“ Schulleitung SFK2 S.2 „Schulleitung“ Eltern SFK3 S.4 „Wenn dann kleine Geschwisterkinder kommen, sagen oft die Eltern selbst, ich hätte ganz gerne, dass der auch in den Vorlauf kommt.“ Stadt SFK7 S.1 „[…] alle Kinder, die in den Kindergarten gehen, zentral durch die Stadt […] getestet.“ Lehrer im Team SFK12 S.3 „sind die Kinder, die angemeldet werden, dann mit einigen Lehrern in einer kleinen Gruppe zusammen und spielen“

Welche Bereiche werden

Nichtsprachlich SFK1 S.2 „motorischen Teil“; SFK1 S.3 „Das ist

in die Sprachstandser-

nur ein kleiner Bereich mit der Sprache.“

hebung mit dem Ziel

Spricht die deutsche Sprache SFK10 S.2 „Ich hab jetzt zum

einer Selektion einbezo-

Beispiel auch im Vorlauf auch wieder ein Kind, das überhaupt

gen?

gar kein Deutsch spricht, und das haben wir eben immer wieder.“; SFK12 S.4 „kennen sie Deutsch“ Spricht ja / nein SFK1S.3 „spricht das Kind überhaupt“; SFK12 S.4 „sprechen sie überhaupt“ Spricht mit Fremden SFK1 S.3 „spricht es überhaupt mit uns, mit

286 | Anhang ganz Fremden frei“

Spricht in Sätzen SFK1 S.3 „spricht es in Sätzen“, S.4 „Bildkarten, die irgendnen Ereignis so darstellten“; SFK3 S.3 „können sie sich schon in ganzen Sätzen ausdrücken“; SFK9 S.5 „spricht in ganzen Sätzen, spricht nicht in ganzen Sätzen“ Präpositionen SFK3 S.3 „wenden sie schon Präpositionen an“; SFK8 S.4 „weil bestimmte Präpositionen abgefragt werden.“ Sprachbiografie SFK3 S.3 „und dann gucken wir auch schon ähm, wird zu Hause nur die Muttersprache gesprochen oder auch Deutsch“ Sozio-emotionales Verhalten SFK3 S.3 „ist das Kind sehr schüchtern und zurückhaltend und würde ihm einfach auch gut tun, in so ner kleinen Gruppen schon ein bisschen Schulluft zu schnuppern“ Spricht in Wörtern SFK1 S.3 „spricht es nur in Wörtern“ Wortschatz SFK1 S.3 „am Wortschatz im Wesentlichen“, „wie ist der Wortschatz, der aktive, passive, war dieses Jahr doch auch dabei, aber weniger“, S.4 „Also Gegenstände, die man rausnehmen und benennen konnte“; SFK2 S.4 „Es sind einmal Tiere, die äh ertastet werden“; SFK3 S.2 „welche Begriffe sie schon kennen“ Farben SFK12 S.5 „um auch ein bisschen nach Farben zu gucken“ Zahlen SFK12 S.5 „vielleicht sogar nach Zahlen, einfach mal gucken, können die denn Zahlen benennen, also natürlich im kleinen Zahlenraum“ Nachsprechen SFK1 S.4 „wir haben auch was nachsprechen lassen […] obwohl das nicht so ein großes Kriterium ist“; SFK5 S.4 „richtig schwierige Wörter nachsprechen, Silben nachsprechen“ Erzählen SFK2 S.4 „Also freies Erzählen, können wir das vielleicht in dem Bereich mal nennen“; SFK3 S.2 „wir fangen eigentlich mit dem persönlichen Gespräch mit den Kindern an. […] wir nehmen dann schon auch als zweites dieses Buch zum Erzählen.“ Bildergeschichte in Zusammenhang bringen SFK9 S.2 „und aber auch im sprachlichen Bereich, sprich eine Bildergeschichte in Zusammenhang bringen“ Anweisungsverständnis SFK2 S.5 „Ja dann decken sie den Tisch. […] Anweisungen zu verstehen und nachzumachen. […] Sie

