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German Pages 339 [340] Year 2019
Xin Liu Sein, Logos und Veränderung
Quellen und Studien zur Philosophie
Herausgegeben von Jens Halfwassen, Dominik Perler und Michael Quante
Band 139
Xin Liu
Sein, Logos und Veränderung Eine systematische Untersuchung zu Aristoteles’ Metaphysik
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Beijing Normal University, School of Philosophy
ISBN 978-3-11-066327-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-066492-8 e-ISBN 978-3-11-066349-5 Library of Congress Control Number: 2019945462 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Für meine Eltern
Vorwort Ist Aristoteles’ Metaphysik metaphysica generalis (universale Ontologie) oder metaphysica specialis (Theologie)? Was ist Aristoteles’ Metaphysik überhaupt? Was ist ihr Gegenstand und Umfang? Wie sind die partikularen Einzelwissenschaften voneinander unterschieden und wie werden sie einheitlich begründet? Um diese Fragen zu beantworten, entstand die vorliegende Arbeit, die versucht, eine einheitliche und systematische Interpretation der aristotelischen Philosophie im Allgemeinen und seiner Metaphysik im Besonderen zu entwickeln. In erster Linie ist die islamisch‐scholastisch geprägte Auslegung zurückzuweisen, die dazu führt, dass sich Aristoteles’ Metaphysik in eine metaphysica generalis und eine metaphysica specialis trennt. Stattdessen erweist sich Aristoteles’ Metaphysik als Substanz‐ bzw. Prinzipienlehre. Im Hinblick auf den Gegenstand lässt sich Aristoteles’ Metaphysik als Substanzlehre bezeichnen. Sie ist aus der zweiten und der ersten Philosophie, nämlich aus der Physik und der Theologie, zusammenfügt, indem die Physik als zweite Philosophie die Substanz in zweiter Ordnung (die sensible Substanz) und die Theologie als erste Philosophie die Substanz in erster Ordnung (die intelligible Substanz) zum Untersuchungsgegenstand nimmt. Obwohl die Metaphysik über zwei Unterteilungen verfügt, bildet Aristoteles’ Metaphysik als Prinzipienlehre eine einheitliche Wissenschaft. Denn die zweite und die erste Philosophie haben gemeinsam, dass sie nicht nur die Substanz, sei sie sensibel oder intelligibel, sondern auch das Prinzip der Substanz thematisieren. Methodisch gesehen, vollziehen sich die sich am Prinzip orientierende Physik und die Theologie nicht deduktiv, wie dies bei den partikularen Einzelwissenschaften der Fall ist, wo sich die Konklusion aus der vorausgesetzten Prämisse syllogistisch ergibt, sondern induktiv, und zwar von der Folge zur Ursache bzw. vom Vorausgesetzten zum Voraussetzungslosen. Des Weiteren kommt die Einteilungsmethode des Chiasmus, die unbekannt und in der ganzen Interpretationsgeschichte verborgen geblieben ist, wieder ans Licht. Dabei differenziert sich die platonisch‐aristotelische Proportionalitätsanalogie von der thomistisch‐scholastischen Attributionsanalogie. Aristoteles bezeichnet die Proportionalitätsanalogie terminologisch als geometrische Analogie, die eine viergliedrige Grundstruktur von a : b = c : d hat. Während der Chiasmus bzw. die Dihairese die Einteilung der Substanzen und die Einteilung der Wissenschaften ermöglicht, trägt die Analogie dazu bei, sowohl die verschiedenen Typen von Substanzen als auch die partikularen Einzelwissenschaften zu vereinigen. Erstens: Anhand des Chiasmus sind die Substanzen in Lebewesen, Gestirn und Geist dreifach einzuteilen und anhand der Analogie sind die drei Typen von Substanzen strukturell vereinigt. Die ganze Substanzlehre des Aristoteles baut auf der hylemorphistischen Struktur auf, indem die https://doi.org/10.1515/9783110664928-202
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Vorwort
analogische Struktur von Stoff‐Form, von Leiden‐Wirken und von Möglichsein‐ Wirklichsein einerseits allen Typen der sensiblen Substanzen immanent ist und andererseits von der intelligiblen Substanz aufgehoben wird. Dadurch, dass sich der göttliche Geist von Materialität, Passivität und Potentialität absolut befreit, ist er mit Formalität, Aktivität und Aktualität ausgestattet. So ist der göttliche Geist nichts anderes als die reine aktive Aktualisierung seiner selbst (actus purus). Zweitens: Anhand des Chiasmus ist der ganze Wissenschaftsbereich in die theoretische, die praktische und die poietische Wissenschaft dreifach einzuteilen. Auf der einen Seite ist anhand des Chiasmus die theoretische Wissenschaft in Physik, Theologie und Mathematik einzuteilen und die Mathematik ist in Astronomie, Geometrie, Musik und Arithmetik chiastisch zu unterteilen. Auf der anderen Seite ist anhand der Dihairese die praktische Wissenschaft in Ethik, Ökonomik und Politik einzuteilen und die Ökonomik ist weiterhin dreifach zu unterteilen. Bei der poietischen Wissenschaft geht es um eine Dreiteilung von Physis, Techne und Praxis. Während die Wissenschaften anhand des Chiasmus bzw. der Dihairese einzuteilen sind, weist die Analogie die strukturelle Ähnlichkeit zwischen den Untersuchungsgegenständen aller Wissenschaftsdisziplinen auf. Für die Interpretation zu Aristoteles’ Philosophie sind der Chiasmus bzw. die Dihairese und die Analogie deswegen von entscheidender Bedeutung, weil das komplette Wissenschaftsgebäude des Aristoteles auf der chiastischen bzw. der dihairetischen Einteilung und der analogischen Einheit aufbaut, welche im durchgänglichen Hylemorphismus gründet. Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete und verbesserte Fassung meiner Dissertation, die zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie der Philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Wintersemester 2015/2016 eingereicht wurde. Dank eines Promotionsstipendiums des China Scholarship Councils (CSC) und eines Abschlussstipendiums (Abschlussbeihilfe des STIBET Programms), das die Universität Heidelberg zusammen mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) angeboten hatte, konnte ich mich in meiner Promotionszeit ganz auf mein Forschungsprojekt konzentrieren. Dafür bin ich sehr dankbar. Mein Dank gilt aber vor allem meinem Doktorvater Anton Friedrich Koch, und zwar nicht nur für seine hervorragende Betreuung und wertschätzende Unterstützung, sondern auch und besonders dafür, dass er mir dieses herausfordernde Thema zur Promotion anvertraute und die Freiheit gab, es wissenschaftlich zu untersuchen. Von ganzem Herzen danke ich auch Jens Halfwassen dafür, dass er nicht nur der zweite Gutachter meiner Dissertation ist, sondern mich auch maßgeblich bei der Bearbeitung wie ein zweiter Betreuer unterstützte. In verschiedenen Veranstaltungen sowie im Kolloquium habe ich von ihm vieles gelernt. Außerdem möchte ich mich bei Friedrike Schick (Tübingen) herzlich bedanken.
Vorwort
IX
Seit über zehn Jahren verbindet mich mit ihr eine tiefe Freundschaft. In jeder Hinsicht hat sie mich jederzeit freundlich unterstützt. Mein tief empfundener Dank gilt auch folgenden ausgezeichneten Forschern bzw. Lehrern: Colin G. King (Providence), Carlos Steel (Leuven), Vittorio Hösle (Notre Dame), Wouter Goris (Bonn), Dag Nikolaus Hasse (Würzburg) und Matthias Perkams (Jena). Ich konnte von ihnen viel über die griechische Philosophie, den Neuplatonismus, die mittelalterliche und die arabische Philosophie lernen. Auch meinem hervorragendem Lehrer Roland Baumgarten (Berlin) für Griechisch und meiner ausgezeichneten Lehrerin Verena Hug (Heidelberg) für Arabisch sowie dem Lehrer Antoine Choulhod (Heidelberg) für Arabisch möchte ich meinen Dank ausdrücken. Ohne ihre Hilfe wäre es mir nicht möglich gewesen, die Quellen im griechischen und arabischen Original zu lesen. Das Korrekturlesen einer Dissertation ist eine anstrengende Aufgabe, die mit großer Sorgfalt erfüllt werden muss. Ich bin sehr froh, dass Friedrike Schick, Sebastian Faber und Konrad Vorderobermeier diese Aufgabe für meine Promotion übernommen haben. Danke dafür! Abschließend gilt mein Dank auch dem Verlag Walter De Gruyter. Es ist für mich eine Auszeichnung, dass meine Dissertation in der Reihe „Quellen und Studien zur Philosophie“ erscheint. Von Herzen danke ich sowohl den Herausgebern als auch allen Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen. Namentlich möchte ich Serena Pirrotta, Tim Vogel und Anne Stroka für ihre Unterstützung meiner Publikation erwähnen. Letztendlich bedanke ich mich bei meinen Eltern für ihre Geduld und ihre Liebe zu mir. Ihre Liebe und Geduld, aber auch ihr Vertrauen lassen mich ohne Angst motiviert voranschreiten. Dieses Buch ist daher meinen Eltern gewidmet.
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Abkürzungsverzeichnis
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Einleitung 1 Der Stand der Forschung zu Aristoteles’ Metaphysik 1 Der Aristotelismus: Die griechisch-arabisch-lateinische Tradition 3 Der Standpunkt der vorliegenden Untersuchung 5 Griechisch-platonische Tradition gegen islamischscholastische Interpretation 5 Aristoteles’ Meta-Physik gegen Platons MetaMathematik 12 Zur Einteilung der vorliegenden Arbeit 14
1 1.1 1.2
Metaphysik 15 Metaphysik als Prinzipienlehre Analogie 33
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2
2.2.4
Zweite Philosophie (Physik) 77 Sachverhalt-Meinung-Bewegung (πρᾶγμα-δόξα-κίνησις) 77 Sachverhalt-Meinung (πρᾶγμα-δόξα) 79 Sachverhalt-Bewegung (πρᾶγμα-κίνησις) 100 Bewegung-Logos (κίνησις-λόγος) 119 Wahrheit und Falschheit (ἀληθές καὶ ψεῦδος) 139 Einzelding-Entstehung-Definition (τόδε τι-γένεσιςὁρισμός) 153 Einzelding-Art: Bewegung-Herstellung-Naturentstehung (τόδε τι-εἶδος: κίνησις-ποίησις-φύσις) 155 Art-Einzelding: Naturentstehung-Herstellung-Handlung (εἶδος-τόδε τι: φύσις-ποίησις-πρᾶξις) 183 Eidos-Nous: Enstehung-Definition-Geist (εἶδος-νοῦς: γένεσιςὁρισμός-νοῦς) 209 Wirklichkeit und Möglichkeit (ἐνέργεια καὶ δύναμις) 245
3 3.1 3.2
Erste Philosophie (Theologie) Analogie 251 Geist 271
1 2 3 3.1 3.2
2.2.1 2.2.2 2.2.3
251
15
XII
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2
Inhaltsverzeichnis
Schluss 293 Metaphysik als Substanzlehre 293 Chiastische Einteilung 293 Analogische Einheit 295 Theoretische, poietische, praktische Wissenschaft 298 Einteilung der Wissenschaften 299 Analogische Einheit 300 Metaphysik als Prinzipienlehre 304 Apodiktisch-syllogistische Einzelwissenschaft 304 Metaphysische Prinzipienlehre 305
Literaturverzeichnis Namensregister Sachregister
307 315
317
Abkürzungsverzeichnis Aristoteles APo. APr. Cat. De An. De Cae. EE EN GA Gen. et Corr. HA Int. MA Metaph. Meteor. MM PA Phys. Poet. Pol. Rhet. SE Top.
Analytica Posterioria Analytica Prioria Categoriae De anima De caelo Ethica Eudemia Ethica Nicomachea De generatione animalium De generatione et corruptione Historia Animalium De Interpretatione De motu animalium Metaphysica Meteorologica Magna Moralia De partibus animalium Physica Poetica Politica Rhetorica Sophistici Elenchi Topica
Platon Leg. Phd. Prm. Resp. Soph. Tim.
Leges Phaedo Parmenides Respublica Sophista Timaeus
Sonstiges HWP LSJ TLG
Historisches Wörterbuch der Philosophie Greek-English Lexicon (Liddell, Scott and Jones) Thesaurus Linguae Graecae
https://doi.org/10.1515/9783110664928-204
Einleitung 1 Der Stand der Forschung zu Aristoteles’ Metaphysik Ὅτι δ’ οὐ ποιητική, δῆλον καὶ ἐκ τῶν πρώτων φιλοσοφησάντων· διὰ γὰρ τὸ θαυμάζειν οἱ ἄνθρωποι καὶ νῦν καὶ τὸ πρῶτον ἤρξαντο φιλοσοφεῖν, [. . .]. ὁ δ’ ἀπορῶν καὶ θαυμάζων οἴεται ἀγνοεῖν [. . .]. ὥστ’ εἴπερ διὰ τὸ φεύγειν τὴν ἄγνοιαν ἐφιλοσόφησαν, φανερὸν ὅτι διὰ τὸ εἰδέναι τὸ ἐπίστασθαι ἐδίωκον καὶ οὐ χρήσεώς τινος ἕνεκεν. [. . .] δῆλον οὖν ὡς δι’ οὐδεμίαν αὐτὴν ζητοῦμεν χρείαν ἑτέραν, ἀλλ’ ὥσπερ ἄνθρωπος, φαμέν, ἐλεύθερος ὁ αὑτοῦ ἕνεκα καὶ μὴ ἄλλου ὤν, οὕτω καὶ αὐτὴν ὡς μόνην οὖσαν ἐλευθέραν τῶν ἐπιστημῶν· μόνη γὰρ αὕτη αὑτῆς ἕνεκέν ἐστιν. – Metaph. A2, 982b11-28
Es gibt eine Wissenschaft, die weder poietisch noch praktisch orientiert ist. Angetrieben von der Verwunderung fangen die Menschen jetzt wie vormals an, zu philosophieren. Wer sich über eine Sache verwundert und in die Aporie gerät, der glaubt, die Sache selbst nicht zu kennen. Wenn man philosophiert, um der Unwissenheit zu entgehen, dann sucht man das Erkennen offensichtlich des Wissens wegen, nicht aber um irgendeines Nutzens willen. Wie sich der freie Mensch nicht um eines anderen willen, sondern nur um seiner selbst willen verhält, so ist diese Wissenschaft, die unter allen Wissenschaften allein als freie Wissenschaft gilt, allein um ihrer selbst willen.1 Diese freie Wissenschaft ist nichts anderes als Aristoteles’ Metaphysik, die in der vorliegenden Arbeit thematisiert und behandelt wird. Bevor wir auf unser Thema eingehen, ist es angebracht, zunächst einen kurzen Blick auf den Stand der Forschung zu werfen. Auf der einen Seite gibt es eine Interpretationsrichtung, welche die Metaphysik des Aristoteles als Ansammlung unterschiedlicher und gegensätzlicher Thesen sowie als Anhäufung von Widersprüchen sieht.2 Einer der berühmtesten Widersprüche der aristotelischen Substanzlehre besteht darin, dass die erste Substanz im fünften Kapitel der Kategorienschrift als Einzelding, in Z7 der Metaphysik aber als Art bestimmt ist.3 Jedoch können wir den scheinbaren Widerspruch auflösen, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen bilden die beiden Typen der
1 Der zitierte Satz ist hier nicht wörtlich, sondern sinngemäß wiedergegeben. Vgl. auch die Bonitz-Übersetzung (1989: 15). In der folgenden Untersuchung wird der griechische Text – sofern nicht anders vermerkt – von der Verfasserin selbst übersetzt. 2 Aufgrund der Darstellung im Ueberweg vertreten N. Hartmann (1939) und P. Aubenque (1961) die aporetische Aristoteles-Interpretation. Vgl. Ueberweg 1983: 184; Fonfara 2003: 5–6. 3 (1) Cat. 5, 2a11-14: Οὐσία δέ ἐστιν ἡ κυριώτατά τε καὶ πρώτως καὶ μάλιστα λεγομένη, ἣ μήτε καθ’ ὑποκειμένου τινὸς λέγεται μήτε ἐν ὑποκειμένῳ τινί ἐστιν, οἷον ὁ τὶς ἄνθρωπος ἢ ὁ τὶς ἵππος. (2) Metaph. Z7, 1032b1-2: εἶδος δὲ λέγω τὸ τί ἦν εἶναι ἑκάστου καὶ τὴν πρώτην οὐσίαν. https://doi.org/10.1515/9783110664928-001
2
Einleitung
ersten Substanz deshalb keinen Widerspruch, weil der Terminus „πρῶτον“ mehrdeutig ist und sich ein Unterschied in der Perspektive ergibt. Das Einzelding lässt sich als erste Substanz bezeichnen, insofern es als Substanz der Kategorie, als Subjekt dem Prädikat und als Substrat der Eigenschaft zugrunde liegt. Die Art gilt deswegen als erste Substanz, weil sie nicht nur – als Wesensprädikat – das gleichartige Einzelding zur Sprache, sondern dieses auch – als Entstehungsprinzip – überhaupt erst zustande bringt. Zum anderen sind das zugehörige Einzelding und die Art nicht nur widerspruchlos, sondern auch und besonders hängen sie eng miteinander zusammen und sind sachlich identisch, wenn man sich die Naturentstehung vor Augen führt. Die Naturart kann sich nur am gleichartigen Einzelding konkretisieren und aktualisieren. Das einzelne Naturseiende zeigt nicht nur die Individualität auf, sondern bringt auch die Gleichartigkeit sowie die Eigentümlichkeit der zugehörigen Art mit sich. Auf der anderen Seite gibt es den Versuch, die Metaphysik bzw. die Philosophie des Aristoteles systematisch auszulegen. Die Systematisierung aber, die von Werner Jäger entworfen und entwickelt wurde, besteht nicht in einer systematischen Untersuchung und ausführlichen Textanalyse des Corpus Aristotelicum. Stattdessen kommt sie dadurch zustande, dass W. Jäger zunächst die zeitlich-räumliche Lebensumgebung des Aristoteles analysiert, dessen Lebensphasen in Entwicklungsstadien teilt und dann die einzelnen Schriften bzw. Teile von Schriften einem der Entwicklungsstadien zuordnet (Jäger 1955; Ueberweg 1983: 177). Mit Blick auf die Entwicklungsgeschichte kann man den oben erwähnten Widerspruch so erklären, dass Aristoteles im früheren der beiden Werke, nämlich in der Kategorienschrift, die erste Substanz als Einzelding ansieht, und in der Meisterzeit, in der er das Buch Z der Metaphysik aufzeichnet, die erste Substanz für die Art hält. Indem die Schriften bzw. die Teile von Schriften des Aristoteles nicht nach dem philosophischen Inhalt, sondern anhand des äußerlichen Lebenslaufs zeitlich und entwicklungsgeschichtlich eingeordnet sowie zugeordnet werden, kann man den Widerspruch weder auflösen noch überhaupt damit konfrontiert werden, sondern man kann ihn nur überspringen. Der Satz vom Widerspruch lautet: Ein und dasselbe Seiende kann nicht in derselben Hinsicht gleichzeitig sein und nicht sein (τὸ γὰρ αὐτὸ ἅμα ὑπάρχειν τε καὶ μὴ ὑπάρχειν ἀδύνατον τῷ αὐτῷ καὶ κατὰ τὸ αὐτό – Metaph. Γ3, 1005b19-20). Daraus folgt, dass die Gleichzeitigkeit (ἅμα) eine wichtige Bedingung für den Widerspruch ist. Wer anhand der zeitlichen Abfolge einen Widerspruch zu erklären versucht, der trifft den widersprüchlichen Inhalt überhaupt nicht, sondern schafft die formale Bedingung des Satzes vom Widerspruch ab. Auf eine sukzessiv entwicklungsgeschichtliche Art und Weise können daher alle Typen von Widersprüchen aufgelöst werden, allerdings nicht inhaltlich, sondern nur formal.
2 Der Aristotelismus: Die griechisch-arabisch-lateinische Tradition
3
Angesichts der Vielfältigkeit der in der Aristoteles-Forschung gewählten Zugänge stellt sich die Frage, welche Vorgehensweise wir als geeignet erachten. Die Metaphysik bzw. die Philosophie des Aristoteles kann weder fragmentarisch noch aporetisch, sondern sie muss systematisch behandelt und untersucht werden. Da sich die philosophische Untersuchung immer an der jeweiligen Art der Philosophie orientiert, soll die Vorgehensweise der Forschung mit der Art und Weise im Einklang stehen, wie ein bestimmter Philosoph philosophiert. Wenn z. B. ein Philosoph selbst seine Philosophie fragmentarisch darstellt, ist es schwierig, die einzelnen Thesen zu systematisieren. Hingegen gibt es in der aristotelischen Philosophie sicher einen systematischen und einheitlichen Entwurf, der in der Metaphysik fundiert ist und über die einzelnen Disziplinen hinweg durchgeführt wird. Ein vorläufiger und einfacher Beweis dafür lässt sich folgendermaßen formulieren: Wäre Aristoteles’ Philosophie nicht systematisch entworfen und konzipiert, wie könnte Aristoteles dann einerseits – nicht nur Platon folgend, sondern auch die ganze griechische Tradition fortsetzend – die Metaphysik als Prinzipienlehre vorantreiben und andererseits die verschiedenen apodiktisch-syllogistischen Einzelwissenschaften einheitlich begründen? Wir müssen also die Philosophie bzw. die Metaphysik des Aristoteles systematisch untersuchen. Die Systematik besteht nicht in der geschichtlichen Entwicklung, sondern in der organischen Einheit.
2 Der Aristotelismus: Die griechisch-arabisch-lateinische Tradition Aristoteles’ Metaphysik soll als organische Einheit angesehen und systematisch untersucht werden. Nachdem wir uns die Vorgehensweise der Untersuchung klargemacht und diese festgelegt haben, tritt ein weiteres Problem auf. Wenn man die aristotelische Metaphysik zum Untersuchungsgegenstand nimmt, genügt es nicht, lediglich das Buch Metaphysik sowie die mit dem metaphysischen Thema zusammenhängenden Texte von Aristoteles vor Augen haben, sondern es sind die ganze Kommentierungs- und Interpretationstradition sowie die Rezeptionsgeschichte mit zu berücksichtigen. Denn erst die ganze griechisch-arabisch-lateinische Kommentierungstradition zu Aristoteles, die sich von einer Sprache bzw. Kultur zur anderen transformiert, konstituiert den Aristotelismus in seiner Gesamtheit. Da der Aristotelismus mit der aristotelischen Philosophie eng verbunden, ja, davon untrennbar ist, und einen großen Teil derselben ausmacht, können wir diese lange Tradition nicht außer Betracht lassen.
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Einleitung
In der Geschichte der Philosophie vollzieht sich ein sukzessiver Versöhnungsprozess: In der ganzen neuplatonisch-islamisch-scholastischen Rezeptionsgeschichte tendieren die Intellektuellen aus verschiedenen Kulturen sehr stark dazu, nicht nur Platon und Aristoteles zu harmonisieren, sondern auch Philosophie und Religion bzw. Vernunft und Offenbarung in Einklang zu bringen. Zunächst waren die Neuplatoniker bestrebt, die Harmonie von platonischer und aristotelischer Philosophie nachzuweisen. Daher widmeten sie einerseits ihre Kraft und Leidenschaft dem Projekt der Kommentierung von Aristoteles, andererseits aber stellte die aristotelische Philosophie für sie lediglich eine Einführung in die Philosophie des Platon dar. Nur aufgrund einer grundsätzlichen inhaltlichen Übereinstimmung kann man so gesehen von der aristotelischen „Unterstufe“ zur platonischen „Oberstufe“ aufsteigen. Sodann haben die arabischen Kommentatoren bzw. Philosophen und die mittelalterlichen Scholastiker den gemeinsamen Anspruch, Platonismus und Aristotelismus zu harmonisieren, obgleich aus verschiedenen Gründen. Die arabischen Intellektuellen mussten die griechische Kultur als Ganzes betrachten, um die fremde Kultur mit der eigenen islamischen Kultur vergleichen zu können. Dagegen scheint die griechische Kultur den lateinischen Scholastikern weder fremd zu sein noch ihnen eigentümlich zu erscheinen, sie ist vielmehr ihre geistige Heimat. Aufgrund der gemeinsamen Herkunft erweist sich für die mittelalterlichen Scholastiker die griechische Philosophie als einheitliches Vorbild. Schließlich werden Religion und Offenbarung miteinbezogen. Denn der griechischen Philosophie, vor allem der aristotelischen Philosophie gegenüber, die im höchsten Maß rational konzipiert ist, müssen sowohl der Islam als auch das Christentum erklären, wie sich die Offenbarungsreligion zur rationalen Theologie und der Glaube zur Vernunft verhalten. In diesem ganzen Harmonisierungsprozess ergibt sich die Platonisierung der aristotelischen Philosophie. Denn man zieht Grundsätze und Prinzipien von Platon als Kriterium heran, um zu entscheiden, welcher Teil der aristotelischen Philosophie in den Vordergrund rückt und welcher Teil davon in den Hintergrund tritt. Auf der einen Seite wird die aristotelische Physik von der metaphysischen Untersuchung abgesondert und ausgeschlossen, denn sie hält am weitesten Distanz von den platonischen intelligiblen Entitäten. Auf der anderen Seite lässt sich die Kategorienlehre des Aristoteles hervorheben, da sie sich wie die Ideenlehre Platons am Übereinstimmungsverhältnis von Idee und Begriff, d. h. von Sein und Logos, orientiert. Indem die aristotelische Kategorienlehre mit der platonischen Ideenlehre kombiniert wird, nimmt die Prädikationstheorie nicht mehr das sinnlich wahrnehmbare und veränderliche Seiende zum Gegenstand, wie dies in Aristoteles’ Kategorienschrift der Fall ist, sondern die
3 Der Standpunkt der vorliegenden Untersuchung
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intelligible Entität. Auf logische Weise kommt die thomistische Transzendentalienlehre zustande, indem sie einerseits die Prädikationsstruktur, die in der aristotelischen Kategorienlehre entwickelt wird, aufnimmt, und andererseits den Prädikationsinhalt, der sich auf das platonische Intelligible bezieht, in sich einbeschließt. Kurz und bündig gesagt, besteht die Transzendentalienlehre des Thomas aus der Versöhnung von Aristoteles’ Kategorienlehre und Platons Ideenlehre. Die Ontologie, sei es bei Platon, sei es bei Aristoteles oder bei anderen Philosophen, thematisiert immer das Verhältnis von Sein und Logos, nämlich die Frage, wie der Logos bzw. das Denken das Seiende wahrhaft begreift. Dadurch, dass die Philosophie, vor allem die Metaphysik des Aristoteles, platonisiert wird, neigt sich die Waage der aristotelischen Ontologie, die ursprünglich die Balance zwischen Sein und Logos bzw. zwischen Ontologie und Logik hält, der Logik zu. In der Auslegung zur aristotelischen Metaphysik tritt anstelle der Physik die platonisierte Ontologie ins Zentrum, die eine sehr starke logische Orientierung in sich trägt. Aufgrund dessen bildet die Ontologie zusammen mit der Theologie die onto-theo-logische Verfassung, die den Kern des traditionellen Aristotelismus ausmacht.
3 Der Standpunkt der vorliegenden Untersuchung Nachdem wir kurz auf die Tradition zurückgeblickt haben, lässt sich die Frage aufwerfen: Von welchem Standpunkt sollen wir ausgehen, um Aristoteles’ Metaphysik systematisch zu untersuchen? Insgesamt haben wir folgende zwei Interpretationsprinzipien: Zum einen distanzieren wir uns von der lateinischscholastischen Interpretation und halten an der griechischen Tradition fest. Zum anderen lässt sich innerhalb der griechischen Tradition der Unterschied zwischen der platonischen Meta-Mathematik und der aristotelischen MetaPhysik hervorheben. Die vorliegende systematische Untersuchung zu Aristoteles’ Metaphysik wird durch die Entscholastisierung und die Entmathematisierung zustande gebracht.
3.1 Griechisch-platonische Tradition gegen islamisch-scholastische Interpretation Die platonische Tradition fortsetzend ist Aristoteles der Meinung, dass die metaphysische Untersuchung vom Prinzipiat zum Prinzip, vom Bedingten zum Unbedingten, oder vom Vorausgesetzten zum Voraussetzungslosen aufsteigen
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Einleitung
sollte.4 Da sich die Metaphysik, sei sie platonisch oder aristotelisch, am Prinzip orientiert, lässt sich die Metaphysik im ursprünglichen Sinne als Prinzipienlehre bezeichnen (ἀρχὴ πραγματεία). Da das Prinzip immer Prinzip vom Seienden oder von Seienden sein muss (ἡ γὰρ ἀρχὴ τινὸς ἢ τινῶν – Phys. A2, 185a4-5), ist in der aristotelischen Prinzipienlehre vor allem vom Prinzip der bestimmten Substanz die Rede. Der eine Teil von Aristoteles’ Prinzipienlehre, nämlich die sich am Prinzip orientierende Physik, die das Entstehungsprinzip sowie die Bewegungsursache der sensiblen und vergänglichen Substanz zum Thema hat, wird terminologisch die zweite Philosophie genannt. Der andere Teil davon, nämlich die Theologie, die die intelligible und ewige Substanz durch die Suche nach der Bewegungsursache der sensiblen und ewigen Substanz in Betracht zieht, ist die erste Philosophie. Daraus folgt, dass Aristoteles’ Metaphysik aus zwei Teilen besteht, nämlich aus der Physik und der Theologie. Die Physik als zweite Philosophie thematisiert die Substanz in zweiter Ordnung (die sensible Substanz) und die Theologie als erste Philosophie orientiert sich an der Substanz in erster Ordnung (der intelligiblen Substanz). Aristoteles’ Metaphysik, die sich aus der Physik und der Theologie zusammensetzt, ist in metaphysica generalis und metaphysica specialis gespalten und zwar dadurch, dass die universale Ontologie statt der Physik in die aristotelische Metaphysik eingeführt und die Theologie wegen ihres spezifischen Gegenstandes als metaphysica specialis angesehen wird. Präzise gesagt: Auf der einen Seite gilt die Metaphysik als universale Ontologie, insofern sie das Seiende als Seiendes, d. h. das Seiende im Lichte seiner allgemeinen oder allgemeinsten Bestimmungen, betrachtet und theoretisch untersucht. Auf der anderen Seite
4 (1) Resp. 510b4-9: Ἧι τὸ μὲν αὐτοῦ τοῖς τότε μιμηθεῖσιν ὡς εἰκόσιν χρωμένη ψυχὴ ζητεῖν ἀναγκάζεται ἐξ ὑποθέσεων, οὐκ ἐπ’ ἀρχὴν πορευομένη ἀλλ’ ἐπὶ τελευτήν, τὸ δ’ αὖ ἕτερον—τὸ ἐπ’ ἀρχὴν ἀνυπόθετον—ἐξ ὑποθέσεως ἰοῦσα καὶ ἄνευ τῶν περὶ ἐκεῖνο εἰκόνων, αὐτοῖς εἴδεσι δι’ αὐτῶν τὴν μέθοδον ποιουμένη. (2) Resp. 511b3-c2: Τὸ τοίνυν ἕτερον μάνθανε τμῆμα τοῦ νοητοῦ λέγοντά με τοῦτο οὗ αὐτὸς ὁ λόγος ἅπτεται τῇ τοῦ διαλέγεσθαι δυνάμει, τὰς ὑποθέσεις ποιούμενος οὐκ ἀρχὰς ἀλλὰ τῷ ὄντι ὑποθέσεις, οἷον ἐπιβάσεις τε καὶ ὁρμάς, ἵνα μέχρι τοῦ ἀνυποθέτου ἐπὶ τὴν τοῦ παντὸς ἀρχὴν ἰών, ἁψάμενος αὐτῆς, πάλιν αὖ ἐχόμενος τῶν ἐκείνης ἐχομένων, οὕτως ἐπὶ τελευτὴν καταβαίνῃ, αἰσθητῷ παντάπασιν οὐδενὶ προσχρώμενος, ἀλλ’ εἴδεσιν αὐτοῖς δι’ αὐτῶν εἰς αὐτά, καὶ τελευτᾷ εἰς εἴδη. (3) Metaph. Γ3, 1005b5-14: ὅτι μὲν οὖν τοῦ φιλοσόφου, καὶ τοῦ περὶ πάσης τῆς οὐσίας θεωροῦντος ᾗ πέφυκεν, καὶ περὶ τῶν συλλογιστικῶν ἀρχῶν ἐστὶν ἐπισκέψασθαι, δῆλον · προσήκει δὲ τὸν μάλιστα γνωρίζοντα περὶ ἕκαστον γένος ἔχειν λέγειν τὰς βεβαιοτάτας ἀρχὰς τοῦ πράγματος, ὥστε καὶ τὸν περὶ τῶν ὄντων ᾗ ὄντα τὰς πάντων βεβαιοτάτας. ἔστι δ’ οὗτος ὁ φιλόσοφος. βεβαιοτάτη δ’ ἀρχὴ πασῶν περὶ ἣν διαψευσθῆναι ἀδύνατον γνωριμωτάτην τε γὰρ ἀναγκαῖον εἶναι τὴν τοιαύτην (περὶ γὰρ ἃ μὴ γνωρίζουσιν ἀπατῶνται πάντες) καὶ ἀνυπόθετον.
3 Der Standpunkt der vorliegenden Untersuchung
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ist die Metaphysik als spezifische Wissenschaft, d. h. als erste Philosophie bzw. Theologie, bestimmt, indem sie das spezifische Seiende, nämlich das Unbewegte und Getrennte, thematisiert (Ueberweg 1983: 376). Aufgrund der oben erwähnten Art und Weise lässt sich die Metaphysik in metaphysica generalis und metaphysica specialis zerlegen. Wir werden dafür argumentieren, dass man zwar die Spur einer solchen scheinbaren Entzweiung im aristotelischen Text finden kann,5 der Zwiespalt von metaphysica generalis und metaphysica specialis aber nicht in Aristoteles’ Metaphysik selbst, sondern in der islamischscholastisch geprägten Auslegung von Aristoteles’ Metaphysik verwurzelt ist. Dank der ausgezeichneten Untersuchungen von Philip Merlan (1968b: 207) und Jan. A. Aertsen (2012: 76–81) ist einleuchtend, dass Avicenna an einer ontologischen Konzeption der Metaphysik (metaphysica generalis) festhält und Averroes Aristoteles’ Metaphysik für Theologie (metaphysica specialis) hält.6 In der thomistischen Transzendentalienlehre wird das logisch-ontologische Verhältnis der Transzendentalien zu Gott thematisiert. Die Transzendentalien, die Oberbegriffe wie Einheit (unitas), Gutes (bonitas), Wahrheit (veritas) und Weisheit (sapientia) usw., sind nichts anderes als die Gottesattribute. Während die Attribute Gottes in der Aussage als Prädikat auftreten, verhält sich Gott immer als zugrundeliegendes Subjekt. In diesem Fall sind die Ontologie und die Theologie nicht nur voneinander unterschieden, sondern sie schließen sich gegenseitig aus, weil die Ontologie als metaphysica generalis die allgemeinen Bestimmungen Gottes (Prädikate) und die Theologie als metaphysica specialis Gott selbst (Subjekt) zum Untersuchungsgegenstand hat. Nicht nur in seiner Transzendentalienlehre, sondern auch in seiner Auslegung zu Aristoteles’ 5 (1) Metaph. Γ1, 1003a21-22: Ἔστιν ἐπιστήμη τις ἣ θεωρεῖ τὸ ὂν ᾗ ὂν καὶ τὰ τούτῳ ὑπάρχοντα καθ’ αὑτό. (2) Metaph. E1, 1026a29-31: εἰ δ’ ἔστι τις οὐσία ἀκίνητος, αὕτη προτέρα καὶ φιλοσοφία πρώτη, καὶ καθόλου οὕτως ὅτι πρώτη. (3) Metaph. E1, 1026a23-25: ἀπορήσειε γὰρ ἄν τις πότερόν ποθ’ ἡ πρώτη φιλοσοφία καθόλου ἐστὶν ἢ περί τι γένος καὶ φύσιν τινὰ μίαν. 6 Die beiden Forscher weisen ganz deutlich darauf hin, dass die Behauptung bzw. die Zusammenfassung in Duns Scotus’ Kommentar zur Metaphysik enthalten ist. Merlan (1968b: 207): „The status controversiae in the Middle Ages was described by Duns Scotus in his Quaetiones sublissimae super ll. Met. Arist. (Opera, v. VII 11–40 Vivès). According to this passage Avicenna asserted that it is the ens which is the subject matter of metaphysics while Averroes asserted that it is God and the intelligentiae separatae.“ Aertsen (2012: 80–81): „The controversy between Avicenna and Averroes embodies the tension between the ontological and theological determinations of First Philosophy and had a lasting effect on the discussions about the ‚proper subject‘ of metaphysics in the Latin world. Its most extensive treatment is to be found in the first question of Duns Scotus’s commentary on the Metaphysics – his account covers almost fifty pages in the critical edition: ,Whether the proper subject of metaphysics is being-asbeing, as Avicenna claimed, or God and the intelligences, as the Commentator Averroes assumed.‘“
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Einleitung
Metaphysik führt sich Thomas sowohl die metaphysica generalis als auch die metaphysica specialis vor Augen, legt den Akzent aber auf die metaphysica generalis im Sinne einer universalen Ontologie.7 Avicenna und Thomas folgend tendieren die meisten Forscher dazu, Aristoteles’ Metaphysik als metaphysica generalis zu interpretieren. So scheint es, als ob auch Aristoteles die allgemeinen Seinsbestimmungen vor Augen habe und eine universale Ontologie aufstellen würde. Das ist allerdings unmöglich. Dadurch, dass Aristoteles die Substantialität der Allgemeinheit von Grund auf leugnet, thematisiert Aristoteles’ Substanz- bzw. Prinzipienlehre überhaupt nicht die allgemeinen Bestimmungen des Seienden, ob nun die platonischen höchsten Gattungen oder die thomistischen Transzendentalien. Averroes’ Interpretation übernehmend, identifiziert z. B. Philip Merlan Aristoteles’ Metaphysik mit der Theologie und sieht sie darum als metaphysica specialis an.8 Indem er den Untersuchungsgegenstand der Metaphysik ὂν ᾗ ὂν als die intelligible Substanz (d. h. die unbewegte und getrennte Substanz), nämlich Gott, festlegt, ist Merlan der Meinung, dass die Metaphysik als erste Philosophie, die die Substanz in erster Ordnung (die intelligible Substanz) zum Untersuchungsgegenstand hat, nichts anderes als die Theologie sein solle. Ich stimme mit Merlan darin überein, dass der Untersuchungsgegenstand der Metaphysik ὂν ᾗ ὂν nicht etwas Allgemeines im Sinne eines Universalbegriffs sein kann.9 Meines
7 Thomas Sententia Metaphysicae pr. [81566]: „Secundum igitur tria praedicta, ex quibus perfectio huius scientiae attenditur, sortitur tria nomina. Dicitur enim scientia divina sive theologia, inquantum praedictas substantias considerat. Metaphysica, inquantum considerat ens et ea quae consequuntur ipsum. Haec enim transphysica inveniuntur in via resolutionis, sicut magis communia post minus communia. Dicitur autem prima philosophia, inquantum primas rerum causas considerat. Sic igitur patet quid sit subiectum huius scientiae, et qualiter se habeat ad alias scientias, et quo nomine nominetur.“ 8 Merlan 1957: 87–92; 1968a: 187–192; 1968b: 172, 178, 184–185. Merlan (1968b: 208): „[. . .] we must disagree with his [Natorp’s] assertion that actually Aristotle meant by metaphysics only the investigation of being-as-such, while theology (science of one particular sphere of being) could not have been what Aristotle meant by metaphysics. [. . .] we must, however, disagree with Jaeger’s solution, according to which the definition of metaphysics as metaphysica specialis and metaphysica generalis at the same time was the result of an ill-reconciled contradiction in Aristotle’s thought as he was developing away from his Platonic, theological stage. [. . .] In a way, the solution presented here is simply the opposite of Natorp’s (op. cit. 545). There never was any metaphysica generalis in Aristotle.“ Merlan (1968b: 209): „Aristotle never intended to start a general metaphysics and therefore his science of being-as-such would be neoplatonic in character.“ 9 Merlan (1957: 91): „Was ist also Alexanders Auffassung des ὂν ᾗ ὂν? Das Seiende gehört ihm zu den Gegenständen, die – wie das Gute, die Zahlen, die Figuren – zu einander im Verhältnis
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Erachtens aber zieht Aristoteles’ Metaphysik nicht nur die intelligible Substanz, sondern auch die sensible Substanz in Betracht, und außerdem hat Aristoteles’ Metaphysik die Prinzipien der Substanz zum Thema. Nach dem Standpunkt der vorliegenden Arbeit kann man Aristoteles’ Metaphysik weder für eine metaphysica generalis im Sinne einer universalen
des Früher-Später stehen [. . .], wobei also ein erstes Glied – in unserem Falle ‚das Seiende‘ – vorhanden ist, dass in abgeschwächter Form in allen ‚späteren‘ Gliedern auftritt und dabei gleichzeitig Ursache dessen ist, dass diese späteren Glieder sind was sie sind und daher nach dem Ersten benannt werden [. . .]. Die Prädizierung, die sich für alle späteren Glieder einer derartigen Reihe ergibt, nennt Alexander im Anschluss an Aristoteles Prädizierung τὰ ἀφ’ ἑνὸς καὶ πρὸς ἓν (siehe z. B. 241, 5–9; 243, 32–244, 3 Hayduck). In diesem Sinne bezieht sich die Metaphysik auf das κυρίως ὄν, i. e. das δι’ ὃ καὶ τὰ ἄλλα ὄντα. Und sie ist πρώτη und καθόλου zugleich, weil auf dem Gebiete der ἀφ’ ἑνός τε καὶ πρὸς ἓν λεγόμενα das πρῶτον καὶ καθόλου ein solches τῷ καὶ τοῖς ἄλλοις αὐτὸ εἶναι αἴτιον τοῦ εἶναι ist (244, 19–20; 246, 10–12). Hier sieht man mit besonderer Deutlichkeit dass καθόλου nach Alexander in diesem Zusammenhang nicht einen Allgemeinbegriff bezeichnet, sondern den Sinn ‚überall ursächlich anwesend‘ hat.“ Merlan (1968a: 187): „It [the word καθόλου applied to the science of being-qua-being] cannot mean the universality of a concept. [. . .] it will be universal in virtue of this priority (καθόλου τῷ προτέραν).“ Merlan (1968a: 189): „Rather, this prime philosophy has priority over physics and is first philosophy and universal (καθόλου) in the sense of being first (καθόλου οὕτως ὅτι πρώτη), and its task is to investigate being-qua-being.“ Merlan (1968a: 191): „It is indeterminate and, in this sense of the word, universal. But this universality is not the universality of a universal concept; nor is it the universality of something abstract. On the contrary. Because being-as-such is not determined and therefore not limited or – to use Spinoza’s language – because it is not determined and therefore free from all negativity, it is that which is most concrete. It is free from all negativity – in other words, from every ‚not‘. Because it is free from ‚not‘, it is entirely full of itself, or, as we could say equally well, fullness. In comparison with it, all other existents are secondary. Being-qua-being, however, is primary. Because it is primary, it is also most universal.“ Merlan (1968b: 173): „And now we can also discuss the meaning of καθόλου as used in Γ and E1. It is not the abstract (general, universal); it is what is common to all cases as concrete. If all men have hair, it is a καθόλου quality. Because being as an element is present everywhere, it is καθόλου. It is one of the two basic constituents of the uppermost sphere of being (with nonbeing as the other). This uppermost sphere of being somehow causes all the other spheres and its elements are the elements of everything. Therefore, the true philosopher, i. e., the one dealing with first philosophy – first philosophy being the one that deals with the first (uppermost) sphere of being – deals with the elements of this uppermost sphere and thus with being. By implication, he therefore deals with being as it is present everywhere. The thesis, ‚first philosophy deals with the uppermost sphere of being and is general knowledge, because the elements of this uppermost sphere, being (and non-being), are common to all [this is the meaning of καθόλου] spheres of being and therefore to all beings‘, is perfectly consistent.“ Merlan (1968b: 205): „Neither of these terms (being-non-being; one-many) means what we could call a universal. Lacking all determination they are what is most real, i. e. present in all other reality. Lacking all determination they are prior to all other reality. Because they are prior they are – in this sense of the word – most universal.“
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Einleitung
Ontologie halten noch allein als metaphysica specialis im Sinne von Theologie interpretieren. Stattdessen ist die Verfasserin der Meinung, dass sich Aristoteles’ Metaphysik vor allem als Substanzlehre erweist. Aristoteles’ Metaphysik als Substanzlehre ist aus der zweiten und der ersten Philosophie, nämlich aus der Physik und der Theologie, zusammengefügt, je nachdem, ob sie die sensible oder die intelligible Substanz zum Untersuchungsgegenstand nimmt. Obwohl die Metaphysik über zwei Unterteilungen verfügt, bildet Aristoteles’ Metaphysik als Prinzipienlehre eine einheitliche Wissenschaft. Die wissenschaftliche Einheit der zweiteiligen Metaphysik besteht in der gegenständlichen und methodischen Gemeinsamkeit. In Bezug auf den Gegenstand haben die zweite und die erste Philosophie gemeinsam, dass sie nicht nur die Substanz, sei sie sensibel oder intelligibel, sondern auch das Prinzip der Substanz zum Thema haben. Methodisch gesehen vollziehen sich die sich am Prinzip orientierende Physik und die Theologie nicht deduktiv, wie dies bei den partikularen Einzelwissenschaften der Fall ist, wo sich die Konklusion aus der vorausgesetzten Prämisse syllogistisch ergibt, sondern induktiv, und zwar von der Folge zur Ursache (effectus→causa), oder vom Vorausgesetzten zum Voraussetzungslosen (ὑπόθεσις→ἀνυπόθετον). Erwähnenswert ist noch, dass es im Buch Metaphysik zwei klassische Äußerungen gibt, mit denen sich der Beweis für eine metaphysica generalis erbringen lässt. Erstens: In Γ1 behauptet Aristoteles, dass die Metaphysik als Wissenschaft das Seiende als Seiendes theoretisch untersucht (Ἔστιν ἐπιστήμη τις ἣ θεωρεῖ τὸ ὂν ᾗ ὂν [. . .] – Metaph. Γ1, 1003a21). Die Metaphysik als Prinzipienlehre betrachtet das Seiende als solches, d. h. das Prinzip des Seienden, während die partikularen Einzelwissenschaften das Seiende nur im Hinblick auf die Quantität, die Qualität oder eine beliebige ihm zukommende Kategorie in Betracht ziehen. Im Vergleich dazu, dass die partikularen Einzelwissenschaften nur einen Teil des Seienden in den Fokus nehmen, erforscht die Metaphysik das Seiende als Ganzes. Nichts anderes als das Prinzip macht es möglich, dass ein konkretes Einzelding logisch-ontologisch vollständig zustande kommt. Die Naturart als Entstehungsprinzip bringt nicht einen Teil, sondern das ganze Naturding hervor. Der der Naturart entsprechende Begriff, z. B. der „Mensch“, verleiht dem einzelnen Menschen vollständige Bestimmung, indem der einzelne Mensch anhand des Begriffs „Mensch“ benannt und durch die Vermittlung des Begriffs wesentlich definiert wird. Aus den oben erwähnten Gründen soll unter dem Ausdruck „das Seiende als solches“ nicht die allgemeine Seinsbestimmung, sondern das Prinzip vom Seienden verstanden werden. Das Prinzip weist nicht nur auf das höchste Prinzip von Allem, nämlich Gott, hin, sondern bezieht sich auch auf das Prinzip von Sein, Logos und Veränderung. Zweitens: Wenn es zwischen metaphysica generalis und metaphysica specialis, oder, anders formuliert, zwischen der allgemeinen Seinsbestimmung und dem
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Unbewegten, eine unüberwindbare Kluft gibt, wie kann man dann die Behauptung in E1 verstehen, dass die allererste Substanz, nämlich die unbewegte und getrennte Substanz, allgemein ist (εἰ δ’ ἔστι τις οὐσία ἀκίνητος, αὕτη προτέρα καὶ φιλοσοφία πρώτη, καὶ καθόλου οὕτως ὅτι πρώτη – Metaph. E1, 1026a29-31)? Die intelligible Substanz wird mit der Allgemeinheit in Verbindung gebracht, und zwar nicht auf die thomistische Art und Weise, nämlich dass in der Prädikation Gott als Subjekt zugrunde liegt und die allgemeinen Bestimmungen als Prädikate auftreten. Laut Aristoteles liegt die Allgemeinheit der intelligiblen Substanz nicht in der allgemeinen Bestimmung, sondern in der universalen Wirksamkeit. Die intelligible Substanz ist universal wirksam, insofern sie als geistige Tätigkeit alle Typen der natürlichen Veränderung (Entstehung sowie Bewegung der Lebewesen, Umwandlung der Grundelemente und Kreisbewegung der Himmelskörper) und der menschlichen Tätigkeit (Wahrnehmung, Phantasie, Verstand und Vernunft) durchdringt. Das unbewegte Bewegende als intelligible Substanz setzt die Himmelskörper in kreisförmige Bewegung, und der Kreislauf der Gestirne, vor allem der Sonne, beeinflusst wiederum das Entstehen und das Vergehen der Lebewesen. Mit anderen Worten: Die intelligible Substanz wirkt sich unmittelbar auf den himmlischen Bereich aus, mittelbar aber erstreckt sich ihre Auswirkung auf den sublunaren Bereich. Darüber hinaus können sowohl die Kontinuität und Zweckmäßigkeit der Naturentstehung als auch die Regelmäßigkeit der Umwandlung der Elemente und die Unaufhörlichkeit der himmlischen Kreisbewegung nur von der intelligiblen Substanz, nämlich vom absolut Notwendigen, gewährleistet werden. In der natürlichen Entstehung werden Kontingentes und Widernatürliches automatisch produziert. In der menschlichen Tätigkeit tauchen ständig Irrtum und Täuschung auf, weil alles, was man sich in der Phantasie vorstellt und durch den Verstand auffasst, falsch sein kann. Nichts anderes als das absolut Notwendige beseitigt die natürliche Kontingenz und den menschlichen Zufall, damit die Notwendigkeit der Natur und die Zweckmäßigkeit des Menschen garantiert werden können. Die Physis gilt als Entstehungsprinzip, insofern die Naturart das gleichartige Einzelding teleologisch zustande bringt. Der Logos kann als Wesensprinzip gelten, insofern als die Wesensdefinition die Wesenheit des Einzeldings zur Entfaltung bringt. Einen Schritt weitergehend sind die Physis als Entstehungsprinzip und der Logos als Wesensprinzip auf ein übergeordnetes Prinzip, nämlich den Nous, zurückzuführen (φύσις καὶ λόγος→νοῦς).10 Die Rückführung der Physis 10 (1) Die Rückführung der Phyis auf den Nous (Metaph. Λ7, 1072b7-14): ἐπεὶ δὲ ἔστι τι κινοῦν αὐτὸ ἀκίνητον ὄν, ἐνεργείᾳ ὄν, τοῦτο οὐκ ἐνδέχεται ἄλλως ἔχειν οὐδαμῶς. φορὰ γὰρ ἡ πρώτη τῶν μεταβολῶν, ταύτης δὲ ἡ κύκλῳ · ταύτην δὲ τοῦτο κινεῖ. ἐξ ἀνάγκης ἄρα ἐστὶν ὄν · καὶ ᾗ ἀνάγκῃ, καλῶς, καὶ οὕτως ἀρχή. τὸ γὰρ ἀναγκαῖον τοσαυταχῶς, τὸ μὲν βίᾳ ὅτι παρὰ τὴν
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Einleitung
und des Logos auf den Nous ist keineswegs ein Abstraktionsverfahren, in dem das Konkretum hin zum Abstraktum, genau gesagt, die lebendige Natur und der konkrete Gedanke hin zur geistigen Abstraktion überschritten wird. Wie gezeigt wurde, konkretisiert sich der Geist an der Natur und am Denken, indem die geistige Tätigkeit an allen Typen der natürlichen Veränderung und der gedanklichen Tätigkeit beteiligt ist. Da die geistige Tätigkeit überall wirksam ist, ist der Geist die erste Substanz im wahrhaftesten Sinne. Die intelligible Substanz als erste Substanz ist allgemein, und zwar nicht wegen der allgemeinen Bestimmung, sondern durch die universale Wirksamkeit (ἡ δὲ καθόλου πασῶν κοινή).11 Werden die Physis und der Logos zum Prinzip erklärt, ist der Geist sowohl das Prinzip der Natur als auch das des Denkens, sodass er als Prinzip des Prinzips (ἀρχὴ τῆς ἀρχῆς), nämlich als höchstes Prinzip, zur Geltung kommt (καὶ ἡ μὲν ἀρχὴ τῆς ἀρχῆς εἴη ἄν, ἡ δὲ πᾶσα ὁμοίως ἔχει πρὸς τὸ πᾶν πρᾶγμα – APo. B19, 100b15-17).
3.2 Aristoteles’ Meta-Physik gegen Platons Meta-Mathematik In der vorliegenden Exegese differenzieren wir nicht nur Aristoteles’ Prinzipienlehre von der islamisch-scholastisch geprägten universalen Ontologie, sondern auch Aristoteles’ Meta-Physik von Platons Meta-Mathematik.12 Nach der griechischen Tradition gehören Platon und Aristoteles zu den Prinzipientheoretikern, indem sie miteinander darin übereinstimmen, dass die metaphysische Untersuchung einen aufsteigenden Forschungsweg vom Prinzipiat zum Prinzip aufzeigt.
ὁρμήν, τὸ δὲ οὗ οὐκ ἄνευ τὸ εὖ, τὸ δὲ μὴ ἐνδεχόμενον ἄλλως ἀλλ’ ἁπλῶς. —ἐκ τοιαύτης ἄρα ἀρχῆς ἤρτηται ὁ οὐρανὸς καὶ ἡ φύσις. (2) Die Rückführung des Logos auf den Nous (APo. B19, 100b5-17): Ἐπεὶ δὲ τῶν περὶ τὴν διάνοιαν ἕξεων αἷς ἀληθεύομεν αἱ μὲν ἀεὶ ἀληθεῖς εἰσιν, αἱ δὲ ἐπιδέχονται τὸ ψεῦδος, οἷον δόξα καὶ λογισμός, ἀληθῆ δ’ ἀεὶ ἐπιστήμη καὶ νοῦς, καὶ οὐδὲν ἐπιστήμης ἀκριβέστερον ἄλλο γένος ἢ νοῦς, αἱ δ’ ἀρχαὶ τῶν ἀποδείξεων γνωριμώτεραι, ἐπιστήμη δ’ ἅπασα μετὰ λόγου ἐστί, τῶν ἀρχῶν ἐπιστήμη μὲν οὐκ ἂν εἴη, ἐπεὶ δ’ οὐδὲν ἀληθέστερον ἐνδέχεται εἶναι ἐπιστήμης ἢ νοῦν, νοῦς ἂν εἴη τῶν ἀρχῶν, ἔκ τε τούτων σκοποῦσι καὶ ὅτι ἀποδείξεως ἀρχὴ οὐκ ἀπόδειξις, ὥστ’ οὐδ’ ἐπιστήμης ἐπιστήμη. εἰ οὖν μηδὲν ἄλλο παρ’ ἐπιστήμην γένος ἔχομεν ἀληθές, νοῦς ἂν εἴη ἐπιστήμης ἀρχή. καὶ ἡ μὲν ἀρχὴ τῆς ἀρχῆς εἴη ἄν, ἡ δὲ πᾶσα ὁμοίως ἔχει πρὸς τὸ πᾶν πρᾶγμα. 11 Metaph. E1, 1026a25-27: οὐ γὰρ ὁ αὐτὸς τρόπος οὐδ’ ἐν ταῖς μαθηματικαῖς, ἀλλ’ ἡ μὲν γεωμετρία καὶ ἀστρολογία περί τινα φύσιν εἰσίν, ἡ δὲ καθόλου πασῶν κοινή. 12 Die beiden Bezeichnungen, nämlich Meta-Mathematik des Platons und Meta-Physik des Aristoteles, wurden von Merlan (1957: 87–88; 1968a: 176–177, 181–183) mehrmals verwendet. Merlan folgend wende ich die beiden Bezeichnungen an, um den Unterschied zwischen den beiden metaphysischen Modellen hervorzuheben. Ich weiche von Merlan insofern ab, als ich Aristoteles’ Meta-Physik nicht direkt mit der Theologie identifiziere. Vielmehr bin ich der Meinung, dass Aristoteles’ Meta-Physik aus der Physik und der Theologie besteht.
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Der Unterschied liegt nun darin, dass Platon und Aristoteles jeweils verschiedene Ausgangspunkte nehmen, um eine über die partikularen Einzelwissenschaften hinausgehende Wissenschaft aufzustellen. Platon ist der Auffassung, dass man von den logisch-geometrischen Gegenständen zum voraussetzungslosen Prinzip aufsteigen sollte.13 Im Gegensatz dazu ist Aristoteles der Meinung, dass die metaphysische Untersuchung von der sensiblen und veränderlichen Substanz ausgeht und zur intelligiblen und unbewegten Substanz gelangen sollte. Vor dem platonischen Hintergrund entsteht der Versuch des Aristoteles, der griechischen Metaphysik ein neues Fundament zu geben, indem die produktive, immanente und wirkliche Naturart die theoretische Stelle der mathematischen, logischen und geistigen Idee einnimmt, welche eigenständig, transzendent ist und auf notwendige Weise existiert. Demzufolge bildet nicht die pythagoreisch-platonische Mathematik, sondern die Physik die Grundlage der aristotelischen Metaphysik, genau wie der Name „Meta-Physik“ dies besagt.14 Während das Verhältnis von Sein und Logos/Denken das zentrale Thema der platonischen Meta-Mathematik ist, thematisiert die aristotelische Meta-Physik das dreifache Übereinstimmungsverhältnis von Sein, Logos und
13 Ein indirekter Beweis dafür liegt im Liniengleichnis, nämlich dass Platon nicht die Physik, sondern die Geometrie und die Logik als Paradigma der syllogistischen Wissenschaft heranzieht (Resp. 510c1-d2). So wie sich die geometrisch-logischen Gegenstände zwischen dem sichtbar Seienden und den Ideen befinden, so nimmt das dianoetische Denken eine Mittelstellung zwischen der Meinung und dem noetischen Denken ein (διάνοιαν δὲ καλεῖν μοι δοκεῖς τὴν τῶν γεωμετρικῶν τε καὶ τὴν τῶν τοιούτων ἕξιν ἀλλ’ οὐ νοῦν, ὡς μεταξύ τι δόξης τε καὶ νοῦ τὴν διάνοιαν οὖσαν – Resp. 511d2-5). Die ontologisch-epistemologische Übereinstimmung ergibt sich, indem die mathematischen und logischen Entitäten durch das dianoetische Denken aufgefasst, über das sichtbare und veränderliche Seiende Meinungen geäußert und die Ideen durch das noetische Denken erkannt werden. Da die Prinzipienlehre des Platon auf der Mathematik und der Logik aufbaut, muss die platonische Prinzipienforschung davon ausgehen. 14 In der modernen Aristoteles-Forschung hebt Heidegger den engen Zusammenhang der Physik mit der Metaphysik hervor. (1) Heidegger, „Vom Wesen und Begriff der Φύσις“ (1976: 241): „Meta-physik ist in einem ganz wesentlichen Sinne ‚Physik‘ – d. h. ein Wissen von der φύσις (ἐπιστήμη φυσική).“ (2) Heidegger (1976: 242): „Die aristotelische ‚Physik‘ ist das verborgene und deshalb nie zureichend durchdachte Grundbuch der abendländischen Philosophie. Vermutlich ist es aber in seinen acht Büchern nicht einheitlich entworfen und zur selben Zeit entstanden; diese Fragen sind hier gleichgültig; überhaupt hat es wenig Sinn zu sagen, die ‚Physik‘ gehe der ‚Metaphysik‘ voraus, da Metaphysik ebenso sehr ‚Physik‘ ist als die Physik ‚Metaphysik‘.“ (3) Gadamer, „Heideggers ‚theologische‘ Jugendschrift“ (2003: 85): „Die wahre Mitte des aristotelischen Denkens bildet für HEIDEGGER die Physik. Sie hat das Sein der Bewegtheit zum Thema und nicht die platonisch-pythagoreische ‚Idealität‘ der mathematischen Ordnungsgesetzlichkeiten. Das Sein der Bewegtheit stellt den Leitfaden dar. Im Begriff der Energeia, dem Sein im Vollzug, sind die Hinsichten des Herstellens und des Handelns bestimmend.“
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Einleitung
Veränderung, das in der strukturellen Ähnlichkeit, nämlich in der Analogie, fundiert ist. Bemerkenswert ist, dass die Veränderung in die Untersuchung der aristotelischen Metaphysik einbezogen werden muss. Dies ist nicht nur deswegen der Fall, weil die die Veränderung thematisierende Physik die Grundlage für Aristoteles Metaphysik bietet, sondern auch deswegen, weil die sich am Prinzip orientierende Physik wegen der Suche nach der Bewegungsursache und dem Entstehungsprinzip zur metaphysischen Prinzipienlehre gehört. Durch die Versöhnung von platonischer und aristotelischer Philosophie, anders gesagt, durch die Platonisierung der aristotelischen Philosophie hat in dieser Lesart die Metaphysik des Aristoteles nicht mehr die natürlichen Veränderungen bzw. die veränderlichen Naturdinge zum Thema, sondern die unveränderlichen Oberbegriffe, die im Grunde genommen entweder die platonischen höchsten Gattungen oder die thomistischen Transzendentalien sind. Dagegen verfolgen wir in der vorliegenden Auslegung die Absicht, die ursprüngliche Verbindung der aristotelischen Physik mit der Metaphysik, die in der Tradition verborgen ist, wieder ans Licht zu bringen.
4 Zur Einteilung der vorliegenden Arbeit Wie gesagt gibt es in der ursprünglichen Metaphysik des Aristoteles keine Entzweiung in metaphysica generalis und metaphysica specialis. Aristoteles’ Metaphysik ist keineswegs metaphysica generalis, da sie nicht die höchsten Seinsbestimmungen zum Thema hat, und zwar weder die platonischen höchsten Gattungen in disjunktiver Form (Einheit-Vielheit, Identität-Differenz, Ähnlichkeit-Unähnlichkeit, Gleichheit-Ungleichheit usw.) noch die thomistischen Gottesattribute (unum, verum, bonum). Noch ist sie metaphysica specialis, die sich allein auf die Theologie bezieht. Stattdessen ist Aristoteles’ Metaphysik als Substanzlehre aus der Physik und der Theologie zusammenfügt: Die Physik als zweite Philosophie zieht die sensible Substanz, sei sie Lebewesen oder Himmelskörper, in Betracht, und die Theologie als erste Philosophie betrachtet die intelligible Substanz, nämlich den Geist. Für diese These erbringt die Arbeit in ihrer Gesamtheit den Beweis. Die vorliegende Arbeit lässt sich in drei Teile einteilen: Im ersten Teil werden nicht nur Umfang und Gegenstand der aristotelischen Metaphysik festgelegt, sondern auch eine wichtige Klassifikationsmethode, nämlich der Chiasmus, dargestellt und ein zentraler Begriff dieser systematischen Untersuchung, d. h. die Analogie, erklärt. Der Unterteilung der Metaphysik entsprechend ist der zweite Teil der zweiten Philosophie – der Physik – und der dritte Teil der ersten Philosophie – der Theologie – gewidmet.
1 Metaphysik 1.1 Metaphysik als Prinzipienlehre Wenn man sich mit der Metaphysik befasst, stellt sich in erster Linie die Frage, was Metaphysik im Aristotelischen Sinne überhaupt ist. Ohne ihr einen Namen zu geben, begründet Aristoteles tatsächlich eine Wissenschaft, die über die Physik hinausgeht. Da wir den Anspruch haben, die aristotelische Metaphysik systematisch darzustellen, nehmen wir dementsprechend die Klassifikation der Wissenschaften als Ausgangspunkt. Denn erst durch diese Einteilung wird deutlich, wo die Metaphysik lokalisiert ist, sodass sowohl Gegenstand als auch Umfang der Metaphysik festgelegt werden können. Bemerkenswert ist, dass Aristoteles die Wissenschaft dreifach unterteilt, nämlich in die theoretische, die poietische und die praktische Wissenschaft (θεωρητική, ποιητική, πρακτική).15 Um den Gedankengang des Aristoteles nachzuvollziehen, soll nicht nur die Einteilung an sich, die Aristoteles in der Metaphysik zum Ausdruck bringt, sondern auch das Kriterium der Einteilung und die Vorgehensweise dabei betrachtet werden. Außer der Dihairese (διαίρεσις), bei der sich die übergeordnete Gattung in die untergeordneten Arten ausdifferenziert, gibt es noch eine andere
15 Metaph. E1, 1025b18–28; K7, 1064a10–19; Top. Z6, 145a15–18; Θ1, 157a8–12; EN Z2, 1139a27–29; Zeller 2013b: 177–178, Fußnote 5. Nicht Aristoteles, sondern die Stoiker haben erstmals die Philosophie in Physik, Ethik und Logik eingeteilt. Diese Einteilung beeinflusste wiederum das Verständnis von Aristoteles, sodass die griechischen Kommentatoren, wie Ammonius, Simplicius und Philoponus, den Corpus Aristotelicum in die theoretische, die praktische und die logische Wissenschaft einteilen. (1) Ammonii In Categoriarum 4.28–29: Τῶν δὲ ἀκροαματικῶν τὰ μέν ἐστι θεωρητικὰ τὰ δὲ πρακτικὰ τὰ δὲ ὀργανικά. (2) Simplicii In Categoriarum 4.23–24: τῶν δὲ συνταγματικῶν τὰ μέν ἐστι διαλογικά, τὰ δὲ αὐτοπρόσωπα, καὶ τῶν αὐτοπροσώπων τὰ μέν ἐστιν θεωρητικά, τὰ δὲ πρακτικά, τὰ δὲ ὀργανικά. (3) Philoponi In Categoriarum 3.14–17: τῶν δὲ συνταγματικῶν τὰ μὲν αὐτοπρόσωπα, ἃ καὶ ἀκροαματικὰ καλεῖται, τὰ δὲ διαλογικὰ καὶ ἐξωτερικά. τῶν δὲ ἀκροαματικῶν τὰ μὲν θεωρητικὰ τὰ δὲ πρακτικὰ τὰ δὲ ὀργανικά. Die Kommentatoren folgen nicht einfach dem stoischen Dogmatismus, sondern sehen sich der Schwierigkeit gegenüber, die poietische Wissenschaft einzuordnen. Außerdem ist von Aristoteles eine Vielzahl an logischen Schriften überliefert, die weder der theoretischen, noch der poietischen oder der praktischen Wissenschaft zugehörig sind. Darum lässt sich die poietische Wissenschaft aus- und die logische Wissenschaft einschließen. Übrigens erwähnt Aristoteles zwar in Topica (A14, 105b19–25) eine Dreiteilung von Physik, Ethik und Logik. Aber sie bezieht sich nicht auf die Klassifikation der Wissenschaft, sondern es ist davon die Rede, dass es drei Typen von Prämissen (πρότασεις) gibt, nämlich die physikalischen, die moralischen und die logischen Voraussetzungen. https://doi.org/10.1515/9783110664928-002
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Klassifikationsmethode. Diese wird zwar von Aristoteles umfassend angewendet,16 aber erstaunlicherweise von den meisten Kommentatoren und Forschern übersehen. Nur Porphyrius hebt die Einteilungsmethode hervor und gibt ihr einen entsprechenden Namen, nämlich den Chiasmus (χιαστή).17 Um
16 Die chiastische Einteilungsmethode lässt sich zunächst anhand der Klassifikation der Wissenschaft sowie anhand der Klassifikation der theoretischen Philosophie und der Einteilung der Substanz aufzeigen. Außerdem wendet Aristoteles den Chiasmus an, um Substanz und Kategorie (Cat. 2, 1a20–1b9), Univokation und Äquivokation (Cat. 1, 1a1–15), Wahrheit und Falschheit (Metaph. Θ10, 1051b1–6; Int. 6, 17a23–31), Entstehung und Bewegung (Phys. E1, 224b35–225a20; Metaph. K11, 1067b14–1068a7) und vier Grundelemente (Gen. et Corr. B3, 330a30–330b7) voneinander zu unterscheiden. In der vorliegenden Arbeit wird jeder Einzelfall schrittweise erörtert. Eigentlich ist die Anwendung der chiastischen Methode in der Philosophie überhaupt nicht fremd. In den Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (2001: 16–36) trifft Kant seine berühmte vierfache Einteilung, nämlich in analytische Sätze a priori, analytische Sätze a posteriori, synthetische Sätze a priori und synthetische Sätze a posteriori. Es mangelt Kant zwar an der methodischen Reflexion, aber nur aufgrund des Chiasmus können die Sätze bzw. die Urteile vierfach eingeteilt werden. 17 (1) In Bezug auf den Unterschied von Substanz und Kategorie bringt Porphyrius den Chiasmus terminologisch zum Ausdruck. (1.1) Porphyrii In Categoriarum 78.34–79.11: [. . .] ἐνὸν οὖν πολλαχῶς οὕτως διελεῖν, εἰπὲ τοίνυν, ὁ Ἀριστοτέλης κατὰ ποίαν τάξιν τὴν διαίρεσιν ἐξέθετο; Κατὰ τὴν χιαστὴν λέγω. Τίς γάρ ἐστιν ἡ χιαστή; Λέγω ὅτι ἡ οὐσία συμβεβηκὸς ἀντιδιαιροῦσα καὶ τὸ καθόλου ἐπὶ μέρους. Σαφέστερον εἰπὲ ὃ λέγεις. Τὸ γὰρ οὕτως διελεῖν καὶ εἰπεῖν, τῶν ὄντων τὰ μὲν ἢ καθόλου οὐσίαι ἢ ἐπὶ μέρους συμβεβηκότα, καὶ τὰ μὲν < ἢ > καθόλου συμβεβηκότα ἢ ἐπὶ μέρους οὐσίαι, χιάζοντος ἦν καὶ μήτε τὰ καθόλου κατὰ στοῖχον ἀριθμοῦντος μήτε τὰ κατὰ μέρος, μήτε τὰς οὐσίας κατὰ στοῖχον μήτε τὰ συμβεβηκότα. Καὶ πόθεν δῆλον ὅτι οὕτως διεῖλεν; Ὅτι τὰ ἐξηγητικὰ αὐτῶν ὀνόματα παραλαμβάνων ἃ συνέπλεξεν οὕτως ἐξέθετο, ὡς ἀπεδείχθη. (1.2) Erwähnenswert ist, dass an dieser Stelle Ammonius und Philoponus nicht nur Porphyrius folgend etwas Ähnliches kommentieren, sondern ein vollständiges Schema des Chiasmus anschaulich darstellen. Siehe: Ammonii In Categoriarum 25.5–12: παραδείγμα; Philoponi In Categoriarum 28.9–23: διάγραμμα. (2) Ohne dieser Methode einen Namen zu geben, verwendet Porphyrius sie bereits vorher, um Homonyma und Synonyma voneinander zu unterscheiden. Porphyrii In Categoriarum 60.15–33: Φημὶ τοίνυν ὅτι παντὸς πράγματος ὄνομα καὶ ὁρισμὸν ἢ ὑπογραφὴν ἔχοντος, οἷον τοῦδε μὲν τοῦ πράγματος ὄνομα ἔχοντος ἄνθρωπος καὶ δηλουμένου δι’ αὐτοῦ, ἔστιν αὐτοῦ καὶ ὁ ὁρισμός· λέγομεν γὰρ ἄνθρωπον εἶναι ζῷον λογικὸν θνητὸν νοῦ καὶ ἐπιστήμης δεκτικόν· δηλοῦται γὰρ ἕκαστον τῶν πραγμάτων καὶ δι’ ὀνόματος καὶ διὰ λόγου τοῦ ὁριστικοῦ καὶ παραστατικοῦ τῆς οὐσίας αὐτοῦ, ὡς ὅταν τὴν φωνὴν λέγωμεν τὸ ἴδιον αἰσθητὸν ἀκοῆς· παντὸς οὖν πράγματος καὶ ὄνομα καὶ λόγον ὁριστικὸν ἔχοντος σχέσεις ἐν τοῖς πράγμασι τῶν τοιούτων λόγων πρὸς τὰ ὀνόματα γίνονται τέσσαρες· τὰ γὰρ πράγματα ἢ καὶ τοῦ ὀνόματος καὶ τοῦ λόγου τοῦ αὐτοῦ κοινωνεῖ, ἢ τοῦ μὲν ὀνόματος οὐ μέντοι τοῦ λόγου, ἢ τοῦ μὲν λόγου τοῦ δὲ ὀνόματος οὔ, ἢ οὔτε τοῦ λόγου οὔτε τοῦ ὀνόματος. καὶ ὅταν μὲν τοῦ αὐτοῦ ὀνόματος κοινωνῇ τὰ πράγματα τοῦ δὲ λόγου μηδαμῶς, ὁμώνυμα καλεῖται, ὅταν δὲ καὶ τοῦ λόγου καὶ τοῦ ὀνόματος, συνώνυμα τὰ τοιαῦτα προσαγορεύεται διὰ τὸ ὥσπερ σὺν τῷ ὀνόματι καὶ τὸν λόγον ἔχειν τὸν αὐτόν. ὅταν δὲ τοῦ μὲν λόγου κοινωνῇ τοῦ αὐτοῦ τοῦ δὲ ὀνόματος μή, πολυώνυμα ταῦτα καλεῖται, ἐπειδὰν δὲ μήτε τοῦ ὀνόματος μήτε
1.1 Metaphysik als Prinzipienlehre
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z. B. das Lebendige zu klassifizieren, müssen zwei Paare von Unterscheidungskriterien vorliegen. Die beiden Paare sind Gegensatzpaare, nämlich Vernünftigkeit-Unvernünftigkeit und Sterblichkeit-Unsterblichkeit. Ein Chiasmus kommt dadurch zustande, dass sich die zwei Gegensatzpaare, d. h. die vier Elemente, miteinander kreuzen. Bei dem Versuch, beliebige dieser vier Momente miteinander zu verknüpfen, ergeben sich insgesamt sechs Kombinationsmöglichkeiten, von denen vier Möglichkeiten gültig sind (Tab. 1). Zwei Kombinationen müssen deswegen ausgeschlossen werden, weil die beiden Gegensätze an sich nicht kompatibel sind.18 Tab. 1: Einteilung des Lebendigen. θνητόν
ἀθάνατον
λογικόν
ἄνθρωπος
θέος
ἄλογον
ζῷον
Anhand des Chiasmus ist das Lebendige in drei Klassen einzuteilen, die jeweils durch zwei unterschiedliche und kompatible Eigenschaften gekennzeichnet sind: Gott ist vernünftig und unsterblich; der Mensch ist vernünftig und sterblich; das Tier ist unvernünftig und sterblich. Da Porphyrius das Lebendige von Anfang an als beseelte und wahrnehmungsfähige Substanz bestimmt (ἔστι γὰρ τὸ ζῷον οὐσία ἔμψυχος αἰσθητική – Porphyrii Isagoge 10.6), wird die Pflanze, die kein Wahrnehmungsvermögen hat, ausgeschlossen. Um die Pflanze ins Spiel zu bringen, stellt Porphyrius einen anderen Chiasmus auf (Tab. 2). Dadurch, dass sich Beseeltes-Unbeseeltes (ἔμψυχος-ἀψύχον) und Wahrnehmungsfähiges-Wahrnehmungsunfähiges (αἰσθητική-ἀναίσθητος) überkreuzen, ergibt sich Folgendes: Das Tier ist beseelt und wahrnehmungsfähig; die Pflanze ist beseelt und nicht τοῦ λόγου, ἑτερώνυμα καλεῖται. πέμπτος δέ ἐστι τρόπος, ὅταν τινὰ ἕτερα ὄντα ἀπὸ ἑτέρων γένηται μετέχοντά πως καὶ τοῦ ὀνόματος καὶ τοῦ λόγου, διαφέροντα δὲ τῷ μετασχηματισμῷ, ἃ καὶ καλεῖται παρώνυμα. (3) In der Isagoge zieht Porphyrius die Einteilung des Lebendigen bzw. des Lebewesens als Paradigma heran, um zu zeigen, wie sich die Einteilung nach der chiastischen Methode vollzieht. Im Folgenden erörtern wir dieses Beispiel ausführlich. Vgl. Porphyrii Isagoge 9.24–10.21. 18 Zur Art und Weise, wie ein Chiasmus gültig gebildet werden soll, sind folgende Textstellen zu vergleichen: Gen. et Corr. B3, 330a30–330b1; Ammonii In Porphyrii Isagogen sive V Voces 95. 6–96.1; Ammonii In Categoriarum 25.5–26.10; Simplicii In Categoriarum 44.26–45.7; Philoponi In Categoriarum 29.1–30.24; Olympiodori In Categorias Commentarius 43.3–44.34; Eliae (olim Davidis) In Categoriarum 147.30–148.18.
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1 Metaphysik
Tab. 2: Einteilung des Lebewesens.
ἔμψυχος ἀψύχον
αἰσθητική
ἀναίσθητος
ζῷον
φυτόν ὕλη πέφυκεν
wahrnehmungsfähig; der natürliche Stoff, z. B. Stein, Holz usw., ist weder beseelt noch wahrnehmungsfähig.19 Wie Porphyrius’ Beispiele zeigen, bringt der Chiasmus eine vierfache Teilung zustande. Der Grund dafür, dass das Einteilungsresultat dreifach zum Vorschein kommen kann, liegt darin, dass die vierte Kombinationsmöglichkeit entweder irrelevant ist oder in manchen Fällen als Paradox ausgeschlossen werden muss. Es gibt weder das Seiende, das unvernünftig und unsterblich ist, noch das Seiende, das unbeseelt und wahrnehmungsfähig ist. Die Physik, die eine theoretische Wissenschaft vertritt, sowie die poietische und die praktische Wissenschaft (φυσική, ποιητική, πρακτική) sind differenziert, je nachdem wie die natürliche Entstehung, die handwerkliche Herstellung oder die menschliche Handlung thematisiert werden (φύσις, ποίησις, πρᾶξις). Weiterhin sind Naturentstehung, Herstellung und Handlung anhand der verschiedenen Wirkursachen zu unterscheiden, nämlich danach, dass das Naturseiende kraft seiner selbst entstanden ist, das Artefakt durch die Kunst hervorgebracht und die menschliche Praxis durch das Zusammenspiel von Verstand und Zufall vollzogen wird (φύσις, τέχνη, διάνοια/τύχη). Die Einteilung der Wissenschaften hängt von der Klassifikation der Gegenstände ab, die wiederum nach der Wirkursache sortiert werden (ἐπιστήμη→ἐπιστητόν/ὄν→ἀρχὴ τῆς κινήσεως). Einerseits befindet sich die Wirkursache entweder in der gemachten Sache (τῷ ποιουμένῳ) oder in dem Machenden bzw. Handelnden (τῷ ποιοῦντι ἢ τῷ
19 Porphyrii Isagoge 10.3–18: οἷον τῶν καθ’ αὑτὰς διαφορῶν πασῶν τῶν τοιούτων τοῦ ζῴου οὐσῶν ἐμψύχου καὶ αἰσθητικοῦ, λογικοῦ καὶ ἀλόγου, θνητοῦ καὶ ἀθανάτου, ἡ μὲν τοῦ ἐμψύχου καὶ αἰσθητικοῦ διαφορὰ συστατική ἐστι τῆς τοῦ ζῴου οὐσίας, ἔστι γὰρ τὸ ζῷον οὐσία ἔμψυχος αἰσθητική, ἡ δὲ τοῦ θνητοῦ καὶ ἀθανάτου διαφορὰ καὶ ἡ τοῦ λογικοῦ τε καὶ ἀλόγου διαιρετικαί εἰσι τοῦ ζῴου διαφοραί· δι’ αὐτῶν γὰρ τὰ γένη εἰς τὰ εἴδη διαιρούμεθα. ἀλλ’ αὗταί γε αἱ διαιρετικαὶ διαφοραὶ τῶν γενῶν συμπληρωτικαὶ γίνονται καὶ συστατικαὶ τῶν εἰδῶν· τέμνεται γὰρ τὸ ζῷον τῇ τε τοῦ λογικοῦ καὶ τῇ τοῦ ἀλόγου διαφορᾷ καὶ πάλιν τῇ τε τοῦ θνητοῦ καὶ τοῦ ἀθανάτου διαφορᾷ. ἀλλ’ αἱ μὲν τοῦ θνητοῦ καὶ τοῦ λογικοῦ διαφοραὶ συστατικαὶ γίνονται τοῦ ἀνθρώπου, αἱ δὲ τοῦ λογικοῦ καὶ τοῦ ἀθανάτου τοῦ θεοῦ, αἱ δὲ τοῦ ἀλόγου καὶ τοῦ θνητοῦ τῶν ἀλόγων ζῴων. οὕτω δὲ καὶ τῆς ἀνωτάτω οὐσίας διαιρετικῶν οὐσῶν τῆς τε ἐμψύχου καὶ ἀψύχου διαφορᾶς καὶ τῆς αἰσθητικῆς καὶ ἀναισθήτου ἡ μὲν ἔμψυχος καὶ αἰσθητικὴ συλληφθεῖσαι τῇ οὐσίᾳ ἀπετέλεσαν τὸ ζῷον, ἡ δὲ ἔμψυχος καὶ ἀναίσθητος ἀπετέλεσαν τὸ φυτόν.
1.1 Metaphysik als Prinzipienlehre
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πράττοντι). Je nachdem, ob die Wirkursache innerhalb oder außerhalb des zugrundeliegenden Seienden liegt, ist sie entweder innerlich oder äußerlich (ἐντόςἔξω).20 Andererseits vollzieht sich die Wirkursache entweder auf notwendige Weise oder auf zufällige Weise (καθ’ αὑτό-κατὰ συμβεβηκός).21 Demzufolge sind zwei Paare von Einteilungskriterien vorhanden.22 Indem sich Innerlichkeit-Äußerlichkeit und Notwendigkeit-Zufälligkeit miteinander überkreuzen, lassen sich die Wirkursachen anhand des Chiasmus vierfach unterteilen (Tab. 3): Tab. 3: Einteilung der Wirkursachen bzw. der Wissenschaften.
καθ’ αὑτό κατὰ συμβεβηκός
τῷ ποιουμένῳ
τῷ ποιοῦντι
φύσις
τέχνη
αὐτόματον
τύχη
Durch das chiastische Verfahren sind φύσις, τέχνη, αὐτόματον und τύχη jeweils durch eine innere Notwendigkeit, eine äußere Notwendigkeit, eine innere Zufälligkeit und eine äußere Zufälligkeit gekennzeichnet. Anhand der jeweiligen Wirkursache vollzieht sich eine natürliche Entstehung, eine handwerkliche Herstellung, eine widernatürliche Zeugung und eine menschliche Handlung. Während die natürliche Kontingenz außer Betracht bleibt, werden Naturentstehung/Naturding, Herstellung/Artefakt und menschliche Praxis thematisiert. Den drei Untersuchungsgegenständen φύσις, ποίησις und πρᾶξις entsprechend
20 Je nach den verschiedenen Kontexten verwendet Aristoteles unterschiedliche Termini, um die Innerlichkeit und die Äußerlichkeit der Wirkursache auszudrücken: τῷ ποιουμένῳ-τῷ ποιοῦντι (Metaph. E1, 1025b18–24; K7, 1064a10–16); ἐν ἑαυτῷ-ἐν ἄλλοις καὶ ἔξωθεν (PhysisTechne: Phys. B1, 192b27–30), ἐν αὐτῷ-ἐν ἄλλῳ (Physis-Techne: Metaph. Θ8, 1049b8–10, Θ2, 1046b2–4, Λ3, 1070b7–8); φύσει-ἀπὸ διανοίας (Physis-Techne: Phys. B6, 198a2–4; APo. B11, 94b27–95a9); ἐντός-ἔξω (Automaton-Tyche: Phys. B6, 197b32–37). 21 Die Nowendigkeit und die Zufälligkeit der Wirkursache werden auf vielfältige Weise ausgedrückt: καθ’ αὑτό-κατὰ συμβεβηκός (Phys. B5, 196b24–29; B5, 197a32–35; B6, 198a5–10; Metaph. K8, 1065a26–32); ᾗ αὐτὸ-ᾗ ἄλλο (Metaph. Δ4, 1014b18–20; Θ8, 1049b8–10; Θ2, 1046b2–4; APo. A4, 73b28–32); ἐξ ἀνάγκης καὶ ὡς ἐπὶ τὸ πολύ-ἐν τοῖς ἐνδεχομένοις γίγνεσθαι (Phys. B5, 196b10–17, B5, 197a32–35; B8, 198b34–36). 22 De Cae. Δ1, 308a1–4; Metaph. E1, 1025b18–21; K7, 1064a15–16. In Bezug auf die Klassifikation der Wissenschaft führt Aristoteles in E1 sowie in K7 der Metaphysik nur das eine Kriterium von Innerlichkeit und Äußerlichkeit ein. An beiden Stellen fehlt das andere Kriterium von Notwendigkeit und Zufälligkeit.
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1 Metaphysik
werden die drei Wissenschaftsdisziplinen als φυσική, ποιητική und πρακτική benannt. Die Physik als theoretische Wissenschaft zielt auf die Erkenntnis des Naturseienden ab, dessen Wirkursache innerlich und notwendig ist. Beim einzelnen Naturseienden sind sowohl die Bewegungsursache als auch das Entstehungsprinzip in ihm selbst enthalten (Phys. B1, 192b13–15; Metaph. Δ4, 1014b18–20, 1015a13–15; Θ8, 1049b8–10), so dass das einzelne Lebewesen immer etwas Gleichartiges erzeugt (ἄνθρωπος ἄνθρωπον γεννᾷ – Metaph. Z7, 1032a25; Z8, 1033b32). Außerdem lässt sich die Notwendigkeit der natürlichen Wirkursachen damit aufzeigen, dass die vier Grundelemente nach einer bestimmten Reihenfolge ineinander übergehen (ὕδωρ→ἀὴρ→πῦρ→γῆ – Gen. et Corr. B4, 331a12–331b11). Der Himmelskörper läuft unaufhörlich im Kreis (ὁ δ’ οὐρανὸς ἀΐδιος καὶ ἡ κύκλῳ φορά – Phys. Z10, 241b16–20; De Cae. B5, 287b24–28; Metaph. Λ6, 1071b10–11; Λ7, 1072a21–23), bedarf aber einer äußerlichen Bewegungsursache. Aufgrund der vorliegenden Kriterien, bei denen die Wirkursache innerlich ist, soll der Himmelskörper nicht von der Physik, sondern von der Astronomie thematisiert werden. Die poietische Wissenschaft zieht das Artefakt in Betracht, dessen Wirkursache zwar außerhalb der Sache bleibt, aber mit einer gewissen Notwendigkeit ausgestattet ist. So liegt die Wirkursache des Artefaktes nicht im hergestellten Produkt, sondern im Hersteller. Außerdem ahmt die Techne die Physis darin nach, ein bestimmtes Ziel zu setzen und es schrittweise zu erreichen. Denn das Artefakt kann nicht durch den individuellen Willen, sondern nur kraft des allgemeinen Verstandes regelmäßig und kontinuierlich produziert werden. Indem der menschliche Verstand die natürliche Zweckmäßigkeit imitiert, wird der Herstellung eine gewisse Notwendigkeit zugeteilt.23 Die Herstellung wird in die wissenschaftliche Untersuchung einbezogen, nicht um der Herstellung des konkreten Artefakts willen, sondern um die notwendige Verwirklichung der technischen Gestalt zu erkennen.
23 Wenn man vorhat, etwas hervorzubrigen, muss man, ebenso wie die Natur, ein bestimmtes Ziel setzen (ὥστ’ εἰ ἐν τῇ τέχνῃ ἔνεστι τὸ ἕνεκά του, καὶ ἐν τῇ φύσει – Phys. B8, 199b29–30, 199a17–18). Außer der Zielsetzung muss der Herstellungsprozess, ähnlich wie die Naturentstehung, schrittweise vorangehen, nämlich einen Schritt nach dem anderen (ἔτι ἐν ὅσοις τέλος ἔστι τι, τούτου ἕνεκα πράττεται τὸ πρότερον καὶ τὸ ἐφεξῆς – B8, 199a8–9; ὁμοίως γὰρ ἔχει πρὸς ἄλληλα ἐν τοῖς κατὰ τέχνην καὶ ἐν τοῖς κατὰ φύσιν τὰ ὕστερα πρὸς τὰ πρότερα – B8, 199a18–20). Mit anderen Worten muss die handwerkliche Zusammensetzung von Form und Stoff wie die natürliche Produktion kontinuierlich geschehen, bis das Werk vollständig hervorgebracht wird. Ein Schiffbauer bearbeitet z. B. ein Stück Holz und stellt schließlich ein Schiff her. Er macht es auf eine ähnliche Art und Weise, wie die Natur ein Schiff schaffen würde (καὶ εἰ ἐνῆν ἐν τῷ ξύλῳ ἡ ναυπηγική, ὁμοίως ἂν τῇ φύσει ἐποίει – B8, 199b28–29). Denn aus der formalen Perspektive sieht es so aus, dass die Gestalt des Schiffes mithilfe des Schiffbauers aus dem Stoff heraustritt.
1.1 Metaphysik als Prinzipienlehre
21
Im Laufe der Argumentation dient die Erörterung über die Herstellung auch dazu, die hylemorphistische Struktur des Naturdings zu verdeutlichen, die sich am offenkundigsten beim Artefakt zeigt. Die praktische Wissenschaft nimmt die Handlung zum Untersuchungsgegenstand, deren Wirkursache τύχη genannt wird. Die τύχη als Handlungsursache ist nicht nur mit der äußeren Wahrscheinlichkeit verknüpft, sondern auch mit dem menschlichen Verstand. Einerseits setzt Aristoteles die Tradition der griechischen Philosophie fort, indem die τύχη die Zufälligkeit zugesprochen erhält. Jedoch ist sie sowohl fern vom göttlichen Willen, womit das Schicksal gemeint ist, als auch vom Naturzustand, der nach der platonischen Tradition mit Chaos und Kontingenz verbunden ist.24 Stattdessen ist die Zufälligkeit der τύχη gegen die Wahrscheinlichkeit der menschlichen Handlung gerichtet. Im praktischen Bereich tritt die Wahrscheinlichkeit ständig auf, da es immer möglich ist, sich anders zu verhalten.25 Andererseits kann man sich nur dann richtig entscheiden und vernünftig handeln, wenn die Entscheidung (προαίρεσις), die sich an einem bestimmten Ziel orientiert (οὗ ἕνεκα), durch eine vernünftige Überlegung (ἀπὸ διανοίας) getroffen wird, sowie die daraus folgende Handlung davon geprägt ist.26 Darum weist die τύχη als Wirkursache nicht nur die Wahrscheinlichkeit, sondern auch die Vernünftigkeit der menschlichen Handlung auf. Das natürliche Zufällige kann zwar nicht zur Kenntnis genommen werden, weil die theoretische Wissenschaft nur dasjenige Seiende thematisiert, das sich immer oder in den meisten Fällen in gleicher Weise verhält (Metaph. K8, 1065a4–6). Dennoch hindert uns die Wahrscheinlichkeit der menschlichen Handlung nicht daran, Medizin, Ethik, Ökonomik und Politik als Wissenschaftsdisziplinen aufzustellen. Da die ärztliche, die moralische, 24 Leg. 889b1–c6; Simplicii In Physicorum 355.13–356.17. Durch die Gleichsetzung der Natur mit der Tyche hebt Platon einerseits den kontingenten Charakter des Naturzustandes hervor und legt andererseits den Akzent auf die schöpferische Kraft der menschlichen Seele und des Schöpfergottes. Dadurch, dass Aristoteles die Natur von der Tyche ablöst und die natürliche Notwendigkeit in den Vordergrund bringt, kann nicht nur die Physik als strenge Wissenschaft begründet werden, sondern auch die Metaphysik auf einer neuen Ebene aufbauen. 25 Aristoteles lässt nicht nur den Zufall sich von der Natur befreien, sondern verbindet auch die Zufälligkeit mit der menschlichen Entscheidung (προαίρεσις) und der Handlung (πρᾶξις). Neben der natürlichen Notwendigkeit, d. h. der Zweckmäßigkeit, gibt es noch einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen die menschliche Tätigkeit den strengen Naturdeterminismus unterbrechen kann. 26 (1) Phys. B5, 197a5–8: δῆλον ἄρα ὅτι ἡ τύχη αἰτία κατὰ συμβεβηκὸς ἐν τοῖς κατὰ προαίρεσιν τῶν ἕνεκά του. διὸ περὶ τὸ αὐτὸ διάνοια καὶ τύχη· ἡ γὰρ προαίρεσις οὐκ ἄνευ διανοίας. (2) Metaph. K8, 1065a30–32: ἡ τύχη δ’ αἰτία κατὰ συμβεβηκὸς ἐν τοῖς κατὰ προαίρεσιν τῶν ἕνεκά του γιγνομένοις, διὸ περὶ ταὐτὰ τύχη καὶ διάνοια· προαίρεσις γὰρ οὐ χωρὶς διανοίας. Ohne Verstand kann man weder vergleichen noch sich entscheiden, ob das eine dem anderen gegenüber zu bevorzugen ist.
22
1 Metaphysik
ökonomische und die politische Praxis mithilfe des Verstands durchgeführt werden müssen, wird der entsprechenden Wissenschaft eine bestimmte Notwendigkeit zugemessen. Außerdem zielt die praktische Wissenschaft nicht darauf ab, die absolute Wahrheit zu begreifen, sondern nur darauf, wie man in konkreten Fällen richtig handeln soll,27 sodass sie nicht die gleiche Genauigkeit wie die theoretische Wissenschaft verlangt (EN A1, 1094b12–13). Wie gesagt ist die Wissenschaft dreifach einzuteilen. Vor dem Hintergrund der Dreiteilung ist die Physik weder der praktischen, noch der poietischen, sondern der theoretischen Wissenschaft zugehörig, da sie nicht auf die menschliche Handlung oder die handwerkliche Herstellung, sondern nur auf die spekulative Betrachtung der natürlichen Substanzen abzielt. Einen Schritt weitergehend ist die theoretische Wissenschaft dreifach zu unterteilen (Tab. 4). Tab. 4: Einteilung der theoretischen Wissenschaften. χωριστά κίνητα ἀκίνητα
ἀχωρίστα φυσική
θεολογική
μαθηματική
Anhand der Kriterien von Trennbarkeit-Untrennbarkeit und BewegtemUnbewegtem teilen sich die Untersuchungsgegenstände chiastisch auf und dementsprechend ist die theoretische Wissenschaft in Physik, Theologie und Mathematik einzuteilen.28 Die Physik nimmt Seiendes zum Gegenstand, das vom Stoff untrennbar ist und immer bewegt wird.29 Die Theologie thematisiert
27 Metaph. α1, 993b20–21; EN A1, 1095a4–6; B2, 1103b26–30; Z1, 1139a27–29; K10, 1179a35–1179b2; EE A1, 1214a10–12; Zeller 2013b: 177, Fußnote 3 und 4. 28 Die dreifache Einteilung der theoretischen Wissenschaft: Metaph. E1, 1026a6–23; K7, 1064a30–1064b6. Der Unterschied zwischen Physik und Theologie: Metaph. E1, 1026a27–31; K7, 1064b9–14; Γ3, 1005a33–1005b11. Der Unterschied zwischen Physik und Mathematik: Metaph. Γ3, 1005a29–33; Phys. B2, 193b22–194a12. 29 In Bezug auf den Satz „ἡ μὲν γὰρ φυσικὴ περὶ χωριστὰ μὲν ἀλλ’ οὐκ ἀκίνητα“ (Metaph. E1, 1026a13–14) gibt es zwei verschiedene Lesarten. Während Schwegler und Zeller (2013b: 179, Fußnote 1) ἀχωρίστα an diese Stelle setzen, entscheiden sich die beiden Philologen Ross und Jäger für χωριστά. Die Lesart von χωριστά kann nicht nur durch die parallele Stelle in K7 (1064a28–30) überzeugen, sondern das χωριστόν wird auch im ursprünglichen Sinn von Aristoteles angewendet. Da die Einzelsubstanz von der Kategorie getrennt werden kann, ist sie eigenständig. In dem besonderen Fall, dass die Einzelsubstanz zusammen mit dem χωριστόν auftritt (τόδε τι καὶ χωριστόν – Metaph. Δ8, 1017b23–25; Z3, 1029a27–28; Z14, 1039a30–32; H1, 1042a29–31; K2,
1.1 Metaphysik als Prinzipienlehre
23
das Getrennte und Unbewegte (Metaph. E1, 1026a15–16; K7, 1064a33–1064b1). Die Mathematik zieht Seiendes in Betracht, das an sich weder von Materie noch von sensibler Substanz trennbar ist (Metaph. N3, 1090a28–30; N6, 1093b25–29; Phys. B2, 193b22–25). Nur durch Abstraktion können die mathematischen Entitäten als das Getrennte und Unbewegte betrachtet werden (Metaph. E1, 1026a7–10; Z10, 1036a9–12; K3, 1061a28–1061b4; M3, 1078a21–30; Phys. B2, 193b31–35). Die Mathematik gehört zwar zur theoretischen Wissenschaft, aber nicht zur Metaphysik. Denn sie macht nicht die Substanz, d. h. das Seiende als Ganzes, sondern nur einen Teil, d. h. die quantitative Bestimmung des Seienden, zum Thema (Metaph. Γ1, 1003a22–26). Die Physik und die Theologie können deswegen zusammen Aristoteles’ Metaphysik ausmachen, weil die eine als zweite Philosophie die Substanz in zweiter
1060b19–22), weist der Begriff „χωριστόν“ die Eigenständigkeit der Einzelsubstanz auf. Was die Physik thematisiert, ist nichts anderes als die selbständige Einzelsubstanz und deren Prinzipien. In diesem Sinne ist die Lesart von χωριστά sowohl sprachlich als auch inhaltlich korrekt. Aber der Begriff „χωριστόν“ ist mehrdeutig. Was mit Trennbarkeit gemeint ist, kommt zunächst darauf an, wovon eine Sache getrennt wird. Außer der Trennbarkeit der Einzelsubstanz von der Kategorie (οὐδὲν γὰρ αὐτῶν ἐστὶν οὔτε καθ’ αὑτὸ [πεφυκὸς] οὔτε χωρίζεσθαι δυνατὸν τῆς οὐσίας, ἀλλὰ μᾶλλον, εἴπερ, τὸ βαδίζον τῶν ὄντων καὶ τὸ καθήμενον καὶ τὸ ὑγιαῖνον – Metaph. Z1, 1028a22–25; τῶν μὲν γὰρ ἄλλων κατηγορημάτων οὐθὲν χωριστόν, αὕτη δὲ μόνη – Metaph. Z1, 1028a33–34) kann die Form vom Stoff getrennt und rein logisch betrachtet werden ([. . .] ἄλλως δ’ ὁ λόγος καὶ ἡ μορφή, ὃ τόδε τι ὂν τῷ λόγῳ χωριστόν ἐστιν – Metaph. H1, 1042a28–29; [. . .] ἄλλον δὲ τρόπον ἡ μορφὴ καὶ τὸ εἶδος τὸ κατὰ τὸν λόγον – Phys. B1, 193a30–31; τὸ γὰρ δυνάμει σὰρξ ἢ ὀστοῦν οὔτ’ ἔχει πω τὴν ἑαυτοῦ φύσιν, πρὶν ἂν λάβῃ τὸ εἶδος τὸ κατὰ τὸν λόγον, ᾧ ὁριζόμενοι λέγομεν τί ἐστι σὰρξ ἢ ὀστοῦν, οὔτε φύσει ἐστίν – Phys. B1, 193a36–193b3; ὥστε ἄλλον τρόπον ἡ φύσις ἂν εἴη τῶν ἐχόντων ἐν αὑτοῖς κινήσεως ἀρχὴν ἡ μορφὴ καὶ τὸ εἶδος, οὐ χωριστὸν ὂν ἀλλ’ ἢ κατὰ τὸν λόγον – Phys. B1, 193b3–5). Außerdem gibt es noch die intelligible Substanz, die per se von Materialität und Potentialität absolut getrennt ist (ἴσως γὰρ ἐκ τούτων ἔσται δῆλον καὶ περὶ ἐκείνης τῆς οὐσίας ἥτις ἐστὶ κεχωρισμένη τῶν αἰσθητῶν οὐσιῶν – Metaph. Z17, 1041a7–9; ὅτι μὲν οὖν ἔστιν οὐσία τις ἀΐδιος καὶ ἀκίνητος καὶ κεχωρισμένη τῶν αἰσθητῶν, φανερὸν ἐκ τῶν εἰρημένων – Metaph. Λ7, 1073a3–5; καὶ οὗτος ὁ νοῦς χωριστὸς καὶ ἀπαθὴς καὶ ἀμιγής, τῇ οὐσίᾳ ὢν ἐνέργεια – De An. Γ5, 430a17–18; χωρισθεὶς δ’ ἐστὶ μόνον τοῦθ’ ὅπερ ἐστί, καὶ τοῦτο μόνον ἀθάνατον καὶ ἀΐδιον – De An. Γ5, 430a22–23). Wenn wir der Lesart von Ross und Jäger folgen, dann wird derselbe Terminus wegen seiner Mehrdeutigkeit in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet. In der Theologie und in der Mathematik soll das χωριστόν als Trennung oder Trennbarkeit der Form vom Stoff zu verstehen sein, in der Physik aber als Trennbarkeit der Einzelsubstanz von der Kategorie. Um die begriffliche Einheit beizubehalten, bevorzugen wir die andere Lesart von ἀχωρίστα, die sich von der Erörterung in Physik B2, 194b9–15 indirekt unterstützen lässt. Aufgrund dessen ist der Untersuchungsgegenstand der Physik als dasjenige Seiende bestimmt, welches sachlich nicht vom Stoff abgesondert werden kann und immer bewegt wird. Übrigens bringt Merlan die zwei verschiedenen Lesarten zum Ausdruck (1957: 87, Fußnote 3). Obwohl er nicht die Lesart von ἀχωρίστα, sondern die Lesart von χωριστὰ akzeptiert, weist Merlan auf die Mehrdeutigkeit des χωριστόν hin (1957: 89, Fußnote 7).
24
1 Metaphysik
Ordnung (d. h. die sensible Substanz) und die andere als erste Philosophie die Substanz in erster Ordnung (d. h. die intelligible Substanz) thematisiert.30 Die These, dass die Metaphysik über zwei Unterteilungen verfügt, lässt sich wiederum durch die Einteilung der Substanzen nachweisen. Denn es gibt so viele Teile der Metaphysik wie es Typen von Substanzen gibt (καὶ τοσαῦτα μέρη φιλοσοφίας ἔστιν ὅσαι περ αἱ οὐσίαι – Metaph. Γ2, 1004a2–3; οὐ μὴν ἀλλ’ ὥσπερ ἡ μία φιλοσοφία καὶ ὅλη περὶ πάσας ἕξει, οὕτω καὶ τὰ εἴδη αὐτῆς περὶ τὰ εἴδη τῶν οὐσιῶν – Syriani In Metaphysica Commentaria 58.12–13). In Bezug auf die Einteilung der Substanz hat Aristoteles zwei Kriterien anzubieten.31 Indem sich Vergänglichkeit-Ewigkeit und Bewegtes-Unbewegtes
30 (1) Phys. B2, 194b9–15: μέχρι δὴ πόσου τὸν φυσικὸν δεῖ εἰδέναι τὸ εἶδος καὶ τὸ τί ἐστιν; ἢ ὥσπερ ἰατρὸν νεῦρον ἢ χαλκέα χαλκόν, μέχρι τοῦ τίνος [γὰρ] ἕνεκα ἕκαστον, καὶ περὶ ταῦτα ἅ ἐστι χωριστὰ μὲν εἴδει, ἐν ὕλῃ δέ; ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ καὶ ἥλιος. πῶς δ’ ἔχει τὸ χωριστὸν καὶ τί ἐστι, φιλοσοφίας ἔργον διορίσαι τῆς πρώτης. (2) PA A1, 641a32–641b4: Ἀπορήσειε δ’ ἄν τις εἰς τὸ νῦν λεχθὲν ἐπιβλέψας, πότερον περὶ πάσης ψυχῆς τῆς φυσικῆς ἐστι τὸ εἰπεῖν ἢ περί τινος. Εἰ γὰρ περὶ πάσης, οὐδεμία λείπεται παρὰ τὴν φυσικὴν ἐπιστήμην φιλοσοφία. Ὁ γὰρ νοῦς τῶν νοητῶν. Ὥστε περὶ πάντων ἡ φυσικὴ γνῶσις ἂν εἴη· τῆς γὰρ αὐτῆς περὶ νοῦ καὶ τοῦ νοητοῦ θεωρῆσαι, εἴπερ πρὸς ἄλληλα, καὶ ἡ αὐτὴ θεωρία τῶν πρὸς ἄλληλα πάντων, καθάπερ καὶ περὶ αἰσθήσεως καὶ τῶν αἰσθητῶν. (3) Metaph. E1, 1026a27–32: εἰ μὲν οὖν μὴ ἔστι τις ἑτέρα οὐσία παρὰ τὰς φύσει συνεστηκυίας, ἡ φυσικὴ ἂν εἴη πρώτη ἐπιστήμη· εἰ δ’ ἔστι τις οὐσία ἀκίνητος, αὕτη προτέρα καὶ φιλοσοφία πρώτη, καὶ καθόλου οὕτως ὅτι πρώτη· καὶ περὶ τοῦ ὄντος ᾗ ὂν ταύτης ἂν εἴη θεωρῆσαι, καὶ τί ἐστι καὶ τὰ ὑπάρχοντα ᾗ ὄν. (4) Metaph. Z11, 1037a13–17: τούτου γὰρ χάριν καὶ περὶ τῶν αἰσθητῶν οὐσιῶν πειρώμεθα διορίζειν, ἐπεὶ τρόπον τινὰ τῆς φυσικῆς καὶ δευτέρας φιλοσοφίας ἔργον ἡ περὶ τὰς αἰσθητὰς οὐσίας θεωρία· οὐ γὰρ μόνον περὶ τῆς ὕλης δεῖ γνωρίζειν τὸν φυσικὸν ἀλλὰ καὶ τῆς κατὰ τὸν λόγον, καὶ μᾶλλον. 31 Im originalen Text (Metaph. Λ1, 1069a30–1069b2) ist jede Substanz durch zwei kompatible Eigenschaften gekennzeichnet. Demzufolge ist die eine Substanz sensibel und vergänglich (αἰσθητή καὶ φθαρτή), die andere sensibel und ewig (αἰσθητή καὶ ἀΐδιος) und die dritte unbewegt und ewig (ἀκίνητος καὶ ἀΐδιος). Auf diese Art und Weise wird die Bedingung des Chiasmus nicht erfüllt, der zwei Gegensatzpaare verlangt. Obwohl das Vergängliche zusammen mit dem Ewigen den einen Gegensatz bildet, steht das Sensible dem Unbewegten nicht direkt entgegen. Der andere Gegensatz kommt dadurch zustande, dass das Sensible mit dem Bewegten (αἰσθητόν = κινούμενον) und das Unbewegte mit dem Intelligiblen zu identifizieren sind (ἀκίνητον = νοητόν). Die sensible Substanz, sei sie Lebewesen oder Himmelskörper, kann nur passiv bewegt werden, da sie entweder eine innere Wirkursache oder eine äußere Bewegungsursache braucht. Das unbewegte Bewegende ist deswegen die intelligible Substanz, weil es kraft der reinen aktiven Aktualisierung die Materialität, die Passivität und die Potentialität aufhebt. Darum steht das Sensible dem Unbewegten im Sinne vom Intelligiblen entgegen oder das Unbewegte ist dem Sensiblen im Sinne vom Bewegten entgegengesetzt. In der Rekonstruktion können wir entweder das eine Gegensatzpaar von Sensiblem-Intelligiblem (αἰσθητόν-νοητόν) oder das andere Gegensatzpaar von BewegtemUnbewegtem (κινούμενον-ἀκίνητον) als zweites Unterscheidungskriterium heranziehen. Zum Gegensatzpaar von Bewegtem-Unbewegtem gibt es an einer Stelle der Physik starke textuelle Belege
1.1 Metaphysik als Prinzipienlehre
25
(Sensibles-Intelligibles) kreuzen, ergeben sich aufgrund des Chiasmus drei Substanztypen (Tab. 5): Tab. 5: Einteilung der Substanzen. ἀΐδιον
φθαρτόν
κίνητον/αἰσθητόν
οὐρανός
ἄνθρωπος, ζῷον, φυτόν
ἀκίνητον/νοητόν
πρῶτον κινοῦν ἀκίνητον
Das Lebewesen (Mensch, Tier, Pflanze) ist vergänglich und kann bewegt werden. Der Himmelskörper ist unvergänglich und bewegt, indem er von einer externen Bewegungsursache, nämlich vom ersten Bewegenden unaufhörlich angetrieben wird. Da das erste Bewegende das himmlische Bewegte bewegt und von keinem anderen bewegt werden kann, ist es nicht passiv bewegt, sondern immer aktiv bewegend. Das erste Bewegende ist nicht nur unbewegt, sondern auch unvergänglich sowie ewig.32 Des Weiteren kann man Lebewesen und Himmelskörper insofern für sensible Substanzen halten, als sie sinnlich wahrgenommen werden können. Das unbewegte Bewegende ist als intelligible Substanz anzusehen, und zwar wegen der Trennung von der Materie. In Bezug auf ihren Gegenstand ist Aristoteles’ Metaphysik als Substanzlehre zu bezeichnen. Die Metaphysik besteht aus Theologie und Physik, indem die Theologie als erste Philosophie die intelligible Substanz thematisiert und die Physik als zweite Philosophie die sensiblen Substanzen, die sich entweder im himmlischen oder im sublunaren Bereich befinden, zum Thema macht. Die wissenschaftliche Vorrangigkeit der Theologie gegenüber der Physik wurzelt darin, dass die intelligible Substanz ontologische Priorität vor den sensiblen Substanzen genießt.
(διὸ τρεῖς αἱ πραγματεῖαι, ἡ μὲν περὶ ἀκινήτων, ἡ δὲ περὶ κινουμένων μὲν ἀφθάρτων δέ, ἡ δὲ περὶ τὰ φθαρτά – Phys. B7, 198a29–31). 32 In diesem Kontext geht es offenkundig um die drei Typen von Substanzen, nämlich Lebewesen, Gestirn und Geist. Aber in Bezug auf die sensible und ewige Substanz treten die Grundelemente statt des Gestirns hervor (Metaph. Λ1, 1069a32–33). Im Hinblick auf die unbewegte und ewige Substanz ist nicht vom Geist, sondern von Ideen und mathematischen Entitäten die Rede (Metaph. Λ1, 1069a33–36). Das hängt mit der Vorgehensweise des Aristoteles zusammen. In den Ausführungen zu seiner eigenen These pflegt Aristoteles sich mit anderen Lehrmeinungen auseinanderzusetzen. Im zusammenfassenden Buch Λ unternimmt Aristoteles ständig den Rückblick auf die voraristotelischen Lehrmeinungen, nicht nur, um sie zu kritisieren, sondern auch und besonders, um die ganze voraristotelische Philosophie in sein eigenes System zu integrieren.
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1 Metaphysik
ἔσται οὖν ἡ μὲν πρώτη φιλοσοφία περὶ τὴν νοητὴν οὐσίαν, ἡ δὲ περὶ οὐρανὸν πραγματευομένη περὶ τὴν ἀίδιον μὲν κινουμένην δέ, ἡ δὲ περὶ τὴν ἐν γενέσει καὶ φθορᾷ. ἔξεστι δὲ καὶ δύο τὰς μερικωτέρας ποιεῖν, τὴν μὲν πρώτην ὀνομάζοντα φιλοσοφίαν, τὴν δὲ φυσικήν, ὅση περὶ τὸ κινούμενον φθαρτόν τε καὶ ἀίδιον· ὅπως γὰρ ἂν τὰς οὐσίας διέλωμεν, οὕτω καὶ τὰς γνώσεις αὐτῶν ἀνὰ τὸν αὐτὸν λόγον διαιρήσομεν. – Syriani In Metaphysica Commentaria 58.13–19
Darüber hinaus ist die Substanzlehre als Prinzipienlehre konzipiert, insofern nicht nur die Substanzen, sondern auch und besonders deren Prinzipien gesucht werden.33 Denn durch die Suche nach dem Prinzip werden die verschiedenen Typen von Substanzen stufenweise hergeleitet und zum Vorschein gebracht. Indem die Entstehungsprinzipien der Einzelsubstanz in Frage gestellt werden, lassen sich die formale sowie die materielle Substanz ausfindig machen. Durch die Frage nach der Bewegungsursache der himmlischen Substanz tritt das unbewegte Bewegende als intelligible Substanz auf. Der allgemeinen Methodik nach geht die philosophische Untersuchung des Aristoteles von dem aus, was uns bekannter und deutlicher ist und führt zu einer Sache, die der Natur nach bekannter und deutlicher ist (πέφυκε δὲ ἐκ τῶν γνωριμωτέρων ἡμῖν ἡ ὁδὸς καὶ σαφεστέρων ἐπὶ τὰ σαφέστερα τῇ φύσει καὶ γνωριμώτερα – Phys. A1, 184a16–18).34 Im Großen und Ganzen weist der Forschungsweg darauf hin, dass man von der sensiblen Substanz ausgehen muss und dann zur intelligiblen Substanz übergehen kann.35 Denn die sensible Substanz ist uns zugänglicher als die intelligible, ebenso wie das Einzelne uns zugänglicher ist als das Allgemeine. Auf der einen Seite nimmt der Himmelskörper eine Mittelstellung zwischen der sensiblen Naturwelt und dem intelligiblen Bereich ein. Dadurch, dass sich der himmlische Kreislauf auf das natürliche Entstehen und Vergehen auswirkt und der Himmelskörper selbst vom unbewegten Bewegenden bewegt wird, schlägt der Himmelskörper die Brücke zwischen der sensiblen und der intelligiblen Substanz. Auf der anderen Seite kann die metaphysische Untersuchung in der Tat nicht direkt auf die sensible Einzelsubstanz eingehen. Denn die uns naheliegende Sachlage ist nicht die Einzelsubstanz, sondern der konkrete
33 Phys. A1, 184a10–16; Metaph. A1, 982a1–3; A2, 982a4–6, 982b7–10; A3, 983a24–26; Γ2, 1003b17–19; E1, 1025b3–7; H1, 1042a4–6; Λ1, 1069a18–19; M9, 1086a21–24. 34 APo. A1, 71b33–72a5; Phys. A1, 184a18–21; A5, 188b30–33, 189a4–9; De An. B2, 413a11–13; Metaph. Δ11, 1018b29–34; Z3, 1029b3–12; M1, 1076a8–10; EN A2, 1095a30–1095b4. 35 Der methodischen Erklärung zufolge ist das ganze Buch Metaphysik derart strukturiert, dass die Substanzbücher von Z, H, Θ die sensible Substanz zum Thema machen und das Buch Λ die intelligible Substanz thematisiert. Innerhalb des Buchs Λ gibt es einen ähnlichen aufsteigenden Forschungsweg. Nachdem die sensible Substanz in Λ1–5 zusammengefasst und behandelt worden ist, konzentriert sich Aristoteles in Λ6–10 auf die intelligible Substanz, nämlich den Geist.
1.1 Metaphysik als Prinzipienlehre
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Sachverhalt. Was in der Wirklichkeit unmittelbar vorliegt, muss mit einer quantitativ-qualitativen Bestimmung behaftet und durch eine zeitlich-räumliche Bedingung beschränkt sein. Anders gesagt: Womit wir direkt konfrontiert sind, ist nicht die Einzelsubstanz an sich (z. B. Sokrates), sondern der Sachverhalt, der sich aus der zugrundeliegenden Einzelsubstanz und der kategorialen Eigenschaft zusammensetzt (z. B. der weiße Sokrates). Dadurch, dass Aristoteles die Methode konsequent durchsetzt, geht die Prinzipienforschung nicht unmittelbar auf die sensible Substanz ein, woran sich die zweite Philosophie orientiert, sondern auf den Sachverhalt, der in der Kategorienlehre ein zentrales Thema wird. Die Kategorienschrift ist deshalb für Aristoteles’ Philosophie fundamental, weil sie am offenkundigsten zeigt, wie Aristoteles seine Prinzipienforschung ontologisch konzipiert. Vor allem werden in der Kategorienschrift zwei Grundsätze festgelegt. Anhand der vertikalen Entgegensetzung, die terminologisch als ontologische Differenz bezeichnet wird,36 ist die zugrundeliegende Einzelsubstanz von der ihr zukommenden Kategorie zu unterscheiden (ὑποκείμενον-κατηγορία). Dem horizontalen Gegensatz zufolge differenzieren sich die zehn Kategorien in zwei Gruppen aus, nämlich in Wesens- und Akzidenzkategorie (καθ’ αὑτό-κατὰ συμβεβηκός). Die beiden Grundsätze sind deswegen onto-logisch konzipiert, weil sich sowohl die ontologische Differenz als auch die kategoriale Ausdifferenzierung im ontischen und logischen Bereich durchgesetzt haben. Die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie (ὑποκείμενον-κατηγορία) verkörpert das Gefüge von Substrat und Eigenschaft (ὑπομένον-ἀντικείμενον) in der ontischen Veränderung und die Struktur von Subjekt und Prädikat (ὄνομα-ῥῆμα) in der logischen Aussage. Der kategorialen Ausdifferenzierung von per accidens und per se zufolge unterscheidet sich im ontologischen Bereich der Sachverhalt von der Einzelsubstanz (πρᾶγμα-τόδε τι), in der ontischen Veränderung die Bewegung von der Entstehung (κίνησις-γένεσις) und in der logischen Aussage die Akzidenzprädikation von der Wesensprädikation (ὁμωνύμως-συνωνύμως).
36 Wir verwenden den Terminus „ontologische Differenz“, der von Heidegger erfunden und entwickelt wird (Grundprobleme der Phänomenologie, 1997: 452–469), nicht im ursprünglich heideggerischen Sinn. Denn er hat nicht mit dem heideggerischen Unterschied zwischen Seiendem und Sein, zwischen Vorhandenheit und Zuhandenheit, oder zwischen Was-sein und Wie-sein zu tun. Stattdessen geht es in unserem Kontext darum, dass die zugrundeliegende Substanz von der ihr zukommenden Kategorie differenziert ist. Die ontologische Differenz, die sich in den ontischen und den logischen Bereich ausdehnt, ist insofern eigentümlich, als Substanz-Kategorie (ontologisch), Substrat-Eigenschaft (ontisch) und Subjekt-Prädikat (logisch) ein vertikales Gefüge von Erleiden-Machen strukturieren.
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1 Metaphysik
Daraus folgt, dass die sensible Einzelsubstanz in zweierlei Hinsichten betrachtet werden muss, nämlich per accidens und per se. In beiden Fällen muss das Prinzip von Sein, Veränderung und Logos dreifach thematisiert werden. Es lässt sich unter einem anderen Blickwinkel nachweisen. Aristoteles legt den Untersuchungsgegenstand der Metaphysik dadurch fest, dass die Metaphysik nicht nur das Seiende als solches (τὸ ὂν ᾗ ὂν), sondern auch die eigentümlichen Vorhandenheiten in Betracht zieht (τὰ τούτῳ ὑπάρχοντα καθ’ αὑτό).37 In erster Linie soll die Metaphysik das Seiende nicht teilweise betrachten, wie 37 Metaph. Γ1, 1003a21–22; Γ2, 1005a13–18; B1, 995b18–20. Um die per se passio zu bezeichnen, wendet Aristoteles je nach Kontext verschiedene Ausdrücke an: (1) In Bezug auf die Metaphysik: τὰ συμβεβηκότα καθ’ αὑτὰ ταῖς οὐσίαις – Metaph. B1, 995b20; τὰ τούτῳ ὑπάρχοντα καθ’ αὑτό – Metaph. Γ2, 1003a21–22; τὰ ὑπάρχοντα αὐτῷ ᾗ ὄν – Metaph. Γ2, 1005a13–14. (2) In Bezug auf die Physik: [. . .] καὶ οὐ κατὰ συμβεβηκός γε οὔθ’ ἡ κοιλότης οὔθ’ ἡ σιμότης πάθος τῆς ῥινός, ἀλλὰ καθ’ αὑτήν – Metaph. Z5, 1030b18–20. (3) In Bezug auf die Mathematik: ἴδια πάθη: ἐπεὶ ὥσπερ ἔστι καὶ ἀριθμοῦ ᾗ ἀριθμὸς ἴδια πάθη, οἷον περιττότης ἀρτιότης, συμμετρία ἰσότης, ὑπεροχὴ ἔλλειψις [. . .] – Metaph. Γ2, 1004b10–12; τὰ δὲ πάθη καὶ ἕξεις τῆς τοιαύτης ἐστὶν οὐσίας, οἷον τὸ πολὺ καὶ τὸ ὀλίγον, καὶ μακρὸν καὶ βραχύ, καὶ πλατὺ καὶ στενόν, καὶ βαθὺ καὶ ταπεινόν [καὶ βαρὺ καὶ κοῦφον] καὶ τὰ ἄλλα τὰ τοιαῦτα. ἔστι δὲ καὶ τὸ μέγα καὶ τὸ μικρὸν καὶ μεῖζον καὶ ἔλαττον, καὶ καθ’ αὑτὰ καὶ πρὸς ἄλληλα λεγόμενα, τοῦ ποσοῦ πάθη καθ’ αὑτά – Metaph. Δ13, 1020a19–25; λέγεται δὲ καὶ ἄλλως συμβεβηκός, οἷον ὅσα ὑπάρχει ἑκάστῳ καθ’ αὑτὸ μὴ ἐν τῇ οὐσίᾳ ὄντα, οἷον τῷ τριγώνῳ τὸ δύο ὀρθὰς ἔχειν – Metaph. Δ30, 1025a30–32; οἰκεῖα πάθη – Metaph. M3, 1078a16. (4) In Bezug auf die Biologie: τὰ οἰκεῖα πάθη τοῦ γένους – Metaph. I9, 1058a36–37; καίτοι καθ’ αὑτὸ τοῦ ζῴου αὕτη ἡ διαφορὰ καὶ οὐχ ὡς λευκότης ἢ μελανία ἀλλ’ ᾗ ζῷον καὶ τὸ θῆλυ καὶ τὸ ἄρρεν ὑπάρχει – Metaph. I9, 1058a32–34; τὸ δὲ ἄρρεν καὶ θῆλυ τοῦ ζῴου οἰκεῖα μὲν πάθη, ἀλλ’ οὐ κατὰ τὴν οὐσίαν ἀλλ’ ἐν τῇ ὕλῃ καὶ τῷ σώματι, διὸ τὸ αὐτὸ σπέρμα θῆλυ ἢ ἄρρεν γίγνεται παθόν τι πάθος – Metaph. I9, 1058b21–24; ἴδια πάθη: πολλὰ δὲ συμβέβηκε καθ’ αὑτὰ τοῖς πράγμασιν ᾗ ἕκαστον ὑπάρχει τῶν τοιούτων, ἐπεὶ καὶ ᾗ θῆλυ τὸ ζῷον καὶ ᾗ ἄρρεν, ἴδια πάθη ἔστιν (καίτοι οὐκ ἔστι τι θῆλυ οὐδ’ ἄρρεν κεχωρισμένον τῶν ζῴων) – Metaph. M3, 1078a5–8. (5) In Bezug auf die Einzelwissenschaft: ἔτι δ’ ἄλλον τρόπον τὸ μὲν δι’ αὑτὸ ὑπάρχον ἑκάστῳ καθ’ αὑτό, τὸ δὲ μὴ δι’ αὑτὸ συμβεβηκός – APo. A4, 73b10–11; τρίτον τὸ γένος τὸ ὑποκείμενον, οὗ τὰ πάθη καὶ τὰ καθ’ αὑτὰ συμβεβηκότα δηλοῖ ἡ ἀπόδειξις – APo. A7, 75a42–b2; τὸ μὲν γὰρ ὅτι ἑτέρας ἐπιστήμης (τὸ γὰρ ὑποκείμενον γένος ἕτερον), τὸ δὲ διότι τῆς ἄνω, ἧς καθ’ αὑτὰ τὰ πάθη ἐστίν – APo. A9, 76a11–13. Die apodiktischsyllogistischen Einzelwissenschaften wie Physik, Arithmetik, Geometrie, Biologie usw. werden dadurch einheitlich begründet, dass sie die wesentlichen Eigenschaften, d. h. die Eigentümlichkeiten der jeweiligen Gattung zum Thema machen (Ἔστι δ’ ἴδια μὲν καὶ ἃ λαμβάνεται εἶναι, περὶ ἃ ἡ ἐπιστήμη θεωρεῖ τὰ ὑπάρχοντα καθ’ αὑτά, οἷον μονάδας ἡ ἀριθμητική, ἡ δὲ γεωμετρία σημεῖα καὶ γραμμάς – APo. A10, 76b3–5; καὶ γὰρ ἂν ἀποδεικτικὴ μία περὶ πάντων εἴη τῶν συμβεβηκότων, εἴπερ πᾶσα ἀποδεικτικὴ περί τι ὑποκείμενον θεωρεῖ τὰ καθ’ αὑτὰ συμβεβηκότα ἐκ τῶν κοινῶν δοξῶν. περὶ οὖν τὸ αὐτὸ γένος τὰ συμβεβηκότα καθ’ αὑτὰ τῆς αὐτῆς ἐστὶ θεωρῆσαι ἐκ τῶν αὐτῶν δοξῶν – Metaph. B2, 997a18–22; APo. A4, 73b16–24; A6, 74b5–12; A10, 76b3–22). Die Physik als zweite Philosophie muss nicht nur die natürlichen Substanzen, sondern auch die natürliche Entstehung und die himmlische Kreisbewegung thematisieren, da die Entstehung und die Bewegung als passio propria den natürlichen Substanzen per se zukommen.
1.1 Metaphysik als Prinzipienlehre
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zum Beispiel die Mathematik, die nur die quantitative Bestimmung des Seienden thematisiert, sondern das Seiende als Seiendes thematisch machen, womit das Prinzip des Seienden gemeint ist (Metaph. Γ1, 1003a26–32; E4, 1028a2–4). Denn nichts anderes als die unmittelbaren Prinzipien ermöglichen, dass das Seiende als solches, d. h. das Seiende als Ganzes, in die Wirklichkeit eintritt. Außer dem Prinzip des Seienden thematisiert die Metaphysik noch die Eigentümlichkeiten, die am Seienden per se vorliegen. Da die wesentlichen Eigenschaften immer als Gegensatzpaar vorkommen (Metaph. B1, 995b25–27), tritt die Frage in den Vordergrund, welche disjunktiven Eigentümlichkeiten (passiones per se disiunctae) der Untersuchungsgegenstand der Metaphysik sein sollen. Zunächst kommen die höchsten Gattungen von Platon zur Sprache, die Gegensätze bilden wie Einheit-Vielheit, Sein-Nichtsein, Ruhe-Bewegung, Identität-Differenz, Ähnlichkeit-Unähnlichkeit, Gleichheit-Ungleichheit und Priorität-Posteriorität.38 Von Grund auf lehnt Aristoteles es ab, die höchsten Gattungen als Substanzen anzuerkennen, weil sie wegen der Allgemeinheit nicht konkret verwirklicht, aristotelisch gesagt, nicht substantiviert werden können. Da sich Aristoteles’ Metaphysik an der Substanz orientiert, können die allgemeinen Gattungen nicht metaphysisch, sondern nur dialektisch betrachtet werden.39 Methodisch 38 Metaph. B1, 995b18–27; Γ2, 1003b34–1004a2, 1004a9–22, 1004b27–1005a18. Im Dialog Sophistes zählt Platon Sein, Bewegung, Ruhe, Identität und Differenz zu den fünf höchsten Gattungen (254d4–5, 254e1–255a2) und identifiziert das Nichtsein mit der Differenz (257b3–4). Im Dialog Parmenides kommen Einheit-Vielheit (137c4–5, 143a4–144a5), Identität-Differenz (139b4-e5, 146a9–147b8), Ähnlichkeit-Unähnlichkeit (139e7–140b5, 147c1–148d4), GleichheitUngleichheit (140b6–d8, 149d8–151e2) und älter-jünger (140e1–141d6, 151e3–155d6) paarweise vor. Nach der neuplatonischen Interpretation (Halfwassen 2006: 372–374) lässt sich die Kategorie „älter-jünger“ (πρεσβύτερον-νεώτερον), die ursprünglich auf die zeitliche Bestimmug hinweist (141c4–d6, 151e3–152a3), als ontologische Priorität-Posteriorität (πρότερον-ὕστερον κατὰ φύσιν καὶ οὐσίαν – Metaph. Δ11, 1019a1–4) auslegen. Indem Platon die oben erwähnten Kategorien in eine hierarchische Struktur einordnet, sind manche ontologisch vorrangig und manche nachrangig. Ähnlichkeit und Gleichkeit z. B. können von der Identität abgeleitet werden, denn die eine erweist sich als qualitative Identität und die andere als quantitative Identität. In gleicher Weise verhalten sich Unähnlichkeit und Ungleichheit zur Differenz. 39 Metaph. B1, 995b20–25. Unter dem Begriff „διαλέγεσθαι“ versteht Platon ursprünglich das intersubjektive Gespräch. Wenn es keine ewige und unveränderliche Idee gäbe, die die begriffliche Einheit garantiert, könnte man überhaupt nicht auf eine logische Weise miteinander sprechen ([. . .] μὴ ἐῶν ἰδέαν τῶν ὄντων ἑκάστου τὴν αὐτὴν ἀεὶ εἶναι, καὶ οὕτως τὴν τοῦ διαλέγεσθαι δύναμιν παντάπασι διαφθερεῖ – Prm. 135b8–c2). In einem anderen Zusammenhang redet Platon von der dialektischen Fähigkeit (τὸ τοίνυν ἕτερον μάνθανε τμῆμα τοῦ νοητοῦ λέγοντά με τοῦτο οὗ αὐτὸς ὁ λόγος ἅπτεται τῇ τοῦ διαλέγεσθαι δυνάμει – Resp. 511b3–4). Damit ist grundsätzlich die dialektische Wissenschaft gemeint (ὅτι μέντοι βούλει διορίζειν σαφέστερον εἶναι τὸ ὑπὸ τῆς τοῦ διαλέγεσθαι ἐπιστήμης τοῦ ὄντος τε καὶ νοητοῦ θεωρούμενον ἢ τὸ ὑπὸ τῶν τεχνῶν καλουμένων – Resp. 511c4–6). Bei Platon steht die Dialektik der Einzelwissenschaft, wie z. B. der Geometrie oder
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gesehen ist es die typische Vorgehensweise des Aristoteles, vor der systematischen Entfaltung seiner eigenen These die anderen Lehrmeinungen darzustellen. In Physik A5 (188a19–26) ist z. B. von Gegensätzen die Rede. Der Naturphilosophie zufolge steht entweder das eine Seiende dem anderen entgegen, wie Feuer-Erde, oder die eine Eigenschaft der anderen, wie warm-kalt, dick-dünn, voll-leer, winkelig-nicht winkelig, gradlinig-kreisförmig, oder es handelt sich um örtliche Gegensätze wie etwa oben-unten, vor-hinter. Man kann aufgrund der Schilderung in Physik A5 nicht den Schluss ziehen, dass Aristoteles die Gegensatzlehre der griechischen Naturphilosophie vertritt. Aus demselben Grund kann nicht gefolgert werden, dass Aristoteles in Metaphysik Γ2 die höchsten Gattungen erörtert, um die platonischen Gegensatzpaare zu thematisieren.40
der Techne, entgegen. Während sich diese nur aus der bestimmten Voraussetzung ergeben kann (Resp. 511c6–d5), sucht jene nach dem voraussetzungslosen Prinzip (ἵνα μέχρι τοῦ ἀνυποθέτου ἐπὶ τὴν τοῦ παντὸς ἀρχὴν ἰών – Resp. 511b6–7, 510b6–7). Darum gilt die Dialektik als höchste Wissenschaft, insofern sie die Prinzipienforschung ist. Während Platon die Dialektik durchaus für positiv hält, bewertet Aristoteles sie ziemlich negativ. Aristoteles’ Auffassung nach ist die dialektische Kunst nichts anderes als das Wechselspiel von Frage und Antwort, wobei jeder Satz sowohl bejaht als auch verneint werden kann (ἡ δὲ διαλεκτικὴ ἐρώτησις ἀντιφάσεώς ἐστιν – APr. A1, 24a24–25; διαλεκτικὴ γὰρ ἰσχὺς οὔπω τότ’ ἦν ὥστε δύνασθαι καὶ χωρὶς τοῦ τί ἐστι τἀναντία ἐπισκοπεῖν, καὶ τῶν ἐναντίων εἰ ἡ αὐτὴ ἐπιστήμη – Metaph. M4, 1078b25–27). Demzufolge bezeichnet Aristoteles die Dialektik weder als metaphysische Prinzipienlehre noch als die wissenschaftliche Disziplin, welche Apodiktik genannt wird (διαφέρει δὲ ἡ ἀποδεικτικὴ πρότασις τῆς διαλεκτικῆς, ὅτι ἡ μὲν ἀποδεικτικὴ λῆψις θατέρου μορίου τῆς ἀντιφάσεώς ἐστιν, οὐ γὰρ ἐρωτᾷ ἀλλὰ λαμβάνει ὁ ἀποδεικνύων, ἡ δὲ διαλεκτικὴ ἐρώτησις ἀντιφάσεώς ἐστιν – APr. A1, 24a22–25). Vielmehr ist die Dialektik der Sophistik zugeordnet (περὶ μὲν γὰρ τὸ αὐτὸ γένος στρέφεται ἡ σοφιστικὴ καὶ ἡ διαλεκτικὴ τῇ φιλοσοφίᾳ [. . .] – Metaph. Γ2, 1004b22–23). Die These, dass die Dialektik und die Apodiktik einander gegenüberstehen, stellt Aristoteles am Anfang der ersten Analytik dar (APr. A1, 24a22–24b15). Zum Verhältnis von Dialektik und Sophistik ist die Erörterung in der Metaphysik vergleichend heranzuziehen (Metaph. Γ2, 1004b17–26). 40 Ein zusätzlicher Beweis besteht darin, dass Aristoteles in demselben Zusammenhang nicht nur die Disjunktionen der platonischen höchsten Gattungen, sondern auch die anderen Gegensätze erwähnt. Es ist z. B. dem pythagoreischen Dualismus eigentümlich, dass die Endlichkeit der Unendlichkeit und das Gerade dem Ungeraden entgegenstehen (Metaph. Γ2, 1004b31–33; A5, 986a17–19). Der Gegensatz von Liebe und Haß stammt von Empedokles (Γ2, 1004b33; A4, 985a21–29). Wärme und Kälte (Γ2, 1004b32) zieht Aristoteles zwar sehr häufig als argumentatives Paradigma heran, sie bilden aber den grundsätzlichen Gegensatz der Medizin, die die gegensätzlichen Affektionen zu harmonisieren versucht. Darum zeigt sich, dass Aristoteles nicht Platon nachfolgend eine Lehre von höchsten Gattungen weitertreibt, sondern sich mit allen voraristotelischen Gegensatztheorien auseinandersetzt. Obwohl Aristoteles selten die platonischen höchsten Gattungen in der disjunktiven Form ausspricht, bietet er doch im Buch Γ der Metaphysik die Möglichkeit, an die platonische Dialektik anzuknüpfen. Auf dieser Grundlage bemühen sich die Neuplatoniker, die arabischen Kommentatoren und die mittelalterlichen Scholatiker, die platonische und die aristotelische Metaphysik in Übereinstimmung zu bringen. Deshalb ist es kein
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Um zu definieren, was die eigentümlichen Zukommenheiten sind (τὰ συμβεβηκότα καθ’ αὑτὰ), kommt es zunächst darauf an, zu betrachten, welche wesentlichen Eigenschaften der sensiblen und der intelligiblen Substanz zukommen. Die Entstehung der Lebewesen und die Kreisbewegung der Himmelskörper weisen darauf hin, dass die sensible Natursubstanz per se veränderlich ist (Metaph. Λ2, 1069b3; De Cae. Γ1, 298a27–298b3). Außer der Veränderlichkeit gehört die logische Aussage auch zur Eigentümlichkeit des Seienden. Denn sowohl das Prinzip des Seienden als auch die Ursache der Bewegung können nur durch Begriff oder Urteil zur Sprache kommen. Ein klarer Beweis dafür liegt darin, dass die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie die logische Unterscheidung von Subjekt und Prädikat ausmacht. In der Prinzipienlehre müssen darum nicht nur die Veränderung und der Logos als Zukommenheiten per se, sondern auch die Disjunktion der einen wie Vollendung-Privation (ἕξις-στέρησις) und des anderen, nämlich Affirmation-Negation (κατάφασις-ἀπόφασις), mitberücksichtigt werden. Bemerkenswert ist noch, dass sowohl die ontische Veränderung als auch die logische Aussage auf die ontologische Substanz zurückgreifen müssten. Denn es gibt weder Bewegung der Bewegung41 noch Aussage der Aussage,42 sondern immer Bewegung und Aussage vom Seienden. Nichts anderes als die sensible Substanz ist vergänglich und beweglich. Was aber begrifflich oder definitorisch ausgesagt wird, ist keineswegs die Sprache, sondern entweder die Substanz oder deren Eigenschaft. Da die Substanz nicht nur als Prinzip des Seins gilt, sondern auch der Veränderung und dem Logos zugrunde liegt, richten sich sowohl die ontische Veränderung als auch die logische Aussage auf das ontologische Prinzip aus (Metaph. Γ2, 1003b5–10). Darum orientiert sich die Prinzipienforschung an dem Prinzip des Seins, der Veränderung und des Logos (Metaph. Δ1, 1013a17–19). Die ganze metaphysische Untersuchung entfaltet sich in drei Schritten, indem die sensible und vergängliche Einzelsubstanz zwiefältig betrachtet werden muss und der sensible und ewige Himmelskörper mit der intelligiblen Substanz in Verbindung gesetzt wird. Da das Verfahren vom uns Bekannten und Deutlichen zum sachlich Bekannten und Deutlichen den aufsteigenden Forschungsweg vom Prinzipiat zum Prinzip aufweist, geht die metaphysische Prinzipienforschung vom Sachverhalt aus, geht zur Sache selbst über und zielt letztendlich auf die Ursache als Prinzip von Allem ab
Wunder, dass in der Rezeptionsgeschichte der aristotelischen Metaphysik das Buch Γ von entscheidender Bedeutung ist. 41 Phys. Γ1, 200b32; E2, 225b13–16; E2, 225b33–226a6; Metaph. K9, 1065b7; K12, 1068a14–16, 1068a33–34, 1068b14–15. 42 Int. 4, 16b33–17a2; Soph. 262e5–6: Λόγον ἀναγκαῖον, ὅτανπερ ᾖ, τινὸς εἶναι λόγον, μὴ δὲ τινὸς ἀδύνατον.
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(Sachverhalt→Sache→Ursache). Indem Aristoteles diesen methodischen Grundsatz in allen einzelnen Disziplinen durchsetzt, kann der metaphysische Forschungsweg ontologisch so dargestellt werden, dass das akzidentelle Kompositum auf das substanzielle Kompositum und Letzteres auf das einfache Seiende zurückgeht (σύνθετον→σύνολον→ἁπλοῦν). Ontisch gesehen geht die akzidentelle Veränderung auf die substanzielle Veränderung zurück und die Veränderung der sensiblen Substanzen ist auf das unbewegte Bewegende als intelligible Substanz zurückzuführen (κίνησις→γένεσις→κινοῦν ἀκίνητον).43 In Bezug auf den Logos geht die zweiwertige Meinung auf die einwertige Demonstration zurück, und Letztere wiederum auf die wahrhafte Wesensdefinition (δόξα→ἀπόδειξις→ὁρισμός). Im Hinblick auf das Erkenntnisvermögen vollzieht sich die Rückführung derart, dass die Wahrnehmung auf das dianoetische Denken und das dianoetische Denken auf das noetische Denken zu reduzieren ist (αἴσθησις→διάνοια→νόησις). Der Forschungsweg, der sich von der Folge zur Ursache und vom Prinzipiat zum Prinzip fortsetzt, steht immer im Hintergrund. In Bezug auf die sensible Einzelsubstanz legt die Prinzipienforschung den Akzent darauf, wie sich Sein, Veränderung und Logos zueinander verhalten. So wie der ontologische Sachverhalt, die ontische Bewegung und die logische Akzidenzprädikation voneinander unterschieden sind, bilden die Einzelsubstanz, die Entstehung und die Wesensprädikation auch keine sachliche Einheit. Sachverhalt-Bewegung-Akzidenzpr ädikation (πρᾶγμα-κίνησις-δόξα) und Einzelsubstanz-Entstehung-Wesensprädikation/-definition (τόδε τι-γένεσις-ὁρισμός) können jeweils nur dann in Übereinstimmung treten, wenn Sein, Veränderung und Logos durch ein ähnliches Gefüge strukturiert sind. Denn die strukturelle Ähnlichkeit (ὁμοιότης, similitudo), die terminologisch als Analogie (ἀναλογία/ἀνάλογον, analogia/proportio) zu bezeichnen ist, weist auf die strukturelle bzw. die funktionale Einheit hin, ohne die sachliche bzw. die wesentliche Verschiedenheit preiszugeben. Darüber hinaus können die verschiedenen Typen von Substanzen nur durch eine ähnliche Struktur vereinigt werden. Außer den oben erwähnten Substanzen, nämlich Einzellebewesen, Himmelskörper und Geist (ζῷον, οὐρανός, νοῦς) gibt Aristoteles durch die Übernahme der naturphilosophischen Tradition zu, dass die vier Grundelemente (ὕδωρ, ἀὴρ, πῦρ, γῆ) Substanzen sind. Da das einzelne Lebewesen immer von der Naturart produziert wird, ist die Art (εἶδος) als causa essendi
43 Der Gedankengang vollzieht sich in drei Schritten. Im ersten Schritt sind die Ortsbewegung und die qualitative sowie quantitative Veränderung des einzelnen Lebewesens auf dessen Entstehung zurückzuführen. Im zweiten Schritt zeigt Aristoteles, wie die Naturentstehung von der himmlischen Kreisbewegung beeinflusst wird. Da die Kreisbewegung des Himmelskörpers einer äußeren Bewegungsursache bedarf, wird im dritten Schritt das unbewegte Bewegende argumentativ abgeleitet.
1.2 Analogie
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Substanz. Weitergehend gilt die Gattung (γένος) als Substanz, insofern die Art anhand der Gattung und der spezifischen Differenz wesentlich definiert wird.44 Wenn wir die sechs verschiedenen Typen von Substanzen zusammen betrachten, tritt die Frage auf, worin die Gemeinsamkeit liegt. Anders formuliert: Inwiefern können Einzellebewesen, Art, Gattung, Grundelement, Himmelskörper und Geist anhand desselben Begriffs „Substanz“ zusammengefasst und zum Ausdruck gebracht werden? Die sensible Substanz ist grundsätzlich anders als die intelligible Substanz (αἰσθητή↔νοητή). Die aus Form und Stoff zusammengesetzte Einzelsubstanz und die einfache intelligible Substanz, die sich dem Stoff entzieht, stehen in keinem Verhältnis der Identität (σύνθετον↔ἁπλοῦν). Die ewig bewegten Himmelskörper sind offensichtlich nicht mit der Einzelsubstanz zu identifizieren, die nicht ewig, sondern veränderlich ist (ἀεικινήτον↔μεταβολή). Das gleichartige Naturseiende ist entstanden und vergänglich, während die Naturart das Gleichartige produziert, ohne selbst zu entstehen und zu vergehen (γένεσις↔ἄνευ γενέσεως καὶ φθορᾶς). Da sich keine sachliche Gemeinsamkeit ergibt, kann die Einheit der verschiedenartigen Substanzen nur anhand der strukturellen Ähnlichkeit (ὁμοιότης, similitudo), d. h. der Analogie, begründet werden. ἴσως δ' ἄν τις ἀπορήσοι πῶς δυνατὸν πάσης οὐσίας τὸ ἴδιον ἀφορίζεσθαι. καθ' ἑκάστην γὰρ οὐσίαν διάφορον καὶ τὸ ἰδίωμά ἐστιν ἕτερον· οὐκοῦν ἄλλα τῶν συνθέτων καὶ ἄλλα τῶν ἁπλῶν ἀποδοθήσεται ἰδιώματα, καὶ ἄλλο μὲν τῶν ἀεικινήτων, ἄλλο δὲ τῶν ἐν μέρει μεταλαμβανόντων κινήσεως, καὶ ἕτερον μὲν τῶν ἑστηκότων ἐν τοῖς εἴδεσιν ὡσαύτως, ἕτερον δὲ ἐπὶ τῶν μεταβαλλομένων, καὶ ἐπὶ τῶν νοητῶν καὶ αἰσθητῶν ὡσαύτως. ἀλλ' ἔστι λέγειν ὅτι δυνατὸν τὴν ἀνάλογον ὁμοιότητα ἀφορίζεσθαι πανταχοῦ. – Simplicii In Categoriarum 93.20–26
1.2 Analogie Die Analogie (ἀναλογία/ἀνάλογον, analogia/proportio) war ursprünglich ein mathematischer Begriff, der in der pythagoreischen Schule entwickelt wurde. Sie zeigt die zahlenmäßige Proportion auf, die entweder durch die
44 An folgenden Stellen ist von den natürlichen Substanzen die Rede, die das Lebewesen, den Himmelskörper und das Grundelement umfassen: Phys. B1, 192b8–13; De Cae. Γ1, 298a29–32; De An. B1, 412a11–13; Metaph. Z2, 1028b8–13; Z7, 1032a15–19; H1, 1042a7–11. In der Kategorienschrift (Cat. 5, 1b11–19) bezeichnet Aristoteles die Art und die Gattung als Substanz. Die Substantialität der Art besteht darin, dass die Art nicht nur als Wesensprädikat das gleichartige Einzelne zum Ausdruck, sondern auch als Entstehungsprinzip das Gleichartige zustande bringt. Je nach den verschiedenen Kriterien wird der Gattung die Substantialität zu- oder abgesprochen. Jedoch erbringt Aristoteles in B3 der Metaphysik (998b4–8) einen Beweis dafür, dass die Gattung trotz der Allgemeinheit die Substanz sein muss.
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Wiederholung der Mitte dreigliedrig (1 : 2 = 2 : 4) oder viergliedrig ist (1 : 2 = 4 : 8 – HWP: 214). Wenn vom aristotelischen Analogiemodell die Rede ist, kommen in erster Linie zwei verschiedene Typen zur Erwähnung, und zwar analogia attributionis (analogia praedicationis/analogia entis) und analogia proportionis. Die beiden Benennungen stammen nicht von Aristoteles, sondern von den späteren Scholastikern.45 Nachdem Thomas von Aquin auf Grundlage der aristotelischen Analogielehre die Attributionsanalogie entwickelt hat, nennen die Scholastiker die ursprüngliche Analogie die Proportionalitätsanalogie, um die beiden voneinander zu unterscheiden. Ein klarer Beweis dafür liegt darin, dass die Bezeichnung „analogia proportionis“ eigentlich eine Verdoppelung (Hendiadyoin) ist. Denn auf Lateinisch sind sowohl analogia als auch proportio Übersetzungen desselben griechischen Wortes, nämlich ἀναλογία. Während die „analogia“ durch die unmittelbare Übertragung vom Griechischen ins Lateinische gebildet wird, ahmt die „pro-portio“ sowohl die Struktur als auch den Sinn von ἀνα-λογία nach. Pro portione und ἀνὰ τὸν λόγον weisen auf dieselbe Bedeutung hin, nämlich die Bedeutung „aufgrund des Verhältnisses“. Bemerkenswert ist noch, dass weder die Attributionsanalogie rein logisch konzipiert ist noch die Proportionalitätsanalogie bloß einen ontologischen Bezug aufweist, wie die Namen dies nahelegen. Denn zum einen ermöglicht die analogia proportionis, die die strukturelle Gemeinsamkeit der verschiedenen Seienden offenkundig macht, denselben Begriff (wie das Sein und das Gute) nicht überkategorial, sondern quer zu den Kategorien zu gebrauchen (Metaph. K3, 1061a7–10; EN A4, 1096a23–29; EE A8, 1217b25–33). Zum anderen nimmt die analogia attributinonis zwar die gemeinsame Prädikationsmöglichkeit von Gott und Geschöpf zum Ausgang, zielt aber darauf ab, die ontologische Vorrangstellung Gottes und die Nachrangstellung der Geschaffenen hervorzuheben. Deswegen wurde die analogia attributionis von den späteren Scholastikern als analogia entis bezeichnet. Vor allem sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass Aristoteles die Analogie im ursprünglichen Sinne angewendet hat. Die Proportionalitätsanalogie basiert auf dem mathematischen Modell. Aber nicht die mathematische, sondern die ontologische Proportion, d. h. die strukturelle Ähnlichkeit, tritt in den Vordergrund, die sowohl Sein, Veränderung und Logos in Übereinkunft bringt als auch die Einheit der Substanzen bildet. Um die aristotelische Proportionalitätsanalogie zu verdeutlichen, müssen wir zunächst auf die thomistische Attributionsanalogie 45 Begrifflich gesehen entstammen sowohl analogia attributionis als auch analogia proportionis der späteren Scholastik. Sylvester von Ferrara und Franz Suares haben die beiden Begriffe erfunden. Bei E. Przywaras kommt der Terminus analogia entis zum ersten Mal vor (HWP: 224–226). Bei Thomas ist nur von analogia praedicationis die Rede.
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eingehen, die eng mit der aristotelischen Kategorienlehre zusammenhängt. Die Analogie ist dadurch als eine Prädikationsweise zu interpretieren, dass Thomas’ Konzeption einerseits auf der Kategorienlehre des Aristoteles beruht, andererseits aber davon abweicht. Außerdem hatte die Interpretation von Thomas wirkungsgeschichtlich einen enormen Einfluss auf die Auslegung der aristotelischen Metaphysik. Deshalb richten wir die Aufmerksamkeit zunächst auf die lateinische Attributionsanalogie (Thomas von Aquin, De potentia Quaestio 7 Articulus 7 [zitiert als „De potentia q.7 a.7“]; Summa contra Gentiles Liber 1 Capita 32–34 [zitiert als „Summa contra Gentiles lib.1 cap.32–34“]; Summa Theologia Prima pars Quaestio 13 Articulus 5–6 [zitiert als „Summa Theologia Ia. q.13 a.5–6“]) und gehen anschließend auf die griechische Tradition ein. Thomas stellt die Frage, ob die bestimmten Begriffe (nomina), d. h. die Transzendentalien, wie Gutes (bonitas), Weisheit (sapientia), Schönheit (pulchritudo) usw., von Gott und Geschöpf univoce oder aequivoce ausgesagt werden.46 In beiden Fällen gerät man in Verlegenheit. Die Menschheit wird von Sokrates und Platon univoce, d. h. wesentlich, prädiziert, da die beiden Menschen sind. Dagegen wird die Schönheit von Gott und Geschöpf nicht univoce ausgesagt, weil die Wesensgleichheit, die die Univokation (univoce, συνωνύμως) verlangt, nicht Gott und dem Geschöpf zukommen kann. Bei Gott fallen existentia und essentia zusammen (esse = forma), bei den Geschaffenen aber auseinander (esse ≠ forma).47 Denn vor der Schöpfung existieren sie nur der Möglichkeit nach. Was die Schöpfung anbelangt, ist sie nichts anderes als die göttliche Aktion, die das Seiende von der Möglichkeit in die Wirklichkeit bringt. Auf der einen Seite steht Gott als das wirkliche, immaterielle und einfache Seiende (ens actu-immateriale-simpliciter), 46 De potentia q.7 a.7 (Thema/Fragestellung): „Septimo quaeritur utrum huiusmodi nomina dicantur de Deo et creaturis univoce vel aequivoce.“ 47 (1) De potentia q.7 a.7 s.c.6 [60235]: „Praeterea, cum in creatura aliud sit esse, et aliud sit forma vel natura, per formam vel naturam nihil similatur ei quod est esse. [. . .] Deus autem est hoc ipsum quod est suum esse.“ (2) De potentia q.7 a.7 co. [60238]: „Deus autem alio modo se habet ad esse quam aliqua alia creatura; nam ipse est suum esse, quod nulli allii creaturae competit.“ Die Abtrennung von Existenz und Essenz wird zuerst von arabischen Kommentatoren zum Ausdruck gebracht und dann von mittelalterlichen Scholastikern übernommen, um die Eigentümlichkeit Gottes zu betonen. Sie steht deswegen direkt der aristotelischen Physik und Metaphysik entgegen, weil Aristoteles anhand des theoretischen Musters der Naturentstehung gerade die Untrennbarkeit des einzelnen Naturdings von der Naturart hervorhebt. Der aristotelischen Theorie zufolge liegt der Unterschied zwischen der natürlichen und der übernatürlichen Substanz nicht darin, dass die Existenz und die Essenz bei der einen auseinanderund bei der anderen zusammenfallen. Sondern die natürliche Substanz, die das Lebewesen und das Gestirn umfasst (creatura), ist materiell, sinnlich wahrnehmbar und passiv bewegbar, während die übernatürliche Substanz, d. h. das unbewegte Bewegende (Deus), geistig, denkbar und aktiv tätig ist.
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auf der anderen Seite aber das Geschöpf als das potentielle, materielle und mannigfaltige Seiende (ens in potentia-materiale-multipliciter). Außerdem zeigt sich die wesentliche Ungleichheit von Gott und Geschöpf noch dadurch, dass Gott unendlich und ewig ist (infinitum-aeternus), das Geschöpf aber endlich und zeitlich (finitum-temporalis).48 Die Schönheit kann von Gott und Geschöpf auch nicht aequivoce prädiziert werden, obwohl die Äquivokation (aequivoce, ὁμωνύμως) keiner Wesensgleichheit, sondern einer bloßen Namensgleichheit bedarf. Im Fall, dass das Weißsein von Sokrates und Tisch aequivoce, d. h. akzidentell, ausgesagt wird, gibt es keine notwendige Verbindung zwischen Sokrates und dem Tisch. Die Schönheit kann deshalb von Gott und Geschöpf nicht zufällig prädiziert werden, weil sich der produktive Kausalzusammenhang zwischen Schöpfer und Geschöpf ergibt.49 Dadurch, dass Gott unvollkommene Produkte nach seinem Vorbild schafft, hat das Geschöpf einen gewissen Anteil an Gott.50 Anders gesagt bringt die Schönheit Gottes die Schönheit der Geschaffenen zustande, wie die gesunde Medizin als Ursache die Gesundheit des Körpers herstellt. Ebenso wie die Gesundheit der Medizin und
48 (1) In Bezug auf Aktualität und Potentialität (De potentia q.7 a.7 co. [60238]): „[. . .] si dicatur, quod omne quod est in potentia, reducitur ad actum per ens actu,– et ex hoc concluderetur quod Deus esset ens actu, cum per ipsum omnia in esse educantur,– erit fallacia aequivocationis.“ (2) In Bezug auf Immaterialität-Materialität und Einfachheit-Komplexität (De potentia q.7 a.7 co. [60238]): „Dato ergo per impossibile quod eiusdem rationis sit bonitas in Deo et in creatura, non tamen bonum univoce de Deo praedicaretur; cum quod in Deo est immaterialiter et simpliciter, in creatura sit materialiter et multipliciter.“ (3) In Bezug auf Unendlichkeit und Endlichkeit (De potentia q.7 a.7 co. [60238]): „Nulla autem creatura, cum sit finita, potest adaequare virtutem primi agentis, cum sit infinita.“ (4) In Bezug auf Ewigkeit und Zeitlichkeit (De potentia q.7 a.7 s.c.1 [60230]): „Sed Deus est aeternus, et creaturae temporales.“ 49 (1) De potentia q.7 a.7 co. [60238]: „Et praeterea oportet causatum esse aliqualiter simile causae; unde oportet de causato et causa nihil pure aequivoce praedicari, sicut sanum de medicina et animali.“ (2) Summa contra Gentiles lib.1 cap.33 n.2 [23809]: „Nam in his quae sunt a casu aequivoca, nullus ordo aut respectus attenditur unius ad alterum, sed omnino per accidens est quod unum nomen diversis rebus attribuitur: non enim nomen impositum uni significat ipsum habere ordinem ad aliud. Sic autem non est de nominibus quae de Deo dicuntur et creaturis. Consideratur enim in huiusmodi nominum communitate ordo causae et causati, ut ex dictis patet. Non igitur secundum puram aequivocationem aliquid de Deo et rebus aliis praedicatur.“ (3) Aertsen 2012: 268, Fußnote 139. 50 (1) Summa Theologia Ia. q.13 a.5 arg.2 [28822]: „Praeterea, secundum aequivoca non attenditur aliqua similitudo. Cum igitur creaturae ad Deum sit aliqua similitudo, secundum illud Genes. I, faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram, videtur quod aliquid univoce de Deo et creaturis dicatur.“ (2) Summa Theologia Ia. q.13 a.5 co. [28826]: „Quia omnis effectus non adaequans virtutem causae agentis, recipit similitudinem agentis non secundum eandem rationem, sed deficienter, [. . .].“
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des Körpers sind die Schönheit Gottes und die Schönheit der Geschaffenen nicht zufällig gleichnamig. Im Grunde genommen sind Schöpfer und Geschöpf unvergleichbar, aber dieselben Transzendentalien können von Gott und Geschöpf gemeinsam ausgesagt werden (Deus bonus et creatura bona), und zwar weder wesentlich noch akzidentell. Die Prädikationsweise, die eine Mittelstellung zwischen Univokation und Äquivokation einnimmt, lässt sich als analogia praedicationis bezeichnen.51 Während die Univokation die Wesensgleichheit und die Äquivokation die wesentliche Ungleichheit impliziert, bringt die analogische Prädikation sowohl Gleichheit als auch Ungleichheit von Gott und Geschöpf zum Ausdruck. Die Analogie als Prädikation ist deswegen einzuführen, weil das ontologische Verhältnis von Gott und Geschöpf einer eigentümlichen Prädikationsweise bedarf. Weitergehend ist die analogische Prädikation insofern asymmetrisch, als Gott ontologisch vorrangig und das Geschöpf nachrangig ist. Um diese Vor- bzw. Nachrangigkeit zu betonen, identifiziert Thomas die logische Analogieprädikation mit dem ontologischen Auf-Eines-Hin-Verhältnis (dicitur per respectum ad unum analogice),52 indem das Verhältnis des Geschöpfes zu Gott mit der Beziehung des
51 Summa Theologia Ia. q.13 a.5 co. [28826]: „Et iste modus communitatis medius est inter puram aequivocationem et simplicem univocationem.“ 52 (1) Summa Theologia Ia. q.13 a.6 co. [28835]: „Respondeo dicendum quod in omnibus nominibus quae de pluribus analogice dicuntur, necesse est quod omnia dicantur per respectum ad unum, et ideo illud unum opertet quod ponatur in definitione omnium.“ (2) Summa contra Gentiles lib.1 cap.34 n.1 [23816]: „Sic igitur ex dictis relinquitur quod ea quae de Deo et rebus aliis dicuntur, praedicantur neque univoce neque aequivoce, sed analogice: hoc est, secundum ordinem vel respectum ad aliquid unum.“ (3) Aertsen 2012: 269, Fußnote 142. (4) In seinem Metaphysik-Kommentar hat Thomas an einigen Stellen ganz ähnlich kommentiert. (4.1) Sententia Metaphysicae lib.4 l.1 n.7 [82100]: „Dicit ergo primo, quod ens sive quod est, dicitur multipliciter. Sed sciendum quod aliquid praedicatur de diversis multipliciter: quandoque quidem secundum rationem omnino eamdem, et tunc dicitur de eis univoce praedicari, sicut animal de equo et bove. Quandoque vero secundum rationes omnino diversas; et tunc dicitur de eis aequivoce praedicari, sicut canis de sidere et animali. Quandoque vero secundum rationes quae partim sunt diversae et partim non diversae: diversae quidem secundum quod diversas habitudines important, unae autem secundum quod ad unum aliquid et idem istae diversae habitudines referuntur; et illud dicitur analogice praedicari, idest proportionaliter, prout unumquodque secundum suam habitudinem ad illud unum refertur.“ (4.2) Sententia Metaphysicae lib.4 l.1 n.8 [82101]: „Item sciendum quod illud unum ad quod diversae habitudines referuntur in analogicis, est unum numero, et non solum unum ratione, sicut est unum illud quod per nomen univocum designatur. Et ideo dicit quod ens etsi dicatur multipliciter, non tamen dicitur aequivoce, sed per respectum ad unum; non quidem ad unum quod sit solum ratione unum, sed quod est unum sicut una quaedam natura.“ (4.3) Sententia Metaphysicae lib.7 l.4 n.7 [82903]: „Non enim est rectum quod quod quid est et definitio dicatur de substantia et de accidentibus, neque aequivoce, neque simpliciter et eodem modo, idest univoce. [. . .] Sed dicitur analogice per respectum ad unum, scilicet ad
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Akzidenz zur Substanz in Verbindung gesetzt wird. Das analogische Prädikationsverhältnis von Gott und Geschöpf ist nur dann mit der Beziehung von Substanz und Akzidenz vergleichbar, wenn ein gemeinsamer Oberbegriff auch von Substanz und Akzidenz ausgesagt wird, wie die Schönheit von Gott und Geschöpf. So wird das Sein insofern von Substanz und Akzidenz analogerweise prädiziert, als die Substanz eigenständig seiend ist, das Akzidenz aber in seinem Sein von der Substanz abhängig ist.53 Da das Akzidenz keine ontologische Selbständigkeit (inesse) hat und in logisch-ontologischer Abhängigkeit von der Substanz (per se esse) steht, geht das Akzidenz als Nachrangiges auf die Substanz als Vorrangiges zurück (posterius ad prium, accidens ad substantiam). Gleichfalls richten sich die Geschaffenen auf den schaffenden Gott aus (creatura ad Deum), indem Thomas das Verhältnis Priorität-Posteriorität (prius-poterius, πρότερον-ὕστερον), womit Aristoteles die Vorrangigkeit der Substanz und die Nachrangigkeit des Akzidenz zum Ausdruck bringt (Metaph. Z1, 1028a31–1028b2; Cat. 5, 2a34–2b9), auf Gott und Geschöpf überträgt. Obwohl derselbe Oberbegriff „Sein“ sowohl von Substanz als auch von Akzidenz prädiziert wird, ist die eine per se und das andere nur per accidens seiend, sodass das Sein des Akzidenz auf das Sein der Substanz zurückzuführen sein muss. Es ist auf Gott und Geschöpf transformierbar. Obwohl derselbe Begriff Schönheit sowohl von Gott als auch vom Geschöpf ausgesagt wird, ist Gott absolut schön und das Geschöpf nur gewissermaßen schön, sodass die Schönheit der Geschaffenen auf die Schönheit Gottes rekurrieren muss. Aufgrund dessen setzt Thomas die logische Analogieprädikation mit dem ontologischen Auf-Eines-hin-Verhältnis gleich. Damit ist die Rückführung des Akzidenz auf die Substanz (accidens ad substantiam) und der Geschaffenen auf Gott (creatura ad Deum) gemeint, vorausgesetzt, dass bei zwei Sachen die eine der anderen ontologisch vorgeordnet ist.
medicinam. Et similiter quod quid est et definitio, non dicitur nec aequivoce nec univoce, de substantia et accidente, sed per respectum ad unum. Dicitur enim de accidente in respectu ad substantiam, ut dictum est.“ (4.4) Sententia Metaphysicae lib.9 l.1 n.13 [83351]: „Unde manifestum est, quod omnes isti modi potentiarum reducuntur ad unum primum, scilicet ad potentiam activam. Et inde patet quod haec multiplicitas non est secundum aequivocationem, sed secundum analogiam.“ (4.5) Aertsen 1996: 140–141. 53 Dadurch, dass der Oberbegriff, das Sein, für das Prädikat der Substanz und das des Akzidenz gehalten wird, dreht Thomas die ganze Kategorienlehre des Aristoteles um. Denn die zehn Kategorien, seien sie wesentlich, seien sie akzidentell, stellen zehn Typen von Prädikaten dar. In der aristotelischen Kategorienlehre handelt es sich nicht darum, dass das Sein von Substanz/Wesenheit und Akzidenz prädiziert wird. Vielmehr geht es darum, dass die Substanz/ Wesenheit und das Akzidenz vom zugrundeliegenden Einzelnen ausgesagt werden.
