Shakspeare’s dramatische Werke: Band 5 Der Kaufmann von Venedig. Wie es euch gefällt. Der Widerspenstigen Zähmung. Viel Lärmen um Nichts [Neue Ausg. in 9 Bd. Reprint 2018 ed.] 9783111408859, 9783111045429


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German Pages 448 Year 1867

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Der Kaufmann von Venedig
Wie es euch gefällt
Der Widerspenstigen Zähmung
Viel Lärmen um Nichts
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Shakspeare’s dramatische Werke: Band 5 Der Kaufmann von Venedig. Wie es euch gefällt. Der Widerspenstigen Zähmung. Viel Lärmen um Nichts [Neue Ausg. in 9 Bd. Reprint 2018 ed.]
 9783111408859, 9783111045429

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Shakspeare^s

dramatische Werke übersetzt von

August Wilhelm von Schlegel unt

Ludwig Tieck. Neue Ausgabe in neun Bänden.

Fünfter Band. Der Kaufmann von Venedig. Wie es euch gefallt. Der Widerspenstigen Zähmung. Diel Lärmen um Nicht-.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer 1867.

Kaufmann von Venedig. n e b e r s e tz t von

A. W. von Schlegel.

Personen: Der Doge von Venedig. Prinz von Marocco,' i> ^Freier der Prinz von Arragon, ( Antonio, der Kaufmann von Venedig. Bassanio, sein Freund. Solanio, i Salarino, > Freunde des Antonio. Graziano, ) Lorenzo, Liebhaber der Jessica. Shylock, ein Jude.

Tubal,

ein Jude, sein Freund,

Gobbo, Shylocks Dten»r alte Gobbo, Lanzelots Vater. Salerio, ein Bote von Venedig.

i'aiqelot Der

L e o n a r b o, Baffanio's Diener.

Balthasar, Stephan o,

Porzia'ö Diener.

P 0 r Z i a, eine reiche Erbin.

Nerissa, Jessica,

ihre Begleiterin. Shylocks Tochter.

Senatoren von Venedig, Beamte des Gerichtshofes, Gefaiigenwärter. Bedienn und andre- Gefolge. Die Scene ist theils zu Venedig, theils zu Belmont, Dorria'S LarrdNy.

Erster Aufzug. Erste Scene. Venedig, eine Straße. (Antonio- Salarino und Solanio treten auf) Antonio. Aürwahr, ich weiß nicht was mich traurig macht: Ich bin eS satt; ihr sagt, das seid ihr auch. 'Doch wie ich dran kam, wie mirs angeweht; Von was für Stofs es ist, woraus erzeugt, DaS soll ich erst erfahren. Und solchen Dummkopf macht au« mir die Schwermntb, Ich kenne mit genauer Noth mich selbst. Salarino. Eu'r Sinn treibt auf dem Ozean umher, Wo eure Galeonen, stolz besegelt, Wie Herrn und reiche Bürger auf der Flut, Als wären sie das Schaugepräng der See, Hinwegsehn über kleines Handelsvolk, DaS sie begrüßet, sich vor ihnen neigt, Wie sie vorbeiziehn mit gewebten Schwingen. Sotanio. Herr, glaubt mir, hätt' ich soviel auf dem Spiel, Das' beste Theil von meinem Herzen wäre Bei meiner Hoffnung auswärts.

Immer würd' ich

6

Der Kaufmann von Venedig.

Gras pflücken, um den Zug des Winds zu sehn; Nach Häfen, Nhed' und Dgmm in Karten gucken, Und alles, waS mich Unglück fürchten ließ Für meine Ladungen, würd' ohne Zweifel Mich traurig machen. Salarino. Mein Hauch, der meine Suppe kühlte, würde Mir Fieberschauer anwehn, dächt' ich dran, Wie viel zur See ein starker Wind kann schaden. Ich könnte nicht die Sanduhr rinnen sehn, So dächt' ich gleich an Seichten und an Bänke, Säh' meinen reichen Hans im Sande fest. Das Haupt bis unter seine Ribben neigend, Sein Grab zu küsseu. Ging' ich in die Kirche Und säh' das heilige Gebäu von Stein, Sollt' ich nicht gleich an schlimme Felsen denken, Die an das zarte Schiff nur rühren dürfen, So streut es auf den Strom all sein Gewürz, Und hüllt die wilde Flut in meine Seiden. Und kurz, jetzt eben dieß Vermögen noch, Nun gar feine mehr? Soll ich, daran zu venken, Gedanken haben, und mir doch nicht denken, Daß solch ein Fall mich traurig machen würde? Doch sagt mir nichts; ich weiß, Antonio Ist traurig, weil er seines Handels denkt. Antonio. Glaubt mir, das nicht: ich dank' es meinem Glück, Mein Vorschuß ist nicht Einem Schiff vertraut, Noch Einem Ort; noch hängt mein ganz Vermögen Am Glücke dieses gegenwärt'gen Jahrs: Deswegen macht mein Handel mich nicht traurig.

Erster Aufzug.

7

Erste Scene.

Solan io. -L>o seid ihr beim verliebt?

Antonio. Pfui, pfui!

Solanio. Auch nicht verliebt?

Gut denn, so seid ihr traurig,

Weil ihr nicht lustig seid; ihr könntet eben Auch lachen, springen, sagen: ihr seid lustig, Weil ihr nicht traurig seid.

Nun, beim zweiköpf'gen Janus

Natur bringt wunderliche Kauz' ans Licht. Der drückt die Augen immer ein, und lacht Wie'n Staarmatz über einen Dudelsack; Ein andrer von so sauerm Angesicht, Daß er die Zähne nicht zum Lachen wieseSchwür' Nestor auch, der Spaß sei lachenSwerth.

(Sasfanio- Loren;o

und

Grajiano

ksmmen)

Hier kommt Baffanio, euer edler Vetter, Graziano und Lorenzo: lebt nun wohl, Wir lassen euch in besserer Gesellschaft.

Salarino. Ich wär' geblieben, bis ich euch erheitert; Nun kommen werth're Freunde mir zuvor Antonio. Sehr hoch steht euer Werth in meiner Achtung. Ich nehm' es so, daß euch Geschäfte rufen, Und ihr den Anlaß wahrnehmt, wegzugehn.

Salarino. Guten Morgen, liebe Herren.

Sassanio. Ihr lieben Herrn, wann lachen wir einmal Ihr macht euch gar zu selten: muß das fein?

8

Der Kaufmann von Venedig.

Salarino. Wir hoffen euch bei Muße aufzuwarten. lSalartno und Solanio av>

Lorenzo. Da ihr Antonio gefunden habt, Baffanio, wollen wir euch nun verlassen. Doch bitt' ich, denkt zur Mittagszeit daran. Wo wir uns treffen sollen.

Sassonio. Rechnet drauf.

Gra;iano. Ihr seht nicht wohl, Signor Antonio; Ihr macht euch mit der Welt zu viel zu schaffenDer kommt darum, der mühsam sie erkauft. Glaubt mir, ihr habt euch wunderbar verändert.

Antonia. Mir gilt die Welt nur wie die Welt, Graziano: Ein Schauplatz, wo man eine Rolle spielt, Und mein' ist traurig.

Graziano. Laßt den Narr'n mich spielen Mit Lust und Lachen laßt die Runzeln kommen. Und laßt die Brust von Wein mir lieber glühn, Als härmendes Gestöhn das Herz mir kühlen. Weswegen sollt' ein Mann mit warmem Blut Da sitzen wie ein Großpapa, gehaun In Alabaster? Schlafen, wenn er wacht? Und eine Gelbsucht an den Leib sich ärgern? Antonio, ich will dir etwas sagen; Ich liebe dich und Liebe spricht aus mir: Es giebt so Leute, deren Angesicht

Erster Aufzug

Erste Scene.

Sich überzieht gleich einem steh'nden Sumpf, Und die ein eigensinnig Schweigen halten, Auö Absicht sich in einen Schein zu Neiden Bon Weisheit, Würdigkeit und tiefem Sinn; Als wenn man spräche: Ich Lin Herr Orakel, Thu' ich den Mund auf, rühr' sich keine Maus. O mein Antonio, ich kenne deren Die man deswegen bloß für Weise htzu, Weil sie nichts sagen: sprächen sie, sie brächten Die Ohren die sie hörten in Verdammniß, Weil sie die Brüder Narren schelten würden. Ein andermal sag' ich dir mehr hievon. Doch fische nicht mit so trübsel'gem Köder Nach diesem Narren - Gründling, diesem Schein. Komm, Freund Lorenzo! — Lebt so lange wohl. Ich schließe meine Predigt nach der Mahlzeit. Cor enjcr. Gut, wir verlassen euch bis Mittagszeit. Ich muß von diesen stummen Weisen seyn, Denn Graziano läßt mich nie zum Wort. Graziano. Gut, leiste mir zwei Jahre noch Gesellschaft, So kennst du deiner Zunge Laut nicht mehr. Lebt wohl!

Antonio. Ich werd' ein Schwätzer euch zu lieb.

Graziano. Dank, fürwahr! denn Schweigen ist bloß zu empfehlen An geräucherten Zungen und jungfräulichen Seelen. (Graziano und Loreuzo ab*

Antonio Ist das mm iraend was?

10

Der Kaufmann von Venedig.

Sassanio.

Graziano spricht

unendlich viel Nichts,

als irgend ein Mensch in ganz Venedig.

mehr

Seine vernünftigen Ge­

danken sind wie zwei Weizenkörner in zwei Scheffeln Spreu ver­ steckt: ihr sucht den ganzen Tag, bis ihr sie findet, und wenn tbr fie habt, so verlohnen sie daS Suchen nicht.

Antonio. Gut, sagt mir jetzt, was für ein Fräulein ists, Zu der geheime Wallfahrt ihr gelobt, Wovon ihr heut zu sagen mir verspracht?

Sassanio. Euch ist nicht unbekannt, Antonio, Wie sehr ich meinen Glücksstand hab' erschöpft, Indem ich glänzender mich eingerichtet, Als meine schwachen Mittel tragen konnten. Auch jammr' ich jetzt nicht, daß die große Art Mir untersagt ist; meine Sorg' ist bloß, Mit Ehren, von den Schulden los zu kommen, Worin mein Leben, etwas zu verschwendrisch, Mich hat verstrickt.

Bei euch, Antonio,

Steht meine größte Schuld, an Geld und Liebe. Und eure Liebe leistet nur Gewähr, Daß- ich euch meine Plan' eröffnen darf, Wie ich mich löse von der ganzen Schuld.

Antonio. Ich bitt' euch, mein Baffanio, laßt michö wissen; Und steht eS, wie ihr selber immer thut, Im Angesicht der Ehre, seid gewiß: Ich selbst, mein Beutel, was ich nur vermag. Liegt alles offen da zu euerui Dienst.

Sassanio. In meiner Schulzeit, wenn ich einen Bolzen

Erster Aufzug.

Erste Scene.

Verloren hatte, schoß- ich feinen Bruder Von gleichem Schlag, den gleichen Weg; ich gab Nur besser Acht, um jenen anSzufinden, Und, beide wagend, fand ich beide oft. Ich führ' euch dieses Kittderbeispiel an, Weil das was folgt die lautre Unschuld ist. Ihr lieht mir viel, imb wie ein wilder Junge -Verlor ich was ihr lieht; allein, beliebts euch, Noch einen Pfeil desselben Wegs zu schießen, Wohin der erste flog, so zweifl' ich nicht, Ich will so lauschen, daß ich beide finde. Wo nicht, bring' ich den letzten Satz zurück, Und bleib' eu'r Schuldner dankbar für den ersten.

Antonio. Ihr kennt mich, und verschwendet nur die Zeit, Da ihr Umschweife macht mit meiner Liebe. Unstreitig thut ihr jetzt mir mehr zu nah, Da ihr mein Aeußerstes in Zweifel zieht, Als hättet ihr mir alles dnrchgebracht. So sagt mir also nur, was ich soll thun, Wovon ihr wißt, es kaun durch nlich geschehn, Und ich bin gleich bereit: deswegen sprecht! Sassanio. In Belmont ist ein Fraulein, reich an Erbe, Und sie ist schön, und, schöner als dieß Wort, Von hohen Tugendelt; von ihren Augen Empfing ich holde stumme Botschaft einst. Ihr Nam' ist Porzia; minder nicht an Werth Als Cato'S Tochter, Brutus Porzia. Auch ist die weite Welt deß nicht unkundig, Denn die vier Winde wehn von allen KüLeu

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12

Der Kaufmann von Venedig.

Berühmte Freier her; ihr sonnig Haar Wallt um die Schlaf' ihr, wie ein goldneö Vließ: Zu Kolchos Strande macht es Belmonts Sitz, Und mancher Jason kommt, bemüht um sie. O mein Antonio! hätt' ich nur die Mittel Den Rang mit ihrer einem zu behaupten, So weissagt mein Gemüth so günstig mir, Ich werde sonder Zweifel glücklich seyn.

Antonio. Du weißt, mein sämmtlich Gut ist aus der See; Mir sehltS an Geld und Anstalt, eine Summe Gleich baar zu heben; also geh, sieh zu, Was in Venedig mein Kredit vermag: Den spann' ich an, bis auf daS Aeußerste, Nach Belmont dich für Porzia auszustatten. Geh, frage gleich herum, ich will eS auch, Wo Geld zu haben: ich bin nicht besorgt, Daß man uns nicht auf meine Bürgschaft borgt. (Belte ab)

Zweite Seenc. Ein Zimmer in Porcias Hanse.

(por)ia porzia.

und

ttcriffst

kommen)

Auf mein Wort, Nerissa, meine kleine Person ist

dieser großen Welt überdrüßig. Nerissa.

Ihr würdet eS seyn, bestes Fraulein, wenn euer

Ungemach in eben so reichem Maaße wäre, als euer gutes Glück ist. Und doch, nach allem waS ich sehe, sind die eben so krank, die sich mir allzuviel überladen, als die bei nichts darben.

Es ist also

tieftet Aufzug

Zweite Scene.

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kein mittelmäßiges Loos im Mittelstände zu seyn. Ueberfluß kommt eher zu grauen Haaren, aber Auskommen lebt länger. Porzia. Gute Sprüche, und gut vorgetragen. Nerissa. Gut befolgt, wären sie besser. Horzia. Wäre Thun so leicht, als Wissen was gut tbun ist, so wären Kapellen Kirchen geworden, und armer Leute Hütten Fürstenpaläste. Der ist ein guter Prediger, der seine eignen Er­ mahnungen befolgt: — ich kaun leichter Zwanzig lehren, was gut zu thun ist, als Liner von den Zwanzigen seyn, und meine eignen Lehren befolgen. Das Gehirn kaun Gesetze für das Blut aussin­ nen; aber eine hitzige Natur springt über eine kalte Vorschrift hin­ aus. Solch ein Hase ist Tollheit, der junge Mensch, daß er weg­ hüpft über das Netz des Krüppels guter Rath. Aber dieß Ver­ nünfteln hilft mir nicht dazu, einen Gemahl zu wählen. — O über das Wort wählen! Ich kann weder wählen wen ich will; noch ausschlagen wen ich nicht mag: so wird der Wille einer lebenden Tochter durch den letzten Willen eines todten Vaters gefesselt. Ist eS nicht hart, Nerissa, daß ich nicht Einen wählen und doch keinen ausschlagen darf? Nerissa. Euer Vater war allzeit tugendhaft, urtb fromme Männer haben im Tode gute Eingebungen: also wird die Lot­ terie, die er mit diesen drei Kästchen von Gold, Silber und Blei ausgesonnen hat, daß der, welcher seine Meinung trifft, euch er­ hält, ohne Zweifel von niemanden recht getroffen werden, als von einem den ihr recht liebt. Aber welchen Grad von Zuneigung fühlt ihr gegen irgend einen der fürstlichen Freier, die schon ge­ kommen sind? Horzia. Ich bitte dich, nenne sie her: wie du sie nennst, will ich sie beschreiben, und von meiner Beschreibung schließe aus meine Zuneigung. Uer.issa. Zuerst ist da der Neapolitanische Prinz.

14

Der Kaufmann ven Venedig.

Porjia. Das ist ein wildes Füllen, in der That. Er spricht von nichts als seinem Pferde, und bildet sich nicht wenig aus seine Talente ein, daß er es selbst beschlagen kann. Ich fürchte sehr, seine gnädige Frau Mutter hat es mit einem Schmidt gehalten. Uerifsa. Hor;ia.

Ferner ist da der Pfalzgras. Er thut nichts wie stirnrunzeln, als wollt' er sa­

gen: wenn ihr mich nicht haben wollt, so laßt's! Er hört lustige Geschichten an, und lächelt nicht.

Ich fürchte, es wird der wei­

nende Philosoph aus ihm, wenn er alt wird, da. er in seiner Ju­ gend so unhöflich finster sieht.

Ich möchte lieber an einen Todten-

kopf mit dem Knochen im Munde verheirathet seyn, als an einen von diesen. Gott beschütze mich vor beiden! Nerissa. WaS sagt" ihr denn zu dem Französischen Herrn, Monsieur le Bon?

Hor^ia. gelten.

Gott schuf ihn, also laßt ihn für einen Menschen

Im Ernst, ich weiß, daß es sündlich ist ein Spötter zu

seyn; aber er! Ja doch, er hat ein besseres Pferd als der Neapo­ litaner; eine bessere schlechte Gewohnheit die Stirn zu runzeln als der Pfalzgraf; er ist jedermann und niemand.

Wenn eine Drossel

singt, so macht er gleich Lustsprünge; er ficht mit seinem eignen Schalten.

Wenn ich ihn nähme, so nähme ich zwanzig Männer;

wenn er mich verachtete, so vergäbe ich es ihm: denn er möchte mich bis zur Tollheit lieben, ich werde eS niemals erwiedern. ttertffo. Was sagt ihr denn zu Faulconbridge, dem jungen Baron aus England? Porcia. Ihr wißt, ich sage nichts zu ihm< denn er versteht mich nicht, noch ich ihn. Er kann weder Lateinisch, Französisch, noch Italiänisch; und ihr dürst wohl einen körperlichen Eid ablegen, daß ich nicht- für einen Heller Englisch verstehe.

Er ist eines feinen

Mannes Bild — aber ach! wer kann sich mit einer stummen Fi­ gur unterhalten? Wie seltsam er gekleidet ist! Ich glaube, er kaufte

Erster Auszug. Zweite Scene

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sein WammS in Italien, seine wetten Beinkleider in Frankreich, seine Mütze in Deutschland, und sein Betragen allenthalben. Ntriffst.

WaS haltet ihr von dem Schottischen Herrn, sei­

nem Nachbar? porzia. Daß er eine christliche Nachbarnliebe an sich hat, denn er borgte eine Ohrfeige von dem Engländer, und schwor sie wieder zu bezahlen, wenn er im Stande wäre; ich glaube, der Franzose ward sein Bürge, und unterzeichnete für den andern. tteriffa.

Wie gefällt euch der junge Deutsche, des Herzogs

von Sachsen Neffe? p o r) t a. Sehr abscheulich des Morgens, wenn er nüchtern ist; und höchst abscheulich des Nachmittags, wenn er betrunken ist. Wenn er am besten ist, so ist er wenig schlechter als ein Mann, und wenn er am schlechtesten ist, wenig besser als ein Vieh. Komme das Schlimmste was da will, ich hoffe, es soll mir doch glücken ihn los zu werden.

IT triffst. Wenn er sich erböte zu wählen, und wählte daS rechte Kästchen, so schlügt ihr ab, eures Vaters Willen zu thun, wenn ihr abschlügt ihn zu nehmen. porzia. AuS Furcht vor dem Schlimmsten bitte ich dich also, setze einen Römer voll Rheinwein ans das falsche Kästchen: denn wenn der Teufel darin steckt, und diese Versuchung ist von außen daran, so weiß ich, er wird es wählen. Alles lieber, Nerissa, als einen Schwamm heirathen. Nerissa. Ihr braucht nicht zu fürchten, Fräulein, daß ihr einen von diesen Herrn bekommt; sie haben mir ihren Entschluß eröffnet, welcher in nichts andern: besteht, als sich nach Hanse zu begeben, und euch nicht mehr mit Bewerbungen lästig zu fallen, ihr müßtet denn auf eine andre Weise zu gewinnen seyn, als nach eures Vaters Vorschrift in Ansehung der Kästchen. p or^tst. Sollte ich so alt werden wie Sibylla, will ich doch

16

Der Kaufmann von Venedig

so keusch sterben wie Diana* wenn ich nicht dem letzten Willen meines VaterS gemLß erworben werde. Ich bin froh, daß diese Partei Freier so vernünsng ist; denn es ist nicht einer darunter, nach dessen Abwesenheit mich nicht sehnlichst verlangt, und ich bitte Gott, ihnen eine glückliche Reise zu verleihn. Ucrissa. Erinuer- ihr euch nicht, Fräulein, von eures Ba­ kers Lebzeiten eines BenezianerS, eines Studirten und Kavaliers, der in Gesellschaft des Marquis von Montserrat hieher kam? Horzia. Ja ja, eS war Bassanio; so, denke ich, nannte kr stch.

Uerissa. Ganz recht, Fräutem. Bon allen Männern, die meine thörichten Äugen jemals erblickt haben, war er eine schöne Frau am meisten werth. Korzia. Ich eriunre mich seiner wohl, und erinnre mich, daß er dein Lob verdient. (Sin Diener kommt) Nun, was giebt eS Neues? Bedienter. Die vier Fremven suchen euch, Fräulein, um Abschied zu nehmen; und eS ist ein Borläufer von einem fünften da, vom Prinzen von Marocco, der Nachricht bringt, daß sein Herr, der Prinz, zu Nacht hier seyn wird. Hor^ia. Könnte ich den fünften mit so gutem Herzen will­ kommen heißen, als ich den vier andern Lebewohl sage, so wollte ich mich seiner Ankunft freuen. Hat er das Gemüth eines Heili­ gen und das Geblüt eines Teufels, so wollte ich lieber, er weihte mrch alS er freite mich. Komm, Nerifsa. — Geht voran, Bursch. — Derweil wir die Pforte binter einem Freier verschließen, klopft ein andrer an bte Thür. (Me ab)

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Erster Aufzug. Dritte Scene.

Dritte Scene. Venedig.

Ein öffentlicher Platz.

(jÖaffanio und ßtjglodt treren auf) Lhx>lock. Gafsanio. S.hAlock. Sasfanio.

Dreitausend Dukaten — gut. Ja, Herr, auf drei Monate. Auf drei Monate — gut. Wofür,

wie

ich

euch sagte,

Antonio Bürge

seyn soll. Shglock. Sassanio.

Antonio Bürge seyn soll — gut. Könnt ihr mir Helsen?

Wollt ihr mir gefällig

seyn? Soll ich eure Antwort wissen? Shglock.

Dreitausend Dukaten, auf drei Monate, und An­

tonio Bürge. Sassanio. L hg lock. Sassanio.

Eure Antwort daraus? Antonio ist ein guter Mann. Habt ihr irgend eine Beschuldigung deß Gegen­

theils wider ihn gehört? Sh8lock.

Ei nein, nein, nein! — Wenn ich sage, er ist ein

guter Mann, so meine ich damit, versteht mich, daß er vermögend ist.

Aber seine Mittel stehen aus Hoffnung: er hat eine Galeone,

die aus Tripolis geht, eine andre nach Indien.

Ich höre ferner

auf dem Rialto, daß er eine dritte zu Mexico hat, eine vierte nach England — und so hat er noch andre Auslagen in der Fremde verstreut.

Aber Schisse

sind nur Bretter, Matrosen sind nur

Menschen; es giebt Landratten und Wasserratten, Landdiebe und Wasserdiebe — ich will sagen, .Korsaren,, und dann haben wir die Gefahr von Wind, Wellen und Klippen. — Der Mann ist bei alle dem vermögend — dreitausend Dukaten — ich denke, ich kann seine Bürgschaft annehmen. ßaffanto. v.

Seid versichert, ihr könnt es.

2

Der Kaufmann von Venedig

18 Sh stock.

Ich will versichert seyn, daß ich es kann; und

damit ich versichert seyn kann, will ich mich bedenken.

Kann id>

Antonio sprechen? Sasfanio. Shglock.

Wenn eS euch beliebt mit uns zu speisen. Ja, um Schinken zu riechen, von der Behausung

zu essen, wo euer Prophet, der Nazarener, den Teufel hineinbe­ schwor.

Ich will mit euch handeln und wandeln, mit euch stehen

und gehen, und was dergleichen mehr ist; aber ich will nicht mit euch essen, mit euch trinken, noch mit euch beten.

Was giebt es

Neues auf dem Rialto? — Wer kommt da?

(Antonio kommt) Sassanio. DaS ist Signor Antonio. Sh stock, (für sich) Wie steht er einem falschen Zöllner gleich! Ich hasst ihn, weil er von den Christen ist, Doch mehr noch, weil er ans gemeiner Einfalt Umsonst Geld auSleiht, und hier in Venedig Den Preis der Zinsen uns herunterbringt. Wenn ich ihm ’mat die Hüfte rühren kann, So thu' ich meinem alten Grolle gütlich. Er haßt mein heilig Volk, und schilt selbst da, Wo alle Kaufmannschaft zusammen kommt, Mich, mein Geschäft und rechtlichen Gewinn, Den er nur Wucher nennt. — Verflucht mein Stamm, Wenn ich ihm je vergebe!

Sassanlo. Shylock, hört ihr? Shstock. Ich Überlege meinen baaren Vorrath; Doch, wie ichs ungefähr im Kopfe habe,

19

Erster Aufzug, Dritte Lcene.

Kann ich die volle Summe von dreitausend Dukaten nicht gleich schaffen. — Nun, was thutö? Tnbal, ein wohlbegüterter Hebräer, Hilft mir schon aus.. — Doch still! auf wie viel Monat Begehrt ihr? — (zu Antonio) Geh's euch Wohl, mein werther Herr! Von Euer Edlen war die Rede eben. Antonio. Shylock, wiewohl, ich weder leih noch borge, Um Ueberschuß zu geben oder nehmen, Doch will ich, weil mein Freund es dringend braucht. Die Sitte brechen. — Ist er unterrichtet, Wie viel er wünscht? Shglock. Ja, ja, dreitausend Dukaten. Antonio. Und aus drei Monat. ShLlock. Ja, daS vergaß ich — auf drei Monat also. Nun gut denn, eure Bürgschaft! laßt mich sehn — Doch hört mich an: ihr sagtet, wie mich dünkt, Daß ihr aus Vortheil weder leiht noch borgt. Antonio. Ich pfleg' eS nie. Shslock. Als Jakob Labans Schafe hütete — Er war nach unserm heil'gen Abraham, Weil seine Mutter weislich für ihn schaffte, Der dritte Erbe — ja, ganz recht, der dritte. Antonio. Was thut das hier zur Sache? nahm er Zinsen? 2*

20

Der Kaufmann von Venedig.

SHZlock. Nein, keine Zinsen; waS man Zinsen nennt, Daö grade nicht: gebt Acht, waö Jakob that, Als er mit Laban sich verglichen hatte, Waö von den Lämmern bunt und sprenklicht fiele, DaS sollte Jakobs Lohn seyn, kehrten sich Im Herbst die brünsi'gen Mütter zu bat Widdern. Und wenn nun zwischen dieser wolligen Zucht DaS Werk .der Zeugung vor sich ging, so schälte Der kluge Schäfer euch gewisse Stäbe, Und weil sie das Geschäft der Paarung trieben, Steckt' er sie vor den geilen Müttern auf, Die so empfingen; und zur Lämmerzeit Fiel alles buntgesprengt und wurde Jakobs. So kam er zum Gewinn und ward gesegnet: Gewinn ist Segen, wenn man ihn nicht stiehlt.

Antonio. Dieß war ein Glückssall, worauf Jakob diente, In seiner Macht standS nicht eS zu bewirken, DeS Himmels Hand regiert' und lenkt' eS so. Steht dieß, um Zinsen gut zu heißen, da? Und ist eu'r Gold und Silber Schaaf' und Widder? Shylock. Weiß nicht; ich lass' eS eben schnell sich mehren. Doch hört mich an, Signor. Antonio. Siehst du, Baffanio. Der Teufel kann sich aus die Schrift berufen. Ein arg Gemüth, VaS heil'ges Zeugniß vorbringt, Ist wie ein Schalk mit Lächeln auf der' Wange,

Erster Aufzug. Dritte Scene.

Ein schöner Apfel, in dem Herzen faul. O wie der Falschheit Außenseite glänzt! Shglock. Dreitausend Dukaten — 'S ist 'ne runde Summe. Antonio. Nun, Shylock, soll man euch verpflichtet seyn? S h 8 l o ck. Signor Antonio, viel und oftermals Habt ihr auf dem Rialto mich geschmäht Um meine Gelder und um meine Zinsen; Stets trug ichs mit geduld'gem Achselzucken, Denn dulden ist das Erbtheil unsers Stamms. Ihr scheltet mich abtrünnig, einen Bluthund, Und speit auf meinen jüdschen Nockelor, Bloß weil ich nutze, was mein eigen ist. Gut denn, nun zeigt es sich, daß ihr mich braucht. Da habt ihrS; ihr kommt zu mir und ihr sprecht: "Shylock, wir wünschten Gelder." So sprecht ihr, Der mir den Auswurf auf den Bart geleert, Und mich getreten, wie ihr von der Schwelle Den fremden Hund stoßt; Geld ist en’r Begehren. Wie sollt' ich sprechen nun? Sollt' ich nicht sprechen "Hat ein Hund Geld? Ists möglich, daß ein Spitz "Dreitausend Dukaten leihn kann?" oder soll ich Mich bücken, und in eines Schuldners Ton, Demüthig wispernd, mit verhaltnem Odem, So sprechen: "Schöner Herr, am letzten Mittwoch "Spiet ihr mich an; ihr tratet mich den Tag; "Ein andermal hießt ihr mich einen Hund:. "Für diese Höflichkeiten will ich euch -»Die und die Gelder leibn.,

21

22

Der Kaufmann von Venedig Antonio.