Anhang | 287

müssen nach Anweisungen einen Turm bauen.“; SFK12 S.4

„können sie Aufforderungen nachkommen“ Sprachverständnis SFK12 S.4 „haben sie (die Kinder) ein Sprachverständnis […] was verstehen die auch in so ner Vorlesesituation? Da muss man ja auch genau hingucken. Geht das jetzt da wirklich um Sprachverständnis oder auch um Konzentrationsschwierigkeiten“ Grammatik SFK2 S.7 „Ich sehe, ob die Kinder ähm grammatikalische Fehler sprechen.“; SFK8 S.2 „Dann kommen die ganzen grammatikalischen Bereiche“ Aussprache SFK4 S.3 „Dann haben wir eine Liste mit so schwierigen Wörtern „sp“ „st“ und wir schreiben dann dahinter, ob die Kinder das sprechen könnten oder nicht […] das ist ne Lautprüfung.“ Satzbaustruktur SFK9 S.4 „und die Bildergeschichte dient eben zu Satzbaustruktur“; SFK12 S.4 „wie sind die Sätze gebaut“ Marburger Sprachscreening SFK5 S.2 „Wir haben so ein Material, das kommt von Marburg glaube ich, da haben wir einen großen Teil rausgenommen mit so `ner Bildbetrachtung“; SFK8 S.2 „das ist glaube ich das Marburger Screening, ist das“ Fragen stellen SFK5 S.3 und gegenseitig passiv, aktiv Fragen stellen ja, ich zeige dir was ich möchte gerne, dass du mir zeigst […] und danach stell du mir Rätsel“ Hörverständnis SFK5 S.4 „und dann auch hören und in ne andere Richtung schauen“ Schriftsprachentwicklung SFK6 S.3f „schon Programme, die wir kennen, also zum Beispiel Küspert „Lauschen, lernen“ […] Schriftspracherwerbsentwicklung“ Akkusativ SFK8 S.4 „Bei dem (MSS) fand ich es halt wirklich gut, weil der Akkusativ abgefragt wird, der Dativ abgefragt wird.“ Zusammenhang erkennen SFK9 S.4 „Das also nicht ein reines Sprachmerkmal, sondern auch kognitives. Inwieweit können Kinder Zusammenhänge erkennen, uns sie dann auch strukturieren und ordnen, aber dies wiederum auch versprachlichen“ Zuordnen SFK11 S.3 „und äh Sachen zuordnen“ Bild beschreiben SFK13 S.4 „dann schließt sich ein Kartenspiel an, das wir also, das lehnt sich jetzt wieder an an Deutsch für den Schulstart. Da sind ja solche etwas ja witzigen Bilder, was weiß ich, „Ein Fußball isst ne Banane“ und ähnliche Bilder haben wir, und die Kinder müssen beschreiben was auf dem Bild

288 | Anhang ist.

Transkript Bildergeschichte SFK13 S.4 „und dann ham wir noch ne es ne Bildergeschichte, die äh nehmen wir auch auf. Die ähm und ich hör mir die dann ab hinterher und protokollier das kurz und unterstreich halt so Auffälligkeiten, und die gibt’s so die die Punktwertung, bezieht sich nicht auf die Bildergeschichte, aber das ist dann so noch mal ein Entscheidungs- ein wichtiges Entscheidungskriterium.“ Warum werden diese

Selbst zusammengestellt SFK1 S.4 „ja die hat man natürlich

sprachlichen Bereiche

irgendwo zusammengeklaut“; SFK2 S.5 „Ich könnte mir vorstel-

und Materialien einbezo-

len, dass die Kollegin sich aus einigen Verfahren, die es fertig

gen?

gibt, was ähm rausgesucht haben.“ Sprechanlass SFK1 S.4 „Bildkarten, die irgendnen Ereignis so darstellten, dass sie nen Aufforderungscharakter zum Sprechen hatten.“; SFK3 S.8 „Wir geben den Kindern einfach Anhaltspunkte. […] wenn irgendwas da ist, was einen anregt“ Selektionsentscheidung möglich SFK1 S.4 „weil wir wirklich einen Eindruck gekriegt haben davon, ob ein Kind Bedarf hat […] aber wir haben oft, glaub ich, in den letzten Jahren Kindern, die so so Blender waren, die haben wir übersehen […], das ist uns dieses Jahr, glaube ich, in dem Maße nicht passiert.“ Erfahrung SFK1 S.5 „wir haben vielleicht haben wir auch über die Jahre gelernt genauer zu gucken“ Zeit SFK8 S.4 „das (MSS) ist so ne rundum Geschichte, und die dauert zehn Minuten“ Sprachheillehrerin SFK5 S. 3 „also ist auch sehr federführend unsere Sprachheillehrerin mit beteiligt gewesen, was wir nehmen“; SFK6 S.6 „ja da müssten wir jetzt die Sprachheillehrerin nochmal fragen, was sie als Grundlage genommen hat, um äh diese Übungen dann auszuwählen“ Inhalte über das Kind erfahren SFK9 S.4 „Weil einmal wollen wir mit dem offenen Gespräch eben zwei Fliegen mit einer Klappe. Sehen, wie das Kind selbst sich darstellt in der Gruppe, mit Geschwistern, mit den Kindern im Kindergarten, also inhaltliche Intention“ Schwerpunkte finden SFK13 S.8 „weil dann kann man wirklich auch ja wirklich sich unterstreichen, wo die Fehler sind und Schwerpunkte finden.“

An welchen Schulen

Erneute Selektion / Fehlentscheidungen revidieren SFK1 S.2

findet eine erneute

„Und da mach ich noch mal einen ganz genauen Test zur

Anhang | 289

Sprachstandserhebung

Sprachstandserhebung. Und bei manchen Kindern täuscht man

statt und warum?