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Daraus lässt sich folgender Schluss ziehen: In erster Linie ist die sogenannte analogia praedicationis keineswegs die eigenständige Prädikationsweise, wie Univokation oder Äquivokation, sondern sie bringt nur ein bestimmtes Verhältnis der Prädikationen zur Sprache. Falls die Schönheit allein von Gott oder nur vom Geschöpf ausgesagt wird, spielt die analogische Prädikation keine Rolle. Nur die Schönheit Gottes und die Schönheit der Geschaffenen stehen zueinander in einem analogen Verhältnis. Zweitens verknüpft Thomas die logische Analogieprädikation mit dem ontologischen Auf-Eines-Hin-Verhältnis, um die Vorrangigkeit Gottes hervorzuheben. Obwohl Thomas nur von analogia praedicationis redet, ist die Spur der analogia entis schon zu finden. In der Theoriebildung der rationalen Theologie verwendet Thomas eine Vielzahl aristotelischer Begriffe und Termini, z. B. Vermögen-Verwirklichung (potentiaactus, δύναμις-ἐνέργεια), Materialität-Immaterialität (materiale-immaeriale, μετὰ ὕλης-ἄνευ ὕλης), Komplexität-Einfachheit (multipliciter-simpliciter, σύνθετον-ἁπλοῦν), Endlichkeit-Unendlichkeit (finitum-infinitum, πεπερασμένον-ἄπειρον), Zeitlichkeit-Ewigkeit (temporalis-aeternus, χρόνος-ἀΐδιος), Äquivokation-Univokation (aequivoce-univoce, ὁμωνύμως-συνωνύμως) usw. In der Erörterung über die prädikative Analogie bezieht sich Thomas auf die Kategorienlehre des Aristoteles. Da bei Thomas die Entfaltung seiner eigenen Theologie und die Auslegung der aristotelischen Philosophie miteinander eng zusammenhängen und aufeinander einwirken, scheint es, als habe Aristoteles die Analogie auch im thomistischen Sinne angewendet. Deswegen müssen wir uns auf die folgenden Fragen konzentrieren: Erstens, ob die aristotelische Analogie nur als Prädikationsweise angesehen wird; zweitens, ob und inwiefern die Analogie mit Pros-Hen identifiziert werden kann. Zum einen kann die Analogie bei Aristoteles nicht auf die logische Prädikation beschränkt sein, denn die strukturelle Ähnlichkeit durchdringt Sein, Logos und Veränderung. Zum anderen kann das Pros-Hen-Verhältnis nur dann mit der Analogie gleichgesetzt werden, wenn die aristotelische Proportionalitätsanalogie die thomistische Attributionsanalogie ersetzt. Ein klarer Beweis dafür liegt in einer Stelle der Nikomachischen Ethik, wobei Von-Einem-her (ἀφ’ ἑνὸς) und Auf-Eines-hin (πρὸς ἓν) zusammen mit der Analogie (κατ’ ἀναλογίαν) besprochen werden. οὐκ ἔστιν ἄρα τὸ ἀγαθὸν κοινόν τι κατὰ μίαν ἰδέαν. ἀλλὰ πῶς δὴ λέγεται; οὐ γὰρ ἔοικε τοῖς γε ἀπὸ τύχης ὁμωνύμοις. ἀλλ' ἆρά γε τῷ ἀφ' ἑνὸς εἶναι ἢ πρὸς ἓν ἅπαντα συντελεῖν, ἢ μᾶλλον κατ' ἀναλογίαν; ὡς γὰρ ἐν σώματι ὄψις, ἐν ψυχῇ νοῦς, καὶ ἄλλο δὴ ἐν ἄλλῳ. – EN A4, 1096b25–29
In dem Kontext geht es um die Frage, wie die verschiedenen Seienden gemeinsam als das Gute bezeichnet werden. Das Gute ist nicht etwas Gemeinsames, das anhand einer einzigen Idee gebildet wird. Die Gleichnamigkeit ist weder auf eine einzige Idee zurückzuführen noch kommt sie den verschiedenen
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Dingen zufällig zu, sondern sie beruht auf der strukturellen bzw. der funktionalen Ähnlichkeit (ἄλλο ἐν ἄλλῳ). Die Vernunft und die Sehkraft werden z. B. deswegen gleichermaßen als etwas Gutes bezeichnet, weil die Vernunft in der Seele so funktioniert wie die Sehkraft in den Augen. Wie das Sehvermögen die sinnliche Anschauung ermöglicht, so macht das Denkvermögen die intellektuelle Anschauung möglich. Die Analogie (κατ’ ἀναλογίαν) führt zum einheitlichen Begriffsgebrauch, sodass die Sehkraft und die Vernunft von einem gemeinsamen Begriff, nämlich dem Guten, zusammengefasst werden (ἀφ’ ἑνὸς) und darauf hinweisen (πρὸς ἓν συντελεῖν). Im vorliegenden Zusammenhang ist deutlich einzusehen, dass Aristoteles die Analogie im Sinn der strukturellen bzw. der funktionalen Ähnlichkeit gebraucht. Demnach zeigt die Proportionalitätsanalogie keineswegs die Rückführung der einen Sache auf die andere (unum ad alterum), sondern die zwei Verhältnisse gehen auf ein gemeinsames Drittes zurück (duo ad aliquod tertium).54
54 Neben der Rückführung der einen Sache auf die andere erwähnt Thomas ein anderes Modell, nämlich die Rückführung beider Sachen auf ein Drittes. (1) De potentia q.7 a.7 co. [60238]: „Et ideo aliter dicendum est, quod de Deo et creatura nihil praedicetur univoce; non tamen ea quae communiter praedicantur, pure aequivoce praedicantur, sed analogice. Huius autem praedicationis duplex est modus. Unus quo aliquid praedicatur de duobus per respectum ad aliquod tertium, sicut ens de qualitate et quantitate per respectum ad substantiam. Alius modus est quo aliquid praedicatur de duobus per respectum unius ad alterum, sicut ens de substantia et quantitate. In primo autem modo praedicationis oportet esse aliquid prius duobus, ad quod ambo respectum habet, sicut substantia ad quantitatem et qualitatem; in secundo autem non, sed necesse est unum esse prius altero. Et ideo cum Deo nihil sit prius, sed ipse sit prior creatura, competit in divina praedicatione secundus modus analogiae, et non primus.“ (2) Summa contra Gentiles lib.1 cap.34 n.1 [23816]: „Quod quidem dupliciter contingit: uno modo, secundum quod multa habent respectum ad aliquid unum: sicut secundum respectum ad unam sanitatem animal dicitur sanum ut eius subiectum, medicina ut eius effectivum, cibus ut conservativum, urina ut signum. Alio modo, secundum quod duorum attenditur ordo vel respectus, non ad aliquid alterum, sed ad unum ipsorum: sicut ens de substantia et accidente dicitur secundum quod accidens ad substantiam respectum habet, non quod substantia et accidens ad aliquid tertium referantur. Huiusmodi igitur nomina de Deo et rebus aliis non dicuntur analogice secundum primum modum, oporteret enim aliquid Deo ponere prius: sed modo secundo.“ (3) Aertsen 2012: 269. Was aber Aristoteles in der Kategorienlehre betont, ist weder die Rückführung des Akzidenz auf die Substanz, noch dass das Akzidenz und die Substanz auf das Sein zurückzuführen sind. Sondern alle Kategorien, entweder akzidentell oder substanziell, richten sich auf die zugrundeliegende Einzelsubstanz aus. Dementsprechend werden alle Prädikate, seien sie akzidentell, seien sie wesentlich, vom zugrundeliegenden Subjekt ausgesagt, sodass sowohl die Akzidenz- als auch die Wesensprädikation durch dieselbe Prädikationsstruktur von Subjekt und Prädikat konstituiert sein müssen.
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Daher liegt der wesentliche Unterschied zwischen Attributions- und Proportionalitätsanalogie erstens darin, dass jene die ontologische Priorität, diese aber die strukturelle Ähnlichkeit hervorhebt. Zweitens trägt die thomistische Attributionsanalogie zur Prädikation bei, während die aristotelische Proportionalitätsanalogie nicht zur Prädikation, sondern zur Begriffsbildung dient. Thomas richtet seine Aufmerksamkeit darauf, auf welche Art und Weise dieselben Transzendentalien (unum, bonum, verum) von Gott und Geschöpf prädiziert werden können. Ohne die sachliche Verschiedenheit preiszugeben, konstituiert das aristotelische Analogiemodell die Einheit des Begriffs. Denn bei der aristotelischen Proportionalitätsanalogie geht es darum, wie es kommt, dass die verschiedenen Seienden nicht zufällig durch denselben Begriff zu bezeichnen sind (z. B. Sein, Gutes, Gesundheit oder Heilkunst). Drittens hat die Attributionsanalogie, formal gesehen, keine Verbindung mit dem mathematischen Ursprung der Analogie. Bei der Proportionalitätsanalogie aber steht das ursprünglich mathematische Verhältnis immer im Hintergrund. Viertens handelt es sich bei der Attributionsanalogie um den sachlichen Vergleich, während die analogia proportionis auf die Gleichheit der Verhältnisse hinweist (ἡ ἀναλογία ἰσότης ἐστὶ λόγων). So verlangt die Proportionalitätsanalogie mindestens vier Glieder (ἐν τέτταρσιν ἐλαχίστοις), damit A zu B und C zu D in demselben Verhältnis stehen. Die Tatsache, dass Thomas das Verhältnis von Gott und Geschöpf (Deus-creatura) mit dem Verhältnis von Substanz und Akzidenz (substantia-accidentia) vergleicht, weist andeutungsweise darauf hin, dass die Attributionsanalogie letztendlich auf die Proportionalitätsanalogie zurückzuführen sein muss. Die Schönheit wird von Gott und Geschöpf so prädiziert, wie das Sein von Substanz und Akzidenz ausgesagt wird. Aufgrund der Proportionalitätsanalogie von Substanz-Akzidenz und Gott-Geschöpf ist die Attributionsanalogie aufzustellen. Auf den ersten Blick scheint die von den Hochscholastikern entwickelte analogia attributionis bzw. analogia entis dem platonischen Analogiemodell sehr ähnlich zu sein. Denn die kreative Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf (Deus-creatura) kann problemlos anhand des Vorbild-NachbildMusters (παράδειγμα-εἰκών) wiedergegeben werden, das Platon ausdrücklich als Analogie bezeichnet (Tim. 29b3–7, 29b9–c3). Aber man kann die grundsätzliche Differenz der mittelalterlichen Attributionsanalogie von der griechischen Proportionsanalogie nicht übersehen. Platon und Aristoteles stimmen darin überein, dass die ontologische Entsprechung/Ähnlichkeit (ὁμοιότης) ohne eine Verhältnisgleichheit (ἀναλογία) nicht aufgestellt werden kann. Demzufolge ist es kein sprachlicher Zufall, dass sowohl Platon als auch Aristoteles die Ähnlichkeit und die Analogie terminologisch für identisch halten
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(ὁμοιότης = ἀναλογία).55 Ursprünglich muss die ontologische Entsprechung auf eine bestimmte strukturelle Ähnlichkeit zurückgreifen, die für die platonischaristotelische Proportionalitätsanalogie charakteristisch ist. Im Folgenden richten wir die Aufmerksamkeit auf die Analogietheorie von Platon, nicht nur deswegen, weil Platon als Erster die Analogie in die Philosophie einführt (HWP: 215), sondern vornehmlich deshalb, weil Platon das Urmuster der Proportionalitätsanalogie paradigmatisch darstellt. Platon wendet die Analogie dreifach an, und zwar in der Ethik-Politik,56 in der Kosmologie57 und in der Metaphysik. Wir legen den Akzent auf die metaphysische
55 Platon Resp. 368d1–7, 368e8–369a3: δικαιοσύνη ἐν ταῖς πόλεσι-δικαιοσύνη ἐν ἑνὶ ἑκάστῳ – ὁμοιότης; 508b12–508c2: ἐν τῷ νοητῷ τόπῳ-ἐν τῷ ὁρατῷ τόπῳ – ἀνάλογον; 509c5–6: ἄγαθονἥλιος – ὁμοιότης. Aristoteles PA B7, 652b23–26; B7, 653a10–12; Γ2, 662b23–26; GA A1, 715b16–21; Top. A17, 108a7–12; EN A6, 1096b28–29. 56 Die ethisch-politische Anwendung der Analogie zeigt sich in der strukturellen Ähnlichkeit von Seele und Polis (Resp. 368e8–369a3, 368d1–7: ψυχή-πόλις – ὁμοιότης). Die strukturelle Ähnlichkeit von Seele und Polis ist dadurch aufzustellen, dass die drei staatlichen Klassen, nämlich Nähr-, Wehr- und Lehrstand, mit den drei Seelenteilen von Begierde, Mut und Vernunft korrespondieren. Die Übereinstimmung besteht darin, dass die drei Kandinaltugenden von Besonnenheit, Tapferkeit und Weisheit sowohl den drei Seelenteilen innewohnen als auch den drei Staatsklassen zugeteilt sind. Die übergeordnete Tugend der Gerechtigkeit kommt nur dann zustande, wenn die drei Seelenteile und die drei Staatsklassen naturgemäß geordnet sind. Im Falle, dass die Vernunft mithilfe des Mutes die niedrigen Begierden dominiert, tritt die seelische Gerechtigkeit in Erscheinung. Analog dazu soll in der gerechten Polis der vernünftige Philosophenkönig zusammen mit den mutigen Soldaten die normalen Staatsbürger beherrschen. Kurz und bündig gesagt ist die Analogie von Seele und Polis folgendermaßen zu formulieren: So wie die drei Seelenteile miteinander zusammenhängen, sollen sich auch die drei gesellschaftlichen Klassen zu einer Polis zusammenfügen. 57 Platon hat eine kosmologische Verwendung der Analogie anzubieten. Die Analogie wird deswegen als kosmologisches Ordnungsprinzip angesehen, weil Gott anhand der bestimmten Proportion die sichtbare und ertastbare Welt schuf. Vorausgesetzt, dass die vier Grundelemente schon vor der Schöpfung existieren, setzt der Schöpfergott Luft und Wasser inmitten von Feuer und Erde. Diese vier sind von Gott möglichst proportional einzuordnen, so dass Feuer zu Luft, Luft zu Wasser und Wasser zu Erde in demselben Verhältnis steht (οὕτω δὴ πυρός τε καὶ γῆς ὕδωρ ἀέρα τε ὁ θεὸς ἐν μέσῳ θείς, καὶ πρὸς ἄλληλα καθ’ ὅσον ἦν δυνατὸν ἀνὰ τὸν αὐτὸν λόγον ἀπεργασάμενος, ὅτιπερ πῦρ πρὸς ἀέρα, τοῦτο ἀέρα πρὸς ὕδωρ, καὶ ὅτι ἀὴρ πρὸς ὕδωρ, ὕδωρ πρὸς γῆν, συνέδησεν καὶ συνεστήσατο οὐρανὸν ὁρατὸν καὶ ἁπτόν – Tim. 32b3–8). Indem die vier Elemente miteinander verbunden und kombiniert sind, wird der Körper des Kosmos durch die Analogie, d. h. durch dieselbe Proportion, erzeugt (καὶ διὰ ταῦτα ἔκ τε δὴ τούτων τοιούτων καὶ τὸν ἀριθμὸν τεττάρων τὸ τοῦ κόσμου σῶμα ἐγεννήθη δι’ ἀναλογίας ὁμολογῆσαν, [. . .] – Tim. 32b8–c2; καὶ δὴ καὶ τὸ τῶν ἀναλογιῶν περί τε τὰ πλήθη καὶ τὰς κινήσεις καὶ τὰς ἄλλας δυνάμεις πανταχῇ τὸν θεόν, ὅπῃπερ ἡ τῆς ἀνάγκης ἑκοῦσα πεισθεῖσά τε φύσις ὑπεῖκεν, ταύτῃ πάντῃ δι’ ἀκριβείας ἀποτελεσθεισῶν ὑπ’ αὐτοῦ συνηρμόσθαι ταῦτα ἀνὰ λόγον – Tim. 56c3–7). Indem Gott weiterhin alle Dinge, die sich im ungeordneten Zustand
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Anwendung der Analogie, da Platon die Proportionalitätsanalogie im Kernstück seiner Metaphysik, nämlich in der Zwei-Welten-Theorie, entfaltet. Dabei tritt die mathematische Proportion in den Hintergrund, der ontologische Sinn der Analogie aber in den Vordergrund. Denn es geht nicht um die zahlenmäßige Proportion, sondern um das Entsprechungsverhältnis von Seins- und Erkenntnissphäre, das zuerst zwiefältig zustande kommt. Dem Zwiespalt von Sein und Werden (οὐσία-γένεσις) entsprechend ist das Erkenntnisvermögen in Denken und Meinen (νόησιςδόξα) einzuteilen (Tim. 29b9–c3, 29b3–4; Prm. 132c12–d4, 133c8–d5; Resp. 534a2–3). Indem das Sein zum Werden und das Denken zum Meinen in demselben Verhältnis steht (οὐσία : γένεσις = νόησις : δόξα – Tim. 29b9–29c3; Resp. 534a3–8), besteht die ontologisch-epistemologische Übereinstimmung darin, dass das Sein nur gedacht und das Werden bloß in der Meinung geäußert werden kann (οὐσία : νόησις = γένεσις : δόξα – Resp. 534a1–3). Des Weiteren präzisiert Platon die strukturelle Entsprechung von Sein und Denken, indem Seins- und Erkenntnisbereich viergliedrig einzuteilen sind. Im Liniengleichnis (Resp. 509d8–9, 511e3, 534a6) ist der ganze Seinsbereich als eine Linie vorzustellen. Dadurch dass die Linie ungleich in zwei Abschnitte gegliedert wird, fallen Sein und Werden, d. h. denkbares und sichtbares Gebiet, auseinander. Anhand desselben Verhältnisses diversifiziert sich der denkbare Seinsbereich weiter in Ideen und mathematische Gegenstände und der sichtbare Seinsbereich in Lebewesen und Schattenbilder (Resp. 509d6–e1). Da der gesamte Seinsbereich durch dieselbe Proportion dreimal geteilt wird, verhalten sich das Gedachte zum Gesehenen, die Ideen zu den geometrisch-logischen Gegenständen und die Lebewesen zu den Schattenbildern analog (νοούμενον : ὁρωμένον = εἴδη : πραγματευόμενοι περὶ τὰς γεωμετρίας τε καὶ λογισμοὺς = ζῷα : εἰκόνα). Mittels derselben Proportion lässt sich andererseits das Erkenntnisvermögen in Denken und Meinen einteilen. Ebenso ist das Denken in noetisches und dianoetisches Denken zu unterteilen, das Meinen aber in Glauben und Vermuten (Resp. 511c4–d5). Wie das Denken zum Meinen steht, so steht das noetische Denken zum dianeotischen Denken und das Glauben zum Vermuten (νοῦς : δόξα = νόησις : διάνοια = πίστις : εἰκασία – Resp. 511d6–e4). Außer dass das Denken mit dem Sein und das Meinen mit dem Werden in Übereinstimmung stehen, ergibt sich aufgrund der Vierteilung die
befanden, zu sich selbst und zueinander in eine harmonische Ordnung setzt, sind die Dinge analog und symmetrisch (ὥσπερ γὰρ οὖν καὶ κατ’ ἀρχὰς ἐλέχθη, ταῦτα ἀτάκτως ἔχοντα ὁ θεὸς ἐν ἑκάστῳ τε αὐτῷ πρὸς αὑτὸ καὶ πρὸς ἄλληλα συμμετρίας ἐνεποίησεν, ὅσας τε καὶ ὅπῃ δυνατὸν ἦν ἀνάλογα καὶ σύμμετρα εἶναι – Tim. 69b2–5). Anhand der bestimmten Proportion hat der platonische Schöpfergott nicht nur die irdischen Körper aus Grundelementen geschaffen, sondern auch die Dinge zueinander in ein harmonisches Verhältnis gebracht.
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vierfache Entsprechung von Erkennen und Sein. Noetisches Denken stimmt nämlich mit Ideen, dianoetisches Denken mit logisch-mathematischen Gegenständen, Glauben mit Lebewesen und Vermuten mit Schattenbildern überein. Anhand der Analogie ist nicht nur die Übereinstimmung von Seins- und Erkenntnissphäre zu erörtern, sondern auch der Urgrund der ontologischepistemologischen Entsprechung. Das Sonnengleichnis bringt zum Ausdruck, dass die Sonne den sinnlichen Bereich beherrscht und das Gute den intelligiblen Bereich (Resp. 508b12–508c2, 509d1–4). Analog zur Sonne, die das Sehen und das Gesehenwerden zur Deckung bringt, vereinigt das Gute das Denken und das Gedachtwerden. Das Sichtbare kann nur durch die Beleuchtung des Lichts gesehen werden (φῶς – Resp. 507d11–e4), dessen Quelle die Sonne ist. Ähnlich muss das Denkbare durch die Vermittlung der Wahrheit (ἀληθεία – Resp. 508e6–509a5) wahrhaft gedacht werden, die vom Guten herrührt. Außerdem ermöglicht die Sonne nicht nur, dass die sichtbaren Dinge gesehen werden, sondern auch, diese entstehen und wachsen zu lassen (Resp. 509b2–4). Analog dazu macht das Gute nicht nur die Erkenntnis der denkbaren Seienden möglich, sondern auch und vor allem verleiht es ihnen ihre Wesenheit sowie Substantialität (Resp. 509b6–8). Wie die Sonne über das Werden hinausgeht, ist das Gute dem Sein an Würde und Macht überlegen (Resp. 509b8–10). Insgesamt ist die Analogie zwischen der intelligiblen und der sensiblen Welt dadurch konstituiert, dass sich das Gute ebenso auf Denken und Gedachtwerden bezieht, wie sich die Sonne zu Sehen und Gesehenwerden verhält (Τοῦτον τοίνυν, ἦν δ’ ἐγώ, φάναι με λέγειν τὸν τοῦ ἀγαθοῦ ἔκγονον, ὃν τἀγαθὸν ἐγέννησεν ἀνάλογον ἑαυτῷ, ὅτιπερ αὐτὸ ἐν τῷ νοητῷ τόπῳ πρός τε νοῦν καὶ τὰ νοούμενα, τοῦτο τοῦτον ἐν τῷ ὁρατῷ πρός τε ὄψιν καὶ τὰ ὁρώμενα – Resp. 508b12–508c2). Wie gezeigt wurde, trägt die platonische Proportionalitätsanalogie metaphysisch dazu bei, die Entsprechung von Seins- und Erkennenssphäre zu verdeutlichen. Wie der Name besagt, konzentriert sich die Onto-logie immer auf das Verhältnis von Sein (τὸ ὂν) und Logos (λόγος), nämlich darauf, wie der Logos bzw. das Denken das Seiende wahrhaft begreift. Platons Meinung nach ist die ontologisch-epistemologische Übereinstimmung jeweils in einem übergeordneten Prinzip verwurzelt, nämlich im Sichtbaren bei der Sonne und im Denkbaren beim Guten. Indem das übergreifende Prinzip im sichtbaren und denkbaren Bereich aufgehoben wird, ist Aristoteles der Auffassung, dass das übereinstimmende Verhältnis von Sein und Logos auf deren ähnliche Struktur zurückgeht. Außerdem ist diese ähnliche Struktur nicht auf das Sein und den Logos beschränkt, sondern sie breitet sich bis hinein in die Veränderung aus. So ist es für die aristotelische Metaphysik charakteristisch, dass die Veränderung in die metaphysische Untersuchung einbezogen ist. Während Platon die zweifache Korrespondenz von Sein und Logos/Denken zum zentralen Thema
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macht (ὂν-λόγος), hebt Aristoteles die dreifache Übereinstimmung von Sein, Logos und Veränderung hervor (ὂν-λόγος-μεταβολή). Wir nennen die dreifache Übereinstimmung die Analogie von Sein, Logos und Veränderung, die den Hauptteil dieser Arbeit ausmacht. Da Aristoteles in den überlieferten Schriften die Analogie nicht ausdrücklich in diesem Sinne verwendet, müssen wir genau auf die Texte eingehen. Anhand einer ausführlichen Textanalyse und einer systematischen Rekonstruktion bringen wir die allgemeine und fundamentale Struktur der aristotelischen Analogie ans Licht. Im ersten Schritt müssen wir uns klarmachen, dass Aristoteles, um die strukturelle Ähnlichkeit auszusprechen, mehrere äquivalenten Begriffe bzw. Ausdrücke anwendet. Vor allem hält Aristoteles ἀναλογία und ὁμοιότης für äquivalent und verwendet die beiden Begriffe als Synonyme: ὅσα δὲ μὴ πορευτικὰ καθάπερ τὰ ὀστρακόδερμα τῶν ζῴων καὶ τὰ ζῶντα τῷ προσπεφυκέναι, διὰ τὸ παραπλησίαν αὐτῶν εἶναι τὴν οὐσίαν τοῖς φυτοῖς, ὥσπερ οὐδ’ ἐν ἐκείνοις οὐδ’ ἐν τούτοις ἐστὶ τὸ θῆλυ καὶ τὸ ἄρρεν ἀλλ’ ἤδη καθ’ ὁμοιότητα καὶ κατ’ ἀναλογίαν λέγεται. – GA A1, 715b16–2158
Des Weiteren lässt sich der Ausdruck „anhand der Analogie“ (κατ’ ἀναλογίαν) mit „Von-Einem-her“ (ἀφ’ ἑνὸς) und mit „Auf-Eines-hin“ (πρὸς ἓν) gleichsetzen. Im Kontext der Ethik zieht Aristoteles das Gute als Paradigma heran, geht aber davon aus, dass das Gute mehrdeutig ist. ἔτι δ' ἐπεὶ τἀγαθὸν ἰσαχῶς λέγεται τῷ ὄντι (καὶ γὰρ ἐν τῷ τί λέγεται, οἷον ὁ θεὸς καὶ ὁ νοῦς, καὶ ἐν τῷ ποιῷ αἱ ἀρεταί, καὶ ἐν τῷ ποσῷ τὸ μέτριον, καὶ ἐν τῷ πρός τι τὸ χρήσιμον, καὶ ἐν χρόνῳ καιρός, καὶ ἐν τόπῳ δίαιτα καὶ ἕτερα τοιαῦτα), δῆλον ὡς οὐκ ἂν εἴη κοινόν τι καθόλου καὶ ἕν· οὐ γὰρ ἂν ἐλέγετ' ἐν πάσαις ταῖς κατηγορίαις, ἀλλ' ἐν μιᾷ μόνῃ. – EN A4, 1096a23–2959
58 (1) EN A4, 1096b28–29: [. . .] ἢ μᾶλλον κατ’ ἀναλογίαν; ὡς γὰρ ἐν σώματι ὄψις, ἐν ψυχῇ νοῦς, καὶ ἄλλο δὴ ἐν ἄλλῳ. (2) Top. A17, 108a7–12: Τὴν δὲ ὁμοιότητα σκεπτέον ἐπί τε τῶν ἐν ἑτέροις γένεσιν, [. . .] καὶ ὡς ἕτερον ἐν ἑτέρῳ τινί, οὕτως ἄλλο ἐν ἄλλῳ, οἷον ὡς ὄψις ἐν ὀφθαλμῷ, νοῦς ἐν ψυχῇ, καὶ ὡς γαλήνη ἐν θαλάσσῃ, νηνεμία ἐν ἀέρι. (3) PA B7, 652b23–26: Καὶ διὰ τοῦτο τὰ ἔναιμα ἔχει πάντα ἐγκέφαλον, τῶν δ’ ἄλλων οὐδὲν ὡς εἰπεῖν, πλὴν ὅτι κατὰ τὸ ἀνάλογον, οἷον ὁ πολύπους· ὀλιγόθερμα γὰρ πάντα διὰ τὴν ἀναιμίαν. (4) PA B7, 653a10–12: ποιεῖ δὲ καὶ τὸν ὕπνον τοῖς ζῴοις τοῦτο τὸ μόριον τοῖς ἔχουσιν ἐγκέφαλον, τοῖς δὲ μὴ ἔχουσι τὸ ἀνάλογον. (5) PA Γ2, 662b23–26: Περὶ δὲ κεράτων λεκτέον· καὶ γὰρ ταῦτα πέφυκε τοῖς ἔχουσιν ἐν τῇ κεφαλῇ. Ἔχει δ’ οὐδὲν μὴ ζῳοτόκον. Καθ’ ὁμοιότητα δὲ καὶ μεταφορὰν λέγεται καὶ ἑτέρων τινῶν κέρατα. 59 EE A8, 1217b25–33: πολλαχῶς γὰρ λέγεται καὶ ἰσαχῶς τῷ ὄντι τὸ ἀγαθόν. τό τε γὰρ ὄν, ὥσπερ ἐν ἄλλοις διῄρηται, σημαίνει τὸ μὲν τί ἐστί, τὸ δὲ ποιόν, τὸ δὲ ποσόν, τὸ δὲ πότε, καὶ πρὸς τούτοις τὸ μὲν ἐν τῷ κινεῖσθαι τὸ δὲ ἐν τῷ κινεῖν, καὶ τὸ ἀγαθὸν ἐν ἑκάστῃ τῶν πτώσεών
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Der Mehrdeutigkeit des Seienden entsprechend wird das Gute auf vielfältige Weise ausgesagt. Wie sich das Seiende in die Kategorien ausdifferenziert, so ist das Gute in die Kategorien auszudifferenzieren (τὸ δ’ ἀγαθὸν λέγεται καὶ ἐν τῷ τί ἐστι καὶ ἐν τῷ ποιῷ καὶ ἐν τῷ πρός τι – EN A4, 1096a19–20). Mit dem Guten ist daher so etwas gemeint wie der Gott/Geist in der Substanz, die Tugend/Gerechtigkeit in der Qualität,60 das rechte Maß in der Quantität, die Nützlichkeit in der Relation, die passende Gelegenheit in der Zeit, der gesunde Aufenthaltsort in Bezug auf den Ort, das Lehren und das Lernen in Bezug auf die Tätigkeit usw. Der Sache nach sind der substanzielle Gott/Geist, die qualitative Tugend/ Gerechtigkeit, das quantitative Maß, die relationale Nutzung, die zeitliche Gelegenheit, der räumliche Aufenthaltsort und die aktiv-passive Tätigkeit völlig unterschiedlich. Trotzdem werden Gott/Geist, die Tugend/Gerechtigkeit, das Maß, die Nutzung, die Gelegenheit, der Aufenthaltsort, das Lehren und das Lernen jeweils als das Gute bezeichnet. Darum lässt sich die Frage stellen, wie die verschiedenen Seienden gemeinsam als das Gute bezeichnet werden können. οὐκ ἔστιν ἄρα τὸ ἀγαθὸν κοινόν τι κατὰ μίαν ἰδέαν. ἀλλὰ πῶς δὴ λέγεται; οὐ γὰρ ἔοικε τοῖς γε ἀπὸ τύχης ὁμωνύμοις. ἀλλ' ἆρά γε τῷ ἀφ' ἑνὸς εἶναι ἢ πρὸς ἓν ἅπαντα συντελεῖν, ἢ μᾶλλον κατ' ἀναλογίαν; ὡς γὰρ ἐν σώματι ὄψις, ἐν ψυχῇ νοῦς, καὶ ἄλλο δὴ ἐν ἄλλῳ. – EN A4, 1096b25–29
Aristoteles macht nachdrücklich klar, dass das Gute nicht etwas Gemeinsames ist, das anhand einer einzigen Idee gebildet wird. Im Gegensatz zur überkategorialen Einheit der Idee des Guten spricht Aristoteles vom querkategorialen Guten, das alle zehn Kategorien durchdringt. Anders gesagt ist die Begriffseinheit, von der die Rede ist, nicht überkategorial (platonisch), sondern querkategorial (aristotelisch). Eine querkategoriale Begriffseinheit, die weder auf die platonische Idee zurückzuführen ist noch zufälligerweise gebildet wird, ergibt sich, indem das Jeweilige aufgrund der Analogie bzw. der Strukturähnlichkeit das Gute genannt wird. Die Sehkraft und die Vernunft werden deshalb nicht auf zufällige Weise als das Gute bezeichnet (οὐκ ἀπὸ τύχης ὁμωνύμοις), weil die Sehkraft in den Augen und die Vernunft in der Seele im analogen Verhältnis
ἐστι τούτων, ἐν οὐσίᾳ μὲν ὁ νοῦς καὶ ὁ θεός, ἐν δὲ τῷ ποιῷ τὸ δίκαιον, ἐν δὲ τῷ ποσῷ τὸ μέτριον, ἐν δὲ τῷ πότε ὁ καιρός, τὸ δὲ διδάσκον καὶ τὸ διδασκόμενον περὶ κίνησιν. 60 In der Nikomachischen Ethik bezeichnet Aristoteles das qualitativ Gute als Tugend, in der Eudemischen Ethik aber als Gerechtigkeit. In Bezug auf das qualitativ Gute sind Gerechtigkeit und Tugend deswegen konvertibel, weil laut Aristoteles die Gerechtigkeit nicht ein Teil der Tugend, d. h. eine einzelne Tugend, sondern die Tugend überhaupt ist. Dementsprechend gilt die Ungerechtigkeit nicht als einzelnes Schlechtes, sondern als das Schlechte schlechthin. Vgl. EN E1, 1130a8–10, 1129b27–30.
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stehen (κατ’ ἀναλογίαν). Die Analogie greift auf die strukturelle Ähnlichkeit zurück (ἄλλο ἐν ἄλλῳ) und führt zum einheitlichen Begriffsgebrauch. So werden die beiden verschiedenen Seienden, d. h. die Sehkraft und die Vernunft, von einem gemeinsamen Begriff, nämlich vom Guten, zusammengefasst (ἀφ’ ἑνὸς εἶναι) und weisen auf es hin (πρὸς ἓν συντελεῖν). Πάλιν δ' ἐπανέλθωμεν ἐπὶ τὸ ζητούμενον ἀγαθόν, τί ποτ' ἂν εἴη. φαίνεται μὲν γὰρ ἄλλο ἐν ἄλλῃ πράξει καὶ τέχνῃ· ἄλλο γὰρ ἐν ἰατρικῇ καὶ στρατηγικῇ καὶ ταῖς λοιπαῖς ὁμοίως. τί οὖν ἑκάστης τἀγαθόν; ἢ οὗ χάριν τὰ λοιπὰ πράττεται; τοῦτο δ' ἐν ἰατρικῇ μὲν ὑγίεια, ἐν στρατηγικῇ δὲ νίκη, ἐν οἰκοδομικῇ δ' οἰκία, ἐν ἄλλῳ δ' ἄλλο, ἐν ἁπάσῃ δὲ πράξει καὶ προαιρέσει τὸ τέλος· τούτου γὰρ ἕνεκα τὰ λοιπὰ πράττουσι πάντες. – EN A5, 1097a15–22
Durch den Ausdruck „ἀφ’ ἑνὸς καὶ πρὸς ἓν“ ist die aristotelische Begriffseinheit, die weder auf die platonische Idee (d. h. die Gattungseinheit) zurückzuführen noch auf zufällige Weise aufzustellen ist, gekennzeichnet. Die Begriffseinheit beruht letztendlich auf der strukturellen Ähnlichkeit (ἄλλο ἐν ἄλλῳ). In der Heilkunst ist die Gesundheit, in der Strategik der Sieg und in der Baukunst das Haus als das Gute zu bezeichnen. Trotz des sachlichen Unterschieds werden die Gesundheit, der Sieg und das Haus das Gute genannt, und zwar aufgrund der Analogie. Des Weiteren bezeichnet Aristoteles die analogische Begriffseinheit, worauf die Ausdrücke „Vom-Einen-her“, „Auf-Eines-hin“ und „nicht zufälliges Gleichnamiges“ hinweisen, offenkundig als ὁμώνυμον (d. h. „notwendiges Gleichnamiges“). Σκοπεῖν δὲ καὶ τὰ γένη τῶν κατὰ τοὔνομα κατηγοριῶν, εἰ ταὐτά ἐστιν ἐπὶ πάντων· εἰ γὰρ μὴ ταὐτά, δῆλον ὅτι ὁμώνυμον τὸ λεγόμενον. οἷον τὸ ἀγαθὸν ἐν ἐδέσματι μὲν τὸ ποιητικὸν ἡδονῆς, ἐν ἰατρικῇ δὲ τὸ ποιητικὸν ὑγιείας, ἐπὶ δὲ ψυχῆς τὸ ποιὰν εἶναι, οἷον σώφρονα ἢ ἀνδρείαν ἢ δικαίαν· ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ ἀνθρώπου. ἐνιαχοῦ δὲ τὸ ποτέ, οἷον τὸ ἐν τῷ καιρῷ ἀγαθόν· ἀγαθὸν γὰρ λέγεται τὸ ἐν τῷ καιρῷ. πολλάκις δὲ τὸ ποσόν, οἷον ἐπὶ τοῦ μετρίου· λέγεται γὰρ καὶ τὸ μέτριον ἀγαθόν. ὥστε ὁμώνυμον τὸ ἀγαθόν. – Top. A15, 107a3–1261
Die Seienden, die nicht zu derselben Gattung gehören, können auf notwendige Weise das Gute genannt werden. Das Lust-Machende beim Essen, das GesundheitMachende in der Heilkunst, die Tugend in der Seele (Besonnenheit, Tapferkeit 61 (1) Top. A15, 107a12–17: ὡσαύτως δὲ καὶ τὸ λευκὸν ἐπὶ σώματος μὲν χρῶμα, ἐπὶ δὲ φωνῆς τὸ εὐήκοον. παραπλησίως δὲ καὶ τὸ ὀξύ· οὐ γὰρ ὡσαύτως ἐπὶ πάντων τὸ αὐτὸ λέγεται· φωνὴ μὲν γὰρ ὀξεῖα ἡ ταχεῖα, καθάπερ φασὶν οἱ κατὰ τοὺς ἀριθμοὺς ἁρμονικοί, γωνία δ’ ὀξεῖα ἡ ἐλάσσων ὀρθῆς, μάχαιρα δὲ ἡ ὀξυγώνιος. (2) APo. B17, 99a7–16: εἰ μὲν ὁμώνυμα, ὁμώνυμον τὸ μέσον, εἰ δ’ ὡς ἐν γένει, ὁμοίως ἕξει. οἷον διὰ τί καὶ ἐναλλὰξ ἀνάλογον; ἄλλο γὰρ αἴτιον ἐν γραμμαῖς καὶ ἀριθμοῖς καὶ τὸ αὐτό γε, ᾗ μὲν γραμμή, ἄλλο, ᾗ δ’ ἔχον αὔξησιν τοιανδί, τὸ αὐτό. οὕτως ἐπὶ πάντων. τοῦ δ’ ὅμοιον εἶναι χρῶμα χρώματι καὶ σχῆμα σχήματι ἄλλο ἄλλῳ. ὁμώνυμον γὰρ τὸ ὅμοιον ἐπὶ τούτων· ἔνθα μὲν γὰρ ἴσως τὸ ἀνάλογον ἔχειν τὰς πλευρὰς καὶ ἴσας τὰς γωνίας, ἐπὶ δὲ χρωμάτων τὸ τὴν αἴσθησιν μίαν εἶναι ἤ τι ἄλλο τοιοῦτον. τὰ δὲ κατ’ ἀναλογίαν τὰ αὐτὰ καὶ τὸ μέσον ἕξει κατ’ ἀναλογίαν.
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oder Gerechtigkeit), die passende Gelegenheit in der Zeit und das rechte Maß in Bezug auf die Quantität sind als das Gute zu bezeichnen. Anhand der strukturellen Ähnlichkeit bildet sich die analogische Begriffseinheit, die Aristoteles selbst als ὁμώνυμον bezeichnet.62 Erwähnenswert ist, dass die griechischen Kommentatoren die Ausdrücke „Analogie“, „Vom-Einen-her“, „Auf-Eines-hin“ und „notwendiges Gleichnamiges“, die Aristoteles für äquivalent hält, nicht als Äquivalente interpretieren. Porphyrius (Porphyrii In Categoriarum 65.12–66.21) macht z. B. die Differenz nachdrücklich klar, indem er das notwendige Gleichnamige (τὰ ὁμώνυμα ἀπὸ διανοίας), das dem zufälligen Gleichnamigen (τὰ ὁμώνυμα ἀπὸ τύχης) entgegensteht, in vier verschiedene Gruppen einteilt. In der ersten Gruppe sind Sokrates und der gemalte Sokrates deswegen gleichnamig und gemeinsam als Sokrates benannt, weil die beiden an einer gewissen Ähnlichkeit, nämlich an der Gestalt des Sokrates, teilhaben (καθ’ ὁμοιότητα). In der zweiten Gruppe können die Monade, der Punkt, die Quelle und das Herz gleichnamig sein und gemeinsam als Prinzip bezeichnet werden, da die Monade zur Zahl, der Punkt zur Linie, die Quelle zum Fluss und das Herz zum Lebewesen im analogischen Verhältnis stehen (κατὰ ἀναλογίαν). Wie sich die Monade auf die Zahl bezieht, bezieht sich der Punkt auf die Linie. Wie sich die Quelle zum Fluss verhält, verhält sich das Herz zum Lebewesen. In der dritten Gruppe können die verschiedenen Seienden, z. B. das Buch, die Medizin und das Seziermesser, deshalb durch einen gemeinsamen Begriff, nämlich durch
62 Die querkategoriale Verwendung und die analogische Begriffseinheit zeigen sich am offenkundigsten beim Begriff des Guten. Außerdem kann derselbe Begriff, wie z. B. die Gesundheit oder die Heilkunst, völlig verschiedene Sachen bezeichnen, indem ein und derselbe Begriff querkategorial angewendet wird. Die querkategoriale Begriffseinheit, die über die Gattungseinheit hinausgeht, kann nur durch die strukturelle Ähnlichkeit zwischen Kategorien gebildet werden. Das Spazierengehen und die bestimmte Farbe des Gesichts sind gemeinsam als das Gesunde zu bezeichnen, weil sich das eine zur Kategorie des Machens (ποιεῖν) und das andere zur Qualität (ποιόν) analog verhält (Top. A15, 107b6–12; Metaph. Γ2, 1003a34–1003b1). Der Arzt und der gesunde Patient hängen insofern begrifflich mit der Heilkunst zusammen, als der Arzt die Heilkunst nicht nur innehat (ἔχειν), sondern auch durchführen kann (ποιεῖν). Der gut behandelte Patient lässt sich als Werk der Heilkunst ansehen, da die Wesenheit der Gesundheit bei ihm konkretisiert und verwirklicht wird (ἔργον-οὐσία: Metaph. Γ2, 1003b1–3). Nichts anderes als die Analogie ermöglicht es, die Mehrdeutigkeit des Seienden, die auf die kategoriale Ausdifferenzierung zurückgreift, zu vereinigen (Τὸ δὲ ὂν λέγεται μὲν πολλαχῶς, ἀλλὰ πρὸς ἓν καὶ μίαν τινὰ φύσιν [. . .] – Metaph. Γ2, 1003a33–34, 1003b5–6; Ἔτι δ’ ἄλλος τρόπος ἐστὶ κατὰ τὸ ἀνάλογον ἐκλέγειν. ἓν γὰρ λαβεῖν οὐκ ἔστι τὸ αὐτό, ὃ δεῖ καλέσαι σήπιον καὶ ἄκανθαν καὶ ὀστοῦν· ἔσται δ’ ἑπόμενα καὶ τούτοις ὥσπερ μιᾶς τινος φύσεως τῆς τοιαύτης οὔσης – APo. B14, 98a20–23).
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das Ärztliche (τὸ ἰατρικόν), gekennzeichnet sein, weil sie vom einen gemeinsamen Ursprung, d. h. von der Arznei (ἀπὸ μιᾶς οὔσης τῆς ἰατρικῆς), herkommen (ἀπό τινος ἑνὸς). Das Buch ist insofern ärztlich, als man davon die ärztlichen Erkenntnisse lernen kann. Die Medizin ist ärztlich, da sie dazu dient, die körperliche Gesundheit wiederherzustellen. Das Seziermesser ist dadurch ärztlich, dass es, um den Kranken zu heilen, den Körper seziert und als Instrument funktioniert. In der vierten Gruppe können das Trinken-Essen, das Spaziergehen und das Lesen gemeinsam als etwas Gesundes bezeichnet werden, aber nur dann, wenn sie auf einen gemeinsamen Zweck (πρὸς ἓν τέλος), nämlich auf die Gesundheit, abzielen.63 Durch die Analyse der aristotelischen Analogie ist einleuchtend, dass es bei
63 Porphyrius und Simplicius teilen das notwendige Gleichnamige in vier Gruppen ein. Ammonius und Philoponus machen die Einteilung des notwendigen Gleichnamigen komplizierter als Porphyrius und Simplicius, da sie zwei andere Einteilungskriterien, nämlich die παρώνυμα und die zeitliche Dimension, in die Einteilung einführen. Porphyrii In Categoriarum 65. 12–66.21:Ἀλλ’ ἐπεὶ τὸν ὅρον ἀποδέδωκας τῶν ὁμωνύμων, δεῖ δὲ καὶ παράδειγμα τούτων κομίσαι, ἆρά γε εἷς τρόπος ἐστὶ τῶν ὁμωνύμων, ἵνα καθ’ ἕνα τρόπον τοῦτον λαβόντες τὸ παράδειγμα αὐτάρκως αὐτῶν ἔχωμεν τὴν διδασκαλίαν, ἢ πλείους εἰσὶν ὁμωνύμων τρόποι; Πλείους. Τίνες οὗτοι;Ὡς μὲν ἀνωτάτω εἰπεῖν δύο, ὧν ὁ μέν ἐστιν ἀπὸ τύχης, ὁ δὲ ἀπὸ διανοίας. διελόντι δὲ καὶ ἀπὸ διανοίας εἴς τε τὸν καθ’ ὁμοιότητα καὶ τὸν ἐκ τῆς ἀναλογίας καὶ τὸν ἀφ’ ἑνὸς καὶ πρὸς ἓν οἱ πάντες ἔσονται τρόποι.Τίς οὖν ἐστιν ὁ ἀπὸ τύχης τρόπος;(1) Ἃ ὡς ἔτυχεν καὶ ἀνεπιστάτως διάφορα πράγματα τῆς αὐτῆς ἔτυχε προσηγορίας, ὥσπερ Ἀλέξανδρός τε ὁ Πριάμου καὶ Ἀλέξανδρος ὁ Φιλίππου ὁ Μακεδόνων βασιλεύσας. ταῦτα γὰρ κατὰ τύχην ὁμώνυμα εἶναι λέγεται, (2) οἱ δὲ ἄλλοι ἀπὸ διανοίας εἶεν ἂν ἠρτημένοι, (2.1) ὅτι ὅ τε καθ’ ὁμοίωσιν συνιστάμενος τρόπος τῆς ὁμωνυμίας, ὅταν φέρε ἄνθρωπόν τε προσαγορεύσω τὸ ζῷον λογικὸν θνητὸν καὶ εἰκόνα ἀνθρώπου, ὅταν ἰδὼν λέγω ὅτι ‚ἄνθρωπος τοῦτο‘, δηλονότι οὐχ ὡς ἔτυχεν καὶ τὸ ἐν τῇ εἰκόνι γράμμα καλῶ ἄνθρωπον, ἀλλ’ ὅτι ὁμοίωμά ἐστι τοῦ ζῶντος ἀνθρώπου· ἀπὸ διανοίας οὖν ἄνθρωπόν τε τὸν ζῶντα καὶ τὸν ἀνδριάντα ἢ τὴν εἰκόνα καλῶ ἄνθρωπον. (2.2) πάλιν ὅταν ἀρχὴν ἀριθμῶν καλέσω τὴν μονάδα, ἀρχὴν δὲ γραμμῆς τὴν στιγμήν, ἀρχὴν δὲ ποταμῶν τὴν πηγήν, ἀρχὴν δὲ τοῦ ζῴου τὴν καρδίαν, τὸ τῆς ἀρχῆς ὄνομα ἐπὶ ὁμωνύμων ταττόμενον ἐκ διανοίας ἂν εἴην κατὰ ἀναλογίαν πᾶσι τούτοις κοινὸν τοῦτο θέμενος ὄνομα· ὡς γὰρ ἔχει ἐν ἀριθμοῖς ἡ μονάς, οὕτως ἔχει ἐν γραμμαῖς μὲν ἡ στιγμή, ἐν ποταμοῖς δὲ ἡ πηγή, ἐν ζῴοις δὲ ἡ καρδία. ὁ δὲ τοιοῦτος λόγος τῆς δείξεως κατὰ ἀναλογίαν λέγεται παρὰ τοῖς γεωμέτραις, καὶ διὰ τοῦτο τὸ τῆς ἀρχῆς ὄνομα εἴληπται ἐν τοῖς κατὰ ἀναλογίαν ὁμωνύμοις. (2.3) τρίτος δέ ἐστι τρόπος τῶν ἀπὸ διανοίας τὸ ἀπό τινος ἑνὸς κοινὴν διαφόροις πράγμασι προσηγορίαν γενέσθαι· οἷον μιᾶς οὔσης τῆς ἰατρικῆς ἀπὸ ταύτης κεκλήκαμεν τό τε βιβλίον ἰατρικὸν τό τε φάρμακον καὶ τὸ σμιλίον, ἀλλ’ ἰατρικὸν μὲν τὸ βιβλίον, ὅτι ἰατρικῶν μαθημάτων ἀναγραφὴν ἔχει, τὸ δὲ σμιλίον ἰατρικόν, ὅτι πρὸς τομὰς τὰς κατὰ ἰατρικήν ἐστιν ὄργανον, ἰατρικὸν δὲ τὸ φάρμακον, ὅτι πρὸς τὰς ἰάσεις ἐστὶν χρήσιμον τῷ ἰατρῷ. ὥστε κοινὸν μὲν τοὔνομα, ὁ δὲ κατὰ τοὔνομα λόγος καθ’ ἕκαστον < τῶν > κοινῶς προσαγορευομένων ἕτερος. ἀπὸ μιᾶς δὲ τῆς ἰατρικῆς ἐκλήθη ταῦτα ἰατρικὰ θέντων οὐκ ἀπὸ τύχης ἀλλὰ ἀπὸ διανοίας πᾶσι τούτοις ὀνόματα τῶν οὕτως ὀνομασάντων ταῦτα. (2.4) τέταρτος δὲ ἀπὸ διανοίας, ὅταν διάφορά τινα ἀπ’ ἐκείνου τῆς κοινῆς προσηγορίας τύχῃ, ὥσπερ ὑγείας οὔσης ἣν τέλος ποιεῖται ὁ ὑγιαζόμενος, ἀπὸ ταύτης τό τε σιτίον λέγεται ὑγιεινὸν καὶ ὁ περίπατος ὑγιεινὸς καὶ τὸ ἀνάγνωσμα ὑγιεινόν. τοῦτον δὲ τὸν
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1 Metaphysik
τρόπον οἱ μὲν συνῆψαν τῷ ἀφ’ ἑνὸς τὸ ὅλον τοῦτο καλέσαντες ἀφ’ ἑνὸς καὶ πρὸς ἕν, οἱ δὲ οὐδὲ ἐν τοῖς ὁμωνύμοις κατηρίθμουν, ἀλλ’ οὐδὲ ἐν τοῖς συνωνύμοις, ἀλλ’ ἐν μέσῳ ἐτίθεσαν τῶν ὁμωνύμων τε καὶ συνωνύμων διὰ τὸ λόγου μετοχῇ τοῦ αὐτοῦ ἰατρικὰ καλεῖσθαι κοινῶς τὰ διάφορα πράγματα ὑγείας τε περιποιήσει τῆς αὐτῆς ὑγιεινὰ καλεῖσθαι τὰ οὕτω προσαγορευθέντα κοινῶς πράγματα. Simplicii In Categoriarum 31.22–32.19: Εἰώθασι δὲ ἐνταῦθα γινόμενοι οἱ ἐξηγηταὶ τοὺς τρόπους τῶν ὁμωνύμων ἀπαριθμεῖσθαι καὶ λέγουσιν ὅτι κατὰ τοὺς ἀνωτάτω τρόπους διχῶς λέγεται τὰ ὁμώνυμα· (1) τὰ μὲν γάρ ἐστιν ἀπὸ τύχης, ὡς Ἀλέξανδρος ὅ τε Πάρις καὶ ὁ Μακεδών, (2) τὰ δὲ ἀπὸ διανοίας, ὅταν διανοηθείς τις αὐτίας ἕνεκέν τινος τὰ αὐτὰ ὀνόματα ἐπιτιθῇ. ἀλλὰ τὸ μὲν ἀπὸ τύχης, ἅτε τυχαῖον καὶ ἀόριστον, ἀδιαίρετον μένει· τὰ δὲ ἀπὸ διανοίας διαιρεῖται τετραχῇ, (2.1) εἴς τε τὰ καθ’ ὁμοιότητα, οἷς καὶ Ἀριστοτέλης ἐν τῷ τῶν ὁμωνύμων ἐχρήσατο παραδείγματι εἰπὼν < ζῷον ὅ τε ἄνθρωπος καὶ τὸ γεγραμμένον >, κοινὸν μὲν ἔχοντα τὸ ὄνομα τοῦτο, τὸν δὲ λόγον ἕτερον, διότι ὁ μὲν ἄνθρωπος ζῷόν ἐστιν ὡς οὐσία ἔμψυχος αἰσθητική, ἡ δὲ εἰκὼν τοῦ ἀνθρώπου ἢ ὁ ἀνδριὰς ζῷον οὕτως ὡς ὁμοίωμα οὐσίας ἐμψύχου αἰσθητικῆς. (2.2) δεύτερος δὲ ἀπὸ διανοίας τρόπος ὁ κατὰ ἀναλογίαν, ὅταν ἀρχὴ λέγηται ὁμωνύμως τῶν μὲν ἀριθμῶν ἡ μονάς, τῆς δὲ γραμμῆς ἡ στιγμή, τῶν δὲ ποταμῶν ἡ πηγὴ καὶ τῶν ζῴων ἡ καρδία· ὡς γὰρ πρὸς ἀριθμὸν ἡ μονάς, οὕτως καὶ τὰ ἄλλα ἔχει, ὅπερ ἐστὶν ἀναλογίας ἴδιον. (2.3) τρίτος δὲ ἀπὸ διανοίας τρόπος τὸ ἀπό τινος κοινὴν ἐν πολλοῖς καὶ διαφόροις πράγμασι γενέσθαι κατηγορίαν, ὡς ἀπὸ τῆς ἰατρικῆς ἰατρικὸν μὲν τὸ βιβλίον, ὅτι ἰατρικῶν ἔχει μαθημάτων παραγραφήν, ἰατρικὸν δὲ τὸ σμιλίον, ὅτι ὄργανόν ἐστιν τῶν κατὰ τὴν ἰατρικὴν τέχνην τομῶν, ἰατρικὸν δὲ τὸ φάρμακον, ὅτι πρὸς ἴασίν ἐστιν χρήσιμον, ὥστε τὸ μὲν ὄνομα κοινόν, ὁ δὲ λόγος ἑκάστου ἕτερος. (2.4) τέταρτος δέ, ὅταν διάφορα πρὸς ἓν ἀναφέρηται τέλος, ἀπ’ ἐκείνου τῆς προσηγορίας τυγχάνοντα, ὥσπερ σιτίον ὑγιεινὸν καὶ φάρμακον ὑγιεινὸν καὶ γυμνάσιον καὶ τὰ ἄλλα ὅσα ἀπὸ τῆς ὑγείας ὡς ἀπὸ τέλους ὀνομάζεται. τούτους δὲ τοὺς δύο τρόπους τινὲς συνάψαντες ὡς ἕνα τὸν ἀφ’ ἑνὸς καὶ πρὸς ἓν κατηρίθμησαν, τινὲς δὲ οὐδὲ ἐν τοῖς ὁμωνύμοις αὐτὸν τεθείκασιν οὐδὲ ἐν τοῖς συνωνύμοις, ἀλλ’ ἀμφοῖν μεταξύ, διότι λόγου μέν τινος μετέχει ἀπὸ μὲν τῆς ἰατρικῆς τὰ ἰατρικά, ἀπὸ δὲ τῆς ὑγείας τὰ ὑγιεινά (οὐ γὰρ ὄνομα μόνον ἐστὶ κοινόν) καὶ διὰ τοῦτο τοῖς συνωνύμοις ἔοικεν, καθόσον δὲ οὐκ ἐπίσης μετέχει τὰ μετέχοντα (οὐ γὰρ ὁμοίως ἰατρικὸν τὸ βιβλίον τὸ τὴν ἐπιστήμην τὴν ἰατρικὴν περιέχον καὶ τὸ σμιλίον οὐδὲ ὁμοίως ὑγιεινὸν φάρμακον καὶ περίπατος), διὰ τοῦτο οὖν οὐκ ἔστιν συνώνυμα. Ammonii In Categoriarum 21.16–22.10: Ἔστι δὲ ἡ διαίρεσις τῶν ὁμωνύμων αὕτη· (1) τῶν ὁμωνύμων τὰ μὲν ἀπὸ τύχης (καὶ λέγεται ταῦτα κατὰ συμβεβηκός), οἷον εἴ τις κατὰ τύχην εὑρεθείη ἐνταῦθα λεγόμενος Σωκράτης καὶ ἐν τῷ Βυζαντίῳ. καὶ ταῦτα μὲν μένουσιν ἀδιαίρετα. (2) τὰ δέ εἰσιν ἀπὸ διανοίας, ὧν τὰ μὲν καὶ ἀλλήλοις εἰσὶν ὁμώνυμα < καὶ > ἀφ’ οὗ παρώνυμα λέγεται. (2.1) καὶ ἐκ τούτων (2.1.1) τὰ μὲν ἀπὸ ποιητικοῦ λέγεται αἰτίου ὡς τὸ ἰατρικὸν σμιλίον ἢ βιβλίον (ταῦτα δέ ἐστι τὰ ἀφ’ ἑνὸς καὶ πρὸς ἕν· ἀφ’ ἑνὸς μὲν ἀπὸ τοῦ ποιητικοῦ, πρὸς ἓν δὲ πρὸς τὸ τελικόν), (2.1.2) τὰ δὲ ἀπὸ τοῦ τελικοῦ οἷον τὸ ὑγιεινὸν φάρμακον. (2.2) τὰ δὲ καὶ ἀλλήλοις ὁμώνυμα καὶ ἀφ’ ὧν λέγεται ὁμώνυμα, (2.2.1) ὧν τὰ μὲν διαφέρει κατὰ χρόνον ἐκείνου ἀφ’ οὗ λέγεται (καὶ τούτων (2.2.1.1) τὰ μὲν λέγεται κατὰ μνήμην, οἷον μεμνημένος τις ἰδίου πατρὸς ἢ διδασκάλου ἤ τινος τοιούτου καλέσῃ τὸν ἑαυτοῦ παῖδα τῷ ἐκείνου ὀνόματι, (2.2.1.2) τὰ δὲ κατὰ τύχην, ὡς ὅταν τις τὸν παῖδα Εὐτυχῆ εἴπῃ, (2.2.1.3) τὰ δὲ κατ’ ἐλπίδα, ὡς * ἐλπίζων γενέσθαι ὠνόμασεν). (2.2.2) τὰ δέ εἰσιν οὐ διαφέροντα κατὰ χρόνον τοῦ ἀφ’ οὗ λέγεται· καὶ τούτων πάλιν (2.2.2.1) τὰ μὲν κατὰ τὴν τῶν πραγμάτων ὁμοιότητα λέγεται, < ὡς ὅταν λέγωμεν τὸν φρόνιμον ἄνθρωπον φρόνησιν >, (2.2.2.2) τὰ δὲ κατὰ μέθεξιν οἷον μουσικὴ γυνὴ καὶ μουσικὴ ἐπιστήμη, γραμματικὴ γυνὴ καὶ γραμματικὴ ἐπιστήμη, (2.2.2.3) τὰ δὲ κατὰ ἀναλογίαν, οἷον ὡς
1.2 Analogie
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Aristoteles keine solche Differenz gibt, wie sie die griechischen Kommentatoren hervorheben. Stattdessen sind sowohl „notwendiges Gleichnamiges“ als auch „Vom-Einen-her“ und „Auf-Eines-hin“ auf die Analogie zurückzuführen, die in der strukturellen Ähnlichkeit verwurzelt ist. In der lateinischen Tradition stellt Thomas zwar „Auf-Eines-hin“ unter die Analogie, interpretiert „das Eine“ aber nicht im wahrhaft aristotelischen Sinne als „analogische Begriffseinheit“ (die auf der strukturellen Ähnlichkeit basiert), sondern im scholastischen Sinne als „ontologisch Vorrangiges“. In der modernen Forschung ist z. B. Montagnes (1963: 21)
ἔχει τόδε πρὸς τόδε, οὕτω τόδε πρὸς τόδε, ὡς πόδες κλίνης καὶ πόδες ὄρους. καὶ τῶν μὲν κατὰ τὴν τῶν πραγμάτων ὁμοιότητα (2.2.2.1.1) < τὰ μὲν διὰ τὴν τῆς ἐνεργείας ὁμοιότητα > οἷον Γοργίας ἀπὸ τοῦ γοργεύεσθαι τόνδε τινά, (2.2.2.1.2) τὰ δὲ διὰ τὴν τῆς μορφῆς ὁμοιότητα οἷον ἐπὶ τῆς εἰκόνος καὶ τοῦ παραδείγματος, τὰ δὲ κατὰ μεταφορὰν ὡς πόδες Ἴδης καὶ κορυφή. Philoponi In Categoriarum 21.14–22.14: Δύναται δὲ τὸ ὁμώνυμον διαιρεῖσθαι οὐ μόνον κατὰ τὴν ἔμπροσθεν ἀποδεδομένην διαίρεσιν, ἀλλὰ καὶ ποικιλώτερον κατὰ τὸν ὑποκείμενον τρόπον. τὰ ὁμώνυμα ἢ ἀπὸ τύχης εἰσὶν ἢ ἀπὸ διανοίας· (1) καὶ ἀπὸ μὲν τύχης, ὡς εἰ τύχοι ἐν Ἀθήναις κἀνταῦθά τινας τῷ αὐτῷ ὀνόματι κεχρῆσθαι, (2) ἀπὸ δὲ διανοίας, ὡς ὅταν πρός τινα σκοπὸν ἀφορῶσα ἡ διάνοια ἐπιτίθησι τὰ ὀνόματα. καὶ τῶν ἀπὸ διανοίας ἢ τῷ μὲν ἀφ’ οὗ παρώνυμα ἀλλήλοις δὲ ὁμώνυμα, ὡς ἀπὸ ἰατρικῆς τὰ ἰατρικὰ ὄργανα (παρωνύμως γὰρ ἀπ’ αὐτῆς ὀνομάζεται, ἀλλήλοις δὲ ὁμωνύμως), ἢ καὶ τῷ ἀφ’ οὗ καὶ ἀλλήλοις ὁμώνυμα, ὡς ὅταν τις τῷ τοῦ πατρὸς ὀνόματι τοὺς παῖδας ἢ τοὺς ἐκγόνους καλέσῃ. (2.1) τῶν δὲ τῷ ἀφ’ οὗ παρωνύμων ἀλλήλοις δὲ ὁμωνύμων (2.1.1) τὰ μὲν ἀπὸ ποιητικοῦ τινος αἰτίου ὀνομάζονται, ἃ ἀφ’ ἑνὸς λέγεται, ὡς ἀπὸ ἰατρικῆς ἰατρικὰ ὄργανα (ἀπ’ ἐκείνης γὰρ παρωνύμως λέγονται), (2.1.2) τὰ δὲ ἀπὸ τοῦ τελικοῦ καὶ λέγεται πρὸς ἕν, ὡς ὑγιεινὸν σιτίον καὶ δίαιτα καὶ γυμνάσιον· πρὸς ἓν τέλος γὰρ ὁρῶσι τὴν ὑγείαν. (2.2) τὰ δὲ τῷ ἀφ’ οὗ καὶ ἀλλήλοις ὁμώνυμα ἢ ἀλλήλοις εἰσὶν (2.2.1) ἰσόχρονα καὶ τῷ ἀφ’ οὗ ἢ ἀλλήλοις μὲν ἰσόχρονα τῷ δὲ ἀφ’ οὗ οὐκέτι. (2.2.1.1) καὶ τῶν ἀφ’ οὗ τὰ μὲν καθ’ ὁμοιότητα λέγεται (2.2.1.2) τὰ δὲ κατὰ ἀναλογίαν, ὡς λέγομεν κορυφὰς ὄρους καὶ πόδας κλίνης· ὃν γὰρ λόγον ἔχουσιν οἱ πόδες πρὸς τὸ ὅλον ζῷον, οὕτω καὶ τὰ κάτω μέρη τῆς κλίνης. τῶν δὲ καθ’ ὁμοιότητα (2.2.1.1.1) τὰ μὲν κατ’ ἐνέργειαν, ὡς ὅταν διὰ τὸ ἐοικέναι τὰς ἐνεργείας τῷ πατρὶ καλέσωμέν τινα τῷ ἐκείνου ὀνόματι, (2.2.1.1.2) τὰ δὲ κατὰ μορφήν, ὡς ὅταν τὴν εἰκόνα τοῦ Σωκράτους καλέσωμεν τῷ τοῦ Σωκράτους ὀνόματι. (2.2.2) τῶν δὲ ἀλλήλοις μὲν ἰσοχρόνων τῷ δὲ ἀφ’ οὗ οὐκέτι (2.2.2.1) τὰ μὲν κατ’ ἐλπίδα, ὡς ὅταν τινὲς Πλάτωνας τοὺς υἱοὺς καλέσωσιν ἐλπίζοντες αὐτοὺς γενέσθαι κατὰ Πλάτωνα, (2.2.2.2) τὰ δὲ κατὰ μνήμην, ὡς ὅταν τινὲς καλέσωσι τὸν παῖδα τῷ τοῦ πάππου ὀνόματι, ἵνα φυλάττηται ἡ ἐκείνου μνήμη. ἐνταῦθα οὖν Ἀριστοτέλης ποῖον σημαινόμενον τοῦ ὁμωνύμου παραλαμβάνει; τὸ κατὰ τὴν μορφὴν ὅμοιον. τινὲς δέ φασιν ὅτι τὸ ὡς ἀφ’ ἑνός· ὡς γὰρ ἀπ’ αἰτίου τοῦ ἀνθρώπου ἐστὶν ἡ εἰκών. ἑκάτερον δέ ἐστιν ἀληθές.
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1 Metaphysik
der Meinung, dass Aristoteles selbst nie das Auf-Eines-Hin-Verhältnis als Analogie bezeichne.64 Offensichtlich ist diese Meinung unhaltbar, da Aristoteles im oben zitierten Textstück der Nikomachischen Ethik „Auf-Eines-hin“ zusammen mit der Analogie bespricht. Die verschiedenen Seienden können nicht auf zufällige Weise, sondern auf notwendige Weise als ein Gemeinsames bezeichnet werden, und zwar nur dann, wenn sie an einer gemeinsamen Struktur teilhaben. Aufgrund der strukturellen Gemeinsamkeit können die verschiedenen Seienden von einem gemeinsamen Begriff zusammengefasst werden und wiederum darauf verwiesen sein. Die Begriffseinheit greift auf die strukturelle Gemeinsamkeit bzw. Ähnlichkeit zurück, die nichts anderes als die Analogie ist. Daraus folgt, dass Aristoteles nicht nur „Analogie“ und „strukturelle Ähnlichkeit“, sondern auch „Vom-Einen-her“ sowie „Auf-Eines-hin“ und weiter noch „notwendiges Gleichnamiges“ als Äquivalente interpretiert und als Synonyme verwendet. Im zweiten Schritt gehen wir auf die Grundstruktur der Analogie ein, die folgendermaßen darzustellen ist: ἔσται ἄρα ὡς ὁ α ὅρος πρὸς τὸν β, οὕτως ὁ γ πρὸς τὸν δ, καὶ ἐναλλὰξ ἄρα, ὡς ὁ α πρὸς τὸν γ, ὁ β πρὸς τὸν δ. – EN E6, 1131b5–7
Die Grundstruktur der Analogie lautet: Wie sich α zu β verhält, so verhält sich γ zu δ (α : β = γ : δ) oder wie sich α zu γ verhält, so verhält sich β zu δ (α : γ = β : δ). Da die Analogie die Gleichheit der Verhältnisse ist, verlangt sie mindestens vier Glieder (ἡ γὰρ ἀναλογία ἰσότης ἐστὶ λόγων, καὶ ἐν τέτταρσιν ἐλαχίστοις – EN E6, 1131a31–32). Es zeigt sich daran, dass die dreigliedrige Analogie auf die viergliedrige Analogie zurückzuführen sein muss. Von Grund auf ist die dreigliedrige Analogie viergliedrig strukturiert, indem die Mitte zweimal angewendet wird. Demzufolge stehen das Erste zur Mitte und die Mitte zum Dritten in einem analogischen Verhältnis (α : β = β : γ). Da die vierfältige Struktur fundamental ist, verlangt eine Analogie wenigstens vier Glieder (EN E6, 1131a32–1131b3).65 64 Montagnes (1963: 21): „Il faut au contraire partir du problème doctrinal de l’unité de l’être et, de là, clarifier le langage dont on doit se servir. Or la source des spéculations philosophiques au sujet de l’analogie se trouve dans la théorie aristotélicienne des sens mutiples de l’être unifiés par référence à un premier, qu’Aristote n’appelle jamais analogie.“ 65 In manchen Fällen lässt sich die Grundstruktur der Analogie mit dem adverbialen Ausdruck ὁμοίως aufzeigen (De An. Γ7, 431a20–431b1; Poet. 21, 1457b16–30). Das Wort ὁμοίος hat die gleiche Wurzel wie ὁμοιότης und ὁμοίως. Aufgrund des kategorialen Unterschieds sind die drei Typen von Einheit unterschieden. Aristoteles bezeichnet die Wesenseinheit terminologisch als Identität (αὐτό), die quantitative Einheit als Gleichheit (ἴσος) und die qualitative Einheit als Ähnlichkeit (ὁμοίος). (1) Metaph. Δ15, 1021a10–12: κατὰ γὰρ τὸ ἓν λέγεται πάντα, ταὐτὰ μὲν γὰρ ὧν μία ἡ οὐσία, ὅμοια δ’ ὧν ἡ ποιότης μία, ἴσα δὲ ὧν τὸ ποσὸν ἕν. (2) Cat. 6, 6a26–35:
1.2 Analogie
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Des Weiteren kommt die Grundstruktur der Analogie (α : β = γ : δ) ans Licht, und zwar in zweierlei Formen: Τὴν δὲ ὁμοιότητα σκεπτέον ἐπί τε τῶν ἐν ἑτέροις γένεσιν, ὡς ἕτερον πρὸς ἕτερόν τι, οὕτως ἄλλο πρὸς ἄλλο (οἷον ὡς ἐπιστήμη πρὸς ἐπιστητόν, οὕτως αἴσθησις πρὸς αἰσθητόν), καὶ ὡς ἕτερον ἐν ἑτέρῳ τινί, οὕτως ἄλλο ἐν ἄλλῳ (οἷον ὡς ὄψις ἐν ὀφθαλμῷ, νοῦς ἐν ψυχῇ, καὶ ὡς γαλήνη ἐν θαλάσσῃ, νηνεμία ἐν ἀέρι). – Top. A17, 108a7–12
Die Strukturähnlichkeit bzw. die Analogie tritt in Erscheinung, und zwar entweder in der Form von „das Eine in Bezug auf das Andere“ (ἄλλο πρὸς ἄλλο) oder in der Form von „das Eine in dem Anderen“ (ἄλλο ἐν ἄλλῳ). Zum einen bezieht sich das Denken genau so auf das Gedachte, wie die Wahrnehmung auf das Wahrgenommene (auch De An. Γ4, 429a16–18). Zum anderen stehen die Sehkraft in den Augen, der Geist in der Seele (auch EN A4, 1096b28–29), die Ebenheit im Meer und die Ruhe in der Luft (auch Metaph. H2, 1043a22–26) zueinander in einem analogischen Verhältnis. Aufgrund der oben erwähnten Beispiele scheint dies so zu verstehen zu sein, dass die eine Form – „in Bezug auf etwas“ (πρὸς τι) – epistemologisch, und die andere Form – „in etwas“ (ἐν τινί) – ontologisch konzipiert ist. Im epistemologischen Zusammenhang kommt die Analogie nur anhand der πρὸς τι-Struktur zur Sprache, denn das seelische Vermögen, wie Vernunft (νόησις), Verstand (διάνοια), Einbildungskraft (φαντασία) oder Wahrnehmung (αἴσθησις), kann sich auf den entsprechenden Gegenstand hin ausrichten
Ἴδιον δὲ μάλιστα τοῦ ποσοῦ τὸ ἴσον τε καὶ ἄνισον λέγεσθαι. ἕκαστον γὰρ τῶν εἰρημένων ποσῶν καὶ ἴσον καὶ ἄνισον λέγεται, οἷον σῶμα καὶ ἴσον καὶ ἄνισον λέγεται, καὶ ἀριθμὸς καὶ ἴσος καὶ ἄνισος λέγεται, καὶ χρόνος καὶ ἴσος καὶ ἄνισος· ὡσαύτως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων τῶν ῥηθέντων ἕκαστον ἴσον τε καὶ ἄνισον λέγεται. τῶν δὲ λοιπῶν ὅσα μή ἐστι ποσόν, οὐ πάνυ ἂν δόξαι ἴσον τε καὶ ἄνισον λέγεσθαι, οἷον ἡ διάθεσις ἴση τε καὶ ἄνισος οὐ πάνυ λέγεται ἀλλὰ μᾶλλον ὁμοία, καὶ τὸ λευκὸν ἴσον τε καὶ ἄνισον οὐ πάνυ, ἀλλ’ ὅμοιον. ὥστε τοῦ ποσοῦ μάλιστα ἂν εἴη ἴδιον τὸ ἴσον τε καὶ ἄνισον λέγεσθαι. (3) Cat. 8, 11a15–19: Τῶν μὲν οὖν εἰρημένων οὐδὲν ἴδιον ποιότητος, ὅμοια δὲ καὶ ἀνόμοια κατὰ μόνας τὰς ποιότητας λέγεται· ὅμοιον γὰρ ἕτερον ἑτέρῳ οὐκ ἔστι κατ’ ἄλλο οὐδὲν ἢ καθ’ ὃ ποιόν ἐστιν. ὥστε ἴδιον ἂν εἴη ποιότητος τὸ ὅμοιον ἢ ἀνόμοιον λέγεσθαι κατ’ αὐτήν. In den meisten Fällen wird das Wort ὁμοίος im terminologischen Sinne angewendet, nämlich im Sinne einer qualitativen Einheit, im Ausnahmefall aber bezieht es sich auf die Strukturähnlickeit bzw. die Analogie (Τὴν δὲ ὁμοιότητα σκεπτέον ἐπί τε τῶν ἐν ἑτέροις γένεσιν, ὡς ἕτερον πρὸς ἕτερόν τι, οὕτως ἄλλο πρὸς ἄλλο – οἷον ὡς ἐπιστήμη πρὸς ἐπιστητόν, οὕτως αἴσθησις πρὸς αἰσθητόν, καὶ ὡς ἕτερον ἐν ἑτέρῳ τινί, οὕτως ἄλλο ἐν ἄλλῳ – οἷον ὡς ὄψις ἐν ὀφθαλμῷ, νοῦς ἐν ψυχῇ, καὶ ὡς γαλήνη ἐν θαλάσσῃ, νηνεμία ἐν ἀέρι. μάλιστα δ’ ἐν τοῖς πολὺ διεστῶσι γυμνάζεσθαι δεῖ· ῥᾷον γὰρ ἐπὶ τῶν λοιπῶν δυνησόμεθα τὰ ὅμοια συνορᾶν. σκεπτέον δὲ καὶ τὰ ἐν τῷ αὐτῷ γένει ὄντα, εἴ τι ἅπασιν ὑπάρχει ταὐτόν, οἷον ἀνθρώπῳ καὶ ἵππῳ καὶ κυνί· ᾗ γὰρ ὑπάρχει τι αὐτοῖς ταὐτόν, ταύτῃ ὅμοιά ἐστιν. – Top. A17, 108a7–17).
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1 Metaphysik
(πρὸς τι), ohne darin vorzuliegen (ἐν τινί).66 Im metaphysischen Kontext aber sind die beiden Formen der Analogie nur formal verschieden und sie unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. λέγεται δὲ ἐνεργείᾳ οὐ πάντα ὁμοίως ἀλλ' ἢ τῷ ἀνάλογον, ὡς τοῦτο ἐν τούτῳ ἢ πρὸς τοῦτο, τόδ' ἐν τῷδε ἢ πρὸς τόδε· τὰ μὲν γὰρ ὡς κίνησις πρὸς δύναμιν τὰ δ' ὡς οὐσία πρός τινα ὕλην. – Metaph. Θ6, 1048b6–9
An der oben zitierten Stelle treten die beiden Formen der Analogie auf. Das anschließende Beispiel zeigt offensichtlich, dass „πρὸς τι“ nicht nur im epistemologischen Sinne, sondern auch im ontologischen Sinne angewendet werden kann. Wie sich die Bewegung (Verwirklichung, Tätigkeit) zum Vermögen verhält, so verhält sich die Substanz (Wesenssubstanz, Form) zur Materie. Im metaphysischen Kontext sind die beiden Formen, nämlich πρὸς τι und ἐν τινί, konvertibel und weisen auf die strukturelle Ähnlichkeit hin. Die Analogie tritt auf, und zwar entweder in der Form von „πρὸς τι“ (κατ’ ἀναλογίαν δὲ ὅσα ἔχει ὡς ἄλλο πρὸς ἄλλο – Metaph. Δ6, 1016b34–35) oder in der Form von „ἐν τινί“ (ὥστε στοιχεῖα μὲν κατ’ ἀναλογίαν τρία, αἰτίαι δὲ καὶ ἀρχαὶ τέτταρες· ἄλλο δ’ ἐν ἄλλῳ, καὶ τὸ πρῶτον αἴτιον ὡς κινοῦν ἄλλο ἄλλῳ – Metaph. Λ4, 1070b25–27).67 66 Aristoteles’ Meinung nach soll die seelische Tätigkeit in der Kategorie der Relation (πρός τι) lokalisiert sein. Vgl. Cat. 7, 6b2–3; De An. Γ4, 429a16–18; Metaph. Λ9, 1074b35–36. 67 (1) ἄλλο πρὸς ἄλλο: (1.1) De An. Γ7, 431a20–431b1: τίνι δ’ ἐπικρίνει τί διαφέρει γλυκὺ καὶ θερμόν, εἴρηται μὲν καὶ πρότερον, λεκτέον δὲ καὶ ὧδε. ἔστι γὰρ ἕν τι, οὕτω δὲ ὡς ὁ ὅρος, καὶ ταῦτα, ἓν τῷ ἀνάλογον καὶ τῷ ἀριθμῷ ὄντα, ἔχει < ἑκάτερον > πρὸς ἑκάτερον ὡς ἐκεῖνα πρὸς ἄλληλα· τί γὰρ διαφέρει τὸ ἀπορεῖν πῶς τὰ μὴ ὁμογενῆ κρίνει ἢ τὰ ἐναντία, οἷον λευκὸν καὶ μέλαν; ἔστω δὴ ὡς τὸ Α τὸ λευκὸν πρὸς τὸ Β τὸ μέλαν, τὸ Γ πρὸς τὸ Δ [ὡς ἐκεῖνα πρὸς ἄλληλα]· ὥστε καὶ ἐναλλάξ. εἰ δὴ τὰ ΓΑ ἑνὶ εἴη ὑπάρχοντα, οὕτως ἕξει, ὥσπερ καὶ τὰ ΔΒ, τὸ αὐτὸ μὲν καὶ ἕν, τὸ δ’ εἶναι οὐ τὸ αὐτό – κἀκεῖνα ὁμοίως. (1.2) Poet. 21, 1457b16–30: τὸ δὲ ἀνάλογον λέγω, ὅταν ὁμοίως ἔχῃ τὸ δεύτερον πρὸς τὸ πρῶτον καὶ τὸ τέταρτον πρὸς τὸ τρίτον· ἐρεῖ γὰρ ἀντὶ τοῦ δευτέρου τὸ τέταρτον ἢ ἀντὶ τοῦ τετάρτου τὸ δεύτερον. καὶ ἐνίοτε προστιθέασιν ἀνθ’ οὗ λέγει πρὸς ὅ ἐστι. λέγω δὲ οἷον ὁμοίως ἔχει φιάλη πρὸς Διόνυσον καὶ ἀσπὶς πρὸς Ἄρη· ἐρεῖ τοίνυν τὴν φιάλην ἀσπίδα Διονύσου καὶ τὴν ἀσπίδα φιάλην Ἄρεως. ἢ ὃ γῆρας πρὸς βίον, καὶ ἑσπέρα πρὸς ἡμέραν· ἐρεῖ τοίνυν τὴν ἑσπέραν γῆρας ἡμέρας ἢ ὥσπερ Ἐμπεδοκλῆς, καὶ τὸ γῆρας ἑσπέραν βίου ἢ δυσμὰς βίου. ἐνίοις δ’ οὐκ ἔστιν ὄνομα κείμενον τῶν ἀνάλογον, ἀλλ’ οὐδὲν ἧττον ὁμοίως λεχθήσεται· οἷον τὸ τὸν καρπὸν μὲν ἀφιέναι σπείρειν, τὸ δὲ τὴν φλόγα ἀπὸ τοῦ ἡλίου ἀνώνυμον· ἀλλ’ ὁμοίως ἔχει τοῦτο πρὸς τὸν ἥλιον καὶ τὸ σπείρειν πρὸς τὸν καρπόν, διὸ εἴρηται „σπείρων θεοκτίσταν φλόγα“. (2) ἄλλο ἐν ἄλλῳ: (2.1) APo. B17, 99a7–16: εἰ μὲν ὁμώνυμα, ὁμώνυμον τὸ μέσον, εἰ δ’ ὡς ἐν γένει, ὁμοίως ἕξει. οἷον διὰ τί καὶ ἐναλλὰξ ἀνάλογον; ἄλλο γὰρ αἴτιον ἐν γραμμαῖς καὶ ἀριθμοῖς καὶ τὸ αὐτό γε, ᾗ μὲν γραμμή, ἄλλο, ᾗ δ’ ἔχον αὔξησιν τοιανδί, τὸ αὐτό. οὕτως ἐπὶ πάντων. τοῦ δ’ ὅμοιον εἶναι χρῶμα χρώματι καὶ σχῆμα σχήματι ἄλλο ἄλλῳ. ὁμώνυμον γὰρ τὸ ὅμοιον ἐπὶ τούτων· ἔνθα μὲν γὰρ ἴσως τὸ ἀνάλογον ἔχειν τὰς πλευρὰς καὶ ἴσας τὰς γωνίας, ἐπὶ δὲ χρωμάτων τὸ τὴν αἴσθησιν μίαν εἶναι ἤ τι ἄλλο τοιοῦτον. τὰ δὲ κατ’ ἀναλογίαν τὰ αὐτὰ καὶ τὸ μέσον ἕξει κατ’ ἀναλογίαν. (2.2) De An. B8, 420a29–420b4: ταῦτα δὲ λέγεται κατὰ μεταφορὰν ἀπὸ τῶν ἁπτῶν· τὸ μὲν γὰρ ὀξὺ κινεῖ τὴν
1.2 Analogie
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Aus dem Dargelegten ist einzusehen, dass Aristoteles die Ausdrücke, nämlich „notwendiges Gleichnamiges“ (ὁμώνυμα οὐκ ἀπὸ τύχης = ὁμώνυμα ἀπὸ διανοίας) und „Von-Einem-her“ (ἀφ’ ἑνὸς) sowie „Auf-Eines-hin“ (πρὸς ἓν) als Äquivalente ansieht und als Synonyme anwendet. Sie weisen auf die Analogie (ἀναλογία) hin, die in der strukturellen Ähnlichkeit (ὁμοιότης) gründet. Die Grundstruktur der Analogie zeigt sich darin, dass α zu β und γ zu δ in einem ähnlichen Verhältnis (ὁμοίως) stehen (α : β = γ : δ). Die Grundstruktur tritt in Erscheinung, und zwar in zweierlei Formen – entweder „in Bezug auf etwas“ (πρὸς τι) oder „in etwas“ (ἐν τινί). Genauer gesagt: Wie sich α auf β bezieht, bezieht sich γ auf δ oder wie sich α in β befindet, befindet sich γ in δ. Nachdem wir die Ausdrücke sowie die Termini, die die Analogie bezeichnen, erklärt und die Grundstruktur sowie die Formen der Analogie beleuchtet haben, wollen wir im dritten Schritt auf die konkreten Anwendungsfälle der aristotelischen Analogie eingehen. Da Aristoteles die Analogie vielfältig gebraucht, werden wir zunächst die Anwendung in der Ethik-Ökonomik-Politik und in der Biologie erwähnen und dann auf die metaphysische Anwendung Rücksicht nehmen.68 In der Ethik-Ökonomik-Politik zeigt sich am deutlichsten der mathematische Ursprung der Analogie, die entweder die arithmetische Analogie (ἀριθμητικὴ
αἴσθησιν ἐν ὀλίγῳ χρόνῳ ἐπὶ πολύ, τὸ δὲ βαρὺ ἐν πολλῷ ἐπ’ ὀλίγον. οὐ δὴ ταχὺ τὸ ὀξύ, τὸ δὲ βαρὺ βραδύ, ἀλλὰ γίνεται τοῦ μὲν διὰ τὸ τάχος ἡ κίνησις τοιαύτη, τοῦ δὲ διὰ βραδυτῆτα, καὶ ἔοικεν ἀνάλογον ἔχειν τῷ περὶ τὴν ἁφὴν ὀξεῖ καὶ ἀμβλεῖ· τὸ μὲν γὰρ ὀξὺ οἷον κεντεῖ, τὸ δ’ ἀμβλὺ οἷον ὠθεῖ, διὰ τὸ κινεῖν τὸ μὲν ἐν ὀλίγῳ τὸ δὲ ἐν πολλῷ, ὥστε συμβαίνει τὸ μὲν ταχὺ τὸ δὲ βραδὺ εἶναι. 68 Die logische Verwendung der Analogie, die im Historischen Wörterbuch der Philosophie zur Erwähnung kommt, ist bei Aristoteles nicht zu finden. Die Textstelle (APr. B24), auf die im Wörterbuch hingewiesen wird, bezieht sich nicht auf die Analogie, sondern darauf, wie anhand eines Mittelbegriffs die Eigenschaft von der einen Sache zu der anderen übertragen werden kann. Aristoteles argumentiert zwar häufig anhand der Analogie, bei ihm aber kann es den sogenannten analogischen Syllogismus „συλλογισμὸς κατ’ ἀναλογίαν“ nicht geben, der von Theophrast zum Ausdruck gebracht wird (HWP: 216). Denn laut Aristoteles handelt es sich um zwei völlig verschiedene Vorgehensweisen. Die Analogie dient zur metaphysischen Prinzipienforschung, indem die einzelnen Fälle zur analogischen Allgemeinheit aufsteigen (Einzelheit→Allgemeinheit). Dagegen gilt der Syllogismus als Beweisführung der partikularen Einzelwissenschaft, wobei sich die einzelne Konklusion aus der allgemein gültigen Prämisse syllogistisch ergibt (Allgemeinheit→Einzelheit). Außerdem macht Aristoteles in der zweiten Analytik nachdrücklich klar, dass die Analogie nicht Syllogismus sei. Vgl. APo. A12, 77b40–78a6: Συμβαίνει δ’ ἐνίους ἀσυλλογίστως λέγειν διὰ τὸ λαμβάνειν ἀμφοτέροις τὰ ἑπόμενα, οἷον καὶ ὁ Καινεὺς ποιεῖ, ὅτι τὸ πῦρ ἐν τῇ πολλαπλασίᾳ ἀναλογίᾳ· καὶ γὰρ τὸ πῦρ ταχὺ γεννᾶται, ὥς φησι, καὶ αὕτη ἡ ἀναλογία. οὕτω δ’ οὐκ ἔστι συλλογισμός· ἀλλ’ εἰ τῇ ταχίστῃ ἀναλογίᾳ ἕπεται ἡ πολλαπλάσιος καὶ τῷ πυρὶ ἡ ταχίστη ἐν τῇ κινήσει ἀναλογία. ἐνίοτε μὲν οὖν οὐκ ἐνδέχεται συλλογίσασθαι ἐκ τῶν εἰλημμένων, ὁτὲ δ’ ἐνδέχεται, ἀλλ’ οὐχ ὁρᾶται.
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ἀναλογία – EN B5, 1106a35–36; E7, 1131b32–1132a2, 1132a29–30) oder die geometrische Analogie (γεωμετρικὴ ἀναλογία – EN E7, 1131b12–13) genannt wird. Da die beiden Bezeichnungen scheinbar nur auf den mathematischen Ursprung der Analogie hinweisen, tendiert man dazu, die arithmetische und die geometrische Analogie miteinander zu vermischen und zu identifizieren (HWP: 216). Aber die zwei Analogiemodelle sind nicht nur dem Namen nach, sondern auch und vor allem der Sache nach different. Die arithmetische Analogie legt ein methodisches Fundament, so dass die Tugend als Mittelmaß zwischen Übermaß und Mangel definiert wird. Die grundlegende Voraussetzung ist folgendermaßen zu formulieren: ἐν παντὶ δὴ συνεχεῖ καὶ διαιρετῷ ἔστι λαβεῖν τὸ μὲν πλεῖον τὸ δ' ἔλαττον τὸ δ' ἴσον, καὶ ταῦτα ἢ κατ' αὐτὸ τὸ πρᾶγμα ἢ πρὸς ἡμᾶς· τὸ δ' ἴσον μέσον τι ὑπερβολῆς καὶ ἐλλείψεως. λέγω δὲ τοῦ μὲν πράγματος μέσον τὸ ἴσον ἀπέχον ἀφ' ἑκατέρου τῶν ἄκρων, ὅπερ ἐστὶν ἓν καὶ τὸ αὐτὸ πᾶσιν, πρὸς ἡμᾶς δὲ ὃ μήτε πλεονάζει μήτε ἐλλείπει· τοῦτο δ' οὐχ ἕν, οὐδὲ ταὐτὸν πᾶσιν. οἷον εἰ τὰ δέκα πολλὰ τὰ δὲ δύο ὀλίγα, τὰ ἓξ μέσα λαμβάνουσι κατὰ τὸ πρᾶγμα· ἴσῳ γὰρ ὑπερέχει τε καὶ ὑπερέχεται· τοῦτο δὲ μέσον ἐστὶ κατὰ τὴν ἀριθμητικὴν ἀναλογίαν. – EN B6, 1106a26–3669
Allgemein gesehen gibt es sowohl in jedem Diskreten, nämlich in jeder Zahl (διωρισμένον = ἀριθμός – Cat. 6, 4b20–31), als auch in jedem Kontinuum (ἐν παντὶ συνεχεῖ), d. h. in jeder Bewegung bzw. Handlung (ἡ μὲν γὰρ κίνησις συνεχές, ἡ δὲ πρᾶξις κίνησις – EE B3, 1220b26–27), das Mehr, das Weniger und das Gleiche (πλεῖον-ἔλαττον-ἴσον), welches die Mitte zwischen Übermaß und Mangel ist (ὑπερβολῆ-ἐλλείψεως-μέσον). Die Mitte kann in zweierlei Hinsicht betrachtet werden, nämlich entweder der Sache nach oder in Bezug auf uns. Mit der sachlichen Mitte ist gemeint, dass sie zu den beiden Extremen in gleicher Beziehung steht. Sechs nimmt eine Mittelstellung zwischen zwei und zehn ein, dadurch dass sechs zu zwei und zehn zu sechs in demselben zahlenmäßigen Verhältnis stehen. Da eine solche objektive Mitte anhand einer bestimmten arithmetischen Beziehung zustande kommt, wird das Verhältnis terminologisch die arithmetische Analogie genannt.
69 EE B3, 1220b21–35: διωρισμένων δὲ τούτων, ληπτέον ὅτι ἐν ἅπαντι συνεχεῖ καὶ διαιρετῷ ἐστιν ὑπεροχὴ καὶ ἔλλειψις καὶ μέσον, καὶ ταῦτα ἢ πρὸς ἄλληλα ἢ πρὸς ἡμᾶς, οἷον ἐν γυμναστικῇ, ἐν ἰατρικῇ, ἐν οἰκοδομικῇ, ἐν κυβερνητικῇ, καὶ ἐν ὁποιᾳοῦν πράξει, καὶ ἐπιστημονικῇ καὶ ἀνεπιστημονικῇ, καὶ τεχνικῇ καὶ ἀτέχνῳ. ἡ μὲν γὰρ κίνησις συνεχές, ἡ δὲ πρᾶξις κίνησις. ἐν πᾶσι δὲ τὸ μέσον τὸ πρὸς ἡμᾶς βέλτιστον· τοῦτο γάρ ἐστιν ὡς ἡ ἐπιστήμη κελεύει καὶ ὁ λόγος. πανταχοῦ δὲ τοῦτο καὶ ποιεῖ τὴν βελτίστην ἕξιν. καὶ τοῦτο δῆλον διὰ τῆς ἐπαγωγῆς καὶ τοῦ λόγου. τὰ γὰρ ἐναντία φθείρει ἄλληλα· τὰ δ’ ἄκρα καὶ ἀλλήλοις καὶ τῷ μέσῳ ἐναντία. τὸ γὰρ μέσον ἑκάτερον πρὸς ἑκάτερον ἐστίν, οἷον τὸ ἴσον τοῦ μὲν ἐλάττονος μεῖζον, τοῦ μείζονος δὲ ἔλαττον. ὥστ’ ἀνάγκη τὴν ἠθικὴν ἀρετὴν περὶ μέσ’ ἄττα εἶναι καὶ μεσότητα τινά.
1.2 Analogie
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Anhand der arithmetischen Analogie ist die Tugend so definiert, dass sie weder Übermaß noch Mangel, sondern nur Mittelmaß (μεσότης) ist, das in konkreten Fällen für uns geeignet ist.70 Denn die Tugend und die tugendhafte Handlung, in denen es Übermaß, Mangel und Mittelmaß gibt, sollen immer auf das Mittelmaß abzielen, das nicht der Sache nach, sondern auf uns bezogen ist. Während die sachliche Mitte objektiv ist, kann das praktische Mittelmaß nicht für alle Menschen ein und dasselbe sein, da es immer mit dem Individuum und mit der konkreten Situation zusammenhängt.71 Die allgemeine Definition der Tugend gilt für alle einzelnen Tugenden, wie z. B. die vier Kardinaltugenden, nämlich Besonnenheit, Tapferkeit, Weisheit und Gerechtigkeit. Demzufolge befindet sich die Besonnenheit zwischen Zuchtlosigkeit und Stumpfsinn, die Tapferkeit zwischen Tollkühnheit und Feigheit, die praktische Weisheit (φρόνησις) zwischen Gerissenheit und Einfältigkeit (EN B6, 1107a22–27; EE B3, 1220b37–1221a13). Die Verteilungsgerechtigkeit (τὸ διανεμητικὸν δίκαιον) nimmt eine Mittelstellung zwischen Gewinn und Schaden ein, indem demjenigen, der weniger hat, etwas hinzugegeben und demjenigen, der mehr oder am meisten besitzt, etwas weggenommen wird (EN E7, 1132a14–19, 1132b2–6). Die Verteilungsgerechtigkeit (τὸ διανεμητικὸν δίκαιον – EN E7, 1131b27–29), die im wirtschaftlichen Verkehr geschieht, ist anhand der arithmetischen Analogie als Ausgleich von Gewinn und Schaden bestimmt. Im Vergleich dazu kommt die politische Gerechtigkeit (τὸ πολιτικὸν δίκαιον – EN E10, 1134a24–26; Pol. Γ9, 1280a7–25), die im politischen Zusammenleben stattfindet, zur Entfaltung, und zwar anhand der geometrischen Analogie. Während die arithmetische Analogie in der dreifachen Struktur von Übermaß, Mangel und Mittelmaß gründet und dreigliedrig ist, lässt sich die geometrische Analogie viergliedrig strukturieren. Denn in der Geometrie verhält sich das Ganze ebenso zum Ganzen wie das Glied zum Glied.
70 (1) EN B6, 1106b36–1107a1: Ἔστιν ἄρα ἡ ἀρετὴ ἕξις προαιρετική, ἐν μεσότητι οὖσα τῇ πρὸς ἡμᾶς. (2) EN B6, 1107a6–8: διὸ κατὰ μὲν τὴν οὐσίαν καὶ τὸν λόγον τὸν τὸ τί ἦν εἶναι λέγοντα μεσότης ἐστὶν ἡ ἀρετή, κατὰ δὲ τὸ ἄριστον καὶ τὸ εὖ ἀκρότης. (3) EE B3, 1220b34–35: ὥστ’ ἀνάγκη τὴν ἠθικὴν ἀρετὴν περὶ μέσ’ ἄττα εἶναι καὶ μεσότητα τινά. (4) EE B5, 1222a6–12: ἐπεὶ δ’ ὑπόκειται ἀρετὴ εἶναι ἡ τοιαύτη ἕξις ἀφ’ ἧς πρακτικοὶ τῶν βελτίστων καὶ καθ’ ἣν ἄριστα διάκεινται περὶ τὸ βέλτιστον, βέλτιστον δὲ καὶ ἄριστον τὸ κατὰ τὸν ὀρθὸν λόγον, τοῦτο δ’ ἐστὶ τὸ μέσον ὑπερβολῆς καὶ ἐλλείψεως τῆς πρὸς ἡμᾶς· ἀναγκαῖον ἂν εἴη τὴν ἠθικὴν ἀρετὴν καθ’ αὑτὸν ἕκαστον μεσότητα εἶναι καὶ περὶ μέσ’ ἄττα ἐν ἡδοναῖς καὶ λύπαις καὶ ἡδέσι καὶ λυπηροῖς. 71 EN B5, 1106a36–1106b7: τὸ δὲ πρὸς ἡμᾶς οὐχ οὕτω ληπτέον· οὐ γὰρ εἴ τῳ δέκα μναῖ φαγεῖν πολὺ δύο δὲ ὀλίγον, ὁ ἀλείπτης ἓξ μνᾶς προστάξει· ἔστι γὰρ ἴσως καὶ τοῦτο πολὺ τῷ ληψομένῳ ἢ ὀλίγον· Μίλωνι μὲν γὰρ ὀλίγον, τῷ δὲ ἀρχομένῳ τῶν γυμνασίων πολύ. ὁμοίως ἐπὶ δρόμου καὶ πάλης. οὕτω δὴ πᾶς ἐπιστήμων τὴν ὑπερβολὴν μὲν καὶ τὴν ἔλλειψιν φεύγει, τὸ δὲ μέσον ζητεῖ καὶ τοῦθ’ αἱρεῖται, μέσον δὲ οὐ τὸ τοῦ πράγματος ἀλλὰ τὸ πρὸς ἡμᾶς.
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καλοῦσι δὲ τὴν τοιαύτην ἀναλογίαν γεωμετρικὴν οἱ μαθηματικοί· ἐν γὰρ τῇ γεωμετρικῇ συμβαίνει καὶ τὸ ὅλον πρὸς τὸ ὅλον ὅπερ ἑκάτερον πρὸς ἑκάτερον. – EN E7, 1131b12–1572
Die geometrische Analogie besteht darin, dass entweder das Ganze A zum Ganzen B und das Glied a zum Glied b (A : B = a : b) oder das Ganze A zum Glied a und das Ganze B zum Glied b (A : a = B : b) im gleichen Verhältnis stehen. Dadurch dass die staatliche Verfassung als das Ganze und das Würdige als das Glied gilt, ist die Analogie der politischen Gerechtigkeit zwischen den verschieden Staaten aufzustellen. Je nach den unterschiedlichen Verfassungen hält man etwas anderes für gerecht sowie würdig und strebt nach dem jeweiligen Würdigen. ἔτι ἐκ τοῦ κατ' ἀξίαν τοῦτο δῆλον· τὸ γὰρ δίκαιον ἐν ταῖς νομαῖς ὁμολογοῦσι πάντες κατ' ἀξίαν τινὰ δεῖν εἶναι, τὴν μέντοι ἀξίαν οὐ τὴν αὐτὴν λέγουσι πάντες [ὑπάρχειν], ἀλλ' οἱ μὲν δημοκρατικοὶ ἐλευθερίαν, οἱ δ' ὀλιγαρχικοὶ πλοῦτον, οἳ δ' εὐγένειαν, οἱ δ' ἀριστοκρατικοὶ ἀρετήν. ἔστιν ἄρα τὸ δίκαιον ἀνάλογόν τι. – EN E6, 1131a24–2973
Die Demokratie zielt auf Freiheit ab, die Oligarchie auf Reichtum oder adlige Herkunft, die Aristokratie auf Tugend oder Gesetz und die Tyrannei auf Überwachung sowie Kontrolle. Die strukturelle Ähnlichkeit zeigt sich darin, dass die Verfassung zum Würdigen in gleicher Beziehung steht (Demokratie : Freiheit = Oligarchie : Reichtum/Herkunft = Aristokratie : Tugend/Gesetz = Tyrannei : Überwachung/Kontrolle). Bezüglich der politischen Gerechtigkeit ergibt sich nicht nur die Analogie zwischen den verschiedenen Staaten, sondern auch die Analogie zwischen dem Staat und der Familie. Vorausgesetzt, dass die Gerechtigkeit in verschiedenen Gemeinschaften anhand einer ähnlichen Struktur konstituiert ist, wird die Gerechtigkeit des Staats auf die der Familie übertragen.74 Wie die Gerechtigkeit 72 (1) De An. B1, 412b22–25: δεῖ δὴ λαβεῖν τὸ ἐπὶ μέρους ἐφ’ ὅλου τοῦ ζῶντος σώματος· ἀνάλογον γὰρ ἔχει ὡς τὸ μέρος πρὸς τὸ μέρος, οὕτως ἡ ὅλη αἴσθησις πρὸς τὸ ὅλον σῶμα τὸ αἰσθητικόν, ᾗ τοιοῦτον. (2) HA A1, 486a18–21: τὸν αὐτὸν δὲ τρόπον καὶ ἵππου καὶ τῶν ἄλλων ζῴων, ὅσα τῷ εἴδει ταὐτὰ λέγομεν ἑαυτοῖς· ὁμοίως γὰρ ὥσπερ τὸ ὅλον ἔχει πρὸς τὸ ὅλον, καὶ τῶν μορίων ἔχει ἕκαστον πρὸς ἕκαστον. (3) EN E6, 1131a18–22: ἀνάγκη ἄρα τὸ δίκαιον ἐν ἐλαχίστοις εἶναι τέτταρσιν· οἷς τε γὰρ δίκαιον τυγχάνει ὄν, δύο ἐστί, καὶ ἐν οἷς, τὰ πράγματα, δύο. καὶ ἡ αὐτὴ ἔσται ἰσότης, οἷς καὶ ἐν οἷς· ὡς γὰρ ἐκεῖνα ἔχει, τὰ ἐν οἷς, οὕτω κἀκεῖνα ἔχει. (4) Krämer 1968: 297. 73 Reth. A8, 1366a2–8: τὸ δὴ τέλος ἑκάστης πολιτείας οὐ δεῖ λανθάνειν· αἱροῦνται γὰρ τὰ πρὸς τὸ τέλος. ἔστι δὲ δημοκρατίας μὲν τέλος ἐλευθερία, ὀλιγαρχίας δὲ πλοῦτος, ἀριστοκρατίας δὲ τὰ περὶ παιδείαν καὶ τὰ νόμιμα, τυραννίδος δὲ φυλακή. δῆλον οὖν ὅτι τὰ πρὸς τὸ τέλος ἑκάστης ἤθη καὶ νόμιμα καὶ συμφέροντα διαιρετέον, εἴπερ αἱροῦνται πρὸς τοῦτο ἐπαναφέροντες. 74 (1) EE H10, 1242a21–22: τό τε γὰρ δίκαιόν τισι καὶ κοινωνοῖς, καὶ ὁ φίλος κοινωνός, ὃ μὲν γένους, ὃ δὲ βίου. (2) EE H10, 1242a26–28: καὶ κοινωνία τοίνυν καὶ δίκαιόν τι, καὶ εἰ μὴ πόλις
1.2 Analogie
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der Polis (τὸ πολιτικὸν δίκαιον – EN E10, 1134a24–26) auf der harmonischen Beziehung des Regierenden zum Regiertwerdenden beruht (Pol. Γ4, 1277a25–27; Γ13, 1283b42–1284a3), so besteht die Gerechtigkeit der Familie (τὸ οἰκονομικὸν δίκαιον – EN E10, 1134b15–17) im harmonischen Verhältnis des Herren zum Knecht, des Mannes zur Frau und des Vaters zum Sohn. Analog dazu, dass in einer gerechten Polis der Herrscher regiert und der Bürger regiert wird, soll in einer gerechten Familie der Herr über den Knecht, der Mann über die Frau und der Vater über den Sohn herrschen (Herrscher : Bürger = Herr : Knecht = Mann : Frau = Vater : Sohn).75 Der Herrscher zum Bürger, der Herr zum Knecht, der Mann zur Frau und der Vater zum Sohn stehen deswegen im gleichen Verhältnis, weil sie an einer ähnlichen Struktur von Beherrschen und Beherrschtwerden teilhaben.76 Während die dreigliedrige arithmetische Analogie der aristotelischen Tugendlehre bzw. der Ethik zugrunde liegt, macht die viergliedrige geometrische Analogie die strukturelle Ähnlichkeit der politischen Gerechtigkeit in der Ökonomik-Politik nachdrücklich klar. In Bezug auf die politische Gerechtigkeit
εἴη·οἰκία δ’ ἐστί τις φιλία. (3) EN E10, 1134a23–30: πῶς μὲν οὖν ἔχει τὸ ἀντιπεπονθὸς πρὸς τὸ δίκαιον, εἴρηται πρότερον· δεῖ δὲ μὴ λανθάνειν ὅτι τὸ ζητούμενόν ἐστι καὶ τὸ ἁπλῶς δίκαιον καὶ τὸ πολιτικὸν δίκαιον. τοῦτο δ’ ἔστιν ἐπὶ κοινωνῶν βίου πρὸς τὸ εἶναι αὐτάρκειαν, ἐλευθέρων καὶ ἴσων ἢ κατ’ ἀναλογίαν ἢ κατ’ ἀριθμόν· ὥστε ὅσοις μή ἐστι τοῦτο, οὐκ ἔστι τούτοις πρὸς ἀλλήλους τὸ πολιτικὸν δίκαιον, ἀλλά τι δίκαιον καὶ καθ’ ὁμοιότητα. (4) EN E15, 1138b5–13: κατὰ μεταφορὰν δὲ καὶ ὁμοιότητα ἔστιν οὐκ αὐτῷ πρὸς αὑτὸν δίκαιον ἀλλὰ τῶν αὐτοῦ τισίν, οὐ πᾶν δὲ δίκαιον ἀλλὰ τὸ δεσποτικὸν ἢ τὸ οἰκονομικόν. ἐν τούτοις γὰρ τοῖς λόγοις διέστηκε τὸ λόγον ἔχον μέρος τῆς ψυχῆς πρὸς τὸ ἄλογον· εἰς ἃ δὴ βλέπουσι καὶ δοκεῖ εἶναι ἀδικία πρὸς αὑτόν, ὅτι ἐν τούτοις ἔστι πάσχειν τι παρὰ τὰς ἑαυτῶν ὀρέξεις· ὥσπερ οὖν ἄρχοντι καὶ ἀρχομένῳ εἶναι πρὸς ἄλληλα δίκαιόν τι καὶ τούτοις. 75 (1) EN E10, 1134b8–9: τὸ δὲ δεσποτικὸν δίκαιον καὶ τὸ πατρικὸν οὐ ταὐτὸν τούτοις ἀλλ’ ὅμοιον. (2) EE H3, 1238b19–25: τοῦτο γὰρ ἕτερον εἶδος φιλίας, καὶ ὅλως ἄρχοντος καὶ ἀρχομένου, καθάπερ καὶ τὸ δίκαιον ἕτερον· κατ’ ἀναλογίαν γὰρ ἴσον, κατ’ ἀριθμὸν δ’ οὐκ ἴσον. ἐν τούτῳ τῷ γένει πατὴρ πρὸς υἱὸν καὶ ὁ εὐεργέτης πρὸς τὸν εὐεργετηθέντα. αὐτῶν δὲ τούτων διαφοραὶ εἰσίν· ἄλλη πατρὸς πρὸς υἱὸν καὶ ἀνδρὸς πρὸς γυναῖκα, αὕτη μὲν ὡς ἄρχοντος καὶ ἀρχομένου, ἣ δὲ εὐεργέτου πρὸς εὐεργετηθέντα. (3) EE H10, 1242a26–36: καὶ κοινωνία τοίνυν καὶ δίκαιόν τι, καὶ εἰ μὴ πόλις εἴη· οἰκία δ’ ἐστί τις φιλία. δεσπότου μὲν οὖν καὶ δούλου ἥπερ καὶ τέχνης καὶ ὀργάνων καὶ ψυχῆς καὶ σώματος, αἱ δὲ τοιαῦται οὔτε φιλίαι οὔτε δικαιοσύναι, ἀλλ’ ἀνάλογον, ὥσπερ καὶ τὸ ὑγιεινὸν οὐ δίκαιον, ἀλλ’ ἀνάλογον· γυναικὸς δὲ καὶ ἀνδρὸς φιλία ὡς χρήσιμον καὶ κοινωνία· πατρὸς δὲ καὶ υἱοῦ ἡ αὐτὴ ἥπερ θεοῦ πρὸς ἄνθρωπον καὶ τοῦ εὖ ποιήσαντος πρὸς τὸν παθόντα καὶ ὅλως τοῦ φύσει ἄρχοντος πρὸς τὸν φύσει ἀρχόμενον· ἣ δὲ τῶν ἀδελφῶν πρὸς ἀλλήλους ἑταιρικὴ μάλιστα ἡ κατ’ ἰσότητα. 76 (1) EN E10, 1134b13–15: κατὰ νόμον γὰρ ἦν, καὶ ἐν οἷς ἐπεφύκει εἶναι νόμος, οὗτοι δ’ ἦσαν οἷς ὑπάρχει ἰσότης τοῦ ἄρχειν καὶ ἄρχεσθαι. (2) EN E15, 1138b10–13: ὥσπερ οὖν ἄρχοντι καὶ ἀρχομένῳ εἶναι πρὸς ἄλληλα δίκαιόν τι καὶ τούτοις.
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1 Metaphysik
bilden sich sowohl die Analogie zwischen den verschiedenen Staaten als auch die Analogie von Staat und Familie. Nichts anderes als die viergliedrige geometrische Analogie macht die Grundstruktur der platonisch-aristotelischen Proportionalitätsanalogie aus. Aristoteles’ Analogiemodell, das von den mittelalterlichen Scholastikern die Proportionalitätsanalogie genannt wird, wird von Aristoteles selbst terminologisch als „geometrische Analogie“ bezeichnet. Anhand der geometrischen Analogie verhält sich das Ganze A so zum Ganzen B, wie das Glied a zum Glied b (A : B = a : b). Anders formuliert: Das Ganze A verhält sich so zum Glied a wie das Ganze B zum Glied b (A : a = B : b) oder das Glied a verhält sich so zum Ganzen A wie das Glied b zum Ganzen B (a : A = b : B). Damit lässt sich die Analogie in der Biologie aufzeigen. [. . .] ἰχθύες δ' ὄρνιθος τῷ ἀνάλογον, ὃ γὰρ ἐκείνῳ πτερόν, θατέρῳ λεπίς. – PA A4, 644a21–2277
Im Sinne des analogischen Verhältnisses (a : A = b : B) stehen der Flügel zum Vogel wie die Flosse zum Fisch (Flügel : Vogel = Flosse : Fisch). Denn Flügel und Flosse haben dieselbe Fähigkeit, Vogel und Fisch sich räumlich bewegen zu lassen. In der Biologie erweist sich die Analogie als die funktionale Ähnlichkeit der Teile der verschiedenartigen Lebewesen (Ἔτι δ’ ἄλλος τρόπος ἐστὶ κατὰ τὸ ἀνάλογον ἐκλέγειν. ἓν γὰρ λαβεῖν οὐκ ἔστι τὸ αὐτό, ὃ δεῖ καλέσαι σήπιον καὶ ἄκανθαν καὶ ὀστοῦν· ἔσται δ’ ἑπόμενα καὶ τούτοις ὥσπερ μιᾶς τινος φύσεως τῆς τοιαύτης οὔσης – APo. B14, 98a20–23). Λέγω δ' ἀνάλογον, ὅτι τοῖς μὲν ὑπάρχει πλεύμων, τοῖς δὲ πλεύμων μὲν οὔ, ὃ δὲ τοῖς ἔχουσι πλεύμονα, ἐκείνοις ἕτερον ἀντὶ τούτου· καὶ τοῖς μὲν αἷμα, τοῖς δὲ τὸ ἀνάλογον τὴν αὐτὴν ἔχον δύναμιν ἥνπερ τοῖς ἐναίμοις τὸ αἷμα. – PA A5, 645b6–10
Mit dem Analogon ist Folgendes gemeint: Die anderen Arten von Lebewesen, die weder den inhomogenen Teil (Lunge) noch den homogenen Teil (Blut) haben,
77 (1) APo. B14, 98a20–23: Ἔτι δ’ ἄλλος τρόπος ἐστὶ κατὰ τὸ ἀνάλογον ἐκλέγειν. ἓν γὰρ λαβεῖν οὐκ ἔστι τὸ αὐτό, ὃ δεῖ καλέσαι σήπιον καὶ ἄκανθαν καὶ ὀστοῦν· ἔσται δ’ ἑπόμενα καὶ τούτοις ὥσπερ μιᾶς τινος φύσεως τῆς τοιαύτης οὔσης. (2) HA A1, 486b17–22: Ἔνια δὲ τῶν ζῴων οὔτε εἴδει τὰ μόρια ταὐτὰ ἔχει οὔτε καθ’ ὑπεροχὴν καὶ ἔλλειψιν, ἀλλὰ κατ’ ἀναλογίαν, οἷον πέπονθεν ὀστοῦν πρὸς ἄκανθαν καὶ ὄνυξ πρὸς ὁπλὴν καὶ χεὶρ πρὸς χηλὴν καὶ πρὸς πτερὸν λεπίς· ὃ γὰρ ἐν ὄρνιθι πτερόν, τοῦτο ἐν τῷ ἰχθύι ἐστὶ λεπίς. (3) PA A4, 644a16–23: Ὅσα μὲν γὰρ διαφέρει τῶν γενῶν καθ’ ὑπεροχὴν καὶ τὸ μᾶλλον καὶ τὸ ἧττον, ταῦτα ὑπέζευκται ἑνὶ γένει, ὅσα δ’ ἔχει τὸ ἀνάλογον, χωρίς· λέγω δ’ οἷον ὄρνις ὄρνιθος διαφέρει τῷ μᾶλλον ἢ καθ’ ὑπεροχήν· τὸ μὲν γὰρ μακρόπτερον τὸ δὲ βραχύπτερον, ἰχθύες δ’ ὄρνιθος τῷ ἀνάλογον, ὃ γὰρ ἐκείνῳ πτερόν, θατέρῳ λεπίς. Τοῦτο δὲ ποιεῖν ἐπὶ πᾶσιν οὐ ῥᾴδιον· τὰ γὰρ πολλὰ ζῷα ἀνάλογον ταὐτὸ πέπονθεν. (4) PA Δ5, 678b9–11: Ὁμοίως δὲ καὶ τὰ μαλακόστρακα τούτοις τοὺς πρώτους ὀδόντας ἔχει καὶ τὸ ἀνάλογον τῇ γλώττῃ σαρκῶδες. (5) HWP: 216; Krämer 1968: 297–298.
1.2 Analogie
61
sind mit dem Analogon ausgestattet, das die gleiche Funktion in sich trägt. Die funktionale Ähnlichkeit betrifft nicht nur die homogenen Teile, z. B. Blut, Fleisch, Knochen und Nerv, sondern auch die inhomogenen Teile, nämlich die Organe, wie Herz, Kopf, Zähne und Haare.78
78 (1) Der homogene Teil: (1.1) Blut: HA A4, 489a20–34: Ἔχει δὲ καὶ ὑγρότητα πᾶν ζῷον, ἧς στερισκόμενον ἢ φύσει ἢ βίᾳ φθείρεται. Ἔτι ἐν ᾧ γίνεται, τοῦτο ἄλλο. Ἔστι δὲ τοῦτο τοῖς μὲν αἷμα καὶ φλέψ, τοῖς δὲ τὸ ἀνάλογον τούτων· ἔστι δ’ ἀτελῆ ταῦτα, οἷον τὸ μὲν ἲς τὸ δ’ ἰχώρ. Ἡ μὲν οὖν ἁφὴ ἐν ὁμοιομερεῖ ἐγγίνεται μέρει, οἷον ἐν σαρκὶ ἢ τοιούτῳ τινί, καὶ ὅλως ἐν τοῖς αἱματικοῖς, ὅσα ἔχει αἷμα· τοῖς δ’ ἐν τῷ ἀνάλογον, πᾶσι δ’ ἐν τοῖς ὁμοιομερέσιν. Αἱ δὲ ποιητικαὶ δυνάμεις ἐν τοῖς ἀνομοιομερέσιν, οἷον ἡ τῆς τροφῆς ἐργασία ἐν στόματι καὶ ἡ τῆς κινήσεως τῆς κατὰ τόπον ἐν ποσὶν ἢ πτέρυξιν ἢ τοῖς ἀνάλογον. Πρὸς δὲ τούτοις τὰ μὲν ἔναιμα τυγχάνει ὄντα, οἷον ἄνθρωπος καὶ ἵππος καὶ πάνθ’ ὅσα ἢ ἄποδά ἐστι τέλεα ὄντα ἢ δίποδα ἢ τετράποδα, τὰ δ’ ἄναιμα, οἷον μέλιττα καὶ σφὴξ καὶ τῶν θαλαττίων σηπία καὶ κάραβος καὶ πάνθ’ ὅσα πλείους πόδας ἔχει τεττάρων. PA B2, 648a4–5: Τὴν αὐτὴν δ’ ἔχει διαφορὰν καὶ τῶν ἀνάλογον ὑπαρχόντων πρὸς τὸ αἷμα. PA B3, 650a32–35: Ἐπεὶ δὲ πάσης τροφῆς ἐστί τι δεκτικὸν καὶ τῶν γινομένων περιττωμάτων, αἱ δὲ φλέβες οἷον ἀγγεῖον αἵματός εἰσι, φανερὸν ὅτι τὸ αἷμα ἡ τελευταία τροφὴ τοῖς ζῴοις τοῖς ἐναίμοις ἐστί, τοῖς δ’ ἀναίμοις τὸ ἀνάλογον. PA Γ5, 668a1–4: Τοῦ δ’ εἰς τὸ πᾶν διαδεδόσθαι τὸ σῶμα τὰς φλέβας αἴτιον τὸ παντὸς εἶναι τοῦ σώματος ὕλην τὸ αἷμα, τοῖς δ’ ἀναίμοις τὸ ἀνάλογον, ταῦτα δ’ ἐν φλεβὶ καὶ τῷ ἀνάλογον κεῖσθαι. PA Γ5, 668a23–24: Τούτων δ’ αἴτιον ὅτι τὸ αἷμα καὶ τὸ ἀνάλογον τούτῳ δυνάμει σῶμα καὶ σὰρξ ἢ τὸ ἀνάλογόν ἐστιν. GA A20, 728a34–728b2: ἔτι δ’ οὐ πᾶσι γίγνεται τοῖς θήλεσιν αὕτη ἡ ἔκκρισις ἀλλὰ τοῖς αἱματικοῖς, καὶ οὐδὲ τούτοις πᾶσιν ἀλλ’ ὅσων αἱ ὑστέραι μὴ πρὸς τῷ ὑποζώματί εἰσι μηδ’ ᾠοτοκοῦσιν, ἔτι δ’ οὐδὲ τοῖς αἷμα μὴ ἔχουσιν ἀλλὰ τὸ ἀνάλογον· ὅπερ γὰρ ἐν ἐκείνοις τὸ αἷμα, ἐν τούτοις ἑτέρα ὑπάρχει σύγκρισις. GA B4, 740a21–22: τροφὴ δὲ ζῴου ἡ ἐσχάτη αἷμα καὶ τὸ ἀνάλογον, τούτων δ’ ἀγγεῖον αἱ φλέβες. (1.2) Fleisch: De An. B11, 422b19–23: ἔχει δ’ ἀπορίαν πότερον πλείους εἰσὶν ἢ μία, καὶ τί τὸ αἰσθητήριον τὸ τοῦ ἁπτικοῦ, πότερον ἡ σὰρξ καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις τὸ ἀνάλογον, ἢ οὔ, ἀλλὰ τοῦτο μέν ἐστι τὸ μεταξύ, τὸ δὲ πρῶτον αἰσθητήριον ἄλλο τί ἐστιν ἐντός. De An. B11, 423a13–17: λείπεται δὴ μικτὸν ἐκ τῆς καὶ τούτων εἶναι, οἷον βούλεται εἶναι ἡ σὰρξ καὶ τὸ ἀνάλογον· ὥστε ἀναγκαῖον τὸ σῶμα εἶναι τὸ μεταξὺ τοῦ ἁπτικοῦ προσπεφυκός, δι’ οὗ γίνονται αἱ αἰσθήσεις πλείους οὖσαι. PA B1, 647a19–21: καὶ τὸ τούτων αἰσθητήριον, ἡ σάρξ, καὶ τὸ ταύτῃ ἀνάλογον σωματωδέστατόν ἐστι τῶν αἰσθητηρίων. PA B5, 651b3–5: Ζῷον μὲν γάρ ἐστι κατὰ τὸ αἰσθητικὸν μόριον, ἡ δὲ σὰρξ καὶ τὸ ἀνάλογον αἰσθητικόν. PA B8, 653b19–22: Περὶ δὲ τῶν ἄλλων μορίων τῶν ὁμοιομερῶν σκεπτέον, καὶ πρῶτον περὶ σαρκὸς ἐν τοῖς ἔχουσι σάρκας, ἐν δὲ τοῖς ἄλλοις τὸ ἀνάλογον· τοῦτο γὰρ ἀρχὴ καὶ σῶμα καθ’ αὑτὸ τῶν ζῴων ἐστίν. PA B8, 653b33–36: Ἡ μὲν γὰρ τῶν ὀστῶν φύσις σωτηρίας ἕνεκεν μεμηχάνηται μαλακοῦ, σκληρὰ τὴν φύσιν οὖσα, ἐν τοῖς ἔχουσιν ὀστᾶ· ἐν δὲ τοῖς μὴ ἔχουσι τὸ ἀνάλογον, οἷον ἐν τοῖς ἰχθύσι τοῖς μὲν ἄκανθα τοῖς δὲ χόνδρος. PA B8, 654a19–22: Ὑπάρχει δ’ ἐν αὐτοῖς καὶ τὸ ἀνάλογον ταῖς τῶν ἰχθύων ἀκάνθαις, οἷον ἐν μὲν ταῖς σηπίαις τὸ καλούμενον σηπίον, ἐν δὲ ταῖς τευθίσι τὸ καλούμενον ξίφος. GA B6, 743a8–11: διὰ μὲν οὖν τῶν φλεβῶν καὶ τῶν ἐν ἑκάστοις πόρων διαπιδύουσα ἡ τροφή, καθάπερ ἐν τοῖς ὠμοῖς κεραμίοις τὸ ὕδωρ, γίγνονται σάρκες ἢ τὸ ταύταις ἀνάλογον ὑπὸ τοῦ ψυχροῦ συνιστάμεναι, διὸ καὶ λύονται ὑπὸ πυρός. (1.3) Knochen: PA B6, 652a2–6: Ἐπεὶ δὲ τὴν μὲν τῶν ὀστῶν ἀνάγκη φύσιν ὑπάρχειν τοῖς ζῴοις, ἢ τὸ ἀνάλογον τοῖς ὀστοῖς, οἷον τοῖς ἐνύδροις τὴν ἄκανθαν, ἀναγκαῖον ἐνίοις ὑπάρχειν καὶ μυελόν, ἐμπεριλαμβανομένης τῆς τροφῆς ἐξ ἧς γίνεται τὰ ὀστᾶ. GA B6, 745a7–9: εἰ γὰρ ταῦτ’ εἶχεν αὔξησιν ἀεὶ
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1 Metaphysik
καὶ τῶν ζῴων ὅσα ἔχει ὀστοῦν ἢ τὸ ἀνάλογον ηὐξάνετ’ ἂν ἕως ἔζη· τοῦ γὰρ μεγέθους ὅρος ἐστὶ ταῦτα τοῖς ζῴοις. (1.4) Nerv: GA B3, 737a36–b4: πάντα δὲ τὰ σώματα συνέχει τὸ γλίσχρον· ὅπερ καὶ προϊοῦσι καὶ μείζοσι γιγνομένοις ἡ τοῦ νεύρου λαμβάνει φύσις ἥπερ συνέχει τὰ μόρια τῶν ζῴων, ἐν μὲν τοῖς οὖσα νεῦρον ἐν δὲ τοῖς τὸ ἀνάλογον. (2) Der inhomogene Teil: (2.1) Herz: PA B1, 647a30–31: Διόπερ ἐν μὲν τοῖς ἀναίμοις ζῴοις τὸ ἀνάλογον, ἐν δὲ τοῖς ἐναίμοις ἡ καρδία τοιοῦτόν ἐστιν. PA Δ5, 678a35–678b2: οὔτε γὰρ φλέβας ἔχουσιν οὔτε κύστιν οὔτ’ ἀναπνέουσιν, ἀλλὰ μόνον ἀναγκαῖον ἔχειν αὐτοῖς τὸ ἀνάλογον τῇ καρδίᾳ. MA 10, 703a14–16: ἐπεὶ δ’ ἡ ἀρχὴ τοῖς μὲν ἐν τῇ καρδίᾳ τοῖς δ’ ἐν τῷ ἀνάλογον, διὰ τοῦτο καὶ τὸ πνεῦμα τὸ σύμφυτον ἐνταῦθα φαίνεται ὄν. GA B1, 735a23–26: ὥστ’ εἰ ἡ καρδία πρῶτον ἔν τισι ζῴοις γίγνεται, ἐν δὲ τοῖς μὴ ἔχουσι καρδίαν τὸ ταύτῃ ἀνάλογον, ἐκ ταύτης ἂν εἴη ἡ ἀρχὴ τοῖς ἔχουσι, τοῖς δ’ ἄλλοις ἐκ τοῦ ἀνάλογον. GA B4, 738b15–18: τοῦτο δ’ ἐστὶν ὁ τόπος ὁ περὶ τὸ ὑπόζωμα πᾶσι τοῖς ἔχουσιν· ἀρχὴ γὰρ τῆς φύσεως ἡ καρδία καὶ τὸ ἀνάλογον, τὸ δὲ κάτω προσθήκη καὶ τούτου χάριν. GA B5, 741b15–17: Γίγνεται δὲ πρῶτον ἡ ἀρχή. αὕτη δ’ ἐστὶν ἡ καρδία τοῖς ἐναίμοις, τοῖς δ’ ἄλλοις τὸ ἀνάλογον, ὥσπερ εἴρηται πολλάκις. GA B6, 742b35–743a1: διὸ πάντα τὰ ἔναιμα καρδίαν ἔχει πρῶτον ὥσπερ ἐλέχθη κατ’ ἀρχάς· ἐν δὲ τοῖς ἄλλοις τὸ ἀνάλογον γίγνεται τῇ καρδίᾳ πρῶτον. GA Δ1, 766a30–766b3: Εἰ οὖν τὸ μὲν ἄρρεν ἀρχή τις καὶ αἴτιον – ἔστι δ’ ἄρρεν ᾗ δύναταί τι, θῆλυ δὲ ᾗ ἀδυνατεῖ – τῆς δὲ δυνάμεως ὅρος καὶ τῆς ἀδυναμίας τὸ πεπτικὸν εἶναι ἢ μὴ πεπτικὸν τῆς ὑστάτης τροφῆς, ὃ ἐν μὲν τοῖς ἐναίμοις αἷμα καλεῖται ἐν δὲ τοῖς ἄλλοις τὸ ἀνάλογον, τούτου δὲ τὸ αἴτιον ἐν τῇ ἀρχῇ καὶ τῷ μορίῳ τῷ ἔχοντι τὴν τῆς φυσικῆς θερμότητος ἀρχήν, ἀναγκαῖον ἄρα ἐν τοῖς ἐναίμοις συνίστασθαι καρδίαν καὶ ἢ ἄρρεν ἔσεσθαι ἢ θῆλυ τὸ γιγνόμενον, ἐν δὲ τοῖς ἄλλοις γένεσιν οἷς ὑπάρχει τὸ θῆλυ καὶ τὸ ἄρρεν τὸ τῇ καρδίᾳ ἀνάλογον. GA E2, 781a21–23: οἱ γὰρ πόροι τῶν αἰσθητηρίων πάντων, ὥσπερ εἴρηται ἐν τοῖς περὶ αἰσθήσεως, τείνουσι πρὸς τὴν καρδίαν, τοῖς δὲ μὴ ἔχουσι καρδίαν πρὸς τὸ ἀνάλογον. (2.2) Kopf: PA B7, 652b23–26: Καὶ διὰ τοῦτο τὰ ἔναιμα ἔχει πάντα ἐγκέφαλον, τῶν δ’ ἄλλων οὐδὲν ὡς εἰπεῖν, πλὴν ὅτι κατὰ τὸ ἀνάλογον, οἷον ὁ πολύπους· ὀλιγόθερμα γὰρ πάντα διὰ τὴν ἀναιμίαν. PA B7, 653a10–12: ποιεῖ δὲ καὶ τὸν ὕπνον τοῖς ζῴοις τοῦτο τὸ μόριον τοῖς ἔχουσιν ἐγκέφαλον, τοῖς δὲ μὴ ἔχουσι τὸ ἀνάλογον. PA Γ2, 662b23–26: Περὶ δὲ κεράτων λεκτέον· καὶ γὰρ ταῦτα πέφυκε τοῖς ἔχουσιν ἐν τῇ κεφαλῇ. Ἔχει δ’ οὐδὲν μὴ ζῳοτόκον. Καθ’ ὁμοιότητα δὲ καὶ μεταφορὰν λέγεται καὶ ἑτέρων τινῶν κέρατα. (2.3) Zähne: GA B6, 745b9–12: τὰ μὲν οὖν ἄλλα ζῷα ἔχοντα γίγνεται ὀδόντας καὶ τὸ ἀνάλογον τοῖς ὀδοῦσιν, ἐὰν μή τι γίγνηται παρὰ φύσιν, διὰ τὸ ἀπολύεσθαι τῆς γενέσεως τετελεσμένα τοῦ ἀνθρώπου μᾶλλον. (2.4) Haare: GA E3, 782a29–33: ἐπιπολῆς γὰρ οὖσα ἐξατμίζοντος τοῦ ὑγροῦ στερεὰ γίγνεται καὶ γεώδης, αἱ δὲ τρίχες καὶ τὸ ἀνάλογον αὐταῖς οὐκ ἐκ τῆς σαρκὸς γίγνονται ἀλλ’ ἐκ τοῦ δέρματος ἐξατμίζοντος καὶ ἀναθυνιωμένου ἐν αὐτοῖς τοῦ ὑγροῦ. (3) Zusammenfassung: HA A1, 487a1–10: Ἔστι δὲ τῶν ὁμοιομερῶν τὰ μὲν μαλακὰ καὶ ὑγρά, τὰ δὲ ξηρὰ καὶ στερεά, ὑγρὰ μέν, ἢ ὅλως ἢ ἕως ἂν ᾖ ἐν τῇ φύσει, οἷον αἷμα, ἰχώρ, πιμελή, στέαρ, μυελός, γονή, χολή, γάλα ἐν τοῖς ἔχουσι, σάρξ τε καὶ τὰ τούτοις ἀνάλογον, ἔτι ἄλλον τρόπον τὰ περιττώματα, οἷον φλέγμα, καὶ τὰ ὑποστήματα τῆς κοιλίας καὶ κύστεως· ξηρὰ δὲ καὶ στερεὰ οἷον νεῦρον, δέρμα, φλέψ, θρίξ, ὀστοῦν, χόνδρος, ὄνυξ, κέρας (ὁμώνυμον γὰρ τὸ μέρος, ὅταν τῷ σχήματι καὶ τὸ ὅλον λέγηται κέρας), ἔτι ὅσα ἀνάλογον τούτοις. HA B1, 497b6–13: Τῶν δ’ ἄλλων ζῴων τὰ μόρια τὰ μὲν κοινὰ πάντων ἐστίν, ὥσπερ εἴρηται πρότερον, τὰ δὲ γενῶν τινων. Ταὐτὰ δὲ καὶ ἕτερά ἐστιν ἀλλήλων τὸν ἤδη πολλάκις εἰρημένον τρόπον. Σχεδὸν γὰρ ὅσα γ’ ἐστὶ γένει ἕτερα τῶν ζῴων, καὶ τὰ πλεῖστα τῶν μερῶν ἔχει ἕτερα τῷ εἴδει, καὶ τὰ μὲν κατ’ ἀναλογίαν ἀδιάφορα μόνον, τῷ γένει δ’ ἕτερα, τὰ δὲ τῷ γένει μὲν ταὐτὰ τῷ εἴδει δ’ ἕτερα· πολλὰ δὲ τοῖς μὲν ὑπάρχει, τοῖς δ’ οὐχ ὑπάρχει. PA B2, 647b10–17: Τῶν δ’
1.2 Analogie
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Da die verschiedenartigen Lebewesen mit einem ähnlichen Sinnesorgan ausgestattet sind, haben sie ein ähnliches Wahrnehmungsvermögen (Sehen, Tasten, Riechen und Lautgeben), das durch das Analogon gekennzeichnet ist. Wie der Mensch kann das Tier die Farbe sehen und das Warme empfinden. Es hat auch Geruchsvermögen, Stimme usw.79 Des Weiteren ist die funktionale Ähnlichkeit nicht auf den Körperteil und das Wahrnehmungsvermögen beschränkt, sondern sie breitet sich in die Affektion aus. Nämlich wohnen dem vegetativen und dem tierischen Samen die Wärme gemeinsam inne, insofern sie als Lebensprinzip alle Körperteile zusammenbinden.80 Was daher die biologische Verwendung der Analogie anbelangt, ist diese nichts anderes als die ähnliche Funktion, die entweder von den Organen bzw. den Sinnesvermögen oder von der Affektion geleistet wird. Aristoteles’ Anwendung der Analogie in der Ethik zeigt den mathematischen Ursprung am deutlichsten. Von der mathematischen Proportion her weist die
ὁμοιομερῶν μορίων ἐν τοῖς ζῴοις ἐστὶ τὰ μὲν μαλακὰ καὶ ὑγρά, τὰ δὲ σκληρὰ καὶ στερεά, ὑγρὰ μὲν ἢ ὅλως ἢ ἕως ἂν ᾖ ἐν τῇ φύσει, οἷον αἷμα, ἰχώρ, πιμελή, στέαρ, μυελός, γονή, χολή, γάλα ἐν τοῖς ἔχουσι, σάρξ, καὶ τὰ τούτοις ἀνάλογον· οὐ γὰρ ἅπαντα τὰ ζῷα τούτων τῶν μορίων τέτευχεν, ἀλλ’ ἔνια τῶν ἀνάλογον τούτων τισίν. Τὰ δὲ ξηρὰ καὶ στερεὰ τῶν ὁμοιομερῶν ἐστιν, οἷον ὀστοῦν ἄκανθα νεῦρον φλέψ. PA B9, 655b15–21: Ἀλλὰ καὶ περὶ τούτων καὶ τῶν ἐχομένων, οἷον δέρματος καὶ κύστεως καὶ ὑμένος καὶ τριχῶν καὶ πτερῶν καὶ τῶν ἀνάλογον τούτοις καὶ εἴ τι τοιοῦτόν ἐστι μέρος, ὕστερον ἅμα τοῖς ἀνομοιομερέσι θεωρητέον τὴν αἰτίαν αὐτῶν, καὶ τίνος ἕνεκεν ὑπάρχει τοῖς ζῴοις ἕκαστον· ἐκ τῶν ἔργων γὰρ γνωρίζειν, ὥσπερ κἀκεῖνα, καὶ ταῦτα ἀναγκαῖον ἂν εἴη. 79 (1) De An. B8, 420b5–14: περὶ μὲν οὖν ψόφου ταύτῃ διωρίσθω. ἡ δὲ φωνὴ ψόφος τίς ἐστιν ἐμψύχου· τῶν γὰρ ἀψύχων οὐθὲν φωνεῖ, ἀλλὰ καθ’ ὁμοιότητα λέγεται φωνεῖν, οἷον αὐλὸς καὶ λύρα καὶ ὅσα ἄλλα τῶν ἀψύχων ἀπότασιν ἔχει καὶ μέλος καὶ διάλεκτον. ἔοικε γάρ, ὅτι καὶ ἡ φωνὴ ταῦτ’ ἔχει. πολλὰ δὲ τῶν ζῴων οὐκ ἔχουσι φωνήν, οἷον τά τε ἄναιμα καὶ τῶν ἐναίμων ἰχθύες (καὶ τοῦτ’ εὐλόγως, εἴπερ ἀέρος κίνησίς τίς ἐστιν ὁ ψόφος), ἀλλ’ οἱ λεγόμενοι φωνεῖν, οἷον < οἱ > ἐν τῷ Ἀχελῴῳ, ψοφοῦσι τοῖς βραγχίοις ἤ τινι ἑτέρῳ τοιούτῳ, φωνὴ δ’ ἐστὶ ζῴου ψόφος οὐ τῷ τυχόντι μορίῳ. (2) De An. B9, 421a16–20: ἔοικε μὲν γὰρ ἀνάλογον ἔχειν πρὸς τὴν γεῦσιν, καὶ ὁμοίως τὰ εἴδη τῶν χυμῶν τοῖς τῆς ὀσμῆς, ἀλλ’ ἀκριβεστέραν ἔχομεν τὴν γεῦσιν διὰ τὸ εἶναι αὐτὴν ἁφήν τινα, ταύτην δ’ ἔχειν τὴν αἴσθησιν τὸν ἄνθρωπον ἀκριβεστάτην. (3) De An. B9, 421a26–30: ἔστι δ’, ὥσπερ χυμὸς ὁ μὲν γλυκὺς ὁ δὲ πικρός, οὕτω καὶ ὀσμαί, ἀλλὰ τὰ μὲν ἔχουσι τὴν ἀνάλογον ὀσμὴν καὶ χυμόν, λέγω δὲ οἷον γλυκεῖαν ὀσμὴν καὶ γλυκὺν χυμόν, τὰ δὲ τοὐναντίον. ὁμοίως δὲ καὶ δριμεῖα καὶ αὐστηρὰ καὶ ὀξεῖα καὶ λιπαρά ἐστιν ὀσμή. 80 (1) PA A5, 645b3–6: Εἴρηται μὲν οὖν καὶ πρότερον ὅτι πολλὰ κοινὰ πολλοῖς ὑπάρχει τῶν ζῴων, τὰ μὲν ἁπλῶς, οἷον πόδες πτερὰ λεπίδες, καὶ πάθη δὴ τὸν αὐτὸν τρόπον τούτοις, τὰ δ’ ἀνάλογον. (2) PA A4, 644a22–23: Τοῦτο δὲ ποιεῖν ἐπὶ πᾶσιν οὐ ῥᾴδιον· τὰ γὰρ πολλὰ ζῷα ἀνάλογον ταὐτὸ πέπονθεν. (3) GA B3, 736b33–737a1: πάντων μὲν γὰρ ἐν τῷ σπέρματι ἐνυπάρχει ὅπερ ποιεῖ γόνιμα εἶναι τὰ σπέρματα, τὸ καλούμενον θερμόν. τοῦτο δ’ οὐ πῦρ οὐδὲ τοιαύτη δύναμίς ἐστιν ἀλλὰ τὸ ἐμπεριλαμβανόμενον ἐν τῷ σπέρματι καὶ ἐν τῷ ἀφρώδει πνεῦμα καὶ ἡ ἐν τῷ πνεύματι φύσις, ἀνάλογον οὖσα τῷ τῶν ἄστρων στοιχείῳ.
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1 Metaphysik
Analogie ein viergliedriges Verhältnis auf (a : A = b : B), das unmittelbar in der Biologie verkörpert ist (Flügel : Vogel = Flosse : Fisch). Nach der Erörterung der ethischen und der biologischen Analogie gehen wir auf die metaphysische Verwendung ein. Mit der ethischen Analogie hat die metaphysische Analogie an der Grundstruktur teil, da sie prinzipiell in der geometrischen Analogie fundiert ist. Mit der biologischen Analogie hängt die metaphysische Analogie eng zusammen. Wie in der Biologie der Flügel zum Vogel, die Flosse zum Fisch und der Teil (das Organ der Ortsbewegung) zum Ganzen in einem analogischen Verhältnis stehen (Flügel : Vogel = Flosse : Fisch = Teil : Ganzes), so verhalten sich in der Metaphysik die disjunktiven Eigentümlichkeiten zum Zugrundeliegenden und die Form zum Stoff sowie die Verwirklichung zum Vermögen auf analogische Weise (Eigentümlichkeit : Zugrundeliegendes = Form : Stoff = Verwirklichung : Vermögen). Inhaltlich trägt die Anwendung der Analogie in der Metaphysik dazu bei, sowohl die Einheit der Kategorien als auch die strukturelle Ähnlichkeit der Prinzipien zu beleuchten. Erstens bringt die Analogie die Gemeinschaft der Einzelwissenschaften ans Licht, welche anhand der kategorialen Ausdifferenzierung voneinander unterschieden sind. Anders formuliert: Aufgrund der analogischen Einheit sind die verschiedenen Einzelwissenschaften einheitlich zu begründen. Vor allem lässt sich die Mathematik betrachten, die die Quantität zum Untersuchungsgegenstand nimmt. Indem sich die Quantität ins Teilbare und Kontinuum (διωρισμένον-συνεχές), d. h. in Zahl und Größe (ἀριθμός-μέγεθος), ausdifferenziert, ist die Mathematik in Arithmetik und Geometrie zu unterteilen (Cat. 6, 4b20–25). Was die beiden Einzelwissenschaften zum Thema machen, ist weder die Zahl noch die Größe schlechthin, sondern die disjunktiven Eigentümlichkeiten der Zahl und der Größe (APo. A10, 76a40–76b2; Rhet. A2, 1355b29–30). Demnach orientiert sich die Arithmetik am Geraden und Ungeraden der Zahl (APo. A4, 73b20–21). Die Geometrie zieht in Betracht, ob die Linie geradlinig oder gekrümmt ist und die Fläche eben oder nicht (APo. A4, 73b18–20). So bilden die beiden mathematischen Wissenschaften eine analogische Einheit, indem den verschiedenen Untersuchungsgegenständen eine ähnliche Struktur zugeteilt ist. Wie sich das Gerade-Ungerade in der Zahl befindet, so befindet sich das Gerade-Krumme in der eindimensionalen Linie und das Ebene-Nichtebene in der zweidimensionalen Fläche (Metaph. N6, 1093b19–20). Dieselbe Struktur ist nicht auf die Quantität beschränkt, sondern dehnt sich in die anderen Kategorien aus, z. B. in die Qualität, sodass das Weiße-Schwarze in der Oberfläche (Metaph. N6, 1093b20–21), die Gesundheit-Krankheit im Körper und das Gute-Schlechte in der Seele auf ähnliche Weise vorhanden sind. Analog
1.2 Analogie
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zu Quantität und Qualität liegt dasselbe Gefüge bei der Kategorie der Bewegung81 vor, dadurch, dass Bewegung und Ruhe den Naturdingen immanent sind. Jede selbständige Einzelwissenschaft, wie z. B. Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Physik, Heilkunst, Ethik und Logik, macht etwas Spezifisches zum Untersuchungsgegenstand (τὰ μὲν ἴδια ἑκάστης ἐπιστήμης – APo. A10, 76a37–38), nämlich die Eigenschaft der Zahl, die Gestalt der geometrischen Figur, die Kreisbewegung des Gestirns, die Veränderung des Naturseienden, die Affektion des Körpers, die Tugend der Seele und die Schlussfolgerung der Aussagen. Trotzdem weisen Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Physik, Heilkunst, Ethik und Logik eine analogische Gemeinsamkeit (τὰ δὲ κοινά, κοινὰ δὲ κατ’ ἀναλογίαν – APo. A10, 76a38–39; Rhet. A2, 1355b28–31) auf, indem jede Einzelwissenschaft die disjunktiven Eigentümlichkeiten des jeweiligen Zugrundeliegenden thematisiert (passio per se disiuncta entis), und zwar das Gerade-Ungerade der Zahl, das GeradeKrumme der Linie, die gegensätzlichen Stellen des himmlischen Kreislaufs, die Bewegung-Ruhe des Naturdings, die Gesundheit-Krankheit des Körpers, das GuteSchlechte der Seele und die Richtigkeit-Falschheit der logischen Schlussfolgerung. Die Analogie betrifft nicht nur die Struktur des Untersuchungsgegenstandes, sondern auch die Untersuchungsmethode. Die wissenschaftliche Beweisführung vollzieht sich anhand des Syllogismus, nämlich dass sich die bestimmte Konklusion aus der vorausgesetzten Prämisse syllogistisch ergibt. Da sich die Einzelwissenschaften anhand des Syllogismus vollziehen, sind sie methodisch vereinigt und werden gemeinsam als apodiktische Wissenschaft (ἀποδεικτικὴ ἐπιστήμη) bezeichnet (APo. A1, 71b16–25; A6, 74b5–12; Metaph. B2, 997a5–11, 997a18–22). Anhand der strukturellen Ähnlichkeit des Untersuchungsgegenstandes und der methodischen Gemeinsamkeit sind die apodiktisch-syllogistischen Wissenschaften einheitlich zu begründen. Zweitens ist einzusehen, dass die Prinzipien von Form-Stoff und von Verwirklichung-Vermögen im analogischen Verhältnis zueinander stehen und den unterschiedlichen Seienden eine analogische Begriffseinheit verleihen. In der Prinzipienforschung hebt Aristoteles damit an, den Sachverhalt mit der Einzelsubstanz zu vergleichen. Anhand desselben Kriteriums von per accidens und per se unterscheiden sich der Sachverhalt von der Einzelsubstanz und die Bewegung von der Entstehung. Darum kann der Vergleich von Sachverhalt und Einzelsubstanz äquivalent formuliert werden: Nämlich wie sich der Sachverhalt zur Einzelsubstanz verhält, so verhält sich die Bewegung zur Entstehung. Wenn
81 Statt der Bewegung kommen Wirken und Leiden in der Kategorienliste vor. Denn das aktiv Machende und das passiv Erleidende sind für alle Veränderungen und Tätigkeiten konstitutiv, außer dass das unbewegte Bewegende wegen der Immaterialität die Passivität aufhebt.
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1 Metaphysik
vom Prinzip und Element die Rede ist, treten die Bewegung und die Entstehung in den Vordergrund. Zu der Frage, ob die Prinzipien und die Elemente von Bewegung und Entstehung identisch oder verschieden sind, hat Aristoteles folgende Antwort anzubieten: Trotz der Gattungsverschiedenheit ist der Bewegung und der Entstehung dieselbe Struktur zugeteilt, nämlich die vier Ursachen.82 Durch die Dihairese differenziert sich die übergeordnete Veränderung in zwei Gattungen aus, nämlich in die akzidentelle und die substanzielle Veränderung. Terminologisch bezeichnet Aristoteles die akzidentelle Veränderung als Bewegung und die substanzielle Veränderung als Entstehung. Einerseits ist die eine Gattung, d. h. die Bewegung, in die drei Arten einzuteilen, und zwar anhand des kategorialen Unterschieds von Qualität, Quantität und Ort. Andererseits spaltet sich die andere Gattung, nämlich die notwendige Entstehung, in die natürliche Entstehung und die menschliche Herstellung, je nachdem, ob die Wirkursache innerlich oder äußerlich ist. Letztlich kann jede Art von Bewegung und Entstehung in die jeweiligen Unterarten ausdifferenziert sein. Unter der qualitativen Veränderung stehen das Anderswerden und die Empfindung, unter der quantitativen Veränderung das Wachstum und der Schwung, unter der örtlichen Bewegung die geradlinige und die kreisförmige Bewegung, unter der natürlichen Entstehung die vivipare und die ovipare Zeugung, und unter der menschlichen Herstellung das Hausbauen und die Heilkunst. Die dihairetische Einteilung der Veränderung ist folgendermaßen darzustellen (Abb. 1):
82 In diesem Kontext (Metaph. Λ4, 1070a31–33) sieht die Fragestellung anders aus. Dem Originaltext gemäß geht es in Λ4 um die Frage, ob die Prinzipien oder die Elemente der Wesenssubstanz und der akzidentellen Kategorien, welche gemeinsam als Relation bezeichnet werden (πρός τι – Metaph. Λ4, 1070a36; EN A4, 1096a20–22), identisch oder verschieden sind. Die Prinzipienforschung setzt die Bewegung und die Entstehung voraus. Weder die Wesenssubstanz noch die akzidentelle Kategorie können entstanden sein, sondern nur das Kompositum. Einerseits ist die Einzelsubstanz als substanzielles Kompositum entstanden, indem sich die Wesenssubstanz an der Einzelsubstanz konkretisiert (γένεσις: εἶδος→τόδε τι). Andererseits wird der Sachverhalt als akzidentelles Kompositum dadurch zustande gebracht, dass die akzidentelle Eigenschaft dem zugrundeliegenden Einzelnen zukommt (κίνησις: πρός τι→πρᾶγμα). Wenn vom Prinzip oder vom Element die Rede ist, kann nicht die Wesenssubstanz mit der Akzidenzkategorie verglichen werden (οὐσία-πρός τι), sondern die Verwirklichung der einen mit der Verwirklichung der anderen (τόδε τι-πρᾶγμα). Da die Einzelsubstanz entstanden und der Sachverhalt akzidentell veränderlich ist (γένεσις-κίνησις), lassen sich die Ursachen der Entstehung der Einzelsubstanz und die Ursachen der Bewegung des Sachverhalts thematisieren.
1.2 Analogie
67
μεταβολή
κίνησις
ποιόν
ποσόν
γένεσις
ποῦ
φύσις
τέχνη
ἀλλοίωσις
αὔξησις
εὐθεῖα
ζῳοτοκεῖ
οἰκοδόμη -σις
αἴσθησις
φθίσις
περιφερής
ᾠοτοκεῖ
ἰάτρευσις
Abb. 1: Einteilung der Veränderung.
Bezeichnet die analogische Struktur der vier Ursachen die Gemeinsamkeit der verschiedenen Gattungen, kommt sie in jeder Stufe der Dihairese zur Geltung. Denn die analogische Einheit bezeichnet Aristoteles als die Allgemeinheit im höchsten Maß.83 So bildet sich die Analogie, und zwar nicht nur zwischen Bewegung und Entstehung, sondern auch jeweils innerhalb der Bewegung (Analogie von qualitativer Veränderung, von quantitativer Veränderung und von Ortsbewegung) und innerhalb der Entstehung (Analogie von Naturentstehung und Herstellung), weiter noch innerhalb der Naturentstehung (Analogie von viviparer und oviparer Zeugung) sowie innerhalb der Herstellung/Tätigkeit (Analogie von Hausbauen und Heilkunst). Da alle Typen der Veränderung und der Tätigkeit an der gleichen Struktur teilhaben, ist es erst möglich, die prinzipiellen Begriffspaare, wie Stoff-Form und Vermögen-Verwirklichung, einheitlich zu gebrauchen. Aufgrund der Gattungsverschiedenheit sind die Prinzipien von Bewegung und Entstehung jeweils andere (ἕτερον περὶ ἕκαστον γένος), im Allgemeinen aber bilden sie die analogische Identität/Einheit (καθόλου ταὐτὰ κατ’ ἀναλογίαν –
83 Im philosophischen Wörterbuch, nämlich im fünften Buch der Metaphysik (Metaph. Δ6, 1016b31–35) unterscheidet Aristoteles vier Typen von Einheit, nämlich die Einheit der Zahl nach (ἕν κατ’ ἀριθμόν), der Art nach (κατ’ εἶδος), der Gattung nach (κατὰ γένος) und der Analogie nach (κατ’ ἀναλογίαν). Die analogische Einheit ist insofern die Allgemeinheit im höchsten Maß, als sie über die Gattungseinheit hinausgeht. Vgl. Metaph. Δ6, 1016b35–1017a3; Theophrast Metaphysik 9a4–9: Ταὐτῷ δ’ ἐπιστάμεθα καὶ οὐσίᾳ καὶ ἀριθμῷ καὶ εἴδει καὶ γένει καὶ ἀναλογίᾳ καὶ εἰ ἄρα παρὰ ταῦτα διαιρέσεις· διὰ πλείστου δὲ τὸ κατ’ ἀναλογίαν, ὡς ἂν ἀπέχοντος πλεῖστον, τὰ μὲν δι’ ἡμᾶς αὐτούς, τὰ δὲ διὰ τὸ ὑποκείμενον, τὰ δὲ διὰ τἄμφω; Krämer 1968: 300, Fußnote 26.
68
1 Metaphysik
Metaph. Λ4, 1070a31–33; Λ4, 1070b16–26; Λ5, 1071a24–35). Anders gesagt unterscheiden sich die Bewegung und die Entstehung zwar sachlich voneinander, es ist ihnen aber dieselbe Struktur zugeteilt. Sie beschließt nicht nur die inneren Ursachen, nämlich Stoff, Form und Privation in sich ein (ἐνυπάρχοντα αἴτια-ὕλη, εἶδος, στέρησις), sondern auch die äußere Ursache, d. h. Wirkursache (ἐκτὸς οἷον τὸ κινοῦν – Metaph. Λ4, 1070b22–23; Δ1, 1013a19–20). Daraus folgt, dass die Bewegung und die Entstehung gemeinsamen Anteil an vier Ursachen (αἰτίαι τέτταρες) haben, die aus drei Elementen (στοιχεῖα τρία) und einem Bewegungsprinzip (ἀρχὴ τῆς κινήσεως) bestehen (Metaph. Λ4, 1070b23–26). Um die Analogie von Bewegung und Entstehung zu verdeutlichen, ziehen wir die qualitative Veränderung und das Hausbauen als Beispiel heran. Gelten beim Hausbauen die Hausgestalt als Form, die Unordnung als Privation, die Baustoffe als Materie und der Hausherr als Wirkursache (Metaph. Λ4, 1070b28–29), ist in der qualitativen Veränderung das Licht, das Weiße oder das Warme als Form anzusehen, die Dunkelheit, das Schwarze oder das Kalte als Privation, die Luft, die Fläche oder der Körper als zugrundeliegende Materie und die natürliche oder die menschliche Kraft als Wirkursache. In erster Linie weist die Analogie zwischen Bewegung und Entstehung auf ihre gemeinsame Struktur der vier Ursachen hin. Dann durchdringt die Analogie alle Arten von Bewegungen und Entstehungen, damit die qualitative Veränderung, die quantitative Veränderung, die räumliche Bewegung, die Naturentstehung und die Herstellung gleicherweise erörtert werden können. Innerhalb der Bewegung verhalten sich die qualitative und die quantitative Veränderung sowie die räumliche Bewegung deswegen auf analogische Weise, weil sich drei Typen von Bewegungen mithilfe der vier Ursachen strukturieren lassen. Innerhalb der Entstehung stehen die Naturentstehung und die Herstellung, z. B. die Zeugung des Menschen und das Hausbauen, zueinander analog, indem sich dieselbe Struktur von Form, Privation, Stoff und Wirkursache durchsetzt. Daher stimmen die menschliche Art mit der Hausgestalt, die Abwesenheit mit der Unordnung, das Fleisch, Knochen usw. mit dem Baustoff und der Vater mit dem Hausherren strukturell überein. Außerdem lässt sich dieselbe Analogie zwischen den Unterarten derselben Art aufstellen. Innerhalb der Naturentstehung liegt die Analogie darin, dass das vivipare und das ovipare Tier mit demselben Gefüge des Männlichen und des Weiblichen ausgestattet sind. Das Männliche verhält sich als Form- bzw. Wirkursache, das Weibliche aber als Stoffursache. Innerhalb der Herstellung steht das Hausbauen zur Heilkunst dadurch analog, dass im Hinblick auf Form, Privation, Materie und Wirkursache die Hausgestalt der Gesundheit, die Unordnung der Krankheit, der Baustoff dem Körper und der Hausherr dem Arzt strukturell entspricht. Nichts anderes als die Analogie führt zur Begriffseinheit, so dass die verschiedenen Seienden durch ein und denselben Begriff gekennzeichnet sein
1.2 Analogie
69
können. Aufgrund dessen lassen sich Hausbauen und Heilkunst gemeinsam als „Herstellung“ bezeichnen, vivipare und ovipare Zeugung gemeinsam als „Naturentstehung“, Naturentstehung und Herstellung gemeinsam als „Entstehung“, qualitative und quantitative Veränderung zusammen mit räumlicher Bewegung als „Bewegung“, und letztendlich werden Bewegung und Entstehung von demselben Oberbegriff „Veränderung“ zusammengefasst bzw. ausgesprochen. Wegen der höchsten Allgemeinheit ist die analogische Struktur in der dihairetischen Abstufung durchgängig wirksam. Die Analogie, die die strukturelle Ähnlichkeit zwischen unterschiedlichen Gattungen zum Vorschein bringt (Metaph. Λ5, 1071a24–27), setzt sich abwärts in die verschiedenen Arten derselben Gattung und weiterhin in die verschiedenen Unterarten derselben Art durch. Bezüglich der untersten Art, z. B. der menschlichen Art, ist nicht mehr von Analogie die Rede.84 Die verschiedenen einzelnen Menschen bilden keine analogische Einheit, sondern die Einheit der Art, die ontologisch durch die Naturentstehung („Der Mensch zeugt den Menschen“) zum Vorschein und logisch anhand der Wesensprädikation („Ein beliebiger Mensch ist Mensch“) zum Ausdruck kommt. Um die Begriffseinheit zu verdeutlichen, fassen wir die oben erwähnten Beispiele (Metaph. Λ4, 1070b10–35; Phys. A7, 191a7–12)85 in der folgenden Tabelle zusammen (Tab. 6):
84 Metaph. Λ5, 1071a27–29: καὶ τῶν ἐν ταὐτῷ εἴδει ἕτερα, οὐκ εἴδει ἀλλ’ ὅτι τῶν καθ’ ἕκαστον ἄλλο, ἥ τε σὴ ὕλη καὶ τὸ εἶδος καὶ τὸ κινῆσαν καὶ ἡ ἐμή, τῷ καθόλου δὲ λόγῳ ταὐτά. Frede und Patzig betrachten diesen Satz als Beweis dafür, dass die Form individuell sei (Frede und Patzig 1988: 48–49). Im Text handelt es sich darum, dass die Materie als Individualisierungsprinzip die individuelle Verschiedenheit derselben Art verursacht. Vom Kontext her wird der Akzent auf die Einheit der Art gelegt, die anders als die analogische Einheit ist. Die Interpretation von Frede und Patzig ist deswegen nicht gültig, weil sie mit dem vorliegenden Zusammenhang überhaupt nicht übereinstimmt. Außerdem kann sich das Possessivpronomen (σὴ, ἐμή) weder auf εἶδος noch auf κινῆσαν, sondern nur auf die Materie (ὕλη) beziehen. Schließlich garantiert die ontologische Einheit der Art die logische Begriffseinheit (τῷ καθόλου δὲ λόγῳ ταὐτά). Wenn die menschliche Art im einzelnen Individuum verschieden wäre, könnte sich keine begriffliche Einheit des Menschen bilden. Selbstverständlich kann man darüber diskutieren, ob die Form das principium individuationis sein kann oder nicht. Aber man kann nicht anhand dieses Satzes den Beweis erbringen, denn dieser ist weder sprachlich noch inhaltlich haltbar. 85 Licht-Dunkelheit-Luft – Metaph. Λ4, 1070b21; Weiß-Schwarz-Fläche – Λ4, 1070b20–21; Warm-Kalt-Körper – Λ4, 1070b10–15. In Λ4 redet Aristoteles nicht von der Wirkursache der Veränderung, sondern vom Resultat der Veränderung. Die körperliche Gesundheit lässt sich dadurch wiederherstellen, dass Wärme und Kälte in ein harmonisches Verhältnis gebracht werden (Λ4, 1070b14–15). Der Tag entsteht aus der Mischung der Luft mit dem Licht, die Nacht aber aus der Mischung der Luft mit der Dunkelheit (Λ4, 1070b21).
70
1 Metaphysik
Tab. 6: Vier Ursachen. εἶδος
στέρησις
ὕλη
κινοῦν
das Licht das Weiße das Warme
die Dunkelheit das Schwarze das Kalte
die Luft die Fläche der Körper
die natürliche Kraft die menschliche Kraft
κατὰ die angemessene zu groß ποσόν Größe zu klein
der Körper
die Seele
κατὰ ποῦ
der Abfahrtsort
der Körper die Seele des Sokrates des Sokrates
die Abwesenheit
das Fleisch der Knochen
der Vater
das Männliche
ohne Geschlechtsverkehr
das Weibliche
das Männliche
die Hausgestalt die Gesundheit
die Unordnung die Krankheit
der Baustoff der Körper
der Hausherr der Arzt
κίνησις κατὰ ποιόν
der Zielort
γένεσις φύσις die menschliche Art
τέχνη
Der graduellen Analogie zufolge lassen sich die verschiedenen Seienden, wie das Licht, das Weiße, das Warme, die angemessene Größe, der Zielort, die menschliche Art, das Männliche, die Hausgestalt und die Gesundheit, gemeinsam als „Form“ bezeichnen und deren Gegensatz als Privation. Dementsprechend können die unterschiedlichen Zugrundeliegenden, wie die Luft, die Fläche, der Körper, der Körper des Sokrates, das Fleisch, der Knochen, das Weibliche und der Baustoff von demselben Begriff „Stoff“ zusammengefasst werden. Des Weiteren können die gemeinsamen Prinzipien von Bewegung und Entstehung auf eine andere Art und Weise (ἄλλον τρόπον) zur Sprache kommen, indem Stoff, Privation und Form auf die analogische Struktur von Möglichsein und Wirklichsein (δύναμις-ἐνέργεια) zurückzuführen sind.86 Das Begriffspaar von δύναμιςἐνέργεια ist insofern grundsätzlicher als Stoff-Form, als es nicht nur das Sein (esse), sondern auch die Seinsweise der jeweiligen Prinzipien (modi essendi) zum Ausdruck bringt. Einerseits sich das der Veränderung zugrundeliegende Vermögen
86 Metaph. Λ5, 1071a3–5. In diesem Text spricht Aristoteles zwar davon, dass die Prinzipien von Möglichsein und Wirklichsein in die schon erwähnten drei Ursachen fallen (πίπτει δὲ καὶ ταῦτα εἰς τὰ εἰρημένα αἴτια – Λ5, 1071a7–8). Aber in der Tat geht es darum, dass die drei Ursachen, nämlich Stoff, Privation und Form, auf die beiden Prinzipien, d. h. Möglichsein-Wirklichsein, zurückzuführen sind. Denn Stoff, Privation und Form können durch Möglichsein und Wirklichsein gekennzeichnet sein, umgekehrt aber nicht.
1.2 Analogie
71
in Aktivität und Passivität spaltet (Metaph. Θ1, 1046a16–29; Phys. Γ3, 202b26–28). Andererseits bleibt die Form entweder in der Möglichkeit oder in der Wirklichkeit, je nachdem ob sie aktualisiert wird (Phys. Γ1, 201a9–10). Indem sich AktivitätPassivität des Vermögens und Möglichkeit-Wirklichkeit der Form miteinander kreuzen, ergibt sich folgendes Schema (Tab. 7):
Tab. 7: Form, Privation und Stoff. δύναμις τοῦ ποιεῖν δυνάμει
στέρησις
ἐνεργείᾳ
εἶδος
δύναμις τοῦ πάσχειν
ὕλη
Aus dem Chiasmus folgt, dass jeweils die Form durch Aktivität und Aktualität, die Privation durch Aktivität und Potentialität und der Stoff durch Passivität und Aktualität gekennzeichnet sind. Der konkrete Stoff hat passives Vermögen, um die Prägung der Form in sich aufzunehmen. Aber der Stoff ist nicht potentiell, sondern ganz und gar real, denn um etwas Konkretes hervorzubringen, muss er immer zur Verfügung stehen. Nicht der konkrete Stoff, sondern die Form kann in der Möglichkeit existieren (στέρησις-δυνάμει),87 falls sie realisierbar ist, aber noch nicht realisiert wird. Was die Privation betrifft, ist diese nichts anderes als die abwesende Form (ἀπουσία), die durch Aktivität und Potentialität charakterisiert ist. Bei der anwesenden Form (παρουσία) fallen Aktivität und Aktualität/Aktualisierung zusammen. Im Allgemeinen kann die Bewegung zusammen mit der Entstehung als die Verwirklichung des möglichen Seienden als solchen definiert werden (ἡ τοῦ δυνάμει ὄντος ἐντελέχεια ᾗ τοιοῦτον, κίνησίς ἐστιν – Phys. Γ1, 201a10–11). Wie gesagt ist das mögliche Seiende nicht der konkrete Stoff, sondern die Form, die sich im Prozess der Veränderung immer als Potentielles verhalten muss. Die Form kann deswegen weder völlig in der Möglichkeit bleiben noch durchaus in die Wirklichkeit eintreten, weil die Veränderung bei der einen noch nicht anfängt und bei der
87 Der Originaltext lautet: ἐνεργείᾳ μὲν γὰρ τὸ εἶδος, ἐὰν ᾖ χωριστόν, καὶ τὸ ἐξ ἀμφοῖν στέρησις δέ, οἷον σκότος ἢ κάμνον, δυνάμει δὲ ἡ ὕλη· τοῦτο γάρ ἐστι τὸ δυνάμενον γίγνεσθαι ἄμφω – Metaph. Λ5, 1071a8–11). Der Stoff bleibt insofern in der Möglichkeit, als es ihm möglich ist, geformt oder nicht geformt zu werden. Mit anderen Worten kann die Möglichkeit dem Stoff nur dann zukommen, wenn dieser unter dem Aspekt der abwesenden Form betrachtet wird. Der konkrete Stoff liegt tatsächlich vor und existiert in der Wirklichkeit.