Ich könnte leichtlich wieder so dich nennen, Dich wieder anspein, ja mit Füßen treten. Willst du dieß Geld'uns leihen, leih es nicht Als deinen Freunden; (denn wann nahm die gmmbfcfcaft Dom Freund Ertrag für unfruchtbar Metall?) Nein, leih es lieber deinem Feind: du kannst, Wenn er versäumt, mit tiefster Stirn eintreiben, Was dir verfallen ist. S h 2 l o ck. Nun seht mir, wie ihr stürmt! Ich toottt’ euch Liebes thun, Freund mit euch seyn, Die Schmach vergessen die ihr mir gethan, Das NLth'ge schaffen, und keinen Heller Zins Für meine Gelder nehmen; und ihr hört nicht. Mein Antrag ist doch liebreich. Antonio. Ja, das ist er. Shslock. Und diese Liebe will ich euch erweisen. Geht mit mir zum Notarius, da zeichnet Mir eure Schuldverschreibung; und zum Spaß. Wenn ihr mir nicht auf den bestimmten Tag. An dem bestimmten Ort, die und die Summe, Wie der Vertrag nun lautet, wiederzahlt: Laßt uns ein volles Pfund von eurem Fleisch Zur Buße setzen, das ich schneiden dürfe Aus welchem Theil von eurem Leib' ich will. Antonio. Es sei, aufs Wort! ich will den Schein so zeichnen Und sagen, daß ein Jude liebreich ist.

Erster Aufzug. Dritte Scene.

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Lassani o. Ihr joUt für mich dergleichen Schein nicht zeichnen: Ich bleibe dafür lieber in der Noth. Antonio. Ei, fürchte nichts! Ich werde nicht verfallen. Schon in zwei Monden, einen Monat früher Als die Verschreibung fällig, kommt gewiß Zehnfältig der Betrag davon mir ein. Shslock. O Vater Abraham! über diese Christen, Die eigne Härte Anderer Gedanken Argwöhnen lehrt. Ich bitt' euch, sagt mir doch: Versäumt er seinen Tag, waö hätt' ich dran, Die mir verfallne Buße einzutreiben? Ein Pfund von Menschenfleisch, von einem Menschen Genommen, ist so schätzbar, auch so nutzbar nicht, AIS Fleisch von Schöpsen, Ochsen, Ziegen. Seht, Ihm zu Gefallen biet' ich diesen Dienst: Wenn er ihn annimmt, gut; wo nicht, lebt wohl, Und, bitt' euch, kränkt mich nicht für meine Liebe. Antonio. Ja, Shylock, ich will diesen Schein dir zeichnen. Shglock. So trefft mich gleich im Hanfe des Notars, Gebt zu-dem lust'gen Schein ihm Anweisung, Ich gehe, die Dukaten einzusacken, Nach meinem Haus zu sehn, das in der Hut Von einem lockern Bnben hinterblieb, Und will im Augenblicke bei euch seyn. Antonio. So eil dich, wackrer Jude. — tShvleck ab)

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Der Kaufmann von Venedig.

Der Hebräer Wird noch ein Christ: er wendet stch zur (Süie.

Gassanio. Ich mag nicht Freundlichkeit bei tückischem Gemüthe.

Antonio. Komm nur! Hiebei kann kein Bedenken seyn, Längst vor der Zeit sind meine Schiff' herein.

lab»

Zweiter Aufzug. Erste Scene. Belmont.

Ein Zimmer in Porzia's Hause.

(Trompetenstoß. Der prinj von Marocco und sein Zug: ttcriffa und andere von ihrem Gefolge treten auf)

Marocco.

verschmähet mich um meine Farbe nicht, Die schattige Livrei der heißen Sonne, Die mich als nahen Nachbar hat gepflegt. Bringt mir den schönsten Mann, erzeugt im Norden, Wo Phöbus Glut die Zacken Eis kaum schmelzt. Und ritzen wir uns euch zu lieb die Haut, Wetz Blut am röthsten ist, meinS oder feine. Ich sag' euch, Fräulein, dieses mein Gesicht Hat Tapfre schon geschreckt; bei meiner Liebe schwör' ich, Die edlen Iungfraun meines Landes haben

poqta,

Zweiter Aufzug. Erste Scene. Es auch geliebt: ich wollte diese Farbe Nicht anders tauschen, als um euren Sinn Zu stehlen, meine holde Königin.

Porzia. Bei meiner Wahl lenkt mich ja nicht allein Die zarte Fodrung eines Mädchenauges. Auch schließt das LooS, woran mein Schicksal hängt, Mich von dem Recht des freien Wählend aus. Doch, hätte mich mein Vater nicht beengt. Mir aufgelegt durch seinen Willen, dem Zur Gattin mich zu geben, welcher mich Auf solche Art gewinnt, wie ich euch sagte: Ihr hättet gleichen Anspruch, großer Prinz, Mit jedem Freier, den ich sah bis jetzt, Auf meine Neigung.

Marocco. Habt auch dafür Dank. Drum führt mich zu den Kästchen, daß ich gleich Mein Glück versuche. Bei diesem Säbel, der Den'Sophi schlug und einen Perserprinz, Der dreimal Sultan Soliman besiegt, Die wild'sten Augen wollt' ich überblitzen, Das kühnste Herz auf Erden übertrotzen, Die Jungen reißen von der Bärin weg, Ja, wenn er brüllt nach Raub, den Löwen höhnen, Dich zu gewinnen, Fräulein! aber ach! Wenn Herkules und LichaS Würfel spielen, Wer tapfrer ist: so kann der beßre Wurf Durch Zufall kommen'aus der schwächern Hand, So unterliegt AlcideS seinem Knaben, Und so kann ich, wenn blindes Glück mich führt

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26

Der Kaufmann von Venedig.

Verfehlen, was dem minder Würd'gen wird, Und Grames sterben. Porcia. Ihr müßt eu'r Schicksal nehmen, Es überhaupt nicht wagen, oder schwören, Bevor ihr wählet, wenn ihr irrig wählt, In Zukunft nie mit irgend einer Frau Von Eh' zu sprechen: also seht euch vor. Marocco. Ich willS auch nicht, kommt, bringt mich zur Entscheidung. #or$ia. Vorher zum Tempel; nach der Mahlzeit mögt ihr Das Loos versuchen. Marocco. Gutes Glück also! Bald über alles elend oder froh.

(Me ab)

Zweite Scene. Venedig.

Eine Straße.

(Lanzelot Sobbo

kommt)

Lanzelot. Sicherlich, mein Gewissen läßt mirs zu, von die­ sem Juden meinem Herrn wegzulaufen. Der böse Feind ist mir auf der Ferse und versucht mich und sagt zu mir: „Gobbo, Lan­ zelot Gobbo, guter Lanzelot," oder „guter Gobbo," oder „guter Lanzelot Gobbo, reiß aus, lauf davon." Mein Gewissen sagt: „Nein, hüte dich, ehrlicher Lanzelot; hüte dich, ehrlicher Gobbo; lauf nicht, laß das Ausreißen bleiben.« Gut, der überaus ver­ führerische Feind heißt mich aufpacken; „Marsch!" sagt der Feind; -»fort!" sagt der Feind, „um des Himmels willen; faß dir ein

Zweiter Aufzug. Zweite Scene.

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wackres Herz," sagt der Feind, „und lauf." Gut, mein Gewissen hängt sich meinem Herzen um den Hals und sagt sehr weislich zu mir: "Mein ehrlicher Freund Lanzelot, da du eines ehrlichen Man­ nes Sohn bist" oder vielmehr eines ehrlichen Weibes Sohn; denn die Wahrheit zu sagen, mein Vater hatte einen kleinen Beigeschmack, er war etwas ansäuerlich — Gut, mein Gewissen sagt: ,,Lanzelot, weich' und wanke nicht!" „Weiche," sagt der Feind; „wanke nicht," sagt mein Gewissen. Gewissen, sage ich, dein Rath ist gut; Feind, sage ich, dein Rath ist gut; lasse ich mich durch mein Gewissen re­ gieren, so bleibe ich bei dem Juden, meinem Herrn, der, Gott sei mir gnädig! eine Art von Teufel ist. Laufe ich von dem Juden weg, so lasse ich mich durch den bösen Feind regieren, der mit Re­ spekt zu sagen der Teufel selber ist. Gewiß, der Jude ist der wahre eingefleischte Teufel, und auf mein Gewissen, mein Gewissen ist gewissermaßen ein hartherziges Gewissen, daß es mir rathen, will bei dem Juden zu bleiben. Der Feind giebt mir einen freund­ schaftlichen Rath: ich will lausen, Feind! meine Fersen stehn dir zu Gebote, ich will laufen. (Der alte (föobbo summt mit einem Korbe) (BobJbo. Musje, junger Herr, er da, sei er doch so gut: wo gehe ich wohl zu des Herrn Juden seinem Hause hin? Can^clot. (beiseit) O Himmel! mein eheleiblicher Vater, der zwar nicht pfahlblind, aber doch so ziemlich stockblind ist, und mich nicht kennt. Ich will mir einen Spaß mit ihm machen. Sobdo. Musje, junger Herr, sei er so gut, wo gehe ich zu de- Herrn Juden seinem Hause hin? Lanzelot. Schlagt euch rechter Hand an der nächsten Ecke, aber bei der allernächsten Ecke linker Hand; versteht, bei der ersten nächsten Ecke schlagt euch weder rechts noch links, sondern dreht euch schnurgerade ans nach des Juden seinem Hause herum. Gobbo. Potz Wetterchen, das wird ein schlimmer Weg zu

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Der Kaufmann von Venedig.

finden seyn. Könnt ihr mir nicht sagen, ob ein gewisser Lanzelot, der fich bei ihm aufhält, fich bei ihm aufhält oder nicht? Canjelot. Sprecht ihr vom jungen Monsieur Lanzelot? (Beiseit) Nun gebt Achtung, nun will ich loslegen. — Sprecht ihr vom jungen Monsieur Lanzelot?

Sraziano. Der Bries kam von der schönen Jessica? Lorenzo. Ich muß dirs nur vertraun; sie giebt mir an, Me ich sie aus des Vaters HauS entführe; Sie sei versehn mit Gold und mit Juwelen, Sin Pagenanzug liege schon bereit. Kommt ja der Iud', ihr Vater, in den Himmel, So ists um seiner holden Tochter willen; Und nie darf Unglück in den Weg ihr treten, Eö möchte, dann mH diesem Vorwand seyn, Daß sie von einem falschen Juden stammt. Komm, geh mit mir, und lies im Gehn dies durch; Mir trägt die schöne Iesllcä die Fackel. (Beide abi

Zweiter Aufzug

Fünfte Scene.

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Fünfte Scene. Vor Shylocks Hausse. (bhülock und

Lanzelot

kommen)

Shslock. Gut, du wirst sehn, mit deinen eignen Augen, DeS alten Shylocks Abstand von Bassanio. He, Jessica! — Du wirst nicht voll dich stopfen, Wie du Lei mir gethan — He, Jessica! — Und liegen, schnarchen, Kleider nur zerreißen — He, sag' ich, Jessica!

Larijelot. He, Jessica!

Shglock. Wer heißt dich schrein? Ich Habs dir nicht geheißen. Lanzelot. Euer Edlen Pflegten immer zu sagen, ich könnte nichts ungeheißen thun.

(Jessica

kommt)

Jessica. Rust ihr? WaS ist euch zu Befehl?

Shglock. Ich bin -zum Abendessen auSgebeten, Da hast du meine Schlüssel, Jessica. Zwar weiß ich nicht, warum ich geh': sie bitten Mich nicht and Liebe, nein, sie schmeicheln mir; Doch will ich gehn aus Haß, auf den Verschwender Von Christen zehren. — Jessica, mein Kind, Acht' auf mein Haus! — Ich geh' recht wider Willen, Es braut ein Unglück gegen meine Ruk Denn diese Nacht träumt' ich von Säcken Geldes.

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Der Kaufmann von Venedig.

Lanze tot. Ich bitte euch, Herr, geht; mein junger Herr er* wartet eure Zukunft. Sh Klock.

Ich feine auch.

Lanzelot. Und sie haben sich verschworen — Ich sage nicht, daß ihr eine Maskerade sehen sollt; aber wenn ihr eine seht, f* war es nicht umsonst, daß meine Nase au zu bluten fing, auf den letzten Ostermontag des Morgens um sechs Uhr, der das Jahr auf den Tag fiel, wo vier Jahre vorher Nachmittags Aschermitt* woch war. Sh 8 lock.

Was? giebt eS Masken? Jessica, hör an: Verschließ die Thür, und wenn du Trommeln hörst, Und daS GequLk der quergehalsten Pfeife, So klettre mir nicht an den Fenstern auf, Steck nicht den Kops hinaus in* offne Straße, Nach Christennarren mit bemaltem Antlitz Zu gaffen, stopse meines Hauses Ohren, Die Fenster, mein' ich, zu, und laß den Schall Der albern Geckerei nicht dringen in Mein ehrbar Haus. — Bei Jakobs Stabe schwör' ich, Ich habe keine Lust zu Nacht zu schmausen, Doch will ich gehn. — Du, Bursch, geh mir voran, Sag, daß ich komme. Lanzelot. Herr, ich will vorangehn. Guckt nur am Fenster, Fräulein, trotz.dem allen: Denn vorbeigehn wird ein Christ, Werth daß ihn 'ne Jüdin küßt. ShKlock. Was sagt der Narr hon HagarS Stamme? he?

(«b>

Zweiter Aufzug

Fünfte Scene.

Jessica. Sein Wort war: Fräulein, lebet wohl; sonst nichts. Shglock. Der Lass' ist gut genug, jedoch ein Fresser, Me Schnecke zum Gewinn, und schläft bei Tag Mehr als das Murmelthier; in meinem Stock Baun keine Hummeln: drum laß ich ihn gehn, Und laß ihn gehn zu einem, dem er möge Den aufgeborgten Beutel leeren helfen. Gut, Jessica, geh nun ins Haus hinein, Vielleicht komm' ich im Augenblicke wieder. Thu, was ich dir gesagt, schließ hinter dir Die Thüren: fest gebunden, fest gesunden, Das denkt ein guter Wirth zu allen Stunden. 'Jessica. Lebt wohl, und denkt das Glück nach meinem Sinn, Ist mir ein Vater, euch ein Kind dahin.

Sechste Scene. Ebendaselbst. (Graziana und Salarino kommen ma-kirr) Erajiano. Dieß ist das Vordach, unter dem Loreuzo Uns Halt zu machen bat. Salarino. Die Stund' ist fast vorbei. Eraziano. Und Wunder ist es, daß er sie versäumt: Verliebte laufen stets der Uhr voraus.

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Der flauste Doch gut, ihr thatet das aus Menschenliebe. ShLlock. Ich kanns nicht finden, 'S ist nicht in dem Schein.

por^io. Kommt, Kaufmann, habt ihr irgend was zu sagen Antonio. Nur wenig, ich bin fertig und gerüstet. Gebt mir die Hand, Bassaniö, lebet wohl! ES kränk' euch nicht, daß dieß für euch mich trifft, Denn hierin zeigt das Glück sich -gütiger Als feine Weif' ist; immer läßt es sonst Elende ihren Reichthum überleben, Mit hohlem Aug' und salt'ger Stirn ein Alter Der Armuth anzusehn; von solcher Schmach Langwier'ger Buße nimmt es mich hinweg. Empfehlt mich eurem edlen Weib, erzählt ihr Den Hergang von Antonio's Ende, sagt, Wie ich euch liebte, rühmt im Tode mich; Und wenn ihrS auserzählt,' heißt sie entscheiden, Ob nicht Bassaniö einst geliebt ist worden. Bereut nicht, daß ihr einen Freund verliert, Und er bereut nicht, daß er für euch zahlt: Denn schneidet nur der Jude tief genug, So zahl' ich gleich die Schuld von ganzem Herzen.

Vierter Aufzug. Erste Scene Sassanio. Antonio, ich hab' ein Weib zur Ehe, Die mir so lieb ist als mein Leben selbst: Doch Leben selbst, mein Weib und alle Welt, Gilt höher als dein Leben nich't bei mir. Ich gäbe alles hin, ja opfert' alles Dem Teufel da, um dich nur zu befrein. Horzia. Das müßt’ eu'r Weib gewiß euch wenig Dank, Wär' sie dabei und hört' eu'r Anerbieten. Grajiano. Ich hab' ein Weib, die ich auf Ehre liebe: Doch wünscht' ich sie im Himmel, könnte sie Dort eine Macht erflehn, des hünd'fchen Juden Gemüth zu ändern. Nerisfa. Gut, daß ihrs hinter ihrem Rücken thut, Sonst störte wohl der Wunsch des Hauses Frieden. L> h x> l o"dt. (betfett) So sind die Christenmänner: ich hab 'ne Tochter, Wär' irgend wer vom Stamm des BarrabaS Ihr Mann geworden, lieber als ein Christ! — Die Zeit geht hin; ich bitt' euch, kommt zum Spruck.

Porcia. Ein Pfund von dieses Kaufmanns. Fleisch ist dein. Der Hof erkennt es, und das Recht ertheilt eS. ß!) fi 10 dt. (Me Wage erhebend) O höchst gerechter Richter! — Na, ein Spruch! Kommt, macht euch fertig.

Porcia. Wart noch ein wenig: eins ist noch zu merken

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Der Kaufmann von Venedig.

Der Schein hier giebt dir nicht ein Tröpfchen-Blut, Die Worte sind ausdrücklich, ein Pfund Fleisch. Nimm denn den Schein, und nimm du betn Pfund Fleisch Allein vergießest du, indem du'ö abschneidst, Nur einen Tropfen Christenblut, so fällt Dein Hab' und Gut, nach dem Gesetz Venedigs, Dem Staat Venedigs heim. Sraziano. Gerechter Richter! — merk, Iud'! — o weiser Richter! ShAlock. Ist das Gesetz? porzia. Du sollst die Akte sehn. Denn, weil du dringst aus Recht, so sei gewiß, Recht soll dir werden, mehr als du begehrst. Graziano. O weiser Richter! — merk, Iud'! ein weiser Richter.

Shglock. Ich nehme daS Erbieten denn: zahlt dreifach Mir meinen Schein, und laßt den Christen gehn.

Safsarrro. Hier ist das Geld. por;ia. Halt! Dem Juden alles Recht, — still! keine Eil! Er soll die Buße haben, weiter nichts. Grajiano. O Iud'! ein weiser, ein gerechter Richter! por;ia. .Darum bereite dich, das Fleisch zu schneiden. Vergieß kein Blut, schneid' auch nicht mehr noch minder

Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Als grad' ein Pfund; ists minder oder mehr Als ein genaues Pfund, fei'S nur so viel, ES leichter oder schwerer au Gewicht Zu machen, um ein armes Zwauzigsttheil Von einem Skrupel, ja, wenn sich die Wagschal' Nur um die Breite eines Haares neigt, So stirbst du, und dein Gut verfällt dem Staat. Vrajiano. Ein zweiter Daniel, ein Daniel, Jude! Ungläubiger, ich hab' dich bei der Hüfte. Horjia. Was hält den Juden auf? Nimm deine Buße.

Shgiock. Gebt mir mein Kapital, und laßt mich gehn. Sassanio. Ich hab' eS schon für dich bereit: hier ist9. Hor;ia. Er hatS vor offenem Gericht geweigert, Sein Recht nur soll er haben, und den Schein. Vrajiano. Ich sag', ein Daniel, ein zweiter Daniel! Dank, Jude, daß du mich das Wort gelehrt. Sh stock. . Soll ich nicht haben bloß mein Kapital? porjia. Du sollst nichts haben als die Buße, Jude, Die du auf eigene Gefahr magst nehmen. Shslock. So lass' es ihm der Teufel wohl bekommen! Ich will nicht länger Rede stehn.

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Der Kaufmann von Venedig.

Porcia. Wart', Jude. DaS Recht hat andern Anspruch noch an dich. ES wird verfügt in dem Gesetz Venedigs, Wenn man eS einem Fremdling dargethan. Daß er. durch Umweg, oder grade zu Dem Leben eines Bürgers nachgestellt, Soll die Partei, auf die sein Anschlag geht, Die Hälfte seiner Güter an sich ziehn, Die andre Hälfte fällt dem Schatz anheim, Und an des Dogen Gnade hängt das Leben Des Schuld'gen einzig, gegen alle Stimmen. In der Benennung, sag' ich, stehst du nun, Denn eS erhellt aus offenbarem Hergang, Daß du durch Umweg und auch grade zu Recht eigentlich gestanden dem Beklagten Nach Leib und Leben: und so trifft dich denn Die Androhung, die ich zuvor erwähnt. Drum nieder, bitt' um Gnade bei dem Doge! Sra; iano.

Bitt' um Erlaubniß, selber dich zu hängen: Und doch, da all dein Gut dem Staat verfällt, Behältst du nicht den W.erth von einem Strick; Man muß dich hängen auf des Staates Kosten.

Doge. Damit du siehst, welch andrer Geist uns lenkt, So schenk' ich dir dein Leben, eh du bittest. Dein halbes Gut gehört Antonio, Die andre Hälfte fällt dem-Staat anheim, WaS Demuth mildern kann zu einer Buße.

Vierter Auszug. Ersiie Scene.

Porjia. Ja für den Staat, nicht für Antonio.

Shglock. Nein, nehmt mein Leben auch, schenkt mir das nicht! Ihr nehmt mein HauS, wenn ihr die Stütze nehmt, Worauf mein Haus beruht; ihr nehmt mein Leben, Wenn ihr die Mittel nehmt, wodurch ich lebe.

Porcia Was könnt ihr für ihn thun, AntonioGra^iano. Ein Stkick umsonst! nichts mehr, um Gottes willen! Antonio. Beliebt mein gnäd'ger Herr und das Gericht Die Buße feines halben Guts zu schenken, So bin ich es zufrieden, wenn er mir Die andre Hälfte zum Gebrauche läßt, Nach seinem Tod dem Mann sie zu erstatten, Der kürzlich seine Tochter stahl. Noch zweierlei beding' ich: daß er gleich Für diese Gunst das Christenthum bekenne, Zum andern, stell' er eine Schenkung aus Hier vor Gericht, von allem was er nachläßt An seinen Schwiegersohn und seine Tochter.Ooge. Das soll er thun, ich widerrufe sonst Die Gnade, die ich eben hier ertheilt.

Porcia. Bist du'S zufrieden, Jude? nun, was sagst d«?

Shglock. Ich binS zufrieden.

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Der Kaufmann von Venedig.

Porcia. Ihr, Schreiber» setzt die SchenkungSakte auf. ShAlock. Ich bitt’, erlaubt mir, weg von hier zu gehn: Ich bin nicht wohl, schickt mir die Akte nach, Und ich will zeichnen. Doge. Geh denn, aber thu'S.

Grasland. Du wirst zwei Pathen bei der Taufe haben: Wär' ich dein Richter, kriegtest du zehn mehr, Zum Galgen, nicht zum Taufstein, dich zu bringen. (Shylock ab)

Doge. Ich lad' euch, Herr, zur Mahlzeit bei mir ein.

Hor;ia. Ich bitt' Eu'r Hoheit um Entschuldigung. Ich muß vor Abends fort nach Padua, Und bin genöthigt, gleich mich aufzumachen.

Doge. ES thut mir leid, daß ihr Verhindrung habt. Antonio, zeigt euch dankbar diesem Mann: Ihr seid ihm sehr verpflichtet, wie mich dünkt. (Doge, Senatoren und Gefolge ab-

Sassanio. Mein würd'ger Herr, ich und mein Freund, wir sind Durch eure Weisheit heute losgesprochen Von schweren Bußen; für den Dienst erwiedern Wir mit der Schuld des Juden, den dreitausend Dukaten, willig die gewogne Müh.

Vierter Aufzug. Erste Scene

Antonio. tinb bleiben eure Schuldner überdreh An Liebe und an Diensten immerfort.

Hor;ia. Wer wohl zufrieden ist, ist wohl bezahlt, Ich bin zufrieden, da ich euch befreit, Und halte dadurch mich für wohl bezahlt: Lohnsüchtiger war niemals mein Gemüth. Ich bitt' euch, kennt mich, wenn wir 'mal uns treffen, Ich wünsch' euch Gutes, und so nehm' ich Abschied.

Bassanio. Ich muß noch in euch dringen, bester Herr. Nehmt doch ein Angedenken, nicht als Lohn, Nur als Tribut; gewährt mir zweierlei, -Mirs nicht zu weigern, und mir zu verzeihn. Hoijia.

Ihr dringt sehr in mich: gut, ich gebe nach, Gebt eure Handschuh mir, ich will sie tragen, Und, euch zu lieb, nehm' ich den Ring von euch. Zieht nicht die Hand zurück, ich will nichts weiter, Und weigern dürft ihrö nicht, wenn ihr mich liebt.

Bassanio. Der Ring — ach, Herr! ist eine Kleinigkeit, Ihn euch zu geben, müßt' ich mich ja schämen.

Horzia. Ich will nichts weiter haben als den Ring, Und, wie mich dünkt, hab' ich nun Lust dazu.

Sassanio. ES hängt an diesem Ring mehr als sein Werth; Den theu'rsten in Venedig geb' ich euch, v. 7

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Der Kaufmann von Venedig.

Üttb find' ihn aus durch öffentlichen Ausruf. Für diesen, bitt' ich nur, entschuldigt mich.

Porcia. Ich seh', ihr seid freigebig im Erbieten; Ihr lehrtet erst mich bitten, und nun scheint es Ihr lehrt mich, wie man Bettlern Antwort giebt.

13 afsanio. Den Ring gab meine Frau mir, bester Herr, Sie steckte mir ihn an, und hieß mich schwören, Ich woll' ihn nie verlieren noch vergeben.

Porcia. Mit solchen Worten spart man seine Gaben. Ist eure Frau nicht gar ein thöricht Weib, Und weiß, wie gut ich diesen Ring verdient, So wird sie nicht auf immer Feindschaft halten, Weil ihr ihn weggabt. Gut, gehabt euch wohl. (Porzia und Nerissa ab)

Antonio. Laßt ihn den Ring doch haben, Don Baffanio, Laßt sein Verdienst zugleich mit meiner Liebe Euch gelten gegen eurer Frau Gebot.

Sassanio. Geh, Graziano, lauf und hol' ihn ein, Gieb ihm den Ring, und bring' ihn, wenn du kannst, Zu des Antonio Hauö. Fort! eile dich! (Oraziano ab; Kommt, ihr und ich, wir wollen gleich dahin, Und. früh am Morgen wollen wir dann beide Nach Belmont fliegen. Kommt, Antonio!

Vierter Auszuq

Zweite Scene.

Zweite Scene. Eine Straße.

(por$ta

Hcriffa porzia.

und

kommen)

Erfrag des Juden Haus, gieb ihm die Me, Und laß ihn zeichnen. Wir wollen fort zu Nacht, Und einen Tag vor unsern Männern noch Zn Hause seyn. Die Me wird Lorenzo'n Gar sehr willkommen seyn. (Srajiarw kommt) Grajiano. Schön, daß ich euch noch treffe, werther Herr, Hier schickt euch Don Bastanio, da er bester ES überlegt, den Ring, und bittet euch Mittags bei ihm zu speisen. P or;ia. Das kann nicht seyn; Den Ring nehm' ich mit allem Danke an, Und bitt' euch, sagt ihm das; seid auch so gut, Den jungen Mann nach ShylockS Haus zu weisen.

(ßrajtano. DaS will ich thun. Nerissa. (zu Porzia) Herr, noch ein Wort mit euch. — (Heimlich) Ich will doch sehn, von meinem Mann den Ring Zu kriegen, den ich, immer zu bewahren Ihn schwören ließ. porjia. Ich steh' dafür, du kannst eS. Da wirds an hoch und theuer Schwören gehn,

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Der Kaufmann von Venedig

Daß sie die Ring' au Männer weggegeben: Wir läugnenS keck mtb überschwören sie. Fort! eile dich! du weißt ja, wo ich warte.

Nerissa. Kommt, lieber Herr! wollt ihr sein HauS mir zeigen?

Fünfter Aufzug. Erste Scene. Belmont.

Freier Platz vor Porzia'S Hause. (Corcnjö und Jessica treten auf)

Lorenzo. Der Mond scheint hell: in solcher Nacht wie diese, Da linde Luft die Bäume schmeichelnd küßte, Und sie nicht rauschen ließ, in solcher Nacht Erstieg wohl TroiluS die Mauern Troja'S Und seufzte seine Seele zu den Zelten Der Griechen hin, wo seine Cressida Die Nacht im Schlummer lag. Jessica. In solcher Nacht Schlüpft' Überm Thaue ThiSbe furchtsam hin, Und sah deS Löwen Schatten eh als ihn, Und lies erschrocken weg.

(ab)

Fünfter Aufzug. Erste Scene.