sich dann, müssen die zum Teil auch nicht kommen oder […] Ich mach immer ja am Anfang die Sprachstandserhebung, und dann entscheide ich noch mal und die Gruppeneinteilung […].“ Förderansätze kennen SFK 1 S. 2 „ich kann zumindest auch genau gucken, wo muss die Förderung ansetzen.“; SFK 7 S.17 „wenn jetzt halt bei diesem Test rauskommt, hat totale Probleme mit Artikeln, dass man dann halt eben schaut, das sind ja auch ähm ist ja auch ein hohes Angebot dort an Spielen, dass man halt eben guckt, dass man das nochmal wiederholt. Macht, was notwendig ist.“ Gruppen-/Phaseneinteilung SFK 2 „Das heißt, wenn die Kolleginnen aus den Kindergärten jetzt sagen, die und die Kinder kommen in Frage ähm, dann geh ich jetzt nochmal, so haben wir das verabredet, […] mache diese Anamnese nochmal mit dem Kind äh aus dem Programm (DfdS).“ S.3 „diese Anamnese ist, denke ich mal, hauptsächlich dafür gedacht, um auch jetzt einzustufen.“; SFK 7 S.17 „wenn jetzt halt bei diesem Test rauskommt, hat totale Probleme mit Artikeln, dass man dann halt eben schaut, das sind ja auch ähm ist ja auch ein hohes Angebot dort an Spielen, dass man halt eben guckt, dass man das nochmal wiederholt. Macht was notwendig ist.“ Notizen, Evaluation SFK10 S.19 „Naja, es ist ja schon so, dass ich mir in regelmäßigen Abständen Notizen mache, wie ähm ja wie also, dass ich mir so Kinder dann zum auch mal so zum Einzelgespräch hole und gucke. Da nehme ich dann meistens ne Bildvorlage und sprech mit denen da drüber oder spiele etwas und gucke, wie war das im Vergleich zu vorher oder, dass ich auch durchaus mal in Form von Memory auch durchaus mal Wörter abfrage, um zu gucken, ist jetzt was davon hängen geblieben, von dem Wortschatz, den wir erarbeitet haben, oder ist nichts hängen geblieben.“

Wie sind Förderung und

Gruppeneinteilung SFK1 S. 2 „dann entscheide ich noch mal und

Sprachstand miteinander

die Gruppeneinteilung“ S.13 „Also bei dem Konzept, find ich, hat

verbunden und warum?

sie schon relativ großen Einfluss … Einmal, in dem ich die Gruppeneinteilung entsprechend vornehme und dann auch entsprechend unterschiedliche an, an verschiedenen Stellen im Konzept ansetze […] das ist schon alles im Moment.“ Auswahl der Förderphase SFK1 S.14 „wenn ich feststelle, ein Kind ist in Phase eins doch unterfordert und kann bis in Phase

290 | Anhang zwei gehen, das würde zum ersten Mal (in diesem Jahr) funktio-

nieren.“; SFK2 S.3 „errechne daraus (Analysebogen) […] ungefähr den Stand, in wie ich dann in das Programm einsteigen kann.“; SFK6 S.7 „Wobei jetzt natürlich das Problem ist […], wenn jetzt bei diesem Test rauskommt, ich hab worst case dreimal Phase eins, dreimal Phase zwei, dreimal Phase drei, dann kann ich da nur bedingt draufeingehen. Weil ich kann diese Gruppen nicht teilen […]. Wobei ich jetzt so für mich überlegt habe, dass […], dass man vielleicht guckt, da man ich hab so drei Kinder im Auge, wo ich denke, die schneiden weitaus besser bei dem Test ab, als die anderen elf, das man wahrscheinlich diese drei Kinder ja an vier Tagen beschult und die anderen Kindern dann fünf Tage. Also das wäre vielleicht noch so ne Möglichkeit, um da so ein bisschen zu differenzieren.“ Gefühl SFK1 S.15 „also die (Zwischenstandserhebung) habe ich eigentlich nicht genutzt… […] Ich kann gar nicht so genau sagen, woran man das festmacht. Ob‘s das Bauchgefühl ist, was man dann versucht … zu belegen.“; SFK5 S. 20 „das ist eigentlich äh erfahrungs- und gefühlsmäßig, weil ich ja keinen Rater habe wo ich gucke, bei diesem Kinder wollte ich genau das und das jetzt machen. […]“; SFK11 S. 6 „Man lernt die Kinder halt in so Kleingruppen ganz gut kennen und dann auch über den Austausch. Das ist auch, man muss es gestehen, viel Bauch.“ Spezielle Problematik SFK6 S. 19 „Also zum einen, wenn ich denke, da gibt es einen Bereich, wo insbesondere der Wortschatz noch nicht so ausgeprägt ist, dann kann ich das ja auch als Themenschwerpunkt mit aussuchen.“ Individualisierung / Differenzierung nicht möglich SFK2 S.14 „Es ist ja nicht so, dass ich jetzt ein individuell abgestimmtes Konzept mache für die Kinder, sondern äh ich habe dieses Konzept“; SFK12 S.9 „da wird nicht mehr differenziert, was wir später im Unterricht schon versuchen […] Letztendlich wäre das natürlich auch, könnte man sagen, wäre auch total wichtig in diesen Vorlaufkursen. Allerdings würde das ne komplett andere Struktur brauchen, und ich habe keine Ahnung, wie man das organisieren könnte […], weil es schwierig ist, sowie so schwierig ist, mit der Institution Kindergarten und Schule, die zwei Organisationsformen zeitlich irgendwann mal zusammenzukriegen.“ Individualisierung / Differenzierung möglich SFK 13 S.16 „oder

