Science Slam: Ein Format der Wissenschaftskommunikation aus erwachsenenpädagogischer Perspektive 9783839449332

Vielfältige Formen der Wissenschaftskommunikation haben sich etabliert - darunter der »Science Slam« als ein Format, wel

187 39 6MB

German Pages 304 Year 2019

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
1. Einleitender Problemaufriss
2. ›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt. Zusammenführung wissenssoziologischer und erwachsenenpädagogischer Diskurslinien
3. Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum. Herstellung einer erweiterten Bezugnahme
4. Lernkulturen im Da-Zwischen. Erweiterung eines erwachsenenpädagogischen Zugangs
5. Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes. Darstellung des Forschungsdesigns
6. Empirische Annäherung an die Kontaktfläche zwischen den Wissensstrukturen. Detaillierung der Auswertungsschritte
7. Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur. Zusammen-Denken einflussnehmender Merkmale
8. Zusammenführende Reflexion und Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literatur
Recommend Papers

Science Slam: Ein Format der Wissenschaftskommunikation aus erwachsenenpädagogischer Perspektive
 9783839449332

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Maria Stimm Science Slam

Bildungsforschung  | Band 2

Maria Stimm (Dr. phil.) ist Erziehungswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Erwachsenen- und Weiterbildung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie war Promotionsstipendiatin des Departments »Wissen, Kultur, Transformation« der Interdisziplinären Fakultät an der Universität Rostock. Ihre Forschungsschwerpunkte sind (Weiter-)Bildungsberatung, Lernkulturen sowie Programme und Angebote in der Erwachsenenbildung. Darüber hinaus ist sie Mitbegründerin und Mitherausgeberin der Zeitschrift Debatte. Beiträge zur Erwachsenenbildung.

Maria Stimm

Science Slam Ein Format der Wissenschaftskommunikation aus erwachsenenpädagogischer Perspektive

Zugleich Dissertation an der Universität Rostock, Philosophische Fakultät, 2018

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Lektorat: Maria Stimm Korrektorat & Satz: Philipp Teichfischer & Maria Stimm Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4933-8 PDF-ISBN 978-3-8394-4933-2 https://doi.org/10.14361/9783839449332 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt 1

Einleitender Problemaufriss | 7

2

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt. Zusammenführung wissenssoziologischer und erwachsenenpädagogischer Diskurslinien | 17

2.1 2.2 2.3 2.4 3

Ausgangspunkt: ›Wissen‹ | 18 Fokussierung von Wissensstrukturen | 29 ›Wissen‹: (k)ein Thema in der Erwachsenenbildungswissenschaft | 38 Gesellschaftliche Zeitdiagnose ›Wissensgesellschaft‹ | 52 Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum. Herstellung einer erweiterten Bezugnahme | 67

3.1 ›Wissen‹ im Zusammenspiel von Wissenschaft und Öffentlichkeiten | 68 3.2 Wissenschaftskommunikation im Spannungsfeld verschiedener Akteur*innen | 76 3.3 Öffentliche Beteiligungsformate an wissenschaftlichem Wissen | 85 3.4 Erwachsenenpädagogische Ver-Mittlungsmöglichkeiten hin zur Aneignung wissenschaftlichen Wissens | 89 4

Lernkulturen im Da-Zwischen. Erweiterung eines erwachsenenpädagogischen Zugangs | 97

4.1 Erwachsenenpädagogisches Verständnis von Lernkulturen | 97 4.2 Science Slam als erwachsenenpädagogische Lernkultur | 114 5

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes. Darstellung des Forschungsdesigns | 123

5.1 Methodologische Grundlegung über Perspektivenverschränkung | 124 5.2 Begründung und Beschreibung des Samples als Grundlage für die Perspektivenverschränkung | 132 5.3 Erhebungsverfahren für die Perspektivenverschränkung | 138 5.4 Bereitstellung des Datenmaterials für die Perspektivenverschränkung | 148 5.5 Auswertungsverfahren für die Perspektivenverschränkung | 150

6

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche zwischen den Wissensstrukturen. Detaillierung der Auswertungsschritte | 157

6.1 Entwicklung der Auswertungskategorien für die Vorabinterviews und fokussierten Interviews in Perspektivengruppen | 157 6.2 Inhaltliche Zusammenfassung als Zusammenführung der Auswertungskategorien | 170 6.3 Interpretation entlang der Auswertungskategorien | 183 7

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur. Zusammen-Denken einflussnehmender Merkmale | 231

7.1 Inszenierungsstrategien des wissenschaftlichen Wissens | 231 7.2 Vermittlungspraktiken des wissenschaftlichen Wissens | 236 7.3 Figuren der Überführung | 242

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 255 (a) Er-Fassen der Lernkultur ›Science Slam‹ in der ›Figur des Da-Zwischen‹ | 256 (b) Betrachtung des Veranstaltungsformats ›Science Slam‹ zwischen Wissenschaftskommunikation und Erwachsenenbildung | 263 (c) Erschließung von erwachsenenpädagogischen Lernkulturen | 266 (d) Nachdenken über erwachsenenpädagogische Wissenschaftskommunikation | 270 8

Abbildungsverzeichnis | 273 Tabellenverzeichnis | 275 Literatur | 277

1

Einleitender Problemaufriss

Erste Überlegungen zu ver-öffentlichten 1 Wissenschaften führen an jeweils zeithistorischen Auseinandersetzungen entlang. Ob Vertrauensverlust, Zweifel an der Deutungshoheit oder Finanzierungsfragen, Wissenschaften und ihre Inhalte werden seit Jahrzehnten zunehmend öffentlich verhandelt (Weingart 2001). In der Wissenschaft selbst wird die Umsetzung von ›öffentlichen Wissenschaften‹ mehr und mehr thematisiert (Selke & Treibel 2018). Klimaentwicklung, Globalisierungsthemen oder Gesundheitsfragen sind in der Ver-Öffentlichung von Wissenschaften nur Schlaglichter der inhaltlichen Kontroversen zwischen Wissenschaftler*innen und eben auch zwischen Wissenschaftler*innen und Öffentlichkeiten. Kontroversen und Debatten sind dabei unzweifelhaft ein zentrales Moment wissenschaftlicher Entwicklung und der Generierung von Wissen (Liebert & Weitze 2006). Um an wissenschaftlichen Kontroversen partizipieren zu können, bedarf es jedoch im Besonderen nicht nur des Wissens um Inhalte, sondern auch des Wissens um methodisches Vorgehen, Argumentationszusammenhänge sowie Möglichkeiten und Grenzen von Wissen-Schaften. Wissenschaftsgenese unterliegt keinem linearen, sondern einem diskursiven Prozess. Diese Punkte zusammengenommen verweisen auf eine mehrfach begründete Notwendigkeit, wissenschaftliches Wissen zu veröffentlichen: Es geht um Nützlichkeitserwartungen und Teilhabeinteressen, aber auch um Ressourcenbedarfe und Legitimation, grundlegend jedoch darum, wissenschaftliches Wissen, seine Entstehungskultur und gesellschaftliche Bedeutung sichtbar zu machen und nachvollziehbar für unterschiedlichste Zielgruppen darzustellen. Diese Notwendigkeiten werden als Anspruch an die unterschiedlichen Wissenschaftsbereiche, aber auch aus den 1

Durch die Nutzung des Bindestrichs wird in bestimmten Präfixkonstruktionen darauf verwiesen, dass ein Wort – abhängig vom Kontext – auch doppeldeutig gelesen werden kann. An dem Beispiel ›ver-öffentlichen‹ wird deutlich, dass nicht nur ›jemand etwas veröffentlicht‹, sondern dass (dann) auch ›etwas öffentlich ist‹.

8 | Science Slam

Wissenschaften heraus formuliert, sodass sich daran anschließend unzählige Initiativen und Formate im Bereich der Wissenschaftskommunikation entwickelt und ausdifferenziert haben. Aktuell kann hier nicht nur auf TV-Sendungen und Wissenschaftsmagazine verwiesen werden, sondern auch auf politische und wissenschaftliche Veranstaltungen zu Jahren der Wissenschaft, Nächten der Wissenschaften und Wissenschaftspreisen. In diesen unterschiedlichen Kommunikationsformaten geht es zum einen um die Pluralisierung des Wissens durch Veröffentlichung – dabei verschiedene Zielgruppen in den Blick nehmend –, zum anderen um die Schaffung einer Legitimationsgrundlage für Wissenschaften als Bereich im gesellschaftlichen Gefüge (Weingart 2001, 2005). Noch nicht in den Blick genommen wird an diesem Punkt, dass andere Gesellschaftsbereiche und Wissen aus diesen Bereichen ebenfalls als Einflussgrößen in der Gemengelage der Wissenschaftskommunikation auszumachen sind (Berger & Luckmann 2013 [1969]). Demnach ist vielmehr eine Wechselseitigkeit zu erkennen, die sich auch in der Ausrichtung der Kommunikationsformate im Sinne diskursiver Kontroversen widerspiegeln müsste. Grundlegend entsteht ein facettenreiches Spannungsfeld aus Akteur*innen, Bedarfen und Bedürfnissen, aus dem sich unterschiedliche Begründungslogiken generieren, auf die sich die Wissenschaften in der Ver-Öffentlichung von Erkenntnissen, Inhalten und Forschungsergebnissen beziehen. Wird die Kommunikation von wissenschaftlichem Wissen näher betrachtet, wird somit zunächst deutlich, dass die jeweiligen Formate der Wissenschaftskommunikation – auch wenn sie anfänglich oder grundlegend ähnlichen Ansprüchen genügen wollen – sehr divers ausgestaltet sind. Neben Beteiligungsformaten und Erlebnisformaten rückt zunehmend die Notwendigkeit eines diskursiv-dialogischen Formats außerhalb der disziplininternen Kommunikation in den Vordergrund. Dieses Format wäre durch die Betonung eines Austausch- und Kontaktraums zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten geprägt und demzufolge gerade nicht eindimensional und wissenschaftszentriert gestaltet (Barth-Weingarten & Metzger 2005). Doch so eine Formatstruktur scheint es bisher nicht zu geben. Als ein Hinweis für Austausch und Kontakt in diese Richtung können jedoch örtliche Verschiebungstendenzen, die wissenschaftliches Wissen bewusst in andere Kontexte verlagern, um es zu ver-öffentlichen, angeführt werden (Weingart et al. 2007). Erste Schnittstellen mit Forschungszugängen der Erwachsenenbildungswissenschaft ergeben sich einerseits durch die Vermittlungsperspektive, die Formate der Wissenschaftskommunikation einnehmen (wollen). Erwachsenenbildungswissenschaft erschließt dabei die Vermittlung von Wissen in Lehr- und Lernkontexten mit Erwachsenen als Teilnehmer*innen auf mikrodidaktischer Ebene. Andererseits rufen örtliche Verschiebungstendenzen in der Wissenschaftskommunikation angepasste Vermittlungspraktiken für wissenschaftliches Wissen hervor. Es können nun

Einleitender Problemaufriss | 9

erwachsenenpädagogische Fragestellungen bezogen auf die Vermittlung außerhalb gängiger einrichtungsspezifischer Lehr- und Lernkontexte gebildet werden. Deutlich wird, dass eine erwachsenenpädagogische Betrachtung ergänzend zu soziologischen Diskursen von der Hervorbringung und Verbreitung von Wissen hinzutritt. Die Vermittlungspraktiken sind generell Aushandlungsprozessen unterschiedlicher didaktischer Einflussgrößen unterworfen. Es geht demnach nicht nur um die mikroskopische Betrachtung auf einer Mikroebene des möglichen, jeweils ausgestalteten Lehr- und Lernsettings, sondern um dessen Anbindung an die Meso- und Makroebene. Die Mesoebene bezieht sich im Kontext der Wissenschaftskommunikation auf ein Verständnis von Wissenschaftskommunikation, welches durch bestimmte Formatstrukturen abgebildet wird. Auf der Makroebene wirken wiederum Diskurse anderer Gesellschaftsbereiche, welche in einem zirkulären Wechselverhältnis zu medialen Veröffentlichungsstrategien wissenschaftlichen Wissens stehen. Über diese Strukturierung des Handlungsfeldes ›Wissenschaftskommunikation‹ wird erst das Zusammenwirken und gegenseitige Bedingen der makro-, mesound mikrodidaktischen Handlungsebenen sichtbar. Ihr Zusammenwirken lässt sich daran anschließend als erwachsenenpädagogische Lernkulturen ausdifferenzieren. Mit dem Konzept ›Lernkultur‹ werden in der Erwachsenenbildungswissenschaft in erwachsenenpädagogischen Einrichtungen eingebettete Handlungsebenen miteinander verknüpft und einrichtungsspezifisch ausgearbeitet (Fleige & Robak 2017). Eine Lernkultur kann daher nur in jener Gemengelage der Handlungsebenen zwischen unterschiedlichen Einflussgrößen, Akteur*innen und Bezugnahmen charakterisiert werden (Gieseke 2007b). Ein spezifischer Fokus auf eine einzelne Handlungsebene verwehrt hingegen die Darstellung der Lernkultur in ihren Besonderheiten. Demnach ist die Herausforderung, alle beteiligten Akteur*innen, Einflussgrößen und Bezugnahmen für eine Beschreibung der je spezifischen Lernkultur mit einzubeziehen. Diese Zusammenführung kann als ›Da-Zwischen‹ charakterisiert werden (»between« bei Gieseke 2007b). Diese Beschreibung verweist einerseits auf die Spezifik der Lernkultur durch das hinweisende, verortende ›Da‹ – nur in diesem bestimmten Fall greift die Beschreibung –, andererseits wird über das ›Zwischen‹ deutlich, dass es sich um eine Gemengelage einzelner Aspekte handeln muss, die jedoch erst zusammen etwas Spezifisches ausbilden. Was sie ausbilden, wird hier unter dem Begriff ›Lernkultur‹ gefasst. Grundlegend für die Er-Fassung der Lernkultur ist, dass sie sich über bestimmte Einflussgrößen aufspannt, die punktuell und kurzweilig aufscheinen und dennoch prägend wirken können. Diese Momente einer Lernkultur sind dabei nicht fest definiert, sondern bewegen sich zwischen unterschiedlichen Polen und werden als Ausprägungen oder Facetten sichtbar.

10 | Science Slam

Bezugnehmend auf die Annahmen, dass einerseits Makro-, Meso- und Mikroebene in ihrem Zusammenwirken die Formate der Wissenschaftskommunikation in ihrer Spezifik und Differenzierung ausgestalten, und andererseits Lernkulturen über das Zusammen-Denken dieser drei Handlungsebenen sowie der darauf bezogenen Einflussgrößen charakterisiert werden können, schließt sich die Definition des Forschungsgegenstandes an. Da aus erwachsenenpädagogischer Perspektive Angebote mit explizitem Fokus auf wissenschaftlichem Wissen – wenn überhaupt vorhanden – nur eine marginale Position in den erwachsenenpädagogischen Angebotsstrukturen übernehmen (Conein et al. 2004), ergibt sich daraus die Relevanz, auf andere Angebotsstrukturen für die Beschreibung einer erwachsenenpädagogischen Lernkultur, die als Format im Rahmen der Wissenschaftskommunikation mit den entsprechenden, aus den wissenschaftlichen, politischen und öffentlichen Ansprüchen entstandenen Zielperspektiven verstanden werden kann, auszuweichen. Forschungsrelevant ist der Bereich der Wissenschaftskommunikation zum einen aufgrund seiner aufgezeigten Notwendigkeiten, denen Erwachsenenbildung eine kritische Reflexionsinstanz anbietet, zum anderen aufgrund der Tatsache, dass bisher kaum erwachsenenpädagogische Reflexionen über diesen Bereich existieren (Schulenberg 1975; Strzelewicz 1986; Conein et al. 2004; Faulstich & Trumann 2016). Als Forschungsgegenstand wird daher das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ gewählt. Dieses kann als exponiertes Veranstaltungsformat der Wissenschaftskommunikation aufgefasst werden, weil sich durch den expliziten Anspruch des Veranstaltungsformats, Wissenschaften aus den ihnen zugeschriebenen Orten zu verlagern, die Verschiebung von örtlichen Funktionalitätszuschreibungen im Veranstaltungsformat kennzeichnen lässt, und weil Wissenschaftler*innen selbst auf der Bühne als Slammende die Aufgabe der Vermittlung des wissenschaftlichen Wissens übernehmen. Sie präsentieren ein ausgewähltes wissenschaftliches Thema innerhalb von zehn Minuten einem Publikum, welches dabei in seiner Charakterisierung als Öffentlichkeit(en) für die Wissenschaftler*innen diffus bleibt. Die jeweilige SlamPerformance unterliegt dennoch dem Anspruch, inhaltliches Verstehen der wissenschaftlichen Themen und Unterhaltungsmomente einer Freizeitveranstaltung miteinander zu verbinden und gleichzeitig Authentizität, Emotionen und Enthusiasmus in Bezug auf wissenschaftliche Themen und Inhalte zu vermitteln (Dähn 2011). Als Akteur*innen innerhalb dieses Veranstaltungsformat lassen sich demnach Wissenschaftler*innen als Slammende, Personen aus dem Publikum sowie die Organisator*innen der Science-Slam-Veranstaltungen benennen. Aufgrund der Ausgestaltung des Veranstaltungsformats als Kontaktraum zwischen wissenschaftlichen Themen und Öffentlichkeiten wird angenommen, dass sich unterschiedliche Wissensstrukturen in diesem spezifischen Veranstaltungs-

Einleitender Problemaufriss | 11

format begegnen. Der Annahme liegt die forschungsanalytische Unterscheidung zwischen einem spezifisch wissenschaftlichen Wissen und einem Alltagswissen zugrunde. Diese Differenzierung von zwei Wissensstrukturen bildet die Grundlinie, an der sich im Veranstaltungsformat inhaltlich wie künstlerisch abgearbeitet wird. Bei der über diese thematische Rahmung hinausgehenden Fokussierung des Forschungsgegenstandes wird deutlich, dass dieser aus unterschiedlichen Slam-Performances, durch die wissenschaftliche Themen und Inhalte ver-öffentlicht werden, zusammengesetzt ist. Die Slam-Performances sind dabei durch Vermittlungspraktiken charakterisiert, die von den auftretenden Wissenschaftler*innen als Slammende eingebracht werden. Diese Vermittlungspraktiken heben zwei Aspekte hervor: Die Wissenschaftler*innen sind selbst Vermittler*innen des Wissens und übernehmen somit eine Mittler*innenfunktion zwischen den Inhalten und den Anwesenden, gleichzeitig wird durch die Strukturen des Veranstaltungsformats die Vermittlung im Sinne einer Übermittlung von Wissen betont. Diese spezifischen ›Vermittlungspraktiken‹ differenzieren sich durch die methodisch-didaktische Ausgestaltung der jeweiligen Slam-Performance, welche durch die spezifischen Inhalte und durch die Ansprüche des Veranstaltungsformats bedingt wird. Diese Ansprüche des Veranstaltungsformats können als ›Inszenierungsstrategien‹ des wissenschaftlichen Wissens beschrieben werden. Denn es geht in dem Veranstaltungsformat um das In-Szene-Setzen von wissenschaftlichem Wissen. Die Inszenierungsstrategien definieren in einem ersten umfassenden Zugang, unter welchen Bedingungen das wissenschaftliche Wissen eingebracht und wahrgenommen wird. Wenn nun davon ausgegangen wird, dass sich im Veranstaltungsformat verschiedene Wissensstrukturen begegnen, kann gleichzeitig angenommen werden, dass über Inszenierungsstrategien und Vermittlungspraktiken Übergänge zwischen den Wissensstrukturen geschaffen werden. Das durch die Slam-Performances eingebrachte wissenschaftliche Wissen wird also nicht nur wahrgenommen, sondern es werden auch Aneignungsbezüge hergestellt. Diese Aneignungsbezüge lassen sich durch ›Figuren der Überführung‹ kennzeichnen. ›Überführung‹ bezieht sich dabei nicht auf eine einseitige Richtungsbetrachtung, einen Eins-zu-Eins-Transfer, sondern kann in unterschiedliche Richtungen erfolgen. Die Wissensstrukturen, und hier fokussiert auf das wissenschaftliche Wissen unterliegen demnach Transformationsprozessen auf verschiedenen Ebenen: einerseits der Transformation im Sinne der zielgruppenspezifischen, methodisch-didaktischen ›Vermittlungspraktiken‹, andererseits durch die ›Figuren der Überführung‹, welche Transformationsprozesse im Sinne von Lernen und Bildung analytisch sichtbar machen. Abbildung 1 stellt die hier postulierten Zusammenhänge zwischen ›Wissenschaftskommunikation‹ und ›Lernkultur‹ vor dem Hintergrund von Wissensstrukturen dar. Die beiden Konzepte werden in der Arbeit über den Forschungsgegenstand

12 | Science Slam

›Science Slam‹ zusammengeführt. Zunächst bieten sie eine Einordnung des Forschungsgegenstandes an, darüber hinaus ergeben sich Zugänge für die Beschreibung der Slam-Performances innerhalb des Veranstaltungsformats ›Science Slam‹. Mögliche Zusammenhänge auf der Mikroebene ›Slam-Performance‹ werden in der Abbildung über feine Strichverbindungen zunächst nur angedeutet, aber noch nicht weiter ausdifferenziert. Hinzu kommen die unterschiedlichen Ebenen der Transformationsprozesse, die sich zum einen auf zielgruppenspezifische und methodisch-didaktische Ausgestaltung und Darstellung des wissenschaftlichen Wissens im Science Slam, spezifischer in der Slam-Performance, durch Vermittlungspraktiken beziehen, und zum anderen auf das Verständnis einer aneignungsbezogenen Transformation. Die feine gezackte Linie innerhalb des Hintergrundkreises deutet diese beiden Ebenen der Transformationsprozesse an, die sich gegenseitig bedingen. Abbildung 1: Ausdifferenzierung des Forschungsgegenstandes in Bezug auf dargelegte Annahmen

Quelle: eigene Darstellung

Aus den Annahmen zur Verortung des Forschungsgegenstandes zwischen Wissenschaftskommunikation und erwachsenenpädagogischen Lernkulturen sowie den Annahmen zur Charakterisierung der Slam-Performance lässt sich folgende grundlegende Forschungsfrage ableiten: Wie lässt sich das Konzept der erwachsenenpädagogischen Lernkulturen theoretisch erfassen und empirisch beschreiben?

Einleitender Problemaufriss | 13

An diese grundlegende Forschungsfrage schließt sich eine weitere, differenzierende Forschungsfrage mit zwei Unterfragen an: • Welche Charakteristika prägen das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Angebot im Rahmen der Wissenschaftskommunikation? ⋅ Welche Inszenierungsstrategien und daran anknüpfenden Vermittlungspraktiken lassen sich aus den Slam-Performances heraus für das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Format der Wissenschaftskommunikation beschreiben? ⋅ Welche Figuren der Überführung können für das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Format der Wissenschaftskommunikation auf Basis der Slam-Performances herausgearbeitet werden? Rahmung und Kontextualisierung der Fragestellungen erfolgen dabei immer vor einem erwachsenenpädagogischen Hintergrund, auch wenn interdisziplinäre Bezüge in den theoretischen Auseinandersetzungen hergestellt werden. Daher dienen die Ausführungen auch dazu, folgenden umfassenden Forschungsfragen nachzugehen: • Welche erwachsenenpädagogische Fundierung liegt den Veranstaltungen der Wissenschaftskommunikation zugrunde? • Inwieweit können die Veranstaltungen der Wissenschaftskommunikation als erwachsenenpädagogische Lern- und Bildungsangebote (in lebensweltlichen Settings) aufgefasst werden? • Inwieweit bedarf es einer Verschiebung der Zuschreibungen zum wissenschaftlichen Wissen in erwachsenenpädagogischen Diskursen? An diese Forschungsfragen bindet sich eine empirisch gestützte Auseinandersetzung, die sich aufgrund der theoretischen Ausarbeitungen zu erwachsenenpädagogischen Lernkulturen über mehrere Analyseschritte hinweg auf eine perspektivenverschränkende Interpretation konzentriert. Fundiert wird die Auswertung durch Erhebungsmaterial aus fokussierten Interviews mit Wissenschaftler*innen, die bei Science-Slam-Veranstaltungen auftreten, und mit Personen aus dem Publikum sowie aus Expert*inneninterviews mit Science-Slam-Organisator*innen und teilnehmenden Beobachtungen von Science-Slam-Veranstaltungen. Die Analyse zielt auf die Erschließung der Figur des Da-Zwischen, über die die Spezifik der jeweiligen Lernkultur sichtbar wird (Gieseke 2007b). Das hier vorgestellte Analyseverfahren stellt einen innovativen Versuch dar, erwachsenenpädagogische Lernkulturen methodologisch fundiert über Perspektivenverschränkung empirisch einzuordnen.

14 | Science Slam

Aufgrund ihrer Zielsetzung gliedert sich die Arbeit in sieben Kapitel, von denen Kapitel 2, Kapitel 3 und Kapitel 4 den theoretischen Hintergrund bilden, während in den folgenden drei Kapiteln (Kapitel 5, Kapitel 6 und Kapitel 7) die detaillierte empirische Erschließung erfolgt. Die Kapitel werden dabei begleitet durch Passagen des ›Zusammen-Denkens‹, welche die jeweils ausgeführten Aspekte nicht nur zusammenführen, sondern auch spezifisch für den analytischen Blick einordnen und damit ein Angebot für den weiterführenden Diskurs schaffen. In Kapitel 8 folgt schließlich die Zusammenführung der Ergebnisse mit Blick auf die Forschungsfragen. Kapitel 2 liegt die Annahme zugrunde, dass sich in Formaten der Wissenschaftskommunikation verschiedene Wissensstrukturen begegnen. Mit dieser Annahme werden Differenzlinien zwischen den Wissenschaften, die durch spezifisches wissenschaftliches Wissen geprägt sind, und Öffentlichkeiten, welche Wissen aus der Lebenswelt einbringen, hervorgehoben. Daher muss zunächst geklärt werden, was Wissen ist, wobei sowohl Wandlungsprozesse als auch unterschiedliche disziplinäre Ansätze berücksichtig werden sollen. Darauf aufbauend werden zwei Wissensstrukturen differenzierter betrachtet und in erwachsenenpädagogisch fundierte Zusammenhänge gesetzt. In diesem Kapitel werden demnach die theoretischen Hintergrundstrukturen für die folgenden Ausdifferenzierungen und Zusammenführungen erarbeitet. Eine Verbindung zwischen dieser ersten Annahme und der folgenden Annahme erfolgt durch die Einbettung der Bedeutung von Wissen in die Gesellschaftsdiagnose ›Wissensgesellschaft‹, um dadurch die Relevanz der Wissenschaftskommunikation und ihre Ausgestaltung in einem intermediären Ver-Mittlungsraum zu begründen. Diese Darstellung der Aushandlungsprozesse zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten in einem intermediären Ver-Mittlungsraum fundiert die zweite Annahme, dass wissenschaftliches Wissen veröffentlicht werden muss. Demnach bezieht sich Kapitel 3 auf den Bereich der Wissenschaftskommunikation als Spannungsfeld verschiedener Akteur*innen. Unzählige Formate und Initiativen der Wissenschaftskommunikation haben sich entwickelt, die akteur*innenspezifischen Anforderungen unterliegen. Durch das Nachzeichnen der Ausformungen, Bedeutungen und Aufgaben der Wissenschaftskommunikation kann geklärt werden, ob es an dieser Stelle überhaupt um einen (erwachsenen-)pädagogischen Auftrag geht. Kapitel 4 greift das Konzept der erwachsenenpädagogischen Lernkultur auf, stellt dieses detailliert dar und bindet es an spezifische Momente, die sich in der jeweiligen Lernkultur unterschiedlich ausprägen. Fokussiert werden dafür Emotionen und Beziehungen, Erfahrungen und Deutungsmuster sowie Atmosphäre und Raum. Die Darstellung wird geleitet von der Annahme, dass Veranstaltungsformate der Wissenschaftskommunikation auch in das Konzept der erwachsenenpädagogi-

Einleitender Problemaufriss | 15

schen Lernkulturen übertragen werden können. Dafür wird exemplarisch das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Forschungsgegenstand ausgewählt und vorgestellt. Kapitel 5 führt anschließend in die methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes vor dem Hintergrund der Forschungsfragen ein. Dafür wird die Perspektivenverschränkung als methodologische Grundlage definiert. Sie ist der entscheidende Aspekt bei der Datenerhebung, -bereitstellung und -auswertung. Auf allen drei methodischen Ebenen werden die über das empirische Material eingebrachten Perspektiven mikroskopisch aufgegriffen. Daher werden in Kapitel 6 einzelne Auswertungsschritte differenziert betrachtet. Diese Form der detaillierten Darstellung ist notwendig, um die Herausarbeitung der Figur des Da-Zwischen über die Perspektivenverschränkung innerhalb des Forschungsgegenstandes ›Science Slam‹ nachvollziehen zu können. Demnach werden die einzelnen Auswertungsschritte für jede methodisch gefasste Perspektivengruppe, also für die Perspektivengruppe der Personen aus dem Publikum und für die Perspektivengruppe der in einer Science-Slam-Veranstaltung auftretenden Wissenschaftler*innen, eingebracht. Die Perspektiven auf den Forschungsgegenstand ›Science Slam‹ verschränkend geht es in Kapitel 7 vor allem um die Fokussierung auf meso- und mikrodidaktischer Ebene. Das heißt, dass nach dem Herausarbeiten der Interpretationen, ausgehend von den einzelnen Perspektivengruppen (Kapitel 6), nun Inszenierungsstrategien und Vermittlungspraktiken, aber auch die Annäherung an Perspektiven auf Figuren der Überführung in der interpretativen Verschränkung aufgegriffen werden. Die erwachsenenpädagogische Fundierung ermöglicht es in einem weiteren Schritt, den Forschungsgegenstand als Lernkultur zu erfassen, die über Momente, Merkmale und Akteur*innen spezifiziert wird. Diese werden – ausgehend von den Handlungsebenen – in einen Zusammenhang gestellt. Kapitel 8 leistet abschließend die Zusammenführung der theoretischen und empirischen Stränge und die Einbettung der Ergebnisse in die formulierten umfassenden Forschungsfragen aus Perspektive der Erwachsenenbildungswissenschaft. Dazu werden neben der detaillierten Darstellung der Figur des Da-Zwischen für die analytisch herausgearbeitete Lernkultur drei weitere Reflexionsansätze eingebracht. Diese Reflexionsansätze verweisen auch auf offene Fragen und Möglichkeiten der empirischen Erschließung.

2

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt Zusammenführung wissenssoziologischer und erwachsenenpädagogischer Diskurslinien

In Kapitel 2 erfolgt eine erste Annäherung an den Forschungsgegenstand über die Auseinandersetzungen mit ›Wissen‹, welches als Grundlagentheorie entlang von Bezugspunkten in der Wissenssoziologie und in der Erwachsenenbildungswissenschaft dargestellt wird. Diese erste Annäherung fußt auf der Annahme, dass es verschiedene Wissensstrukturen gibt, zwischen denen Übergänge, Übersetzungen und Transformationen stattfinden. Der Forschungsgegenstand bildet dabei eine mögliche Kontaktfläche verschiedener Wissensstrukturen. Es handelt sich bei der angebotenen Differenzierung von Wissensstrukturen um eine analytische Grundlegung. Denn fernab einer Differenzmarkierung drängen sich vielmehr die Fragen auf, in welchen Kontexten Wissen entsteht, Anwendung findet und Beziehungen herstellt und was die Bedingungen der transformativen Veränderung von Wissen sind. Um die Relevanz von Wissen auf unterschiedlichen Ebenen herauszuarbeiten, wird die Gesellschaftsdiagnose ›Wissensgesellschaft‹ im Übergang zu einer zweiten Annäherung an den Forschungsgegenstand herausgegriffen. Sie kann als gesellschaftliche Beobachtungskategorie im Sinne eines Analyserahmens verstanden werden.

18 | Science Slam

2.1 AUSGANGSPUNKT: ›WISSEN‹ Der definitorische Zugang zum Wissen 1 scheint vielfältig und durch verschiedene begriffliche Abgrenzungslinien geprägt. Häufig lässt sich in den Ausführungen jedoch auch erkennen, dass der Begriffsgebrauch einer gewissen Beliebigkeit und Leerformelhaftigkeit unterliegt, sodass oft unklar bleibt, was unter ›Wissen‹ verstanden wird. Dabei ist ein pluraler Definitionszugang gewinnbringend, um die unterschiedlichen Wissensstrukturen, die neben- und miteinander existieren, erfassen zu können. Werden einzelne Auseinandersetzungen zum Begriff betrachtet, wird schnell deutlich, dass ›Wissen‹ in der Umgangssprache in der Regel die Ansammlung personengebundener Kenntnisse meint. Diese Blickrichtung greift auch der Deutsche Qualifikationsrahmen auf, der der individuellen Fachkompetenz ›Wissen‹ zuordnet, welches in Breite, also in der »Anzahl von Bereichen des allgemeinen, beruflichen oder wissenschaftlichen Wissens, die mit einer Qualifikation verbunden sind« (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011: 8), und Tiefe, welche »den Grad der Durchdringung eines Bereichs des allgemeinen, beruflichen oder wissenschaftlichen Wissens« (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011: 10) meint, variiert. Dann ist Wissen »die Gesamtheit der Fakten, Grundsätze, Theorien und Praxis in einem Lern- oder Arbeitsbereich als Ergebnis von Lernen und Verstehen« (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011: 10). In der Psychologie wird Wissen häufig als Inhalt des Gedächtnisses und als kognitives Phänomen beschrieben. Die Wissenspsychologie übernimmt hier spezifisch eine systemtheoretische Perspektive, die »menschliches Verhalten als Output eines Informationsverarbeitungssystems« (Reinmann-Rothmeier & Mandl1996: 123) einordnet. In der Philosophie hingegen wird seit der Antike der Dreiklang von Wissen, Meinung und Glauben betont. Der Anspruch auf die Wahrheit des Wissens ruft eine Unterscheidung zwischen Wissen und Meinung hervor. Ausgehend von der griechischen Begriffsunterscheidung zwischen ›doxa‹ (›Meinung‹) und ›episteme‹ (›Wissen‹) zielt Meinung auf eine individuelle Überzeugung, Wissen hingegen auf die überindividuelle Wahrheit. Die Überlegungen von Platon und Aristoteles verweisen auf Wissen als kognitive »Fähigkeit der Begründung und Erklärung« (Hardy 2004: 856). Nur durch den Erwerb von Wissen ist Weisheit zu erlangen, sie symbolisiert die Höherentwicklung des Menschen und vereint Selbst- und Welterschlie-

1

Seinen etymologischen Ursprung hat das Wort ›Wissen‹ in der indogermanischen Sprachwurzel ›wid‹, die mit ›sehen‹ sowie ›Licht‹ verbunden ist (Hardy & Meier-Oeser 2004: 855).

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 19

ßung. Wissen wird daher als von der übrigen Welt getrennte Sphäre beschrieben und somit auch zu einem exklusiven Vorrecht für bestimmte Gruppen, die spezifische Anforderungen für den Erwerb und Besitz von Wissen erfüllen. »Meinung bezieht sich nie auf Wahrnehmung selbst, sondern auf etwas Wahrgenommenes als etwas; sie ist wandelbar und zwiespältig« (Knoblauch 2014: 16). Somit stehen Wissen und Meinung in keinem linearen Zusammenhang. Die Auseinandersetzungen in der Wissenssoziologie relativieren den philosophischen Dreiklang und heben die sozialen Bedingungen sowie Ursachen der Meinungs- und Wissensbildung hervor, ohne Meinung als randständig zu bewerten. Im Mittelpunkt steht nicht mehr das individuelle Erkennen, sondern vielmehr das soziale Wissen. Im Erkenntnisprozess ist das wahrnehmende, erfahrende Individuum eingebettet in einen sozialen Zusammenhang, der Teil des Erkenntnisprozesses ist. Individuum und Erkenntnisgegenstand sind also nicht in einem alleinigen Wechselspiel verortet. Wissenssoziologische Ansätze rücken demnach vom einsamen Erkenntnis- oder Wissenssubjekt ab und definieren das Individuum als soziales Wesen, wobei Wissen als konstitutiv für die soziale Ordnung betrachtet wird (Berger & Luckmann 2013 [1969]). Diese integrative Position von Wissen im Erkenntnisprozess bezieht Wissen auf Handeln hin zu einer Wirklichkeitskonstruktion. Aus den hier umrissenen Positionen kann zusammenfassend abgeleitet werden, dass die Aneignung von Wissen ein aktiver Prozess ist. Aus der daran anknüpfenden Herstellung von Kohärenzen ergibt sich ein dynamischer Charakter der Konstruktion von Wissen, die durch »die Prüfung an Erfahrung [eine] kontinuierliche Adaption und Modifikation impliziert« (Thiel 2007: 155). Zu unterscheiden ist Wissen – entgegen der häufigen Gleichsetzung – somit von Informationen, deren Ordnung, Strukturierung und Systematisierung erst Wissen durch Verarbeitung, Aneignung und Artikulation hervorbringen (Nieke 2016). Wissen fundiert gleichzeitig das Handeln, denn es umfasst (a) die Fähigkeit, »einen Gegenstand so aufzufassen, wie er wirklich beschaffen ist« (Hardy & Meier-Oeser 2004: 855), (b) die Fähigkeit, erfolgreich mit Wissensgegenständen umzugehen und demnach sich zu rechtfertigen und zu erklären, sowie (c) den Zustand, »in dem man sich aufgrund der erfolgreichen Ausübung seiner Erkenntnisfähigkeit befindet« (Hardy & Meier-Oeser 2004: 855). Dabei bleibt Wissen immer strittig. Somit bewegen sich die verschiedenen Auseinandersetzungen zum Wissensbegriff auf verschiedenen Ebenen: Wissen als soziale Kategorie (gesellschaftliche und institutionelle Bedingtheiten von Wissen), Wissen als individuelle Kategorie (psychologische Dimension) und Wissen als strukturelle Kategorie (Bildungswirklichkeit, die historisch wechselnden Ansprüchen und medialen Zugängen unterliegt).

20 | Science Slam

2.1.1 Wissenssoziologische Annäherung an ›Wissen‹ Neben einem historischen Strang entlang des metaphysischen Wissensbegriffs, des Wissensbegriffs in der Moderne und des postmodernen Wissensbegriffs kann auch ein inhaltlicher Strang zwischen wissensphilosophischen (u. a. Platon, Aristoteles, Bacon, Lyotard) sowie wissenssoziologischen (u. a. Mannheim, Scheler) Diskursen in der Beschreibung von ›Wissen‹ unterschieden werden. Charakteristisch an der wissenssoziologischen Annäherung ist, dass sie »die erkennenden Menschen als Teil eines sozialen Zusammenhangs, der selbst in den Prozess des Erkennens und den Inhalt des Erkannten bzw. Gewussten eingeht« (Knoblauch 2014: 14), beschreibt. Die folgende, skizzenhafte Darstellung verdeutlicht diese wissenssoziologischen Auseinandersetzungen anhand verschiedener Positionen, ergänzt durch die gegenwärtigen, postmodernen Auseinandersetzungen. Mit Bacons ›Idolenlehre‹ beginnt eine naturwissenschaftlich geprägte Epoche des Zugangs zum Wissen. Da die Menschen darauf angewiesen sind, die Natur und ihre Gesetze zu entdecken, müssen sie die Welt mit ihren eigenen Sinnen erfassen, um daraus induktive Erkenntnisse abzuleiten, jedoch ergeben sich bei der Betrachtung der Welt Hindernisse, von Bacon auch als ›Idole‹ bezeichnet (Knoblauch 2014: 24), Als Ziel gilt die Beherrschung der Natur, sodass nun der Mathematik anstatt der Philosophie welterkennende Prinzipien zugeschrieben werden. Descartes unterwirft das Wissen zudem dem stoischen Kriterium, wonach einer Erkenntnis nur dann Wissensstatus beigemessen werden kann, wenn keine Argumente gegen sie angebracht werden können (Meier-Oeser 2004). In der Folge setzt im 17. und 18. Jahrhundert die Philosophie der Neuzeit bei der »Frage nach den Bedingungen der Erkenntnis […] als Frage nach möglichen Trübungen wahrer Erkenntnis« (Maasen 2009: 12) an. Diese Trübungen, bei Bacon noch als ›Idole‹ bezeichnet, sind durch gesellschaftliche und individuelle Faktoren bedingt, z. B. Interessen, religiöse Dogmen, politische Doktrinen. Ziel ist es, die »Entfaltung des menschlichen Geistes durch Entfernung vernunftwidriger Vorurteile« (Maasen 2009: 12), also durch Aufklärung im Rahmen von Bildung und Erziehung, voranzubringen (u. a. Hobbes, Locke, Voltaire, Rousseau). Seit der Aufklärung gehen die philosophischen Konzepte daher »von der Annahme einer steten Zunahme der Vernunft und der Ausweitung des menschlichen Wissens aus« (Knoblauch 2014: 55). Deutlich wird in Bezug auf die weiteren Auseinandersetzungen, dass »Denken und Wissen, ja die Vernunft insgesamt als historisch variabel erscheinen« (Knoblauch 2014: 40). Denn sind Werte und Normen zunächst vorwiegend religiös

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 21

begründet, beginnen die Menschen mit der Aufklärung, »die soziale Welt nach dem Muster der eigenen Vernunft gestalten zu wollen« (Knoblauch 2014: 38). Wissen bestimmt für Scheler (1926) »irgendwie das Sosein der Gesellschaft in allen möglichen Hinsichten«, ist »aber auch umgekehrt durch die Gesellschaft und ihre Struktur bestimmt« (Scheler 1926: 48). Somit ist Wissen der individuellen Erfahrung vorgelagert und bettet diese in eine gesellschaftlich vorgegebene Sinnordnung. Grundlegend begreift er ›Wissen‹ als ontologischen Begriff, das heißt, Wissen ist weder wahr noch falsch, sondern eine Seinsart, indem es das Wesenhafte von etwas erfasst (Maasen 2009). Zu unterscheiden sind nach Scheler (1926) 2 drei Hauptformen des Wissens, die gleichzeitig nebeneinander existieren: Religion, Metaphysik und Wissenschaft. Die darin eingebettete jeweilige Ausdifferenzierung des Wissens verweist auf »einen gesonderten Ursprung und eine spezifische Funktion« sowie auf »eigene soziale Rollen« und »besondere soziale Institutionen der Wissensvermittlung« (Knoblauch 2014: 92). Ausgehend von diesen drei Hauptformen des Wissens differenziert Scheler (1926) weiterführend sieben Wissensformen. Das wissenschaftliche Wissen teilt sich in technologisches Wissen mit dem höchsten Grad an Künstlichkeit und positives Wissen der Mathematik, Natur- sowie Geisteswissenschaften. Diese »mehr oder weniger künstlichen Wissensarten« erwachsen aus »angeborenen Triebimpulsen« des Menschen: Neugier, Wissbegier sowie Macht- und Herrschaftsstreben (Scheler 1926: 64). Es folgen das philosophisch-metaphysische Wissen sowie das religiöse Wissen. Letzteres teilt sich in das religiöse Wissen im engeren Sinne und das mystische Wissen auf. Das natürliche Volkswissen, aber auch die Mythen und Legenden umfassen das in einer Gesellschaft meist unbewusste, fraglos geltende, unreflektierte Wissen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts festigt sich ausgehend von Scheler die Annahme, dass »prinzipiell alles Wissen (das falsche und das wahre Bewußtsein) gesellschaftlich bedingt ist« (Maasen 2009: 18; Hervorhebungen im Original).

2

Gleichzeitig begründet Scheler (1926) das Verhältnis zwischen Idealfaktoren als Geistesstruktur resultierend aus dem kulturellen Bereich und Realfaktoren im Sinne von Triebstruktur, die den Zusammenhang zwischen ökonomischen Produktionsverhältnissen, politischen Machtverhältnissen und ethischen Konstellationen im gesellschaftlichen Bereich verdeutlichen. Beide Faktoren stehen in einem Bedingungsverhältnis. Dabei übernehmen die Realfaktoren eine Schleusenfunktion, indem sich spezifische Wissensformen nur durchsetzen, wenn sie von den Realfaktoren im Sinne eines sozialen Interesses unterstützt werden. Realfaktoren bestimmen demnach, ob sich bestimmte Ideen und Werte durchsetzen. Welche Ideen und Werte sich letztlich durchsetzen, ist dabei eher von der herrschenden sozialen Interessenperspektive abhängig.

22 | Science Slam

Mannheim entwickelt in diesem Zusammenhang die Theorie der »Seinsverbundenheit des Wissens«, die die »unvermeidlich verschieden gearteten Bewußtseinsstrukturen der verschieden gelagerten Subjekttypen im historisch-sozialen Raum« (Mannheim 1930: 660, zit. in Maasen 2009: 20; Mannheim 1964) aufgreift. Jedes Wissen, auch die wissenschaftliche Erkenntnis, wird einer standortgebundenen Relativierung unterworfen. Der Sinn von Wissen und allgemeiner Kultur kann dann nur vor dem Hintergrund des kulturellen und gesellschaftlichen Kontextes interpretiert werden. Wissen ist somit Wissen von einem bestimmten Ort aus, z. B. Klasse, Generation, Berufsgruppe, Gruppenkonstellation. Indem Wissen an die Interessen und Perspektiven von Gruppen gebunden wird, ergeben sich Denkstandorte und Denkstile. Denken ist somit im sozialen Raum verankert. Dadurch entstehen einerseits plurale Perspektiven. Die wechselseitige Relationierung dieser Perspektiven bestimmt Sinnhaftigkeit und Sein und damit auch das Sein als geschichtlich soziale Existenz im Jetzt. Andererseits gibt die Verbindung von sozialer Lage und Denken immer nur den Ausschnitt einer Wirklichkeit wieder. Da »im Wissen das soziale Sein dokumentiert« (Knoblauch 2014: 103) wird, hat die Gruppe eine normative Wirkung in Bezug auf alltägliche, historische, politische, geistes- und sozialwissenschaftliche Wissensinhalte. Ausgeklammert werden das naturwissenschaftliche und mathematische Wissen, denn für diese Wissensarten scheint es einen objektiven Realitätsbezug zu geben. Gegenüber Scheler (1926) wird nun betont, dass das Erkennen nicht logischen Prinzipien folgt, sondern das Wissen »an entscheidenden Punkten von nichttheoretischen Faktoren bestimmt« (Knoblauch 2014: 104) ist. Es besteht kein Kausalverhältnis zwischen Wissen und Sozialstruktur, sondern eine »Ausdrucksbeziehung« (Maasen 2009: 24; Hervorhebungen im Original). Erkenntnis-, Wissens- und alle symbolischen Repräsentationsprozesse werden von den individuellen Seinsfaktoren, welche nicht nur die soziale Selektion dieser Prozesse beschreiben, sondern auch den Gehalt, den Inhalt und die Form dieser Prozesse lenken, bestimmt. Hier lässt sich gegenüber Scheler (1926) eine differente Perspektive erkennen, da dieser mit der Beschreibung der Schleusenfunktion der Realfaktoren den Einfluss des Wissens auf das Soziale beschränkt. Während Scheler und Mannheim Wissen und Gesellschaft in Beziehung setzen, geht es in der an sie anschließenden Diskussion um die Frage des Verhältnisses von Wissen und Handeln. Sinn, der geprägt ist von der Bezugnahme auf etwas, und Handeln sind dabei untrennbar miteinander verknüpft. Wissen wird zur konstitutiven Größe für das Handeln. Dabei wird im kritischen Anschluss an Mannheim deutlich, dass »[g]eistige Standpunkte […] nicht direkt als Ausdruck einer sozialen Größe, einer Schicht oder einer Klasse angesehen werden« (Knoblauch 2014: 106)

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 23

müssen. Denn Denken kann sich verändern und unterliegt einer Vielzahl von Deutungsmustern und Erfahrungen, die in interpretative Prozesse eingebunden sind. Schütz (2003a [1945]) geht es um die Aufschichtung des individuellen Wissens: Wie wird im Bewusstsein die Wirklichkeit in ihren Ordnungen und ihren Objekten in einer typisierenden Weise konstituiert? Wie wird reflexives Wissen im pragmatischen Handeln innerhalb der Sozialwelt unterschiedlich erworben? Der individuelle Wissensvorrat wird flankiert von einem gesellschaftlichen Wissensvorrat, welcher nicht nur die Summe der individuellen Wissensvorräte widerspiegelt, sondern auch durch die institutionellen Strukturen geprägt ist (Knoblauch 2014: 152). Die Institutionalisierung des Wissens führt zu einer strukturellen Differenzierung zwischen Wissen in der Lebenswelt und Sonderwissen. Das Wissen in der Lebenswelt umfasst verschiedenste eigene und vor allem vermittelte Erfahrungen, die situationsgebunden, subjektiv und leiblich sind. Das heißt, dass das Wissen nicht nur kognitiv, sondern an den Leib gebunden ist (Schütz 2003a [1945]). Durch die lebensweltliche Grundstruktur wird eine ontologische, zeitliche und soziale Ordnung gegeben. Daneben spielt das individuelle Bewusstsein eine ausschlaggebende Rolle. Denn betrachtet mensch beispielsweise Gegenstände, werden Typisierungen vorgenommen, indem das Bewusstsein Ähnlichkeiten und Unterschiede vergleicht. Diese Typisierungen von Erfahrungen 3 können als Elementarformen des Wissens, also als nicht bewusste Klassifikationen im Abgleich zwischen aktuellen und gemachten Erfahrungen erkannt werden (Knoblauch 2014: 143). Typisierungen werden gelenkt von Relevanzen, »die sich in den bisherigen Aktivitäten des Bewusstseins ausgebildet haben« (Knoblauch 2014: 144) und auch sozial abgeleitet sein können. Typisierungen und Relevanzen sind die Vorstufe des Wissens. Die Lebenswelt ist nach Schütz (2003b [1971]) somit die Aufschichtung der erfahrenen und erfahrbaren Lebenswelt, »einer Welt, von der ich – mit oder ohne Hilfe von Instrumenten aller Art – direkte Wahrnehmung habe oder haben kann, von der ich weiss, dass sie auf mich unmittelbar einwirkt und auf die ich – mit oder ohne Hilfe von Instrumenten – einwirken kann« (Schütz 2003b [1971]: 326). Sie ist zudem durch Sozialität gekennzeichnet. Demnach »ist Lebenswelt die den Menschen umgebende und mit anderen geteilte selbstverständliche Wirklichkeit, in die er eingreifen und die er verändern kann, in der er aber auch in seinen Handlungs-

3

Schütz (2003a [1945]) unterscheidet Erfahrungen von Erlebnissen. Erfahrungen sind zeitlich durch Anfang und Ende begrenzt. Erlebnisse lassen sich hingegen durch einen stetigen Fluss des Bewusstseins charakterisieren. Handeln ist dann wiederum eine besondere Form des Erfahrens. Es ist durch eine besondere Zeitstruktur gekennzeichnet, da es einem Zukunftsentwurf unterliegt.

