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German Pages 601 [612] Year 1971
P H I L I P P VON Z E S E N , S Ä M T L I C H E W E R K E IX
AUSGABEN DEUTSCHER LITERATUR D E S XV. B I S X V I I I . J A H R H U N D E R T S
unter Mitwirkung von Käthe Kahlenberg herausgegeben von Hans-Gert Roloff
PHILIPP VON Z E S E N SÄMTLICHE WERKE
WALTER D E G R U Y T E R · B E R L I N · NEW Y O R K 1971
PHILIPP YON Z E S E N SÄMTLICHE W E R K E unter Mitwirkung von
ULRICH MACHÉ U N D VOLKER M E I D herausgegeben von
F E R D I N A N D VAN I N G E N
NEUNTER
BAND
DEUTSCHER HELICON
(1641)
bearbeitet von
ULRICH MACHÉ
WALTER D E GRUYTER · BERLIN · N E W YORK 1971
© ISBN 3 11 003598 7 Copyright 1971 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp. Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien — auch auszugsweise — vorbehalten. Sat2 u n d D r u c k : Walter de Gruyter, Berlin
PHILIPPI
CJESII
(ètftttmbmbtïXfyil/ Dòer UnUïïià}t/ïok etil ©cuífc^cr > Den Künsten hold zu seyn. Die edle Wissenschafft Kömmt noch den Jahren vor / der Geist wird hingerafft und übersteiget auch die krafft der hohen Sinnen; Die Tugend ist bemüht das Alter zu gewinnen /
Philipp von Zesen
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Das Glücke steht Dier bey. Aus Fürstlichem Geblüth Aus Königlichem Stamm erhebt sich Dein Gemûth und fingt die Flammen auff; Es hatt uns stracks verrathen / (Was kûnfïtig) die Geburth; daß großen Potentaten Du soltest werden gleich. Das edle Vaterland Hatt seine Lieb' auff Dich / O großer Fürst / gewandt / Wie Du dann würdig bist. Was aber wil ich weisen (A 4T~y Das allzu hohe Lob und deine Tugend preisen ? Die Tugend lobt sich selbst: mein Vers ist viel zu schlecht / Die wort gebrächen uns und rühmen Dich nicht recht / Du Auszug aller Zier. Ein ander mag sich schwingen Biß an den Himmel nauff und Dich / o Fûrste / singen : Mein Sinn und meine Kunst erstreckt sich nicht so weit / Ich kann mich reissen nicht von dieser Sterbligkeit / Wie Andre / derer Geist mehr in den lûfïten schwebet Durch Deutsche Poesie / als an der Erden klebet : In dessen thu ich doch / was mier der Himmel gönnt / Weil ja der schwache sinn denselben kaum erkennt. ( A 4vy Die Gaben seyn zwar schlecht. Doch / wie ich mich erbiete / So geb' ich Dier / O Fürst / ein hertzliches Gemûthe Op(i/Z> bl. 122.
Weichs wird von Sterblichen und auch von Gott geliebt / und thut weit mehr als der / so viel und fälschlich giebt. (A 5T~y IN
HELICONEM TEUTONICUM PHILIPPI CiESII EPIGRAMMATA
QUIDAM.
I. QUAM
T I B I C O N D I D E R A S N O R M A M , QUA P A T R I A V E R B A
E X I G E R E S , V A R U S S I QUA U G A N D A
MODIS,
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Deutsches Helicons Erster Theil
M I T T E R E T E IN VULGUS, CIESI, LAUDOQUE PROBOQUE, N E SIT C L A U S A A L I I S Q U ^ T I B I A P E R T A V I A EST. H ^ C
RATIO EST AC FORMA BONI; COMMUNIA NEMPE
U T F A C I A S , F U E R I N T QU
D,n173 -Vs? -jnan l i s t í n Vni D'asn η v s a s x a n ]m naV» '&aa -ιηκιβο b-'Dtra )a y>p3 u x w a a ja T S p a D-ni
A M I C O SUO
PERDILECTO
F. M . ADAMUS S P E N G L E R / NEUKIRCHOVAR. QUOD FORTASSE GERMANICE ITA
REDDITUR.