Lirenzo. In solcher Nacht Stand Dido,- eine Weid' in ihrer Hand, Am wilden Strand, und winkte ihrem Liebsten Zur Rückkehr nach Karthago. Jessica. In solcher 9tn*r, LaS einst Medea jene Zauberkräuter, Den Neson zu verjüngen. Lorenzo. In solcher Nacht Stahl Iesstca sich von dem reichen Juden, Und lief mit einem ausgelaßnen Liebsten Bis Belmont von Venedig. Jessica. In solcher Nacht Schwor ihr Lorenzo, jung und zärtlich, Liebe. Und stahl ihr Herz mit manchem Treugelübd', Wovon nicht eines ächt war. Corenf o.

In solcher Nacht Berlänmdete die art'ge Jessica, Wie eine kleine Schelmin, ihren Liebsten, Und er vergab t9 ihr. Jessica. Ich wollt' euch übernachten, käme niemand, Doch horcht, ich hör' den Fußtritt eines Manns. (Ein

Bedienter kommt)

Lorenzo. Wer föutmt so eilig in der Pillen Nackt?

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Der Kaufmann von Venedig. Gedienter.

Ein Freund. Lorenzo. Ein Freund? was für ein Freund? Eu'r Name, Freund. Gedienter. Mein Nam' ist Stephano, und ich föll melden, Daß meine gnäd'ge Frau vor Tages Anbruch Wird hier in Belmont seyn; sie streift umher Bei heil'gen Kreuzen, wo sie kniet und betetUm frohen Ehestand. Loren^o. Wer kommt mit ihr? Gedienter. Ein heil'ger Klausner und ihr Mädchen bloß. Doch sagt mir, ist mein Herr noch nicht zurück? Lorenzo. Nein, und wir haben nichts von ihm gehört. Doch, liebe Jessica, gehn wir hinein, Laßt uns auf einen feierlichen Willkomm Für die Gebieterin des Hauses denken. (Lanjelot kommt) Lanzelot. Holla, holla! he! heda! holla! holla! Loren jo. Wer ruft? Lanzelot. Holla! habt ihr Herrn Lorenzo und Frau 2o» renzo gesehn? Holla! holla! Loren zo. Laß dein Holla-.rnfen, Kerl! hier! Lanzelot. Holla! wo? wo? Lorenzo. Hier! Lanzelot. Sagt ihm, daß ein Postillon von meinem Herrn gekommen ist, der sein Horn voll guter Neuigkeiten hat: mein Herr wird vor Morgens hier seyn. (Lanzelot oT)

Münster Aufzuq. Erste Scene.

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Lorenzo. Komm, süßes Herz, erwarten wir sie drinnen. Und doch, es macht nichts aus: wozu hineingehn? Freund Stephano, ich bitt' euch, meldet gleich Im HauS die Ankunft eurer gnäd'gen Frau, Und bringt die Musikanten her ins Freie. (Stephano ab) Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft! Hier sitzen wir, und lassen die Musik Zum Ohre schlüpfen; sanfte Still' und Nacht, Sie werden Tasten süßer Harmonie. Komm, Jessica! Sieh, wie die Himmelsflur Ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes! Auch nicht der kleinste Kreiß, den du da siehst, Der nicht im Schwünge wie ein Engel singt, Zum Chor der hellgeangten Cherubim. So voller Harmonie sind ew'ge Geister, Nur wir, weil dieß hinfäll'ge Kleid von Staub Ihn grob umhüllt, wir können sie nicht hören. (Mustkanten kommen)

He! kommt und weckt Dianen auf mit Hymnen, Rührt eurer Herrin Ohr mit zartem Spiel, Zieht mit Musik sie heim. Jessica.

Nie macht die liebliche Musik mich lustig. Lorenzo. Der Grund ist, eure Geister sind gespannt. Bemerkt nur eine wilde flücht'ge Heerde, Der ungezähmten jungen Füllen Schaar; Sie machen Sprünge, blöken, wiehern laut, Wie ibreS Blutes heiße Art sie treibt: Doch schallt nur die Trompete oder triff*-

(Mustk,

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Der Kaufmann von Venedig.

Sonst eine Weise der Musik ihr Ohr, So seht ihr, wie sie mit einander stehn, Ihr wildes Auge schaut mit Sittsarnkeit, Durch süße Macht der Töne. Drum lehrt der Dichter, Gelenkt hab' Orpheus Bäume, Felsen, Fluten, Weil nichts so stöckisch, hart und voll von Wuth, Das nicht Musik auf eine Zeit verwandelt. Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst, Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, Taugt zu Verrath, zur Räuberei und Tücken; Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht, Sein Trachten düster wie der ErebuS. Trau keinem solchen! — Horch auf die Musik!

(por^ta und tteriffa in der por;ia.

Entfernung)

DaS Licht, das wir da sehen, brennt im Saal: Wie weit die kleine Kerze Schimmer wirst! So scheint die gute That in arger Welt.

ttmffa. Da der Mond schien, sahn wir die Kerze nicht.

ponia. So löscht der größ're Glanz den kleinern aus. Ein Stellvertreter strahlet wie ein König, Bis ihm ein König naht; und dann ergießt Sein Prunk sich, wie vom innern Land ein Bach Ins große Bett der Wasser. Horch, Musik!

Uerissa. Es sind die Musikanten eures Hauses. porzia.

Ich sehe, nichts ist ohne Rücksicht gut: Mich dünkt sie klingt viel schöner als bei Taa.

Fünfter Auszug. Grfte Scene.

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Nerissa. Die Stille giebt den Reiz ihr, gnäd'ge Frau. porzia. Die Krähe fingt so lieblich wie die Lerche, Wenn man aus keine lauschet; und mir däucht, Die Nachtigall, wenn sie bei Tage sänge, Wo alle Gänse schnattern, hielt' man sie Für keinen bessern Spielmann als den Spatz. Wie manches wird durch seine Zeit gezeitigt Zu ächtem Preis und zur Vollkommenheit! — Still! Luna schläft jetzt beim Endymion, Und will nicht aufgeweckt seyn. (Die Musik hört nuO Torenjo.

Wenn nicht alles Mich trügt, ist das die Stimme Porzia's. Porcia.

Er kennt mich, wie der blinde Mann den Kuckuck. An meiner schlechten Stimme. Lorenzo. Gnäd'ge Frau, willkommen! Hor;ia. Wir beteten für unsrer Männer Wohlfahrt, Und hoffen, unsre Worte fördern sie. Sind sie zurück? Lorenzo. Bis jetzt nicht, gnäd'ge Frau. Allein ein Bote ist vorausgekommen, Sie anzumelden Porcia. Geh hinein, Nerissa, Sag meinen Leuten, daß sie qar nicht thun.

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Der Kaufmann von Venedig.

Als wären wir vom Haus' entfernt gewesen; — Auch ihr, Lorenzo; Jessica, auch ihr. (Trompetenstoß)

Coren|0. Da kommt schon eu’r Gemahl, ich höre blasen: Wir sind nicht Plaudertaschen, fürchtet nichts.

Horzia. Mich dünkt, die Nacht ist nur ein krankes TagSlicht, Sie steht ein wenig bleicher; "’ö ist ein Tag, Wie's Tag ist, wenn die Sonne sich verbirgt. (Safjanio, Antonio, Vraziano treten auf mit ihrem Gefolge)

Sassanio. Wir hielten mit den Antipoden Tag, Erschient ihr, während sich die Sonn' entfernt.

Porcia. Wenn mein Betragen nur das Licht nicht scheut, So mag mein Fußtritt wohl im Dunkeln wandeln. Ihr seid zu Haus willkommen, mein Gemahl.

Sassanio. Ich bans’ euch; heißt willkommen meinen Freund. Dieß ist der Mann, dieß ist Antonio, Dem ich so grenzenlos verpflichtet bin.

Horjia. Ihr müßt in allem ihm verpflichtet seyn, Ich hör’, er hat sich sehr für euch verpflichtet.

Antonio. Zu mehr nicht, als ich glücklich bin gelöst.

por)i°. Herr, ihr seid unserm Hause sehr willkommen, ES muß sich anders zeigen als in Reden, Drum kürz’ ich diese Wortbegrüßnng ab. (Graziano und Neriffa haben sich unterdessen besonders unterredet)

Fünfter Aufzug.

Erste Scene.

Grajiano. Ich schwör'S bei jenem Mond, ihr thut mir Unrecht: Fürwahr, ich gab ihn an des Richters Schreiber. Wär' er verschnitten, dem ich ihn geschenkt, Weil ihr euch, Liebste, so darüber kränkt. Porcia. Wie? schon ein Zank? worüber kam es her? Vraziano. Um einen Goldreif, einen dürft'gen Ring, Den sie mir gab; der Denkspruch war daran An alle Welt, wie Vers' aus einer Klinge Vom Messerschmidt: „Liebt mich und laßt mich nicht." Nerissa. WaS redet ihr vom Denkspruch und dem Werth? Ihr schwurt mir, da ich ihn euch gab, ihr wolltet Ihn tragen bis zu eurer Todesstunde. Er sollte selbst int Sarge mit euch ruhn. Ihr mußtet ihn, um eurer Eide willen, Wo nicht um mich, verehren und bewahren. Des Richters Schreiber! — O ich weiß, der Schreiber, Der ihn bekam, trägt niemals Haar am Kinn. Vra;iano. Doch, wenn er lebt, bis er zum Mann erwächst. Nerissa. Ja, wenn ein Weib zum Manne je erwächst. Grajiano. Auf Ehr', ich gab ihn einem jungen Menschen, 'Ner Art von Buben, einem kleinen Knirps, Nicht höher als du selbst, des Richters Schreiber. Der Plauderbub' erbat den Ring zum Lohn, Ich konnt' ihm das um Alles nicht versagen.

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Der Kaufmann von Venedig. por^ia.

Ihr wart zu tadeln, offen sag' ichs euch, Euch von der ersten Gabe eurer Frau So unbedacht zu trennen; einer Sache, Mit Eiden angesteckt an euren Finger, Und so mit Treu' an euren Leib geschmiedet. Ich schenkte meinem Liebsten einen Ring, Und hieß ihn schwören, nie ihn wegzugeben; Hier steht er, und ich darf für ihn betheuern, Er ließ' ihn nicht, er riss' ihn nicht vom Finger Für alle Schätze, so die Welt besitzt. Ihr gabt fürwahr, Graziano, eurer Frau Zu lieblos eine Urfach zum Verdruß; Geschah' es mir, eS machte mich verrückt. Sassanio. (beiseit) Ich möchte mir die linke Hand nur abhaun, Und schwören, ich verlor den Ring tut Kampf. Grajiano.

Bafsanio schenkte seinen Ring dem Richter, Der darum bat, und in der That ihn auch Verdiente; dann erbat der Bursch, sein Schreiber, Der Müh vom Schreiben hatte, meinen sich, Und weder Herr noch Diener wöllten was Als die zwei Ringe nehmen. porjia. Welch einen Ring gabt ihr ihm, mein Gemahl? Nicht den, hoff' ich, den ihr von mir empfingt. Sassanio. Könnt' ich zum Fehler eine Lüge fügen, So würd' ichs läugnen: doch ihr seht, mein Finger Hat nicht den Ring mehr an sich, er ist sott.

Fünfter Aufzug. Erste Scene.

Porzia. Gleich leer an Treu' ist euer falsches Herz. Beim Himmel, nie komm' ich in euer Bell, Bis ich den Ring gesehn. Nerissa. Noch ich in eures, Bis ich erst meinen sehe. Sassanio. Holde Porzia! Wär' euch bewußt, wem ich ihn gab, den Ring, Wär' euch bewußt, für wen ich gab den Ring, Und säht ihr ein, wosür ich gab den Ring, Da nichts genommen wurde als der Ring, Ihr würdet eures Unmuths Härte mildern. porzia. Und hättet ihr gekannt die Kraft des Rings, Halb deren Werth nur, die euch gab den Ring, Und eure Ehre, hangend an dem Ring, Ihr hättet so nicht weggeschenkt den Ring. Wo wär' ein Mann so unvernünftig wohl, Hätt' eS euch nur beliebt, mit ein'ger Wärme Ihn zu vertheid'gen, daß er ohne Scheu Ein Ding begehrte, das man heilig hält? Nerissa lehrt mir, was ich glauben soll: Ich sterbe drauf, ein Weib bekam den Ring. Sassanio. Bei meiner Ehre, nein! bei meiner Seele, Kein Weib bekam ihn, sondern einem Doktor Der Rechte gab ich ihn, der mir dreitausend Dukaten ausschlug, und den Ring erbat, Ich weigert'- ihm, ließ ihn verdrießlich gehn,

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Jött Kaufmann von Venedig.

Den Mann, der meines theuern Freundes Leben Aufrecht erhielt. Was soll ich sagen, Howe? Ich war genöthigt, ihn ihm nachzuschicken, Gefälligkeit und Scham bedrängten mich. Und meine Ehre litt nicht, daß sie Undank So sehr befleckte. Drum verzeiht mir, Beste, Denn, glaubt mir, bei den heil'gen Lichtern dort, Ihr hättet, wärt ihr da gewesen, selbst Den Ring erbeten für den würd'gen Doktor. Por,ia. Daß' nur der Doktor nie mein Haus betritt. Denn weil er das Juwel hat, das ich liebte, Das ihr meintwillen zu bewahren schwurt, So will ich auch freigebig seyn wie ihr; Ich will ihm nichts versagen, was ich habe, Nicht meinen Leib, noch meines Gatten Bett; Denn kennen will ich ihn, das weiß ich sicher. Schlaft keine Nacht vom Haus! wacht wie ein Argus! Wenn ihrS nicht thut, wenn ihr allein mich laßt: Bei meiner Ehre, die mein eigen noch!Den Doktor nehm' ich mir zum Bettgenoffen.

Uerissa. Und ich den Schreiber: darum seht euch vor, Wie ihr mich laßt in meiner eignen Hut.

Gra;iano. Gut! timt das nur, doch laßt ihn nicht ertappen. Ich möchte sonst des Schreibers Feder kappen Antonio. Ich bin der Unglücksgrund von diesem Zwist.

Porcia. Es tränt1 euch nicht; willkommen seid ihr dennoch.

Bimstet Aufzug. Erste Scene Lassanio. Vergebt mir, Porzia, mein gezwungnes Unrecht Und vor den Ohren aller dieser Freunde, Schwör' ich dir, ja, bei deinen holden Augen. Worin ich selbst mich sehe —

pov\ia. Gebt doch Slcttl In meinen Augen sieht er selbst sich doppelt. In jedem Aug' einmal, — beruft euch nur Auf euer doppelt Selbst, das ist ein Eid, Der Glauben einflößt. '

Sassanio. Hört mich doch nur mt! Verzeiht dieß, und bei meiner Seele schwör' ich, Ich breche nie dir wieder einen Eid. Antonis. Ich lieh einst meinen Leib hin für sein Gut; Ohn' ihn, der eures Gatten Ring bekam, War er dahin; ich darf mich noch verpflichten, Zum Pfande meine Seele, eu'r Gemahl Wird nie mit Vorsatz mehr die Treue brechen.

porzia. So seid denn ihr sein Bürge: gebt ihm den, Und heißt ihn bester hüten als den andern.

Antonio. Hier, Don Bassanio, schwör! den Ring zu hüten.

Sassanio Beim Himmel! eben den gab ich dem Doktor.

porzia. Ich hab' ihn auch von ihm: verzeiht, Baffanio, Für diesen Ring gewann der Doktor mich.

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Der Kaufmann von Venedig

Nerissa. Und ihr, verzeiht, mein artiger Graziano, Denn jener kleine Bursch, des Doktors Schretber, War, um den Preis hier, letzte Nacht Lei mir. Graziano. Nun, das steht aus wie Wegebesserung Im Sommer, wenn die Straßen gut genug. WaS? sind wir Hahnrei', eh wirs noch verdientporzia. Sprecht nicht so gröblich. — Ihr seid attr erstaunt; Hier ist ein Bries, les't ihn bei Muße durch, Er kommt von Padua, vom Bellario: Da könnt ihr -finden, Porzia war der Doktor, Neriffa dort ihr Schreiber; hier Lorenzo Kann zeugen, daß ich gleich nach euch gereist, Und eben erst zurück bin: ich betrat Mein HauS noch nicht. — Antonio, seid willkomme Ich habe beflre Zeitung noch im Vorrath Als ihr erwartet. Diesen Brief erbrecht, Ihr werdet sehn, drei eurer Galeonen Sind reich beladen plötzlich eingelaufen; Ich sag' euch nicht, was für ein eigner Zufall Den Brief mir zugespielt bat.

Antonio. Ich verstumme. Sassanio. Wart ihr der Doktor, und ich kannt' euch nicht Wart ihr der Schreiber,

Graziano. mich krönen soll?

Fünfter Auszug. Erste Scene.

TCctif sa. Ja, doch der Schreiber, der es niemals thun will, Wenn er nicht lebt, bis er zum Mann erwächst.

Sassanio. Ihr müßt mein Bettgenoß seyn, schönster Doktor, Wenn ich nicht da bin, liegt bei meiner Frau.

Antonio. Ihr gabt mir Leben, Theure, und zu leben: Hier les' ich für gewiß, daß meine Schiffe Im Hafen sicher sind.

Horzia. Wie stehts, Lorenzo? Mein Schreiber hat auch guten Trost für euch.

Uerissa. Ja, und er soll ihn ohne Sporteln haben. Hier übergeb' ich euch und Jessica Vom reichen Juden eine SchenkungSakte Auf seinen Tod, von Allem waS er nachläßt. Corcnfo.

Ihr schönen Frau'n streut Manna Hungrigen In ihren Weg.

Horjia. Und Den Und Wir

ES ist beinahe Morgen, doch, ich weiß gewiß, seht ihr noch nicht Hergang völlig ein. — Laßt uns hineingeyn. da vernehmt, auf Frag-Artikel uns, wollen euch auf alles wahrhaft dienen.

Graziano. Ja, thun wir das; der erste Frag - Artikel, Worauf Neriffa schwören muß, ist der:

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Der Kaufmann von Venedig.

Ob sie bis morgen lieber warten mag, Ob schlafen gehn, zwei Stunden nur vor Tag? Doch käm' der Tag, ich wünscht' ihn seiner Wege, Damit ich bei des Doktors Schreiber läge. Gut! lebenslang hüt' ich kein ander Ding Mit solchen Aengsten als Neriffa's Ring. mit ab)

Wie es euch gefällt. Uebersetzt von

A. W. Voll Schlegel.

Personen: Der Herzog, ln der Verbannung. Friedrich, Bruder de- Herzog- und Amienö, |

3aque$

Usurpator seines Gebiets.

f Edelleute, die den Herzog in der Verbannung 6tgfeiten

Le Beau, ein Hofmann in Friedrichs Diensten. Charles, Friedrichs Ringer. Oliver, j Jakob, > Söhne des Freiherrn Roland de Boys. Orlando, I Adam. i fTN . * / Bediente Olivers. DennlS, S Probstein, der Narr.

Ehrn OlivariuS Textdreher, CorinnuS, ( SilviuS, f ^ rct* Wilhelm,

ein Pfarrer.

ein Bauerbursche, in Käthchen verliebt.

Eine Person, die den

Hymen

vorstellt.

Rosalinde, Tochter des Vertriebnen Herzogs.

C e l i a, Friedrichs Tochter. Phoebe, eine Schäferin. Käthchen, ein Bauermädchen. Edelleute der beiden Herzöge, Pagen, Jäger und andres Gefolge. Die Scene ist anfänglich bet Olivers Hause; nachher theflS am Hofe des Usurpators, theils im Ardenner Wald.

Erster Aufzug Erste Scene. Olivers Garten. ((Orlando und Adam treten auf) (Orlando. So viel ich mich erinnre, Adam, war es folgen» dergestalt. Er vermachte mir im Testament nur ein armes tau­ send Kronen; und wie du sagst, schärfte meinem Bruder bei seinem Segen ein, mich gut zu erziehn, und da hebt mein Kummer an. Meinen Bruder 9akob unterhält er auf der Schule, und das Ge­ rücht sagt goldne Dinge von ihm. WaS mich betrifft, mich zieht er bäurisch zu Hause auf, oder eigentlicher zu sagen, behält mich unerzogen hier zu Hause. Denn nennt ihr daS Erziehung für einen Edelmann von meiner Geburt, was vor der Stallung eines Och­ sen nichts voraus hat? Seine Pferde werden besser besorgt: denn außer dem guten Futter lernen sie auch ihre Schule, und zu dem Ende werden Bereiter theuer bezahlt; aber ich, sein Bruder, ge­ winne nichts bei ihm als Wachsthum, wofür seine Thiere auf dem Mist ihm eben so verpflichtet sind wie ich. Außer diesem Nichts, das er mir im Ueberfluß zugesteht, scheint sein Betragen das Et­ was, welches die Natur mir gab, von mir zu nehmen: er läßt mich mit seinen Knechten essen, versperrt mir den brüderlichen Platz, und, so viel an ihm liegt, untergräbt er meinen angebornen Adel durch meine Erziehung. Das ists, Adam, was mich betrübt, und der Geist meines Vaters, der, denke ich, aus mir ruht, fängt an sich gegen diese Knechtschaft aufzulehnen. 9ch will sie nicht länger

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Wie eS euch gefällt.

ertragen, wiewohl ich noch kein kluges Mittel weiß, ihr zu ent­ gehen. Adam. Dorr kommt mein Herr, euer Bruder. (Oliver tritt auf) Orlando. Geh beiseit, Adam, und du sollst hören, wie er mich anfährt. Oliver. Nun, Junker, was macht ihr hier? Orlando. Nichts. Man hat mich nicht gelehrt, irgend et­ was zu machen. Oliver. WaS richtet ihr denn zu Grunde? Orlando. Ei, Herr, ich helfe euch zu Grunde richten, was Gott gemacht hat, euren armen unwerthen Bruder, mit Nichts­ thun. Oliver. Beschäftigt euch besser, und seid einmal nichtsnutzig. Orlando. Soll ich eure Schweine hüten, und Trebern mit ihnen essen? 'Welches verlornen Sohns Erbtheil habe ich durchge­ bracht, daß ich in solch Elend gerathen müßte? Oliver. Wißt ihr, wo ihr seid, Herr? Orlando. O Herr, sehr gut! hier in eurem Baumgarten. Oliver. Wißt ihr, vor wem ihr steht? Orlando. Ja, besser als der mich kennt, vor dem ich stehe. Ich kenne euch als meinen ältesten Bruder, und nach den sanften Banden des Bluts solltet ihr mich eben so kennen. Die Begün­ stigung der Nationen gesteht euch Vorrechte vor mir zu, weil ihr der Erstgeborne seid, aber derselbe Gebrauch beraubt mich meines Blutes nicht, wären auch zwanzig Brüder zwischen uns. Ich habe so viel vom Vater in mir .als ihr, obwohl ihr der Verehrung, die ihm gebührt, näher seid, weil ihr früher kamt. Oliver. WaS, Knabe? Orlando. Gemach, gemach, ältester Bruder! Dazu seid ibr -u jung.

Erster Sluftug. Erste Scene.

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Oliver. Willst du Hand an mich legen, Schurke? Orlando. Ich bin kein Schurke: ich bin der jüngste Sohn des Freiherrn Roland de Boys. Er war mein Vater, und der ist dreifach ein Schurke, der da sagt, solch ein Vater konnte Schur­ ken zeugen. Wärst du Nicht mein Bruder, so ließe meine Hand deine Kehle nicht los, bis diese andre dir die Zunge für dieß Wort ausgerissen hätte. Du hast dich selbst gelästert. Adam. Liebe Herrn, seid ruhig! um des Andenkens eures Vaters willen, seid einträchtig! Oliver. Laß mich gehn, sag' ich. Orlando. Nicht eher bis mirs gefällt: ihr sollt mich an­ hören. Mein Vater legte euch in seinem Testament auf, mir eine gute Erziehung zu geben. Ihr habt mich wie einen Bauern groß gezogen, habt alle Eigenschaften, die einem Edelmann zukommen, vor mir verborgen und verschlossen gehalten. Der Geist meines Vaters wird mächtig in mir, und ich will es nicht länger erdul­ den, darum gesteht mir solche Uebungen zu, wie sie dem Edelmann geziemen, oder gebt mir das geringe Theil, das mir mein Vater im Testament hinterließ, so will ich mein Glück damit versuchen. Oliver. Und was willst du anfangen? Betteln, wenn das durchgebracht ist? Gut, geht nur hinein, ich will mich nicht lange mit euch quälen, ihr sollt zum Theil euren Willen haben: ich bitt' euch, laßt mich nur. Orlando. Ich will euch nicht weiter belästigen, als mir für mein Bestes nothwendig ist. Oliver. Packt euch mit ihm, alter Hund. Adam. Ist „alter Hund" mein Lohn? Doch es ist wahr, die Zähne sind mir in eurem Dienst ausgefallen. — Gott segne meinen alten Herrn, er hätte solch ein Wort nicht gesprochen. (Orlando und Adam ab)

Oliver.

St-bt eS so? Fängst du an, mir über den Kopf

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Wie es euch gefällt.

zu wachsen? Ich will dir den Kitzel vertreiben, und die tausend Kronen doch nicht geben. He, Dennis! (Dennis kommt) Dennis. Rufen Euer Gnaden? Oliver. Wollte nicht Charles, des Herzogs Ringer, mit mir sprechen? Dennis. Wenn es euch beliebt, er ist hier an der Thür und bittet sehr um Zutritt zu euch. Oliver. Rust ihn herein. (Dennis ab) Das wird eine gute Auskunft seyn, und morgen ist der Wettkampf schon. (Charles kommt) Charles. Euer Gnaden guten Morgen. Oliver. Guter Monsieur Charles! — Was sind die neue­ sten Neuigkeiten am neuen Hof? Charles. Keine Neuigkeiten am Hos als die alten, nämlich daß der alte Herzog von seinem jüngeren Bruder, dem neuen Her­ zog, vertrieben ist, und drei oder vier getreue Herren haben sich in freiwillige Verbannung mit ihm begeben; ihre Ländereien und Ein­ künfte bereichern den neuen Herzog, darum giebt er ihnen gern Erlaubniß zu wandern. Oliver. Könnt ihr mir sagen, ob Rosalinde, des allen Her­ zogs Tochter, mit ihrem Vater verbannt ist? Charles. • O nein, denn des neuen Herzogs Tochter, ihre Muhme, liebt sie so, da sie von der Wiege an zusammen aufge­ wachsen sind; sie wäre ihr in die Verbannung gefolgt, oder gestor­ ben, wenn sie hätte zurückbleiben müssen. Sie ist am Hofe, und der Oheim liebt sie nicht weniger als seine eigne Tochter. Niemals haben sich zwei Frauen mehr geliebt als sie. Oliver. Wo wird, sich der alte Herzog aufhalten? Charles. Sie sagen, er ist bereits im Ardenner Wald, und viel lustige Leute mit ihm, und da leben sie wie Zigeunervolk.

Erster Aufzug. Erste Scene.

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Es heißt, viele junge Leute strömen ihrn täglich zu, und versaufen sorglos die Zeit, wie im goldnen Alter. Vlioer. Sagt, werdet ihr morgen vor dem Herzoge ringey? Charles. Ganz gewiß, Herr, und ich komme, euch etwas zu eröffnen. Man hat mich unter der Hand benachrichtigt, daß euer jüngster Bruder Orlando gewillt ist, gegen mich verkleidet einen Gang zu wagen. Morgen, Herr, ringe ich für meinen Ruhm, und wer ohne zerbrochne Gliedmaßen davon kommt, wird von Glück zu sagen haben. Euer Bruder ist jung und zart, und um euretwillen sollte es mir leid thun, ihn so zuzurichten, wie ich doch meiner eignen Ehre wegen müßte, wenn er sich stellt. Darum kam ich aus Liebe zu euch her, euch Nachricht davon zu geben, damit ihr ihn entweder von seinem Vorhaben zurückhaltet, oder nicht übel nehmt, was über ihn ergeht, weil er sichs doch selber zugezogen hat, und es ganz gegen meinen Willen geschieht. ©liöjer. Charles, ich danke dir für deine Liebe zu mir, die ich freundlichst vergelten will, wie du sehn sollst. Ich habe selbst einen Wink von meines Bruders Absicht hieraus bekommen, und unter der Hand gearbeitet, ihn davon abzubringen, aber er ist entschlossen. Ich muß dir sagen, Charles, — er ist der hart­ näckigste junge Bursch in Frankreich, voll Ehrgeiz, ein neidischer Nebenbuhler von jedermanns Gaben, ein heimlicher und nieder­ trächtiger Ränkemacher gegen mich, seinen leiblichen Bruder. Darum thu nach Gefallen: mir wär's so lieb, du brächest ihm den Hals als die Finger; und du magst dich mir vorsehn, denn wenn du ihm nur eine geringe Schmach zufügst, oder wenn er keine große Ehre an dir einlegen kann, so wird er dir mit Gift nachstellen, dich durch irgend eine Verrätherei fangen, und nicht von dir las­ sen, bis er dich auf diese oder jene Weise ums Leben gebracht hat: denn ich versichre dir, und fast mit Thränen sage ich es, es lebt kein Mensch aus Erden, der so jung und so verrucht wäre. .Ich

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Wie eS euch gefällt.

preche noch brüderlich von ihm; sollte ich ihn dir zergliedern, so wie er ist, so müßte ich erröthen und weinen, und du müßtest blaß werden und erstaunen. Charles. Ich bin herzlich erfreut, daß ich zu' euch kam. Stellt er sich morgen ein, so will ich ihm seinen Lohn geben Wenn er je wieder aus die Beine kommt, so will ich mein Lebtag nicht wieder um den Preis ringen. Gott behüte Euer Gnaden. (ab) Clio er. Lebt wohl, guter Charles. — Nun will ich den Abentheurer anspornen. Ich hoffe sein Ende zu erleben, denn meine Seele, ich weiß nicht warum, hasset nichts so sehr als ihn. Doch ist er von sanftem Gemüth, nicht belehrt und dennoch unterrichtet, voll edlen Trachtens, von jedermann bis zur Verblendung geliebt; und in der That so fest im Herzen der Leute, besonders meiner eignen, die ihn am besten kennen, daß ich darüber ganz gering ge­ schätzt werde. Aber so soll es nicht lange seyn, — dieser Ringer soll alles ins Reine bringen. Es bleibt nichts zu thun übrig, als daß ich den Knaben dorthin hetze, was ich gleich ins Werk rich­ ten will. (ab)

Zweitt Scene. Eine Esplanade vor des Herzogs Palast. (Üosalinde und Celia treten auf) ©eita. Ich bitte dich, Rosalinde, liebes Mühmchen, sei lustig, ftofstünbe. Liebe Celia, ich zeige mehr Fröhlichkeit als ich in meiner Gewalt habe, und du wolltest dennoch, daß ich noch lustiger wäre? Kannst du mich nicht lehren, einen verbannten Vater zu vergeffen, so mußt du nicht verlangen, daß mir eine un­ gewöhnliche Lust in den Sinn kommen soll.