24 | Science Slam

möglichkeiten durch andere geprägt wird« (von Felden 2015: SD 2). Grundlegend ist eine Struktur der Lebenswelt, »in der wir als Menschen unter Menschen in natürlicher Einstellung Natur, Kultur und Gesellschaft erfahren, zu ihren Gegenständen Stellung nehmen, von ihnen beeinflusst werden und auf sie wirken« (Schütz 2003b [1971]: 325). In der Lebenswelt wird demnach gehandelt, verändert und mit anderen Handelnden kommunikativ in sozialen Kontakt getreten. Hieraus ergibt sich die vor allem durch Sprache ermöglichte soziale Vermitteltheit des Wissens. Diese soziale Vermitteltheit des Wissens begründet ein gering automatisiertes Rezeptwissen und ein Routinewissen, welches wiederum gestützt wird durch Fertigkeiten und selbstverständliches Gebrauchswissen als eine Form des Gewohnheitswissens. Diese Wissensformen sind gekennzeichnet als »automatisch abgelagerte[r], subjektive[r] […] Sinn vergangener Erfahrungen und Handlungen« (Knoblauch 2014: 147) und müssen individuell je nach Lebenssituation (neu) erarbeitet und ausgehandelt werden. Wissen ist demnach dynamisch, kontingent und diskontinuierlich (Schütz & Luckmann 2017 [1975/1984]: 149). Berger und Luckmann (2013 [1969]) – im Anschluss an Schütz – kennzeichnen die soziale Konstruktion von Wissen, welches sich zwischen Internalisierung, Externalisierung und Objektivierung bewegt. In dieser Trias entwickeln sie einen handlungstheoretischen Kreislauf. Wissen wird als Begriff zweiter Ordnung konstituiert, denn es ist das Wissen, welches in der sozialen Welt schon als Wissen bestimmt wurde. Wissen ist jedoch die Voraussetzung für jedes Handeln, welches durch Sinnhaftigkeit gekennzeichnet ist. Sinn kann als ›Produkt‹ des individuellen Bewusstseins verstanden werden, wobei Bewusstsein wiederum auch eine gesellschaftliche Komponente aufweist. Daraus ergibt sich eine Dialektik der Konstruktion des Wissens, denn dieses »transformiert subjektiven Sinn in soziale Tatsachen, und […] soziale Tatsachen in subjektiven Sinn« (Hitzler 1988: 65, zit. in Knoblauch 2014: 154). Wissen baut demnach auf Sinn auf, meint dann jedoch den sozial konstruierten Sinn. Das heißt, dass Wissen zwar Sinn ist, aber Sinn nicht zwingend Wissen. Wissen ist »die Gewißheit, daß Phänomene wirklich sind und bestimmbare Eigenschaften haben« (Berger & Luckmann 2013 [1969]: 1). Es ist das, was die Handelnden für wirklich halten. Berger und Luckmann beziehen somit im Vergleich zu Mannheim, der naturwissenschaftliches Denken von dieser Logik noch ausklammert, eine radikalere Position. Die Sozialität des Wissens zeigt sich nun zum einen darin, dass das Wissen über Externalisierung für andere beobachtbar und erfahrbar wird, und zum anderen darin, dass es als Objektivation konventionalisiert und institutionalisiert wird. Die soziale Konstruktion des Wissens unterliegt demzufolge der sozialen Institutionalisierung. Der Rahmen der Konstruktion des Wissens wird begründet durch die biologisch unzureichende Ausstattung des Menschen, die dazu führt, dass sie*er ihre*seine

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 25

Wirklichkeit erschaffen und Zusammenhänge deuten muss (Berger & Luckmann 2013 [1969]: 49–56). Im gesellschaftlichen Wissensvorrat, der eine »›Ortsbestimmung‹ des Individuums in der Gesellschaft und seine entsprechende ›Behandlung‹« ermöglicht (Berger & Luckmann 2013 [1969]: 43), ist das Rezeptwissen, welches sich auf die Lösung von Routineproblemen konzentriert, zentraler Bestandteil. Gleichzeitig bietet der gesellschaftliche Wissensvorrat Typisierungsmöglichkeiten, die die alltäglichen Routinen lenken (Berger & Luckmann 2013 [1969]: 45). Diese Folie dient zur Einordnung der Erlebnisse und Ereignisse, wobei das Alltagswissen individuelle Relevanzen setzt. Deutungen ermöglichen es dann, sich in der Alltagswelt zurechtzufinden, das heißt, konkrete Lebenssituationen und Handlungsprobleme zu bewältigen. Die Alltagswelt ist dabei jene Wirklichkeit, die von jederfrau*jedermann als selbstverständlich hingenommen wird. Hier denkt, handelt und lebt sie*er. Über diese Alltagswelt wird deutlich, dass es noch andere Lebenswelten gibt, aber der Alltag jener Bereich ist, der den Menschen als unmittelbare Wirklichkeit gegeben ist (Schütz & Luckmann 2017 [1975/1984]). Die alltägliche Lebenswelt ist demnach ein Wirklichkeitsbereich, den Menschen als fraglos gegeben und unproblematisch erleben (Schütz & Luckmann 2017 [1975/1984]). Die Wirklichkeit der Alltagswelt »erschöpft sich jedoch nicht in so unmittelbaren Gegenwärtigkeiten« (Berger & Luckmann 2013 [1969]: 25), sondern sie geht über das Hier und Jetzt hinaus. Gleichzeitig ist sie durch Intersubjektivität geprägt, ohne die sie nicht existieren kann. Aufgrund des biografie- und situationsspezifischen, individuellen Wissenserwerbs werden Typen und Generalisierungen für die intersubjektive Verständigung gebildet. Als interpretativer Bezugsrahmen zur Wahrnehmung der Welt, einer Situation u. Ä. dient jedoch jeweils der individuell verfügbare Wissensvorrat. Dieser wird von der*dem Einzelnen nicht überschaut, sondern es werden situationsspezifisch nur jeweils einzelne Elemente aktiviert. Insgesamt unterscheiden Berger und Luckmann (2013 [1969]) zwei Formen von Wissen: Sonderwissen oder auch »explizites Wissen, das sich in Form von Legitimationen oder in speziellen Produktionsstätten (den ›finiten Sinnprovinzen‹ nach Schütz) artikuliert« und das einem prinzipiellen Zweifel unterliegt, sowie das »alltagsweltliche Wissen«, welches sich »durch prinzipielle Selbstverständlichkeit« auszeichnet (Maasen 2009: 35). Das individuelle alltagsweltliche Wissen ist nach Relevanzen gegliedert, die sich mit Relevanzpunkten und -strukturen anderer Personen der Gesellschaft überschneiden. Das Individuum kennt diese Überschneidungen und unterschiedlichen Verteilungsströme des Wissens. »Die gesellschaftliche Distribution von Wissen beginnt also bei der schlichten Tatsache, daß ich nicht alles weiß, was meine Mitmenschen wissen, und sie kumuliert in höchst komplizierten und geheimnisvollen Zusammenhängen der Expertenschaft« (Berger &

26 | Science Slam

Luckmann 2013 [1969]: 48). Der gesellschaftlich zugängliche Wissensvorrat ist demnach unterschiedlich verteilt, sodass sich das soziale Wissen vom kollektiven Wissen unterscheidet. Die Institutionalisierung von Wissensunterschieden knüpft sich dabei auch an die Entstehung sozialer Rollen. Gegenüber der Wirklichkeit der Alltagswelt sind andere Wirklichkeiten gekennzeichnet durch Grenzen und fest umrissene Bedeutungs- und Erfahrungsweisen. Eine Spezialisierung des Wissens lässt somit Sonderformen in Abgrenzung zum Allgemeinwissen entstehen, sodass nun wiederum Vermittlungsformen des Wissens greifen, um dieses Sonderwissen zu veröffentlichen. Abhängig von der institutionellen Verankerung des Sonderwissens entstehen somit Institutionen zur Wissensvermittlung. Berger und Luckmann (2013 [1969]) geht es daher besonders um die Transformation von Alltagswissen zu Sonderwissen. Ziel ist es, »den Standpunkt ›jedermanns‹ nach[zu]zeichnen, das heißt die Art und Weise [zu] charakterisieren, wie ›jedermann‹ mit Wissen vom vortheoretischen bis zu streng theoretischem Wissen hinauf umgeht und wie er dieses Wissen rückerfährt, nämlich als Stützfaktor und Legitimationselement für seine symbolische Sinnwelt« (Dewe 1988: 92). Dadurch entsteht eine besondere Art des Wissens: Wissen über Wissen, ein zentraler Aspekt der Annahmen über die Wissensgesellschaft. Ausgangspunkt für den postmodernen Wissensbegriff ist die Annahme, dass »[d]ie drei Meta-Erzählungen der Moderne« (Emanzipation, Teleologie des Geistes und Hermeneutik des Sinns) »keine allgemeine Verbindlichkeit und Legitimationskraft mehr besitzen« (Welsch 1991: 172; Hervorhebungen im Original). Denn gegenüber der Ganzheit von übergreifenden Meta-Erzählungen tritt hier die Vielheit und Partikularität. Der postmoderne Wissensbegriff eröffnet demnach eine Dimensionierung, indem die Subjektivität des Wissens sich individuell pluralisiert und auf eine ebenso pluralisierte Umwelt trifft. Der gemeinsame Erfahrungs- und Erlebnisraum verliert sich zunehmend in der Unendlichkeit des Weltwissens (Welsch 1991), sodass sich das Individuum im Zustand einer permanenten Ungewissheit befindet. Daneben ersetzt Reflexivität Referenzialität als Strukturmerkmal des Wissens (Stehr 1994), sodass die entscheidende Frage lautet: Was kann ich mit dem Wissen machen? Wissen wird zu einer rationalisierten und materialisierten Ressource, auch zugespitzt in der Merkantilisierung des Wissens (Lyotard 1986), also: Wozu dient das Wissen? Ist das Wissen verkaufbar und wirksam? Daran schließt sich das Machtstreben verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in unterschiedlichen Wissenssystemen an, sodass Gruppen, aber auch Personen mit weniger Durchsetzungskraft unter Legitimationszwang geraten und Wissensbestände abgewertet werden. Wissen wird zur Produktivkraft degradiert, wobei das wissenschaftliche Wissen häufig als Legitimationsgrundlage für Herrschaft und als Kriterium sozialer Strukturbildung genutzt wird. Nolda (1996b) hingegen konstatiert, dass der Bedeutungs-

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 27

zuwachs des Wissens auch einen Bedeutungsverlust nach sich zieht, nämlich den Verlust der epistemologischen Hegemonie des wissenschaftlichen Wissens, welches zunehmend von anderen Wissensformen be- bzw. verdrängt wird, wobei jedoch weiterhin eine Rollendifferenz bestehen bleibt. Diese Differenz und die gleichzeitige Aufwertung der Reproduktion des Wissens fordern Schnittstellenfunktionen für Übersetzung (Selektion, Komprimierung, Popularisierung) und Moderation (begleitete Unterstützung des Aneignungsprozesses) (Thiel 2007). 2.1.2 Rekurs auf die Thematisierung von ›Nicht-Wissen‹ Wird der Wissensbegriff in den Blick genommen, bedarf es auch der Betrachtung der Debatten um das ›Nicht-Wissen‹. Zunächst ist festzuhalten, dass es keine starre Dichotomie zwischen Wissen und Nicht-Wissen gibt. Aus historischer Perspektive kann festgehalten werden, dass bis in die 1960er/ 1970er Jahre hinein Wissenschaften als Produzenten von sicherem Wissen galten. Wissenschaft wurde hier verstanden als Garant für gesellschaftliche Problembewältigung im Sinne eines sozial-kulturellen Fortschritts und Vorgabe eines Handlungsund Orientierungswissens. Das heißt, die Zukunft erschien beherrschbar durch wissenschaftliches Wissen. Gleichzeitig wurde angenommen, dass »das wissenschaftliche Wissen noch den Maßstab lieferte, an dem die Unwissenheit der Laien korrigiert werden konnte« (Wehling 2001: 465). Dem lag ein Verständnis von Nicht-Wissen als Noch-Nicht-Wissen zugrunde, sodass Nicht-Wissen letztlich als defizitärer Modus, aber überwindbarer Modus erachtet wurde. Ende des 20. Jahrhunderts relativierte sich diese Sichtweise. Wissenschaft wird nun »nicht mehr ausschließlich als diejenige Instanz wahrgenommen, die vorgefundene ›Unwissenheit‹ durch wahres und sicheres Wissen ersetzt, sondern erscheint zugleich als Produzentin von Risiken, Ungewissheiten oder sogar ›blankem‹ Nichtwissen« (Wehling 2010: 260). Nicht-Wissen ist demnach nicht nur Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Forschung, sondern kann auch eine Folge dieser sein. Aus begrifflicher Perspektive wird Nicht-Wissen – bzw. in Anlehnung ›ignorance‹ nach Smithson (1989) – als Oberbegriff für alle Formen unvollständigen und unsicheren Wissens gebraucht. Die Assoziation von Nicht-Wissen mit Nicht-Gewusstem, Unerkanntem oder Übersehenem drückt dabei eine dysfunktionale und unsichere, auch auf Gefahren bezogene Zuschreibung aus (Wehling 2008). Handlungs- und Entscheidungsfolgen sind somit nur unvollständig oder gar nicht zu antizipieren. Abzugrenzen ist Nicht-Wissen vom Irrtum, bei dem scheinbar ein Wissen zu bestimmten Phänomenen und Zusammenhängen vorhanden ist, diese jedoch ›falsch‹ interpretiert werden.

28 | Science Slam

Die Betrachtung von Nicht-Wissen lässt sich begrifflich nochmals in drei Dimensionen ausdifferenzieren: (1) Dimension des Wissens über das Nicht-Gewusste (Kenntnis darüber, was wir nicht wissen, oder das Fehlen einer Vorstellung darüber, was uns unbekannt bleibt), (2) Dimension der Intentionalität des Nicht-Wissens (bewusstes Nicht-Wissen-Wollen und unvermeidbares Nicht-Wissen) und (3) zeitliche Dimension des Nicht-Wissens (temporäres Noch-Nicht-Wissen und unüberwindbares Nicht-Wissen-Können) (Wehling 2010). Nicht-Wissen ist dabei das Ergebnis sozialer Konstruktionen und somit kein vorgefundener Naturzustand. Nicht-Wissen (bzw. ›ignorance‹) kann auch als Unkenntnis über die möglichen Folgen des eigenen Handelns beschrieben werden (Faber et al. 1992). Es wird in diesem Fall in sicheres Nicht-Wissen, welches durch Lernen und Forschen reduzierbar oder nicht reduzierbar erscheint, sowie unsicheres Nicht-Wissen, welches zwar ein Noch-Nicht-Wissen oder Nicht-Wissen-Können impliziert, jedoch auch die Möglichkeit der Transformation in (wahrscheinliches) Wissen beinhaltet, ausdifferenziert (Faber et al. 1992). Demnach geht es um ein vollständiges oder partielles Nicht-Wissen der Folgen des eigenen Handelns. Ergänzt werden sollte ein unerkanntes Nicht-Wissen, jener Punkt, an dem noch nicht gewusst wird, ob NichtWissen reduzierbar oder nicht reduzierbar ist (Faber et al. 1992). Andere Positionen sehen Wissen selbst schon als Voraussetzung für NichtWissen. Stehr (2013) bezweifelt im Anschluss an diesen Diskurs, dass es NichtWissen gibt, denn »Wissen ist ein soziales Totalphänomen (›fait social total‹; Marcel Mauss). Wissen oder die Revision von Erkenntnissen entsteht aus schon vorhandenem Wissen (und nicht aus Formen des Unwissens)« (Stehr 2013: 49; Hervorhebungen im Original). Er begründet seine Annahme damit, dass um die eigenen Wissenslücken oftmals gewusst wird und hier ein entsprechendes Wissen vorliegt, sodass das Wissen darum schon kein Nicht-Wissen mehr widerspiegelt. Fehlende Informationen werden daher auch nicht als Nicht-Wissen aufgefasst, weil dennoch Informationen über fehlende Informationen vorhanden sind, es fehlt vielmehr nur das handlungsbezogene Wissen. Wenn Nicht-Wissen demnach als vorübergehendes Noch-Nicht-Wissen aufgefasst wird, wäre in ihm schon immer ein potenzielles Wissen mitgedacht. Stehr (2013) scheint das Nicht-Wissen-Können, aber auch das unerkannte Nicht-Wissen aus dem Blick zu verlieren. Hier gibt es keine Grundlage in Form von vorhandenem Wissen. Somit geht es im Abgleich der unterschiedlichen Positionen zum Nicht-Wissen insgesamt nicht nur um ein Noch-Nicht-Wissen oder um eine moralisch fragwürdige Unwissenheit, sondern hervorgehoben wird vor allem die prägende Paradoxie der Wissensgesellschaft: Die Bedeutung des Nicht-Wissens nimmt in zahlreichen Handlungskontexten zu (auch Willke 2002). Nicht-Wissen ist demnach kein »vorläufiger mangelhafter Modus der Wissensgewinnung« (Martinsen 2010: 115), der

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 29

durch mehr Forschung überwunden werden kann, sondern eine permanente Anforderung an die Gesellschaft (Wehling 2010).

ZUSAMMEN-DENKEN Aus der kurzen historischen Darstellung unterschiedlicher Positionen zum ›Wissen‹ wird deutlich, dass Wissen eine gesellschaftliche und somit sozio-historische Komponente aufweist. Während der Sozialisation wird dieses Wissen internalisiert. Zudem unterliegt Wissen Institutionalisierungsprozessen, aus denen heraus sich Sonderwissensbestände ergeben, die vermittelt werden (können). Hierunter fällt auch das wissenschaftliche Wissen. Daneben gibt es Wissen, welches individuelle Relevanzen besitzt. Diese sind wiederum abhängig von individuellen Erfahrungen und übernommenen oder entwickelten Deutungsmustern. Sie unterliegen einer individuellen, standortgebundenen Relativierung. Alltagswissen speist sich vorwiegend hieraus. Insgesamt wird Wissen zur Voraussetzung für das Handeln, unterliegt aber aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen, welche Wissen auch als individuelle Ressource und Marktinstrument beschreiben, einer permanenten Befragung. Daher bedarf es auch der Betrachtung des Diskurses zum Nicht-Wissen, welches kein homogener Gegenpol zum Wissen, sondern ein differenziertes Phänomen ist, welches durch unterschiedliche soziale Konstruktions-, Definitions- und Anerkennungsprozesse geprägt ist.

2.2 FOKUSSIERUNG VON WISSENSSTRUKTUREN Historisch sind hier zunächst die Entwicklungen der Begriffsunterscheidung zwischen ›Wissen‹ (›episteme‹) und ›Meinung‹ (›doxa‹) wichtig, die im Verlauf der Diskussion zunehmend mit der ›Dualität‹ zwischen Wissenschaft und Erfahrungen außerhalb der Wissenschaft gleichgesetzt werden. ›Episteme‹ erhält den Charakter rationaler Erkenntnis, die Funktionalität von ›doxa‹ ergibt sich hingegen aus lebensweltlichen Praxiszusammenhängen, einem als präreflexiv bezeichneten Bereich, der als aufklärungswürdig charakterisiert wird. Es muss jedoch betont werden, dass Wissen nicht mit Wissenschaft gleichgesetzt werden kann. Beide Begriffe sind begriffsgeschichtlich zwar zunächst zusammenzudenken, sodass eine konkrete Differenzierung Schwierigkeiten aufwirft. Erst eine weiterführende Unterscheidung teilt den Begriff ›Wissen‹ in einen allgemeinen und einen engeren Bereich, der Wissenschaft als spezielle, institutiona-

30 | Science Slam

lisierte Form von Wissen umfasst. In diesem Kontext entwickelt sich die Kritik am positivistischen Begriff des Wissens zugunsten der individuellen Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit des Wissens (auch Berger & Luckmann 2013 [1969]), sodass anerkannt wird, dass nicht der gesamte außerwissenschaftliche Lebensbereich präreflexiv ist, sondern bereits hier Diskurse und Reflexionen von Bedeutung sind. Zum einen gibt es daher Auseinandersetzungen, die den Begriff ›episteme‹ über die wissenschaftliche Erkenntnis hinaus ausdehnen. ›Doxa‹ wird dann im engeren Sinne als dasjenige aufgefasst, das ansonsten selbstverständlich und unhinterfragt hingenommen wird. Zum anderen erfährt ›doxa‹ in lebensweltlichen Diskursen eine Höherbewertung. Sie wird als Boden für höhere Erkenntnis verstanden und somit zum ursprünglichen Bereich der Sinnstiftung. »Die Wissenschaft mit ihren theoretischen Aktivitäten von Systematisierung und Formalisierung ruht so auf der Lebenswelt und ist begründet in der Praxis des Alltagslebens, die ihr Fundament und die Basis ihrer Kritik ist« (Dewe 1988: 122). Wissenschaftliches Wissen erhält demnach keinen exklusiven Geltungsanspruch, weil lebensweltlich gebundenes Wissen für die Wissenskonstruktion (mit-)konstitutiv ist. Die Übergänge zwischen den Bereichen Wissenschaft und Lebenswelt sind diesem Ansatz zufolge fließend, sodass das Miteinander der unterschiedlichen Wissensformen die*den Einzelne*n zum Handeln befähigt. Demnach steht die Wahrnehmung verschiedener Wissensstrukturen im Vordergrund. Dewe (1988) plädiert für die Wahrnehmung der Wissensstrukturen in einem Bezugssystem jenseits von Höherwertigkeitsthese oder Homogenitätsmythos, um so dennoch die Eigenständigkeit der Wissensbereiche – in diesem Fall der alltäglichen Lebenswelt und der Wissenschaft – aufrechtzuerhalten, da sie zwar verschiedenen Zielsetzungen und Handlungslogiken unterliegen, aber dennoch Verbindungslinien zwischen ihnen sichtbar werden. Die Unterscheidung zwischen Alltagswissen und wissenschaftlichem Wissen wird demnach als Ausdruck einer bestimmten historischen Entwicklung, »in der sich bestimmte Wissensstrukturen aus dem allgemein verfügbaren Wissen herausgelöst und sich gegenüber diesem als Sonderwissen verselbstständigt haben« (Dewe 1988: 100), charakterisiert. Dieses Wissen institutionalisiert sich, ist stark ausdifferenziert und spezialisiert und gewinnt darüber eine gewisse Autonomie gegenüber dem Alltagswissen (Dewe 1988: 103–104). Durch die Institutionalisierung entstehen gleichzeitig bestimmte gesellschaftliche Rollen, die eine Zuständigkeit für spezifisches Wissen aufweisen. 4

4

Sonderwissen ist an der sozialstrukturellen Differenzierung der Gesellschaft orientiert. Expert*innenwissen ist demnach eine bestimmte Art des Sonderwissens. Eine Unterscheidung in der Zuweisung von Wissen kann als »Ausdruck einer zunehmenden Institu-

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 31

Unzweifelhaft fließt wissenschaftliches Wissen wiederum latent oder manifest in den öffentlichen Diskurs als Orientierungswissen, Rezeptwissen oder technisches Artefakt ein. Es wird zu einem Teil der gesellschaftlichen Weltauslegung, aber auch zur Handlungsgrundlage. Dabei kann das wissenschaftliche Wissen in verschiedene Handlungssituationen eingebettet werden, wenn die Verwendungslogik beibehalten wird. Dennoch »ist davon auszugehen, daß wissenschaftliches Sonderwissen im Gegensatz zum Alltagswissen einen für inhaltlich verschiedene Handlungssituationen einsetzbaren, auf subjektive Sinnstrukturen nicht transformierten Wissenstyp darstellt und von sich aus keine unmittelbar handlungsleitende Orientierung gewährleistet« (Dewe 1988: 139). Wissenschaftliches Wissen bleibt daher häufig in Distanz zur alltäglichen Lebenswelt, sodass Wissenschaft »prinzipiell keine unmittelbar entscheidungs- und handlungsrelevante Antwort« geben kann (Dewe 1988: 191). Wissenschaft nimmt somit nicht die Entscheidung ab, wie sich an dem wissenschaftlichen Wissen orientiert werden sollte. Sie bietet lediglich Interpretationen für das wissenschaftliche Wissen an. Das heißt also, dass das wissenschaftliche Wissen nicht ohne Brüche in das individuelle Wissen übernommen wird. Die hier erfolgte kurze Darstellung der Übergänge zwischen den verschiedenen Wissensstrukturen unterstreicht die Kritik an einer rein linearen Betrachtung solcher Übergänge. Auch das Alltagswissen gibt Antwort auf die Frage, wie typische Entscheidungen in typischen Situationen mit typischen Mitteln unter individueller Relevanzsetzung getroffen werden. Doch die bloße Übertragung von Alltagswissen durch die Konfrontation mit wissenschaftlichem Wissen in eine reflexive Distanz kann eine Abwehrhaltung hervorrufen, da das, was als gegeben angenommen wird, nun infrage gestellt wird. Es fehlen häufig die Bezugspunkte zu individuellen Sinnfragen. Es geht dann vielmehr um ein inkorporiertes, teilweise invisibles, individuelles Wissensrepertoire, welches Handeln ermöglicht. Anhand lebensweltlicher Diskurse (Schütz 2003b [1971]; Schütz & Luckmann 2017 [1975/1984]) wird deutlich, dass Alltagswissen immer auch eine (mit-)konstitutive Bedeutung für wissenschaftliches Wissen besitzt. Daraus lässt sich in Bezug auf die Bestimmung des Verhältnisses zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen schlussfolgern, dass keine klare Trennungslinie zwischen den verschiedenen Wissensstrukturen gezogen werden kann. Wichtiger sind Fragen nach den Kontexten, in denen Wissen entsteht, Anwendung findet und Beziehungen herstellt sowie nach den Bedingungen der transformativen Veränderung des Wissens.

tionalisierung einer bestimmten gesellschaftlichen Problemlösestruktur« gelesen werden (Dewe 1988: 136).

32 | Science Slam

2.2.1 Strukturbruch zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen Um die einzelnen Wissensstrukturen in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten innerhalb von bestimmten Kontexten wahrnehmen zu können, wird ein Strukturbruch angenommen, der zwischen den Wissensstrukturen ausgemacht werden kann und es so ermöglicht, sie in ihren Eigenheiten und Kontextsetzungen zu beschreiben und dennoch Übergänge herzustellen. Ausgangspunkt dafür ist, dass individuelle Auseinandersetzungen mit Themen, Inhalten und Problemfragestellungen durch die Widerständigkeit von Erwartungen, Erfahrungen und Deutungsmuster geprägt sind (Schäffter 2001: 146). Andersherum kann jedoch auch die Widerständigkeit von Realität Grenzflächen erzeugen, die Befremdung, Überraschung, Reibung und resonante Echowirkungen zulassen (Schäffter 2001: 146). Beide Möglichkeiten schaffen Irritationen. Das menschliche Erkenntnissubjekt trifft auf unbekannte Deutungsmuster und neue Wissenszusammenhänge, die dann ein aktives Erschließen als Erarbeitung von Anschlussmöglichkeiten hin zu einem kontextübergreifenden Aneignungsprozess erfordern (Schäffter 1997). Hier lässt sich beispielhaft an die Ausführungen zum Übergang zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen denken (Kapitel 2.2). Irritationen können, müssen aber nicht zum Lernanlass werden, auch Lernwiderstand, Normalisierungsstrategien und Bagatellisierung sind zu bedenken (Schäffter 1997). »›In Lernprozessen bewegen sich Lernende […] nicht einfach von einem Nicht-Wissen zu einem Wissen, von einem Nicht-Können zu einem Können, sondern in einem Zwischenraum, der nach allen Richtungen durch Wissen und Nicht-Wissen, Können und Nicht-Können begrenzt wird. […] Der transformatorische Prozess ist […] dadurch bestimmt, dass an einem Bekannten etwas Unbekanntes erfahren wird und Unbekanntes sich in bestimmten Aspekten als zum Teil schon bekannt erweist. Beide Formen der Transformation sind im Lernen jeweils über Irritationen vermittelt.‹« (Benner 2005: 8–9, zit. in von Felden 2014: 69; Hervorhebungen im Original)

Irritation basiert somit auf Erfahrungen und Erwartungen, alltäglichen, selbstverständlichen Überzeugungen und daran anschließenden Antizipationsmustern, denn wenn diese nicht entwickelt sind, können Erwartungen auch nicht enttäuscht werden (Schäffter 1997). Erfahrungen verengen dann den Blick. Durch Irritation werden diese Erfahrungen und Erwartungen nun aus ihrer Latenz herausgehoben und damit reflexiv zugänglich. Ein Lernen aus Erfahrungen ist dabei nur möglich, wenn Befremdung, Überraschung und Reibung als irritierende Erfahrungen zugelassen

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 33

werden (Gieseke 1996). Irritationsfähigkeit bezieht sich somit auf einen bis dahin unreflektierten Wahrnehmungsbereich, der sich über Erfahrungen in Deutungsmustern manifestiert hat (Schäffter 2001: 147). Insgesamt markiert Irritation im ersten Zugang daher die Kontaktflächen zwischen Sinnkontexten, zudem aber auch die Übersetzung zwischen differenten Sinnkontexten in Form eines Lern- oder auch Bildungsmoments. 5 Die Sinnkontexte bieten dabei Möglichkeiten der Kontextualisierung für das in ihnen entstandene Wissen an. Treffen nun verschiedene Sinnkontexte aufeinander, baut sich über der somit entstehenden Kontaktfläche ein Spannungsfeld auf, welches einem ständig stattfindenden Ausregelungsprozess unterliegt (Schäffter 2001). Dieses Spannungsfeld kann mithilfe eines Strukturbruchs beschrieben werden, wobei die beiden Seiten des Strukturbruchs in einem wechselseitigen Übersetzungsverhältnis stehen. Übersetzung heißt dann, dass die Erfahrungs- und Wissensbestände im Aneignungsprozess einer strukturellen Transformation unterliegen und Übergänge sichtbar werden, da das Wissen des jeweiligen Sinnkontextes immer nur in der je eigenen Kontextualisierung rekonstruierbar ist (Schäffter 2001: 221). In Anlehnung an diese Ausdifferenzierungen lassen sich wissenschaftliches Wissen und Alltagswissen, die ebenso Kontextierungen unterliegen, an einem Strukturbruch als jeweilige Seiten ansiedeln. Dadurch wird das Spannungsfeld zwischen den beiden Wissensstrukturen sichtbar, welches Irritationen hervorruft, die in einem Übersetzungsverhältnis ausgehandelt werden (können). Durch das Aufeinander-Zubewegen der beiden Wissensstrukturen entsteht demnach eine Kontaktfläche, die durch ein Spannungsfeld mit Strukturbruch gekennzeichnet ist.

5

Der »Prozess des Lernens« wird »als Aufnahme von Information und Überführung in das Langzeitgedächtnis zur künftigen Handlungsplanung und -ausführung zusammengedacht mit den dafür relevanten Inhaltsbereichen« (Nieke 2016: 351). Dabei bewegt sich Lernen innerhalb eines gegebenen Orientierungsrahmens (Nohl 2014). Bildung als Veränderung des Welt- und Selbstverhältnisses findet statt, »wenn eine bisherige Weltorientierung durch eine andere, für angemessener befundene ersetzt wird« (Nieke 2016: 364). Dabei geht es um die Transformation des Welt- und Selbstverhältnisses, die als Reaktion auf soziokulturelle Herausforderungen zu verstehen sind und bei der sich Neues herausbildet (Koller 2016, in Anlehnung an Marotzki 1990).

34 | Science Slam

2.2.2 Transformationsprozesse zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen Werden die sich am Strukturbruch ausbildenden Übersetzungsverhältnisse in der Kontaktfläche zwischen unterschiedlichen Kontextierungen herausgegriffen, lassen sich diese übergreifend als Transformationsprozesse beschreiben. Begrifflich ist ›Transformation‹ im Rahmen von Gesellschaftsanalysen (u. a. Welsch 1991; Beck et al. 1996; Schäffter 2001) zunächst von ›Veränderung‹ abzugrenzen. Veränderungen geschehen innerhalb eines gleichbleibenden Kontextes. Sie verbleiben daher in einem stabilen und vertrauten Sinn- und Bedeutungshorizont. Schäffter (2014a) kennzeichnet dies als Veränderungen erster Ordnung. Da nicht jede Veränderung und nicht jede Aneinanderreihung von Veränderung in eine strukturelle Transformation mündet, lässt sich eine weitere Entwicklung ausmachen: die Veränderung des Charakters solcher Wandlungsprozesse hin zur »Veränderung der Veränderung«, die demnach Veränderungen zweiter Ordnung darstellen (Schäffter 2001: 24). Der Veränderungskontext selbst ist einem strukturellen Wandel unterworfen. Transformation beschreibt somit nicht nur eine Kette von Veränderungsprozessen, sondern meint einen grundlegenden Strukturwandel innerhalb konstitutiv vorausgesetzter Kontextbedingungen. Schäffter (2001) unterscheidet daran anschließend vier Modelle der Transformation: Die lineare Transformation meint den Übergang von einem bekannten Zustand A zu einem bekannten Zustand B. Zustand A wird hier als defizitär erkannt, weshalb Zustand B als erstrebenswert gilt (Schäffter 2001: 25). Dieses Transformationsmuster kann als klassische Form gesellschaftlicher Veränderungsprozesse bezeichnet werden. Ausgangspunkte sind Befremdung, Überraschung und Diskrepanzerleben, welche den Erwerb von Kompetenzen und Wissen zur Bewältigung von Zustand B einfordern. Die zielbestimmte Transformation beschreibt einen »Emanzipations- oder Befreiungsprozess aus einer unbegriffenen defizitären Ausgangslage Ax« (Schäffter 2001: 27). Der Lernprozess ist dann die Überwindung des Zustandes Ax durch die Hervorhebung von B. B wird hier als attraktives Ziel beschrieben, von welchem eine Sogwirkung ausgeht. Diese Wirkung eines Vorbildes kann jedoch nicht von außen erzeugt werden. Die zieloffene Transformation beschreibt demgegenüber den Übergang von einem defizitären Zustand A hin zu einem diffusen Zustand Bx. Dieser Transformationsprozess ist als Aufbruch oder Ausbruch aus einer Unsicherheitssituation hin zu einem Schwebezustand gekennzeichnet (Schäffter 2001: 28). Bx bietet einen unbegrenzten Möglichkeitsraum, der »einer objektivierenden, allgemeingültigen Bestimmung unzugänglich ist« (Schäffter 2001: 29). Der Zustand Bx »ist nur im

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 35

Rahmen eines persönlichen Klärungs- und Entscheidungsprozesses durch Eigenbewegung der Lernenden innerhalb eines subjektunabhängigen Möglichkeitsraums zu erschließen« (Schäffter 2001: 29). Hier wird Erwachsenenbildung zur »Suchbewegung« (Tietgens 1984: 10). Trotz Zieloffenheit steht am Ende des Lernprozesses die »Sicherheit einer selbstentdeckten Ordnungsstruktur« (Schäffter 2001: 30). Mit der reflexiven Transformation beschreibt Schäffter (2001) den Übergang von einem ungeklärten Zustand A zu einem unerkannten Zustand Bx, der selbst einem permanenten Strukturwandel unterliegt. Warum Zustand A als defizitär wahrgenommen wird, ist dabei zunächst unklar. Zustand Bx unterliegt einer diffusen Zielgerichtetheit und einer zusätzlichen Eigendynamisierung, also einer prinzipiell unabschließbaren Transformation. Da Zustand A kein sicheres Vorwissen zugrunde liegt, beginnt hier schon der Veränderungsprozess in den reflexiven Bemühungen um Situationsklärung. Es entwickelt sich ein sozialer Möglichkeitsraum, der Beginn der Suchbewegung hin zu einem erstrebenswerten Zustand Bx. Zwar wird der Zustand Bx durch Suchbewegungen erreicht, aber die Festigung der neuen Ordnung kann nicht erfolgen, da sie durch erneute Veränderungen infrage gestellt wird, sodass wiederum ein Bedarf nach Selbstvergewisserung und Neuorientierung entsteht (Schäffter 2001: 31). Die an Gesellschaftsanalysen anschließende Beschreibung von strukturellen Transformationen zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen lässt sich nicht als lineare Transformation von A nach B im Sinne einer unproblematischen Transferierung des wissenschaftlichen Wissens in die Lebenswelt charakterisieren. Sie lässt sich aber auch nicht als zielbestimmte Transformation von einem unbekannten Möglichkeitsraum Ax zu einem bekannten Zustand B, welcher das wissenschaftliche Wissen als Orientierungspunkt nimmt, kennzeichnen. Vielmehr geht es zwischen Wissenschaft und Lebenswelt als Kontextierungen um reflexive Transformationen. Suchbewegungsprozesse oder permanente Selbstvergewisserung sind dann gefordert, wenn wissenschaftliches Wissen und Alltagswissen zusammentreffen. Dewe (1988) beschreibt vier mögliche Übersetzungen im Sinne von strukturellen Transformationsprozessen zwischen den beiden Wissensstrukturen, die das Zusammentreffen in einer möglichen Kontaktfläche ausgestalten: • Es gibt keine Transformation im eigentlichen Sinne, sondern lediglich Verweise der Existenz wissenschaftlichen Wissens im Alltagswissen. • Wissenschaftliche Teilmodelle und -aussagen werden in die Lebenswelt übernommen. Dabei wird das wissenschaftliche Wissen »aus dem theoretischen Zusammenhang […] herausgenommen und einer Typisierung unterworfen«

36 | Science Slam

(Dewe 1988: 127). Die Struktur des Alltagswissens bleibt bestehen, sodass auch hier keine reflexive Transformation stattfindet. • Die Übernahme von wissenschaftlichen Gesamtmodellen in das Alltagswissen führt dazu, dass Wissenschaft als Gesamtorientierung für den Lebensvollzug genutzt wird und somit zu einem Ersatz für verloren gegangene normative Weltbilder wird. Wissenschaftliche Theorien werden dann zu vereinfachten, sehr allgemeinen Deutungsmustern. • Die Übernahme wissenschaftlicher Methoden zur Analyse eines Gegenstandes ermöglicht die systematische Bearbeitung von Handlungsproblemen. Hier ist die Grenze des alltäglichen Sinnbereichs erreicht; selbstverständliches Handeln ist nicht mehr möglich, sodass sich Institutionen und Professionen ausbilden. Die dargestellten Transformationsprozesse stellen jedoch nur eine einseitige Perspektive dar, und zwar die der Transformation von wissenschaftlichem Wissen hinein in die Lebenswelt. Anhand lebensweltlicher Diskurse (Schütz 2003b [1971]; Schütz & Luckmann 2017 [1975/1984]) wird jedoch deutlich, dass Alltagswissen eine (mit-)konstitutive Bedeutung für wissenschaftliches Wissen hat, sodass vielmehr wechselseitige Transformationen zwischen den Wissensstrukturen beachtet werden müssten. Es scheint hier möglich, Diskurse zur »Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie« (Peters 1993: 340) einzuordnen, die die Annahme der wechselseitigen (möglichen) Transformationen zwischen den Wissensstrukturen stützen. Diese Diskurse konzentrieren sich auf Politik und Recht als institutionelle Felder, machen aber deutlich, dass eine einseitige Blickrichtung nicht ausreicht. Daraus ergibt sich, dass Transformationsprozesse ebenso von den Peripherien ausgehen können. Zwischen Peripherie und Zentrum liegen zudem beeinflussende intermediäre Strukturen, die eine Ver-Mittlungs- und Kommunikationsfunktion übernehmen. Insgesamt ergibt sich kein hierarchisches Modell möglicher ›Figuren der Überführung‹ zwischen den Wissensstrukturen, sondern es lassen sich lediglich »Einflußkanäle« ausmachen (Peters 1993: 341). Dabei drängt sich die Frage auf, inwiefern sich die Peripherie einbringen kann. 6 Deutlich wird also – auch thematisiert in Auseinandersetzungen mit der Postmoderne (Welsch 1991) –, dass sich eine Auflösung des Nebeneinanders oder Gegenübers einstellt. Diese Verschiebung provoziert bei Peripherie und Zentrum

6

Hier lassen sich auch Anschlüsse zu ›Subalternität‹ herstellen. Sie betonen die Erkenntnis der fehlenden Möglichkeit eines Für-sich-selbst-Sprechens bestimmter, als subaltern beschriebener Gruppen in einer hegemonial geprägten Gesellschaft und die Aufforderung, dieses Schweigen wahrzunehmen (Spivak 2008).

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 37

Unsicherheiten und Anforderungen. Gleichzeitig können über eine daran anschließende »Konzeption der Übergänge« im Sinne der Betrachtung von Transformationsprozessen »Verknüpfungsformen des Pluralen« hervorgehoben werden (Welsch 1991: 323). Fokussiert werden diese Zusammenhänge auf mögliche Kontaktflächen zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen.

ZUSAMMEN-DENKEN Eine Kontextsetzung des Wissens erlaubt es, einerseits Wissensstrukturen zu differenzieren – hier bezogen auf Wissenschaft und Lebenswelt – und andererseits in der Kontakfläche der Kontextierungen wechselseitige Transformationsprozesse zwischen den Wissensstrukturen sichtbar zu machen. Die jeweiligen Wissensstrukturen sind demnach zwar in ihrer jeweiligen Kontextierung zu verorten, können aber Kontaktflächen ausbilden, in denen sich ein Spannungsfeld aufbaut, das durch einen Strukturbruch charakterisiert wird. Die beiden Seiten des Strukturbruchs stehen in einem wechselseitigen Übersetzungsverhältnis. Übersetzung heißt dann, dass die Erfahrungs- und Wissensbestände im Aneignungsprozess einer Transformation unterliegen und Übergänge sichtbar werden. Diese Transformationsprozesse beziehen sich nicht auf lineare, sondern auf reflexive Transformationen, die durch Wechselseitigkeit bedingt werden. Abbildung 2 greift diese Zusammenhänge zwischen den Kontextierungen auf. Es handelt sich hierbei um eine analytische Unterscheidung, die genutzt wird, um die sich funktional ausdifferenzierenden Wissensstrukturen zu unterscheiden. Deutlich wird, dass sich verschiedene Kontaktflächen zwischen den Wissensstrukturen ausbilden können, innerhalb derer unterschiedliche Transformationsprozesse verortet werden. Um die Charakterisierung der Transformationsprozesse noch offen zu halten, werden sie als ›Figuren der Überführung‹ beschrieben. ›Überführung‹ ist hierbei nicht in einem linearen Sinne oder einseitig zu verstehen. Im Hintergrund möglicher Transformationsprozesse stehen Irritationen. Sie basieren auf Erfahrungen und Erwartungen – alltägliche, selbstverständliche Überzeugungen. Durch Irritation werden diese Erfahrungen und Erwartungen nun aus ihrer Latenz herausgehoben und damit reflexiv zugänglich. Irritationen können somit zum Lernanlass werden. Das heißt auch, dass erst über eine erfahrene Differenz Irritationen entstehen. Es geht demnach nicht darum, die Differenz in den Wissensstrukturen einzuebnen, sondern sie in der analytischen Grundlegung sichtbar zu halten.

38 | Science Slam

Abbildung 2: Konstitutionsverhältnis zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen

Quelle: eigene Darstellung

2.3 ›WISSEN‹: (K)EIN THEMA IN DER ERWACHSENENBILDUNGSWISSENSCHAFT In der Erwachsenenbildungswissenschaft wird ›Wissen‹ aus unterschiedlichen Perspektiven heraus konzeptualisiert (u. a. Kognitionspsychologie, Wissens-/ Instruktionspsychologie, Wissenssoziologie). Dabei betonen Kade et al. (2017), dass die disziplinären Ursprünge auf Wissen und Bildung verweisen. Auch wenn sich ›Bildung‹ als Leitbegriff etabliert habe, bleibt ein Bezug auf Wissen erhalten, denn Bildung betont eine spezifische Beziehung zum Wissen, und zwar die Beziehung zwischen Ich und Welt (Kade et al. 2017), die geprägt ist durch die Aneignung von Wissen (Koller 2016; Nieke 2016). Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass der Begriff ›Wissen‹, »der sich in der Erwachsenenbildung selbst herauskristallisiert hat, […] den Aspekt der Bildung als auf den Menschen bezogene Entwicklung [betont], die ›von außen‹ kommende Anforderungen nicht als blind zu erfüllen auffasst, sondern in der Auseinandersetzung mit ihnen eine Chance der Veränderung sieht« (Nolda 2001b: 116). Hinzu kommt, dass Wissen auf verschiedenen Ebenen des erwachsenenpädagogischen Handelns Einfluss nimmt. Abbildung 3 stellt dies exemplarisch für den Lehr- und Lernkontext heraus, der das Wissen selbst erst einbettet.

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 39

Abbildung 3: Bezugspunkte für Wissen im erwachsenenpädagogischen Handeln, hier beispielhaft bezogen auf den Lehr- und Lernkontext

Quelle: in Anlehnung an Hof 2002: 13

Deutlich wird innerhalb der drei abgebildeten Ebenen, dass Wissen nicht nur inhaltlich – im Sinne der Annahmen über die Welt – eingebracht wird, sondern auch als Prozess in Bezug auf Wissensgenerierung, -darstellung, -aneignung und -verwendung eine Rolle spielt (Hof 2002). Die detaillierenden Fragen in Abbildung 3 können dabei auch auf andere Handlungsbereiche der Erwachsenenbildung und Weiterbildung bezogen werden (u. a. Beratung, Programmplanung). Es besteht insgesamt auf den erwachsenenpädagogischen Handlungsebenen nicht nur eine Abhängigkeit des Wissens von individuellen Voraussetzungen, sondern auch von der konkreten Handlungssituation. Ein differenzierter Wissensbegriff orientiert sich daher an den unterschiedlichen strukturellen und individuellen Anforderungen im Handlungskontext (Tietgens 2000: 109). Trotz der aufgezeigten Bedeutungsaspekte von Wissen für Erwachsenenbildung und Weiterbildung wird ›Wissen‹ selten als tiefgründige, durchgängig erwachsenenpädagogische Dimension behandelt (Enoch 2011; Nolda 2001b), sodass es an systematischen Erschließungen des Begriffs fehlt; auch, weil nicht eindeutig definiert ist, was als ›Wissen‹ gilt. »Wer sich nicht auskennt mit der Geschichte der Erwachsenenbildung, wird annehmen, daß sich reichlich Material zu diesem Thema [dem Stellenwert von Wissen und Wissensformen; MS] finden läßt. Tatsächlich aber gibt es in Dokumenten und Kommentaren kaum etwas dazu, und zwar nicht deshalb, weil es mit den Quellen und der Literatur generell schlecht bestellt ist, sondern weil die Stichworte Wissen und Wissensvermittlung und die Probleme,

40 | Science Slam

die damit verbunden sind, fast durchweg unerörtert bleiben. Das Thema wird kaum angerührt, als ob es unfein wäre, sich damit zu beschäftigen. Was die Diskussion über die Jahrzehnte hinweg bestimmt hat, war das Warum und das Wozu der Erwachsenenbildung, nicht aber das Wie.« (Tietgens 1996: 31)

Dabei behindert die zunehmende Verwendung des Begriffs ›Wissen‹ in politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Diskursen Erwachsenenbildungswissenschaft in der eigenen Begriffsfindung (Nolda 2001b). Ursachen dafür lassen sich einerseits in der, häufig die ökonomische Effizienz betonenden, begrifflichen Nutzung und der politischen sowie wirtschaftlichen Hervorhebung von Verwertungsinteressen im Zusammenhang mit dem Begriff finden, liegen andererseits aber auch in disziplininternen Einflüssen mit Blick auf historische Entwicklungen der Popularisierungstendenzen, auf programmatische Annahmen zur Teilnehmer*innenorientierung und auf disziplinäre Abgrenzungen zu Fachdidaktiken (Strzelewicz 1986). Hof (2001) identifiziert dennoch vier Diskurse innerhalb der (erwachsenen-) pädagogischen Auseinandersetzungen zum ›Wissen‹: • Verhältnis von Wissenschaft und Bildung, mit Fokus auf die Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse für Bildungsprozesse, • Auseinandersetzung mit Wissensformen, die die Orientierung des Menschen unterstützen, • Konstruktion von pädagogischem Wissen, wobei nach Merkmalen der Abgrenzung pädagogischen Wissens von anderen disziplinären Wissensbegriffen gesucht wird, • Transformation von Wissen zum Handeln. Diese Diskurse werden anhand exemplarisch ausgewählter Studien zum Wissen in der Erwachsenenbildungswissenschaft, die Bezüge zu Aspekten der vorliegenden Analyse aufweisen, vorgestellt: (a) Zusammenführung von wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen in Erwachsenenbildungsveranstaltungen Dewe (1988) fragt danach, »in welcher Form und in welchem Maße […] sich Weiterbildungsveranstaltungen und -konzepte auf wissenschaftliches Wissen« (Dewe 1988: 5) beziehen. Dabei findet wissenschaftliches Wissen durch die Ver-Mittlung und Kommunikation der Erwachsenenbildner*innen Eingang in die Lebenswelt und berufspraktischen Zusammenhänge der Teilnehmer*innen und erhält dadurch Verwendungsrelevanz. Dieser Prozess kann als Interaktion zwischen Wissensstrukturen beschrieben werden. Bezogen auf die Erwachsenenbildungs-

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 41

veranstaltung als Möglichkeitsraum der Interaktion bedeutet dies, das wissenschaftliche Wissen in die Zusammenhänge der Lebenswelt und berufspraktischen Zusammenhänge der Teilnehmer*innen zu übersetzen. Diese von Dewe (1988) als »Austauschbeziehung« charakterisierten Interaktionen zwischen den Wissensstrukturen lassen jedoch »Diskontinuität und ein […] wechselvolle[s] Ringen […] um Deutungen bei der Etablierung von praxiswirksamen Diskursen« (Dewe 1988: 12) in der Erwachsenenbildungsveranstaltung in den Vordergrund rücken. Es geht dann nicht um eine eindimensionale Anwendung, sondern um eine vielschichtige Konstruktion über Transformationsprozesse, in denen wissenschaftliche Inhalte vor dem Sinnhorizont alltäglicher Deutungen und Erfahrungen transformiert werden. Demnach stehen keine individuellen, strategischen Entscheidungsverwendungen über das Wissen im Mittelpunkt, sondern Reinterpretationsprozesse bis hin zu Entscheidungsbegründungen. (b) Verwendung von spezifische Wissensformen in Erwachsenenbildungsveranstaltungen Hof (2001) erschließt und rekonstruiert ›Konzepte des Wissens‹ aus dem Handlungsfeld ›Erwachsenenbildung‹ heraus, also individuelle Theorien von Erwachsenenbildner*innen zu Wissen und Wissensvermittlung. Letztlich ergibt sich daraus ein Modell der Verknüpfung von individueller Wissenstheorie mit dem Erwachsenen- und Weiterbildungsverständnis sowie dem erwachsenenpädagogischen Veranstaltungskonzept, welches die Dimensionen des erwachsenenpädagogischen Handlungsfeldes verdeutlicht. Die herausgearbeiteten analytischen Ebenen belegen dabei den Zusammenhang zwischen individuellen Wissenstheorien und primär verwendeten Wissensformen in der erwachsenenpädagogischen Veranstaltung. Hof (2001) charakterisiert davon ausgehend drei Perspektiven auf Wissen, die sich grundsätzlich darin unterscheiden, ob das Subjekt oder die Welt als Argumentationsbezugspunkt gewählt wird: • Wissen als Darstellung von Welt bezieht sich auf Aussagen über die Wirklichkeit, die individuell angeeignet werden können. Hierbei geht es auch um die Frage, inwieweit die Aussagen als Abbild der Wirklichkeit gelten. Das aufgenommene Wissen muss dann in Beziehung zum Handeln gesetzt werden. So kann Wissen eine »Handlungswirksamkeit« entfalten und wird zum Instrument des Handelns (Hof 2001: 52). Es liegt demnach eine instrumentalistische Perspektive auf die unterschiedlichen Wirklichkeiten vor. • Bei Wissen als Aussage über einen Teil der Welt wird zwischen einem kognitiven und emotionalen Zugang zur Welt unterschieden. Diese partikularistische

42 | Science Slam

Perspektive spricht den Emotionen eine größere Handlungsrelevanz zu. Damit wird auch intuitives Wissen zu einem zentralen Ankerpunkt. Die Pluralität von Wissen wird hierbei als gegeben angenommen – diese Pluralität ergibt sich aus der Vielzahl von individuellen Erlebnissen in Handlungsprozessen. • Wissen als Ergebnis eines Konstruktionsprozesses ist nicht das Abbild der Welt – wie beim ersten Zugang –, sondern Wissen steht in Relation zu einer Ausgangssituation, wobei die individuellen Bedingungen im Vordergrund stehen. (c) Prozess der Herstellung des Lerngegenstandes aus dem verfügbaren Wissen Haberzeth (2010) diskutiert die Inhaltlichkeit von Lehre, indem dargelegt wird, wie Erwachsenenbildner*innen – mit Blick auf die genutzten Wissensbestände und die Begründung der Nutzung dieser Wissensbestände – in Erwachsenenbildungsveranstaltungen didaktisch handeln. Denn »[d]as zentrale Problem besteht […] darin, dass gesellschaftlich und individuell relevante Probleme, die als Themen in Bildungsangeboten aufgegriffen werden können, von Lehrenden in Inhalte umgesetzt werden müssen«, was wiederum eines »aktiven Auslegungsprozesses von Themen« bedarf (Haberzeth 2010: 3). Es kann somit nicht von ›fertigen‹ Themen ausgegangen werden. Daher werden Thematisierungsstrategien herausgearbeitet, die die Logik des Lehrhandelns, nach denen Inhalte für erwachsenenpädagogische Veranstaltungen ausgewählt werden, nachzeichnen. Der Begriff ›Thematisierungsstrategien‹ verdeutlicht eine stärkere inhaltliche Ausrichtung, die auch auf den aktiven Zugriff der Lehrenden auf Wissen bei der Bearbeitung verweist. Haberzeth (2010) analysiert dafür erwachsenenpädagogische Veranstaltungen aus unterschiedlichen Einrichtungskontexten heraus, um Variationsmöglichkeiten mit dem jeweils angebotenen Thema aufzuzeigen. Daraus leitet er vier Spannungsverhältnisse ab, die die Umgangsweisen der Erwachsenenbildner*innen mit der Thematisierung beschreiben: reflexiv-instrumentell, individuell-strukturell, wissenschaftsbezogen-erfahrungsbezogen und sachbezogen-methodenbezogen. Die genannten Pole der Umgangsweisen stehen dabei eher in einem graduellen Spannungsverhältnis und nicht in einem Entweder-oder-Verhältnis. (d) Pädagogische Kommunikation von Wissen außerhalb institutionalisierter Erwachsenenbildung Die Anforderungen der Wissensgesellschaft an eine kontinuierliche Erneuerung des Wissens, eine permanente individuelle Rückversicherung und gegebenenfalls individuelle Neudefinition haben zu einer vermeintlichen Universalisierung des Pädagogischen geführt, sodass das Lernen Erwachsener außerhalb institutionalisierter erwachsenenpädagogischer Kontexte auch auf der Ebene von Kommunikation als

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 43

Institutionalisierung verstanden werden kann. Grundsätzlich gehen Kade und Seitter (2007a, 2007b) daher davon aus, dass Wissen auch außerhalb von Bildungseinrichtungen pädagogisch strukturiert ist und somit Regeln pädagogischer Kommunikation unterliegt. Dennoch kann diese Wissensvermittlung nicht mit Lehren oder Beraten gleichgesetzt werden. Das Pädagogische wird vielmehr bewusst im Hintergrund belassen. Kade und Seitter (2007a, 2007b) untersuchen daher den Umgang mit Wissen als sozialen Prozess, in welchem die Kommunikation von Wissen fokussiert wird. Im Mittelpunkt steht dabei nicht das Verhältnis von Wissen und Bildung, sondern von Wissen und pädagogischer Kommunikation als Verbindung von umfassender pädagogischer Absicht, Vermitteln, Aneignen und Überprüfen von Wissen. Diese Dimensionen finden sich sowohl in der Bildung als auch im Umgang mit Wissen, welcher die einzelnen Dimensionen jedoch in ihrer Zerstreuung belässt, während Bildung sie als Einheit betrachtet. Bildung und Wissen setzen sich im Umgang mit Wissen dann vielmehr gegenseitig voraus. (Pädagogische) Kommunikation kann differenziert werden in einfache, informative Wissensvermittlung (Mitteilen), die das Aneignen von Wissen nicht als Problem reflektiert, und in aneignungsreflektierende Wissenskommunikation (Vermitteln), in der das Aneignen im Rahmen von Kommunikation beobachtet wird. Als weitere Differenzierung wird pädagogische Wissenskommunikation, die über die Defizitkonstruktion Veränderungserwartungen erzeugt, sodass die Veränderung der Teilnehmer*innen in der Wissensvermittlung kommuniziert wird, beschrieben. Eine Unterform der pädagogischen Wissenskommunikation ist die Bildungskommunikation, die die Vermittlung von Wissen nicht nur an soziale Akteur*innen adressiert, sondern auch an die Person als Individuum. Bezugnehmend auf die Entwicklungen im Rahmen der Wissensgesellschaft treten hier jedoch Zumutung, Irritation und Konfrontation statt Vertrauen, Annäherung und Verständigung in den Vordergrund. Es werden Wissensvermittlung und andere pädagogischen Handlungsformen miteinander vermischt. Dinkelaker (2008) entwickelt daran anschließend den Ansatz, dass professionell und organisatorisch verantwortetes Lehren nur eine mögliche Unterstützungsform des Lernens Erwachsener sei. Lernen finde demnach in vielfältigen Kontexten statt. Er fokussiert zur Begründung hybride Lernsettings, die als »Interaktionsarrangements« den »Umgang mit Lernen dauerhaft mit anderen sozialen Praktiken, die keiner Lernlogik folgen«, verbinden (Dinkelaker 2008: 15). Lernen erfolgt hier teilweise nicht aus einer pädagogischen Absicht heraus, sondern aus anderen Zuschreibungsdynamiken, und ist dann nicht Zweck, sondern Mittel. Hybride Settings sind demnach gekennzeichnet durch die Gleichzeitigkeit bzw. einen ständigen Übergang zwischen Wissensvermittlung, Belehrung, Geselligkeit

44 | Science Slam

sowie Unterhaltung. Die Vermittelnden passen sich an die Dynamik der Teilnehmer*innen an. Die Besonderheit hybrider Lernsettings liegt somit in der Verschränkung von Wissenserwerb und Wissensanwendung, wodurch »eine nicht pädagogisch strukturierte Praxis« fortgesetzt wird (Dinkelaker 2008: 15). 7 Werden hybride Lernsettings vor dem Hintergrund der pädagogischen Kommunikation analysiert, zeigt sich, dass der pädagogische Umgang mit Lernen flüchtig und rudimentär bleibt (Kade & Seitter 2007a, 2007b). Lernen lässt sich dennoch bestimmen, wenn vor dem Hintergrund der Kommunikation von Lernen davon ausgegangen wird, dass »in hybriden Lernsettings durchaus Strukturen des Umgangs mit (Nicht-)Wissen erkennbar sind, die das Auftreten pädagogischer Absichten erwartbar machen, sich selbst aber auch ohne solche Absichten realisieren können« (Dinkelaker 2008: 32). Lernen kann demnach auch dargestellt werden, ohne dass eine Einwirkungsabsicht erkennbar ist. Dinkelaker (2008) unterstellt somit einen Primat der Darstellung des Lernens vor der Einwirkung auf Lernen. Die hier kurz vorgestellten fünf Studien verweisen darauf, dass sich die Thematisierung von Wissen in der Erwachsenenbildungswissenschaft auf ›Wissen‹ in der einrichtungsspezifischen Erwachsenenbildung, vor allem bezogen auf die Mikroebene des Lehrens und Lernens (Dewe 1988; Hof 2001; Haberzeth 2010), konzentriert und hierbei die Perspektive der Erwachsenenbildner*innen (Hof 2001; Haberzeth 2010) oder die Bedeutung von Wissen in der Interaktion innerhalb der Erwachsenenbildungsveranstaltungen (hierzu Nolda 1996a) in den Blick nimmt. Auf der Mesoebene wird die Nutzung des Wissens als Leistungsversprechen der erwachsenenpädagogischen Einrichtung (hierzu Schrader 2003) thematisiert. Die Auseinandersetzung mit Wissen in Ver-Mittlungs- und Kommunikationsprozessen außerhalb einrichtungsspezifischer Erwachsenenbildung wird zunehmend mit aufgenommen (Kade & Seitter 2007a, 2007b; Dinkelaker 2008). Durch die Fokussierung der Thematisierung von Wissen in der Erwachsenenbildung auf der Mikroebene tritt die Frage in den Vordergrund, ob und wie Wissen als Anschlussmöglichkeit in Lernkontexten fungieren kann. Bezüge können demnach zum erwachsenenpädagogischen Konzept des Anschlusslernens hergestellt werden, welches davon ausgeht, dass Teilnehmer*innen in Lehr- und Lernkontexten über Wissen und Fähigkeiten verfügen, an die innerhalb des Lernprozesses angeschlossen wird (Nuissl 2010: 20). Deutlich wird die Betonung einer individuellen Akzentuierung des Anschlusslernens (Robak 2015). So werden Übergänge zwischen der Lebenswelt und der Biografie sowie dem Bil7

Dinkelaker (2008) verweist in diesem Zusammenhang auf die Entgrenzungsforschung, die die zentrale Bedeutung von hybriden Settings für die Vergesellschaftung des Lernens herausgearbeitet hat.