72
1 Metaphysik
anderen schon zu Ende geht. Was die aristotelische Definition der Veränderung angeht, so ist diese weder der Anfang noch das Ende, sondern der Prozess vom Anfang zum Ende. So können die Bewegung und die Entstehung gemeinsam als ein Prozess definiert werden, in dem die Form von der Möglichkeit in die Wirklichkeit gelangt (τὸ δυνάμει ὄν→τὸ ἐνεργείᾳ ὄν). Sowohl „Stoff-Form“ als auch „Dynamis-Energeia“ bringen die Prinzipien von Bewegung und Entstehung zum Ausdruck. Wird der Akzent auf die Substantialität von Sachverhalt und Einzelsubstanz gelegt, tritt die Analogie von beweglichem/ veränderlichem Sachverhalt und entstandener Einzelsubstanz (d. h. von sachlicher Bewegung/Veränderung und substanzieller Entstehung) in Erscheinung, und zwar in der Gestalt von „Stoff-Form“. Hinsichtlich der Prozessualität lässt sich die Analogie von Bewegung und Entstehung mit „Dynamis-Energeia“ aufzeigen.88
88 Die Einführung von δύναμις und ἐνέργεια trägt mehrere theoretische Funktionen in sich. Außer dem oben erwähnten Perspektivenwechsel lässt sich die ontologische Priorität des Naturdings vor dem Artefakt hervorheben, indem Potentialität-Aktualität in den Vordergrund rücken und StoffForm in den Hintergrund treten. Denn die Selbstaktualisierung der potentiellen Naturart vollzieht sich notwendiger als die nachträgliche Zusammensetzung von Form und Stoff. In Λ5 betont Aristoteles, dass sich δύναμις und ἐνέργεια auf eine andere Art und Weise verhalten (ἄλλως – Metaph. Λ5, 1071a5–6, 1071a11). Aufgrund dessen machen sie es möglich, die drei Typen von Substanzen (Lebewesen, Gestirn und Geist) in analogische Beziehung zu setzen. Im Vergleich zu den vergänglichen Einzellebewesen sind die ewig bewegten Gestirne weder entstanden noch vergänglich und der Geist als intelligible Substanz hebt die Materialität auf. In beiden Fällen kommt die hylemorphistische Erklärung nicht mehr zur Geltung, denn der Hylemorphismus setzt die Materialität und die Entstehung voraus. Demzufolge kann die strukturelle Ähnlichkeit von Einzellebewesen, Gestirn und Geist nicht in der Struktur von Stoff-Form, sondern im Gefüge von Vermögen-Verwirklichung (potentia-actus) gründen. Während die irdische Entstehung und die himmlische Bewegung als unvollkommene Verwirklichung des natürlichen Vermögens gelten (actus imperfectus/ἐνέργεια ἀτελής: ἥ τε κίνησις ἐνέργεια μὲν εἶναί τις δοκεῖ, ἀτελὴς δέ – Phys. Γ2, 201b31–32; πᾶσα γὰρ κίνησις ἀτελής, ἰσχνασία μάθησις βάδισις οἰκοδόμησις·αὗται δὴ κινήσεις, καὶ ἀτελεῖς γε – Metaph. Θ6, 1048b29–30), verhält sich die geistige Tätigkeit als vollkommene Aktualisierung ihrer selbst (actus perfectus/ἁπλῶς ἐνέργεια = ἐνέργεια τοῦ τετελεσμένου: ἡ γὰρ κίνησις τοῦ ἀτελοῦς ἐνέργεια, ἡ δ’ ἁπλῶς ἐνέργεια ἑτέρα, ἡ τοῦ τετελεσμένου – De An. Γ7, 431a6–7; ἁπλῆ οὐσία κατ’ ἐνέργειαν: καὶ ταύτης ἡ οὐσία πρώτη, καὶ ταύτης ἡ ἁπλῆ καὶ κατ’ ἐνέργειαν – Metaph. Λ7, 1072a31–32; ἐντελέχεια: τὸ δὲ τί ἦν εἶναι οὐκ ἔχει ὕλην τὸ πρῶτον·ἐντελέχεια γάρ. ἓν ἄρα καὶ λόγῳ καὶ ἀριθμῷ τὸ πρῶτον κινοῦν ἀκίνητον ὄν – Metaph. Λ8, 1074a35–37). Da sowohl den Naturdingen als auch den Himmelskörpern der Stoff innewohnt, sind die Entstehung der einen und die Bewegung der anderen passiv und prozessual. Die Veränderung im sublunaren Bereich ist insofern nicht vollendet, als sie immer zwischen dem möglichen und dem wirklichen Zustand stattfindet. Die geistige Tätigkeit als actus perfectus ist dadurch vor dem actus imperfectus ausgezeichnet, dass sie sich selbst nicht nur ein Ziel setzt, sondern dieses auch unmittelbar erreicht (1071a35–1071b1). Der Geist vollendet sich deswegen unmittelbar, weil er durch die Aufhebung der Materialität und der Passivität die Prozessualität mit aufhebt.
1.2 Analogie
73
Aus dem Dargelegten zeigt sich, dass die Analogie ursprünglich in der ontologischen Strukturähnlichkeit gründet und letztendlich zur logischen bzw. analogischen Begriffseinheit führt (τὰ ὀνόματα καθ’ ὁμοιότητα τῶν πραγμάτων – De An. B9, 421a32–421b1). Die Analogie ermöglicht erst, in verschiedenen Seinsebenen dieselben Begriffe anzuwenden, die die Prinzipien von Stoff-Form und von Möglichsein-Wirklichsein betreffen. Wenn man in der Theoriebildung die sachlichen Verschiedenheiten berücksichtigt, lässt sich die Gemeinsamkeit nur durch die Analogie zusammenschauen (δῆλον δ’ ἐπὶ τῶν καθ’ ἕκαστα τῇ ἐπαγωγῇ ὃ βουλόμεθα λέγειν, καὶ οὐ δεῖ παντὸς ὅρον ζητεῖν ἀλλὰ καὶ τὸ ἀνάλογον συνορᾶν – Metaph. Θ6, 1048a35–37), die die Gattungs- oder Artdifferenz in sich einbeschließt. Im Text bringt Aristoteles zum Ausdruck, dass die Natur der zugrundeliegenden Materie anhand der Analogie zur Kenntnis genommen (ἡ δὲ ὑποκειμένη φύσις ἐπιστητὴ κατ’ ἀναλογίαν – Phys. A7, 191a7–8) und die Wirklichkeit mithilfe des Analogons einheitlich ausgesagt werden muss (λέγεται δὲ ἐνεργείᾳ οὐ πάντα ὁμοίως ἀλλ’ ἢ τῷ ἀνάλογον – Metaph. Θ6, 1048b6–7). Im Grunde genommen aber gilt die analogische Begriffseinheit nicht nur für Materie und Wirklichkeit, sondern auch für die Möglichkeit, die eng mit der Materialität zusammenhängt, und für die Form, die sich mit der Wirklichkeit gleichsetzen lässt. Denn die analogische Struktur zwischen verschiedenen Seienden kann nur durch das Zusammenwirken von Form und Stoff bzw. von Wirklichein und Möglichsein konstituiert sein. Nach der summarischen Darstellung der aristotelischen Proportionalitätsanalogie (d. h. geometrischen Analogie), die den Originaltexten folgt und diesen möglichst naheliegt, gehen wir auf die systematische Entfaltung ein. Sie kommt dadurch zustande, dass die einzelnen Argumente anhand des Verweisungszusammenhangs der verschiedenen Texte sinngemäß zusammengefügt und rekonstruiert werden. In erster Linie kommt die Analogie innerhalb von Logos, Veränderung und Sein zur Entfaltung, um das logische Verhältnis zwischen Akzidenz- und Wesensprädikation, das ontische Verhältnis der Bewegung zur Entstehung und das ontologische Verhältnis von Sachverhalt und Einzelsubstanz einsichtig zu machen. Aufgrund der ontologischen Differenz sind die zugrundeliegende Einzelsubstanz und die Kategorie voneinander unterschieden (ὑποκείμενον-κατηγορία). Aufgrund des Einteilungskriteriums von per accidens und per se sind die zehn Kategorien in die akzidentelle und die wesentliche Kategorie ausdifferenziert (κατὰ συμβεβηκός-καθ’ αὑτό). Anhand desselben Einteilungskriteriums von per accidens und per se unterscheidet sich daher in der Aussage die Akzidenzprädikation von der Wesensprädikation, in der Veränderung die Bewegung von der Entstehung und im Seinsbereich der
In Bezug auf den Unterschied zwischen actus imperfectus und actus perfectus ist der berühmte sprachliche Beweis in der Metaphysik Θ6, 1048b18–35 zu vergleichen.
74
1 Metaphysik
Sachverhalt von der Einzelsubstanz. Die Analogie von Akzidenz- und Wesensprädikation besteht darin, dass die beiden an der gemeinsamen Prädikationsstruktur von Subjekt und Prädikat (ὄνομα-ῥῆμα) teilhaben müssen, die in der ontologischen Differenz von Einzelsubstanz und Kategorie fundiert ist (ὑποκείμενον-κατηγορούμενον). Die analogische Struktur von Bewegung und Entstehung zeigt sich daran, dass sich in beiden Fällen das Zugrundeliegende und der Gegensatz im Sinne von Vollendung-Privation zusammenfügen (ὑποκείμενον-ἀντίθεσις). Der Sachverhalt und die Einzelsubstanz stehen insofern im analogischen Verhältnis, als beide Komposita sind, die aus der Zusammensetzung von materialem (ὑποκείμενον/ὕλη) und formalem Prinzip (κατηγορούμενον/μορφή) resultieren. Daher verhalten sich die Akzidenzprädikation zur Wesensprädikation, die Bewegung zur Entstehung und das akzidentelle Kompositum zum substanziellen Kompositum analog. In dieser Analogie zeigen sich jeweils die logische, die ontische und die ontologische strukturelle Ähnlichkeit. Darüber hinaus können das logische Gefüge von Subjekt und Prädikat, das ontische Gefüge von Substrat und Gegensatz und das ontologische Gefüge von Substanz und Kategorie in die grundlegende Struktur von Stoff und Form vereinigt sein, die auf die funktionale Struktur von Erleiden und Machen zurückgeht. Zur Veranschaulichung soll das Dargelegte im folgenden Schema gezeigt werden (Abb. 2):
Abb. 2: Analogie innerhalb von Logos, Veränderung und Sein.
1.2 Analogie
75
Einen Schritt weitergehend bildet sich nicht nur die Analogie jeweils innerhalb von Sein, Veränderung und Logos, sondern auch und besonders die Analogie zwischen Sein, Veränderung und Logos. Zum einen verhalten sich Sachverhalt, Bewegung und Meinung, die den akzidentellen Sachverhalt ausdrückt, zueinander analog (πρᾶγμα-κίνησις-δόξα). Zum anderen setzen sich Einzelsubstanz, Entstehung und die Definition, die die Wesenssubstanz definiert, auch in analogische Beziehung (τόδε τι-γένεσις-ὁρισμός). Indem die Entstehung der Einzelsubstanz und die Definition der Wesenssubstanz zueinander analog stehen, kommt die Grundstruktur von Form-Stoff und von MachenErleiden ans Licht, die der Einheit der Substanzen zugrunde liegt. Die verschiedenen Seienden, nämlich Einzelsubstanz, Wesenssubstanz, Grundelement, Himmelskörper und Geist, lassen sich dadurch gemeinsam für Substanz halten, dass an demselben Gefüge von Form-Stoff, von Machen-Erleiden und von Wirklichsein-Möglichsein die Entstehung des einzelnen Naturseienden, die Wesensdefinition der Naturart, die Umwandlung der vier Grundelemente und die Kreisbewegung des Himmelskörpers teilhaben. Die ganze Metaphysik des Aristoteles baut deswegen auf der analogischen Struktur von Form-Stoff, von Machen-Erleiden und von Wirklichsein-Möglichsein auf, weil die analogische Struktur einerseits der sensiblen Substanz immanent ist und andererseits von der intelligiblen Substanz aufgehoben wird. Die intelligible Substanz, nämlich der Geist, hebt die analogische Struktur auf, indem er von Materialität, Passivität und Möglichkeit befreit ist. Denn der Geist ist nichts anderes als die reine aktive Aktualisierung seiner selbst. Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit soll zunächst die dreifache strukturelle Übereinstimmung von Sachverhalt, Bewegung und Meinung thematisiert werden, die theoretisch fundamental für die Übereinstimmungswahrheit ist (2.1). Dann gehen wir auf die Analogie von Einzelsubstanz, Entstehung und Definition ein, die dazu führt, die drei Modalitäten von Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit zu begründen (2.2). Im dritten Teil wird zuerst die Analogie im Hinblick auf Sein, Veränderung und Logos zusammengefasst (3.1). Aufgrund dessen ist darzustellen, wie die analogische Struktur die sensiblen Substanzen (Grundelement, Lebewesen, Himmelskörper) durchdringt und von der intelligiblen Substanz (Geist) aufgehoben wird. Anschließend werden wir sehen, dass sich die analogische Struktur, die in der Substanz- bzw. der Prinzipienlehre gründet, nicht nur auf die anderen theoretischen Wissenschaften (Physik, Mathematik), sondern auch auf die poetische und die praktische Wissenschaft und weiter noch auf die Epistemologie erstreckt. Am Schluss ist von der aristotelischen Theologie die Rede und der Akzent wird darauf gelegt, wie der Geist argumentativ zur Entfaltung kommt (3.2).
2 Zweite Philosophie (Physik) Im Rahmen der sinnlich wahrnehmbaren und vergänglichen Einzelsubstanz legt die Prinzipienforschung den Akzent auf die dreifache Entsprechung von Sein, Logos und Veränderung. In einem ersten Schritt (2.1) lässt sich aufzeigen, wie sich die Einzelsubstanz verhält, wenn die Kategorie der zugrundeliegenden Einzelsubstanz zukommt (κατὰ συμβεβηκός). Anhand der strukturellen Ähnlichkeit ergibt sich die dreifache Übereinstimmung von Sachverhalt, Aussage und Bewegung (πρᾶγμα-δόξα-κίνησις). Aufgrund dessen ist das Einzelding als Substanz zu bezeichnen, weil es als ontologische Substanz dem Sachverhalt, als logisches Subjekt der Aussage und als ontisches Substrat der Bewegung dreifältig zugrunde liegt. Im zweiten Schritt (2.2) betrachten wir die Einzelsubstanz an sich (καθ’ αὑτό). Einzelding, Entstehung und Definition kommen dadurch in Übereinkunft (τόδε τι-γένεσις-ὁρισμός), dass sich die ontologische Struktur von Stoff und Form in die Entstehung der Einzelsubstanz einerseits und in die Definition der Wesenssubstanz andererseits ausdehnt. Wie Sachverhalt, Bewegung und Aussage miteinander strukturell übereinstimmen, so stehen auch Einzelding, Entstehung und Definition zueinander analog. Das vollständige Schema lässt sich folgendermaßen darstellen (Abb. 3):
Abb. 3: Übereinstimmung von Sein, Logos und Veränderung.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung (πρᾶγμα-δόξα-κίνησις) Die sinnlich wahrnehmbare Einzelsubstanz kann in zweierlei Hinsichten betrachtet werden, nämlich per accidens und per se. Daraus resultieren das https://doi.org/10.1515/9783110664928-003
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2 Zweite Philosophie (Physik)
akzidentelle Kompositum, wobei die zugrundeliegende Substanz mit der ihr zukommenden Kategorie zusammengefügt ist (σύνθετον = ὑποκείμενον + κατηγορούμενον), und das substanzielle Kompositum, das aus Stoff und Form zusammengesetzt wird (σύνολον = ὕλη + μορφή).89 In Bezug auf das akzidentelle Kompositum gehen wir zunächst davon aus, dass der ontologische Sachverhalt
89 Das akzidentelle Kompositum ist durch σύνθετον gekennzeichnet und das substanzielle Kompositum durch σύνολον. (1) σύνθετον: (1.1) Metaph. Z4, 1029b22–25: ἐπεὶ δ’ ἔστι καὶ κατὰ τὰς ἄλλας κατηγορίας σύνθετα, ἔστι γάρ τι ὑποκείμενον ἑκάστῳ, οἷον τῷ ποιῷ καὶ τῷ ποσῷ καὶ τῷ πο τὲ καὶ τῷ ποὺ καὶ τῇ κινήσει, σκεπτέον ἆρ’ ἔστι λόγος τοῦ τί ἦν εἶναι ἑκάστῳ αὐτῶν, καὶ ὑπάρχει καὶ τούτοις τό τί ἦν εἶναι, οἷον λευκῷ ἀνθρώπῳ [τί ἦν λευκῷ ἀνθρώπῳ]. (1.2) Phys. A7, 190b10–13: ὥστε δῆλον ἐκ τῶν εἰρημένων ὅτι τὸ γιγνόμενον ἅπαν ἀεὶ συνθετόν ἐστι, καὶ ἔστι μέν τι γιγνόμενον, ἔστι δέ τι ὃ τοῦτο γίγνεται, καὶ τοῦτο διττόν· ἢ γὰρ τὸ ὑποκείμενον ἢ τὸ ἀντικείμενον. (2) σύνολον: (2.1) Metaph. B1, 995b35; B4, 999a33–34, 999b16, 999b24; K2, 1060b24–25; Z3, 1029a3–5: λέγω δὲ τὴν μὲν ὕλην οἷον τὸν χαλκόν, τὴν δὲ μορφὴν τὸ σχῆμα τῆς ἰδέας, τὸ δ’ ἐκ τούτων τὸν ἀνδριάντα τὸ σύνολον. (2.2) Alexandri In Metaphysica Commentaria (Im Folgenden zitiert als „Alexander“) 178.29–32: ἢ σύνολον λέγει τὸ συναμφότερον. εἰπὼν δὲ σύνολον, πῶς σύνολόν τί ἐστιν ἐδήλωσε, προσθεὶς < ὅταν κατηγορηθῇ τι τῆς ὕλης,> τουτέστιν ὅταν ἡ ὕλη μετά τινος εἴδους ληφθῇ. ἢ σύνολον τὸ ἔνυλον. (2.3) Alexander 640.36–37: ἔτι, φησίν, < ἔστι τι παρὰ τὸ σύνολον, > λέγων σύνολον τὸ ἐξ ὕλης καὶ εἴδους, ἢ < οὔ; > Obwohl an einigen Stellen das σύνθετον das substanzielle Kompositum (Metaph. Δ24, 1023a31–33) und das σύνολον das akzidentelle Kompositum (Metaph. M2, 1077b8–9) bezeichnet, legt Aristoteles die terminologische Anwendung beider Begriffe prinzipiell fest. In der vorliegenden Arbeit werden σύνθετον sowie σύνολον eindeutig verwendet, nämlich dass sich das σύνθετον auf das akzidentelle Kompositum und das σύνολον auf das substanzielle Kompositum bezieht. In Bezug auf den Unterschied zwischen dem akzidentellen und dem substanziellen Kompositum kann man die folgende Erläuterung vergleichen: (1) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.3 n.10 [82881]: „Sicut enim in substantiis sensibilibus compositis est materia, quae subiicitur formae substantiali, ita etiam alia praedicamenta habent suum subiectum. Est enim aliquod subiectum unicuique eorum, sicut qualitati et quantitati et quando et ubi et motui, sub quo comprehenditur agere et pati. Unde sicut quoddam compositum est ignis ex materia et forma substantiali, ita est quaedam compositio ex substantiis et accidentibus.“ (2) Thomas Sententia Metaphysicae lib.9 l.11 n.4 [83469]: „Et ideo, si talis operatio intellectus ad rem debeat reduci sicut ad causam, oportet quod in compositis substantiis ipsa compositio formae ad materiam, aut eius quod se habet per modum formae et materiae, vel etiam compositio accidentis ad subiectum, respondeat quasi fundamentum et causa veritatis, compositioni, quam intellectus interius format et exprimit voce. Sicut cum dico, Socrates est homo, veritas huius enunciationis causatur ex compositione formae humanae ad materiam individualem, per quam Socrates est hic homo: et cum dico, homo est albus, causa veritatis est compositio albedinis ad subiectum: et similiter est in aliis.“ (3) Ross (1924: 169): „There are σύνθετα or σύνολονα, not only within the category of substance (1029a5, Δ24, 1023a31) but also corresponding to the other categories, i. e. not only combination of matter and form but also (more complicated) combination of substance and accidental attribute. In fact every term in any category other than substance presupposes an underlying substance in which it inheres.“
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mit der logischen Aussage übereinstimmt (2.1.1). Dann gehen wir auf die wechselseitige Beziehung von Sein und Veränderung ein (2.1.2). Anschließend richten wir die Aufmerksamkeit darauf, wie die Veränderung bzw. die Bewegung begrifflich bestimmt ist (2.1.3). Am Ende fassen wir die vorhergehenden Abschnitte anhand der Übereinstimmungswahrheit zusammen, die am offenkundigsten die ontisch-logisch-ontologische Übereinstimmung von Bewegung, Aussage und Sachverhalt ans Licht bringt (2.1.4).
2.1.1 Sachverhalt-Meinung (πρᾶγμα-δόξα) 2.1.1.1 Die ontologische Differenz In erster Linie ist es die ontologische Differenz, welche die strukturelle Ähnlichkeit von Sein und Logos ausmacht. Um Substanz und Kategorie voneinander zu unterscheiden, führt Aristoteles zwei Kriterien ein, nämlich das Seins- (ἐν ὑποκειμένῳ εἶναι) und das Aussagekriterium (καθ’ ὑποκειμένου λέγεσθαι). Einerseits liegt das Seiende entweder im Zugrundeliegenden vor oder nicht. Andererseits wird das Seiende entweder vom Zugrundeliegenden ausgesagt oder nicht. Anhand der beiden Gegensatzpaare vollzieht sich die vierfache Einteilung. Bevor sich der Chiasmus entwickelt, muss zunächst klar sein, was mit den beiden Kriterien gemeint ist. Im Text steht eine Definition des Im-Zugrundeliegenden-Seins zur Verfügung, woraus die Bedeutungen der anderen drei Ausdrücke abgeleitet werden können. ἐν ὑποκειμένῳ δὲ λέγω ὃ ἔν τινι μὴ ὡς μέρος ὑπάρχον ἀδύνατον χωρὶς εἶναι τοῦ ἐν ᾧ ἐστίν. – Cat. 2, 1a24–25
„Im Zugrundeliegenden“ nenne ich das, was im Bestimmten (Einzelnen) vorliegt. Es ist weder wie ein Bestandteil vorhanden noch kann es von dem, worin es sich befindet, getrennt werden. Wovon die Rede ist, ist nichts anderes als das Akzidenz. Denn Form und Stoff befinden sich zwar im zugrundeliegenden Einzelding, aber die beiden konstituieren als Bestandteile das einzelne Artefakt und können davon abgesondert werden.90 Durch die begriffliche Einschränkung kann das
90 Der Begriff „Teil“ ist mehrdeutig. Anhand der Grundbedeutung entfaltet sich derselbe Begriff in verschiedenen Seinsbereichen. Aufgrund bestimmter Textauszüge (Phys. Δ3, 210a14–20; Metaph. Δ24, 1023a31–1023b2; Δ25, 1023b12–25; Z10, 1034b32–1035a9, 1035b31–1036a2) werden wir die Mehrdeutigkeit des Teils analysieren und systematisch darstellen. An die platonische Tradition anknüpfend definiert Aristoteles das Ganze als solches, von dem kein einziger Teil abwesend ist (Τί δὲ τὸ ὅλον; οὐχὶ οὗ ἂν μέρος μηδὲν ἀπῇ ὅλον ἂν εἴη; Πάνυ γε – Prm. 137c7–8; Ὅλον λέγεται οὗ τε μηθὲν ἄπεστι μέρος ἐξ ὧν λέγεται ὅλον φύσει – Metaph. Δ26, 1023b26–27). Da der
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Seiende, das im Zugrundeliegenden vorliegt, nur als Akzidenz zu verstehen sein (ἐν ὑποκειμένῳ εἶναι = συμβεβηκόϛ). Dementsprechend impliziert das Seiende, das nicht im Zugrundeliegenden vorhanden ist, das Gegenteil des Akzidenz, nämlich die Substanz (οὐκ ἐν ὑποκειμένῳ εἶναι = οὐσία). Der Begriff „ὑποκείμενον“ ist insofern zweideutig, als er im Seinskriterium das ontologisch Zugrundeliegende und im Aussagenkriterium das logisch Zugrundeliegende bezeichnet.91
Teil per definitionem Teil eines Ganzen ist (Τὸ μέρος που ὅλου μέρος ἐστίν – Prm. 137c6, 142b6–8), ist der Teil der Bestandteil, woraus das Ganze konstituiert ist oder der Teil ist das, in das sich die Ganzheit zerlegen lässt (ἔτι εἰς ἃ διαιρεῖται ἢ ἐξ ὧν σύγκειται τὸ ὅλον – Metaph. Δ25, 1023b19–20; Z10, 1035a24–25, 1035b11–12). Da der Teil durch die Teilung der Ganzheit zustande kommt, lässt sich die Teilbarkeit als Grundbedeutung des Teils festlegen. Je nachdem, ob das Seiende quantitativ, substanziell oder definitorisch geteilt wird, kann der Teil dreifach zum Vorschein kommen. (1) Erstens ist die Zahl numerisch teilbar (ποσόν). Die numerische Teilbarkeit kann weiter zwiefältig zu unterscheiden sein (Primo modo pars dicitur, in quam dividitur aliquid secundum quantitatem: et hoc dupliciter – Thomas Sententia Metaphysicae lib.5 l.21 n.9 [82658]). (1.1) Zum einen ist eine kleine Zahl der Teil einer großen Zahl, denn die große Zahl kann in die kleine geteilt werden (Metaph. Δ25, 1023b12–15). (1.2) Zum anderen ist zwei als kleinste Maßeinheit ein Teil aller geraden Zahlen, da alle geraden Zahlen durch zwei gemessen und auf zwei reduziert werden können (μετροῦν, καταμετροῦν – Metaph. Δ25, 1023b15–17; Z10, 1034b32–33; Alexander 423.39–424.6; 503.4–7). (2) Außer der numerischen Teilbarkeit der Zahl ist zweitens von der Teilbarkeit der Substanz die Rede (οὐσία). Drei Typen von Substanzen, nämlich das Kompositum, die Form/Art und die Gattung sind teilbar. (2.1) Indem sich die erzene Statue in den Stoff Erz und die bestimmte Gestalt zerlegen lässt, sind Stoff und Form die Bestandteile des zusammengesetzten Einzeldings (Metaph. Δ25, 1023b19–22; Z10, 1035a25–27). (2.2) Die Art oder die Form kann auf die formalen Bestandteile zu reduzieren sein. Wenn die mathematischen Entitäten zergliedert werden, wie z. B. der Kreis in die Halbkreise oder die Linie in die Linienhälften, ergeben sich der Halbkreis und die Linienhälfte jeweils als Bestandteil des ganzen Kreises und der ganzen Linie (Metaph. Z10, 1035b9–12; Θ6, 1048a33). Der Seele wohnen die verschiedenen Vermögen inne, die als Seelenteile angesehen werden können (ὅτι μὲν οὖν ἡ τοιαύτη δύναμις κινεῖ τῆς ψυχῆς, ἡ καλουμένη ὄρεξις, φανερόν. τοῖς δὲ διαιροῦσι τὰ μέρη τῆς ψυχῆς, ἐὰν κατὰ τὰς δυνάμεις διαιρῶσι καὶ χωρίζωσι, πάμπολλα γίνεται, θρεπτικόν, αἰσθητικόν, νοητικόν, βουλευτικόν, ἔτι ὀρεκτικόν· ταῦτα γὰρ πλέον διαφέρει ἀλλήλων ἢ ἐπιθυμητικὸν καὶ θυμικόν – De An. Γ10, 433a31–b4; Metaph. Z10, 1035b13–20; Alexander 424.29–31). (2.3) Außer der Teilbarkeit des konkreten Einzeldings (Artefakt) und des formalen Seienden (mathematische Entitäten, Seele) differenziert sich die Gattung in verschiedene Arten aus, sodass die Arten zum Teil der Gattung gezählt werden können (διὸ τὰ εἴδη τοῦ γένους φασὶν εἶναι μόρια – Metaph. Δ25, 1023b17–19; Phys. Δ3, 210a17–18). (3) Drittens ist die Definition teilbar (λόγος), insofern sie als sprachlicher Komplex gilt. Da die Wesensdefinition aus Gattung und spezifischer Differenz konstituiert ist, kann sie in beide Definitionselemente geteilt werden. Die Gattung ist der definitorische Bestandteil der Art und die Art ist der substanzielle Teil der Gattung (διὸ τὸ γένος τοῦ εἴδους καὶ μέρος λέγεται, ἄλλως δὲ τὸ εἶδος τοῦ γένους μέρος – Metaph. Δ25, 1023b22–25; Phys. Δ3, 210a17–20). 91 (1) Ammonii In Categoriarum 26.10–12: ἢ ὅτι τὸ ὑποκείμενον διχῶς λέγεται, τὸ μὲν πρὸς ὕπαρξιν ὡς ἡ οὐσία τοῖς συμβεβηκόσι, τὸ δὲ πρὸς κατηγορίαν ὡς αἱ μερικαὶ οὐσίαι ταῖς καθόλου. (2) Philoponi In Categoriarum 30.25–28: Πρὸς τούτοις ἐροῦμεν ὅτι τὸ ὑποκείμενον
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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In der Prädikation ist nicht von der ontologischen Substanz, sondern vom logischen Subjekt die Rede. Was vom zugrundeliegenden Subjekt ausgesagt wird, ist das allgemeine Prädikat (καθ’ ὑποκειμένου λέγεσθαι = καθόλου). Dasjenige, was nicht vom zugrundeliegenden Subjekt ausgesagt wird – anders formuliert: nicht als Prädikat verwendet wird –, weist die Einzelheit auf (οὐ καθ’ ὑποκειμένου λέγεσθαι = μερικόν). Dadurch, dass sich Substanz-Akzidenz und AllgemeinheitEinzelheit miteinander überkreuzen, ergibt sich die folgende Vierteilung (Tab. 8): Tab. 8: Ontologische Differenz. οὐσία
συμβεβηκός
καθόλου
ἄνθρωπος, ζῷον
τὸ λευκόν
μερικόν
ὁ τὶς ἄνθρωπος
τὸ τὶ λευκόν
Anhand des Chiasmus ist das Seiende in vier Klassen einzuteilen: die allgemeine Substanz (καθόλου οὐσία), die nicht in dem Zugrundeliegenden vorhanden ist, sondern von demselben ausgesagt wird; die einzelne Substanz (μερικὴ οὐσία), die weder in dem Zugrundeliegenden vorhanden ist, noch von demselben ausgesagt wird; das allgemeine Akzidenz (καθόλου συμβεβηκός), das sowohl in dem Zugrundeliegenden vorhanden ist als auch von demselben ausgesagt wird; und das einzelne Akzidenz (μερικὸν συμβεβηκός), das zwar in dem Zugrundeliegenden vorhanden ist, aber nicht von demselben ausgesagt wird.92 Diese Unterscheidung führt zu wichtigen theoretischen Konsequenzen. Erstens fallen die allgemeine Substanz (καθόλου οὐσία) und die einzelne Substanz (μερικὴ οὐσία) auseinander. Mit der einen ist die Wesenssubstanz gemeint und mit der anderen die Einzelsubstanz. Im Zusammenhang mit der Kategorienlehre nennt Aristoteles die Wesenssubstanz die zweite Substanz (καθόλου οὐσία = εἶδος, γένος = δεύτερα οὐσία)93 und die Einzelsubstanz die erste Substanz (μερικὴ
διττόν, τὸ μὲν πρὸς ὕπαρξιν ὑποκείμενον τὸ δὲ πρὸς κατηγορίαν· πρὸς ὕπαρξιν μὲν ἡ οὐσία (αὕτη γὰρ ὑπόκειται πρὸς ὕπαρξιν τοῖς συμβεβηκόσι), πρὸς κατηγορίαν δὲ τὰ μερικά. 92 Cat. 2, 1a20–1b6; Porphyrii In Categoriarum 78.34–79.11; Ammonii In Categoriarum 25.5–12; Simplicii In Categoriarum 44.11–25; Philoponi In Categoriarum 28.9–23; Olympiodori In Aristotlis Categorias Commentarius 43.3–11; Eliae (olim Davidis) In Categoriarum 147.7–11. 93 Cat. 5, 2a14–19: δεύτεραι δὲ οὐσίαι λέγονται, ἐν οἷς εἴδεσιν αἱ πρώτως οὐσίαι λεγόμεναι ὑπάρχουσιν, ταῦτά τε καὶ τὰ τῶν εἰδῶν τούτων γένη· οἷον ὁ τὶς ἄνθρωπος ἐν εἴδει μὲν ὑπάρχει τῷ ἀνθρώπῳ, γένος δὲ τοῦ εἴδους ἐστὶ τὸ ζῷον· δεύτεραι οὖν αὗται λέγονται οὐσίαι, οἷον ὅ τε ἄνθρωπος καὶ τὸ ζῷον.
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οὐσία = τόδε τι = πρώτη οὐσία).94 Bemerkenswert ist, dass die Wesenssubstanz zwar die Allgemeinheit hervorhebt (εἶδος/γένος-καθόλου) und die Einzelsubstanz die Individualität in den Vordergrund bringt (τόδε τι-καθ’ ἕκαστον), die beiden aber beim einzelnen Naturding ursprünglich vereinigt sind.95 Zweitens ist nicht nur die Substanz, sondern auch das Akzidenz in Einzelheit und Allgemeinheit gespalten. Zweifelsohne befindet sich das einzelne Akzidenz im zugrundeliegenden Einzelding, wie z. B. die bestimmte grammatische Kenntnis (ἡ τὶς γραμματική) in der einzelnen Seele oder das eine Weiße (τὸ τὶ λευκόν) beim Einzelkörper vorliegt. Die einzelne Beschaffenheit kann zwar dem konkreten Einzelding inhärent sein, nicht aber vom Zugrundeliegenden prädiziert werden. Kommt das Akzidenz als Prädikat dem Einzelding als Subjekt zu, geht das einzelne Akzidenz unmittelbar in das allgemeine Prädikat über. Denn das Prädikat trägt die Funktion in sich, das Subjekt verallgemeinernd auszusprechen.96 In der Tat wohnt diesem Körper zwar das gewisse Weiße inne, in der Aussage aber kann nur das verallgemeinerte Weiße zur Sprache kommen, nämlich dass dieser Körper weiß ist. Drittens dient die chiastische Einteilung dazu, die Einzelsubstanz von der Kategorie (μερικὴ οὐσία-κατηγορία), d. h. das Zugrundeliegende von dem Zukommenden (ὑποκείμενον-συμβεβηκός), zu differenzieren. Die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie ist insofern theoretisch von großer Bedeutung, als das ursprünglich Untrennbare trennbar gemacht wird. Beim konkreten Sachverhalt sind die zugrundeliegende Einzelsubstanz und die zukommende Kategorie nicht nur sachlich untrennbar, sondern auch schwierig voneinander zu unterscheiden.
94 Cat. 5, 2a11–14: Οὐσία δέ ἐστιν ἡ κυριώτατά τε καὶ πρώτως καὶ μάλιστα λεγομένη, ἣ μήτε καθ’ ὑποκειμένου τινὸς λέγεται μήτε ἐν ὑποκειμένῳ τινί ἐστιν, οἷον ὁ τὶς ἄνθρωπος ἢ ὁ τὶς ἵππος. 95 Es ist keineswegs ein Zufall, dass Aristoteles das einzelne Naturseiende, die Art und die Gattung gemeinsam als Ousia bezeichnet. Das Zusammenfallen der Einzelsubstanz mit den beiden Wesenssubstanzen lässt sich einerseits mit der Wesensprädikation aufzeigen, dass Sokrates Mensch und Lebewesen ist. Andererseits ist das notwendige Prädikationsverhältnis anhand der teleologischen Naturentstehung nachzuweisen. Ist ein einzelner Mensch geboren, trägt er per se die menschliche Art und die Gattung Lebewesen in sich. 96 Simplicii In Categoriarum 17.14–24: οἷον ‚Σωκράτης ἄνθρωπός ἐστιν‘· ὑπόκειται μὲν ὁ Σωκράτης, κατηγορεῖται δὲ ὁ ἄνθρωπος. καὶ ὑπόκειται μὲν τὸ μερικώτερον, κατηγορεῖται δὲ τὸ καθολικώτερον, καὶ ἀδύνατον ἐπὶ τῶν κυρίως κατηγορουμένων ἀντιστρέψαι· οὐ γὰρ δυνατὸν εἰπεῖν ὅτι ὁ ἄνθρωπος Σωκράτης ἐστὶν οὐδὲ ὅτι τὸ ζῷον ἄνθρωπος. ἔστιν δὲ τὰ μὲν μόνως κατηγορούμενα, ὡς καὶ ἐν τῇ Πορφυρίου Εἰσαγωγῇ εἴρηται, τὰ γενικώτατα γένη, τὰ δὲ μόνως ὑποκείμενα, τὰ ἄτομα. καὶ γὰρ ἐκείνων μὲν τὰ ἄλλα μετέχει, διὸ καὶ λέγεται κατὰ τῶν μετεχόντων· ἐκεῖνα δὲ ἄλλων οὐ μετέχει, διὸ οὐδενὶ ἐκεῖνα πρὸς κατηγορίαν ὑπόκειται· τὰ δὲ ἄτομα μετέχει μὲν τῶν ὑπὲρ αὐτὰ καὶ διὰ τοῦτο ὑπόκειται αὐτοῖς, ὑπ’ οὐδενὸς δὲ ὡς ὁλικώτερα μετέχεται καὶ διὰ τοῦτο οὐδενὸς κατηγορεῖται.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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Was in der Wirklichkeit unmittelbar vorliegt, ist nichts anderes als der sinnlich wahrnehmbare Sachverhalt, wobei die Einzelsubstanz mit unendlich mannigfaltigen Eigenschaften behaftet ist. Dadurch, dass die mannigfaltigen Zukommenheiten in zehn Klassen sortiert und eingeordnet werden, treten sie in Form der kategorialen Struktur auf. Obwohl im konkreten Einzelfall die kategoriale Eigenschaft dem Einzelding zufällig zukommt, ist die Kategorie als Struktur mit der Einzelsubstanz eng verknüpft (καθ’ αὑτὰ δὲ εἶναι λέγεται ὅσαπερ σημαίνει τὰ σχήματα τῆς κατηγορίας – Metaph. Δ7, 1017a22–23).97 Denn in der Empirie gibt es keine reine Einzelsubstanz, die von den quantitativen (mindestens drei Dimensionen) sowie qualitativen Beschaffenheiten (mindestens Farbe) und der zeit-räumlichen Befindlichkeit abzusondern ist.98 Wie kann sich, im Falle, dass die zehnfache Kategorie als Struktur der Einzelsubstanz unentbehrlich und sachlich untrennbar ist, die zukommende Kategorie von der zugrundeliegenden Substanz unterscheiden? Um das Rätsel aufzulösen, setzt Aristoteles damit an, den ganzen Sachverhalt nicht als teillose Totalität, sondern als teilbares Kompositum zu betrachten, das sich in zwei Teile zerlegen lässt. Des Weiteren ist der einheitliche Sachverhalt nur dann ins Zugrundeliegende und Zukommende, d. h. in die Substanz und die Kategorie, aufzuspalten, wenn die ontologische Operation, nämlich das chiastische Einteilungsverfahren, in die Tat umgesetzt wird. Die Einzelsubstanz lässt sich dadurch vom Sachverhalt absondern, dass sowohl das Seins- als auch das Aussagekriterium verneint werden. Die Einzelsubstanz liegt deshalb nicht im Zugrundeliegenden vor, weil sie nicht sich selbst, sondern den zukommenden kategorialen Eigenschaften zugrunde liegt. Noch wird die Einzelsubstanz vom Zugrundeliegenden ausgesagt, denn in der sinnvollen Aussage wird nicht das Subjekt selbst (Sokrates ist Sokrates), sondern nur das zukommende Prädikat vom Subjekt prädiziert (Sokrates ist Mensch oder Sokrates ist weiß).
97 Wir müssen die Struktur der Kategorie vom konkreten Inhalt unterscheiden. Die sachliche Untrennbarkeit der Kategorie von der Einzelsubstanz weist darauf hin, dass die kategoriale Struktur der Einzelsubstanz per se immanent ist. Denn die Quantität, die Qualität und der Zeit-Raum bieten die festgelegte Rahmenbedingung an, worin sich das konkrete Einzelding befinden muss. Welche konkrete kategoriale Eigenschaft dem Einzelding zukommt, ist zufällig. Die Kategorie als Aussage- und Seinsstruktur kommt der Einzelsubstanz notwendig zu und der kategoriale Inhalt ist nichts anderes als Akzidenz (συμβεβηκός κατὰ συμβεβηκότα). Anders gesagt ist die Kategorie strukturell notwendig, inhaltlich aber zufällig. Außer der Wesenskategorie sind die neun anderen Kategorien mit der formalen Notwendigkeit und der inhaltlichen Zufälligkeit verknüpft. 98 In der Wirklichkeit ist die Einzelsubstanz mit der Kategorie immer verbunden und nur in Gedanken ist die Substanz von der kategorialen Eigenschaft trennbar. Sobald ein konkretes Einzelding entstanden ist, kommen die quantitativen und die qualitativen Eigenschaften, z. B. eine bestimmte Größe und eine gewisse Farbe, gleichzeitig zum Vorschein (οὐδέποτε γὰρ τῶν ὑπὸ γένεσιν οὐσιῶν ἔστι τις ἄνευ ποιότητος ἢ ποσότητος ἢ τῶν τοιούτων – Alexander 461.2–3).
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Mithilfe der ontologischen Operation des Chiasmus lässt sich der einheitliche Sachverhalt in zwei Teile zerlegen, und zwar in die zugrundeliegende Substanz und die zukommende Kategorie. Darum wird die grundlegende Differenz von Substanz und Kategorie weder ontisch noch rein logisch, sondern ontologisch aufgestellt. Außerdem legt die ontologische Differenz sowohl der logischen Aussage als auch der ontischen Veränderung ein metaphysisches Fundament, indem sich die ontologische Struktur von Substanz und Kategorie auf die logische Subjekt-Prädikat-Struktur und das ontische Substrat-Eigenschaft-Gefüge erstreckt. Mit anderen Worten: Die Differenz von Substanz und Kategorie, die ontologisch konzipiert ist, lässt sich sowohl logisch (2.1.1) als auch ontisch (2.1.2) aufzeigen. Im Folgenden konzentrieren wir uns nur darauf, wie die logische Aussage den ontologischen Sachverhalt widerspiegelt. Unter einem elementaren Aussagesatz ist ein solcher Satz zu verstehen, der nicht nur formal aus Nomen und Verb zusammengesetzt ist, sondern vielmehr auf die Realität Bezug nehmen muss. Daraus folgt, dass die Aussage bzw. das Urteil wahr oder falsch sein muss (λόγος ἀποφαντικὸς = δόξα).99 Wenn man z. B. den Sachverhalt vom „musikalischen Sokrates“ zur Sprache bringt, ist die Aussage derart zu formulieren, dass sie lautet: „Sokrates ist musikalisch“. Der ontologische Sachverhalt wird im Aussagesatz wiedergegeben, indem sich die Einzelsubstanz Sokrates in das Nomen/Subjekt und die zukommende Eigenschaft, das Musikalische, in das Verb/Prädikat transformiert. Unmittelbar wird der Eigenname, der der ontologischen Einzelsubstanz entspricht, als logisches Subjekt angewendet. Da nicht der Eigenname vom Prädikat, sondern das Prädikat vom Eigennamen, nämlich von „Sokrates“, ausgesagt wird, lässt sich der Eigenname als logisch Zugrundeliegendes, d. h. logisches Subjekt, bezeichnen (subiectum proportionis). Außer dem Eigennamen können der Begriff und der Oberbegriff, die mit den Wesenssubstanzen, d. h. Art und Gattung, korrespondieren, im übertragenen Sinne als logische Subjekte auftauchen. In Aussagen wie z. B. „Der Mensch ist vernünftiges Lebewesen“ und „Das Lebewesen ist beseelte und wahrnehmungsfähige Substanz“ gelten der Begriff „Mensch“ sowie der Oberbegriff „Lebewesen“ als logische Subjekte (Cat. 5, 3a1–6). Während der Begriff (Mensch) und der Oberbegriff (Lebewesen) in der Aussage nicht nur als Subjekte, sondern auch als Prädikate fungieren können, kommt der Eigenname (Sokrates) nur als Subjekt zur Geltung. Da der Eigenname die kleinste Maßeinheit bildet, die logisches Subjekt sein kann,
99 (1) Int. 4, 17a2–3: ἀποφαντικὸς δὲ οὐ πᾶς, ἀλλ’ ἐν ᾧ τὸ ἀληθεύειν ἢ ψεύδεσθαι ὑπάρχει. (2) Int. 5, 17a8–9: Ἔστι δὲ εἷς πρῶτος λόγος ἀποφαντικὸς κατάφασις, εἶτα ἀπόφασις. (3) Simplicii In Categoriarum 17.11–14: τοῦ γὰρ ἀποφαντικοῦ λόγου, ἐν ᾧ τὸ ἀληθὲς συνίσταται καὶ τὸ ψεῦδος, τὸ μέν τί ἐστιν ὑποκείμενον, περὶ οὗ ὁ λόγος, τὸ δὲ περὶ ἐκείνου λεγόμενον, ὅπερ κατηγορούμενον ὡς κατὰ τοῦ ὑποκειμένου λεγόμενον καλεῖται.
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wird der Eigenname, der die konkrete Einzelsubstanz bezeichnet, das letzte Subjekt genannt (ultimum subiectum, ὑποκείμενον ἔσχατον – Metaph. Δ8, 1017b13–14, 1017b23–25; Z3, 1028b36–37). Andererseits bezieht sich das Verb immer auf das Nomen, da das Prädikat vom zugrundeliegenden Subjekt ausgesagt werden muss.100 Dadurch, dass die mannigfaltigen Eigenschaften in zehn Sorten zu klassifizieren sind, bieten die Kategorien insgesamt zehn Prädikationsmöglichkeiten. Das Sein und das Denken oder der Logos (πρᾶγμα = διάνοια = λόγος/δόξα – Soph. 263d10–264b5) stimmen deswegen miteinander überein, weil der Sachverhalt und die Aussage an einer ähnlichen Struktur teilhaben (ὁμοιώματα – Int. 16a7). Anders formuliert: Die ontologisch-logische Übereinstimmung kommt dadurch zustande, dass sich die Struktur des Sachverhaltes auf die der Aussage überträgt. Einerseits lässt sich der Sachverhalt als ontologisches Kompositum ansehen, insofern er aus Einzelsubstanz und Kategorie zusammengesetzt wird (πρᾶγμα/σύνθετον = ὑποκείμενον + κατηγορούμενον).101 Andererseits ist die Aussage, die den akzidentellen Sachverhalt zum Ausdruck bringt, als logische Komplexität zu bezeichnen, denn die Aussage ist aus Subjekt und Prädikat konstituiert (λόγος/σύνθετος = ὄνομα + ῥῆμα).102 Die ontologische Einzelsubstanz ist
100 (1) Int. 3, 16b6–10: Ῥῆμα δέ ἐστι τὸ προσσημαῖνον χρόνον, οὗ μέρος οὐδὲν σημαίνει χωρίς· ἔστι δὲ τῶν καθ’ ἑτέρου λεγομένων σημεῖον. [. . .] καὶ ἀεὶ τῶν ὑπαρχόντων σημεῖόν ἐστιν, οἷον τῶν καθ’ ὑποκειμένου. (2) Poet. 1457a14–16: ῥῆμα δὲ φωνὴ συνθετὴ σημαντικὴ μετὰ χρόνου ἧς οὐδὲν μέρος σημαίνει καθ’ αὑτό, ὥσπερ καὶ ἐπὶ τῶν ὀνομάτων. 101 Metaph. Z4, 1029b22–25: ἐπεὶ δ’ ἔστι καὶ κατὰ τὰς ἄλλας κατηγορίας σύνθετα, ἔστι γάρ τι ὑποκείμενον ἑκάστῳ, οἷον τῷ ποιῷ καὶ τῷ ποσῷ καὶ τῷ ποτὲ καὶ τῷ ποὺ καὶ τῇ κινήσει, σκεπτέον ἆρ’ ἔστι λόγος τοῦ τί ἦν εἶναι ἑκάστῳ αὐτῶν, καὶ ὑπάρχει καὶ τούτοις τὸ τί ἦν εἶναι, οἷον λευκῷ ἀνθρώπῳ [τί ἦν λευκῷ ἀνθρώπῳ]. 102 (1) Int. 5, 17a20–22: τούτων δ’ ἡ μὲν ἁπλῆ ἐστὶν ἀπόφανσις, οἷον τὶ κατὰ τινὸς ἢ τὶ ἀπὸ τινός, ἡ δ’ ἐκ τούτων συγκειμένη, οἷον λόγος τις ἤδη σύνθετος. (2) Int. 10, 19b10–14: [. . .] ἔσται πᾶσα κατάφασις ἢ ἐξ ὀνόματος καὶ ῥήματος ἢ ἐξ ἀορίστου ὀνόματος καὶ ῥήματος. ἄνευ δὲ ῥήματος οὐδεμία κατάφασις οὐδ’ ἀπόφασις· τὸ γὰρ ἔστιν ἢ ἔσται ἢ ἦν ἢ γίγνεται ἢ ὅσα ἄλλα τοιαῦτα, ῥήματα ἐκ τῶν κειμένων ἐστίν· προσσημαίνει γὰρ χρόνον. (3) Soph. 262d2–6: Δηλοῖ γὰρ ἤδη που τότε περὶ τῶν ὄντων ἢ γιγνομένων ἢ γεγονότων ἢ μελλόντων, καὶ οὐκ ὀνομάζει μόνον ἀλλά τι περαίνει, συμπλέκων τὰ ῥήματα τοῖς ὀνόμασι. διὸ λέγειν τε αὐτὸν ἀλλ’ οὐ μόνον ὀνομάζειν εἴπομεν, καὶ δὴ καὶ τῷ πλέγματι τούτῳ τὸ ὄνομα ἐφθεγξάμεθα λόγον. (4) Soph. 262e13–14: Λέξω τοίνυν σοι λόγον συνθεὶς πρᾶγμα πράξει δι’ ὀνόματος καὶ ῥήματος. Die Aussage muss aus Nomen und Verb zusammengesetzt werden. Der Unterschied dazwischen liegt darin, dass das Nomen zeitlos und das Verb zeitlich bestimmt ist. Einerseits führt die Unveränderlichkeit des Nomens (ὄνομα ἀεί) zur Zeitlosigkeit (Ὄνομα μὲν οὖν ἐστὶ φωνὴ σημαντικὴ κατὰ συνθήκην ἄνευ χρόνου, ἧς μηδὲν μέρος ἐστὶ σημαντικὸν κεχωρισμένον – Int. 2, 16a19–21; ὄνομα δέ ἐστι φωνὴ συνθετὴ σημαντικὴ ἄνευ χρόνου ἧς μέρος οὐδέν ἐστι καθ’ αὑτὸ σημαντικόν – Poet. 1457a10–12). Andererseits muss das Verb die zeitliche Bestimmung in sich tragen (Ῥῆμα δέ ἐστι τὸ προσσημαῖνον χρόνον, οὗ μέρος οὐδὲν σημαίνει χωρίς· ἔστι δὲ τῶν καθ’ ἑτέρου λεγομένων σημεῖον. λέγω δ’ ὅτι προσσημαίνει χρόνον, οἷον ὑγίεια μὲν ὄνομα, τὸ δ’ ὑγιαίνει
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nicht mit dem logischen Subjekt zu identifizieren, sondern das ontologisch Zugrundeliegende kommt anhand des logisch Zugrundeliegenden logischerweise zum Ausdruck. Ebenfalls ist die Kategorie mit dem Prädikat nicht identisch, sondern macht die Prädikation möglich, indem sich die ontologische Kategorie im logischen Prädikat spiegelt. Aus dem Vergleich des Sachverhaltes mit der Aussage folgt daher keine sachliche Gleichheit, sondern die strukturelle Ähnlichkeit. Des Weiteren betrifft die Entsprechung von Sachverhalt und Aussage nicht nur die Struktur, sondern auch die Kombinationsart und -weise der jeweiligen Bestandteile. Wie sich die Kategorie zur Einzelsubstanz verhält, so verhält sich das Prädikat zum Subjekt. Anhand der Analogie von Sachverhalt und Aussage sind die Einzelsubstanz und das Subjekt durch denselben Begriff „ὑποκείμενον“ gekennzeichnet, da beide die gleiche Funktion erfüllen, im ontologischen und logischen Bereich zugrundezuliegen. Auf ähnliche Weise werden die Kategorie und das Prädikat anhand desselben Terminus „συμβεβηκός“ begrifflich zusammengefasst, insofern die Kategorie als einzelnes Akzidenz der ontologischen Einzelsubstanz und als allgemeines Prädikat dem logischen Subjekt zukommt. Darum sind das Zugrundeliegende sowie das Zukommende ontologisch-logisch doppelt konzipiert. Es ist selbstverständlich, dass das Verhältnis von Sein (τὸ ὂν) und Logos (λόγος) für die ontologische Untersuchung (Ontologie) ein zentrales Thema wird. Die Frage, wie Sein und Logos, d. h. Sachverhalt und Aussage, in Übereinkunft gebracht werden können, setzt schon voraus, dass es dazwischen eine zu überwindende Kluft gibt. Die aristotelische Ontologie entzieht sich dem Problem dadurch, dass sie weder bloß ontisch noch formal logisch, sondern onto-logisch konzipiert ist. Anders gesagt sind Sein und Logos nicht nachträglich vereinigt, sondern die Übereinstimmung wird von vornherein gesetzt. Es zeigt sich darin, dass die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie die logische Unterscheidung von Subjekt und Prädikat mit sich bringt. Wie das Sein zum Logos steht, so auch die Ontologie zur Logik. Demzufolge kommt die aristotelische Logik, die nach der Tradition für ein Organon gehalten wird, nicht als äußerliches Werkzeug zur Geltung, sondern als innerlicher und notwendiger Bestandteil der Ontologie.
ῥῆμα· προσσημαίνει γὰρ τὸ νῦν ὑπάρχειν – Int. 3, 16b6–9; ῥῆμα δὲ φωνὴ συνθετὴ σημαντικὴ μετὰ χρόνου ἧς οὐδὲν μέρος σημαίνει καθ’ αὑτό, ὥσπερ καὶ ἐπὶ τῶν ὀνομάτων· τὸ μὲν γὰρ ἄνθρωπος ἢ λευκόν οὐ σημαίνει τὸ πότε, τὸ δὲ βαδίζει ἢ βεβάδικεν προσσημαίνει τὸ μὲν τὸν παρόντα χρόνον τὸ δὲ τὸν παρεληλυθότα – Poet. 1457a16–18). In der Auslegung der aristotelischen Kategorienlehre ist die Zeitlichkeit des Verbs von entscheidender Bedeutung. Denn das mit der zeitlichen Bestimmung verbundene Verb bzw. Prädikat weist darauf hin, dass sich die Aussage nur auf den konkreten Sachverhalt bezieht, der sich in der Zeit ereignet. Daraus folgt, dass die Kategorien des Aristoteles nicht auf die intelligiblen, sondern nur auf die sensiblen Seienden gerichtet sind.
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2.1.1.2 Kategoriale Ausdifferenzierung Wie gezeigt wurde, konzentriert sich die aristotelische Kategorienlehre in erster Linie auf die ontologische Differenz von Einzelsubstanz und Kategorie. Auf dieser Grundlage geht es im zweiten Schritt um die kategoriale Ausdifferenzierung. Wir legen die Betonung nicht darauf, die Kategorien in die zehn Klassen einzuteilen, sondern darauf, die zehn Kategorien in wesentliche und akzidentelle Kategorie zu trennen. Anhand der Übereinstimmung von Sein und Logos kann der Gedankengang folgendermaßen äquivalent umschrieben werden. Logisch betrachtet orientiert sich die Kategorienlehre zunächst an der Unterscheidung von Subjekt und Prädikat. Nachdem die Prädikationsstruktur (τὶ κατὰ τινὸς λέγεται) überhaupt festgelegt worden ist, kommen die verschiedenen Prädikationsarten und -weisen (τὸ ὂν πολλαχῶς λέγεται) zur Entfaltung. Nicht die zehn Prädikationsmöglichkeiten, sondern der Unterschied von Wesens- und Akzidenzprädikation rückt in den Vordergrund. In der Tat kommt die zwiefältige Ausdifferenzierung der Kategorien anhand des oben erwähnten Chiasmus schon dadurch ans Licht, dass sich die prädikative Allgemeinheit in die Wesenssubstanz, nämlich das Wesensprädikat (καθόλου οὐσία) und das Akzidenzprädikat (καθόλου συμβεβηκός), zerlegen lässt. Um den prädikativen Unterschied von per se und per accidens zu präzisieren, führt Aristoteles einen anderen Chiasmus ein (Tab. 9). Tab. 9: Kategoriale Ausdifferenzierung. λόγος αὐτός
λόγος ἕτερος
ὄνομα αὐτόν
συνώνυμα
ὁμώνυμα
ὄνομα ἕτερον
πολυώνυμα
ἑτερώνυμα
Indem sich Namensgleichheit-Namensverschiedenheit und DefinitionsgleichheitDefinitionsverschiedenheit überkreuzen, kommt die vierfache Teilung zum Vorschein.103 Die συνώνυμα weisen darauf hin, dass die beiden Seienden sowohl die gleiche Benennung als auch die gleiche Definition haben, wie Sokrates und Mensch.104 Was die ὁμώνυμα angeht, sind dies die zwei Seienden, z. B. Sokrates 103 Porphyrii In Categoriarum 60.15–33; Ammonii In Categoriarum 15.16–16.6; Simplicii In Categoriarum 22.22–33; Philoponi In Categoriarum 14.11–16, 24.12–19; Olympiodori In Categoriarum 26.13–27.24; Eliae (olim Davidis) In Categoriarum 141.23–34. 104 Cat. 1, 1a6–12. Wie Ammonius scharfsinnig bemerkt hat, sind die vielen Beispiele, die Aristoteles eingeführt hatte, für den Kontext nicht geeignet (Τὰ παραδείγματα πάντα ἀσφαλῶς εἴρηκεν ὁ φιλόσοφος – Ammonii In Categoriarum 19.17). Um die συνώνυμα zu verdeutlichen, erhebt Aristoteles den Menschen und das Rind zum Paradigma. Aber in der Tat sind der
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und der gemalte Sokrates, die nicht an der Definitionsgleichheit, sondern nur an der Namensgleichheit teilhaben (Cat. 1, 1a1–6). Den ὁμώνυμα entgegen stehen die πολυώνυμα, wobei trotz der Namensverschiedenheit die Sache ein und dieselbe ist. Derselbe Stern ist nämlich als Morgenstern und als Abendstern benannt. Im Gegensatz zu den συνώνυμα bezeichnen die ἑτερώνυμα die Seienden, die weder in gleicher Weise genannt noch definiert werden können, wie Sokrates und Pferd. Indem Aristoteles die παρώνυμα hinzufügt, ergeben sich insgesamt fünf Typen von Benennungsmöglichkeiten. Die παρώνυμα lassen wir außer Betracht, weil sie nicht zur Prädikation, sondern zur Wortbildung dienen. Im Falle, dass zwei Wörter die gleiche Wurzel haben, geht es darum, wie das eine von dem anderen abgeleitet wird, z. B. der Grammatiker von der Grammatik oder der Tapfere von der Tapferkeit (Cat. 1, 1a12–15). Außerdem sind die πολυώνυμα und die ἑτερώνυμα auch nicht zu thematisieren. Denn die beiden haben nichts mit der Prädikationsweise zu tun, sondern betreffen die unmittelbare Übereinstimmung der Benennung mit der Sache. Die πολυώνυμα weisen darauf hin, dass dasselbe Seiende mit verschiedenen Namen bezeichnet wird und anhand der ἑτερώνυμα ist auszudrücken, dass die verschiedenen Seienden mit verschiedenen Namen benannt werden. So bleiben συνώνυμα und ὁμώνυμα übrig, die in der Prädikation eine entscheidende Rolle spielen. Was die Ontologie zum Thema macht, sind weder die ableitende Wortbildung von παρώνυμα noch die einfache Begriffsbildung von πολυώνυμα und ἑτερώνυμα, wobei der Begriff der Sache direkt entspricht, sondern nur die Prädikationsweisen von συνώνυμα und ὁμώνυμα. Denn das ontologische Verhältnis von Einzelding, Art und Gattung (τόδε τι-εἶδος-γένος) kann nur anhand der prädikativen Beziehung von Sache, Benennung/Begriff und Wesensdefinition (πρᾶγμα-ὄνομα-ὁρισμός) zur Sprache gebracht werden.
Mensch und das Rind, die zwar zur gleichen Gattung gehören, weder namensgleich noch definitionsgleich, sodass sie nicht die συνώνυμα, sondern nur die ἑτερώνυμα sind. Strenggenommen können entweder die zwei gleichartigen Einzelnen, Sokrates und Platon, oder das der Art zugehörige Einzelne und die Art, Sokrates und Mensch, oder die zugehörige Art und die Gattung, Mensch und Lebewesen, die συνώνυμα bilden, denn in solchen Fällen ergeben sich sowohl die Namensgleichheit (gleicher Begriff) als auch die Definitionsgleichheit (gleiche Definition/Wesenheit). Vgl. Ammonii In Categoriarum 15.22–28: ὥστε τέσσαρας εἶναι διαφοράς. εἰ μὲν οὖν κατ’ ἄμφω κοινωνοῦσιν, ὀνομάζεται συνώνυμα ὡσανεὶ σὺν τῷ ὀνόματι καὶ τοῦ ὁρισμοῦ μεταδιδόντα ἀλλήλοις, ὥσπερ κατηγορεῖται τὰ γένη τῶν οἰκείων εἰδῶν· ὁ γὰρ ἄνθρωπος καὶ ζῷον λέγεται καὶ οὐσία ἐστὶν ἔμψυχος αἰσθητική. εἰ δὲ κατ’ ἄμφω διαφέροιεν, ὀνομάζεται ἑτερώνυμα, ὥσπερ ἔχει ὁ ἄνθρωπος καὶ ὁ ἵππος· οὐ γὰρ τὸν ἄνθρωπον εἴποις ἵππον οὐδὲ τὸν ἵππον ἄνθρωπον, οὐ μὴν οὐδὲ τὸν αὐτὸν ἔχουσιν ὁρισμόν, ἀλλ’ ἄλλον καὶ ἄλλον.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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Der Begriff (ὄνομα)105 und die Wesensdefinition (ὁρισμός = λόγος τῆς οὐσίας – Metaph. Z12, 1037b25–26) lassen sich deswegen als Einteilungskriterium heranziehen, weil das Seiende entweder als Begriff bezeichnet oder anhand der Wesensdefinition determiniert wird. Mit anderen Worten muss das Seiende entweder begrifflich oder definitorisch zum Ausdruck gebracht werden.106 Die Univokation (univoce, συνωνύμως), die in den συνώνυμα gründet, weist darauf hin, dass der Begriff sowie die Wesensdefinition vom Einzelnen ausgesagt werden. Sokrates ist Mensch und vernünftiges Lebewesen (Cat. 5, 2a19–27, 3a33–3b9; Metaph. Z4, 1030a34–1030b3 – ὡσαύτως = καθ’ ἓν = συνωνύμως). Den ὁμώνυμα entsprechend besagt die Äquivokation (aequivoce, ὁμωνύμως), dass nicht die Wesensdefinition, sondern nur der Begriff vom Einzelnen prädiziert wird. Weder die Farbe, noch die
105 In der Aussage bezeichnet das ὄνομα das Nomen bzw. das logische Subjekt, von dem das Verb bzw. das Prädikat ausgesagt wird (ὄνομα-ῥῆμα). Das eine ist zeitlos und das andere zeitlich bestimmt. Im vorliegenden Kontext aber wird das ὄνομα nicht mit dem ῥῆμα, sondern mit dem λόγος verglichen. Das vom Nomen Bezeichnete ist einfach (ὄνομα-ἓν – Metaph. Γ4, 1006b11–13), während die Aussage aus mehreren Gliedern besteht (πᾶς δὲ λόγος μέρη ἔχει – Metaph. Z10, 1034b20). In diesem Sinne steht das ὄνομα der φωνὴ nahe und weist ganz allgemein auf den Begriff hin, der im Urteil entweder als Subjekt oder als Prädikat auftreten kann. Vgl. Ammonii In Categoriarum 18.19–24: πῶς οὖν φησι ταῦτα ὁμώνυμα εἶναι τὰ μόνον ὄνομα κοινὸν ἔχοντα; ἐροῦμεν πρὸς τοῦτο ὅτι ὄνομα ἐνταῦθα λαμβάνει οὐ τὸ ἀντιδιαστελλόμενον πρὸς τὸ ῥῆμα, ἀλλὰ τὸ κοινότερον, καθὸ πᾶσα φωνὴ σημαντικὴ ὄνομα λέγεται, ὡς ἐν τῷ Περὶ ἑρμηνείας φησίν· „αὐτὰ μὲν οὖν καθ’ ἑαυτὰ τὰ ῥήματα ὀνόματά ἐστιν.“ 106 (1) Top. A5, 101b38–102a1: [. . .] ἀποδίδοται δὲ ἢ λόγος ἀντ’ ὀνόματος ἢ λόγος ἀντὶ λόγου. (2) Porphyrii In Categoriarum 63.6–64.3: Προφθάσαντες εἰρήκαμεν ὅτι πᾶν πρᾶγμα ἢ διὰ ὀνομάτων σημαίνεται ἢ διὰ λόγου ὁριστικοῦ. δεῖ δὲ τὸν ὁριστικὸν λόγον σύζυγον εἶναι τῷ ὀνόματι καὶ ἐξηγητικὸν τοῦ πράγματος, καθὸ τῷδε κέχρηται τῷ ὀνόματι. οἷον ἥδε ἡ οὐσία, ἔστω δὲ ἄνθρωπος ὑποκείμενος, καλεῖται ἄνθρωπος, καὶ ἀθρόως μὲν οὕτως, καὶ ζῷον ἐπὶ κεφαλαίου ἔχει τοὔνομα τούτου· διὰ δὲ λόγου ἰσοδυναμοῦντος εἰς δήλωσιν τῷ ὀνόματι ἀποδοθείη ἂν τῷ ζῷον λογικὸν θνητόν. ἔστι δὲ ὁ ἄνθρωπος καὶ οὐσία ἔμψυχος αἰσθητική· ἀλλὰ καθὸ μὲν ἄνθρωπος καλεῖται σύζυγον ἔχων κατὰ τοὔνομα τὸ τοῦ ἀνθρώπου λόγον, ζῷον λογικὸν θνητόν, καθὸ δὲ ζῷον, οὐσία ἔμψυχος αἰσθητική. [. . .] Ὅτι τὸ μὲν ζῷον θνητὸν κατὰ τοὔνομα ἀπεδόθη τὸ τοῦ ἀνθρώπου. διὸ καὶ ἀδιάφορον εἰπεῖν τὴν οὐσίαν ταύτην, ἔστω δὲ ἄνθρωπος, τοῦτο ζῷον λογικὸν θνητόν ἐστιν, ἢ τοῦτο, ἄνθρωπός ἐστιν· ἰσοδυναμεῖ γὰρ τῷ ὀνόματι τῷ τοῦ ἀνθρώπου ὁ ὁριστικὸς λόγος τὸ ζῷον λογικὸν θνητόν. (3) Ammonii In Categoriarum 15.10–16: δηλοῦνται δὲ πάντα καὶ δι’ ὀνομάτων καὶ διὰ λόγων. καὶ τοῦτό γε εἰκότως, εἴ γε τῶν ὄντων ἕκαστον καὶ ἕν τί ἐστι καὶ σύγκειται ἐκ πλειόνων μερῶν οἰκείων, ἃ συνελθόντα ἐπλήρωσαν αὐτοῦ τὴν φύσιν· οἷον ὁ ἄνθρωπος καὶ ἕν τί ἐστι καὶ σύγκειται ἐκ γένους καὶ τῶν συστατικῶν αὐτοῦ διαφορῶν· ὡς μὲν οὖν ἓν ὢν δηλοῦται ὑπὸ τῆς ἄνθρωπος φωνῆς, ἥτις ἁπλοῦν ἐστιν ὄνομα, ὡς δὲ συγκείμενος ἔκ τινων δηλοῦται ὑπὸ τοῦ λόγου ἑκάστην τῶν τοῦ ἀνθρώπου ἰδιοτήτων ἐπεξιόντος, οἷον ζῷον λογικὸν θνητόν. (4) Simplicii In Categoriarum 22.15–19: τῶν πραγμάτων ἕκαστον καὶ δι’ ὀνόματος δηλοῦται καὶ διὰ λόγου ὑπογραφικοῦ ἢ ὁριστικοῦ, οἷον ὁ ἄνθρωπος καὶ διὰ τούτου τοῦ ἄνθρωπος ὀνόματος καὶ διὰ τοῦ ὁριστικοῦ λόγου τοῦ λέγοντος ζῷον λογικὸν θνητόν, τοῦ μὲν ὀνόματος κατὰ τὸ μονοειδὲς αὐτὸ δηλοῦντος, τοῦ δὲ λόγου κατὰ τὸ πολυμερές.
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Qualität, sondern nur das Weiße kann von Sokrates ausgesagt werden (Cat. 5, 2a27–34; Metaph. Γ2, 1003a33–34; Z4, 1030a34–1030b3). Das Prädikationsverhältnis, wobei der Begriff oder die Wesensdefinition vom Einzelnen prädiziert wird (τόδε τι-ὄνομα-λόγος), drückt nichts anderes aus als die ontologische Beziehung von Einzelding, Art und Gattung (τόδε τι-εἶδος-γένος). Die Einzelsubstanz als letztes Subjekt ist in der Aussage zugrundeliegend, die Art entspricht dem Begriff und in der Wesensdefinition tritt die Gattung auf. Bemerkenswert ist, dass sich das Art-Gattung-Verhältnis nicht auf die Wesenskategorie beschränkt, sondern sich in alle anderen Kategorien ausdehnen kann. Wie der Mensch zum Lebewesen steht, so das Weiße zur Qualität und die Zahl zur Quantität.107 Sowohl in der wesentlichen Tatsache als auch im akzidentellen Sachverhalt weist die Art die Besonderheit (εἶδος-ἴδιον) und die Gattung die Allgemeinheit (γένος-κοινόν) auf, während das konkrete Einzelding die numerische Einheit und die individuelle Einzelheit (τόδε τι-ἓν καὶ ταὐτὸν ἀριθμῷ ὂν) bezeichnet.108 Im Grunde genommen erweisen sich das Prädikationsverhältnis des Begriffs und des Oberbegriffs zum einzelnen Subjekt als das ontologische Verhältnis der Artund Gattungsallgemeinheit zur Einzelheit, das die zehn Kategorien durchdringt. Der Unterschied von Univokation und Äquivokation besteht darin, dass bei der Wesenskategorie die besondere Art als Begriff und die allgemeine Gattung als Oberbegriff vom Einzelnen durchgängig prädiziert werden und dies bei anderen Kategorien nicht der Fall ist. Aus der Tatsache, dass Sokrates Mensch und der Mensch Lebewesen ist, ergibt sich notwendig, dass Sokrates Lebewesen ist (τόδε τι-ἄνθρωποςζῷον). Bei der Äquivokation handelt es sich um etwas anderes. Aus der Prämisse, dass Sokrates weiß ist und das Weiße der Qualität zugehörig ist, kann man nicht
107 (1) Phys. A7, 190b28–29: ἓν δὲ τὸ εἶδος, οἷον ἡ τάξις ἢ ἡ μουσικὴ ἢ τῶν ἄλλων τι τῶν οὕτω κατηγορουμένων. (2) Ammonii In Categoriarum 39.3–7: εἰ γὰρ εἶπε τὰ γένη καὶ τὰ εἴδη, ἐπειδήπερ ἐν ταῖς ἄλλαις κατηγορίαις εἰσὶ γένη καὶ εἴδη (οἷον ἐν τῷ ποιῷ γένος μὲν τὸ χρῶμα εἶδος δὲ τὸ λευκὸν καὶ τὸ μέλαν), εἴχομεν ὑπολαβεῖν τὰς δευτέρας οὐσίας εἶναι καὶ ἐν τοῖς συμβεβηκόσι. 108 Die Einzelsubstanz impliziert die numerische Einheit und die Individualität (Cat. 5, 3b10–13). Die beiden Wesenssubstanzen, d. h. Art und Gattung, sind anhand der graduellen Allgemeinheit voneinander unterschieden (Cat. 5, 2b12–13). Logischerweise wird die Art als Begriff und die Gattung als Oberbegriff wiedergegeben. Die Gattung ist deshalb allgemeiner als die Art, weil der Oberbegriff vom Begriff prädiziert werden kann, umgekehrt aber nicht. Je allgemeiner eine Sache ist, desto weniger konkret ist sie. Die Gattung Lebewesen, die alle zugehörigen Arten umfasst, kann nicht als Lebewesen überhaupt, sondern nur als eine bestimmte Art von Lebewesen in die Wirklichkeit eintreten. Im Vergleich dazu ist die Art, die als Begriff gefasst wird, am konkreten Einzelding präsent. Der Begriff des Hunds z. B. umfasst nicht nur logischerweise alle realen Hunde, sondern er ist an jedem einzelnen Hund konkretisiert. Da der Oberbegriff, das Tier als solches, nicht realisiert werden kann, muss die Gattung als unbestimmte und undifferenzierte Allgemeinheit im logischen Bereich eingeschränkt werden.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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den Schluss ziehen, dass Sokrates eine Qualität ist (τόδε τι-λευκόν-ποιόν). Mit der durchgängigen Prädikation, die Aristoteles terminologisch als Univokation bezeichnet, lässt sich die ontologische Tatsache aufzeigen, dass das gleichartige Naturseiende, die Art und die Gattung notwendig zusammenfallen. Die Äquivokation, wobei nicht der Oberbegriff, sondern nur der Begriff vom Einzelnen ausgesagt wird, weist darauf hin, dass die vom Begriff symbolisierte Eigenschaft dem Einzelnen nicht notwendig, sondern zufällig zukommt. In der Univokation drückt das Wesensprädikat das Einzelne per se aus. Der Äquivokation zufolge bringt das Akzidenzprädikat den zufälligen Sachverhalt zur Sprache, der sich per accidens ereignet. Statt der Univokation tritt daher die per sePrädikation (συνωνύμως-κατὰ αὑτὸ λέγεται) und statt der Äquivokation die per accidens-Prädikation (ὁμωνύμως-κατὰ συμβεβηκόϛ λέγεται) in Erscheinung.109 Die Akzidenzprädikation tritt wiederum in zweierlei Formen auf, je nachdem, ob ein Akzidenz vom Einzelnen ausgesagt wird oder zwei verschiedenen Akzidenzen von demselben Einzelnen ausgesagt werden. Am offenkundigsten lassen sich die drei Formen der Prädikation mit verschiedenen Syllogismen aufzeigen. Erstens: Die per se-Prädikation bringt den notwendigen Syllogismus zum Ausdruck. Während die Art in der Mitte steht, bilden das Einzelne und die Gattung zwei Extreme. Ist Sokrates per se Mensch und der Mensch per se Lebewesen, ist Sokrates per se Lebewesen (τόδε τι-εἶδος-γένος). Demzufolge sind die zwei Extreme, nämlich das Einzelne und die Gattung, durch die Vermittlung der Art wesentlich identisch. Zweitens: Die eine Form der per accidens-Prädikation kommt dadurch zum Vorschein, dass ein Akzidenz vom Einzelnen prädiziert wird. Der Syllogismus wird dadurch gebildet, dass das Einzelne als Mittelbegriff eingestellt wird, während das eine Extrem das wesentliche Prädikat und das andere das zufällige Prädikat ist. Aus der Prämisse, dass Sokrates wesentlich Mensch und zufällig weiß ist, kann man nicht folgern, dass der Mensch im Wesentlichen weiß ist (ἄνθρωπος-Σωκράτης-λευκός). Denn die beiden
109 Κατὰ αὑτὸ λέγεται ist mehrdeutig (ὥστε καὶ τὸ καθ’ αὑτὸ πολλαχῶς ἀνάγκη λέγεσθαι – Metaph. Δ18, 1022a24–25). (1) Das Eine (Metaph. Δ6, 1015b34–1016a17) kommt per se zur Sprache, und zwar anhand der Kontinuität (συνεχῆ) und der Unteilbarkeit (ἀδιαίρετος). (2) Das Seiende wird insofern per se ausgesagt, als ihm die Struktur der Kategorie notwendig innewohnt (Metaph. Δ7, 1017a22–30). (3) Im vorliegenden Zusammenhang soll darunter die Wesensprädikation zu verstehen sein, nämlich dass Kallias per se Mensch und Lebewesen ist (Metaph. Δ18, 1022a24–36). Wie κατὰ αὑτὸ λέγεται ist κατὰ συμβεβηκόϛ λέγεται auch mehrdeutig. Das Eine (Metaph. Δ6, 1015b16–34) oder das Seiende (Metaph. Δ7, 1017a7–22) wird dadurch per accidens ausgesagt, dass (1) ein Akzidenz von ihm prädiziert wird oder (2) zwei Akzidenzen von ihm prädiziert werden. (3) Im vorhandenen Kontext ist von den beiden Fällen der akzidentellen Prädikation die Rede. κατὰ αὑτὸ λέγεται-κατὰ συμβεβηκόϛ λέγεται Vgl. auch Int. 11, 21a5–33; Top. A5, 102b4–26; Phys. A3, 186b18–23; B3, 195a32–195b3; E1, 224a21–23, 224b18–20; E2, 226a19–23; Metaph. Γ4, 1007a32–1007b18; Δ9, 1017b27–1018a4; E2, 1026b2–1027a28.
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Extreme kommen dem Einzelnen nicht auf die gleiche Art und Weise logischontologisch zu (οὐ γὰρ ὡσαύτως τὰ ἄκρα γίγνεται ταὐτά – Metaph. Z6, 1031a25).110 Darum weist die Gleichheit des Menschen mit dem Weißen, die anhand der Akzidenzprädikation zum Ausdruck kommt, keineswegs die wesentliche Einheit auf, sondern nur die zufällige Kombination. Drittens: Die andere Form der per accidensPrädikation sieht derart aus, dass dem einzelnen Subjekt zwei verschiedene akzidentelle Prädikate zukommen. In diesem Fall werden die beiden Extreme von demselben Subjekt gleicherweise zufällig prädiziert (τὰ ἄκρα γίγνεσθαι ταὐτὰ τὰ κατὰ συμβεβηκός – Metaph. Z6, 1031a26–27). Der Syllogismus lässt sich dadurch aufstellen, dass Sokrates/Mensch im Zentrum steht und die zwei Akzidenzen, z. B. das Weiße und das Musikalische, jeweils den Mittelbegriff zum Ausdruck bringen (λευκός-ἄνθρωπος-μουσικός).111 Wenn der Mensch zufällig weiß und musikalisch ist, können das Weiße und das Musikalische nicht wesentlich identisch sein,
110 Metaph. Z6, 1031a19–25. Um zu beweisen, dass das Akzidenz nicht mit der Wesenheit identisch ist, führt Aristoteles in Z6 folgendes Argument ein, und zwar anhand der typischen aristotelischen Methode, d. h. mithilfe einer reductio ad absurdum. Die Beweisführung vollzieht sich syllogistisch. Im Obersatz wird vorausgesetzt, dass der weiße Mensch mit dessen Wesensdefinition bzw. Wesenheit identisch ist (ὁ λευκὸς ἄνθρωπος = τὸ λευκῷ ἀνθρώπῳ εἶναι – Z6, 1031a20–21). Im Untersatz wird eine weitere Prämisse eingeführt, dass der weiße Mensch und der Mensch überhaupt gleich sind (ὁ λευκὸς ἄνθρωπος = ὁ ἄνθρωπος – Z6, 1031a22–23). Zweifelsohne ist der Mensch mit dessen Definition wesentlich identisch (ὁ ἄνθρωπος = τὸ ἀνθρώπῳ εἶναι – Z6, 1031a17–18). Wenn der weiße Mensch einerseits mit der Definition des weißen Menschen und andererseits mit der Definition des Menschen identifiziert wird, lässt sich der Schluss ziehen, dass die Definition bzw. die Wesenheit des weißen Menschen und die des Menschen für gleich gehalten werden (τὸ λευκῷ ἀνθρώπῳ εἶναι = τὸ ἀνθρώπῳ εἶναι – Z6, 1031a21–22, 1031a23–24). Die Konklusion ist deswegen absurd, weil es etwas vollkommen anderes ist, den Menschen in seiner Wesenheit oder denselben aus der Perspektive der akzidentellen Eigenschaft zu bestimmen. Per definitionem sind alle Menschen notwendig vernünftige Lebewesen, während einige Menschen zufällig weiß sind. Auf diese Art und Weise ist indirekt nachzuweisen, dass das Akzidenz mit der Wesenheit nicht gleichgesetzt werden kann. Der ganze Syllogismus ist deshalb nicht schlüssig, weil der Untersatz falsch ist. Nichts anderes als die Gleichsetzung des weißen Menschen mit dem Menschen überhaupt (ὁ λευκὸς ἄνθρωπος = ὁ ἄνθρωπος) führt zur absurden Konklusion, nämlich dass die Wesenheit des einen mit der Wesenheit des anderen zu identifizieren ist (τὸ λευκῷ ἀνθρώπῳ εἶναι = τὸ ἀνθρώπῳ εἶναι). Vgl. Alexander 480. 14–16: εἰ δὲ ὁ ἄνθρωπος καὶ ὁ λευκὸς ἄνθρωπος ὁ αὐτός, καὶ τὸ ἀνθρώπῳ εἶναι καὶ τὸ λευκῷ ἀνθρώπῳ εἶναι ταὐτόν ἐστιν. 111 Metaph. Z6, 1031a25–28. Dass die zwei Akzidenzen demselben Zugrundeliegenden zukommen, lässt sich entweder mit dem einen Beispiel (weiß-Mensch-musikalisch) oder mit dem anderen Beispiel (weiß-Fläche-flach) aufzeigen. Wenn die Wesensdefinition bzw. die Wesenheit der weißen Fläche und die Wesenheit der flachen Fläche identisch wären, schienen die Wesenheit des Weißen und die des Flachen ein und dieselbe zu sein (ὥστ’ εἰ τὸ ἐπιφανείᾳ λευκῇ εἶναί ἐστι τὸ ἐπιφανείᾳ εἶναι λείᾳ, τὸ λευκῷ καὶ λείῳ εἶναι τὸ αὐτὸ καὶ ἕν – Metaph. Z4, 1029b21–22).
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denn die Wesenheit des einen ist völlig anders als die des anderen. Die zwei Akzidenzen können nur dann miteinander gleichgesetzt werden, wenn sie per accidens derselben Substanz zukommen und von demselben Subjekt ausgesagt werden.112 „Der Musiker ist weiß“ drückt nichts anderes aus, als dass demselben Menschen zwei verschiedene Akzidenzen zukommen. Die akzidentelle Aussage „Sokrates ist weiß“ weist darauf hin, dass ein Akzidenz Sokrates zukommt. In der wesentlichen Aussage „Sokrates ist Mensch und Lebewesen“ kommen das einzelne Individuum, die besondere Art und die allgemeine Gattung per se in Einklang. Während die akzidentelle Prädikation das zufällige und nachträgliche Zukommen des Akzidenz zum Einzelnen ausdrückt, weist die wesentliche Prädikation die notwendige Identität der Einzelheit mit ihrer Wesenheit auf. Anhand derselben Unterscheidung von per se und per accidens ist die wesentliche Prädikation von der akzidentellen Prädikation, das Wesensprädikat vom Akzidenzprädikat und die Wesenskategorie von der Akzidenzkategorie zu unterscheiden.113 Die zehn Kategorien fallen dadurch in zwei Klassen, dass die
112 (1) Phys. A2, 185b32–34: πολλὰ δὲ τὰ ὄντα ἢ λόγῳ (οἷον ἄλλο τὸ λευκῷ εἶναι καὶ μουσικῷ, τὸ δ’ αὐτὸ ἄμφω· πολλὰ ἄρα τὸ ἕν) ἢ διαιρέσει, ὥσπερ τὸ ὅλον καὶ τὰ μέρη. (2) Alexander 480. 34–481.1: οἷον τὸ λευκῷ εἶναι καὶ τὸ μουσικῷ· κατὰ συμβεβηκὸς γὰρ ἄμφω τῷ ἀνθρώπῳ ὑπάρχει. ἀλλ’ οὐδὲ τοῦτο, φησί, δοκεῖ. εἰ δὲ τὸ λευκῷ εἶναι καὶ τὸ μουσικῷ εἶναι οὐ δοκεῖ τὸ αὐτὸ εἶναι (ἄλλης γὰρ φύσεως τὸ μουσικὸν καὶ ἄλλης τὸ λευκόν), πολλῷ μᾶλλον οὐκ ἔσται τὸ ἀνθρώπῳ εἶναι καὶ τὸ λευκῷ ἀνθρώπῳ τὸ αὐτό. (3) Asklepii In Metaphysicorum (Im Folgenden zitiert als „Asklepios“) 392.29–31: τὰ οὖν ἄκρα < κατὰ συμβεβηκὸς > ὑπάρχουσι < τὰ αὐτά, οἷον τὸ λευκῷ εἶναι καὶ τὸ μουσικῷ >· διὸ ἄλλος ὁρισμὸς λευκοῦ καὶ ἄλλος μουσικοῦ· κατὰ δὲ τὸ ὑποκείμενον τὰ αὐτὰ ὑπάρχουσι. (4) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.5 n.5 [82926]: „[. . .] subiectum enim est quodammodo medium inter duo accidentia, quae praedicantur de ipso, inquantum illa duo accidentia non uniuntur nisi unitate subiecti, sicut album et musicum unitate hominis de quo praedicantur: est ergo homo ut medium, album autem et musicum sunt extremitates. Si autem album esset idem homini per essentiam, pari ratione et musicum; et ita ista duo extrema album et musicum essent per essentiam idem; quia quaecumque uni et eidem sunt eadem, etiam sibiinvicem sunt eadem. Hoc autem est falsum, quod istae extremitates sint eaedem per essentiam: sed forsan hoc videtur esse verum, quod sint eaedem per accidens. Hoc autem certum est quod album et musicum sunt idem per accidens.“ 113 Es ist theoretisch von großer Bedeutung, das Begriffspaar von Univokation-Äquivokation durch das Paar von per se-per accidens zu ersetzen. Während Univokation-Äquivokation nur die zwei Prädikationsweisen bezeichnet, ist per se-per accidens umfangreich anwendbar. Aufgrund der Unterscheidung von per se und per accidens ist die Eigenschaft in die wesentliche und die akzidentelle Eigenschaft geteilt. Die eine als Eigentümlichkeit ist dem Zugrundeliegenden per se immanent und die andere als Akzidenz kommt dem Einzelding per accidens zu (συμβεβηκός καθ’ αὑτὸ-συμβεβηκός κατὰ συμβεβηκότα – APo. A22, 83b19–20; Metaph. Δ30, 1025a4–34). Anhand desselben Kriteriums von per se-per accidens lässt sich die Wirkursache in die notwendige und die zufällige Wirkursache zerlegen (ὥσπερ γὰρ καὶ ὄν ἐστι τὸ μὲν καθ’
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Wesenskategorie mit der Einzelsubstanz per se zusammenfällt und die anderen neun Kategorien der Einzelsubstanz per accidens zukommen. Die erste Kategorie οὐσία ist nach der sokratisch-platonischen Tradition die Antwort auf die Wesensfrage (τί ἐστι). Wenn man fragt, was Sokrates ist, betrifft das Menschsein seine Wesenheit (Cat. 5, 2b31–36; Metaph. Z1, 1028a36–1028b2). Außer der wesentlichen Was-Frage kann man zum konkreten Einzelding noch folgende Fragen stellen: Wie groß (ποσόν) und wie beschaffen (ποιόν) ist es, wie verhält es sich zu dem anderen (πρός τι), wo (ποῦ) befindet es sich und wann (πότε) ist es vorhanden? Aus der jeweiligen Antwort resultieren die Kategorien von Quantität, Qualität, Relation, Ort und Zeitpunkt.114 Darüber hinaus gibt es in der aristotelischen Kategorienliste vier verbale Kategorien. Während das Machen-Erleiden (ποιεῖν-πάσχειν) die Aktivität-Passivität der Veränderung sowie der Tätigkeit aufweist, implizieren das Vorliegen und das Innehaben (κεῖσθαι-ἔχειν) einen bestimmten Zustand. Die Kategorie κεῖσθαι bezeichnet eine solche Sachlage (θέσις), wie z. B. dass Sokrates sitzt. Das Innehaben (ἔχειν) bringt sowohl den körperlichen Zustand zum Ausdruck, z. B. dass Sokrates bewaffnet ist, als auch den seelischen Zustand, wie z. B. dass Sokrates tugendhaft ist.115
αὑτὸ τὸ δὲ κατὰ συμβεβηκός, οὕτω καὶ αἴτιον ἐνδέχεται εἶναι, οἷον οἰκίας καθ’ αὑτὸ μὲν αἴτιον τὸ οἰκοδομικόν, κατὰ συμβεβηκὸς δὲ τὸ λευκὸν ἢ τὸ μουσικόν – Phys. B5, 196b24–27). 114 Bemerkenswert ist, dass weder πότε mit der Zeit (χρόνος) noch ποῦ mit dem Raum (τόπος) identifiziert werden kann. Die Zeit ist als zahlenmäßige Messung der Bewegung bestimmt und der Raum gilt als Grenze, die den beweglichen Körper begrenzt. Im Vergleich zur Messung und zur Grenze der Bewegung bezeichnen Wann und Wo den bestimmten Zeitpunkt und Ort, worin sich das konkrete Einzelding lokalisiert. Die beiden Kategorien haben den klarsten Beweis dafür anzubieten, dass sich die aristotelischen Kategorien auf die empirischen Einzeldinge beziehen. Kant kritisiert die Kategorienlehre des Aristoteles darin, dass einige Kategorien, wie z. B. Zeitpunkt und Ort, die mit der sinnlichen Anschauung zusammenhängen, in die Kategorienliste einbezogen sind. Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft B107.15–28 (1998: 157): „[. . .] Außerdem finden sich auch einige modi der reinen Sinnlichkeit darunter, (quando, ubi, situs, imgleichen prius, simul,) auch ein empirischer, (motus,) die in dieses Stammregister des Verstandes gar nicht gehören, oder es sind auch die abgeleiteten Begriffe mit unter die Urbegriffe gezählt (actio, passio,) und an einigen der letztern fehlt es gänzlich.“ Die kantische Kritik betrifft die aristotelische Kategorienlehre deswegen überhaupt nicht, weil die zehn Kategorien des Aristoteles ursprünglich auf die sinnlich wahrnehmbaren Einzeldinge gerichtet sind. Problematisch ist dies nur am platonisierten oder scholastischen Aristotelismus. Wenn die aristotelischen Kategorien mit den platonischen höchsten Gattungen (Oberbegriffen) oder mit den scholastischen Transzendentalien gleichgesetzt werden, rückt der Widerspruch in den Vordergrund, wie die zeitlosen Oberbegriffe, die ewigen Transzendentalien, oder kantisch gesagt, die wahren Stammbegriffe des reinen Verstandes (Kant, Kritik der reinen Vernunft B107.29–31 [1998: 157]), zeitlich-räumlich determiniert werden können. 115 In der Kategorienschrift werden das Liegen und das Sitzen zum Beispiel genommen, um die Kategorie des κεῖσθαι zu verdeutlichen (Cat. 4, 2a2–3). Mit der ἔχειν-Kategorie ist gemeint, dass z. B. Sokrates die Schuhe trägt oder mit einer bestimmten Eigenschaft versehen ist (Cat. 4, 2a3). Um die
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Die unwesentlichen Kategorien müssen entweder dem ontologisch Zugrundeliegenden inhärieren oder vom logisch Zugrundeliegenden ausgesagt werden. Da die neun Kategorien in ontologisch-logischer Abhängigkeit von der Einzelsubstanz stehen, werden sie anhand der Relationskategorie (πρός τι) zusammengefasst und als Akzidenzkategorie bezeichnet.116 Mit den neun akzidentellen Kategorien hat die wesentliche Kategorie gemeinsam, dass sie als Prädikat dem logischen Subjekt der Aussage zukommt. Der Unterschied von Wesenskategorie zu Akzidenzkategorie liegt darin, dass die Wesenskategorie ontologisch selbständig und von der Einzelsubstanz unabhängig ist. Während die akzidentellen Kategorien durch die Aufhebung der Einzelsubstanz mit aufgehoben werden müssen, ist die wesentliche Kategorie nicht durch die Aufhebung des Einzeldings aufzuheben. Stattdessen gehen die Einzeldinge zugrunde, wenn die entsprechende Wesenskategorie, d. h. die Wesenheit, weggenommen oder vernichtet wird. Die Wesenskategorie, d. h. die Art, gilt nicht nur als Wesensprädikat, das das einzelne Subjekt wesentlich zur Sprache bringt, sondern vielmehr ist sie die Wesenssubstanz, welche die Einzelsubstanz zustande bringt. Die zehn Kategorien differenzieren sich dadurch in zwei Gruppen aus, dass die Wesenskategorie mit der unabhängigen Wesenssubstanz identifiziert wird und die anderen neun Kategorien anhand der abhängigen Relation zusammengefasst und wiedergegeben werden. Die kategoriale Ausdifferenzierung in Wesenheit und Relativität (οὐσία-πρός τι) legt dem logischen Unterschied zwischen Wesens- und Akzidenzprädikat ein ontologisches Fundament. Da das Wesens- sowie das Akzidenzprädikat vom zugrundeliegenden Subjekt ausgesagt werden müssen, ist der wesentlichen und
beiden Kategorien scharf voneinander zu unterscheiden, tendieren manche Kommentatoren dazu, das κεῖσθαι als äußerliche Lage des Körpers (θέσις) und das ἔχειν als innerliche Haltung der Seele (ἕξις) auszulegen. Die Eigenschaft, die der menschlichen Seele innewohnt, ist nichts anderes als die innerliche Haltung der Seele, nämlich die Tugend (διὸ καὶ ἡ τῶν μερῶν ἀρετὴ ἕξις τίς ἐστιν – Metaph. Δ20, 1022b13–14). Dadurch, dass die Kategorie des Innehabens (ἔχειν) mit der Verinnerlichung der Tugend (ἕξις) in Verbindung gesetzt wird, ist eine Brücke zwischen der aristotelischen Kategorienlehre und der Tugendlehre zu schlagen. 116 Metaph. Λ4, 1070a36; EN A4, 1096a19–22: τὸ δ’ ἀγαθὸν λέγεται καὶ ἐν τῷ τί ἐστι καὶ ἐν τῷ ποιῷ καὶ ἐν τῷ πρός τι, τὸ δὲ καθ’ αὑτὸ καὶ ἡ οὐσία πρότερον τῇ φύσει τοῦ πρός τι· παραφυάδι γὰρ τοῦτ’ ἔοικε καὶ συμβεβηκότι τοῦ ὄντος. Dass sich die neun akzidentellen Kategorien zusammen als Relation bezeichnen lassen, kann gut begründet werden. Da das einzelne Akzidenz in der Einzelsubstanz vorliegt (alteri inesse – Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.1 n.9 [82819]; inhaerentia substantiae – lib.7 l.1 n.11 [82821]) und das allgemeine Akzidenz vom einzelnen Subjekt ausgesagt werden muss ([. . .] quia oportet quod in definitione accidentis ponatur subiectum – lib.7 l.3 n.15 [82886]), ist das Akzidenz in beiden Sinnen auf die Substanz zurückzuführen. Der ontologisch-logischen Rückführung entspricht die allgemeine Bestimmung der Relationskategorie, wobei die eine Sache immer die andere impliziert (Πρός τι δὲ τὰ τοιαῦτα λέγεται, ὅσα αὐτὰ ἅπερ ἐστὶν ἑτέρων εἶναι λέγεται ἢ ὁπωσοῦν ἄλλως πρὸς ἕτερον – Cat. 7, 6a36–37, 6b6–8).
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der akzidentellen Prädikation dieselbe Prädikationsstruktur zugeteilt (τὶ κατὰ τινὸς λέγεται).117 Demzufolge müssen sowohl der akzidentelle Sachverhalt als auch die wesentliche Tatsache anhand der Subjekt-Prädikat-Aussage zur Sprache gebracht werden. Auf diese Art und Weise kommt der Sachverhalt „der weiße Sokrates“ zum Ausdruck, nämlich dass Sokrates weiß ist. Ähnlich spiegelt sich die Tatsache „der als Mensch seiende Sokrates“ in der Wesensprädikation derart, dass Sokrates Mensch ist. Die Univokation und die Äquivokation sind insofern strukturell ähnlich, als ihnen dieselbe Prädikationsstruktur von Subjekt und Prädikat zugeschrieben ist. Anhand des Unterschieds von per se und per accidens ergibt sich die doppelte Analogie von Sein und Logos. Wie sich die Wesenssubstanz zur Einzelsubstanz verhält, so verhält sich das Wesensprädikat zum letzten Subjekt. Gleicherweise stehen die Akzidenzkategorie zur Einzelsubstanz und das Akzidenzprädikat zum Einzelsubjekt im analogischen Verhältnis. Aus der Übereinstimmung von Sein und Logos folgt, dass die Einzelsubstanz als logisches Subjekt und die Wesenssubstanz als Wesensprädikat ans Licht kommt. Das ganze Schema der ontologisch-logischen Entsprechung lässt sich folgendermaßen darstellen (Abb. 4):
Abb. 4: Übereinstimmung von Sein und Logos.
117 Aristoteles verwendet verschiedene Ausdrücke, um die zweigliedrige Struktur der Aussage zu bezeichnen: τὶ κατὰ τινὸς λέγεται – APo. B3, 90b33–34; Int. 5, 17a20–22; Int. 6, 17a23–26. τὸ συμβεβηκὸς καθ’ ὑποκειμένου τινὸς λέγεται – Phys. A3, 186a34–186b1; Metaph. Γ4, 1007a34–1007b1.
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2.1.1.3 Wahrheit und Falschheit Anhand des Kriteriums von per se und per accidens ist die Prädikation in Univokation und Äquivokation gespalten. Der Unterschied zwischen den beiden Prädikationsweisen kann aus einer anderen Perspektive erörtert werden, und zwar aufgrund der verschiedenen Wahrheitswerte. Die wesentliche Prädikation und die akzidentelle Prädikation können dadurch voneinander unterschieden sein, dass die eine einwertig und die andere zweiwertig ist.118 Der Univokation entsprechend ist die affirmative Aussage immer wahr und deren Negation immer falsch (περὶ δὲ τὰ ἀδύνατα ἄλλως ἔχειν οὐ γίγνεται ὁτὲ μὲν ἀληθὲς ὁτὲ δὲ ψεῦδος, ἀλλ’ ἀεὶ ταὐτὰ ἀληθῆ καὶ ψευδῆ – Metaph. Θ10, 1051b15–17; Θ10, 1051b9–10, 1052a4–11). Da sowohl die Wesenssubstanz als auch die wesentliche Eigenschaft vom Einzelding sachlich untrennbar sind, drückt die Affirmation der wesentlichen Tatsache immer etwas Wahres aus. Wegen der wesentlichen Verbundenheit sind die folgenden affirmativen Aussagen immer wahr, nämlich dass Sokrates Mensch, das Feuer warm, die Zahl „Zwei“ gerade ist und die Winkelsumme des Dreiecks zwei rechten Winkeln
118 Außer der einwertigen Univokation und der zweiwertigen Äquivokation gibt es eine andere Art der Wahrheit, nämlich die Wahrheit des noetischen Denkens (Metaph. Θ10, 1051b17–32, 1052a1–4). Da das noetische Denken ontologisch nicht mit der Materie behaftet ist und logisch die zweigliedrige Prädikationsstruktur transzendiert, ist es einfach (ἀσύνθετον – Metaph. Θ10, 1051b17, 1051b18–19, 1051b27). Infolge der Einfachheit entzieht es sich sowohl der ontologischen Täuschungsmöglichkeit (οὐκ ἀπατηθῆναι – Metaph. Θ10, 1051b25, 1051b27–28, 1051b31; οὐδὲ ἀπάτη – Metaph. Θ10, 1052a2) als auch der logischen Falschheit (τὸ δὲ ψεῦδος οὐκ ἔστιν – Metaph. Θ10, 1052a1–2; Ἡ μὲν οὖν τῶν ἀδιαιρέτων νόησις ἐν τούτοις περὶ ἃ οὐκ ἔστι τὸ ψεῦδος, ἐν οἷς δὲ καὶ τὸ ψεῦδος καὶ τὸ ἀληθές σύνθεσίς τις ἤδη νοημάτων ὥσπερ ἓν ὄντων – De An. Γ6, 430a26–28). Das noetische Denken ist insofern „einwertig“ wahr, als es wahrhaft denkt (τὸ δὲ ἀληθὲς τὸ νοεῖν ταῦτα – Metaph. Θ10, 1052a1). Der wahrhaften Tätigkeit entgegen steht nicht die logische Falschheit, sondern die ontologische Untätigkeit (ἀληθές/θιγεῖν/νοεῖν-μὴ θιγγάνειν/ μὴ νοεῖν/ἀγνοεῖν). Selbst wenn das Denken etwas Falsches (z. B. die Symmetrie ist asymmetrisch) denkt, erbringt diese Tatsache den Beweis dafür, dass das Denken wahrhaft tätig ist. Daraus folgt, dass es im noetischen Denken nicht um die logische Wahrheit oder Falschheit geht, sondern darum, ob es tatsächlich wirksam ist oder nicht (Metaph. Θ10, 1051b25–32, 1052a1–4). Aus einer phänomenologischen Perspektive hebt Heidegger die Wahrheit des noetischen Denkens, heideggerisch gesagt, die Unverborgenheit des Vernehmens, hervor. Heidegger lässt die Übereinstimmungswahrheit, die durch den Vergleich der Aussage mit dem Sachverhalt zustande gebracht wird, außer Betracht und konzentriert sich auf die wahrhafte Tätigkeit des Nous. Heideggers Interpretation des platonisch-aristotelischen Wahrheitsbegriffs ist dadurch gekennzeichnet, dass er den privativen Charakter der Wahrheit, nämlich die Un-verborgenheit (ἀ-ληθεία), betont und seine Auslegung der Wahrheit nicht logisch, sondern ontologisch, d. h. phänomenologisch, orientiert ist. Vgl. Heidegger, Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (2003: 45–58); „Vom Wesen der Wahrheit“ (1976: 177–202); „Platons Lehre von der Wahrheit“ (1976: 203–238).
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gleich ist. Der wahren Affirmation entgegen steht die Negation, die immer falsch ist. Während die Univokation immer wahr ist, kann die Äquivokation entweder wahr oder falsch sein. Im Bereich der Äquivokation lässt sich die Korrespondenz von Sein und Logos mit der zweiwertigen Wahrheit aufzeigen, die terminologisch die Übereinstimmungswahrheit genannt wird. Wie der Name „Übereinstimmungswahrheit“ besagt, geht es um die Korrespondenz der Aussage zum Sachverhalt. Je nachdem, ob die logische Aussage dem ontologischen Sachverhalt entspricht oder nicht, kommt die zweiwertige Aussage zustande, wahr oder falsch zu sein (ἀληθές-ψεῦδος). Die Übereinstimmungswahrheit ist weder rein logisch noch bloß ontisch, sondern onto-logisch konzipiert. Denn ob die Aussage inhaltlich wahr oder falsch ist, kommt weder auf die formale Satzstruktur an, noch allein auf das empirische Phänomen, sondern darauf, ob die Aussage mit dem Sachverhalt korrespondiert oder nicht. Anders formuliert: Die Übereinstimmungswahrheit und -falschheit kommen dadurch zustande, dass die Aussage mit dem Sachverhalt verglichen wird. Die logische Aussage und der ontologische Sachverhalt sind nur dann miteinander vergleichbar, wenn die beiden strukturell ähnlich sind. Denn die Strukturähnlichkeit ermöglicht, dass das Denken das Reale als Realität auffasst. Indem das Subjekt-Prädikat-Gefüge (ὄνομα-ῥῆμα) die Substanz-Kategorie-Struktur (ὑποκείμενον-κατηγορούμενον) nachahmt, ergibt sich die logisch-ontologische Entsprechung. Wie die Einzelsubstanz mit der Kategorie kombiniert ist oder davon abgetrennt wird (κατὰ συμπλοκὴν-ἄνευ συμπλοκῆς),119 können das Subjekt und das Prädikat in der Aussage zusammen- oder auseinanderfallen (σύνθεσις-διαίρεσις).120 Die logische Verbindung und Trennung lassen sich anhand der Affirmation und der Negation wiedergeben (κατάφασις-ἀπόφασις).121 Indem sich die ontologische bzw. die sachliche Zusammenfügung und Zergliederung mit der logischen Zusammenfügung und Zergliederung überkreuzen (συγκεῖσθαι-διῃρῆσθαι), kommen die Wahrheit und die Falschheit chiastisch zur Entfaltung (Tab. 10).
119 Cat. 2, 1a16–19: Τῶν λεγομένων τὰ μὲν κατὰ συμπλοκὴν λέγεται, τὰ δὲ ἄνευ συμπλοκῆς. τὰ μὲν οὖν κατὰ συμπλοκήν, οἷον ἄνθρωπος τρέχει, ἄνθρωπος νικᾷ· τὰ δὲ ἄνευ συμπλοκῆς, οἷον ἄνθρωπος, βοῦς, τρέχει, νικᾷ. 120 Int. 1, 16a12–18: περὶ γὰρ σύνθεσιν καὶ διαίρεσίν ἐστι τὸ ψεῦδός τε καὶ τὸ ἀληθές. τὰ μὲν οὖν ὀνόματα αὐτὰ καὶ τὰ ῥήματα ἔοικε τῷ ἄνευ συνθέσεως καὶ διαιρέσεως νοήματι, οἷον τὸ ἄνθρωπος ἢ λευκόν, ὅταν μὴ προστεθῇ τι· οὔτε γὰρ ψεῦδος οὔτε ἀληθές πω. σημεῖον δ’ ἐστὶ τοῦδε· καὶ γὰρ ὁ τραγέλαφος σημαίνει μέν τι, οὔπω δὲ ἀληθὲς ἢ ψεῦδος, ἐὰν μὴ τὸ εἶναι ἢ μὴ εἶναι προστεθῇ ἢ ἁπλῶς ἢ κατὰ χρόνον. 121 Int. 6, 17a28–33; Int. 5, 17a8–9: Ἔστι δὲ εἷς πρῶτος λόγος ἀποφαντικὸς κατάφασις, εἶτα ἀπόφασις.
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Tab. 10: Wahrheit und Falschheit. συγκεῖσθαι
διῃρῆσθαι
συγκεῖσθαι
ἀληθές
ψεῦδος
διῃρῆσθαι
ψεῦδος
ἀληθές
Wenn die Kategorie mit der Einzelsubstanz und das Prädikat mit dem Subjekt verbunden sind, sagt die Aussage etwas Wahres aus (der musikalische Sokrates – „Sokrates ist musikalisch“). Wenn die Kategorie von der Einzelsubstanz und das Prädikat vom Subjekt zergliedert werden, ist die Aussage ebenfalls wahr (der unmusikalische Sokrates – „Sokrates ist unmusikalisch“). Falls die Kategorie mit der Einzelsubstanz kombiniert ist, aber das Prädikat vom Subjekt getrennt wird, drückt der Satz etwas Falsches aus (der musikalische Sokrates – „Sokrates ist unmusikalisch“). Falls die Kategorie von der Einzelsubstanz abgesondert wird, aber das Prädikat dem Subjekt zukommt, ist die Aussage falsch (der unmusikalische Sokrates – „Sokrates ist musikalisch“). Die wahre Aussage weist auf nichts anderes hin, als dass die logische Verbindung und Trennung mit der sachlichen Verbindung und Trennung in Übereinstimmung treten. Dementgegen weist die falsche Aussage darauf hin, dass die logische Verbindung und Trennung mit der sachlichen Verbindung und Trennung nicht in Einklang stehen.122
122 (1) Metaph. Θ10, 1051b1–6: [. . .] τὸ δὲ κυριώτατα ὂν ἀληθὲς ἢ ψεῦδος, τοῦτο δ’ ἐπὶ τῶν πραγμάτων ἐστὶ τῷ συγκεῖσθαι ἢ διῃρῆσθαι, ὥστε ἀληθεύει μὲν ὁ τὸ διῃρημένον οἰόμενος διῃρῆσθαι καὶ τὸ συγκείμενον συγκεῖσθαι, ἔψευσται δὲ ὁ ἐναντίως ἔχων ἢ τὰ πράγματα, πότ’ ἔστιν ἢ οὐκ ἔστι τὸ ἀληθὲς λεγόμενον ἢ ψεῦδος; τοῦτο γὰρ σκεπτέον τί λέγομεν. (2) Metaph. Θ10, 1051b32–1052a1: ἀλλὰ τὸ τί ἐστι ζητεῖται περὶ αὐτῶν, εἰ τοιαῦτά ἐστιν ἢ μή· τὸ δὲ εἶναι ὡς τὸ ἀληθές, καὶ τὸ μὴ εἶναι τὸ ὡς τὸ ψεῦδος, ἓν μέν ἐστιν, εἰ σύγκειται, ἀληθές, τὸ δ’ εἰ μὴ σύγκειται, ψεῦδος· τὸ δὲ ἕν, εἴπερ ὄν, οὕτως ἐστίν, εἰ δὲ μὴ οὕτως, οὐκ ἔστιν. (3) Metaph. E4, 1027b18–23: τὸ δὲ ὡς ἀληθὲς ὄν, καὶ μὴ ὂν ὡς ψεῦδος, ἐπειδὴ παρὰ σύνθεσίν ἐστι καὶ διαίρεσιν, τὸ δὲ σύνολον περὶ μερισμὸν ἀντιφάσεως. τὸ μὲν γὰρ ἀληθὲς τὴν κατάφασιν ἐπὶ τῷ συγκειμένῳ ἔχει τὴν δ’ ἀπόφασιν ἐπὶ τῷ διῃρημένῳ, τὸ δὲ ψεῦδος τούτου τοῦ μερισμοῦ τὴν ἀντίφασιν. (4) Int. 6, 17a26–29: ἐπεὶ δὲ ἔστι καὶ τὸ ὑπάρχον ἀποφαίνεσθαι ὡς μὴ ὑπάρχον καὶ τὸ μὴ ὑπάρχον ὡς ὑπάρχον καὶ τὸ ὑπάρχον ὡς ὑπάρχον καὶ τὸ μὴ ὑπάρχον ὡς μὴ ὑπάρχον [. . .]. (5) Int. 9, 19a32–35: ὥστε, ἐπεὶ ὁμοίως οἱ λόγοι ἀληθεῖς ὥσπερ τὰ πράγματα, δῆλον ὅτι ὅσα οὕτως ἔχει ὥστε ὁπότερ’ ἔτυχε καὶ τὰ ἐναντία ἐνδέχεσθαι, ἀνάγκη ὁμοίως ἔχειν καὶ τὴν ἀντίφασιν. (6) Alexander 599.8–13: οὐ γάρ ἐστι τὰ ἁπλᾶ σύνθετα, ἵνα λέγωμεν ὡς ὅταν συγκέηται ὁ κατηγορούμενος καὶ ὑποκείμενος καὶ φῶμεν αὐτὸν συγκεῖσθαι ἀληθεύομεν, μὴ συγκειμένου δὲ καὶ λεγομένου συγκεῖσθαι ψευδόμεθα, ὥσπερ ἐπὶ τοῦ λευκοῦ ξύλου ἔχει καὶ ἐπὶ πάντων τῶν συνθέτων· ἐπὶ τούτων μὲν γὰρ λέγοντες περὶ τοῦ λευκοῦ ξύλου ὅτι τὸ ξύλον λευκόν ἐστιν ἀληθεύομεν, μὴ λευκὸν δὲ ψευδόμεθα.
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Die Wahrheit und die Falschheit befinden sich nicht in der Sache, sondern in der Aussage, die im diskursiven Denken verwurzelt ist (Cat. 5, 4a21–28; De An. Γ3, 427b9–11, 13–14, 428a18–19; Metaph. E4, 1027b25–28; Z15, 1039b33–1040a2; Θ10, 1051b13–15). Trotzdem müssen Wahrheit und Falschheit auf die Realität Bezug nehmen, da der tatsächliche Sachverhalt den Wahrheitswert einer Aussage determiniert und nicht umgekehrt (Cat. 12, 14b19–22; Metaph. Θ10, 1051b6–9). Führen wir uns die Entstehung der Wahrheit oder Falschheit vor Augen, ist einzusehen, dass die Übereinstimmungswahrheit nicht nur in dem Sachverhalt gründet, sondern die Zweiwertigkeit der Aussage von der Veränderung des Sachverhaltes verursacht wird. Falls die Aussage unveränderlich bleibt und sich der akzidentelle Sachverhalt verändert, spricht die Aussage, die ursprünglich wahr gewesen ist, etwas Falsches aus. Derselbe Satz „Sokrates sitzt“ ist nur dann falsch, wenn Sokrates nicht mehr sitzt, sondern aufsteht (Cat. 5, 4a34–b2). Der Wechsel von der Wahrheit zur Falschheit ist letztendlich in der sachlichen Veränderung (κινούμενον πράγματος) fundiert. Von daher geht die ontologische Untersuchung in das Verhältnis von Sachverhalt und Veränderung über.
2.1.2 Sachverhalt-Bewegung (πρᾶγμα-κίνησις) 2.1.2.1 Sein und Veränderung Nachdem die Übereinstimmung von Sein und Logos erörtert worden ist, wenden wir uns der Korrespondenz von Sein und Veränderung zu. Die aristotelische Erklärung der Veränderung ist keineswegs eine bloße Beschreibung des Veränderungsphänomens, sondern eine ontologische Erörterung des Umschlags, da sich die beiden Grundsätze der aristotelischen Philosophie, nämlich die ontologische Differenz und die kategoriale Ausdifferenzierung, in die ontische Veränderung hinein fortsetzen. In diesem Teil geht es zunächst darum, wie die Struktur der Veränderung auf der Grundlage der ontologischen Differenz von Substanz und Kategorie aufbaut. Anschließend lässt sich aufzeigen, dass die Veränderung in die akzidentelle und die substanzielle Veränderung aufzuteilen ist, und zwar anhand der kategorialen Ausdifferenzierung von per accidens und per se. Schließlich ist davon die Rede, inwiefern die akzidentelle und die substanzielle Veränderung, d. h. die Bewegung und das Entstehen-Vergehen, strukturell ähnlich und wesentlich different sind. Die Veränderung steht in Einklang mit dem Sein, insofern die Veränderung aus der zugrundeliegenden Substanz und der zukommenden Kategorie konstituiert ist. Vor allem fallen das ontologisch und das ontisch Zugrundeliegende unmittelbar zusammen, indem die dem Sachverhalt zugrundeliegende Einzelsubstanz auch der Veränderung zugrunde gelegt wird.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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ἡ δέ γε οὐσία ἓν καὶ ταὐτὸν ἀριθμῷ ὂν δεκτικὸν τῶν ἐναντίων ἐστίν· οἷον ὁ τὶς ἄνθρωπος, εἷς καὶ ὁ αὐτὸς ὤν, ὁτὲ μὲν λευκὸς ὁτὲ δὲ μέλας γίγνεται, καὶ θερμὸς καὶ ψυχρός, καὶ φαῦλος καὶ σπουδαῖος. – Cat. 5, 4a17–21
Die Einzelsubstanz ist nämlich der Zahl nach ein und dasselbe Seiende, das die Gegensätze in sich trägt. Ein bestimmter Mensch, z. B. Sokrates, ist als Seiender ein und derselbe, obwohl er bald weiß und bald schwarz aussieht, sich bald warm und bald kalt anfühlt, oder manchmal schlecht und manchmal tugendhaft handelt. In der Veränderung verhält sich die Einzelsubstanz wie ein Substrat (ὑπομένον), das unveränderlich verharrt und die numerische Einheit (ἓν ἀριθμῷ) beibehält (Cat. 5, 4a10–11; Phys. A7, 190a13–16). Aufgrund dessen gehen das Kalte aus dem Warmen hervor, das Schwarze aus dem Weißen und die Tugendhaftigkeit aus der Schlechtigkeit. Die kategoriale Eigenschaft kann weder aus dem absoluten Nichts123 noch aus dem Beliebigen124 entstanden sein, sondern die eine Eigenschaft tritt nur aus deren entsprechendem Gegensatz hervor.125
123 Dem Grundsatz der griechischen Naturphilosophie zufolge (Phys. A4, 187a32–187b1; A8, 191b13–17) ist es überhaupt nicht möglich, dass irgendetwas aus dem absoluten Nichts entstanden ist, sei es kategoriale Eigenschaft, sei es Substanz. 124 Wenn alles einen ähnlichen Ursprung hätte (ὀμοῦ πάντα) oder unbestimmt wäre (ἄπειρον), könnte alles aus allem stammen. Demnach würde der Mensch aus dem Schwarzen oder das Schwarze aus dem Tisch entstanden sein. Aristoteles’ Auffassung nach ist das absurd und unmöglich. 125 Die eine Eigenschaft ist aus der anderen gegensätzlichen entstanden, wie z. B. das Musikalische aus dem Unmusikalischen, oder das Weiße aus dem Schwarzen. Vgl. Cat. 5, 4a28–34, 15b1–16; Phys. A4, 187a31–32; A7, 190a21–31; E2, 225b16–33; Θ4, 255b5–13; Gen. et Corr. A3, 317a32–317b1; A4, 319b24–26 (Εἰ δὲ μή, ἔσται ἀλλοίωσις, οἷον ὁ μουσικὸς ἄνθρωπος ἐφθάρη, ἄνθρωπος δ’ ἄμουσος ἐγένετο, ὁ δ’ ἄνθρωπος ὑπομένει τὸ αὐτό); Metaph. H5, 1044b24–26 ([. . .] οὐ πάντα ἂν τἀναντία γίγνοιτο ἐξ ἀλλήλων, ἀλλ’ ἑτέρως λευκὸς ἄνθρωπος ἐκ μέλανος ἀνθρώπου καὶ λευκὸν ἐκ μέλανος). Im Fall, dass sich ein Mittelzustand zwischen den beiden gegensätzlichen Eigenschaften befindet, kann die Eigenschaft (weiß) entweder aus dem entsprechenden Gegensatz (schwarz) oder aus der mittleren Eigenschaft (braun) entstanden sein. Vgl. (1) Phys. A5, 188a30–188b26: [. . .] εἰ τοίνυν τοῦτ’ ἔστιν ἀληθές, ἅπαν ἂν γίγνοιτο τὸ γιγνόμενον καὶ φθείροιτο τὸ φθειρόμενον ἢ ἐξ ἐναντίων ἢ εἰς ἐναντία καὶ τὰ τούτων μεταξύ. τὰ δὲ μεταξὺ ἐκ τῶν ἐναντίων ἐστίν, οἷον χρώματα ἐκ λευκοῦ καὶ μέλανος· ὥστε πάντ’ ἂν εἴη τὰ φύσει γιγνόμενα ἢ ἐναντία ἢ ἐξ ἐναντίων. (2) Phys. E1, 224b28–35 (Phys. E1, 224b28–30 = Metaph. K11, 1067b12–14): ἡ δὲ μὴ κατὰ συμβεβηκὸς οὐκ ἐν ἅπασιν, ἀλλ’ ἐν τοῖς ἐναντίοις καὶ τοῖς μεταξὺ καὶ ἐν ἀντιφάσει· τούτου δὲ πίστις ἐκ τῆς ἐπαγωγῆς. ἐκ δὲ τοῦ μεταξὺ μεταβάλλει· χρῆται γὰρ αὐτῷ ὡς ἐναντίῳ ὄντι πρὸς ἑκάτερον· ἔστι γάρ πως τὸ μεταξὺ τὰ ἄκρα. διὸ καὶ τοῦτο πρὸς ἐκεῖνα κἀκεῖνα πρὸς τοῦτο λέγεταί πως ἐναντία, οἷον ἡ μέση ὀξεῖα πρὸς τὴν ὑπάτην καὶ βαρεῖα πρὸς τὴν νητήν, καὶ τὸ φαιὸν λευκὸν πρὸς τὸ μέλαν καὶ μέλαν πρὸς τὸ λευκόν. (3) Phys. E1, 225b3–5 = Metaph. K11, 1068a5–7: τὰ δ’ ὑποκείμενα ἢ ἐναντία ἢ μεταξύ (καὶ γὰρ ἡ στέρησις κείσθω ἐναντίον), καὶ δηλοῦται καταφάσει, τὸ γυμνὸν καὶ νωδὸν καὶ μέλαν. (4) Phys. E2, 226b2–3: ἢ γὰρ ἐξ ἐναντίου ἢ εἰς ἐναντίον κίνησίς ἐστιν, ἢ ἁπλῶς ἢ πῄ. (5) Simplicii In Physicorum 863.17–24: ὅτι δὲ
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Aufgrund eines beharrlichen Substrats wandeln sich die gegensätzlichen Eigenschaften ineinander um, sodass das Unten ins Oben, das Schwarze ins Weiße, das Kalte ins Warme, die Krankheit in die Gesundheit, und das Unmusikalische ins Musikalische übergeht (Cat. 5, 4a28–34; Phys. Θ4, 255b5–13). Daraus folgt, dass die Veränderung aus der zugrundeliegenden Einzelsubstanz und dem kategorialen Gegensatz besteht (ὑποκείμενον-ἀντικείμενον).126 Um dies zu verdeutlichen, nimmt Aristoteles die qualitative Veränderung zum Paradigma. Die Veränderung vollzieht sich, wenn z. B. der unmusikalische Sokrates musikalisch wird oder umgekehrt. Sokrates wird entweder durch das Lernen zum musikalischen Menschen, oder er ist wiederum aufgrund von Vergesslichkeit unmusikalisch geworden. In beiden Fällen verändert sich Sokrates als Einzelsubstanz gar nicht, während das Abwechseln der gegensätzlichen Eigenschaften die Veränderung ausmacht. Die Korrespondenz von Sein und Veränderung zeigt sich nicht nur darin, dass die ontologische Substanz und das ontische Substrat zur Deckung kommen, sondern auch darin, dass die Kategorien zum Maßstab genommen werden, um die Veränderung zu klassifizieren. Im Prinzip sollen die Veränderungstypen mit den Seinsarten deckungsgleich sein (ὥστε κινήσεως καὶ μεταβολῆς ἔστιν εἴδη τοσαῦτα ὅσα τοῦ ὄντος – Phys. Γ1, 201a8–9; Metaph. K9, 1065b13–14), in der Tat aber ist die Veränderung nicht in alle zehn Klassen, sondern nur in vier Klassen einzuteilen.127 Denn für die extentionale Bestimmung der Veränderung können nicht alle Kategorien als Einteilungskriterium
τοῦτο οὕτως ἔχει, δείκνυσιν ἐκ τοῦ πᾶσαν κίνησιν δεδεῖχθαι < ἐξ ἐναντίου > εἰς ἐναντίον γινομένην < ἢ ἁπλῶς ἢ πῇ >. ἔστι δὲ ἡ πῇ ἐκ τοῦ μεταξὺ γινομένη κατὰ τὴν ἐν τῷ αὐτῷ εἴδει ἐπίτασιν. ἐδείχθη δὲ καὶ ἡ ἀπὸ τοῦ μεταξὺ ἢ εἰς τὸ μεταξὺ μεταβολὴ ἀπὸ ἐναντίου καὶ εἰς ἐναντίον οὖσα. εἰ οὖν τὸ λευκὸν ἧττον γινόμενον λευκὸν εἰς τὸ μεταξὺ μεταβάλλει ὡς εἰς τὸ ἐναντίον ἑαυτοῦ, δῆλον ὅτι ὡς εἰς μέλαν μεταβάλλει· τὸ γὰρ ἧττον λευκὸν μίξει τοῦ μέλανος γίνεται τοιοῦτον. (6) Gen. et Corr. A4, 319b8–14: Ἐπειδὴ οὖν ἐστί τι τὸ ὑποκείμενον καὶ ἕτερον τὸ πάθος ὃ κατὰ τοῦ ὑποκειμένου λέγεσθαι πέφυκεν, καὶ ἔστι μεταβολὴ ἑκατέρου τούτων, ἀλλοίωσις μέν ἐστιν, ὅταν ὑπομένοντος τοῦ ὑποκειμένου, αἰσθητοῦ ὄντος, μεταβάλλῃ ἐν τοῖς αὑτοῦ πάθεσιν, ἢ ἐναντίοις οὖσιν ἢ μεταξύ, οἷον τὸ σῶμα ὑγιαίνει καὶ πάλιν κάμνει ὑπομένον γε ταὐτό, καὶ ὁ χαλκὸς στρογγύλος, ὁτὲ δὲ γωνιοειδὴς ὁ αὐτός γε ὤν. (7) Metaph. Λ2, 1069b3–6: εἰ δ’ ἡ μεταβολὴ ἐκ τῶν ἀντικειμένων ἢ τῶν μεταξύ, ἀντικειμένων δὲ μὴ πάντων (οὐ λευκὸν γὰρ ἡ φωνή) ἀλλ’ ἐκ τοῦ ἐναντίου, ἀνάγκη ὑπεῖναί τι τὸ μεταβάλλον εἰς τὴν ἐναντίωσιν. 126 Phys. A7, 190b10–13: ὥστε δῆλον ἐκ τῶν εἰρημένων ὅτι τὸ γιγνόμενον ἅπαν ἀεὶ συνθετόν ἐστι, καὶ ἔστι μέν τι γιγνόμενον, ἔστι δέ τι ὃ τοῦτο γίγνεται, καὶ τοῦτο διττόν· ἢ γὰρ τὸ ὑποκείμενον ἢ τὸ ἀντικείμενον. 127 (1) Phys. Γ1, 200b32–34: οὐκ ἔστι δὲ κίνησις παρὰ τὰ πράγματα· μεταβάλλει γὰρ ἀεὶ τὸ μεταβάλλον ἢ κατ’ οὐσίαν ἢ κατὰ ποσὸν ἢ κατὰ ποιὸν ἢ κατὰ τόπον. (2) Metaph. Λ2, 1069b9–10: εἰ δὴ αἱ μεταβολαὶ τέτταρες, ἢ κατὰ τὸ τί ἢ κατὰ τὸ ποῖον ἢ πόσον ἢ ποῦ.
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gelten, sondern nur diejenigen, die per se oder im abgeleiteten Sinne den Gegensatz in sich aufnehmen.128 Wie oben erwähnt verharrt das Substrat in der Veränderung (τὸ μὲν ὑπομένει), wobei die gegensätzlichen Eigenschaften ineinander übergehen (τὸ δ’ οὐχ ὑπομένει – Phys. A7, 190a13–21; Metaph. Λ2, 1069b3–9). Demnach kann die eine Eigenschaft nicht aus einer beliebigen anderen, sondern nur aus der gegensätzlichen Eigenschaft hervortreten. Das Weiße kann nicht aus dem Tiefen der Töne, sondern nur aus dem Schwarzen der Fläche entstanden sein. Welche Kategorie angewendet werden kann, um die Veränderung zu klassifizieren, entscheidet sich daran, ob sie den Gegensatz zulässt. Aufgrund des Gegensatz-Kriteriums lokalisiert sich die Veränderung in den vier Kategorien, nämlich Qualität, Quantität, Ort und Substanz. Demzufolge ergeben sich die vier Typen von Veränderungen, nämlich die qualitative Veränderung, die quantitative Veränderung, die örtliche Bewegung und der substanzielle Umschlag.
128 (1) Phys. E1, 225b5–E2, 225b16 = Metaph. K12, 1068a8–16: εἰ οὖν αἱ κατηγορίαι διῄρηνται οὐσίᾳ καὶ ποιότητι καὶ τῷ ποὺ [καὶ τῷ ποτὲ] καὶ τῷ πρός τι καὶ τῷ ποσῷ καὶ τῷ ποιεῖν ἢ πάσχειν, ἀνάγκη τρεῖς εἶναι κινήσεις, τήν τε τοῦ ποιοῦ καὶ τὴν τοῦ ποσοῦ καὶ τὴν κατὰ τόπον. Κατ’ οὐσίαν δ’ οὐκ ἔστιν κίνησις διὰ τὸ μηδὲν εἶναι οὐσίᾳ τῶν ὄντων ἐναντίον. οὐδὲ δὴ τοῦ πρός τι· ἐνδέχεται γὰρ θατέρου μεταβάλλοντος < ἀληθεύεσθαι καὶ μὴ > ἀληθεύεσθαι θάτερον μηδὲν μεταβάλλον, ὥστε κατὰ συμβεβηκὸς ἡ κίνησις αὐτῶν. οὐδὲ δὴ ποιοῦντος καὶ πάσχοντος, ἢ κινουμένου καὶ κινοῦντος, ὅτι οὐκ ἔστι κινήσεως κίνησις οὐδὲ γενέσεως γένεσις, οὐδ’ ὅλως μεταβολῆς μεταβολή. (2) Phys. E2, 226a23–26 = Metaph. K12, 1068b15–18: ἐπεὶ δὲ οὔτε οὐσίας οὔτε τοῦ πρός τι οὔτε τοῦ ποιεῖν καὶ πάσχειν, λείπεται κατὰ τὸ ποιὸν καὶ τὸ ποσὸν καὶ τὸ ποὺ κίνησιν εἶναι μόνον· ἐν ἑκάστῳ γὰρ ἔστι τούτων ἐναντίωσις. (3) Simplicii In Physicorum 408.5–14: εἰ οὖν ἀπορεῖ τις, πῶς < κινήσεως καὶ μεταβολῆς εἴδη τοσαῦτα > εἶπεν εἶναι < ὅσα τοῦ ὄντος >, εἴπερ ἐν τέτρασι μόναις κατηγορίαις εἶναι τὴν κίνησιν ἀποδείξει τῇ οὐσίᾳ τῇ ποιότητι τῇ ποσότητι τῇ ποῦ, ἴστω ὅτι εἰπὼν < ἕκαστον > τῶν γενῶν ἢ εἰδῶν ἐν οἷς ἡ κίνησις < διχῶς ὑπάρχει πᾶσι > κατὰ τὴν ἐν ἑκάστῳ ἀντίθεσιν, ἐπειδὴ τοσαυταχῶς ἐστιν ἡ κίνησις, ὁσαχῶς τὰ ἐν οἷς ἡ κίνησις, εἰκότως ἐπήγαγεν < ὥστε κινήσεως καὶ μεταβολῆς ἐστιν εἴδη τοσαῦτα ὅσα τοῦ ὄντος > οὐ πᾶν τὸ ὂν λαβών, ἀλλὰ τὸ πρὸς τὴν κίνησιν ἰσοστοιχοῦν. τοῦτο δὲ ἦν τὸ ἐν ᾧ ἡ κίνησις. τοῦτο δὲ ἦν τὸ ἐν τοῖς τέτρασι γένεσι τοῦ ὄντος. (4) Simplicius In Physicorum 858.8–16: Προθέμενος δεῖξαι ὅτι οὐκ ἐν πάσαις ἐστὶ ταῖς κατηγορίαις κίνησις, ἀλλ’ ἐν τρισὶ μόναις, τῷ τε ποιῷ καὶ τῷ ποσῷ καὶ τῷ ποῦ, καὶ δείξας ὅτι οὔτε ἐν οὐσίᾳ, οὔτε ἐν τῷ πρός τι οὔτε ἐν τῷ ποιεῖν καὶ πάσχειν, ἐπειδὴ κινήσεις μὲν αὗταί τινές εἰσι, κινήσεως δὲ κίνησις οὐκ ἔστι καθ’ αὑτό, ὅπερ διὰ πλειόνων ἀπέδειξε, συμπεραίνεται λοιπὸν ὅτι μὴ οὔσης κινήσεως ἐν ταῖς ἄλλαις κατηγορίαις, λείπεται κατὰ τὸ ποιὸν καὶ τὸ ποσὸν καὶ τὸ ποῦ κίνησιν εἶναι μόνον, καὶ τὴν αἰτίαν τοῦ ἐν τούτοις εἶναι κίνησιν προστίθησιν εἰπὼν < ἐν ἑκάστῳ γάρ ἐστι τούτων ἐναντίωσις >· ἡ γὰρ κίνησις ἐξ ἐναντίου εἰς ἐναντίον ἦν μεταβολή. (5) Simplicii In Categoriarum 432.18–21: ὅλως δέ, ᾧ διαφέρουσιν αἱ τέσσαρες κατηγορίαι ἀλλήλων, ἥ τε οὐσία καὶ τὸ ποσὸν καὶ τὸ ποιὸν καὶ τὸ ποῦ, τούτῳ καὶ < αἱ > κατὰ ταύτας κινήσεις διοίσουσιν.
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Zunächst wohnt der Qualität der Gegensatz per se inne. Obwohl weder zwei beliebige Beschaffenheiten (weiß-musikalisch) noch irgendwelche zwei Eigenschaften derselben Gattung (rot-grün) entgegengesetzt sind,129 kann die Qualität in den anderen Fällen den kategorialen Gegensatz bilden. Per se steht das Weiße dem Schwarzen entgegen, die Gesundheit der Krankheit, das Musikalische dem Unmusikalischen und das Gerechte dem Ungerechten.130 Bei der Qualität zeigt sich nicht nur der Gegensatz am offenkundigsten, sondern die kategoriale Entgegensetzung kommt leicht zur Sprache, indem das Prädikat in der Aussage negiert wird (musikalisch→unmusikalisch). Deshalb lässt sich die qualitative Veränderung im Laufe der Argumentation bevorzugen und zum Paradigma nehmen. Wie in der Qualitätskategorie ist der Gegensatz auch in der Ortskategorie (ποῦ) enthalten. Rechts-links und vor-hinter stehen einander zwar räumlich entgegen, hängen aber von der subjektiven Beobachtungsperspektive ab. Außer der subjektiven Entgegensetzung gibt es in der Natur den objektiven Gegensatz des Orts. Oben-unten ist deswegen per se gegensätzlich, weil jedes der vier Grundelemente der Natur nach eine eigentümliche Stellung besitzt. Dadurch, dass die Luft naturgemäß aufsteigt und die Erde hinabfällt, befindet sich die Luft oben und die Erde unten. Darum gründet der räumliche Gegensatz von oben und unten in den natürlichen Orten der Grundelemente. Der jedem Grundelement eigentümliche Ort ist durch die Bewegung geschaffen, und die Bewegung muss auf die wesentliche Eigenschaft des Grundelementes zurückzuführen sein. Der Aufstieg der Luft wird vom Leichten und das Hinabfallen der Erde vom Schweren verursacht. Wie das Oben dem Unten per se entgegensteht, so auch das Leichte dem Schweren. Der Gegensatz, der bei der Ortskategorie auftritt, gilt entweder als räumlicher Gegensatz von oben und unten (ἄνω-κάτω) oder kommt als Gegensatz von Leichtem und Schwerem vor (κοῦφον-βάρος – Phys. Δ1, 208b8–22; Θ4, 255b13–17). Im Vergleich zur Kategorie der Qualität und des Orts kann die Quantität nicht per se, sondern nur im abgeleiteten Sinne den Gegensatz zulassen. Die quantitative Kategorie ist in die kontinuierliche Größe (μέγεθος) und die diskrete Zahl (ἀριθμός) ausdifferenziert, aber weder einer gewissen Größe noch
129 Cat. 8, 10b15–17: οὐκ ἐπὶ πάντων δὲ τὸ τοιοῦτον· τῷ γὰρ πυῤῥῷ ἢ ὠχρῷ ἢ ταῖς τοιαύταις χροιαῖς οὐδέν ἐστιν ἐναντίον ποιοῖς οὖσιν. 130 Cat. 8, 10b12–15: Ὑπάρχει δὲ καὶ ἐναντιότης κατὰ τὸ ποιόν, οἷον δικαιοσύνη ἀδικίᾳ ἐναντίον καὶ λευκότης μελανίᾳ καὶ τἆλλα ὡσαύτως, καὶ τὰ κατ’ αὐτὰς δὲ ποιὰ λεγόμενα, οἷον τὸ ἄδικον τῷ δικαίῳ καὶ τὸ λευκὸν τῷ μέλανι.
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der bestimmten Zahl kann der Gegensatz innewohnen.131 Obwohl die absolute Quantität, wie z. B. eine bestimmte Fläche oder die „Zehnzahl“, keinen Gegensatz in sich aufnimmt, kann sich die relative Quantität gegensätzlich verhalten. Bei der unbestimmten Größe steht das Große dem Kleinen entgegen (μέγα-μικρόν), und beim unbestimmten Zahlenverhältnis das Mehr dem Weniger (πολὺ-ὀλίγον). Groß-klein und mehr-weniger sind entgegengesetzt, und zwar nicht aufgrund der Quantität, sondern wegen der Relation.132 Zusammen mit der Quantität kann die Wesenskategorie, die die Wesenssubstanz logischerweise widerspiegelt, nicht per se den Gegensatz in sich tragen. Denn die Wesenssubstanz lässt nicht zu, den kategorialen Gegensatz in sich zu enthalten.133 Obwohl Sokrates musikalisch oder unmusikalisch sein kann, ist es durchaus unmöglich, dass er als Mensch (soweit er noch lebt)
131 (1) Cat. 5, 3b27–32: οὐκ ἴδιον δὲ τῆς οὐσίας τοῦτο, ἀλλὰ καὶ ἐπ’ ἄλλων πολλῶν οἷον ἐπὶ τοῦ ποσοῦ· τῷ γὰρ διπήχει οὐδέν ἐστιν ἐναντίον, οὐδὲ τοῖς δέκα, οὐδὲ τῶν τοιούτων οὐδενί, εἰ μή τις τὸ πολὺ τῷ ὀλίγῳ φαίη ἐναντίον εἶναι ἢ τὸ μέγα τῷ μικρῷ· τῶν δὲ ἀφωρισμένων ποσῶν οὐδὲν οὐδενὶ ἐναντίον ἐστίν. (2) Cat. 6, 5b11–14: Ἔτι τῷ ποσῷ οὐδέν ἐστιν ἐναντίον, (ἐπὶ μὲν γὰρ τῶν ἀφωρισμένων φανερὸν ὅτι οὐδέν ἐστιν ἐναντίον, οἷον τῷ διπήχει ἢ τριπήχει ἢ τῇ ἐπιφανείᾳ ἢ τῶν τοιούτων τινί, – οὐδὲν γάρ ἐστιν ἐναντίον), εἰ μὴ τὸ πολὺ τῷ ὀλίγῳ φαίη τις εἶναι ἐναντίον ἢ τὸ μέγα τῷ μικρῷ. 132 (1) Cat. 6, 5b14–16: τούτων δὲ φαίη τις εἶναι ἐναντίον ἢ τὸ μέγα τῷ μικρῷ. τούτων δὲ οὐδέν ἐστι ποσὸν ἀλλὰ τῶν πρός τι· οὐδὲν γὰρ αὐτὸ καθ’ αὑτὸ μέγα λέγεται ἢ μικρόν, ἀλλὰ πρὸς ἕτερον ἀναφέρεται [. . .]. (2) Cat. 6, 5b26–29: ἔτι τὸ μὲν δίπηχυ καὶ τρίπηχυ καὶ ἕκαστον τῶν τοιούτων ποσὸν σημαίνει, τὸ δὲ μέγα ἢ μικρὸν οὐ σημαίνει ποσὸν ἀλλὰ μᾶλλον πρός τι· πρὸς γὰρ ἕτερον θεωρεῖται τὸ μέγα καὶ τὸ μικρόν· ὥστε φανερὸν ὅτι ταῦτα τῶν πρός τί ἐστιν. (3) Cat. 6, 6a8–11: οὐκ ἔστιν ἄρα τὸ μέγα τῷ μικρῷ ἐναντίον, οὐδὲ τὸ πολὺ τῷ ὀλίγῳ, ὥστε κἂν μὴ τῶν πρός τι ταῦτά τις ἐρεῖ ἀλλὰ τοῦ ποσοῦ, οὐδὲν ἐναντίον ἕξει. Groß-klein und mehr-weniger können nur dann als Gegensatzpaare zum Vorschein kommen, wenn sie sich korrelativ verhalten. In diesem Fall bietet die Relationskategorie eine leere Struktur, die durch die unbestimmte Größe oder das unbestimmte Zahlenverhältnis erfüllt wird. 133 In der Kategorienschrift behauptet Aristoteles, dass weder der Einzelsubstanz noch den Wesenssubstanzen der Gegensatz innewohnen könne (Ὑπάρχει δὲ ταῖς οὐσίαις καὶ τὸ μηδὲν αὐταῖς ἐναντίον εἶναι. τῇ γὰρ πρώτῃ οὐσίᾳ τί ἂν εἴη ἐναντίον; οἷον τῷ τινὶ ἀνθρώπῳ οὐδέν ἐστιν ἐναντίον, οὐδέ γε τῷ ἀνθρώπῳ ἢ τῷ ζῴῳ οὐδέν ἐστιν ἐναντίον – Cat. 5, 3b24–27). In der Tat können sowohl das Einzelding als auch die Art und die Gattung irgendwie mit dem Gegensatz zusammenhängen, und zwar in einem anderen Sinne von Gegensatz. Vom logischen Subjekt, das der ontologischen Einzelsubstanz entspricht, können gegensätzliche Prädikate ausgesagt werden (Sokrates ist musikalisch oder unmusikalisch). Die eine Wesenssubstanz, d. h. die Art, lässt den prädikativen Gegensatz zwar nicht zu, der Gegensatz kann aber in der Form von Vollendung-Privation auftreten. Die andere Wesenssubstanz, d. h. die Gattung, kann sich in die gegensätzlichen Eigenschaften dihairetisch ausdifferenzieren, da der Gegensatz von Vernünftigkeit und Unvernünftigkeit in der Gattung Lebewesen enthalten ist.
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unmenschlich wird. Nicht die Wesenssubstanz an sich, sondern nur deren Zustände können entgegengesetzt sein. Das Einzelding ist dadurch entstanden oder vergänglich, dass die Wesenssubstanz, d. h. die Form, am Stoff entweder anwesend (παρουσία, praesentia) oder abwesend (ἀπουσία, absentia) ist. Die Anwesenheit der Form im Stoff gilt als Vollendung der Wesenheit (ἕξις) und die Abwesenheit der Form als Privation (στέρησις). Daher bezeichnet der Gegensatz der Wesenskategorie die gegensätzlichen Zustände der Form, und zwar Anwesenheit-Abwesenheit bzw. Vollendung-Privation. Angesichts des Gegensatz-Kriteriums treten vier Kategorien in den Vordergrund, worin die Veränderung ausdifferenziert ist. Demzufolge ergeben sich die qualitative, die quantitative, die örtliche und die substanzielle Veränderung. Während bei der substanziellen Veränderung der Gegensatz als Form-Privation auftaucht (εἶδος-στέρησις), wandeln sich bei der akzidentellen Veränderung die gegensätzlichen Eigenschaften ineinander um (ἀντικείμενον). In der qualitativen Veränderung steht das Weiße dem Schwarzen entgegen, in der quantitativen Veränderung die Vollendung der Unvollkommenheit und in der Ortsbewegung das Oben dem Unten oder das Leichte dem Schweren.134 Um die These zu bestätigen, dass es nur vier Typen von Veränderungen gibt, kann man einen weiteren Beweis erbringen. Die Beweisführung vollzieht sich derart, dass die anderen Möglichkeiten ausgeschlossen werden müssen. Da bei den anderen sechs Kategorien der Gegensatz entweder auf den qualitativen, den quantitativen oder den räumlichen Gegensatz reduzierbar ist oder der Eigenschafts- und Zustandsgegensatz überhaupt nicht zugelassen sind, wird die vierfache Einteilung der Veränderung gerechtfertigt. Die Paare, wie z. B. tüchtig-schlecht, groß-klein, mehr-weniger und rechts-links, können der Relationskategorie (πρός τι) unterworfen sein, da die beiden Seiten in jedem Paar symmetrisch sind und sich korrelativ verhalten. Indem die korrelativen Paare miteinander im Gegensatz stehen, scheint es,
134 (1) Phys. Γ1, 201a3–8 = Metaph. K9, 1065b9–13: ἕκαστον δὲ διχῶς ὑπάρχει πᾶσιν, οἷον τὸ τόδε (τὸ μὲν γὰρ μορφὴ αὐτοῦ, τὸ δὲ στέρησις), καὶ κατὰ τὸ ποιόν (τὸ μὲν γὰρ λευκὸν τὸ δὲ μέλαν), καὶ κατὰ τὸ ποσὸν τὸ μὲν τέλειον τὸ δ’ ἀτελές. ὁμοίως δὲ καὶ κατὰ τὴν φορὰν τὸ μὲν ἄνω τὸ δὲ κάτω, ἢ τὸ μὲν κοῦφον τὸ δὲ βαρύ. (2) Cat. 14, 15b1–16: Ἔστι δὲ ἁπλῶς μὲν κίνησις ἠρεμίᾳ ἐναντίον· ταῖς δὲ καθ’ ἕκαστα, γενέσει μὲν φθορά, αὐξήσει δὲ μείωσις· τῇ δὲ κατὰ τόπον μεταβολῇ ἡ κατὰ τόπον ἠρεμία μάλιστα ἔοικεν ἀντικεῖσθαι, καὶ εἰ ἄρα ἡ εἰς τὸν ἐναντίον τόπον μεταβολή, οἷον τῇ κάτωθεν ἡ ἄνω, τῇ ἄνωθεν ἡ κάτω. [. . .] ὥστε ἀντίκειται τῇ < κατὰ τὸ ποιὸν κινήσει ἡ > κατὰ τὸ ποιὸν ἠρεμία < ἢ > ἡ εἰς τὸ ἐναντίον τοῦ ποιοῦ μεταβολή, οἷον τὸ λευκὸν γίγνεσθαι τῷ μέλαν γίγνεσθαι· ἀλλοιοῦται γὰρ εἰς τὰ ἐναντία τοῦ ποιοῦ μεταβολῆς γιγνομένης.
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als ob die Gegensätze in die Relationskategorie eintreten würden.135 Aber im Grunde genommen fällt das jeweils Entgegengesetzte in die Qualitäts-, die Quantitäts- oder die Ortskategorie. Per se bildet tüchtig-schlecht den qualitativen Gegensatz, groß-klein zusammen mit mehr-wenig den quantitativen Gegensatz und rechts-links den räumlichen Gegensatz. Nur per accidens sind alle solchen Gegensätze der Relationskategorie zugehörig, denn sie sind nicht wegen der Relation, sondern in Bezug auf den qualitativen, quantitativen oder örtlichen Inhalt entgegengesetzt.136 Ebenso verhält es sich mit der Zeit. Laut Aristoteles gilt die Zeit als Zahl der Bewegung, und zwar nach früher und später (Phys. Δ11, 219b1–2, 220a24–26). Wenn von früher-später (πρότερονὕστερον) die Rede ist, kommt der zeitliche Gegensatz scheinbar ans Licht. Wenn die Veränderung als Übergang von der einen Eigenschaft zu der anderen entgegengesetzten Eigenschaft angesehen wird, fängt der Prozess mit einem qualitativen, quantitativen oder räumlichen Zustand an und endet mit dem jeweiligen gegensätzlichen Zustand. Obwohl früher-später den zeitlichen Übergang vom Anfang bis zum Ende bezeichnen kann, ist nicht die Zeit, sondern die Eigenschaft umgeschlagen. Von Grund auf steht weder das Frühere dem Späteren, noch der Anfang dem Ende entgegen, sondern die kategorialen Eigenschaften verhalten sich zueinander gegensätzlich. Aristoteles’ Auffassung nach machen die beiden verbalen Kategorien, Wirken und Leiden (ποιεῖν-πάσχειν), das Gefüge der Veränderung aus. Der natürliche Umschlag sowie die menschliche Tätigkeit vollziehen sich nur dann, wenn das aktiv Machende und das passiv Leidende zusammenwirken. Da das Bewirken und das Bewirktwerden bzw. das Bewegen und das Bewegtwerden die konstitutiven Bestandteile der Veränderung sind, können die beiden Kategorien nicht noch einmal in die Klassifikation der Veränderung hineingesetzt
135 Cat. 7, 6b15–17: Ὑπάρχει δὲ καὶ ἐναντιότης ἐν τοῖς πρός τι, οἷον ἀρετὴ κακίᾳ ἐναντίον, ἑκάτερον αὐτῶν πρός τι ὄν, καὶ ἐπιστήμη ἀγνοίᾳ. οὐ πᾶσι δὲ τοῖς πρός τι ὑπάρχει ἐναντίον. 136 (1) Phys. E2, 225b11–13: Κατ’ οὐσίαν δ’ οὐκ ἔστιν κίνησις διὰ τὸ μηδὲν εἶναι οὐσίᾳ τῶν ὄντων ἐναντίον. οὐδὲ δὴ τοῦ πρός τι· ἐνδέχεται γὰρ θατέρου μεταβάλλοντος < ἀληθεύεσθαι καὶ μὴ > ἀληθεύεσθαι θάτερον μηδὲν μεταβάλλον, ὥστε κατὰ συμβεβηκὸς ἡ κίνησις αὐτῶν. (2) Simplicii In Physicorum 835.2–11: εἰ οὖν μεταβάλλει τι κατὰ τὸ πρός τι μὴ κινηθέν, οὐκ ἔστιν ἡ κατὰ τὸ πρός τι μεταβολὴ κίνησις, πλὴν εἰ κατὰ συμβεβηκός. ἐκεῖνο γὰρ καθ’ αὑτὸ μεταβάλλει, ᾧ τοῦτο συμβεβήκει δεξιὸν εἶναι, καὶ οὕτως τοῦτο γίνεται ἐκ δεξιοῦ ἀριστερόν. καὶ αὐτὰ δὲ τὰ καθ’ αὑτὰ κινούμενα καὶ διὰ τῆς οἰκείας κινήσεως τὴν κατὰ τὸ πρός τι σχέσιν ἀμείβοντα ἢ κατὰ τόπον κινούμενα τοῦτο ποιεῖ, ὡς ὁ ἐκ δεξιοῦ ἀριστερὸς γινόμενος, ἢ κατὰ ποιότητα, ὡς ὁ ἐξ ἀνομοίου ὅμοιος, ἢ κατὰ ποσότητα, ὡς τὸ ἴσον ἐξ ἀνίσου γινόμενον. ὥστε ἡ τῆς σχέσεως ἀλλαγὴ κατὰ τὴν κατά τι ἐκείνων κίνησιν γίνεται.’ ταῦτα μὲν ὁ Ἀλέξανδρος καλῶς περὶ τῶν πρός τι τὰ τοῦ Ἀριστοτέλους σαφηνίζων ἔγραψεν. (3) Phys. H3, 246b10–12: ἐπεὶ οὖν τὰ πρός τι οὔτε αὐτά ἐστιν ἀλλοιώσεις, οὔτε ἔστιν αὐτῶν ἀλλοίωσις οὐδὲ γένεσις οὐδ’ ὅλως μεταβολὴ οὐδεμία [. . .].
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werden. Sonst ergäbe sich ein Regress, nämlich die Veränderung der Veränderung, die Bewegung der Bewegung oder die Entstehung der Entstehung.137 Die Kategorie des Vorliegens und des Innehabens (κεῖσθαι-ἔχειν) stellen den ruhigen Zustand zur Schau. Während das Vorliegen eine bestimmte Sachlage, wie z. B. Sitzen oder Liegen des Sokrates, aufweist, bezeichnet das Innehaben den Zustand, wobei das Einzelne entweder mit der Eigenschaft oder mit der Tugend ausgestattet ist. Die Kategorie des Innehabens zeigt sich z. B. darin, dass Sokrates bewaffnet oder gerecht ist. Da das Vorliegen und das Innehaben der Beweglichkeit per se entgegenstehen, können die beiden Zustandskategorien nicht mit der Veränderung in Verbindung gesetzt werden.138 Durch die Überprüfung der zehn Kategorien werden die vier Typen von Veränderungen festgelegt. Aufgrund des Kriteriums des Zulassens von Gegensätzen ist die Veränderung anhand der vier Kategorien in vier Typen geteilt. Da sich die Veränderung in der aristotelischen Physik, d. h. in der Naturforschung, auf das Naturseiende bezieht, sind die vier Veränderungstypen im Hinblick auf das Naturseiende eigenständig benannt. Die qualitative Veränderung wird das Anderswerden (ἀλλοίωσις) genannt. Die quantitative Veränderung lässt sich als Wachstum und Schwung (αὔξησις-φθίσις) bezeichnen. Die räumliche Veränderung hat zwei Grundformen, nämlich die geradlinige und die kreisförmige Ortsbewegung (εὐθεῖα-περιφερής). Davon ist die Kreisbewegung terminologisch als φορά benannt. Die substanzielle Veränderung schließt das Entstehen und das Vergehen (γένεσις-φθορά) in sich (Cat. 14, 15a13–14; Phys. E2, 226a26–226b1; Gen. et Corr.
137 (1) Phys. E2, 225b13–16: οὐδὲ δὴ ποιοῦντος καὶ πάσχοντος, ἢ κινουμένου καὶ κινοῦντος, ὅτι οὐκ ἔστι κινήσεως κίνησις οὐδὲ γενέσεως γένεσις, οὐδ’ ὅλως μεταβολῆς μεταβολή. (2) Phys. E2, 225b33–226a6: ἔτι εἰς ἄπειρον βαδιεῖται, εἰ ἔσται μεταβολῆς μεταβολὴ καὶ γενέσεως γένεσις. ἀνάγκη δὴ καὶ τὴν προτέραν, εἰ ἡ ὑστέρα ἔσται, οἷον εἰ ἡ ἁπλῆ γένεσις ἐγίγνετό ποτε, καὶ τὸ γιγνόμενον ἐγίγνετο, ὥστε οὔπω ἦν τὸ γιγνόμενον ἁπλῶς, ἀλλά τι γιγνόμενον γιγνόμενον ἤδη, καὶ πάλιν τοῦτ’ ἐγίγνετό ποτε, ὥστ’ οὐκ ἦν πω τότε γιγνόμενον γιγνόμενον. ἐπεὶ δὲ τῶν ἀπείρων οὐκ ἔστιν τι πρῶτον, οὐκ ἔσται τὸ πρῶτον, ὥστ’ οὐδὲ τὸ ἐχόμενον· οὔτε γίγνεσθαι οὖν οὔτε κινεῖσθαι οἷόν τε οὔτε μεταβάλλειν οὐδέν. (3) Thomas In Physicorum lib.5 l.3 n.9 [72199]: „Deinde cum dicit: neque agentis etc., probat quod non sit motus in genere actionis et passionis. Actio enim et passio non differunt subiecto a motu, sed addunt aliquam rationem, ut in tertio dictum est. Unde idem est dicere quod motus sit in agere et pati, et quod motus sit in motu.“ 138 Auf eine andere Art und Weise argumentiert Thomas für die These. Seiner Meinung nach unterliegen die beiden Kategorien, Vorliegen und Innehaben, der Relationskategorie. Wenn die Bewegung nicht in der Relation stattfinden kann, befindet sie sich dementsprechend weder im Vorliegen noch im Innehaben. Vgl. Thomas In Physicorum lib.5 l.3 n.3 [72193]: „Situs autem ordinem quendam partium demonstrat; ordo vero relatio est: et similiter habere dicitur secundum quandam habitudinem corporis ad id quod ei adiacet: unde in his non potest esse motus, sicut nec in relatione.“
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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A4, 319b31–320a5; Metaph. Λ2, 1069b9–14). Im Folgenden geht es darum, einsichtig zu machen, dass sich die vier Typen von Veränderungen, die als Resultat durch die ontologische Analyse zustande gebracht werden, mit dem natürlichen Phänomen decken. In der sichtbaren und betastbaren Naturwelt ereignet sich der substanzielle Umschlag, indem das einzelne Lebewesen ständig entsteht und vergeht. Die natürliche Ortsbewegung lässt sich damit aufzeigen, dass die Himmelskörper unaufhörlich im Kreis laufen und die Grundelemente nach ihren eigentümlichen Orten streben, nämlich dass das Feuer sowie die Luft aufsteigen und das Wasser sowie die Erde hinabfallen. Dazu gehört auch die zufällige Ortsbewegung der Menschen oder der Tiere. Sokrates bewegt sich räumlich, wenn er von zu Hause aufbrechend zum Marktplatz geht. Des Weiteren verändert sich das Lebewesen insofern quantitativ, als der Mensch, das Tier oder die Pflanze zur jeweiligen passenden Größe heranwächst. Wenn die optimale und vollkommene Größe nicht erreicht wird, tritt der Schwung auf. Die qualitative Veränderung betrifft das Lebewesen, wenn die Farbe der Pflanzen, der Tiere oder der Menschen verändert ist. Damit ist auch gemeint, dass der tierische oder der menschliche Körper von der Krankheit in die Gesundheit und die menschliche Seele von der Schlechtigkeit in die Tüchtigkeit übergeht. Im gewissen Sinne kann die Wahrnehmung auch zur qualitativen Veränderung gezählt werden. In den Augen wandeln sich die verschiedenen Farben oder Gestalten ineinander um, bei den Ohren das Tiefe und das Höhe der Töne, und beim Tasten das Warme und das Kalte der Affektion. Aristoteles’ Erklärung der Bewegung steht dem empirischen Phänomen zwar nicht entgegen, sie ist aber keineswegs die einfache Beschreibung des ontischen Bewegungsphänomens. Auch zieht Aristoteles die Bewegung nicht rein logisch in Betracht und sieht sie nicht als unveränderliche Idee an, weil die Idee zwar ontologische Stabilität sowie epistemologische Erkennbarkeit garantiert, die mannigfaltigen empirischen Bewegungen aber außer Betracht lässt. Dagegen konzipiert Aristoteles die Bewegung bzw. die Veränderung auf eine ontologische Art und Weise, indem die Struktur der Veränderung von Substrat und Gegensatz auf das ontologische Gefüge von Substanz und Kategorie zurückgreift. In der Veränderung muss ein unveränderliches Substrat zugrunde liegen, das nichts anderes als die Einzelsubstanz ist (ὑπομένον→ὑποκείμενον). In der Veränderung wandeln sich allerdings die gegensätzlichen Eigenschaften ineinander um, die auf eine bestimmte Kategorie zurückzuführen sind (ἀντικείμενον→κατηγορούμενον). Darum kommen sowohl das ontische Substrat mit der ontologischen Substanz als auch die ontische Eigenschaft mit der ontologischen Kategorie zur Deckung. Die Analogie der Veränderung zum Sein lässt sich dadurch aufstellen, dass die ontische Struktur von Substrat und
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Eigenschaft (ὑπομένον-ἀντικείμενον) mit dem ontologischen Gefüge von Substanz und Kategorie (ὑποκείμενον-κατηγορούμενον) korrespondiert. Indem Aristoteles das ontische Phänomen der Veränderung ontologisch begründet und erörtert, ist die herkömmliche Vorstellung der Bewegung zu überwinden. Laut Heraklit ist alles fließend und nichts bleibt stehen. Aus der These „πάντα ῥεῖ“ folgen sowohl die Instabilität als auch die Unendlichkeit der Bewegung. Geht die Bewegung unaufhörlich und immer voran, ist sie weder stabil noch erkennbar. Falls die empirische Bewegung als ein ständig fließender Fluss vorgestellt wird und nie zu einem Ruhezustand gelangen kann, bewegt sie sich unendlich. Gegen die These, dass alles instabil und fließend ist, legt Aristoteles der Veränderung ein unveränderliches Substrat zugrunde, um die substanzielle Identität beizubehalten. Demzufolge ergibt sich keineswegs die Veränderung der Veränderung, sondern die Veränderung der Substanz. Um die Unendlichkeit der empirischen Bewegung zurückzuweisen, führt Aristoteles den Gegensatz ein, der den Veränderungsprozess vollständig abschließt.139 Deshalb befinden sich alle Typen der Veränderung im Rahmen der abgeschlossenen Gegensätze. Aristoteles macht nachdrücklich klar, dass die empirische Veränderung von dem einen Zustand aus- und in den anderen Zustand übergehen muss. Anders formuliert: Die empirische Veränderung kann nicht unendlich sein, denn sie muss einen Anfang nehmen und zu Ende gehen (ἀρχή→τελευτή).140 Am Anfang steht die eine Eigenschaft und am Ende die andere entgegengesetzte Eigenschaft. Die gegensätzlichen Eigenschaften begrenzen die akzidentelle Veränderung, während der Gegensatz von Vollendung und Privation die Grenze der substanziellen
139 (1) Phys. Z10, 241a26–241b2: μεταβολὴ δ’ οὐκ ἔστιν οὐδεμία ἄπειρος· ἅπασα γὰρ ἦν ἔκ τινος εἴς τι, καὶ ἡ ἐν ἀντιφάσει καὶ ἡ ἐν ἐναντίοις. ὥστε τῶν μὲν κατ’ ἀντίφασιν ἡ φάσις καὶ ἡ ἀπόφασις πέρας (οἷον γενέσεως μὲν τὸ ὄν, φθορᾶς δὲ τὸ μὴ ὄν), τῶν δ’ ἐν τοῖς ἐναντίοις τὰ ἐναντία· ταῦτα γὰρ ἄκρα τῆς μεταβολῆς, ὥστε καὶ ἀλλοιώσεως πάσης (ἐξ ἐναντίων γάρ τινων ἡ ἀλλοίωσις), ὁμοίως δὲ καὶ αὐξήσεως καὶ φθίσεως· αὐξήσεως μὲν γὰρ τὸ πέρας τοῦ κατὰ τὴν οἰκείαν φύσιν τελείου μεγέθους, φθίσεως δὲ ἡ τούτου ἔκστασις. (2) Phys. Θ2, 252b10–12: μεταβολὴ γὰρ ἅπασα πέφυκεν ἔκ τινος εἴς τι, ὥστε ἀνάγκη πάσης μεταβολῆς εἶναι πέρας τὰ ἐναντία ἐν οἷς γίγνεται, εἰς ἄπειρον δὲ κινεῖσθαι μηδέν. (3) Metaph. B4, 999b8–12: ἔτι δὲ γενέσεως οὔσης καὶ κινήσεως ἀνάγκη καὶ πέρας εἶναι (οὔτε γὰρ ἄπειρός ἐστιν οὐδεμία κίνησις ἀλλὰ πάσης ἔστι τέλος, γίγνεσθαί τε οὐχ οἷόν τε τὸ ἀδύνατον γενέσθαι· τὸ δὲ γεγονὸς ἀνάγκη εἶναι ὅτε πρῶτον γέγονεν). 140 Um zu beweisen, dass die Veränderung in der Empirie nicht unendlich sein kann, führt Aristoteles eine andere Dimension ein, nämlich die Zeit. Da die empirische Entstehung sowie die Bewegung in der begrenzten Zeit geschehen, können sie nicht unendlich vorangehen ([. . .] φανερὸν ὅτι οὐδὲ κίνησις ἔσται ἄπειρος ἐν πεπερασμένῳ χρόνῳ – Phys. Z7, 238b19–20). Die ausführliche Beweisführung findet sich in Z7 der Physik.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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Veränderung ausmacht. Da die akzidentelle und die substanzielle Veränderung begrenzt sein müssen (πεπερασμένον), ist die empirische Veränderung durchaus endlich (πέρας). Die ontische Veränderung ist dadurch ontologisch strukturiert, dass das Substrat unveränderlich zugrunde liegt und das Veränderliche durch den abgeschlossenen Gegensatz begrenzt ist. 2.1.2.2 Klassifikation der Veränderung Nicht nur die ontologische Differenz, sondern auch die kategoriale Ausdifferenzierung weiten sich in die Erörterung der Veränderung aus. Zum einen spiegelt sich das ontologische Gefüge von Substanz und Kategorie in der ontischen Struktur von Substrat und Eigenschaft. Zum anderen wird die kategoriale Ausdifferenzierung von per accidens und per se zum Vorschein gebracht, dadurch dass die Veränderung in die akzidentelle und die substanzielle Veränderung gespalten ist. Wie die Akzidenz- und die Wesensprädikation voneinander differenziert sind, so lassen sich die akzidentelle und die substanzielle Veränderung gleicherweise anhand des Chiasmus unterscheiden. Die beiden Kriterien, die ein gültiger Chiasmus verlangt, beruhen auf dem Grundsatz der Veränderung, nämlich dass sich das Seiende immer von Etwas zu Etwas verändert (πᾶσα μεταβολή ἐστιν ἔκ τινος εἴς τι).141 Einerseits ist das Seiende entweder aus dem Zugrundeliegenden oder aus dem Nicht-Zugrundeliegenden hervorgegangen.
