Sememstrukturen und Feldstrukturen [Reprint 2018 ed.] 9783050069296, 9783050023878


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German Pages 271 [272] Year 1995

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
1. Einführung
2. Die inhaltlichen und formalen Grundlagen
3. Generierung eines Verbfelds
4. Die Maßverben
5. Aktanten und Attribute
6. Die verba dicendi
Zusammenstellung der Definitionen
Zusammenstellung der Bedingungen
Literatur
Anmerkungen
Anhang: Die generierten Positionen für das Feld der Besitzwechselverben
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Sememstrukturen und Feldstrukturen [Reprint 2018 ed.]
 9783050069296, 9783050023878

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J Ü R G E N KUNZE Sememstrukturen und Feldstrukturen

studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf

studia grammatica XXXVI Jürgen Kunze

unter Mitarbeit von Beate Firzlaff

Sememstrukturen II Cid

Feldstrukturen

Akademie Verlag

Autor: Prof. Dr. Jürgen Kunze Humboldt-Universität zu Berlin FB Germanistik Lehrstuhl für Computerlinguistik Jägerstr. 10/11 D-10117 Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kunze, Jürgen: Sememstrukturen und Feldstrukturen / Jürgen Kunze. Unter Mitarb. von Beate Firzlaff. - Berlin : Akad. Verl., 1993 (Studia grammatica ; 36) ISBN 3 - 0 5 - 0 0 2 3 8 7 - 2 NE: GT

ISSN 0081-6469 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 1993 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der VCH-Verlagsgruppe. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Das eingesetzte Papier entspricht der amerikanischen Norm ANSI Z.39.48 - 1984 bzw. der europäischen Norm ISO TC 46. Alle Rechte, insbesondere die d e r Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf o h n e schriftliche G e n e h m i g u n g des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, M i k r o v e r f i l m u n g o d e r irgendein anderes V e r f a h r e n - reproduziert oder in eine von M a s c h i n e n , insbesondere von Datenvera r b e i t u n g s m a s c h i n e n , v e r w e n d b a r e Sprache übertragen o d e r übersetzt w e r d e n . All rights reserved (including those of translation into other languages). N o part of this book may be r e p r o d u c e d in any form - by photoprinting, microfilm, or any other m e a n s - nor transmitted or translated into a m a c h i n e language without written permission from the publishers.

Druck und Bindung: GAM Media GmbH, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

Inhalt Vorwort

9

1.

Einführung

11

2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.4. 2.4.1. 2.4.2. 2.4.3. 2.5.

Die inhaltlichen und formalen Grundlagen Vorbemerkungen Die ganz allgemeinen Dinge Die Ausdrucksmittel Generelle Bezeichnungen Die Funktionen im Überblick, das Prädikat INST Die Prädikate im Überblick Semantische Grundformen Der Status der Grundformen Die Kasusrelationen Die Ableitung der Rollen Der Übergang von den Grundformen zu den Sememrepräsentationen Allgemeines Die Emphase Verteilung Einige Bezeichnungsfragen Die Auswahl aktueller Rollen Semantische Emphase als sprachliches Phänomen Das Verhältnis zwischen Emphase und Rollenblockierung . . . Prototypische Bedeutungen Fazit zu den Sememrepräsentationen Erweiterungen, Reduktionen und Einsetzungen Die formale Darstellung Die inhaltliche Seite Der Übergang zu den Oberflächenmustern Die Zuordnung der morpho-syntaktischen Merkmale Aktantenkombinationen Muster Nullstellige Prädikate - ja oder nein?

17 17 17 18 18 22 23 31 31 33 35

2.5.1. 2.5.2. 2.5.3. 2.5.4. 2.5.5. 2.5.6. 2.5.7. 2.5.8. 2.6. 2.6.1. 2.6.2. 2.7. 2.7.1. 2.7.2. 2.7.3. 2.8.

39 39 40 45 46 53 56 61 62 64 65 66 71 71 74 82 83

6

Inhalt

3. 3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.3. 3.3.1. 3.3.1.1. 3.3.1.2. 3.3.2. 3.3.2.1. 3.3.2.2. 3.3.2.3. 3.3.2.4. 3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.4.5. 3.4.6. 3.4.7. 3.5.

Generierung eines Verbfelds Die verwendete Methode Das betrachtete Verbfeld Die Struktur des Feldes Die "harten" Constraints Zur Implementierung Context Feature Structure System (CFS) Attribut-Wert-Paare Verknüpfungen Implementierung der Verbfeldgenerierung Grundformenschema und Grundformen Aufbau der Teilpropositionen Sememrepräsentationen der Teilfelder Morpho-syntaktische Merkmale Das Resultat der Generierung Einige quantitative Aussagen Die "weichen" Constraints Das Teilfeld der "geben"-Verben Das Teilfeld der "nehmen"-Verben Das Teilfeld der "beschaffen"-Verben Die "geben"-"nehmen"-Konversion Das "loswerden"-"erhalten"-Teilfeld Schlußbemerkungen

87 87 88 88 99 103 104 104 104 108 109 110 115 117 121 121 123 126 132 137 139 140 144

4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.4. 4.5.

Die Maßverben Vorbetrachtungen Die Maßzustandsverben Die Maßänderungsverben Vorgangsverben Kausative Verben Maßermittlungsverben Attribute und Maßsubstantive

148 148 157 162 163 168 170 173

5. 5.1. 5.2. 5.3.

Aktanten und Attribute Die Problemstellung Valenzzuordnung bei Substantiven Lexemeinführung von Substantiven

175 175 176 184

Inhalt 6. 6.1. 6.2. 6.3. 6.3.1. 6.3.2. 6.3.3. 6.3.3.1. 6.3.3.2. 6.3.4. 6.4. 6.4.1. 6.4.2. 6.4.2.1. 6.4.2.2. 6.4.2.3. 6.4.2.4. 6.4.2.5. 6.4.2.6. 6.4.2.7. 6.5.

7 Die verba dicendi Vorbetrachtungen Die Grundform der verba dicendi Die Merkmalübertragungen Einige Phänomene Festlegungen über Prädikate, soweit sie die Merkmalübertragung betreffen Die formalen Mittel zur Darstellung der Übertragungen Der Mechanismus Morpho-syntaktische Werte an den Ausgangsstellen Die Übertragungen im einzelnen Eine Auswahl von Feldpositionen Verabredungen über Auswahl und Darstellung Feldpositionen reden, fragen und schweigen mitteilen und verschweigen nennen und erwähnen verbieten, erlauben und befehlen Ein Exkurs über OPTION und OBLIG behaupten, bestreiten und lügen Die Umsetzung von *PRED(x) Reflexive verba dicendi

Zusammenstellung der Definitionen Zusammenstellung der Bedingungen Literatur Anmerkungen Anhang: Die generierten Positionen für das Feld der Besitzwechselverben

191 191 193 196 196 200 206 206 213 216 220 220 222 223 227 231 235 239 243 245 245 249 249 250 256 266

Vorwort Die dargestellten Ergebnisse knüpfen an frühere Untersuchungen an, sie stehen aber auch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem seit 1992 laufenden DFGKooperationsprojekt TELEX, bei dem die Berliner Forschungsgruppe Computerlinguistik im Wissenschaftler-Integrations-Programm und die von Karin Haenelt geleitete Arbeitsgruppe KONTEXT des Instituts für Integrierte Publikations- und Informationssysteme der GMD und der Technischen Hochschule Darmstadt zusammenarbeiten. Bei der Hauptaufgabe des Projekts - dem Aufbau einer lexikalischen Datenbasis und der Erstellung eines zugehörigen Wörterbuchs - hat sich aufgrund der Gegebenheiten eine gewisse Arbeitsteilung zwischen beiden Gruppen als vorteilhaft erwiesen: Während in Berlin mehr die linguistisch-theoretischen Probleme bearbeitet werden, steht bei der Darmstädter Gruppe die Implementierung und experimentelle Anwendung im Vordergrund. Der Inhalt dieses Heftes bezieht sich stärker auf den zuerst genannten Gegenstand, jedoch nicht ausschließlich: Als ein Ergebnis des Projekts beschreibt Beate Firzlaff (Darmstadt) im Abschnitt 3.3. den von ihr im Darmstädter Context Feature Structure System implementierten Algorithmus zur Generierung des Feldes der Besitzwechselverben. An der lexikologisch-lexikographischen Arbeit und anderen Aufgaben zur Fertigstellung des Textes war Walter Duda als Berliner Projektmitarbeiter beteiligt. Die Herstellung der Druckvorlage wurde von Rosemarie Schinkel kompetent, sehr engagiert und mit allergrößter Akkuratesse besorgt, das Ergebnis - so glaube ich - kann sich sehen lassen. Bei beiden möchte ich mich herzlich bedanken, und mein Dank richtet sich ebenso an die Angehörigen der Partnergruppe für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Berlin, im April 1993

Jürgen Kunze

1. Einführung Die Form eines homogenen Kristalls ist bestimmt durch Eigenschaften seiner Moleküle. Man kann sogar berechnen, wie sie sich als Knoten eines Gitters z u s a m m e n f ü g e n . Auch in umgekehrter Richtung sind Schlüsse möglich, eine Hypothese über den Mikrokosmos kann durch ein mineralogisches Ausstellungsstück bestätigt oder falsifiziert werden. Ein Anliegen dieses Buches ist es, dieser Parabel aus der Festkörperphysik einen linguistischen Sinn zu geben. Der Titel verrät schon, wie der Homomorphismus zwischen dem Feldspat und dem Lexikon beschaffen sein soll. Das Bild von einem Semem als einem Molekül ist so unnatürlich nicht. Beides liegt eine Ebene über den Grundbausteinen, und ob man diese atomar oder primitiv nennt, macht keinen großen Unterschied. Die Kombinationsmöglichkeiten der unzerlegbaren Einheiten lassen sich in beiden Welten auf einige wenige Eigenschaften zurückführen. U m der angesprochenen Parallelität den Charakter eines unverbindlichen A u f h ä n g e r s zu nehmen, möchte ich jetzt einige Punkte näher beleuchten und damit auch zum Inhalt der späteren Ausführungen kommen. Das Herangehen ist zunächst dadurch bestimmt, daß keine einzelnen Verben oder kleine, etwa durch Synonymie gegebene Cluster zur Untersuchung anstehen. Es geht folglich nicht darum, die Bedeutung einzelner Verben für sich zu beschreiben, sie werden vielmehr stets als Elemente einer Umgebung betrachtet, in die sie eingeordnet sind. Bei einem isolierten Verb hat m a n für die Darstellung seiner Bedeutung zu viele Freiheitsgrade, die Unbestimmheit der Erklärung und der Umfang der Probe sind umgekehrt proportional. Die Untersuchungen zu den Dimensionsadjektiven in LANG 1987 stellen ein Beispiel für das gemeinte Herangehen dar: An den Bedeutungsrepräsentationen einiger dieser Adjektive (S. 320) ist wirklich auf den allerersten Blick zu sehen, daß es sich um Variationen einer einheitlichen Struktur handelt. Die Variationen zeigen außerdem gewisse Symmetrie- und Vollständigkeitseigenschaften, aus denen sich dann Relationen ergeben, die den Variationen in ihrer Gesamtheit eine Struktur aufprägen. Dies ist eigentlich schon das Prinzip des Kristalls: Die Variationsmöglichkeiten innerhalb einer Mikrostruktur erzeugen eine Makrostruktur, deren Elemente eben diese Variationen sind. Jede einzelne Variation enthält diese Gesamtstruktur in sich, wenn man nur angibt, was an ihr variabel ist und was unveränderlich.

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1. E i n f ü h r u n g

D i e s e s theoretische Idealbild wird dadurch etwas gestört, d a ß nicht alle f o r m a l m ö g l i c h e n Variationen ein Gegenstück in der sprachlichen Realität h a b e n . F ü r L a n g s S c h e m a trifft dieser M a n g e l z w a r nicht zu, aber es hat a u c h nur w e n i g e (im zitierten Fall acht) Positionen. I m allgemeinen m u ß m a n sich j e d e n f a l l s davor hüten, der Kombinatorik freien Lauf zu lassen, es sind plausible und generalisierbare B e s c h r ä n k u n g e n d a f ü r zu finden. D a m i t ist ein erster G r u n d s a t z formuliert: Variationen eines b e s t i m m t e n S c h e m a s mit R a n d b e d i n g u n g e n s c h a f f e n eine Struktur. Er wird in d e r Generierung eines V e r b f e l d e s seine konkrete Ausgestaltung finden. D a m i t entsteht gleichzeitig eine H y p o t h e s e ü b e r die B e d e u t u n g und die V a l e n z deutscher B e s i t z w e c h s e l v e r b e n . Diese Voraussage u m f a ß t nicht alle V e r b e n des G e s a m t feldes, m a n kann aber genau angeben, w e l c h e bei der G e n e r i e r u n g nicht e r f a ß t w e r d e n (z. B. die be-Verben mit einer eigenen Feldstruktur, die in viele a n d e r e F e l d e r hineinreicht). Insbesondere können die strukturierenden Relationen b e s t i m m t w e r d e n , und es läßt sich zeigen, wie sie unmittelbar m i t semantischen D i f f e r e n z i e r u n g e n korrelieren. D i e E i n b e t t u n g von S e m e m e n in globale Strukuren ist a u ß e r d e m w o h l die einzige s y s t e m a t i s c h e Möglichkeit, lexikalische Lücken a u s f i n d i g zu m a c h e n und eine Beurteilung hinsichtlich ihrer Zufälligkeit oder B e r e c h t i g u n g a b z u g e b e n . A u c h dies wird bei d e m genannten Feld durchexerziert. D a r ü b e r hinaus k a n n m a n in dieser W e i s e den Variationsmöglichkeiten besser auf die Spur k o m m e n , die als solche selbst von den K o r y p h ä e n verneint w e r d e n . Als einen B e l e g d a f ü r zitiere ich einiges aus DOWTY 1991 (S. 556): A s J a c k e n d o f f (1987:381) and many others have noticed, both buyer and seller m u s t act agentively (voluntarily) w h e n e v e r such a transaction takes place, ... there is no obvious reason w h y either is entailed to act ' m o r e a g e n t i v e l y ' than the other. (Likewise, both currency and the purchased item necessarily c h a n g e h a n d s , so there is a d a n g e r that there are t w o T h e m e s for such verbs, as well as a Goal and a Source f o r each transferred entity, n a m e l y the b u y e r and the seller in each case.) Of course, such verbs in fact distinguish the two agents semantically according to which acquires the quantity of cash (or e q u i v a l e n t m e d i u m of e x c h a n g e ) versus which aquires the desired object of s o m e other kind, but labeling such a d i f f e r e n c e a 'thematic r o l e ' s e e m s illm o t i v a t e d ; it would violate what I think is an implicit principle that we should not postulate a thematic role that is limited only one or t w o verbs (or a small set of n e a r - s y n o n y m s ) , but should rather expect each role type to be applicable to a r e a s o n a b l e range of verb meanings. (Auslassung und H e r v o r h e b u n g e n von J.K. Die beiden Verben werden wohl eher danach unterschieden, w e r die W a r e b e k o m m t oder los wird.)

1. Einführung

13

Ich unterstelle nicht, daß Dowty die "kaufen"-"verkaufen"-Verben am liebsten in den Orkus versenken würde, also sollte man sich doch mit den Gegebenheiten, wie sie ja völlig zutreffend beschrieben werden, anfreunden und in Betracht ziehen, daß sowohl buyer als auch seller etwas tun, daß jeder von ihnen etwas bekommt und etwas los wird und daß es wirklich zwei Argumente mit der klassischen Thema-Rolle gibt. Von dieser Feststellung ist es eigentlich doch ein kleiner Schritt bis zu der Erkenntnis, daß sich die einzelnen Verben in dieser verworrenen Situation sehr wohl zu helfen wissen, indem sie eine Auswahl aus dem Überangebot vornehmen. Bei buy fallen die Rollen "Goal der Ware" und "Source des Preises" unter den Tisch, der Käufer erscheint vielmehr als Handelnder, bei seil kommt gerade sein Partner in diesen Genuß. Jedenfalls muß eine Rollenauswahl als allgemeiner Mechanismus vorgesehen werden, und da allein in diesem Heft einige Hundert Verben vorgeführt werden, wo dies als sememdifferenzierendes Prinzip verwendet wird, sehe ich nicht, was daran 'ill-motivated' sein sollte. Schon gar nicht geht es um einige 'near-synonyms', sondern gerade um globale Strukturen. Man kann zeigen, daß die im "kaufen"-"verkaufen"-Schema angelegten Variationsmöglichkeiten zu Sememen führen, die gut belegbar sind. Ich verweise hierzu auf (96) in Kap. 2. Jene höchst gefährliche Angelegenheit mit den beiden Theme-Rollen erfordert noch einen weiteren Schritt, nämlich, daß man sich dazu entschließt, die Rollen einer Revision zu unterziehen und nach ihrer Begründung zu fragen. Tatsächlich versagen die allgemein üblichen Umschreibungen bei vielen Verben, das Inventar und die Zuordnung der Rollen werden faktisch zur Ansichtssache. Ein Grund dafür scheint mir zunächst darin zu bestehen, daß die Verbsememe als gegebene monolithische Entitäten betrachtet werden, denen man nicht ins Innenleben schaut. Viele Arbeiten (so auch die zitierte von Dowty) zur Rollenproblematik enthalten keinen Ansatz, die Verben in ihrer Bedeutung zu analysieren. Weiterhin werden die Verben meist als Einzelexemplare - bestenfalls in Beziehung zu Konversen oder Antonymen - abgehandelt, eine Einbettung in größere Strukturen findet nicht statt. In der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, daß beide Aspekte - Bedeutungsanalyse und globale Strukturen - nicht nur zu klaren Ordnungsprinzipien führen, sondern daß sie auch in einem engen Zusammenhang stehen, der aus beiden erst in ihrer Kombination ein wirksames Mittel einer semantischen Detailanalyse macht. Insbesondere werden die Rollen nicht einfach den Verben zugeordnet, sondern über semantische Bedeutungsrepräsentationen abgeleitet. Eine Definition der Rollen durch bloße Merkmalzuordnung wird hier ebenfalls nicht in Betracht gezogen, und dies gilt auch für solche Auffassungen, wo Rollen als abstrakte,

14

1. Einführung

nicht weiter spezifizierte Verbindungsglieder zwischen Argumenten in semantischen Formen und Oberflächenmerkmalen von Verben fungieren. Soviel zur Kristallmetapher. Eine zweite kann man die Mosaikmetapher nennen. Dabei geht es auch wieder um mehrere Fragen, darunter die nach dem Argumentrahmen von Verben. Die allgemeine Tendenz geht eher dahin, ihn recht klein zu halten. Dies zieht aber eine Reihe von Schwierigkeiten nach sich, wenn man zur Satzsemantik übergeht. Es gibt dann viele Ergänzungen, die man "nachträglich" einbauen muß (Instrumental, Komitativ, verschiedene Dative,...). Das Verb als semantisches Zentrum des Satzes muß ihnen letztlich doch Unterschlupf gewähren. Daher ist es zwar angebracht, von einem minimalen Argumentrahmen des Verbs auszugehen, dem Verb sind aber geeignete Expansionsmöglichkeiten einzuräumen, damit es weitere Argumente an sich binden kann. Die wesentliche Frage dabei ist, auf welche Weise die Zuzügler überhaupt erscheinen. Die allgemeine These, die hier vertreten wird, besagt, daß es immer ganz charakteristische Propositionen sind, durch die die "neuen Argumente" hineinkommen und daß diese Propositionen an die Kernbedeutung des Verbs angelagert werden. Die Bedeutungsrepräsentationen von Verben müssen somit einerseits offene Gebilde sein, sie enthalten andererseits Beschränkungen für ihre Erweiterbarkeit. Dasselbe gilt für Substantive und Adjektive. Eine Satzbedeutung ist eine Struktur aus (primitiven) Propositionen, die in verschiedener Weise zu Sememen zusammengefaßt sein können. Das Paar (1) (2)

Das Gewicht der Kiste beträgt 5 kg. Die Kiste hat ein Gewicht von 5 kg.

ist ein deutliches Beispiel für eine unterschiedliche Verknüpfung gleicher Propositionen. Die Argumente wechseln dabei ihren Status (zwischen Verbaktant und Attribut). Dieser Mechanismus bildet ebenfalls einen Gegenstand der beschriebenen Untersuchungen. Mit ihnen soll gerade unter Beweis gestellt werden, daß die Flexibilität von semantischen Formen eine ihrer notwendigen Eigenschaften ist: Es muß möglich sein, semantische Pakete (Sememe) aufzuschnüren und ihren Inhalt in neuer Anordnung wieder zusammenzufügen. Die zu dieser Problematik vorgetragenen Ergebnisse sind eher skizzenhaft und betreffen nur einige Spezialfälle. An ihnen kann aber schon plausibel gemacht werden, daß die Propositionen, die in ihrer Gesamtheit die Bedeutung eines Satzes ausmachen, in verschiedener Weise gruppiert werden können und so zu synonymen Ausformulierungen mit ganz unterschiedlicher Oberflächengestalt führen. Ferner werde ich bei den verba dicendi zeigen, daß derartige Propositionen (im Normalfall solche der einfachsten Art wie I S A ( y , x ) ) direkt beobachtbare Auswirkungen auf die Wahl von (Verb-)Lexemen und die Form der Aktanten haben. Manches davon gehört unmittelbar in das pauschale

1. Einführung

15

Schubfach "Metonymie". Ich werde aber jenseits dieses allgemeinen Begriffs eine Reihe von Details behandeln, die ziemlich kompliziert sind. An d e m Paar (1,2) wird noch ein anderer Aspekt deutlich, nämlich der Gebrauch von Konstanten. In den beiden Sätzen ist Gewicht ein "normales" Argument (eine Variable), man kann ebenso Preis oder Länge einsetzen. Legt man Gewicht aber als Konstante fest, so können einige weitere Veränderungen erfolgen, die schließlich zu (3) Die Kiste wiegt 5 kg. führen. Das Verb wiegen wird somit als dreiargumentig dargestellt, wobei eines der Argumente eine Konstante ist, die nicht als Aktant an der Oberfläche erscheint. Die Wahl der Konstanten unterscheidet gerade wiegen von kosten. Durch die Verwendung von Konstanten in semantischen Repräsentationen läßt sich ganz allgemein einiges vereinfachen und systematisieren, insbesondere hinsichtlich der Stelligkeit von Propositionen bis hin zu "nullstelligen" Prädikaten. Die dargestellten Untersuchungen sind auch als ein Anstoß zur weiteren Klärung der mit Verb- und Substantivvalenzen zusammenhängenden Fragen gedacht. Die durch reguläre Feldstrukturen und die Ableitung von Oberflächenmustern gegebenen Möglichkeiten zur Anordnung des Wortschatzes können etwas dazu beitragen, die vorherrschende unsystematische Darstellung in Valenzwörterbüchern und Grammatiken zu überwinden und insbesondere auch Abhilfe bei d e m Zustand zu schaffen, der in STORRER 1992 (mit Bezug auf die bekannteren Valenzwörterbücher für das Deutsche) treffend als Valenzmisere bezeichnet wird. Immerhin sind einige der hier dargestellten Z u s a m m e n h ä n g e auch ohne jeden Formalismus gültig, etwa die Korrelationen zwischen Verbpräfixen und Obeiflächenmustern. Abschließend noch einige Worte zu den unmittelbar vorgesehenen Anwendungen. Ein Ziel des Projekts T E L E X ist der Aufbau einer lexikalischen Datenbasis, die bei einer experimentellen Textanalyse, später auch zur Textgenerierung eingesetzt werden soll. In diesem Heft geht es um einige neuartige Grundlagen dafür. Die innere Struktur dieses Lexikons wird im wesentlichen durch semantische Affinitäten bestimmt sein, vor allem durch eine Anordnung der S e m e m e in Feldern, die ihrerseits in einem Feature Structure System repräsentiert werden kann. Für die Besitzwechselverben wird im einzelnen gezeigt, wie man eine globale Feldstruktur modellieren kann, in der die einzelnen Positionen auch hinsichtlich der Eigenschaften gruppiert sind, die etwa ihre E i g n u n g zur Etablierung einer bestimmten thematischen Textstruktur betreffen. Dieser mit der semantischen Emphase gekoppelte Aspekt von Verbsememen bleibt in diesem H e f t völlig außer Betracht, er ist in KUNZE 1991a (S. 216 ff.) angedeu-

16

1. Einführung

tet und in KUNZE 1991b (S. 69-76) ausführlicher beschrieben. Das Besondere einer solchen Darstellung ist die Vernetzung der einzelnen Positionen: Auf das gesamte Feld kann man tatsächlich wie auf eine einzige Feature Structure nach Kriterien zugreifen, die mit Valenzmustern oder Parametern der Textstruktur zusammenhängen. Dadurch wird der Vergleich mit dem Kristall von einer Metapher zur implementierten Realität. Das behandelte Thema erfordert eine stärkere Untersetzung durch lexikologische Details und Belege. Daher sind einige spezielle Phänomene gründlicher als üblich untersucht worden, um die angenommenen Grundsätze und behaupteten Zusammenhänge besser prüfen zu können.

2. Die inhaltlichen und formalen Grundlagen 2.1. Vorbemerkungen In diesem Kapitel wird eine Darstellung der verwendeten formalen Mittel und der theoretischen Prinzipien geboten, auf denen die folgenden Betrachtungen beruhen. Es läßt sich dabei nicht umgehen, einiges von dem zu wiederholen - wenngleich vereinfacht oder stark gekürzt - was ich bereits ausführlicher in KUNZE 1991a abgehandelt habe. Davon ganz abgesehen, daß sich bei mir die Erkenntnis in den vergangenen drei Jahren etwas bewegt hat (nicht zuletzt durch sehr viele Diskussionen) und daher einiges jetzt anders ausfällt, möchte ich dem Leser nicht zumuten, mit zwei Heften auf d e m Tisch ein permanentes Retrieval zu veranstalten. Außerdem erlaubt eine solche Kurzfassung mit Sicherheit einen schnelleren Einstieg. Ich werde mich in diesem Kapitel auf die Dinge beschränken, die für das später bearbeitete Terrain unbedingt notwendig sind, wobei die Gesamtdarstellung konnex und in sich verständlich ist - das hoffe ich jedenfalls. Die Änderungen gegenüber früher sind jeweils ausdrücklich vermerkt.

2.2. Die ganz allgemeinen Dinge Ich überfliege zunächst einige Begriffe, die nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen werden. Hierzu gehört die Monotonie. Die Anschauung, die man von einer wachsenden oder fallenden Funktion im Bereich der Zahlen hat, läßt sich nur sehr schwer und nur partiell auf den Bereich der Propositionen übertragen. Worauf es ankommt, ist im wesentlichen dies: Eine monotone Folge von Propositionen A j , . . . , An zeichnet sich dadurch aus, daß die Glieder in dieser Reihenfolge dem Anfangsglied immer unähnlicher und dem Endglied immer ähnlicher werden. Wie man dies im einzelnen erklärt, kann hier nicht abgehandelt werden (s. KUNZE 1991a, Kap. 4.). Die logische A n w e n d u n g dieser Eigenschaft ist vor allem folgende: Sind zwei der inneren Glieder einander ähnlich oder sogar gleich, so müssen sich die zwischen ihnen liegenden Glieder ebenso verhalten. Sind speziell Ax und An gleich, so ist die Folge insgesamt konstant (in einem zu präzisierenden Sinn). Die Monotonie tritt nicht nur in der Bedeutung von Verben wie wachsen oder schrumpfen auf, sie scheint weit tiefer zu

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

liegen und eine implizite Komponente vieler Sememe zu sein. Es läßt sich beispielsweise zeigen, daß prototypische Bedeutungen, die Ortsveränderungen ausdrücken, offenbar als monoton angelegt sind, obwohl sie das in der Realität doch gar nicht sein müssen (s. KUNZE 1991a, S. 57f.). Als weitere Begriffe, die nur aus der Vogelperspektive betrachtet werden, nenne ich folgende: Plätze und Zeiten, mit denen Sachverhalte (oder Situationen) räumlich und zeitlich eingeordnet werden. Objekte, die als Partizipanten/ Mitspieler in Sachverhalten auftreten können. Die Sachverhalte selbst werden unterteilt in Sachverhaltstypen: - Einfache Sachverhalte zeichnen sich dadurch aus, daß in ihnen die Relationen zwischen den Mitspielern keine Veränderung erfahren (beispielsweise Zustände); - Komplexe Sachverhalte schließen mehrere Teilsachverhalte ein, zwischen denen bestimmte Beziehungen bestehen. Im folgenden werden als komplexe Sachverhalte nur Paare vorkommen, deren Komponenten allerdings keine einfachen Sachverhalte zu sein brauchen; - Sequentielle Sachverhalte stellen eine zeitlich geordnete Folge von Sachverhalten im Sinne eines Ablaufs dar (also beispielsweise Prozesse und Ereignisse im engeren Sinne). Dieser Sachverhaltstyp wird auch als Weg bezeichnet. Wege müssen aus mindestens zwei Folgegliedern bestehen. Außerdem wird ein Inventar an sprachlichen Formen vorausgesetzt, dessen Strukturierung nur insoweit von Bedeutung ist, als daß dieses Inventar gestattet, - Referenzen herzustellen, - morpho-syntaktische Merkmale zu realisieren, - eine Zuordnung von sprachlichen Belegen zu vorgegebenen Bündeln semantischer und syntaktischer Eigenschaften vorzunehmen. Diese drei sehr abstrakt erscheinenden Bedingungen sind zu konkretisieren, was weiter unten geschehen wird.

2.3. Die Ausdrucksmittel 2.3.1. Generelle Bezeichnungen Als Variable für Prädikate wird B verwendet, wobei - und dies gilt ebenso für die Propositionen - beliebige Unterscheidungsindizes vorkommen können. Bei Prädikaten sind rechte obere Indizes allerdings für zwei Zwecke reserviert (Emphaseverteilung, s. 2.5.2., Aktantenkombinationen, s. 2.7.2.). Prädikate

2.3. Ausdrucksmittel

19

haben Argumentstellen (zu "nullstelligen" Prädikaten, s. 2.8.), diese werden unterteilt in - propositionale Argumentstellen, in die nur Variable für Propositionen oder Propositionen selber eingesetzt werden dürfen, - terminale Argumentstellen (in KUNZE 1991a "elementare Argumentstellen"), in die nur Variable oder Konstante eingesetzt werden dürfen, mit denen man auf Objekte (in einem ganz allgemeinen Sinne) referieren kann (dies jedoch immer über eine sprachliche Form, z. B. eine NP). Für die zuletzt genannten Variablen und Konstanten behalte ich den Terminus elementare Variable bzw. elementare Konstante bei, es wird damit aber nicht nur eine störende Äquivokation beseitigt, wie ich gleich zeigen werde. Für die elementaren Variablen und Konstanten werden kleine Buchstaben verwendet. Als Variable für Propositionen oder propositionale Variable dient A, in 6. wird dann noch C dafür verwendet. "Normalerweise" werden in semantischen Grundformen die propositionalen Argumentstellen durch Propositionen (d. h. "Konstante") besetzt, wie etwa die beiden Stellen von CAUSE. Daneben k o m m t es aber auch vor, daß sich an einer solchen Stelle eine propositionale Variable befindet, und dies nicht nur, um damit ein Slot auszufüllen, das sich z. B. bei einem Verb wie befehlen anbietet. In diesem Fall fungiert die Variable in zweierlei Hinsicht wie ein elementares (!) Argument: Sie erhält an dieser Stelle eine Rolle, dafür entfällt dann die Modifikationsfunktion (s. 2.4.). Damit wird diese Argumentstelle eigentlich zu einer terminalen. Ich belasse es jetzt bei diesem Hinweis, die Details werden in Kap. 6. dargestellt, dort kommen dann noch Variable für Äußerungen hinzu. Ferner wird e als Variable für Sachverhalte verwendet. Eine Proposition entsteht aus einem Prädikat durch (im Sinne der Sorten "elementar"/"propositional") passende Besetzung seiner Argumentstellen. Das Prädikat selber heißt dann das Kopfprädikat der Proposition. M a n beachte, daß die Ausdrucksmittel so gewählt sind, daß Variable für Prädikate nur in "metatheoretischen" Ausdrücken vorkommen (Anm. 2.1.). Aus diesem Grund gibt es neben der Variablen B für Prädikate noch unspezifizierte Prädikate, die mit PRED bezeichnet werden. So treten etwa Propositionen P R E D ( x ) , PRED ( x , y ) , . . . auf, und sie besagen nicht mehr, als daß an der Argumentstelle, wo sich eine dieser Propositionen befindet, eine bestimmte (nicht genauer spezifizierte) Proposition einzusetzen ist, die mindestens x bzw. x und y als Argumente hat. In diesem Sinne liegt STATE ( x ) zwischen PRED ( x ) und A L I VE ( x ) . Soll außerdem ausgedrückt werden, daß PRED weiter spezifiziert werden muß, so kann ein "*" davor gesetzt werden. Somit würde etwa ALIVE ( x ) wie auch STATE ( x ) die durch * P R E D ( x ) gestellte

20

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Bedingung einlösen. Das Zeichen " *" kann im Grunde vor beliebigen Prädikaten verwendet werden, es drückt aus, daß das Prädikat in dem betreffenden Ausdruck zu spezifizieren ist. Diejenigen Variablen und Konstanten, die die Argumentstellen des K o p f prädikats besetzen, heißen direkte Argumente dieser Proposition, die übrigen, die erst über ein propositionales Argument des Kopfprädikats in die Proposition gelangen, indirekte Argumente. Ein Prädikat mit mindestens einer terminalen Argumentstelle heißt ein Basisprädikat, eine Proposition mit einem Basisprädikat als Kopfprädikat heißt Basisproposition. Die Belegungsfunktion f ordnet allen Variablen ein beliebiges Element ihres Variationsbereiches zu, die Konstanten werden mit einem festen Element belegt, es gibt bei ihnen keine Wahlmöglichkeit, die Konstante steht schon f ü r ihre Belegung. Die propositionalen Variablen A variieren über Propositionen, sie sind mit Propositionen zu belegen, und die Belegungsfunktion f ordnet ihnen Propositionen zu: f (A) ist eine Proposition. Die elementaren Variablen und elementaren Konstanten werden mit sprachlichen Ausdrücken belegt, d. h., sie variieren über Nominalphrasen. Die Konstanten werden naturgemäß mit einer festen Nominalphrase belegt, im Normalfall ist dies sogar ein Substantiv. So tritt in den Repräsentationen von bewaffnen und entwaffnen die Konstante Waffe auf, bei wiegen die Konstante Gewicht. Ein Objekt wiegen heißt, sein Gewicht ermitteln. Daher hat Karl wiegt die Kiste, in seiner Repräsentation drei Argumente, von denen zwei elementare Variable sind und eines eine elementare Konstante. Für die Variablen und Konstanten x ist f ( x ) eine sprachliche Form, d. h. eine DP oder NP. Die letzte Unterscheidung berücksichtige ich auf dieser Ebene nicht weiter. Die sprachlichen Formen f ( x ) haben Referenten oder Denotate d = r e f ( f ( x ) ) , so daß man auf dem U m w e g über die Nominalphrasen den Variablen und Konstanten x Referenten/Denotate zuordnen kann. Die Funktionen f und r e f stellen somit eine Verbindung zwischen der Ebene der Prädikate, Argumente und Propositionen einerseits und der Ebene der Sachverhalte mit ihren Partizipanten andererseits her. Insgesamt wird diese Verbindung durch die Instantiierungen beschrieben. Propositionen werden durch Sachverhalte instantiiert (oder: Sachverhalte sind Instanzen von Propositionen). Dies geschieht durch eine Reihe von Operationen: - Die elementaren Variablen und Konstanten x werden durch ihre Referenten r e f ( f ( x ) ) ersetzt, die als Mitspieler in den Instanzen auftreten.

2.3. Ausdrucksmittel

21

- Die Prädikate werden in einer "normierten" Weise interpretiert: Pro Prädikat gibt es eine entsprechende Instantiierungsregel, die die "Bedeutung" des Prädikats expliziert und es damit interpretiert. - De facto läuft dies auf eine Strukturierung der Sachverhalte hinaus, die sich als Instanzen der betrachteten Proposition ergeben. Der Gesamtsachverhalt erscheint als ein Netz einfacher Sachverhalte, wobei die Prädikate gerade die jeweiligen Beziehungen zwischen den Teilsachverhalten beisteuern. - Durch die Instantiierung wird außerdem die Präsuppositions-AssertionsStruktur der Proposition explizit gemacht, w o f ü r eine Reihe von Voraussetzungen zu treffen sind, die insbesondere eine (nach SEUREN 1985: präsuppositionsbewahrende) Negation "unter Normalbedingungen" betreffen. Auf diese Fragen, die in JUNG/KÜSTNER 1990 behandelt sind und zu deren Klärung Manfred Bierwisch einiges beigetragen hat, kann hier nicht eingegangen werden. - Durch die Struktur des Gesamtsachverhalts und die Präsuppositions-Assertions-Struktur der Proposition wird der Status der einzelnen Mitspieler hinsichtlich ihrer Rollen bereits implizit vorgegeben in dem Sinne, daß die Rollen dann durch eine rekursive Prozedur aus der Proposition berechnet werden können. Zur Markierung von Präsuppositionen verwende ich nach JUNG/KÜSTNER 1990 den Funktor "o": In einem Ausdruck der Gestalt o A1 a A2 ist das erste Konjunkt gegen die präsuppositionssensitive Verneinung " - " geschützt: (1) - (O Aj A A 2 ) = O Aj A - A 2 Diesen grundlegenden Zusammenhang werde ich vor allem bei den Kasusrollen benutzen. Zu den allgemeinen Bemerkungen gehört noch ein mehr schreibtechnischer Hinweis: Da sich Formellänge und Layout nicht immer in Einklang bringen lassen, m u ß man mit den Formeln manchmal in die Tiefe gehen. Hierfür gilt ausnahmslos folgende Konvention: Die propositionalen Argumente eines zweistelligen Prädikats B stehen entweder in der üblichen Weise in einer Zeile hintereinander, oder ihre Köpfe stehen untereinander (wobei das erste Argument sich direkt an B anschließt), jedoch nicht unbedingt in aufeinanderfolgenden Zeilen (dies läßt sich auch nicht immer erreichen!). In (86) sind daher die beiden BEC-Propositionen Argumente von ET. In (154) sind die ACT-Proposition und diejenige, deren Kopf das erste ET ist, Argumente von CAUSE, die ALTER-Proposition und diejenige, deren Kopf das zweite ET ist, sind Argumente des ersten ET, und die beiden BEC-Propositionen sind A r g u m e n t e des zweiten ET.