UNd so wird Ihm das Lob sein eignes Kunst«werck mehren / und legen an das Kleid der selbst«erworbnen Ehren / O ewigítrauter Freund / den meine Seele liebt / Der itzt uns einen Weg erôfnet zeigt und giebt Zur Deutschen Poesie. Wie soll mann ihn dann preisen / Weil sonder mißgunst Er uns wollen diß auch weisen / Was ihm der Himmel gab / was er durch vielen fleiß / Durch große müh erlangt und nun zu zeigen weiß Was sonst der Neid verbürgt? Es wird es zwar mißgönnen Der zahn der Mißgunst Ihm / so alles wil zertrennen; Allein Er laß es doch Ihm ja befremden nicht noch kommen zum verdruß wenn grimmig auf ihn sticht Der blaue Neid und Haß : dieweil Er wird dagegen Bey Hochgelehrten Huld' und wohlmuth ihm erregen / aus derer augendicht die süße gnaden-saat / Die milde gunst entspringt und sich zu Ihme naht. (A 8r*)
PHILIPPI G®SII
Deutsches Helicons Erster Theil/ Bey welchem Ein Richtiger Anzeiger Der Deutschen gleichlautenden und einstimmigen Weiblichen Wörter (nach dem a b c . Reim=weise gesetzt / und wieder ver» mehret) etc. zu finden.
(A8
V
Y
HORATIUS
AD
PISONES:
DESCRIPTAS SERVARE VICES, OPERUMQUE COLORES, C U R EGO, SI NEQUEO, IGNOROQUE, POETA SALUTOR? C U R NESCIRE, PUDENS PRAVE, QUAM DISCERE MALO ?
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Philipp von Zesen
Getichte Als
H. M. Philipp Caesius / mein insonders vielgünstiger Herr und sehr werther Freund seinen
Deutschen Helicon zum andern mahl herrauß gegeben. Hatt Orpheus durch sein spiel vorzeiten können zwingen Der grimmen Thiere Schaar und durch verliebtes singen (B 3V) Die flusse selbst gehemmt / daß sie den schnellen lauff So gar auch eingestellt und stets gemercket auff / Sein mehr als menschliches geticht und lied zu hören / Das Euch / Ihr Wälder / zwang mit tantzen Ihn zu ehren. Wohl ani verfügt Euch her / ihr wâlder / eylt geschwind Dem A n d e r n Opitz nach. Es schätzet sich ein Kind und ungelehrt zu seyn der Orpheus / weil er höret Wie nun Herr C a e s i u s Opitzens werck vermehret Durch seinen hohen fleiß; Er gibt uns recht hervor Die Edle Βuchnerspart und schwinget sich empor. Der Orpheus ist verstummt wil diesem gerne weichen / Weil er die Musen siht Ihm schöne krântze reichen An stat des Lorbeerlaubs / das heupt ist schon bekrântzt / Ein guldner palmen=zweig in seinen hânden glântzt : (B 4r)>
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Philipp von Zesen
Ja was der H e l i c o n / ja was Parnassus führet und was Bellerophons begrünten brunnen zieret / Der schönen Nimphen Chor ist nun Ihm anvertraut / Bald ist Uranie / bald Clio seine Braut. Sein' A d e l h e i t S o p h i e hat sich mit Ihm vermählet / Daß Ihm an zierligkeit und kunsten fast nichts fehlet. Das stoltze Franckreich liegt: Ein solcher unterscheid als zwischen leid mag seyn und süßer fróligkeit / Ist zwischen Ihm und uns. Ob Opitz gleich gestorben / Hatt seine feder doch unsterbligkeit erworben / Mein Caesius soll auch unsterblich seyn geacht / Weil Er nach diesem strebt / das Ihn unsterblich macht. schreibt es Julius Augustus Tucker* man von Wolffenbûttel. III. ANACREONTICON. N I L ARDUUM CREAVIT SUBLIME NIL LOCAVIT ( B 4 v y N A T U R A PULCHRA RERUM, RERUM POTENS CREATRIX RERUM SAGAX NOVATRIX Q u o VERA PULCHRA VIRTUS U s u POLITA LONGO NULLO LABORE FESSA N O N POSSIT EVOLARE, N O N PERVENIRE POSSIT. HELICONIS ALTITUDO INSUETA SOLITUDO LONGISSIMUS RECESSUS Q u O T HACTENUS F U G A V I T ? Q u O T QU/ESO, TERRITAVIT? V L E REMOTIORES
Deutsches Helicons Erster
Theil
LABORIOSIORES PERICULOSIORES I N INCLITAM MIGRARE B Œ O T I A M VETABANT. MULTOSQUE DETINEBANT. E MILLE (PROH!) POËTIS G E R M A N I C I POPELLI VLX UNUS IMA LABRA E x FONTE PEGASEIO Q U I LAVERAT, DABATUR. N U N C ERUDITE C Z E S I , T u o LABORE PRIMO E T NAVITATE MIRA < 5 5 R > SAGACITATE NAVA Q U I D GRANDE PR^ESTITISTI ? A L T E R N A AMANT CAMCEN^E. H E L I C O N VETUS RELIQUIT ARVUM (BONA NOVA MIRA 1) SESEQUE WITTEBERGAM CONFERRE FLAGITAVIT, O ERUDITE C I E S I , CACUMEN ABSCIDISTI DORSUMQUE SUSTULISTI INDUSTRIO LABORE SUDORE DILIGENTI, O ERUDITE