Erster Aufzug. Zweite Scene.

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Telia. Daran sehe ich, daß du mich nicht in so vollem Maaße liebst, wie ich dich liebe. Wenn mein Oheim, dein ver­ bannter Vater, deinen Oheim, den Herzog meinen Vater, verbannt hätte, und du wärst immer bei mir geblieben, so hätte ich meine Liebe gewöhnen können, deinen Vater als den meinigen anzusehn. Das würdest du auch thun, wenn deine Liebe zu mir von so ächter Beschaffenheit wäre, als die meinige zu dir. Üofa linde. Gut, ich will meinen Glücksstaud vergessen, um mich an deinem zu erfreun. Telia. Du weißt, mein Vater hat kein Kind außer nttr,# und auch keine Aussicht, eins zu bekommen; und wahrlich, wenn er stirbt, sollst du seine Erbin seyn: denn was er deinem Vater mit Gewalt, genommen, will ich dir in Liebe wieder geben. Bei meiner Ehre, das will ich, und wenn ich meinen Eid breche, mag ich zum Ungeheuer werden! Darum, meine füge Rose, meine liebe Rose, sei lustig. Äosa linde. DaS will ich von nun an, Mühmchen, und auf Späße denken. Laß sehen, was hältst du vom Verlieben? Telia. Ei ja, thu's um Spaß damit zu treiben. Aber liebe keinen Mann in wahrem Ernst, auch zum Spaß nicht weiter, als daß du mit einem unschuldigen Erröthen in Ehren wieder da­ von kommen kannst. Äosalinde. Was wollen wir denn für Spaß haben? Telia. Laß uns sitzen und die ehrliche Hausmutter For­ tuna von ihrem Rade weglästern, damit ihre' Gaben künftig glei­ cher ausgetheilt werden mögen. Üosalinde. Ich wollte, wir könnten das: denn ihre Wohl­ thaten sind oft gewaltig übel angebracht, und am meisten ver­ steht sich die freigebige blinde Frau mit ihren Geschenken an Frauen. Telia. Das ist wahr; denn die, welche sie Ichön macht.

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Wie eS euch gefällt.

macht sie selten ehrbar, und die, welche sie ehrbar macht, mach sie lehr häßlich. Üosa linde. Nein, da gehst du über von Fortunens Amt zu dem der Natur: Fortuna herrscht in den weltlichen Gaben, nicht in den Zügen der Natur. (probflein kommt) Celia. Nicht? wenn die Natur ein schönes Geschöpf gemacht hat, kann eS Fortuna nicht ins Ferner fallen lassen? — Wiewohl lind die Natur Witz genug verliehen hat, um deö Glückes zu spotten, schickt eö nicht diesen Narren herein, dem Gespräch ein Ende zu machen? -Kosalinde. In der That, da ist das Glück by Natur zu mächtig, wenn eS durch einen natürlichen Einfaltspinsel dem na­ türlichen Witz ein Ende macht. Celia. Wer weiß, auch dieß ist nicht das Werk des Glückes, sondern der Natur, die unsern natürlichen Witz zu albern findet, um über solche Göttinnen zu klügeln, und uns diesen Einfältigen zum Schleifstein geschickt hat: denn immer ist die Albernheit des Narren der Schleifstein der Witzigen. — Nun, Witziger? wohin wanderst du? Pro bst ein. Fräulein, ihr müßt zu eurem Vater kommen. Celio. Seid ihr als Bote abgeschickt? probstein. Nein, aus meine Ehre, man hieß mich nür nach euch gehn. fiofalinbt. Wo hast du den Schwur gelernt, Narr? probstein. Von einem gewissen Ritter, der bei seiner Ehre schwur, die Pfannkuchen wären gut, und bei seiner Ehre schwur, der Senf wäre nichts nutz.. Nun behaupte ich, die Pfannkuchen waren nichts nutz und der Senf gut, und doch hatte der Ritter nicht falsch geschworen.

Trster Aufzug. Zweite Scene.

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Celiä. Wie beweiset ihr das in der Hülle und Fülle eurer Gelahrtheit? Üosalinde. Ei ja, nun nehmt eurer Weisheit den Maul­ korb ab. Probstein. Tretet beide vor, streicht euer Kinn, und schwört bei euren Bärten, daß ich ein Schelm bin. Celta. Bei unsern Bärten, wenn wir welche hätten, bit bist einer. Probstein. Bei meiner Schelmerei, wenn ich sie hätte, dann wär' ich einer. Aber wenn ihr bei dem schwört, was nicht ist, sc habt ihr nicht falsch geschworen; eben so wenig der Ritter, der auf seine Ehre schwur, denn er hatte niemals welche, oder wenn auch so hatte er sie längst weggeschworen, ehe ihm diese Pfannkuchen und der Senf zu Gesicht kamen. Celta. Ich bitte dich, wen meinst du? Prob stein. Einen, den der alte Friedrich, euer Vater, liebt. Celta. Meines Vaters Liebe reicht hin, ihm zu Ehre zu verhelfen. Genug, sprecht nicht mehr von ihm; ihr werdet gewiß nächstens einmal für euren bösen Leumund gestäupt. prob stein. Desto schlimmer, daß Narren nicht mehr weis­ lich sagen dürfen, was weise Leute närrisch thun. Celta. Meiner Treu, du sagst die Wahrheit: denn seit das Bischen Witz, was die Narren haben, zum Schweigen gebracht worden ist, so macht das Bischen Narrheit, was weise Leute be­ sitzen, große Parade. Da kommt Monsieur Le Beau. (Ce Beau tritt auf) Üosalinde. Den Mund voll von Neuigkeiten. Celta. Die er uns zukommen lasten wird, wie Tauben ihre Jungen füttern. Aosa linde. Da werden wir also mit Neuigkeiten gemästet.

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Wie es euch gefällt.

Lelia. Desto bester, so stehn wir ansehnlicher zu Markt. Guten Morgen, Monsieur Le Beau! was giebt es Neues? Le Seau. Schöne Prinzessin, euch ist ein Hauptspaß ent­ gangen. Lelia. Eine Hauptspese? wieviel? Le Seau. Wieviel, Madame? wie soll ich das beantworten? Üoja linde. Wie es Witz und Glück verleihen. Grabstein. Oder wie daS Verhängniß beschließt. Lelia. Gut gesagt! DaS war wie mit der Kelle angeworfen. Prob stein. Ja, wenn ich meinen Geschmack nicht behaupte — Aosalinde. So verlierst du deinen alten Beischmack. Le Seau. Ihr bring: mich aus ver Fassung, meine Damen. Ich wollte euch von einem waaern Bingen erzählen, das ihr ver­ säumt habt mit anzusehn. Aosalirrde. Sagt uns doch, wie es dabei herging. Le Seau. Ich will euch den Anfang erzählen, und wenn eS Euer Gnaden gefällt, könnt ihr das Ende ansetzn; denn da« Beste muß noch geschehen, und sie kommen hieher, wo ihr seid, um eS auszuführen. Lelia. Gut, den Anfang, der todt und begraben ist. Le Seau. ES kam ein alter Mann mit seinen drei Söhnen, Lelia. Ich veiß ein altes Mährchen, das so anfängt. Le Seau. Drei stattliche junge Leute, vortrefflich gewachsen uitb männlich, — Üofalinde. Mit Zetteln am Halse: "Kund und zu wiffeu sei männiglich," — Le Seau. Der älteste unter den dreien rang mit Charles, des Herzogs Ringer. Charles warf ihn in einem Augenblick nie­ der, und brach ihm drei Rippen entzwei, so daß fast keine Hoff­ nung für sein Leben ist; eben so richtete er den zweiten und den dritten zu, Dort liegen sie, und der arme alte Mann, ihr Vater;

Erster Aufzug. Zweite Scene.

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erhebt etnc so jämmerliche Wehklage über sie, daß alte Zuschauer ihm mit Weinen beistehn. ftofaltnbc. Ach! Krobstein. Aber welches ist der Spaß, Herr, der den Da­ men entgangen ist? Le 13 e tut. Nun, der, wovon ich spreche. prob stein. So wird man alle Tage klüger! Das ist das erste waö ich höre. daß Rippen-Entzweibrechen ein Sdatz für Da­ men ist. Celra. Ich auch, vaö verstchre ich oft. ftasai i d e. Aber ist denn noch jemand da, den danach lüstet, sich mit dieser Musik die Seiten sprengen zu lassen? Ist noch sollst wer aus zerbrochne Rippen erpicht? — Sollen wir bad Ringen mit ansehen, Muhme? Le Beau. Ihr müßt, wenn ihr hier bleibt, denn sie haben diesen Platz zum Kampfe gewählt: tr wird gleich vor sich gehn. Celia. Wirklich, dort kommen sie. Lag uns nun bleiben und zusehn.. (Trompetenstoß. Herzog Friedrich, Herren vom Hof», Orlando, Charles und Gefolge) Herzog Friedrich. Wohlan! Da der junge Mensch nicht hören will, so mag er auf seine eigne Gefahr vorwitzig seyn. Üosalinde. Ist der dort der Mann? Le Beau. DaS ist er, mein Fräulein. Celia. Ach, er ist zu jung, doch hat er ein siegreiches Ansehn. Herzog Friedrich. Ei, Tochter und Nichte? Seid ihr hieher geschlichen, um das Ringen zu sehn? Üosa linde. Ja, mein Fürst, wenn ihr uns gütigst erlaubt. Herzog Friedrich. Ihr werdet wenig Vergnügen daran finden, das saun ich euch sagen: das Paar ist ru ungleich. Aus

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Wie eS euch gefällt.

Mitleid mit des AuöfodererS Jugend, möchte ich ihn gern davon abbringen, allein er läßt sich nicht rathen; sprecht mit ihm, Fräu­ leins, seht, ob ihr ihn bewegen könnt. Celia. Rust ihn hieher, guter Monsieur Le Beau. Herzog Friedrich. Thut daS, ich will nicht dabei seyn. (Der Herzog entfernt sich)

£t Scan. Herr Aussoderer, die Prinzessinnen verlangen euch zu sprechen. Orlando. Ich bin ehrerbietigst zu ihrem Befehl. Üosa linde. Junger Mann, habt ihr Charles den Ringer berauSgesodert? Orlando. Nein, schöne Prinzessin; er ist der allgemeine AuSfoderer, ich komme bloß wie andre auch, die Kräfte meiner Ju­ gend gegen ihn zu versuchen. Cella. Junger Mann, euer Mutb ist zu kühn für eure Jahre. Ihr habt einen grausamen Beweis von der Stärke dieses Menschen gesehn; wenn ihr euch selbst mit unseren Augen sähet, oder mit unserm Urtheil erkenntet, so würde euch die Furcht vor dem Ausfltage ein gleicheres Wagstück anrathen. Wir bitten euch um eurer selbst willen, an eure Sicherheit zu denken.und das Unternehmen aufzugeben. Äosa linde. Thut das, junger Mann; euer Ruf soll des­ wegen nicht herabgesetzt werden. Ess soll unser Gesuch beim Her­ zoge seyn, daß daS Ringen nicht vor sich gehe. Orlando. Ich beschwöre euch, straft mich nicht mit euren nachtheiligen Gedanken, ich erkenne mich selbst für schuldig, daß ich so schönen und vortrefflichen Fräulein irgend etwas verweigre. Laßt nur eure schönen Augen und freundlichen Wünsche mich zu meiner Prüfung geleiten. Wenn ich zu Boden geworfen werde, so kommt nur Schmach über jemand, der noch, niemals in Ehren war; wenn umgebracht, so ist nur jemand todt, der 'sich nichts anders wünscht.

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Erster Auszug. Zweite Scene.

Ich werde meinen Freunden kein Leid zufügen, denn ich habe keine, mich zu beweinen; und der Welt keinen Nachtheil, denn ich besitze nichts in ihr: ich fülle in der Welt nur einen Platz aus, der bes­ ser besetzt werden sann, wenn ich ihn räume. Üosa linde. Ich wollte, daS Bischen Stärke, das ich habe, wäre mit euch. Celia. Meine auch, um ihre zu ergänzen. Äosa linde. Fahrt wohl! G?öe der Himmel, daß ich mich in euch betrüge. Celia. Cures Herzens Wunsch werde euch zu Theil. Charles. Wohlan, wo ist der junge Held, dem so danach gelüstet, bei seiner Mutter Erde zu liegen? Orlando. Hier ist er, Herr, aber fein Wille hegt eine an­ ständigere Absicht. Herzog Friedrich. Ihr sollt nur Einen Gang machen. Charles. Ich stehe Euer Hoheit dafür, ihr werdet ihn nicht zu einem zweiten bereden, nachdem ihr ihn so dringend vom ersten abgemahnt habt. Orlando. Ibr denkt nachher Über mich zu spotten, so braucht ihrS nicht vorher zu thun. Doch kommt zur Sache. Üofa linde. Nun, Herkules steh dir bei, junger Mann! Celia. Ich wollte ich wäre unsichtbar, um dem starken Mayue das Bein unterweg ziehen zu können. (Charles und Orlando ringen) Kosa linde. Hätte ich einen Donnerkeil in meinen Augen, so weiß ich wer zu Boden sollte. (Charles wird zu Boden geworfen. Jubelgeschrei)

Herzog Friedrich. Nicht weiter! nicht weiter! Orlando. Ja, wenn es Euer Hoheit beliebt: ich habe noch keinen Odem wieder. Herzog Friedrich. Wie stehtS mit dir, Charles? Le Ge au. Er kann nicht sprechen, mein Fürst. v.

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Wie e« euch gefällt.

Herzog Friedrich. Tragt ihn weg. Wie ist dein Name, junger Mensch? (Orlando. Orlando, mein Fürst, der jüngste Sohn deFreiherrn Roland de Boys. Herzog Friedrich. Ich wollt', du wärst sonst jemands Sohn gewesen. Die Welt hielt deinen Vater ehrenwerth, Doch ich erfand ihn stets als meinen Feind. Du würd'st mir mehr mit dieser That gefallen, Wenn du aus einem andern Hause stammtest. Doch fahre wohl; du bist ein wackrer Jüngling, Hätt'st du 'neu andern Vater nur genannt. (Herzog Friedrich mit Gefolge und Le Dean ab)

Celia. Wär' ich mein Vater, Mühmchen, that' ich dieß? (Orlando. Ich bin weit stolzer, Rolands Sohn zu sevn, Sein jüngster Sohn, — und tauschte nicht den Anspruch, Würd' ich auch Friedrichs angenommner Erbe. Äosalinde. Mein Vater liebte Roland wie sein Leben, Und alle Welt war so wie er gesinnt. Hätt' ich zuvor den jungen Mann gekannt, Den Bitten hätt' ich Thränen zugesellt, Eh er sich so gewagt. Celia. Komm, liebe Muhme, Laß uns ihm danken und ihm Muth einsprechen: Denn meines Vaters rauhe neid'sche Art Geht mir ans Herz. — Herr, ihr habt Lob verdien:; Wenn ihr im Lieben eu'r Versprechen haltet,

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Erster Aufzug. Zweite Scene.

Wie ihr verdunkelt, was man sich versprach, Ist eure Liebe glücklich. Üosalinde. (giebt ihm eine Kette von ihrem Halse)

Junger Mann, Tragt dieß von mir, von einer Glückverstoßnen, Die mehr wohl gäbe, fehlt' es nicht an Mitteln. Nun, gehn wir, Muhme? Oelia. Ja. — Lebt wohl denn, edler Junker. Orlando. Kann ich nicht sagen: Dank?

Mein bessreö Theil

Liegt ganz darnieder; was noch aufrecht steht, Ist nur ein Wurfziel, bloß ein leblos Holz. tlo faltnbe. Er ruft uns nach: mein Stolz sank mit dem Glück, Ich frag' ihn, was er will. — Rieft ihr uns, Herr? — Herr, ihr habt brav gekämpft, und mehre noch Besiegt als eure Feinde. Celia. Komm doch, Mühmchen. tlofalinbc. Ich komme schon, lebt wohl.

(Nvsalinde und Celia ab>

Orlando. Welch ein Gefühl belastet meine Zunge? Ich kann nicht reden, lud sie gleich mich ein. (£c Seau kommt)

Armer Orlando! du bist überwältigt, Charles oder etwas Schwächers siegt dir ob. Le Beau. Mein guter Herr, ich rath' aus Freundschaft euch,

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*

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Wie c8 euch gestillt.

Verlaßt den Ort; wiewohl ihr hohen Preis Euch habt erworben, Lieb' und ächten Beifall, So steht doch so des Herzogs Stimmung nun, Daß er mißdeutet, was ihr nun gethan. Der Fürst ist launisch; was er ist, in Wahrheit, Ziemt besser euch zu sehn, als mir zu sagen.

Orlando. Ich dank' euch, Herr, und bitt' euch, sagt mir dieß: Wer war des Herzogs Tochter, von den beiden, Die hier beim Ringen waren?

Le Seau. Keine ist fein, zu schließen nach den Sitten. Doch wirklich ist die kleinste seine Tochter, Die andre, Tochter des verbannten Herzogs, Von ihrem Oheim hier zurückbehalten Zu seiner Tochter Umgang: ihre Liebe Ist zärtlicher als schwesterliche'Bande. Doch sag' ich euch, seit kurzem hegt der Herzog Unwillen gegen seine holde'Nichte, Der auf die Ursach bloß gegründet ist, Daß ste die Welt um ihre Gaben preist, Und ste beklagt um ihres Vaters willen; Und auf mein Wort, fein Ingrimm auf das Fräulein Bricht einmal plötzlich los. — Lebt wohl, mein Herr, Dereinst, in einer bessern Welt als diese, Wünsch' ich mir mehr von eurer Lieb' und Umgang.

Orlando. Ich bleib' euch sehr verbunden; lebet wohl!

(Le Beau

So muß ich aus dem Dampf in die Erstickung, Von Herzogs Druck in Bruders Unterdrückung. Doch Engel Rosalinde!

tab)

Erster Aufzug.

Dritte Gcene.

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Dritte Scene. Ein Zimmer im Palast. (Telia

und

ftosaltnbe

treten auf)

Telia. Ei, Mühmchen! ei, Rosalinde! — Kupido sei un­ gnädig, nicht ein Wort? Äosa linde. Nicht eins, da- man einem Hunde vorwerfen könnte. Telia. Nein, deine Worte find zu kostbar, um sie den Hun­ den vorzuwerfen: wirf mir einige zu. Komm, lähme mich mit Bernunstgründen. Üosa linde.

Da wär' es um zwei Muhmen geschehn, wenn

die eine mit Gründen gelähmt würde, und die andre unklug ohne Grund. Telia. Aber ist das alles um deinen Vater? Äosa linde. Nein, etwas davon ist um meines Vaters Kind. O wie voll Disteln ist diese Werktagswelt! Telia. Es sind nur Kletten, Liebe, die dir bei einem Fest­ tags - Spaß angeworfen werden. Wenn wir nicht in gebahnten Wegen gehn, so haschen unsre eignen Röcke sie auf. Hofalintre. Vom Rocke könnt' ich sie abschütteln; diese Klet­ ten stecken mir im Herzen. Telia. Huste sie weg. Üosa linde. Das wollte ich wohl thun, wenn ich ihn her­ bei husten könnte. Telia. Ei was, ringe mit deinen Neigungen. Üosa linde. Ach, sie nehmen die Partei eines bessern Rin­ gers als ich bin. Telia. Helfe dir der Himmel! Du wirst dich zu seiner Zeit mit ihm messen, gilt es auch eine Niederlage. — Doch laß uns diese Scherze abdanken, und in vollem Ernste svrechen. Ist eS

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Wie es euch gefällt.

möglich, daß du mit Emern Male in eine so gewaltige Zuneigung zu des alten Herrn Roland jüngstem Sohn verfallen konntest? Üosalinde. Der Herzog mein Vater liebte seinen Vater über alles. Celia. Folgt daraus, daß du seinen Sohn über alles lieben mußt? Nach dieser Folgerung müßte ich ihn hassen, denn mein Vater haßte seinen Vater über alles, und doch hasse ich den Or­ lando nicht. Kosa linde. Nein gewiß, Haffe ihn nicht, um meinetwillen t Velia. Warum sollte ich? verdient er nicht alles Gute? (Herzog Friedrich kommt mit Herren vom Hofe) Üosa linde. Um deßwillen laß mich ihn lieben, und liebe du ihn, weil ich es thue. — Siehe, da kommt der Herzog. Celia. Die Augen voller Zorn. Herzog Friedrich. Fräulein, in schnellster Eile schickt euch an, Und weicht von unserm Hos. Kosalinde. Ich, Oheim? Herzog Friedrich. Ja, ihr, Nichte. Wenn in zehn Tagen du gefunden wirst Von unserm Hose binnen zwanzig Meilen, Bist du des Todes. Üosalinde. Ich ersuch' Eu'r Gnaden, Gebt mir die Kenntniß meines Fehlers mit. Wenn ich Verständniß hatte mit mir selbst, Ja, irgend meine eignen Wünsche kenne, Wenn ich nicht träum' und nicht von Sinnen bin, Wie ich nicht hoffe: nie, mein wertber Obeim

Erster Aufzug. Dritte Scene.

Selbst nicht mit ungeborenen Gedanken, Beleidigt' ich Eu'r Hoheit. Herzog Friedrich. So sprechen stets Verräther: Beständ' in Worten ihre Reinigung, So sind sie schuldlos wie die Heiligkeit. Laß dirs genügen, daß ich dir nicht traue. ftosalinde. Doch macht eu'r Mißtraun nicht mich zum Verräther; Sagt mir, worauf der Anschein denn beruht. Herzog Friedrich. Genug, du bist die Tochter deines Vaters. ft ofaltnfc e. Das war ich, als Eu'r Hoheit ihm sein Land nahm, Das war ich, als Eu'r Hoheit ihn verbannte. Verrätherei wird nicht vererbt, mein Fürst: Und, überkämen wir von Freunden sie, Was gehts mich an? Mein Vater übte keine. Drum, bester Herr, verkennt mich nicht so sehr, Zu glauben, meine Armuth sei verräthrisch. Celia.

Mein theuerster Gebieter, hört mich an! Herzog Friedrich. Ja, Celia, dir zu lieb ließ ich sie bleiben, Sonst irrte sie umher mit ihrem Vater. Celia. Ich bat nicht damals, daß sie bleiben möchte, Ihr wolltet es, ihr wäret selbst erweicht. Ich war zu jung um die Zeit, sie zu schätzen; Jetzt kenn' ich sie: wenn sie verräthrisch ist, So bin ichs auch; wir schliefen stets beisammen.

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Ane eS euch gefällt.

Erwachten, lernten, spielten mit einander, Und wo wir gingen, wie der Juno Schwäne, Da gingen wir gepaart und unzertrennlich. Herzog Friedrich.

Sie ist zu fein für dich, und ihre Sanstmuth, Ihr Schweigen selbst und ihre Duldsamkeit, Spricht zu dem Volk, und es bedauert sie. Du Thörin du! Sie stiehlt dir deinen Namen, Und du scheinst glänzender und tugendreicher, Ist sie erst fort; drum öffne nicht den Mund, Fest und unwiderruflich ist mein Spruch, Der über sie erging: sie ist verbannt. Gelia.

Sprecht denn dieß Urtheil über mich, mein Fürst: Ich kann nicht leben außer ihrer Nähe. Herzog Friedrich. Du bist 'ne Thörim — Nichte, seht euch vor! Wenn ihr die Zeit versäumt: aus meine Ehre, Und kraft der Würde meines Worts, ihr sterbt. (Herzog und Gefolge ab)

Geltet.

O arme Rosalinde, wohin willst du? Willst du die Väter tauschen? So nimm meinen Ich bitt' dich, sei nicht trauriger als ich! Üofalinde. Ich habe ja mehr Ursach. Celia.

Nicht doch, Muhme. Sei nur getrost! Weißt du nicht, daß mein Vater Mich seine Tochter hat verbannt?

Erster Aufzug. Dritte Scene. Kosa linde. Das nicht. Celia. Das nicht? So fehlt die Liebe Rosalinden, Die sie belehrt, daß sie und ich nur eins? Soll man uns trennen? Soll'n wir scheiden, Süße? Nein, mag mein Vater andre Erben suchen. Ersinne nur mit mir, wie wir entfliehn, Wohin wir gehn, und was wir mit uns nehmen; Und suche nicht die Last auf dich zu ziehn, Dein Leid zu tragen und mich auszuschließen. Bei diesem Himmel, bleich von unserm Gram, Sag was du willst, ich gehe doch mit dir. Üosalinde. Wohl, wohin gehn wir? Celia. Zu meinem Oheim im Ardenner Wald. Üosalinde. Doch ach, was für Gefahr wird es uns bringen, So weit zu reisen, Mädchen wie wir sind? Schönheit lockt Diebe schneller noch als Gold.. Celia. Ich stecke mich in arme, niedre Kleidung, Und streiche mein Gesicht mit Ocker an. Thu eben das, so ziehn wir unsern Weg Und reizen keine Räuber. Aosalinde. Wär's nicht besser, Weil ich von mehr doch als gemeinem Wuch?, Daß ich mich trüge völlig wie ein Mann? Den schmucken kurzen Säbel au der Hüfte,

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Wie eS euch gefällt.

Den Iagdspieß in der Hand, und — lag' im Herzen Auch noch so viele Weiberfurcht versteckt — Wir sähen kriegerisch und prahlend drein, Wie manche andre Männermemmen auch, Die mit dem Nnsehn eS zu zwingen wissen. Celia. Wie willst du heißen, wenn du nun ein Mann bistftofttltni) c. Nicht schlechter als der Page Jupiters, Denk also dran, mich Ganymed zu nennen. Doch wie willst du genannt seyn? Celia. Nach etwas, das auf meinen Zustand paßt, Nicht länger Celia, sondern Aliena. Äosalinde. Wie, Muhme, wenn von eures Vaters Hof Wir nun den Schalksnarrn wegzustehlen suchten? Wär' er uns nicht ein Trost aus unsrer ReiseLe l i a. O, der geht mit mir in die weite Welt, Um den laß mich nur werben. Laß uns gehn, Und unsern Schmuck und Kostbarkeiten sammeln, Die beste Zeit und stchern Weg bedenken Vor der Verfolgung, die nach meiner Flucht Wird angestellt. So ziehn wir denn in Frieden, Denn Freiheit ist uns, nicht der Bann beschieden.

(al)

Zweiter Aufzug.

Erste Scene.

Zweiter Aufzug. Erste Scene. Der Ardenner Wald. (Der

Amiens und andre Edelleute ln Jägerkleidung-

Herr-g. illim, meine Brüder und deö Bannö Genossen, Macht nicht Gewohnheit süßer dieses Leben Als daö gemalten Pomps? Sind diese Wälder Nicht sorgenfreier als der falsche Hos? Wir fühlen hier die Buße Adams nur, Der IahrSzeit Wechsel; so den eis'gen Zahn Und böses Schelten von des Winters Sturm. Doch wenn er beißt und auf den Leib mir bläst, Bis ich vor Kälte schaudre, sag' ich lächelnd: Dieß ist nicht Schmeichelei; Rathgeber sinds, Die fühlbar mir bezeugen, wer ich bin. Süß ist die Frucht der Widerwärtigkeit, Die, gleich der Kröte, häßlich und voll Gift, Ein köstliches Juwel im Haupte trägt. Dieß unser Leben, vom Getümmel frei, Giebt Bäumen Zungen, findet Schrift im Bach, In Steinen Lehre, Gutes überall.

Amiens. Ich tauscht' eö selbst nicht; glücklich ist Eu'r Hoheit, Die auszulegen weiß des Schicksals Härte, In solchem ruhigen und milden Sinn

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Wie es euch gefällt.

Her,og. Kommt, soll'n wir gehen und uns Wildpret tödten? Doch. reut michs, daß wir den gefleckten Narr'n, Die Bürger sind in dieser öden Stadt, Auf eignem Grund mit hak'gen Spitzen blutig Die runden Hüften reißen. Erster Edelmann. Ja, mein Fürst, Den melanchol'schen IaqueS kränkt dieß sehr, Cr schwört, daß ihr auf diesem Weg mehr Unrecht Als euer Bruder übt, der euch verbannt. Heut schlüpften ich und AmienS hinter ihn, Als er sich hingestreckt an einer Eiche, Wovon die alte Wurzel in den Bach Hineinragt, der da braust den Wald entlang. Es kam dahin ein arm verschüchtert Wild, DaS von des Jägers Pfeil beschädigt war, Um anSzuschmachten; und gewiß, mein Fürst, DaS arme Thier stieß solche Seufzer aus, Daß jedesmal sein ledern Kleid sich dehnte Zum Bersten fast: und dicke runde Thränen Längs der unschuldigen Nase liefen kläglich Einander nach; und der behaarte Narr, Genau bemerkt vom melanchol'schen IaqueS, Stand so am letzten Rand des schnellen Bachs, Mit Thränen ihn vermehrend.