141 Der Ausdruck „ἔκ τινος εἴς τι“ wird vielfältig angewendet. (1) Im vorliegenden Zusammenhang ist mit dem τι das Zugrundeliegende gemeint. Demnach verändert sich das Seiende entweder vom Zugrundeliegenden zum Zugrundeliegenden, oder vom Nichtsein zum Sein oder vom Sein zum Nichtsein (Phys. E1, 224b35–225a6, 224b7–10; Metaph. K11, 1067b14–18). (2) Wenn unter dem τι die Eigenschaft zu verstehen ist, wandelt sich die eine Eigenschaft in die andere gegensätzliche Eigenschaft um. Die qualitative Veränderung z. B. ist nichts anderes als die Umwandlung der gegensätzlichen Eigenschaften, und zwar vom Schlechten ins Gute, vom Kranken ins Gesunde, oder vom Schwarzen ins Weiße (Phys. E1, 224a34–224b5; Phys. E2, 225b16–33 = Metaph. K12, 1068a16–33; Phys. Z10, 241a26–28; Metaph. Λ2, 1069b15–20). (3) Im Rahmen der Vier-Ursachen-Lehre bezeichnet das „ἔκ τινος“ entweder die konkrete Materie (λέγω γὰρ ὕλην τὸ πρῶτον ὑποκείμενον ἑκάστῳ, ἐξ οὗ γίγνεταί τι ἐνυπάρχοντος μὴ κατὰ συμβεβηκός – Phys. A9, 192a31–32; πάντα δὲ τὰ γιγνόμενα ὑπό τέ τινος γίγνεται καὶ ἔκ τινος καὶ τί· [. . .] τὸ δ’ ἐξ οὗ γίγνεται, ἣν λέγομεν ὕλην – Metaph. Z7, 1032a13–17) oder die Privation (αἴτιον δὲ ὅτι γίγνεται ἐκ τῆς στερήσεως καὶ τοῦ ὑποκειμένου, ὃ λέγομεν τὴν ὕλην – Metaph. Z7, 1033a8–10) und „εἴς τι“ entweder die Form schlechthin (πᾶν γὰρ μεταβάλλει τὶ καὶ ὑπό τινος καὶ εἴς τι· ὑφ’ οὗ μέν, τοῦ πρώτου κινοῦντος· ὃ δέ, ἡ ὕλη· εἰς ὃ δέ, τὸ εἶδος – Metaph. Λ3, 1069b36–1070a2) oder die konkretisierte Form, nämlich das Ziel oder das Werk (ἔτι δὲ γενέσεως οὔσης καὶ κινήσεως ἀνάγκη καὶ πέρας εἶναι. οὔτε γὰρ ἄπειρός ἐστιν οὐδεμία κίνησις ἀλλὰ πάσης ἔστι τέλος, γίγνεσθαί τε οὐχ οἷόν τε τὸ ἀδύνατον γενέσθαι – Metaph. B4, 999b8–11). Wenn der Akzent auf der Substantialität liegt, ist die Entstehung derart anzusehen, dass das Einzelding aus der konkreten Materie hervorgegangen und zur bestimmten Form vollendet ist
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Andererseits vollendet sich das Seiende entweder zum Zugrundeliegenden oder zum Nicht-Zugrundeliegenden. Indem die vier Momente miteinander chiastisch kombiniert sind, ergibt sich die vierfache Einteilung (Phys. E1, 224b35–225a6; Metaph. K11, 1067b14–18; Tab. 11). Tab. 11: Einteilung der Veränderung. εἰς ὑποκείμενον
εἰς μὴ ὑποκείμενον
ἐξ ὑποκειμένου
κίνησις
φθορά
ἐκ μὴ ὑποκειμένου
γένεσις
Dem Schema zufolge verändert sich das Seiende vom Zugrundeliegenden zum Zugrundeliegenden, vom Nicht-Zugrundeliegenden zum Zugrundeliegenden, vom Zugrundeliegenden zum Nicht-Zugrundeliegenden oder vom Nicht-Zugrundeliegenden zum Nicht-Zugrundeliegenden. Im Kontext ist das Zugrundeliegende als dasjenige bestimmt, was in der affirmativen Aussage offenkundig gemacht wird (λέγω δὲ ὑποκείμενον τὸ καταφάσει δηλούμενον – Phys. E1, 225a6–7; Metaph. K11, 1067b18). Die affirmative Aussage trägt dazu bei, das logische Subjekt auf positive Weise zu explizieren. Darum ist das, was in der Affirmation aufgezeigt wird, das logische Subjekt. Da Sein und Logos, d. h. Sachverhalt und Aussage, miteinander strukturell übereinstimmen, ist mit dem Subjekt die Substanz gemeint. Nachdem sich die Bedeutung des ὑποκείμενον als Einzelsubstanz bzw. Einzelding gezeigt hat, ist die Veränderung in drei Klassen einzuteilen (Phys. E1, 225a10–12; Metaph. K11, 1067b19–21). Die vierte Möglichkeit wird deswegen ausgeschlossen, weil der Übergang vom Nichts ins Nichts überhaupt nicht geschehen kann. Die Veränderung, bei der ein Übergang vom Einzelding zum Einzelding stattfindet, wird als Bewegung bezeichnet (κίνησις). Die Bewegung, die mit der akzidentellen Veränderung terminologisch für äquivalent gehalten wird, umfasst die qualitative und die quantitative Veränderung sowie die Ortsbewegung (Phys. E1, 225b5–9, Metaph. K12, 1068a8–10). Der Übergang vom Nichtsein zum Sein, d. h. vom Nicht-Einzelding zum Einzelding, wird terminologisch als Entstehen gefasst (γένεσις). Dem entgegen steht das Vergehen (φθορά), das als Übergang vom Sein zum Nichtsein, nämlich vom Einzelding
(ὕλη→εἶδος). Prozessual gesehen ist die Entstehung als Prozess bestimmt, in dem die Form vom privativen Zustand zum vollkommenen Zustand übergeht (στέρησις→τέλος).
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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zum Nicht-Einzelding, angesehen wird. Im Gegensatz zur akzidentellen Veränderung sind das Entstehen und das Vergehen zwei Formen der substanziellen Veränderung (Phys. E1, 225a7–20; Metaph. K11, 1067b19–25). Anhand des Chiasmus ist die Veränderung in drei Klassen einzuteilen, nämlich in die Bewegung, das Entstehen und das Vergehen. Wie Bewegung und Ruhe einander entgegengesetzt sind (κίνησις↔ἠρεμία), so auch Entstehen und Vergehen (γένεσις↔φθορά – Phys. E1, 225a32–34 = Metaph. K11, 1067b37–1068a1; E2, 226a6–9 = Metaph. K12, 1068b6–7). Unter Ruhe und Vergehen versteht Aristoteles den privativen bzw. den abwesenden Zustand, der dem beweglichen und dem entstandenen Seienden zufällig zukommt.142 Des Weiteren stimmt die Entzweiung der Veränderung in Bewegung und Entstehung damit überein, dass die Kategorien in die akzidentelle und die substanzielle Kategorie ausdifferenziert sind. Während sich die akzidentellen Eigenschaften in der Bewegung verändern, vollzieht sich die Entstehung des einzelnen Naturseienden dadurch, dass die Wesenssubstanz, die in der Aussage als Wesensprädikat auftritt, d. h. die Naturart, am gleichartigen Einzelnen aktualisiert wird. Anhand desselben Kriteriums von per accidens und per se ist daher sowohl die Akzidenzkategorie von der Wesenskategorie als auch die Bewegung von der Entstehung unterschieden. 2.1.2.3 Analogie von akzidenteller und substanzieller Veränderung Anhand des Chiasmus ist die Veränderung in die akzidentelle und die substanzielle Veränderung geteilt. Die eine als Bewegung und die andere als EntstehenVergehen verhalten sich zueinander analog. Da die Analogie die formale Identität und die inhaltliche Differenz in sich schließt, sind die Bewegung und das Entstehen-Vergehen sowohl einander strukturell ähnlich, als auch ihrem Wesen nach voneinander different. Nach der einen Seite haben die akzidentelle und die substanzielle Veränderung gemeinsam, dass sie an derselben Veränderungsstruktur teilhaben. Da die ontologische Strukturähnlichkeit zur logischen Begriffseinheit führt, können die Bewegung und das Entstehen-Vergehen, die jeweils eine eigenständige Gattung bilden (ἀλλ’ ἕκαστον τούτων ἕτερον περὶ ἕκαστον γένος ἐστίν – Metaph. Λ4, 1070b19–20), von einer übergeordneten 142 Das ruhige Seiende ist insofern unbeweglich, als es von Natur aus bewegbar ist und nur in einer gewissen Zeit nicht bewegt wird. In diesem Sinne werden die Ruhe zur Privation der Bewegung und das Vergehen zur Privation des Entstehens gezählt, während das absolute Unbewegte überhaupt nicht bewegt werden kann. (1) Phys. E2, 226b10–16: ἀκίνητον δ’ ἐστὶ τό τε ὅλως ἀδύνατον κινηθῆναι, ὥσπερ ὁ ψόφος ἀόρατος, [. . .] καὶ τὸ πεφυκὸς μὲν κινεῖσθαι καὶ δυνάμενον, μὴ κινούμενον δὲ τότε ὅτε πέφυκε καὶ οὗ καὶ ὥς, ὅπερ ἠρεμεῖν καλῶ τῶν ἀκινήτων μόνον· ἐναντίον γὰρ ἠρεμία κινήσει, ὥστε στέρησις ἂν εἴη τοῦ δεκτικοῦ. (2) Phys. A9, 192a26–28: [. . .] τὸ γὰρ φθειρόμενον ἐν τούτῳ ἐστίν, ἡ στέρησις· ὡς δὲ κατὰ δύναμιν, οὐ καθ’ αὑτό.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Gattung zusammengefasst und von demselben Oberbegriff „Veränderung“ bezeichnet werden. Nach der anderen Seite ist dieselbe Struktur „Zugrundeliegendes-Gegensatz“ (ὑποκείμενον-ἀντίφασις), die die akzidentelle und die substanzielle Veränderung durchdringt, jeweils auf andere Weise beinhaltet. Anhand der inhaltlichen Differenz lassen sich die Bewegung und das Entstehen-Vergehen voneinander unterscheiden. Vor allem stimmen die Bewegung und das Entstehen-Vergehen insofern strukturell überein, als in beiden Fällen das zugrundeliegende Substrat und der abwechselnde Gegensatz vorhanden sind. Das Einzelding liegt der akzidentellen Veränderung zugrunde (ὑποκείμενον→τόδε τι) und die Materie der substanziellen Veränderung (ὑποκείμενον→ὕλη). In der Bewegung sind die akzidentellen Eigenschaften entgegengesetzt (ἀντίφασις→ἀντικείμενον), wie z. B. weiß-schwarz, großklein oder oben-unten. Beim Entstehen und Vergehen machen Anwesenheit und Abwesenheit der Wesenssubstanz den Gegensatz aus (ἀντίφασις→ἀπουσία-παρουσία).143 Während die akzidentellen Gegensätze die gegensätzlichen Zustände der Einzelsubstanz bezeichnen, bezieht sich Anwesenheit-Abwesenheit auf die gegensätzlichen Zustände der Wesenssubstanz. Im Hintergrund der strukturellen Ähnlichkeit wird der Akzent auf die sachliche Differenz gelegt. Im Folgenden liegt das Augenmerk darauf, wie das Zugrundeliegende und der Gegensatz bei der akzidentellen und der substanziellen Veränderung jeweils anders zur Entfaltung kommen. Während die der Bewegung zugrundeliegende Einzelsubstanz unveränderlich verharrt, muss die der Entstehung zugrundeliegende Materie durch die natürliche Entstehung oder die menschliche Herstellung modifiziert und geformt werden. In der Bewegung sind die akzidentellen Eigenschaften entgegengesetzt, indem die qualitative, die quantitative oder die örtliche Kategorie den Gegensatz erlaubt. Dagegen lässt die Wesenskategorie bzw. die Wesenssubstanz nicht zu, dass der Gegensatz auf das Einzelne zutrifft. Während die entgegengesetzten akzidentellen
143 (1) Phys. A7, 191a6–7: ἱκανὸν γὰρ ἔσται τὸ ἕτερον τῶν ἐναντίων ποιεῖν τῇ ἀπουσίᾳ καὶ παρουσίᾳ τὴν μεταβολήν. (2) Thomas In Physicorum lib.1 l.13 n.7 [71647]: „Sic igitur patet quod in motu requiruntur duo contraria et unum subiectum. Sed in generatione et corruptione requiritur praesentia unius contrarii et absentia eius, quae est privatio.“ (3) Phys. B3, 195a11–14: ἔτι δὲ τὸ αὐτὸ τῶν ἐναντίων ἐστίν· ὃ γὰρ παρὸν αἴτιον τοῦδε, τοῦτο καὶ ἀπὸν αἰτιώμεθα ἐνίοτε τοῦ ἐναντίου, οἷον τὴν ἀπουσίαν τοῦ κυβερνήτου τῆς τοῦ πλοίου ἀνατροπῆς, οὗ ἦν ἡ παρουσία αἰτία τῆς σωτηρίας. (4) Simplicii In Physicorum 319.7–13: εἰπὼν δὲ ὅτι πάντα τοῦ αὐτοῦ καὶ ἀλλήλων ἐστὶν αἴτια, προστίθησιν ὅτι καὶ < τὸ αὐτὸ τῶν ἐναντίων >, ἀλλ’ οὐχ ὡσαύτως ἔχον ἀλλ’ ἐναντίως διακείμενον. < ὃ γὰρ παρὸν > σωτηρίας ἐστὶν < αἰτιόν > τινι ὡς ὁ κυβερνήτης τῇ νηί, < τοῦτο ἀπὸν ἀνατροπῆς >. καὶ δῆλον ὅτι παρὸν μὲν καθ’ αὑτὸ αἴτιόν ἐστιν, ἀπὸν δὲ κατὰ συμβεβηκός. οὕτως δὲ ἔλεγεν ἐν τῷ πρώτῳ, τὸ εἶδος τῇ παρουσίᾳ καὶ ἀπουσίᾳ τῆς γενέσεως εἶναι καὶ τῆς φθορᾶς αἴτιον.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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Eigenschaften (musikalisch-unmusikalisch) nacheinander dem Einzelnen (Sokrates) inhärieren können, ist es demselben unmöglich, nicht Mensch zu sein, solange er noch lebt. Außerdem ist die Wesenssubstanz weder entstanden noch vergänglich, da nicht die menschliche Art, sondern nur der einzelne Mensch zugrunde gehen kann.144 Was der Wesenssubstanz entgegensteht, ist weder Gegensatz noch Vernichtung derselben, sondern der gegensätzliche Zustand. In der substanziellen Veränderung stehen daher die Anwesenheit und Abwesenheit der Wesenssubstanz zueinander im Gegensatz (παρουσία-ἀπουσία). Anhand der vollständigen Verwirklichung ist die Wesenheit am Einzelding anwesend und durch die Beraubung ist sie abwesend. Darum tritt der gegensätzliche Zustand auch in Form von Vollendung-Privation auf (ἕξις-στέρησις). Den Unterschied zwischen dem akzidentellen Gegensatz (ἀντικείμενον) und dem Zustandsgegensatz (ἕξις-στέρησις) kann man aus einer anderen Perspektive betrachten. Die beiden sind dadurch grundsätzlich unterschieden, dass der eine die ontologisch-logische Verschiedenheit (ἕτερον) und der andere den ontologisch-logischen Widerspruch bezeichnet. Beim akzidentellen Gegensatz stehen einander zwei verschiedene Eigenschaften, z. B. weiß-schwarz oder gesundkrank, entgegen. Zwischen den beiden Extremen ist es möglich, dass ein Drittes in der Mitte steht, wie das Braune zwischen dem Schwarzen und dem Weißen vorliegt. Terminologisch wird diese Art der Entgegensetzung als konträrer Gegensatz benannt (contrarius). Im Vergleich dazu bezeichnet der Zustandsgegensatz weder zwei verschiedene Formen, noch den Gegensatz von Form und deren Vernichtung, sondern gegensätzliche Zustände der Form. Da die Form entweder ganz abwesend oder vollständig anwesend sein muss, ist der Mittelzustand nicht zugelassen. Der Gegensatz, bei dem das eine Moment das andere ausschließt, wird der kontradiktorische Gegensatz genannt (contradictio). Anhand der Analogie von Sein und Logos kann der Unterschied zwischen beiden Gegensätzen in einem weiteren Schritt verdeutlicht werden. Der Gegensatz von Musikalischem und Unmusikalischem spiegelt sich in der Aussage derart, dass dasselbe Prädikat bejaht und verneint wird. Sokrates ist nämlich musikalisch oder nicht musikalisch. Aus der Bejahung und der Verneinung des Prädikates resultieren die affirmative und die negative Aussage. Der akzidentelle Gegensatz führt zum prädikativen Gegensatz, der die logische Entgegensetzung von Affirmation und Negation zustande bringt.
144 Nicht nur die wesentliche Form, sondern auch die akzidentelle Eigenschaft ist unvergänglich. Was entstehen und vergehen kann, ist allein das Kompositum. Während das substanzielle Kompositum, nämlich das einzelne Lebewesen oder Artefakt, aus Stoff und Form zusammengesetzt wird, kommt das akzidentelle Kompositum dadurch zustande, dass die akzidentelle Eigenschaft dem Einzelding zukommt. Vgl. Metaph. Z9, 1034b7–19.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Dass die Wesenskategorie keinen prädikativen Gegensatz zulässt, besagt nichts anderes, als dass die Wesenskategorie in der Aussage nicht verneint werden kann. Die logische Unverneinbarkeit der Wesenskategorie geht auf die ontologische Untrennbarkeit der Wesenssubstanz vom Einzelding zurück. Bei der Naturentstehung zeigt sich, dass die Art als Wesenheit mit dem gleichartigen Einzelding zusammenfällt. Obwohl der Wesensprädikation die allgemeine Prädikationsstruktur (τὶ κατὰ τινὸς λέγεται) zugeteilt ist, drückt sie nicht die zufällige Zukommenheit des Akzidenz aus, sondern das notwendige Vorhandensein der Wesenheit am Einzelding. Das Einzelding kommt durch die Verinnerlichung des Wesens zustande (ἕξις) und anhand der Wesensprädikation zur Sprache („Sokrates ist Mensch“). Das Einzelding geht wegen der Beraubung des Wesens zugrunde (στέρησις) und der Vernichtung des Einzeldings entsprechend wird das logische Subjekt in der Aussage negiert („Nicht Sokrates ist ein Mensch“). In der Wesensprädikation kann nicht das Prädikat, sondern nur das Subjekt negativ ausgesprochen werden. Die logische Negierbarkeit des einzelnen Subjektes ist auf die ontologische Tatsache zurückzuführen, dass in der Natur nicht die menschliche Art, sondern die einzelnen Menschen vergehen. Zum einen stimmt das Entstehen des Einzeldings mit der Wesensprädikation insofern überein, als das Einzelding ontologisch und logisch bejaht wird. Zum anderen kommen das Vergehen des Einzeldings und das Negieren des Subjekts in Übereinkunft, dadurch, dass das Einzelding in beiden Fällen aufgehoben wird. Die Negation bezieht sich in der Wesensprädikation auf das Subjekt, in der Akzidenzprädikation aber auf das Prädikat. In der substanziellen Veränderung bilden Entstehen-Vergehen bzw. Verinnerlichung-Beraubung den Gegensatz, der durch die Bejahung und die Verneinung des logischen Subjekts zum Ausdruck kommt (γένεσις-φθορά/ἕξις-στέρησις→ἀντίφασις).145 In der akzidentellen Veränderung sind die Eigenschaften entgegengesetzt, woraus der prädikative Gegensatz von Affirmation und Negation resultiert (ἀντικείμενον→ἀντίφασις: κατάφασις-ἀπόφασις).146
145 (1) Phys. E1, 225a12–14 = Metaph. K11, 1067b21–23: ἡ μὲν οὖν οὐκ ἐξ ὑποκειμένου εἰς ὑποκείμενον μεταβολὴ κατ’ ἀντίφασιν γένεσίς ἐστιν, ἡ μὲν ἁπλῶς ἁπλῆ, ἡ δὲ τὶς τινός. (2) Phys. E1, 225a34–225b3 = Metaph. K11, 1068a1–5: ἐπεὶ δὲ πᾶσα κίνησις μεταβολή τις, μεταβολαὶ δὲ τρεῖς αἱ εἰρημέναι, τούτων δὲ αἱ κατὰ γένεσιν καὶ φθορὰν οὐ κινήσεις, αὗται δ’ εἰσὶν αἱ κατ’ ἀντίφασιν, ἀνάγκη τὴν ἐξ ὑποκειμένου εἰς ὑποκείμενον μεταβολὴν κίνησιν εἶναι μόνην. 146 (1) Int. 6, 17a31–35: ὥστε δῆλον ὅτι πάσῃ καταφάσει ἐστὶν ἀπόφασις ἀντικειμένη καὶ πάσῃ ἀποφάσει κατάφασις. καὶ ἔστω ἀντίφασις τοῦτο, κατάφασις καὶ ἀπόφασις αἱ ἀντικείμεναι. (2) Metaph. Γ4, 1007b17–23.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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Einerseits steht die akzidentelle Veränderung mit der akzidentellen Prädikation in Übereinstimmung. Da die akzidentellen Eigenschaften an demselben Substrat ineinander übergehen, können von demselben Subjekt verschiedene oder gegensätzliche Prädikate ausgesagt werden. Andererseits hängt die substanzielle Veränderung mit der wesentlichen Prädikation zusammen. Die teleologische Naturentstehung, nämlich dass der Mensch den Menschen zeugt (ἄνθρωπος ἄνθρωπον γεννᾷ – Phys. B2, 194b3; B7, 198a26–27; PA A1, 640a25–26; Metaph. Z7, 1032a25; Z8, 1033b32; Λ3, 1070a8, 1070a27–28), erbringt den Beweis für die Wesensprädikation, dass ein beliebige Mensch Mensch ist (ὁ γὰρ τὶς ἄνθρωπος καὶ ἄνθρωπός ἐστιν – Cat. 5, 2a25–26). Der oben erwähnte Unterschied zwischen der akzidentellen und der substanziellen Veränderung lässt sich im folgenden Schema (Tab. 12) zusammenfassen und anschaulich darstellen:
Tab. 12: Analogie von akzidenteller und substanzieller Veränderung. Veränderung (μεταβολή) Benennung (ὄνομα)
akzidentelle Veränderung = Bewegung (κίνησις)
substanzielle Veränderung = Entstehen + Vergehen (γένεσις + φθορά)
Zugrundeliegendes (ὑποκείμενον)
zugrundeliegendes Einzelding: verharren
zugrundeliegende Materie: nicht verharren
Gegensatz (ἀντίφασις)
ἀντικείμενον contrarius
ἕξις-στέρησις/ παρουσία-ἀπουσία contradictio
Negation (ἀπόφασις)
Prädikat negieren: Sokrates ist musikalisch→ Sokrates ist nicht musikalisch
Subjekt negieren: Sokrates ist Mensch→ Nicht Sokrates ist ein Mensch
Prädikation (λόγος)
κατὰ συμβεβηκός λέγεται Äquivokation
καθ’ αὑτό λέγεται Univokation
Die Bewegung und das Entstehen-Vergehen können deswegen von demselben Oberbegriff „Veränderung“ zusammengefasst werden, weil die akzidentelle und die substanzielle Veränderung einander strukturell ähnlich sind (μεταβολή = κίνησις + γένεσις/φθορά). Wie gesagt ergibt sich die Analogie nicht nur zwischen den beiden höchsten Gattungen, sondern sie setzt sich auch in die Arten zweier Gattungen und die Unterarten der Arten fort. Indem sowohl der
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2 Zweite Philosophie (Physik)
qualitativen und der quantitativen Veränderung als auch der örtlichen Bewegung dieselbe Struktur „Zugrundeliegendes-Gegensatz“ zugeteilt ist, werden sie gemeinsam „Bewegung“ genannt (κίνησις = ἀλλοίωσις + αὔξησις/φθίσις + φορά). Dadurch, dass die natürliche Zeugung und die menschliche Herstellung an demselben Gefüge von Stoff und Form-Privation teilhaben, sind sie einheitlich als Entstehung zu bezeichnen (γένεσις = φύσις + ποίησις). Die Begriffe, wie z. B. Veränderung, Bewegung und Entstehung, umfassen, dadurch dass die einheitliche Begriffsbildung nicht in der platonischen Gattungseinheit, sondern in der analogischen Einheit gründet, sowohl die logische Einheit als auch die sachliche Vielfalt. Platon führt die Idee der Bewegung ein, um das veränderliche Phänomen zu stabilisieren und die Bewegung an sich zu erkennen. Jedoch führt dies direkt dazu, dass die vielfältigen Bewegungen zu einem einzigen Begriff abstrahiert werden. Außerdem wird die Prozessualität der Bewegung dadurch aufgehoben, dass sich die Idee der Bewegung als Inbegriff der empirischen Bewegungen selbst nicht verändern darf.147 Gegen die platonische Abstraktion zieht Aristoteles die Veränderung ganz konkret in Betracht, indem die Veränderung anhand vier Kategorien einzuteilen ist und sich in vier Arten konkretisiert. Um die Prozessualität der Veränderung aufzuweisen, hat Aristoteles
147 Aufgrund der heraklitischen Bewegungsvorstellung lehnt es Platon ab, das emprische Bewegungsphänomen wissenschaftlich zu untersuchen. Platons Meinung nach ist das Werdende weder Sein noch Nichtsein, sondern befindet sich zwischen dem wahrhaften Sein und dem absoluten Nichts (εἰ δὲ δή τι οὕτως ἔχει ὡς εἶναί τε καὶ μὴ εἶναι, οὐ μεταξὺ ἂν κέοιτο τοῦ εἰλικρινῶς ὄντος καὶ τοῦ αὖ μηδαμῇ ὄντος; Μεταξύ. Οὐκοῦν ἐπὶ μὲν τῷ ὄντι γνῶσις ἦν, ἀγνωσία δ’ ἐξ ἀνάγκης ἐπὶ μὴ ὄντι, ἐπὶ δὲ τῷ μεταξὺ τούτῳ μεταξύ τι καὶ ζητητέον ἀγνοίας τε καὶ ἐπιστήμης, εἴ τι τυγχάνει ὂν τοιοῦτον; Πάνυ μὲν οὖν. Ἆρ’ οὖν λέγομέν τι δόξαν εἶναι – Resp. 477a6–b3). Da es dem Werdenden am vollständigen Seinsstatus mangelt, kann das Werdende nicht vom Logos aufgefasst werden, der mit dem wahrhaft Seienden, nämlich mit der Idee, übereinstimmt (Ἱκανῶς οὖν τοῦτο ἔχομεν, κἂν εἰ πλεοναχῇ σκοποῖμεν, ὅτι τὸ μὲν παντελῶς ὂν παντελῶς γνωστόν, μὴ ὂν δὲ μηδαμῇ πάντῃ ἄγνωστον – Resp. 477a2–4). Um die Bewegung ontologisch zu stabilisieren und epistemologisch zu erkennen, stellt Platon die Idee der Bewegung auf (Μέγιστα μὴν τῶν γενῶν ἃ νυνδὴ διῇμεν τό τε ὂν αὐτὸ καὶ στάσις καὶ κίνησις – Soph. 254d4–5). Daraus resultiert, dass die empirische Bewegung weder stabil noch erkennbar und die Idee der Bewegung sowohl stabil als auch erkennbar ist. Anhand der Ideenlehre ist es unmöglich, die Veränderlichkeit der Bewegung und die Stabilität bzw. die Erkennbarkeit derselben in Einklang zu bringen. Platon ist sich dieses Problems bewusst und tendiert deshalb dazu, die Bewegung als geistige Tätigkeit zu bestimmen. Die geistige Tätigkeit, sei sie menschlich oder göttlich, vollzieht sich derart, dass der Gegensatz von Veränderlichkeit und Stabilität vereinigt ist. Um diese Aporie aufzulösen, schlägt Aristoteles einen anderen Weg ein. Anhand der ontologischen Erörterung kommen die Beweglichkeit und die Stabilität dadurch in Übereinkunft, dass der bewegliche Teil (Eigenschaft) und der unbewegliche Teil (Substrat) in der Bewegung enthalten sind.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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ein anderes Begriffspaar, nämlich δύναμις-ἐνέργεια, anzubieten, auf das wir im nächsten Teil der Arbeit die Aufmerksamkeit richten.
2.1.3 Bewegung-Logos (κίνησις-λόγος) Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen der akzidentellen und der substanziellen Veränderung kommt darin zum Vorschein, dass sich das Zugrundeliegende und der Gegensatz zusammenfügen. Auf eine andere Art und Weise lässt sich die Analogie von Bewegung und Entstehen-Vergehen aufzeigen, und zwar mit dem Begriffspaar δύναμις-ἐνέργεια. Denn das Möglichsein und das Wirklichsein drücken den prozessualen Charakter der Veränderung präziser aus (εἷς μὲν δὴ τρόπος οὗτος, ἄλλος δ’ ὅτι ἐνδέχεται ταὐτὰ λέγειν κατὰ τὴν δύναμιν καὶ τὴν ἐνέργειαν· τοῦτο δ’ ἐν ἄλλοις διώρισται δι’ ἀκριβείας μᾶλλον – Phys. A8, 191b27–29). Darüber hinaus sind die beiden Begriffe umfangreich anwendbar. Das Vermögen und die Verwirklichung, die auf der natürlichen Veränderung beruhen, erstrecken sich nicht nur auf den Bereich der menschlichen Herstellung und der Handlung, sondern auch auf den Bereich der empfindenden und der geistigen Tätigkeit, d. h. Wahrnehmung und Denken. Indem δύναμις-ἐνέργεια in allen Seinsbereichen zur Geltung kommt, sind die theoretische (vor allem die Physik), die poietische und die praktische Wissenschaft vereint. Da Vermögen-Verwirklichung und Möglichkeit-Wirklichkeit ursprünglich im Seinsfeld der Veränderung auftreten, gehen wir zunächst auf die Definition der Veränderung ein. Anschließend ist einzusehen, dass sich die allgemein gültige Bestimmung in allen Typen der natürlichen Veränderung und der menschlichen Tätigkeit durchsetzt. Schließlich ist von der analogischen Begriffseinheit die Rede, denn δύναμις und ἐνέργεια entfalten sich zwar in verschiedenen Bereichen, aber anhand der strukturellen Ähnlichkeit ist die begriffliche Einheit zu bilden. Aristoteles definiert die Bewegung bzw. die Veränderung dreifältig, indem die verschiedenen Dimensionen der Bewegung akzentuiert werden. Die erste Definition lautet: [. . .] ἡ τοῦ δυνάμει ὄντος ἐντελέχεια ᾗ τοιοῦτον, κίνησίς ἐστιν [. . .]. – Phys. Γ1, 201a10–11 In erster Linie ist bemerkenswert, dass in dieser Definition statt der ἐνέργεια die ἐντελέχεια vorkommt. An der parallelen Stelle scheint es, dass die beiden Begriffe konvertibel sind (τὴν τοῦ δυνάμει ᾗ τοιοῦτόν ἐστιν ἐνέργειαν λέγω κίνησιν – Metaph. K9, 1065b16). Von der griechischen Wortbildung her gelten
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2 Zweite Philosophie (Physik)
ἐνέργεια sowie ἐντελέχεια als Komposita, die aus der Präposition „in“ (ἐν) und dem entsprechenden Nomen zusammengesetzt werden. Während die eine aus dem „Werk“ stammt (ἔργον), hat die andere die Wurzel im „Ziel“ (τέλος).148 Wenn ἔργον und τέλος für identisch gehalten werden, sind ἐνέργεια und ἐντελέχεια austauschbar (τὸ γὰρ ἔργον τέλος, ἡ δὲ ἐνέργεια τὸ ἔργον, διὸ καὶ τοὔνομα ἐνέργεια λέγεται κατὰ τὸ ἔργον καὶ συντείνει πρὸς τὴν ἐντελέχειαν – Metaph. Θ8, 1050a21–23). Durch die Nachahmung der griechischen Wortbildung können die ἐν-έργεια und die ἐν-τελέχεια entweder als „Im-Werk/Ziel-Sein“ oder als „Ins-Werk/Ziel-Setzen“ übersetzt werden.149 Das Seiende, das sich im Werk befindet oder dessen Ziel erreicht wird, ist das verwirklichte Werk oder das vollendete Ziel. Das Im-Werk/Ziel-Sein ist vom Veränderungsprozess befreit und weist auf das Veränderungsresultat, d. h. den Ruhezustand, hin.150 Die Bewegung sollte nicht durch den Zustand, sondern durch den Prozess charakterisiert sein. In der Bewegungsdefinition ist daher mit der ἐνέργεια das Ins-Werk-Setzen oder die Verwirklichung und mit der ἐντελέχεια das Ins-Ziel-Setzen oder die Vollendung gemeint. Trotz der Gleichsetzung ist die ἐντελέχεια anstelle der ἐνέργεια deshalb in die Definition einzuführen, weil der Akzent auf den teleologischen Charakter gelegt wird.151 Die Natur verfährt zwar zweckmäßig, aber es ist möglich, dass 148 Simplicii In Physicorum 414.36–415.2: ὡς γὰρ εἶπον, τὸ τῆς ἐντελεχείας ὄνομα τὴν τοῦ ἐντελοῦς συνέχειαν δηλοῖ, καὶ ὅταν ἐπὶ ἐνεργείας κυρίως λέγηται, οὐκ ἐπὶ τῆς τυχούσης, ἀλλ’ ἐπὶ τῆς τοῦ τελείου καὶ κατὰ τὸ ἐνεργείᾳ ἱσταμένου καὶ ἐντελεχείᾳ ὄντος ἀποδιδομένης. 149 Bei der Präposition „in“ ergibt sich auf Lateinisch eine wichtige semantische Unterscheidung von Ablativ und Akkusativ, die auf Griechisch oder auf Deutsch in der Form von Dativ und Akkusativ wiedergegeben wird. Das eine beantwortet die Frage „Wo“ und das andere bezeichnet die Richtung „Wohin“. Wenn das Substantiv, das nach der Präposition vorkommt, im Kasus des lateinischen Ablativ oder des griechischen bzw. des deutschen Dativ steht, zeigt der ganze Ausdruck einen bestimmten Zustand auf. Steht das Nomen nach der Präposition im Akkusativ, weist das ganze Wort auf einen Prozess hin. Die grammatische Unterscheidung ist zwar in den beiden Komposita verborgen, die sprachliche Analyse trägt aber dazu bei, den inhaltlichen Unterschied zwischen Zustand und Prozess besser zu erkennen. 150 Außer dem dinglichen Werk und dem konkreten Ziel kann mit dem Ergon und dem Telos undinglich, unkörperlich und rein geistig gemeint sein. In diesem Fall soll unter dem Im-Werk /Ziel-Sein nicht das hervorgebrachte Werk oder das erreichte Ziel, sondern die unmittelbare Selbstvollendung des Geistes zu verstehen sein. Wenn der Geist den Selbstzweck unmittelbar zur Vollkommenheit bringt, ist er im vollkommensten Werk oder im eigenen Ziel vorhanden. Ἐνεργεία bzw. ἐντελέχεια im Sinne der unmittelbaren Vollendung des geistigen Selbstzwecks wird als actus perfectus bezeichnet. 151 Simplicii In Physicorum 414.23–25: μήποτε δὲ τὴν ἐντελέχειαν ὁ Ἀριστοτέλης ἐπὶ τῆς τελειότητος ἀκούει. καὶ εἴ ποτε ἐπὶ ἐνεργείας αὐτὴν τίθησιν, οὐ τῆς τυχούσης ἀλλὰ τῆς τελείας, καθ’ ὅτι ἔχει τέλειον, διότι ἕκαστον τότε ἐν τῇ ἑαυτοῦ τελειότητι ἔχεται, ὅτε τὰς κατὰ φύσιν ἑαυτοῦ ἐνεργείας ἀποδίδωσι.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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Irrtümliches und Zufälliges auftauchen und in der menschlichen Praxis spielt der Zufall eine Rolle. Trotz der Kontingenz, die in der Natur und in der menschlichen Welt vorkommt, sind die Entstehung der Lebewesen, die Umwandlung der vier Grundelemente, die Kreisbewegung der Gestirne und die menschliche Tätigkeit mit einer bestimmten Notwendigkeit verbunden. Die Notwendigkeit zeigt sich darin, dass das Naturseiende und der Mensch nicht nur das eigene Ziel setzen können, sondern dieses immer oder in den meisten Fällen erreichen. Nach der begrifflichen Erklärung lässt sich die Definition der Bewegung folgendermaßen umschreiben: Die Bewegung ist das Ins-Ziel-Setzen bzw. die Verwirklichung des möglichen Seienden als solchen. Unmittelbar stellt sich eine weitere Frage: Worauf bezieht sich das mögliche Seiende? Um dies zu verdeutlichen, muss eine chiastische Einteilung aufgestellt werden. Dafür müssen wir zunächst die zwei Unterscheidungskriterien ans Licht bringen. Indem das Vermögen ins aktive und passive Vermögen ausdifferenziert ist (δύναμις τοῦ ποιεῖν-δύναμις τοῦ πάσχειν),152 gilt der Gegensatz von Aktivität und Passivität als erstes Einteilungskriterium. Δύναμις λέγεται ἡ μὲν ἀρχὴ κινήσεως ἢ μεταβολῆς ἡ ἐν ἑτέρῳ ἢ ᾗ ἕτερον, οἷον ἡ οἰκοδομικὴ δύναμίς ἐστιν ἣ οὐχ ὑπάρχει ἐν τῷ οἰκοδομουμένῳ, ἀλλ' ἡ ἰατρικὴ δύναμις οὖσα ὑπάρχοι ἂν ἐν τῷ ἰατρευομένῳ, ἀλλ' οὐχ ᾗ ἰατρευόμενος. – Metaph. Δ12, 1019a15–18153
Das (aktive) Vermögen ist das Prinzip der Bewegung oder der Veränderung, das sich entweder in einem anderen befindet oder sich (in der Sache selbst) wie ein anderes verhält. Das aktive Vermögen, ein Haus zu bauen, liegt nicht in den Baustoffen, sondern im Hausherren vor (ἐν ἑτέρῳ). Wenn ein Arzt sich selbst heilt (ὅταν τις ἰατρεύῃ αὐτὸς ἑαυτόν), fallen der Arzt und der Patient
152 δύναμις τοῦ ποιεῖν καὶ πάσχειν – Metaph. Θ1, 1046a19–29; Δ12, 1019a15–23; Soph. 247d8–e4. ποιητικὸν καὶ παθητικόν – Phys. Γ1, 200b29–30, 201a23; Γ3, 202b26–27. κινητικόν καὶ κινητόν – Phys. Γ1, 200b30–31. potentia faciendi et potentia patiendi – Thomas Sententia Metaphysicae lib.9 l.1 n.14 [83352]; potentia activa et potentia passiva – lib.9 l.1 n.9 [83347], lib.9 l.1 n.10 [83348]. 153 (1) Metaph. Θ1, 1046a9–11: [. . .] ὅσαι δὲ πρὸς τὸ αὐτὸ εἶδος, πᾶσαι ἀρχαί τινές εἰσι, καὶ πρὸς πρώτην μίαν λέγονται, ἥ ἐστιν ἀρχὴ μεταβολῆς ἐν ἄλλῳ ἢ ᾗ ἄλλο. (2) Metaph. Θ1, 1046a26–28: [. . .] ἡ δ’ ἐν τῷ ποιοῦντι, οἷον τὸ θερμὸν καὶ ἡ οἰκοδομική, ἡ μὲν ἐν τῷ θερμαντικῷ ἡ δ’ ἐν τῷ οἰκοδομικῷ. (3) Metaph. Θ8, 1049b5–8: λέγω δὲ δυνάμεως οὐ μόνον τῆς ὡρισμένης ἣ λέγεται ἀρχὴ μεταβλητικὴ ἐν ἄλλῳ ἢ ᾗ ἄλλο, ἀλλ’ ὅλως πάσης ἀρχῆς κινητικῆς ἢ στατικῆς.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
zusammen.154 In diesem Sonderfall lokalisiert sich die ärztliche Fähigkeit scheinbar im Patienten. Aber die aktive Fähigkeit, Körper zu heilen, kann nur dann in die Tat umgesetzt werden, wenn sich der Arzt nicht als der behandelte Patient, sondern als der behandelnde Arzt verhält (ᾗ ἕτερον). Der Hausherr bringt das Hausbauen in Gang und der Arzt macht den kranken Körper gesund. Was sich auf das hergestellte Haus und auf den behandelten Patienten direkt auswirkt, sind keineswegs der Hersteller und der Behandelnde, sondern die Hausgestalt und das Warme. Das unmittelbar Bewegende ist nichts anderes als die Form (εἶδος δὲ ἀεὶ οἴσεταί τι τὸ κινοῦν), die entweder als wesentliche Form oder als akzidentelle Eigenschaft fungiert.155 Die Form verhält sich dadurch aktiv, dass sich die Hausgestalt als wesentliche Form in die Baustoffe prägt oder das Warme als akzidentelle Eigenschaft dem kranken Körper zukommt. Die aktive Wirksamkeit der Form ist auf das ihr immanente Aktivvermögen zurückzuführen. Während der wesentlichen oder der akzidentellen Form das Aktivvermögen innewohnt, ist das Zugrundeliegende mit dem Passivvermögen behaftet. ἡ μὲν γὰρ τοῦ παθεῖν ἐστὶ δύναμις, ἡ ἐν αὐτῷ τῷ πάσχοντι ἀρχὴ μεταβολῆς παθητικῆς ὑπ' ἄλλου ἢ ᾗ ἄλλο. – Metaph. Θ1, 1046a11–13156
Das passive Vermögen, d. h. das Vermögen des Erleidens, das im Erleidenden selbst vorliegt, ist das Prinzip der passiven Veränderung. Demnach wird das Passivvermögen entweder von einem Anderen verwirklicht, das aktiv tätig ist, oder es kann von sich selbst zur Entfaltung gebracht werden, und zwar als ein anderes, d. h. als ein Aktives, falls das passive und das aktive Vermögen zusammenfallen. Die Baustoffe z. B. liegen zwar dem Hausbauen zugrunde, das Haus aber muss vom äußerlich Wirkenden errichtet werden (ὑπ’ ἄλλου). In demjenigen Fall, dass ein Arzt sich selbst heilt, spaltet er sich in den aktiv
154 Im Laufe der Argumentation kommt dieser Sonderfall mehrmals vor. Alexanders Interpretationsvorschlag folgend machen wir die unausgesprochene Voraussetzung ausdrücklich. Vgl. Alexander 389.13–18: ἐπεὶ δὲ ἐνδέχεταί τινα καὶ αὑτῷ αἴτιον μεταβολῆς γενέσθαι τῆς κατά τι, ἔχοντα τὴν ἀρχήν, καθ’ ἣν ἡ μεταβολὴ καὶ ὑφ’ ἧς, ὡς ὅταν ἰατρὸς αὑτὸν ὑγιάζῃ, διὰ τοῦτο προσέθηκε τῷ ἐν ἑτέρῳ τὸ < ἢ ᾗ ἕτερον·> οὐ γὰρ ᾗ νοσεῖ, ταύτῃ τὴν δύναμιν τοῦ αὑτὸν ἰᾶσθαι ἔχει· οὐ γὰρ ταὐτὸν ἰατρῷ τε εἶναι καὶ ἰατρευομένῳ τε καὶ νοσοῦντι. 155 Phys. Γ2, 202a9–12: εἶδος δὲ ἀεὶ οἴσεταί τι τὸ κινοῦν, ἤτοι τόδε ἢ τοιόνδε ἢ τοσόνδε, ὃ ἔσται ἀρχὴ καὶ αἴτιον τῆς κινήσεως, ὅταν κινῇ, οἷον ὁ ἐντελεχείᾳ ἄνθρωπος ποιεῖ ἐκ τοῦ δυνάμει ὄντος ἀνθρώπου ἄνθρωπον. 156 (1) Metaph. Θ1, 1046a22–24: ἡ μὲν γὰρ ἐν τῷ πάσχοντι. διὰ γὰρ τὸ ἔχειν τινὰ ἀρχήν, καὶ εἶναι καὶ τὴν ὕλην ἀρχήν τινα, πάσχει τὸ πάσχον, καὶ ἄλλο ὑπ’ ἄλλου. (2) Metaph. Δ12, 1019a19–23: ἡ μὲν οὖν ὅλως ἀρχὴ μεταβολῆς ἢ κινήσεως λέγεται δύναμις ἐν ἑτέρῳ ἢ ᾗ ἕτερον, ἡ δ’ ὑφ’ ἑτέρου ἢ ᾗ ἕτερον. καθ’ ἣν γὰρ τὸ πάσχον πάσχει τι, ὁτὲ μὲν ἐὰν ὁτιοῦν, δυνατὸν αὐτό φαμεν εἶναι παθεῖν, ὁτὲ δ’ οὐ κατὰ πᾶν πάθος ἀλλ’ ἂν ἐπὶ τὸ βέλτιον.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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heilenden Arzt und den passiv erleidenden Patienten. Der Patient wird von sich selbst behandelt, wenn er sich nicht als passiv behandelter Patient, sondern als aktiv behandelnder Arzt verhält (ᾗ ἄλλο). Das der Entstehung (Hausbauen) oder der Bewegung (Körperheilen) Zugrundeliegende hat insofern das passive Vermögen, als es imstande ist, die formale Prägung in sich aufzunehmen. Während die Form, sei sie akzidentell oder wesentlich, auf das Aktivvermögen zurückgreift, ist das Zugrundeliegende, nämlich das Einzelding oder der Stoff, mit dem passiven Vermögen ausgestattet. Aber die Passivität hat nicht zur Folge, dass das Einzelding oder der Stoff in der Möglichkeit bleibt. In der ärztlichen Behandlung ist der Patient, d. h. der kranke Körper, immer vorhanden, und um ein Haus zu bauen, müssen die Baustoffe zur Verfügung stehen. Was in der Möglichkeit existiert, ist weder der Einzelkörper noch der konkrete Baustoff, sondern die Gesundheit oder die Hausgestalt. Demzufolge ist der kranke Körper als der Möglichkeit nach gesunder Körper, der Stein als mögliches Haus und das Kind als potentieller Mensch/Erwachsener anzusehen (Metaph. Θ7, 1049a5–16). Im Allgemeinen kann nicht die materiale Grundlage, sondern allein die Form als mögliches Seiendes bezeichnet werden. Wenn die Form realisierbar ist und nicht realisiert wird, ist sie möglicherweise seiend. Die potentielle Form ist terminologisch als Privation benannt (τὸ δυνάμει εἶδος-στέρησις), da es ihr an der vollständigen Aktualisierung mangelt. Auf diese Art und Weise tritt das zweite Unterscheidungskriterium in Erscheinung, nämlich Aktualität-Potentialität. Während das Einzelding und der konkrete Stoff zugrunde liegen und real vorliegen, existieren die akzidentelle und die wesentliche Form entweder potentiell oder aktuell, je nachdem, ob sie sich aktualisieren oder nicht. Auf der einen Seite ist das Vermögen ins aktive und passive Vermögen geteilt. Auf der anderen Seite bleibt die Form entweder in der Möglichkeit oder tritt in die Wirklichkeit ein. Indem sich Aktivität-Passivität und Möglichkeit-Wirklichkeit miteinander überkreuzen, ergibt sich folgender Chiasmus (Tab. 13). Erstens ist das Zugrundeliegende, sei es Einzelding oder Stoff, durch Aktualität und Passivität charakterisiert. Das Einzelding und der Stoff liegen wirklich vor, indem das eine der akzidentellen Veränderung und der andere der substanziellen Veränderung zugrunde liegt. Wegen des passiven Vermögens wird der Körper von der ärztlichen Behandlung affiziert und nach der Hausgestalt wird der Baustoff in Ordnung gebracht. Zweitens ist die Form, sei sie akzidentell oder wesentlich, durch Aktualität und Aktivität gekennzeichnet, insofern die Gesundheit, die Hausgestalt und die menschliche Art aktuell vorhanden sind und sie die qualitative Veränderung, die Herstellung und die Naturentstehung aktiv betreiben. Drittens ist die Privation mit dem Kennzeichen von Potentialität und Aktivität versehen. Während das Zugrundeliegende immer wirklich existiert, kann die Form entweder potentiell oder aktuell sein. Die potentielle Form ist die Privation, die mit dem Aktivvermögen ausgestattet ist, da die
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Tab. 13: Zugrundeliegendes, Form und Privation. δύναμις τοῦ ποιεῖν τὸ δυνάμει ὄν
στέρησις
τὸ ἐνεργείᾳ ὄν
κατηγορούμενον εἶδος
δύναμις τοῦ πάσχειν
ὑποκείμενον ὕλη
Privation als potentielle Form sowie die aktuelle Form imstande sind, aktiv zu wirken. Form und Privation, die gemeinsamen Anteil am Aktivvermögen haben, sind anhand der verschiedenen Modalitäten voneinander unterschieden, indem die eine aktuell und die andere potentiell ist. Anders formuliert: Die beiden Modalitäten, nämlich Möglichkeit und Wirklichkeit, sind nichts anderes als die Seinsweisen der Form. Wie gezeigt wurde, richtet sich der Modus der Möglichkeit auf die Form aus. Indem das mögliche Seiende als potentielle Form festgelegt wird, ist die Definition folgendermaßen zu formulieren: Die Veränderung ist die Verwirklichung der potentiellen Form als solcher (ᾗ τοιοῦτον). In der Veränderung verwirklicht sich die Form, und zwar nicht als wirkliche, sondern als mögliche Form (ἡ τοῦ δυνατοῦ καὶ ᾗ δυνατὸν ἐντελέχεια κίνησίς ἐστιν – Phys. Γ1, 201b4–5 = Metaph. K9, 1065b33). Im Hausbauen werden z. B. die Baustoffe nach einem möglichen Haus geordnet und zusammengesetzt (Phys. Γ1, 201b7–15 = Metaph. K9, 1066a1–7). Wenn die Hausgestalt nicht mehr möglicherweise existiert, sondern sich tatsächlich an den Baustoffen verwirklicht, ist der Prozess des Hausbauens beendet. In der Herstellung wird das Eisen als eine potentielle Statue bearbeitet.157 Sobald die Hermes-Gestalt nicht mehr potentiell, sondern real zum Vorschein kommt, ist die Herstellung zu Ende gebracht. Gleicherweise gibt es keine Ortsbewegung mehr, wenn Sokrates, der von Theben nach Athen fährt, in Athen angekommen ist. In der Entstehung und Bewegung muss ein bestimmtes Ziel gesetzt werden. Im beweglichen Prozess schreitet das Seiende zum Ziel fort, ohne es vollständig zu erreichen. Sobald das Ziel erreicht ist, ist der veränderliche Prozess vollendet und der Ruhezustand tritt zutage. Deshalb bezeichnet Aristoteles die Veränderung als unvollendete Verwirklichung (ἐνέργεια ἀτελής, actus imperfectus),158 157 Phys. Γ1, 201a27–31 = Metaph. K9, 1065b21–25: [. . .] ἡ δὲ τοῦ δυνάμει ὄντος ἐντελέχεια, ὅταν ἐντελεχείᾳ ὂν ἐνεργῇ οὐχ ᾗ αὐτὸ ἀλλ’ ᾗ κινητόν, κίνησίς ἐστιν. λέγω δὲ τὸ ᾗ ὡδί. ἔστι γὰρ ὁ χαλκὸς δυνάμει ἀνδριάς, ἀλλ’ ὅμως οὐχ ἡ τοῦ χαλκοῦ ἐντελέχεια, ᾗ χαλκός, κίνησίς ἐστιν. 158 (1) Phys. Γ2, 201b31–32: [. . .] ἥ τε κίνησις ἐνέργεια μὲν εἶναί τις δοκεῖ, ἀτελὴς δέ. (2) Metaph. Θ6, 1048b29–30: πᾶσα γὰρ κίνησις ἀτελής, ἰσχνασία μάθησις βάδισις οἰκοδόμησις· αὗται
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die die Zielsetzung und die unvollständige Zielerreichung umfasst. Die Unvollständigkeit der Veränderung ist auf das mögliche Seiende zurückzuführen (αἴτιον δ’ ὅτι ἀτελὲς τὸ δυνατόν, οὗ ἐστιν ἐνέργεια – Phys. Γ2, 201b32–33), das im Laufe der Veränderung mit vorhanden sein muss. Darum besteht die erste Definition der Veränderung aus beiden unentbehrlichen Momenten, nämlich Zielsetzung und unvollständiger Zielerreichung.159 Genauer gesagt: Einerseits hebt das Ins-Ziel-Setzen (ἐν-τελέχεια) den teleologischen Charakter der natürlichen Entstehung und Bewegung hervor. Andererseits weist das mögliche Seiende als solches (δύνατον ᾗ τοιοῦτον) auf die Unvollständigkeit der empirischen Veränderung hin (ἀ-τελής). Die Veränderung als ständig vorantreibender Prozess ist zwar unvollendet, geht aber irgendwann zu Ende. Die Veränderung muss nicht nur beendet werden, sondern auch einen Anfang nehmen. Die Antriebskraft, die die Veränderung in Gang bringt, lässt den Prozess anfangen (αἴτιον ποιητικόν→ἀρχή) und in der Zielerreichung geht die Veränderung zu Ende (τέλος→τελευτή). Die Veränderung, die sowohl Anfang als auch Ende hat, ist weder der Anfang noch das Ende,160 sondern der Durchlauf vom Anfang zum Ende (ἀρχή→τελευτή), denn bei dem einen fängt die Veränderung noch nicht an und bei dem anderen ergibt sich die Veränderung nicht mehr. Des Weiteren ist die Form am Anfang abwesend, privativ seiend und existiert in der Möglichkeit (ἀρχή-ἀπουσία-στέρησις-τὸ δυνάμει ὄν) und am Ende ist sie anwesend, vollständig vorhanden und vollendet sich zum Werk (τελευτή-παρουσία-ἕξις-τὸ ἐνεργείᾳ ὄν = ἔργον). Da die Veränderung als Prozess zwischen Anfang und Ende stattfindet, wird sie als Übergang bezeichnet, in dem die Form von der Abwesenheit zur Anwesenheit (ἀπουσία→παρουσία),
δὴ κινήσεις, καὶ ἀτελεῖς γε. (3) Simplicii In Physicorum 434.25–30: ἀλλ’ εἰ μήτε ἐν δυνάμει μήτε ἐνεργείᾳ, πῶς ἐνέργεια λέγεται ἡ κίνησις; ἢ οὐχ ἁπλῶς ἐνέργεια, ἀλλ’ ἐνέργεια ἀτελής, οὐχ ὡς μεταβολὴ ἀτελής, ἀλλ’ ἐντελέχεια ἀτελὴς καὶ εἶδος ἀτελές. διαφέρει δὲ ἡ κίνησις τοῦ τε ἐνεργείᾳ καὶ τῆς τελείας ἐνεργείας, ὅτι ἐπὶ μὲν τούτων ἔφθαρται τὸ δυνάμει, ἐπὶ δὲ τῆς κινήσεως μένοντος τοῦ δυνάμει ἡ τῆς κινήσεως ἐνέργεια ἐπιτελεῖται. ἀλλ’ ἐπὶ τὰ ἑξῆς ἰτέον. 159 Wenn mit der Definition die dihairetische Definition gemeint ist, kann die Veränderung streng genommen nicht definiert, sondern nur beschrieben werden. Die Veränderung kann deshalb nicht durch die Dihairese wesentlich determiniert werden, weil es keine andere Gattung gibt, die der Veränderung übergeordnet ist. Was diese beschreibende Bestimmung besagt, ist der Zustandswechsel der Form. Die materiale Grundlage, die der Veränderung zugrunde liegt, wird nicht in der ersten „Definition“ erwähnt. Da der konkrete Stoff real vorliegt, entzieht er sich dem Übergang von der Möglichkeit zur Wirklichkeit. 160 Metaph. K9, 1065b20–21; Phys. Γ1, 201b5–7 = Metaph. K9, 1065b34–35: ὅτι μὲν οὖν ἐστιν αὕτη [κίνησις], καὶ ὅτι συμβαίνει τότε κινεῖσθαι ὅταν ἡ ἐντελέχεια ᾖ αὐτή [κίνησις], καὶ οὔτε πρότερον οὔτε ὕστερον, δῆλον.
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von der Privation zur Vollendung (στέρησις→ἕξις) oder von der Potentialität zur Aktualität übergeht (τὸ δυνάμει ὄν→τὸ ἐνεργείᾳ ὄν).161 Mit dieser Bestimmung lässt sich der prozessuale Charakter der Veränderung schematisch so aufzeigen (Abb. 5):
Abb. 5: Prozessualität der Veränderung.
Indem die Veränderung als Übergang vom Möglichsein zum Wirklichsein bestimmt ist, tritt die Prozessualität in den Vordergrund. Eine zweite Definition ist deswegen hinzuzufügen, weil die Substantialität der Veränderung aus der dynamischen Perspektive betrachtet und betont wird. ἔτι δὲ γνωριμώτερον, ἡ τοῦ δυνάμει ποιητικοῦ καὶ παθητικοῦ [ἐντελέχεια], ᾗ τοιοῦτον. – Phys. Γ3, 202b26–27
Demnach ist die Veränderung die Verwirklichung des Machenkönnenden und des Erleidenkönnenden als solchen. Im Allgemeinen ist die Veränderung aus der Form und dem Zugrundeliegenden konstituiert (εἶδος-ὑποκείμενον). Dynamisch gesehen gilt die Form als Bewegendes (εἶδος = κινοῦν) und das Zugrundeliegende als Bewegtes (ὑποκείμενον = κινητόν). Kraft des aktiven Vermögens kann die Form aktiv wirken und wegen der Passivität muss auf das Zugrundeliegende eingewirkt werden. Die Privation kommt nur dann ins Spiel, wenn sich die Form nicht aktualisiert und lediglich möglicherweise existiert. In diesem Fall wird die Form nicht zum tatsächlichen Bewegenden, sondern zum Bewegenkönnenden gezählt (στέρησις = κινητικόν), da sich die Form zwar bewegen kann, die aktive Fähigkeit
161 (1) Metaph. Λ2, 1069b14–20: ἀνάγκη δὴ μεταβάλλειν τὴν ὕλην δυναμένην ἄμφω· ἐπεὶ δὲ διττὸν τὸ ὄν, μεταβάλλει πᾶν ἐκ τοῦ δυνάμει ὄντος εἰς τὸ ἐνεργείᾳ ὄν (οἷον ἐκ λευκοῦ δυνάμει εἰς τὸ ἐνεργείᾳ λευκόν, ὁμοίως δὲ καὶ ἐπ’ αὐξήσεως καὶ φθίσεως), ὥστε οὐ μόνον κατὰ συμβεβηκὸς ἐνδέχεται γίγνεσθαι ἐκ μὴ ὄντος, ἀλλὰ καὶ ἐξ ὄντος γίγνεται πάντα, δυνάμει μέντοι ὄντος, ἐκ μὴ ὄντος δὲ ἐνεργείᾳ. (2) Simplicii In Physicorum 432.15–19: εἰ δὲ τοιαύτη τίς ἐστιν ἡ κίνησις, καλῶς ὁ Ἀριστοτέλης οὐκ ἐν τοῖς γένεσιν αὐτὴν ἔθετο τοῦ ὄντος, ὥσπερ ὁ Πλωτῖνος. τὰ γὰρ γένη καὶ αἱ κατηγορίαι τελείων εἰσὶ καὶ ὡρισμένων, ἡ δὲ κίνησις ἐν πᾶσι θεωρεῖται τοῖς γένεσι, κατὰ τὴν ἀπὸ τοῦ δυνάμει εἰς τὸ ἐνεργείᾳ μεταβολήν.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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aber nicht in die Wirklichkeit bringt. Indem die dynamischen Funktionen hervorzuheben sind, sieht die Struktur der Bewegung folgendermaßen aus (Abb. 6):
Abb. 6: Substantialität der Veränderung.
Auf der vertikalen Seite besteht die Bewegung aus zwei dynamischen Momenten, nämlich Machen und Erleiden (ποιεῖν-πάσχειν) bzw. Bewegen und Bewegtwerden (κινεῖν-κινεῖσθαι). Auf der horizontalen Seite kommt das aktive Bewegen zwiefältig zum Vorschein, und zwar entweder als Bewegenkönnendes oder als wirklich Bewegendes (κινητικὸν μὲν γάρ ἐστιν τῷ δύνασθαι, κινοῦν δὲ τῷ ἐνεργεῖν – Phys. Γ3, 202a16–17). Die Aktivität der Form hindert nicht, dass die Form in der Möglichkeit existiert, falls sie sich nicht aktualisiert. Demzufolge wird die Prozessualität der Bewegung dadurch zur Schau gestellt, dass das Bewegenkönnende in seine vollständige Verwirklichung übergeht (κινητικόν→κινοῦν). Die Substantialität der Bewegung, die ursprünglich in der Zusammenfügung von Form und Zugrundeliegendem gründet (εἶδος-ὑποκείμενον), zeigt sich in den dynamischen Funktionen. Indem die Form mit dem aktiven Bewegenden und das Zugrundeliegende mit dem passiven Bewegten gleichgesetzt werden, ist die Bewegung durch das Zusammenwirken von Bewegendem und Bewegtem gekennzeichnet (κινοῦν-κινητόν). Die Bewegung lässt sich insofern anhand der zweiten Definition besser zur Kenntnis nehmen (γνωριμώτερον), als Aristoteles nicht nur die Prozessualität, sondern auch die Substantialität ausdrücklich macht, und zwar im Hinblick auf die dynamische Funktion der Form und des Zugrundeliegenden. Wenn die aktive Form und das passive Zugrundeliegende gleichzeitig aufeinander wirken, ergibt sich die Bewegung. So ist die Bewegung als ein und dieselbe Verwirklichung von Bewegendem und Bewegtem bestimmt (Phys. Γ3, 202a13–21, 202b19–22). Des Weiteren zeigt sich, dass die Form nicht mit dem Zugrundeliegenden identifiziert werden kann, wenn das Machen und das Erleiden nicht vereinigt sind. In der menschlichen Herstellung und Handlung fallen das Bewirkende und das Bewirkte auseinander, wie Gestalt-Erz oder Gesundheit-Körper. Im Gegensatz
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dazu fällt in der natürlichen Entstehung das Machende mit dem Leidenden,162 das Bewegende mit dem Bewegten,163 und die Form mit dem Zugrundeliegenden zusammen.164 Die mögliche Form und das wirkliche Substrat sind deswegen verschmolzen, weil sie von Natur aus zusammengewachsen sind. Erst anhand der ontologischen Analyse ist einzusehen, dass sich das einzelne Lebewesen in ein aktiv Bewegendes und ein passiv Bewegtes zerlegen lässt.165 Indem sich das Naturseiende aktiv auswirkt und gleichzeitig die eigene Auswirkung als Einwirkung erfährt, setzt das Naturseiende sich selbst in Bewegung. Das natürliche Seiende wird dadurch von dem Artefakt abgesondert, dass die Ursache der Bewegung und der Ruhe sowie das Prinzip der Verwirklichung und der Vollendung in ihm selbst enthalten sind, und zwar nicht per accidens sondern per se.166 Aufgrund dessen ist die natürliche Veränderung nichts anderes als die zweckmäßige Aktualisierung ihrer selbst. διὸ ἡ κίνησις ἐντελέχεια τοῦ κινητοῦ ᾗ κινητόν, συμβαίνει δὲ τοῦτο θίξει τοῦ κινητικοῦ, ὥσθ' ἅμα καὶ πάσχει. – Phys. Γ2, 202a7–9
Die Naturbewegung wird als die Verwirklichung des passiven Bewegten als solchen definiert. Die dritte Definition betrifft nur die natürliche Veränderung, da das Naturseiende wirkt und gleichzeitig bewirkt wird. Obwohl bei der natürlichen Veränderung das aktive Bewegende (ὑπὸ τοῦ κινητικοῦ – Phys. Γ3, 202a14–15, 202b21–22), das die Veränderung in Gang bringen kann, und das passive Bewegte, das zugrunde gelegt werden muss, zusammenfallen, ergibt sich
162 Phys. Γ2, 202a5–7: τὸ γὰρ πρὸς τοῦτο ἐνεργεῖν, ᾗ τοιοῦτον, αὐτὸ τὸ κινεῖν ἐστι· τοῦτο δὲ ποιεῖ θίξει, ὥστε ἅμα καὶ πάσχει. 163 Phys. Γ1, 201a23–25: ὥστε καὶ τὸ κινοῦν φυσικῶς κινητόν· πᾶν γὰρ τὸ τοιοῦτον κινεῖ κινούμενον καὶ αὐτό. 164 (1) Phys. B1, 192b32–34: φύσιν δὲ ἔχει ὅσα τοιαύτην ἔχει ἀρχήν. καὶ ἔστιν πάντα ταῦτα οὐσία· ὑποκείμενον γάρ τι, καὶ ἐν ὑποκειμένῳ ἐστὶν ἡ φύσις ἀεί. (2) Metaph. Z8, 1034a2–5: ὥστε φανερὸν ὅτι οὐθὲν δεῖ ὡς παράδειγμα εἶδος κατασκευάζειν [. . .], ἀλλὰ ἱκανὸν τὸ γεννῶν ποιῆσαι καὶ τοῦ εἴδους αἴτιον εἶναι ἐν τῇ ὕλῃ. 165 Phys. Θ4, 255a12–18: ἔτι πῶς ἐνδέχεται συνεχές τι καὶ συμφυὲς αὐτὸ ἑαυτὸ κινεῖν; ᾗ γὰρ ἓν καὶ συνεχὲς μὴ ἁφῇ, ταύτῃ ἀπαθές· ἀλλ’ ᾗ κεχώρισται, ταύτῃ τὸ μὲν πέφυκε ποιεῖν τὸ δὲ πάσχειν. οὔτ’ ἄρα τούτων οὐθὲν αὐτὸ ἑαυτὸ κινεῖ (συμφυῆ γάρ), οὔτ’ ἄλλο συνεχὲς οὐδέν, ἀλλ’ ἀνάγκη διῃρῆσθαι τὸ κινοῦν ἐν ἑκάστῳ πρὸς τὸ κινούμενον, οἷον ἐπὶ τῶν ἀψύχων ὁρῶμεν, ὅταν κινῇ τι τῶν ἐμψύχων. 166 (1) Phys. B1, 192b13–15, 20–23: τούτων μὲν γὰρ ἕκαστον ἐν ἑαυτῷ ἀρχὴν ἔχει κινήσεως καὶ στάσεως, τὰ μὲν κατὰ τόπον, τὰ δὲ κατ’ αὔξησιν καὶ φθίσιν, τὰ δὲ κατ’ ἀλλοίωσιν· [. . .], ὡς οὔσης τῆς φύσεως ἀρχῆς τινὸς καὶ αἰτίας τοῦ κινεῖσθαι καὶ ἠρεμεῖν ἐν ᾧ ὑπάρχει πρώτως καθ’ αὑτὸ καὶ μὴ κατὰ συμβεβηκός. (2) Phys. Θ4, 255a24–26: καὶ κινητὸν δ’ ὡσαύτως φύσει τὸ δυνάμει ποιὸν ἢ ποσὸν ἢ πού, ὅταν ἔχῃ τὴν ἀρχὴν τὴν τοιαύτην ἐν αὑτῷ καὶ μὴ κατὰ συμβεβηκός.
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der natürliche Umschlag im Bewegten (ἐν τῷ κινητῷ).167 Wegen der inneren Entzweiung des einzelnen Naturseienden scheint das passive Bewegte gegenüber dem aktiven Bewegenden ein anderes (ᾗ ἄλλο) zu sein.168 In der dritten Definition ist die Bewegung als unvollständige Verwirklichung des Bewegten bestimmt, um die Passivität hervorzuheben. Das Charakteristikum der Passivität bei der natürlichen Veränderung hängt mit der Materie zusammen, die von einem äußerlichen oder innerlichen anderen bewegt werden muss. Da alles Veränderliche in der Natur mit dem materialen Substrat behaftet ist, vollzieht sich die natürliche Veränderung im passiven Bewegten (κινητόν/κινούμενον). Der Materialität und der Passivität zufolge wird die Veränderung als unvollständige Verwirklichung des Bewegten bestimmt. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit durchdringt die allgemeine Definition alle Typen der Veränderung.169 In erster Linie betrifft sie die drei Arten der akzidentellen Veränderung, nämlich die qualitative und die quantitative Veränderung sowie die räumliche Bewegung. οἷον [ἡ ἐντελέχεια] τοῦ μὲν ἀλλοιωτοῦ ᾗ ἀλλοιωτόν, ἀλλοίωσις; τοῦ δὲ αὐξητοῦ καὶ τοῦ ἀντικειμένου φθιτοῦ (οὐδὲν γὰρ ὄνομα κοινὸν ἐπ' ἀμφοῖν) αὔξησις καὶ φθίσις; τοῦ δὲ γενητοῦ καὶ φθαρτοῦ γένεσις καὶ φθορά; τοῦ δὲ φορητοῦ φορά. – Phys. Γ1, 201a11–15
167 (1) Phys. Γ3, 202a13–14: Καὶ τὸ ἀπορούμενον δὲ φανερόν, ὅτι ἐστὶν ἡ κίνησις ἐν τῷ κινητῷ. (2) Phys. E1, 224b4–5: ἡ δὴ κίνησις δῆλον ὅτι ἐν τῷ ξύλῳ, οὐκ ἐν τῷ εἴδει. (3) Phys. E1, 224b25–26: [. . .] καὶ ὅτι ἡ κίνησις οὐκ ἐν τῷ εἴδει ἀλλ’ ἐν τῷ κινουμένῳ καὶ κινητῷ κατ’ ἐνέργειαν. 168 Metaph. Θ1, 1046a9–13; Δ12, 1019a15–20. Obwohl das Bewegende und das Bewegte, nämlich die Form und das Zugrundeliegende, aufeinander wirken, sind das Machen und das Erleiden beim Naturseienden sachlich untrennbar und ontologisch auch schwierig zu unterscheiden. Daher lässt sich der Sonderfall, dass ein kranker Arzt sich selbst heilt, in die Erörterung über die natürliche Entstehung einführen, um das Zusammen- und das Auseinanderfallen von Machendem und Erleidendem zu verdeutlichen. Während der behandelnde Arzt und der behandelte Patient zufällig zur Deckung kommen, fallen beim Lebewesen die bewegende Form und das bewegte Substrat notwendig zusammen. 169 Phys. Γ3, 202b23–29: τί μὲν οὖν ἐστιν κίνησις εἴρηται καὶ καθόλου καὶ κατὰ μέρος· οὐ γὰρ ἄδηλον πῶς ὁρισθήσεται τῶν εἰδῶν ἕκαστον αὐτῆς· ἀλλοίωσις μὲν γὰρ ἡ τοῦ ἀλλοιωτοῦ, ᾗ ἀλλοιωτόν, ἐντελέχεια. ἔτι δὲ γνωριμώτερον, ἡ τοῦ δυνάμει ποιητικοῦ καὶ παθητικοῦ, ᾗ τοιοῦτον, ἁπλῶς τε καὶ πάλιν καθ’ ἕκαστον, ἢ οἰκοδόμησις ἢ ἰάτρευσις. τὸν αὐτὸν δὲ λεχθήσεται τρόπον καὶ περὶ τῶν ἄλλων κινήσεων ἑκάστης. Das Begriffspaar καθόλου-κατὰ μέρος oder ἁπλῶς-καθ’ ἕκαστον als terminus technicus bezeichnet Allgemeinheit-Einzelheit. Wie Simplicius sorgfältig bemerkt hat, sollte mit dem Ausdruck „καθ’ ἕκαστον“ nicht die numerische Einzelheit, sondern die einzelne Art gemeint sein (Ἀποδοὺς δὲ καὶ τὸν τρίτον ὅρον ἀξιοῖ καὶ ἀπὸ τούτου τὰς κατὰ μέρος κινήσεις ὑπογράφειν, ἃς καθ’ ἕκαστον οὐ κυρίως ἐκάλεσεν. οὐ γὰρ περὶ τῆς μιᾶς κατ’ ἀριθμὸν λέγει, ἀλλὰ περὶ τῶν κατ’ εἶδος διαφερουσῶν – Simplicii In Physicorum 450.27–29). Aber in diesem Kontext ergibt sich deshalb keine begriffliche Verwirrung, weil Aristoteles offensichtlich darauf hinweist, dass unter dem ἕκαστον die einzelne Art zu verstehen sei (οὐ γὰρ ἄδηλον πῶς ὁρισθήσεται τῶν εἰδῶν ἕκαστον αὐτῆς – Phys. Γ3, 202b24–25). Außerdem kommt die Bewegungsdefinition, die für jede Art der Bewegung gilt, für alle einzelnen Fälle der jeweiligen Art auch zur Geltung.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Das natürliche Anderswerden ist die unvollständige Aktualisierung dessen, was qualitativ, d. h. der Eigenschaft nach, verändert werden kann. Das Wachsen und dessen Gegenteil, das Schwinden, lassen sich als Aktualisierung desjenigen ansehen, das aufgewachsen und geschwunden sein kann. Da die Pflanzen reif und die Menschen älter werden, gehören das Reifen und das Altern zum natürlichen Wachstum (ἅδρυνσις-γήρανσις – Phys. Γ1, 201a19; Metaph. K9, 1065b20). Die Ortsbewegung ist der Prozess, in dem das räumliche Bewegbare zum Zielort fortschreitet, ohne dorthin zu gelangen. Sie bezieht sich nicht nur auf die geradlinige Bewegung, z. B. das Laufen oder das Springen, sondern schließt auch die kreisförmige Bewegung ein, wie das Umwälzen (βάδισις/ἅλσις-κύλισις – Phys. Γ1, 201a18–19; Metaph. K9, 1065b19–20). Außerdem ist die allgemeine Definition für die substanzielle Veränderung gültig: [ἡ ἐντελέχεια] τοῦ δὲ γενητοῦ καὶ φθαρτοῦ γένεσις καὶ φθορά.
– Phys. Γ1, 201a14–15
Das natürliche Entstehen und Vergehen ist die Selbstaktualisierung des Seienden, das von sich aus entstanden und vergänglich sein kann. Des Weiteren kann sich die allgemeine Definition, die ursprünglich für die natürliche Bewegung und Entstehung gilt, auf die menschliche Herstellung erstrecken. οἷον τὸ οἰκοδομητόν, καὶ ἡ τοῦ οἰκοδομητοῦ ἐνέργεια, ᾗ οἰκοδομητόν, οἰκοδόμησίς ἐστιν. – Phys. Γ1, 201b8–10 (Phys. Γ1, 201a16–18; Metaph. K9, 1065b17–19)
Demzufolge bezeichnet das Hausbauen nichts anderes als die unvollständige Verwirklichung des Baustoffs, der zu einem Haus gemacht werden kann. Darüber hinaus kann die allgemeine Definition der Veränderung insofern auf die menschliche Handlung übertragen werden, als das Heilen und das Lernen im weiteren Sinne zur qualitativen Veränderung gehören (ὁμοίως δὲ καὶ μάθησις καὶ ἰάτρευσις).170 Analog dazu, dass das Weiße und das Schwarze in der Fläche abwechseln, wandeln sich am Körper das Kalte-Warme bzw. die KrankheitGesundheit um, in der Seele aber die Unwissenheit-Erkenntnis. Nach Aristoteles’ Verständnis kann die Gesundheit nicht von außen hinzugefügt werden, sondern die innere Möglichkeit des Körpers, gesund zu sein, wird durch das Heilen verwirklicht. Beim Lernen kann man ebenfalls nicht die äußerlichen mannigfaltigen Erkenntnisse verinnerlichen, sondern man erinnert sich daran, was in der Seele
170 (1) Phys. Γ1, 201a18; Metaph. K9, 1065b19. (2) Simplicii In Physicorum 417.22–24: ἐπιστῆσαι δὲ ἄξιον, ὅτι τὰ ἐκτεθέντα παραδείγματα τῶν εἰδῶν ἐστι τῆς κινήσεως μάθησις μὲν καὶ ἰάτρευσις ἀλλοίωσίς τις, ἡ μὲν περὶ ψυχὴν ἡ δὲ περὶ σῶμα.
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nur noch als Mögliches vorhanden ist. Darum vollzieht sich das Lernen als seelische Tätigkeit, wenn das Erkennbare tatsächlich zur Kenntnis genommen wird. Die Definition der Veränderung kommt dadurch universal zur Geltung, dass sie sowohl die natürliche Bewegung (κίνησις) und Entstehung (γένεσις) als auch die menschliche Herstellung (ποίησις) und Handlung (πρᾶξις) umfasst. Aristoteles bestimmt die Veränderung aus beiden Perspektiven: Zum einen ist die Veränderung dadurch prozessual zu determinieren, dass die Form von der Möglichkeit in die Wirklichkeit übergeht (δυνάμει-ἐνεργείᾳ). Zum anderen lässt sich die Substantialität dynamisch aufzeigen, indem die Form wirkt und das Zugrundeliegende bewirkt wird (ποιεῖν-πάσχειν). Das Möglichsein und das Wirklichsein bilden insofern einen horizontalen Gegensatz, als das eine am Anfang und das andere am Ende der Veränderung steht. Die Veränderung als den Durchlauf vom Anfang zum Ende, d. h. den Übergang vom Möglichsein zum Wirklichsein, zu bezeichnen, weist darauf hin, dass die Veränderung bzw. die Bewegung sukzessiv fortschreitet (ἐφεξῆς).171 Die Form und das Zugrundeliegende stellen einen vertikalen Gegensatz auf, indem die eine als aktives Bewegendes und das andere als passives Bewegtes aufeinander wirken. Beim einzelnen Naturseienden sind das Bewegende und das Bewegte zwar anhand der verschiedenen Funktionen unterscheidbar, die beiden Momente aber werden ursprünglich zusammengehalten (συνεχές).172 Die Prozessualität und die Substantialität der Veränderung kommen dadurch zur Entfaltung, dass die eine als horizontaler Gegensatz und die andere als vertikaler Gegensatz aufgestellt wird. Aus der Zusammenfügung beider Gegensätze resultiert eine Kreuzstruktur, die für die aristotelische Theorie der Bewegung charakteristisch ist. Demnach entfaltet sich die Veränderung als sukzessiver Prozess (ἐφεξῆς) des Zusammenwirkens (συνεχές) von Bewegendem und Bewegtem. Beim Klavierspielen z. B. vollzieht sich die Musik von der möglichen Melodie zum wirklichen Kunstwerk nur dann, wenn der spielende Musiker und das gespielte Klavier
171 (1) Phys. E3, 226b34–227a4: ἐφεξῆς δὲ οὗ μετὰ τὴν ἀρχὴν ὄντος ἢ θέσει ἢ εἴδει ἢ ἄλλῳ τινὶ οὕτως ἀφορισθέντος μηδὲν μεταξύ ἐστι τῶν ἐν ταὐτῷ γένει καὶ οὗ ἐφεξῆς ἐστιν (λέγω δ’ οἷον γραμμὴ γραμμῆς ἢ γραμμαί, ἢ μονάδος μονὰς ἢ μονάδες, ἢ οἰκίας οἰκία· ἄλλο δ’ οὐδὲν κωλύει μεταξὺ εἶναι). τὸ γὰρ ἐφεξῆς τινὶ ἐφεξῆς καὶ ὕστερόν τι. (2) Phys. Θ6, 259a19–20: εἰ γὰρ ἄλλο καὶ ἄλλο κινήσει, οὐ συνεχὴς ἡ ὅλη κίνησις, ἀλλ’ ἐφεξῆς. 172 (1) Phys. E3, 227a10–13: τὸ δὲ συνεχὲς ἔστι μὲν ὅπερ ἐχόμενόν τι, λέγω δ’ εἶναι συνεχὲς ὅταν ταὐτὸ γένηται καὶ ἓν τὸ ἑκατέρου πέρας οἷς ἅπτονται, καὶ ὥσπερ σημαίνει τοὔνομα, συνέχηται. τοῦτο δ’ οὐχ οἷόν τε δυοῖν ὄντοιν εἶναι τοῖν ἐσχάτοιν. (2) Phys. Θ6, 259a17–19: ἀλλὰ μὴν εἴ γε συνεχής, μία. μία δ’ ἡ ὑφ’ ἑνός τε τοῦ κινοῦντος καὶ ἑνὸς τοῦ κινουμένου. Unter dem συνεχές ist das Zusammenhalten von Bewegendem und Bewegtem zu verstehen, unter dem ἐφεξῆς aber die Kontinuität.
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gleichzeitig und kontinuierlich zusammenwirken. In der Ortsbewegung sind sowohl die horizontale Dimension als auch die vertikale Zusammenfügung einzusehen. Sokrates kann sich von zu Hause zum Marktplatz bewegen, indem seine Füße und der Boden kontinuierlich aufeinander wirken. Trotz des sachlichen Unterschieds können die natürliche Veränderung, die menschliche Herstellung und Handlung insofern einheitlich definiert werden, als die analogische Struktur, d. h. die Kreuzgestalt, alle Arten der Veränderung durchdringt. In der natürlichen Bewegung und Entstehung fallen das Bewegenkönnende und das Bewegte zusammen (κινητικόν = κινητόν), in der menschlichen Herstellung und Handlung aber auseinander (κινητικόν ≠ κινητόν). Während die technische und die praktische Tätigkeit der Menschen die Kreuzstruktur am offensichtlichsten aufweisen, ist der vertikale Gegensatz in der natürlichen Veränderung verborgen. Denn das Bewegenkönnende und das Bewegte, die die mögliche Form und das wirkliche Zugrundeliegende in dynamischer Funktion darstellen, sind beim Naturseienden zwar ontologisch differenziert, sachlich aber vereinigt. Jedoch haben die natürliche Veränderung und die menschliche Tätigkeit an der horizontalen Dimension teil. Indem der Akzent auf die Prozessualität gelegt wird, sind die Physis, die Techne und die Praxis gemeinsam als Durchlauf vom Möglichsein zum Wirklichsein bestimmt. Dynamisch gesehen ist es nichts anderes als der Übergang vom Bewegenkönnenden zur vollständigen Verwirklichung der bewegenden Form (κινητικόν→κινοῦν). Ähnlich wie in der Natur das Bewegende und das Bewegte vereinigt sind, verhält sich der Nous derart, dass sich das Denken und das Gedachtwerden miteinander decken. Darüber hinaus hebt die geistige Tätigkeit die Prozessualität auf, die der empirischen Veränderung immanent ist, da sie das innere Ziel unmittelbar erreicht. Anders gesagt ist die intelligible Tätigkeit vor der empirischen Veränderung ausgezeichnet, indem sie Prozess und Zustand, Vollzug und Vollendung, Verwirklichung und Wirklichkeit unmittelbar in Übereinkunft bringt. Der Unmittelbarkeit zufolge ergeben sich gleichzeitig (ἅμα)173 das Denken und das Gedachthaben, das Überlegen und das Überlegthaben, das Sehen und das Gesehenhaben. Wenn man gut lebt, dann hat man zur gleichen Zeit gut gelebt. Wenn man glücklich ist, ist man direkt glücklich gewesen. Die Tätigkeit, die den inneren Selbstzweck unmittelbar zur Vollkommenheit bringt, wird als vollständige Verwirklichung bezeichnet (actus perfectus). Im Vergleich dazu
173 Mit dem ἅμα ist ursprünglich „zeitlich“ gemeint (Ἅμα δὲ λέγεται ἁπλῶς μὲν καὶ κυριώτατα ὧν ἡ γένεσις ἐν τῷ αὐτῷ χρόνῳ· οὐδέτερον γὰρ πρότερον οὐδὲ ὕστερόν ἐστιν ἅμα δὲ κατὰ τὸν χρόνον ταῦτα λέγεται – Cat. 13, 14b24–26; ἁπλῶς δὲ ἅμα, ὧν ἡ γένεσις ἐν τῷ αὐτῷ χρόνῳ – Cat. 13, 15a11–12) und im übertragenen Sinne „räumlich“ (ἅμα μὲν οὖν λέγω ταῦτ’ εἶναι κατὰ τόπον, ὅσα ἐν ἑνὶ τόπῳ ἐστὶ πρώτῳ – Phys. E3, 226b21–22).
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muss die empirische Veränderung zur unvollendeten Verwirklichung gezählt werden (ἐνέργεια ἀτελής, actus imperfectus), da sowohl die menschliche Herstellung und Handlung als auch die natürliche Entstehung und Bewegung die Prozessualität nicht überwinden können.174 Durch das Bauen, das Heilen und das Lernen hat man nicht unmittelbar ein Haus gebaut, den Körper gesund gemacht und die Erkenntnisse gelernt. Wenn sich Sokrates z. B. aufmacht, von Theben nach Athen zu fahren, ist er nicht unmittelbar am Zielort, in Athen angekommen. In der Natur kann es auch nicht geschehen, dass das Einzellebewesen entsteht und gleichzeitig entstanden ist, oder es bewegt wird und unmittelbar bewegt worden ist. Im Allgemeinen sieht Aristoteles die Bewegung als Verwirklichung des Bewegten an. Sie ist deswegen unvollendet, weil das passive Vermögen der Materie und die Potentialität der Form eine wichtige Rolle spielen. Wegen der Passivität kann der Stoff nicht geprägt und dem zugrundeliegenden Einzelding keine Eigenschaft hinzugefügt werden. Trotz der Aktivität ist es immer möglich, dass sich die substanzielle oder die akzidentelle Form nicht aktualisiert. Die Struktur der Bewegung lässt sich dadurch als eine Kreuzgestalt darstellen, dass VermögenVerwirklichung die vertikale Zusammenfügung und Möglichkeit-Wirklichkeit den horizontalen Prozess aufweisen. Dadurch, dass δύναμις-ἐνέργεια alle Typen der Veränderung kennzeichnet, werden die drei Wissenschaften in Einklang gebracht. Wie in der Einleitung schon erörtert, haben die Physik, die eine theoretische Wissenschaft vertritt, die poietische und die praktische Wissenschaft jeweils die natürliche Veränderung, die technische Herstellung und die praktische Handlung zum Thema. Die analogische Struktur von δύναμις-ἐνέργεια hat die Möglichkeit anzubieten, dass die Bewegung und die Entstehung der Naturseienden sowie die Herstellung und die Handlung der Menschen, die sachlich unterschieden sind, einheitlich zur Entfaltung kommen. Wenn das Möglichsein und das Wirklichsein angewendet werden, um die Veränderung zu determinieren, kommt die Frage auf, wie die beiden Begriffe definiert werden können. Stellt man die Frage auf diese Art und Weise, ist das Definitionsverfahren in den unendlichen Regress geraten.175 Die Grundbegriffe können nicht
174 Metaph. Θ6, 1048b18–36; De An. Γ7, 431a6–7: ἡ γὰρ κίνησις τοῦ ἀτελοῦς ἐνέργεια, ἡ δ’ ἁπλῶς ἐνέργεια ἑτέρα, ἡ τοῦ τετελεσμένου. 175 Thomas Sententia Metaphysicae lib.9 l.5 n.4 [83397]: „Posset enim aliquis quaerere ab eo, ut ostenderet quid sit actus per definitionem. Sed ipse respondet dicens, quod inducendo in singularibus per exempla manifestari potest illud quod volumus dicere, scilicet quid est actus, et non oportet cuiuslibet rei quaerere terminum, idest definitionem. Nam prima simplicia definiri non possunt, cum non sit in definitionibus abire in infinitum. Actus autem est de primis simplicibus; unde definiri non potest.“
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anhand der Dihairese definiert werden. Da Dynamis und Energeia die verschiedenen Gattungen durchdringen, gibt es keine einzige übergeordnete Gattung, derer die dihairetische Definition bedarf. Statt der allgemein gültigen Definition soll man auf die konkrete Anwendung eingehen, um die strukturelle Ähnlichkeit zwischen den einzelnen Fällen zusammenzufassen (τὸ ἀνάλογον συνορᾶν).176 Die Verwendung beider Begriffe ist nicht auf den Bereich der theoretischen Physik sowie den Bereich der poietischen und der praktischen Wissenschaft beschränkt, sondern wird auf die apodiktisch-syllogistischen Einzelwissenschaften, wie Geometrie und Logik, übertragen. Obwohl sich Dynamis und Energeia in mehreren Seinsbereichen entwickeln, korrespondieren sie jeweils miteinander. Wie sich beim veränderlichen Seienden das Vermögen zur Verwirklichung verhält (κατὰ κίνησιν, in rebus mobilibus – Metaph. Θ1, 1046a1–2), so steht in der Geometrie die Potentialität zur Aktualisierung (ἐν γεωμετρίᾳ, in geometrice – Metaph. Θ1, 1046a6–9; Δ12, 1019b33–35) und in der Logik die Möglichkeit zur Wirklichkeit (ἄλλον τρόπον, in logice – Metaph. Δ12, 1019b21–33).177 Aufgrund dieser Korrespondenz sind Dynamis und Energeia gegenseitig bestimmt. Zunächst ist davon die Rede, dass die Bewegung und die Handlung gemeinsam als Verwirklichung des aktiven Vermögens angesehen werden. In der qualitativen Veränderung wandelt sich die eine Form, z. B. schwarz, kalt oder krank, in die andere um, nämlich weiß, warm oder gesund.178 Die menschliche Tätigkeit wie Wachsein, Sehen oder Denken ist nichts anderes als die Aktualisierung des aktiven Wach-, Seh- oder Denkvermögens.179 In der Herstellung wird der Schwerpunkt nicht mehr darauf gelegt, dass der Hersteller seine aktive Fähigkeit zur
176 (1) Metaph. Θ6, 1048a35–37: τὸ δὲ ἐνεργείᾳ. δῆλον δ’ ἐπὶ τῶν καθ’ ἕκαστα τῇ ἐπαγωγῇ ὃ βουλόμεθα λέγειν, καὶ οὐ δεῖ παντὸς ὅρον ζητεῖν ἀλλὰ καὶ τὸ ἀνάλογον συνορᾶν. (2) Alexander 579.8–14: εἰπὼν δὴ ὅτι < ἔστιν ἐνέργεια τὸ ὑπάρχειν τὸ πρᾶγμα μὴ οὕτως ὥσπερ λέγομεν δυνάμει > καὶ μὴ ἐνεργεῖν, τὸ δὲ ἐνεργείᾳ ὂν καὶ ἤδη ἐνεργοῦν, λέγει ὅτι δῆλον δέ ἐστιν ὃ βουλόμεθα ἐνέργειαν λέγειν < ἐπὶ τῶν καθ’ ἕκαστα τῇ ἐπαγωγῇ, καὶ οὐ χρὴ παντὸς πράγματος ὅρον ζητεῖν· > οὐ γὰρ πάντα τοῖς ὅροις γινώσκομεν, ἐπεὶ μηδὲ πάντων εἰσὶν ὅροι, ὡς δέδεικται ἐν τῷ Ζ τῆσδε τῆς πραγματείας, ἀλλ’ ἔνια καὶ δι’ ἐπαγωγῆς καὶ δι’ ἀναλογίας συνορῶμεν καὶ γινώσκομεν. (3) Top. A17, 108a12–14: μάλιστα δ’ ἐν τοῖς πολὺ διεστῶσι γυμνάζεσθαι δεῖ· ῥᾷον γὰρ ἐπὶ τῶν λοιπῶν δυνησόμεθα τὰ ὅμοια συνορᾶν. 177 Metaph. Δ12, 1019b21–33. Auf eine andere Art und Weise treten das Mögliche und das Unmögliche auf (τὰ δὲ ἄλλον τρόπον, οἷον δυνατόν τε καὶ ἀδύνατον – 1019b22–23), und zwar in der Form von Möglichkeit und Unmöglichkeit. Damit ist die logische Anwendung von δυνατόν gemeint. 178 Schwarz-weiß – Phys. Γ1, 201a5–6; kalt-warm – Phys. Θ4, 255b6–7, Metaph. Λ4, 1070b10–15; krank-gesund – Metaph. Λ4, 1070b26–28. 179 Schlafen-Wachen – Metaph. Θ6, 1048b1–2, Λ9, 1074b17–18; Nichtsehen-Sehen – Metaph. Θ6, 1048b2; Nichtdenken-Denken – Metaph. Θ6, 1048a34–35, Phys. Θ4, 255b1–5; De An. B1, 412a23–26.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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Entfaltung bringt. Es geht stattdessen darum, wie das passive Vermögen der Materie verwirklicht wird, aus der das Artefakt entstanden ist. Wie sich das Passivvermögen zur Verwirklichung verhält, so verhält sich der Stoff zur Wirk- bzw. zur Formursache, und zwar wie z. B. der Baustoff zum Hausherren, das Holz zur Hermes-Statue oder der unbearbeitete Rohstoff zum angefertigten Artefakt.180 Mit der technischen Herstellung hat die natürliche Entstehung gemeinsam, dass die Aktualisierung des passiven Vermögens in den Vordergrund rückt. Die Eigentümlichkeit der Naturentstehung liegt allerdings darin, dass die Formursache als Aktualität, die Wirkursache als Aktualisierung und die Zielursache als Aktuelles im einzelnen Naturseienden per se vereinigt sind (ἔρχεται δὲ τὰ τρία εἰς τὸ ἓν πολλάκις – Phys. B7, 198a24–27). Demzufolge werden die drei formalen Prinzipien von demselben Begriff „ἐνέργεια“ zusammengefasst, und das materiale Prinzip ist durch das Passivvermögen (ἡ γὰρ οὐσία ὕλη καὶ δύναμις οὖσα – Metaph. Θ8, 1050b27–28) gekennzeichnet. Darüber hinaus sind das formale und das materiale Prinzip beim Naturseienden verschmolzen, da sie von Natur aus zusammengewachsen sind. In der Naturentstehung verhält sich die aktive Verwirklichung zur passiven Fähigkeit ebenso, wie die Naturart zur Materie. In der Tat ist die Naturart von der Materie untrennbar und nur in Gedanken kann sie von der Materie abgesondert werden (τὸ ἀποκεκριμένον ἐκ τῆς ὕλης πρὸς τὴν ὕλην – Metaph. Θ6, 1048b2–3; Z7, 1032b11–12). Abgesehen vom Unterschied zwischen der Verwirklichung des aktiven Vermögens und der des passiven Vermögens können Bewegung, Handlung, Herstellung und Naturentstehung gemeinsam als Prozess bestimmt sein, in dem die bestimmte Form, nämlich die akzidentelle Eigenschaft, die körperliche Affektion, die technische Gestalt oder die natürliche Art, aus der Möglichkeit hervorgeht und in die Wirklichkeit eintritt. Dieselbe Struktur, dass das Formale von der Möglichkeit in die Wirklichkeit übergeht (ἔκ τινος εἴς τι), ist in der Geometrie zu finden. Dabei wird das Möglichsein-Wirklichsein nicht im wahrhaften, sondern im übertragenen Sinne (κατὰ μεταφορὰν) verwendet.181 Denn die ursprüngliche Anwendung dieser beiden Begriffe nimmt die Veränderung zur Voraussetzung, die mathematischen
180 Holz-Hermes-Statue – Metaph. Θ6, 1048a32–33; Baustoff-Hausherr – Metaph. Θ6, 1048a37–1048b1; Unbearbeitetes-Bearbeitetes – Metaph. Θ6, 1048b3–4. 181 (1) Metaph. Δ12, 1019b33–35: κατὰ μεταφορὰν δὲ ἡ ἐν γεωμετρίᾳ λέγεται δύναμις. ταῦτα μὲν οὖν τὰ δυνατὰ οὐ κατὰ δύναμιν. (2) Metaph. Θ1, 1046a6–9: τούτων δ’ ὅσαι μὲν ὁμωνύμως λέγονται δυνάμεις ἀφείσθωσαν. ἔνιαι γὰρ ὁμοιότητί τινι λέγονται, καθάπερ ἐν γεωμετρίᾳ καὶ δυνατὰ καὶ ἀδύνατα λέγομεν τῷ εἶναί πως ἢ μὴ εἶναι. (3) Alexander 394.34–37: ἐπεὶ δὲ λέγεταί τις καὶ ἐν γεωμετρίᾳ δύναμις (τὰ γὰρ τετράγωνα δυνάμεις καλοῦσιν· ὃ γὰρ δύναται ἡ πλευρά, τοῦτο δύναμις, ἑκάστη δὲ δύναται τὸ ἀπ’ αὐτῆς τετράγωνον), κατὰ μεταφορὰν δή φησι καὶ οὐ κυρίως λέγεσθαι δύναμιν τὸ ἐν γεωμετρίᾳ.
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Entitäten aber sind weder veränderlich noch beweglich. Nicht die geometrische Figur bewegt sich vom potentiellen Zustand zum aktuellen, sondern die geistige Tätigkeit bringt das, was in der mathematischen Entität möglicherweise vorhanden ist, in die Wirklichkeit (αἴτιον δὲ ὅτι ἡ νόησις ἐνέργεια).182 Daraus ergibt sich die strukturelle Ähnlichkeit zwischen der technischen Herstellung und der gedanklichen Tätigkeit. Wie die Hermes-Gestalt, die im Holz potentiell vorliegt, vom Handwerker zustande gebracht wird, ist die Linienhälfte, die sich möglicherweise in einer ganzen Linie befindet, durch die Teilungsaktion zu verwirklichen (Metaph. Θ6, 1048a32–33). Per definitionem ist die Winkelsumme des Dreiecks zwei rechten Winkeln gleich und im Halbkreis ist jeder Winkel ein rechter. Wenn man den Beweis erbringt, sind die Axiome artikuliert, die vor der Beweisführung potentiell vorhanden sind. Es zeigt sich, dass das Möglichsein und das Wirklichsein in der Geometrie auf die geistige Tätigkeit zurückgreifen. Ist das dianoetische Denkvermögen nicht wirksam, halten die Linie, das Dreieck und der Halbkreis den Status quo ante aufrecht. Durch die Tätigkeit des dianoetischen Denkens ist die Linie zu teilen und das Axiom nachzuweisen. Indem das Denken von der Potentialität zur Aktualität übergeht, vollzieht sich die „Veränderung“ der geometrischen Figuren,
182 Metaph. Δ11, 1019a4–11; Z13, 1039a6–7; Θ9, 1051a30–33. An der einen Stelle (Metaph. Θ9, 1051a30–33) hat Thomas ganz richtig kommentiert (Sententia Metaphysicae lib.9 l.10 n.12 [83465]: Sic igitur concludit philosophus manifestum esse, quod quando aliqua reducuntur de potentia in actum, tunc invenitur earum veritas. Et huius causa est, quia intellectus actus est. Et ideo ea quae intelliguntur, oportet esse actu. Propter quod, ex actu cognoscitur potentia. Unde facientes aliquid actu cognoscunt, sicut patet in praedictis descriptionibus) und an der anderen Stelle (Metaph. Θ1, 1046a6–9) hat er einen neuen Interpretationsvorschlag anzubieten (Sententia Metaphysicae lib.9 l.1 n.7 [83345]: Ex linea etiam, quae est radix quadrati, ducta in seipsam fit quadratum. [. . .] Unde radix quadrati habet aliquam similitudinem cum materia, ex qua fit res. Et propter hoc per quamdam similitudinem dicitur potens in quadratum, sicut dicitur materia potens in rem). Diese Interpretation steht aber mit dem Grundsatz der aristotelischen Mathematik bzw. Geometrie nicht in Einklang. Thomas meint, dass es eine Analogie zwischen der Entstehung der geometrischen Figuren und der Entstehung des Einzeldings gebe. Wie die konkrete Statue aus der Materie entstanden ist, stammt der Körper aus der Fläche, die Fläche aus der Linie und die Linie aus dem Punkt. Der aristotelischen Theorie zufolge kann der Übergang vom Punkt zur Linie, von der Linie zur Fläche und von der Fläche zum Körper nicht wirklich stattfinden. Denn keine Entität kann über ihre eigene Grenze hinausgehen. Der Punkt kann weder die Punktualität transzendieren, noch können die diskreten Punkte eine kontinuierliche Linie konstituieren. Gleichfalls kann die eindimensionale Linie nicht zur zweidimensionalen Fläche überspringen. Es ist auch unmöglich, dass sich die zweidimensionale Fläche auf den dreidimensionalen Körper ausdehnt. Laut Aristoteles sind die geometrischen Figuren an sich weder entstanden noch veränderlich. Ihre Veränderlichkeit greift auf die geistige Tätigkeit zurück, wobei man eine Linie teilt oder für die Axiome Beweise erbringt.
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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nämlich, dass die teilbare Linie in die Teilung, oder das Axiom in die Beweisführung übergeht. Des Weiteren zeigen sich Dynamis-Energeia in der Logik, und zwar in Form von Möglichkeit-Wirklichkeit. Alles, was mit dem Vermögen und der Möglichkeit zusammenhängt, enthält in sich den Gegensatz (Metaph. Θ3, 1047a17–29; Θ9, 1051a5–14; Int. 12, 21b12–17). Das Einzelding, sei es künstlich oder natürlich, kann entstanden sein oder nicht, und es kann bewegt werden oder in Ruhe bleiben. Es ist dem Einzelnen, z. B. Sokrates, möglich, nach Hause zu gehen oder nicht, und gesund oder krank zu werden. Analog zur ontologischen Möglichkeit, die die entgegengesetzten Zustände von Sein-Nichtsein, nämlich von Verwirklichung-Nichtverwirklichung, aufweist, bezeichnet die logische Möglichkeit die gegensätzlichen Werte der Aussage, nämlich die Wahrheit-Falschheit (ἀληθέςψεῦδος).183 Die Aussage, die den akzidentellen Sachverhalt zum Ausdruck bringt, ist immer zweiwertig. In der Möglichkeit hat der Aussagesatz „Sokrates sitzt“ zwei Werte, in der Wirklichkeit aber muss derselbe Satz entweder wahr oder falsch sein, je nachdem, ob die Aussage dem Sachverhalt entspricht oder nicht. Die Analogie der Logik zur Ontologie ist dadurch aufzustellen, dass sich die logische Möglichkeit auf die Wirklichkeit, d. h. die unbestimmte Zweiwertigkeit auf den bestimmten Wert der Aussage, so bezieht, wie sich die unbestimmte Materie zur bestimmten Form des Einzeldings verhält. Aus dem Dargelegten wurde ersichtlich, dass δύναμις-ἐνέργεια in der natürlichen Veränderung und der menschlichen Tätigkeit verwurzelt ist. Die Anwendung beider Grundbegriffe geht über die Ontologie hinaus und dehnt sich in die Geometrie und die Logik aus. Der Anschaulichkeit halber fassen wir alle Beispiele, die im Laufe der Argumentation eingeführt wurden, im folgenden Schema zusammen (Tab. 14):
183 Metaph. Δ12, 1019b21–33. Die logische Möglichkeit zeigt sich darin, dass der Gegensatz einer Aussage nicht notwendig falsch ist (τὸ δ’ ἐναντίον τούτῳ, τὸ δυνατόν, ὅταν μὴ ἀναγκαῖον ᾖ τὸ ἐναντίον ψεῦδος εἶναι – 1019b27–29). Es ist möglich, zu behaupten, dass der Mensch sitzt. Das Gegenteil dieser Aussage, nämlich „Der Mensch sitzt nicht“, ist nicht unbedingt falsch (1019b29–30). Wenn man tatsächlich nicht sitzt, ist die der Tatsache entsprechende Aussage wahr. Anders formuliert: Die logische Möglichkeit weist darauf hin, dass die Aussage entweder wahr oder falsch sein kann (τὸ ἐνδεχόμενον ἀληθὲς εἶναι – 1019b32–33).
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Tab. 14: Dynamis und Energeia. δύναμις
ἐνέργεια
δύναμις τοῦ ποιεῖν τὸ μέλαν τὸ ψυχρόν τὸ νόσον
τὸ λευκόν τὸ θερμόν ἡ ὑγίεια
τὸ καθεῦδον
τὸ ἐγρήγορον
τὸ μῦον μὲν ὄψιν δὲ ἔχον
τὸ ὁρῶν
τὸ μὴ θεωροῦν, ἂν δυνατὸς ᾖ θεωρῆσαι
τὸ θεωροῦν
δύναμις τοῦ πάσχειν τὸ οἰκοδομικόν
τὸ οἰκοδομοῦν
ἐν τῷ ξύλῳ
Ἑρμῆς
τὸ ἀνέργαστον
τὸ ἀπειργασμένον
ἡ ὕλη
τὸ ἀποκεκριμένον ἐκ τῆς ὕλης
in geometrice
ἐν τῇ ὅλῃ ἐν τρίγωνῳ ἐν ἡμικυκλίῳ
ἡ ἡμίσεια δύο ὀρθαὶ ὀρθὴ καθόλου
in logice
ἀληθές καὶ ψεῦδος
ἀληθές ἢ ψεῦδος
in rebus mobilibus
κίνησις
πρᾶξις
ποίησις
φύσις
Den einzelnen Beispielen fügt Aristoteles eine Erklärung hinzu: ταύτης δὲ τῆς διαφορᾶς θάτερον μόριον ἔστω ἡ ἐνέργεια ἀφωρισμένη, θάτερον δὲ τὸ δυνατόν. λέγεται δὲ ἐνεργείᾳ οὐ πάντα ὁμοίως ἀλλ' ἢ τῷ ἀνάλογον, ὡς τοῦτο ἐν τούτῳ ἢ πρὸς τοῦτο, τόδ' ἐν τῷδε ἢ πρὸς τόδε· τὰ μὲν γὰρ ὡς κίνησις πρὸς δύναμιν τὰ δ' ὡς οὐσία πρός τινα ὕλην. – Metaph. Θ6, 1048b4–9
Aus der inneren Entzweiung derselben Sache folgt, dass der eine Teil als ἐνέργεια und der andere als δύνατον bezeichnet wird. In verschiedenen Bereichen können ἐνέργεια und δύναμις nicht gleicherweise ausgesagt werden, außer anhand der Analogie (Metaph. Λ5, 1071a4–6). Die strukturelle Ähnlichkeit lässt sich mit zwei äquivalenten Formen aufzeigen: A befindet sich in B wie C in D, oder A bezieht sich auf B wie C auf D. Zwischen der Bewegung und der Entstehung ergibt sich die Analogie derart, dass die Verwirklichung zum Vermögen und die Wesenssubstanz, d. h. die Form, zur Materie in demselben Verhältnis stehen. Trotz der sachlichen Differenz hat das Möglichseiende gemeinsam, dass es realisierbar ist und
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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noch nicht realisiert wird. Der analogischen Einheit zufolge sind die verschiedenen Seienden, wie das Schwarze, das Kalte, die Krankheit, das Schlafen, das Nichtsehen (Augen schließen), das Nichtdenken (denken können), der Baustoff, das Holz, die unbearbeitete Materie, die menschliche Biomasse, die Linie, das Dreieck, der Halbkreis und die proportionale Zweiwertigkeit und dergleichen als δύνατον benannt. Nichts anderes als die Realisierung macht die Realität aus und bringt das Reale hervor. Demnach sind das Weiße, das Warme, die Gesundheit, das Waschen, das Sehen, das Denken, das Haus, die Hermes-Statue, das bearbeitete Artefakt, die menschliche Art, die Hälfte der Linie, die zwei Rechten im Dreieck, der rechte Winkel im Halbkreis und ein bestimmter Wert der Aussage gemeinsam durch ἐνέργεια gekennzeichnet. Obwohl sich Dynamis und Energeia auf den ontologischen, den mathematischen und den logischen Bereich ausbreiten, bilden sie eine begriffliche Einheit, ohne die sachliche Differenz preiszugeben. Die begriffliche Einheit ist auf die strukturelle Ähnlichkeit zurückzuführen. Auf der Grundlage der Analogie kommen Dynamis und Energeia paarweise vor, indem in jedem Seinsbereich und in jedem Einzelfall die eine immer mit der anderen korrespondiert. Sie verhalten sich zueinander und bestimmen sich gegenseitig, und zwar nach demselben Paradigma. Wegen des Mangels an Realisierung ist die Dynamis mit der Unbestimmtheit versehen und die Energeia verleiht dem möglichen Seienden die Bestimmtheit. Zusammenfassend lassen sich die natürliche Veränderung sowie die menschliche Tätigkeit durch Dynamis und Energeia charakterisieren. Dadurch, dass die beiden Begriffe wechselseitig bestimmt sind, wird der unendliche Regress des Definitionsverfahrens abgeschlossen.
2.1.4 Wahrheit und Falschheit (ἀληθές καὶ ψεῦδος) 2.1.4.1 Übereinstimmungswahrheit Im gesamten Teil 2.1 legen wir den Schwerpunkt auf die dreifache Korrespondenz von Sein, Logos und Veränderung. Am offenkundigsten zeigt sich die ontologisch-logisch-ontische Übereinstimmung in der Übereinstimmungswahrheit. Da der Begriff Wahrheit durch die lange Tradition viele Bedeutungen in sich trägt, muss man sich zunächst begrifflich klarmachen, was Aristoteles unter der Wahrheit versteht. Was die aristotelische Übereinstimmungswahrheit anbelangt, ist sie weder die absolute Wahrheit noch die Wahrheit als solche (verum tantum).184
184 Nicht häufig verwendet Aristoteles den Begriff „Wahrheit“ im Sinne der absoluten Wahrheit. Im Buch α der Metaphysik nennt Aristoteles die Philosophie die „Wissenschaft der
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Wie der Name besagt, geht es darum, ob die Aussage mit dem entsprechenden Sachverhalt inhaltlich übereinstimmt oder nicht. Die Wahrheit oder die Falschheit kommt dadurch zustande, dass die Aussage mit dem Sachverhalt verglichen wird. Die logische Aussage und der ontologische Sachverhalt sind nur dann miteinander vergleichbar, wenn die beiden eine ähnliche Struktur haben. Die strukturelle Ähnlichkeit von Sein und Logos ist darin fundiert, dass die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie (ὑποκείμενον-κατηγορούμενον) die logische Unterscheidung von Subjekt und Prädikat (ὄνομα-ῥῆμα) ausmacht. Aufgrund dessen ist das ontologische Vorbild mit dem logischen Abbild, d. h. der Sachverhalt mit der Aussage, formal vergleichbar. Außer der formalen Wahrheitsbedingung beruht die Übereinstimmungswahrheit auf einer sachlichen Grundlage, nämlich auf der Veränderbarkeit des Sachverhaltes (κινούμενον πράγματος), sodass die Veränderung in die Problematik der Wahrheit einbezogen ist. Außer der sachlichen Veränderlichkeit muss die entsprechende Aussage negiert werden können. Zum einen kann das Einzelne, wie z. B. Sokrates, gehen oder nicht gehen, die Linie geteilt oder nicht geteilt werden.185 Zum anderen kann das logische Subjekt entweder affirmativ oder negativ zum Ausdruck gebracht werden. Daraus resultieren die chiastische Vierteilung und die Zweiwertigkeit von Wahrheit und Falschheit. Falls die Aussage nicht mit dem Sachverhalt in Übereinkunft kommt, ist das, was sie aussagt, falsch. Die Falschheit kommt nur dann zum Ausdruck, wenn der Sachverhalt verändert oder die Aussage verneint werden kann. Während die zweiwertige Wahrheit aus dem veränderbaren Sachverhalt und der negierbaren Aussage konstituiert ist, führt die logische oder die ontologische Unveränderlichkeit zur Einwertigkeit, entweder immer wahr oder immer falsch zu sein.186 Deshalb lokalisiert sich die
Wahrheit“ (ὀρθῶς δ’ ἔχει καὶ τὸ καλεῖσθαι τὴν φιλοσοφίαν ἐπιστήμην τῆς ἀληθείας – Metaph. α1, 993b19–20). Während die theoretische Philosophie auf die Wahrheit abzielt, orientiert sich die praktische Philosophie am Werk (θεωρητικῆς μὲν γὰρ τέλος ἀλήθεια πρακτικῆς δ’ ἔργον – 993b20–21). 185 Int. 12, 21b12–17: δοκεῖ δὲ τὸ αὐτὸ δύνασθαι καὶ εἶναι καὶ μὴ εἶναι· πᾶν γὰρ τὸ δυνατὸν τέμνεσθαι ἢ βαδίζειν καὶ μὴ βαδίζειν καὶ μὴ τέμνεσθαι δυνατόν· λόγος δ’ ὅτι ἅπαν τὸ οὕτω δυνατὸν οὐκ ἀεὶ ἐνεργεῖ, ὥστε ὑπάρξει αὐτῷ καὶ ἡ ἀπόφασις· δύναται γὰρ καὶ μὴ βαδίζειν τὸ βαδιστικὸν καὶ μὴ ὁρᾶσθαι τὸ ὁρατόν. 186 (1) Metaph. Θ10, 1051b13–17: περὶ μὲν οὖν τὰ ἐνδεχόμενα ἡ αὐτὴ γίγνεται ψευδὴς καὶ ἀληθὴς δόξα καὶ ὁ λόγος ὁ αὐτός, καὶ ἐνδέχεται ὁτὲ μὲν ἀληθεύειν ὁτὲ δὲ ψεύδεσθαι· περὶ δὲ τὰ ἀδύνατα ἄλλως ἔχειν οὐ γίγνεται ὁτὲ μὲν ἀληθὲς ὁτὲ δὲ ψεῦδος, ἀλλ’ ἀεὶ ταὐτὰ ἀληθῆ καὶ ψευδῆ. (2) Alexander 598.17–27: οὕτω δὴ περὶ τούτων διορισάμενος λέγει ὅτι < εἰ δὴ τὰ μὲν ἀεὶ σύγκειται καὶ ἀδύνατα διαιρεθῆναι > (ἀεὶ γὰρ σύγκειται τὸ σφαιροειδὲς τῷ ἡλίῳ καὶ τὸ ἀσύμμετρον τῇ διαμέτρῳ καὶ ἀδύνατόν ἐστιν αὐτοῖν ταῦτα διαιρεθῆναι), < τὰ δ’ ἀεὶ διῄρηται καὶ ἀδύνατα συντεθῆναι > (ἀεὶ γὰρ διῄρηται ἀνθρώπου τὸ ἄψυχον καὶ ἀδύνατόν ἐστιν αὐτῷ τοῦτο
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
141
Übereinstimmungswahrheit in der Akzidenzprädikation, wobei sich die Aussage sowie der ausgedrückte Sachverhalt verändern können. Die ontologische Veränderbarkeit des Sachverhaltes und die logische Verneinung der Akzidenzprädikation weisen auf die Möglichkeit hin, sachlich und sprachlich anders zu sein (Metaph. Θ10, 1051b13–15). Von daher gehen wir auf die andere Wahrheitsbedingung ein. Aus der Perspektive der Modalität ist die Wahrheitsbedingung als Möglichkeit zu bezeichnen. Anhand des Chiasmus kommen die Wahrheit und die Falschheit nur dann zur Sprache, wenn Einzelsubstanz-Eigenschaft sowie Subjekt-Prädikat miteinander zusammengesetzt und voneinander getrennt werden können (τὰ δ’ ἐνδέχεται τἀναντία). Wenn die Möglichkeit (δύνατον), anders zu sein, als Wahrheitsbedingung angesehen wird, muss man die Wirklichkeit (ἐνέργεια) zum Kriterium nehmen, um zu beurteilen, ob eine Aussage tatsächlich wahr oder falsch ist. Der Satz „Sokrates sitzt“ kann insofern für wahr gehalten werden, als Sokrates nicht möglicherweise, sondern wirklich sitzt. Was mit der affirmativen oder der negativen Aussage verglichen werden soll, ist nicht der mögliche, sondern der wirkliche Sachverhalt, nämlich der tatsächlich sitzende Sokrates. In Bezug auf den potentiellen Sachverhalt kann weder von Wahrheit noch von Falschheit die Rede sein, denn es fehlt an einem Maßstab, womit die eine von der anderen zu unterscheiden ist. Um die Wahrheit oder die Falschheit der Aussage festzulegen, braucht man nicht von mehreren Möglichkeiten des Sachverhaltes auszugehen, sondern soll dies einzig und allein anhand der Wirklichkeit beurteilen. Kraft der Strukturähnlichkeit ist die Realität dem Denken zugänglich. Das Denken oder der Logos fasst die Realität auf, indem das logische Abbild das ontologische Urbild widerspiegelt. Durch die Korrespondenz mit dem wirklichen Sachverhalt drückt die Aussage etwas Wahres aus. Steht die Aussage dem Sachverhalt entgegen, ist die Aussage falsch. Einerseits ist die Übereinstimmungswahrheit darin verwurzelt, dass die ontische Bewegung, die logische Aussage und der ontologische Sachverhalt miteinander strukturell korrespondieren. Andererseits bringen die Wahrheit und die Falschheit die ontisch-logisch-ontologische Übereinstimmung am deutlichsten ans Licht. In diesem Sinne bezeichnet Aristoteles das Wahre und das Falsche als das wahrhafteste Seiende (τὸ κυριώτατα ὂν – Metaph. Θ10, 1051a34–1051b2).
συντεθῆναι), < τὰ δ’ ἐνδέχεται τἀναντία > (συγκειμένου γὰρ τοῦ καθῆσθαι τῷ Σωκράτει ἐνδέχεται διαιρεθῆναι αὐτοῦ), ἐστὶ δὲ τὸ μὲν εἶναι καὶ τὸ ἀληθές, ἵνα πάλιν τοῦτο ὑπομνησθεῖμεν, τὸ συγκεῖσθαι τὸν κατηγορούμενον τῷ ὑποκειμένῳ καὶ ἓν εἶναι, τὸ δὲ μὴ εἶναι καὶ τὸ ψεῦδός ἐστι τὸ μὴ συγκεῖσθαι ἀλλὰ πλείω εἶναι καὶ κεχωρισμένα ἀπ’ ἀλλήλων.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
2.1.4.2 Übereinstimmung von Sachverhalt, Äquivokation und Bewegung Anhand derselben Unterscheidung von per accidens und per se spaltet sich das Sein in Sachverhalt und Einzelding, der Logos in Äquivokation und Univokation, die Veränderung in Bewegung und Entstehung. Was die Korrespondenzwahrheit aufweist, ist die strukturelle Übereinstimmung von Sachverhalt, Äquivokation und Bewegung (πρᾶγμα-δόξα-κίνησις). Trotz des sachlichen Unterschieds ergibt sich die folgende Strukturähnlichkeit: Wie sich im Sachverhalt die Substanz zur Kategorie verhält (πρᾶγμα = ὑποκείμενον + κατηγορούμενον), so verhält sich in der Äquivokation das Subjekt zum Prädikat (δόξα = ὄνομα + ῥῆμα) und in der Bewegung das Substrat zur gegensätzlichen Eigenschaft (κίνησις = ὑπομένον + ἀντικείμενον). Auf der einen Seite liegt die Substanz der Kategorie, das Subjekt dem Prädikat und das Substrat der Eigenschaft zugrunde, sodass die ontologische Substanz (substantia), das logische Subjekt (subiectum) und das ontische Substrat (substratum) durch denselben Begriff, d. h. das Zugrundeliegende (ὑποκείμενον), bezeichnet werden können. Auf der anderen Seite kommt die Kategorie der Einzelsubstanz zu, drückt das Prädikat das logische Subjekt aus, und die Eigenschaft wirkt sich auf das Substrat aus. Da die Kategorie, das Prädikat und die Eigenschaft in verschiedenen Bereichen ähnlich funktionieren, sind sie gemeinsam durch das Zukommende (συμβεβηκός) gekennzeichnet. Weiterhin ergibt sich die ontische, die logische und die ontologische Zusammensetzung nur dann, wenn das Zukommende aktiv und das Zugrundeliegende passiv aufeinander wirken. Daraus folgt, dass die Analogie von Sachverhalt, Äquivokation und Bewegung ihre Wurzel in der dynamischen Struktur von Machen und Erleiden hat (ποιεῖν-πάσχειν). Innerhalb der dreifachen Korrespondenz ist die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie deshalb fundamental, weil sich dieselbe ontologische Struktur auf die logische Zweiteilung von Subjekt und Prädikat und auf den ontischen Zwiespalt von Substrat und Eigenschaft ausbreitet. Anders formuliert: Die Ontologie bringt die Logik und die Ontik (Physik) zustande, die Logik und die Ontik aber bringen die Ontologie zum Vorschein. Zum einen werden die Logik und die Ontik gleicherweise begründet, indem die ontologische Differenz und die kategoriale Ausdifferenzierung sowohl die logische Prädikation als auch die ontologische Erklärung der Veränderung durchdringen. Zum anderen lässt sich das ontologische Grundprinzip einerseits anhand der Syntax der griechischen Sprache und andererseits mithilfe der metaphysischen Erörterung des Bewegungsphänomens einsichtig machen. Die Logik und die Physik haben nämlich zwei Zugänge anzubieten, den ontologischen Sachverhalt entweder logischer- (λογικῶς) oder physikalischerweise (φυσικῶς) in den Vordergrund zu bringen. Der Sachverhalt „der musikalische Sokrates“ kann entweder in der Aussage wiedergegeben werden, dass Sokrates musikalisch ist. Oder man kann denselben Sachverhalt als Resultat der Veränderung ansehen. Sokrates ist
2.1 Sachverhalt-Meinung-Bewegung
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dadurch musikalisch, dass er sich vom Unmusikalischen ins Musikalische umwandelt. Die aristotelische Metaphysik zeichnet sich dadurch aus, dass das ontologische Prinzip sowohl der Logik als auch der Ontik ein Fundament legt, ohne dem sprachlichen und dem empirischen Phänomen entgegenzustehen. Aufgrund der ontisch-logisch-ontologischen Übereinstimmung kann die Einzelsubstanz, die ursprünglich ontologisch konzipiert ist, logischerweise als grammatisches Subjekt und physikalischerweise als unveränderliches Substrat bezeichnet werden.187 In der Metaphysik Z3 ist die Einzelsubstanz als letztes Subjekt der Aussage (ultimum subiectum proportionis) bestimmt. τὸ δ' ὑποκείμενόν ἐστι καθ' οὗ τὰ ἄλλα λέγεται, ἐκεῖνο δὲ αὐτὸ μηκέτι κατ' ἄλλου. – Metaph. Z3, 1028b36–37
Das logische Zugrundeliegende ist dasjenige, von dem die anderen (Prädikate) ausgesagt werden, es selbst aber wird von keinem anderen (Subjekt) ausgesagt.188 Damit ist nicht nur das logische Subjekt, sondern vielmehr das letzte Subjekt der Aussage gemeint. Nichts anderes als das letzte Subjekt, von dem alle anderen Prädikate prädiziert werden, wird von keinem anderen Subjekt ausgesagt. Strenggenommen soll die Einzelsubstanz, d. h. das konkrete Einzelding, anhand des Eigennamens logischerweise wiedergegeben werden und die Wesenssubstanzen, nämlich die Art und die Gattung, lassen sich jeweils als Begriff und Oberbegriff bezeichnen. Der Begriff sowie der Oberbegriff werden vom Einzelnen prädiziert, z. B. dass Sokrates Mensch und Lebewesen ist. Im übertragenen Sinne aber kann etwas Weiteres von den beiden ausgesagt werden, nämlich dass der Mensch vernünftiges Lebewesen und das Lebewesen beseelte
187 Bei dem Sachverhalt „der musikalische Sokrates“ ist die Einzelsubstanz von der kategorialen Eigenschaft sachlich untrennbar. Die Einzelsubstanz kann von der Kategorie abgesondert und separat betrachtet werden, und zwar entweder auf die logische oder auf die ontische Art und Weise. Einerseits tritt die Einzelsubstanz in Form des logischen Subjekts auf, die kategoriale Eigenschaft aber in Form des Prädikats, wenn der ganze Sachverhalt in der Aussage wiedergegeben wird (der musikalische Sokrates→„Sokrates ist musikalisch“). Andererseits kann die Einzelsubstanz von der Qualität, d. h. vom Musikalischen, getrennt werden, wenn die qualitative Veränderung stattfindet. Wenn der musikalische Sokrates unmusikalisch wird, verharrt Sokrates. Das in der Veränderung unveränderlich Beharrende widerspiegelt die ontologische Einzelsubstanz (der musikalische Sokrates→der unmusikalische Sokrates). 188 (1) Metaph. Z3, 1029a7–9; Δ8, 1017b13–14, 1017b23–25. (2) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.2 n.4 [82839]: „Patet autem, quod subiectum hic dicitur, quod in praedicamentis nominatur substantia prima, ex hoc, quod eadem definitio datur de subiectum hic, et ibi de substantia prima.“ (3) Thomas Sententia Metaphysicae lib.5 l.10 n.1 [82463]: „Haec enim omnia praedicta dicuntur substantia, quia non dicuntur de alio subiecto, sed alia dicuntur de his. Et haec est descriptio primae substantiae in praedicamentis.“
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und wahrnehmungsfähige Substanz ist. Im Gegensatz dazu kann der Eigenname, wie z. B. „Sokrates“, in der Aussage nur als Subjekt und nie als Prädikat angewendet werden.189 In der Aussage können der Begriff und der Oberbegriff entweder in Form des Subjekts oder des Prädikats auftreten, und dagegen gilt der Eigenname nur als logisches Subjekt. Da der Eigenname die kleinste Maßeinheit bildet, in der ein logisches Subjekt auftreten kann, wird er das letzte Subjekt genannt (Cat. 5, 3a34–3b5). Das letzte Subjekt, der Eigenname, weist nichts anderes als die Einzelsubstanz auf, nämlich Sokrates.190 Was logisch
189 Cat. 5, 3a36–37: ἀπὸ μὲν γὰρ τῆς πρώτης οὐσίας οὐδεμία ἐστὶ κατηγορία, – κατ’ οὐδενὸς γὰρ ὑποκειμένου λέγεται. Man kann sagen, dass Sokrates Mensch oder Lebewesen ist, es ist aber sinnlos, zu behaupten, dass Sokrates Sokrates ist, denn der zweite Sokrates als Eigenname darf nicht an die Prädikatsstelle gesetzt werden. 190 Einerseits gilt das letzte Subjekt weder als Begriff (Art) noch als Oberbegriff (Gattung), sondern als Eigenname, der mit der Einzelsubstanz übereinstimmt. Andererseits kann das letzte logische Zugrundeliegende weder konkrete Materie noch prima materia sein, die sachlich zugrunde liegen. Anders gesagt kommt das letzte logische Zugrundeliegende mit dem letzten ontologischen Zugrundeliegenden nicht zur Deckung. Denn weder die konkrete Materie noch die prima materia können als letztes Subjekt in der Aussage auftreten. Die Prädikationsstruktur von Subjekt und Prädikat bildet die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie logischerweise ab. Die konkrete Materie aber kann überhaupt nicht anhand der Aussage zur Sprache gebracht werden, und zwar weder als logisches Subjekt noch als Prädikat, da sie weder die Kategorie (λέγω δ’ ὕλην ἣ καθ’ αὑτὴν μήτε τὶ μήτε ποσὸν μήτε ἄλλο μηδὲν λέγεται οἷς ὥρισται τὸ ὄν – Metaph. Z3, 1029a20–21) noch die Einzelsubstanz ist, sondern nur der materiale Bestandteil der Einzelsubstanz. Während die konkrete Materie durch die Form logischontologisch bestimmt und jeweils verschieden ist, bietet die prima materia für die Entstehung nur eine gemeinsame ontologische Grundlage (Ex his igitur, quae hic dicuntur, accipitur quod prima materia est una omnium generabilium et corruptibilium; sed propriae materiae sunt diversae diversarum – Thomas Sententia Metaphysicae lib.8 l.4 n.2 [83301]). Um die prima materia zu charakterisieren, die durchaus formlos und bestimmungslos ist (Et dicit, quod opertet non latere circa materiale principium, quia licet omnia sint ex eodem primo materiali principio, quod est materia prima de se nullam habens formam, [. . .] – Thomas Sententia Metaphysicae lib.8 l.4 n.1 [83300]), wendet Aristoteles einen Ausdruck an, der ähnlich zu sein scheint, wie das letzte logische Zugrundeliegende zum Ausdruck kommt (εἰ δέ τί ἐστι πρῶτον ὃ μηκέτι κατ’ ἄλλο λέγεται ἐκείνινον, τοῦτο πρώτη ὕλη – Metaph. Θ7, 1049a24–26; τὰ μὲν γὰρ ἄλλα τῆς οὐσίας κατηγορεῖται, αὕτη δὲ τῆς ὕλης, ὥστε τὸ ἔσχατον καθ’ αὑτὸ οὔτε τὶ οὔτε ποσὸν οὔτε ἄλλο οὐδέν ἐστιν – Metaph. Z3, 1029a23–25). Damit ist allerdings nicht das letzte Subjekt gemeint, sondern der Ausdruck bezeichnet die abstrakte Selbstbezüglichkeit der prima materia (ipso predicantur). Die prima materia bildet nichts anderes als eine gemeinsame und abstrakte Benennung. Da es der prima materia an bestimmter Begrifflichkeit mangelt, kann die prima materia nicht als letztes Subjekt zur Geltung kommen. Daraus folgt, dass das letzte logische Zugrundeliegende, d. h. das letzte Subjekt, weder die dem Kompositum zugrundeliegende Materie, noch das allerletzte ontologische Zugrundeliegende, d. h. prima materia, sondern nur die Einzelsubstanz ist.
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zugrunde liegt, tut dies auch ontisch, insofern die Einzelsubstanz als Substrat in der Veränderung unveränderlich beharrt (substratum mutationis). ἡ δέ γε οὐσία ἓν καὶ ταὐτὸν ἀριθμῷ ὂν δεκτικὸν τῶν ἐναντίων ἐστίν· οἷον ὁ τὶς ἄνθρωπος, εἷς καὶ ὁ αὐτὸς ὤν, ὁτὲ μὲν λευκὸς ὁτὲ δὲ μέλας γίγνεται, καὶ θερμὸς καὶ ψυχρός, καὶ φαῦλος καὶ σπουδαῖος. – Cat. 5, 4a17–21
Wie der zitierte Satz besagt, ist die Einzelsubstanz der Zahl nach ein und dasselbe Seiende, das die gegensätzlichen Eigenschaften in sich aufnehmen kann. Trotz des Zustandswechsels vom Schwarzen zum Weißen, vom Kalten zum Warmen oder vom Schlechten zum Tüchtigen kann der bestimmte Mensch, z. B. Sokrates, seine numerische Einheit beibehalten (Πᾶσα δὲ οὐσία δοκεῖ τόδε τι σημαίνειν. ἐπὶ μὲν οὖν τῶν πρώτων οὐσιῶν ἀναμφισβήτητον καὶ ἀληθές ἐστιν ὅτι τόδε τι σημαίνει· ἄτομον γὰρ καὶ ἓν ἀριθμῷ τὸ δηλούμενόν ἐστιν – Cat. 5, 3b10–13). Es zeigt sich, dass die Einzelsubstanz entweder aus der logischen oder der ontischen Perspektive betrachtet werden kann. Das logische Subjekt und das ontische Substrat sind einzuführen, um die ontologische Substanz einsichtig zu machen. Diese Vorgehensweise ist deswegen durchführbar, weil das logische und das ontische Gefüge in der ontologischen Struktur gründen. Darum weisen das Subjekt und das Substrat auf die Substanz hin und sind darauf zurückzuführen. Im Folgenden richten wir die Aufmerksamkeit darauf, inwiefern die Einzelsubstanz als erste Substanz (πρώτη οὐσία) angesehen wird. Die erste Substanz gilt deswegen als wahrhafteste (κυριώτατα) Substanz, weil sie allen anderen zugrunde liegt (ἔτι αἱ πρῶται οὐσίαι διὰ τὸ τοῖς ἄλλοις ἅπασιν ὑποκεῖσθαι κυριώτατα οὐσίαι λέγονται – Cat. 5, 2b37–3a1). Wie die Einzelsubstanz der Kategorie paradigmatisch zugrunde liegt, so liegt das logische Subjekt dem Prädikat und das ontische Substrat den gegensätzlichen Eigenschaften zugrunde. Die Abhängigkeit der Kategorie von der Einzelsubstanz zeigt sich darin, dass das Prädikat vom Subjekt ausgesagt wird (καθ’ ὑποκειμένου λέγεσθαι) und die Eigenschaft im einzelnen Substrat vorliegt (ἐν ὑποκειμένῳ εἶναι).191 Ohne die zugrundeliegende Einzelsubstanz kann die Kategorie weder als Prädikat ausgesprochen werden noch als Eigenschaft existieren.192 Mit anderen Worten lässt sich die
191 (1) Cat. 5, 2a34–35: τὰ δ’ ἄλλα πάντα ἤτοι καθ’ ὑποκειμένων λέγεται τῶν πρώτων οὐσιῶν ἢ ἐν ὑποκειμέναις αὐταῖς ἐστίν. (2) Cat. 5, 2b3–5: ὥστε τὰ ἄλλα πάντα ἤτοι καθ’ ὑποκειμένων τῶν πρώτων οὐσιῶν λέγεται ἢ ἐν ὑποκειμέναις αὐταῖς ἐστίν. (3) Cat. 5, 2b15–17: ἔτι αἱ πρῶται οὐσίαι διὰ τὸ τοῖς ἄλλοις ἅπασιν ὑποκεῖσθαι καὶ πάντα τὰ ἄλλα κατὰ τούτων κατηγορεῖσθαι ἢ ἐν ταύταις εἶναι διὰ τοῦτο μάλιστα οὐσίαι λέγονται. 192 Cat. 5, 2b5–6: μὴ οὐσῶν οὖν τῶν πρώτων οὐσιῶν ἀδύνατον τῶν ἄλλων τι εἶναι; ὥστε τὰ ἄλλα πάντα ἤτοι καθ’ ὑποκειμένων τῶν πρώτων οὐσιῶν λέγεται ἢ ἐν ὑποκειμέναις αὐταῖς ἐστίν. μὴ οὐσῶν οὖν τῶν πρώτων οὐσιῶν ἀδύνατον τῶν ἄλλων τι εἶναι· πάντα γὰρ τὰ ἄλλα
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ontologische Vorrangigkeit der Substanz vor der Kategorie damit aufzeigen, dass das logische und das ontische Zukommende durch die Aufhebung des logischen und des ontischen Zugrundeliegenden mit aufgehoben werden müssen. Im Vergleich zur Kategorie/Eigenschaft ist das Einzelding als Substanz anzusehen. Weitergehend lässt sich die Einzelsubstanz als erste Substanz bezeichnen, die Wesenssubstanz, d. h. Art und Gattung, aber als zweite Substanz. Die Ausdrücke, nämlich die erste und die zweite Substanz, weisen keineswegs auf die ontologische Vorrangigkeit der Einzelsubstanz und die Nachrangigkeit der Wesenssubstanz hin. Vielmehr hängt dies damit zusammen, auf welche Art und Weise die beiden Substanzen zum Vorschein gebracht werden. Ist die Einzelsubstanz als logisches Subjekt und als ontisches Substrat bestimmt, wird die Wesenssubstanz dementsprechend als logisches Prädikat und als ontische Eigenschaft angesehen. Das Prädikat, sei es wesentlich oder akzidentell, muss das bestimmte Subjekt voraussetzen, um es prädikativ auszudrücken. Die Eigenschaft, sei sie wesentlich oder akzidentell, bedarf eines Substrates, um ihm zu inhärieren. Im Falle, dass die Wesenssubstanz in der Form des Wesensprädikats auftritt oder zur wesentlichen Eigenschaft gezählt wird, muss sie im zugrundeliegenden Subjekt oder Substrat fundieren. Da die Wesenssubstanz der Einzelsubstanz ontisch und logisch zukommen muss, ist das Zukommende durch die zweite Substanz und das Zugrundeliegende durch die erste Substanz gekennzeichnet. Bringt das logische Prädikat die ontische Eigenschaft zur Sprache, sollte das Wesensprädikat die wesentliche Eigenschaft ausdrücken. Die Wesenssubstanz aber, die in der Aussage als Wesensprädikat auftaucht, ist nicht die Eigenschaft, sondern die wesentliche Substanz. Zweifelsohne ist die Wesenssubstanz keineswegs die akzidentelle Eigenschaft (substantia ≠ per accidens accidentia), die sich verändern und vom Einzelding getrennt werden kann. Noch darf die Wesenssubstanz mit der wesentlichen Eigenschaft vermischt sein (substantia ≠ per se accidentia), denn die wesentliche Eigenschaft, z. B. die Vernünftigkeit, hängt von der Wesenssubstanz, d. h. von der menschlichen Art ab, umgekehrt aber nicht. Ohne die Wesenssubstanz ist die wesentliche Eigenschaft, die Vernünftigkeit, die auf die menschliche Art notwendig zutrifft, gegenstandslos. In der Aussage tritt die Wesenssubstanz zwar in der Form des Wesensprädikats auf, in der Tat aber ist sie nicht die Eigenschaft, die der Einzelsubstanz entweder per accidens oder per se zukommt, sondern die wesentliche Substanz, welche die Einzelsubstanz logisch und ontologisch bestimmt. Anders formuliert: Die Substantialität der Wesenssubstanz,
ἤτοι καθ’ ὑποκειμένων τούτων λέγεται ἢ ἐν ὑποκειμέναις αὐταῖς ἐστίν· ὥστε μὴ οὐσῶν τῶν πρώτων οὐσιῶν ἀδύνατον τῶν ἄλλων τι εἶναι.
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nämlich der Art, besteht darin, dass die Art die zu ihr gehörigen Einzeldinge nicht nur zur Sprache, sondern auch zustande bringt. Einerseits werden die mannigfaltigen Einzeldinge, die an sich weder begrifflich noch definitorisch aufgefasst werden können, durch die Vermittlung der Wesenssubstanz sowohl begrifflich genannt als auch wesentlich determiniert. Andererseits hat die natürliche Art die Fähigkeit, die gleichartigen Einzeldinge regelmäßig und kontinuierlich zu reproduzieren. Die Priorität der Art und die Posteriorität des Einzeldings zeigen sich darin, dass die Art nicht durch die Aufhebung der Einzeldinge mit aufgehoben werden kann. Gerade umgekehrt: Wegen der Vernichtung einer Art würden alle zu ihr gehörigen Einzeldinge zugrunde gehen (ἀλλὰ καὶ καθ’ ὅσον συναναιρεῖ μὲν αὐτά, οὐ συναναιρεῖται δὲ ὑπ’ αὐτῶν, προτέρα ἐστίν – Alexander 461.9–11).193 Anhand desselben Kriteriums (Mit-Aufgehobenwerden-Können) ist die Wesenssubstanz der Einzelsubstanz vorrangig und die Einzelsubstanz hat den ontologischen Primat vor der kategorialen Eigenschaft (εἶδος > τόδε τι > πάθος). Vor der systematischen Entfaltung der aristotelischen Substanzlehre können wir zum Verhältnis zwischen Einzel- und Wesenssubstanz nur eine vorläufige Erklärung bieten, und zwar im Hinblick auf die zwei verschiedenen Kriterien der Substantialität. 2.1.4.3 Kriterien der Substanzen συμβαίνει δὴ κατὰ δύο τρόπους τὴν οὐσίαν λέγεσθαι, τό θ' ὑποκείμενον ἔσχατον, ὃ μηκέτι κατ' ἄλλου λέγεται, καὶ ὃ ἂν τόδε τι ὂν καὶ χωριστὸν ᾖ· τοιοῦτον δὲ ἑκάστου ἡ μορφὴ καὶ τὸ εἶδος. – Metaph. Δ8, 1017b23–26
Sowohl mit der Erzählung der Kategorienschrift (Cat. 5, 2a11–19)194 als auch mit dem Inhalt der zentralen Substanzbücher der Metaphysik (Metaph. Z3,
193 Metaph. Δ11, 1019a1–4: τὰ μὲν δὴ οὕτω λέγεται πρότερα καὶ ὕστερα, τὰ δὲ κατὰ φύσιν καὶ οὐσίαν, ὅσα ἐνδέχεται εἶναι ἄνευ ἄλλων, ἐκεῖνα δὲ ἄνευ ἐκείνων μή· ᾗ διαιρέσει ἐχρήσατο Πλάτων. Aristoteles betont, dass dieses Prinzip auf Platon zurückgeht (ᾗ διαιρέσει ἐχρήσατο Πλάτων – 1019a4). Die ontologische Vorrangigkeit (πρότερα καὶ ὕστερα κατὰ φύσιν καὶ οὐσίαν) des einen gegenüber dem anderen entscheidet sich daran, ob das eine durch die Aufhebung des anderen mit aufgehoben werden kann oder nicht. 194 Die Kategorienschrift wird ins Frühwerk des Aristoteles eingeordnet. Dies hat nicht notwendigerweise zur Folge, dass der Inhalt der Kategorienschrift im Widerspruch zum Inhalt der Metaphysik stehen würde, die Aristoteles in seiner Reife- bzw. Meisterzeit abfasst. In der vorliegenden Arbeit beabsichtigt die Autorin zu zeigen, wie Aristoteles seine Philosophie systematisch entwirft und als eine organische Ganzheit konstituiert. Wenn der aristotelischen Philosophie die systematische Einheit fehlt, kann er weder seine Metaphysik noch die apodiktisch-syllogistischen Einzelwissenschaften einheitlich begründen.
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1028b33–36)195 übereinstimmend, macht Aristoteles im philosophischen Wörterbuch, nämlich im Buch Δ der Metaphysik (Metaph. Δ8)196 explizit, dass die Substanz auf zwei Arten und Weisen ausgesagt werden solle. Zum einen ist die Substanz als letztes Subjekt der Aussage darzustellen (ὑποκείμενον ἔσχατον, ultimum subiectum proportionis). Im Sinne der vorliegenden Beweisführung ist damit nichts anderes als die eigenständige Einzelsubstanz gemeint (τόδε τι ὂν καὶ χωριστὸν). In der Kategorienschrift ist sie als die erste Substanz benannt (τόδε τιπρώτη οὐσία) und in der Metaphysik Z3 wird sie als das aus Stoff und Form Zusammengesetzte bezeichnet (τόδε τι-σύνολον). Zum anderen weist die Substanz auf die Form und die Art des Einzeldings hin (μορφὴ καὶ εἶδος). Da die Form/Art die Einzelsubstanz zustande und deren Wesenheit zur Sprache bringt, wird sie als
195 (1) Metaph. Z3, 1028b33–36: Λέγεται δ’ ἡ οὐσία, εἰ μὴ πλεοναχῶς, ἀλλ’ ἐν τέτταρσί γε μάλιστα· καὶ γὰρ τὸ τί ἦν εἶναι καὶ τὸ καθόλου καὶ τὸ γένος οὐσία δοκεῖ εἶναι ἑκάστου, καὶ τέταρτον τούτων τὸ ὑποκείμενον. (2) Metaph. H1, 1042a12–13: ἄλλας δὲ δὴ συμβαίνει ἐκ τῶν λόγων οὐσίας εἶναι, τὸ τί ἦν εἶναι καὶ τὸ ὑποκείμενον. (3) Metaph. H1, 1042a21–22: ἔτι τοίνυν οὔτε τὸ καθόλου οὐσία οὔτε τὸ γένος. Aristoteles zählt zwar vier Kandidaten zur Substanz, aber durch die Ablehnung der zwei Möglichkeiten sind die vier Typen auf zwei Typen der Substanzen zu reduzieren. Aristoteles sieht weder das Allgemeine noch die Gattung als Substanz an, weil die beiden allgemein sind und wegen der Trennung vom konkreten Einzelding keine Substantialität erhalten. Da die Gattung der Gattungsallgemeinheit zugehörig ist, wird die Gattung im Buch Z der Metaphysik nicht separat, sondern zusammen mit der Allgemeinheit behandelt. Per definitionem sind mit dem καθόλου alle allgemeinen Prädikate gemeint (λέγω δὲ καθόλου μὲν ὃ ἐπὶ πλειόνων πέφυκε κατηγορεῖσθαι, καθ’ ἕκαστον δὲ ὃ μή, οἷον ἄνθρωπος μὲν τῶν καθόλου Καλλίας δὲ τῶν καθ’ ἕκαστον – Int. 7, 17a39–17b1; τοῦτο γὰρ λέγεται καθόλου ὃ πλείοσιν ὑπάρχειν πέφυκεν – Metaph. Z13, 1038b11–12), die das akzidentelle Prädikat, die Art, die Gattung, die platonische Idee, das Sein und das Eine umfassen. Während die akzidentelle Allgemeinheit in der Substanzlehre außer Betracht bleibt und die Substantialität der Artallgemeinheit zugegeben wird, lehnt es Aristoteles ab, die Gattungsallgemeinheit (Metaph. Z13, 1038b8–1039a3), die platonische Idee (Metaph. Z14, 1039a24–1039b19; Z16, 1040b27–1041a5), das Sein und das Eine (Metaph. Z16, 1040b16–27; B3, 998b14–28) als Substanz anzuerkennen. Die Frage, ob und inwieweit die Gattung als Substanz bezeichnet werden kann, werden wir später ausführlich erörtern. 196 In Δ8 der Metaphysik werden auch vier Typen von Substanzen erwähnt: die Einzelsubstanz (substantia prima, inklusive der Grundelemente und der Daimonen – 1017b10–14; Thomas Sententia Metaphysicae lib.5 l.10 n.1 [82463]), die Form als Wesensursache (αἰτία τοῦ εἶναι/causa essendi – 1017b14–16; Thomas lib.5 l.10 n.2 [82464]), die mathematischen Entitäten, d. h. PunktLinie-Fläche, als Einschränkungsprinzip (πέρας/terminus – 1017b16–21; Alexander 373.27–374.36; Thomas lib.5 l.10 n.3 [82465]), und die Wesensdefinition (τὸ τί ἦν εἶναι/essentia vel quidditas rei – 1017b21–23; Thomas lib.5 l.10 n.5 [82467]). Aristoteles’ Auffassung nach sind die mathematischen Entitäten keine Substanzen, sondern quantitative Bestimmungen, die aus der gedanklichen Abstraktion stammen. Die Form tritt einerseits als Wesensursache in der Wirklichkeit auf und kann andererseits wesentlich definiert werden. Darum unterliegt die Wesensdefinition der Wesenssubstanz, d. h. der Form. Auf diese Art und Weise sind die vier Kandidaten auf zwei Typen zu reduzieren, nämlich auf die Einzel- und die Wesenssubstanz.
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Wesenssubstanz bezeichnet. In der Kategorienschrift wird die Gattung neben der Art zur Wesenssubstanz gezählt (εἶδος καὶ γένος), während in der Metaphysik der Akzent auf die Wesensdefinition der Art (τὸ τί ἦν εἶναι) gelegt und die Gattung als Definitionselement erwähnt wird. In der Tat stellen die zwei Typen von Substanzen, nämlich das Zugrundeliegende und die Art, die auf die Einzel- und die Wesenssubstanz hinweisen, zwei verschiedene Kriterien der Substanz zur Schau. Damit können die anderen Sorten der Substanzen schrittweise hergeleitet werden. Zum einen legt das Zugrundeliegende (ὑποκείμενον) das materiale Kriterium dar, insofern es mit der Materialität und der Passivität verbunden ist.197 Zum anderen weist die Art (εἶδος) das formale Kriterium auf, da die Art mit der Formalität und der Aktivität zusammenhängt. Anhand des materialen Kriteriums wird das Einzelding als Einzelsubstanz angesehen, denn es bietet nicht nur die materiale Grundlage, sondern muss auch der Kategorie zugrunde gelegt werden (ὑποκεῖσθαι). Aufgrund der Formalität und der Aktivität lässt sich die Naturart für die Wesenssubstanz halten. Kraft der aktiven Produktivität bringt die Naturart die gleichartigen Einzeldinge hervor, indem sie der späteren Generation die Wesenheit sowie die Eigentümlichkeit übermittelt. Daraus folgen zwei verschiedene Kriterien: Die Substantialität der Einzelsubstanz gründet in der Materialität, die die passive Fundierungsfunktion hat. Die Substantialität der Wesenssubstanz ist in der Formalität verwurzelt, die aktiv wirksam und produktiv ist. Dem Kriterium ὑποκείμενον wohnen nicht nur die Materialität und die Passivität inne, sondern auch die Relativität.198 Was das Zugrundeliegende (ὑπο-κείμενον) ist, richtet sich in erster Linie danach, welchem Vorliegenden (κείμενον) es zugrunde liegt (ὑπο). Wegen des relativen Charakters wird das ὑποκείμενον zum
197 Von der Wortbildung her ist es einleuchtend, dass der griechische Begriff ὑποκείμενον sowie die lateinische Übersetzung subiectum als Partizip Präsens Passiv gelten und die Passivität mit sich bringen. Ontologisch gesehen kommt die Passivität dadurch zum Vorschein, dass die Substanz der Kategorie, das Subjekt dem Prädikat und das Substrat der Eigenschaft passiv zugrunde gelegt werden muss (πάσχειν). 198 Aus der Relativität folgt, dass ὑποκείμενον von Natur aus mehrdeutig ist. Im konkreten Falle argumentiert Aristoteles sehr sorgfältig, um die Mehrdeutigkeit des ὑποκείμενον, die manchmal zur Verwirrung und Unklarheit führt, zu vermeiden. Dadurch, dass Aristoteles mit Absicht das logische Argument einführt (νῦν μὲν οὖν τύπῳ εἴρηται τί ποτ’ ἐστὶν ἡ οὐσία, ὅτι τὸ μὴ καθ’ ὑποκειμένου ἀλλὰ καθ’ οὗ τὰ ἄλλα – Metaph. Z3, 1029a7–9), ist mit dem letzten logischen Zugrundeliegenden eindeutig die Einzelsubstanz gemeint. Denn das ὑποκείμενον als letztes Subjekt der Aussage schließt die anderen Möglichkeiten aus. Aristoteles ist sich des ganzen Problems völlig bewusst. Er betont ausdrücklich, dass das logische Argument dafür nicht hinreichend ist, das ontische Zugrundeliegende, d. h. die Materie, als Substanz zu bestimmen (δεῖ δὲ μὴ μόνον οὕτως· οὐ γὰρ ἱκανόν· αὐτὸ γὰρ τοῦτο ἄδηλον, καὶ ἔτι ἡ ὕλη οὐσία γίγνεται – Metaph. Z3, 1029a9–10).
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Kriterium genommen, um die passiv zugrundeliegenden Substanzen zu bestimmen. Denn durch die graduelle Abstufung der Grundlegung können die anderen materialen Substanzen schrittweise abgeleitet werden. Wie die Einzelsubstanz der Eigenschaft zugrunde liegt (τόδε τι-κατηγορούμενον), so verhält sich die konkrete Materie zur Form (ὕλη-μορφή) und die prima materia zur konkreten Materie (πρώτη ὕλη-ὕλη). Zunächst ist die Einzelsubstanz als materiales Prinzip des Sachverhaltes bestimmt. Im zweiten Schritt geht das Argument von der Einzelsubstanz aus. Anhand der ontologischen Analyse lässt sich das konkrete Einzelding in Stoff und Form zerlegen. Stoff und Form gelten jeweils als materiale und formale Substanz, da die substanziellen Bestandteile der Einzelsubstanz auch Substanzen sein müssen. Sonst würde die Einzelsubstanz aus demjenigen entstanden sein, was nicht substanziell, sondern akzidentell ist. Es ist aber unmöglich, dass etwa ein Tisch aus dem Weißen oder eine Katze aus dem Warmen entsteht. Die Relativität des ὑποκείμενον ermöglicht, sowohl die Einzelsubstanz auf die konkrete Materie als auch die konkrete Materie auf die abstrakte Urmaterie zu reduzieren. Die Letztere ist nichts anderes als die prima materia, die nicht mehr auf ein Weiteres zurückgehen kann (σύνολον→ὕλη→πρώτη ὕλη). Wegen des Kriteriums und der damit zusammenhängenden Vorgehensweise kommt die prima materia ins Spiel. Aus der Rückführung, die die Relativität des Zugrundeliegenden verursacht, folgt, dass die ganze Substanzlehre des Aristoteles in den unendlichen Regress geraten würde. Rein theoretisch gesehen könnte es immer ein Weiteres geben, das grundlegender als die vorliegende Substanz ist. Um die schlechte Unendlichkeit zu vermeiden, muss Aristoteles die prima materia als letztes Substrat einführen (ὕλη ἔσχατον, ultimum substratum entis).199
199 Auf zwei Arten und Weisen bringt Aristoteles die prima materia ans Licht. In Bezug auf die Entstehung der vier Grundelemente kommt die prima materia als Urmaterie dadurch zum Vorschein, dass sie als gemeinsame materiale Grundlage in der Umwandlung der Grundelemente zugrunde liegt und unveränderlich erhalten bleibt. Im vorhandenen Kontext ist von der Reduktion die Rede, die das Abstraktionsverfahren ist. Metaph. Z3, 1029a10–19: εἰ γὰρ μὴ αὕτη [ὕλη] οὐσία, τίς ἐστιν ἄλλη διαφεύγει· περιαιρουμένων γὰρ τῶν ἄλλων οὐ φαίνεται οὐδὲν ὑπομένον· τὰ μὲν γὰρ ἄλλα τῶν σωμάτων πάθη καὶ ποιήματα καὶ δυνάμεις, τὸ δὲ μῆκος καὶ πλάτος καὶ βάθος ποσότητές τινες ἀλλ’ οὐκ οὐσίαι (τὸ γὰρ ποσὸν οὐκ οὐσία), ἀλλὰ μᾶλλον ᾧ ὑπάρχει ταῦτα πρώτῳ, ἐκεῖνό ἐστιν οὐσία. ἀλλὰ μὴν ἀφαιρουμένου μήκους καὶ πλάτους καὶ βάθους οὐδὲν ὁρῶμεν ὑπολειπόμενον, πλὴν εἴ τί ἐστι τὸ ὁριζόμενον ὑπὸ τούτων, ὥστε τὴν ὕλην ἀνάγκη φαίνεσθαι μόνην οὐσίαν οὕτω σκοπουμένοις. Wenn alle zukommenden kategorialen Eigenschaften, nämlich sowohl Bewegung bzw. Vermögen (δυνάμεις) als auch qualitative Beschaffenheiten bzw. Affektionen (ποιήματα καὶ πάθη) und quantitative Dimensionen (ποσότητές) aufgehoben würden, dann wäre nichts übriggeblieben, außer dass die Materie zugrunde gelegt wird. Wäre die Materie nicht vorhanden, ergäbe sich nichts, worauf die Gestalt, die drei
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Die Wesenssubstanz, d. h. die Art, ist doppelt gekennzeichnet, und zwar durch die ontologische Produktivität und die logische Definierbarkeit. Dank der Wirksamkeit erzeugt die Naturart die Einzeldinge zweckmäßig und kontinuierlich. Die Naturentstehung dient dazu, die Wesenheit und die Eigentümlichkeit der Art auf die einzelnen Exemplare zu übertragen. Die teleologische Naturentstehung erbringt einen klaren Beweis dafür, dass die Naturart dem gleichartigen Einzelding, d. h. die Wesenssubstanz der Einzelsubstanz, immanent ist. Nur in Gedanken kann die Naturart vom konkreten Einzelding abstrahiert und rein logisch betrachtet werden. Der logischen Abstraktion zufolge kann die Art entweder begrifflich oder definitorisch ausgesagt werden. Der ontologischen Art entsprechend bildet sich unmittelbar der Begriff, z. B. der Mensch (εἶδος-ὄνομα). Indem sich die Gattung in die spezifische Differenz ausdifferenziert, ist die Art wesentlich zu definieren, wie z. B. dass der Mensch vernünftiges Lebewesen ist (λόγος τῆς οὐσίαςὁρισμός-τὸ τί ἦν εἶναι). Die Wesensdefinition, die sich durch die Dihairese vollzieht, ist deswegen allgemein gültig, weil die formale Bestimmung „Vernünftigkeit“ sowie die intelligible Materie „Lebewesen“ vom Geist gesetzt werden. Mit anderen Worten bringt die Wesensdefinition die geistige Struktur der Wesenssubstanz zur Entfaltung. Auf dem logischen Weg tritt die Wesenssubstanz zuerst als Begriff auf und durch die definitorische Entfaltung lässt sich der einheitliche Begriff in die zweiteilige Definition zerlegen. Anhand der Wesensdefinition kommt endlich die Ursache bzw. der Urheber des Logos, nämlich der Geist, zur Sprache (εἶδος/ὄνομα→λόγος τῆς οὐσίας→ἀρχή ἐπιστήμης: νοῦς – EE Θ2, 1248a27–29). Mithilfe des materialen und des formalen Kriteriums können wir einen Überblick über die aristotelische Substanzlehre geben, die im folgenden Schema (Abb. 7) dargestellt ist:
Dimensionen und die anderen Eigenschaften aufbauen könnten. Falls die drei Dimensionen, Länge, Weite und Höhe, aufgehoben werden, taucht nicht die konkrete Materie, sondern die prima materia auf. Denn der konkreten Materie wohnen die drei Dimensionen unentbehrlich inne. Es zeigt sich, dass der Aufhebungsprozess (περιαιρούμενον) keineswegs das empirische Verfahren, sondern die gedankliche Operation ist. Dadurch, dass alle Eigenschaften in Gedanken aufgehoben werden, ist nur dasjenige übriggeblieben (ὑπολειπόμενον), was total formlos und bestimmungslos ist. Das letzte Substrat, das allen anderen Beschaffenheiten zugrunde liegt, ist nichts anderes als die prima materia (ἔσχατον ὕλη = πρώτη ὕλη). Aus der Vorgehensweise der Rückführung bzw. der Abstraktion resultiert die prima materia, die als letztes materiales Substrat angesehen wird. Während das letzte ontische Substrat endlich auf die prima materia zurückkommt (ultima substantia entis→prima materia), kann das letzte logische Subjekt höchstens auf das Einzelding zu reduzieren sein (ultimum subiectum proportionis→substantia particularis). Daraus folgt, dass die Urmaterie und die Einzelsubstanz, das letzte Substrat und das letzte Subjekt, anders gesagt, das letzte ontische und das letzte logische Zugrundeliegende, nicht deckungsgleich sind.
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Abb. 7: Systematische Entwicklung der Substanzlehre.
Auf der einen Seite ist der Sachverhalt auf die Einzelsubstanz, die Einzelsubstanz auf die Form und die konkrete Materie, und die Letztere auf die prima materia zurückzuführen. Auf der anderen Seite wird die Wesenssubstanz, d. h. die Art, zunächst als Begriff bezeichnet und dann wird der Begriff wesentlich definiert. Durch die Suche nach der Ursache der Wesensdefinition gelangt die Prinzipienforschung schließlich zum Nous. Erwähnenswert ist zudem, ob das materiale und das formale Kriterium vereint sein können. Die beiden Kriterien werden dadurch genannt, dass sie mit dem bestimmten Kennzeichen von Stoff und Form versehen sind. Sind Stoff und Form voneinander differenziert (Metaph. Δ28, 1024b9–16), müssen das materiale und das formale Kriterium voneinander unterschieden sein. Der Unterschied zwischen Form und Stoff gründet eigentlich in der funktionalen Verschiedenheit von Machen und Erleiden. Die Form wirkt sich aktiv aus, und der Stoff kann nur die formale Prägung passiv erleiden. Da das Wirken und das Erleiden zwar zusammenfallen können, nicht aber miteinander verschmolzen sind, lassen sich die beiden Kriterien nicht vereinen. Bei den beiden extremen Fällen zeigt es sich am offenkundigsten. Die prima materia ist insofern mit der absoluten Passivität ausgestattet, als sie allen anderen Seienden zugrunde gelegt wird. Im starken Gegensatz dazu steht die geistige Tätigkeit, die sich rein aktiv aktualisiert. Wie das Schema zeigt, entwickelt sich die aristotelische Substanzlehre nicht zeitlich, sondern entfaltet sich ganz und gar systematisch, und zwar durch die Suche nach dem Prinzip. Die Kategorienlehre des Aristoteles steht deshalb in Verbindung mit seiner Prinzipienforschung, weil die Einzelsubstanz als materiales Prinzip der Kategorie bestimmt ist. Im vorliegenden Teil (2.1) haben wir die Einzelsubstanz als das der Kategorie Zugrundeliegende behandelt. Im folgenden Teil (2.2) suchen wir nach den Entstehungsprinzipien der Einzelsubstanz und den Definitionsprinzipien der Wesenssubstanz. Anhand
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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des oben erwähnten Leitfadens lassen sich die anderen Substanzen als Prinzipien schrittweise herleiten und zur Schau stellen.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition (τόδε τι-γένεσις-ὁρισμός) Sachverhalt-Einzelding, Äquivokation-Univokation und Bewegung-Entstehung sind jeweils voneinander unterschieden, indem die Kategorie, das Prädikat und die Eigenschaft in per accidens und per se gespalten sind. Beim akzidentellen Kompositum stimmen Sachverhalt, Akzidenzprädikation und Bewegung deswegen miteinander strukturell überein (σύνθετον: πρᾶγμα-δόξα-κίνησις), weil die ontologische Differenz von Einzelsubstanz und Kategorie (πρᾶγμα = ὑποκείμενον + κατηγορούμενον) zur logischen Zwiefalt von Subjekt und Prädikat (δόξα = ὄνομα + ῥῆμα) einerseits und zum ontischen Unterschied von Substrat und Eigenschaft (κίνησις = ὑπομένον + ἀντικείμενον) andererseits führt. Beim substanziellen Kompositum ergibt sich zwischen Einzelding, Entstehung und Definition auch eine strukturelle Ähnlichkeit (σύνολον: τόδε τι-γένεσις-ὁρισμός) dadurch, dass die ontologische hylemorphistische Struktur die ontische Entstehung der Einzelsubstanz (τόδε τι/γένεσις = ὕλη αἰσθητή + μορφή) und die logische Definition der Wesenssubstanz (εἶδος/ὁρισμός = ὕλη νοητή + διαφορά) durchdringt. Die aristotelische Metaphysik ist deshalb als Prinzipienlehre konzipiert, weil sie sich am Prinzip orientiert. Im ersten Schritt (2.1) zeigt sich die Einzelsubstanz als materiales Prinzip der Kategorie, indem das Prinzip des akzidentellen Kompositums in Frage gestellt wird.200 Im nächsten Schritt (2.2) werden die Prinzipien des substanziellen Kompositums thematisiert. Dadurch, dass die Entstehung der Einzelsubstanz ontologisch analysiert wird, kommen das materiale Prinzip und das formale Prinzip zum Vorschein. Dabei wird der Akzent darauf gelegt, wie sich das formale Prinzip zum einzelnen Prinzipiat, die Naturart zum gleichartigen Einzelding und die Wesenssubstanz zur Einzelsubstanz verhalten.
200 Metaph. Λ5, 1070b36–1071a2: Ἐπεὶ δ’ ἐστὶ τὰ μὲν χωριστὰ τὰ δ’ οὐ χωριστά, οὐσίαι ἐκεῖνα. καὶ διὰ τοῦτο πάντων αἴτια ταὐτά, ὅτι τῶν οὐσιῶν ἄνευ οὐκ ἔστι τὰ πάθη καὶ αἱ κινήσεις. Die eigenständige Einzelsubstanz (χωριστά) ist deshalb das materiale Prinzip der abhängigen Kategorie (οὐ χωριστά), weil es ohne den substanziellen Träger weder Eigenschaften noch Bewegungen geben kann. Das materiale Prinzip ist in den Vordergrund gerückt, und zwar anhand des Ausdrucks „ἄνευ οὐκ“ (sine qua non). Er weist darauf hin, dass das materiale Prinzip die notwendige Bedingung der Veränderung ist, aber nicht hinreichend (Phys. B2, 194a12–15; B9, 200a5–11), denn was sich verändert, ist nichts anderes als die gegensätzlichen Akzidenzen oder die gegensätzlichen Zustände der Form.