22

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

2.3.2. Die Funktionen im Überblick, das Prädikat INST Außer den Funktionen f und r e f werden die Funktionen e l o c ( e ) und e t i m e ( e ) benötigt, die den Sachverhalten ihren Ort bzw. ihre Zeit zuordnen. Somit bedeutet (2) e l o c t e j = eloc(e2) (3) e t i m e ( e j = e t i m e (e2), daß beide Sachverhalte am gleichen Ort bzw. zur gleichen Zeit stattfinden. D a s oben beschriebene Verhältnis zwischen Propositionen und Sachverhalten wird durch das Prädikat I N S T erfaßt. I N S T ( e , A) besagt, daß der Sachverhalt f ( e ) eine Instanz der Proposition f (A) ist. Es wird keinerlei Eindeutigkeit gefordert: Eine Proposition kann durch viele Sachverhalte instantiiert werden, ein Sachverhalt kann Instanz für viele Propositionen sein. Die Ebenen der Propositionen und der Sachverhalte sind strikt getrennt, es gibt keine Ausdrücke, in denen beides vorkommt - mit Ausnahme des Bindeglieds I N S T . Dies unterscheidet sich wesentlich von Darstellungsformen, wie sie etwa bei BIERWISCH 1 9 8 7 u n d BIERWISCH 1988 ( b e s . S. 5 0 f f . ) in d e n S e m a n t i s c h e n F o r -

men auftreten. Seine Motivation, nämlich die Erreichung einer größeren Ausdrucksfähigkeit zu Differenzierung bestimmter Bedeutungen (etwa zertreten vs. zerschlagen durch Spezifizierungen von e zu unterscheiden), wird in meiner Darstellung durch eine Anreicherung auf der propositionalen E b e n e kompensiert. F ü r W e g e f ( e ) = f ( e 1 ) , . . . , f ( e n ) wird der A n f a n g und das E n d e definiert. Beide dürfen mit f ( e ! ) bzw. f ( e n ) übereinstimmen, es können aber ebenfalls längere Stücke von f ( e ) gewählt werden. Mit i n i t ( e ) wird ein nicht leeres Anfangsstück von f ( e ) bezeichnet, in dem die Instanzen der einzelnen f ( e j propositional wie die Instanzen von f ( e j ausfallen, f i n ( e ) bezeichne ein analog definiertes Endstück von f ( e ) . Es wird verlangt, daß die mit i n i t ( e ) und f i n ( e ) bezeichneten Teile von f ( e ) disjunkt sind, auf ein eventuelles Mittelstück m e d ( e ) braucht hier nicht eingegangen zu werden (s. KUNZE 1991a, S. 48). Man beachte, daß ebenso solche W e g e erlaubt sind, in deren Verlauf sich nichts ändert. Ein solcher W e g ist nicht dasselbe wie die Verschmelzung seiner Teile zu einem einzigen Sachverhalt. So entspricht dem Verb behalten auf der Ebene der Instanzen ein konstanter, aber wenigstens zweigliedriger W e g ("haben und weiterhin haben"), dem Verb haben ein einfacher Sachverhalt. Alle diese Aussagen machen nur Sinn, wenn man die Menge der Propositionen, von denen Instanzen f ( e , ) betrachtet werden, stark einschränkt: Entwe-

2.3. Ausdrucksmittel

23

der redet man von Karls Kontostand o d e r von seinem Gewicht, aber nicht von beidem vermischt, wenn es heißt, er sei heruntergekommen.

2.3.3. Die Prädikate im Überblick Da der Status und die Variationsbereiche der Variablen nunmehr erklärt sind, kann ich durch Eliminierung der Belegungsfunktion f wieder zur üblichen Ausdrucksweise zurückkehren und von der "Proposition A", dem "Sachverhalt e " , der "NP x " und dem "Objekt r e f ( x ) " sprechen. Diese Vereinfachung wird erst in Kap. 6. wieder außer Kraft gesetzt, außerdem werde ich an einigen anderen Stellen auf die Belegungsfunktion zurückgreifen. In den folgenden Kapiteln wird nur ein relativ kleines Inventar an Prädikaten verwendet. Ich behandle dieses Inventar hier in aller Kürze und verweise hinsichtlich weiterer Details und ausführlicher Motivationen auf KUNZE 1991a. Zu jedem Prädikat gebe ich die entsprechende Instantiierungsregel an. Außerdem wird bei terminalen Argumentstellen die Basiszuordnung vermerkt: Das ist diejenige Kasusrelation, die dem an dieser Stelle befindlichen Argument als Rolle in einer Proposition zukommt, dessen Kopf das gerade behandelte Prädikat ist. Die zu Prädikaten mit propositionalen Argumentstellen gehörigen Modifikationsfunktionen werden in 2.4.3. dargestellt. Das Prädikat ET entspricht der gleichnamigen aussagenlogischen Verknüpfung, sie wird auf diese Weise zu einem Prädikat mit zwei propositionalen Argumentstellen. Diese Festlegung ist dadurch motiviert, daß ET innerhalb von Grundformen oder Sememrepräsentationen auftritt, die auf diese Weise hinsichtlich der Prädikat-Argument-Struktur homogen bleiben. Der Funktor "A" wird ebenfalls verwendet, seine Anwendungsdomäne liegt aber gerade außerhalb der Grundformen und Sememrepräsentationen und dient ihrer Verknüpfung. Ein Ausdruck (4) Ai A A2 stellt somit die Konjunktion zweier Grundformen oder Sememrepräsentationen dar, während es sich bei (5) ET(A1#A2) um einen (ev. unechten) Teilausdruck einer Grundform/Sememrepräsentation handeln muß. Die Instantiierungsregel ist naturgemäß folgende:

24

(6)

2. Inhaltliche und f o r m a l e G r u n d l a g e n

I N S T ( e , ET (Ax, A2) ) : e ist ein Paar [ e 1 ( e 2 ] , und es gilt: I N S T (e*!, A j ) A I N S T ( e 2 , A 2 ) . Ferner gelte e t i m e ( e j ) = e t i m e ( e 2 ) = e t i m e ( e ) . D e r Ausdruck (6) besagt daher als Proposition, daß Instanzen von und Instanzen von A2 gleichzeitig eintreten müssen (jedoch nicht am gleichen Ort wie bei CAUSE). Er verlangt nicht, daß A2 und A2 durch einen g e m e i n s a m e n Sachverhalt instantiiert werden, diese Instanz ergibt sich erst durch die Paarbild u n g . Die Forderung nach einer gemeinsamen Instanz würde schon d e s w e g e n problematisch sein, weil die Instanzen von und A2 im Sinne der Sachverhaltstypen nicht gleichartig zu sein brauchen. F ü r das Prädikat NOT gilt hinsichtlich seines Status dasselbe w i e bei ET: E s ist f ü r den inneren Gebrauch bestimmt. Sein aussagenlogisches Gegenstück ist aber nicht der klassische Funktor sondern der Funktor " - " der präsuppositionssensitiven Verneinung, wie er in JUNG/KÜSTNER 1990 e i n g e f ü h r t w o r d e n ist. Durch die V e r w e n d u n g von " - " außerhalb der G r u n d f o r m e n und S e m e m r e präsentationen kann man z. B. eine syntaktisch autonome Verneinung von einer "eingebauten" unterscheiden. F ü r die Instantiierung von NOT (A) hat man sich natürlich ebenfalls auf die aussagenlogische Basis zu stützen, und zwar ganz analog wie bei ET: (7) I N S T ( e , NOT (A) ) : -INST(e,A) Auf eine eingehendere Erklärung muß ich hier verzichten, und ich verweise - w a s die Motivation und Rechtfertigung angeht - auf JUNG/KÜSTNER 1990 und KUNZE 1991a. Es sei nur gesagt, daß (7) "unter N o r m a l b e d i n g u n g e n " das hergibt, was man sich vorstellt: Man muß diejenige Sachverhaltsbeschreibung, die m a n als I N S T ( e , A ) rekursiv schon erhalten hat, unter B e a c h t u n g ihrer Präsuppositions-Assertions-Struktur verneinen. A l s ein Beispiel, w o sich dies deutlich auswirkt, kann man d i e Instantiierungen f ü r die Prädikate BECOME (der Kürze wegen BEC) und STAY anführen. O b w o h l STAY nicht primitiv ist, wird es hier trotzdem behandelt, w o b e i die Reduktion (8) STAY (A) = NOT (BEC (NOT (A) ) ) g e w a h r t wird. Die Instantiierungsregeln für BEC und STAY sind f o l g e n d e : (9) I N S T ( e , BEC (A) ) : e ist ein m o n o t o n e r W e g von NOT (A) nach A, d. h. OINST(init(e),NOT(A)) A INST(Fin(e),A). e ist somit ein W e g , an dessen A n f a n g - I N S T ( . , A ) und an dessen E n d e I N S T ( . , A) gilt.

2.3. A u s d r u c k s m i t t e l

(10)

25

INST (e, STAY (A) ) : e ist ein m o n o t o n e r W e g von A nach A, d. h.

o INST(init(e) ,A) A INST(fin(e) , A) . Ü b e r die an den W e g gestellte B e d i n g u n g hinaus enthalten die beiden Regeln noch eine Präsuppositions-Assertions-Struktur (s. (1)): Das erste K o n j u n k t ist die Präsupposition, die durch " o " markiert ist. Über ihre A n w e n d u n g ist g e n a u e r e s im Abschnitt 2.4.3. zur R o l l e n b e r e c h n u n g zu finden. D i e s e Struktur m a c h t bei S T A Y den einzigen wesentlichen Unterschied zu I N S T (e, A ) aus, da aus der M o n o t o n i e folgt, daß I N S T (e¿, A) f ü r alle Teile e t des W e g e s e gilt. Die W e g e e müssen sowohl f ü r B E C als auch f ü r S T A Y innerhalb geeigneter M e n g e n von Instanzen verlaufen. Dies ist ein Aspekt, den ich hier völlig unterdrücke, z u m a l die Verletzung dieser B e d i n g u n g der Intuition gröblichst widerspricht (s. hierzu Schluß von 2.3.2. und KUNZE 1991a, S. 28ff.). E s sei an dieser Stelle noch vermerkt, d a ß in JACKENDOFF 1991 (S. 2 6 ) ein g a n z analoger Unterschied g e m a c h t wird: B E ( . . . ) wird als State eingeordnet, S T A Y ( . . . ) dagegen (wie G O ( . . . ) ) als Event. D a s Prädikat C A U S E wird als ein Prädikat mit zwei propositionalen Argumentstellen e i n g e f ü h r t . Die G r ü n d e für diese A u f f a s s u n g , die von der m a n c h e r Autoren a b w e i c h t (etwa JACKENDOFF 1991), sind in KUNZE 1991a ausführlich dargelegt und werden hier nicht m e h r erörtert. Die f o l g e n d e Instantiierungsregel beschreibt ein faktisches C A U S E (sie besagt m e h r als die f ü r ET), das an die B e d i n g u n g e n der Einheit von Zeit und R a u m f ü r seine beiden A r g u m e n t e g e b u n d e n ist (s. a. WLERZBICKA 1975). Insbesondere die zweite B e d i n g u n g darf logisch aber nicht überstrapaziert werden, und generell ist zu sagen, d a ß der eigentliche Sinn solcher B e d i n g u n g e n vor allem darin liegt, den B e z u g von A d v e r b i a l e n zu regeln in d e m Sinne, daß ein unterschiedlicher B e z u g auf die Instanzen der beiden A r g u m e n t e von C A U S E ausgeschlossen wird. G e n a u auf diesen P u n k t geht auch JACKENDOFF 1991, S. 150f. ein (Lexical versus Periphrastic Causatives): In (11) Bill killed Harry on Monday. k a n n sich das Adverbial nur auf das G e s a m t e r e i g n i s beziehen, w a s bei (12) Bill caused Harry to die on Monday. nicht so sein m u ß . Daher ist analog zu N O T und E T auch C A U S E nur innerhalb von G r u n d f o r m e n und S e m e m r e p r ä s e n t a t i o n e n a n w e n d b a r und w ü r d e bei einer Repräsentation von (12) nicht erscheinen (erst recht nicht bei Kausalsätzen). Die Instantiierungsregel f ü r C A U S E lautet:

26 (13)

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

I N S T ( e , CAUSE ( , A 2 ) ) : e ist ein Paar e = [ e x , e 2 ] , und es gilt: I N S T ( e x , Aj) A INST ( e 2 , A 2 ) A e j kausiert e 2 . Ferner gelte e t i m e ( e j = e t i m e ( e 2 ) = e t i m e ( e ) undelocfej = eloc(e2) = eloc(e). Die Relation "kausiert" (das äußere Gegenstück zu CAUSE) wird hier als vorgegeben angenommen, was nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann. Die verzwickten Fragen hinsichtlich der Präsuppositions-Assertions-Struktur bei der CAUSE-Instantiierung unterdrücke ich in dieser kurzen Darstellung (Einzelheiten in JUNG/KÜSTNER 1990). Inhaltlich besteht eine Ähnlichkeit mit MILLER/JOHNSON-LAIRD 1976: In der ersten Definition (S. 482) (14) CAUSE ( S , S ' ) : Something characterized by the Statement S "causes" something characterized by Statement S ' if: (i) HAPPEN(S) (ii) HAPPEN(S') (iii) Cause((i),(ii)) wird die Bedingung ( i i i ) später ersetzt durch (S. 506) (iii) BEFORE((i),(ii)) (iv) n o t P O S S I B L E (S & n o t S ' ) Hier liegt ebenfalls ein faktisches CAUSE vor, und beide Argumente tragen offensichtlich den Charakter von Propositionen. Das zugehörige generische Konzept CAUSES ( e x , e 2 ) , bei dem die e 1 "event types" sind, wird auf (15) POSSIBLE ( & e 2 ) and IMPOSSIBLE ( e j & n o t - e 2 ) zurückgeführt (S. 496ff.). Die bisher besprochenen Prädikate sind diejenigen mit propositionalen Argumenten. E s bleiben noch einige Basisprädikate aufzuführen, d. h. solche, die elementare Argumente haben. Für alle gelte, daß die (selektiven) Beschränkungen f ü r die Argumente in den Prädikaten angelegt sind. Dieser Aspekt erhält seine Bedeutung vor allem dann, wenn Spezifizierungen der Prädikate eingeführt werden. Das einstellige Prädikat ACT wird wie folgt instantiiert: (16) I N S T ( e , ACT ( x ) ) : e ist ein Sachverhalt, bei dem r e f ( x ) eine Handlung ausführt. (17) Das Argument x hat die Rolle . Die Festlegung auf THEME (und nicht auf AGENS) ist in erster Linie dadurch bestimmt, daß in meinem Ansatz die zuletzt genannte Rolle für das "etwas kausierende Agens" reserviert ist. Diese Auffassung wird auch in JACKENDOFF

2.3. Ausdrucksmittel

27

1991 und DOWTY 1989 vertreten, wenn man einmal von dem oben genannten Unterschied absieht (Anm. 2.3.). Für den Satz (18) Karl läuft. wird in meinem Ansatz dem Subjekt die Rolle "Thema einer Handlung" zugeschrieben. Ich komme darauf bei den Modifikationsfunktionen zurück. Das ebenfalls einstellige Prädikat EFFect kann ganz analog behandelt werden, man braucht eigentlich statt "Handlung ausführen" nur "Wirkung ausüben" einzusetzen. Insbesondere gibt es ein wirkendes Agens , etwa, wenn der Sturm die Bäume knickt. Ebenfalls einstellig ist BEHave, das in seiner Interpretation einem abgeschwächten A C T entspricht. Das Prädikat HAVE wird im folgenden unspezifiziert verwendet, an einigen Stellen gehe ich auf notwendige Spezifizierungen ein. HAVE gilt (wie ISA, PLACE-d, QUANT) als ein Lokationsprädikat in einem allgemeinen Sinne, d. h., der Besitzer wird als eine LOCATion des Besitzes aufgefaßt, der seinerseits THEME des Besitzens ist (Theme: the object in motion or being locatedc JACKENDOFF 1991, S. 46, nach GRUBER 1965). Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Zu nennen ist die Tatsache, daß sich bei den Besitzwechselverben Rollen wie GOAL und SOURCE ganz natürlich anbieten. Dies gilt ebenso für ISA: Die Oberflächenformen y entwickelt sich aus x vs. x entwickelt sich zu y , die sich bei anderen ISA-Verben wiederholen (s. a. (129)), sind ein Motiv, dieses Prädikat ebenfalls den Lokationsprädikaten zuzuordnen. Auch für QUANT (s. Kap. 4. und 5.) und PLACE-d treffen diese Gesichtspunkte zu. Generell werden in meinem Ansatz die beiden Rollen GOAL und SOURCE nur zugelassen, wenn sie sich entweder direkt aus primitiven Prädikaten ergeben (so bei den verba dicendi) oder durch eine Modifikation aus einer LOCAT-Rolle entstehen. Da durch den Besitzwechsel gegenüber dem Besitz keine neuen Primitiva erforderlich werden, müssen GOAL und SOURCE beim Besitzwechsel folglich auf einer LOCAT-Rolle begründet sein (genauer: aus der Veränderung einer Lokation hervorgehen). Ich lege daher f ü r die Rollen der Argumente von HAVE folgendes fest: (19) Das erste Argument hat die Rolle . (20) Das zweite Argument hat die Rolle . HAVE wird so instantiiert:

(21)

INST (e, HAVE (x,y) ) : e ist ein Sachverhalt, bei dem ref (x) ref (y) hat. In dieser Aussage ist "haben" nicht weiter spezifiziert, und diese Relation wird als Beziehung in Sachverhalten wieder außertheoretisch angenommen.

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Auf das Prädikat ISA trifft das meiste bei HAVE Gesagte ebenfalls zu. Auch hier treten typische GOAL- und SOURCE-Aktantifizierungen auf, so daß sich für die Rollen das Analogon zu (19-20) ergibt: (22) Das erste Argument hat die Rolle . (23) Das zweite Argument hat die Rolle . Dabei entspricht die Argumentreihenfolge der folgenden Instantiierung: (24) INST ( e, ISA (x, y) ) : e ist ein Sachverhalt, bei dem ref (y) c ref (x) gilt, d. h., die ref (y) 's sind ref (x) 's. Das Prädikat ISA wird zunächst ebenfalls unspezifiziert verwendet. Mehr noch als bei HAVE sind jedoch seine Spezifizierungen von Interesse. Je nach dem Charakter der Argumente kann man eine unübersehbare Vielfalt von ISAVarianten schaffen, wobei man zweckmäßigerweise das logische Verhältnis zwischen der Spezifizierung und den Sorten der Argumente so gestaltet, daß das erste das zweite bedingt. Mit anderen Worten: ISA-BERUF (x,y) determiniert f (x) = Schneider, Schuster, ... und f (y) = Karl, mein Bruder, ... (und nicht umgekehrt). Dies entspricht dem oben angedeuteten Grundsatz über die selektiven Beschränkungen. Ein weiteres Prädikat, das wie ISA vor allem in Kap. 6. verwendet wird, ist PLACE -d. Dabei drückt "d" eine (notwendige) Spezifizierung aus, die gewisse, mit geeigneten Präpositionen benennbare Lageverhältnisse repräsentiert. Es gibt also PLACE-in, PLACE-auf usw. (s. KUNZE 1991a, S. 45ff„ 63ff.). Die Instantiierung ist (25) INST (e, PLACE-d(x,y) ) : e ist ein Sachverhalt, bei dem loc(y) c area-d(ref (x) ) gilt. Dabei ist loc(y) der von ref (y) eingenommene Platz, während area-d(ref (x) ) ein Gebiet (oder eine Region) ist, die durch ref (x) und d bestimmt ist. Für jeweils geeignete Objekte gibt es eine area-in, area-auf usw., und die entsprechenden Festlegungen hängen in komplizierter Weise von beiden Bestimmungsstücken ab, was man an (26) Blumen in der Vase vs. Wasser in der Vase vs. Loch in der Vase sehen kann (Anm. 2.4.). Die durch die Basiszuordnungen definierten Rollen sind analog zu HAVE und ISA: (27) Das erste Argument hat die Rolle . (28) Das zweite Argument hat die Rolle . Für beliebige Lokationsprädikate B (x, y) (neben den drei behandelten z. B. QUANT (s. (13) in 4.) kann man ein daraus abgeleitetes einstelliges Prädikat

2.3. Ausdrucksmittel

29

ALTER-B ( y ) bilden, dessen Definition zwar etwas kompliziert ist, auf das aber für die Darstellung der Bedeutung von vielen Verben nicht verzichtet werden kann. Dies beginnt bei ganz allgemeinen Verben vom Typ verändern und endet bei sehr spezifischen Verben wie umfärben, vergrößern, befördern (= Erhöhung des Dienstgrads). Die Definition von ALTER-B (einschließlich der beiden Emphase-Varianten und "Hälften", mit denen man eine Reihe bemerkenswerter Erscheinungen erklären kann) ist in KUNZE 1991a formuliert. Es würde zu weit führen, dies mit allen formalen Details erneut darzustellen. Als Verständnishilfe gebe ich nur eine Paraphrase für das Prädikat ALTER-B an unter der Voraussetzung, daß B gegeben ist. ALTER-B ist ein Derivat von B und daher nicht primitiv, es werden aber aus Gründen der Kürze auch "Kasusrelationen" wie verwendet. (29) ALTER-B ( y ) trifft genau dann zu, wenn (a) es ein x , gibt, so daß B ( x 1 ( y ) am Anfang gilt, aber nicht am Ende, und (b) es ein x 2 gibt, so daß B ( x 2 , y ) am Ende gilt, aber nicht am Anfang. Durch die Formulierungen "am Anfang", "am Ende" ist schon klar, daß ALTER-B durch (monotone) Wege instantiiert wird, (a) und (b) stellen f ü r sich je ein "halbes" ALTER-B dar, und bei der Konjunktion beider kann man eine Emphase verteilen, die sonst natürlich auf der einzigen vorhandenen Proposition liegen muß. Damit wird eine weitere, unmittelbar kontrollierbare Differenzierung bei Verbbedeutungen erfaßbar (Anm. 2.5.). Eine exakte Erfassung von (29) gelingt mit den in Def. 2.15. und 2.16. bereitgestellten Hilfsmitteln, wobei (29) einer t-Blockierung entspricht. Unter bestimmten Bedingungen kann man zu einem gegebenen Prädikat B ( x , y ) auch ALTER-B ( x ) bilden (man ändert (29) in naheliegender Weise ab). Ein derartiger Fall, wo ALTER-B ( x ) statt ALTER-B ( y ) ein "sinnvolles" Derivat ist, liegt bei WEAR vor (s. (86)). Aus der unformalen Paraphrase ergibt sich, daß, wenn man einen entsprechenden Rahmen der Form (30) CAUSE (ACT ( . ) , ALTER-B ( y ) ) annimmt, die Bedeutung folgender Verben in der angegebenen Weise repräsentiert werden kann. Dabei ist es unwichtig, ob bei Gültigkeit von B ( x , y ) das Objekt r e f ( x ) durch r e f ( y ) eindeutig bestimmt ist oder nicht. Ich verwende hier schon den Begriff Emphase, der erst in 2.5.5. erklärt wird. Die Wirkung der Emphase wird durch die angedeutete GOAL/SOURCE-Unterscheidung sichtbar.

30 (31)

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

färben-, von A L T E R - I S A - F A R B E (y) gilt das (b) entsprechende Konjunkt, das (a) entsprechende Konjunkt ist eine optionale Erweiterung (s. 2.6.) und bleibt ohne Emphase ( r e f ( y ) kann am A n f a n g farblos sein): ref (y) hat am Ende eine Farbe, die es am Anfang nicht hat. (32) umfärben'. A L T E R - I S A - F A R B E (y) : ref (y) hat am Anfang eine Farbe, die es am Ende nicht hat, und ref (y) hat am Ende eine Farbe, die es am Anfang nicht hat. Die E m p h a s e liegt jetzt auf dem (a) entsprechenden Konjunkt. Die Spezifizierung I S A - F A R B E (x,y) ist so anzusetzen, daß ref (x) die M e n g e der Objekte mit einer bestimmten Farbe ist. die Wand weißen ist dann darzustellen als "etwas tun, das kausiert, daß die Wand in die M e n g e der weißen O b j e k t e kommt". In diesem Sinne ist auch obiger Ausdruck "ref (y) hat eine Farbe" zu verstehen. (33) berufen: von A L T E R - I S A - L E H R A M T (y) gilt das (b) entsprechende Konjunkt, f ü r (a) trifft das bei färben Gesagte sinngemäß zu (ref (y) braucht am A n f a n g kein Lehramt zu bekleiden): ref (y) hat am Ende ein Lehramt, das er/sie am Anfang nicht hat. Das Akkusativobjekt ist THEME oder GOAL. (34) befördern-, A L T E R - I S A - D I E N S T G R A D ( y ) : ref (y) hat am A n f a n g einen Dienstgrad, den er/sie am Ende nicht hat, und ref (y) hat am Ende einen Dienstgrad, den er/sie am A n f a n g nicht hat. Die Dienstgrade sind geordnet, es findet eine "aufwärts"-Veränderung statt (bei degradieren geht es "abwärts"). Die Emphase liegt jetzt auf d e m (a) entsprechenden Konjunkt (s. hierzu auch A n m . 2.5.). Das Akkusativobjekt ist THEME oder SOURCE. (35) verändern: A L T E R - I S A ( y ) : ref (y) ist am Anfang etwas, das es am Ende nicht ist, und ref (y) ist am Ende etwas, das es am Anfang nicht ist. Es handelt sich um ein Derivat des unspezifizierten Prädikats I S A . Die E m p h a s e liegt auf dem (b) entsprechenden Konjunkt. Wenn ich in den Paraphrasen "haben" statt "sein" verwende, so nur z u m bequemeren Ausdruck. Korrekter müßte es natürlich "ref (x) ist Major, ... ", noch genauer "ref (x) c ref (Major)" heißen. Auf die Prädikate QUANT, MEAS, S U P E R / I N F E R und DI FF gehe ich bei der Behandlung der Maßverben ein. Die für die verba dicendi erforderlichen Prädikate werden in Kap. 6. eingeführt.

2.4. Semantische Grundformen

31

2.4. Semantische Grundformen 2.4.1. Der Status der Grundformen Semantische Grundformen werden aus den eben besprochenen Prädikaten unter Beachtung der beiden Arten von Argumentstellen nach den üblichen Ausdrucksbestimmungen gebildet: In propositionale Argumentstellen werden propositionale Variable oder Propositionen eingesetzt, in terminale Argumentstellen elementare Variable und Konstante. Grundformen enthalten keine Variablen für Prädikate, daher kann man in ihnen die Prädikate keinesfalls quantifizieren. W e n n entsprechende Ausdrücke verwendet werden, so tragen sie "metatheoretischen" Charakter. Die Prädikate implizieren die Beschränkungen für ihre Argumente. Dies gilt ebenso für die propositionalen Argumentstellen, wo diese Beschränkungen beispielsweise regeln, daß bei BEC nur Propositionen einzusetzen sind, die nicht durch Wege instantiiert werden, oder daß im Fall einer Variablen A die Proposition f (A) diese Eigenschaft haben muß. Grundformen G drücken Propositionen aus, die sich auf Sachverhalte beziehen: Es gibt Sachverhalte, auf die die ausgedrückte Proposition zutrifft, und andere, wo dies nicht der Fall ist. Dabei sei die Zuordnung zwischen den elementaren Argumenten der Grundform und den Mitspielern/Partizipanten der Sachverhalte in geeigneter Weise hergestellt. Welches die Sachverhalte sind, auf die eine Proposition zutrifft, wird mit Instantiierungsregeln festgelegt, die, rekursiv entlang der Struktur von G angewendet, eine bestimmte Beschreibung ergeben, die im Inhalt dasselbe besagt, in ihrer Struktur aber verknüpfungsfreundlicher und expliziter ist und außerdem die Präsuppositions-AssertionsStruktur besser auszudrücken gestattet. Diese Beschreibungen sind gleichzeitig das Halbfabrikat, aus dem wiederum Beschreibungen von lexikalischen Bedeutungen entstehen. Dies sind im Normalfall aber nur sehr grobe Approximationen tatsächlicher Bedeutungen (z. B. von Verben), deren Detailliertheitsgrad durch die Grundformen diktiert wird. Spezifische Seme, die in der Grundform nicht reflektiert sind, finden in diesen prototypischen Bedeutungsbeschreibungen ebenfalls keinen Niederschlag. Auf der anderen Seite gibt es kein prinzipielles Hindernis dafür, durch Spezifizierung gegebener und Einführung neuer Prädikate die Grundformen beliebig detailliert zu machen, wenn man einmal annimmt, daß dieses Ausdrucksmittel nicht von sich aus Grenzen aufweist, die seine Ausdrucksfähigkeit gegenüber der Semantik natürlicher Sprachen als unzureichend erweisen. Ein derartiger Verdacht liegt angesichts bekannter Unvollständigkeits- und Antinomie-Makel formaler Systeme durchaus nahe.

32

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Für die hier vorgenommenen Anwendungen ist dieses Kardinalproblem nicht von so großer Brisanz, da eine wirklich distinktive und erschöpfende Beschreibung von semantischen Einheiten nicht im Vordergrund steht. Die tatsächlichen Ansprüche enden viel früher, nämlich dort, wo es um das Verhältnis zwischen Semantik und Oberflächenmerkmalen geht. Hierfür genügt eine Korngröße, die weit oberhalb des eben angedeuteten Maßes liegt. Dennoch bringt dieser eingeengte Horizont nicht die Bequemlichkeit mit sich, alle derartigen Fragen und Probleme jenseits dieser Vereinfachung durch Nichtbeachtung aus der Welt zu schaffen. Eine Schwierigkeit ergibt sich schon dadurch, daß es keineswegs trivial ist, was eine Grundform propositional enthalten muß, damit die Verbindung zur Oberfläche in den Bahnen vollzogen werden kann, die durch den theoretischen Grundriß vorgezeichnet sind. Darauf gehe ich bei den Erweiterungen in 2.6. ein. Ein zweites Problem stellt die Fundierung der Tiefenkasus dar, die ebenfalls in ganz unmittelbarer Beziehung zu den Grundformen stehen. Die Möglichkeit ihrer rein formalen Ableitung ist nur eine sehr indirekte Rechtfertigung, allerdings etwas mehr als eine rein intuitive und vielleicht noch inkonsistente Proklamation. Wie schon in Kap. 1. gesagt, werden hier die Tiefenkasus nur in Verbindung mit semantischen Repräsentationen betrachtet, und mehr noch, sie sind sogar den (terminalen) Argumentstellen in diesen Repräsentationen zugeordnet. Dies ist eine andere Sicht als z. B. in RAUH 1988 (insb. S. 320ff.), wo entsprechende semantische Relationen durch Merkmale wie [Source], [Action], [Possession], ... repräsentiert werden, die dem Lexem unmittelbar zugeordnet sind. Inkorporierte Merkmale sind blockiert, die übrigen werden auf die Argumente verteilt. Die Merkmale sind in verschiedenen Schemata gruppiert (Aktion, Bewegung, Ruhe), die, falls mehrere Schemata bei einem Verb vorliegen, je eine Merkmalkombination pro Argument abliefern. Auf diese Weise erhält das Aktiv-Subjekt von buy eine Kombination [Action,Poss] aus dem Aktionsschema und [Goal,Poss] aus dem Bewegungsschema. Letzteres entspricht natürlich weitgehend in meinem Ansatz, nur daß ich bei kaufen diese Rolle zugunsten von blockiere. Hebt man diese Blockierung auf, so kommt man zu sich etwas kaufen, und dies läßt sich unmittelbar in die "beschaffen"-Variante von kaufen, nämlich jemandem etwas kaufen überführen (s. 3.4.5.). Die Darstellung von buy auf S. 364 läßt nicht erkennen, wie das Source und der Countertransfer einzubauen wären. Bei inherit hat das Aktiv-Subjekt nur die Kombination [Goal,Poss] (aus dem Bewegungsschema), was ich in gleicher Weise in Kap. 3. ansetze (s. d. (186)).

2.4. Semantische Grundformen

33

Def. 2.1. (minimale Grundform): Eine minimale Grundform G zu einem (Verb-)Semem ist diejenige Grundform, deren Instantiierung bei allen Sachverhalten gilt, die mit diesem Verb bezeichnet werden können. Dies ist natürlich keine echte Definition, da erst einmal zu klären wäre, wie verschiedene Sememe (insbesondere bei gleichem Lexem) gegeneinander abzugrenzen sind. Die minimale Grundform enthält - das eben Gesagte einmal vorausgesetzt - die notwendigen Argumente des betreffenden Semems, die jedoch nicht sämtlich zu obligatorischen Aktanten führen müssen. Durch Erweiterungen kann man diesen Argumentrahmen vergrößern, dagegen kann man eine minimale Grundform nicht reduzieren, ohne das betreffende Semem zu "verlassen" (s. Def. 2.17. und 2.18., die Betrachtungen in 2.6.7. und die Erörterungen zu bekommen in 3.2.1.).

2.4.2. Die Kasusrelationen Als Kasusrelationen werden Paare der Form (36)

bezeichnet. Eine Neuerung gegenüber anderen Darstellungen besteht in der Hinzunahme der zweiten Komponente, während das Inventar an Tiefenkasus und ihre generelle Interpretation nicht entscheidend von bisherigen Vorstellungen abweichen. Was die gängigen Tiefenkasus wie etwa Agent, Patient, Theme, Source und Goal bei DOWTY 1989 und ebenso bei JACKENDOFF 1991 angeht, so gibt es höchstens marginale Unterschiede. Dies gilt insbesondere für den Status der Kasusrelationen als Konnektoren zwischen Propositionen (oder anderen komplexen semantischen Einheiten) und ihren Argumenten, wobei der in DOWTY 1989 (S. 83ff.) als Neo-Davidsonian System of Thematic Roles entwickelte Ansatz die Rollendefinition allerdings von der Ebene der Argumente in Prädikaten auf die der Partizipanten in Sachverhalten verschiebt. Die Sachverhaltsbasiertheit der Tiefenkasus steckt ebenso in meinem Ansatz: Die Modifikationsfunktionen referieren unmittelbar auf die Instanzen und sind ohne sie eigentlich nicht zu begründen. Jedenfalls ist mein Ansatz nicht syntaxorientiert, es geht ja gerade um die Ableitung von Oberflächeneigenschaften aus Propositionen. Durch die Aufnahme der Basisprädikate findet jedoch eine gewisse Verschiebung statt, die weiter unten erklärt wird. Die Basiszuordnungen in 2.3.3. haben schon illustriert, wie die Basisprädikate ins Spiel kommen: Für die direkten terminalen Argumentstellen eines Prädikats B wird B als zweite

34

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Komponente eingeführt. Der entscheidende Punkt ist nun, daß bei Einbettung der Proposition B ( . . . ) in einen komplexeren Ausdruck diese zweite K o m ponente bestehen bleibt. Nur die erste Komponente wird (durch die in 2.4.3. beschriebenen Modifikationsfunktionen) verändert, die zweite ist konstant und steuert höchstens die Modifikation der ersten. Die Einbettung der Basisproposition macht sich so auch im Tiefenkasus bemerkbar. Gleichzeitig wird damit aber jeglichem Ansatz widersprochen, der für eine komplexe Proposition A das Verhältnis zwischen ihr und den Argumenten unmittelbar auf A bezieht, wie es etwa bei den 0 - R a s t e m geschieht, die j a als Präfixe pro Proposition oder pro Kopfprädikat (= Lexem) angegeben werden (Anm. 2.6.). Der ausschließliche Bezug auf die Basisprädikate hat schon deshalb etwas für sich, weil man sich dann ohne weiteres auf primitive Prädikate beschränken kann. Wesentlicher als dieser Theorie-ästhetische Aspekt ist die Tatsache, daß man durch die Kombination von Tiefenkasus und Basisprädikat die Schnittstelle zur Oberfläche in sehr übersichtlicher Weise organisieren kann. Beispielsweise scheint die Bedeutung unspezifischer Präpositionen wie der reinen Kasus offenbar genau in diesen Einheiten portioniert zu sein. Die Kasusrelation (37)

(jemand, der etwas bekommt, d. h. in ein Besitzerverhältnis eintritt) ist offenbar eine Entität, die als Input f ü r die Ableitung von Oberflächenmerkmalen genau die richtige Größe (im Sinne der dahinter steckenden Generalisierung) aufweist: Es lassen sich Regeln angeben, die trotz ihrer allgemeinen Form im Detail den zutreffenden Output erzeugen. Mit den durch (38) , , ... induzierten Formaten (und erst recht mit einer direkten Zuordnung der Oberflächenmerkmale zu den A r g u m e n t e n ) zerfällt das für ein Verbfeld einheitliche Regelsystem in lauter Einzelaufzählungen im Stile der üblichen Valenzwörterbücher. Die Behauptungen zur Eignung der Kasusrelationen werden bei den einzelnen Verbfeldern verifiziert. Umgekehrt bleibt natürlich ebenso der Nachweis zu führen, daß das hier gewählte Regelformat einen gewissen Anspruch an Allgemeinheit einlöst, der über die vorgeführten Fälle hinausgeht (s. Schluß von 2.7.1.). Eine Kombination von Tiefenkasus und Basisprädikat wird in JACKENDOFF 1991 (S. 261) aus Gründen erwogen, die ebenfalls mit der Umsetzung in Oberflächenmerkmale zusammenhängen: Er schlägt eine Aufspaltung in possessional Goals und spatial Goals vor, um mit der Verzahnung der thematischen und der syntaktischen Hierarchie besser zurecht zu kommen. Ich vermeide zwar eine solche Hierarchie, dies besagt aber nichts über das dahinterstehende inhaltliche Problem.

