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German Pages 302 [304] Year 1998
Snorri Sturluson
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer Band 18
w DE
G_ Walter de Gruyter · Berlin · New York 1998
Snoffi Sturluson Beiträge zu Werk und Rezeption Herausgegeben von Hans Fix
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G_ Walter de Gruyter · Berlin · New York 1998
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Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Snorri Sturluson : Beiträge zu Werk und Rezeption / hrsg. von Hans Fix. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1998 (Reallexikon der germanischen Altertumskunde : Ergänzungsbände ; Bd. 18) ISBN 3-11-016182-6 Ergänzungsbände / hrsg. von Heinrich Beck ... Bd. 18. Snurri Sturluson. - 1998
© Copyright 1998 by Walter de Gruyter GmbH & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin
Vorwort Vom 24. bis zum 27. November 1991 fand am damaligen Nordeuropa-Institut (dem heutigen Nordischen Institut) der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald nach längerer Pause wieder ein altskandinavistisches Symposion statt. Snorri Sturluson inn fròdi — ein Rück- und Ausblick anläßlich seines 750. Todesjahres war der Titel dieser Veranstaltung, zu der auch der isländische Botschafter in Bonn, Hjálmar W. Hannesson, nach Greifswald gekommen war und über deren Verlauf Stefanie Würth und Donald Tuckwiller in Alvíssmál 1 (1992) S. 123-128 ausführlich berichteten. Bald nach der Tagung war klar, daß die Vortrage überarbeitet und publiziert werden sollten. Darüber hinaus sollten noch einige Beiträge angefordert werden von Personen, die an der Tagung nicht teilnehmen konnten (Hermann Pálsson, Margret Clunies Ross). Wenn jetzt, fünf Jahre nach der Veranstaltung, der Band endlich in Druck gehen kann, so liegt das an der Verkettung verschiedener Umstände, über die hier nicht zu berichten ist. Die Publikation erscheint dennoch angeraten, denn beim Symposion deutlich gewordene Tendenzen bestimmen weiterhin die altskandinavistische Forschung. Allen, die aufgrund ihres Langmuts diese Publikation noch ermöglichen, danke ich. Mein Dank geht an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, durch deren Unterstützung die Tagung erst möglich wurde, an Peter Weiß und Hartmut Mittelstadt, die freundlicherweise die Druckvorlage mit bearbeitetet haben. Dank gilt auch den Herausgebern der Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Sie nehmen den Band in ihre Reihe auf in der Überzeugung, daß der Historiker Snorri durch seine Werke auch ein Bild des nordischen Altertums geprägt hat, das bis auf den heutigen Tag nachwirkt. Snorri erkennen, heißt auch zu erkennen, warum wir die frühe und mittelalterliche Geschichte des Nordens so sehen, wie wir sie sehen.
Greifswald, im November 1996
Hans Fix
Inhaltsverzeichnis HEINRICH BECK
Ragnar0kr und der Kampf um Troja (Skáldskaparmál 87, 1 - 88, 3)
1
MARGARET CLUNIES ROSS
Snorri's Edda
as narrative
9
HANS FIX UND THOMAS BIRKMANN
Die Worttrennung am Zeilenende in Handschriften der Snorra Edda
23
JÜRG GLAUSER
Vom Autor zum Kompilator. Snorri Sturlusons Heimskringla und die nachklassischen Sagas von Olav Tryggvason
34
HERMANN PÁLSSON
Snorri Sturluson and the Everlasting Battle
44
HEINZ KLINGENBERG
Hommage für Skúli BárÓarson
57
KOLBRÚN HARALDSDÓTTIR
Der Historiker Snorri: Autor oder Kompilator?
97
THOMAS KRÖMMELBEIN
Jacob Schimmelmann und der Beginn der Snorra Edda-Rezeption in Deutschland
109
EDITH MAROLD
Der Dialog in Snorris Gylfaginning
131
KURT SCHIER
Literatur als historisches Argument: Einige Bemerkungen zum Nachwirken Snorris in Skandinavien vom 17. - 19. Jahrhundert
181
HANS SCHOTTMANN
Zu Snorris Erzählstrategie in der Óláfs saga helga
230
viii
Inhaltsverzeichnis
HUBERT SEELOW
Zur handschriftlichen Überlieferang der Werke Snorri Sturlusons
246
RUDOLF SIMEK
Snorri
als
Kosmograph
255
ULRIKE STRERATH-BOLZ
Sprache und Religion im Prolog der Snorra Edda
267
SVERRIR TÓMASSON
Snorri Sturluson als Hagiograph
275
ERNST WALTER
Bemerkungen zur Bildung und Semantik gelehrter Wörter und Wendungen in Snorris Heimskringla
287
Ragnar0kr und der Kampf um Troja {Skáldskaparmál 8 7 , 1 - 8 8 , 3 ) 1 VON HEINRICH BECK
Die Snorra Edda bietet für den Interpreten in textkritischer Hinsicht ein doppeltes Problem: Die erhaltenen Handschriften geben Anlaß zu der Annahme, daß sich in ihnen ein Schaffensprozeß Snorris spiegelt. Der Upsaliensis [U] weicht von den übrigen Handschriften (dem Regius [R], Wormianus [W], Trajectinus [T] stark ab, scheint aber die älteste Überlieferungsstufe darzustellen und im Kontext der Begleitüberlieferung Snorri am nächsten zu stehen.2 Zum anderen hat die Snorra Edda auch Interpolationen von anderer Hand erfahren. Sie versuchen Snorris Intention zu erläutern, zu erweitern oder zu korrigieren. Die Abgrenzung von Interpolation und Original' ist im Einzelfall schwierig. Der fremde Eingriff kann so weit gehen, daß es nicht bei kurzen Einschüben bleibt, sondern eine Bearbeitung entsteht, die eine darstellerische Intention in neue Bahnen zu lenken sucht. Die Diskussion um den Edda-Prolog ist ein Beispiel für die kontroverse Beurteilung solcher Versuche. Eine ältere Textkritik hat in ihrer Suche nach dem Original Texte bereinigt und Ausgaben besorgt, die dem Ursprünglichen näher kommen sollten. Auch die Snorra Edda hat dieses Schicksal erfahren.3 In jüngerer Zeit ist diese Art von Textkritik in Verruf gekommen. Zum einen spricht gegen diese ältere Textbehandlung die Tatsache, daß der Originalbegriff selbst ins Wanken geraten ist. Zum anderen haben Interpolationen und Bearbeitungen eine Neubewertung erfahren. Sie gelten nicht mehr als 'Verdunklung' ursprünglicher Intention, erhellen vielmehr einen Rezeptionsprozeß und zeugen von einer lebendigen Tradition, einer Auseinandersetzung mit Texten, die gleiches Recht beanspruchen dürfen wie ein wirkliches oder vermeintliches Original. Textkritik wird damit nicht überflüssig, wohl aber erfährt sie eine Neubewertung. In diesem Sinne soll im folgenden eine als Interpolation erklärte Passage der Skáldskaparmál in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden: SnE 86,1988,3. Finnur Jónsson erklärt in seiner Einleitung (S. XX) dazu: „Der kan ingen tvivl vaere om, at alt dette er indskud i Snorres tekst. Dette laerde kram stâr som en kile i fremstillingen, der ingen mening har. Det har latinske endelser i personnavne. 1
2 3
Nach der Ausgabe von Finnur Jónsson, Edda Snorra Sturlusonar, udgivet efter Händskrifterne af Kommissionen for Det arnamagnseanske Legat. K0benhavn 1931, 87f; diese wird im folgenden als SnE zitiert. Vgl. SnEIVff. Nach der 'Urgestalt der SnE' fragt z. B. F. W. Müller, Untersuchungen zur Uppsala-Edda. Dresden 1941, 10.
2
Heinrich Beck
Det minder mèget om indskudene i prologen i W. Men det er altsâ indkommet i det feiles grundlag for RWT, altsâ engang i den sidste halvdel af 13. ârh." Der Text lautet: PRiamvs konvngr iTroio var hçfpingi mikill yfir atllvm her Tyrkia ok hans synir voro tignaztir afç llvm her hans. Sa salr hiN agœti er œsir kallvpv Brimis sal epa biorsal, pat var ha/ll Priamvs konvngs. En pat er peir gera langa frasa>gn of ragna rwkr pat er Troio manna orrosta. Pat erfrasagt at A/kvpoR engôi oxa htvfpi ok dro at borpi MiSgarpz o(rm) en ormriN helt sva lifinv at han swkpiz ihafit. Eptir peim dcemvm er petta sagt er Ektor drap Volvkrontem agœtan kappa at asianda envm mikla Akille ok teygpi hann sva at ser meö htvfpi hins drepna pes er peir iofnvpv til oxans pes er Oku PoR hafpi hofvöit af. en er Akilles var dregiN ipetta vfœri med sinv kappi pa var honvm sv ein lifs hialpin at flyia vndan banvcenligv hwggvi Hektoris ok po saR. Sva er ok sagt at Ector sotti sva akaflega orrostona ok sva miklir voro ofrhvgir hans er hann sa Akillevs, at engi Ivtr var sva sterkr at standaz mœttifirir honvm, ok er hann misti Akillevs ok hann var flyidr pa sefapi hann sva reipi sina at hann drap paN kappa er Roddrvs het. Sva swgpv œsir at pa er QkvpoR misti ormsins pa drap hann Ymi iotvn en vid ragna rwckr kom MiÔgarzormr vaveifliga at Por ok bles ahann eitri ok hio hann til bana en eigi nentv œsir at segia sva at QkvpoR hefpipi latiz at eiS stigi yfir hann da>pan pot sva hefpi verit, en meiR hra/pvpv peir frasa/gniNi en satt var er peir sogpv at MiÔgarpz ormrfengi par bana. En patfœrpv peir til pott Akillevs bœri bana ord af Ecktore pa la hann da/òr a sama velli af peim swkvm; pat gerpv peir Elenvs ok Alexander; paN Elenvs kalla œsir Ala. Pat segia peir at hann hefndi bropvr sins ok hann lifpi pa er a>ll gopin voro darò ok slwknaòr var eldriN sa er breNdr var Asgardr ok aliar eignir gopaNa. En PiRvs honvm iofnvpv peir til Fenris vlfs, hann drap Opin, en PiRvs matti vargr heita at peira trv, pviat eigi pyrmdi hann gripa sta/pvnvm, er hann drap konvngiN i hofinv firir stalla Pors. Pat kalla peir Svrtaloga er Troia braN. En Mopi ok Magni synir Okvpors qvomv at krefia landa Ala e(da) Vipar; hann er Eneas, hann kom bra>t af Troio ok vaN sipan stor verk. Sva er ok sagt at synir Ectoris komv til Frigialanz ok settvz sialfir ipat Riki, en rakv ibra/t Elenvm. König Priamus von Troja war der große Anführer des Gesamtheeres der Türken und seine Söhne waren die vornehmsten seiner ganzen Mannschaft. Jener vortreffliche Saal, den die Asen den Saal des Brimir oder den Biersaal nannten, war die Halle des Königs Priamus. Und das, was sie zu einem langen Bericht über Ragnar0kr machten, ist der Kampf der Trojaner. Es wird berichtet, daß Qku-t>órr den Kopf eines Ochsen bedrängte und den Miögarösormr an Bord zog, aber der Wurm rettete sein Leben damit, daß er ins Meer zurücksank. Diesen Beispielen entsprechend wird gesagt, daß Hektor den Vólukront erschlug - im Angesicht des großen Achill - und so sehr riß er den Kopf des Getöteten an sich, daß sie ihn mit dem Ochsen verglichen, dessen Kopf Qku-Pórr abtrennte. Aber als Achill mit seinem Kampfeifer in dieses gefährliche Unternehmen hineingezogen wurde, konnte er nur so sein Leben retten, daß er dem todbringenden Hieb Hektors entfloh. Dabei trug er eine Wunde davon. Es wird auch gesagt, daß Hektor so eifrig den Kampf suchte und von solchem Ungestüm bewegt war, als er Achill sah, daß es nichts gab, was so stark war, daß es ihm hätte standhalten können, und als er Achill verfehlte und dieser ihm entfloh, da besänftigte er seinen Zorn damit, daß er den Kämpen erschlug, der Roddrus hieß. So sagten die Asen, daß Qku-Pórr, da er den Wurm verfehlte, den Riesen Ymir erschlug.4 In Ragnar0kr aber kam der Miögarösormr plötzlich Pórr entgegen und spie Gift und brachte ihn zu Tode, und es widerstrebte den Asen, so zu berichten, daß Pórr in der Weise starb, daß einer über ihn als Toten gestiegen wäre - obwohl es so gewesen war. Aber mehr überstürzten sie die Geschichte als wahr war, als sie sagten, daß der Miögarösormr da den Tod gefunden hätte. Das fügten sie nämlich 4
D. i. Hymir, vgl. Gylfaginning, c. 48.
Ragnar0kr und der Kampf um Trója
3
hinzu: denn obgleich Achill Hektor erschlug, lag er (später auch) dieses Streites wegen tot auf demselben Platze. Das taten Elenus und Alexander. Diesen Elenus nennen die Asen Áli. Sie sagen, daß er seinen Bruder rächte und überlebte, da alle Götter tot waren und das Feuer erloschen, in dem ÁsgarSr verbrannte und aller Besitz der Götter. Aber Pirnis setzten sie dem Fenriswolf gleich. Er tötete όδίηη. Pirrus aber sollte nach ihrem Glauben vargr [Wolf] heißen, denn er schonte nicht die Friedensstätten, da er den König im Heiligtum vor dem Altar des t>órr erschlug. Sie nennen es den Surtalogi, der Troja verbrennen ließ. Aber M65i und Magni, die Söhne des Qku-Mrr kamen, um die Länder des Áli oder Vföarr einzufordern. Es war Eneas, der aus Troja entkam und danach große Taten vollbrachte. Es wird auch gesagt, daß die Söhne Hektors nach Frigialand kamen und sich selbst in diesem Reich einsetzten; den Elenus aberjagten sie davon.
Nach den Worten dieses Textes besteht also eine Gleichung ragnar0kr = Troio manna orrosta, d. h. die Erzählung (frasçgn) vom Götterschicksal in nordischer Sicht setzt der Verfasser dieses Einschubes mit der Trojanergeschichte in der klassischen Überlieferung gleich. Zum Beweis seiner These führt er folgende Gleichungen an: (1) Die Halle des Königs Priamus ist identisch mit 'Brimis salr eöa biorsalr'. Nach Gylfaginning (c. 52) heißt Brimir ein himmlischer Saal, der den Trinkfreudigen dient. Gimlé, Brimir und Sindri sind die Orte, wo sich die guten und rechtschaffenen Menschen nach dem Tode aufhalten. Die Vçluspà (37) spricht von einem Biersaal des Riesen Brimir, der auf Ókolnir steht. Es sind also 3 Stufen zu unterscheiden: Nach Vçluspâ ist Brimir ein Riese, die Halle an einem Ort Ókolnir;5 Snorri macht daraus eine himmlische Behausung mit Namen Brimir für alle rechtschaffenen Verstorbenen, die dort Trinkfreuden genießen; der Interpolator identifiziert diese Halle schließlich (unter Rückgriff auf die Vçluspâ-StTophé) mit Priamus' Halle. (2) Hektor-Taten und Qku-Porr-Geschichten werden in Beziehung gesetzt. Hektor erschlug Vólukrontes und riß den Kopf des Erschlagenen an sich - so wie QkuPórr dem Ochsen den Kopf abtrennte (als Köder für den MiÖgarÖsormr). So todbringend war der Schlag Hektors, daß Akilles (Achill) verwundet die Flucht ergreifen mußte, und so ungestüm war dabei seine Kampfeswut, daß er seinen Mut damit kühlte, den Roddrus zu erschlagen - so sagen die Asen auch von Qku-f>órr, daß er den Riesen Hymir erschlug, als er den MiÖgarÖsormr verfehlte. In Ragnar0kr bereitete dann der Wurm dem Gott den Tod (so wie Achill dem Hektor). Die fehlende Stimmigkeit im Vergleich der Rollen des MiÖgarÖsormr und des Achill sieht der Verfasser: Pórr tötet den MiÖgarÖsormr und stirbt selbst am Giftatem des Wurmes. Achill aber tötet Hektor und stirbt selbst - verwundet von einem göttergesandten Pfeil. Auf demselben Felde wie Hektor lag also auch er schließlich, getötet in demselben Streitfalle. Der Verfasser spricht von hrapa frâsçgninni (eine Geschichte zu schnell und irrend vortragen): was in der trojanischen Erzählung auseinandergezogen ist, ist in der Ragnar0kr-Geschichte verkürzt: Qku-Pórr stirbt an den Folgen der Miögarösormr-Tötung.
5
Dazu Siguröur Nordal, Voluspá. Aus dem Isländischen Ubers, von Ommo Wilts. Darmstadt 1980, 78.
4
Heinrich Beck
(3) Die Helenus-Áli-Gleichung. Der Priamus-Sohn Alexander (der mit anderem Namen Paris hieß = Trójumanna saga6) wird Achill zum Verhängnis: von seinem durch Apollo gelenkten Pfeil wird der griechische Held tödlich getroffen. Die Tat an Hektar, dem Bruder des Paris, findet damit Sühne. Der lateinische Bearbeiter des Ilias Dares entfernt die Götter als Akteure aus dem Handlungsgeschehen: Hecuba schickt Achill eine verräterische Einladung, in den Tempel des Sonnengottes zu kommen. Alexander erwartet dort Achill und erschlägt den Ahnungslosen - in Gegenwart des Elenus.7 Elenus und Ali setzt der Interpolator gleich. Mit Áli ist offenbar der Balder-Bruder Váli gemeint, der die Rache am Mörder Balders ausführt.8 Bemerkenswert ist dabei allerdings, daß der Interpolator sich nicht auf die Gylfaginning-Oaistcllung bezieht, sondern auf die eddische Sammlung zurückgreift. Von Váli und Viöarr sagt Snorri, daß sie den Surtalogi, den Weltenbrand, überstehen und IÔavçllr an der Stelle bewohnen, wo einst das alte Asgarör stand. Der Interpolator fügt hinzu: Dort tauchen die Söhne QkuPórs auf, M0Öi und Magni, und beanspruchen die Lande Alis oder ViÖars. Der letzte Satz nimmt die Elenus (= Áli)-Geschichte wieder auf: Die Ector (Hektor)-Söhne seien nach der Vertreibung aus Troja nach Frigialand gekommen und hatten dort die Herrschaft übernommen und den Elenus vertrieben. Wenn dieser Satz nach der Logik des Vorangegangenen mit der Geschichte der Qku-Porr-Söhne verbunden werden darf, bedeutete es: Die Pors-Söhne (MoÖi und Magni) setzen sich in ihrem Herrschaftsanspruch an die Stelle des Ööinnsohnes Áli. (4) Die Pirrus-Fenrisúlfr-Gleichung. Der Interpolator bezieht sich hier auf die Trójumanna saga, wo von Pirrus gesagt wird, er habe König Priamus firir stallínum Ρ ors erschlagen (S. 229). Die Gleichsetzung mit dem Fenrisúlfr ist auf der Handlungsebene angesiedelt: Troja wird eingenommen, seine Bewohner niedergemacht - auch sein letzter König Priamus. So geschah es auch in Asgarör, wo dessen oberster Herrscher OÖinn dem Fenrir zum Opfer fallt. Konsequenterweise ist dann der Surtalogi dem Trója-Brand gleichgesetzt. Im Zusammenhang gesehen, hatte der Interpolator also die Vorstellung, daß der Untergang der nordischen Götterwelt nach dem Vorbild des Troja-Unterganges gestaltet wurde. Der Göttervater OÖinn entspricht dabei dem letzten Trojanerkönig Priamus. Unter seinen Söhnen nimmt Pórr = Hektar eine prominente Stellung ein. Sein Kampf mit dem MiÖgarÖsormr spiegelt die Hektor-Achill-Begegnung wider: In einer ersten Begegnung treibt Hektar seinen Gegner zur Flucht, in einer zweiten erleidet er eine tödliche Niederlage - so stirbt Pórr in Ragnar0kr durch den MiÖgarÖsormr, nachdem er in einer ersten Begegnung den Ormr in Gefahr brachte. Das OÖinn-Schicksal kommt nur kurz zur Sprache. Wie Pirrus den König Priamus er6
7 8
Trójumanna saga. Ed. Jonna Louis-Jensen. Copenhagen 1963 (Editiones Arnamagnaeanae, Series A, vol. 8), 9. Ebd. 200f. Hyndluljöö 29, Vçluspà 32ff.
Ragnarökr und der Kampf um Trója
5
schlug, so brachte der Fenrisúlfr dem OÖinn den Tod. Mehr Beachtung schenkt der Verfasser wieder den Söhnen f»órs. Μόδι und Magni fordern von 'Ali oder ViÖarr' Land. Dies setzt er offenbar in Bezug zu der Angabe, daß Hektors Söhne nach Frigialand kamen, sich dort zu Herrschern machten und den Helenus vertrieben. Als Quelle seiner Darstellung diente dem Interpolator vor allem die Trójumanna saga. Diese Quellenangabe ist allerdings zu pauschal und müßte nach den verschiedenen Versionen dieser Saga, die alle ihre eigenen Intentionen aufweisen, differenziert werden. Hier seien nur zwei Punkte aus diesem Fragenumkreis aufgegriffen: Bereits im ersten Satz bekundet der Interpolator eine Gleichung Trójumenn = Tyrkir, die auch in einer Version der Trójumanna saga zu belegen ist. Sie ist ein Spezifikum der isländischen Überlieferung und steht wohl in Zusammenhang mit der Erkenntnis der ersten isländischen Historiker, daß der Name Asien mit der Götterbezeichnung Asen zu verbinden sei.9 Wann allerdings die Asía-ás-Gleichung zu der Konkretisierung aesir = Tyrkir führte, ist umstritten. Ein zweiter Punkt betrifft die offenkundigen Abweichungen des Interpolators von seinen Quellen. Wenn solche Abweichungen auszumachen sind, dürften sie als Zeugnisse einer eigenen Sinngebung Aufmerksamkeit beanspruchen. Die Rolle, die der Verfasser der Áli-Gestalt zuweist, deutet in diese Richtung. In Gylfaginning (c. 53) und VafôrùÔnismâl (51) werden ViÖarr und Vali den f>órssohnen Μόδι und Magni an die Seite gestellt - als Überlebende des Surtalogi. Der Interpolator macht daraus ein gegnerisches Verhältnis: En Μόδι ok Magni synir Qku-Pórs qvámu at krefja landa Àia eòa Viöar. Die Entsprechung sieht er in der Vertreibung des Helenus aus Frigialand durch die Hektorsöhne. Die Identifikationen, die der Verfasser zwischen Trójakampf und Ragnar0kr herstellt, ruhen einerseits auf Namenanklängen, andererseits auf inhaltlichen Ähnlichkeiten. Die Namenanklänge erstrecken sich auf: Ector Qku-Pórr Elenus : Ali (?) Sie bewegen sich auf der Linie Praxis weithin) geübt wurde: Asíamenn : Frigida Grór :
dessen, was im Formáli (und in mittelalterlicher ¿Esir mit Anklang an Phrygia und Frigg (Oöins Frau) Pórr (mit dieser Gleichung des Formáli wird auch Thracia assoziiert)
Inhaltliche Ähnlichkeiten bewirken weitere Identifikationen: ÄsgarÖr : Burg von Troja Ragnar0kr Krieg um Troja Miögarösormr : Akilles (Achill) Fenrisúlfr Pirrus Surtalogi Brand von Trója 9
Η. Beck, Yngvi Tyrkja Konungr. In: Sagna|>ing helgaö Jónasi Kristjánssyni sjötugum 10. aprii 1994. Gfsli Sigurösson u.a. (ed.). Reykjavik 1994, 55-68.
6
Heinrich Beck
Für den Kompilator liegt die Gemeinsamkeit der beiden Überlieferungen in der Annahme eines zerstörerischen Krieges (Trójumanna orrosta, Ragnar0kr) und eines alles vernichtenden Brandes, in dem die Wohnstätte (Trója, AsgarÖr) eines großen Fürsten (Priamus, Ööinn) zugrundeging. Die Handlung offenbart ihre Gemeinsamkeit vor allen in den Taten von Ektor und Qku-Pórr (Ektor und Akilles: Qku-Pórr und Miögarösormr; Ektor und Roddrus: Qku-Pórr und Hymir). Mit Abstand folgen die Paare Elenus/Alexander und Áli, die beide Rache nehmen: Alexander/Elenus an Achilles, Áli am Mörder Balders, Pirras und der Fenriswolf vollenden das Töten an Priamus bzw. OÖinn. In beiden Überlieferungen erblickt der Interpolator Gemeinsamkeiten darin, daß nach dem großen Brand Überlebende ein neues Leben beginnen: Eneas, der Großes vollbrachte, und die Ektorsöhne, die Elenus aus Frigialand vertrieben; Μόδι und Magni (die Porssöhne), die die Lande von Áli oder ViÖarr (den Ööinssöhnen) beanspruchten. Der bisher besprochene Text hat bereits einen Vorspann, der mit als Teil der Interpolation gilt. Nachdem im sog. Eptirmáli I10 die Rede davon war, daß Christen nicht auf andere Art an die heidnischen Götter und die Wahrheit des von ihnen Gesagten glauben sollten, als es zu Beginn des Buches gesagt ist, fährt der Interpolator fort (SnE 86, 19-22): er sagt er fra atbvrpvm peim er maNfolkit viltiz fra rettri trv. ok pa nœst fra Tyrkivm hvernig Asia menn peir er cesir erv kallapir favlsvpv frasagnir peer fra peim tipindvm er gerpvz iTroio til pes at landfolkit skyldi trva pa gvS vera. wo von den Taten gesprochen wird, die das Menschengeschlecht vom rechten Glauben weg und in die Irre führen und weiter von den Türken, wie die Asienbewohner, die Asen genannt wurden, die Erzählungen von den Ereignissen fälschten, die in Trója geschahen, damit die unwissenden Landbewohner glauben sollten, sie seien Götter.
Dieser Vorspann enthält drei fundamentale Aussagen: die Gylfaginning-Geschichten vom rechten Glauben dar,
stellen eine Abirrung des Menschengeschlechtes
die Asen sind ursprünglich Asienbewohner und mit den Türken gleichzusetzen, die Ragnar0kr-Geschichten sind eine Fälschung der Asen auf der Grundlage der Trója-Überlieferung mit dem Ziel, das landfolk glauben zu machen, sie seien in Wirklichkeit Götter. Die erste Aussage läßt sich mit dem formáli in Beziehung setzen. Es heißt dort (SnE 1), daß nach der Nóa-Flut das Menschengeschlecht Gott den Gehorsam verweigerte (afrcekduz guös hlyöni). Mit ihren irdischen Gaben versuchten die Menschen, die Welt zu begreifen, ohne aber zu einem geistlichen Verstehen (andlig spekö SnE 3) durchdringen zu können. Die zweite Aussage deckt sich völlig mit der Ansicht des formáli". die Asiamenn werden mit den ¿Esir identifiziert, Trója und Trójumenn mit Tyrkland und Tyrkir. Weniger eindeutig ist die dritte Aussage. Formáli und Interpolation stimmen zwar beide darin überein, daß sie in den Asen menschliche Wesen erblicken, die fälschlicherweise für Götter gehalten wurden 10
Vgl. Müller, a. a. O., 79.
Ragnar0kr und der Kampf um TnSja
7
beide bewegen sich also auf der Basis des Euhemerismus. Der Interpolator verschärft die Argumentation aber doch so sehr, daß kaum ein und derselbe Verfasser für formáli und Interpolation anzunehmen ist. Für den Interpolator maßen sich die Asen die Göttlichkeit an (und werden nicht irrigerweise in diesen Zustand erhoben, wie der formáli-Verfasser meint). Sie sind Fälscher, die sich die fehlende Urteilsfähigkeit des landfolk zunutze machen. Es ist ein häufig gebrauchtes kirchliches Argument, daß die falschen heidnischen Götter die simplicitas animi der Menschen für ihre Zwecke nutzten. 11 Wohl aber könnten zwei Stellen der Gylfaginning dem Interpolator zugeschrieben werden, die schon Finnur Jónsson als Zusätze ansehen wollte: die Asgarör-Erklärung: Pat Icçllum vèr Troja (in RWT: SnE 16 App.) die Schlußbemerkung: sa er OkvpoR, ok honvm erv kend pa> storvirki, er Ector gerpi iTroio. En pat hyGia menn, at Tyrkir hafi sagt fra Vlixes ok hafi peir hann kallat Loka, pviat Tyrkir voro hans hinir mestv vvinir, während R für í>órr ein übergeschriebenes Ector zeigt, formulieren WT: er Ector gerpi iTroio.12 Die LokiÚlixes-Gleichung wäre ein weiterer Baustein in der Trója-ÁsgarÓr-Identifizierung des Interpolators. Bemerkenswert ist das Argument, daß die Fälschung der Trojanergeschichte durch die Asen ihre Göttlichkeit erweisen sollte. Die Dares- Version zeichnet sich gerade dadurch aus, daß sie die Götter vom Handlungsgeschehen ausschließt und die trojanischen Helden als irdische Akteure begreift. Eine Erklärung für diese Argumentation könnte nur eine eingehende Erörterung der isländischen Trója-SagenRezeption liefern. Sie ist bisher nicht geleistet.13 Deutlich ist aber (dank der kritischen Ausgaben von J. Louis-Jensen), daß sich in den Handschriften des 14. Jahrhunderts und späterer Jahrhunderte ein Traditionszweig verfolgen läßt, der dem Dares-Text nahe steht (sog. α-Version), während ein anderer (sog. ß-Version) durch den Einfluß zusätzlicher lateinischer Quellen (Ilias latina, Ovid) geprägt ist. Gerade in letzterem wird teilweise14 die Götterfrage und Götterabkunft der Helden eingehend behandelt. Auf solches Überlieferungsgut bezieht sich wohl der Interpolator, wenn er den Göttlichkeitsanspruch der Asen mit der Trojanergeschichte in Verbindung bringt. Für Finnur Jónsson sprachen vor allem formale Gründe für die Annahme einer Interpolation: einmal die Tatsache, daß nur RWT diese Interpolation (Eptirmáli II) kennen (nicht aber U), zum andern die Beobachtung, daß Personennamen in diesem Abschnitt lateinische Endungen zeigen.15 Der Einwand von F. W. Müller 16 , daß auch im Prolog lateinische Endungen zu beobachten seien, wären dann gegen-
11
13
Vgl. Saxo, Gesta Danorum VI, F, 3. Snorri Sturluson, Edda. Prologue and Gylfaginning. Ed. Anthony Faulkes, London 1988, 76. Vgl. aber Stefanie Würth, Intention oder Inkompetenz: Die Bearbeitungen der Trójumanna
saga, in: skandinavistik 22, 1992, 1-26. 14 15 16
Ormsbók, AM 573, 4to. SnE XX. A. a. O., 82.
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Heinrich Beck
standslos, wenn auch dieser als spätere Zutat zu erweisen wäre - und dafür spricht einiges. Die Beurteilung des von R. Rask so benannten Eptirmáli (SnE 86,11-88,3), d.h. Wendung an junge Skalden und Trója-Exkurs, ist umstritten. Finnur Jónsson hielt Eptirmáli I (d. h. SnE 86,11-18) für echt, Eptirmáli II (SnE 86,19-88,3) aber für eine spätere Zutat. Als Stütze seiner Annahmen kann er anführen, daß Eptirmáli I nicht nur im Gemeinen Text (RWT), sondern auch in der Handschrift U überliefert ist. 17 Dies spricht doch für eine gewisse Ursprünglichkeit in Eptirmáli I und eine jüngere Stufe für Eptirmáli 7/.18 Da alle Handschriften des Gemeinen Textes den Trójaexkurs aufweisen, muß diese Interpolation eine prägende Rolle in der Eddatradition gespielt haben. 19 Trotzdem steht sie im Widerspruch zur GylfaginningDarstellung und dies nicht nur in formaler Hinsicht. Der Interpolator darf als ein später Vollender der euhemeristischen Lehre gelten, die den Asen ihren göttlichen Charakter absprechen und sie als Betrüger entlarven wollte. Für Snorri aber waren die irdischen Asen legitime Repräsentanten der göttlichen Asen. Die Religion, die sie in die NorÔrlçnd trugen, war eine Offenbarung, und eine Lehre, die in ihren analogen Zügen bereits auf die christliche Botschaft verweisen konnte. Mit dem Prinzip der Analogie arbeitet in seiner Weise auch der Interpolator. Er glaubte in der Ragnar0kr-Geschichte Analogien zum Trojanerkampf feststellen zu können - und interpretierte diese Anklänge als das Ergebnis einer betrügerischen Manipulation durch die Asen. Zweifach war also sein Anliegen: zum ersten mußte er die Analogie zwischen Ragnar0kr-Bericht und Troja-Überlieferung plausibel machen. Zum zweiten beabsichtigte er, das íuphafi bókar Berichtete in eine neue Deutung weiterzuführen. Als 'gelehrten Kram' sollten wir diesen Versuch einer neuen Sicht der nordischen Prähistorie nicht abtun, wenn auch deutlich ist, welche Kluft die Gylfaginning-Konzeption und die Sicht des Interpolators trennt. Die Einschätzung, zu der F. W. Müller vor mehr als 50 Jahren kam, darf auch heute noch gelten: „Aber ist die naive Parallelisierung von Göttern des nordischen Mythus mit Gestalten der griechischen Heldensage wirklich so absurd? Auf welchen Kanälen und in welcher Form die Kunde von der klassischen Mythologie und Geschichte nach dem Norden gekommen ist, wissen wir nicht, es fehlen noch die Vorarbeiten dazu. Da aber das ganze Europa des frühen Mittelalters die Antike (nicht das Römische Reich der nachklassischen Zeit!) ähnlich subjektiv sah, wird auch der Norden sie nicht in einer Form kennen gelernt haben, die eine kritische Betrachtung und exakte Forschung ermöglicht hätte. Besonders borniert braucht also der Verfasser des Trojanerexkurses nicht gewesen zu sein!"20 17 18
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Vgl. dagegen Müller, a. a. O., 82ff. Inkonsequenzen in der Ausgabe Finnur Jónssons seien dabei nicht übersehen. So wird z. B. Eptirmáli II mit engem Druck in den Text genommen, die ÁsgarSr-Trója-Gleichung SnE 16,20 aber nicht. Eine eigene Intention spricht aus den Prologeinschüben des Wormianus. Dem Verfasser geht es um eine euhemeristische Deutung der griechischen Götterwelt und die Anknüpfung der Herrschergeschlechter des Nordens an die trojanischen Helden. A. a. O., 83f.
Snorri's Edda as narrative BY MARGARET CLUNIES ROSS
Introduction The purpose of this chapter is to discuss one of the main distinguishing discursive characteristics of Snorri Sturluson's Edda, its existence as narrative. Although the extant medieval manuscripts show that this major treatise on poetics and myth existed in several versions, exhibiting ,a form whose unity was not considered canonically fixed' (Krömmelbein 1992, 115), all versions depend on prose narrative for the presentation of the myths which underpin the more analytical parts of the treatise. We may see the various manuscript compilations of the Edda as a series of attempts to produce some formal coherence for a text whose cognitive subject had a double focus, poetics and mythology. Some of the extant manuscripts, like the Codex Upsaliensis, separate the narrative from the poetic parts of the work; others, like the Codex Regius and its derivatives, tend to integrate them. Probably no extant version of Snorri's text effects a perfect marriage between poetics and mythology, yet there is no doubt that some sort of union was felt to be desirable. The text itself indicates why internal coherence is required. The explanation, which I and others have argued can be regarded as the intentio scriptoris (Clunies Ross, 1992a; Krömmelbein 1992), comes in the passage of explicit advice to young poets who desire to learn the language of poetry (Finnur Jónsson 1931, 86, lines 11-18). Here it is plainly stated that one cannot understand the diction of skaldic poetry without a knowledge of the myths upon which skaldic kennings and other figures are based. These myths are stories (frásagnir), that is, they have narrative form. Hence, to ensure their understanding, they - or some key examples of them - must be narrated in the treatise itself and so form part of the Edda text. Thus we find, situated at the centre of the Edda's discursive pragmatic, an impulse to narrate as a means of instruction, cultural recuperation and verification. The act of production of the narrative text as much as of the Edda's analytical sections is impelled by a pedagogic desire, which is perceptible at the level of focalisation or narrative perspective. In several previously published works (Clunies Ross 1987, 1992a and b), I have attempted to evaluate what one might call the .truth value' of the Edda's mythic narratives in the terms established for them by the text itself. I have argued (Clunies Ross 1992a) that it is appropriate to call them,mythological fictions' in the terms the text (and its expected medieval audience) establishes for them, because they have an imputed epistemologica! status somewhere between truth and fiction. I
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have also contended (Clunies Ross 1987) that the meaning established for specific myths by the narrating voice of the Edda (and for convenience I shall call that narrating voice , Snorri Sturluson') has input into the more analytical section of Skáldskaparmál that deals, apparently systematically, with the nature of poetic diction. In other words, the work the narrator of the mythological fictions does in transmitting them to the fictional narratee and to his putative but presumably real audiences, feeds directly into the interpretation of kenningar and heiti offered, apparently value-neutrally, in the second part of Skáldskaparmál. My 1987 study of the Edda showed a strong ideological coherence between mythic narrative and poetic interpretation, driven by the principles enunciated in the Prologue to the work. There, as a number of twentieth-century studies have shown, Snorri establishes the qualified truth-value of pagan Norse myth and its presumed underlying religious beliefs. In several of my earlier writings on aspects of Snorri's narrative in the Edda (Clunies Ross 1986, 1987, 1992a and b), I have laid emphasis on the different ways in which strong thematic links are established between the analytical and the narrative parts of the work. I and others have shown that the complex focalisation of the Edda text reflects the qualified acceptance of old lore that a Christian faith enjoined upon both Snorri and his audience. The book is to be taken ,as scholarly enquiry and entertainment' (tilfroöleiks ok skemtunar), though the stories ,are not to be consigned to oblivion or demonstrated to be false, so as to deprive poetry of ancient kennings which major poets have been happy to use.' 1 While I stand by these observations, I want to explore here an interesting paradox, at least from a modern perspective, between the ideological and thematic cohesion of Snorri's Edda and its formal, narrative looseness as a literary work.
The originality of Snorri's frásagnir In two of my recent writings on Snorri's use of mythic narrative (Clunies Ross 1992a and 1994, Ch.l), I touch on the innovative quality of his use of prose narrative as a medium for representing Old Norse myth. It seems likely that no one before Snorri had attempted to systematise and commit to writing what must have been common knowledge in medieval Iceland: something approaching what I call elsewhere (Clunies Ross 1994) the Old Norse mythological world picture, a cultural donnée which must have existed at the level of the shared cultural inheritance 1
...'en ekki er at gleyma eòa ósanna svá gessar frásagnir, at taka ór skáldskapinum fornar kenningar, Jjasr er hç>fu5skàld hafa sér líka látit...' (normalised text after Finnur Jónsson 1931, 86, English translation by Anthony Faulkes 1987, 64). The quotation goes on to state explicitly that Christians must not believe in the heathen gods nor in the truth ,of this account' (pessar sagna) in any other way than that in which it is presented at the beginning of this book, that is, as most commentators have supposed, in the Prologue, where Snorri sets out the Christian framework within which his contemporaries can recognise Old Norse myth as representing a somewhat distorted but still recognisable version of the fundamental truths of Christianity.
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of medieval Icelanders. To refer to a shared cultural inheritance does not necessarily imply that all members of the community understood it equally well, and, as we infer from Snorri's advice to young poets quoted above, he was writing at a time when there was a perceived threat to the inheritance of traditional culture. If young poets did not understand the story-line of Old Norse myths, they stood no chance of being able to understand and use skaldic kennings and so perpetuate traditional forms of poetic composition.2 The Edda text, through the intentio scriptoris, thus situates the systématisation of mythic knowledge at a point of impending cultural loss. Put another way, the impetus to systematise and to narrate myth came about when the external cultural cohesion necessary for its oral transmission was under threat.3 There is good evidence that the traditional Icelandic, and probably pan-Scandinavian, medium for the literary expression of myth was poetry. Some part of the corpus of Old Norse mythic verse has come down to us, mostly embedded in the form of quotation in Snorri's Edda itself, separately within manuscripts that also contain all or parts of Snorri's Edda and, in the case of some eddic verse, either in the Codex Regius of the Elder Edda or in manuscripts of fornaldarsçgur. Saxo grammaticus, by his own admission, also made use of the poetry of the Icelanders, which he too embeds in prose history, in his case that of the Gesta Danorum. We may say, then, that when traditional Norse poetry made the transition from oral to literate form it did so in the mixed form known to classical tradition as the prosimetrum.4 The only extant medieval Scandinavian written text that contains traditional poetry and virtually nothing else is the Codex Regius of the Elder Edda and that manuscript, as is well known, reveals the clear presence of one or more compilers (Lindblad 1954 and 1980), who have classified and arranged the poetic texts according to their mythological and heroic subjects and introduced various kinds of interpretative links between the poems through several techniques of ordering and explication (cf. Meulengracht S0rensen 1991; Clunies Ross 1992b, 648f.). Some modern researchers have hypothesised that small collections of eddic mythological verse may have been compiled by Icelandic scholars, including Snorri Sturluson, from the late twelfth century onwards and that these putative compilations led, on a larger scale, on the one hand to Snorri's Edda and on the other to the Elder Edda collection. They may have had other written outcomes too, which we 2
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The point here is, of course, that myth is necessary to the formation of many kinds of skaldic kennings, whether the discourse of the poetry is centrally .about' myth or not. A lack of understanding of myth thus cripples a poet's ability to use the kenning system as a whole. In a recent paper (Clunies Ross forthcoming) comparing the approaches of medieval and modern editors of oral texts, I have argued that the transformation of oral literatures to written form does not take place without there being, either within the society, or contiguous to it, some element of cultural .otherness' that impels one or more literates to commit to writing what had previously been transmitted orally. In the Icelandic case, this was probably the cumulative effect of foreign, Christian culture and new fashions in literature, as Siguröur Nordal proposed (1920, 73-102). The process of committing an oral text to writing usually leads the writer to make explicit at least some of the cultural conventions that gave the text form and substance. For a study of Saxo's use of this form and his presentation of his Norse poetic sources in Latin see Friis-Jensen 1987.
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have lost with the passage of time. Whatever their genesis, it seems that the point of transition of myth from oral poetry to written prose text occurred in Iceland in the thirteenth century, just as happened with many other kinds of literature. There are, indeed, both parallels and differences between the uses saga-writers made of poetry in family and kings' sagas and the ways in which Snorri Sturluson used poetic versions of myth as the basis for his mythic narratives in prose. Several scholars have noted that only a relatively small number of the extant eddic mythological poems can be classified as primarily narrative in mode (cf. Klingenberg 1983). These are PrymskviÖa, HymiskviÖa and Skírnismál, with Vçlundarkviöa and Grottasçngr, the latter among the poems that are conventionally classified as heroic. Other mythological poems tend to be cast in the form of either monologue or dialogue, with supernatural beings as the speaking subjects (Clunies Ross 1990). Within this large group of mythological poems, myths are themselves presented for special purposes, usually of an exemplary nature (Meulengracht S0rensen 1991). Thus, within Hávamál, Ó5inn as speaking subject introduces the myth of his theft of the poetic mead from the giantess GunnlçÔ as an illustration of the general theme of the fickleness of men and women in erotic entanglements. Within the context of Hávamál this myth functions as an exemplum of a particular theme, but its cultural meaning, both within and outside Hávamál is not confined to its function here. However, and this point is well made by Meulengracht S0rensen (1991), the way in which a myth is told when it is presented as an exemplum and the details of it that the poet chooses to emphasise are dependent on its contextually defined exemplary role and may thus give a special perspective on the narrative.5 The ability of Norse poets to use myth in this exemplary way depended upon their expectation that their audiences would understand the full myth and its significance in the whole mythological system. Such an understanding was doubtless rarely made explicit, but it must have existed for this literary technique and others we know of to have operated effectively and to have given the audience the pleasure of recognising a known story and realising how a particular telling focalised it. The skaldic kenning system provides another clear instance of this mode of mythic reference. Amory (1993,351) has justly described mythological kennings as ,in point of content narrative precipitates from the stories told immemorially of the gods and their doings.' These kennings made whole myths available to those who heard them through a kind of narrative shorthand. Further, as we have seen Snorri rec5
Old English literature also shows the exemplary use of myth. Beowulf contains many such exempta, often contrastingly arranged to give both positive and negative examples of behavioural models. The obscure (to us) story of Heremod (lines 901-15 and 1709-22) gives a negative example of kingly behaviour, while that of Sigemund's dragon slaying provides positive reinforcement for Beowulfs achievement in killing Grendel. Other examples are not so clearly black or white from a moral perspective; the various examples of the predicament of women in a heroic society do not constitute a perceptibly normative moral stance, but introduce aspects of the down side of heroic social life. The argument of the poem Deor proceeds by example drawn from heroic legend, while Widsiö advances by a form of the exemplary bordering on name-dropping. Although the two last-named poems may show some influences from non-Germanic models, I think their basic realisation, like that of Beowulf, occurs within a traditional framework.
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ognised in his advice to young poets of his own day, many kennings whose referents are basically non-mythical contain in one or other of their terms, either as base-word or determinant, a mythological allusion. The common kenning-type ,stomi of Skçgul (or some other valkyrie name)' for .battle' requires the audience to understand the role of valkyries in encouraging and assisting at battles and, of course, that Skçgul is one of many possible valkyrie names. There is, then, considerable evidence that Old Norse myth was traditionally expressed in poetic form and that it was normal for poets to allude to myth or to use myth as example to make some other point, relying on their audience's knowledge of what we might call the essential form of the myth, that is, the whole mythic narrative, probably never normally realised but available as part of their common cultural inheritance. Hence we may infer that it was not normal to recount myths as extended prose narratives in early Icelandic society, but that they were frequently told in poetic form, often quite allusively. Even though Snorri's work in many ways marks a new departure in the literary expression of Old Norse myth, he often takes a great deal for granted from his audience, and we may see, at some points, the traditional norm of allusive narration breaking through. For example, in the well-known myth of Pórr's fight with the giant Hrungnir, told in Skáldskaparmál, the closing section refers to a certain Aurvandill, husband of the sorceress Gróa, who attempts to remove the giant's whetstone from dorr's skull. Though Aurvandill plays only a minor part in this myth, no modern audience has any idea of why Pórr may have been carrying him in a basket on his back as he waded south across Élivágar with Aurvandill's frozen toe sticking through the wicker-work. Doubtless Snorri and his audience knew what he had been up to and how Pórr had rescued him. Maybe, if we knew too, we would be better able to understand the conclusion to this mythic narrative. But no concessions are made and the story remains opaque.6 Without Snorri's Edda we moderns would be hard put to it to understand quite a deal of the mythic references that abound in Old Norse poetry. Though this statement is truer of skaldic than of eddic poetry, there are many passages in the latter that would be even more obscure than they often are now without Snorri's interpretative help. Could we possibly understand the bald statement of Vçluspâ 17 that the gods found Askr and Embla á landi as an allusion to the fact that the sons of Burr found two tree trunks on the sea shore and breathed life into them, if we did not know Snorri's narrative of the creation of humans in GylfaginningV Snorri was obliged to face for the first time the challenges involved in presenting a systematic overview of Old Norse myth, and the fact that his success was only partial detracts in no way from the intellectual scope of his achievement. A number of crucial questions would have faced him as he began to compose his mythological prose fictions: if there was no authoritative and complete version of a 6
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Some people (see most recently Simek 1993, 24) think Snorri invented this anecdote as an explanation of the star (or planet) name Aurvandils tá. But we will never know and it is not necessary to assume the story was invented. It could be argued that Vçluspâ presents a different version of the myth, or that Snorri overinterpreted it. However, as an equivalence between humans and trees is the basis for one of the commonest skaldic kenning-types for men and women, the odds seem to be in Snorri's favour as an accurate narrator of a traditional myth.
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particular myth; if, for instance, he knew several different poetic versions of it, as we see he sometimes did, which one or which ones should he choose to tell? Should he tell them all or devise a new composite version that was effectively his own interpretation? Should he set up one of the characters in his frame-narrative to put a particular point of view, as the ¿Esir from Troy do in Gylfaginning when the myth of Pórr's fight with the World Serpent is narrated? We know that he faced all these kinds of problems, because there are many places in the Edda where we can detect his working methods, particularly in cases where he drew on evidence from several poems that are still known to us, as in the material from Vçluspà, Vafprúfinismál and Vçluspâ in skamma that he cobbles together to support his account of the role played by the frost-giants in the first age of the world (Clunies Ross 1983).
The epistemological status of Snorri's mythic narratives At the beginning of this article, I drew attention to the two basic modes of Snorri's Edda, narrative and analytical. The analytical part is found in the section of Skáldskaparmál that lists the major kennings and heiti of skaldic poetry, which in some manuscripts is followed by pulur or versified lists of poetic synonyms. These latter are generally not regarded as an integral part of the Edda conception, though they do it no major violence. Háttatal is also to be included in the analytical part of the Edda, which by and large encompasses that which is identifiable as an indigenous ars poetica. It is relatively easy to discover the general conceptual and formal influence of foreign, Latin models upon the analytical parts of Snorri's Edda, though all scholars who have written on the subject agree that ,his actual product is not imitative or derivative but based on firmly native tradition' (Faulkes 1991, xv). Behind Háttatal lie Háttalykill and various well-known Latin examples of the clavis metrica·, behind the analytical parts of Skáldskaparmál lie the models of medieval and late classical Latin treatises on grammar and possibly rhetoric (Clunies Ross 1987; Halldór Halldórsson 1975); behind the Prologue, which holds the expository high ground of this treatise and offers a perspective on both myth and poetry, lie quite specific generic and formal expectations based on Latinate models (Sverrir Tomasson 1988). By contrast, when we seek models for Snorri's mythic narratives there are none to be found. There are a number of classical and medieval treatises on pagan religions and their origins, which have been fully discussed in conjunction with the Prologue to the Edda (Dronke and Dronke 1977; Faulkes 1983), but none of them give a systematic account of a single mythological system, nor do they illustrate that account with extended prose narratives of individual myths, nor support those narratives with extensive quotation from the poetic sources upon which their accounts are based. On present knowledge, then, Snorri was engaged in truly innovative work when he transformed the orally transmitted knowledge of myth and its poetic realisation into prose narrative. Whereas he had native precedent for the exemplary use of mythic references in literary texts, he had no known precedent for using
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poetic references as authority for the mythological fictions that he constructed upon and beyond their bases. However, he would have been aware from his school days at Oddi and from his Christian education more generally that the Latin literate tradition also held a key place for the exemplum in its writings, stemming from the importance attached to this device in antique rhetoric and in early Christian apologetic as offering a concise proof by analogy drawn from empirically verifiable data. In the Middle Ages, however, the exemplum appears most commonly in homiletic and other ecclesiastical writings and in historiography. It is transformed into a succinct anecdote about a person or event which must be familiar to its audience. Here, then, was an essentially narrative figure that had a great deal in common with the traditional Old Norse use of mythic references in poetry; it was concise, it referred to well-known persons or events, usually of the past, and it was obliged to be relevant to the main subject of discourse. But there were also significant differences between the traditional Norse use of mythic reference and the literate exemplum which Snorri presumably had to negotiate as he constructed his prose fictions. The former were conveyed in often allusive poetry and the latter were usually part of prose discourse; the former tended to narrate only those parts of the exemplary myth that were relevant to the context in which they were quoted, relying on the knowledgeable audience to fill in the blanks; the latter normally gave a condensed outline of the story plot and then showed how the action or actors of the story could be interpreted to have relevance to another argument. Interestingly, too, the medieval exemplum could be used to compare and draw parallels between Christian ideas and practices and non-Christian ones, as Peter von Moos (1984 and 1988) has shown the twelfth-century English historian John of Salisbury does. It was therefore a most suitable narrative instrument for Snorri in his pioneering transformation of an oral tradition of mythic texts into a written one which adopted an incorporative, nonpolemical attitude to pre-Christian thought. Perhaps something of this pioneering spirit is detectable in the varying extent to which the Edda's mythic narratives openly acknowledge their poetic bases. To some extent this comes about because each section of the Edda uses different kinds of poetry, predominantly eddic verse in Gylfaginning and skaldic in Skáldskaparmál, to contextualise and authorise different referential worlds. The eddic verse quoted in Gylfaginning appears as the remembered utterances of the gods and other supernatural beings of prehistory, mediated by the historical ¿Esir from Troy to the historical Gangleri-Gylfi. Gylfaginning projects an oral world, and authority rests with the poetic discourse of supernatural figures which is represented as authorising the prose of the narrative text. It is only when we come to the world of Skáldskaparmál and the authority of skaldic poetry as practised by the chief poets of an earlier age that writing is mentioned and the poetry of named skalds is cited. I have argued elsewhere (1992b) that skaldic poetry satisfied the normal criteria of authenticity and authority demanded of written texts in the Middle Ages in a way that eddic poetry never could, even though both had been orally transmitted. Whereas skaldic poems were ascribed to named composers, whose life histories were generally known and could be placed in an historical context, eddic verse was character-
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istically anonymous and could not be placed in a specific historical milieu. By the usual criteria of the medieval literate tradition it would have been considered unreliable as religious authority, but for the fact that Snorri represents it as the utterance of gods, giants or sibyls from the prehistoric age. Though it can be shown that Snorri carefully differentiates his poetic authorities, he holds all of them in the highest regard. In fact he privileges the vaticinatory utterances of the sibyl of Vçluspâ in Gylfaginning while he gives prominent place in Skáldskaparmál to the myth that links the art of skaldic poetry with OÖinn's gift of the mead of poetry to the gods and to human poets. Thus, though skaldic poetry in the form recorded in the Edda is the composition of men rather than gods, it is still divinely inspired and so of the highest authority. There is also an inference that the language of skaldic poetry, which is of course Old Norse, could be directly related to the language and literature of the ancient classical world, and could in fact predate it, if the myth of the mead of poetry was understood in the context of the Prologue to the Edda where the iEsir, who brought Norse language and culture to Scandinavia, are said to have emigrated westwards after the fall of Troy (Clunies Ross 1987, 27; Meulengracht S0rensen 1989, 267). I have proposed (Clunies Ross 1992b) that Snorri's Edda shows a perceptible concern for establishing its credentials as a written work based on the authority of oral tradition, suggesting that it would have been felt particularly necessary to validate exclusively oral sources for a treatise on pagan myth and poetics in the context of normal medieval literate expectations about the reliability and trustworthiness of written authority and named authors. There was ample precedent in the Latinate tradition for the quotation of poetic stanzas to authorise the traditions of the past. What was lacking in the Icelandic experience was the written authority of ancient poetry. Thus, while Gylfaginning skilfully establishes the authoritative status of the poetic sources for Norse pagan religion and suppresses skaldic evidence for the same, Skáldskaparmál shows how religious authority passed from the gods to human poets and how the major, classical skaldic poets (hçfuôskàld) had preserved both the myths of the old religion and the language and concepts in which these myths were traditionally communicated. The process of authorising the written text by reference to and quotation of oral example is thus built into the production of the Edda's mythological fictions.