Anhang | 291

ich differenzier dann da mal“

Fähigkeiten kennen SFK2 S.14 „weiß aber natürlich um die unterschiedlichen Fähigkeiten der Kinder und muss dann ähm trotz dieser doch einheitlichen Vorgehensweise doch den ein oder anderen anders ansprechen, denke ich mal.“; SFK3 S. 17f „Ich schreib dann öfter mal was mit, was Kinder besonders schnell begreifen und gut können und ja, wo Kinder Schwierigkeiten haben.“; SFK4 S. 14f „ich hab selbst den sprachlichen Teil auch getestet, und ich weiß, wo die Schwachpunkte liegen […], aber dann guck ich (in der Förderung), und es gibt da durchaus Kinder, die andere Aufgaben dann von mir bekommen.“; SFK5 „dass ich das freie Sprechen und Sprechspiele an den Anfang stelle und gucke, wie weit sind die Kinder überhaupt“; SFK6 S.18 „Ich versuche mich natürlich schon auch dem anzupassen, was das einzelne Kind so kann.“ Evaluation SFK3 S. 13 „Wenn so ne Einheit Wohnen z.B. zu Ende ist, dann gibt’s nen kleinen Bogen mit, da mache ich dann auch so ne kleine Sprachstands. Also dann zeig ich den Kindern die Bildkarten oder auch nen Plakat und die sagen mir dann das Wort, wenn sie wissen, auch mit dem Begleiter dazu. Und das mach ich dann zweimal, einmal kurz, nachdem wir die Einheit beendet haben, und dann nochmal vier Wochen später. Und dann vergleiche ich, ist da noch sehr viel hängengeblieben.“ S. 18 „dann merke ich schon, dass da ´n Aufbau stattfinden ne also ne Weiterentwicklung.“ Sprachstandserhebung bedeutungslos SFK4 S.14 „ich hab selbst den sprachlichen Teil auch getestet, und ich weiß wo die Schwachpunkte liegen, werte ich das jetzt für mich nicht so hoch. […] Was ich feststelle, wo die Schwierigkeiten liegen, ist für mich jetzt nicht so relevant.“; SFK12 S.18 „Nicht (einfließen). Also, wenn man es so bezeichnen könnte, dass wir die, oder dass ich die einfließen lasse, dann so im Erleben der Kinder oder der Gruppe.“

292 | Anhang Tab. 37: Verteilung der Erstsprachen Erstsprache

Häufigkeit

Prozent

Türkisch

15

35,7

Polnisch

2

4,8

Albanisch

3

7,1

Arabisch

3

7,1

Tamil

1

2,4

Urdu

2

4,8

Kroatisch

2

4,8

Afghanisch

2

4,8

Italienisch

1

2,4

Vietnamesisch

1

2,4

Tigrinja

1

2,4

Marokkanisch

1

2,4

Portugiesisch

1

2,4

Kurdisch

1

2,4

Dari

2

4,8

Spanisch

2

4,8

Persisch

1

2,4

Bilingual Französisch / Italienisch

1

2,4

42

100

Σ

Anhang | 293

Abb. 42: SFK Fragebogen S. 1

294 | Anhang

Abb. 43: SFK Fragebogen S. 2

Anhang | 295

Abb. 44: SFK Fragebogen S. 3

296 | Anhang

Abb. 45: SFK Fragebogen S. 4

Anhang | 297

Abb. 46: SFK Fragebogen S. 5

298 | Anhang

Abb. 47: SFK Fragebogen S. 6

Anhang | 299

Abb. 48: SFK Fragebogen S. 7

300 | Anhang

Abb. 49: SFK Fragebogen S. 8

Anhang | 301

Tab. 38: Items Wortschatz SFK-Fragebogen sortiert nach Wortart und Itemschwierigkeit Item (Nomen)

Itemschwierigkeit (P)

Item (Verben)

Itemschwierigkeit (P)

Blatt

0,95

schneiden

0,91

Bank

0,95

bügeln

0,89

Hubschrauber

0,76

kämmen

0,87

Gürtel

0,74

schreiben

0,84

Pfeil

0,69

trommeln

0,80

Hahn

0,59

tanken

0,79

Tabletten

0,59

schreien

0,71

T-Shirt

0,57

pfeifen

0,62

Badeanzug

0,47

schälen

0,55

Rose

0,45

werfen

0,54

Ski (Skier)