2.4. Semantische Grundformen

35

Die Frage nach der Motivation und der Objektivierung der Tiefenkasus möchte ich hier nur kurz ansprechen. Die Arbeit DOWTY 1991 zeigt, daß in einer kognitiven Rechtfertigung von A G E N S vs. P A T I E N S zahlreiche Schwierigkeiten stecken, die einer sorgfältigen Bearbeitung bedürfen. Erst das Resultat der von Dowty vorgenommenen Abwägung verschiedener Aspekte, die eine Abgrenzung Proto-Agent vs. Proto-Patient unterstützen, ist die Anschlußstelle, die für meine Betrachtungen relevant ist, nicht die Abwägung selber (s. bes. DOWTY 1991, S. 571 ff., Anm. 2.7.). Ohne die Bündelung der pro/contra A G E N S bzw. P A T I E N S anzuführenden Gesichtspunkte wird das Ganze formal unbeherrschbar (und im Grunde unkontrollierbar). Durch die computerlinguistische Verarbeitung kann die linguistisch-kognitive Rechtfertigung nicht ersetzt werden. Daher geht z. B. ein Vorschlag wie der von WARD 1992 sogar an den Belangen der Computerlinguistik vorbei: Ward ersetzt die Tiefenkasus durch eben jene Aspekte, es bleibt nur offen, wie man denn nun diese im konkreten Fall ermitteln und bewerten kann. Daß er dabei die Unzulänglichkeiten der existierenden Ansätze ins Feld führt, hat keinen bekräftigenden Charakter für sein Herangehen, eher schon das von ihm in den Vordergrund gestellte Problem der Inkompatibilität von Tiefenkasus in miteinander nicht verwandten Sprachen. Aus der Perspektive meines Ansatzes geht es in erster Linie eigentlich gar nicht um die Rechtfertigung der Tiefenkasus, sondern um die Adäquatheit und Plausibilität der Grundformen. Da die Tiefenkasus nach allgemeinem Konsens eine abgeleitete Angelegenheit sind, verstellt eine Fixierung auf die Tiefenkasus allein möglicherweise sogar den W e g zu einer wirklich befriedigenden Lösung. Sind die Grundformen (oder andere semantische Repräsentationen) in der gerade besprochenen Hinsicht erst einmal abgesichert, so wird man sich wohl leichter darauf einigen können, welchem Argument welche Rolle zukommt. Daß wir diesen Schritt (von der Grundform zu den Rollen) nicht mehr als "Kopfarbeit" ausführen, sondern schon in einem programmierbaren Regelwerk formulieren können (s. Kap. 3.), ist dabei nebensächlich; denn eine Bestätigung der Allgemeingültigkeit dieser Prozedur wird dadurch noch nicht erbracht.

2.4.3. D i e Ableitung der Rollen Wie aus den vorangehenden Erörterungen indirekt schon hervorgeht, werden die Termini "Rolle" und "Kasusrelation" in folgender Weise verwendet: Def. 2.2. (Rolle): Die elementaren Argumente einer Proposition stehen zu ihr in einem Rollenverhältnis, und zwar derart, daß zu j e d e m Vorkommen des Arguments in der

36

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Proposition eine eindeutig bestimmte Rolle existiert. In diesem Sinne spreche ich von rollendefinierenden Vorkommen, und die Rollen beziehen sich primär nur auf die terminalen Argumentstellen der Proposition: Jedes elementare Argument hat genau diejenigen Rollen, die seinen Vorkommen in der Proposition entsprechen. Ist eine propositionale Argumentstelle mit einer Variablen besetzt, so gilt das eben Gesagte sinngemäß, (s. hierzu Def. 2.5. und 2.6.). Folglich kann man z. B. sagen, daß ein Argument x in einer Proposition A genau drei Rollen hat. Ich nenne die so eingeführten Rollen später potentielle Rollen. Auf der Ebene der Grundformen werden alle Rollen eines Arguments eingesammelt, eine Auswahl oder Bewertung findet nicht statt. Def. 2.3. ( K a s u s r e l a t i o n ) : Rollen variieren über Kasusrelationen, d. h. über Paaren der Gestalt (36). Zu jeder terminalen Argumentstelle gibt es genau ein solches Paar. Das Inventar an Kasusrelationen in der vorliegenden Arbeit enthält neben anderen folgende: (39) cTHEME, ACT>, ; (40) , < P A T I E N S , B> f ü r gewisse einstellige Prädikate B; (41) , , < F R O M - O B J , B>, , < S O U R C E , B > , für B = HAVE, I S A , QUANT und P L A C E - d ; zu diesen Rollen gibt es außerdem die negierten Gegenstücke wie z. B. - < S O U R C E , HAVE> (s. (57)). Bei anderen Basisprädikaten (z. B. MEAS), die nicht als echte propositionale Argumente (d. h. höchstens bei ET) auftreten, steht statt der dann überflüssigen Spezifizierung als erste Komponente nur eine Kennzeichnung der Argumentstelle wie z. B. (Anm. 2.8.). Die Aufzählung (39-41) enthält in bunter Mischung sowohl atomare Kasusrelationen als auch solche, die nach KUNZE 1991a entweder komplex sind oder aus komplexen durch Zusammenfassung entstehen. Diese Abgrenzungen unterdrücke ich bei der Tabelle (45-56) ebenfalls. E s geht im folgenden um eine konfigurationeile Definition der Rollen, um ihre Ableitung aus der Struktur der Grundformen. In 2.3.3. hatte ich schon die Basiszuordnungen für die dort vermerkten Prädikate angegeben. Dies sind die Rollen der betreffenden Argumente in den nicht eingebetteten Propositionen wie z. B. H A V E ( x , y ) . Durch die Bildung komplexer Propositionen entsteht nun die Nowendigkeit, die so im Anfangsschritt entstandenen Kasusrelationen zu verändern. Dies soll durch eine rekursive Prozedur geschehen, die in natürlicher Weise die Struktur der G r u n d f o r m von innen nach außen durchläuft. Wie in KUNZE 1991a ausführlich gezeigt, m u ß man dazu genau für alle propositionalen Argumentstellen von allen Prädikaten, die solche haben, eine einstellige Modifikationsfunktion definieren.

37

2.4. Semantische G r u n d f o r m e n

Def. 2.4. (Modifikationsfunktion): Zu jeder propositionalen Argumentstelle in einem Prädikat gehört eine Modifikationsfunktion F, die als A r g u m e n t e und Werte Kasusrelationen hat. Diese Funktionen werden in der üblichen W e i s e auf M e n g e n von Kasusrelationen ausgedehnt (das Bild einer M e n g e ist die M e n g e der Bilder): (42) F ( {RJ , R 2 , . . . }) = {F (RJ) , F ( R 2 ) , . . . } Für die in Def. 2.5. genannte M e n g e der Rollen Z ( x , A) des A r g u m e n t s x in der Proposition A läßt sich durch die Modifikationsfunktionen folgende rekursive Definition angeben: A habe die Gestalt (43) A EE B (AT , A , , . . . ) , wobei A j , A , , . . . die propositionalen A r g u m e n t e von B sind. Zu jeder propositionalen Argumentstelle i = 1 , 2 , . . . von B sei Ff die zugehörige Modifikationsfunktion. Dann gilt (44) Z ( x , A) = F f t Z t x ^ ) ) U F | ( Z ( X , A 2 ) ) U . . . Durch A n w e n d u n g von (44) k o m m t man rekursiv zu den terminalen Argumentstellen, bei denen die Basiszuordnungen wirksam werden. Ich kürze die Darstellung hier wesentlich ab und g e b e die wichtigsten Ü b e r g ä n g e in F o r m einer Tabelle an (eine ausführlichere Darstellung wird in KUNZE 1991a (S. 81-90) geboten). Dabei spare ich einige Selbstverständlichkeiten aus: Die durch ET bewirkten Modifikationen sind trivial, die zugehörige Funktion ist die Identität. Auch bei NOT ist die Sache einfach, aus R wird - R . Die negativen Kasusrelationen haben durchaus eine Berechtigung, e t w a bei den Zustandserhaltungsverben wie etwas behalten, die bei anderer Gelegenheit beschrieben werden. Auf weitere feldspezifische Prädikate g e h e ich an entsprechender Stelle ein. Daher sind jetzt nur für die in den Kopfzeilen aufgeführten Prädikate zugehörige Modifikationsfunktionen zu definieren (der untere Index bei F c a u :e bezeichnet wie in (44) die jeweilige Argumentstelle von CAUSE). In runden K l a m m e r n stehen Werte, die hier nicht benötigt werden. B l steht für einstellige Prädikate wie ACT (ebenso E F F = Wirkung), bei THEME und P A T i e n s auch für weitere einstellige Prädikate. B2 bezeichnet zweistellige Lokationsprädikate wie HAVE, P L A C E - d , I S A , QUANT. Mit " = " wird die Gleichheit von A r g u m e n t und Funktionswert angedeutet. (45) (46) (47) (48) (49) (50)

Modifikationsfunktionen für die Prädikate BECOME,



STAY

pBEO

pSTAY



- -

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

38 (51) (52) (53) (54) (55) (56)

Modifikationsfunktionen f ü r das Prädikat CAUSE cTHEME,Bl>



uCAUSE

^1

T-ICAUSE b 2



()

()

Die Kasusrelationen < G O A L , B 2 > , < S O U R C E , B 2 > , < T O - O B J , B 2 > und < F R O M - O B J , B 2 > werden durch die vier aufgeführten Modifikationsfunktionen nicht mehr verändert. Eintragungen wie (57)

Fstay ()

=

-

lassen sich durchaus volkstümlich umschreiben: Für B 2 = H A V E besagt (57) gerade: W e n n jemand etwas behält (= wenn es dabei bleibt, daß er es hat), so wird er es nicht los (= so ist er kein Source davon). < S O U R C E , H A V E > ist die Rolle desjenigen, der etwas los wird, < F R O M - O B J , H A V E > ist etwas, das j e m a n d los wird. Analog sind die Rollen für andere Lokationsprädikate zu interpretieren. Man betrachte die Tabelle als reine Operationsgrundlage, womit man die auftretenden Konstellationen "automatisch" abarbeiten kann, eventuell durch kombinierte Anwendung: Wegen (58) B E C ( N O T ( A ) ) = N O T ( S T A Y ( A ) ) (vgl. (8) in 2.3.3.) steckt z. B. (59)

F

b e , :

F

n o t

F

N 0 T

'(F (F

n o t

s t a y

()

)

()

(-)

= )

=

=

implizit in der Tabelle. Hinter dieser Rechnung verbirgt sich der komplexe Charakter der Kasusrelation < S O U R C E , B 2 > , die so aufzugliedern ist (vgl. hierzu (1)): (60)

=

O < L 0 C A T , B 2 > i

A

-f

Ein Argument x hat die Rolle SOURCE bezüglich HAVE { - B2) genau dann, wenn r e f ( x ) am Anfang die Rolle LOCAT bezüglich HAVE hat (d. h., r e f ( x ) hat etwas) und dies am Ende nicht mehr gilt. Dabei ist das erste Konjunkt die Präsupposition. Die Rolle SOURCE ist daher ein unmittelbares Abbild der Instantiierung des Prädikats BEC (s. (9)), dessen Modifikationsfunktion das Negat von LOCAT in SOURCE überführt.

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

39

Durch die Modifikationsfunktion von NOT entsteht aus die (ebenfalls komplexe) Kasusrelation o 1 a cLOCAT, B 2 > f , die wegen einfacher Monotonieeigenschaften (s. 2.2.) nur bei präsuppositionsignoranter Betrachtung dasselbe wie ist und genau den Unterschied behalten vs. haben reflektiert. Bei der späteren Bestimmung von Rollen werden die notwendigen Erklärungen mitgeliefert. Die Tabelle (45-56) ermöglicht es, zu allen Grundformen, die in dieser Arbeit verwendet werden, die Rollen für sämtliche terminalen Argumentstellen zu bestimmen: Man beginnt mit der Basiszuordnung und wählt dann rekursiv immer die Kasusrelation aus, die sich in der Zeile des letzten Zwischenergebnisses unter demjenigen Prädikat befindet, dessen Argument die gerade betrachtete Proposition ist. Dies wird gesondert für jede Argumentstelle ausgeführt. Zu jedem Argument x einer Proposition A werden die so ermittelten Kasusrelationen zusammengefaßt, sie stehen für die spätere Auswahl der aktuellen Rollen zur Verfügung. Def. 2.5. (Menge z ( x , A ) der Rollen von x in A): Durch die beschriebene Prozedur wird zu einer beliebigen Proposition A, die unter Beachtung der Argumentbeschränkungen aus elementaren Argumenten und Prädikaten gebildet werden kann, für jedes ihrer elementaren Argumente x die Menge Z ( x , A) der Rollen bestimmt, die dieses Argument in der Proposition A hat. Z ( x , A) ist selbstverständlich nicht nur für Grundformen A zu definieren, da man ja die Teilpropositionen der Grundformen ebenfalls für die Zwischenschritte benötigt. Def. 2.6. (rollendefinierendes Vorkommen): Jede Kasusrelation R e Z ( x , A) entsteht aus einem Vorkommen von x in A. Dieses Vorkommen (genauer: Diese Argumentstelle ... ) heißt das (rollen)definierende Vorkommen von x für R (genauer: ... heißt die definierende Argumentstelle für R).

2.5. Der Übergang von den Grundformen zu den Sememrepräsentationen 2.5.1. Allgemeines Die Grundformen G, die zunächst nicht mehr als "reine Propositionen" sind, werden durch zwei zusätzliche Komponenten angereichert, nämlich durch eine

40

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Verteilung von Emphasen und durch eine Auswahl aktueller Rollen aus den Mengen Z (x, G) für die einzelnen Argumente x. Ferner benötigt man noch einen weiteren Zusatz, der mit der Bestimmung der Aktantenkombinationen zusammenhängt und erst später eingeführt wird. Ich betrachte im folgenden die beiden zuerst genannten Schritte, durch die die Grundformen in Sememrepräsentationen übergehen und die somit die Beziehung zwischen den zugehörigen Ebenen des Modells herstellen. Dabei behandle ich zu Beginn die formale Seite, d. h., es stehen im M o m e n t die Ausdrucksmittel im Vordergrund, die d a f ü r zum Einsatz kommen. Gleichzeitig wird so die kombinatorische Vielfalt dieses Übergangs deutlich, die selbstverständlich durch geeignete Constraints eingedämmt werden muß. Dies kann aber eben gerade nicht der Inhalt allgemeiner Definitionen sein. Die Sememrepräsentationen bilden ihrerseits den Startpunkt f ü r den Übergang zur Syntaxschnittstelle, den ich in 2.7. mit seiner formalen Gestaltung umreißen werde. Am Endpunkt des gesamten Ableitungsprozesses wird ein Stadium erreicht, in dem die morpho-syntaktischen Merkmale der Aktanten als abgeleitete Eigenschaften der Argumente angegeben werden, und in Verbindung damit kann die Unterscheidung zwischen obligatorischen und fakultativen Aktanten erfaßt werden. Dieser Prozeß, der von dem Auftreten eines Arguments in einer Proposition ausgeht und als Resultat Charakterisierungen wie "obligatorischer Akkusativ" oder "fakultative an+Akk-Phrase" als Merkmal des Arguments bereitstellt, wird Aktantifizierung von Argumenten genannt. Er ist ziemlich kompliziert, und es ist daher wünschenswert, mindestens noch eine begriffliche und formale Stufe zu haben, wo eine Bündelung von Zwischenergebnissen vorgenommen wird. Dieser Aufgabe genügen gerade die Sememrepräsentationen, die aus den Grundformen in der eben beschriebenen Weise entstehen und die ihrerseits den Ausgangspunkt für die Herleitung der Oberflächeneigenschaften bilden. Beide Etappen sind voneinander unabhängig, es findet kein Vor- oder Rückgriff statt. Die nächsten Betrachtungen beziehen sich auf die erste Etappe.

2.5.2. Die Emphaseverteilung Wie schon in KUNZE 1991a verwende ich eine Indizierung von Prädikaten mit propositionalen Argumentstellen, um die Verteilung der E m p h a s e in Grundformen G zu erfassen. Die oberen Indizes dienen als Weichen für die Diffusion des Merkmals "mit Emphase" (später oft einfach "+E") zwischen allen Teilpropositionen einer Grundform G. Dieser Ausbreitungsprozeß verläuft sowohl

2.5. Ü b e r g a n g von G r u n d f o r m e n zu S e m e m r e p r ä s e n t a t i o n e n

41

b o t t o m - u p als auch top-down, wobei sich die W e i c h e n s t e l l u n g n a t u r g e m ä ß nur t o p - d o w n auswirkt. A m Ende dieses Prozesses steht f ü r j e d e Teilproposition von G fest, ob sie dieses M e r k m a l trägt oder nicht. Die Einzelheiten sind in Def. 2.7. formuliert. "Teilpropositionen" sind dabei i m m e r "Teilpropositionen einer g e g e b e n e n G r u n d f o r m G". D i e Definition beschreibt, wie sich innerhalb von G die E m p h a s e von einer Q u e l l e ausbreitet. Als Quelle der E m p h a s e sei f ü r j e d e G r u n d f o r m G eine inhärente Teilproposition vorgegeben. N e b e n den Indizes an bestimmten Prädikaten stellt dies das zweite B e s t i m m u n g s s t ü c k f ü r die E m p h a s e v e r t e i l u n g dar. Als inhärente Teilproposition k o m m e n selbstverständlich nur nicht-leere Teilpropositionen in Frage. Handelt es sich dabei um eine k o m p l e x e Proposition, so wird die E m p h a s e innerhalb dieser Proposition ebenfalls nach den angegebenen Regeln verteilt. Daraus ergibt sich, daß b e s t i m m t e Teilpropositionen der inhärenten Teilproposition selber ohne E m p h a s e bleiben können. Die inhärenten Teilpropositionen n e h m e n in dieser Hinsicht keinen besonderen Status mehr ein, und dies gilt e b e n s o f ü r Teilpropositionen, die durch E r w e i t e r u n g e n in die G r u n d f o r m k o m m e n . Dieser Grundsatz überträgt sich auf die A r g u m e n t e , die erst in E r w e i t e r u n g e n einer G r u n d f o r m auftreten: E i n m a l a u f g e n o m m e n , unterscheiden sie sich von den " S t a m m - A r g u m e n t e n " nicht mehr. F ü r die Aktantifizierung sind nur diejenigen Teilpropositionen interessant, die m i n d e s t e n s eine direkte terminale A r g u m e n t s t e l l e haben ( A n m . 2.9.). Es w ä r e daher ebenfalls möglich, nur solche Teilpropositionen der inhärenten Teilproposition anzugeben, die diese B e d i n g u n g erfüllen (bei den Besitzwechselverben also das entsprechende A r g u m e n t von ET oder sogar nur die darin steckende HAVE-Proposition). D a m i t w ü r d e j e d o c h eine wesentliche Generalisierung verlorengehen, und man m ü ß t e z. B. die f ü r die Besitzwechselverben und viele andere Felder bzw. G r u n d f o r m e n geltende allgemeine Festlegung über die inhärente Teilproposition ("zweites A r g u m e n t von CAUSE" f ü r kausative V e r b e n ) in endlose Einzelfälle aufgliedern. A u ß e r d e m w ü r d e die ETProposition ohnehin wieder eine Teilproposition mit E m p h a s e sein, w e n n auch nur als Durchgangsstation entsprechend (b) in Def. 2.7. Daher wird die Festl e g u n g über die inhärente(n) Teilproposition(en) in der W e i s e g e t r o f f e n , daß i m m e r "in sich geschlossene" Propositionen d a f ü r g e w ä h l t w e r d e n . Diese F e s t l e g u n g disqualifiziert auf alle Fälle eine nackte HAVE-Proposition als E m p h a s e q u e l l e bei den Besitzwechselverben. Die inhärente Teilproposition repräsentiert die K e r n b e d e u t u n g der betreffenden Verben, sie steuert die internen A r g u m e n t e des Verbs bei.

42

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Def. 2.7. (Teilproposition mit/ohne Emphase): Es sei G eine Grundform, in der entsprechend den unten formulierten generellen Festlegungen die Vorkommen von Prädikaten mit propositionalen Argumentstellen obere Indizes tragen. Außerdem sei in G eine Teilproposition als inhärente Teilproposition ausgezeichnet (eventuell auch mehrere). Die Teilpropositionen von G mit Emphase sind dann wie folgt definiert: (a) Inhärente Teilpropositionen sind Teilpropositionen mit Emphase. (b) Ist A eine Teilproposition mit Emphase, die direktes Argument einer Proposition A' ist, so ist A' ebenfalls eine Teilproposition mit Emphase (uneingeschränktes bottom-up). (c) Ist B ein in G vorkommendes Prädikat mit genau einer, und zwar propositionalen Argumentstelle und ist A das entsprechende Argument, so gilt: Ist die Teilproposition, deren Kopf B ist, eine Teilproposition mit Emphase, so gilt dies auch für A (uneingeschränktes top-down bei einstelligen Prädikaten, es treten keine Indizes auf). (d) Ist B ein in G vorkommendes Prädikat mit mehr als einer Argumentstelle und mindestens einer propositionalen Argumentstelle und sind A;, A j , A k , . . . die entsprechenden propositionalen Argumente, so gilt: Ist die Teilproposition, deren Kopf B ist, eine Teilproposition mit Emphase, so gilt dies auch für diejenigen Teilpropositionen An, deren Index n bei B auftritt (top-down bei mehrstelligen Prädikaten nach Maßgabe der Indizes). (e) Minimalbedingung: Eine Teilproposition von G kann eine Emphase nur aufgrund von (a) bis (d) erhalten. Jede Teilproposition, die auf diese Weise keine Emphase erhalten hat, ist eine Teilproposition ohne Emphase. Da die Bedingungen (a-c) sehr einfach sind, erläutere ich den Inhalt der Definition mit einigen Beispielen zu (d). Hierfür nehme ich zuerst an, daß B ( . . . ) eine Teilproposition mit Emphase ist. (61) B2 (Aj , A2 ) Aj erhält eine Emphase höchstens durch (a) oder durch (b), d. h., A1 ist entweder sogar inhärente Teilproposition oder Al erhält die Emphase bottom-up aus einer inhärenten Teilproposition, die ein Argument von Aj iSt. A2 erhält eine Emphase durch (d), wenn nicht schon durch (a) oder durch (b). (62) B1 ( Aj , A,) Man vertausche in (61) A} und A,.

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

(63)

43

B 1,2 (Aj, A2) AJ und A2 erhalten eine Emphase durch (d), wenn nicht schon durch (a) oder durch (b).

(64)

B 2 (X,A 2 )

A2 erhält eine Emphase durch (d), wenn nicht schon durch (a) oder durch (b). x erhält nach Def. 2.8. aus diesem V o r k o m m e n eine potentielle Rolle mit Emphase.

(65)

B(x,A 2 ) A2 erhält eine Emphase höchstens durch (a) oder (b). x erhält nach Def. 2.8. aus diesem V o r k o m m e n eine potentielle Rolle mit Emphase.

(66)

B(x,y)

x und y erhalten nach Def. 2.8. aus diesen Vorkommen eine potentielle Rolle mit Emphase. B darf keinen Index tragen. Man beachte, daß die Aussagen zu den Rollen von x und y auf die elementaren Argumente von Al und A2 nicht übertragbar sind, sofern diese Propositionen überhaupt eine Emphase tragen: Hierzu ist die innere Struktur dieser Propositionen (einschließlich möglicher Indizes) zu berücksichtigen. Ist dagegen B ( . . . ) eine Teilproposition ohne Emphase, so folgt aus (b) zunächst, daß alle eben betrachteten propositionalen Argumente Aj und A2 ebenso keine Emphase tragen können. Ferner erhalten x und y aus den aufgeführten Vorkommen (!) nach Def. 2.8. notwendigerweise potentielle Rollen ohne Emphase. Man beachte jedoch, daß die vorgenommene vereinfachte Fallunterscheidung über B ( . . . ) etwas am Kern der Sache vorbeigeht, da offen bleibt, wie denn B ( . . . ) selber zu dem Merkmal "mit/ohne Emphase" kommt. Hinsichtlich der Indizes ist folgendes anzumerken: Es muß garantiert sein, daß bei einer Teilproposition mit Emphase eines ihrer propositionalen Argumente eine E m p h a s e trägt, wenn kein elementares Argument vorliegt, da sonst die Emphase top-down verlorengeht. Dies bedeutet, daß etwa folgender Fall verboten ist, wenn B ( . . . ) die Emphase top-down erhält:

(67)

B(A 1( A 2 )

Der einfachste A u s w e g wäre es, bei allen mehrstelligen Prädikaten, die keine terminale Argumentstelle haben, nicht-leere Indexkombinationen zu verlangen, und zwar unabhängig davon, ob die entsprechende Proposition eine Emphase hat, eine Emphase erhalten kann (gleichgültig, woher) oder zwangsläufig ohne E m p h a s e bleibt. Dies wäre im zuletzt genannten Fall jedoch redundant. Ich werde daher bei Kopfprädikaten mit ausschließlich propositionalen Argument-

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

stellen auf die Indizes zur Regelung der Emphaseverteilung verzichten, wenn die Proposition keine E m p h a s e trägt. Zusammen mit der Erweiterung der Stelligkeit von ET entsteht damit die formale Möglichkeit, beliebig viele Propositionen ohne E m p h a s e unter einem ET zusammenzufassen, d. h. das ET zu einem v i e r t e i l i g e n Prädikat zu machen. Eine solche Ausdehnung ist vor allem bei den verba dicendi angebracht. Unabhängig davon besteht natürlich die Möglichkeit, die Indizes f ü r die Bestimmung der Aktantenkombinationen einzusetzen, was sich wiederum im Feld der Maßverben als nützlich erweist. Der wesentliche Vorteil ist die Entkopplung der beiden Aktanteneigenschaften "mit Emphase" und "obligatorisch". Jedenfalls kommt man mit d e m einfachen Darstellungsmittel der Indizes ziemlich weit in der Ableitung der genauen Oberflächenmuster. Bei dieser Festlegung werden Prädikate mit genau einer, und zwar propositionalen Argumentstelle durch (c) erfaßt. Bei Prädikaten mit einer propositionalen Argumentstelle und einer terminalen Argumentstelle entscheidet ein eventuell vorhandener Index darüber, ob die Emphase gemäß (d) auf das propositionale Argument übertragen wird oder nicht; denn es genügt hier j a schon, daß das elementare Argument die Emphase top-down erhält, damit sie nicht verlorengeht. Die Indexkombinationen dürfen naturgemäß nur aus Indizes bestehen, die auf propositionale Argumentstellen zeigen. Somit lassen sich zu Def. 2.7. folgende generelle Festlegungen über die Indizes formulieren: - Zwei- und mehrstellige Kopfprädikate ohne terminale Argumentstellen müssen eine nicht-leere Indexkombination aufweisen, wenn die Propositionen eine Emphase tragen (können); - Prädikate, die nur terminale Argumentstellen haben oder genau eine, und zwar propositionale Argumentstelle, bleiben ohne Indizes; - Alle übrigen Prädikate können eine Indexkombination haben; - Indizes dürfen nur auf propositionale Argumentstellen zeigen. Durch die Def. 2.7. ist für jede Teilproposition von G eindeutig bestimmt, ob sie eine Emphase trägt oder nicht, sofern die entsprechenden Prädikatvorkommen in G mit passenden Indizes versehen sind und eine Emphasequelle vorgegeben ist. Unter den Teilpropositionen mit Emphase werden danach nur noch diejenigen betrachtet, die mindestens ein direktes elementares Argument haben. Sie liefern (für die in ihnen vorkommenden elementaren Argumente) pro terminale Argumentstelle genau eine Rolle, von deren Status (aktuell oder nicht) man zunächst absehen kann. Die folgende Def. überträgt nun die Emphaseeigenschaft von den Propositionen auf die Rollen, von w o aus sie dann zu den Aktanten weiterwandert (vgl. Def. 2.6. und 2.11.).

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

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Def. 2.8. (potentielle Rollen mit/ohne Emphase): Es sei G eine Grundform, in der für alle Teilpropositionen feststeht, ob sie eine E m p h a s e tragen. Eine (potentielle) Rolle mit bzw. ohne Emphase liegt genau dann vor, wenn ihre definierende Argumentstelle eine direkte Argumentstelle des Kopfprädikats einer Teilproposition mit bzw. ohne Emphase ist.

2.5.3. Einige Bezeichnungsfragen Bevor der W e g zwischen den Ebenen weiter beschritten wird, ist eine terminologische Klärung erforderlich. Die folgenden Festlegungen sind gleichzeitig eine Rektifizierung von nicht ganz exakten Verwendungsweisen des Terminus "Teilproposition" in KUNZE 1991a. Sein Gebrauch ist bis zu dieser Stelle voll gerechtfertigt: Die Grundformen sind Propositionen, und sie sind aus Teilpropositionen. Beides sind natürlich auch Ausdrücke einer speziellen Art. Bei der Verteilung der Emphasen ist der Bezug auf die Teilpropositionen (und nicht auf die Ausdrücke!) korrekt, und zwar aus zwei Gründen: Der erste ist, daß man die Emphaseverteilung bei konkreten Verblexemen ohne irgendwelche formalen Darstellungsmittel erfragen kann. Dies ist in KUNZE 1991a, S. 91ff. genau beschrieben. Es gibt ferner eine Reihe weiterer deutlicher Indikatoren dafür, die jenseits jeder Theorie und jedes Formalismus liegen, es sind simple beobachtbare Fakten (Anm. 2.10.). Als zweiter Grund ist zu nennen, daß trotz der Einführung von Indizes und einer Diffusions-Definition das Ergebnis, nämlich die Zuordnung des Merkmals "mit/ohne Emphase", auf Propositionen zielt, d. h., man kann die genannten formalen Mittel hinterher wieder vergessen. Bei den weiteren Schritten ist dieser Zustand nicht mehr in dem Maße wie vorher gegeben. Die nun zu definierenden Bestimmungsstücke hängen an der formalen Darstellung, und es liegt nicht immer ein Bezug aufs rein Propositionale vor. Damit entstünde eine gewisse Laxheit, wenn man die bisher bemühte Terminologie unbesehen beibehielte. Die Sememrepräsentationen sind keine Propositionen, sondern mehr als das, ihre Teilausdrücke sind dies erst recht nicht, aber andererseits auch nicht unbedingt Sememrepräsentationen. Es ist daher am besten, dafür nur den Terminus "Teilausdruck" zu verwenden, wie ich es ab jetzt tun werde, wenn der Bezug auf Sememrepräsentationen es nahelegt: Eine Sememrepräsentation S besteht aus Teilausdrücken T. D i e Beschreibung des gerade behandelten Übergangs macht es erforderlich, von formalen Gebilden zu sprechen, die weder Grundformen noch Sememrepräsentationen sind. Daher sind manche Erklärungen etwas zwitterhaft.

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2. Inhaltliche und f o r m a l e Grundlagen

2.5.4. Die Auswahl aktueller Rollen G a n z u n a b h ä n g i g von der oben definierten Z u o r d n u n g des M e r k m a l s "mit/ohne E m p h a s e " ist bereits nach Def. 2.5. für jedes elementare A r g u m e n t x , das in einer G r u n d f o r m G auftritt, die M e n g e Z ( x , G) der potentiellen Rollen von x in G g e g e b e n , und zwar über die V o r k o m m e n des A r g u m e n t s in der G r u n d f o r m . Unter diesen potentiellen Rollen ist nun pro A r g u m e n t eine A u s w a h l zu treffen, w o d u r c h die aktuellen Rollen festgelegt werden. D i e inhaltlichen B e d i n g u n g e n f ü r die Auswahl interagieren in z. T. komplizierter W e i s e mit verschiedenen anderen K o m p o n e n t e n , vor allem mit der Emphaseverteilung. W a s die rein f o r m a l e Seite angeht, so sind die Probleme nicht so groß, d a man nur angeben muß, wie die tatsächliche Auswahl formal erfaßt wird, auf welchen Grundsätzen sie i m m e r beruhen mag. E s zeigt sich, daß eine zu v e r m u t e n d e Gleichberechtigung bei der Kennzeichnung der Rollenauswahl - nämlich entw e d e r die aktuellen oder die nicht-aktuellen Rollen durch einen Zusatz hervorz u h e b e n - nur scheinbar ist. In Wirklichkeit stellt die Nicht-Auswahl einer Rolle, die als Blockierung dieser Rolle bezeichnet wird, den "markierten Fall" dar. Ich verabrede daher folgendes: Def. 2.9. (Rollenblockierung, aktuelle Rollen, die M e n g e n z a ( x , G ) bzw. z a ( x , S ) der aktuellen Rollen von x in G bzw. in S): In G r u n d f o r m e n G und Sememrepräsentationen S wird die Blockierung einer Rolle f ü r ein bestimmtes A r g u m e n t durch das Zeichen "y" vor d i e s e m Argum e n t in d e m rollendefinierenden V o r k o m m e n gekennzeichnet. Alle potentiellen Rollen eines A r g u m e n t s , deren definierendes V o r k o m m e n nicht auf diese W e i s e blockiert ist, gelten als aktuelle Rollen dieses A r g u m e n t s . D i e s e Festlegung wird allerdings durch die in Def. 2.15. und 2.16. beschriebenen Blockier u n g e n majorisiert. D a die Rollenblockierung ein Schritt auf d e m W e g e von den G r u n d f o r m e n zu den Sememrepräsentationen ist, habe ich die Def. 2.9. f ü r beide Fälle formuliert, im strengen Sinne gilt sie nur f ü r Sememrepräsentationen. Zur Illustration dieser Definition kann man die G r u n d f o r m (68) CAUSE(ACT(p),ET(BEC(HAVE(q,yu)), BEC(NOT(HAVE(YP,U) ) ) ) ) betrachten, in der genau zwei Y-Blockierungen auftreten: u ist in seiner Rolle < T O - O B J , HAVE> blockiert, p in der Rolle . p wird somit als < A G E N S , A C T > aktantifiziert, u als < F R O M - O B J , HAVE>, bei q besteht ohnehin keine Wahl. Dieser Ausdruck ist die Vorstufe zur S e m e m r e p r ä sentation für etwa 20 deutsche Besitzwechselverben vom T y p verschenken. Die Indizes g e m ä ß Def. 2.7. sind 1 , 2 bei CAUSE und 2 bei ET (im Aktiv).