The open structure of the Edda narrative It is generally acknowledged that Snorri Sturluson composed his Edda in the 1220s, that is, around the time that a great deal of other vernacular literary activity was taking place in Iceland. That activity was predominantly in the field of prose writing, and much of it involved the creation of prose narrative fictions in what appear to modern scholars as a variety of genres, that we refer to as sagas of Icelanders, of poets, of kings, of bishops, of ancient time and of the near-contemporary age. It is not certain that thirteenth-century Icelanders classified the great variety of their prose narratives in this modern way, but what is certain is the heterogeneity of
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the prose writings of medieval Iceland. It is also agreed by most modem scholars that we may best understand the genesis of the long prose form in medieval Iceland by examining the smaller compositional units out of which saga narratives have been put together (Lönnroth 1975). A large number of studies have examined what we may call the building blocks of saga literature (summarised by Glauser 1990) and most scholars now accept that a range of smaller units combine more or less tightly to form the texture of longer prose forms in saga literature. These hard-won insights and the more general recognition among medievalists that medieval narrative is in general episodic and lacking in global unity at plot level (Clover 1982; Evans 1986) have brought us to a position where our way of reading early Icelandic literature is less influenced by modern expectations of cohesion and unity in narrative than it was in the earlier part of the twentieth century. Like Snorri's Edda, many saga narratives grew on the foundation of earlier poetic representations of their subject matter and embed verses in their prose texts as culturally acceptable .proof' of their writers' authority to narrate stories of the past. Even if some of these verses are not as old as saga writers may have led their audiences to believe, the saga authors' intention was to establish their authoritative control over the oral records of the past. In his recent book Forteelling og ¿ere (1993), Preben Meulengracht S0rensen has probed the various ways in which Icelandic saga writers recreated the past as story, pointing to the means by which they replace truth about the past conveyed by oral narrative with a new kind of written truth. He also shows how many of the stylistic characteristics of saga prose are ways of recreating in the new prose medium some of the salient characteristics of oral narrative and poetic authority. It is for these reasons that Icelandic sagas take form as historical narratives. I stated at the beginning of this paper that there are both similarities and differences between the Icelandic sagas' narrative mode and form and those of Snorri's Edda. Both the Edda and saga writing defer to earlier oral authority and both accord high value to the works of the skalds. Both construct narratives in explanation of skaldic (and sometimes eddic) 8 stanzas or claim to do so. But there are some interesting differences too. On the one hand, as Meulengracht S0rensen has pointed out (1993, 73-8), sagas of Icelanders purport to be traditional indigenous narratives. They offer a self-effacing focalisation, though focalisation exists nonetheless, with an apparently objective narrative style and a lack of the trappings of learned authority, such as a formal prologue or epilogue. Kings' sagas and bishops' sagas, as befits their more learned generic type, frequently share in at least some of these common medieval compositional units of writerly authority. Snorri's Edda participates even more obviously in the medieval world of learned discourse, as many of its compositional units show: its Prologue establishes its discourse within the realms of philosophy, linguistics and the history of comparative religions; its use of dialogue and question-and-answer pedagogy mark it as educational; while its fre-
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Eddie poetry appears predominantly in fornaldarsçgur as one might expect; what Snorri and doubtless others of his day regarded as an older type of poetry (as we see from its exclusive use as quotation in Gylfagintiing) was the appropriate authority for the period of prehistory.
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quent citation of metrical forms and kinds of poetic diction, with exemplification, shows it belongs to the medieval ars poetica. Yet there are some ways in which Snorri's Edda is closer to the oral world of narrative than Icelandic saga writing is. I have just remarked that its use of dialogue and question-and-answer pedagogy mark it as belonging to the world of medieval education. We are familiar with the importance of the dialogue in the Christianclassical tradition of the Middle Ages, yet it is of course also central to the communication of Old Norse myth in the eddic tradition of such poems as Vgluspá, Vafprúdnismál and Grímnismál, three poems that form the conceptual and to a large extent the chronological bases of Snorri's narratives of cosmology and cosmogony in Gylfaginning. John Lindow (1977) has pointed to the echoes of the indigenous tradition at the beginning of Gylfaginning, when Gangleri-Gylfi the ignorant enters the hall of the jEsir from Troy. He recognises the peril he is in, about to repeat the pattern of the agonistic wisdom contest so common among gods and giants, and so dangerous to the loser. His apparently inadvertent quotation of the first stanza of Hávamál blurts out for himself and for the audience a realisation of the indigenous pattern of the dialogue form, a different form from the Socratic question-and-answer type, but one equally if not more powerfully present in the Edda. My argument here is that, for all its learned parallels, Snorri's Edda still depends heavily on the traditional forms in which myth is likely to have been told orally in medieval Icelandic society and it manipulates the expected traditional responses of the narratee of oral poetry as much as of the conventional participants in the wisdom contest. Moreover, the frame narratives of the Edda participate similarly in oral tradition and rely on oral dynamics for their rhetorical effects.9 It has been commonly noted that, particularly in Skáldskaparmál, the coherence of the material within the narrative frame in terms of the frame fiction itself is quite sporadic. While I have myself argued (1987, Ch. 9) that the frame story of the feast at jEgir's hall is important to Snorri's treatment of a particular group of kennings, whose referents are inanimate, and that the reinvigoration of the frame story at this point coincides with the discussion of these figures of poetic diction, I want to draw attention here to quite another dimension of Snorri's narrative frames, their closeness to what Walter Ong (1982, 42f.) has referred to as the human life-world, the sort of social situation in which mythic narratives might be told in real life. By comparison with what seems to be the continuing dependence of Snorri's Edda on this human life-world, most Icelandic sagas have broken free from narrative contextualisation in social settings, such as feasts, weddings and other gatherings where oral stories were traditionally told. Of course, such situations are frequently represented as events that take place within sagas, but the whole saga does not hang upon a frame that locates the narrative act in an oral context. Both the frames of Gylfaginning and Skáldskaparmál do this and so, in a different way, does the contextualisation of Háttatal. This may be partly in order to conform with 9
Lars Lönnroth (1971, 1978 and 1979) investigated the importance of oral dynamics in respect of eddic poetry and in some kinds of literary representation in Old Icelandic literature, including such agonistic compositional units as the senna and mannjafnadr. On the latter two, see most recently Swenson 1991.
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the overarching hypothesis of the Prologue that Old Norse poetry is of divine derivation, but another major impulse may have been a desire to contextualise the written narration of myths and the practice of poetry in the kind of mimetic setting that they would have enjoyed in ,real life'. Aside from the Prologue, all the other sections of Snorri's Edda depend contextually on socially realised situations of narrative and literary discourse. Gylfaginning postulates a wayfaring enquirer after mythic truth (a role sanctioned by the corpus of myth itself and usually played by the god ÔÔinn) who visits a hall occupied by clever and knowledgeable men. Though all sorts of social activities are taking place in this hall, including game playing, wrestling, drinking and so forth, Gangleri-Gylfi presses ahead resolutely with his quizzing of his hosts. The context of the interrogation sets up a number of ironic reverberations to those who are versed in Norse myth, and these underline further the indigenous focus of the narrative act. Again in Skáldskaparmál the frame places mythic narrative in a social setting. The stories are captured, as it were, from the conversation of the Ass Bragi who sat next to Aigir on the drinking benches when the latter visited the jEsir, seemingly motivated, like Gylfi, by a desire to learn their secrets. Háttatal, like the other two sections of the Edda, also operates within a dialogic frame, whose perfunctory nature is, however, more reminiscent of the school room than the more elaborate fictions of Gylfaginning and Skáldskaparmál. However, the fact that the argument of the treatise is exemplified by a skaldic praise poem in honour of King Hákon Hákonarson and Jarl Skúli places it firmly within a genre, the eulogy of princes, which normally required oral delivery. Here, however, the situation is different. There is substantial evidence that Snorri did not compose Háttatal until after he returned to Iceland from his first visit to Norway in 1218-20. Hence, though the poem situates itself rhetorically in an oral context, it is likely not to have been recited aloud by Snorri to his two patrons, but to have been sent to them in manuscript, thus providing ,an example of the modification of the skaldic tradition brought about by the increasing use of the written word for literature in Scandinavia' (Faulkes 1991, ix). The formal device of the frame narrative, of which there are three separate examples in Snorri's Edda, allows for a loose dependence of all the stories narrated within the frame upon the frame narrative itself and upon each other. The frame thus provides a narrative umbrella, socially rather than thematically contextualised, under which narratives typical of that kind of social occasion may be related. The frame narrative is one of the commonest formal structures of later medieval literature, and one in general highly valued by modern readers. It allows for the expression of complex and even conflicting points of view because its loose structure often defies or mystifies exact focalisation and because its mimetic setting is of a social gathering in which a variety of narrative viewpoints could be expected. The writers of many medieval works dependent on frame narratives never .finished' their work in a modern sense. Chaucer is a very good case in point; manuscripts of his Canterbury Tales show a variety of possible combinations of tales and tale groupings. Links between groups are variously placed and so variously interpretable. Such is also the situation with the existing manuscript versions of Snorri's Edda. Though many of the narratives within Skáldskaparmál show a sense of clo-
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sure and function as discrete episodes, they may be rearranged in several ways without violating the general argument of the section; there is greater internal cohesion in Gylfaginning because it has a chronology defined for it by the events of mythic history as represented in Vçluspâ. Overall, however, Snorri's Edda has an open structure, and so is open to several levels of interpretation.
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Die Worttrennung am Zeilenende in Handschriften der Snorra Edda VON HANS FIX UND THOMAS BIRKMANN
Zur Ermittlung der altgermanischen Silbenstruktur stehen dem Sprachwissenschaftler verschiedene Instrumente zur Verfügung, darunter beleg- oder erschließbare Wandlungen, das Projizieren heutiger Zustände in frühere Perioden zurück, theoretische Aussagen älterer Grammatiker, Evidenzen, die sich aus Dichtungsregeln ableiten lassen, und schließlich Indizien in zeitgenössischen Handschriften. Mit .Silbe' ist hier und im folgenden immer die Sprechsilbe gemeint, als phonetisch/phonologische Einheit, auf der Lautwandel operiert. Sie ist zu unterscheiden von morphologisch definierten .Silben', also ζ. B. Stamm- oder Endsilben, d. h. Einheiten, die das Resultat linguistischer Analyse sind. Sie sind nur in Ausnahmefällen im Sprachbewußtsein der Sprecher vorhanden, während Sprechsilben in Tests ohne weiteres abgefragt werden können. Schon bei der Bitte um langsameres Sprechen neigen viele Personen dazu, die gesprochenen Einheiten nach Sprechsilben zu segmentieren (Ber-gel-mir). Diese Einheiten decken sich in den meisten Fällen n i c h t mit den in unseren historischen Grammatiken vielen Lautwandlungsprozessen zugrundegelegten Stamm- oder Endsilben, die eben morphologische Einheiten sind. Aussagen über Sprechsilbeneinheiten im Altisländischen sollten vor allem anderen die Worttrennungen am Zeilenende der Handschriften ermöglichen, weil hier die Schreiber gezwungen waren zu segmentieren. Nach welchen Prinzipien aber wurde getrennt? Trennungsprinzipien können sein: (1) das Zufallsprinzip: Der in der Zeile noch verfügbare Raum führt zu einer Trennung völlig unabhängig von der internen Struktur des Wortes. (2) das .kalligraphische Prinzip: Das Interesse an der Bewahrung bestimmter Ligaturen führt dazu, daß Trennungen nur zwischen Einzelbuchstaben zugelassen sind. (3) das morphologische Prinzip: Die Trennung von Komposita1 und Ableitungen erfolgt in der Fuge, also nach Bildungselementen. (4) das orthoepische Prinzip: Die Trennung erfolgt immer vor einem Vokalzeichen, um die Quantität des vorausgehenden Vokals durch die Anzahl der postvo1
Komposita stellen insofern einen Sonderfall dar, als die Kompositionsfuge sowohl eine morphologische als auch - solange man sich des Kompositums bewußt bleibt - in der Regel eine phonologische Grenze bildet; die Prinzipien 3 und 5 fallen zusammen.
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kaiischen Konsonanten am Zeilenende klarzustellen (die im heutigen Isländischen in Verbindung mit 3. gültige Regel). (5)
das phonologische Prinzip: Die Trennung erfolgt nach Sprechsilben.
Nach diesen oder auch anderen Prinzipien kann die .Ortho'graphie die Worttrennung am Zeilenende konventionell festlegen, wie dies moderne Orthographien tun, oder es können individuelle ad hoc-Trennungen geschrieben werden, wie es etwa im Mittelalter bei mangelnder ,Ortho'graphie dem einzelnen Schreiber gerade einfiel oder wie es heutzutage besonders der Zeitungssatz suggeriert, dessen Computerberechnungen auf einem unvollständigen Regelwerk beruhen. Wir können nach dem oben Ausgeführten vermuten, daß beim Schreibprozeß im Mittelalter das leise oder laute Mit- oder Vorsprechen des Textes während der Aufzeichnung zu einem relativ hohen Prozentsatz von Trennungen nach Sprechsilben führte, wo orthographische Konventionen bzw. andersartige orthographische Konventionen dem nicht entgegenstanden. Diese sprechsilbengemäße Trennungen dürften ihrerseits Rückschlüsse auf die phonetischen/phonologischen Realitäten ermöglichen. Untersuchungen zur Worttrennung am Zeilenende liegen vor für die gotischen (Vennemann 1987, Frey 1989) und die altenglischen Handschriften (Wetzel 1981), für die ältesten altisländischen Handschriften um 1200 sowie für das altnorwegische Homilienbuch (Fix 1990, 1995), für die altfriesischen Handschriften des Brokmer-Briefes (Birkmann 1995a). Die Einzelergebnisse stimmen in so frappierender Weise überein, daß sich die hier darzustellenden Schlußfolgerungen geradezu aufdrängen. Das Material, das wir dabei präsentieren wollen, umfaßt die vollständigen Belege der ältesten Handschrift (U) der Snorra Edda (SnE), sowie exemplarisch Belege aus der handschriftlichen Tradition dieses Textes über einen Zeitraum von etwa 300 Jahren, und zwar in der Erwartung, Prinzipien der Worttrennung, eventuell auch ihres Wandels ablesen zu können. Die SnE entstand nach allgemeiner Auffassung 1220-30, eine zeitgenössische Hs. fehlt. Aus der Zeit vor der Reformation sind sieben Hss. bzw. Fragmente erhalten, sechs davon aus dem 14. Jh. (U, R, W, AM 748 4° Ι-Π, AM 757a 4°), AM 756 4° aus dem 15. Jh. Die überlieferten Texte weichen ziemlich voneinander ab, so daß es schwierig ist, einen Autorentext zu rekonstruieren. Insbesondere hat der Teil Skáldskaparmál Redakteure/Schreiber zur Aktivität veranlaßt.2 Die autornächste Version wird im Codex Regius R [GkS 2367 4°] vermutet, datiert auf 1. H. 14. Jh.; ONP cl300-1350. Diese Pergamenths. besteht aus 55 Bll. Sie kam als Teil des berühmten Buchgeschenks Brynjólfur Sveinssons an Frederick III. 1662 in die kgl. Bibliothek. Wessén 1940: 5 spekuliert, ob die Hs. nicht auf Oddi im Süden Islands entstand, und zwar um 1325 vom selben versierten Schreiber, der auch die Ólafs saga in AM 68 fol. geschrieben habe. R ist die vollständigste Überlieferung der SnE, wenn auch das 1. Bl. ganz und von Bl. 39 ein Teil fehlt. R sei zwar ein paar Jahrzehnte jünger als U, aber von einer beträchtlich älteren Vorlage abgeschrieben, die in die Entstehungszeit zurückreiche und Snorris Text am nächsten komme (Wessén 1940: 6f). 2
Vgl. dazu den Beitrag von Seelow in diesem Band.
Worttrennung am Zeilenende in Handschriften der Snorra Edda
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Der Codex Upsaliensis U [DG 11 4°] ist wohl die älteste Hs. der SnE, datiert Anfang 14. Jh.; ONP cl300-1325. Brynjólfur Sveinsson schenkte den Codex 1639 Stefán Stefánsson in Sor0, 1652 kam er mit dessen Bibliothek in den Besitz von Magnus de la Gardie und dann nach Uppsala. Er enthält auf 56 Pergamentbll. außer einer eigenständigen Redaktion der SnE (S. 1-42 und 51-87), die Texte Skáldatal, Attartala Sturlunga, Lçgsçgumannatal, was für eine Provenienz aus dem südlichen Westland sprechen könnte, ferner den 2. Grammatischen Traktat und mehrere wohlbekannte Zeichnungen. Der Codex Wormianus W [AM 242 fol.] wird ca. 1360 datiert; ONP cl350. Er kam 1628 nach Kopenhagen als »Leihgabe« Árngrimur Jónssons an Ole Worm, der ihn jedoch bald als Eigentum betrachtete. Er enthält fol. 1-35 und 55-60 Teile der SnE, dazu kommen fol. 62-63 nochmals Bruchstücke aus einer erweiterten Fassung des Abschnittes über ókend heiti. Außerdem enthält die Hs. die vier Grammatischen Traktate und Rigsjjula. Der Codex Trajectinus Τ [Hs. 1374, Sign. 5 F 29] steht im Zusammenhang mit humanistischen Altertumsinteressen zu Ende des 16. Jh. Die Papierhs. enthält 52 Bll. in 14 Lagen, geschrieben ca. 1595 von Pàli Jónsson (t 1603/06) von Pernuvik in den Westfjorden nach einer verlorenen Vorlage von der Mitte des 13. Jh. Es gibt zwei unterschiedliche spätere Foliierungen. Die Hs. ist an Anfang und Schluß unvollständig, wobei die Unvollständigkeit des Anfangs problematischer erscheint als die des Schlusses. Faulkes handelt über die ,Ortho'graphie der Hs. und stellt fest, daß der Schreiber viele Züge seiner Vorlage, die man demnach ins 13. Jh. setzen könne, bewahrt hätte, obwohl es üblich war, beim Abschreiben orthographisch zu modernisieren. Das hat der Abschreiber auch weidlich getan; dazu geht seine Abkürzungspraxis weit über die uns bekannter Hss. des 13. Jh. hinaus (Faulkes 1985: 9f, 16, 19ff). Den Codex AM 748 4° erhielt Árni Magnússon von Halldór Torfason, einem Großneffen Brynjólfur Sveinssons, 1691 als Geschenk. Neben Edda-Liedern, fol. 1-6, enthält AM 748 I 4° Grammatisch-Rhetorisches, fol. 7-14, Skáldskaparmál Cap. 42 (Finnur Jónsson 1900: llOff) bis Ende (fol. 15v-28r) und ein Fragment der íslendingadrápa des Haukr Valdisarson (fol. 28). Datiert wird in ONP cl3001325, die Hs. ist also zeitgleich mit R (Wessén 1945:14). AM 748 II 4° enthält auf 13 Bll. Skáldskaparmál Cap. 39 (Finnur Jónsson 1900: 105ff) bis Ende. Wessén 1945: 15 datiert, wie ONP, cl400. Der Text ist dem von R so nah, daß Finnur Jónsson von einer möglichen Abschrift (hier allerdings in Graphie um 1400) sprach. Von den genannten vorreformatorischen Hss. enthält AM 757a 4° Abschnitte aus Skáldskaparmál (fol. 3-9), aus dem Dritten grammatischen Traktat (fol. 1-3) sowie eine Reihe von visur (fol. 10-14); datiert wird cl400; AM 756 4° gehört ins 15. Jh., ONP c 1400-1500, und enthält auf 18 Bll. Gylfaginning und Skáldskaparmál. Beide Hss. bleiben im folgenden unberücksichtigt, weil sie nicht faksimiliert sind. Wenden wir uns dem Codex Upsaliensis zu. Neben 29 stets korrekten Trennungen in der Kompositionsfuge, die zunächst außer Betracht bleiben, gibt es folgende 220
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Trennungsfälle innerhalb eines Wortes. Die Zahlenangaben referieren auf die Seite sowie auf die Zeile, in der der Wortanfang steht. Die Darstellung des Materials geschieht fortlaufend am Text, der Übersichtlichkeit halber jedoch gegliedert nach Trennungstypen. Typ A : Trennungen C V - C V ( C ) : 68 Belege = 30,9 % [ftei]-na 1:20; mi-kilf 2:24;lko-pvl>o 5:7;bei-nv/w6:13; fta-{)i6:18; òva-liN 9:2; ko-miN 9:8; ne-J>an 9:17; mae-ra 9:22; òva-linf 10:13; hei-ta 11:8; Mi-kil 12:21; hvi-taztr 13:19; va-na 13:27; hey-ra 15:12; hellv-nal8:19; fta-J)[i 19:2; lae-ti 20:18; iue-pa 20:22; fliv-ga 21:11; ika-pajn 22:9; fmi-^at 23:11; mv-na 24:4; me-gingioi{3vm 25:11; Ikry-mir 25:19; mi-ktf 26:12; hav-po^it 30:11; ne-tij) 32:8; mvnlav-gin 32:23; vi-JjaR 35:14; kollv-Jjo 36:23; prami 39:4; bi-la 39:9; nav{)ili-ga 41:11; me-ginigoijjvm 41:26; fi-gaz 42:9; hav-pvj) 48:4; proJja 48:13; {no-Jjolfp 51:22; hlo-Jjo 52:11; hav-pvj) 55:22; biv-Jjar 60:28; kalla-Jjir 62:25; g[ei]-ra 64:5; ma-no 68:6; gei-ra 68:27; kei-sen 69:4; biei-Jja 74:27; hei-ta 75:3; lka-ta 75:4; fko-gi 78:19; Γοφιη 78:22; gn-paÑa 83:11; grei-{)a 84:15; vae-nir 85:23; vania-fn 86:4; hei-ta 89:6; kvae-^vm 97:22; famftav-poj 98:24; io-pvRR 99:9; famfta-pa 102:19; hlv to 104:18; mae-ta 105:20; mei-na 107:2; mœ-tvm 107:9; gvNJvpa-ra 108:10; lav-fa 108:21; (na-za 36:2 Typ B : Trennungen C V - C j V ( C ) : 5 ( + 1 ) Belege = 2,3 ( + 0,5) % einvi-givm 16:2; ry-{na52:13; gn-ckia68:12; be-mvm 80:6; vi-lia 90:24 und mit ν
ky-qvenòin 88:12
Typ C: Trennungen C V C i - C 2 V ( C ) : 81 Belege = 36,8 % piol-JjiN 1:9; tyn-òo 1:10; havp-J)i 1:16; hal-pona 3:16; piolkvn-gi 3:19; byg-J)i 5:26; all-n 6:7; ber-gelme 6:8; ften-òi 9:16; yn-Jnf 11:24; nef-mz 12:12; mar-gan 13:10; üj>m-ói 13:14; lag-J)i 15:11; hal-po 22:23; gvll-òo 23:13; hvg-Jnz 24:20; pen-gi 26:17; avn-gvliÑ 30:1; fta{)-nvm 31:4; far-ma 38:3; ftioj-no 40:27; J)avg-la 41:21; megingioi-Jivm 41:25; iot-na 41:28; Sver-tingf 48:17; hvn-boga 49:8; mag-nar 53:3; hap-ta 53:9; fan-òi 54:7; fam-Jjit 54:15; keNin-go 56:4; helblin-òa 56:16; vap-naNa 59:27; havl-ga 60:17; gavt-reikf 61:2; gen-gvm 61:23; fkill-òir 62:9; blavn-òo 62:20; kaftan-òi 62:24; hir-[J>]i 63:6; ík[avg]-lar 64:6; vap-na 65:6; hill-òar 65:9; haplleip-ni 66:2; han-òa 66:18; fig-lo 67:4; ítyr-kaR 67:18; kvl-na 68:13; hir-{)ar 68:28; Jar-lar 70:11; hill-òi 71:3; vn-òirhyóia 78:12; gyl-t>er 79:2; fpvr-{)i 81:4; hog-m 81:10; piolkyn-gi 81:20; lag-Jji 82:9; nivn-òo 83:2; fkyll-òi 84:25; fkilmn-gina 88:18; nep-nir 90:13; hrvn-òit 92:14; hnn-òer 92:16; pyr-J)u/M 94:12; pyl-gir 98:9; hel-mmgi 98:12; hil-mir 104:22; van-òaztr 106:23; plef-tvml07:24; hd-mi 108:12 Iky-lldo 36:10; ga-llò;a 40:21; ika-llòikap 51:26; fkia-llòa 109:2 ro-fta 20:11; ka-fta 65:4; py-fta 107:4 [pia]-J)wr 1:18; fio-trar 33:6 pakf-inf 66:25 Typ D: Trennungen C V C ] C i V ( C ) : 20 Belege = 9,1 % ba-óaN 25:18 noc-kvrn 25:2; òiyc-kir 28:11 hol-lina 42:19; kal-laj>ar 77:10; gyl-h 101:26; fv-lla 102:17 rá-Mar 52:8 bie-Nanòi 10:5; ke-Na 13:9; ιοφν-Νι 15:18; mi-Ña 70:5; fi-NMZ 98:8; keN-ingvm 100:26
Worttrennung am Zeilenende in Handschriften der Snorra Edda
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Snoj-n 49:10; gei-Ra|>ar 54:27 aet-tirnar 5:6; hae-ta 28:27; svt-tungr 37:2; sv-tvnga 37:20 Typ E: Trennungen in postkonsonantischen r- Verbindungen: 18 Belege = 8,2 % vl-priN 18:21; hreò-òj 23:4; myr-krs 24:28; le-ngr 28:8; rav-ckrs 32:24; stioj-nr 33:5; ηοίφ» 34:16; mav-ckr40:9; Ó¡y-ckr 51:4; J)OJ-{)J 62:12; òver-griNN 83:16; gra-mr 94:13; biar-tr 96:5; skiollòvn-gr 102:27; biey-tr 103:13 in postkonsonantischen n- und 1-Verbindungen lagva-pn 64:24; tv-ngl 65:14; re-gnf 71:16 Typ F: Trennung von Dreierkonsonanz: 4 Belege =1,8 % fyl-gbi 3:6; vlp-finf 17:4; hviNver-Iki 57:13; havlk-m 79:18 Dazu kommen noch 23 Trennungen, die Zufallscharakter tragen, wenn man von der Möglichkeit absieht, daß auch zwischen Vokalen (6 Belege = 2,7%) .korrekt' getrennt werden konnte. Auf insgesamt 220 Fälle ergeben sich also 10,5 % Zufallstrennungen bzw. 7,7 % bei Berücksichtigung der Trennung zwischen Vokalen. Rechnet man die 29 korrekt getrennten Komposita ein und hat damit 249 Belege, so liegt die Fehlerquote gar nur bei 9,2 % bzw. 6,8 %. hl-avpi 17:22; ha-nzkaw 25:15; fk-eifrit 27:13; fei-nt 33:10; gepi-on 35:15; gr-eipa 41:23; mi-ot) 51:3; lk-allòin 52:23; ga-vtz 54:23; re-ipn[i]f 61:16; ò;a-vpnif 61:20; hrav-nf 62:13; hag-lf 64:25; ra-mfvel 65:11; lvkv-zt 70:18; Arn-OR 73:11; fy-lgj)0 75:8; hia-lmgeR 80:23; ajîi-lf 86:13; nae-ft 90:7; Gr-vn 102:1; hli-oöltap 104:14; hr-avb 105:12 Die vorgeführten Belege zeigen, daß die Worttrennungen am Zeilenende in dieser Hs. keineswegs vom Zufallsprinzip diktiert ist. Der Schreiber trennt mit minimalen Ausnahmen nach denselben Prinzipien wie die gotischen Handschriften sechs Jahrhunderte zuvor und wie viele altenglische Handschriften, d. h. er orientiert sich an phonetischen Kriterien. Getrennt werden Sprechsilben, die meistens nicht mit den morphologischen Grenzen zusammenfallen (und dadurch natürlich auch mit den von der modernen Forschung aus der Skaldik etablierten Regeln konfligieren). Unser Schreiber war offensichtlich bemüht, so genau wie möglich seiner gesprochenen Sprache gemäß zu trennen, und in über 90% der Trennungsfälle ist ihm dies u. E. auch gelungen. Die Sorgfalt, die in dieser Hs. waltet, wird besonders deutlich, wenn man sie mit einer nur dem Prinzip der größtmöglichen Platzersparnis folgenden Handschrift wie etwa Mööruvallabök oder auch dem Codex Trajectinus kontrastiert: Dort finden sich eine Fülle - auf jeder Seite mehrere - Belege vom Typ sk-ip, also Trennungen nach dem Zufallsprinzip. Die von uns als .korrekt' bezeichneten Trennungen folgen den von Vennemann 1988 als universell gültige »Allgemeine Silbenregeln« postulierten Gesetzmäßigkeiten. Danach tendiert der Kopf = onset einer Silbe und ihre Coda zur größten konsonantischen Stärke, während im Nukleus idealtypisch ein vokalisches Element steht. Das bedeutet konkret, daß im Typ (A) CVCV- die Silbengrenze zwischen dem ersten Vokal und dem zweiten Konsonanten verläuft. Nach diesem Muster trennt
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Hans Fix und Thomas Birkmann
etwa die gotische Skeireins-Hs. alle 153 Belege, U 68 Belege. Dagegen stehen sieben (oben unterstrichene) Zufallstrennungen. Es herrscht also dva-lins und mi-kit klar vor dval-ins und mik-it (wie in vielen Textausgaben). Im Typ (C) CVC1C2V- verläuft die Sprechsilbengrenze zwischen den beiden Konsonanten Cj und C2. U bietet dafür 81 Belege, darunter 16 echte oder vermeintliche Gegenbeispiele. In 65 Fällen ist demnach korrekt zwischen den beiden Konsonanten getrennt. Diese Regel ist jedoch hinsichtlich der Folge Muta cum Liquida zu modifizieren. Diese Folge, unter die auch J) + Liquida zu subsumieren ist, tritt nämlich in den Anlaut der zweiten Silbe, wie Vennemann 1987 für das Gotische zeigte und wie inzwischen für andere altgermanischen Sprachen gezeigt wurde. Von unseren zehn Gegenbeispielen folgen zwei der Muta-cum-LiquidaRegel (fia-prar und fio-trar sind demnach sprechsilbenkonform), während drei der Muta-cum-Liquida-Regel widersprechen. Auf paug-lar, skaug-lar, sig-lo ist die Muta-cum-Liquida-Regel offenbar nicht anzuwenden, wenn denn als Muta gesehen werden kann. Nach Vennemanns Silbenkontaktgesetz ist der Kontakt von Muta + r schlechter als von Muta + 1; die Muta-cum-Liquida-Regel stellt sich in unserer Hs. lediglich als Muta bzw. |>+r-Regel dar. Mit zwei Belegen ist zwar nicht viel zu beweisen, aber im Lichte der nisl. Regel »p t k s + ν j r verhalten sich wie einfache Konsonanz« (d. h. die Silbengrenze liegt vor der Konsonantenfolge und der vorausgehende Vokal ist lang) wären die drei Belege mit getrenntem g-1 absolut sprechsilbenkonform, wenn auch der nisl. halblange Konsonant [ή] nicht als solcher markiert ist. Im Falle von Gaut-reiks 61:2 und faks-ins 66:25 liegen offenbar morphologisch motivierte Trennungen vor, die beiden einzigen Fälle in U. Die verbleibenden „Fehler" betreffen die Ligatur , die wohl aus kalligraphischen Gründen erhalten (ro-sta, ka-sta, fy-sta), an einer Stelle aber doch getrennt wird (fles-tum). Die Folge steht in vielen aisl. Handschriften für die Lautverbindung [Id] bzw. [l.d]; so auch immer in U. 5 Belege trennen erwartungsgemäß vor gulldo, skill-dir, hill-dar, hill-di, skyll-di, in vier Fällen wird allerdings unmotiviert (?) vor getrennt skia-llda, sky-lldo, ga-lldra, ska-lldskap. Die Geminaten - Typ (D) - lassen Alternativen in den Trennungen zu. Offenbar ad libitum kann die Konsonantenlänge in den Hss. durch Doppelschreibung, über einfachen Konsonanten gesetzten Punkt oder durch Kapitälchen bezeichnet sein. Der Schreiber von U tendiert zu folgenden Regeln:3 (a) Wird die Länge üblicherweise durch Capitalis markiert, steht diese im allgemeinen auf der neuen Zeile (ke-Na), nämlich in acht von neun Fällen. (b) Wird die Länge üblicherweise durch Doppelschreibung markiert, so wird zwischen den beiden Konsonantenzeichen getrennt, auch im Falle von oder , also kal-lapar, Snoi-ri in acht von neun Fällen. Regel a folgen die Trennungen ke-Na, bre-Nandi, iorpu-Ni, mi-Na, fi-Niz, baGan, ra-Mar, Gei-Rapar; gegen diese Regel findet sich nur ein Beleg keN-ingum.
3
Vgl. auch die Belege zu Typ (E).
Worttrennung am Zeilenende in Handschriften der Snorra Edda
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Regel b folgen die Trennungen œt-tirnar, sut-tungr, hol-lina, kal-lapar, gyl-li, noc-kurn, dryc-kir, Snoi-ri. Auch hier verstößt nur ein Beleg fu-lla gegen die Regel. Die beiden verbleibenden Ausnahmen su-ttunga, hœ-tta (beide mit punktiertem ) folgen implizit Regel a. Somit stehen 18 regelgerechten oder zumindest im Rahmen der Regeln zu erklärenden Belegen nur zwei „falsche" gegenüberstehen. Auf zwei Sonderfalle möchten wir etwas ausführlicher eingehen, weil sie zu interessanten Schlußfolgerungen führen könnten. Da sind zum ersten - Typ (B) - die Trennungen vor , bei denen U in allen Belegen den vorausgehenden Konsonanten mit auf die neue Zeile nimmt (Typ setta). Genau umgekehrt verfahren die gotischen Hss., in denen konsequent die neue Zeile mit j beginnt (V-jV, VC-jV, VCC-jV). Läßt sich diese unterschiedliche Worttrennung vielleicht phonetisch begründen? Der Befund erwiese sich als sprechsilbenkonform, wenn man bereits für das Aisl. eine Resyllabierung des Typs set-ja > se-tja annehmen könnte, wie sie für das heutige Isländisch gilt.4 Dieser Wandel würde in einem natürlicheren onset = Silbenanfang der zweiten Silbe resultieren, wo nach Vennemann 1988 stärkere Konsonanten (hier stimmlose Verschlußlaute) gegenüber schwächeren (hier Halbvokale) präferiert werden. Eine Voraussetzung oder Begleiterscheinung dieses Wandels ist Dehnung des Vokals in der ersten Silbe setja [se:-tja], des Konsonanten ryöja [nö.-ja] oder die sog. Präaspiration grikkja [grih-kja] als Folge des Silbenquantitätsgesetzes, das für Sprachen mit Druckakzent lange (= zweimorige) Erstsilben fordert. Wenn man unsere Belege nicht rein graphisch unter Typ (A) abbucht, so sprechen sie wie Trennungen in anderen Hss. um 1300 u. E. eindeutig dafür, daß die Quantitätsveränderungen vom Aisl. zum Nisl. zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten, wenn auch nicht notwendig im Sinne des Nisl. abgeschlossen sind. Der Wandel wäre somit zeitlich wie substantiell der Dehnung in offener Silbe im Deutschen gleichzusetzen. Der zweite Sonderfall - Typ (E) - betrifft die Fälle im N.Sg. der Maskulina mit der Flexionsendung -r, also den Typ fiskr, der traditionell als einsilbig aufgefaßt wird: U bietet hier nicht weniger als 15 Belege, die solche Wörter trennen. In allen Belegen stehen stammsilbenauslautender Konsonant und Endung in der neuen Zeile, etwa brey-ttr, biar-tr, dry-ckr, hred-dr, sogar skiolldun-gr und le-ngr. Fälle mit suffigiertem Artikel wie ul-frinn und dver-grinn werden völlig parallel behandelt. Dieser Befund läßt sich u. E. nur so erklären, daß diese Wörter bereits im Aisl. phonetisch Zweisilbler waren oder jedenfalls bei Lento-Aussprache sein konnten. Bis zum späteren Eintreten der Svarabhaktivokale wäre es also nur noch ein kleiner Schritt. Dafür spricht neben generellen phonetischen Natürlichkeitsprinzipien auch der Befund älterer Codices, etwa der Elucidarius-Hs. AM 674a 4°. Selbst die skaldischen Dichtungsregeln lassen sich hier heranziehen: ein auslautendes -r ist unseres Wissens nie am Binnenreim beteiligt (iUfr - hálf). Zudem schreiben einige Runeninschriften des 8. bis 10. Jh.s. bereits einen Svarabhaktivokal -u- vor der Endung -r/-R: dazu gehören beispielsweise das Kupferblech von Hallbjäns auf Gotland mit einer vorläufigen archäologischen Datierung auf ca. 700 (Gustavson/ Brink 1981), der Schädelknochen von Ribe in Jütland, der in die 1. Hälfte des 8. 4
Vgl. die Regel »p t k s + ν j r verhalten sich wie einfache Konsonanz«.
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Hans Fix und Thomas Birkmann
Jh.s. datiert (Birkmann 1995b: 230f), der Runenstein von Malt, gleichfalls Jiitland und aufgrund der runologischen Evidenz um 900 anzusetzen (Birkmann 1994), sowie eventuell auf dem schwedischen Runenstein von Gursten aus dem Ende des 9. oder 10. Jh.s. (Birkmann 1995b: 314f). In Anbetracht dieser Indizien kann man für Wörter des Typs fiskr von der Synkopezeit bis zum Nisl. (zumindest fakultative) Zweisilbigkeit postulieren. Die Konsequenzen für die Skaldenmetrik bleiben zu diskutieren, erscheinen uns aber zunächst nicht komplizierter als die Silbenzahl in der handschriftlichen Überlieferung. Während die Hss. R, W und AM 748 I 4° dieses an U gewonnene Ergebnis voll und ganz bestätigen, gehören AM 748 Π 4° und Τ zur oben genannten Kategorie der nach dem Zufallsprinzip trennenden Hss. Die folgenden Belege aus einigen Beispielseiten mögen das illustrieren.5 R lr6; gerfem-hga lr7; vi-J>a Irli; preo-yit lrl6; eigna-fnz lr20; hei-tir lr21; lkyl-òi lr24; kom-nar Ivi; fkem-tvnor lvll; òwe-gi 1ν12; yin-eyiar lv21; mvn-òi lv24; hap-j)i lv32; iv0-lvfpá 2r24; alandz-enòa 2r32; gna-ta 2r35; havpvg-leic 2v6; kv ìqv-òropvw 2vl 1; iot-nar 2vl5; ftvk-kv 2vl7; xtt-menn 2v21; f[vei]-ta 2v22; mv-nv 2v33; füoí-nvr 3r22; fiar ftraw-òv 3r26; harÔ-moJ)gv 3r32; ma-lit 3vl; gv-J)in 3v4; a-fa 3v8; mvf-pellz 3v27; ger-J>v 4rl4; kvn-nattv 4rl6; hall-maelif 4r20; ftan-òa 4r26; glaÖf-heim 4r28; fpil-tiz 4r33; havp-l{>v 4r36; fkep-ia 4v4; Ni-pmgr 4v7; òae-ma 5rl; J)ef-far 5r9; alkvn-nar 5rll; n-kvligt 5rl3; vit-anòi 5rl7; mÖ-ha/G 5r21; mei-ra 5r22; fvap-rur 5r25; òav y-var 5r31; pvg-la kyn 5r34; ΐφιη-όι 5r35 mi-kiT
W mannpöl-kfenf lv9; lv-ti lvl4; un-0;uÖuz lvl5; pialltin-òu/tt 1ν17; ggm-lv/n lv26; himmtunglin lv31; hei-minu/n 2r7; νerall-òar 2rl3; {jot-ti 2rl4; fmi-δι 2rl6; py-fi 2rl7; voll-òugr 2rl9; himin-tvnglin 2v3; fkil-ningv 2v7; fira-ôaôir 2v8; kvnnof-tv 2vl7; mic-klv2vl9; pçn-gvm 2v20; hall-œn 3r3; J>io-noftv 3rll; gra-nainar 3rl3; îu-pitri 3r24; okiojhga-ztr 3r25; helvi-tif 3r26; gv-Öa 3r32; kven-na 3vl; kalla-Öi 3v4; he-pir 3vl0; avftrhal-pv 3vl2; ve-nt 3vl6; ven-ÖuÖv 3vl7; ply-δι 3v20; met-naöar 3v23; at-ti 3v26; hen-reöe 4r5; heremoö 4r7; perô-in«i 4rl6; preo-vin 4r22; fi-gi 4r23; hei-ta 4r28; pylg-Öi 4r32; lknp-at 4v4; fe-lunò 4v26; ìfaE-lunòe 4r28 AM 748 I ell-òi 16r7; hast-ti 16rll; iEi-narr 16rl7; Jjsen-gill 16r27; hva-la 16vl; ei-ga 16v5; hs-pi 16v6; pagrbv-m 16vl5; mál-ma 16vl6; moröre-inf 16v21; travf-ti 16v23; hae-pik 16v29; hei-ma 16v31; {>o-m 16v32; {jaen-gill 17r4; bjy-niv 17r9; hrvng-nif 17rl2; figvall-òi 17r20; ro-öa 17r22; vn/i-òrf 17r23; 17r24; íki-pa 17r29; pleyisn-ó; 17r30; Gan-ga 17r33; fli0iòvka-8ir 17r34; gi-allòba^g 17v2; hall-varÖ! 17v4; ba/ggiç-rÔ 17v5; gn-Öar 17v8; fvllQplvg 17v9; haeinj)v«-gan 17vll; piçunhar-San 17vl2; τώ-öia 17vl3; prey-iv 17vl4; Sp-iot 17vl6; y-tar 17vl7; bo-ga 17vl8; piQi-yi 17v20; fver-Ôzinf 17v27; nygervin-gvm 17v29; naen-nvm 17v34; ras-tir 18r2; gyl-va 18r4; b¡-ynt 18rll; JEi-nan 18rl2; rvn-ni 18rl6; vagn 18rl7; oò-òa 18rl9; hy-nar 18r20; lfkir-nar 18r21; hi-minnkif 18r24; vae-rollò 18r29;
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In der Fuge getrennte Komposita erscheinen hier nur, wenn sich ein Trennungszeichen in der Hs. befindet. Fehlt dieses, so gehen wir von nebeneinanderstehenden Simplicia aus.
Worttrennung am Zeilenende in Handschriften der Snorra Edda
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òyr-0ar 18r33; oilop-ti 18v2; gir-kia 18v3; vmgaeypnan-òi 18v6; lanöraö-senö« 18vl2; aeyvin-òj 18vl3; hagsm-iô 18v20; me-iR 18v21; bar-nò 18v26; rei-pir 18v35
AM 748 II òiep-a lr6; gre-ip lr8; ha-pôi l r l 6 ; haug-na l r l 7 ; pa-pnif l r l 8 ; kaft-a lr21; hôpô-inu lr24; fu-einaNa lr29; oÄpe-ck lv7; oib-aeöi l v l 4 ; fe-nòa 1ν17; hauk-rÌN l v l 9 ; veiò-um lv21; ermen-rekf lv26; f-aurli lv27 Τ p-eingit 12r4; hl-utar 12r6; he-mt 12r7; nàt-ftaò 12rl5; bu-anòa 12rl8; hap-uiftokmar 12r20; k-nipi 12r21; hapftok-mar 12r23; bein-om 12r25; hug-òiz 12r28; J>i-alpi 12vl; noco;n 12v4; n-átbols 12v5; Sc-jymii 12vl7; fay-m/r 12vl8; tu-eim 12v27; ft-eni» 12v32; h uiipil 12v33; ft-enò» 13r4; mi-Ile 13rl0; vtg-aiò 1 3 r l l ; pj-am 13rl4; fcog-inn 13rl6; peingo 13rl9; hui-òin 13r22; an «-an« 13r25; u/tbu-n« 13r27; fe-nn 13r32; fl-at; 13r33; la-tiò 13v2; Jjia-lpi 13v3; fceiòs-enòa 13vl3; ¡e-η/π 13vl6; h-onò 13v23; ge-ng[;] 13v24; ò-iecka 13v33; ft-ikill 13v34; mu-nm 14rl; be-ianòi 14r2; fcal-t 14r4; ho-init 14r8; v-pρ 14rl9; vtgaidaìoki 14r21; p-ang 14r29; òag-aòi 14vl; h-eitt! 14vl8; Jweu-tti 14vl9; J)ieu-ta 14v20; mel-ti 14v24; kau-ttJ 14v26; h-voro 14v31; piam-ieiòa 14v34
Ein diachroner Wandel der Worttrennungsgewohnheiten läßt sich an diesem Korpus nicht nachweisen, wenn es auch klar ist, daß die älteren Hss. den Eindruck systematischen, die jüngeren den weniger systematischen Trennens vermitteln. Wann der Wandel zu den heutigen Worttrennungsregeln stattgefunden hat und ob er überhaupt aus den Hss. ableitbar ist, bleibt zu untersuchen. Faßt man die Worttrennung am Zeilenende von U, R und W und weiterer systematisch trennender Hss. als Reflexe der sprachlichen Realität auf, so ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Die Silbengrenzen lagen im Altisländischen ganz offensichtlich nicht dort, wo sie uns die Dichtungsregeln der Skaldik und die orthographischen Trennungsregeln des Neuisländischen bzw. Herausgeber altisländischer Texte suggerieren, sondern genau da, wo sie nach Messungen auch im heutigen Isländischen verlaufen, wo sie nach den als universell zu postulierenden Silbenregeln natürlicherweise liegen sollten und wo sie nach dem Ausweis der gotischen, altenglischen und altfriesischen Handschriften in allen altgermanischen Sprachen verliefen. Das bedeutet, daß alle in den historischen Grammatiken auf der Basis von Stammsilben formulierten Lautgesetze in der Sache zwar zutreffend sein mögen, in ihrer Formulierung jedoch an der sprechsprachlichen Realität vorbeigehen.
Literatur Birkmann, Thomas, 1994. Zum Namen UIFRPUR auf dem Runenstein von Malt. In: James E. Knirk (Hg.): Proceedings of the Third International Symposium on Runes and Runic Inscriptions. Grindaheim, Norway, 8-12 August 1990 (Runrön, 9): 203-215. ders. 1995a: Zur Worttrennung am Zeilenende in den altfriesischen Handschriften des Brokmerbriefes. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 42, 1-12.
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Hans Fix und Thomas Birkmann
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Worttrennung am Zeilenende in Handschriften der Snorra Edda
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Vom Autor zum Kompilator. Snorri Sturlusons Heimskringla und die nachklassischen Sagas von Olav Tryggvason VON JÜRG GLAUSER
I. Der folgende Beitrag ist den spätmittelalterlichen Bearbeitungen von Snorri Sturlusons Óláfs saga Tryggvasonar in der sogenannten Großen Saga von Olav Tryggvason, der Óláfs saga Tryggvasonar en mesta, gewidmet. Er behandelt somit ein Thema, d e m die Forschung in der Regel w e n i g Interesse entgegengebracht hat. Jene Philologen und Literaturhistoriker, die sich mit dieser und anderen Kompilationen des 14. Jahrhunderts beschäftigt haben, sind - so ebenfalls die Regel - zu negativen Befunden gekommen. Dabei konnten sich neuzeitliche Forscher aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts w i e Finnur Jónsson oder SigurÖur Nordal auf eine Autorität v o m Rang Arni Magnússons berufen, wenn sie die kompilatorische Tendenz der isländischen Sagaliteratur kritisierten. Der große Handschriftensammler hatte sich bekanntlich i m Rahmen seiner quellenkritischen Untersuchungen höchst abschätzig zu einer Handschrift wie der Flateyjarbók geäußert: Flateyjarbókin er med peim lettvcegustu Membranis. / Fyrst er hún cedi rängt skrifud, enn pá ípví sem á rídur, so som eini árstali í Fcereyínga pœttinum, og vídar pvílíkt. / Vísumar eru ιir máta rártgar, so par er eckert uppá ad byggia, eignast og stundum (si recte memini) audrum enn pœrgiôrt hafa, /I annan máta eru ípessa bók innfœrdar ónytiu Relationes, so sem margir pcetternir er í Olafs sögunum finnast, meir enn í ò drum Olafs sögum, sumer af pessum páttum eru og med pvœttings stiil skrifader, svo sem Porgeirs saga Hávardssonar. / Sumt sem í bókinni er, er einbeer lygi, so sem Eyreks saga Vídfd ria, svo eru og her inni Impura, so sem Volsapáttur, og nídid í Halla pœtti, sem ecki finsi annarstadar. / Olafssdgumar. Item Sverris og Hákonar sögur eru her ritadar med miklum ordafiôlda framar enn í ôdrum Exemplaribus, er og pess á milli innsmeigt Fabulis so sem Genealogia framan i Sverris sdgu, ogfleiru pvttiku par og annarstadar. In Summa, svo sem vœr kunnum ecki än vera pessa Codicis vegna eins og annars, sem nú hvergi finsi nema í honum, svo er hann par á mót hinn lakasti ok óeptirrettanlegasti i dllu pví sem í ddrum Membranis kann ad fynnast, og á fyrer flestum ôdrum Codicibus ad víkia í slíkum tilferlum. / Compilator hujus Voluminis hefur verid plane ignarus Poetices artis, historice (imo historiœ nostrœ), concinnitatis sermonis, og annars pvílíks. Hefur hann í pessari collectione eckert annad vidhaft enn eina saman umhyggiu á ad safna her inn dllu pví semhonum hefur ad hdndum
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borist. og pad sine Judicio et accuratione, og par fyrer er bókin badi so raung, sent fyrri seger, og full med nugas og fabulas.1 Die Flateyjarbók gehört zu den leichtgewichtigsten Membranen. / Zuerst ist sie völlig falsch geschrieben, auch in solchen Fällen, wo es eine Rolle spielt, wie bei einer Jahrzahl in der Fsereyinga saga, und ähnliches. / Die Strophen sind ganz falsch, so daß man darauf nicht bauen kann, sie werden manchmal auch, si recte memini, anderen zugeeignet als denen, die sie gemacht haben. / Außerdem sind in diesem Buch unnütze Relationes eingefügt, wie manche })£ttir, die in den Óláfs sögur stehen, mehr als in anderen Óláfs sögur, einige dieser fiaettir sind auch mit einem faselnden Stil geschrieben, wie die Porgeirs saga Hávarôssonar. / Einiges in dem Buch ist direkte Lüge, wie die Eiríks saga viöförla, und es sind hier auch einige Impura, wie der Völsa f>áttr, und das niö im Halla J)áttr, das es nirgends sonst gibt. / Die Óláfs sögur, auch die Sverris saga und Hákonar saga sind hier mit einer größeren Wortfülle als in anderen Exemplaren geschrieben, auch sind dazwischen Fabulae eingeschoben, wie die Genealogia vorne in der Sverris saga, und weiteres ähnliches dort und anderswo. In Summa, wir können zwar auf diesen Codex wegen des einen oder anderen, das jetzt nur noch in ihm zu finden ist, nicht verzichten, er ist aber der schlechteste und unzuverlässigste in allem, was in anderen Membranen zu finden sein kann, und muß in solchen Fällen hinter den meisten anderen Codices zurückstehen. / Compilator hujus voluminis ist plane ignarus poetices artis, historiae (imo historiae nostrae), concinnitatis sermonis, und an anderem ähnlichen gewesen. Er hat sich in dieser collectio von nichts anderem leiten lassen als allein der Absicht, hier drinnen alles zu sammeln, dessen er habhaft wurde, und das sine judicio et accuratione, und deshalb ist das Buch sowohl so falsch, wie erwähnt wurde, als auch voll von nugas und fabulas.