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 45

dungsangebot hergestellt. Zum Ausgangspunkt beim Kontakt mit Wissen werden dabei individuelle Erfahrungen, Erwartungen und Deutungsmuster, die durch ihre Widerständigkeit Befremdung, Überraschung sowie Reibungsflächen erzeugen, die wiederum Irritationen hervorrufen (können) (Schäffter 2001: 146). Irritationen hingegen können – müssen aber nicht – zum Lernanlass werden und tragen gleichzeitig einen möglichen Bildungsmoment in sich (Schäffter 1997). 2.3.1 Differenzierung des Wissens in der Erwachsenenbildungswissenschaft Die Differenzierung des Wissens soll im Folgenden anhand der Arbeiten von Nolda (2015) und Tietgens (1996, 2000) nachgezeichnet werden, um einen Überblick über die Thematisierung von Wissensstrukturen in der Erwachsenenbildungswissenschaft zu erhalten. Nolda (2015) erarbeitet eine Gegenüberstellung von drei Begriffspaaren, die sich auf Wissen beziehen. Dabei betont sie deren gegenseitige Durchdringung gegenüber einer künstlichen Dichotomie: Bildungswissen und Anwendungswissen: In Anlehnung an die Aufklärung charakterisiert das Bildungswissen eine moralische Höherentwicklung auf rationaler Basis. Doch der Stellenwert und die Substanz des Bildungswissens haben sich über die Jahrhunderte seit der Aufklärung verändert. Bildungswissen kombiniert Faktenund Umgangswissen. Es setzt Faktenwissen voraus, welches dann Umgangswissen durch Fakten und Urteile ermöglicht (Nolda 2001c). Das Anwendungswissen stützt sich auf die Vermittlung nützlicher Kenntnisse und ist häufig auf berufliches Fachwissen bezogen. Funktionen des Wissens werden hier durch das In-Beziehung-Setzen des Wissens mit Inhalten aufgehoben (Nolda 2015) und ergeben eine Gegenüberstellung, der durch die Differenzierung von Schrader (2003) entgegengewirkt wird. Schrader (2003) unterscheidet in Anlehnung an Scheler (1926) insgesamt vier Wissensformen: Orientierungswissen (bei Scheler ›Erlösungswissen‹), welches die Fähigkeit zum Verhalten in der Welt beschreibt; Identitätswissen (statt ›Bildungswissen‹ bei Scheler), das den Umgang der Lernenden mit sich selbst verbessert, sodass die Identität gesichert und die Selbstkontrolle verbessert wird; Interaktionswissen, welches die Handlungsfähigkeit gegenüber der sozialen Welt verbessert, und Handlungswissen, das die individuelle Handlungsfähigkeit gegenüber Sachen und Symbolen ermöglicht. Einen weiteren Strang aufnehmend, könnte Orientierungswissen nach Schrader (2003) differenziert werden in: Orientierungswissen als jenes Wissen, das in Handlung umgesetzt werden könnte, normatives Orientierungswissen, das umschreibt, was aus welchen Gründen

46 | Science Slam

getan werden soll, reflexives Änderungswissen als Wissen darüber, was mensch tun könnte oder tun will und wie dies erfolgreich möglich ist, sowie Bedingungswissen als Wissen darüber, warum etwas wie getan werden muss, um das Ziel erfolgreich zu realisieren (Nieke 2016). Alltagswissen und wissenschaftliches Wissen (vgl. auch Kapitel 2.2): Dewe (1988) bestimmt Alltagswissen mit Rückgriff auf die soziologischen Ansätze von Schütz (2003a [1945]) sowie Berger und Luckmann (2013 [1969]) als Wissensvorrat, der die relativ problemlose und schnelle Bewältigung alltäglicher Probleme und Routinehandlungen ermöglicht. Gewohnheiten, Erfahrungen, Routinen und Selbstverständlichkeiten verbinden sich mit Deutungsmustern und stützen zusammen die Orientierungs- sowie Handlungsfähigkeit. Wissenschaftliches Wissen hingegen ist geprägt durch Problematisierungen, aber auch durch ein reflexives Wissen, welches die Selektivität der Wahrnehmung verdeutlicht. Es ist ein »nach pragmatisch begründeten Kriterien geordnetes« und »systematisiertes Wissen« (Hierdeis & Hug 1992: 56). Aufschlussreich an der Beziehung zwischen wissenschaftlichem Wissen und anderen Wissensstrukturen ist die Frage, ob und in welcher Form wissenschaftliches Wissen vermittelt werden kann. Häufig werden dabei die Methoden der Ver-Mittlung wissenschaftlichen Wissens kritisiert, da diese eng verknüpft sind mit der Ver-Mittlung eines wissenschaftlichen Denkstils (Nolda 2015). Deklaratives und prozedurales Wissen: Das deklarative Wissen als Wissen über etwas setzt sich zusammen aus Sachwissen und Faktenwissen. Es ist explizit. Das prozedurale Wissen als Handlungswissen, das meint Wissen darüber, was die adäquate Handlung bei einem bestimmten Sachverhalt ist, bezieht sich auf die Aneignung von Fähigkeiten (Können, Fertigkeiten, Strategien), aber auch auf den Umgang mit dem eigenen Wissen. Da es häufig lediglich implizit verfügbar ist, ist es nur teilweise in Faktenwissen übersetzbar. Dennoch erhält das handlungsorientierende Wissen zunehmend Bedeutung, da anerkannte Wissensbestände infrage gestellt werden oder bestimmte Zugriffsmöglichkeiten auf Wissen verloren gehen. Auch Tietgens (2000) thematisiert die Vielschichtigkeit des Phänomens Wissen. Er setzt sich in verschiedenen Beiträgen (1996, 2000) mit den aus den Inhalten der Erwachsenenbildungsveranstaltungen ableitbaren Wissensarten analytisch auseinander, um dadurch auf einer makro-, meso- sowie mikrodidaktischen Reflexionsebene die Teilnehmer*innenperspektive mit entsprechenden Wissensarten zu verknüpfen. Theoretisch grundlegend ist seine Zuschreibung einer »Brückenfunktion«, die Wissen zu einer »didaktischen Zwischenkategorie« werden lässt und »das situative Aufeinandertreffen, Aufeinanderprallen, de[n] Abgleich, die Ver-

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 47

mischung und die Kontrastierung verschiedener individueller Wissensperspektiven« (Enoch & Gieseke 2011: 4) betont. Er differenziert vier Arten von Wissen: Gegenstandswissen im Sinne von herkömmlichem Faktenwissen ist komplexer und damit vielschichtiger als angenommen. Es ist dabei jeweils kontextabhängig. Seine Sichtbarkeit und Greifbarkeit ist ein wesentliches Unterscheidungskriterium zu anderen Wissensarten. Es tritt zunächst als isoliertes Einzelwissen aneinandergereiht auf, zur Einbettung ist dann jedoch Kontextwissen oder Zusammenhangswissen notwendig. Es bedarf dann entsprechender »Kriterien für eine situationsadäquate Zuordnung des zuerst undifferenzierten additiven Wissens« (Tietgens 2000: 113), sodass über die Einbindung des punktuellen Wissens eine relationale Beziehungs- und Bedeutungsebene bedient wird. Mentalwissen bildet individuelle und reflexive Hintergrundstrukturen zur Orientierung ab. Es handelt sich aber nicht notwendigerweise ausschließlich um Hintergrundwissen, da auch Abstraktionen, Interaktionen und der situationsangemessene Umgang mit Orientierungswissen unseren Alltag mehr als angenommen bestimmen. Demnach handelt es sich um Bildungswissen, welches über das Alltägliche gefasst und im Sinne einer Analyse sowie Identifikation von Wirklichkeit, Meinungen und Widersprüchlichkeiten verstanden wird. Das Wissen um andere Wissensbestände wird als Verständigungswissen beschrieben. Aus diesem semantischen Wissen ergibt sich die Möglichkeit zur Kommunikation. Das Begreifen der Eigenart von Sprache ermöglicht die Vermittlung von Welt: »Mit dem Erkennen der Eigenart von Bedeutungshöfen, die mit Worten verbunden sind, erschließt sich etwas von der Welt des anderen im weitesten Sinne« (Tietgens 2000: 101). Dadurch ergibt sich die Fähigkeit, das Gemeinte zu erkennen, Aussagen zu lesen und die eigenen Äußerungen mit Blick auf Gesprächssituationen zu variieren. Dieses Wissen wird häufig zu einer unhinterfragten Selbstverständlichkeit und teilweise auch unreflektiert übernommen. Verhaltenswissen beschreibt situativ konkretes Wissen. Dieses Handlungswissen bezieht sich auf sächliche Anforderungen, den Menschen oder auch auf sich selbst und ist dennoch nicht zwingend sichtbar. Durch seine kreative und reflexive Grundlegung ist es sehr individuell und kaum vergleichbar. Es handelt sich hierbei um überlappende Funktionen einer lebensweltlichen Sicht auf Wissen, sodass die Arten des Wissens nicht klar voneinander getrennt werden können. Sie können jedoch im Übergang betrachtet werden: Gegenstandswissen existiert selten ohne Verständigungswissen, Verständigungswissen findet sich auch im Mentalwissen, dieses wiederum greift aber auch auf Interpretationen zurück. Hierbei werden zwar die Zusammenhänge zwischen den Wissensarten deutlich, ihr genaues Verhältnis zueinander bleibt jedoch unklar. Ohne Zweifel spielen Kontextbezug, Interaktionsprozesse sowie Handeln als kontextueller Einfluss eine

48 | Science Slam

eminent wichtige Rolle für die Genese von Wissen – umgekehrt nimmt aber auch Wissen Einfluss auf diese Faktoren. Die Systematisierung von Nolda (2015) nach Begriffspaaren des Wissens und die Ausarbeitung von Wissensarten durch Tietgens (1996; 2000) machen die vielfältigen Differenzierungsmöglichkeiten von Wissen deutlich. Mögliche »Typologien des Wissens können grundsätzlich auf drei Dimensionen abgebildet werden: der Legitimation des Wissens (z. B. wissenschaftliches vs. Alltagswissen), seiner Funktion (z. B. Handlungs- vs. Orientierungswissen) und der Repräsentation (z. B. semantisches vs. episodisches Wissen)« (Thiel 2007: 157). Während Tietgens (1996, 2000) Wissensstrukturen aus lebensweltlicher Sicht in ihrer Funktion beschreibt, handelt es sich bei Nolda (2015) um die Betrachtung von Wissen auf verschiedenen Ebenen; Funktionen, aber eben auch alltagsweltliche, professionelle und wissenschaftliche Legitimationen des Wissens greifen immer ineinander. Die Legitimation des Wissens und die Funktionen des Wissens liegen dabei hinter den Wissensstrukturen. Wissensstrukturen repräsentieren Zusammenhänge eines Kontextes, aus dem heraus sich das Wissen legitimiert. Gleichzeitig werden darüber Funktionen sichtbar. Die neurowissenschaftliche Komponente der Repräsentation von Wissen kann damit zwar nicht abgebildet werden, jedoch lassen sich auf diese Weise Vernetzungsstrukturen beschreiben. Abbildung 4 verdeutlicht diese Zusammenhänge. Abbildung 4: Wissensdimensionen und Ausbildung von Wissensstrukturen

Quelle: eigene Darstellung

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 49

2.3.2 Wissenschaftliches Wissen als inhaltlicher Bezugspunkt in der Erwachsenenbildung Reflexionen über wissenschaftliches Wissen zeichnen dieses vorwiegend als statische, unveränderliche Größe, »an der sich die popularisierende Erwachsenenbildung zu orientieren bzw. der sie sich unterzuordnen hat« (Taschwer 1996: 67). Es scheint »die Struktur von Wissenschafts- und Fachwissen festzustehen und deren Vermittlung an Wissenschafts- und Fachfremde problemlos« (Nolda 2001b: 106). In der historischen Betrachtung wird daneben deutlich, dass es Ende des 19. Jahrhunderts »zu einer später nicht mehr erreichten Akademisierung und Verwissenschaftlichung der Volksbildungsarbeit, die […] verstärkt wissenschaftliche Themen in die Angebotspalette aufnahm« (Taschwer 1996: 69), kam. Zum einen durch die Ablehnung naiver Vorstellungen zum technisch-wissenschaftlichen Umgang mit Wissen, zum anderen durch die Einflüsse der Neuen Richtung in der Zeit der Weimarer Republik auf die Wissensvermittlung sehen Nolda (1996b) und Taschwer (1996) eine Schieflage im Verhältnis von wissenschaftlichen Inhalten in Kontexten der Erwachsenenbildung und Weiterbildung entstehen, denn »[d]ie Naturwissenschaften sollten, wenn überhaupt, in der Form einer alltäglichen, anwendungsorientierten Erfahrungsdimension popularisiert werden« (Taschwer 1996: 71). Die Popularisierung von Wissenschaft wird im Laufe des 20. Jahrhunderts daher zu einem marginalen Anhängsel (Taschwer 1996); »das Thema scheint vor dem Postulat der Teilnehmer-, Alltags- und Lebensweltorientierung in den Hintergrund gerückt« (Nolda 1996b: 100) zu sein. Das bedeutet letztlich, dass sich die Diskurse in der Erwachsenenbildungswissenschaft aufgrund dessen nicht ausreichend mit der Ver-Mittlung wissenschaftlichen Wissens befasst haben (Stadler 2008; auch Nolda 2015). Gleichzeitig ist kaum erläutert, was überhaupt an (natur-)wissenschaftlichem Wissen in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung angeboten wird (eine umfassendere Studie hierzu existiert von Conein et al. 2004). Naturwissenschaftliche und technische Angebote machen in Erwachsenen- und Weiterbildungseinrichtungen weit unter einem Prozent aller Angebote aus, auch wenn berufliche Weiterbildungsangebote mit entsprechender thematisch-inhaltlicher Akzentsetzung in die Programmanalysen miteinbezogen werden (vgl. Körber et al. 1995: 143 für eine spezifische Region). Innerhalb des Gesamtangebots handelt es sich somit um den kleinsten Inhaltsbereich der Erwachsenenbildungsangebote (0,4 % des Gesamtangebots nach Körber et al. 1995). Stadler (2004a) bestätigt diese Ergebnisse bis zum Ende der 1990er Jahre mit Blick auf die jährlich erhobene Volkshochschulstatistik. Gleichzeitig lässt sich eine konstante Abnahme der Angebote im Bereich wissenschaftlicher Erwachsenenbildung identifizieren (Körber et al. 1995; Stadler 2004a).

50 | Science Slam

Dabei gehen naturwissenschaftlich-technische Themen auch in andere Programmbereiche über (Umweltbildung, Gesundheit, Ernährung). Die explizite Thematisierung verschiebt sich hier zu einer impliziten (Bierbaum & Euler 2008). Erwachsenenbildung nutzt somit Invisibilisierungsstrategien, die gleichzeitig Marginalisierungstendenzen bedingen. Körber et al. (1995) sehen hierin eine kritische Entwicklung, die sie als »›Kassensturz der klassischen Wissensvermittlung‹« (Körber et al. 1995: 350) begreifen – »die Welt [kann nicht] allein aus der Intimität des persönlichen Beziehungsgeflechts und des Selbst-Erlebbaren erklärbar oder verstehbar« (Körber et al. 1995: 351) gemacht werden. Die wenigen bestehenden Angebote in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung zu wissenschaftlichen Themen und Inhalten orientieren sich meist an den Interessen der Teilnehmer*innen (Stadler 2008). Mit Blick auf die Bildungslandschaft wird deutlich, dass derzeit verstärkt Universitäten und Hochschulen wissenschaftliche Weiterbildungen anbieten, die jedoch nur für bestimmte Zielgruppen zugänglich sind. Demnach beziehen Erwachsene ihr (natur-)wissenschaftliches Wissen vorwiegend aus freizeit- und erlebnisorientierten Lernumgebungen, die auf popularisierende Vermittlungsversuche setzen (Conein et al. 2004). Diese Lernumgebungen unterliegen dabei »keinem pädagogischen Primat, sondern [wollen] vornehmlich informieren, motivieren, unterhalten oder auch nur werben« (Stadler 2004b: 220). Zielführend ist in diesen Kontexten vorwiegend die Akzeptanz- und Vertrauenssicherung für naturwissenschaftlich-technisches Wissen statt des Aufbaus von Wissen. Demnach muss davon ausgegangen werden, dass Teilnehmende in Erwachsenenbildungsveranstaltungen sich in anderen Kontexten wissenschaftliches Wissen unsystematisch und fragmentarisch angeeignet haben. Doch bietet gerade Erwachsenenbildung die entsprechenden Infrastrukturen für Wissensvermittlung und -aneignung. Ein Querverweis lässt sich auch zum US-amerikanischen Konzept ›scientific literacy‹ ziehen. Der darin eingebettete Anspruch auf wissenschaftliche ›Alphabetisierung‹ zielt auf politische Teilhabe, da das Verständnis von wissenschaftlichen Inhalten – so die Annahme – ein zentrales Moment von Macht und Herrschaft ist. Mit Blick auf das Konzept handelt es sich somit nicht nur um eine fachliche, sondern vor allem um eine demokratiepolitische Herausforderung (Milde 2009). Erwachsenenbildung kann sich dann als kritische Reflexionsinstanz für wissenschaftliches Wissen etablieren, indem »bei der traditionellen Wissenschaftspopularisierung verstärkt auch jenes Wissen [aufgegriffen wird], das die Kontingenzen ihrer ›Fabrikationsbedingungen‹ und die Fallibilitäten wissenschaftlichtechnischer Erkenntnisse in den Blick nimmt« (Taschwer 1996: 68–69). Obwohl das Konzept ›scientific literacy‹ primär naturwissenschaftliche Inhalte fokussiert, könnte es erweitert werden und damit der Aufforderung von Taschwer (1996) nach-

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 51

kommen, dem es nicht nur darum geht, verstärkt naturwissenschaftlich-technische Kenntnisse zu vermitteln, sondern auch kritisches Wissen über Wissenschaft und Technik in der Erwachsenenbildung zu thematisieren, ohne einen verallgemeinernden Skeptizismus einzuüben. Aufgrund der Durchdringung aller Lebensbereiche mit wissenschaftlichem Wissen gilt es eben genau jene Widersprüchlichkeiten zu thematisieren, die sich zwischen Wissenschaft und Lebenswelt eröffnen. Es geht dann nicht nur um das konkrete Wissen der Wissenschaft, sondern auch um Wissen über die Wissenschaft, um Herkunft, Entstehungshintergründe, Sinn, Risiken, Nutzen und Probleme. Durch die vorhergehenden Ausführungen könnte der Eindruck einer »Wissenschaftsfeindlichkeit« (Nolda 1996b) in der Erwachsenenbildung entstehen. Allerdings liegt der Ursprung der fehlenden Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Angeboten und der Vermittlung von wissenschaftlichen Themen in der am Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Kritik an der verwissenschaftlichten Bildung an den höheren Schulen und der Gleichsetzung der Kultur der Gebildeten mit der wissenschaftlichen Kultur begründet. Die skeptische Haltung gegenüber einer einseitigen Popularisierung hält dann seit der Neuen Richtung in der Weimarer Republik über Jahrzehnte an (Schulenberg 1975). Hinzu kommt, dass es an methodisch-didaktischen Ansatzpunkten fehlt (Schrader 2004).

ZUSAMMEN-DENKEN Die Ausführungen machen deutlich, dass Wissen als Inhalt und Dimension im einrichtungsspezifischen Lehr- und Lernkontext und außerhalb dieser mikrodidaktischen Handlungsebene zwar ein Thema in der Erwachsenenbildungswissenschaft ist (dazu auch in der Verbindung von Wissen und Lernen (Hessische Blätter für Volksbildung 2016)), aber trotz der ihm zugeschriebenen Bedeutsamkeit eher am Rand abgehandelt wird. Die exemplarisch herausgegriffenen Studien belegen die Fokussierung auf die mikrodidaktische Handlungsebene, konkret auf die Perspektive der Erwachsenenbildner*innen im Lehr- und Lernkontext. Aktuelle Forschungsperspektiven beziehen zudem Ver-Mittlungs- und Kommunikationsprozesse außerhalb einrichtungsspezifischer Erwachsenenbildungskontexte mit ein. Gleichzeitig verweisen die Studien auf Schnittpunkte zu der vorliegenden Analyse in Bezug auf Auseinandersetzungen zu unterschiedlichen Wissensstrukturen, die hier auf wissenschaftliches Wissen und Alltagswissen fokussiert werden. Thematisiert werden in den erwachsenenpädagogischen Auseinandersetzungen zum Wissen unterschiedliche Wissensbereiche, -arten und -formen, die sich der Systematik ›Legitimation‹, ›Funktion‹

52 | Science Slam

und ›Repräsentation‹ zuordnen lassen. Die in der Analyse herausgegriffenen Wissensstrukturen verbinden Legitimations- und Funktionsaspekte miteinander. Kritisiert wird, dass das wissenschaftliche Wissen als Inhalt in Angeboten der Erwachsenenbildung zunehmend Invisibilisierungsstrategien unterliegt. Demnach setzt sich in der Programmstruktur von Erwachsenen- und Weiterbildungseinrichtungen der Trend einer über Jahrzehnte anhaltenden Verringerung des Angebots wissenschaftlicher Themen fort. Dabei wandern genuin wissenschaftliche Themen auch in andere Programmbereiche über oder werden von anderen Bildungseinrichtungen, wie Universitäten oder Hochschulen, aufgegriffen, die allerdings nur beschränkten Zugang gewähren. Diese Entwicklungen können aus einer historischen Perspektive belegt werden, jedoch bestehen an diesem Punkt erhebliche Forschungslücken zur Thematisierung, wenn nicht von Wissen, dann jedoch von wissenschaftlichem Wissen als Aspekt in den Erwachsenenbildungsdiskursen.

2.4 GESELLSCHAFTLICHE ZEITDIAGNOSE ›WISSENSGESELLSCHAFT‹ Gesellschaftsdiagnosen sind und waren vielfältig und reichen von Dienstleistungsoder Tätigkeitsgesellschaft über Medien- und Erlebnisgesellschaft bis hin zur Informations- und Wissensgesellschaft 8 oder der aktuell besonders intensiv diskutierten postfaktischen Gesellschaft. Rust (2002) setzt diese Begriffe zur »informationstechnologiebasierte[n] Wissensdienstleistungsgesellschaft mit industriellem Kern« (Rust 2002: 66) zusammen und macht darüber die Vielstimmigkeit, aber auch die Uneindeutigkeiten und Parallelitäten der Gesellschaftsbeschreibungen sichtbar (auch Wittpoth 2001). Die einzelnen Diagnosen konkurrieren nicht zwingend miteinander, sondern verdeutlichen die Vielfalt und Differenzierung der Gesellschaft. Sie können als Bewusstsein von einem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel und als daran anschließende mögliche Reaktion auf die Komplexität gesellschaftlicher Wirklichkeit verstanden werden (Engelhardt & Kajetzke 2010a). 8

Häufig werden durch fehlende begriffliche Abgrenzung Informationsgesellschaft und Wissensgesellschaft als Synonyme, Komposita oder in Addition genutzt. Dies könnte aus ihrer konzeptionellen Entwicklung resultieren, denn beide Zeitdiagnosen scheinen gezielt hergestellt, wenn sie sich in politischen Dokumenten in ihrer Definition darauf konzentrieren, wie Gesellschaft sein sollte. Diesen Auseinandersetzungen kann dann eine fehlende Reflexion des Informations- und Wissensbegriffs attestiert werden. Vielmehr haben die Konzepte unterschiedliche begriffliche Grundlagen zum Ausgangspunkt und thematisieren daher gesellschaftliche Entwicklungstendenzen aus divergenten Perspektiven.

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 53

Dabei arbeiten sie eine Vielzahl an diversen Tendenzen heraus, die diesen Wandel motivieren, und machen in ihren Beschreibungen Brüche sichtbar. Ein gesellschaftliches Konzept bleibt jedoch eine Leerformel, solange analytische und theoretische Belege fehlen. Das Etikett der Wissensgesellschaft ist dabei aktuell die »populärste Selbstbeschreibung der modernen Gesellschaft« (Martinsen 2010: 113) und hat daher »als theoretisch-begriffliches Konstrukt […] in verschiedene Bereiche der Gesellschaft als Deutungsmuster Eingang gefunden« (Kajetzke & Engelhardt 2010: 9). Die Verwendung dieser Zeitdiagnose changiert dabei zwischen dem Postulat einer gesellschaftlichen Tatsache, sodass die Wissensgesellschaft zur Begründung bildungspolitscher Maßnahmen sowie konzeptioneller Entwürfe herangezogen wird, und ihrer Nutzung als gesellschaftliche Zustandsbeschreibung, die (erwachsenen-) pädagogische Handlungsbereiche zwar aufwertet, jedoch auch die Gefahr mit sich bringt, Wissen als wirtschaftliches Gut zu begreifen (Höhne 2004). Demzufolge findet das Konzept auch als normative Forderung Eingang in politische Dokumente (u. a. Towards Knowledge Societies, UNESCO 2005). Unabhängig davon kann der Begriff ›Wissensgesellschaft‹ als gesellschaftliche Beobachtungskategorie im Sinne eines Analyserahmens genutzt werden (Höhne 2004). Mit dieser Kategorie kann die Relevanz von Wissen auf unterschiedlichen Ebenen und in aktuellen Diskursen so herausgearbeitet werden, dass Begründungslinien für die Relevanz von Wissens- und Wissenschaftskommunikation (Kapitel 3) sichtbar werden. Die Wissensgesellschaft – ob als Zustandsbeschreibung, politische Vorgabe oder Tatsachenannahme – ist dabei keine plötzliche Erscheinung, sondern unterliegt einem Prozess, in welchem sich gesellschaftliche Merkmale ändern bzw. neu hinzukommen. Dieser Prozess hat gesellschaftlich-transformative Effekte. Das erstmalige Aufkommen der Beschreibung von Gesellschaft als Wissensgesellschaft wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten verortet und in Zusammenhang zu Entwicklungen in den Wissenschaften gesetzt. Böschen (2010) unterscheidet drei Zeitlinien: 9 • Formierung neuzeitlicher Wissenschaften durch die Entwicklung neuer Verbreitungsmedien und Erzeugungsweisen von Wissen im 15./16. Jahrhundert, • institutionelle Durchsetzung neuzeitlicher Wissenschaften, indem Wissen zur Produktivkraft Ende des 19. Jahrhunderts wird und

9

Die Beschreibung könnte auch mit der Aufklärung einsetzen, denn auch hier lassen sich Entwicklungen aus der aktuellen Diskussion erkennen: Zuwachs des verfügbaren Wissens, Konzentration auf die Handlungsrelevanz des Wissens und die Betonung der Relevanz des Wissens für Personen außerhalb bestimmter Wissensarenen (Stichweh 2004).

54 | Science Slam

• ein spezifischer zeitdiagnostischer Diskurs um ›Wissensgesellschaft‹ im ausgehenden 20. Jahrhundert. Hier greifen jeweils verschiedene Prozesse ineinander, in denen Wissenschaften für die Begründung gesellschaftlicher, ökonomischer sowie ökologischer Prozesse eine zentrale Rolle spielen. Innerhalb der aufgeführten Zeitspannen verändert sich die Wahrnehmung des Verhältnisses von Wissen und sozialen Strukturen. Wird der Blick auf den spezifischen, zeitdiagnostischen Diskurs ab Mitte des 20. Jahrhunderts gelenkt, lassen sich zunächst als Ausgangspunkt Auseinandersetzungen um die ›knowledgeable society‹ (auch Stehr 1994; Weingart 2001) festhalten: »Die Mitglieder einer solchen Gesellschaft befragen seines [Lanes; MS] Erachtens die Grundlagen ihrer Glaubensvorstellungen über den Menschen, die Natur und die Gesellschaft. Sie lassen sich von den objektiven Standards der Wahrheitssuche, in den oberen Bildungsschichten von wissenschaftlichen Standards, leiten und widmen dem Ausbau ihres Wissensvorrats beträchtlichen Aufwand. Schließlich sammeln, organisieren und deuten sie ihr Wissen fortwährend neu und nutzen dieses Wissen, um ihre Werte und Ziele zu verbessern.« (Knoblauch 2014: 268, in Anlehnung an Lane 1966: 650)

Die Auseinandersetzungen beziehen sich auf die wachsende Bedeutung von wissenschaftlichem Wissen in vielen Lebensbereichen bis hin zur Übernahme von Managementkonzepten sowie die steigende Beeinflussung vieler alltäglicher Tätigkeiten durch Informationstechnologien. 10 Parallel dazu erfolgen Inklusions- und

10 Neben der herausgegriffenen Bedeutung des (wissenschaftlichen) Wissens für das Konzept ›Wissensgesellschaft‹ kennzeichnen weitere strukturelle Punkte ab den 1970er Jahren den Übergang hin zu einer Wissensgesellschaft (Kübler 2005), die immer den Fluchtpunkt ›Wissen‹ aufweisen: Die Verlangsamung des bis dahin anhaltenden Wirtschaftswachstums verdeutlicht durch die damit einhergehende Erhöhung der Zahl der Arbeitssuchenden ein strukturelles Defizit. Wohlstand erscheint nicht mehr für alle selbstverständlich. Daher wird auch über die Grenzen des industriellen Wachstums diskutiert. ›Wohlstand‹ bemisst sich nun nicht mehr nur am quantitativen Wachstum der ökonomischen Wertschöpfungskette, sondern es werden die Entwicklungschancen der Menschen mit aufgegriffen. Über den Bildungsgesamtplan (Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung 1973) wird die Forderung, dass »mehr Menschen qualifiziert und im kritischen Denken (wie es damals heißt) geschult und ermuntert werden« (Kübler 2005, S. 13), festgehalten. Gleichzeitig führt der Ausbau des europäischen Binnenmarktes zu einer Verflechtung der Ökonomien und damit zu wirtschaftlichen Abhängigkeiten einge-

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 55

Exklusionsprozesse mit Blick auf wissenschaftliches Wissen, da die ›Verteilung‹ des Wissens soziale Ungleichheit stützt. Zum einen wird (wissenschaftliches) Wissen immer mehr Personen durch dessen Verbreitung ›zugemutet‹ und in deren ›Besitz‹ vermutet, zum anderen bleiben aber nicht wenige Personen aufgrund fehlender Ressourcen auch exkludiert (Peters 1993; Stichweh 2004). Außerdem führt die Generalisierung des Handlungstypus wissenschaftlicher Forschung, die »systematische und kontrollierte Reflexion« (Weingart 2001: 17), dazu, dass dieser Handlungstypus auch als Herausforderung gelesen werden kann. Die ›Verteilung‹ von, die Zugangsmöglichkeiten zu und der Umgang mit Wissen kann dabei nicht durch Kommunikationstechnologien eingeebnet werden, wie es die Visionen der Informationsgesellschaft suggerieren. Eher gibt es Konflikte um Wissen, da dieses zur Basis von Macht und Herrschaft, aber auch einfach zur Grundlage von Teilhabe geworden ist. Demnach ist die Beschreibung ›Wissensgesellschaft‹ für die zunehmende Verbreitung sowie vermehrte Produktion und Anwendung wissenschaftlichen Wissens nicht ausreichend. Wenn Wissensgesellschaft nur von den Wissenschaften aus gedacht wird, indem diese Wissen zur Verfügung stellen, greift dieser Ansatz zu kurz. Daher wird nicht von einer ›Wissenschaftsgesellschaft‹ gesprochen. Denn die Bedeutung unterschiedlicher Wissensstrukturen ist unbestritten, sodass darüber ein transformatives Hin und Her betont werden kann, indem Wissen zwischen und in den jeweiligen gesellschaftlichen Bereichen entsteht, verhandelt, ausgetauscht, hinterfragt und erhalten wird. Wissensgesellschaft ist demnach nicht gleichzusetzen mit wissenschaftlichem Wissen, aber sie bedarf auch dieses Wissens, um Dynamik und Offenheit zu gewährleisten. Die hervorgehobene Bedeutung der Wissenschaft ergibt sich somit nicht aus der Generierung von ›wahrem‹ Wissen, »sondern in der Verallgemeinerung des generativen Mechanismus wissenschaftlicher Wissensproduktion« (Thiel 2007: 156). Mit der Zeitdiagnose ›Wissensgesellschaft‹ sind somit gegensätzliche, auch kritisch einzuordnende Konnotationen verbunden (Weingart 2001; Weingart et al. 2007): Informationstechnologische Visionen suggerieren einerseits Aufbruch, Modernisierung und eine von Lernen, Bildung und Forschung geprägte Wirt-

bunden in internationale Konjunkturen und Finanzströme. In diesem Zusammenhang entwickelt sich ein ökologisches Bewusstsein, und damit das Bestreben nach einem nachhaltigen Umgang mit Naturressourcen – auch aus wirtschaftlicher Perspektive. Die daraus entstehenden Umweltbewegungen, welche sich zunächst aus vielen kleinen Gruppen zusammensetzen, politisieren sich über Jahrzehnte. Verstärkt werden Öffentlichkeit, Transparenz und Partizipation eingefordert. Hinzu kommen Entwicklung und Verbreitung technischer Informations- und Kommunikationssysteme.

56 | Science Slam

schaftsordnung. Dieser Bezug betont die vermeintliche Verbesserung des individuellen Zugriffs auf die jeweiligen Lebensumstände durch fortwährende Anpassung und Flexibilität im Rahmen des Lebenslangen Lernens. Gleichzeitig dient in diesem Zugang das wissenschaftliche Wissen zur Veränderung gesellschaftlicher Strukturen, die zwischen sozial gerecht, wirtschaftlich effektiv, politisch rational und ökologisch umsichtig pendeln. Andererseits wird Wissensgesellschaft im Zusammenhang mit Unsicherheit und Risiko zu einer Metapher für eine die Natur zerstörende Unangemessenheit, das Versagen bei sozialer Gerechtigkeit und Wohlfahrt sowie die Anmaßung einer nicht legitimierten Autorität. 2.4.1 Kritikpunkte an dem Konzept ›Wissensgesellschaft‹ Aus der einführenden Darstellung zur Wissensgesellschaft werden erste Kritikpunkte an der Konzeptualisierung und Thematisierung deutlich. Häufig ist eine Zeitdiagnose mit der Annahme eines radikalen Epochenbruchs verbunden. Dieser angenommene radikale Wandel wird als soziale Metamorphose beschrieben, die alle gesellschaftlichen Handlungsfelder umfasst, Handlungsbereiche rekonstruiert oder moderne Gesellschaften vollständig lebensweltlich durchdringt (Bittlingmayer & Tuncer 2010). Die aufgeführten Zeitlinien (Böschen 2010) verdeutlichen jedoch, dass es sich gegenüber einem radikalen Wandel vielmehr um einen Prozess handelt, der zu unterschiedlichen Zeitpunkten und aufgrund aktueller Anlässe an gesellschaftlichen, ökonomischen sowie ökologischen Prozessen ansetzt. Wissenschaft wird dabei jeweils eine bestimmte Bedeutung für diese Prozesse zugeschrieben. Außerdem wird angemerkt, dass die Kennzeichnung der Gesellschaft als Wissensgesellschaft historisch aus der Zeit gefallen sei und einen nicht mehr zeitgemäßen Politikstil propagiere (Bender 2013). Dieser Aspekt scheint fragwürdiger denn je, wenn auf Diskussionen rund um postfaktische Gesellschaftsbeschreibungen rekurriert wird. Das Konzept bedarf in diesem Sinne einer Erweiterung, auch mit Blick auf die politische Wahrnehmung, jedoch scheint es weniger obsolet vermutet. Gemeinsam an beiden aufgeführten Kritikpunkten ist, dass sie dem Konzept ›Wissensgesellschaft‹ jegliches Analysepotential auf jeweils unterschiedliche Art und Weise absprechen. Wissensgesellschaft hat nur dann als Konzept einen Beschreibungswert, wenn Strukturmerkmale und Mechanismen identifiziert werden, die sich von anderen, vorhergehenden Gesellschaftskonzepten unterscheiden. Aber die »meisten Indikatoren, mit denen der gesellschaftliche oder feldspezifische Wandel empirisch fundiert werden soll, [sind] nicht gerade jüngeren Ursprungs« (Bittlingmayer & Tuncer 2010: 348). Denn Wissen als anthropologische Konstante und die Fähigkeit, die Umwelt durch konkrete Erfahrungen und Reflexionen zu begreifen, gehören von Beginn an zum menschlichen Handeln. So scheint es, als ob

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 57

Wissensgesellschaft eine historische Redundanz produziert. Doch zum einen hat sich der Stellenwert des Wissens verändert und zum anderen löst Wissen Faktoren ab, die bisher konstitutiv für gesellschaftliches Handeln waren (Stehr 2006). Daneben bezieht Wissensgesellschaft als Konzept den reflexiven Bezug auf Wissen mit ein. Knorr Cetina (2006) hebt ergänzend hervor, dass nicht nur Wissen als Teilkomponente betrachtet werden sollte, sondern auch die gesellschaftlichen Bereiche in ihrer Wechselseitigkeit. Auch Beck (1996) kritisiert die häufig linear formulierten Rationalisierungsmodelle der Informations-, Wissenschafts- und Expert*innengesellschaft. Mit Blick auf die reflexive Moderne spricht Beck (1996) demgegenüber eher von einer NichtWissens-Gesellschaft. Grundlegend ist hierfür eine Wissenstheorie der Nebenfolgen: Wissenschaften konkurrieren mit anderen Akteur*innen um die Definitionsmacht der Produktion von Nebenfolgen-Wissen. Nebenfolgen-Wissen ist dabei ein höchst unsicheres, häufig auch als Nicht-Wissen verstandenes Wissen. Es geht dann nicht mehr um ein Noch-Nicht-Wissen, welches durch Forschung aufgehoben werden könnte, vielmehr geht es um ein Nicht-Wissen-Können oder Nicht-Wissen-Wollen. Entscheidungen auf der Basis gesicherten Wissens werden somit immer schwieriger. Ein anderer Ansatzpunkt der Kritik ist, dass über das Konzept durch die im Konzept der Wissensgesellschaft implizierte Betonung des Vordringens von wissenschaftlichem Wissen in alle Lebens- und Handlungsbereiche ›nicht-wissenschaftliche‹ Wissensformen als überflüssig wahrgenommen würden (Tänzler et al. 2006). Denn, so die Annahme, »[e]s ist diese exzeptionelle und geradezu monopolistische Stellung des wissenschaftlich-technischen Wissens, die allein die Rede von einer Wissensgesellschaft begründet« (Weiß 2006: 19). Dieser Kritik liegt allerdings eher ein ambivalenter, unzureichend definierter Begriff des Wissens zugrunde. Es sollte jedoch deutlich geworden sein, dass es sich vielmehr um eine Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Wissensstrukturen handelt, sodass ein transformatives Hin und Her betont werden kann. 2.4.2 Diskussionslinien zum Konzept ›Wissensgesellschaft‹ Weingart (2001) arbeitet zwei Diskussionslinien zur Wissensgesellschaft heraus: Technokratietheorien (Stehr), die die »Kolonialisierung der Lebenswelt durch wissenschaftliche Rationalität« (Weingart 2001: 22) hervorheben, und den Diskurs um das Verschwinden bzw. Verwischen der wissenschaftlichen Grenzen (Knorr Cetina), sodass »der Anspruch der Wissenschaft auf einen epistemischen und damit auch sozialen Sonderstatus ungerechtfertigt sei« (Weingart 2001: 22).

58 | Science Slam

Diesen Diskussionslinien vorgeschaltet sind die frühen Zeitdiagnosen (Drucker und Bell). Ihnen »ist gemeinsam, dass sie im Kern ähnliche Veränderungen ökonomischer Strukturen untersuchen und Prozesse erfassen. Möglichkeiten, Hoffnungen und Probleme durch die institutionelle Einbindung wissenschaftlich-technischen Wissens in fast alle Lebensbereiche, Veränderungen von Arbeitsprozessen sowie eine damit einhergehende grundlegende Transformation der Sozialstruktur werden in diesen Theorien thematisiert« (Engelhardt & Kajetzke 2010b: 361–362). Gleichzeitig sind sie jedoch jeweils in den Zeitgeist ihrer Entstehung eingebettet. Aus den Diskussionslinien werden die genannten Vertreter*innen herausgegriffen, um Entwicklungslinien des Konzepts ›Wissensgesellschaft‹ nachzeichnen zu können. Im Fokus stehen dabei Definitionen und Ideen zum ›Wissen‹, um in der Gesamtschau ein Wissensverständnis zu begründen. (a) Wissen als entscheidende Produktivkraft (Peter F. Drucker) Als einer der ersten macht Peter F. Drucker das Konzept der ›Wissensgesellschaft‹ einer breiteren Öffentlichkeit durch seine Publikation The Age of Discontinuity (1969) bekannt. Seine Zeitdiagnose ist gekennzeichnet durch den allmählichen Übergang von der Industriegesellschaft, welcher als grundlegendes Merkmal die Veränderung des gesellschaftlichen Charakters des Wissens aufweise. Dafür wird vor allem die wirtschaftliche Bedeutung des Wissens betont. Wissen wird zur wichtigsten Ressource gegenüber Kapital und Arbeit. Letztlich stütze es als Hilfsmittel die bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse und die gesellschaftliche Weiterentwicklung, sodass es Mittel zum Zweck sei. Es handelt sich bei dieser Beschreibung wiederum um einen verengten Wissensbegriff, der Wissen in ökonomische Verwertungszusammenhängen stellt und es aus diesen Zusammenhängen heraus zudem erst entstehen lässt. Ankerpunkt ist dabei vornehmlich der wirtschaftliche Bereich als ein Segment der Gesellschaft. Gestützt wird die Herausbildung der Wissensgesellschaft gleichzeitig durch den Wandel der gesellschaftlichen und politischen Grundstrukturen, da zunehmend spezialisierte Organisationen (Krankenhäuser, Universitäten) die Aufgaben traditioneller Einrichtungen (Familie, lokale Gemeinschaft) übernehmen. Hinzu kommt die globale Integration der Wirtschaft, welche durch wachsende Internationalisierungsund Transnationalisierungsdynamiken gekennzeichnet ist. Mit der engen Verflechtung der unterschiedlichen Organisationen entsteht eine »pluralistische Gesellschaft der Organisationen« (Steinbicker 2010a: 24). Es bedarf daher einer grundlegenden Veränderung der Organisationsstrukturen. Mitarbeiter*innen werden zu Wissensarbeiter*innen, indem sie Innovationen erahnen und umsetzen. Gleichzeitig differenziert sich das Wissen innerhalb der Organisationen aus und ist an Personen gebunden. In diesem Zusammenhang wird kritisch angeführt, dass die »Wissens-

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 59

arbeit […] von Wissensarbeitern erst fabriziert« (Stehr 2003: 371) wird. Die Nachfrage nach diesen Arbeitskräften hat zum Ergebnis, dass sich die Anzahl dieser spezifischen Arbeitskräfte verändert, sodass diese sich wiederum über veränderte Kompetenzen gestützt durch Qualifizierungsprozesse voneinander abheben (müssen). (b) Wissen als axiales Prinzip (Daniel Bell) Bell (1989 [1973]) – auch bezugnehmend auf Drucker (1969) – legt eine der ersten umfassenden soziologischen Analysen als empirisch begründete Prognose von Gesellschaft vor. Das von ihm entworfene Gesellschaftskonzept versteht er dennoch als Übergangsbeschreibung. Den Wandel der sozioökonomischen Sphäre hin zu einer nach- bzw. postindustriellen Gesellschaft 11 begründet er mit der Expansion des Dienstleistungssektors und der zunehmenden Bedeutung des theoretisch-wissenschaftlichen Wissens in Wirtschaft, Politik und Technologie. Dieses Wissen wird zu einer zentralen, strategischen Ressource für den wirtschaftlichen Fortschritt. Wissenschaft als der Bereich, in dem dieses theoretisch- wissenschaftliche Wissen entsteht, wird daher eine entscheidende Bedeutung für soziale Beziehungen zugeschrieben. Grundlegend hierfür ist eine engere Definition des Wissens: »Wissen ist das, was objektiv bekannt ist, ein geistiges Eigentum, das mit einem (oder mehreren) Namen verbunden ist und durch ein Copyright oder eine andere Form sozialer Anerkennung (z. B. Veröffentlichung) seine Bestätigung erfährt. Es wird bezahlt, es unterliegt, was seine Brauchbarkeit und Förderungswürdigkeit seitens der Gesellschaft (sofern darauf Anspruch erhoben wird) anbelangt, der Bewertung durch den Markt und die mit administrativen oder politischen Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Instanzen sowie dem Urteil der Eingeweihten.« (Bell 1989 [1973], zusammengeführt nach Dewe 2000: 42)

Wissen wird somit zum axialen Prinzip zwischen technischen Entwicklungen, gesellschaftlichen Strukturen und wirtschaftlichem Fortschritt. »Entscheidend ist dabei weniger, dass die Gesellschaft auf Wissen basiert, ein Umstand, der ebenso für andere Gesellschaftstypen gilt, sondern die zentrale Stellung theoretischen Wissens, das Vorherrschen von Theorie über Praxis und die Kodifizierung theoretischen Wissens in abstrakten Symbolsystemen« (Steinbicker 2010b: 30; Hervorhebungen im Original). Kritisiert wird in Bezug auf das theoretische Wissen eine Wissen-

11 Interessant ist, dass der eigentliche Titel des Werks The Coming of Post Industrial Society (Bell 1989 [1973]) mit Die nachindustrielle Gesellschaft übersetzt wurde und der Untertitel A Venture in Social Forecasting ganz weggelassen wurde. Der prognostische Charakter der Ausführungen wird demnach häufig nicht beachtet.

60 | Science Slam

schaftseuphorie, die einen utopisch-ideologischen Entwurf für eine am wissenschaftlichen und technischen Fortschritt orientierte, durchrationalisierte Gesellschaft fokussiert (Bender 2013). Demnach lässt sich ein technokratischer Ansatz vermuten, der davon ausgeht, alle gesellschaftlichen Herausforderungen mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt lösen zu können. In den hier betrachteten Diskussionen wird das Konzept der ›post-industriellen Gesellschaft‹ dem der ›Wissensgesellschaft‹ als Benennung vorgezogen; beide Konzepte scheinen jedoch austauschbar. Die Beschreibung als postindustrielle Gesellschaft scheint pauschaler, womit ein zeitliches Voranschreiten beschrieben wird. (c) Wissen als flexible und vielfältige Handlungsressource (Nico Stehr) Im Anschluss an Drucker (1969) und Bell (1989 [1973]) greift Stehr (1994) die Analysekategorie ›Wissensgesellschaft‹ zwei Jahrzehnte später erneut auf und macht den Diskurs um die Wissensgesellschaft auch im deutschen Sprachraum fruchtbar. Dabei schränkt er die implizite Fortschrittsgläubigkeit der ersten beiden Ansätze ein: Die Gesellschaft wird aus seiner Perspektive eher zerbrechlicher. Denn Wissen ist zum einen durch den Vermittlungsprozess viel flüchtiger als bei Bell (1989 [1973]) angenommen. Durch die Möglichkeiten der (Re-)Interpretation werden dem Wissen seine bisherigen Zuschreibungen (sicher, zuverlässig) entzogen (Stehr 1994: 223). Somit geht es zum anderen vielmehr um die ständige Produktion unsicheren Wissens. Diese Unsicherheit bietet zwar auch Handlungspotenziale, in der Zusammenführung bleibt die Gesellschaft jedoch in einem fragilen Zustand, der durch das Anbieten von Handlungsstrategien und Kontrollmöglichkeiten nicht aufgehoben wird. Gleichzeitig zeigt Stehr (1994) auf, »dass die neue Gesellschaftsformation nicht allein durch ein Vordringen der Wissenschaft in alle gesellschaftlichen Bereiche gekennzeichnet ist, sondern vor allem durch den Wechsel ihres Reproduktionsmechanismus« (Kade et al. 2017: 277). Für ihn bedeutet das Vordringen des wissenschaftlichen Wissens in immer mehr Lebens- und Handlungsbereiche nicht die Abwertung anderer Wissensformen, sondern ein begünstigendes Nebeneinander der Wissensformen. Damit einher geht die Bestimmung des sozialen Charakters von Wissen, um es dadurch begrifflich über das rein wissenschaftliche Wissen hinaus zu erweitern. Stehr (1994) spitzt die Bedeutung des Wissens zu einer »›Wissenswerttheorie‹« (Stehr 1994: 350) zu. Informationen, Wissen und Expertise werden neben Geld und Macht als gleichberechtigte Ressourcen der gesellschaftlichen Reproduktion angesehen. Die bisher für den Produktionsprozess verantwortlichen Faktoren verlieren für das wirtschaftliche Wachstum an Bedeutung. »Wissen übernimmt mehr und

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 61

mehr die Rolle der klassischen Produktionsfaktoren Eigentum, Arbeit und Boden« (Stehr 1994: 11–12). Dennoch kann Wissen nicht mit Eigentum gleichgesetzt werden, mit einem »›Verkauf‹ des Wissens [wird] keine Änderung der Verfügungsgewalt herbeigeführt. Ebensowenig wird die Verfügungsgewalt einfach verdoppelt, denn es ist keineswegs garantiert, daß der Kauf einen Weiterverkauf ermöglicht« (Stehr 1994: 229). Dennoch wird Wissen als Ware eingeordnet, sodass es die Möglichkeit bietet, materiellen Besitz zu erwerben und zu vermehren. Soziale Ungleichheit wird dadurch zu einem weit weniger sichtbaren Phänomen und resultiert dann auch daraus, dass der Zugang zu Wissen nicht gleichmäßig verteilt ist. Macht und Herrschaft ergeben sich demnach nicht aus dem Wissen selbst, sondern aus der Kontrolle des zusätzlichen Wissens bzw. der Kontrolle des Zugangs zum Wissen. Wissen ist zusammenführend ein kulturelles Gut und eine soziale Größe. Zum einen kennzeichnet Wissen gesellschaftliche Machtverhältnisse, zum anderen ist Wissen Bestandteil kultureller Reproduktion, die gesellschaftliche Strukturen beeinflusst. Wissen unterstützt somit soziales Handeln und ist gleichzeitig dessen Ergebnis. In dieser Dualität kennzeichnet Wissen ein Handlungsvermögen mit einem emanzipatorischen Potenzial. Das Handlungsvermögen ist dabei geprägt durch eine aktive Auseinandersetzung und Interpretation des Wissens. Wissen und Handlungskontext sind somit unteilbar. Gleichzeitig wird Wissen in den jeweils individuellen Orientierungs-, Erfahrungs- und Kompetenzbereich integriert. Es wird sich nicht nur angeeignet, sondern zu eigen gemacht. Zum einen ist daher wissenschaftliches Wissen in Verbindung mit anderen Wissensstrukturen zu betrachten, zum anderen wird Reflexivität zum kennzeichnenden Strukturmerkmal. Durch die Festlegung von Wissen als eine soziale Handlungsressource lenkt Stehr (1994, 2003) im Gegensatz zu Bell (1989 [1973]) den Blick auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Wissensformen, die er jedoch nicht in ihrer Unterschiedlichkeit darstellt, sondern mithilfe von ihnen die Verschiebung gesellschaftlich zentraler Rollen begründet. Gesellschaftlich zentrale Rollen übernehmen nicht mehr Wissenschaftler*innen, Techniker*innen und Professionelle, sondern Expert*innen, Berater*innen und Ratgeber*innen. Sie organisieren und vermitteln Wissen, welches sie im Prozess der Vermittlung verändern und damit neues Wissen produzieren. Dabei macht Stehr (1994) deutlich, dass es wissensfundierte Berufe schon immer gegeben hat, jedoch ist es nun die große Anzahl an Berufspositionen, die wissensfundierte Arbeit einfordert. Dabei ist ihr Wissen zwar nachgefragt, aber nicht unumstritten (Stehr 2006). So wird keine Machtbeziehung zwischen Expert*innen und Lai*innen herausgearbeitet, sondern Demokratisierungschancen werden aufgezeigt.

62 | Science Slam

(d) Wissen als durch soziale Faktoren bedingter Prozess (Karin Knorr Cetina) Die Sozialität zwischen Subjekten und Objekten ist geprägt durch Wissen, welches in sozialen Prozessen integriert ist. Als wichtigste Wissensinstitution nennt Knorr Cetina (2002b) zwar die Wissenschaft, Ziel ihrer Analysen ist es aber, »zur Entzauberung der Wissenschaft bei[zu]tragen und auf diesem Weg den epistemischen und gesellschaftlichen Sonderstatus wissenschaftlichen Wissens [zu] bestreiten« (Weingart 2003: 70). Denn die wissenschaftliche Erkenntnisproduktion und das dadurch entstehende Wissen unterscheiden sich – so die Annahme – zunächst nicht vom Alltagswissen. Knorr Cetina (2002a) legt demnach einen Begriff von Wissen zugrunde, der Wissen nicht als Erkenntnisprodukt, welches ohne Verbindung zum Entstehungsprozess in Relation zur Natur bzw. zu den Referenzobjekten gesetzt wird, versteht. Wissen wird als Prozess aufgefasst, in dem soziale Faktoren den Kern des Wissensprozesses darstellen. Sie beeinflussen und durchdringen die Erkenntnisproduktion, sodass im Prozess der Entstehung des Wissens Kontext, Erzeugungscharakteristika, Entscheidungen und Ort der Erzeugung fokussiert werden. Es handelt sich somit bei den Produkten der Wissenserzeugung um kontextspezifische Konstruktionen, die durch Situationsspezifizität und Interessenstrukturen charakterisiert sind. Knorr Cetina (2002a) widerspricht somit der Annahme, dass die Objektwelt vom Subjekt abgegrenzt werden kann. Wissensobjekte sind demnach nie sie selbst, sondern immer nur Repräsentationen. Aufgrund dessen wird von einer Sozialität mit Objekten (Knorr Cetina 2006) – demnach der Zunahme der Objektbeziehungen – in der Wissensgesellschaft ausgegangen. Die Technisierung in der Wissensgesellschaft lässt Elemente und Praktiken entstehen, die bisher nicht sozial erfasst wurden. Diese Zunahme der Objektbeziehungen (nicht nur zu materiellen Objekten, sondern auch symbolischen Objekten oder Menschen als Objekten) beruht auf der These, dass Ausdünnung und Abflachung sozialer Formen die Entwicklung anderer kultureller Praktiken hervorruft, die sich mit den sozialen Praktiken vermischen (Knorr Cetina 2006). Das heißt, dass »die Objekte selbst zu relevanten Bestandteilen, Mitgliedern oder gar Akteuren der Gesellschaft werden und so ihre alten soziologischen und anthropologischen Bestimmungen hinter sich lassen, denen zufolge Objekte nichts anderes sind als Instrumente oder Waren einer im weitesten Sinne ›humanistischen‹ Sozialität« (Maasen & Kaiser 2010: 88). Wissenserzeugung ist demnach ein konstitutiver – kein deskriptiver – Prozess (Knorr Cetina 2002a). Die Ausgangsmaterialien des Erzeugungsprozesses sind dabei unbestimmt sowie Wandlungsprozessen und Erzeugungskriterien unterworfen. Deutlich wird, dass Wissensprozesse fragmentiert erfolgen und somit verschiedenartigste Wissenskulturen ablaufen, auch innerhalb der Wissenschaften selbst.

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 63

Diese Wissenskulturen sind ein Strukturmerkmal der Wissensgesellschaft. Sie sind »Praktiken, Mechanismen und Prinzipien, die, gebunden durch Verwandtschaft, Notwendigkeit und historische Koinzidenz, in einem Wissensgebiet bestimmen, wie wir wissen, was wir wissen« (Knorr Cetina 2002b: 11; Hervorhebungen im Original). Bezugnehmend auf Drucker (1969), Bell (1989 [1973]) und Stehr (1994) hebt Knorr Cetina (2002a, 2002b) hervor, dass die enge Verwobenheit zwischen wissenschaftlichem Wissen und sozialen Aspekten zwar herausgearbeitet wurde, sie kritisiert jedoch, »dass die Konzepte eklektisch bleiben und dass gerade die realen Wissensprozesse und das Entstehen und Funktionieren von Wissenskulturen selbst nicht genau untersucht werden« (Knorr Cetina 2002b: 16–17). 2.4.3 Auseinandersetzungen in der Erwachsenenbildungswissenschaft zum Konzept ›Wissensgesellschaft‹ Mit der immer intensiveren Thematisierung der Bedeutung von Wissen im Allgemeinen und wissenschaftlichem Wissen im Besonderen hat der Diskurs um die Wissensgesellschaft auch im erwachsenenpädagogischen Bereich an Geltung gewonnen. Es kann hier jedoch ein ambivalentes Verhältnis gegenüber der ›Wissensgesellschaft‹ aufgrund der »Umorientierung von Bildung zu Wissen als Leitbegriff« (Kade et al. 2017: 276) konstatiert werden. Die Bedeutung der Zeitdiagnose für die Erwachsenenbildungswissenschaft ergibt sich aus der Möglichkeit, dass nicht nur die Hervorbringung und die Verbreitung von Wissen in den Vordergrund gestellt werden (soziologische Perspektive), sondern auch die Perspektive der Vermittlung, Aneignung, Anwendung und Überprüfung von Wissen mit aufgenommen werden kann. Der soziologische Diskurs bietet für die Erwachsenenbildungswissenschaft dafür zunächst keinen festen Anhaltspunkt, er »stellt eher so etwas wie ein Anregungs-, ja Irritationspotenzial bereit« (Kade et al. 2017: 279). Dennoch stammen bislang keine grundlegenden Beiträge zur Beschreibung der Wissensgesellschaft aus der Erwachsenenbildungswissenschaft. Auch wenn Schrader (2004) sowie Enoch (2011) in dem disziplininternen Kompetenzdiskurs eine Referenzdiskussion zum Konzept ›Wissensgesellschaft‹ sehen, liegen keine elaborierten Bildungs- und_oder Lerntheorien den Auseinandersetzungen um das Konzept zugrunde. Doch schon allein die mit dem Konzept ebenfalls thematisierte Aufrechterhaltung sozialer Ungleichheit, hervorgerufen durch den (Nicht-)Zugang zu Wissen oder die Diffusion wissenschaftlichen Wissens, spiegeln Themen der Erwachsenenbildungswissenschaft wider. Im Handlungsfeld übernimmt sie doch gerade die Aufgabe, Ungleichheiten bei Zugangs-

64 | Science Slam

möglichkeiten aufzufangen und somit ein gewisses Maß an Handlungsfähigkeit im Rahmen ungewisser Strukturen zu gewährleisten. Die zögerliche Aufnahme des Konzeptes verweist jedoch auch auf Verbindungslinien zum bildungspolitischen Konzept ›Lebenslanges Lernen‹, das in der Wissensgesellschaft nun als Bildung postuliert wird (Nolda 2004). Im Lebenslangen Lernen wird dem zunehmenden Wissen eine kontinuierliche Lernaktivität gegenübergestellt. Demnach geht eine permanente (diffuse) Lernbereitschaft einher mit einem impliziten, selbstverständlichen Lernen, welches an allen Orten und in allen alltäglichen, familiären sowie beruflichen Zusammenhängen stattfindet und somit zu einer natürlichen Haltung wird (Nolda 2004). Gleichzeitig werden bis dahin nicht als Lernen identifizierte Tätigkeiten in den Rang des Lernens gehoben. Dadurch ergibt sich eine Hybridisierung, indem Lernen mit anderen Aktivitäten und Zielen verbunden wird und nicht zwingend als Lernen erkennbar ist. Der Imperativ des Lernens führt einerseits zu dessen Normalisierung, sodass das Nicht-Lernen rechtfertigungsbedürftig erscheint, führt jedoch andererseits auch zur Verdrängung der Rolle der*des Lernenden (Nolda 2004). Damit einher geht auch die veränderte Wahrnehmung der*des Lehrenden. Wissensvermittlung unterliegt dann insgesamt einer Veralltäglichung und Generalisierung (Kade & Seitter 2007a, 2007b; Dinkelaker 2008), die eine– auch kritisch einzuordnende – Universalisierung des Pädagogischen (Kade & Seitter 2007c), eine Durchdringung der Gesellschaft mit pädagogischen Praktiken, nach sich ziehen. Ein anderer kritischer Aspekt in der Verbindung von Wissensgesellschaft und Lebenslangem Lernen aus der Perspektive der Erwachsenenbildungswissenschaft ist, dass in politischen Stellungnahmen zum Lebenslangen Lernen häufig verkürzt auf technologische Anpassungen, Wettbewerbsfähigkeit, Verwertung und Humankapital rekurriert wird (OECD 1996). Auch das Konzept der Wissensgesellschaft stammt aus einer ökonomischen Entwicklungsprognose (Drucker 1969), in welcher Wissen dann als Wertschöpfungsquelle und entscheidende Ressource für die Weiterentwicklung der Gesellschaft beschrieben wird. Wimmer (2002) bewertet die aufgezählten, vorwiegend ökonomischen Akzentsetzungen im Rahmen des Lebenslangen Lernens als Bildungsruinen in der Wissensgesellschaft: Bildung verkommt zur Kompetenz mit ökonomischen Deutungsmustern, sodass eine Spirale der wechselseitigen Abwertung gesellschaftlicher und individueller Wissensbestände entsteht. Die Anwendungsorientierung der Wissensgesellschaft führt zu einer Egalisierung und Universalisierung der Wissensstrukturen im ökonomischen Sinne. Wissen wird nach dieser Lesart zum Produktionsmittel degradiert und die individuelle Auseinandersetzung mit Wissen gilt mit Verweis auf dessen Halbwertzeit und die Zeitlogik der Wissensgesellschaft als dysfunktional. Wissen wird als »austauschbar, herstellbar und verwertbar« (Wimmer 2002: 53) wahrgenommen. Es geht vielmehr

›Wissen‹ zwischen Wissenschaft und Lebenswelt | 65

um die Flexibilität und Anpassungsbereitschaft der Einzelnen, sodass die Souveränität gegenüber dem Wissen durch Nützlichkeitskriterien bestimmt wird. Somit bleibt das Individuum dem Wissen permanent unterworfen, um gesellschaftlich bestehen zu können. Diese Ökonomisierung des Wissens ist jedoch nicht nur auf Wirtschaftsbereiche beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle Gesellschaftsbereiche bis hin zur Wertschöpfungsabsicht beim Lernen (Nolda 2004). Dadurch setzt sich unter Rekurs auf die Wissensgesellschaft ein Lernverständnis durch, welches nicht »den Erwerb von einem kodierten, festen Wissen zum Zweck der Abkürzung und Sicherung von Gedanken- und Handlungsoperationen« fokussiert, »sondern auf den produktiven, auf Anwendungssituationen bezogene[n] Umgang mit einem fragilen Wissen und Nicht-Wissen« (Nolda 2004: 30) abhebt. Auch soziale Ungleichheiten werden darüber reproduziert, da zwar eine »Haltung der Wissenschaftlichkeit« gefordert wird (Nolda 2004: 33; auch Weingart 2001), die jedoch nicht von jede*r/m eingenommen werden kann. In diesen kritischen Bezügen zur Wissensgesellschaft lassen sich auch Begründungen dafür finden, warum das Konzept trotz seiner Bedeutung aus erwachsenenpädagogischer Sicht bislang nur zurückhaltend referiert wird. Den ausbleibenden Diskurs über den Wissensbegriff und die damit weiterhin ausstehende Positionierung zur Wissensgesellschaft thematisiert Nolda (2001c) anhand ihrer Analyse von einer Verschiebung der Wissensvermittlung als bedeutender, erwachsenenpädagogischer Aufgabe hin zu einem individuellen Erlebnisprodukt. Das heißt, dass in Programmen und Angeboten der Erwachsenenbildung und Weiterbildung der Eindruck jeglicher Lernanstrengung und tradierten Bildungsanspruchs vermieden wird. Die dem zugrunde liegende Erlebnisorientierung kann dabei zu einer wichtigen Beschreibungskategorie von Gesellschaft werden. Gegenüber den analytischen Ergebnissen von Nolda (2001c) ist Erwachsenenbildung in diesem Zusammenhang weniger gefragt, in einen Aufmerksamkeitswettstreit mit Freizeit- sowie Vergnügungseinrichtungen und Medien um den »Preis der maximalen Erlebnisintensität« (Tippelt & Pietraß 2001: 81) einzutreten, sondern vielmehr sich als gesellschaftliche Vermittlungsinstanz in der Gemengelage zwischen bildungspolitischen Erwartungen, der individuellen Erlebnisorientierung und der vielfältigen Bedeutung von Wissen zu positionieren.