Œ S I ,
H L C CERNITUR, QUOD ANTE B Œ O T L E CAM^EN/E CACUMEN INCOLEBANT. N E C ALTITUDO VASTA N E C CELSITAS OPACA APPARET ULLA, NULLA OBSTANT PR,® ALT A SAXA. S I T MOLLICELLUS INFANS SLLICERNIUMVE NUTANS,
Philipp von Zesen Í E Q U A L I T E R CACUMEN S c A N D U N T AD USQUE SUMMUM. SED ERUDITE G ¿ E S I , Q U I D I N D E QUID REPORTAS ? Q U I D COMMODI REDUNDAT
fachen / "I?!? und nennen ein Gedichte von solchen Reimen "Ptf CARMEN TRANSIENS, TOLERABILE, dergleichen Reim=wort haben wir Deutschen auch / und nennen sie Männliche / weil sie zu den Männlichen Versen gebraucht werden / und bey uns den ACCENT und Reim auff der letzten Sylben des Worts haben / als begéht / steht / untergéht. Zum andern die zweyfache / als: "ip? diß wird "Τ'Ψ CARMEN CONVENIENS, APTUM, DIGNUM, bey uns aber ein Weiblichs (weil es im Deutschen den A C C E N T auff der letzten ohne eine hat / als lében / schwében /) genennt. Zum dritten haben sie auch dreyfache Reim/als D, "7?7 ? ? / diß wird Π3^!3 Τ© CARMEN LAUDABILE genennet / wird bey ihnen gar selten / bey uns aber gar nicht gebraucht. Wiewohl mans auch haben kónte / nemlich also: Ein neues Licht war a u f g e g a n g e n / Da er den Nahmenstag b e g a n g e n . 2»
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Philipp von Zesen
Oder welches im deutschen bässer: In dieser unser F l ü c h t i g k e i t Bedarff es nicht der W i c h t i g k e i t . Nichts ist es als U n a c h t s a m k e i t und lauter U n b e d a c h t s a m k e i t . Bey uns Deutschen aber / kan es nicht wohl stehen / sonderlich das erste exempel / wie aus nachfolgenden zu ersehen. Solch obgemeltes Büchlein nun hab ich anjtzt wieder zur hand genommen / und in zwey unterschiedliche Alphabeth getheilet / also daß im ersten die einfachen / das ist die männlichen / (welches jetzt dem Andern theil angehängt) im andern aber die zweyfachen Reim=wort zu finden; muß nun auch solches auf vieler anhalten an die strafsüchtige Luft gelangen laßen / da es fast wider meinen Willen geschiht. Weil ichs aber denen nicht abschlagen wollen noch sollen / so wil ich nun dem geneigten Leser selbiges mit vorgesetzter Erklâ-rung etlicher Arten / Gesetze und Zierligkeiten der Deutschen Verse ausantworten / nicht etwan / als wenn ich willens eine gantze Prosodie herfûr zu geben / sondern nur etliche stücke derselben / der edlen Poesie noch weiter auff die beine zu helffen / mit welcher ohne diß der Edle und Sinnreiche Opitz / so zum höchsten Lob und Preis uns Deutschen gebohren / sich selbsten aus dem staube der Nidrigkeit / fast in das gestirne hinauff zu schwingen / unterwunden / welches Er auch durch seinen mehr als menschlichen Verstandt so glücklich verrichtet / daß Ihm schon allbereit der höchste Grad der unsterbligkeit zuerkant / und es fast unmöglich Ihme den Palmen aus der hand zu reissen / oder zum wenigsten Ihm selbiges nachzuthun. Welches schöne Schafften schon in jedermanns hânden / und durch die nach enthalte er sich auch unartiger oder fremder Sprachen worte / wie auch aller flick»wòrter; unter welchen das vornehmste das wort t h u t / welches vor diesem fast in alle Verse mit eingeflickt ward / nemlich also : Der Morgen thete kommen / vor der M o r g e n kam. und: Wann nun der Sternen=schaar / die finstre Nacht t h u t bringen / Weichs mann also verändern kann: Wann nun der Sternen=schaar die Nacht b e g i n n t zubringen. Zesen, Helicon
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Philipp von Zesen
Oder: Wenn nun der sternen=schaar die nâchte p f l e g t zu bringen. Endlich enthalte mann sich auch der unzeitigen Aussenlaßung der Vocalen / welche vornemlich dreyerley: Erstlich geschieht dieselbe im anfange / darnach im mittel / und dann im ende des Worts. Mann muß aber wohl achtung geben / in waßerley Worten sie zugelaßen / und ob bey guten Rednern sie üblich oder nicht; befindet mann / daß es in ungebundener rede breuchlich / so kann mans auch in gebundener ohne beden-