Die Kriterien, die Ami Magnússon hier aufstellt, sind seiner rigorosen Quellenkritik verpflichtet. Unklare Chronologien wie im Fall der Fcereyinga saga sind dem Historiker ein Greuel, Interpolationen abwegiger, thematisch scheinbar irrelevanter Erzählungen in die Haupttexte der Sagas von den Olaven, das der realistischen Tradition widersprechende, fabulierende Erzählen machen den Kompilator der Flateyjarbók zu einem Ignoranten, dessen einzige Intention die kritiklose Anhäufung von Stoff war. Geht man nach diesem Urteil aus dem 18. Jahrhundert zu Finnur Jónssòns Darstellung im zweiten Band von Den oldnorske og oldislandske litteraturs historie2, läßt sich eine weitgehende Übereinstimmung konstatieren. Auch für Finnur Jónsson ist die Abweichung von der Norm der klassischen Sagaform3, wie sie Snorri mit so „meget mâdehold"4 realisiert habe, also die durch Interpolationstätigkeit entstandenen langen Olavssagas „en grundig mishandling af Snorres vaerk", eine „omkalfatring"5. Der ursprüngliche „sans for udelukkelsen af det uvedkommende", welche „i den aeldste skikkelse" aus der Saga „et velordnet hele" gemacht habe, sei im Lauf des 13. und Beginn des 14. Jahrhunderts vollständig verloren gegangen.6
1
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3 4 5 6
Zitiert nach Jón Helgason, Athuganir Árna Magnússonar um fornsögur, Gripla 4, Stofnun Árna Magnússonar á íslandi. Rit 19, Reykjavik 1980, 54f. Finnur Jónsson, Den oldnorske og oldislandske litteraturs historie, K0benhavn, 2. udg, Ι-ΙΠ, 1920-24; hier Π, 270-272. Ebd. 291. Ebd. 271. Ebd. 271. Ebd. 288.
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Noch einen Schritt weiter geht Siguröur Nordal. 7 Er bezeichnet die ausufernde, erstickende Tendenz der großen Olavssaga-Kompilationen, in denen alles gesagt werden wollte, als direkte Folge des Unterganges des isländischen Freistaats 1262/ 64. Mit einer so radikalen wie zeittypischen, geschmackssoziologischen Polemik begründet Nordal darauf diesen Abfall vom klassischen Ideal der Auswahl und der ästhetisch bedingten Beschränkung auf das Wahre und das Schöne mit dem Umstand, daß nach Ari, Snorri und Sturla keine „rithöfundar úr hôfôingjastétt" 8 mit Geschmack und Urteilsvermögen mehr gelebt hätten: Ymiss konar frumstceöari parfir og tilhneigingar, sem lifad höföu gódu lift med almenningi, pótt pœr kœmu ekki mjög fram í frumsömdum bókmenntum um stundar sakir, mögnuöust og leituöu sér afrásar. Sagnaritun gekk undir lokin ( barndóm í ykjusögum, purrum annálum og óskipulegum sagnasamsteypum. Flateyjarbók er stórfelldur spegill af anda pessa timabils. Riturum hennar er allt matur, sem í magann kernst, hvort sem er Eireks saga viöförla eòa armáll frá sköpun heimsins [...]." Verschiedene primitivere Bedürfnisse und Neigungen, die unter der Allgemeinheit ein gutes Leben geführt hatten, obschon sie in der nichtübersetzten Literatur vorerst nicht zum Vorschein kamen, gewannen an Kraft und suchten einen Ausfluß. Die Sagakunst endete in einer zweiten Kindheit mit Lügengeschichten, trockenen Annalen und unförmigen Kompilationen. Die Flateyjarbók ist ein großangelegter Spiegel des Geistes dieser Epoche. Ihren Schreibern ist alles Essen, was in den Magen kommt, sei es die Eireks saga viöförla oder Annalen von der Schöpfung der Welt.
In diesen und ähnlichen Äußerungen wird überdeutlich, wie sehr Nordal in seiner Bewertung älterer literarischer Texte einem realistisch-psychologischen Ideal verhaftet ist. In den hundert Jahren nach Snorri, in denen man die Óláfs sagas abschrieb, sei der Geschmack allmählich verdorben worden. Schuld daran sei die Lektüre von Fornaldarsögur und romantischen Sagas gewesen. In einem Text wie der Flateyjarbók sei Snorris Arbeit schließlich nicht wiederzuerkennen. „Vi staar overfor et konglomerat af uensartede dele, hvor al enhed og al komposition er brudt. Her er ikke mere tale om nogen udvikling, men om en opl0sning." 10 Was nicht den Qualitätskriterien „Einheitlichkeit" und „kompositorische Geschlossenheit" entspricht, wird als Produkt einer Zerfallszeit verworfen. Das stilistische und strukturelle Ideal, auf das Nordal selbst mehrmals explizit verweist, sind französische und englische Autoren des 19. Jahrhunderts vom Typ Charles Dickens', und genau in dieser Hinsicht kommt Snorris Werk den ästhetischen Forderungen von Nordal denn auch aufs schönste entgegen, wiewohl Snorri natürlich keine modernen psychologischen Entwicklungsromane schreibt.11 Daß mit einer solchen Ästhetik, die bei Nordal wohl besonders markant formuliert ist, sich aber noch in literaturhistorischen Arbeiten jüngeren Datums findet, der Vgl. Siguröur Nordal, Om Olav den helliges saga, (Diss.) K0benhavn 1914, 204; ders. Snorri Sturluson, Reykjavik 1929, 2 1973; ders., ed., Flateyjarbók, Akranes I-IV, 1944-45, hier Formáli, II, 1945, VII. Vgl. auch Siguröur Nordal, íslenzk menning, I, Reykjavik 1942, sowie Páll Skúlason, Tilvistarstefnan og Siguröur Nordal, Skirnir 161 (1987), 309-336. 8 Flateyjarbók, II, VII. » Ebd. 10 Siguröur Nordal, Om Olav den helliges saga, 204. 11 Siehe dazu den Beitrag von Hans Schottmann in diesem Band. 7
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spezifisch spätmittelalterlichen Bedingtheit nicht beizukommen ist, liegt auf der Hand. Nordais abschätzige Beurteilung der Fornaldar- und Riddarasögur, die im Zusammenhang mit der Behandlung der Kompilationen erfolgt, ist Indiz dafür, daß es um eine pauschale (Ab-)Wertung einer ganzen Epoche geht, blieb doch die Tendenz zur umfassenden Kompilation keineswegs auf die Gattung der Königssagas beschränkt; vielmehr läßt sie sich für das 14. Jahrhundert auch in den großen Handschriften der Karlamagnús saga oder der längeren Version der Mágus saga jarls, ebenfalls einer der ältesten Rittersagas, mit ihren zahlreichen pcettir-Erwciterungen, beobachten, und sie ist nicht zuletzt in der geistlichen Prosaliteratur der Zeit ein markantes Phänomen.12 Die folgenden, vorläufigen Überlegungen zur Ästhetik des isländischen Spätmittelalters knüpfen einerseits an Stefanie Würths Arbeit zur Flateyjarbók an, sie basieren andererseits auf einem länger zurückreichenden persönlichen Interesse an der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Literatur des Nordens, im besonderen Islands. Ich untersuche an einigen exemplarischen Stellen die Entwicklung der Óláfs saga Tryggvasonar en mesta. Ausgangspunkt ist im Unterschied zu den meisten, bisher vorgelegten Analysen nicht die Vorgeschichte der Erzählung von Oddr Snorrason und Gunnlaugr Leifsson zu Snorri Sturlusons Olafs saga Tryggvasonar, vielmehr konzentriere ich mich auf Aspekte des Adaptions- und Kompilationsprozesses, der zwischen ca. 1230 (Heimskringla) und ca. 1300 (ungefährer Entstehungszeitpunkt der Óláfs saga Tryggvasonar en mesta) stattfand. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei die Kontextualisierungsstrategien, die notwendig wurden, als die Kompilatoren des 14. Jahrhunderts darangingen, die kohärente Konzeption, wie sie Snorris Werk bestimmte, zugunsten einer tendenziellen Offenheit aufzubrechen.
II. Entstanden um oder kurz nach 1300, ist die Óláfs saga Tryggvasonar en mesta in zwei Redaktionen überliefert: Einerseits in Handschriften von ca. 1360-75, vor allem AM 61 fol, AM 53 fol, AM 54 fol, Sth pergfol nr 1 (Bergsbók), Sth Papp fol nr 22 (Húsafellsbók); andererseits in einer jüngeren, überarbeiteten Redaktion aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, AM 62 fol (ca. 1375) und Flateyjarbók (1387). In dieser zweiten Redaktion - AM 62 fol - ist ein Großteil des weltlichen Erzählstoffes gekürzt, während die Verdienste von Olaf Tryggvason um die Verbreitung des Christentums mit Erweiterungen stilistischer und thematischer Art hervorgehoben werden. Die Flateyjarbók benutzt Originale von selbständigen Sagas und pœttir. ' 2 Dazu u.a. Ólafur Halldórsson, Lídt om kilderne til den store saga om Olav Tryggvason, Selskab for Nordisk Filologi K0benhavn. Arsberetning 1987-1989, K0benhavn 1990, 46-57. Angesichts der nur zögerlichen Bereitschaft der Nordistik, sich auf die literarischen und kulturellen Manifestationen des ausgehenden Mittelalters im allgemeinen einzulassen, ist Stefanie Würths Dissertation, die sich ausführlich mit der erzählstrukturellen Funktion und der Poetologie der pœttir in der Flateyjarbók befaßt, als eine Ausnahme zu vermerken (Elemente des Erzählens. Die pœttir der Flateyjarbók, Beiträge zur nordischen Philologie 20, Basel, Frankfurt am Main 1991).
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Vorbild der anonymen Óláfs saga Tryggvasonar en mesta - nur in der sogenannten Bergsbók heißt es ja, der Abt Bergr Sokkason von Munka-I>verá „snaradi" (also kompilierte) sie 13 - war Snorris Selbständige Óláfs saga helga. Als Quellen benutzten die Kompilatoren Snorris Óláfs saga Tryggvasonar in der Heimskringla, wobei die ihnen vorliegende Handschrift nicht mehr bewahrt ist, Oddr Snorrasons und Gunnlaugr Leifssons Biographien über Olav, die Landnámabók, die HallfreÖar saga, Fœreyinga saga, Eiríks saga rauöa, Orkneyinga saga, Jómsvíkinga saga. Búa drápa und Jómsvikínga drápa, die Kristni saga, Laxdœla saga, pœttir, die mit der Christianisierung Norwegens und Islands zu tun haben, deutsche Annalen, ein angelsächsisches Königsverzeichnis und andere ausländische Quellen. 14 Mit dieser Auflistung ist im wesentlichen auch bereits die Hauptstoßrichtung der thematisch-kompositorischen Bearbeitung umrissen. Viel radikaler als bei Snorri ist die Struktur der Óláfs saga Tryggvasonar en mesta definiert durch die den Erzählverlauf des Haupttextes unterbrechenden Interpolationen. Dabei sind es wie angedeutet primär Stoffe, die sich im weitesten Rahmen mit König Olavs missionarischen Bemühungen in Verbindung bringen lassen, welche in diesen Kompilierungsprozeß aufgenommen werden. Den Höhepunkt erreicht die Entwicklung mit der Flateyjarbók Ende des 14. Jahrhunderts. Däß die Kompilatoren sich ihrer oft äußerst kreativen Tätigkeit durchaus bewußt waren15, zeigt eine Anzahl poetologisch bemerkenswerter Erzählerkommentare, am schönsten vielleicht die Fluß-Metapher: NV po at margar rœÔur ok fra sagnir se skrifadar ipessu mali, peer er eigi pickia miòk til hey ra sògu Olafs konungs Tryava sonar pa parf pat eigi at vndraz. pviat sva sem rennandi vdtnfliota af ymissvm vpp sprettum. ok koma oll i einn staÖ niör. til ¡>eirar sdmu likingar hafa pessar fra sagnir afymisligv vpp hafi eítt endimark at ryÔia til peira at burda sem Olafr konungr verdr vid staddr edr menn hans. sva sem enn man synaz ipvi er eptirfeR.16 Obwohl in diesem Text viele Reden und Erzählungen geschrieben stehen, die nicht so sehr zu der Saga von Olav Tryggvason zu gehören scheinen, so braucht das nicht zu verwundem. Denn wie fließende Wasser aus verschiedenen Quellen springen und alle am gleichen Ort zusammenkommen, haben diese Erzählungen von verschiedenem Ursprung in gleicher Weise 13
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Vgl. Gustaf Lindblad, Introduction, Bergsbók. Perg. fol. nr 1, Early Icelandic Manuscripts in Facsimile V, Copenhagen 1963, 7-23, hier 12-13. In der Bergsbók (Bl. lv) beginnt die Óláfs saga Tryggvasonar. „Her byriar sôgo olafs konungs tryggua sonar er bergr aboti snaradi." Vgl. Óláfs saga Tryggvasonar en mesta Udg. af Ólafur Halldórsson, Editiones Arnamagnxanae A, 1-2, K0benhavn 1958-61. Zu Bergr Sokkason (geboren spätestens 1300, 1317 Mönch im nordisländischen Kloster Pingeyrar, 1322 Prior, 1325-34 und ab 1345 Abt im Kloster Munkaf>verá im Eyjafjöröur, Todesjahr unbekannt) vgl. Lindblad und vor allem Sverrir Tómasson, Islenskar Nikulás sögur, HelgastaÖabok. Nikulás saga. Perg. 4to nr. 16, KonungsbókhloÓu í Stokkhólmi. Selma Jónsdóttir, Stefán Karlsson, Sverrir Tómasson rituöu formála, íslensk miöaldahandrit. Manuscripta Islandica Medii /Evi II, Reykjavik 1982, 11-41; engl., Icelandic lives of St Nicholas, ebd. 147-176. Ólafur Halldórsson (wie Anm. 12). Ich verwende hier einen Begriff von Stephen Tranter, „the creative compiler", der das Phänomen der Kompilation am Beispiel der Sturlunga saga untersucht hat (Sturlunga Saga. The rôle of the creative compiler. Europäische Hochschulschriften I 941, Frankfurt am Main [usw.] 1987; darin 27-31 über die Flateyjarbók). Óláfs saga Tryggvasonar en mesta, II, 31, Kap. 177.
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ein Ziel, den Weg für die Ereignisse zu ebnen, bei denen Olav Tryggvason oder seine Männer anwesend sind, so wie es in dem folgendem erscheinen wird.
III. Die technischen Probleme, die ein solches Erzählen mittels Interpolationen aufwirft, hat Carol Clover eingehend beschrieben. 17 An einem ausgewählten Beispiel, Kap. 59-61 in Snorris Óláfs saga Tryggvasonar, soll nun auf eine Reihe weiterer narratologischer Implikationen aufmerksam gemacht werden. Hier erzählt Snorri, wie König Olav im Herbst 997 die Bewohner aus Sogn und Fjordane, Sunmöre, Römdalen zur Annahme des Christentums nötigt. Auch Nordmöre bekehrt er und segelt darauf nach Lade; dort läßt er den Tempel zerstören und alle Wertgegenstände abtransportieren. Aus der Tempeltür entfernt er einen großen Goldring, den Hákon Jarl hatte anbringen lassen. Darauf wird der Tempel niedergebrannt (Kap. 59). Im Winter läßt Olav um die schwedische Königin Sigrid die Herrschsüchtige werben. Es findet eine Verlobungsabsprache statt, und Olav schickt seiner zukünftigen Braut den Ring aus der Tempeltür von Lade. Die Kostbarkeit wird von allen gerühmt, bis zwei Schmiede an Sigrids Hof vermuten, er sei gefälscht. Die Königin läßt den Ring aufbrechen, und es stellt sich heraus, daß er innen aus Lehm gefertigt ist. Natürlich empört dies die Königin. Sie vermutet, Olav werde sie auch in anderer Hinsicht betrügen (Kap. 60). Als sich die beiden im nächsten Frühjahr in Konungahella treffen, verlangt Olav, sie solle sich taufen lassen. Sie lehnt dies ab, Olav ruft erzürnt: „Hvi mun ek vilja eiga J>ik hundheiöna?" [Wieso soll ich dich Heidin eigentlich heiraten?] und schlägt sie ins Gesicht. Ihre Prophezeiung: „Petta mœtti veröa vel {)inn bani" [Dies könnte durchaus dein Tod werden.] - eine raffiniert piazierte Vorausdeuturig - bewahrheitet sich später. Natürlich werden unter diesen Umständen Sigrid und Olav kein Paar; die Heidin heiratet den dänischen König Sveinn Gabelbart, der sich von ihr zum Überfall auf Olav bei Svoldr aufstacheln läßt. Die Erzählweise der Heimskringla besticht auch in dieser Ring-Episode durch ihre narrative Ökonomie. Geradlinig handelt der Erzähler die Stufen Ringentnahme und Tempelzerstörung, Ringgeschenk, Fälschung, Streit um Religionswechsel, Beschimpfung, Ohrfeige, Todesprophezeiung ab. Der Goldring aus Lehm symbolisiert mit wünschenswerter Explizitheit die negativen Aspekte des Heidentums. Ein geschlossenes Erzählprinzip dieser Art kommt ohne flankierende Motivationen aus. Die Sequenz, die in sich das Ende des Helden birgt, ist schlüssig und bedarf keiner zusätzlichen Kommentare.
' 7 Carol J. Clover, The Medieval Saga, New York, London 1982.
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IV. Ganz anders die Óláfs saga Tryggvasonar en mesta: Hier sind in der Handschrift AM 61 fol Tempelzerstörung und Ringentnahme in Kap. 151 beschrieben. Doch erst 43 Kapitel später, in Kap. 194-195, finden Verlobung, Ringsendung und Entdeckung der Fälschung, Zusammentreffen mit dem Zwist statt, wobei die Óláfs saga en mesta noch im Wortlaut von Olavs Beschimpfung ihre kompilierende Tendenz beibehält, wenn sie aus Odds und Snorris Texten eine neue, expandierte Replik schafft: Oddr Snorrason: Huat œtlar pu hin gamia hrockin skinna at ec vilia taca pic til konu mer [...] Oc af fresst sok gerpiz d. reiS miok.1 " Snorri Sturluson: „Hvimun ekvilja eigapik hundheiöna?" [...] „Petta mœtti verSa velpinn bani. "19 Óláfs saga Tryggvasonar en mesta: astiar pu hrokkin skinna at ek vilia eigha pik af gamia og po hvnd heiSna. - t'essi saman smáán ok svivirping. er pv gorir mer Olafr. matti vel veröa pinn bani. ^
òli
Wichtiger ist jedoch, daß die Óláfs saga Tryggvasonar en mesta zwischen Ringentnahme in Lade (Kap. 151) und der Fortsetzung der Ring-Episode (Kap. 194) Abschnitte aus der Hallfredar saga, der Laxdœla saga, erneut der HallfreÖar saga, der Fœreyinga saga und der Kristni saga interpoliert, wobei die erwähnte Fluß-Metapher hier als Kap. 177 vor den Beginn der Fœreyinga saga gesetzt ist, um allenfalls verunsicherte Leser/Hörer, die inzwischen den Überblick verloren haben, zu beruhigen. Der Text verwendet aber noch andere Mittel, um eine intentionsadäquate Rezeption zu gewährleisten. Wo Oddr Snorrason in seiner Óláfs saga ein rein chronologisches Erzählen wählt, das Ringentnahme und Zwist durch fünf Kapitel trennt, und wo Snorri wie gesehen kausal-psychologisch erzählt, da verfolgt die Große Olavs saga in beiden Redaktionen ein Prinzip, das sich am ehesten als intertextuell bezeichnen ließe. Die massive Kompilations- und Interpolationstechnik verlangt hier Kontextualisierungen, die in Snorris und auch in Odds strafferen Erzählungen nicht erforderlich waren. Die Kompilatoren der Großen Saga von Olav Tryggvason - Bergr Sokkason (?), Jón PórSarson, u. a. - greifen zu thematischen und erzählfunktionalen Parallelisierungen. Die Flateyjarbók, wo Tempelzerstörung und Ringentnahme in Kap. 248 stattfinden, bringt, geschickter als AM 61 fol, unmittelbar vor dem Zwist zwischen Olav und Sigrid (Kap. 301-302) in Kap. 300 jene Episode aus der Fœreyinga saga, in welcher König Olav vom färöischen Helden Sigmundr Brestisson einen goldenen Armring fordert, den dieser von Hákon Jarl erhalten hatte. Sig18
Finnur Jónsson, udg., Saga Óláfs Tryggvasonar
af Oddr Snorrason munk, Köbenhavn 1932,
120. 19
20
Snorri Sturluson, Óláfs saga Tryggvasonar. íslenzk fornrit XXVI, Reykjavik 1941, 310. Óláfs saga Tryggvasonar en mesta Π, 78.
Heimskringla,
I, Bjarni AÖalbjarnarson gaf út,
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mundr lehnt es strikt ab, sich vom Geschenk seines ehemaligen Beschützers zu trennen. Olav, dem es nicht um den materiellen Wert des Rings ging, bedauert Sigmundrs halsstarrige Weigerung, das heidnische Relikt abzulegen, und er sagt voraus, Sigmundr würde des Ringes wegen getötet werden, was in Kap. 439 eintrifft, als der vom Schwimmen völlig erschöpfte Held Sigmundr auf den Färöern von einem habgierigen Bauern erschlagen wird. Sigmundr trifft dasselbe Schicksal wie seinen früheren Beschützer Hákon Jarl. Das narrative Muster „Geschenk und Ratschlag für den abreisenden Isländer" wiederholt sich mehrmals, so bei Kjartan Óláfsson (Kap. 356-357 der Flateyjarbók), welcher weder des Königs Anweisung befolgt, sich nie vom geschenkten Schwert zu trennen, noch den Auftrag der Königsschwester ausführt, den Kopfschmuck GuÖrun Ósvífrsdóttir zu übergeben. Beides zusammen ist die Voraussetzung für Kjartans Untergang. Ironischerweise befolgt jener isländische Held, der weit weniger als Kjartan oder Sigmundr idealisiertes Verhalten demonstriert, HallfreÖr Óttarsson, König Olavs Ratschläge am präzisesten. Er gibt den Ring, den ihm Olav geschenkt hat, nie ab und stirbt eines natürlichen Todes. Die zwei vorbildlichen, aber untauglichen Helden21 kommen gewaltsam und unzeitgemäß um. Die Prophezeiungen des weitsichtigen Herrschers treffen stets ein. Der narrative Effekt solcher Strukturparallelen besteht u.a. gerade darin, diese Intention unmißverständlich herauszustreichen. Nur wer sich an die Wünsche und Ratschläge des Königs hält, hat Aussichten, in dem feindlichen Außenraum zu überleben. Sigmundr, HallfreÖr und Kjartan verweisen in ihren in den einzelnen Sagas präfigurierten Aktionen intertextuell auf Olav Tryggvason, dieser auf Olav den Heiligen, jener auf Christus. Die Fluß-Metapher expliziert und reflektiert diese Technik, die Joseph Harris „structural replication" genannt hat. Snorri erwähnt in der Heimskringla demgegenüber keine der drei Episoden. Umgekehrt verändern sich partiell, aber zum Teil durchaus zentral gewisse Aussagestrukturen der in die Große Olavs saga aufgenommenen Isländersagas. So ist jene Version der Hallfredar saga, die in der Mööruvallabok steht, stärker vom Konzept der Königstreue und von HallfreÖrs Liebesbeziehungen fasziniert als die in der Óláfs saga Tryggvasonar en mesta interpolierten Abschnitte derselben Saga. Hier werden in Übereinstimmung mit der Großstruktur der Kompilation die religiösen Momente betont 22 , wie offenbar dieses erweiternde, von Kompilationen, pœttirInterpolationen, Digressionen geprägte Erzählen überhaupt seinen Ausgangspunkt in der hagiographischen Literatur nahm.23
21
22
23
Vgl. Klaus Guldager, Faringe saga som eksempel pâ ideologi i det islandske middelaldersamfund, Udgivelsesudvalgets samling af studenterafhandlinger 2, Odense 1975; darin: „Den ubrugelige hero", 16-42. Die Bergsbók macht laut Lindblad (wie Anm. 13) 10, aus einem vorwiegend historischen Inhalt ein letztlich religiöses, ekklesiastisches Werk. Vgl. Ólafur Halldórsson (wie Anm. 12), 48.
42
Jiirg Glauser V.
Das hier kurz skizzierte Vorgehen der Großen Olavs saga gewährleistet, daß trotz des radikalen Aufbrechens der erzählerischen Chronologie die bei Snorri angelegte Deutung der Ring-Episode realisiert werden kann. Die dichte Verwebung des umfangreichen Textes, von der hier lediglich ein einziger Strang erwähnt wurde, hat jedoch einen zusätzlichen Effekt. Sie führt zu einer Relativierung, die als eigentliche Ironie bezeichnet werden muß: Olav Tryggvason, der so freigebig mit wohlgemeinten Ratschlägen um sich wirft, begeht denselben Fehler wie Sigmundr und Kjartan. Auch er zieht die Grenze zum alten Glauben nicht deutlich genug, sondern behändigt den vermeintlich goldenen Ring - ein Element unter mehreren, das zum Untergang führt. Auch er befolgt am Ende der Saga die Warnungen des alten Weisen nicht, sondern begibt sich auf die fatale Expedition nach Vendland. So widerspricht sich der Text der Großen Olavs saga in einem wesentlichen Punkt selbst. Die Deutung, die das Verhältnis von Haupttext und Interpolation generiert und die der Erzähler in seinen expliziten Kommentaren vorgenommen hat, wird relativiert, wenn der König ebenso unbedacht handelt wie die von ihm bekehrten Isländer und Färinger. Daß solche ironisierenden Bewegungen sich erst aus dem intertextuellen Aufeinandertreffen unterschiedlicher Texte erschließen und nicht in den einzelnen Elementen als solche herausgelesen werden können, verweist auf den dynamisch-offenen Charakter dieser Kompilationen. Nicht mehr ein für alle Male feststehende, den narrativen Strukturen inhärente Bedeutungen wären demnach für solches Erzählen das spezifische Moment. In dem Sinn, daß sie „lediglich" vorhandene Texte neu kombinieren, ließen sich die Kompilationen des 14. Jahrhunderts mit Umberto Eco als „postmodern" bezeichnen. 24 In einem grundlegenden Aufsatz mit dem Titel „De l'œuvre au texte" hat Roland Barthes vor mehr als zwanzig Jahren die Differenzen von Werk und Text behandelt. 25 Wo das Werk eine nach Qualität, Gattung usw. klassifizierbare Größe darstellt, die eindeutigen Wertungen und Determinierungen unterzogen werden kann, da ist der Text eine subversive Kraft, welche sich mittels ihrer metonymischen, sich festlegenden Deutungen immer entziehenden Logik, des Spieles von Assoziationen, Querverweisen bestimmt. Ein Text trägt verborgene Spuren anderer Texte in sich, setzt Symbolenergie frei, kreuzt sich in einem intertextuellen Raum mit anderen Schriften. 26 Im Unterschied zum Werk kann ein Text auf mehreren Ebenen gelesen werden. Er widersetzt sich dem Wunsch nach harmonischer Einheitlichkeit und nach organischer Ganzheit, wie sie das Werk - von Kritikern wie Finnur Jónsson und Siguröur Nordal so strikt gefordert - auszeichnet. In diesem Sinn stellt die 24
25
26
Umberto Eco, Nachschrift zum ,Namen der Rose'. Deutsch von Burkhart Kroeber, dtv 10552, München 1983, bes. 76-82. Roland Barthes, From Work to Text, Textual Strategies. Perspectives in Post-Structuralist Criticism. Edited and with an Introduction by Josué V. Harari, Ithaca, NY 1979, 73-81; französisches Original: De l'œuvre au texte, Revue d'esthétique 3 (1971). Vgl. Kapitel 4 in Brenda Κ. Marshalls Buch Teaching the Postmodern: Fiction and Theory, New York, London 1992: From Work to Text to Intertextuality: Robinson Crusoe, Foe, Friday, 120-146.
Vom Autor zum Kompilator
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Entwicklung von Snorris Heimskringla zur Óláfs saga Tryggvasonar en mesta auch eine Bewegung dar von der Klassik zur Nachklassik, von der Moderne zur Postmoderne, vom Werk zum Text und schließlich vom Autor zum Kompilator.
Snoni Sturluson and the Everlasting Battle B Y HERMANN PÁLSSON
I A critic who sets out to explore and interpret Snorri Sturluson's Háttatal is faced with a choice between two different approaches to the subject. In the first place, he can treat the poem simply as a panegyric and study it in the light of the entire corpus of Norse court poetry still extant.1 But, as an alternative, he may find it more congenial to scrutinize Háttatal in a much narrower context by dealing with it primarily as an integral part of Snorri's Edda taken as a whole, in which case the researcher would try to relate the poem to all the relevant elements in Gylfaginning and Skáldskaparmál. So instead of treating Háttatal simply as one of many laudatory poems in Old Icelandic, the main emphasis would be placed on its instructional value; the praise of King Hákon and Earl Skúli is then set aside and subordinated to the principal aims of Snorri's Edda: to entertain and educate young people who want to master the noble art of making verse, including such skills as prosody and poetic diction. It is an axiomatic truth that no literary creation in Old Icelandic is an island: the entire corpus could be compared to a vast sprawling continent, with long narrownecked peninsulas stretching far out to sea: each individual saga and song is somehow connected with other compositions in the language. Although Snorri's Edda is unique in certain respects, it shares salient features with various literary kinds: its myths and hero legends are rooted in pagan verse; its statements on the nature of scaldic diction reflect conventions going back to the ninth century, at least; and its instructional aims show an obvious affinity with the Háttalykill enn forni of Earl Rç gnvaldr Kali (d. 1158) and Hallr Pórarinsson. The precise date of the Orcadian poem is uncertain, but it must have been composed before the earl set out on his expedition to the Holy Land and Constantinople (1151-53). Háttalykill enn forni „was evidently intended to serve a dual purpose: first, as the title indicates, to exemplify different verse forms and, second, to provide a descriptive catalogue of legendary heroes and Norwegian rulers from the ninth century onwards. Should we wish to classify the poem according to its second function we might call it *Kappatal ok konunga and place it in the same category as t>jó3ólfr ór Hvíni's Ynglingatal (9th c.), Eyvindr Finnsson's Háleygjatal
1
See Bjarne Fidjest0l's masterful study Det norr0ne fyrstediktet (0vre Ervik 1982), in particular 71-73, 161 and 246-255.
Snorri Sturluson and the Everlasting Battle
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(c. 900), the anonymous Nóregs konunga tal (c. 1190) and Haukr Valdisarson's íslendingadrápa (c. 1300?)."2 The „historical" part of Háttalykill enn forni, dealing with Norwegian monarchs from Haraldr hárfagri onwards, exemplifies the art of mannfrcedi.3 A major aim of this section was to characterise individual kings and commemorate their notable achievements. This section of Háttalykill overlaps with Nóregs konunga tal which was composed in honour of Jón Loptsson of Oddi, Snorri Sturluson's fosterfather, evidently when Snorri was still at school there. The „legendary" part of Háttalykill is a different matter; the adventures and tragic deaths of ancient heroes appear to have figured in the training of Norse poets as far back as the records go. So in addition to its metrical significance, the information about legendary heroes in Háttalykill was also relevant knowledge for those who were interested in the art of poetry. Certain hero tales are frequently alluded to in court poetry, particularly those narrated by Snorri in his Skáldskaparmál, some of which are briefly summarised in Háttalykill. It seems not unlikely that Háttalykill was written down when it was composed, and I find it difficult to resist the notion that the poem was intended to serve as a textbook on versification. There is no indication in Háttalykill that the poem was dedicated to any particular person, such as a reigning monarch. Indeed, we could hardly expect Earl Rggnvaldr to compose a poem in honour of another ruler. The opening stanza implies a public audience: Skyldr at skemmta fiykki ek skçtnum vera, peim er vilja nyt mál nema.
[People think it my duty to entertain
Forn frceöi
those who wish to leam useful
last ek fram um borin,
language. I recite old stories, if you
ef ftér vilit heyrt hafa.
should be willing to listen to them].
The beginning of Nóregs konunga tal also refers to the duty of poets: l>at verör skylt, ef at skilum yrkja,
[It is the duty of those poets
greppum Jieim,
who compose verse intelligently
at gleöi
firSa.
to gladden people].
In Hugsvinnsmál, which was probably composed about the same time as Háttalykill, people are encouraged to learn and enjoy poetry (st. 102):
2
3
Hermann Pálsson, .Aspects of Heroic Poetry", Saga News 5. Editor: Det arnamagnaeanske Institut. (K0benhavn 1991), 3f. For the dating of íslendingadrápa, see Bjarni Einarsson, .Íslendingadrápa", Tímarit Háskóla islands 4 (1989), 127-131. By far the weightiest study of Háttalykill is the Introduction of Jón Helgason og Anne Holtsmark to their Háttalykill enn forni. Bibliotheca Arnamagnœana, vol. I. (K0benhavn 1941). For the relevance of this term, see my article „MannfraeÖi, daemi, fornsögur", Twenty-eight papers presented to Hans Bekker Nielsen on the occasion of his sixtieth birthday 28 April 1993 (Odense 1993), 303-322.
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Hermann Pálsson Gamansamlig ljóS skalt at greppum nema ok mçrg frceSi muna.
[You should learn amusing verse
Agaetlig frϙi
from poets and commit many kinds of
bera fyr yta liö
knowledge to memory. Poets offer people
skáld til skemmtanar.
excellent stories for entertainment].
The opening lines of Háttalykill are also reminiscent of Skáldskaparmál (ch. 8), where Snorri states the purpose of his Edda, after a brief explanation of kennings alluding to myth: En jjetta er nú at segja ungum skáldum, Jieim er gimask at nema mál skáldskapar ok heyja sér orôfjçlôa meö fornum heitum eòa gimask Jieir at kunna skilja fiat er hulit er kveöit, \>á skili hann flessa bók til fróSIeiks ok skemmtanar. [This is a matter that should be told to young poets who are eager to learn the language of poetry and to enrich their vocabulary with ancient expressions, or else they wish to make sense of abstruse verse. In either case, the user of this book should appreciate its value for information and entertainment].
While there can be little doubt about the pedagogic purposes of both Háttalykill and Háttatal, we have no documentary evidence to prove that they were actually used in schools. Although the MâlskrùÔsfrœÔi of Snorri's nephew Ólafr PórÓarson (d. 1259) supports the argument that native poetry was used for the purpose of teaching rhetoric in Icelandic schools, the training of those who wished to master the art of making scaldic verse was a different matter. However, in view of the cultural connections known to have existed between Orkney and Oddi in the second half of the twelfth century, 4 it seems not unlikely that Háttalykill enn forni was known at Oddi in Snorri's time. To speculate further, it is by no means inconceivable that prose commentaries on the poem existed before Snorri wrote his Edda. It would therefore be rash to assume that Snorri started a completely new tradition of learning with his Edda rather than continuing with and improving upon what actually existed before he began his literary career.
II Although the essential purpose of the present article is to investigate Snorri's sources for and treatment of the HjaÖningar legend in his Háttatal (st. 49), it should be helpful to take into consideration other hero tales figuring in the poem, particularly those relating to the Nibelungen hoard (st. 41) and the magic mill Gròtti (st. 43). But beyond those three stories, Snorri's Edda includes some other interesting narrative elements which throw light on the somewhat obscure relationship between Háttatal and Skáldskaparmál. According to Skáldskaparmál and Hversu Nóregr byggöisk, Hálfdan the Old and his wife Alvigs (: Alfny) had nine sons who were born together (: of the same age), and it is hardly fortuitous that eight of their names 4
See Einar Ól. Sveinsson, Sagnaritun Oddaverja. Studia Islandica, vol. 1 (Reykjavik 1937).
Snorri Sturluson and the Everlasting Battle
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occur in Háttatal. This is but one of several details which serve to support the notion that Háttatal may have been composed after Skáldskaparmál. In addition to Snorri's principal sources for the three legends mentioned above including Bragi's Ragnarsdrápa, Grôttasçngr and Bjarkamál enfomu, his Háttatal contains unmistakable echoes from Háttalykill enn forni. Here are some examples: The expression „snart hjarta" occurs in several poems, but the verbal similarities between Háttatal (st. 4) „unir bjartr snçru hjarta" and Háttalykill (st. 9b): „bar [...] bjart snart í styr hjarta" suggest that Snorri borrowed from his precursor. And the statement in Háttatal (st. 94): „Ragnarr póttì skatna skyrstr" is certainly reminiscent of what Háttalykill (st. 6a) has to say about the same hero: „Satt's at siklingr pótti / sjaldhyrr, margskyrr, alldyrr." Cp. also Háttatal (st. 82): „Jarla er / austan ver / skatna skyrstr / Skúli dyrstr." Stanza 41 of Háttatal alludes to four stages in the history of the Nibelungen hoard: Velr itrhugaör ytum
[The brave and noble ruler chooses the otter's
otrgjçldjçiun
wergild for wise men. Grani's heavy load
snotrum.
Opt hefir f>ings fyr Jjryngvi
has often been broken apart by the strict
pungfarmr Grana sprungit.
assembly ruler. The sword-wielder wants the
Hjgrs vili rjóòr, at n'Öi
transported metal of Gnitaheiör to be
reidmálmr Gnitaheiöar.
scattered about. The treasure of the Niflungar
Vígs er hreytt at haettis
is spent quickly by the bold warrior].
hvatt Niflunga skatti. $
The first kenning for ,gold' in this stanza, otrgjçld, alludes to the compensation paid by the ¿Esir to HreiÖmarr for the killing of his son Otr [»otter«]. The compound otrgjçld occurs also in Skáldskaparmál and Vçlsunga saga. Snorri's model was probably the expression otrs gjçld in Bjarkamál infornu. The other three kennings for ,gold' in stanza 41, ¡jungfarmr Grana, reidmálmr Gnitaheiöar and Niflunga skattr, could also be compared to Snorri's own prose version of the legend in Skáldskaparmál (ch. 48 and 51), where he mentions málmr 5
Here, as in other fjôrmœlt stanzas, such as Háttatal 1, 6 (See Fidjest0l, op. cit., 71), 7, 11, 18, 43, 46, 56, 65, 89, each couplet is a variation on the same basic theme as the rest of the stanza. See also Háttalykill, 6a and b, 17b. But probably the most celebrated example of a fjôrmœlt stanza is Markus Skeggjason's description of a voyage, quoted by Snorri in Skáldskaparmál (ch. 64): Fjarölinna όδ fannir fast vetrliSi rastar. Hljóp of húna gnípur Bjçm gekk fram á fornar flöös hafskiöa slóòir. Skùrçrôugr braut skorôu skers glymfjçtur bersi. The sequence: otrgjçld - ¡jungfarmr Grana - reidmálmr Gnitaheiöar - Niflunga skattr is in the same order as the assumed incidents in the legend. The four allusions to the history of the gold give a kind of summary of the tale. Kennings of this type are best regarded as riddles if they allude to little known stories.
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Hermann Pálsson
Gnitaheiöar, byrÖr Granai and Niflunga skattr. The expression Niflunga skattr is also to be found in PiÖreks saga af Bern (ch. 359, 373, 376, 393, 424-26) and must be a borrowing from German; the usual meaning of the Norse term skattr is »tribute, tax«, but here it evidently denotes »treasure« as in OHG scaz and MHG schätz. It should be noted that both in Snorri and Pidreks saga, the kenning Niflunga skattr is used about the hoard when it was in the possession of Gunnar and Hçgni. Comparing Háttatai (st. 41) to the corresponding narrative in Skáldskaparmál, we can hardly avoid the conclusion that the prose must have preceded the poetic version. - In his allusions to the Grotti legend in Háttatai (st. 44), Snorri uses a similar arrangement as in st. 41: Samjjykkjar fremr s0kkvi
[The brisk warrior strengthens his men by giv-
snarr Baldr hjarar aldir.
ing them the destroyer of concord (samfjykkjar
Gunnhœttir kann Gròtta
sçkkvir = gold). The bold battle fighter knows
glaödript hraöa skipta.
how to deal out Grótti's bright snow (glaödrift
FéstriÔir kná Frööa
Gròtta = gold). Wealth's foe makes sure that his
friöbygg liöi tryggva,
men get Frôôi's peace-barley (Fraer er, lungs, fyrir lçngu liömeldr, skipa hliöar baugskeröir ristr baröi bòi, AmlóSa mólu.
8 9
Njáls saga associates DarradarljóB with Caithness, on the other side of the Pentland Firth. And arguably the most striking manifestation of the Ragnar loSbrók legend, Krákumál, appears to have been composed in Orkney. The necklace is not mentioned in U,W and T. The sword Dáinsleif has properties reminiscent of Tyrfingr „[...] Aldri mátti hann svá hafa beran, at eigi yröi hann manns bani, ok meö vçrmu blööi skyldi hann jafnan slföra. En ekki var J>at kvikt, hvárki menn né kykvendi, er Ufa maetti til annars dags, ef sár fekk af honum, hvárt sem var meira e8a minna. Aldri haföi hann brugöisk Í hçggvi eöa staôar numit fyrr en hann kom í jçrô, ok sá maôr er hann, er hann bar í orrustu, mundi sigr fá, ef honum var vegit. t>etta sverö er f r a g t í çllum fomsçgum." HeiÖreks saga. Ed. Jón Helgason. Samfund til udgivelse af gammel nordisk Litteratur, vol. XL VIH (K0benhavn 1924), 2f; see also 5f, 33, 36, 50. The name Dáinsleif suggests that it was forged by a dwarf called Dáinn; Tyrfingr was made by the dwarves Dvalinn and Dulinn.
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Hermann Pálsson
victory. I consider any sword good, if it is loyal to its lord." (SverÖi haelir J)u |>ar, en eigi sigri; J)at kalla ek gott hvert, er drottinhollt er." Skáldskaparmál, ch. 50) Then they began the so-called HjaÖningavig („the battle of Heöinn's followers"), fighting all day. In the evening the two kings went to their ships. During the night Hildr went to the scene of bloodshed and by means of witchcraft woke up all the dead. The following day the kings went back to the battlefield with their men, including all those who were killed the previous day. The battle went on like this day after day; all those who were killed, as well as the weapons and armour left behind on the killing field, turned into stone. But at dawn all the dead stood up and fought, their weapons being as good as new. Svá er sagt í kvceöum, at HjaÖningar skulu svá bída Ragnar0krs. (It is stated in poems that the HjaÖningar must go on like this till the Twilight of the Gods).10 Snorri based his tale of the HjaÖningar on Bragi the Old's Ragnarsdrápa and quotes several relevant stanzas from the poem. In both accounts Hildr Hçgnadôttir is responsible for the everlasting battle. Bragi calls her ósk-Rán qfperris ceda „the goddess who wants the warriors' veins to be drained of blood"; bœti-Prùdr benja „the wound-healing goddess", evidently an ironic allusion to the fact that she woke up those who died from their wounds; the kenning hristi-Sif hringa „the swordshaking goddess" is strikingly reminiscent of the valkyries, OÖinn's hand-maids, one of whom was called Hildr (Vçluspâ, st. 30; Grímnismál, st. 36; Darraöarljoö, st. 3). Bragi calls Hçgni's daughter fordceÖa fljóda „a destructive witch among women"; the same term is used in Lokasenna about the goddess Freyja, and also in one of Kormák's incidental verses about the sorceress Pórdís spákona (Kormáks saga, ch. 22). Snorri does not repeat the label fordceda, but makes it crystal clear that Hildr is so potent a witch that she can raise slain warriors from the dead. What is curiously absent in both Ragnarsdrápa and Skáldskaparmál is a credible pattern of motivation; it is particularly hard to tell what makes Hildr tick. One could understand her desire to destroy her abductor, but neither version offers any justification for her treatment of her father. Hildr's relationship with Heöinn is far from clear in Skáldskaparmál, in spite of the fact Hçgni is called his mágr („father-inlaw"). Her marital status in the Háttatal adumbration of the tale is certainly less obscure, as will be shown later. Elsewhere in heroic legend, a strong-minded woman may be forced by circumstances to make a choice between her father and her lover, typically, with disastrous consequences, but Hildr is determined to make Hçgni and Heöinn destroy each other. The ultimate reason for the HjaÖningar tragedy appears to be Hildr's absolute wickedness.11 In Bragi the Old's version she acts out of fury: affárhuga; and sheer malice: en bçls offyllda. She bears a striking resemblance to Skuld in Hrólfs saga kraka, another sorceress who has the power to raise slain warriors from the dead. 10
11
Here, as elsewhere, Snorri prefers the term Ragnar0kr »Götterdämmerung« to the earlier Ragnarçk »Doom of the Gods«. The etymologies of the three personal names may indicate what kinds of people were originally involved. The warlike sounding names Heöinn (cp. hçd »a battle« and hçSr »a warrior«) and Hildr (the common noun hildr denoted »a battle«) contrast sharply to Hçgni (»a defender, protector«).
Snorri Sturluson and the Everlasting Battle
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In HeÖins páttr ok Hçgna, on the other hand, it is Freyja herself as ÔÔinn's unfaithful concubine and agent of doom who plays the part of a destructive witch; she lays a terrible curse on HeÖinn which makes him commit the unspeakable crime of murdering Hçgni's wife before abducting his daughter. 12 When ÔÔinn compels Freyja to cause two mighty kings to start their perpetual battle, he is punishing her for greed and lust. One day she saw a beautiful necklace made by four dwarves and desired it so much that she willingly paid for the article by sleeping with each of them in turn. Freyja was well suited for her sinister role in HeÖins pâttr ok Hçgna. In Ynglinga saga (ch. 4) she is said to have been marglynd (»fickle«), and it was Freyja who first taught the ¿Esir the witchcraft known as seiör, which was practised by the Vanir. Significantly, she goes under the valkyrie name Gçndul when she carries out Ööinn's orders; it derives from gandr »a staff, wand«, just like vçlva »sorceress, prophetess« comes from vçlr of the same meaning. Originally, both gçndul and vçlva probably denoted simply »a woman with a staff«, and the term gçndul may have meant »a witch« before it acquired the sense »a valkyrie«. Other derivatives from gandr include Gçndlir, one of ÔÔinn's numerous names, and gçndull »phallus«. (Cp. vçlsi »phallus« from vçlr). Óòinn's involvement in the everlasting battle must have had something to do with the fact that he was God of the Fallen (ValfçÔr). In this connection, we explore various myths in which Ôôinn is not only God of War, but specifically brings about the deaths of particular heroes.13 Hâttalykill (st. 23b) makes the intriguing claim that Hjarrandi was responsible for the everlasting battle: „Hverr eggjaöi styrjar? [....] Hjarrandi réÔ Gunni." Here we have yet another enigma. .Hjarrandi' was not only the name of HeÖinn's father but also an Oöinsheiti to be found in both Ragnarsdrápa (st. 11) and Háttatal (st. 53). Is it conceivable that the name .Hjarrandi' in Hâttalykill was used ambivalently in order to suggest both ÖÖinn and HeÖinn's father? Or was HeÖinn supposed to be the son of ÔÔinn? The situation is ambiguous, but one can hardly avoid the suspicion that the name ,Hjarrandi' is intended here as a pointer in the direction of ÔÔinn. Bragi's statement that Hildr incited the kings „etti [past subjunctive] jçfrum" to join the troops of Hel (st. 9) is echoed in Hâttalykill (st. 23a): „Hverr siklingum atti? [...] Saman Hildr liöi atti." Hildr's role is reminiscent of two statements about ÔÔinn. One is to be found in MâlshâttakvœÔi (st. 22): Gizurr varö at rógi saör,
[GizurT (= Ôôinn) proved guilty of slander; he
etja vildi jçfrum saman.
wanted to incite kings against each other].
Then there is OÖinn's bellicose declaration in HärbarÖsljoÖ (st. 24) that he himself used to provoke strife:
' 2 The method used to kill the queen was known as hlunnrod. „Nú verör f>at, at skip Agnars skauzk af hlunni, ok varö J>ar maör fyrir, ok fer sá bana, ok kçlluôu Jjeir fiat hlunnroö." (Ragnors saga loSbrókar, ch. 10). Later in the same chapter, Áslaug refers to this custom in a verse: „[...] ok hildingar hçfôu / hlunnrod." 13 See E.O.G. Turville-Petre, Myth and Religion of the North (London 1964), 50-55.
52
Hermann Pálsson Várele áVallandi
[I was in France taking pan in battles.
ok vígum fylgöa'k,
I incited kings to fight and never made peace
atta ek jçfrum
between them. The earls who are slain in
en aldri saetta'k.
battle belong to όδίηη, and race of slaves
ÓÓinn á jarla
to Pórr].
]já er í val falla, en Pórr á ¡iraela kyn.
Interestingly enough, the last statement is at odds with Grímnismál (st. 14) where Freyja is said to share evenly with OÖinn the slain on the battlefield: Hálfan val hon kyss hverjan dag, en hálfan όδίηη á.
In Skáldskaparmál (except UWT) and Ragnarsdrápa, Hildr offers her father a necklace (halsbaugr, men, svira hringar), but neither version has anything to say about the origin of that necklace. However, there can be little doubt that the necklace is one of the archetypal features of the legend; it undoubtably goes back to myth and should ultimately be identified with Freyja's Brisingamen. [Prymskvida, Gylfaginning, Skáldskaparmál]. Both in HeÖins páttr ok Hçgna and Skáldskaparmál (ch. 23) Loki [= „giröijjjöfr Brísings goÖa" in Haustlçng, st. 9] is supposed to have stolen a necklace belonging to Freyja. The god Heimdallr is called mensaekir Freyju, and there are other indications that her necklace was a very important object in pagan myth. The identification of Freyja's Bnsingamen with the Brósinga mene in Beowulf (1. 1197 ff.) does not concern us here. Four striking features of the Hjaöningar legend in Skáldskaparmál are missing in the extant parts of Ragnarsdrápa: Hildr's abduction by HeÖinn, her weird act of waking up the slain warriors, the transformation of men and weapons into stone, and the everlasting battle itself. Where did Snorri get such extra details for his prose version in Skáldskaparmál? The answer is partly to be sought in Háttalykill enn forni (st. 23a), which refers to the abduction in the following question and answer: Hverr réÒ Hildi ncema? HeÖinn ré5 Hildi ncema! As to the ever-lasting battle theme, there seems to be little doubt that Snorri's statement Svá er sagt í kvceöum, at Hjaöningar skulu svá biöa Ragnar0krs may go back to a sentence in Háttalykill: Hjaöningar œ berjask! This sentence serves as an answer to the question: Hverir daglengis berjask? on which Snorri probably based the last clause in the following paragraph: „ M hófu Jjeir orrustu J)á er HjaÖningavig er kallaö, ok bçrôuskpann dag alian." The nocturnal metamorphosis of men and weapons appears to be an obscure remnant of an otherwise forgotten motif (cp. Finnur Jónsson's remarks in Lexicon Poeticum, p. 253). Háttatal (st. 49) has four striking allusions to the Hjaöningar legend. At one level Hildr is presented as a bride and the doomed warriors as bridegrooms for whom she prepares the nuptial bed:
Snorri Sturluson and the Everlasting Battle Hjaldrremmir tekr Hildi,
[The battle-promoter accepts Hildr (= val-
hringr brestr at gjçf, festa.
kyrie, battle) who is betrothed to him; a
Hnígr und Hçgna meyjar
bracelet under the sheets of Hçgni's
hers valdandi tjald
daughter (= a shield). HeSinn's wife
HeÖins mála byr hvflu
prepares a bed for most of the fighters.
hjálmlesanda flestum.
The haughty Hjaöningar woman receives as her wedding gift a sword of numerous
Moröaukinn [jiggr maeki mund Hjaöninga sprund.
53
14
killings].
The kenning Hçgna meyjar tjald „a shield" deserves a special mention here. It is evidently modelled on circumlocations where either OSinn or valkyries provide the qualifying element: ¥ggjar tjald, Sigars tjçld, Hlakkar tjçld (Krákumál, st. 13), Skçglar tjald (Háttalykill, st. 34a). The only kennings of this type which are older than Snorri occur in two Orcadian poems which he appears to have known: Krákumál and Háttalykill. For the precise meaning of the term mála, we should consult Snorri's own definition: „Kona er kçlluÔ [...] mála, rúna búanda sins," (Skáldskaparmál, ch. 86). So the expression HeÖinn's mála makes it clear that Hildr was his wife; cp. úlfs bága (ÓÓinn's) mála, »jçrÔ« in Háttatal (st. 3), and Mints vinar (Oöinn's) rúna »jçrô«, (ib.). The term sprund is not a mere synonym for »woman«, as is evident from the following definition in Skáldskaparmál (ch. 68):,¿Sprund ok svanni heita peer konur, er mjçk fara meö dramb ok skart." Hildr's arrogance (dramb) is clearly manifested in her treatment of both her father and her lover; her finery (skart) is implied in the reference to the necklace.
IV It has often been argued that Snorri composed Gylfaginning and Skáldskaparmál after Háttatal, which is supposed to date from 1222-23.15 Consequently, the accepted date for Snorra Edda as a whole is now widely believed to have been c. 1225. However, these dates are open to doubt, and it is by no means unlikely that Skáldskaparmál may have been written before Háttatal. Verbal similarities between these two sections of Snorri's Edda suggest, as I have implied earlier in this article, that the language of the poem may have been influenced by his previous researches 14
15
The arrangement here is similar to that of stanza 1. In either case the leading person is first called by his / her name, and then by different labels: Stanza 1 : Hákon - konungr - ungr stil 1 ir - gramr. Stanza 49: Hildr - Hçgna maer - HeÖins mála - Hjaöninga sprund. The most recent statements I have read about the date of Snorra-Edda come from John Lindow and Margaret Clunies Ross. In his article on „Háttatal", Dictionary of the Middle Ages, vol. 6 (1985), 113, Lindow states that „Snorri composed the poem [...] in 1222-1223." This is reiterated in vol. 11 (1988), 352: „Composition of Snorra-Edda apparently began in 12221223, when Snorri composed a panegyric to King Hákon Hákonarson and Earl Skúli [...]." Clunies Ross, Skáldskaparmál. Snorri Sturluson's ars poetica and medieval theories of language. The Viking Collection, vol. 4 (Odense 1987), 9: „Some time between 1220 and 1225 Snorri composed a treatise called Edda [...]."