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

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Die wesentliche Konsequenz bei der Festlegung der aktuellen Rolle(n) eines Arguments ist, daß jede aktuelle Rolle aus dem ihr entsprechenden Argument einen Aktanten macht, d. h. dieses Argument in eine Einheit auf der syntaktischen Ebene überführt. Daher determinieren die Anzahl und die Art der aktuellen Rollen eines Arguments, wie die ihm zugeordnete NP/DP syntaktisch artikuliert wird, und es ist alles andere als Ansichtssache, welche aktuellen Rollen in einem konkreten Fall vorliegen. Man verfügt vielmehr über ganz harte empirische Bestätigungen oder Falsifizierungen für derartige Auswahlen, wenn es gelingt, die Umsetzung der Rollen in Oberflächenmerkmale auf regelhafte Weise zu formulieren. Wie weit man es in dieser Hinsicht treiben kann, wird in Kap. 3. deutlich werden. Das Problem des mehrfachen Vorkommens eines Arguments in einer conceptual structure wird in JACKENDOFF 1991 (u. a. S. 59ff.) sehr ausführlich behandelt. Auch dort sind buy/sell zwangsläufig die Untersuchungsobjekte, die auf S. 189ff. dann noch eingehender betrachtet werden. Ich sehe einmal von der meiner Meinung nach ungerechtfertigten Differenz bei den konzeptuellen Strukturen von buy und seil auf S. 191 ab: Das jeweils "schweigende" Agens ist in diesen Repräsentationen amputiert (obwohl doch Käufer und Verkäufer handeln und dadurch etwas kausieren, s. Kap. 1.), auf S. 62f., 190 gibt es erst gar kein CAUSE. JACKENDOFF kommt dem angesprochenen Problem durch Einführung zweier Begriffe bei: Er unterscheidet binding arguments (binders) und bound arguments (bindees), eigentlich sind dies aber Argumentstellen. In einem Komplex aus einem binder und (eventuellen!) bindees wird die Rolle, die dem binder zukommt, als dominant role eingeführt. Sie ist der Repräsentant des ganzen Komplexes in Richtung Oberfläche. Bei seil ist die dominante Rolle "Goal der Ware", während "Source des Preises" einer bindee-Stelle entspricht. Somit ist "dominant role" und "aktuelle Rolle" im Grunde das gleiche, wenn - und das ist der springende Punkt - es genau eine gibt. Hier liegt der ganz entscheidende Unterschied zu JACKENDOFF. Ich vertrete die These, daß man sich nicht auf die Zahl Eins festlegen kann: Es gibt Fälle, wo ein und dasselbe Argument sich einen zweifachen Weg zur Oberfläche bahnt, dies wird in Kap. 3. deutlich belegt (Anm. 2.11.). JACKENDOFF macht den Unterschied zwischen potentiellen und aktuellen Rollen sehr wohl (expressis verbis auf S. 190, wo dieser Unterschied als Rettung des 9-Kriteriums erscheint) und nennt die "verkaufen"- und "tauschen"-Verben als Verben mit mehreren Rollen von N P ' s (S. 59f.). Auf den umgekehrten Fall (Multiple NPs Hold a Single 0-Role) gehe ich hier nicht weiter ein. Die Beispiele (69-71) v o n JACKENDOFF

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2. Inhaltliche und f o r m a l e Grundlagen

(69) The box has books in it. (70) Bill brought/carried some books with him. (71) The list includes my name on it. sind m e i n e r M e i n u n g nach kein Beleg d a f ü r : Die Tatsache, d a ß (71) die Substitution (72) The list includes my name on its/the first page. gestattet, rückt dies in die N ä h e einer A r g u m e n t i d e n t i f i z i e r u n g v o m T y p (73) Er betrachtet sich im Spiegel., in d e m durch die Identifizierung mehrere Rollen an ein A r g u m e n t gehen. In m e i n e m A n s a t z ist beides erlaubt (und tatsächlich belegbar): - ein A r g u m e n t hat m e h r e r e aktuelle Rollen: (74) Ich eigne mir etwas an. (AGENS und GOAL) - verschiedene A r g u m e n t e haben dieselbe aktuelle Rolle: (75) Karl verkauft an ihn für 20 Mark ein Buch. < F R O M - O B J , HAVE> ist hier aktuelle Rolle sowohl von Buch als auch von 20 Mark (s. (96)). Im G r u n d e stellt die F r a g e nach der Eindeutigkeit bei der Z u o r d n u n g z w i s c h e n A r g u m e n t e n und (aktuellen) Rollen in m e i n e m Ansatz kein b e s o n d e r e s T h e m a dar. A u s G r ü n d e n , die ich hier nicht wiederhole, liegt es allerdings nahe, den zweiten Fall auszuschließen, wenn beide Rollen eine E m p h a s e tragen (s. Bed. D . in KUNZE 1991a, S. 105). Dies ist alles, was von d e m allgemeinen Inhalt des 9 - K r i t e r i u m s bleibt. Ein A r g u m e n t k a n n somit m e h r als eine aktuelle Rolle h a b e n . D i e s führt nicht etwa zu einer K o m b i n a t i o n oder V e r m i s c h u n g d e r R o l l e n , sondern zu entsprechend vielen Konstituenten, die auf eben dieses A r g u m e n t zurückgehen. Dabei wird das A r g u m e n t x über eine seiner aktuellen Rollen voll artikuliert, d. h. als f ( x ) , über die anderen dagegen nur als A n a p h e r (s. D e f . 2.14.). Def. 2.10. ( A k t a n t e n ) : Ein Aktant in einer Sememrepräsentation S ist ein Paar, bestehend aus e i n e m A r g u m e n t x von S, das keine Konstante ist, und einer aktuellen Rolle R dieses A r g u m e n t s (d. h., es ist R e Z'1 ( x , S ) ) . B e d . 2.1. ( N i c h t - A k t a n t i f i z i e r u n g von K o n s t a n t e n ) : Konstante e l e m e n t a r e A r g u m e n t e werden nicht aktantifiziert. Diese B e d i n g u n g hat zwei wesentliche K o n s e q u e n z e n : Z u m einen folgt aus ihr, d a ß sich die A n z a h l der Aktanten verringert, w e n n eine K o n s t a n t e (oder mehrere) in der G r u n d f o r m auftreten. Beispiele d a f ü r w e r d e n in 2.8. behandelt. Z w e i t e n s w e r d e n d a m i t b e s t i m m t e "Scheinaktanten" als solche ausgesondert. Es handelt sich dabei v o r w i e g e n d u m idiomatisch verfestigte Satzglieder, die auf der O b e r f l ä c h e hinsichtlich der Vergabe m o r p h o - s y n t a k t i s c h e r M e r k m a l e z w a r

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

49

wie andere Aktanten erscheinen, in ihrer Lexembelegung aber keine oder sehr geringe Variationsmöglichkeiten aufweisen. Ein Beispiel ist jemanden ins Vertrauen ziehen, ganz abgesehen von bildhaften Idiomen wie jemandem reinen

Wein einschenken. Def. 2.11. (Aktanten mit/ohne Emphase): Ein Aktant mit bzw. ohne E m p h a s e liegt genau dann vor, wenn die entsprechende aktuelle Rolle im Sinne der Def. 2.8. eine Rolle mit bzw. ohne Emphase ist. Es ist möglich, daß dasselbe Argument gleichzeitig zu einem Aktanten mit Emphase und zu einem anderen Aktanten ohne Emphase führt. Ich verwende im folgenden die Redeweise, daß das Argument über eine Rolle (mit oder ohne Emphase) aktantifiziert wird, wenn die eben genannten Bedingungen gelten. Def. 2.12. (akzessorische und notwendige Aktanten): Ein Aktant ist akzessorisch genau dann, wenn sein rollendefinierendes Vorkommen in einer Proposition liegt, die in die betreffende Grundform oder Sememrepräsentation erst durch eine Erweiterung gelangt ist. Liegt das rollendefinierende Vorkommen dagegen schon in der minimalen Grundform, so handelt es sich um einen notwendigen Aktanten (s. Def. 2.1. und 2.17.). Def. 2.13. (n-fache Aktantifizierung): Eine n - f a c h e Aktantifizierung (für n = 0 , 1 , 2 , 3 ) eines Arguments x in einer Sememrepräsentation S liegt dann vor, wenn x in S genau n aktuelle Rollen hat. n ist also die Kardinalzahl von Z a ( x , S) (s. Def. 2.9.). Im Sinne dieser Definition liegt bei (74) eine zweifache Aktantifizierung vor. Def. 2.14. (eigentliche und uneigentliche Aktanten): Entsprechend den gegebenen Erklärungen unterscheide ich eigentliche und uneigentliche Aktanten. Die ersten liegen immer bei Argumenten mit genau einer aktuellen Rolle vor. Bei Argumenten mit mehr als einer aktuellen Rolle ist es der Aktant, der die volle Realisierung aufweist. Uneigentliche Aktanten werden vor allem durch Reflexiv- und Reziprokpronomen realisiert. Die Festlegung von eigentlichen und uneigentlichen Aktanten für ein und dasselbe Argument mit mindestens zwei aktuellen Rollen kann u. a. durch c - K o m mandierung beschrieben werden. In diesem Zusammenhang muß ein Punkt erörtert werden, der den Status der uneigentlichen Aktanten unmittelbar betrifft. Die eben formulierte Definition geht davon aus, daß bei uneigentlichen Aktanten ein Argument mehrere aktuelle Rollen hat. Dies m u ß bereits a priori in der G r u n d f o r m angelegt sein, wo dieses Argument die entsprechenden Stellen besetzt. Ein typisches Beispiel dieser Art aus dem Feld der Besitzwechselverben ist (74). Dagegen liegt bei (73) eine nachträgliche referentielle Identifizierung von verschiedenen Argu-

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

menten vor, wodurch sich ebenfalls mehrere Rollen f ü r die identifizierten Argumente ergeben. Auch hier findet natürlich eine anaphorische Realisierung statt - vorwiegend durch Personal-, Reflexiv- und Possessivpronomen - und ich werde in diesem Fall ebenfalls von uneigentlicher Aktantifizierung sprechen und so den bestehenden Unterschied nivellieren (s. hierzu (1) und (35) in 5.). Auf der anderen Seite gibt es Fälle, in denen ein Argument überhaupt keine aktuelle Rolle besitzt, obwohl es in der Grundform oder Sememrepräsentation vorkommt, und es kann dort sogar ein notwendiges Argument sein. Wie in KUNZE 1991a, S. 112ff. ausführlicher dargelegt, soll sich dies immer in der prototypischen Bedeutung des entsprechenden Lexems niederschlagen. W i e dies im einzelnen aussieht, kommt in 2.5.6. und 2.5.7. zur Sprache, dort wird dann auch der Unterschied zwischen a und T erklärt. Ich führe jetzt nur die zugehörige Notation ein: Def. 2.15. (sememinterne referentielle Bindung 1): Ist A ein (echter oder unechter) Teilausdruck einer Sememrepräsentation S und enthält A außer dem Argument x mindestens ein weiteres elementares Argument, so wird durch ö x A bzw. i x A ausgedrückt, daß das Argument x in allen seinen Vorkommen innerhalb eines gewissen Teilausdrucks A ' von S blockiert ist. Die Einfügung von "y" gemäß Def. 2.9. wird an den Stellen innerhalb von A ' dann nicht mehr vorgenommen (es sei denn aus verdeutlichenden Gründen). Der Teilausdruck A ' ist wie folgt bestimmt (vgl. hierzu Def. 5.2.): (a) ö x A bzw. TX A ist ein (echter oder unechter) Teilausdruck von A ' . (b) Hat S die Gestalt " . . . x ! . . .", so ist A ' der sich im Sinne der Ausdrucksstruktur an x ! unmittelbar anschließende Teilausdruck von S. Außerhalb von A ' stehen die Vorkommen von x für die Auswahl aktueller Rollen wieder wie im "NormalfaH" zur Verfügung, d. h. x ! hebt die blockierende Wirkung von GX bzw. t x nach außen auf. (c) Enthält S das Präfix " x ! "nicht, so stimmt A ' mit S überein, d. h., die Blockierung von x gilt dann für alle Vorkommen von x in S. In beiden Fällen sind die Vorkommen von x innerhalb von A blockiert. Durch den Ausdruck a x A bzw. TX A wird r e f ( x ) als eine Funktion mit den Argumenten r e f ( y ) , r e f ( z ) , . . . eingeführt, wobei y , z , . . . die übrigen Argumente in A sind. Die Funktion ergibt sich aus A durch eine Umwandlung, die man als "Auflösung von A nach x " ansehen kann, r e f ( x ) wird somit nicht über eine NP ( = f ( x ) ) festgelegt, sondern ergibt sich aus der Proposition A.

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

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Def. 2.16. (sememinterne referentielle Bindung 2): Statt die exakte und formale Definition für o x A und t x A aus KUNZE 1991a, S. 112ff. zu wiederholen, erkläre ich hier die Verwendungsweise etwas ausführlicher. An allen späteren Stellen, wo diese Blockierungen auftreten, werden außerdem die entsprechenden Paraphrasen mitgeliefert, um die vorgenommene Anwendung verständlicher zu machen. Eine Proposition A mit den (drei angenommenen) Argumenten x , y , z wird wie eine gegebene Gleichung zwischen den Referenten aufgefaßt, die nach x aufzulösen ist. Dies bedeutet im numerischen Fall folgendes: Die Gleichung (76) x 2 + 7y - yz = 0 ergibt, falls ref (y) = 2 und ref (z) = 9 bekannt sind, für ref ( x ) "die Lösungen" x = 2 und x = -2. Es wäre somit (77) Tx (x~ + 7y - yz = 0) mit ref (y) = 2 und ref (z) = 9 dasselbe wie die Menge {2,-2}. ref ( x ) ist dasjenige (als Menge), wofür (76) gilt. Dies ist eine Funktion von (in diesem Fall zwei) Argumenten, wobei es unerheblich ist, ob man diese Lösungsfunktion durch eine Formel angeben kann. Die Funktion kann auch mehr oder weniger Argumente haben. Eine Gleichung wird auf diese Weise zu einer Funktion. Die beschriebene Operation wird nun vom Numerischen ins Propositionale übertragen:

(78)

t x HAVE (p , x)

ist das, wofür zutrifft, daß ref (p) es hat, d. h. der Besitz von ref (p) in den Sachverhalten, die als Instanzen von HAVE (p,x) gelten. Dagegen ist

(79)

Tp HAVE (p , x)

der Besitzer von ref (x) mit den gleichen Bedingungen. (80) t x ISA (USA-Präsident ist (heute gerade noch) ref (Bush) und in Kürze ref ( C l i n t o n ) . Hinsichtlich der "Auflösung" besteht zunächst keinerlei Unterschied zwischen ox A und Tx A, in (78-79) könnte ebenso a statt T stehen, ohne daß sich etwas ändert. Die durch den Zusatz neu entstehende Proposition ist bei der "grundforminternen Verwendung" in beiden Fällen, daß ref ( . ) für die Variable, nach der aufgelöst wurde, nicht leer ist (d. h., es gibt tatsächlich mindestens einen USA-Präsidenten), CTX A und Tx A bestimmen folglich ref (x) und implizieren die Proposition ref (x) / 0 . Dies ist nichts anderes als die Bedingung, daß die so eingeführte Funktion einen "echten" Wert hat, sie ist im mathematischen Sinne definiert. Ebenfalls kein Unterschied ergibt sich, wennCTXund Tx in einer Grundform mehrfach auftreten. Die Bedingungen für ref ( x ) werden in beiden Fällen

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

konjunktiv verknüpft, d. h. die einzelnen r e f - M e n g e n miteinander geschnitten. Die so erhaltene Menge ist als r e f (x) zu nehmen. Die Menge r e f ( x ) wird bei der Instantiierung der gesamten Proposition verwendet. So besagt (81) ET (BEC (HAVE ( q , x ) ) , B E C ( N O T ( X x H A V E ( p , x ) ) ) ) folgendes: r e f ( q ) bekommt das, was r e f ( p ) am Anfang hat (die Proposition HAVE ( p , x ) wird am Anfang des Besitzwechsels instantiiert, der für r e f ( x ) maßgebliche Sachverhalt ist der zu Beginn). Weitere Belege für derartige Sachverhalte hat man mit sich umkleiden: Dies bedeutet (prototypisch): erst sich entkleiden und dann sich bekleiden, d. h. erst das ausziehen, was man anfänglich anhat, und dann das anziehen, was man schließlich anhat. Offenbar sind die beiden Hälften der Paraphrase nicht von gleicher Güte. Darauf gehe ich jetzt nicht ein, diese Fragen werden in 3. ausführlich behandelt. Jedenfalls werden hier gleich zwei Argumente einer x-BIockierung unterzogen. Ein Beispiel mit mehrfacher Bestimmung von r e f ( . ) ist in Anm. 2.2. beschrieben. Der Unterschied zwischen CTX A und i x A ist nun folgender: Für x x A ist das eben Dargelegte alles, bei o x A geht die Story noch etwas weiter: Die Proposition GX A dient nicht nur (wie auch x x A) zur Bestimmung von r e f ( x ) , es soll der Zusatz r e f (x) ^ 0 d u r c h g ä n g i g gelten. (82) BEC (NOT (XX HAVE ( p , x ) ) ) besagt nur, daß r e f ( p ) das loswird, was er/sie am Anfang hat. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß r e f ( p ) am Schluß etwas anderes hat (wie beim Analogfall umkleiden), r e f ( x ) wird nur einmal bestimmt, und die Proposition r e f ( x ) * 0 gilt nur in den Instanzen, wo r e f ( x ) bestimmt wird. Bei CTx A dagegen soll r e f ( x ) £ 0 simultan gelten: (83) BEC (NOT (CTX HAVE ( p , x ) ) ) besagt daher dasselbe wie (82) am Anfang ( r e f ( p ) hat etwas), aber (84) NOT ( r e f ( x ) * 0 ) am Schluß: r e f ( x ) wird am Schluß noch einmal festgelegt und dann wieder eingesetzt. (83) greift also stärker in die Besitzverhältnisse ein als (84). Ein Beleg für (83) ist verarmen: "am Anfang etwas besitzen, am Schluß nichts besitzen" und der Analogbeleg entkleiden: "am Anfang etwas anhaben, am Schluß nichts anhaben". Dagegen paßt umkleiden eben nicht in diese Form, es wird durch eine zweimalige x-Blockierung repräsentiert (s. a. KUNZE 1991a, S. 113f.): sich umkleiden: "das, was man am Anfang anhat, am Schluß nicht anhaben" und "das, was man am Schluß anhat, am Anfang nicht anhaben". Man hat somit am Anfang und am Schluß etwas an.

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

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Der Unterschied zwischen ö x A und Tx A entfällt folglich immer dann, wenn es sich nicht um Veränderungen handelt. Durch die G- und x-Blockierungen wird eine generelle Möglichkeit geschaffen, die explizite Verwendung von Funktionen dadurch zu umgehen, daß man sie aus Prädikaten heraus definiert. Auf den ersten Blick erscheint das nicht als das Mittel der Wahl und eher etwas umständlich. Der zweite Blick zeigt aber, daß dieser Mechanismus offenbar in den Sememen verankert ist - wenigstens in wesentlichen Teilen; denn eigenartigerweise braucht man für die Definition der Funktionen nicht mehr hinzuschreiben, als ohnehin nötig ist, und es erscheint schwierig, die oben formulierte prototypische Bedeutung von sich umkleiden einfacher darzustellen als durch diese Sememrepräsentation: (85) Karl (x N ) kleidet sich (x A ) um. (86) CAUSE 1 ' 2 (ACT ( x ) , ET 1 (BEC ( Tv WEAR ( ? x , v ) ) , BEC(NOT(Xu W E A R ( ? x , u ) ) ) ) ) Die Wahl von i ist beliebig, man muß wegen der Bed. 2.2. nur dafür sorgen, daß statt "?" ein "y" in der Teilproposition steht, auf die i nicht zeigt, und in der, auf die i zeigt, "?" gestrichen wird. Dort wird x das zweite Mal, mit Emphase als Akkusativ, aktantifiziert. r e f ( u ) und r e f ( v ) sind Funktionen von r e f ( x ) , diese Funktionen können innerhalb der Sememrepräsentation ohne Zusätze eingeführt werden. Außerdem reflektiert (86) die Komposition von sich umkleiden aus sich entkleiden (zweites Argument von ET) und sich an/bekleiden (erstes Argument von ET). (86) zeigt übrigens, daß man die stärkere Version von Bed. 2.5. nicht generell durchhalten kann. Die Sememrepräsentation (86) enthält eine typische ALTER-Derivation, wie sie bereits in 2.3.3. (s. d. (29)) eingeführt wurde. Bei dem zweiten Argument von CAUSE handelt sich um ALTER-WEAR ( x ) , wobei dieses Mal das erste Argument des Ausgangsprädikats erhalten bleibt.

2.5.5. Semantische Emphase als sprachliches Phänomen Während in 2.5.2. die Mittel zur formalen Darstellung im Vordergrund standen, sollen jetzt noch einige inhaltliche Fragen diskutiert werden. Wie bereits erklärt, ist die semantische Emphase eine Eigenschaft, die jeweils gewissen Teilpropositionen von Grundformen zukommt, und zwar wird diese Zuordnung durch Sememe ausgelöst. Es sind somit Sememe, die die Fähigkeit besitzen, Emphasen zu verteilen. Mit dieser Aussage beziehe ich mich im Augenblick auf Verben. Und selbst für Verben kann dies nicht durch-

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

gängig behauptet werden: Es gibt ganz offensichtlich Verben (wie etwa schlafen, essen, laufen), die keine Emphasemerkmale aufweisen, aus denen sich irgendwelche Bedeutungsvarianten ergeben. Die Emphase ist auf eine bestimmte Struktur in den Sememen angewiesen, um zur Geltung zu k o m m e n . Die bisherigen Überlegungen zu dieser Frage laufen darauf hinaus, daß in der Grundform mindestens zwei Teilpropositionen erforderlich sind, bei denen eine "gegenseitige Abwägung" sinnvoll ist. Das heißt, daß die Bedeutung eine gewisse Schwelle der Komplexität überschreiten muß, damit die E m p h a s e sichtbar z u m Zuge kommt. Die zweite Feststellung ist, daß diese Abwägung immer auf Paare von Teilpropositionen bezogen ist und daß die Paare in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen müssen, das sich in vielen Fällen als eine Symmetrie oder Dualität beschreiben läßt. Dies ist der Grund dafür, daß z. B. bei den Besitzwechselverben die Emphase Auswirkungen zeigt, die ästhetischen und (damit extralinguistischen?) Maßstäben genügen. Das Grundformenschema dieses Feldes leistet dafür das Verlangte, wie in Kap. 3. demonstriert wird. Obgleich sich dieses Faktum ebenso bei anderen Verbfeldern vorfindet, so bleibt doch die Frage, wie es mit der generellen Tragfähigkeit dieses Begriffs bestellt ist, wenn er sich (wie einige Zeilen weiter oben belegt) nicht einmal auf elementare menschliche Zustände und Tätigkeiten beziehen läßt. Die Antwort ist relativ einfach, wenngleich zweiteilig: Auch bei denjenigen Sememen, deren Struktur nicht reichhaltig genug ist, um ihr einen Spielraum für Abstufungen zu eröffnen, ist die E m p h a s e am Werke, das Resultat ist eben nur eine einzige Verteilung, deren Auswirkungen sich in der gleichen W e i s e manifestieren wie bei den komplexeren Fällen. Selbstverständlich sind die sich dann ergebenden Konsequenzen auf der Oberfläche nur noch aus einem Vergleich mit "Emphase-sensitiven" Sememen interpretierbar. Genau dieses Faktum, daß die Emphase nicht überall durchgängig und direkt beobachtbar ist, dürfte wohl der Grund dafür sein, daß sie bisher nicht einmal an den Stellen gesehen worden ist, wo sie eigentlich ins Auge springen müßte. Als eine Bestätigung für die teilweise "verdeckte Tätigkeit" der semantischen Emphase kann das Feld der Maßverben gelten, und bei den Substantivaktanten trifft dies ebenso zu. In vielen Bereichen finden sich globale wie lokale Erscheinungen, die sich mit der Emphase gut erklären lassen. A u ß e r d e m beschränkt sich mein Ansatz j a nicht auf die Emphase als Erklärungshintergrund. Mindestens ebenso wichtig ist der ziemlich unmittelbare Bezug zwischen Propositionen und Aktantifizierungen. Er kommt als Prinzip darin zum Ausdruck, daß die Oberflächenform der Aktanten immer mit einer bestimmten Argumentstelle in einer bestimmten Proposition korreliert. Als

2.5. Ü b e r g a n g von G r u n d f o r m e n zu S e m e m r e p r ä s e n t a t i o n e n

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Verbindungsglied f ü r diesen Ü b e r g a n g fungieren g e r a d e die Kasusrelationen. Ihnen allein w e r d e n die morpho-syntaktischen M e r k m a l e zugeordnet, dies allerdings im N o r m a l f a l l in Abhängigkeit von der E m p h a s e . D e r E m p h a s e u n t e r s c h i e d , der zwischen buy und pay besteht, wird in J A C K E N D O F F 1 9 9 1 (u. a. S. 1 8 9 ) als f o r e g r o u n d - b a c k g r o u n d distinction eingeordnet. Interessanterweise wird dieses M e r k m a l p a a r - w e n n g l e i c h nicht systematisch - auf S. 97 zur Unterscheidung von (87) Bill came with Harry. (88) Harry came with Bill. herangezogen. Dies ist aber gerade der L ö s u n g s v o r s c h l a g in K U N Z E 1992, der den Komitativ als eine E m p h a s e - A n g e l e g e n h e i t beschreibt. Die semantische E m p h a s e macht sich in verschiedener Hinsicht als unmittelbares P h ä n o m e n b e m e r k b a r . Ich zähle diese P u n k t e hier nur auf, da sie an anderer Stelle ausführlich dargestellt sind. (a) Die E m p h a s e ist ein Teil der lexikalischen B e d e u t u n g : M a n kann sie als E i g e n s c h a f t von L e x e m e n durch Tests e r f r a g e n . Der darauf b e r u h e n d e Unterschied zwischen annehmen und abnehmen wird v o m native Speaker mit ausreichender Deutlichkeit a n g e g e b e n , w e n n er entsprechend befragt wird (KUNZE 1991a, S. 91 f.). (b) P r ä f i x e und Verbzusätze können E m p h a s e n setzen: Die B e d e u t u n g von an- und ab- bei dem obigen Paar scheint sich in der Setzung der E m p h a s e zu erschöpfen. M a n kann zwei Klassen von Präfixen/Verbzusätzen bilden ("an"-Klasse und "ab"-Klasse), die die S e t z u n g von E m p h a s e n in strikter Weise determinieren. Die Einteilung erfaßt auch Präfixe/Verbzusätze wie be-, her- bzw. ent-, ver-. Allerdings setzt nicht j e d e s V o r k o m m e n eines Präfixes/Verbzusatzes eine E m p h a s e , und nicht j e d e E m p h a s e s e t z u n g in e i n e m S e m e m s t a m m t von e i n e m Präfix/Verbzusatz. schenken und stehlen bringen eine vorgegebene Setzung mit, die allerdings veränderbar ist ( v e r s c h e n k e n ) . (c)

Eine E m p h a s e s e t z u n g hat reguläre A u s w i r k u n g e n auf die Oberflächenm e r k m a l e der Aktanten (KUNZE 1991b): Das Paar (89) Er nahm * ihr/(von ihr) das Geld an. (90) Er nahm ihr/'von ihr das Geld ab. ist kein Zufallstreffer. Dieses Muster, d a s sich sehr e i n f a c h erklären läßt, tritt auch in vielen anderen Verbfeldern auf. Ein Unterschied bei der E m p h a s e hat K o n s e q u e n z e n f ü r die W a h l von Präpositionen: D e r in (91) Man stellt Benzin aus Erdöl her. (92) Man verarbeitet Erdöl zu Benzin.

56

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

vorliegende Wechsel her- + aus(lvon) vs. ver- + zu(lin) verbunden mit dem Wechsel von obligatorischem Akkusativobjekt und fakultativem Präpositionalobjekt ist ebenfalls ganz schlüssig erklärbar, allerdings braucht es dazu schon etwas mehr. Außerdem hängt die Emphase mit der Eigenschaft von Aktanten zusammen, fakultativ oder obligatorisch zu sein (s. Schluß von 2.7.2.). (d) Die Emphase determiniert schließlich teilweise die (Nicht-)Eignung von Verblexemen zur Konstituierung einer bestimmten thematischen Textstruktur ( K U N Z E 1991a, S. 216ff„ 1991b, S. 69-76). Ein besonderer Fall von Emphasesetzung muß noch erwähnt werden, es ist dies das Verhältnis Aktiv-Passiv. Hierfür besteht die Grundannahme darin, daß für Verben mit einer Grundform der Gestalt (93) CAUSE (ACT ( x ) /BEH ( x ) / E F F ( x ) / . . . ) das Aktiv eine Emphase auf beiden Argumenten von CAUSE hat und das Passiv nur auf dem zweiten: (94) Bei der Bildung des Passivs eines kausativen Verbs verliert das K a v i e rende (Handlung/Verhalten/Wirkung) seine Emphase. Ist das zweite Argument von CAUSE die inhärente Teilproposition, so führt dies auf die Indexkombinationen CAUSE1 •2 oder CAUSE 1 im Aktiv und CAUSE 2 im Passiv (vgl. hierzu Def. 2.7.). Die Passiv-Bildung kann für diese Verben daher als Regel "Ersetze 1 durch 2" formuliert werden. Wenn man von den offenkundigen Mindestforderungen an Grundformen (betreffend ihre Komplexität) einmal absieht, die für die Wirksamkeit der Emphase gelten, so stellt sich die Frage nach dem allgemeinen Charakter dieser Erscheinung in natürlichen Sprachen überhaupt. Handelt es sich um ein generelles semantisches Organisationsprinzip (vergleichbar mit der Projektivität syntaktischer Strukturen), das in anderen Sprachen - eventuell in unterschiedlicher Ausprägung - ebenso zu erwarten ist, oder ist es auf bestimmte Sprachen beschränkt? Immerhin steht fest, daß selbst bei eng verwandten Sprachen wie Deutsch und Englisch die Verhältnisse bereits differieren (ausführlich dargestellt in K U N Z E 1991b).

2.5.6. Das Verhältnis zwischen Emphase und Rollenblockierung Bevor ich auf dieses Verhältnis eingehe, soll erst noch erörtert werden, in welcher Weise beides den in der Grundform ausgedrückten propositionalen Teil der Bedeutung überlagert. Ganz generell läßt sich sagen, daß die Auswirkung einer Emphaseverteilung und einer Rollenauswahl zusammen darin besteht,

2.5. Ü b e r g a n g von G r u n d f o r m e n zu S e m e m r e p r ä s e n t a t i o n e n

57

e i n e Perspektive auf einen der Proposition e n t s p r e c h e n d e n Sachverhalt zu e r z e u g e n . Als Standardbeispiel d a f ü r kann m a n einen " k a u f e n / v e r k a u f e n " Sachverhalt betrachten. Es handele sich dabei um j e n e n d e n k w ü r d i g e n Akt, der als Satz u. a. so w i e d e r g e g e b e n werden kann: (95) Karl kauft von Otto für 20 Mark ein Buch. Jenseits der S a t z e b e n e ist dies (im Sinne der Instantiierung) als Proposition f o l g e n d e r m a ß e n formulierbar: Karl tut etwas, und Otto tut etwas, beides z u s a m m e n kausiert, daß Otto das Buch los wird und d a ß Karl es b e k o m m t , und daß Karl 20 Mark los wird und daß Otto sie b e k o m m t . Karl hat daher drei mögliche Rollen (er wird dreimal e r w ä h n t ) : AGENS, SOURCE des Preises, GOAL der W a r e . Otto hat dazu analoge Rollen. Buch und 20 Mark haben j e zwei mögliche Rollen. Das V e r b kaufen trifft hier nun f o l g e n d e A u s w a h l f ü r die aktuellen Rollen: Karl ist AGENS, Otto SOURCE der W a r e . Bei verkaufen wäre es mit Bezug auf den gleichen Sachverhalt gerade u m g e k e h r t : Otto wäre AGENS, Karl GOAL der W a r e . W a s die beiden anderen A r g u m e n t e angeht, so ist die Sache nicht ohne weiteres klar. N a c h einigen allgemeinen B e d i n g u n g e n , auf die hier nicht eingegangen wird (s. KUNZE 1991a, S. 104f.), ergibt sich j e d o c h , daß das A r g u m e n t Buch die aktuelle Rolle < T O - O B J , HAVE> erhalten m u ß (s. (39-41), (45-56)). B e i m Preis 20 Mark d a g e g e n kann man die aktuelle Rolle beliebig a u s w ä h l e n : D e r Preis ist entweder das, was der K ä u f e r los wird, oder es ist das, w a s der V e r k ä u f e r b e k o m m t . F ü r die E m p h a s e v e r t e i l u n g gilt folgendes: Alle " k a u f e n / v e r k a u f e n " - V e r b e n setzen eine E m p h a s e auf genau eine der beiden Propositionen, die den Besitzw e c h s e l der W a r e betreffen, und es ist i m m e r g e r a d e diejenige, die das definier e n d e V o r k o m m e n f ü r die aktuelle Rolle von Buch enthält. Diese K o m b i n a t o r i k wird in (96) veranschaulicht: Aktuelle Rollen mit E m p h a s e sind fett gesetzt, AGENS steht f ü r , bei den restlichen hat man < . . . , HAVE> zu e r g ä n z e n , die a n g e g e b e n e n morpho-syntaktischen M e r k m a l e beziehen sich auf die A k t i v - F o r m e n , das für!gegen ist die theoretische V o r a u s s a g e , die präferent

2. Inhaltliche und f o r m a l e G r u n d l a g e n

58

durch für eingelöst wird, die beiden verkaufen-Fälle (in dieser R e i h e n f o l g e ! ) .

entsprechen (157), (156)

Mark

(96)

Karl

Otto

Buch

20

kaufen

AGENS Nom

SOURCE von

TO-OBJ Akk

FROM/TO- - O B J für/gegen

abkaufen

AGENS Nom

SOURCE Dat

FROM-OBJ Akk

FROM/TO- - O B J für/gegen

verkaufen

GOAL an

AGENS Nom

FROM-OBJ Akk

FROM/TO- - O B J für/gegen

verkaufen

GOAL Dat

AGENS Nom

TO-OBJ Akk

FROM/TO- - O B J für! gegen

Ein analoges S c h e m a entsteht, wenn eine E m p h a s e auf den Besitzwechsel des Preises gelegt wird. M a n k o m m t dann zu w e n i g e r gut belegten Positionen: (97) Karl bezahlt für das Buch 20 Mark an Otto. (98) Otto nimmt 20 Mark für das Buch von Karl ein. ( s . a . JACKENDOFF 1 9 9 1 , S . 1 8 9 - 1 9 3 , HELBIG 1 9 9 0 , A n m .

2.15.)

D i e s m ö g e als Illustration d a f ü r genügen, in welcher W e i s e R o l l e n a u s w a h l und E m p h a s e v e r t e i l u n g g e m e i n s a m eine Perspektive auf einen Sachverhalt erzeugen. D a m i t verschiedene Perspektiven möglich sind, m u ß die Repräsentation des S a c h v e r h a l t s in ihrer Struktur ein gewisses M i n d e s t m a ß an K o m p l e x i tät a u f w e i s e n . Z u m Schluß dieses Abschnitts wende ich mich noch drei B e d i n g u n g e n zu, die die gegenseitigen Abhängigheiten zwischen Rollenauswahl und E m p h a s e verteilung betreffen. Sie sind eine vereinfachte Version e n t s p r e c h e n d e r Beding u n g e n in KUNZE 1991a (S. 104f., 117) und den in dieser Arbeit betrachteten V e r b f e l d e r n angepaßt. Formal m a c h t sich ihre W i r k u n g vor allem in der R e d u zierung der K o m b i n a t o r i k von Rollenauswahl und E m p h a s e v e r t e i l u n g b e i m Ü b e r g a n g von den G r u n d f o r m e n zu den S e m e m r e p r ä s e n t a t i o n e n b e m e r k b a r . Die erste B e d i n g u n g ist d a s Verbot aktantenfreier T e i l a u s d r ü c k e mit Emphase: Bed. 2.2. ( V e r m e i d u n g leerer E m p h a s e n ) : Ist T ein T e i l a u s d r u c k einer Sememrepräsentation S, der als Teilproposition der z u g e h ö r i g e n G r u n d f o r m eine E m p h a s e trägt, so enthält T m i n d e s t e n s ein

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

59

definierendes Vorkommen für eine aktuelle Rolle, d. h., es entsteht mindestens ein Aktant in T. In anderer Ausdrucksweise: Es gibt keine aktantenfreien Teilpropositionen mit Emphase. Zu dieser Bedingung gibt es eine generelle Ausnahme. Bevor ich sie formuliere, betrachte ich noch eine andere Frage: Bei nullstelligen Sememrepräsentationen bzw. Teilausdrücken kann man natürlich kein rollendefinierendes Vorkommen einklagen, die Bedingung wäre dann zu suspendieren. Solche Ausnahmen sind allerdings nicht besonders elegant, und sie führen zu eben der Frage, ob es nullstellige Prädikate wirklich gibt in dem Sinne, daß man sie notwendigerweise annehmen muß, weil man ohne sie in einem wesentlichen Punkt nicht auskommt. Am Schluß dieses Kapitels gehe ich genauer darauf ein, meine Antwort ist negativ (d. h., man braucht sie nicht). Nachdem diese Frage erst einmal beiseite gelegt ist, komme ich zu einer weiteren, die den Kern des gesamten Modells betrifft. Die Festlegung, daß die Variablen über sprachlichen Ausdrücken variieren, hat u. a. die Motivation, daß Konstante als "ehemalige Argumente" eines Verbs bei Derivaten oft in die phonologische Komponente wechseln. Dies ist eine häufige und charakteristische Erscheinung, die z. B. durch bewaffnen und entwaffnen belegt wird (s. 2.8. und Anm. 2.2.). Es zeigt sich nun, daß ein solcher Übergang wie eine QuasiAktantifizierung zu werten ist. Die Bed. 2.2. soll dann ebenfalls als erfüllt gelten, wenn der Teilausdruck T mindestens eine derartige Konstante enthält. Aufgrund von Bed. 2.1. können Konstante ohnehin nicht aktantifiziert werden. Die besonderen Eigenschaften der Konstanten werden vor allem bei den Maßverben deutlich werden. Bed. 2.3. (Aktantifizierung des "klassischen Themas" mit Emphase): Hat ein Argument x in einer Sememrepräsentation S die potentiellen Rollen und < T O - O B J , B 2 > , wobei B2 ein Lokationsprädikat ist, so ist höchstens eine davon eine aktuelle Rolle von x, und die andere trägt keine Emphase. (Dies erfaßt nicht alle Fälle des klassischen Themas.) Dies bedeutet, daß entweder - keine von beiden eine aktuelle Rolle ist oder - keine von beiden eine Emphase trägt (s. Anm. 2.12.) oder (und dies ist gerade der interessante Fall) - genau diejenige mit Emphase eine aktuelle Rolle ist. Der Fall, daß beide Rollen eine Emphase tragen, wird durch diese Bedingung explizit ausgeschlossen. Sie ist eine Kombination der generellen Bedingungen C. und E. in KUNZE 1991a, S. 104f. Ihre wesentliche Konsequenz ist, daß bei dem in Kap. 3. behandelten Verbfeld das Argument u nur mit Emphase aktan-

60

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

tifiziert werden kann und daß das Äußerungsargument bei den verba dicendi nur bestimmte Aktantifizierungen aufweist. Die Voraussetzung, daß es sich um Rollen des gleichen Arguments handelt, ist wesentlich (s. Anm. 2.13.). Bed. 2.4. (sememinterne referentielle Bindung 3): Sind in einer Sememrepräsentation S alle Vorkommen einer bestimmten elementaren Variablen x blockiert, so muß S eine a - oder x-Blockierung für dieses Argument enthalten, d. h., r e f (x) wird durch die in Def. 2.15. und 2.16. beschriebenen Operationen definiert, x wird referentiell gebunden. Diese Bedingung verbietet, daß eine Variable "ohne weitere Vorkehrungen" nicht aktantifiziert wird, wenn sie in der Sememrepräsentation vorkommt. Es ist erlaubt, durch Reduktion um entsprechende Teilpropositionen die Variable zum "völligen" Verschwinden zu bringen, soweit das mit den Wahrheitsbedingungen verträglich ist. Gelingt dies nicht, so gibt es nur die in der Bed. 2.4. genannte Möglichkeit. Es wird nichts darüber gesagt, wie die Festlegung von r e f ( x ) im einzelnen erfolgt. Hierfür kann es mehrere Möglichkeiten geben, von denen einige "gut" und andere "schlecht" sind. Dieser Punkt wird bei den Besitzwechselverben ausführlich behandelt. Die gewählte konkrete Festlegung geht in die prototypischen Bedeutungen ein. Bed. 2.5. (sememinterne referentielle Bindung unter Emphase): Diese Bedingung gibt es in zwei Ausfertigungen, einer schwächeren und einer stärkeren: (a) Ist r e f ( x ) gemäß Def. 2.15., 2.16. eine Funktion von r e f (y) , r e f ( z ) , . . ., so werden y , z , . . . mit Emphase aktantifiziert, soweit sie keine Konstanten sind. (b) Ist r e f ( x ) gemäß Def. 2.15., 2.16. eine Funktion von r e f ( y ) , r e f ( z ) , . . ., so sind die Propositionen im Skopus von o x und Tx Propositionen mit Emphase, und y , z , . . . werden in diesen Propositionen aktantifiziert, soweit sie keine Konstanten sind. Offenbar folgt die erste Version aus der zweiten: Wenn y , z , . . . in Propositionen mit Emphase aktantifiziert werden, so werden sie zu Aktanten mit Emphase. Ich übergehe jetzt eine Diskussion der beiden Versionen. In Kap. 3. werden weitere Details erörtert. Die Sememrepräsentation von entwaffnen stellt einen typischen Fall für die Bed. 2.5. dar (Anm. 2.2.). Dort ist r e f ( u ) eine Funktion von r e f ( p ) (Variable, wird mit Emphase aktantifiziert) und von r e f {Waffe) (Konstante).