ZUSAMMEN-DENKEN Der Begriff ›Wissensgesellschaft‹ besitzt sehr heterogene Grundlagen, die wiederum auf divergenten politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen basieren. Die Diagnose von der Wissensgesellschaft wird

66 | Science Slam

vorgetragen, weil in ihrem Rahmen die Tragweite der Wissenschaftskommunikation in einen umfassenderen Zusammenhang zwischen Entwicklungen und Strukturen eingeordnet werden kann. Unzweifelhaft ist, dass die verschiedenen Arbeiten zur Wissensgesellschaft jeweils unterschiedliche Bedeutungsebenen von Wissen fokussieren. Wissen zeigt sich dabei u. a. als wirtschaftlicher Faktor, als Entwicklungsmerkmal einer Gesellschaft, als Aspekt zwischen Individuum und Objekt. Darüber wird deutlich, dass Wissen eine gesellschaftliche und somit sozio-historische Komponente aufweist. In den Diskussionen zur Wissensgesellschaft wird die Rolle des wissenschaftlichen Wissens jeweils unterschiedlich betont, oft auch nur nachrangig behandelt, da es hier zunächst um die grundsätzliche Bedeutung von Wissen geht. Auch Wissen, das von individueller Relevanz ist, wird daher nur teilweise aufgegriffen. Insgesamt wird Wissen jedoch als Voraussetzung für Handeln – und ebenso als dessen Ergebnis – konzeptualisiert. Anhand der Betonung des Stellenwerts von Wissen allgemein sowie des Konstruktionscharakters von Wissen sollen im Folgenden drei zusammenführende Aspekte für die Bedeutung der vorliegenden Analyse herausgestellt werden: (1) Unter anderem aufgrund der hier skizzierten problematischen und heterogenen Verwendungspraxis der Zeitdiagnose ›Wissensgesellschaft‹ als verkürzte Gesellschaftsbeschreibung greift die Erwachsenenbildungswissenschaft entsprechende Diskussionen um die Wissensgesellschaft bislang nur sehr zurückhaltend auf, obwohl auch sie von einem ausdifferenzierten Wissensbegriff als Handlungsressource und Ergebnis von Handlungen profitieren würde und dadurch zu einer gesellschaftlichen Verortung der Erwachsenenbildung beitragen könnte. (2) Deutlich wird jedoch, dass so eine disziplininterne Diskussion des Konzeptes über die Ausführungen von Drucker (1969) und Bell (1989 [1973]) hinausgehen müsste und dabei die Auswirkungen der dann mit einem Konzeptentwurf vorgenommenen Zuschreibungen genau in den Blick nehmen und diesbezüglich Deutungsangebote entwickeln müsste. (3) In diesem Sinne kann auch eine Positionierung gelingen, die Wissen und Bildung integriert.

3

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum Herstellung einer erweiterten Bezugnahme

In Kapitel 3 erfolgt über die Thematisierung von Wissenschaftskommunikation als Möglichkeit der Zusammenführung der in Kapitel 2 herausgearbeiteten Wissensstrukturen eine zweite Annäherung an den Forschungsgegenstand. Die Annahme, dass wissenschaftliches Wissen veröffentlicht werden muss, um es für Entwicklungen und Aushandlungen zur Verfügung zu stellen, ist dabei leitend. Eine VerÖffentlichung von wissenschaftlichem Wissen lässt sich dabei schon über die Jahrhunderte beobachten, unterliegt jedoch unterschiedlichen Ansprüchen, die abhängig von der/den jeweils als relevant erachteten Öffentlichkeit(en) und politischen Einflussnahmen sind. Deutlich wird, dass sich über diese Ansprüche ein intermediärer Ver-Mittlungsraum ausbildet, der zur Hintergrundfolie des Verständnisses von Wissenschaftskommunikation wird. Insgesamt kann darüber eine Neukonfiguration des Verhältnisses zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten angedacht werden. Zielführend ist dann die Entwicklung und Etablierung kommunikativer, am Dialog orientierter, deliberativer Diskurse, die eine horizontal angelegte Grundstruktur der Kommunikation verdeutlichen. Dazu braucht es – so eine weitere Annahme – ein Zusammendenken von Vermitteln und Aneignen von Wissen, wodurch eine erwachsenenbildungswissenschaftliche Fundierung der Wissenschaftskommunikation erzielt wird.

68 | Science Slam

3.1 ›WISSEN‹ IM ZUSAMMENSPIEL VON WISSENSCHAFT UND ÖFFENTLICHKEITEN Eine dichotome Wahrnehmung des Zusammenspiels von autonomer Entwicklung des wissenschaftlichen Wissens auf der einen Seite und sozialen, ökonomischen, politischen sowie kulturellen Entwicklungen auf der anderen Seite greift zu kurz. Dies hat die Darstellung der Auseinandersetzungen zur Wissensgesellschaft belegt (Kapitel 2.4). Dabei ist die gegenseitig Bezugnahme von Wissenschaft und Öffentlichkeit 1 bislang kaum diskutiert worden, vielmehr wurde darauf vertraut, »dass wissenschaftliche Forschung sich automatisch in Innovationen und damit in Wachstum und Wohlstand für alle übersetzen würde« (Bogner 2012: 380). Hier lassen sich erste Nützlichkeitsversprechen der Wissenschaften, aber auch -ansprüche an die Wissenschaften durch Öffentlichkeiten festmachen. Wissenschaften übernehmen jedoch nicht allein die Funktion, Nützlichkeitsansprüche zu erfüllen und Macht zu legitimieren. Ebenso unterliegen sie selbst Legitimationszwängen und können im Einzelnen nicht (mehr) als autonome Systeme handeln, auch wenn ihre Fragestellungen, Methoden und Evaluationsmechanismen jeweils disziplinspezifisch begründbar und diskutierbar sind. Vielmehr geht es um eine Zusammenarbeit von Öffentlichkeiten, Politik, Wissenschaften und anderen Bereichen, um Komplexität zu erreichen, sodass deutlich wird, »dass die Erzeugung wissenschaftlichen Wissens im Rahmen eines dynamischen und ›vielstimmigen‹ gesellschaftlichen Interaktionsgeflechts stattfindet« (Wehling & Viehöver 2013: 221) und es somit keine Monopolstellung für gesellschaftlich relevantes Wissen gibt (Stichweh 2004). Das heißt jedoch nicht, dass alle Akteur*innen den gleichen Einfluss haben.

1

Öffentlichkeit wird unter einem Perspektivenpluralismus als vermittelnde, intermediäre Struktur wahrgenommen, die sich netzwerkartig verbindet, verzweigt, überlappt (Habermas 1992). In verschiedenen Kommunikationsräumen bilden sich Öffentlichkeiten aus. Mit Öffentlichkeit sind demnach alle Adressat*innen, an die sich in der Wissenschaftskommunikation gewandt werden könnte, sowie alle Personen, die Ansprüche und Bedürfnisse an die Wissenschaften herantragen, gemeint. Es handelt sich insgesamt um Personen, die in der Beschreibung ihrer beruflichen Rolle nicht zwingend Wissenschaftler*innen sind (Barth-Weingarten & Metzger 2005; Nikolow & Schirmacher 2007).

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 69

3.1.1 Historische Betrachtung von Wissenschaft im öffentlichen Kommunikationsraum Im 15. und 16. Jahrhundert lösen sich theoretische Überlegungen und Konstrukte zunehmen von religiösen Dogmen und politischen Limitierungen. Theoretische Entwicklungen werden nunmehr an empirischen Erkenntnissen gemessen, sodass intersubjektive Aussagen möglich werden. Von grundlegender Bedeutung hierfür ist, dass »sich scholastische Philosophie und Handwerker-Technologie, also logisch geschulte Theoriebildung und empirisch fundiertes Wissen, gegen die Theologie zusammen[finden] […]. Die Ausdifferenzierung der neuzeitlichen Wissenschaft vollzog sich so über eine Entdifferenzierung bis dahin getrennter Wissenstraditionen« (Schimank 2012: 114). Die inhaltlichen Gebiete der Auseinandersetzung spiegeln jedoch noch keine institutionalisierten Disziplinen wider, sondern vielmehr selbstreferenzielle Kommunikationsgemeinschaften. Es »fehlte noch ein intern bestimmtes Forschungsprogramm, das die Wissenschaft gegenüber externen Zwecksetzungen resistent gemacht hätte« (Weingart 1976: 140). Utilitaristische Motive sowie die Verbindung von Wahrheit und Nutzen erstrecken sich über die Jahrhundertgrenze hinweg als bestimmende Prinzipien. Praktische Probleme sind somit auch wissenschaftliche Probleme, sodass der wissenschaftliche Gegenstandsbereich häufig eng mit der Lebenswelt verknüpft ist (Weingart 1976). Im 17. und 18. Jahrhundert beginnt die inhaltliche Ausdifferenzierung der Wissenschaft. Wissenschaften tritt nun vermehrt mit dem Versprechen der Verbindung von wissenschaftlicher Erkenntnis mit praktischer Nützlichkeit an (Weingart et al. 2007). »Zugleich ist dieses Versprechen jedoch mit dem grundsätzlichen Vorbehalt versehen, dass der letztgültige Beweis für die Nützlichkeit erst im Nachhinein erbracht werden kann« (Weingart 2005: 9). Gleichzeitig verweist Nützlichkeit in Verbindung mit Innovation auf Fortschritt, sodass sich Wissenschaft einer doppelten Verpflichtung mit Blick auf epistemische und praktische Ziele gegenübersieht (Weingart et al. 2007). Zum Ausgangspunkt der Wissenschaften wird somit der zugeschriebene gesellschaftliche Wert der Veränderung (Weingart et al. 2007: 22). Das Motiv der Nützlichkeit 2 des Wissens führt zu einem neuen Verständnis des Verhältnisses von Technik und Wissenschaft, indem die Trennung von Technik und Naturerkenntnissen überwunden wird. Technik stützt sich nun auf Naturprinzipien. Es wird daran anschließend kritisiert, dass Wissen – gestützt durch die Wissen-

2

Nützlichkeit des Wissens war in vorherigen Jahrhunderten, wenn überhaupt, anders konnotiert: Es ging vielmehr darum, die Ehre von Persönlichkeiten zu mehren. Zudem wurden Technik, im Sinne von Veränderungen zum Nutzen des Menschen, und Naturerkenntnisse, im Sinne eines ungestörten Ablaufs der Natur, getrennt betrachtet.

70 | Science Slam

schaften – zur Objektivierung und Beherrschung der Natur und damit auch zur Legitimation der herrschenden Verhältnisse dient. Unabhängig davon ist die inhaltliche Glaubwürdigkeit in diesen Jahrhunderten noch deutlich an den sozialen Status gebunden, sodass Wissenschaften auf die Förderung und Unterstützung durch den Adel angewiesen sind (Weingart 2005: 13). Demnach wird zunächst die höfische Öffentlichkeit zum Publikum. Sie verspricht zum einen den gleichen sozialen Status und entscheidet zum anderen mit über die Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Inhalte. Außerdem ermöglicht sie Veröffentlichungen, was in Zeiten der Zensur durch die jeweils Herrschenden als Privileg gilt. Es lässt sich insgesamt ein enges Verhältnis zwischen Wissenschaftler*innen und adliger Öffentlichkeit erkennen, sodass auch noch keine strikte institutionelle Trennung deutlich wird. Mit der zunehmenden inhaltlichen Ausdifferenzierung von Wissenschaften und der damit einhergehenden Verlagerung der Orte, an denen Wissenschaft stattfindet, werden auch die Zuständigkeiten stärker voneinander abgegrenzt. Giddens (1997) beschreibt diese Entwicklung auch als »Entbettung«, die »das ›Herausheben‹ sozialer Beziehungen aus ortsgebundenen Interaktionszusammenhängen und ihre unbegrenzte Raum-Zeit-Spannen übergreifende Umstrukturierung« (Giddens 1997: 33) betont. Dadurch erhält die*der Wissenschaftler*in einen eigenen sozialen Status. Der Ursprung dieser Entwicklungen lässt sich in der methodologischen Festlegung auf die Überprüfung von Beobachtungen und Experimenten finden. Mit dieser Festlegung geht die Forderung nach einer Distanzierung zu religiösen, metaphysischen sowie politischen Ansichten einher. Damit verändert sich auch die Zeug*innenschaft als Teil der experimentellen Praxis. Ausschlaggebend sind hier Präzisionsmessungen Ende des 18. Jahrhunderts, die an entsprechend ausgestatteten Orten durchgeführt werden müssen, sodass die experimentelle Handlung von der öffentlichen Aufführung getrennt wird. Damit verändert sich die Kommunikation der Wissenschaften mit den Öffentlichkeiten »von der unmittelbaren Demonstration von Evidenz auf die mittelbare Darstellung in Texten« (Weingart 2005: 15), da die Präzisionsmessungen nun mit schriftlichen Berichten belegt werden. An dieser Stelle spaltet sich die wissenschaftliche Kommunikation in eine primäre Kommunikation, die sich über Fachzeitschriften an andere Wissenschaftler*innen richtet, und in eine sekundäre Kommunikation, die in Form von popularisierenden Darstellungen an ein breites Publikum adressiert ist, auf. Diese sekundäre Kommunikation ist um die Jahrhundertwende durch das Entstehen vieler (Natur-) Vereine geprägt. Sie sind »das Forum für amateurwissenschaftliche Aktivitäten, die als Gegenseite zu der zunehmenden Professionalisierung der Wissenschaft verstanden werden müssen« (Weingart 2005: 16). Über diese Organisationsform wird die wachsende inhaltliche Distanz zu den Wissenschaften

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 71

aufgefangen. Die Vereine, welche »zur tragenden Bewegung der Popularisierung naturwissenschaftlicher Kenntnisse« (Weingart 2005: 16) werden, verbreiten wissenschaftliches Wissen über öffentliche wissenschaftliche Vorträge. Hierzu zählen auch die Kosmos-Vorträge von Alexander von Humboldt in den Jahren 1827/1828. Es werden also ebenso Wissenschaftler*innen als Vermittelnde in die Angebote miteinbezogen. Neben den Vereinen expandiert der Markt für populärwissenschaftliche Medien – auch Sternwarten und botanische Gärten entstehen in diesem Kontext. Insgesamt wird nun eine breite bürgerliche Öffentlichkeit angesprochen, von der jedoch einige gesellschaftliche (Groß-) Gruppen noch ausgeschlossen sind. Die ›Arbeiterbildungsvereine‹ fokussieren daher die bisher ausgeschlossene Arbeiter*innenschaft als Zielgruppe. Mit Verlauf der zunehmenden Veröffentlichung von wissenschaftlichen Erkenntnissen kommt es zu einer Verschiebung eines absoluten Wahrheitsanspruches in den Wissenschaften hin zu einem relationalen Verständnis von Wissen, sprich zu einer Überwindung der Kontingenzinvisibilisierung (auch Brüning 1995). Ende des 19. Jahrhunderts bildet sich eine angewandte Wissenschaft heraus, die theoretische Einsichten für praktische Eingriffe nutzt. So ist die erste industrielle Revolution noch unabhängig vom wissenschaftlichen Verständnis zu verstehen, die zweite industrielle Revolution hingegen beruht auf technologischen Innovationen auf Basis wissenschaftlicher Fortschritte. Es bleibt jedoch die Annahme prägend, dass »Wissenschaft notwendig nur an ihren eigenen Relevanzkriterien orientiert sein darf und in ihrer inhaltlichen Entwicklung von der umgreifenden Gesellschaft entkoppelt sein muß, wenn ihre Entwicklung nicht gefährdet sein soll« (Weingart 1976: 151). Aufgrund dieser Entkopplung nimmt die Dominanz systematischen Wissens, welches konstitutiv für die Definition praktischer Probleme wird, zu. Der Erste Weltkrieg zeigt dann die andere Seite der Verbindung von Wissenschaften und Technik vor dem Hintergrund der eingeforderten Entkopplung in Form der entwickelten militärischen Strategien und eingesetzten Waffen auf. An diesem zeitlichen und gesellschaftlich historischen Punkt lässt sich eine Zäsur im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit ausmachen: »An die Stelle der aufgeklärten Öffentlichkeit der Amateure des 18. und der wissenschaftsbegeisterten und wissenshungrigen Öffentlichkeit des 19. Jahrhunderts tritt die massendemokratische Öffentlichkeit des 20. Jahrhunderts, der von Seiten der Wissenschaft sowohl das Interesse als auch die Fähigkeit abgesprochen wird, wissenschaftliche Erkenntnisse verstehen zu können.« (Weingart 2005: 19)

Es zeigt sich an dieser Darstellung, dass die von außen an die Wissenschaften herangetragenen Ansprüche abhängig vom politischen Verständnis der Gesellschaft

72 | Science Slam

und der in der Zeit relevanten Öffentlichkeit(en) sind. Die Orientierung an einem für wissenschaftlich interessiert gehaltenen Adressat*innenkreis wird in den 1920er und 1930er Jahren von der Vorstellung abgelöst, dass die Öffentlichkeiten wissenschaftlich unwissend und ungebildet sei. Gleichzeitig sind Öffentlichkeiten geprägt durch mediale Wahrnehmung und medialen Konsum. Medien lösen sich in diesen Jahrzehnten zunehmend von ihren Trägern (u. a. Vereine, Verbände, Parteien), differenzieren sich vom politischen System und werden zu Wirtschaftsunternehmen. Dabei sind Medien als Wirtschaftsunternehmen auf Öffentlichkeiten angewiesen, die sie über Interessens- und Aufmerksamkeitsbindung generieren. Innerhalb dieser medialen Veränderungen bildet sich auch eine spezifische Auffassung der medialen Vermittlung von Wissenschaften heraus: Wissenschaft wird zur Nachricht. »Medien instrumentalisieren die Wissenschaft als einen Bereich unter anderen, um die Aufmerksamkeit einer aus ihrer Perspektive beliebigen Öffentlichkeit zu gewinnen« (Weingart 2005: 20). Die mediale Darstellung der Wissenschaften folgt der narrativen, zeitlichen und visuellen Gestaltung. Die allgemeine Zugänglichkeit und Verfügbarkeit lassen eine Dynamik der Trivialisierung entstehen. Um der Trivialisierung nicht anheim zu fallen, geht es für die Wissenschaften verstärkt darum, sich auf einem Markt unter den medialen Produktionsbedingungen zu positionieren. Hier liegt der Widerspruch zu wissenschaftseigenen Ansprüchen. Daher verliert auch die Popularisierung innerhalb der Wissenschaft an Bedeutung und wird abgewertet. Gleichzeitig bleiben Wissenschaften aber auch abhängig von der gesellschaftlichen Ressourcenzuweisung. Die ab Mitte des 20. Jahrhunderts folgenden medial-technischen Entwicklungen ermöglichen es den Wissenschaften, Öffentlichkeiten anzusprechen, die »intern hochgradig differenziert« (Weingart 2003: 115) sind und mit Blick auf die Auswirkungen naturwissenschaftlich-technischer Entwicklungen Partizipationsmöglichkeiten einfordern, auch auf Basis der politischen Funktionen naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse in den das Jahrhundert prägenden Kriegen. In den 1970er Jahren formiert sich daher eine Öffentlichkeit, die Wissenschaft und Technik zum Ziel von Protesten der Bürger*innenbewegungen und Umweltorganisationen außerhalb formaler Organisationen der parlamentarischen Demokratie werden lässt. Eine gesellschaftliche Bewertung von Wissenschaft ist kein neues Phänomen, »[s]chließlich sind die wissenschaftliche Forschung und die Technologieentwicklungen von Anbeginn an Gegenstand politischer und kultureller Bedenken gewesen«, neuartig ist jedoch die »›[g]esellschaftliche Bewertung des Forschungsprozesses‹« (Stehr 2003: 137). Die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zielt nun auf Vermittlung und Beteiligung.

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 73

Gleichzeitig gerät Wissenschaft durch die Ausweitung ihres Erklärungsanspruchs und der Anwendungskontexte, aber auch durch die dadurch sichtbar werdenden Grenzen der wissenschaftlichen Problemlösekapazität in einen Zustand der ›Überforderung‹ (Weingart et al. 2007). Ihr Bedeutungszuwachs hat die Generierung ›gesicherten‹ Wissens und dessen gesellschaftliche Verwendung prekär werden lassen. Die ausgehend vom 17. Jahrhundert formulierten Sicherheitserwartungen an wissenschaftliche Erkenntnisse können nicht (mehr) eingelöst werden (Weingart et al. 2007: 26). 3 So bestimmen seit vielen Jahrzehnten die praktischen Auswirkungen der wissenschaftlichen Erkenntnisse als Quelle des technischen Fortschritts sowie der Wohlstandssicherung und weniger die Aufklärung über die Beschaffenheit der Welt die öffentliche Wahrnehmung (Weingart et al. 2007). Bürger*innenbewegungen und Protestaktionen sind Ausdruck der Kritik an diesen wissenschaftlichen Entwicklungen. 3.1.2 Politische Einflussnahmen auf Wissenschaft mit Auswirkungen für den öffentlichen Kommunikationsraum Die historische Einordnung von Wissenschaften im öffentlichen Kommunikationsraum ist ohne die zeitgleich stattfindenden politischen Entwicklungen nicht als Gesamtbild zu beschreiben. Immer ist eine Rückkopplung zwischen einem politischen Verständnis der Gesellschaft, der in der Zeit relevanten Öffentlichkeit(en) und der politischen Erwartungen sowie Einflussnahmen relevant. Durch die Bedeutung des Wissens entwickelt sich als eigenes Handlungsfeld die ›Wissenspolitik‹, die aus der Wissenschaft heraus entstandenes neues Wissen reguliert und dessen Entwicklung aus gesellschaftspolitischer Sicht beeinflusst (Stehr 2003). Dabei unterliegt Wissenspolitik nicht mehr einer ex post-Bewertung, also keiner nachträglichen gesellschaftlichen Anpassung an neue Technologien, sondern nun einer ex ante-Bewertung. Hier bedarf es der Antizipation möglicher Wissensentwicklungen.

3

Aus diesen Diskursen ergibt sich die Akzentuierung der Gesellschaftsbeschreibungen als Risikogesellschaft, auch als Weltrisikogesellschaft, die den Verlust der raumzeitlichen Bezugspunkte sowie Verantwortlichkeitszuschreibungen thematisiert (Beck 1986). Die Risikogesellschaft verdeutlicht zusammenführend die »Enttäuschung einer säkularen Heilserwartung, die an die Wissenschaft gerichtet wird« (Srubar 2006: 143). Dabei wird übersehen, dass »der Sinn des ausdifferenzierten Wissenssystems ›Wissenschaft‹ darin besteht, die Ungewißheit des Wissens als Prinzip der Wissensproduktion zu institutionalisieren« (Srubar 2006: 143).

74 | Science Slam

Zu unterscheiden ist Wissenspolitik dabei von Wissenschaftspolitik, das heißt, »die politische, administrative und ethische Kontrolle des sozialen Prozesses der Wissenschaft im allgemeinen und der Herstellung neuen Wissens und neuer Techniken im besonderen. Die Regulierung der wissenschaftlichen Untersuchungen und des wissenschaftlichen Forschungsprozesses wird zu einem Zweig der Wissenschaftspolitik (siehe Dworkin, 1996: 147–163)« (Stehr 2003: 139; Hervorhebungen im Original). Daneben ist die finanzielle Förderungsunterstützung ein wichtiger Aspekt der Wissenschaftspolitik. Die sich daraus möglicherweise ergebende Instrumentalisierung von Wissenschaft für politische Zwecke gefährdet die für die Wissenschaften so zentrale Autonomie, die sich auch durch die institutionelle Unabhängigkeit und Distanz zu politischen Interessen begründet. »Der Autonomieanspruch der Wissenschaft, ihre Unabhängigkeit von politischen, religiösen und wirtschaftlichen Einmischungen, ist konstitutiv für das moderne Wissenschaftsverständnis. Dieser Anspruch war aber seit den frühen neuzeitlichen Anfängen der Ausdifferenzierung einer autonomen Wissenschaft stets umkämpft, gefährdet und umstritten.« (Grande et al. 2013: 15)

Think Tanks oder Forschungseinrichtungen von Verbänden machen sich die institutionelle Identität von Wissenschaft und ihre Mechanismen zu eigen, verfolgen aber dennoch partielle Interessen. Grande et al. (2013) nennen daher eine »[g]esteuerte Autonomie« als Arrangement, um das Spannungsfeld zwischen gewünschter weitreichender wissenschaftlicher Autonomie, wissenschaftspolitischer Prioritätensetzung und Regulierung von Forschung auszubalancieren. Insgesamt konstatieren die Autor*innen eine Entwicklung vom »›science policy-making‹« hin zur »›governance of science‹« (Grande et al. 2013: 19). Durch die Einnahme einer Governance-Perspektive werden die unterschiedlichen Akteur*innen im Feld forschungspolitischer Prozesse in ihrem dynamischen Zusammenwirken mit ihren jeweils eigenen Interessen und Erwartungsstrukturen sowie Deutungsstrukturen sichtbar (z. B. Parteien, Fraktionen in der Politik, Hochschulen, Förderorganisationen im Feld der Wissenschaft und Akteur*innen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen wie der Wirtschaft, dem Journalismus oder den Nichtregierungsorganisationen). Die politischen Erwartungen an die Wissenschaften orientieren sich spätestens seit dem 20. Jahrhundert vornehmlich an der Bereitstellung ›objektiven Wissens‹, sodass politische Entscheidungen gestützt und legitimiert werden. Durch den wissenschaftlichen Fortschritt und damit auch einhergehend die Technikentwicklungen haben sich jedoch gesellschaftliche (Arbeits-)Bereiche weiterentwickelt (u. a.

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 75

Landwirtschaft, Gesundheitsfürsorge) oder sind neu entstanden (bspw. Umweltschutz, Energieversorgung). Wissenschaften bestimmen demnach die politische Agenda mit. An diesem Punkt entsteht ein rekursiver Kommunikationsprozess: Von der Wissenschaft werden selbst Probleme auf die politische Agenda gesetzt, gleichzeitig müssen diese Probleme aus politischer Sicht bearbeitet werden. Dennoch wird weiterhin an einem linearen Kommunikationsmodell zwischen Wissenschaften und Politik festgehalten (Weingart 2003). Das grundsätzliche Problem, wenn Politik und Wissenschaft im Zusammenhang betrachtet werden, liegt in der »Beziehung zwischen Entscheiden und Wissen« (Weingart 2003: 91). Politische Entscheidungen bedürfen einer hohen Sicherheit, die als Erwartung an die Wissenschaften formuliert wird. Wissenschaften hingegen können dem kaum entsprechen. Es handelt sich an diesem Punkt um ein Legitimationsdilemma entlang unterschiedlicher Zielsetzungen.

ZUSAMMEN-DENKEN Die Ausdifferenzierung der Wissenschaften und die Demokratisierungsansprüche gegenüber den Wissenschaften sind spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts zwei parallel verlaufende Entwicklungen. In einer Zusammenführung dieser Entwicklungen, die auch in den Auseinandersetzungen zur Wissensgesellschaft (Kapitel 2.4) deutlich werden, wird dann der Begriff ›Verwissenschaftlichung‹ genutzt, um zu beschreiben, dass wissenschaftliche Inhalte und Erkenntnisse viele Lebensbereiche durchdringen und prägen. Die Verwissenschaftlichung gesellschaftlicher Bereiche könnte im Spiegelbild aber auch als Vergesellschaftung der Wissenschaften beschrieben werden (Weingart 2001: 18). Über die historischen Betrachtungen des Vordringens der Wissenschaften in den öffentlichen Kommunikationsraum bzw. des Rückzugs der Wissenschaften aus dem öffentlichen Raum kann dieser sukzessive Prozess der Vergesellschaftung und Verwissenschaftlichung nachvollzogen werden. Schon am Beispiel der Politik wird dabei deutlich, dass es eher um ein Geflecht von Einflussnahmen denn um einen einseitigen linearen Prozess von A nach B geht. Daher fokussieren aktuelle Konzeptionen zur Beschreibung der Entwicklungsprozesse das Zusammenrücken und Interagieren im Sinne hybrider Institutionen. Dieser auch als intermediär zu verstehende Ver-Mittlungsraum des Zusammentreffens von wissenschaftlichem Wissen, Erkenntnissen sowie Bedürfnissen und Wissen, (An-)Forderungen, Erwartungen und ebenfalls Bedürfnissen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen kann die Diskurse um Öffentlichkeit(en) und Veröffentlichung zusammenführen.

76 | Science Slam

Es wird mit dieser Setzung vor allem verdeutlicht, dass wissenschaftliches Wissen in andere Bereiche übergeht, dort genutzt wird und damit auch »Voraussetzung und Ausgangspunkt ihrer [der gesellschaftlichen Praxis; MS] Reflexivität« (Weingart 1976: 215) wird. Das heißt jedoch »noch nicht, daß Wissenschaft auf praktische Zwecke hin orientiert wird, sondern daß wissenschaftliche Erkenntnisse, wo immer dies möglich und sinnvoll erscheint, in die Praxis übertragen werden« (Weingart 1976: 215). Wissenschaften bieten demnach Handlungsmöglichkeiten an, wodurch sie einen verstärkten Gesellschaftsbezug erfahren. Dazu wird das wissenschaftliche Wissen veröffentlicht. Zudem wird aber auch deutlich, dass Teilaufgaben delegiert werden; Institutionalisierungsprozesse lassen sich darauf zurückführen. Hier zeigt sich, dass wissenschaftliches Wissen auch einem öffentlichen Diskurs entzogen werden kann. Die historischen Betrachtungen verweisen daneben auf Ansprüche, die aus anderen gesellschaftlichen Bereichen an Wissenschaften herangetragen werden. Der Selbstzweck der Forschung wird aufgehoben und teilweise einem geforderten Nützlichkeitsprinzip unterworfen. In dieser Gemengelage sind Wissenschaften gleichzeitig auf Unterstützung angewiesen, auf finanzielle Ressourcen, politische Fürsprache, rechtliche Grundlagen und mediale Aufmerksamkeit. In einem intermediären Ver-Mittlungsraum werden die formulierten Bedarfe und Bedürfnisse ausgehandelt. Zielführend wäre ein Gleichgewicht zwischen Erwartungen, Versprechungen und wissenschaftlichen wie individuellen Möglichkeiten.

3.2 WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION IM SPANNUNGSFELD VERSCHIEDENER AKTEUR*INNEN Die veränderte Wahrnehmung des Wissens zeichnet bestimmte Ver-Mittlungsformen von Wissen und Ansprüche an diese Vermittlung und Kommunikation nach. Es geht um eine spezifische Wissenskommunikation, die diesen Entwicklungen begegnet. Wissenschaftskommunikation – als spezifische Form der Wissenskommunikation – ist zunächst von der Auffassung eines Dualismus zwischen Wissensproduzent*innen und Wissensrezipient*innen und einer damit einhergehenden Wissensasymmetrie abzugrenzen (Bauernschmidt 2018). Die defizitären Annahmen legen ein Top-down-Modell der Kommunikation nahe, indem Wissen zunächst unabhängig von Öffentlichkeit(en) ›hergestellt‹ wird, um es dann anschließend ›vereinfacht‹ weiterzugeben. Die häufig aufgeführte Definition von Burns et al. (2003) hebt diesen Dualismus nicht auf, sondern ist eher durch eine Zielperspektive der Wissenschaftskommunikation gekennzeichnet:

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 77

»SCIENCE COMMUNICATION (SciCom) may be defined as the use of appropriate skills, media, activities, and dialogue to produce one or more of the following personal responses to science (the vowel analogy): Awareness, including familiarity with new aspects of science [,] Enjoyment or other affective responses […] [,] Interest, as evidenced by voluntary involvement with science or its communication [,] Opinions, the forming, reforming, or confirming of science-related attitudes [,] Understanding of science, its content, processes, and social factors.« (Burns et al. 2003: 191; Hervorhebungen im Original)

Die Beschreibung des intermediären Ver-Mittlungsraums (Kapitel 3.1) dient als Hintergrundfolie für ein umfassendes Verständnis von Wissenschaftskommunikation, welches über ihre spezifische Ausgestaltung auf unterschiedlichen Ebenen differenziert beschrieben werden kann (Dernbach et al. 2012). Demnach richtet sich Wissenschaftskommunikation an verschiedenen Kommunikationspartner*innen aus. Fokussiert wird in der vorliegenden Analyse (vgl. Kapitel 6 und Kapitel 7) eine externe Wissenschaftskommunikation mit Öffentlichkeit(en), Medien und politischen Akteur*innen (Burns et al. 2003). Die interne Wissenschaftskommunikation differenziert sich in disziplinübergreifende Kommunikation und in disziplininterne Wissenschaftskommunikation. Beide Kommunikationsformen können weitergehend in informelle und formelle Beziehungen ausdifferenziert werden (Voigt 2012). Informelle Beziehungen meinen Kooperationen im Sinne von Netzwerken. Formelle Beziehungen basieren auf Publikationen. Es handelt sich insgesamt bei der internen Wissenschaftskommunikation um eine klar abgegrenzte Entität, bei der es auch um die inhaltliche Wahrnehmung und qualitative Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen geht (Hagenhoff et al. 2007). Alle Kommunikationspartner*innen verfolgen in der Wissenschaftskommunikation unterschiedliche Zielrichtungen. Dementsprechend müssen sie jeweils als eigenständige Zielgruppe betrachtet werden. Zu bedenken ist jedoch, dass es sich insgesamt zunächst um eine einseitige Betrachtung der Kommunikation von einem Bereich A zu einem Bereich B handelt. Der wechselseitige Austausch bzw. Dialog zwischen den Bereichen wird hingegen weniger hervorgehoben. Einer Zweistufigkeit oder gar Grenzziehung, die von einer Wissenschaftszentrierung und damit von einer Einheitlichkeit von Wissenschaft ausgeht, ist demnach ein Kontinuum-Modell gegenüberzustellen, welches die Durchlässigkeit und Offenheit und damit die Differenziertheit der Wissenschaften aufgreift (Taschwer 1996). Es geht verstärkt um die gegenseitige Bezugnahme zwischen den Kommunikationspartner*innen. Die Kommunikation ist somit insgesamt als ein vielschichtiges Netz von Einflussgrößen zu begreifen, die in Abbildung 5 aufgegriffen werden (Barth-Weingarten & Metzger 2005). Einzelne Faktoren können dabei nicht isoliert

78 | Science Slam

voneinander betrachtet werden, sondern die jeweilige Kommunikationssituation muss in ihrer Gesamtheit erfasst werden. Abbildung 5: Einflussfaktoren auf die Kommunikation zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten

Quelle: in Anlehnung an Barth-Weingarten und Metzger 2005: 8

An dieser Stelle interessiert, wie sich innerhalb der Einflussfaktoren eine Einheit von Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit beschreiben lässt, die Übergänge innerhalb der Wissenschaftskommunikation zulässt (Faulstich & Trumann 2016). Es geht dann um eine dialogorientierte Wissensvermittlung und kollektive Wissensproduktion (beispielsweise im Rahmen partizipativen Forschens, Sprung 2016). Der Dialog unterliegt dabei der Prämisse, unter einem bestimmten Anspruch verschiedene Personen zusammenbringen. Es entstehen durch Rede und Gegenrede wechselseitige Resonanzen, die ein Heraustreten aus sich selbst und eine Auseinandersetzung mit dem Gegenüber ermöglichen (Schmidt-Lellek 2001). Der Dialog muss dann über ein Akzeptanzbestreben der Wissenschaften hinausgehen. Gestützt werden kann diese Form des Austauschs durch Öffentlichkeitsarbeit, Beratung und Weiterbildung, sodass weiterführend ein kommunikatives Diskursmodell möglich wird (Faulstich & Trumann 2016). Diskurs meint dann in Abgrenzung zum kommunikativen Handeln, bei dem »Geltungsansprüche der Wahrheit, der normativen Richtigkeit und der Wahrhaftigkeit unproblematisiert im Hintergrund der Kommunikation verbleiben«, dass »eine Behauptung, eine normative Forderung oder eine bestimmte Selbstdarstellung eines Sprechers mit Argumenten in Frage gestellt« wird (Hollstein 2011: 258). Im Diskurs werden demnach »problematisch gewordene Geltungsansprüche« begründet gestützt und in »argumentati-

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 79

ve[…] Auseinandersetzung« gebracht, um darüber ein »begründetes Einverständnis« herzustellen (Hollstein 2011: 259). Wissenschaftskommunikation wird dann nicht als Nebenprodukt von Wissenschaften betrachtet, sondern als ein begleitender Prozess begriffen (Hermannstädter & Weber 2007). Dabei führt Wissenschaftskommunikation nicht automatisch zu einer erhofften Akzeptanzsteigerung, sondern verstärkt zu einem differenzierten Be-Urteilen. Es ergeben sich daher auch Spannungsfelder, wenn die Betrachtung von Wissenschaftskommunikation von einem Top-down-Modell hin zu einem kommunikativen Diskursmodell verschoben wird. Diese Konfliktlagen entfalten Relevanz für ein definitorisches Verständnis von Wissenschaftskommunikation. (a) Legitimation und wissenschaftliche Selbstvermarktung Wissenschaft benötigt insgesamt eine breite öffentliche Unterstützung für die Ressourcenbereitstellung, ohne dabei den medialen Kommunikationskriterien und den flüchtigen Aufmerksamkeitskulturen zu entsprechen. Diese Abhängigkeit von gesellschaftlichen Ressourcen führt zu einem (zunehmenden) Legitimationsdruck, aber auch einer Integritätsfrage. Zielführend ist dann nicht nur, materielles Kapital zu akkumulieren, sondern dieses in symbolisches Kapital, also in Forschungsergebnisse zu übersetzen (Weingart 2003: 49), wobei offenbleibt, wie diese Forschungsergebnisse eingeordnet werden. Unter aktuellen Gesichtspunkten wird in diesem Zusammenhang kritisiert, dass Wissenschaftskommunikation dann »ein Mittel zum Zweck der Selbstvermarktung wissenschaftlicher Einrichtungen« (Marcinkowski et al. 2013: 283) zu werden scheint. Positionierungen von Wissenschaften auf einem ›Markt‹ werden durch Kommunikation, die in diesem Fall jedoch eingebettet ist in Marktmechanismen, gestützt. Eigenwerbung wird zum zentralen Ankerpunkt. Daher werden die Überschneidungen »gesellschaftlicher Aufmerksamkeitskriterien mit der innerwissenschaftlichen Kommunikation« (Weingart 2003: 28) intensiver. Dabei könnte die Kommunikation auch anders gelesen werden: Wissenschaft muss zunächst die Anforderungen, Ansprüche und Bedürfnisse der Öffentlichkeit(en) verstehen, um dann für die Erreichung der eigenen Ziele entsprechend vermitteln und kommunizieren zu können. (b) Popularisierung des wissenschaftlichen Wissens als Veröffentlichungsstrategie Die in der Wissenschaftskommunikation zusammenlaufenden Ansprüche unterschiedlicher Gesellschaftsbereiche treffen auf einen zentralen Kritikpunkt: Häufig wird Publizität und damit auch Popularisierung aus den Wissenschaften heraus abgewiesen (Pansegrau et al. 2011). Es ist dann die mit Popularisierung konnotierte

80 | Science Slam

Vereinfachung und Verflachung des Wissens, die als Begründung angeführt wird (Pansegrau et al. 2011). Außerhalb von entwertenden Zuschreibungen meint Popularisierung den Austausch von Wissen zwischen wissenschaftlichen, aber auch zwischen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Bereichen (Drerup & Keiner 1999). Wenn wissenschaftliches Wissen also innerhalb der Wissenschaften differenziert betrachtet wird, können bereits hier Popularisierungstendenzen vorliegen – im Zuge eines intra- und transdisziplinären Austausches, aber auch schon innerhalb der Disziplin. Ein umfassendes Argument für die Veröffentlichung wissenschaftlichen Wissens ist, dass Wissenschaft insgesamt ein Interesse daran haben sollte, »dass Prioritäten und Ressourcenentscheidungen auf der Grundlage vernünftiger Argumente gefällt werden« (Faulstich & Trumann 2016: 02/6). Dazu ist für alle Akteur*innen Wissen über Wissenschaft und entsprechendes wissenschaftliches Wissen notwendig. Schon »[d]ie frühe wissenschaftsorientierte Volksbildung war von der dialektisch gedachten Überzeugung getragen, dass sich durch Vermittlung wissenschaftlicher Kenntnisse bzw. durch einen offenen Zugang zu Bildung und Wissen vormoderne doktrinäre Weltanschauungen zurückdämmen und eine Verbesserung der allgemeinen Lebensumstände ebenso erreichen ließe wie umgekehrt auf diesem Weg auch eine Reform des verkrusteten Universitätssystems« (Stifter 2016: 03/6). Mit Blick auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts scheint es allerdings ein Trugschluss, Wissenschaft und ihre gesellschaftliche Disseminierung in direkter Weise mit Demokratie und der Verankerung einer Zivilgesellschaft zu verbinden. Hier ist begründend die Entkopplung der Wissenschaft von Öffentlichkeit(en) anzuführen, infolge derer u. a. die Ansprüche der interessierten Öffentlichkeit, die aktiv um Aneignung wissenschaftlichen Wissens bemüht war, nicht erfüllt wurden. (c) Medialisierung der Wissenschaften und des wissenschaftlichen Wissens Die Gründe für die Medialisierung der Wissenschaften sind sehr vielfältig (dazu ausführlich Kapitel 3.1). Dabei ist es zunächst unerheblich, wodurch die erhöhte Berichterstattung in den Medien zustande kommt. Relevant ist, dass die »Medienprominenz in Konkurrenz zu wissenschaftlicher Reputation« (Weingart 2003: 28; Hervorhebung im Original) tritt. Die mediale Veröffentlichung von wissenschaftlichem Wissen wird grundlegend hervorgerufen durch zwei Entwicklungen, die unterschiedliche Ausprägungen in den Berichterstattungsformen und Inhaltsausrichtungen nach sich ziehen: gesellschaftliche Mitgestaltungsansprüche ab Mitte des 19. Jahrhunderts, die Wissenschaften wieder sichtbar bzw. öffentlich werden lassen, und die Veränderung der Medienlandschaft ab dem 20. Jahrhundert, die die Positionierung der Wissenschaf-

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 81

ten nach Aufmerksamkeitskriterien und ökonomischen Gesichtspunkten ausrichtet. Wissenschaftliches Wissen in Zeitungen, Büchern und anderen Medien wird somit zur Ware. Die Kommunikation dieses Wissens ist dabei nicht selten ökonomischen Gesetzen untergeordnet. Daraus folgt auch ein Strukturwandel der Öffentlichkeit (Habermas 1991). Aus wissenschaftlicher Perspektive lässt sich daran anschließend zusammenfasen, dass »Medien […] inzwischen […] ein Monopol in der Kommunikation zwischen den ausdifferenzierten Teilwelten der Gesellschaft« (Weingart 2005: 11) errungen haben. Diese mediale Schlüsselstellung ist dadurch charakterisiert, dass Medien einerseits Informationen über inhaltliche Bereiche ver-mitteln und andererseits gesellschaftliche Ansprüche reformuliert in den Diskurs einbringen. Zugespitzt könnte auf der einen Seite behauptet werden, dass Medien nun die Öffentlichkeit darstellen, an die sich die Wissenschaften in ihrer Kommunikation richten müssen. Da aber auf der anderen Seite durch die mediale Berichterstattung weiterhin Öffentlichkeiten erreicht werden, übernehmen Medien hier vielmehr eine Mittlerposition. Gleichzeitig werden durch Medien jedoch immer neue Öffentlichkeiten generiert, um deren Aufmerksamkeit gerungen wird. Häufig, und hier scheint ein Defizit auf, werden Themen und Inhalte jedoch ohne bestimmte Adressierung medial kommuniziert. Spezifische Öffentlichkeiten werden somit nicht erschlossen. »Das Publikumsbild der Medienverantwortlichen und Wissenschaftsjournalisten ist […] eher diffus und beruht vornehmlich auf ›weichen‹ Quellen« (Weingart 2005: 26). Es gilt das Dogma der medialen Quote, dabei wird die Differenz zwischen wissenschaftlichem und alltäglichem Wissen eingeebnet (Weingart 2005). Für die Wissenschaften ergeben sich daraus zwei Bedeutungsausrichtungen, um sich in die mediale Berichterstattung einbringen, aber sie gleichzeitig auch reflektiert wahrnehmen zu können: (1) Die Sichtbarkeit in den Medien wird zu einem Wert an sich: Wissenschaften positionieren sich darüber auf einem Markt, bei dem es um Studierendenzahlen, Rankings und Exzellenzcluster geht. Dieser Markt ist geprägt durch Aufmerksamkeitsverknappung, sodass umso stärker die mediale Berichterstattung forciert werden muss. Hochschulen und Universitäten sowie Forschungseinrichtungen verstehen sich nun als Unternehmen in einem (inter-)nationalen Wettbewerb, der auch durch politische Strategien geprägt ist Diese strategische Kommunikation zielt auf die Herstellung von Eindeutigkeit und Kausalität ab. Die mediale Darstellung gilt also für wissenschaftliche Einrichtungen als unerlässlich im Ringen um Mittelzuweisungen und öffentliche Zustimmung. In erster Konsequenz geht es für Wissenschaften dann darum, Medien miteinzubeziehen, wenn gehandelt wird/werden soll, um eigene Argumente in die Diskussion

82 | Science Slam

einzubringen, zu beeinflussen und zu beobachten. Wenn sich die Wissenschaftskommunikation dabei zunehmend an einer Aufmerksamkeitsökonomie ausrichtet, werden die Geltungskriterien wissenschaftlichen Wissens jedoch unscharf (Böschen 2010) und die Uneigennützigkeit wissenschaftlicher Kommunikation torpediert. (2) Eine direkte Kommunikation zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeit(en) scheint nur in seltenen Fällen möglich. Da Medien »›realer‹ Repräsentant« (Weingart 2003: 115) von abstrakten Öffentlichkeit(en) sind, nutzen Wissenschaften Medien, um zu kommunizieren. Der Erfolg der Kommunikation im Sinne einer Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten hängt dabei von der Berücksichtigung der Kommunikationsbedingungen ab. »Der Begriff der Vermittlung intendiert eine Instanz der Mitte, die sich zwischen die Produktion von Wissen und seiner Rezeption schiebt, Wissen parzelliert, umformt, lernfreundlich modelliert und es in methodischer Vielfalt denjenigen präsentiert, die es zu übernehmen haben.« (Hornung 2005: 391)

Medien, im Besonderen auch Wissenschaftsjournalist*innen erhalten somit eine Mittlerfunktion. Sie garantieren den Wissenschaften dann zwar einerseits eine öffentliche Aufmerksamkeit, bestimmen aber andererseits auch die Zuteilung öffentlicher Aufmerksamkeit. In der öffentlichen Wissenschaftskommunikation wird sich daher zunehmend an den Selektionskriterien und Vorgaben der medialen Bindung von Aufmerksamkeit orientiert. Wissenschaften »geraten damit in den Sog der Operationslogiken der Medien, die unverträglich mit ihren eigenen sind« (Weingart 2005: 12). Hier könnte eine differenzierte Betrachtung der wissenschaftlichen Medialisierung anschließen, denn nicht alle Themen und Inhalte der jeweiligen Disziplinen werden gleichermaßen medialisiert (Schäfer 2008). Dabei sind Wissenschaften in den Medien ein Thema unter vielen Themen, welches weiterhin häufig als nachrangig und schwer vermittelbar gilt. Denn auch die an Wissenschaften interessierte Öffentlichkeit wird eher als Kleingruppe eingeschätzt. Gleichzeitig wird jedoch deutlich, dass Medien, Öffentlichkeiten und Wissenschaften in einem Beziehungsgeflecht eingewoben sind. Jedoch bietet die mediale Wissenschaftskommunikation wenig bis gar keine Möglichkeiten, in einen gemeinsamen Dialog zu treten.

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 83

(d) Zuschreibung von Wissensexpertise in der Wissenschaftskommunikation Die unterschiedlichen Zugänge zu Wissen führen ganz allgemein zu einer unterschiedlichen Verteilung von Wissen, das heißt, dass »ich nicht alles weiß, was meine Mitmenschen wissen, und sie kulminiert in höchst komplizierten und geheimnisvollen Zusammenhängen der Expertenschaft« (Berger & Luckmann 2013 [1969]: 48). »Im Hinblick auf die Struktur der Gesellschaft hat dies allerdings eine spezifische Konsequenz. Durch die Fragmentierung der Welt des Wissens ergeben sich – zusätzlich zur funktionalen Differenzierung von Gesellschaft – wechselseitige Abhängigkeiten hinsichtlich des Wissens über die Welt. Sie sind die Basis für eine neue Form der Strukturierung der Gesellschaft sowie für die Entstehung der sozialen Rolle des Experten.« (Weingart et al. 2007: 294; Hervorhebung im Original)

Die Funktion der*des ›Expert*in/en‹ wird hier verbunden mit der Abkopplung wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion von deren Institutionalisierung. Spätestens mit dem Aufkommen sozialer Bewegungen und Bürger*inneninitiativen ab den 1970er Jahren wird die Rolle der*des wissenschaftlichen Expert*in/en infrage gestellt. Daher entwickeln sich intermediäre Berufsfunktionen, die zwischen Wissensproduzent*innen und Wissenskonsument*innen vermitteln. 4 Der Begriff ›Expert*in/e‹ bleibt dabei weiterhin klärungsbedürftig. Expert*innenwissen scheint vor allem interpretationsbedürftig und kontingent, dennoch wird ein grundlegendes Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Wissens von Expert*innen angenommen. Expert*innen orientieren sich auch nicht zwingend an Wissen, welches aus wissenschaftlichen Forschungsprozessen heraus generiert wurde, um dennoch Expert*innenstatus zugesprochen zu bekommen. Sie weisen sich vielmehr als Expert*innen über Zertifikate, die ihnen formal erworbene Kompetenzen bescheinigen, und über eine spezifische Sprache, die den Inhalt des Gesprochenen hervorhebt, aus (Hitzler 1994). Durch »Inszenierungsleistungen« (Hitzler 1994: 27; Hervorhebung im Original) (u. a. Sprache, Rituale, Erscheinungsbild) lässt sich der eigene Status als Expert*in/e aufrechterhalten. »Dann erscheint der Experte [jedoch] eben nicht als jemand, der besondere Kompetenzen hat, sondern als jemand, der es versteht, sozial zu plausibilisieren, daß er über besondere Kompetenzen ver4

Stehr (1994) stellt in seiner Argumentation heraus, dass diese intermediären Berufsfunktionen von Berater*innen, Ratgeber*innen und Expert*innen übernommen werden. Die Begriffe sind als austauschbar anzusehen. All diese Berufe sind wissensfundiert, das heißt, sie haben einen Bezug zu theoretischem Wissen, aber auch praktisches Wissen spielt eine Rolle.

84 | Science Slam

fügt« (Hitzler 1994: 27; Hervorhebungen im Original). Expert*innenwissen lässt sich dann unter das Wissen um diese Inszenierungsstrategien subsumieren. Abzugrenzen ist der Begriff ›Expert*in/e‹ von dem Begriff ›Spezialist*in‹ (Hitzler 1994). Die Verdichtung von rollenspezifischem Wissen fordert von der Gesellschaft, dass sie sich so konstituiert, dass bestimmte Personen sich – in diesem Fall Spezialist*innen – auf ihre Sonderaufgaben beschränken können (Berger & Luckmann 2013 [1969]: 82). Spezialist*innen ›besitzen‹ demnach fachspezifische Kompetenzen, das heißt besondere, relativ genau umrissene sowie kontrollierbare Kompetenzen. Andere Personen müssen dann wissen, wer Spezialist*in ist, wenn Spezialwissen benötigt wird. Expert*innen hingegen übernehmen nicht nur eine bestimmte Aufgabe, sondern sie ›besitzen‹ einen weiten Überblick über ein bestimmtes Wissensgebiet und erkennen die Zusammenhänge sowie Relevanzen des spezialisierten Wissens der Spezialist*innen. und greifen nicht nur auf Wissen zur praktischen Aufgabenbewältigung zurück. Sie können gleichzeitig Wissen generieren, interpretieren und kommunizieren. Diese Wissensbestände sind Nicht- Expert*innnen, sogenannten Lai*innen, in der Gesamtheit nicht ohne Weiteres zugänglich. Lai*innen stellen aus dieser Perspektive einen hierarchischen Gegenpol zu den Expert*innen aufgrund ihres (Nicht-)Wissens dar. Für Berger und Luckmann (2013 [1969]) jedoch ist die »Situation in modernen, pluralistischen Gesellschaften […] unvereinbar mit einer universalen Definitionsmacht von Wissensexperten« (Weiß 2006: 13). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die Rollenzuschreibungen je nach Situation auch vertauscht werden können. Daher unterscheidet Schütz (1972) auch zwischen Expert*innen, Menschen auf der Straße und Bürger*innen, die informiert sein wollen. Diese Rollen vereinen sich prinzipiell in jeder Person in Abhängigkeit vom jeweiligen Wissensgebiet. Das Wissen der Expert*innen bezieht sich auf ein begrenztes Wissensgebiet, das Rezeptwissen der Menschen auf der Straße bezieht sich auf viele Wissensgebiete, die allerdings nicht miteinander verknüpft sein müssen, und die gut informierten Bürger*innen streben eine begründete Meinungsbildung bezüglicher ihrer Wissensgebiete an (Schütz 1972). Die Wissensgebiete stehen dabei in Abhängigkeit zur jeweiligen Setzung von Relevanzen durch die gut informierten Bürger*innen. Dennoch wird die angeführte Differenzlinie zwischen Expert*innen und Lai*innen weiterhin aufrechterhalten (kritisch Trumann 2013). Deutliches Ziel sollte demnach die Überwindung einer vereinfachten Gegenüberstellung sein (so auch schon Strzelewicz 1986), vielmehr muss das jeweilige Wissen in die Bestimmung von Rollen miteinbezogen werden. Diesen Gedanken unterstützt eine diskursiv ausgerichtete Wissenschaftskommunikation sowie das seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu beobachtende Interesse an einer zunehmenden Partizipation an wissenschaftlichem Wissen in der gesellschaftspolitischen Gemengelage.