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Hennann Pálsson
into scaldic practices. He may well have been the first scald to benefit from his own treatise on poetic diction. The most likely date of composition for Háttatal is 1220-1221. As the poem clearly shows, it was written after Snorri's return to Iceland in the summer of 1220, and it is tempting to assume that Snorri sent a copy of Háttatal with his son Jón murtr who went to Norway as a hostage to Earl Skúli in the summer of 1221 (Hákonar saga, ch. 47; íslendinga saga, ch. 41). In order to sort out the problem of the genesis of Skáldskaparmál, it is necessary to look carefully at Snorri's career before the creation of Háttatal. We can begin with the following statement from the pen of his nephew Sturla PórSarson about Snorri as a young man: „He became an accomplished poet and was skilful in whatever he turned his hand to; he gave the best directives about anything that had to be done. He composed a poem in honour of Earl Hákon galinn, and the earl sent him gifts in return. [...] The earl wrote to Snorri, urging him to go abroad and promising to bestow great honours on him. Snorri was very keen on the idea, but the earl died just about that time, which delayed Snorri's voyage abroad for several years" (íslendinga saga, ch. 34).16 Unfortunately, Sturla does not tell us at what point Snorri became „an accomplished poet", but evidently that was some time during the reign of Earl Hákon galinn (1204-1214). The earl's invitation suggests that Snorri (born c. 1179) must have been recognised as an established poet not much later than c. 1210-1212. He was in his mid-twenties when Hákon became earl and had by then spent most of his life at the intellectual centre of Oddi (1182-1202); it seems reasonable to assume that Snorri continued to pursue his studies there until he took charge of the farm of Borg in 1202, where he lived for several years before taking up residence at Reykholt (c. 1206) which remained his home for the rest of his life. Learned elements in Skáldskaparmál may well go back to his last years at Oddi, and he must have studied a good deal of scaldic verse, from Bragi the Old onwards, before being recognised as a skáld gott. The making of Snorri's Edda probably began before he started farming at Borg, although his great masterpiece was not finished until a couple of decades later with the composition of Háttatal On his first visit to Norway in 1218-1220, Snorri spent two winters with Earl Skúli; in the intervening summer (1219) he travelled east to Gautland to present his poem Andvaka to Lady Kristin, Earl Hákon galinn's widow.17 According to Sturla
16
'7
„Hann geröisk skáld gott ok var hagr á allt }>at, er hann tók hçndum til, ok hafSi iner beztu forsagnir á çllu f>ví, er géra skyldi. Hann orti kvaeöi um Hákon galinn, ok sendi jarlinn gjafir út á mót. [...]. Jarlinn ritaôi til Snorra, at hann skyldi fara útan, ok lézk til hans gera mundu miklar soemôir. Ok mjçk var |jat í skapi Snorra. En jarlinn andaöisk i t>ann tima [January, 1216], ok brá f>at utanferö hans um nçkkura vetra sakir." The title Andvaka has certain literary allusions which may have been close to Snorri's heart. The idea of a poet staying awake and burning the midnight oil after others have gone to bed was much older than Snorri's lucubrations. He may have been thinking of Einarr skálaglamm: Geröa'k veig of viröa vçrô, (jann's sitr at jçrôu, — iörum'k Jjess — meöan aörir, çrr Váfaóar, sváfu.
Snorri Sturluson and the Everlasting Battle
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f>ór0arson (Islendinga saga, ch. 38), Snorri wrote two poems in honour of Earl Skúli during his stay with him, for which the earl rewarded the poet with a cargo ship and fifteen other magnificent gifts, besides. Nothing survives of these poems except the refrain of one of them, which sparked off an interesting reaction in Iceland providing us with an important testimony to Snorri's status as a poet. After receiving generous gifts from Earl Hákon galinn (d. 1214), Snorri won a handsome compliment from the poet Máni for his literary triumphs in Norway. However, the author of Skáldskaparmál got a totally different kind of reception on his return to Iceland in 1220. Snorri's enemies paid an otherwise unknown versificator generously for lampooning him. In the refrain mentioned above, Snorri described Earl Skúli as having „a hard mouth" (Hardmúladr var Skúli), which probably referred to the earl's resolute way of speaking or giving commands, but the scurrilous poet read something less meritorious into the description: Oss lizk illr at kyssa
[The earl who rules over the land doesn't seem
jarl sá's rseôr fyr hjarli,
very kissable to us;
vçrr es til hvçss á harra,
the royal lips are too sharp:
harömulaör es Skúli.
Skúli has a hard mouth].
If the criticism here is as cruel as it humorous, Snorri had only his own lack of taste to blame; his detractor uses Snorri's own words as a weapon against him. The second half of the stanza contains a ruthless judgement on Snorri's incompetence as a poet: Hefi fyr horska j ç hrcegamms komit sœvar,
fia
[Never has worse poetry come before wise kings;
- Jjjoö finnr Igst á IjóSum - ,
people see how flawed
leir aldregi meira.
the poem is].
The kenning hrcegamms sœvar leir, „eagle's mud" = „bad poetry", is an allusion to the myth about the mead of poetry, when OÖinn spat the precious liquid into the containers provided by the iEsir and some of it was spilled. According to the Uppsala-version of Snorri's Edda, the lost portion of the mead belongs to mere poetasters and is called .eagle's mud'. 18 If this sentence originally belonged to Skáld-
18
Snorri's Andvaka reminds us also of Egill's reaction when he is told that he had received a shield as a gift from Einar skálaglamm: „Damn the man ! Does he really expect me to stay up all night making a poem about his shield?" („Gefi hann allra manna armastr! Aitlar hann, at ek skyla |)ar vaka yfir ok yrkja um skjçld hans?"¿sg¿/s saga, ch. 78). In the same saga (ch. 59), Arinbjörn says to his friend Egill: „Now I'd like to give you this advice: stay awake all night and compose a poem in Eirik's praise. I'd like it to be a drapa of twenty stanzas that you could recite when we see the King tomorrow morning. That's what my kinsman Bragi the Old did when he had to face the anger of King Bjorn of Sweden. He made a drápa of twenty stanzas overnight and that's what saved his head." („Nú vil ek Jjat ràô gefa, at \>ú vakir í nótt ok yrkir lofkvxöi um Eirík konung. Pœtti mér |)á vel, ef f>at yrôi drápa tvftug ok maettir fiú kveda á morgin, er vit komum fyrir konung. Svá geröi Bragi, fraendi minn, {>á er hann varò fyrir reiôi Bjarnar Sviakonungs, at hann orti drápu tvítuga um hann eina nótt ok pá ¡jar fyrir h ç f u ô sitt"). „[...] ok hafa J>at skáldfífl ok heitir amar leir." The kenning arnar leir occurs twice in Olcel. poetry. The early twelfth century poet Mrarinn stuttfeldr accuses a certain man of having thrown about „the mud of the old eagle" (hefir kastat leiri ara hins gamia). And about the
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Hermann Pálsson
skaparmál, the ruthless critic was here again, just as in the first half of stanza, twisting Snorri's own words against their creator.19
middle o f the fourteenth century, A b b o t Arngrimr modestly declares in his ,Arnar leir hef ek yör at fœra." (,J o f f e r you inferior verse"). '9
Gudmundar drápa:
Certain ¡tcettir seem to imply that Snorri's literary excursion to Scandinavia in 1218-1220 was not the kind o f success he had hoped for. See my article „Hiróskáld í spéspegli". Skáldskaparmál 2 ( 1993), 148-169.
Hommage für Skúli BàrÔarson VON HEINZ KLINGENBERG
§ 1. Homagium und Hommage — § 2. Skáldskaparmál: König u n d Jarl — § 3. Hâttatalkvœdi: Heirscherbezeichnung für König und Jarl — § 4.102 Strophen HättatalkvceÖi: HÁKON und SKVLI — § 5. Snorris Gelehrte Urgeschichte: Auch ihr, König und Jarl! — §'6. Lausavisa a. 1238: Yngvi für König und Jarl — § 7. Hofom konung kórónaóan: Hákon oder Skúli? — § 8. Heimskringla: Hommage für Skúli Bàrôarson — § 9. Snorri Sturluson anläßlich seines 750. Todesjahres
§ 1. Homagium und Hommage Sturla I>oröarson - Neffe Snorris, Geschichtsschreiber der Sturlungenzeit - berichtet in seiner íslendinga saga von der nafnbót »Titelverbesserung«, die sein Onkel auf seiner ersten Norwegenreise (1218-20) empfangen hatte: „König Hákon und Skúli machten ihn zum Skutilsvein" [hoher Titel in der Gefolgschaft des norwegischen Königs1]; Sturla PorÖarson setzt fort: „König Hákon und Jarl Skúli machten Snorri zum Lendmann; das geschah zumeist auf Anraten des Jarls und Snorris" [lendir menn sind nach dem Jarl die vornehmsten Vasallen des Königs], GerÔu peir Hákon konungr ok Skúli Hann skutilsvein ... En peir Hákon konungr ok Skúli jarl geröu Snorra lendan mann sinn, var pat mest rá5 peira jarls ok Snorra [Sturi, s. I 277f.].
Dem homagium, der Huldigungszeremonie in Norwegen, folgte die Hommage. Dank und Huldigung des nach Island zurückgekehrten isl. Häuptlings, nunmehrigen norw. Lehns- und königlichen Gefolgsmannes, ist bekanntlich Snorris Dichtung HâttatalkvœÔi (um 1222/23). Str. 27: Ich (seil. Snorri, eigtl. .Verteiler des Goldes') empfing den hohen Titel eines edlen Hersen von der Jarle Zierde (seil, von König Hákon); das taugt, um Ehre zu bezeugen (brjótr auSs pá heiti hátt hersis Itrs af jarla prydi; dugir at vátta sœmd) [SnE I 636; Skj. A II 59, Β Π 68],
Dank und Huldigung des etwa 43jährigen HâttatalkvœÔi-Dichters gelten dem 1217 zum König gewählten, nun in etwa 18jährigen Hákon Hákonarson (1204-1263), gelten aber vornehmlich dem auch altersmäßig näherstehenden Jarl Skúli BàrÔarson (1189-1240), dem Gönner Snorris zeitlebens, dem mächtigen Regenten und Kronprätendenten, in dessen Schatten der jugendliche König Hákon damals noch steht. 1
Gefolgschaftsrecht regelte die Aufnahme: (α) sverötaka - Berühren des Königsschwertes, Kniefall und Handkuß; (ß) trünaöareidr, (γ) handganga - der Knieende legt seine Hände in die des Königs, empfangt seinerseits den Kuß des Königs.
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Heinz Klingenberg
Dem trägt HáttatalkvceSi (Htk.) Rechnung: eine Hákon-Dichtung (Htk. 1-30) und zwei Skúli-Dichtungen (Htk. 3Iff. u. 68 ff.). Die Schlußstrophen wenden sich an König und Jarl.
§ 2. Skáldskaparmál: König und Jarl Nicht nur HättatalkvceÖi mit offiziellen Zueignungen, sondern auch Skáldskaparmál »Dichtersprache« in der zweiten Abteilung der SnE enthält eine Huldigung für König u n d Jarl Skúli. Snorris Wortfeld poetischer Herrscherbezeichnungen (Skm. cap. 64) beginnt mit „Kaiser", „König" und „Jarl" und ordnet die folgende heitiFiille ausdrücklich auch dem Titelträger „Jarl" zu - mehrfach, nachdrücklich. Kaiser, dann König, dann Jarl; diese drei Männer haben gemeinsam alle diese poetischen Bezeichnungen (keisari, pvi nœst konúngr, par nœst jarl; pessir III menti eigu saman pessi heiti oli) [SnE I 512], Hertogi heißt der Jarl, und der König wird so genannt, weil er das Heer zur Schlacht führt. (Hertogi heitir jarl, ok er konúngr svâ kalladr ok, fyrir pví er hann leiSir her til orostu) [SnE 1514], Die Namen der ersten neun Hálfdansohne „wurden in aller Überlieferung fortan für Ehrenbezeichnungen gehalten wie der Name des Königs oder des Jarls" (iöllumfrceöum siöan eru nöfii peirra haldin fyrir tignarnöfn, svâ sem konúngs nafn eöa nafii jarls) [SnE 1518],
Snorri belegt sein Wortfeld mit skaldischer Dichtersprache des 10./11. Jh.s und bereichert es mit einem Bericht vom sagenberühmten König Hálfdan dem Alten und seinen 18 Söhnen, deren 9 + 9 Namen als poetische Herrscherbezeichnungen gebräuchlich wurden. Skm. cap. 64: Hálfdan der Alte, der berühmteste aller Könige, brachte ein großes Opfer dar zu dem Zweck, 300 Jahre als König zu leben. Die Antwort lautete zustimmend, wenn in dieser Zeit in seinem Geschlecht keine Frau und kein unvornehmer Mann wären. Der mythologischen Einkleidung folgt eine Synonymenfülle von Herrscherbezeichnungen in Gestalt einer künstlichen Stammtafel. König Hálfdan und Alvig die Kluge [Tochter eines Königs Eymund von Holmgard/Nowgorod] hatten 18 Söhne, je neun zugleich. Die ersten neun Brüder wurden so berühmte Krieger, daß ihre Namen später als Ehrenbezeichnungen galten wie die Bezeichnung ,König' o d e r ,Jarl'. König Hálfdan und Alvig hatten weitere neun Söhne, Stammväter berühmter Geschlechter: auch diese neun Geschlechtemamen wurden in der Dichtung als tignarnöfn gebraucht.
Hommage für Skúli Bàrô arson Namensprache
poet. Herrscherbezeichnung
1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
t>engill Raesir Gramr Gylfi Hilmir Jöfurr Tiggi Skyli eöa Skúli Harri eöa Herra
Jjengill raesir gramr gylfi hilmir jöfurr
10) 11) 12) 13)
Hildir/Hildingar Nefir/Niflungar Auöi/Auölingar Yngvi/Y nglingar
14) 15) 16) 17) 18)
Dagr/Daglingar Bragi/Bragningar Buöli/Buölungar Lofôi/Lofôungar Sigarr/Siklingar
hildingr (keine Belegstrophe) öölingr ynglingr yngvi döglingr bragningr buölungr loföungar siklingr
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tigg' skyli (*skúli nicht realisiert) hairi (kein Beleg für herra)
Offen bleiben muB, wann und von wem zuerst 18 poetische Herrscherbezeichnungen als künstliche Stammtafel Hálfdans des Alten begriffen und systematisiert wurden. Snorri folgt wohl älterer Überlieferung. Schon Markús Skeggjason, Snorris Ururgroßvater und Gewährsmann auch im interessierenden Zusammenhang (drei Belegstrophen Skm. cap. 64), realisierte 14 von 18 einschlägigen HerTscherbezeichnungen in seiner nur fragmentarisch erhaltenen Eiríksdrápa, um 1104 (erhalten sind 18 Voll-, 12 Halb- und 2 Viertelstrophen). Vergleichbar - nämlich 14 von 18 einschlägigen Herrscherbezeichnungen - ist der Befund im vollständig erhaltenen 102-strophigen HâttatalkvœSi (§ 3), und Snorri kannte die künstliche Hálfdan-Stammtafel nachweislich.
Folgende Eigenleistungen Snorris zeichnen sich ab: ( 1 ) Zuordnung aller poetischen Herrscherbezeichnungen nach Namensprache der Stammtafel König Hálfdans zum Titelträger „Jarl" (: Jarl Skúli, dazu oben). (2) Wechselformen Harri eòa Herra (: König Hákon und Jarl). Allein Snorri bezeugt die Wechselform Herra in der ersten Neunergruppe der Hálfdan-Stammtafel, aus der - so die Fiktion - die appellativische Herrscherbezeichnung herra »Herr« herleitbar wäre. An. herra (Lehnwort wie harri: ae. hearra resp. nddt. herre, Komparativ zu her »vornehm«) aber ist die in der Zeit Snorris vorgeschriebene Anrede des Königs (Konungsskuggsjá cap. 32) und Titel aller Vornehmen. Daß Snorri auch seinen Gönner Jarl Skúli so titulierte, bezeugt sein Neffe Sturla PorÖarson (Hákonar s. Hák. cap. 162; Flat, m 120). Die ältere poetische Heirscherbezeichnung ist nach Ausweis der Skaldendichtung harri (Lex. poet. 230f.; Belege seit dem 10./11. Jh.). Auch Snorri verwendet in eigener Dichtung nur harri (nicht herra).
(3)
Wechselformen Skyli eöa Skúli (: Jarl Skúli BàrÔarson).
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Heinz Klingenberg
Interessanter in unserem Zusammenhang ist die andere Innovation Snorris in der Stammtafel König Hálfdans. Attortala frá Höd (Flat. 125) bezeugt: ...Tiggi, Skyli ok Harri - íollum frceöum eru peirra nofii hofd fyrir tignar naufn ok konunga nofii. Auf Abhängigkeit von Skm. cap. 64 resp. einer gemeinsamen Quelle weisen wörtliche Korrespondenzen, doch fehlen in dieser Version die snorrischen Zusätze eöa Skúli, eòa Herrn und die Erweiterung: Ehrennamen auch für einen Jarl (SnE I 518, s. o.). Skaldische Dichtersprache belegt allein skyli als poetische Herrscherbezeichnung (Lex. poet. 515; Belege seit dem 9./10. Jh.). Skúli ist nur als Nomen proprium bezeugt. So verfahrt auch Snorri in eigener Dichtung (dazu § 3).
Skyli eöa Skúli ist eine Gedankenfigur Snorris, eine motivierte Neuerung, ist in Skm. cap. 64 - so läßt sich deuten - eine versteckte Hommage für Jarl S k ú l i (herral). Snorri wertet den Eigennamen seines Gönners auf, verbindet ihn mit vorgegebenem Skyli/skyli der Stammtafel König Hálfdans. Wie der Name des 8. Hálfdansohnes soll auch Skúli „Ehrenname" (tignarnafn) sein, zugleich sprechender Eigenname »der Beschützer«, appellativisch verständlich mit an. skyla »beschützen« wie Skyli (Eigenname, auch Beiname) und skyli (poet. Herrscherbezeichnung). Skúli, eigentlich »Beschützer«, wie skyli (de Vries 507 u. 509; Janzén 53; Lind 927).
Land und Volk ein ,3eschützer" zu sein, ist vornehme Aufgabe des Regenten (vgl. Snorris Hákon-Strophen Htk. 1 und 3, Skúli-Strophen Htk. 55 und 79). Jarl Skúli, um 1220 noch die dominante Herrschergegestalt, war ein „Beschützer" Norwegens (Htk. 90 nennt ihn grundar vçrôr - nach Skm. cap. 53 eine Kenning für „König" SnE I 452) und (bis 1219) Vormund und „Beschützer" des jugendlichen Königs Hákon (konungsfóstri wie sein gleichnamiger Ahnherr Skúli konungsfóstri »Königserzieher« [Snorri, Haralds s. Sig. cap. 98, dazu § 8] - in Norwegen vielleicht der älteste Träger des Namens Skúli [Lind 926]). Skúli war auch neugewonnener „Beschützer" Snorris und Islands, der a. 1220 Abstand vom Plan nahm, Island zu bekriegen, die isl. Angelegenheit auf Anraten Snorris vielmehr diesem Häuptling Islands und neuen norw. Lendmann überließ (so der Bericht des Sturla PorÖarson; S turi.s. I 277f.).
§ 3. HâttatalkvœÔi: Herrscherbezeichnung für König und Jarl Offizielle Huldigung für den jugendlichen König und Jarl Skúli ist HättatalkvceÖi (Cod.Ups. DG 11, um 1300: H ATT A TAL ER SNORRI STVRLOSON ORTI VM HAKON KONVNG OK SKVLA HERTVGA, Grape 94). Htk., von Snorri mit einem metrischen Prosakommentar erweitert und integriert als dritte Abteilung in SnE (eines von werkgeschichtlichen Anfängen her als Poetik konzipierten Lehrbuches, vgl. Snorris Adressatenbezug im sogenannten Eptirmáli SnE I 224), ist kombinierte Preisdichtung des virtuosen Formkünstlers Snorri, zugleich 102-strophiges metrisches Beispielgedicht, metrisch-syntaktisch-gedankliche Verschiedenheit Strophe um Strophe organisiert. Snorri überbietet bisherige Skaldik (und singt
Hommage fur Skúli Barö arson
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- nebenbei bemerkt - ihren Schwanengesang: Die „dunkle Kunst der Alten", die zu erhalten SnE sich bemüht, ist im Verklingen; namhafteste Vertreter weltlicher Skaldik sind außer Snorri noch seine beiden Neffen). Als Preisdichtung ist Htk. eine Dreiheit und Einheit. Einem Preis auf Hákon (Str. 1-30) folgen zwei Skúli-Gedichte (Htk. 31-66 u. 68-95); 8 Strophen gelten beiden Adressaten, seil, ein Zwischenresümee Htk. 67 und der Dichtungsausgang Htk. 96-102 (so schon Möbius 35; Fidjest0l 247; Faulkes EX). Die größere Huldigung empfängt Jarl Skúli, dem der nunmehrige norwegische Lehns- und königliche Gefolgschaftsmann Snorri seine nafnbót ( § 1 ) eigentlich verdankt: Zwei Skúli-Gedichte vereinen eine Strophenfülle, die mehr als doppelt so groß ist wie die des 30-strophigen Hákon-Gedichtes. Für seine Huldigungen nutzt Snorri auch die Möglichkeiten des Skm. cap. 64 gebotenen Wortfeldes poetischer Herrscherbezeichnungen mit Einschluß der aus der künstlichen Hálfdan-Stammtafel herleitbaren, läßt König Hákon und Jarl Skúli in unterschiedlicher Weise teilhaben an dieser Synonymfiille. Aktualisierende Hálfdan-Rezeption, poetologische oder/und genealogische Bezugnahme, begegnet mehrfach in an. Literatur. Fiktive Liedgestalten oder historische Könige können mit einer Fülle einschlägiger poetischer Herrscherbezeichnungen dieser Stammtafel geehrt oder zu ihrem Ruhm an Hálfdan den Alten und die Heldengeschlechter seiner Söhne angesippt sein. Genealogische Bezugnahme. Óttarr heimsci, fiktiver Liedheld der eddischen Hyndloliód, hat die Fülle der vorzeitlichen Ahnen, unter ihnen, Str. 14ff.: „Hálfdan, der vornehmste Skjöldung", verheiratet mit Almveig und Vater von 18 Söhnen - „von diesen stammen die Scjçldungar, Scilfingar, Qölingar, Ynglingar". „Das alles ist dein Geschlecht, Óttarr heimsci," heißt es im Kehrreim: alt er pat œtt pin, Óttarr heimsci. (Edda 290; zur weiteren Deutung Klingenberg 1974: 15ff. ). Poeto- und genealogische Bezugnahme. Bezugsperson einer aktualisierenden Hálfdan-Rezeption in Attortala frá Ηοδ (wie HyndlolióB gebucht im Einleitungsteil der Flateyjarbók) ist der norw. Einheitskönig Haraldr hárfagri, und Intention dieses ursprünglich selbständigen Prosastückes, Harald Schönhaar über weibliche Nachkommen an die Stammtafel Hälfdans anzusippen, denn die Stammtafel väterlicherseits, die Ahnenreihe der schwed.-norw. Ynglingenherrscher nach Yngvi Freyr, ist längst etabliert (davon berichtet die anschließende /Ettartala frá ÓSni Flat. 126). NOTA BENE: Das schon erklärt, warum in jEttartala frá Ηοδ statt älterem Yngvi/Ynglingar der Hálfdan-Stammtafel hier Skelfir/Skilfinga œtt erscheint - eine motivierte Neuerung. Redundant hinsichtlich der genealgoischen Intention ist die Aufnahme der ersten - kinderlosen - Neunergruppe von Hálfdanssohnen in /Ettartala frá Ηοδ und die damit verbundene Konzeption der aus Namensprache erwachsenen poetischen Herrscherbezeichnungen (poetologische Bezugnahme). Auf Abhängigkeit von Skm. cap. 64 resp. einer gemeinsamen Vorlage weisen wörtliche Korrespondenzen (Flat. I 25 wie SnE I 518; zu den snorrischen Zusätzen eòa Jarl, eda Skúli, eòa Herra § 2). Der von Magnus Porhallsson redigierte Einleitungsteil des Sammelwerks Flateyjarbók (Ende 14. Jh.) erweist sich als eine zweite Hauptstätte aktualisierender Hálfdan-Rezeption nach SnE (1220er Jahre). Bezugsperson einer nochmaligen Aktualisierung ist letztendlich Ólaf Hákonarson, der letzte norwegische König (1380-87), der früh „verschwindet"; nach ihm regiert seine Mutter, die Dänin Margareta (Flat. 128f.). Zu beachten ist, daß auch Snorri punktuell genealogische Ansippung an die HálfdanStammtafel bietet: Bragi/Bragningar - pat er œtt Hâlfdanar ens milda ... Af Hildínga œtt
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Heinz Klingenberg var komirui Haraldr inn granrauSi, môdurfaôir Hâlfdanar svaria (SnE 1522). Beide Ansippungen fehlen im späteren Werk Heimskringla (Yngl. s. cap. 47f.). Poetologische Bezugnahme. Helgaqviöa Hundingsbana I (m. E. in der Schriftlichkeit entstandene Prologdichtung zum Heldenliedteil des Liederbuches Edda und synonymenreichstes Heldenlied auf dem Wortfeld poetischer Herrscherbezeichnungen) bietet 16 von 18 möglichen Berührungen mit Hálfdans Stammtafel (Klingenberg 1974: 70f.; 158f.; 179 Anm. 12). 14 von 18 einschlägigen Herrscherbezeichnungen bietet schon Snorris Vorfahre Markus Skeggjason (§ 2) - und nach ihm noch die endreimende Óláfs rima Haraldssonar (Mitte 14. Jh.), gebucht im Einleitungsteil der Flateyjarbók (I 8ff.).
HâttatalkvœÔi, dreifache Preislied-Kombination, in der Schriftlichkeit entstanden („eit skrive dikt - og eit skrivebordsdikt" konstatiert Fidjest0l [246] zu Recht), verrät seine schriftliche Organisiertheit auch auf dem Wortfeld poetischer Herrscherbezeichnungen. Snorri nutzt die Möglichkeiten der Skm. cap. 6 4 verschriftlichten Hálfdan-Stammtafel mit 9 + 9 tignarnöfn für „König" u n d „Jarl". Und es möchte scheinen, daß Snorri auch diese ehrenvollen Bezeichnungen berechnet, gezählt und d e m einen oder anderen der beiden Adressaten z u g e m e s s e n hat, nicht nur die verschiedenen Versarten seiner 102-strophigen Dichtung. Htk. Str. 100: „... hundert sind aufgezählt; der Mann kann nicht unwürdig des Ruhmes genannt werden, der so alle Versarten zu dichten vermag" (ein eddischer LjóSaháttr »Spruchtonmaß« Snorris in eigener Sache - Text nach Möbius 16). Gl0ggva grein hefkgerttil bragar, svá'r tirœtt hundraÒ talit; hroörs 0rverör skala maör heitinn vera, efsvá fier alla háttu ort.
Skm. cap. 64
H á 11 a t 1 k ν ae Ö i
Wortfeld „Herrscher"
HákonGedicht 2 Belege
a) konungr (: Hákon) jarl (: Skúli)
1. Skúli Gedicht
2. Skúli Gedicht
5 Belege
10 Belege
Dichtungsausgänge 67 96-102 3 Belege 3 Belege
63
Hommage fur Skúli Bärö arson
b) 9 + 9 tignarnöfn (Stammtafel Hálfdans) (lengill raesir gramr gylfi hilmir jöfurr tiggi EN Skyli/Skuli harn hildingr niflungr öölingr yngvi döglingr bragningr buölungr loföungr siklingr
Htk. 1-30
31-66
68-95
3 Belege 3 8
2 Belege 1 7
4 Belege 2 6
5 3 2 2 2
5 8 2 1 1
5 2 2 3 1
1
1
67
96-102
1 Beleg
1
2
2
1 2 1 1
1
2 1 2
1
Nachweis der Belege: Möbius 91ff., Wörterverzeichnis zu Snorre's Hattatal Str. 1-102. Zu Einzelheiten s. u.
Vor Auswertung der Tabelle sind folgende Vorbemerkungen geltend zu machen. (A) Htk. ist als „Schreibtischarbeit" entstanden und in kombinierter Großform einer dreifachen Preisdichtung auf Hákon und Skúli dazu geschrieben, z u s a m m e n als Text gelesen und gewürdigt zu werden (vgl. Faulkes IX). Dafür sprechen das Konzept eines 102strophigen Beispielgedichts insgesamt, ein begleitender Prosakommentar in letzter Abteilung der SnE und nicht zuletzt ein arithmetisch durchorganisiertes Regelwerk, das sich erst in der Zusammenschau der in 102 Strophen realisierten Herrscherbezeichnungen ¿ntdeckt. (B) Die erste und zweite Neunergruppe der Hálfdan-Stammtafel unterscheiden sich durch eine Opposition, die für Aussageabsichten Snorris wichtig wird, da sie sich mit der virulenten Deszendenz- und Legitimitätsproblematik König Hákons und auch Skúlis verbinden läßt (zeitlebens Kronprätendent, der 1239 zur norw. Krone greift). Diese Implikationen sind bei Auswertung der Tabelle voll in Rechnung zu stellen. Die erste Enneade der Hálfdansohne, deren Namen zu appellativischen Herrscherbezeichnungen wurden, ist k i n d e r l o s , wie Snorri Skm. cap. 64 ausdrücklich vermerkt: peiIr áttu engibörn (SnE 1518). Anders die zweite Enneade, nun Stammväter sagenberühmter G e s c h l e c h t e r , deren 9 Geschlechternamen in der Dichtung zu „Ehrennamen" resp. Herrscherbezeichnungen wurden: pessar œttir ... hafa menn sett svâ lskáldskap, at halda öll pessifyrir tignar nöfn (SnE I 522). Mit anderen Worten: Appellativische Herrscherbezeichnungen der ersten Enneade (Typus pengill usw.) sind nur poetologische Bezugnahme auf die Stammtafel Hálfdans.
64
Heinz Klingenberg Anders die appellativischen HerTscherbezeichnungen der zweiten Enneade (Typus bragningr < Bragningar, Deszendenz von Bragi Hálfdanarson), die darüber hinaus eine g e n e a l o g i s c h e Bezugnahme erlaubten, auch den Quergedanken einer ruhmvollen Ansippung der dergestalt Apostrophierten an Heldengeschlechter der Vorzeit (zur genealogischen Bezugnahme in HyndlolioÖ [„das alles ist dein Geschlecht, Óttarr heimsci"], in Attortala frá Hob [konzentriert auf den Einheitskönig Harald Schönhaar] und in Snonis Skm. cap. 64 s. o.); zu Htk. 94 s. u. Punkt x.
(C) Das Hákon-Gedicht zählt 30 Strophen, beide Skúli-Gedichte zusammen (36 + 28 =) 64 Strophen. Ein Strophenverhältnis in etwa 1:2 könnte ein entsprechendes Beleg Verhältnis interessierender Herrscherbezeichnungen erwarten lassen, in etwa 1:2. Aber Strophenanzahl (94 resp. 30:64 Strophen) und Beleganzahl der tignarnöfn für König Hákon und Jarl Skúli nach Maßgabe der Hálfdan-Stammtafel (94 resp. 35:59 Belege) bedingen einander n i c h t . Die Distribuierung der einschlägigen Herrscherbezeichnungen auf Hákon- und beide Skúli-Gedichte ist vielmehr planvoll gelenkt. Einschlägige Belege fehlen in 29 Strophen (mehr als ein Viertel der Gesamtdichtung); sie fehlen in 5 Strophen des Hákon-Gedichts, in 10 und 10 Strophen des ersten und zweiten Sküli-Gedichts und in 4 Strophen des Dichtungsausgangs (seil. Htk. 3; 9; 13; 16; 20 Htk. 35; 38-40; 43; 47; 49-50; 54; 58 - Htk. 71; 75-79; 81; 83; 85; 88 - Htk. 97; 100102) - OBS.: hilmir Htk. 39 meint König Ingi. Andrerseits können Einzelstrophen mehr als einen einschlägigen Beleg enthalten, vornehmlich in den beiden Skúli-Gedichten. Htk. 37: pengill, gramr, jçfurr; Htk. 62: tiggi, yngvi, hilmir -weiterhin: Htk. 68; 89; 93. Sonderfall sind die Doppelbelege von hilmir in drei Einzelstrophen: Htk. 7 - 87, 89 (dazu Punkt ix).
(D) Die Tabelle berücksichtigt nur die Belege, bei denen König Hákon resp. Jarl Skúli logisches Subjekt der interessierenden Herrscherbezeichnung ist. Unberücksichtigt bleiben also Htk. 12 vindrœfrs jçfurr »Fürst des Winddaches, d.h. Himmels« „Gott"; Htk. 39 hilmir (meint König Ingi, gestorben 1217); Htk. 33 hilmis brööir und Htk. 34 bragnings bróòir (umschreiben Skúli als „Bruder eines Herrschers", seil. Halbbruder von König Ingi); Htk. 55 jçfra (Plur.!) œgir (umschreiben Skúli als »Schrecker der [anderer] Fürsten«), Unsicher (s. Tabelle) könnte der jçfurr-Beleg DPI. in der Hákon-Strophe Htk. 26 sein: œtt spyrrat jçfrum „Volk fragt nach Herrschern" (Hákon und Skúli oder allgemein?). Pluralgebrauch für beide Herrscher erscheint sonst nur in den ihnen gemeinsam zugeeigneten Strophen Htk. 67 und 96 ff.
(E) Tabelle verzeichnet auch die Belege für (pjód-) konungr (: König Hákon) und jarl (= Jarl Skúli). Auch diese 23 Belege sind bei Auswertung der Tabelle in Rechnung zu stellen (dazu Punkt vii). Die Belege für konungr (: König Hákon) berücksichtigen auch das Kompositum fjoökonungr Htk. 12 u. 97, nicht aber den konungr-Beleg Htk. 69 (hier ist König Ingi gemeint). Die Tabelle zählt auch den jarl-Beleg Htk. 54, von Möbius (104) paraphrasiert mit „freier, kriegführender Mann"; resümierendes pat er megin jarls „das ist die Stärke des Jarls" meint auch hier Jarl Skúli. Zu vernachlässigen ist wohl Htk. 27 jarla (Pl.) pryöi „Zierde der Jarle" = König Hákon (vgl. aber Punkt vii) - nicht aber die beiden Plural-Belege Htk. 82 (Skúli = jarla dyrstr) und Htk. 91 (Skúli = jarla beztr).
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Hommage für Skúli BàrÔ arson
Auswertung der Tabelle (i) Htk. 67 und Dichtungsausgang Htk. 96-102 Auf „Schreibtischarbeit" weisen die an beide Herrscher Norwegens adressierten acht Strophen des Htk.-Dichters. Snorris Auswahl aus der ihm schriftlich vorliegenden Hálfdan-Stammtafel scheint nicht zufallig. Ein Zwischenresümee realisiert je eine Herrscherbezeichnung aus der ersten und der zweiten Enneade; der egalisierende Plural ehrt König u n d Jarl. Vergleichbare Ausgewogenheit verwirklicht der Dichtungsausgang: jçfrar (Pl., 2x) aus der ersten und bragningar aus der zweiten Enneade. Zu diesen drei Belegen stellen sich in arithmetischer Harmonie drei ({>jó0-)konungr- und drei y'aW-Belege, also jene beiden Rangbezeichnungen, die nach Ausführungen Snorris Skm. cap. 64 Bezugsträger für das aus der Hálfdan-Stammtafel herleitbare Wortfeld mit 9+9 Herrscherbezeichnungen sind (§ 2). Egalisierende Tendenzen (Pluralgebrauch) werden eingerüstet durch offizielle, ständisch gestufte tignarnößi in gebotener Rang- und Reihenfolge: Auf (¡?jó5-)konungr (: Hákon) folgt jeweils in gleicher Strophe jarl (: Skúli). Htk. 96: 97: 98: 99: 100: 101 : 102:
Hákon und Skúli Hákon und Skúli Hákon und Skúli Hákon und Skúli Snorri Hákon und Skúli Hákon und Skúli
bragningar Pl. ¡tjódkonungr - jarl jçfrar Pl. jçfrar Pl. maôr konungr - jarl konungr ok jarl
rœsir Sg.
stillir Sg.
Alle poetischen Herrscherbezeichnungen gelten gleichermaßen für König u n d Jarl (Skm. cap. 64), und auch in der Kenningssprache sind „König" und „Jarl" gleich (Skm. cap. 53 mit Hinweis Snorris auf Arnórr jarlaskáld, 11. Jh., der Jarl t>orfinnr als konungr jarla »König der Jarle« preist, Porfinnsdrápa 13) - mit einer Ausnahme: nema eigi má ¡>á kalla pji55konúnga (SnE 1454). Exklusives, dem König vorbehaltenens pjoökonungr „König über ein ganzes Volk" setzt Snorri im Dichtungsausgang Htk. mit Vordergewicht vor konungr und jarl. (ii) MaÖr
Htk. 100 ( L j ó Ó a h á t t r ) : , h u n d e r t Versarten sind aufgezählt - der Mann kann des Ruhmes nicht unwürdig heißen, der so in allen Versarten zu dichten vermag." An profilierter Stelle des Dichtungsausganges nennt sich unser Skalde maör »Mann« mit jenem Heiti, das nach Ausführungen Snorris Skm. cap. 64 das ständisch gestufte Wortfeld poetischer Ausdrücke für „Mann" anführt („Kaiser, dann König, dann Jarl", dann weitere Herrscherbezeichnungen einschließlich der aus der Hálfdan-Stammtafel herleitbaren, dann greppr »Dichter« und die Fülle poetischer Bezeichnungen für „Mann"). MaÖr „ist ein erstes und vornehmstes Heiti" ( i t f y r s t a ok it œzta SnE I 512), auch für Kaiser, König und Jarl. In diesem Sinn kann Snorri auch seinen Gönner Jarl Skúli zu Ende des zweiten Skúli-Gedichtes zweimal maör nennen.
66
Heinz Klingenberg Htk. 91 : raesir, skjg ldungr, jarla beztr - „kein besserer Mann" (eigi hittir ceöra mann) Htk. 92: gramr, pengill - „kein freigebigerer Mann" (finnrat... né mann mitdara)
(iii) Rœsir und stillir Rcesir (Sg.) in e r s t e r Zeile des Dichtungsausgangs Htk. 96,1 (zugeeignet beiden Herrschern) steht scheinbar abseits einer harmonisch (arithmetisch) geordneten Anzahl von Herrscherbezeichnungen, korrespondiert aber mit allein verbleibendem stillir (Sg.) in l e t z t e r Verszeile Htk. 102,8 (Punkt i). Stillir (nicht zur HálfdanStammtafel gehörige Herrscherbezeichnung) meint hier den „Fürsten, Herrscher" kat exochen, repräsentiert durch König Hákon u n d Jarl Skuli - und so läßt sich auch rœsir im ersten visuorö des Dichtungsausgangs deuten. Beide Strophen stimmen im Gedanken überein, daß Herrscherlob bis zum Ende der Welt dauern wird. Htk. 96
Ort's ofr œ s i, vargs ok ylgjar pat mun œ lifa, bragninga lof,
¡tarms rySr granar ok vçpn litar; nema çld farisk, eòa bili heimar.
„Gedichtet ist über den Herrscher (kat exochen), der Barthaare des Wolfes und der Wölfin rötet und Waffen; Lob der Herrscher (PI.) wird ewig leben, es sei, die Menschheit geht zugrunde und die Heimstätten hören auf." Stereotype der skaldischen Preisdichtung, die in Hákon und Skuli-Strophen wiederkehren, zeichnen das Bild des heldischen, dynamischen Herrschers in der ersten Halbstrophe. Vergleichbar thematisieren die Hákon-Strophe Htk. 11 u η d die Sküli-Strophe Htk. 56 (je viermal mit größtem Nachdruck) den Wolf, das Leichentier der Walstatt, das vom Herrscher gesättigt wird. Weniger dynamisch, eher statisch ist das Herrscherbild im Schlußwort: Htk. 102
Njóti aldrs konungr ok jarl, falli jyrr steini studd,
okauÖsala pat's kvœSis lok; fold í œgi, en s t i 11 i s lof.
„König und Jarl mögen Leben und Reichtums-Säle genießen - das ist der Schluß des Gedichtes; eher falle die steingestützte Erde ins Meer (Eschaton) als Preis des Herrschers (vergehe)."
Anfangs- und Schlußworte des Dichtungsausgangs, Hákon und Skúli gemeinsam zugeeignet, polarisieren mit zwei Herrscherbezeichnungen rœsir (Sg.; zu rœsa »in schnelle Bewegung setzen«) und stillir (Sg.; zu stilla »beruhigen, mäßigen, ordnen«) das idealtypische Bild eines Herrschers, der einerseits dynamisch kriegerisch, heldisch sein soll, andererseits Ordnung zu stiften, Maß zu halten, zu zügeln hat. Rœsir »der etwas in Bewegung setzt« ist so gesehen ein ergänzendes Gegenbild zu stillir. Vom Siegel König Hákons und Jarl Skúlis als Bildquelle Snorris wird unten zu sprechen sein (Punkt ix): Advers erscheint der Bildtypus „thronende Majestas", revers das dynamische „Reiterbild" (der helmtragende Herrscher und Krieger zu Pferd mit erhobenem Schwert) gleichsam stillir und rœsir. Eine in diesem Zusammenhang interessierende Reflexion über den Wortinhalt von rœsir bietet Snorri in seinem Prosakommentar zu Htk. 17. Diese Strophe demonstriert Zeile um Zeile die Stilfigur des Oxymoron, der paarweisen Zusammenstellung widersprüchlicher
Hommage fìir Skúli Bár0 arson
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resp. gegensätzlicher Wortinhalte. Im 7. vísuord verbindet Snorri ránsid rœsir stödvar „der Rxsir bringt Räuberei (Raub-Sitte) zum Stehen" und erhellt seine beiden Oxymora rdrt : siö (rán, jjat er ό-siôr) und rœsir : stödvar (sá flytr er rcesir, en sá heldr aptr er stödvar SnE I 624). Mit anderen Worten: Snorri erhellt rœsir (zu rœsa) mit p a r a p h i e r e n d e m flytja »bewegen« o. ä. und gegensätzlichem halda aptr »zurückhalten«, stöÖva »zum Stehen/Halten bringen, in Grenzen halten, bändigen«. Letzterem entspricht im Wortfeld der Herrscherbezeichnungen an. stillir, gleichsam das Oxymoron zu rœsir.
Festzuhalten ist, daß nicht nur der König, sondern - Hommage - auch Jarl Skúli rœsir u n d stillir ist, teilhat an zwei Aspekten eines idealtypischen Herrschertums. Wohl nicht zufällig gehören rcesir u n d stillir (und außerdem noch harri „Herr") zu den ganz wenigen Herrscherbezeichnungen im Htk., bei denen Snorri auf Gleichwaage und Gleichheit achtet (auf ein arithmetisches Verhältnis 1:1). Rœsir:
3 Belege für Hákon (Htk. 17, 26, 27) und 3 Belege für Skúli (Htk. 64, 73, 91) - dann Dichtungsausgang Htk. 96 für Hákon und Skúli.
Stillir:
4 Belege für Hákon (Htk. 1, 2, 7, 29) und 4 Belege für Skúli (Htk. 60, 66, 76, 81) - dann Dichtungsausgang Htk. 102 für König und Jarl.
Harri:
„Herr" (eòa herra, Skm. cap. 64, § 2): 2 Belege für Hákon (Htk. 11, 23) und 2 Belege für Skúli (Htk. 53, 68).
(iv) Tignarnofh nach der zweiten Enneade Auf eine auch arithmetisch organisierte „Schreibtischarbeit" lassen alle von Snorri realisierten Herrscherbezeichnungen schließen, die zur zweiten Neunergruppe der Hálfdan-Stammtafel gehören. Trotz unterschiedlichen Strophenverhältnisses zwischen Hákon- und Skúli-Dichtungen (30:64, in etwa 1:2) ist ein Belegverhältnis 1:1 zu konstatieren: sieben Belege für Hákon und sieben für Jarl Skúli. Planvolle Gleichwaage hier (anders verfahrt Snorri bei Realisierung der zur ersten Enneade gehörenden Herrscherbezeichnungen) läßt sich interpretieren: Die zweite Enneade erlaubte eine poetologische u n d genealogische Bezugnahme auf sagenberühmte Geschlechter (dazu Vorbemerkungen Punkt B). Mit gleicher Gewichtung konnte Snorri einer virulenten Deszendenz- und Legitimitätsproblematik beider Herrscher Norwegens diplomatisch ausweichen (zu dieser Problematik ausführlicher § 7): Zum einen der Gönner Skúli, der seinen Anspruch auf die norwegische Krone zeitlebens nicht aufgibt, zum andern der gegen den Widerstand Skúlis zum König gewählte jugendliche Hákon Hákonarson (Postumus, illegitim). Ansippung des norw. Ynglingengeschlechts (Harald Schönhaars) an die zweiten Enneade der Hálfdan-Stammtafel ist Thema in Mttartala frá Höö (Flat. I 24ff.), ist auch Snorri bekannt (Skm. cap. 64, s. o.). - Dem Ynglingengeschlecht aber kann sich nicht nur König Hákon (in direkter Sohneslinie), sondern auch Jarl Skúli verbunden fühlen, der seinen Anspruch auf den norw. Thron u. a. damit legitimiert, Halbbruder von König Ingi zu sein (Sohn der Cécilía, Tochter von König Sigurör [„Mund"] Haraldsson gilla) und über Ingiriör (Schwester König Haralds des Harten, Halbschwester König Olafs des Heiligen) Nachkomme von Harald Schönhaar (§ 8).
Planvolle Ausgewogenheit bei Verwendung aller aus der zweiten Enneade herleitbaren Herrscherbezeichnungen (eingeschlossen die beiden Belege in den König Hákon und Skúli gemeinsam zugeeigneten 8 Strophen, dort: egalisierender Plural,
68
Heinz Klingenberg
Punkt i) könnte jedoch hintergründig konterkariert sein zugunsten des Gönners Skúli. Anschließend an seinen Bericht von König Hálfdan und seinen 9 + 9 Söhnen zählt Snorri weitere Stammväter und Königsgeschlechter her, deren Namen zu tignarnçfn wurden, in der Dichtung verwendbar als poetische Herrscherbezeichnungen (Skm. cap. 64: Skjçldr/Skjçldungar in Dänemark usw.). In Htk. verwendet Snorri noch appellativisches skjçldungr ,.Fürst, Herrscher" mit einem Belegverhältnis 1:3 (Htk. 24 von König Hákon - Htk. 52, 91 und 70 [GP1.] von Skúli), das die Gewichtung zuungunsten Hákons verändern würde. Htk. 24:
skjçldungr, hinn er heldr skjçldum mologica).
„der Schilde hält" (mit einer Figura
eti-
Htk. 91:
beztr jarla... hittireigi mann œôra en ¡>ann skjçldung „der beste der Jarle ... man trifft keinen besseren als diesen Fürsten/Herrscher"
Htk. 68,1 - fortgesetzt Ht. 70,8 - Beginn des zweiten Skúli-Gedichtes: Fremstr varó Skúli - skjçldunga ungr „der junge Skúli wurde der hervorragendste der Fürsten"
Mit stärkerer Gewichtung Skúlis durch ein Plus von skjçldung-Belegen ist die virulente Legitimitätsproblematik beider Adressaten, beide enger oder von ferner her der norw. Ynglingen-Dynastie verbunden, nicht tangiert. (v) Yngvi, ¡>at er ok konungs heiti Diplomatisches Ausweichen Snorris vor der Deszendenz- und Legitimitätsproblematik ist kontrollierbar. Der Htk.-Dichter verwendet die poetische Herrscherbezeichnung yngvi, nicht aber ynglingr (das dem Bildungsschema der zweiten Enneade besser entspricht: hildingr, niflungr, öölingr usw., § 2), denn ynglingr konnte auch als „Angehöriger des Ynglingengeschlechtes" vom Stammvater Yngvi Freyr her verstanden werden. Das ist Snorris tragende Konzeption im späteren Werk Yngl.s. (dazu § 6), die vielleicht schon in Skm. cap. 64 anklingt: zum einen Herleitung der poetischen Herrscherbezeichnungen ynglingr/yngvi vom Namen eines 13. Hálfdansohnes, zum andern: frá Yngva er Ynglingar erufrá komnir; frá Skildi íDanmörk er Skjöldungar... (SnE I 522). Vorsnorronisch: Ynglingatal von t>jó0ólfr ór Hvíni; Ari inn fróSi (pessu eru nçfii Ynglinga IF I, 1:27.); vgl. auch Historia Norvegia (Storm 97ff.).
langfeôga
Auch die yngling-Be\ege der skaldischen Dichtersprache zielen auf Angehörige des Ynglingengeschlechts (nach Yngvi Freyr). Pôrbjçrn hornklofi, Haraldskvœdi 4 - von König Harald Schönhaar: Haraldi vèr fylgSum syni Hálfdanar, ungum ynglingi (Skj. Β I 22). Skalla-Grímr, Lausavísa bçrn (Skj. Β I 26). Egill, Arinbjarnarkviöa
1 - von jugendlichen Verwandten Harald Schönhaars: ynglings 3 - von König Erich Blutaxt: ynglings burr (Skj. Β I 38).
Óttarr svarti, Hçfuôlausn 19 - von König Olaf dem Heiligen (Skj. Β I 272; Snorris Belegstrophe Skm. cap. 64). Zu zwei yngling-Belegen
in Sturlas HákonarkviÜa s. u § 6.
Yngvi erscheint in Htk. als frei verfügbare (von Skm. cap. 64 bereitgestellte) Majestätsbezeichnung der Dichtersprache (nach Yngvi Hálfdanarson), und nicht König Hákon, sondern der Gönner Skúli wird yngvi genannt (Htk. 62 und 93, zwei
69
Hommage fur Skúli BárS arson
Belege) - eine Huldigung für Jarl Skúli, denn „yngvi ist auch eine Bezeichnung des Königswie Snorri ausdrücklich hervorhebt: Yngvi, ¡>at er ok konungs heiti (SnE 1528 - mit Bezug auf die Drápa seines Ururgroßvaters Markus Skeggjason). Snorris Belegstrophe ist Eiríksdrápa Str. 2 (um 1104). Die yngvi-Belege dieser Dichtung (im weiteren: Str. 7; 12; 16; 23) gelten keinem norw. Ynglingenherrscher, sondern (als frei verfügbare Herrscherbezeichnung) dem Dänenkönig Eirikr Sveinsson (Erik Ejegod, reg. 1095-1103). Vgl. auch Hallvarör, Knútsdrápa 6 - vom Dänenkönig Knut d. Gr.: England reedr yngvi „über England herrscht der Fürst".
Beide yngvi-Strophen des Htk. erscheinen zu Ende des ersten resp. zweiten SkúliGedichtes, kumulieren Herrscherbezeichnung für Jarl Skúli, rufen Hálfdan-Rezeption und auch (Htk. 62) den virtuosen Formkünstler Snorri in Erinnerung. Htk. 93, endreimende Skúli-Strophe (mirmi runhendä) häuft fünf Herrscherbezeichnungen: pengill, visi, jçfurr, yngvi, jarl (... yngva lofar gil drótt,jarls sák frama gnótt (das ganze Gefolge preist den Fürsten, ich sah (und preise nun als Dichter) die Fülle der Ehre des Jarls). Die folgende Str. 94 ruft mit Hálfdan-Rezeption (dazu Punkt x) in Erinnerung, daß auch yngvi (pengill, jçfurr) in Htk. 93 auf Yngvi Hálfdanarson (nicht auf Yngvi Freyr) zu beziehen ist. Die Skúli-Strophe Htk. 62 ist ein erstes Beispiel für hrynjandi háttr »strömende Strophenform«: Verlängerung eines anlaut- und binnenreimenden sechssilbigen „Hoftons" auf acht Silben in fixierten Zonen der Strophe (drôttkvœda hrynjandi). Snorri kommentiert: Hier ist die erste und dritte Verszeile v o r n um zwei Silben vermehrt... und aus der zweiten und vierten Verszeile muß man das Wort nehmen, dem (noch) zwei Silben folgen, also die fünfte und sechste Silbe (Hèr er it fyrsta ok pridja visuord aukit framan tveim samstöfum til háttar setníngar ... En or öÖru ok fjórda visuoröi má taka málsorS pat, er tvœr samstöfur fylgja, en fimta ok en sètta i visuoröi) [SnE I 676]. Zur metrisch-syntaktisch-gedanklichen Analyse vgl. E. A. Kock, Not. norr. § 191. Meine Textdarstellung bietet statt der üblichen 8 Verszeilen 4 zäsurierte Langzeilen (Anverse = 1./3./5./7. visuord). Htk. 62 Anverse: Tiggi yngvi visi skúrum
snyr á ógnar áru drífr at hreggi hlífa heldr of flçrnis foldir lystr of hilmi hraustan
Abverse: -
undgagl veit {»at hjçrr vélir f j ç r folk skiptir svá hans fregnum styr -
sóknar brynju boga Mistar
hagli; éli; driptum; regni.