0,44

wischen

0,43

See

0,42

treten

0,35

Ananas

0,37

hämmern

0,27

Kleiderbügel

0,36

stricken

0,26

Sieb

0,30

Feld

0,25

Pinzette

0,17

Tor

0,15

Knoblauch

0,08

302 | Anhang

Abb. 50: Beurteilungsbogen für Vorlaufkind: Beispiel MC S. 1

Anhang | 303

Abb. 51: Beurteilungsbogen für Vorlaufkind: Beispiel MC S.-2

Index Adaptation 66, 77, 159, 173, 244 adaptiv 2, 5, 40, 60, 65, 82, 103, 157, 232, 234 Adaptivität 40, 73, 174, 232, 236 Adjektive 190, 223 Akkusativ 217, 221 Alter 9ff., 24, 29, 32, 34ff., 70, 73, 100f., 109, 111, 138f., 141, 151, 154, 181, 184f., 190 Alter bei Erwerbsbeginn 11, 36f., 73, 138, 141, 151, 154 Analyse 20, 34, 46, 49, 55, 77, 84, 89, 107f., 114, 118f., 133, 135, 147, 154, 156, 158, 177, 194, 201, 205f., 208, 213, 216f., 236 Anamnese sprachtherapeutische 37 assessment 62, 98 Aufgabenstellung 16, 28, 57, 130, 191f. Ausbildung 20, 42f., 47, 51, 55, 62, 78, 81f., 92, 101, 181, 229, 247 Aussprache 33, 84ff., 113, 123f., 126ff., 132, 150, 194, 219 AWST-R 34f., 150f., 183f., 190f., 193f., 196, 198ff., 242 Behandlung sprachtherapeutische 138, 182, 222, 234 Benennaufgaben 31 Beobachtung 1f., 12, 17, 20, 22, 29f., 38, 48, 60, 68, 75f., 84ff., 89, 105, 114, 116, 129, 132f., 136, 138, 149, 154, 169f., 172, 178, 244 Beobachtungsverfahren 16, 29 Beratungskompetenz 58 Beurteilung 1, 11, 25, 32, 36f., 46f., 57, 65ff., 70, 73, 76f., 81f., 89, 96, 101, 109, 142, 156, 172, 174, 176, 183, 187f., 215, 223, 229, 234, 236f., 240, 243f. Bewusstheit phonologische 123, 223 Bezugsnorm 35f. Bildergeschichte 127, 132, 135, 222, 230 Bildungsgerechtigkeit 3, 5, 247 bilingual 9, 35f., 182 Chancengerechtigkeit 12, 14, 153 Dativ 217, 221 deduktiv 89, 118, 120, 143

Deutsch für den Schulstart 18, 31, 111, 131, 133, 138, 148f., 159ff., 171, 173, 175ff., 181, 212, 241 Deutschkenntnisse 3, 5, 241 Diagnosegenauigkeit 56, 63, 73, 93 Diagnostik 26f., 38, 58ff., 62f., 89, 152, 160, 166f., 184 Differenzierung 9, 13, 29, 35, 57, 87, 101, 134, 149, 159, 163, 168, 234 Dokumentation 7, 16f., 29f., 38, 52, 63, 71, 74, 77, 121, 176f., 183, 198, 218f., 233f., 237, 243f. Dokumentationsbögen 219, 237 Dokumentenanalyse 75, 84f., 232f. Einschätzung 3, 7f., 13, 17, 21f., 30, 49, 52, 65, 90, 92ff., 98ff., 120, 128ff., 135f., 139, 142f., 145ff., 155, 164f., 169f., 176, 178, 185, 188, 190ff., 197, 201, 203, 206, 211, 218, 223f., 226f., 229f., 232, 234, 242f., 245f. Einschulung 3, 5, 12, 14, 16f., 23, 30, 145, 241 Einwortsätze 128 Elementarbereich 15, 42f., 47, 150, 229 Elementarpädagogik 42 Eltern 8, 15f., 70, 79, 84ff., 93, 106, 114, 120, 128, 138, 140ff., 147, 152, 181 Elternfragebogen 37, 222 Entwicklungspsychologie 31, 239 Erstsprache 11f., 23, 35, 37, 70, 73, 87, 97, 138, 149, 151, 184f., 219 Erwerbshintergrund 28, 151 Erwerbsverläufe 11, 34 Erzählen 125ff., 150, 221, 223 Erzieher 3, 22, 41, 47ff., 61, 79f., 83, 94, 100ff., 106, 120, 128, 134f., 137f., 143ff., 152, 155, 170, 176 Erziehungswissenschaft 61, 89, 239 Evaluation 19, 26, 63, 70, 99, 134, 244f. Expertise 56, 63, 81f., 229 Fähigkeiten Sprachdiagnostische 68, 104, 240 Fähigkeiten sprachliche 70 Fallstudie 4, 83, 104, 241 Fehleinschätzung 13, 100, 212, 245

Index | 305

Fehlklassifikation 36, 40, 103 Förderbedarf 15, 22, 26f., 74, 77, 93, 97, 101f., 136, 147ff., 151f., 156, 163, 176f., 179, 185, 194, 196ff., 215ff., 230f., 234, 242, 244 Förderdiagnostik 7, 27ff., 32, 39f., 94, 148, 156ff., 165, 167f., 171ff., 215, 240f., 244 Förderkompetenz 47 Förderphase 53, 159 Förderplanung 40, 59, 68, 71, 89, 116, 167, 171, 174, 219, 234, 237, 241, 244 Förderschullehrer 143, 146, 152 Förderschwerpunkte 7, 13, 71, 76, 143, 152, 158, 163, 171, 176f., 179, 194, 196ff., 215ff., 222, 230ff., 234, 242 Förderung differenzierte 159, 170 Förderung individuelle 25, 27, 39, 51, 57, 59, 78, 81, 114, 159, 162, 172, 175, 237, 246 Förderziel 2, 27, 29, 61, 66f., 70, 73f., 77, 82, 115f., 148, 156, 167, 172f., 175, 177, 196, 216, 218, 222, 233f., 236f., 240f., 244f. Frage 1, 4f., 8, 12, 21, 32, 39, 51, 53, 65, 78ff., 87, 90, 94, 97, 100f., 106f., 113, 115f., 120, 123, 127, 130, 136, 145, 148ff., 153, 157f., 160, 165, 174, 176, 184, 188, 192, 212, 222, 225, 229, 231ff., 243ff. Fragebogen 7, 37, 50, 75, 93f., 99f., 104, 107ff., 112ff., 116, 122f., 133f., 138, 140, 147, 151, 154, 181, 183, 191ff., 196f., 200, 204, 218, 228, 230ff., 240, 242 Frage-nach-einer-Geschichte-Aufgabe 184 Genus 11, 19, 46, 132, 217, 219f., 222, 230 Grammatikerwerb 33 Grundschule 2, 4, 22, 24f., 28, 62, 88, 95, 155, 181, 238f., 241, 246 Gütekriterien 31, 37, 70, 89f., 120f., 148 Gütekriterien testtheoretische 31, 66, 70, 105, 153, 185 Handeln 5f., 41, 44, 46, 48f., 52, 62, 66, 74, 83, 89f., 153, 164, 174, 227, 232, 247 HASE-Test 20, 31 HAVAS 4, 29, 31, 80, 149, 194 Hörverständnis 124ff. Individualisierung 159 induktiv 89, 118, 159 Instrumente 60, 62, 78, 85, 89