Herzog. Nun, und IaqueS? Macht' er dieß Schauspiel nicht zur Sittenpredigt? Erster Edelmann. O ja, in tausend Gleichnissen.

Zuerst

Zweiter Aufzug.

Erste Scene.

Das Weinen in den unbedürft'gen Strom: „Ach, armer Hirsch!« so sagt' er, «wie der Weltlmg «Machst bit dein Testament, giebst dem den Zuschuß, «Der schon zu viel hat.« — Dann, weil er allein Und von den sammtnen Freunden war verlassen: «Recht!« sagt' er, «so vertheilt das Elend stets «DeS Umgangs Flut.« — Alsbald ein Rudel Hirsche, Der Weide voll, sprang sorglos an ihm hin, Und keiner stand zum Gruße. «Ja,« rief IaqueS, «Streift hin, ihr fetten wohlgenährten Städter! «So ist die Sitte eben: warum schaut ihr «Nach d'em bankrotten armen Schelme da?« Auf diese Art durchbohrt er schmähungsvoll Den Kern vom Lande, Stadt und Hof, ja selbst Von diesem unfern Leben; schwört, daß wir Nichts als Tyrannen, Räuber, SchlimmreS noch, Weil wir die Thiere schrecken, ja sie todten, In ihrem eignen heimathlichen Sitz.

Herzog. Und ließet ihr in der Betrachtung ihn? Erster Edelmann. Ja, gnäd'ger Herr, beweinend und besprechend DaS schluchzende Geschöpf.

Herzog. Zeigt mir den Ort, Ich lasse gern in diesen düstern Launen Mich mit ihm ein: er ist dann voller Sinn. Erster Edelmann. Ich will euch zu ihm bringen.

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Wle es euch gefällt.

Zweite Scene. Ein Zimmer im Palaste. (Herzog Friedrich- Herren vom Hofe und Gefolge treten auf)

Herzog Friedrich. Ist es denn möglich, daß sie niemand sah? Es kann nicht seyn: nein, Schurken hier am Hof Sind im Verständniß mit, und gabenS zu.

Erster Edelmann. Ich kann von niemand hören, der sie sah. Die Frau'n im Dienste ihrer Kammer brachten Sie in ihr Bett, und fanden Morgens früh Das Bett von ihrem Fräulein ausgeleert. 2 weit er Edelmann Mein Herzog, der Hanswurst, den Euer Hoheit Ost zu belachen pflegt, wird auch vermißt. HeSperia, der Prinzessin Kammerstäulein, Bekennt, sie habe insgeheim belauscht, Wie eure Nicht' und Tochter überaus Geschick und Anstand jenes Ringers lobten, Der jüngst den nerv'gen Charles niederwarf; Sie glaubt, wohin sie auch gegangen sind, Der Jüngling sei gewißlich ihr Begleiter.

Herzog Friedrich. Schickt hin zum Bruder, holt den Braven her; Ist er nicht da, so bringt mir seinen Bruder, Der soll ihn mir schon finden. Thut dieß schnell, Laßt Nachsuchunq und Forschen nicht ermatten, Die thörichten Berlaufnen heim zu bringen. (ab)

Zweiter Aufzug. Dritte Scene.

Dritte Scene. Vor Oliver's Hause. (Orlando und Adam begegnen sich) Orlando. Wer ist da? A d a rn. Was? ihr, mein junger Herr? — O edler Herr! O mein geliebter Herr! DeS alten Roland!

O ihr, Gedächtniß

Sagt, waö macht ihr hier?

Weswegen übt ihr Tngend? schafft euch Liebe? Und warum seid ihr edel, stark und tapfer? Was wart ihr so erpicht, den stämm'gen Kampfer DeS launenhaften Herzogs zu bezwingen? (Sivr Ruhm kam allzu schnell vor euch nach Haus. Wißt ihr nicht, Junker, daß gewissen Leuten All' ihre Gaben nur als Feinde dienen? So, bester Herr, sind eure Tugenden An euch geweihte heilige Berräther. O welche Welt ist dieß, wenn das, waö herrlich, Den, der es hat, vergiftet! Orlando. Nun denn, was giebts? Adam. O unglttcksel'ger Jüngling! Geht durch dieß Thor nicht: unter diesem Dach Lebt aller eurer Trefflichkeiten Feind. Eu'r Bruder — nein, kein Bruder, doch der Sohn — Nein, nicht der Sohn; ich will nicht Sohn ihn nennen Deß, bett ich feinen Vater heißen wollte, — Hat euer Lob gehört, und denkt zu Nacht

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Wie es euch gefällt.

Die Wohnung zu verbrennen, wo ihr liegt, Und euch darinnen. Schlägt ihm dieses fehl, So sucht er andre Weg', euch umzubringen: Ich habe ihn belauscht und seinen Anschlag. Kein Wohnort ist dieß Haus, 'ne Mördergrube; Verabscheut, fürchtet es, geht nicht hinein.

Orlando. Sag, wobin willst du, Adam, daß ich gehe?

Adam. Gleichviel wohin, ist es nur hieher nicht.

Orlando. Was? willst du, daß ich gehn und Brot soll betteln? Wohl gar mit schnödem, tollem Schwert erzwingen Aus offner Straße dieb'schen Unterhalt? Das muß ich thun, sonst weiß ich nichts zu thun, Doch will ich dieß nicht, komme was da will. Ich setze mich der Bosheit lieber aus Des abgewandten, stolzen, blut'gen Bruders.

Adam. Nein, thut das nicht: ich hab' fünfhundert Kronen, Den schmalen Lohn, erspart bei eurem Vater; Ich legt' ihn bei, mein Pfleger dann zu seyn, Wann mir der Dienst erlahmt in schwachen Gliedern, Und man daS Alter in die Ecke wirft. Nehmt daS, und der die jungen Naben füttert, Ja, sorgsam für den Sperling Vorrath häuft, Sei meines Alters Trost! Hier ist das Gold, Nehmt alles, laßt mich euren Diener seyn. Seh' ich gleich alt, bin ich doch stark und rüstig; Denn nie in meiner Jugend mischt' ich mir Heiß und aufrührerisch Getränk ins Blut.

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Zweiter Aufzug Dritte Scene.

Noch ging ich je mit unverschämter Stirn Den Mitteln nach zu Schwächt und Unvermögen. Druni ist mein Alter wie ein frischer Winter. Kalt, doch erquicklich: laßt mich mit euch gehn! Ich thu' den Dienst von einem jüngern Mann, In aller eurer Nothdurft und Geschäften. Orlando. O guter Alter, wie so wohl erscheint In dir die treue Gunst der alten Welt, Da Dienst um Lieb' sich mühte, nicht um Lohn! Du bist nicht nach der Sitte dieser Zeiten, Wo niemand mühn sich will als um Befördrung, Und kaum daß er sie hat, erlischt feilt Dienst Gleich im Besitz. So ist es nicht mit dir. Doch, armer Greis, du Pflegst den dürren Stamm, Der keine Blüthe mehr vermag zu treiben, Für alle deine Sorgsamkeit und Müh. Doch komm, wir brechen mit einander aus, Und eh wir deinen Iugendlohn verzehrt, Ist uns ein friedlich kleines LooS bescheert. Adam. Aus, Herr! und bis zum letzten Othemzug Folg' ich euch nach, ergeben ohne Trug. Von siebzehn Jahren bis zu achtzig schier Wohnt' ich, nun wohn' ich ferner nicht mehr hier. Um siebzehn ziemts, daß mit dem Glück man buhle, Doch achtzig, ist zu alt für diese Schule. Könnt' ich vom Glück nur diesen Lohn erwerben, Nicht Schuldner meines Herrn und sanft zu sterben. (ab)

v.

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Wie es euch gefällt.

Vierte Scene. Der Wald. (äosaltnbf als Knabe, Cclia wle eine Schäferin gekleidet, und prob-' stein treten auf) ftosalinbf. O Jupiter! wie matt sind meine Lebensgeister! probstein. Ich frage nicht nach meinen Lebensgeistern, wenn nur meine Beine nicht matt wären. Äosa linde. Ich wäre im Stande meinen Mannskleidern eine Schande anzuthun, und wie ein Weib zu weinen.

Aber ich

muß das schwächere Gefäß unterstützen, denn Wamms und Hosen müssen sich gegen den Unterrock herzhaft beweisen.

Also Herz ge­

faßt, liebe Aliena! Celia.

Ich bitte dich, ertrage mich, ich kann nicht weiter,

prob stein. als tragen.

Ich für mein Theil wollte euch lieber ertragen

Und doch trüge ich kein Kreuz, wenn ich euch trüge:

denn ich bilde mir ein, ihr habt keinen Kreuzer in eurem Beutel. Äoso linde. Gut, dieß ist der Ardenncr Wald, prob stein.

Ja, nun bin ich in den Ardennen, ich Narr;

da ich zu Hause war, war ich an einem bessern Ort, aber Rei­ sende müssen sich schon begnügen. Üosa linde. Ja, thut das, guter Probstein. — Seht, wer kommt da? Ein junger Mann und ein alter in tiefem Gespräch. (Corinnus und Silvius treten auf) Corinnus. Dieß ist der Weg, daß sie dich stets verschmäht. Silvius. O wüßtest du, Corinnus, wie ich liebe! Corinnus. Zum Theil errath' ichs, denn einst liebt' ich auch

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Aweüer Äufzuz. Vierte Scene.

Silvius. Nein, Freund, alt wie dn bist, erräthst du'S nicht, Warst du auch jung ein so getreuer Schäfer, Als je aufs mitternächt'ge Kissen seufzte. Allein, wenn deine Liebe meiner glich, — Zwar glaub' ich, keiner liebte jemals so, — Zu wie viel höchlich ungereimten Dingen Hat deine Leidenschaft dich hingerissen? Corinnus. Zu tausenden, die ich vergessen habe. Silvius. O dann hast du so herzlich nie geliebt! Entsinnst du dich der kleinsten Thorheit nicht, In welche dich die Liebe je gestürzt, So hast du nicht geliebt; Und hast du nicht gesessen, wie ich jetzt, Den Hörer mit der Liebsten Preis ermüdend, So hast dn nicht geliebt; Und brachst du nicht von der Gesellschaft los, Mit eins, wie jetzt die Leidenschaft mich heißte So hast du nicht geliebt. — O Phöbe! Phöbe! Phöbe! (ab) Äosalinde. Ach, armer Schäfer! deine Wunde suchend, Hab' ich durch schlimmes Glück die meine funden. prob stein. Und ich meine. Ich erinnre mich, da ich verliebt war, daß ich meinen Degen an einen Stein zerstieß, und hieß ihn das dafür hinnehmen, daß er sich unterstände, Nachts zu Hannchen Freundlich zu kommen; und ich erinnre mich, wie ich ihr Wasch­ holz küßte, und die Euter der Kuh, die ihre artigen Patschhändchen gemolken hatten. Ich erinnre mich, wie ich mit einer Erbsenschote schön that, als wenn sie es wäre, und ich nahm zwei Erbsen10*

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Wie es euch gefällt.

gab sie ihr wieder und sagte mit weinenden Thränen: Trage sie um meinetwillen. Wir treuen Liebenden kommen oft aus seltsame Sprünge: wie alles von Natur sterblich ist, so sind alle sterblich Verliebten von Natur Narren. . Äosalinde. Du sprichst klüger als du selber gewahr wirst. K rodstein. Nein, ich werde meinen eignen Witz nicht eher gewahr werden, als bis ich mir die Schienbeine daran zerstoße. Äosalinde. O Liebe, dieses Schäfers Leid Es paßt mir wie mein eigen Kleid! prod stein. Mir auch, Doch wird's ein wenig sauer in mir, Und hat gar keine Dauer in mir.

Cella. Ich bitte euch, frag einer jenen Mann, Ob er für Gold uns etwas Speise giebt. Ich schmachte fast zu Tode. probstein. Heda, Tölpel! Äosalinde. Still, Narr! Er ist dein Vetter nicht. Corinnus. Wer ruft? Prodstein. Vornehmere als ihr. Corinnus. Sonst wären, sie auch wahrlich sehr gering. Üosalinde. Still, sag' ich euch! — Habt guten Abend, Freunv. Corinnus. Ihr gleichfalls, feiner Herr, und allesammt.

Zweiter Aufzug. Vierte Scene.

ftofalutbe.

Hör, Schäfer, können Geld und gute Worte. In dieser Wildniß uns Bewirthung schaffen, So zeigt uns, wo wir ruhn und essen können. Dieß junge Mädchen ist vom Reisen matt, Und schmachtet nach Erquickung. Corinnus. Lieber Herr, Sie thut mir leid, und ihretwillen mehr Als meinetwillen wünscht' ich, daß mein Glück In Stand mich besser setzt' ihr beiznstehn. Doch ich bin Schäfer eines andern Manns Und scheere nicht die Wolle die ich weide. Von filziger Gemüthsart ist mein Herr, Und fragt nicht viel danach, den Weg zum Himmel Durch Werke der Gastfreundlichkeit zu finden. Auch stehn ihm Hütt' und Heerd' und seine Weiden Jetzt zum Verkauf; und auf der Schäferei Ist, weil er nicht zu Haus, kein Vorrath da, Wovon ihr speisen könnt: doch kommt und seht! Von mir euch alles gern zu Dienste steht. N osa linde. Wer ists, der seine Heerd' und Wiesen kauft? Corinnus. Der junge Schäfer, den ihr erst gesehn, Den es nicht kümmert, irgend was zu kaufen. Üofalinde. Ich bitte dich, bestehts mit Redlichkeit, Kauf' du die Meierei, die Heerd' und Weiden: Wir geben dir das Geld, es zu bezahlen.

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Wie eS euch gefällt.

Lelia. Und höhern Lohn; liebe diesen Ort, Und brächte willig meine Zeit hier zu.

Corinnus. So viel ist sicher, dieß ist zu Verkauf. Geht mit! Gefällt euch auf Erkundigung Der Boden, der Ertrag, und dieses Leben, So will ich euer treuer Pfleger seyn Und kauf' es gleich mit eurem Golde ein.

(Alle ab?

Fünfte Scene. Ein andrer Theil des Waldes. (Amiens- Jaques und Andre) Lied.

Amiens. Unter des Laubdachö Hut Wer gerne mit mir ruht, Und stimmt der Kehle Klang Zu lust'ger Vögel Sang: Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde! Hier nagt und sticht Kein Feind ihn nicht, Als Wetter, Regen und Winde. Jaques. Mehr, mehr, ich bitte dich, mehr! Amiens. Es würde euch melancholisch machen, Monsieur Jaques. Jaques. Das dank' ich ihm. Mehr, ich bitte dich, mehr Ich kann Melancholie ans einem Liede saugen, wie ein Wiesel Eier saugt. Mehr! mehr! ich bitte dich.

Zweiter Aufzug. Fünfte Scene.

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Amiens. Meine Stimme ist rauh; ich weiß, ich kann euch nicht damit gefallen. Jaques. Ich verlange nicht, daß ihr mir gefallen sollt; ich verlange, daß ihr singt. .Kommt, noch eine Strophe! Nennt ihrö nicht Strophen? Amiens. Wie es euch beliebt, Monsieur IaqueS. Jaques. Ich kümmre mich nicht um ihren Namen: sie sind mir nichts schuldig. Wollt ihr singen? Amiens.

Mehr auf euer Verlangen, als mir zu Gefallen.

Jaques. Gut, wenn ich mich jemals bei einem Menschen bedanke, so will ichs bei euch; aber was sie Komplimente nennen, ist als wenn sich zwei Maulaffen begegnen. Und wenn sich jemand herzlich bei mir bedankt, so ist mir als hätte ich ihm einen Pfennig gegeben, und er sagte Gotteslohn dafür. Kommt, singt, und wer nicht mag, halte fein Maul! Amiens. Gut, ich will das Lied zu Ende bringen. — Ihr Herren, deckt indeß die Tafel: der Herzog will unter diesem Baum trinken, — er ist den ganzen Tag nach euch aus gewesen. Jaques. Und ich bin ihm den ganzen Tag aus dem Wege gegangen. Er ist ein zu großer Disputirer für mich. Es gehn mir so viele Gedanken durch den Kopf als ihm, aber ich danke dem Himmel, und mache kein Wesens davon. Kommt, trillert eins her. Lied.

Alle zusammen. Wer Ehrgeiz sich hält fern, Lebt in der Sonne gern, Selbst sucht, was ihn ernährt, Und was. er kriegt, verzehrt: Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde!

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Wie es euch gefällt.

Hier nagt und sticht Kein Feind ihn nicht, Als Wetter, Regen und Winde. Jaques. Ich will euch einen Vers zu dieser Weise sagen, den ich gestern meiner'Dichtungsgabe zum Trotz gemacht habe. Amiens. Und ich will ihn singen. Jaques. So lautet er: Besteht ein dummer Tropf Auf seinem Eselskopf, Läßt seine Füll' und Ruh, Und läuft der Wildniß zu:

Duc ad mel Duc ad me! Duc ad me! Hier sieht er mehr So Narr'n wie er, Wenn er zu mir will kommen her. Amiens. Was heißt das: duc ad me! Jaques. Es ist eine Griechische Beschwörung, um Narren in einen Kreis zu bannen. Ich will gehn und schlafen, wenn ich kann; kann ich nicht, so will ich auf alle Erstgeburt in Egypten lästern. Amiens. Und ich will den Herzog aufsuchen, sein Mahl ist bereitet. (Don verschlednen Seiten ab)

Sechste Scene. Ein andrer Theil des Waldes. (Orlando und Adam treten auf) Adam. Liebster Herr, ich kann nicht weiter gehn; ach ich sterbe vor Hunger! Hier werfe ich mich hin, und messe mir mein Grab. Lebt wohl, bester Herr.

Zweiter Aufzug. Sechste Scene.

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Orlando. Ei was, Adam! hast du nicht mehr Herz? Lebe noch ein wenig, stärke dich ein wenig, ermuntre dich ein wenig. Wenn dieser rauhe Wald irgend ein Gewild hegt, so will ich ihm entweder zur Speise dienen, oder es dir zur Speise bringen. Deine Einbildung ist dem Tode näher als deine Kräfte. Mir zur Liebe sei getrost! halt dir den Tod noch eine Weile vom Leibe. Ich will gleich wieder bei dir seyn, und wenn ich dir nicht etwas zu essen bringe, so erlaube ich dir zu sterben; aber wenn du stirbst, ehe ich komme, so hast du mich mit meiner Mühe zum besten. — Gut! gut! du stehst munter ans, und ich bin gleich wieder bei dir. Aber du liegst in der scharfen Luft: komm, ich will dich hintragen, wo Ueberwind ist, und du sollst nicht aus Mangel an einer Mahl­ zeit sterben, wenn es irgend was Lebendiges in dieser Einöde giebt. Muth gefaßt, guter Adam! (Beide ab)

Siebente Scene. Ein andrer Theil des Waldes. (öln gedeckter Tisch. treten auf)

Der

Herzog- Amiens, Edelleute

Herzog. Ich glaub', er ist verwandelt in ein Thier, Denn nirgends find' ich ihn in Mannsgestalt. Erster Edelmann. Mein Fürst, er ging so eben von hier weg, Und war vergnügt, weil wir ein Lied ihm sangen.

Herzog. Wenn er, ganz Mißlaut, musikalisch wird, So giebtS bald Diffonanzen in den Sphären. — Geht, sucht ihn, sagt, daß ich ihn sprechen will.

und Gefolge

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Wie eS euch gefällt.

(Jaques tritt auf) Erster Edelmann. Er spart die Mühe mir durch seine Ankunft.

Herzog. Wie nun, mein Herr? was ist denn das für Art, Daß eure Freunde um euch werben müssen? Was? ihr seht lustig aus?

Jaques. Ein Narr! ein Narr! — Ich traf ’nen Narrn im Walde, ’Nen scheck'gen Narrn, — o jämmerliche Welt! — So wahr mich Speise nährt, ich traf ’nen Narrn, Der streckte sich dahin und sonnte sich, Und schimpfte Frau Fortuna ganz beredt Und ordentlich, — und doch ein scheck'ger Narr! „Guten Morgen, Narr!" sagt' ich; „Mein Herr," sagt' er, „Nennt mich nicht Narr, bis mich das Glück gesegnet." Dann zog er eine Sonnenuhr hervor, Und wie er sie besah mit blödem Auge, Sagt’ er sehr weislich: „Zehn ists an der Uhr. „Da sehn wir nun," sagt’ er, „wie die Welt läuft: „’S ist nur ’ne Stunde her, da war es neun, „Und nach ’ner Stunde noch, wirds elfe seyn; „Und so von Stund zu Stunde reifen wir, „Und so von Stund zu Stunde faulen wir, „Und daran hängt ein Mährlein." Da ich hörte So pred’gen von der Zeit den scheck'gen Narrn, Fing meine Lung’ an wie ein Hahn zu krähn, Daß Narr'n so tiefbedächtig sollten seyn; Und eine Stunde lacht' ich ohne Rast Nach feiner Sonnenuhr. — O wackrer Narr! E»n würd'aer Narr! Die Jacke lob ick mir

Zweiter Aufzug. Siebente Scene.

Herzog. Was ist das für ein Narr? Jaques. Ein würd'ger Narr! Er war ein Hofmann sonst. Und sagt, wenn Frauen jung und schön nur sind. So haben sie die Gabe, es zu wissen. In seinem Hirne, das so trocken ist Wie liebenest von Zwieback nach der Reise, Hat er seltsame Fächer ausgestopft Mit Anmerkungen, die er brockenweise Nun vcn sich giebt. — O wär' ich doch ein Narr! Mein Ehrgeiz geht auf eine bunte Jacke. Her,og.

Du sollst sie haben. Jaques. 'S ist mein einz'ger Wunsch. Vorausgesetzt, daß ihr eu'r bessres Urtheil Don all:r Meinung reinigt, die da wuchert, Als wär' ich weise. — Daun muß ich Freiheit haben, So ausgedehnte Vollmacht wie der Wind, — So ziemt es Narr'n. — aus wen ich will, zu blasen. Und wer am ärgsten meine Thorheit geißelt, Der must am meisten lachen. Und warum? DaS fällt ins Auge wie der Weg zur Kirche. Der, den ein Narr sehr weislich hat getroffen, Wär' w)hl sehr thöricht, schmerzt' es noch so sehr, Nicht Mlos bei dem Schlag zu thun. Wo nickt. So wirb des Weisen Narrheit aufgedeckt Selbst drrch des Narren ungefähres Zielen. Steckt mich in meine Jacke, gebt mir frei Zu reder, wie mirs dünkt: und. durch und durch

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WiL eS euch, gefällt.

Will ich die angesteckte Welt schon säubern, Wenn sie geduldig nur mein Mittel nehmen.

Herzog. O pfui! Ich weiß wohl, was du würdest thun.

Jaques. Und was, zum Kuckuck, würd' ich thun als Gutes?

Herzog. Höchst arge Sünd', indem du Sünde schöltest. Denn du bist selbst ein wüster Mensch gewesen, So sinnlich wie nur je des Thieres Trieb; Und alle Uebel, alle bösen Beulen, Die du auf freien Füßen dir erzeugt, Die würd'st du schütten in die weite Welt.

Jaques. Wie! wer schreit gegen Stolz, Und klagt damit den Einzelnen nur an? Schwillt seine Flut nicht mächtig wie die See, Bis auch das Geld zum Modetand erst ebbt? Welch eine Bürgerfrau nenn' ich mit Namen, Wenn ich behaupt', es tragen BÜrgerfrau'n Der Fürsten Aufwand auf unwürd'gen Schultern? Darf Eine sagen, daß ich sie gemeint, Wenn so wie sie die Nachbarin auch ist? Und wo ist der vom niedrigsten Beruf, Der spricht: sein Großthun koste mir ja nichts, — Im Wahn, er sei gemeint, — und seine Thorheit Nicht stimmt dadurch zu meiner Rede Ton? Ei ja doch! wie denn? was denn? Laßt doch sehn, Worin ihm meine Zunge Unrecht that. Thut sie sein Recht ihm, that er selbst sich Unrecht; Und ist er rein: nun, wohl, so fliegt mein Tadel

Zweiter Aufzug. Siebende rt.

Geh, Bursch, und sieh, wen die Trompete meldet: Vielleicht ein großer Herr,, der auf der Reise Sich diesen Ort ersehn, um hier zu rasten. Sag an, wer ists? Diener. Mit Euer Gnaden Gunst, Schauspieler sind-, die ihre Dienste bieten.

Lord. Führ' sie herein.

Ihr seid willkommen, Leute. (Schauspieler treten auf)

Erster Schauspieler. Wir danken Euer Gnaden.

Lord. Gedenkt ihr diesen Abend hier zu bleiben?

Zweiter Schauspieler. Wenn Euer Gnaden unsern Dienst genehmigt.

Lord. Von Herzen gern.

Den Burschen, kenn' ich noch.

Er spielte eines Pachters Llt'stetk-Sohn; Da, wo so hübsch du um das Mädchen warbst: Ich weiß nicht deinen Namen, doch die Rolle War passend und natürlich dargestellt.

Erster Schauspieler. War es nicht Goto, den Eu'r Gnaden meint?

Lord. Der war es auch; du spieltest ihn vortrefflich. Nun, zur gelegnen Stunde kommt ihr eben,

Trompeten

Einleitung.

229

So mehr, da ich 'neu Spaß mir vorgesetzt, Wo ihr mit eurem Witz mir helfen könnt. Ein Lord hier wird euch heute spielen sehn: Allein ich fürcht', ihr kommt mir aus der Fassung: Daß, fällt sein närrisch Wesen euch ins Auge, (Denn noch sah Mylord niemals ein Theater) Ihr nicht ansbrecht in schallendes Gelächter, Und so ihm Anstoß gebt: denn seid versichert, Wenn ihr nur lächelt, kommt er außer sich. Erster Schauspieler. Sorgt nicht, Mylord, wir halten uns in Zaum. Und wär' er auch die lächerlichste Fratze. £orb. Du geh mir, führ' sie in die Kellerei. Da reiche jedem freundlichen Willkommen, lind spare nichts, was nur mein Haus vermag. (Schauspieler ab» — Du hol Bartholomeo mir, den Pagen, Und laß ihn kleiden ganz wie eine Dame: Dann führ' ihn in des Trunkenbolds Gemach; Und nenn' ihn gnäd'ge Frau, dien' ihm mit Ehrfurcht: Sag' ihm von mir, wenn meine Gunst ihm lieb. Mög' er mit feinem Anstand sich betragen, So wie er edle Frauen irgend nur Mit ihren Ehherrn sich benehmen sah: So unterthänig sei er diesem Säufer.' Mit sanfter Stimme, tief sich vor ihm neigend, Sprech' er dann: was befiehlt mein theurer Herr? Worin eu'r Weib getreu und unterwürfig Euch Pflicht erweis' und ihre Lieb' erzeige? — Hernach mit süßem Kuß und sanft umarmend, DaS Haupt an seine Brust ihm angelehnt,

230

Der Widerspenstigen Zähmung.

Soll er im Uebermaaß der Freude weinen, Daß sein Gemahl ihm wieder hergestellt, Der zweimal sieben Jahr sich selbst verkennend Für einen schmntz'gen Bettler sich gehalten. — Versteht der Knabe nicht die Frauenkunst Schnell' diesem Regenschauer zu gebieten, Wird eine Zwiebel ihm behülflich seyn, Die heimlich eingewickelt in ein Tuch Die Augen sicher unter Wasser setzt. — Besorge dieß, so schleunig du's vermagst: Ich will sogleich dir mehr noch anvertraun.

(Diener ab)

Ich weiß, der Knabe wird den feinen Anstand, Gang, Stimm' und Wesen einer Dame borgen. Ich freu' mich drauf, wenn er Gemahl ihn nennt, Und wie mit Lachen Alle werden kämpfen, Wenn sie dem albern Bauer huld'gen müssen. Ich geh', noch mehr zu rathen; mein Erscheinen Mag ihre allzu lust'ge Laune dämpfen, Die sonst vielleicht ein Uebermaaß er-eichte. (ab mit seinem Gefolge)

((56 treten auf Schlau mit mehreren Dienern. Einige tragen Melber, Becken und Gießkanne und anderes Geräth.

Der Lord unter ihncn)

Schlau. Um Gottes Willen, einen Krug Dünnbier. Erster Diener. Befiehlt cu’r Herrlichkeit 'neu Becher Sekt? Zweiter Diener. Befiehlt en-r Gnaden eingemachte Früchte? Dritter Diener. Welch einen Anzug wünscht eu'r Gnaden heut? Schlau. Ich bin Christoph Schlau, heißt mich nicht Herrlich»

Einleitung.

231

feit noch Gnaden. Ich habe mein LebStage keinen Sekt getrunken, und wollt ihr mir Eingemachtes geben, so gebt mir eingemachtes Rindfleisch. Fragt mich nicht, welchen Anzug ich tragen will, denn ich habe nicht mehr WLmmser als Rücken, nicht mehr Strümpfe als Beine, nicht mehr Schuhe als Füße, ja zuweilen mehr Füße als Schuhe, oder solche Schuhe, wo mir die Zehen durchs Ober leder kucken.