Der Grundtext preist den Jarl Skúli im Bild eines Kampfes mit Pfeil und Bogen - Pfeilgeschosse wie Hagel, Schauer, Gestöbe. Fixierte (überzählige) Zonen dieser achtsilbigen Dróttkvaett-Strophe (so Snorris Kommentar, s. o.) heben ins Relief, was auch der Grundtext thematisiert, ergeben zusammengelesen Nebensinn auf gleicher Schriftfläche einer völlig durchsystematisierten Strophe, die in der Schriftlichkeit entstanden ist; herausgewölbt sind drei von insgesamt vier Herrscherbezeichnungen. Nebenlesung: Jarl Skúli = „Fürst (tiggi) des Kampfes"; „Fürst (yngvi) der Brünne"; . f ü r s t (visi) des Bogens"; „im Kampf/im Pfeilschauer der Walküre Mist" (vgl. die Kenning skúrir Hlakkar Htk. 64). Klartext der letzten Langzeile: „um den tapferen Fürsten (hilmir) prasseln Regenschauer der Walküre Mist."
70
Heinz Klingenberg
(vi) Tignarnöfn nach der ersten Enneade Die größere Huldigung des Htk.-Dichters empfängt Jarl Skúli. Zwei Skuli-Gedichte werten den Gönner ungleich stärker als den jugendlichen König - und so auch die Fülle der realisierten Herrscherbezeichnungen aus der ersten Neunergruppe. Achtet Snorri im Umgang mit der zweiten Enneade diplomatisch auf Gleichwaage und Gleichheit, so scheint er nun bei rein poetologischer Bezugnahme auf die Stammtafel Hälfdans ohne Fesseln. Mit einem Belegverhältnis 28:52 (Hákon:Skúli) erfüllt sich raumgreifende Hommage für Skúli. 52 Realisierungen (ohne jqfra œgir Ht 55, s. o. Punkt D) unterbieten ein durch ungleiche Strophenanzahl (in etwa 1:2) naheliegendes, aber nicht bedingtes Belegverhältnis (s. o. Punkt C). Doch (eine Annäherung an) Verdopplung der Herrscherbezeichnungen zugunsten Skúlis scheint intendiert. Aussagekräftige Unterposten aus der ersten Enneade: Hákon
Skúli
pengill
Htk. 4, 5, 21
hilmir
Htk. 7/7, 8 29, 30
tiggi
Htk. 12, 18
Skyli/Skúli
Htk. 2, 28
Htk. 31, 37, 69 89, 92, 93 Htk. 4, 52, 57 62, 63, 87/87 89/89, 95 52, 62 74, 90 Htk. 32, 68, 82, 94
3:6 Belege
oder
1
5:10
oder
1
2:4
oder
I
2:4
oder
1
(vii) Die erste Enneade und konungs nafn eòa nafn jarls (1:2) Nur die erste Neunergruppe der Herrscherbezeichnungen, herleitbar aus Namen von (kinderlosen) Hälfdansöhnen, vergleicht Snorri explizit mit den beiden Rangbezeichnungen „König" und „Jarl" (Skm. cap. 64: tignarnöfn, svâ sem konungs nafn eòa nafn jarls SnE I 518); im Abstand zur zweiten Enneade sind auch die Rangbezeichnungen konungr und jarl frei von genealogischen Implikationen (dazu Punkt iv). Mit Einbezug der fünf (pjoÖ-)konungr-Belege (für Hákon) und der 18 jarl-Belege (für Skúli) - also jenen Rangbezeichnungen, die Snorris Bezugsträger des interessierenden Wortfeldes sind - ergibt sich ein umfassenderes Belegverhältnis 33:70 (ohne jarla pryöi Htk. 27, i. e. König Hákon). Damit stabilisiert sich das arithmetische Verhältnis 1:2 (die Tendenz bei Realisierung der Herrscherbezeichungen aus der ersten Enneade, 28:52, s. Punkt vi). Wollte man auch den jarl-Beleg Htk. 27 aus der Kenning jarla pryöi »Zierde der Jarle« (: König Hákon) einbeziehen, ergäbe sich ein Belegverhältnis 34:70. Daß „König" und „Jarl" in der Kenningsprache gleich sind (mit Ausnahme von frjódkonungr) sagt Snorri Skm. cap. 53 (Punkt i).
(viii) Die erste Enneade und weitere Herrscherbezeichnungen (1:2) Eine obsiegende Tendenz 1:2 würde sich auch bestätigen, wollte man weitere tignarnöfn abseits der Hálfdan-Stammtafel einbeziehen, die auch Snorri bei Behänd-
71
Hommage fur Skúli BárS arson
lung des interessierenden Wortfeldes Skm. cap. 64 nennt. Noch aussagekräftiger als die Gesamtsumme sind die Unterposten mit dem arithmetischen Verhältnis 1:2. (a) All-valdr »Allherrscher« (SnE I 512 - mit Óttarr svaiti). Hér er ok gramr kallaör; ftvi heitir hann aüvaldr at hann er einvaldi alls ríkis sins. Snorris expliziter Hinweis auf ein-valdi »Alleinherrscher, Monarch« entbehrt nicht der Pikanterie, vergleicht man die Beleglage in seiner kombinierten Preisdichtung Htk.
allvaldr valdi
Hákon
Skúli
Htk. 3 Htk. 30
Htk. 36, 77,78 Htk. 63
1:3 Belege 1:1 Belege
zus.
1:2
Valdi in Htk. 30 (vigfoldar vandar valdi »Walter des Schwertes«) und Htk. 63 (styrjar valdi »Walter des Kampfes«) ist Grundwort einer Umschreibung für „Krieger", aber der Herrscher als Landesverteidiger ist konnotiert. Htk. 30: njót margra landa til ítran elli „habe Nutzen vom Land bis zum ehrenvollen Alter", von König Hákon. Htk. 63 von Skúli als Verteidiger seines Landesteils gegen die Ribbungen; Tod des Häuptlings Gunnar 1221. (b) Visi, sem kvad Óttarr svarti (SnE I 512 - mit Óttars Óláfsdrápa saenska Str. 2: visi neben allvaldr).
visi
Hákon
Skúli
Htk. 5, 16, 20
Htk. 38, 5 2 , 6 2 72,79,93
3:6 Belege
oda·
1:2
(c) Fylkir (SnE I 512 - mit Gizurr gullbrárskald). Fyrir ¡¡vi er fylkir kallaör konúngr, at hann skipar ifylkingar herliöi sinu. Snorri betont hier Exklusivität, ordnet fylkir allein dem König zu (vgl. Snorris Kommentar zu Htk. 17: konúngr heitir fylkir SnE I 626). Das könnte das auffallige Belegverhältnis in Htk. begründen (fünf gegen drei fylkir-Be\ege für Skúli, s. u.), das König Hákon ausnahmsweise (die einzige Ausnahme!) stärker gewichtet. Aber zur Zeit des Htk. erfüllt nicht schon Hákon, sondern noch Jarl Skúli die vornehme Aufgabe eines Königs, „das Heer in Schlachtlinie (fylking) zu ordnen"; vgl. Htk. 36 von Skúli - der einzige fylking-Beleg in Snorris kombinierter Preisdichtung: allvaldr reyndisk herjum mannbaldr; frá ek bragning bjuggu breiSa f y l k i n g gehört, daß der Herrscher die breite Schlachtlinie gerichtet hat) So gesehen, könnte frag würdig sein, ob Snorris fünf fylkir-Be\ege zufallige „Disproportion" oder hintergründige Ironie wäre.
(ich habe
für König Hákon eine
(d) Beachten wir die anderen Herrscherbezeichnungen in Htk., die den Herrscher als Anfuhrer des Heeres begreifen, so verkehren sich auffällige fylkir-Be\ege zugunsten Hákons in ein Belegverhältnis zugunsten Skúlis (zu visi »Anführer« s. o.). Hákon
Skúli
Htk. 9, 17, 26, 28, 29
Htk. 38, 65, 84
5:3 Belege
Htk. 4 0 , 6 6
0:2 Belege
herstefhir
Htk. 51 (cf. § 6)
0:1 Belege
oddviti
Htk. 56, 59, 66, 88 0:4 Beiepe 5:10
fylkir hertogi
oder
1:2
Hertogi »Heerführer« (SnE I 514 - mit t>jó0ólfr Arnórsson, 11. Jh., von König Haraldr hardráSi). Hertogi heitir jarl, ok er konúngr svâ kallaör ok, fyrir pvi er hann leidir her til
72
Heinz Klingenberg orostu. Anders als fylkir (c) ist hertogi Jarls- u n d Königsheiti (ein Titel „Herzog" kommt in Norwegen erst 1237 auf: Skúli hertogi ist der erste Titelträger). Mit dieser doppelten Zuordnung entdeckt Snorris Dichtung Htk. alleinige Hommage für Jarl Skúli (Belegverhältnis 0:2) Htk. 40: hertogi veldr hjaldri „der Heerführer waltet über die Schlacht". Htk. 66: itr hertogi eyddi úthlaupsmgnnum Unruhestifter mit Speeren".
spjótum „der herrliche Heerführer vernichtete
(e) Mildingr »(freigebiger Mann) Fürst« (SnE I 514 - vgl. S. 532: Orr maör heitir mild(ngr, mceringr, skati und S. 528: skati nach einem König Skati mildi ... afhans nafni er skati kallaör hverr er mildr er).
mildingr skati
Hákon
Skúli
Htk. 25 Htk. 12
Htk. 84, 95 Htk. 71, 90
1:2 Belege 1:2 Belege
oder oder
1:2 1:2
(ix) Hilmir (1:2)
Aufmerksamkeit heischen drei Mm;V-Strophen, da Snorri hier gegen das Variationsprinzip skaldischer Dichtung dieselbe Herrscherbezeichnung d o p p e l t in gleicher Strophe setzt. Des weiteren wird kein Zufall sein, daß eine dieser auffälligen hilmir-Strophen im Hákon-Gedicht steht (Htk. 7), die beiden anderen SkúliStrophen sind (Htk. 87 und 89). Auch diese Variation bestätigt, daß 1:2 eine strukturgebende Perspektive Snorris ist (wie fünf Mm/r-Belege insgesamt für Hákon gegen zehn für Skúli [Punkt vi] usw. usf.). Hilmir ist etymologisch zu verbinden mit an. hjálmr »Helm«. Daß Snorri von appellativischer Verständlichkeit dieser Herrscherbezeichnung ausgeht, ist anzunehmen. Hilmir stabt wohl nicht nur metri causa mit hjálmr, drei von insgesamt vier hjálmr-Belegen des Htk. bilden dergestalt eine Figura etymologica (Htk. 7,1 ; 8,1 ; 57,1 ). Hjálmar Pl. „Helmträger" o. ä. nennt Snorri Htk. 39 jene Großen, die zusammen mit König Ingi (Halbbruder Skúlis, gestorben 1217) Skúli zu hohen Ehren erheben, „als der Hilmir des Landes (König Ingi) dem hochgesinnten Lenker der Schlacht (Skúli) das Jarltum gab" (pás hilmir foldar gafhugfœrum hjaldrs stari jarldóm). OBS.: Auch König Ingi wird hilmir genannt (Htk. 39 und 33: hilmis bróüir [Skúli als Bruder König Ingis]).
Doppelbelege in drei Strophen (1:2) heben hilmir ins Relief. Snorri konnte offizieller Ikonographie folgen. Siegel, auch das König Hákons und Jarl Skúlis (abgebildet bei Bugge 258 und 269), zeigen idealtypische Herrscherdarstellung, advers die „thronende Majestas" (das fragmentarische Siegel Skúlis läßt den Schild dessen erkennen, der über ein Drittel Norwegens herrscht) und revers das „Reiterbild" mit Äe/wtragendem Herrscher {hilmir), in der rechten Hand das erhobene Schwert. Auch die zugehörige Siegelinschrift erweist sich als Bildquelle für Dichtersprache Snorris im Htk. Die erhaltenen Siegelinschrift König Hákons lautet revers („Reiterbild"): REX HACO MAGNVS SVBIECTIS MITIS VT AGNVS IVSTIS LETATVR INIVSTIS ENSE MINATVR („König Hákon der Große, gegenüber Untertanen mild wie ein Lamm,
Hommage für Skúli BártS arson
73
erfreut sich der Gerechten, droht den Ungerechten mit dem S c h w e r t " ) (vgl. KLNM 9:51 s. v. Kongesegl).
Jarl Skúlis Siegel
74
Heinz Klingenberg
ENSE MINATVR. Davon spricht die erste Hákon-Str. Htk. 7 mit zweifachem hilmir. „Der forsche Hilmir bändigt die Männer mit dem Schwert; mit dem Schwert... der grimmige Hilmir..."·, vgl. auch Htk. 8 (Htk.12 liest sich dann wie eine Paraphrase der Siegelinschrift Hákons advers, dazu SchluBfolgerungen Punkt 3). L(A)ETATVR. Davon sprechen die beiden Skiiii-Strophen mit doppeltem hilmir im Situationskontext der Hallenfreude und Freigebigkeit Skülis, Htk. 87 und 89: HirÖ gerir hilmis kátt „und das Gefolge des Fürsten wird fröhlich" .. .slikt telk hilmis hátt „das nenne ich Art eines Fürsten". ENSE MINATVR. Natürlich fehlt das „Drohen mit dem Schwert" auch nicht dem Herrscherbild Skúlis; ich verweise auf eine Doppelstrophe im ersten Skúli-Gedicht. Htk. 57:
,.Der Hilmir mit rotgefärbtem Schwert festigt Kampf (eigtl. Geschoß-Schauer auf Helme)."
Htk. 58 : „Der Jarl droht mit gezogenem
Schwert."
Das Metrum dieser Beispielstrophe verlangt Wiederholung des Reimes zu Ende der dritten Verszeile (: ognar) im ersten (: egnir, Halbreim) und zweiten Wort der vierten Verszeile (: tognu). Diese Zwänge begründen Snorris bildliche Sprache: „Mit gezogenem Schwert (erhoben wie eine Angel) ködert!fängt der Jarl Schrecken", will heißen „droht" (jarl til ógnar / egnir tognu sverSi „truer med sit dragne svaerd" Skj. Β Π 77).
(x) Skyli eòa S kúl i (1:2) Auf ein in „Schreibtischarbeit" arithmetisch organisiertes Wortfeld der Herrscherbezeichnungen (herleitbar aus schriftlich vorliegender Hálfdan-Stammtafel) lassen last, not least die realisierten Wechselformen Skyli eòa S kúl i schließen, Snorris Hommage für Jarl Skúli (dazu § 2). Skyli wie Skúli werden in Htk. nicht appellativisch, sondern (Sonderfall) als Nomina propria verwendet. Der genealogische Bezug auf den achten Hálfdansohn bleibt hier gewahrt (zu Htk. 94 s. u.). Skyli (zwei Belege) ist dem Hákon-Gedicht vorbehalten, Skúli (vier Belege) den beiden Skuli-Gedichten. Mit einem Verhältnis 1:2 ist wiederum der Gönner stärker gewichtet als der jugendliche Hákon. Hákon-Gedicht, Htk. 2 und 28: König Hákon wird in Kenningsprache umschrieben als Skylja œttstuôill »Sippenstütze (Nachkomme) des Skyli« und als skjaldbraks Skyli »Skyli des Schildgetöses (: Kampfes)« (vgl. Htk. 55: stála skúrar Gautr »Gaut [: Odin] der StahlRegenschauer [des Kampfes]«, Kenning für Jarl Skúli). 1. Skúli-Gedicht, Htk. 32: Skarpt él lindar snarvinda skys preifsk ofSkúla „heftiger Kampf (Kenning) um Skúli wurde stark." 2. Skúli-Gedicht, Htk. 68: Skúli varfremstr (Fortsetzung Htk. 70: Skjoldunga ungr) „(der junge) Skúli war der herausragendste (der Fürsten)." Htk. 82:
Skúli er dyrstr jarla austan ver „Skúli ist der vornehmste der Jarle ostwärts vom Meer."
Htk. 94:
Skúli jarl er myklu dyrstr „Jarl Skúli ist bei weitem der vornehmste."
Anders als die beiden Skyli-Belege ist vierfaches Skúli nicht Glied einer Kenning und isoliert betrachtet nur der Name des Gönners. Aber in Korrespondenz mit Skyli und in Verbindung mit Snorris Ausführungen Skm. cap. 64 - Innovation Skyli eöa Skúli (Hommage für Jarl Skúli § 2) - wird man eine Konnotation nicht ausschließen wollen: Eine preisende In-
Hommage für Skúli Báróarson Bezug-Setzung König Hákons u n d
achten Hálfdansohn Skyli eòa
75
Skúlis zu einem sagenberühmten Vorzeitkönig, dem
Skúli.
Auf bewußte (betonte) Hálfdan-Rezeption läßt der letzte Sítú/i'-Beleg zu Ende des zweiten Skúli-Gedichtes schließen: Der Gönner Jarl Skúli, ein Regent der Gegenwart, überbietet Vorzeitkönige (Krömmelbein 278f). ist wie König Hákon ein „Beschützer" Norwegens (skyla »beschützen, beschirmen«, dazu § 2) und überbietet den jugendlichen Hákon mit einem Belegverhältnis 2:4 (=1:2). Htk. 94 (fragmentarisch überliefert): Gramr,
gulli s0ri Krakiframr eflafrâgum Haka hjaldr, aldr; ormi veitti Sigurör sár, slíkt var alltfyr liöit ár, Ragnarr />òtti skatna skyrstr, Skúli jarl er myklu dyrstr.
: Gramr Hálfdanarson (?)
: Hrólf kraki : Haki (Seekönig) : Sigurör Fáfnisbani : Ragnar loöbrök : [Skyli/Skúli Hálfdanarson]
„Der herausragende Kraki säte Gold; Haki (wie ich hörte) stärkte die Schlacht; ... Sigurd verwundete die Schlange - das alles war vor langer Zeit - , Ragnarr dünkte der hervorragendste der Männer, Jarl S k ú l i ist bei weitem der herrlichste."
Schlußfolgerungen (1) Htk. ist eine durchstrukturierte Großform, deren 102 Strophen als Gesamttext zu würdigen sind. Auf schriftliche Organisiertheit weist u. a. die Rezeption der Hálfdan-Stammtafel, die eine planvolle Arithmetisierung der realisierten Herrscherbezeichnungen entdecken läßt. (2) Denkbar (vgl. Faulkes IX) wäre, daß Snorri sein nicht zum mündlichen Vortrag durch den Dichter bestimmtes Htk. seinem Gönner resp. beiden Adressaten (zwei Widmungsexemplare) als Text übersandt hätte. Denkbar wäre eine anspruchsvolle Textdarstellung (Initialen, Rubrizierungen), die ins Relief heben konnte, was dem opifex offensichtlich wesentlich war. Denkbar wäre allenfalls eine beigefügte declaratio, die Snorris Intentionen erläutert hätte. (3) Hommage für den Gönner ist ungleich stärker gewichtet mit zwei Skúli-Gedichten und einer überproportionierten Mehrzahl an Herrscherbezeichnungen. Ablesbar sind zwei Tendenzen: Für die Fülle von tignarnöfri gilt (Annäherung an) ein arithmetisches Verhältnis 1:2, kontrollierbar durch eine Reihe von Unterposten und nicht schon bedingt durch Strophenanzahl (in etwa 1:2). Ein arithmetisches Verhältnis 1:1 gilt in offiziellen, beiden Herrschern zugeeigneten Strophen (Htk. 67 und 96ff.). Gleichwaage und Gleichheit obsiegen weiterhin in Hákon-und Skúli-Strophen bei Realisierung der aus der zweiten Enneade herleitbaren tignarnöfri, die nicht nur poetologische Bezugnahme* sondern den Gedanken der Ansippung an sagenberühmte Fürstengeschlechter implizierten. Damit scheint Snorri der virulenten Deszendenz- und Legitimitätsproblematik beider Herrscher Norwegens diplomatisch auszuweichen.
76
Heinz Klingenberg
(4) Der gebotene ständische Unterschied beider Regenten bleibt gewahrt mit den Rangbezeichnungen konungr und jarl, mit exklusiver, dem König vorbehaltener Herrscherbezeichnung pjoökonungr (zwei Belege) und mit Dichterworten über das Jarltum Skúlis, das dieser vom König (Ingi, seinem Halbbruder) empfangen hat (Htk. 39), und über das Gottesgnadentum (Htk. 12) und Erbkönig Hákons vom Vater Hákon Sverrisson her (Htk. 14f). Htk. 12: Hákon veldr heiti pjóSkonungs (besitzt den Namen eines Volkskönigs), guö lér tiggja jardar med tiri (Gott verleiht dem Herrscher Land mit Ehre)... „Gott gab dem jungen Herrscher gœfa (Glück resp. Heil)". Snorri konnte an die berühmte Óláfsdichtung Geisli 57 anschließen: „Gott verleiht dem König Glück/Heil" (lérgiptu Skj. Β 1441). Auch an die Siegelinschrift König Hákons ist zu denken, advers: SIGILLVM HACONIS MAGNI DEI GRACIA REGIS NORWEGIE.
Aber auch dem Anspruch Skúlis auf den norwegischen Thron als eines legitimen Nachfolgers seines Halbbruders König Ingi BárSarson (dazu § 7) könnte Snorri hintergründig Rechnung tragen. Drei Hákon-Strophen explizieren, daß dieser „ S o h n
eines Herrschers" sei (Htk. 2, 15,
18).
Drei Skúli-Strophen nennen den Gönner „ B r u d e r eines Herrschers" (Htk. 33: broöir hilmis [hilmir. erste Enneade]; Htk. 34: broöir bragnings [bragnirtgr. zweite Enneade]; Htk. 69: broöir konungs [konungr. Bezugsträger des Wortfeldes der 9+9 tignarnöfn, Skm. cap. 64]).
§ 4. 102 Strophen HdttatalkvceÖi: HAKÖ und SKVLI Snorri endet nicht mit der runden Zahl „hundert", auf die er Strophe 100 ausdrücklich verweist (ίνα er tircett hundraÖ talit), sondern läßt noch zwei Strophen als Epodium folgen φαί er kvceöis lok\ Str. 102 verbürgt die Vollständigkeit der 102strophigen Dichtung). 30 Hákon- und 64 Skúli-Strophen verbinden sich in enkomiastischer Großform mit acht Strophen, die beiden Herrschern gemeinsam zugeeignet sind (Htk. 67 und 96-102). Wollte man sie auf beide Adressaten aufteilen, müßte man halbieren, also: 30 Hákon-Strophen
+ 4 = 34
resp. 1/3
64 Skúli-Strophen
+ 4 = 68
resp. 2/3
Enkomium insgesamt
102
3/3
Mit dergestalt strukturierter Strophenanzahl könnte sich die Vermutung verdichten, daß ein auch bei Verwendung poetischer Herrscherbezeichnungen obsiegendes 1:2 (§3) nicht nur stärkere Hommage für den Gönner Skúli durch Überzahl artikulieren soll. Ein artihmetisches Verhältnis 1:2 resp. 1/3 : 2/3 realisiert zum dritten schon die auffallige Bauform der kombinierten Preisdichtung (eine Hákon- und zwei Skuli-Dichtungen). Strukturgebung kann auch Sinngebung sein. Mit Teilung eines enkomiastischen Ganzen in 1/3 : 2/3 könnte Snorri den (lebenslangen) Antagonismus zwischen Kö-
Hommage für Skúli Báróarson
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nig Hákon und Jarl Skúli arithmetisiert haben: die 1217 (vor Snorris erster Norwegenreise) beginnende, auch in fortgeschrittenen Jahren umstrittene Reichsteilung Norwegens in 1/3 : 2/3, das [möjunga-skipti lands. Snorris Neffe Sturla Pôrôarson berichtet in Hákonar s. Hák. cap. 22: Bevor Hákon auf dem Gula|)ing den Königsnamen erhält, kommt es zur vertraglichen Reichsteilung zwischen König und Jarl. Jarl Skúli und Parteigänger erheben Anspruch auf die Hälfte Norwegens samt Tributländern (1/2). König Hákon und Ratgeber verkürzen den Anspruch auf ein Drittel Norwegens (1/3) ohne Tributländer. König und Jarl einigen sich: Skúli erhält ein Drittel Nowegens (1/3) und den dritten Teil der Schatzländer (1/3) ok var pat til raads tekit af konungs hendi at Skula jarli var iattadr pridiungr af ollum Noregi ok skattlondum (Fiat. ΠΙ 21 ; Mündt 20). Das [>riôjungaskipti Norwegens wird auf der Reichsversammlung in Bergen a. 1223 bestätigt, die König Hákon als rechtmäßigen Erben Norwegens anerkennt. Jarl Skúli dringt mit seiner Forderung, das nördliche Drittel des Reiches bis zum Sognefjord reichen zu lassen, nicht durch; dann hätte Hákon nur zehn Schiffsbezirke über die Hälfte des Landes hinaus gehabt. (Hákonar s. Häkonarsonar cap. 82, Flat. ΠΙ 59). Die Inschrift auf Jarl Skülis Doppelsiegel ca. 1225 lautet: ... IN DITIONE REGNI PARTIS CONSTITUTI (KLNM 5:32) im Herrschaftsgebiet des festgelegten Reichsteils". Das „Reiterbild" mit behelmtem Herrscher (revers) läßt sich mit Snorris Herrscherbezeichnung hilmir „der Behelmte" zusammenstellen; Belegverhältnis im Htk.: 1/3 : 2/3 (dazu § 3, Punkt ix).
Sehe ich recht, könnte das in Dichtungsteilen, in Strophen- und Beleganzahl poetischer Herrscherbezeichnungen wiederkehrende arithmetische Verhältnis 1:2 oder 1/3 : 2/3 zugunsten Skúlis eine „tröstende" Antwort des Dichters für seinen Gönner sein, der beim priÖjungaskipti Norwegens a. 1217 nur ein Drittel durchsetzen konnte. Ein faktisches Machtverhältnis wäre ins Gegenteil verkehrt. Appendix Die oben bedachte Zuordnung der 102 Strophen des Htk. zu König Hákon (3044) und Jarl Skúli (64+4) könnte eine zusätzlich verborgene Hommage zugunsten des Gönners enthalten, ein enkomiastisches Ganzes teilbar im Verhältnis 1/3 : 2/3. 102 Strophen: Gematrie: 2
34 Η Α Κ Ö (?) 34
68 S Κ V L I (!) 68
oder 1/3 : 2/3 oder 1/3:2/3
Gematrische Namenzahl für SKVLI: 18+10+20+11+9= 68. Bei Hákon wäre von einer Schreibform mit Nasalstrich auszugehen: 8+1+10+14+1 (Nasalstrich als zählbare Einheit, Ventil der Buchstabenrechnung; weniger wahrscheinlich: HAAKÖ, verkürzte Schreibform mit verdoppeltem aa für á). Daß Snorri Skaldenkunst und auch Schrift mit auctorialem „Verbergen" zusammendenken kann, bezeugter in seiner Edda·, felá írúnum eòa ískáldskap (SnE 1214).
2
Gematrie: Buchstabenrechnung nach Maßgabe der Stellung der Buchstaben im ABC (A = 1 usw.).
78
Heinz Klingenberg
Das Hákon-Lied beginnt mit dem Eigennamen Hákon in erster (!) Verszeile Htk. 1,1; die Rangbezeichnung konungr folgt in gleicher Anfangsstrophe des einen Hákon-Gedichts. Mit dem Eigennamen Skáli in erster (!) Verszeile beginnt das zweite Skúli-Lied Htk. 68,1; die zugehörige Rangbezeichnung jarl expliziert die erste Strophe des ersten Skúli-Liedes Htk. 31, in der sich der Dichter Snorri ins Relief hebt. Auf die Möglichkeit einer anspruchsvollen Textgestaltung (Initialen, Rubrizierungen) in von Snorri evtl. nach Norwegen übersandten Widmungsexemplaren seiner Dichtung Htk. (seiner Edda?) habe ich hingewiesen (§ 3, Schlußfolgerungen ad 2).
§ 5. Snorris Gelehrte Urgeschichte: Auch Ihr, König und Jarl! SnE, von werkgeschichtlichen Anfängen her als Lehrbuch der an. Dichtkunst konzipiert, ist zuletzt mehr als eine erste muttersprachliche Poetik - und nicht nur Skm cap. 64 und Htk. enthalten Huldigung für Skúli BárÓarson und König Hákon. SnE ist auch eine erste muttersprachliche Mythographie, ein vorletzter Glaubenswechsel Skandinaviens zum Odinsglauben (Rahmenziel der Gylfaginning) eingerüstet durch Snorris Gelehrte Urgeschichte von Odin und den Seinen. Gelehrte Urgeschichte, geprägt vom Troja-Mythus, lebt aus dem Geschichtsbewußtsein: A u c h w i r ! Auch wir - ein Volk, ein Herrscherhaus, ein isl. Großbauer und seine Familie (...en ek heitiAri; Sturlungen-Stammtafel; Ahnentafel des Haukr Erlendsson) - haben teil an ruhmvoller Vergangenheit, sind eingereiht in die Weltgeschichte, sind Glieder einer genealogischen Deszendenz von ... Japhet, von ... Aeneas (: Vergil) resp. Brutus=Britus her, Urenkel des Aeneas (: britische gelehrte Urgeschichte), oder von Frigas, Bruder des Aeneas (: fränkische gelehrte Urgeschichte), oder auch vom trojanisch-thrakischen Trór=Pórr her, dem PriamusEnkel mütterlicherseits. Auch aisl. Gelehrte Urgeschichte beansprucht für Skandinavien, was Vergil Rom und den Juliern, Caesar und dem Augustus = Troianus Caesar nachrühmt (Aen. I 286, Götte 22) oder das mhd. Annolied den Franken: Verwandt dem Caesar, denn die gemeisamen Ahnen kamen aus Troja der Alten (Opitz/Bulst 26). Auch Snorris Gelehrte Urgeschichte beansprucht für Königs- und Adelsgeschlechter Skandinaviens, was ältere gelehrte Urgeschichte der Römer, Franken, Briten usw. für jeweilige Herrschergeschlechter beansprucht hatte - die fränkische Tradition für Merowinger, Karolinger, Kapetinger, deutsche Kaiser der Salier- und Stauferzeit. Noch an der Schwelle zur Neuzeit erhält Kaiser Maximilian eine Ehrenpforte, „an dessen Stammbaumwurzeln Albrecht Dürer drei Figuren stellte: Troia, Sycambria und Francia" (Gerritz 65). Wipo (11. Jh.) betont in seiner Vita Kaiser Konrads II. (reg. 1024-49), daß dieser Salierkaiser durch seine Mutter aus dem alten Geschlecht der trojanischen Könige stamme (de antiquo genere Troianorum regum, Wiponis Gesta Chuonradi II Imperatoris, MGH SS 9: 258).
Hommage für Skúli Báró arson
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Richard von St. Victor läßt seinem Abriß fränkischer Trojasage die Herrscherfolge der Merowinger, dann Karolinger, dann Kapetinger folgen (Liber exerptionum X 10, PL 177: 284). Gottfried von Viterbo (Ende 12. Jh.) treibt den genealogischen-dynastischen Gedanken der fränkischen Trojasage auf die Spitze. Der.zeitgenössische Stauferkaiser Heinrich VI. (reg. 1190-97), dem Gottfried seine Werke widmet (Speculum regale und Pantheon, MGH SS 22), soll sich über Karl den Großen und dessen Vater Pippin von Priamus und dessen Schwestersohn Priamus dem Jüngerem herleiten, der nach dem Fall Trojas mit seinem Verwandten Antenor zunächst nach Pannonien abwanderte; über Karls d. Gr. Mutter Berta soll die Aszendenz Kaiser Heinrichs über Caesar, Aeneas bis zu Sem Noahsohn reichen. Usw. usf. Davon und vom Sinn abendländischer gelehrter Urgeschichte handelt mein Aufsatz „Odin und die Seinen" (Klingenberg 1993).
Was u. a. Snorris älterer Zeitgenosse Gottfried von Viterbo bezeugt - Huldigung eines zeitgenössischen Herrschers durch literarisch stilisierte Trojanersage - , läßt sich auch Snorris Gelehrter Urgeschichte ablesen: Auch Ihr, Hákon und Skúli! Und darum bietet der SnE-Prolog auch lebhafte Erzählung vom trojanisch-thrakischen Trór-I>órr, dem Zeitgenossen und Verwandten des Aeneas (Klingenberg 1992), darum eine genealogische Überbrückung von Priamus und exidium Troiae (Drittes Weltzeitalter) bis Odin (um die Zeitenwende), darum weiterhin lebhafte Erzählung Snorris von der Wanderung Odins und der Seinen nach Europa eöa Enéá (der von Aeneas geprägte Erdteil im orbis tripariitus). Diesen Ahnen des schwed.norw. Ynglingengeschlechts kann sich König Hákon in direkter Sohneslinie verbunden wissen - und von weiter her (über IngiriÖr, Schwester Olafs des Heiligen, dazu § 8) auch Skúli BarÖarson.
§ 6. Lausavisa
anno 1238: Yngvi für König Jarl
1237-39 weilt Snorri wiederum in Norwegen bei seinem Gönner - nun hertogi »Herzog« - Skúli Báróarson. Einblick in Snorris Haltung zur politischen Lage erlaubt seine uns erhaltene „Gaut"-Strophe. Der Dichter nimmt Stellung - noch hat der Konflikt zwischen dem Kronprätendenten Skúli und dessen Schwiegersohn König Hákon nicht die letzte dramatische Zuspitzung erfahren. Sturla PorÖarson, Snorris Neffe, berichtet Hákonar s. Hákarsonar cap. 162 (Flat. ΠΙ 120): Parteigänger des Königs, voran ein gewisser Gautr Jonsson, werden beschuldigt, Zwietracht zwischen König und Herzog zu säen. Eines Tages fragte der Herzog Snorri, ob es wahr sei, daß ihr sagt, daß Odin, als dieser der angesehenste der Vorzeitkönige war, mit anderem Namen Gaut genannt wurde. Satt er pat, herra! Darauf forderte der Herzog Snorri auf, eine Strophe zu machen und dabei zu sagen, wie sehr dieser zeitgenössische Gaut jenem mythischen Gaut gleiche. t>a quad Snorri petta: Herfanga baud Hringi Gautr kuatti prym prottar ofleingi belldr Yngua herstefnandi hafna
hialldrs einskaupudr galldra pann ek Hillditanni. vsœtt enn vel mcetti hans dom vavlundr romu.
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Heinz Klingenberg „Der alleinige Schöpfer der Zauberweisen (das ist Gautr=Odin) gebot Kampf dem Hring und dem Hilditönn; Gautr (Odin) stachelte auf zur lärmenden Kraftprobe (vgl. Ε. A. Kock, Not. norr. § 2192). Allzu lange bewirkt (Präsens!) der Wieland (Schmied) des Kampfes (das ist der zeitgenössische Gautr Jónsson) Unfrieden der Herrscher (seil, zwischen Hákon und Skúli); doch dessen Spruch könnte der Fürst/ Heeranfiihrer (seil. Herzog Skúli) leicht verwerfen." Snorris Lausavfsa dient seinem anderen Neffen Óláfr Pöröarson, Verfasser von MálskruSsfrœdi (Dritte Grammatische Abhandlung), als Belegstrophe für die rhetorische Figur Icon, er samjafnan tveggja persona eSa f>eirra tilfella [SnE Π 184].
Mit Ungleichheit überbietet Snorris aktualisierende Stegreifdichtung den vom Herzog geforderten Personenvergleich. Mythologische Kompetenz ist gefordert, die Skúli nach Ausweis des Prosaberichtes zu haben scheint. Ein Gautr Jónsson ist w e n i g e r als ein namengleicher Gautr=Odin, und Herzog Skúli mehr als ein Vorzeitkönig. Der Schwedenkönig Hring obsiegte mit Hilfe Odins über seinen Verwandten, den ä l t e r e n Dänenkönig Harald Hilditönn, der von Odin in Gestalt eines Ratgebers Bruni erschlagen wurde. Was Gautr=Odin in grauer Vorzeit gelungen war, soll dem gegenwärtigen, wie Odin einäugigen (vgl. Sturi s. II 273) Gautr Jónsson nicht gelingen; dem Spruch solchen Ratgebers könnte ein her-stefnandl »Heerführer« Skúli, der ä l t e r e (und erfahrenere) der beiden zeitgenössischen Regenten, leicht Einhalt gebieten. - Die kriegerische Zuspitzung des Konfliktes zwischen Herzog und König steht im Winter 1238/39 noch in der Zukunft. Zu her-steftiir (ein Beleg für Skúli) und anderen Herrscherbezeichnungen im Htk., die auf den „Anführer des Heeres" zielen und Skúli stärker (1:2) gewichten, s. § 3, Punkt viii.
Sehe ich recht, ist Snorri keiner, der zum Unfrieden zweier Herrscher hetzt wie weiland der mythische Gautr und ein Gautr Jónsson a. 1238. Dafür spricht auch die egalisierende Herrscherbezeichnung yngva GP1. in seiner „Gaut"-Strophe. Yngvi - so Snorris ältere Konzeption Skm. cap. 64 - ist von Anfängen her eine beliebige, frei verfügbare Herrscherbezeichnung, herleitbar aus dem Namen eines 13. Sohnes Hálfdans des Alten (stimmig dazu sind die beiden yngvi-Belege in Snorris älterer Dichtung Htk., zugeordnet Jarl Skúli, dazu § 3). Zwischenzeitlich aber hat Snorri seine Konzeption geändert, ältere HälfdanRezeption preisgegeben. Nun ist yngvi ein exklusiver „Ehrenname/titel" allein für Nachkommen und -folger Yngvi Freys, herleitbar aus dem Namen dieser Anfangsgestalt der schwed.-norw. Ynglingen-Dynastie. Snorri, der Verfasser der Hkr. (1230er Jahre), kommentiert seine Neuerung zweimal, nachdrücklich Yngl. s. cap. 10 und 17: Freyr hieß mit anderm Namen Yngvi; yngvi war fortan lange (alle Zeit) tignarnafn im Geschlecht Yngvi Freys; jeder seiner Deszendenten wurde yngvi, alle zusammen ynglingar genannt. Freyr hét Yngvi çfiru nafni. Yngva nafn var lengi sitian haft t hans œttfyrir tignarnafn, ok Ynglingar váru siöan kallaliir hans œttmenn (IF XXXVI:24). En Yngvi eöa Ynguni war kallaÔr hverr peira œttmanna alla œvi, en Ynglingar allir saman (IF XXXVI:34f.).
Mit der jüngeren Konzeption des Verfassers der Hkr. profiliert sich Snorris „Gaut"-Strophe a. 1238. Herzog Skúlis Frage, ob es wahr sei, daß Odin mit anderem Namen Gaut geheißen habe, konnte unseren Dichter an seine neue Gedanken-
Hommage flir Skúli Bàrôarson
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figur erinnern, daß Freyr mit anderem Namen Yngvi geheißen habe und appellativisches yngvi seitdem im schwed.-norw. Ynglingengeschlecht eine exklusive Ehrenbezeichnung allein für die Deszendenten Yngvi Freys gewesen sei. Snorris egalisierende Majestätsbezeichnung yngva GP1. gilt zum einen König Hákon, einem yngvi im neuen terminologischen Sinn mit dem Anspruch seines Großvaters, Begründers der Sverre-Dynastie, ein illegitimer Sohn von König Sigurd „Mund" zu sein (des Sohnes von König Harald Gille, des Sohnes von König Magnus Barfuß usw. in direkter Sohneslinie bis hinauf zu Yngvi Freyr). Snorris egalisierende Majestätsbezeichnung billigt zum andern auch Herzog Skúli zu, ein yngvi im neuen terminologischen Sinn zu sein. Huldigung des Dichters bringt zugleich zeitpolitisch virulente Legitimitätsproblematik auf den Punkt. Ab 1217 steht neben dem zunächst 13jährigen gewählten König Hákon Hákonarson der mächtige Kronprätendent Skúli BárÓarson, der mehr oder weniger verdeckt oder zielstrebig den norw. Thron beansprucht - sich 1239, kurz nach Snorris Abreise, am Schrein des Hl. Olaf zum norw. König ausrufen läßt, 1240 von den Birkebeinern König Hákons besiegt und erschlagen wird. Skúli legitimiert seinen Anspruch nicht nur damit, Erbe seines Halbbruders König Ingi BárÓarson zu sein (reg. 1204-17 - Ingi war ein Yngling mütterlicherseits, Sohn der Königstochter Cécilía, also Enkel von König Sigurd „Mund"). Skúli beglaubigt sich auch offiziell damit, über die Königstochter IngiriÖr, einer Schwester von Harald dem Harten und Olaf dem Heiligen, mit der Ynglingen-Dynastie verwandt - in der Sicht der „Gaut"-Strophe Snorris ein weitläufiger Verwandter von Yngvi Freyr, ein yngvi zu sein. Sturla Pöröarson meldet bei Bericht über die Annahme des Königstiteis durch Herzog Skúli a. 1239 in seiner Hákonar s. Hák. (1260er Jahre -geschrieben im Auftrag von König Magnus Hákonarson lagabœtir): Sie zählten das Geschlecht Skúlis bis zum Hl. König Olaf, meinten, daß Skúli nach seinem Bruder König Ingi an zweiter Stelle erbberechtigt sei, König Hákon aber an 11. Stelle. Peir toldu œtt Skula hertuga til ens heilaga Olafs konungs ... Skúli vœri i annarri erß eftir Inga konung brodur sinn enn Hakon konungr i enni elliftu. (Rat. III 124) Von der Ansippung des gleichnamigen Ahnherrn Skúlis (seil. Skúli konungsfóstri) an das Ynglingengeschlecht Olafs des Heiligen und Haralds des Harten berichtet Snorri in Hkr., Haralds s. Sig. cap. 98 (dazu § 8). Snorris anderer Neffe Óláfr t>ór6rÖarson (Islendinga s. im Verband der Sturi, s., 278f.; 284) berichtet darüber und betont die metrische Schwierigkeit der Strophe (Alhenda - jede Verszeile mit zwei Vollreimpaaren, dabei múl-:Skúl-, und Klofastef). Will er einen Fauxpas seines Onkels metri causa entschuldigen? Harömulaör vas [*varö] Skull·, „hartmäulig gegen Gold" könnte heißen „freigebig", „Feind des Goldes" (vgl. Htk. 90 von Skúli: bragna vinrkann gulli hatä). Snorris Dichtung rief den Spott der Südisländer hervor, die dem aus Norwegen zurückgekehrten Gefolgmann des Königs und Freund des Jarls mißtrauten, den Kehrreim parodistisch verdrehten (Sturla: ok sneru afleiöis). Ein Spottvers (evtl. mit verstecktem Argheitsvorwurf) verunglimpfte den Dichter. Oss Uzk illr at kyssa jarl, sás rœôrfyr hjarli vörr es til hvöss á harra, harömulaör e s Skúli. Hefr fyr horska jöfra hrœgamms komit sœvar, - pjoö finnr löst ä IjoÖum -, leir aldrigi meira.
Uns dünkt schlimm, den Jarl zu küssen, der über Norwegen herrscht - die Lippe des Fürsten ist zu scharf: H a r t m ä u l i g i s t Skuli. Niemals ist schlechtere Versmacherei klugen Herrschern zu Ohren gekommen; das Volk findet in der Dichtung Makel.
Die literarische Fehde endete mit einer weiteren Replik-Strophe (vielleicht von Snorri selbst) anläßlich des Todes des Widersachers Björn a. 1221. Diese geistvolle Strophe bestätigt: harömülaör vas Skúli (evtl. ein Dementi des Argheitsvorwurfs der Hohnstrophe [: Skúli ließ sich von keinem Mann küssen]) - der Speer aber, der Björn im Hals stecken blieb, ihn tötete, war „ein scharfer Kuß".
(4) Hoßingligr »wie ein Häuptling/Herrscher aussehend, ihm geziemend« Hoßingligr ist ein Herrscher, wenn ihm Schönheit u n d hoher Körperwuchs eignen (ein weitgespanntes Motivgerüst in Hkr.: Harald Schönhaar, Erich Blutaxt, alle Erichssöhne, Hakon der Gute, Olaf Tryggvasön, dann die drei blonden Hünen [Vater, Sohn und Enkel] Harald der Harte, Olaf der Stille, Magnus Barfuß usw.). Snorri sagt es programmatisch bei Zusammenkunft dreier skandinavischer Könige in Konungahella/Kungälv a. 1101 (um Grenzen der drei nordischen Reiche seit alters aufs neue zu bestätigen):
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Heinz Klingenberg „Nie habe man Männer gesehen, die dem Aussehen nach mehr Häuptlingen glichen" (eigi heßi sét hçfôingligri menn) - alle drei, der Schwede Inge, der Däne Erik und der Norweger Magnus Barfuß „schöne, große Männer" (friöir, stórir menn ÍFXXXVm:229). Schönheit und Größe eignen Hönir in Snorris historisierter Erzählung vom Wanenkrieg (Yngl. s. cap. 4: allvel til hçfôingja fallinn. Hann var mikill maSr ok inn vœnsti ÍF XXXVI: 12) - und Pointe ist, daß ihn die schlitzohrigen Asen wegen dieses häuptlingsgleichen Aussehens als Geisel zu den Wanen schicken, die ihn trotz fehlender Intelligenz und Eloquenz sogleich zum Häuptling machen (var hann pegar hgßingi gç rr). Literarische Stilisierung bietet Snorri zum weiteren in seiner Version vom Männervergleich zweier Ynglingenkönige (mit beachtenswerten Eigenleistungen gemessen an Mork. 382ff.). Snorri polarisiert, was zusammen einen Häuptling auszeichnet. Pat er hgßingligra (mehr nach Art eines Häuptlings), trumpft der großwüchsige König Sigurd Jerusalemfahrer auf (fehlt in Mork.), „daß man groß sei in der Kriegerschar ... leicht zu erkennen" (sé mikill í flokki, sterkr... auSsœr ok audkenndr ÍF XXXVII:260). König Eystein, sehr schön, aber nach Körperwuchs nur „mittlerer Durchschnitt" (ekki hár medalmaör), weist den Anspruch des Bruders, mehrwertig zu sein, zurück und setzt seinerseits Dominanz (fehlt wiederum in Mork.): „Nicht weniger ist ein besonderes Kennzeichen, daß der Mann schön sei; auch dieser ist leicht zu erkennen in der Männerschar. Auch das dünkt mich einem Häuptling geziemend, denn der Schönheit ist die beste (königliche) Ausrüstung angemessen." Eigi er pat stör einkanna hlutr, at maör sé friör, ok er sä audkenndr í mannfjç löa. Pykki mér pat ok hçfSingligt, pví at frídleikinum sómir inn beai búnadr (ÍF XXXVm:260).
Größe der Gestalt ist zwar auch für Snorri noch keine Garantie für wahre Größe eines Herrschers (wahre Größe zeigen z. B. auch der mittelwiichsige Olaf der Heilige [ekki hár medalmaör] und sein mittelwüchsiger illegitimer Sohn Magnus I. mit dem eine Ynglingen-Linie von Harald Schönhaar her zu Ende geht). Aber festzuhalten ist, daß auch dem schönen und großwüchsigen Gönner Skúli BárÓarson eignet, was zusammen (Idealfall) hçfdingligr „nach Art eines Häuptlings/Herrschers ist". Rückblickend rühmt Snorris Neffe Sturla t>ôrÔarson im Skúli-Nekrolog seiner Hákonar s. Hák. (um 1264), also in offizieller, wenn auch halbherzig geschriebener Königssaga, beauftragt von König Magnus Hákonarsson: Abgesehen vom Griff nach der Königskrone besaß Skúli BárSarson „die meisten Eigenschaften, die einen guten Häuptling schmücken sollen" flesta luti hafdi hann pa med ser erf rida skylldu godann hofpingia (Flat. ΠΙ 162). Sturlas Skúli-Portrait reiht folgende Merkmale: „ziemlich hochgewachsen", „schlank", „hellbraunes Haar", „ unter den Männern das schönste Haar", „regelmäßige Gesichtszüge", „heller Teint", „bemerkenswerte schöne Augen" helldr haarr madr ok grannvaxinn liosiarpr aa haar hœrdr manna bezst rettleitr ok lioss i andlitinu eygdrforkunnar vel.
Snorris Idealbild vom schönen u n d großwüchsigen Herrscher (eine strukturbildende Perspektive in Hkr.) wird zur indirekten Huldigung für Skúli BàrÔarson, wenn wir einen Blick hinter die Kulissen, soll heißen über die erzählte Zeit der Hkr. hinaus auf die nach 1177 regierende Ynglingen-Linie werfen. König Sverrir, illegitimer Sohn von König Sigurd (Snorri: „mit häßlichem Mund"), ist schön ... aber „dick", „kleinwüchsig", in prächtiger Kleidung „ein würdiger Häuptling, wenn er im Hochsitz saß", „groß im Hochsitz, aber kurzer Unterschenkel" - so Sverris s., der wohl brillanteste Nekrolog der an. Historiographie, zwölf Attribute allein für das Aus-
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Hommage für Skúli BárÓarson
sehen : kann var laagr madr a voxt... sœmiligr hojpingi par er kann sat í haasœtinu med vegligum buningi. hann var haar i sœtinu enn skammr fotleggrinn ... (Hat. II 700; Indrebe 194). Auch der Sohn und Nachfolger König Hákon Sverrisson ist schön ... aber nur „mittelmäßig groß, wenn auch viel größer als sein Vater" (eine Aufbesserung), „herrlich und ehrenhaft, wenn er auf seinem königlichen Sitz saß" - so der Hákon-Nekrolog der Böglinga sögur (Peder Claussöns Friis-Version - die kürzere Version spricht nicht vom Aussehen - : Hand vaar maadelig h0y, dog megit h0yre end hans Fader vaar... megit herlig oc hœderlig, naar hand sad i sit Kongelige sœde (Mageröy 17f.). Sverrirs Enkel Hákon Hákonarson zum letzten (1217-63) ist schön ..., aber „kaum durchschnittlich groß", „gut gewachsen", „breitschultrig", „in der Taille schlank", „ziemlich groß im Sitz", „kurzschenklig", „etwas O-beinig" resp. „die Füße auswärts setzend", „ziemlich gewachsen wie König Svenir" - so der offizielle Hákon-Nekrolog des Sturla f>ann haatt sem verit hafdi Suerrir konungr... (Fiat. III 232).
Hkr.
nach 1177
± groß Eysteinn meyla Erling skakki Magnus Erlingsson Sverrir Sigu röarson Hákon Sverrisson Hákon Hákonarson Skúli BárÓarson
(1176-1177) (1163-1184) (1177-1202) (1202-1204) (1217-1263)
-
+ + -
+
Stammväter neuer dynastischer Linien des Ynglingengeschlechts sind in Hkr. ausgezeichnet durch großen Wuchs (Harald Schönhaar; Harald der Harte; Sigurd Jerusalemfahrer; Harald Gille). - Anders König Svenir und die folgenden Repräsentanten der neuen Dynastie und Zeitgenossen Snorris: Alle klein resp. mittlerer Durchschnitt, kurzbeinig, jedoch im Hochsitz große und würdige Häuptlingserscheinungen. Mit Schönheit u n d Körpergröße überbietet Herzog Skúli das Aussehen König Hákons und der regierenden Ynglingen-Linie, ist hgßingligra »mehr nach Art eines Häuptlings/Herrschers«. (5) Ein letztes großes Herrscherportrait in Hkr. Das letzte positive Herrscherbild Snorris gilt keinem Ynglingenherrscher, sondern dem Regenten Jarl Erling skakki. Das Ping-Pong zwischen älterer Sverris s. und Snorri (oben 3b) setzt sich fort. Sverris s. verweigert dem Feind einen Nekrolog; König Sverrir benutzt seine „Grabrede" auf den gefallenen Erling (waffentot a. 1179) vielmehr dazu, die anzuklagen, „die den Schreckenshelm über uns und andere trugen". Angeklagt wird die Vermessenheit Erlings, der den eigenen Sohn Magnus zum König salben ließ (aber ehelich geboren und mütterlicherseits aus dem Ynglingengeschlecht als Sohn der Königstochter Kristin Siguröardöttir Jórsalafara, dazu § 7), zwei Könige und Söhne von Königen vom Thron stürzte (Linie von Haraldr gilli: Sverrirs Bruder Hákon heröibreiör und Eysteinn meyla Eysteinsson, Sverrirs Vetter).
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Heinz Klingenberg Sverrir, der sich selbst als von König Olaf dem Heiligen erwählter Nachfolger versteht (zum „Olafs-Traum" der Sverris s. § 7), ironisiert: Erling (waffentot wie der heilige Olaf durch „SpießstoB mitten in den Leib" [Flat. II 568]) ist kein Märtyrer wie Olaf der Heilige; Erling und die mit ihm Gefallenen sind keine Heiligen, wie Erzbischof Eysteinn und andere Kleriker im Fall ihres Todes sagten, daß „deren Seelen schon eher im Paradies sein sollten, als bis ihr Blut auf Erden kalt würde" at salur peirra manna allra vœrifyrr i paradiso enn blodit vœri kallt iordu (Fiat. Π 569).