Intervention sprachtherapeutische 38, 79, 222 Kasus 11, 19, 46, 184, 187, 194, 215ff., 219f., 222, 224, 231 Kindergarten 2, 11, 98, 135ff., 139, 145ff., 166, 238 Kindertagesstätte 2, 8, 15, 30, 43, 51, 106, 142f., 152, 155, 165, 176, 182, 184, 238 Kompetenz 2, 6, 8, 17, 24f., 28, 40f., 44, 46, 50, 53ff., 71f., 74, 76ff., 80ff., 85, 87ff., 93, 95ff., 101ff., 153, 167, 172f., 175, 178, 199, 212, 236, 240, 244, 246f. Kompetenzbereich 64, 67f., 73, 76f., 82, 103, 156, 176f., 230, 234, 240f. Kompetenzorientierung 29, 39 Kontaktdauer 1, 11f., 23, 34ff., 70, 73, 106, 138, 141, 151, 154, 182, 185 Kontrollgruppe 20, 46 Korrelationskomponente 90f., 198f., 209ff., 227f. Krippe 2 Lehrer 3, 13, 41, 53, 78f., 82, 92, 94, 96ff., 120, 144, 161, 232, 246 Leitfadeninterview 107 Leitfragen diagnostische 16, 149 Lernausgangslage 1, 17, 104, 173 Lerntheorien 39 Leseschwierigkeiten 97 Lexikon 33, 125ff., 150, 215 Lexikonerwerb 34 LiSe-DaZ 4, 29, 31, 72, 80, 151, 177, 183ff., 191ff., 196ff., 202ff., 208ff., 215ff., 229f., 234, 242f. Mann-Whitney-U-Test 91 Marburger Sprachscreening 125f., 133, 149 McNemar-Test 203 Mehrsprachigkeit 44f., 63, 69, 78, 88 Mehrwortsätze 129 Migrationshintergrund 5, 8, 14, 21, 29, 36 missed identity 13 mistaken identity 13 monolingual 9, 34ff., 99, 101, 106, 182 Morphologie 33f., 69, 113, 150, 220, 222, 224f. Muttersprache 36, 39, 132, 139, 141 Nachsprechaufgaben 31, 86, 132 Nachsprechen 21, 86, 97, 114, 124ff., 138

306 | Index Niveaukomponente 91f., 199f., 205ff., 209f., 227f. Nomen 129, 150, 190, 193, 199ff., 224, 229 Normierung 19, 36, 38, 71, 149 Objektivität 37, 40 Pädagogische Psychologie 41, 239 Patholinguistische Diagnostik 20, 31, 177 Performanz 25, 40, 56, 68 Plural 219 Praktiken 22, 75, 83f., 87f., 116, 119 Präpositionalphrase 12, 130 Präpositionen 11, 22, 139, 194, 219, 221ff., 225 Primarbereich 2, 6, 32, 61 Produktion 31, 33, 69, 113, 151, 184f., 193, 211, 216, 220, 224, 228 Produktion elizitierte 31, 184, 193, 198 Prozessdiagnostik 27 Prozessmodell 6, 67f., 71f., 75, 82, 104, 156, 172, 174, 230, 242 Psycholinguistik 33 Qualifizierung 6f., 18, 20, 41, 49, 51ff., 79, 81, 88, 107, 172, 174, 236, 238f., 244 Qualität des Inputs 11f. Reflexionen 7, 108, 116, 122, 127, 134, 156, 158ff., 165, 171ff., 241 Reflexionsfähigkeit 49 Regelunterricht 15 Rekonstruktionen 7, 127, 134, 154, 156, 159f., 165, 172ff., 241, 244 Reliabilität 37, 40 Repräsentationen 116, 122, 134, 156 Rotstift-Perspektive 29, 47, 222, 233 Satzbau 33, 129, 132, 150, 196, 221ff., 242 Schulanmeldung 4f., 14ff., 21f., 24f., 28, 30, 88, 104, 108ff., 112, 116, 120, 123ff., 133, 135f., 138f., 141ff., 158, 162ff., 167,168, 169f., 236f., 241, 246f. Schuleingangsuntersuchung 22, 27f., 84, 87, 238 Schulfähigkeit 17, 27 Selbsteinschätzung 48ff., 57, 83 Selektion 26, 28f., 136, 148 Selektionsdiagnostik 26ff., 32, 156, 215 Semantik 33, 69, 98, 103, 113, 125f., 211 Sensitivität 93, 97, 99, 196 SET 31, 36