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Da das formale Prinzip durch die Suche nach den Prinzipien des Einzeldings hervortritt (τόδε τι→εἶδος), steht zunächst die Vier-Ursachen-Lehre im Vordergrund (2.2.1). Die vier Ursachen entfalten sich, indem sich die Analogie von Bewegung, Herstellung und Naturentstehung ergibt (κίνησις→ποίησις→φύσις). Die Entstehungsprinzipien des Artefaktes und des Naturseienden lassen sich nur dann von den Bewegungsursachen argumentativ ableiten, wenn der Bewegung, der Techne und der Physis dieselbe Struktur, nämlich Form-Stoff bzw. Machen-Erleiden, zugeteilt ist. Methodisch gesehen kommt die hylemorphistische Struktur, an der die Bewegung, die Herstellung und die Naturentstehung teilhaben, dadurch ans Licht, dass die ontologische Analyse in der Vier-Ursachen-Lehre durchgeführt wird. Außer der analytischen Vorgehensweise kann die Naturentstehung syllogistisch betrachtet und untersucht werden. Der notwendige Syllogismus vollzieht sich nicht nur in der Mathematik und in der Logik, sondern auch in der Natur. Denn im Allgemeinen impliziert der notwendige Syllogismus nichts anderes als die mathematische, die logische oder die ontologische Übertragung der Allgemeinheit bzw. der Besonderheit auf die Einzelheit. Die Analogie zwischen dem mathematisch-logischen und dem ontologischen Syllogismus basiert auf der Notwendigkeit der Schlussfolgerung. Wie in der Mathematik oder in der Logik die Konklusion aus der Prämisse notwendig folgt, so muss der einzelne Mensch aus der menschlichen Art stammen. In der Natur ist einzusehen, dass die Naturart ihre besondere Eigentümlichkeit dem gleichartigen Einzelding zweckmäßig übermittelt. Daher ziehen wir die Naturentstehung nicht nach dem technischen Modell in Betracht, sondern sehen sie als den notwendigen ontologischen Syllogismus an (2.2.2). Im Wesentlichen geht es darum, dass sich die Naturart am gleichartigen Einzelding teleologisch aktualisiert (εἶδος→τόδε τι). Des Weiteren breitet sich der notwendige Syllogismus der Naturentstehung auf die menschliche Herstellung und die Handlung aus, insofern sich die menschliche Tätigkeit bemüht, die natürliche Notwendigkeit, d. h. die Zweckmäßigkeit, nachzuahmen (καὶ εἰ ἐνῆν ἐν τῷ ξύλῳ ἡ ναυπηγική, ὁμοίως ἂν τῇ φύσει ἐποίει· ὥστ’ εἰ ἐν τῇ τέχνῃ ἔνεστι τὸ ἕνεκά του, καὶ ἐν τῇ φύσει – Phys. B8, 199b28–30). Die natürliche Notwendigkeit imitierend versuchen die Menschen, das gleiche Artefakt, z. B. das Schiff, zu reproduzieren oder die positive Eigenschaft, die Gesundheit, regelmäßig herzustellen. Darum vollziehen sich die natürliche Entstehung, die menschliche Herstellung und die Handlung teleologisch (φύσις→ποίησις→πρᾶξις). Nachdem das (formale) Prinzip der Einzelsubstanz als Naturart festgelegt worden ist, fragen wir nach dem Prinzip der Art. Die Art nimmt deshalb eine Mittelstelle zwischen dem Einzelding und der Gattung ein, weil die Art das Prinzip des Einzeldings und das Prinzipiat der Gattung ist. Anders gesagt: Die ontologische Beziehung von Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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(ἕκαστον-ἴδιον-κοινόν) spiegelt sich darin, dass sich Einzelding, Art und Gattung in der Natur (τόδε τι-εἶδος-γένος) sowie Eigenname, Begriff und Definition in der Logik (Σωκράτης-ὄνομα-λόγος) gleicherweise verhalten. Demzufolge stimmen das Einzelding mit dem Eigennamen (τόδε τι-Σωκράτης), die Art mit dem Begriff (εἶδος-ὄνομα) und die Gattung mit der Definition (γένος-λόγος) überein. Anhand der Mittelstellung kann die Art zwiefältig zum Vorschein kommen, je nach der ontologischen Konkretisierung oder der logischen Abstraktion. Außer dass sich die Naturart im einzelnen Naturseienden konkretisiert, kann sie vom konkreten Einzelnen abstrahiert und rein logisch betrachtet werden. Im Fall der logischen Abstraktion wird die Naturart nicht nur begrifflich, sondern auch definitorisch zum Ausdruck gebracht. Darum ist die Definition der Art zu thematisieren (2.2.3). Die Art, d. h. die Wesenssubstanz, kann nur dann wesentlich bestimmt sein, wenn sich die Definition der Wesenssubstanz zur Produktion der Einzelsubstanz analog verhält (γένεσιςὁρισμός). Dadurch, dass die Wesenssubstanz anhand der Dihairese definiert wird, gelangt der definitorische Logos endlich zum Urheber des Logos, nämlich zum Nous (λόγος τῆς οὐσίας→νοῦς).
2.2.1 Einzelding-Art: Bewegung-Herstellung-Naturentstehung (τόδε τι-εἶδος: κίνησις-ποίησις-φύσις) Wie gesagt zieht die Physik als theoretische Wissenschaft das Naturseiende in Betracht, das vom Stoff untrennbar und veränderlich ist. Man kann das natürliche Einzelding nur dann begreifen, wenn man die Prinzipien des Entstehens und Vergehens sowie die Ursachen der natürlichen Veränderung erkennt (τόδε τι→ἀρχή). ἐπεὶ γὰρ τοῦ εἰδέναι χάριν ἡ πραγματεία, εἰδέναι δὲ οὐ πρότερον οἰόμεθα ἕκαστον πρὶν ἂν λάβωμεν τὸ διὰ τί περὶ ἕκαστον (τοῦτο δ' ἐστὶ τὸ λαβεῖν τὴν πρώτην αἰτίαν), δῆλον ὅτι καὶ ἡμῖν τοῦτο ποιητέον καὶ περὶ γενέσεως καὶ φθορᾶς καὶ πάσης τῆς φυσικῆς μεταβολῆς, ὅπως εἰδότες αὐτῶν τὰς ἀρχὰς ἀνάγειν εἰς αὐτὰς πειρώμεθα τῶν ζητουμένων ἕκαστον. – Phys. B3, 194b17–23201
201 (1) Phys. B3, 194b22–23: [. . .] ὅπως εἰδότες αὐτῶν τὰς ἀρχὰς ἀνάγειν εἰς αὐτὰς πειρώμεθα τῶν ζητουμένων ἕκαστον. (2) Thomas In Physicorum lib.2 l.5 n.1 [71707]: „Sed nos non opinamur nos scire unumquodque, nisi cum accipimus propter quid, quod est accipere causam: unde manifestum est quod hoc observandum est nobis circa generationem et corruptionem et omnem naturalem mutationem, ut cognoscamus causas, et reducamus unumquodque de quo quaeritur propter quid, in proximam causam.“ (3) Metaph. A3, 983a24–26: Ἐπεὶ δὲ φανερὸν ὅτι τῶν ἐξ ἀρχῆς αἰτίων δεῖ λαβεῖν ἐπιστήμην. τότε γὰρ εἰδέναι φαμὲν ἕκαστον, ὅταν τὴν
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Die Naturforschung des Aristoteles geht zwar von den mannigfaltigen Einzeldingen aus, zielt aber auf die allgemein gültigen Prinzipien ab (καθ’ ἕκαστον→καθόλου). In diesem Sinne gilt die aristotelische Physik als Prinzipienlehre im sublunaren Bereich. Es handelt sich hauptsächlich darum, wodurch das einzelne Naturding entstanden und beweglich sein kann. Anhand der Vier-Ursachen-Lehre hat Aristoteles die Wodurch-Frage (διὰ τι, propter quid) zu beantworten. Aus den vier Prinzipien wird das Einzelding zustande gebracht, und durch die vier Ursachen verändert sich das Einzelding qualitativ, quantitativ oder räumlich. Die aristotelische Vier-Ursachen-Lehre tritt in zweierlei Form auf.202 In dem einen Kontext (Phys. A7, 190b17–191a22203; Metaph. Λ2, 1069b32–34204; Λ4, 1070b22–26205; Λ5, 1071a33–35206) kommen die vier Prinzipien von Form, Privation, Stoff und Wirkendem (εἶδος-στέρησις-ὕλη-κινοῦν) dadurch ans Licht, dass den drei inneren Prinzipien eine äußere Wirkursache hinzuzufügen ist. In dem anderen Zusammenhang (APo. B11, 94a20–24207; Phys.
πρώτην αἰτίαν οἰώμεθα γνωρίζειν. Wir können nur dann das konkrete Einzelding wahrhaft zur Kenntnis nehmen, wenn wir die Entstehungsprinzipien und die Bewegungsursachen desselben erkennen. 202 Krämer macht zwar darauf aufmerksam, dass es bei Aristoteles zwei verschiedene Versionen der Vier-Ursachen-Lehre gibt. Aber er legt den Schwerpunkt nicht auf den Unterschied beider Versionen, sondern betont, dass die zwei Formen der vier Ursachen die gleiche Wurzel in der altakademischen Prinzipienlehre haben. Vgl. Krämer (1972: 331): „Diese Prinzipienlehre tritt bekanntlich in zweierlei Form auf: triadisch mit Hyle-Eidos-Steresis Phys. A und Met. Λ, sonst stets tetradisch (nach Material-, Formal-, Bewegungs- und Zweckursache). Bei beiden Formen handelt es sich nun um Fortbildungen akademischer Prinzipientheorien, an die sich Aristoteles nacheinander angeschlossen hat, wobei die tetradische Form kontinuierlich aus der triadischen hervorgegangen ist.“ 203 Wir zitieren den langen Text deswegen nicht, weil unsere argumentative Rekonstruktion hauptsächlich auf der Erörterung in A7 der Physik aufbaut. Bemerkenswert ist, dass an dieser Stelle von drei Prinzipien die Rede ist. Da die Wirkursache nicht erwähnt wird, sind die zusammenhängenden Texte, Λ4 und Λ5 der Metaphysik, einzuführen und zu ergänzen. 204 Metaph. Λ2, 1069b32–34: τρία δὴ τὰ αἴτια καὶ τρεῖς αἱ ἀρχαί, δύο μὲν ἡ ἐναντίωσις, ἧς τὸ μὲν λόγος καὶ εἶδος τὸ δὲ στέρησις, τὸ δὲ τρίτον ἡ ὕλη. 205 Metaph. Λ4, 1070b22–26: ἐπεὶ δὲ οὐ μόνον τὰ ἐνυπάρχοντα αἴτια, ἀλλὰ καὶ τῶν ἐκτὸς οἷον τὸ κινοῦν, δῆλον ὅτι ἕτερον ἀρχὴ καὶ στοιχεῖον, αἴτια δ’ ἄμφω, καὶ εἰς ταῦτα διαιρεῖται ἡ ἀρχή, τὸ δ’ὡς κινοῦν ἢ ἱστὰν ἀρχή τις καὶ οὐσία, ὥστε στοιχεῖα μὲν κατ’ ἀναλογίαν τρία, αἰτίαι δὲ καὶ ἀρχαὶ τέτταρες. 206 Metaph. Λ5, 1071a33–35: καὶ πάντων, ὡδὶ μὲν ταὐτὰ ἢ τὸ ἀνάλογον, ὅτι ὕλη, εἶδος, στέρησις, τὸ κινοῦν, καὶ ὡδὶ τὰ τῶν οὐσιῶν αἴτια ὡς αἴτια πάντων, ὅτι ἀναιρεῖται ἀναιρουμένων. 207 APo. B11, 94a20–24: Ἐπεὶ δὲ ἐπίστασθαι οἰόμεθα ὅταν εἰδῶμεν τὴν αἰτίαν, αἰτίαι δὲ τέτταρες, μία μὲν τὸ τί ἦν εἶναι, μία δὲ τὸ τίνων ὄντων ἀνάγκη τοῦτ’ εἶναι, ἑτέρα δὲ ἡ τί πρῶτον ἐκίνησε, τετάρτη δὲ τὸ τίνος ἕνεκα, πᾶσαι αὗται διὰ τοῦ μέσου δείκνυνται.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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B3, 194b23–35 = Metaph. Δ2, 1013a24–35208; Phys. B3, 195a15–26 = Metaph.
208 Phys. B3, 194b23–35 = Metaph. Δ2, 1013a24–35: ἕνα μὲν οὖν τρόπον αἴτιον λέγεται τὸ ἐξ οὗ γίγνεταί τι ἐνυπάρχοντος, οἷον ὁ χαλκὸς τοῦ ἀνδριάντος καὶ ὁ ἄργυρος τῆς φιάλης καὶ τὰ τούτων γένη· ἄλλον δὲ τὸ εἶδος καὶ τὸ παράδειγμα, τοῦτο δ’ ἐστὶν ὁ λόγος ὁ τοῦ τί ἦν εἶναι καὶ τὰ τούτου γένη (οἷον τοῦ διὰ πασῶν τὰ δύο πρὸς ἕν, καὶ ὅλως ὁ ἀριθμός) καὶ τὰ μέρη τὰ ἐν τῷ λόγῳ. ἔτι ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς μεταβολῆς ἡ πρώτη ἢ τῆς ἠρεμήσεως, οἷον ὁ βουλεύσας αἴτιος, καὶ ὁ πατὴρ τοῦ τέκνου, καὶ ὅλως τὸ ποιοῦν τοῦ ποιουμένου καὶ τὸ μεταβάλλον τοῦ μεταβαλλομένου. ἔτι ὡς τὸ τέλος· τοῦτο δ’ ἐστὶν τὸ οὗ ἕνεκα, οἷον τοῦ περιπατεῖν ἡ ὑγίεια· διὰ τί γὰρ περιπατεῖ; φαμέν „ἵνα ὑγιαίνῃ“, καὶ εἰπόντες οὕτως οἰόμεθα ἀποδεδωκέναι τὸ αἴτιον. An dieser Stelle ist die maßgebende Vier-Ursachen-Lehre am vollständigsten dargestellt. In erster Linie setzt die Vier-Ursachen-Lehre voraus, dass weder die Form noch der Stoff, sondern die aus Form und Stoff zusammengesetzte Einzelsubstanz entstanden und vergänglich sein kann (Μετὰ ταῦτα ὅτι οὐ γίγνεται οὔτε ἡ ὕλη οὔτε τὸ εἶδος, λέγω δὲ τὰ ἔσχατα. πᾶν γὰρ μεταβάλλει τὶ καὶ ὑπό τινος καὶ εἴς τι· ὑφ’ οὗ μέν, τοῦ πρώτου κινοῦντος· ὃ δέ, ἡ ὕλη· εἰς ὃ δέ, τὸ εἶδος. εἰς ἄπειρον οὖν εἶσιν, εἰ μὴ μόνον ὁ χαλκὸς γίγνεται στρογγύλος ἀλλὰ καὶ τὸ στρογγύλον ἢ ὁ χαλκός· ἀνάγκη δὴ στῆναι – Metaph. Λ3, 1069b35–1070a4; Z9, 1034b7–19; B4, 999b6–8, 12–14). Darum dienen die vier Ursachen ursprünglich dazu, die Entstehungsursachen der Einzelsubstanz zu erklären. Da die entstandene Einzelsubstanz und der veränderliche Sachverhalt strukturell ähnlich sind, gelten die vier Ursachen nicht nur als Entstehungsprinzipien, sondern auch als Bewegungsursachen. (1) Die vier Ursachen werden deshalb ursprünglich im Bereich von Einzelsubstanz und Sachverhalt angewendet, weil alle vier Ursachen vollständig vorhanden sein müssen, um die Entstehung der einen und die Bewegung des anderen zu erklären. Die Vier-Ursachen-Lehre ist nicht auf die sensible Einzelsubstanz beschränkt, sondern gilt für alle Substanzen. In Bezug auf die anderen Substanzen oder in den anderen Seinsbereichen liegen nicht alle vier Ursachen vor, sondern der Akzent wird auf eine Ursache oder einige Ursachen gelegt. (2) Dadurch dass das Definitionsverfahren der Wesenssubstanz zum Herstellungsprozess der Einzelsubstanz analog steht, ist die Wesenssubstanz anhand der Definition hylemorphistisch zu erklären. Bei der Wesenssubstanz kommen das formale und das materiale Prinzip zum Vorschein, indem die spezifische Differenz zur intelligiblen Materie und die Form zur sensiblen Materie im analogischen Verhältnis stehen. (3) Per se gehören die vier Grundelemente, Feuer, Wasser, Erde und Luft, zum stofflichen Prinzip. In der Umwandlung der vier Grundelemente treten die Form- und die Stoffursache in den Vordergrund. (4) Im kosmologischen Gottesbeweis verhält sich der Himmelskörper als materiales Substrat, das von der Wirkursache, d. h. vom unbewegten Bewegenden bzw. vom Geist, angetrieben wird. (6) Außer dass der absolute Geist als die allererste Bewegungsursache ewig tätig ist, gilt er als endgültige Zielursache, die nichts anderes als das absolute Gute ist. Um dessentwillen verwirklicht sich der Geist und setzt alle anderen Seienden in die Wirklichkeit. (7) Im praktischen Bereich lässt sich die Zielursache hervorheben. Um der Gesundheit willen begibt man sich auf einen Spaziergang. In der vernünftigen Handlung zielen die Menschen überhaupt auf das Gute ab ([. . .] ἐν ἁπάσῃ δὲ πράξει καὶ προαιρέσει τὸ τέλος· τούτου γὰρ ἕνεκα τὰ λοιπὰ πράττουσι πάντες. ὥστ’ εἴ τι τῶν πρακτῶν ἁπάντων ἐστὶ τέλος, τοῦτ’ ἂν εἴη τὸ πρακτὸν ἀγαθόν, εἰ δὲ πλείω, ταῦτα – EN A7, 1097a18–24). (8) Während es sich im praktischen Bereich hauptsächlich um das Ziel, nämlich das Gute, handelt, ist in Bezug auf die unbeweglichen mathematischen Entitäten nur von der Form bzw. vom Wesen die Rede (ἢ γὰρ εἰς τὸ τί ἐστιν ἀνάγεται τὸ διὰ τί ἔσχατον, ἐν τοῖς ἀκινήτοις. οἷον ἐν τοῖς μαθήμασιν· εἰς ὁρισμὸν γὰρ τοῦ εὐθέος ἢ συμμέτρου ἢ ἄλλου τινὸς ἀνάγεται ἔσχατον – Phys. B7, 198a16–18).
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Δ2, 1013b16–28209; Phys. B7, 198a22–24210; GA A1, 715a4–11211; E1, 778a29–b10212; Metaph. A3, 983a24–32213; B2, 996b5–8214; H4, 1044a32–1044b1215) werden die 209 Phys. B3, 195a15–26 = Metaph. Δ2, 1013b16–28: ἅπαντα δὲ τὰ νῦν εἰρημένα αἴτια εἰς τέτταρας πίπτει τρόπους τοὺς φανερωτάτους. τὰ μὲν γὰρ στοιχεῖα τῶν συλλαβῶν καὶ ἡ ὕλη τῶν σκευαστῶν καὶ τὸ πῦρ καὶ τὰ τοιαῦτα τῶν σωμάτων καὶ τὰ μέρη τοῦ ὅλου καὶ αἱ ὑποθέσεις τοῦ συμπεράσματος ὡς τὸ ἐξ οὗ αἴτιά ἐστιν, τούτων δὲ τὰ μὲν ὡς τὸ ὑποκείμενον, οἷον τὰ μέρη, τὰ δὲ ὡς τὸ τί ἦν εἶναι, τό τε ὅλον καὶ ἡ σύνθεσις καὶ τὸ εἶδος· τὸ δὲ σπέρμα καὶ ὁ ἰατρὸς καὶ ὁ βουλεύσας καὶ ὅλως τὸ ποιοῦν, πάντα ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς μεταβολῆς ἢ στάσεως [ἢ κινήσεως]· τὰ δ’ ὡς τὸ τέλος καὶ τἀγαθὸν τῶν ἄλλων τὸ γὰρ οὗ ἕνεκα βέλτιστον καὶ τέλος τῶν ἄλλων ἐθέλει εἶναι· διαφερέτω δὲ μηδὲν εἰπεῖν αὐτὸ ἀγαθὸν ἢ φαινόμενον ἀγαθόν. 210 Phys. B7, 198a22–24: ἐπεὶ δ’ αἱ αἰτίαι τέτταρες, περὶ πασῶν τοῦ φυσικοῦ εἰδέναι, καὶ εἰς πάσας ἀνάγων τὸ διὰ τί ἀποδώσει φυσικῶς, τὴν ὕλην, τὸ εἶδος, τὸ κινῆσαν, τὸ οὗ ἕνεκα. 211 GA A1, 715a4–11: ὑπόκεινται γὰρ αἰτίαι τέτταρες, τό τε οὗ ἕνεκα ὡς τέλος καὶ ὁ λόγος τῆς οὐσίας (ταῦτα μὲν οὖν ὡς ἕν τι σχεδὸν ὑπολαβεῖν δεῖ), τρίτον δὲ καὶ τέταρτον ἡ ὕλη καὶ ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς κινήσεως – περὶ μὲν οὖν τῶν ἄλλων εἴρηται (ὁ τε γὰρ λόγος καὶ τὸ οὗ ἕνεκα ὡς τέλος ταὐτὸν καὶ ἡ ὕλη τοῖς ζῴοις τὰ μέρη· παντὶ μὲν τῷ ὅλῳ τὰ ἀνομοιομερῆ, τοῖς δ’ ἀνομοιομερέσι τὰ ὁμοιομερῆ, τούτοις δὲ τὰ καλούμενα στοιχεῖα τῶν σωμάτων), [. . .]. 212 GA E1, 778b7–10: οἱ δ’ ἀρχαῖοι φυσιολόγοι τοὐναντίον ᾠήθησαν· τούτου δ’ αἴτιον ὅτι οὐχ ἑώρων πλείους οὔσας τὰς αἰτίας, ἀλλὰ μόνον τὴν τῆς ὕλης καὶ τὴν τῆς κινήσεως – καὶ ταύτας ἀδιορίστως· τῆς δὲ τοῦ λόγου καὶ τῆς τοῦ τέλους ἀνεπισκέπτως εἶχον. 213 Metaph. A3, 983a24–32: Ἐπεὶ δὲ φανερὸν ὅτι τῶν ἐξ ἀρχῆς αἰτίων δεῖ λαβεῖν ἐπιστήμην (τότε γὰρ εἰδέναι φαμὲν ἕκαστον, ὅταν τὴν πρώτην αἰτίαν οἰώμεθα γνωρίζειν), τὰ δ’ αἴτια λέγεται τετραχῶς, ὧν μίαν μὲν αἰτίαν φαμὲν εἶναι τὴν οὐσίαν καὶ τὸ τί ἦν εἶναι (ἀνάγεται γὰρ τὸ διὰ τί εἰς τὸν λόγον ἔσχατον, αἴτιον δὲ καὶ ἀρχὴ τὸ διὰ τί πρῶτον), ἑτέραν δὲ τὴν ὕλην καὶ τὸ ὑποκείμενον, τρίτην δὲ ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς κινήσεως, τετάρτην δὲ τὴν ἀντικειμένην αἰτίαν ταύτῃ, τὸ οὗ ἕνεκα καὶ τἀγαθόν (τέλος γὰρ γενέσεως καὶ κινήσεως πάσης τοῦτ’ ἐστίν), [. . .]. Aristoteles entwickelt die Vier-Ursachen-Lehre hauptsätzlich in den Büchern Α, Β der Physik und in den Büchern Α. Λ der Metaphysik. In Α7 der Physik sowie in Λ4 und Λ5 der Metaphysik kommen die vier Ursachen als Form, Privation, Stoff und Wirkendes vor, in Β3 der Physik und Α3 der Metaphysik aber als Form-, Stoff-, Wirk- und Zielursache. Außer der Verschiedenheit zweier Versionen der Vier-Ursachen-Lehre vergleichen wir das Argument der Physik A mit dem Argument der Metaphysik A, und zwar in Hinsicht auf die Vorgehensweise. Obwohl Aristoteles sich an den beiden Stellen mit den voraristotelischen Philosophen auseinandersetzt, sind die Vorgehensweisen beider Texte nicht gleich. In Physik A vollzieht sich die Auseinandersetzung nach der logischen Reihenfolge, indem Aristoteles vom Gegensatz-Prinzip ausgeht, um daraus das materiale Prinzip abzuleiten. Im Gegensatz dazu entfaltet sich die Prinzipienlehre in Metaphysik A gemäß der zeitlichen und historischen Abfolge, nämlich Stoffursache→Bewegungsursache→Formursache→Zielursache. Dies ist insofern eine geschichtliche Reihe, als die Naturphilosophen, welche mit Stoff die ganze Welt zu erklären versuchen, offenbar zeitlich vor Platon stehen, der die Form als das Weltprinzip setzt. In Physik A fasst Aristoteles durch die Auseinandersetzung mit den Vorsokratikern die historischen Lehrmeinungen zusammen und modifiziert sie, um seine eigene Theorie zu entwickeln. Nachdem Aristoteles die Vier-Ursachen-Lehre in der Physik fruchtbar gemacht hat, zieht er aufgrund seiner eigenen Lehre sowohl die vorsokratische Naturphilosophie als auch die platonische Ideenlehre in Betracht (τεθεώρηται μὲν οὖν ἱκανῶς περὶ αὐτῶν ἡμῖν ἐν τοῖς περὶ φύσεως – Metaph. Α3, 983a33–983b1). Die Rekonstruktion der vorangehenden Untersuchungen
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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bekannten vier Ursachen, nämlich Stoff-, Form-, Wirk- und Zielursache (ὕληεἶδος-ἀρχὴ τῆς κινήσεως-τέλος), entwickelt. Dabei sind Form und Stoff fundamental, woraus die Wirk- und die Zielursache hergeleitet werden. Von Grund auf hängen die zwei Formen der vier Ursachen mit der argumentativen Vorgehensweise zusammen. Präziser gesagt beruhen die zwei Versionen der Vier-Ursachen-Lehre auf zwei verschiedenen Analogien. Zum einen kann das tetradische Prinzip nur dann aus dem triadischen hervortreten, wenn die Analogie von Bewegung und Entstehen-Vergehen ins Spiel kommt (κίνησις-γένεσις/ φθορά – Phys. A7; Metaph. Λ4; Metaph. Λ5, 1071a24–35; Λ2, 1069b3–14; H1, 1042a32–1042b8). Zum anderen stammt die tetradische Ursache aus der duadischen Stoff- und Formursache, denn anhand der Analogie von Techne und Physis ist die Struktur der menschlichen Herstellung auf die der natürlichen Entstehung übertragbar (ποίησις-φύσις – Phys. B1–3). So kommt die Vier-Ursachen-Lehre dadurch zur Entfaltung, dass die strukturelle Ähnlichkeit von Bewegung, Herstellung und Naturentstehung schrittweise dargestellt wird. Zusammen mit der Erörterung der dreifachen Analogie lassen sich die zwei Versionen der vier Ursachen verdeutlichen. Wenn sich die Untersuchung an dem Naturseienden bzw. an der Naturentstehung orientiert, stellt sich die Frage: Warum muss das ganze Argument unbedingt von der Bewegung aus- und in die Herstellung übergehen und endlich zur Naturentstehung gelangen (κίνησις→ποίησις→φύσις)? Die Notwendigkeit des Durchlaufs gründet in der Sache selbst. Bei der Veränderung des Sachverhaltes handelt es sich darum, wie sich die Einzelsubstanz und die akzidentelle/kategoriale Eigenschaft zusammenfügen (κίνησις/πρᾶγμα = ὑποκείμενον + κατηγορούμενον). In Bezug auf die Herstellung des Artefakts geht es darum, dass Stoff und Form zusammengesetzt werden (ποίησις/τόδε τι = ὕλη + μορφή). Was die Entstehung des Naturseienden anbelangt, ist sie weder die äußerliche und zufällige Zusammenfügung von Substanz und Kategorie noch die äußerliche und substanzielle
in Metaphysik A ist deshalb weder naturphilosophisch noch platonisch, sondern ganz und gar aristotelisch, weil das vorsokratische Grundelement sowie die platonische Idee weder zur Entstehung noch zur Bewegung des konkreten Einzeldings dienen. Da wir die Herleitungsweise und das Unterscheidungskriterium der vier Ursachen herausfinden möchten, gehen wir auf die Physik A, B und die Metaphysik Λ ein und rekonstruieren aufgrund dessen die Argumente. 214 Metaph. B2, 996b5–8: ἐνδέχεται γὰρ τῷ αὐτῷ πάντας τοὺς τρόπους τοὺς τῶν αἰτίων ὑπάρχειν, οἷον οἰκίας ὅθεν μὲν ἡ κίνησις ἡ τέχνη καὶ ὁ οἰκοδόμος, οὗ δ’ ἕνεκα τὸ ἔργον, ὕλη δὲ γῆ καὶ λίθοι, τὸ δ’ εἶδος ὁ λόγος. 215 Metaph. H4, 1044a32–1044b1: ὅταν δή τις ζητῇ τὸ αἴτιον, ἐπεὶ πλεοναχῶς τὰ αἴτια λέγεται, πάσας δεῖ λέγειν τὰς ἐνδεχομένας αἰτίας. οἷον ἀνθρώπου τίς αἰτία ὡς ὕλη; ἆρα τὰ καταμήνια; τί δ’ ὡς κινοῦν; ἆρα τὸ σπέρμα; τί δ’ ὡς τὸ εἶδος; τὸ τί ἦν εἶναι. τί δ’ ὡς οὗ ἕνεκα; τὸ τέλος.
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Zusammensetzung von Stoff und Form, sondern die innere Entzweiung ins materiale und formale Prinzip. Beim Naturseienden sind die beiden Prinzipien nicht nur sachlich untrennbar, sondern auch ontologisch schwierig zu unterscheiden, sodass man sich dem Artefakt zuwenden muss, um den Unterschied klar zu fassen. Die Naturentstehung ist zwar das Vorbild der technischen Herstellung, das technische Produkt aber macht die dem Naturseienden immanente Distinktion von Form und Stoff anschaulich. Anhand der Analogie der Naturentstehung zur Herstellung kann das innere Gefüge der natürlichen Einzelsubstanz offensichtlich in Erscheinung treten. Darum ist es notwendig, dass die Erörterung über die Naturentstehung einen Rückblick auf die Herstellung wirft. Sodann führt die Klärung der substanziellen Veränderung auch über den Rekurs auf die akzidentelle Veränderung. Im Vergleich zum Entstehen und Vergehen des Einzeldings sind uns die qualitative oder die quantitative Veränderung oder die räumliche Bewegung vertrauter. Obwohl die Naturentstehung gegenüber der Herstellung und die Herstellung gegenüber der Bewegung ontologisch vorrangig sind, muss das Argument vom Nachrangigen ausgehen und zum Vorrangigen aufsteigen. Denn jenes ist uns klar und deutlich, dieses aber der Natur nach klar und deutlich. 2.2.1.1 Bewegung-Enstehen/Vergehen (κίνησις-γένεσις/φθορά) Es ist schon erörtert worden, dass trotz der Gattungsverschiedenheit die Bewegung und das Entstehen-Vergehen eine strukturelle Ähnlichkeit aufweisen. Diese zeigt sich darin, dass der Gegensatz mit dem Zugrundeliegenden zusammengefügt ist. Anhand der Analogie werden die vier Prinzipien der akzidentellen und der substanziellen Veränderung zum Vorschein gebracht. Das Argument geht zunächst vom Gegensatz „Vollendung-Privation“ aus. Dann wird das materiale Zugrundeliegende aus dem Gegensatz hergeleitet. Aufgrund dessen, dass das äußerliche Wirkende den drei inneren Prinzipien, d. h. Vollendung-PrivationZugrundeliegendes, hinzuzufügen ist, werden sowohl die Bewegungsursachen als auch die Entstehungsprinzipien schließlich zur Vierzahl gezählt. καὶ ἔστι μὲν ὡς τἀναντία, οἷον εἴ τις λέγοι τὸ μουσικὸν καὶ τὸ ἄμουσον ἢ τὸ θερμὸν καὶ τὸ ψυχρὸν ἢ τὸ ἡρμοσμένον καὶ τὸ ἀνάρμοστον, ἔστι δ’ ὡς οὔ· ὑπ’ ἀλλήλων γὰρ πάσχειν τἀναντία ἀδύνατον. λύεται δὲ καὶ τοῦτο διὰ τὸ ἄλλο εἶναι τὸ ὑποκείμενον· τοῦτο γὰρ οὐκ ἐναντίον. – Phys. A7, 190b30–35
Bei der akzidentellen Veränderung wandeln sich die gegensätzlichen Eigenschaften ineinander um. Die akzidentellen Gegensätze, wie z. B. musikalischunmusikalisch, harmonisch-disharmonisch, warm-kalt, gesund-krank oder tüchtig-schlecht, können nur dann wechselnd in Erscheinung treten, wenn ein Drittes, z. B. ein einzelner Mensch, die Melodie, die Fläche, der Körper oder die
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Seele zugrunde gelegt wird (ὑποτιθέναι τι τρίτον).216 Denn die gegensätzlichen Eigenschaften sind zwar auseinander entstanden, aber ohne das substanzielle Zugrundeliegende würden sie sich gegenseitig vernichten. Darum ist es notwendig, einen Träger der akzidentellen Wechselwirkung zugrundezulegen, dem kein Gegensatz innewohnt. Ähnlich wie das zugrundeliegende Einzelding aus dem akzidentellen Gegensatz abgeleitet wird, folgt die Materie aus dem substanziellen Gegensatz. Wie Sokrates der Umwandlung des Musikalischen ins Unmusikalische zugrunde liegt, muss die Materie der substanziellen Veränderung zugrunde gelegt werden. λέγω δὲ ἀντικεῖσθαι μὲν τὸ ἄμουσον, ὑποκεῖσθαι δὲ τὸν ἄνθρωπον, καὶ τὴν μὲν ἀσχημοσύνην καὶ τὴν ἀμορφίαν καὶ τὴν ἀταξίαν τὸ ἀντικείμενον, τὸν δὲ χαλκὸν ἢ τὸν λίθον ἢ τὸν χρυσὸν τὸ ὑποκείμενον. – Phys. A7, 190b13–17
Bei der substanziellen Veränderung sind die Gestalt der Gestaltlosigkeit (σχῆμα-ἀσχημοσύνη), die Form der Formlosigkeit (μορφή-ἀμορφία), die Ordnung der Unordnung (τάξις-ἀταξία) und die Naturart der Privation (εἶδος-στέρησις) entgegengesetzt (Phys. A5, 188b17–20; A7, 191a1–3, 191a8–12; Metaph. Λ4, 1070b28–30). Den oben erwähnten substanziellen Gegensätzen müssen das Erz, das Holz, der Baustoff und die Biomasse als Materie jeweils zugrunde gelegt werden. Damit kann das gestaltlose Erz in die Hermes-Statue, das formlose Holz in das gestaltete Bett, der ungeordnete Baustoff in das geordnete Haus oder die menschliche Biomasse in die Vollendung der menschlichen Art umgeschlagen sein. In beiden Fällen betrifft die Veränderung den Gegensatz, der entweder als akzidenteller Gegensatz oder als substanzieller Gegensatz von Form und Privation auftaucht. Außerdem muss ein unveränderliches Zugrundeliegendes in die Veränderung gesetzt werden. Ohne den materiellen Träger können die akzidentelle sowie die substanzielle Veränderung überhaupt nicht
216 Ein Drittes muss deswegen zugrunde gelegt werden (ὑποτιθέναι τι τρίτον – Phys. A6, 189a23–26, 189a34–189b1; A7, 190b30–34; Gen. et Corr. A7, 324a15–19; Metaph. H1, 1042a32–34; Λ2, 1069b7–9; Λ10, 1075a30–32), weil die akzidentellen Gegensätze ohne die zugrundeliegende Substanz sich gegenseitig vernichten würden. Denselben Grundsatz verwendet Aristoteles in der Diagnose und der Kritik der vorangehenden Philosophie. Weder die Liebe ist aus dem Hass entstanden noch stammt der Hass aus der Liebe, sondern an einem substanziellen Träger wechseln sie ab (οὐ γὰρ ἡ φιλία τὸ νεῖκος συνάγει καὶ ποιεῖ τι ἐξ αὐτοῦ, οὐδὲ τὸ νεῖκος ἐξ ἐκείνης, ἀλλ’ ἄμφω ἕτερόν τι τρίτον – Phys. A6, 189a24–26). Außerdem wird die Prinzipienlehre des Platon als Gegenbeispiel erwähnt. Aristoteles’ Meinung nach tritt die Formursache als Gegensatz auf und der zugrundeliegenden Stoffursache wohnt kein Gegensatz inne. Dagegen meint Platon, dass die wirkende Formursache ein und dieselbe ist und die erleidende Stoffursache die unbestimmte Zweiheit bildet. Vgl. Phys. A4, 187a16–20; A6, 189b11–16; Metaph. A6, 988a7–14.
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geschehen. Den gegensätzlichen Eigenschaften liegt die Einzelsubstanz zugrunde, dem Gegensatz von Form und Privation aber die Materie.217 Analog zur akzidentellen Veränderung, die sich aus der Einzelsubstanz und dem akzidentellen Gegensatz zusammenfügt (κίνησις = ὑποκείμενον + ἀντικείμενον), besteht die substanzielle Veränderung daraus, dass die Materie mit den gegensätzlichen Zuständen der Form kombiniert ist (γένεσις/φθορά = ὕλη + εἶδος/στέρησις). Der formale Gegensatz, sei er akzidentell, sei er substanziell, ist der Zahl nach zwei (δύο), und das materiale Zugrundeliegende, das entweder als Einzelsubstanz oder als Stoff vorkommt, bildet die numerische Einheit (ἕν).218 Daraus resultiert, dass die Bewegung und das Entstehen-Vergehen aus drei Prinzipien stammen. τούτων μὲν οὖν ταὐτὰ στοιχεῖα καὶ ἀρχαί (ἄλλων δ' ἄλλα), πάντων δὲ οὕτω μὲν εἰπεῖν οὐκ ἔστιν, τῷ ἀνάλογον δέ, ὥσπερ εἴ τις εἴποι ὅτι ἀρχαὶ εἰσὶ τρεῖς, τὸ εἶδος καὶ ἡ στέρησις καὶ ἡ ὕλη. – Metaph. Λ4, 1070b16–19219
217 Metaph. H1, 1042a32–1042b3. In allen Typen von Veränderungen, bei denen sich die Gegensätze ineinander umwandeln, muss das den Veränderungen Zugrundeliegende vorhanden sein (ἐν πάσαις γὰρ ταῖς ἀντικειμέναις μεταβολαῖς ἐστί τι τὸ ὑποκείμενον ταῖς μεταβολαῖς – 1042a32–34). Da die Veränderung ohne den substanziellen Träger überhaupt nicht geschehen kann, muss das Einzelding der qualitativen, der quantitativen Veränderung oder der Ortsbewegung zugrunde gelegt werden. Die Ortsbewegung besteht daraus, dass ein Zugrundeliegendes, z. B. Sokrates, von zu Hause zum Marktplatz läuft (οἷον κατὰ τόπον τὸ νῦν μὲν ἐνταῦθα πάλιν δ’ ἄλλοθι – 1042a34–35). Die quantitative Veränderung erscheint z. B. darin, dass Sokrates älter wird oder jünger aussieht (κατ’ αὔξησιν ὃ νῦν μὲν τηλικόνδε πάλιν δ’ἔλαττον ἢ μεῖζον – 1042a35–36). Die qualitative Veränderung zeigt sich darin, dass Sokrates bald gesund und bald krank ist (κατ’ ἀλλοίωσιν ὃ νῦν μὲν ὑγιὲς πάλιν δὲ κάμνον – 1042a36–1042b1). In der substanziellen Veränderung sind das Entstehen und das Vergehen entgegengesetzt (ὁμοίως δὲ καὶ κατ’ οὐσίαν ὃ νῦν μὲν ἐν γενέσει πάλιν δ’ ἐν φθορᾷ – 1042b1–2), denen die Materie zugrunde liegt. Da das Entstehen als Anwesenheit oder Verinnerlichung der Form (παρουσία-ἕξις) und das Vergehen als Abwesenheit oder Beraubung derselben (ἀπουσία-στέρησις) bezeichnet wird, liegt die Materie nicht nur Entstehen-Vergehen, sondern auch Anwesenheit-Abwesenheit oder Verinnerlichung-Beraubung zugrunde (νῦν μὲν ὑποκείμενον ὡς τόδε τι πάλιν δ’ ὑποκείμενον ὡς κατὰ στέρησιν – 1042b2–3). Analog dazu, dass das Einzelding dem räumlichen, dem quantitativen oder dem qualitativen Gegensatz zugrunde liegt, wird die Materie den entgegengesetzten Zuständen der Form zugrunde gelegt. 218 (1) Phys. A7, 190a14–17: ὅτι δεῖ τι ἀεὶ ὑποκεῖσθαι τὸ γιγνόμενον, καὶ τοῦτο εἰ καὶ ἀριθμῷ ἐστιν ἕν, ἀλλ’ εἴδει γε οὐχ ἕν· τὸ γὰρ εἴδει λέγω καὶ λόγῳ ταὐτόν· οὐ γὰρ ταὐτὸν τὸ ἀνθρώπῳ καὶ τὸ ἀμούσῳ εἶναι. (2) Phys. A7, 190b23–27: ἔστι δὲ τὸ μὲν ὑποκείμενον ἀριθμῷ μὲν ἕν, εἴδει δὲ δύο. ὁ μὲν γὰρ ἄνθρωπος καὶ ὁ χρυσὸς καὶ ὅλως ἡ ὕλη ἀριθμητή· τόδε γάρ τι μᾶλλον, καὶ οὐ κατὰ συμβεβηκὸς ἐξ αὐτοῦ γίγνεται τὸ γιγνόμενον· ἡ δὲ στέρησις καὶ ἡ ἐναντίωσις συμβεβηκός. 219 Drei Bewegungsursachen – Phys. A7, 190b29–191a3; drei Entstehungsprinzipien – Phys. A7, 191a3–8; Zusammenfassung – Phys. A7, 191a15–17: πρῶτον μὲν οὖν ἐλέχθη ὅτι ἀρχαὶ τἀναντία μόνον, ὕστερον δ’ ὅτι ἀνάγκη καὶ ἄλλο τι ὑποκεῖσθαι καὶ εἶναι τρία; Phys. A7, 191a20–21: ἀλλ’ ὅτι αἱ ἀρχαὶ τρεῖς καὶ πῶς τρεῖς, καὶ τίς ὁ τρόπος αὐτῶν, δῆλον; Metaph. Λ2, 1069b32–34: τρία δὴ τὰ
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Anhand der Analogie ergeben sich sowohl drei Bewegungsursachen als auch drei Entstehungsprinzipien. Die Ursache der akzidentellen Veränderung kann durch Form, Privation und Stoff charakterisiert sein, indem die eine Eigenschaft, wie z. B. musikalisch, harmonisch, gesund oder tüchtig, als positive Form und die andere entgegengesetzte Eigenschaft, nämlich unmusikalisch, disharmonisch, krank oder schlecht, als Privation angesehen wird (Metaph. Λ4, 1070b10–15; Z7, 1032b2–6). Da Form, Privation und Stoff zur Bewegung und zum Entstehen-Vergehen einen konstitutiven Beitrag leisten, werden sie als innere Prinzipien bezeichnet (ἐνυπάρχοντα αἴτια, principia intrinseca). Außerdem bedürfen die Bewegung und das Entstehen-Vergehen des äußerlichen Prinzips (ἐκτὸς οἷον τὸ κινοῦν, principium extrinsecum), welches als Antriebskraft die Veränderung in Gang bringt. Dadurch dass den drei Prinzipien eine Wirkursache hinzuzufügen ist, erweisen sich die Prinzipien von Bewegung und Entstehen-Vergehen als tetradisch (ὥστε στοιχεῖα μὲν κατ’ ἀναλογίαν τρία, αἰτίαι δὲ καὶ ἀρχαὶ τέτταρες).220
αἴτια καὶ τρεῖς αἱ ἀρχαί, δύο μὲν ἡ ἐναντίωσις, ἧς τὸ μὲν λόγος καὶ εἶδος τὸ δὲ στέρησις, τὸ δὲ τρίτον ἡ ὕλη. 220 Metaph. Λ4, 1070b22–26. In diesem Kontext zählt Aristoteles die Form, die Privation und den Stoff zu den inneren Ursachen (ἐνυπάρχοντα αἴτια – Metaph. Λ4, 1070b22; κατασυντεταγμένα αἴτια – Alexander 680.39; principia intrinseca – Thomas Sententia Metaphysicae lib.12 l.4 n.15 [84040]), die anhand des Terminus „στοιχεῖον“ zusammengefasst werden, und die Wirkursache gilt ihm als äußerliche Ursache (ἐκτὸς [αἴτιον] οἷον τὸ κινοῦν – Metaph. Λ4, 1070b22–23; τὸ ἐκτός, οἷον τὸ κινοῦν ἤτοι τὸ ποιητικόν – Alexander 681.1; principia extrinseca – Thomas [84040]), die die „ἀρχή“ genannt wird. Der Unterschied zwischen dem Element und dem Prinzip liegt darin (δῆλον ὅτι ἕτερον ἀρχὴ καὶ στοιχεῖον – Metaph. Λ4, 1070b23), dass die Form, sei sie anwesend, sei sie abwesend, und der Stoff die konstitutiven Bestandteile des Einzeldings oder Sachverhaltes sind, während sich die Wirkursache in der menschlichen Herstellung oder der Handlung außer der Sache befindet. Da Aristoteles in der Prinzipienlehre drei verschiedene Termini, nämlich Prinzip (ἀρχή), Ursache (αἴτιον) und Element (στοιχεῖον) anwendet, ist es sinnvoll und wichtig, sich die Begrifflichkeit klarzumachen. Erstens gibt es im Rahmen der Vier-Ursachen-Lehre keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen ἀρχή und αἴτιον, denn sowohl die eine (ἀρχή – Metaph. Δ1, 1013a17–20) als auch das andere (αἴτιον – Metaph. Λ4, 1070b22–24) umfassen die inneren und die äußeren Ursachen. Während ἀρχή und αἴτιον Stoff-, Form-, Wirk- und Zielursache bezeichnen können, ist στοιχεῖον nur auf die Stoffursache bezogen (στοιχεῖον δ’ ἐστὶν εἰς ὃ διαιρεῖται ἐνυπάρχον ὡς ὕλην, οἷον τῆς συλλαβῆς τὸ α καὶ τὸ β – Metaph. Z17, 1041b31–33; Phys. B3, 195a16–20). Zweitens ist erwähnenswert, dass das στοιχεῖον zwar für eine Stoffursache gehalten werden kann, aber nicht immer materiell ist. Denn im Allgemeinen ist mit dem στοιχεῖον der immanente Bestandteil einer Sache gemeint (ἁπάντων δὲ κοινὸν τὸ εἶναι στοιχεῖον ἑκάστου τὸ πρῶτον ἐνυπάρχον ἑκάστῳ – Metaph. Δ3, 1014b14–15), der entweder nach der Materie (ὁμοίως δὲ καὶ τὰ τῶν σωμάτων στοιχεῖα λέγουσιν οἱ λέγοντες εἰς ἃ διαιρεῖται τὰ σώματα ἔσχατα, ἐκεῖνα δὲ μηκέτ’ εἰς ἄλλα εἴδει διαφέροντα – Metaph. Δ3, 1014a31–34) oder nach der Form (Στοιχεῖον λέγεται ἐξ οὗ
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καὶ πάντων ὡδὶ μὲν ταὐτὰ τὸ ἀνάλογον, ὅτι ὕλη, εἶδος, στέρησις, τὸ κινοῦν [. . .]. – Metaph. Λ5, 1071a33–34
Der Analogie zufolge sind die Bewegung sowie das Entstehen-Vergehen anhand der vier Prinzipien strukturiert, welche materiales Zugrundeliegendes, Form, Privation und Wirkendes sind. Nach der Vier-Ursache-Lehre ist in der qualitativen Veränderung der Körper als Stoff, die Gesundheit als Form, die Krankheit als Privation und der Arzt als Wirkursache zu bezeichnen (Metaph. Λ4, 1070b28). In der Herstellung entsprechen der Baustoff der Materie, die Hausgestalt der Form, die Unordnung der Privation und der Hausherr dem Wirkenden (Metaph. Λ4, 1070b28–30). Anhand der vorliegenden vier Prinzipien ist die Naturentstehung derart verfasst, dass der Knochen und das Fleisch mit der Materie, die menschliche Art mit der Form, die unvollständige Realisierung mit der Privation und der Vater mit der Wirkursache übereinstimmen (Metaph. Λ5, 1071a13–15). Wegen der argumentativen Übertragung der akzidentellen Veränderung auf die substanzielle Veränderung entwickelt sich die Prinzipienlehre Schritt für Schritt und scheint endlich tetradisch zu sein. Bei der Bewegung sowie beim Entstehen-Vergehen liegen zunächst die zwei gegensätzlichen Prinzipien vor und dann ist ein drittes Zugrundeliegendes abzuleiten (πρῶτον μὲν οὖν ἐλέχθη ὅτι ἀρχαὶ τἀναντία μόνον, ὕστερον δ’ ὅτι ἀνάγκη καὶ ἄλλο τι ὑποκεῖσθαι καὶ εἶναι τρία – Phys. A7, 191a15–17, 190b29–191a1). Dadurch, dass das wirkende Prinzip hinzukommt, ist das Prinzip von Bewegung und EntstehenVergehen schließlich tetradisch strukturiert, nämlich durch Form, Privation, Stoff und Wirkendes. Im Vergleich zur maßgebenden Vier-Ursachen-Lehre liegt die Eigentümlichkeit dieser Version darin, dass die Privation anstelle der Zielursache auftaucht. Dies ist nichts anderes als ein klarer Beweis für die
σύγκειται πρώτου ἐνυπάρχοντος ἀδιαιρέτου τῷ εἴδει εἰς ἕτερον εἶδος, οἷον φωνῆς στοιχεῖα ἐξ ὧν σύγκειται ἡ φωνὴ καὶ εἰς ἃ διαιρεῖται ἔσχατα, ἐκεῖνα δὲ μηκέτ’ εἰς ἄλλας φωνὰς ἑτέρας τῷ εἴδει αὐτῶν, [. . .] – Metaph. Δ3, 1014a26–30) nicht mehr geteilt werden kann. Da στοιχεῖον auf den unreduzierbaren gleichartigen Teil hinweist, kann der Teil entweder der materiale oder der formale Bestandteil sein. An folgenden Stellen (Metaph. Z10, 1034b24–26; Z12, 1038a6–8; Δ24, 1023a35–1023b2) bedeutet στοιχεῖον nicht das stoffliche, sondern das formale Element. Drittens sind alle Ursachen Prinzipien (ἰσαχῶς δὲ καὶ τὰ αἴτια λέγεται· πάντα γὰρ τὰ αἴτια ἀρχαί – Metaph. Δ1, 1013a16–17), umgekehrt aber nicht. Die ἀρχή hat einen größeren begrifflichen Umfang als das αἴτιον. Denn die ἀρχή weist nicht nur das Entstehungs- und das Seinsprinzip (wie das αἴτιον) auf, sondern auch das Erkenntnisprinzip (πασῶν μὲν οὖν κοινὸν τῶν ἀρχῶν τὸ πρῶτον εἶναι ὅθεν ἢ ἔστιν ἢ γίγνεται ἢ γιγνώσκεται – Metaph. Δ1, 1013a17–19). Generell gesehen ist das Prinzip des Syllogismus die Hypothese oder die Prämisse (Metaph. Δ1, 1013a14–16; Phys. B9, 200a22–24). Im notwendigen Syllogismus gilt die Wesensdefinition als allgemeines Prinzip der einzelnen Demonstration.
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argumentative Übertragung der akzidentellen Veränderung auf die substanzielle Veränderung, die nur anhand der strukturellen Ähnlichkeit vollzogen werden kann. Erst vor dem Hintergrund des akzidentellen Gegensatzes ist der substanzielle Gegensatz von Form und Privation in den Vordergrund gerückt. Ohne den Vergleich mit der Bewegung können die Privation und das damit zusammenhängende Vergehen überhaupt nicht ins Spiel kommen. Die vier Prinzipien treten nur dann in der Form von Form, Privation, Stoff und Wirkendem auf, wenn sich die Analogie zwischen der akzidentellen und der substanziellen Veränderung ergibt. Die strukturelle Ähnlichkeit, die die argumentative Übertragung möglich macht, beruht weder auf der Struktur der Bewegung noch auf der des Entstehens und Vergehens, sondern auf dem gemeinsamen Gefüge von Machen und Erleiden (ποιεῖν-πάσχειν). Der akzidentelle sowie der substanzielle Gegensatz können nicht aneinander leiden (ὑπ’ ἀλλήλων γὰρ πάσχειν τἀναντία ἀδύνατον – Phys. A7, 190b33), denn die eine Eigenschaft löscht die andere, ihr entgegengesetzte aus, so wie sich die Anwesenheit und die Abwesenheit der Form zueinander verhalten. Um die wechselseitige Auswirkung zu tragen, muss ein erleidendes Seiendes vorliegen, das als zugrundeliegende Einzelsubstanz oder Materie gilt (πάσχειν-ὑποκείμενον-τόδε τι/ὕλη). Wenn das Zugrundeliegende mit Passivität ausgestattet ist, muss das Zukommende, sei es die akzidentelle/kategoriale Eigenschaft, sei es die wesentliche Form, durch Aktivität gekennzeichnet sein (ποιεῖν-συμβεβηκός-κατηγορούμενον/εἶδος). Da die Passivität die Aktivität zur Voraussetzung haben muss, weist das Erleiden immer auf das entsprechende Wirken hin (πάσχειν→ποιεῖν). Wie sich die gegensätzlichen Eigenschaften wechselseitig auf das Einzelding auswirken, so verhalten sich die Form und die Privation zur Materie. Indem Eigenschaft und Form aktiv wirken, Einzelding und Materie aber passiv leiden, stehen die Eigenschaft zum Einzelding und die Form zur Materie im produktiven Kausalzusammenhang. Daher zeigt sich, dass die Analogie von Bewegung und Entstehung in der dynamischen Funktion von Machen und Erleiden fundiert ist. Die dynamische Struktur ist nicht nur der akzidentellen Veränderung und der menschlichen Herstellung immanent, sondern auch der natürlichen Entstehung. Anhand der Analogie von Techne und Physis wird das einzelne Naturseiende im Lichte der hylemorphistischen Struktur von FormStoff bzw. Machen-Erleiden betrachtet und analysiert. 2.2.1.2 Herstellung-Naturentstehung (ποίησις-φύσις) Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen Bewegung, Herstellung und Naturentstehung gründet in dynamischen Gefügen von Machen und Erleiden. Denn alle
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Veränderungen, akzidentell, technisch oder natürlich, sind auf eine vertikale Art und Weise strukturiert, indem das aktive Machende und das passive Leidende nicht nur einander gegenüberstehen, sondern auch und vor allem aufeinander wirken. Innerhalb der Entstehung sind Techne und Physis, d. h. die menschliche Herstellung und die natürliche Entstehung, dadurch zu unterscheiden (τέχνη/ ποίησις-φύσις),221 dass sich das Prinzip von Entstehung und Vollendung bzw. die Ursache von Bewegung und Ruhe anderswo lokalisieren (ἀρχὴ κινήσεως καὶ στάσεως).222 Beim hergestellten Artefakt befindet sich das wirkende Prinzip im 221 Insgesamt erwähnt Aristoteles vier verschiedene Wirkursachen, und zwar Physis, Techne, Spontaneität und Zufall (ἢ γὰρ τέχνῃ ἢ φύσει γίγνεται ἢ τύχῃ ἢ τῷ αὐτομάτῳ – Metaph. Λ3, 1070a6–7; Gen. et Corr. B6, 333b4–7; Phys. B4–6). Indem die Spontaneität und der Zufall als zufällige Wirkursachen außer Betracht gelassen werden, ist von den beiden notwendigen Wirkursachen die Rede. In Z7 der Metaphysik weist Aristoteles darauf hin, dass die Entstandenen entweder durch die Natur oder durch die Herstellung entstanden sind (οὕτω μὲν οὖν γίγνεται τὰ γιγνόμενα διὰ τὴν φύσιν, αἱ δ’ ἄλλαι γενέσεις λέγονται ποιήσεις – Metaph. Z7, 1032a25–27). Während die φύσις eindeutig auf die Naturentstehung hinweist (αἱ γενέσεις φυσικαὶ – Metaph. Z7, 1032a15–16; ἡ γένεσις ἐκ φύσεώς – Metaph. Z7, 1032a16–17; τὰ γιγνόμενα διὰ τὴν φύσιν – Metaph. Z7, 1032a26; τὸ γεννᾶν: ἐπειδὴ δὲ τὸ γεννᾶν ἐπὶ μόνης φύσεως λέγεται, εἰκότως καὶ γένεσις ἐπ’αὐτῶν, ἐπὶ δὲ τῶν ἄλλων οὐ λέγεται τὸ γεννᾶν· οὐ γὰρ λέγεται γεννᾶν ὁ οἰκοδόμος τὸν οἶκον, ἀλλὰ ποιεῖν αὐτὸν λέγεται – Asklepios 397.31–34; generatio secundum naturam – Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.6 n.14 [82960]), sind die ποιήσεις (factiones – [82960]) in drei Gruppen geteilt (πᾶσαι δὲ εἰσὶν αἱ ποιήσεις ἢ ἀπὸ τέχνης ἢ ἀπὸ δυνάμεως ἢ ἀπὸ διανοίας – Metaph. Z7, 1032a27–28). Erstens kann das Artefakt, ein Haus, oder die bestimmte Eigenschaft, die Gesundheit, durch die Techne hergestellt werden (ἀπὸ τέχνης, ab arte). Zweitens ist darauf hingewiesen, dass die Handlung aus der bestimmten Fähigkeit stammt (ἀπὸ δυνάμεως, a potestate). Dank des aktiven Vermögens kann man sich z. B. duschen oder nicht duschen und sitzen oder nicht sitzen (ἀπὸ δυνάμεως δέ εἰσι τὰ ὁπότερ’ ἔτυχεν, οἷον λούσασθαι καὶ μὴ λούσασθαι, καθίσαι καὶ μὴ καὶ τὰ τοιαῦτα – Alexander 488.32–34). Drittens kommen der tugendhafte Seelenzustand und die daraus folgende moralische Handlung dadurch zustande, dass man vernünftig überlegt und handelt (ἀπὸ διανοίας, a mente). Während die Techne das Artefakt herstellt, bringt der Verstand die Tugenden hervor (ἀπὸ τέχνης μὲν οὖν γίνεσθαι λέγει τὰ τεχνητὰ καὶ ὅλως ὅσα κατὰ τέχνην γίνεται, ἀπὸ διανοίας δὲ τὰς ἀρετάς – Alexander 488.28–30). Natürlich hängt die Techne mit dem Verstand zusammen. Die technische Herstellung vollzieht sich deswegen notwendig und zweckmäßig, weil sie nicht durch den individuellen Willen, sondern durch die allgemein gültige Vernunft durchgeführt wird. Im vorliegenden Kontext ist die begriffliche Anwendung der ποίησις auf die technische Herstellung beschränkt. Τέχνη und ποίησις werden äquivalent verwendet, damit es allein um den Vergleich von Techne und Physis geht. 222 Um das Naturseiende zu bestimmen, spricht Aristoteles an mehreren Stellen nicht nur über die Ursache der Bewegung, sondern bezieht auch die Ursache der Ruhe mit ein. (1) Phys. B1, 192b13–15: τούτων μὲν γὰρ ἕκαστον ἐν ἑαυτῷ ἀρχὴν ἔχει κινήσεως καὶ στάσεως, τὰ μὲν κατὰ τόπον, τὰ δὲ κατ’ αὔξησιν καὶ φθίσιν, τὰ δὲ κατ’ ἀλλοίωσιν. (2) Phys. B1, 192b20–23: [. . .] ὡς οὔσης τῆς φύσεως ἀρχῆς τινὸς καὶ αἰτίας τοῦ κινεῖσθαι καὶ ἠρεμεῖν ἐν ᾧ ὑπάρχει πρώτως καθ’ αὑτὸ καὶ μὴ κατὰ συμβεβηκός. (3) Phys. B3, 194b29–32 = Metaph. Δ2, 1013a29–32: ἔτι ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς μεταβολῆς ἡ πρώτη ἢ τῆς ἠρεμήσεως, οἷον ὁ βουλεύσας αἴτιος, καὶ ὁ πατὴρ τοῦ τέκνου, καὶ
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ὅλως τὸ ποιοῦν τοῦ ποιουμένου καὶ τὸ μεταβάλλον τοῦ μεταβαλλομένου. (4) Phys. B3, 195a21–23 = Metaph. Δ2, 1013b23–25: τὸ δὲ σπέρμα καὶ ὁ ἰατρὸς καὶ ὁ βουλεύσας καὶ ὅλως τὸ ποιοῦν, πάντα ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς μεταβολῆς ἢ στάσεως [ἢ κινήσεως]. (5) Metaph. Δ12, 1019a32–35: λεγομένης δὲ τῆς δυνάμεως τοσαυταχῶς, καὶ τὸ δυνατὸν ἕνα μὲν τρόπον λεχθήσεται τὸ ἔχον κινήσεως ἀρχὴν ἢ μεταβολῆς καὶ γὰρ τὸ στατικὸν δυνατόν τι ἐν ἑτέρῳ ἢ ᾗ ἕτερον. (6) Metaph. Θ8, 1049b5–8: λέγω δὲ δυνάμεως οὐ μόνον τῆς ὡρισμένης ἣ λέγεται ἀρχὴ μεταβλητικὴ ἐν ἄλλῳ ἢ ᾗ ἄλλο, ἀλλ’ ὅλως πάσης ἀρχῆς κινητικῆς ἢ στατικῆς. Im Kontext der Physik (B1, 192b8–15) führt die Erwähnung der Ruheursache zu einer großen Interpretationsschwierigkeit. Obwohl unter der Ruhe nicht die absolute Ruhe, sondern nur das Ende der Bewegung zu verstehen ist, kann die relative Ruhe weder den Himmelskörpern noch den Grundelementen zukommen, die jedoch zu den natürlichen Seienden gehören (Metaph. Λ1, 1069a32–33; Λ6, 1071b3–4). Aristoteles’ Auffassung nach kann weder die himmlische Kreisbewegung (Metaph. Θ8, 1050b20–24) noch die Umwandlung der vier Elemente zu Ende gehen (Metaph. Θ8, 1050b28–30; Gen. et Corr. B10, 336b34–337a7; Simplicii In Physicorum 264.21–22: καὶ γὰρ τὸ κυκλοφορητικὸν σῶμα φυσικὸν καὶ αὐτὸ ὂν κινήσεως μὲν ἀρχὴν ἔχει ἐν ἑαυτῷ, στάσεως δὲ οὐκ ἔχει ἀπαύστως κινούμενον). Der Kreislauf, der sich entweder im kosmologischen Makro- oder im elementaren Mikrobereich ereignet, ist deswegen allen anderen Veränderungen vorrangig und vorbildlich, weil er den ewig bewegenden Nous nachahmt und sich in der unendlichen Zeit bewegt (ὥστε δὲ γίγνεσθαι μίαν, οὐκ ἐνδέχεται ἄπειρον εἶναι τῷ χρόνῳ πλὴν μιᾶς· αὕτη δ’ ἐστὶν ἡ κύκλῳ φορά – Phys. Z10, 241b18–20). Daraus resultiert der Widerspruch, dass die Himmelskörper und die Grundelemente als Naturseiende per definitionem die Ursache der Ruhe in sich haben sollten, tatsächlich aber ihr Kreislauf nicht beendet werden kann (ἐφιστάνει δὲ ὁ Ἀλέξανδρος, ὅτι „ < τούτων ἕκαστον > εἶπεν < ἐν ἑαυτῷ ἔχειν ἀρχὴν κινήσεως καὶ στάσεως >, ἃ προείρηκε, τουτέστι τὰ ζῷα καὶ τὰ φυτὰ καὶ τὰ ἁπλᾶ τῶν σωμάτων, ἀλλ’ οὐχὶ πάντα τὰ φυσικά· καὶ γὰρ τὸ κυκλοφορητικὸν σῶμα φυσικὸν καὶ αὐτὸ ὂν κινήσεως μὲν ἀρχὴν ἔχει ἐν ἑαυτῷ, στάσεως δὲ οὐκ ἔχει ἀπαύστως κινούμενον.“ – Simplicii In Physicorium 264.18–22). Darauf haben schon die antiken Kommentatoren hingewiesen, und es wurden verschiedene Interpretationsvorschläge gemacht. (1) Simplicius versucht, die Ruhe bei Himmelskörpern durch einen Perspektivwechsel zu erklären. Er meint, dass nicht der Himmelskörper selbst, sondern nur dessen Mittelpunkt stehenbleibt (μήποτε δὲ καὶ τὰ οὐράνια, κἂν μὴ μεταβάλλῃ ἀπὸ κινήσεως εἰς στάσιν, ἀλλ’ ὅμως ἔχει στάσιν καὶ αὐτὰ κατὰ τὸ κέντρον κατὰ τὸν ἄξονα κατὰ τοὺς πόλους κατὰ τὴν ὁλότητα – Simplicii In Physicorium 264. 22–25). Aber es geht nicht darum, ob das Ganze oder ein Teil des Himmelskörpers in Ruhe sein kann, sondern darum, ob es möglich ist, dass der Kreislauf überhaupt von der Bewegung in den Ruhezustand übergeht. (2) Thomas hebt hervor, dass die Physis als Wirkursache bei verschiedenen Naturseienden nicht auf gleiche Art und Weise funktioniert (non eodem modo – Thomas In Physicorum lib.2 l.1 n.5 [71676]). Aber die Funktionsverschiedenheit (diversimode) kann die oben erwähnte Aporie nicht auflösen. (3) Dagegen bieten wir einen anderen Interpretationsvorschlag: Die Erwähnung der Ruhe-Ursache ist notwendig und theoretisch von großer Bedeutung. Denn die Himmelskörper und die Grundelemente werden von den anderen Naturseienden, d. h. einzelnen Lebewesen, abgegrenzt, indem die Ruhe-Ursache eingeführt wird. Da sie kein innerliches Prinzip haben, in Ruhe zu sein, lassen sie sich von der Definition (Phys. B1, 192b13–15) ausschließen. In diesem Zusammenhang (Phys. B1, 192b8–13) handelt es sich daher nicht um den Unterschied zwischen den Naturseienden (Lebewesen, Himmelskörper und Grundelement) und den Nicht-Naturseienden, wie Aristoteles im Text behauptet (Phys. B1, 192b8–13), sondern es
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äußerlichen Hersteller, beim Naturseienden aber in diesem selbst (ἡ μὲν οὖν τέχνη ἀρχὴ ἐν ἄλλῳ, ἡ δὲ φύσις ἀρχὴ ἐν αὐτῷ).223 Die Betrachtung der geht nur um den Vergleich zwischen dem natürlichen Einzellebewesen und dem technischen Produkt. Dies ist folgendermaßen zu begründen: Erstens stimmt das einzelne Lebewesen mit der Bestimmung des Naturseienden insofern überein, als sich Mensch, Tier und Pflanze bewegen und ruhig bleiben können. Zweitens ist weder der kosmologische noch der elementare Körper, sondern nur das Lebewesen mit dem Artefakt vergleichbar, da nur das natürliche Einzelding anhand der Zusammensetzung von Form und Stoff erörtert werden kann. Drittens trifft diese Bestimmung des Naturseienden auf den Himmelskörper keineswegs zu, denn dieser hat nicht nur keine Ruhe-Ursache, sondern auch keine innere Bewegungsursache. Daraus folgt, dass nichts anderes als die Analogie von Naturentstehung und Herstellung zu thematisieren ist. 223 Metaph. Λ3, 1070a7–8. Kurz und bündig gesagt liegt der Unterschied zwischen Naturentstehung und Herstellung in der Differenz von Innerlichkeit und Äußerlichkeit der Wirkursache. Die Bewegungsursache sowie das Entstehungsprinzip sind dem natürlichen Seienden immanent, dem handwerklichen Artefakt aber äußerlich. Im Text (Phys. B1, 192b13–32) verwendet Aristoteles zwei Kriterien, um das Naturseiende von den anderen Seienden zu differenzieren. Außer der Innerlichkeit-Äußerlichkeit (ἐν ἑκάστῳ-ἐν ἄλλοις) wird der Gegensatz von Zufälligkeit und Notwendigkeit (καθ’ αὑτό-κατὰ συμβεβηκός) eingeführt, und zwar dadurch, dass ein Sonderfall zur Erwähnung kommt. Während sich die natürliche Kraft auf notwendige Weise verhält (ἔτι ὅθεν ἡ κίνησις ἡ πρώτη ἐν ἑκάστῳ τῶν φύσει ὄντων ἐν αὐτῷ ᾗ αὐτὸ ὑπάρχει – Metaph. Δ4, 1014b18–20; [. . .] καὶ κατὰ τοσοῦτον, ὡς οὔσης τῆς φύσεως ἀρχῆς τινὸς καὶ αἰτίας τοῦ κινεῖσθαι καὶ ἠρεμεῖν ἐν ᾧ ὑπάρχει πρώτως καθ’ αὑτὸ καὶ μὴ κατὰ συμβεβηκός – Phys. B1, 192b20–23), behandelt der Arzt seinen eigenen kranken Körper nur zufällig ([. . .] ὅτι γένοιτ’ ἂν αὐτὸς αὑτῷ τις αἴτιος ὑγιείας ὢν ἰατρός· ἀλλ’ ὅμως οὐ καθὸ ὑγιάζεται τὴν ἰατρικὴν ἔχει, ἀλλὰ συμβέβηκεν τὸν αὐτὸν ἰατρὸν εἶναι καὶ ὑγιαζόμενον – Phys. B1, 192b23–26). Denn es ist durchaus ein Zufall, dass der behandelnde Arzt und der behandelte Patient in eins fallen. Anhand der beiden Kriterien – Innerlichkeit/Äußerlichkeit und Zufälligkeit/Notwendigkeit – teilen sich die Naturentstehung, die Handlung im Sonderfall und die Herstellung chiastisch auseinander. Vor allem hat die Naturentstehung nicht nur die innere Wirkursache, sondern sie aktualisiert sich auch notwendigerweise (καὶ γὰρ ἡ φύσις ἐν ταὐτῷ [γίγνεται· ἐν ταὐτῷ γὰρ] γένει τῇ δυνάμει· ἀρχὴ γὰρ κινητική, ἀλλ’ οὐκ ἐν ἄλλῳ ἀλλ’ ἐν αὐτῷ ᾗ αὐτό – Metaph. Θ8, 1049b8–10; Phys. B1, 192b20–23). Im Vergleich dazu hat der Sonderfall, dass ein Arzt sich selbst heilt, zwar die Wirkursache in sich, aber er verhält sich nicht per se, sondern per accidens (τὰ δ’ ἐν αὑτοῖς μὲν ἀλλ’ οὐ καθ’ αὑτά, ὅσα κατὰ συμβεβηκὸς αἴτια γένοιτ’ ἂν αὑτοῖς – Phys. B1, 192b30–32). Bei der Herstellung aber ist die Wirkursache nicht nur äußerlich, sondern das Bewirkende kommt dem bewirkten Stoff auch nur zufällig zu (ὁμοίως δὲ καὶ τῶν ἄλλων ἕκαστον τῶν ποιουμένων· οὐδὲν γὰρ αὐτῶν ἔχει τὴν ἀρχὴν ἐν ἑαυτῷ τῆς ποιήσεως, ἀλλὰ τὰ μὲν ἐν ἄλλοις καὶ ἔξωθεν, οἷον οἰκία καὶ τῶν ἄλλων τῶν χειροκμήτων ἕκαστον – Phys. B1, 192b27–30; κλίνη δὲ καὶ ἱμάτιον, καὶ εἴ τι τοιοῦτον ἄλλο γένος ἐστίν, ᾗ μὲν τετύχηκε τῆς κατηγορίας ἑκάστης καὶ καθ’ ὅσον ἐστὶν ἀπὸ τέχνης, οὐδεμίαν ὁρμὴν ἔχει μεταβολῆς ἔμφυτον, ᾗ δὲ συμβέβηκεν αὐτοῖς εἶναι λιθίνοις ἢ γηΐνοις ἢ μικτοῖς ἐκ τούτων, ἔχει – Phys. B1, 192b16–20). Zusammenfassend gesagt wohnt der Techne eine äußerliche und zufällige Wirkursache inne (τέχνη-ἔξωθεν καὶ κατὰ συμβεβηκός; a principio extrinseco secundum accidens), dem Sonderfall der Praxis eine innerliche und zufällige Wirkursache (πρᾶξις/ἰάτρευσις-ἔνωθεν καὶ κατὰ συμβεβηκός; a principio intrinseco secundum accidens) und der Physis eine innere
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Herstellung leistet einen theoretischen Beitrag dazu, die innere Struktur der Naturentstehung zu verdeutlichen. Obwohl die natürliche Entstehung der menschlichen Herstellung vorbildlich ist (ἡ τέχνη μιμεῖται τὴν φύσιν – Phys. B2, 194a21–22), muss die Physis im Lichte der Techne betrachtet werden, da sie sich verbergen mag. Beim Artefakt fallen Form und Stoff bzw. Wirken und Leiden offensichtlich auseinander, beim Naturseienden aber zusammen. Des Weiteren ist durch die aristotelische Diagnose der vorangehenden Philosophie einzusehen, dass es überhaupt nicht selbstverständlich ist, das Naturseiende als das aus Stoff und Form Zusammengesetzte anzusehen und die Naturentstehung anhand der vier Ursachen darzulegen. Das Entstehungsprinzip des einzelnen Naturseienden kann nur dann hylemorphistisch zur Sprache kommen, wenn die Entstehung des Naturdings mit der Herstellung des Artefaktes verglichen wird (Phys. B1–2; Metaph. Δ4). Die maßgebende Vier-Ursachen-Lehre ist zuerst dyadisch konzipiert, denn bei der Herstellung sowie der Naturentstehung gelten die Form- und die Stoffursache als Grundstein. Um die Form in den Stoff zu prägen, bedürfen sowohl die Herstellung als auch die Naturentstehung der bestimmten Antriebskraft. Außerdem müssen die menschliche Produktion sowie die natürliche Zeugung das bestimmte Ziel erreichen und vollendet sein. Aus beiden substanziellen Ursachen treten die Wirkursache als Antriebskraft und die Zielursache als Zweck hervor. Dadurch dass die Physis zur Techne analog steht, kommen die vier Ursachen des Naturseienden zur Entfaltung, nämlich Stoff-, Form-, Wirk- und Zielursache. Im Folgenden richten wir die Aufmerksamkeit darauf, wie sich die strukturelle Übertragung der Herstellung auf die Naturentstehung schrittweise entwickelt. In erster Linie ist die Analogie von Techne und Physis folgendermaßen aufzustellen: ὥσπερ γὰρ τέχνη λέγεται τὸ κατὰ τέχνην καὶ τὸ τεχνικόν, οὕτω καὶ φύσις τὸ κατὰ φύσιν [λέγεται] καὶ τὸ φυσικόν [. . .]. – Phys. B1, 193a31–33
und notwendige Wirkursache (φύσις-ἐν ἑαυτῷ καὶ καθ’ αὑτό; a principio in seipso per se). Gegenüber der Herstellung und der Handlung ist die Naturentstehung durch die Innerlichkeit und die Notwendigkeit der Wirkursache ausgezeichnet. Die Einführung eines Sonderfalls zeigt, dass die Innerlichkeit der Wirkursache zwar die notwendige Bedingung der Naturentstehung, aber nicht hinreichend ist. Um sie wahrhaft zu charakterisieren, muss die Notwendigkeit, d. h. die Zweckmäßigkeit der Natur, in den Vordergrund gerückt werden. Andererseits ist dieser Sonderfall dem natürlichen Selbstvollzug am ähnlichsten (Phys. A8, 191b6–8). Während sich das Bewegende und das Bewegte bei der natürlichen Entstehung und Bewegung per se vereinen (Phys. Γ1, 201a23–25), fallen der behandelnde Arzt und der behandelte Patient nur per accidens zusammen. Aber um die Analogie von Techne und Physis zu verdeutlichen, genügt es, die Innerlichkeit und die Äußerlichkeit der Wirkursache zu erwähnen.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Wie die Techne als das durch die Techne Hergestellte und das Technische benannt ist, so die Physis als das durch die Natur Erzeugte und das Natürliche. Anders formuliert: Die Herstellung zum technischen Hergestellten und die Naturentstehung zum natürlichen Seienden stehen im analogischen Verhältnis.224 Die strukturelle Ähnlichkeit lässt sich zunächst mit dem fundamentalen Gefüge von Stoff und Form aufzeigen (Phys. B1, 193a9–17, 193a28–193b8). Damit das Artefakt hervorgebracht werden kann, muss der Stoff unmittelbar vorliegen. Der Stoff ist per se unwirksam, da er seine eigene Natur nicht von sich aus verwirklichen kann. Aus dem Holz kann nicht das Bett automatisch entstanden sein, sondern nur das Holz (Phys. B1, 193a12–14, 193b8–9). Bei der Herstellung bedarf der unwirksame Stoff der äußerlichen Formung oder Gestaltung (ἀρρύθμιστον-διάθεσις κατὰ ῥυθμὸν225). Zum einen lässt sich der Stoff durch unmittelbares Vorliegen (τὸ πρῶτον ἐνυπάρχον) und Unwirksamkeit (ἀρρύθμιστον) kennzeichnen (Phys. B1, 193a9–12; Metaph. Δ4, 1014b26–30). Zum anderen weist die Form auf die aktive Verwirklichung hin (ἐντελεχείᾳ – Phys. B1, 193a34–193b8). Damit wird das Artefakt durch die handwerkliche Zusammensetzung von Stoff und Form produziert. Analog zum technischen Kompositum kommt das natürliche Kompositum (De An. B1, 412a15–16) dadurch zustande, dass sich das materiale und das 224 Die Kommentatoren sehen den oben zitierten Satz als Beweis für die Analogie von Techne und Physis an. (1) Simplicii In Physicorum 276.7–15: ὡς ἐπὶ τῶν κατὰ τέχνην γεγονότων < τέχνη λέγεται τὸ κατὰ τέχνην > γεγονὸς < καὶ τὸ τεχνικόν > (θαυμαστὴν γὰρ τέχνην τοῦ ἀνδριάντος τὴν μορφὴν αὐτοῦ λέγομεν), < οὕτως καὶ > ἐπὶ τῶν φύσει καὶ διὰ φύσιν ὄντων < φύσις > ἂν εἴη < τὸ κατὰ φύσιν > τε < καὶ φυσικόν > . θαυμαστὴν γὰρ εἰ τύχοι καὶ τοῦ ξύλου φύσιν λέγομεν τὴν κατὰ τὸ εἶδος. ἀνάλογον γὰρ ὡς ἡ τέχνη πρὸς τὸ κατὰ τέχνην, οὕτως ἡ φύσις ἔχει πρὸς τὸ κατὰ φύσιν καὶ ἐναλλάξ, φασὶ γεωμετρῶν παῖδες. ἔν τε γὰρ τῷ κατὰ τέχνην ὄντι ἡ τέχνη καὶ ἐν τῷ κατὰ φύσιν ἡ φύσις. (2) Thomas In Physicorum lib.2 l.2 n. 3 [71682]: „Sicuti enim illud est ars, quod competit alicui inquantum est secundum artem et artificiosum; ita illud est natura, quod competit alicui inquantum est secundum naturam et naturale.“ 225 Simplicius und Heidegger folgend wählen wir statt κατὰ νόμον (bei Ross) die Lesart κατὰ ῥυθμὸν. Da die Unwirksamkeit und die Wirkung entgegengesetzt sind (ἀρρύθμιστον-ῥυθμὸν), kann der Unterschied von Stoff und Form anhand des Gegensatzes stärker und deutlicher gemacht werden. (1) Simplicii In Physicorum 274.3–5: τοῦτο δὲ συμβαίνει, διότι τὸ μὲν εἶδος καὶ [ἡ] κατὰ τρόπον καὶ κατὰ νόμον, τουτέστι κατὰ τὸ ταῖς τέχναις νενομισμένον [. . .]. (2) Simplicii In Physicorum 275.3–5: τινὲς δὲ ἀντὶ τοῦ < κατὰ νόμον διάθεσιν > τὴν < κατὰ ῥυθμὸν > γράφουσι. καὶ ἔστι τοῦτο γνωριμώτερον· ῥυθμὸς γὰρ ἡ μορφὴ λέγεται. (3) Heidegger, „Vom Wesen und Begriff der Φύσις“ (1976: 273–274): „Wir erkennen in dieser Unterscheidung (Stoff-Form) doch leicht die vorher besprochene wieder: πρῶτον ἀρρύθμιστον, das erstliche Verfassungslose, und ῥυθμός, die Verfassung. Allerdings ersetzt Aristoteles diese Unterscheidung nicht einfach durch die von ὕλη und μορφή. [. . .] Die Unterscheidung ὕλη-μορφή ist nicht einfach nur eine andere Formel für ἀρρύθμιστον-ῥυθμός, sondern sie verlegt die Frage nach der φύσις in eine völlig neue Ebene, auf der eben jene ungefragte Frage nach dem κίνησις-Charakter der φύσις beantwortet und die φύσις erst zureichend als οὐσία, als Art der Anwesung begriffen wird.“
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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formale Prinzip des einzelnen Menschen, d. h. Körper und Seele, zusammenfügen. Einerseits liegt der Körper, der aus Fleisch und Knochen besteht, unmittelbar vor und der Seele unwirksam zugrunde. Andererseits wirkt sich die Seele als Form des Körpers aktiv aus, indem sie die seelischen Vermögen, d. h. Ernährung, Wahrnehmung, Phantasie und Denken, aktualisiert. Demzufolge verhält sich der Körper zur Seele ebenso wie das Holz zur Bett-Gestalt oder das Erz zur Hermes-Statue. Die Herstellung sowie die Naturentstehung sind als Zusammensetzung von Stoff und Form anzusehen (σύνθεσις). Damit ist nicht die Mischung im vorsokratischen Sinne gemeint (μῖξις/σύγκρισις), wobei die materialen Elemente in gleichgültiger Weise gemischt und zergliedert werden (Metaph. A3, 984a13–16; B3, 998a28–30; H2, 1042b36–1043a1; H3, 1043b7–8). In Bezug auf die Zusammensetzung legt Aristoteles den Akzent nicht auf „zusammen“ (σύν), sondern auf „setzen“ (θέσις). Indem sich die Form in den Stoff setzt bzw. einprägt, ist die Form mit dem Stoff zusammengefügt. Das Setzen der Form macht die Zusammensetzung von Form und Stoff möglich (θέσις→εἶδος ποιεῖν→σύνθεσις).226 Ein Haus z. B. wird gebaut, indem die Hausgestalt mithilfe des Hausherren die Baustoffe in Ordnung bringt.227 Ein sinnvolles Wort (σύλλαβη) bildet sich dadurch, dass der Sinnzusammenhang den Vokal (α) und den Konsonanten (β) miteinander sinngemäß in Verbindung setzt.228 Der organische Körper ist dadurch konstituiert, dass die Seele die elementaren Körperteile zusammenbindet und die körperlichen Affektionen vom Warmen-Kalten harmonisch ordnet.229 Ohne aktives Wirken der Hausgestalt, des Sinnes oder der Seele stellen die Baustoffe, die Buchstaben oder die Körperteile einen Haufen (σωρός)230 dar. Ein
226 (1) Phys. B3, 195a19–21: [. . .] τούτων δὲ τὰ μὲν ὡς τὸ ὑποκείμενον, οἷον τὰ μέρη, τὰ δὲ ὡς τὸ τί ἦν εἶναι, τό τε ὅλον καὶ ἡ σύνθεσις καὶ τὸ εἶδος. (2) Metaph. Z8, 1033a32–34: λέγω δ’ ὅτι τὸν χαλκὸν στρογγύλον ποιεῖν ἐστὶν οὐ τὸ στρογγύλον ἢ τὴν σφαῖραν ποιεῖν ἀλλ’ ἕτερόν τι, οἷον τὸ εἶδος τοῦτο ἐν ἄλλῳ. (3) Metaph. H3, 1043b8–10: ὁμοίως δὲ οὐδὲ τῶν ἄλλων οὐθέν, οἷον εἰ ὁ οὐδὸς θέσει, οὐκ ἐκ τοῦ οὐδοῦ ἡ θέσις ἀλλὰ μᾶλλον οὗτος ἐξ ἐκείνης. (4) Metaph. H3, 1043b16–18: δέδεικται δὲ καὶ δεδήλωται ἐν ἄλλοις ὅτι τὸ εἶδος οὐθεὶς ποιεῖ οὐδὲ γεννᾷ, ἀλλὰ ποιεῖται τόδε, γίγνεται δὲ τὸ ἐκ τούτων. (5) Metaph. H3, 1043b22–23: τὴν γὰρ φύσιν μόνην ἄν τις θείη τὴν ἐν τοῖς φθαρτοῖς οὐσίαν. 227 Metaph. H3, 1043b4–6: οὐ φαίνεται δὴ ζητοῦσιν ἡ συλλαβὴ ἐκ τῶν στοιχείων οὖσα καὶ συνθέσεως, οὐδ’ ἡ οἰκία πλίνθοι τε καὶ σύνθεσις. 228 Metaph. Z17, 1041b16–17: ἔστιν ἄρα τι ἡ συλλαβή, οὐ μόνον τὰ στοιχεῖα τὸ φωνῆεν καὶ ἄφωνον ἀλλὰ καὶ ἕτερόν τι. 229 Metaph. Z17, 1041b17–19: καὶ ἡ σὰρξ οὐ μόνον πῦρ καὶ γῆ ἢ τὸ θερμὸν καὶ ψυχρὸν ἀλλὰ καὶ ἕτερόν τι. 230 Metaph. Z16, 1040b8–10; Z17, 1041a11–12; H6, 1045a8–12. Ein Haufen scheint dadurch einheitlich zu sein, dass die mannigfaltigen Sachen entweder nebeneinander gelegt werden (ὡς σωρὸς κατὰ παράθεσιν – Asklepios 451.20; Quandoque vero ex multis fit compositum, ita quod totum compositum non est unum simpliciter, sed solum secundum quid; sicut patet in cumulo
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Haufen scheint zwar auf chaotische Weise einheitlich zu sein, aber es mangelt ihm an der systematisch-organischen Einheit. Die Form als Ganzheit geht deshalb über die Gesamtheit der materialen Bestandteile hinaus (τὸ πᾶν ἀλλ’ ἔστι τι τὸ ὅλον παρὰ τὰ μόρια – Metaph. H6, 1045a9–10), weil das Ganze alle zugehörigen Teile ontologisch umfasst und logisch bestimmt.231 Umgekehrt können alle Teile die Ganzheit weder einschließen noch determinieren. Anders formuliert: In der Entstehung wirkt sich die Form als Ganzheit aktiv aus und die Materie als Bestandteil nimmt die Prägung, die Gestaltung oder die Ordnung der Form passiv in sich auf. Der Unterschied von Form und Stoff, der sich anhand der Herstellung zeigt, geht darauf zurück, dass beide in der Entstehung verschiedene Funktionen tragen. Indem die Form mit der Aktivität und der Stoff mit der Passivität zusammenhängen, ist der substanzielle Unterschied von Form und Stoff (μορφή-ὕλη) auf die funktionale Verschiedenheit von Machen und Erleiden (ποιεῖν-πάσχειν) zurückzuführen.232 Da ein produktiver Kausalzusammenhang im
vel acervo lapidum, cum partes sunt in actu, cum non sint continuae. Unde simpliciter quidem est multa, sed solum secundum quid unum, prout ista multa associantur sibi in loco – Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.17 n.25 [83243]) oder miteinander vermischt sind (ὡς σωρὸς κατὰ ἁφὴν – Alexander 542.14). 231 (1) Metaph. H6, 1045a8–12: πάντων γὰρ ὅσα πλείω μέρη ἔχει καὶ μὴ ἔστιν οἷον σωρὸς τὸ πᾶν ἀλλ’ ἔστι τι τὸ ὅλον παρὰ τὰ μόρια, ἔστι τι αἴτιον, ἐπεὶ καὶ ἐν τοῖς σώμασι τοῖς μὲν ἁφὴ αἰτία τοῦ ἓν εἶναι τοῖς δὲ γλισχρότης ἤ τι πάθος ἕτερον τοιοῦτον. (2) Alexander 543.13–15: οὐκ ἄρα οὔτε στοιχεῖόν ἐστι τὸ εἶδος οὔτε ἐκ στοιχείων· ὥστε ἔστι τι τοῦτο τὸ τὴν ὕλην κινοῦν καὶ ποιοῦν σάρκα καὶ συλλαβήν. 232 Zunächst hebt Aristoteles hervor, dass Form und Stoff der Gattung nach verschieden seien, denn weder ist die eine auf den anderen reduzierbar, noch können die beiden auf denselben Ursprung zurückkommen (ἕτερα δὲ τῷ γένει λέγεται ὧν ἕτερον τὸ πρῶτον ὑποκείμενον καὶ μὴ ἀναλύεται θάτερον εἰς θάτερον μηδ’ ἄμφω εἰς ταὐτόν, οἷον τὸ εἶδος καὶ ἡ ὕλη ἕτερον τῷ γένει – Metaph. Δ28, 1024b9–12). Für die These, dass die Form weder das Element (d. h. der Stoff) ist noch aus dem Element entsteht (Δείξας ἐν τῷ τέλει τοῦ πρὸ τούτου βιβλίου ὅτι ἡ συλλαβή, ἤτοι αὐτὸ τὸ τῆς συλλαβῆς εἶδος, ἕτερόν ἐστι τῶν στοιχείων, καὶ ὅτι οὔτε στοιχεῖόν ἐστι τὸ εἶδος οὔτε ἐκ στοιχείων, πάλιν τὰ περὶ ἐκείνων διαρθροῖ, λέγων ὅτι ἡ συλλαβή – Alexander 552.12–15), argumentiert Aristoteles in Z17 der Metaphysik (1041b19–25) ausführlich. Wenn die Form das stoffliche Element wäre, würde der Entstehungsprozess in den unendlichen Regress geraten. Falls das Fleisch aus Feuer und Erde stammt und die beiden Elemente jeweils aus weiteren Elementen entstanden wären, würde sich die Entstehung unendlich fortsetzen (εἰ τοίνυν ἀνάγκη κἀκεῖνο ἢ στοιχεῖον ἢ ἐκ στοιχείων εἶναι, εἰ μὲν στοιχεῖον, πάλιν ὁ αὐτὸς ἔσται λόγος· ἐκ τούτου γὰρ καὶ πυρὸς καὶ γῆς ἔσται ἡ σὰρξ καὶ ἔτι ἄλλου, ὥστ’ εἰς ἄπειρον βαδιεῖται – Metaph. Z17, 1041b19–22). Wenn die Form aus dem Element bzw. dem Stoff herkäme, könnte die Form entweder aus einem einzigen Element oder aus mehreren Elementen stammen (εἰ δὲ ἐκ στοιχείου, δῆλον ὅτι οὐχ ἑνὸς ἀλλὰ πλειόνων, ἢ ἐκεῖνο αὐτὸ ἔσται, [. . .] – Metaph. Z17, 1041b22–23). Entsprechend kann das Argument zweifach rekonstruiert werden. Im ersten Fall wird die Form mit dem Stoff gleichgesetzt und die Gleichsetzung führt zum unendlichen Regress. Da die Form auf
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Hintergrund steht, sind Form und Stoff nicht nur different, sondern auch und vor allem einander vertikal entgegengesetzt. Die hylemorphistische Struktur ist nicht nur der Techne, sondern auch der Physis zugeteilt, indem das hergestellte Artefakt sowie das entstandene Naturseiende als Kompositum von Stoff und Form angesehen werden.233 Des Weiteren dürfen in der menschlichen Herstellung sowie in der natürlichen Entstehung das materiale und das formale Prinzip nicht voneinander getrennt bleiben, sondern sie müssen in Verbindung gesetzt werden, damit die Entstehung geschieht. Aus diesem Grund bedarf es des wirkenden Prinzips. Zusammen mit der Wirkursache kommt die Zielursache zum Vorschein. Dadurch dass der Techniker das Artefakt herstellt und die Naturart das gleichartige Einzelding erzeugt, ist die Absicht des Herstellers zu realisieren und der Selbstzweck der Natur zu erreichen. Bei der Techne führt die Äußerlichkeit der Wirkursache zum äußeren Zweck. Der Techniker produziert das Artefakt, nicht nur um des Werks willen, sondern es dient vor allem zur menschlichen Nutzung. Man errichtet ein Haus nicht nur um des Hauses willen, sondern vielmehr, um darin zu wohnen. Man geht spazieren, nicht nur um zu laufen, sondern vielmehr, um gesund zu werden. Der Arzt heilt den Kranken nicht, um seine Heilkunst zu verbessern, sondern um der Gesundheit des Patienten willen (Phys. B1, 193b13–14). In der Herstellung und Handlung spielen der äußerliche Zweck und die menschliche Nutzung immer eine wichtige Rolle.234 Demgegenüber steht der Selbstzweck
das eine Element und das eine Element auf das andere zu reduzieren ist, kommt die gleiche Widerlegung zur Geltung. Im zweiten Fall entstände die Form aus mehreren Elementen und die Rückführung auf die Unendlichkeit wäre auch gültig (ὥστε πάλιν ἐπὶ τούτου τὸν αὐτὸν ἐροῦμεν λόγον καὶ ἐπὶ τῆς σαρκὸς ἢ συλλαβῆς – Metaph. Z17, 1041b24–25). Darüber hinaus wäre die Form vielfältig, indem die Form aus mehreren Elementen bestände. Da die Vielfältigkeit der Einfachheit der Form (ἁπλοῦν) entgegensteht, kommt die Form auf keinen Fall durch die Mischung der Elemente zustande. 233 (1) Phys. B1, 193a28–31: ἕνα μὲν οὖν τρόπον οὕτως ἡ φύσις λέγεται, ἡ πρώτη ἑκάστῳ ὑποκειμένη ὕλη τῶν ἐχόντων ἐν αὑτοῖς ἀρχὴν κινήσεως καὶ μεταβολῆς, ἄλλον δὲ τρόπον ἡ μορφὴ καὶ τὸ εἶδος τὸ κατὰ τὸν λόγον. (2) Phys. B2, 194a12–13: ἐπεὶ δ’ ἡ φύσις διχῶς, τό τε εἶδος καὶ ἡ ὕλη. (3) De An. B1, 412a15–22; B2, 414a14–19; Metaph. Z11, 1037a5–10. 234 Phys. B2, 194a33–194b8. Während der Selbstzweck den natürlichen Seienden immanent ist, stellen wir das bestimmte Artefakt um des Werks willen her (ἐν μὲν οὖν τοῖς κατὰ τέχνην ἡμεῖς ποιοῦμεν τὴν ὕλην τοῦ ἔργου ἕνεκα, ἐν δὲ τοῖς φυσικοῖς ὑπάρχει οὖσα – 194b7–8). Innerhalb der Techne macht Aristoteles eine weitere Unterscheidung zwischen der nützlichen Herstellung und der das Prinzip erkennenden Herstellung (δύο δὲ αἱ ἄρχουσαι τῆς ὕλης καὶ γνωρίζουσαι τέχναι, ἥ τε χρωμένη καὶ τῆς ποιητικῆς ἡ ἀρχιτεκτονική – 194a36–194b2). Um das Nützliche hervorzubringen, muss man zunächst dessen Prinzip zur Kenntnis nehmen. In diesem Sinne gehört die nützliche Herstellung zu der das Prinzip erkennenden Herstellung (διὸ καὶ ἡ χρωμένη ἀρχιτεκτονική πως – 194b2–3). Der Unterschied dazwischen ist folgendermaßen
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der Naturentstehung, der durch die innere Wirkursache gesetzt wird.235 Durch die innere Antriebskraft vollziehen sich die natürliche Entstehung und Bewegung automatisch. Dadurch dass die Naturart das gleichartige Einzelding regelmäßig und kontinuierlich reproduziert, vollzieht sich die Naturentstehung teleologisch. Aufgrund der Zweckmäßigkeit gilt die Physis nicht nur als Selbstvollzug (ἡ φύσις ἡ λεγομένη ὡς γένεσις ὁδός ἐστιν εἰς φύσιν – Phys. B1, 193b12–13), sondern auch als Selbstvollendung (ἡ δὲ φύσις τέλος καὶ οὗ ἕνεκα – Phys. B2, 194a28–29). Das Naturseiende ist nämlich entstanden und wird bewegt, und zwar von sich aus und um seiner selbst willen. Im weiteren Sinne können die Wirk- und die Zielursache einander horizontal entgegengesetzt sein. Sobald die Wirkursache als Antriebskraft den Entstehungsprozess in Gang bringt, fängt die Entstehung zeitlich an (αἴτιον ποιητικόν236→ἀρχή). Wenn das Produkt hervorgebracht ist, ist die Produktion gleichzeitig zu Ende gegangen (τέλος→τέλειον/τελευτή).237 Aber um die Form vollständig in den Stoff zu prägen, muss die Wirkursache das ganze Entstehungsverfahren hindurch dominieren. Darum kann die dauerhaft herrschende Antriebskraft nur insofern den einmaligen Entstehungsanfang bezeichnen, als das ontologische Prinzip, d. h. die Wirkursache, es ermöglicht, dass die Entstehung
zu formulieren: Die nützliche Herstellung dient zur Formung und zur Gestaltung der Materie (ἡ δὲ ὡς ποιητική, τῆς ὕλης – 194b4–5), um z. B. ein Bett aus dem Holz herzustellen (ὁ δ’ ἐκ ποίου ξύλου καὶ ποίων κινήσεων ἔσται – 194b6–7). Wie der Name besagt, orientiert sich die andere Herstellung daran, das Prinzip zu erkennen (ἡ μὲν τοῦ εἴδους γνωριστική, ἡ ἀρχιτεκτονική – 194b3–4). Anhand der Erkenntnis der Schifffahrt kann der Kapitän das Schiff fahren und es in die richtige Richtung lenken (ὁ μὲν γὰρ κυβερνήτης ποῖόν τι τὸ εἶδος τοῦ πηδαλίου γνωρίζει καὶ ἐπιτάττει – 194b5–6). Aristoteles trifft die Unterscheidung sehr fein, die allerdings für unser Argument nicht ganz so wichtig ist. Wir legen den Schwerpunkt darauf, dass das Artefakt einen äußeren Zweck mitbringen muss. Sobald es vom Menschen produziert wird, ist das menschliche Ziel schon darin enthalten. In der Tat kümmert man sich mehr um die Nutzung als um die Sache selbst. Da die technischen Produkte der äußerlichen Wirkursache bedürfen, ist der zusätzliche menschliche Zweck mit im Spiel. 235 (1) Phys. B2, 194a28–30: ἡ δὲ φύσις τέλος καὶ οὗ ἕνεκα, ὧν γὰρ συνεχοῦς τῆς κινήσεως οὔσης ἔστι τι τέλος, τοῦτο < τὸ > ἔσχατον καὶ τὸ οὗ ἕνεκα. (2) Phys. B8, 199b15–17: φύσει γάρ, ὅσα ἀπό τινος ἐν αὑτοῖς ἀρχῆς συνεχῶς κινούμενα ἀφικνεῖται εἴς τι τέλος. 236 Es gibt mehrere Ausdrucksweisen, die die Wirkursache äquivalent bezeichnen: ἡ ἀρχὴ τῆς κινήσεως – Metaph. A3, 983a30; ἡ ἀρχὴ τῆς γενέσεως – Metaph. Z8, 1033a24–25; τὸ αἴτιον ποιητικόν – Alexander 541.1–2; τὸ ποιητικὸν – Philoponi In Physicorum 298.3; ἔχει δὲ καὶ τὸ ποιοῦν αἴτιον, εἴπερ γενητόν ἐστι – Simplicii In Physicorum 363.29–30. Erwähnenswert ist, dass der Ausdruck ἀρχὴ τῆς κινήσεως an manchen Stellen auch das Prinzip der Entstehung bedeutet. 237 (1) Metaph. Δ16, 1021b28–30: διὸ καὶ ἡ τελευτὴ κατὰ μεταφορὰν λέγεται τέλος, ὅτι ἄμφω ἔσχατα· τέλος δὲ καὶ τὸ οὗ ἕνεκα ἔσχατον. (2) Metaph. Δ24, 1023a34: τέλος μὲν γάρ ἐστιν ἡ μορφή, τέλειον δὲ τὸ ἔχον τέλος.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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zeitlich anfängt. Wie sich die Wirkursache zum Anfang verhält, so verhält sich die Zielursache zum Ende. Das Ziel kommt zwar am Ende hervor, muss aber von Anfang an vorausgesetzt werden, denn um dessen willen vollzieht sich die Entstehung. Die ontologisch vorangehende Zielursache weist deswegen auf das zeitliche Ende hin, weil die Zielerreichung die Entstehung zum Abschluss bringt.238 Da die Wirkursache als Antriebskraft funktioniert und die Zielursache als vollkommenes Werk auftritt (ποιητικόν-βέλτιστον), können die Wirk- und die Zielursache (αἴτιον-τέλος) nur im übertragenen Sinne als Anfang und Ende der Entstehung (ἀρχή-τελευτή) bezeichnet werden. Ursprünglich ist die Antriebskraft dem Werk nicht entgegengesetzt und nur im abgeleiteten Sinne kann der Anfang dem Ende entgegengesetzt sein. Am Anfang, d. h. vor der Entstehung, ist die Form abwesend und privativ (ἀρχή-ἀπουσία-στέρησις) und am Ende, d. h. nach der Entstehung, ist sie anwesend und vollkommen (τελευτή-παρουσία-ἕξις). Darum können die Wirk- und die Zielursache nur dann einen horizontalen Gegensatz bilden, wenn sie als Gegensatzpaare, wie Anfang-Ende, AbwesenheitAnwesenheit oder Privation-Vollendung wiedergegeben werden.239 Aus dem oben Dargelegten kann man den folgenden Schluss ziehen: Anhand der Analogie von Techne und Physis kommen die vier Entstehungsprinzipien zum Vorschein, nämlich als Stoff-, Form-, Wirk- und Zielursache. Es handelt sich darum, dass das konkrete Einzelding durch die Kunst oder durch die Natur entstanden ist. Zweifelsohne sind dabei die Stoff- und die Formursache fundamental. Denn diese beiden gelten nicht nur als Entstehungsprinzipien, sondern sie konstituieren als Bestandteile die Einzelsubstanz, sodass die eine die materiale Substanz (οὐσία ὑλική) und die andere die formale Substanz 238 Das Ende kommt mit dem Ziel bzw. der Vollendung nicht immer zur Deckung. Das Ende des menschlichen Lebens (τελευτή) ist der Tod. Aber das menschliche Ziel (τέλος) liegt überhaupt nicht im Tod. Denn der Mensch ist lebend und lebendig, nicht um zu sterben, sondern um die menschliche Wesenheit zu vervollkommnen und zu verwirklichen. Nach dem menschlichen Ziel soll man auf eine vernünftige Weise denken und handeln. Nicht der beliebige Schluss bringt den Zweck hervor, sondern das vollkommene Ziel bringt den Entstehungsprozess erst zu Ende. Strenggenommen soll die Zielursache nicht mit dem Ende (ἔσχατον, ultimum), sondern mit der Vollendung gleichzusetzen sein, wobei sich das Seiende vervollkommnet (βέλτιστον, optimum). Vgl. Phys. B2, 194a30–33: διὸ καὶ ὁ ποιητὴς γελοίως προήχθη εἰπεῖν „ἔχει τελευτήν, ἧσπερ οὕνεκ’ ἐγένετο“ βούλεται γὰρ οὐ πᾶν εἶναι τὸ ἔσχατον τέλος, ἀλλὰ τὸ βέλτιστον. 239 (1) Metaph. A3, 983a30–32: τρίτην δὲ ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς κινήσεως, τετάρτην δὲ τὴν ἀντικειμένην αἰτίαν ταύτῃ, τὸ οὗ ἕνεκα καὶ τἀγαθόν (τέλος γὰρ γενέσεως καὶ κινήσεως πάσης τοῦτ’ ἐστίν). (2) Phys. B3, 195a8–14 = Metaph. Δ2, 1013b9–16: ἔστιν δέ τινα καὶ ἀλλήλων αἴτια, οἷον τὸ πονεῖν τῆς εὐεξίας καὶ αὕτη τοῦ πονεῖν· ἀλλ’ οὐ τὸν αὐτὸν τρόπον, ἀλλὰ τὸ μὲν ὡς τέλος τὸ δ’ ὡς ἀρχὴ κινήσεως. ἔτι δὲ τὸ αὐτὸ τῶν ἐναντίων ἐστίν· ὃ γὰρ παρὸν αἴτιον τοῦδε, τοῦτο καὶ ἀπὸν αἰτιώμεθα ἐνίοτε τοῦ ἐναντίου, οἷον τὴν ἀπουσίαν τοῦ κυβερνήτου τῆς τοῦ πλοίου ἀνατροπῆς, οὗ ἦν ἡ παρουσία αἰτία τῆς σωτηρίας.
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(οὐσία κατὰ τὸ εἶδος) ist.240 Einerseits weist der vertikale Gegensatz von Stoffund Formursache auf die Substantialität hin, da Stoff und Form Substanzen sind. Andererseits bringt der horizontale Gegensatz von Wirk- und Zielursache insofern die Prozessualität zum Ausdruck, als die Antriebskraft den Anfang und das Werk das Ende der Entstehung bezeichnet. Indem sich der vertikale und der horizontale Gegensatz zusammenfügen, ergibt sich eine Kreuzstruktur. Da die vier Ursachen durch die zwei Gegensatzpaare strukturiert sind, wird die Möglichkeit völlig ausgeschlossen, eine fünfte Ursache hinzuzufügen.241 240 Terminologisch wird der Stoff als die materiale Substanz bezeichnet (οὐσία ὑλική – Metaph. Θ7, 1049a36), die Form als die formale Substanz (ἡ κατὰ τὸ εἶδος οὐσία – Metaph. H3, 1044a10–11) und das Einzelding als die aus Stoff und Form zusammengesetzte Einzelsubstanz (ἡ μετὰ τῆς ὕλης [οὐσία] – Metaph. H3, 1044a11). Die substanziellen Bestandteile der Einzelsubstanz müssen deswegen auch Substanzen sein, weil es nicht möglich ist, dass die Einzelsubstanz aus der Nicht-Substanz stammt. Aus der Kombination der quantitativen (großklein oder viel-wenig) oder der qualitativen Eigenschaft (schwarz-weiß oder musikalischunmusikalisch) kann das konkrete Einzelding überhaupt nicht hervorgebracht werden. In der Tat trägt die Vier-Ursachen-Lehre theoretisch dazu bei, die materiale und die formale Substanz aus der Einzelsubstanz herzuleiten. Φύσις und τέχνη sind nichts anderes als zwei verschiedene Weisen, womit die Form mit der Materie kombiniert sein kann. Durch die Suche nach den Prinzipien der Einzelsubstanz treten die formale und die materiale Substanz in Erscheinung. Aufgrund dessen ist von drei Sorten von Substanzen die Rede, und zwar Stoff, Form und Kompositum. Vgl. Metaph. Z3, 1029a1–5; Z13, 1038b1–3; H1, 1042a24–31; H2, 1043a2–28; Λ3, 1070a9–13; De anima B1, 412a6–9; B2, 414a14–19. 241 In Bezug auf die aristotelische Vier-Ursachen-Lehre wird eine Frage immer wieder gestellt: Warum gibt es genau vier Ursachen, weder mehr noch weniger (ὅτι δὲ τοσοῦτοί εἰσιν οἱ τῶν αἰτίων τρόποι καὶ οὔτε πλείονες οὔτε ἐλάττονες – Simplicii In Physicorum 316.29–30)? Manche Forscher meinen, dass Aristoteles nichts anderes gemacht habe, als die vorhandenen Früchte der Forschung nebeneinanderzustellen und einfach zusammenzufassen (Ross 1924: 126). Genauer gesagt nehme Aristoteles von dem einen die Stoffursache auf, von dem anderen aber die Formursache, von dem dritten wiederum die Wirkursache, und die Zielursache sei erst die eigentümliche Erfindung des Aristoteles selbst. Auf diese Art und Weise, also durch die Zusammenfassung der vorhandenen Materialien seien die vier Ursachen zum Vorschein gekommen. Die Forscher tendieren dazu, den Ursprung der vier Ursachen auf die voraristotelische Philosophie zurückzuführen, weil Aristoteles die vier Prinzipien in der Tat gerade durch die Auseinandersetzung mit den Vorgängern darstellt. Trotzdem ist diese Meinung unhaltbar. Wie könnte es überhaupt geschehen, dass ein konkretes Einzelding durch die Zusammensetzung des elementaren Stoffs, wie Wasser, Feuer, mit einem solchen Formprinzip, das im Sinne der platonischen Idee jenseits des empirischen Seienden unveränderlich besteht, entstanden wäre? Denn weder Platons Ideenlehre, wonach die Idee als Formprinzip bestimmt ist, noch die vorsokratische Naturphilosophie, bei der die elementaren Stoffe als Materieprinzip zugrunde gelegt werden, orientiert sich an der Entstehung der einzelnen Substanzen, die allererst in der aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre selbst thematisiert wird. Dies macht Hegel in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie klar (1971: 63): „[. . .] so hat Thales noch nicht diese Gedankenbestimmung gehabt; er kannte Arche als Anfang in der Zeit, aber nicht als das Zugrundeliegende.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Das Verhältnis von Bewegung, Herstellung und Naturentstehung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die ganze Argumentation besteht aus zwei Schritten. Im ersten Schritt geht es um die Analogie zwischen der akzidentellen und der substanziellen Veränderung (κίνησις-γένεσις/φθορά). Wie sich der akzidentelle Gegensatz zum Einzelding verhält, so bezieht sich der substanzielle Gegensatz von Form und Privation auf die Materie. Im zweiten Schritt geht es um die Analogie zwischen der menschlichen Herstellung und der natürlichen Entstehung (ποίησις-φύσις), worin das Artefakt sowie das Naturseiende als das aus Form und Stoff Zusammengesetzte angesehen werden. Bewegung, Herstellung und Naturentstehung stehen deswegen im analogischen Verhältnis (κίνησις-ποίησις-φύσις), weil das fundamentale Gefüge von Machen und Erleiden (ποιεῖν-πάσχειν) durchgängig zur Geltung kommt. Die Veränderung, sei sie akzidentell oder substanziell, ergibt sich nur dann, wenn die akzidentelle Eigenschaft, die technische Gestalt oder die natürliche Art aktiv wirken und das Einzelding oder die Materie passiv bewirkt werden. Die Physik sollte die natürliche Entstehung und Bewegung thematisieren, aber die technische Herstellung ist immer in die Naturforschung einbezogen. Denn beim einzelnen Lebewesen sind Form-Stoff sowie Machen-Erleiden nicht unmittelbar durchsichtig, das Artefakt aber zeigt die hylemorphistische Struktur am offenkundigsten. Dadurch dass der Mensch nach dem Muster des Artefaktes in Betracht gezogen wird, ist der einzelne Mensch als Kompositum von Seele und Körper auszulegen. Wie Form und Stoff zusammengesetzt werden (μορφή-ὕλη), so fügen sich Seele und Körper zusammen (ψυχή-σῶμα). Jedoch vollzieht sich die Naturentstehung nicht nach dem technischen Modell, sondern auf eine andere Art und Weise. Was sich in der Natur tatsächlich ereignet, ist keineswegs die Zusammenfügung von Seele und Körper, sondern nur, dass ein Mensch einen anderen Menschen zeugt (ἄνθρωπος ἄνθρωπον γεννᾷ). Auf der phänomenalen Ebene geschieht nichts anderes, als dass der Vater (zusammen mit der Mutter) ein Kind zeugt. Im Wesentlichen aber geht es darum, dass sich die
Thales führte nicht einmal die Gedankenbestimmung von Ursache in seine Philosophie ein; erste Ursache ist aber eine noch weitere Bestimmung. [. . .] Der theoretische Ansatz der Ideenlehre weist überhaupt nicht auf die Ursache des Seienden oder der empirischen Phänomene hin, sondern Platon stellt die Ideen für die Einzelnen auf, ursprünglich um für das ethische und politische Chaos in Athen eine Lösung zu finden.“ Logischerweise muss die Sache umgekehrt gedacht werden. Nicht durch die Materialiensammlung aus der voraristotelischen Philosophie, sondern anhand seiner eigenen theoretischen Disziplin versucht Aristoteles, die damalige griechische Philosophie erneut zu „sortieren“ und damit zu systematisieren. Dass die vier Ursachen systematisch und notwendigerweise abzuleiten sind, kann nicht auf der Zusammenfassung der historischen Lehrmeinungen aufbauen, sondern der systematische Gedanke des Aristoteles steht diesbezüglich im Hintergrund.
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besondere Art am gleichartigen Einzelding konkretisiert. Die Tatsache, dass der Mensch weder andere Arten von Tieren noch Pflanzen, sondern nur den Menschen zeugen kann, drückt die natürliche Notwendigkeit aus. Dank des teleologischen Charakters der Natur reproduziert die menschliche Art die Menschen zweckmäßig und kontinuierlich. Obwohl sich die menschliche Art nur mithilfe einzelner Menschen verwirklichen kann, leistet nicht das individuelle Einzelne, sondern die besondere Art die Notwendigkeit und die Kontinuität der Naturentstehung. Im Grunde genommen vollzieht sich die Physis nicht gleicherweise wie die Techne, bei der Form und Stoff äußerlich und nachträglich zusammengesetzt werden, sondern derart, dass sich die Naturart am gleichartigen Einzelnen aktualisiert und konkretisiert (εἶδος→τόδε τι ὁμοειδές). Anhand der Analogie von Techne und Physis haben sowohl das technische als auch das natürliche Seiende drei Elemente, nämlich Form, Stoff und Zusammengesetztes (μορφή-ὕλη-σύνολον). Aus der Perspektive der dynamischen Funktion betrachtet sind sie Machen, Erleiden und Zusammenwirken (ποιεῖν-πάσχεινσύνθεσις). Bei der Techne stimmen das Machen mit der Form und das Erleiden mit dem Stoff überein. Dadurch, dass die aktive und die passive Kraft aufeinander wirken, wird das technische Kompositum, nämlich das konkrete Artefakt, hervorgebracht. Bei der Physis steht das Erzeugen in Einklang mit der Naturart (ποιεῖν = εἶδος) und das Erzeugte, d. h. das zusammengesetzte Seiende, ist das einzelne Naturding (σύνολον = τόδε τι). Was der Satz „Der Mensch zeugt den Menschen“ besagt, ist nichts anderes, als dass die menschliche Art als aktives Produzierendes den einzelnen Menschen produziert (ποιεῖν→σύνολον). Aus der produzierenden Naturart und dem Produkt ist das dritte Element, nämlich die passiv erleidende Materie, abzuleiten (πάσχειν = ὕλη). Der Herstellung und der Naturentstehung ist zwar dieselbe dreifältige Struktur von Machen, Erleiden und Zusammenwirken zugeteilt, aber nicht gleicherweise. Während das Artefakt durch die Zusammensetzung aus Form und Stoff hergestellt wird (μορφή + ὕλη→σύνολον; ποιεῖν + πάσχειν→σύνθεσις), lässt sich die Materie des Naturseienden aus Form und Kompositum herleiten (μορφή + σύνολον→ὕλη; ποιεῖν + σύνθεσις→πάσχειν). Aristoteles gibt zwar zu, dass die Materie real und unmittelbar vorliegt, ihre Wirklichkeit und Bestimmtheit aber müssen aus der Aktualisierung der Naturart resultieren. Ohne die Materialität preiszugeben, wird die materialistische Weltanschauung umgedreht, indem die Materie nicht als solche, sondern als die an ihr noch nicht aktualisierte Form theoretisch betrachtet wird. Anhand des Gefüges von Bewirken und Bewirktwerden ergibt sich die Analogie von Bewegung, Herstellung und Naturentstehung. Um die Naturentstehung einsichtig zu machen, ist es nötig, die Bewegung und die Herstellung zu erforschen. Trotz der strukturellen Ähnlichkeit ist die Naturentstehung weder
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die akzidentelle Verbindung der Eigenschaft mit dem Einzelding noch die äußerliche Zusammensetzung von Form und Stoff, sondern die Konkretisierung der besonderen Art am gleichartigen Einzelnen (καθόλου→καθ’ ἕκαστον). Die oben erwähnten Typen sind schematisch wie folgt darzustellen (Abb. 8):
Abb. 8: Analogie von Bewegung, Herstellung und Naturentstehung.
Techne und Physis sind zwar strukturell ähnlich, im Wesentlichen aber nicht deckungsgleich. Die menschliche Herstellung hängt wenig von der Sache ab, sondern viel eher vom Hersteller, denn er determiniert die Gestalt und den Zweck, um das Nützliche zu produzieren. Im Vergleich dazu gilt die natürliche Entstehung als Selbstvollzug, indem die Art ihre innere Natur am materialen Substrat vervollständigt. Die innere Einheit des Naturseienden verlangt, die Naturentstehung auf eine präzise Art und Weise zu charakterisieren. Dafür ist das Begriffspaar von δύναμις-ἐνέργεια einzuführen. Aufgrund dessen lässt sich die Naturentstehung nicht als nachträgliche Kombination der Form mit dem Stoff auslegen, sondern als teleologische Selbstaktualisierung des inneren Vermögens bestimmen. Das Gefüge von Vermögen und Verwirklichung ist darin der hylemorphistischen Struktur überlegen, dass es die Entzweiung von Form und Stoff vereinigt.242 Aristoteles führt den begrifflichen Wechsel durch, indem die drei formalen Ursachen, Form-, Wirk- und Zielursache in eines, d. h. in die ἐνέργεια, fallen243
242 Metaph. H6, 1045b17–22: ἔστι δ’, ὥσπερ εἴρηται, ἡ ἐσχάτη ὕλη καὶ ἡ μορφὴ ταὐτὸ καὶ ἕν, δυνάμει, τὸ δὲ ἐνεργείᾳ, ὥστε ὅμοιον τὸ ζητεῖν τοῦ ἑνὸς τί αἴτιον καὶ τοῦ ἓν εἶναι· ἓν γάρ τι ἕκαστον, καὶ τὸ δυνάμει καὶ τὸ ἐνεργείᾳ ἕν πώς ἐστιν, ὥστε αἴτιον οὐθὲν ἄλλο πλὴν εἴ τι ὡς κινῆσαν ἐκ δυνάμεως εἰς ἐνέργειαν. 243 Phys. B7, 198a22–27: ἐπεὶ δ’ αἱ αἰτίαι τέτταρες, περὶ πασῶν τοῦ φυσικοῦ εἰδέναι, καὶ εἰς πάσας ἀνάγων τὸ διὰ τί ἀποδώσει φυσικῶς, τὴν ὕλην, τὸ εἶδος, τὸ κινῆσαν, τὸ οὗ ἕνεκα.
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und die Stoffursache mit der δύναμις verknüpft ist (ἡ γὰρ οὐσία ὕλη καὶ δύναμις οὖσα – Metaph. Θ8, 1050b27). Außer der Formalität muss das aristotelische εἶδος zur Bewegung und zur Entstehung beitragen.244 Dadurch dass sich die Form auswirkt (εἶδος ποιοῦν), funktioniert die verwirklichende Formursache als Wirkursache (αἴτιον ποιητικόν). Das zeigt sich darin, dass sich die verschiedenen Naturarten in jeweils gleichartigen einzelnen Exemplaren manifestieren. Da die Form- und die Wirkursache beim Lebewesen zusammenfallen, werden sie von demselben Begriff ἐνέργεια zusammengefasst.245 Weiterhin ist die ἐνέργεια auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, da sich die natürliche Entstehung und Bewegung zweckmäßig vollziehen. Indem die Zweckmäßigkeit in den Mittelpunkt rückt, gilt die Verwirklichung (ἐνέργεια) als Ins-Ziel-Setzen (ἐντελέχεια).246 Anhand der ἐνέργεια kommen die drei formalen Ursachen in Einklang, indem die Formursache als Wirklichkeit (εἶδος: ἐνέργεια), die Wirkursache als Verwirklichung (ποιοῦν: ἐν-έργεια) und die Zielursache als Wirkliches (τέλος: ἔργον) ans Licht kommen. Andererseits lässt sich die Stoffursache, die mit dem passiven Vermögen versehen ist, mit der möglichen Form identifizieren (ὕλη = δύναμις οὖσα = τὸ δυνάμει ὄν).247 Es ist dem Naturseienden eigentümlich, dass
ἔρχεται δὲ τὰ τρία εἰς ἓν πολλάκις· τὸ μὲν γὰρ τί ἐστι καὶ τὸ οὗ ἕνεκα ἕν ἐστι, τὸ δ’ ὅθεν ἡ κίνησις πρῶτον τῷ εἴδει ταὐτὸ τούτοις· ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ. 244 Das aristotelische εἶδος ist dadurch von der platonischen ἰδέα unterschieden, dass die Naturart nicht nur auf die logische Formalität (Bestimmtheit) hinweist, sondern auch und vor allem die ontologische Aktivität bzw. Produktivität in sich trägt. Mittels der inneren Antriebskraft kann das gleichartige Einzelding aus der Art naturgemäß entstanden sein und sich automatisch bewegen. Da die platonische Idee nach der aristotelischen Interpretation von den konkreten Einzeldingen abgetrennt und nur für die logische Entität gehalten wird, kann sie als abstrakte Allgemeinheit zur Entstehung und zur Konkretisierung der Einzelsubstanz keinen Beitrag leisten. Vgl. Metaph. Z8, 1033b26–29: φανερὸν ἄρα ὅτι ἡ τῶν εἰδῶν αἰτία, ὡς εἰώθασί τινες λέγειν τὰ εἴδη, εἰ ἔστιν ἄττα παρὰ τὰ καθ’ ἕκαστα, πρός γε τὰς γενέσεις καὶ τὰς οὐσίας οὐθὲν χρησίμη· οὐδ’ ἂν εἶεν διά γε ταῦτα οὐσίαι καθ’ αὑτάς. 245 (1) Metaph. Θ8, 1049b24–29: ἀεὶ γὰρ ἐκ τοῦ δυνάμει ὄντος γίγνεται τὸ ἐνεργείᾳ ὂν ὑπὸ ἐνεργείᾳ ὄντος, οἷον ἄνθρωπος ἐξ ἀνθρώπου, μουσικὸς ὑπὸ μουσικοῦ, ἀεὶ κινοῦντός τινος πρώτου· τὸ δὲ κινοῦν ἐνεργείᾳ ἤδη ἔστιν. εἴρηται δὲ ἐν τοῖς περὶ τῆς οὐσίας λόγοις ὅτι πᾶν τὸ γιγνόμενον γίγνεται ἔκ τινος τι καὶ ὑπό τινος, καὶ τοῦτο τῷ εἴδει τὸ αὐτό. (2) Metaph. Θ8, 1050b2–3: ὥστε φανερὸν ὅτι ἡ οὐσία καὶ τὸ εἶδος ἐνέργειά ἐστιν. 246 Metaph. Θ8, 1050a21–23: τὸ γὰρ ἔργον τέλος, ἡ δὲ ἐνέργεια τὸ ἔργον, διὸ καὶ τοὔνομα ἐνέργεια λέγεται κατὰ τὸ ἔργον καὶ συντείνει πρὸς τὴν ἐντελέχειαν. 247 Da die Wirkursache der menschlichen Herstellung äußerlich ist, fallen die potentielle Form, die in der Seele des Herstellers vorliegt, und die wirkliche Materie auseinander. Da die natürliche Art dem Stoff immanent ist, gilt der Stoff als die noch nicht aktualisierte Art. Vgl. Metaph. H1, 1042a26–28; H2, 1042b8–11; Phys. B1, 193a14–17: [. . .] ὡς τὸ μὲν κατὰ συμβεβηκὸς
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die Form im Stoff (εἶδος ἐν τῇ ὕλῃ),248 d. h. das wirkende Vermögen in sich selbst (ἀρχὴ γὰρ κινητική, ἀλλ’ οὐκ ἐν ἄλλῳ ἀλλ’ ἐν αὐτῷ ᾗ αὐτό – Metaph. Θ8, 1049b9–10; M1, 1076b1–3; Phys. B1, 192b8–15, 192b20–23, 193a28–31; Γ1, 200b12–13), potentiell vorliegt. Beim Naturseienden vereinen sich die Materie und die Privation als potentielle Form miteinander, obwohl die eine durch Wirklichkeit und Passivität und die andere durch Potentialität und Aktivität gekennzeichnet ist. In der Naturentstehung sind die vier Ursachen dadurch ὑπάρχον, τὴν κατὰ νόμον διάθεσιν καὶ τὴν τέχνην, τὴν δ’ οὐσίαν οὖσαν ἐκείνην ἣ καὶ διαμένει ταῦτα πάσχουσα συνεχῶς. 248 (1) εἶδος ἐν τῇ ὕλῃ: (1.1) Metaph. Z8, 1033b5–8: φανερὸν ἄρα ὅτι οὐδὲ τὸ εἶδος, ἢ ὁτι δήποτε χρὴ καλεῖν τὴν ἐν τῷ αἰσθητῷ μορφήν, οὐ γίγνεται, οὐδ’ ἔστιν αὐτοῦ γένεσις, οὐδὲ τὸ τί ἦν εἶναι. τοῦτο γάρ ἐστιν ὃ ἐν ἄλλῳ γίγνεται ἢ ὑπὸ τέχνης ἢ ὑπὸ φύσεως ἢ δυνάμεως. (1.2) Metaph. Z8, 1033b29–32: ἐπὶ μὲν δή τινων καὶ φανερὸν ὅτι τὸ γεννῶν τοιοῦτον μὲν οἷον τὸ γεννώμενον, οὐ μέντοι τὸ αὐτό γε, οὐδὲ ἓν τῷ ἀριθμῷ ἀλλὰ τῷ εἴδει, οἷον ἐν τοῖς φυσικοῖς – ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ. (1.3) Metaph. Z8, 1034a2–8: ὥστε φανερὸν ὅτι οὐθὲν δεῖ ὡς παράδειγμα εἶδος κατασκευάζειν (μάλιστα γὰρ ἂν ἐν τούτοις ἐπεζητοῦντο· οὐσίαι γὰρ αἱ μάλιστα αὗται) ἀλλὰ ἱκανὸν τὸ γεννῶν ποιῆσαι καὶ τοῦ εἴδους αἴτιον εἶναι ἐν τῇ ὕλῃ. τὸ δ’ ἅπαν ἤδη, τὸ τοιόνδε εἶδος ἐν ταῖσδε ταῖς σαρξὶ καὶ ὀστοῖς, Καλλίας καὶ Σωκράτης· καὶ ἕτερον μὲν διὰ τὴν ὕλην (ἑτέρα γάρ), ταὐτὸ δὲ τῷ εἴδει (ἄτομον γὰρ τὸ εἶδος). (1.4) Asklepios 406.9–13: < ἱκανὸν > τοίνυν ἐστὶ < τὸ γεννῶν >, τουτέστι τὸ ποιητικὸν αἴτιον, ἐνθεῖναι τὸ εἶδος ἐν τῇ ὕλῃ, τουτέστι τὸ αἴτιον τοῦ εἴδους. ἡνίκα < δὲ > κατ’ ἐνέργειαν τὸ εἶδος τοῦτο ἐν τῇ ὕλῃ, τότε < ἤδη ἅπαν τὸ τοιόνδε εἶδος < ἐν > ταῖσδε ταῖς σαρξὶ καὶ τοῖς ὀστέοις > θεωρεῖται < Καλλίας καὶ Σωκράτης > . (1.5) Phys. B1, 192b32–34: φύσις μὲν οὖν ἐστὶ τὸ ῥηθέν· φύσιν δὲ ἔχει ὅσα τοιαύτην ἔχει ἀρχήν. καὶ ἔστιν πάντα ταῦτα οὐσία· ὑποκείμενον γάρ τι, καὶ ἐν ὑποκειμένῳ ἐστὶν ἡ φύσις ἀεί. (1.6) Simplicii In Physicorum 270.11–15: ἢ εἰπὼν ὅτι εἰσὶ πάντα ταῦτα οὐσίαι, τουτέστι τό τε ὑποκείμενον καὶ τὸ ἐν ὑποκειμένῳ, τοῦτο δείκνυσι διὰ μέσης τῆς φύσεως, λέγων ὅτι < ἡ φύσις ὑποκείμενόν τι καὶ ἐν ὑποκειμένῳ ἐστὶν ἀεί > . εἰ οὖν ἡ φύσις οὐσία, τὸ δὲ ὑποκείμενον φύσις καὶ τὸ ἐν ὑποκειμένῳ φύσις, τουτέστιν ἡ ὕλη καὶ τὸ εἶδος, οὐσία ἂν εἶεν ταῦτα πάντα. (1.7) Thomas In Physicorum lib.2 l.1 n.6 [71677]: „Et talia sunt omnia subiecta naturae: quia natura est subiectum, secundum quod natura dicitur materia; et est in subiecto, secundum quod natura dicitur forma.“ (2) Bemerkenswert ist, dass der Ausdruck ἐν ὑποκειμένῳ zweideutig ist. Zum einen liegt das einzelne Akzidenz in der zugrundeliegenden Einzelsubstanz vor (Cat. 2, 1a24–25). Zum anderen setzt sich die Art oder die Form in das materiale Substrat: (2.1) Metaph. Z8, 1033a34: τὸ εἶδος τοῦτο ἐν ἄλλῳ; 1033b6: [εἶδος] ἐν τῷ αἰσθητῷ; 1033b14–16: εἰ δή ἐστι σφαῖρα τὸ ἐκ τοῦ μέσου σχῆμα ἴσον, τούτου τὸ μὲν ἐν ᾧ ἔσται ὃ ποιεῖ, τὸ δ’ ἐν ἐκείνῳ, τὸ δὲ ἅπαν τὸ γεγονός, οἷον ἡ χαλκῆ σφαῖρα. (2.2) Alexander 495.36–496.1: καὶ εἴπερ ἐστὶ σφαῖρα σχῆμα τὸ πάντῃ ἴσον ἀπέχον τοῦ κέντρου, τούτου τοῦ σχήματος τὸ μὲν ἔσται ὑποκείμενον, ἐν ᾧ τὸ εἶδος ἔσται, ὃ ποιεῖ ὁ ποιῶν περὶ αὐτό, τὸ δὲ ἔσται εἶδος ἐν τῷ ὑποκειμένῳ ὄν, τὸ δ’ ἐκ τούτων ἔσται ἡ γεγονυῖα χαλκῆ σφαῖρα. (2.3) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.7 n.9 [82991]: „Si igitur quid est sphaerae quantum ad ipsam formam est quod sit figura aequalis ex medio, idest quod sit quaedam figura solida a cuius medio ad extremitates omnes lineae ductae sint aequales, oportet quod huius, scilicet sphaerae aereae hoc quidem, scilicet materia, sit in quo erat id quod facit generans, scilicet forma; et hoc sit in illo, scilicet forma, quae scilicet est figura ex medio aequalis, et hoc sit omne, idest totum quod factum est, scilicet aerea sphaera.“
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vereinigt, dass die Formursache als Aktualität, die Wirkursache als Aktualisierung, die Zielursache als Aktuelles und die Stoffursache als potentielle Form in Erscheinung tritt, welche aktualisierbar und noch nicht aktualisiert ist. Da das formale und das materiale Prinzip zusammengewachsen sind (σύμφυσις – Metaph. Δ4, 1014b22–26; Phys. E3, 227a23–24),249 ist die Physis naturgemäß als Selbstaktualisierung des inneren Vermögens bestimmt, welches am materialen Substrat potentiell vorhanden ist. Wie gezeigt wurde, konstituiert das Gefüge von Machen und Erleiden die analogische Struktur,250 die sich in Bewegung, Herstellung und Naturentstehung durchsetzt. Dasselbe Gefüge beschränkt sich nicht auf die Bewegung und die Entstehung der einzelnen Lebewesen, sondern erstreckt sich auch auf die Umwandlung der vier Grundelemente und auf die Kreisbewegung der Himmelskörper. Dadurch, dass das unbewegte Bewegende das Gestirn in Bewegung setzt, verhalten sich das eine als aktives Bewegendes und das andere als passives Bewegtes nach demselben Muster. Darüber hinaus ist der absolute Geist insofern durch dieselbe Struktur gekennzeichnet, als sich das Denken des Denkens in der Entzweiung von Denken und Gedachtwerden fundiert. Der Gegensatz von Machen und Erleiden (ἐναντίον)251 unterscheidet sich von allen anderen Gegensätzen. Während der Gegensatz der Grundelemente (WasserFeuer, Luft-Erde) sowie der Gegensatz der Akzidenzen (kalt-warm, feuchttrocken, gerecht-ungerecht) symmetrisch sind, bilden Machen und Erleiden ein asymmetrisches Verhältnis. In den meisten Fällen hat das Machen, das Machende oder die Aktivität die ontologische Priorität vor dem Erleiden, dem Erleidenden oder der Passivität, wie die Form dem Stoff ontologisch und logisch vorrangig ist.252 Weiterhin ist der asymmetrische Gegensatz vertikal konstituiert,
249 Derselbe Begriff wird auch im negativen Sinne angewendet. Vgl. Metaph. Z16, 1040b15; Ross 1924: 220; Frede und Patzig 1988: 302. 250 Phys. A5, 188b36–189a2: [. . .] ὥστε ταὐτὰ λέγειν πως καὶ ἕτερα ἀλλήλων, ἕτερα μὲν ὥσπερ καὶ δοκεῖ τοῖς πλείστοις, ταὐτὰ δὲ ᾗ ἀνάλογον· λαμβάνουσι γὰρ ἐκ τῆς αὐτῆς συστοιχίας· τὰ μὲν γὰρ περιέχει, τὰ δὲ περιέχεται τῶν ἐναντίων. 251 Gen. et Corr., A7, 324a7–9, 324a11–14; Metaph. Δ10, 1018a31–35: τὰ δ’ ἄλλα ἐναντία λέγεται τὰ μὲν τῷ τὰ τοιαῦτα ἔχειν, τὰ δὲ τῷ δεκτικὰ εἶναι τῶν τοιούτων, τὰ δὲ τῷ ποιητικὰ ἢ παθητικὰ εἶναι τῶν τοιούτων, ἢ ποιοῦντα ἢ πάσχοντα, ἢ ἀποβολαὶ ἢ λήψεις, ἢ ἕξεις ἢ στερήσεις εἶναι τῶν τοιούτων. 252 Innerhalb des akzidentellen Kompositums, wobei die ontische Bewegung, die logische Aussage und der ontologische Sachverhalt in Einklang kommen, ergibt sich eine Ausnahme. Nicht die aktive Eigenschaft ist das formale Prinzip der Einzelsubstanz, sondern die passive Einzelsubstanz ist das materiale Prinzip der kategorialen Eigenschaft. Denn trotz der Aktivität hängen die Eigenschaft, das Prädikat oder die Kategorie von der Einzelsubstanz ab, die ontisch, logisch und ontologisch zugrunde liegt.
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indem der produktive Kausalzusammenhang im Hintergrund steht. Durch die Übernahme und die Modifikation der platonischen Schöpfungstheorie macht Aristoteles es möglich, die Natur derart zu erklären, dass die Natur die schöpferische Kraft in sich trägt. Das Naturseiende kann entstanden sein, ohne einen übernatürlichen Schöpfer zu setzen. Die These des Aristoteles führt zu wichtigen theoretischen Konsequenzen. Erstens ersetzt Aristoteles das Entstehungsmodell der stofflichen Mischung-Ablösung, womit die vorsokratischen Naturphilosophen das Entstehen-Vergehen zu erklären versuchen, durch die hylemorphistische Zusammensetzung-Zergliederung. Das ganze Entstehungsproblem wird im Lichte des produktiven Kausalzusammenhangs betrachtet und aufgelöst. Zweitens bedarf die Naturart keiner äußerlichen Wirkursache, um das gleichartige Einzelding zu produzieren, sodass der Schöpfergott aufzuheben ist. Zum einen wird die göttliche Schöpfung theoretisch aufgehoben. Zum anderen wird die menschliche Schöpfung zur Imitation der Natur gezählt, sodass die Herstellung der Naturentstehung untergeordnet ist. Auf dieser theoretischen Grundlage entwickelt sich ein neues Weltbild. Demnach liegt die Naturwelt weder chaotisch vor noch ist sie vom Schöpfergott geschaffen, sondern die Natur als Selbstorganisation funktioniert automatisch und teleologisch.
2.2.2 Art-Einzelding: Naturentstehung-Herstellung-Handlung (εἶδος-τόδε τι: φύσις-ποίησις-πρᾶξις) Aufgrund der dreifachen Analogie von Bewegung, Herstellung und Naturentstehung (κίνησις→ποίησις→φύσις) kommt die innere Struktur der Physis hylemorphistisch zur Entfaltung. Die Physis kann zwar anhand der Techne theoretisch analysiert werden, aber nicht die Physis imitiert die Techne, sondern die Techne ahmt die Physis nach. Daraus folgt, dass nicht die Natur technisch, sondern die Techne naturgemäß betrachtet und erörtert werden soll. Die Natur ereignet sich notwendig, da sich die Naturart zweckmäßig im gleichartigen Einzelnen aktualisiert (εἶδος→τόδε τι). Dadurch, dass die menschliche Herstellung und Handlung die Zweckmäßigkeit der Naturentstehung nachahmen (Phys. B8, 199a8–20, 199b28–33), können die technische Gestalt (HermesGestalt) und die bestimmte Eigenschaft (Gesundheit) wie die natürliche Art auf notwendige Weise realisiert werden. Teleologisch gesehen ist die natürliche Entstehung, die menschliche Herstellung oder Handlung nichts anderes als die notwendige Verwirklichung der natürlichen Art, der technischen Gestalt oder der akzidentellen Eigenschaft. Anhand der ontologischen Notwendigkeit hängen die Physis, die Techne und die Praxis miteinander zusammen. Im Folgenden legen wir den Schwerpunkt darauf, zu zeigen, wie sich die Notwendigkeit
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der Naturentstehung in die menschliche Herstellung und Handlung ausdehnt (φύσις→ποίησις→πρᾶξις). Zunächst ist davon die Rede, worin die Notwendigkeit der Naturentstehung liegt.253 In der Entstehung müssen sowohl das materiale als auch das formale Prinzip vorhanden sein, denn ohne das eine oder ohne das andere kann das Einzelding nicht real entstehen. Demzufolge besteht die natürliche Notwendigkeit aus beiden Elementen, nämlich aus der materialen Zwangsläufigkeit (τὸ ἀναγκαῖον ἐν τῇ ὕλῃ = τὸ ἀναγκαῖον ἐξ ὑποθέσεως) und der formalen Zweckmäßigkeit (τὸ ἀναγκαῖον οὗ ἕνεκα ἐν τῷ λόγῳ = τὸ ἀναγκαῖον ἁπλῶς).254 Die Materie gilt deswegen als notwendige Bedingung der Entstehung, weil das konkrete Einzelding ohne den Stoff überhaupt nicht real entstanden sein kann (οὐκ ἄνευ, sine qua non).255 Die teleologische Verwirklichung der Form kommt auch zur Geltung, und zwar als hinreichende Bedingung der Entstehung. Denn nicht der Stoff, sondern die Naturart dominiert den ganzen Entstehungsprozess, indem die Naturart den Stoff formt und das Gleichartige hervorbringt. Da die Zielsetzung und die Zielerreichung der Naturart den Primat vor dem Stoffprinzip haben, besitzt die formale Zweckmäßigkeit die Notwendigkeit in höherem Maß als die materiale Zwangsläufigkeit. 253 Die natürliche Notwendigkeit kommt folgendermaßen zum Ausdruck: τὸ ἐξ ἀνάγκης εἶναι ἐν τῇ γενέσει – Phys. B9, 199b35–200a1; τὸ ἀναγκαῖον [. . .] ἐν τοῖς κατὰ φύσιν γιγνομένοις – Phys. B9, 200a15–16; τὸ ἀναγκαῖον ἐν τοῖς φυσικοῖς – Phys. B9, 200a30–31. Im Hinblick auf die voraristotelische Philosophie ist es nicht selbstverständlich, die Notwendigkeit in der Natur als gegeben anzusetzen. Dadurch, dass Platon das Werdende vom wahrhaften Seienden bzw. die empirische Welt von der Ideenwelt streng abgrenzt, ist das natürliche Seiende mit der Kontingenz verknüpft und die Idee notwendig an und für sich seiend. Laut Platon ist nicht die wandelbare Natur, sondern die unveränderliche Idee mit der Notwendigkeit verbunden. Andererseits tendieren die meisten Naturphilosophen dazu, anhand des materialen Prinzips das Weltganze zu erklären, wobei nur von der Zwangsläufigkeit der Materie die Rede ist. Platons Ideenlehre entgegen meint Aristoteles, dass sich die Natur notwendig ereignet. Die Naturphilosophie fortsetzend gibt Aristoteles zu, dass die natürliche Notwendigkeit teilweise aus der materialen Zwangsläufigkeit besteht, da kein einzelnes Naturseiendes ohne Materie real entstanden sein kann. Aber vielmehr liegt die Notwendigkeit in der Zweckmäßigkeit der natürlichen Verwirklichung. Ohne die aktive Aktualisierung der Naturart bleibt die Materie nur in der Möglichkeit. Es ist der großartige Beitrag des Aristoteles zur Philosophie, neben der logischen und der mathematischen Notwendigkeit (in scientiis demonstrativis necessiarum a priori – Thomas In Physicorum lib.2 l.15 n.5 [71804]) einen anderen Typ der Notwendigkeit (necessiarum in generatione rerum naturalium – [71804]) ans Lichte zu bringen. 254 Phys. B9, 199b34–35, 200a13–15, 200a30–32. 255 Phys. B9, 200a5–10; Simplicii In Physicorum 386.29–34: τοῦτο οὖν ἀποδοκιμάζει τὸ ἀναγκαῖον ἐπὶ τῆς ὕλης λεγόμενον, ἐγκρίνει δὲ τὸ ἐξ ὑποθέσεως. δι’ οὗ δείκνυσιν ὅτι οὐκ ἄνευ τῆς ὕλης γίνεται τὰ γινόμενα, οὐ μέντοι διὰ τὴν ὕλην ὡς διά τινα κυρίως αἰτίαν, ἀλλ’ ὡς δι’ ὕλην μόνον καὶ δι’ ὑλικὴν αἰτίαν. τὰ γὰρ ἐξ ὑποθέσεως ὡς ὕστερα τῶν προϋποτιθεμένων καὶ ἧττον αἴτιά ἐστι, τὸ δὲ κυρίως αἴτιον τὸ τέλος ἐστὶ καὶ τὸ οὗ ἕνεκα.
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Obwohl das einzelne Naturseiende zwangsläufig mit dem Stoff behaftet ist, gründet die Notwendigkeit der Naturentstehung nicht im materialen Substrat, sondern in der formalen Zielsetzung und Zielerreichung. Einen Schritt weiter lässt sich die Zweckmäßigkeit anhand des notwendigen Syllogismus nachweisen. Der Syllogismus bezeichnet ein deduktives Verfahren, wobei der Einzelfall aus dem vorausgesetzten allgemeinen Grundsatz, die Folge aus der Ursache oder das Prinzipiat aus dem Prinzip deduziert werden (αἴτιον→αἰτίατον). Der notwendige Syllogismus ist derart strukturiert, dass sich die wahre Konklusion aus der wahren Prämisse notwendigerweise ergibt (πρότασις→συμπεράσμα). Wenn die Prämissen notwendig wahr sind, dann ist es die Konklusion ebenso. Der notwendige Syllogismus kann nicht nur mathematisch-logisch konzipiert sein, sondern auch ontologisch aufgestellt werden, weil er im Bereich der Mathematik, der Logik und der Ontologie gemeinsam auf die notwendige Deduktion der Einzelheit aus der Allgemeinheit/Besonderheit hinweist (καθόλου→καθ’ ἕκαστον). ὥστε, ὥσπερ ἐν τοῖς συλλογισμοῖς, πάντων ἀρχὴ ἡ οὐσία· ἐκ γὰρ τοῦ τί ἐστιν οἱ συλλογισμοί εἰσιν, ἐνταῦθα δὲ αἱ γενέσεις. ὁμοίως δὲ καὶ τὰ φύσει συνιστάμενα τούτοις ἔχει. – Metaph. Z9, 1034a30–33256
In der Mathematik folgt die Winkelsumme, die zwei rechten Winkeln gleich ist, notwendig aus dem Dreieck (τὸ τρίγωνον→δύο ὀρθαῖς – Phys. B9, 200a15–24), und in der Logik lässt sich die einzelne Demonstration aus der allgemein gültigen Definition folgern (τί ἐστιν/ὁρισμός→ἀπόδειξις).257 Ist der Mensch überhaupt als vernünftiges Lebewesen bestimmt, ist jeder einzelne
256 (1) Phys. B7, 198b4–9: ὥστε ἐπεὶ ἡ φύσις ἕνεκά του, καὶ ταύτην εἰδέναι δεῖ, καὶ πάντως ἀποδοτέον τὸ διὰ τί, οἷον ὅτι ἐκ τοῦδε ἀνάγκη τόδε (τὸ δὲ ἐκ τοῦδε ἢ ἁπλῶς ἢ ὡς ἐπὶ τὸ πολύ), καὶ εἰ μέλλει τοδὶ ἔσεσθαι (ὥσπερ ἐκ τῶν προτάσεων τὸ συμπέρασμα), καὶ ὅτι τοῦτ’ ἦν τὸ τί ἦν εἶναι, καὶ διότι βέλτιον οὕτως, οὐχ ἁπλῶς, ἀλλὰ τὸ πρὸς τὴν ἑκάστου οὐσίαν. (2) Phys. B9, 200a34–200b5: καὶ τὸ τέλος τὸ οὗ ἕνεκα, καὶ ἡ ἀρχὴ ἀπὸ τοῦ ὁρισμοῦ καὶ τοῦ λόγου, ὥσπερ ἐν τοῖς κατὰ τέχνην, ἐπεὶ ἡ οἰκία τοιόνδε, τάδε δεῖ γενέσθαι καὶ ὑπάρχειν ἐξ ἀνάγκης, καὶ ἐπεὶ ἡ ὑγίεια τοδί, τάδε δεῖ γενέσθαι ἐξ ἀνάγκης καὶ ὑπάρχειν – οὕτως καὶ εἰ ἄνθρωπος τοδί, ταδί· εἰ δὲ ταδί, ταδί. ἴσως δὲ καὶ ἐν τῷ λόγῳ ἔστιν τὸ ἀναγκαῖον. (3) Thomas In Physicorum lib.2 l.15 n.5 [71804]: „Dicit ergo primo quod aliquo modo similiter invenitur necessarium in scientiis demonstrativis, et in iis quae generantur secundum naturam.“ (4) Thomas Expositio Posteriorum Analyticorum lib.1 l.3 n.1 [79487]: „Cuius quidem ratio est, quia, sicut iam ostensum est, oportet principia conclusioni praecognoscere. Principia autem se habent ad conclusiones in demonstrativis, sicut causae activae in naturalibus ad suos effectus (unde in II physicorum propositiones syllogismi ponuntur in genere causae efficientis).“ 257 Im notwendigen Syllogismus ist die Prämisse keine beliebige Aussage (ἒνδοξον), die wahr oder falsch sein kann, sondern bezieht sich auf die Wesensdefinition, die immer wahr ist (ἀρχήτί ἐστιν-ὁρισμός-ἀεὶ ἀληθὲς). Nicht nur der Obersatz, sondern auch der Untersatz hält sich von der Irrtumsmöglichkeit fern. Wenn es weder dem Obersatz noch dem Untersatz möglich ist,
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Mensch per definitionem vernünftig. In ähnlicher Weise lässt sich der notwendige Syllogismus im Zusammenhang mit der Naturentstehung aufzeigen, insofern das gleichartige Einzelne aus der Naturart notwendig folgt (εἶδος→τόδε τι ὁμοειδές). Der notwendige Syllogismus, der sich in der Mathematik, in der Logik und in der Natur vollzieht, beruht auf der notwendigen Schlussfolgerung. Analog zum notwendigen mathematisch-logischen Syllogismus kann die Naturentstehung als der notwendige ontologische Syllogismus bezeichnet werden. Während der notwendige mathematisch-logische Syllogismus auf die wahre Erkenntnis des Einzelnen abzielt (γινώσις: ἕκαστον ἁπλῶς – APo. A2, 71b9–15), orientiert sich der notwendige ontologische Syllogismus an der teleologischen Entstehung des Einzelnen (γένεσις: ἕκαστον ἁπλῶς – Phys. B9, 200a34–200b5). Der notwendige ontologische Syllogismus beschränkt sich nicht auf die Naturentstehung, sondern gilt auch für die Herstellung und die Handlung. Indem die menschliche Tätigkeit die natürliche Zeugung imitiert, beabsichtigt der Hersteller, das gleichartige Artefakt, z. B. Auto, zu reproduzieren und der Arzt zielt darauf ab, die Gesundheit wieder hervorzubringen. Da sich nicht nur Physis, sondern auch Techne und Praxis zweckmäßig und notwendig vollziehen, ergeben sich dementsprechend drei Typen der notwendigen ontologischen Syllogismen. Im folgenden Satz fasst Aristoteles zusammen, auf welche Art und Weise die Naturentstehung, die Herstellung und die Handlung jeweils syllogistisch konstituiert sind. δῆλον δ' ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ ὅτι τρόπον τινὰ πάντα γίγνεται ἐκ συνωνύμου, ὥσπερ τὰ φύσει; ἢ ἐκ μέρους συνωνύμου, οἷον ἡ οἰκία ἐξ οἰκίας, ᾗ ὑπὸ νοῦ· ἡ γὰρ τέχνη τὸ εἶδος; ἢ ἐκ μέρους συνωνύμου ἢ ἔχοντός τι μέρος, ἐὰν μὴ κατὰ συμβεβηκὸς γίγνηται· τὸ γὰρ αἴτιον τοῦ ποιεῖν πρῶτον καθ' αὑτὸ μέρος. – Metaph. Z9, 1034a21–26
Vor der ausführlichen Erörterung muss die Satzstruktur zunächst analysiert werden, die in der Forschung sehr umstritten ist. Dazu gibt es hauptsächlich zwei Interpretationsvorschläge. Sie unterscheiden sich durch die verschiedenen Punktierungsmöglichkeiten und gehen auf ein unterschiedliches Verständnis des Inhalts zurück. Sprachlich geht es darum, ob der Satz dreiteilig oder zweiteilig zu untergliedern sein soll. Im überlieferten Text liegen insgesamt drei Konjekturen (ἢ) vor, die aber verschiedene Funktionen haben. Die beiden Interpretationen kommen darin überein, dass die dritte Konjektur keinen Beitrag zur Disjunktion leistet, sondern sich nur auf die Gesundheit bezieht. Darum kann man die dritte Konjektur weglassen, wie Asklepios vorschlägt (ἢ ἐκ μέρους γινομένου ὁμωνύμου ἔχοντός τι μέρος – Asclepii In Metaphysicorum 410.8–10). Meines Erachtens ist es
falsch zu sein (μὴ ἐνδέχεσθαι τοῦτ’ ἄλλως ἔχειν – APo. A2, 71b9–15), dann tritt die Konklusion als notwendige wahre Aussage hervor (ἀναγκαῖον).
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sinnvoll, dass diese Konjektur an der Stelle erhalten bleibt. Denn das Entwederoder hängt damit zusammen, dass das Warme als Formursache die körperliche Gesundheit entweder gänzlich oder teilweise ausmacht.258 Wie oben gezeigt wurde, kommt die eine Lesart dadurch zustande, dass der ganze Satz durch die ersten beiden Konjekturen dreifach geteilt ist. Kommentatoren wie Alexander,259 Asklepios,260 Thomas von Aquin261 und
258 Metaph. Z9, 1034a26–29: θερμότης γὰρ ἡ ἐν τῇ κινήσει θερμότητα ἐν τῷ σώματι ἐποίησεν· αὕτη δὲ ἐστὶν ἢ ὑγίεια ἢ μέρος, ἢ ἀκολουθεῖ αὐτῇ μέρος τι τῆς ὑγιείας ἢ αὐτὴ ἡ ὑγίεια. 259 (1) Alexander 498.35–499.3: Δείξας διὰ πλειόνων ὅτι οὐ μόνον ὁ ἄνθρωπος ἐξ ἀνθρώπου γίνεται ἀλλὰ καὶ ἡ οἰκία ἐξ οἰκίας (ἡ γὰρ τέχνη, καθ’ ἣν ἡ οἰκία γίνεται, οὐδὲν ἄλλο ἐστὶν ἀλλ’ ἢ τὸ τῆς οἰκίας εἶδος), ὁμοίως καὶ ἡ ὑγίεια ἐξ ὑγιείας, λέγει ὅτι ἐκ τῶν εἰρημένων δῆλόν ἐστιν ὡς πάντα τρόπον τινὰ ἐξ ὁμωνύμου ἤτοι συνωνύμου γίνεται, εἰ μὴ κατὰ συμβεβηκός τι γίνεται. (2) Alexander 499.31–34: καὶ ἡ μὲν τῶν λεγομένων διάνοια αὕτη ἂν εἴη, καταστήσαις δ’ ἂν τὴν λέξιν ὧδε· πάντα γίνεται ἐξ ὁμωνύμου, ὅταν μὴ κατὰ συμβεβηκὸς γένηται· εἶτα ἐπάγει < ὥσπερ τὰ φύσει > καὶ τὰ ἑξῆς. 260 Asklepios 407.10–31: Δείξας διὰ τῶν προλαβόντων ὅτι τὸ ποιητικὸν αἴτιον ὁμοειδές ἐστι τῷ γινομένῳ, φησὶν ὅτι δῆλόν ἐστιν ἐκ τῶν εἰρημένων ὅτι τρόπον τινὰ ἅπαντα γίνεται ἐξ ὁμωνύμων, τουτέστιν ἐξ ὁμοειδῶν· ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ, καὶ ἵππος ἵππον. ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν τεχνητῶν· τὸ γὰρ εἶδος τοῦ οἴκου τὸ ἐν τῇ φαντασίᾳ τοῦ οἰκοδόμου ὁμοειδές ἐστι τῷ γινομένῳ. ὥστε καὶ ἐπὶ τῶν τεχνητῶν καὶ ἐπὶ τῶν φυσικῶν ὁμοειδές ἐστι τὸ γινόμενον τῷ ποιοῦντι. καὶ ἐπὶ τῶν ἐκ σήψεως γὰρ γινομένων ὁ αὐτός ἐστι λόγος· ἔστι γάρ τις λόγος φυσικὸς ὁ ποιῶν ἐκ τῆς σήψεως τὸ ζωύφιον, ἔχων ἐν ἑαυτῷ τὸ εἶδος τοῦ ζωυφίου. ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῆς ὑγείας· ὁ γὰρ ἰατρὸς ἐποίησε τὴν τρῖψιν, ἡ δὲ τρῖψις τὴν θερμότητα, ἡ δὲ θερμότης ποιεῖ τὴν ὑγείαν, καὶ ἢ αὐτὴ γίνεται ὑγεία, καὶ πάλιν οὕτω τὸ ποιητικὸν αἴτιον ὁμοειδὲς γίνεται τῷ γινομένῳ, ἤγουν μέρος γίνεται τῆς ὑγείας συγκιρναμένη τῇ ἐν τῷ σώματι θερμότητι καὶ αὔξουσα αὐτήν· καὶ οὕτως πάλιν μέρος τοῦ ποιητικοῦ μέρει τοῦ γινομένου γίνεται ὁμοειδές. ἢ γὰρ ὅλον γίνεται ἢ μέρος ὁμοειδὲς τὸ ποιοῦν τῷ γινομένῳ. [. . .] ὥστε καὶ ἐνταῦθα τὸ εἶδός ἐστι τὸ γεννῶν, ὥσπερ καὶ ἐκεῖσε τὸ ὁμοειδὲς γεννᾷ τὸ ὁμοειδές. 261 (1) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.13 [83014]: „Dixerat enim superius quod omne quod generatur, generatur a simili secundum speciem. Hoc autem non eodem modo se habet in omnibus: et ideo manifestare intendit, quomodo hoc diversimode in diversis inveniatur. [. . .] Sciendum est autem circa primum, quod omne quod generatur ab aliquo, aut generatur per se, aut generatur ab eo per accidens.“ (2) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.17 [83018]: „Et ideo dicit, palam ex dictis est quod aut fiunt omnia quodammodo ex totaliter univoco, sicut naturalia, ut ignis ab igne, et homo ab homine. Aut ex eo quod est ex parte univocum, quantum ad formam, et ex parte aequivocum quantum ad esse formae in subiecto; sicut domus fit ex domo quae est ars in artifice, aut ab intellectu, sive artis habitu. Ipsa enim ars aedificativa est species domus. Aut tertio modo fiunt aliqua ex parte formae praeexistentis in generante, sive ex ipso generante, habente partem praedictam.“ Wie Alexander und Asklepios hat Thomas den Satz zwar dreiteilig gelesen, aber inhaltlich anders interpretiert. Seiner Meinung nach ist die Gesundheit nicht auf die notwendige Heilkunst, sondern auf die zufällige Spontaneität zurückzuführen. Aufgrund dessen hält Thomas die Naturentstehung für generatio totaliter univoca (Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.14 [83015]), die Herstellung für generatio partim ex univoco (Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.15 [83016]) und das Hervorbringen der Gesundheit keineswegs für
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Schwegler262 vertreten diese Meinung. Damit ist Folgendes gemeint: Alle Seienden entstehen entweder aus συνωνύμου, wie die Naturdinge, oder (ἢ) teilweise aus συνωνύμου, wie die Artefakte, oder (ἢ) auf eine spezifische Art und Weise (ἐκ μέρους συνωνύμου ἢ ἔχοντός τι μέρος), wie die Gesundheit. Mit der sprachlichen Analyse übereinstimmend ist der Inhalt so auszulegen, dass die drei Typen notwendiger Entstehung, Physis, Techne und Praxis, zur Erwähnung kommen. Eine andere Lesart haben Alexander263 und Asklepios264 anzubieten, für die sich die meisten modernen Interpreten (Christ,265 Bonitz,266 Seidl,267 Ross,268 Jäger,269 Frede und Patzig270) entscheiden:
generatio univoca (Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.16 [83017]), da die Wirkursache derselben nicht notwendig ist (Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.13 [83014]). Dagegen lassen Alexander und Asklepios die natürliche Entstehung, die technische Herstellung und die ärztliche Heilung, die die Gesundheit notwendigerweise produziert, zur συνώνυμον-artigen Entstehung gehören. 262 Schwegler (1848: 88–89): „Drei Arten der Verwandtschaft bestehen zwischen dem Gewordenen (dem Product) und Demjenigen, woraus es wird. a. Vieles wird ἐξ ὁμωνύμου, ὥσπερ τὰ φύσει. Producirendes und Product sind sich hier schlechthin gleich. Das Pferd, ein Fisch, eine Pflanze werden ein jedes aus einem gleichnamigen Einzelding. b. Anderes wird aus einem theilweise Gleichnamigen – ἔκ τινος ἐκ μέρους ὁμωνύμου z. B. ein Haus. Das Haus wird aus der Idee (εἶδος) des Hauses, die im Verstande (νοῦς) des Baumeisters ist. Folglich wird das Haus aus einem Gleichnamigen. Denn nicht das ganze Haus, das Haus als σύνολον, das wirkliche, aus Stoff und Form zusammengesetzte, steinerne oder hölzerne Haus ist aus der Idee des Hauses, sondern nur die Idee oder Form des Hauses, also nur ein (der ideelle) Theil desselben. c. Anderes wird ἐκ μέρους, d. h. so, dass Dasjenige, woraus es wird, wirklicher Bestandtheil des Gewordenen bleibt. In dieser Weise wird die Gesundheit aus der Wärme, [. . .].“ 263 Alexander 499.8–31: πάντα οὖν, φησί, τρόπον τινὰ ἐκ συνωνύμου γίνεται. τὸ δὲ < τρόπον τινὰ > καὶ μετ’ ὀλίγον τὸ < ἢ ἐκ μέρους ὁμωνύμου > πρόσκειται διὰ τὰ ἀπὸ τέχνης. οὐ γὰρ οὕτως ἐξ οἰκίας ἐνεργείᾳ οὔσης οἰκία γίνεται, ὥσπερ ὁ ἄνθρωπος ἐξ ἀνθρώπου. ἔστιν οὖν ἡ οἰκία τρόπον τινὰ ἐκ συνωνύμου, ἢ ἐκ μέρους συνωνύμου, τουτέστι τρόπον μέν τινα ἐκ συνωνύμου (ὁ γὰρ λόγος τῆς οἰκίας κατηγορεῖται καὶ κατὰ τῆσδε τῆς οἰκίας), τρόπον δέ τινα οὐκ ἐκ συνωνύμου· οὐ γὰρ ὑφέστηκεν ἡ οἰκία ἐξ ἧς γίνεται· διὸ τρόπον τινὰ αὖθις οὐκ ἐκ συνωνύμων. [. . .] τὸ δὲ < ἢ ἐκ μέρους συνωνύμου ἢ ἔχοντός τι μέρος > τοιαύτην ἔχει τὴν ἔννοιαν· τὸ γὰρ θερμόν, ἐξ οὗ γέγονεν ἡ ὑγίεια, ἢ μέρος τι τῆς ὑγιείας ἐστὶν ἢ ἔχει μέρος αὐτῆς. Dieser Satz zeigt offensichtlich, dass Alexander die beiden Ausdrücke „τρόπον τινὰ ἐκ συνωνύμου“ und „ἐκ μέρους συνωνύμου“ für äquivalent hält. Die sich zwischen beiden Ausdrücken befindende Konjektur „ἢ“ bedeutet nur „anders gesagt“. Anhand dieser Lesart lautet der Satz: Auf die bestimmte Art und Weise sind alle Artefakte aus dem Gleichartigen entstanden, wie das Naturseiende“, anders gesagt, alle Artefakte sind teilweise aus dem Gleichartigen entstanden. 264 Asklepios 409.33–410.17: Δείξας ὅτι ὁμοειδές ἐστι τὸ γεννῶν τῷ γεννωμένῳ, φησὶν ὅτι < δῆλον ἡμῖν γέγονεν ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ ὅτι τρόπον τινὰ ἅπαντα γίνεται ἐξ ὁμωνύμων >, τουτέστιν ἐκ συνωνύμων· ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ, ταῦτα δὲ συνώνυμα. καλῶς δὲ προσέθηκε τὸ < τρόπον τινά >· οὐ γὰρ ἐπὶ πάντων εὐοδεῖ αὐτῷ ὁ λόγος, καὶ μάλιστα ἐπὶ τῶν τεχνητῶν καὶ τῶν ἐκ σήψεως. οὐ γὰρ τὸ εἶδος τοῦ ἀβακίου τὸ ἐν τῷ τέκτονι συνώνυμόν ἐστι
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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τῷ γινομένῳ ἀβακίῳ· διὸ καὶ αὐτὸς ἐπήγαγεν < ὥσπερ τὰ φύσει, ἢ ἐκ μέρους >, φησίν, < ὁμωνύμου, οἷον ἡ οἰκία γίνεται ἐξ οἰκίας, ἢ ὑπὸ νοῦ >· ἡ γὰρ τέχνη τὸ εἶδος ποιεῖ τῆς οἰκίας, τοῦ νοῦ ἔχοντος ἐν ἑαυτῷ τὸ εἶδος τοῦ ἀβακίου. καλῶς οὖν εἶπε καὶ τὸ < ἐκ μέρους >· οὔτε γὰρ ἡ οἰκία ἡ αὐτή ἐστι τῷ τέκτονι, ὥσπερ ὁ Ἕκτωρ τῷ Πριάμῳ, ἀλλὰ κατὰ μέρος, κατὰ τὴν φαντασίαν, ἣν ἔχει ἐν ἑαυτῷ ὁ τέκτων τοῦ ἀβακίου. < ἢ ἐκ μέρους > γινομένου ὁμωνύμου < ἔχοντός τι μέρος, ἐὰν μὴ κατὰ συμβεβηκὸς γένηται > . τὸ γὰρ θερμὸν τὸ ἐκ τῆς τρίψεως γινόμενον μέρος ἐστὶ τοῦ ποιήσαντος καὶ ποιεῖ μέρος τι θερμασίας ἐν τῷ σώματι ὅμοιον ἑαυτῷ, αὖξον αὐτὴν ἢ καὶ γεννῶν διαφορουμένης τῆς ὑγρότητος [. . .]. Während beide Interpretationsvorschläge bei Alexander miteinander vermischt sind, bietet Asklepios offenkundig zwei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, indem er dieselbe Stelle zweimal kommentiert. In der zweiten Lesart kommt die Naturentstehung zwar zur Sprache, nämlich dass der Mensch den Menschen zeugt. Aber die Einführung dieses klassischen Beispiels dient nicht dazu, die Naturentstehung zu erörtern, sondern zur Begründung dafür, dass der Begriff „ὁμωνύμων“ durch den Terminus „συνωνύμων“ ersetzt werden soll. 265 Christs Lesart (1895): δῆλον δ’ ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ ὅτι τρόπον τινὰ πάντα γίγνεται ἐξ ὁμωνύμου, ὥσπερ τὰ φύσει [ἢ ἐκ μέρους ὁμωνύμου], οἷον ἡ οἰκία ἐξ οἰκίας, ᾗ ὑπὸ νοῦ (ἡ γὰρ τέχνη τὸ εἶδος), ἢ ἐκ μέρους ὁμωνύμου ἢ ἔχοντός τι μέρος, ἐὰν μὴ κατὰ συμβεβηκὸς γίγνηται. Eigentlich liest Christ den Text auf eine ähnliche Art und Weise wie Jäger. 266 Der Lesart bei Christ folgend übersetzt Bonitz (1989: 37) den Satz folgendermaßen: „Aus dem Gesagten ist auch klar, dass alles gewissermaßen aus Gleichnamigem entsteht, wie das, was durch die Natur entsteht, (ähnlich) wie z. B. das Haus aus einem Hause bzw. durch die Vernunft (denn die Kunst ist die Form) oder aus einem gleichnamigen Teile oder aus etwas, das einen Teil enthält, falls es nicht akzidentell entsteht.“ 267 Anhand des griechischen Textes, der von Christ editiert wurde, und aufgrund der Übersetzung von Bonitz kommentiert Seidl wie folgt (1989: 411–412): „Unterscheidung des durch Kunst Werdenden, das aus Gleichnamigem entsteht, vom spontan Werdenden (das nicht aus Gleichnamigem entsteht): bei dem durch Kunst Werdenden geht, wie bei dem von Natur, die konkrete, mit dem Stoff verbundene Form aus der von ihm verschiedenen Form- und Bewegungsursache (im Künstler) hervor, die mit jener namensgleich (äquivok) ist, z. B. geht das konkrete Haus aus dem Haus in der Vernunft des Baumeisters hervor, oder die Gesundheit des kranken Leibes aus der in der Vernunft des Arztes gedachten Gesundheit; in gewisser Weise auch aus einem gleichnamigen, stofflichen Teil, z. B. die Gesundheit aus einem Teil des Leibes, der eine (letzte mittelhafte) Bewegungsursache, z. B. Wärme, enthält.“ 268 Ross’s Lesart (1924): δῆλον δ’ ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ ὅτι τρόπον τινὰ πάντα γίγνεται ἐξ ὁμωνύμου, ὥσπερ τὰ φύσει, ἢ ἐκ μέρους ὁμωνύμου (οἷον ἡ οἰκία ἐξ οἰκίας, ᾗ ὑπὸ νοῦ· ἡ γὰρ τέχνη τὸ εἶδος) [ἢ ἐκ μέρους] ἢ ἔχοντός τι μέρος, – ἐὰν μὴ κατὰ συμβεβηκὸς γίγνηται. Ross’ Interpretation ist der Alexanders sehr ähnlich (499.8–15), insofern die Konjektur ἢ als „more exactly“ übersetzt wird. Ross (1924: 191–192): „All artefacta are produced from a thing having the same name as themselves, as are natural products, or (more exactly) from an element in themselves which has the same name as themselves (e. g. a house is produced from a house, inasmuch as it is produced by reason, for the art of building is identical with the formal element in a house), or from something involving an element in them (and having the same name as it).“
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2 Zweite Philosophie (Physik)
δῆλον δ' ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ ὅτι τρόπον τινὰ πάντα γίγνεται ἐκ συνωνύμου, ὥσπερ τὰ φύσει, ἢ ἐκ μέρους συνωνύμου, οἷον ἡ οἰκία ἐξ οἰκίας, ᾗ ὑπὸ νοῦ· ἡ γὰρ τέχνη τὸ εἶδος; ἢ ἐκ μέρους συνωνύμου ἢ ἔχοντός τι μέρος, ἐὰν μὴ κατὰ συμβεβηκὸς γίγνηται· τὸ γὰρ αἴτιον τοῦ ποιεῖν πρῶτον καθ' αὑτὸ μέρος.