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

61

2.5.7. Prototypische Bedeutungen Wie schon in 2.3.2. beschrieben, werden die Grundformen durch die Instantiierungsregeln in eine Darstellung umgesetzt, die unter Verwendung einer "quasinatürlichen" Sprache die Grundformen ausbuchstabiert. Die prototypischen Bedeutungen sollen damit übereinstimmen, sie enthalten nur noch eine zusätzliche Komponente, die gerade die sememinterne referentielle Bindung von Argumenten reflektiert: Die durch die Auflösung von Propositionen nach einem Argument x entstehenden Funktionen für die Bestimmung von r e f (x) müssen explizit eingefügt werden. Dafür läßt sich ebenfalls ein bestimmter sprachlicher Stereotyp verwenden: Aus (99) r e f (p) hat r e f (u) wird durch die Auflösung nach u die Formulierung (100) dasjenige, was r e f (p) hat (d. h. der Besitz von r e f ( p ) ) erzeugt, während die Auflösung nach p zu (101) derjenige/diejenige, der/die r e f ( u ) hat/haben (d. h. der/die Besitzer von r e f ( u ) ) führt (s. a. Def. 2.16.). Diese Paraphrasen müssen in die prototypischen Bedeutungen aufgenommen werden, damit der besondere Status des betreffenden referentiell gebundenen Arguments zur Geltung kommt. Dies ist bei einem Verb wie entwaffnen offensichtlich (s. Anm. 2.2.): (102) Der Polizist entwaffnet den Verbrecher. ist als (103) Der Polizist nimmt dem Verbrecher das weg, [was der Verbrecher hat und was eine Waffe ist]. zu paraphrasieren (s. a. (138) in 4., wo sich die referentielle Bindung auf die relevanten Maße bezieht). Es sei ausdrücklich betont, daß die Emphaseverteilung und die Rollenauswahl nicht in die prototypischen Bedeutungen eingehen, obwohl dies durch geeignete "Abstufungsfonnulierungen" ohne große Schwierigkeiten zu erreichen wäre, sie tragen aber keinen propositionalen Charakter. Bei den Auflösungen (s. Def. 2.15. und 2.16.) gibt es Freiheiten, die eine explizite Formulierung der jeweils gewählten Variante erforderlich machen (s. (98) in 3.4.3.). Ich unterdrücke im Moment die Einzelheiten über den Einbau der sememinternen referentiellen Bindungen in die prototypischen Bedeutungen, da diese Fragen später wieder aufgegriffen werden, so in Kap. 3. und 5.

62

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

2.5.8. Fazit zu den Sememrepräsentationen Die Sememrepräsentationen S lassen sich formal insgesamt so charakterisieren: An eine Grundform G werden zwei zusätzliche Komponenten angefügt, nämlich - eine Emphaseverteilung, durch die jede Teilproposition von G ebenso wie der ihr entsprechende Teilausdruck von S eindeutig eines der Merkmale "mit Emphase" oder "ohne Emphase" erhält; - eine Rollenauswahl, d. h. eine Einteilung aller Vorkommen von elementaren Argumenten in S (aufgefaßt als definierende V o r k o m m e n für potentielle Rollen) in bezug auf "aktuelle Rolle" und "blockierte Rolle". Durch Kombination beider Komponenten entstehen vier Merkmale von rollendefinierenden Vorkommen. Die blockierten Rollen sind f ü r den Übergang zur Oberfläche nicht von direktem Interesse, da sie keine Aktanten liefern. Jeder Aktant entsteht aus genau einer aktuellen Rolle. Die Aktanten kann man danach unterscheiden, ob sie eine Emphase tragen oder nicht, und dies richtet sich gerade nach dem rollendefinierenden Vorkommen (s. Def. 2.8. und 2.11.). Den Argumenten kommt diese Eigenschaft primär nicht zu, sondern nur auf dem U m w e g über ihre Aktantifizierungen, und diese müssen bezüglich der E m p h a s e bei ein und demselben Argument nicht untereinander gleich sein. Zu einer Sememrepräsentation gehört außerdem - eine prototypische Bedeutungsbeschreibung, die sich streng kompositionell aus der Instantiierung der Grundform G und der sememinternen referentiellen Bindung von Argumenten in S ergibt. W e n n man eine feste Grundform betrachtet, so kann man f ü r jede zugehörige Sememrepräsentation ein n-Tupel definieren, dessen Stellen eineindeutig mit den terminalen Argumentstellen der Sememrepräsentation korrespondieren. Jede Stelle des Tupels muß folgendes enthalten: 1. das Argument, das sich an der korrespondierenden Argumentstelle befindet; 2. die Kasusrelation, die sich als Rolle aus der korrespondierenden Argumentstelle ergibt; 3. eine Information darüber, ob es sich um eine aktuelle oder eine blokkierte Rolle handelt; 4. eine Information darüber, ob die Rolle eine E m p h a s e trägt oder nicht. Diese Zusammendrängung der Sememrepräsentation ist nicht durch irgendeinen Rationalisierungseffekt motiviert. Es verbirgt sich dahinter vielmehr ein Prinzip, das die jetzt anstehende zweite Etappe betrifft: Die genannten vier Informationen - wobei die erste überhaupt nur für die Entscheidung über Argumentgleichheit und uneigentliche Aktantifizierung zuständig ist - bilden den Input

2.5. Übergang von Grundformen zu Sememrepräsentationen

63

für die Mechanismen, die als einen Zielpunkt Merkmale wie "fakultative anPhrase" haben, d. h. die Oberflächenmerkmale erzeugen. Die gesamte Struktur der Grundform - und damit die ausgedrückte Proposition - ist dafür schon irrelevant. Das, was man von der Grundform noch wissen muß, um mit der Bedeutung umzugehen, steckt in der prototypischen Bedeutungsbeschreibung. Wie die Sache mit den Tupeln und den prototypischen Bedeutungsbeschreibungen funktioniert, werde ich im Kap. 3. bis ins kleinste zeigen, so daß ich hier auf weitere Erklärungen verzichten kann. Abschließend ist noch auf den Raster-Charakter der Sememrepräsentationen hinzuweisen, der in einem bestimmten Sinne ihren semantischen Gehalt auf eine überall gleiche "Maßeinheit" festlegt. Während es bei den sonst üblichen Semantik-Formalismen durchaus möglich ist, innerhalb eines (oft sogar sehr großen) Spielraums speziellere oder allgemeinere Lexikoneinträge zu kreieren, besteht bei Verwendung der Sememrepräsentationen für diesen Zweck eine völlig determinierte Beschränkung, der man nicht ausweichen kann. Die Maßeinheit bezieht sich allerdings auf eine Grundform, Sememrepräsentationen zu verschiedenen Grundformen sind inkommensurabel. Genau das, was eine prototypische Bedeutung, eine Rollenauswahl und eine Emphaseverteilung auszudrücken gestatten, macht ein semantisches Quantum aus. In Kap. 3. werden die Verben eben diesen Maßeinheiten zugeordnet, wobei dann noch die Oberflächenmuster als weiteres Bestimmungsstück hinzukommen. Im Normalfall paßt ein Verb in einem genus verbi zu genau einer solchen Position. Die generierte Verbfeldstruktur ist nicht nur völlig symmetrisch, sie besteht sogar aus Bausteinen mit einem konstanten Gewicht. Man mag über diese theoriebedingte Normung denken, wie man will, aber das Verb verkaufen (s. (96)) muß zwangsläufig eine gerade Anzahl (s. u.) von Sememrepräsentationen belegen, da es die beiden Muster (104) Sie verkauft es ihm. (105) Sie verkauft es (an ihn). realisiert, die parallel zu (106) Sie schenkt!*verschenkt es ihm. (107) Sie * schenkt/verschenkt es (an ihn). und dual zu (108) Er kauft es ihr abl(*an). (109) Er kauft es (von ihr) *abl(an). sind. Mit der Konsequenz, daß schenken und verschenken verschiedene Lexikoneinträge haben müssen, kann man leben, und dies gilt ebenso f ü r abkaufen und ankaufen. Genau in der Art, wie sich diese Paare unterscheiden, ist verkaufen mehrdeutig, und es ist gleichgültig, warum sich verkaufen so verhält.

64

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Das "semantische Quantum" wird - wie eben gesagt - durch die a n g e n o m m e n e G r u n d f o r m relativiert. Nimmt man in (104-105) den Preis hinzu, so werden (104-105) und (106-107) inkommensurabel. Daher kann man nur sagen, daß verkaufen doppelt so schwer ist wie verschenken, wenn man den Preis fortläßt. Bei Bezug auf die volle Grundform der "kaufen"/"verkaufen"-Verben (s. (156-157)) hat verkaufen das Gewicht vier: die beiden Zeilen in (96), multipliziert mit der für/gegen-Auswahl in d e m Maße, wie man beide Präpositionen zuläßt. Schließt man gegen aus, so ist das Gewicht nur zwei.

2.6. Erweiterungen, Reduktionen und Einsetzungen Diese beiden zuerst genannten Operationen dienen dazu, neue A r g u m e n t e in eine bereits gegebene Grundform oder Sememrepräsentation einzufügen. Während die erste Operation mit einer propositionalen "Ausdehnung" verbunden ist in dem Sinne, daß hinterher mehr ausgesagt wird, geht die dritte Operation eher in Richtung einer Spezifizierung. Damit ist die Tatsache verbunden, daß V e r b s e m e m e gegenüber Erweiterungen ziemlich tolerant sind, was bei Einsetzungen nicht so ist: Bei der Einsetzung einer Proposition für eine propositionale Variable wechselt das Oberflächenmuster und damit normalerweise das Lexem. Die Einsetzungen sind vor allem bei den verba dicendi eine wichtige Erscheinung, da hier propositionale Variable allenthalben vorkommen. Derartige Einsetzungsübergänge sind beispielsweise (110) etwas sagen => [Eigenschaften von jemandem/etwas] sagen = jemanden/etwas beschreiben (111) etwas behaupten => [daß jemand ein Lügner ist] behaupten = jemanden einen Lügner nennen (112) jemandem eine Handlung befehlen [jemandem einen Ort zu verlassen] befehlen = jemanden vonlaus einem Ort aus\vei~weisen Da später genug Beispiele dieser Art zu erörtern sind, belasse ich es hier bei dieser Andeutung, und ich komme auch in 2.6.2. nicht mehr darauf zurück. Allerdings verdient noch eine Frage etwas Aufmerksamkeit. Die Einsetzungen f ü r propositionale Variable sind bei weitem nicht der einzige v o r k o m m e n d e Fall. Ebenso kann man für Objektvariable beispielsweise Funktionen einsetzen, wobei das Argument der Funktion zum neuen Argument der Proposition wird:

2.6. Erweiterungen, Reduktionen und Einsetzungen

65

(113)

eine Größe bestimmen => [das Gewicht einer Kiste] bestimmen = eine Kiste wiegen (114) etwas bekommen [das, was jemand bei seinem Tod hinterläßt] bekommen = jemanden beerben Ich vermeide die Verwendung von Funktionen in Grundformen völlig und wickle alles über Prädikate ab. Durch die G- und t-Blockierungen, mit denen man noch andere Phänomene gut erfassen kann, ist dies ohne weiteres möglich (s. Def. 2.15. und 2.16.).

2.6.1. Die formale Darstellung Der Begriff "Erweiterung" kann sowohl auf Grundformen als auch auf Sememrepräsentationen bezogen werden. Die mit ihm verbundenen Fragen sind jedoch klarer zu stellen und zu beantworten, wenn man sich auf die Erweiterungen von Sememrepräsentationen beschränkt und dann einiges für die Grundformen zurückübersetzt, indem man das wegläßt, was bei Grundformen nicht vorhanden ist. Daher gehe ich erst an dieser Stelle darauf ein (vgl. 2.5.3.). Def. 2.17. (Erweiterung einer Sememrepräsentation): Eine Sememrepräsentation S* heißt höchstens dann eine einfache Erweiterung einer Sememrepräsentation S, wenn S* aus S dadurch entsteht, daß man einen Teilausdruck T von S (der mit S übereinstimmmen kann) durch einen Ausdruck T* ersetzt, der T und mindestens einen weiteren geeigneten Ausdruck T* als direkte Argumente hat. Die Indexkombination am Kopfprädikat B des Ausdrucks T* muß so beschaffen sein, daß eine eventuell vorhandene Emphase von T top-down gewahrt bleibt und daß die Propositionen T", ... top-down keine Emphase erhalten. Im Fall, daß T eine Emphase trägt, muß auf T ein Index zeigen, auf T" dürfen keine Indizes zeigen (s. Def. 2.7.). Eine Erweiterung S* von S liegt vor, wenn S* durch mindestens einmalige Anwendung der beschriebenen Veränderung aus S hervorgeht. Für das hier verwendete Inventar sind die bestehenden Möglichkeiten schnell aufgezählt: Es sind im Fall "T hat eine Emphase" genau die folgenden vier Ausdrücke T* erlaubt: (115) ET 1 ( T , T") , ET 2 (T" , T) , CAUSE 1 ( T , T") , CAUSE 2 ( T \ T) .

66

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Davon k o m m e n in dieser Arbeit nur die ersten beiden vor (die beiden anderen benötigt man z. B. zur Ableitung des Instrumentals). Für Erweiterungen ohne E m p h a s e wird das Prädikat ET auch mehrstellig verwendet (s. 2.3.3.). Def. 2.18. (Reduktion): Eine Sememrepräsentation S heißt höchstens dann eine einfache Reduktion einer Sememrepräsentation S, wenn S aus S" durch die in Def. 2.17. beschriebene formale Operation hervorgeht. Eine Reduktion von S liegt vor, wenn S~ durch mindestens einmalige Anwendung der beschriebenen Veränderung aus S hervorgeht. Der Zusatz "höchstens" in beiden Definitionen soll zum Ausdruck bringen, daß der definierte Begriff durch weitere, mit den jeweiligen Sememrepräsentationen zusammenhängende Bedingungen eingeschränkt werden kann: Nicht alles, was der Definition formal genügt, muß unbedingt auch inhaltlich erlaubt sein. Auf der formalen Ebene sind beide Begriffe zueinander invers. Def. 2.19. (Einsetzung): Eine Sememrepräsentation S ' geht durch eine einfache Ersetzung aus einer Sememrepräsentation S hervor, wenn S ' aus S dadurch entsteht, daß man eine Variable f ü r Propositionen (einschließlich solcher für Fragen) durch ein Element ihres Variationsbereichs ersetzt. Im Vergleich zu den Erweiterungen, die bei fast allen (minimalen) Grundformen/Sememrepräsentationen möglich sind und zusätzliche (akzessorische) Aktanten liefern, stellen die Einsetzungen eine seltene und an starke lexikalische Restriktionen gebundene Erscheinung dar. Die dadurch neu auftretenden A r g u m e n t e sind innerhalb des entstehenden Semems meist notwendig und führen zu obligatorischen Aktanten.

2.6.2. Die inhaltliche Seite Sie kann nicht so kurz abgehandelt werden, da mehrere, sogar entscheidende Fragen mit den Erweiterungen und Reduktionen zusammenhängen. Es sind dies neben anderen: (a) Wieviele Argumente hat ein bestimmtes Verb? (b) Dürfen Erweiterungen bzw. Reduktionen die durch die L e x e m e gegebenen Grenzen überschreiten, d. h., soll der Begriff "Erweiterung" so beschaffen sein, daß eine Erweiterung einer von einem Verb belegten Grundform/Sememrepräsentation eventuell nicht mehr von ihm belegt wird? Wie verhält es sich in dieser Hinsicht mit Reduktionen?

2.6. Erweiterungen, Reduktionen und Einsetzungen (c)

67

In welcher Weise wirken sich die in den Erweiterungen hinzukommenden Propositionen und Argumente auf die Rollen ursprünglich schon vorhandener Argumente aus? Jede dieser Fragen gäbe Stoff für ein ganzes Kapitel oder mehr ab. Daher können einige Aspekte nur ganz oberflächlich angesprochen werden. Ich beginne mit (c): Die günstigste Antwort wäre natürlich "gar nicht"; denn bereits vorhandene und etablierte Argumente sollen durch Neulinge nicht aus der Bahn geworfen werden, wenn außer deren bloßer E i n f ü g u n g keine weiteren Veränderungen stattfinden. Tritt letzteres zusätzlich doch ein, so wird man eine Invarianz nicht fordern können. Die Sicherung eines solchen Grundsatzes stellt gewisse Zusammenhänge zwischen der (rekursiven) Rollenbestimmung und dem Begriff der Erweiterung her (er muß möglichst schwach sein). Hierzu gibt es einige Teilantworten, die in KUNZE 1991a, S. 98ff. erörtert sind. Die mit ET realisierten Erweiterungen bereiten keine Probleme (s. (115) und Def. 2.4.). Die angesprochene Invarianz wird in JACKENDOFF 1991 (S. 211) an besonders prominenter Stelle hervorgehoben: "... these adjuncts add to but d o not alter the syntactic structure determined by the verb". Die von ihm danach behandelten anderen Adjunkte sind solche, bei denen der Assimilierungsprozeß über die reine Eingliederung hinausgeht, wie etwa in (116) Bill belched his way out of the restaurant. Die Fragen (a) und (b) stehen in einem engen Zusammenhang; denn die in (b) beschriebene Grenzüberschreitung könnte ja darin bestehen, daß eine Erweiterung gegenüber der nicht erweiterten von V belegten Grundform/ Sememrepräsentation so mit Argumenten überladen ist, daß sie das Verb V nicht mehr verkraften kann. Dies mag sogar die Unmöglichkeit nach sich ziehen, für den zu groß gewordenen Argumentrahmen überhaupt noch ein Verb zu finden. Daher müssen bestimmte Schranken angegeben werden, die Erweiterungen ins Uferlose unterbinden. Es gibt dafür einerseits absolute Schranken, jenseits derer die Verbalisierung zumindest problematisch wird, da das semantische Paket zu komplex ist. Minimale Grundformen wie die der "kaufen/verkaufen"-Verben (s. (156-157), ferner (71) in 5.) markieren mit ihrer Struktur und den vier Argumenten offenbar ein Höchstmaß, das nicht mehr wesentlich überschritten werden kann. Die Verifizierung einer solchen Hypothese ist eher eine A u f g a b e der Psycholinguistik, außerdem aber ebenso eine am Wortschatz und Sprachgebrauch zu entscheidende Angelegenheit. Interessanter sind diejenigen Schranken, die mit semantischen Details verbunden sind und nicht durch Parameter der Verarbeitbarkeit determiniert sind.

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Ich greife wieder einige Beispiele aus dem später untersuchten lexikalischen Bestand heraus, um die inhaltliche Fragestellung zu illustrieren: (117) Er reichtelbesorgtelverkauftelschenkte ihr ein Buch. ( 1 1 8 ) Er reichte/*schenkte ihr ein Buch durch die Tür. (119) Er besorgte!*schenkte ihr von Karl ein Buch. (120) Er verkaufte!*schenkte ihr für 20 Mark ein Buch. In allen drei Fällen liegen einfache Erweiterungen vor, die das Verb schenken nicht mitmacht. Bevor ich auf die Einzelheiten eingehe, ist noch die Frage nach dem grundsätzlichen Charakter der Zuordnung zwischen Verbbedeutungen einerseits und Sememrepräsentationen andererseits zu beantworten. Es sind hierfür zwei extreme Prinzipien denkbar: (A) Verbbedeutungen als amöbenartige Kontinua: Gewisse Sememrepräsentationen gelten als Ausgangsbestand, sie erlauben Erweiterungen, deren Ansatzstellen und Grenzen in ihnen selbst verankert sind. Ein Verb, das eine Sememrepräsentation aus dem Ausgangsbestand belegt, belegt auch ihre erlaubten Erweiterungen: Verbbedeutungen sind hinsichtlich erlaubter Erweiterungen abgeschlossen, wobei die einzelnen Verben selber aber keinen Einfluß auf die Erlaubniserteilung haben, dies ist alleinige Sache der zu erweiternden Sememrepräsentationen. Dasselbe gilt mutatis mutandis für Reduktionen, allerdings dürfen hierbei propositionale Untergrenzen nicht verletzt werden, damit der Bezug zu den Wahrheitsbedingungen gewahrt bleibt. Konkret: Die minimale Grundform von geben darf so erweitert werden, daß ein kaufen oder tauschen daraus wird, dagegen darf man bei diesen Verben nicht den "Doppeltransfer" wegreduzieren. (B)

Verbbedeutungen als Sammlungen diskreter Sememe: Jedes Verb belegt bestimmte Sememrepräsentationen, wobei es keine strikte Korrelation zwischen der Belegung verschiedener Sememrepräsentationen durch verschiedene Verben gibt: Jedes einzelne Verb entscheidet "für sich" darüber, welche Sememrepräsentationen es belegt. Das erste Prinzip (bei dem Homonymien und echte Polysemien natürlich als solche zu behandeln sind) ist ohne Zweifel attraktiver, aber eben zu schön, um wahr zu sein, wie ich unten zeigen werde. An dem zweiten stört sein trivialer Inhalt in dem Sinne, daß es so ziemlich alles zuläßt. Hier könnte aber Abhilfe geschaffen werden, indem man z. B. algebraische Mittel einsetzt, um die Beliebigkeit zu reduzieren. So wäre neben anderen etwa folgende Konnexitätsbedingung zu formulieren und zu überprüfen:

2.6. Erweiterungen, Reduktionen und Einsetzungen (121)

69

Sind S 0 , Sj und S 2 belegbare Sememrepräsentationen und ist S 2 eine Erweiterung von Sj und Sj eine Erweiterung von S 0 , so gilt: Belegt ein Verb S 0 und S 2 , so auch Sj. Ich verfolge diese Möglichkeiten jetzt nicht weiter und weise nur darauf hin, daß das erste Prinzip sich bei den verba dicendi nicht nur durchhalten läßt, sondern daß es dort geradezu unentbehrlich ist, wenn man keine Inflation an Lexikoneinträgen verursachen möchte. Die Forderung nach Konnexität gewinnt vor allem aufgrund der außerordentlich komplexen Struktur dieses Feldes eine besondere Bedeutung. Die Problematik der gerade betrachteten Zuordnung entsteht aus der Notwendigkeit, folgendes auf einen Nenner zu bringen: (a) die Wahrheitsbedingungen, die einem ganz bestimmten Gebrauch eines Verbs zugrundeliegen; (ß) die Tatsache, daß eine Veränderung der Wahrheitsbedingungen mit einer Veränderung des Argumentrahmens (durch Erweiterung oder Reduktion) einhergehen kann, ohne daß beides als eine Veränderung der Bedeutung des Verbs gilt; (y) die Existenz von Teilausdrücken, die zwar für die Erfüllung der Wahrheitsbedingen notwendig sind, in der Sememrepräsentation aber keine oder nur fakultative Aktanten liefern. In Kap. 3. wird gezeigt, daß diese gegenseitigen Abhängigkeiten schon bei dem Verb bekommen sichtbar werden (dies gilt ebenso für geben). Für bekommen muß man mindestens vier Sememrepräsentationen (ohne Berücksichtigung von CAUSE (ACT ( . ) , . . . ) ) ansetzen, damit die jeweiligen Wahrheitsbedingungen erfüllt werden, alle vier sind jedoch einer einheitlichen Bedeutung zuzurechnen. Die vier Oberflächenmuster erfordern ebenfalls vier verschiedene Sememrepräsentationen, da ein fakultativer Aktant etwas anderes ist als ein nicht vorhandener. Bei (122) Er bekam Geld. entsteht ein fakultativer/«/-Aktant in mindestens einer "wahrheitsbedingungskonformen" Sememrepräsentation, bei (123) Er bekam einen Schnupfen. fehlt das zugehörige Argument in jeder derartigen Sememrepräsentation. Ich komme nun zu (117-120), um zu zeigen, daß die Wahrheit irgendwo zwischen (A) und (B) liegt. Der Grund für die erste Abweichung besteht darin, daß bei schenken das Prädikat HAVE in der Grundform (s. (1) in 3.) zu einem "abstrakten" Eigentumsverhältnis spezifiziert ist, das im Gegensatz zu der Spezifizierung von HAVE bei reichen keinerlei Affinität zu einer (physischen) Verfügbarkeit aufweist. Letztere wiederum gestattet implizit einen Bezug zu

70

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

einer räumlichen Komponente, so daß Verfügbarkeitswechsel und Ortswechsel als simultane Veränderungen akzeptiert werden können. Tatsächlich kann man das ganze Spektrum von entsprechenden Adverbialen anschließen: (124) Er gab!reichte ihr das Buch aus dem Fenster/über den Tisch/in das Auto/... . Es ist daher die Spezifizierung von HAVE bei reichen, die eine Anschlußstelle für eine Einfügung von Propositionen eröffnet, aus denen diese Adverbiale hervorgehen. Die Besitzwechselverben reichen/liefern/... verhalten sich in dieser Hinsicht somit wie tragen und laufen, und (124) läßt sich offenbar nach (A) abhandeln. Bei (119) stellen sich die Dinge so dar: Das Verb besorgen belegt Sememrepräsentationen, bei denen das AGENS ein anderes Argument ist als das SOURCE und das GOAL (s. (3,7) in 3.). Dies ist bei schenken gerade ausgeschlossen, AGENS und SOURCE sind das gleiche Argument. Daher liegt f ü r besorgen in (119) gar keine Erweiterung vor, es ist die Nennung des fakultativen SOURCE, was die Abweichung hervorruft, das Ganze ist eine mit (y) verbundene Täuschung. Der dritte Fall (120) spricht gegen (A), weist somit mehr in Richtung (B). Er hängt nicht mit einer Spezifizierung von HAVE zusammen, da beim Verb verkaufen das Besitzverhältnis am Ende das gleiche ist wie bei schenken: Was ich gekauft habe und was mir geschenkt wurde, gehört mir in genau der gleichen Weise, und dies gilt ebenso für den Vorbesitzer. Hier muß eine Anschlußstelle für eine Erweiterung gesperrt werden, es ist ein Spezifikum von schenken, daß kein Austauschäquivalent existiert. Da aber sehr viele Besitzwechselverben eine entsprechende Erweiterung tolerieren (s. (12) in 3.), erscheint ein Verbot dieses "defaults" bei schenken als einzige Möglichkeit. Damit ist gleichzeitig einiges zu (a) gesagt. Insbesondere dürfte deutlich geworden sein, daß die hier vertretene Auffassung in der Frage "Verbargument oder nicht?" ein Höchstmaß an Flexibität enthält. Es wird keine feste Anzahl von Argumenten pro Verb postuliert, höchstens ein minimaler und ein maximaler Argumentrahmen, zwischen denen man sich mit Erweiterungen und Reduktionen bewegen kann. Außerdem ist alles als Argument des Verbs zugelassen, was durch E r w e i t e r u n g e n einer Sememrepräsentation dazukommen kann. Eine solche Festlegung ist das völlige Gegenteil einer Abgrenzung wie etwa bei L I E B 1992b, S. 181, wo sogar die AGENS-vo«-Phrase im Passiv "als freie Angabe ... und nicht als fakultative Ergänzung" betrachtet wird. Die Erweiterung als die entscheidende Bedingung sichert, daß die zusätzlichen Argumente nach genau den gleichen Regeln aktantifiziert werden wie die übrigen auch: Einmal implantiert, sind sie von den ursprünglichen nicht mehr zu unterschei-

2.7. Übergang zu Oberflächenmustern

71

den. Dies entspricht, allerdings indirekt und in einem anderen Rahmen, der durch das 6-Kriterium getroffenen Aussage über den Status von Argumenten. Daß man hinsichtlich der Erweiterungen sehr genau sein muß, zeigt das folgende Beispiel: (125) Er lieh/schenkte ihr ein Buch. (126) Er lieh/*schenkte ihr ein Buch 2 Wochen/Ibis Montag//... Hier stecken gleich zwei Probleme: Die Adverbiale haben nicht den gleichen Bezug auf die Instanz der Gesamtproposition wie in (127) Er arbeitet 2 Wochen!/bis Montag/1... Sie beziehen sich vielmehr auf die Instanz der Teilproposition "Entleiher hat Objekt" der Grundform von leihen, deren mögliche zeitliche Beschränktheit Teil der Verbbedeutung ist. Die Adverbiale in (126) sind nicht als Ergebnis einer Erweiterung anzusehen, 2 Wochen/Ibis Montag//... ist kein Argument, trotz des inneren Bezuges! Die verschiedenen Adjunct Rules in JACKENDOFF 1991, so für die Präpositionen by, with, for, ... leisten z. T. das gleiche wie die hier verwendeten Erweiterungen. Allerdings ist die Blickrichtung gerade umgekehrt: Die Adjunct Rules beschreiben den "Einbau einer Präpositionalphrase" in eine konzeptuelle Struktur, während bei den Erweiterungen der Startpunkt in den Grundformen liegt und die so eingefügten Argumente nach Regeln an die Oberfläche befördert werden, die ihren Status in dieser Hinsicht nicht mehr berücksichtigen. Diesen Regeln wende ich mich jetzt zu.

2.7. Der Übergang zu den Oberflächenmustern 2.7.1. Die Zuordnung der morpho-syntaktischen Merkmale Wir nähern uns jetzt der Schnittstelle zwischen Semantik und Syntax, die gleichzeitig das Ende des von diesem Modell überdeckten Phänomenbereichs markiert. Es werden Oberflächenmuster erzeugt, die unter direktem Bezug auf die Argumente des Verbs seine einzelnen Aktanten hinsichtlich ihrer morphosyntaktischen Merkmale spezifizieren, aus den Argumenten werden Aktanten. Ferner ergibt sich aus den Sememrepräsentationen für die Aktanten eine Charakterisierung hinsichtlich "obligatorisch/fakultativ", die jedoch feiner ist als eine binäre Einteilung. Letzteres bildet den Inhalt von 2.7.2.

72

2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Entsprechend Def. 2.8. und 2.11. sind für jede Sememrepräsentation die Aktanten mit bzw. ohne Emphase gegeben. Ihnen werden morpho-syntaktische Merkmale zugeordnet, wobei folgende Grundsätze gelten: Regelformat: Die Regeln für die Zuordnung der morpho-syntaktischen Merkmale haben die Gestalt

(128)

cTIEFENKASUS,BASISPRÄDIKAT> VA/SA/...: +E: MSM n , MSM12, ... -E: MSM21, MSM22, ...

Dabei steht VA in dem Fall, daß das Argument mit der genannten Kasusrelation als Verbaktant erscheint, SA steht entsprechend bei Substantivaktanten (Attributen). Adjektivaktanten werden hier nicht betrachtet. Den Zusatz VA lasse ich fort, wenn es n u r u m V e r b a k t a n t e n geht. Zu der Kasusrelation ist je eine Alternative von morpho-syntaktischen Merkmalen MSMi:j in Abhängigkeit von der Emphase angegeben. Die Alternative in einer Zeile kann auch leer sein, wenn es diesen Fall nicht gibt (oder wenn er nicht betrachtet wird), und sie ist normalerweise exhaustiv in dem Sinne, daß alle Möglichkeiten eingetragen sind, wie die Kasusrelation umgesetzt werden kann: Gibt es einen "regulären" Fall, wo ein Argument mit der angegebenen Kasusrelation als aktueller Rolle diese morpho-syntaktischen Merkmale aufweist, so werden sie aufgeführt. Manchmal kann man bestimmte MSMi:j weglassen und nötigenfalls erklären, warum (s. u.). Als Beispiel wähle ich

(129)

VA: +E: Nom, Akk -E: vo/2+Dat, aus+Dat

Die Rechtfertigung der Eintragungen ergibt sich aus (130) Raupen (Nom) entwickeln sich zu Schmetterlingen. (131) Den Gefangenen (Akk) machte man zu einem Sklaven. (132) Der Zauberer vei~wandelte sich von+ einem Elefanten (Dat) in einen Löwen. (133) Aus+ Raupen (Dat) entwickeln sich Schmetterlinge. Der Zusatz des Kasus bei den Präpositionen ist nicht immer redundant. Sofern nichts anderes gesagt wird, ist Nom der mit dem Finitum kongruierende Subjektsnominativ. Regelnivellierung:

Unterschiede wie von vs. aus bei (wie zw+Dat vs. m+Akk bei , s. (131-132)) werden eingeebnet, d. h., es werden keine weiteren Bedingungen dafür gesucht, welche Verben die eine oder andere

2.7. Übergang zu Oberflächenmustem

73

Präposition selegieren. Während die beiden Einträge bei +E zwei distinkte Aktantifizierungen angeben, drückt die Zeile bei - E nur Varianten einer einzigen Aktantifizierung aus, und die Auswahl zwischen ihnen wird als idiosynkratisch deklariert. Dies müßte in der Regel eigentlich formal unterschieden werden, ich verzichte jedoch darauf und werde statt dessen, falls nötig, einen Hinweis anbringen. Die eben erklärten Varianten stellen eine andere Erscheinung dar als die in (96) angegebene/H/Yg£',ge/?-Alternative. Dort werden zwei verschiedene Kasusrelationen umgesetzt, für deren Auswahl keine klaren Bedingungen erkennbar sind. Eine echte Weglassung im oben erwähnten Sinn ist z. B. die Unterdriikkung der in ihrem Vorkommen beschränkten fre/'-Phrase als Variante der morpho-syntaktischen Realisierung der Kasusrelation ohne Emphase durch von: (134) Das habe ich bei/von einem Trödler gekauft. (135) Das habe ich beifvon Hertie gekauft. Regelanwendung: Für die einzelnen Aktanten einer Sememrepräsentation können die Regeln, jede für sich, beliebig angewendet werden. Es gibt jedoch Nebenbedingungen unterschiedlicher Allgemeinheit, die eine rein kombinatorische Anwendung unterbinden. Ich werde diese Bedingungen immer feldweise formulieren, und zwar auch dann, wenn sie ihrer Natur nach allgemeiner sind. Die Kopplung an Felder entsteht für einige Nebenbedingungen von selbst durch das jeweilige Basisprädikat: Ist in den Nebenbedingungen von die Rede, so handelt es sich eben um das Feld der Besitzwechselverben. Solche sehr allgemeinen Bedingungen sind z. B., daß - mit jeweils systematischen Ausnahmen - kein Verb zwei Nominative erlaubt und keines ohne einen Nominativ auskommt. (136) Ich wurde von ihm ein Lügner genannt. (137) Mir graut davor. Bei rein kombinatorischer Anwendung von (129) und der üblichen AGENSAktantifizierung würde sich ohne Nebenbedingungen auch (138) Der Gefangene (Nom) machte man (Nom) zu einem Sklaven. ergeben. Die Nebenbedingungen sind der (relativ kleine) Preis dafür, daß die Umsetzung der Argumente in Aktanten - mit ausschließlichem Bezug auf die einzelnen isolierten Rollen und "ohne Kenntnis des Verbs" (s. 1. - 4. in 2.5.8.) - unter Verwendung des Merkmals + E / - E als einziger Abstufung - durch Regeln geschieht, die für ganze Felder formuliert werden.

74

2. Inhaltliche und f o r m a l e G r u n d l a g e n

Der Inhalt j e d e r N e b e n b e d i n g u n g wird sich als eine A u s s a g e über d e u t s c h e V e r b e n e n t p u p p e n , die zwar so vielleicht nicht in einer G r a m m a t i k steht, andererseits aber doch offensichtlich gilt. W e n n g l e i c h die drei letzten Punkte bei m e h r e r e n Verbfeldern und f ü r einige T y p e n von Substantivaktanten in allen Einzelheiten verifiziert w e r d e n , so bleibt die g e n e r e l l e Tragfähigkeit dieses Ansatzes natürlich eine o f f e n e F r a g e . Führt dieselbe V o r g e h e n s w e i s e in anderen Feldern z u m gleichen E r f o l g , und w a s ist mit den vielen Einzelkindern unter den V e r b e n , die keine systematisch strukturierende F e l d u m g e b u n g haben? D a z u nur zwei B e m e r k u n g e n : E s läßt sich zeigen, d a ß der hier e n t w i c k e l t e A p p a r a t f o r m a l j e d e Z u o r d n u n g von O b e r f l ä c h e n m e r k m a l e n zu A r g u m e n t e n in der b e s c h r i e b e n e n W e i s e leisten kann. D i e s e reine Existenzaussage hat selbstverständlich keinen besonderen inhaltlichen Wert, weil m a n eventuell die B e s c h r ä n k u n g auf primitive Prädikate a u f g e b e n und a u ß e r d e m zu irgendwelchen ad-hoc-Kasusrelationen greifen m u ß , um ihr zu g e n ü g e n . Andererseits kann das Ziel j a nicht darin bestehen, allen idiosynkratischen Sonderfällen pro f o r m a einen Regularitätsstempel a u f z u d r ü c k e n , sie müssen als solche kenntlich bleiben. Die einzig interessante Frage ist, wie weit man tatsächliche (hier: in Feldern geltende) Regularitäten herausfinden und darstellen kann.