SETK 31, 35, 100f., 151, 185 simultan 9 SISMIK 29 Sonderpädagogik 38, 74, 78 Spezifität 93, 97, 99, 196 Spontansprachanalyse 4, 165, 172 Spontansprache 194 Sprachauffälligkeiten 13, 79, 229 Sprachdiagnostik 1ff., 18, 24f., 27, 38f., 42, 44f., 55, 62f., 68, 78ff., 83, 89, 99, 236, 238f., 244f., 247 Sprachdidaktik 2, 20, 39, 61, 64, 66, 90, 157, 173, 239, 241, 245, 247 Sprachdidaktik frühkindliche 2 Sprachentwicklung 3, 17, 20, 36, 42, 46, 51, 61, 67, 73, 76, 78f., 82, 90, 132, 143, 152, 161, 169, 176, 225, 229, 240 Sprachentwicklungsstörung 3, 12f., 26, 35, 37, 51, 69f., 79, 87, 94, 98, 102, 152, 238 Spracherwerb 1, 8, 10, 18, 28, 37, 43ff., 48, 69ff., 74, 78, 119, 153, 228, 232, 245, 247 Spracherwerbsforschung 1, 4f., 9, 12, 26, 31, 33ff., 40, 70, 76, 88, 106, 150, 153f., 177, 184, 236, 238, 241 Spracherwerbshintergrund 101 Spracherwerbsmechanismen 11, 24 Spracherwerbstyp 9f., 35f., 40 Sprachförderbedarf 2ff., 14, 19, 27, 70, 72, 76, 100f., 153, 176, 215, 226, 231, 238, 246 Sprachförderkompetenz 2, 41, 43f., 46, 48, 51, 53, 62, 74, 82f., 247 Sprachförderkonzept 3, 15, 18, 23, 166, 181 Sprachförderkraft 3ff., 7, 18, 20, 22, 28, 44, 49, 53, 65, 67, 71ff., 104, 109ff., 116f., 123, 127, 129, 131f., 139, 142f., 151f., 154, 156, 164f., 167ff., 173, 175, 177ff., 183, 191, 194ff., 201, 206ff., 212ff., 218ff., 222ff., 229f., 233f., 237, 241ff., 245, 247 Sprachförderkräften 2, 4ff., 18, 24, 40f., 43f., 46ff., 60ff., 74ff., 82ff., 88, 103f., 107f., 110f., 114, 118, 122ff., 127, 130, 134, 138, 147, 149ff., 153f., 156ff., 160f., 165, 168f., 171ff., 193, 196, 198ff., 212ff., 217f., 229ff., 234, 236ff., 240ff., 246f.

Index | 307

Sprachfördermaßnahme 3, 5ff., 15, 23, 26, 50, 55, 73, 88, 110, 131, 136, 145, 147, 153f., 158, 163f., 171, 179, 212, 241, 244 Sprachfördersequenzen 49 Sprachförderung 1ff., 10, 12, 14f., 17ff., 22ff., 26ff., 38ff., 46, 48ff., 58, 60ff., 65, 68, 70ff., 76f., 79f., 82f., 88f., 94, 100, 103f., 112, 114, 123, 134, 138, 142, 148f., 153f., 156ff., 167ff., 176ff., 180, 185, 212, 215, 222, 227f., 231f., 234ff., 244ff. Sprachförderung adaptive 235 Sprachförderung entwicklungsorientierte 65 Sprachförderung systematische 50 Sprachheillehrerin 139, 170, 172ff. Sprachheilpädagoge 143f., 152 sprachliche Fähigkeiten 1, 4, 11, 19, 30, 32, 35, 65, 84, 93, 95, 98, 163, 165, 167, 170f., 219, 223, 232 Sprachperformanz 12, 178, 226 Sprachproduktion 11, 33, 94, 113, 123, 127, 184ff., 198, 201, 203 Sprachschwierigkeiten 1ff., 8, 13, 24, 65, 97f., 228, 231, 235, 237, 240, 242 Sprachstand 1, 4, 15, 19, 21, 27f., 32, 35, 63, 77, 90, 100, 123, 139, 143, 147f., 154, 156, 159, 161ff., 169, 172ff., 176f., 179, 191, 225, 232, 236, 240ff., 247 Sprachstandserhebung 1f., 4, 6f., 10f., 13, 16ff., 20ff., 24ff., 32ff., 39f., 42ff., 46, 48, 52, 55, 60ff., 65f., 68ff., 82ff., 86ff., 94, 101, 104ff., 110ff., 119, 121, 123ff., 130, 132ff., 141ff., 147ff., 165f., 168, 170ff., 183ff., 193ff., 202ff., 211, 214ff., 226, 230f., 234, 237ff., 247 Sprachstandserhebungsverfahren 1, 3f., 6f., 13, 29ff., 33ff., 39, 78, 80, 88, 133, 164, 177ff., 183, 185, 191, 194, 197, 215, 225f., 228, 230, 232, 240, 242ff. Sprachstörung 99 Sprachtest 31, 85, 131, 133, 136, 138, 148f., 153, 161f., 164f., 173, 176, 230 Sprachtherapeut 79, 98f., 103, 120, 143f., 152 Sprachtherapie 3, 27, 94, 139, 142, 222, 238 Sprachtherapiebedarf 100 Sprachunterricht 39