Durch die zweite Konjektur ist der ganze Satz zwiefältig geteilt. Die erste Konjektur drückt nichts anderes aus, als dass die beiden Ausdrücke „τρόπον τινὰ ἐξ συνωνύμου“ und „ἐκ μέρους συνωνύμου“ äquivalent sind. Demzufolge soll
269 Jägers Lesart (1957): δῆλον δ’ ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ ὅτι τρόπον τινὰ πάντα γίγνεται ἐξ ὁμωνύμου, ὥσπερ τὰ φύσει, [ἢ ἐκ μέρους ὁμωνύμου] (οἷον ἡ οἰκία ἐξ οἰκίας, ᾗ ὑπὸ νοῦ· ἡ γὰρ τέχνη τὸ εἶδος) ἢ ἐκ μέρους < ὁμωνύμου > ἢ ἔχοντός τι μέρος, ἐὰν μὴ κατὰ συμβεβηκὸς γίγνηται. Wie gesagt hält Alexander (499.8–15) „τρόπον τινὰ ἐκ συνωνύμου“ und „ἐκ μέρους συνωνύμου“ inhaltlich für identisch und die Konjektur ἢ impliziert für ihn nichts anderes als eine andere Ausdrucksweise. Aufgrund dessen teilt Jäger den Satz in zwei Hälften und setzt den zweiten äquivalenten Ausdruck „ἐκ μέρους συνωνύμου“ in die Paraphrase. 270 Frede und Patzigs Einschätzung scheint mir ein bisschen schwankend zu sein. Einerseits folgen sie der Lesart von Ross, wobei von der Techne und Spontaneität die Rede ist. Frede und Patzig (1988: 156): „Zunächst jedenfalls sollte man eher meinen, es würden nur zwei Möglichkeiten unterschieden. Denn Aristoteles behauptet ganz allgemein, dass in gewisser Hinsicht eine jede Sache aus etwas Gleichnamigem entsteht, und zwar so, dass es entweder aus einem gleichnamigen Teil seiner selbst entsteht oder aber aus etwas, welches einen solchen gleichnamigen Teil besitzt. Wenn Aristoteles tatsächlich drei Möglichkeiten hätte unterscheiden wollen, sollte man erwarten, dass er ἢ ἐξ ὁμωνύμου . . . ἢ ἐκ μέρους ὁμωνύμου . . . ἢ ἔχοντός τι μέρος geschrieben hätte.“ Frede und Patzigs Meinung nach hindert τρόπον τινὰ in dem Ausdruck τρόπον τινὰ ἐκ συνωνύμου daran, diese Entstehungsweise als Naturentstehung zu interpretieren. Ihre Interpretation basiert darauf, dass sie „in gewisser Hinsicht aus dem Gleichnamigen“ (τρόπον τινὰ ἐκ συνωνύμου) mit dem Ausdruck „aus einem gleichnamigen Teil“ (ἐκ μέρους συνωνύμου) identifizieren und „Teil“ ganz streng als Substantiv verstehen. Andererseits haben Frede und Patzig schon die Tendenz, die Naturentstehung in den Satz einzubeziehen. Ein klarer Beweis liegt darin, dass sie nicht wie Ross das Subjekt des Satzes als „alle Artefakte“ bestimmen, sondern es als alle Gegenstände ansehen. Frede und Patzig (1988: 158): „Es scheint natürlicher, den Satz so zu verstehen, dass er behauptet, es werde nun klar, dass in gewisser Hinsicht überhaupt alle Gegenstände, und nicht nur Naturgegenstände, aus einem Gleichnamigen entstehen.“ Frede und Patzig (1988: 157): „Aus den Kapiteln 7 und 8 ergibt sich, dass alles, was aus Kunst, vor allem aber alles, was von Natur entsteht, in gewisser Hinsicht aus Gleichnamigen entsteht. Ein Mensch erzeugt einen Menschen, und selbst ein Haus entsteht aus einem Haus, insofern nämlich die Form des Hauses in der Seele des Baumeisters das Entstehen eines Hauses bewirkt. Aber eben weil das, was spontan entsteht, nicht auf diese Weise entsteht, weder von Natur noch aus Kunst, sondern aus einer Materie, könnte man meinen, dass es auch nicht aus einem Gleichnamigen entstehe.“ Frede und Patzig (1988: 156) erwähnen die Interpretationsmöglichkeit, den Satz dreifach zu teilen und zu verstehen, sehen sie aber als falsche Interpretation an.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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der Satz so zu verstehen sein: Alle Artefakte entstehen gewissermaßen (τρόπον τινὰ) aus συνωνύμου, wie die Naturdinge, anders gesagt (ἢ-die erste Konjektur), teilweise aus συνωνύμου, wie das Hausbauen. Oder (disjunktives Oder, ἢ-die zweite Konjektur) teilweise aus συνωνύμου kommt die Gesundheit zustande, deren Formursache, das Warme, entweder die ganze Gesundheit oder einen Teil davon konstituiert. Der Zweiteilung zufolge geht es inhaltlich nicht um den dreifachen Vergleich von Physis, Techne und Praxis, sondern darum, wie sich die Techne zur Spontaneität verhält (τέχνη-αὐτόματον: Ross 1924: 189–194; Frede und Patzig 1988: 155–159; Seidl 1989: 411–412). Nach dieser Interpretation ist die Spontaneität deswegen einbezogen, weil sie die körperliche Gesundheit zufällig verursachen kann (Metaph. Z7, 1032a12–13, 1032b21–26; Z9, 1034a9–10). Während ein Haus ohne die äußerliche Wirkursache, den Hausherren, nicht zu errichten ist, kann die Gesundheit außer der ärztlichen Behandlung vom Körper selbst spontan hergestellt werden (Metaph. Z9, 1034a9–10, 1034a16–19). Man kann zwar die Spur der Spontaneität in Z9 finden, aber der Einbezug derselben macht diese Lesart inhaltlich nicht haltbar. Denn die Spontaneität als zufällige Wirkursache, die nicht wissenschaftlich betrachtet und untersucht werden soll, lässt sich durch die Beschränkung „μὴ κατὰ συμβεβηκὸς γίγνηται“ ausschließen. Wenn man an dieser Lesart festhält, muss man den zweiten Teil des Satzes nicht mit der Spontaneität, sondern mit der Heilkunst in Verbindung setzen. Denn die ärztliche Praxis zielt darauf ab, die Gesundheit auf notwendige Weise wiederherzustellen. Nach der zweiten Lesart geht es im zitierten Satz nur um den Vergleich von Techne und Praxis. Bemerkenswert ist, dass sowohl Alexander als auch Asklepios beide Interpretationsmöglichkeiten anzubieten haben. Es hängt nicht nur davon ab, dass der überlieferte Text unklar ist, sondern auch damit zusammen, wie man den ganzen Sinnzusammenhang der Kapitel 7–9 der Metaphysik Z verstehen soll. Es ist gar kein Zufall, dass die drei Beispiele, nämlich das Zeugen des Menschen, das Errichten des Hauses und das Heilen des Körpers, zur Sprache kommen. Sie stellen die drei Typen der notwendigen Entstehung paradigmatisch dar, die in der natürlichen oder der menschlichen Zweckmäßigkeit fundiert sind. In der Physik sowie in der Metaphysik gibt es mehrere Stellen, wo Aristoteles die Naturentstehung, die Herstellung und die Handlung zusammen behandelt (Phys. B1, 192b13–32; B2, 194a21–27; B9, 200a34–200b5; Metaph. Z7, 1032b11–14; Z9, 1034a21–26; Λ4, 1070b25–34). Außerdem stehen die drei Untersuchungsgegenstände, nämlich Physis, Techne und Praxis (φύσις-ποίησις-πρᾶξις), in Einklang mit der dreifachen Einteilung der Wissenschaft (φυσική/θεωρητική-ποιητικήπρακτική). Aus den oben erwähnten Gründen bevorzugen wir die Dreiteilung des zitierten Satzes und wählen die erste Lesart.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Der Satz ist folgendermaßen zu formulieren: Von den Gesagten271 ist schon plausibel gemacht worden, dass alles (πάντα)272 entweder aus 271 Wie der Kommentator „das Gesagte“ auslegt, kommt darauf an, wie er den ganzen Sinnzusammenhang von Z7–9 versteht. Nach der zweiten Lesart ist der Satz (1034a21–26) zweigliedrig und es geht um den Vergleich zwischen Techne und Spontaneität. Indem der Satz im Rahmen von Z9 betrachtet und interpretiert wird, meinen Kommentatoren wie Frede und Patzig (1988: 157), Ross (1924: 191–192) und Seidl (1989: 411–412), dass mit dem Gesagten die voraufgehenden Bemerkungen in Kapitel 9 gemeint seien. Denn am Anfang des Kapitels 9 (Z9, 1034a9–21) ist tatsächlich davon die Rede, worin der Unterschied zwischen Hausbauen und Körperheilen liegt. Während der Hausherr als äußerliche Wirkursache ein Haus bauen kann, reicht der Arzt nicht aus, um den kranken Körper zu heilen. Denn die innere Wirkursache, d. h. die Spontaneität des Körpers, spielt auch eine Rolle. Nach der ersten Lesart ist der Satz dreigliedrig und es handelt sich um den dreifachen Vergleich von Physis, Techne und Praxis. In diesem Fall interpretieren die Kommentatoren, wie Alexander, Asklepios und Thomas, den Satz nicht innerhalb des Kapitels 9 allein, sondern im Rahmen von Z7–9. Aufgrund dessen weist der Satz (1034a21–26) als Zusammenfassung auf den einführenden Inhalt in Z7 und Z8 hin. Bei Alexander (Δείξας διὰ πλειόνων ὅτι οὐ μόνον ὁ ἄνθρωπος ἐξ ἀνθρώπου γίνεται ἀλλὰ καὶ ἡ οἰκία ἐξ οἰκίας [. . .], ὁμοίως καὶ ἡ ὑγίεια ἐξ ὑγιείας – Alexander 498.35–499.1) impliziert „das Gesagte“ sehr wahrscheinlich den Inhalt an der Stelle (Z7, 1032b11–14), wo die gleichen Ausdrücke auftreten, nämlich dass das Haus aus dem Haus und die Gesundheit aus der Gesundheit entstanden sind. Da Asklepios die Homogenität hervorhebt (Δείξας διὰ τῶν προλαβόντων ὅτι τὸ ποιητικὸν αἴτιον ὁμοειδές ἐστι τῷ γινομένῳ, φησὶν ὅτι δῆλόν ἐστιν ἐκ τῶν εἰρημένων ὅτι τρόπον τινὰ ἅπαντα γίνεται ἐξ ὁμωνύμων, τουτέστιν ἐξ ὁμοειδῶν· ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ, καὶ ἵππος ἵππον. ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν τεχνητῶν· [. . .] ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῆς ὑγείας· [. . .] ὥστε καὶ ἐνταῦθα τὸ εἶδός ἐστι τὸ γεννῶν, ὥσπερ καὶ ἐκεῖσε τὸ ὁμοειδὲς γεννᾷ τὸ ὁμοειδές – Asklepios 407.10–31), bezieht er sich auf andere Stellen, nämlich Z7, 1032a22–25 und Z8, 1033b29–32, wobei von ὁμοειδές die Rede ist. Thomas liest den Satz zwar dreiteilig, hält aber fest, dass es um die Naturentstehung, die Herstellung und die Spontaneität geht (Sciendum est autem circa primum, quod omne quod generatur ab aliquo, aut generatur per se, aut generatur ab eo per accidens – Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.13 [83014]). Anhand seiner Lesart und Interpretation kann „das Gesagte“ nur auf den Anfangssatz des Kapitels 7 (Z7, 1032a12–13) verweisen. Denn dort spricht Aristoteles über die verschiedenen Wirkursachen (Dicit ergo primo, quod eorum quae fiunt, quaedam fiunt a natura, quaedam ab arte, et quaedam a casu sive automato, idest per se vano – Sententia Metaphysicae lib.7 l.6 n.1 [82947]). 272 Dass die Kommentatoren das Subjekt des Satzes jeweils anders bestimmen, hängt wiederum mit der Frage zusammen, wie man den ganzen Satz versteht. Nach der ersten Lesart interpretieren die antiken und die mittelalterlichen Kommentatoren (Alexander 498.35–499.3; Asklepios 407.10–31; Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.17 [83018]) die πάντα/omnia als alle Seienden, die die Naturseienden, die Artefakte und die durch die Heilkunst produzierte Gesundheit umfassen. Anhand der zweiten Lesart sehen Ross (1924: 189, 191) und Seidl (1989: 411) das Subjekt als alle Artefakte. Frede und Patzig (1988: 158) entscheiden sich zwar für die zweite Lesart, finden es aber „natürlicher“, das Subjekt des Satzes als alle Gegenstände zu bezeichnen. Ross hat sprachlich begründet, aus welchem Grund das Subjekt nur auf alle Artefakte hinweisen kann. Indem das Wörtchen ὥσπερ nicht als „wie“, sondern als „im Vergleich zu“ zu verstehen ist, muss das Subjekt etwas anderes als ein Naturseiendes sein. Vgl. Ross
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
193
συνωνύμου273 entsteht, wie das Naturseiende; oder teilweise aus συνωνύμου, (1924: 191): „πάντα, then, means ‚all artefacta‘, i. e. things of the type of artefacta, whether actually produced by art or spontaneously. The reference to natural products (ὥσπερ τὰ φύσει) is by way of comparison – just as artefacta are referred to by way of comparison in the account of natural products (a34, b4).“ Aber es gibt weder eine sprachliche noch eine sachliche Notwendigkeit, das Wort ὥσπερ als „comparison“ zu verstehen. Dagegen scheint mir vielmehr natürlicher, ὥσπερ einfach als οἷον anzusehen. 273 An dieser Stelle sind alle Kommentatoren und Forscher mit dem Problem konfrontiert, dass das Wort ὁμώνυμον im vorliegenden Zusammenhang nicht passt. (1) Deshalb ersetzt Alexander ὁμώνυμον durch συνώνυμον (πάντα τρόπον τινὰ ἐξ ὁμωνύμου ἤτοι συνωνύμου γίνεται – Alexander 499.2–3; πάντα οὖν, φησί, τρόπον τινὰ ἐκ συνωνύμου γίνεται – Alexander 499.8), Asklepios durch ὁμοειδές (τρόπον τινὰ ἅπαντα γίνεται ἐξ ὁμωνύμων, τουτέστιν ἐξ ὁμοειδῶν – Asklepios 407.11–12) oder durch συνώνυμον (Δείξας ὅτι ὁμοειδές ἐστι τὸ γεννῶν τῷ γεννωμένῳ, φησὶν ὅτι < δῆλον ἡμῖν γέγονεν ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ ὅτι τρόπον τινὰ ἅπαντα γίνεται ἐξ ὁμωνύμων >, τουτέστιν ἐκ συνωνύμων – Asklepios 409.33–35) und Thomas durch „generatur a simili secundum speciem“ (Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.13 [83014]) oder durch „generatio univoca totaliter“ (Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.14 [83015], lib.7 l.8 n.17 [83018]). (2) In Bezug auf ὁμώνυμον macht Bonitz folgende Anmerkungen im Index Aristotelicus (1870: 514): „Ex primaria et vulgari voc ὁμώνυμος significatione explicari videtur, quod aliquoties ὁμώνυμος legitur, ubi ex Aristotelico usu συνώνυμος requiras, τρόπον τινὰ πάντα γίγνεται ἐξ ὁμωνύμου. Μζ9, 1034a22, 23, b1. Bz (cf. Μλ3, 1075a5, Ζγβ1, 735a20), πρὸς ὁμωνύμον τὸ μικτόν, Γα10, 328b21.“ (3) Ross sowie Frede und Patzig meinen, dass Aristoteles an dieser Stelle ὁμώνυμον nicht terminologisch verwendet und es mit συνώνυμον gleichgesetzt werden kann. (3.1) Ross (1924: 192): „ἐξ ὁμωνύμου τὰ φύσει are actually produced ἐκ συνωνύμου (Λ3, 1070a5), from that which shares their nature as well as their name, but Aristotle occasionally ignores the distinction between ὁμώνυμον and συνώνυμον, which did not exist in ordinary Greek usage; cf. A. 987b9 n., De Gen. et Corr. 328b21.“ (3.2) Frede und Patzig (1988: 158): „Statt ὁμώνυμον in der hier vorliegenden allgemeineren Bedeutung verwendet Aristoteles selbst bezeichnenderweise auch συνώνυμον (Λ3, 1070a5). Der gewöhnliche griechische Sprachgebrauch unterscheidet nicht zwischen ὁμώνυμον und συνώνυμον, und auch Ps-Alexander setzt in seinem Kommentar zu dieser Stelle ohne weiteres ὁμώνυμον mit συνώνυμον gleich.“ (4) Dagegen entscheiden wir uns dafür, den Terminus „συνώνυμον“ in diesen Satz einzusetzen. Das beruht nicht nur auf den Textstellen, auf die Bonitz, Frede und Ross hinweisen: μετὰ ταῦτα ὅτι ἑκάστη ἐκ συνωνύμου γίγνεται οὐσία, τὰ γὰρ φύσει οὐσίαι καὶτὰ ἄλλα – Metaph. Λ3, 1070a4–6; ἐγέννησε μὲν τοίνυν τὸ συνώνυμον οἷον ἄνθρωπος ἄνθρωπον, αὔξεται δὲ δι’ ἑαυτοῦ – GA B1, 735a20–21. Vielmehr gibt es einen sachlichen Grund, wofür wir nachher ausführlich argumentieren werden. Kurz und bündig gesagt macht das συνώνυμον, das die Wesensgleichheit mit sich bringt, es erst möglich, dass sich Physis, Techne und Praxis als notwendiger Syllogismus vollziehen. Denn die Wesensgleichheit lässt sich ontologisch damit aufzeigen, dass das Gleichartige aus der Wesenheit notwendigerweise entstanden ist. Im Gegenteil dazu weist das ὁμώνυμον, das nur die Namensgleichheit verlangt, nichts anderes als die akzidentelle Prädikation und Veränderung auf. Aristoteles wendet den Terminus sehr präzise und streng an und deswegen sollten wir seine Terminologie ernst nehmen. Es ist überhaupt nicht vorstellbar, dass Aristoteles einerseits die Unterscheidung von συνώνυμον und ὁμώνυμον stark betont und andererseits dieselbe ganz und gar übersieht.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
wie das Artefakt, z. B. das Haus; oder die Gesundheit stammt teilweise aus συνωνύμου. Die Eigentümlichkeit der ärztlichen Behandlung liegt darin, dass die Formursache, das Warme, die Gesundheit entweder gänzlich oder teilweise verursacht, während die natürliche Art das ganze Naturseiende und die technische Gestalt das ganze Artefakt konstituiert. Zur Veranschaulichung stellen wir zunächst das Schema auf (Tab. 15) und erörtern es anschließend ausführlich. Tab. 15: Analogie von Physis, Poiesis und Praxis. Bereich
φύσις ποίησις (φυσική/θεωρητική) (ποιητική)
πρᾶξις (πρακτική)
Notwendige Entstehung
ἐκ συνωνύμου generatio totaliter univoca
ἐκ μέρους συνωνύμου generatio partim ex univoco
ἐκ μέρους συνωνύμου ἢ ἔχοντός τι μέρος
Syllogismus
Menschen zeugen
Haus bauen
Gesundheit herstellen
Formursache
die menschliche Art
die Hausgestalt in der Seele die Gesundheit in der des Hausherren Seele des Arztes
Wirkursache
der Vater
der Hausherr
der Arzt oder der Körper
Ziel(ursache)
das Kind
die Hausgestalt im Stoff
die Gesundheit im Körper
Analog zum logischen Syllogismus muss der ontologische Syllogismus aus drei Elementen bestehen. Der Syllogismus ist ontologisch strukturiert, indem die Formursache mit dem Obersatz (εἶδος-πρότασις/terminus major), die Wirkursache mit dem Untersatz (κινοῦν-μέσον/terminus minor) und das Ziel mit der Konklusion (τέλος-συμπεράσμα/conclusio) strukturell übereinstimmen. Des Weiteren ist der notwendige Syllogismus im συνώνυμον verwurzelt, das es ermöglicht, die Schlussfolgerung notwendig zu ziehen. Ursprünglich bezeichnet der Terminus συνώνυμον das logische Verhältnis der zwei Seienden, die nicht nur namensgleich, sondern auch definitionsgleich sind (συνώνυμα δὲ λέγεται ὧν τό τε ὄνομα κοινὸν καὶ ὁ κατὰ τοὔνομα λόγος τῆς οὐσίας ὁ αὐτός – Cat. 1, 1a6–7). Das συνώνυμον-artige Verhältnis, das die Gleichnamigkeit und die Wesensgleichheit verlangt, kommt nicht nur anhand der notwendigen Prädikation zur Sprache (καθ’ αὑτό λέγεται), sondern auch durch die notwendige Entstehung zum Vorschein (καθ’ αὑτό γίγνεται). Einerseits wird das Wesensprädikat vom einzelnen Subjekt notwendig prädiziert, z. B. dass der einzelne Mensch Mensch ist.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
195
Andererseits stammt der einzelne Mensch immer aus der menschlichen Art. Da das συνώνυμον die logisch-ontologische Notwendigkeit aufweist, bringt derselbe Terminus die wesentliche Prädikation und die notwendige Entstehung in Einklang. Im Grunde genommen weist das συνώνυμον auf die definitorische Wesensgleichheit hin, die zur notwendigen Schlussfolgerung, sei sie logisch, sei sie ontologisch, führt. In erster Linie lässt sich die Naturentstehung als generatio univoca totaliter bezeichnen (φύσις: γένεσις ἐκ συνωνύμου).274 In der Naturentstehung entspricht dem Obersatz die Naturart als Formursache, dem Untersatz der Vater als Wirkursache und der Konklusion das Kind als Ziel. Erstens haben die Form- und die Zielursache den gleichen Namen und die gleiche Definition, dadurch dass die menschliche Art dem einzelnen Menschen sowohl den einheitlichen Begriff als auch die allgemeine Definition verleiht.275 Zweitens ist nicht nur die Formursache, sondern auch die Wirkursache mit dem erzeugten Resultat namens- und definitionsgleich. Denn der erzeugende Vater sowie das erzeugte Kind müssen
274 Im Allgemeinen wird die Naturentstehung als generatio univoca totaliter (Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.14 [83015], lib.7 l.8 n.17 [83018]) bezeichnet, insofern das Erzeugende und das Erzeugte nicht nur den gleichen Namen, sondern auch die gleiche Wesenheit haben. Trotzdem gibt es Fälle, bei denen die durch die Natur Entstandenen zwar wesensgleich sind, aber nicht namensgleich. Außer der gleichartigen und gleichnamigen Naturentstehung, nämlich dass der Mensch den Menschen zeugt, gibt es noch die gewissermaßen gleichartige Naturentstehung (πως ὁμώνυμον/συνώνυμον – Metaph. Z9, 1034b1), wenn z. B. die Frau aus dem Mann oder der Mann aus der Frau entstanden ist (οὐ γὰρ πάντα οὕτω δεῖ ζητεῖν ὡς ἐξ ἀνθρώπου ἄνθρωπος·καὶ γὰρ γυνὴ ἐξ ἀνδρός – Metaph. Z9, 1034b1–3; [. . .] ἐπειδὴ καὶ ἀνὴρ τίκτεται ἐκ γυναικὸς καὶ γυνὴ γεννᾶται ἐξ ἀνδρός – Asklepios 411.3–4). Diese Entstehung ist insofern gewissermaßen gleichartig und nicht gleichnamig, als Frau und Mann zwar wesensgleich sind, aber Frau nicht Mann und Mann nicht Frau ist (ἰδοὺ γὰρ γυνὴ ἐξ ἀνδρὸς γίνεται, καὶ ὅμως οὐ λέγεται ἡ γυνὴ ἀνήρ – Alexander 500.23–24). Außerdem gibt es einen extremen Fall, bei dem ein Lebewesen von bestimmter Art überhaupt nicht aus seiner Art hervorgebracht werden kann (διὸ ἡμίονος οὐκ ἐξ ἡμιόνου – Metaph. Z9, 1034b3–4). Es geschieht zwar nicht naturwidrig, wenn ein Pferd einen Maulesel gebiert (ἂν μή τι παρὰ φύσιν γένηται, οἷον ἵππος ἡμίονον καὶ ταῦτα δὲ ὁμοίως – Metaph. Z8, 1033b33–34; ἐὰν μὴ πήρωμα ᾖ – Metaph. Z9, 1034b3). Aber diese seltsame Naturentstehung kann man weder als gleichartige noch als gleichnamige Entstehung ansehen, da die Erzeugenden, ἵππος καὶ ὄνον (Pferd und Esel) mit dem Erzeugten ἡμίονος (Maulesel) nicht zur gleichen Naturart gehören. Noch kann ἡμίονος nach dem ἵππος oder ὄνον genannt werden (οὐκ ὠνόμασται – Metaph. Z8, 1033b34–1034a1). 275 Cat. 5, 2a19–27: φανερὸν δὲ ἐκ τῶν εἰρημένων ὅτι τῶν καθ’ ὑποκειμένου λεγομένων ἀναγκαῖον καὶ τοὔνομα καὶ τὸν λόγον κατηγορεῖσθαι τοῦ ὑποκειμένου· οἷον ἄνθρωπος καθ’ ὑποκειμένου λέγεται τοῦ τινὸς ἀνθρώπου, καὶ κατηγορεῖταί γε τοὔνομα, – τὸν γὰρ ἄνθρωπον κατὰ τοῦ τινὸς ἀνθρώπου κατηγορήσεις·– καὶ ὁ λόγος δὲ τοῦ ἀνθρώπου κατὰ τοῦ τινὸς ἀνθρώπου κατηγορηθήσεται, – ὁ γὰρ τὶς ἄνθρωπος καὶ ἄνθρωπός ἐστιν·– ὥστε καὶ τοὔνομα καὶ ὁ λόγος κατὰ τοῦ ὑποκειμένου κατηγορηθήσεται.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Menschen und vernünftige Lebewesen sein. Da Form-, Wirk- und Zielursache, nämlich menschliche Art, Vater und Sohn eine Wesenseinheit bilden, vollzieht sich die Naturentstehung durchgängig notwendig und wird die generatio univoca totaliter genannt. Im Vergleich dazu ist die Herstellung (ποίησις: γένεσις ἐκ μέρους συνωνύμου) nur teilweise als συνώνυμον-artige Entstehung zu bezeichnen (τρόπον μέν τινα ἐκ συνωνύμου, partim ex univoco), teilweise aber nicht (τρόπον δέ τινα οὐκ ἐκ συνωνύμου, partim ex aequivoco).276 Bezüglich der Herstellung baut der 276 (1) Alexander 499.8–15: τὸ δὲ < τρόπον τινὰ > καὶ μετ’ ὀλίγον τὸ < ἢ ἐκ μέρους ὁμωνύμου > πρόσκειται διὰ τὰ ἀπὸ τέχνης. ἔστιν οὖν ἡ οἰκία τρόπον τινὰ ἐκ συνωνύμου ἢ ἐκ μέρους συνωνύμου, τουτέστι τρόπον μέν τινα ἐκ συνωνύμου· ὁ γὰρ λόγος τῆς οἰκίας κατηγορεῖται καὶ κατὰ τῆσδε τῆς οἰκίας; τρόπον δέ τινα οὐκ ἐκ συνωνύμου· οὐ γὰρ ὑφέστηκεν ἡ οἰκία ἐξ ἧς γίνεται· οὐ γὰρ οὕτως ἐξ οἰκίας ἐνεργείᾳ οὔσης οἰκία γίνεται, ὥσπερ ὁ ἄνθρωπος ἐξ ἀνθρώπου. διὸ τρόπον τινὰ αὖθις οὐκ ἐκ συνωνύμων. – Mit dem Ausdruck ἐκ μέρους συνωνύμου ist laut Alexander Folgendes gemeint: Auf die eine Weise besteht das Haus aus dem Gleichartigen, insofern die Definition des Hauses vom einzelnen Haus prädiziert werden kann. Auf die andere Weise kann das eine Haus nicht aus dem anderen Haus entstanden sein wie der eine Mensch von dem anderen Menschen erzeugt wird. Denn das Artefakt selbst kann nicht das gleichartige Einzelne aktiv herstellen. (2) Asklepios 410.3–8: διὸ καὶ αὐτὸς ἐπήγαγεν < ὥσπερ τὰ φύσει, ἢ ἐκ μέρους >, φησίν, < ὁμωνύμου, οἷον ἡ οἰκία γίνεται ἐξ οἰκίας, ἢ ὑπὸ νοῦ >· ἡ γὰρ τέχνη τὸ εἶδος ποιεῖ τῆς οἰκίας, τοῦ νοῦ ἔχοντος ἐν ἑαυτῷ τὸ εἶδος τοῦ ἀβακίου. καλῶς οὖν εἶπε καὶ τὸ < ἐκ μέρους >· οὔτε γὰρ ἡ οἰκία ἡ αὐτή ἐστι τῷ τέκτονι, ὥσπερ ὁ Ἕκτωρ τῷ Πριάμῳ, ἀλλὰ κατὰ μέρος, κατὰ τὴν φαντασίαν, ἣν ἔχει ἐν ἑαυτῷ ὁ τέκτων τοῦ ἀβακίου. – Asklepios weist nachdrücklich darauf hin, dass es wichtig sei, ἐκ μέρους (καλῶς οὖν εἶπε καὶ τὸ ἐκ μέρους) zu ergänzen. Nur teilweise (κατὰ μέρος) entsteht das Haus aus dem Haus, insofern das konkrete Haus nach dem Entwurf des Hauses, der dem Hausherren innewohnt, gebaut wird. (3) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.15 [83016]: „[. . .] sicut forma domus praecedit in artifice, non secundum esse materiale, sed secundum esse immateriale, quod habet in mente artificis, non in lapidibus et lignis. Et haec generatio est partim ex univoco quantum ad formam, partim ex aequivoco quantum ad esse formae in subiecto.“ Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.17 [83018]: „Aut ex eo quod est ex parte univocum, quantum ad formam, et ex parte aequivocum quantum ad esse formae in subiecto; sicut domus fit ex domo quae est ars in artifice, aut ab intellectu, sive artis habitu. Ipsa enim ars aedificativa est species domus.“ – Im Hinblick auf die Form ist das Artefakt aus dem Gleichartigen entstanden (partim ex univoco quantum ad formam) und in Bezug auf das konkrete Haus, wobei die Form in die zugrundeliegende Materie eingeprägt wird, kann ein Haus nicht vom Gleichartigen, nämlich vom Haus, hervorgebracht werden (partim non ex univoco quantum ad esse formae in subiecto). (4) Zusammenfassung: Hinsichtlich der Materie kann weder das Bett aus dem Holz noch das Haus aus dem Baustoff automatisch hervortreten (Phys. B1, 193a12–14, 193b9–11). Aber aus der formalen Perspektive ist das konkrete Bett oder Haus aus dem Entwurf des Bettes oder Hauses entstanden (Metaph. Z7, 1032b12; Z9, 1034a23), wenn die Herstellung als die Verwirklichung der technischen Gestalt angesehen wird. In diesem Sinne ist die Techne als teilweise gleichartige Entstehung zu bezeichnen. Mit der Techne hat die Praxis, d. h. die ärztliche Praxis, dies gemeinsam, dass die Gesundheit auch teilweise aus dem Gleichartigen produziert wird (ἐκ μέρους συνωνύμου). Da das Warme entweder die Ganzheit oder
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Syllogismus auf demselben Schema auf. Die Formursache, die Hausgestalt, gilt als Oberterminus, die Wirkursache, der Hausherr, als Unterterminus und die Zielursache, das Haus, als Konklusion. Die Form- und die Zielursache fallen deswegen zusammen, weil dieselbe Hausgestalt als Formursache in der Seele des Hausherren vorliegt und als Zielursache am konkreten Haus realisiert wird. Die technische Gestalt befindet sich in der menschlichen Seele (τόπος γὰρ εἰδῶν ἡ ψυχή).277 Anders gesagt: Die technische Gestalt muss vom menschlichen Verstand entworfen (ὑπὸ νοῦ) und durch die menschlichen Hände in die Tat umgesetzt werden. Da das Wirkende außer der bewirkten Sache bleibt, können der Hersteller als Wirkursache und das hergestellte Artefakt als Zielursache nicht zur Deckung kommen. Da der Hausherr und das Haus weder namensgleich noch definitionsgleich sind, verhalten sie sich zueinander weder συνώνυμονartig noch ὁμώνυμον-artig. Während das συνώνυμον die Wesensgleichheit verlangt, fordert das ὁμώνυμον die Gleichnamigkeit.278 Aber in der Herstellung haben der Techniker und das Artefakt weder die Benennung noch die Wesensdefinition gemeinsam. Daraus folgt, dass der Syllogismus bei der Techne nicht durchgängig ist, wie es bei der Naturentstehung geschieht. Die Beziehung der Formursache zum Ziel lässt sich mit dem συνώνυμον aufzeigen, insofern der intelligible Entwurf und die konkrete Existenz der Hausgestalt sowohl gleichnamig als auch wesensgleich sind. Die Wirkursache verhält sich zum Werk nicht συνώνυμον-artig, weil der Techniker und das Werk keinen Anteil an Wesensgleichheit haben. Darum ist die Herstellung nur teilweise durch das συνώνυμον gekennzeichnet (γένεσις ἐκ μέρους συνωνύμου, generatio partim ex univoco). Im Vergleich zur Naturentstehung und Herstellung ist der Syllogismus bei der ärztlichen Behandlung insofern eigentümlich, als er zwei verschiedene Mittelbegriffe/Wirkursachen zulässt.279 Die Formursache/Prämisse, d. h. das Warme
einen Teil der Gesundheit ausmacht, ist der Ausdruck „[ὅλως] ἢ ἔχοντός τι μέρος“ hinzuzufügen. Während dieses „μέρος“ für ein Substantiv gehalten wird, legen wir das „μέρος“ in dem Ausdruck „ἐκ μέρους συνωνύμου“ als adverbiale Anwendung aus. 277 (1) Metaph. Z7, 1032a32–1032b1: ἀπὸ τέχνης δὲ γίγνεται ὅσων τὸ εἶδος ἐν τῇ ψυχῇ. (2) De An. Γ4, 429a27–28: καὶ εὖ δὴ οἱ λέγοντες τὴν ψυχὴν εἶναι τόπον εἰδῶν. (3) Alexander 490. 17–18: τόπος γὰρ εἰδῶν ἡ ψυχή, ὡς ἐν τῇ Περὶ ψυχῆς εἴρηται. (4) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.6 n.24 [82970]: Dicit ergo primo, quod illa fiunt ab arte, quorum species factiva est in anima. 278 Cat. 1, 1a1–4: Ὁμώνυμα λέγεται ὧν ὄνομα μόνον κοινόν, ὁ δὲ κατὰ τοὔνομα λόγος τῆς οὐσίας ἕτερος, οἷον ζῷον ὅ τε ἄνθρωπος καὶ τὸ γεγραμμένον· τούτων γὰρ ὄνομα μόνον κοινόν, ὁ δὲ κατὰ τοὔνομα λόγος τῆς οὐσίας ἕτερος. 279 Aristoteles ist sich ganz und gar bewusst, dass die Gesundheit entweder durch die ärztliche Kunst oder vom Körper spontan hervorgebracht werden kann (τὸ δὴ ποιοῦν καὶ ὅθεν ἄρχεται ἡ κίνησις τοῦ ὑγιαίνειν, ἂν μὲν ἀπὸ τέχνης, τὸ εἶδός ἐστι τὸ ἐν τῇ ψυχῇ, ἐὰν δ’ ἀπὸ
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(εἶδος/πρότασις-θερμότης), orientiert sich am Ziel, die Gesundheit wiederherzustellen (τέλος/συμπεράσμα-ὑγίεια). Dasselbe Ziel kann entweder durch die ärztliche Therapie oder vom Körper selbst spontan erreicht werden (κινοῦν/μέσον-ἰατρός ἢ αὐτόματον). Unabhängig davon, ob die Gesundheit durch die Behandlung des Arztes notwendig oder durch die Spontaneität des Körpers zufällig produziert wird, verhält sich die Prämisse zur Konklusion (πρότασις→συμπεράσμα), die Formursache zum Ziel (εἶδος→τέλος), d. h. das Warme zur Gesundheit (θερμότης→ὑγίεια), συνώνυμον-artig. Das Warme ist deshalb mit der Gesundheit sowohl namensgleich als auch definitionsgleich, weil die Gesundheit nichts anderes als das Warme im Körper ist (Metaph. Z9, 1034a26–29). Die körperliche Gesundheit wird dadurch zustande gebracht, dass das Warme zum Kalten sowie das Trockene zum Feuchten symmetrisch stehen.280 Das harmonische Verhältnis der Affektionen kann nur
ταὐτομάτου, ἀπὸ τούτου ὅ ποτε τοῦ ποιεῖν ἄρχει τῷ ποιοῦντι ἀπὸ τέχνης, ὥσπερ καὶ ἐν τῷ ἰατρεύειν ἴσως ἀπὸ τοῦ θερμαίνειν ἡ ἀρχή, τοῦτο δὲ ποιεῖ τῇ τρίψει – Metaph. Z7, 1032b21–26; Ἀπορήσειε δ’ ἄν τις διὰ τί τὰ μὲν γίγνεται καὶ τέχνῃ καὶ ἀπὸ ταὐτομάτου, οἷον ὑγίεια, τὰ δ’ οὔ, οἷον οἰκία – Metaph. Z9, 1034a9–10). Obwohl die Heilkunst die Gesundheit notwendigerweise herstellt und die Spontaneität dies nur zufälligerweise bewerkstelligt, betont Aristoteles in einem anderen Zusammenhang die Gemeinsamkeit der beiden, wobei das Überlegen (νόησις) und das Handeln (ποίησις) miteinander verglichen werden (Z7, 1032b15–1033a1). Die beiden Begriffe werden nicht terminologisch verwendet, sondern in diesem Kontext sehr spezifisch bestimmt. Die νόησις bezeichnet die geistige Tätigkeit, in der man sich die Handlungsschritte überlegt. Während man in der Überlegung mit dem Prinzip anfängt und zum Ziel fortschreitet (ἡ μὲν ἀπὸ τῆς ἀρχῆς καὶ τοῦ εἴδους νόησις – Z7, 1032b16), beginnt die Handlung mit dem letzten Schritt der Überlegung und vollendet sich zum ursprünglichen Prinzip (ἡ δ’ ἀπὸ τοῦ τελευταίου τῆς νοήσεως ποίησις – Z7, 1032b16–17). Um den kranken Körper zu heilen, entwickelt der Arzt zunächst folgenden Gedankengang: Die Gesundheit muss auf die angemessene Temperatur bzw. das symmetrische Verhältnis der Affektionen zurückzuführen sein, die Symmetrie auf das Warme und das Warme auf die Reibung (νόησις: ὑγιεία→ὁμαλυνθῆναι ἢ συμμετρία→θερμότης→τρῖψις). In der Praxis führt der Arzt zunächst die Reibung aus, um das Warme im Körper wiederherzustellen. Die Körperwärme führt zur angemessenen Temperatur bzw. zur körperlichen Harmonie, die nichts anderes als die Gesundheit ist (ποίησις: τρῖψις→θερμότης ἢ θερμότης ἐν τῷ σώματι→ὁμαλυνθῆναι ἢ συμμετρία→ὑγιεία). Obwohl der Arzt das Warme notwendig und der Körper selbst es nur zufällig zustande bringen, müssen sowohl die Heilkunst (mit Überlegung) als auch die Spontaneität (ohne Überlegung) demselben Heilungsprozess folgen. Darin sind die notwendige und die zufällige Wirkursache der Gesundheit einander gleich. Vgl. auch Frede und Patzig (1988: 117): „Nur deshalb kann Aristoteles den Eindruck entstehen lassen, Kunstprozesse und spontane Prozesse liefen weithin in gleichen Bahnen, weil der Arzt nur den Anstoß zu einer Entwicklung gibt, die im Prinzip auch ohne seine Einwirkung und Überlegung ähnlich ablaufen könnte.“ 280 (1) Alexander 491.5–8: καὶ ὁ ἰατρὸς ἐννοεῖ τὸ εἶδος τῆς ὑγιείας ὅτι ἐστὶ τοδί, καὶ εἰ μέλλει ἔσεσθαι ὑγίεια δεῖ ὁμαλυνθῆναι, τὸ ὁμαλυνθῆναι δέ ἐστι τὸ συμμετρίαν γενέσθαι τῶν τοῦ ζῴου ξηρῶν καὶ ὑγρῶν, θερμῶν καὶ ψυχρῶν [. . .]. (2) Asklepios 398.17–18: ὁμοίως δὲ καὶ ὁ οἰκοδόμος τοῦ οἴκου, καὶ ὁ ἰατρὸς τῆς ὑγείας, ὅτι συμμετρία ἐστὶν ὁμοιομερῶν καὶ ὀργανικῶν.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
199
anhand der angemessenen Temperatur hergestellt werden, die begrifflich das Warme genannt wird (ὁμαλυνθῆναι-θερμότης). Da das Warme mit dem Warmen im Körper nicht nur gleichnamig, sondern auch wesensgleich ist, ergibt sich zwischen der Formursache und dem Ziel die συνώνυμον-Beziehung. Die Wirkursache, sei sie notwendig oder zufällig, bezieht sich auf das Ziel weder συνώνυμον-artig noch ὁμώνυμον-artig, denn der Arzt sowie die Spontaneität sind mit der Gesundheit weder namensgleich noch wesensgleich. Wie das technische Produkt besteht die Gesundheit teilweise aus dem συνώνυμον (ἐκ μέρους συνωνύμου, partim ex univoco). Wegen der Äußerlichkeit des Wirkenden können das Artefakt und die bestimmte Eigenschaft nicht aus der Wirkursache, sondern nur aus der Formursache notwendigerweise folgen. Außerdem gibt es bei der Heilkunst noch eine Eigentümlichkeit. Während sich die menschliche Art am einzelnen Menschen und die Hausgestalt am konkreten Haus vollständig aktualisieren, kann das Warme als Formursache entweder das Ganze der körperlichen Gesundheit oder einen Teil davon ausmachen.281 Denn die angemessene Temperatur ist für die Gesundheit zwar notwendig, in manchen Fällen aber nicht hinreichend. Durch die Auswirkung des Warmen auf den kranken Körperteil kann der Kranke entweder vollständig oder nur teilweise gesund gemacht werden. Um die Eigentümlichkeit der Heilkunst präzise zu erörtern, ergänzt Aristoteles den Ausdruck „ἢ ἔχοντός τι μέρος“. Insgesamt ist die ärztliche Praxis (ἰάτρευσις-πρᾶξις) mit beiden Kennzeichen versehen. Erstens stammt die Gesundheit, wie das technische Produkt, teilweise aus dem συνώνυμον (ἐκ μέρους συνωνύμου). Zweitens konstituiert das Warme als Formursache282 das Ganze oder einen Teil der Gesundheit ([ὅλως] ἢ ἔχοντός τι μέρος).
281 (1) Metaph. Z7, 1032b26–28: ἡ θερμότης τοίνυν ἡ ἐν τῷ σώματι ἢ μέρος τῆς ὑγιείας ἢ ἕπεταί τι αὐτῇ τοιοῦτον ὅ ἐστι μέρος τῆς ὑγιείας, ἢ διὰ πλειόνων. (2) Metaph. Z9, 1034a26–29: θερμότης γὰρ ἡ ἐν τῇ κινήσει θερμότητα ἐν τῷ σώματι ἐποίησεν· αὕτη δὲ ἐστὶν ἢ ὑγίεια ἢ μέρος, ἢ ἀκολουθεῖ αὐτῇ μέρος τι τῆς ὑγιείας ἢ αὐτὴ ἡ ὑγίεια. In Z7 behauptet Aristoteles, dass das Warme oder die ihm zugehörige angemessene Temperatur nur einen Teil der Gesundheit konstituieren. In Z9 aber bringt er zum Ausdruck, dass das Warme entweder das Ganze oder einen Teil der Gesundheit ausmacht. Diesem Entweder-Oder entspricht die Konjektur ἢ im Ausdruck „ἐκ μέρους συνωνύμου ἢ ἔχοντός τι μέρος“. 282 Bemerkenswert ist, dass das Warme als Formursache der Gesundheit im Kontext auch als die unmittelbare Wirkursache gekennzeichnet ist (τοῦτο δ’ ἔσχατόν ἐστι, τὸ ποιοῦν τὸ μέρος τῆς ὑγιείας – Metaph. Z7, 1032b28–29; τὸ γὰρ αἴτιον τοῦ ποιεῖν πρῶτον καθ’ αὑτὸ μέρος – Metaph. Z9, 1034a25–26). Die unmittelbare Wirkursache, die entweder die Gesundheit überhaupt oder einen Teil davon konstituiert, ist nichts anderes als die Formursache, das Warme. Mit der Wirkursache ist im strengen Sinne der Arzt oder die Spontaneität gemeint. Darum darf man die unmittelbare Wirkursache, d. h. die Formursache, und die vermittelnde Wirkursache nicht miteinander vermischen.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Fassen wir folgendermaßen zusammen: Alle Seienden entstehen aus dem συνώνυμον, sei es gänzlich (totaliter), wie die Physis, sei es teilweise (partim), wie die Techne und die Praxis. Die Naturentstehung, die Herstellung oder die Handlung vollziehen sich zwar anhand der bestimmten Wirkursache, nämlich dass der erzeugende Vater, der herstellende Hausherr oder der behandelnde Arzt die jeweilige Entstehung oder Veränderung in Gang bringt. Aber unabhängig von der Vermittlung geht es allein darum, wie das Gleichförmige aus der entsprechenden Form stammt (εἶδος→τόδε τι ὁμοειδές). Wie der einzelne Mensch aus der menschlichen Art entstanden ist, wird das konkrete Haus anhand der Hausgestalt errichtet und die körperliche Gesundheit tritt aus der allgemeinen Bedingung der Gesundheit hervor.283 Aus der formalen Perspektive gilt die Entstehung als die Verwirklichung der Naturart, der technischen Gestalt oder der Eigenschaft Gesundheit. Die Form aktualisiert sich – sei sie natürlich oder technisch, sei sie die Eigenschaft – dadurch notwendig, dass sie das Gleichförmige teleologisch in die Wirklichkeit bringt. Wie gesagt besteht die Analogie des ontologischen Syllogismus zum logischen Syllogismus darin, dass sich die Ursache zur Folge (ἀρχή→τέλος) ebenso verhält, wie die Prämisse zur Konklusion (πρότασις→συμπεράσμα). Wie die wahre Demonstration eine notwendige Schlussfolgerung aus der Wesensdefinition ist (ὁρισμός→ἀπόδειξις), so stammt das Gleichförmige aus der Form zweckmäßig (εἶδος→ὁμοειδές), und zwar der einzelne Mensch aus der menschlichen Art, das konkrete Haus aus der Hausgestalt oder die körperliche Gesundheit aus der formalen Bedingung derselben. Zusammen mit dem notwendigen logischen Syllogismus sind die drei Typen der notwendigen ontologischen Syllogismen schematisch so darzustellen (Tab. 16):
283 In der Natur stammt das Gleichartige notwendig aus der Naturart (Menschen erzeugen – Phys. B1, 193b8–9, 193b12; Metaph. Z9, 1034b2; Θ8, 1049b25–26). In ähnlicher Weise ist in der menschlichen Herstellung (Haus bauen – Metaph. Z7, 1032b12; Z9, 1034a23–24) und in der Handlung (Körper heilen – Metaph. Z7, 1032b11) das Gleichförmige aus der Form entstanden. Wenn die Entstehung überhaupt als Aktualisierung und Konkretisierung der Art bzw. der Form anzusehen ist, tritt die Homogenität der Entstehung in den Vordergrund. Einen Schritt weiter kann sich die Struktur der Veränderung auf die empfindende und die denkende Tätigkeit, nämlich Sehen und Denken, übertragen. Vgl. Alexander 490.10–17: ὥστε συμβαίνει τρόπον τινὰ τὴν ὑγίειαν γίνεσθαι ἐκ τῆς ὑγιείας καὶ τοῦ εἴδους αὐτῆς τοῦ ἐν τῇ ψυχῇ τοῦ ἰατροῦ ὄντος. ἡ ἐν τῷ νοσοῦντι γὰρ ὑγίεια γινομένη ἐκ τοῦ εἴδους καὶ τοῦ λόγου τῆς ὑγιείας τοῦ ἐν τῇ ἰατροῦ ψυχῇ ὄντος γίνεται· ὁμοίως δὲ καὶ ἥδε ἡ μετὰ τῆς ὕλης οἰκία ἐκ τῆς ἄνευ ὕλης οἰκίας τῆς ἐν τῷ οἰκοδόμῳ γίνεται. ὥσπερ γὰρ ἡ ὄψις ἐν ἑαυτῇ ἔχει τὰ τῶν χρωμάτων εἴδη ἄνευ τῆς ὑποκειμένης αὐτοῖς ὕλης, οὕτως καὶ ἡ ψυχὴ τὰ τῶν ἐπιστητῶν εἴδη· τόπος γὰρ εἰδῶν ἡ ψυχή, ὡς ἐν τῇ Περὶ ψυχῆς εἴρηται.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
201
Tab. 16: Analogie von Logos, Physis, Poiesis und Praxis. Notwendige syllogismi Syllogismen demonstrativi
syllogismi operativi
syllogismi operativi
syllogismi operativi
ποίησις
πρᾶξις
Bereich
λόγος
φύσις
Obersatz Untersatz Konklusion
ὁρισμός λόγος ἀποφαντικός ἀπόδειξις
εἶδος εἶδος ἐν τῇ ψυχῇ φύσις τέχνη τόδε τι ὁμοειδές τόδε τι τεχνικόν
Beispiel
() Mensch-vernünftig () die () Sokrates-Mensch menschliche Art () Sokrates-vernünftig () der Vater () der Sohn
Wissenschaft λογική
φυσική/ θεωρητική
θερμότης ἰατρός θερμότης ἐν τῷ σώματι
() die Hausgestalt () der Hausherr () das konkrete Haus
() das Warme () der Arzt () das Warme im Körper
ποιητική
πρακτική
Das συνώνυμον, das die logische Wesensgleichheit (λόγος τῆς οὐσίας) und die ontologische Gleichartigkeit (ὁμοειδές) in sich schließt, ermöglicht, das Einzelne aus seiner Wesenheit logisch-ontologisch notwendigerweise abzuleiten. Nichts anderes als das συνώνυμον legt dem notwendigen Syllogismus ein Fundament, der sowohl logisch als auch ontologisch konzipiert sein kann. Alle Seienden sind nicht aus dem Gleichnamigen (ὁμώνυμον), sondern aus dem Gleichartigen (συνώνυμον) entstanden, und zwar entweder gänzlich oder teilweise. Da in der Naturentstehung sowie in der menschlichen Herstellung und Handlung das Gleichartige zweckmäßig produziert wird, gehören nicht nur Physis, sondern auch Techne und Praxis zum notwendigen ontologischen Syllogismus.284
284 Die Konklusion beruht auf dem Satz (Metaph. Z9, 1034a30–33): ὥστε, ὥσπερ ἐν τοῖς συλλογισμοῖς, πάντων ἀρχὴ ἡ οὐσία· ἐκ γὰρ τοῦ τί ἐστιν οἱ συλλογισμοί εἰσιν, ἐνταῦθα δὲ αἱ γενέσεις. ὁμοίως δὲ καὶ τὰ φύσει συνιστάμενα τούτοις ἔχει. Zu der Frage, ob der notwendige ontologische Syllogimus alle drei Typen von Entstehungen betrifft, gibt es mannigfaltige Interpretationsvorschläge, die in drei Klassen einzuteilen sind. (1) Frede und Patzigs Meinung nach geht es nur um den Vergleich zwischen dem logischen/dem apodiktischen und dem ontologischen Syllogismus, der nichts anderes als die Naturentstehung ist. Frede und Patzig (1988: 160): „Aristoteles zieht hier einen Vergleich zwischen der Art und Weise, in der sich in (apodiktischen) Syllogismen die Folgerungen aus den Prämissen ergeben, und der Art und Weise, wie sich das, was entsteht, aus dem, was ihm vorausgeht, ergibt. In beiden Fällen soll sich das Resultat aus der ousia, die hier wieder mit dem „Was etwas ist“ gleichgesetzt wird, ergeben. Bei den apodiktischen Syllogismen beruht die Folgerung auf den in den Prämissen gemachten Annahmen über
202
2 Zweite Philosophie (Physik)
die Definition der jeweiligen Sache; bei den Entstehungsprozessen das Ergebnis auf jenem in dem, was vorausgeht, enthaltenen Teil der Sache, welcher das, was die Sache selbst ist, d. h. die ousia, in gewisser Weise schon enthält, so wie der Same, wenigstens der Möglichkeit nach, schon die Form des aus dem Samen entstehenden Lebewesens enthält (Vgl. 1034a34–b1).“ (2) Alexander, Thomas und Seidl gehen auf den Inhalt tiefer ein und analysieren den Satz präziser. Indem sie αἱ γενέσεις als Herstellungen interpretieren, handelt es sich zunächst um den Vergleich des logischen Syllogismus mit der technischen Herstellung. Im zweiten Schritt kommt die Ähnlichkeit von Herstellung und Naturentstehung zur Sprache. (2.1) Alexander 500.6–12: καὶ ὥσπερ ἐν τοῖς συλλογισμοῖς ἀρχαὶ καὶ αἴτια εἰσιν οἱ ὅροι (τοῦτο γὰρ ἐδήλωσε διὰ τοῦ < οὐσία καὶ τί ἐστιν >), αἴτιοι δ’ εἰσὶ τῶν συμπερασμάτων (ἐκ γὰρ τῶν ὅρων γίνονται αἱ ἀποδείξεις), οὕτω καὶ ἐπὶ τῶν ἀπὸ τέχνης αἴτιά εἰσιν αἱ γενέσεις αὐτῶν. ὁμοίως δὲ τούτοις ἔχει τὰ ἀπὸ φύσεως· τὸ μὲν γὰρ σπέρμα ποιεῖ ὥσπερ ὁ τεχνίτης· ὥσπερ γὰρ ἐκεῖνος ἐν ἑαυτῷ ἔχει τὸ εἶδος τῆς οἰκίας ἢ ἄλλου τινὸς οὗ ἐστι ποιητής, οὕτω καὶ τὸ σπέρμα ἔχει ἐν ἑαυτῷ δυνάμει τὸ εἶδος. (2.2) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.20 [83021]: „Quare patet, quod sicut in syllogismis, omnium principium est substantia, idest quod quid est rei (nam syllogismi demonstrativi sunt ex quid est, cum in demonstrationibus medium sit definitio), et hic, scilicet in operativis, generationes sunt ex quod quid est. In quo ostenditur similitudo intellectus speculativi et practici. Sicut enim intellectus speculativus procedit ad demonstrandum passiones de subiectis ex consideratione eius quod quid est, ita intellectus procedit ad operandum ex specie artificii, quae est eius quod quid est, ut supra dictum est.“ Sententia Metaphysicae lib.7 l.8 n.21 [83022]: „Deinde cum dicit similiter itaque manifestat quod dixerat de artificialibus, in rebus naturalibus; dicens, quod similiter se habent ea quae sunt constituta secundum naturam, his quae fiunt per artem. Sperma enim operatur ad generationem, sicut contingit in his quae fiunt per artem.“ (2.3) Seidl (1989: 412): „Analogie mit den Schlussfolgerungen in Beweisen: Sie gehen ähnlich aus dem Begriff der Wesenheit (des Soseins) der Wissenschaftsgegenstände hervor, der in den obersten Beweisprämissen (in den Mitteltermen definiert) vorliegt, wie die entstehenden Kunstprodukte aus der Wesensform, die in der Vernunft des Künstlers liegt.“ zu 1034a33–b4: „Ähnlichkeit des von Natur Werdenden mit dem Kunstschaffen [. . .].“ (3) Asklepios, Schwegler und Ross stimmen darin überein, dass der ontologische Syllogismus, der sich zum logischen Syllogismus analog verhält, alle drei Sorten von Entstehung, nämlich Naturentstehung, Herstellung und Handlung, durchdringt. In dieser Interpretation beziehen sich die γενέσεις auf die Herstellung und die Handlung (oder die Entstehung, die sich anhand der Spontaneität ereignet). (3.1) Asklepios 410.27–35: ὥσπερ οὖν ἐν τοῖς συλλογισμοῖς ἀρχαὶ ὑπάρχουσιν οἱ ὁρισμοὶ καὶ τὰ εἴδη, οὕτως καὶ ἐπὶ τῶν γινομένων αἱ ἀρχαὶ τὰ εἴδη ὑπάρχουσιν, εἴ γε ὁμοειδῆ τὰ γινόμενα τοῖς ποιοῦσιν ἐδείχθησαν. Ὥσπερ ἐπὶ τῶν τεχνητῶν γίνεται ὑγεία καὶ ἀπὸ τέχνης καὶ ἐκ ταὐτομάτου, ὁμοίως τούτοις καὶ ἐπὶ τῶν φύσει συνισταμένων ἔχει. ὥσπερ γὰρ ὁ ἰατρὸς ποιεῖ τὴν ὑγείαν, οὕτως καὶ τὸ ἀνθρώπειον σπέρμα ποιεῖ τὸ ἔμβρυον. (3.2) Schwegler (1848: 89): „ἐνταῦθα δὲ (δὴ?) αἱ γενέσεις = οὕτως ἐνταῦθα (d. h. bei demjenigen, was ἀπὸ τέχνης oder ἀπὸ ταὐτομάτου wird) αἱ γενέσεις ἐισὶν ἐκ τοῦ τί ἐστιν. Die Entstehung der Natur- und Kunstproducte wird verglichen mit der Hervorbringung (Ableitung) des Schlusssatzes aus den Vordersätzen. (Auch die Handlung vergleicht Arist. mit einem Syllogismus – vgl. die von Waitz Org. I, 372 angef. St. St.) Der Syllogismus ist die Ableitung eines Einzelnen aus einem synonymen Allgemeinen, die Subsumtion des Einzelnen unter das Allgemeine, das Zusammenschliessen des Einzelnen mit dem Allgemeinen vermittelst des Besondern; ebenso ist das einzelne Naturproduct eine Selbstindividualisierung der Gattung: beide
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Nach der notwendigen Schlussfolgerung vollziehen sich Physis, Techne und Praxis. Aber in Bezug auf die Substanz ist nur von Physis und Techne die Rede. Denn in der ärztlichen Praxis wird kein Substanzielles, wie z. B. das Naturseiende oder das Artefakt, hervorgebracht, sondern nur die Eigenschaft Gesundheit zustande gebracht. Dabei handelt es sich nicht darum, dass die Einzelsubstanz in die Wirklichkeit eintritt, sondern um den akzidentellen Umschlag von der Krankheit zur Gesundheit. In Bezug auf die Klassifikation der Veränderung ist die Praxis nicht der substanziellen, sondern der akzidentellen Veränderung zugehörig. Da die Substanzlehre weder die akzidentelle Veränderung noch deren Produkt thematisiert, bleibt die Praxis außer Betracht und die Physis sowie die Techne lassen sich in Betracht ziehen. Die Techne ist zwar ontologisch nachrangig, argumentativ aber vorrangig. Sie ist in die Erörterung über die Physis einbezogen, damit der Stoff des
also, das logische Product und das Naturproduct sind Producte eines synonymen Allgemeinen, (denn die Art und das einzelne Exemplar sind mit der Gattung synonym). Vgl. Met. V, 2, 9: τὸ πῦρ καὶ ἡ γῆ καὶ τὰ τοιαῦτα πάντα τῶν σωμάτων καὶ τὰ μέρη τοῦ ὅλου καὶ αἱ ὑποθέσεις τοῦ συμπεράσματος ὡς τὸ ἐξ οὗ (= ὡς ὕλη).“ (3.3) Ross (1924: 193): „In syllogism, i. e. in the scientific syllogism, a property is shown to belong to a subject in virtue of the subject’s essence or definition (An. Post. 90b31). So too in generation the product springs from its own essence. This applies to all three kinds of production described in II. 20–30. a. In natural production it is the specific essence of the father (which is identical with that of the offspring) that produces the offspring. b. In artistic production the essence of the product, conceived by the artist, is the cause. c. In spontaneous production heat, for example, which is the cause of the production of health, is the inner essence of which health is the manifestation.“ (4) Wir fassen alle Interpretationen folgendermaßen zusammen: Andeutungsweise geben Frede und Patzig zu verstehen, dass mit dem notwendigen ontologischen Syllogismus nur die Naturentstehung gemeint ist. Alexander, Thomas und Seidl meinen, dass sich die Herstellung sowie die Naturentstehung syllogistisch vollziehen. Einen Schritt weiter machen Asklepios, Schwegler und Ross klar, dass sich der ontologische Syllogismus auf alle drei Typen von Entstehung, nämlich Physis, Techne und Praxis, erstreckt. Wir folgen dem letzten Interpretationsvorschlag, obwohl Alexanders Analyse, die γενέσεις als ποιήσεις zu deuten, dem Text nahesteht. Laut Alexander steht der logische Syllogismus zunächst zur Herstellung analog und dann überträgt sich die Struktur der Techne auf die der Physis. In diesem Fall scheint es, als ob die notwendige Entstehung die menschliche Herstellung zum Paradigma nehmen würde. Das ist allerdings unmöglich, denn nicht die Physis imitiert die Techne, sondern die Techne ahmt die Physis nach. Kraft der teleologischen Notwendigkeit verhält sich die Naturentstehung einerseits analog zum notwendigen logischen Syllogismus. Andererseits kann die natürliche Entstehung der menschlichen Herstellung und Handlung die Notwendigkeit übermitteln. Darum ziehen wir den Schluss, dass der notwendige ontologische Syllogismus alle drei Sorten von Entstehung umfasst.
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Naturseienden von der Form abgetrennt betrachtet und separat analysiert werden kann. Denn die natürliche Art und das stoffliche Substrat des Naturseienden sind per se zusammengewachsen. Die Vereinigung von formalem und materialem Prinzip ist zwar uns (ἡμῖν) schwierig zugänglich, der Natur nach (φύσει) aber primär, denn die Untrennbarkeit der Form von der Materie gewährleistet die ontologische Notwendigkeit. Demnach verwirklicht sich die Natur immer ordentlich und regelmäßig, indem die menschliche, die tierische oder die pflanzliche Art das jeweilige Einzelne zweckmäßig erzeugen. Dagegen kann die technische Gestalt nicht streng notwendig in die Tat umgesetzt werden. Denn bei der Techne spielen nicht nur die äußerliche Wirkursache und der menschliche Zweck eine wichtige Rolle, sondern es gilt auch, dass ein und dieselbe Form mit verschiedenen Stoffen verbunden sein kann und umgekehrt ein und derselbe Stoff mit verschiedenen Formen. Da die Verwirklichung der Naturart die Notwendigkeit in höherem Maß besitzt als die Verwirklichung der Gestalt (ἀεὶ > ἐπὶ τὸ πολύ), ist die Physis der Techne ontologisch vorrangig (φύσις > τέχνη).285 Gemäß dieser Graduierung von Notwendigkeit hat nicht nur die Naturentstehung die Priorität vor der Herstellung, sondern auch die
285 Aristoteles’ Auffassung nach hat die Natur deswegen den ontologischen Primat vor der Techne, weil die Natur nicht als Anhäufung von Zufällen oder Kontingenzien anzusehen, sondern mit der Notwendigkeit verbunden ist. Die natürliche Notwendigkeit lässt sich mit der inneren Zielsetzung und der teleologischen Zielerreichung aufzeigen. Da die Natur das Entstehungsprinzip und die Bewegungsursache verinnerlicht, ist der äußerliche Schöpfergott aufzuheben. Indem die menschliche Herstellung und Handlung die natürliche Entstehung imitieren, können die Menschen das gleichförmige Artefakt regelmäßig und zweckmäßig reproduzieren. Wegen der Aufhebung der göttlichen Techne und der Imitation der menschlichen Techne ist die Natur der Techne überhaupt vorrangig. Die Vorrangigkeit der Physis vor der Techne führt zu wichtigen theoretischen Konsequenzen. Im aristotelischen Weltbild ist die Naturwelt weder durch die einmalige göttliche Schöpfungsaktion geschaffen noch wird sie von einem übergeordneten bzw. transzendenten Gott in Ordnung gebracht. Vielmehr verwirklicht sich die Natur teleologisch, indem sie das innere Ziel setzt und es auf notwendige Weise erreichen kann. Der aristotelischen Naturphilosophie zufolge ist die Welt ewig da, und zwar ohne Anfang und ohne Ende. Darum gibt es keinen essentiellen Unterschied zwischen Ewigkeit und Allzeitlichkeit. Dagegen zeigt Platon ein anderes Weltbild. Mit der Schöpfungsaktion bzw. der äußerlichen Ordnung hat die werdende Welt einen Anfang. Dem ontologischen Anfang entsprechend gibt es auch einen zeitlichen Anfang der Welt, wobei der Kosmos vom Chaos in die Ordnung übergegangen ist. Da der Kosmos geschaffen ist, oder, schwach gesagt, geordnet wird, ergibt sich ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit. Vor der Schöpfung bzw. Ordnung sind die vorbildlichen Ideen ewig seiend und danach existieren die nachbildlichen empirischen Dinge zeitlich. Aufgrund der platonischen Schöpfungstheorie hat die Allzeitlichkeit auch einen Anfang, sodass die Allzeitlichkeit sowie die Zeitlichkeit nicht mit der Ewigkeit identifiziert werden können.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
205
Naturart vor der Gestalt (εἶδος > παράδειγμα),286 schließlich das Naturseiende vor dem Artefakt (τὸ ὄν φύσει > τὸ ὄν τέχνῃ). Vor dem Hintergrund des Vergleichs der Naturentstehung mit der Herstellung bzw. des Naturseienden mit dem Artefakt lässt sich das einzelne Lebewesen zur echten Einzelsubstanz (μάλιστα οὐσία) zählen.287
286 Obwohl das εἶδος im technischen Beispiel auftaucht (λέγω δ’ ὅτι τὸν χαλκὸν στρογγύλον ποιεῖν ἐστὶν οὐ τὸ στρογγύλον ἢ τὴν σφαῖραν ποιεῖν ἀλλ’ ἕτερόν τι, οἷον τὸ εἶδος τοῦτο ἐν ἄλλῳ – Metaph. Z8, 1033a31–33) und sich das παράδειγμα ausnahmsweise auf die aristotelische Formursache bezieht (ἄλλον δὲ τὸ εἶδος καὶ τὸ παράδειγμα – Phys. B3, 194b26), legt Aristoteles die begriffliche Anwendung prinzipiell fest. Terminologisch verwendet Aristoteles das εἶδος im Sinne der Naturart, die nicht vom materialen Substrat abgesondert werden kann (ἀλλὰ ἱκανὸν τὸ γεννῶν ποιῆσαι καὶ τοῦ εἴδους αἴτιον εἶναι ἐν τῇ ὕλῃ – Metaph. Z8, 1034a4–5). Mit dem παράδειγμα ist die platonische Idee gemeint, die von den zugehörigen Einzeldingen getrennt ist und als technische Gestalt zum Vorschein kommen kann (τὰ μὲν εἴδη ταῦτα ὥσπερ παραδείγματα ἑστάναι ἐν τῇ φύσει, τὰ δὲ ἄλλα τούτοις ἐοικέναι καὶ εἶναι ὁμοιώματα, καὶ ἡ μέθεξις αὕτη τοῖς ἄλλοις γίγνεσθαι τῶν εἰδῶν οὐκ ἄλλη τις ἢ εἰκασθῆναι αὐτοῖς – Prm. 132d1–4). Aristoteles setzt sich mit der platonischen Ideenlehre auseinander, um zu beweisen, dass die natürliche Art der technischen Gestalt überlegen ist. Wegen der Vereinigung der Naturart mit der Materie produziert die Art ihre Exemplare auf notwendige Weise. Aus der Trennung der technischen Gestalt vom Stoff folgt, dass die technische Herstellung nicht immer, sondern nur in den meisten Fällen notwendig durchgeführt wird. Die ontologische Vorrangigkeit der Physis vor der Techne zeigt sich also auch darin, dass die natürliche Art den Primat vor der technischen Gestalt hat. 287 In Z7–9 der Metaphysik kommt der Ausdruck μάλιστα οὐσία, d. h. „die Substanz im höchsten Maß“, zweimal vor. An der einen Stelle stimmen die antiken Kommentatoren und Thomas miteinander überein, dass mit der μάλιστα οὐσία das einzelne Naturseiende gemeint ist. (1) Metaph. Z8, 1034a2–5: ὥστε φανερὸν ὅτι οὐθὲν δεῖ ὡς παράδειγμα εἶδος κατασκευάζειν, μάλιστα γὰρ ἂν ἐν τούτοις ἐπεζητοῦντο· οὐσίαι γὰρ αἱ μάλιστα αὗται, ἀλλὰ ἱκανὸν τὸ γεννῶν ποιῆσαι καὶ τοῦ εἴδους αἴτιον εἶναι ἐν τῇ ὕλῃ. (1.1) Alexander 497.28–31: ὥστε δῆλον ὅτι < οὐ δεῖ ὡς παράδειγμα εἶδος κατασκευάζειν· μάλιστα γὰρ ἂν ἐν τούτοις ἐπεζητοῦντο, > τουτέστιν αἱ ἐνέργειαι τῶν εἰδῶν μάλιστα ἐν τοῖς αἰσθητοῖς ἐφαίνοντο ἂν καὶ ἀτόμοις· < ταῦτα γὰρ μάλιστα οὐσίαι. > (1.2) Asklepios 406.6–8: ὥστε δῆλον ἡμῖν ἐντεῦθεν ὅτι οὐ δεῖ παραδείγματα καὶ ἰδέας ὑποτίθεσθαι. μάλιστα δὲ συνεβάλλοντο αὗται εἰς τὰς συνθέτους οὐσίας. (1.3) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.7 n.18 [83000]: „Maxime enim huiusmodi exemplaria requirerentur in praedictis substantiis naturalibus, quae sunt maxime substantiae respectu artificialium. Sufficiens autem est in praedictis generans ad faciendum similitudinem speciei; et est sufficiens ponere causam speciei in materia, idest quod illud quod facit hoc generatum consequi talem speciem non sit species extra materiam, sed species in materia.“ – Bemerkenswert ist, dass Alexander „ἐν τούτοις“ (1034a3), worin sich die höchsten Substanzen befinden, als „ἐν τοῖς αἰσθητοῖς καὶ ἀτόμοις“ auslegt. Diese Interpretation ist deswegen nicht zu akzeptieren, weil nicht nur das einzelne Naturseiende, sondern auch das Artefakt einbezogen wird. Ross weist ganz richtig darauf hin, dass sich „ἐν τούτοις“ (1034a3) eigentlich auf „ἐν τοῖς φυσικοῖς“ (1033b32) bezieht. Dadurch, dass das Naturseiende vom Artefakt abgegrenzt wird, ist die wahrhafte Substanz nichts anderes als das lebendige Seiende (τὰ φυσικὰ, „living things“ – Ross
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1924: 189). An der anderen Stelle sind die Kommentatoren über die Bedeutung der μάλιστα οὐσία nicht einig. Während Alexander und Thomas die wahrhafte Substanz mit dem zusammengesetzten einzelnen Naturding identifizieren, hält Asklepios sie für die natürliche Art. (2) Metaph. Z7, 1032a15–19: αἱ δὲ γενέσεις αἱ μὲν φυσικαὶ αὗταί εἰσιν ὧν ἡ γένεσις ἐκ φύσεώς ἐστιν, τὸ δ’ ἐξ οὗ γίγνεται, ἣν λέγομεν ὕλην, τὸ δὲ ὑφ’ οὗ τῶν φύσει τι ὄντων, τὸ δὲ τὶ ἄνθρωπος ἢ φυτὸν ἢ ἄλλο τι τῶν τοιούτων, ἃ δὴ μάλιστα λέγομεν οὐσίας εἶναι. (2.1) Alexander 487.30–35: καὶ ἔστιν ἡ μὲν ὕλη ἐξ οὗ γίνεται τὸ γινόμενον, ὑφ’ οὗ δὲ τῶν φύσει τι ὄντων, ὃ δὲ γίνεταί ἐστιν ἄνθρωπος ἢ ἵππος ἢ ἄλλο τι τῶν φύσει τι ὄντων, ἃ δὴ καὶ μάλιστα, λέγω δὴ τὰ ἐξ ὕλης καὶ εἴδους, ὡς καὶ ἐν ταῖς Κατηγορίαις καὶ ἐν τῇ Φυσικῇ καὶ ἐν ταύτῃ τῇ πραγματείᾳ, < μάλιστα οὐσίας εἶναι λέγομεν, > εἶπεν. (2.2) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.6 n.6 [82952]: „Deinde cum dicit hoc autem exemplificat in generationibus naturalibus tria praemissa; dicens, quod in generatione naturali, hoc quidem est, ex quo fit quod generatur, quod dicitur materia. Hoc autem a quo generatur aliquid eorum quae sunt secundum naturam, quod dicitur agens. Hoc vero est aliquid, scilicet quod generatur, ut homo aut planta, aut aliquid talium, quae maxime dicimus esse substantias, idest substantias particulares compositas, de quibus magis est manifestum quod sint substantiae, ut supra habitum est.“ (2.3) Asklepios 397.14–21: < αἱ > τοίνυν < γενέσεις >, φησίν, < αἱ φυσικαὶ αὗταί εἰσιν, ὧν ἡ γένεσίς ἐστιν ἐκ φύσεως > . τὸ γὰρ σπέρμα καὶ τὸ καταμήνιον δημιουργούμενον ὑπὸ τῆς φύσεως οὕτω παράγεται, καὶ γίνεται ἄνθρωπος. < τὸ δὲ ἐξ οὗ γίνεται, ἣν λέγομεν ὕλην· τὸ δὲ ὑφ’ οὗ τῶν φύσει ὄντων >· τὸ δὲ τὶ φυσικὰ ὑπάρχουσι τὰ ὑπὸ φύσεως γινόμενα εἴδη, οἷον < ἄνθρωπος ἢ φυτὸν ἤ τι ἄλλο τῶν τοιούτων, ἅτινα εἴδη κυρίως μάλιστα λέγομεν εἶναι οὐσίας >· ἕκαστον γὰρ τῶν πραγμάτων κατὰ τὸ εἶδος τὸ ἑαυτοῦ χαρακτηρίζεται. – Asklepios’ Interpretation beruht auf der Voraussetzung, dass πάντα δὲ τὰ γιγνόμενα ὑπό τέ τινος γίγνεται καὶ ἔκ τινος καὶ τί (Metaph. Z7, 1032a13–14). Indem Asklepios ὑπό τινος als Wirkursache, ἔκ τινος als Stoffursache und τί als Formursache interpretiert (πάντα δὲ τὰ γινόμενα ἔχουσι καὶ ποιητικὸν αἴτιον καὶ ὑλικὸν καὶ εἰδικόν. διὰ μὲν γὰρ τὸ < ὑπό τινος > τὸ ποιητικόν, διὰ δὲ τὸ < ἔκ τινος > τὸ ὑλικόν, διὰ δὲ τὸ τὶ τὸ εἰδικὸν ἐδήλωσε – Asklepios 397.9–12), wird die wahrhafte Substanz, nämlich τὶ ἄνθρωπος dementsprechend als menschliche Art angesehen. Ein großer Vorteil dieses Interpretationsvorschlags liegt darin, dass er den nächsten Satz sinnvoll und den ganzen Kontext nachvollziehbar macht (διὸ καὶ ἐπήγαγε λέγων < τὸ δὲ τὶ λέγω καθ’ ἑκάστην κατηγορίαν >· ἢ γὰρ οὐσία ἐστὶ τὸ γινόμενον, οἷον ἄνθρωπος ἢ ἀβάκιον, ἢ ποσὸν μέγεθος, τουτέστιν αὔξησις, ἢ ποιόν, καθ’ ὅ φαμεν ὅτι γέγονε λευκόν – Asklepios 397.12–14). Denn der nächste Satz scheint eine Erklärung über τὶ zu sein (τὸ δὲ τὶ λέγω καθ’ ἑκάστην κατηγορίαν· ἢ γὰρ τόδε ἢ ποσὸν ἢ ποιὸν ἢ πού – Metaph. Z7, 1032a14–15). Wenn von der Kategorie die Rede ist, kann sie sich nicht auf das konkrete Einzelding, sondern nur auf die Form beziehen, die entweder als wesentliche Form (τόδε) oder als akzidentelle Eigenschaft (ποσόν ἢ ποιόν ἢ ποῦ) vorkommt. Wegen dieser Bestimmung ist es schwierig, das τὶ als Einzelding zu interpretieren. Gerade deswegen bezeichnet Alexander dieses τὶ (1032a14) auch als Form (πάντα οὖν τὰ ἀπὸ φύσεως καὶ τέχνης καὶ αὐτομάτου ὑπό τέ τινος τοῦ ποιοῦντος γίνεται καὶ ἔκ τινος ὕλης καί τι εἶδος γίνεται· ἢ γὰρ οὐσία, φησί, γίνεται, ἢ ποσὸν ἢ ποιὸν ἤ τι τῶν ἄλλων κατηγοριῶν· γίνεται δέ τι τούτων ὡς εἶδος – Alexander 487.7–10). Indem Alexander das τὶ an der einen Stelle als Form (Metaph. Z7, 1032a13–14) und an der anderen Stelle als Einzelding (Metaph. Z7, 1032a17–19) interpretiert, wird der Sinnzusammenhang zwischen beiden Stellen unterbrochen. Im Gegensatz dazu hat Thomas eine durchgängige Interpretation anzubieten. Thomas setzt die Kategorie in
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Angesichts der ontologischen Priorität der Physis vor der Techne ist die wahrhafte Einzelsubstanz nicht das einzelne Artefakt, sondern das Einzellebewesen. Dementsprechend ist die Wesenssubstanz im wahrhaften Sinne nicht die technische Gestalt, sondern die natürliche Art. Aufgrund dessen ist das Problem, wie sich die Wesenssubstanz zur Einzelsubstanz verhält, schließlich im Rahmen des Naturseienden aufzulösen. In der Natur lässt sich die Vorrangigkeit der Wesenssubstanz vor der Einzelsubstanz damit aufzeigen, dass die Naturart nicht nur die logische, sondern auch die ontologische Priorität vor dem gleichartigen Einzelnen hat. Die Naturart als Wesensprädikat bringt das zugehörige Einzelne wesentlich zum Ausdruck und als Entstehungsprinzip das gleichartige Einzelne zustande. Die absolut wahre Aussage, dass jeder beliebige Mensch Mensch ist, gründet in der Tatsache, dass ein Mensch allein aus der menschlichen Art stammen kann. Mit anderen Worten: Das wesentliche Prädikationsverhältnis, das Platon als Erster anhand der Ideenlehre zum Ausdruck bringt, wird von Aristoteles ontologisch begründet. Die logische Wesensprädikation und die ontologische Naturentstehung
Verbindung mit der Veränderung. Demnach geht es nicht um die Wesens-, die Quantitäts-, die Qualitäts- oder die Ortskategorie, sondern um die substanzielle, die quantitative, die qualitative oder die örtliche Veränderung (Et, quia supra dixerat quod hoc aliquid proprie est in substantiis, ideo hic docet generalius esse sumendum, ut per aliquid intelligatur quodlibet praedicamentum, in quo potest esse generatio simpliciter vel secundum quid, per se vel per accidens – Sententia Metaphysicae lib.7 l.6 n.3 [82949]). In der Veränderung, die anhand der vier Kategorien einzuteilen ist, gibt es die Wirkursache sowie die Stoffursache und das durch die Veränderung Zustandekommende. Thomas betont, dass drei Sachen in diesem Kontext (Metaph. Z7, 1032a13–14) erwähnt werden, nämlich die Wirk-, die Stoffursache und das Kompositum, welches entstanden ist („Inter autem haec tria, duo se habent ut generationis principia, scilicet materia et agens; tertium autem se habet ut generationis terminus, idest compositum quod generatur.“ – Sententia Metaphysicae lib.7 l.6 n.7 [82953]; „Omnia enim quae fiunt, fiunt ab aliquo agente, et ex aliquo, sicut ex materia, et iterum fiunt aliquid quod est terminus generationis“ – Sententia Metaphysicae lib.7 l.6 n.3 [82949]). (3) Wir folgen Thomas’ Interpretationsvorschlag, dass das τὶ durchgängig das konkrete Einzelding bedeutet. Wie Thomas und Asklepios halten wir den einen Satz (Metaph. Z7, 1032a13–14) für eine allgemeine Prämisse und den anderen (Metaph. Z7, 1032a17–19) für eine konkrete Erörterung, sodass τὶ und τὶ ἄνθρωπος die gleiche Bedeutung haben müssen. Wenn man γίγνεται τί in der Prämisse ernst nimmt, kann sich das τί nur auf das Einzelding beziehen. Denn nicht die Form, sondern nur das konkrete Einzelne ist entstanden und vergänglich (Metaph. Z8, 1033b16–18). Außerdem bringt Aristoteles an anderer Stelle (Metaph. Z8, 1033a24–34) die drei Momente der Entstehung noch einmal zur Sprache, die deutlich auf die Wirkursache, die Stoffursache und das entstandene Kompositum hinweisen. Wie Alexander behauptet, stimmt die Konklusion, die wahrhafte Substanz als einzelnes Naturseiendes zu bestimmen, mit der Erörterung in der Kategorienschrift (Cat. 5, 2a11–14) und in der Physik (Phys. B1, 192b8–13) überein. Im Vergleich zum einzelnen Artefakt lässt sich das einzelne Lebewesen als wahrhafte Substanz (μάλιστα οὐσία) bezeichnen.
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kommen nicht nur in Übereinkunft, sondern darüber hinaus ist die wesentliche Prädikation in der notwendigen Naturentstehung verwurzelt. Da die Art in der Prädikation als Wesensprädikat funktioniert und in der Entstehung als Wesenssubstanz gilt, ist das logische Wesensprädikat mit der ontologischen Wesenssubstanz identisch, anders gesagt, ist das Wesensprädikat substantiviert. Wie gesagt wird die natürliche Art im logisch-ontologischen Sinne als primäre Substanz bezeichnet. Trotz der Priorität der Naturart und der Posteriorität des natürlichen Einzeldings muss die Substantialität doppelt charakterisiert sein. Ohne die Art/Wesenssubstanz ist das Einzelding weder begrifflich zu nennen noch wesentlich zu definieren, sodass das konkrete Einzelding unaussagbar und unerkennbar ist. Ohne das konkrete Einzelding mangelt es der Art/Wesenssubstanz an der Substantialität und sie gerät zur abstrakten Allgemeinheit. Indem sich die besondere Art am gleichartigen Einzelding aktualisiert und konkretisiert, fallen bei der Naturentstehung die besondere Art und das konkrete Einzelding per se zusammen. Darum ist jedes Einzellebewesen nicht nur ein individuelles Lebendes, sondern bringt auch die Gleichartigkeit (ὁμοειδές) mit sich, die von der einen Generation zu der anderen Generation unfehlbar überliefert ist. Aufgrund des produktiven Kausalzusammenhangs können die produzierende Art und das produzierte Einzelding nicht voneinander getrennt werden (ἔτι δόξειεν ἂν ἀδύνατον χωρὶς εἶναι τὴν οὐσίαν καὶ οὗ ἡ οὐσία – Metaph. A9, 991b1–2; M5, 1079b35–36). Die Untrennbarkeit der Wesenssubstanz von der Einzelsubstanz stellt die Rechtfertigung für die terminologische Praxis des Aristoteles dar. Ein und derselbe Terminus οὐσία kann deswegen zwei Typen von Substanzen bezeichnen, weil Wesens- und Einzelsubstanz, anders gesagt, Essenz und Existenz des Naturseienden per se vereinigt sind. Einerseits existiert die Essenz ganz real, indem sie durch den natürlichen Erzeugungsprozess in die Realität eintritt. Andererseits wohnt dem einzelnen Existierenden die Essenz inne, indem die Naturart durch die Produktion dem einzelnen Exemplar ihre Wesenheit und Eigentümlichkeit übermittelt. Im Hintergrund der aristotelischen Prinzipienlehre schlägt der produktive Kausalzusammenhang eine Brücke zwischen Essenz und Existenz. Im Grunde genommen greift die Verknüpfung des Prinzips mit dem Prinzipiat auf die ontologische Produktivität der Form (εἶδος-ἐνέργεια) zurück, in der das Produzierende und das Produzierte naturgemäß zusammenhängend sind. Da die Naturentstehung als Selbstaktualisierung der besonderen Art am gleichartigen Einzelding gilt (καθόλου→καθ’ ἕκαστον), ist die Naturart mit dem Einzelding, die Essenz mit der Existenz, oder die Besonderheit mit der Einzelheit per se verknüpft. Die Trennung von Existenz und Essenz tritt zuerst in der platonischen Ideenlehre auf, und zwar in Form der zwei Welten. Auf der einen Seite existieren die
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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werdenden Dinge, die zwar sinnlich wahrnehmbar, aber nicht erkennbar sind. Auf der anderen Seite sind die Ideen wahrhaft seiend, die unveränderlich, denkbar und erkennbar sind. Die werdenden Dinge und die seienden Ideen können nicht in Verbindung gesetzt werden (Prm. 133a8–134e7). Der Zwiespalt wird verschärft, wenn derselbe Begriff οὐσία auf Lateinisch zwiefältig übersetzt wird, nämlich die Einzelsubstanz als substantia/existentia und die Wesenssubstanz als essentia. In Bezug auf das χωρίς-Problem setzt sich die aristotelische Substanzlehre mit der platonischen Ideenlehre auseinander. In der Tat versucht Aristoteles, der griechischen Metaphysik ein neues Fundament zu legen. Demzufolge sollen die von den konkreten Naturseienden untrennbaren Naturarten die theoretische Stelle der mathematischen, der logischen oder der rein geistigen Ideen einnehmen, die von den konkreten Einzeldingen abstrahiert und getrennt werden. Darum baut die aristotelische Metaphysik tatsächlich auf der Physik auf, während die erste Philosophie des Platon auf der Mathematik basiert.
2.2.3 Eidos-Nous: Enstehung-Definition-Geist (εἶδος-νοῦς: γένεσις-ὁρισμόςνοῦς) Die metaphysische Prinzipienlehre des Aristoteles orientiert sich am Prinzip von Sein, Veränderung und Logos. Die Art als Wesens- bzw. Entstehungsprinzip des Einzeldings kommt ans Licht, und zwar auf zwei Arten und Weisen: Indem das Einzelding in Hinsicht auf vier Ursachen ontologisch analysiert wird, ist das Einzelding auf das Wesensprinzip zurückzuführen (τόδε τι→εἶδος); oder die Art als Entstehungsprinzip zeigt sich darin, dass die Naturart das gleichartige Einzelding produziert (εἶδος→τόδε τι). Wenn die Art als Prinzip des Einzeldings zur Geltung kommt, lässt sich die Frage aufwerfen, was das Prinzip der Art sein soll. Während das Prinzip des Einzeldings durch die Naturentstehung zum Vorschein kommt (φυσικῶς), ist das Prinzip der Art logisch, d. h. definitorisch, aufzuschlüsseln (λογικῶς – Metaph. Z4, 1029b13; Z17, 1041a28). Anhand der Wesensdefinition entfalten sich die intelligiblen Prinzipien der Art, nämlich die Gattung und die spezifische Differenz. Wie die Vier-Ursachen-Lehre dazu dient, das formale und das materiale Prinzip des einzelnen Naturseienden herauszufinden, leistet die Wesensdefinition den theoretischen Beitrag dazu, die Prinzipien der Art offenkundig zu machen. Darum gehört die Erörterung über die Wesensdefinition auch zur Prinzipienlehre. Die physische und die logische Prinzipienforschung, nämlich die Lehre von den vier Ursachen und von der Wesensdefinition, sind miteinander verbunden, und zwar durch die Vermittlung der Art. Denn die besondere Art nimmt eine Mittelstellung zwischen dem einzelnen Individuum und der allgemeinen Gattung
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ein (τόδε τι/ἕκαστον-εἶδος/ἴδιον-γένος/κοινόν), indem sie doppelt charakterisiert ist. Zum einen ist die Naturart der Materie immanent, denn sie konkretisiert sich nur am entsprechenden Stoff (οὐσία μετὰ ὕλης-εἶδος ἐν τῇ ὕλῃ-εἶδος ἔνυλοντόδε τι πέφυκεν). Zum anderen kann die Art/Form von ihren einzelnen Exemplaren abstrahiert und rein logisch betrachtet werden, damit sie entweder begrifflich oder definitorisch zur Sprache kommt (οὐσία ἄνευ ὕλης-εἶδος κατὰ τὸν λόγονεἶδος ἄυλον-ὄνομα/ὁρισμός).288 Anhand der Naturart ist die Brücke zwischen der veränderlichen Naturwelt und dem unveränderlichen Ideenkosmos (d. h. Gemeinsamkeit aller Begriffe) zu schlagen. Durch die Vermittlung der Art/Form geht die Physis in den Logos über. Die ontologische Art/Form wird auf logische Weise wiedergegeben, und zwar entweder als Begriff oder als Definition. Da die Art/Form mit dem Begriff unmittelbar korrespondiert (εἶδος = ὄνομα), wenden
288 (1) οὐσία μετὰ ὕλης-οὐσία ἄνευ ὕλης: (1.1) Metaph. Z7, 1032b11–14: ὥστε συμβαίνει τρόπον τινὰ τὴν ὑγίειαν ἐξ ὑγιείας γίγνεσθαι καὶ τὴν οἰκίαν ἐξ οἰκίας, τῆς ἄνευ ὕλης τὴν ἔχουσαν ὕλην· ἡ γὰρ ἰατρική ἐστι καὶ ἡ οἰκοδομικὴ τὸ εἶδος τῆς ὑγιείας καὶ τῆς οἰκίας, λέγω δὲ οὐσίαν ἄνευ ὕλης τὸ τί ἦν εἶναι. (1.2) Phys. B2, 194a12–15: ἐπεὶ δ’ ἡ φύσις διχῶς, τό τε εἶδος καὶ ἡ ὕλη, ὡς ἂν εἰ περὶ σιμότητος σκοποῖμεν τί ἐστιν, οὕτω θεωρητέον· ὥστ’ οὔτ’ ἄνευ ὕλης τὰ τοιαῦτα οὔτε κατὰ τὴν ὕλην. (2) εἶδος ἐν τῇ ὕλῃ-εἶδος κατὰ τὸν λόγον: (2.1) Metaph. Z8, 1034a4–5: [. . .] ἀλλὰ ἱκανὸν τὸ γεννῶν ποιῆσαι καὶ τοῦ εἴδους αἴτιον εἶναι ἐν τῇ ὕλῃ. (2.2) Phys. B1, 193b3–5: ὥστε ἄλλον τρόπον ἡ φύσις ἂν εἴη τῶν ἐχόντων ἐν αὑτοῖς κινήσεως ἀρχὴν ἡ μορφὴ καὶ τὸ εἶδος, οὐ χωριστὸν ὂν ἀλλ’ ἢ κατὰ τὸν λόγον. (2.3) Simplicii In Physicorum 276.24–277.9: ἐπειδὴ δὲ διττόν ἐστι τὸ εἶδος τὸ μὲν κατὰ τὴν μορφὴν τὸ δὲ κατὰ τὸν λόγον ὄν, ὁριζόμενοι τί ἐστιν ἕκαστον ἀποδίδομεν τὸ μὲν κατὰ τὴν μορφὴν μόνην τὸ κατὰ τὸ ἐπιπολῆς σχῆμα καὶ χρῶμα καὶ μέγεθος, τὸ δὲ κατὰ τὸν λόγον τὸ κατὰ τὸν μονοειδῆ τύπον τοῦ ἀνειλιγμένου ὁρισμοῦ, ὃ καὶ συντρέχει τῷ ὁρισμῷ, ὥσπερ καὶ τὸ ὄνομα, τοῦτο δὲ καὶ τὴν μορφὴν περιέχει· τοῦτο οὖν < τὸ εἶδος τὸ κατὰ τὸν λόγον > ἢ τὴν τοιαύτην μορφὴν εἶναι τὴν φύσιν λέγει. διὸ καὶ προστίθησι τῷ εἴδει τὴν μορφὴν λέγων < ἄλλον δὲ τρόπον ἡ μορφὴ καὶ τὸ εἶδος > καὶ πάλιν < ἡ μορφὴ καὶ τὸ εἶδος οὐ χωριστὸν ὄν >· καὶ ἐν τῇ τέχνῃ δὲ κατὰ ἄλλον τρόπον ἡ μορφὴ καὶ τὸ εἶδος ταὐτόν ἐστιν, ὅτι κατὰ τὴν μορφὴν ὁ τοῦ τεχνητοῦ λόγος. καὶ ἔστι καὶ τοῦτο δεικτικὸν τοῦ τὴν φύσιν τὸ εἶδος εἶναι. εἰ γὰρ ἡ φύσις ἡ ἑκάστου ἐν τῷ εἶναι ἑκάστου, τὸ δὲ εἶναι ἑκάστου ἐν τῷ κατὰ τὸν λόγον καὶ τὸν ὁρισμὸν εἴδει ἐστί (διὸ καὶ ἀντιστρέφουσιν οἱ ὁρισμοὶ πρὸς τὰ ὁριστά), ἡ φύσις τὸ εἶδος ἂν εἴη. ὥστε κατὰ μὲν τοὺς προτέρους λόγους ἡ ὕλη ἂν εἴη ἡ φύσις ἐν τοῖς φυσικοῖς, κατὰ δὲ τὸν νῦν ῥηθέντα τὸ εἶδος, ὅπερ ἀχώριστόν ἐστι τοῦ ὑποκειμένου λόγῳ μόνῳ χωρίζεσθαι δυνάμενον ἀπ’ αὐτοῦ. χωριστὰ γὰρ ταῦτα λέγεται, ὅσα καὶ χωρισθέντα ὧν χωρίζεσθαι λέγεται μένει τὴν αὑτῶν ἔχοντα φύσιν· ὧν δὲ ὁ χωρισμὸς φθορά ἐστι, ταῦτα οὐκ ἔστι χωριστά. τοιοῦτον δὲ τὸ ἐν τῇ ὕλῃ εἶδος· κατὰ γὰρ τοῦτο τὸ εἶναι τοῖς φυσικοῖς, ἀλλ’ οὐχὶ κατὰ τὸ χωριστὸν εἶδος. (2.4) Thomas In Physicorum lib.2 l.2 n.3 [71682]: Ergo natura rerum naturalium habentium in se principium motus, alio modo etiam forma est: quae licet non separetur a materia secundum rem, tamen differt ab ea ratione. (3) εἶδος ἔνυλον-εἶδος ἄυλον: Asklepios 398.18–20: < εἶδος δὲ λέγω τὸ τί ἦν εἶναι ἑκάστου >, τουτέστιν αὐτὸ τὸ ἄυλον εἶδος, ἐξ οὗ καὶ τὸ ἔνυλον χαρακτηρίζεται· καὶ οἱ ὁρισμοὶ γὰρ κατὰ τὰ εἴδη λαμβάνονται.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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wir uns nun der Wesensdefinition zu, um die logischen bzw. die geistigen Prinzipien der Art einsichtig zu machen. Aristoteles’ theoretische Betrachtung der Wesensdefinition besteht aus drei Schritten. Im ersten Schritt geht das Argument davon aus, drei verschiedene Aussagenformen, nämlich Meinung, Demonstration und Wesensdefinition, miteinander zu vergleichen (δόξα-ἀπόδειξις-ὁρισμός). Die Meinung bringt den zufälligen Sachverhalt zum Ausdruck, z. B. dass Sokrates musikalisch ist (δόξαπάθος κατὰ συμβεβηκός). Die wesentliche Tatsache hingegen lässt sich demonstrieren, wie z. B. dass das Feuer warm, die Seele lebendig oder die Nase stupsig ist (ἀπόδειξις-πάθος καθ’ αὑτήν). In beiden Fällen muss das Zugrundeliegende vorausgesetzt werden, dem das akzidentelle oder das wesentliche Prädikat hinzuzufügen ist. Im Gegenteil dazu kann die Art/Form nicht anhand der Hinzufügung (ἐκ προσθέσεως, ex additione) wesentlich definiert werden, weil nicht die Form das zugrundeliegende Einzelne, sondern dieses jene logischontologisch voraussetzen muss. Daraus folgt, dass die Wesenheit der Art/Form weder durch die Meinung geäußert noch demonstriert werden kann, sondern eine andere Vorgehensweise angenommen werden muss. Im zweiten Schritt vergleicht Aristoteles die Wesensdefinition nicht mit der Meinung und der Demonstration, sondern das Definitionsverfahren mit dem Entstehungsprozess (ὁρισμός-γένεσις). Die Vier-Ursachen-Lehre ist darauf gerichtet, wodurch (διὰ τι) die Einzelsubstanz tatsächlich hervorgebracht wird. Analog dazu orientiert sich die Suche nach der Wesensdefinition daran, wodurch (διὰ τι) die Wesenssubstanz logisch bzw. geistig konstituiert ist. Aufgrund derselben Fragestellung und Vorgehensweise ergibt sich die Analogie, wobei die ontologische Entstehung der Einzelsubstanz und die logische Definition der Wesenssubstanz strukturell ähnlich sind. Wie die Einzelsubstanz aus der Zusammensetzung der sensiblen Materie und der Form entstanden ist (τόδε τι/γένεσις = ὕλη αἰσθητή + μορφή), wird die Wesenssubstanz durch die Zusammenfügung der intelligiblen Materie und der spezifischen Differenz definiert (εἶδος/ὁρισμός = ὕλη νοητή + διαφορά). Die Definitionselemente der Art, nämlich die Gattung und die spezifische Differenz, sind dadurch festzulegen, dass die Wesensdefinition nicht die logische Komplexität von Subjekt und Prädikat, sondern das ontologische Kompositum von Stoff und Form zum Paradigma nimmt. Wenn man die Wesenssubstanz nach dem Herstellungsmuster determiniert, stellt sich im dritten Schritt die Frage: Worin liegt die Einheit der Definition, die aus mehreren Definitionselementen besteht? Anhand der Erörterung über die definitorische Einheit kommt der Geist zur Sprache, denn nichts anderes als das noetische Denken führt das dihairetische Definitionsverfahren durch. Kraft des Geistes vollzieht sich die Dihairese derart, dass sich die Gattung zunächst in die
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Differenzen ausdifferenziert und sich dann mit der spezifischen Differenz zusammenfügt. Darüber hinaus strukturiert der Geist die beiden Definitionselemente hylemorphistisch, indem sich die intelligible Materie zur sensiblen Materie und die spezifische Differenz zur wesentlichen Form analog verhalten. Durch die Suche nach der Einheit der Definition ist der Logos auf dessen Prinzip, nämlich den Nous, zurückzuführen (λόγος→νοῦς). Die Rückführung stellt den logischen bzw. den geistigen Zugang zum Geist (λογικῶς) dar, während der Geist/Gott als unbewegter Beweger anhand des kosmologischen Gottesbeweises physisch bzw. ontologisch (φυσικῶς) nachzuweisen ist. 2.2.3.1 Meinung-Demonstration-Definition (δόξα-ἀπόδειξις-ὁρισμός) Im Allgemeinen gehören Meinung, Demonstration und Wesensdefinition zur Aussage (λόγος), die das bestimmte Seiende zum Ausdruck bringt (λόγος τινος). Da sich die logische Formulierung nach der ontologischen Grundlage richtet, geht der Unterschied der Ausdrucksweisen auf die sachliche Differenz zurück. Darum muss man sich zunächst klarmachen, welches Seiende jeweils in der Meinung geäußert, demonstriert oder definiert werden kann. Anhand des Kriteriums von per se und per accidens ist die Kategorie in die Wesenskategorie/Wesenssubstanz und die zukommende Kategorie/Eigenschaft ausdifferenziert (οὐσία-συμβεβηκός/πάθος). Mithilfe desselben Kriteriums ist die Eigenschaft in die wesentliche und die akzidentelle Eigenschaft einzuteilen (πάθος καθ’ αὑτήν-πάθος κατὰ συμβεβηκός), je nachdem, ob sie dem Zugrundeliegenden per se oder per accidens zukommt.289 Aus der zweimaligen Einteilung
289 Im vorliegenden Kontext beschränkt sich der Terminus πάθος nicht auf die qualitative Kategorie, sondern damit sind alle zukommenden Kategorien gemeint. Die Eigenschaft (πάθος) kann mit dem Zukommenden (συμβεβηκός) terminologisch für äquivalent gehalten werden, insofern alle Eigenschaften dem Zugrundeliegenden zukommen müssen. Indem die Eigenschaft dem Einzelnen entweder zufällig oder notwendig zukommt, ist die Eigenschaft in die akzidentelle und die wesentliche Eigenschaft geteilt (συμβεβηκότα γάρ ἐστι πάντα, ἀλλὰ τὰ μὲν καθ’ αὑτά, τὰ δὲ καθ’ ἕτερον τρόπον – APo. A22, 83b19–20). Die akzidentelle Eigenschaft bzw. das per accidens Zukommende ist das, was im zugrundeliegenden Einzelnen vorliegt, und zwar weder immer noch häufig, sondern nur zufällig (Συμβεβηκὸς λέγεται ὃ ὑπάρχει μέν τινι καὶ ἀληθὲς εἰπεῖν, οὐ μέντοι οὔτ’ ἐξ ἀνάγκης οὔτε < ὡς > ἐπὶ τὸ πολύ, [. . .] – Metaph. Δ30, 1025a14–15). Wie das Weiße auf Kallias per accidens zutrifft, ist es ebenso ein Zufall, dass Sokrates sitzt. Die wesentliche Eigenschaft bzw. das per se Zukommende ist das Seiende, das zwar die Wesenheit einer Sache nicht betrifft, aber in der Sache selbst per se vorliegt (λέγεται δὲ καὶ ἄλλως συμβεβηκός, οἷον ὅσα ὑπάρχει ἑκάστῳ καθ’ αὑτὸ μὴ ἐν τῇ οὐσίᾳ ὄντα, [. . .] – Metaph. Δ30, 1025a30–32). Obwohl zwei Rechte keineswegs die Wesenheit des Dreiecks konstituieren, befinden sie sich notwendig im Dreieck. Gleichfalls drückt das Stupsnasige nicht die Wesenheit, sondern nur die wesentliche Eigenschaft der Nase aus, da das Stupsnasige der Nase
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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ergeben sich drei verschiedene Seiende, nämlich die Wesenskategorie, die wesentliche Eigenschaft und die akzidentelle Eigenschaft, die jeweils terminologisch als Wesenssubstanz, Eigentümlichkeit und Akzidenz bezeichnet werden. Die Aussage, die das Akzidenz ausdrückt, wird die Meinung genannt (δόξα-πάθος κατὰ συμβεβηκός), z. B. dass Sokrates weiß ist.290 Die Aussage, die die Eigentümlichkeit zur Sprache bringt, ist die Demonstration (ἀπόδειξις-πάθος καθ’ αὑτήν), wie z. B. dass das Feuer warm, die Seele lebendig oder die Nase stupsig ist.291 Die Demonstration ist deswegen mit dem Kennzeichen der Verdoppelung ausgestattet, weil das Warme im Feuer, die Lebendigkeit in der Seele oder das Stupsige in der Nase per se enthalten ist.292 Die Aussage, die die Wesenssubstanz definitorisch bestimmt, ist nichts anderes als die Wesensdefinition (ὁρισμός-λόγος τῆς οὐσίας). Aufgrund des sachlichen Unterschieds von Akzidenz, Eigentümlichkeit und Wesenssubstanz sind Meinung, Demonstration und Wesensdefinition voneinander differenziert (Metaph. Z15, 1039b31–1040a2). Im Folgenden gehen wir zunächst auf den Unterschied von Meinung und Demonstration ein. Es geht dabei nicht nur um zwei verschiedene Ausdrucksweisen; vielmehr hängt die Unterscheidung zwischen Meinung und Demonstration direkt damit zusammen, wie die unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen begründet werden sollen. Da die Meinung, die die
per se zukommt. Der Unterschied zwischen der akzidentellen und der wesentlichen Eigenschaft lässt sich auch dadurch charakterisieren, dass jene vom Zugrundeliegenden trennbar und diese davon untrennbar ist. Während Sokrates sitzen oder nicht sitzen oder Kallias weiß oder nicht weiß sein kann, ist es durchaus unmöglich, dass das Dreieck ohne zwei Rechte existierte oder das Stupsnasige ohne die Nase ausgesagt würde. Das Wort συμβεβηκός als Zukommendes weist nicht unbedingt auf das Akzidenz hin, denn es kann dem Zugrundeliegenden entweder zufällig oder notwendig zukommen. Strenggenommen ist nicht das Zukommende oder die Eigenschaft überhaupt, sondern nur das per accidens Zukommende (συμβεβηκός κατὰ συμβεβηκότα) oder die akzidentelle Eigenschaft (πάθος κατὰ συμβεβηκός) mit dem Akzidenz zu identifizieren. Dementsprechend lässt sich das per se Zukommende (συμβεβηκός καθ’ αὑτό) oder die wesentliche Eigenschaft (πάθος καθ’ αὑτήν) terminologisch als Eigentümlichkeit festlegen. Der Unterschied zwischen per accidens und per se von συμβεβηκός/πάθος findet sich in folgenden Stellen: Phys. A3, 186b18–21; Metaph. Δ30, 1025a4–34; Z5, 1030b16–26; M3, 1077b34–1078a9. Vgl. auch Tugendhat 1958: 60, besonders Fußnote 28. 290 In Teil 2.1.1 haben wir schon darüber gesprochen, dass mit der Meinung (δόξα) die Aussage gemeint ist, die entweder wahr oder falsch sein kann. Die Falschheit kommt dadurch zustande, dass die Aussage unveränderlich bleibt und sich das Akzidenz verändert. Die Veränderung des Akzidenz bringt die Zweiwertigkeit der Meinung zustande und dementsprechend bringt die Meinung das Akzidenz bzw. den akzidentellen Sachverhalt zur Sprache. 291 Während die Meinung das Wahre oder das Falsche ausdrücken kann, ist die affirmative Demonstration (ἀπόδειξις) immer wahr. Was demonstriert wird, ist nichts anderes als die Eigentümlichkeit, die per se am Zugrundeliegenden vorhanden ist. 292 Mit der Verdoppelung (συνδεδυασμένον – Metaph. Z5, 1030b16; συνδυαζομένον – Metaph. Z5, 1031a6) ist z. B. das warme Feuer, die lebendige Seele oder die stupsnasige Nase gemeint.
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akzidentelle Eigenschaft zum Ausdruck bringt, wahr oder falsch sein kann, ist sie mit der Übereinstimmungswahrheit verbunden. Indem sich die wesentliche Eigenschaft aus dem Zugrundeliegenden notwendig ergibt, legt die Demonstration den apodiktisch-syllogistischen Einzelwissenschaften ein Fundament. Wie gesagt ist die zukommende Eigenschaft in Akzidenz und Eigentümlichkeit geteilt. Das Akzidenz, z. B. das Weiße, wird vom Subjekt „Kallias“ oder „Mensch“ deshalb zufällig prädiziert, weil das Weiße vom Menschen abgetrennt und von der Fläche ausgesagt werden kann (Metaph. Z5, 1030b20–21, 1030b25). Dagegen wird die Eigentümlichkeit, das Stupsige, vom Subjekt „Nase“ notwendig ausgesagt, denn das Stupsige kommt keinem beliebigen Zugrundeliegenden zu, sondern es ist per se der Nase immanent (Metaph. Z5, 1030b16–20; Phys. A3, 186b18–23). Ohne die Nase kann das Stupsige nicht ausgesagt werden und ebenso ist das Männliche ohne das Lebewesen nicht aussagbar.293 Die Eigentümlichheit (propria passio) und das ihr eigentümliche Zugrundeliegende (proprium subiectum) sind nicht voneinander zu trennen (Metaph. Z5, 1030b24–25). Anhand des Akzidenz bildet sich die akzidentelle Prädikation, wobei das Subjekt mit dem Prädikat nicht definitionsgleich, sondern nur gleichnamig ist. Genauer gesagt: Das akzidentelle Prädikat, das Weiße kann entweder von Kallias oder von dem Menschen (ὄνομα) prädiziert werden, aber nicht von der Definition des Menschen (λόγος). Während Kallias oder der Mensch weiß sein kann, ist es unmöglich, zu behaupten, dass das vernünftige Lebewesen als solches weiß ist. Dagegen kann die Eigentümlichkeit als wesentliches Prädikat sowohl von dem Begriff als auch von der Wesensdefinition desselben ausgesagt werden (Metaph. Z5, 1030b23–24). Das Männliche ist dasjenige Lebewesen (ὄνομα), welches die Nachkommenschaft in dem anderen erzeugt. Ist das Lebewesen als beseelte und wahrnehmungsfähige Substanz bestimmt, kommt das Männliche dementsprechend derart zur Sprache, nämlich dass es die beseelte und wahrnehmungsfähige Substanz ist, welche die Nachkommenschaft in dem anderen erzeugt (λόγος).294 Während das Akzidenz nicht von der 293 Außer der Untrennbarkeit des Stupsigen von der Nase und des Männlichen vom Lebewesen erwähnt Aristoteles noch andere Beispiele, nämlich dass auch das Weibliche vom Lebewesen (Metaph. Z5, 1030b25–26, 1031a4), die Gleichheit von der Quantität (Metaph. Z5, 1030b21–23) und das Ungerade von der Zahl (Metaph. Z5, 1031a3–4) nicht zu trennen sind. 294 (1) Alexander 477.4–11: καὶ ἐν μὲν τῷ τῆς σιμότητος ὁρισμῷ εἴληπται τὸ ὄνομα τῆς ῥινός, ἐν ἄλλοις δὲ ἐνδέχεται ληφθῆναι οὐ μόνον τὸ ὄνομα τοῦ ὑποκειμένου, ἀλλὰ καὶ τὸν ὁρισμόν· οἷον εἴ τις ὁρίζεται τὸ ἄρρεν, εἰ μὲν ἐρεῖ ‘ἄρρεν ἐστὶ ζῷον ὃ πέφυκεν ἐν ἄλλῳ γεννᾶν’, εἴληφε τὸ ὄνομα τοῦ ὑποκειμένου τῷ ἄρρενι τὸ ζῷον, εἰ δὲ λέγει ὅτι ἄρρεν ἐστὶν οὐσία ἔμψυχος αἰσθητικὴ πεφυκυῖα ἐν ἄλλῳ γεννᾶν, τὸν ὁρισμὸν εἶπε τοῦ ὑποκειμένου τῷ ἄρρενι καὶ οὐχὶ τὸ ὄνομα. (2) Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.4 n.14 [82910]: „Semper enim in definitionibus potest
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Definition, sondern nur vom Begriff ausgesagt wird, kann die Eigentümlichkeit sowohl von der einen als auch von dem anderen prädiziert werden. Des Weiteren macht das Akzidenz, das dem Zugrundeliegenden zukommen kann oder nicht, es möglich, dass die Aussage entweder wahr oder falsch ist, denn die Veränderbarkeit des Akzidenz ist der Korrespondenzwahrheit fundamental. Wäre der Sachverhalt unveränderlich, ergäbe sich keine Täuschungs- bzw. Falschheitsmöglichkeit, die der zweiwertigen Übereinstimmungswahrheit unentbehrlich ist. In Bezug auf das Akzidenz bzw. die akzidentelle Prädikation rückt die Wahrheitstheorie in den Vordergrund. Demgegenüber dient die Eigentümlichkeit theoretisch dazu, die Untersuchungsgegenstände der Einzelwissenschaften festzulegen. Das Stupsige z. B. lässt sich paradigmatisch als Untersuchungsgegenstand der Physik bezeichnen. Alle natürlichen Seienden können insofern nach dem Paradigma des Stupsigen zum Ausdruck gebracht werden (πάντα τὰ φυσικὰ ὁμοίως τῷ σιμῷ λέγονται), als das Stupsige die notwendige Verbundenheit der Eigentümlichkeit mit dem Zugrundeliegenden impliziert. Das Stupsige wohnt per se keinem anderen als der Nase inne (Metaph. E1, 1025b30–1026a6; K7, 1064a19–28; Phys. B2, 194a12–15). Wie das Stupsige auf das Substrat Nase zurückgreift (σιμόν→ῥίς), so geht die Bewegung auf die zugrundeliegende Einzelsubstanz (κίνησις→τόδε τι) und die Entstehung auf die zugrundeliegende Materie zurück (γένεσις→ὕλη). Zum Stupsigen, d. h. zur Konkavheit der Nase, steht die Veränderung der natürlichen Substanzen analog. Demzufolge hat die Physik sowohl die Bewegung und die Entstehung der einzelnen Lebewesen als auch die Kreisbewegung der Himmelskörper, weiter noch die Umwandlung der vier Grundelemente zum Untersuchungsgegenstand. Wie die Physik die Veränderung der natürlichen Substanzen in Betracht zieht, sind analog das Geschlecht des Lebewesens in der Biologie, die Gestalt der Linie in der Geometrie und die Eigenschaft der Zahl in der Arithmetik zu erforschen. Nach demselben Paradigma des Stupsigen ist der Gegenstand der Einzelwissenschaft als Eigentümlichkeit bestimmt, die dem entsprechenden Zugrundeliegenden per se zukommt (propria passio). Darüber hinaus ist die Eigentümlichkeit des Zugrundeliegenden mit der Disjunktion ausgestattet. Das lässt sich an Beispielen aufzeigen, wie etwa daran, dass die einzelne Natursubstanz entweder bewegt oder in Ruhe ist, das Lebewesen männlich oder weiblich, die Linie geradlinig oder
poni ratio loco nominis: sicut si dicimus quod homo est animal rationale mortale, potest poni loco nominis animalis definitio, ut dicatur quod homo est substantia animata sensibilis rationalis mortalis. Similiter si dicam quod masculus est animal potens generare in alio, possum etiam dicere quod masculus est substantia animata sensibilis potens generare in aliquo alio.“ An dieser Stelle (Metaph. Z5, 1030b23–24) haben Alexander und Thomas einen ähnlichen Interpretationsvorschlag anzubieten, dem wir folgen.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
gekrümmt und die Zahl gerade oder ungerade.295 Trotz des sachlichen Unterschieds sind die Untersuchungsgegenstände der Einzelwissenschaften einander strukturell ähnlich, indem die Physik, die Biologie, die Geometrie und die Arithmetik die jeweiligen disjunktiven Eigentümlichkeiten des Zugrundeliegenden (passiones per se disiunctae) theoretisch betrachten und untersuchen. Da die Eigentümlichkeit dem eigenen Zugrundeliegenden per se zukommt, ergibt sich die eigentümliche Eigenschaft aus der zugrundeliegenden Einzelheit oder Gattung notwendig. Demzufolge vollziehen sich die Einzelwissenschaften syllogistisch (APo. A10, 76b3–16). Indem die disjunktiven Eigentümlichkeiten anhand des Syllogismus demonstriert werden, sind die verschiedenen Einzelwissenschaften einander sowohl gegenständlich als auch methodisch strukturverwandt. Darum werden die Einzelwissenschaften gemeinsam als apodiktisch-syllogistische Wissenschaften bezeichnet. Den Unterschied von Meinung und Demonstration fassen wir im folgenden Schema zusammen (Tab. 17): Tab. 17: Unterschied von Meinung und Demonstration. δόξα
ἀπόδειξις
Gegenstand
πάθος κατὰ συμβεβηκός
πάθος καθ’ αὑτήν
Beispiel
λευκός-ἄνθρωπος
σιμόν-ῥίς, ἄρρεν-ζῷον
Trennbarkeit
τὸ λευκὸν ἄνευ τοῦ ἀνθρώπου ἐνδέχεται
οὐ τὸ ἄρρεν ἄνευ τοῦ ζῴου
Prädikation
μόνον ὄνομα
ἢ ὁ λόγος ἢ τοὔνομα
Gegensatz
δόξα: ἀληθές-ψεῦδος
τόδε τι: κίνησις-ἠρεμία ζῷον: ἄρρεν-θῆλυ γραμμή: εὐθύ-καμπύλον ἀριθμός: ἄρτιον-περιττόν
Wissenschaft
Korrespondenztheorie der Wahrheit
Einzelwissenschaften: Physik, Biologie, Mathematik
295 Die passio per se disiuncta wird von Aristoteles durch die folgenden Beispiele illustriert: Männlichkeit-Weiblichkeit des Lebewesens (Metaph. Z5, 1030b21–22, 1030b25–26, 1031a4; I9, 1058a29–34, 1058b21–24), Geradheit-Ungeradheit der Zahl (APo. A4, 73b20–21, A10, 76b6–8; Phys. B2, 194a3–4; Metaph. Z5, 1031a2–6), Geradlinigkeit-Gekrümmtheit der Linie (APo. A4, 73b19–20, A10, 76b9–11; Phys. B2, 194a4), Gleichheit-Ungleichheit der Quantität (Cat. 6, 6a26–27; Metaph. Z5, 1030b22) und Ähnlichkeit-Unähnlichkeit der Qualität (Cat. 9, 11a15–19).
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
217
Im nun folgenden Schritt vergleichen wir die Meinung und die Demonstration mit der Wesensdefinition, indem das Akzidenz und die Eigentümlichkeit der Wesenssubstanz entgegengesetzt sind. Im Fall, dass Aristoteles nicht die Unterscheidung zwischen der akzidentellen und der wesentlichen Eigenschaft, sondern den Unterschied zwischen der Eigenschaft, sei sie akzidentell, sei sie wesentlich, und der Wesenssubstanz in den Vordergrund bringt, führt er die folgende neue Terminologie ein: Im weiteren Sinne kann man die Wesensfrage (τί ἐστι) nicht nur in Bezug auf die Wesenskategorie/Wesenssubstanz, sondern auch in Bezug auf die zukommende Kategorie stellen (Metaph. Z4, 1030a17–20). Die Wesenskategorie wird im ursprünglichen und absoluten Sinne (πρώτως καὶ ἁπλῶς) definiert, die zukommende Kategorie aber ist nur im abgeleiteten Sinne (ἑπομένως) definierbar. Die Definition der Wesenskategorie ist die Wesensdefinition, die terminologisch als „τὸ τί ἦν εἶναι“ bezeichnet wird (λόγος τῆς οὐσίας = ὁρισμός = τὸ τί ἦν εἶναι, definitio substantiarum = quod quid erat esse – Metaph. Z4, 1030a6–7; Z5, 1031a11–14). Im Vergleich dazu ist die Definition der zukommenden Kategorie die Aussage, die die Washeit der kategorialen Eigenschaft zur Sprache bringt (ὁρισμός τῶν συμβεβηκότων = τὸ τί ἐστι, definitio accidentium = quod quid est).296
296 An verschiedenen Stellen verwendet Aristoteles drei Paare von Ausdrücken, um die Definition der Wesenskategorie/Wesenssubstanz von der Definition der zukommenden Kategorie zu unterscheiden. Zur Veranschaulichung fassen wir die begriffliche Anwendung in einer Tabelle zusammen: ὁρισμός τῶν οὐσιῶν
ὁρισμός τῶν συμβεβηκότων
τὸ τί ἐστι Metaph. Z, a–
τὸ τί ἐστι πρώτως καὶ ἁπλῶς τῇ οὐσίᾳ
τὸ τί ἐστι ἑπομένως τοῖς ἄλλοις
τὸ τί ἦν εἶναι Metaph. Z, a–, b–; Z, a–
τὸ τί ἦν εἶναι πρώτως καὶ ἁπλῶς τῇ οὐσίᾳ
τὸ τί ἦν εἶναι τοῖς ἄλλοις, οἷον ποιῷ ἢ ποσῷ = τὸ τί ἐστι
APo. B, b–a
τί ἐστι
ὅτι ἔστι
Die vielfältigen Termini führen leicht zu begrifflicher Verwirrung und Unklarheit. Deshalb entscheiden wir uns, die zukommende Kategorie als Washeit (τὸ τί ἐστι = quod quid est = definitio accidentium) und die Definition der Wesenssubstanz terminologisch als τὸ τί ἦν εἶναι ( = quod quid erat ess = definitio substantiae) zu bezeichnen.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Wegen der sachlichen Verschiedenheit können die zukommende und die wesentliche Kategorie nicht gleicherweise determiniert werden. Da die zukommende Kategorie in der zugrundeliegenden Substanz vorhanden ist (ἐν ὑποκειμένῳ ἐστι), muss das entsprechende Prädikat vom zugrundeliegenden Subjekt ausgesagt werden (καθ’ ὑποκειμένου λέγεται).297 Die ontologische Abhängigkeit der zukommenden Kategorie von der Substanz führt zur logischen Abhängigkeit des Prädikates vom Subjekt. In der kategorialen Aussage, die aus Subjekt und Prädikat besteht, kann das eine nur von dem anderen, d. h. das Prädikat nur vom Subjekt, ausgesagt werden (ἔτι πᾶσα ἀπόδειξις τὶ κατὰ τινὸς δείκνυσιν, οἷον ὅτι ἔστιν ἢ οὐκ ἔστιν – APo. B3, 90b33–34). Anders formuliert: In der Definition bzw. Aussage der zukommenden Kategorie muss ein Zugrundeliegendes als Subjekt hinzugefügt werden ([. . .] quod in definitione accidentis ponatur subiectum – Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.3 n.15 [82886]).298 Durch die Hinzufügung eines Subjektes (ἐκ προσθέσεως)299 kommt die Eigenschaft, sei sie akzidentell oder wesentlich, zum Ausdruck. Dem Akzidenz wird das äußere Subjekt hinzugefügt und der Eigentümlichkeit das innere Subjekt. Das Subjekt des Akzidenz ist insofern äußerlich und zufällig, als dasselbe Akzidenz, das Weiße, von mehreren Subjekten, z. B. von der Fläche oder von dem Menschen, ausgesagt werden kann (Metaph. Z4, 1029b16–19, 1029b32–33). Dagegen ist die Eigentümlichkeit auf ein inneres und notwendiges
297 Im Allgemeinen kann man folgendermaßen formulieren: Befindet sich das eine in dem anderen (τόδε ἐν τῷδε – Metaph. Z5, 1030b18), muss jenes von diesem ausgesagt werden (ἄλλο κατ’ ἄλλου λέγηται – Metaph. Z4, 1030a3–6, 1030a10–11). Das gilt nicht nur für die Eigentümlichkeit, die am eigenen Zugrundeliegenden per se vorhanden ist, sondern auch für das Akzidenz. Denn die Eigenschaft, sei sie wesentlich oder akzidentell, muss dem ontologischen Zugrundeliegenden inhärieren und vom logischen Zugrundeliegenden ausgesagt werden. Die Vorhandenheit des einen an dem anderen (τόδε ἐν τῷδε) legt der logischen Prädikationsstruktur ein ontologisches Fundament, damit das eine von dem anderen ausgesagt wird (ἄλλο κατ’ ἄλλου λέγηται). 298 Die Formulierung des Thomas ([. . .] quod in definitione accidentis ponatur subiectum – Sententia Metaphysicae lib.7 l.3 n.15 [82886]) ist deswegen zu bevorzugen, weil nicht nur das Akzidenz (per accidens accidentia), sondern auch die Eigentümlichkeit (per se accidentia) darin einbezogen sind. Demzufolge muss das Subjekt in die Definition der akzidentellen oder der wesentlichen Eigenschaft eingeführt werden, wie z. B. dass der Mensch weiß ist oder das Ungerade Zahl ist. (1) Metaph. Z4, 1029b30–33: τὸ μὲν γὰρ τῷ αὐτὸ ἄλλῳ προσκεῖσθαι λέγεται ὃ ὁρίζεται, οἷον εἰ τὸ λευκῷ εἶναι ὁριζόμενος λέγοι λευκοῦ ἀνθρώπου λόγον. (2) Metaph. Z5, 1031a2–5: εἰ γὰρ καὶ τῶν ἄλλων κατηγοριῶν, ἀνάγκη ἐκ προσθέσεως εἶναι, οἷον τοῦ [ποιοῦ καὶ] περιττοῦ· οὐ γὰρ ἄνευ ἀριθμοῦ, οὐδὲ τὸ θῆλυ ἄνευ ζῴου. 299 Um die Eigenschaft auszudrücken, muss ein Subjekt hinzuzufügen sein. Außer der πρόσθεσις (Metaph. Z4, 1029b29–30, Z5, 1030b14–16, Z5, 1031a2–5) verwendet Aristoteles noch ein paar Synonyme, um die Hinzufügung zu bezeichnen: προσκεῖσθαι – Z4, 1029b31; πρόσεστιν – Z4, 1029b19; προστιθέντας – Z4, 1030a33.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Subjekt gerichtet, z. B. dass nichts anderes als die Nase stupsig ist (Metaph. Z5, 1030b14–20). Da das Stupsige der Nase per se zukommt, muss es vom eigentümlichen Subjekt ausgesagt werden. Wie das Weiße nicht ohne Hinzufügung der Fläche oder des Menschen ausgesagt werden kann, ist es auch unmöglich, das Stupsige auszudrücken, ohne die Nase zu erwähnen.300 Während die zukommende Kategorie nur anhand der Hinzufügung des Zugrundeliegenden (προστιθέντας = μετὰ προσθήκης) zum Ausdruck kommen kann, wird die Wesenskategorie ohne Hinzufügung determiniert (ἀφαιροῦντας = ἄνευ προσθήκης).301 Sowohl das Akzidenz als auch die Eigentümlichkeit müssen vom
300 Metaph. Z5, 1030b30–31, K7, 1064a23–26. An manchen Stellen drückt sich Aristoteles nicht präzise aus, wenn er das Stupsige als konkave Nase bestimmt (ἔστι γὰρ τὸ σιμὸν κοίλη ῥίς – Metaph. E1, 1025b33; K7, 1064a26). Wenn das Stupsige mit der Nase gleichgesetzt wird und dasselbe per se die Nase impliziert, führt das zur Verdoppelung und zur unendlichen Wiederholung der Nase (Metaph. Z5, 1030b28–1031a1). Um die Gleichsetzung der Eigenschaft mit der Einzelsubstanz zu vermeiden (πάθος ≠ ὑποκείμενον), muss das Stupsige strenggenommen als Konkavheit der Nase (wörtlich: Konkavheit in der Nase) definiert werden (ἔστι γὰρ τὸ σιμὸν κοιλότης ἐν ῥινί – Metaph. Z5, 1030b31–32; SE 182a4–6). Darum kann das Stupsige nicht zur Sprache gebracht werden, ohne die Nase zu erwähnen. 301 Die beiden Begriffe, προστίθημι-ἀφαιρέω oder πρόσθεσις-ἀφαίρεσις, treten paarweise auf und bedeuten grundsätzlich Hinzufügung-Wegnahme. Anhand der Grundbedeutung dehnt sich die begriffliche Anwendung in die verschiedenen Bereiche aus. (1) Im praktischen Bereich kommt die Verteilungsgerechtigkeit dadurch zustande, dass demjenigen, der weniger hat, etwas hinzugegeben und etwas von demjenigen, der mehr oder am meisten besitzt, weggenommen wird (τούτῳ ἄρα γνωριοῦμεν τί τε ἀφελεῖν δεῖ ἀπὸ τοῦ πλέον ἔχοντος, καὶ τί προσθεῖναι τῷ ἔλαττον ἔχοντι· ᾧ μὲν γὰρ τὸ μέσον ὑπερέχει, τοῦτο προσθεῖναι δεῖ τῷ ἔλαττον ἔχοντι, ᾧ δ’ὑπερέχεται, ἀφελεῖν ἀπὸ τοῦ μεγίστου – EN E4, 1132b2–6). (2) Im übertragenen Sinne sind Hinzufügung und Wegnahme in der Veränderung verwendbar. Im Wachstum wird die Hinzufügung als quantitative Vermehrung angesehen. In der Herstellung nimmt der Handwerker die nutzlosen Stoffe weg, damit die Hermes-Statue aus dem Holz hervorgebracht wird (τὰ δὲ προσθέσει, οἷον τὰ αὐξανόμενα, τὰ δ’ ἀφαιρέσει, οἷον ἐκ τοῦ λίθου ὁ Ἑρμῆς – Phys. A7, 190b6–7). (3) In der Arithmetik ist damit Folgendes gemeint: Durch die Wegnahme oder die Hinzufügung der kleinsten Maßeinheit ist eine bestimmte Zahl, z. B. Fünf, nicht mehr Fünf, sondern wird Vier oder Sechs. In ähnlicher Weise darf der der Wesensdefinition zugehörige Bestandteil nicht weggenommen und der andere Teil, der dazu nicht gehört, nicht hinzugefügt werden (καὶ ὥσπερ οὐδ’ ἀπ’ἀριθμοῦ ἀφαιρεθέντος τινὸς ἢ προστεθέντος ἐξ ὧν ὁ ἀριθμός ἐστιν, οὐκέτι ὁ αὐτὸς ἀριθμός ἐστιν ἀλλ’ ἕτερος, κἂν τοὐλάχιστον ἀφαιρεθῇ ἢ προστεθῇ, οὕτως οὐδὲ ὁ ὁρισμὸς οὐδὲ τὸ τί ἦν εἶναι οὐκέτι ἔσται ἀφαιρεθέντος τινὸς ἢ προστεθέντος – Metaph. H3, 1043b36–1044a2). (4) Im metaphysischen Kontext (Metaph. Z4, 1030a33) weisen die beiden Begriffe auf die zwei verschiedenen Definitionsweisen hin. In die Definition des Akzidenz oder der Eigentümlichkeit muss das Zugrundeliegende eingeführt werden. In der Definition der Wesenssubstanz wird das zugrundeliegende Einzelne nicht erwähnt, da die Wesenssubstanz die Einzelsubstanz weder ontologisch noch logisch voraussetzt. Die Wesenssubstanz wird dadurch wesentlich determiniert, dass die Wesenheit von den Einzelnen abgesondert und rein logisch betrachtet wird. Anhand der Hinzufügung ist die Eigenschaft auszudrücken und
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Zugrundeliegenden ausgesagt werden. Denn unabhängig davon, ob die Kategorie der Substanz, äquivalent gesagt, das Prädikat dem Subjekt per accidens oder per se zukommt, muss das Prädikat vom Subjekt prädiziert werden. Darum muss das Zugrundeliegende als Subjekt in die Aussage einzuführen sein, um das Akzidenz auszusagen und die Eigentümlichkeit zu demonstrieren. Im Gegensatz dazu kann die Art nicht durch die Hinzufügung des Zugrundeliegenden definiert werden, weil sie weder dem zugrundeliegenden Einzelding zufällig zukommt, wie das Akzidenz, noch sich in demselben per se befindet, wie die Eigentümlichkeit (λέγω δὲ πρώτην ἣ μὴ λέγεται τῷ ἄλλο ἐν ἄλλῳ εἶναι καὶ ὑποκειμένῳ ὡς ὕλῃ – Metaph. Z11, 1037b3–4; Metaph. Z4, 1030a12–14; Z5, 1031a1–5). Die Art steht keineswegs in Abhängigkeit vom zugrundeliegenden Einzelding, sondern umgekehrt hängt das gleichartige Einzelding logisch-ontologisch von der Art ab. Wegen der Unabhängigkeit der Art vom zugrundeliegenden Einzelding ist die menschliche Art nicht anhand des einzelnen Menschen, sondern durch die allgemeine Gattung definitorisch bestimmt. Die Wesensdefinition bildet sich nicht nach der Prädikationsstruktur, wobei das eine von dem anderen, d. h. das zukommende Prädikat vom zugrundeliegenden Subjekt, ausgesagt wird,302 sondern richtet sich nach dem Herstellungsmuster aus. Die unterschiedlichen Ausdrucksweisen bauen auf den verschiedenen ontologischen Strukturen auf. Einerseits stimmt die Prädikationsstruktur von Subjekt und Prädikat (ὄνομα-ῥῆμα) mit dem ontologischen Gefüge von Substanz und
durch die Wegnahme, die in diesem Zusammenhang die Abstraktion bedeutet, ist die Wesenssubstanz zu definieren. (4.1) Alexander 474.20–23: [. . .] < ἢ προστιθέντας ἢ ἀφαιροῦντας, > προστιθέντας μὲν ἐπὶ τοῦ ποσοῦ ἢ τοῦ ποιοῦ καὶ τῶν ἄλλων, τί ἦν εἶναι λέγοντας ποιῷ ἢ τί ἦν εἶναι ποσῷ, ἀφαιροῦντας δὲ ἤτοι ἁπλῶς δὲ καὶ ἄνευ προσθήκης λέγοντας ἐπὶ τῆς οὐσίας. (4.2) Asklepios 387.6–9: [. . .] καὶ τὸ μὲν < προστιθέντα > περὶ τῶν συμβεβηκότων λέγει, τὸ δὲ < ἀφαιροῦντα > περὶ τῶν οὐσιῶν, οἷον λέγεται ὁρισμὸς ποσοῦ ἢ ποιοῦ, ἐπὶ δὲ τῆς οὐσίας δεῖ ἀφαιρεῖν τὸ τῆς οὐσίας ὄνομα καὶ λέγειν ὁρισμὸν τοῦ ὄντος, ἐπειδὴ κατὰ τοῦ ἁπλῶς ὄντος λέγεται ἡ οὐσία. 302 (1) APo. B3, 90b33–38: ἔτι πᾶσα ἀπόδειξις τὶ κατὰ τινὸς δείκνυσιν, οἷον ὅτι ἔστιν ἢ οὐκ ἔστιν· ἐν δὲ τῷ ὁρισμῷ οὐδὲν ἕτερον ἑτέρου κατηγορεῖται, οἷον οὔτε τὸ ζῷον κατὰ τοῦ δίποδος οὔτε τοῦτο κατὰ τοῦ ζῴου, οὐδὲ δὴ κατὰ τοῦ ἐπιπέδου τὸ σχῆμα· οὐ γάρ ἐστι τὸ ἐπίπεδον σχῆμα, οὐδὲ τὸ σχῆμα ἐπίπεδον. (2) De An. Γ6, 430b26–29: ἔστι δ’ ἡ μὲν φάσις τι κατά τινος, ὥσπερ καὶ ἡ ἀπόφασις, καὶ ἀληθὴς ἢ ψευδὴς πᾶσα· ὁ δὲ νοῦς οὐ πᾶς, ἀλλ’ ὁ τοῦ τί ἐστι κατὰ τὸ τί ἦν εἶναι ἀληθής, καὶ οὐ τὶ κατά τινος. (3) Metaph. Z4, 1030a3–11: ὅταν δ’ ἄλλο κατ’ ἄλλου λέγηται, οὐκ ἔστιν ὅπερ τόδε τι, οἷον ὁ λευκὸς ἄνθρωπος οὐκ ἔστιν ὅπερ τόδε τι, εἴπερ τὸ τόδε ταῖς οὐσίαις ὑπάρχει μόνον· ὥστε τὸ τί ἦν εἶναί ἐστιν ὅσων ὁ λόγος ἐστὶν ὁρισμός. ὁρισμὸς δ’ ἐστὶν οὐκ ἂν ὄνομα λόγῳ ταὐτὸ σημαίνῃ [. . .], ἀλλ’ ἐὰν πρώτου τινὸς ᾖ· τοιαῦτα δ’ ἐστὶν ὅσα λέγεται μὴ τῷ ἄλλο κατ’ ἄλλου λέγεσθαι.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
221
Kategorie unmittelbar überein (ὑποκείμενον-κατηγορούμενον). Andererseits steht das Definitionsverfahren analog zum Entstehungsprozess. Wie das Einzelding hergestellt wird, so lässt sich die Art gleicherweise definieren. Die Analogie von Entstehung und Definition (γένεσις-ὁρισμός) ist darin fundiert, dass dieselbe hylemorphistische Struktur die Entstehung/Herstellung der Einzelsubstanz und die Definition der Wesenssubstanz durchdringt. Wie die Definition der zukommenden Kategorie von der Definition der Wesenskategorie/Wesenssubstanz unterschieden ist, lässt sich schematisch so darstellen (Tab. 18):
Tab. 18: Unterschied zwischen Definition der zukommenden Kategorie und Definition der Wesenssubstanz. ὁρισμός τῶν συμβεβηκότων
ὁρισμός τῶν οὐσιῶν
Begrifflichkeit
τὸ τί ἦν εἶναι τῷ ποιῷ ἢ τῷ ποσῷ = τὸ τί ἐστι
τὸ τί ἦν εἶναι τῇ οὐσίᾳ = τὸ τί ἦν εἶναι
Gegenstand
ἕκαστον τῶν κατηγορουμένων ποσὸν ποιὸν καὶ ὅσα ἄλλα τοιαῦτα
οὐσία = εἶδος τόδε τι
Definitionsmethode
προστιθέντας μετὰ προσθήκης
ἀφαιροῦντας ἄνευ προσθήκης
Erklärung
πρόσθεσις ἄλλο κατ’ ἄλλου λέγηται τὶ κατὰ τινὸς λέγεται
ἀφαίρεσις μὴ τῷ ἄλλο κατ’ ἄλλου λέγεσθαι οὐ τὶ κατά τινος
Analogie
πρᾶγμα: κατηγορούμενον ὑποκείμενον λόγος: ῥῆμα ὄνομα
γένεσις: μορφή ὕλη αἰσθητή ὁρισμός: διαφορά ὕλη νοητή
Fassen wir den dreifachen Vergleich von Meinung, Demonstration und Wesensdefinition zusammen: Die unterschiedlichen Seienden führen zu den entsprechenden verschiedenen Ausdrucksweisen. Wegen der sachlichen Differenz von Akzidenz, Eigentümlichkeit und Wesenssubstanz können sie nicht auf ein und dieselbe Weise zur Sprache gebracht werden. Das Akzidenz kann von einem zufälligen Subjekt ausgesagt werden, z. B. dass Kallias weiß ist. Die Eigentümlichkeit wird anhand des inneren Subjekts demonstriert, nämlich dass nichts anderes als die Nase stupsig ist. Die Wesenssubstanz, z. B. die
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2 Zweite Philosophie (Physik)
menschliche Art, ist als zweifüßiges Lebewesen bestimmt, ohne dass der zugrundeliegende einzelne Mensch in der Definition erwähnt würde. Während das Akzidenz und die Eigentümlichkeit anhand der Hinzufügung des Subjekts zum Ausdruck kommen, lässt sich die Wesenssubstanz definieren, ohne das äußerliche oder das innerliche Subjekt einzuführen. Sie wird dadurch wesentlich definiert, dass sich die Gattung zunächst in die spezifische Differenz ausdifferenziert und dann mit der letzten Differenz zusammenfügt. Anhand der Dihairese (κατὰ τὰς διαιρέσεις) ist die einheitliche Art in die Gattung und die letzte Differenz gespalten (Einheit per se→Zweiheit). Im Vergleich zur Definition legen die Demonstration sowie die Meinung die sprachliche Komplexität dar, die aus Subjekt und Prädikat besteht. Da die Eigentümlichkeit dem Zugrundeliegenden per se immanent ist, wird sie vom passenden Subjekt notwendig ausgesagt (Zweiheit per se→Einheit). In der Meinung, d. h. in der akzidentellen Prädikation, werden Subjekt und Prädikat zufällig zusammengesetzt (Zweiheit per accidens→Einheit). Die klare Unterscheidung von Definition, Demonstration und Meinung trägt zunächst dazu bei, die Prädikationstheorie, die durch die platonische Ideenlehre begründet wird, einen großen Schritt voranzutreiben. Es ist eine großartige Entdeckung Platons, dass das Einzelding nur durch die Prädikation des allgemeinen Begriffs zum Ausdruck gebracht werden kann, der ontologisch als Idee bestimmt ist (εἶδος γάρ πού τι ἓν ἕκαστον εἰώθαμεν τίθεσθαι περὶ ἕκαστα τὰ πολλά, οἷς ταὐτὸν ὄνομα ἐπιφέρομεν – Resp. 596a6–7). Sobald der allgemeine Begriff, d. h. das Prädikat, ohne Differenzierung als Idee bezeichnet wird, gerät man sofort in Verlegenheit, wie Platon selbst im Dialog Phädon (102a9–103a3) dargestellt hat.303 Die formale Satzstruktur von Subjekt und Prädikat versteckt die inhaltliche Differenz, weil die unterschiedlichen Prädikate mit den jeweiligen Subjekten anders kombiniert sind. An derselben Satzstruktur haben die folgenden drei Typen von Aussagen teil: „Sokrates ist musikalisch/hoch“, „das Feuer ist warm“ (oder „die Seele ist lebendig“), und „Sokrates ist Mensch“. Trotz derselben Struktur von Subjekt und Prädikat ist das, was inhaltlich zum Ausdruck kommt, vollkommen anders. Mit der ersten Aussage ist der zufällige Sachverhalt gemeint (δόξα), insofern Sokrates unmusikalisch oder im Vergleich zu einem größeren Menschen klein sein kann.
303 Wenn man das akzidentelle Prädikat für die Idee bzw. für die Substanz hält, führt das zum Widerspruch. Indem Simmias größer als Sokrates und kleiner als Phädon ist, hat derselbe Simmias gleichzeitig an der Idee des Großen und der Idee des Kleinen teil.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
223
Was anhand des Warmen und der Lebendigkeit demonstriert wird (ἀπόδειξις), ist die Eigentümlichkeit des Feuers und der Seele. Das warme Feuer oder die lebendige Seele gilt deswegen als Verdoppelung, weil die wesentliche Eigenschaft mit der Substanz notwendig verbunden ist. Mit der Aufhebung des Warmen oder der Lebendigkeit würde das Feuer oder die Seele zugrunde gehen. Die Wesensprädikation („Sokrates ist Mensch“) ist dadurch vor der Demonstration („das Feuer ist warm“) ausgezeichnet, dass das Wesensprädikat nicht mehr die wesentliche Eigenschaft, sondern die wesentliche Substanz. Während das Warme als Eigenschaft dem Feuer eigentümlich zukommt, ist der Mensch nicht nur das Wesensprädikat, sondern auch und vor allem die Wesenssubstanz, und zwar wegen der ontologischen Produktivität. Die Wesensdefinition („Der Mensch ist vernünftiges Lebewesen“) gehört zwar formal zur logischen Aussage, aber sie entzieht sich der allgemeinen Prädikationsstruktur. Indem Aristoteles Meinung, Demonstration und Wesensdefinition voneinander klar unterscheidet, kommt nicht nur die Prädikationstheorie, die von Platon begründet wird, sondern auch die Wissenschaftstheorie, die zur eigenen Leistung des Aristoteles gehört, voran. Die Theorie der Übereinstimmungswahrheit gründet in der Meinung, die den zufälligen Sachverhalt zur Sprache bringt. Die sachliche Veränderlichkeit, wobei es sich anders verhalten kann, und die logische Affirmation-Negation machen die ontologische Zweiwertigkeit von Wahrheit und Falschheit möglich. Die Meinung drückt etwas Wahres aus, wenn sie dem Sachverhalt entspricht, oder etwas Falsches, wenn sie dem Sachverhalt entgegensteht. Mithilfe der Demonstration werden die Einzelwissenschaften einheitlich begründet. Nach dem Paradigma nämlich, dass die Eigentümlichkeit aus dem Zugrundeliegenden auf notwendige Weise folgt, wird in einzelnen wissenschaftlichen Bereichen die Konklusion aus dem Axiom notwendigerweise abgeleitet (APo. A10, 76b11–16). In jeder Einzelwissenschaft wird die jeweilige Eigentümlichkeit der zugrundeliegenden Gattung syllogistisch demonstriert. Im Vergleich zur apodiktisch-syllogistischen Einzelwissenschaft sucht die Metaphysik als Prinzipienlehre nicht nach der Konklusion/Folge, sondern nach der Prämisse bzw. dem Prinzip. In der Suche nach den definitorischen Prinzipien der Wesenssubstanz gelangt die metaphysische Untersuchung nicht rückwärts zur materialen Einzelsubstanz, sondern vorwärts zur intelligiblen Substanz. Denn nichts anderes als der Geist kann die Wesenssubstanz auf die dihairetische Art und Weise allgemein gültig definieren. Epistemologisch gesehen ist der Sachverhalt, den die Meinung äußert, sinnlich wahrnehmbar. Aber die Aussage zu bilden, wobei das Subjekt mit dem Prädikat kombiniert ist, kann nur durch das diskursive Denken vollzogen
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2 Zweite Philosophie (Physik)
werden (διάνοια).304 Nicht nur die zufällige Zusammensetzung von Subjekt und Prädikat, sondern auch der notwendige Syllogismus muss vom dianoetischen Denken durchgeführt werden (διάνοια). Dagegen vollzieht sich das dihairetische Definitionsverfahren anhand des noetischen Denkens (νόησις). Wir bringen den dreifachen Vergleich von Meinung, Demonstration und Wesensdefinition zu Ende, indem wir uns das vollständige Schema vor Augen führen (Tab. 19):
Tab. 19: Unterschied von Meinung, Demonstration und Wesensdefinition. δόξα
ἀπόδειξις
ὁρισμός
Definitionsgegenstand
συμβεβηκός κατὰ συμβεβηκότα
συμβεβηκός/πάθος καθ’ αὑτήν
οὐσία καθ’ αὑτό
Beispiel
πρᾶγμα: λευκός Καλλίας
σιμόν: κοιλότης ῥίς
ἄνθρωπος: δίπουν ζῷον
Definitionsmethode
ἐκ προσθέσεως
ἐκ προσθέσεως: συνδεδυασμένον/ συνδυαζομένον
ἄνευ προσθήκης
Struktur
κατηγορούμενον ὑποκείμενον
κατηγορούμενον ὑποκείμενον
εἶδος: διαφορά γένος
Wissenschaftliche Methode
Zweiheit per accidens Zweiheit per se →Einheit →Einheit
Einheit per se →Zweiheit
συμπλοκή
συλλογισμός
διαίρεσις
διάνοια
νόησις
Erkenntnisvermögen αἴσθησις, διάνοια Entsprechende Wissenschaft
Korrespondenztheorie Physik, Mathematik der Wahrheit
Metaphysik
304 Metaph. Γ5, 1009a22–25. Man sieht zwar, dass Sokrates sitzt. Aber nicht die Wahrnehmung, sondern das diskursive Denken ist imstande, das Subjekt und das Prädikat miteinander zu verbinden oder voneinander zu trennen.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
225
2.2.3.2 Entstehung-Definition (γένεσις-ὁρισμός) Während das Akzidenz in der Meinung geäußert und die Eigentümlichkeit demonstriert wird, kann nichts anderes als die Wesenssubstanz bzw. die Art wesentlich definiert werden (τοῦ γὰρ καθόλου καὶ τοῦ εἴδους ὁ ὁρισμός – Metaph. Z11, 1036a28–29).305 Das konkrete Einzelding ist per se undefinierbar, durch die Vermittlung der Art aber kann die Wesensdefinition auf das gleichartige Einzelding zutreffen. Ist der Mensch als vernünftiges Lebewesen bestimmt, gilt die Wesensdefinition der menschlichen Art für alle einzelnen Menschen.306 Aufgrund dessen bezeichnet die Wesensdefinition unmittelbar die Wesenssubstanz und mittelbar die zugehörige Einzelsubstanz (καὶ γὰρ τὸ τί ἐστιν ἕνα μὲν τρόπον σημαίνει τὴν οὐσίαν καὶ τὸ τόδε τι – Metaph. Z4, 1030a18–19). Wie gesagt kann die Wesensdefinition nicht anhand der logischen Ausdrucksweise erörtert werden, weil ihr keine Prädikationsstruktur innewohnt, die der Meinung und der Demonstration zugeschrieben ist. Jede Aussage bildet einen sprachlichen Komplex, der aus mehreren Teilen besteht (Metaph. Z10, 1034b20; Int. 5, 17a20–22). Da die Wesensdefinition als Wesensaussage der Substanz zur Aussage gehört, hat sie auch Teile (ὁρισμός = λόγος τῆς οὐσίας = μέρη ἔχει). Indem die Definition als logischer Komplex angesehen wird, wendet sich Aristoteles dem Vergleich des logischen Kompositums mit dem ontologischen Kompositum zu.
305 Weder Eigentümlichkeit oder Akzidenz (APo. B3, 90b14–17; Metaph. Z4, 1030a11–14) noch Einzelsubstanz (Metaph. Z15), sondern nur Wesenssubstanz (τοῦ γὰρ καθόλου καὶ τοῦ εἴδους ὁ ὁρισμός – Metaph. Z11, 1036a28–29; ὁρισμὸς μὲν γὰρ τοῦ τί ἐστι καὶ οὐσίας – APo. B3, 90b30–31; Sic ergo patet quod quod quid erat esse non erit alicuius, quod non sit de numero specierum alicuius generis, sed solum his, idest solum speciebus. Species enim sola definitur, cum omnis definitio sit ex genere et differentiis. Illud autem, quod sub genere continetur et differentiis constituitur est species; et ideo solius speciei est definitio – Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.3 n.22 [82893]) kann wesentlich definiert werden. In Z15 der Metaphysik erbringt Aristoteles den Beweis dafür, dass die Einzelheit in allen Formen undefinierbar ist. Sowohl das zusammengesetzte Einzelding (1039b20–1040a7), als auch die unvergängliche Idee (1040a8–27), weiter noch der Himmelskörper (1040a27–1040b2) können nicht per se wesentlich definiert werden. Im Grunde genommen ist die Undefinierbarkeit des Einzelnen darauf zurückzuführen, dass die Veränderlichkeit des Einzelnen der unveränderlichen Notwendigkeit der Wesenheit und die Individualität des Einzelnen der Allgemeinheit des Logos entgegenstehen. Vgl. (1) Metaph. Z15, 1040a34–1040b1: κοινὸς ἄρα ὁ λόγος. (2) APo. B13, 97b26: αἰεὶ δ’ ἐστὶ πᾶς ὅρος καθόλου. (3) APo. B13, 97b28–29: ῥᾷόν τε τὸ καθ’ ἕκαστον ὁρίσασθαι ἢ τὸ καθόλου, διὸ δεῖ ἀπὸ τῶν καθ’ ἕκαστα ἐπὶ τὰ καθόλου μεταβαίνειν. 306 Asklepios 382.8–11: οὐδὲ τῶν καθ’ ἕκαστα ὑπάρχουσιν οἱ ὁρισμοί, ἐπειδὴ οὐ πρώτως θέλουσιν ὑπάρχειν τῷ ὁριστῷ τὰ ἐν τῷ ὁρισμῷ, οἷον Σωκράτει τὸ λογικὸν καὶ τὸ ζῷον, ἀλλὰ διὰ μέσου τοῦ ἀνθρώπου· ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων τῶν καθ’ ἕκαστα.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Ἐπεὶ δὲ ὁ ὁρισμὸς λόγος ἐστί, πᾶς δὲ λόγος μέρη ἔχει, ὡς δὲ ὁ λόγος πρὸς τὸ πρᾶγμα, καὶ τὸ μέρος τοῦ λόγου πρὸς τὸ μέρος τοῦ πράγματος ὁμοίως ἔχει [. . .]. – Metaph. Z10, 1034b20–22
Wie sich die Aussage zur Sache verhält, so verhält sich der Teil der Aussage zum Teil der Sache. Beim akzidentellen Sachverhalt steht die Akzidenzprädikation zum Sachverhalt dadurch analog (δόξα-πρᾶγμα/σύνθετον), dass das logische Subjekt mit dem ontologischen Zugrundeliegenden und das zukommende Prädikat mit der zukommenden Eigenschaft strukturell übereinstimmen. Bei der wesentlichen Tatsache wird die Wesensdefinition mit dem Einzelding verglichen (ὁρισμός-τόδε τι/σύνολον). Da das aus Form und Stoff zusammengesetzte Einzelding sinnlich wahrgenommen werden kann, wird es das sensible Kompositum genannt (σύνολον αἰσθητόν). Analog dazu gibt es das intelligible Kompositum (σύνολον νοητόν), das zwar nicht wahrnehmbar, aber denkbar ist. So kommt die Wesensdefinition zur Entfaltung, und zwar vor dem Hintergrund des Vergleichs zwischen dem sensiblen und dem intelligiblen Kompositum. Das Kompositum ist ins Sensible und Intelligible entzweit (compositum sensibilis-compositum intelligibilis – Metaph. Z10, 1036a2–5). Auf der einen Seite ist das sensible Kompositum entweder technisch oder natürlich entstanden, je nach den verschiedenen Wirkursachen (compositum sensibilis artificialis-compositum sensibilis naturalis). Auf der anderen Seite ist das intelligible Kompositum entweder mathematisch oder definitorisch konzipiert, und zwar wegen der sachlichen Differenz zwischen der einzelnen mathematischen Entität und der allgemeinen Definition (compositum intelligibilis mathematica-compositum intelligibilis definitiva). Da das Kompositum aus der Materie entstanden ist und sich in dieselbe zerlegen lässt (Metaph. Z10, 1035b11–12, 1035b18–22; Δ25, 1023b19–22), tritt die Materie dem Kompositum entsprechend zunächst zwiefältig in Erscheinung, und zwar entweder als sensible oder als intelligible Materie (Metaph. Z10, 1036a9–12; Z11, 1037a4–5). Während das Artefakt sowie das Naturseiende mit der sensiblen Materie behaftet sind (materia sensibilis), wohnt der geometrischen Figur und der Wesensdefinition die intelligible Materie inne (materia intelligibilis). Daraus ergeben sich weiterhin vier Typen der Materie: die Materie des Artefaktes, die von der technischen Gestalt trennbar ist (materia sensibilis artificialis); die Materie des Naturseienden, die mit der Naturart per se zusammengewachsen ist (materia sensibilis naturalis); die intelligible Materie der mathematischen Entität, die den formalen Bestandteil der geometrischen Figur aufweist (materia intelligibilis mathematica); und die intelligible Materie, die der Wesensdefinition zugrunde liegt (materia intelligibilis definitiva). Wird die Wesensdefinition als intelligibles Kompositum bezeichnet, muss sie die intelligible Materie haben (ἔστι γὰρ καὶ ἐν τῷ λόγῳ ἔνια μόρια ὡς ὕλη τοῦ λόγου – Phys. B9, 200b7–8). Dazu stellt sich die
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
227
Frage, ob in der Wesensdefinition die sensible Materie oder die intelligible mathematische Materie enthalten sein kann. Dadurch, dass Aristoteles das Artefakt, das Naturseiende und die geometrische Figur schrittweise überprüft, zieht er den Schluss, dass die intelligible Materie im definitorischen Sinne weder mit der sensiblen Materie noch mit der intelligiblen mathematischen Materie identifiziert werden kann. Zunächst kann der Stoff des Artefaktes weder Teil der Form noch Teil der Definition sein. Denn beim Artefakt sind die technische Gestalt und der Stoff voneinander trennbar. Demnach kann sich dieselbe kreisförmige Gestalt in verschiedene Stoffe einprägen, und zwar entweder in Erz oder in Stein oder in Holz. Der austauschbare Stoff kann nicht für die Wesenheit des Kreises gehalten werden, die sich unveränderlich erhält.307 Einen Schritt weiter wird die umfassendere These, nämlich dass die sensible Materie auf keinen Fall in die Wesensdefinition eingehen kann, stärker gemacht, indem das Argument vom Artefakt zum Naturseienden übergeht.308 Wenngleich die Form von der Materie nicht separiert werden kann, kann man den gleichen Schluss ziehen. Obwohl sich die menschliche Art nur in Fleisch, Knochen und Ähnlichem verwirklichen kann, konstituieren solche materialen Bestandteile weder die Art noch deren Definition (Metaph. Z11, 1036a34–1036b7). Da das sensible Kompositum mit der sensiblen Materie ausgestattet ist (ἔστι γάρ τις ὃς συνείληπται τῇ ὕλῃ), lässt es sich in seine materialen Bestandteile zerlegen ([. . .] διὰ γὰρ τοῦτο ἔνια μὲν ἐκ τούτων ὡς ἀρχῶν ἐστὶν εἰς ἃ φθείρονται – Metaph. Z10, 1035a24–25).309 Die Wesensdefinition aber ist deshalb nicht auf die sensible
307 Metaph. Z11, 1036a31–34: ὅσα μὲν οὖν φαίνεται ἐπιγιγνόμενα ἐφ’ ἑτέρων τῷ εἴδει, οἷον κύκλος ἐν χαλκῷ καὶ λίθῳ καὶ ξύλῳ, ταῦτα μὲν δῆλα εἶναι δοκεῖ ὅτι οὐδὲν τῆς τοῦ κύκλου οὐσίας ὁ χαλκὸς οὐδ’ ὁ λίθος διὰ τὸ χωρίζεσθαι αὐτῶν. 308 Metaph. Z11, 1036a34–1036b3. Der argumentative Übergang vollzieht sich durch ein gedankliches Experiment. Man kann sich vorstellen, dass alle Kreisförmigen aus Erz beständen. Aber die Untrennbarkeit der Kreisform vom Erz ergibt sich nur in Gedanken und in der Tat können die beiden voneinander separiert werden. Während die Kreisform vom Erz trennbar ist, ist die menschliche Art vom Knochen, dem Fleisch und den anderen Teilen des Körpers untrennbar. Indem Aristoteles die Trennbarkeit des Artefaktes und die Untrennbarkeit des Lebewesens hervorhebt, kritisiert er den jungen Sokrates, der meint, dass der Mensch ohne die Bestandteile seines Körpers existieren kann wie die Kreisform ohne das Erz (Z11, 1036b24–28). Aristoteles’ Auffassung nach ist das Lebewesen deswegen dem Artefakt nicht ähnlich (τὸ δ’ οὐχ ὅμοιον – Z11, 1036b28), weil der Mensch z. B. als wahrnehmungsfähiges Lebewesen ohne die Sinnesorgane nichts wahrnehmen kann (αἰσθητὶκον γάρ τι τὸ ζῷον [. . .], διὸ οὐδ’ ἄνευ τῶν μερῶν ἐχόντων πώς – Z11, 1036b28–30). Ich folge Frede und Patzig (1988: 210–211) darin, das αἰσθητὶκον statt αἰσθητὸν an diese Stelle zu setzen. 309 Metaph. Z10, 1035a22–27. Im vorliegenden Zusammenhang bezeichnet der Terminus συνειλημμένον das Kompositum, das aus Form und Stoff zusammengesetzt wird, wie z. B. der
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Materie reduzierbar, weil sie als logische Entität nicht mit der sensiblen Materie kombiniert sein kann (ὅσα δὲ μὴ συνείληπται τῇ ὕλῃ ἀλλὰ ἄνευ ὕλης, ὧν οἱ λόγοι τοῦ εἴδους μόνον, ταῦτα δ’ οὐ φθείρεται, ἢ ὅλως ἢ οὔτοι οὕτω γε – Metaph. Z10, 1035a28–31). Fleisch und Knochen sind zwar konstitutive Bestandteile des einzelnen Menschen, aber sie dürfen nicht in der Definition der menschlichen Art erwähnt werden. Denn die Wesensdefinition kommt dadurch zustande, dass die Art nicht nur von der sensiblen Materie, sondern auch von den konkreten Einzelnen abstrahiert und rein logisch determiniert wird. Demzufolge können die Definitionselemente der Art nicht materiell, sondern nur formal bestimmt sein. Daraus kann man folgern, dass die sensible Materie weder Teil der Form noch Teil der Wesensdefinition, sondern nur Bestandteil des sensiblen Kompositums ist (καὶ τοῦ μὲν συνόλου μέρη, τοῦ εἴδους δὲ καὶ οὗ ὁ λόγος οὐκέτι – Metaph. Z10, 1035a17–21, 1035b31–1036a1). Wie gezeigt wurde, kann weder die trennbare Materie des Artefaktes noch die untrennbare Materie des Lebewesens in die Wesensdefinition eingeführt werden. Anders formuliert: In der Definition spielt die sensible Materie keine Rolle. Danach geht das Argument weiter voran, indem die intelligible Materie der mathematischen Entität einbezogen wird. Da der mathematische Gegenstand in Gedanken konzipiert ist, kann dessen Materie nicht sinnlich wahrgenommen, sondern nur formal gedacht werden (ἔσται γὰρ ὕλη ἐνίων καὶ μὴ αἰσθητῶν – Metaph. Z11, 1036b34–35). Die intelligible Materie einer geometrischen Figur, z. B. eines Kreises, kommt dadurch zustande, dass ein Kreis in seine Bestandteile, zwei Halbkreise, geteilt ist.310 Was zergliedert wird, ist keineswegs der abstrakte Kreis, sondern der einzelne Kreis.311 Der Halbkreis verhält sich zum ganzen Kreis ebenso, wie sich die Hälfte des Tisches zum ganzen Tisch verhält. Der Tisch lässt sich tatsächlich in zwei Hälften zerlegen und der Kreis ist gedanklich teilbar. Daraus folgt, dass die intelligible Materie im mathematischen Sinne nichts anderes als der formale Bestandteil der einzelnen konkreten geometrischen Figur ist. Der Bestandteil setzt das Ganze ontologisch-logisch voraus, indem der Halbkreis durch die Teilung erzene Kreis (ὅσα μὲν οὖν συνειλημμένα τὸ εἶδος καὶ ἡ ὕλη ἐστίν – Z10, 1035a25–26, 1035a31–1035b1). In manchen Fällen impliziert dasselbe Wort auch das Kompositum, das aus Eigenschaft und Einzelsubstanz zusammengesetzt wird, z. B. das Stupsige/die konkave Nase (ὅσα μὲν οὖν συνειλημμένα [. . .], οἷον τὸ σιμὸν ἢ ὁ χαλκοῦς κύκλος – Z10, 1035a25–26; E1, 1025b32–33) oder der weiße Sokrates (Z11, 1037b4–7). 310 Nach der aristotelischen Mathematik existiert der Halbkreis nur in der Möglichkeit und durch die gedankliche Operation tritt der Halbkreis erst in die Wirklichkeit ein. Denn ohne den geistigen Teilungsakt bleibt der Kreis immer als solcher. Vgl. Metaph. Z10, 1036a6–7. 311 Metaph. Z11, 1037a1–4: καὶ παντὸς γὰρ ὕλη τις ἔστιν ὃ μὴ ἔστι τί ἦν εἶναι καὶ εἶδος αὐτὸ καθ’ αὑτὸ ἀλλὰ τόδε τι. κύκλου μὲν οὖν οὐκ ἔσται τοῦ καθόλου, τῶν δὲ καθ’ ἕκαστα ἔσται μέρη ταῦτα, ὥσπερ εἴρηται πρότερον.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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eines ganzen Kreises zustande kommt und nach dem Namen des Kreises als „Halb-Kreis“ (ἡμι-κύκλιον) benannt ist. Deshalb soll nicht der Kreis durch den Halbkreis, sondern der Halbkreis durch den Kreis definitorisch bestimmt sein (τὸ γὰρ ἡμικύκλιον τῷ κύκλῳ ὁρίζεται – Metaph. Z10, 1035b9–11; Z11, 1036b32–34). Aus den oben erwähnten Gründen zieht Aristoteles konsequent einen starken Schluss: [. . .] καὶ ὅτι ἐν μὲν τῷ τῆς οὐσίας λόγῳ τὰ οὕτω μόρια ὡς ὕλη οὐκ ἐνέσται. – Metaph. Z11, 1037a24–25
In der Wesensdefinition ist weder die sensible Materie noch die intelligible Materie enthalten, aus welcher sich die mathematischen Entitäten konfigurieren. Wegen der Formalität darf die intelligible Materie, die der Wesensdefinition zugrunde liegt, nach der einen Seite nicht mit der sensiblen Materie vermischt sein (materia intelligibilis definitiva ≠ materia sensibilis). Nach der anderen Seite ist die intelligible Materie der Wesensdefinition dadurch von der intelligiblen Materie des mathematischen Gegenstandes unterschieden (materia intelligibilis definitiva ≠ materia intelligibilis mathematica), dass jene als Gattung auf die Allgemeinheit hinweist (γένος→καθόλου) und diese als formaler Bestandteil gegen die Einzelheit gerichtet ist (ὕλη→μόρια τῆς συνόλου). Aus den verschiedenen Typen von Materie sind die unterschiedlichen Komposita konstituiert.312 Indem das Kompositum zur Kenntnis genommen wird, kommt
312 Aus der Materie folgt notwendigerweise das Kompositum, aber nicht unbedingt das sinnlich wahrnehmbare Kompositum. Das Wort σύνολον wird auf Lateinisch als concretum übersetzt, das vom Verb concresco stammt. Wörtlich bedeutet concresco nichts anderes als zusammenwachsen, sodass concretum die Zusammensetzung von Form und Stoff impliziert. Da die hylemorphistische Struktur auch dem intelligiblen Seienden, z. B. der mathematischen Entität, zugeschrieben ist, schließt das σύνολον die geometrische Figur in sich. Das Kompositum, d. h. etwas Konkretes, ist zwar nicht unbedingt mit der Sensiblität verknüpft, hängt aber immer mit der Individualität zusammen. Das Konkrete als bestimmtes Individuum tritt dadurch in die Wirklichkeit ein, dass sich die Form an der sensiblen oder der intelligiblen Materie konkretisiert. Zusammenfassend ist das Konkrete (σύνολον) mit dem Individuum (ἕκαστον) zu identifizieren, das entweder sensibel oder intelligibel ist. Dagegen ist Ross der Meinung, dass das σύνολον weder mit dem sinnlichen Wahrnehmbaren noch mit dem Individuum identifiziert werde (Ross 1924: 197): „τὸ σύνολον is not to be identified either with the sensible or with the individual.“ Wir folgen aber Frede und Patzigs Widerlegung zu Ross’ Auslegung, und zwar folgendermaßen (1988: 177): „Vermutlich hat er (Ross) recht, wenn er behauptet, man dürfe hier den konkreten Gegenstand nicht mit dem Wahrnehmbaren identifizieren. [. . .] Unrecht dagegen dürfte Ross haben, wenn er die Identifikation von Konkretem und Individuellem an dieser Stelle bestreitet.“ Damit stimmen wir mit Frede und Patzigs Interpretation überein, nämlich, dass man der Identifikation des Konkreten mit dem Individuum zugeben sollte.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
das Erkenntnisvermögen ins Spiel. Das sensible Kompositum, nämlich das einzelne Artefakt oder das einzelne Naturseiende, können sinnlich wahrgenommen werden (μετὰ αἰσθήσεως γνωρίζονται). Mithilfe der Teilungsfunktion des dianoetischen Denkens (μετὰ νοήσεως γνωρίζονται-ἀντὶ τοῦ διανοητοῦ τὸ νοητὸν εἰπών) ist die Reduktion der geometrischen Figur auf ihre Bestandteile durchzuführen.313 Wie der Name besagt, hat das dianoetische Denken die Fähigkeit, die formale Ganzheit zu spalten (διά-νοια), damit der Kreis in die Halbkreise oder die Linie in die Linienhälften geteilt ist. Während das dianoetische Denken (διάνοια) für die Operation der mathematischen Entitäten zuständig ist, ermöglicht das noetische Denken (νόησις), die Substanz allgemein zu definieren. Nichts anderes als der Geist führt die Gattung in die Definition ein und bestimmt sie als das, was der spezifischen Differenz zugrunde liegt. Da die Gattung vom Geist (intellectus) gesetzt wird, ist sie die intelligible Materie im wahrhaften Sinne. Wie das Schema (Abb. 9) zeigt, ergeben sich insgesamt vier Typen von Komposita. Während sich das technische, das natürliche und das mathematische Kompositum auf das konkrete Einzelne beziehen (καθ’ ἕκαστον), orientiert sich das definitorische Kompositum an der allgemeinen Bestimmung (καθόλου). Trotz des wesentlichen Unterschieds sind das technische, das natürliche und das mathematische Kompositum deswegen einbezogen, weil die hylemorphistische Struktur des definitorischen Kompositums anhand der Analogie zu den drei anderen Komposita erhellt werden muss. Mit Form-Stoff, Seele-Körper und GestaltBestandteil hat die Wesensdefinition an derselben hylemorphistischen Struktur teil, worauf wir uns im Folgenden konzentrieren.