2.7.2. Aktantenkombinationen Als letzter Schritt ist die E r f a s s u n g des Unterschieds "obligatorisch/fakultativ" bei d e n A k t a n t e n zu behandeln. Hierzu sind einige allgemeine V o r b e m e r k u n g e n angebracht. D i e A b l e i t u n g der Aktantenkombinationen geschieht in zwei Schritten: Z u n ä c h s t w e r d e n g e w i s s e Mengen ("zulässige K o m p l e x e " ) von T e i l a u s d r ü c k e n der S e m e m r e p r ä s e n t a t i o n S ausgewählt. Diese M e n g e n m ü s s e n einigen A b g e s c h l o s s e n h e i t s b e d i n g u n g e n top-down g e n ü g e n . A u s der " G e s a m t p r o p o s i t i o n " der G r u n d f o r m w e r d e n auf diese Weise Teile extrahiert. I m zweiten Schritt w e r d e n f ü r j e d e n derartigen Komplex alle nicht blockierten rollendefinierenden V o r k o m m e n betrachtet und die daraus entstehenden A k t a n t e n k o m b i n a t i o n e n gebildet. Dieser Schritt ist eindeutig. Pro Sememrepräsentation entstehen so m e h r e r e zulässige K o m p l e x e , pro zulässigen K o m p l e x entsteht eine A k t a n t e n k o m b i n a t i o n , pro Sememrepräsentation folglich eine M e n g e von A k t a n t e n k o m b i n a t i o n e n . Sie gelten als die theoretische V o r a u s s a g e dafür, w i e die A k t a n t e n m i t e i n a n d e r auftreten können. Belegt ein V e r b bei gleicher B e d e u t u n g m e h r e r e S e m e m r e p r ä s e n t a t i o n e n , so m u ß man die M e n g e n von K o m b i n a t i o n e n

2.7. Übergang zu Oberflächenmustern

75

pro Bedeutung vereinigen. Man beachte, daß es sich nicht um "Argumentkombinationen" handelt, s. u.! W i e weiter oben bemerkt, geht es nicht um eine binäre Einteilung der Aktanten pro Sememrepräsentation in fakultative und obligatorische. Der Grundmechanismus (schon in KUNZE 1991a beschrieben) ist vielmehr die Generierung einer Sammlung von Aktantenkombinationen, aus der man dann ablesen kann, welcher Aktant - unbedingt oligatorisch ist (er tritt in jeder Kombination auf), - bedingt obligatorisch ist (seine Weglaßbarkeit ist an irgendwelche Bedingungen geknüpft, z. B. an das Vorhandensein oder Fehlen anderer Aktanten in der jeweiligen Kombination), - (frei) fakultativ ist (zu jeder Kombination, in der er auftritt, gibt es eine, die sich genau durch sein Fehlen von der ersten unterscheidet). Auf eine solche Mehrfachzuordnung kann nicht verzichtet werden. Die denkbare Möglichkeit, pro Sememrepräsentation nur die maximale Aktantenkombination zu erzeugen und die eben aufgezählten Abstufungen durch eine passende Zuordnung zwischen Verblexemen und Sememrepräsentationen zu regeln, indem man dem Verb auch noch geeignete Sememrepräsentationen mit kleinerer maximaler Aktantenkombination zuordnet, schlägt fehl: Das Verb kaufen ist in seinen Wahrheitsbedingungen an die Existenz eines Verkäufers und eines Preises gebunden, daher kann man ihm keine Sememrepräsentation zuordnen, in der beides ausgespart ist. Dies wäre bei Beschränkung auf maximale Aktantenkombinationen aber erforderlich, da die genannten Argumente fakultative Aktanten ergeben (s. (y) in 2.6.2.). Im Grunde würde eine solche Lösung den Begriff "fakultativ" abschaffen. Das Verhältnis zwischen notwendigen Argumenten (in dem Sinne, wie der Preis bei kaufen im Sachverhalt nicht weggedacht werden kann) und obligatorischen Aktanten (in dem Sinne, wie die Ware an der Oberfläche nicht weggelassen werden kann) stellt ein in der Literatur viel diskutiertes Problem dar, wobei der begriffliche Unterschied meist nicht vorgenommen wird. Ich gehe hier nicht mehr darauf ein und verweise auf KUNZE 1991a, S. 121. Ein weiterer Aspekt ist die Kopplung zwischen "obligatorisch" und "mit Emphase" als Eigenschaft von Aktanten. Obwohl beides oft gleichzeitig zutrifft, so ist diejenige Kopplung, die in KUNZE 1991a besteht, doch etwas zu stark. Ich modifiziere die entsprechende Definition daher in zwei inhaltlichen und außerdem noch in einem terminologischen Punkt: In KUNZE 1991a wird "Auswahl" mit zweifacher Bedeutung gebraucht: Zum einen als "Auswahl aktueller Rollen", zum anderen als "Auswahl von Teilpropositionen (zur Bestimmung der Aktantenkombinationen)". Diese Verstand-

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

nisfalle soll jetzt beseitigt werden, zumal beide Begriffe in einem, wenngleich losen Zusammenhang stehen. An die Stelle der gerade genannten Verbindung tritt "Komplex von Teilausdrücken". Die erste inhaltliche Modifikation in Richtung auf eine Entkopplung von obligatorischen Aktanten und solchen mit Emphase besteht darin, daß der Diffusionsmechanismus, der bei der Verteilung der E m p h a s e nach Def. 2.7. top-down und bottom-up verläuft, für die Ableitung der Aktantenkombinationen nur noch top-down gerichtet sein soll. Außerdem entfällt der Bezug auf die inhärente Teilproposition völlig (s. KUNZE 1991a, S. 99, 124). Als Ausgleich d a f ü r wird zweitens eine Möglichkeit eröffnet, für die gleich zu definierenden Komplexe von Teilausdrücken bestimmte Teilausdrücke von vornherein als zu allen Komplexen gehörig vorzugeben. Ich erläutere zunächst die Modifikationen, bevor die Definition formuliert wird: Für Verben wie essen, trinken, ... nehme ich eine G r u n d f o r m (139) CAUSE (ACT ( x ) , * P R E D ( y ) ) an. Es ist dabei gleichgültig, ob man *PRED ( y ) (trotz der harschen Kritik in WlLKS 1992) nach dem Vorbild von JACKENDOFF 1991 (S. 53) oder auf andere Weise ausbuchstabiert. Der wesentliche Punkt ist, daß die inhärente Teilproposition von (139) die Proposition *PRED ( y ) enthält und y über das angeführte Vorkommen mit Emphase aktantifiziert wird. Der so entstehende Aktant ist aber nicht obligatorisch. Die gängige Erklärung, daß die Variable y durch Existenzquantifizierung zum Verschwinden gebracht werden kann, ist für meine Betrachtungen unerheblich: Man muß j a dann doch wieder erklären, w a r u m dies bei essen, trinken, ... möglich ist und bei anderen Verben nicht. Gibt man dem Index i in den Sememrepräsentationen (140) CAUSE' (ACT ( x ) , *PRED (y) ) den Wert 1 beim Aktiv und den Wert 2 beim Passiv (s. (94)), so kommt, wenn man die folgenden Definitionen anwendet, bei einer top-down-Diffusion für die Festlegung der Aktantenkombinationen alles ins Lot: (141) x N V und xN V yA im Aktiv (142) y N V und yN V von x im Passiv Diese Modifikation ermöglicht - auch in komplizierteren Fällen - eine Ableitung fakultativer Aktanten mit Emphase ohne weitere Zusätze und Vorkehrungen. Der umgekehrte Fall, nämlich obligatorische Aktanten ohne Emphase, bereitet in KUNZE 1991a ebenfalls einige Probleme. Dazu gehört die dort als "q-Lastigkeit" bezeichnete Erscheinung, daß bei Verben wie machen und vielen anderen ISA-Verben in den Aktantenkombinationen das GOAL immer die Nase vorn hat (s. d. S. 158ff.):

2.7. Übergang zu Oberflächenmustern

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(143) Man entwickelte Benzin von einem Abfallprodukt zu einem Treibstoff. (144) Man entwickelte Benzin zu einem Treibstoff. (145) 'Man entwickelte Benzin von einem Abfallprodukt. (Beispiele nach ViF, S. 323) Eine formale Erfassung (nicht: Erklärung!) dieser Unsymmetrie bewerkstelligt man am besten so, daß bestimmte Teilausdrücke a priori in die Komplexe aufgenommen werden. Damit wird keinesfalls ein Zustand erreicht, wo die Eigenschaft "obligatorisch" einfach hingeschrieben wird. Es werden nur bestimmte, offenbar schwer oder nicht erklärbare Fälle dieser Art erfaßt. Daß bei bestimmten Verben die Obligatheit von Aktanten tatsächlich nicht "aus der Tiefe" zu erklären ist und daher erst an Ort und Stelle vermerkt werden kann, scheint tatsächlich einen nicht trivialen Hintergrund zu haben. Auch JACKENDOFF 1991 bietet keine überzeugende Lösung und zieht sich ebenfalls auf eine Notation für das Faktum zurück; denn mehr sind die spitzen Klammern um das den Argumentstatus signalisierende A (S. 253) nicht. Die folgende Definition präzisiert die weiter oben gegebenen Motivationen (vgl. Def. 2.7.). Als zusätzliche "unechte" Indexkombination ist "X" erlaubt, d. h., X darf nicht mit anderen Indizes kombiniert werden. Def. 2.20. (zulässiger Komplex w von Teilausdrücken für eine Sememrepräsentation): Es sei S eine Sememrepräsentation, in der bestimmte (eventuell keine) Teilausdrücke lr T, 2 T, . . . als a priori zu den Komplexen gehörig vorgegeben sind. Eine Menge W von Teilausdrücken von S ist genau dann ein zulässiger Komplex w von S, wenn folgendes gilt: (a) S ist Element von W. (b) Die vorgegebenen Teilausdrücke ' T , 2rV, . . . sind Elemente von W. (c) Ist B ein in S vorkommendes Prädikat mit genau einer, und zwar propositionalen Argumentstelle und ist T dieses Argument, so gilt: Ist der Teilausdruck, dessen Kopf B ist, ein Element von W, so gilt dies auch für T (top-down bei einstelligen Prädikaten, es treten keine Indizes auf). (d) Ist B ein in S vorkommendes Prädikat mit mehr als einer Argumentstelle und mindestens einer propositionalen Argumentstelle und sind die Teilausdrücke T , , T^, T k , . . . diese Argumente, so gilt: (dl) Ist der Teilausdruck, dessen Kopf B ist, ein Element von W und ist B mit einer echten Indexkombination versehen, so sind mindestens alle T n Elemente von W, deren Index n bei B auftritt . (d2) Ist der Teilausdruck, dessen Kopf B ist, ein Element von W und ist B mit der unechten Indexkombination "X" versehen, so ist mindestens ein T n Element von W.

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

(d3)

Ist der Teilausdruck, dessen Kopf B ist, ein E l e m e n t von W und ist B mit keiner Indexkombination versehen, so können die T n in einer beliebigen (auch leeren) Kombination Elemente von W sein. In den Fällen (d2) und (d3) muß B notwendigerweise ein direktes elementares Argument haben oder es muß eine Teilproposition ohne Emphase vorliegen (s. Festlegungen zu Def. 2.7.). Bei (d2) ist anzumerken, daß die häufigsten Fälle tatsächlich folgende sind: - A u s einer ET-Anreihung muß mindestens eine, aber an sich beliebige Proposition in W a u f g e n o m m e n werden, - aus einer ET-Anreihung braucht keine Proposition in W a u f g e n o m m e n zu werden, um die korrekten Aktantenkombinationen zu erhalten. Man kann daher (falls der Teilausdruck garantiert ohne Emphase bleibt) f ü r den ersten Fall einfach den Pauschalindex "X" verwenden, u m die Abgrenzung gegenüber (d3) zu erreichen. Ein Gegenstück zu (e) in Def. 2.7. gibt es nicht, die zulässigen Komplexe sollen nicht minimal sein. Sie entstehen vielmehr aus S und den , 2 T , . . . durch eine top-down-Diffusion, die nur gewissen Abgeschlossenheitsbedingungen genügen muß, aber keineswegs ein eindeutiges Ergebnis hat. Die Diffusion läuft darauf hinaus, daß um einen Kern herum, der die unbedingt obligatorischen Aktanten liefert, weitere Propositionen angelagert werden. E s läßt sich z. B. zeigen, daß Aktanten, die durch Erweiterungen in die S e m e m repräsentation gelangt sind, immer fakultativ bleiben, wenn nicht andere Veränderungen stattfinden (s. Def. 2.17.). Dennoch haben die "Prozesse" der Erweiterung und der eben definierten Bestimmung von Komplexen g a n z verschiedenen Charakter: Das eine betrifft das Verhältnis zwischen verschiedenen Sememrepräsentationen, das andere spielt sich innerhalb einer S e m e m repräsentation ab. U m eine Vorstellung von der Nicht-Eindeutigkeit der Bildung zulässiger K o m p l e x e zu geben: Bei einer Sememrepräsentation, wie m a n sie bei Besitzwechselverben mit einem transferierten Objekt hat, können vier zulässige K o m p l e x e entstehen, die dann zu höchstens vier Aktantenkombinationen führen. Mit d e m gerade definierten Hilfsbegriff lassen sich die Aktantenkombinationen unmittelbar herleiten: Def. 2.21. (durch einen Komplex w erzeugte Aktantenkombination): Zu j e d e m K o m p l e x W von Teilausdrücken einer Sememrepräsentation S werden alle nicht blockierten terminalen Argumentstellen betrachtet, die in einem Ausdruck des Komplexes vorkommen und die mit einer Variablen belegt sind. Jede dieser Argumentstellen ergibt nach Def. 2.10. und 2.20. gerade einen

2.7. Übergang zu Oberflächenmustern

79

Aktanten von S. Die so entstehende Menge, die als eine Kette notiert wird, heißt die durch W erzeugte Aktantenkombination. Die Aktanten gelangen folglich "teilausdrucksweise" in die Aktantenkombination: Mit einem Aktanten sind auch alle Aktanten in einer Kombination enthalten, deren rollendefinierende Vorkommen im gleichen Basisausdruck liegen. Dieser Grundsatz hat ganz erhebliche Konsequenzen. Er determiniert nicht nur die "Kookkurenz" der Aktanten in den Kombinationen, sondern ebenso ihre "Ko-Emphase": Bestimmte Aktanten müssen hinsichtlich des Merkmals + E / - E gleichartig sein, wenn man eine bestimmte Grundform annimmt. Damit ergeben sich indirekte Zusammenhänge zwischen der "Grobstruktur" von Grundformen und den Valenzeigenschaften von Verben: Ein obligatorischer und ein fakultativer Aktant können nicht aus der gleichen Basisproposition stammen. Diese Fragen greife ich bei der Diskussion der Verbfelder wieder auf. Während die Komplexe niemals leer sein können (mindestens S gehört dazu), können durchaus leere Aktantenkombinationen entstehen: Ein Teilausdruck muß ja keinen Aktanten liefern. Aus dem gleichen Grunde können verschiedene Komplexe gleiche Aktantenkombinationen erzeugen. Def. 2.22. (Aktantenkombinationen für eine Sememrepräsentation): Zu der Sememrepräsentation S werden alle zulässigen Komplexe W bestimmt. Zu jedem dieser Komplexe gibt es genau eine Aktantenkombination. Die Zusammenfassung dieser Ketten für alle W als eine Menge ist die Liste der Aktantenkombinationen für S. Belegt ein Verb mehrere Sememrepräsentationen, so ist die Vereinigung der Listen für diese Sememrepräsentationen gerade die theoretische Voraussage für diejenigen Kombinationen, in denen seine Ergänzungen auftreten können. Man beachte, daß dieser Mechanismus für Aktanten funktioniert, aber nicht für Argumente (s. u.). Zur Illustration der formulierten Definitionen und insbesondere des Verhältnisses zwischen Teilausdrücken mit Emphase und zulässigen Komplexen gebe ich wieder einige formale und inhaltliche Beispiele an (die inhärenten Teilpropositionen sind doppelt unterstrichen, habe sein rollendefinierendes Vorkommen in A ; , der jeweils betrachtete Teilausdruck sei ein Element von W, "früher" heißt "in KUNZE 1991a"): (146) B ' - f A , , ^ ) (früher B l (A,, A , ) ) Aj und A2 sind Teilausdrücke mit Emphase. {A], A 2 } ist der einzige zulässige Komplex, alle Aktanten sind obligatorisch, also ist X! x 2 die einzige Kombination, z. B. Karl beschenkt Anna.

80 (147)

2. Inhaltliche und f o r m a l e G r u n d l a g e n bMa^AJ)

( f r ü h e r so nicht darstellbar, d a die inhärente Teilproposition n u r obligatorische A k t a n t e n lieferte) Ax und A 2 sind Teilausdrücke m i t E m p h a s e . { A j } und { A j , a 2 } sind zulässige K o m p l e x e , ein A k t a n t mit E m p h a s e ist fakultativ: Die A k t a n t e n k o m b i n a t i o n ( K a r l ißt.) entsteht aus d e m ersten K o m p l e x , x 2 (Karl ißt Obst.) dagegen aus d e m zweiten (s. (141)). (148) B 2 ( A 1 ; A j (wie früher, u. a. Passiv (146) von (147)) A 2 ist Teilausdruck mit E m p h a s e . {A 2 } und { A 1 ( A 2 } sind zulässige K o m p l e x e , sie e r g e b e n die K o m binationen x 2 und x T x 2 : Anna wird (von Karl) beschenkt., Obst wird (von Karl) gegessen, (s. (94)). (149) B1{A1,A2) (wie früher) F ü r die Aktantenkombinationen ist das Ergebnis dasselbe w i e bei (147), A 2 braucht aber keine E m p h a s e zu tragen: Karl läuft (ums Haus).. X (150) B ( A 1 < A 2 ) ( f r ü h e r ausgeschlossen) Die Proposition kann k e i n e E m p h a s e tragen, die zulässigen K o m p l e x e sind {A 1 } , {A 2 } und { A 2 , A 2 } , die A k t a n t e n k o m b i n a t i o n e n sind x t , x 2 und X[ x 2 . (151) B ( A j , A 2 ) ( f r ü h e r ausgeschlossen) D i e Proposition kann keine E m p h a s e tragen, g e g e n ü b e r d e m letzten Beispiel k o m m e n die leere M e n g e als zulässiger K o m p l e x und d i e leere A k t a n t e n k o m b i n a t i o n hinzu. Zu den f o l g e n d e n beiden Beispielen vgl. (32), (66-71) in 4.: (152) E T 1 ' 2 (QUANT ( b , m) , M E A S ( u , m ) ) (= E T 1 ' 2 ( Q , M ) ) (m = Gewicht eine Konstante) Q und M sind T e i l a u s d r ü c k e mit E m p h a s e . { Q , M } ist der einzige zulässige K o m p l e x , daher ist u b die einzige Aktantenkombination: uN wiegt bA (153) E T 1 ' 2 ( E T 1 ( T b QUANT ( b , m ) , I N F E R ( S , b ) ) , MEAS ( u , m ) ) (m = Gewicht eine Konstante) M a n m u ß hier die I N F E R - P r o p o s i t i o n als : T w ä h l e n . Sie wird topd o w n durch die beiden anderen ergänzt, und man hat d a n n {Q, I , M} als einzigen zulässigen K o m p l e x . Die einzige A k t a n t e n k o m b i n a t i o n ist u s , in d e m O b e r f l ä c h e n m u s t e r ergibt sich eine obligatorische Präpositionalphrase: u N wiegt unter s . G e g e n ü b e r (152) liegt eine Erweiterung, verbunden mit einer U m b l o c k i e r u n g vor.

2.7. Übergang zu Oberflächenmustern

81

Folgende Lösung ergibt sich für die q-Lastigkeit (s. a. (29), (143-145), A n m . 2.14.): (154) CAUSE 1 ' 2 (ACT ( x ) , ET 1 ( A L T E R - I S A ( u ) , ET 1 ( B E C ( I S A ( q , y u ) ) , BEC(NOT(ISA(p,yu)))))) Top-down folgt zunächst, daß beide Argumente von CAUSE in W liegen müssen. Das erste macht x obligatorisch, das zweite ergibt top-down u als obligatorischen Aktanten. Nimmt man nach ( d l ) auch noch das zweite Argument des äußeren ET in W auf, so kann - wiederum nach ( d l ) - p nicht ohne q auftreten. Das Oberflächenmuster ist xN V uA vonlaus p zu/in q , die Aktantenkombinationen sind x u , x u q und x u p q . (155) Der Zauberer vei-wandelte sich von einem Elefanten in einen Löwen. (ref(x) = ref(u)) (156) CAUSE 1 ' 2 (ET 1 ( ACT ( p ) , A C T ( y q ) ) , ET 1 (ET 1 (BEC (HAVE ( q , u ) ) , BEC(NOT(HAVE( y p , y u ) ) ) ) , ET(BEC(HAVE(yp,?v)), BEC(NOT(HAVE(yq,?v)))))) (157) CAUSE 1 ' 2 (ET 1 (ACT ( p ) , ACT ( y q ) ) ,

Dies sind die Sememrepräsentationen für verkaufen im Aktiv, bei denen allerdings die COST-Propositionen weggelassen sind (s. (71) in 5.). Die erste führt auf die Aktantenkombinationen p u q , p u q v mit dem Oberflächenmuster pN verkauft q D u A für/gegen v , die zweite dagegen auf p u , p u v , p u q und p u q v mit dem Oberflächenmuster pN verkauft uA an q für/gegen v . v ist in beiden Fällen frei fakultativ (s. a. (96)). Der wesentliche Punkt ist, daß die ««-Phrase als fakultativ ausgewiesen wird, der Dativ dagegen als obligatorisch. Diese Unterscheidung innerhalb der Bedeutung von verkaufen ist somit keine Sache des Arguments q , sondern der beiden Aktanten. Es gibt daher keine obligatorischen Argumente, sondern nur obligatorische Aktanten.

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Die in Def. 2.20. angebenen Bedingungen, deren Auswirkungen eben illustriert wurden, erlauben es, eine Reihe von sehr diffizilen Erscheinungen beim Zusammenhang zwischen den Vorkommen eines Arguments in einer Grundform, der morpho-syntaktischen Form des/der aus ihm entstehenden Aktanten und seiner/ihrer Obligatheit zu erfassen. Als reine Erfahrungstatsache kann gelten, daß man diese Zusammenhänge nicht aus der Grundform allein ableiten kann, die Verben bringen hier ihren eigenen "Beitrag" dazu ein, wie eben gerade gezeigt. Im Vergleich mit der Allerweltslösung, die entsprechenden Eigenschaften im Lexikoneintrag jedes Verbs einfach hinzuschreiben und damit eine "formale Turingmaschine" zu bemühen, stellt die hier verwendete Repräsentation eine sehr starke Einschränkung dar, zumal durch das gleiche Mittel sowohl Emphase als auch Obligatheit erfaßt werden. In den folgenden Kapiteln wird gezeigt, wie man mit diesem Mittel arbeiten kann.

2.7.3. M u s t e r Die Zuordnung von morpho-syntaktischen Merkmalen zu den Aktanten und die entsprechenden Aktantenkombinationen werden zu Mustern zusammengefaßt. Die fakultativen Aktanten werden in der üblichen Weise in Klammern eingeschlossen, sofern die Aktantenkombination dies erlaubt. Als Beispiel für ein Muster, wo man mit Klammern nicht mehr zurecht kommt, diene folgendes (s. (113) in 4.3.): (158) x N V gA von b auf c um t Aus der Sememrepräsentation (112) in 4. ergeben sich die Aktantenkombinationen

x g t (159) x g , x g c , x g c t , x g b c t ,

, x g b c

,

x g b t ,

wobei die letzte in diesem konkreten Fall eine Redundanz aufweist. Das Muster wird belegt durch (160) Er (x) erhöht (V) den Preis (g) von 20 Mark ( b ) auf 25 Mark (c) um 5 Mark ( t ) . Die Muster werden (wenn nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird) immer für die Aktiv-Formen der Belege angegeben. Es ist unbedingt zu beachten, daß die A n o r d n u n g der Aktanten an keiner Stelle dieses Buches eine Rolle spielt, die Muster sind für diesen syntaktischen Aspekt blind. Die jeweils angegebene Reihenfolge hat somit keine weitere Bedeutung, im Sinne der GPSG werden nur ID-Regeln (und keine LP-Regeln) betrachtet.

2.8. Nullstellige Prädikate - ja oder nein?

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2.8. Nullstellige Prädikate - ja oder nein? Zum Abschluß dieses Kapitels soll ein Detailproblem behandelt werden, an dem sich sehr schön zeigen läßt, wie verschiedene Aspekte bei der Begründung semantischer Repräsentationen voneinander abhängen. Die Witterungsverben gelten gemeinhin als zweifelsfreie Repräsentanten nullstelliger Verben. Tatsächlich kann man dem Subjekts-Pronomen es keinerlei Argumenteigenschaft zubilligen, es füllt eine syntaktisch obligatorische Leerstelle aus. Ich umgehe hier die Diskussion der Affinität dieses expletiven Subjekts zu anderen, die ebenfalls durch es realisiert werden. Eigentlich sollte ein nullstelliges Prädikat wie RAIN keine allzu großen Probleme aufwerfen. Dennoch gibt es einige Fragen und Feststellungen, mit denen die Selbstverständlichkeit einer Annahme von solchen Prädikaten etwas relativiert wird. In der tatsächlichen Auswirkung zwar harmlos, aber für eine theoretische Betrachtungsweise schon etwas bedenklich ist zunächst die Tatsache, daß man pro Verb dieser Spezies ein extra Prädikat benötigt, um elementare Forderungen nach Distinktivität einzulösen. Nur die natürlichen Gegebenheiten bewahren die Sprache in diesem Punkt vor einer Inflation. Akzeptiert man also die Precipitations-Prädikate RAIN, SNOW, HAIL, ... als eine "kleine geschlossene" Klasse, so erweist sich die Produktivität eines Musters, das durch es graupelt und es grieselt (beide so im DUDEN 1976, graupeln im HDG und W D G , grießein im BROCKHAUS-WAHRIG) belegt wird, als ein Faktum, das eine solche Annahme nicht stützt. Tatsächlich stellen sich auch die zuerst zitierten Verben als Ableitungen von Nomina heraus, was die Annahme jeweils eigener Prädikate schon sehr ins Zwielicht rückt. Es erscheint daher durchaus angemessen, nur ein - und zwar einstelliges - Prädikat, etwa FALL anzunehmen, dessen Argumentstelle durch Regen, Schnee, Hagel, ... und ferner durch Graupet und Grieß eingenommen wird: (161) RAIN S FALL {Regen), SNOW = FALL (Schnee) usw. Dieser Ansatz hat allerdings einen Schönheitsfehler, nämlich daß er ausgerechnet beim Standardfall regnen nicht ganz aufgeht: FALL (Regen) ist doppelt gemoppelt, Regen selber ist schon "fallendes Wasser", was durch (162) Karl füllte den Eimer mit "Regent Regenwasser. (163) Karl füllte den Eimer mit Schnee. bewiesen wird.

84

2. Inhaltliche und f o r m a l e Grundlagen

D i e s e s M a n k o wird wohl weitgehend durch die Tatsache neutralisiert, daß in vielen Sprachen regnen durch das Verb fallen ausgedrückt wird, so i m Bulgarischen und Polnischen:

(164) 3 a n o i B a / n p e c r a s a xra

BSUIH.

(Es fängt an/hört auf zu regnen.) (165) Pada grad, = Es hagelt. (166) Pada. = Es regnet. D i e Repräsentation von es regnet als "Regen fällt" wird in LIEB 1993 (Absch. 4.5.-4.6.) im Z u s a m m e n h a n g mit einer Allgemeinen V a l e n z h y p o t h e s e behandelt. D a s in dieser Hypothese verankerte Prinzip zur B e s t i m m u n g der Valenz von beliebigen L e x e m e n wird nur scheinbar von den Witterungsverben falsifiziert. L i e b zeigt, daß die Hypothese gültig bleibt, wenn man eben j e n e s Prädikat F A L L verwendet. M a n kann einen Schritt weiter gehen und neben donnern, blitzen, ..., dämmern, dunkeln, ... noch folgende Fälle ähnlich einordnen: (167) Im Flur stinkt es. (168) Plötzlich knallte es. (169) Heute Nacht soll es frieren. Das an die Stelle von F A L L tretende Rahmenprädikat m u ß so g e w ä h l t werden, daß es auf "in Erscheinung treten" oder "wahrnehmbar sein" zielt. Zu diesen Verben gibt es einstellige Verwendungsweisen, die allerdings nicht einheitlich sind: (170) Der Zug donnerte über die Brücke. W a h r n e h m u n g s - A n a l o g i e , Kausativierung, Zug als A g e n s ? (171) Der Käse stinkt. G e g e n ü b e r (167) ein kausatives Verb mit w i r k e n d e m A g e n s ? (172) Das Wasser friert. Wasser als T h e m a ? Innerhalb der hier entwickelten Theorie ergeben sich zusätzlich einige weitere Gesichtspunkte zu diesem Problem: Besteht die G r u n d f o r m von regnen aus einer Proposition der Form R A I N (ohne A r g u m e n t ) oder der F o r m F A L L ( . ) , so m u ß diese Proposition als Sememrepräsentation eine E m p h a s e tragen, kann daher nach Bed. 2.2. nicht aktantenfrei sein, falls nicht eine semantische Konstante als A r g u m e n t d a f ü r einspringt und sich in eine phonologische Entität verwandelt. Eine Suspendierung des Verbots aktantenfreier Propositionen mit E m p h a s e in den Fällen, w o bei der betreffenden Proposition (hier: R A I N ) an Aktanten wirklich nichts zu holen ist, befriedigt nicht besonders. Dagegen ist der M e c h a n i s m u s , daß Konstante als A r g u m e n t e verschwinden (und oft in der phonologischen K o m p o n e n t e des Verbs direkt wieder

2.8. Nullstellige Prädikate - ja oder nein?

85

auftauchen) allenthalben zu beobachten, die Majortät der denominalen Ableitungen lebt davon. FALL {Regen) ist somit aus dreierlei Gründen vorzuziehen: 1. Die Ableitung "Regen => regnen" wird adäquat repräsentiert, das Prädikat R A I N fällt (im Gegensatz zu seinem Argument) nicht vom Himmel, das Ableitungsmuster wird als solches ausgewiesen. 2. Es lassen sich einige primitive Prädikate einsparen; denn FALL wird man ohnehin benötigen. 3. Die Tatsache, daß regnen keinen Aktanten hat, ordnet sich nahtlos in allg e m e i n e Z u s a m m e n h ä n g e ein, es liegt nur ein Spezialfall ganz gewöhnlicher Mechanismen vor. Im übrigen ist es nichts Besonderes, daß Propositionen eines ihrer Argum e n t e als Aktanten einbüßen, wenn es sich dabei um eine Konstante handelt. Für das englische Verb butter, das einen in der Literatur i m m e r wieder behandelten Fall repräsentiert, ist dies offensichtlich. So etwa heißt es in DOWTY 1991, S. 550, mit Bezug auf JACKENDOFF 1987 : "... to butter has both a T h e m e and a Goal role, but the T h e m e is 'completely expressed by the verb'." In JACKENDOFF 1991, S. 54 u. 164 werden f ü r to butter, to pocket entsprechende Darstellungen angegeben, die letzlich darauf hinauslaufen, in einer Repräsentation von (173) x "macht" u an/auf/in/... q das A r g u m e n t u von butter als "nonspecific butter" oder den q-Aktanten (bei Jackendoff ein Path) von pocket als "into a pocket" festzulegen, d. h. zu Konstanten zu machen. Dabei werden meiner Meinung nach aber Ursache und Wirkung vertauscht: "... the Path bears no index (= erscheint nicht an der Oberfläche, J.K.) and thus receives its interpretation "into a pocket" entirely f r o m the verb." (man sollte wohl "and thus" durch "because it" ersetzen). Im übrigen kann man natürlich bei butter ein konkurrierendes Argument v aktantifizieren, und zwar über eine ISA(u, v) -Proposition als < T H E M E , ISA> (dt. mit, s. (204) in Kunze 1991a, S. 169): (174)

We buttered the bread with cheap margarine/with soft, creamy unsalted butter. (JACKENDOFF 1991, S. 164) Es ist also wirklich nur das konstante Argument blockiert. Deutsche Parallelfälle zu butter sind pfeffern, salben Andere Belege für diese Erscheinung sind z. B. Verben wie ring, cube ("etwas in Ringe schneiden", "etwas in Würfel schneiden oder pressen"): (175) John ringed the onion. Auch hier sind die N o m i n a pro Verb Konstante, die sich in der Wurzel des Verbs artikulieren (s. LIEB 1992a, wo gerade dieser Fall behandelt wird).

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2. Inhaltliche und formale Grundlagen

Es gibt zahlreiche weitere Fälle, wo Argumente als Aktanten verschwinden, wenn sie zu Konstanten werden, so daß sich die Aktantenzahl um Eins verringert (z. B. / ^ - V e r b e n , bepflanzen funktioniert wie butter). Die Grenze zwischen Eins und Null scheint daher eher ein psycho-theoretisches Problem zu sein; denn was ist der grundsätzliche Unterschied zwischen butter und graupeln!

3. Generierung eines Verbfelds 3.1. Die verwendete Methode Das Prinzip, das im folgenden zur Anwendung kommt, ist das der Strukturierung durch Generierung. Seine Plausibilität dürfte sich angesichts der nachhaltigen Erfolge, die dieser Grundsatz der Linguistik gebracht hat, im Kreis der Leser von selbst verstehen, so daß auf allgemeine Erörterungen darüber verzichtet werden kann. Das Feld, das in den nächsten Abschnitten behandelt wird, ist das der Besitzwechselverben. Diese Angabe ist noch zu allgemein und wird unten präzisiert. Die hier verwendete Variante dieses Prinzips beruht auf einer Kombination der Generierung mit Constraints. Anstatt den Inhalt aller Beschränkungen in die Generierungsregeln zu stecken, wurden einige dabei nicht berücksichtigt. Sie sind somit nachträglich auf die generierten Positionen anzuwenden. Der Terminus "Position", der in 3.2.1. genauer erklärt wird, bezeichnet zunächst ganz formal das, was als Output der Generierungskomponente erscheint. E s ist klar, daß damit schon der inhaltliche Begriff "Verbfeldposition" angepeilt wird. Jedes Constraint ergibt dann einen einzelnen Filter, und diejenigen Positionen, die ihm nicht genügen, bieten Anlaß zu einer Kritik. Diese Vorgehensweise ist im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen die günstigere: Der erste Vorteil entsteht aus der Tatsache, daß bei der Unterbringung aller Constraints in die Generierungsregeln die Frage, w a r u m eine bestimmte (vielleicht doch belegbare) Position nicht generiert worden ist, meist nur indirekt und (teilweise auch) kompliziert beantwortet werden kann. Das isoliert betrachtete (d. h. nicht in die Generierung gesteckte) Constraint, verstanden als Entscheidung über allen generierten Positionen, drückt jeder Position bei negativem Ausgang direkt ein Kainszeichen auf, man weiß dann, worin ihr Makel (neben eventuellen weiteren) besteht. Dies erscheint nun zweitens insbesondere dann angebracht, wenn es von der Sache her "harte" und "weiche" Constraints gibt. Bei den ersten ist es durchaus sinnvoll, sie gleich in Generierungsregeln umzusetzen, bei den zweiten dagegen ergibt sich eine Reihe von subtilen und interessanten Fragen, die man lieber für sich und nicht als irgendwo verstreute Teilaspekte diskutieren möchte. Einige dieser weichen Constraints weisen bestimmte Unsymmetrien auf. Die harten Constraints sind in einem noch erklärten Sinne strikt symmetrisch.

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3. Generierung eines Verbfelds

Drittens wird es auf diese Weise möglich, die quantitativen Auswirkungen der Constraints zu bestimmen. Weiter unten wird sich nämlich herausstellen, daß die Anzahl der Positionen, auf die die Filter der Constraints anzuwenden sind, die Erwartungen etwas übertrifft. Es sind (auch nach einigen naheliegenden Zusammenfassungen) immer noch fast hundert Positionen, die nach der Generierung zur Constraints-Prüfung anstehen (und diese Zahl ist im Vergleich mit anderen Verbfeldern keineswegs rekordverdächtig). Da nichts davon kombinatorischer Schrott ist, möchte man lieber direkt kontrollieren, wie die Aussonderung erfolgt, wenn es um die belegbaren (d. h. die wirklich interessanten) Positionen geht. Die Strategie ist so angelegt, daß zunächst alle Positionen erzeugt werden, die belegbar sein könnten, um dann einzelne zu streichen. Es ist daher sehr sinnvoll und überhaupt nicht hinderlich, mit einer Stufe der Generierung anzufangen, die den Übergang von Grundformen zu Verbfeldpositionen in einer allgemeinen Form vollzieht, und die so entstehende M e n g e als Grundgesamtheit für alle weiteren Schritte zu wählen. Damit werden die Filtereffekte der weichen Constraints unabhängig und "störungsfrei" beobachtbar. W e n n man annimmt, daß die implementierten Regeln und Constraints ihre Berechtigung haben, so wird durch diese Methode auch ein Begriff "mögliches deutsches Besitzwechselverb" definiert. Die Diskussion der weichen Constraints wird den Unterschied zwischen dieser theoretischen Voraussage und der lexikalischen Realität betreffen. Schließlich bleibt noch anzumerken, daß trotz mehrerer Mann/Frau-Monate linguistisch qualifizierter Sucharbeit keine Verben gefunden wurden, die in den Kasusrahmen des behandelten Feldes passen und ein h a r t e s Constraint verletzen. Außerhalb dieses Kasusrahmens gibt es weitere Besitzwechselverben, über die durch die Generierung nichts gesagt wird.