Snorris Antwort auf Sverris s. ist ein panegyrisches Herrscherbild Erlings, eines der merkmalreichsten in Hkr. nach Olaf dem Hl. ( M a g n ú s s s. Erlingssonar cap. 37). „Erling war ein mächtiger Mann, klug und verständig, der größte Kriegsmann, wenn Unfriede war, ein guter Herrscher des Landes, tüchtig im Regieren, ziemlich unversöhnlich und hart genannt. Aber das war doch hauptsächlich, weil er seine Feinde kaum im Lande bleiben ließ, wenn sie auch Frieden begehrten, und deswegen schlossen sich viele an Kriegerscharen an, die sich gegen ihn empörten. Erling war groß und muskulös, etwas hochschultrig(?), langgesichtig, mit scharfen Gesichtszügen, von heller Hautfarbe, wurde sehr grauhaarig, trug den Kopf etwas schief, liebenswürdig im Umgang und mit würdevollem Auftreten, hatte altmodische Kleidung, lange Oberteile und lange Ärmel an Röcken und Hemden, französische Mäntel, hochreichende Schuhe. Solche Kleidung ließ er den König tragen, solange dieser jung war; als der selbst bestimmte, kleidete er sich sehr prächtig. König Magnus war freundlich und zu Spiel und Scherz geneigt, ein sehr heiterer Mann und den Frauen sehr zugetan." Das Beschreibungsmodell, sprachlich bewältigt durch aufzählende (auch asyndetische) Aneinanderreihung von Merkmalen, ist das der Zeit Snorris geläufige (aus der Antike tradierte: Suetons Kaiserbiographien usw., vgl. Vogt): der Herrscher, seine staatsmännischen, kriegerischen, intellektuellen usw. Fähigkeiten, Fertigkeiten, innere Eigenschaften, nicht zuletzt sein Aussehen (Körperwuchs, Gesicht, Haare usw.). Der typische Ort der literarischen Personenschilderung in an. Historiographie ist die Anfangspräsentation bei Personeneinführung, zum weiteren das Zwischenresümee (wobei literarische Stilisierungsabsichten zu hinterfragen wären); eine andere Tradition (unter Eindruck des lateinischen Schrifttums) ist der Nekrolog, die merkmalreich auflistende Schlußpräsentation. Snorri flankiert sein für diesen Kontext aufgespartes Herrscherportrait Erlings wohl nicht zufällig mit zwei Kontrastbildern. Vier Merkmale (Charaktereigenschaften, skaplyndi) charakterisieren den anfangs auch modisch vom Vater abhängigen jugendlichen König Magnús und Leichtfuß, der erst später aus dem Schatten des mächtigen Vaters treten wird (Sieg über die Birkebeiner, Schlacht bei Re a. 1177 - Ende der Hkr). Vier Merkmale (Aussehen, yfirlit) charakterisieren im voranstehenden knappen Portrait eines letzten Ynglingenherrschers den Kronprätendenten Eysteinn meyla »kleines Mädchen«, die schöne Gallionsfigur der Birkebeiner in jugendlicher Unbedarftheit und Andersartigkeit, nach Snorri: „schön", „schönes Gesicht", „kleines Gesicht", „nicht groß". Dagegen kontrastiert das wortreiche Herrscherportait Erlings - keine mädchenhafte Schönheit, aber hçfôingligr nach Charakter (aufreihende Schilderung unterbrochen durch entlastende Begründung seiner Unversöhnlichkeit gegenüber Fein-
Hommage für Skúli Bàrôarson
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den) und nach männlichem Aussehen (acht Merkmale), mündend in photographisch anmutende Einzelheiten seiner altmodischen Kleidung (ÍF XXXVIII: 412). (α) Eysteinn meyla (noch Anfangspräsentation: eingeführt cap. 36): var friör ok fagrleitr, litilleitr, ekki mikill maör. Hann var kallaör afmçrgum Eysteinn meyla.
mçnnum
(ß) Erlingr (nachgereichtes fur diesen Kontext aufgespartes Herrscherportrait): var maör rikr, spakr at viti, hermaÖr inn mesti, efofriör var, landräÖamaÖr g6Ör ok stjómsamr, kallaÖr heldr grimmr ok haröräör. En hitt var pó mest, at hann lét ovini sínafá eina landsvistina fá, pótt grida beiddisk, ok uröu fyrir pá sçk margir til at hlaupa íflokkana, pegar er hófusk í mòti honum. Erlingr var hàr maör ok harövaxinn, nçkkut barraxlaÖr, langleitr, skarpleitr, IjoslitaÖr ok geröisk hárr mjçk bar hallt hçfuôit nçkkut, hugaÖldtr ok veglátr, haföi forneskju-klœôabiinaö, langa upphluti ok langar ermar á kyrtlum ok ú skyrtum, valskikkjur, uppháva skúa. (γ) Magnus Erlingsson: Magnus konungr var léttlátr ok leikinn, gleÖimaÖr mikill ok kvinnamaör mikill Man halte gegen diese merkmalreiche Personenschilderung die uns bekannte vor-snorronische Überlieferung. (α) Von Eysteinn (meyla) sagt Fagr. (ÍF XXIX:359), Anfangspräsentation: friSr maör ásjónum (Snorri: vier Merkmale, s. o.). (ß) Von Erling skakki heißt es in Mork. (441), Anfangspräsentation: vitr maör ... var kallapr Erlingr scacki... spekingr mikill at viti. Angaben über das Aussehen Erlings fehlen auch in Fagr. (ÍF XXIX:348): stórvitr maör ok orrostumaör mikill, var auöigr ok málsnjallr, maör grimmr ok refsingafullr (mit Ausführungen über die Behandlung seiner Feinde). Angaben über skaplyndi und yfirlit fehlen der berühmten Grabrede, die König Sverrir nach dem Tod Jarl Erlings hält (Sverris s., Fiat. Π 569f.) (γ) Literarische Abhängigkeit Snorris vom merkmalreichen Magnus-Nekrolog der Sverris s. ist ersichtlich, aber Snorri (ein Zwischenresümee, ein Kontrastbild zum Vater Erling) spricht nicht vom yfirlit (mit Ausnahme der Kleidung), sondern allein vom skaplyndi des jugendlichen Magnus (vier Merkmale) - und bessert auf im Vergleich mit Sverris s. Sverris s. (Fiat. II 620)
Snorri (ÍF XXXVffl:412)
litillatr gladr miok vid alpydu ... (dryckiumadr mikill) potti gott at leika ... (i skap giolifismonnum) skarzmadr mikill sundrgiordamadr at klcedum... kuennamadr mikill
léttlátr gleöimaör mikill leikinn
bjó sik mjç k t skart kvinnamaör mikill
Kontrastierende Konfiguration dreier Herrscherbilder, des weiteren merkmalreiches yfirlit Erlings scheinen Eigenleistungen Snorris zu sein, auch die Relativierung des Beinamens skakki »der Schiefe« (: bar hallt hçfudit nçkkut). Nicht unbedingt negativ ist der (zeitbedingt) streng strafende Herrscher. Erlingr ist stjórnsamr, heldr grimmr ok haröräör (Fagr. grimmr ok refsingafullr ÍF XXIX: 348) - darin z.B. vergleichbar König Háraldr harördöi und Olaf dem Heiligen, im Charakter seinem Halbbruder Harald gleich (Snorri, Haralds s. Sig. cap. 100: Peir váru bäöir ...
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Heinz Klingenberg stjómsamir ok refsingasamir. Óláfr konungr. ... refsaÔi grimliga ... Bádir peir brœdr ... veglátir „mit würdevollem Auftreten" (ÍF XXXVHI: 201).
Weiland Jarl Erling und nun Herzog Skúli (a. 1239: 50jährig) - zwei Kronprätendenten, die nicht zur Ynglingen-Dynastie gehören, beide hochgewachsen, Skúli außerdem schön - sind hçfdingligra »mehr nach Art eines Häuptlings/Herrschers« als die kleinwüchsigen Repräsentanten des Ynglingengeschlechts ihrer Zeit, die Birkebeiner Eysteinn meyla »kleines Mädchen« (König Sverrir, König Hákon Sverrisson) und nun König Hákon Hákonarson. Aber nur lockere Spekulation kann sein, ob Snorri mit dem letzten großen, positiven Herrscherportrait der Hkr. seinen Gönner Skúli ansprechen wollte, wobei es nicht auf biographische Einzelzüge, sondern auf das Gesamtbild einer außergewöhnlichen Herrscherpersönlichkeit ankommen würde.
§ 9. Snorri Sturluson anläßlich seines 750. Todesjahres Der Spurensuche sei ein Ende gesetzt - Spuren im Œuvre eines Geistesfürsten, gesammelt zu einer Hommage für den Gönner Skúli u n d den auctor Snorri Sturluson. Zusammenzutragen sind Huldigungsbeweise aus Skm. cap. 64, aus Htk., aus einer Lausavisa a. 1238, aus Snorris Gelehrter Urgeschichte und seiner Geschichte der Ynglingenherrscher von Odin und Yngvi Freyr bis 1177 (bis zum zukunftsoffenen Sieg König Magnus über die Birkebeiner) und so geschrieben, daß Hkr. letztlich auch als Ehrengabe eines heimlichen Jarls (1239) für Skúli BàrÔarson hätte dienen können. Skúli und weiland Erlingr, die letzte große Herrschergestalt der Hkr. (altmodische Kleidung: Äußeres steht für Inneres), darf man sich als Vertreter des alten Geistes vorstellen, um die sich die konservativen Kräfte Norwegens sammelten. „Altmodisch" auf seine Art ist auch unser Dichter Snorri. „He wanted King Hákon and Earl Skúli to know that they were celebrated by a true master of the ancient skaldic art" (Hallberg 2). Der einzige christliche Bezug Htk. 12 gilt dem Gottesgnadentum (vgl. Krömmelbein 310).
Verständnisvoller Ansprechpartner des Dichters - darauf weisen u. a. Snorris Gawi-Strophe a. 1238 und ihr Kontext (§ 6) - ist Skúli, dem Snorri mehr als ein Preislied widmete. Doch auch Snorri kommt zu spät. Neue christliche Dichtungsästhetik der claritas obsiegt über Eddu regia. Die dunkle Kunst der Alten, die zu erhalten sich SnE bemüht, ist am Verklingen und Htk. ihr Schwanengesang; alle anderen großen Dichtungen Snorris sind (als nicht mehr zeitgemäß) wohl nicht zufällig verklungen (Htk. vielleicht deshalb erhalten, weil es integrierter Teil des Buches Edda war). Und dennoch (Htk. 100): „Der Mann kann des Ruhmes nicht unwürdig sein, der so zu dichten vermag" (nicht nur in allen Versarten - dazu §§ 3f.) Snorris Konservatismus ist progressiv, verbindet, fortschreitend in SnE und Hkr., alte und neue Geistigkeit, heidnisches Altertum und nordisches Mittelalter. Htk. 94: Jarl Skúli (er myklu dyrstr) überbietet Hrolf kraki (§ 3 Punkt x).
Hommage fur Skúli Bàrôarson
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Snorris Selbständige Saga von Olaf dem Hl., dann Olafs s. helga cap. 208 im Verband der Hkr.: Olaf der Heilige und Stiklastaöir überbieten Hrolf kraki und das Geschehen von Lejre in heidnischer haugsçld »Hügelzeitalter«. Steigerndes Gegenbild zu Bjarkamál - die einzigen Heldenliedstrophen in Hkr., „das einzige Zeugnis der altnordischen Literatur vom Vortrag eines Heldenlieds" (v. See 2) - ist Bjarkamàl=Hûskarlahvçt im neuen, von Snorri gebotenen Kontext, aktualisiert an einem Höhepunkt der norw. Königsgeschichte (Klingenberg 1991).
Wie kein anderer seiner Zeit stellt sich Snorri der Sonderaufgabe des skandinavischen Mittelalters, reiche Überlieferung aus heidnischer Vergangenheit in das christliche Weltbild seiner Gegenwart zu integrieren, dämonisiert nicht, läßt Paganität der Vorfahren bis 995 gelten, bemüht sich als Mythograph in SnE (Klingenberg 1986) und als Historiker in Hkr. um struktur- und sinngebende Zusammenschau des in der Zeit Getrennten.
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Heinz Klingenberg
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Der Historiker Snorri: Autor oder Kompilator? VON KOLBRÚN HARALDSDÓTTIR
In seiner Literaturgeschichte im zweiten Band von Saga Islands, erschienen 1975, stellt Jónas Kristjánsson dem Historiker Snorri folgendes Zeugnis aus: Svo mikil var snilli |)essa manns, og svo rsekilegt var rit hans, ad eftir |iaÖ var aö mestu leyti haett aö semja konungasögur nema um J)á Noregskonunga sem siöar sátu aö löndum. 1
Ein Jahrzehnt später urteilt Theodore M. Andersson dagegen so über Snorri: „The period of literary growth was over, and Snorri was already a fitter and trimmer of written texts."2 Diese beiden Wissenschaftler unterscheiden sich so stark in ihrem Urteil über Snorri, daß man meinen könnte, sie beurteilten zwei ganz verschiedene Männer. Die Einschätzung Jonas Kristjánssons ist typisch für die heute gängige Einschätzung von Fachleuten und Laien zu Snorri. Man sieht in Snorri den Wiedererwecker der altnordischen Dichtkunst und den großen Wegbereiter der klassischen Sagaliteratur. Fast alle gehen davon aus, daß er die Heimskringla, die Snorra-Edda und eine gesonderte Fassung der Óláfs saga helga, die sogenannte Óláfs saga in sérstaka, verfaßt hat. Man hat Argumente dafür angeführt, daß er die Egils saga geschrieben habe,3 und sogar die PrymskviÖa und die heute erhaltene Fassung der Hávamál sollen von ihm stammen.4 Und die neueste Idee ist die, daß Snorri mit der Egils saga eine neue literarische Gattung, die islendingasögur, geschaffen habe; die Egils saga sei die erste tslendingasaga und gleichzeitig eine Art Bindeglied zwischen den Konungasögur und den Islendingasögur.5
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Jónas Kristjánsson, „Bókmenntasaga", Saga islands II, hg. Siguröur Líndal, Reykjavik 1975, 235. - In der deutschen Übersetzung der Literaturgeschichte, die unter dem Titel Eddas und Sagas, Die mittelalterliche Literatur Islands, Hamburg 1994, erschien, lautet das Zitat folgendermaßen: „Dieser Autor war ein so großer Stilist und Historiker, daß es nach seiner Zeit keinen weiteren Versuch gab, die Geschichte der vergangenen norwegischen Könige zu schreiben. Man fügte nur das Leben derer hinzu, die im dreizehnten Jahrhundert nach Svenris Tod auf dem Thron folgten" (171). Theodore M. Andersson, „Kings' Sagas (Konungasögur)", Old Norse-Icelandic Literature, A Critical Guide, hg. Carol J. Clover und John Lindow (Islandica XLV), Ithaca und London 1985, 221. S. Vésteinn Ólason, ,JEr Snorri höfundur Egils sögu?", Skirnir 142 (1968), 48-67 und die dort angeführte Literatur; Ralph West, „Snorri Sturluson and Egils saga: Statistics of Style", Scandinavian Studies 52 (1980), 163-193. Peter Hallberg, „Ora t>rymskviöa", Arkiv för nordisk filologi 69 (1954), 51-77; Elias Wessén, „Den isländska eddadiktningen. Dess uppteckning och redigering", Saga och sed 1946, 1-31. Jónas Kristjánsson, „Var Snorri Sturluson upphafsmaöur Islendingasagna?", Andvari, nyr flokkur XXXII, 115 (1990), 85-105.
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Kolbrún Haraldsdóttir
Doch nicht immer war der Ruhm des Schriftstellers Snorri so groß wie heute. Im 18. Jahrhundert und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein sah man in ihm vor allem einen Kompilator, der, unterstützt von seinen Schreibern, ältere Werke zusammengefügt habe. Mit der heftigen Kritik Gustav Storms und anderer Wissenschaftler im späten 19. Jahrhundert kam diese Einschätzung aus der Mode und fiel allmählich der Vergessenheit anheim,6 abgesehen von ganz vereinzelten nicht dazu passenden Stimmen wie der Theodore M. Anderssons. Bevor wir näher hierauf eingehen, sollten wir uns vergegenwärtigen, welche Werke mit unumstößlichen Argumenten Snorri zugeschrieben werden können. Die älteste Quelle dafür, daß Snorri sich literarisch betätigt hat, ist die fslendinga saga des Sturla PorÖarson. Dort wird folgendermaßen über die Ereignisse im Sommer 1230 berichtet: Petta sumar var kyrrt og friöur gööur á íslandi, lítil fiingreiö. Snorri reiö eigi til Jjings en lét Styrmi prest hinn frööa nöa til flings meö lögsögn. Nú tók aò batna meö f>eim Snorra og Sturlu og var Sturla löngum J)á í Reykjaholti og lagôi mikinn hug á aö láta rita sögubaekur eftir hókum jjeirn er Snorri setti saman. 7
Sturla PorÖarson nennt die Bücher Snorris „sögubaekur", aber leider sagt er nicht, was für „sögubaekur" das waren, wahrscheinlich deshalb, weil er meinte, es sei allgemein bekannt, um welche Werke es sich dabei handelte. Doch obwohl Sturla die Werke Snorris nicht namentlich nennt, hat man sichere Quellen dafür, daß Snorri die Edda und die Heimskringla - und damit auch die Óláfs saga in sérstaka - verfaßt hat: In der Überschrift einer der Haupthandschriften der Snorra-Edda, des Codex Upsaliensis, Delagardie Nr. 11, aus der Zeit um 1300, heißt es, Snorri habe die Edda zusammengesetzt („saman setta") und Háttatal gedichtet;8 und in zwei anderen Manuskripten des Werkes, im Codex Wormianus, AM 242 fol., aus der Zeit um 1350, und in der Bœjarbôk, AM 748 14to, aus der Zeit um 1300, werden ihm Prosaabschnitte von Háttatal bzw. die Skáldskaparmál zugeschrieben.9 Zwar wird Snorri in keinem der erhaltenen Manuskripte der Heimskringla als Autor des Werkes genannt, doch in den Übersetzungen zweier Norweger aus dem 16. Jahrhundert, Laurents Hanss0ns Übersetzung des ersten Teiles der Heimskringla aus der Zeit um 1550 und Peder Clauss0n Friis' Übersetzung des ganzen Werkes aus dem Jahr 1599, wird Snorri als Verfasser genannt. 10 Daraus hat man den Schluß ge6
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S. insbes. Gustav Storm, Snorre Sturlassöns Historieskrivning, en kritisk Undersögelse, Kopenhagen 1873. Sturlunga saga I, hg. Örnölfur Thorsson, Reykjavik 1988, 328-329. Snorre Sturlassöns Edda, Uppsala-handskriften DG lì II, hg. Anders Grape, Gottfrid Kallstenius und Olof Thorell, Uppsala 1977, 1. Islands grammatiske litteratur i middelalderen II, Den tredje ogfjcerde grammatiske afliandling i Snorres Edda, hg. Björn Magnússon Olsen (Samfund til udgivelse af gammel nordisk literatur 12), Kopenhagen 1884, 155; vgl. Edda Snorra Sturlusonar, hg. Finnur Jónsson, Kopenhagen 1931, 219. — Fragments of the Elder and the Younger Edda, AM 7481 and II 4:0, hg. Elias Wessén (Corpus Codicum Islandicorum Medii Aevi XVII), Kopenhagen 1945, 14v, Ζ. 6-8, vgl. 13; Den tredje ogfjcerde grammatiske afhandling i Snorres Edda, 119, Anm. zu Z. 336. In der Übersetzung Laurents Hanss0ns wird in zwei Anmerkungen zum Prolog erwähnt, daß der Prolog - und damit vermutlich das Werk - von Snorri Sturluson stamme (Laurents Hanss0ns Sagaoversœttelse, hg. Gustav Storm, Christiania 1899, 6-7). - Die Übersetzung Peder
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zogen, daß es in Norwegen im 16. Jahrhundert eine oder mehr Handschriften der Heimskringla gegeben haben muß, in der oder in denen Snorri als Verfasser des Werkes in dessen Prolog genannt wurde;11 neuere Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, daß die zwei Übersetzer ihr Wissen über den Verfasser auch aus anderen Quellen bezogen haben könnten.12 Dazu kommt noch, daß in der Orkneyinga saga Snorri als Gewährsmann für Informationen (über den Tod des Erlingr Erlendsson mit König Magnús berfœttr in Úlaztír) genannt wird, was mit der Heimskringla übereinstimmt; zwar stimmt dies auch mit der Morkinskinna und der Fagrskinna überein, doch die Quelle muß wohl Heimskringla sein, und nicht eines der beiden anderen Werke, denn man weiß, daß der, der die Orkneyinga saga im 13. Jahrhundert bearbeitete und hier Snorri als Gewährsmann nennt, die Heimskringla benützt hat. In dieselbe Richtung deuten die insgesamt fünf Stellen in der Óláfs saga Tryggvasonar in mesta, an denen Snorri zitiert wird; sie stimmen alle mit der Heimskringla überein, und die Heimskringla war eine der Hauptquellen, die der Verfasser dieser Óláfs saga verwendete, und zwar in einer Handschrift, die mit der Jçfraskinna verwandt war.13 - Es bleibt also festzuhalten, daß es gute Gründe dafür gibt, die Edda und die Heimskringla nebst der Óláfs saga in sérstaka Snorri zuzuschreiben.14 Was die anderen Werke betrifft, die manche Wissenschaftler Snorri zuschreiben wollten oder wollen, so ist hier alles unsicherer; es gibt keine Quellen, die diese Vermutungen stützen könnten. Zu der Frage, ob Snorri der Autor dieser Texte ist, soll deshalb hier kein Standpunkt bezogen werden, auch nicht dazu, ob er die Egils saga verfaßt hat, wofür schon sehr viele Argumente angeführt worden sind, und was von nicht wenigen Forschern bejaht wird.
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Clauss0ns nennt Snorri auf dem Titelblatt des Buches, in der Vorrede des Herausgebers Ole Worm an den Statthalter in Norwegen, im Vorwort Worms an den Leser und schließlich in der Überschrift zum Prolog und in der Überschrift zum ersten Kapitel des Werkes (Snorre Sturles0ns Norske Kongers Chronica, übers. H. Peder Clauss0n, Kopenhagen 1633, (a) 3r; (b) 3r, 3v; (c) lv, 2r, 2v, 3v; 1). Der Prolog des Werkes in der Ausgabe der Übersetzung Clauss0ns stammt zwar aus der Übersetzung Laurents Hanss0ns, doch wird an anderen Stellen in Clauss0ns Werken deutlich, daß ihm bekannt war, daß Snorri der Verfasser der Heimskringla war (Peder Clauss0n Friis, Samlede Skrifter, Christiania 1881, hg. Gustav Storm, 142, 191, lxi). Peder Clauss0n hat die Übersetzung Laurents Hanss0ns nicht gekannt (Gustav Storm, „Har Haandskrifter af 'Heimskringla' angivet Snorre Sturlass0n som Kongesagaernes Forfatter?". Arkiv for nordisk Filologi 1 (1883), 48-53; Jonna Louis-Jensen, Kongesagastudier, Kompilationen Hulda-Hrokkinskinna (Bibliotheca Arnamagnaana ΧΧΧΠ), Kopenhagen 1977,49). S. Jakob Benediktsson, „Hvar var Snorri nefndur höfundur Heimskringlu?", Skirnir 129 (1955), 118-127; auch abgedr. in: Jakob Benediktsson, Lœrdômslistir, Afmœlisrit 20. júlí 1987, Reykjavik 1987, 78-86; Jonna Louis-Jensen, Kongesagastudier, 47-51. S. Jon Gunnar Jorgensen, „Fornmenntamenn uppgötva konungasögurnar", Skáldskaparmál 3 (1994), 144-152; ders., „Sagaoversettelser i Norge pâ 1500-tallet", Collegium Medievale 6 (1993/2), 169-198; ders., „'Snorre Sturles0ns Fortale paa sin Chr0nicke', Om kildene til opplysningen om Heimskringlas forfatter", Gripla IX (Stofnun Árna Magnússonar á íslandi, Rit 43), Reykjavik 1995, 45-62. S. Ólafur Halldórsson, „Sagnaritun Snorra Sturlusonar", Snorri, átta aida minning, Reykjavik 1979, 122-127 und die dort angeführte Literatur. An der Aussagekräftigkeit dieser Quellen zweifelt allerdings Lars Lönnroth, „Tesen om de tvá kulturerna, Kritiska studier i den isländska sagaskrivningens sociala förutsättningar", Scripta Islándico 15 (1964), 78-97, insbes. 79-84.
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Es ist unwahrscheinlich, daß Sturla Pöröarson die Edda zu den „sögubaekur" rechnete, die Snonri seiner Aussage nach verfaßt hat, vielmehr dürfte er damit die Konungasögur gemeint haben, die Óláfs saga in sérstaka und Teile der Heimskringla - wohl kaum die gesamte Heimskringla. Im folgenden sollen nun diese „sögubaekur" und die Urheberschaft Snorris an ihnen genauer betrachtet werden, zumal die unterschiedlichen Urteile über Snorri, die ich eingangs zitiert habe, anhand dieser Werke, nicht anhand der Edda, gefallt wurden. Obwohl Snorri als Autor der Óláfs saga in sérstaka und der Heimskringla bezeichnet wird, ist er kein Autor im modernen Sinn, wie ein zeitgenössischer Schriftsteller. Als sich Snorri daranmachte, die Heimskringla zusammenzusetzen („setja saman"), gab es eine große Zahl von schriftlichen Quellen über das Leben der norwegischen Könige, sowohl einzelne Sagas als auch Übersichtswerke; einige davon sind erhalten, andere dagegen sind verlorengegangen. Man kann es also wohl kaum als besonders orginell bezeichnen, daß er es unternahm, ein neues Übersichtswerk über die norwegischen Könige zu schreiben. Vergleicht man die Heimskringla mit diesen Quellen, bzw. anderen Werken, die von diesen Quellen abstammen, so zeigt es sich, daß Snorri sehr regen Gebrauch von ihnen gemacht hat. Will man also eine Antwort finden auf die Frage, die ich meinem Referat als Titel vorangestellt habe, so muß man sich diese Quellen genauer ansehen. Der erste Wissenschaftler, der die Quellen der Heimskringla eingehender analysierte, war Gustav Storm, und zwar in seiner Arbeit Snorre Sturlassöns Historieskrivning von 1873.15 Eine ausführlichere Darstellung der Quellen des Werkes findet sich dann in der Einleitung Bjarni Aöalbjamarsons zu Heimskringla Ι-ΠΙ in der Reihe íslenzk fornrit,16 und schließlich hat Jonna Louis-Jensen in ihrer Arbeit über die Kompilation Hulda-Hrokkinskinna verschiedene Ergänzungen dazu geliefert.17 Snorri selbst nennt im Vorwort zur Heimskringla als einzigen Geschichtsschreiber Ari froöi. Man weiß, daß Ari eine Konungacevi, eine Lebensbeschreibung der Könige, verfaßt hat, und die meisten Forscher sind sich darin einig, daß diese Konungacevi ein Teil der älteren íslendingabók Aris, die leider nicht erhalten ist, gewesen sei. Die íslendingabók wurde bekanntlich irgendwann zwischen 1122 und 1133 geschrieben. Es besteht kein Zweifel darüber, daß sich Snorri auf die Chronologie der Konungacevi Aris gestützt hat, doch darüber, wieviel vom Stoff der jüngeren Werke auf Ari zurückgeht, sind die Meinungen geteilt.18 Als älteste Saga im engeren Sinne des Wortes gilt Eirikr Oddssons Hryggjarstykki, das um die Mitte des 12. Jahrhunderts verfaßt wurde. Diese Schrift und ihren Verfasser nennt Snorri mit Namen, und er übernimmt aus ihr die Berichte über SigurÖr slembir im letzten Drittel der Heimskringla. Hryggjarstykki in seiner 15 16
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Vgl. Anm. 6. Snorri Sturluson, Heimskringla I-III, hg. Bjarni Aöalbjarnarson (Islenzk fornrit X X V I XXVIII), Reykjavik 1941-1951. Vgl. A n m . 10. S. insbes. Svend Elleh0j, Studier over den celdste norr0ne historieskrivning (Bibliotheca Arnamagnaeana XXVI), Kopenhagen 1965, 25-36,43-53, 68-80; íslendingabók - Landnámabák fyrri hluti, hg. Jakob Benediktsson (Islenzk fornrit I), Reykjavik 1968, viii-xvii, xxixxlii; Sverrir Tomasson, „Taekileg vitni", Afmtelisrit Björns Sigfússonar, Reykjavik 1975, 251 -287; vgl. jeweils auch die dort angeführte Literatur.
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ursprünglichen Gestalt und als eigenständiges Werk ist nicht erhalten, doch dieselben Berichte, die sich in der Heimskringla finden, wurden auch in die Morkinskinna übernommen, und in stark gekürzter Form in die Fagrskinna.19 Des weiteren hat Snorri Ágrip benützt, ein norwegisches Übersichtswerk über die Könige Norwegens, das vermutlich mit Hálfdan svarti begonnen und mit dem Bericht von der Schlacht in Ré im Jahr 1177 geendet hat. Aus ihm übernimmt er zum Beispiel die Erzählung von Haraldr hárfagri und Snaefriör Svásadóttir in nahezu unveränderter Form.20 Die Hauptquelle Snorris über Haraldr hárfagri war jedoch eine nicht erhaltene Haralds saga hárfagra, die auch im Hálfdcmar jjáttr svaria ok Haralds hárfagra in der Flateyjarbók verwendet ist.21 Es ist sehr wahrscheinlich, daß es eine eigene Saga über Hákon gööi gegeben hat und daß Snorri diese verwendet hat.22 Außerdem gilt es als sicher, daß eine HlaÖajarla saga sowie eine nicht erhaltene Rezension der Jómsvikinga saga existiert hat, und daß Snorri beide verwendet hat; Stoff aus der HlaÖajarla saga und eben dieser Rezension der Jómsvikinga saga wurde u. a. in die Fagrskinna aufgenommen. 23 Die Orkneyinga saga hat Snorri ausgiebig benützt,24 und Abschnitte aus der Fcereyinga saga hat er in die Óláfs saga helga übernommen.25 Die wichtigste Quelle Snorris über Óláfr Tryggvason war die Óláfs saga Tryggvasonar des Mönchs Oddr Snorrason aus dem Kloster Pingeyrar. Diese Saga wurde um 1190 in lateinischer Sprache verfaßt; eine Übersetzung ist in drei ver-
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Über Hryggjarstykki s. Bjarni Guönason, Fyrsta sagan (Studia Islandica 37), Reykjavik 1978. S. Ágrip af Nóregskonunga sçgum, Fagrskinna - Nóregs konunga tal, hg. Bjarni Einarsson (fslenzk fomrit XXIX), Reykjavik 1984, v-lix und die dort angeführte Literatur. S. Kolbrún Haraldsdóttir, Um Hálfdcmar ¡>átt svaria og Haralds hárfagra, konungasagnaathuganir (Stofnun Arna Magnússonar á íslandi, Rit), Reykjavik [im Druck], Abschnitt ΠΙ, Α. S. Bjarni ASalbjarnarson, Om de norske kongers sagaer (Skrifter utgitt av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo, II. Hist.-Filos. Klasse. 1936. No. 4), Oslo 1937, 189-197 und die dort angeführte Literatur; ders. (Hg.), Heimskringla I, lxxxi-lxxxiii. - Die Existenz einer solchen Hákonarsaga ist jedoch in Zweifel gezogen worden, entweder ganz (Johan Schreiner, Saga og oldfunn, studier til Norges eldste historie (Skrifter utgitt av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo, II. Hist.-Filos. Klasse. 1927. No 4), Oslo 1927, 95-101), oder es wird stattdessen von einem verlorengegangenen kurzgefaßten Übersichtswerk ausgegangen (SigurÖur Nordal, Om Olaf den helliges saga, en kritisk unders0gelse, Kopenhagen 1914, 40-41; Gustav Indreb0, ,Aagrip", Edda 17 (1922), 49-50), was aber von Bjarni ASalbjarnarson (Om de norske kongers sagaer, 195-196) und S vend Elleh0j (Studier over den œldste norr0ne historieskrivning, 243, Anm. 49) kategorisch zurückgewiesen wird. S. Bjarni ASalbjarnarson, Om de norske kongers sagaer, 199-224 und die dort angeführte Literatur; Arngrimi Jonae Opera Latine conscripta IV, hg. Jakob Benediktsson (Bibliotheca Arnamagnaeana XII), Kopenhagen 1957, 117-140; Jómsvikinga saga, hg. Ólafur Halldórsson, Reykjavik 1969, 7-23. - Zwar ist in Zweifel gezogen worden, daß jemals eine HlaÖajarla saga existiert habe (Johan Schreiner, Saga og oldfunn, 20-60), doch die Argumente für diese Vermutung können nicht überzeugen. S. u. a. Siguröur Nordal, „Om Orkneyingasaga", Aarb0ger for nordisk Oldkyndighed og Historie 1913, 31-50. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß Snorri die Abschnitte aus der Fcereyinga saga nicht direkt aus dieser, sondern aus der Óláfs saga helça des Styrmir Kárason übernommen hat (Fcereyinga saga, hg. Ólafur Halldórsson (Stofnun Arna Magnússonar á íslandi, Rit 30), Reykjavik 1987, XV, ccxiii-ccxiv, ccxxxii-ccxxxiii).
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Kolbrún Haraldsdótür
schiedenen Rezensionen - davon einer fragmentarischen - überliefert.26 Außerdem hat Snorri die Oláfs saga Tryggvasonar des Gunnlaugr Leifsson, eines Klosterbruders des Oddr, verwendet. Auch diese Saga war lateinisch, und sie ist, von ganz wenigen Abschnitten abgesehen, nicht erhalten.27 In der Oláfs saga helga war die Hauptquelle Snorris die Óláfs saga helga des Styrmir Kárason. Die Óláfs saga des Styrmir ist verloren, wenn man davon absieht, daß einige Abschnitte an einer Stelle in der Flateyjarbók und eine ganze Anzahl von Passagen als Ergänzungen zur Oláfs saga Snorris in der Flateyjarbók und anderen Handschriften erhalten sind. Eine verwandte Fassung ist die sogenannte Legendarische Saga, die man zum Vergleich heranziehen kann.28 Snorris Hauptquelle für das letzte Drittel der Heimskringla war die Morkinskinna, ein Übersichtswerk über die norwegischen Könige von Magnus goöi bis zum Jahr 1177. Es wird angenommen, daß die Morkinskinna um 1220 verfaßt wurde, gegenüber der ursprünglichen Fassung ist die erhaltene Version jedoch durch Interpolationen erweitert.29 Darüber hinaus gilt als wahrscheinlich, daß Snorri die Fagrskinna kannte und sich diese zum Vorbild nahm. Die Fagrskinna ist ein Übersichtswerk über die norwegischen Könige von Hálfdan svarti bis zum Jahr 1177 und wurde kurz nach 1220 verfaßt. 30 Schließlich hat Snorri in der Heimskringla eine Menge Skaldenstrophen verwendet, und es ist wahrscheinlich, daß er geschriebene Gedichtsammlungen zur Hand hatte. Dies ist eine lange und vielleicht langweilige Aufzählung, obwohl vieles noch gar nicht genannt wurde. Doch wie ist Snorri mit diesen Quellen umgegangen? Schreibt er sie nahezu unverändert ab oder verändert er sie stark? Um der Arbeitsweise Snorris auf die Spur zu kommen, muß man die Heimskringla genau mit ihren Quellen oder anderen Paralleltexten vergleichen. Dabei zeigt es sich, daß Snorri unterschiedlich verfährt: Einiges schreibt er ganz neu, manches schreibt er um, aber vieles übernimmt er mit nur unbedeutenden Änderungen. Als Beispiele könnte man den Bericht vom Tod des Hálfdan svarti nehmen, wo man den Hálfdanar páttr svaria ok Haralds hárfagra in der Flateyjarbók zum Vergleich heranziehen kann, die Erzählung über die Fahrt der Schiffe Oláfr Tryggvasons vor der Schlacht bei
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S. Bjarni Aöalbjarnarson, Om de norske kongers sagaer, 55-68, 125 und die dort angeführte Literatur; ders. (Hg.), Heimskringla I, cxvi-cxxxvi; Lars Lönnroth, „Studier i Olaf Tryggvasons saga", Samlaren 84 (1963), 54-94. S. Bjarni Aöalbjarnarson, Om de norske kongers sagaer, 85-135, insbes. 124-132; ders. (Hg.), Heimskringla I, cxvi-cxxxvi; Ólafur Halldórsson, „Lidt om kildeme til Den store saga om Olav Tryggvason", Selskab for Nordisk Filologi, K0benhavn, Arsberetning 1987-1989 (1990), 49-50. S. SigurÖur Nordal, Om Olaf den helliges saga, 154-165; Bjarni Aöalbjarnarson, Om de norske kongers sagaer, 177-187; ders. (Hg.), Heimskringla II, viii-x. S. Bjarni Aöalbjarnarson, Om de norske kongers sagaer, 135-173 und die dort angeführte Literatur; Jonna Louis-Jensen, Kongesagastudier, 66-70. S. Kolbrún Haraldsdóttir, „Fagrskinna", Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 8, hg. Heinrich Beck u. a., Berlin 1991, 142-151 und die dort angeführte Literatur.
Der Historiker Snorri: Autor oder Kompilator?
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SvçlÔr, die auf die Óláfs saga des Oddr zurückgeht,31 und schließlich die Erzählung vom Männervergleich zwischen dem König Sigurör Jórsalafari und seinem Bruder König Eysteinn, die aus der Morkinskinna übernommen ist. Der Tod des Hálfdan svarti: Hálfdanar Jjáttr ok Haralds:
Heimskringla:
Hálfdan konungr fekk bana med jjeim haetti, at honum var ekit frá veizlu af HaÖalandi um vatn |)at, er Rçnd heitir. Ok J)á er hann kom á Rinkilsvík, brast niör issinn ok tyndisk hann {>ar mikill hluti liös hans {>vi nasr, sem verit hçfôu nautabrunnar. Pá var Hálfdan konungr fert0gr at aldri. Hann haföi verit konungr tvo vetr ok tuttugu. Hálfdan var allra konunga ársaelstr, ok svá mikit geröu menn sér um {)at, at J)á er J>at spuröisk, at hann var dauör ok lik hans var flutt af Hringariki ok aetlat til graptrar, f>á fóru ríkismenn af Vestfold ok Vingulmçrk Raumariki upp Jjangat ok beiddusk allir at hafa likit meÖ sér ok heygja í sínu fylki ok {sótti sem J>at mundi j)eim til árs veröa. En Jjeir saettusk meö f>ví, at líkamanum var skipt í sundr í fjóra staöi. Var hçfuôit lagit í haug at Steini á Hringariki, en hverr hçfôingi haföi sinn hluta heim meÖ sér ok létu verpa haug í hverju {)ví fylki, ok eru Jjeir kallaöir Hálfdanarhaugar, ok helt viö blót ok átrúnaÓ af mçrgum mçnnum, á0r en |)at var bannat af fraendum hans.32
Hálfdan svarti ók frá veizlu á HaÖalandi, ok bar svá til leiö hans, at hann ók um vatnit Rçnd. í>at var um vár. Pá váru sólbráÓ mikil. En er J>eir óku um Rykinsvík, J)á hçfôu })ar verit um vetrinn nautabrunnar, en er mykrin haföi fallit á ísinn, J>á haföi Jjar grafit um í sólbráOinu, en er konungr ók J>ar um, J>á brast niör íssinn, ok tyndisk Jjar Hálfdan konungr ok liÖ mikit meÖ honum. Pá var hann fert0gr at aldri. Hann haföi verit allra konunga ársaelstr. Svá mikit geröu menn sér um hann, at J)á er )>at spuröisk, at hann var dauör ok lík hans var flutt á Hringariki ok var J)ar til graptar aetlat, J)á fóru ríkismenn af Raumaríki ok af Vestfold ok HeiÔmçrk ok beiddusk allir at hafa líkit meÖ sér ok heygja í sínu fylki, ok Jjótti Jsat vera árvaent jjeim, er naeöi. En Jjeir saettusk svá, at líkinu var skipt í fjóra staöi, ok var hçfuôit lagit í haug at Steini á Hringariki, en hverir fluttu heim sinn hluta ok heygöu, ok eru {)at allt kallaöir Hálfdanarhaugar.33
In diesem Fall fügt Snorri zwei oder drei Sätze hinzu, um die Erzählung besser in Szene zu setzen und sie logischer zu machen („Pat var um vár. Pá váru sólbráO mikil.... en er mykrin haföi fallit á ísinn, {)á haföi fiar grafit um í sólbráOinu"), und läßt die letzten beiden Sätze weg.
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Auch die Fagrskinna hat die Erzählung über die Fahrt der Schiffe König Óláfr Tryggvasons bei Svçlôr aus der Óláfs saga des Oddr übernommen (Agrip afNóregskonunga sçgum, Fagrskinna -Nóregs konunga tal, 148-151); ihr Text liegt dem des Oddr sehr nahe. Flateyjarbok I, [hg. Guöbrandur Vigfússon und C. R. Unger], Christiania 1860, 566-567; Orthographie hier normalisiert. Heimskringla 1,92-93.
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Die Fahrt der Schiffe Óláfr Tryggvasons bei SvçlSr: Bei Oddr und bei Snorri beobachten König Sveinn von Dänemark, König Óláfr von Schweden und Jarl Eiríkr Hákonarson mit ihren Heeren vom SvglÖr-Holm aus, wie die Schiffe Oláfr Tryggvasons vorbeisegeln, eines nach dem anderen. Die Könige prahlen mit großen Worten und meinen, sie hätten gerade Óláfr Tryggvasons eigenes Schiff, Ormr inn langi, vor sich, Jarl Eiríkr aber muß sie immer wieder korrigieren, Ormr inn langi sei ein viel größeres Schiff als das gerade vorbeisegelnde. Bei Oddr glauben die Könige siebenmal das Schiff zu erkennen, bei Snorri viermal; bei Oddr ergreifen die Könige und der Jarl insgesamt sechzehnmal das Wort, bei Snorri achtmal. Die Szene endet so in den beiden Werken: Óláfs saga des Oddr:
Heimskringla:
Ok J)á leiÖ eigi helmingr einnar tiöar, áór en konungar ok allt liöit sá Jjrjú skip allstór. Ok eptir Wessum skipum austr í hafit var at sjá sem gull eitt s asi, ok er nàlgaôisk, svá at sjá mátti, \>á váru {jar drekahçfuÔ ágaetlig ok skína meÖ mikilli birti, ok langt var at biöa, àôr en fram kom annarr stafn, ok var {ietta skip búit allt meö gulli ok silfri. Nú horföu hér allir á {)etta it mikla skip, er fram renndi, ok {lòtti çllum mikil undr, hversu lçng stund äör var en {jeir saei skutstafninn. Pá maelti Eiríkr jarl: „StandiÖ nú upp, {jvi at nú {>arf eigi at {jraeta um, hvárt Ormr langi mun sigla, ok {jar megu J>ér nú hitta Óláf konung Tryggvason. Nú {jggnuöu margir, ok varö {jeim òtti mikill at {lessu inu mikla skipi, hraeddisk nú hér margr viö sinn bana. Ok enn maelti Eiríkr jarl: „Makligt er Óláfi konungi {>etta it sœmiliga skip, svá mjçk sem hann berr af çôrum konungum, svá mjçk berr ok {ietta skip af çllum çôrum skipum." 34
En er hgföingjar rceddu {ietta milli sin, sem nú er sagt, pá sá J>eir, hvar sigldu {jrjú skip allmikil ok it fjórSa siÖast, ok var {>at Ormr inn langi. En Jjau in stóru skip, er àôr hçfÔu siglt ok J>eir hugöu, at Ormrinn ν aeri, {jat var it fyrra Traninn, en it siöara Ormr inn skammi. En J)á er {)eir sá Orminn langa, kenndu allir, mselti \>á engi í mót, at J>ar myndi sigla Óláfr Tryggvason, gengu J)á til skipanna ok skipuöu til atlçgunnar. 35
In diesem zweiten Fall zieht Snorri stark zusammen und verkürzt die Unterhaltung der Gegner des Óláfr. 36
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Oddr Snorrason, Saga Óláfs Tryggvasonar, hg. Finnur Jónsson, Kopenhagen 1932, 203-204; Orthographie hier normalisiert. Heimskringla!, 354. S. Siguröur Nordal, Snorri Sturluson, Reykjavik 1973, 2. Aufl., 188-192, 198-199; Hallvard Lie, Studier i Heimskringlas Stil, dialogene og talene (Skrifter utgitt av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo, Ii. Hist.-Filos. Klasse. 1936. No. 5), Oslo 1937, 59-61.
Der Historiker Snorri: Autor oder Kompilator?
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Der Männervergleich der Könige: In der Morkinskinna und der Heimskringla sind König Eysteinn und König Sigurör zusammen bei einer Bewirtung, und Sigurör ist wortkarg. In der Morkinskinna wird gesagt, Sigurörs Hochmut sei die Ursache für seine Wortkargheit, während es in der Heimskringla nur heißt, das Bier sei nicht gut gewesen. In der Morkinskinna fragt Eysteinn Sigurör, was die Ursache seiner Mißgestimmtheit sei, ob er seine Gesellschaft entwürdigend finde. Doch in der Heimskringla schlägt Eysteinn vor, einen Männervergleich mit Sigurör anzustellen, um die Leute zu unterhalten („glteiti"). Sowohl in der Morkinskinna wie in der Heimskringla beginnt Sigurör den Wettstreit: Morkinskinna:
Heimskringla:
„Pat aetla ek, Eysteinn konungr, at ek muna vera maör sterkari ok syndr betr." „Svá er Jjat," segir Eysteinn konungr. „Ek em maör hagari, ok teflik hneftafl betr. Era }>at minna vert en afl J)itt." Sigurör konungr maelti: „Pat aetla ek mài manna, at ek muna vera vápnfcerr eigi verr en {)ú ok at riöa í turniment."
„Mantu eigi J)at, er ek braut })ik á bak, ef ek vilda, ok vartu vetri ellri?" M svarar Eysteinn konungr: „Eigi man ek hitt siör, er J)ú fekkt eigi leikit J)at, er mjúkleikr var í." Pá nuelti Sigurör konungr: „Mantu, hversu fór um sundit meÖ okkr? Ek mátta kefja f>ik, ef ek vilda." Eysteinn konungr segir: „Ekki svam ek skemmra en Jdú, ok eigi var ek verr kafsyndr. Ek kunna ok á ísleggjum, svá at engan vissa ek {jann, er J>at keppöi viÖ mik, en f)ú kunnir {>at eigi heldr en naut."
Dann messen sich die Brüder im Hinblick auf andere körperliche und geistige Fähigkeiten und berichten schließlich von ihren Taten, Sigurör von seiner ruhmreichen Reise nach Jerusalem und Eysteinn von seinen nützlichen Werken in Norwegen wie dem Bau von Kirchen, dem Anlegen von Hafenplätzen usw.37 In diesem dritten Fall ändert Snorri die Eingangssituation, stellt um, fügt Details hinzu und teilt das Gespräch auf, so daß jeder der Brüder viel öfter spricht als in der Quelle.38 Diese hier skizzierten Techniken Snorris - in Szene setzende Hinzufügungen, Verkürzungen, Änderungen oder Umstellungen - wurden am besten von Hallvard Lie in seinem Buch Studier i Heimskringlas stil beschrieben. Doch ist dies selbständige Autorschaft? Im Grunde genommen verfährt Jon PorÖarson, der sich als Schreiber der Flateyjarbók bezeichnet, genauso, nur daß er natürlich nicht dasselbe Ergebnis erzielt wie Snorri. Zwischen Heimskringla und Flateyjarbók besteht also eher ein gradueller als ein prinzipieller Unterschied. Wie besonders M. I. Steblin-Kamenskij betont hat, hatte der Begriff des Verfassers im 37
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Morkinskinna, hg. Finnur Jónsson (Samfund til udgivelse af gammel nordisk litteratur 53), Kopenhagen 1932, 382-385, das hier normalisierte Zitat 383; Heimskringla III, 259-262, Zitat 259-260. S. Siguröur Nordal, Snorri Sturluson, 192-196; Hallvard Lie, Studier i Heimskringlas stil, 29, 31-32, 65-68; Bjarni AÔalbjarnarson (Hg.), Heimskringla III, liv-lvi.
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Mittelalter eine andere Bedeutung als heute. Offenbar wurde nur ungenau unterschieden zwischen einem Gewährsmann und einem, den wir heute Verfasser nennen würden, zwischen einem Kompilator und einem simplen Schreiber.39 Im Vorwort der Heimskringla steht ,,lét ek rita", was darauf hindeuten könnte, daß sich Snorri zumindest als Gewährsmann verstand, also als den, der den Gang der Erzählung bestimmt, wie es dann auch an anderer Stelle heißt:„Pat vil ek nú nässt rita láta at segja frá íslenzkum mçnnum." 40 Außerdem könnten die Zitate in der Óláfs saga Tryggvasonar in mesta ein Hinweis darauf sein, daß im 14. Jahrhundert die Tätigkeit Snorris als selbständige literarische Arbeit betrachtet wurde, worauf Svenir Tomasson aufmerksam gemacht hat.41 Wenig überzeugen kann dagegen die Idee Lars Lönnroths, die Rolle Snorris sei vor allem als die eines Gewährsmannes zu verstehen, eines literarischen Auftraggebers und vielleicht auch die eines Autors, doch er habe Mitarbeiter in seinen Diensten gehabt, die so selbständig gearbeitet hätten, daß man sie eher als Bearbeiter oder Autoren bezeichnen müsse denn als simple Schreiber.42 Denn es sind nicht in erster Linie die geringfügigen redaktionellen Änderungen, welche man überall an den in die Heimskringla übernommenen Texten erkennen kann, die darauf hindeuten, daß hierbei ein Mann das Sagen hatte. Es sind auch nicht stilistische Neuerungen wie Polyloge, d. h. Gespräche zwischen drei oder mehr Personen,43 an denen die persönliche Leistung Snorris zu erkennen ist; Polyloge lassen sich genauso in den Resten von Snorris Quelle, Styrmir Kárasons Óláfs saga helga, nachweisen.44 Sogar die Idee, die paradoxalen Züge im Wesen des Königs Óláfr helgi - den Gegensatz zwischen den jugendlichen Wikingerfahrten und seiner späteren Heiligkeit - als Persönlichkeitsentwicklung darzustellen, könnte Snorri aus seinen Quellen übernommen haben.45 Von Bedeutung ist dagegen viel eher, was Snorri den Texten seiner Quellen hinzufügt, was er wegläßt, was er umstellt und aus welchen Gründen er dies tut. Denn durch die Zusätze, Auslassungen und Umstellungen - selbst durch umfang19
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S. M. I. Steblin-Kamenskij, „An Attempt at a Semantic Approach to the Problem of Authorship in Old Icelandic Literature", Arkiv for nordisk filologi 81 (1966), 24-34; ders., The Saga Mind, Odense 1973, 49-68; s. ferner Sverrir Tomasson, Formálar íslenskra sagnaritara á miñöldum, rannsókn bókmenntahefñar (Stofnun A m a Magnússonar á Islandi, Rit 33), Reykjavik 1988, 180-189 und die dort angeführte Literatur. Heimskringla I, 3, 328. Formálar íslenskra sagnaritara á miööldum, 187. Scripta lslandica 15 (1964), 78-97, insbes. 94. Vgl. Hallvard Lie, Studier i Heimskringlas Stil, 68; Bjarni Guönason, „Frásagnarlist Snorra Sturlusonar", Snorri, atta aida minning, Reykjavik 1979, 157. Vgl. das Gespräch zwischen König Óláfr, den Dichtern Sighvatr und Óttarr und Königin Astri'Ör, als Óttarr seine „mansç ngsdrápa" auf Königin Astriör und sein Preisgedicht Hgfuölausn auf König Óláfr vorträgt (Saga Óláfs konungs hins helga, Den store saga om Olav den hellige II, hg. Oscar Albert Johnsen und Jon Helgason, Oslo 1941, 1047, Interpolation Nr. 87, 688689 nach Flateyjarbók gedruckt; Siguröur Nordal, Om Olaf den helliges saga, 90, Ergänzung Nr. 10); außerdem das Gespräch König Óláfrs mit den Brüdern Kálfr, t>orbergr und Finnr Á m a synir vor der Schlacht in StiklarstaÔir (Den store saga om Olav den hellige II, 1050, Interpolation Nr. 129, 816-817 nach Flateyjarbók gedruckt; Siguröur Nordal, Om Olaf den helliges saga, 93, Ergänzung Nr. 69). S. Bjarne Fidjest0l, „Europäische und einheimische Tradition in der Saga vom Heiligen O l a f , Skandinavistik 20 (1990), 81-94.
Der Historiker Snorri: Autor oder Kompilator?