313 Metaph. Z10, 1036a2–7. Strenggenommen ist die intelligible Materie der mathematischen Entitäten gar keine intelligible Materie im wahrhaften Sinne, sondern nur der formale Bestandteil der geometrischen Figur. Präzise gesagt sollte sie nicht die intelligible Materie, sondern die nicht sensible Materie genannt werden. Denn es ist offenkundig keine geistige Tätigkeit, einen Kreis zu teilen. Während Alexander den Teilungsakt dem dianoetischen Denken zuschreibt, meint Thomas, dass nicht das dianoetische/diskursive Denken, sondern die Einbildungskraft dafür zuständig ist (Dicuntur autem intelligibilia, huiusmodi singularia, secundum quod absque sensu comprehenduntur per solam phantasiam, quae quandoque intellectus vocatur secundum illud in tertio de anima: intellectus passivus corruptibilis est – Sententia Metaphysicae lib.7 l.10 n.13 [83065]). Wir bevorzugen Alexanders Interpretationsvorschlag, und zwar aus folgenden Gründen: Nach Alexanders Interpretation setzt Aristoteles die platonische Tradition fort, nämlich, dass die mathematischen Gegenstände durch das dianoetische Denken (dianoia) erkannt werden müssen. Da die geometrische Figur mit Bildern zusammenhängt, ist es auch nachvollziehbar, dass Thomas auf die Einbildungskraft (phantasia) Bezug nimmt. Aber Aristoteles’ Einsicht nach baut die Phantasie auf der Wahrnehmung auf (De An. Γ3, 427b14–16) und sie kann falsche Vorstellungen produzieren (De An. Γ3, 428a11–12). Da sich die geometrische Figur sowohl von der Wahrnehmung als auch von der Täuschungsmöglichkeit fernhält, kann man nicht durch die Phantasie die mathematischen Gegenstände erkennen.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Abb. 9: Vier Typen von Komposita.
Durch die Übernahme der platonischen Tradition ist Aristoteles der Meinung, dass die Wesenssubstanz anhand der Dihairese definiert werden soll (ὁρισμός κατὰ τὰς διαιρέσεις – Metaph. Z12, 1037b27–29). Das dihairetische Definitionsverfahren ist nichts anderes als der begriffliche Einteilungsprozess. Er erfolgt dadurch, dass mehrere verschiedene Differenzen eingeführt werden. Die Differenzen, die zum Einteilungskriterium genommen werden,314 treten in jeder Einteilungsstufe nicht nur paarweise auf, sondern auch und besonders in Form des konträren Gegensatzes (αἱ γὰρ διαφοραὶ ἐναντίαι αἷς διαφέρει τὸ γένος – Metaph. Z12, 1037b20–21).315 Denn kraft des streng konträren Gegensatzes kann 314 Frede und Patzig (1988: 238): „Es ist richtig, dass auch nach aristotelischem Sprachgebrauch die differentia zunächst das ist, wodurch sich Gattungen oder Teile einer Gattung unterscheiden, was als das Kriterium einer Einteilung auftritt, und nicht das, was Ergebnis der Teilung ist.“ 315 APo. B13, 97a19–22; PA A3, 642b21–24, 643a31–33; Metaph. Z12, 1037b20–21; Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.12 n.2 [83109]: „Genus vero non videtur participare differentiis. Sequeretur enim quod idem participaret simul contrariis. Differentiae enim sunt contrariae quibus genus differt, idest per quas genus dividitur; [. . .].“
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2 Zweite Philosophie (Physik)
die Gattung in die erste Differenz, und die erste Differenz in die zweite Differenz vollständig ausdifferenziert werden. Um dies mit einem Beispiel zu erläutern: Die Gattung Lebewesen differenziert sich zuerst ins Zweifüßige und Nichtzweifüßige (ζῷον→δίπουν καὶ μὴ δίπουν) aus. Dann ist das Zweifüßige ins Beflügelte und Unbeflügelte (δίπουν→πτερωτὸν καὶ ἄπτερον) geteilt.316 Die dihairetische Zweiteilung soll fortgesetzt werden, bis das Trennbare zum Untrennbaren gelangt (διαιρετός εἰς ἀδιαίρετα – Metaph. Z12, 1038a15–16; H3, 1043b35). Denn
316 Metaph. Z12, 1037b30–33. Um die dihairetische Methode paradigmatisch darzustellen, führt Aristoteles eine vorläufige Definition ein, nämlich, dass der Mensch als zweifüßiges unbeflügeltes Lebewesen bestimmt sei. Nachher (Z12, 1038a9–15) korrigiert er diese Definition, und zwar anhand der folgenden methodischen Reflexion: In der ersten Einteilungsstufe ist die Gattung in die ersten Differenzen ausdifferenziert. In der zweiten Einteilungsstufe soll nicht die Gattung, sondern die erste Differenz in die zweite Differenz geteilt werden (ἀλλὰ μὴν καὶ δεῖ γε διαιρεῖσθαι τῇ τῆς διαφορᾶς διαφορᾷ – Z12, 1038a9–10; Dicit ergo primo, quod in definitionibus in quibus sunt multae differentiae, opertet non solum dividi genus in differentiam, sed etiam dividi differentiam primam in differentiam secundam – Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.12 n.15 [83122]). Im oben erwähnten Beispiel vollzieht sich die Dihairese insofern nicht richtig, als Beflügeltes-Unbeflügeltes nicht die spezifischen Differenzen des Befußten, sondern die des Lebewesens sind. (1) Metaph. Z12, 1038a12–13: ὥστ’ οὐ λεκτέον τοῦ ὑπόποδος τὸ μὲν πτερωτὸν τὸ δὲ ἄπτερον. (2) Alexander 521.19–22: οἷον εἰ τὸ ζῷον διαιρεῖται εἰς ὑπόπουν καὶ ἄπουν, τὸ ζῷον ὑπόπουν δεῖ διαιρεῖν εἰς τὴν οἰκείαν διαφοράν, ᾗ ὑπόπουν ἐστί, καὶ μὴ λέγειν ὡς τοῦ ὑπόποδος τὸ μὲν πτερωτόν ἐστι τὸ δὲ ἄπτερον, εἰ μέλλομεν καλῶς διαιρεῖν· οὐ γάρ εἰσι τοῦ ὑπόποδος αὗται διαφοραί. (3) Asklepios 426. 20–26: Φησὶν ὅτι μετὰ τὴν πρώτην διαίρεσιν τοῦ γένους δεῖ ἡμᾶς τὴν διαφορὰν διαιρεῖν, καθάπερ ἐν τῇ θεωρίᾳ εἰρήκαμεν· < οἷον ζῴου διαφορὰ ὑπάρχει τὸ ὑπόπουν, πάλιν τοῦ ζῴου τοῦ ὑπόποδος δεῖ ἡμᾶς τὴν διαφορὰν εἰδέναι, καθὸ ὑπόπουν >, τουτέστιν αὐτὸ τὸ ὑπόπουν διαιρεῖν. ὥστε οὐ δεῖ ἡμᾶς λέγειν < ὅτι τοῦ ὑπόποδος τὸ μέν ἐστι πτερωτόν, τὸ δὲ ἄπτερον >· διαφοραὶ γὰρ αὗται ζῴου ὑπάρχουσιν, οὐ τοῦ ὑπόποδος· ἀγνοοῦντες οὖν καὶ ἀδυνατοῦντες ποιοῦσι τοῦτο. Auf die richtige Art und Weise ist das Lebewesen zunächst ins Befußte und Unbefußte einzuteilen (ζῷον→ὑπόπουν καὶ ἄπουν) und dann soll sich das Befußte ins Gespaltene und Ungespaltene zerlegen lassen (ὑπόπουν→σχιζόπουν καὶ ἄσχιστον). Denn nichts anderes als Gespaltenes-Ungespaltenes sind die spezifischen Differenzen des Befußten (ἀλλ’ ἢ τὸ μὲν σχιζόπουν τὸ δ’ ἄσχιστον αὗται γὰρ διαφοραὶ ποδός ἡ γὰρ σχιζοποδία ποδότης τις – Z12, 1038a14–15). Erwähnenswert ist noch, dass der Mensch als befußtes unbeflügeltes Lebewesen bezeichnet wird, und zwar nicht anhand der Dihairese, sondern anhand des Chiasmus. Dadurch dass sich Befußtes-Unbefußtes und Beflügeltes-Unbeflügeltes miteinander überkreuzen, ist das Lebewesen chiastisch zu klassifizieren. Befußtes Beflügeltes
Vogel
Unbeflügeltes
Mensch
Unbefußtes
Fisch
Daraus ergeben sich drei Typen von Lebewesen: der befußte und beflügelte Vogel, der befußte und unbeflügelte Mensch, der unbefußte und unbeflügelte Fisch.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
233
weder ist die Gattung unendlich teilbar, noch ist die Definition unbegrenzt (οὐ γὰρ ἄπειροι οἱ λόγοι – Metaph. H3, 1043b35–36). Das Untrennbare ist die letzte Differenz (τελευταία διαφορὰ), die die Wesenheit der Sache ausspricht (Metaph. Z12, 1038a18–20, 1038a23–26). Der Mensch ist als zweifüßiges und unbeflügeltes Lebewesen bestimmt (ζῷον δίπουν ἄπτερον), indem mehrere Differenzen der verschiedenen Einteilungsstufen zusammengefasst werden.317 Oder man kann anhand einer spezifischen Differenz den Menschen als zweifüßiges Lebewesen definieren (ζῷον δίπουν). Grundsätzlich gibt es keinen Unterschied, ob die Wesenssubstanz durch mehr oder weniger Differenzen definiert wird. Von großer Bedeutung ist hingegen, dass die Definition aus mindestens zwei Elementen bestehen muss, nämlich der Gattung und der letzten/spezifischen Differenz. In der oben erwähnten Definition des Menschen gilt das Lebewesen als Gattung und das Zweifüßige als spezifische Differenz.318 Anhand der differentia specifica et genus die Wesenssubstanz zu definieren ist keine Erfindung des Aristoteles. Im Dialog Sophistes hat Platon die dihairetische Methode paradigmatisch dargestellt. Was Aristoteles theoretisch beiträgt, ist die Entdeckung der hylemorphistischen Struktur der Wesensdefinition. ὥστ' οὐσίας ἔστι μὲν ἧς ἐνδέχεται εἶναι ὅρον καὶ λόγον, οἷον τῆς συνθέτου, ἐάν τε αἰσθητὴ ἐάν τε νοητὴ ᾖ· ἐξ ὧν δ' αὕτη πρώτων, οὐκέτι, εἴπερ τὶ κατὰ τινὸς σημαίνει ὁ λόγος ὁ ὁριστικὸς καὶ δεῖ τὸ μὲν ὥσπερ ὕλην εἶναι τὸ δὲ ὡς μορφήν. – Metaph. H3, 1043b28–32
Der Stoff und die Form werden zusammengesetzt, um das konkrete Einzelding hervorzubringen. Die Gattung und die spezifische Differenz fügen sich zusammen, um die Wesenssubstanz allgemein zu definieren. Obwohl die Entstehung des Einzeldings offensichtlich etwas anderes ist als die Definition der
317 Metaph. Z12, 1037b30–1038a1. Um die Mehrheit der Differenz anzuzeigen, redet Aristoteles beispielsweise davon, dass der Mensch das befußte, zweifüßige und unbeflügelte Lebewesen ist (εἰ δὲ καὶ μετέχει, ὁ αὐτὸς λόγος, εἴπερ εἰσὶν αἱ διαφοραὶ πλείους, οἷον πεζὸν δίπουν ἄπτερον – Z12, 1037b21–22). Aristoteles’ Meinung nach decken sich das Befußte und das Zweifüßige miteinander, sodass eines davon ausreicht, um den Menschen zu bestimmen (Z12, 1038a20–23, 1038a30–33). 318 (1) Metaph. Z12, 1038a1–4: ὅλως δ’ οὐδὲν διαφέρει διὰ πολλῶν ἢ δι’ ὀλίγων λέγεσθαι, ὥστ’ οὐδὲ δι’ ὀλίγων ἢ διὰ δυοῖν· τοῖν δυοῖν δὲ τὸ μὲν διαφορὰ τὸ δὲ γένος, οἷον τοῦ ζῷον δίπουν τὸ μὲν ζῷον γένος διαφορὰ δὲ θάτερον. (2) Metaph. Z12, 1037b29–30: οὐδὲν γὰρ ἕτερόν ἐστιν ἐν τῷ ὁρισμῷ πλὴν τὸ πρῶτον λεγόμενον γένος καὶ αἱ διαφοραί. (3) Top. A8, 103b14–16: καὶ εἰ μὲν τῶν ἐν τῷ ὁρισμῷ λεγομένων, γένος ἢ διαφορὰ ἂν εἴη, ἐπειδὴ ὁ ὁρισμὸς ἐκ γένους καὶ διαφορῶν ἐστιν. (4) Top. Z4, 141b25–27: [. . .] εἴπερ δεῖ μὲν διὰ τοῦ γένους καὶ τῶν διαφορῶν ὁρίζεσθαι τὸν καλῶς ὁριζόμενον [. . .].
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Wesenssubstanz, stimmen beide miteinander strukturell überein. Die Definition der Wesenssubstanz verhält sich zur Entstehung der Einzelsubstanz dadurch analog, dass die Wesensdefinition als intelligibles Kompositum angesehen wird und nach dem Gefüge des sensiblen Kompositums strukturiert ist. Die Analogie der Definition zur Entstehung besteht darin, dass sich das Paar Gattung-Differenz zum Paar Stoff-Form analog verhält (quod genus et differentia propotionantur materiae et formae – Thomas Sententia Metaphysicae lib.8 l.2 n.7 [83268]).319 Wie sich die sensible Materie zur Form verhält, so verhält sich die intelligible Materie zur spezifischen Differenz.
319 (1) Außer der zitierten Stelle gibt es noch folgende Textstellen, wo Aristoteles von dieser Analogie redet. (1.1) Metaph. Z12, 1038a5–9: εἰ οὖν τὸ γένος ἁπλῶς μὴ ἔστι παρὰ τὰ ὡς γένους εἴδη, ἢ εἰ ἔστι μὲν ὡς ὕλη δ’ ἐστίν (ἡ μὲν γὰρ φωνὴ γένος καὶ ὕλη), αἱ δὲ διαφοραὶ τὰ εἴδη καὶ τὰ στοιχεῖα ἐκ ταύτης ποιοῦσιν, φανερὸν ὅτι ὁ ὁρισμός ἐστιν ὁ ἐκ τῶν διαφορῶν λόγος. (1.2) Metaph. H2, 1043a2–7: φανερὸν δὴ ἐκ τούτων ὅτι εἴπερ ἡ οὐσία αἰτία τοῦ εἶναι ἕκαστον, ὅτι ἐν τούτοις ζητητέον τί τὸ αἴτιον τοῦ εἶναι τούτων ἕκαστον. οὐσία μὲν οὖν οὐδὲν τούτων οὐδὲ συνδυαζόμενον, ὅμως δὲ τὸ ἀνάλογον ἐν ἑκάστῳ· καὶ ὡς ἐν ταῖς οὐσίαις τὸ τῆς ὕλης κατηγορούμενον αὐτὴ ἡ ἐνέργεια, καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις ὁρισμοῖς μάλιστα. (1.3) Metaph. H2, 1043a14–22: διὸ τῶν ὁριζομένων οἱ μὲν λέγοντες τί ἐστιν οἰκία, ὅτι λίθοι πλίνθοι ξύλα, τὴν δυνάμει οἰκίαν λέγουσιν, ὕλη γὰρ ταῦτα· οἱ δὲ ἀγγεῖον σκεπαστικὸν χρημάτων καὶ σωμάτων ἤ τι ἄλλο τοιοῦτον προτιθέντες, τὴν ἐνέργειαν λέγουσιν· οἱ δ’ ἄμφω ταῦτα συντιθέντες τὴν τρίτην καὶ τὴν ἐκ τούτων οὐσίαν. ἔοικε γὰρ ὁ μὲν διὰ τῶν διαφορῶν λόγος τοῦ εἴδους καὶ τῆς ἐνεργείας εἶναι, ὁ δ’ ἐκ τῶν ἐνυπαρχόντων τῆς ὕλης μᾶλλον· ὁμοίως δὲ καὶ οἵους Ἀρχύτας ἀπεδέχετο ὅρους· τοῦ συνάμφω γάρ εἰσιν. (1.4) Metaph. H6, 1045a33–35: ἔστι δὲ τῆς ὕλης ἡ μὲν νοητὴ ἡ δ’ αἰσθητή, καὶ ἀεὶ τοῦ λόγου τὸ μὲν ὕλη τὸ δὲ ἐνέργειά ἐστιν, οἷον ὁ κύκλος σχῆμα ἐπίπεδον. (2) Alexander (2.1) 519.19–35 (zu Z12, 1037b24–27): ἴσμεν γὰρ ὡς οὐδεὶς εὖ ἔχων ζητήσειε διὰ τί ἕν ἐστιν ὅ τε χαλκὸς καὶ ἡ περὶ αὐτὸν σφαῖρα· ἡ γὰρ ἐν τῷ χαλκῷ σφαῖρα οὐδὲν ἄλλο ἐστὶν ἀλλ’ ἢ στρογγύλος χαλκός, καὶ ἔστιν ὁ μὲν χαλκὸς ὡς ὕλη, τὸ δὲ στρογγύλον ὡς εἶδος, πέφυκε δὲ τὸ εἶδος καὶ ἡ ὕλη ἓν εἶναι μηδενὸς συνεχίζοντος αὐτά· τοῦτο γάρ ἐστι τῇ ὕλῃ τὸ ὕλῃ εἶναι καὶ τῷ εἴδει τὸ εἴδει, ἵνα ὅταν ᾖ ἡ ὕλη καὶ τὸ εἶδος, ὃ πέφυκε δέχεσθαι, εὐθὺς ἑνοῦσθαί τε ᾖ καὶ ἓν εἶναι. ὡς οὖν ἐπὶ τούτων ἔχει, οὕτω καὶ ἐπὶ τῶν φυσικῶν, λέγω δὴ γένους καὶ διαφορῶν· εἴρηκε γὰρ ἐν τῇ Ἀποδεικτικῇ, εἴ τι μέμνημαι, ὅτι πᾶσαι αἱ πρὸ τῆς τελευταίας διαφορᾶς διαφοραὶ μετὰ τοῦ γένους ὕλῃ ἀναλογοῦσιν, εἶδος δέ ἐστιν ἡ τελευταία διαφορά, οἷον τὸ ζῷον λογικὸν ὕλη ἐστὶ τοῦ ἀνθρωπείου εἴδους, ὁμοίως καὶ τὸ ζῷον λογικὸν θνητόν, τὸ δὲ νοῦ καὶ ἐπιστήμης δεκτικὸν τὸ εἶδος· ὥστε ἐπειδὴ τὸ ζῷον λογικὸν θνητὸν ὕλη ἐστί, τὸ δὲ νοῦ καὶ ἐπιστήμης δεκτικὸν εἶδος, πέφυκε δὲ τὸ εἶδος καὶ ἡ ὕλη ἓν εἶναι, διὰ τοῦτο ταῦτα ἕν εἰσιν. ὅτι δὲ ἡ τελευταία διαφορά ἐστι τὸ εἶδος, τὰ δὲ πρὸ αὐτῆς ὕλη, καὶ αὐτὸς μετ’ ὀλίγον ἐρεῖ. παραπλησίως δὲ τούτοις καὶ τὸ μὲν ζῷον πεζὸν ὕλη ἐστί, τὸ δὲ δίπουν εἶδος. (2.2) 562.13–17 (zu H6, 1045a33–35): ἀλλ’ εἰ καὶ ἡ ἐνέργεια τῆς ὕλης τὸ τί ἦν εἶναί ἐστιν, οὐ χρὴ λανθάνειν ὅτι τῶν ὑλῶν ἡ μέν ἐστι νοητὴ ἡ δὲ αἰσθητή· ἐπειδὴ γὰρ καὶ τὰ γένη ὕλῃ ἀναλογεῖ, τὸ μὲν ζῷόν ἐστι νοητὴ ὕλη καὶ ὕλη τοῦ εἴδους, αἱ δὲ σάρκες καὶ τὰ ὀστᾶ αἰσθητή· καὶ πάλιν τὸ μὲν σχῆμα νοητή, ὁ δὲ χαλκὸς αἰσθητή. (3) Asklepios 424.18–37 (zu Z12, 1038a5–9): οὕτως ἐγκαλέσας τοῖς Πλατωνικοῖς ἀμεθόδως διαιροῦσιν ἐντεῦθεν ἐπιλύεται τὴν περὶ τῶν ὁρισμῶν ἀπορίαν, καί φησιν ὅτι ὥσπερ ἡ φωνὴ ὕλη ἐστὶ τῶν στοιχείων καὶ τοῦ βαρέος φθόγγου καὶ τοῦ ὀξέος καὶ τῆς σημαντικῆς καὶ
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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τῆς ἀσήμου, καὶ ἕν τι ἀποτελεῖ *** εἴδους (οὔτε γὰρ δυνατὸν λέγειν τὴν ἄνθρωπος φωνὴν δύο εἶναι· ἓν γὰρ τί ἐστι τὸ ὅλον τοῦτο φωνὴ σημαντική), οὕτως δέ φημι καὶ ἐπὶ τῶν ὁρισμῶν, ὅτι τὰ γένη τὰ παραλαμβανόμενα ἀεὶ εἰς τὸν ὁρισμὸν ὕλῃ ἀναλογοῦσιν, ἡ δὲ τελευταία διαφορὰ εἴδει. ὥσπερ οὖν τὸ εἶδος προσελθὸν τῇ ὕλῃ ἕν τι ποιεῖ πρᾶγμα καὶ οὐ δυνατόν ἐστι διαμερίζειν τὸ εἶδος τοῦ Σωκράτους τῆς ὕλης αὐτοῦ, ἀλλὰ τὸ συναμφότερον ἕν τι ὑπάρχει, οὕτως φημὶ καὶ ἐπὶ τῶν ὁρισμῶν, ὅτι πᾶσαι αἱ διαφοραὶ πρὸ τῆς τελευταίας διαφορᾶς ὕλῃ ἀναλογοῦσιν, οἷον τὸ ζῷον, τὸ λογικόν, τὸ θνητόν, ἡ δὲ τελευταία ἡ λέγουσα νοῦ καὶ ἐπιστήμης δεκτικὸν εἴδει. διὸ μιμεῖται τὸ εἶδος· προσερχόμενον γὰρ τῇ ὕλῃ ἑνοῖ αὐτὴν καὶ ἕν τι ποιεῖ τὸν ὁρισμόν, καὶ οὐκέτι λοιπὸν δυνατὸν δηλοῦν ἕτερόν τι παρὰ τὸ ἓν ὑποκείμενον· καὶ τότε εὐλόγως εἷς λέγεται εἶναι ὁ ὁρισμός. ὁμοίως δὲ οὗτος ὁ λόγος ἁρμόσει καὶ ἐπὶ πάντων τῶν ὁρισμῶν, λεγόντων ὅτι ἡ τελευταία διαφορὰ εἴδει ἁρμόττει, τὸ δὲ γένος καὶ αἱ ἄλλαι διαφοραὶ ὕλῃ, καὶ προσερχομένη αὐτὴ καὶ εἶδος ποιοῦσα ἕν τι ποιεῖ τὸν ὁρισμόν, ὥσπερ τὸ εἶδος καταλάμψαν τὴν ὕλην ἕν τι πρᾶγμα αὐτὴν ἐποίησε, φημὶ τὸν Σωκράτη· ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων. (4) Porphyrii Isagoge sive quinque voces (4.1) Περὶ διαφορᾶς 11.10–17: τί μὲν γάρ ἐστιν ὁ ἄνθρωπος ἐρωτωμένων ἡμῶν οἰκεῖον εἰπεῖν ζῷον, ποῖον δὲ ζῷον πυνθανομένων λογικὸν καὶ θνητὸν οἰκείως ἀποδώσομεν. τῶν γὰρ πραγμάτων ἐξ ὕλης καὶ εἴδους συνεστώτων ἢ ἀνάλογόν γε ὕλῃ καὶ εἴδει τὴν σύστασιν ἐχόντων, ὥσπερ ὁ ἀνδριὰς ἐξ ὕλης μὲν τοῦ χαλκοῦ, εἴδους δὲ τοῦ σχήματος, οὕτως καὶ ὁ ἄνθρωπος ὁ κοινός τε καὶ εἰδικὸς ἐξ ὕλης μὲν ἀναλόγου συνέστηκεν τοῦ γένους, ἐκ μορφῆς δὲ τῆς διαφορᾶς, τὸ δὲ ὅλον τοῦτο, ζῷον λογικὸν θνητόν, ὁ ἄνθρωπος, ὡς ἐκεῖ ὁ ἀνδριάς. (4.2) Περὶ τῆς διαφορᾶς τοῦ γένους καὶ τῆς διαφορᾶς 15.6–7: καὶ τὸ μὲν γένος ἔοικεν ὕλῃ, μορφῇ δὲ ἡ διαφορά. (5) Thomas Sententia Metaphysicae lib.8 l.2 n.7 [83268] (zu H2, 1043a5–7): „Sicut enim in genere substantiae, differentia, quae praedicatur de genere, et advenit ei ad constitutionem speciei, comparatur ad ipsum ut actus et forma, ita etiam in alliis definitionibus. Non enim est intelligendum, quod differentia sit forma, aut genus sit materia, cum genus et differentiae praedicentur de specie, materia autem et forma non praedicentur de composito: sed hoc dicitur, quia genus sumitur ab eo quod est materiale in re, differentia vero ab eo quod est formale. [. . .] Et inde est quod genus habet differentias postestate, et quod genus et differentia propotionantur materiae et formae, ut Prophyrius dicit. Et proper hoc etiam hic dicitur quod actus, idest differentia, praedicatur de materia, idest de genere; et similiter est in aliis generibus.“ (6) Seidl (6.1) 1989: 426 (zu Z12, 1038a5–9): „Somit bilden Gattung und spezifische Differenz(en) eine Einheit, was zur Lösung der Aporie führt. Es ist zu beachten, dass beide zwar nicht identisch sind mit Stoff- und Formursache der zu definierenden Dinge, wohl aber in einem zu diesen analogen Verhältnis stehen. Die Begriffe Stoff und Form verwendet ja Aristoteles auf verschiedensten Bedeutungsebenen. (An sich haben alle Begriffe ihren Erkenntnisursprung aus der Formursache; denn die Stoffursache ist an sich das Unbestimmte, Unerkennbare). Analog der gemeinsamen Bedeutung des Stoffs auf allen Ebenen ist die des Unbestimmten-Bestimmbaren, Möglichen (Potentialen), woraus etwas Wirkliches, Bestimmtes hervorgehen kann, hingegen von der Form die des zur Wirklichkeit bringenden, bestimmenden Prinzips.“ (6.2) Seidl 1989: 455 (zu H6, 1045a20–35): „Die Lösung liegt darin, dass sich von jenen Bestandteilen das als Gattung Bezeichnete zu dem als letzter Differenz Bezeichneten so verhält wie der Stoff zur Form bzw. wie das Mögliche (Potentiale) zum Wirklichen (Aktualen). Analogie mit Erz und Rundung an einem Kunstding (sc. einer ehernen Kugel), die sein Stoff und seine Form sind, a22–29. Ursache für die Einheit eines Dinges (und seiner Definition) ist das, wodurch es aus der Möglichkeit zur Wirklichkeit kommt, die Wirk- bzw. Wesens-,
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Analog zur sensiblen Materie ist die intelligible Materie durch Unbestimmtheit und Passivität charakterisiert. Wie der Baustoff dem Hausbauen zugrunde gelegt wird, so die Gattung der Definition.320 Weder der Baustoff wird von sich selbst geformt noch ist die Gattung per se bestimmt. Dadurch, dass sich die Hausgestalt am Baustoff konkretisiert und verwirklicht, ist das Haus zu errichten. Indem die spezifische Differenz, z. B. das Zweifüßige, der Gattung Lebewesen zukommt, ist die bestimmte Art, der Mensch, wesentlich zu definieren. Der sensiblen und der intelligiblen Materie entgegen stehen die Form und die spezifische Differenz, die gemeinsam durch Bestimmtheit und Aktivität gekennzeichnet sind. Trotz des sachlichen Unterschieds tragen die Form sowie die spezifische Differenz die gleiche Funktion in sich. Wie sich die Hausgestalt aktiv in die Baustoffe prägt, so übt das Zweifüßige eine aktive Wirkung auf die zugrundeliegende Gattung Lebewesen aus.
Formursache, a29–33.“ (7) Tugendhat (1958:148): „Und doch nimmt jetzt Aristoteles auch die Definition des εἶδος selbst, in der es in Gattung und spezifische Differenz(en) auseinandergelegt wird, in den Bereich der αἰτία hinein. [. . .] Es ist diese Analogie zwischen γένος-διαφοράεἶδος und ὕλη-εἶδος-σύνολον, aus der sich nun auch das Auftreten der αἰτία wie von selbst ergibt. Aristoteles erklärt in H6, dass überall, wo ein δυνάμει ὄν in ein ἐνεργείᾳ ὄν heraustritt, also sowohl bei der ὕλη αἰσθητή als auch bei der Gattung als der ὕλη νοητή, die ἐνέργεια die αἰτία sei (1045a14ff., insbes. a30–35).“ (8) Steinfath erwähnt den Inhalt der Analogie, zögert aber, den Schluss zu ziehen, dass es tatsächlich eine Analogie zwischen Gattung-Differenz und Materie-Form gibt. Steinfath (1996: 246–247): „Wenn Aristoteles fragt, ‚was es nun wohl ist, das den Menschen zu einer Einheit macht, und wodurch er eine Einheit und nicht Vieles ist, zum Beispiel Lebewesen und Zweifüßiges‘ (a14–15), dann ist es naheliegend, ihn so zu verstehen, als wollte er im weiteren die Gattung ‚Lebewesen‘ als Materie und Potentialität und die Differenz ‚zweifüßig‘ als Gestalt und Aktualität begreifen. Er würde so den in Z12 eher beiläufig erwähnten und argumentativ nicht ausgeschöpften Vergleich von Gattung und Materie und die Gleichsetzung von letzter Differenz und Form in H6 vertiefen. [. . .] Zum einen ist ihr Anhalt im Text kein völlig sicherer. Ausdrücklich sagt Aristoteles nur, dass in der Definition stets das eine Materie, das andere Form oder Aktualität ist (a22–25, 34). Eine explizite Identifizierung oder Analogisierung von Gattung und Differenz mit beidem fehlt. [. . .] Zum anderen wirft die Deutung der Gattung als Materie und der Differenz als Form sachlich Probleme auf, von denen allerdings unklar ist, wieweit sie Aristoteles bewußt waren. Vor dem Hintergrund der relativ komplexen Analyse der Einheit des Zusammengesetzten kann es schon verwundern, dass er überhaupt glauben konnte, die Einheit von Gattung und Differenz analog zum Verhältnis von Materie und Form oder Potentialität und Aktualität aufschlüsseln zu können.“ (9) Stenzel 1924: 133–144; Cherniss 1944: 38–43; Gill 2010: 104–113. 320 (1) Phys. B3, 194b23–26: ἕνα μὲν οὖν τρόπον αἴτιον λέγεται τὸ ἐξ οὗ γίγνεταί τι ἐνυπάρχοντος, οἷον ὁ χαλκὸς τοῦ ἀνδριάντος καὶ ὁ ἄργυρος τῆς φιάλης καὶ τὰ τούτων γένη. (2) Metaph. Δ28, 1024b4–6: ἔτι ὡς ἐν τοῖς λόγοις τὸ πρῶτον ἐνυπάρχον, ὃ λέγεται ἐν τῷ τί ἐστι, τοῦτο γένος, οὗ διαφοραὶ λέγονται αἱ ποιότητες.
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Die Analogie von Entstehung und Definition ist darauf zurückzuführen, dass dieselbe hylemorphistische Struktur das sensible und das intelligible Kompositum durchdringt. Die strukturelle Ähnlichkeit ist in der funktionalen Gleichheit fundiert. Die Materie, ob sensibel oder intelligibel, ist mit der Passivität verbunden (ὕλη αἰσθητή ἢ ὕλη νοητή→πάσχειν). Das Formale, das entweder als Form oder als spezifische Differenz gilt, hängt mit der Aktivität zusammen (μορφή ἢ διαφορά→ποιεῖν). 2.2.3.3 Definition-Geist (ὁρισμός-νοῦς) Wird die Wesenssubstanz anhand der Gattung und der spezifischen Differenz definiert, lässt sich die Frage aufwerfen, wie die Einheit der mehrteiligen Definition gewährleistet werden kann. Ist der Mensch als zweifüßiges Lebewesen bestimmt, inwiefern bildet die Definition, die aus zwei Teilen besteht, eine Einheit (APo. B6, 92a29–33; B13, 97b13–15; Metaph. Z11, 1037a18–20; Z12, 1037b10–14; H6, 1045a7–8, 1045a14–15)? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir auf den Ursprung der Definitionselemente eingehen. Die intelligible Materie stammt deswegen aus dem Geist, weil der Geist die Gattung als Zugrundeliegendes in die Definition setzt. Die spezifische Differenz wird auch vom Geist gesetzt, da sie mehrfältig konzipiert sein kann. Der Mensch kann als vernünftiges, zweifüßiges, sterbliches oder politisches Lebewesen definiert werden, je nachdem, ob die Qualität, die Quantität, die zeitliche oder die räumliche Kategorie als Einteilungskriterium herangezogen wird. Die Vielfältigkeit der spezifischen Differenz weist darauf hin, dass sie nicht per se in der Gattung vorliegt, sondern der zugrundeliegenden Gattung eine bestimmte Differenz eigens hinzuzufügen ist, und zwar durch den Geist. Nicht nur die beiden Definitionselemente, sondern die zu definierende Wesenssubstanz wird auch vom Geist gesetzt. Denn die Wesenssubstanz, z. B. die menschliche Art, ist den einzelnen Menschen per se immanent und nur durch die gedankliche Abstraktion tritt sie in Form des Begriffs auf. Der Geist als noetisches Denken hat die Fähigkeit, nicht nur den Begriff zu bilden (εἶδος→ὄνομα), sondern auch und besonders, diesen hylemorphistisch zu strukturieren und wesentlich zu definieren (ὄνομα→ὁρισμός). Indem der zu bestimmende Begriff als intelligibles Kompositum angesehen wird (σύνολον νοητόν/ σύνθετον νοούμενον – Metaph. Λ9, 1075a5–6), entfaltet sich die Wesensdefinition derart, dass die spezifische Differenz mit der Gattung zusammengefügt ist. Die eine gilt als aktives Wirkendes, die andere aber als passives Erleidendes, und zwar nicht dinglich, sondern geistig. Der Geist (νοῦς, intellectus) setzt die spezifische Differenz als intelligibles Bestimmendes (διαφορά-νοοῦν) und die Gattung als intelligibles Zugrundeliegendes (γένος-νοούμενον). In der Definition kommen die
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2 Zweite Philosophie (Physik)
spezifische Differenz und die intelligible Materie, nämlich das intelligible Wirkende und das intelligible Erleidende, unmittelbar zur Deckung, und zwar nicht nur deswegen, weil sie als geistige Entitäten von der sensiblen Materie befreit sind (Metaph. Λ9, 1074b38–1075a5; De An. Γ4, 430a2–5). Vielmehr liegt der Hauptgrund für die Einheit der Wesensdefinition darin, dass die beiden Definitionselemente vom Geist gesetzt werden. Indem sowohl die spezifische Differenz als auch die intelligible Materie einen geistigen Ursprung haben, sind die beiden Definitionselemente immer schon durch den Geist vereinigt. Außer dass der Geist das Definitionsgefüge hylemorphistisch strukturiert, führt er das Definitionsverfahren dihairetisch durch. Der Geist macht es möglich, die Gattung in die konträren Gegensätze einzuteilen (διαίρεσις), die verschiedenen Differenzen hierarchisch einzuordnen (τάξις – Metaph. Z12, 1038a33–34) und die letzte Differenz mit der Gattung zusammenzufügen (σύνθεσις). Darum ist das dihairetische Definitionsverfahren eine geistige Tätigkeit der menschlichen Seele, die sich zeitlich vollzieht (Metaph. Λ9, 1075a7–8). Die Ausdifferenzierung der Gattung, die hierarchische Einordnung der Differenzen und die Zusammensetzung der Gattung mit der letzten Differenz gehen Schritt für Schritt sukzessiv voran (διαίρεσις→τάξις→σύνθεσις). Der menschliche Geist bringt den Begriff deswegen prozessual zur Entfaltung, weil das menschliche Denken nicht alles auf einmal auffassen kann, sondern von einem Schritt zum nächsten voranschreiten muss (Metaph. Λ9, 1075a6). Unter dem Blickwinkel der Prozessualität kann die Einheit der Wesensdefinition endgültig erklärt werden. Analog dazu, dass die Naturentstehung als Selbstaktualisierung der natürlichen Art und die Herstellung als Verwirklichung der technischen Gestalt angesehen werden, gilt die Wesensdefinition als Artikulation der spezifischen Differenz, die an der Gattung potentiell vorhanden ist. Anders formuliert: Nicht nur die Naturentstehung und die Herstellung, sondern auch die Wesensdefinition können als Prozess bezeichnet werden, in dem das Formale von der Potentialität zur Aktualität übergeht. Prozessual gesehen wird die menschliche Art dadurch determiniert, dass die spezifische Differenz, z. B. Vernünftigkeit, Zweifüßigkeit, Sterblichkeit oder Gemeinschaftlichkeit, vom potentiellen Zustand ausgeht und in die Wirklichkeit eintritt. Obwohl die spezifische Differenz vor der Definition potentiell vorliegt und nach der Definition aktuell vorhanden ist, bleibt sie sachlich ein und dieselbe, wie die natürliche Art und die technische Gestalt. Anhand des modalen Unterschieds von Möglichkeit und Wirklichkeit ist die definitorische Einheit nicht metaphorisch, sondern endgültig sachlich nachzuweisen. Abschließend lässt sich die Einheit der Wesensdefinition dadurch erläutern, dass die anderen theoretischen Möglichkeiten begründet ausgeschlossen werden
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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können. Erstens bildet die Wesensdefinition als organisches Ganzes keineswegs eine chaotische Einheit, wie z. B. ein Haufen. Während die mannigfaltigen Dinge in einem Haufen unordentlich nebeneinander liegen und miteinander vermischt sind, zeigt sich die definitorische Einheit darin, dass alle zugehörigen Teile vom übergeordneten Prinzip in eine organische Einheit einzuordnen sind (Metaph. H3, 1044a2–6; H6, 1045a8–12). Zweitens ist die einheitliche Definition als sprachlicher Komplex nicht mit der einheitlichen Erzählung zu identifizieren (APo. B10, 93b35–37; Metaph. Z4, 1030a7–10, 1030b7–10; Poet. 1457a29–31). In der Ilias z. B. werden die verschiedenen Ereignisse durch die literarische Fiktion zusammengefasst und nach der zeitlichen Abfolge kontinuierlich dargestellt. Die ganze Erzählung, die die mannigfaltigen Ereignisse zusammenhängend zur Sprache bringt, ist zwar gewissermaßen einheitlich, weist aber keineswegs die definitorische Einheit auf (ὁ δ’ ὁρισμὸς λόγος ἐστὶν εἷς οὐ συνδέσμῳ καθάπερ ἡ Ἰλιὰς ἀλλὰ τῷ ἑνὸς εἶναι – Metaph. H6, 1045a12–14). Drittens kann die Einheit der Definition nicht nach dem Muster der platonischen Teilhabe erklärt werden (per participationem, κατὰ μέθεξιν – Metaph. Z4, 1030a13–14; Z12, 1037b18–24; H6, 1045a15–22, 1045b7–9). Die Artidee zu definieren, heißt nichts anderes, als dass die Artidee an der Gattungsidee und der Differenzidee teilhat. Demzufolge hat der Mensch Anteil am Lebewesen und Zweifüßigen. Wenn nun die Gattungsidee und die Differenzidee voneinander getrennt sind und als eigenständige Entitäten bezeichnet werden (ἄλλως τε δὴ καὶ εἰ ἔστιν, ὥσπερ φασί τινες, αὐτό τι ζῷον καὶ αὐτὸ δίπουν – Metaph. Z14, 1039a30–32; Z15, 1040a18–21; Z16, 1040b30–34; H6, 1045a15–17) – aristotelisch gesagt, wenn die beiden Prädikate, das Lebewesen und das Zweifüßige, substantiviert werden –, ist die Artidee wegen der Teilhabe nicht mehr einheitlich, sondern ontologisch gespalten.321 Aristoteles’ Auffassung nach hängt die platonische Teilhabe mit der Substantivierung des Prädikats zusammen, die dem Satz vom Widerspruch entgegensteht. Werden mehrere Prädikate von demselben Subjekt ausgesagt und für selbständige Substanzen gehalten, ist das vom
321 Metaph. H6, 1045a17–20: διὰ τί γὰρ οὐκ ἐκεῖνα αὐτὰ ὁ ἄνθρωπός ἐστι, καὶ ἔσονται κατὰ μέθεξιν οἱ ἄνθρωποι οὐκ ἀνθρώπου οὐδ’ ἑνὸς ἀλλὰ δυοῖν, ζῴου καὶ δίποδος, καὶ ὅλως δὴ οὐκ ἂν εἴη ὁ ἄνθρωπος ἓν ἀλλὰ πλείω, ζῷον καὶ δίπουν. Derselbe Widerspruch betrifft nicht nur die Artidee, sondern auch die zugehörigen Einzelnen. Anhand der Teilhabe an der Idee des Menschen hat der einzelne Mensch Anteil an den beiden Definitionselementen, platonisch gesagt, an den beiden höheren Ideen. Demzufolge ist der einzelne Mensch, der die numerische Einheit bewahrt, in die Gattung und die Differenz gespalten.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Subjekt bezeichnete Seiende ontologisch sowohl eines als auch vieles. Es ist überhaupt nicht widersprüchlich, dass die Art als substanzielle Einheit durch beide Definitionselemente (Prädikate) logisch bestimmt ist. Aber die Substantivierung der Definitionselemente hat den Widerspruch zur Folge, dass die Art in derselben Hinsicht gleichzeitig sowohl eines als auch vieles ist. Viertens kann die akzidentelle Prädikation die notwendige Einheit der Definition nicht gewährleisten.322 Da das Weiße mit dem Menschen per accidens verknüpft ist, drückt die entsprechende Aussage, dass der Mensch weiß ist, eine zufällige Einheit von Subjekt und Prädikat aus (unum per accidens).323 Wegen des Mangels an Notwendigkeit kann die Verbindung des Akzidenz mit der Substanz die notwendige Einheit der Definition nicht garantieren. Indem das intelligible Kompositum nicht mit dem akzidentellen (σύνθετον = ὑποκείμενον + κατηγορούμενον/πάθος), sondern mit dem substanziellen Kompositum (σύνολον = ὕλη + μορφή) verglichen wird, kommt nicht nur die Struktur der Wesensdefinition ans Licht, sondern es wird auch die definitorische Einheit geklärt. Auf der Grundlage desselben hylemorphistischen Gefüges ist das substanzielle Kompositum, das als sensibles Kompositum bezeichnet wird, herzustellen (σύνολον αἰσθητόν = ὕλη + μορφή) und das intelligible Kompositum wesentlich zu definieren (σύνολον νοητόν = γένος + διαφορά). Darum können die 322 Metaph. Z4, 1030a11–14; Z12, 1037b14–18; H6, 1045b15–16. Da Aristoteles in Z4 die platonische Teilhabe und seine eigene Akzidenzprädikation zusammenhängend zur Sprache gebracht hat (ταῦτα γὰρ δοκεῖ οὐ κατὰ μετοχὴν λέγεσθαι καὶ πάθος οὐδ’ ὡς συμβεβηκός – Z4, 1030a13–14), halten manche Forscher die beiden für identisch (Ross 1924: 206–207; Frede und Patzig 1988: 225–227). Damit können wir nicht übereinstimmen. Im Rahmen der Ideenlehre ist es zwar schwierig, die Wesensprädikation (Sokrates ist Mensch) von der Akzidenzprädikation (Sokrates ist groß) zu unterscheiden. Aber mit der Teilhabe zielt Platon nicht auf den akzidentellen Sachverhalt ab, sondern auf das Wesentliche, nämlich dass Sokrates Mensch oder die Seele lebendig ist. Ein klarer Beweis für den Unterschied von Teilhabe und Akzidenzprädikation liegt darin, dass sowohl die niedrigen Ideen (die Idee des Menschen) als auch die höchsten Gattungen (Sein, Bewegung, Ruhe, Differenz und Identität), weiter noch das Eine, das auf dem Gipfel der Seinshierarchie steht, dem konkreten Einzelnen nicht zufällig, sondern notwendig zukommen. Sokrates ist per se Mensch, mit sich selbst identisch, von den anderen unterschieden und einheitlich existierend. Darum sollte man die platonische Teilhabe, die sich ursprünglich an der Wesensprädikation orientiert, nicht mit der aristotelischen Akzidenzprädikation vermischen. 323 Metaph. Z12, 1037b14–18; Thomas Sententia Metaphysicae lib.7 l.12 n.2 [83109]: „Tunc autem ex his duobus fit unum per accidens quod est albus homo.“ Im Text argumentiert Aristoteles auf zweierlei verschiedene Weisen. Da das Akzidenz dem Zugrundeliegenden nur zufällig zukommt, ist die Verbindung des einen mit dem anderen zerlegbar. Wenn sich das Akzidenz, z. B. das Weiße, nicht im Menschen befindet, bilden das Akzidenz und die Substanz eine Zweiheit bzw. Vielheit (Z12, 1037b14–16). Wenn das Weiße auf den Menschen zutrifft, kommt der weiße Mensch als zufällige Einheit zustande (Z12, 1037b16–18).
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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analogischen Begriffe, wie Form-Stoff, Aktivität-Passivität und MöglichkeitWirklichkeit, sowohl die Entstehung der Einzelsubstanz als auch die Definition der Wesenssubstanz charakterisieren. Die Naturentstehung ist als Verwirklichung der Naturart bestimmt, welche möglicherweise am materialen Substrat existiert. Analog dazu ist die Wesensdefinition nichts anderes als die geistige Entfaltung der spezifischen Differenz, welche in der Gattung enthalten ist und potentiell vorliegt. Die definitorische Einheit gründet letztendlich darin, dass sich die intelligible Form, d. h. differentia specifica, von der Möglichkeit zur Wirklichkeit bewegt (ἓν γάρ τι ἕκαστον, καὶ τὸ δυνάμει καὶ τὸ ἐνεργείᾳ ἕν πώς ἐστιν, ὥστε αἴτιον οὐθὲν ἄλλο πλὴν εἴ τι ὡς κινῆσαν ἐκ δυνάμεως εἰς ἐνέργειαν – Metaph. H6, 1045b20–22).324 Im vorliegenden Teil (2.2) thematisieren wir die dreifache Beziehung von Einzelding, Entstehung und Definition (τόδε τι-γένεσις-ὁρισμός). Die Art nimmt in diesem Zusammenhang insofern eine Sonderstellung ein, als die ontologische Art und der logische Begriff unmittelbar zusammenfallen (εἶδος = ὄνομα). Zum einen aktualisiert sich die Naturart in der Materie, um das Gleichartige zu erzeugen (εἶδος ἔνυλον-ἐν τῇ ὕλῃ-ὁμοειδές). Zum anderen kann sie in Gedanken abstrahiert und wesentlich definiert werden (εἶδος ἄυλον-ἐν τῇ ἐπινοίᾳ-ὁρισμός). Die Naturart in Gestalt des gleichartigen Einzeldings ist sinnlich wahrnehmbar (αἰσθητόν), als Begriff aber denkbar und definierbar (νοητόν). Indem die Naturart das Gleichartige ontologisch produziert und logisch bestimmt, schlägt sie kraft ihrer doppelten Charakteristik eine Brücke zwischen der Physis und dem Logos (φύσις-εἶδος/ὄνομα-λόγος). Des Weiteren existiert das konkrete Einzelding in der Natur (τόδε τι→φύσις), die Naturart als Begriff ist der Seele immanent (ὄνομα→ψυχή), und die allgemein gültige Definition wird vom Geist durchgeführt (ὁρισμός→νοῦς). Demzufolge nimmt die Seele eine Mittelstellung zwischen der Natur und dem Geist ein (φύσις-ψυχή-νοῦς). Dem Untersuchungsgegenstand entsprechend befindet sich die theoretische Betrachtung über die
324 (1) Metaph. H6, 1045a23–1046a2: εἰ δ’ ἐστίν, ὥσπερ λέγομεν, τὸ μὲν ὕλη τὸ δὲ μορφή, καὶ τὸ μὲν δυνάμει τὸ δὲ ἐνεργείᾳ, οὐκέτι ἀπορία δόξειεν ἂν εἶναι τὸ ζητούμενον. ἔστι γὰρ αὕτη ἡ ἀπορία ἡ αὐτὴ κἂν εἰ ὁ ὅρος εἴη ἱματίου στρογγύλος χαλκός· εἴη γὰρ ἂν σημεῖον τοὔνομα τοῦτο τοῦ λόγου, ὥστε τὸ ζητούμενόν ἐστι τί αἴτιον τοῦ ἓν εἶναι τὸ στρογγύλον καὶ τὸν χαλκόν. οὐκέτι δὴ ἀπορία φαίνεται, ὅτι τὸ μὲν ὕλη τὸ δὲ μορφή. τί οὖν τούτου αἴτιον, τοῦ τὸ δυνάμει ὂν ἐνεργείᾳ εἶναι, παρὰ τὸ ποιῆσαν, ἐν ὅσοις ἔστι γένεσις; οὐθὲν γάρ ἐστιν αἴτιον ἕτερον τοῦ τὴν δυνάμει σφαῖραν ἐνεργείᾳ εἶναι σφαῖραν, ἀλλὰ τοῦτ’ ἦν τὸ τί ἦν εἶναι ἑκατέρῳ. (2) Metaph. H6, 1045b16–23: αἴτιον δ’ ὅτι δυνάμεως καὶ ἐντελεχείας ζητοῦσι λόγον ἑνοποιὸν καὶ διαφοράν. ἔστι δ’, ὥσπερ εἴρηται, ἡ ἐσχάτη ὕλη καὶ ἡ μορφὴ ταὐτὸ καὶ ἕν, δυνάμει, τὸ δὲ ἐνεργείᾳ, ὥστε ὅμοιον τὸ ζητεῖν τοῦ ἑνὸς τί αἴτιον καὶ τοῦ ἓν εἶναι· ἓν γάρ τι ἕκαστον, καὶ τὸ δυνάμει καὶ τὸ ἐνεργείᾳ ἕν πώς ἐστιν, ὥστε αἴτιον οὐθὲν ἄλλο πλὴν εἴ τι ὡς κινῆσαν ἐκ δυνάμεως εἰς ἐνέργειαν. ὅσα δὲ μὴ ἔχει ὕλην, πάντα ἁπλῶς ὅπερ ἕν τι.
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Seele zwischen der Physik und der Metaphysik, wobei die eine die natürliche Substanz, nämlich die Natur, und die andere die übernatürliche Substanz, d. h. den Geist, zum Thema hat (Simplicii In Libros Aristotelis De anima Commentaria 2.29–3.28). Im Grunde genommen handelt es sich um das Verhältnis von Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit (ἕκαστον-ἴδιον-κοινόν, individuum-specialisgeneralis). Dasselbe Verhältnis tritt einerseits in ontologischer Form von Einzelding, Art und Gattung (τόδε τι-εἶδος-γένος) auf und wird andererseits durch die logische Trinität von Eigenname, Begriff und Definition (Σωκράτης-ὄνομα-ὁρισμός) wiedergegeben. Abschließend versuchen wir, systematisch zu erklären, inwiefern das individuelle Einzelding, die besondere Art und die allgemeine Gattung als Substanz bezeichnet werden können. Erstens: Das Naturseiende gilt als Einzelsubstanz, insofern es das materiale Prinzip des Sachverhaltes ist. Die Substantialität der Einzelsubstanz lässt sich ontisch, logisch und ontologisch aufzeigen, indem das Substrat der Eigenschaft, das Subjekt dem Prädikat und die Einzelsubstanz der Kategorie zugrunde liegt. Anhand des Kriteriums des Zugrundeliegens (ὑποκείμενον) ist das Einzelding das materiale Prinzip des Sachverhaltes, der Aussage und der Bewegung. Zweitens: Wenn das einzelne Naturseiende zur Einzelsubstanz gezählt wird, ist die Naturart als Wesensprinzip (causa essendi) die Substanz in höherem Maß. Denn nichts anderes als die Naturart verleiht dem gleichartigen Naturseienden sowohl Existenz als auch Essenz. Kraft der aktiven Produktivität bringt die Naturart die gleichartigen Einzeldinge zweckmäßig hervor. Außerdem übertragen sich die Begrifflichkeit sowie die Wesensdefinition der Art auf das zugehörige Einzelding. Das Einzelding kann nur nach der Art begrifflich bezeichnet und nur durch die Vermittlung der Naturart wesentlich definiert werden. Die Art ist deshalb das Entstehungs- (αἴτιον τοῦ γίγνεσθαι) und das Wesensprinzip des Einzeldings (αἴτιον τοῦ εἶναι), weil sie das Einzelding ontologisch produziert und logisch wesentlich definiert.325 325 (1) Metaph. A9, 991b3–4 = M5, 1080a2–3: ἐν δὲ τῷ Φαίδωνι οὕτω λέγεται, ὡς καὶ τοῦ εἶναι καὶ τοῦ γίγνεσθαι αἴτια τὰ εἴδη ἐστίν. (2) Metaph. Z17, 1041b27–31: οὐσία δὲ ἑκάστου μὲν τοῦτο, τοῦτο γὰρ αἴτιον πρῶτον τοῦ εἶναι. ἐπεὶ δ’ ἔνια οὐκ οὐσίαι τῶν πραγμάτων, ἀλλ’ ὅσαι οὐσίαι, κατὰ φύσιν καὶ φύσει συνεστήκασι, φανείη ἂν [καὶ] αὕτη ἡ φύσις οὐσία, ἥ ἐστιν οὐ στοιχεῖον ἀλλ’ ἀρχή. (3) Metaph. H2, 1043a2–4: φανερὸν δὴ ἐκ τούτων ὅτι εἴπερ ἡ οὐσία αἰτία τοῦ εἶναι ἕκαστον, ὅτι ἐν τούτοις ζητητέον τί τὸ αἴτιον τοῦ εἶναι τούτων ἕκαστον. (4) Metaph. H3, 1043b13–18: εἰ οὖν τοῦτ’ αἴτιον τοῦ εἶναι, καὶ οὐσία τοῦτο, αὐτὴν ἂν τὴν οὐσίαν οὐ λέγοιεν. ἀνάγκη δὴ ταύτην ἢ ἀΐδιον εἶναι ἢ φθαρτὴν ἄνευ τοῦ φθείρεσθαι καὶ γεγονέναι ἄνευ τοῦ γίγνεσθαι. δέδεικται δὲ καὶ δεδήλωται ἐν ἄλλοις ὅτι τὸ εἶδος οὐθεὶς ποιεῖ οὐδὲ γεννᾷ, ἀλλὰ ποιεῖται τόδε, γίγνεται δὲ τὸ ἐκ τούτων.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Drittens: Im Vergleich zum Einzelding und zur Art hält Aristoteles die Gattung teilweise für Substanz und teilweise nicht, je nach den verschiedenen Kriterien. Unter der Bedingung dessen, dass sich die Substantialität auf die Eigentümlichkeit beschränkt, ist die Gattungsallgemeinheit als Gemeinsamkeit nicht substanziell (Metaph. Z13, 1038b9–15, 1038b16–23). Dem konkreten Einzelnen entspricht die Individualität (τόδε τι-καθ’ ἕκαστον), der besonderen Art die Eigentümlichkeit (εἶδος-ἴδιον) und der allgemeinen Gattung die Gemeinsamkeit (γένος-κοινόν).326 Nach der begrifflichen Erklärung lässt sich das ἴδιον-Argument in Z13 der Metaphysik folgendermaßen syllogistisch rekonstruieren: Die Substanz des Einzeldings ist die dem Einzelding eigentümliche Art, die nicht in der anderen Art vorhanden sein kann (πρῶτον μὲν γὰρ οὐσία ἑκάστου ἡ ἴδιος ἑκάστῳ, ἣ οὐχ ὑπάρχει ἄλλῳ – Metaph. Z13, 1038b9–10). Die Gattungsallgemeinheit als Gemeinsames kommt von Natur aus mehreren Arten zu (τοῦτο γὰρ λέγεται καθόλου ὃ πλείοσιν ὑπάρχειν πέφυκεν – Metaph. Z13, 1038b11–12). Da die Gemeinsamkeit mit der Eigentümlichkeit nicht gleichgesetzt werden kann (κοινός ≠ ἴδιος), ist die allgemeine Gattung nicht für Substanz zu halten (καθόλου ≠ οὐσία), die nur auf die besondere Art gerichtet ist. Des Weiteren ist es der wahrhaften Substanz, der Naturart eigentümlich, dass sie sich konkretisieren und aktualisieren kann. Wenn die Verwirklichbarkeit zum Kriterium genommen wird, ist die Substantialität der Gattung zurückzuweisen. Denn nicht das Lebewesen als solches, sondern nur die bestimmte Art des Lebewesens tritt in die Wirklichkeit ein.327 Da es der
326 (1) Cat. 5, 2b12–13: Τῶν δὲ δευτέρων οὐσιῶν μᾶλλον οὐσία τὸ εἶδος τοῦ γένους· ἔγγιον γὰρ τῆς πρώτης οὐσίας ἐστίν. ἐὰν γὰρ ἀποδιδῷ τις τὴν πρώτην οὐσίαν τί ἐστι, γνωριμώτερον καὶ οἰκειότερον ἀποδώσει τὸ εἶδος ἀποδιδοὺς ἢ τὸ γένος· οἷον τὸν τινὰ ἄνθρωπον γνωριμώτερον ἂν ἀποδοίη ἄνθρωπον ἀποδιδοὺς ἢ ζῷον, – τὸ μὲν γὰρ ἴδιον μᾶλλον τοῦ τινὸς ἀνθρώπου, τὸ δὲ κοινότερον. (2) Porphyrii Isagoge sive quinque voces (2.1) Περὶ τῆς διαφορᾶς τοῦ γένους καὶ τοῦ ἰδίου 16.10–16: καὶ τὸ μὲν γένος κατὰ πλειόνων εἰδῶν κατηγορεῖται, τὸ δὲ ἴδιον ἑνὸς εἴδους, οὗ ἐστιν ἴδιον. καὶ τὸ μὲν ἴδιον ἀντικατηγορεῖται οὗ ἐστιν ἴδιον, τὸ δὲ γένος οὐδενὸς ἀντικατηγορεῖται· οὔτε γὰρ εἰ ζῷον, ἄνθρωπος, οὔτε εἰ ζῷον, γελαστικόν· εἰ δὲ ἄνθρωπος, γελαστικόν, καὶ ἔμπαλιν. ἔτι τὸ μὲν ἴδιον παντὶ τῷ εἴδει ὑπάρχει, οὗ ἐστιν ἴδιον, καὶ μόνῳ καὶ ἀεί, τὸ δὲ γένος παντὶ μὲν τῷ εἴδει, οὗ ἂν ᾖ γένος, καὶ ἀεί, οὐ μέντοι καὶ μόνῳ. (2.2) Περὶ τῆς διαφορᾶς τοῦ εἴδους καὶ τοῦ ἰδίου 20.18–20: καὶ τὸ μὲν εἶδος προϋφέστηκεν τοῦ ἰδίου, τὸ δὲ ἴδιον ἐπιγίνεται τῷ εἴδει· δεῖ γὰρ ἄνθρωπον εἶναι, ἵνα καὶ γελαστικὸν ᾖ. Die Art ist insofern durch die Eigentümlichkeit gekennzeichnet, als das Eigentümliche einer einzigen Art zukommt. Da die Gattung alle ihr zugehörigen Arten umfasst und auf das gemeinsame Merkmal der Arten hinweist, gilt die Gattung als Gemeinsamkeit. 327 Phys. A8, 191b18–23: οὕτω δὲ καὶ τοῦτο γίγνεσθαι, τὸν αὐτὸν τρόπον οἷον εἰ ἐκ ζῴου ζῷον γίγνοιτο καὶ ἐκ τινὸς ζῴου τι ζῷον· οἷον εἰ κύων [ἐκ κυνὸς ἢ ἵππος] ἐξ ἵππου γίγνοιτο. γίγνοιτο μὲν γὰρ ἂν οὐ μόνον ἐκ τινὸς ζῴου ὁ κύων, ἀλλὰ καὶ ἐκ ζῴου, ἀλλ’ οὐχ ᾗ ζῷον· ὑπάρχει γὰρ ἤδη τοῦτο.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Gattung an Konkretisierungsmöglichkeit mangelt, hat die Gattung keinen ontologischen Status. Auf der anderen Seite ist die Substantialität der Gattung zu legitimieren, indem Aristoteles anhand der Wesensdefinition argumentiert.328 Die Wesensdefinition besteht daraus, dass die Gattung und die spezifische Differenz zusammengefügt sind. Die Gattung ist nicht nur Element der Definition, sondern auch und mehr noch bildet sie das Prinzip der ganzen Definition.329 Die Gattung liegt insofern der Definition zugrunde, als es durch die Aufhebung der Gattung keine Definitionsmöglichkeit gibt.330 Anders gesagt: Die Gattung wird deshalb als intellektuelles Prinzip der Art angesehen, weil sie als intelligible Materie der zu definierenden Art zugrunde liegt. Wenn die Art als wahrhafte Substanz bezeichnet wird, muss die Gattung als definitorisches Prinzip der Art auch Substanz sein. Außerdem kann die Substantialität der Gattung nicht nur logisch, sondern auch ontologisch gerechtfertigt werden. Es ist gar kein Zufall, dass der Mensch aus dem Lebewesen stammt.331 Denn zusammen mit der Realisierung der Art kommt die Gattung notwendig zum Vorschein und durch die Aufhebung der Gattung würden alle zugehörigen Arten zugrunde gehen. Daher muss die Gattung als Herkunft der Art (γένους εἴδη – Metaph. Z12, 1038a5) auch Substanz sein. Obwohl er in dieser Frage schwankt, tendiert Aristoteles prinzipiell dazu, die Gattung als Substanz anzuerkennen.
328 Die Konklusion, dass die Gattung Substanz ist, muss man deswegen ernst nehmen und für wahr halten, weil sie als Prämisse eines gültigen Syllogismus gilt. Darin lässt sich nachweisen, dass das Sein und das Eine nicht Prinzipien sind. (1) Die Gattung ist Prinzip (Metaph. B3, 998b3–8). (2) Weder das Sein noch das Eine ist Gattung (B3, 998b22–27). (3) Daraus resultiert, dass das Sein und das Eine nicht Prinzipien sind (B3, 998b27–28). Da die Art Wesenssubstanz ist, muss die Gattung als definitorisches Prinzip der Wesenssubstanz auch Substanz sein. 329 Metaph. B3, 998b4–8: εἰ δ’ ἕκαστον μὲν γνωρίζομεν διὰ τῶν ὁρισμῶν, ἀρχαὶ δὲ τὰ γένη τῶν ὁρισμῶν εἰσίν, ἀνάγκη καὶ τῶν ὁριστῶν ἀρχὰς εἶναι τὰ γένη. κἂν εἰ ἔστι τὴν τῶν ὄντων λαβεῖν ἐπιστήμην τὸ τῶν εἰδῶν λαβεῖν καθ’ ἃ λέγονται τὰ ὄντα, τῶν γε εἰδῶν ἀρχαὶ τὰ γένη εἰσίν. 330 Top. Z4, 141b22–34: οὐ δεῖ δὲ λανθάνειν ὅτι τοὺς οὕτως ὁριζομένους οὐκ ἐνδέχεται τὸ τί ἦν εἶναι τῷ ὁριζομένῳ δηλοῦν, ἐὰν μὴ τυγχάνῃ ταὐτὸν ἡμῖν τε γνωριμώτερον ὂν καὶ ἁπλῶς γνωριμώτερον, εἴπερ δεῖ μὲν διὰ τοῦ γένους καὶ τῶν διαφορῶν ὁρίζεσθαι τὸν καλῶς ὁριζόμενον, ταῦτα δὲ τῶν ἁπλῶς γνωριμωτέρων καὶ προτέρων τοῦ εἴδους ἐστίν. συναναιρεῖ γὰρ τὸ γένος καὶ ἡ διαφορὰ τὸ εἶδος, ὥστε πρότερα ταῦτα τοῦ εἴδους. ἔστι δὲ καὶ γνωριμώτερα· τοῦ μὲν γὰρ εἴδους γνωριζομένου ἀνάγκη καὶ τὸ γένος καὶ τὴν διαφορὰν γνωρίζεσθαι (ὁ γὰρ ἄνθρωπον γνωρίζων καὶ ζῷον καὶ πεζὸν γνωρίζει), τοῦ δὲ γένους ἢ τῆς διαφορᾶς γνωριζομένης οὐκ ἀνάγκη καὶ τὸ εἶδος γνωρίζεσθαι, ὥστε ἀγνωστότερον τὸ εἶδος. 331 Metaph. Z14, 1039b8–9: οὐ γὰρ κατὰ συμβεβηκὸς ἐκ ζῴου ἅνθρωπος; Metaph. Z14, 1039b10–11: οὐ γὰρ κατ’ ἄλλο λέγεται· εἰ δὲ μή, ἐξ ἐκείνου ἔσται ὁ ἄνθρωπος καὶ γένος αὐτοῦ ἐκεῖνο.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
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Aber es muss zur Voraussetzung genommen werden, dass die allgemeine Gattung weder von der besonderen Art noch von dem konkreten Einzelding zu trennen ist.332 Die Vereinigung von Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit lässt sich sowohl ontologisch als auch logisch nachweisen. In der Natur wird das gleichartige Einzelding von der Naturart zweckmäßig produziert, die notwendigerweise aus der Gattung stammt. Demzufolge werden die Art vom gleichartigen Einzelding und die Gattung sowohl von der zugehörigen Art als auch vom gleichartigen Einzelding wesentlich ausgesagt. Einzelding, Art und Gattung fallen per se zusammen und dementsprechend bilden Sokrates, Mensch und Lebewesen eine Univokation. Die Naturentstehung sowie die Wesensprädikation weisen auf den notwendigen ontologisch-logischen Syllogismus hin, wobei sich die Einzelheit aus der Besonderheit und die Besonderheit aus der Allgemeinheit auf notwendige Weise ergeben.
2.2.4 Wirklichkeit und Möglichkeit (ἐνέργεια καὶ δύναμις) Die vorliegende Arbeit zielt hauptsächlich darauf ab, das dreifache Übereinstimmungsverhältnis von Sein, Veränderung und Logos einsichtig zu machen (ὄν-μεταβολή-λόγος). Zum einen (2.1) bringt die Entsprechung von Sachverhalt, Bewegung und Meinung die Übereinstimmungswahrheit ins Blickfeld (πρᾶγμακίνησις-δόξα): Es geht um die Frage, ob die Aussage über den veränderlichen Sachverhalt wahr oder falsch ist (ἀληθές-ψεῦδος). Zum anderen (2.2) kommen Einzelsubstanz, Entstehung und Definition in Übereinkunft (τόδε τι-γένεσις-ὁρισμός), indem die Entstehung der Einzelsubstanz und die Definition der Wesenssubstanz an derselben hylemorphistischen Struktur teilhaben. Die Naturart produziert einerseits das gleichartige Einzelding und bringt andererseits den Geist ins Spiel, der die allgemein gültige Definition der Art zustande bringt (τόδε τι←εἶδος→νοῦς). Wie die Naturart in der Mitte zwischen Einzelding und Geist
332 In erster Linie orientiert sich die aristotelische Kritik an der platonischen Ideenlehre nicht an der Allgemeinheit der Idee, sondern daran, dass die Artidee von der Gattungs- und Differenzidee sowie das Einzelne von der Artidee zu trennen sind (Metaph. Z14, 1039a24–26, 1039a30–32; Z16, 1040b30–34). Die Trennung der Gattung von der Art und der Art vom Einzelnen macht es unmöglich, dass die allgemeine Gattung, die besondere Art und das partikulare Einzelne zusammenfallen. Wegen der Trennung können die Ideen weder zur Entstehung noch zur Bewegung beitragen. Da sich die Ideen nicht am konkreten Einzelnen konkretisieren und verwirklichen können, hält Aristoteles die platonischen Ideen nicht für ontologische Substanzen, sondern nur für logische Entitäten (φάντασμα – Metaph. A9, 990b14–15; M4, 1079a11).
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2 Zweite Philosophie (Physik)
steht, so nimmt die Wirklichkeit eine Mittelstellung zwischen Möglichkeit und Notwendigkeit ein. Aus der modalen Perspektive zeigt sich, dass die Möglichkeit und die Notwendigkeit aus der Wirklichkeit argumentativ hergeleitet werden. Zweifelsohne steht die Modalität der Wirklichkeit im Zentrum, indem Aristoteles das wahrhafte Sein, d. h. die Substanz, mit dem Wirklichsein identifiziert (οὐσία = τὸ ἐνεργείᾳ ὄν: ὥστε φανερὸν ὅτι ἡ οὐσία καὶ τὸ εἶδος ἐνέργειά ἐστιν – Metaph. Θ8, 1050b2–3). Das wirkliche Seiende greift einerseits auf das Notwendige zurück und weist andererseits auf das mögliche Seiende hin. Was sich in der Wirklichkeit ereignet, sind nicht nur die geistige Tätigkeit der menschlichen Seele, und zwar noetisches Denken, dianoetisches Denken, Phantasie und Wahrnehmung (νόησις, διάνοια, φαντασία, αἴσθησις), sondern auch die menschliche Herstellung und Handlung (ποίησις, πρᾶξις), weiter noch die Veränderung der Lebewesen, die Umwandlung der Grundelemente und die Kreisbewegung der Himmelskörper (κίνησις, γένεσις). Im weiteren Sinne bezeichnet die Wirklichkeit alles, was regelmäßig in die Realität eintritt. Aber die seelische Tätigkeit ist mit der Möglichkeit der Täuschung verbunden, da alles, was man im diskursiven Denken auffasst oder sich in der Phantasie vorstellt, falsch sein kann. Darum kann nichts anderes als der absolute Geist die Wesenssubstanz allgemein gültig definieren. Der Wahrheitsanspruch wird nicht durch das menschliche Denken, sondern durch den absoluten Geist befriedigt, der sich der Täuschungs- und der Falschheitsmöglichkeit entzieht (οὐδὲ ἀπάτη – Metaph. Θ10, 1051b17–32, 1052a1–4). Außerdem sind die menschliche Herstellung sowie die Handlung mit dem Zufall verknüpft (τύχη) und die Natur bringt Irrtümliches oder Schlechtes automatisch zustande (αὐτόματον). Deshalb können Homogenität (ὁμοειδές – Metaph. Z7, 1032a22–25; Z8, 1033b29–32) und Kontinuität der Naturentstehung (ἀεὶ γένεσις – Metaph. Λ10, 1075b16–17) nicht vom Naturseienden selbst, sondern müssen vom Übernatürlichen gewährleistet werden. In der Tat müssen nicht nur die Zweckmäßigkeit der Naturentstehung, die die menschliche Herstellung und die Handlung imitieren, sondern auch die Regelmäßigkeit der elementaren Umwandlung sowie die Ewigkeit der himmlischen Kreisbewegung auf die absolute Notwendigkeit des Geistes zurückzuführen sein. Obwohl sich die Seele und die Natur teleologisch auslegen lassen, kann die eine getäuscht oder irregeführt werden und die andere ist mit Kontingenz und Irrtum behaftet. Die zufälligen und irrtümlichen Ereignisse erbringen einen klaren Beweis dafür, dass die Zweckmäßigkeit der menschlichen Tätigkeit und der natürlichen Aktualisierung nicht vom wirklichen Seienden, sondern von einem absoluten Notwendigen garantiert werden muss. Außer der Rückführung auf das Notwendige impliziert die Verwirklichung der Form rückwärts den potentiellen Zustand derselben. Nach der herkömmlichen
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
247
Interpretation ist die Form durch Aktivität und Wirklichkeit gekennzeichnet, die Materie aber durch Passivität und Möglichkeit. Während man mit Recht die Aktivität der Form und die Passivität dem Stoff zuschreibt, ist es jedoch nicht völlig korrekt, die Form mit der Wirklichkeit und den Stoff mit der bloßen Möglichkeit zu kombinieren. Dem Chiasmus zufolge überkreuzen sich Aktivität-Passivität und Wirklichkeit-Möglichkeit (Tab. 20): Tab. 20: Form, Privation, konkrete Materie und prima materia. δύναμις τοῦ ποιεῖν
δύναμις τοῦ πάσχειν
τὸ ἐνεργείᾳ ὄν
εἶδος/μορφή
ὕλη
τὸ δυνάμει ὄν
στέρησις
πρώτη ὕλη
Da die modi essendi, Wirklichkeit und Möglichkeit, vom aktiven oder passiven Vermögen des Seienden unabhängig sind, kann die Form mit der Möglichkeit verbunden sein, während die konkrete Materie immer in der Wirklichkeit existiert. Zum einen kann die Form, die sich aktualisieren soll, nicht aktualisiert werden, sodass sie nur der Möglichkeit nach vorliegt. Zum anderen muss die konkrete Materie der Entstehung wirklich zur Verfügung stehen. Denn das passive Vermögen, das die konkrete Materie mit sich bringt, hindert ihn nicht daran, real zu existieren. Allein die prima materia umfasst die Passivität und die Möglichkeit, da sie passiv zugrunde gelegt und nicht verwirklicht wird. Darum ist die Modalität bzw. die Seinsweise der konkreten Materie nicht die Möglichkeit, sondern die Wirklichkeit. Was möglicherweise vorhanden sein kann, ist die nicht aktualisierte Form, die mit einem terminus technicus die Privation genannt wird. Einerseits müssen die Privation und die konkrete Materie strikt voneinander unterschieden werden, da die eine durch Aktivität und Potentialität gekennzeichnet ist (στέρησις = ποιεῖν + δύνατον, potentia activa in potentia) und die andere mit Passivität und Aktualität ausgestattet ist (ὕλη = πάσχειν + ἐνεργείᾳ, potentia passiva in actu). Darum stehen die Privation als abwesende Form und die konkrete Materie zueinander gegensätzlich, indem die formale Aktivität der materialen Passivität und die Möglichkeit der Form der Wirklichkeit der Materie gegenüberstehen.333 Andererseits kommen die Privation und die Materie
333 Die Differenz zwischen der Privation und dem Zugrundeliegenden lässt sich mit den folgenden Beispielen aufzeigen. Es ist evident, dass die Krankheit als potentielle Gesundheit nicht mit dem zugrundeliegenden Körper identifiziert werden kann (Phys. Γ1, 201a34–201b3 = Metaph. K9,
248
2 Zweite Philosophie (Physik)
faktisch zur Deckung, wenn die Naturart an der Materie nicht verwirklicht wird. Wenn das formale und das materiale Prinzip beim Naturseienden vereinigt sind, fallen nicht nur die anwesende Form, sondern auch die abwesende Form, d. h. die Privation, mit der Materie zusammen. Falls sich die menschliche Art nicht in Knochen, Fleisch usw. aktualisiert, gilt der menschliche Körper als potentieller Mensch. Die zugrundeliegende Materie des Naturseienden kann daher entweder als wirklicher Stoff oder als mögliche Form angesehen werden, je nachdem, ob man den Akzent auf die materiale Wirklichkeit oder die formale Potentialität legt. Aristoteles gibt zwar die materiale Wirklichkeit zu, hebt aber den formalen Aspekt hervor. Während die vorsokratischen Naturphilosophen dazu tendieren, das Weltganze materialistisch zu erklären, ändert Aristoteles die Weltanschauung dadurch revolutionär und grundsätzlich, dass die Materie nicht mehr aus der materialen Perspektive, sondern unter dem formalen Blickwinkel betrachtet wird. Bei der Naturentstehung, die zugleich als Vorbild gilt, ist die reale Materie, die unmittelbar auf der Hand liegt und direkt vor Augen steht, nichts anderes als die noch nicht aktualisierte Art. Demzufolge ist die Naturentstehung als Verwirklichung der potentiellen Naturart anzusehen. Nicht nur der Selbstvollzug der Physis, sondern auch die Techne und die Praxis des Menschen, weiter noch die sensible und die intelligible Tätigkeit der Seele können gemeinsam als Prozess bestimmt werden, in dem etwas Formales, nämlich die natürliche Art (Mensch), die technische Form (Hermes-Gestalt), die bestimmte Eigenschaft (Gesundheit), die Wahrnehmung oder das Denken, von der Potentialität zur Aktualität übergeht. Nichts anderes als die Seinsweise der Form verändert sich, und zwar von der Möglichkeit zur Wirklichkeit. Es zeigt sich, dass die beiden Modalitäten nicht auf die Materialität, sondern auf die Formalität gerichtet sind. Daraus folgen wichtige theoretische Konsequenzen. Wenn sich die Möglichkeit und die Wirklichkeit auf die Form beziehen, kommen sie in der Aussage nicht direkt dem Subjekt zu, sondern dem Prädikat, das die Form logischerweise widerspiegelt. Während das Prädikat vom logischen Subjekt ausgesagt wird, müssen die Möglichkeit und die Wirklichkeit vom Prädikat
1065b28–32). Außerdem sind der Stoff Erz und die potentielle Hermes-Statue nicht für identisch zu halten (οὐ γὰρ τὸ αὐτὸ τὸ χαλκῷ εἶναι καὶ δυνάμει τινί κινητῷ – Phys. Γ1, 201a31–35 = Metaph. K9, 1065b26–28), obwohl die beiden vor der Herstellung sachlich ein und dasselbe zu sein scheinen. Der Unterschied liegt darin, dass die mögliche Hermes-Statue darauf abzielt, eine HermesStatue zu verwirklichen. Dagegen ist derselbe Stoff für mehrere Möglichkeiten offen, insofern das Erz nicht nur zur Herstellung einer Statue, sondern auch zur Herstellung anderer Artefakte wie Tisch, Bett usw. benutzt werden kann. Eine ausführliche Erörterung über den Unterschied von Privation und Materie findet sich in A9 der Physik.
2.2 Einzelding-Entstehung-Definition
249
prädiziert werden. Logisch gesehen ist die Modalität nicht das Attribut des Subjekts, sondern das Attribut des Prädikates, denn die beiden Modalitäten weisen auf die Zustände des Verbs hin.334 Deshalb gehören die Möglichkeit und die Wirklichkeit zwar nicht zur Kategorienliste, aber sie durchdringen alle zehn Kategorien.335 Im Satz, z. B. „Es ist möglich, dass Sokrates sitzt“, bezieht sich die Möglichkeit nicht auf Sokrates, sondern auf das Sitzen. Außerdem ist einzusehen, dass die Möglichkeit aus der Wirklichkeit stammt. Aus der Tatsache, dass Sokrates mindestens einmal wirklich sitzt, kann man erschließen, dass Sokrates möglicherweise sitzt. Was überhaupt nicht verwirklicht werden kann, ist ontologisch unmöglich und logisch unaussagbar. Laut Aristoteles ist die Unrealisierbarkeit mit der ontologischen Unmöglichkeit und der logischen Unaussagbarkeit zu identifizieren. Der Kern der aristotelischen Substanzlehre liegt gerade darin, das wahrhafte Sein, d. h. die Substanz, mit dem Wirklichsein zu identifizieren (οὐσία = τὸ ἐνεργείᾳ ὄν). Von der Wirklichkeit der Naturentstehung aus erstreckt sich die Prinzipienforschung einerseits zur Potentialität der Art und andererseits zur Notwendigkeit des Geistes. Im Vergleich dazu schafft Platon ein anderes Weltbild. Gemäß der Ideenlehre gilt nicht das wirkliche Einzelding, sondern die notwendige Idee als wahrhaftes Sein. Platon lehnt die Realität dadurch ab, dass sich alles, was in der Wirklichkeit vorkommt, zwischen dem wahrhaften Sein und dem absoluten Nichts befindet. Kraft der Unveränderlichkeit und der Notwendigkeit ist die Idee allein für Substanz zu halten. Die Allgemeinheit wird deshalb zum Kriterium der Substanz genommen, weil nicht das Einzelding, sondern nur die Allgemeinheit unveränderlich und notwendig ist. Je allgemeiner eine Idee ist, desto substanzieller ist sie. Nach der graduellen Allgemeinheit sind die Ideen in den Ideenkosmos hierarchisch einzuordnen. Wenn man nach der Substanz im höchsten Maß (μάλιστα οὐσία) sucht, muss man zum Allgemeinsten aufsteigen. Die Suche nach der Allgemeinheit, die sich nur durch die
334 Kant, Kritik der reinen Vernunft B99–100 (1998: 151): „Die Modalität der Urteile ist eine ganz besondere Funktion derselben, die das Unterscheidende an sich hat, dass sie nichts zum Inhalt des Urteils beiträgt, (denn außer Größe, Qualität und Verhältnis ist nichts mehr, was den Inhalt eines Urteils ausmachte,) sondern nur den Wert der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht.“ 335 Simplicii In Physicorum 413.17–25: τὸ μὲν γὰρ διαιρετικὸν ἦν, ὅτι ἔστι τὸ μὲν ἐντελεχείᾳ μόνον, τὸ δὲ δυνάμει καὶ ἐντελεχείᾳ, ὅπερ καθ’ ἑκάστην εἶναι κατηγορίαν εἴρηται. τούτου οὖν φησι τοῦ δυνάμει καὶ ἐντελεχείᾳ καθ’ ἕκαστον γένος θεωρηθέντος καὶ διακριθέντος εἰς τὸ δυνάμει καὶ ἐντελεχείᾳ < τὴν τοῦ δυνάμει ὄντος ἐνέργειαν, ᾗ τοιοῦτόν ἐστι, λέγω κίνησιν > . καὶ γὰρ ἐν οὐσίᾳ ἐστὶ τὸ μὲν δυνάμει ἄνθρωπος οἷον τὸ σπέρμα, τὸ δὲ ἐντελεχείᾳ οἷον ὁ Σωκράτης, καὶ ἐν ποσῷ δυνάμει τι δίπηχυ καὶ ἐντελεχείᾳ, καὶ ἐν ποιῷ δυνάμει λευκὸν καὶ ἐντελεχείᾳ. ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν λοιπῶν γενῶν.
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2 Zweite Philosophie (Physik)
Abstraktion vollziehen kann, führt zur (prädikativen) Unendlichkeit, wie das Argument des Dritten Menschen zeigt. Denn rein theoretisch gesehen ist es immer möglich, eine allgemeinere Idee aufzustellen. Um den unendlichen Regress zu Ende zu bringen, muss eine absolute Negation eingeführt werden. Demzufolge kann das höchste Prinzip nur auf eine negative Art und Weise zur Sprache gebracht und zur Kenntnis genommen werden. Während die aristotelische Meta-Physik auf der natürlichen Veränderung und der menschlichen Tätigkeit aufbaut, handelt es sich in der platonischen Meta-Mathematik um reine geistige Entität, d. h. reine Begrifflichkeit. Da die Mathematik aufgrund der Unveränderlichkeit der Logik näher steht als die Physik, hätte nicht Aristoteles, sondern Platon die formale Logik begründen können. Aber in der Tat ist es gerade umgekehrt. Denn die Logik hat zwar mit der Formalität zu tun, kann aber nicht rein formal begründet werden. Zum einen beruht die Prädikatslogik, worunter die elementare Aussage zu verstehen ist, grundsätzlich auf der ontologischen Differenz von Substanz und Kategorie. Zum anderen muss die Modallogik die Veränderlichkeit zur ontologischen Voraussetzung nehmen. Im Gegensatz dazu hält Platon einerseits das allgemeine Prädikat und die Idee/ Substanz für identisch (κατηγορούμενον = ἰδέα), sodass die Übereinstimmung der ontologischen Substanz mit dem logischen Subjekt und die Entsprechung der zukommenden Kategorie mit dem logischen Prädikat unterbrochen werden. Ohne die Idee in Bewegung zu setzen, schafft Platon andererseits den Weg ab, der Modallogik ein ontologisches Fundament zu legen. Die Seinsweisen, nämlich Möglichkeit-Wirklichkeit, setzen Vermögen-Verwirklichung voraus, die die grundsätzlichen Prinzipien der Veränderung sind. Ohne Veränderung würde alles determiniert und wäre alles notwendig. Aristoteles als Begründer der Logik orientiert sich in erster Linie nicht daran, die formalen Regeln der Logik zu entwickeln, sondern eher daran, wie man die veränderliche Wirklichkeit anhand des Begriffs oder der Aussage präzise ausdrücken und theoretisch untersuchen kann. Dadurch, dass Aristoteles Veränderung, Logos und Sein in Einklang bringt, sind die Physik und die Logik anhand des ontologischen Grundsatzes zu begründen. Indem sich das einheitliche Seinsprinzip in die metaphysische Auslegung der Veränderung und in die Logik entfaltet, sind die beiden großen Disziplinen der griechischen Philosophie, Physis und Logos, in die aristotelische Metaphysik integriert.
3 Erste Philosophie (Theologie) 3.1 Analogie Zusammenfassend ist die sensible Einzelsubstanz seiend, werdend und auszusagen, und zwar entweder per accidens oder per se. Anhand dieser Unterscheidung steht nicht nur der Sachverhalt zur Einzelsubstanz, sondern auch die Bewegung zur Entstehung, weiter noch die Äquivokation zur Univokation analog. Darüber hinaus bilden sowohl Sachverhalt-Bewegung-Meinung als auch Einzelsubstanz-Entstehung-Wesensdefinition eine strukturelle Ähnlichkeit. Das vollständige Schema ist folgendermaßen darzustellen (Tab. 21): Tab. 21: Analogie von Sein, Veränderung und Logos. ὄν
μεταβολή
λόγος
σύνθετον ποιεῖν πάσχειν
πρᾶγμα κατηγορούμενον ὑποκείμενον
κίνησις ἀντικείμενον ὑπομένον
δόξα ῥῆμα ὄνομα
σύνολον ποιεῖν πάσχειν
τόδε τι εἶδος τόδε τι ὁμοειδές
γένεσις μορφή ὕλη
ὁρισμός διαφορά γένος
Der Hylemorphismus durchdringt alle sechs Strukturen. Denn nach demselben Urmuster von Form und Stoff, das im funktionalen Gefüge von Machen und Erleiden gründet, verhält sich die Kategorie zur Einzelsubstanz, die Eigenschaft zum Substrat, das Prädikat zum Subjekt, die Naturart zum gleichartigen Einzelding, die Form zur sensiblen Materie und die spezifische Differenz zur intelligiblen Materie. Die Analogie besteht nicht nur im Gefüge von Form-Stoff (μορφή-ὕλη) und von Machen und Erleiden (ποιεῖν-πάσχειν), sondern in der Struktur von Möglichsein und Wirklichsein (δύναμις-ἐνέργεια). Werden das akzidentelle und das substanzielle Kompositum unter dem Aspekt der Veränderung betrachtet, lassen sich die Bewegung sowie die Entstehung für den Prozess halten, in dem das Formale von der Möglichkeit in die Wirklichkeit übergeht. Wie gesagt leistet die ontologische strukturelle Ähnlichkeit den theoretischen Beitrag dazu, einen einheitlichen Begriff zu bilden. Wenn die verschiedenen Sachen in unterschiedlichen Seinsbereichen die gleiche Funktion in sich tragen, können sie mit demselben Begriff versehen sein. Wir nehmen den https://doi.org/10.1515/9783110664928-004
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3 Erste Philosophie (Theologie)
Terminus ὑποκείμενον zum Paradigma, um die analogische Einheit des Begriffs einsichtig zu machen. Trotz verschiedener Anwendungsfälle weist ὑποκείμενον auf eine Grundbedeutung der Passivität (πάσχειν) hin.336 Aufgrund dessen werden die Substanz, die der zukommenden Kategorie zugrunde gelegt wird, sowie das Substrat, das die Wechselwirkung der gegensätzlichen Eigenschaften erleidet, und das Subjekt, das vom Prädikat zum Ausdruck gebracht wird, gemeinsam als ὑποκείμενον bezeichnet. Insofern das gleichartige Einzelding die Wesenheit und die Eigentümlichkeit seiner Art in sich trägt, und die Materie die formale Prägung und die Gestaltung in sich aufnimmt, liegt das Einzelding der Art zugrunde, und die Materie der Form. Außerdem ist die terminologische Verwendung vom ὑποκείμενον nicht auf den sensiblen Seinsbereich beschränkt. Die Gattung ist deswegen als intelligible Materie (ὕλη νοητή) benannt, weil sie der spezifischen Differenz definitorisch zugrunde gelegt wird. Indem die Gattung disjunktiv ausdifferenziert ist, leidet sie an dem konträren Gegensatz. Nicht zuletzt wendet Aristoteles den Begriff ὑποκείμενον in einem spezifischen Sinne an, nämlich im Sinne von Form (Metaph. Z3, 1029a1–3). Obwohl die Form dem Einzelding und dem Stoff logisch-ontologisch zugrunde liegt, stellt sich die Frage, inwiefern die Form als ὑποκείμενον angesehen werden kann. Es stimmt deshalb nicht mit der Grundbedeutung des Zugrundeliegenden, nämlich der Passivität, überein, weil die aristotelische Form/Art nicht nur mit der Aktualität, sondern auch mit der Aktivität zusammenhängt. Die Form/Art ist nichts anderes als die aktive Aktualisierung. Um die Passivität des Zugrundeliegenden aufrechtzuerhalten, beruht die Erörterung nicht auf der ontologischen Entstehung, sondern auf der logischen Definition. Anhand der Gattung und der spezifischen Differenz kann der Begriff definitorisch zur Entfaltung gebracht werden. Ist der Mensch als vernünftiges Lebewesen wesentlich bestimmt, verhält sich der Begriff „Mensch“ zu beiden Definitionselementen, wie sich das passive Bestimmte zum aktiven Bestimmenden verhält.337 Die Analogie gilt nicht nur für die sensible Einzelsubstanz, die sich entweder per accidens oder per se in Betracht ziehen lässt. Sondern für die verschiedenen Typen der Substanz kommt die strukturelle Ähnlichkeit auch zur Geltung. Das Einzellebewesen, die Naturart, die vier Grundelemente, der Himmelskörper und der Geist können deswegen gemeinsam als Substanz bezeichnet werden, weil die Entstehung der Einzelsubstanz, die Definition der Wesenssubstanz, die Umwandlung
336 Meteor. A2, 339a29: [. . .] τὸ γὰρ ὑποκείμενον καὶ πάσχον τοῦτον προσαγορεύομεν τὸν τρόπον. Gen. et Corr. A6, 324a15–16, 21–22; B9, 335b29–32; Metaph. M2, 1077a35–36. 337 Top. Δ6, 127b1–4: Ἔτι εἰ ἐν ὑποκειμένῳ τῷ εἴδει τὸ ἀποδοθὲν γένος λέγεται, καθάπερ τὸ λευκὸν ἐπὶ τῆς χιόνος, ὥστε δῆλον ὅτι οὐκ ἂν εἴη γένος· καθ’ ὑποκειμένου γὰρ τοῦ εἴδους μόνον τὸ γένος λέγεται. Vgl. Wieland 1962: 153.
3.1 Analogie
253
der vier Grundelemente und der Kreislauf des Himmelskörpers an derselben Struktur von Machen-Erleiden teilhaben (Tab. 22). Tab. 22: Analogie von verschiedenen Typen der Substanz.
ποιεῖν πάσχειν
τόδε τι γένεσις
εἶδος ὁρισμός
ὕδωρ-ἀὴρ-πῦρ-γῆ γένεσις τοῖς ἁπλοῖς σώμασι
ὁ οὐρανὸς ἀΐδιος ἡ κύκλῳ φορά
μορφή ὕλη αἰσθητή
διαφορά ὕλη νοητή
παθῆ ἐναντία πρώτη ὕλη
νοῦς οὐρανός
Was sich in der Natur ereignet, ist keineswegs die nachträgliche Zusammensetzung von Form und Stoff, sondern die zweckmäßige Verwirklichung der Naturart am gleichartigen Einzelding. Von der aktualisierenden Art und dem vorhandenen Kompositum ist die erleidende Materie abzuleiten (ποιεῖν + σύνολον→πάσχειν). Aber um die Struktur von Wirken und Leiden offenkundig zu machen, wird das technische Modell in der Erörterung bevorzugt. Demnach besteht die Analogie von Entstehung der Einzelsubstanz und Definition der Wesenssubstanz darin, dass sich die spezifische Differenz ebenso zur Gattung verhält wie sich die Form zur Materie verhält. Denn die Form oder die spezifische Differenz als formales Prinzip ist mit der Aktivität verknüpft, und die sensible oder die intelligible Materie als stoffliches Prinzip mit der Passivität behaftet. Durch das Zusammenwirken von formalem und materialem Prinzip wird einerseits die Einzelsubstanz hervorgebracht und andererseits die Wesenssubstanz definiert. Darüber hinaus stimmt die Kreisbewegung des Himmelskörpers mit der Entstehung der Einzelsubstanz und mit der Definition der Wesenssubstanz strukturell überein, insofern der Geist als Bewegendes (κινοῦν) und das Gestirn als Bewegtes (κινούμενον) Anteil an der Struktur von Aktivität-Passivität haben. Das Verhältnis des Himmelskörpers zum unbewegten Bewegenden werden wir später (3.2) im Rahmen des kosmologischen Gottesbeweises ausführlich erläutern. Erwähnenswert ist die Entstehung der Grundelemente. Die vier Grundelemente sind dadurch auseinander entstanden, dass sie sich nach einer bestimmten Abfolge ineinander umwandeln. Mit gewissen Modifikationen stehen die Entstehung der Grundelemente und die Bewegung in einem analogischen Verhältnis. Aristoteles’ Auffassung nach sind die vier Grundelemente, Feuer, Luft, Wasser und Erde, nicht einfache Seiende (ἁπλοῦν), sondern Komposita (μικτόν – Gen. et Corr. B3, 330b21–22), die jeweils aus der zugrundeliegenden Urmaterie und zwei kompatiblen Eigenschaften zusammengesetzt werden (Gen. et Corr. B1, 329a24–35). Dem Grundsatz der griechischen Naturphilosophie zufolge kann das
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3 Erste Philosophie (Theologie)
Seiende nicht aus dem absoluten Nichts, sondern nur aus der zugrundeliegenden Materie entstanden sein.338 Im Mikrobereich ist diese die prima materia, die auf nichts anderes zurückgeführt werden kann und den vier Grundelementen gemeinsam zugrunde liegt.339 Außerdem gibt es wie vier Grundelemente auch vier Grundeigenschaften, nämlich das Warme, das Kalte, das Trockene und das Feuchte. Theoretisch gesehen gibt es insgesamt sechs Möglichkeiten, die vier Grundeigenschaften miteinander in Verbindung zu setzen. Da das Warme dem Kalten und das Trockene dem Feuchten per se entgegensteht, werden die beiden Kombinationsmöglichkeiten ausgeschlossen. Indem sich die beiden Gegensätze, warm-kalt und trocken-feucht, miteinander chiastisch kreuzen, ergeben sich vier Paar Eigenschaften, die die vier Grundelemente kennzeichnen (Gen. et Corr. B3, 330a30–330b3; Tab. 23).
338 (1) Phys. A4, 187a32–187b1: εἰ γὰρ πᾶν μὲν τὸ γιγνόμενον ἀνάγκη γίγνεσθαι ἢ ἐξ ὄντων ἢ ἐκ μὴ ὄντων, τούτων δὲ τὸ μὲν ἐκ μὴ ὄντων γίγνεσθαι ἀδύνατον (περὶ γὰρ ταύτης ὁμογνωμονοῦσι τῆς δόξης ἅπαντες οἱ περὶ φύσεως), τὸ λοιπὸν ἤδη συμβαίνειν ἐξ ἀνάγκης ἐνόμισαν, ἐξ ὄντων μὲν καὶ ἐνυπαρχόντων γίγνεσθαι, διὰ μικρότητα δὲ τῶν ὄγκων ἐξ ἀναισθήτων ἡμῖν. (2) Phys. A8, 191b13–17: ἡμεῖς δὲ καὶ αὐτοί φαμεν γίγνεσθαι μὲν μηθὲν ἁπλῶς ἐκ μὴ ὄντος, πὼς μέντοι γίγνεσθαι ἐκ μὴ ὄντος, οἷον κατὰ συμβεβηκός (ἐκ γὰρ τῆς στερήσεως, ὅ ἐστι καθ’ αὑτὸ μὴ ὄν, οὐκ ἐνυπάρχοντος γίγνεταί τι· θαυμάζεται δὲ τοῦτο καὶ ἀδύνατον οὕτω δοκεῖ γίγνεσθαί τι, ἐκ μὴ ὄντος). (3) Phys. A9, 192a31–32: λέγω γὰρ ὕλην τὸ πρῶτον ὑποκείμενον ἑκάστῳ, ἐξ οὗ γίγνεταί τι ἐνυπάρχοντος μὴ κατὰ συμβεβηκός. (4) Phys. B1, 193a9–12: δοκεῖ δ’ ἡ φύσις καὶ ἡ οὐσία τῶν φύσει ὄντων ἐνίοις εἶναι τὸ πρῶτον ἐνυπάρχον ἑκάστῳ, ἀρρύθμιστον < ὂν > καθ’ ἑαυτό, οἷον κλίνης φύσις τὸ ξύλον, ἀνδριάντος δ’ ὁ χαλκός. (5) Metaph. B4, 999b6–8: ἀνάγκη γὰρ εἶναί τι τὸ γιγνόμενον καὶ ἐξ οὗ γίγνεται καὶ τούτων τὸ ἔσχατον ἀγένητον, εἴπερ ἵσταταί τε καὶ ἐκ μὴ ὄντος γενέσθαι ἀδύνατον. (6) Metaph. Z7, 1032a13–17: [. . .] πάντα δὲ τὰ γιγνόμενα ὑπό τέ τινος γίγνεται καὶ ἔκ τινος καὶ τί· [. . .] αἱ δὲ γενέσεις αἱ μὲν φυσικαὶ αὗταί εἰσιν ὧν ἡ γένεσις ἐκ φύσεώς ἐστιν, τὸ δ’ ἐξ οὗ γίγνεται, ἣν λέγομεν ὕλην. 339 (1) Meteor. 339a36–339b2: φαμὲν δὴ πῦρ καὶ ἀέρα καὶ ὕδωρ καὶ γῆν γίγνεσθαι ἐξ ἀλλήλων, καὶ ἕκαστον ἐν ἑκάστῳ ὑπάρχειν τούτων δυνάμει, ὥσπερ καὶ τῶν ἄλλων οἷς ἕν τι καὶ ταὐτὸν ὑπόκειται, εἰς ὃ δὴ ἀναλύονται ἔσχατο. (2) Simplicii In Physicorum 273.20–25: πρῶτον δὲ < ἀρρύθμιστον > εἶπε, διότι ἐν ἑκάστῳ τῶν συνθέτων πλείονα πολλάκις ἐστὶν ὑποκειμένων ἔχοντα λόγον, ὡς ἐν τοῖς τῶν ζῴων σώμασι προσεχῶς μὲν τῷ ὅλῳ εἴδει ὑπόκειται τὰ ὀργανικά, ἐκείνοις δὲ τὰ ὁμοιομερῆ καὶ ἐκείνοις τὰ τέτταρα καλούμενα στοιχεῖα καὶ ἐκείνοις ἡ πρώτη ὕλη, ἥπερ ἐστὶ τὸ πρῶτον ἀρρύθμιστον καθ’ αὑτό. (3) Simplicii In Physicorum 853.3–10: [. . .] ἐπειδὴ πᾶν τὸ γινόμενον ἔκ τινος ὑποκειμένου γίνεται καὶ ὕλης τινός, ἥτις τὸ εἶδος δεχομένη γίνεται τοῦτο ὃ γίνεται, [. . .], ἔσται τι ὑποκείμενον ἐξ οὗ ἡ γένεσις καὶ ἡ μεταβολή, ὥσπερ καὶ τῷ πυρὶ γινομένῳ ὑπόκειταί τις ὕλη, ἐξ ἧς γίνεται, καὶ τῷ ἀνδριάντι ὁ χαλκός, καὶ τῇ ἀλλοιώσει ὑπόκειται ἢ σῶμα ἢ ψυχή, οὕτω καὶ τῷ γινομένῳ. (4) Phys. B1, 193a9–21; Gen. et Corr. B1, 329a27–35; Metaph. Δ4, 1015a7–10; H4, 1044a15–23.
3.1 Analogie
255
Tab. 23: Vier Grundeigenschaften und vier Grundelemente.
ξηρόν ὑγρόν
θερμόν
ψυχρόν
πῦρ ἀὴρ
γῆ ὕδωρ
Unter der Bedingung, dass ein und derselbe Urstoff den vier Grundelementen gemeinsam zugrunde liegt, ist das Feuer trocken und warm, die Luft warm und feucht, das Wasser feucht und kalt und die Erde kalt und trocken (Gen. et Corr. B3, 330b3–6, 331a3–6). Das Wasser steht dem Feuer völlig entgegen, da außer der gleichen Urmaterie die beiden Eigenschaftspaare gegensätzlich sind, nämlich warm gegen kalt und trocken gegen feucht (Gen. et Corr. B4, 331a16–18). Der strikte Gegensatz von Wasser und Feuer führt dazu, dass das eine das andere auslöscht. Darum kann nicht das Wasser, sondern nur die Luft direkt aus dem Feuer entstanden sein. Dem Feuer und der Luft wohnt nicht nur dieselbe Urmaterie inne, sondern auch eine gleiche Eigenschaft, das Warme. Indem das Trockene dem Feuchten entgegensteht, unterscheidet sich das Feuer von der Luft. Gerade deswegen kann die Luft nur aus dem Feuer stammen, weil in der Entstehung oder Veränderung die eine Eigenschaft aus der anderen gegensätzlichen Eigenschaft herkommen und darauf zurückgehen muss (ἡ γὰρ γένεσις εἰς ἐναντία καὶ ἐξ ἐναντίων).340 Wie das Weiße aus dem Schwarzen, das Gesunde aus dem Kranken hervortritt, kann das Feuchte nur dem Trockenen entstammen. Dadurch, dass das Feuchte aus dem Trocken herkommt und das Warme verharrt, die Luft aus dem Feuer entstanden ist (Gen. et Corr. B4, 331a26–29). Einen Schritt weiter ist die Luft warm und feucht, das Wasser aber feucht und kalt. Während das Feuchte unveränderlich verharrt, geht die Luft dadurch ins Wasser über, dass sich das Warme ins Kalte umwandelt (Gen. et Corr. B4, 331a29–32). Anschließend ist dem Wasser und der Erde dieselbe Eigenschaft des Kalten zugeteilt. Indem das Trockene statt des Feuchten anwesend ist, wird das Wasser in die Erde umgewandelt (Gen. et Corr. B4, 331a34–36). Weitergehend hat die Erde mit dem Feuer gemein-
340 Gen. et Corr. B4, 331a14; Metaph. H5, 1044b23–26; Λ2, 1069b3–6; GA A18, 724a26–28, 724b2–4. Übrigens hängt dies mit der zwiefältigen Bedeutung von ἔκ τινος zusammen: αἴτιον δὲ ὅτι γίγνεται ἐκ τῆς στερήσεως καὶ τοῦ ὑποκειμένου, ὃ λέγομεν τὴν ὕλην – Metaph. Z7, 1033a8–10. Während die Einzelsubstanz nur aus der zugrundeliegenden Materie zustande gebracht werden kann, tritt die eine Eigenschaft aus der anderen entgegensetzten Eigenschaft hervor. Im vorliegenden Kontext ist vom letzteren Fall die Rede.
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3 Erste Philosophie (Theologie)
sam, dass beide trocken sind. Dadurch, dass das Trockene beharrt und das Kalte vom Warmen ersetzt wird, ist das Feuer aus der Erde entstanden (Gen. et Corr. B4, 331a36–331b2). Es leuchtet ein, dass die Entstehung der Grundelemente nichts anderes ist als die kreisförmige Umwandlung, nämlich vom Feuer zur Luft, von der Luft zum Wasser, vom Wasser zur Erde und von der Erde zum Feuer (Ὥστε φανερὸν ὅτι κύκλῳ τε ἔσται ἡ γένεσις τοῖς ἁπλοῖς σώμασι, καὶ ῥᾷστος οὗτος ὁ τρόπος τῆς μεταβολῆς διὰ τὸ σύμβολα ἐνυπάρχειν τοῖς ἐφεξῆς – Gen. et Corr. B4, 331b2–4; B10, 337a1–6; Metaph. Θ8, 1050b28–30). Die Entstehung der vier Grundelemente und die Bewegung, z. B. die qualitative Veränderung, bilden dadurch eine Analogie, dass jene die Struktur dieser modifizierend nachahmt. Bei der qualitativen Veränderung fügen sich die zugrundeliegende Einzelsubstanz und die gegensätzlichen Eigenschaften zusammen (ὑποκείμενον-ἀντικείμενον). In ähnlicher Weise liegt die Urmaterie der Umwandlung zugrunde und jedes Grundelement ist mit den zwei kompatiblen Eigenschaften ausgestattet. In der Umwandlung bzw. Entstehung der Grundelemente erhält sich die Urmaterie unveränderlich und die eine Eigenschaft verharrt. Sobald sich die andere Eigenschaft in ihren Gegensatz umwandelt, ist ein anderes Grundelement entstanden. Denn mit der Aufhebung der wesentlichen Eigenschaft geht die eine Substanz zugrunde und die andere Substanz kommt gleichzeitig zustande.341 Des Weiteren ist für die Entstehung der Grundelemente die hylemorphistische Struktur von Machen und Erleiden auch grundlegend, denn einerseits wird die prima materia als materiales, ontologisch irreduzibles, Substrat zugrunde gelegt; andererseits wirken die gegensätzlichen Eigenschaften aufeinander, um den ganzen Entstehungsprozess in Gang zu bringen. Der aristotelische Hylemorphismus ist insofern universal, als er sich nicht auf die Substanzlehre beschränkt. Anhand der metaphysischen Begründung erstreckt sich das hylemorphistische Gefüge nicht nur auf die theoretische Wissenschaft, sondern auch auf die poietische und die praktische Wissenschaft, weiter noch auf die Erkenntnistheorie. Die wissenschaftlichen Disziplinen sind ihrerseits wiederum jeweils in Unterteilungen differenziert. So ist beispielsweise die theoretische
341 Der Unterschied zwischen der qualitativen Veränderung und der Entstehung der Grundelemente ist folgendermaßen zu erklären: In der qualitativen Veränderung wandeln sich die Gegensätze an demselben Substrat ineinander um, die symmetrisch und ersetzbar sind. Sokrates z. B. verändert sich vom Unmusikalischen ins Musikalische. Wenn der unmusikalische Sokrates musikalisch ist, bleibt Sokrates als Mensch ein und derselbe. Beim Grundelement sind die zwei immanenten Eigenschaften zwar kompatibel, aber nicht symmetrisch. Denn die eine Eigenschaft als Eigentümlichkeit ist dem Grundelement wesentlich, wie z. B. das Warme dem Feuer. Mit der Aufhebung der wesentlichen Eigenschaft geht die entsprechende Substanz unmittelbar zugrunde. Wenn sich das Feuer dem Warmen entzieht, ist es nicht mehr Feuer.
3.1 Analogie
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Wissenschaft in Physik, Mathematik und Theologie und die praktische Wissenschaft in Ethik, Ökonomik und Politik zu unterteilen. Wenn die theoretische, die poietische, die praktische Wissenschaft und die Epistemologie in der gleichen Struktur von Form-Stoff und Wirken-Leiden (Aktivität-Passivität) gründen, kommt die hylemorphistische Struktur in allen Unterteilungen durchgängig zur Geltung. In erster Linie ist davon die Rede, wie die drei theoretischen Wissenschaften auf analoge Weise strukturiert sind. Zunächst stellen wir das Schema dar (Abb. 10) und die ausführliche Erklärung kommt anschließend.
Abb. 10: Einteilung der theoretischen Wissenschaften.
Die Physik überschneidet sich insofern mit der metaphysischen Prinzipienforschung, als sie wie die Metaphysik sowohl die Entstehungsprinzipien der Einzelsubstanzen342 als auch die Bewegungsursache der himmlischen Substanzen thematisiert.343 Im Falle, dass die Physik die Eigentümlichkeit der natürlichen
342 Wie wir in Teil 2.2.1 ausführlich dargelegt haben, entfaltet Aristoteles sowohl in der Physik als auch in der Metaphysik die zwei Versionen der Vier-Ursachen-Lehre. In Physik A7, 8 und in Metaphysik Λ4, 5 kommen die vier Prinzipien in der Gestalt von Form, Privation, Stoff und Wirkursache zum Vorschein. In Physik B1–3 und in Metaphysik A tritt aber die Standardversion von Form-, Stoff-, Wirk- und Zielursache auf. 343 Sowohl im letzten Buch der Physik (Θ5–10) als auch am Ende der Metaphysik (Λ6–10) ist von der intelligiblen Substanz die Rede. Den ausführlichen und vollständigen Beweis für die Existenz des unbewegten Bewegenden erbringt Aristoteles eigentlich im letzten Buch der Physik. An manchen Stellen der Metaphysik (Λ7, 1072a23–26; Λ8, 1073a22–36) scheint das Argument so voranzugehen, als ob die Existenz der intelligiblen Substanz schon bewiesen worden sei.
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3 Erste Philosophie (Theologie)
Substanzen (per se passio entis naturalis), nämlich die Bewegung und die zeiträumliche Bedingung der Bewegung, zum Thema macht und sich ihre Beweisführung anhand des Syllogismus vollzieht, gilt sie als Einzelwissenschaft (Phys. Γ1, 200b12–25).344 Je nachdem, ob die Naturforschung entweder zum Prinzip bzw. zur Ursache der natürlichen Veränderung aufsteigt oder zum Prinzipiat bzw. zur zeit-räumlichen Bedingung absteigt, ist die aristotelische Physik teilweise metaphysisch (αἰτίατον→αἴτιον) und teilweise apodiktisch-syllogistisch (ἀρχή/πρότασις→συμπεράσμα) konzipiert. Die physisch-metaphysische Prinzipienlehre kommt dadurch zwiefältig zur Entfaltung, dass gemäß der Unterscheidung zwischen substanzieller und akzidenteller Veränderung entweder die Entstehungsprinzipien oder die Bewegungsursachen zum Thema gemacht werden. Auf der einen Seite ist die prinzipiell leitende Naturforschung in die Untersuchung der Entstehung und in die der Bewegung ausdifferenziert. Auf der anderen Seite lässt sich die Mathematik in die Arithmetik und in die Geometrie unterteilen, wobei die eine die diskrete Zahl und die andere die kontinuierliche Größe thematisiert. Zunächst liegt die Analogie von Physik und Mathematik darin, dass die beiden das Kompositum zum Untersuchungsgegenstand nehmen, das aus dem formalen und dem materialen Prinzip zusammengesetzt wird. Wie die Naturart und die sensible Materie des einzelnen Naturdings per se zusammenfallen, fügen sich die mathematische Gestalt und die intelligible Materie zusammen. Während die natürliche Entstehung das sensible Kompositum zustande bringt, ist das intelligible Kompositum, d. h. der mathematische Gegenstand, anhand der gedanklichen Operation konstituiert. Des Weiteren verhält sich sowohl die Entstehung zur Bewegung als auch die Arithmetik zur Geometrie analog. Einerseits steht die Entstehung insofern analog
344 Die Physik als Einzelwissenschaft thematisiert nicht nur die Zeit (χρόνος) und den Raum (τόπος), sondern auch die Leerheit (κενόν), die Kontinuität (συνεχές) und die Unendlichkeit (ἄπειρον). Um die These der Atomisten zu widerlegen, muss Aristoteles mit der Problematik der Leerheit konfrontiert sein. Dadurch, dass die unendliche Teilbarkeit des endlichen körperlichen Seienden für unmöglich gehalten wird, ist die These von Zenon zurückzuweisen. Aber in der eigenen Theorie des Aristoteles spielen die Kontinuität und die Unendlichkeit eine wichtige Rolle, indem sie zwar der sensiblen Substanz abgesprochen, der intelligiblen Substanz aber zugesprochen sind. Das unbewegte Bewegende, d. h. der Geist, bewegt sich kontinuierlich (Metaph. Λ7, 1072b29) und in der unendlichen Zeit (Metaph. Λ7, 1073a7; Phys. Θ10, 267b24–25). Von daher ist plausibel gemacht worden, dass Physica Γ1, 200b12–25 das Proömium der Physik als Einzelwissenschaft ist, während Physica A1, 184a1–184b5 als die Einleitung der ganzen Prinzipienlehre gilt. Denn Aristoteles stellt nicht nur im Anfangskapitel das methodische Paradigma der Prinzipienforschung auf, sondern sucht auch im ganzen ersten Buch der Physik nach den Prinzipien der sensiblen Substanzen, indem er sich mit der voraristotelischen Philosophie auseinandersetzt.
3.1 Analogie
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zur Bewegung, als die Entstehungsprinzipien sowie die Bewegungsursachen auf das Zugrundeliegende und den Gegensatz von Vollendung und Privation zurückzuführen sind. Andererseits ergibt sich zwischen Arithmetik und Geometrie eine strukturelle Ähnlichkeit, indem das intelligible Zugrundeliegende zusammen mit den disjunktiven Eigentümlichkeiten die mathematischen Gegenstände strukturiert. Wie die Arithmetik das Gerade und das Ungerade der Zahl zum Gegenstand macht, so die Geometrie das Geradlinige und das Krumme der Linie. Da das entstandene Einzelding, der veränderliche Sachverhalt, die arithmetische Zahl und die geometrische Figur gemeinsamen Anteil am Gefüge von Zugrundeliegendem und Gegensatz haben, bilden die Entstehung, die Bewegung, der arithmetische und der geometrische Gegenstand eine analogische Einheit. Die Theologie steht zur Physik und zur Mathematik insofern analog, als sich Gott zum Gestirn gleicherweise verhält, wie sich die Naturart zur sensiblen Materie und die mathematische Gestalt zur intelligiblen Materie verhalten. Analog dazu, dass die natürliche Form den Naturstoff formt und die mathematische Gestalt die gedankliche Materie gestaltet, setzt das erste unbewegte Bewegende (Gott) die Himmelskörper in Bewegung, die nur passiv bewegt werden können (πρῶτον κινοῦν-κινούμενον). Daraus folgt, dass die strukturelle Ähnlichkeit von theologischen, physischen und mathematischen Gegenständen im funktionalen Gefüge von Wirken und Leiden gründet. Schließlich erweitert sich dieselbe Struktur von Aktivität und Passivität auf die aristotelische Zeit- (Phys. Δ10–14) und Raumtheorie (Phys. Δ1–5). Vor allem haben Zeit und Raum an derselben Struktur von Umfassen und Umfasstwerden Anteil (περιέχειν-περιεχεῖσθαι). Alle Seienden, die in der Zeit beweglich sind, müssen von der Zeit umfasst werden wie die Seienden, die sich an einem bestimmten Ort befinden, von dem Ort (Phys. Δ12, 221a28–30, 221a17–18). Der Ort ist zwar weder Form, noch Stoff (Phys. Δ4, 212a2–6), aber das Verhältnis des Orts zum Einzelkörper steht analog zur Form-Stoff-Beziehung.345 Denn der Ort als Grenze begrenzt den beweglichen Körper, wie die Form die Materie formt. Der Ort kann nur dann als formales Prinzip des beweglichen Körpers angesehen werden, wenn der eine als Grenze umfasst und der andere als Begrenztes umfasst wird.346 Wie beim Ort die Grenze zum
345 Form und Stoff sind die inneren Prinzipien, die bei der wahrhaften Einzelsubstanz, d. h. dem Lebewesen, nicht trennbar sind (Phys. Δ2, 209b22–23). Im Gegensatz dazu ist der Ort kein inneres Prinzip der Einzelsubstanz und kann vom Körper getrennt werden (Phys. Δ2, 209b24–28). 346 (1) Phys. Δ2, 209b28–33: καὶ γὰρ δοκεῖ τοιοῦτό τι εἶναι ὁ τόπος οἷον τὸ ἀγγεῖον (ἔστι γὰρ τὸ ἀγγεῖον τόπος μεταφορητός). τὸ δ’ ἀγγεῖον οὐδὲν τοῦ πράγματός ἐστιν. ᾗ μὲν οὖν χωριστὸς [ἐστι] τοῦ πράγματος, ταύτῃ μὲν οὐκ ἔστι τὸ εἶδος. ᾗ δὲ περιέχει, ταύτῃ δ’ ἕτερος τῆς ὕλης. δοκεῖ δὲ ἀεὶ τὸ ὄν που αὐτό τε εἶναί τι καὶ ἕτερόν τι ἐκτὸς αὐτοῦ. (2) Phys. Δ4, 211b10–11: ἀλλὰ διὰ μὲν τὸ περιέχειν δοκεῖ ἡ μορφὴ εἶναι. (3) Phys. Δ4, 212a28–29: καὶ διὰ τοῦτο δοκεῖ ἐπίπεδόν
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3 Erste Philosophie (Theologie)
Begrenzten steht (πέρας-πεπερασμένον),347 so auch die Zeit zur Bewegung, insofern die eine misst und die andere gemessen wird (μετρεῖν-μετρεῖσθαι – Phys. Δ12, 221b21–23, 220b32–221a9). Wenn die Zeit die Bewegung misst, macht jene diese zur quantitativen Bestimmung, nämlich zur Zahl (Phys. Δ12, 221b16–20). Die Zeit ist zwar als Zahl der Bewegung bestimmt (ἀριθμὸς κινήσεως – Phys. Δ11, 219b1–2, 220a24–26), aber sie ist nicht imstande, die Bewegung aktiv zu zählen, sondern nur passiv gezählt zu werden (ἀριθμούμενον – Phys. Δ11, 219b5–8, Δ14, 223a24–25). Was nach der Abfolge vom Frühen und Späten aktiv zählt, ist nichts anderes als die Seele, präzise gesagt, der Geist der Seele (ψυχὴ καὶ ψυχῆς νοῦς – Phys. Δ14, 223a21–29).348 Indem die Zeit die Bewegung misst und der Geist wiederum die Zeit zahlenmäßig zählt, ergibt sich dieselbe Struktur von Aktivität und Passivität sowohl zwischen Zeit und Bewegung als auch zwischen Geist und Zeit. Daraus resultiert, dass anhand desselben Verhältnisses von Umfassen und
τι εἶναι καὶ οἷον ἀγγεῖον ὁ τόπος καὶ περιέχον. Der Syllogismus kann folgendermaßen aufzustellen sein: (1) Der Ort ist das Umfassende. (2) Das Umfassende scheint die Form zu sein, und zwar im Hinblick auf die Aktivität. (3) Es lässt sich der Schluss ziehen, dass sich der Ort wie die Form verhält. 347 (1) Phys. Δ5, 212b27–29: καὶ ἔστιν ὁ τόπος καὶ πού, οὐχ ὡς ἐν τόπῳ δέ, ἀλλ’ ὡς τὸ πέρας ἐν τῷ πεπερασμένῳ. οὐ γὰρ πᾶν τὸ ὂν ἐν τόπῳ, ἀλλὰ τὸ κινητὸν σῶμα. (2) Phys. Δ4, 212a29–30: ἔτι ἅμα τῷ πράγματι ὁ τόπος· ἅμα γὰρ τῷ πεπερασμένῳ τὰ πέρατα. (3) Phys. Δ4, 212a6–7: τὸ πέρας τοῦ περιέχοντος σώματος καθ’ ὃ συνάπτει τῷ περιεχομένῳ. 348 Es ist allgemein anerkannt, dass Aristoteles eine Zeittheorie der objektiven Zeit vertritt. Da die Zeit als Messung der Bewegung bestimmt ist, scheint sie ganz und gar objektiv zu sein. Aber ein Problem tritt sofort auf: Wenn die Zeit die Bewegung misst, was misst die Zeit? Auf diese Art und Weise gelangen wir zum unendlichen Regress, den Aristoteles unbedingt vermeiden muss. Deshalb muss die gezählte Zeit auf die zählende Tätigkeit der Seele zurückzuführen sein. Die unendliche Rückführung wird dadurch abgeschlossen, dass die Aktivität statt der Passivität hervortritt. In der aristotelischen Zeittheorie fallen nicht nur die subjektive und die objektive Zeit zusammen, sondern auch die Teilbarkeit und die Kontinuität (διῄρηται-συνεχές). Die subjektive Zeit als die von der Seele gezählte Zahl ist diskret, während die objektive Zeit als Messung der Bewegung kontinuierlich ist. Aristoteles argumentiert die Teilbarkeit und die Kontinuität der Zeit aus einer anderen Perspektive. Die Zeit ist deswegen sowohl diskret als auch kontinuierlich, weil anhand der Gegenwart die Vergangenheit und die Zukunft sowohl voneinander getrennt als auch miteinander kombiniert werden. (1) Phys. Δ11, 220a3–6: χρόνος μὲν γὰρ ὁ τῆς φορᾶς ἀριθμός, τὸ νῦν δὲ ὡς τὸ φερόμενον, οἷον μονὰς ἀριθμοῦ. καὶ συνεχής τε δὴ ὁ χρόνος τῷ νῦν, καὶ διῄρηται κατὰ τὸ νῦν· ἀκολουθεῖ γὰρ καὶ τοῦτο τῇ φορᾷ καὶ τῷ φερομένῳ. (2) Phys. Δ11, 220a9–12: ἀκολουθεῖ δὲ καὶ τοῦτό πως τῇ στιγμῇ· καὶ γὰρ ἡ στιγμὴ καὶ συνέχει τὸ μῆκος καὶ ὁρίζει· ἔστι γὰρ τοῦ μὲν ἀρχὴ τοῦ δὲ τελευτή. ἀλλ’ ὅταν μὲν οὕτω λαμβάνῃ τις ὡς δυσὶ χρώμενος τῇ μιᾷ, ἀνάγκη ἵστασθαι, εἰ ἔσται ἀρχὴ καὶ τελευτὴ ἡ αὐτὴ στιγμή. (3) Cat. 6, 5a7–8: ὁ γὰρ νῦν χρόνος συνάπτει πρός τε τὸν παρεληλυθότα καὶ τὸν μέλλοντα.
3.1 Analogie
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Umfasstwerden die räumliche Grenze zum Begrenzten und das zeitliche Zählende zum Gezählten stehen.349 Anschließend richten wir die Aufmerksamkeit auf die poietische Wissenschaft, worin die natürliche Entstehung und die menschliche Praxis einbezogen sein müssen. Denn einerseits dient die Analyse der Herstellung dazu, die innere Struktur der Naturentstehung zu verdeutlichen. Andererseits hat die handwerkliche Herstellung mit der menschlichen Handlung, z. B. der ärztlichen Praxis, gemeinsam, dass es der äußerlichen Wirkursache bedarf, um ein Artefakt herzustellen oder den kranken Körper zu heilen (Abb. 11).
Abb. 11: Einteilung der poietischen Wissenschaft.
Zweifelsohne weist die technische Herstellung (ποίησις) den Hylemorphismus am offenkundigsten auf. Da beim Artefakt Form und Stoff nicht nur voneinander ontologisch unterscheidbar, sondern auch sachlich trennbar sind, verwendet Aristoteles die Herstellung als Paradigma, um die innere Struktur der Naturentstehung zu entfalten (Phys. B1–2). Vor allem zeigt sich die Analogie von Herstellung und
349 Aristoteles versucht auch mit dem Paarbegriff von Möglichsein-Wirklichsein den Ort (Phys. Δ5, 212b3–13) und die Zeit (Phys. Δ14, 223a20–21) zu erläutern. Obwohl die Argumente nicht ausführlich entfaltet werden, ist der Gedankengang des Aristoteles nicht schwierig nachzuvollziehen. Wenn der Ort als formales Prinzip des beweglichen Körpers angesehen wird, kann die örtliche Form entweder möglich sein, insofern der bewegliche Körper den Ort noch nicht erreicht, oder wirklich sein, wenn er schon zu diesem gelangt. Wenn die Zeit als gezählte Zahl auf die zählende Seele zurückgreift, bleibt die Zeit insofern in der Möglichkeit, als die Seele die Bewegung nicht zählt. Durch die seelische Tätigkeit des Zählens wird die zeitliche Zahl produziert, die die Bewegung misst.
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3 Erste Philosophie (Theologie)
Naturentstehung (τέχνη-φύσις) zwiefältig, und zwar sowohl ontologisch als auch biologisch. Zum einen spiegelt sich die technische Struktur von Form und Stoff unmittelbar im ontologischen Gefüge von Seele und Körper, indem die Seele als formales Prinzip und der Körper als materiales Prinzip des Lebewesens bezeichnet werden (De An. B1–2).350 Zum anderen lässt sich die Analogie zwischen der Herstellung eines Artefaktes und der Zeugung eines konkreten Lebewesens biologisch wiedergeben. Denn die beiden natürlichen Zeugungsprinzipien, nämlich das Männliche und das Weibliche, kommen auch anhand des technischen Musters zur Sprache (GA A2, A18, A20, A22, B4). In der Natur ist es allgemein gültig, dass das konkrete Lebewesen durch das Zusammenwirken von männlichem und weiblichem Prinzip erzeugt wird. Da das Männliche als Wirkursache und das Weibliche als Stoffursache gilt (GA A2, 716a2–13; A21, 730a27–28), verhält sich das eine zum anderen wie der Betthersteller zum Holz, der Töpfer zum Topf, der Hausherr zum Baustoff und der Wirkende zur Materie (GA A22, 730b5–8).351 Während die Gestalt vom äußerlichen Techniker nachträglich in die Materie eingeprägt wird, kommen bei der Naturzeugung Form- und Wirkursache in Übereinkunft. Mithilfe eines männlichen Form-Trägers aktualisiert sich die Naturart an einem weiblichen Substrat. Da die Form- bzw. die Wirkursache mit der Aktivität und die Stoffursache mit der Passivität verknüpft ist, lässt sich das Männliche als Formbzw. Wirkursache auf das Machende und das Weibliche als Stoffursache auf das Erleidende zurückführen (GA A18, 724a35–724b19; A20, 729a24–33; A21, 729b12–22; B4, 740b18–25). Mit der technischen Form-Stoff-Struktur stimmt nicht nur das ontologische Seele-Körper-Gefüge überein, sondern auch die biologischen Prinzipien des Männlichen und des Weiblichen. Des Weiteren steht die Herstellung nicht nur zur Naturentstehung, sondern auch zur Handlung im analogischen Verhältnis. Die menschliche Praxis, z. B. die Heilkunst, zielt darauf ab, die körperliche Harmonie vom Warmen und Kalten sowie vom Trockenen und Feuchten wiederherzustellen (Phys. H3, 246b4–6). Am körperlichen Substrat gehen die gegensätzlichen Eigenschaften, warm-kalt und 350 In der Seelenlehre legt Aristoteles den Schwerpunkt zunächst auf die hylemorphistische Struktur. Diese tritt entweder in der Form von Seele-Körper auf (ψυχή-σῶμα) oder es sind nach demselben Modell der vernünftige und der unvernünftige Seelenteil strukturiert (λόγον-ἄλογον). Des Weiteren legt Aristoteles den Akzent darauf, wie die Seele das bestimmte Vermögen verwirklicht. Aristoteles richtet seine Aufmerksamkeit nicht nur auf die formale Beschaffenheit (die Tugend), sondern auch auf die Tätigkeit der Seele (die Verwirklichung der Tugend). 351 Aristoteles gibt den beiden Prinzipien andere Namen. Das männliche Prinzip ist auch als Vater oder Erde benannt, und das weibliche als Mutter oder Sonne bzw. Himmel (GA A2, 716a15–17; Metaph. A6, 988a2–7; Phys. A9, 192a13–14). An einer Stelle lässt sich das Männliche nicht nur mit der Wirkursache, sondern auch mit der Form identifizieren, und das Weibliche als Stoff mit dem Körper gleichsetzen (GA A20, 729a9–11).
3.1 Analogie
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trocken-feucht, ineinander über. Dadurch, dass der Körper als stoffliches Prinzip zugrunde gelegt wird und sich die gegensätzlichen Affektionen als Akzidenzen abwechseln, entspricht die innere Struktur der Heilkunst dem allgemeinen Hylemorphismus. Im Laufe der Argumentation kommt die Heilkunst zwar häufig zusammen mit der Herstellung zur Erwähnung, die Praxis aber ist von der Techne unterschieden, dadurch dass es nicht um die substanzielle Entstehung, sondern um die qualitative Veränderung geht. Denn durch die Heilkunst ist keine Einzelsubstanz zu produzieren, sondern der Arzt führt im kranken Körper die positive Eigenschaft Gesundheit herbei. Die poietische Wissenschaft nimmt insofern eine Mittelstellung zwischen der theoretischen und der praktischen Wissenschaft ein, als durch die Vermittlung der Techne die theoretische Betrachtung der Physis und die menschliche Praxis in Berührung kommen. Von der ärztlichen Praxis aus geht die Erörterung in die ethisch-ökonomisch-politische Praxis über. Denn im praktischen Bereich bildet sich zunächst die Analogie von Heilkunst und Tugendlehre, dadurch dass sich die Affektion zum Körper und die Tugend zur Seele analog verhalten.352 Nach der Erörterung über die Analogie von Heilkunst und Tugendlehre ist davon die Rede, dass die drei Unterteilungen der praktischen Wissenschaft zueinander analog stehen. Je nachdem, wie das Individuum, die Familie oder die Polis zum Thema gemacht werden, ist die praktische Wissenschaft in die Ethik, die Ökonomik und die Politik dreifach zu unterteilen. Die Ethik, d. h. die Tugendlehre, baut auf einer bestimmten Seelentheorie auf, wobei die ganze Seele in einen vernünftigen und einen unvernünftigen Teil zu gliedern ist. Die Ökonomik zieht die drei Verhältnispaare in Betracht, nämlich Mann-Frau, Vater-Sohn und Herr-Knecht (Pol. A3, 1253b1–8; A12, 1259a37–39). Die politische Wissenschaft ist dadurch zu erörtern, dass Familie und Polis, d. h. Haus- und Staatsverwaltung, in eine analogische Beziehung gesetzt werden (Abb. 12). In erster Linie kommt die strukturelle Ähnlichkeit der Tugendlehre zur Heilkunst derart zum Vorschein, dass sich die gegensätzlichen Tugenden in der Seele umwandeln, wie sich die gegensätzlichen Affektionen beim Körper verändern. In
352 Vgl. Jäger (1955: 41): „Die Erklärung der Krankheit, Schwäche und Häßlichkeit aus der Asymmetrie des Körpers und seiner Teile oder Verhältnisse übernahm Platon aus der Medizin seiner Zeit, an die er seine ethische Wissenschaft, die Therapie der Seele, durchgängig anlehnte und in der er das Vorbild wahrer Wissenschaft und strenger Methode erblickte. Die platonische Tugendlehre ist eine nach medizinischem Muster aufgestellte Lehre von der Kachexie und Euhexie der Seele, ihr Prinzip ist der Begriff des Maßes (μέτρον) und der Symmetrie oder Harmonie.“ An diese platonische Tradition und Vorgehensweise knüpft Aristoteles an. Indem die Affektionen des Körpers und die Tugenden der Seele in einem analogischen Verhältnis stehen, sind die einen immer zusammen mit den anderen zu erörtern.
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3 Erste Philosophie (Theologie)
Abb. 12: Einteilung der praktischen Wissenschaften.
der Heilkunst soll die Gesundheit als vollkommene Eigenschaft erzielt, und die Krankheit als Privation beseitigt werden. In der Tugendlehre aber liegt der Akzent nicht mehr darauf, dass die eine Eigenschaft bzw. Tugend der anderen gegensätzlichen überlegen ist, sondern man strebt nach der Balance beider Extreme. Der tugendhafte Zustand der Seele sowie die daraus folgende Handlung orientieren sich weder am Übermaß noch am Mangel, sondern am Mittelmaß, das keine sachliche Mitte ist, sondern für uns geeignet ist. Während die Analogie von Heilkunst und Tugendlehre aus der Zusammenfügung von Gegensatz und Substrat besteht, ist eine ähnliche Struktur zwischen Haus- und Staatsverwaltung im naturgemäßen Verhältnis von Beherrschen und Beherrschtwerden fundiert, das in zweierlei Hinsichten begründet werden kann. Einerseits: Bei einem konkreten Individuum, das sich hylemorphistisch in Seele und Körper zerlegen lässt, soll die eine von Natur aus herrschen, der andere aber beherrscht werden (Pol. A5, 1254a34–36; EE H9, 1241b17–19; H10, 1242a28–31). Andererseits: Der Entzweiung der Seele zufolge muss der vernünftige Teil regieren und der unvernünftige Teil regiert werden (Pol. A13, 1260a2–7; EN E15, 1138b8–9; A13, 1102a26–1103a10).353 Die naturgemäße Herrschaft der Seele über den Körper
353 Vor allem ist die menschliche Seele in einen unvernünftigen und einen vernünftigen Teil zergliedert (EN A13, 1102a26–32). Sowohl der unvernünftige als auch der vernünftige Teil können weiter zu unterteilen sein. Zum einen lässt sich der unvernünftige Seelenteil in die Fähigkeit, die Nahrung aufzunehmen und erwachsen zu werden, und in das Begehrensvermögen zerlegen (EN A13, 1102a32–1103a1). Zum anderen spaltet sich die Vernunft in das theoretische Vermögen, das Seiende wissenschaftlich zu betrachten, und in das praktische Vermögen, womit man moralisch gut handeln kann. Aus dem Zwiespalt des vernünftigen Teils resultiert der Unterschied zwischen der dianoetischen und der ethischen Tugend, der der aristotelischen Tugendlehre fundamental ist (EN A13, 1103a1–10).
3.1 Analogie
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und die der Vernunft über die Unvernünftigkeit können sich in das familiäre und das politische Verhältnis ausweiten, sodass in der Familie der Mann die Frau, der Vater den Sohn, in der Hausverwaltung der Herr den Knecht354 und in der Polis der Regierende die Regierten beherrschen soll (EN E15, 1138b5–13; EE H3, 1238b21–25; H10, 1242a28–32; Pol. A13, 1260a5–12). Darüber hinaus verhält sich Gott so zum Menschen, wie sich der Vater zum Sohn verhält (EE H3, 1238b16–21; H10, 1242a32–35). Daraus resultiert, dass trotz des sachlichen Unterschieds Paare wie Seele-Körper, Vernunft-Unvernünftigkeit, Mann-Frau, Vater-Sohn, Herr-Knecht, Herrscher-Bürger und Gott-Mensch an derselben Struktur von Aktivität und Passivität teilhaben. Dadurch, dass der Mensch die natürliche Harmonie von Beherrschen und Beherrschtwerden imitiert, kommen die intersubjektive, die familiäre und die gesellschaftliche Harmonie zustande. In der Gemeinschaft soll jedes einzelne Individuum seiner eigenen Natur gemäß regieren oder regiert werden. Das harmonische Herrschaftsverhältnis, das im menschlichen Zusammenleben auftritt, lässt sich begrifflich als Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) oder Freundschaft (φιλία) bezeichnen (EN E15, 1138b11–13; EE H9, 1241b11–17, 1241b32–40). Einerseits erhält die begriffliche Einheit die sachliche Differenz aufrecht, indem sich die Gerechtigkeit bzw. die Freundschaft als intersubjektive Tugend (EE H10, 1242a21–22) in der Familie, in der Hausverwaltung und im Staat verkörpert. Andererseits ermöglicht die analogische Struktur von Familie und Polis bzw. von Haus- und Staatsverwaltung, den Begriff der Gerechtigkeit oder der Freundschaft einheitlich zu gebrauchen. Außer der theoretischen, der poietischen und der praktischen Wissenschaft gilt der Hylemorphismus weitergehend für die sogenannte Erkenntnistheorie. Die Epistemologie entwickelt sich bei Aristoteles deswegen nicht als eine selbständige Wissenschaftsdisziplin, weil die Erörterung der Erkenntnisfähigkeit und -tätigkeit unter der metaphysischen Auslegung der Veränderung steht. Die aristotelische Erkenntnistheorie besteht hauptsächlich aus der Analyse der sinnlichen Wahrnehmung und des noetischen Denkens.355 Einerseits steht die 354 Um die Herrschaft des Herrn über den Knecht zu rechtfertigen, vergleicht Aristoteles Herr-Knecht nicht nur mit Seele-Körper, sondern auch mit Techniker-Werkzeug. Wie sich die Seele zum Körper und der Techniker zum Werkzeug verhalten, so verhält sich der Herr zum Knecht (EE H9, 1241b17–22; H10, 1242a28–32). Wie der Körper als Organ mit der Seele zusammengewachsen ist, kann der Knecht als Teil und Organ des Herrn von diesem nicht abgesondert werden. Aristoteles definiert den Knecht als Werkzeug ohne Seele (τὸ δ’ ὄργανον ὥσπερ δοῦλος ἄψυχος – EE H9, 1241b22–24). 355 In der sogenannten Epistemologie des Aristoteles steht die Analyse der Sinneswahrnehmung im Zentrum. Denn die Wahrnehmung bietet nicht nur der Phantasie und dem diskursiven Denken das Material, sondern die sinnliche Wahrnehmung bringt auch anhand der
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3 Erste Philosophie (Theologie)
Sinneswahrnehmung zur qualitativen Veränderung analog. Andererseits ist das noetische Denken anhand der Analogie zur Sinneswahrnehmung einsichtig zu machen.356 Die Sinneswahrnehmung ist doppelt charakterisiert, indem sie einerseits die äußerlichen Affektionen passiv empfindet und andererseits spontan wahrnehmen kann. Aufgrund dessen ist die Wahrnehmung sowohl mit der natürlichen Bewegung als auch mit der intellektuellen Anschauung vergleichbar. Indem die Rezeptivität der Empfindung in den Vordergrund tritt (κινεῖσθαι καὶ πάσχειν), ist die Sinneswahrnehmung nach der einen Seite als qualitative Veränderung eines bestimmten Sinnesorgans zu determinieren (αἴσθησις-ἀλλοίωσις – Phys. H2, 244b10–12; H3, 245b3–6; De An. Γ5, 416b33–35). Nach der anderen Seite nimmt die Tätigkeit, etwas wahrzunehmen, die Spontaneität in sich auf, denn sie ist ohne Weiteres die Aktualisierung eines bestimmten Seelenvermögens (δύναμις τῆς ψυχῆς). In beiden Fällen kommt die Struktur von Wirken und Leiden zur Geltung. Im Falle, dass die Wahrnehmung als passiver Vorgang angesehen wird, geht es darum, dass die äußerlich wahrnehmbaren Affektionen auf das Sinnesorgan einwirken, wie die Akzidenzen auf das zugrundeliegende Substrat einwirken. Beim Sehen z. B. bewegt die Farbe, die dem Einzelding inhäriert, direkt die Luft, die vom Licht angeleuchtet worden ist, und durch die Vermittlung der Luft berührt die Farbe indirekt die Augen (De An. B7, 419a13–15). Indem das Sichtbare, das Hörbare und das Tastbare wirksam sind, empfinden die Augen die Farbe, die Ohren die Töne und die Hände die Härte eines Körpers. Wie sich das Warme-Kalte am Körper umwandelt, so wechseln sich das Weiße-Schwarze in den Augen ab, die TiefeHöhe der Töne in den Ohren und das Weiche-Harte in den Händen. Durch die Vermittlung der Luft (oder des Wassers) wirkt die sinnlich wahrnehmbare Affektion auf das Sinnesorgan ein, das diese Einwirkung erleiden kann (ποιεῖν-πάσχειν: αἰσθητόν-αἰσθητήριον).
strukturellen Ähnlichkeit das noetische Denken zur Entfaltung. Die Phantasie kann nur dann entstanden sein, wenn man durch die Wahrnehmung einen bestimmten Inhalt aufnimmt (αἴσθησις→φαντασία: De An. Γ3, 427b14–17, 428b10–17, 428b30–429a2). Je nachdem, ob die Inhalte der phantastischen Vorstellungen auf vergangene oder zukünftige Sachlagen bezogen sind, kommt die Erinnerung oder die Hoffnung zustande (φαντασία→μεμνῆσθαι ἢ ἐλπίζειν – Phys. H3, 247a9–12; De An. Γ3, 427b17–21). Außerdem kann das, was man gegenwärtig wahrnimmt, begrifflich festgelegt und in der Aussage geäußert werden. Dies ist eine Tätigkeit des diskursiven Denkens (αἴσθησις→διάνοια). Sieht man den sitzenden Sokrates, kann man die entsprechende Aussage bilden, nämlich, dass Sokrates sitzt. In Hinsicht auf die Aktivität bzw. die Spontaneität verhält sich die aktive Sinneswahrnehmung zum noetischen Denken analog (αἴσθησις→νόησις). 356 Wahrnehmung als qualitative Veränderung: Phys. H3; De An. B5–12. Analogie von Wahrnehmung und Denken: De An. Γ4–5.
3.1 Analogie
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Die Wahrnehmung verhält sich jedoch nicht als völlig passive Empfindung, sondern in der Tat nimmt das Wahrnehmungsfähige immer aktiv und spontan wahr. Denn beim Sehen sind die Augen nicht wie eine bloß passiv zugrundeliegende Fläche, auf der das Weiße und das Schwarze zwecklos ineinander übergehen, sondern der Sehende wirft den Blick absichtlich auf etwas Bestimmtes und stellt es sich vor Augen. Um die Differenz von Rezeptivität und Spontaneität der Wahrnehmung zu verdeutlichen, führt Aristoteles in De anima B5 eine Metapher ein.357 Da die Wahrnehmung als empfindende oder wahrnehmende Tätigkeit immer auf dem bestimmten Vermögen beruht, ist zunächst vom Vermögen die Rede. Einerseits gründet die Rezeptivität der Empfindung im Passivvermögen des Sinnesorgans, wie ein Kind der Kenntnisnahme nur die materiale Grundlage bietet. Andererseits ist die Spontaneität der Wahrnehmung im Aktivvermögen der Seele verwurzelt, das die Wahrnehmungstätigkeit in Gang bringt, so wie ein gut ausgebildeter Erwachsener arithmetische oder grammatische Erkenntnisse nicht nur aufnimmt, sondern auch aktiv verwenden kann. Im letzten Fall verhält sich das seelische Vermögen so zum Einzelding, wie sich das Wahrnehmenkönnende zum Wahrnehmbaren verhält (ποιεῖν-πάσχειν: αἰσθητικόν-αἰσθητόν). Die Wahrnehmung ist deswegen teilweise als aktiv und teilweise als passiv charakterisiert, weil sie sich durch das Zusammenwirken von Seele und Körper vollziehen muss. Die Wahrnehmungstätigkeit wird von der Seele geleitet, die Sinneswahrnehmung aber muss immer von den Organen vermittelt werden. Da dem Sinnesorgan das passive Vermögen (potentia passiva) und der Seele das aktive Vermögen (potentia activa) innewohnt, lässt sich die Wahrnehmung durch die körperliche Rezeptivität und die seelische Spontaneität doppelt kennzeichnen. Hinsichtlich der Passivität ist die Empfindung mit der Bewegung vergleichbar, insofern die Wirkursache nicht im zugrundeliegenden Sinnesorgan oder Substrat, sondern in der Affektion oder Eigenschaft vorliegt. Hinsichtlich der Aktivität bildet sich die Analogie von Wahrnehmung und Denken (αἴσθησις-νόησις), indem das Wahrnehmenkönnende zusammen mit dem Denkenkönnenden als Prinzip des Wirkens und das Wahrgenommene zusammen mit dem Gedachten als Prinzip des Erleidens bezeichnet werden.
357 Die berühmte Metapher in De An. B5 (417a21–30) kommt dadurch zur Entfaltung, dass das passive Vermögen der Materie (potentia passiva – 417a22–24), die aktive Potentialität der Seele (potentia activa – 417a24–28) und die aktive Aktualisierung des Geistes (actus purus – 417a28–29) in Verbindung gesetzt und miteinander verglichen werden. Im vorliegenden Zusammenhang (417a31–417b16) wird der Akzent auf den Vergleich der materialen Passivität mit der seelischen Aktivität gelegt, damit das Argument von der Rezeptivität des Sinnesorgans zur Spontaneität des seelischen Vermögens übergehen kann.
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3 Erste Philosophie (Theologie)
[. . .] καὶ ὁμοίως ἔχειν, ὥσπερ τὸ αἰσθητικὸν πρὸς τὰ αἰσθητά, οὕτω τὸν νοῦν πρὸς τὰ νοητά. – De An. Γ4, 429a16–18
Die Analogie von Wahrnehmung und Denken besteht darin: Wie sich das Wahrnehmungsfähige auf das Wahrgenommene bezieht, so bezieht sich das Denkfähige auf das Gedachte.358 Auf der einen Seite steht das seelische Vermögen, etwas aktiv wahrzunehmen oder zu denken. Auf der anderen Seite kann das Einzelding wahrgenommen und etwas Allgemeines gedacht werden (De An. B5, 417b19–28; Phys. A5, 189a4–9). Im analogischen Verhältnis stehen die Wahrnehmung zum äußerlichen Einzelding und das Denken zum allgemeinen Begriff. Die Analogie von Wahrnehmung und Denken liegt nicht nur in der Struktur von Aktivität und Passivität, sondern auch im Gefüge von Potentialität und Aktualität. Die menschliche Tätigkeit bleibt insofern in der Möglichkeit, als die partikuläre Affektion nicht wahrgenommen oder der allgemeine Begriff nicht gedacht wird.359 Da sich der menschliche Geist durch die Analogie zur Sinneswahrnehmung entfaltet, wohnen dem noetischen Denken des Menschen wie der Wahrnehmung die Passivität (ὁ δὲ παθητικὸς νοῦς φθαρτός – De An. Γ5, 430a24–25; Γ4, 429a13–16, 429b22–29) und die Potentialität (τὸ δυνάμει ὄν – De An. Γ4, 429a21–24, 429a27–29, 429b5–9, 429b29–430a2) inne. Im Vergleich dazu kommt der absolute Geist als reine aktive Verwirklichung (actus purus) dadurch in Berührung, dass die beiden Eigentümlichkeiten des menschlichen Geistes aufgehoben werden. Des Weiteren führt die Analogie von der sinnlichen Wahrnehmung und dem noetischen Denken zur begrifflichen Einheit, damit die eine als die sinnliche Anschauung und das andere als die intellektuelle Anschauung bezeichnet wird. Außer der strukturellen Ähnlichkeit haben die beiden Typen von
358 (1) PA A1, 641a36–641b4: Ὁ γὰρ νοῦς τῶν νοητῶν. Ὥστε περὶ πάντων ἡ φυσικὴ γνῶσις ἂν εἴη· τῆς γὰρ αὐτῆς περὶ νοῦ καὶ τοῦ νοητοῦ θεωρῆσαι, εἴπερ πρὸς ἄλληλα, καὶ ἡ αὐτὴ θεωρία τῶν πρὸς ἄλληλα πάντων, καθάπερ καὶ περὶ αἰσθήσεως καὶ τῶν αἰσθητῶν. (2) Themistius In de anima paraphrasis 94.5–8: εἰ δὴ τὸ νοεῖν ἀνάλογόν ἐστι τῷ αἰσθάνεσθαι (δι’ ἀμφοῖν γὰρ κρίνει τε καὶ γνωρίζει καθάπερ καὶ πρότερον ἔφαμεν ἡ ψυχή), πάσχοι ἄν τι καὶ ὁ νοῦς ὑπὸ τῶν νοητῶν, ὥσπερ ὑπὸ τῶν αἰσθητῶν ἡ αἴσθησις, τὸ πάσχοι δ’ ἂν καὶ ἐνταῦθα ἀκουστέον παραπλησίως. (3) Thomas Sentencia De anima lib.3 l.7 n.5 [80958]: „Primo proponit similitudinem intellectus ad sensum. [. . .] Ex hoc autem sequitur quod, cum sentire sit quoddam pati a sensibili, aut aliquid simile passioni, quod intelligere sit vel pati aliquid ab intelligibili, vel aliquid alterum huiusmodi, simile scilicet passioni.“ (4) Thomas Sentencia De anima lib.3 l.7 n.6 [80959]: „Et sic oportet, quod sicut se habet sensitivum ad sensibilia, similiter se habeat intellectivum ad intelligibilia; quia utrumque est in potentia ad suum obiectum, et est susceptivum eius.“ 359 Prozessualität der Wahrnehmung: De An. B5, 417a9–14; Prozessualität des menschlichen Denkens: De An. Γ4, 429a27–29.
3.1 Analogie
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Anschauung als Erkenntnisvermögen gemeinsam, dass sie sich der Irrtumsmöglichkeit bzw. der Fehlbarkeit entziehen. Während die Sinneswahrnehmung und das noetische Denken wahrhaft tätig sind, konstituiert die Phantasie die wahre oder die falsche Vorstellung und das dianoetische Denken bildet die wahre oder die falsche Aussage.360 Da das funktionale Gefüge von Wirken und Erleiden für alle natürlichen Veränderungen und menschlichen Tätigkeiten fundamental und konstitutiv ist, lässt sich die ontologische Struktur von Physis, Techne und Praxis auf das epistemologische Gefüge der seelischen Tätigkeit übertragen. Ἐπεὶ δ' ὥσπερ ἐν ἁπάσῃ τῇ φύσει ἐστὶ τὸ μὲν ὕλη ἑκάστῳ γένει (τοῦτο δὲ ὃ πάντα δυνάμει ἐκεῖνα), ἕτερον δὲ τὸ αἴτιον καὶ ποιητικόν, τῷ ποιεῖν πάντα, οἷον ἡ τέχνη πρὸς τὴν ὕλην πέπονθεν, ἀνάγκη καὶ ἐν τῇ ψυχῇ ὑπάρχειν ταύτας τὰς διαφοράς. – De An. Γ5, 430a10–14
Wie sich die natürliche Art zur Materie, die technische Gestalt zum Stoff und die Eigenschaft Gesundheit zum Körper verhält, so verhalten sich das Wahrnehmungsfähige zum Wahrgenommenen und das Denkfähige zum Gedachten. Daraus folgt, dass die hylemorphistische Struktur von Form-Stoff, AktivitätPassivität und Potentialität-Aktualität nicht nur für die natürliche Entstehung, die menschliche Herstellung und die Handlung gilt, sondern auch für die Erkenntnistätigkeit der Seele.361 Indem Physis, Techne und Praxis dieselbe Struktur zugeteilt ist, durchdringt der Hylemorphismus die theoretische, die poietische und die praktische Wissenschaft. Darüber hinaus kommt die hylemorphistische Struktur nicht nur ontologisch, sondern auch epistemologisch zur Geltung, indem Aristoteles aufgrund des Gefüges der Veränderung die sinnliche und die intelligible Anschauung
360 Die wahrhafte Tätigkeit der sinnlichen Wahrnehmung (αἴσθησις): De An. Γ3, 427b11–13, 428a11. Die wahrhafte Tätigkeit des noetischen Denkens (νοῦς): De An. Γ3, 427b8–9; Metaph. Θ10, 1051b22–32. Die Wahrheit und die Falschheit der Phantasie (φαντασία): De An. Γ3, 427b17–21, 428a1–4, 428a11–12, 428a18. Die Wahrheit und die Falschheit des dianoetischen Denkens (διάνοια/δόξα/λόγος): De An. Γ3, 427b9–11, 13–14; 428a18–19; Cat. 5, 4a21–28; Metaph. E4, 1027b25–28; Z15, 1039b33–1040a2; Θ10, 1051b13–15. 361 In Sophistes (248a10–e5) erwähnt Platon eine Analogie von Entstehen und Erkennen. Anhand derselben Struktur von Machen und Erleiden stehen die Entstehung des körperlichen Seienden und das Erkennen der wahrhaften Substanz zueinander analog. Wie das aktive und das passive Vermögen in der Entstehung zusammenwirken (δύναμις τοῦ ποιεῖν-δύναμις τοῦ πάσχειν – 248c7–8), verhält sich die Seele insofern aktiv, als sie erkennt, und die Substanz insofern passiv, als sie erkannt wird (τὴν μὲν ψυχὴν γιγνώσκειν, τὴν δ’ οὐσίαν γιγνώσκεσθαι – 248c11–d2, 248d10–e5).
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3 Erste Philosophie (Theologie)
theoretisch erklärt. Die analogische Struktur von Bewegung, Wahrnehmung und Denken lässt sich schematisch so darstellen (Abb. 13):
Abb. 13: Vergleich von Physik und Epistemologie.
Was Aristoteles zur Philosophie beiträgt, ist nicht nur, die Metaphysik als Prinzipienlehre zu entwickeln, sondern auch, die Einzelwissenschaften als eigenständige Wissenschaftsdisziplinen zu begründen. In beiden Hinsichten unterscheidet sich die Metaphysik von der Einzelwissenschaft. Während die Metaphysik die Substanz und deren Prinzip(ien) zum Untersuchungsgegenstand nimmt (οὐσία καὶ ἀρχή), thematisiert die Einzelwissenschaft die disjunktiven Eigentümlichkeiten der zugrundeliegenden Substanz oder der Gattung (τὰ τούτῳ ὑπάρχοντα καθ’ αὑτό: ἀντικείμενα). Die Physik zieht die Bewegung-Ruhe des Naturseienden in Betracht, die Arithmetik das Gerade-Ungerade der Zahl, die Geometrie das Geradlinige-Gekrümmte der Linie, die Medizin die Gesundheit-Krankheit des Körpers, die Ethik das Gute-Schlechte der Seele/Handlung und die Logik die RichtigkeitFalschheit der Schlussfolgerung. Methodisch gesehen folgt die Metaphysik der aufsteigenden Induktion (ἐπαγωγή).362 Vom vorhandenen Einzelding ausgehend,
362 Auf den methodischen Unterschied von Induktion (ἐπαγωγή) und Deduktion (συλλογισμός) macht Aristoteles in der zweiten Analytik (A1, 71a5–11), in der Topik (A8, 103b2–8; A12, 105a10–19; Θ1, 156a3–9), in der Metaphysik (K7, 1064a7–10) und in der Nikomachischen Ethik (Z3, 1139b27–31) aufmerksam. In Bezug auf die metaphysische Induktion kann man folgende Texte vergleichen: Metaph. K7, 1064a8–10; Θ6, 1048a35–1048b4; Wieland (1962: 99): „Nun lässt zwar Aristoteles die Induktion (ἐπαγωγή) ausdrücklich als möglichen Weg der Prinzipienforschung zu (Vgl. EN A7, 1098b3–4: τῶν ἀρχῶν δ’ αἳ μὲν ἐπαγωγῇ θεωροῦνται, αἳ δ’ αἰσθήσει, αἳ δ’ ἐθισμῷ τινί, καὶ ἄλλαι δ’ ἄλλως).“
3.2 Geist
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orientiert sich die metaphysische Untersuchung an den allgemeinen Prinzipien, die im höchsten Maß die analogische Allgemeinheit bzw. Einheit bilden (καθ’ ἕκαστον→καθόλου ἀναλογίᾳ). Im Gegensatz dazu vollzieht sich die apodiktische Einzelwissenschaft nach der absteigenden Deduktion (συλλογισμός – APo. A4, 73a21–24; A6, 74b5–12; A12, 77a36–40). Aus der allgemeinen Prämisse, die die Wurzel in der Gattungseinheit hat, ergibt sich die einzelne Konklusion syllogistisch (καθόλου γένει→καθ’ ἕκαστον). Obwohl die Metaphysik und die Einzelwissenschaft sowohl gegenständlich als auch methodisch different sind, müssen die partikularen Einzelwissenschaften auf einer gemeinsamen metaphysischen Grundlage aufbauen. Die apodiktisch-syllogistischen Einzelwissenschaften können nur dann einheitlich und systematisch begründet werden, wenn die Metaphysik die analogische Struktur der Substanzen festlegt und sich die strukturelle Ähnlichkeit in die Untersuchungsgegenstände der Einzeldisziplinen hinein fortsetzt.
3.2 Geist Die sensiblen Substanzen, nämlich Lebewesen, Naturart und Grundelement, kommen dadurch einheitlich zur Entfaltung, dass die Entstehung der Einzelsubstanz, die Definition der Wesenssubstanz und die Umwandlung der Grundelemente gemeinsamen Anteil an der Struktur von Form-Stoff, von Machen-Erleiden und von Aktualität-Potentialität haben. Zu der intelligiblen Substanz hat Aristoteles zwei Zugänge anzubieten, und zwar logisch und physikalisch. Anhand der logischen Vorgehensweise (λογικῶς) ist der absolute Geist dadurch zu erörtern, dass der göttliche Geist mit dem menschlichen Geist verglichen wird. Der physikalische Zugang (φυσικῶς) ist nichts anderes als der kosmologische Gottesbeweis, wobei der Effekt auf die Ursache, d. h. das himmlische Bewegte auf das unbewegte Bewegende, zurückgreift. In beiden Fällen lässt sich die intelligible Substanz dadurch argumentativ herleiten, dass sie die analogische Struktur von Stoff-Form, von Erleiden-Machen und von Potentialität-Aktualität aufhebt. Indem Materialität, Passivität und Potentialität aufgehoben werden, ist der absolute Geist bzw. das unbewegte Bewegende durch Formalität, Aktivität und Wirklichkeit gekennzeichnet. Wir nehmen den Vergleich des göttlichen Geistes mit dem menschlichen Geist zum Ausgang, und anschließend gehen wir auf die Beweisführung vom unbewegten Bewegenden ein. Der absolute Geist hat mit dem menschlichen Geist gemeinsam, dass die beiden weder mit dem Körper vermischt sind (ἀπαθῆ) noch davon affiziert
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3 Erste Philosophie (Theologie)
werden (ἀπαθές).363 Der menschliche Geist hält sich zwar von der äußerlichen Körperlichkeit fern, er trägt aber die innere Passivität in sich. Da das menschliche Denken etwas anderes zum Gegenstand nehmen muss (ἀεὶ ἄλλου ἡ ἐπιστήμη – Metaph. Λ9, 1074b35–36), lässt es sich ins aktive Denkende und passive Gedachtwerdende zerlegen (νοοῦν-νοούμενον). Während der menschliche Geist gegen den allgemeinen Begriff gerichtet ist, denkt der absolute Geist nichts anderes als sich selbst. Denn durch die Veränderung der gedanklichen Gegenstände würde sich der absolute Geist auch verändern. Würde sich das vollkommene Seiende verändern, ginge es unmittelbar in die Unvollkommenheit über (Metaph. Λ9, 1074b25–27). Jedoch ist es unmöglich, dass das Vollkommene seine Vollkommenheit verliert. Darum muss das vollkommenste Seiende, d. h. der absolute Geist, das Göttlichste und Ehrwürdigste denken (τὸ θειότατον καὶ τιμιώτατον νοεῖ – Metaph. Λ9, 1074b25–26). Dem vollkommenen Gedachten entsprechend ist das Denkende auch das ontologisch Kräftigste (τὸ κράτιστον). Da der absolute Geist ohne Weiteres nur sich selbst denkt, ist er als Denken des Denkens tätig (ἔστιν ἡ νόησις νοήσεως νόησις – Metaph. Λ9, 1074b33–35). Insofern der absolute Geist als Denken des Denkens gilt, ist der Unterschied von Denken und Gedachtwerden, d. h. von Aktivität und Passivität, aufzuheben. Durch die Aufhebung der Passivität ist der absolute Geist von der Potentialität befreit, die im Vermögen des menschlichen Denkens verwurzelt ist. Das menschliche Denken ist insofern mit der Potentialität verknüpft, als sich das aktive Denkvermögen nicht aktualisieren (De An. B5, 417a24–28, 417a32–417b5; Γ4, 429a21–24; Metaph. Θ6, 1048a34–35) und das passive Gedachtwerdende, nämlich der Begriff, nicht definitorisch artikuliert werden kann. Im Gegensatz
363 De An. Γ4, 429a15–21. Mit dem ἀπαθές ist die Immaterialität gemeint, die für den menschlichen und den göttlichen Geist gilt. Aber der Terminus ἀπαθές wird in verschiedenen Kontexten vielfältig angewendet, je nachdem, wie derselbe Begriff den unterschiedlichen Seienden zukommt. An der zitierten Stelle ist vom menschlichen Geist die Rede. Der menschliche Geist kann zwar nicht vom Körper affiziert werden (ἀπαθές), muss aber vom gedachten Gegenstand bewirkt werden. Mit anderen Worten ist der menschliche Geist mit einem passiven Element behaftet (ὁ δὲ παθητικὸς νοῦς φθαρτός – De An. Γ5, 430a24–25). Dem νοῦς παθητικὸς der Seele entgegen hebt der absolute Geist das passive Gedachte auf (De An. Γ5, 430a22–25), indem er sich selbst denkt. Im kosmologischen Gottesbeweis ist auch einzusehen, dass sich das unbewegte Bewegende als allererste Bewegungsursache aktiv auswirkt. Anhand der absoluten Aktivität kann das unbewegte Bewegende weder mit dem Stoff gemischt (ἀμιγῆ), noch von dem anderen affiziert (ἀπαθῆ/ἀπαθές) oder davon verändert (ἀναλλοίωτον) werden (Phys. Θ5, 256b24–27; Metaph. Λ7, 1073a11). Während das ἀπαθές der Seele als Immaterialität zu verstehen sein soll, bezeichnet das ἀπαθές des Geistes die absolute Aktivität, die alle passiven Elemente aufhebt (ἀ-παθές). Aufgrund dessen kann der absolute Geist weder vom Körper noch vom Gegenstand des Denkens affiziert werden.