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 85

ZUSAMMEN-DENKEN Herausgearbeitet wurde, über welche verschiedenen definitorischen Zugänge (Verwendung, Ausgestaltung und Kommunikationspartner*innen) Wissenschaftskommunikation in Abgrenzung zur Wissenskommunikation definiert wird. Dabei ist Wissenschaftskommunikation beeinflusst durch unterschiedlichste Aspekte und unterliegt der Wahrnehmung eines umfassenden Wechselverhältnisses dieser Aspekte. Denn wissenschaftliches Wissen wird nicht nur in anderen gesellschaftlichen Bereichen aufgenommen und genutzt, sondern das Wissen aus diesen Bereichen findet eben auch Rückkopplungswege in die Wissenschaft. Es geht dann darum, eine Brücke zu schlagen zwischen Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit, Wissenserzeugung und Lebenserfahrung, sodass sich kommunikative Diskursarenen eröffnen und Dialoge möglich werden. Hier setzt ein Verständnis von Wissenschaftskommunikation vor dem Hintergrund eines intermediären Ver-Mittlungsraumes an. Bildungs- und Einkommensdifferenzen bestimmen jedoch die Teilhabechancen am Austausch, sodass die Möglichkeit zum Dialog für alle kaum gegeben ist. Eingebunden ist Wissenschaftskommunikation demnach auch in verschiedene Konfliktlagen, von denen vier herausgegriffen und in ihrem jeweiligen Spannungsfeld beschrieben wurden: (1) obligatorische Legitimationsbegründungen resultieren aus der Notwendigkeit der Erzeugung von Glaubwürdigkeit und der Generierung von Ressourcen, (2) die der Wissenschaftskommunikation zugeschriebene Popularisierung wird von den Wissenschaften selbst kritisch beurteilt und (3) eine sich daran anknüpfende Medialisierung der Wissenschaften und des wissenschaftlichen Wissens drängt eine wirtschaftliche Positionierung sowie mediale Operationslogiken in den Vordergrund der Kommunikation. Daneben bleibt (4) zu fragen, welchem Wissen in der Gemengelage der Wissenschaftskommunikation Bedeutung zugeschrieben wird und wer die Deutungsmacht über das Wissen erhält.

3.3 ÖFFENTLICHE BETEILIGUNGSFORMATE AN WISSENSCHAFTLICHEM WISSEN In einem kurzen historischen Abriss lässt sich eine zunehmende Verdichtung, aber auch Ausdifferenzierung der Interaktionen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeiten feststellen. Diese Interaktionen haben vorwiegend wissenschaftliches Wissen als Ausgangspunkt: Von der klassischen Medienberichterstattung zu wissenschaftlichen Themen über performance- bis hin zu eventorientierten Aktivitäten findet sich aktuell ein vielfältiges Nebeneinander (Felt 2008). Außerhalb der Wissenschaften entwickeln sich Kommunikationsformate, die auch auf sie zurückwirken. Bogner

86 | Science Slam

(2012) beschreibt diese Entwicklungen als ›deliberative turn‹ oder ›participatory turn‹, infolgedessen die nicht-hierarchischen, netzwerkförmig organisierten und kooperativen Formen des Mitwirkens betont werden. Deutlich wird eine Tendenz von der Information hin zur Partizipation. Zur Differenzierung dieser Entwicklungen werden im Folgenden zwei Formen von Beteiligungsformaten vorgestellt. (a) Vereinheitlichende Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung (wissenschaftszentriertes Defizitmodell) Die Wissenschaften bleiben in den 1970er Jahren im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Protestbewegungen noch dem Öffentlichkeitsbild des frühen 20. Jahrhunderts verhaftet (vgl. auch Kapitel 3.1.1). Darauf fußen die PUS-Initiativen, deren Öffentlichkeit als unwissend, aber wissbegierig charakterisiert wird. Ausgangspunkt haben diese Initiativen in dem Bericht The Public Understanding of Science (1985) (PUS) der Royal Society. Über diese Initiativen soll die verloren gegangene öffentliche Zustimmung zu wissenschaftlicher Erkenntnis und wissenschaftlichem Fortschritt wiedergewonnen werden. Die Idee ist, dass ein Verständnis für Wissenschaft – auf Basis einer entsprechenden Informationslage – dazu führt, dass wissenschaftliche Ziele und Werte geteilt und ihre Förderung unterstützt wird (Weingart 2005). Mit dem ›richtigen‹ Wissen scheint es möglich, die Wissenschafts- und Technikskepsis, die demnach in Unwissenheit gründet, aufzulösen. Die Aufnahme systematischer Kommunikationsbeziehungen mit einer Öffentlichkeit basiert hier auf einem Defizitmodell als Kommunikationsansatz. Wissenschaft und Öffentlichkeit werden als starre, getrennte Entitäten konzipiert. Öffentlichkeit übernimmt die Rolle der »aufklärungsbedürftige[n] Laienschaft« (Bogner 2012: 383) und Wissenschaften tradieren den Mythos, dass sie mit gesichertem Wissen handeln. Es geht also vielmehr um die Darstellung der Errungenschaften der Wissenschaften. »Die entsprechenden Werbekampagnen sind auf die massenmediale Aufmerksamkeit für events und entertainment gerichtet und gehen von einer unspezifischen und unstrukturierten Öffentlichkeit aus, wie sie auch die Medien für sich konstruieren« (Weingart 2005: 23; Hervorhebungen im Original). Die dann folgende Verlagerung der Initiativen hin zu Public Engagement with Science and Technology (PEST) geht von der Annahme aus, dass die »Fähigkeit, an der Wissenschaft aktiv zu partizipieren, […] prinzipiell allen zugeschrieben« (Weingart 2005: 24; Hervorhebungen im Original) werden kann. Gestützt werden diese Entwicklungen auch durch Initiativen der UNESCO (Science for all) Anfang der 1990er Jahre. Öffentlichkeit wird zwar als egalitäre Öffentlichkeit konzipiert, es wird mit diesen Initiativen jedoch der Dialog- und Partizipationsanspruch hervorgehoben. Über die populäre Aufbereitung des Wissens und die gleichzeitige Wahrnehmung der anderen Standpunkte entwickelt sich ein Beziehungsgefüge zwischen

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 87

Wissenschaft und Öffentlichkeit, sodass sich hier allmählich eine öffentlichkeitszentrierte Sichtweise gegenüber der bislang vorherrschenden wissenschaftszentrierten Sichtweise Anklang durchsetzt. Auch die Einrichtung und Etablierung sogenannter ›Science Center‹ können dieser Entwicklung zugeordnet werden. Sie erleben seit den 1990er Jahren einen Aufschwung. Wissenschafts- und Technikvermittlung wird hier gekoppelt an Unterhaltung und Zerstreuung im Rahmen einer emotionalen Ansprache. »Ein solcher Zugang ist sicherlich in der Lage, das Verhältnis der Teilnehmenden […] durch das emotionale Erlebnis positiv zu beeinflussen« (Stadler 2008: 50), jedoch erscheint dieses Wissen dann als eindeutig. Die von den Besucher*innen eingeforderten Aktivitäten provozieren einen suggerierten Rollenwechsel hin zu*r/m Forscher*in, Entdecker*in, Abenteurer*in und handelnden Akteur*in (Brinkmann 2003). Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Gegenstand über Ausprobieren und eigene Erfahrungen soll das Verstehen fördern (Zetsche 2004). Hier tritt somit an die Stelle des herkömmlichen Paradigmas der Bewahrung und Ausstellung wissenschaftlicher Artefakte die Hands-on-Wissensvermittlung zur Förderung des wissenschaftlichen Verständnisses, aber »[d]ie hervorstechenden Kennzeichen der didaktischen Konzeption sind Erlebnisorientierung und Handlungsorientierung als Leitkonzept bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Wissens« (Körber 2004: 188; Hervorhebungen im Original). Science Centers bewegen sich demnach in erster Linie auf einem Tourismus- und Freizeitmarkt, der sich an Markt- und Konsumlogiken orientiert. Damit setzt eine ›Event-Wissenschaft‹ (Unterstell 2013) ein. Wissenschaften haben spätestens an diesem Punkt ihr Event- und Erlebnispotenzial entdeckt. Doch inhaltlich laufen sie dabei Gefahr, zu einer trivialen Werbeveranstaltung und bloßen Inszenierung zu werden. Auch wenn Science Centers als Aktivitäten an der Schnittstelle hin zur Erwachsenenbildung eingeordnet werden (Streicher 2016), unterliegen sie doch in erster Linie einem ökonomischen Paradigma. Erst danach werden Aufklärungs- und Bildungsziele bestimmt. Sinnvoller wäre es, den Lern- und Bildungsanspruch gegenüber Unterhaltungsaspekten in den Vordergrund zu rücken und dennoch anzuerkennen, dass diese Ansprüche auch außerhalb einrichtungsspezifischer Lehr- und Lernkontexte geltend gemacht werden können. Erwachsenenpädagogisch interessant sind vielmehr Bildungskooperationen zwischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie Weiterbildung und Wissenschaftseinrichtungen (vgl. z. B. das Projekt University meets Public zwischen Wiener Volkshochschule und Universität mit gemeinsam konzipierten Vorträgen, Kursen, Workshops, Podiumsdiskussionen). Jedoch herrscht vor allem im deutschen Diskurs der wissenschaftlichen Vermittlungsbemühungen und daran anknüpfenden Aktivitäten weiterhin ein Defizitmodell als Ansatzpunkt vor. So bieten die Veranstaltungs- und Vermittlungsformate »›Spaziergänge am Rande der Wissen-

88 | Science Slam

schaft‹« (Schrader 2004: 213 in Anlehnung an Pöggeler 1965), weniger Lern- und Bildungsmomente. (b) Beteiligungsformate als Rückkopplungsmöglichkeit (Perspektivenvielfalt für die Forschung) Formate der Entscheidungsfindung mit Teilnehmer*innen außerhalb der Wissenschaft (z. B. Konsensuskonferenzen, Citizens Jury, VHS-Bürger*innenforum) beziehen diese in Technik- und Erkenntnisbewertungen mit ein. Auch Crowdsourcing wäre in diesen Kontext einzuordnen: Ein Problem wird in viele kleine Teilprobleme zerlegt, sodass sich das Wissen vieler Personen nutzen lässt. Durch diese Entwicklungen ergeben sich Enthierarchisierungstendenzen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Entscheidend hierfür ist, dass Beteiligungsprozesse im frühen Stadium von Planung und Forschung initiiert werden. Doch die Besprechung von Technologien kann in zu früh angedachten Partizipationsprozessen auch dazu führen, dass aufgrund von Unkenntnis spezifische Perspektiven weiterhin dominieren (Wehling & Viehöver 2013). Zudem kann die Auswahl von Akteur*innen als Vertreter*innen eines Ein-Punkt-Interesses als Verengung der Debatte gelesen werden. Gleichzeitig werden die geringen Gestaltungsmöglichkeiten der Beteiligten kritisiert. Daher verwundern auch die Studienergebnisse von Felt (2008) nicht, die herausarbeitet, dass in aktuellen politischen Dokumenten immer noch in der frühen Tradition des Public Understanding of Science argumentiert wird und die Argumente lediglich in neue Sprachregelungen eingebettet sind. Die Interaktionssettings bewegen sich weiterhin zwischen Defizitmodell und Partizipationsansprüchen, indem auf gesellschaftlich eingeübte Wissenshierarchien zurückgegriffen wird. Doch »je mehr sich Menschen tatsächlich dem Prozess der Erkenntnisproduktion und nicht dem fertigen Wissen annähern können, umso mehr ist es ihnen auch möglich, die Komplexität dieses Prozesses zu erkennen und völlig neue Fragen zu stellen« (Felt 2008: 40). Erst dann geht es nicht um eine Wissenskommunikation, sondern um Wissenschaftskommunikation. Partizipation setzt daher an dem Verlernen eingeübter Wissenshierarchien sowie einer Ver-Mittlung und Kommunikation, der Zeit gegeben wird und in der das Erfahren im Mittelpunkt steht, an.

ZUSAMMEN-DENKEN Auf Grundlage des Verständnisses der Wissenschaftskommunikation haben sich Formate der Wissenschaftskommunikation mit jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen und Praktiken entwickelt, denen es jedoch an einer theoretischen Fundie-

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 89

rung in Form einer kommunikationswissenschaftlichen sowie (erwachsenen-)pädagogischen Basis fehlt. Ebenso wird deutlich, dass ein dialogisches Format der Wissenschaftskommunikation oder eine den Austausch fokussierende Wissenschaftskommunikation in den aktuell vertretenden Positionen in der Wissenschaftskommunikation kaum eine Rolle spielen. Denn eine dialogische Wissenschaftskommunikation fordert, dass »Wissenschaftskommunikation keine Einbahnstraße der passiven Wissensaufnahme« (Antos & Wichter 2005: XII) ist, sondern schon im Forschungsprozess über die Möglichkeiten der Wissenschaftskommunikation (außer-)wissenschaftliche Ziele und wissenschaftliches Orientierungswissen kommuniziert werden (Bovenschulte 2005). Die Beteiligungsformate unterliegen jedoch häufig einerseits einer Kommunikation ausgerichtet am öffentlichen Interesse und andererseits Defizitzuschreibungen zum Verständnis von Öffentlichkeit(en) und damit weniger einem dialogischen, reziproken Austausch, für den es einer weitergehenden Professionalisierung der Wissenschaftskommunikation sowie tiefgreifender Kenntnisse über Forschungssowie Erkenntnisprozesse bedarf. Um hier entsprechende Ansätze zu etablieren, gilt es, zunächst eine Definition von Öffentlichkeit fernab einer defizitären Öffentlichkeit anzustreben (auch Hill 2015) und daran die Wissenschaftskommunikation auszurichten, die begleitet wird von »Beratung und Weiterbildung bezogen sowohl auf mögliche Verwendung wissenschaftlichen Wissens als auch auf Aufklärung durch und über Wissenschaft« (Faulstich 2011: 85).

3.4 ERWACHSENENPÄDAGOGISCHE VER-MITTLUNGSMÖGLICHKEITEN HIN ZUR ANEIGNUNG WISSENSCHAFTLICHEN WISSENS Die historische Betrachtung von Wissenschaften im öffentlichen Raum macht deutlich, dass, gesellschaftspolitisch eingebettet, unterschiedliche Ver-Mittlungsformen und -formate genutzt wurden und werden (Kapitel 3.1 und Kapitel 3.3), die an erwachsenenpädagogische Diskurse angelehnt werden können. Dabei genügen diese Ver-Mittlungsformen nicht zwingend dem Anspruch an Wissenschaftskommunikation und Dialog. Gleichzeitig muss deutlich sein, dass Ver-Mittlung zunächst auf eine bestimmte Perspektive verweist, es geht um den Standpunkt der Ver-Mittlung. Erwachsenenbildung hat seit ihren institutionalisierten Anfängen im 18./19. Jahrhundert eine breite Teilhabe zum Ziel, in dieser Zeit auch in Bezug auf wissenschaftliches und technisches Wissen. Demnach sind wissenschaftliche Erkenntnisse Themen in der Erwachsenenbildung, die an eine bürgerliche Öffentlichkeit adressiert sind. Bibliotheken, Museen, Sternwarten, botanische Gärten, aber vor allem

90 | Science Slam

Vereine greifen in dieser Zeit das Interesse an wissenschaftlich-technischen Themen auf und unterstützen die entsprechende Wissensvermittlung. Anfang des 20. Jahrhunderts wird mit der Neuen Richtung ein Verständnis von Erwachsenenbildung diskutiert, welches sich gegen eine Popularisierung von wissenschaftlichem Wissen ausspricht und darüber den Universalitätsanspruch von Wissenschaft, welche häufig mit Wissen gleichgesetzt wird, thematisiert. Es sollen auch andere Wissensstrukturen Berücksichtigung finden, sodass das Alltagswissen mit seinen Erfahrungs- und Deutungsmustern zur Voraussetzung für die Bildungsarbeit wird. Deutlich wird daran, dass nicht allein die Wissensvermittlung das Ziel von Erwachsenenbildung ist, sondern Erfahrungsaustausch, Reflexion, Sinnsuche und Körperorientierung (Nolda 2001b), gebunden eben an Wissensvermittlung, die Erwachsenenbildung kennzeichnen. Obwohl die Vermittlung als eine zentrale Aufgabe des (erwachsenen-)pädagogischen Handelns gilt (Hof 2003), hat vor allem die Wissenschaftsvermittlung in der Erwachsenenbildung ›schlechte Karten‹ (Faulstich & Trumann 2016). Das hängt auch mit der historisch überkommenen negativen Konnotation der Popularisierung von wissenschaftlichem Wissen zusammen, obwohl Popularisierung in erster Linie die Frage der Gestaltung der Wissensvermittlung und -kommunikation meint (Hof 1996). Daher sieht Strzelewicz (1986) auch in der Popularisierung ein wichtiges Aufgabenfeld der Erwachsenenbildung, ohne dabei einer inhaltlichen Simplifizierung anheimzufallen. Es geht dann vielmehr darum, Möglichkeiten zu finden, wie viele Personen am aktuellen Wissensstand partizipieren können, sodass über Popularisierung auch Wissen produziert sowie konstruiert wird (Hof 1999). Da in diesen Erläuterungen zur Popularisierung im Rahmen der Verbreitung wissenschaftlichen Wissens die Vermittlung von Kenntnissen in den Vordergrund gerückt wird, spricht sich Schulenberg (1975) gegen die Verwendung des Begriffs ›Popularisierung‹ als Synonym für ›Wissensvermittlung‹ aus. Die Idee der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens müsste ebenso sinnlich erfahrbare Aspekte hin zu einer ganzheitlichen Aneignung im erwachsenenpädagogischen Sinne integrieren (Faulstich & Truman 2016: 02/3). Doch mit der Veränderung der Wissensproduktion übernehmen nun auch andere Einrichtungen Ver-Mittlungsaufgaben, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Weiterbildung werden innerhalb dieses Aufgabenspektrums an den Rand gedrängt. Einer kritisch-reflexiven Wissensvermittlung steht verstärkt die Erlebnisproduktion im Zusammenhang mit Wissensangeboten gegenüber. Der Eindruck eines Lernund Bildungsanspruchs sowie einer Wissensvermittlung soll hier gerade vermieden werden. Im Fokus steht eher die leichte Konsumierbarkeit. Doch gerade Erwachsenenbildung stellt Aneignungsprozesse in das Zentrum ihrer Bemühungen (Dinkelaker & Kade 2011). Die Art der Aneignung ist dabei bestimmt von dem

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 91

zugrunde liegenden biografisch eingebundenen und kontextbezogenen Wissen der Teilnehmer*innen. Differenzierung, Forcierung und Entgrenzung des Aneignungsbezugs können daher als erwachsenenpädagogische Spezialisierungsprozesse interpretiert werden. Erst in der Bezugnahme auf Aneignung werden die Teilnehmer*innen aus ihrer Passivität herausgelöst. Erwachsenenbildung ermöglicht es in ihrer Spezifik, über Vermitteln und Aneignen im Zusammenhang nachzudenken. 3.4.1 Wissen in der Trias ›Vermitteln‹, ›Verstehen‹ und ›Aneignen‹ In der Erwachsenenbildung stellen Vermitteln sowie Aneignen sind ausschlaggebende Kategorien für den Lern- und Bildungsprozess dar – Verstehen wird hier im Anschluss an die obigen Ausführungen zur Kommunikation zusätzlich mit aufgenommen. In den disziplinspezifischen Diskursen werden diese drei Aspekte in der Regel nicht hierarchisiert. Verstehen meint die Sinnerfassung von Äußerungen und zielt auf ein Besserverstehen, unterliegt also einer »Erfolgsgrammatik« 5 (Scholz 2016: 19; Hervorhebung im Original) im Rahmen einer tripolaren Struktur zwischen Text, Interpret*in des Textes (Verstehende*r) und Autor*in des Textes (Vermittelnde*r) (Hollstein 2011). Grundannahme ist, »dass sich der Interpret die Ausdrucksgestalten eines Autors nur über den ›Umweg‹ eines kulturspezifischen Kontextwissens erschließen kann, in das ein zu verstehender Text immer schon eingebettet ist« (Hollstein 2011: 52). Verstehen kann daher als »vielspurige Fähigkeit« (Scholz 2016: 18) charakterisiert werden, die nicht an einem Entweder-Oder, sondern an einem Mehroder-Minder im Sinne einer Fähigkeit ausgerichtet ist (Scholz 2016: 19). Das heißt jedoch auch, dass nicht zwingend Verstehensprozesse einsetzen, sondern auch Missverstehen eine Rolle spielt. Im engeren Sinne kann Verstehen also gedeutet werden als Auslegung oder Interpretation von Sprache und Text, im weiteren Sinne verweist der Begriffsinhalt auch auf die Interpretation sozialer Sinnzusammenhänge. Dann ist Verstehen eine Interpretation, Inferenzziehung und Kohärenzbildung (Milde 2009). Verwiesen wird damit auch auf eine Trennung von Lehren und Lernen, auch thematisiert über den Lehr-Lern-Kurzschluss (Holzkamp 2004), sodass das Lernen nicht automatisch aus dem Lehren folgt, sondern beide eigenständig betrachtet werden können und sich nicht bedingen oder gegenseitig hervorrufen müssen. Wissen kann somit nicht einfach übertragen werden, sondern die vielfältigen Wissensstrukturen diffundieren ineinander, gleichen sich ab oder revidieren sich. Linear angenommene Prozesse von den Vermittelnden zu den Teilnehmer*innen sollten dem-

5

›Verstehen‹ ist konnotiert mit ›richtig verstehen‹ (Scholz 2016: 19).

92 | Science Slam

nach kritisch beurteilt werden. Es geht nicht um einen strukturellen Übersetzungsprozess, der durch die Aktivität der Vermittelnden und die Passivität der Teilnehmer*innen gekennzeichnet ist (Hof 2005). Der Lernprozess wäre hier dann als rezeptiv und passiv konzipiert, dessen Nachhaltigkeit zu problematisieren wäre. Vielmehr treten »Wissens- und Erfahrungsinhalte in möglichst offene Konkurrenz […], [werden] argumentativ begründet oder eingeschränkt und so nach und nach einem überprüfbaren Einverständnis nähergebracht« (Schlutz 2010: 296). Verstehen muss also erarbeitet werden. Es zielt auf das »Erkennen von Relationen, Strukturen, Verbindungen und Mustern« (Scholz 2016: 23). Eine Verbindung lässt sich hier zum Anschlusslernen herstellen. Es handelt sich demnach um einen konstruktiven Prozess, der von Beginn an als facettenreich charakterisiert werden kann. Verstehen bewegt sich vor diesem Hintergrund im Spannungsfeld von Verstehende*r/m, Verstehensgegenstand, Vermittelnde*r/m sowie dem Kontext, in welchem sich die Verstehensvorgänge abspielen (Reusser & Reusser-Weyeneth 1994: 15). Verstehen bezieht sich somit auf den Kern des didaktischen Handelns in der Erwachsenenbildung. Dieser spiegelt sich in der Ver-Mittlungsaufgabe wider. Es geht darum, zwischen Lernenden und Lerngegenstand mit dem Anspruch einer erweiterten individuellen Weltverfügung zu ver-mitteln (Haberzeth 2010). VerMittlung ist dann nicht Wissens-, sondern weitergedacht Lernvermittlung. Für die Vermittlung als – im engeren Sinne – Übermittlung von Wissen unterscheidet Hof (2003) personale, mediale und strukturale Rahmungen der Wissensvermittlung: Personale Wissensvermittlung bezieht sich auf die direkte Interaktion zwischen Anwesenden, jedoch stehen die Lehrenden im Zentrum des Vermittlungsprozesses, weil sie die Wissensvermittlung anhand der Auswahl der Medien, Methoden sowie Inhalte übernehmen. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass Lehr- und Lernveranstaltungen nur eine mögliche Form von (pädagogischer) Wissensvermittlung sind. Wissensvermittlung als zentraler Ankerpunkt kann daher einer expliziten Rahmung unterliegen oder sie findet sich in einer hybriden Rahmung wieder, in der sie sich mit vielfältigen anderen Formen der Kommunikation vermischt (Kade & Seitter 2007d). Mediale Wissensvermittlung weist keine direkte Interaktion zwischen den Teilnehmer*innen auf. Medien übernehmen hier die Funktion der Speicherung, Übermittlung sowie Verarbeitung des Wissens, sodass Wissen relativ dauerhaft fixiert wird. Über strukturale Wissensvermittlung wird die Gestaltung von Lernorten thematisiert. In Praxisdiskursen wird die hier unterschiedene Bereitstellung und Aufbereitung von Wissensinhalten als Vermittlungspraktik jedoch zur Nebensache (Dinkelaker & Kade 2011), sodass Nolda (2001a) aus einer Mikroperspektive heraus die fehlende Bezugnahme auf Wissensvermittlung als Thema der Erwachsenenbildung kritisiert. Zudem wurde es in der Erwachsenenbildungswissenschaft bislang größtenteils versäumt, die Wissensvermittlung einer

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 93

dezidierten Analyse zu unterziehen und Handlungsalternativen aufzuzeigen (hier erste umfassende empirische Ausführungen durch Haberzeth 2010). Ver-Mitteln hat sich zudem der zentralen Herausforderung zu stellen, dass Adressat*innen oder Teilnehmer*innen mit Irritationen konfrontiert sind. Hinzu kommt, dass eigenständig zwischen verschiedenen Handlungsalternativen gewählt werden muss. Eine Handlungsanleitung wird nicht unmittelbar zur Verfügung gestellt. Hier können einerseits Unsicherheiten durch eine größere Zahl an Handlungsalternativen auftreten, sodass »das Individuum bestrebt ist, […] [die] stabilitätsbedrohenden Informationen möglichst abgeschwächt oder nicht zur Kenntnis« zu nehmen (Dewe 1988: 145–146). Wenn in Lern- und Bildungsprozessen andererseits verstärkt auf »erlernbares und von konkreten Handlungskontexten abgehobenes, systematisches Wissen« rekurriert wird, werden biografische Erfahrungen und Deutungen »durch nicht in lebenspraktischen Handlungszusammenhängen gewonnenes Wissen verdrängt« (Dewe 1988: 131). In der Erwachsenenbildung geht es aber gerade darum, dass nicht einseitig entschieden wird, welches Wissen das ›richtige‹ Wissen ist. »Der Anspruch der Erwachsenenbildung ist es deshalb, zwischen zwei unterschiedlichen, selbstständigen Typen von Wissen zu vermitteln, ohne daß der eine Typ der dominante ist« (Dewe 1988: 154) oder Differenzen eingeebnet werden. Vermittlung wird daher als »doppeltes Thematisierungsproblem« begriffen (Haberzeth 2010). Kade (2005) identifiziert die Grundformen der Kommunikation von Wissen im Sinne eines Umgangs mit Wissen als sozialen Prozess. Er geht damit über den Begriff des Vermittelns hinaus (auch Kade & Seitter 2007a, 2007b): • In der informativen Vermittlung von Wissen wird Aneignung in der Kommunikation nicht als Problem reflektiert, sondern im Fokus steht die Vermittlung. Die Aneignung des Wissens bleibt in Vorträgen und Gesprächen den Zuhörer*innen, Zuschauer*innen, Leser*innen oder Teilnehmer*innen überlassen. Es geht hier um ein Mitteilen. • In der aneignungsreflektierenden Kommunikation von Wissen wird Aneignung in der Kommunikation beobachtet, im Fokus stehen Mitteilung und Verstehen statt Information. Die Vermittelnden interessieren sich für Fragen der Aneignung. Veränderungen der Person werden dabei zwar impliziert, aber nicht in der Kommunikation aufgegriffen. Hier scheinen erste Annahmen zum Dialog zu greifen. • In der pädagogischen Kommunikation von Wissen hingegen werden Veränderungen im Zusammenhang mit der Aneignung kommuniziert, sodass neben der Aneignungserwartung auch eine Veränderungserwartung impliziert wird, für die sich die Vermittelnden interessieren. Es wird jedoch auch deutlich, dass die Adressat*innen der Kommunikation in einer Defizitkonstruktion verhaftet sind.

94 | Science Slam

Eine Variante der pädagogischen Kommunikation ist die Bildungskommunikation, »die Vermittlung von Wissen [ist] nicht (nur) an Personen adressiert […], sondern (auch) an den Adressaten in seiner Bestimmung als Mensch oder auch als Individuum« (Kade 2005: 501). Bildung wird daran anknüpfend als Mündigkeit verstanden, die mit einer individuellen und vernunftgeleiteten Urteilsfähigkeit verbunden ist. Bildung selbst ist dann ein individueller Erkenntnisprozess auf Basis der Kommunikation von Wissen. Deutlich wird, dass in allen Kommunikationsformen des Wissens Aneignung eine spezifische Rolle spielt. Dieser Prozess in der Erwachsenenbildung ist jedoch wenig reflektiert und erforscht, seine Thematisierung verbleibt eher auf einer allgemeinen, fachbezogenen Ebene (Tietgens 2000). Dabei ist zu bedenken, dass die Eröffnung von Aneignungsmöglichkeiten nicht automatisch eine Aussage über das Angeeignete selbst trifft, auch wenn Vermitteln als Ziel das Gelingen der Aneignung aufgreift. Die Unterstellung eines Ursache-Wirkung-Zusammenhangs greift hier zu kurz, deutlich hervorgehoben wird die soziale Einbettung und die Partizipation der Lernenden an der Gestaltung der Wissensaneignung. Die Darstellung zum Umgang mit Wissen bewegen sich daher auf einem Kontinuum zwischen Informationsmitteilung, Wissensvermittlung und pädagogischer Kommunikation geprägt durch kommunikative Flüchtigkeit, Rudimentarität und Vernetzung (Kade & Seitter 2007d). Sie belassen die Grundformen der Kommunikation von Wissen in einer losen Koppelung. Aneignung bewegt sich dann zwischen Bildung, Geselligkeit und Tätigkeit, sodass Bildung neben anderen Aneignungsformen einen Bezugspunkt darstellt. Jede Aneignung ist somit eine soziale Praktik, die einen Zwischenschritt darstellt (Schäffter 2015). Dennoch lässt sich Aneignen nicht auf Erleben reduzieren, hier liegt die Gefahr einer Trivialisierung. 3.4.2 Kommunikative Darstellung des wissenschaftlichen Wissens Die Beschreibung, dass sich durch Ausdifferenzierung und Spezialisierung von Wissenschaften mehrere Spezialsprachen herausgebildet haben, spiegelt noch keine Besonderheit wider. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen finden sich spezifische Kommunikationsformen, aber Wissenschaft ist geprägt durch eine relative Autonomie, aus welcher sich ein spezialisiertes Feld sozialer Kommunikation mit Fachterminologie und Verhaltenskodex generiert hat. Demnach ist Wissenschaft durch spezifisch ausgebildete Kommunikationsformen charakterisiert (Weingart 2003: 84), die nach einer differenzierten Analyse, an wen und wie sie kommuniziert werden kann, verlangen.

Wissenschaftskommunikation im intermediären Ver-Mittlungsraum | 95

Dabei ist kommunikatives Handeln nicht nur auf Kommunikation bezogen, es geht auch darum, für bestimmte Sachverhalte sowie Positionen Verständnis hervorzurufen und Verständigung zwischen den Kommunikationspartner*innen herbeizuführen (Habermas 1988). Indem die Kommunikationspartner*innen sich über die Welt verständigen, legen sie ihrer Kommunikation ein gemeinsam unterstelltes System von Welten und Geltungsansprüchen zugrunde, das in Sprechakten zum Ausdruck gebracht wird (Habermas 1988). Die Grundlage der sozialen Interaktion ist daher eine Kommunikation, die Verstehen zur Voraussetzung hat. Das Verstehen wiederum verweist auf die Spezifika der wissenschaftlichen Kommunikation. Hinter einem Fachterminus verbirgt sich ein komplexes Konzept, welches nicht ohne Weiteres in Synonyme transferiert werden kann. Gleichzeitig kann ein Fachterminus nicht ohne Weiteres aus einer Darstellung herausgekürzt werden (Mittelstraß 1996), ohne dass es zu einem Bedeutungsverlust kommt. Hinzu kommt, dass das dargestellte Wissen als nicht hinterfragbares, gesichertes Wissen gilt, solange nur die Ergebnisse dargestellt werden, aber die angewandten Methoden sowie alternative Interpretationen der Ergebnisse nicht aufgegriffen und kritisch beleuchtet werden. Die Prozesse der Wissensproduktion werden in diesem Falle tabuisiert, wodurch konstitutive Momente der Wissenschaft ausgeklammert werden (Hof 2005). Ver-Mittelnde spielen somit im Transformationsprozess zwischen den Wissensstrukturen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ein Kommunikationskonzept enthält somit bestimmte Konstellationen von formalen, emotionalen, inhaltlichen und motivationalen Gestaltungselementen, welche sich fördernd oder hemmend auswirken. Das jeweilige Verstehen ist daher in eine Situation eingebettet (situative Rahmenbedingungen), die wiederum an Konventionen ((inter-)kulturelle Rahmenbedingungen) und die gemeinsamen sowie die jeweils individuellen Wissenshintergründen der Kommunizierenden (individuelle Bedürfnisse) gebunden ist. Demnach gilt, dass Wissen zwar nicht an spezifische Darstellungsformen gekoppelt ist, aber die Darstellungsform des wissenschaftlichen Wissens seinen Wissenschaftscharakter aufrechterhält, also die »Spezifik der Hypothetik und die ›absichtslose‹ anti-utilitaristische Offenheit«, ansonsten scheint ein »dogmatischer Algorithmus« unabdingbar (Eirmbter-Stolbrink & König-Fuchs 2005: 7). Die jeweils genutzte Darstellungsform erscheint somit als Distributionsinstrument für Wissen, welches erst darüber kommunikationsfähig wird (EirmbterStolbrink & König-Fuchs 2005). Wird die spezifische wissenschaftliche Darstellungsform verlassen, ergeben sich bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des wissenschaftlichen Anspruchs an Objektivität, Abstraktion und Hypothetik Transformationsmöglichkeiten (Eirbmter-Stolbrink & König-Fuchs 2005). Zu beachten ist, dass eine simplifizierende Erklärung von Sachverhalten von einigen Menschen bevorzugt wird, dadurch aber wichtige Nuance verloren gehen.

96 | Science Slam

ZUSAMMEN-DENKEN Vermitteln kann als ein zentraler erwachsenenpädagogischer Handlungsstrang benannt werden, ist aber in Bezug auf wissenschaftliches Wissen im Rahmen von Popularisierungsdebatten an den Rand gedrängt worden. Vermittlungsaufgaben werden daher auch von anderen Einrichtungen übernommen. ›Vermitteln‹ ist in dieser Verwendung jedoch nicht gleichzusetzen mit einem idealtypischen Verständnis von Wissenschaftskommunikation, welches den Dialog fokussiert, Diskurse ermöglicht und vor dem Hintergrund des intermediären Ver-Mittlungsraumes ansetzt. Vermitteln betont dann vielmehr die bisherige Ausgestaltung der Formate der Wissenschaftskommunikation. Erst eine erwachsenenpädagogische Fundierung ermöglicht die Betonung des ebenso zentralen Aneignungsbezugs und damit weiterführend ein gleichzeitiges Beachten von Vermitteln und Aneignen. Es werden somit einerseits individuelle Anforderungen mit in den Vordergrund gerückt und andererseits Differenzen als Irritationsmöglichkeit aufrechterhalten, sodass ein erweitertes Begriffskonzept als Grundlage dient. Wissen bewegt sich im Rahmen der hier vorgestellten Überlegungen zwischen Vermitteln und Aneignen und erhält dabei eine Brückenfunktion. Es wird somit zu einer didaktischen Zwischenkategorie, die auf der Mikroebene zwischen Teilnehmer*innen und Lehrenden in einem Prozess, welcher als offene Begegnungssituation definiert wird, generiert wird.

4

Lernkulturen im Da-Zwischen Erweiterung eines erwachsenenpädagogischen Zugangs

Kapitel 4 bietet aus einer dezidiert erwachsenenpädagogischen Perspektive eine dritte, gegenstandstheoretische Annäherung an den Forschungsgegenstand. Diese Annäherung wird von der Annahme geleitet, dass die verschiedenen Veranstaltungsformate der Wissenschaftskommunikation aus der Perspektive der Erwachsenenbildungswissenschaft als Lernkulturen aufgefasst werden können. ›Science Slam‹ wird im Folgenden exemplarisch als ein spezifisches Format der Wissenschaftskommunikation herausgegriffen und als eine solche Lernkultur nun zum Forschungsgegenstand. Grundsätzlichen differenzieren sich Lernkulturen zwischen makro-, meso- und mikrodidaktischer Handlungsebene aus. Aufgrund dieser Ausdifferenzierung sind sie nur über ein Beschreibungskonzept zugänglich, das ein Da-Zwischen in Bezug auf die Handlungsebenen erfassen kann. Diese Form der Beschreibung wird entsprechend genutzt, um die jeweilige Lernkultur facettenreich charakterisieren zu können. Bedingt ist die Charakterisierung durch diverse Einflussgrößen auf die Lernkultur, die als Momente in der jeweiligen Ausgestaltung der Lernkultur – so eine weitere Annahme – aufscheinen.

4.1 ERWACHSENENPÄDAGOGISCHES VERSTÄNDNIS VON LERNKULTUREN Durch die beschriebenen gesellschaftlichen Kontextwechsel (auch Welsch 1991) ist keine homogene Abbildung von Lern- sowie Lehrkulturen möglich (u. a. Wiesner & Wolter 2005). Das Individuum verortet sich in vielfältigen Kontexten und rückt so die Anschlussfähigkeit des eigenen Wissens in den Mittelpunkt. Erwachsenenbildungswissenschaft konzeptualisiert diese gesellschaftlichen Entwicklungen in

98 | Science Slam

Lernkulturen, 1 die sich fernab von schulnahen Angeboten ausdifferenzieren. Substanziell ist daher die Wahrnehmung und Vernetzung der unterschiedlichen Lernkulturen, um zum einen die Vielschichtigkeit in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung sichtbar zu machen, und zum anderen im Detail zu erschließen, wie sich Lernkulturen gestalten. Lernkulturen sind dabei in ihrer Definition zunächst an spezifische Einrichtungskontexte der Erwachsenenbildung und Weiterbildung gebunden. Mit der Thematisierung der Pluralisierung und Hybridisierung von Lernorten (Faulstich & Haberzeth 2010) wird daneben jedoch auch eine Entgrenzung des Lernens sichtbar, die – kritisch betrachtet – einer erwachsenenpädagogischen Deinstitutionalisierung Vorschub leistet (Fleige 2011). Kade und Seitter (2007d) hingegen konstatieren, dass »die Unsichtbarkeit pädagogischer Veränderungserwartungen geradezu zur Bedingung dafür [wird], dass Kommunikation mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zur Wissensaneignung, und im Speziellen dann zur Wissens- und Personenveränderung führt« (Kade & Seitter 2007d: 450–451; Hervorhebungen im Original). Die dadurch entstehende Formenvielfalt des Pädagogischen erlaubt es dann, ebenso »Aneignungsmuster des Lernens an die Aneignungslogiken von Freizeit und Alltag« (Kade & Seitter 1996: 254) anzulegen. Darüber wird die Vielfältigkeit von Lernaktivitäten sichtbar. Dieser Zugang zum Verständnis des Lernortes macht auch deutlich, dass nicht die Beschreibung von Entgrenzung und Universalisierung weiterführt, sondern dass es um die Frage nach lernförderlichen Orten geht, »also nach solchen Orten, wo Thematiken des Lernens umfassender begriffen und Wissensaneignung tiefer er-

1

Die Wahl des Begriffs ›Lernkulturen‹ statt ›Lehr-Lern-Kulturen‹ macht deutlich, dass der Fokus der Betrachtungen auf dem Lernen (weitergedacht auch bis hin zu Bildungsmöglichkeiten) liegt. Das schließt die (aneignenden) Aktivitäten der Teilnehmenden im Lernkontext genauso mit ein wie die Vermittlungsangebote der Lehrenden. Lehren wird somit über die Begriffswahl als eine Form der Ermöglichung von Lernen impliziert. Zudem wird der Gefahr von einem Lehr-Lern-Kurzschlusses entgegengewirkt. Gleichzeitig, so wird im Folgenden noch gezeigt, kann darüber die Rolle der Teilnehmenden als Akteur*innen betont werden. Die Fokussierung auf Lehrkulturen würde hingegen nur aus der Perspektive der Lehrenden argumentieren können. Bewusst wird auch der Begriff ›Lernwelten‹ (Stang 2016) nicht verwendet, um deutlicher die verschiedenen ineinandergreifenden Handlungsebenen hervorzuheben und nicht nur die Entgrenzung des Lernens zu betonen. Ebenso wird hier nicht die Beschreibung »kleiner sozialer Welten« (Giese & Wittpoth 2014a, 2014b) angelegt, da diese zwar eine einzelne Akteur*innenseite fokussieren, jedoch nicht das Zusammenspiel zwischen den Akteur*innen mit unterschiedlichen Rollenzuschreibungen.

Lernkulturen im Da-Zwischen | 99

reicht werden kann als durch vereinzeltes Suchen oder auch durch eine vornehmlich verbale Instruktion« (Faulstich & Haberzeth 2010: 60). Lernorte außerhalb einrichtungsspezifischer Lehrkontexte sind daher auf ihre Vermittlungs- und Aneignungsangebote hin zu reflektieren. Grundsätzlich gilt es dann, zunächst danach zu fragen, welche Orte für Lernen und Bildung zur Verfügung stehen; also wie Erwachsenenbildung und Weiterbildung positioniert werden und welche Orte sie sichtbar halten (auch Gieseke 2010). Unter diesem analytischen Zugang sind auch Lernkulturen außerhalb von spezifischen Einrichtungskontexten der Erwachsenenbildung und Weiterbildung fassbar. Anknüpfend an Giese und Wittpoth (2014a, 2014b) wird Lernen daher als Lernen in Lebenswelten verstanden (Schütz & Luckmann 2017 [1975/1984]). So schließt sich hier die Rückbindung an Lernkulturen, die eben die Vielschichtigkeit der Lernzusammenhänge bis hin zur Vermittlung thematisieren, unabhängig von spezifischen Institutionalisierungs- und damit auch einhergehenden Ortszuschreibungen. Was alles unter Lernkulturen gefasst wird, unterliegt demnach den Kontextbedingungen eines umfangreichen Betrachtungsfeldes (Weinberg 1999). Beschrieb die Nutzung des Begriffs in der Erwachsenenbildungswissenschaft in den 1980er Jahren zunächst Veränderungen der Lehr- und Lernformen und schlossen sich daran bildungspolitische Gestaltungs(-an-)forderungen hin zu einer ökonomisch gewendeten Verzweckung des Lernens an, wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten vor allem (neue) Lernkulturen in Bezug auf selbstorganisiertes und selbstgesteuertes Lernen sowie Lernkulturen, die verschiedene didaktische Handlungsebenen der Erwachsenenbildung fokussieren, zu einem Analyseansatz (Fleige & Robak 2017). Denn mit dieser Begriffsdefinition öffnet sich die Analyse für unterschiedlichste Ausprägungen und Erscheinungsformen von Lernkulturen (Schüßler & Thurnes 2005; Egetenmeyer 2008; Gieseke et al. 2009; Klingovsky 2009; Fahrenwald 2011; Fleige 2011; Enoch & Robak 2015). Mit dem Verständnis von Lernkulturen, welches das Zusammenspiel der verschiedenen didaktischen Handlungsebenen betont, kann die jeweilige Lernkultur über einrichtungsspezifisches Lernen und Lehren auf der Mikroebene, also der jeweiligen Lehrsituation und Interaktion zwischen Lehrenden und Teilnehmer*innen, hinaus betrachtet werden: zum einen in Verbindung mit Ausprägungen auf der meso- und makrodidaktischen Handlungsebene, zum anderen eben auch außerhalb einrichtungsspezifischer Lehr- und Lernkontexte. Es geht dann zunächst nicht um die Fokussierung des individuellen Lernprozesses selbst und die Frage nach dem Was und Wie des Lernens Einzelner, sondern um die spezifische, hier als kulturell verstandene Ausprägung des Lernens zwischen und innerhalb der Handlungsebenen. In diesem Zusammenhang scheint es sinnvoll, den Begriff ›Kultur‹ in die Beschreibung mit aufzunehmen. Denn Kultur wird nicht verstanden als vorgegebene,

100 | Science Slam

statische Tatsache oder im Sinne einer Gestaltbarkeit in eine bestimmte Richtung, sondern als »interaktives und intersubjektives Konstrukt, das innerhalb bestimmter Reflexions- und Handlungszusammenhänge entsteht und daher auch im Rahmen dieser Reflexions- und Handlungszusammenhänge verändert werden kann« (Fahrenwald 2011: 18; Hervorhebungen im Original). 2 Veränderungen können über Interaktionen und Kommunikation erfolgen. Kultur erscheint als »Komplex von Sinnsystemen […], mit denen sich die Handelnden ihre Wirklichkeit als bedeutungsvoll erschaffen und die in Form von Wissensordnungen ihr Handeln ermöglichen und einschränken« (Reckwitz 2006: 84). Dieser Komplex von Sinnsystemen ist geprägt durch geteilte Interpretations-, Ausdrucks- und Orientierungsmuster sowie soziale Praktiken (Nieke 2008). Wird nun dieser begriffliche Zugang an die Handlungsebenen anlegt, erweist sich die Tatsache, dass sich die didaktischen Handlungsebenen in der Erwachsenenbildung jeweils auf Mikro-, Meso- und Makroebene ausgestalten, als relevant (Tietgens 1992). Dabei umreißt die makrodidaktische Handlungsebene neben politischen Entscheidungen aus Politikbereichen, die das Handeln in der Erwachsenen-

2

Reckwitz (2006) beschreibt folgende Typologie von Kultur: Der normative Kulturbegriff bezieht sich bewertend auf eine erstrebenswerte, ausgezeichnete und dabei gleichzeitig gestaltbare menschliche Lebensweise. Liegt dem Begriff in Antike und Renaissance noch eine Bezugnahme auf den individuellen Intellekt zugrunde, verweist die Verwendung seit der Aufklärung auf eine kollektive Eigenschaft (Reckwitz 2006: 66). Ein totalitätsorientierter Kulturbegriff vergeschichtlicht und kontextualisiert Kultur, sodass diese eine spezifische Lebensweise eines Kollektivs in einer bestimmten Epoche beschreibt (Reckwitz 2006: 72). Der Begriff »bezeichnet nun wertneutral die gesamte, historisch-spezifische Lebensweise einer sozialen Gruppe im Unterschied zu anderen sozialen Gruppen« (Reckwitz 2006: 72). Hier zeichnet sich ein holistisches Kulturverständnis ab: All das wird als Kultur bezeichnet, was vom Menschen gemacht ist, also nicht Natur ist. Kulturen werden nun als Plural konzeptualisiert, zwischen denen Gemeinsamkeiten und Differenzen erkennbar werden. Eingrenzend wirkt das differenzierungstheoretische Kulturverständnis, welches Kultur als Teilsystem innerhalb des sozialen Systems der Gesellschaft beschreibt. Kultur »wird von seinem Bezug auf ›ganze Lebensweisen‹ abgekoppelt und nun allein auf jene intellektuellen und künstlerischen Aktivitäten bezogen, die einer normativen Ausdeutung noch würdig erscheinen« (Reckwitz 2006: 79). Alle diese Kulturbegriffe machen jedoch die Kontingenz kultureller Orientierung unsichtbar (Koller 2014). Erst ein bedeutungs- und wissensorientierter Kulturbegriff bietet die Chance, Kontingenz zu thematisieren und dabei nicht nur Veränderbarkeit, sondern auch Durchdringung und Überlagerung herauszustellen (Koller 2014), um kulturelle Dynamiken und interpretative Mehrdeutigkeiten beschreiben zu können (Reckwitz 2006).

Lernkulturen im Da-Zwischen | 101

bildung beeinflussen, auch das jeweilige träger- oder einrichtungsspezifische Selbstund Aufgabenverständnis. Es handelt sich somit um die Systemebene. Die Programm- und Angebotsplanung innerhalb einer erwachsenenpädagogischen Einrichtung übernimmt eine Schnittstellenfunktion zwischen makro- und mikrodidaktischer Handlungsebene innerhalb der mesodidaktischen Handlungsebene (von Hippel et al. 2019). Programmplanung verweist auf das »Erwachsenenbildungsspezifische« (Tietgens 1992: 13), denn gegenüber curricularen Vorgaben, die sich in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung – wenn überhaupt – in der beruflichen Bildung oder im Bereich der Fremdsprachen finden, stehen hier Programme im Vordergrund. Sie sind Ergebnis des Programmplanungsprozesses, indem Angebote vor dem Hintergrund des jeweiligen Einrichtungsprofils inhaltlich gestaltet und dargestellt werden. Programmplanung beinhaltet also sowohl Spannungsfelder als auch Aushandlungsprozess. Die mesodidaktische Handlungsebene verstanden als Organisationsebene umfasst dabei auch die Planung einzelner Lernbereiche (von Hippel et al. 2019). Auf der mikrodidaktischen Handlungsebene findet sich dann die spezifische Lehr- und Lernsituation, in der es um Vorbereitung, Durchführung und Auswertung geht. Das Setting ist auf dieser Interaktionsebene zwischen Lehrenden und Teilnehmer*innen einzuordnen. Demnach sind Lernkulturen »keine isolierten Konstrukte«, sondern das Ergebnis verschiedenster Aushandlungsprozesse zwischen und in den benannten didaktischen Handlungsebenen, in denen (professionell) Handelnde (bspw. Planende, Lehrende) und Lernende unterschiedlich verortet sind (Fleige & Robak 2017: 624). Somit lassen sich Lernkulturen in unterschiedlicher Ausprägung charakterisieren. Über diese Multidimensionalität etabliert sich im Wechselverhältnis der genannten Handlungsebenen eine (einrichtungs-)spezifische Lernkultur, die als gestaltbares Konstrukt offenen Prozessen und einer hohen Dynamik unterliegt. Anschließend an einen bedeutungs- und wissensorientierten Kulturbegriff (Reckwitz 2006) sind Lernkulturen dabei aufgrund der vielen einflussnehmenden Facetten nicht unmittelbar zugänglich. Erst durch den Einbezug aller beteiligten Akteur*innen und ihrer Perspektiven wird das inhärente Konstrukt der jeweiligen Lernkultur fassbar (Gieseke 2009). Daher sind Lernkulturen nur anhand einer Vielzahl von Aspekten zu beschreiben, die erst im Zusammenspiel ein Muster ergeben, welches als bestimmte Lernkultur spezifiziert werden kann (Gieseke 2009). Die Einheit dieser einflussnehmenden Perspektiven und Aspekte wird als Figur des Da-Zwischen konzeptualisiert. Deutlich wird, wie differenziert und detailliert die jeweilige Lernkultur in ihren Zusammenhängen zu betrachten ist. Um das Da-Zwischen einer Lernkultur konzeptionell zu erfassen, wird die Annahme verfolgt, dass Lernkulturen sich über verschiedene Einflussgrößen kategorial aufspannen lassen. Diese Einflussgrößen wirken punktuell und dennoch prägend.

102 | Science Slam

Sie werden als Momente einer Lernkultur aufgegriffen, weil die Lernkultur eben nicht statisch, sondern in Bewegung ist und sich somit eine Offenheit bewahrt. Dabei kann etwas für kurze Zeit aufscheinen oder sich auch über einen einzelnen Zeitpunkt hinaus über eine gewisse Zeitspanne verfestigen. Grundlegend bleibt aber die Beweglichkeit der Lernkultur. Gleichzeitig wird mit den Momenten die Situierung des Lernens selbst betont: Zum einen ist Lernen verwiesen auf eine Leib- und Ortsverbundenheit, zum anderen ist Lernen eingebunden in »eine sozial verortete Praxis in Relation zu anderen Personen« (Stang et al. 2017: 647). Als Momente der Lernkultur können für den hier gewählten Zugang Emotionen in Verbindung mit Beziehungen, Erfahrungen und Deutungsmustern, aber auch Raum und Atmosphäre festgehalten werden. Diese Bündelung an ausgewählten Momenten, welche dann in ihrer Spezifik die Figur des Da-Zwischen prägen, unterstreicht, dass Lernen eben keine kognitivistisch reduzierbare Handlung (hier auch Göhlich & Zirfas 2007), sondern kontextualisiert ist. 4.1.1 Momente der Lernkultur: Emotionen und Beziehungen Das alleinige Involviert-Sein der Teilnehmer*innen in einen Veranstaltungszusammenhang reicht zum inhaltlichen Nachspüren nicht aus. Es bedarf eines ästhetischen Genusses, der ein Berührt-Sein und eine sinnliche Wahrnehmung erlaubt, sodass eine inhaltliche Beziehung entstehen kann (Gieseke 2007a). Daher kommt Emotionen eine grundlegende Bedeutung zu: Sie stützen maßgeblich Entscheidungen und Bewertungen. Demnach sind Emotionen nicht nur an Kognitionsprozessen beteiligt, ihnen kann sogar ein dominanter Platz in diesen Prozessen zugewiesen werden (Ciompi 1997; Roth 2003; Gieseke 2007a; Roth 2015). Izard (1994) unterscheidet zehn fundamentale Emotionen 3 in Abgrenzung zu Trieben und Körperempfindungen (u. a. Hunger, Durst, Müdigkeit), affektiv-kognitiven Strukturen oder Orientierungen (u. a. Introversion, Skeptizismus, Gelassenheit) sowie Affektinteraktionen (Emotion und Emotion, Emotion und Trieb). Weitere Abgrenzungen sind vorzunehmen zu Stoffwechselregulation, Grundreflex, Immunsystem sowie Schmerz- und Lustverhalten (Damasio 2005). Emotionen sind bestimmt durch ein Erleben, ein subjektives Empfinden und eine psychologische Reaktion im Verhalten. Demnach prägen sich Emotionen in unterschiedlicher Qualität, Intensität und Dichte aus. Als Anforderung an Lern- und Bildungsprozesse ist das Nach-Wirken vergangener Emotionserlebnisse, die über Muster abgespei-

3

Er nennt hier Interesse/Erregung, Vergnügen/Freude, Überraschung/Schreck, Kummer/ Schmerz, Zorn/Wut, Ekel/Abscheu, Geringschätzung/Verachtung, Furcht/Entsetzen, Scham/Schüchternheit/Erniedrigung, Schuldgefühl/Reue (Izard 1994).