Lord. Gott nehm' eu'r Gnaden diesen argen Wahn! — O daß ein mächt'ger Lord, von solcher Abkunft, So großem Reichthum, solcher hohen Würde, Sich von so bösem Geist beherrschen läßt! Schlau. WaS! wollt ihr mich verrückt machen? Bin ich denn nicht Christoph Schlau, Sohn des alten Schlau von Burtonhaide? durch Geburt ein Haustier, durch Erziehung ein Hechelkrämer, durch Verwandlung ein Bärenführer und nun nach meiner jetzigen Han» tirung ein Kesselflicker? Fragt nur Anne Hacket, die dicke Bier­ wirthin von Wincot, ob sie mich nicht kennt. Wenn sie sagt, daß sie mich nicht mit vierzehn Pfennigen für Warwicker Bier aus ihrem Kerbholz angestrichen hat, so streicht mich an als den ver­ logensten Schelm in der ganzen Christenheit. Was! ich bm doch nicht verhext? — Hier ist... .

Erster Diener. O dieß macht eure edle Gattin weinen! —

Liveiter Diener. O dieß macht eure treuen Diener trauern! —

Lord. Ja, deshalb scheun daö Hans die Anverwandten, Als geißelt' euer Wahnsinn sie hinweg. O edler Lord, gedenk der hohen Ahnen, Den alten Sinn ruf aus dem Bann zurück,

232

Der Widerspenstigen Zähmung.

lind banne diesen blöden, niedern Traum! — Sieh, alle Diener warten ihres Amts! Die Pflicht will jeder thun nach deinem Wink. Willst du Musik? so horch, Apollo spielt, Und zwanzig Nachtigall'n im Bauer singen: — Sag, willst du schlafen? deiner harrt ein Laaer, Weicher und sanfter als das üpp'ge Bett, Das für Semiramis ward ausgeschmückt: — Willst du lustwandeln? Blumen streun wir dir; Willst reiten? Peine Roste last' ich zäumen, Ihr Zeug ganz ausgeschmückt mit Gold und Perlen. Liebst du. die Beize? deine Falken schwingen Sich höher als die Morgenlerche; Jagd? Der Himmel dröhnt vom Bellen deiner Hunde Und weckt der hohlen Erde grelles Echo.

Erster Diener. Sprich, willst du hetzen? schnell sind deine Hunde, Leicht wie der Hirsch, und flücht'ger als das Reh.

3tu ei Irr D jener. Liebst du Gemälde? sprich! wir bringen dir Adonis ruhend an dem klaren Bach, Und Cytherea ganz im Schilf versteckt, Das ihrem Athem kos't um so sich regt, Wie schwankes Schilfrohr mit dem Winde spielt.

Lord. Wir zeigen Io dir, da sie noch Jungfrau, Wie sie betrogen ward und überrascht, Ganz nach dem Leben täuschend dargestellt.

Dritter Diener. Und Daphne flüchtend durch den dorn'gen Wald, Zerritzt die Beine, daß man schwört, sie blute,

Einleitung.

233

Und bei dem Anblick traurig wein' Apollo: So meisterlich gemalt sind Blut und Thränen. Lord. Du bist ein Lord, nichts anders als ein Lord: Und ein Gemahl besitzest du, weit schöner Als irgend Ein' in dieser dürft'gen Zeit. Erster Diener. Und eh die Thränen, die für dich vergossen, Voll Neid ihr lieblich Antlitz überströmt, War sie das reizendste Geschöpf der Welt, Und jetzt noch steht sie keiner Andern nach. Schlau. Bin ich ein Lord? Und hab' ich solche Frau? Träum' ich? sagt, oder träumte mir bis jetzt? Ich schlafe nicht, ich seh', ich hör', ich spreche, Ich rieche Duft, ich fühle weiches Lager: Bei meiner Seel', ich bin ein Lord, wahrhaftig, Kein Kesselflicker, noch Christoffer Schlau. Wohlan, so bringt mir meine Frau vor Augen, Und nochmals: einen Krug vom dünnsten Bier! — Zweiter Diener. Will eu'r Erhabenheit die Hände waschen? (Die Diener reichen ihm Becken, Kanne und Tuch)

Wir sind beglückt, daß ihr zurecht euch fandet; O daß ihr endlich einseht, wer ihr seid! — Seit fünfzehn Jahren wart ihr wie im Traum, Und wachtet ihr, so ward, als ob ihr schlieft. Schlau. Seit fünfzehn Jahren! Blitz, ein hübsches Schläfchen! Sprach ich denn gar nichts in der ganzen Zeit? —

234

Der Widerspenstigen Zähmung.

Srfler Diener. O ja, Mylord, doch lauter unnütz Zeug. Denn lagt ihr gleich in diesem schönen Zimmer, Doch sagtet ihr, man roerf’ euch aus der Thür. Dann schaltet ihr die- Wirthin aus und drohtet, Sie -eim Gerichtstag nächstens zu verklagen, Weil fie Steinkrüge gab statt richtigen Maaßes: Dann wieder riest ihr nach Cäcilie Hacket. Schlau. Ja ja, der Wirthin Tochter in der Schenke. Dritter Diener. Ei Herr, ihr kennt solch Haus nicht und solch Mädchen. Noch solche Leute, als ihr hergezählt, Auch all' die Männer, die ihr nanntet, nicht: Als Stephan Schlau, Hans Knopf den alten Dicken, Und Peter Torf und Heinrich Pimpernell, Und zwanzig solcher Namen noch und Leute, Die niemals lebten und die Niemand kennt. Sch lau. Nun. Gort sei Dank für unsre Bess'rung! Alle. Amen! — Schlau. Ich danke dir, 'S soll nicht dein Schade seyn. — lDer Page kommt, rote eine Dame gekleidet, mit Äefolge-

page. Wie geht es meinem Herrn? Schlau. Ei nun, recht wohl, hier giebts genug zu essen. Wo ist mein Weib?

235

Einleitung.

Page.

Hier, edler Herr; was wolltest du von ihr? Schlau.

Seid ihr mein Weib und nennt mich nicht mein MannHerr heiß ich fürs Gesinde ich bin eit’r Alter. Page-

Mein Gatte, und mein Herr, mein Herr und Gatte, Ich bin eu'r Ehgemahl in fchuld'ger Demuth. Schlau.

Nun ja, ich weiß. Wie heißt sie denn? Lord.

Madam. Schlau.

Was! Madam Elfe? oder Madam Hanne? — Lord.

Madam fchlichtweg, so turnten Lords die Ladies. Schlau.

Nun Madam Frau, man sagt, ich schlief und träumte Schon an die fünfzehn Jahre wohl und länger. Hage.

Ja, und die Zeit bedünkte mich wie dreißig, Weil ich so lang’ getrennt von deinem Bett. Schlau.

'S ist viel! Leute, laßt mich und sie allein. Madam, zieht euch nur aus und kommt zn Bett Hage. Dreimal erhabener Lord, ich muß euch flehn, Geduldet euch nur wen'ge Nächte noch, Wo nicht, nur bis die Sonne unterging: Denn eure Aerzte haben streng verordnet, (In Furcht, eu'r altes Uebel kehre wieder)

236

Der Widerspenstigen Zähmung.

Daß ich mich noch von eurem Bett entferne: So steht die Sache, drum entschuldigt mich. Schlau. I nun ja, wennö so steht, ists aber doch schwer, so lange zu warten. Aber es sollte mich freilich verdrießen, wenn ich wieder in meine Träume verfiele, darum will ich warten, was auch Fleisch und Blut dazu sagen mögen. (Ein

Sinter kommt) Steuer.

Eu'r Herrlichkeit Schauspieler stud bereit, Weil ihr gesund, ein lustig Stück zu spielen, Denn also Haltens eure Aerzte dienlich, Weil zu viel Trübsinn euer Blut verdickt, Und Traurigkeit des Wahnsinns Amme ist. Deshalb schienS ihnen gut, ihr säht dieß Spiel, Und lenktet euren Sinn auf muntern Scherz: Dadurch wird Leid verbannt, verlängt das Leben. Schlau. Znm Henker, das soll geschehn. Ist es nicht so eine Comodität, eine Christmarktstanzerei, oder eine Luftspringer­ geschichte? Hage.

Nein, Herr, dieß Zeug gefällt euch wohl noch besser. Schlau.

Was? Ist eS Tischzeug? Hage.

’ Ketrrrchio. Oho! ersuche sie! Dann muß sie freilich kommen! — Hortensia. So- ich fürchte, Bei eurer wird euch kein Ersuchen helfen. (Äiondello kommt zurück) Nun, wo ist meine Frau? —.

Fünfter Auszug. Zweite Scene.

337

Biondella. Sie sagt, ihr habt wohl einen Scherz im Sinn, Sie komme nicht; sie wünscht, ihr kommt zu ihr. petruchio. Schlimmer und schlimmer! Will sie nicht? O schmählich, Nicht auszuhalten, völlig unerträglich! — Du,'Grumio, geh sogleich zu meiner Frau, Sag, ich Le fehl' ihr, sie soll zu mir kommen. — «Stund* ab, Hortensia. Ich weiß die Antwort! Ketruchio. Nun? Hortensia. Sie wolle nicht. Ketrrrchio. So schlimmer fiehtS um mich, und damit gut. (Catharina kommt) Saptista. Nun heil'ger Gott! seht, da kommt Catharine! Catharina. WaS wollt ihr, Herr, daß ihr nach mir gesandt? Ketruchio. Wo ist Hortensto'S Frau und deine Schwester? — Catharina. Da drinn' am Feuer sitzen sie und schwatzen. petruchio. Geh, hol sie her; und wollen sie nicht kommen, Führ' sie gegeißelt ihren Männern her! — Geh! sag' ich, bringe sie uns augenblickS. «Lachartna ab) Lucentio. Hier ist ein Wunder, wollt ihr Wunder sehn. v.

338

Der Widerspenstigen Zähmung.

Hortensia. Ja wohl! mich wundert, was nur das bedeute! — Hetruchio. Ei, Friede dentetö, Lieb' und ruhig Leben, Ehrwürdig Regiment, rechtmäß'ge Herrschaft, Kurz, was nur irgend süß und glücklich ist.

Baptist«. Nun, dir sei alles Heil, guter Petruchio: Die Wett' ist dein; ich aber füge noch Zu dem Gewinnste zwanzigtausend Kronen, Der andern Tochter eine andre Mitgift; Denn anders ist sie, als sie je gewesen. petruchio. Ich will die Wette bester noch gewinnen, Sie soll mehr Zeichen von Gehorsam geben, Der neu erworbnen Sitt' und des Gehorsams. (Latharina kommt zurück mit Bianca und der töittöe) Nun seht, sie kommt und bringt die trotz'gen Weiber, Gefangne weiblicher Beredsamkeit. — Die Haube, Catharine, steht dir nicht: Fort mit dem Plunder! tritt sie gleich mit Füßen! l Sacharin« tbm es»

Wittwe. Gott, laß mich Ursach nie zum Kummer haben. Bis ich so albern mich betragen werde! Bianca. Pfui! daö ist ja ein läppischer Gehorsam! — Lucentio. Ei, wäre dein Gehorsam nur so läppisch! Deines Gehorsams Weisheit, schöne Bianca, Bringt mich um hundert Kronen seit der Mahlzeit.

Fünfter Aufzug.

339

Zweite Scene.

Bianca. So kindischer du, darauf etwas zu wetten!

Petruchio. Lathrine, dir befehl' ich: Erklären sollst du den starrköpfigen Weibern, Was sie für Pflicht dem Herrn und Ehmann schuldig.

tU i Uwe. Ei was, ihr scherzt, wir wollen keine Predigt.

Petruchio. Thu'S, sag' ich dir, und mach mit der den Anfang!

Wittwe. Rein doch. Ketruchio. Ja, sag' ich, mach mit der den Ansangt Katharina. ßfut, pfui! entrunzle diese drohnde Stirn, Und schieß nicht zorn'ge Pfeil' aus diesen Augen, Verwundend deinen König, Herrn, Regierer. DaS tödtet Schönheit wie der Frost die Flur, Zerstört den Ruf wie Wirbelwind die Blüthen, Unb niemals ist es recht noch liebenSwertb. Ein zornig Weib ist gleich getrübter Quelle Unrein und sumpfig, widrig, ohne Schönheit: ilnd ist sie so, wird keiner noch so durstig, Sie würd'gen einen Tropfen drauS zu schlürfen. Dein Ehmann ist dein Herr, ist dein Erhalter, Dein Licht, dein Haupt, dein Fürst, er sorgt für dich Unb deinen Unterhalt, giebt seinen Leib Nühsel'ger Arbeit preis zu Land und Meer, Wacht Nächte durch in Sturm, und Tag' in Kälte,

22*

340

Der Widerspenstigen Zthmung.

Wenn du im Hause warm und sicher ruhst' Und fordert zum Ersatz nicht andern Lohn Als Liebe, freundlich Blicken und Gehorsam: Zu kleine Zahlung für so große Schuld. Die Pflicht, die der Vasall dem Fürsten zollt, Die ist die Frau auch schuldig ihrem Gatten. Und ist sie trotzend, launisch, trüb' und bitter, Und nicht gehorsam billigem Gebot, Was ist sie als ein tückischer Rebell, Sttnd'ger Verräther an dem lieben Herrn? Wie schäm' ich mich, daß Fraun so albern sind! Sie künden Krieg und sollten knieen um Frieden! O daß sie herrschen, lenken, trotzen wollen, Wo sie nur schweigen, lieben, -dienen sollen 1 Weshalb ist unser Leib zart, sanft und weich, Kraftlos für Müh' und Ungemach der Welt, Als daß ein weiches Herz, ein sanft Gemüthe Als zarter Gast die zarte Wohnung hüte? O kommt, ihr eigensinn'gen, schwachen Würmer! Mein Sinn war hart wie einer nur der euer«, Mein Herz so groß, mein Grund vielleicht noch besser, Um Wort mit Wort, um Zorn mit Zorn zu schlagen: — Jetzt seh' ichs, unsre Lanzen sind nur Stroh, Gleich schwach wir selbst, schwach wie ein hülflos Kind, Scheinen wir nur, was wir am mind'sten sind. Drum dämpft den Trotz, beugt euch dem Mann entgegen Ihm unter seinen Fuß die Hand zu legen: — Wenn erS befiehlt, zum Zeichen meiner Pflicht, Verweigert meine Hand den Dienst ihm nicht.

Petruchio. Daö nenn' ich eine Frau!

Küß mich, mein Mädchen! --

Fünfter Aufzug. Zweite Scene.

341

Curentio. Glück zu, Herr Bruder, du bezwangst dein Käthchen! dincentio. Das klingt recht fein, wenn Kinder fromm und fügsam! Lucentio. Doch schlimm, wenn Frau'n verstockt und ungenügsam. p etruchio. Nun, Käthchen, komm zu Bette: — Drei stnd vermählt, doch zwei nur schlecht, ich wette. Gut' Nacht, ihr Herrn, und traft ihr schon das Weiße, Ich binS, der heut mit Recht der Sieger heiße. (Petruchio und Cathartna ab)

Hortensia. Die Mderspenst'ge hast du gut gebändigt.

Lucentio. Ein Wunder bleibtS, daß dieß so glücklich evdigr.

(ab)

Viel Lärmen um Nichts

Personen: Don Pedro, Prinz VON Arragon. Leonato, Gouverneur von Messina. Don Juan, Pedro'S Halbbruder. Claudio, ein florentinischer Graf. Benedict, ein Edelmann aus Padua Antonio, Leonato'- Bruder Balthasar, Don Pedro'S Diener. Bo rach io, j Don Juan'- Begleiter. Conrad, 1

H 0 lzapfel, j Schleewern, I

einfältige Gericht-diener

Ein Schreiber.

Hero, Leonato'-Tochter. Beatriee, Leonato'- Nichte. Margaretha, j ,, Ursula, I Ein Mönch Ein Knabe, Boten, Wachen, Gefolge. Die Scene ist in Messina.

Erster Aufzug. Erste Scene. (CronatO) fyno, i3cotrice und ein 60tt treten auf) Leonato.

Ich sehe aus diesem Briefe, daß Don Pedro von

Arragon diesen Abend in Messina eintrifft. Äste.

Er kann nicht mehr weit seyn: er war kaum drei

Meilen von der Stadt entfernt, als ich ihn verließ. Leonato.

Wie viel Edelleute habt ihr in diesem Treffen

verloren? Gote.

Ueberhaupt nur wenig Qsficiere, und keinen von gro­

ßem Namen. Leonato.

Ein Sieg gilt doppelt, wenn der Feldherr seine

volle Zahl wieder heimbrinaL.

Wie itb sehe, hat Don Pedro einem

jungen Florentiner, Namens Claudio, große Ehre erwiesen. Bote.

Die er seinerseits sebr wobl verdient, uud Don Pedro

nicht minder nach Verdienst erkennt.

Er hat mehr gehalten, als

seine Jugend versprach, und in der Gestalt eines Lammes die Tha­ ten eines Löwen vollbracht; ja, wahrlich, es sind alle Erwartungen noch trefflicher von ihm übertroffen, als ihr erwarten dürft, von mir erzählt zu hören. Leonato.

Er hat einen Oheim hier in Messina, welchem

diese Nachricht sehr lieb seyn wird. Bote. Ich habe ihm schon Briefe überbracht, und er scheint große Freude daran zu haben; so große Freude, daß es schien, sie

346

Diel Lärmen um NichlS.

könne sich nicht ohne ein Zeichen von Schmerz bescheiden genug darstellen. Leonato. Brach er in Thränen auö? ßote. In großem Maaß. Ctcwoto. Eine zärtliche Ergießung der Zärtlichkeit. Keine Gesichter sind ächter, als die so gewaschen werden. Wie viel besser ists, über die Freude zu weinen, als sich am Weinen zu freuen. Seatrice. Sagt mir doch, ist Signor Schlachtschwerdt aus dem Feldzug wieder heim gekommen? oder noch nicht? Sote. Ich kenne keinen unter diesem Namen, mein Fräulein. Es wird keiner von den Officieren so genannt. Ceonato. Nach wem fragt ihr, Nichte? Hera. Meine Muhme meint den Signor Benedict von Padua. Sote. O der ist zurück, und immer noch so aufgeräumt, als jemals. Seatrice. Er schlug seinen Zettel hier in Messina an, und forderte den Cupido auf den befiederten Pfeil heraus; und meines Oheims Narr, als er die Aufforderung gelesen, unterschrieb in Cupido'S Namen, und forderte ihn auf den stumpfen Bolzen. Sagt mir doch, wie viele hat er in diesem Feldzug umgebracht und auf­ gegessen? Oder lieber, wie viele hat er umgebracht? denn ich ver­ sprach ihm, alle aufzuessen, die er umbringen würde. Seonato. Im Ernst, Nichte, ihr seid unbarmherzig gegen den Signor Benedict. Aber ihr werdet euren Mann an ihm fiuden, das glaubt mir nur. Sote. Er hat in diesem Feldzug gute Dienste gethan, mein Fräulein. Seatrice. Ihr hattet verdorbnen Proviant, und er hals ihn verzehren, nicht wahr? Er ist ein sehr tapfrer Tellerheld und hat einen unvergleichlichen Appetit. Sote. Dagegen, Fräulein, ist er auch.ein guter Soldat.

Erster Aufzug.

Seatrice.

Erste Scene.

347

Gegen Fräulein ist er ein guter Soldat: aber

was ist er gegen Cavaliere? Sote. einen Mann.

Ein Cavalier gegen einen Cavalier, ein Manu gegen Er ist mit allen ehrenwerthen guten Eigenschaften.

auSstasfirt. Seatrice.

AuSstasfirt!

O ja!

Aber die Staffage ist auch

danach. — Ei nun, wir sind Alle sterblich. Leonato. Herr.

Ihr müßt meine Nichte nicht mißverstehn, lieber

Es ist eine Art von scherzhaftem Krieg zwischen ihr und

Signor Benedict.

Sie kommen nie zusammen ohne ein Schar­

mützel von sinnreichen Einfällen. Seatrice.

Leider

gewinnt er niemals dabei.

In unsrer

letzten Affaire gingen ihm vier von seinen fünf Sinnen als Krüp­ pel davon, und seine ganze Person muß sich seitdem mit Einem behelfen.

Wenn er noch Sinn und Witz genug zurückbehalten hat,

sich warm zu halten,

so mag man ihm das als ein Abzeichen

gönnen, das ihn von feinem Pferde unterscheidet, denn (ein ganzer Vorrath beschränkt sich jetzt daraus, daß man ihn für ein mensch­ liches Wesen hält. Wer ist denn jetzt sein Unzertrennlicher? Denn alle vier Wochen hat er einen neuen Herzensfreund. Sote.

IstS möglich?

Seatrice.

Sehr leicht' möglich: denn er hält es mit seiner

Treue, wie mit der Form seines Huts, die immer mit jeder näch­ sten Mode wechselt. Sote.

Wie ich sehe, Fräulein,

steht dieser Cavalier nicht

sonderlich bei euch angeschrieben. Seatrice.

Nein, wenn das wäre, so würde ich alles, was

ich schrieb, verbrennen. merad?

Aber sagt mir doch, wer ist jetzt sein Ca-

Giebt- keinen jungen Raufer, der Lust hat, in seiner Ge­

sellschaft eine Reise zum Teufel zu machen? — Sole.

Man sieht ihn am meisten mit dem edlen Claudio.

348

Viel Larmen um Nichts.

Sealrice. O Himmel! Dem wird er sich anhängen, tote Line Krankheit. Man holt ihn sich schneller als die Pest, und wen Lr angesteckt hat, der wird augenblicklich verrückt. Tröste Gott den edlen Claudio; wenn er sich den Benedict zugezogen, wird er nicht unter tausend Pfund von ihm geheilt. 6ote. Ich wünschte Freundschaft mit euch zu halten, Fräulein. Seatrice. Thut daö, mein Freund. Leonato. Ihr werdet niemals verrückt werden, Nichte! Seatrice. Nein, nicht eh ein heißer Januar kommt. Sott. Don Pedro nähert sich eben. (Geht ab) (Don Pedro, Salthafar, Don Juan, Claudio und Senrdict treten auf)

Don Pedro. Theurer Signor Leonato, ihr geht eurer Un­ ruhe entgegen. Es ist sonst der Welt Brauch, Unkosten zu ver­ meiden, und ihr sucht sie auf. Leonato. Nie kam Unruhe unter eurer Gestalt in mein HauS, mein gnädiger Fürst. Wenn uns die Unruhe verließ, bleibt sonst die Behaglichkeit -zurück: wenn ihr dagegen wieder abreis't, wird die Trauer verweilen und da« Glück von mir Abschied nehmen. Don Pedro. Ihr nehmt eure Last zu willig auf. — Da­ ist eure Tochter, wie ich vermuthe? Leonato. Das hat mir ihre Mutter oft gesagt. Senedict. Zweifeltet ihr daran, Signor, daß ihr sie fragtet? Leonato. Nein, Signor Benedict, denn damals wart ihr noch ein Kind. Don Pedro. Da habt ihrS nun, Benedict: wir sehn bar* anS, was ihr jetzt als Mann seyn müßt. In der That, sie kün­ digt selber ihren Vater an. — Ich wünsche euch Glück, mein Fräulein, ihr gleicht einem ehrenwerthen Vater. Senedict. Wenn auch Sianor Leonato ihr Vater ist, sie

Erster Aufzug. Erste Scene.

349

würde nicht um ganz Messina seinen Kopf aus ihren Schultern tragen wollen, wie sehr sie ihm auch gleicht. Sealrice. Mich wundert, daß ihr immer etwas sagen wollt, Signor Benedict; kein Mensch achtel auf euch. Senedict. Wie, mein liebe- Fräulein Verachtung! Lebt ihr auch noch? Sealrice. Wie sollte wohl Verachtung sterben, wenn sie solche Nahrung vor sich hat, wie Signor Benedict? — Die Höf­ lichkeit selbst wird zur Verachtung werden, wenn ihr euch vor ihr sehen laßt. Senedict. Dann ist Höflichkeit ein Ueberläufer; aber so viel ist gewiß, alle Damen sind in mich verliebt, ihr allein aus­ genommen; und ich wollte, mein Herz sagte mir, ich hätte kein so hartes Herz; denn wahrhaftig, ich liebe keine. Sealrice. Ein wahres Glück für die Frauen; ihr wäret ihnen ein gefährlicher Bewerber geworden. Ich danke Gott und meinem kalten Herzen, daß ich hierin mit euch Eines Sinnes bin. Lieber wollt' ich meinen Hund eine Krähe attbellen hören, als einen Mann schwören, daß er mich liebe. Senedict. Gott erhalte mein gnädiges Fräulein immer in dieser Gesinnung! So wird doch ein'oder der andre ehrliche Mann dem Schicksal eines zerkratzten Gesichts entgehn. Geatrice. Kratzen würde eS nicht schlimmer machen wenn eS ein Gesicht wäre, wie eures. Senedict. Gut, ihr versteht euch trefflich drauf, Papageien abzurichten. Seatrice. Ein Vogel von meiner Zunge ist bester, als ein Vieh von eurer. Senedict. Ich wollte, mein Pferd wäre so schnell als eure Zunge und liefe so in Eins fort. Doch nun geht und der Him­ mel sei mit euch, denn ich bin fertig.

350

Viel Lärmen um Nichts.

Sealritt. Ihr müßt immer mit lahmen Pferdegeschichten aufhören; ich kenne euch von alten Zeiten her. Don Pedro. Kurz und gut Leonato; — ihr, Signor Claudio und Signor Benedict; — mein werther Freund Leonato hat euch Alle eingeladen. Ich sage ihm aber, wir werden wenigstens einen Monat verweilen, und er bittet den Himmel, daß irgend eine Beranlaffung ünö länger hier aufhalten möge. Ich wollte schwören, daß er kein Heuchler sei, sondern daß ihm dieß Gebet von Her­ zen gebt. Leonato. Ihr würdet nicht falsch schwören, mein gnädiger Herr. Laßt mich euch willkommen heißen, Prinz Juan; nach eurer Aussöhnung mit dem Fürsten, eurem Bruder, widme ich euch alle meine Dienste. Don Juan. Ich danke euch. Ich bin nicht von vielen Wor­ ten, aber ich danke euch. Leonato. GefälltS Euer Gnaden, voraus zu gehn? Don Pedro. Eure Hand, Leonato, wir gehn zusammen. (Leonato, D. Pedro, D. Juan, Beatrice und Hero gehn ab)

(Senedict und Claufcio) Claudio. Benedict, hast du Leonato'ö Tochter wohl ins Auge gefaßt? 0fnebtet. InS Auge habe ich sie nicht gefaßt, aber angesebn habe ich sie. Claudio. Ist sie nicht ein sittsames junges Fräulein? Benedict. Fragt ihr mich wie ein ehrlicher Mann um meine ,chlichte aufrichtige Meinung? Oder soll ich euch nach meiner Ge­ wohnheit als ein erklärter Feind ihres Geschlechts antworten? Claudio. Nein, ich Jbitte dich, rede nach ernstem, nüchternen Urtheil. Senedict. Nun denn, auf meine Ehre: mich dünkt, sie ist zu niedrig für ein hohes Lob, zu braun für ein helles Lob, zu

Erster Aufzug. Erste Scene.

3hl

klein für ein großes Lob; alles was ich zu ihrer Empfehlung sagen kann, ist dieß: wäre sie anders als sie ist, so wäre sie nicht hübsch, und weil sie nicht anders ist als sie ist, so . gefüllt sie mir nicht. Claudia. Du glaubst, ich treibe Scherz: nein, sage mir ehrlich, wie sie dir gefällt. Benedict. Wollt ihr sie kaufen, weil ihr euch so genau er­ kundigt? Claudio. Kaun auch die ganze Welt solch Kleinod kaufen? Benedict. Ja wohl, und ein Futteral dazu. Aber sprecht ihr dieß in vollern Ernst? Oder agirt ihr den lustigen Rath, und erzählt uns, Amor fei ein geübter Hasenjäger, und Dulcan ein trefflicher Zimmermann'' Sagt doch, welchen Schlüffel muß man haben, um den rechten Ton eures Gesanges zu treffen? Claudio. In meinem Aug' ist sie das holdeste Fräulein, das ich jemals erblickte. Benedict. Ich kaun noch ohne Brille sehn, und ich sehe doch von dem Allen nichts. Da ist ihre Muhme: wenn die nicht von einer Furie besessen wäre, sie würde Hero an Schönheit so weit übertreffen, als der erste Mai den letzten December. Aber ich hoffe, ihr denkt nicht daran, ein Ehemann zu werden: oder habt ihr solche Gedanken? — Claudio. Und hätt' ich schon das Gegentheil beschworen, ich traute meinem Eide kaum, wenn Hero meine Gattin werden wollte. Benedict. Nun wahrhaftig, steht eS so mit euch? Hat die Welt auch nicht einen einzigen Mann- mehr, der.seine Kappe ohne Verdacht tragen will? Soll ich keinen Junggesellen von sechzig Jahren mehr sehn? Nun, nur zu; wenn du denn durchaus dei­ nen Hals unters Joch zwängen willst, so trage den Druck davon und versenfze deine Sonntage. Sieh, da kommt Don Pedro und lucht dich.

352

4>i

Seatriee. Was ist dir, Muhme? warum stnkst du nieder?