3.2 Geist
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dazu nimmt das göttliche Denken sich selbst zum Gegenstand, sodass die Differenz zwischen dem aktiven Denkenden und dem passiven Gedachtwerdenden aufgehoben wird. Da das Denken und das Gedachtwerden beim absoluten Geist undifferenziert sind (ἀδιαίρετον – Metaph. Λ9, 1075a6–7),364 lassen sie sich zusammenhalten (συνεχές). Kraft des Zusammenhalts aktualisiert sich das göttliche Denken kontinuierlich und ewig (ὥστε ζωὴ καὶ αἰὼν συνεχὴς καὶ ἀΐδιος ὑπάρχει τῷ θεῷ – Metaph. Λ7, 1072b28–30).365 Zusammenfassend haben der menschliche und der göttliche Geist an der Immaterialität und der aktiven Tätigkeit teil. Im Gegensatz zum menschlichen Denken, das die gesetzten Begriffe thematisiert (ἀνθρώπινος νοῦς→νοητόν – Metaph. Λ9, 1075a7),366 orientiert sich das göttliche Denken an sich selbst (νοῦς
364 An dieser Stelle redet Aristoteles davon, dass jedes Unteilbare dasjenige sei, welches keine Materie habe. Aber vor dem Hintergrund des Vergleichs zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Geist spielt die Materie keine Rolle, denn die beiden sind immateriell. Darum soll man in diesem Kontext den Terminus ὕλη nicht wörtlich als Materie, sondern als die mit der Materialität verbundene Passivität und Möglichkeit verstehen. Während der menschliche Geist Anteil an der Passivität und der Potentialität hat, transzendiert der absolute Geist die beiden Eigentümlichkeiten des menschlichen Geistes. Was daher im wahrhaften Sinne unteilbar und undifferenziert sein kann, ist nur der absolute Geist. 365 Ontologisch gesehen weist das συνεχές darauf hin, dass ein und dasselbe Seiende die beiden Grenzen/Enden zusammenbindet, die durch die Teilung zustande gebracht werden. (1) Phys. E3, 227a10–17: τὸ δὲ συνεχὲς ἔστι μὲν ὅπερ ἐχόμενόν τι, λέγω δ’ εἶναι συνεχὲς ὅταν ταὐτὸ γένηται καὶ ἓν τὸ ἑκατέρου πέρας οἷς ἅπτονται, καὶ ὥσπερ σημαίνει τοὔνομα, συνέχηται. τοῦτο δ’ οὐχ οἷόν τε δυοῖν ὄντοιν εἶναι τοῖν ἐσχάτοιν. τούτου δὲ διωρισμένου φανερὸν ὅτι ἐν τούτοις ἐστὶ τὸ συνεχές, ἐξ ὧν ἕν τι πέφυκε γίγνεσθαι κατὰ τὴν σύναψιν. καὶ ὥς ποτε γίγνεται τὸ συνέχον ἕν, οὕτω καὶ τὸ ὅλον ἔσται ἕν, οἷον ἢ γόμφῳ ἢ κόλλῃ ἢ ἁφῇ ἢ προσφύσει. (2) Phys. E4, 228a30–228b1: κεῖται γὰρ τὸ συνεχές, ὧν τὰ ἔσχατα ἕν. [. . .] τοῦτο δ’, ὅταν ἓν τὸ ἔσχατον γένηται ἀμφοῖν. (3) Phys. Z1, 231a21–23: συνεχῆ μὲν ὧν τὰ ἔσχατα ἕν, ἁπτόμενα δ’ ὧν ἅμα, ἐφεξῆς δ’ ὧν μηδὲν μεταξὺ συγγενές. Die Linie, die Fläche, der Körper, der Raum und die Zeit sind deswegen durch συνεχές gekennzeichnet, weil der Punkt die geteilte Linie, die Linie die geteilte Fläche, die Fläche den geteilten Körper, der Körper den geschaffenen Raum und das Jetzt die Vergangenheit und die Zukunft jeweils zusammenhält (Cat. 6, 4b20–25, 5a1–14). Insofern das Naturseiende Form-Stoff und das Denken Denkendes-Gedachtes zusammenbindet, werden das eine sowie das andere als συνεχές bezeichnet. Außerdem überschneidet sich das συνεχές mit der Kontinuität (ἐφεξῆς), wenn sich das per se Zusammengesetzte in der Zeit bewegt (ὥστ’ ἐχόμεναι καὶ ἐφεξῆς εἰσὶ τῷ τὸν χρόνον εἶναι συνεχῆ, συνεχὴς δὲ τῷ τὰς κινήσεις – Phys. E4, 228a30–31). Überdies fallen beim absoluten Geist das ontologische Zusammenhalten und die allzeitliche Kontinuität zusammen (συνεχές = ἐφεξῆς), denn er ist als einfache Substanz per se kontinuierlich und ewig tätig. In den anderen Fällen können das Zusammenhalten und das Kontinuum nicht identifiziert werden (συνεχές ≠ ἐφεξῆς), z. B. dass der Mond zwar ein und derselbe ist, aber nicht kontinuierlich zum Vorschein kommt (Phys. E3, 227a4–6). 366 In De anima ist der menschliche Geist als sterblicher Geist (ὁ δὲ παθητικὸς νοῦς φθαρτός – De An. Γ5, 430a24–25) benannt. Das bedeutet nicht, dass der menschliche Geist sterblich ist.
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θεῖος→αὐτὴ αὑτῆς ἡ νόησις τὸν ἅπαντα αἰῶνα), sodass das passive Element des menschlichen Denkens aufgehoben wird. Während der menschliche Geist wegen der Potentialität nur in einer gewissen Zeit zu aktualisieren ist (πότε), verwirklicht sich der göttliche Geist als rein geistige Tätigkeit ständig und ewig (ἀεὶ – Metaph. Λ7, 1072b24–26; Λ9, 1075a7–10). Indem die intelligible Substanz ewig tätig ist, setzt sie alle anderen Seienden in Bewegung. Auf diese Art und Weise kommt der kosmologische Gottesbeweis zum Vorschein. Vor der Beweisführung kommt die Notwendigkeit dessen, dass die intelligible Substanz existiert, kurz zur Erwähnung. Erstens: Neben den sensiblen Substanzen, die die vergänglichen Lebewesen und die ewigen Himmelskörper umfassen, muss es eine andere Substanz geben. Wegen der essentiellen Differenz können die sensible und die intelligible Substanz kein gemeinsames Prinzip haben (Metaph. Λ1, 1069b1–2; Λ10, 1075b13–14; K2, 1060a27–31). Zweitens: Wenn es außer den sensiblen Substanzen keine andere Substanz gäbe, würden sich weder Prinzip noch Ordnung und weder natürliche Entstehung noch himmlische Bewegung ergeben.367 Drittens lässt sich die Existenz der intelligiblen Substanz indirekt nachweisen. Gäbe es neben den sensiblen/natürlichen zusammengesetzten Substanzen keine intelligible/übernatürliche Substanz, würde die Physik als die erste Philosophie gelten (Metaph. E1, 1026a27–29; K7, 1064b9–11; PA A1, 641a34–36). Nur wenn die intelligible Substanz existiert, dann kann die entsprechende Wissenschaft, nämlich die Theologie, wegen der Priorität des Untersuchungsgegenstandes als die erste Philosophie bezeichnet werden (Metaph. E1, 1026a29–31; K7, 1064b11–14). Zu der Frage, die Aristoteles an mehreren Stellen aufwirft, ob es neben den sensiblen Substanzen noch eine andere Substanz gibt (Metaph. B1, 995b13–15, 995b31–36; B2, 997a34–35; Z2, 1028b27–32; M1, 1076a10–12), liegt die Antwort nahe, die Idee als intelligible Substanz anzusehen und den mathematischen Gegenstand als Zwischending von intelligibler und sensibler Substanz zu bezeichnen.368 Aristoteles’ Auffassung nach kommt weder die eine noch der andere als
Denn laut Aristoteles ist die Unsterblichkeit der Seele nichts anderes als die Unsterblichkeit des Geistes, die durch die ewige Tätigkeit des menschlichen Geistes begründet und bewiesen wird. Da der einzelne Mensch sterblich ist, ist der menschliche Geist im übertragenen Sinne der sterbliche Geist zu nennen. 367 Metaph. Λ10, 1075b24–27: εἴ τε μὴ ἔσται παρὰ τὰ αἰσθητὰ ἄλλα, οὐκ ἔσται ἀρχὴ καὶ τάξις καὶ γένεσις καὶ τὰ οὐράνια, ἀλλ’ ἀεὶ τῆς ἀρχῆς ἀρχή, ὥσπερ τοῖς θεολόγοις καὶ τοῖς φυσικοῖς πᾶσιν. Metaph. B4, 999b5–6. 368 Metaph. B1, 995b15–18; B2, 997a35–997b3; Z2, 1028b18–27; Z11, 1037a10–13; Λ1, 1069a33–36; M1, 1076a16–22; M9, 1086a24–29. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die platonische Idee und die Zahl der Pythagoreer immer in die Erörterung des unbewegten Bewegers, d. h. der intelligiblen Substanz, einbezogen sind. Denn vor Aristoteles haben
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Substanz zur Geltung. Die platonische Idee wird nicht für Substanz bzw. Prinzip gehalten, denn sie leistet keinen Beitrag zur Entstehung und zur Bewegung, der für die aristotelische Substanz charakteristisch ist.369 Die Zahl kann weder zur Substanz noch zum Prinzip gezählt werden, weil es unmöglich ist, etwas Körperliches und Kontinuierliches aus der unkörperlichen und diskreten Zahl entstehen zu lassen.370 Darüber hinaus ist für die intelligible Substanz das Eidos im aristotelischen Sinn, nämlich die Naturart, auch kein Kandidat. Denn naturgemäß befindet sich die Naturart immer in den gleichartigen Einzeldingen (Metaph. B2, 998a11–13; Z8, 1034a2–7), und durch die gedankliche Abstraktion kann sie erst begrifflich betrachtet werden. Neben den sensiblen Substanzen muss es die intelligible Substanz geben, die weder Idee noch Zahl ist. Denn die beiden sind zwar intelligibel, aber nicht substanziell. Wegen der Trennung vom konkreten Einzelding fehlt der Idee die zugrundeliegende Substantialität und die Zahl ist die quantitative Bestimmung des Seienden. Daraus zieht Aristoteles den Schluss, dass die intelligible Substanz nichts anderes als das unbewegte Bewegende ist. Das unbewegte Bewegende verhält sich insofern wie das Prinzip von Allem, als es die Himmelskörper direkt in Bewegung setzt und die Kontinuität (ἀεὶ ἔσται γένεσις – Metaph. Λ 10, 1075b16–17) sowie die Notwendigkeit der Naturentstehung (τὸ ἐξ ἀνάγκης ἐν τῇ γενέσει – Phys. B9, 199b35–200a1) indirekt garantiert. Das unbewegte Bewegende geht über alle natürlichen Seienden hinaus und leitet die Ordnung der natürlichen Welt, der Beweis für seine notwendige Existenz aber geht umgekehrt von der Natur aus. Um die erste Bewegungsursache herzuleiten, nimmt der kosmologische Gottesbeweis des Aristoteles die bewegten Himmelskörper zum Ausgang. Die Beweisführung besteht aus zwei Schritten. Dank der ausführlichen Textanalyse und der ausgezeichneten Untersuchung von Klaus Oehler ist es uns schon plausibel geworden, dass Aristoteles in Metaphysik Λ6 (1071b5–11) vor
die beiden Schulen zwei Möglichkeiten anzubieten, die intelligible Substanz festzulegen und sie systematisch darzustellen. Bemerkenswert ist die Frage, ob die aristotelische Kritik die platonische Ideenlehre und die pythagoreische Zahlenlehre tatsächlich betrifft. Denn die Substanzlehre des Aristoteles baut auf einer anderen Ebene auf, sodass er von seinem eigenen Standpunkt ausgeht, die Substantialität der Ideen oder der Zahlen zurückzuweisen. 369 Metaph. Z8, 1033b26–29; Λ10, 1075b27–28; M5, 1079b12–18; M9, 1086a32–34. Wie gesagt können die Ideen nicht zur Entstehung und Bewegung des natürlichen Einzeldings beitragen, und zwar nicht wegen der Allgemeinheit, sondern wegen der Trennung der Ideen vom konkreten Einzelding. 370 Phys. Z1, 231a24–29; Metaph. Λ10, 1075b28–30; M8, 1083b11–17; Alexander 720.20–21: [. . .] < πῶς ἐξ ἀμεγεθῶν > τῶν ἀριθμῶν καὶ διωρισμένων ἀπ’ ἀλλήλων < ἔσται μέγεθος καὶ συνεχές. ὁ γὰρ ἀριθμὸς οὐ ποιήσει συνεχές >.
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dem Beweis der Existenz Gottes zunächst die Existenz des ewig bewegten Himmelskörpers nachzuweisen hat.371 Anders formuliert: Im ersten Schritt ist es darum zu tun, dass die unaufhörliche Bewegung auf den der Bewegung zugrundeliegenden Himmelskörper zurückgeht. Im zweiten Schritt geht es darum, dass der Himmelskörper als Bewegtes auf das aktive Bewegende zurückzuführen ist. Die Unterscheidung zweier argumentativer Schritte ist deshalb von großer Bedeutung, weil Aristoteles im Laufe der Argumentation zwei verschiedene theoretische Ansätze verwendet.372 Erstens vollzieht sich die Rückführung der ewigen 371 In seinem Aufsatz: „Der Beweis für den unbewegten Beweger bei Aristoteles, Metaphysik Λ6, 1071b3–20“ behandelt Klaus Oehler (1955) das Missverständnis, den Abschnitt Λ6, 1071b5–11 als Beweis für den unbewegten Beweger anzusehen. Nicht nur die modernen Forscher vertreten diese Meinung, sondern auch Thomas von Aquin. Es ist sinnvoll, danach zu fragen, aus welchem Grund Thomas eine solche Interpretation vorgeschlagen hat. Die Reduktion des Akzidenz (der Kreisbewegung) auf die himmlische Substanz kann Thomas deswegen mit der Rückführung der bewegten Substanzen auf die bewegende Substanz identifizieren, weil seiner Meinung nach die Substanz nichts anderes als die Ursache des Akzidenz sei. Vgl. (1) Summa contra Gentiles lib.1 cap.34 n.2 [23817]: „In huiusmodi autem analogica praedicatione ordo attenditur idem secundum nomen et secundum rem quandoque, quandoque vero non idem. Nam ordo nominis sequitur ordinem cognitionis: quia est signum intelligibilis conceptionis. Quando igitur id quod est prius secundum rem, invenitur etiam cognitione prius, idem invenitur prius et secundum nominis rationem et secundum rei naturam: sicut substantia est prior accidente et natura, inquantum substantia est causa accidentis; et cognitione, inquantum substantia in definitione accidentis ponitur. Et ideo ens dicitur prius de substantia quam de accidente et secundum rei naturam et secundum nominis rationem.“ (2) Sentencia Metaphysicae lib.12 l.4 n.21 [84046]: „Entium enim quaedam sunt separabilia, scilicet substantiae; alia sunt inseparabilia, scilicet accidentia, quia passiones et motus et huiusmodi accidentia non possunt esse sine substantiis. Unde manifestum est quod principia prima in genere substantiae sunt etiam causae omnium aliorum generum, non solum quantum ad primam causam moventem, sed etiam quantum ad causas intrinsecas. Nam materia et forma substantiae, sunt causae accidentium.“ –In der thomistischen Metaphysik, d. h. in der Transzendentalienlehre, ist es von entscheidender Bedeutung, das Verhältnis von Akzidenz und Substanz (accidentia-substantia) mit der Beziehung von Effekt und Ursache (effectus-causa) gleichzusetzen, die ohne Weiteres die Beziehung von Geschöpf und Schöpfer (creatura-Deus) aufweist. Aufgrund dessen ist Thomas der Meinung, dass die Substanz als Ursache des Akzidenz gilt, wie der Schöpfer als Ursache des Geschöpfs gilt. Während der Schöpfer als Wirk-, Ziel-, Form- und Stoffursache des Geschöpfs zur Geltung kommt, kann die Substanz nichts anderes als die Stoffursache des Akzidenz sein (Metaph. Λ5, 1070b36–1071a2). Denn die Einzelsubstanz liegt der zukommenden Eigenschaft zugrunde, ohne sie formen oder bewegen zu können. Während die Einzelsubstanz die Stoffursache des Akzidenz ist, verhält sich das unbewegte Bewegende als Bewegungsursache der Himmelskörper. Deshalb darf die Rückführung des Akzidenz auf die Substanz nicht mit der Rückführung des Bewegten auf das Bewegende vermischt sein. Vgl. auch Schwegler (1848: 251–252) und Enrico (2000: 181–206). 372 Enrico (2000: 182): „This is important, because the two kinds of eternal substance, the movable and the unmovable, require two different kinds of argumentation.“
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Kreisbewegung auf die ewige Substanz anhand der aristotelischen Kategorienlehre, denn die Bewegung als Akzidenz steht in Abhängigkeit von der Substanz (accidentia→substantia). Zweitens geht es im Hauptteil des Beweises um das Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Typen von Substanzen, nämlich wie das Bewegte auf das unbewegte Bewegende zurückgreift (effectus→causa efficiens). Zuerst lässt sich die Existenz der Himmelskörper, die sinnlich wahrnehmbar und ewig sind, folgendermaßen beweisen. Aristoteles geht davon aus, dass die Substanzen den anderen Seienden, d. h. den Eigenschaften, vorrangig sind (αἵ τε γὰρ οὐσίαι πρῶται τῶν ὄντων – Metaph. Λ6, 1071b5).373 Wenn alle Substanzen vergänglich wären, dann würden alle anderen Seienden auch zugrunde gehen (εἰ πᾶσαι φθαρταί, πάντα φθαρτά – Metaph. Λ6, 1071b6). Aber es ist unmöglich, dass die Bewegung entsteht und vergeht, denn die himmlische Kreisbewegung ist ewig dauernd (ἀλλ’ ἀδύνατον κίνησιν ἢ γενέσθαι ἢ φθαρῆναι ἀεὶ γὰρ ἦν – Metaph. Λ6, 1071b6–7) und hält sich kontinuierlich durch (κίνησις δ’ οὐκ ἔστι συνεχὴς ἀλλ’ ἢ ἡ κατὰ τόπον, καὶ ταύτης ἡ κύκλῳ – Metaph. Λ6, 1071b10–11). Da die Bewegung als Eigenschaft der bestimmten Substanz inhärieren muss, impliziert die ewige Kreisbewegung den ewigen Bewegungsträger, den Himmelskörper.374 373 Vor dem oben zitierten Satz steht ein Satz, womit das sechste Kapitel anfängt. Der Anfangssatz bringt noch einmal die drei Typen der Substanzen zum Ausdruck und bestätigt die Existenz der ewigen und unbewegten Substanz. Danach erscheint der erwartete Beweis für das unbewegte Bewegende nicht im Text. Oehler weist ganz richtig darauf hin, dass es zwischen dem Anfangssatz (Metaph. Λ6, 1071b3–5) und dem zitierten Satz (Λ6, 1071b5) keinen direkten inhaltlichen Zusammenhang gibt. Denn bei dem einen wirft Aristoteles den Rückblick auf die Klassifikation der Substanz, die im ersten Kapitel (Metaph. Λ1, 1069a30–1069b2) schon erwähnt wird, und bei dem anderen geht es um die ontologische Priorität der Substanz gegenüber der Kategorie. 374 Um den Gedankengang klar nachzuvollziehen, reduzieren wir das originale Argument des Aristoteles. Im Kontext ist nicht nur von Bewegung, sondern auch von Zeit die Rede (Metaph. Λ6, 1071b6–10). Die Kontinuität der Zeit erbringt den Beweis für die Kontinuität bzw. die Unaufhörlichkeit der Kreisbewegung (Λ6, 1071b9–10), die auf die Ewigkeit des unbewegten Bewegenden zurückzuführen sein muss. Im Grunde genommen handelt es sich um die ontologische Abhängigkeit. Ohne die zugrundeliegende Einzelsubstanz gibt es keine Bewegung, ohne die Bewegung keine Zeit (als Messung der Bewegung), und ohne die Zeit keine zeitliche Abfolge von Frühem und Spätem (Λ6, 1071b8–9). Im aristotelischen Weltbild kann das Seiende weder früher noch später als die Zeit vorhanden sein. Denn es ist logisch widersprüchlich, zu behaupten, dass das Seiende früher als die Zeit ist, die noch nicht entsteht, oder später als die Zeit, die schon vergeht. Der Widerspruch kommt dadurch zustande, dass Aristoteles durch die Aufhebung der göttlichen Schöpfungsaktion die qualitative bzw. die wesentliche Differenz von Ewigkeit und Zeitlichkeit abschafft. Demzufolge ist die Ewigkeit weder der Zeitlichkeit ontologisch überlegen noch kann sie vor der Zeit vorliegen. Vielmehr tendiert Aristoteles dazu, die Ewigkeit mit der Allzeitlichkeit gleichzusetzen, indem er die Ewigkeit als die geistige
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Nachdem die Existenz des ewigen Himmelskörpers durch die unaufhörliche Kreisbewegung bewiesen worden ist, setzt Aristoteles das Argument in Λ7 fort.375 Wenn der Himmelskörper ewig und unaufhörlich bewegt wird, gibt es das Seiende, das den Himmelskörper in Bewegung setzt (Metaph. Λ7, 1072a21–24).376 Auf den ersten Blick scheint der Syllogismus ganz schlüssig zu sein. Im Obersatz wird der Himmelskörper für das Bewegte gehalten. Der Untersatz weist darauf hin, dass der Himmelskörper als Bewegtes einer aktiv bewegenden Wirkursache bedarf. Denn die ganze Beweisführung des kosmologischen Gottesbeweises basiert auf der Prämisse dessen, dass das Bewegte von einem Seienden bewegt werden muss (ἐπεὶ δὲ τὸ κινούμενον ἀνάγκη ὑπό τινος κινεῖσθαι – Metaph. Λ8, 1073a26; Phys. H1, 242a49–50; Θ5, 256a13–14). Daraus folgt die Konklusion, dass die Bewegungsursache des Himmelskörpers das erste Bewegende ist, das sich als das unbewegte Bewegende bezeichnen lässt. Aber um den Schluss widerspruchslos ziehen zu können, müssen zwei Sachen klargestellt werden. Erstens: Inwiefern wird der Himmelskörper als passives Bewegtes angesehen? Zweitens: Aus welchem Grund braucht der Himmelskörper unbedingt eine äußerliche Bewegungsursache? Wie der Name besagt, ist der Himmelskörper der himmlische Körper, der ewig und unaufhörlich im Kreis läuft (ἀΐδιον γὰρ καὶ ἄστατον τὸ κύκλῳ σῶμα – Metaph. Λ8, 1073a30–32). Der Himmelskörper kann deswegen nicht von selbst in Bewegung gesetzt werden, weil die Materie im Allgemeinen nicht zu einer aktiven Einwirkung fähig ist (Metaph. Λ6, 1071b28–31). Da die Materialität mit der Passivität verbunden ist, gilt der Himmelskörper wegen der materialen Körperlichkeit als passives Bewegtes. Aus der Körperlichkeit kann zwar die Passivität folgen, aber keine Notwendigkeit, eine äußerliche Wirkursache anzunehmen. Obwohl das einzelne Lebewesen körperlich und stofflich ist, trägt es die Ruheund die Bewegungsursache sowie das Entstehungsprinzip in sich. Wäre der
Tätigkeit in der unendlichen Zeit bestimmt (Λ7, 1073a7). Zusammenfassend greifen die zwei Zeitmodi „früh-spät“ auf die Zeit zurück, die Zeit auf die Bewegung und die Bewegung auf die Substanz (πρότερον-ὕστερον→χρόνος→κίνησις→οὐσία). 375 Metaph. Λ7, 1072a21–26; Phys. Θ5, 256a4–21; De Cae. Γ2, 300b8–25; Oehler 1955: 86. Der vollständige kosmologische Gottesbeweis entwickelt sich eigentlich nicht in der Metaphysik Λ (6–10). In Λ7 (1072a21–26) wird die Beweisführung nur ganz kurz erwähnt. Um den Gedankengang des Beweises nachzuvollziehen, müssen wir das Argument in der Physik (H1, Θ5) einfügen. Der kosmologische Gottesbeweis lässt sich dadurch rekonstruieren, dass die Texte in der Metaphysik und in der Physik nach dem Sinnzusammenhang zusammengestellt und analysiert werden. 376 Ross (1924: 374) hat den kurzen Satz „ἔστι τοίνυν τι καὶ ὃ κινεῖ“ nicht nur richtig verstanden, sondern auch begründet: „From the existence of a κινούμενον [1072a21] there cannot be inferred the existence of something which it moves, but only the existence of something that moves it. ὃ therefore is subject of κινεῖ as in I. 25.“
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Himmelskörper beseelt (ἔμψυχον), wie die antiken Kommentatoren in ihren Interpretationen vorgeschlagen haben (Alexandri In Metaphysica Commentaria 686. 2–16), hätte es, wie das einzelne Naturseiende, sich selbst in Bewegung setzen können. Falls der Himmelskörper wie das Lebewesen die Wirkursache verinnerlicht, kommt eine äußerliche Bewegungsursache überhaupt nicht in Frage.377 Daraus folgt konsequenterweise der Schluss, dass der Himmelskörper rein körperlich sein muss. Wegen des Mangels an einem inneren geistigen Prinzip kann der Himmelskörper nicht von sich selbst bewegt, sondern muss von einer äußerlichen Bewegungsursache angetrieben werden. Der Himmelskörper ist die materiale Substanz. Die Materie als Individualisierungsprinzip führt zur Vielzahl der Individuen. Analog dazu, dass die menschliche Art trotz der Vielheit der einzelnen Menschen ein und dieselbe ist, ist der Himmelskörper der Art nach eines und der Zahl nach sind die Himmelskörper viele (Metaph. Λ8, 1074a31–35).378 Wenn der Himmelskörper einer äußerlichen Bewegungsursache bedarf, kann der eine Himmelskörper von dem anderen bewegt werden. Falls Α von Β, Β von Γ und Γ wiederum von Δ bewegt wird, setzt sich die Kette ins Unendliche fort. Um den unendlichen Regress zu vermeiden, muss ein erstes Bewegendes vorliegen (τὸ πρῶτον κινοῦν), das alle Himmelskörper bewegt und selbst von keinem anderen bewegt wird.379 Gerade in diesem Sinne lässt sich 377 Enrico (2000: 202): „Furthermore, says Theophrastus, if heaven is living like other living beings, its movement could be explained by the action of its soul, and would not need any unmovable mover (10a16–21).“ 378 Dadurch, dass Aristoteles die Lehrmeinungen von Eudoxos und Kallipos übernimmt und korrigiert, wird die Anzahl der Gestirne auf 55 festgelegt (Metaph. Λ8, 1073b17–1074a14). Anschließend liegt ein teleologischer Beweis dafür vor, dass die Gestirne trotz der Vielzahl eines sind (Λ8, 1074a22–31). Die Beweisführung scheint dem kosmologischen Gottesbeweis ähnlich zu sein. Hat jede Kreisbewegung per se ein Substrat, ist der himmlische Kreislauf nichts anderes als die kreisförmige Bewegung der Gestirne (1074a25–28). Wenn sich die eine Kreisbewegung um der anderen willen vollzieht und diese wiederum um einer weiteren willen, führt dies zur Unendlichkeit (Λ8, 1074a28–29). Um den unendlichen Regress zu vermeiden, muss ein Gestirn gesetzt werden, das als Ziel aller himmlischen Kreisbewegungen gilt (Λ8, 1074a29–31). Darum gibt es nur ein einziges Gestirn, worauf sich alle sich im Kreis bewegenden Gestirne ausrichten. 379 (1) Phys. H1, 242a49–55: ἐπεὶ δὲ πᾶν τὸ κινούμενον ἀνάγκη κινεῖσθαι ὑπό τινος, ἐάν γέ τι κινῆται τὴν ἐν τόπῳ κίνησιν ὑπ’ ἄλλου κινουμένου, καὶ πάλιν τὸ κινοῦν ὑπ’ ἄλλου κινουμένου κινῆται κἀκεῖνο ὑφ’ ἑτέρου καὶ ἀεὶ οὕτως, ἀνάγκη εἶναί τι τὸ πρῶτον κινοῦν, καὶ μὴ βαδίζειν εἰς ἄπειρον· μὴ γὰρ ἔστω, ἀλλὰ γενέσθω ἄπειρον. (2) Phys. Θ5, 256a13–21: εἰ δὴ ἀνάγκη πᾶν τὸ κινούμενον ὑπό τινός τε κινεῖσθαι, καὶ ἢ ὑπὸ κινουμένου ὑπ’ ἄλλου ἢ μή, καὶ εἰ μὲν ὑπ’ ἄλλου [κινουμένου], ἀνάγκη τι εἶναι κινοῦν ὃ οὐχ ὑπ’ ἄλλου πρῶτον, εἰ δὲ τοιοῦτο τὸ πρῶτον, οὐκ ἀνάγκη θάτερον (ἀδύνατον γὰρ εἰς ἄπειρον ἰέναι τὸ κινοῦν καὶ κινούμενον ὑπ’ ἄλλου αὐτό· τῶν γὰρ ἀπείρων οὐκ ἔστιν οὐδὲν πρῶτον) – εἰ οὖν ἅπαν μὲν τὸ κινούμενον ὑπό τινος κινεῖται, τὸ δὲ πρῶτον κινοῦν κινεῖται μέν, οὐχ ὑπ’ ἄλλου δέ, ἀνάγκη αὐτὸ ὑφ’ αὑτοῦ κινεῖσθαι.
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das erste Bewegende als unbewegtes Bewegendes bezeichnen (ἔστι τοίνυν τι καὶ ὃ κινεῖ. ἐπεὶ δὲ τὸ κινούμενον καὶ κινοῦν [καὶ] μέσον, [. . .] τοίνυν ἔστι τι ὃ οὐ κινούμενον κινεῖ – Metaph. Λ7, 1072a24–26). Anhand der Beweisführung hebt das unbewegte Bewegende als allererste Bewegungsursache insofern die Passivität auf, als es von keinem anderen bewegt werden kann. Da die Passivität und die Materialität miteinander zusammenhängen und zueinander wechselseitig stehen (materia quasi potentia passiva), lässt sich die Materialität durch die Aufhebung der Passivität mitaufheben (ἄνευ ὕλης – Metaph. Λ6, 1071b20–21; ἄνευ μεγέθους – Metaph. Λ8, 1073a36–1073b1). Das unbewegte Bewegende kann nur dann die Ursache-Folge-Kette abschließen, wenn es immateriell und rein geistig ist. Wäre das unbewegte Bewegende mit dem Stoff behaftet, müsste dessen Bewegung von einem anderen in Gang gebracht werden. Außerdem ist es unmöglich, dass sich das unbewegte Bewegende in Ruhe befindet. Denn das unbewegte Bewegende als erste Bewegungsursache darf nicht unbeweglich sein, sondern verhält sich immer aktiv wirksam (actus purus, ἡ ἁπλῆ καὶ κατ’ ἐνέργειαν – Metaph. Λ7, 1072a31–32). Sobald die bewegende Ursache aufhört, tätig zu sein, geht die himmlische Kreisbewegung sofort zu Ende, der es dann an der Antriebskraft mangelt. Da das erste unbewegte Bewegende immateriell ist und als rein geistige Tätigkeit gilt, ist es sowohl dem Wesen als auch der Zahl nach eines (ἓν ἄρα καὶ λόγῳ καὶ ἀριθμῷ τὸ πρῶτον κινοῦν ἀκίνητον ὄν – Metaph. Λ8, 1074a36–37).380 Des Weiteren hat das Bewegende die ontologische Priorität vor
380 Ob das unbewegte Bewegende bzw. die intelligible Substanz eines oder vieles ist (Metaph. Λ8, 1073a14–15), ist das zentrale Thema von Λ8. Das ganze Kapitel ist in drei Teile gegliedert (1073a14–22, 1073a22–1074a38, 1074a38–1074b14). Im Anfangsteil (1073a14–22) setzt Aristoteles sich mit anderen Philosophen auseinander und er kritisiert diejenigen, die die Anzahl der intelligiblen Substanzen nicht richtig bestimmen. Zum einen gehen die Platoniker, die die Ideen für Substanzen halten, überhaupt nicht auf die Anzahl der Ideen ein (1073a17–18), da dies für die ganze Ideenlehre irrelevant ist. Zum anderen lässt sich die Idee mit der Zahl gleichsetzen (1073a18–22), insofern die beiden intelligibel sind. Je nachdem, ob die Zahl zur unendlichen Vielheit oder zur „Zehnzahl“ gezählt wird, sind die Ideen entweder unendlich vieles oder nur zehn. Aristoteles hat zwar die Schwierigkeit, die Unendlichkeit der natürlichen Zahlen zurückzuweisen, aber es ermangelt sicher der logischen Begründung, die Zahlen bzw. die Ideen nur als „Zehnzahl“ zu bestimmen (1073a21–22). Im Schlussteil (1074a38–1074b14) nimmt Aristoteles einen Rückblick darauf, wie sich die Vorfahren die Götter mythisch oder anthropologisch vorgestellt haben. Das Verständnis der Götter im Mythos ist zwar nicht philosophisch, aber es hat eine wichtige soziale Funktion, nämlich die meisten Völker zu überzeugen und die Gesetze durchzusetzen. Im Hauptteil (1073a22–1074a38) dieses Kapitels geht es um die Anzahl bei der intelligiblen Substanz. Die Tatsache, dass das unbewegte Bewegende in der Pluralform auftritt (1073a38, 1074a15), führt zu einer großen Interpretationsschwierigkeit. Denn es steht der eigenen Konklusion des Aristoteles direkt entgegen, nämlich dass das erste unbewegte Bewegende sowohl dem Logos nach als auch der Zahl nach eines sei (1074a36–37). Selbst wenn es mehrere
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dem Bewegten, wie die Ursache der Folge vorrangig ist. Wenn der nachrangige Himmelskörper als ewige Substanz angenommen wird, muss das Vorrangige
unbewegte Bewegende gibt, stellt sich die Frage, wie sie sich aufeinander beziehen. Wie verhalten sich die unbewegten Bewegenden zum ersten unbewegten Bewegenden und zu den bewegten Gestirnen? Da Aristoteles solche Probleme weder vor Augen hat, noch aufzulösen versucht, ist indirekt nachzuweisen, dass er die intelligible Substanz nicht als vieles ansieht. In der Tat stellt Aristoteles die Vielzahl des unbewegten Bewegenden nur als eine Arbeitshypothese auf (ὑπολαβεῖν – 1074a14–17), die durch die vollständig entwickelte Argumentation aufgegeben werden muss. Im Grunde genommen hängt die Vielheit des unbewegten Bewegenden mit der Vorgehensweise des kosmologischen Gottesbeweises zusammen, wobei der Effekt auf die Ursache, d. h. das Bewegte auf das Bewegende, zurückzuführen sein muss (effectus→causa). Anhand der Rückführung wird nicht nur die Existenz des Bewegenden bewiesen, sondern drei Eigentümlichkeiten des Bewegten lassen sich auf das Bewegende übertragen, und zwar die Ewigkeit, die Substantialität und die Vielheit (1073a22–1073b1). Ist das Bewegte ewig und substanziell, muss das Bewegende kraft der ontologischen Priorität auch ewig (1073a27–28) und substanziell (1073a34–36) sein. Auf die gleiche Art und Weise argumentiert Aristoteles für die Anzahl der intelligiblen Substanz. Sind die Bewegten viele, muss das Bewegende auch vieles sein. Denn in der Wirklichkeit gibt es mehrere Gestirne und jedes Gestirn braucht eine Bewegungsursache (τὴν μίαν ὑφ’ ἑνός – 1073a27–28, 1073a32–34), um im Kreis laufen zu können. Anhand der allgemeinen Vorgehensweise, wobei der Effekt auf die Ursache zurückgeht, lässt sich die Schlussfolgerung notwendig ziehen, dass die Bewegungsursache wegen der Vielheit der bewegten Gestirne auch vieles ist. Während die Ewigkeit und die Substantialität vom Bewegten auf das Bewegende übertragen werden können, ist die Vielheit nicht transformierbar. Denn das unbewegte Bewegende als intelligible Substanz hebt die Materialität auf, die die sachliche Vielheit zur Folge hat. Wegen der Immaterialität kann die intelligible Substanz weder gezählt werden noch vieles sein. Aufgrund dessen rekonstruieren wir das Hauptargument in Λ8 (1073b17– 1074a38) folgendermaßen. Erstens: Durch die Übernahme und die Modifikation der astronomischen Früchte der Forschung legt Aristoteles die Anzahl der Gestirne auf 55 fest (1073b17– 1074a14). Zweitens: Das Gestirn ist der Zahl nach vieles und der Art nach eines, insofern sich alle Gestirne auf ein Gestirn ausrichten (1074a31–35). Drittens: Anhand der Prämisse, dass die Vielzahl der bewegten Gestirne zur Vielheit des Bewegenden führt, sollten die unbewegten Bewegenden der Zahl nach vieles sein und können nur eine begriffliche Einheit bilden. Viertens: Das unbewegte Bewegende kann nicht vieles sein. Denn die zahlenmäßige Vielheit ist in der Materialität fundiert, der sich die intelligible Substanz entzieht (1074a35–36). Daraus folgt, dass das erste unbewegte Bewegende nicht nur dem Begriff nach, sondern auch der Zahl nach eines ist (1074a36–37). Fünftens: Aus der Einzigartigkeit des ersten unbewegten Bewegenden folgt die Einheit des bewegten Himmelskörpers (εἷς ἄρα οὐρανὸς μόνος – 1074a38). Diese Beweisführung ist insofern von großer Bedeutung, als die generelle Methodik, die dem kosmologischen Gottesbeweis zugrunde liegt, im Ausnahmefall aufgegeben wird. In Bezug auf die Anzahl der intelligiblen Substanz ergibt sich nämlich keine Rückführung des Effektes auf die Ursache, sondern die numerische Einheit wird vom Bewegenden auf das Bewegte übertragen. Nicht die Vielheit der Gestirne führt zur Vielheit des unbewegten Bewegenden, sondern umgekehrt gewährleistet die Einzigartigkeit des unbewegten Bewegenden die Einheit des bewegten Kosmos. Vgl. auch Phys. Θ6, 259a6–13; Metaph. Λ2, 1069b31–32; Λ10, 1076a3–4; Gen. et Corr. B10, 337a17–22.
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sowohl ewig als auch substanziell sein (Metaph. Λ8, 1073a26–36). Das unbewegte Bewegende ist die ewige Substanz, indem es ewig aktiv tätig ist ([. . .] τοίνυν ἔστι τι ὃ οὐ κινούμενον κινεῖ, ἀΐδιον καὶ οὐσία καὶ ἐνέργεια οὖσα – Metaph. Λ7, 1072a24–26). Insgesamt ist das unbewegte Bewegende durch Aktivität, Immaterialität, Aktualität, Einzigartigkeit, Ewigkeit und Substantialität gekennzeichnet. Anhand des kosmologischen Gottesbeweises lässt sich das erste unbewegte Bewegende durch den ewigen himmlischen Kreislauf argumentativ herleiten. Wie gezeigt wurde, ist der Beweis nur dann durchführbar, wenn die zwei Prämissen vorausgesetzt werden. Erstens kann die Materie als passives Prinzip sich selbst nicht in Bewegung setzen. Zweitens darf die Effekt-Ursache-Reihe nicht in den unendlichen Regress geraten. Unter beiden Bedingungen müssen der bewegte Himmelskörper auf das unbewegte Bewegende und die materielle Substanz auf die immaterielle Substanz zurückzuführen sein. Außer dem kosmologischen Nachweis, der mit der Problematik der ersten Bewegungsursache zusammenhängt, fügt Aristoteles einen anderen Beweis hinzu, der aus der Perspektive der Modalität argumentiert. Die modale Beweisführung weist darauf hin, dass die drei Seinsbereiche, nämlich der sublunare, der himmlische und der geistige Bereich, nicht beziehungslos zueinander stehen, sondern die entsprechenden Substanzen, d. h. Lebewesen, Himmelskörper und Geist, in enge Verbindung gesetzt werden. Zunächst lässt sich die Naturwelt zum Ausgangspunkt nehmen. Wenn das einzelne Lebewesen ständig entsteht und vergeht, muss es etwas anderes, d. h. den Himmelskörper, geben, der immer tätig ist und sich anders verhält (εἰ δὲ μέλλει γένεσις καὶ φθορὰ εἶναι, ἄλλο δεῖ εἶναι ἀεὶ ἐνεργοῦν ἄλλως καὶ ἄλλως – Metaph. Λ6, 1072a10–12).381 Nach der einen Seite macht die
381 An der vorliegenden Stelle (Metaph. Λ6, 1072a9–18) stimmen alle Kommentatoren erstaunlicherweise miteinander überein. Demzufolge geht es darum, wie die Planetenregion aus der sublunaren Naturwelt und die Fixsternsphäre aus der Planetenregion schrittweise hergeleitet werden. (1) Alexander 692.5–35: γένεσις-φθορά→ἥλιος→ἀπλανὴς; (2) Thomas Sententia Metaphysicae lib.12 l.6 n.12 [84082], lib.12 l.6 n.13 [84083]: generatio et corruptio→sol et alli planetae→primum caelum; (3) Schwegler (1848: 255–256): die Erde→die Planetenregion→die Fixsternsphäre; (4) Ross (1924: 371–372): the alternation of birth and death→the ecliptic motion of the sun→the motion of the sphere of the fixed stars. Nach der Standardinterpretation werden das Entstehen und das Vergehen der Lebewesen von der Sonne beeinflusst. Die Sonne verhält sich insofern immer anders (ἄλλο δεῖ εἶναι ἀεὶ ἐνεργοῦν ἄλλως καὶ ἄλλως – Metaph. Λ6, 1072a10–12), als sie zur Erde bald nahe, bald fern steht. Durch die Kreisbewegung wirkt sich die Sonne auf den Wechsel von Entstehen und Vergehen aus. Aber die Homogenität und die Gleichartigkeit der Naturentstehung müssen von einem anderen garantiert werden, das sich im Gegensatz zur Sonne immer auf die gleiche Weise bewegt (δεῖ τι ἀεὶ μένειν ὡσαύτως ἐνεργοῦν – Metaph. Λ6, 1072a9–10). Damit ist der Fixstern gemeint, der direkt auf die Sonne
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Ewigkeit der himmlischen Kreisbewegung die Kontinuität des natürlichen Entstehens und Vergehens möglich; nach der anderen Seite kann das Lebewesen deswegen bald entstanden und bald vergänglich sein, weil der Himmelskörper auf das Lebewesen nicht in gleicher, sondern auf andere Weise einwirkt. Mit anderen Worten ereignet sich in der Natur gerade deshalb der ständige Wechsel von Entstehen und Vergehen, d. h. von Leben und Tod, weil sich der Himmelskörper, vor allem die Sonne, auf den sublunaren Bereich auswirkt. Je nachdem, ob die Sonne zur Erde nahe oder fern steht, ist das einzelne Naturding entstanden oder vergänglich (Gen. et Corr. B10, 336a30–336b10, 336b17–18). Im Gegensatz zum Lebewesen entzieht sich der Himmelskörper dem Entstehen und dem Vergehen, da er ewig bewegt wird und seiend ist. Der Himmelskörper ist zwar substanziell nicht zu verändern, örtlich aber veränderlich, indem er in der kreisförmigen Laufbahn immer eine andere Stelle einnimmt. Der Himmelskörper, der an verschiedenen Stellen auftritt, weist wiederum auf das
und indirekt auf das sublunare Seiende einwirkt. Unter der Auswirkung der Sonne sind die Naturseienden entstanden und vergänglich und durch den Einfluss der Fixsterne vollzieht sich die Naturentstehung zweckmäßig. Unsere Textauslegung weicht von der erwähnten Standardinterpretation ab. Denn aufgrund der traditionellen Interpretation ist es schwierig zu verstehen, inwiefern sich der Fixstern gleicherweise bewegt (ὡσαύτως ἐνεργοῦν). Schwegler (1848: 255) bezeichnet diese eigentümliche Bewegung als die wandellose Kreisbewegung. Vielleicht ist damit gemeint, dass die Fixsterne nur in Bezug auf die Erde unveränderlich sind, wie Ross (1924: 371) sehr sorgfältig ausdrückt. Aber in der Tat können die Fixsterne nicht unveränderlich sein, sondern sie können dies nur dem Anschein nach sein. Aristoteles’ Meinung nach gibt es keine Himmelskörper, die räumlich unveränderlich sind und an derselben Stelle stehenbleiben (Metaph. Θ8, 1050b20–24). Nicht nur die Planeten, sondern auch die Fixsterne bewegen sich, sodass sowohl die einen als auch die anderen örtlich anders sind. Die Planeten und die Fixsterne haben gemeinsam, dass sie substanziell unveränderlich sind, räumlich aber veränderlich sein müssen. In diesem Fall kann die Fixsternbewegung nicht durch das ὡσαύτως ἐνεργοῦν gekennzeichnet sein, das die gleichmäßige Tätigkeit, d. h. die geistige Tätigkeit, impliziert. Aus dem Grund identifizieren wir das, was immer gleichmäßig tätig ist, nicht mit dem Fixstern, sondern mit dem unbewegten Bewegenden. Unsere Interpretation kommt dadurch zustande, dass der Unterschied zwischen Planeten und Fixstern aufgehoben wird. Demzufolge geht es darum, dass das Entstehen-Vergehen der Lebewesen vom Gestirn beeinflusst werden, das von einem unbewegten Bewegenden angetrieben werden muss. Der Grund, dass die Kommentatoren zögern, das unbewegte Bewegende in die Interpretation einzuführen, liegt vermutlich darin, dass ihrer Meinung nach der kosmologische Gottesbeweis erst im Kapitel 7 auftritt. So handelt es sich im Kapitel 6 noch nicht um das unbewegte Bewegende, sondern nur um die bewegten Himmelskörper. Obwohl sich die Existenz Gottes noch nicht nachweisen lässt, kommt im Kapitel 6 das unbewegte Bewegende als reine Tätigkeit (ἐνέργεια – Metaph. Λ6, 1071b22, 1071b20) bereits zur Sprache. Darum gibt es weder einen logischen Widerspruch noch sachliche Hindernisse, das sich immer gleichmäßig Bewegende als das unbewegte Bewegende auszulegen.
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Seiende hin, das sich auf die gleiche Art und Weise verwirklicht (δεῖ τι ἀεὶ μένειν ὡσαύτως ἐνεργοῦν – Metaph. Λ6, 1072a10). Die örtliche Veränderlichkeit des Himmelskörpers geht deshalb unbedingt auf das Unveränderliche zurück, weil die Regelmäßigkeit der himmlischen Kreisbewegung von dem Einfachen (ἁπλοῦν), dem es unmöglich ist, anders zu sein, garantiert werden muss (Metaph. Λ7, 1072b4–11). Indem das unbewegte Bewegende ewig bewegend und aktiv wirksam ist, ist es das absolut Notwendige. Es bietet die Garantie nicht nur für die himmlische Kreisbewegung, sondern auch für die natürliche Entstehung. Denn in den meisten Fällen erreicht die Naturart ihr eigenes Ziel, dem gleichartigen Einzelding die Eigentümlichkeit zu übermitteln, und bringt selten Fehlerhaftes oder Irrtümliches zustande. Aber die Tatsache, dass das Widernatürliche der Natur selbst entstammt (αὐτόματον), weist darauf hin, dass nicht die Natur selbst, sondern nur das absolut Notwendige die Zweckmäßigkeit der Naturentstehung gewährleisten kann. Wenn Aristoteles behauptet, dass der Himmelskörper und die Natur aus dem notwendigen Prinzip stammen (ἐκ τοιαύτης ἄρα ἀρχῆς ἤρτηται ὁ οὐρανὸς καὶ ἡ φύσις – Metaph. Λ7, 1072b13–14), ist damit nicht gemeint, dass die himmlischen und die sublunaren Seienden von einem übergeordneten Prinzip geschaffen sind, sondern, dass die natürliche Wirklichkeit vom übernatürlichen Notwendigen garantiert werden muss. Während anhand des kosmologischen Gottesbeweises das Bewegte auf das unbewegte Bewegende zurückzuführen ist (κινούμενον→κινοῦν ἀκίνητον), greifen in der modalen Beweisführung die wirklichen Seienden auf das absolut Notwendige zurück (τὰ ὄντα ἐνεργείᾳ→τὸ ἀναγκαῖον). Außer dass die unaufhörliche Kreisbewegung der Himmelskörper einer ewigen Wirkursache bedarf, müssen die Regelmäßigkeit der himmlischen Bewegung und die Zweckmäßigkeit der natürlichen Entstehung von einem absolut notwendigen Prinzip gewährleistet werden. Dem modalen Nachweis zufolge hängen Lebewesen, Himmelskörper und Geist zusammen, indem das Entstehen und das Vergehen im sublunaren Bereich vom himmlischen Kreislauf beeinflusst werden, der wiederum durch die Antriebskraft der ersten Bewegungsursache in Gang gebracht wird. Durch die Gewähr des absolut Notwendigen ist dem Himmelskörper und dem Lebewesen die gewisse Notwendigkeit zugeteilt. Dies zeigt sich darin, dass die Grundbedeutung, die der Mehrdeutigkeit der Notwendigkeit382 zugrunde liegt, in
382 Die Notwendigkeit ist mehrdeutig, indem sich die Grundbedeutung, dass etwas nicht anders sein kann (Metaph. Δ5, 1015a33–36; Γ5, 1010b28–30), auf die verschiedenen Seinsbereiche erstreckt. Erstens: In der Natur bewegt sich oder vollzieht sich das Seiende entweder gemäß der Natur oder gegen die Natur (κατὰ φύσιν-παρὰ φύσιν – APo. B11, 94b36–95a3; Phys. E6, 230b10–231a17). In beiden Fällen zeigt sich die Notwendigkeit (ἡ δ’ ἀνάγκη διττή – APo. B11, 94b37), wie z. B. dass das Feuer seiner Natur nach auf- und der eigenen Natur entgegen
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absteigt (Phys. E6, 230b13–14). Einerseits besteht die naturgemäße Notwendigkeit des natürlichen Kompositums aus der materialen Zwangsläufigkeit und der formalen Zweckmäßigkeit (ὕλη-οὗ ἕνεκα – Phys. B9, 199b34–200a15). Die Materie und das Ziel sind deswegen notwendig, weil das konkrete Einzelne weder ohne die eine noch ohne das andere entstanden sein kann. Andererseits wird die naturwidrige Notwendigkeit als Gewalt oder Zwang bezeichnet (τὸ βίαιον καὶ ἡ βία – Metaph. Δ5, 1015a26–33, 1015a36–1015b3; Λ7, 1072b12), der sich nicht nur gegen die Natur (παρὰ φύσιν), sondern auch gegen den Willen, die Entscheidung oder die Vernunft des Menschen auswirkt (ἔτι τὸ βίαιον καὶ ἡ βία· τοῦτο δ’ ἐστὶ τὸ παρὰ τὴν ὁρμὴν καὶ τὴν προαίρεσιν ἐμποδίζον καὶ κωλυτικόν, τὸ γὰρ βίαιον ἀναγκαῖον λέγεται, [. . .] – Metaph. Δ5, 1015a26–28; ἐναντίον γὰρ τῇ κατὰ τὴν προαίρεσιν κινήσει καὶ κατὰ τὸν λογισμόν – Metaph. Δ5, 1015a32–33). Während der Mensch mithilfe der Vernunft frei wählen, verschiedene Entscheidungen treffen oder anders handeln kann, hat der Zwang zur Folge, dass er sich nicht anders verhalten kann. Darunter ist das unerschütterliche Schicksal zu verstehen. Zweitens: Mit dem Notwendigen ist außerdem das dem (guten) Leben Unentbehrliche gemeint (Metaph. Δ5, 1015a20–26, 1015b3–6; Λ7, 1072b12). Es ist für Menschen und Tiere unentbehrlich, Nahrung aufzunehmen und zu atmen, da sie ohne solche Tätigkeiten nicht überleben können (οὗ ἄνευ οὐκ ἐνδέχεται ζῆν – Metaph. Δ5, 1015a20–22). Es ist für den Kranken notwendig, Medikamente einzunehmen (Metaph. Δ5, 1015a22–26), da dies als notwendige Bedingung des (guten) Lebens gilt (συναιτίον – Metaph. Δ5, 1015a20, 1015b3). Drittens: In der Logik ergibt sich der notwendige Syllogismus (ἡ ἀπόδειξις τῶν ἀναγκαίων – Metaph. Δ5, 1015b6–9; Phys. B9, 200a15–19). Wenn der Obersatz sowie der Untersatz immer wahr und keineswegs falsch sind, lässt sich eine wahre Konklusion notwendigerweise ziehen. Viertens: Darüber hinaus gibt es das absolut Notwendige, das seinerseits das unbewegte Bewegende aufweist (Metaph. Δ5, 1015b9–15; Λ7, 1072b13; EN Z3, 1139b22–24). Während das absolut Notwendige von keinem anderen abhängt, müssen alle anderen notwendigen Seienden auf etwas anderes bezogen sein und sind nur relativ notwendig (τῶν μὲν δὴ ἕτερον αἴτιον τοῦ ἀναγκαῖα εἶναι, τῶν δὲ οὐδέν, ἀλλὰ διὰ ταῦτα ἕτερά ἐστιν ἐξ ἀνάγκης – Metaph. Δ5, 1015b9–11). Die materiale Zwangsläufigkeit und die formale Zweckmäßigkeit stehen in einem Wechselverhältnis und sind korrelativ. Die Notwendigkeit der Gewalt, die dem natürlichen Zustand entgegensteht, sowie der Zwang des Schicksals, der sich gegen die menschliche Vernunft vollzieht, setzen den Naturzustand und die menschliche Vernunft bzw. die Freiheit voraus. Die logische Notwendigkeit ist keineswegs absolut, da sie in der notwendigen Schlussfolgerung gründet. Nichts anderes als das unbewegte Bewegende ist absolut notwendig, indem es sich wegen der Aufhebung aller Gegensätze überhaupt nicht anders verhalten kann. Aufgrund der begrifflichen Erklärung ist es schon plausibel gemacht worden, dass das unbewegte Bewegende notwendig ist, und zwar weder auf widernatürliche noch auf teleologische Weise, sondern nur deswegen, weil es einfach und absolut ist (ὥστε τὸ πρῶτον καὶ κυρίως ἀναγκαῖον τὸ ἁπλοῦν ἐστίν· τοῦτο γὰρ οὐκ ἐνδέχεται πλεοναχῶς ἔχειν, ὥστ’ οὐδὲ ἄλλως καὶ ἄλλως· ἤδη γὰρ πλεοναχῶς ἂν ἔχοι. εἰ ἄρα ἔστιν ἄττα ἀΐδια καὶ ἀκίνητα, οὐδὲν ἐκείνοις ἐστὶ βίαιον οὐδὲ παρὰ φύσιν – Metaph. Δ5, 1015b11–15; τὸ δὲ μὴ ἐνδεχόμενον ἄλλως ἀλλ’ ἁπλῶς – Metaph. Λ7, 1072b13). Bemerkenswert ist, dass in diesem Kontext (Metaph. Λ7, 1072b13) sowohl Alexander ([. . .] λέγει ὅτι ἐπειδὴ ἐξ ἀνάγκης ἐστὶ τὸ πρῶτον αἴτιον, καθὸ ἐξ ἀνάγκης ἐστί, καλῶς, < καὶ οὕτω, > τουτέστιν ὡς τὸ οὗ οὐκ ἄνευ λέγεται, < ἀρχή. > ὥστε ἐρωτώμενοι ὅτι τὸ πρῶτον αἴτιον ἀναγκαῖον ὂν πῶς ἐστιν ἀναγκαῖον, ῥητέον ὅτι οὕτως ἐστὶν ἀναγκαῖον ὅτι ἄνευ αὐτοῦ οὐκ ἔστι τὸ εὖ. καὶ συμπεραίνεται λέγων < ὁ
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den himmlischen und den sublunaren Bereich hinein auszuweiten ist. Mit der Notwendigkeit ist grundsätzlich gemeint, dass sie es nicht erlaubt, sich anders zu verhalten (ἔτι τὸ μὴ ἐνδεχόμενον ἄλλως ἔχειν ἀναγκαῖόν φαμεν οὕτως ἔχειν – Metaph. Δ5, 1015a33–35). Der Himmelskörper bewegt sich insofern notwendig kreisförmig, als er seine Bewegung weder geradlinig fortsetzen noch von seiner eigenen Laufbahn abweichen kann. Das Lebewesen ist dadurch notwendig entstanden, dass die Naturart darauf abzielt, weder Andersartiges noch Widernatürliches, sondern Gleichartiges zweckmäßig zu reproduzieren. Aber die Regelmäßigkeit der Kreisbewegung und die Zweckmäßigkeit der Naturentstehung gelten nur als relative Notwendigkeit, die vom absolut Notwendigen geleitet werden muss. Denn der Himmelskörper kann nur dann ordnungsgemäß im Kreis laufen, wenn er vom notwendigen Bewegenden angetrieben wird. Außerdem kann die Kontingenz, die aus der Natur stammt, nur durch das Übergeordnete beseitigt werden. Dagegen hängt das absolut Notwendige, das für die Notwendigkeit aller natürlichen Seienden Garantie leistet, von keinem anderen ab (Metaph. Δ5, 1015b9–11). Indem die analogischen Paare, wie Materialität-Formalität, PassivitätAktivität und Potentialität-Aktualität aufgehoben werden, ist das erste und absolut Notwendige durchaus einfach. Wegen der Einfachheit ist es ihm überhaupt nicht möglich, anders zu sein (ὥστε τὸ πρῶτον καὶ κυρίως ἀναγκαῖον τὸ ἁπλοῦν ἐστίν· τοῦτο γὰρ οὐκ ἐνδέχεται πλεοναχῶς ἔχειν, ὥστ’ οὐδὲ ἄλλως καὶ ἄλλως – Metaph. Δ5, 1015b11–13). Dadurch, dass das absolut Notwendige den natürlichen Seienden die relative Notwendigkeit verleiht, werden der Himmelskörper und das Lebewesen in eine bestimmte Ordnung gebracht (Metaph. Λ10, 1075a17–18).383 Außerdem ist die relative Notwendigkeit graduell strukturiert, indem der Himmelskörper ewig im Kreis läuft und das sublunare Naturseiende wegen der Kontingenz die Notwendigkeit in geringerem Maß besitzt. Demzufolge richten sich der Himmelskörper und das
οὐρανὸς ἄρα καὶ ἡ φύσις > πᾶσα < ἐκ τοιαύτης ἤρτηται ἀρχῆς. > – 696.26–31) als auch Thomas (Attendendum est autem, quod cum Aristoteles hic dicat, quod necessitas primi motus non est necessitas absoluta, sed necessitas, quae est ex fine, finis autem principium est, quod postea nominat Deum, inquantum attenditur per motum assimilatio ad ipsum: assimilatio autem ad id quod est volens, et intelligens, cuiusmodi ostendit esse Deum, attenditur secundum voluntatem et intelligentiam, sicut artificiata assimilantur artifici, inquantum in eis voluntas artificis adimpletur: sequitur quod tota necessitas primi motus subiaceat voluntati Dei – Sententia Metaphysicae lib.12 l.7 n.17 [84106]) die Notwendigkeit des unbewegten Bewegenden nicht im Sinne eines absolut Notwendigen, sondern als notwendige Bedingung des Guten interpretieren, um den teleologischen Charakter Gottes hervorzuheben. 383 Wörtlich gesagt stehen alle natürlichen Seienden nicht derart zueinander, dass sich das eine auf das andere zufällig bezieht. Vielmehr ist eine bestimmte Ordnung in der Natur vorhanden, sodass die Gestirne und die Lebewesen miteinander zusammenhängen.
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Lebewesen zwar zusammen auf das Übernatürliche aus, aber wegen der Graduierung der relativen Notwendigkeit vollzieht sich die Orientierung nicht auf die gleiche Art und Weise (πάντα δὲ συντέτακταί πως, ἀλλ’ οὐχ ὁμοίως – Metaph. Λ10, 1075a16). Um den Zusammenhang zu verdeutlichen, wendet sich Aristoteles zwei Gleichnissen zu. Das ganze Universum, das die himmlische und die irdische Sphäre umfasst, lässt sich einerseits mit der sublunaren Naturwelt und anderseits mit der Familie bzw. der Polis vergleichen. Vor allem kann das Gleichnis von Universum, Naturwelt und Polis nur dann aufgestellt werden, wenn den drei verschiedenen Bereichen etwas Gleiches innewohnt. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass sich die Seienden im ganzen Universum, in der sublunaren Naturwelt und in der Polis nicht nur ausdifferenzieren, sondern auch zur jeweiligen Ganzheit zusammenfügen (λέγω δ’ οἷον εἴς γε τὸ διακριθῆναι ἀνάγκη ἅπασιν ἐλθεῖν, καὶ ἄλλα οὕτως ἔστιν ὧν κοινωνεῖ ἅπαντα εἰς τὸ ὅλον – Metaph. Λ10, 1075a23–25). Wie das ganze Universum in Gestirnsphäre und Natursphäre geteilt ist, lässt sich das unvernünftige Lebewesen in Tier und Pflanze und das gesellschaftliche Individuum in Bürger und Sklave-Haustier zerlegen. Im Fall der Ausdifferenzierung ergibt sich die kosmologische, die irdische und die politische Vereinigung nur dann, wenn sowohl die himmlischen und die sublunaren Seienden, als auch die tierischen und die vegetativen Lebewesen, weiter noch die freien und die unfreien Bürger auf das jeweilige Übergeordnete gerichtet sind. Wegen des ungleichen Grades der relativen Notwendigkeit verhalten sich die zwei Klassen im jeweiligen Bereich nicht gleicherweise. Ähnlich wie das himmlische Seiende mit der höheren Notwendigkeit und das irdische mit der geringeren Notwendigkeit ausgestattet sind, handelt in der Naturwelt das Tier zweckvoller als die Pflanze. Im Staat verhalten sich die freien Bürger insofern wie die ewigen Gestirne im Himmel, als sie die ganze Zeit oder in den meisten Fällen ordentlich und regelmäßig das machen, was zum gemeinsamen Wohl beiträgt. Im Gegensatz dazu leisten die Knechte und die Haustiere einen geringeren Beitrag zur Polis, und sehr häufig handeln sie nur zufällig (Metaph. Λ10, 1075b18–23).384 Während in der Polis der gut ausgebildete Herrscher die Bürger und die Knechte regiert, organisiert der Mensch die Naturwelt. Analog dazu soll es im Universum auch einen Herrschenden geben, der den ganzen Kosmos in eine
384 Während Alexander und Thomas die genaue Übereinstimmung von Universum und Polis nicht ausdrücklich machen, stimmen Schwegler (1848: 288) und Ross (1924: 401) damit überein, dass die freien Bürger in der Polis wegen des höheren Grades der Notwendigkeit den Himmelskörpern entsprechen und die Handlungen der Sklaven und der Haustiere mit dem Zufall behaftet sind, wie die sublunare Naturwelt mit der Kontingenz verbunden ist.
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harmonische Ordnung setzt. Anhand eines anderen Gleichnisses ausgedrückt, verkörpert das Übernatürliche, das dem Natürlichen übergeordnet ist, den Leiter des Feldheeres. Wie der Anführer des Feldheeres das ganze Heer leitet, ohne sich davon zu trennen, so bringt das unbewegte Bewegende den beweglichen Kosmos und die vergängliche Naturwelt in eine Ordnung, ohne die beiden Bereiche zu transzendieren (Metaph. Λ10, 1075a11–15). Denn das unbewegte Bewegende kann nur dann den Himmelskörper in Bewegung setzen, wenn es als Bewegungsursache das Bewegte unmittelbar berührt. Im aristotelischen Weltbild steht das unbewegte Bewegende auf dem Gipfel der ganzen Seinshierarchie. Die Überordnung des unbewegten Bewegenden, welches als intelligible Substanz gilt, weist nicht die substanzielle Transzendenz der platonischen Ideen auf (substantia separata), sondern das Überschreiten aller Gegensätze, die der sensiblen Substanz immanent sind. Zunächst lässt sich die Passivität dadurch aufheben, dass das unbewegte Bewegende die Himmelskörper bewegt und nicht davon bewegt wird. Zweitens wird die Materialität durch die Aufhebung der Passivität mitaufgehoben. Wäre das erste unbewegte Bewegende mit der Materie behaftet, müsste es von einem anderen angetrieben werden. Der unendliche Regress kann nur dann zu Ende gebracht werden, wenn statt des Bewegbaren das Unbewegbare und statt des Materiellen das Immaterielle gesetzt wird. Für die Immaterialität des unbewegten Bewegenden erbringt Aristoteles einen anderen Beweis. Der Nachweis gründet darin, dass die endliche Körperlichkeit mit der unendlichen Aktualisierung des Geistes nicht kompatibel sein kann. Das Argument geht von der Disjunktion der Größe aus, die unter dem quantitativen Aspekt die Materialität bzw. die Körperlichkeit zum Ausdruck bringt. Rein theoretisch gesehen kann die Größe ins Unbegrenzte und Begrenzte disjunktiv ausdifferenziert werden. In der Tat aber kann die Größe keineswegs unbegrenzt sein. Da der Körper substanziell begrenzt ist, muss die quantitative Bezeichnung des Körpers, d. h. die Größe, auch begrenzt sein. Indem die Unbegrenztheit der Körperlichkeit per se entgegensteht, weist der Ausdruck „die unbegrenzte Größe“ ein Paradox auf. Andererseits kann dem unbewegten Bewegenden auch keine begrenzte Größe innewohnen. Das erste und ewige Bewegende kann die himmlische Bewegung deswegen in der unendlichen Zeit betreiben (τὸ δέ γε πρῶτον κινοῦν ἀΐδιον κινεῖ κίνησιν καὶ ἄπειρον χρόνον), weil es das unbegrenzte Vermögen hat (ἄπειρον δύναμις). Die unendliche bzw. ewige Aktualisierung des unbewegten Bewegenden hat die Wurzel in der unbegrenzten Kraft, die jedoch nicht auf die begrenzte Größe beschränkt sein kann. Der körperlichen Endlichkeit stehen die Unbegrenztheit des geistigen Vermögens und die Unendlichkeit der geistigen Aktualisierung entgegen (πεπερασμένον↔ἄπειρον). Wegen des unbeschränkten Vermögens nimmt das erste unbewegte Bewegende keine Größe in sich auf, sei sie begrenzt, sei sie
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unbegrenzt (Phys. Θ10, 267b17–26; Metaph. Λ7, 1073a3–13).385 Darum gilt es als immaterielle und intelligible Substanz, nämlich als Geist. Was das unbewegte Bewegende tatsächlich aufhebt, ist nur die Möglichkeit, von einem anderen bewegt zu werden, nicht aber das aktive Vermögen, selbst tätig zu sein und das andere zu bewegen. Denn die Tätigkeit des unbewegten Bewegenden bzw. des Geistes ist nichts anderes als die unmittelbare Verwirklichung des geistigen Aktivvermögens. Das aktive Vermögen des Geistes ist sowohl vor dem passiven Vermögen der Materie, als auch vor dem aktiven Vermögen der Seele ausgezeichnet. Einerseits führt das passive Vermögen zur Möglichkeit, wobei die Materie nicht geformt werden kann. Der Geist ist dadurch von der Möglichkeit befreit, dass er sich der Passivität und der Materialität entzieht. Andererseits wird die Potentialität, die dem aktiven Vermögen der Seele immanent ist, vom absoluten Geist aufgehoben. Das seelische Vermögen, das Einzelding wahrzunehmen oder etwas Allgemeines zu denken, verhält sich zwar aktiv, kann sich aber nicht aktualisieren. Wenn man die Augen schließt, sieht man nichts. Wenn man schläft, denkt man nicht. Im Gegenteil dazu ist das aktive Vermögen des absoluten Geistes nie potentiell vorhanden, sondern geht unmittelbar in die Aktualisierung über. Demnach ereignen sich das geistige Vermögen und dessen Verwirklichung gleichzeitig, während in den anderen Fällen die Verwirklichung zeitlich später als das Vermögen in Erscheinung tritt (Metaph. Λ10, 1075b30–34). Da das Aktivvermögen unmittelbar in die Selbstverwirklichung fällt, ist der absolute Geist weder das Machenkönnende noch das Bewegenkönnende (κινητικόν ἢ ποιητικόν), sondern ist als rein aktive Aktualisierung ewig wirkend und bewegend (κινοῦν ἢ ποιοῦν ἀΐδιον). Die Eigentümlichkeit des absoluten Geistes kommt dadurch ans Licht, dass das geistige Aktivvermögen sowohl mit dem materialen Passivvermögen als auch mit dem seelischen Aktivvermögen verglichen wird. Anhand der Metapher in De
385 (1) Phys. Θ10, 267b17–26: διωρισμένων δὲ τούτων φανερὸν ὅτι ἀδύνατον τὸ πρῶτον κινοῦν καὶ ἀκίνητον ἔχειν τι μέγεθος. εἰ γὰρ μέγεθος ἔχει, ἀνάγκη ἤτοι πεπερασμένον αὐτὸ εἶναι ἢ ἄπειρον. ἄπειρον μὲν οὖν ὅτι οὐκ ἐνδέχεται μέγεθος εἶναι, δέδεικται πρότερον ἐν τοῖς φυσικοῖς· ὅτι δὲ τὸ πεπερασμένον ἀδύνατον ἔχειν δύναμιν ἄπειρον, καὶ ὅτι ἀδύνατον ὑπὸ πεπερασμένου κινεῖσθαί τι ἄπειρον χρόνον, δέδεικται νῦν. τὸ δέ γε πρῶτον κινοῦν ἀΐδιον κινεῖ κίνησιν καὶ ἄπειρον χρόνον. φανερὸν τοίνυν ὅτι ἀδιαίρετόν ἐστι καὶ ἀμερὲς καὶ οὐδὲν ἔχον μέγεθος. (2) Metaph. Λ7, 1073a3–11: ὅτι μὲν οὖν ἔστιν οὐσία τις ἀΐδιος καὶ ἀκίνητος καὶ κεχωρισμένη τῶν αἰσθητῶν, φανερὸν ἐκ τῶν εἰρημένων· δέδεικται δὲ καὶ ὅτι μέγεθος οὐδὲν ἔχειν ἐνδέχεται ταύτην τὴν οὐσίαν ἀλλ’ ἀμερὴς καὶ ἀδιαίρετός ἐστιν (κινεῖ γὰρ τὸν ἄπειρον χρόνον, οὐδὲν δ’ ἔχει δύναμιν ἄπειρον πεπερασμένον· ἐπεὶ δὲ πᾶν μέγεθος ἢ ἄπειρον ἢ πεπερασμένον, πεπερασμένον μὲν διὰ τοῦτο οὐκ ἂν ἔχοι μέγεθος, ἄπειρον δ’ ὅτι ὅλως οὐκ ἔστιν οὐδὲν ἄπειρον μέγεθος)· ἀλλὰ μὴν καὶ ὅτι ἀπαθὲς καὶ ἀναλλοίωτον.
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anima (B5, 417a21–417b2) zeigt sich, wie sich der absolute Geist verhält, und zwar weder wie das Kind, das als materiales Prinzip die Kenntnisse nur passiv in sich aufnehmen kann (potentia passiva), noch wie der Erwachsene, der die mathematischen oder die grammatischen Erkenntnisse beherrscht, ohne sie wirklich zu verwenden (potentia activa), sondern wie das ewig Sehende, Wachende, oder Denkende (actus purus). Der Geist ist deshalb absolut, weil er sich sowohl vom passiven Vermögen der Materie als auch von der aktiven Potentialität der Seele fernhält. Dadurch, dass alle passiven und potentiellen Elemente aufgehoben werden, wirkt sich der absolute Geist ewig und kontinuierlich aktiv aus. Allen natürlichen Seienden haftet der Gegensatz an. Die elementaren Substanzen und ihre Eigenschaften sind von Natur aus gegensätzlich, wie FeuerWasser, Erde-Luft, warm-kalt, und trocken-feucht. In der himmlischen Kreisbewegung ergeben sich die örtlichen Gegensätze dadurch, dass der Himmelskörper gegensätzliche Stellen einnimmt (De Cae. A8, 277a23–26). Anhand der analytischen Vorgehensweise lässt sich die Einzelsubstanz in den vertikalen Gegensatz von Form und Stoff zerlegen. Analog dazu sind die spezifische Differenz und die Gattung in Gedanken vertikal entgegengesetzt, damit die Wesenssubstanz definiert werden kann. Während die natürlichen Substanzen entweder mit dem substanziell-akzidentellen Gegensatz ausgestattet oder anhand der horizontal-vertikalen Entgegensetzung strukturiert sind, trägt der übernatürliche Geist als erstes Prinzip von Allem keinen Gegensatz in sich (Metaph. Λ10, 1075b20–24). Beim absoluten Geist bzw. beim unbewegten Bewegenden lassen sich nicht nur der vertikale Gegensatz von Form- und Stoffursache, sondern auch der horizontale Gegensatz von Wirk- und Zielursache aufheben. Darum verhält sich der Geist sowohl als causa efficiens als auch als causa finalis. Vor allem weist der kosmologische Gottesbeweis offenkundig darauf hin, dass das unbewegte Bewegende als Wirkursache funktioniert. Des Weiteren tritt das unbewegte Bewegende nicht nur als Zielursache, sondern auch und vor allem als Selbstzweck ins Spiel, insofern es die Himmelskörper in Bewegung setzt, und zwar nicht um ihrer willen, sondern um seiner selbst willen. Von Grund auf gilt das unbewegte Bewegende bzw. der absolute Geist als causa sui, da der absolute Geist um seinetwillen sich selbst denkt (causa sui→causa finalis et causa efficiens sui). Dadurch, dass er sich selbst denkt, setzt der absolute Geist die Himmelskörper in Bewegung (causa efficiens sui→causa efficiens aliorum). Die Tatsache, dass beim absoluten Geist die Wirkursache und die Zielursache zusammenfallen, kann unter einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Indem der absolute Geist das geistige Vermögen unmittelbar in die Wirklichkeit bringt, entzieht sich die geistige Tätigkeit der Prozessualität. Deswegen kommt der Anfang mit dem Ende (ἀρχή-τελευτή), die allererste Bewegungsursache mit dem endgültigen
3.2 Geist
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Ziel (ἀρχὴ τῆς κινήσεως-τέλος) und die ewige Tätigkeit mit der unmittelbaren Vollendung (ἐνέργεια-τέλος) zur Deckung.386 Fassen wir folgendermaßen zusammen: Wie gesagt sind die sensiblen Substanzen dadurch vereinigt, dass sich das analogische Gefüge von Form-Stoff, von Machen-Erleiden und von Aktualität-Potentialität in die Entstehung der Einzelsubstanz, die Definition der Wesenssubstanz, die Umwandlung der Grundelemente und die Kreisbewegung der Himmelskörper durchsetzt. Durch das Abschaffen der grundlegenden analogischen Struktur kommt die intelligible Substanz zur Sprache. Da Materialität, Passivität und Potentialität aufgehoben werden, bleiben Formalität, Aktivität und Aktualität übrig, den absoluten Geist zu charakterisieren. So ist er nichts anderes als die rein geistige und aktive Aktualisierung seiner selbst. Unter der Leitung der intelligiblen Substanz stehen die drei Klassen der Substanzen, nämlich Lebewesen, Gestirn und Geist, nicht parallel zueinander, sondern folgen aufeinander. Im Hinblick auf die Veränderung hängt die natürliche Vergänglichkeit vom himmlischen Kreislauf ab, der wiederum mit der geistigen Tätigkeit zusammenhängt. Aus der Perspektive der Zeitlichkeit sind die Kontinuität der Naturentstehung und die Unaufhörlichkeit der Kreisbewegung auf die Ewigkeit der geistigen Verwirklichung zurückzuführen. Ontologisch gesehen gründet sowohl die natürliche Zweckmäßigkeit als auch die himmlische Regelmäßigkeit letztlich in der absoluten Notwendigkeit des Geistes. Indem Lebewesen, Gestirn und Geist die graduelle Notwendigkeit in sich aufnehmen, sind sie in eine Ganzheit hierarchisch einzuordnen, die ein geordnetes Weltbild ans Licht bringt. Das absolut Notwendige dominiert das relativ Notwendige, anders formuliert, das Übernatürliche beherrscht das Natürliche, indem das unbewegte Bewegende den himmlischen und den irdischen Bereich ordnet, ohne selbst davon geordnet zu werden. „οὐκ ἀγαθὸν πολυκοιρανίη· εἷς κοίρανος ἔστω“ – Metaph. Λ10, 1076a4.
386 Wie der absolute Geist vom Gegensatz befreit ist, steht nichts dem Guten entgegen. Das Schlechte ist insofern nicht dem Guten entgegengesetzt, als Aristoteles ihm keinen selbständigen ontologischen Status beimisst, sondern es nur als Privation bzw. Abwesenheit des Guten anerkennt (Metaph. Λ10, 1075b6–7). Indem Aristoteles das Schlechte als Privation des Guten ansieht, vertritt er die Einstellung des ontologisch-moralischen Monismus. Aufgrund dessen kritisiert Aristoteles die These des Empedokles dafür, dass er den Hass als Schlechtes sowie die Liebe als Gutes für unvergänglich hält. Dem Dualismus zufolge bildet der Hass als Prinzip eine selbständige Natur des Schlechten. Die dualistische Theorie führt unmittelbar zur theoretisch-praktischen Frage, wie das Gute dem Schlechten ontologisch-moralisch überlegen und im menschlichen Leben zu bevorzugen sein könnte, falls es neben dem absoluten Guten noch ein eigenständiges Prinzip des Schlechten gäbe.
4 Schluss Wie der Titel besagt (Sein, Logos und Veränderung – Eine systematische Untersuchung zu Aristoteles’ Metaphysik), zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, Aristoteles’ Metaphysik systematisch zu untersuchen. Die Systematik besteht nicht in der geschichtlichen Entwicklung, wie sie Werner Jäger entworfen und entwickelt hat, sondern in einer logisch-organischen Einheit. Diese baut auf der Analogie im Sinne der strukturellen Ähnlichkeit sowie dem durchgängigen Hylemorphismus auf. Im Vergleich zur berühmten Einteilungsmethode der Dihairese ist die Einteilungsmethode des Chiasmus relativ unbekannt und in der gesamten Interpretationsgeschichte mehr oder weniger verborgen geblieben. Nur Porphyrius hebt diese Einteilungsmethode hervor und gibt ihr sinngemäß einen Namen, nämlich: Chiasmus. Anhand des Chiasmus teilt Aristoteles z. B. die Substanz dreifach ein. Die drei Typen von Substanzen, nämlich die sensible und vergängliche Substanz (Lebewesen), die sensible und ewige Substanz (Grundelemente und Himmelskörper) und die intelligible und ewige Substanz (unbewegtes Bewegendes bzw. Geist), bilden keine sachliche Gemeinsamkeit, sondern eine strukturelle Ähnlichkeit, die terminologisch als Analogie bezeichnet wird. Die Analogie zeigt sich an der hylemorphistischen Struktur, indem dieselbe Struktur, wie Stoff-Form, Wirken-Leiden und Möglichsein-Wirklichsein, die Bewegung sowie die Entstehung der Lebewesen, die Umwandlung der vier Grundelemente, die Kreisbewegung der Himmelskörper und die Tätigkeit des menschlichen Geistes durchdringt.
4.1 Metaphysik als Substanzlehre 4.1.1 Chiastische Einteilung Anhand des Chiasmus lassen sich nicht nur die Substanzen in Lebewesen, Himmelskörper und Geist dreifach einteilen (Einteilung der Substanzen), sondern auch die Substanz von der Kategorie (ontologische Differenz) und die Wesenskategorie von der Akzidenzkategorie (kategoriale Ausdifferenzierung) unterscheiden.
https://doi.org/10.1515/9783110664928-005
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4 Schluss
4.1.1.1 Einteilung der Substanzen Indem sich die beiden Gegensatzpaare, nämlich Sensibles-Intelligibles und Vergängliches-Ewiges, kreuzen, ergeben sich anhand des Chiasmus drei Substanztypen: Das Lebewesen ist sensibel und vergänglich; der Himmelskörper ist sensibel und ewig; und das erste unbewegte Bewegende ist intelligibel und ewig. 4.1.1.2 Ontologische Differenz und kategoriale Ausdifferenzierung Der allgemeinen Methodik zufolge geht die metaphysische Untersuchung des Aristoteles vom uns Bekannten und Deutlichen aus und führt zum sachlich Bekannten und Deutlichen. Demnach soll man von der sensiblen Substanz zur intelligiblen aufsteigen, präziser gesagt, von der sensiblen und vergänglichen Substanz (Lebewesen) ausgehen und durch die Vermittlung der sensiblen und ewigen Substanz (Himmelskörper) zur intelligiblen und ewigen Substanz (unbewegtes Bewegendes bzw. Geist) gelangen. Die sensible und vergängliche Substanz (Einzellebewesen) muss in zweierlei Hinsichten betrachtet werden, und zwar per se und per accidens. Per se wird das Einzellebewesen für die Substanz gehalten, per accidens ist es aber nicht die Einzelsubstanz an sich (Sokrates), sondern der Sachverhalt, der aus der zugrundeliegenden Einzelsubstanz und der kategorialen Eigenschaft zusammengefügt ist (der weiße Sokrates). Indem sich Substanz-Akzidenz und Allgemeinheit-Einzelheit miteinander kreuzen, ergibt sich eine chiastische Vierteilung: die allgemeine Substanz, das allgemeine Akzidenz, die einzelne Substanz und das einzelne Akzidenz. Anhand des Chiasmus ist zu begreifen, dass im Sein die Einzelsubstanz von der allgemeinen Akzidenz und im Logos die Wesens- von der Akzidenzallgemeinheit jeweils differenziert ist. Mit anderen Worten: Anhand der ontologischen Differenz ist die Substanz von der Kategorie zu unterscheiden und anhand der kategorialen Ausdifferenzierung sind die Kategorien in die Wesens- und die Akzidenzkategorie auszudifferenzieren. Die ontologische Differenz und die kategoriale Ausdifferenzierung sind zwei Grundsätze der aristotelischen Metaphysik. Die beiden Grundsätze sind deshalb onto-logisch konzipiert, weil sich die ontologische Differenz sowie die kategoriale Ausdifferenzierung in die ontische Veränderung und in die logische Prädikation durchgesetzt haben. Die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie verkörpert in der ontischen Veränderung das Gefüge von Substrat und Eigenschaft und in der logischen Prädikation die Struktur von Subjekt und Prädikat. Anhand der kategorialen Ausdifferenzierung von per accidens und per se spaltet sich das Sein in Sachverhalt und Einzelsubstanz, der Logos in Äquivokation und Univokation und die Veränderung in Bewegung und Entstehung.
4.1 Metaphysik als Substanzlehre
295
Entscheidend ist, dass sich die Unterscheidung, sei sie die ontologische Differenz oder die kategoriale Ausdifferenzierung, anhand des Chiasmus vollzieht und die Einheit auf der Analogie beruht, wie die Substanz auf chiastische Weise einzuteilen ist und sich die analogische Einheit bildet.
4.1.2 Analogische Einheit Während der Chiasmus sowohl die Einteilung der Substanzen, als auch die Unterscheidung von Substanz und Kategorie sowie die Unterscheidung von per accidens und per se ermöglicht, zeigt die Analogie die strukturelle Ähnlichkeit innerhalb von Sein, Logos und Veränderung, zwischen Sein, Logos und Veränderung und zwischen drei Typen von Substanzen. Die Analogie spielt in der aristotelischen Philosophie insofern eine entscheidende Rolle, als sie ohne die sachliche Verschiedenheit preiszugeben, nicht nur die strukturelle Ähnlichkeit der mannigfaltigen Seienden zum Vorschein, sondern auch die begriffliche Einheit zum Ausdruck bringt. 4.1.2.1 Analogie innerhalb von Sein, Logos und Veränderung Die sensible und vergängliche Einzelsubstanz ist seiend, werdend und auszusagen, und zwar entweder per accidens oder per se. Aufgrund dessen kommt die Analogie innerhalb von Sein, Logos und Veränderung zur Entfaltung, indem der Sachverhalt zur Einzelsubstanz, die Äquivokation zur Univokation und die Bewegung zur Entstehung jeweils analog stehen. Anhand der Analogie lassen sich die ontologische Beziehung von Sachverhalt und Einzelsubstanz, das logische Verhältnis zwischen Äquivokation und Univokation und das ontische Verhältnis der Bewegung zur Entstehung einsichtig machen. Der Sachverhalt und die Einzelsubstanz stehen im analogischen Verhältnis, da die beiden Komposita sind, die aus der Zusammensetzung von materialem und formalem Prinzip resultieren. Während der Sachverhalt als akzidentelles Kompositum aus der Zusammenfügung der Einzelsubstanz mit der kategorialen Eigenschaft besteht, ist die Einzelsubstanz als substanzielles Kompositum von Stoff und Form zusammengesetzt. Die Äquivokation und die Univokation haben darin gemeinsam, dass die beiden an derselben Prädikationsstruktur von Subjekt und Prädikat teilhaben. Die analogische Struktur von Bewegung und Entstehung zeigt sich darin, dass sich in beiden Fällen das Zugrundeliegende und der Gegensatz von Vollendung und Privation zusammenfügen. Da sich die Bewegung zur Entstehung, die Äquivokation zur Univokation und der Sachverhalt zur Einzelsubstanz analog verhalten, zeigen sich in der
296
4 Schluss
Analogie die ontische, die logische und die ontologische strukturelle Ähnlichkeit. Weiter sind das ontische Gefüge von Substrat und Gegensatz, das logische Gefüge von Subjekt und Prädikat sowie das ontologische Gefüge von Substanz und Kategorie in die grundlegende Struktur von Stoff und Form vereinigt, die auf das funktionale Gefüge von Leiden und Wirken zurückgeht. 4.1.2.2 Analogie zwischen Sein, Logos und Veränderung Die Analogie bildet sich nicht nur jeweils innerhalb von Sein, Logos und Veränderung, sondern auch zwischen Sein, Logos und Veränderung. Der Unterscheidung von per accidens und per se zufolge tritt die Analogie zwischen Sein, Logos und Veränderung in zweierlei Form auf: Zum einen verhalten sich Sachverhalt, Bewegung und Meinung zueinander analog. Zum anderen setzen sich Einzelsubstanz, Entstehung und Definition in analogische Beziehung. Somit stimmen beim akzidentellen Kompositum Sachverhalt, Bewegung und Meinung miteinander strukturell überein, indem die ontologische Differenz von Substanz und Kategorie einerseits zum ontischen Unterschied von Substrat und Eigenschaft und andererseits zur logischen Zwiefalt von Subjekt und Prädikat führt. Beim substanziellen Kompositum ergibt sich zwischen Einzelsubstanz, Entstehung und Definition eine strukturelle Ähnlichkeit dadurch, dass die ontologische hylemorphistische Struktur die ontische Entstehung der Einzelsubstanz und die logische Definition der Wesenssubstanz durchdringt (Tab. 24).
Tab. 24: Analogie zwischen Sein, Logos und Veränderung.
σύνθετον ποιεῖν πάσχειν σύνολον ποιεῖν πάσχειν
ὄν
λόγος
μεταβολή
πρᾶγμα κατηγορούμενον ὑποκείμενον τόδε τι εἶδος τόδε τι ὁμοειδές
δόξα ῥῆμα ὄνομα ὁρισμός διαφορά γένος
κίνησις ἀντικείμενον ὑπομένον γένεσις μορφή ὕλη
Ebenso wie Sachverhalt, Bewegung und Meinung im analogischen Verhältnis stehen, verhalten sich Einzelsubstanz, Entstehung und Definition zueinander analog. Der Hylemorphismus durchdringt alle sechs Strukturen. Nach demselben Urmuster von Form-Stoff, das im funktionalen Gefüge von Machen-Erleiden gründet, steht die Kategorie zur Einzelsubstanz, die Eigenschaft zum Substrat, das Prädikat
4.1 Metaphysik als Substanzlehre
297
zum Subjekt, die Naturart zum gleichartigen Einzelding, die Form zur sensiblen Materie und die spezifische Differenz zur intelligiblen Materie. Die Analogie, die die strukturelle Ähnlichkeit aufzeigt, leistet den theoretischen Beitrag dazu, einen einheitlichen Begriff zu bilden. Tragen die verschiedenen Sachen in unterschiedlichen Seinsbereichen die gleiche Funktion in sich, können sie mit demselben Begriff versehen sein. Darum ermöglicht es die Analogie, in verschiedenen Seinsbereichen dieselben Begriffe anzuwenden, die vor allem die prinzipiellen Grundbegriffe, wie z. B. Stoff-Form, betreffen. Um die analogische Begriffseinheit zu verdeutlichen, nehmen wir zwei Begriffe, Zugrundeliegendes und Materie, zum Paradigma. Aufgrund der ontisch-logisch -ontologischen strukturellen Übereinstimmung liegt das Substrat der Eigenschaft, das Subjekt dem Prädikat und die Substanz der Kategorie jeweils zugrunde, sodass das ontische Substrat (substratum), das logische Subjekt (subiectum) und die ontologische Substanz (substantia) durch denselben Begriff „Zugrundeliegendes“ (ὑποκείμενον) bezeichnet werden. Die Analogie der Definition zur Entstehung besteht darin, dass sich im Definitionsverfahren der Wesenssubstanz die Gattung zur spezifischen Differenz so verhält, wie sich im Entstehungsprozess der Einzelsubstanz die sensible Materie zur Form verhält. Aufgrund dessen ist die Gattung nach der Benennung der sensiblen Materie als intelligible Materie benannt. 4.1.2.3 Analogie zwischen den verschiedenen Typen von Substanzen Die Analogie gilt nicht nur für die sensible und vergängliche Einzelsubstanz, die sich entweder per accidens oder per se in Betracht ziehen lässt, sondern kommt auch für die verschiedenen Typen von Substanzen zur Geltung. Die sensible und vergängliche Substanz (womit nicht nur das Einzellebewesen, sondern auch welche Art und die Gattung gemeint sind), sowie die sensible und ewige Substanz (welche die Himmelskörper und die vier Grundelemente in sich schließt), und die intelligible und ewige Substanz bilden keine sachliche Gemeinsamkeit, sondern die Einheit der verschiedenartigen Substanzen ist in der Strukturähnlichkeit verwurzelt. Wie das Schema zeigt (Tab. 25), besteht die Analogie zwischen den verschiedenen Typen von Substanzen darin, dass an demselben Gefüge von WirkenLeiden die Entstehung des einzelnen Lebewesens, die Definition der Naturart, die Umwandlung der vier Grundelemente, die Kreisbewegung des Himmelskörpers und die geistige Tätigkeit des Menschen teilhaben. Während sich die Naturart in der natürlichen Entstehung, die spezifische Differenz in der wesentlichen Definition, die Eigenschaft in der elementaren Umwandlung, das unbewegte Bewegende in der himmlischen Kreisbewegung und das Denken in der
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4 Schluss
Tab. 25: Analogie zwischen den verschiedenen Typen von Substanzen.
ποιεῖν πάσχειν
τόδε τι
εἶδος
ὕδωρ-ἀὴρ-πῦρ-γῆ
νοῦς θεῖος
νοῦς ἀνθρώπινος
μορφή ὕλη αἰσθητή
διαφορά ὕλη νοητή
παθῆ ἐναντία πρώτη ὕλη
ἀκίνητον κινοῦν οὐρανός
νοοῦν νοούμενον
geistigen Tätigkeit aktiv auswirken, nehmen die sensible Materie, die intelligible Materie, die prima materia, das bewegte Gestirn und der gedachte Begriff die entsprechende aktive Einwirkung in sich auf. Nichts anderes als die Analogie ermöglicht, die verschiedenen Seienden, nämlich das Einzellebewesen, die Naturart, die vier Grundelemente, den Himmelskörper und den Geist, anhand desselben Begriffs „Substanz“ (οὐσία) zusammenzufassen, sodass das Einzellebewesen als Einzelsubstanz, die Naturart als Wesenssubstanz, die vier Grundelemente als elementare Substanz, der Himmelskörper als himmlische Substanz und der Geist als intelligible Substanz bezeichnet ist. Die ganze Substanzlehre des Aristoteles baut auf der analogischen Struktur von Stoff-Form, von Leiden-Wirken und von Möglichsein-Wirklichsein auf, indem die analogische Struktur einerseits allen Typen der sensiblen Substanzen immanent ist und andererseits von der intelligiblen Substanz aufgehoben wird. Im Vergleich zum menschlichen Geist, dem das analogische Gefüge innewohnt, hebt der göttliche Geist die grundlegende analogische Struktur auf. Indem sich der göttliche Geist von Materialität, Passivität und Potentialität absolut befreit, ist er mit Formalität, Aktivität und Aktualität ausgestattet. So ist der göttliche Geist nichts anderes als die reine aktive Aktualisierung seiner selbst.
4.2 Theoretische, poietische, praktische Wissenschaft Aristoteles’ Hylemorphismus ist insofern universal, als er sich nicht auf die Substanzlehre beschränkt, sondern das hylemorphistische Gefüge erstreckt sich sowohl auf die theoretische, die poietische und die praktische Wissenschaft als auch auf die Erkenntnistheorie. Der ganze Wissenschaftsbereich unterteilt sich auf chiastische Weise in die theoretische, die poietische und die praktische Wissenschaft. Die drei wissenschaftlichen Disziplinen sind ihrerseits wiederum jeweils auf verschiedene Weisen in Unterteilungen differenziert.
4.2 Theoretische, poietische, praktische Wissenschaft
299
4.2.1 Einteilung der Wissenschaften 4.2.1.1 Chiastische Einteilung der Wissenschaften Anhand des Chiasmus sind die Wissenschaften in die theoretische, die praktische und die poietische Wissenschaft dreifach einzuteilen. Die Einteilung der Wissenschaften hängt von der Klassifikation der Gegenstände ab, die wiederum nach der Wirkursache sortiert werden. Einerseits liegt die Wirkursache entweder innerhalb oder außerhalb des zugrundeliegenden Seienden. Andererseits vollzieht sich die Wirkursache entweder notwendigerweise oder zufälligerweise. Indem sich Innerlichkeit-Äußerlichkeit und Notwendigkeit-Zufälligkeit miteinander kreuzen, ergeben sich vier verschiedene Wirkursachen. Φύσις, τέχνη, αὐτόματον und τύχη sind jeweils durch eine innere Notwendigkeit, eine äußere Notwendigkeit, eine innere Zufälligkeit und eine äußere Zufälligkeit gekennzeichnet. Anhand der jeweiligen Wirkursache vollzieht sich eine natürliche Entstehung, eine handwerkliche Herstellung, eine widernatürliche Zeugung und eine menschliche Handlung. Während die natürliche Kontingenz außer Betracht bleibt, werden Naturentstehung/Naturding, Herstellung/Artefakt und menschliche Praxis thematisiert. Den drei Untersuchungsgegenständen φύσις, ποίησις und πρᾶξις entsprechend werden die drei Wissenschaftsdisziplinen als φυσική, ποιητική und πρακτική benannt. 4.2.1.2 Chiastische Einteilung der theoretischen Wissenschaften und der Mathematik Auf der Seite der theoretischen Wissenschaft ist anhand des Chiasmus nicht nur die theoretische Wissenschaft in Physik, Theologie und Mathematik einzuteilen, sondern auch die Mathematik ist in Astronomie, Geometrie, Musik und Arithmetik zu unterteilen. Dadurch dass sich Trennbarkeit-Untrennbarkeit und BewegtesUnbewegtes miteinander chiastisch kreuzen, ergeben sich ein Untrennbares und Bewegtes, das die Physik thematisiert; ein Getrenntes und Unbewegtes, das die Theologie darlegt, und ein Untrennbares und Unbewegtes, das der Gegenstand der Mathematik ist. Einem anderen Chiasmus zufolge, der durch die Überkreuzung von Kontinuität-Diskretheit und von Beweglichkeit-Unbeweglichkeit aufgestellt wird, kommen vier verschiedene Untersuchungsgegenstände zustande und dementsprechend teilt sich die Mathematik vierfach ein: Die Astronomie thematisiert das Kontinuierliche und Bewegliche; die Geometrie das Kontinuierliche und Unbewegliche; die Musik das Diskrete und Bewegliche; und die Arithmetik das Diskrete und Unbewegliche.
300
4 Schluss
4.2.1.3 Dihairetische Einteilung der praktischen Wissenschaften und der Ökonomik Auf der Seite der praktischen Wissenschaft sind sowohl die praktische Wissenschaft in Ethik, Ökonomik und Politik als auch die Ökonomik weiter dreifach zu unterteilen, und zwar nicht anhand des Chiasmus, sondern anhand der Dihairese. Die praktische Wissenschaft ist in Ethik, Ökonomik und Politik dreifach einzuteilen, indem das Individuum, die Familie oder die Polis in Betracht gezogen werden. Die Ökonomik ist in die drei Glieder zu unterteilen, dadurch dass die Beziehung des Mannes zur Frau, des Vaters zum Sohn oder des Herrn zum Knecht jeweils zum Untersuchungsgegenstand genommen wird. 4.2.1.4 Dihairetische Einteilung der poietischen Wissenschaft Die poietische Wissenschaft nimmt insofern eine Mittelstellung zwischen der theoretischen und der praktischen Wissenschaft ein, als durch die Vermittlung der Techne die theoretische Betrachtung der Physis und die menschliche Praxis in Berührung kommen. Dabei geht es um einen dreifachen Vergleich von Physis, Techne und Praxis. 4.2.2 Analogische Einheit Während der Chiasmus die Einteilung der Wissenschaften sowie die Einteilung der theoretischen Wissenschaften ermöglicht und die Dihairese die Einteilung der praktischen und der poietischen Wissenschaften möglich macht, weist die Analogie die strukturelle Ähnlichkeit zwischen den Untersuchungsgegenständen aller Wissenschaftsdisziplinen auf. Gründen die theoretische, die poietische und die praktische Wissenschaft sowie die Epistemologie in der gleichen Struktur von Form-Stoff sowie Wirken-Leiden, kommt die hylemorphistische Struktur in allen Unterteilungen durchgängig zur Geltung. 4.2.2.1 Theoretische Wissenschaft In erster Linie ist davon die Rede, wie sich die drei theoretischen Wissenschaften analog verhalten (Tab. 26). Die Analogie von Physik, Mathematik und Theologie liegt in der strukturellen Ähnlichkeit der verschiedenen Untersuchungsgegenstände. Wie sich in der Naturentstehung die Form zur sensiblen Materie (materia sensibilis naturalis) und in der Konstitution des mathematischen Gegenstandes die Gestalt zur intelligiblen Materie (materia intelligibilis mathematica) verhalten, so verhalten sich in der Definition der Naturart die spezifische Differenz zur intelligiblen Materie (materia intelligibilis definitiva) und in der himmlischen Kreisbewegung das unbewegte Bewegende zum bewegten Himmelskörper. Analog dazu,
4.2 Theoretische, poietische, praktische Wissenschaft
301
Tab. 26: Analogie von Physik, Mathematik und Theologie.
ποιεῖν πάσχειν
φυσική
μαθηματική
θεολογική λογικῶς
θεολογική φυσικῶς
εἶδος ὕλη αἰσθητή
σχῆμα ὕλη νοητή
διαφορά ὕλη νοητή
ἀκίνητον κινοῦν οὐρανός
dass die natürliche Form den Naturstoff formt und die mathematische Gestalt die gedankliche Materie gestaltet, bestimmt die spezifische Differenz die unbestimmte Gattung und das unbewegte Bewegende setzt den Himmelskörper in Bewegung. Die Form, die Gestalt, die Differenz und das Bewegende wirken aktiv auf den Stoff, die mathematische Materie, die intelligible Materie und das Bewegte ein, die passiv zugrunde gelegt werden müssen. Daraus folgt, dass die Strukturähnlichkeit von physischen, mathematischen und theologischen Gegenständen im funktionalen Gefüge von Wirken und Leiden gründet. 4.2.2.2 Poietische Wissenschaft Die poietische Wissenschaft bildet sich als eine eigenständige Wissenschaftsdisziplin, worin die natürliche Entstehung sowie die menschliche Praxis einbezogen sein müssen. Denn einerseits dient die Analyse der Herstellung dazu, die innere Struktur der Naturentstehung zu verdeutlichen. Andererseits hat die handwerkliche Herstellung mit der menschlichen Handlung, z. B. mit der ärztlichen Praxis, gemeinsam, dass es der äußerlichen Wirkursache bedarf, ein Artefakt herzustellen oder den kranken Körper zu heilen. Demzufolge ergibt sich eine dreifache Analogie von Physis, Techne und Praxis (Tab. 27). Tab. 27: Analogie von Physis, Techne und Praxis.
ποιεῖν πάσχειν
φύσις
φύσις
τέχνη
πρᾶξις
ψυχή σῶμα
ἄρρεν θῆλυ
μορφή ὕλη
πάθος σῶμα
Indem die technische Herstellung den Hylemorphismus am offenkundigsten aufweist, bildet sich die Analogie der Physis und der Praxis zur Techne folgendermaßen: Wie sich in der technischen Herstellung die Form zum Stoff verhält, so verhalten sich in der ontologischen Struktur des Menschen die Seele zum Körper sowie in der biologischen Zeugung des Lebewesens das Männliche zum
302
4 Schluss
Weiblichen und in der ärztlichen Praxis die Affektion zum Körper. Anders formuliert: Die technische Struktur von Form-Stoff setzt sich sowohl in das ontologische Gefüge von Seele-Körper und in die biologische Zeugungsstruktur vom Männlichen-Weiblichen, als auch in die Struktur der Heilkunst von Affektion-Körper durch. Da die Form, die Seele, das Männliche und die Affektion mit der Aktivität, und der Stoff, der Körper, das Weibliche und der geheilte Körper mit der Passivität verknüpft sind, ist die hylemorphistische Struktur auf das dynamische Gefüge von Wirken-Leiden zurückzuführen. 4.2.2.3 Praktische Wissenschaft Von der ärztlichen Praxis aus geht die Erörterung in die ethisch-ökonomischpolitische Praxis über. Im praktischen Bereich ergeben sich einerseits die Analogie von Medizin und Ethik und andererseits die Analogie von Ethik, Ökonomik und Politik (Tab. 28).
Tab. 28: Analogie von Medizin, Ethik, Ökonomik und Politik.
ποιεῖν πάσχειν
ἰατρική
ἡθική
πάθος σῶμα
ἀρετή ψυχή
οἰκονομική λόγον ἄλογον
ἀνήρ γυνή
πολιτική πατήρ υἱός
δεσπότης δοῦλος
ἄρχειν ἀρχέσθαι
Nach der einen Seite kommt die Analogie der Ethik im Sinne der Tugendlehre zur Heilkunst derart zustande, dass sich die Affektion zum Körper und die Tugend zur Seele analog verhalten. Wie sich die gegensätzlichen Tugenden (gut-schlecht) auf die Seele auswirken, so wirken die gegensätzlichen Affektionen (gesundkrank) auf den Körper ein. Nach der anderen Seite besteht die Analogie zwischen der Seelentheorie, worauf die Ethik im Sinne der Tugendlehre beruht, und der Ökonomik sowie der Politik im naturgemäßen Verhältnis von Beherrschen und Beherrschtwerden. Es lässt sich damit aufzeigen, dass von Natur aus die Seele herrschen und der Körper beherrscht werden soll oder der vernünftige Teil der Seele regieren und der unvernünftige Teil regiert werden muss. Dadurch, dass sich die naturgemäße Herrschaft der Seele über den Körper und die der Vernunft über die Unvernünftigkeit ins familiäre und politische Verhältnis ausweiten, soll in der Familie der Mann die Frau, der Vater den Sohn, in der Hausverwaltung der Herr den Knecht (wie in der Herstellung der Handwerker das Werkzeug), in der Polis der Regierende die Regierten und im Kosmos Gott die Menschen beherrschen. Daraus resultiert, dass trotz der sachlichen Unterscheidung Paare wie Seele-Körper, Vernunft-Unvernünftigkeit, Mann-Frau, Vater-Sohn, Herr-Knecht
4.2 Theoretische, poietische, praktische Wissenschaft
303
(Handwerker-Werkzeug), Herrscher-Bürger und Gott-Mensch an derselben Struktur von Beherrschen und Beherrschtwerden teilhaben. Das harmonische Herrschaftsverhältnis von Regieren und Regiertwerden, das im menschlichen Zusammenleben auftritt, lässt sich begrifflich als Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) oder Freundschaft (φιλία) bezeichnen. In verschiedenen Bereichen, sei es in der Familie, in der Hausverwaltung oder in der Polis, ermöglicht es die Analogie von Familie und Polis bzw. von Haus- und Staatsverwaltung, den Begriff der Gerechtigkeit oder der Freundschaft einheitlich zu gebrauchen. 4.2.2.4 Epistemologie Außer der theoretischen, der poietischen und der praktischen Wissenschaft gilt der Hylemorphismus weitergehend für die Epistemologie, wobei die Analyse der Wahrnehmung im Zentrum steht. Die Sinneswahrnehmung ist deswegen teilweise als passiv und teilweise als aktiv charakterisiert, weil sie sich durch das Zusammenwirken von Körper und Seele vollziehen muss. Hinsichtlich der körperlichen Passivität bildet sich die Analogie der Empfindung zur Veränderung, dadurch dass die wahrnehmbaren Affektionen auf das Sinnesorgan einwirken wie die Eigenschaften auf das zugrundeliegende Substrat. Unter dem Aspekt der seelischen Aktivität ergibt sich die Analogie von Wahrnehmung und Denken, indem sich das Wahrnehmungsfähige auf das Wahrgenommene so bezieht wie das Denkfähige auf das Gedachte. Da dieselbe Struktur von Wirken-Leiden die Bewegung, die Empfindung, die Wahrnehmung und das Denken durchdringt, stehen die passive Empfindung zur qualitativen Veränderung und die aktive Wahrnehmung zum noetischen Denken im analogischen Verhältnis. Darüber hinaus führt die Analogie von sinnlicher Wahrnehmung und noetischem Denken zur begrifflichen Einheit, damit die eine als sinnliche Anschauung und das andere als intellektuelle Anschauung bezeichnet wird. Die analogische Struktur von Bewegung, Empfindung/Wahrnehmung und Denken lässt sich schematisch so darstellen (Tab. 29):
Tab. 29: Analogie von Bewegung, Empfindung/Wahrnehmung und Denken.
ποιητικόν παθητικόν
κίνησις
αἴσθησις
αἴσθησις
νόησις
κινητικόν κινητόν
αἰσθητόν αἰσθητήριον
αἰσθητικόν αἰσθητόν
νοητικόν νοητόν
Indem Physis, Techne und Praxis dieselbe Struktur zugeteilt ist, durchdringt der Hylemorphismus die theoretische, die poietische und die praktische Wissenschaft. Darüber hinaus kommt die hylemorphistische Struktur nicht nur ontologisch,
304
4 Schluss
sondern auch epistemologisch zur Geltung, indem Aristoteles aufgrund des Gefüges der Veränderung die sinnliche und die intellektuelle Anschauung theoretisch erklärt. So verhalten sich das Wahrnehmungsfähige zum Wahrgenommenen und das Denkfähige zum Gedachten wie die natürliche Art zur Materie, die technische Gestalt zum Stoff und die Eigenschaft Gesundheit zum geheilten Körper. Der Hylemorphismus ist insofern universal und allgemein gültig, als das funktionale Gefüge von Wirken-Leiden nicht nur für die natürliche Veränderung, die technische Herstellung und die menschliche Handlung, sondern auch für die seelische Erkenntnistätigkeit fundamental und konstitutiv ist.
4.3 Metaphysik als Prinzipienlehre 4.3.1 Apodiktisch-syllogistische Einzelwissenschaft Was Aristoteles zur Philosophie beiträgt, ist nicht nur die Metaphysik als Substanzlehre zu entwickeln, sondern auch die Einzelwissenschaften als eigenständige Wissenschaftsdisziplinen einheitlich zu begründen. Die unterschiedlichen Einzelwissenschaften, die etwas Spezifisches zum Untersuchungsgegenstand haben, bilden eine analogische Einheit, indem jede Einzelwissenschaft die disjunktiven Eigentümlichkeiten des jeweiligen Zugrundeliegenden thematisiert. Demzufolge zieht die Physik die Bewegung-Ruhe des Naturseienden in Betracht, die Astronomie die gegensätzlichen Stellen der Kreisbewegung des Himmelskörpers, die Geometrie das Geradlinige-Gekrümmte der Linie, die Arithmetik das Gerade-Ungerade der Zahl, die Musik das Hohe-Tiefe der Melodie, die Medizin die Gesundheit-Krankheit des Körpers, die Ethik das Gute-Schlechte der Seele/Handlung und die Logik die Richtigkeit-Falschheit der Schlussfolgerung. Des Weiteren betrifft die Analogie nicht nur die Struktur des Gegenstandes, sondern auch die Methode. Bei den Einzelwissenschaften vollzieht sich die wissenschaftliche Beweisführung anhand des Syllogismus, indem sich die einzelne Konklusion aus der allgemeinen Prämisse syllogistisch ergibt. Anhand der strukturellen Ähnlichkeit des Untersuchungsgegenstandes und der methodischen Gleichheit sind die apodiktisch-syllogistischen Einzelwissenschaften einheitlich zu begründen. Die Einzelwissenschaft thematisiert die disjunktiven Eigentümlichkeiten der zugrundeliegenden Substanz oder der Gattung, während die Metaphysik die Substanz und deren Prinzip(ien) zum Untersuchungsgegenstand nimmt. Methodisch gesehen vollzieht sich die Einzelwissenschaft nach der absteigenden Deduktion (συλλογισμός), während die Metaphysik der aufsteigenden Induktion folgt
4.3 Metaphysik als Prinzipienlehre
305
(ἐπαγωγή). Die Metaphysik unterscheidet sich von der Einzelwissenschaft, und zwar sowohl gegenständlich als auch methodisch. Trotz des gegenständlichen sowie des methodischen Unterschieds müssen die Einzelwissenschaften auf einer gemeinsamen metaphysischen Grundlage basieren. Die apodiktisch-syllogistischen Einzelwissenschaften können nur dann einheitlich und systematisch begründet werden, wenn die Metaphysik die analogische Struktur der Substanzen festlegt und sich die strukturelle Ähnlichkeit in die Untersuchungsgegenstände der Einzeldisziplinen durchsetzt. Zum einen ist die Struktur des Gegenstandes der Einzelwissenschaft „disjunktive Eigentümlichkeiten-Zugrundeliegendes“ auf das substanzielle Gefüge „Gegensatz von Vollendung und Privation-Zugrundeliegendes“ zurückzuführen. Zum anderen setzt die absteigende Untersuchung der Einzelwissenschaft die aufsteigende Prinzipienforschung voraus, denn in erster Linie muss die Allgemeinheit aufgestellt werden, woraus sich die Einzelheit syllogistisch ergeben kann.
4.3.2 Metaphysische Prinzipienlehre Aristoteles’ Metaphysik als theoretische Wissenschaft ist dadurch in Physik und Theologie einzuteilen, dass die eine als zweite Philosophie die sensiblen Substanzen und die andere als erste Philosophie die intelligible Substanz theoretisch betrachtet. In Bezug auf ihren Gegenstand ist die aristotelische Metaphysik als Substanzlehre zu bezeichnen. Darüber hinaus ist die Substanzlehre als Prinzipienlehre (ἀρχὴ πραγματεία) konzipiert. Obwohl sie über zwei Unterteilungen verfügt, bildet Aristoteles’ Metaphysik als Prinzipienlehre eine einheitliche Wissenschaft. Die wissenschaftliche Einheit besteht in der gegenständlichen und der methodischen Gemeinsamkeit. In Bezug auf den Gegenstand haben die zweite und die erste Philosophie gemeinsam, dass sie das Prinzip der Substanz, sei sie sensibel oder intelligibel, zum Thema haben. Methodisch gesehen vollziehen sich die sich am Prinzip orientierende Physik und die Theologie induktiv, und zwar vom Prinzipiat zum Prinzip, von der Folge zur Ursache oder vom Vorausgesetzten zum Voraussetzungslosen. Aristoteles’ Metaphysik als Prinzipienlehre entfaltet sich nicht zeitlich, sondern völlig systematisch, und zwar durch die Suche nach dem Prinzip von Sein, Logos und Veränderung. Anhand des Leitfadens der Prinzipienlehre kann man die metaphysischen Inhalte, die in verschiedenen Texten zerstreut liegen, zusammenfassen. Erstens: Die Kategorienlehre des Aristoteles (Cat. 1–15) steht deshalb in Verbindung mit seiner Arche-Forschung, weil die Einzelsubstanz als zugrundeliegendes Prinzip von Sachverhalt, Aussage und Bewegung bestimmt ist. Zweitens: Die aristotelische Physik als zweite Philosophie gehört zur metaphysischen
306
4 Schluss
Prinzipienforschung, da sie nicht nur die Entstehungsprinzipien der Einzelsubstanz, sondern auch zusammen mit der ersten Philosophie die Bewegungsursache der himmlischen Substanz thematisiert. Dadurch, dass in der Vier-Ursachen-Lehre (Phys. A1–9, B1–3, B7; Metaph. A3–10, Λ4–5) die Entstehungsprinzipien der sensiblen und vergänglichen Einzelsubstanz erfragt werden, kommen das materielle sowie das formale Prinzip ans Licht. Durch die Suche nach der Bewegungsursache der sensiblen und ewigen Substanz lässt sich die intelligible und ewige Substanz als Unbewegtes Bewegendes argumentativ herleiten, das als Prinzip von Allem gilt. Dies ist der berühmte kosmologische Gottesbeweis (Phys. Θ5–10, Metaph. Λ 6–10). Drittens: Es gibt nicht nur die physische, sondern auch die logische Prinzipienlehre, denn außer der Suche nach den Entstehungsprinzipien der Einzelsubstanz fragt man nach den Definitionsprinzipien der Wesenssubstanz. Wie die Vier-Ursachen-Lehre dazu dient, das formale und das materielle Prinzip der Einzelsubstanz herauszufinden, leistet die Erörterung über die Wesensdefinition den theoretischen Beitrag dazu, die definitorischen Prinzipien der Wesenssubstanz, nämlich die Gattung und die spezifische Differenz, offenkundig zu machen. Darum gehört die Erläuterung der Wesensdefinition (Metaph. Z4–6, Z10–12) auch zur Prinzipienlehre. Das komplette Wissenschaftsgebäude des Aristoteles baut auf der chiastischen bzw. der dihairetischen Einteilung und der analogischen Einheit auf, welche im durchgängigen Hylemorphismus gründet. Bewundernswert sind nicht nur die Tiefe, sondern auch und besonders die umfangreiche Breite der aristotelischen Philosophie, die sich auf fast alle vorstellbaren Bereiche ausdehnt. Aristoteles schafft ein Imperium im Bereich der Wissenschaft wie Alexanders Kaiserreich auf der Erde. Das irdische Kaiserreich ist zwar schon zugrunde gegangen, das wissenschaftliche Imperium des Aristoteles aber bleibt immer lebendig. Diese Lebendigkeit spiegelt sich Jahrtausende lang in der theoretischen Untersuchung und in der technischen Herstellung sowie in der ethisch-ökonomisch-politischen Praxis der Menschen. Man strebt in der Theorie nach dem Wahren, in der Kunst nach dem Schönen, in der Technik nach dem Nützlichen und in der Praxis nach dem Guten. Soweit die Menschen nicht nur nach dem Nützlichen suchen, sondern auch und vor allem den Anspruch auf die Wahrheit, die Schönheit und das absolute Gute im Sinne der Freiheit haben, das nicht um etwas anderen willen, sondern allein um seiner selbst willen erzielt wird, sind dem Menschengeschlecht die Philosophie sowie die Metaphysik unentbehrlich.
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Namensregister Aertsen, J.A. 7, 36–38, 40 Alexander 78, 80, 83, 92, 93, 99, 122, 134, 135, 140, 141, 163, 166, 172, 174, 181, 187–189, 191–193, 195–198, 200, 202, 203, 205–207, 214, 215, 220, 230, 232, 234, 275, 279, 282, 285, 287 Ammonius 15–17, 49, 80, 81, 87–90 Aristoteles 1–16, 19, 21–30, 32–35, 38–42, 44–48, 51, 52, 54, 55, 60, 63, 65–67, 69, 70, 72, 73, 75, 78, 79, 81–83, 86–88, 91, 92, 94, 96, 97, 101, 102, 105, 107, 109, 110, 113, 118, 119, 124, 127, 129–131, 133, 136, 138, 139, 141, 144, 147–150, 152, 156, 158, 161, 163, 166–168, 170–174, 176–179, 183, 184, 186, 190–193, 197–199, 201, 204, 205, 207–209, 211, 214, 216–219, 223, 225, 227, 229–236, 239, 240, 243–246, 248–250, 252, 253, 257, 258, 260–263, 265, 267, 269–271, 273–284, 286–288, 291, 293, 294, 298, 304–306 Asklepios 93, 166, 171, 181, 186–189, 191–193, 195, 196, 198, 202, 203, 205–207, 210, 220, 225, 232, 234 Aubenque, P. 1 Averroes 7, 8 Avicenna 7, 8 Bonitz, H. 1, 188, 189, 193 Cherniss, H. 236 Christ, W. 188, 189 Duns Scotus 7 Elias 17, 81, 87 Enrico, B. 276, 279 Fonfara, D. 1 Frede, M. und Patzig, G. 69, 182, 188, 190–193, 198, 201, 203, 227, 229, 231, 240
https://doi.org/10.1515/9783110664928-007
Gadamer 13 Gill, M. L. 236 Halfwassen, J. 29 Hartmann, N. 1 Hegel 176, 177 Heidegger 13, 27, 97, 170 Jäger, W. 2, 22, 23, 188–190, 263, 293 Kant 16, 94, 249 Krämer, H. 58, 60, 67, 156 Merlan, P. 7–9, 12, 23 Montagnes, B. 51, 52 Neuplatoniker 4, 30 Oehler, K. 275–278 Olympiodorus 17, 81, 87 Philoponus 15–17, 49, 80, 81, 87, 174 Platon 3, 4, 5, 12, 13, 21, 29, 30, 35, 41–44, 88, 118, 147, 158, 161, 177, 184, 204, 207, 209, 222, 223, 233, 240, 249, 250, 263, 269 Porphyrius 16–18, 48, 49, 81, 87, 89, 235, 243, 293 Ross, W.D. 22, 23, 78, 170, 176, 182, 188–193, 202, 203, 205, 229, 240, 278, 282, 283, 287 Scholastiker, Hochscholastiker 4, 30, 34, 41, 60 Schwegler, A. 22, 188, 202, 203, 276, 282, 283, 287 Seidl, H. 188, 189, 191, 192, 202, 203, 235 Simplicius 15, 17, 21, 33, 49, 81, 82, 84, 87, 89, 101–103, 107, 114, 120, 125, 126, 129, 130, 167, 170, 174, 176, 181, 184, 210, 249, 254
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Namensregister
Steinfath, H. 236 Stenzel, J. 236 Syrianus 24, 26 Themistius 268 Theophrast 55, 67 Thomas von Aquin 8, 34–41, 78, 93, 95, 108, 114, 121, 133, 136, 143, 144, 148, 155, 163, 166, 167, 170–172, 181, 184, 185,
187, 188, 192, 193, 196, 197, 202, 203, 205–207, 210, 214, 215, 218, 225, 230–232, 235, 240, 268, 276, 282, 286, 287 Tugendhat, E. 213, 236 Wieland, W. 252, 270 Zeller, E. 15, 22
Sachregister Abstraktion 12, 23, 118, 148, 150, 151, 155, 220, 237, 250, 275 Abwesenheit, Privation, Beraubung 31, 68, 70, 71, 74, 105, 106, 110, 111, 113–116, 118, 123–126, 156, 158, 160–165, 175, 177, 181, 247, 248, 257, 259, 264, 291, 295, 305 Ähnlichkeit (ὁμοιότης, similitudo) 14, 29, 32, 33, 36, 41, 42, 45, 48, 52, 54, 55, 58–61, 63–65, 69, 72, 74, 129, 134, 136, 202 – Strukturähnlichkeit, strukturelle Ähnlichkeit, strukturelle Entsprechung, strukturelle Gemeinsamkeit, funktionale Ähnlichkeit, funktionale Gleichheit, ontologische Ähnlichkeit/Entsprechung, Verhältnisgleichheit 14, 32–34, 39–43, 45–48, 51–55, 58–61, 63, 73, 77, 79, 86, 98, 113, 114, 119, 129, 134, 136, 138–142, 153, 159, 160, 165, 170, 178, 237, 251, 252, 259, 263, 266, 268, 271, 293, 295–297, 300, 301, 304, 305 Affirmation, affirmative Aussage 31, 97, 98, 112, 115, 116, 141, 213, 223 Aktivität, Machen, Wirken 27, 65, 71, 74, 75, 94, 107, 121–123, 127, 129, 133, 142, 149, 152, 154, 156, 158, 160, 164–166, 169, 171, 172, 177, 178, 180–182, 197, 199, 236, 237, 241, 247, 251–253, 256, 257, 259, 260, 262, 265–269, 271, 272, 282, 286, 291, 293, 296–298, 300–304 Akzidenz, akzidentelle Eigenschaft, kategoriale Eigenschaft 38, 40, 41, 66, 73, 74, 79–83, 86, 91–93, 95, 111, 113–117, 122, 135, 143, 146, 147, 150, 159, 165, 177, 181–183, 206, 212–215, 217–222, 225, 240, 263, 266, 276, 277, 294, 295 Allgemeinheit (καθόλου), Gemeinsamkeit (κοινόν) 7–12, 16, 24, 29, 33, 34, 39, 45, 46, 49, 50, 52, 55, 65, 67, 69, 73, 80–82, 87, 89, 90, 129, 138, 148, 154–156, 163, 164, 179, 180, 185, 194, 197, 198, 208, 210, 225, 228–230, 242, 243, 245, 249, 271, 275, 287, 293, 294, 297, 305 https://doi.org/10.1515/9783110664928-008
Analogie (ἀναλογία, analogia/proportio) 14, 32–35, 37, 39–49, 51–61, 63–65, 67–69, 70–75, 86, 96, 109, 113, 115, 117, 119, 137–139, 142, 154, 159, 160, 163–165, 168–170, 175, 177–179, 183, 194, 200–202, 211, 221, 230, 234–237, 251–253, 256, 258, 261–264, 266–269, 271, 293, 295–298, 300–304 – Attributionsanalogie (analogia attributionis, analogia praedicationis, analogia entis) 34, 35, 37, 39, 41 – Proportionalitätsanalogie (analogia proportionis) 34, 39–44, 60, 73 – arithmetische Analogie 55–57, 59 – geometrische Analogie 56–60, 64, 73 analogische Einheit, analogische Allgemeinheit, analogische Gemeinsamkeit 47, 48, 51, 64, 65, 67, 69, 73, 118, 119, 139, 252, 259, 271, 295, 297, 300, 304, 306 analogische Struktur, analogisches Gefüge 67, 69, 70, 73–75, 132, 133, 182, 265, 270, 271, 291, 295, 298, 303, 305 Analogielehre, Analogietheorie 34, 42 Analogieprädikation, analogische Prädikation 37–39 Anschauung 178, 248, 266, 269 – sinnliche Anschauung, Sinneswahrnehmung 40, 94, 265–269, 303, 304 –intellektuelle Anschauung, noetisches Denken 40, 43, 44, 237, 246, 266, 268, 269, 303, 304 Anwesenheit, Vollendung, Verinnerlichung 31, 74, 95, 105, 106, 110, 114–116, 120, 125, 126, 128, 132, 160–162, 165, 166, 174, 175, 259, 291, 295, 305 Äquivokation, Akzidenzprädikation, akzidentelle Prädikation, per accidensPrädikation 16, 27, 32, 36, 37, 39, 73, 74, 87, 89–93, 96–98, 111, 116, 117, 141, 142, 153, 193, 214, 215, 222, 226, 240, 251, 294, 295
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Sachregister
Aristotelismus 3–5, 94 Arithmetik 28, 64, 65, 215, 216, 219, 258, 259, 270, 299, 304 Artefakt 18–21, 72, 79, 80, 115, 128, 135, 139, 154, 159, 160, 166, 168–170, 173, 174, 177, 178, 186, 188, 190–192, 194, 196, 197, 199, 203–205, 207, 226–228, 230, 248, 261, 262, 299, 301 Astronomie 20, 65, 299, 304 Aufhebung 72, 95, 146, 147, 151, 204, 223, 244, 256, 272, 277, 280, 285, 288 Ausdifferenzierung 87, 238, 287 – kategoriale Ausdifferenzierung 27, 48, 64, 87, 95, 100, 111, 142, 293–295 Aussage, Aussagesatz, Urteil 7, 27, 31, 73, 77, 79, 82–86, 89, 90, 93, 95–100, 104, 112, 113, 115, 116, 137, 139–144, 146, 148, 149, 182, 185, 186, 207, 212, 213, 215, 217, 218, 220, 222, 223, 225, 226, 240, 242, 245, 248, 250, 266, 269, 305 Begriff 4, 10, 14, 23, 29, 31, 33–35, 38–40, 45, 47, 48, 52, 68, 70, 73, 78–80, 84, 86, 88–91, 118, 119, 133–135, 139, 142– 144, 149, 151, 152, 155, 180, 189, 195, 209, 210, 214, 215, 222, 237, 238, 241, 242, 250–252, 263, 265, 268, 272, 273, 297, 298, 303 – Begriffseinheit, begriffliche Einheit, analogische Begriffseinheit, analogische Einheit des Begriffs 23, 29, 41, 46–48, 51, 52, 65, 68, 69, 73, 113, 119, 139, 252, 265, 268, 281, 295, 297 – Oberbegriff 7, 14, 38, 69, 84, 90, 91, 94, 114, 117, 143, 144 Besonderheit 90, 154, 185, 208, 242, 245 Bewegung, akzidentelle Veränderung 11, 16, 27–29, 31, 32, 55, 65–75, 77, 79, 81, 83, 85, 94, 100, 103, 104, 106–114, 116–121, 123–125, 127–135, 137, 138, 141–143, 150, 153–155, 157, 159–167, 169, 174, 177–180, 182, 183, 203, 215, 230, 240, 242, 245, 250, 251, 253, 256, 258–261, 266, 267, 270, 274–280, 283, 284, 286, 288, 290, 293–296, 301, 303–305 Biologie 28, 55, 60, 64, 215, 216
Chiasmus, chiastische Einteilung, chiastische Vierteilung 14, 16–19, 24, 25, 71, 79, 81, 82–84, 87, 111, 113, 121, 123, 140, 141, 232, 247, 293–295, 299, 300, 306 Definition, Wesensdefinition 8, 11, 32, 57, 72, 75, 77, 79, 80, 87–90, 92, 119–121, 124–131, 134, 148, 149, 151–153, 155, 157, 159, 164, 167, 185, 195–197, 200, 202, 203, 209–215, 217–230, 232–242, 244, 245, 251–253, 271, 291, 296, 297, 300, 306 Definitionsgleichheit, Wesensgleichheit 35–37, 87, 88, 193–195, 197, 201 Denken 5, 12, 13, 43, 44, 53, 85, 97, 98, 119, 132, 134, 136, 139, 141, 171, 182, 200, 238, 246, 248, 249, 266–268, 270, 272, 273, 297, 303 – dianoetisches Denken, diskursives Denken 13, 32, 43, 44, 100, 136, 223, 224, 230, 246, 265, 266, 269 – noetisches Denken, Geist, Nous 11–13, 32, 43, 44, 97, 132, 152, 155, 167, 209, 211, 212, 224, 230, 237, 246, 265, 266, 268, 269, 303 Denken des Denkens, Gott 7, 8, 10, 11, 17, 34–39, 41, 42, 46, 182, 204, 212, 259, 265, 272, 276, 283, 286, 302 Demonstration 32, 164, 185, 200, 211–214, 216, 217, 221–225 Differenz 14, 29, 41, 48, 51, 84, 113, 114, 138, 139, 168, 212, 221, 222, 226, 231–240, 245, 247, 265, 267, 273, 274, 277, 301 – ontologische Differenz 27, 31, 73, 74, 79, 81, 82, 84, 86, 87, 100, 111, 140, 142, 144, 153, 250, 293–296 – spezifische Differenz, letzte Differenz 33, 80, 151, 157, 209, 211, 212, 222, 230, 232–238, 241, 244, 251–253, 290, 297, 300, 301, 306 Dihairese, dihairetische Einteilung, dihairetische Zweiteilung 15, 66, 67, 125, 134, 151, 155, 211, 222, 231, 232, 293, 300, 306
Sachregister
δύναμις, Dynamis 39, 63, 70–72, 80, 119, 121, 122, 124, 133, 135, 137, 138, 179, 180, 245, 247, 251, 266, 269 – Vermögen 39, 53, 54, 64, 65, 67, 70, 72, 80, 119, 121, 123, 133, 134, 137, 138, 150, 171, 179, 182, 250, 262, 264, 266–268, 272, 288–290 – Aktivvermögen, aktives Vermögen, wirkendes Vermögen (potentia activa) 121–124, 126, 134, 135, 166, 181, 189, 247, 267, 269, 289, 290 – Passivvermögen, passives Vermögen, Vermögen des Erleidens (potentia passiva) 71, 121–123, 133, 135, 180, 247, 267, 269, 280, 289, 290 – Möglichkeit, Potentialität 23, 24, 35, 36, 71–73, 75, 119, 123–127, 130, 131, 133–137, 141, 181, 184, 202, 228, 235, 236, 238, 241, 245–251, 261, 267–269, 271–275, 286, 289–291, 298 – Möglichsein 70, 73, 75, 119, 126, 131–133, 135, 136, 251, 261, 293, 298 ἐνέργεια, Energeia 11, 23, 39, 54, 70–73, 119, 120, 124–126, 130, 131, 133–139, 141, 179, 180, 188, 196, 208, 234, 236, 241, 245–247, 249, 251, 282–284, 291 – Ins-Werk-Setzen, Verwirklichung, Aktualisierung 20, 24, 39, 54, 64–67, 71, 72, 75, 115, 119–121, 123, 124, 126–130, 132–135, 137, 138, 170, 178–180, 182–184, 196, 200, 204, 238, 241, 246, 248, 250, 252, 253, 262, 266–268, 288, 289, 291, 298 – Wirklichkeit, Aktualität 27, 29, 35, 36, 71–73, 75, 119, 123–127, 131–137, 141, 148, 157, 178, 180–182, 200, 203, 228, 229, 235, 236, 238, 241, 243, 245–252, 268, 269, 271, 281, 282, 284, 286, 290, 291, 298 – Wirklichsein 70, 73, 75, 119, 126, 131–133, 135, 136, 246, 249, 251, 261, 293, 298 ἐντελέχεια 71, 72, 119, 120, 122, 124–126, 128–130, 170, 180, 241, 249 – Ins-Ziel-Setzen, Vollendung 31, 74, 105, 106, 110, 115, 120, 121, 125, 126, 128, 132, 160, 161, 166, 174, 175, 180, 259, 291, 295, 305
319
Eigenschaft 2, 27, 83–85, 91, 93, 101–104, 106–111, 116, 133, 141, 142, 145, 146, 151, 153, 154, 165, 166, 176, 182, 183, 199, 200, 203, 212, 213, 215, 217–219, 223, 226, 228, 248, 251, 253–256, 263, 264, 267, 269, 276, 277, 290, 294, 296, 297, 303, 304 – gegensätzliche Eigenschaft 160–163, 165, 252, 255, 256, 262 Eigentümlichkeit, wesentliche Eigenschaft 2, 28, 31, 35, 64, 65, 93, 97, 104, 146, 149, 151, 154, 208, 212–223, 225, 243, 252, 256, 257, 259, 268, 270, 273, 281, 284, 289, 304, 305 Einteilung, Klassifikation 15–19, 22, 24, 25, 49, 66, 67, 73, 79, 82, 83, 89, 102, 106, 107, 111, 112, 121, 191, 203, 212, 231–233, 237, 257, 261, 264, 277, 293–295, 299, 300, 306 Einzelding, Einzelnes, Individuum 1, 2, 10, 11, 38, 46, 66, 69, 77, 79, 80, 82, 83, 86, 88–95, 97, 105, 106, 111–117, 123, 133, 136, 137, 140, 142, 143, 146–151, 153–156, 159–163, 165, 168, 173–180, 183, 184, 186, 188, 201, 203–209, 212, 219–222, 225, 226, 228–230, 233, 263–265, 239–243, 245, 249, 251–253, 259, 266–268, 270, 275, 279, 284, 285, 289, 297 Einzelheit, Individualität 2, 55, 81, 82, 90, 93, 129, 154, 185, 208, 216, 225, 229, 242, 243, 245, 294, 305 Entstehen-Vergehen, substanzielle Veränderung 32, 66, 100, 106, 108, 110–117, 119, 123, 130, 155, 159, 160–165, 177, 282–284 Entstehung, Naturentstehung, natürliche Entstehung 2, 11, 16, 18–20, 27, 28, 31, 32, 35, 65–75, 77, 82, 108, 110–114, 116–118, 121, 123–125, 128–133, 135, 136, 138, 142, 144, 150, 151, 153–155, 157, 159, 160, 164–166, 168–192, 194–197, 200–205, 207–209, 211, 215, 221, 225, 233, 234, 237, 238, 241, 245–249, 251–253, 255, 256, 258, 259, 261–263, 269, 271, 274,
320
Sachregister
275, 282–284, 286, 291, 293–297, 299–301 Ethik, Tugendlehre 15, 21, 39, 45, 46, 52, 55, 59, 63, 65, 95, 257, 263, 264, 270, 300, 302, 304 Form 9, 14, 20, 23, 30, 33, 53–55, 63, 65, 67–75, 77–80, 83, 91, 92, 105, 106, 111, 112, 115, 118, 120, 122–129, 131–135, 137, 138, 143, 144, 146, 148–150, 152–154, 156–165, 168–184, 188–190, 195–197, 200, 202, 204, 206–208, 210–212, 226–230, 233–237, 241, 246–248, 251–253, 257, 259–262, 269, 271, 273, 276, 290, 291, 293, 295–298, 300–302 Freundschaft 265, 303 Gattung 15, 28, 33, 47, 66, 67, 69, 80, 82, 84, 88, 90, 91, 93, 104, 105, 113, 114, 125, 134, 143, 144, 146, 148, 149, 151, 154, 155, 203, 209, 211, 216, 220, 222, 223, 229–239, 241–245, 252, 253, 270, 290, 297, 301, 304, 306 Gegensatz, Entgegensetzung 13, 24, 27, 30, 46, 70, 74, 101–107, 109–111, 114–119, 121, 131, 132, 158, 160–162, 165, 168, 170, 175–177, 182, 216, 231, 238, 250, 252, 254–256, 259, 264, 285, 288, 290, 291, 295, 296, 305 – horizontaler Gegensatz 27, 175, 176, 131, 290 – vertikaler Gegensatz 131, 132, 176, 182, 290 Gestalt 20, 48, 65, 68, 70, 72, 80, 109, 122–124, 127, 132, 133, 135, 136, 150, 161, 164, 170–172, 174, 177, 179, 183, 194, 196, 197, 199–201, 204, 205, 207, 215, 226, 227, 230, 236, 238, 248, 252, 257–259, 262, 269, 300, 301, 304 Geist, Nous 12, 14, 25, 26, 32, 33, 46, 53, 72, 75, 120, 132, 151, 152, 155, 157, 167, 209, 211, 212, 223, 230, 237, 238, 241, 242, 245, 246, 249, 252, 253, 258, 260, 267, 271, 274, 282, 284, 288–291, 293, 294, 298
– göttlicher Geist, absoluter Geist, göttliches Denken, Denken des Denkens 182, 246, 268, 271–274, 289–291, 298 – menschlicher Geist, menschliches Denken 238, 268, 271–274, 293, 298 Gerechtigkeit 42, 46, 48, 57–59, 265, 303 – politische Gerechtigkeit 57–59 – Verteilungsgerechtigkeit 57, 219 Geometrie 13, 28, 29, 57, 64, 65, 134–137, 215, 216, 258, 259, 270, 299, 304 Gleichartiges, Gleichförmiges, gleichartiges Einzelding, gleichartiges Einzelnes, gleichartiges Naturseiendes (συνώνυμον) 2, 11, 20, 33, 88, 91, 113, 116, 147, 149, 151, 153, 154, 173, 174, 178–180, 183, 184, 186, 188, 193–201, 207–209, 220, 225, 241, 242, 245, 251–253, 275, 284, 286, 297 Gleichartiges, Gleichartigkeit, Homogenität, (ὁμοειδές) 2, 178, 186–188, 192, 193, 200, 201, 208, 241, 246, 251, 282, 296 Gleichnamiges, Gleichnamigkeit (ὁμώνυμον) 39, 47–49, 51, 52, 54, 55, 62, 188–190, 193, 195, 197, 199, 201 Grundelemente, elementare Substanzen 11, 16, 20, 25, 32, 33, 42, 43, 75, 104, 109, 121, 148, 150, 157, 167, 182, 215, 246, 252–256, 271, 290, 291, 293, 297, 298 Handlung, Praxis 18, 19, 21, 22, 119, 121, 123, 127, 130–135, 154, 157, 163, 166, 168, 169, 173, 183, 184, 186, 188, 191–194, 196–204, 208, 246, 248, 261–264, 269, 270, 299, 300–304, 306 Herstellung, Techne, Kunst, Poiesis 18–22, 30, 66–69, 114, 119, 123, 124, 127, 130–136, 154, 155, 159, 160, 163–166, 168–180, 182–184, 186–194, 196, 200–205, 207, 219, 221, 238, 246, 248, 261–263, 269, 299–304, 306 Himmelskörper, Gestirn, himmlische Substanz 11, 14, 20, 24–26, 31–33, 35, 65, 72, 75, 109, 121, 157, 167, 168, 182, 215, 225, 246, 252, 253, 257, 259, 274–279, 281–284, 286–288, 290, 291, 293, 294, 297, 298, 300, 301, 304, 306
Sachregister
Hylemorphismus 72, 251, 256, 261, 263, 265, 269, 293, 296, 298, 301, 303, 304, 306 – hylemorphistisch 72, 157, 169, 183, 212, 237, 238, 240, 256, 264, 298 – hylemorphistische Struktur, hylemorphistisches Gefüge 21, 153, 154, 157, 165, 173, 177, 179, 221, 229, 230, 233, 245, 256, 257, 262, 269, 293, 296, 298, 300, 302, 303 Idee (ἰδέα) 4, 13, 25, 29, 39, 43, 44, 46, 47, 109, 118, 148, 159, 176, 177, 180, 184, 204, 205, 209, 222, 225, 239, 240, 245, 249, 250, 274, 275, 280, 288 Ideenlehre 4, 5, 118, 158, 176, 177, 184, 205, 207–209, 222, 240, 245, 249, 275, 280 Induktion (ἐπαγωγή) 56, 73, 101, 134, 270, 304, 305 Kategorie 1, 2, 4, 5, 10, 16, 22, 23, 27, 29, 31–35, 38–40, 46, 48, 54, 64, 65, 73, 74, 77–79, 81–87, 90, 91, 93–95, 98–100, 102–111, 113, 114, 118, 140, 142–149, 152, 153, 159, 182, 206, 207, 212, 217–221, 237, 242, 249–252, 277, 293–297, 305 – Akzidenzkategorie, akzidentelle Kategorie, unwesentliche Kategorie 27, 66, 73, 87, 93, 95, 96, 113, 293, 294 – Wesenskategorie, wesentliche Kategorie, substanzielle Kategorie, Wesenssubstanz, wesentliche Substanz 27, 54, 66, 73, 75, 77, 81–84, 87, 90, 93–97, 105, 106, 113–116, 138, 143, 146–149, 151–153, 155, 157, 207–209, 211–213, 217–223, 225, 231, 233, 234, 237, 241, 244–246, 252, 253, 271, 290, 291, 293, 294, 296–298, 306 – zukommende Kategorie 217–219, 221, 252 Kategorienlehre 4, 5, 27, 35, 38–40, 81, 86, 87, 94, 95, 152, 277, 305 Kausalzusammenhang, produktiver Kausalzusammenhang 36, 165, 172, 183, 208
321
Kompositum, Komposita 66, 74, 80, 83, 115, 144, 170, 173, 176–178, 207, 226–231, 253, 258, 285, 295 – logisches Kompositum, logische Komplexität, sprachliche Komplexität, logischer Komplex, sprachlicher Komplex 85, 211, 222, 225, 239 – ontologisches Kompositum 85, 211, 225 – sensibles Kompositum, sinnlich wahrnehmbares Kompositum 226–230, 234, 237, 240, 258 – intelligibles Kompositum 226, 234, 237, 240, 258 – akzidentelles Kompositum 32, 66, 74, 78, 115, 153, 182, 240, 251, 295, 296 – substanzielles Kompositum 32, 66, 74, 78, 115, 153, 240, 251, 295, 296 Kreuzstruktur, Kreuzgestalt 131–133, 176 Lebewesen 11, 14, 17, 18, 20, 24, 25, 31–33, 35, 43, 44, 48, 60, 63, 72, 75, 82, 84, 88–93, 105, 109, 115, 121, 128, 129, 143, 144, 151, 167, 168, 177, 180, 182, 185, 195, 196, 202, 205, 207, 208, 214–216, 222, 223, 225, 227, 228, 232, 233, 236, 237, 239, 243–246, 252, 259, 262, 271, 274, 278, 279, 282–284, 286, 287, 291, 293, 294, 297, 298, 301 Logik 5, 13, 15, 65, 86, 134, 137, 142, 143, 154, 155, 185, 186, 250, 270, 285, 304 Logos 4, 5, 10–13, 28, 31, 32, 34, 39, 44, 45, 73–75, 77, 79, 85–87, 96, 98, 100, 112, 115, 118, 119, 139–142, 151, 155, 201, 209, 210, 212, 225, 241, 245, 250, 251, 293–296, 305 Metaphysik, Substanzlehre, Prinzipienlehre, Prinzipienforschung, Arche-Forschung 1–3, 5–10, 12–16, 19, 21, 23–33, 35, 37, 55, 64–67, 73, 75, 77, 139, 143, 147–153, 156, 158, 159, 163, 164, 166, 172, 203, 208, 209, 223–225, 242, 249, 250, 256–258, 270, 271, 275, 276, 293, 294, 298, 304–306 – Meta-Physik 5, 12, 13, 250 – Meta-Mathematik 5, 12, 13, 250
322
Sachregister
– metaphysica generalis 6–10, 14 – metaphysica specialis 6–8, 10, 14 Materialität 23, 24, 36, 39, 65, 72, 73, 75, 129, 149, 178, 248, 271–273, 278, 280–282, 286, 288, 289, 291, 298 Materie, konkrete Materie, Stoff 23, 25, 54, 65, 68–71, 73–75, 77, 78, 97, 111, 114, 117, 118, 123, 125, 129, 133, 135–139, 144, 148–152, 154, 155, 158–162, 164, 165, 168–170, 172–174, 176–178, 180–182, 184, 185, 190, 196, 203–205, 210, 211, 215, 226–230, 233, 234, 236, 237, 241, 247, 248, 251–255, 257, 259, 261, 262, 267, 269, 271–273, 278–280, 282, 285, 288–291, 293, 295–298, 300–302, 304 – prima materia, Urmaterie, Urstoff 144, 150–152, 247, 253–256, 298 – sensible Materie 157, 211, 212, 226–230, 234, 236, 238, 251, 253, 258, 259, 297, 298, 300 – intelligible Materie, Gattung 15, 28, 33, 47, 66, 67, 69, 80, 82, 84, 88, 90, 91, 93, 104, 105, 113, 114, 125, 134, 144, 148, 149, 151, 154, 155, 157, 172, 203, 209, 211, 212, 226–230, 234, 236–238, 244, 251–253, 258, 259, 270, 290, 297, 298, 300, 301, 304, 306 Mathematik 5, 12, 13, 22, 23, 28, 29, 64, 75, 136, 154, 185, 186, 209, 216, 224, 228, 250, 257–259, 299–301 Medizin, Heilkunst 21, 30, 36, 41, 47–49, 65–69, 173, 187, 191, 192, 198, 199, 262–264, 270, 302, 304 Meinung 32, 43, 75, 77, 79, 211–213, 216, 217, 221–225, 245, 251, 296 Modalität, Modus, Seinsweise (modi essendi) 37, 40, 70, 75, 124, 141, 246–250, 282 Musik 92, 93, 101, 102, 104, 115, 131, 143, 161, 256, 299, 304 Namensgleichheit, Gleichnamigkeit 36, 39, 87, 88, 193, 194, 197 Natur, Physis 11, 12, 120, 154, 155, 175, 177, 178, 182, 183, 186, 195, 200, 204, 207,
241, 242, 245, 246, 250, 253, 275, 283–286 Naturart, natürliche Art, Art (εἶδος) 1–3, 10, 11, 13, 23, 24, 32, 33, 35, 59, 66–72, 75, 80–82, 84, 88, 90–93, 95–97, 105, 106, 108, 109, 111–116, 119, 121–129, 135, 139, 143, 144, 146–149, 151–159, 161–166, 170–174, 176–181, 183, 184, 186–190, 192, 194–211, 220–223, 225–228, 234–238, 240–254, 258–260, 262, 269, 271, 275, 279, 284, 286, 296–298, 300, 301, 304 Naturentstehung, Physis 2, 18–20, 32, 35, 67–69, 82, 116, 117, 123, 132, 135, 151, 154, 155, 159, 160, 164–171, 173–179, 181–197, 200–205, 207–210, 238, 241, 245, 246, 248–250, 261–263, 269, 275, 282–284, 286, 291, 299–301, 303 Naturseiendes, natürliches Seiendes, Naturding 2, 18, 20, 33, 65, 75, 82, 91, 108, 113, 121, 128, 129, 131–133, 135, 148, 154, 155, 159, 160, 165–169, 173, 174, 177–181, 183–185, 188, 191–194, 203–209, 226, 227, 230, 242, 246, 248, 258, 270, 273, 279, 283, 286, 290, 299, 304 Negation, negative Aussage 31, 97, 98, 115–117, 141, 223, 250 Notwendigkeit 11, 19–22, 75, 83, 121, 154, 168, 169, 178, 183–185, 195, 203, 204, 225, 240, 246, 249, 274, 275, 278, 284–287, 291, 299 Ökonomik 21, 55, 59, 257, 263, 300, 302 Ontologie 5–8, 10, 12, 86, 88, 137, 142, 185 Passivität, Erleiden, Leiden 24, 27, 65, 71, 72, 74, 75, 94, 107, 121, 123, 126, 127, 129, 133, 142, 149, 152, 154, 165, 166, 169, 172, 177, 178, 181, 182, 236, 237, 241, 247, 251–253, 256, 257, 259, 260, 262, 265–269, 271–273, 278, 280, 286, 288, 289, 291, 293, 296–298, 300–304 per accidens 27, 28, 36, 38, 65, 73, 77, 87, 91–94, 96, 97, 100, 107, 111, 113, 128, 142, 146, 153, 168, 169, 187, 192, 207,
Sachregister
212, 213, 218, 220, 222, 224, 240, 251, 252, 294–297 per se 23, 26–29, 31, 38, 49, 65, 73, 77, 82, 83, 87, 91, 93, 94, 96, 97, 100, 103–105, 107, 108, 111, 113, 128, 135, 142, 146, 153, 157, 167–170, 187, 191, 192, 198, 204, 207, 208, 212–216, 218–220, 222, 224–226, 236, 237, 240, 245, 251, 252, 254, 258, 273, 279, 288, 294–297 Physik, zweite Philosophie, Naturforschung, Ontik 4–6, 10, 12–15, 18, 20–25, 27, 28, 30, 35, 65, 75, 77, 108, 119, 133, 134, 142, 143, 155, 156, 177, 209, 215, 216, 224, 242, 248, 250, 257–259, 270, 274, 299, 300, 301, 304, 305 Platonisierung 4, 14 Platonismus 4 Politik 21, 55, 59, 257, 263, 300, 302 Prädikat, Verb 2, 7, 27, 31, 38, 40, 74, 81–87, 89, 91, 95, 96, 98, 99, 104, 115–117, 140–142, 144–146, 148, 149, 153, 182, 211, 214, 218, 220, 222–224, 226, 229, 239, 240, 242, 248–252, 294–297 – Akzidenzprädikat, akzidentelles Prädikat 73, 74, 87, 91–93, 95, 96, 116, 141, 153, 211, 214, 222, 226, 240 – Wesensprädikat, wesentliches Prädikat 2, 33, 87, 91, 93, 95, 96, 113, 146, 194, 207, 208, 211, 214, 223 Prädikation 4, 5, 11, 27, 32, 34, 37–41, 69, 73, 74, 81, 82, 85–88, 90–93, 96, 97, 111, 116, 117, 141, 142, 153, 194, 195, 207, 208, 214–216, 222, 223, 226, 240, 245, 294 – Prädikationsstruktur 5, 40, 74, 87, 96, 97, 116, 144, 218, 220, 223, 225, 295 – Prädikationsweise 35, 37, 39, 87, 88, 93, 97 Prinzip(ien) 4–6, 9–14, 23, 26, 28–32, 44, 48, 64–67, 70, 72–74, 102, 121, 122, 128, 135, 143, 147, 150, 152–160, 162–167, 171, 173, 174, 176, 182, 184, 185, 198, 204, 208, 209, 211, 212, 215, 223, 239, 242, 244, 248, 250, 253, 257–259, 261–263, 267, 270, 271, 274, 275, 279, 282, 284, 290, 291, 295, 304–306
323
– Definitionsprinzip, definitorisches Prinzip, Prinzip der Definition 152, 223, 244, 306 – Entstehungsprinzip(ien) 2, 6, 10, 11, 14, 20, 26, 33, 152, 154, 156, 157, 160, 162, 168, 169, 175, 204, 207, 209, 242, 257–259, 278, 306 – Wesensprinzip 11, 209, 242 – materiales Prinzip, stoffliches Prinzip 74, 135, 150, 152, 153, 157, 158, 160, 170, 171, 173, 182, 184, 204, 209, 242, 248, 253, 258, 262, 290, 295, 306 – formales Prinzip 74, 135, 153, 154, 157, 160, 170, 171, 173, 182, 184, 204, 209, 248, 253, 258, 259, 261, 262, 295, 306 Prinzipiat 5, 12, 31, 32, 153, 154, 185, 208, 258, 305 Produktivität 149, 151, 180, 208, 223, 242 Proportion 33, 34, 42, 43, 63 Prozessualität 72, 118, 126, 127, 131–133, 176, 238, 268, 290 Sachverhalt 27, 31, 32, 65, 66, 72–75, 77–79, 81–86, 90, 91, 96–98, 100, 112, 137, 140–143, 150, 152, 153, 157, 159, 163, 182, 211, 213, 215, 222, 223, 226, 240, 242, 245, 251, 259, 294–296, 305 Sein 4, 5, 10, 13, 28, 31, 32, 34, 38, 39, 41, 44, 70, 73–75, 77, 79, 85–87, 96, 98, 100, 102, 109, 112, 115, 118, 139, 140, 142, 209, 244–246, 249–251, 293–296, 305 Seiendes 6, 10, 22, 23, 28, 29, 31, 39, 44, 46, 48, 52, 65, 68, 70, 73, 79, 80, 81, 87-89, 101, 111, 112, 123, 130, 139, 145, 165, 175, 184, 188, 192, 200, 201, 205, 207, 212, 213, 221, 247, 254, 259, 264, 273–275, 277, 278, 284, 287, 295, 298, 299 – Naturseiendes, Naturding 10, 14, 19, 21, 35, 65, 72, 82, 156, 169, 178, 188, 191, 206, 258, 283, 299 Spontaneität 166, 187, 190–192, 198, 199, 202, 266, 267 Subjekt, Nomen 2, 7, 11, 27, 31, 40, 74, 77, 81–87, 89, 90, 92, 93, 95, 96, 98, 99, 105, 112, 116, 117, 140–146, 148, 149,
324
Sachregister
151, 153, 194, 211, 214, 218–224, 226, 239, 240, 242, 248–252, 294–297 – letztes Subjekt, letztes logisches Zugrundeliegendes, Einzelsubjekt, Eigenname 84, 85, 90, 96, 143, 144, 148, 149, 151, 155, 242 Substrat 2, 27, 74, 77, 84, 101–103, 109–111, 114, 117, 118, 128, 129, 142, 143, 145, 146, 149–151, 153, 157, 179, 181, 182, 185, 204, 205, 215, 241, 242, 251, 252, 256, 262, 264, 266, 267, 279, 294, 296, 297, 303 – letztes Substrat, letztes ontisches Zugrundeliegendes, prima materia 150, 151 Substanz 6, 8, 13, 16, 17, 23, 24, 27, 29, 33, 38, 40, 41, 46, 74, 78–84, 86, 93, 95, 98, 100–103, 109–112, 140, 142, 144–146, 147–150, 159, 161, 176, 203, 205–208, 214, 218, 220, 222, 223, 225, 230, 240, 242–244, 246, 249, 250, 252, 253, 256, 258, 269–271, 273–280, 282, 293–298, 304–306 – erste Substanz, Einzelsubstanz, einzelne Substanz, Existenz (existentia) 1, 2, 22, 23, 26–28, 31–33, 35, 40, 65, 66, 72–75, 77, 81–87, 90, 94–96, 98–105, 109, 112, 114, 141–155, 157, 159, 160, 162, 165, 175, 176, 180–182, 197, 203, 205, 207–209, 211, 215, 219, 221, 223, 225, 228, 234, 241, 242, 245, 251–253, 255–257, 259, 263, 271, 277, 290, 291, 294–298, 305, 306 – zweite Substanz, Wesenssubstanz, allgemeine Substanz, Wesenheit, Essenz (essentia), primäre Substanz 35, 38, 44, 48, 54, 66, 75, 77, 81, 82, 84, 87, 88, 92–94, 96, 97, 105, 106, 113–116, 138, 143, 146–149, 151–153, 155, 157, 175, 176, 193, 195, 201, 202, 207–209, 211–213, 217, 219–223, 225, 227, 231, 233, 234, 237, 241, 242, 244–246, 252, 253, 271, 290, 291, 294, 296–298, 306 – intelligible Substanz, übernatürliche Substanz 6, 8–12, 14, 23–26, 31–33, 35, 72, 75, 223, 242, 257, 258, 271, 274, 275, 280, 281, 288, 289, 291, 294, 298, 305
– sensible Substanz, natürliche Substanz 6, 9, 14, 22, 24–28, 31–33, 35, 75, 215, 242, 258, 271, 274, 275, 288, 290, 291, 294, 298, 305 – formale Substanz 26, 150, 175, 176 – materiale Substanz 26, 150, 175, 176, 279 Substantialität 8, 33, 44, 72, 111, 126, 127, 131, 146–149, 176, 208, 242–244, 275, 281, 282 Substantivierung 239, 240 Syllogismus, Deduktion (συλλογισμός) 55, 65, 91, 92, 154, 164, 185, 186, 193, 194, 197, 200–203, 216, 224, 244, 245, 258, 260, 270, 271, 278, 285, 304 Systematik 3, 293 – systematisch 2, 3, 5, 14, 15, 30, 45, 73, 79, 147, 152, 172, 177, 242, 271, 275, 293, 305 Theologie, erste Philosophie 4–8, 10, 12, 14, 22–25, 39, 75, 209, 251, 257, 259, 274, 299–301, 305 Transzendenz 288 Transzendentalien, Gottesattribute 5, 7, 8, 14, 35, 37, 41, 94, 276 Transzendentalienlehre 5, 7, 276 Übereinstimmung, Korrespondenz, Entsprechung 4, 13, 32, 42–45, 75, 77, 79, 85–88, 96–100, 102, 139–143, 214, 215, 223, 245, 250, 287, 297 unbewegter Beweger, unbewegtes Bewegendes, erstes Bewegendes, erste Bewegungsursache, allererste Bewegungsursache, Gott 11, 24–26, 32, 35, 65, 157, 182, 212, 257–259, 271, 272, 274–286, 288–291, 293, 294, 297, 300, 301, 306 Univokation, Wesensprädikation, wesentliche Prädikation, per sePrädikation 16, 27, 32, 35–37, 39, 40, 69, 73, 74, 82, 87, 89–91, 93, 96–98, 111, 116, 117, 142, 153, 195, 207, 208, 223, 240, 245, 251, 294, 295 Ursache 9, 10, 18–20, 31, 32, 36, 66–68, 70, 111, 128, 151, 152, 154–160, 162–169, 176, 177, 179–181, 185, 191,
Sachregister
192, 194, 197, 200, 209, 211, 226, 235, 257–259, 271, 276, 280–282, 299, 305, 306 – Bewegungsursache, Bewegungsprinzip, Wirkursache, wirkendes Prinzip 6, 14, 18–21, 24–26, 32, 66, 68, 69, 93, 135, 154, 156–158, 162–164, 166–169, 173–176, 179–183, 188, 189, 191, 192, 194–200, 204, 206, 207, 226, 257–259, 261, 262, 267, 272, 276, 278–282, 284, 288, 290, 299, 301, 306 – Formursache 135, 158, 159, 161, 169, 175, 176, 179, 180, 182, 187, 191, 194–199, 205, 206, 235, 236, 262, 290 – Stoffursache 68, 157, 158, 161, 163, 169, 175, 176, 180, 182, 206, 207, 235, 262, 276, 290 – Zielursache 135, 157–159, 163, 164, 169, 173–176, 179, 180, 182, 194–197, 257, 290 Veränderung 10–12, 14, 27, 28, 31, 32, 34, 39, 44, 45, 65–75, 77, 79, 84, 94, 100–104, 106–140, 142, 143, 145, 153, 155, 159–167, 177, 193, 200, 203, 207, 209, 213, 215, 219, 245, 246, 250, 251, 255, 256, 258, 263, 265, 266, 269, 291, 293–296, 303–305 Vier Ursachen, vier Prinzipien, vier Entstehungsprinzipien 66–68, 70, 111, 154, 156–160, 163–165, 169, 175–177, 181, 209, 211, 257, 306 – Form, Privation, Stoff und Wirkendes/ Wirkursache 68, 70, 156, 158, 164, 165, 257 – Stoff-, Form-, Wirk- und Zielursache 156–159, 163, 169, 175, 257, 276 Vier-Ursachen-Lehre 111, 154, 156–159, 163, 164, 169, 176, 177, 181, 209, 211, 257, 306 Wahrheit 7, 16, 22, 44, 97–100, 137, 139–141, 215, 223, 224, 269, 306 – Übereinstimmungswahrheit, Korrespondenzwahrheit 75, 79, 97, 98, 100, 139–142, 214–216, 245
325
– Korrespondenztheorie der Wahrheit, Theorie der Übereinstimmungswahrheit 223, 224 Wahrnehmung, Sinneswahrnehmung, sinnliche Wahrnehmung, Empfindung 11, 32, 53, 66, 109, 119, 171, 224, 230, 246, 248, 265–270, 303 Wissenschaft(en) 1, 7, 10, 13, 15, 16, 19, 21, 22, 29, 30, 65, 133, 139, 191, 201, 216, 224, 263, 274, 299, 300, 305, 306 – Einzelwissenschaft, partikulare Einzelwissenschaft, apodiktischsyllogistische Einzelwissenschaft 3, 10, 13, 28, 29, 55, 64, 65, 134, 147, 214–216, 223, 258, 270, 271, 304, 305 – Epistemologie, Erkenntnistheorie 75, 256, 257, 265, 270, 298, 300, 303 – theoretische Wissenschaft 15, 18, 20–22, 75, 119, 133, 155, 256, 257, 263, 265, 269, 298–300, 303, 305 – poietische Wissenschaft 15, 18, 20, 75, 119, 133, 134, 256, 257, 261, 263, 265, 269, 298–301, 303 – praktische Wissenschaft 15, 18, 21, 22, 75, 119, 133, 134, 256, 257, 263–265, 269, 298–303 Wissenschaftsdisziplin, wissenschaftliche Disziplin 20, 21, 30, 213, 265, 270, 298–301, 304 Zugrundeliegendes (ὑποκείμενον) 7, 27, 28, 51, 64, 67, 70, 73, 74, 78–86, 92, 93, 95, 98, 102, 109–112, 116–118, 122–124, 126–129, 131, 132, 140, 142, 143, 146–150, 152, 159–162, 164, 165, 171, 172, 181, 212–216, 218–222, 224, 237, 240, 242, 251, 252, 254, 256, 259, 295–297, 304, 305 – ontisches Zugrundeliegendes, ontisches Substrat, Substrat (substratum) 74, 77, 84, 100, 102, 109, 114, 142, 145, 146, 149–151, 297 – logisches Zugrundeliegendes, logisches Subjekt, Subjekt (subiectum) 8, 40, 74, 77, 78, 80, 81, 83–86, 89, 95, 96, 105, 112, 114, 116, 140, 142–146, 148,
326
Sachregister
149, 151, 181, 214, 218, 226, 248, 250, 297 – ontologisches Zugrundeliegendes, ontologische Substanz, Substanz (substantia) 31, 37, 38, 40, 41, 74, 77, 80, 81, 86, 100, 102, 109, 114, 142–146, 148, 151, 202, 209, 215, 218, 226, 250, 276, 277, 288, 297 Zukommendes, Zukommenheit (συμβεβηκός) 16, 19, 21, 27, 28, 31, 50, 73, 77, 81–83, 86, 87, 92–94, 101, 103, 107, 114, 116, 117, 128, 142, 146, 162, 165, 166, 168, 180, 186, 187, 189, 190, 211–213, 216, 224, 240, 244, 254
Zwang, Zwangsläufigkeit 184, 185, 285 Zufall, Zufälliges, Zufälligkeit 11, 18, 19, 21, 41, 82, 83, 121, 166, 168, 204, 212, 246, 287, 299 Zweck, Ziel, Werk 20, 21, 49, 120, 121, 124, 125, 132, 169, 173–176, 179, 180, 194, 195, 197–199, 204, 276, 279, 284, 285, 291 – Zweckmäßigkeit, natürliche Notwendigkeit, teleologische Notwendigkeit, Selbstzweck 11, 20, 21, 120, 132, 154, 169, 173, 174, 178, 180, 183–185, 191, 203, 204, 246, 284–286, 290, 291