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German Pages 309 [316] Year 1983
PHILIPP VON ZESEN, SÄMTLICHE WERKE XIII
AUSGABEN DEUTSCHER LITERATUR DES XV. BIS XVIII. J A H R H U N D E R T S
herausgegeben von Hans-Gert Roloff
P H I L I P P V O N ZESEN SÄMTLICHE WERKE
WALTER DE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK 1984
PHILIPP VON ZESEN SÄMTLICHE WERKE unter Mitwirkung von
ULRICH MACHÉ UND VOLKER MEID herausgegeben von
FERDINAND VAN INGEN D R E I Z E H N T E R BAND WIDER DEN GEWISSENSZWANG
bearbeitet von F E R D I N A N D VAN I N G E N
WALTER DE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK 1984
CIP-Kurztitelaufnahme
der Detitschen
Bibliothek
Zesen, Philipp von: Sämtliche Werke / Philipp von Zesen. Unter Mitw. von Ulrich Maché u. Volker Meid hrsg. von Ferdinand van Ingen. — Berlin ; New York : de Gruyter N E : Zesen, Philipp von: [Sammlung] Bd. 13. Wider den Gewissenszwang / bearb. von Ferdinand van Ingen. - 1984. (Ausgaben deutscher Literatur des XV. [fünfzehnten] bis XVIII. Jahrhunderts ; 110) ISBN 3-11-009776-1 N E : Ingen, Ferdinand van [Bearb.]; GT
© Copyright 1983 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien — auch auszugsweise — vorbehalten. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin 61
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DES G E I S T L I C H E N STANDES URTEILE WIDER DEN GEWISSENSZWANG IN GLAUBENSSACHEN / AUS DEN ALTEN DER FURNEHMSTEN K I R C H E N L E H R E R / UND NEUEN NACHMAHLIGER / SELBST HEUTIGES TAGES
GOTTSGELEHRTER
G E I S T L I C H E N SCHRIFTEN ZUSAMMEN GESAMLET / UND DEN LIEBHABERN DER W A R H E I T ZUM UNTERRICHT / UND WEITEREM NACHDENKEN / AUCH DEN GEWISSENSVERFOLGERN / UND GLAUBENSKLUGLERN ZUM L E H R S P I E G E L ANS LICHT GEGEBEN DURCH F I L I P VON ZESEN.
Z u AMSTERDAM / G E D R U K T BEI K R I S T O F KUNRADEN / IM 1 6 6 5 JAHRE NACH DER GEBÜHRT UNSERS FREIMACHERS.
( V )
LACTANTIUS
D I V . I N S T I T . L. 5 , c .
19.
N I H I L ΤΑΜ VOLUNTARIUM, QUAM R E L I G I O : IN QUA SI ANIMUS AVERSUS, JAM SUBLATA, JAM NULLA EST.
Quis
MIHI IMPONAT NECESSITATEM CREDENDI,
QUOD
N O L I M ; VEL NON CREDENDI, QUOD VELIM. FIDES SUADENDA
5
EST, NON IMPERANDA.
AMBROSIUS. FIDES VOLUNTATIS EST, NON NECESSITATIS.
TERTULLIANUS
AD
SCAPULAM.
RELIGIO SPONTÈ SUSCIPI DEBET, NON V I .
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CHRYSOSTOMUS. Q U I V I M AFFERT, PLERUMQUE AVERTIT. IN CŒLESTIBUS ENIM BONIS NON INFERENDA EST V I S .
HILARIUS. DEUS COGNITIONEM SUI DOCUIT POTIÙS, QUÀM EXEGIT. L U T H E R U S T O M . 2 . J E N . F.
182.
LIBERUM QUIDDAM EST CREDERE, IMO QUIDDAM DIVINUM IN SPIRITO . EXTERNA IGITUR V I COGÍ NON POTEST, NEC DEBET.
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5 IDEM
IBID.
FOL.
179,
180.