Don Juan. Kommt, gehn wir. Diese Schmach ans Licht gebracht Loscht ihre Lebenögeister. (Dvn Pedro, Don Zuan und Claudio ab> Benedict. Wie gehtö dem Fräulein?

Bcatrice. Todt, fürcht'' ich, — Oheim, helft! Hero! ach Hero! Oheim! Paier! Benedict! —-

Leonato. Zieh, Schicksal, nicht die schwere Hand zurück! Tod ist die schönste Hülle solcher Schmach, Und einzig zu erflehn.

Beatrice. Wie ist dir, Muhme? Mönch.

Erholt eikch, Fräulein!

Leonato. Blickst du noch aus? Mönch.

Ja. warum soll sie nicht?

412

Viel Lärmen um

Nichts.

Oonatcr. Warum? ha! ruft nicht jede Kreatur Schmach über sie? vermochte sie es wohl, Die in ihr Blut geprägte Schuld zu läuguen? Du sollst nicht leben! Schließ dein Aug' auf ewig! Denn glaubt' ich nicht, daß du alsbald hier stürbest, Daß deine Kraft die Schande überlebte, Ich würde selbst als Schlußwort meiner Flüche Dein Herz durchbohren. — Klagt' ich, du seist mein Einz'geS? Zürnt' ich deßhalb der kargenden Natur? O Eins zu viel an dir! Deßhalb das Eine! — Weßhalb warst du je lieblich meinem Auge, Deßhalb nicht nahm ich mit barmherz'ger §aitb Ein Bettlerkind mir aus vor meinem Thor? Daß, so befleckt, ein Brandmal jedes Frevels, Alsdann ich sprach': kein Theil davon ist mein, Im fremden Stamm hat diese Schande Wurzel. — Doch mein! meinS, das ich liebte, daS ich pries, Mein Eigenthum, mein Stolz: so sehr ja meinS, Daß ich mir selbst nicht mehr als mein erschien, Mich an ihr messend: Ha, sie! sie ist gefallen In einen Pfuhl von Schwarz: die weite See Hat Tropfen nicht genug, sie rein zu waschen,. Zu wenig Salz, vor Fäulniß zu bewahren Dieß bös verderbte Fleisch! Scnedict. Herr, seid geduldig; Ich, wahrlich, bin von Staunen so betäubt, Daß mir die Worte fehlen. Seatrice. Bei meinem Leben, man belog die' Muhme!

Vierter Aufzug. Erste Scene. Benedict. Fräulein, schlieft ihr zu Nacht in ihrem Zimmer? Beatrice. Nein, dieß Mal nicht; doch bis zur letzten Nacht Schlief ich das ganze Jahr in ihrer Kammer. Leonato. Bestätigt! Ha, bestätigt! Noch verstärkt, Was schon verschlossen war mit. Eisenbanden! Wie könnten beide Prinzen, Claudio, lügen? Der so ste liebte, daß die Schmach erzählend Er sie mit Thränen wusch? Fort! laßt sie sterben. Mönch. Hört jetzt mich an; Denn nur deßhalb hab' ich so lang' geschwiegen Und diesem Unheil freien Raum gegeben, DaS Fräulein zu beachten. Sah' ich doch Wie tausend Röthen durch ihr Antlitz fuhren Als Boten; und wie tausend Unschuldö- Engel In weißer Scham hinweg die Röthen trugen. Und in dem Auge glüht' ein Feuer aus, Verbrennend alten Irrwahn, den die Prinzen Aufstellten wider ihre Mädchentreu. — — Nennt 'mich Thor, Traut meinem Wissen nicht, noch der Erfahrung, Die mit der Prüfung Siegel stets bekräftigt Die Wahrheit meines Wissend, nicht dem Alter, EhrwÜrd'gem Stand, Beruf lind heil'gem Amt Liegt nicht dieß süße Fräulein schuldlos hier, Von gist'gem Wahn getroffen. Cconalo.

Mönch, unmöglich!

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Dicl Lärmen um Nichts.

Du siehst, es blieb ihr nur so viele Gnade, Nicht zur- Verdammniß ihrer Schuld zu fügen De- Meineids.Sünde. Läugnet' sie es beim? Was suchst du denn entschnld'gend zu verhüllen. Was frei in eigner Nacktheit vor uns steht?

Mönch. Fräulein, wer ists, mit dem man euch verklagt? Hera. Die mich verklagten, missend, ich weist keinen. Weiß ich von irgend einem Mann, der lebt, Mehr, als der Jungfrau Sittsamkeit erlaubt, Sei keine Sünde mir vergeben. — Vater, Beweist, daß irgend wer mit mir gesprochen Um Mitternacht, und daß ich gestern Abend Mit irgend einem Wesen Wort gewechselt, 'Verstoßt mich, haßt mich/martert mich zu Tode. Mönch.

Ein seltsam Irren muß die Prinzen täuschen! JÖenebi cl. Gewiß sind zwei von ihnen Ehrenmänner; Und ward ihr besi'res Urtheil fehl geleitet, Schreibt sich die Bosheit wohl vom Bastard her, Deß Geist und Sinn nur lebt von Trug und Tücke..

Leonato. Ich weiß nicht. Sprachen wahr sie, so zerreiße Dich diese Hcknd; ist falsch sie angeklagt, So soll der Stolzeste wohl davon hören. Zeit hat noch nicht mein Blut so ausgetrocknet, Noch Alter meinen Geist so abgestumpft, Noch Armuth mein Vermögen so vernichtet,

Vierter Aufzug. Erste Scene. Noch schlechter Wandel mich beraubt der Freunde, Daß sie nicht, so mich kränkend, fühlen sollen Der Glieder Kraft, des Geistes festes Wollen, DeS Reichthums Macht und auserwählter Freunde, Es ihnen überg'nug zu zahlen. Mönch.

Haltet! Laßt meinen Rath in diesem Fall euch leiten. Die Prinzen ließen eure Tochter todt; Laßt eine Zeitlang heimlich sie verschließen, Und macht bekannt, daß wirklich sie gestorben. Behauptet allen äußern Prunk der Trauer; Und hängt an eurer Ahnen altes Grabmal Gin Epitaph; vollziehet jede Feier, Dre zur Beerdigung die Sitt' erheischt.

.

Cconata.

Und wohin führt dieß Alles? was dann weiter? Mönch.

Dieß wird, gut durchgeführt, Verläumdung wandeln In Mitleid gegen sie: das ist schon viel. Doch mehr noch träum' ich von so kühnem Wagnih, Von größerer Geburt aus diesen Weh'n. Sie starb, so muß man Überall verbreiten, Im Augenblick, als man sie angeklagt; So wird sie dann entschuldigt und bedauert Bon jedem, der es hört: denn so geschieht-, Daß, was wir haben, wir nach Werth nicht achte«, So lange wirs genießen: ists verloren, Dann überschätzen wir den Preis; ja dann Erkennen wir den Werth, den uns Besitz Mißachten ließ. So wirds mit Claudio seyn,

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Biel Lärmen um Nichts

Hört er, daß seine Worte sie getödtet. Mit süßer Macht schleicht ihres Lebens Bild Sich in die Werkstatt seiner Phantasie, Und jedes liebliche Organ des Lebens Stellt sich, in köstliches Gewand gekleidet, Weit zarter, rührender, voll frischern Lebens Dem innern Auge seines Geistes dar, Als da sie wirklich lebt'; und er wird trauern, Hat Lieb' in seinem Herzen je geherrscht, Und wünschen, daß er nicht sie angeklagt, Selbst wenn er auch die Schuld als wahr erkannte. Geschieht dieß nun, so zweifelt nicht, Erfolg Wird dieses Glück noch glänzender bekleiden, Als ich das ungefähre Bild entwerfe.. Doch wär' auch jeglich andres Ziel verfehlt; Die Ueberzeugung von des Fräuleins Tod Tilgt das Gerücht von ihrer Schmach gewiß; Und schlüg' euch Alles fehl, so bergt sie dann, Wie's ihrem wunden Ruf am besten ziemt, 9u eines Klosters abgeschiednem Leben Vor Aller Angen, Zungen, Schmähu und Kränkung. Senedict. Signor Leonato, folgt dem Rath des Mönchs, Und wißt ihr schon, wie sehr ich Lieb' und Neigung Dem Prinzen und Graf Claudio zugewendet, Doch will ich, auf mein Wort, so sorglich schweigen. So streng und treu für euch, wie eure Seele Sich selber bleibt.

Leonato. .9n dieser Flut des Grams Mögt ihr mich lenken an dem schwächsten Faden.

Vierter Aufzug. Erste Scene.

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Mönch. So sei denn, wenn euch Fassung nicht verläßt, Seltsame Heilung seltnem Schmerz beschieden. — Ihr, Fräulein, sterbt zum Schein; Eu'r Hochzeitsest Ward, hoff' ich, nur verlegt: drum harrt in Frieden. (Mönch, Hero und Leonato ab)

Gene-ict. Fräulein Beatrice, habt ihr die ganze Zeit ge­ weintSeatrice. Ja, und ich werde noch viel länger weinen. Gene-ict. Das will ich nicht wünschen. Geatriee. Dessen bedarss auch nicht, ich thu' eS freiwillig. Benedict. Gewiß, ich denke, eurer schönen Base ist Unrecht geschehn. Seatrice. Ach! Wie hoch würde der Mann sich um mich verdient machen, der ihr Recht widerfahren ließe! Benedict. Giebt es irgend einen Weg, solche Freundschaft zu zeigen? Seatrice. Einen sehr ebnen Weg, aber keinen solchen Freund. Benedict. Kann es ein Mann vollbringen? Seatrice. Es ist eines Mannes Amt, aber nicht das. eure. Benedict. Ich liebe nichts in der Welt so sehr, als euch; ist daS nicht seltsam? Seatrice. So seltsam, als etwas, von dem ich nichts weiß. ES wäre eben so möglich, zu sagen, ich liebte nichts in der Welt so sehr, als euch; aber glaubt mirs nicht; und doch lüg' ich nicht: ich bekenne nichts und läugne nichts. Mich jammert meine Muhme. Benedict. Bei meinem Degen, Beatrice, du liebst mich. Seatrice. Schwört nicht bei eurem Degen, eßt ihn. Benedict. Ich will bei ihm schwören, daß du mich liebst; und ich will den zwingen, meinen Degen zu essen, der da sagt, ich liebe euch nicht, v.

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Viel 8armen um NichrS

Seatrice. Ihr wollt euer Wort nicht wieder essen? Benedict. Mit keiner Brühe, die nur je ersonnen werden sann. Ich betheure, daß ich dich liebe. Seatrice. Nun denn, Gott verzeihe mir! Benedict. Was für eine Sünde, liebste Beatrice? Seatrice. Ihr unterbracht mich eben zur guten Stunde: ich ‘Par im Begriff zu betheuern, ich liebte euch. Benedict. Thue das von ganzem Herzen. Beatrice. Ich liebe euch mit so viel von meinem Herzen, daß nichts mehr übrig bleibt, es euch dabei zu betheuern. Benedict. Heiß' mich, was du willst, für dich ausführen. Seatrice. Ermorde Claudio. O, mcht für die ganze Welt! Benedict. Seatrice. Ihr ermordet mich, indem ihrs weigert; lebt wohl! Benedict. Warte noch, süße Beatrice. Seatrice. Ich bin fort, obgleich ich noch hier bin. — Nein, ihr seid keiner Liebe fähig; — nein, ich bitt’ euch, laßt mich. Benedict. Beatrice.... Seatrice. Im Ernst, ich will gehn. Benedict. Laßt uns erst Freunde seyn. Seatrice. O ja, ihr wagt ehe Freund mit mir zu seyn, als mit meinem Feinde zu fechten. Benedict. Ist Claudio dein Feind? Seatrice. Hat sich der nicht auf den äußersten Grad als ein Schurke gezeigt, der meine Verwandte verläumdet, geschmäht, entehrt hat? O! daß ich ein Mann wäre! — Was! Sie hinzu­ halten, bis sie ihm am Altar die Hand hinhält, und dann mit so öffentlicher Beschuldigung, so unverhohlener Beschimpfung, so un­ barmherziger Tücke, — o Gott! daß ich ein Mann wäre! ich wollte sein Herz auf offnem Markt verzehren.

Vierter Aufzug. Erste Scene

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Benedict. Höre mich, Beatrice-------Beatrice. Mit einem Manne aus ihrem Fenster reden Ein feines Mährchen! Benedict. — Nein, a(er Beatrice-------Bealrice. Die süße Hero! Sie ist gekränkt, sie ist verläumdet, sie ist vernichtet! Benedict. Beatr ..------Bealrice. Prinzen und Grafen! Wahrhaftig, ein recht prinzlicheS Zeugniß! ein honigsüßes Grafenstückchen! ein lieber Bräuti­ gam, wahrhaftig! O daß ich ein Mann wäre um seinetwillen! oder daß ich einen Freund hätte, der um meinetwillen ein Mann seyn wollte! Aber Mannheit ist in Ceremonien und Höflichkeiten zer­ schmolzen, Tapferkeit in Complimente; die Männer sind ganz Zun­ gen geworden, und noch dazu sehr gezierte. ES ist jetzt schon einer ein Hercules, der nur eine Lüge sagt, und darauf schwört; ich kann durch meinen Wunsch kein Mann werden, so will ich denn als ein Weib mich grämen und sterben. Benedict. Warte, liebste Beatrice; bei dieser Hand, ich liebe dich. Beatrice. Braucht sie mir zu Liebe zu etwas Befferm, als dabei zu schwören! Benedict. Seid ihr in eurem Gewissen überzeugt, daß Gras Claudio Hero belogen hat? B ea trice. Ja, so gewiß ich einen Gedanken oder eine Seele habe. Benedict. Genug, zählt auf mich. Ich fordre ihn heraus. Laßt mich eure Hand küssen; bei dieser Hand, Claudio soll mir eine schwere Rechenschaft ablegen. Wie ihr von mir hört, so den­ ket von mir. Geht, tröstet eure Muhme; ich muß sagen, sie sei gestorben, und so lebt wohl! (Beide ab)

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Diel Lärmen um Nichts.

Zweite Scene. (Holzapfel- Schlehwem- Schreiber- alle drei ir ihren AmtSröcken. Wache mit Conrad und Borachio) Holzapfel. Sind alle Verschwornen unsres Trübenaalbeisammen? Sch lehrn ein. O, einen Stuhl und Kiffen für den Herrn Schreiber. Schreiber. Welches sind die Maleficanten? Holzapfel. Zum Henker, der bin ich und mein Gevatter. Sch ich wein. Das versteht sich. Wir haben die Introduetion, sie zu exanimiren. Schreiber. Aber wo sind die Verbrecher, die examinirt wer­ den sollen? Laßt sie vor den Herrn Constabel führen. Holzapfel. Ja, zum Henker, laßt sie vorführen. Wie ist sein Name, Freund? Borachio. Borachio. Holzapfel. Seid so gut, schreibt- auf, Borachio. — Seiner, Musjeh? — Conrad. Ich bin ein Cavalier, Herr, und mein Name ist Conrad. Holzapfel. Schreibt auf, Meister Cavalier Conrad. Leute, sagt einmal, dient ihr Gott? Conrad und Borachio. Nun, das hoffen wir. Holzapfel. Schreibt- nieder: sie hoffen, sie dienen Gott, und schreibt Gott voran: denn Gott bewahre doch, daß Gott vor solchen Schelmen vorangehn sollte. Leute, es ist bereits erwiesen, daß ihr nicht viel besser seid als Spitzbuben, und man wird bald genug eine Ahndung davon kriegen. Was könnt ihr nun für euch anführen? Conrad. Ei nun, Herr, wir sagen, wir siud keine.

Vierter Aufzug. Zweite Scene.

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Holzapfel. Ein verdammt witziger Bursch, das muß ich sagen; aber ich will schon mit ihm fertig werden. — Kommt ein­ mal hier heran, MuSjeh: ein Wort ins Ohr, Herr: ich sage ihm, man glaubt von euch, ihr seid zwei Spitzbuben. Sorachio. Herr, ich sage euch, wir sind keine. Holzapfel. Tretet wieder auf die Seite. Bei Gott, spre­ chen sie nicht, als hätten sie sich mit einander verabredet! Habt ihrs hingeschrieben, daß sie keine sind? — Schreiber. Herr Constabel, daS ist nicht die Manier zu e^aminiren. Ihr müßt die Wache abhören, die sie verklagt hat. Holzapfel. Ja, zum Henker, daö ist die vidimirte Heer­ straße. Die Wache soll kommen. Mache kommt) Leute, ich befehle euch in des Prinzen Namen, verklagt mir einmal diese beiden Menschen. Erste tVache. Dieser Mann hier sagte, Herr, Don Juan, des Prinzen Bruder, sei ein Schurke. — Holzapfel. Schreibt hin, — Don Juan ein Schurke. — Was! das ist ja klarer Meineid, des Prinzen Bruder einen Schur­ ken zu nennen. Sorachio. Herr Constabel ...— Holzapfel. Still geschwiegen, Kerl, dein Gesicht gefällt mir gar nicht, muß ich dir gestehn. Schreiber. WaS hörtet ihr ihn sonst noch sagen? Zweite tvache. Ei nun, er sagte auch, er hätte lausend Dukaten vom Don Juan erhalten, um Fräulein Hero fälschlich anzuklagen. Holzapfel. Klare Brandmörderei, wenn jemals eine be­ gangen ist. Schl eh wein. Ja, mein Seel, so ist eS auch. Schreiber. WaS sonst noch, Mensch? ^«He tvache. Und daß Graf Claudio nach seinen Nedeu

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Viel Lärmen um Nichts

sich vorgesetzt habe, Fräulein Hero vor der ganzen Versammlung zu beschimpfen und sie nicht zu heirathen. Holzapfel.

O Spitzbube! Dafür wirst du noch ins ewige

Jubiläum verdammt werden. Schreiber.

Was noch mehr?

Zweite Wache.

Das war Alles.

Schreiber. Und das ist mehr, Leute, als ihr läugnen könnt. Prinz Juan hat sich diesen Morgen heimlich weggestohlen; Hero ward aus diese Weise angeklagt, auf eben diese Weise verstoßen, und ist auS Gram darüber plötzlich gestorben.

Herr Constabel,

laßt die beiden Leute binden und in Leonato'S Haus führen, ich will voran gehn und ihm das Verhör zeigen. Holzapfel. Schlehwein. So rach io.

(ab)

Recht so; laßt ihnen die Bandagen anthun. Laßt sie festbinden.

Hände weg, Maulaffe!

Holzapfel.

Gott steh mir bei, wo ist der Schreiber?

Er

soll schreiben: des Prinzen Constabel ein Maulaffe! Wart! bindet sie fest! Du nichtswürdiger Kerl! — Conrab.

Fort! ihr seid ein Esel, ihr seid ein Esel!

Holzapfel. Despektirst du denn mein Amt nicht? Despektirst du denn meine Jahre nicht? — Wär' er doch noch hier, daß er es aufschreiben könnte, daß ich ein Esel bin! Aber, ihr Leute, vergeßt mirs nicht, daß ich ein Esel bin; wenns auch nicht hingeschrieben ward, erinnert- euch ja, daß ich ein Esel bin. Nein, du Spitzbube, du steckst voller Moralität, das kann ich dir durch zuverlässige Zeu­ gen beweisen.

Ich bin ein gescheuter Mann, und was mehr ist,

ein Mann bei der Justiz, und waS mehr ist, ein ansässiger Mann, und waS mehr ist, ein {o hübsches Stück Fleisch, als nur irgend eines in ganz Messina, und ein Mann, der sich auf die Gesetze versteht, siehst du, und ein Mann, der sein Vermögen hat, siehst du, und ein Mann, der Pachtbriefe gehabt hat, und der seine zwei

Fünfter Aufzug. Erste Scene.

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Röcke hat, und Alles, waS an ihm ist, sauber und accurat. Bringt hn fort! Ach, hätten sie'- nur von mir aufgeschrieben, daß ich ein Esel bin! — (Alle ab)

Fünfter Aufzug. Erste ©teile. (ES treten auf Cconato und Antonio) Antonio. fährst du so fort, so bringst du selbst dich um; Und nicht verständig ists, dem Gram so helfen, Dir selbst zum Schaden. Leonato. Spare deinen Rath! Er fallt so fruchtlos in mein Ohr, wie Wasser Ein Sieb durchströmt. O gieb mir keinen Rath! Und keinen Tröster laß mein Ohr erquicken, Als solchen, besten Schmerz dem meinen gleicht. -Bring mir 'nen Vater, der sein Kind so liebte, Deß Freud' an ihm vernichtet ward, wie meine, Und heiß' Geduld ihn predigen. Miß seinen Gram nach meinem auf ein Haar, Jeglichem Weh entsprech' ein gleiches Wch, Und hier tote dort ein Schmerz für jeden Schmerz, In jedem Zng und Umriß Licht und Schatten; Wenn der nun lächelt und den Bart sich streicht,

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Viel fiSrificn um Nicht-.

Gram Freude nennt, Hei! ruft statt tief zu seufzen, Sein Leid mit Sprüchen flickt, mit Bücher-Phrasen Den bittern Schmerz betäubt, den bringe mir, Don diesem will ich dann Geduld erlernen. Doch solchen Mann giebts nicht. Denn, Bruder, Menschen, Sie rathen, trösten, heilen nur den Schmerz, Den ste nicht selber fühlten. Trifft er ste, Dann wird zur wilden Wuth derselbe Trost, Der eben noch Arznei dem Gram verschrieb, An seidner Schnur den Wahnsinn wollte feffeln, Herzweh mit Lust, den Krampf mit Worten stillen. Nein! Nein! Stets warS der Brauch, Geduld zu rühmen Dem Armen, den die Last des Kummers beugt: DoH keines Menschen Kraft noch Willensstärke Genügte solcher Weisheit, wenn er selbst Das Gleiche duldete: drum keinen Rath; Denn lauter schreit mein Schmerz als dein Ermabnen.

Antonio. So hat der Mann dem Kinde nichts voraus? Leonato. Ich bitt' dich, schweig. Ich bin nur Fleisch und Blitt. Denn noch bis jetzt gabs keinen Philosophen, Der mit Geduld das Zahnweh konnt' ertragen, Ob ste der Götter Sprache gleich geredet, Und Schmerz und Zufall als ein Nichts verlacht.

Antonio. So häufe nur nicht allen Gram aus dich; Laß jene, die dich kränkte, gleichfalls dulden.

Leonato. Da sprichst du weislich- ja, so solls geschehn. Mein Herz bezeugt mirs, Hero ward verläumdet.

Fünfter Aufzug. Erste Scene. Und dieß soll Claudio hören, dieß der Fürst, Und alle sollen-, die ste so entehrt. (Don Pedro und Claudio kommen) Antonio. Hier kommen Claudio und der Prinz in Cil. Don Pedro. Ab. guten Morgen! Claudio. Guten Tag euch beiden. Leonato. Hört mich, ihr Herrn-------Don Pedro. Leonato, wir find eiltg. Leonato. So eilig, Herr? So lebt denn wohl, ihr Herrn; — Jetzt habt ihr Eile? — Wohl, es wird sich finderu Don Pedro. Nun, guter Atter, zankt doch nicht mit uns. Antonio. Schafft ihm ein Zank fein Recht, so weiß ich solche, Die wohl den Kürzern zögen. Claudio. Ei, wer kränkt chn? Leonato. Ha, wahrlich du! Du kränktest mich, du Heuchler! — O leg die Hand nur nicht an deinen Degen, Ich fürchte nichts. Claudio. Verdorre diese Hand, Eh sie dem Alter so zu drohen dächte. Die Hand am Schwert hat nichts bedeutet, wahrlich!

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Diel Lärmen um Nicht-.

Leonato. Ha, Mann! Nicht grinse so, und spotte meiner! Ich spreche nicht als Thor und blöder Greis, Noch unter meines Alters Freibrief prahl' ich, Waö ich als Jüngling that, was ich noch thäte, Wär' ich nicht alt: Nein, hör' eS, auf dein Haupt! Du kränktest so mein schuldlos Kind und mich, Daß ich ablege meine Würd' und Ehrfurcht; Mit grauem Haar und vieler Jahre Druck Fordr' ich dich hier, als Mann dich mir zu stellen. Ich sage, du belogst mein schuldlos Kind; Dein falsches Zeugniß hat ihr Herz durchbohrt, Und unter ihren Ahnen ruht sie jetzt, Ha! in dem Grab, wo Schande nimmer schlief, Als ihre, die dein Schurkenstreich ersann.

Claudio. Mein Schurkenstreich?

Leonato. Ja, deiner, Claudio, deiner. Don Pedro. Ihr drückt euch unrecht aus, Signor.

Leonato, Mein Prinz, An ihm will ichs beweisen, wenn erö wagt, Trotz seiner Fechterkunst und raschen Uebung, Trotz seiner Jugend Lenz und muntern Blüthe. Claudio. Laßt mich. Ich habe nichts mit euch zu schaffen.

Leonato. So willst du gehn? Du hast mein Kind gemordet; Ermordst du, Knabe, mich, mordst du 'neu Mann.

Fünfter Aufzug. Erste Scene.

Antonio. Er muß uns beide morden, ja, zwei Männer, Darauf kommtS hier nicht an: zuerst den einen; Ja, wer gewinnt, der lacht. Mir steh' er Rede! Komm, Bursche, folge mir! Komm, folg mir Bursch! — Herr Jung! ich haue deine Finten durch, Ja, ja, so wahr ich Edelmann, das will ich! Ceonato.

Bruder ....

Antonio. Sei du nur still! Gott weiß, das Mädchen liebt' ich. Nun ist sie tobt, von Schurken todt geschmäht, Die wohl so gern sich einem Manne stellen, Als ich der Schlang' an ihre Zunge griffe. Gelbschnäbel, Buben, Affen, Prahler.--------

Leonato. Bruder! — Antonio. Ei was, sei still! — Was da! ich kenne sie, Weiß, was sie gelten, bis ans einen Scrupel: Vorlaute, dreiste, modesücht'ge Knaben, Die lügen, witzeln, höhnen, schmähst und lästern. Mit bunter Narrentracht den Helden spielen, Und ein halb Dutzend grimmer Worte lernten: "WaS sie dem Feind anthäten, käm'S so weit — ** Und das ist Alles. Leonato. Bruder ....

Antonio. S ist schon gut, Du kümmre dich um nichts, laß mich nur machen.

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Viel Lärmen um Nichts.

Don Pedro. Ihr Herrn, wir wolln nicht euern Unmuth wecken. Daß eure Tochter staxd, geht mir zu Herzen; Doch auf mein Wort, sie war um nichts beschuldigt. Als was gewiß und klar erwiesen stand. Leonato. Mein Fürst, mein Fürst-------Don Pedro. Ich will nicht hören. Leonalo. Nicht? Fort, Bruder! — Ihr sollt hören! Antonio. Ja, ihr sollt! Ja! oder ein'ge von uns sollend fühlen! (Leonato und Antonio ab) (Senedict kommt) Don Pedro. Seht, da kommt der Mann, den wir gesucht. Claudio.

Nun, Signor, was giebts Neues?

Sen cdiet. Guten Tag, mein Fürst. Don Pedro. Willkommen, Signor.

Ihr hättet eben bei­

nahe einen Strauß trennen können. Claudio.

Es sehlte nicht viel, so hätten zwei alte Männer

ohne Zähne unsre zwei Nasen abgebissen. Don Pedro. Leonato und sein Bruder.

Was denkst du

wohl? Hätten wir gefochten, ich weiß nicht, ob wir zu jung für sie gewesen wären? Senedict. In einer schlechten Sache hat mau keinen Muth. Ich kam, euch Beide aufzusuchen. Claudio.

Und wir sind schon lange aus den Beinen, dich

zu suchen. Denn wir sind gewaltig melancholisch, und sähenS gern,

Fünfter Aufzug.

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Erste Scene.

wenn uns das Jemand auStriebe.

Willst du deinen Witz in Be­

wegung setzen? Senedict. Er steckt in meiner Scheide, soll ich ihn ziehn? Äon Pedro. Trägst du deinen Witz an der Seite? Claudio. Das that noch Niemand, obgleich wohl Viele ihren Witz beiseite gelegt haben. • Ich will dich spielen heißen, wie wirden Fiedlern thun; spiel' auf, mach und lustig. Don Pedro. So wahr ich ehrlich bin, er sieht blaß aus. Bist du krank oder verdrießlich? Claudio.

Muth, Freund! Wenn der Gram auch eine Katze

umS Leben bringen kann, so hast du doch wohl Herz genug, den Gram ums Leben zu bringen? Benedict. Signor, wenn ihr euern Witz gegen mich richtet, so denk' ich ihm in seinem Rennen Stand zu halten.

Habt die

Güte, und wählt ein andres Thema. Claudio.

So schafft euch erst eine neue Lanze, denn diese

letzte brach mitten durch. Äon Pedro. Beim Himmel, er verändert sich mehr und mehr; ich glaube, er ist im Ernst verdrießlich. Claudio.

Nun, wenn ers ist, so weiß er, wie er seinen

Gürtel zu schnallen hat. Benedict. Claudio. Benedict. ich scherze nicht.

Soll ich euch ein Wort ins Ohr sagen? Gott bewahre uns vor einer Ausforderung! (beiseite zu Claudio)

Ihr seid ein Nichtswürdiger;

Ich willS euch beweisen, wie ihr wollt, womit

ihr wollt, und wann ihr wollt. Thut mir Bescheid, oder ich macheeure Feigherzigkeit öffentlich bekannt.