Lernkulturen im Da-Zwischen | 103

chert sind und immer wieder – besonders in ähnlichen Situationen – abgerufen werden, einzuordnen. Insgesamt lassen sich Emotionen als komplexe Prozesse begreifen, die neurophysiologische, neuromuskuläre und phänomenologische Aspekte vereinen und dabei auf die Persönlichkeit wirken (Izard 1994: 67). Rückt der subjektive Zugang zum Erleben über Emotionen in den Mittelpunkt der Untersuchung (Pekrun 1988; Ulich 1989), ergeben sich erste Bezüge zu Lern- und Bildungsprozessen, die gestützt werden durch eine philosophische Betrachtung von Emotionen als vorantreibende oder behindernde Regulatoren. Emotionen bieten dann über ein InvolviertSein in Situationen Anschlussmöglichkeiten (Heller 1981). Dabei können sie jedoch nur selten sprachlich ausreichend detailliert vermittelt werden (Vendrell Ferran 2008). Da das subjektive Erleben eingewoben ist in zwischenmenschliche Beziehungen erhalten diese eine zentrale Relevanz für Emotionen. Gleichzeitig sind diese Beziehungen durch Emotionen geprägt. Daher werden Beziehungen als »grundlegendere Dimension des Lernens« (Gieseke 2007a: 220) beschrieben, da mit ihnen bisherige Grenzen im Lernprozess überschritten werden können. Sie bieten Anreize, Herausforderungen, Anforderungen, wecken Interesse und begleiten dabei die Entwicklung (auch Fuchs 2010). Beziehungen halten das Individuum über »den Dialog, die inhaltliche Herausforderung, die individuelle Auseinandersetzung und die an sie herangetragene inhaltliche Zumutung« in wechselseitiger Verbindung zur individuellen Freiheit gewissermaßen »lernfähig« (Gieseke 2007a: 224). Und obwohl die Bedeutung von Beziehungen für das Lernen zumindest in der Entwicklung des Kindes anerkannt ist, scheint es sich hier um einen Aspekt zu handeln, der spätestens in Hinblick auf Lernprozesse im Erwachsenenalter wenig Beachtung findet und kaum diskutiert wird (Gieseke 2007a). Dabei sind gerade nicht nur Beziehungen zu Menschen, sondern eben auch zu Inhalten gemeint, sodass die Relationalität in Lernprozessen noch deutlicher wird. Ausführungen zur Bedeutung von Beziehungen in der Erwachsenenbildung finden sich vereinzelt in Bezug auf Gruppenkonstellationen, Anfangs- und Endsituationen in Lehr- und Lernveranstaltungen und Beziehungen in Beratungsprozessen. Sie heben dann vorwiegend auf die mikrodidaktische Handlungsebene ab, die Beziehungskonstellationen auf makro- und mesodidaktischer Handlungsebene werden meist hingegen nicht ausdifferenziert. Beziehungen werden dabei grundlegend als »überdauerndes Hintergrundphänomen« (Fuhr 2003: 34; Hervorhebungen im Original) beschrieben. Diese Charakterisierung verweist darauf, dass Personen zum einen permanent in Beziehungen eingebunden sind, zum anderen aber auch, dass die Thematisierung von Beziehungen – falls sie überhaupt erfolgt – in erwachsenenpädagogischen Kontexten im Hin-

104 | Science Slam

tergrund verbleibt. Gleichzeitig sind Beziehungen ein »Erfahrungsphänomen« (Fuhr 2003: 34; Hervorhebung im Original), welches auf die erlebten Beziehungen verweist und sie in soziokulturelle Zusammenhänge einbettet: »Bei Eintritt in eine neue Gruppe wiederholt sich unbewußt das Modell der früheren Sozialisationsbeziehungen« (Brocher 1981: 34). Demnach wirken individuelle Besetzungen, Erfahrungen und Erlebnisse, auch resultierend aus Übergängen im Lebenslauf, auf die Ausgestaltung von Beziehungen. Aus diesem Erfahrungsphänomen heraus bilden sich »Beziehungsmuster« (Fuhr 2003: 35; Hervorhebung im Original), die an jede neue Beziehungserfahrung angelegt werden. Bedeutung erhalten dafür nicht nur Beziehungen aus dem Kindes- und Jugendalter, sondern auch Beziehungen aus dem Erwachsenenalter, die lebenslange Wirkung entfalten können. Erwachsenenpädagogische Lehr- und Lernkontexte sind dadurch geprägt, dass sich die Beteiligten als sich gegenseitig achtende Personen im Sinne einer personalen Symmetrie (Fuhr 2003) annehmen und gleichzeitig anerkannt wird, dass sie unterschiedliches, jedoch jeweils relevantes Wissen einbringen. Dennoch erfolgt aufgrund der individuellen Vorerfahrungen – vor allem in Lehrkontexten – ein Zugang über »bereits institutionell vorentschiedene[…] Rollendifferenzierungen« (Geißler 2004: 37), die im Verlauf des Lehrkontextes weiter ausdifferenziert werden. Dies kann auch daran liegen, dass pädagogisch Handelnden (u. a. Lehrenden, Berater*innen) – wenn auch nicht explizit durch die Teilnehmer*innen ausformuliert – zugeschrieben wird, »Strukturierungsangebote« vorzuhalten, »um die soziale Situation und die Beteiligten aus ihrer Unsicherheit herauszuführen« (Geißler 2004: 35). Eine Auseinandersetzung mit den anderen am Prozess Beteiligten ist dabei immer gegeben. Zusammengeführt werden können die Anforderungen an die jeweilige Situation der Beziehungsausgestaltung über Fragen, die sich auf (a) die Beziehung jede*r/s anderen zu einem selbst, (b) die Beziehung der anderen untereinander, (c) die Motivation der Teilnehmer*innen im Hinblick auf ihre Gruppenzugehörigkeit, (d) die pädagogisch Handelnden, (e) den Wissensvorsprung und die Informationen, über welche/n andere verfügen, (f) die Absicherung gegen vermutete Gefahren sowie (g) die Folgen von Beziehungen von Teilnehmer*innen untereinander beziehen (in Anlehnung an Sbandi 1973, in Geißler 2004: 37–38). Deutlich wird, dass in diesen Situationen der Beziehungsausgestaltung Emotionen, Erfahrungen und Deutungsmuster Einfluss nehmen.

Lernkulturen im Da-Zwischen | 105

4.1.2 Momente der Lernkultur: Erfahrungen und Deutungsmuster Biografie- und situationsspezifisch bilden sich individuelle Relevanzstrukturen heraus, die sich zu interpretativen Mustern verdichten und als Deutungsmuster beschrieben werden können. Deutungsmuster verweisen somit auf Sinnzusammenhänge und dienen gleichzeitig als Aneignungsstrategie, da neue Situationen und Erfahrungen im Kontext der Deutungsmuster eingeordnet werden. Erfahrungen unterliegen keiner experimentellen Versuchsanordnung, sondern beruhen auf individuellen lebenspraktischen Erkenntnissen, entspringen somit der lebensweltlichen Praxis (Gieseke 1996) und werden dann über Deutungen artikuliert. Erfahrungswissen generiert sich demnach durch die Verarbeitung und damit Verdichtung von Eindrücken und Erlebnissen, die eine spezifische Form des Wissens bedingen. Hier lassen sich Verbindungen zu den Ausführungen von Schütz (2003a [1945]) sowie Berger und Luckmann (2013 [1969]) ziehen, die der Annahme unterliegen, dass Menschen bei der Wahrnehmung der Welt und des Selbst auf vorhandene und individuelle Kategorien und Typisierungen zurückgreifen. Bollnow (1968) betont das Schmerzhafte von Erfahrungen, da sie mühsam angeeignet werden. In Anlehnung an Gadamer (1960) werden Erfahrungen dabei auch als durchkreuzte Erwartungen erlebt, dieser Prozess kann aber auch als »Aufbrechen festgefahrener Täuschungen« (Faulstich 2014b: 57) charakterisiert werden. Zunächst könnte dennoch der Ansatz greifen, dass Erfahrungen auf keinem eigentlichen Tun, sondern auf einem Machen-Müssen, einem Ausgeliefert-Sein beruhen. Perspektivisch können sie jedoch nicht nur als erzwungen, sondern auch als ›gesammelt‹ beschrieben werden (Bollnow 1968). Das heißt also, dass Erfahrungen zwar nicht geplant werden können, ihnen aber durch Ausprobieren und Versuchen begegnet werden kann. Sie unterstützen dann die Interpretation von Wirklichkeit und bieten Orientierungs- sowie Rechtfertigungspotenziale (Gieseke 1996: 12). In diesen Zusammenhängen werden Erfahrungen nicht zugemutet, sondern wirken unterstützend für Deutungen. Es wird deutlich, wie sehr die Betrachtung von Erfahrungen durch die jeweilige Perspektive changiert. Dabei können Erfahrungen neben der positiven Deutung als Lernmotivation – ganz unabhängig von der Perspektive – zu Lernbarrieren werden, da »die persönlichkeitsstabilisierende Wirkung von Erfahrungen [auch] eine Offenheit in der Lernsituation behinder[n]« kann (Gieseke 1996: 13). Trotz oder gerade wegen dieser »persönlichkeitsstabilisierenden Wirkung« (Gieseke 1996: 13) bedürfen Erfahrungen einer entsprechend erarbeiteten Offenheit, sodass die Erfahrung selbst niemals abgeschlossen ist (Bollnow 1968: 233–235).

106 | Science Slam

Erfahrungen sind dabei über den gesamten Lebenslauf individuell geprägt und reguliert, Deutungsmuster hingegen erhalten aufgrund ihres kollektiven Charakters eine soziale Komponente und sind somit zeitgeschichtlich in die gesellschaftliche Entwicklung eingebettet. Zwar werden Deutungsmuster 4 in der wissenschaftlichen Rezeption häufig synonym zu anderen Begriffen verwendet, deutlich wird aber, dass sich verschiedene eigene Traditionsstränge des Begriffsgebrauchs entwickelt haben (Arnold & Schüßler 2015). 5 Über Deutungsmuster ist es prinzipiell möglich, die Art zu beschreiben, wie und wodurch Menschen ihre soziale Wirklichkeit im Rahmen von Gewissheit und Plausibilität interpretieren. Es wird mit ihnen »ein interpretativer Zusammenhang oder Argumentationszyklus skizzier[t], in dem soziale Sachverhalte in eine sinnhafte Ordnung gebracht werden« (Dewe 1988: 203). Dabei werden Deutungsmuster je nach Traditionsstrang auf unterschiedlichen Ebenen psychischer Repräsentation (kollektiv-individuell) und je nach Zuschreibung von Veränderungsmöglichkeiten verortet. Generell bilden Deutungsmuster »ein ›ensemble‹ von Wissensbeständen, das eine ›innere Logik‹ aufweist« (Oevermann 2001: 43, zit. in Meuser 2006: 31). Sie sind jedoch in ihrer inneren Logik für die*den Einzelne*n nicht zwingend explizit nachzuvollziehen und zu kommunizieren. Hier ist der Kern des Deutungsmusterkonzeptes angesprochen: der Verweis auf Konsistenzregeln (Meuser & Sackmann 1992: 16). Handelnde ›besitzen‹ demnach ein praktisch anwendbares, implizites Wissen, welches es ermöglicht, in Situationen den Regeln nach zu handeln und die jeweilige Handlung auch zu beurteilen (Meuser & Sackmann 1992: 16). Dabei reicht häufig ein Rezeptwissen in Routinesituationen aus, um Handlungen zu vollziehen. Dieses implizite Wissen ist in langwierigen kollektiven Praxen als Muster eingeschrieben worden, welche Handlungssicherheit versprechen. Deutungsmuster übernehmen demnach eine konstituierende Funktion. Neue Erfahrungen oder auch Inkonsistenzen im Wissen fordern jedoch dazu auf, Deu-

4

Der Begriff ›Deutungsmuster‹ wird in der Literatur durch die Eingrenzung ›Konzept‹ oder ›Ansatz‹ ergänzt. Hier liegt die Annahme begründet, dass es sich bei den Ausarbeitungen Oevermanns Anfang der 1970er Jahre »um eine Methodologie zur qualitativen Analyse von Textdaten mit dem Status eines heuristischen Konzepts« (Schetsche 2000: 110) handle.

5

Genannt werden können hier u. a. phänomenologische Handlungstheorie, linguistische Pragmatik, kognitivistische Entwicklungspsychologie oder Wissenssoziologie. Die für alle Auseinandersetzungen im Manuskript Oevermanns (2001) zu findende Grundlegung bezieht ihre Relevanz aus »dem Versuch, eine Reihe von Strukturmerkmalen von Deutungsmustern zu formulieren, sowie darin empirische Forschung und theoriesprachliche Begrifflichkeiten eng miteinander zu verzahnen« (Meuser & Sackmann 1992: 15).

Lernkulturen im Da-Zwischen | 107

tungsmuster zu revidieren, umzustrukturieren oder neue Deutungsmuster auszubilden. Sie sind somit »prinzipiell entwicklungsoffen« (Oevermann 1973: 9, zit. in Meuser & Sackmann 1992: 17). Dennoch ist die individuelle Varianz der Deutungsmuster innerhalb einer sozialen Gruppe durch den Zwang zur Kompatibilität begrenzt, denn nur so bleibt die*der Einzelne verstehbar (Schetsche 2000: 130). Deutungsmuster unterliegen also einer Persistenz, die auch bedingt wird durch Verselbstständigung und Ablösung der Deutungsmuster von ihren Entstehungskontexten – dennoch sind diese Deutungsmuster aufgrund postmoderner Veränderungsprozesse zunehmend schnelllebiger. Abhängig von dem jeweiligen theoretischen Konstrukt werden verschiedene der erwähnten Bedeutungselemente von Deutungsmustern in den Fokus gerückt und lassen divergente Interpretationen von Deutungsmustern mit einer unterschiedlichen Beschreibungstiefe und Anzahl an Charakteristika zu, die in Tabelle 1 stichpunktartig vorgestellt werden. Tabelle 1: Bedeutungselemente zur Beschreibung von Deutungsmustern in verschiedenen Diskursen

6

Bedeutungselemente in der erwachsenenpädagogischen Diskussion (nach Arnold 1985 sowie Arnold & Schüßler 2015) 6 gesellschaftliche Vermitteltheit (sozialisatorische ›Überlieferung‹, kollektive Sinngehalte) Persistenz früherer Erfahrungen (Resistenz früh erworbener Muster gegenüber Veränderungen)

Bedeutungselemente in der sozialwissenschaftlichen Diskussion (nach Meuser & Sackmann 1992 sowie Höffling et al. 2002) kollektive Verbreitung von Deutungsmustern

Kontinuität (Beibehaltung bewährte Muster, Sicherung einer stabilen Ich-Identität)

normative Geltungskraft von Deutungsmustern

Erzeugung sozialer Gemeinschaft

Die beschriebenen zehn Bedeutungselemente nach Arnold (1985) und Arnold und Schüßler (2015) lassen sich unter den Punkten Prozesscharakter des individuellen Bewusstseins (gesellschaftliche Vermitteltheit, Persistenz früherer Erfahrungen, Kontinuität, relative Flexibilität), Pragmatik des Alltagswissens (Perspektivität, Plausibilität, Reduktion von Komplexität) und Strukturiertheit des individuellen Bewusstseins (Konsistenz, Latenz, systematisch-hierarchische Ordnung) subsumieren (Arnold 1999: 2–4).

108 | Science Slam

Bedeutungselemente in der erwachsenenpädagogischen Diskussion (nach Arnold 1985 sowie Arnold & Schüßler 2015) 6

Bedeutungselemente in der sozialwissenschaftlichen Diskussion (nach Meuser & Sackmann 1992 sowie Höffling et al. 2002)

relative Flexibilität (Anpassungsfähigkeit) Perspektivität (standpunkt-, biografie- und lebensweltabhängige Interpretation der Realität) Plausibilität (routinisiertes Handeln auch unter Zeitdruck)

Verständigung über Grenzsituationen

funktionaler Bezug von Deutungsmustern zu objektiven Handlungsproblemen

Reduktion von Komplexität (selektive, vereindeutigende Wirklichkeitsverarbeitung)

Antizipation von Situationsentwicklungen Komplexitätsreduktion

Latenz (Tiefenstruktur gesellschaftlichen Bewusstseins, unbewusster Umgang)

Begrenztheit der reflexiven Verfügbarkeit von Deutungsmustern

Konsistenz (Realitätsadäquanz)

konsistente Strukturierung von Deutungsmustern verbürgt durch generative Regeln

systematisch-hierarchische Ordnung (hierarchisch gegliederte, lebensgeschichtlich geprägte kognitive Deutungsstruktur) relative Autonomie der Deutungsmuster als eigene Dimension sozialer Wirklichkeit Quelle: eigene Darstellung

Zusammengefasst haben Deutungsmuster kognitive, affektive und konative Komponenten. Sie stehen in einem deutenden, sinnadäquaten, nicht kausalen Zusammenhang. Die aus ihnen resultierenden Argumentationsstrukturen basieren auf

Lernkulturen im Da-Zwischen | 109

pragmatischen Kriterien der individuellen Gültigkeit und Angemessenheit, sodass individuelle Handlungsfähigkeit möglich ist. Trotz ihres dauerhaften Charakters sind sie entwicklungsoffen, das heißt, dass über Reflexionen auch Veränderungen von Deutungsmustern möglich sind. Verlieren sie jedoch ihre Entwicklungsoffenheit, werden sie zu Stereotypen und Klischees. Aus dieser Charakterisierung wird deutlich, dass Deutungsmuster vorwiegend auf das Alltagswissen bezogen werden. Treffen sie auf andere Wissensstrukturen, ergeben sich demnach Reibungspunkte. Notwendig sind hier verbindende Sinnauslegungsprozesse, die ein Einordnen und Deuten der Wissenselemente und Einzelinformationen ermöglichen. Das Anknüpfen an vorhandene Erfahrungen und Deutungen steht deswegen im Fokus erwachsenenpädagogischen Handelns (auch Dybowski & Thomssen 1982). Andernfalls würde Erwachsenenbildung auf der Stufe des Erkennens von Erfahrungen und Deutungsmustern verharren und nicht den Schritt zum Angebot der Entwicklung und Differenzierung bis hin zur Transformation über die Offenlegung von Bruchstellen und Freiheitsgraden bisheriger Deutungsmuster gehen. Es geht darum, sich der Motivationszusammenhänge und Entstehungs- sowie Wirkungsweisen von Deutungsmustern bewusst zu werden (Arnold 1985: 20, in Anlehnung an Tietgens 1983), wodurch sich interaktive und lebensweltliche Aspekte verbinden. Erwachsenenbildung kann dann Raum und Zeit für Reflexionen bieten. 4.1.3 Momente der Lernkultur: Atmosphäre und Raum 7 Aus einer räumlichen Perspektive auf Wissen 8 ist generell festzuhalten, dass die »Aneignung, Verbreitung und Bewahrung von Wissen immer schon einen räum-

7

Erkenntnisse aus diesen theoretischen Auseinandersetzungen sind in die Veröffentlichungen von Stimm (2016, 2018) eingeflossen.

8

Für die hier folgenden Betrachtungen ist es notwendig, Raum und Ort voneinander abzugrenzen. »Der Ort wäre also begrenzt, oft materiell greifbar und lokalisierbar im Raum, der sich wiederum mit seiner Hilfe (ständig neu) konstituiert« (Lehnert 2011: 12). Orte werden somit überlagert von unterschiedlichen Räumen, die sich wiederum durch den unterschiedlichen Gebrauch der Orte konstituieren. Räume überlagern den Ort nicht nur aufgrund des funktionalen Gebrauchs, sondern vor allem aufgrund unterschiedlicher atmosphärischer, ästhetischer und emotionaler Qualitäten. »Ein Lernort ist demnach ein lokalisierbarer und entsprechend bezeichneter Ort, an dem Lernen stattfinden soll […]. Ein Lernraum entsteht demgegenüber durch die Aneignung eines Ortes im Vollzug des Lernens« (Stang et al. 2017: 648; Hervorhebungen im Original). Lernen kann somit an vielfältig konnotierten Orten stattfinden, die entweder bereits diesem Zweck unterliegen oder eigens von einem selbst bzw. anderen dafür geschaffen wurden.

110 | Science Slam

lichen Bezug […] [aufweist]. Archive, Bibliotheken, Labore, Schulen, Universitäten, ja selbst Salons, Clubs und Kaffeehäuser sind nachgerade klassische Orte der Generierung, des Austauschs und der Vermittlung von Wissen« (Schroer 2010: 281). Damit einhergehend haben sich exklusive Orte der Wissensgenerierung und des Wissensaustauschs, beispielsweise in Form von Klöstern oder Universitäten, herausgebildet, wodurch sich Wissen institutionell zentralisiert hat (Schroer 2010: 283). Mit der zunehmenden Entdifferenzierung der Wissenschaften kann nun als gleichzeitige Entwicklung festgehalten werden, »dass die Universitäten nicht länger der privilegierte, noch gar der einzige Ort der Produktion wissenschaftlichen Wissens sind; die Wissenschaft als soziale Institution diffundiert in viele Bereiche der Gesellschaft; der Zugang zu wissenschaftlichem Wissen wird prinzipiell für alle gesellschaftlichen Gruppen geöffnet« (Weingart 2003: 134). Die Orte der Wissensgenerierung und des Wissensaustauschs überlagern sich infolge der geschilderten Entwicklungen und bieten nun verschiedene Aktivitäten an, sodass sie ihre vormalige Eindeutigkeit, Spezifität und Ausschließlichkeit einbüßen. Dadurch ergeben sich Enthierarchisierungstendenzen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, die sich in den genutzten Orten widerspiegeln. Das Wissen selbst kann nunmehr losgelöst von bestimmten Ortsbezügen gedacht werden und ist scheinbar überall zugänglich und ubiquitär, sodass keine strenge Ortszuweisung mehr existiert. Gleichzeitig werden Orte inhaltlich besetzt, um institutionelle Identität zu wahren. Die Enthierarchisierungstendenzen machen deutlich, dass Identität und Fühlen von Leiblichkeit demnach eng verknüpft sind mit Fragen der räumlichen Figuration (Schroer 2010). Erst in der leiblichen Anwesenheit wird der Raum damit seiner Enge und Weite er-spürbar. Räume binden dabei einerseits Emotionen und setzen sie andererseits auch frei. Die Unterscheidung von Raumstrukturen nach Schmitz (2009) erscheint daher als theoretische Grundannahme angebracht. Seine Überlegungen stärken die Subjektivität und schlagen eine Brücke zwischen den individuellen Lebenserfahrungen und der dominanten Vergegenständlichung der Welt. Er unterscheidet vier Raumstrukturen für eine phänomenologische Betrachtung: (a) leiblicher Raum, (b) Gefühlsraum, (c) Ortsraum und (d) Wohnung. Der leibliche Raum gilt ihm als der »elementare, ursprüngliche Raum, ohne den es keinen Zugang zu erfahrbarer Räumlichkeit in irgendeinem Sinne gibt« (Schmitz 2009: 47). »Raumbetrachtungsebenen« (Stimm 2016) als analytische Heuristik können mit Blick auf Lernkulturen für »Ortsraum« und »Gefühlsraum« (Schmitz 2009) ausdifferenziert werden: Der ›Ortsraum‹ ist charakterisiert als territorial und örtlich im mathematischen, geografischen, optischen, künstlerischen oder physikalischen Sinne, welche sich über funktionale Zuschreibungen ausdifferenziert. Er ist ein »dem Leib entfremdete[r] Raum« und »besteht aus wechselhaft besetzbaren, relati-

Lernkulturen im Da-Zwischen | 111

ven, d. h. nur durch ihr gegenseitiges Verhältnis nach Lage und Abstand bestimmten Orten, die den Raum vollständig ausfüllen« (Schmitz 2009: 42). Die Entfremdung des Raumes vom Leib ermöglicht dabei prinzipiell die Orientierung im Raum und dessen Verfügbarkeit. Ausgehend von dieser Charakterisierung lassen sich Verbindungslinien zu einem absoluten Raumverständnis ziehen. Raum wird als ein Behälter oder Container beschrieben, in welchem Menschen und Objekten ein fester Platz zugewiesen ist (Kessl & Reutlinger 2010: 22) und – sozialwissenschaftlich betrachtet – soziale, politische sowie ökonomische Räume zusammenfallen sowie »an den jeweiligen territorialen Grenzen der Staaten enden« (Schroer 2008: 151). Der absolute Raum beschreibt den Raum als »ein fixiertes Ordnungssystem […], das nicht abhängig ist von den darin enthaltenen Körpern« (Kessel & Reutlinger 2010: 22). Der Raum wird somit zur Hülle für die darin befindlichen Körper und Objekte (Schroer 2008: 44). Durch die bewusste Wahl von Veranstaltungsorten in Formaten der Wissenschaftskommunikation außerhalb von wissenschaftlichen Kontexten werden individuelle Zuschreibungen zur wissenschaftlichen Ver-Ortung aufgebrochen. Wissenschaften werden aus ihren anerkannten Umgebungen (Vorlesungssaal, Labor u. Ä.) herausgelöst und in einem ›Ortsraum‹ präsentiert, der in seinem Selbstverständnis und in seiner kulturellen sowie politischen Ausrichtung bisher möglicherweise keine Verbindungslinien zu wissenschaftlichen Kontexten und Themen aufweist. Kontextbedingungen werden also für bestimmte Zwecke geschaffen, sodass »Orte wie […] ›der Hörsaal‹ […] im Alltagsdenken und in der Alltagskommunikation als sinnhafte, kognitive oder semantische Einheiten (erscheinen), in denen kulturelle Wertungen, Bedeutungen, soziale Regeln oder Gepflogenheiten miteinander verschmelzen« (Lippuner & Lossau 2010: 114) und soziale Praktiken wirksam werden. Ein räumlicher Verschiebungsprozess führt dann zu einem Durchbrechen von »Verhaltensregeln« (Schroer 2006: 177) und örtlichen Funktionalitätszuschreibungen. Damit entsteht jedoch ein Spannungsverhältnis zwischen dem erwarteten und dem tatsächlich genutzten Ort. Die Wirkung des Raumes ist durch seine soziale und materielle Ausstattung auf bestimmte soziale Praktiken gemünzt, die nun aufgebrochen werden. Die Einbettung in bestimmte Orte, die eine Verschiebung von Raumerwartungen hervorrufen, führt zu einer Überlagerung verschiedener Erlebnisepisoden und zu einer damit einhergehenden Befragung der sozialen Praktiken (Reckwitz 2003: 289). Räume bringen demnach Handeln hervor, aber dieses reproduziert wiederum auch räumliche Strukturen (Löw 2007). Der Raum entsteht also erst in der je individuellen sinnlichen Wahrnehmung (auch Faulstich 2014a), die – so muss reflektiert werden – geprägt ist von sozialen Praktiken, Emotionen, Deutungsmustern und Erfahrungen,

112 | Science Slam

welche jedoch gleichzeitig auf die Wahrnehmung zurückwirken. Eine Analyse der Konstitution von Raum/Räumen kann somit erst gelingen, wenn die Bausteine des Raumes und die Beziehungen zueinander bekannt sind (auch Löw 2007). Menschen ›besitzen‹ somit – beruhend auf sozialen Praktiken, Erfahrungen und Deutungsmustern – ein Raumbewusstsein, ein Raumgefühl und eine entsprechende Gestimmtheit innerhalb des Raums, die das individuelle Verhältnis zum Raum lenken (auch Gieseke 2007a). Demnach lässt sich auch ein ›Gefühlsraum‹ beschreiben, der als Raum verstanden wird, »in dem sich Gefühle als räumlich ortlos ergossene, leiblich ergreifende Atmosphären ausdehnen« (Schmitz 2009: 47). Dies ist das Vermögen, »im affektiven Betroffensein sich leiblich fühlen zu lassen« (Schmitz 2009: 47). Die Strukturen des Raumes entsprechen den leiblichen Strukturen oder ergeben sich aus diesen, sodass aufgrund dieser Ähnlichkeit Stimmungen erfahrbar werden. Das heißt jedoch auch, dass Stimmungen und Emotionen »miteinander einen Raum eigentümlicher Struktur« (Schmitz 2009: 57) ausbilden. In diesem Sinne entsteht ein individueller Raum, der jeweils erlebt, gefühlt und gestaltet, aber auch erinnert wird. Das heißt, dass Stimmungen und Emotionen auf Räume projiziert werden, die darüber eine ihnen zugeschriebene oder zeitlich erworbene Aura erhalten (Lehnert 2011). Diese wiederum ermöglicht das Entstehen von Atmosphäre, die durch ein dynamisches, zirkuläres und sich bedingendes Wechselverhältnis zwischen Raumkonstruktionen, Inhalten und beteiligten Akteur*innen bestimmt ist. Dabei beeinflussen Atmosphären auch Interaktions- und Beziehungskonstellationen im Raum (Gieseke 2010), sodass Atmosphäre auch kollektiv erfahrbar ist. Sie wird leiblich spürbar in dem Moment aufgenommen, wenn Räume betreten werden (Schmitz 2009). Grundlegend für die ›gespürte‹ Atmosphäre und ihre Wirkungen im ›Gefühlsraum‹ ist Relationalität (Gieseke 2007a), die sich in einem relationalen Raumverständnis widerspiegelt, welches die Vorstellung eines absoluten Raumes mit der Vorstellung eines relativen Raumes 9 verknüpft. Dieser relationale Raum beschreibt eine »(An)Ordnung« (Löw 2001: 271). Die im alltäglichen Zusammenhang als getrennt wahrgenommenen Objekte, aber auch die wirkenden Atmosphären müssen somit relational zusammengeführt werden (Schäffter 2014b).

9

Zwischen absolutistischen Raumvorstellungen und einem relationalen Raumbegriff können relativistische Theorien eingeordnet werden, die die Wahrnehmung des Raumes durch die*den Einzelne*n in den Vordergrund rücken (Löw 2001).

Lernkulturen im Da-Zwischen | 113

Demnach bedarf es eines Zusammendenkens der aufgezeigten Raumbetrachtungsebenen. 10 Dabei ist darauf zu achten, wie Raum in Handlungen und Kommunikationszusammenhängen konstruiert wird, und dennoch zu berücksichtigen, »was der Raum selbst vorgibt« (Schroer 2006: 178). Raum entsteht dann auch entlang der konkret-materiellen Ausstattung durch Bewegung, Wahrnehmung sowie soziales und symbolisches Handeln von Menschen, sodass deutlich wird, dass er auch durch Raumvorstellungen und soziale Aushandlungs- sowie Interaktionsprozesse bestimmt ist (Löw 2001; Lehnert 2011). Die Raumbetrachtungsebenen verstärken die Bedeutung der Abhängigkeit von der individuell-sinnlichen Wahrnehmung bei der Bestimmung von Raum im jeweiligen Kontext. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass auch Lernende nie unabhängig von ihrer Lernumgebung betrachtet werden können und erst sie die Bedeutsamkeit des Lernortes ausprägen (auch Faulstich 2014a). In Abbildung 6 wird eine Heuristik vorgestellt, um die Lernumgebung und die Inszenierung der dort eingebetteten didaktischen Gestaltung unabhängig vom Institutionalisierungsgrad der Lernumgebung herauszuarbeiten. Abbildung 6: Inszenierungsgrad von Lernorten

Quelle: in Anlehnung an Faulstich & Haberzeth 2010: 76

Diese Heuristik nach Faulstich und Haberzeth (2010) richtet sich entlang der Dimensionen (a) Intentionalitätsgrad der Vermittlung zwischen zufällig/nebenbei 10 An diese Ausführungen lässt sich ein Verständnis vom ›Sozialraum‹ anknüpfen, dass »die Verbindung von materiellen und symbolischen Komponenten« meint (Löw 2001: 15).

114 | Science Slam

und bewusst/gezielt, also mit ausgesprochener Vermittlungsabsicht, sowie (b) Institutionalisierungsgrad des Lernens zwischen informell, demnach außerhalb institutionalisierter Lehrkontexte, und institutionalisiert aus. Anhand von Beispielen entlang dieser beiden Dimensionen wird deutlich, wie divers sich zunächst Lernorte ausgestalten. Daran gebunden ist der Gedanke, dass diese Orte von sich individuell und kollektiv ausbildenden Räumen überlagert werden. Diese können, müssen aber nicht als Lernraum wahrgenommen werden. Deutlich werden an dieser Stelle argumentative Verbindungslinien zu der dargestellten Diversifizierung von Lernkulturen. Der Zugang über den Inszenierungsgrad von Lernorten macht deutlich, dass Lernkulturen in der Betrachtung einerseits außerhalb einrichtungsspezifischer oder institutionalisierter Kontexte positioniert werden können und andererseits für die Analyse auch im ersten Zugang nicht der Zuschreibung einer spezifischen Einrichtung der Erwachsenenbildung und Weiterbildung unterliegen müssen.

4.2 SCIENCE SLAM ALS ERWACHSENENPÄDAGOGISCHE LERNKULTUR Science Slam wird als ein Format der Wissenschaftskommunikation eingeordnet. Bei diesem Veranstaltungsformat besteht explizit der Anspruch, 11 Wissenschaften aus den ihnen zugeschriebenen konventionellen Orten zu verlagern, sodass sich daran die Verschiebung von örtlichen Funktionalitätszuschreibungen feststellen lässt. Gleichzeitig wird im Science Slam deutlich, dass Wissenschaftler*innen selbst nicht mehr nur wissenschaftliches Wissen erarbeiten, sondern auch die Aufgabe der Vermittlung übernehmen, die zielgruppenspezifisch variiert. Als Slammende im Science Slam identifizieren sie ein relevantes Thema und stellen es in einen gesellschaftlichen Zusammenhang. Im Veranstaltungsformat wird das wissenschaftlich erarbeitete und nun präsentierte Wissen in der Konfrontation mit Deutungsmustern und Erfahrungen sowie dem daran anschließenden Alltagswissen be- und verhandelt. Hill (2018) identifiziert zwei durch die jeweils auftretenden Wissenschaft11 Neben dem Science Slam können auch andere Veranstaltungsformate angeführt werden, die Kommunikation zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten durch ihre Formatstruktur oder ihre Zielsetzung verändert definieren: u. a. Pecha Kucha (vorgeschriebene Anzahl von PowerPoint-Folien in vorgeschriebener Zeit besprechen), Science Busters (Physik als Kabarett) oder ›Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen‹ (Wissensaustausch in Zweier-Gesprächen mit weiteren Zuhörenden). Elemente aus diesen Veranstaltungsformaten finden sich im Science Slam wieder.

Lernkulturen im Da-Zwischen | 115

ler*innen genutzte Rechtfertigungsmuster der Nutzbarmachung von wissenschaftlichem Wissen: (1) ›Science and Use‹, bei dem das wissenschaftliche Wissen als Ausgangspunkt genutzt und dann auf ein allgemein gesellschaftliches Problem angewandt wird, oder (2) ›Use of Science‹, bei dem ein gesellschaftliche Problem zum Ausgangspunkt wird und mithilfe von Wissenschaften Lösungsangebote offeriert werden. Somit ist die Lernkultur ›Science Slam‹ 12 zentral geprägt von einer unterstellten Differenz zwischen den durch die Akteur*innen eingebrachten Wissensstrukturen, in deren reziproker Transformation sich Lern- und Bildungsprozesse erkennen lassen. Gestützt wird diese Annahme durch die performancetheoretische Grundlegung des Veranstaltungsformats, die deutlich macht, dass in der Performance »Wissen und Erfahrung als Art und Weise der Welterschließung an eine Grenze« stoßen, die »Intensität und Reibung« (Seitz 1996: 344) erzeugt. Diese Reibungsflächen sind Voraussetzung für Lern-, aber auch Bildungsprozesse (Schäffter 2001). 4.2.1 Ursprünge im Literaturwettkampf Die Ursprünge des ›Science Slam‹ können im Veranstaltungsformat ›Poetry Slam‹ identifiziert werden. Dieses weist in seiner Ausgestaltung zentrale Aspekte auf, die sich auch im Science Slam wiederfinden. Der Poetry Slam entstammt der ›Spoken Word Bewegung‹ in den USA der 1950er Jahre, die Raum für künstlerische Experimente schuf (Westermayr 2004: 12). In den Vororten US-amerikanische Großstädte wurde damals nach neuen Ausdrucksformen für sozialkritischen Protest gesucht, woraus sich schließlich eine literarische Bewegung formierte, deren spezifisches Merkmal die Mündlichkeit war. Schon im folgenden Jahrzehnt entwickelte sich in Cafés eine Poetry-ReadingSzene, die eine alternative poetische Gemeinschaft abseits vom akademischen

12 Interessant sind hier Bezüge zu »kleinen sozialen Welten« (Giese & Wittpoth 2014a, 2014b), die zwar nicht das Zusammenspiel verschiedener Akteur*innen in unterschiedlichen Rollen fokussieren, jedoch herausarbeiten, dass diese sozialen Welten als Lernorte fungieren (können) und Anlässe für Lernen bieten. Dafür analysieren Giese und Wittpoth (2014a) Formen und Orte der Aneignung und Vermittlung von Wissen, Arten des verfügbaren Wissens sowie Funktionen des Wissenserwerbs und des erworbenen Wissens. Im Vergleich von sozialen Welten konstatieren sie, dass Wissen zwar eine außerordentlich große Rolle spielt, aber Aneignung und Austausch von Wissen je nach sozialer Lebenswelt eine randständige Bedeutung haben (Giese & Wittpoth 2014a: 173). Es geht vielmehr darum, »Gewissheiten zu produzieren, fraglos Selbstverständliches gegenüber ›Bedrohung‹ abzuschirmen« (Giese & Wittpoth 2014a: 175).

116 | Science Slam

Literaturbetrieb symbolisiert. Auf der Suche nach einem Verfahren, mit dem sich in der modernen Literatur Gesellschaft und Lebenswelt beschreiben lassen, etablierte sich aus diesen Entwicklungslinien heraus Mitte der 1980er Jahre der Poetry Slam (Preckwitz 2002: 45). Die Umwandlung von einer Dichter*innenlesung zu einer Show im sportlichen Wettkampfstil 13 war dabei von entscheidender Bedeutung. Das Veranstaltungsformat ermöglicht es durch die persönliche Vermittlung eines oralen Textes, diesen von Zuhörer*innen legitimieren zu lassen und als »kollektives literarisches Experiment« (Preckwitz 2002: 22) eine symbolische Verständigung über die Lebenswelt zu erwirken. Während eines Poetry Slams kann sich demnach jede*r auf der Bühne präsentieren oder als Kritiker*in aus dem Publikum heraus agieren. Erkennbar wird, dass die Rollen während eines Poetry Slams nicht eindeutig vergeben sind. Es wird explizit dazu aufgefordert, sich einzubringen, einzumischen und zu kommentieren. Die Innovation liegt somit in der direkten Publikumsrückmeldung, in der Verbindung von Inhalt und mündlicher Vortragskunst zur Performance und in der selbstorganisierten literarischen Gemeinschaft. Kommunizierbarkeit und Zugänglichkeit werden mit den neuen Paradigmen Präsenz, Performance und Persönlichkeit gekoppelt. Die Charakteristika des Poetry Slams bieten Verweise auf den Science Slam als Veranstaltungsformat der Wissenschaftskommunikation an. Im Gegensatz zum Poetry Slam (Andres 2008) steht jedoch nicht die Textform in Verbindung mit dem Inhalt im Vordergrund, sondern der Inhalt in Verbindung mit der Performance. Die Bedeutung des Publikums ist dabei ebenso in diesem Slam-Format angelegt, wie die Suche nach neuen, anderen Öffentlichkeiten. Diese Suche wird gestützt durch eine veränderte Wahrnehmung der inhaltlichen Ver-Ortung von Wissenschaften, die sich gleichzeitig an dem Anspruch einer Ver-Öffentlichung von Wissenschaften für unterschiedlichste Zielgruppen orientiert. 4.2.2 Beschreibung des Science Slams Das Veranstaltungsformat Science Slam ermöglicht Wissenschaftler*innen, ein selbst gewähltes wissenschaftliches Thema innerhalb von zehn Minuten einer Öffentlichkeit, welche sich eventuell vorher noch nie mit dem vorgetragenen Sach-

13 Der englische Begriff ›Slam‹ ist im deutschen Sprachgebrauch aus Sportarten bekannt und verweist auf einen Wettkampfcharakter. Die Begriffsverwendung im Sport ist in die Alltagssprache übergegangen, sodass Slam sich »als Begriff für ein literarisches Phänomen etabliert, für die öffentliche, im sportähnlichen Wettkampfstil vorgetragene Poetry« (Preckwitz 2002: 23).

Lernkulturen im Da-Zwischen | 117

verhalt auseinandergesetzt hat, zu präsentieren (Eisenbarth & Weißkopf 2012). 14 Dieses häufig disziplinexterne Publikum erwartet eine Veranstaltung, in der die Wissenschaftler*innen mit Kurzvorträgen gegeneinander antreten und Forschungsinhalte vermitteln. Da während der Veranstaltung Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen und mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen auftreten, ermöglicht dies vielfältige Einblicke in aktuelle Forschungsbereiche, in kontroverse Themen sowie in komplexe Sachverhalte. Das heißt, dass trotz der dem englischen Begriff ›science‹ zugrunde liegenden Konnotation neben natur-, technik- und ingenieurswissenschaftlichen ebenso geistes- und sozialwissenschaftliche und human-, gesundheits- sowie veterinärmedizinische Themen und Inhalte eingebracht werden können. Die jeweilige Slam-Performance unterliegt dabei dem Anspruch, Verständlichkeit und Unterhaltsamkeit miteinander zu verbinden und gleichzeitig Authentizität, Emotionen und Enthusiasmus zu vermitteln: »Was wir hier machen, ist kein Slapstick. Die Redner stellen in Minimalzeit reale wissenschaftliche Ergebnisse vor, und die Zuhörer sollen hinterher zumindest die Grundzüge des Problems erfasst haben. Dazu müssen die Vortragenden ihre Aussagen sehr genau auf den Punkt bringen« (Dähn 2011). Eine Slam-Performance soll demnach jedoch auch »mehr sein als die Summe [der] wissenschaftlich relevanten Informationen« (Strassmann 2010). Es wird deutlich, dass Wissenschaftler*innen nicht mehr nur Produzent*innen von wissenschaftlichem Wissen sind, sondern die Aufgabe der zielgruppenspezifischen, methodisch-didaktisch aufbereiteten Vermittlung von wissenschaftlichem Wissen übernehmen. Zum Abschluss einer Science-Slam-Veranstaltung wird der sogenannte Slam-Champion über eine Applausabstimmung oder Punktebewertung durch das Publikum bestimmt: Es »schneiden [dann] meistens nicht die größten Entertainer, sondern diejenigen gut ab, die neue Erkenntnisse und Aha-Erlebnisse vermitteln können« (Eisenbarth & Weißkopf 2012: 160). Ausgangspunkt für die Slam-Performance ist somit, sich auf die Teilnehmer*innen als disziplinexterne Öffentlichkeit einzustellen und die Inhalte dementsprechend methodisch-didaktisch aufzubereiten.

14 Die Entwicklungen des Veranstaltungsformats in den ersten zehn Jahren seit seiner Entstehung werden von Hill (2018) nachgezeichnet: u. a. vom Recycling alter Vorträge zum Neuheitsanspruch an das präsentierte Wissen, von am Text orientiertem Vortrag zur multiorchestralen, ganzkörperlichen Kommunikation. Im Fokus stand zunächst der »Autor des Wissens« (Hill 2018: 178; Hervorhebungen im Original), aktuell wird zunehmend das künstlerische Ich der*des Wissenschaftler*in/s gefordert. Grundlage dafür ist die Herausbildung einer Science-Slam-Szene mit neuen Kommunikationsformen und Visualisierungsansprüchen hin zu einer Versinnlichung der Slam-Performances.

118 | Science Slam

Als zentraler Punkt in der Konzeption muss hervorgehoben werden, dass das Veranstaltungsformat – wie Hill (2018) es ebenfalls beschreibt – darauf abzielt, wissenschaftlich konnotierte Orte (u. a. Vorlesungssaal, Auditorium) zu meiden, auch wenn seit einigen Jahren eine Verschiebung zu beobachten ist und, eingebettet in wissenschaftliche Großevents, Science-Slam-Veranstaltungen nun wieder an wissenschaftlich konnotierten Orten stattfinden. Der Ursprung des Veranstaltungsformats im Besonderen und der Slam-Bewegung im Allgemeinen gründet sich jedoch darauf, Orte für die Veranstaltung zu nutzen, die fernab der aufgeführten Themen und Inhalte liegen, und die es ermöglichen, weitere bzw. andere Öffentlichkeiten zu erschließen (auch Kapitel 4.2.1). Somit ist die Wahl des Veranstaltungsortes grundlegend für das Gelingen und den Verlauf des Science Slams. Die für die Analyse in der vorliegenden Arbeit ausgewählten Science-Slam-Veranstaltungen finden einmal im Monat an einem Veranstaltungsort statt, der Platz für 500 Anwesende bietet. Dieser Veranstaltungsort existiert seit knapp vierzig Jahren in einem Großstadtbezirk und ist fest verankert im Angebot für musikalische Abendveranstaltungen. Er wird mit einer bestimmten Musikkultur und politischen Ausrichtung öffentlich und medial besetzt. Dabei ist die Idee der Verbindung von Musik und Kunst seit den Ursprüngen des Veranstaltungsortes prägend. Ein typisches Szenario für die Science-Slam-Veranstaltungen am Veranstaltungsort kann wie folgt beschrieben werden: Slammende bewegen sich auf einer vom Publikumsort abgetrennten und erhöhten Bühne, das Publikum sitzt im vorderen Bereich auf dem Boden oder auf Holzbänken, im hinteren Bereich stehen Personen. Hier befindet sich auch die Bar. Durch die Ausrichtung des Lichts wird die Aufmerksamkeit auf den vorderen Bereich des Ortes gelenkt. Die Bühne wird angestrahlt, der Publikumsbereich liegt vorwiegend – mit Ausnahme vom Barbereich – im Dunkeln bzw. wird durch indirekte Lichtquellen leicht erhellt. Über die Wahl dieses Veranstaltungsortes wird deutlich, dass einerseits Wissenschaften in andere örtliche Kontexte verschoben werden und die Teilnehmer*innen dabei auf den neuen Ort und seine Inhalte treffen und sich mit ihm auseinandersetzen. Andererseits öffnet sich der Veranstaltungsort selbst Inhalten und Zielgruppen, die in der bisherigen, eigenen Funktionalitätsbeschreibung explizit nicht mitgedacht wurden. Mit diesen Verschiebungs- und Flexibilisierungstendenzen der örtlichen Funktionalitätszuschreibung wird die Bedeutung der verschiedenen ›Raumbetrachtungsebenen‹ (Kapitel 4.1.3) betont.

Lernkulturen im Da-Zwischen | 119

4.2.3 Momente der Lernkultur: Performance 15 Die zehnminütigen Auftritte der Wissenschaftler*innen während des Science Slams werden grundlegend als Slam-Performance, also als Aufführung, 16 verstanden. In Anlehnung an Diskurse zu performativen, vollziehenden Handlungen rückt somit der einzelne Slam selbst in den Mittelpunkt (Fischer-Lichte 2004, 2012). Damit wird ein für die Lernkultur ›Science Slam‹ spezifischer Moment aufgerufen, der ihre Besonderheit in Abgrenzung zu anderen erwachsenenpädagogischen Lernkulturen verdeutlicht. Während einer Performance werden Handlungen vollzogen, die deutlich machen, dass »sprachliche Äußerungen nicht nur dem Zweck dienen, einen Sachverhalt zu beschreiben oder eine Tatsache zu behaupten« (Fischer-Lichte 2004: 31), sondern Handlungen werden zu performativen Handlungen, 17 wenn sie selbstreferenziell und wirklichkeitsherstellend sind. Die Performances »deuten in einem bestimmten Sinne nicht über sich hinaus, sondern auf sich hin, sie vollziehen das, was sie bedeuten und ihre Bedeutung liegt in ihrem Vollzug« (Wulf & Zirfas 2007: 17), und dennoch erzeugen sie gleichzeitig neue Sachverhalte und soziale Wirklichkeit. Für ein Gelingen der performativen Äußerung reicht dafür der Rückgriff auf das Sprechen ebenso wenig aus wie der Rückgriff auf körperliche Handlungen. Die performative Äußerung ist vielmehr noch von institutionellen und sozialen »Gelingensbedingungen« (Fischer-Lichte 2004: 32) abhängig, welche von der und durch die Gemeinschaft gerahmt werden. Es entsteht dann eine spezifische soziale Wirklichkeit. Diese Zusammenhänge erzeugen eine Interaktionsästhetik (Preckwitz 2002), die die Zuschauenden gleichsam zu fühlenden, denkenden und auch handelnden Ak-

15 Erkenntnisse aus diesen theoretischen Auseinandersetzungen sind in die Veröffentlichung von Stimm (2018) eingeflossen. 16 Aufführungen sind abzugrenzen von Inszenierungen. Die Aufführungen heben den Verlauf sowie die »Wechselwirkung körperlicher Handlungen aller im Raum Anwesenden« hervor (Fischer-Lichte 2012: 56). 17 Die Unterscheidung von Performativität und Performance wird in dieser Stelle nicht weiter behandelt (siehe dazu Fischer-Lichte 2004, 2012). Performances sind immer performativ, aber was als performativ gilt, muss nicht zwingend in einer Performance umgesetzt werden. Denn auch mit Bildern, Texten und Dingen lässt sich ein performativer Umgang erzeugen, die Performativität bedarf also keiner leiblichen Ko-Präsenz. Performance und Performativität eint demnach, dass sie über Transformationen eine Wirklichkeit erzeugen. Das Wirkpotenzial hängt jedoch von Bedingungen außerhalb des performativen Aktes bzw. der Performance ab.

120 | Science Slam

teur*innen in der Performance werden lässt. Demnach werden Rollenzuschreibungen aufgelöst. Zum einen befinden sich die Slammer*innen aufgrund der Anforderungen des Veranstaltungsformats in einem changierenden Verhältnis zwischen dem Selbstverständnis als Wissenschaftler*in und dem Anspruch als Performer*in. Sie bewegen sich in dieser Spannungslage zwischen phänomenalem Leib und semiotischem Körper (Fischer-Lichte 2012). Zum anderen werden die Personen aus dem Publikum zu handelnden Akteur*innen während der Slam-Performance. Hierbei steht nicht der Applaus im Vordergrund, sondern während des Science Slams ist vielmehr die aktive Einbindung der einzelnen Personen in die jeweilige Slam-Performance von Bedeutung. Die durch die Slam-Performance eingeforderten interaktiven, kollektiven und individuellen Handlungen lassen einen versinnlichten Kontext der Performance entstehen. Gleichzeitig erzeugen die Personen aus dem Publikum über die individuelle Wahrnehmung eine kontextuelle Bedeutung. Die Wahrnehmung der Körper der Akteur*innen als Zeichen und Symbole erfolgt dabei nicht nur zielgerichtet, also die, sondern sie stößt den Akteur*innen auch zu (Fischer-Lichte 2012: 65–67). Über die leibliche Ko-Präsenz der beteiligten Akteur*innen und die damit einhergehende veränderte Rollenzuschreibung – ergo die Auflösung der Rollenzuschreibungen zwischen Produzent*innen und Rezipient*innen – entsteht ein Ereignis, in das alle Beteiligten involviert sind (Fischer-Lichte 2004). Die leibliche Ko-Präsenz ermöglicht demnach erst die Aufführung. Gleichzeitig wird darüber der Verlauf der Performance bestimmt – die Akteur*innen werden mit Handlungen und Reaktionen konfrontiert, die wiederum Auswirkungen auf weitere Handlungen und Reaktionen haben (Fischer-Lichte 2012: 54). Die Performance ist somit geprägt durch ein hohes Maß an Abstimmung und Sich-aufeinander-Zubewegen. Insgesamt geht es dann nicht nur um die veränderte Interaktion zwischen den Beteiligten mit unterschiedlichen Rollenzuschreibungen, sondern auch um die Wahrnehmung des Verhaltens zwischen den Personen aus dem Publikum, welches in die Interaktionszusammenhänge mit einfließt. Diese Wahrnehmungsverschiebungen, die Entrückung der Rollenzuschreibungen, aber auch die Akteur*innenkonstellation im Allgemeinen lassen einen Raum entstehen, der durch ein produktives Zusammenwirken der genannten Aspekte gekennzeichnet ist. Es entsteht ein »performativer Raum« (Fischer-Lichte 2004: 188– 200), das heißt ein sich ständig durch Bewegungen und Wahrnehmungen der Akteur*innen verändernder, Atmosphäre ausbildender Raum. »Der performative Raum eröffnet Möglichkeiten, ohne die Art ihrer Nutzung und Realisierung festzulegen. Darüber hinaus läßt er sich auch in einer Weise verwenden, die weder geplant noch vorhergesehen war« (Fischer-Lichte 2004: 189). Damit werden Bezugspunkte zu der Verschränkung der ›Raumbetrachtungsebenen‹ deutlich, die

Lernkulturen im Da-Zwischen | 121

als hinter dem performativen Raum liegend beschrieben werden können. In ihrer Zusammenführung kennzeichnen sie diesen spezifischen Raum, der wiederum individuell ausgelegt wird, jedoch in dieser auch eine Atmosphäre ausbildet. Diese meint dann einen »nie zu fixierende[n] Zustand des Dazwischen, weder dem Objekt noch dem Subjekt ganz zugehörig, aber von beiden gemeinsam produziert« (Lehnert 2011: 16). Die Zuschreibung von Produktivität verdeutlicht, dass über das ›Betreten‹ des Zwischen-Raums Vertrautes, angefangen bei den Rollenzuschreibungen, infrage gestellt und die Wahrnehmung herausgefordert wird. Der performative Raum erzeugt demnach »Intensität und Reibung« (Seitz, 1996: 344). Durch die damit einhergehende Erfahrung von Widerständigkeit, Neugierde und Experimentierfreudigkeit werden Konfrontationen sichtbar, die dazu anregen, Inhalte, Erfahrungen und Deutungen loszulassen, Standpunkte zu hinterfragen, irritiert zu sein und Möglichkeiten zu erschließen (Seitz 1996). Es entsteht ein produktiver »›Zwischen-Raum‹« (Fischer-Lichte 2004: 199). Dieser ist durch eine, zwischen den Akteur*innen entstehende dritte Sache (in Anlehnung an das epische Theater) charakterisiert (Nägele 2005: 60). Die einzelne Slam-Performance ermöglicht es, den beschriebenen Zwischen-Raum zu betreten.

ZUSAMMEN-DENKEN Die Begründung einer Figur des Da-Zwischen ergibt sich aus der gegenstandstheoretischen Konzeptualisierung von erwachsenenpädagogischen Lernkulturen. Diese berühren in ihrer Ausgestaltung makro-, meso- und mikrodidaktische Handlungsebenen und können in einer ganzheitlichen Betrachtung nur über deren Verschränkung und Zusammenwirken erschlossen werden. Dafür kann über eine einrichtungsspezifische Betrachtung hinausgegangen und auf den Inszenierungsgrad des jeweiligen ›Lernortes‹ – verstanden im Sinne einer Zuschreibung – abgehoben werden. Grundlegende Annahme bleibt, dass Lernkulturen in ihrer jeweiligen Ausformung durch Emotionen und Beziehungen, Erfahrungen und Deutungsmuster sowie Raum und Atmosphäre beeinflusst sind. Sie verdeutlichen die Rückbindung der Ausgestaltung von Lernkultur an die individuell und kollektiv eingebrachten Aspekte. Diese für die Lernkultur als zentral benannten Momente bieten Ansatzpunkte für die Frage nach den Vermittlungs- und Aneignungsstrukturen im Science Slam. Deutlich wird zunächst, dass Lernen und Bildung im Veranstaltungsformat in Konkurrenz mit anderen Aktivitäten treten, aber auch, dass der sich ausprägende Zwischen-Raum zwischen den eingebrachten Momenten der Lernkultur im

122 | Science Slam

Zusammenhang mit der performativen Ausgestaltung des jeweiligen Slams Produktivität, Intensität und Irritation ermöglicht. Die hier herausgestellte Perspektive des Performativen verweist dabei schon auf die Analyse, indem durch die Performance als Moment der Lernkultur »eine allgemeine und totale Methode und Lesart von Realität zugunsten einer relativierenden, den Kontexten angepassten Interpretation« (Wulf & Zirfas 2007: 9) verworfen wird. So rücken »Inszenierungs- bzw. Aufführungspraktiken sozialen bzw. pädagogischen Handelns, deren wirklichkeitskonstitutive Prozesse sowie den Zusammenhang von körperlichem und sprachlichem Handeln, Macht und Kreativität in den Mittelpunkt« (Wulf & Zirfas 2007: 10). Durch diesen Analyseansatz wird das, die spezifische Lernkultur prägende Geschehen sichtbar und wahrgenommen und kann in der Figur des Da-Zwischen analytisch konzeptualisiert werden.

5

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes Darstellung des Forschungsdesigns

Ausgangspunkt für die Erschließung einer Lernkultur über die Figur des Da-Zwischen ist die Perspektivenverschränkung. Sie ist der entscheidende Aspekt in der Analyse des Forschungsgegenstandes über die Erhebung, Bereitstellung und Auswertung der Daten. In allen drei methodischen Schritten werden die über das empirische Material eingebrachten Perspektiven mikroskopisch in ihrem Zusammenwirken aufgegriffen. So kann den Annahmen zu Lernkulturen entsprochen werden, die sich entlang von beteiligten Akteur*innen, Beziehungskonstellationen und deren Wechselwirkung, Begründungslagen sowie einflussnehmenden Faktoren zwischen und innerhalb der didaktischen Handlungsebenen jeweils spezifisch ausgestalten. Rückgebunden wird diese Begründung der Perspektivenverschränkung daher an beziehungstheoretische Ansätze und Grundannahmen des symbolischen Interaktionismus. Dadurch wird eine facettenreiche Darstellung der Lernkultur ›Science Slam‹ möglich. Der vorgestellte Analyseansatz zur Erarbeitung einer Figur des Da-Zwischen fußt auf einer eigens dafür entwickelten methodischen Grundlage, da zwar teilweise Lernkulturen bereits über Perspektivverschränkung erschlossen wurden, jedoch noch keine Ansätze zur Entwicklung einer Figur des Da-Zwischen vorliegen. Die sich herauskristallisierende Figur des Da-Zwischen wird in bisherigen Abhandlungen mehr auf ästhetische, architektonische und soziologische Aspekte als auf (erwachsenen-)pädagogische Bereiche angewandt. Alle Schritte im Forschungsprozess werden daher zum Zweck ihrer Nachvollziehbarkeit im Rahmen des Analyseansatzes im vorliegenden Kapitel detailliert beschrieben.