3.2. Das betrachtete Verbfeld 3.2.1. Die Struktur des Feldes Bevor die Generierung des Feldes der Besitzwechselverben im einzelnen behandelt werden kann, sind einige Überlegungen darüber nötig, wie die Struktur eines Verbfelds formal und inhaltlich zu konzipieren ist. Die Ausgangspunkte f ü r die Konstituierung von Verbfeldern sind semantische Grundformen, wie sie in 2.4.1. erklärt worden sind. Diese etwas vage Feststellung ist in zweifacher Hinsicht präzisierungsbedürftig.

3.2. Das betrachtete Verbfeld

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Die erste Frage lautet: Soll pro Verbfeld genau eine Grundform den Aufhänger bilden? Dies ist zu verneinen, und normalerweise werden sogar viele Grundformen ein Verbfeld konstituieren. Zu den beiden Grundformen (1) und (2), die die "geben"-Klasse bzw. die "nehmen"-Klasse erfassen, könnte man sich sehr gut je ein Verbfeld vorstellen. (1) CAUSE (ACT (p) , ET (BEC (HAVE ( q , u) ) , BEC(NOT(HAVE(p,u))))) (2) CAUSE(ACT(q),ET(BEC(HAVE(q,u)), BEC(NOT(HAVE(p,U))))) Das erscheint auf den ersten Blick ganz vernünftig, hat bei näherem Hinsehen aber doch einen starken Defekt: Beide Felder sind entweder nicht disjunkt, wenn man die Verben ohne aktuelle AGENS-Rolle jeweils mit hinzunimmt, oder es bleiben eben diese Verben außerhalb beider Felder, wenn man sich auf "geben" bzw. "nehmen" im engeren Sinne (mit aktueller AGENS-Rolle) beschränkt. Konkret: bekommen ist entweder sowohl ein "geben"-Verb als auch ein "nehmen"-Verb, oder es ist nichts von beiden. Der hier vertretene Ansatz trifft ganz eindeutig eine Entscheidung zugunsten der ersten Möglichkeit, er ebnet die Frage, ob bekommen tatsächlich ein "geben"- und/oder ein "nehmen"Verb ist, vorläufig ein und favorisiert damit die Konstituierung eines umfassenderen Feldes, das mindestens auf (1) und (2) basiert. Dies entspricht auch der in der Literatur allgemein vertretenen Auffassung, daß Teilfelder unterhalb des von (1) und (2) gemeinsam aufgespannten Feldes nur wenig Sinn machen (vgl. etwa W A L L I N 1978, ViF). Somit läßt sich erst einmal festhalten, daß die Besetzung der Argumentstelle von ACT mit einer Variablen in (1,2) nicht eindeutig bestimmt sein muß, sondern innerhalb des Feldes variieren kann. Diese recht einfache Tatsache, verstanden als eine formale Angelegenheit (nämlich die Substituierbarkeit einer Argumentvariablen) ist allerdings die Hefe für weitergehende Überlegungen: Warum ist gerade diese Substitution erlaubt oder sinnvoll, sind es andere nicht auch? Als nächstes klares Stadium derartiger Fragestellungen kann man folgendes formulieren: Man entscheidet sich für das Grundformenschema (3) CAUSE(ACT(1),ET(BEC(HAVE(2,3)), BEC ( N O T ( H A V E ( 4 , 5 ) ) ) ) ) , in dem die Argumentstellen unbesetzt sind. Ein Gebilde wie (3) öffnet dem Spieltrieb Tür und Tor, sich Bedingungen für die Gleichheit oder Verschiedenheit der einzusetzenden Argumentvariablen auszudenken. Da es auf die konkrete Benennung der Variablen nicht ankommt, kann man, von (3) ausgehend, die Grundform (1) durch folgende Bedingungen charakterisieren: (4) 1 = 4 ; 3 = 5 ; 2 9t 4 ; 3 * 2 ; 5 * 4 .

90

3. Generierung eines Verbfelds

Die Grundform (2) ergibt sich aus (3), indem man "1 = 4" durch "1 = 2 " ersetzt und sonst alles unverändert läßt. Die fünf Bedingungen haben einen ganz unterschiedlichen Status: Die beiden letzten folgen aus der Interpretation von HAVE, können folglich (trotz einiger metaphorischer Verbverwendungen, auf die später eingegangen wird) eliminiert werden, sie sind eine implizite Konsequenz des Schemas (3). Etwas anders sieht es mit "3 = 5" aus. Das Schema (3) wird durch diese Bedingung in der Weise eingeschränkt, daß nur von einem "transferierten Objekt" die Rede ist, das den Besitzer wechselt, d. h., daß (3) keinen Tausch oder Verkauf repräsentiert, ihn allerdings auch nicht ausschließt. Die Bedingung "3 = 5" macht (3) somit zu einem Schema für "Besitzwechselverben mit einfachem Transfer". Läßt man in (3) die beiden letzten, als redundant erkannten Bedingungen fort, und setzt man "3 = 5" als Bank, so bleiben die erste und dritte Bedingung als Diskussionsstoff. Da sie genau die als Ausgangspunkt markierte p - q - S u b s t i t u t i o n betreffen, kann man einmal ausprobieren, was geschieht, wenn man beide fallen läßt. Bei geeigneter Bezeichnung ergeben sich dann insgesamt folgende Kombinationen: 1 2 4 ("geben"-Klasse, Besetzung X) (5) p q p ("nehmen"-Klasse, Besetzung Y) (6) q q p r q p ("beschaffen"-Klasse, Besetzung Z) (7) Kombinationen, die "2 = 4" enthalten (Besetzung W) (8) Die noch nicht eingeordneten Fälle (8) erzeugen zunächst ein Problem: Setzt man Variable in (3) ein, so wird das zweite Argument von CAUSE eine Kontradiktion. Somit könnten auch sie als indirekte Konsequenz des Schemas gestrichen werden, und die Kombinatorik der Argumentstellenbesetzung würde sich auf ein gewolltes Maß reduzieren. Dennoch bleibt aus einem Grund, der gleich deutlich wird, auch (8) bestehen. Die oben gestellte Frage ist somit dahingehend zu beantworten, daß nicht eine Grundform, sondern ein Grundformenschema mit unbesetzten Stellen den Ausgangspunkt für die Konstituierung des Verbfeldes bildet. Dieses S c h e m a kann mit Bedingungen für die Besetzung der Argumentstellen versehen sein. In jedem Fall repräsentiert das Schema eine Menge "strukturell verwandter" Grundformen, und sie spannen insgesamt das entsprechende Verbfeld auf. Als Grenzfall kann es natürlich vorkommen, daß das Grundformenschema und die Bedingungen für die Argumentstellenbesetzung überhaupt nur eine G r u n d f o r m zulassen. Im Falle der Besitzwechselverben wird das Feld durch diese Festlegungen um die "beschaffen"-Klasse ergänzt, außerdem steht noch (8) im Raum.

3.2. Das betrachtete Verbfeld

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M a n beachte, daß das Grundformenschema die Invarianz der von den einzelnen Argumentstellen erzeugten möglichen Rollen garantiert! Es stellt somit einen "maximalen Kasusrahmen" bereit, der allen zugehörigen Grundformen g e m e i n s a m ist. Es gilt sogar noch etwas mehr: Die den einzelnen Argumentstellen zugeordneten Rollen bleiben auch bei Reduktionen der z u m Schema gehörigen Sememrepräsentationen unverändert (s. Def. 2.18.). Dies läuft darauf hinaus, daß bei einer Reduktion von Sememrepräsentationen aus d e m zugehörigen Kasusrahmen nur Stellen gestrichen, aber keine verändert werden (s. a. KUNZE 1991a, S. 100). Diese Punkte sind ganz entscheidend für die nächsten Betrachtungen! D a m i t ist eine erste Präzisierung des zu Beginn dieses Abschnitts formulierten Grundsatzes erreicht: Die Keimzelle des Verbfeldes ist ein Grundformenschema mit Bedingungen für die Besetzung der Argumentstellen. Eine weitere Präzisierung betrifft die Frage, wie die so bestimmte Menge von Ausgangsgrundformen in die konkrete Struktur des Verbfeldes überführt wird. Hier sind zwei Mechanismen wirksam. Der eine ist der Ubergang von einer Grundform zu den ihr zugeordneten Sememrepräsentationen. Er besteht in einer Verteilung der semantischen Emphase auf Teilpropositionen der Grundform und in einer Auswahl von aktuellen Rollen aus den möglichen Rollen (s. 2.5.). Jede solche Sememrepräsentation ist ein Kandidat für die Gewinnung von Verbfeldpositionen, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllt. Darauf gehe ich weiter unten ein. Jedenfalls stehen nach dieser Festlegung zunächst diejenigen Sememrepräsentationen zur Verfügung, die sich direkt (d. h. nur durch die beiden eben genannten Operationen) aus einer der Ausgangsgrundformen ergeben. Doch diese Basis ist noch nicht ausreichend, was man den folgenden Betrachtungen entnehmen kann: In dem Satz (9) Gestern hat Anna Migräne bekommen. hat man f ü r bekommen eine Sememrepräsentation anzusetzen, die das Vorhandensein eines SOURCE und eines AGENS ausschließt. Beides würde letztlich mit den Wahrheitsbedingungen kollidieren. Somit sind die Grundformen (1,2) für diese Verwendung von bekommen überfrachtet, die angemessene Sememrepräsentation für (10) q N bekommt u A (entsprechend (9)!) entsteht durch eine Reduktion aus (1,2) und hat die Gestalt (11) BEC (HAVE ( q , u ) ) . Andererseits genügt (3) nicht für die Verwendung von bekommen in d e m Satz (12) Für diesen Krug bekam er von einem Sammler 300 Mark. Jetzt taucht mit Sammler ein SOURCE auf (p in (1,2)), aber außerdem noch ein Argument v (Krug), das in (1,2) überhaupt nicht angelegt ist. Es ist keinesfalls

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3. Generierung eines Verbfelds

eine Angelegenheit des hier verwendeten Formalismus, ob man entweder q , u oder p , q , u oder q , u , v oder p , q , u , v als die zutreffende Argumentkonstellation von bekommen anzusetzen hat (etwa im Sinne der Theta-Markierung), wenn man sich nicht in der Annahme entsprechend vieler Lesarten verlieren will. Der Ausweg muß in einer anderen Richtung liegen: Die Verwendungen von bekommen sind in einer Form zu erfassen, die (11) als invarianten Kern enthält, der um weitere Propositionen erweitert werden kann. Im Sinne der Def. 2.17. sind (1,2) Erweiterungen von (11), und es läßt sich auch zeigen, daß eine Sememrepräsentation, die die Verwendung von bekommen in (12) zutreffend erfaßt, wiederum eine Erweiterung von (1) oder von (2) ist. Mit diesen Gegebenheiten k o m m t man am besten zurecht, wenn man darauf verzichtet, einem Verb wie bekommen, das - jedenfalls als ganz normales Besitzwechselverb - keine Polysemie aufweist, nur eine Sememrepräsentation zuzubilligen, sondern mehrere, die aus einem Kern, nämlich (11), durch Erweiterungen entstehen. Ich gehe hier nicht noch einmal darauf ein, wie diese Erweiterungen zu beschränken sind, damit sie nicht ins Uferlose wuchern, und verweise auf das in 2.6.2. Gesagte. Für das gerade behandelte T h e m a genügt es festzulegen, daß als Erweiterungen von (11) nur diejenigen für das Feld der Besitzwechselverben mit einfachem Tranfer in Betracht kommen, die die durch (3) festgelegte Grenze nicht überschreiten und damit innerhalb des abgesteckten Kasusrahmens bleiben. Dies sind (13-16) ((13) = (11) wird nur der Vollständigkeit halber noch einmal aufgeführt). (13) BEC (HAVE ( q , u ) ) (14) ET 1 (BEC (HAVE ( q , u ) ) , BEC (NOT (HAVE ( p , u ) ) ) ) (15) CAUSE 2 (ACT ( . ) , B E C ( H A V E ( q , u ) ) ) (16) CAUSE 2 (ACT ( . ) ,ET X (BEC (HAVE ( q , u ) ) , BEC(NOT(HAVE(p,u))))) In (15,16) kann das Argument von ACT beliebig besetzt werden (s. (32-35)). Die Verwendung von p entspricht der oben schon angegebenen Vereinbarung. Das Verb bekommen wird somit nur in den Verwendungsweisen berücksichtigt, die einem einfachen Transfer entsprechen, und dieselbe Abgrenzung findet natürlich auch bei anderen Besitzwechselverben statt. Die folgenden Sätze liegen daher "außerhalb" des Feldes für den einfachen Transfer: (17) Ein Sammler gab ihm 300 Mark für diesen Krug. (18) Ein Sammler nahm ihm den Krug für 300 Mark ab. Neben der Tatsache, daß normalerweise mehrere Grundformen ein Verbfeld aufspannen, ist auch ihre Variabilität im Sinne von Erweiterungen bzw. Reduktionen ein Charakteristikum von Verbfeldern. Dies wird sich überdeutlich bei den verba dicendi zeigen.

3.2. Das betrachtete Verbfeld

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D e r n o c h o f f e n e Fall (8) erfordert a u f g r u n d seiner Besonderheit eine g e n a u e r e B e h a n d l u n g . Geht man von (3) aus und verabredet m a n , d a ß die L e x e m e d e r " n e h m e n " - K l a s s e durch " 1 = 2" charakterisiert sind, so w i r d , falls man zusätzlich die A r g u m e n t v o r k o m m e n 2 und 4 identifiziert, das "nehmen" ein "sich selber etwas w e g n e h m e n " . D a das zweite A r g u m e n t von CAUSE in eine K o n t r a d i k t i o n übergeht, m u ß eines der beiden K o n j u n k t e in ET fallen. D a m i t die g e r a d e v o r g e n o m m e n e Identifizierung nicht gleich wieder wirkungslos wird, k a n n dies nur das erste sein. M a n erhält also (19) CAUSE (ACT ( q ) , BEC (NOT ( HAVE ( p , u ) ) ) ) mit r e f ( p ) = r e f (q) . Die B e d e u t u n g des L e x e m s hängt nun aber nicht von der B e n e n n u n g der A r g u m e n t e ab, d. h., (19) paßt zur G r u n d f o r m der "geben"-Klasse (AGENS und SOURCE identisch). Folglich wird (20) Er nahm sich das Leben!/die Chance//... als ein " w e g g e b e n " verstanden. Völlig analog behandelt man (21) Der Herr Aufsichtsratsvorsitzende und seine Frau Gemahlin geben sich die Ehre in W i r k l i c h k e i t n e h m e n sie die Ehre. A n a l o g ist es bei (22) Ich gebe mir die Kugel. D i e bisher vorgetragenen Überlegungen zur Konstituierung des V e r b f e l d s lassen sich so z u s a m m e n f a s s e n : A u s g a n g s p u n k t ist ein G r u n d f o r m e n s c h e m a mit o f f e n e n Stellen f ü r elementare A r g u m e n t e nach d e m Vorbild von (3). Zu e i n e m solchen S c h e m a gelten aus ihm ableitbare B e d i n g u n g e n d a f ü r , daß g e w i s s e Argumentstellen nicht von gleichen A r g u m e n t e n e i n g e n o m m e n w e r d e n d ü r f e n und daher mit verschiedenen V a r i a b l e n zu besetzen sind. Sie ergeben sich aus den Prädikaten ( " 3 * 2 " und "5 * 4 " in (4)) oder aus d e m S c h e m a insgesamt ("2 * 4 " ) in (4)). Solche B e d i n g u n g e n m u ß man e n t w e d e r respektieren, oder man m u ß geeignete V o r k e h r u n g e n treffen, wie man mit ihrer Verletzung u m g e h t . Dies ist eben f ü r "2 ^ 4 " gezeigt worden. Aber auch f ü r die notwendig e r s c h e i n e n d e Verschiedenheit der beiden A r g u m e n t e von HAVE ist keine absolute Garantie g e g e b e n . W i e soll man sonst Sätze der Art (23) Sie gab sich ihm hin. (24) Er verkauft sich teuer. e i n o r d n e n , die alle implizieren, daß man sich selbst besitzen kann. Derartige "Irregularitäten" finden sich natürlich allenthalben. D a s Stichwort "metaphorisch" hilft f ü r unsere Betrachtungen nur weiter, w e n n man es auf e i n e logischs e m a n t i s c h e E b e n e projizieren kann. Jedenfalls müssen derartige Grenzfälle passend e i n g e o r d n e t werden. Erst dann kann man darüber b e f i n d e n , w e l c h e

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3. Generierung eines Verbfelds

Bedingungen man für die Gleichheit oder Ungleichheit der Variablen auf den einzelnen Stellen des Schemas freigibt. Dies führte bei dem Schema (3) auf drei plausible und unproblematische Fälle, außerdem noch auf die in (8) versteckten Fälle, die eine besondere Reparatur (mit einem überraschend gut belegbaren Ergebnis) erforderten. Die dabei vorgenommene Reduktion der Grundform liegt auf einer allgemeinen Linie: Neben den Sememrepräsentationen, die sich aus dem Schema durch erlaubte Besetzung der Argumentstellen, Emphaseverteilung und Rollenauswahl ergeben, sind auch weitere Sememrepräsentationen zugelassen, die durch eine Reduktion aus den zuerst genannten entstehen (die Beschränkungen für die Reduktionen enthält das Constraint C6.). Dies ist der Bestand an Sememrepräsentationen für das Verbfeld. Damit ist auch klar, daß die abgesteckten Markierungen einen äußeren Rahmen darstellen: Ein Verblexem kommt genau dann in das Verbfeld, wenn es in einer bestimmten Verwendungsweise eine Position dieses Feldes belegt. Verwendungsweisen, die nicht mit Positionen des Feldes korrespondieren, bleiben unberücksichtigt, und es ist auch ganz gleichgültig, ob es sich um natürliche Ausdehnungen verbfeldinterner Verwendungsweisen (wie bei (12)), um eine Polysemie oder um eine handfeste Homonymie handelt. Hinsichtlich der Bereitstellung der Gesamtmenge an Sememrepräsentationen wird bei der Generierung so vorgegangen, daß zuerst die aus dem Schema direkt (d. h. ohne Reduktion) hervorgehenden Sememrepräsentationen generiert werden und danach die Reduktionen berücksichtigt werden. Auf diese Weise kann der Zusammenhang zwischen Emphase und Erweiterung bzw. Reduktion unmittelbar gewahrt bleiben (s. Def. 2.17. und 2.18 sowie Constraint C6.). Die so umrissene Auffassung von Verbfeldern ist durch den Bezug auf ein Grundformenschema direkt an einen Kasusrahmen gebunden. Dies bedeutet im behandelten Fall, daß - wie schon am Ende von 3.1. vermerkt - nicht alle Verben, die einen einfachen Transfer ausdrücken, in das von dem Schema (3) aufgespannte Verbfeld gehören: Gewisse Ableitungen, Funktionsverbgefüge, Paralexeme usw. fallen heraus, wenn sie nicht in den vorgegebenen Kasusrahmen passen. Daher ist das behandelte Feld nicht dasjenige aller entsprechenden Besitzwechselverben schlechthin, bestimmte Verben wie etwa beschenken, bestehlen finden ihren Platz in anderen Strukturen, ebenso z. B. etwas gelangt in den Besitz von jemanden (Anm. 3.1.). Die so entstehenden Zusammenhänge sind aber keineswegs unsystematisch, und in KUNZE 1991a ist gezeigt worden, daß alle deverbativen he-Ableitungen auf einer einheitlichen Operation beruhen. Die Verhältnisse lassen sich so darstellen, daß bestimmte Ableitungsmuster die "kasusrahmenbasierten" Felder durch Bereitstellung einer weiteren Dimension ergänzen, sofern sich die Ausgangsform der Ableitung in ihnen befindet. Dies

3.2. Das betrachtete Verbfeld

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betrifft f ü r die Besitzwechselverben das Verhältnis, wie es zwischen verschenken und.beschenken besteht. Solange man diese Zusammenhänge exakt erfassen kann, bleibt die Struktur des vergrößerten Feldes explizit, und man kann die Relation der neu hinzukommenden Positionen zu bereits vorhandenen angeben. Def. 3.1. (Position eines Verbfelds, formale Darstellung und Inhalt): Es sei G ° ein Grundformenschema von der Art wie (3), zu d e m geeignete Bedingungen für die Gleichheit/Ungleichheit der Besetzung der Argumentstellen gegeben seien. Die n Argumentstellen in G° werden in bestimmter Weise abgezählt, und den Stellen seien in Abhängigkeit von den genannten Bedingungen Variable zugeordnet (nach d e m Vorbild von ( 5 - 8 ) ) . Eine Position kann dann formal durch ein n-Tupel dargestellt werden, in dem aufgrund dieser Zuordnungen jeder Argumentstelle entweder eine Variable oder das Zeichen " " (Argumentstelle nicht besetzt) zugeordnet ist. Für die besetzten, nicht blockierten Stellen sind außerdem (pro Tupel!) eindeutige morpho-syntaktische Merkmale definiert. Besetzte, aber blockierte Argumentstellen haben "0" hinter der Variablen. Die Position enthalte ferner Informationen hinsichtlich der Eigenschaft der besetzten Stellen (= Aktanten), eine E m p h a s e zu tragen, was durch "+" bzw. " - " vor der Variablen ausgedrückt wird. Neben diesen Informationen gehört zu jeder Position mindestens eine prototypische Bedeutungsbeschreibung, die sich aus der Instantiierung der Grundform unter Einschluß eventueller a - und x-BIockierungen ergibt. Die hier erklärten Bezeichnungen setzen eine geeignete konstante Struktur wie das S c h e m a (3) ausdrücklich voraus. Für die Maßverben kann man diese Art der Darstellung von Feldpositionen in gleicher Weise verwenden, wegen der geringen Variationsmöglichkeiten lohnt sich dies aber nicht. Bei den verba dicendi stößt der Bezug auf derartige Schemata wegen der mannigfachen Erweiterungsmöglichkeiten auf Hindernisse bei einer komprimierten Darstellung. Darauf gehe ich an der entsprechenden Stelle ein. Eine Position im eben erklärten Sinne enthält somit zunächst ein Oberflächenmuster im Sinne von K U N Z E 1991a, etwa S. 133ff., hier erklärt in 2 . 7 . 3 . ) . Die Positionen geben zusätzlich die Zuordnung der Aktanten zu ihren rollendefinierenden Stellen an (dies beinhalten die Muster nicht!). Zur Illustration dienen zwei Beispiele, die jeweils das Tupel und das Muster enthalten (s. (3)): (25) 1 2 3 4 5 - p -.von -q:an -u:0 +p:0 +u:Nom Passiv von verschenken: uN V von p an q (26) 1 2 3 4 5 +q:Nom +u:Akk bekommen, entsprechend (9): q N V uA

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3. Generierung eines Verbfelds

Aus dem Tupel ergibt sich eindeutig das Muster, das Umgekehrte gilt nicht, wie gleich gezeigt wird. Außerdem ist das Tupel (und nicht das Muster) der Anknüpfungspunkt für die prototypische Bedeutungsbeschreibung; denn dafür werden die aktuellen Rollen der Argumente benötigt, die morpho-syntaktischen Merkmale allein genügen nicht. Auf die Angabe, ob die Aktanten obligatorisch oder fakultativ sind und wie die Aktantenkombinationen aus den Sememrepräsentationen entstehen, wird hier verzichtet, die entsprechenden Details sind in 2.7.2. dargestellt. Im vorliegenden Feld tragen alle obligatorischen Aktanten eine Emphase. Hinsichtlich der Zuordnung von " " sowie von "+" bzw. " - " ist zu beachten, daß diese Zeichen teilpropositionsweise gleich sind, d. h. in den Positionen 2 und 3 sowie 4 und 5 übereinstimmen. Es sei noch vermerkt, daß ein strikter Unterschied besteht zwischen fakultativen Aktanten und nicht vorhandenen Argumentstellen. Die Position (26) gestattet folglich keinen fakultativen SOURCE-Aktanten, der aus p hervorgeht. Das Verb bekommen belegt neben (26) natürlich auch noch weitere Positionen (z. B. [89] bei (186)), bei denen dann ein fakultativer Aktant "von p " anschließbar ist. Das Generierungsprogramm ist so angelegt, daß alle diese Möglichkeiten gesondert erscheinen, es wird die maximale Differenzierung in den Positionen erreicht. Dies ist überhaupt kein Luxus, da die Verben für diese Unterschiede sensibel sind, einige Fälle dieser Art werden diskutiert. Die Generierung erzeugt außerdem eine maximale Differenzierung der Positionen bezüglich des Unterschieds, der z. B. zwischen (26) und derjenigen Position besteht, bei der die Stellen 4 bzw. 5 mit " - p : 0" b z w . " - u : 0" belegt sind. Auch für diese Differenz (nicht vorhandene Teilproposition vs. vorhandene, aber aktantenfreie Teilproposition) gibt es tatsächlich einige Evidenzen, was auch eine Art Ergebnis ist. Da die durchgehende Trennung beider Fälle jedoch dem Gebot der Papiereinsparung widerspricht (es treten multiplikative Effekte auf!), bleibt es bei der Gleichbehandlung eliminierter und aktantenfreier Teilpropositionen, auf einige besondere Fälle wird speziell eingegangen. Im Anhang zu Kap. 3. sind alle generierten Positionen durch ihren jeweiligen Repräsentanten aufgeführt. Dies ist die Position mit dem Maximum von " ". Beispiele im Anhang erklären dies und zeigen, daß ein Repräsentant entweder nur für sich selber oder für genau zwei oder für genau vier oder für genau acht Positionen steht, die im eben erklärten Sinne zusammengefaßt werden (weiteres dazu bei (32-35)). Als Vermittlungsinstanzen zwischen den Grundformen und den Positionen treten die Sememrepräsentationen auf. Dabei gelten folgende Aussagen:

3.2. D a s betrachtete Verbfeld

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- Ein und dieselbe Sememrepräsentation kann zu mehreren (hier: höchstens drei) Positionen führen, die sich in den morpho-syntaktischen Merkmalen unterscheiden (Beispiel s. u.). - Betrachtet man nur die Variablen, nicht jedoch ihre Rollen oder Stellen, so können unterschiedliche Sememrepräsentationen auf die gleichen Oberflächenmuster führen. Bei den Positionen (anstelle der Muster) tritt dies niemals ein, die Stellenzuordnung macht die Beziehung zwischen Position und Sememrepräsentation eindeutig, solange es nur um die Emphaseverteilung und die aktuellen Rollen geht. Zwei Oberflächenmuster zur gleichen Sememrepräsentation sind etwa diese beiden: (27) q N nahm pD uA weg (Er nahm ihnen ihr Geld weg.) (28) q N beraubte pA ui; {Er beraubte sie ihres Geldes.) Da die Sememrepräsentationen (und nicht die Positionen, die ja nur ihre morpho-syntaktischen Realisierungen sind) unmittelbar mit der prototypischen Bedeutung zusammenhängen, müssen (27) und (28) "prototypisch synonym" sein, was wohl plausibel ist. Ein Beispiel dafür, daß verschiedene Positionen zu gleichen Mustern führen können, ist (29) % V uA von p Dieses Oberflächenmuster entspricht zwei unterschiedlichen Positionen, nämlich (30) q N bekommt uA von p ( q : GOAL, aktuelle Rolle aus der Argumentstelle 2) (31) q N nimmt uA von p an ( q : AGENS, aktuelle Rolle aus der Argumentstelle 1) p hat in beiden Fällen die aktuelle Rolle SOURCE, und bei diesen Positionen fallen die prototypischen Bedeutungsbeschreibungen natürlich verschieden aus. An dem Verb bekommen kann nun noch ein weiterer Aspekt erörtert werden, der mit den Positionen zusammenhängt. Neben (13) sind auch (14-16) Grundformen (bei denen die Emphaseverteilung bereits geregelt ist), die für dieses Verb zutreffen. Man sieht zunächst, daß das Verhältnis zwischen (13) und (14) das gleiche ist wie zwischen (15) und (16): Es wird diejenige Proposition eingefügt, die eine SOURCE-Rolle (für p ) liefert. Diese Rolle ergibt dann den fakultativen Aktanten "von p". Wie oben schon dargelegt, gibt es Verwendungsweisen von bekommen, die auf der Ebene der Wahrheitsbedingungen (und damit auch auf der Ebene der Aktanten) ein SOURCE ausschließen und andere, die mit der Existenz eines SOURCE verträglich sind. Somit ist die betrachtete Erweiterung nicht redundant, sondern sogar notwendig, und man muß die

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3. G e n e r i e r u n g eines V e r b f e l d s

Positionen ( w e g e n der W a h r h e i t s b e d i n g u n g e n und prototypischen B e d e u t u n g e n ) unterscheiden. A u ß e r d e m ist das Verhältnis zwischen (13) und (15) das gleiche w i e zwischen (14) und (16): Es wird die ACT-Proposition e i n g e f ü g t . Im G e g e n s a t z z u m eben behandelten Fall f ü h r t dies nicht (jedenfalls nicht unmittelbar) zu e i n e m neuen Aktanten. D a r ü b e r hinaus bleibt offen, w e l c h e Variable ( p , q o d e r r ) man in die A r g u m e n t s t e l l e einsetzen soll. Dies sieht nach f o r m a l e r R e d u n d a n z aus. Andererseits k a n n man wohl keine der insgesamt vier M ö g l i c h k e i t e n ausschließen: Es gibt j e w e i l s Situationen, f ü r die m a n das V e r b bekommen z u t r e f f e n d v e r w e n d e n kann und w o (Angabe in K l a m m e r n : E i n t r a g u n g unter 1 in (26)) - kein AGENS existiert: ( ) (32) Anna hat gestern Migräne bekommen. oder ein AGENS existiert, das - mit d e m SOURCE identisch sein kann: ( - p : 0) (33) Anna bekam auf ihrem Geburtstag von Karl eine Vase. - mit d e m GOAL identisch sein kann: ( - q : 0) (34) Karl hat nach vielen Laufereien das Ersatzteil gestern endlich bekommen. - ein weiteres A r g u m e n t ist: ( - r : 0) (35) Anna hat gestern (durch die Post) vom Institut ihre Kündigung bekommen. Der Aktant durch die Post läßt sich komplikationslos als A r g u m e n t r in (7) einordnen, seine F o r m entspricht der Regel (49). D i e s e vier Sätze zeigen, d a ß die v o r g e n o m m e n e Z u s a m m e n f a s s u n g und G l e i c h b e h a n d l u n g von Positionen eigentlich schon eine V e r g r ö b e r u n g der tatsächlichen G e g e b e n h e i t e n ist, so d a ß ein A r g w o h n , d a m i t w ü r d e n nur O v e r g e n e r a t i o n - E f f e k t e versteckt, unberechtigt ist: D i e s e vier M ö g l i c h k e i t e n sind nicht in j e d e r Hinsicht äquivalent, durch d i e Z u s a m m e n f a s s u n g werden eher (z. T. subtile) D i f f e r e n z i e r u n g e n nivelliert. Bei der Diskussion der einzelnen Positionen werden sich solche Fragen i m m e r w i e d e r ergeben. D i e Struktur des V e r b f e l d s ist außerdem durch b e s t i m m t e Relationen zwischen Positionen determiniert. Es wäre allerdings zu viel verlangt, d a ß zwischen j e zwei beliebigen Positionen eine dieser Relationen bestehen soll. D a g e g e n wird m a n sinnvollerweise postulieren k ö n n e n , daß die Struktur d e s V e r b f e l d s z u s a m m e n h ä n g e n d ist, d. h., von j e d e r Postition k o m m t man zu j e d e r anderen, indem m a n p a s s e n d e Relationen über p a s s e n d e Z w i s c h e n p o s i t i o n e n anwendet. Auf einige der im Feld der Besitzwechselverben vorliegenden Relationen wird bei der Diskussion der Beispiele e i n g e g a n g e n (eine detaillierte

3.2. Das betrachtete Verbfeld

99

Beschreibung liegt in KUNZE 1991b, S. 85ff. vor). Die Relationen ergeben sich aus Argumentsubstitutionen und Emphaseveränderungen.

3.2.2. Die "harten" Constraints Dieser Abschnitt enthält diejenigen Constraints, die bei der automatischen Generierung berücksichtigt sind. Sie sind mit C l . , C2., ... bezeichnet und werden im einzelnen erläutert. Def. 3.2. (Constraints für den Übergang vom Grundformenschema zu den Sememrepräsentationen): Die formalen Operationen, die vom Grundformenschema (3) zu den Sememrepräsentationen führen, sind insgesamt folgende: (a) Besetzung der Argumentstellen mit Variablen Dieser Schritt macht aus dem Schema (3) Grundformen. (b) Verteilung von Emphasen auf Teilpropositionen (c) Auswahl von aktuellen Rollen Diese beiden Schritte führen auf die Ebene der Sememrepräsentationen. (d) Reduktion von Sememrepräsentationen Der Schritt (d) führt nicht aus dieser Ebene heraus. Die Constraints geben an, in welcher Weise die rein kombinatorische Ausführung dieser Operationen, die eine immense Anzahl von Möglichkeiten erzeugen würde, reduziert wird. zu (a): Diese Operation wird eingeschränkt durch (s. a. Anm. 3.6.): Cl.: Für die Besetzung der fünf Argumentstellen von (3) sind genau die mit W, X, Y und Z in (5-8) bezeichneten Möglichkeiten zugelassen. Hierbei handelt es sich um eine Normierung, die gleichzeitig festlegt, daß nur ein transferiertes Objekt vorkommt. Damit werden kaufen, ... , tauschen, ... aus dem Feld ausgeschlossen, und Verben, die in ihrer Bedeutung über den einfachen Transfer hinausgehen, werden daher auch nicht als Belege angeführt, zu (b): Das einschlägige Constraint C2. bewirkt, daß bei den (vollen) Grundformen genau die folgenden vier Fälle zugelassen sind (s. KUNZE 1991b, S. 80): CAUSE(ACT(.),ET(BEC(HAVE(.)),BEC(NOT(HAVE(.))))) (36) +E +E -E (37) +E -E +E (38) -E +E -E (39) -E -E +E C2.: Genau eines der Argumente von ET trägt eine Emphase. Die ACTProposition kann eine Emphase tragen.

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3. Generierung eines Verbfelds

zu (c): Die insgesamt drei Constraints sind etwas komplizierter, sie betreffen die Zusammenhänge zwischen aktuellen/blockierten Rollen und der Emphase. C3.: In einer (Teil-)Proposition mit Emphase ergibt wenigstens eine Argumentstelle eine aktuelle (d. h. nicht blockierte) Rolle. Das Constraint C3. ist das Prinzip der "Vermeidung leerer Emphasen", d. h., es gibt keine aktantenfreien Teilpropositionen mit Emphase (Bed. A. in K U N Z E 1991a, S. 104, hier als Bed. 2.1. in 2.5.6. formuliert, der Zusatz über die Konstanten entfällt für die Besitzwechselverben, so daß Bed. 2.1. sogar in der stärkeren Form gilt). C4.: Das Argument u wird entweder nicht oder (in der aufgrund von C2. existierenden Teilproposition) mit Emphase aktantifiziert, d. h., wird u aktantifiziert, so mit Emphase. Dies ist der Zuschnitt der Bedingungen C. und E. in K U N Z E 1991a, S. 104f„ hier als Bed. 2.2. in 2.5.6. formuliert, auf die Besitzwechselverben mit nur einem transferierten Objekt (Anm. 3.6.). C5.: Liegt eine Doppelaktantifizierung vor, so muß die ACT-Proposition eine Emphase tragen. Dieses Constraint unterbindet die Bildung des Passivs bei Verben wie den folgenden: (40) Ich eignete mir das Geld an. (41) *Das Geld wurde mir von mir angeeignet. Man beachte, daß die Argumente p , q und r ansonsten völlig beliebig aktantifiziert werden können, d. h. in beliebiger (auch leerer) Kombination der jeweils verfügbaren Rollen. Dies ermöglicht überhaupt erst die Doppelaktantifizierung von p oder q, falls diese Variablen in der Argumentstelle 1 auftreten. Bei der Behandlung der Teilfelder erweist es sich als ein Diskussionspunkt, C5. von einem "Passivverbot" für Verben mit einer Doppelaktantifizierung des AGENS-Arguments zu einem Verbot für Aktantifizierungen ohne Emphase bei Argumenten mit Doppelaktantifizierung zu erweitern, dies natürlich vorerst für das betrachtete Feld. C5. würde dann übergehen in C5!: Bei Doppelaktantifizierungen müssen beide Aktanten eine Emphase tragen. Es gibt unter den Positionen nämlich sonst zwei, wo die "reale Bedeutung" mit der prototypischen Bedeutung kollidiert. zu (d): Das entsprechende Constraint sichert, daß bei den Reduktionen nicht beide Besitzwechsel-Teilpropositionen geopfert werden (s. Def. 2.18.). C6.: Bei den Reduktionen kommen für den Wegfall nur Teilpropositionen ohne Emphase in Frage. Diese Bedingung ist wieder ganz allgemeiner Natur (s. KUNZE 1991a, S. 97ff.).