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mäßig kleine Änderungen - verändert er häufig die Aussage jener Hauptquelle, der er im jeweiligen Fall folgt, und paßt sie dem Gesamtkonzept des Werkes an, - der Geschichte der von Ööinn gegründeten, aber stets von Familienfehden geplagten norwegischen Dynastie,46 dargestellt als eine Aneinanderreihung von Königsbiographien. Bei der Auswahl und Anordnung des Materials folgt Snorri seinem eigenen politischen Gespür und bemüht sich, den direkten Kausalzusammenhang zwischen den Ereignissen möglichst deutlich werden zu lassen, greift aber nicht zu typologischen theologischen Erklärungen.47 Als ein Beispiel für solche Abweichungen von den Quellen kann man die Erzählung vom Fluch der Huld nennen, die Snorri dem Bericht des Ynglingatal über Visburrs Verbrennung durch seine Söhne hinzufügt, um den Beginn und die spätere Fortführung der Verwandtenmorde in der Dynastie zu erklären.48 Ein anderes Beispiel für das Abweichen Snorris von seinen Quellen ist, daß er das Erbland des Óláfr helgi verlegt. In Übereinstimmung mit Ynglingatal, und um später die Ansprüche Óláfrs auf die Vik zu legitimieren, sagt er, seine Vorfahren hätten über Vestfold geherrscht, nicht aber über Grenland, wie es in der Óláfs saga des Styrmir Kárason und anderen Quellen geheißen hatte. 49 Erwähnenswert ist auch, daß Snorri einerseits viel Übernatürliches und Unwahrscheinliches aus der Óláfs saga des Oddr wegläßt, andererseits aber Stoff aus der HlaÖajarla saga und der Jómsvikinga saga hinzufügt und den Handlungsgang der Bekehrung Norwegens in einen logischeren Kausalzusammenhang als bei Oddr bringt, so daß König Óláfr bei SvçlÔr als kämpfender Held und Politiker, nicht aber als Märtyrer fällt. 50 Mit der Óláfs saga helga ist Snorri wohl auf ähnliche Weise verfahren; er hat die unwahrscheinlichen Beschreibungen des jungen Heiligen weggelassen und für die Wunder rationale Erklärungen gefunden oder diese in Übereinstimmung mit der Vorstellung von der Entwicklung der Persönlichkeit des Königs weiter hinten in der Geschichte piaziert. Zwar ist es hier schwieriger, Vergleiche anzustellen, da Snorris Hauptquelle, die Óláfs saga des Styrmir, fast ganz verloren ist, doch man kann die Legendarische Saga zum Vergleich heranziehen, die sich auf dieselbe Quelle stützte wie das Werk des Styrmir. Bezeichnenderweise 46
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Vgl. A. Ya. Gurevich, „Saga and History, The 'historical conception' of Snorri Sturluson", Mediaeval Scandinavia 4 ( 1971 ), 42-53. S. Sverre Bagge, „Snorri Sturluson und die europäische Geschichtsschreibung", Skandinavistik 20 (1990), 1-19; ders., „Sagnfraröingurinn Snorri Sturluson", Timarit Màis og menningar 52/3 (1991), 11-17; ders., Society and Politics in Snorri Sturluson's Heimskringla, Berkeley, Los Angeles und Oxford 1991. Heimskringla I, 30-31 ; vgl. A. Ya. Gurevich, Mediaeval Scandinavia 4 (1971), 50. Vgl. den Óláfs páttr Geirstañaálfs in der Flateyjarbók und die selbständige Fassung des Óláfs páttr in AM 75 e fol. (Den store saga omOlav den hellige II, 718.7-8, 732.10-11, 735.4-5), welcher aus verschiedenen Fassungen der Óláfs saga helga des Styrmir in die Flateyjarbók und andere interpolierte Handschriften der Óláfs saga in sérstaka des Snorri einerseits und in die Handschrift des selbständigen Óláfs páttr andererseits übernommen worden ist (s. op. cit., 1043, 1127-1129; Siguröur Nordal, Om Olaf den helliges saga, 113-117). Vgl. ferner Hálfdanar páttr svaria ok Haralds hárfagra (Flateyjarbók I, 576.30) und Historia Norwegiœ (Monumenta histórica Norvegiœ, hg. Gustav Storm, Christiania 1880, 109.9-12). S. Theodore M. Andersson, „The Conversion of Norway according to Oddr Snorrason and Snorri Sturluson", Mediaeval Scandinavia 10 (1977), 83-95.
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Kolbrún Haraldsdóttir
fehlen in der Legendarischen Saga z. B. völlig die kurzen Passagen, in denen berichtet wird, wie es Einarr ^ambarskelfir, der einer der Hauptanführer der Erhebung gegen König Óláfr war, zwischen der Schlacht von Nesjar und der Translation des Leichnams König Óláfrs ergeht. In diesen Passagen werden die Motive Einarrs für die Erhebung gegen den König dargestellt, wie er sich Hoffnungen macht, von König Knútr riki zum Jarl in Norwegen ernannt zu werden, und wie er dann enttäuscht wird, und schließlich, daß Einarr als erster der Magnaten behauptet, König Óláfr sei ein Heiliger gewesen; die Texte stimmen genau dort wieder überein, wo sich Einarr bei der Translation des Leichnams König Óláfrs mit den unbeliebten neuen Machthabern anlegt. Das heißt, die Heiligkeit König Óláfrs war nicht nur eine kirchliche Angelegenheit, sondern auch ein Politikum. Wie Sverre Bagge darlegt, ist diese Art der Darstellung von Menschen und Ereignissen typisch für die Heimskringla: „Durch diese Form politischer Analyse gelingt es Snorri recht gut, seinem Bericht Sinn und Zusammenhang zu verleihen." 51 Wenn man einzelne Berichte der Heimskringla mit den Berichten der Quellen vergleicht, d. h. wenn man das Werk in seiner Mikrostruktur betrachtet, könnte man leicht zu dem Ergebnis gelangen, daß der, der die Feder führte, ganz einfach ein Kompilator gewesen sei. Wenn man jedoch ganze Biographien in der Heimskringla mit den Quellen vergleicht und auf Auslassungen, Hinzufügungen und die Gründe dafür achtet, d. h. wenn man das Werk in seiner Makrostruktur betrachtet, dann würde man kaum auf den Gedanken verfallen, den, der für die Erzählung verantwortlich war, als Kompilator zu bezeichnen. Natürlich kann man nicht ausschließen, daß Snorri Schreiber in seinen Diensten hatte. Doch es ist nicht ersichtlich, was damit gewonnen wäre, wollte man sie für die genannte, ganz typische Art des Umgangs mit den Quellen verantwortlich machen; damit wäre das Problem nur verschoben. Oder sollten wir vielleicht fragen: Wer war Snorris Ghostwriter?
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Skandinavistik 20 (1990), 2-5, Zitat 5; ders., Timarit Màis og menningar vgl. ferner Siguröur Nordal, Snorri Sturluson, 197-198.
52/3 (1991), 12-15;
Jacob Schimmelmann und der Beginn der Snorra Edda-Rezeption in Deutschland VON THOMAS KRÖMMELBEIN
An das ganze gelehrte Publikum thue ich zuförderst diese Bitte: daß [...] Sie bedenken wollen, was vor Nachsinnen? Arbeit? und Gedanken? dazu gehöret hat, ein Buch zu über-setzen das vor so viele 100, ja 1000 Jahren in einer der allerältesten und ersten Sprache geschrieben worden, das 700 Jahre versteckt gelegen, das das ganze nordische gelehrte Publikum bisher vor unerklärbar geachtet, ja wol gar denjenigen spöttisch verlachet, der sich unterstehen wollte dis Buch auch nur in einem halbverständlichen Sinn, und in einem Zusammenhang zu bringen; und, daß diese Fabuleyen und Ratzel auszudeuten, gerade zu ohnmöglich sey. [...] Dieses angemerkt hoffe ich, daß das gelehrte Publikum in Teutschland, und andern Orten, mir es leichtlich verzeyhen werden, wenn, bey einer so schweren, ja bisher ohnmöglich geschienenen Unternehmen; da man das Eys brechen müssen, und unendliche Schwierigkeiten und Bemühen, Nachdenken, Beurtheilen angewendet werden müssen, so gar leicht etwas kleines, mit unterlaufenes Versehen, eine Unrechte Treffung des Sinnes des Eddars, eine dreistkühne (doch mit Gründen gewagte) Uebersetzung der Namen, der Worte, der Ausdrücke vorfinden werden. (Schimmelmann 1777: 14f.)
Das „gelehrte Publikum" hat Schimmelmanns Bitte geflissentlich übersehen und seine deutsche Edda, die 1777 unter dem Titel Die Isländische Edda in Stettin erschien, mit harter Kritik bedacht: Das Werk sei „grotesk und geschmacklos" (Rühs 1812: 142), „voll der verworrensten kabbalistischen Erzählungen" (Hauser 1926: 7); kurzum: „ein ganz ungeheuerliches Machwerk", das „den denkbar größten Unsinn" enthalte (Golther 1911: 219). Schon die Zeitgenossen haben ein scheinbar abschließendes Urteil gefállt, und die ihnen Folgenden haben es meist ungeprüft nachgesprochen. Spätestens seit Rudolf von Raumers (1890: 296) Verdikt von Schimmelmanns „hirnverbrannter Edda" war diese erste deutsche ¿¿¿¿α-Version aus der seriösen Literaturgeschichte eliminiert. Jacob Schimmelmann gehört in Deutschland zu den Ersten, die der Frage nachgehen, was die Edda eigentlich sei, eine Frage, die schon in der frühesten Phase ihrer Rezeption umstritten ist. Und bis heute herrscht ja keineswegs Einigkeit darüber, von welcher Art diese ars poetica eigentlich sei. Denn wir alle sprechen von einem Werk, das als Werk e i η h e i t eigentlich gar nicht existiert. Keine der drei mittelalterlichen Haupthandschriften gleicht der anderen; sie haben erhebliche textliche Veränderungen und Erweiterungen erfahren, die jede einzelne Handschrift zu einem eigenständigen Rezeptionsdenkmal machen. Snorris Edda, und das heißt hier die „snorronischen Teile", also Prolog (je nach Maßgabe einer Verfasserschaft Snorris), Gylfaginning, Skáldskaparmál und Háttatal, ist schon in der ersten Phase
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ihrer Rezeption gewissermaßen ein „offener Text", der im Laufe der Zeit andere Texte - dem Verwertungsinteresse der jeweiligen Kompilatoren entsprechend heranzog: So unterbricht im Codex Upsaliensis eine „Zäsur" mit einem Skaldenverzeichnis, einèm Sturlungen-Geschlechtsregister und einer Liste der Gesetzessprecher den Skáldskaparmál-Teil, der Codex Wormianus bringt zwischen Skáldskaparmál und Háttatal die vier grammatischen Traktate sowie die eddische Rigspula im Anschluß an Háttatal, und der Codex Regius bringt ebenfalls zwei „fremde Textsorten", nämlich die Jómsvíkingadrápa und das MâlshâttakvœÔi, in die snorronische Edda ein.1 Damit sind wir mitten in der Auseinandersetzung um die Gestalt der Edda Snorris, wobei es in den folgenden Ausführungen um die Anfänge ihrer Rezeption im deutschsprachigen Raum geht. Hauptaugenmerk gilt hierbei besagter Edda Schimmelmanns, die sine ira et studio in den Blick genommen werden soll, sowie der frühesten Beschäftigung mit Snorris Poetik durch August Ludwig Schlözer und Johann Christoph Adelung. Als der ehemalige Stettiner Pastor Jacob Schimmelmann in der Stettiner Zeitung sein Vorhaben einer „deutschen Edda" in einem „Avertissement" vom 18. Januar 1773 publik machte, konnte er kaum ahnen, welch nachhaltig vernichtende Kritik ihm von Anfang an (und bis heute fortdauernd) entgegengebracht werden sollte. Schimmelmann kündigte eine deutsche Edda auf der Grundlage von Resenius' Edda-Version von 1665 und Mallets Monumens de la Mythologie (1756) an, und führte weiterhin aus, daß er dieses Werk der isländischen Literatur als das nach der Bibel allerälteste Buch in der Welt begreife, das 1070 von Saemundur kompiliert wurde, und daß dieses Buch die Glaubenslehre der alten Vorfahren der Norder, Kelten und Vandalen enthalte. Schimmelmanns Ankündigung wurde zunächst von einem (anonymen) Rezensenten der „Greifswalder Critischen Nachrichten" aufgegriffen, der mit diesen Ausführungen offenbar seine Schwierigkeiten hatte, da er in der Edda lediglich eine „Anleitung zur Isländischen Poesie" zu sehen vermochte, und schon gar nicht verborgene theologische, moralische oder historische Wahrheiten. 2 Besonders ärgerte es Schimmelmann, daß der Zeitungsrezensent mehr Vertrauen in die Fähigkeiten eines August Ludwig Schlözer bekundete. Schlözer ist - wie Johann Christoph Adelung und Friedrich Rühs - ein aufgeklärter Geist, der sich von den Edda-Enthusiasten nicht beirren ließ. Als Auftaktband einer geplanten vierbändigen Untersuchung erschien 1773 seine Isländische Litteratur und Geschichte, die über einen ersten Teil freilich nicht hinauskam. Diese Sammlung enthält Schlözers Abhandlung Von der Isländischen Litteratur überhaupt, und der Edda insonderheit, sowie die Abhandlung des schwedischen Kanzleiraths Johann Ihre Von der Upsalischen Edda (mit Anmerkungen Schlözers) und abschließend Schlözers Drei Anmerkungen gegen Hrn. [Hans Erich] Thunmann in
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Zur Werkidentität und mittelalterlichen Rezeption der Snorra Edda vgl. Krömmelbein 1992: 113-129. Zit. nach Schimmelmann 1774: 47: "Allein, das ganze Avertissement komt uns kaum richtig vor, und es scheint gar nicht so verfaßt zu sein, daß es grosses Zutrauen gegen dieses Unternehmen dem Publico einflössen könte."
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drei Abschnitten, 1. Ob Sämund Verfasser der Odda-Annalen sei? II. Ob Snorre Verfasser der Edda sei? III. Ueber die Suethans im Jordan. Schlözer ist ein heller, kritischer Kopf, doch sind seine Ansichten über Snorris Edda aus heutiger Sicht nicht weniger verfehlt als die Abstrusitäten Schimmelmanns. Immerhin läßt sich Schlözers (1773: 3) Kurzfassung der isländischen Kulturgeschichte köstlich lesen: Island, diese kalte, elende, und weit abgelegene Insel, ward zuerst A. 874 durch Flüchtlinge aus Norwegen besetzt [...]. A. 928 bildeten sich diese unbiegsame geflüchtete Norweger, oder nunmerige Isländer, zu einem ordentlichen unabhängigen Freistaate, dessen Regierung sie in die Hände eines Lagmanns gaben. A. 1000 wurden sie Christen, und ein halbes Säculum später, Gelehrte. Seit A. 1117 wurden sie Schriftsteller.
Obwohl Schlözer die alte isländische Literatur gegenüber der angelsächsischen und arabischen als gleichwertig ansieht, will er ihr doch keine Eigenständigkeit zubilligen. Zu abgeschieden schien ihm die Insel im Nordmeer zu sein, als daß sie der Ursprungsort einer so vielfältigen und bedeutenden Literatur sein könnte: Die Mobilität der Isländer, ihr ständiges Unterwegssein nach Amerika, Frankreich und Deutschland, schließlich die Aufenthalte einiger Isländer in den geistigen Hochburgen des damaligen Europa führten, so Schlözers Fazit, zu einer „Vermischung der damaligen Deutschen, Französischen, und Englischen Litteratur mit der alten Norwegischen", und daraus „entstand eine neue Geburt, die Isländische Litteratur" (S. 5f.). Während Schlözer - auch in unserem Sinne durchaus modern - Resenius' Edda-Version als „wahres Muster von unkritischer Ausgabe einer alten Handschrift" (S. 16) anprangert, die einen falschen Eindruck von Snorris Werk festschreibt, ist er dennoch nicht bereit, dieser Edda einen höheren Wert einzuräumen. Der „Skandische [...] Skald" ist für ihn „eine Mixtur von altem Norwegischen Skalden, Französischen Trobadoren, und deutschen Rittersängern", die Kenningar sind „geschmacklos", aber immerhin blieb der Skalde „immer noch erträglich" (S. 58). Das änderte sich nach Schlözer im 13. Jahrhundert: jetzt sind sie nurmehr „geschmacklose Pedanten", deren „Pedanterei sie in formam artis brachten und ein Compendium darüber schrieben genannt Edda" (S. 59). Und Schlözer fragt (ebd.): Waren sie schon in Snorre's goldnem Zeitalter einer so albernen Poetik fähig? Oder giebt dieses nicht einen neuen Verdacht, daß die Edda kein Werk des Snorre, kein Werk eines seiner Zeitgenossen, sondern eine Ausgeburt späterer Zeiten sei, wo schon Unterjochung und Digertod auf der Isländer Witz und Menschenverstand nachteilige Wirkungen äusserten?
Schimmelmann (1777: 13) teilt diese Geringschätzung der Edda nicht, aber auch er will von einer Verfasserschaft Snorris nichts wissen, und hält dessen Beitrag zur Edda, die er auf die Kenninglisten beschränkt sieht, für einen späteren Zusatz, der dem Werk nur geschadet hat: Die übrigen so genannte Mythologien und Fabeln halte ich [...] blos für Zusätze des Snorro, der erst hundert Jahr nach Sämund geschrieben, und die Edda mit seiner Vorrede sowol, als mit seinem Konnungar (Kennungen, Léxico, Nomenclatur, gradu ad parnassum &c.) nur verdorben, und die neuen Eddarsforscher nur unnütz damit verwirrt gemacht hat.
An dieser Feststellung bleibt interessant, wie früh in der deutschen Forschungsgeschichte - bedingt durch Mallet - der Prolog der Snorra Edda als „Machwerk", wie
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Heusler es ausdrückte, als wichtiger Bestandteil der Edda herausfiel und die nachfolgende Beurteilung der Snorra Edda bestimmte. Daß Johann Christoph Adelung (1732-1806), der große Lexikograph und Sprachforscher, zu denen gehört, die sich mit der altisländischen Literatur auseinandersetzten, ist weitgehend unbekannt geblieben. Mit drei Aufsätzen, die zwischen 1797 und 1806 in Beckers Erholungen erschienen sind, griff Adelung in die Diskussion um das Alter und den Wert der isländischen Literatur ein. Er negiert die Möglichkeit einer mündlichen Überlieferung und findet in der Eyrbyggja saga und dem Sterbelied Ragnar Lodbrogs (= Krákumát) viel Abgeschmacktes und Albernes und kommt - wie zuvor Schlözer, den Adelung nicht nennt - zu einer vernichtenden Beurteilung der nordischen Mythologie, der er jede Selbständigkeit abspricht: „Ist nun die Grundlage dieser vorgegebenen Religions=Begriffe dem Christenthume abgeborgt, so ist ein Theil der Ausschmükkung von den Griechen und Römern entlehnt" (1797a: 119). Der rational denkende Adelung bestreitet, ganz anders als der völlig unmethodisch assoziierende Schimmelmann, das Alter dieser Literatur: „Kurz, hier ist alles neu und jung, Handschrift, Inhalt und Sprache." (1797a: 124), und befindet sich doch wieder in Schimmelmann-Nähe, wenn er mit einem Verweis auf den Schweden Olof von Dalin in seiner Darstellung des nordischen Götterglaubens auf biblische Parallelen verweist: „die zwey ersten Menschen, (Askur und Imbla) (Hebr. Isch und Am, Mann und Weib)", „Baidur der Gute, (Adam)"; „Mit seinem Weibe Angst zeugte er [Loki] drey Kinder, den großen Wolf Fenris (der Teufel), die große Weltschlange (die Sünde) und die Hölle" (1797a: 114). Das sieht auch Schimmelmann nicht anders, wenn auch mit anderen Zuordnungen: Odin ist Adam (S. 167 u. ö.), Loki ist die Sünde (Vorbericht, S. 9 u. ö.), und die Midgardschlange ist der Teufel (Vorbericht, S. 23 u. ö.) usf. Auch für Adelung ist nordische Mythologie „biblisch-kirchlich", er sieht hierin aber keinen positiven Wert (1797a: 118): Ein jeder siehet ja wohl selbst, daß dieses ganze Religions=System nichts mehr und nichts weniger ist, als eine N a c h ä f f u n g des christlichen, bloß durch fremde Nahmen, ungeheure Bilder und unbekannte Anspielungen bald mehr bald weniger verdunkelt, so wie man es von einer rohen Einbildungskraft erwarten kann.
Doch zurück zu Schimmelmann und seinen ersten Kritikern. Daß der Rezensent der Greifswalder Nachrichten der Edda über den Zweck eines Poetiklehrbuches hinaus keine weitergreifenden Aussageabsichten zubilligen wollte, und zudem Schlözer als geeigneteren Edda-Ausleger empfahl, hat Schimmelmann besonders schwer getroffen. Er sah sich zu einer größeren Rechtfertigungsschrift veranlaßt, die 1774 unter dem Titel Abhandlung, abgefaßt in einem Schreiben an einen Gelehrten von der alten Isländischen Edda3 erschien. 3
Der vollständige Titel lautet: Abhandlung abgefaßt in einem Schreiben an einen Gelehrten von der alten Isländischen Edda, darin vorkommt die Beantwortung der Fragen: 1. Ob in der That es noch ein altes echtes Buch, und Überbleibsel der alten Norder, Teutonen und Vandalen=Mythologie gäbe? das man die Edda nennt? 2. Ob die davon, in Copenhagen und Upsal vorhandene Manuscripte echt? und wie alt dieselben etwa seyn?
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In Schimmelmanns Selbstverständnis ist die Abhandlung eine Art Aufklärungsschrift, denn er will die mannigfaltigen vermeintlichen Vor- und Fehlurteile zur Edda korrigieren. Besessen ist er von der Idee, daß die Isländische Edda das allerälteste Buch der Deutschen sei. So absurd-lächerlich dieser Beitrag Schimmelmanns zur Edda-Datierung uns heute auch erscheinen mag, sein Weg dorthin, nämlich durch einen Sprachenvergleich, ist durchaus modern, auch wenn die richtigen Ergebnisse aufgrund der völlig unmethodischen Vorgehensweise wohl eher zufälliger Natur sind. Schimmelmann erkennt so die etymologische Verwandtschaft einzelner germanischer Sprachen durch den Vergleich von einander entsprechenden Lexemen in den jeweiligen Sprachen, und er weiß auch, daß die Bezeichnung des Totenreichs Hei mit Hölle sprachlich übereinstimmt, und daß unser Wort „Höhle" ebenso damit zusammenhängt, als ein verborgener Ort wie das Totenreich der Hei, obwohl er noch nicht wie Jan de Vries im Altnordischen etymologischen Wörterbuch ein *helan »verbergen« heranziehen kann. Solche überraschenderweise richtigen Einzelbeobachtungen macht Schimmelmann (1774: 16, 17) freilich immer wieder durch abstruse Schlußfolgerungen zunichte. Denn diese Wortverwandtschaften sind für ihn der ,3eweis", daß die isländische Sprache der Edda mit der „altteuschefn]" identisch sei, und dementsprechend werden die Namen der Götter dann „ur=uralte [] teutsche Stammwoerter", und die „alte eddaische, alt nordische, alt gothische Sprache, mit der alten teutschen Muttersprache eins". Diese Altersbestimmung wird Schimmelmann in seiner späteren deutschen Edda-Version (Widmungsblatt) dahingehend näher bestimmen, als die Edda als „Überbleibsel der sichern Gottes=Lehre unserer Ur=Ur=Ur=Väter der alten Teutschen, der Pommerer, Vandalen (...) und des ganzen alten Keltiens", „lange vor Mosis" entstanden ist, und so als ein Religionsdokument aus der Zeit Abrahams zu bewerten sei (ebd. 6), geschrieben „in einer der allerältesten und ersten Sprache" (ebd. 14), womit die Edda letztlich ihre isländische Identität verliert und gar zum ältesten Buch der Deutschen wird. Neben der Datierung und Bestimmung der Edda als ein „lange vor Chr. Geburt Grundbuch der Religion der Deutschen" (1774: 35), erörtert Schimmelmann vor allem die Frage der Verfasserschaft und der Authentizität der Edda, in Auseinandersetzung mit Schlözer und vor allem mit dem schwedischen Kanzleirat Johann Ihre, der den Codex Upsaliensis für eine Abschrift von Snorris Original hält, was Schimmelmann vehement zu widerlegen sucht, da er selbst Snorri jegliche Originalität abspricht. Schimmelmann unterscheidet einen Verfasser und den Kompilator der Edda. Letzterer ist Saemundur, der nach Schimmelmann zusammen mit Ari im „Collegio zu Cöln" studiert hat (ebd. 32) und nach seiner Rückkehr nach Island „bei dieser seiner Muße auf seinen Gütern, die alte Edda auß dem Altgothischen, da sie noch der Zeit mit Runischen alten Buchstaben geschrieben gewesen, zuerst 1075 etwa compilirt, zusammengetragen, und sie zuerst mit der, in Teutschland zu 3. Ob Saemundar Siegfus (Frode) in Island, sie An. 1070=75 aus dem alt runischen oder Gothischen, mit lateinischen Buchstaben, historisch gewiß zuerst edirt? oder ob des Snorro Sturlusons Konungar vor die alte echte Edda zu erkennen sey? 4. Ob die, in einem Avertissement von Stettin versprochene teutsche Version und Edition, noch seiner Zeit zu erwarten sey?
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Cöln gelernten lateinischen Buchstaben, edirt, und dem Publico zum besten aus dem Staube des Alterthums herausgeholt, hervorgebracht, und so uns ans Licht gestellet hat (...)" (ebd. 56). Hundert Jahre später kam dann Snorri mit seinen Kenningar, des „Snorro Mischmasch", wie Schimmelmann (ebd. 43) urteilt, die Snorri „der Isländischen poetischen Jugend zum Besten gemacht, und ihrer Neigung zur Isländischen Poeterey, und Nachahmung ihrer alten Vorväter, der Druisden und Barden, in Oden und Gesängen, und in Anfertigung der nordischen Poetereyen (wozu die Isländer von jeher sonderbaren Trieb, und Neigung gehabt,) aufzuhelfen, angefertigt hat" (ebd. 56). Snorri, so Schimmelmann (1777: 3), hat Ssemunds Edda lediglich ein weiteres Mal ediert, „und sie mit einigen Fabeln und dem Konnungar (d.i. Lexicon, oder so genannten gradus ad parnassum) vermehrter heraus gegeben", und dabei die Edda „mit seiner Vorrede sowohl mit seinen Konnungar [...] nur verdorben, und die neuen Eddarsforscher nur unnütz damit verwirrt" (ebd. 13). Für den eigentlichen Verfasser der Edda hält Schimmelmann einen gewissen Eddar. Er kommt zu dieser abstrusen Annahme, wie bei ihm durchgängig, durch eine falsche Übersetzung der Völuspä-Strophe 42, in der von einem Hüter von Riesinnen (gygiar hiröir) im Eisenwald namens Eggpér die Rede ist, der zu einem Eddar wird, einem Poeten und Lehrer der Edda, wie Schimmelmann (1774: 88) schließt, der „seinen Schaafen und Schülern" die Edda-Lehre „gleichsam vorgepfiffen, vorgespielet und vorgesagt habe? Wie also der Eddar der Lehrer, also Edda die Lehre dieses Lehrers oder Gygiars, seyn müßte?" Folgerichtig wird Schimmelmann seine Isländische Edda von 1777 diesem Eddar widmen (Abb. 2). Drei Jahre nach dem „Avertissement" erscheint 1777 in Stettin die Isländische Edda (Abb. 1). Von ihr und ihrem Autor kündet heute kein Gelehrtenlexikon mehr. - Außer seinen äußeren Lebensdaten, geboren am 17. 6. 1712 in Stettin und dort am 23. 1. 1778 verstorben, wissen wir von Jacob Schimmelmanns Lebensumständen fast nichts. Das wenige sei hier kurz zusammengetragen: Er war Prediger in der Uckermark und Pastor zu Groß Luckow bei Pasewalk; ein bescheidenes Leben als Dorfpfarrer also. Der Name Schimmelmann ist jedem DänemarkKenner geläufig, doch verbindet er ihn nicht mit dem Autor der ersten deutschen Edda, sondern mit Jacobs Bruder Heinrich Carl (1724-1782), der als Finanzgenie im Königreich Dänemark eine glänzende Karriere machte und 1778 in den Grafenstand erhoben wurde. Heinrich Carl unterstützte seinen armen Bruder finanziell; als Jacob ihn auf seinem Gut Ahrensburg bei Hamburg besuchte, erschien er in so abgerissener Kleidung, „daß der Kammerdiener Sabelow den armen Dorfpfarrer erst mit einem anständigen Anzug versehen mußte, um in der vornehmen Familie des Bruders schicklich erscheinen zu können" (Schmidt 1985: 5). Heinrich Carl setzte dem Bruder eine jährliche lebenslängliche Pension von 1000 Reichstalern aus, er erhielt den Titel eines Preußischen Konsistorialrats, und Jacob zog sich ins Privatleben zurück nach Stettin, „wo er seiner literarisch-wissenschaftlichen Neigung lebte" (Finger 1936: 7). Das Produkt seiner Muße war die 1777 veröffentlichte Isländische Edda. Sie blieb für lange Zeit die einzige „deutsche Edda", und es bleibt ihm dieses Verdienst, sie in Deutschland als erster in einer umfassenderen Version publiziert zu haben.
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Abb. 2. Beginn der Widmung an den „unsterblichen Eddar"
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Nur kurz sind hier die allerersten Zeugnisse einer Snorra-Edda-Rezeption in Deutschland zu erwähnen. Daniel Georg Morhof (1639-1691) zitiert in der zweiten Ausgabe von 1700 seines Werks Von der teutschen Sprache und Poesie, deren Ursprung, Fortgang und Lehrsätzen (1682) die erste Strophe von Snorris Háttatal, freilich ohne von dessen Verfasserschaft zu wissen bzw. wissen zu können. Wieland, Gräter und Reinhard brachten nur einzelne Erzählungen (s. Anhang: Snorris Edda in Deutschland). Friedrich Rühs legte 1812 eine Edda vor, obwohl auch er der nordischen Mythologie keine Originalität zuerkennen und die nordische Dichtkunst ganz aus der angelsächsischen heraus verstehen wollte. Rühs bringt in Übersetzung die Gylfaginning, Bragaroedur, die Hrungnir- und Geirröd-Mythe sowie einige ausgewählte „historische Sagen" (u. a. Hrolf Kraki, Hild und Niflungen). Den 125 Seiten Snorra-Edda stehen 160 Seiten theoretische Auslassungen gegenüber, die somit den Hauptteil seiner Edda ausmachen. Rühs Nachfolger - Friedrich Majer 1818, Karl Simrock 1851 und Hugo Gering 1892 - werden in ihren Ausgaben auf diesen Textbestand zurückgreifen. Erst die Übersetzung von Gustav Neckel und Felix Niedner für die Sammlung Thüle (Jena 1925) bringt Gylfaginning, Skáldskaparmál und Háttatal in vollständiger Übersetzung. Auch wenn hier der Prolog ausgelassen wurde, ist sie im deutschsprachigen Raum die einzige „deutsche Snorra-Edda", die diesen Namen verdient. Man könnte analog zum „Kanon der altnordischen Poesie im 18. Jahrhundert" (Heinrichs 1991) von einem Kanon der Snorra-Edda-Texte im 18. und 19. Jahrhundert sprechen. Diese fast immer gleichbleibende Auswahl entspricht zum einen dem damaligen Verwertungsinteresse, die Prosa-Edda mit ihren mythologischen Erzählungen als wichtige (Zweit-) Quelle zur nordischen Mythologie neben den eddischen Liedern zu begreifen, zum anderen folgt sie den maßgebenden skandinavischen Ausgaben (von Resenius 1665 bis zu Rasmus Nyerup 1808 und E. Kr. Rask 1818), die auf die überlieferten Endgestalten wenig Wert legten bzw. aufgrund ihres Erkenntnisinteresses auch nicht legen wollten. Wie die Geschichte der deutschen Lieder-Edda-Übersetzung ist auch die der Snorra Edda eng mit den skandinavischen Editionen / Versionen verbunden, wobei in der frühesten Rezeption Mallets Monumens von herausragender Bedeutung waren. Schimmelmanns deutsche Edda-Version basiert auf der Version von Johan Resen (Resenius) und Magnús Ólafsson von 1665. Ihr entnimmt er dieVöluspä und Hávamál-Edition, und auf Mallets Monumens de la Mythologie (1756) geht Schimmelmanns Übersetzung der „Fabeln" aus der Snorra-Edda zurück. Schimmelmann ist völlig von diesen beiden Quellen abhängig; daß er nach eigenem Bekunden den isländischen Originaltext herangezogen habe, muß in den Bereich der Fabel verwiesen werden, denn er übersetzt ausschließlich nach Mallet und negiert die weiteren Fabeln bei Resenius - es sind hier insgesamt 78 - , weil er nur die Malletschen für „echt" ansieht, „die der Vandale [gemeint ist Gylfi] imediate von dem Har, (der aus dem dreyfachen Thron mit ihm geredet, und ihm auf seine Fragen geantwortet,) zum Unterricht gegeben" (Schimmelmann 1774: 51). Der wahre Grund war wohl eher der, daß Schimmelmann nichts mit dem isländischen Text anzufangen wußte und offenbar auch seine Schwierigkeiten mit der lateinischen Übersetzung von Magnus Ólafsson hatte, was für einen Kleriker eine erstaunliche Tatsache bleibt.
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Schimmelmann präsentiert eine dreiteilige Edda, die er als „die drey echten Theile der alten Edda" begreift (1774: 40), nämlich die „Theoretische Edda (Sämundars)", also die Voluspá, als „Das sybillinsche Karmen" bezeichnet, und die Hávamál, nach ihrer damaligen Überlieferungstradition unterteilt in „Odins Moralische Lehren selbst" (S. 45-54) und „Magie d'Odin. oder das Capitel von den Runen. das ist: Odins Reden von der grossen Kraft seiner Worte" (S. 55-67). Diese Titelei folgt, wie unschwer zu erkennen ist, Resens Edda-Edition: Die Hávamál als „Odins Sitten=Lehre" ist die direkte Übersetzung von Resens „Ethica Odini". Resenius interpretierte die Voluspá als „Vaticinium Volae", wobei die nordische Völva zur antiken Sibylla wurde, und G. Andreae, der Übersetzer und Kommentator der Resenschen Voluspá ins Lateinische, identifiziert sie sogar konkret mit der berühmten Sibylle Herophile von Erythrai.4 - Im darauffolgenden „Anhang zur Voluspä, zur Voluspä eigentlich nicht gehörend" (S. 68-101) sind drei Skaldendichtungen versammelt, die zum „Kanon" (Heinrichs) der nordischen Poesie im 18. Jahrhundert gehören: „Ode des Königs, Ragnar Lodbrugs, so im Gefängniß zu London an den Stichen der Schlangen Anno 817 gestorben ist" [auch „Ragnar Lodbrugs Sterbelied" genannt; d. i. Krákumál, Skj. AI: 64Iff.], „Eine alte autentique Ode von Anno 960. Das Lob des Haquins genannt" [d.i. Eyvindr skáldaspillir, Hákonarmál], und „Ode eines Prinzen aus Norwegen, (aus dem 1 lten Säculo), Harold der wackere genannt [d.i. Haraldr harôràôis mansçngr, Skj. A I, S. 357 f.), „König Harald und die russische Prinzessin Ellisif'; Schimmelmann nennt die Knytlinga saga als Quelle]. Daran schließt sich die eigentliche Snorra-Edda mit dreiunddreißig Fabeln aus der Gylfaginning an, die Schimmelmann aus Mallets Monumens entnimmt. Mochte Schimmelmann seine Edda-Auslegung lediglich als „Versuch" begreifen und „das ganze gelehrte Publikum" angesichts der Schwierigkeit seines Unterfangens um Nachsicht bitten, so haben seine Kritiker bis heute diese Bitte übersehen, und so bleibt Schimmelmanns bis heute zweifelhafter Ruf als Übersetzer und Kommentator der ersten deutschen Edda. Er hat es seinen Kritikern freilich auch über Gebühr leicht gemacht. Schon das Titelblatt (Abb. 1) weckt wenig Vertrauen für eine weitere Lektüre, wenn Schimmelmann, ganz konform mit seinen Aussagen in der Abhandlung von 1773 die Edda als „geheime Gottes=Lehre der ältesten Hyperboräer, der Norder, der Veneten, Gethen, Gothen, Vandaler, der Gallier, der Britten" usw. usf. bezeichnet, und sein Lieblingsgedanke, daß es auch das älteste Buch der Deutschen sei, fehlt nicht. Es ist ein Leichtes, seitenweise solche fantastischen Ansichten Schimmelmanns herbeizuzitieren. Schon der Rezensent der Göttingischen Gelehrten Anzeigen von 1778 hat Schimmelmanns paradoxe Vorgehensweise in ihrer Konsequenz treffend beschrieben (Gebhardi 1778: 233 und 234): Bey der Uebersetzung ist Etymologie, Paraphrase, Wortverstand, Citation, und oft auch eine Stelle aus der Ursprache (letztere erbärmlich verstellet) durch einander geworfen, und überall herrscht so viel Verwirrung und Wiederholung, daß unsere neuen Dichter schwerlich, wie ihnen S. 96 zugemuthet wird, diese Arbeit mit guten Willen studieren werden. (...) Das Verfahren des Hrn. S. scheint bey der Uebersetzung folgendes gewesen zu seyn. Er legte den 4
Vgl. Faulkes 1977: h 1.
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Mallet zum Grunde, dann suchte er in der lateinischen Uebersetzung nach, und wenn er durch diese, nach Maaßgabe der Zeilen das Isländische Wort aufgespührt zu haben glaubte, so forschte er nach ähnlich schallenden teutschen Wörtern, die dann die wahre Bedeutung enthalten müssen. Gemeiniglich griff er fehl, daher entstehen die seltsamsten Irrthiimer.
Doch kommen wir zum Zentralgedanken seiner Edda-Auslegung. Sie besagt, daß „der ganze Inhalt der Edda nichts anderes als Kirchlich" sei (Schimmelmann 1777: 8). Für den Edda-Forscher und Theologen Schimmelmann sind die „Fabeln" der Edda „Gleichnisreden, Erzählungen des Herrn (Hars)" (ebd. 13), „göttliche Anweisungen, Lehren, theologische Artikeln" (ebd. 11). Kurzum: Alles ist mit der christlichen Lehre und den Erzählungen der Bibel in absoluten Einklang zu bringen (ebd. 8). Und da alles Gleichnis ist, kann Schimmelmann die Edda allegorisch ausdeuten: Die „Himmelsbriicke" Bifröst ist Sinnbild des Bundes Jahwes mit Israel, so Gen 9,13 („Das ist das Zeichen des Bundes (...): Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt: der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde"); Asgard ist das Himmelreich; der Weltenbaum Yggdrasill „die Kirche Gottes auf Erden" (ebd. 147) usw. Jede Mythe, jedes Mythologem wird mit einem irgendwie vergleichbarem Geschehen in der Bibel in einen Bezug gebracht, und man muß Schimmelmanns Findungslust und Beziehungswut durchaus Respekt zollen: Heimdall ist der „Thürhüter zum Himmel" (ebd. 21) nach Joh 10,3 („Der aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirte der Schafe"), die Midgardschlange ist der Teufel nach Off 12,9 („Und der große Drache, die alte Schlange, wurde hinuntergeworfen. Er heißt auch Teufel und Satan, der alle Welt verführt"), und Thor kämpft beim UtgarÖaLoki mit „Sünde, Todt, Teufel, Hölle", und das entspricht in Schimmelmanns Deutung „den Versuchungen und Leiden des Meßiae". Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Schimmelmanns Fehllesungen und -deutungen sind zweifellos grotesk. So ist die Völuspä von Noahs ältestem Sohn Sem verfaßt, weil Schimmelmann die Vergleichspartikel sem in der Formel svá sem hér segir, mit der die Völuspä-Beispielstrophen eingeführt werden, als Personennamen mißdeutet: Resens So sem segr in ordum Asunna, an. svá er hér sagt í oröum [siálfra] ásanna, übersetzt Schimmelmann mit: „So sagt Sem in seiner Ordnung (des Heyls)" und beweist erneut seine völlige Unkenntnis der isländischen Sprache bzw. sein Vermögen, den Originaltext ganz nach seinem Erkenntnisinteressse umzudeuten. Die Beispiele sprechen für sich, doch wäre das alles an Bemerkenswertem in Schimmelmanns Edda, könnten wir sie getrost vergessen. Wolfgang Golther (1911: 219) fand das Buch „zu wüst und verrückt, um irgendwie Anerkennung zu finden". Wüst ist dieses Werk in der Tat, aber Schimmelmanns Edda hat durchaus eine, wenn auch etwas versteckte, Wirkungsgeschichte. Seine Auffassung, daß die Völuspä „als ein altes Testament, und als eine kurze Summe der ganzen nordischen Gotteslehre, als ein Kern und Catechismus [...] angesehen werden soll" (1777: 24), finden wir in Rasmus Nyerups Wörterbuch und Sprache der skandinavischen Mythologie von 1816 wieder. Über Resens Edda-Version von 1665 schreibt Nyerup folgendermaßen:
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Thomas Krömmelbein
Skandinavische (u. a. maßgebende) Ausgaben
1665
Resenius, Edda Islandorum (dän./is)./lat.)
1746
J. Göransson, De Yfverborga Atlingars [Cod. U; fragm.] (schwed.)
1756
P. H. Mallet, Monumens de la Mythologie (schweiz./franz.)
Deutsche Übersetzungen
1765
Anon. (Übers. Mallet 1756)
1777
Jacob Schimmelmann, Die Isländische Edda
1786
C. M. Wieland [Dichtermet-Mythe nach Mallet]
179Iff F. D. Gräter, Bragur I, II u. IV [Kosmogonie, Balder- und Idun-Mythe nach Resenius]
1808
1818
Rasmus Nyerup, Om Edda (dän.)
K. Reinhard, Utgarda-Loki [aus: Andrews' Anecdotes, 1789, in Bragur IV]
1812
Friedrich Riihs
1817
Ludewig Steckling
1818
Friedrich Majer
1851
Karl Simrock [vorw. Lieder-Edda]
1892
Hugo Gering [vorw. Lieder- Edda]
1925
Gustav Neckel/Felix Niedner [Sammlung Thüle 20]
1926
Karl Konrad
1991
Arthur Häny
E. Kr. Rask (schwed.)
1848
Sveinbjörn Egilsson (isl.)
1848
Arnamagnaeanische Ausgabe, Bd. 1
1852
1796
Arnamagnaeanische Ausgabe, Bd. 2
1877/83 Ernst Wilken 1880/87 Arnamagnaeanische Ausg., Bd. 3
1900
Finnur Jónsson
1931 Finnur Jónsson 1982/91 Anthony Faulkes
Jacob Schimmelmann und der Beginn der Snorra fiüa-Rezeption in Deutschland
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Abb.3. Cod. Upsaliensis folio 26v (Grape 1962:50), um 1300. Die berühmte Illustration zeigt Gylfi vor der Dreiheit Hár, Jafnhár und I>riÔi. Sie unterbricht - zusammen mit Skáldatal, /Ettartala Slurlunga und Lögsögumannatal - den Skáldskapanmál-Teil der Snorra Edda an signifikanter Stelle und stellt Snorris Leistung als Mythograph heraus, nämlich die heidnische Mythologie so darzustellen, daß der Rezipient Analogien zur christlichen Religion zu erkennen vermag. Rechts oben eine 'Sonne mit Menschenantlitz', die - wie die Kritzeleien links und unten - von späterer Hand stammt. Jüngste Forschung interpretiert die 'Sonne' als Teufelskopf (Weber 1985) und weist als Vorlage für diese Darstellung der „Drei(ein)heit" Odins den ikonographischen Typus des Gnadenstuhls nach (Klingenberg 1986).
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Thomas Krömmelbein Der vorzüglichste Theil dieses von Resen herausgegebenen Werkes war zweifelsohne der prosaische, oder, wie er ihn nannte, Snorros Edda. Da man aber die Voluspa mit Recht für den wichtigsten der eddischen Gesänge, und gleichsam für die Hauptquelle des odinschen Religionssystems ansieht, so ist er auch in Hinsicht auf die poetische, oder sogenannte sämundsche Edda nicht ohne Verdienst. Da die Edden die heidnische Bibel der Scandinavier ausmachen, so kann man Resen als den Herausgeber sowohl des alten als des neuen Testaments betrachten.
Von dieser Stelle an spricht Nyerup (1816: 32) vom „scandinavischefn] Bibelcanon": „So wie die christl. Bibel aus einem alten und einem neuen Testamente besteht, so enthält auch die scandinavische eine alte, oder poetische, und eine neue, oder prosaische Edda" (ebd. 33), ihre (Wieder-)Entdeckung war, wie Nyerup konstatiert, „von demselben Gewichte für die Mythologie des Nordens, wie Esdras Entdekkung der mosaischen Schriften für den religiösen Glauben der Hebräer" (ebd. 11). Das ist eine bemerkenswerte Aussage, denn Esdra (auch: Esra) führte um 500 v. u. Z. das Gesetz Mose als verbindliches Recht in Palästina ein, und ein Großteil davon bildet das Pentateuch der Bibel. Kein geringer Vergleich also, und Nyerup fährt konsequent fort, wenn er von da ab in seiner Uebersicht der Geschichte des Studiums der Skandinavischen Mythologie (ebd. 34ff.), die EddaÜbersetzungen unter der Überschrift „Uebersetzungen aus der Bibel und biblischer Erzählungen" subsummiert und die kritische Literatur, je nach ihrem Standort, in „Critiker, Exegeten und Commentatoren", „Systematiker", „Antieddisten" (darunter fallen v. a. Adelung und Rühs) und „Apologeten" (wie z. B. Schimmelmann) einteilt. Schimmelmann fand in Nyerup zunächst einen durchaus nachsichtigen Kritiker. In seiner Übersicht, die 1816 in Kopenhagen zuerst in deutscher Übersetzung erschien, zitiert er eine längere Passage aus der Isländischen Edda und beschränkt sich auf einige einführende Worte, die Schimmelmanns .Anbetung" der Edda milde tadeln, ansonsten aber nur noch die Langweiligkeit seines Vortrage kritisieren (ebd. 26). Nyerups Zurückhaltung wird verständlich, denn er selbst ist bei aller Ablehnung der Schimmelmannschen fabulösen Ausführungen offenbar seinem Zentralgedanken einer „Harmonie von Bibel und Edda" (Schimmelmann 1777: 32) keineswegs abgeneigt. Der Grund für diese auffällige Zurückhaltung hat möglicherweise einen biographischen Hintergrund. Nyerup hat Grundtvigs mythologische Studien bekanntlich wohlwollend gefördert, und Grundtvig hat das Manuskript seiner Abhandlung Om Asalceren an Nyerup geschickt. Erschienen ist dieser Aufsatz 1807 in der Zeitschrift Ny Minerva mit einer Widmung an Nyerup. Ein Jahr später erscheint Grundtvigs Nordens Mytologi, eine „Eddalehre für gebildete Männer", wie es im Untertitel des Jugendwerkes von 1808 heißt. Für Grundtvig ist die Asenlehre eine Offenbarung des Göttlichen in der geschichtlichen Welt, oder mit Schimmelmann ausgedrückt: Gott hat dem heidnischen Norden mit der Edda seine göttliche Offenbarung gegeben; 5 die eddische Religion und das Christentum sind für Schimmelmann somit identisch: 5
Vgl. auch Schimmelmann 1777: 30, 409: "göttlich mitgegebene Offenbarung"; Schimmelmann 1774: 161: Gott hat den Nordern, Gethen usf. "ein Sanscrit und Schrift mitgegeben (...) bey ihrer ersten Auswanderung".
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Daß kein unpartheyischer Theologe mir deswegen, billig und mit Grund das Alter oder die Echtigkeit der Edda in Zweifel ziehen kann und wird, weil darinnen viele Lehren bestimmt, und unleugbar textmäßig zu finden, die gänzlich mit der Vernunft und Gotteslehre, ja mit der christl. oder vielmehr meßianischen Lehre; und folglich mit der christl. Theologie und Religion der Bibel, bis auf ein Haar übereinkommen, so, daß nicht bloß in Nebenartikeln, sondern in dem wesentlichen der christlichen oder Meßianischen Theologie, und fast in allen Hauptartikeln der christl. Lehre alles ein pur eins mit der Bibel, und der echten christl. Gotteslehre zu seyn scheinet (Schimmelmann 1777: 17).
So weit ist Grundtvig freilich dann doch nicht gegangen. Auch wenn er, wie Schimmelmann, die Edda-Mythen ins Christliche umdeutet, so beugt er sie nicht, um sie seiner Intention anzupassen. Edda-Mythen als platter Abklatsch eines biblisch-heilsgeschichtlichen Geschehens wie bei Schimmelmann wäre für Grundtvig ein kaum nachvollziehbarer Gedanke gewesen. Zwar ist die Völuspä für beide Edda-Deuter ein uralter Text, doch ist sie für Grundtvig nicht selbst eine christliche Dichtung, wie Schimmelmann uns glauben machen will, wohl aber V o r a u s d e u t u n g des Christentums. Heidnische Religion hat sich mit der Ankunft von Gottes Sohn auf Erden erfüllt: Hvad den mangier, künde ingen D0delig give den, og Ragnaroke maatte kommet, dersom ei en renere S0n af Alfader end Odin var steget ned til den laengselfulde Jord, havde nedstyrtet Aseme fra deres uretmxssige Trone, frataget Jetterne den giftige Braad, oppustet den d0ende Guddomsgnist til en hellig, brandende Lue, og saaledes forsonet Jorden med Himmelen. (Grundtvig 1904: 338) Was ihm (dem Menschen) fehlt, konnte ihm von keinem Sterblichen zuteil werden. Und Ragnarök hätte kommen müssen, wenn nicht ein reinerer Sohn des Allvaters als Odin zur sehnsuchtsvollen Erde hinabgestiegen wäre, und die Asen von ihrem unrechtmäßigen Thron gestürzt hätte, den Riesen den giftigen Pfeil genommen hätte, den sterbenden Göttlichkeitsfunken zu einer heiligen, brennenden Lohe angefacht und auf diese Weise die Erde mit dem Himmel versöhnt hätte.
Die Asenreligion erfüllt sich im Christentum wie das Alte Testament auf das Neue verweist, und hier ist die Nähe zur biblischen Edda-Exegese Schimmelmanns wieder unübersehbar. Ich denke, daß Grundtvig die Isländische Edda über Nyerups Vermittlung kannte, auch wenn sich ein expliziter Beweis nicht führen läßt. Weder in der Korrespondenz noch im Tagebuch fällt Schimmelmanns Name 6 , auch nicht in den fünf noch erhaltenen Briefen an Nyerup aus den Jahren 1807/08 und in der kleinen Namensliste in der Vorrede zu Nordens Mytologi von 1808. 7 Der kritische Friedrich Rühs hat in der Vorrede zu seiner Edda von 1812 in Grundtvigs Nordens Mytologi eine Parallele zu Schimmelmann gesehen, die bislang nicht wieder aufgegriffen worden ist:
6
7
Auch in den Grundtvig-Bibliographien taucht Schimmelmanns Name nicht auf, und auch der Sekundärliteratur ist eine mögliche Grundtvig-Schimmelmann-Beziehung kein Thema. Lediglich Flemming Lundgreen-Nielsen (1980) nennt Schimmelmanns Edda ("den (meget slette) tyske eddaoversœtter fra 1777") sowie Friedrich Rühs (1812: 142) Grundtvig-SchimmelmannVergleich, doch ohne eine Beeinflussung zu diskutieren. Grundtvig 1904: 246. Grundtvig nennt hier Bartholin, Suhm, Sandvig, Gräter, Herder, Thorlacius, Abrahamsen und Nyerup.
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Thomas Krömmelbein S c h o n f r ü h e r h a t t e d i e E d d a in D e u t s c h l a n d e i n e n e n t h u s i a s t i s c h e n V e r e h r e r a n S c h i m m e l m a n n , d e r in seiner E c s t a s e s e i n e m j i i n g e m N a c h f o l g e r G r u n d t w i g nichts n a c h g i e b t ; e r f a n d darin e i n e u n m i t t e l b a r e O f f e n b a r u n g G o t t e s [...]. (142)
Wie Schimmelmann fand auch Grundtvig zu seiner Zeit scharfe Kritiker. Doch ihm wurde das Glück zuteil, daß seine Interpretation der nordischen Mythologie innerhalb seines Gesamtwerks beurteilt werden konnte, und so als „wichtiger Meilenstein in seiner poetischen und erkenntnismäßigen Entwicklung" (J. P. ¿Egidius) in der Grundtvig-Forschung anerkannt ist.
Abb. 4. Auf den Cod. Upsaliensis geht diese Abbildung in Rudbecks Atlantica
von 1689 zurück, die
Schimmelmann in seiner Edda abbildet und als die „drei Zeugen" interpretiert, da der Dekalog keine Bildnisse der Gottheit erlaubt und Schimmelmann nach seiner biblischen Edda-Auslegung die Trinität von Hár, Jafnhár und Priöi nicht auf die Bilddarstellung Ubertragen kann. Die Sonne rechts oben deutet Schimmelmann in der ihm eigenen Weise nach Joh. 1,5: „Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis."