124 | Science Slam

5.1 METHODOLOGISCHE GRUNDLEGUNG ÜBER PERSPEKTIVENVERSCHRÄNKUNG Die vorliegenden Ausführungen konzentrieren sich auf eine Verschränkung von Wissenschaftskommunikation und Erwachsenenbildung. In dieser Verschränkung lässt sich das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ verorten. Es wird als Ergebnis des kommunikativen Bedingungsverhältnisses zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten verstanden. Als daraus resultierendes Format der Wissenschaftskommunikation bewegt sich der Science Slam vor dem herausgearbeiteten intermediären Ver-Mittlungsraum, sodass unterschiedliche Anforderungen in der Formatstruktur ausgehandelt werden. Gleichzeitig wird das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ aus erwachsenenpädagogischer Perspektive als Lernkultur eingeordnet, in der sich verschiedene Handlungsebenen vor dem Hintergrund von spezifischen, die Lernkultur bedingenden Momenten miteinander verschränken. Aus dieser Verortung des Science Slams ergibt sich zunächst folgende Forschungsfrage mit Unterfragen: • Welche Charakteristika prägen das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Angebot im Rahmen der Wissenschaftskommunikation? ⋅ Welche Inszenierungsstrategien und daran anknüpfenden Vermittlungspraktiken lassen sich aus den Slam-Performances heraus für das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Format der Wissenschaftskommunikation beschreiben? ⋅ Welche Figuren der Überführung können für das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Format der Wissenschaftskommunikation auf Basis der Slam-Performances herausgearbeitet werden? Die erste Unterfrage bewegt sich als Annäherung an den Forschungsgegenstand ›Science Slam‹ auf einer ersten Ebene von möglichen Transformationsprozessen. Transformationen beziehen sich an diesem Punkt auf die Herausarbeitung der zielgruppenspezifischen, methodisch-didaktischen Aufbereitung des eingebrachten Wissens und machen deutlich, dass kein linearer Transfer zugrunde liegt, sondern Veränderungsprozesse greifen (müssen). Deutlich wird, dass diese Betrachtung auf Vermittlungspraktiken abzielt, die grundlegend aus der Perspektive der Wissenschaftler*innen eingebracht werden, da diese als Slammende ihr Thema für die Slam-Performance aufbereiten. Dennoch können hier Perspektiven zusammengeführt werden, da die Vermittlungspraktiken durch die auftretenden Wissenschaftler*innen ausgeführt werden und sich die Personen aus dem Publikum in ihrer Kommentierung zu den Slam-Performances auf diese eingebrachten Vermittlungspraktiken beziehen. Gebunden sind diese Vermittlungspraktiken an die durch das

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 125

Veranstaltungsformat eingeforderten Inszenierungsstrategien des Veranstaltungsformats. Diese beziehen sich auf das In-Szene-Setzen des wissenschaftlichen Wissens. Über Inszenierungsstrategien und Vermittlungspraktiken fließen somit meso- und mikrodidaktische Handlungsebenen zusammen. Fundiert wird die Einordnung des Science Slams in der aufgezeigten Verschränkung von Wissenschaftskommunikation und Erwachsenenbildung von der Annahme, dass dem Veranstaltungsformat die Begegnung unterschiedlicher Wissensstrukturen inhärent zugeschrieben werden kann. Demnach wird eine zweite Ebene von Transformationsprozessen angesprochen, wenn die Figuren der Überführung herausgearbeitet werden (Kapitel 2.2). Dieser Beschreibungsansatz wird gewählt, um die Charakterisierung der Transformationsprozesse noch offen zu halten. Der Begriff ›Überführung‹ bezieht sich dabei nicht auf den Ausgangspunkt der Überführung, der über Vermittlungspraktiken beschrieben wird, die deutlich machen, wie das wissenschaftliche Wissen methodisch-didaktisch eingebettet wird. Der Beschreibungsansatz bezieht sich vielmehr auf die darüber hinausreichenden Verknüpfungen. ›Überführung‹ referiert somit zunächst nicht auf eine einseitige Richtungsbetrachtung, sondern kann in unterschiedliche Richtungen, abhängig vom Inhalt der Überführung, erfolgen. Demnach wird deutlich, dass die Überführung keinem Eins-zu-Eins-Transfer unterliegt, sondern Transformationen erfolgen. Die Figuren der Überführung charakterisieren den Science Slam als spezifische Kontaktfläche zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen. Das in die Veranstaltung durch die Teilnehmer*innen jeweils eingebrachte Wissen unterliegt Kontextierungen, die sich auch in der durch die Slam-Performances angebotenen Kontaktfläche entfalten. Im Fokus der Betrachtungen steht daher nicht die Klassifikation von Wissen, sondern das sich nun herausbildende Spannungsfeld, welches die Möglichkeit von Transformation und In-Beziehung-Setzen zwischen den Wissensstrukturen bietet. Dabei ist für die Kontaktfläche ›Science Slam‹ relevant, dass über die Slam-Performance die Möglichkeit gegeben ist, wissenschaftliches Wissen zu veröffentlichen und einzubringen, das Alltagswissen aber in seiner Anonymität verharrt. Der Diskurs wird also aufgrund der Ausrichtung des Veranstaltungsformats nicht geöffnet. Daher konzentriert sich die Beschreibung der Figuren der Überführung auf das angebotene wissenschaftliche Wissen. In der Perspektivenverschränkung definieren die auftretenden Wissenschaftler*innen die Zielperspektive der Überführung und die Teilnehmer*innen arbeiten Überführungen im Anschluss an die Slam-Performances heraus. Diese Charakterisierung des Veranstaltungsformats ›Science Slam‹ führt zur folgenden umfassenden Forschungsfrage:

126 | Science Slam

Wie lässt sich das Konzept der erwachsenenpädagogischen Lernkulturen theoretisch erfassen und empirisch beschreiben? Das Forschungsinteresse gründet sich somit darauf, die Lernkultur ›Science Slam‹ in ihren Facetten zu charakterisieren. Dafür wird die Figur des Da-Zwischen als Beschreibungskonzept angelegt. Dieses kann nur über eine Perspektivenverschränkung1 nutzbar gemacht werden. Dabei geht es nicht um eine normative Ordnungsvorstellung oder Praxisevaluation, sondern um das Verstehen von Wirklichkeit. Der methodologische Zugang stützt sich demnach auf die Annahmen zur Perspektivenverschränkung. Da Lernkulturen nicht als statisches Moment festgehalten werden können, sondern einer prinzipiellen Offenheit unterliegen, dabei aber durch unterschiedlichste Begründungs- und Bedingungslagen gerahmt und beeinflusst werden, bedarf es einer Berücksichtigung aller am Prozess Beteiligten und auch der Diskussion der einflussnehmenden Momente. Genau diese Anforderung ist dem Begriff ›Perspektive‹ implizit, denn Perspektive verweist zunächst auf ein genaues, deutliches Sehen (Büttner 2003). Dies geschieht, wenn alle Perspektiven auf die jeweilige Lernkultur miteinbezogen werden. Dabei beschreibt ›Perspektive‹ grundsätzlich die Darstellung dreidimensionaler Gegebenheiten auf einer zweidimensionalen Projektionsfläche. Sie wird hier verstanden »als Erfindung einer Technik der Repräsentation« und ist doch gleichzeitig auch die »Entdeckung eines Naturgesetzes der Wahrnehmung« (Koch 2010: 7; Hervorhebungen im Original). Weitere Auseinandersetzungen zur Perspektivenkonstruktion werden durch die Aufwertung der sinnlichen Wahrnehmung noch befördert (Büttner 2003), »der Betrachter [muss sich] nicht mehr auf bildspezifische Ordnungsprinzipien einstellen […], sondern [kann] die Kategorien seiner Wirklichkeitsorientierung (vorne – hinten, oben – unten) unmittelbar auch im Bild anwen-

1

In den folgenden Ausführungen wird der Begriff ›Perspektive‹ in der Mehrzahl angenommen. Bisherige Arbeiten nutzen den Begriff ›Perspektivverschränkung‹ (Gieseke 2000; Robak et al. 2015). Die Annahme ist, dass verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen, die miteinander verschränkt werden. Die bisher empirisch erarbeiteten Perspektivenverschränkungen (Gieseke 2000; Robak et al. 2015) referieren auf unterschiedliche Akteur*innen und damit teilweise auch auf unterschiedliche didaktische Handlungsebenen, je nach Verortung der Akteur*innen, zielen an dieser Stelle jedoch nicht auf die Herausarbeitung einer spezifischen Lernkultur im Sinne einer Figur des Da-Zwischen, sondern verhandeln zunächst Programmplanung im Spannungsfeld unterschiedlicher Akteur*innen.

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 127

den, sodass das Bild ihm als Wirklichkeitsausschnitt erscheinen kann« (Büttner 2003: 266). Weitere Entwicklungen der Perspektivenrekonstruktion führen zu einer Vergleichbarkeit von Ab-Bild und Wirklichkeit, indem auch der Textur-, Farb- und Luftperspektive eine Rolle bei der Konstruktion zugeschrieben wird. Die zunächst herausgearbeitete Zentralperspektive, dargestellt in Abbildung 7, verliert damit an Bedeutung. Denn die Zentralperspektive favorisiert das geometrische Modell ›Sehpyramide‹ zur Perspektivenrekonstruktion: »Demnach besteht die Sehpyramide aus dem Zentralstrahl, den äußeren und den inneren Strahlen. Der Zentralstrahl […] erstreckt sich rechtwinklig vom Augenpunkt auf die gesehene Grundfläche der Pyramide. Die äußeren Strahlen begrenzen die dreieckigen Seiten der Pyramide, während die mittleren Strahlen als sekundäre Licht- und Farbträger fungieren« (Bühring 2014: o. S.). Doch die Konstruktion der Perspektive »stellt sie [die Gegenstände; MS] vor, nicht wie sie sind, sondern wie sie dem Auge erscheinen, und ihm in einem gewissen Abstand erscheinen« (Lessing 1894: 255–256, zit. in König 1989: 364). Demnach kann an diesem Punkt von Rekonstruktion gesprochen werden, da das, was gesehen wird, über die Darstellung visuell aufgebaut, aber auch wiederhergestellt wird. Die Auseinandersetzungen mit der Perspektivenrekonstruktion führen folglich dazu, dass »die traditionelle Annahme«, die Perspektive sei »eine quasi mechanische Verarbeitung der Sinneseindrücke« hin zu einer »Subjektivität der Sehweise« verschoben wird (Büttner 2003: 267). Perspektive kann also kein rational erzeugtes, objektives Bild der Wirklichkeit erschaffen. Damit gerät der Standpunkt in den Blick. Eine pointierte Visualisierung dieser Annahme veranschaulichen Vexierbilder, als Beispiel dazu dient Abbildung 7, die durch eine spezielle Konstruktion aus verschiedenen Blickrichtungen unterschiedliche Bildinhalte vermitteln. Diese unterschiedlichen Bildinhalte werden durch die Betrachtenden in Abhängigkeit von ihrem Standpunkt generiert. Dieser Standpunkt bezieht sich nicht zwingend auf einen Ort, sondern auch auf die innere individuelle Haltung der Betrachtenden.

128 | Science Slam

Abbildung 7: Zentralperspektivische Konstruktion (links) und Vexierbild (rechts)

Quelle: Bühring 2014: o. S.

Weiterführende Auseinandersetzungen zur Perspektive betonen die »Gleichzeitig-

keit der Dinge«, ohne »Hierarchisierung oder Abstufung« (Danzer 2003: 221–222, zit. in Bühring 2014: o. S.). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass »Gegenstände und Eigenschaften […] nicht per se betrachtet und untersucht werden [können], sondern nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Bezugssystem« (Bühring 2014, o. S.). Daneben spielen daraus sich erschließende Beziehungen, aber auch Emotionen, Erfahrungen, Deutungen und Werte eine Rolle. Es handelt sich hier um die Betonung der »Seinsverbundenheit des Wissens« (Mannheim 1964). Bewegen sich die Ausführungen nun auf den erwachsenenpädagogischen Kontext zu, wird deutlich, dass Perspektiven durch Teilnehmende und Handelnde in mikrodidaktischen Zusammenhängen, aber auch durch Handelnde auf meso- und makrodidaktischer Handlungsebene eingebracht werden. Daran gebunden sind ihre Inhalte, Erfahrungen und Deutungen und somit ihre Standpunkte und ihre Wirklichkeitsorientierungen. In einrichtungsspezifischen Lehrkontexten sind demnach neben der Perspektive der Dozent*innen und Teilnehmer*innen auch die Perspektiven von u. a. Programmplaner*innen, Berater*innen sowie Bezugnahmen auf andere mesound makrodidaktische Einflussgrößen relevant (Gieseke 2000; Robak et al. 2015). Insgesamt spielen somit auch Aspekte aus der den Lehrkontext umgebenden Umwelt eine Rolle. All diese Perspektiven nehmen Einfluss und sind bedeutsam für den Lern- und Bildungsprozess (Gieseke 2007b). Es lässt sich dann ein »Sinnkonstitutionsprozeß« (Gieseke 1992) zwischen ihnen beobachten.

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 129

Dezidiert können durch eine Perspektivenverschränkung gegenüber der Betrachtung der Sozialisation im Alltag Veränderungen und Reflexionen herausgearbeitet werden. »[Eine] auf Perspektivverschränkung angesetzte pädagogische Forschung […] will nicht die Meinungsvielfalt dokumentieren, sondern die beeinflussenden Momente erschließen, die sich aus Vernetzungen, aus Kommunikationen, aus Vermittlung und aus angeleiteter Selbsttätigkeit ergeben. Sie fragt nach den faktischen Wirkungskräften im Zusammenspiel der Perspektiven.« (Gieseke 2007b: 19)

Dafür geht es oberflächlich um die Rekonstruktion der Perspektiven. Um jedoch Begründungsgefüge, Beziehungskonstellationen und Wechselwirkungen in ihrer inneren Konstellation sichtbar zu machen, bedarf es einer Perspektivenverschränkung, die als »Suchbewegung die zugrundliegende Struktur des Zusammenspiels« der Perspektiven erschließt (Gieseke 1991: 79). Die unterschiedlichen Perspektiven auf Gegenstände werden in der perspektivischen Projektion des Körpers deutlich. Abbildung 8 visualisiert, wie die Perspektivenverschränkung dann durch Blick auf den Gegenstand aus zwei und mehr standortgebundenen Perspektiven erfolgt. Abbildung 8: Perspektivische Projektion eines Körpers (a) und Perspektiven auf einen Gegenstand (b) a

130 | Science Slam

b

Quelle: Weiner 1952: 73 (a) und Damisch 2010: 135 (b)

Auf Grundlage beziehungstheoretischer Ansätze, welche die »Förderung individueller Prozesse, unterstützt durch pädagogische Interventionen« (Gieseke 2007b: 13), fokussieren, und der Annahmen zum symbolischen Interaktionismus lässt sich diese methodologische Grundlegung der Perspektivenverschränkung theoretisch fundieren. Äußere Einflüsse und individuelle Entwicklungen verbinden sich in einem jeweils eigenwilligen Verhältnis, dem kein Ursache-Wirkung-Zusammenhang unterstellt wird (Gieseke 2007b). Vielmehr handelt es sich um beziehungsabhängige Wechselwirkungen von innen und außen. Diese Wechselwirkungen haben insgesamt eine zentrale Bedeutung für pädagogische Prozesse und können durch die Erschließung der beteiligten Perspektiven herausgearbeitet werden (Gieseke 2007b), sodass die Figur des Da-Zwischen, die »gestaltete Wirklichkeit« (Robak & Rippien 2015: 29), sichtbar wird. Hier schließen sich aufgrund der Bedeutung des kommunikativen Handelns in diesen Wechselwirkungsprozessen Annahmen zum symbolischen Interaktionismus2 2

Folgende Grundannahmen kennzeichnen den symbolischen Interaktionismus: »Menschen [handeln] ›Dingen‹ gegenüber auf der Grundlage der Bedeutungen […], die diese Dinge für sie besitzen […]. Die zweite Prämisse besagt, dass die Bedeutung solcher Dinge aus der sozialen Interaktion, die man mit seinen Mitmenschen eingeht, abgeleitet ist oder aus ihr entsteht. Die dritte Prämisse besagt, dass die Bedeutungen in einem interpretativen Prozess, den die Person in ihrer Auseinandersetzung mit den ihr begegnenden Dingen benutzt, gehandhabt und abgeändert werden« (Blumer 2013: 64). Dinge können dabei abstrakte Objekte, materielle Objekte, soziale Objekte und auch das Selbst sein, die/das auf

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 131

an, die Sprache als Grundlage für das menschliche Zusammenleben beschreiben (Symbol). Dieses wiederum speist sich aus wechselseitigen, gemeinsamen Handlungen (Interaktionen). Dinge sind für die Auseinandersetzungen im symbolischen Interaktionismus dann interessant, wenn ihnen eine Bedeutung zugewiesen wird, die nur aus dem Interaktionsprozess mit den Dingen hervorgehen kann. Dialogische Prozesse bilden somit die Grundlage für Erfahrungen, Subjektivität und Struktur (Denzin 2012). Demnach wird jede*r Einzelne zu eine*r/m sozialen Akteur*in, die*der bewusst durch Selbstreflexion auf ihre*seine Umwelt einwirkt und sich in Beziehung zu anderen Personen setzen kann. Grundvoraussetzung dafür ist, die Fremdperspektive einnehmen und verinnerlichen zu können sowie auch sich selbst aus dieser Fremdperspektive betrachten zu können. Dabei ist das Handeln durch die jeweiligen individuellen Ressourcen und die soziale Ordnung begrenzt. Auch wenn sich der symbolische Interaktionismus auf Interaktionen konzentriert, die nach Blumer (2013) aus einer Innenperspektive heraus erschlossen werden sollen, muss das Zusammenfließen unterschiedlicher Perspektiven beachtet werden. Es lassen sich demnach unterschiedlichste forschungsrelevante Perspektiven miteinander verbinden. ›Perspektiven‹ werden insgesamt als Konstellationen und Standpunkte im Gefüge verstanden, die bei näherer Betrachtung Mechanismen der Wechselwirkung sichtbar machen. 3 Unter Berücksichtigung der »Seinsverbundenheit des Wissens« (Mannheim 1964) wird deutlich, dass das Wissen als Objekt im Interaktionsprozess Veränderungen unterliegt, die über die Perspektivenverschränkung herausgearbeitet werden. Es wird darüber »ein Sichtbarmachen der kommunikativen Wissenstransformation« (Gieseke 2007b: 19) sowie insgesamt »das Pädagogische des Handelns selbst im Scheinwerfer der Betrachtung« (Gieseke 2007b: 14) möglich. Die folgenden analytischen Auseinandersetzungen konzentrieren sich – im Gegensatz zu Studien, die Perspektiven verschiedener Ebenen miteinbeziehen (Gieseke 2000, Robak et al. 2015) – auf ein Changieren zwischen meso- und mikrodidaktischer Handlungsebene, um die Besonderheit der erforschten Lernkultur zunächst in dieser mikroskopischen Betrachtung herausarbeiten zu können (Gieseke 1991). Makrodidaktische Bezugspunkte können über die Ausarbeitungen zur

das Individuum treffen/ trifft. Um handeln zu können, müssen sie dann u. a. anhand von Erfahrungen und Deutungen interpretiert werden. Demnach erschaffen die Menschen die Erfahrungswelt, in der sie leben, über Bedeutungszuschreibungen gekoppelt an Interpretationen in der Interaktion. 3

Daneben gibt es auch die Charakterisierung von Perspektive aus Geometrie und Optik. ›Perspektive‹ wird in diesen Beschreibungen an Räumlichkeit gebunden und spiegelt die Darstellung von Gegenständen wider, wie sie sich in der Wirklichkeit zeigen.

132 | Science Slam

Wissenschaftskommunikation und Wissensgesellschaft theoretisch generiert werden (Kapitel 2.4 und Kapitel 3). Es geht dabei nicht darum, den Prozess zu evaluieren oder Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, sondern um die interpretierende Auslegung des Forschungsgegenstandes als einen möglichen »Zugang zur komplexen Gestaltung von Bildungswirklichkeiten« (Gieseke 2007b: 20).

5.2 BEGRÜNDUNG UND BESCHREIBUNG DES SAMPLES ALS GRUNDLAGE FÜR DIE PERSPEKTIVENVERSCHRÄNKUNG Der Science Slam wurde als Forschungsgegenstand ausgewählt, da dieses Veranstaltungsformat Entwicklungen der Wissenschaftskommunikation mit Ansprüchen und Anforderungsstrukturen an Wissenschaftskommunikation auf unterschiedlichen Ebenen, also vor dem Hintergrund eines intermediären Ver-Mittlungsraums, verbindet. Da aufgrund der Neuartigkeit des Veranstaltungsformats ›Science Slam‹ bisher kaum Forschungsliteratur auf theoretischer sowie empirischer Ebene vorliegt, empfiehlt sich ein nichtstandardisiertes, qualitativ-exploratives Vorgehen (Oswald 2010). Es geht dann zunächst darum, Informationen zum Forschungsgegenstand zu sammeln, um ihn näher beschreiben zu können. Demnach scheint es sinnvoll, einzelne Science-Slam-Veranstaltungen im Vorfeld der Erhebung aufzusuchen, um Strukturen und Abläufe der Veranstaltung kennenzulernen und Kontakt zu Personen, die eine zentrale Rolle in den Veranstaltungszusammenhängen einnehmen, aufzubauen. Es wird deutlich, dass beim explorativen Vorgehen der Forschungsgegenstand noch nicht bekannt ist und erst im Verlauf der explorativen Phase festgehalten wird, welche Personen, Inhalte und Ausprägungen des Forschungsgegenstandes in die Analyse mit einbezogen werden (Merkens 2012). In dieser Erkundungsphase ergab sich nach Sichtung der Angebote zum Science Slam, dass das Veranstaltungsformat zum damaligen Zeitpunkt in drei deutschen Städten als Abendveranstaltung durchgeführt wurde, dabei jedoch nur in einem Fall Veranstaltungsstrukturen angeboten wurden, die in regelmäßigen, zeitlich überschaubaren Abständen und unabhängig von einer spezifischen institutionellen Einbettung des Veranstaltungsformats stattfanden. Da die stattfindenden ScienceSlam-Veranstaltungen als Teil des (wissenschaftlich-öffentlichen) Kulturlebens eingeordnet wurden, wurde die Zugänglichkeit zu den jeweiligen Veranstaltungen durch den Eintrittspreis zur Veranstaltung und durch die öffentliche Sichtbarkeit der Veranstaltungstermine beeinflusst. Deutlich wurden jedoch bei allen recherchierten Angeboten die aufgezeigten charakteristischen Ausprägungen von Science- SlamVeranstaltungen (Ince 2009; Seidler 2010; Wyrembek 2011; dazu Kapitel 4.2).

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 133

Die Fallauswahl erfolgt daher aufgrund struktureller Anforderungen, sodass das Veranstaltungsformat über einen längeren Zeitraum intensiv begleitet werden kann. Um ein Gesamtbild erzeugen zu können, wurde das Veranstaltungsformat in seinen einzelnen Angeboten daher über eine gesamte Saison hinweg empirisch erfasst. Es handelt sich bei den einzelnen Angeboten dabei um regelmäßige, monatlich stattfindende Veranstaltungen in einer Stadt. Die Betonung der Regelmäßigkeit und Dichte der Veranstaltungsangebote als relevante Aspekte für die Fallauswahl unterstützt eine fundierte Erfassung des Forschungsgegenstandes. Insgesamt wurden daher fünf Science-Slam-Veranstaltungen mit einem einheitlichen Setting im Sinne der Ablauf- und Raumstrukturen über die gesamte Saison hinweg begleitet. Zuvor wurden bereits mehrere Veranstaltungen dieser Saison besucht, um den Forschungsgegenstand über die Erkundungsphase hinaus zu definieren. In der Sondierungsphase übernehmen Schlüsselpersonen eine zentrale Funktion. Beim Science Slam wird diese Schlüsselrolle von den Organisator*innen der Veranstaltung eingenommen, da sie neben organisatorischen Einblicken ebenso Kontakte zu den Slammer*innen pflegen, aber sich auch in einer Mittler*innensposition zwischen unterschiedlichen Erwartungshaltungen bewegen. Dabei geht es um die Ansprüche der Personen aus dem Publikum sowie die der Wissenschaftler*innen. Hinzu kommen mediale und ökonomische Aspekte der öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungspositionierung. Aufgrund der defizitären Forschungslage war es neben der eigenen explorativen Erkundung des Forschungsgegenstandes notwendig, einen Zugang zum Forschungsgegenstand über Interviews mit Schlüsselpersonen zu erhalten. Nach der Auswahl des im Forschungsprozess zu begleitenden Veranstaltungsangebots wurde daher ein Expert*inneninterview mit der*dem Organisator*in von Science-Slam-Veranstaltungen geführt. Zum einen dient dieses Interview einer dichten Datengewinnung, zum anderen wurden daraus generierte Aussagen zur Grundlage der Leitfadenerarbeitung für die fokussierten Interviews. Außerdem ermöglichte der Kontakt den vereinfachten Zugang zu den Wissenschaftler*innen, die als Slammer*innen am Science Slam teilnehmen. Die aus der Sondierungsphase generierten Forschungsfragen implizieren, dass alle am Prozess beteiligten Perspektiven aufgenommen werden. Demnach ist es notwendig, in der Erschließungsphase Interviews mit den auftretenden Wissenschaftler*innen und mit Personen aus dem Publikum zu führen. Sie bilden die Perspektiven auf den einzelnen Science Slam ab, bringen aber gleichzeitig auch bestimmte Wissensstrukturen in das Veranstaltungsformat ein. Bei der Auswahl der Stichprobe war es demnach zielführend, »dass die Stichprobe den untersuchten Fall inhaltlich repräsentiert (Merkens 2012). Es geht nicht darum, die Verteilung von Merkmalen in Grundgesamtheiten zu erfassen, sondern darum, die Typik des untersuchten Gegenstandes zu bestimmen und dadurch die Übertragbarkeit auf andere,

134 | Science Slam

ähnliche Gegenstände zu gewährleisten« (Merkens 2012: 290). Ergänzt werden die Interviews durch teilnehmende Beobachtungen der Autorin der vorliegenden Arbeit sowie Videomitschnitte der Slam-Performances durch Videoaufnahmen. Insgesamt ergibt sich für das explorative Vorgehen zur Erschließung des Forschungsgegenstandes und für die Auswahl des Samples folgender, in Abbildung 9 dargestellter Ablauf: Abbildung 9: Schritte der Erschließung des Forschungsgegenstandes zur Beschreibung der Figur des Da-Zwischen

Quelle: eigene Darstellung

Aus der Erkundungsphase heraus konnten unterschiedliche Perspektivengruppen für die Science-Slam-Veranstaltungen charakterisiert werden. Diese analytischen Perspektivengruppen bilden das Sample der Erhebung ab. Es handelt sich um Wissenschaftler*innen, 4 die als Slammende bei einer Science-Slam-Veranstaltung auftretenden, und Personen aus dem Publikum, 5 die in einer Slam-Performance zu Teilnehmer*innen werden. Diese Perspektivengruppen lassen sich aufgrund ihres 4

Die Zuschreibung ›Wissenschaftler*innen‹ ergibt sich aus dem Rollenverständnis, welches über den Science Slam definiert wird.

5

Die Perspektivengruppe wird als ›Personen aus dem Publikum‹ angeführt, um eine begriffliche Differenzierung zu den auftretenden Wissenschaftler*innen herzustellen. Diese Personen sind jedoch gleichzeitig Teilnehmende in der Science-Slam-Veranstaltung, sodass dieser Begriff genutzt wird, wenn nicht direkt auf Aussagen aus der Perspektivengruppe referiert wird. Gleiches gilt für die auftretenden Wissenschaftler*innen, die im Veranstaltungsformat als ›Slammende‹ aufgefasst werden.

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 135

Bezugs zu einer einzelnen Science-Slam-Veranstaltung auf einer mikrodidaktischen Handlungsebene verorten. Hinzu kommen Personen in Schlüsselpositionen, die auf einer mesodidaktischen Handlungsebene agieren. 5.2.1 Beschreibung des Samples: Science-Slam-Veranstaltungen Das unter den festgelegten Kriterien ausgewählte Science-Slam-Angebot wurde über eine gesamte Saison begleitet. Das heißt, dass die Science-Slam-Veranstaltungen, die im monatlichen Rhythmus angeboten wurden und dabei unter gleichen Strukturbedingungen stattfanden, durch teilnehmende Beobachtung sowie Videomitschnitte der Slam-Performances festgehalten worden sind. Diese Daten bieten eine Kontrastierung zu den über die Interviews erhobenen Aussagen, aber auch eine weitere, ergänzende Verbildlichung sowie Versprachlichung der Momente der Lernkultur. Sie ermöglichen demnach eine Detaillierung der Science-Slam-Veranstaltungen, sodass diese als soziales, performatives Phänomen empirisch handhabbar gemacht werden. Da die Momente der Lernkultur (Kapitel 4.1.1, Kapitel 4.1.2, Kapitel 4.1.3 und Kapitel 4.2.3) nicht zwingend unmittelbar beobachtet werden können, werden sie kommunikativ-atmosphärisch ausgehandelt. Dafür bedarf es teilnehmender Beobachtungen. Demnach liegen fünf Beobachtungsprotokolle sowie 19 Videosequenzen der einzelnen Slam-Performances vor, wobei die in diesen Slam-Performances auftretenden Slammer*innen auch für ein fokussiertes Interview angefragt wurden. Vor dieser Erschließungsphase wurden mehrere Science-Slam-Veranstaltungen zur Erkundung des Forschungsgegenstandes genutzt. Für diese Veranstaltungen liegen keine Beobachtungsprotokolle oder Videomitschnitte vor. Die beobachteten Veranstaltungen fanden immer am selben Veranstaltungsort zu einem rhythmisch festgelegten Termin statt. Der Ablauf der Veranstaltung gliedert sich dabei in eine Rahmung durch Moderation und festgelegte Strukturen in Bezug auf die Reihenfolge der Slam-Performances sowie die Publikumsabstimmung. Zunächst tritt, wenn anwesend, ein sogenannter ›featured scientist‹ auf, eine Person, der von den Organisator*innen eine bestimmte wissenschaftliche Reputation zugesprochen wird und die daher außerhalb der Publikumsabstimmung in die jeweilige Science-Slam-Veranstaltung einführt. Es folgen zwei Slam-Performances. Im Anschluss an eine bis zu 20-minütige Pause finden zwei bis drei weitere Slam-Performances statt, bevor die Publikumsabstimmung erfolgt. Zwischen den Slam-Performances finden einführende Gespräche zwischen der*dem Moderator*in und den Slammer*innen zum Themenbezug und zu thematisch-inhaltlichen Besonderheiten statt.

136 | Science Slam

5.2.2 Beschreibung des Samples: Personen aus dem Publikum Eine erste Kontaktaufnahme mit Personen aus dem Publikum erfolgte über eine direkte Ansprache am Veranstaltungsabend, nachdem die Personen den Veranstaltungsort betreten hatten. Neben der ersten Kontaktaufnahme ging es auch darum, Erwartungen an die Veranstaltung im Voraus zu eruieren. Dieses Vorabinterview erfolgte unter der Prämisse des Zufallsprinzips. Dabei wurde versucht, eine möglichst heterogene Struktur der Personen aus dem Publikum abzubilden. Eine statistische Repräsentativität wurde dabei nicht angestrebt. Hintergrund ist die Teilnahme am Science Slam als Person aus dem Publikum, also nicht als Slammende*r. Insgesamt konnten zwölf Personen über die begleitete Science-Slam-Saison auf dieser Grundlage in der Vorabbefragung und auch im Anschluss interviewt werden. Reduziert wurde die Stichprobe durch die fehlende Bereitschaft, nach der Vorabbefragung auch für ein weiteres Interview zur Verfügung zu stehen, aber auch durch die fehlerhafte Angabe von Kontaktdaten für das anschließende Interview. Das anschließende Interview fand im Durchschnitt 17 Tage nach der besuchten Science-Slam-Veranstaltung statt. Die Terminierung der Interviews hing von den Zeitfenstern ab, die den Interviewpartner*innen zur Verfügung standen. Angestrebt war ein Interview genau 14 Tage nach der jeweiligen Science-Slam-Veranstaltung, um so Eindrücke aus eventuell nachfolgenden Science-Slam-Veranstaltungen zu vermeiden, aber auch, um einen entsprechend zeitlichen Abstand zu schaffen, sodass erste Veränderungen nachgezeichnet, Bezüge zu Aussagen aus dem Vorabinterview hergestellt und rückblickende Reflexionen vorgenommen werden können. Die Stichprobe der Personen aus dem Publikum kann wie folgt beschrieben werden: Die Mehrzahl der Interviewten befindet sich noch im Studium, wobei die Fachausrichtung von naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen über politikwissenschaftliche und ökonomische bis hin zu geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengängen reicht. Einige Student*innen sind im Wissenschaftsbereich als Werkstudent*in, studentische Hilfskraft oder Lehrbeauftragte*r/Tutor*in angestellt. Einige der befragten Teilnehmer*innen sind in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt. Ihre Arbeitgeber lassen sich dabei vorwiegend im wissenschaftlichen Bereich (u. a. Universitäten, Fachhochschulen, Forschungseinrichtungen) verorten. Außerdem gibt es freiberuflich Tätige. Die Häufigkeit der Teilnahme am Science Slam macht deutlich, dass die Interviewten in der Mehrzahl zum ersten Mal beim Science Slam anwesend waren. Hinzu kommen jene Teilnehmer*innen, die schon einen Science Slam besucht haben. In geringer Zahl gibt es Teilnehmende, die mehrmals bei Science-Slam-Veranstaltungen anwesend waren.

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 137

5.2.3 Beschreibung des Samples: auftretende Wissenschaftler*innen Um eine facettenreiche Erfassung des Forschungsgegenstandes zu gewährleisten, wurden zu jeder monatlichen Science-Slam-Veranstaltung alle angemeldeten Slammer*innen vor der Veranstaltung per E-Mail angeschrieben und um ein Interview gebeten. Der Kontakt wurde dafür über Schlüsselpersonen vermittelt. Den auftretenden Wissenschaftler*innen wurde die Einbettung des Interviews in der E-Mail kurz skizziert. Aufgrund der Rückmeldungen konnten 17 Interviews mit Wissenschaftler*innen im Vorfeld der Science-Slam-Veranstaltung durchgeführt werden. Angefragt wurden insgesamt 19 Wissenschaftler*innen – alles Personen, die in der begleiteten Science-Slam-Saison als Slammende auftraten. Ausgeschlossen wurden für die Anfrage Personen, die als ›featured scientist‹ auftraten, sowie Slammende, deren Slam-Performance in einer anderen Sprache stattfand, da in diesem Fall andere Vermittlungspraktiken wirken und Inszenierungsstrategien anders ansetzen. Demnach wurden acht Slammende aus der begleiteten Science-SlamSaison nicht angefragt. Das Merkmal zur Ziehung der Stichprobe beruht hier auf ihrer Teilnahme als Slammer*in an einer begleiteten Science-Slam-Veranstaltung. Die Stichprobe kann somit wie folgt beschrieben werden: Es wurden sieben Wissenschaftlerinnen und zehn Wissenschaftler interviewt. Von den 17 Personen haben sechs Personen einen Doktor*innentitel. Der berufliche Werdegang der Wissenschaftler*innen lässt sich daher anhand unterschiedlicher Verläufe nachzeichnen, dabei ist die Mehrzahl der Interviewten in eine Promotionsphase eingebunden oder bereits promoviert. Die promovierten Wissenschaftler*innen arbeiten vorwiegend in Forschungsprojekten, welche an Hochschulen und Universitäten angesiedelt sind. Es gibt jedoch auch Slammende, die nach der Promotion in den Unternehmenskontext gewechselt und dort in Forschungsprojekten tätig sind. Die Promovierenden sind ebenfalls vorwiegend in Forschungsprojekte eingebunden, die die inhaltliche Rahmung für die Promotion bieten. Nur wenige promovieren projektunabhängig. In diesem Fall bestehen Anbindungen an andere berufliche Zusammenhänge durch eine Tätigkeit, die Themen für eine Promotion eröffnet. Daneben gibt es Slammende, die sich in der Abschlussphase ihres Studiums befinden. Die Themengebiete der Wissenschaftler*innen lassen sich entlang der Bandbreite der Wissenschaftsbereiche einordnen. Zentral sind naturwissenschaftliche Themengebiete aus den Disziplinen Chemie, Physik und Mathematik, die behandelten Themen sind jedoch auch an Schnittstellen zwischen den Bereichen angesiedelt (u. a. Biochemie, Biophysik, Geophysik). Daneben bestehen Verbindungslinien zu Themen aus den technischen Wissenschaften. Außerdem werden Themen aus der

138 | Science Slam

Human- und Veterinärmedizin aufgegriffen. Einen zweiten thematischen Schwerpunkt bilden die Sozialwissenschaften; Psychologie, Wirtschaftswissenschaften und Soziologie sind hier zu nennen. Geisteswissenschaftliche Themen sind hingegen in den Slam-Performances nur wenig vertreten. Aufgegriffen werden jedoch philosophische und ethische Fragestellungen im Zusammenhang mit genuin naturwissenschaftlichen Themen, aber auch sprachwissenschaftliche Themen werden hier tangiert. Die Mehrzahl der Interviewten hat schon an einem Science Slam als Slammer*in oder im Rahmen eines anderen Formats der Wissenschaftskommunikation als Präsentierende*r teilgenommen. Daneben gibt es die Gruppe von Wissenschaftler*innen, die mit dem Bereich der Wissenschaftskommunikation und im Speziellen mit dem Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ keine Vorerfahrungen hat. Die Wissenschaftler*innen waren zuvor aber bereits als Zuschauer*innen bei einer ScienceSlam-Veranstaltung anwesend.

5.3 ERHEBUNGSVERFAHREN FÜR DIE PERSPEKTIVENVERSCHRÄNKUNG Über die Darstellung des Samples wird deutlich, dass verschiedene Erhebungsmethoden genutzt werden, um den Forschungsgegenstand – auf Basis der erarbeiteten Forschungsfragen – zu erschließen und die Beschreibung der Figur des Da-Zwischen zu ermöglichen. Es handelt sich um fokussierte Interviews mit den bei einer Science-Slam-Veranstaltung auftretenden Wissenschaftler*innen und um fokussierte Interviews mit Personen aus dem Publikum, bei denen diese fokussierten Interviews durch Vorabinterviews gestützt werden. Ausgangspunkt für die fokussierten Interviews mit den Interviewpartner*innen aus den jeweiligen Perspektivengruppen ist ein Expert*inneninterview mit einer Person in einer Schlüsselrolle im Gefüge der Science-Slam-Veranstaltungen. Hinzu kommen teilnehmende Beobachtungen, die durch die Videomitschnitte von Slam-Performances unterlegt werden. Daraus ergibt sich die in Abbildung 10 dargestellte Übersicht zum Datenmaterial.

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 139

Abbildung 10: Übersicht über das erhobene Datenmaterial

Quelle: eigene Darstellung

5.3.1 Fokussierte Interviews und Expert*inneninterview Allgemein kennzeichnen qualitative Interviews eine Kommunikationssituation, über die ein Sinnzugang erlangt wird, denn »die entscheidenden Daten werden in einer hochkomplexen und die Subjektivität der Beteiligten einbeziehenden Situation erzeugt« (Helfferich 2009: 9). Neben dem Zugang zu Sinnzuschreibungen der Interviewpartner*innen wird über ein qualitatives Interview ein offener Kommunikationsraum geschaffen, der es erlaubt, eigene Positionen zu reflektieren und Differenzen wahrzunehmen (Helfferich 2009). Der für alle drei Interviewsettings (fokussierte Interviews mit Wissenschaftler*innen, Vorabinterviews mit Personen aus dem Publikum und fokussierte Interviews mit Personen aus dem Publikum) vorliegende jeweilige Fragen-Leitfaden bietet mit Haupt- und Unterfragen zum einen eine ausführliche, thematisch-inhaltliche Vertiefung, zum anderen – je nach Ausführlichkeit der Antworten – ein flexibles Vorgehen, welches sich am natürlichen Erinnerungs- und Argumentationsfluss der Interviewten orientiert. Der Fragen-Leitfaden folgt dabei im Aufbau den Forschungsfragestellungen und ist somit gleichzeitig Ergebnis der Erkenntnisse aus der Erschließungs- und Sondierungsphase (Kapitel 5.2). Demnach werden fokussierte Interviews mit Wissenschaftler*innen, die beim Science Slam als Slammende auftreten, sowie mit Personen aus dem Publikum geführt. Die fokussierten Interviews mit Personen aus dem Publikum werden durch ein Vorabinterview am Veranstaltungsabend begleitet.

140 | Science Slam

Die Themenkomplexe für die fokussierten Interviews mit den auftretenden Wissenschaftler*innen gliedern sich wie folgt: • Themenkomplex I: Darstellung von individuelle/r/n berufliche/r/n Tätigkeit/en und des Themenhintergrunds der Slam-Performance, • Themenkomplex II: Begründung der Entscheidung für die Teilnahme als Slammer*in an dem Veranstaltungsformat und Erläuterung der Erwartungen an das Veranstaltungsformat, • Themenkomplex III: Beschreibung des genutzten Wissenszuschnitts für die Slam-Performance, • Themenkomplex IV: Beschreibung der methodisch-didaktischen Aufbereitung der Slam-Performance, • Themenkomplex V: Einschätzung der wissenschaftlichen Intention des Veranstaltungsformats, • Themenkomplex VI: Abfrage demografischer Daten. Unter jedem Themenkomplex finden sich ein bis vier erzählgenerierende Fragen mit Unterfragen, die entsprechend flexibel eingebracht werden. Aufgrund der Vorabinterviews mit Personen aus dem Publikum am Veranstaltungsort vor Veranstaltungsbeginn ergibt sich für diese Interviewgruppe eine andere thematisch-inhaltliche Reihenfolge der Themenkomplexe: • Themenkomplex I: Einschätzung der individuellen Szenarien der Teilnahme an dem Veranstaltungsformat (Vorabinterview), • Themenkomplex II: Abfrage der Kontaktdaten (Vorabinterview), • Themenkomplex III: Darstellung des persönlichen Kontextes mit Bezug auf den beruflichen Hintergrund und die Erfahrungen mit dem Veranstaltungsformat (fokussiertes Interview), • Themenkomplex IV: Beschreibung der Veranstaltung im Abgleich mit den genannten individuellen Szenarien der Teilnahme aus dem Vorabinterview (fokussiertes Interview), • Themenkomplex V: Darstellung von Anschlussmöglichkeiten und Weiterverfolgung generierter Inhalte und Themen aus der Veranstaltung heraus (fokussiertes Interview), • Themenkomplex VI: Abfrage demografischer Daten (fokussiertes Interview). In beiden Interviewgruppen werden neben den persönlichen Hintergrundstrukturen Teilnahmemotive erschlossen. Vertiefend geht es dann um die Ausgestaltung der einzelnen Slam-Performances auf thematisch-inhaltlicher und methodisch-didak-

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 141

tischer Ebene sowie bei den Interviews mit Personen aus dem Publikum auch um die generelle Beschreibung der besuchten Science-Slam-Veranstaltung. Bei dieser Interviewgruppe schließt sich die Erläuterung von Aneignungsprozessen aus der Veranstaltung heraus an. Die Interviewgruppe der auftretenden Wissenschaftler*innen ordnet das Veranstaltungsformat aus einer wissenschaftlichen Perspektive ein. Über die in den Themenkomplexen angewendeten erzählgenerierenden Fragen werden durch die Interviewten individuelle Deutungen eingebracht. Aus dieser Perspektive ist es zwingend notwendig, den Ausgangspunkt qualitativer Forschung festzuhalten, dem »es nicht um anzustrebende Objektivität gehen [kann], sondern um einen anzustrebenden angemessenen Umgang mit Subjektivität« (Helfferich 2009: 155; Hervorhebungen im Original). Eine methodische Kontrolle ergibt sich dann zum einen über die gegebene Offenheit, die es den Interviewten ermöglicht, in ihrer eigenen Sprache Sichtweisen zu entfalten, zum anderen über die damit einhergehende Zurückstellung der theoretischen Strukturierung des Forschungsgegenstandes, die die Strukturierung des Forschungsgegenstandes durch die Interviewten unterstützt (Hopf 1995). Methodisch grundlegend sind auch die Reflexivität der*des Forscher*in/s, demnach das Bewusstmachen des eigenen Vorwissens und des Erhebungskontextes sowie die intersubjektive Nachvollziehbarkeit, indem der gesamte Forschungsprozess dokumentiert wird (Helfferich 2009). Die genutzte Form der fokussierten Interviews (Merton & Kendall 1946; Merton et al. 1956) konzentriert sich auf einen Gesprächsgegenstand oder auch einen Gesprächsanreiz. Es geht somit um die Interpretationen der Interviewten in relativ offener Form in Bezug auf einen konkreten Gegenstand. In den geführten fokussierten Interviews wird der Fokus des Interviews auf das Veranstaltungsformat gelegt, speziell auf eine besuchte bzw. mitgestaltete Science-Slam-Veranstaltung. Ausgangspunkt für das Interview ist demnach, dass Personen eine spezifische, konkrete, keineswegs experimentell konstruierte, sondern ungestellte Situation erfahren haben (Lamnek 2010: 337). Voraussetzung dafür ist, dass die*der Forscher*in zunächst den Forschungsgegenstand beobachtet, auf den sich das fokussierte Interview bezieht. Auf dieser analytischen Basis werden bedeutsame Elemente und Muster herausgefiltert, die die Formulierung des Fragen-Leitfadens unterstützen. Dies erfolgt in der vorliegenden Erhebung über die Erkundungs- und Sondierungsphase (Kapitel 5.2). Dabei geht es hierbei nicht darum, die aus der vorausgehenden Erschließung des Forschungsgegenstandes herausgearbeiteten Hypothesen zu prüfen (Bortz & Döring 2006). Zielführend ist im Interview vielmehr, die individuellen Erfahrungen und Deutungen der Interviewten herauszuarbeiten (Merton & Kendall 1946; Merton et al. 1956) – »the informant, not the investigator, in effect provides the interpretation«

142 | Science Slam

(Merton & Kendall 1946: 541). Es geht somit auch um die Thematisierung individueller Wahrnehmungen und emotionaler Reaktionen. Insgesamt interessieren die individuellen Sichtweisen der Interviewten im Sinne einer »›retrospektiven Introspektion‹« (Bortz & Döring 2006: 316) und ihr Verhältnis zum Forschungsgegenstand. Die relativ offene Erhebungsform des fokussierten Interviews ermöglicht nicht nur eine gegenstandsbezogene Explikation, sondern eben auch die Maximierung der Themenreichweite. Gleichzeitig werden nicht-antizipierte Gesichtspunkte anschließend an die methodologische Grundlegung zur Geltung gebracht (Hopf 1995). Daher ist die Interviewführung auch durch einen sehr zurückhaltenden, nicht-direktiven Kommunikationsansatz gelenkt, um eben die Interviewten so gering wie möglich zu beeinflussen und ihre Selbsterforschung zu befördern (Friebertshäuser & Langer 2013). Dafür wird ihnen ein entsprechender kommunikativer Raum eingeräumt, sodass auch unerwartete Reaktionen und emotionale Rückbindungen thematisiert werden. Zusammengefasst sind in der Interviewführung daher folgende Kriterien relevant: »1. Nondirection: In the interview, guidance and direction by interviewer should be at a minimum. 2. Specificity: Subjects’ definition of the situation should find full and specific expression. 3. Range: The interview should maximize the range of evocative stimuli and responses reports by the subject. 4. Depth and personal context: The interview should bring out the affective and value-laden implications of the subjects’ responses, to determine whether the experience had central or peripheral significance. It should elicit the relevant personal context, the idiosyncratic associations, beliefs, and ideas.« (Merton & Kendall 1946: 545; Hervorhebungen im Original)

Das nicht-direktive Vorgehen (auch Rogers 1997) ermöglicht es, dass die Gedanken der Interviewten in den Vordergrund treten und nicht die sozial erwünschten Antworten, welche die Interviewten über die*den Interviewer*in antizipieren (Merton & Kendall 1946: 545). Daher werden vor allem unstrukturierte (Impuls und Antwort sind nicht vorgegeben) und semi-strukturierte (entweder Vorgabe von Impuls oder Antwort) Fragekonstruktionen in den fokussierten Interviews genutzt. Der erarbeitete Fragen-Leitfaden bietet dann insgesamt eine vergleichende, thematisch-inhaltliche Strukturierung. Um jedoch auch implizite, inhaltliche Äußerungen aufgreifen und vertiefen zu können, wird er individuell in der Differenzierung gehandhabt. Den fokussierten Interviews ist ein Expert*inneninterview vorgeschaltet, welches die Ausgestaltung des Veranstaltungsformats, seine Entwicklung und Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext fokussiert. Es ermöglicht in der Sondierungsphase eine dichte Datengewinnung. Demnach handelt es sich um kein systema-

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 143

tisierendes oder theoriegenerierendes Expert*inneninterview (Bogner & Menz 2009a). Es geht vielmehr um eine erste Strukturierung. Die Expert*innen gelten als »›Kristallisationspunkte‹« (Bogner & Menz 2009a: 8) in der Gemengelage. Ihnen wird eine relevante Bedeutung für die Wahrnehmung des Forschungsgegenstandes zugeschrieben, indem sie über vermutetes Wissen verfügen. Es geht dann nicht um ihre gesellschaftliche Position oder um die berufliche Rolle (Gläser & Laudel 2009). Sie verfügen vielmehr über ein Wissen, dass sie zwar nicht zwingend allein zur Verfügung haben, aber über das nicht jede*r verfügt. Um einer inflationären Ausdehnung der Zuschreibung ›Expert*in‹ vorzubeugen, muss zum Zweck einer Kategorisierung danach gefragt werden, »ob es Eigentümlichkeiten gibt, die das Expertenhandeln und -wissen von anderen Formen sozialen Handelns und Wissens, insbesondere vom Alltagshandeln und -wissen, unterscheidet« (Meuser & Nagel 2009: 37; Anknüpfungspunkte auch bei Schütz (1972) in der Unterteilung Expert*innen, Mensch auf der Straße sowie gut informierte Bürger*innen). Fokussiert wird somit »›sozial institutionalisierte Expertise‹« (Sprondel 1979: 41, zit. in Meuser und Nagel 2009: 38), die das Expert*innenwissen zum Expert*innenwissen macht und es vom Spezialwissen abgrenzt. Der*Dem Expert*in/en ist ihr*sein Wissen kommunikativ und reflexiv verfügbar. 6 Dabei ist die Annahme, dass Expert*innen Lieferant*innen von objektiven Informationen sind, problematisch (Bogner & Menz 2009b), denn die Expert*innen sind selbst Teil des Handlungsfeldes des Forschungsgegenstandes. In der Gesamtbetrachtung ist dann nicht der »Rekurs auf eine besondere Wissensstruktur oder Wissensform« interessant, sondern die »soziale Relevanz« des Wissens im konkreten Handlungsfeld (Bogner & Menz 2009b: 70; Hervorhebungen im Original). »Der Experte verfügt über technisches Prozess- und Deutungswissen, das sich auf ein spezifisches Handlungsfeld bezieht, in dem er in relevanter Weise agiert […]. Insofern besteht das Expertenwissen nicht allein aus systematisiertem, reflexiv zugänglichem Fach- oder Sonderwissen, sondern es weist zu großen Teilen den Charakter von Praxis- und Handlungswissen

6

Demnach wird kein voluntaristischer Expert*innenbegriff angelegt, der betont, dass »jeder Mensch mit besonderen Informationen, Fähigkeiten usw. für die Bewältigung des eigenen Alltagslebens ausgestattet ist« (Bogner & Menz 2009b: 67). Alle Menschen sind dann Expert*innen ihres eigenen Lebens. Eine konstruktivistische Definition zielt einerseits auf die Zuschreibung der Expert*innenrolle durch die Forscher*innen, wodurch es sich um ein Konstrukt ohne personale Eigenschaften und Fähigkeiten handelt, oder andererseits auf die gesellschaftliche Einordnung der Person als Expert*in (Bogner & Menz 2009b: 68).