3.2. Das betrachtete Verbfeld

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Die Bedingungen C l . bis C6. erlauben es, genau 80 Sememrepräsentationen aus dem Grundformenschema (3) abzuleiten, wenn man schon bestimmte Zusammenfassungen vornimmt. Die Constraints C l . bis C6. stellen "Axiome" über diese Menge dar, aus denen sich - wie hier nicht weiter dargelegt wird folgende "Theoreme" herleiten, die so zu Hypothesen über deutsche Besitzwechselverben (aus diesem Feld) werden. Zunächst folgt, daß jedes Verb mindestens einen eigentlichen (d. h. einen direkt auf ein Argument zurückgehenden) Aktanten und höchstens vier Aktanten hat, und mindestens ein Aktant ist obligatorisch (Anm. 3.2.). Man beachte, daß Passivformen generell nicht als "Derivate" von Aktivformen erscheinen! Höchstens p oder q können eine doppelte Aktantifizierung aufweisen, dies aber höchstens in folgenden zwei Kombinationen: - beide Male mit Emphase: (42) Ich eignete mir das Geld an. (43) Ich bemächtigte mich des Geldes. - das eine Mal mit Emphase und das andere Mal ohne Emphase (nach C5. muß die AGENS-Rolle dann eine Emphase tragen): (44) Ich nehme etwas an mich. (vgl. dazu (115,151), dies ist genau der bei C5. erwähnte kritische Fall!) Daneben ist eine andere Aussage viel wesentlicher: Das Grundformenschema ist zu sich selbst dual, die Constraints sind es ebenfalls. Daraus folgt, daß die Menge der generierten Sememrepräsentationen ebenfalls dual strukturiert ist. Def. 3.3. (Constraints für den Übergang von den Sememrepräsentationen zu den Verbfeldpositionen): Aus den Sememrepräsentationen, die sich aufgrund von Def. 3.2. ergeben, sollen die zugehörigen Positionen durch folgende Regeln für die morphosyntaktischen Merkmale der Aktanten entstehen: C7.: Für die einzelnen Rollen sind die genannten morpho-syntaktischen Merkmale möglich (die Ziffer gibt die Nummer der Argumentstelle an): (45) = 2 (46) = 4 +E: N o m , Dat, A k k +E: N o m , D a t , A k k - E : VO«+Dat -E: an+Akk (47) < T O - O B J , HAVE> = 3 (48) = 5 +E: N o m , Gen, A k k +E: N o m , G e n , A k k -E: gegen+Akk -E: für+Akk (49) = 1 +E: N o m - E : von+Dat, durch+Äkk

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3. Generierung eines Verbfelds

Die beiden Zeilen mit " - E : " in (47,48) werden wegen C4. für das betrachtete Feld nicht benötigt und sind nur der Vollständigkeit halber angegeben. Man beachte, daß diese Zuordnungen ebenfalls strikt dual sind. Sie entstehen "empirisch" dadurch, daß es ein Verb in dem Feld gibt, das mit passendem genus verbi die entsprechende Rolle so aktantifiziert. Das Verb nehmen im Aktiv rechtfertigt somit Nom bei (49), Dat bei (46) und Akk bei (48). Warum dabei alle drei Kasus in der Rubrik "+E" einzutragen sind, wird hier nicht noch einmal begründet (s. 2.5.5.). Die Kasusrelation kann unter besonderen Bedingungen auch durch bei+ Dat aktantifiziert werden (vgl. (138) in 3.4.4. sowie "Regelnivellierung" und (134,135) in 2.7.1.). Bei der Zuweisung der morpho-syntaktischen Merkmale müssen der freien Kombinatorik einige Zügel angelegt werden. Es sollen für das Feld folgende Nebenbedingungen gelten, die die "harten" morpho-syntaktischen Constraints für die Aktanten ausmachen: C8.: Jeder reine Kasus wird höchstens einmal vergeben. C9.: Nom wird mindestens einmal vergeben. CIO.: Bei der Vergabe in (45,46) hat Akk die Präferenz gegenüber Dat, d. h., es muß Akk vergeben werden, falls dies möglich ist. C l l . : Wird Nom durch (47,48) vergeben, so wird Akk nicht vergeben (dies wäre ohnehin nur bei (45,46) möglich). Wird Gen durch (47,48) vergeben, so wird Nom oder Akk durch (45,46) vergeben (s. Anm. 3.11.). C12.: Die folgenden beiden Fälle treten immer gleichzeitig ein: (A) Es ist möglich, Gen nach (47-48) und Akk bzw. Nom nach (45-46) zu vergeben. (B) Es ist möglich, Akk bzw. Nom nach (47-48) und Dat nach (45-46) zu vergeben. Dieses letzte Constraint behauptet eine "Regularität", die besagt, daß immer dann, wenn in diesem Feld ein Verb existiert, das z. B. ein Dativ- und ein Akkusativobjekt erlaubt, es auch eines zu der gleichen(!) Sememrepräsentation (d. h. mit gleicher prototypischer Bedeutung) gibt, das die entsprechenden Argumente als Akkusativ- und Genitivobjekt aktantifiziert, und umgekehrt. Dies hat man etwa bei (42,43) (Anm. 3.3.). Es wird sich zeigen, daß die behauptete Regularität nur für das "geben"-, das "nehmen"- und das "loswerden"-"erhalten"-Teilfeld gilt, die beiden anderen weisen offensichtlich keine Genitivobjekte auf, und zwar ganz generell. Auch dieser Sachverhalt ist wieder eine Dualität. Das Fehlen von Genitivobjekten in den beiden Teilfeldern kann man als ein weiches Constraint für die generierten Positionen ansehen.

3.3. Zur Implementierung

103

Man beachte, daß das Begriffspaar "obligatorisch/fakultativ" hier nicht auftritt und daß stets nur von den maximalen Oberflächenmustern der Verben die Rede ist, soweit sie im gegebenen Kasusrahmen liegen. Ferner sind die Regeln nicht nur für die Generierung von Aktivmustern anzuwenden, das werden- und das bekommen-Passiv entstehen im Gesamtprozeß direkt und ohne die "Zwischenstation" Aktiv-Muster. Wie sich zeigen wird, gestatten die Constraints für die morpho-syntaktischen Merkmale pro Sememrepräsentation mindestens ein, jedoch höchstens drei Oberflächenmuster. Sie sind somit über der Menge der generierten Sememrepräsentationen stets erfüllbar, was nicht selbsverständlich ist und daher wenigstens festgehalten zu werden verdient. Außerdem sind auch C7. bis C12. strikt dual. Damit läßt sich schon an dieser Stelle, d. h., bevor das Ergebnis der Generierung vorliegt, die strikte Dualität des Resultats prophezeien. Offen bleibt zunächst, ob der tatsächliche Bestand an Verben sich danach richtet.

3.3. Zur Implementierung Die vorangehenden Abschnitte des Kapitels enthalten eine ausführliche Beschreibung der linguistischen Information, die erforderlich ist, u m die Positionen eines Verbfelds zu generieren. Nun soll gezeigt werden, wie ausgehend von den dort genannten Prinzipien ein Verbfeld sogar automatisch generiert werden kann. Der Modellierung und Implementierung liegt ein bestimmter Attribut-Term-Formalismus zugrunde: Das von Michael Könyves-Töth und Martin Böttcher im Rahmen des Textanalyseprojekts K O N T E X T entwickelte Context Feature Structure System C F S (s. BÖTTCHER 1 9 9 3 , BÖTTCHER/KÖNYVES-TÖTH

1992).

Attribut-Term-Formalismen sind seit KAY 1979 und KAPLAN/BRESNAN 1982 in der Computerlinguistik bekannt und mittlerweile unter verschiedenen Namen, wie f-Strukturen, Attribut-Wert-Paar-Formalismen, Graph-Unifikation oder Feature Structures weit verbreitet. Sie stehen in der Tradition framebasierter Ansätze der Wissensrepräsentation. Aus der Sicht der Informatik basieren sie auf der Idee der attribuierten Grammatiken, die im Gebiet des Compilerbaus verwendet werden. Mit der Verwendung eines Attribut-Term-Formalismus wird gleichzeitig demonstriert, wie die Prinzipien der Theorie der Semantischen Emphase modelliert werden können, um sie in unifikationsbasierte Grammatiken, wie D U G , LFG oder HPSG zu integrieren.

104

3. Generierung eines Verbfelds

3.3.1. C o n t e x t Feature Structure S y s t e m (CFS) Das System und seine Ausdrucksmittel werden hier nur so weit vorgestellt, wie es f ü r das Verständnis des Algorithmus zur Verbfeldgenerierung nötig ist.

3.3.1.1. Attribut-Wert-Paare Das grundlegende Ausdrucksmittel sind Attribut-Wert-Paare. Ein Wert ist entweder atomar oder komplex. Atomare Werte sind nicht weiter strukturiert. Ein komplexer Wert besteht aus mindestens einem Attribut-Wert-Paar. Treten komplexe Werte auf, so entstehen geschachtelte Feature Structures, deren Atome über Sequenzen von Attributen, über Pfade, erreichbar sind. Das Beispiel (50) zeigt eine komplexe Feature Structure, die den Namen f s l hat. Sie enthält auf der äußersten Ebene drei Attribute. Dem Attribut lexem ist ein atomarer Wert zugeordnet, die Werte der Attribute categ und s u b j e sind jeweils komplex. Eine von spitzen Klammern umgebene Sequenz von Attributen ist eine Pfadangabe. Das erste Attribut einer Pfadangabe befindet sich stets auf der äußersten Ebene der Feature Structure und markiert den "Einstiegspunkt". Der angegebene Pfad führt zu einem Wert. In der Struktur fsl werden die P f a d e

und anstelle einer direkten Wertzuordnung verwendet. Dadurch wird erzwungen, daß Verb und Subjekt hinsichtlich Numerus und Person übereinstimmen.

3.3.1.2. Verknüpfungen Die aus der Logik bekannten Operatoren "und" und (inklusives) "oder" werden mit Hilfe von Klammern spezifiziert. Eckige Klammern umschließen konjunktiv verknüpfte Teilstrukturen, während geschweifte Klammern die disjunktive Verknüpfung der geklammerten Teilstrukturen ausdrücken . Ordnet man einem Attribut als Wert die Konjunktion mehrerer AttributWert-Paare zu, so beschreibt man, daß der Wert eine Menge von (komplexen)

Werten ist (vgl. und in fsl). Die Attribut-WertPaare, die eine Konjunktion bilden, müssen kompatibel sein. Sind f ü r ein Attribut verschiedene Werte erlaubt, so schließt man diese Werte in geschweifte Klammern ein, d. h., man verknüpft sie disjunktiv. Dadurch drückt man aus,

3.3. Zur Implementierung

105

daß der Wert des Attributs keineswegs beliebig, sondern Element einer Menge von bestimmten Werten ist. Die wesentliche Operation, die Attribut-Term-Formalismen zur Verfügung stellen, ist die Unifikation. Die Unifikation zweier gültiger Feature Structures ist der Versuch, sie durch konjunktive Verknüpfung zu einer Ergebnisstruktur zusammenzufassen. Glückt die Unifikation, so ist das Ergebnis wiederum eine gültige Feature Structure. Schlägt sie jedoch fehl, so ergibt sich keine (gültige) Feature Structure. Eine (komplexe) Feature Structure ist nur dann gültig, wenn alle in ihr enthaltenen konjunktiv oder disjunktiv verknüpften Attribut-Wert-Paare, d. h. insbesondere alle atomaren Werte gültig sind. Eine Konjunktion ist nur dann gültig, wenn jedes einzelne Konjunkt gültig und die Menge der Konjunkte kompatibel ist. Insbesondere ergibt die konjunktive Verknüpfung zweier Disjunktionen D l und D2 nur dann eine gültige Struktur, wenn es mindestens zwei Disjunkte (je eine aus D l und D2) gibt, deren Konjunktion gültig ist. Im trivialen Fall der Unifikation zweier Feature Structures enthalten diese auf der äußersten Ebene ausschließlich verschiedene Attribute, so daß die Unifikation nicht fehlschlagen kann. Enthalten die zu unifizierenden Strukturen hingegen gleichnamige Attribute auf der äußersten Ebene, so sind für jedes namensgleiche Paar vier Fälle zu unterscheiden: a) Die Werte dieses Attributs sind jeweils komplex. Die beiden mit diesem Attribut beginnenden Pfade werden schrittweise verglichen und vereinigt, bis unterschiedliche Attribute oder Atome auftauchen. Falls es unterschiedliche Attribute sind, gabelt sich der bislang gemeinsame Pfad und wird nicht weiterverfolgt, d. h., jeder der jeweils noch nicht inspizierten Restpfade wird in der Ergebnisstruktur als eigener Teilpfad unverändert weitergeführt. W e n n es sich in einem Fall um ein Attribut und im anderen um ein Atom handelt, dann liegt nunmehr Fall b) vor. Sind es zwei atomare Werte, so handelt es sich um Fall c). Ist einer der Werte zwar vorgesehen, aber nicht spezifiziert, d. h., ist ein leeres Paar eckiger Klammern anstelle eines Wertes angegeben, liegt Fall d) vor. b) In einer Struktur hat das Attribut einen atomaren und in der anderen einen komplexen Wert. Daraus ergibt sich, daß die Unifikation fehlschlägt. c) Die Werte dieses Attributs sind jeweils atomar. Falls die Werte identisch sind, glückt die Unifikation, und die Teilstrukturen werden vereinigt. Sind sie verschieden, so schlägt die Unifikation fehl. d) Ist in einer der beiden Strukturen der Wert des Attributs unspezifiziert, so glückt die Unifikation in jedem Fall: Ist in genau einem Attribut-Wert-Paar der Wert unspezifiziert, so ist das Ergebnis der Unifikation das Attribut-Wert-Paar,

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3. Generierung eines Verbfelds

dessen (atomarer oder komplexer) Wert spezifiziert ist. Sind die Werte in beiden Attribut-Wert-Paaren unspezifiziert, so ist das Ergebnis ein AttributWert-Paar mit unspezifiziertem Wert. Betrachtet man beispielsweise (50) und (51), so stellt man fest, daß die Unifikation der Feature Structures fsl und fs2 fehlschlägt, da die Pfade

bzw. zu widersprüchlichen Werten (schläft und klara bzw. verb und nomen) führen. fsl : = [ lexem: schläft categ: [ class: verb pers: 3 num: singular ] subje: categ: [ class: nomen casus : nom pers: = num: = ] ]

(50)

fs2 : = [ lexem: klara categ: [ class: nomen casus: { nom dat acc } num: singular ]]

(51)

Die in (52) angegebene Feature Structure beschreibt nicht die Unifikation von fsl und fs2, sondern die von fsl mit einem Attribut, dessen Wert fs2 ist. (Das Zeichen @ am Ende des Namens einer Struktur bedeutet, daß diese Struktur verwendet, d. h. anstelle ihres Namens eingesetzt wird.) Diese Unifikation glückt, wie das in (53) ausführlich angegebene Ergebnis zeigt. (52)

[ fsl@ subje: fs2@ ]

3.3. Zur Implementierung

107

(53)

[ lexem: schläft categ: [ class: verb pers: 3 num: singular ] subje: [ lexem: klara categ: [ class: nomen casus: nom pers: 3 num: singular ]]] B e v o r gezeigt wird, w i e die vorgestellten Ausdrucksmittel und Verknüpfungen eingesetzt werden, um das Feld der Besitzwechselverben zu generieren, sind noch einige allgemeine Bemerkungen erforderlich. Sie betreffen den U m g a n g mit CFS, gelten aber prinzipiell für jeden Unifikationsformalismus. Modelliert oder implementiert man in CFS, so b e w e g t man sich i m Rahmen des deklarativen Programmierparadigmas. Es stehen keine prozeduralen Ausdrucksmittel zur Verfügung. Die Semantik der Sprache ist die einer "offenen Welt", d. h., solange für ein Attribut kein Wert spezifiziert ist, gelten auch keinerlei Beschränkungen. Jegliche Zuordnung z w i s c h e n einem Attribut und e i n e m (atomaren oder komplexen) Wert, einer M e n g e von k o m p l e x e n Werten (Konjunktion) oder einem Wertebereich (Disjunktion) ist eine Beschränkung, ein Constraint der "offenen Welt". Die Einfügung von Constraints als Konjunktion erzeugt dabei die stärksten Bedingungen, während sie sich als Disjunktion am schwächsten auswirkt. U m mit Hilfe der Unifikation eine möglichst präzise, d. h. restriktive Repräsentation des Ergebnisses zu erzielen, ist es erforderlich, in jeder Feature Structure möglichst starke Constraints zu formulieren. Es gibt jedoch keine Operation, die das Überschreiben von einmal zugeordneten Werten ermöglicht. Bei der Unifikation zweier Disjunktionen kann die Ergebnisstruktur kleiner und damit präziser als die Ausgangsstrukturen sein, wenn Disjunkte der Ausgangsstrukturen paarweise widersprüchlich sind und deshalb nicht zur gültigen Feature Structure des Ergebnisses gehören. In f s2 (51) ist der Wert des Attributs casus eine Disjunktion, der durch die Unifikation mit f sl (50) auf n o m eingeschränkt wird (vgl. (53)). D i e Unifikation ist auch die einzige Möglichkeit, zu testen, ob e i n e m Attribut ein bestimmter Wert zugeordnet wurde: Sie glückt, falls Testwert und tatsächlicher Wert einander nicht widersprechen, und sie schlägt fehl, w e n n die Werte unverträglich sind. Es gibt allerdings keine Möglichkeit, lediglich zu überprüfen, ob der Wert des Attributs spezifiziert wurde. Versuchte man diesen

108

3. Generierung eines Verbfelds

"Anwesenheitstest" mit Hilfe der Unifikation durchzuführen, so würde man den Testwert an die Stelle des tatsächlichen Wertes "hineinunifizieren", d. h., man würde unweigerlich eine Wertzuweisung vornehmen, falls der Wert vorher unspezifiziert war. Um sowohl den unerwünschten Nebenwirkungen des Testens als auch der in Zusammenhang mit Disjunktionen (trotz geschickter Implementierung des CFSSystems) drohenden kombinatorischen Explosion entgegenzuwirken, kann man zusätzliche Attribut-Wert-Paare verwenden, die nicht inhaltlich, sondern technisch motiviert sind. Insbesondere bei der Verwendung des CFS für die Verbfeldgenerierung wurde von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

3.3.2. Implementierung der Verbfeldgenerierung Die Prinzipien der Theorie der Semantischen Emphase können zwar ohne den Bezug zu einem konkreten Verbfeld (in CFS) implementiert werden, im folgenden wird jedoch nur die Generierung des Feldes der Besitzwechselverben beschrieben. Dabei wurden aus den in 3.2.2. genannten Gründen nur die harten Constraints C l . bis C12. umgesetzt. Aus der Sicht der Implementierung führen im wesentlichen vier Schritte vom Grundformenschema zum Verbfeld: 1. Die Bildung der einzelnen Grundformen aus dem Grundformenschema. Dieser Schritt betrifft die Belegung der Argumentstellen der Basisprädikate. Die Reduktion von Grundformen findet nur auf der logischen Ebene statt. Diese Operation ist (mit Hilfe der Unifikation) physisch nicht durchführbar. Man erzielt jedoch denselben Effekt, indem man beim Aufbau der Teilpropositionen unterschiedliche Arten der Rollenblockierung vorsieht und dies bei der Bildung der Sememrepräsentationen entsprechend berücksichtigt. Aus Schritt 1 ergeben sich also ausschließlich nicht-reduzierte Grundformen, deren Bildung unabhängig von den übrigen Schritten ist. 2. Der Aufbau der einzelnen Teilpropositionen. Hier steht der Zusammenhang zwischen Emphaseverteilung und Rollenblockierung im Vordergrund. Dieser Schritt liefert alle möglichen Ausprägungen der ACT- und der ET-Proposition. Er bildet somit die Grundlage für Schritt 3. 3. Die Bildung der Sememrepräsentationen auf der Basis der Ergebnisse des zweiten Schrittes. Die Sememrepräsentationen finden in Schritt 4 Verwendung. 4. Aufbau einer Struktur zur Bestimmung der möglichen morpho-syntaktischen Merkmale und Unifikation dieser Struktur mit den in Schritt 3 gebildeten Sememrepräsentationen.

3.3. Zur Implementierung

109

3.3.2.1. Grundformenschema und Grundformen Durch das Grundformenschema (3) sind die Prädikat-Argument-Struktur und daraus abgeleitet - die möglichen Rollen innerhalb der Grundformen festgelegt. Deshalb wird hier die Implementierung der Rollenausrechnung nicht diskutiert. Aus dem Schema leiten sich die einzelnen Grundformen gemäß Constraint C l . ab. Dies geschieht insbesondere durch die jeweilige Festlegung der Besetzung von Argumentstellen mit Variablen. Als Beispiel wird in (54) die Grundform der "geben"-Verben gezeigt. Darin kommen die Variablen p und u zweimal vor. Wie man formal repräsentiert, daß eine bestimmte Variable mehrfach vorkommt, wird nun für den Attribut-Wert p erläutert und gilt entsprechend für den Attribut-Wert u. Der Attribut-Wert p existiert auf der physischen Ebene genau einmal. Es gibt lediglich zwei verschiedene Pfade, die zu diesem Wert führen. Diese Pfade

sind und . Sie beginnen auf der äußersten Ebene der Feature Structure (54), ihre Einstiegspunkte sind verschieden, aber sie führen zu demselben Wert. Dieser Wert (p) ist das Ergebnis der Unifikation zweier (atomarer) Werte, wobei der eine explizit und der andere implizit, nämlich durch die Pfadangabe , spezifiziert ist. Die explizite Wiederholung von p als Wert des Attributes var des zweiten Pfades ist redundant. Aufgrund der oben beschriebenen Unifikation ist an dieser Stelle ohnehin kein anderer Wert erlaubt. (54)

[ pred: cause al: [ pred: act al: var: [ p = ] ] a2: [ pred: et al: [ pred: bec al: [ pred: have al: var: q a2: var: [ u = ] ] a2: [ pred: bec al: [ pred: not al: [ pred: have al: var: p a2: var: u ]]]]]

3. Generierung eines Verbfelds

110 3.3.2.2. A u f b a u der Teilpropositionen

Für den Aufbau der Teilpropositionen ist der Zusammenhang zwischen Emphaseverteilung und möglichen Rollenblockierungen wesentlich. Im folgenden werden zunächst die Teilproposition mit dem Prädikat ACT, dann die Teilpropositionen mit dem Prädikat HAVE und schließlich die Teilproposition mit dem Prädikat ET näher betrachtet. Eine detaillierte Beschreibung der übrigen Teilpropositionen des Grundformenschemas ist hier aus verschiedenen Gründen nicht relevant, u. a. weil die möglichen Rollen bereits durch das Schema festgelegt sind. Die Besetzung der Argumentstelle des Prädikats ACT entscheidet, zu welchem Teilfeld eine Sememrepräsentation gehört. Dies wird durch die Struktur a c t a n t - a c t in (55) beschrieben. Das "loswerden"-"erhalten"-Teilfeld setzt sich in diesem Sinne aus agenslosen Varianten der Positionen der übrigen Teilfelder zusammen.

(55) actant-act : = { [ type: geben al: var: p ] [ type: nehmen al: var: q ] [ type: beschaffen al: var: r ]} Die Feature Structure (56) mit dem Namen r o l e - a c t ordnet dem elementaren Argument der ACT-Proposition die Rolle a g e n s zu.

(56)

role-act := [ al: role: agens ]

Die ACT-Proposition kann unter Berücksichtigung der Constraints C3. und C6. verschiedene Ausprägungen annehmen. U m den Zusammenhang zwischen Emphaseverteilung und möglichen Rollenblockierungen repräsentieren zu können, wird nun als zusätzliches Attribut real eingeführt. Durch die Werte, die ihm in (57) bis (59) zugeordnet werden, können die einzelnen Ausprägungen der ACT-Proposition und damit auch die Arten der Verbverwendung unterschieden werden. Das genus verbi korreliert mit der Emphase der aktuellen AGENS-Rolle (s. (94) in 2.5.). Agenslose Feldpositionen sind durch die Blockierung dieser Rolle charakterisiert. In (59) werden zwei Arten der Blockierung unterschieden, um zu repräsentieren, daß es auf der logischen Ebene einerseits

3.3. Zur Implementierung

111

einfache Rollenblockierungen gibt (block) und andererseits reduzierte Grundformen, bei denen Teilpropositionen fehlen (empty).

(57) act-active : = [ al: [ emph: plus real: real ] role-act@ actant-act@ ] (58) act-passive : = [ al: [ emph: minus real: real ] role-actdo actant-act@ ] (59) act -blocked : = [ al: [ emph: minus real: { block empty }] role-act@ actant-actdo ] act-active, a c t - p a s s i v e und a c t - b l o c k e d beinhalten (auch durch die Unifikation mit role-act und actant-act) jeweils alle die ACTProposition betreffenden Restriktionen und können somit in 3.3.2.3. beim Aufbau der Sememrepräsentationen verwandt werden. Das Prädikat H A V E tritt im Grundformenschema zweimal auf. Diese beiden Verwendungen werden im folgenden mit Hilfe von Indizes und dem zusätzlichen Attribut n e g unterschieden. Was die Besetzung der Argumentstellen betrifft, so müssen beide HAVE-Propositionen im Zusammenhang betrachtet werden, so daß dieser Aspekt erst im Rahmen der Beschreibung der ET-Proposition berücksichtigt werden kann. (60) und (61) zeigen die Strukturen roleshave! und roles-have 2 , durch die den elementaren Argumenten jeweils eine Rolle zugeordnet wird.

(60) roles-havej : = [ neg: no al: role: goal a2: role: to-obj ]

112

3. Generierung eines Verbfelds

(61) roles-have 2 : = t neg: yes al: role: source a2: role: from-obj ] Der allgemeine Zusammenhang zwischen Emphaseverteilung und möglichen Rollenblockierungen wird durch die in (62) und (63) angegebenen Feature Structures repräsentiert, have-plus enthält die Umsetzung des Constraints C3.. have-minus berücksichtigt einerseits das Constraint C4., das im Feld der Besitzwechselverben gilt, und andererseits das allgemeine Constraint C6.. Für die Umsetzung von C6. wird real: empty als zusätzliches Attribut-WertPaar benutzt. Dadurch kann auf der physischen Seite der Implementierung die Streichung der HAVE-Proposition ohne Emphase nachgebildet werden. (62) have-plus : = [ al: emph: plus a2: emph: plus { [ al: real: block a2: real: real ] [ al: real: real a2: real: { real block

}]}]

(63) have-minus : = [ al: emph: minus a2: emph: minus { [ al: real: empty a2: real: empty ] [ al: real: { real block } a2: real: block ]}] have-plus und have-minus werden jeweils mit der Disjunktion aus roles-havej und roles-have 2 (s. (60) bzw. (61)) unifiziert. Dadurch wird erreicht, daß sowohl innerhalb von have-plus als auch innerhalb von have-minus zwischen den HAVE-Propositionen des Grundformenschemas unterschieden wird. Die Unterscheidung ist durch das Attribut neg gewährleistet. Auf der Basis der um die Spezifikation der Rollen angereicherten Strukturen have-plus und have-minus werden nun die möglichen ET-Propositionen

3.3. Zur Implementierung

113

gebildet. Dabei sind eine allgemeine Form, zwei Varianten und die für die Generierung der Konversen benötigte ET-Proposition zu unterscheiden. Doch zunächst werden zwei Strukturen vorgestellt, die die Besetzung der elementaren Argumentstellen mit Variablen betreffen. (64) zeigt die Besetzung für die allgemeine ET-Proposition und ihre Varianten, während (65) die Besetzung im Falle der "geben"-"nehmen"-Konversion beschreibt (s. (8), (19), Cl.). (64) actants-et : = [ have!: [ neg: no al: var: a2: var: have 2 : [ neg: yes al: var: a2: var:

q u ] p = ]]

(65) actants-conv : = [ have : : [ neg: no al: var: p a2: var: u ] have 2 : [ neg: yes al: var: q a2: var: = ]] Die allgemeine Form der ET-Proposition (s. (66)) berücksichtigt nur das Constraint C2. und führt emph- index als zusätzliches Attribut ein. Der Wert, der emph-index zugeordnet wird, gibt an, welche der HA VE-Propositionen eine Emphase trägt. Die allgemeine ET-Proposition wird durch die Feature Structure et-general repräsentiert. (66) et-general : = [ actants-et@ { [ emph-index: 1 h a v e ^ have-plus@ have 2 : have-minus@ ] [ emph-index: 2 have-L: have-minus@ have 2 : have-plus@ ]}] Die Struktur et-general wird in beiden Varianten benutzt, so daß die Einhaltung von C2. auf jeden Fall gewährleistet ist. Darüber hinaus gelten für jede Variante spezifische Restriktionen, die jeweils explizit angegeben sind.

114

3. Generierung eines Verbfelds

Die erste Variante zu (66) heißt e t - p a s s i v e . Sie beschreibt die spezifischen Auswirkungen des Constraint C5., d. h., durch sie kann die Doppelaktantifizierung für passivische Verwendungen der "geben"- und "nehmen"-Verben ausgeschlossen werden. (67) e t - p a s s i v e := [ et-general@ { [ type: geben { [ emph-index: 1 have2: a l : real: [ emph-index: 2 have2: a l : r e a l : [ t y p e : nehmen { [ emph-index: 1 havex: a l : r e a l : [ emph-index: 2 havej: a l : r e a l :

{

block empty

block

]}]

block

]

}]

{ block e m p t y } ] } ] }]

Die zweite Variante (68) wird für die Generierung des "beschaffen"-Teilfelds gebraucht. Für die Positionen dieses Teilfelds gilt, daß jede der zugehörigen Sememrepräsentationen mindestens drei aktuelle Rollen enthalten muß. Demzufolge muß die ET-Proposition mindestens zwei aktuelle Rollen liefern. Da die HAVE-Proposition mit Emphase ohnehin höchstens eine blockierte Rolle enthält, muß nur noch ausgeschlossen werden, daß die HAVE-Proposition ohne Emphase gestrichen wird oder daß beide in ihr enthaltenen Argumentvorkommen blockiert werden. Dies erreicht man durch die in (68) vorgestellte Feature Structure e t - b e s c h a f f e n , die aus den HAVE-Propositionen ohne Emphase diejenigen auswählt, deren erstes Argument nicht blockiert ist. (68) et-beschaffen := [ et-general@ type: beschaffen { [ emph-index: 1 have2: a l : r e a l : [ emph-index: 2 havex: a l : r e a l :

real

]

real

]}]

Die Struktur e t - c o n v (69) ist die Grundlage für die Generierung der "geben""nehmen"-Konversion. Durch sie muß auf der physischen Ebene nachgebildet

3.3. Zur Implementierung

115

werden, daß die HAVE-Proposition, die keine Emphase trägt, (auf der logischen Ebene) entfällt und daß das erste Argument der HAVE-Proposition mit Emphase nicht blockiert sein darf. Außerdem wird in e t - c o n v die Struktur actantsc o n v (65) benutzt (und nicht actants-general, die sowohl in etp a s s i v e als auch in e t - b e s c h a f f e n durch die Verwendung von et-

general enthalten ist). (69) et-conv : = [ actants-conv@ { [ type: geben have!: [ have-plus@ al: real: real ] have2: [ have-minus@ al: real: empty ]] [ type: nehmen have!: [ have-minus@ al: real: empty ] have2: [ have-plus@ al: real: real ]]}] 3.3.2.3. Sememrepräsentationen der Teilfelder Die im vorigen Abschnitt beschriebenen Strukturen repräsentieren die Ausprägungen der ACT- und ET-Propositionen, aus denen die Sememrepräsentationen gemäß den Constraints C l . bis C6. zu bilden sind. Demzufolge entstehen die Sememrepräsentationen jeweils durch die Unifikation der entsprechenden Teilpropositionen mit dem Prädikat ACT bzw. ET. Die Feature Structures, die diese Unifikationen beschreiben, enthalten das zusätzliche Attribut type, um in der Spezifikation der ACT- bzw. ET-Propositionen enthaltene Disjunktionen (teilweise) zu entscheiden. Im folgenden werden exemplarisch diejenigen Sememrepräsentationen beschrieben, die das Teilfeld der "geben"-Verben, den entsprechenden Teil der "loswerden"-"erhalten"-Verben und die eine Hälfte der "geben"-"nehmen"Konversion spezifizieren. Dem Attribut type ist daher jeweils der Wert

geben zugeordnet. Die aktivischen Verwendungen der "geben"-Verben sind dadurch charakterisiert, daß die AGENS-Rolle mit Emphase aktantifiziert wird. An die ET-Proposition werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Es gilt lediglich, daß genau eines ihrer beiden Argumente eine Emphase tragen muß und das andere

116

3. Generierung eines Verbfelds

entsprechend keine Emphase tragen darf. Die Feature Structure g e b e n act ive (70) enthält die Unifikation der in (57) und (66) angegebenen Strukturen.

(70) geben-active : = [ type: geben act-active@ et-general@ ] Die passivischen Verwendungen der "geben"-Verben unterscheiden sich von den aktivischen dadurch, daß die AGENS-Rolle ohne Emphase aktantifiziert wird. Daraus ergibt sich aufgrund des Constraint C5. die Blockierung der mit der AGENS-Rolle referenzidentischen SOURCE-Rolle. Dies betrifft das erste Argument der zweiten HAVE-Proposition. (In der Feature Structure g e b e n p a s s i v e (71) werden die Strukturen (58) und (67) unifiziert.)

(71) geben-passive : = [ type: geben act-passive@ et-passive@ ] Die "geben"-"nehmen"-Konversion erlaubt ausschließlich aktivische Verbverwendungen. Für die "geben"-Konversen (z. B. sich die Ehre geben) ist die ETProposition so beschaffen, daß die erste HAVE-Proposition eine Emphase trägt und mindestens die aktuelle GOAL-Rolle enthält, während die zweite (nichtemphatische) HAVE-Proposition auf der logischen Ebene fehlt und demzufolge keine aktuelle Rolle liefern kann. Entsprechend werden in g e b e n - c o n v (72) die in (57) und (69) angegebenen Strukturen unifiziert.

(72) geben-conv : = [ type: geben act-active@ et-conv@ ] Das Teilfeld der "loswerden"-"erhalten"-Verben besteht aus agenslosen Varianten der Teilfelder der "geben"-, "nehmen"- und "beschaffen"-Verben. Die Sememrepräsentation der agenslosen "geben"-Varianten ist durch g e b e n - n o a g e n s (73) spezifiziert, die die Unifikation der in (59) und (66) angegebenen Strukturen enthält.

3.3. Zur Implementierung

117

(73) geben-no-agens : = [ type: geben act-blocked@ et-general@ ] 3.3.2.4. Morpho-syntaktische Merkmale Aus der Sicht der Implementierung enthält jede Sememrepräsentation (vgl. z. B. (70-73)) eine Beschreibung der terminalen Argumentstellen, die sich jeweils aus vier Teilstrukturen (Attribut-Wert-Paaren) zusammensetzt: a) Die Belegung der Argumentstelle mit einer Variablen wird durch das Attribut var, dem ein entsprechender Wert (p, q, r oder u) zugeordnet wird, repräsentiert. b) Die (mögliche) Rolle, die dieser Argumentstelle entspricht, wird als Wert

des Attributs role (agens, goal, to-obj, source oder from-obj) beschrieben. c) Ob die mögliche Rolle zur aktuellen Rolle wird, erkennt man am Wert des Attributs real. Dieser Wert kann real (aktuelle Rolle), block (blockierte Rolle in einer logisch vorhandenen Proposition) oder empty (blockierte Rolle, wobei auf der logischen Ebene die zugehörige Proposition wegen Reduktion fehlt) sein. d) Die Information, ob eine aktuelle Rolle mit oder ohne Emphase zu aktantifizieren ist, wird durch den dem Attribut emph zugeordneten Wert (plus oder

minus) ausgedrückt. Durch die Zuordnung der morpho-syntaktischen Merkmale, die im folgenden beschrieben wird, werden die Teilstrukturen (vgl. a) bis d)) um eine weitere ergänzt: e) Der dem Attribut gram jeweils zugeordnete Wert repräsentiert das morphosyntaktische Merkmal zur Aktantifizierung des Arguments. Ist das entsprechende Argumentvorkommen aufgrund von c) blockiert, so ist der Wert von

gram none. Es ergibt sich, daß das Attribut-Wert-Paar gram:none nur in solchen Teilstrukturen vorkommen kann, die mit blocked (vgl. (74)) verträglich sind.

(74) blocked : = [ real: { block empty } gram: none ]

118

3. Generierung eines Verbfelds

Im folgenden werden die Namen der möglichen Rollen als Attribute verwandt, um die Lesbarkeit von (76) und (77) zu verbessern und die Bildung der Verbfeldpositionen, die in 3.4. inhaltlich diskutiert werden, transparent zu machen. Die fünf Komponenten, die jede Verbfeldposition charakterisieren, entsprechen den fünf Argumentstellen einer Sememrepräsentation. Die Beziehung zwischen Rollennamen und Argumentstelle ist eineindeutig. Jede der fünf Komponenten setzt sich aus Informationen gemäß a) bis e) zusammen. Eine Komponente entspricht damit auf der Seite der Implementierung einem Attribut-Wert-Paar, dessen Attribut ein Rollenname ist und dessen Wert als Konjunktion komplexer Werte (gemäß a) bis e)) repräsentiert wird. Die Einführung der Rollennamen als Attribute wird in der Implementierung durch die Unifikation von (75) mit jeder Sememrepräsentation erreicht. Beispielsweise führen nach dieser Unifikation die Pfade chave! al> und zu demselben Wert, der sich aufgrund der Sememrepräsentation aus den Attributen var, role, r e a l und e m p h und den entsprechenden Werten zusammensetzt. (75)

[ al: = " und "