Der Seele sol und kan niemand gebieten / er wisse ihr dan den weg zu weisen gen Himmel. Das aber kan kein Mensch / sondern Gott allein. Wie hart sie immer gebieten / 5 so können sie die Leute nicht weiter dringen / dan daß sie mit dem munde / und mit der hand tuhn folgen: dan wahr ist das Sprichwort; Gedanken seind zolfrei { :[ 'ij r )
Auftrags-schrift. Den Wohledelen / Gestrengen / Hoch- und Groß-achtbaren / Vesten / Frommen / Wohlfurnehmen / Fursichtigen / und Weisen Herren /
Dem Herrn Schultheis / und
Sämtlichem Rahte der löblichen Stadt Zürich / meinen insonders Hochgeehrten Großgünstigen Herren. W o h l e d l e / Gestrenge / Hoch- und Groß-achtbare / Veste / Fromme / Wohlfurnehme / Fürsichtige / und Weise Her-( i; "z)' I, )ren; Die Werke des HErrn seind wunderbahr; ja noch wunderbahrer ist ihr Würker / der Schöpfer / und Uhrhôber aller dinge: Welcher / wiewohl er unbegreiflich ist / dannoch von uns / je mehr wir Ihn / in solchen seinen werken / suchen / und erkennen / um so viel eifriger geliebet wird; also daß endlich in uns eine unersatliche Begierde ihn immer mehr und mehr zu erkennen / und zu lieben entsprießet. Diese ziehet uns zu Ihm; diese vereiniget uns mit ihm; diese treibet uns zu seinem gehohrsam fort und fort an / und machet / daß wir in demselben / zu unserer algemeinen glûkseeligkeit / be-{"'iij r )standig verharren. Hierin-
Auftrags-schrift
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nen wählet ihren sitz die Gottesfurcht / der G o t t e s dienst / die Tugend / welche die Wissenschaft Gott zu ehren begreiffet / und alle Stande befestiget. Wie nun dieser / und aller Stahtswesen grundfeste der Gottesdienst ist; wie durch denselben die gantze Menschliche Geselschaft allein bestehet / und auf demselben die gantze Menschliche so wohl zeitliche / als ewige Wohlfahrt beruhet: so gehen / wan derselbe nicht da ist / alle Stahtswesen zu gründe / alle Geselschaften werden verdorben / und alles Heil wird verlohren; indem das Menschliche leben mit {"'iijv) tohrheit / mit lästern / und greueln erfüllet wird. Diese haben auch selbsten die weisen Heiden gewust: und darum machten ihre Gesetzgeber allezeit die furnehmsten gesetze von G ö t t l i chen dingen / damit durch dieselben die übrigen von den Weltlichen befestigt würden. Also ging der so genenten xjj Gesetztafeln erstes teil auf den Gottesdienst; das zweite auf das Algemeine / und das dritte auf das Absonderliche Weltliche R e c h t . Dan daß der Gottesdienst / oder die Gottesfurcht aller Weltwesen stlrkeste grundseule sei / indem daher die treue der Untertahnen gegen ihre Fürsten / die ( ''iiijT) ehrerbietigkeit und der gehorsam gegen die O b rigkeiten / die frómmigkeit der Kinder gegen die Eltern / die liebe aller Menschen gegen einen jeden / die gerechtigkeit gegen alle ihren ursprung hette / haben die Heidnischen Weisemeister / auch selbsten Polibius / wiewohl er sonst als ein Gottesleugner beschrieen war / meistenteils gestanden. Und eben darum mus eine Obrigkeit / derer ziel ist ihre / des Stahts / und der Untertahnen Glukseeligkeit zu befördern / zuforderst dahin trachten / daß der wahre G o t t e s dienst / und die reine Lehre G o t t e s / durch geschikte und Gottseelige Lehrer / in ihrem {''iiijv) Gebiete allenthalben fortgepflantzet / und erhalten / ja der Irtuhm / wan er /
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Philipp von
lesen
durch verkehrter menschen arglistigkeit / sich ein zu schleichen / und die Warheit zu unterdrukken suchet / mit dem W o r t e G o t t e s entdekket / widerleget / und abgewehret werde. Weiter darf weder die Obrigkeit / noch der Lehrer / in unterdrükkung / oder viel mehr abwehrung der Irtuhmer / und Ketzereien / nicht verfahren. D a s W o r t G o t t e s mus / und kan es auch allein tuhn: welches lebendig / kraftig / und scharfer ist / dan ein zweischneidiges schwert / und so lange durchdringet / bis es Seele und Geist / auch mark und bein scheidet; ja das {*vr) ein Richter ist der gedanken und sinne des hertzens; wie das Sendeschreiben an die Ebreer bezeuget. U n d darûm findet alhier die grausamkeit der Verfolgung / und leibesstrafen keine stat: dadurch die Ketzereien / als durch einen zunder das feuer / oder durch wasser der kalk / nur mehr und mehr anzündet / und keines weges gedämpft werden. M a n mus die kranken in einem Stahtswesen / und die Irrenden / wofern jene durch heilsame Artzneien / und diese durch guhte Wegweiser nicht können / oder wollen zu rechte gebracht werden / mit geduld ertragen. D i e Obrigkeit mus der Irrenden ( * v v ) G e wissen nicht allein keine Wunden zufügen / indem man sie mit gewalt zu zwingen trachtet; sondern sie auch selbsten / als ein liebreicher Vater / der seinen aberwitzigen und im haupte verrükten Sohn keines weges aus dem hause verstoßet / und dem gespótte der gassenleuffer übergiebet / wider anderer anfalle in ihrem Gebiete behalten und beschirmen; und also das U n k r a u d unter dem Weitzen wachsen laßen. D i e Ketzereien / Rotten / und A n h i n g e müssen ja bleiben / so lange die Welt stehet / sie mögen auch sein / w o sie wollen: und darum müssen sie irgendwo hausen; ist es vielleicht nicht {*vjr) hier in diesem Staht / so ist es doch gewis in einem andern: damit die Rechtgleubigen unter denselben /