Ihr habt ein liebenswürdi­

ges Mädchen getödtet, und ihr Tod soll schwer auf euch fallen.. Laßt mich eure Antwort hören. Claudio, (laut) Schön, ich werde mich einfinden, wenn eure Mahlzeit der Mühe verlohnt.

430

Diel Lärmen um Nichts.

Don Pedro. Was? ein Schmaus? ein Schmaus? Claudio. Ja wohl, er Hai mich eingeladen auf einen Kalbskopf mit Kapernsauce, und wenn ich den nickt mit der größten Zierlichkeit vorschneide, so sagt, mein Messer tauge nichts. GiebtS nicht etwa auch eine junge Schnepfe? Serredict. Signor, euer Witz geht einen guten leichten Paß, er fällt nicht schwer. Don Pedro. Ich muß dir doch erzählen, wie Beatrice neu­ lich deinen Witz herausstrich. Ich sagte, du hättest einen feinen Witz; o ja, sagte sie, fein und klein. Nein, sagte ich, einen großen Witz; recht, sagte sie, groß und derb; nein, sagte ich, einen guten Witz; sehr währ, sagte sie, er thut Niemanden weh. Aber, sagte ich, es ist ein finget*junger Mann; gewiß, sagte sie, ein recht super­ kluger junger Mensch. Und waS noch mehr ist, sagte ich, er ver­ steht sich auf verschiedene Sprachen. Das glaub' ich, sagte sie, denn er schwur mir Montag Abends etwas zu, was er Dienstag Mor­ gens wieder verschwur: da habt ihr eine doppelte Sprache, da habt ihr zwei Sprachen. So hat sie eine ganze Stunde lang alle deine besondern Tugenden travestirt, bis sie zuletzt mit einem Seufzer schloß: du seist der artigste Mann in Italien. Claudio. Wobei sie bitterlich weinte, und hinzufügte: sie stimmte sich nichts drum. Don Pedro. Ja, das that sie; und doch mit alle dem. wenn sie ihn nicht herzlich haßte, so würde sie ihn herzlich lieben. Des Alten Tochter hat uns Alles erzählt. Claudio. Alles, Alles! und noch obendrein, Gott sahe.ihn, als er sich im Garten versteckt hatte. DonPedro. Und wann werden wir denn des wilden Stieres Hörner auf des vernünftigen Benedict Stirne sehn? Claudio. Und wann werden wir mit großen Buchstaben geschrieben lesen:. Hier wohnt Benedict, der verheirathete Mann?

Fünfter Aufzug. Erste Scene.

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Senedict. Lebt wohl, junger Bursch; ihr wißt meine Mei­ nung, ich will euch jetzt euerm schwatzhasten Humor überlassen. Ihr schwadronirt mit eitern Späßen, wie die Großprahler mit ihren Klingen, die Gottlob Niemand verwunden. Gnädiger Herr, ich sage euch meinen Dank für eure bisherige Güte; von nun an muß ich mich eurer Gesellschaft entziehn. Euer Bruder, der Ba­ stard, ist aus Messina entflohen; ihr Beide habt ein liebes unschul­ diges Mädchen ums Leben gebracht. WaS diesen Don Ohnebarl hier betrifft, so werden er und ich noch mit einander sprechen, und bis dahin mag er in Frieden ziehn. (ab) Don Pedro. Es ist sein ErnstClaudio. Sein ehrsamster Ernst, und ich wollte wetten, Alles aus Liebe zu Beatrice. Don Pedro. Und er hat dich gefordert? Claudio. In aller Form. Don Pedro. Was für ein artiges Ding ein Mann ist, wenn er in WammS und Hosen herumläuft und seinen Verstand zu Hause läßt! — Claudio. Er ist alßdanu ein Riese gegen einen Affen; aber dafür ist dann auch ein Affe ein Doctor gegen solch einen Mann. (Holzapfel, Schlehwein, Wache mit Conrad und Sorachio) Don Pedro. Aber jetzt stille, laßt gut seyn, und du, mein Herz, geh' in dich und sei ernst. Sagte er nicht, mein Bruder sei entflohn? Holzapfel. Nur heran, Herr, wenn euch die Gerechtigkeit nicht zahm machen kann, so soll die Justiz niemals wieder ein Argelment auf ihre Wagschale legen; ja, und wenn ihr vorher ein hippokratischer Taugenichts gewesen seid, so muß man euch jetzt auf die Finger sehn. Don Pedro. WaS ist das? zwei von meines Bruders Leu­ ten gebunden? und Borachio der eine?

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Biel Hamen um Nichts.

Claubio. Forscht doch nach ihrem Vergehn, gnädiger Herr. Don Pedro. Gerichtsdiener, welches Vergehn haben sich diese Leute zu Schulden kommen lassen? Holzapfel. Zum Henker, gnädiger Herr, falschen Rapport haben sie begangen; überdem sind Unwahrheiten vorgekommen; anderntheilö haben sie Colonien gesagt; sechstens und letztens ha­ ben sie ein Fräulein belogen; drittens haben sie Unrichtigkeiten verificirt, und schließlich sind sie lügenhafte Spitzbuben. Don Pedro. Erstens frage ich dich, was sie gethan haben;' drittens frag' ich dich, was ihr Vergehn ist; sechstens und letztens, warum man sie arretirt hat; und schließlich, was ihr ihnen zur Last legt. Claudio. Richtig subdividirt, nach seiner eignen Eintheilung. DaS nenn' ich mir entwirrte Verwirrung. Don Pedro. Was habt ihr begangen, Leute, daß man euch auf diese Weise gebunden hat? Dieser gelehrte Eonstabel ist zu scharfsinnig, als daß man ihn verstehen könnte. Worin besieht euer Vergehn? Sorachio. Theuerster Prinz,, laßt mich nicht erst vor Ge­ richt gestellt werden; hört mich an, und mag dieser Graf mich niederstoßen. Ich habe euch mit sehenden Augen blind gemacht; was euer Beider Weisheit nicht entdecken konnte, haben diese scha­ len Thoren ans Licht gebracht, die mich in der Nacht behorchten, als ich diesem Manne hier erzählte, wie Don Juan, euer Bruder, mich angestiftet, Fräulein Hero zu verläumden; wie ihr in den Garten gelockt wurdet, und mich um Margarethen, die Hero'S Kleider trug, werben saht; wie ihr sie verstoßen habt, als ihr sie heirathen solltet. Diesen meinen Bubenstreich haben sie zu Pro­ tokoll genommen, und lieber will ich ihn mit meinem Blut versie­ geln, als ihn noch einmal zu meiner Schande wiederholen. Das Fräulein ist durch meine und meines Herrn falsche Beschuldigung

Fünfter 'Auszug.

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Erste Scene.

getödtet worden; und kurz, ich begehre jetzt nichts, als den Lohn eines Bösewichts. Don Pedro. Nennt nicht dieß Wort wie Eisen durch dein BlutClaudio. Ich habe Gift getrunken, als'er sprach. Don Pedro. Und hat mein Bruder hiezu dich verleitetSorachio. Ja, und mich reichlich für die That belohnt. Don Pedro. Er ist Verrath und Tücke ganz und gar, Und nun entfloh er aus dieß Bubenstück. Claudio. O süße Hero! Jetzt strahlt mir dein Bild Im reinen Glanz, wie ich zuerst eS liebte. Holzapfel. Kommt, führt diese Requisiten weg; unser «L-cyrerber wird alleweil auch den Signor Leonato von dem Handel destruirt haben; und ihr, Leute, vergeßt nicht zu seiner Zeit und an seinem Ort zu specificiren, daß ich ein Esel bin. Schlehwein.

Hier, hier kommt der Herr Signor Leonato,

und der Schreiber dazu. (Leonato, Antonio und der Schreiber kommen) Leonato. Wo ist der Bube? Laßt mich sehn sein Antlitz, Daß wenn ein Mensch mir vorkommt, der ihm gleicht, Ich ihn vermeiden kann.

Wer ists von diesen? Sorachio.

Wollt ihr den sehn, der euch gekränkt? Ich bind. v.

28

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Viel Lärmen um Nicht-.

Leonato.

Bist du der Sclav, deß Hauch getödlet har Mein armes Kind? Sorachio. Derselbe; ich allein. Leonato.

Nein, nicht so, Bube, du belogst dich selbst. Hier steht ein Paar von ehrenwerthen Männern, Ein dritter floh, deß Hand im Spiele war: — Euch dank' ich, Prinzen, meiner Tochter Tod, Den schreibt zu euern hohen würd'gen Thaten. Denn herrlich warS vollbracht, bedenkt ihrS recht. Claudio.

Ich weiß nicht, wie ich euch um Nachsicht bäte. Doch reden muß ich. Wählt die Rache selbst, Die schwerste Buß' erdenkt für meine Sünde, Ach trage sie. Doch nur im Mißverstand Lag meine Sünde! Don Pedro.

Und meine, das beschwör' ich. Und doch, dem guten Greis genug zu thun, Möcht' ich mich beugen unterm schwersten Joch, Mit dem er mich belasten will. Leonato.

Befehlen kann ich nicht, „erweckt mein Kind," DaS wär' unmöglich. Doch ich bitt' euch beide, DerkündetS unsrer Stadt Messina hier, Wie schuldlos sie gestorben. Wenn Eu'r Lieben In ernster Arbeit was ersinnen mch, So hängt ein Epitaph an ihre Gruft, Und singt es ihrer Asche, singtS heut Nacht.

435

Fünfter Aufzug. Erste Scene.

Aus morgen früh lad' ich euch in mein Haus, Und könnt ihr jetzt mein Eidam nicht mehr werden, So seid mein Neffe.

Mein Bruder hat 'ne Tochter

Beinah ein Abbild meines todten Kindes, Und sie ist einz'ge Erbin von uns beiden; Der schenkt, was ihre Muhm' erhalten sollte, Und so stirbt meine Rache. Claudio. Edler Mann! So übergroße Güt' entlockt mir Thränen. Mit Rührung nehm' ichs an: verfügt nun künftig Nach Willkühr mit dem armen Claudio.

Ceonato. Auf morgen denn erwart' ich euch bei mir, Für heut gut' Nacht.

Der Niederträchtige

Steh' im Verhör Margrethen gegenüber, Die, glaub' ich, auch zu dem Complott gehörte, Erkauft-von euerm Bruder. Sorachio. Bei meiner Seele, nein, so war eS nicht; Sie sprach mit mir, nicht wissend, was sie that; Stets hab' ich treu und rechtlich sie gefunden In Allem,-was ich je von ihr erfahren. Holzapfel. Anbei ist noch Meldung zu thun, gnädiger Herr, obgleich es freilich nicht Weiß auf Schwarz dasteht, daß dieser Re­ quisit hier, dieser arme Sünder, mich einen Esel genannt hat. Ich muß bitten, daß das bei seiner Bestrafung in Anregung kommen möge.

Und ferner hörte die Wache sie von einem Mißgestalt reden;

tr leiht Geld um Gottes willen und treibts nun schon so lange, und giebt nichts wieder, daß die Leute anfangen, hartherzig zu

28

*

436

Viel Bärmen um Nichts.

werden, und nichts mehr um Gottes willen geben wollen.

Seid

von der Güte und verhört ihn auch über diesen Punct.

Ceonato. Hab Dank für deine Sorg' und brav Bemühn. Holzapfel. Eu'r Wohlgeboren reden wie ein recht ehrwürdiger tfitb dankbarer junger Mensch, und ich preise Gott für Euch. Leonato.

Da hast du für deine Mühe.

Holzapfel. Leonato.

Gott segne dieses fromme Hans. Geh,

ich nehme dir deine Gefangnen ab und

danke dir. Holzapfel.

So restgnire ich Ew. Wohlgeboren einen in­

famen Spitzbuben, nebst unterthänigster Bitte an Ew. Wohlgebo­ ren,

ein Exempel an stch zu statuiren, Andern dergleichen zur

Warnung.

Gott behüte vinx ^voylgevoren; ich wünsche euch alles

Gute; Gott geb' euch gute Beff'rung, ich erlaube Ew. Wohlgeboren jetzt allerunterthänigst zu Hause zu gehn; und wenn ein fröhliches Wiedersehn zu den erwünschten Dinaen gehört, so wolle Gott es in seiner Gnade verhüten.

Kommt, Nachbar.

(Gehn ab)

Leonato. Nun bis aus morgen früh, ihr Herren, lebt wohl. Antonio.

Lebt wohl, ihr Herren, vergeht nn« nicht aus

morgen. Von Pedro. Wir fehlen nicht. Llaudio. Heut Nacht wein' ich um Hero. (Don Pedro und Claudio ab)

Leonato. Schafft diese fort: Jetzt frag' ich Margarethen, Wie sie bekannt ward mit dem schlechten Menschen. (ab)

Fünfter Aufzug. Zweite Scene.

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Zweite Scene. (öenodict und Margaretha, die sich begegnen) Senedirt. Hört doch, liebe Margaretha, macht euch um mich verdient, und verhelft mir zu einem Gespräch mit Beatricen. Margaretha. Wollt ihr mir dafür auch ein Sonnet zum Lobe meiner Schönheit schreiben? Senedict. In so hohem Styl, Margaretha, daß kein jetzt Lebender, noch so Verwegner sich daran wagen soll, denn in Wahr­ heit, daß verdienst du. Margaretha. Daß keiner sich an meine Schönheit wa­ gen M? Benedict. Dein Witz schnappt so rasch wie eines Windspiels Maul; er fängt auf. Margaretha. Und eurer trifft so stumpf wie eines'Fech­ ters Rappier; er stößt und verwundet nicht. Senedict. Sanier Galanterie, Margaretha, er will kein Frauenzimmer verwunden. Und nun bitte ich dich, rufe mir Bea­ trice, ich strecke die Waffen vor dir. Margaretha. Nun, ich will sie rufen, ich denke, sie hat ihre Füße- bei der Hand. Senedict. Wenn das ist, so hoffe ich, kommt sie. (fingt) Gott Amor droben Kennt meinen Sinn, Und weiß aus vielen Proben, Wie schwäch ich bin.-------Ich meine im Singen; aber in der Liebe . . . Leander, der treff­ liche Schwimmer; TroiluS, der den ersten PandaruS in Requisition setzte, und ein ganzes Buch voll von diesen LiebeSrittern, deren Namen jetzt so glatt in der ebnen Bahn der fünffüßigen Iamben dahin gleiten alle diese waren nie so ernstlich über und über iu

438

Viel Lärmen um Nichts.

Liebe versenkt, als mein armes Ich. "Aber wahrhaftig, ich kannnicht in Reimen beweisen; ich hab's versucht; ich finde keinen Reim auf Mädchen als . . . Schäfchen, ein zu unschuldiger Reim; auf Zorn, als Horn, ein'harter Reim; auf Ohr, Thor, ein alberner Reim — sehr verfängliche Endungen; nein, ich bin einmal nicht unter einem reimenden Planeten geboren, ich weiß auch nicht in Feiertagsworten zu werben. (Seatrice kommt) Schönste Beatrice, kamst du wirklich, weil ich dich rief? Seatrice. Ja, Signor, und ich werde gehn, wenn ihr mirs sagt. Senedict. O, ihr bleibt also bis dahin? Seatrice. Dahin, habt ihr jetzt eben gesagt, also lebt nun wohl. Doch eh ich gehe, sagt' mir das, weßhalb ich kam; laßt mich hören, was zwischen euch und Claudio vorgefallen ist. Senedict. Nichts als böse Reden, und dem zufolge laß mich dich küssen. Seatrice. Böse Reden sind böse Lust, und böse Luft ist nur böser Athem, und böser Athem ist ungesund, und also will ich un-geküßt wieder gehn. Senedict. Du hast das Wort auS seinem rechten Sinn herausgeschreckt, so energisch ist dein Witz. Aber ich will dirs er­ zählen. Claudio hat meine Forderung angenommen, und ich werde jetzt bald mehr von ihm hören, oder ich neune ihn öffentlich eine Memme. Und nun sage mir, in welche von meinen-schlechten Eigen­ schaften hast du dich zuerst verliebt? —=• Seatrice. In alle auf einmal; denn sie bilden zusammen eine so wohl organisirte Republik von Fehlern, daß sie auch nicht einer guten Eigenschaft gestatten, sich unter sie zu mischen. Aber um welche von meinen schönen Qualitäten habt ihr zuerst die Liebe zu mir erdulden müssen?

Fünfter Aufzug. Zweite Scene.

Benedict.

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Die Liebe, erdulden! Eine hübsche Phrase! Frei­

lich erdulde ich die Liebe, denn wider meinen Willen muß ich dich lieben. Beatrice.

Wohl gar deinem Herzen zum Trotz? Ach, das

arme Herzchen! — Wenn ihr um meinetwillen trotzt, will ich ihm um euretwillen Trotz bieten, denn ich werde niemals das lieben, was mein Freund haßt. Benedict.

Du und ich sind zu vernünftig, um uns fried­

lich um einander zu bewerben. Sealrice. Das sollte man aus dieser Beichte nicht schließen: unter zwanzig vernünftigen Männern wird nicht einer sich selbst loben. Benedict.

Ein alteö, altes Sprichwort, Beatrice, das ge­

golten haben mag, als es noch gute Nachbarn gab: wer in unserm Zeitalter sich nicht selbst eine Grabschrist aussetzt, ehe er stirbt, der wird nicht länger im Gedächtniß leben, als die Glocke läutet und die Wittwe weint. Seatrice.

Und das wäre?

Benedict.

Ihr fragt noch? Nun: eine Stunde läuten und

eine Viertelstunde weinen. Deßhalb ist der beste Ausweg für einen Verständigen (wenn anders Don Wurm, sein Gewiffen, ihn nicht daran hindert), die Posaune seiner eigenen Tugenden zu seyn, wie ichs jetzt für mich bin. So viel über mein Selbstlob (und daß ich des Lobes werth sei, will ich selbst bezeugen); nun sagt mir aber, wie gehr es eurer Muhme? — Seatrice.

Sehr schlecht.

Benedict.

Und wie geht es euch selbst?

Seatrice.

Auch sehr schlecht.

Benedict.

Seid fromm, liebt mich und beffert euch; und

nun will ich euch Lebewohl sagen, denn hier kommt jemand in Eil.

(Ursula

kommt)

440

Diel Lärmen um Nichts.

Ursula. Mein Fräulein, ihr sollt zu euerm Oheim kom­ men, eS ist ein schöner Lärm da drinnen! man hat erwiesen, unser Fräulein Hero sei Löslich belogen, die Prinzen und Claudio mäch­ tig betrogen, und Don Juan, der Anstifter von dem Allen, hat sich auf und davon gemacht. Wollt ihr jetzt gleich mit kommen? Beatrice. Wollt ihr diese Neuigkeiten mit anhören, Sig­ nor? — Benedict. Ich will in deinem Herzen leben, in deinem Schooß sterben, in deinen Augen begraben werden, und über das Alles will ich mit dir zu deinem Oheim gehn. (ab)

Dritte Srene. (Don pebro* Claudio- Erfolge mit Musik und Fackeln) Claudio. Ist dieß des Leonato Grabgewölb? Diener. Ja, gnäd'ger Herr. Claudio, (liest von einer Rvlle) Schmähsucht brach der Hero Herz, Hier schläft sie im Iungfraunkranz. Für der Erde kurzen Schmerz Schmückt sie Tod mit HimmelSglanz; Leben mußt’ in Schmach ersterben, Tod ihr ew'gen Ruhm erwerben. (Hangt die Rolle auf)

Häng' an ihres Grabmals Steinen, Wenn ich todt, sie zu beweinen. Nun stimmet an, und singt die Todeshymne. Gesang.

Gnad' uns, Königin der Nacht, Die dein Mägdlein umgebracht;

Fünfter Aufzug.

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Dritte Scene.

Trauernd und mit Angstgestöhn Um ihr Grab wir reuig gehn. Mitternacht, steh'-uns bei! Mehr' unser Klaggeschrei! Feierlich, feierlich! Gräber, gähnt weit empor! Steig' auf, o Geisterchor, Feierlich, feierlich! Claudio. Nun ruh' in Frieden dein Gebein 1 Dieß Fest soll jährlich sich erneun. Don Pedro. Löscht eure Fackeln jetzt, schon fällt der Thau, Der Wolf zieht waldwärts, und vom Schlaf noch schwer, Streift sich. der Osten schon mit lichtem Grau, Vor Phöbus Rädern zieht der Tag einher. Euch Allen Dank! verlaßt uns und lebt wohl. Claudio. Guten Morgen, Freunde, thut'waS Jeder soll. (Fackelträger ad)

Don Pedro. Kommt, laßt. zum neuen Feste jetzt unS schmücken, Und dann zu Leonato folgt mir nach. Claudio. Und Hymen mög' uns dießmal mehr beglücken, Als an dem heut gesühnten Trailerlag. (Me ad)

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Diel Lärmen um Nichts.

Vierte Scene. (Cronata, Antomo, Äenedict, Äeatrioe, Ursula, Mönch und Hcro treten auf)

Mönch. ©agV ichs euch nicht, daß sie unschuldig sei? —

Leonato. Wie Claudio und der Prinz, die sie verklagt Ans jenen Irrthum, den wir jetzt besprochen. Doch etwas ist Margrets im Fehl verstrickt, Zwar gegen ihren Willen, wie's erscheint -In dem Verlauf der ganzen Untersuchung.

Antonio. Nun, ich-bin froh, daß Alles glücklich endet.

Benedict. Das bin ich auch, da sonst mein Wort mich band, Dom jungen Claudio Rechenschaft zu fordern.

Leonato. Nun, meine Tochter, und ihr andern Frau'u Zieht in das nächste Zimmer euch zurück, Und wenn ich sende, kommt in Masken her. Der Prinz und Claudio wolln um diese Stunde Mich hier besuchen. Du, Bruder, kennst dein Amt, Du mußt der Vater deiner Nichte seyn, Und Claudio sie vermählen. (Dle Antonio. Das thu' ich dir mit fester, sichrer Miene.

Benedict. Euch, Pater, denk' ich auch noch zu bemühn.

Mönch. Wozu, Signor?

Frauen

ab>

Fünfter Aufzug. Vierte Scene. Senedict. Zu binden oder lösen, eins von beiden. Herr Leonato, so weit ists, mein Theurel, Mit günstigen Augen sieht mich eure Nichte. Leonato. Die Augen lieh ihr, wahrlich, meine Tochter. ß enedict. Und ich vergelt' es mit verliebten Augen. Leonato. Den Liebesblick habt ihr von mir erhalten, Don Claudio und dem Prinzen. Doch, was wollt lyr? Senedict. Die Antwort, Herr, bedünkt mich problematisch. Mein Wille wünscht, daß euer guter Wille Sich unserm Willen fügt, und dieser Tag Uns durch das Band der heil'gen Eh' verknüpfef Und dazu, würd'ger Mann, schenkt eitern Beistand. Leonato. Mein Jawort geb' ich gern. Mönch. Ich meinen Beistand. Hier kommt der Prinz, und Claudio. (Don Pedro und Claudio mit Gefolge) Don Pedro. Guten Morgen diesem ganzen edlen Kreis! Leonato. Guten Morgen, theurer Fürst, guten Morgen, Claudio? Wir warten euer; seid ihr. noch entschlossen, Mit meines Bruders Kind euch zu vermahlen > Claudio. Ich halte Wort und wär' sie eine Mohrin

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Diel Lärmen um NiHrS.

Leonato. Ruf, Bruder, sie, der Priester ist bereit. (Antonio ab Äon Pedro. Ei, guten Morgen, Benedict, wie gehts? Me kommt euch solch ein Februarsgesicht, So voller Frost und Sturm und Wolkenschatten? Claudio. Ich denk', er denkt wohl an den wilden Stier. Nur still! dein Horn schmück' ich mit goldnem Knopf, Und ganz Europa soll dir Bravo rufen, Wie einst Europa sich am Zeus erfreute, Da er als edles Vieh trug Liebesbeute. Senedict. Zeus brüllt' als Stier ein sehr verführend Muh, Und solch ein Gast kirrt' eures Vaters Kuh, Und ließ ein Kalb zurück dem edlen Thier, Ganz so von Ansehn und Geblök wie ihr. (Antonio kommt wieder, mit ihm die Frauen ma-kirt) Claudio. Da- zahl' ich euch; doch jetzt kommt andre Rechnung. An welche Dame darf ich hier mich wenden? Antonio. Hier, diese istö, nehmt sie von meiner Hand. Claudio. So ist sie mein! Zeigt mir eu'r Antlitz, Holde. Leonato. Nicht so, bevor du ihre Hand erfaßt Vor diesem Priester, und ihr Treu' gelobt. Claudio. Gebt mir die Hand vor diesem würd'gen Mönch,

Fünfter Aufzug. Vierte Scene.

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Hero. Als ich gelebt, war ich eu'r erstes Weib; Als ihr geliebt, wart ihr mein erster Gatte. (Nimmt die Maske ab?

Claudio. Die zweite Hero? Hero. Nichts ist so gewiß. Geschmäht starb eine Hero; doch ich lebe, Und ich bin rein von Schuld, so wahr ich lebe. Don Pedro. Die vor'ge Hero! Hero! die gestorben! — Leonato. Sie lebte auf. sobald Verläumdung starb. Mönch.

All dieß Erstaunen bring' ich zum Verständniß. Sobald die heil'gen Bräuche sind vollbracht, Bericht' ich jeden Umstand ihres Todes. Indeß nehmt als Gewöhnliches dieß Wunder, Und laßt uns Alle zur Kapelle gehn. Senedict. Still, Mönch, gemach! Wer ist hier Beatrice? Beatrice. Ich bin statt ihrer da. Was wollt ihr mir? Benedict. Liebt ihr mich nicht? Beatrice. Nein, weiter nicht, als billig. Benedict. So fird eu'r Oheim und der Prinz und. Claudio Gar sehr getäuscht; lle schwuren doch: ihr lieblet.

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Diel

Lärmen um

Nichts.

Seatrice. Liebt ihr mich nicht? Senedict. Nein, weiter nicht als billig. Seatrice. So sind mein Mühmchen, Ursula und Gretchen, Gar sehr getäuscht; sie schwuren doch: ihr liebtet. Senedict. Sie schwuren ja: ihr seid- fast krank um mich? Seatrice. Sie schwuren ja: ihr seid halbtodt aus Liebe? Senedict. Ei, nichts davon, ihr liebt mich also nicht? Sealrice. Nein, wahrlich, nichts als freundliches Erwiedern. Leonato. Kommt, Nichte, glaubt mirs nur, ihr liebt den Herrn. Claudio. Und ich versichr' eS euch, er liebt auch sie: Seht nur dieß Blatt von seiner Hand geschrieben, Ein lahm Sonnet aus eignem leeren Hirn Zu BeatricenS Preis. Hera. Und hier ein zweites Don ihrer Schrift,, aus ihrer Tafch' entwandt, Verräth, wie sie für Benedict erglüht. Senedict. O Wunder! Hier zeugen unsre Hände gegen unsre Herzen. Komm, ich will dich nehmen, aber bei diesem Son­ nenlicht, ich nehme dich nur aus Mitleid. Seatrice. Ich will euch nicht geradezu abweisen; aber frei diesem Tageöglanz, ich folge nur dem dringenden Zureden meiner

Fünfter Aufzug. Vierte Scene.

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Freunde; und zum Theil, um euer Leben zu retten; denn man sagt mir, ihr hättet, die Auszehrung. Benedict. Still! ich stopfe dir den Mund. (Küßt sie) Don Pedro.' Wie gehts nun, Benedict, du Ehemann? — Benedict. Ich will dir etwas sagen, Prinz: eine ganze hohe Schule von Witzknackern soll mich jetzt nicht aus meinem Humor sticheln. Meinst du, ich frage etwas nach einer Satyre oder einem Epigramm? Könnte man von Einfällen beschmutzt werden, wer hätte dann noch einen saubern Fleck an sich? Mit einem Wort, weil ich mirs einmal vorgesetzt, zu heirathen, so mag mir die ganze Welt jetzt vorsetzen, was sie an Gegengründen weiß, mirs solls eins seyn; und darum macht nur keine Glossen wegen dessen, was ich ehemals dagegen gesagt habe; denn der Mensch ist ein schwindlicheS Geschöpf, und damit istS gut. Was dich betrifft, Claudio, so dachte ich dir eins zu versetzen; aber da eS den Anschein hat, als sollten wir jetzt Vettern werden, so lebe fort in heiler Haut, und liebe meine Muhme. Claudio. Ich hatte schon gehofft, du würdest Beatricen einen Korb geben, damit ich dich aus deinem einzelnen Stande hätte herausklopfen können, und dich zu einem Dualisten machen, und ein solcher wirst, du auch ohne Zweifel werden, wenn meine Muhme dir nicht gewaltig auf die Finger sieht. Benedict. Still doch, wir sind Freunde. Laßt uns vor der Hochzeit einen Tanz machen, das schafft uns leichtere Herzen, und unsern Frauen leichtere Füße. Ceonato. Den Tanz wollen wir hernach haben. Benedict. Nein, lieber vorher; spielt nur, ihr Musikan­ ten. — Prinz, du bist so nachdenklich, nimm dir eine Frau! nimm dir eine Frau! Es giebt keinen ehrwürdigern Stab, als der mit Horn beschlagen ist.

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Diel Lärmen um Nichts. (Ein Diener kommt)

Diener. Mein Fürst, eu’r Bruder ward int Fliehn gefangen; Man bracht' ihn mit Bedeckung nach Messina. Senedirt. Denkt nicht eh'r -lS morgen an ihn; ich will uuterdeß schon ans derbe Strafen sinnen. Spielt auf, Musikanten k (Tanz. 9UU ab)