Was bleibt von Jacob Schimmelmanns Isländischer Edda von 1777? Zweifellos ist ein Großteil seiner Beiträge zur Edda-Datierung und -Auslegung nurmehr als Kuriosum der Rezeptionsgeschichte zu werten. Schimmelmann ist kein kritisch geschulter Geist. Er ist ein enthusiasmierter Edda-Laie, der als Theologe für Analogien zur Bibel verständlicherweise besonders empfanglich ist, und - wie Grundtvig nach ihm - alles ins Christliche umdeuten will. Man sollte auch nicht vergessen, daß Schimmelmann ja auch der Tradition seiner Zeit verpflichtet ist, gewissermaßen also gar nicht aus seiner Haut herauskommen konnte, wenn er zum Beispiel zwischen weltlicher und biblischer Geschichte keinen Unterschied machen will. Mit seinen aus heutiger Sicht abstrus-verrückten Datierungen steht er noch in der Tradì-
Jacob Schimmelmann und der Beginn der Snorra Edda-Rezeption in Deutschland
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tion eines Rudbeck und Göransson. Der Schwede Göransson etwa erklärt in seiner (fragmentarischen) Ausgabe des Codex Upsaliensis von 1746, daß „die Edda 300 J. vor der Erbauung von Troja, ihres hohen Werthes wegen, in meßingne Tafeln eingegraben [wurden], und von der mächtigen Schwedischen Königin Opis oder Disa [...], nach Griechenland gebracht worden sei" 8 und beruft sich sich auf Herodot und Plato. Und auch für Göransson gibt es keine eigentliche isländische Edda, sondern die der „alten Sviogothen" (ebd.), die von der Religion und Dichtkunst seiner, der schwedischen Vorfahren handle. - Es ist an dieser Sicht aber auch etwas Mittelaltergemäßes. Nordische Sprache und Dichtung mit der antiken zu versöhnen, sie gar mit ihr „in-eins-zu-bringen", ist bereits Merkmal der frühesten Edda-Kompilatoren. Das avancierteste Beispiel ist bekanntlich Snorris Neffe Óláfr f>ór[)arson hvítaskáld, der in seinem (Dritten) Grammatischen Traktat die Einwanderungsfabel aus Troja solcherart auf den Punkt bringt, daß „alles die eine Wortkunst ist" (öll er ein málslistin), nordische Skaldik und antik-lateinische Dichtung. Und auch mit dem Zusammendenken von nordischer und antiker Geschichte steht Schimmelmann in älterer Tradition, wenn er zum Beispiel den Stammesgründer der Skythen Torgitoas aus Herodots Geschichtswerk mit seiner Schreibweise „Thorget" als „der Geten Thor" identifiziert, so wie ein späterer Edda-Kompilator im Nachsatz zur Gylfaginning den Asengott von Hektor ableitet und dessen Großtaten mit denen des trojanischen Helden gleichsetzt. Doch Schimmelmanns Hauptziel ist, wie bereits gezeigt, die,.Harmonie von Bibel und Edda", und hier müssen wir dem Stettiner Konsistorialrat schon einige Originalität zubilligen, auch wenn er nicht der „Erfinder" dieser Auslegungspraxis ist. Sicher: Schimmelmanns biblische Edda-Auslegung wirkt aus heutiger Sicht überaus komisch, da seine „Belegstellen" aus der Bibel durchgängig weit hergeholt sind. Seine paradoxe Vorgehensweise behauptet, aber begründet nicht, und diese assoziative „Beweisart" erlaubt es ihm schließlich, alles mit allem zu vergleichen und vermeintlich zu beweisen. Diese Beliebigkeit seiner wuchernden Assoziationsketten relativiert Schimmelmanns an sich bemerkenswerte Entdeckung, daß die „Fabeln" der Edda auffällige Entsprechungen zu biblischen Erzählungen aufweisen. Dennoch sollten wir anerkennen, daß Schimmelmann zu den ersten gehört, der konsequent einer biblisch-christlichen „Unterfütterung" der Snorra-Edda nachgeht. So kann Schimmelmann durchaus „Originalität" beanspruchen, wenn er eine Auslegung der Edda-Fabeln mit Hilfe des vierfachen Schriftsinns versucht9, wenn er zum Beispiel die Mythen tropologisch als Weg der Seele zu ihrem Heil deutet, oder die Auslegung des Hoheliedes auf die Edda anwendet, und Thors „Braut Frigga" die falschen Familienverhältnisse übernimmt er aus Mallet - als Sinnbild der Kirche deutet. Einen ernstzunehmenden Beitrag zur interpretatio typologica in Snorris Edda stellen sie freilich wegen ihrer weit hergeholten Analogien nicht dar.
8 9
Zit. nach Schlözer 1773: 30. Schimmelmann 1777: 28: "Jotumheim ist also wohl nicht leiblich; sondern geistlich, als eine Stadt Gottes zu nehmen. So etwa, wie in der Bibel (Jerusalem geistl. und leiblich genommen) ein Bild und Vorbild des rechten himmlischen Jerusalems, die rechte Stadt Gottes (Kirche) seyn soll." - Schimmelmann faßt hier "Jotum" fälschlich als Bezeichnung für Gott auf.
126
Thomas Krömmelbein
Abb. 5. Abbildung aus Amkiells Cimbrischer Heyden=Religion von 1697. Anstelle von Hár, Jafnhár und Priöi tritt die Göttertrias Thor, Odin und Freyja.
Jacob Schimmelmann und der Beginn der Snorra Edda-Rezeption in Deutschland
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Dabei kommt Schimmelmann aber immer wieder zu frappierend aktuellen Erklärungen. Er ist - nach dem Schweden Olof von Dalin, dessen Geschichte Schwedens (Svea Rikes Historia, 1747-62) Schimmelmann mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kannte, zumindest in Deutschland - zusammen mit Trogillus Amkiell - einer der Ersten, die im „dreieinigen Odin" Hár, Jafnhár und t»riÖi „ein Gott dreyfältig in Personen" als Analogie zur Trinität zu erkennen vermögen. Schimmelmann verschärft die theologische Ausdeutung, die bereits in Arnkiells Cimbrischer Heyden-Religion von 1697 mit einer entsprechenden Deutung der Asentrias OdinThor-Freyja (Abb. 5) anklingt: „Es scheinet/daß die Cimber=Gothische Völcker aus dem/durch die Apostel oder Apostolische Männer/weyland gepredigtem Evangelium einige Erkänntnis der Heil. Dreyfaltigkeit gehabt; nachgehends der/bey Wiedererrichtung des Heydenthumbs diß Geheimnis mit Fabelm vermischet/und aus den dreyen Persohnen der Gottheit drey Götzen gemacht/ und dieselbe Othin, Thor und Freyja geheissen." (Amkiell 1702: 58)
Die Bilddarstellung aus Rudbecks Atland eller Manheim II (1689), die Schimmelmann in seiner Edda abbildet (Abb. 4), muß er freilich gemäß seiner biblischen Auslegung anders deuten, da zum Dekalog (Ex 20,4) ein Bilderverbot gehört. So werden nach Schimmelmann (1777: 102) „Nur die drey Zeugen auf Erden" abgebildet, dabei aber mehrmals auf die „mystische Dreyheit" verweisend: Drei Personen auf einem dreifachen Thron mit drei Kronen, die selbst wieder die Dreiheit versinnbildlichen, mit einem Kreuz in der Mitte. „Unmittelbare Offenbarung" hingegen sind die dreiunddreißig Fabeln der Edda, „die der Jehova oder Har aus dem dreyfachen Thron mit dem Vandalen [= Gylfi] dergestalt soll geredet haben" (ebd. 409), und er folgert: „Wie göttlich erhaben, sieht er nicht auf einem dreyfach-erhabenen Thron einen in Menschen Gestalt, der Har, Jafnhar, Tredie heist? (...) wird ihm nicht gleich anfangs das vor aller Philosophie und Vernunft verborgene Geheimnis der unbegreiflichen Dreyeinigkeit in Gott offenbahret? (...) Wer auch nur halb unpartheyisch gesinnet urtheilen will, muß gestehen, daß der weiseste Christ, wenn er das Geheimniß der Dreyeinigkeit in Gott bilderisch vorstellen wollen, (nach dem christlichen Glaubensbekänntnis) es nicht besser machen können!" (ebd. 410)
Da ist dann doch - angesichts der heutigen Tendenz zu einer „Theologisierung der Snorra Edda" - ein kleiner Schein von Antizipation in Schimmelmanns Edda-Auslegung von 1777.
Bibliographie Adelung, Johann Christoph, 1797a. Über die nordische Litteratur, Geschichte und Mythologie. In: W. G. Becker: Erholungen 2: 86-124. ders., 1797b. Nähere Bestimmung des Alters einiger der vornehmsten Stücke der nordischen Litteratur. In: W. G. Becker: Erholungen 4: 141-183. ders., 1803. Noch etwas über die Nordische Geschichte und Litteratur. In: W. G. Becker: Erholungen 3: 209-236. Amkiell, Trogillus, 1702. Cimbrische Heyden=Religion. Hamburg: Thomas von Wierung. [Erstausgabe 1697]
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Thomas Krömmelbein
Batka, Richard, .1896. Altnordische Stoffe und Studien in Deutschland 1. Von Gottfried Schütze bis Klopstock. In: Euphorion 3, 2. Erg.-heft, 1-70. Faulkes, Anthony (ed.), 1977. Two Versions of Snorra Edda from the 17th Century. Volume Π. Edda Islandorum Völuspa. Hávamál. P.H. Resen's editions of 1665. Reykjavik (Rit Stofnunar Ama Magnússonar á íslandi, 14). Finger, Willi, 1936. Vom Ursprung der Demminer Familie Schimmelmann (Schluß). In: Familiengeschichtliche Mitteilungen und Vereinsnachrichten der Pommerschen Vereinigung für Stamm- und Wappenkunde in Stettin 4, 6-8. Finnur Jónsson (ed.), 1912-15. Den norsk-islandske Skjaldedigtning. A: Tekst efeter hândskrifterne. Bde. 1-2. K0benhavn/Kristiania: Gyldendal. Gebhardi, L. Α., 1778. Rez. Schimmelmann 1777. In: Zugabe zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen. Der erste Band auf das Jahr 1778. Göttingen: Johann Christian Dieterich. Grape, Anders, 1962. Snorra Sturlassons Edda: Uppsala-handskriften DG 11. Facsimileedition i ljustryck. Stockholm: Almqvist & Wikseil. Gnindtvig, N. F. S, 1808. Nordens Mytologie eller Udsigt over Eddalaeren. (N. F. S. Grundtvigs Udvalgte Skrifter ved Holger Begtrup. Bd 1. K0benhavn 1904: Gyldendal. Golther, Wolfgang, 1911. Die Edda in deutscher Nachbildung. Leipzig. In: Zur deutschen Sage und Dichtung. Gesammelte Aufsätze von Prof. Dr. W. G., Leipzig: Xenien-Verlag. Hauser, Otto, 1926. Die Edda. Übertragen und erläutert. Weimar 1926: Alexander Duncker. Heinrichs, Anne, 1991. Der Kanon altnordischer Poesie im 18. Jhd. In: The Audience of the Sagas. The Eigth International Saga Conference. Gothenburg University August 11-17, 1991. Preprints I: 201-211. Klingenberg, Heinz, 1986. Gylfaginning. Tres vidit unum adoravit. In: Bela Brogyanyi und Thomas Krömmelbein (Hgg.). Germanie Dialects. Linguistic and Philological Investigations. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins: 627-89. Krömmelbein, Thomas, 1992. Creative Compilers: Observations on the Manuscript Tradition of Snorri's Edda, in: Snorrastefna 25. - 27. júlí 1990, ritstj. Úlfar Bragason (Rit Stofnunar Siguröar Nordals, 1), Reykjavik: 113-129. ders., 1995. Mallet in Deutschland. Zur Wirkungsgeschichte der nordischen Poesie und Mythologie. In: Aus dem Antiquariat 12/1995: 449-456. Lundgreen-Nielsen, Flemming, 1980. Det handlende ord. N. F. S. Grundtvigs digtning, litteraturkritik og poetik 1798-1819.1. Kopenhagen: G.E.C. Gad. Morhof, Daniel Georg, 1682. Von der teutschen Sprache und Poesie, deren Ursprung, Fortgang und Lehrsätzen. Kiel [2. Auflage 1700] Nyerup, Rasmus, 1816. Wörterbuch und Sprache, der Skandinavischen Mythologie, mit einer Einleitung, eine Uebersicht der Geschichte des Studiums der nordischen Fabellehre enthaltend. Aus der dänischen Handschrift übersetzt von L.E. Sander. Kopenhagen: Gerhaidt Bonnier. Raumer, Rudolf von, 1870. Geschichte der Germanischen Philologie vorzugsweise in Deutschland. München: Oldenbourg. Resenius, Johannis, 1665. Edda Islandorum an Chr. MCCXV Islandice conscripta per Snorronum Sturlae Islandiae nomophylacem. Kopenhagen. ders., 1665. Philosophia antiquissima Norvego-Danica dicta Woluspa quae est pars Eddae Saemundi. Koptíhhagen. Schimmelmann, Jacob, 1774. Abhandlung, abgefaßt in einem Schreiben an einen Gelehrten von der alten isländischen Edda. Halle und Leipzig. ders., 1777. Die Isländische Edda. Stettin. Schlözer, August Ludwig, 1773. Isländische Litteratur und Geschichte. Teil I [mehr nicht erschienen]. Göttingen & Gotha: Dieterich. Schmidt, Georg Philipp, 1985. Der dänische Schatzmeister Graf Heinrich Carl von Schimmelmann. In: Die Schimmelmanns. Ahrensburger Heft Nr. 1. Stadt Ahrensburg. Springer, Otto, 1936. Die Nordische Renaissance in Skandinavien. Stuttgart/ Berlin: Kohlhammer. Weber, Gerd Wolfgang, 1985. Edda, jüngere. In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Bd 6. Berlin/New York: de Gruyter: 394-412.
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Anhang: Snorris Edda in Deutschland 1.
[Anonym]: Herrn Professor Mallets Geschichte von Dänemark. Aus dem Französischen übersetzt. Mit einer Vorrede Herrn Gottfried Schützens, Doctors und Professors in Hamburg, der Academien der Wissenschaften zu Copenhagen, Berlin und Paris Mitgliedes. Erster Theil: Einleitung zur Geschichte von Dänemark, enthält die Ueberbleibsel aus der Mythologie und Dichtkunst der alten nordischenVölker. Rostock und Greifswald 1765: Anton Ferdinand Röse.
2.
Jacob Schimmelmann: Die isländische Edda. Das ist: Die geheime Gottes= Lehre der ältesten Hyperboräer, der Norder, der Veneten, Gethen, Gothen, Vandaler, der Gallier, der Britten, der Skoten, der Sueven, &c. kurz des ganzen alten Kattiens, oder des europäischen Skytiens enthaltend. I. Das sybillinsche Kärnten die Voluspäh genannt, so eine poetische Weissagung von dem Anfang der Welt bis zu ihrem Untergange. Π. Des Odins Sitten= Lehre, Hava oder Hars Mäl, d.i. Odins Gottes=Lehre. Wobey verschiedene alte Oden aus dem X. und dem XI. Säe. angehängt sind. ΙΠ. Drey und Dreyßig Dömosagen oder Fabeln, so eine Erklärung der Voluspäh in Beyspielen, oder eine historische und thetische Beschreibung von dem Gott Thor und seinen persönlichen Verrichtungen und Reisen in die Welt. Im Jahre 1070 bis 1075 aus alten runischen Schriften mit lateinischen Buchstaben zuerst edirt von Sämund Froden; Hiernächst im Jahr 1664 von dem Königl. Dänischen Rath Resen aus den ältesten Handschriften, in die Dänische und lateinische Sprache übersetzt besorget; Und nun in die Hochteutsche Sprache, mit einem Versuch zur rechten Erklärung übersetzt und edirt, von Jacob Schimmelmann Königl. Preusischer Consistorialrath in Stettin. Daselbst gedruckt bey Johann Franz Struck, Königl. Preuß. privil. Buchdrucker. 1777. 4°. pp. (8) + 42 + 4 5 6 + (16), 17 pis. Inhalt: Zueignung; Vorerinnerung; Vorbericht von den isl. Edda; Völuspah; Havemaal, Magie d'Odin, usw.; Anhang; Fabeln (aus der Snorra-Edda), S. 102-408; Schlussrede; Erklärung des Bildes in den preuss. Fahnen; Register. Rez.: Gebhardi, in: Zugabe zu den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Dingen. Der erste Band auf das Jahr 1778. Göttingen 1778.
3.
Christoph Martin Wieland: Ursprung des guten und schlechten Dichter nach der alten nordischen Mythologie. In: Wieland's Kleinere pros. Schriften Π. Bd., Leipzig 1786, S. 339344. [Übers, aus Mallet's Monuments, dt. Ausgabe 1766].
4.
Friedrich David Gräter: Älteste Vorstellung der Welt=Götter=und Menschen =Entstehung, aus der jüngeren Edda. Sieben Fabeln, [nach Resenius, „Dämesaga" 4-11] In: Bragur I. 1791, S. 193-206. Friedrich David Gräter: Kleine Geschichten und Erzählungen. 1. a. Balders Tod und Leichenbegängnis. b. Von Hermode, der zu Baldern in die Hölle reitet, c. Wie die Asen in alle Welt senden, [nach Resenius, „Fabeln" 43-45] In: Bragur Π. 1792, S. 132-142. Friedrich David Gräter: Der Raub der Idunna. [nach Resenius, „Dämesaga" 51-52]. In: Bragur IV. 1796, S. 18-26 (innerhalb der Abhandlung ,3raga und Hermode", S. 3-50)
5.
Karl Reinhard: Die Versuchungen des Gottes Thor. In: (Gräters) Bragur IV, 2, 1796, S. 4650 [Utgardaloki-Mythe; aus Jas P. Andrews' Anecdotes, 1789]
6.
Friedrich Rühs: Die Edda. Nebst einer Einleitung über nordische Poesie und Mythologie und einem Anhang über die historische Literatur der Isländer. Berlin 1812: Realschulbuchhandlung. 289 S. Inhalt: Widmung; Vorrede, S. v-vi; Einleitung. [1.] Erinnerungen aus der Geschichte Islands und Norwegens in Beziehung auf Cultur und Sitten, S. 1-60. [2.] Von der nordischen Poesie, ihrer Entstehung und ihrem Character, S. 61-120. [3.] Von der nordischen
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Thomas Krömmelbein Mythologie, S. 120-160.; Snorra-Edda [nach Nyerup 1808 u. Resenius 1665]: Gylfes Überlistung (S. 163-234); Braga-raedur oder Bragis Gespräche mit Aeger (S. 235-242); Erzählungen von Thor und Loki (S. 242-251); Historische Sagen (S. 251-266); Register über die Edda, S. 267-267; Anhang. Ueber die historische Literatur der Isländer, S. 277-288. Rez. Heidelberger Jahrb. Jg. V. 1812. Bd. Π, S. 962-981: J. Grimm, in: Kleine Schriften Π, 1882, S. 80-99.
7.
Ludewig Steckling: Die germanische Edda oder die teutsche Götterlehre in Gedichten. Erster Teil. Prenzlow 1817.
8.
Friedrich Majer: Mythologische Dichtungen und Lieder der Skandinavier. Aus dem Isländischen der jüngeren und älteren Edda übersetzt mit einigen Anmerkungen begleitet von Friedrich Majer. Leipzig 1818: Carl Snobloch. Inhalt: Vorrede etc.; Snorra-Edda: Gylfe-ginning und Braga-rsedr, S. 1-102; Voluspá und sechs andere Dichtungen, S. 103-240; Stammtafeln, S. 241-247. Rez: GGA 1819, S. 1506-08; J. Grimm, in: Kleinere Schriften IV, 1869, S. 123-124.
9.
Karl Simrock: Die Edda, die ältere und die jüngere, nebst dem mythischen Erzählungen der Skálda übersetzt und mit Erläuterungen begleitet. Stuttgart/Tübingen 1851 (^1855, 9. Aufl. 1888) Inhalt: Snorra-Edda: Gylfis Verblendung; Brages Gespräche; Aus der Skálda (mit Grótt.)
9.1
Die Edda. ΙΠ. Die Jüngere Edda des Snorri Sturluson. Nach der Übersetzung und Auswahl von Karl Simrock neu bearbeitet und eingeleitet von Hans Kuhn. Leipzig 1947: Reclam.
10.
Hugo Gering: Die Edda. Die Lieder der sogenannten älteren Edda nebst einem Anhang: Die mythischen und heroischen Erzählungen der Snorra-Edda. Übers, und eri. von Hugo Gering. Leipzig 1892 Inhalt: Einleitung des Übersetzers, S. 1-17. - Lieder-Edda, S. 3-343. - Snorra-Edda, Gylfis Verblendung. (Gylfaginning.), S. 297-352; Die Erzählungen Bragis (Bragaroedur.), S. 352357; Auszüge aus Snorris Poetik (Skáldskaparmál.) [Hrungnir- und Geirröd-Mythe; Sifs Haar; Niflungen; Frodis Mehl [+ Grottasongr dt.]; Hrolf Kraki, S. 295-385.
11.
Gustav Neckel/Felix Niedner: Die jüngere Edda mit dem sogenannten ersten grammatischen Traktat. Jena 1925: Eugen Diederichs (Sammlung Thüle. Altnordische Dichtung und Prosa. Zweite Reihe. Band 20) Inhalt: Einleitung: Zur Edda/Allgemeines, S. 3-48; Gylfis Betörung, S. 49-116; Die Dichtersprache, S. 117-272; Strophenverzeichnis, S. 273-333; Der grammatische Traktat, S. 334-348; Skaldenverzeichnis, S. 349-357.
12.
Karl Konrad: Die Edda des Snorri Sturluson. Thüringen 1926: ürquel-Verlag. 187 S.
13.
Arthur Häny: Snorri Sturluson. Prosa-Edda. Altisländische Göttergeschichten. Aus dem Altisländischen übertragen, mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Arthur Häny. Zürich 1991: Manesse. 255 S. Inhalt: [1.] Erzählungen. „Wie Gylfi getäuscht wurde" (Gylfaginning), S. 9-125; Aus der „Sprache der Dichtkunst" (Skáldskaparmál), S. 127-178; [2.] Erörterungen, S. 179-206; [3.] Anhang, S. 207-213; Nachwort, S. 215-233; Anmerkungen, S. 235-252.
Der Dialog in Snorris Gylfaginning VON EDITH MAROLD
Die Snorra-Edda war in den letzten Jahren Gegenstand einer heftigen Kontroverse, in der es darum ging, welche Bewertung Snorris Darstellung der Mythologie seiner heidnischen Vorfahren zugrunde liegt. Die eine Seite verstand die Gylfaginning als Geschichte eines dämonischen Truges, der am Beginn des Heidentums stand, die andere wollte sich nicht damit abfinden, daß Snorri die eigene Tradition in dieser Weise abgewertet hätte. Diese Fragestellung ist in der Tat von höchstem Belang, denn, wie eine Kultur oder deren Träger zu ihrer eigenen Vergangenheit stehen, ist eines ihrer markantesten Merkmale. In der zurückliegenden Diskussion ist jedoch m. E. eines aus dem Blickfeld geraten: der Kontext, in dem diese Darstellung der heidnischen Mythologie steht. Die Gylfaginning ist weder ein sprachphilosophischer noch ein theologischer Traktat, sondern eine dialogische Darstellung der heidnischen Mythologie im Kontext einer Poetik.1 Auch die Rezeption - wie wir sie aus dem Zeugnis der überlieferten Handschriften ablesen können - zeigt, daß man diese Mythologie immer im Kontext der übrigen poetologischen Texte gesehen hat: Gylfaginning ist nie selbständig tradiert worden. Für die Zugehörigkeit zu diesem poetologisch-didaktischen Kontext könnte auch ihr formaler Charakter als dialogisches Lehrbuch sprechen.2 Die Dialogform ist mehr als eine „literarische Mode", wie Baetke (1952: 21) sie abzuwerten sucht, sondern reiht das Werk in die Gattung der Lehrwerke wie Elucidarius, Konungsskuggsjá usw. ein. Der Umstand, daß Gylfaginning im Kontext einer Poetik entstand und nur in diesem Kontext überliefert wurde, muß unbedingt bei der Bewertung des Textes berücksichtigt werden, dabei ist jedoch von der Frage nach dem Quellenwert der Gylfaginning abzusehen, der noch von einer Anzahl weiterer Faktoren bestimmt wird. Aus der sog. Widmung
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Das sah schon Holtsmark richtig. Baetke (1952:4) hat zwar recht, wenn er sagt, daß die Gylfaginning eine Mythologie und keine Poetik sei, das bedingt aber nicht, daB sie sich aus dem ursprünglichen Kontext verselbständigt hatte, daß die Mythen „Selbstzweck" (S. 4) geworden seien. Der in bezug auf die Autorschaft umstrittene Prolog mit seiner theologischen und historischen Thematik kann nicht, wie Faulkes (1982: XVII) meint, beweisen, daß Snorri in Gylf. eher als Religionshistoriker auftrete. Vgl. Schier (1981: 406): „Aber Snorri ist zugleich auch ein hochgelehrter, christlich erzogener Verfasser, der mit seiner Edda vornehmlich eine poetologische Absicht verband, nicht eine mythographische oder religionshistorische." Vgl. Wilken (1878: 17); Lorenz (1984: 15).
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Edith Marold En ¡tetta er ην at segia vngvm skaldvm, peim er girnaz at nema mal skaldskapar ok heyia ser orpfiolpa meSfornvm heitvm epa girnaz peir at kvNa skilia pat, er hvlit er qvepit, pa skili hann pesa bok til fropleiks ok skemtvnar (Skm. 8,86)?
geht hervor, daß es Snorri bei der Abfassung seiner Edda darum ging, die Skaldendichtung, die wohl bereits damals eine absterbende Gattung war, neu zu beleben oder zumindest ihr Verstehen zu sichern. Deswegen stellte er ihre charakteristischen Merkmale dar: die Umschreibungstechniken in Skaldskaparmál, die Metren in Háttatal. Diese Konzeption der Snorra Edda als ganzer muß bei einer Interpretation der Gylfaginning berücksichtigt werden, vor allem bei der Frage nach der Funktion dieses Teiles in bezug auf das Gesamtwerk.4 Welche Funktion aber kann eine Mythologie in einem poetologischen Kontext haben? Wer immer sich der Bewahrung oder Neugestaltung der alten Dichtung verschrieb, der mußte wohl damals schon erkennen, daß ihm in ihr eine fremde Welt begegnete, die Welt einer anderen Religion. Das Wissen um sie war bewahrt in den überlieferten Texten, in ihrer formelhaften Sprache, vielleicht auch bewahrt in den mit ihnen verbunden mündlichen Erklärungen. Es wäre aber zu kurz gegriffen, wollte man in der Gylfaginning nur eine systematische Darstellung der heidnischen Mythologie zum Zwecke des Verständnisses der alten Dichtung sehen. Fast alle Forscher rechnen mit einer bestimmten Darstellungsintention der Gylfaginning, die darüber hinausgeht und Stellung bezieht zu der dargestellten Religion, wenngleich die Aussagen dazu weit auseinanderliegen. Die noch von H. Kuhn (1942: 165) vertretene Meinung, „daß er (sc. Snorri) an das meiste, was er da schrieb, geglaubt hat" kann man wohl der Forschungsgeschichte zuordnen, doch zeigen die zahlreichen Veröffentlichungen zu der Frage, wie Snorri dem Heidentum seiner Vorfahren gegenüberstand, wie brennend sie immer noch ist. Extrempunkte sind die These vom Dämonenbetrug (Holtsmark, Weber 5 ) und der Versuch, Snorri die Vorstellung einer Analogie von Heidentum und Christentum zuzuschreiben, also in das christliche typologische Denken in Beziehungen von Altem und Neuem Testament auch das Heidentum einzubeziehen (Beck 1993 und 1994, Klingenberg 1986). In meinem Versuch der Beantwortung dieser Frage möchte ich von folgenden Positionen ausgehen:
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Die Snorra Edda wird nach der Ausgabe von F. Jónsson 1931 in der Form: Gylf. resp. Skm. Kap., Seite, zitiert. Zu dieser Berücksichtigung forderten bereits K. Schier (1981:405f.) und Strerath-Bolz (1991: 29) auf. In neuerer Zeit sind wieder Gesamtkonzeptionen entworfen worden, die aber entweder sprachphilosophisch-theologischen Charakter (Clunies Ross 1987) oder den eines chronologisch-dichtungsgeschichtlichen Modells (Weber 1985) haben. In gewisser Weise hat Weber (1993: 21 lf.) eine Art Rückzug angetreten, wenn er zwischen einem Euhemerismus, der die Götter zu Menschen und die Mythen zu historischen Ereignissen und somit unproblematisch mache, und der Vorstellung von Dämonen oder Teufeln, die sich nach deren Tod ihren Namen zugelegt hatten, unterscheidet. Diesen letzteren weist er nur noch das Auftreten in den legendhaften Erzählungen von Besuchen bei Olaf Tryggvason und Olaf Haraldsson zu.
Der Dialog in Snorris Gylfaginning
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( 1 ) Aus der Stellung im Kontext einer Poetik ergibt sich für die Gylfaginning die Aufgabe der Überlieferung der heidnischen Mythen, die in einem Dialog dargestellt werden, wie es in didaktischer Literatur üblich war. (2) Ein Vergleich mit der Dialoggestaltung von Skm. und Ht. zeigt jedoch, daß Snorri in der Gylfaginning anders in der Gestaltung des Dialogs verfahrt. 6 Aus einer eingehenden Analyse des Gesprächs zwischen Hár, Jafnhár, PriÖi und Gylfi müßten sich Argumente für die Funktion dieses Abschnittes fmden lassen. (3) Snorri hat in Skaldskaparmál Erzählungen aus Mythologie und Heldendichtung eingefügt, wo es für die Erklärung der Kenningar nötig schien. Wenn Gylfaginning nur die Funktion hätte, mythologisches Wissen für Dichter zu vermitteln, wäre es mit weiteren erzählenden Teilen in Skm. genug gewesen und Gylfaginning überflüssig. 7 (4) Aus dem Text der Widmung in Skm. „en eigi skvlo kristnir menn trva aheipin goÖ ok eigin asaNyndi pesa sagna aNan veg en sva sem her fiNz ivphafi bokar" (Skm. 8,86) läßt sich erschließen, daß Gylfaginning neben einer Darstellung der heidnischen Mythologie auch die Funktion hat, das richtige Verhältnis für den Christen des Hochmittelalters zu dieser Religion darzustellen.8 Man könnte einwenden, daß im christlichen Hochmittelalter eine solche „Propaganda" gegen das Heidentum nicht nötig sei. Gewiß, man wird kaum annehmen wollen, daß irgendwo in Island noch heidnischer Glaube lebte oder daß Snorri bei der Kirche durch die Erzählung der Mythen Anstoß erregt hätte9. Schließlich hatten ja die Skalden des 12. Jh.s unangefochten heidnische Kenningar verwendet. Der Satz, den Snorri seiner „Widmung" hinzufügt: ... en ecki er at gleyma epa osaNa sva pesar frasagnir, at taka or skaldskapinvm fornar kenningar, peer er hwfvtskald hafa ser lika latit, en eigi skvlo kristnir menn trva aheipin god ok eigin asaNyndi pesa sagna aNan veg en sva sem her fiNz ivphafi bokar (Skm. 8,86).
weist m. E. auf ein spezielleres Problem, als das einer Darstellung der heidnischen Mythologie. Die Tatsache, daß die alte Dichtung geprägt war durch die heidnischen Mythen, stellte das Problem, wie man in einer christlichen Kultur mit heidnischer Dichtung umgeht. Eine vergleichbare Situation hatten ja auch alle mittelalterlichen Gelehrten zu bewältigen, die sich mit der Dichtung der Antike beschäftigen wollten. Daß diese Dichtung untrennbar war von der heidnischen Mythologie, hatte zu unterschiedlichen Einstellungen und Wertungen im Lauf des Mittelalters geführt. Die Ablehnung der heidnischen Religion brachte es mit sich, daß diese Dichtungen zu bestimmten Zeiten und von gewissen religiösen Strömungen verbannt und zur Gänze abgelehnt 6
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Vgl. Weber (1993: 198ff.), allerdings ist die Aussage, Gylfaginning liefere „eine Mentalitätsund Kulturgeschichte der nordischen Völker bis zur Ankunft des Christentums" m. E. doch sehr hoch gegriffen. Faulkes (1982: XX und 1983: 285) sieht richtig, daß vieles, was in Gylf. vorgestellt wird, wenig mit skaldischer Dichtung zu tun hat, sein Argument, daß dies der Vollständigkeit halber geschehe, greift jedoch zu kurz. Vgl. Holtsmark (1964: 14f.), Beyschlag (1954: 178ff.). Das hatte schon Baetke (1952: 20f.) für unwahrscheinlich gehalten.
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wurden. Erst das 12. Jh. brachte auch eine Renaissance in der Beschäftigung mit der antiken Literatur10 und eine erneute Zuwendung zur eigenen Dichtungstradition. Der Widmungstext zeigt, daß sich dieses Problem der Beschäftigung mit heidnischer Dichtung in einer christlich geprägten Kultur auch in Island stellte und offenbar auch in Snorris Kreisen erörtert wurde und daß es dazu unterschiedliche Meinungen gab, wie daß man die heidnischen Mythen (pessa frásagnir) überhaupt der Vergessenheit anheimfallen lassen sollte oder daß man aus der Dichtung die heidnischen Kenningar entfernen sollte." Diesen Meinungen erteilt Snorri eine Absage. Aber er läßt auch keinen Zweifel an seiner eigenen christlichen Einstellung: an heidnische Götter dürfe ein Christ nicht glauben. Er verweist auf den „Anfang des Buches" als die ihm angemessen erscheinende Weise des Umgangs mit der heidnischen Mythologie. Es ist in der Forschung umstritten, ob sich diese Bemerkung auf den sog. Prolog der Snorra Edda oder nur auf die Gylfaginning bezieht, da die Autorschaft Snorris an diesem Prolog umstritten ist.12 Ein vermutlich späterer Zusatz (vgl. Finnur Jónsson 1931: XX) zeigt aber, daß man diesen Hinweis Snorris zumindest im 13. Jh. auf Prolog u n d Gylfaginning bezog. Er ist in den Hss. R, W, T, nicht aber in U erhalten. Da er in allen drei Hss. fast identisch ist, muß er wohl schon auf sehr früher Stufe in den Überlieferungsprozess eingeflossen sein. Er lautet folgendermaßen: ...en sva sem her fiNz ivphafi bokar er sagt er fra atbvrpvm peim er maNfolkit viltizfra rettri trv. ok fia nœst fra Tyrkivm hvemig Asia menn peir er œsir erv (vorv T) kallafiir favlsvpv frasagnir peer fra peim tipindvm er gerpvz iTroio til pes at (er R) land (landz-T) folkit skyldi trva (tryôi Τ) pa gv5 vera (Skm. 8,86). Hier sind die beiden Abschnitte des Prologs benannt: der Abfall der Menschen von Gott und die historischen Asen aus Tyrkland, die Ableitung der Mythen aus dem Trojanerkrieg hingegen wird sich auf das Ende von Gylfaginning beziehen.
Man kann aus dem Hinweis, daß die richtige Form des Verständnisses der heidnischen Mythologie in der Dichtung am Beginn des Buches zu finden sei, schließen, daß Gylfaginning (oder Prolog und Gylfaginning) über die Darstellung der Mythologie hinaus auch das rechte Verständnis lehren solle. Für die Forschung stellt sich damit die Aufgabe, dies aus Snorris Texten selbst zu bestimmen. Die Versuche, aus der Snorra Edda oder dem Prolog Rückschlüsse auf Snorris Einstellung zum Heidentum zu ziehen, sind zahlreich, eine Darstellung der Forschungstradition soll hier jedoch unterbleiben, da sie in ausführlicher Weise in einem Aufsatz von H. Beck (1993) vorliegt. Der hier vorgelegte Versuch hat das Ziel, soweit wie möglich aus den Texten selbst eine Antwort zu suchen. Für die Beantwortung der Frage nach der Intention Snorris stehen folgende Quellen zur Verfügung, wenn man vom umstrittenen Prolog absieht: (1) der Titel Gylfaginning selbst, (2) Äußerungen des Verfassers über den Inhalt der Gylfaginning an anderer Stelle, (3) die Darstellung in der Gylfaginning selbst.
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Vgl. Haskins (1957: 537ff.). Vgl. Beck (1992: 609), der annimmt, daß diese Diskussion um die Götterlieder kreiste, vom Wortlaut der Stelle aus liegt es jedoch nahe, auch die Kenningar der Skaldik miteinzubeziehen. Vgl. zuletzt dazu v. See (1988: 29 und 1990: 122), der diese Worte als Verweis auf die Gylfaginning verstehen möchte.
Der Dialog in Snorris
Gylfaginning
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(1) Der Titel der Gylfaginning könnte ein erster Hinweis sein, denn er bedeutet „Betörung oder Überlistung Gylfis" und könnte also nahelegen, daß der Schwedenkönig von den drei Asen in diesem Gespräch überlistet und zum Glauben an die Göttlichkeit der Asen überredet wurde.13 Ein Einwand besteht jedoch gegen dieses Argument: Dieser Titel erscheint nur in einer einzigen der vier Haupthandschriften der Snorra Edda, in der Hs. U, deren Eigenheit es ist, Überschriften in den Text zu setzen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß der Titel „Gylfaginning" nicht von Snorri selbst stammt, sondern von einem späteren gegeben wurde. Aber selbst dann würde er zumindest bezeugen, daß dieser Abschnitt der Snorra Edda verhältnismäßig bald in dieser Weise rezipiert wurde. (2) Eine Äußerung Snorris in der Heimskringla läßt sich m. E. eher als Indiz benützen:14 In der Ynglingasaga schildert Snorri, wie die Asen unter der Führung Odins im Norden einwandern, zuerst in Deutschland, dann in Dänemark, und zwar auf die Insel Fyn. Dann erfolgt der erste „Betrug" an Gylfi. Der Schwedenkönig schenkt der Asin Gefjon ein plógsland, ein Land, das man an einem Tag mit Stieren umpflügen kann, sie aber kommt mit Stieren riesischer Abstammung und pflügt eine ganze große Insel aus Gylfis Gebiet. Dann heißt es weiter: En er Oöinn spuröi, at gódir landskostir váru austr at Gylfa, fór harm pannok, ok geròu ¡>eir Gylfi sœtt sína, f>ví at Gylfi ¡jóttisk engi krapt til hafa til môtstçôu vid Asana. Mart áttusk peir OÒinn vid ok Gylfi í brçgôum ok sjónhverfingum, ok uröu /Esir jafnan ríkri (Hkr. 1,16).
Snorri schildert also Gylfi in der Hkr. als Verlierer gegenüber den Asen in dreifacher Hinsicht: überlistet von der Asin Gefjon, unterlegen in der Frage der landesherrschaftlichen Macht gegenüber Odin und im Zauber ebenfalls gegen die Asen. Der letzte Satz des Abschnitts kann als Hinweis auf Gylfaginning verstanden werden.15 Denn dort heißt es eingangs, daß Gylfi sich unter dem Decknamen Gangleri in der Gestalt eines alten Mannes in Asgarö einschleichen will, um zu erfahren, woher die Macht der Asen stamme, die er ja - wie Hkr. zeigt - hinreichend erfahren hatte. Dem Gestaltwandel des Gylfi - er war ja ein maör vitr ok Jjçlkunnigr (Kap. 1) - entsprechen die sjónhverfingar, die Sinnestäuschungen16 der Asen, mit denen sie ihn empfangen. Sie gaukeln ihm eine Burg vor, die ein mythenkundiger Leser sofort als Valhall erkennen konnte und dort begegnet Gylfi eine Göttertrias Hár, Jafnhár und PriÖi. Die Formulierung eigask viÖ í brçgôum ok sjónhverfingum zeigt deutlich, daß es sich um ein Ringen handelt, wer von beiden der Klügere, Listigere sei. Nach Auffassung der Hkr. handelt es sich um zwei zauberkundige Herrscher, die einander zu überlisten versuchen. Diesen Hinweis aus einem anderen Werk Snorris sollte man sich für die Interpretation der Gylfaginning zunutze machen. 13 14
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So sieht es z. B. Faulkes (1982: XVIII). Der Vergleich mit der Ynglingasaga kann für die Interpretation der Gylfaginning von beachtlichem Nutzen sein. Entgegen früher immer wieder geäußerter Meinungen ist der Unterschied zwischen diesen beiden Werken Snorris relativ gering, vgl. v. See (1990: 113), ausführlicher Beck (1994:48). Vgl. z . B . L a u g e s e n (1942: 306) und Weber (1986: 322). Die Übersetzung .Sinnestäuschung' halte ich für angemessener als die Deutung von H. Beck (1993) als .Vision'.
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Edith Marold
(3) Ein Weg, der eher selten beschritten wurde,' 7 ist eine sorgfältige Untersuchung des Textes selbst, um daraus Argumente für die Frage der Einstellung Snorris zum Heidentum seiner Vorfahren gewinnen lassen.18
I. Der Rahmen 1. Wissenswettkampf oder Lehrgespräch Snorri hat für seine Darstellung der Mythologie ein in der Wissenschaftstradition seiner Zeit gängiges Modell verwendet, die Darstellung von Wissen in Form eines Gesprächs zwischen Lehrer und Schüler, hier zwischen den Asen und dem schwedischen König Gylfi. Dieses Modell, bekannt aus der Schultradition aus ganz Europa, wurde auch in Skandinavien in volkssprachlichen Texten wie dem Elucidarius und der Konungsskuggsjá verwendet. In der Gylfaginning jedoch wird dieses Modell mit einem zweiten Modell vermengt, das Snorri durch seine eigene Kultur zukam, dem des Wissenswettstreites, wie er in zwei Götterliedem der Edda vorliegt, in VafJjrúÓnismál und Alvíssmál. Das Vorbild für Snorri dürfte VafJjrúónismál gewesen sein. Von dort stammt das Motiv der Verhüllung der Identität des Besuchenden durch einen anderen Namen. Gylfi nennt sich Gangleri, Odin in diesem Eddagedicht GagnräÖr, was schon Konrá0 Gislason als GangräÖr deutete.19 Seltsamerweise ist sogar der Name Gangleri ein Odinsname, wie aus Grm. 46 geschlossen werden kann. 20 Die Namenwahl deutet daraufhin, daß beide Figuren, Odin in Vm. und Gylfi in der Snorra Edda damit als umherwandernde Zauberer charakterisiert sind.21 Ebenfalls aus Vm. (Str. 7) stammt das Motiv der Bedrohung des Fremden, er komme nicht heil heraus, wenn er nicht klüger sei. Im Eddagedicht führt das zur Besiegung des Riesen, bei Snorri scheint es ein blindes Motiv zu bleiben, weil Snorri das Modell des Wis17 18
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Beck (1994: 7) beklagt, „daß ... eine gewisse Textferne die heutige Debatte bestimmt". Diesen Weg hat schon Beyschlag (1954) beschritten und dabei zu zeigen versucht, daß Gylfis Urteile und Stellungnahmen „eine wachsende Überzeugung des Fragenden von der Identität der Troja-Asen [...] mit jenen der Mythen und von beider Göttlichkeit ..." verraten. Ähnlich spricht auch Wolf (1977: 4) in bezug auf Gylfaginning von „dem Problem, erzählerisch vorzuführen, wie im Hirn des zu Betörenden etwas zur .Wahrheit' werden kann." Vgl. auch Klingenberg (1986: 627), der trotz der Analogien zu christlichen Glaubensinhalten von einer „allmähliche[n], planvoll von Odin ... vollzogene[n] ginning Gylfa „Betörung Gylfis" spricht. KonräÖ Gislason (1870: 135ff.) Wolf (1977: Iff.) schließt daraus und aus den Parallelen zu Vm., daß Snorri in Gylfaginning „ein Vexierspiel, eine literarische sjónhverfìng " aufführe, „ein Frage- und Antwortspiel zwischen Odin und Odin" (S. 2); ähnlich auch Ciklamini (1978: 46). Ich meine, daß hier diese Parallelen überbewertet sind. Beck (1994: 18f.) sieht zwar auch die Ähnlichkeiten zwischen Gangleri und den Odinsnamen, aber führt sie zurecht auch nur auf die Odin und Gylfi zugeschriebene Fähigkeit, vitr okfjçlkunnigr zu sein, zurück. Laugesen (1942: 309) wird recht haben, wenn er diese Darstellung Gylfi/Gangleris als einfache Übernahmen aus VafJjrúónismál wertet. Vgl. einige Zauberer in den Isländersagas, die den Namen stigandi führen: z. B. Prándr stigandi in der Eyrbyggja saga (ÍFIV: 165 ff. Kap. 61), oder Porbjçrn stigandi in der Hcensa-Póris saga (ÍF III: 24 ff.).
Der Dialog in Snorris Gylfaginning
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senskampfes nicht durchgehalten hat, zumindest nicht in der Form, wie wir es aus den genannten Götterliedem kennen. Denn während in Vm. etwa in der Mitte die Rollen wechseln und nun der verkleidete Odin zu fragen beginnt, der im ersten Teil des Gesprächs der Befragte war, gibt es einen solchen Rollentausch in Snorris Gylfaginning nicht. Gylfi bleibt der Fragende von Anfang bis Ende, wenngleich etliche Stellen zeigen, daß Snorri bemüht war, den Charakter des Wissenswettkampfes beizubehalten, ζ. B. im Triumph Gylfis, als die drei Asen das wenig ehrenvolle Abenteuer Thors bei Ütgaröaloki nicht erzählen wollen. Die Doppelheit von Lehrdichtung und Wissenswettkampf geht bis ans Ende des Dialogs. Hier beendet Hár den Wettkampf, indem er sagt: „En nv efpv kant lengra framm at spyria, pa veit ec eigi, hvapan per kemr pat, firir pvi at ongan maN heyrpa ec lengra segiafram aldar farit, ok niottv nv, sem pv namt" (Gylf. 41,76). Das Wissen der Asen ist zu Ende und Hár geht davon aus, daß Gylfi wohl auch nicht mehr weiß und daher nicht weiter fragen kann - der Wissenswettkampf setzt ja voraus, daß der Fragende weiß, wonach er fragt. Hier taucht also das Motiv des Wissenswettkampfes noch einmal auf, gleichsam als eine von beiden Kontrahenten durchgehaltene Fiktion, um aber sogleich abgelöst zu werden durch die andere Seite, das Lehrgespräch: und zwar durch die Worte ok niottv nv, sem pv namt. Sie erinnern an das Ende von Hávamál, mit ähnlichen Worten endet dort die Unterweisung von Loddfafnir: „njóti, sá er nam. " Ist Snorri diese Vermischung der beiden Darstellungstraditionen unterlaufen, konnte er sie nicht gut genug integrieren, oder liegt hier vielleicht eine Absicht hinter dieser sichtbaren Vermengung? Man hat versucht, das Motiv des Wissenswettstreites dadurch zu retten, daß man die Forderung modifizierte: Gylfi müßte mit seinen Fragen der Weisheit der Befragten entsprechen.22 Das ist eigentlich die Voraussetzung für jeden Wissenswettkampf, man darf nur das fragen, was man weiß die abschließende Bemerkung Hárs zeigt das auch. Doch Gylfi versuchte, den Wissenswettkampf zur Ausforschung der Asen zu gebrauchen, er fragt nach dem, was er nicht weiß und er verrät sich schnell durch seine Kommentare, durch sein Staunen. Und das nützen die Asen aus - so wird aus dem Wissenswettkampf die Belehrung. Man könnte also sagen, die Vermischung der beiden Darstellungsmodi ist nicht das Unvermögen Snorris, sondern es ist die Darstellung von Gylfis Unterliegen, ausgedrückt auch in der formalen Seite der Darstellung.
2. Die sjónhverfing Die besondere Form dieses Wettkampfes - dem Ankömmling erscheint in einer sjónhverfing die Halle Valhall, in der er drei Herrscher, Hár, Jafnhár und PriÖi, trifft - hat einige Forscher veranlaßt, die sjónhverfing und das Gespräch in Verbindung mit den gängigen christlich-euhemeristischen Theorien über die Entstehung des Polytheismus als Dämonenbetrug zu interpretieren. Dagegen möchte ich an Baetkes u. a. Auffassung festhalten, daß es keinen Grund gibt, aus Snorris Darstel22
Vgl. z. B. Breiteig (1964: 132), so auch Beck (1992: 613).
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Edith Marold
lung herauslesen zu wollen, daß die mythologischen Erzählungen Hárs in irgendeiner Weise auf dämonischem Einfluß beruhen. Die Argumente Holtsmarks (1964) und Webers (1986: 319ff.) sind Extrapolationen auf der Basis unserer Kenntnis der mittelalterlichen Theologie, aber sie haben keine Stütze in Snorris Text.23 Baetke (1952: 38) bringt ein beachtenswertes Argument bei: Er weist daraufhin, daß Dämonen vor allem dann ins Spiel kommen, wenn es um die kultische Verehrung24 geht, während in Gylfaginning nur Mythen behandelt werden, von kultischer Verehrung ist in der Tat keine Rede.25 Gurevich (1971: 47) hatte versucht, eine Erklärung für diese Haltung in der kulturellen Situation der christlichen Isländer zu finden, die sich weiterhin mit heidnischer Mythologie, Edda und Skaldik befaßten, wobei die Kirche sich zu Kult und Mythos unterschiedlich verhielt: „while prohibiting and persecuting heathen worship, the Church tolerated the heathen mythology" (ebd.). Diese Sicht ist vielleicht zu generalisierend, denn es gibt auch eine Reihe von Beispielen, daß Odin in der Sicht christlicher Literatur zum Gespenst und zum Dämon herabsank (Beispiele bei Foote 1984: 95ff.). M. E. muß man von unterschiedlichen, vielleicht auch gattungsspezifisch bedingten Haltungen gegenüber dem Heidentum ausgehen, eine, die es in jeder Hinsicht verdamme, wie z. B. in den Heiligenlegenden, und eine, die es unter bestimmten Aspekten wie hier, im Rahmen der Literatur für erhaltens- und tradierenswert fand. Ein weiteres Argument hat Klingenberg (1986: 633) beigebracht: Er weist darauf hin, daß das Motiv des Blendwerks auch in die Rahmenerzählung der Bragarceöur aufgenommen wurde, und dort liegt kein Grund vor, die Inhalte durch Dämonen präsentieren zu lassen. Auch der Vergleich mit der christlichen Vorstellung einer ludificatio durch den Teufel oder durch Dämonen führt nicht zwingend zur Deutung des Gesprächs als Dämonenbetrug. Wenn man sich in den Motiven der isländischen Literatur etwas umsieht, wird man erkennen können, daß die Macht zur Sinnestäuschung anderer etwas ist, was jedem Zauberer zukommt.26 Als ein Beispiel könnte man die Episode der Eyrbyggja saga heranziehen, wo Katla ihren Sohn Oddr durch Sinnestäuschungen seinen Verfolgern entziehen will. (Kap. 20). 23
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Siehe auch die ausführliche Auseinandersetzung v. Sees (1988: 79ff) mit der These vom Dämonenbetrug. Dafür bringt Weber (1986: 321ff.) eine Menge Beispiele, aber nicht aus Gylf. oder Yngl. s. Wenn er aber behauptet, daß Odin seinen eigenen Kult eingerichtet hätte (Weber 1988: 114), dann trifft dies weder für Ynglingasaga noch für die Gylfaginning zu. Auch der Prolog enthält sich jeden Hinweises auf Opfer an teuflische Mächte und deren Verehrung, obwohl sie von seiner Vorlage, Martin von Braga her vorgegeben waren, er beschränkt sich allein auf die intellektuelle Fähigkeit des Menschen zur Erkenntnis Gottes, vgl. Drenke (1977: 155f.). Wenn man nicht bereit ist, Snorri als Autor des Prologs zu akzeptieren, so könnte man vielleicht annehmen, daß der Prolog sich einer Erwähnung von Ritus und Kult gerade im Hinblick auf Gylfaginning enthält, wo dies ebenfalls kein Thema ist. Unter diesem Aspekt ist die Saxo-Stelle (lib. VI,V,3), auf die Beck (1994: 31) aufmerksam machte, höchst interessant: Auch hier sind die Asen zauberkundige Menschen, die die Menschen betören und sich selbst den Glanz der Göttlichkeit anmaßen. Beck (1994: 32) wies zurecht darauf hin, daß hier die ludificationes von Menschen und nicht von Dämonen ausgehen und daß sich Saxo in seiner Dämonenauffassung durchaus von Augustinus und seiner Dämonenlehre unterscheidet.
Der Dialog in Snorris Gylfaginning
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In geradezu entgegengesetzter Weise möcht H. Beck sjónhverfing als .Offenbarung' interpretieren27. Er vergleicht damit die sjónhverfìngar im Mythos von Útgaröaloki und am Beginn der Skm. und kommt zu dem Schluß: „Das kompositioneile Mittel der sjónhverfìngar dient Snorri offenbar dazu, Wahres zu verhüllen oder im Verhüllten Wahres zu präsentieren" (Beck 1992: 614). Aber, ist es nicht so, daß - wenn man das Beispiel UtgarÖaloki aufgreift - die Wahrheit erst offenbar wird, wenn die sjónhverfing beendet ist, und daß die Wahrheit die sjónhverfing vernichtet, sie als Täuschung erweist? Die schmähliche Niederlage im Ringkampf mit Katze und alter Frau ist in Wirklichkeit eine Niederlage im Kampf mit übermächtigen Gegnern, mit der Midgardschlange und dem Alter. Eine Sinnestäuschung enthält zwar möglicherweise die Wahrheit, verhüllt sie jedoch und präsentiert sie nicht. Ein weiteres Argument sind für Beck die Analogien zum Christentum,28 die seiner Meinung nach vermuten lassen, „daß er (sc. Snorri) darin Ausdrucksformen sah, die verweisender Natur waren und die erst das Christentum mit rechtem Inhalt füllen konnte" (Beck 1994: 34). Das eröffnet natürlich das weite Feld der außerbiblischen Typologie, die von Weber (1987) ins Gespräch um die Snorra Edda gebracht wurde, aber es hilft bei der Frage nicht weiter, ob Snorri seine sjónhverfing als verhüllte Offenbarung an die heidnischen Skandinavier verstanden haben wollte. M. E. wäre es am besten, den Begriff sjónhverfing sowohl seiner dämonologischen wie theologischen Implikationen zunächst zu entkleiden und ihn als ein ganz allgemeines Mittel zauberkundiger Menschen zu betrachten.29 Und als solche tun die Asen nichts anderes, als daß sie dem neugierigen Ankömmling Valhall und die Trias dreier übereinander sitzender Herrscher erscheinen lassen, von denen der im niedrigsten Sitz, Hár, als ihr König bezeichnet wird. Die Assoziationen, die diese drei Gestalten an Odin binden sind nicht zu übersehen: die Namen, die als Odinsheiti überliefert sind, die Halle, die eindeutig als Valhall zu erkennen gegeben wird und auch die Tatsache, daß Odin in den Mythen immer wieder in Gruppen von drei Gottheiten vorkommt: die Bors Söhne (Vsp.), in der Menschenschöpfung als Odin, Hcenir und LoÖurr (Vsp.), in der Dreiheit Odin, Hcenir und Loki im I>jazi-Mythos (Hlg.). Andererseits bildet diese Dreiheit auch eine Analogie zur christlichen Trinität, worauf auch ihre ungewöhnliche Sitzordnung hinweisen könnte, sie erinnert nämlich an die Darstellung der Dreifaltigkeit im sog. Gnadenstuhl.30 27 28
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Beck (1992: 613f.), (1993: 54), (1994: 31ff.). Beck führt sie an dieser Stelle (1994) nicht an, aber es ist anzunehmen, daß er damit die A//