Auftrags-schrift
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wie der Weitzen unter dem Unkraude / üm so viel mehr erkant / und bewähret würden. Sie seind ein grosses teil des aufgelegten Kreutzes der rechtgleubigen Kirche / ihre geduld zu prüfen / ihre Standfestigkeit zu bewahren / ja wohl gar ihren wahren Glauben zu befestigen; welcher / wan er durch Irtûhmer nicht angefochten / und wach gehalten wurde / zuletzt einschlummern / ja gantz ersterben mochte. Die Wolfe müssen den Schafhurten wakker halten / sonst möchte er aus achtloßheit der huht ( *vjv) seiner Schafe vergessen / und sie / eines hierhin / das andere dorthin / von einander / und in der irre herum lauffen laßen. So müssen auch die Ketzer den rechtgleubigen Lehrer lehren aufs Wort marken / damit er seiner Seelenhuht wahrnehme / und niemand / wo es muglich / von seinen Zuhôhrern verlohren werde. Diese hochwuchtige Sache haben / im aufgange der Kristenheit / viel alte rechtgleubige Kirchenväter / wie auch / in derselben fortgange / nicht wenig nachmahlige Gottes» auch andere Gelehrten hier und dar in ihren herrlichen Schriften solcher gestalt berühret / ( *vijr) daß sie die Unbilligkeit des Gewissenszwanges mit kräftigen gründen dargetahn / und erwiesen. Und aus eben denselben hatte ich vor etlichen jähren / da ich / aus großer begierde ihre meinungen hierüber zu wissen / ihrer viel durch zu blättern angetrieben ward / einen Auszug unterschiedlicher Urteile wider den Gewissens- und Glaubenszwang / zusammengetragen / und zwar zu meiner eigenen Vergnügung. Aber weil es etlichen meinen guhten Freunden nicht genug zu sein schien vor mich / und zu meiner erbauung allein diesen vorraht gesamlet zu haben / und sie mich {*vijv) fort und fort anreitzeten / solchen meinen Zusammentrag auch der algemeinen Kristenheit zu gönnen; so habe ich mich endlich bewegen
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Philipp von Zesen
laßen / gemelten meinen Auszug was kûrtzer / und ordentlicher zusammen zu fassen / und der Welt durch offendlichen Druk gemein zu machen / in hofnung was gutes dadurch zu stiften. Und hiermit erscheine ich nun / meine H o c h * und großgeneugte Herren / vor E . H o c h a c h t b . ansehnlichen Versamlung / mit demûhtigster bitte / dieses Werklein / als eine Gabe E . H o c h a c h t b . geheiliget / mit günstigen äugen an zu blikken. Es ist zwar / bekenne ich gar gerne / ein kleines Geschenke / und meiner Wenigkeit wegen viel zu wenig / (:'viijr) und viel zu geringe E . H o c h a c h t b . gewiedmet und aufgetragen zu werden: jedoch versichert mich Derselben weltbekante hohe Leutseeligkeit / welche gewohnet ist keinen bescheidenen Bitter jemahls traurig von ihren angesichtern zu laßen / auf das allergewisseste / daß E . H o c h a c h t b . solches mein kühnes unterfangen in guhtem vermarken / und mich keine fehlbitte zu begehen / würdigen werden; zumahl weil ich wohl weis / daß E . H o c h achtb. gleich als Konige und Fürsten in Ihrem Staht / den Wahlspruch des Persischen Koniges / Artaxerxes / daß es nahmlich an einem Fürsten nicht weniger Königlich / und Menschlich sei / kleine Geschenke an zu nehmen / als große aus zu teilen / mit der taht zu Volbringen gewohnet. Mit diesem guhten vertrauen / befehle ich E . H o c h achtb. in den (*viijv) gnadenschutz des Allerhöchsten; welcher Dieselben mit Weisheit und verstände / wie auch mit langem und geruhigem leben / zu einer glüklichen und friedlichen Beherschung Ihres Stahts / von obenherab gnadiglich zu begnadigen geruhe: ja ich befehle Dieselben zur kräftigen genießung der Freiheit der Kinder Gottes / unsers Freimachers; mich aber in Ihre beharliche gewogenheit / der ich bin / und bleibe / so lange ich ahteme / Meine Herren /
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Auftrags-schrift
E. Hochachtb. dienstwilligster Geschrieben in Amsterdam / auf den 1 tag des Mei» 5 mohndes / im 1665 heil« und frei-jahre. F. v o n Zesen.