Sprachverständnis 12, 113, 123f., 126f., 129ff., 150, 184f., 187, 198, 204, 207f., 210, 212, 218ff., 224, 226, 234, 242 Sprachwissenschaft 1, 34, 61, 66, 72, 76, 153f., 236, 239, 241, 245 Sprechtafel 85 standardisiert 31, 47, 149, 154 Statusdiagnostik 27 Streuungskomponente 91f., 199 Subjekt-Verb-Kongruenz 11, 33, 47, 151, 184, 186, 194, 196, 215ff., 222f., 225, 231 sukzessiv 9, 23 Supervision 18, 53, 237, 239 Syntax 33f., 69, 98, 102, 113, 150, 154, 211, 215, 220, 222, 224 Syntaxerwerb 34 systematisch 30, 33, 37, 47, 133, 136, 148, 151, 175 Test 20, 31, 35, 38f., 85f., 88, 91ff., 95, 98f., 128, 131, 140, 145, 195, 203ff., 212, 226 Testgütekriterien 32, 37f., 91, 194 Testmaterial 87, 94 Testpraxis 86 Testsituation 86 Testtheorie 1, 26, 32, 38, 72, 76, 153f., 236, 239, 241, 245 Testverfahren 29, 31, 57, 90f., 98, 100f., 154, 193, 238 Testzeitpunkt 46, 96f., 180, 182f., 198, 211 Textverstehen 95f. Transkript 117, 159, 233 Transkription 117, 135, 149 T-Test 91 Übereinstimmung 92, 95, 100f., 135f., 178f., 194ff., 199ff., 210ff., 225ff., 230f., 234, 242f. Überschätzung 13, 65, 100, 195, 200, 202, 206ff., 211, 213, 217f., 228, 231, 234, 242 Überzeugungen 7, 66, 108, 122, 171, 173ff. Umgebungssprache 139 Underachiever 93, 97 Unterrichtsadaptation 58f. Unterschätzung 2f., 65, 92, 100, 195, 199ff., 205ff., 216f., 227f., 231f., 234, 242 Untertest 100f., 177, 184ff., 192ff., 196, 198f., 201, 204ff., 226ff., 234, 242f., 245

308 | Index Urteilsgenauigkeit 3, 6f., 56, 58, 60, 64f., 73f., 76, 82f., 89ff., 96f., 102f., 176ff., 181, 183, 185, 188, 190f., 193ff., 198, 203, 211ff., 218, 225, 227ff., 234f., 242ff. Validität 37, 40, 50, 91 Verbbedeutung 184, 189, 193ff., 198, 204f., 207ff., 215, 218, 226ff., 231, 242 Verben 11, 150, 186, 188, 190, 193, 199ff., 216, 219f., 229 Verbendstellung 33, 186f., 232 Verbzweitstellung 33, 186f. Verfahren 4, 16, 19f., 28ff., 34ff., 38ff., 44, 55, 60, 62f., 69ff., 78, 80, 83ff., 88, 93ff., 97ff., 101, 105f., 108, 121, 125, 127, 129, 131, 133, 136, 148f., 151, 153f., 174, 176, 183, 185, 194f., 226, 236, 245 Verfahren unsystematische 38, 40 Veridikalität Siehe Urteilsgenauigkeit Verlaufsbeobachtung 145, 152, 233, 237 Videografie 48 Vorläuferfertigkeiten 124, 126 Vorsorgeuntersuchung kinderärztliche 25, 84, 88, 143, 238 Wahrheitswertaufgabe 184 Wahrnehmungspsychologie 30 Weiterbildung 4, 6, 18, 22, 44, 46, 48f., 51, 63, 79, 107, 157, 237, 239, 245

W-Fragen 12, 130, 184, 187f., 192ff., 198, 204ff., 209ff., 215, 218, 226ff., 231, 243, 245 Wilcoxon-Test 205 Wimmelbild 21, 130 Wissen 6, 23, 28, 41, 44, 46ff., 50ff., 56ff., 60ff., 66f., 69ff., 75, 78f., 82f., 90, 93, 99, 104, 114, 117, 153, 168, 173f., 232, 236, 240, 244f. Wissenstest 47, 75 Wortschatz 12, 21, 33f., 73, 95ff., 102, 113, 123f., 129, 131ff., 136, 139, 150, 154, 170f., 187, 190f., 193f., 198ff., 206, 211ff., 216, 219ff., 223ff., 233f., 242 Wortschatzerwerb Siehe Lexikonerwerb Zone der nächsten Entwicklung 39, 228 (Zweit-)Sprachdidaktik frühkindliche 247 Zweitsprache 1ff., 14, 18, 20, 23, 26, 30, 34ff., 40, 42f., 47, 53f., 65, 72, 74, 76, 83, 87, 97, 101ff., 106, 111, 132, 138f., 149ff., 165, 168, 170, 177ff., 184f., 191, 216, 228, 231f., 235, 237f., 240, 242f., 246f. Zweitspracherwerb 3, 5, 8ff., 19, 23f., 33ff., 63, 71, 94, 97, 106, 150, 186, 240, 246