144 | Science Slam

auf, in das verschiedene und durchaus disparate Handlungsmaximen und individuelle Entscheidungsregeln, kollektive Orientierungen und soziale Deutungsmuster einfließen. Das Wissen der Experten, seine Handlungsorientierungen, Relevanzen usw. weisen zudem – und das ist entscheidend – die Chance auf, in der Praxis in seinem Handlungsfeld […] hegemonial zu werden.« (Bogner & Menz 2009b: 73; Hervorhebungen im Original)

Das geführte Expert*inneninterview basiert auf einem nicht-standardisierten Fragen-Leitfaden (Meuser & Nagel 2009: 54), der eine Strukturierung der Interviewsituation und eine Eingrenzung auf die als relevant ermittelten Themenkomplexe ermöglicht. Über die Fragen wird das Wie des Handelns erschlossen, dabei steht für die vorliegende Erschließung zunächst eine dichte Informationsgewinnung zum Forschungsgegenstand selbst im Vordergrund. Gleichzeitig dürfen die Verweisungszusammenhänge, die durch die Expert*innen hergestellt werden, nicht unterschätzt werden. 5.3.2 Teilnehmende Beobachtung Aufgrund fehlender Untersuchungen zum Forschungsgegenstand ›Science Slam‹ geht es zunächst darum, aus dem Forschungsgegenstand heraus einen Verstehensansatz zu entwickeln, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit zu erhalten, die Aussagen aus den fokussierten Interviews aufgrund fehlender – im Sinne der reflexiven Verfügbarkeit – Versprachlichungen besser einbetten zu können. Denn »Beobachter können lokales Wissen explizieren, das für Teilnehmer weder in Handlungssituationen, und erst recht nicht auf vages Nachfragen hin sprachlich verfügbar ist, weil sie es im Modus des Selbstverständlichen und der eingekörperten Routine haben« (Amann & Hirschauer 1997: 24). Zu unterscheiden ist in einem ersten Zugang zwischen den ethnografisch arbeitenden Ethnolog*innen und den soziologisch arbeitenden Ethnograf*innen (Hitzler 2011). Diese sind gefordert, »mitten im modernen Alltag, jene ›Fremde‹ überhaupt erst einmal wieder [zu] entdecken bzw. sichtbar [zu] machen, die der ethnografisch arbeitende Ethnologe gemeinhin fast zwangsläufig existenziell erfährt« (Hitzler 2011: 48; Hervorhebungen im Original). Ethnograf*innen erkunden »nur auf den ersten, oberflächlichen Blick bekannt erscheinende Welten im Kontext der eigenen Gesellschaft« (Egloff 2012: 263). Ethnografie zielt demnach auf die »Hervorhebung eines Phänomenenbereichs gelebter und praktizierter Sozialität« (Amann & Hirschauer 1997: 11) ab und ist durch die Annahme von Fremdheit und Vertrautheit gestützt. Die Differenz zwischen Teilnehmer*innen und Beobachter*innen wird dadurch aufrechterhalten, dass es nicht das Ziel ist, die Welt der Anderen mit deren

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 145

Augen zu sehen, sondern diese Weltsichten als ihre gelebte Praxis zu erkennen (Amann & Hirschauer 1997: 24). Beim Eintritt in das ›Feld‹ soll der Verzicht auf bereits im Vorfeld generierte Kategorien einen eingeengten bzw. einengenden Blick vermeiden helfen. Daraus ergibt sich, dass die Ethnografie eine »flexible, methodenplurale, kontextbezogene« Strategie ist, die »nicht eine ganz spezifische Forschungsmethode, sondern vielmehr die Umsetzung einer generellen Forschungshaltung« widerspiegelt (Feiler 2007: 23, zit. in Oester 2008: 233). Die Haltung ist dabei dem ›Feld‹ untergeordnet, welches bestimmt, wie sich die*der Forscher*in verhält. Ein daran anschließender Interpretationsprozess ist beobachter*innennah und setzt Kommunikation, Erschließungsphase sowie Forschung in enge Beziehung miteinander. Grundsätzlich zu reflektieren ist dabei jedoch, »dass die Texte der Forschenden erst die ›Dinge‹ hervorbringen, über die sie schreiben. Die Produktion kultureller Bedeutung rückt ins Zentrum der Betrachtung« (Winter 2010: 88). Demnach bleibt der ethnografische Text ein Konstrukt eigener Art, das über Abbildung, ›Feld‹realität, Einfluss der*des Autor*in/s und die Integration der Forschungssituation Auskunft gibt (Preckwitz 2002). Die teilnehmende Beobachtung ist neben anderen ein methodischer Zugang der Ethnografie, um Erkenntnisse über das Handeln im beobachteten Kontext zu erlangen, da »sich Bedeutungen von Sachverhalten in der Lebenswelt von Menschen über einen Kommunikations- und Handlungszusammenhang konstituieren, der selbst wie ein Text gelesen werden kann« (Preckwitz 2002: 15, in Anlehnung an Geertz 2001). Die teilnehmende Beobachtung geht daher davon aus, dass die soziale Wirklichkeit eine gesellschaftlich-intersubjektive Welt repräsentiert, die symbolisch vermittelt und kommunikativ bedingt ist und von den Handelnden aktiv hergestellt wird und demnach an Annahmen des symbolischen Interaktionismus anknüpft (Lamnek 2010: 489; auch Kapitel 5.1). Sie ermöglicht daher die Erfassung der sozialen Konstituierung von Wirklichkeit. In der teilnehmenden Beobachtung werden die Forscher*innen als Beobachter*innen dann selbst Teil des beobachteten Forschungsgegenstandes. Dabei kann es sich um eine offene Beobachtung – die*der Forscher*in ist in ihrer*seiner Rolle bekannt – oder um eine verdeckte Beobachtung handeln, in der die Identität der Forscher*innen nicht bekannt gegeben wird. Zudem lassen sich eine strukturierte und unstrukturierte Beobachtung unterscheiden (Lamnek 2010). Somit können Beobachter*innen verschiedene Rolle einnehmen: eine völlige Identifikation, Teilnehmer*in als Beobachter*in (Beobachter*in und Beobachtete sind sich einer Beziehung bewusst), Beobachter*in als Teilnehmer*in (Beobachter*in ist in soziales Geschehen integriert) und reine*r Beobachter*in ohne Beziehung zum Forschungsgegenstand (Girtler 2001). Der*Dem Beobachter*in kommt also eine zentrale Rolle in der methodischen Anlage zu (Schwartz & Green

146 | Science Slam

Schwartz 1955: 343). Deutlich wird, dass die*der Beobachter*in immer Teil des Forschungs›feldes‹ ist. Ein Grunddilemma bleibt somit bestehen: Das mit der Beobachtung eingeforderte Vertraut-Werden mit dem Forschungs›feld‹ trifft auf das Aufrecht-Erhalten von Distanz. Dies wird schon über die Bezeichnung suggeriert, denn ›Teilnahme‹ wird mit Nähe verbunden, ›Beobachtung‹ dagegen mit Distanz (Förster 2001). Daher wird kritisiert, dass es sich um zwei grundsätzlich verschiedene Methoden handelt, die zusammengeführt werden. Die Forscher*innen müssen sich diesem Dilemma bewusst sein und ihre*seine Emotionen als Teil des Datenmaterials ebenso wie Aspekte des Scheiterns mit aufnehmen (Schwartz & Green Schwartz 1955). Auch wenn der Begriff ›Beobachtung‹ eine implizite Trennung von Forschungssubjekt und -objekt unterstellt, ist die teilnehmende Beobachtung demnach immer auch eine Selbstbeobachtung (Hirschauer 2011). Unverkennbar ergibt sich daraus ebenso eine doppelte Beeinflussungsstruktur: Das Forschungs›feld‹ wird von den Beobachter*innen beeinflusst, aber gleichzeitig beeinflusst das Forschungs›feld‹ die Beobachter*innen. Der Kritik an einer Verzerrung des Forschungs›feldes‹ durch die eigene Präsenz kann eine situationssensitive Steuerung, die nicht im Ganzen durch Video- sowie Tonbandaufnahmen zu leisten wäre, sowie die Kontextierung durch eine sinnhafte und synästhetische Komplexität gegenübergestellt werden. Die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der gewonnenen Daten aus der Beobachtung heraus wird zudem gestärkt, wenn die geltenden Sinn- und Bedeutungszusammenhänge des analysierten soziokulturellen Systems beachtet werden und daran anknüpfend entsprechende Interpretationen erfolgen – und demnach keine ethnozentristische Unterlegung mit eigenem Sinnverstehen erfolgt. Bohnsack (2014) betont, dass die teilnehmende Beobachtung zugunsten ihrer Gültigkeit und Zuverlässigkeit um aufgezeichnete Kommunikationssequenzen ergänzt werden sollte. Die systematische Aufzeichnung der beobachteten Ereignisse sowie die systematische Planung und Anbindung an den Forschungszweck stützen das Vorgehen (Lamnek 2010: 509). Dabei wird das methodische Vorgehen zentral durch den Forschungsgegenstand bestimmt, der im Sinne der »›mikroskopische[n]‹ Methode« (Legewie 1995: 189) eine überschaubare soziokulturelle Einheit fokussiert. Es geht um einen bestimmten kulturellen Ausschnitt, der beobachtet wird und sich auf die eigene Kultur bezieht. Dabei findet keine Beobachtung außerhalb des festgelegten Settings statt. In Bezug auf den vorliegenden Forschungsgegenstand handelt es sich dabei um die einzelnen begleiteten Science-Slam-Veranstaltungen. Durch die teilnehmende Beobachtung an einer gesamten Science-Slam-Saison ergibt sich darüber ein spezifisches Gesamtbild. Der teilnehmenden Beobachtung war in dieser Analyse eine Erschließungsphase vorgeschaltet, die dazu diente, den Forschungsgegenstand in Aufbau und Struktur

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 147

kennenzulernen, aber auch einen Einstieg in das ›Feld‹ zu ermöglichen. Die daraus in Verbindung mit der Sondierungsphase generierten Forschungsfragen geben eine Strukturierung für die teilnehmende Beobachtung vor. Obwohl Amann und Hirschauer (1997) als zentrales Charakteristikum die fehlende Vorabeinschränkung im Sinne einer Zurichtung der Beobachtungssituation festhalten, sodass auch Antworten gefunden werden, für die eine vorher in Gang gesetzte Forschung gar keine Fragen entwickeln konnte, fokussieren diese teilnehmenden Beobachtungen nun »festgelegte Beobachtungseinheiten« (Beer 2003: 130), sprich spezifische Themenbereiche. Die eingeschobenen Dimensionen machen eine Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit der Beobachtung in weiteren Science-Slam-Settings möglich, da die Besonderheit des beobachteten Forschungsgegenstandes in seiner Zeitlichkeit liegt, das heißt, dass einzelne begleitete Veranstaltungen nur in zeitlichen Abständen stattfinden, die über die Beobachtungsdimensionen abgepuffert werden. Diese Form der teilnehmenden Beobachtung anhand von festgelegten Beobachtungsdimensionen stützt vorrangig die geführten Interviews, um als sprachliche Konstruktionsleistung Sprachlosigkeit, Vorsprachlichkeit, Selbstverständlichkeiten und Stummheit zu überwinden und genau jenen Momenten der Lernkultur nachzuspüren, die zur Beschreibung der Figur des Da-Zwischen als relevant herausgearbeitet wurden. Im Umkehrschluss wird hier Bohnsacks (2014) Forderung aufgenommen, die Gültigkeit und Zuverlässigkeit teilnehmender Beobachtung durch aufgezeichnete Kommunikationssequenzen abzusichern. Es geht nicht darum, durch die Teilnahme eine ›echte‹ Wahrnehmung zu generieren, sondern andere Einsichten zu erlangen. Eine direkte Rückbindung der Analyseergebnisse aus den Interviews ist nur durch das Nachspüren im Geschehen möglich. Mit dem Führen eines Protokolls während der Beobachtung beginnt durch die Vertextung die analytische Arbeit. Es handelt sich bei den Protokollen nicht um ein literarisches Format, sondern um Beobachtungsprotokolle, die Datentypen der teilnehmenden Beobachtung (Hirschauer 2011). Es werden die soziale Situation, Regelmäßigkeiten, Verhaltensweisen sowie Differenzen zwischen Gesagtem und Handeln beschrieben. Hier entsteht zwischen der Beobachtung und deren Aufzeichnung ein Zeitsprung. Gleichzeitig können nicht alle Momente der Beobachtungssituation simultan beobachtet werden. Durch die Fokussierung auf spezifische Beobachtungsdimensionen wird versucht, jenen Aspekten bewusst Beobachtungsaufmerksamkeit einzuräumen, die für die Forschungsfragen relevant sind. Das Aufschreiben ist somit ein selektiver Akt des Zur-Sprache-Bringens der Erfahrungen und Beobachtungen. Die teilnehmende Beobachtung wird in dieser Erschließung daher durch Videomitschnitte gestützt, um sich als Forscher*in während der Beobachtung auf die nicht visualisierten, sondern spürbaren Aspekte der Veranstaltung zu konzentrieren. Das Nach-Fühlen des Eingelassen-Seins in die Lernkultur,

148 | Science Slam

die situationssensitive Wahrnehmung, ist jedoch mit technischen Mitteln nicht möglich. Die Videomitschnitte werden genutzt, um die Aussagen zur methodischdidaktischen Ausgestaltung aus den Interviews mit Wissenschaftler*innen, die als Slammende am Science Slam teilnehmen, nachvollziehen zu können und somit beobachtbare Handlungen in ihrer Dichte zu erfassen. Die Videomitschnitte ermöglichen somit die Kombination synchroner und diachroner Beobachtungsaspekte und ergänzen auch die teilnehmende Beobachtung. Teilnehmende Beobachtung und Videomitschnitte zusammen fundieren dann die fokussierten Interviews mit Wissenschaftler*innen und Personen aus dem Publikum. Die in den Interviews getätigten Äußerungen werden so in ihren Handlungskontext eingeordnet, da diese Einzeläußerungen erst im Gesamtkontext adäquat verstanden werden können (Bohnsack 2014). Die teilnehmende Beobachtung sowie die Videomitschnitte werden demnach als Hintergrundfolie zur Analyse des Forschungsgegenstandes ›Science Slam‹ eingesetzt.

5.4 BEREITSTELLUNG DES DATENMATERIALS FÜR DIE PERSPEKTIVENVERSCHRÄNKUNG Die fokussierten Interviews sowie die Vorabinterviews und das Expert*inneninterview wurden mit einem digitalen Aufnahmegerät aufgezeichnet. Direkt nach dem jeweiligen Interview wurden Interviewprotokolle verfasst, in denen Rahmendaten zum Interview (Interviewcode, Datum, Dauer, Ort), Angaben zu den Interviewten (Alter, Berufsstatus) und Besonderheiten der Kontaktaufnahme sowie Interviewsituation dokumentiert wurden. Im Anschluss an die begleitete ScienceSlam-Saison wurden alle Interviews hintereinander in den jeweiligen Interviewgruppen transkribiert. Das heißt, es wurden erst alle Vorabinterviews mit Personen aus dem Publikum, anschließend alle fokussierten Interviews mit Personen aus dem Publikum und danach alle Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen transkribiert. Aufgrund dieser Gruppierungen, aber auch aufgrund der intensiven Auseinandersetzung mit dem Material während des Transkribierens war es in diesem Prozess schon möglich, bereits Assoziationen und Zusammenhänge in Notizform festzuhalten. Mit der Transkription beginnt somit der erste interpretative Auswertungsschritt: Die Audiodaten werden durch die Transkription zu Forschungsdaten, auch beeinflusst durch die Transkribierenden selbst (Kowal & O’Connell 2012). Gleichzeitig ist die Art der Transkription insgesamt beeinflusst durch das Forschungsinteresse sowie umgekehrt die Art der Transkription natürlich die Analyse beeinflusst. Das Transkript stellt somit eine »spezifische wissenschaftliche Konstruktion« dar, es »entzieht dem Gespräch seine Kontextualität« (Langer

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 149

2013: 516; Hervorhebungen im Original). Aufgrund des formulierten Forschungsinteresses wurde das Audiomaterial von Dialekt, Umgangssprache und anderen akustischen Elementen während der Transkription bereinigt. Diese schriftsprachliche Transkription mit Orientierung an der Standardorthografie ermöglicht die Analyse von Themen und Inhalten (Knoblauch 2011). Neben dieser Entscheidung zu verbalen Parametern ging es auch um die Aufnahme prosodischer Parameter (Überlappungen, unverständliche und unvollständige Äußerungen, Betonung) sowie parasprachlicher Parameter (Lachen, Husten u. Ä.), die über Deskription im Transkript sichtbar gemacht werden. Nicht-sprachliche Parameter, Lautäußerungen und Wortverschleifungen wurden in die Transkription nicht mitaufgenommen. Sonderzeichen werden genutzt, um Auffälligkeiten wie Pausen und Betonungen festzuhalten, auch syntaktische Fehler werden beibehalten. Daraus ergibt sich folgendes, in Tabelle 2 dargestelltes Transkriptionsregelsystem (in Anlehnung an Dresing & Pehl 2011): Tabelle 2: Übersicht über das genutzte Transkriptionssystem Zeichen (.), (..), (…), (4)

„mhm“ (bejahend), „mhm“ (verneinend) BETONEN

Bedeutung kurze Pause in Sekunden (eine Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden), längere Pausen werden durch Ziffern markiert (vier Sekunden) einsilbige bejahende („hm“, „ah“) oder verneinende („eh“, „hm“) Antwort betonte Wörter werden durch Großschreibung gekennzeichnet

(lachen)

emotionale, parasprachliche Äußerungen werden beim Einsatz in Klammern notiert

RS1: //Ja// RS22: //Mhm//

gleichzeitige Rede wird durch einen doppelten Schrägstrich sichtbar gemacht

-

Wort- oder Satzabbruch wird durch einen Anstrich direkt am Wortende deutlich unverständliche Wörter werden nicht notiert, sondern die Unverständlichkeit wird deutlich gemacht, längere unverständliche Passagen werden mit der Ursache versehen

(unv.) (unv., Autolärm)

(Autotür?)

Vermutung eines Wortlautes wird in Klammern gesetzt und mit Fragezeichen versehen

(10 Sekunden Autolärm)

Störungen werden über eine Zeitangabe beschreibend festgehalten

Quelle: eigene Darstellung

150 | Science Slam

Im Abschluss wurden alle Transkripte einheitlich anonymisiert. Angaben, welche auf die interviewte Person Rückschlüsse zulassen, wurden ersetzt durch generierte, anonymisierte Angaben. Für die Auswertung wurden die nun vorliegenden Transkripte in eine QDA-Software überführt. Die Transkripte können in der Software mit den Audiodateien hinterlegt werden, sodass mithilfe der Zeitmarken auch während der Analyse in die Audiodatei gehört werden kann. Die QDA-Software bietet Unterstützung in der Aufbereitung und Verwaltung der als Transkripte zur Verfügung stehenden Textdaten an. Bei dem vorliegenden Textmaterial ist diese strukturierte Organisation und Aufbereitung der Daten für eine entsprechend fundierte Analyse notwendig, da die Software die Indizierung von und die Suche nach indizierten Textpassagen in einem hierarchisch organisierten Kategorienschema ermöglicht. Neben den Interviewtranskripten liegen für die Analyse auch die Beobachtungsprotokolle aus der teilnehmenden Beobachtung der Science-Slam-Veranstaltungen vor. Während der jeweiligen Science-Slam-Veranstaltung wurde mithilfe eines Beobachtungsleitfadens entlang von Beobachtungsdimensionen Stichpunkte festgehalten, die im Anschluss an die Science-Slam-Veranstaltung differenziert versprachlicht wurden. Die gewählte Form der teilnehmenden Beobachtung, ergänzt durch Videoaufzeichnungen, stützt die Interviews und dient in der Analyse als Kontextsetzung der Interviews.

5.5 AUSWERTUNGSVERFAHREN FÜR DIE PERSPEKTIVENVERSCHRÄNKUNG Grundlegend für die Analyse ist, dass die Auswertungsmethoden ebenso wie vorab schon die Erhebungsmethoden in Abhängigkeit zu den Fragestellungen und der Zielsetzung der Erhebung stehen. Sie werden auf dieser Basis ausgewählt, sodass sich für die zielführende Herausarbeitung der Figur des Da-Zwischen ein methodischer Eklektizismus auf Basis der allgemeinen Prinzipien qualitativer Forschung als sinnvoll erweist. Denn für die analytische Herausarbeitung eines Da-Zwischen erscheint nicht nur eine einzige Methode als sinnvoll, um die vielfältigen Facetten zu erschließen. Orientiert wird sich jedoch insgesamt an den Annahmen der rekonstruktiven Sozialforschung (Bohnsack 2014), »welche an der Ent-Äußerung der Akteure ansetzt und diese als Dokument begreift« (Meuser 2011a: 32). Die Basis der rekonstruktiven Sozialforschung bildet die Annahme der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit (Berger & Luckmann 2013 [1969]). Daher ist es die »Aufgabe der empirischen Forschung […], die Konstruktion der Wirklichkeit zu rekonstruieren, welche die Akteure in und mit ihren Handlungen

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 151

vollziehen« (Meuser 2011b: 140). Diese Wirklichkeitskonstruktionen beziehen sich auf im Alltagshandeln nicht zwingend bewusst vorgenommene Handlungen. Demnach geht es um die »Rekonstruktion der impliziten Wissensbestände und der impliziten Regeln sozialen Handelns«, also um den »verstehenden Nachvollzug der Relevanzstrukturen, die dem Handeln der Akteure zu Grunde liegen« (Meuser 2011b: 140–141). Durch offene Gesprächs- und Erzählsituationen in u. a. Interviews oder Gruppendiskussionen können die Beteiligten selbst Themen im jeweils individuellen Relevanzrahmen in eigener Sprache und unter Nutzung eigener Symbolsysteme entfalten (Bohnsack 2014). Durch diese Offenheit lassen sich Wirklichkeitskonstruktionen erst erschließen. Deutlich wird, dass rekonstruktive Sozialforschung die Generierung von Hypothesen und Theorien anstrebt (Bohnsack 2014). Dabei zielt das vorliegende Analyseverfahren auf die Erschließung von lebensweltlichen Strukturen des Handelns und von Sichtweisen in der Lernkultur ›Science Slam‹ über die Beschreibung der Figur des Da-Zwischen, und zwar im Sinne eines abduktiven Verfahrens. Mit dem abduktiven Folgern werden demnach Merkmalskombinationen – fokussiert auf die Fragestellungen – zusammengestellt, für die es noch keine entsprechende Regel oder Erklärung gibt (Reichertz 2012). Die soziale Zugehörigkeit kollektiver Orientierungen steht dabei nicht im Fokus. Die einzelnen methodischen Auswertungsschritte zielen auf eine zusammenfassende Interpretation entlang der Auswertungskategorien und eine daran anschließende perspektivenverschränkende Interpretation hin zur Rekonstruktion des Forschungsgegenstandes ›Science Slam‹ als Lernkultur. Dieses Vorgehen basiert auf der Annahme, dass erst durch die detaillierte, mikroskopische Erschließung der einzelnen Perspektiven der Teilnehmer*innen auf die Lernkultur die spezifische Figur des Da-Zwischen erarbeitet werden kann. Die Perspektiven werden also im Sinne eines Aufeinander-Zustrebens zusammengeführt, es geht nicht um eine Typisierung innerhalb der jeweiligen Erhebungsperspektiven. Die Perspektiven bündeln sich vielmehr in der analysierten Lernkultur und diese wird dann entsprechend aus den Perspektiven heraus beschrieben. Die Analyse folgt der Datenerhebung mit Vorabinterviews, fokussierten Interviews und teilnehmender Beobachtung. Detailliert können folgende Methoden der Auswertung, welche Anleihen 7 an bereits etablierten Auswertungsverfahren nehmen, beschrieben werden:

7

Diese Anleihen bestehen darin, dass einzelne Abfolgen aus Auswertungsverfahren in der Begriffskonstruktion übernommen werden, da sie für das vorliegende Auswertungsverfahren grundlegende Annahmen stützen.

152 | Science Slam

(1) Es geht zunächst um die kategoriale Erschließung und Handhabbarmachung des Datenmaterials, indem Themen und Einzelaspekte herausgearbeitet werden. Eine sequenzielle Interpretation wird nicht angestrebt. Für die kategoriale Erschließung liegen Interviewtranskripte mit Personen aus dem Publikum sowie Interviewtranskripte mit auftretenden Wissenschaftler*innen vor. Der Handhabbarmachung liegt eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Material zugrunde. Schmidt (2013) sieht als Ergebnis dieser kategorialen Erschließung Auswertungskategorien, die im beschriebenen Auswertungsprozess eben gerade nicht im Vorfeld bestimmt wurden. Diese Offenheit im Vorgehen wird gewählt, um die Lernkultur facettenreich erschließen zu können und sie nicht nur in die bewährte ›Sicht der Dinge‹ einzuordnen. Gerahmt wird das Vorgehen durch die Forschungsfragen. Anhand der aus diesem Interviewmaterial erarbeiteten Auswertungskategorien, wobei Textpassagen nicht zwingend nur durch eine Auswertungskategorie charakterisiert sind, wird für jede Perspektivengruppe ein entsprechendes Kategoriensystem entwickelt. Als Perspektivengruppen werden hier einerseits die Perspektiven der Personen aus dem Publikum gebündelt, anderseits werden die Perspektiven der Wissenschaftler*innen zusammengeführt. (2) Die jeweiligen Intervieweinheiten der Perspektivengruppen werden nun entlang der jeweils erstellten Auswertungskategorien inhaltlich zusammengefasst. Dabei wird nicht die einzelne Kategorie für jedes Interview resümiert, sondern die Zusammenfassung erfolgt entlang von kategorienzusammenführenden Überschriften, sodass hierdurch Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kategorien für die*den jeweilige*n Interviewte*n erkennbar werden und, wie in Tabelle 3 deutlich wird, sich auch schon erste inhaltliche Ansatzpunkte für eine perspektivenverschränkende Analyse ergeben.

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 153

Tabelle 3: Inhaltliche Zusammenfassung der Interviews entlang von kategorienzusammenführenden Überschriften kategorienzusammenführende Überschriften für die inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Interviews mit Personen aus dem Publikum

kategorienzusammenführende Überschriften für die inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Interviews mit Wissenschaftler*innen, die als Slammende bei einer begleiteten Science-SlamVeranstaltung auftreten

Befragung vor der Science- SlamVeranstaltung individuelle wissenschaftliche Hintergrundstrukturen Reflexion der Erwartungen an das Veranstaltungsformat und der individuellen inhaltlichen Transformationsprozesse während sowie im Anschluss an den Veranstaltungsbesuch (II. Ebene von Transformationsprozessen)

individuelle wissenschaftliche Hintergrundstrukturen individuelle Anregungen und Motive für die Teilnahme an dem Auftrittsformat Science Slam mit Blick auf fokussierte Transformationsprozesse (II. Ebene von Transformationsprozessen)

Beschreibung der besuchten Science-Slam-Veranstaltung Beschreibung der einzelnen Slam-Performances

Beschreibung des Veranstaltungsformats Science Slam Beschreibung der eigenen SlamPerformance mit Blick auf fokussierte Transformationsprozesse (I. Ebene von Transformationsprozessen)

Bedeutung des Veranstaltungsformats als Form der Wissenschaftskommunikation

Bedeutung des Veranstaltungsformats als Form der Wissenschaftskommunikation

Quelle: eigene Darstellung

Diese inhaltliche Zusammenfassung zielt auf die Reduzierung des Materials ab. Dabei sollen die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, aber durch Abstraktion eine überschaubare Sammlung als Abbildung des Gesamtmaterials geschaffen werden (Mayring 1996). Das Material wird durch Auslassungen, Generalisierungen, Konstruktionen, Integrationen, Selektionen sowie Bündelungen paraphrasiert. Es entsteht für jedes geführte Interview ein zusammenfassender Text, eine Reformulierung der Auswertungskategorien findet nicht statt. Die erstellten Beobachtungsprotokolle und die Videomitschnitte der Slam-Performance die-

154 | Science Slam

nen als Hintergrundfolie für die Erstellung dieser Basistexte. Sie können bei Bedarf herangezogen werden, um analytische Annahmen in einen Kontext zu setzen. Das heißt, dass diese erhobenen Materialien nicht systematisiert ausgewertet werden, sondern Einzeläußerungen aus den Interviewtranskripten heraus in dem jeweiligen Gesamtkontext erfassen, sodass die Einzeläußerungen analytisch adäquat eingeordnet werden. Durch die Zusammenführung der einzelnen Aussagen unter kategorienzusammenführenden Überschriften wird an dieser Stelle schon die Abkehr vom Einzelfall deutlich und vielmehr die Hinwendung zu einer Perspektivengruppe vorangetrieben. (3) Entlang ihrer jeweiligen Auswertungskategorien werden die Perspektivengruppen nun als Einheit ausgewertet, sodass für die jeweiligen Auswertungskategorien differenzierte Analysen vorliegen. Diese Annäherungen an das Material bewegen sich auf einer formulierenden Ebene, die die Fragen nach dem inhaltlichen Was klärt (Bohnsack 2014). Die Erschließung orientiert sich an den erarbeiteten Auswertungskategorien, die zwar die thematische Struktur des Textes vorgeben, aber eben nicht erst in der Interpretation der Auswertungskategorien als Ober- und Unterthemen erarbeitet werden, an die sich dann die Auswahl spezifischer Passagen für die reflektierende Interpretation anschließt. Im Fokus stehen vielmehr die »Reformulierung und Identifizierung des kommunikativ-generalisierbaren Sinngehaltes« (Schäffer 2012: 205) in Form von Ausformulierungen zu den Auswertungskategorien je Perspektivengruppe. Es erfolgt somit eine Übersetzung des Primärtextes in einen anderen Kontext – hier in den Kontext der jeweiligen Perspektivengruppe. Dies ist möglich, weil die rekonstruierenden Basistexte der Zusammenfassung auf inhaltlicher Ebene analytisch die Binnensicht der Interviewten als Teilnehmende im Forschungssetting reformulieren. (4) Um anschließend eine perspektivenverschränkende Interpretation zu ermöglichen, wird die wechselseitige Unbestimmtheit der sich gegenseitig ansteuernden Sinndomänen (Wissensstrukturen in ihren Kontextierungen und ihren Relevanzsystemen) angenommen. Diese Sinndomänen innerhalb der Science-Slam-Veranstaltung werden durch Personen aus dem Publikum und Wissenschaftler*innen, welche als Slammende anwesend sind, in die jeweilige Science-SlamVeranstaltung eingebracht. Die Annahme einer hegemonialen Dominanz einer dieser Sinndomänen in der Analyse würde die Perspektive für ihre wechselseitige Relationierung und die Entwicklung von neuartigen Bedeutungshorizonten verschließen. Die Sinndomänen bilden demgegenüber Kontaktflächen aus, die sich gegenseitig ansteuernde Prozesse erkennen lassen. Über analytisch festgehaltene Inszenierungsstrategien, Vermittlungspraktiken und Figuren der Überführung kann die gegenseitige Bedeutungsbildung rekonstruiert werden. Grund-

Methodische Erschließung des Forschungsgegenstandes | 155

legend ist die Annahme, dass Bedeutungen in kommunikativen Aushandlungsprozessen entstehen. Handlung und Struktur werden hier in ihrer Wechselseitigkeit erfasst. Die Beschreibung der Kontaktflächen erlaubt es abschließend, die Lernkultur ›Science Slam‹ über das Beschreibungskonzept der Figur des Da-Zwischen zu charakterisieren und zu rekonstruieren. Dieses beschriebene vierschrittige Vorgehen im Auswertungsverfahren ist eine eigens entwickelte methodische Grundlage. Zwar sind spezifische Lernkulturen bereits teilweise über Perspektivenverschränkung erschlossen worden, jedoch liegen noch keine analytischen Ansätze für eine Figur des Da-Zwischen vor. Demnach handelt es sich um eine Kombination von Auswertungsmethoden, die Pilotcharakter besitzt. Aus der Darstellung der Auswertungsmethoden ergibt sich in Verbindung mit der Erhebung und Bereitstellung der Daten das in Abbildung 11 gezeigte Ablaufmodell der eigens für das hier verfolgte Forschungsvorhaben entwickelten perspektivenverschränkenden Analyse.

156 | Science Slam

Abbildung 11: Ablaufmodell der Analyse in Perspektivenverschränkung

Quelle: eigene Darstellung

6

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche zwischen den Wissensstrukturen Detaillierung der Auswertungsschritte

Kapitel 6 konzentriert sich auf die detaillierte Darstellung der in Kapitel 5 herausgearbeiteten einzelnen Auswertungsschritte – (1) Entwicklung der Auswertungskategorien, (2) inhaltliche Zusammenfassung als Zusammenführung der Auswertungskategorien und (3) formulierende Interpretation. Diese Form der detaillierten Darstellung ist notwendig, um die Herausarbeitung der Figur des Da-Zwischen über die Perspektivenverschränkung hinsichtlich des Forschungsgegenstandes ›Science Slam‹ nachvollziehen zu können. Demnach werden die einzelnen Auswertungsschritte für jede Perspektivengruppe, also für die Perspektivengruppe der Personen aus dem Publikum und für die Perspektivengruppe der auftretenden Wissenschaftler*innen in einer Science-SlamVeranstaltung, nacheinander dargestellt. Deutlich wird über die Darstellung, wie sich die Auswertung zunehmend fokussiert und verdichtet. Eine separierte Betrachtung der Perspektivengruppen liegt in der Annahme verschiedener Sinnkontexte begründet, an welche die Wissensstrukturen rückgebunden sind.

6.1 ENTWICKLUNG DER AUSWERTUNGSKATEGORIEN FÜR DIE VORABINTERVIEWS UND FOKUSSIERTEN INTERVIEWS IN PERSPEKTIVENGRUPPEN In einem mehrstufigen Codierverfahren, also der Zuordnung des erhobenen Materials zu den am Ende entstehenden Auswertungskategorien, wurden die erstellten Interviewtranskripte der Personen aus dem Publikum und der Wissenschaftler-

158 | Science Slam

*innen, welche als Slammende bei einer begleiteten Science-Slam-Veranstaltung auftraten, hintereinander in Perspektivengruppen in jeweils vier kontrollierten Arbeitsschritten codiert. Abbildung 12 zeigt das Ineinandergreifen der einzelnen Arbeitsschritte hin zur Erstellung eines Kategoriensystems. Abbildung 12: Übersicht über die Entwicklung der Kategoriensysteme für die Interviews mit Personen aus dem Publikum und die Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen

Quelle: eigene Darstellung

Die Arbeitsschritte fanden innerhalb der jeweiligen Perspektivengruppe statt. Gemeint sind hier zum einen Personen aus dem Publikum als die eine Perspektivengruppe und zum anderen auftretende Wissenschaftler*innen als die andere Perspektivengruppe. Die daraus resultierenden Intervieweinheiten wurden dabei nicht parallel bearbeitet, sondern nacheinander kategorisiert. Zunächst wurden für die Interviews mit Personen aus dem Publikum Auswertungskategorien erarbeitet, um dann zur Codierung der Interviews mit den Wissenschaftler*innen überzugehen. Mit Blick auf die vier Arbeitsschritte je Perspektivengruppe lassen sich für den Kodiervorgang explorative und indikatorenbildende Schritte festhalten. Die vier Arbeitsschritte können wie folgt charakterisiert werden: (1) Über ein offenes Kodierverfahren, welches durch die Forschungsfragen gerahmt wird, wurden entsprechende Textstellen aus den jeweiligen Intervieweinheiten in einem explorativen Durchgang festgehalten und erste Codes gebildet. Für die vorliegenden Interviewtranskripte der Personen aus dem Publikum erfolgte dieser erste Schritt der Kodierung am gesamten erhobenen Material, sodass alle

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 159

vorliegenden Interviewtranskripte aus den Vorabinterviews und fokussierten Interviews bearbeitet wurden. Bei den Interviewtranskripten der Wissenschaftler*innen, die als Slammende bei einem Science Slam auftraten, wurde eine exemplarische Transkriptauswahl bearbeitet, da der grundlegende inhaltliche Zugang durch die vorher in vier Durchläufen abgeschlossene Kategorisierung der Interviewtranskripte der Personen aus dem Publikum bereits erfolgt war. Über die exemplarische Bildung von Codes entlang der Interviewtranskripte der auftretenden Wissenschaftler*innen wurde demnach geprüft, ob sich eine vergleichbare Kodierung zwischen den Intervieweinheiten der Perspektivengruppen ergibt. (2) Die bereits definierten Kategorien – entstanden aus der Kategorisierung im Rahmen des offenen Kodierverfahrens – wurden nun noch einmal entlang der gesamten Interviewtranskripte der Personen aus dem Publikum geprüft, wobei gleichzeitig eine prinzipielle Offenheit für weitere induktive Kategorienbildungen gewahrt wurde. Die Prüfung der exemplarisch gebildeten Codes aus den Interviewtranskripten mit Wissenschaftler*innen wurde in diesem Schritt ergänzt durch den Abgleich zwischen dem für diese Interviewtranskripte exemplarisch gebildeten Kategoriensystem und dem dann schon feststehenden Kategoriensystem der Interviews mit Personen aus dem Publikum. Das heißt, dass neben der Überprüfung der an einer Materialauswahl exemplarisch gebildeten Codes nun am gesamten Interviewmaterial auch die Kategorien der Interviews mit Personen aus dem Publikum angelegt wurden. Diese Kategorien wurden mithilfe der Interviewtranskripte im Sinne einer Formulierungsgrundlage für das Kategoriensystem dieser Perspektivengruppe geprüft, um eine Verknüpfung beider Kategoriensysteme am Ende des Auswertungsprozesses für die perspektivenverschränkende Interpretation zu ermöglichen. (3) In den beiden vorhergehenden Arbeitsschritten wurde die Bearbeitung des gesamten Materials innerhalb der jeweiligen Perspektivengruppen in einem Durchgang vorgenommen. Um diese Vorgehensweise aufzubrechen und einen analytischen Perspektivwechsel zu ermöglichen, wurden nun nacheinander die einzelnen Codes am Interviewmaterial gespiegelt. Das heißt, dass der jeweilige Code aufgerufen wurde, alle ihm zugeordneten Textstellen angezeigt und in ihrer Zuordnung zum Code unter dem Aspekt der inhaltlichen Übereinstimmung überprüft wurden. Dadurch ergaben sich Codeumstrukturierungen, Codeneubildungen oder Codelöschungen. Dieser Analyseschritt fand jeweils für die Interviewtranskripte der Personen aus dem Publikum und für die Interviewtranskripte der auftretenden Wissenschaftler*innen statt. Das jeweilige Kategoriensystem entstand somit in seinen Zusammenhängen und Differenzierungen.

160 | Science Slam

(4) Abschließend erfolgte eine Gesamtschau der Interviewtranskripte innerhalb der Perspektivengruppen, indem die erarbeiteten Kategorien als Hintergrundfolie noch einmal überprüft wurden. Daraus ergaben sich Auswertungskategorien für jede Perspektivengruppe für die anschließenden Auswertungsschritte. Durch dieses Vorgehen in der Erstellung der Kategoriensysteme und mit Blick auf die Zielsetzung der Analyse haben sich charakteristische Kategorien herausgebildet (Kuckartz 2010). Diese Auswertungskategorien für die Analyse haben zwar einerseits eine einengende, andererseits jedoch auch eine öffnende Funktion, indem sie analytisch tieferliegende inhaltliche Ebenen erschließen. Es wurden folgende, in Tabelle 4 dargestellte, übergeordnete Auswertungskategorien, die sich je nach Perspektivengruppe unterschiedlich ausdifferenzieren, herausgearbeitet. Tabelle 4: Übersicht über die herausgearbeiteten Auswertungskategorien für die Perspektivenverschränkung

• • • • • •

Übergeordnete Auswertungskategorien für die Interviews mit Personen aus dem Publikum Hintergrundstrukturen Szenarien der Teilnahme Bedeutung des Formats Science Slam Science-Slam-Veranstaltung Science-Slam-Performances Transformationsprozesse

Übergeordnete Auswertungskategorien für die Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen • Hintergrundstrukturen • Szenarien der Teilnahme • Bedeutung des Formats Science Slam • Science-Slam-Veranstaltung • Science-Slam-Performance • Transformationsprozesse

Quelle: eigene Darstellung

6.1.1 Beschreibung des Kategoriensystems für die Interviews mit Personen aus dem Publikum Über die Kategorie ›Hintergrundstrukturen‹ werden der berufliche Status sowie die individuelle Beschäftigung mit wissenschaftlichen Themen und Inhalten in Beruf und Alltag der Personen aus dem Publikum erschlossen. Diese Kategorie dient demnach dazu, das Sample zu beschreiben. Die Unterkategorie ›berufliche Tätigkeit‹ wird detailliert durch die Untergliederung in ›Angestellte*r außerhalb des wissenschaftlichen Bereichs‹, ›freiberufliche

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 161

Tätigkeit‹ und ›Student*in‹ sowie ›Tätigkeit im wissenschaftlichen Bereich‹, um so festzuhalten, ob über die unterschiedlichen beruflichen Haupttätigkeiten hinaus Nebentätigkeiten im wissenschaftlichen Kontext ausgeübt werden. Die Unterkategorie ›Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen‹ greift die selbst zugeschriebenen vielfältigen, individuell benannten Beschäftigungsmöglichkeiten mit wissenschaftlichen Themen und Inhalten ›im Beruf‹ sowie ›im Alltag‹ heraus. Die Kategorie ›Szenarien der Teilnahme‹ rekonstruiert, vorwiegend auf Basis von Vorabinterviews mit Personen aus dem Publikum, Hintergründe zur Anwesenheit der Personen bei der entsprechenden Science-Slam-Veranstaltung. Über die Unterkategorie ›Häufigkeit der Teilnahme am Science Slam‹ wird zunächst festgehalten, wie oft die Interviewten bisher bei Science-Slam-Veranstaltungen anwesend waren. Eine weitere Unterkategorie bezieht sich darauf, wie die individuelle ›Aufmerksamkeitslenkung auf den Science Slam‹ erfolgte. Diese Unterkategorien ermöglichen eine weitergehende Samplebeschreibung für die Interviews mit Personen aus dem Publikum. Abbildung 13 greift diese Untergliederung auf. Abbildung 13: Kategorie ›Szenarien der Teilnahme‹ mit Unterkategorien

Quelle: eigene Darstellung

Neben den beiden genannten Unterkategorien wurden in einer weiteren Unterkategorie auch die ›Erwartungsstrukturen‹ der Interviewten an die entsprechende

162 | Science Slam

Science-Slam-Veranstaltung mit einer Differenzierung zwischen den Aussagen aus den Vorabinterviews ›im Vorfeld‹ der Science-Slam-Veranstaltung und den Aussagen aus dem fokussierten Interview ›im Nachhinein‹ der Science-Slam-Veranstaltung dokumentiert. Dadurch kann zwischen einer Erwartungs- und anschließenden Bewertungsperspektive der eigenen Erwartungen in den fokussierten Interviews unterschieden werden. Gleichzeitig wird in den fokussierten Interviews auch das ›Interesse‹ der Teilnehmer*innen am Veranstaltungsformat erfragt. Auch diese Aussagen bieten die Möglichkeit der Gegenüberstellung. Dabei wurden jeweils sechs aus dem Material herausgearbeitete Unterkategorien beibehalten, um Veränderungsprozesse zwischen den Erwartungsstrukturen im Vorfeld und ihrer Reflexion im Nachhinein sichtbar zu machen. Diese sechs aus dem Material herausgearbeiteten Unterkategorien beziehen sich auf das ›Zusammenspiel zwischen Unterhalten und wissenschaftlichen Inhalten‹. Im Datenmaterial wird nach dieser Kategorie codiert, wenn in den Aussagen eine im Sinnzusammenhang stehende Zusammenführung der Aspekte Unterhaltung und wissenschaftliche Inhalte erfolgt. Falls dieser Sinnzusammenhang nicht hergestellt wird, werden die codierten Textstellen entweder der Unterkategorie ›Unterhalten‹ oder aber der Unterkategorie ›Wissen‹ – wenn Wissensvermittlung wissenschaftlicher Inhalte explizit benannt wird – zugeordnet. Weitere Erwartungsstrukturen richten sich an dem spezifischen ›Veranstaltungsformat‹ aus. Hinzu kommen Erwartungen an die ›Themen‹ oder Themengebiete, die präsentiert werden, und ein generelles, nicht weiter expliziertes ›Interesse‹ im Zusammenhang mit einer unspezifischen Neugier. Da der Science Slam ein aktuelles Veranstaltungsformat im Rahmen von Initiativen rund um den Bereich der Wissenschaftskommunikation darstellt, wird in einer Kategorie die ›Bedeutung des Formats Science Slam‹ festgehalten. Um verschiedene Betrachtungsebenen im Hinblick auf die Bedeutung des Formats herauszuarbeiten, wird in die Unterkategorien ›gesellschaftliche Ebene‹, ›individuelle Ebene‹ und ›wissenschaftliche Ebene‹ gegliedert. Unter der Kategorie ›Format Science Slam‹ werden thematische Aussagen zum spezifischen Veranstaltungsabend gefasst. Es geht um eine erste Annäherung an die besuchte Science-Slam-Veranstaltung in einer konzeptionellen Gesamtschau. Dazu werden in der Unterkategorie ›Zuschreibungen‹ zunächst Aussagen aus den Vorabinterviews im Vorfeld der Science-Slam-Veranstaltung subsumiert, wenn sich die Interviewten auf Annahmen und Vorstellungen zum Veranstaltungsformat beziehen. Wie dieser Abend in der Rückbetrachtung wahrgenommen wird – herausgearbeitet aus den Interviewtranskripten der fokussierten Interviews –, wird in der Unterkategorie ›Beschreibungen‹ und den hier zugeordneten Unterkategorien aufgeschlüsselt, sodass die Bandbreite der konzeptionellen Aspekte der abendlichen

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 163

Veranstaltung festgehalten wird. Ersichtlich wird diese Differenzierung über die Visualisierung in Abbildung 14. Abbildung 14: Kategorie ›Format Science Slam‹ mit Unterkategorien

Quelle: eigene Darstellung

Die Beschreibung beruht auf dem Veranstaltungsabend, an welchem die Interviewten anwesend waren. Ihnen wird dafür in den Interviews ein offener kommunikativer Raum gegeben, um die für sie wichtigen Aspekte anzusprechen. Der Erzählstimulus in Form einer Aufforderung, den Veranstaltungsabend zu beschreiben und sich zurück zu erinnern, wird nur bei Bedarf durch differenzierte Nachfragen ergänzt, um ein gemeinsames Verständnis zu erreichen und die jeweilige Beschreibung genau zu erfassen. Die Interviewten greifen die Beschreibung des ›Publikums‹ und der ›Präsentationsmethoden‹ heraus und setzen sich auch mit ›Ort/Atmosphäre‹ der Veranstaltung auseinander. ›Slammende‹ und präsentierte ›Inhalte‹ werden in die Beschreibung häufig miteinbezogen, der ›Ablauf des Abends‹ und die ›Moderation‹ werden nur selten angerissen. Anhand der immer genaueren Beschreibungen werden nun die einzelnen ›Science-Slam-Performances‹, die Teil des jeweiligen Veranstaltungsabends waren, kategorial bestimmt. In Anlehnung an Diskurse zu performativen Prozessen rückt somit die Aufführung selbst als Kategorie in den Mittelpunkt. Daher erhält diese Kategorie eine Schlüsselposition im Analyseprozess und wird in Abbildung 15 im Detail visualisiert.

164 | Science Slam

Abbildung 15: Kategorie ›Science-Slam-Performance‹ mit Unterkategorien

Quelle: eigene Darstellung

Als Unterkategorie werden die Aussagen zu den ›Slammer*innen‹ festgehalten. Eine zusätzliche Unterkategorie bilden hier genderspezifische Auseinandersetzungen der Interviewten. Außerdem werden Aussagen zu den Unterkategorien ›Thema/ Inhalt‹, sprich die Rekapitulation der Inhalte der einzelnen Slam-Performances, und zu eingesetzten ›Präsentationsmethoden‹ codiert. Die Präsentationsmethoden sind in mehrere Unterkategorien untergliedert: ›Vortragsstil/Rede‹ bezieht sich auf die Präsenz der*des Slammer*in/s auf der Bühne sowie ihre Vortragsweise. In den wahrgenommenen Vortragsstil fließen auch Bewegungen, Gesten und Artikulation mit ein. Außerdem werden in den Slam-Performances ›Interaktionen‹ mit dem Publikum genutzt, um das Publikum in die jeweilige Slam-Performance als Teilnehmende zu integrieren. Daneben bietet die Herstellung von ›sprachlichen Alltagszusammenhängen‹ während der inhaltlichen Darstellung die Möglichkeit, dass individuelle, thematisch-inhaltliche Verbindungslinien für die Teilnehmer*innen angeboten werden. Unterstützend wirken daneben der Einsatz von ›bildlichen Visualisierungen‹, die genutzt werden, um für die Inhalte eine andere Assoziationsebene anzubieten, sowie ›objektive Illustrationen‹. Hierbei handelt es sich um Darstellungen und Experimente aus der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin. Mit Blick auf die Erwartungsstrukturen werden in der Unterkategorie ›Zusammenspiel von Unterhalten und wissenschaftlichen Inhalten‹ Aussagen codiert, welche die einzelne Science-Slam-Performance in diesem Spannungsfeld einstufen.

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 165

Der Kategorie ›Transformationsprozesse‹ liegt die Annahme zugrunde, dass im Veranstaltungsformat verschiedene Wissensstrukturen aufeinandertreffen. Sie verdeutlicht daher in ihrer Ausdifferenzierung einerseits Formen dieses Aufeinandertreffens der Wissensstrukturen und andererseits Aneignungsprozesse. Die Unterkategorien beziehen sich daher zum einen auf denkbare oder fehlende ›Anschlussmöglichkeiten‹, die durch ›Thema/Inhalt‹ sowie ›Visualisierung/Illustration‹ in der jeweiligen Slam-Performance gestützt werden. Der Unterschied zu den in der Kategorie Science-Slam-Performances unter diesen Bezeichnungen festgehaltenen codierten Interviewstellen liegt in der hier stattfindenden individuellen Reflexion. Es werden Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen der Slam-Performance und den individuellen Anschlussmöglichkeiten gezogen. Zum anderen werden mit der Unterkategorie ›Auseinandersetzung‹ Beschreibungen festgehalten, die sich darauf beziehen, wie sich die Interviewten mit den Inhalten im Anschluss an die Slam-Performances befasst haben. Auch hier werden zwei spezifische Kategorien herausgestellt, die sich einerseits auf die ›Kommunikation‹ über die jeweilige Science-Slam-Veranstaltung oder über die einzelnen Slam-Performances im Anschluss an die jeweilige Science-Slam-Veranstaltung beziehen oder andererseits Äußerungen zu weiteren ›Science-Slam-Besuchen‹ erfassen. Die Unterkategorie ›Irritationen‹ ermöglicht weitergehende interpretative Ansätze, indem intensive thematisch-inhaltliche Besprechungen und individuell hervorgehobene Slam-Performance-Momente kategorisiert werden. Als Irritationen werden dann jene Erzählstränge herausgegriffen, die darauf hindeuten, dass bestimmte Inhalte, Themen oder Präsentationsmethoden eine weitreichendere individuelle reflexive Weiterbeschäftigung erfahren haben. Abbildung 16 schlüsselt diese drei Unterkategorien auf. Abbildung 16: Kategorie ›Transformationsprozesse‹ mit Unterkategorien

Quelle: eigene Darstellung

166 | Science Slam

6.1.2 Beschreibung des Kategoriensystems für die Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen Die Kategorie ›Hintergrundstrukturen‹ greift die beruflichen Zusammenhänge der Wissenschaftler*innen auf. Es wird davon ausgegangen, dass sie im wissenschaftlichen Bereich tätig sind. Festgehalten wird in der Unterkategorie ›berufliche Tätigkeit‹, welche genaue Tätigkeit die Wissenschaftler*innen im wissenschaftlichen Bereich momentan neben ihrer möglichen Qualifikationsarbeit ausüben. Die Unterkategorie ›beruflicher Werdegang‹ beschreibt die wissenschaftliche Entwicklung der Slammer*innen bis hin zu ihrer momentanen beruflichen Tätigkeit im wissenschaftlichen Bereich. Jede*r Slammende ordnet sich in ihren*seinen Aussagen einer spezifischen wissenschaftlichen Disziplin zu, der wiederum einer individuellen inhaltlichen Spezialisierung unterliegt. Diese Benennungen werden in der Unterkategorie ›wissenschaftliches Thema/Themengebiet‹ festgehalten. Im Anschluss daran fragt die Unterkategorie ›thematische Verbindungslinien‹ danach, wie das in der Slam-Performance präsentierte Thema mit der momentanen beruflichen Tätigkeit und dem individuellen wissenschaftlichen Thema/Themengebiet verknüpft ist. Diese Kategorie dient insgesamt der Samplebeschreibung. Die Kategorie ›Szenarien der Teilnahme‹ beschreibt nun aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen die Beweggründe zur Teilnahme an einem Science Slam als Slammer*in. Diese werden in Abbildung 17 dargestellt. Über die Unterkategorie ›Teilnahmeanregung‹ wird festgehalten, wie die interviewten Wissenschaftler*innen dazu gekommen sind, am Science Slam zu partizipieren. Die Unterkategorie ›Motive für die Teilnahme‹ spezifiziert die vielfältigen Teilnahmebegründungen. Die Motive werden daher auch bedingt durch die individuellen ›Vorerfahrungen mit dem Science Slam‹, aufgenommen in der entsprechenden Unterkategorie.

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 167

Abbildung 17: Kategorien ›Szenarien der Teilnahme‹ mit Unterkategorien

Quelle: eigene Darstellung

Die Kategorie ›Bedeutung des Formats Science Slam‹ bezieht sich auf Zuschreibungen zum Science-Slam-Format auf verschiedenen Ebenen. Es geht hier nicht um die individuelle Perspektive – ›Was bringt mir persönlich meine Slam-Performance?‹ –, sondern es geht um eine generelle Perspektive auf das Veranstaltungsormat als Konzept der Wissenschaftskommunikation. Dabei werden drei Ebenen f ls Unterkategorien ausdifferenziert, die sich teilweise auch schon im Kategorienasystem der Interviewtranskripte mit Personen aus dem Publikum wiederfinden. Die dort eingebrachte gesellschaftliche Bedeutung wird hier ersetzt durch die Bedeutung ür das präsentierte Thema bzw. die jeweilige wissenschaftliche Disziplin – demfnach durch die Unterkategorie ›thematische/disziplinäre Ebene‹. Die ›individuelle Ebene‹, ob als Teilnehmer*in oder Slammende*r, und die ›wissenschaftliche Ebene‹ bleiben bestehen. Die Kategorie ›Format Science Slam‹ hält Aussagen fest, die auf die Beschreibung der Science-Slam-Veranstaltung verweisen. Dabei ist zu beachten, dass die Interviewten das Format gegenüber den Personen aus dem Publikum im Vorfeld der Science-Slam-Veranstaltung, in der sie als Slammer*in auftreten werden, beschreiben. In Bezug auf die Hintergrundstrukturen haben alle Wissenschaftler*innen in unterschiedlicher Form Vorerfahrungen mit dem Format Science Slam sammeln können, sodass sie das Veranstaltungsformat nicht über Zuschreibungen aufgreifen – wie die Personen aus dem Publikum in ihren Vorabinterviews –, sondern beschreibend. Da das Format in seinen Ausprägungen charakterisiert werden soll, werden die Unterkategorien des Kategoriensystems aus den Interviews mit den

168 | Science Slam

Personen aus dem Publikum genutzt: ›Ort/Atmosphäre‹, ›Publikum‹, ›Präsentationsmethoden‹, ›Slammende‹, ›Inhalt‹ und ›Ablauf des Abends‹. Mit Ausnahme der Unterkategorie ›Moderation‹ sind alle Unterkategorien auch in den Ausdifferenzierungen der interviewten Wissenschaftler*innen vertreten. Gegenüber der Unterkategorie ›Gesamteindruck‹, der zum Zeitpunkt der Interviews mit den auftretenden Wissenschaftler*innen im Gegensatz zu den Interviews mit Personen aus dem Publikum noch nicht thematisiert werden kann, wird als Unterkategorie das ›Zusammenspiel zwischen Unterhalten und wissenschaftlichen Inhalten‹ innerhalb der Science-Slam-Veranstaltung aufgegriffen. Diese Unterkategorie orientiert sich an den Ausdeutungen zur gleichnamigen Kategorie innerhalb der Unterkategorie zu den ›Erwartungsstrukturen‹ der Personen aus dem Publikum. Nach der Einordnung des Veranstaltungsformats wird über die Kategorie ›Science-Slam-Performance‹ Bezug auf die jeweils eigene Performance genommen. Die Kategorie wird visualisiert in Abbildung 18. Abbildung 18: Kategorie ›Science-Slam-Performance‹ mit Unterkategorien

Quelle: eigene Darstellung

Die Unterkategorie individuelles ›Selbstverständnis‹ greift auf, wie die*der auftretende Wissenschaftler*in ihre*seine Performance inhaltlich, sprachlich, visuell und ästhetisch ausgestaltet. Es lassen sich dazu drei Gruppen identifizieren: jene, die

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 169

sich in ihrer Rolle als Slammende dennoch als ›Wissenschaftler*in‹ verstehen, jene, die aufgrund der Ansprüche des Veranstaltungsformats eher als ›Unterhalter*in‹ auftreten, und jene, die versuchen, beide Rollenkonzepte als Slammende zu vereinen. In der Unterkategorie ›Thema/Inhalt‹ der Slam-Performance werden deren inhaltlicher ›Aufbau‹ und deren ›Kommunikation‹ im Sinne der Art und Weise der Vermittlung (u. a. erklärend, darlegend, andeutend) codiert. Die Unterkategorie ›Präsentationsmethoden‹ lehnt sich an das Kategoriensystem der Interviews mit Personen aus dem Publikum an. Als weitere Kategorie gegenüber dem Kategoriensystem der Interviews mit Personen aus dem Publikum wurde hier ›schriftliche Darstellungen‹ ergänzt. Wie in Abbildung 19 deutlich wird, ist die Unterkategorie ›Zusammenspiel von Unterhalten und wissenschaftlichen Inhalten‹ aus dem Kategoriensystem der Interviews mit Personen aus dem Publikum nicht mehr enthalten. Die auftretenden Wissenschaftler*innen verlagern diesen Diskurs weg von der individuellen Slam-Performance auf eine übergeordnete Ebene, indem das Science-Slam-Format als solches unter diesem Aspekt betrachtet wird. Daher befindet sich diese Unterkategorie in der Kategorie ›Format Science Slam‹. Die Kategorie ›Transformationsprozesse‹ wird im Kategoriensystem der interviewten Wissenschaftler*innen auf zwei Ebenen differenziert: Zum einen verändert sie auf einer ersten Ebene die methodisch-didaktische Vermittlung der wissenschaftlichen Inhalte für die Slam-Performance, um der antizipierten Teilnehmer*innengruppe im Science Slam zu entsprechen. Diese spezifische, methodischdidaktisch aufbereitete Vermittlung erfordert, dass das ›Publikum‹ näher definiert wird. Über ›Präsentationsmethoden‹, die ›sprachlich‹ und_oder ›visuell‹ ausgerichtet sein können, sowie die Aufbereitung von ›Thema/Inhalt‹ durch ›Aufbau‹ und die Art und Weise der ›Kommunikation‹ werden die Inhalte methodisch-didaktisch den Teilnehmer*innen eröffnet und somit nicht thematisch-inhaltlich, aber in ihrer Darstellung verändert. Die auf dieser ersten Ebene der Transformationsprozesse benannten Unterkategorien gleichen den Unterkategorien zur Beschreibung der einzelnen Science-Slam-Performance, um darüber einen Abgleich zwischen der Planung der eigentlichen Umsetzung und dem selbst formulierten Anspruch an die spezifische, methodisch-didaktische Anpassung der Inhalte zu ermöglichen. Zentral ist hier, wie wissenschaftliche Themen und Inhalte in die Slam-Performance über Vermittlungspraktiken eingebracht werden. Zum anderen greifen die Transformationsprozesse auf der zweiten Ebene die Unterkategorien aus dem Kategoriensystem der Interviews mit Personen aus dem Publikum auf und sind somit an dieser Stelle theoretisch rückgebunden an die Annahme zum Aufeinandertreffen von Wissensstrukturen in diesem Veranstaltungsformat. Mit ›Anschlussmöglichkeiten‹ werden demnach Aussagen festgehalten, in denen thematisiert wird, über welche Methoden die Wissenschaftler*innen Anschlussmöglichkeiten eröffnen. Ein weiterführender,

170 | Science Slam

daran anschließender Schritt erfolgt durch ›Auseinandersetzungen‹. Die Wissenschaftler*innen antizipieren, wie mit dem angebotenen Wissen umgegangen wird. Hieran lassen sich Aneignungsprozesse rückbinden. ›Irritationen‹ beanspruchen dann einen Veränderungsprozess über Lernen und Bildung, den die Interviewten thematisieren. Die unter dieser zweiten Ebene der Transformationsprozesse festgehaltenen Textstellen aus den Interviews kennzeichnen demnach auch die Zielsetzung der auftretenden Wissenschaftler*innen bezüglich ihrer Slam-Performance. Abbildung 19 visualisiert die beiden beschriebenen Ebenen der möglichen Transformationsprozesse auf inhaltlicher und individueller Ebene. Abbildung 19: Kategorie ›Transformationsprozesse‹ mit Unterkategorien

Quelle: eigene Darstellung

6.2 INHALTLICHE ZUSAMMENFASSUNG ALS ZUSAMMENFÜHRUNG DER AUSWERTUNGSKATEGORIEN Die aus dem Material erarbeiteten Kategorien, welche im Zusammenhang der jeweiligen Interviewgruppen erstellt wurden, werden in einem nächsten Auswertungsschritt an jedes Interview einzeln angelegt. Dieses wird also aus dem Kontext der Perspektivengruppe – Personen aus dem Publikum oder Wissenschaftler*innen, die als Slammende bei der begleiteten Science-Slam-Veranstaltung auftreten – herausgelöst. Diese Rückführung in die Einzelbetrachtung lässt hier detailliertere Verbindungslinien erkennen, als sie im Gesamtkorpus möglich wären. Es handelt sich

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 171

somit um einen interpretativen Schritt, der nur auf die Ebene der Zusammenführung abhebt. Weitere Interpretationen am Material werden nicht vorgenommen. Der Auswertungsschritt dient demnach dazu, die einzelnen Kategorien in einem ersten Zugang in einen Zusammenhang zu setzen, denn die einzelnen Interviews werden nicht entlang jeder einzelnen Kategorie zusammengefasst, sondern es werden kategorienzusammenführende Überschriften als Grundlage für die inhaltliche Zusammenfassung gebildet. Daraus lassen sich Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kategorien herausarbeiten. Tabelle 5 schlüsselt die einzeln erarbeiteten, kategorienzusammenführenden Überschriften je Perspektivengruppe auf. Dabei wird deutlich, dass die genutzten kategorienzusammenführenden Überschriften zwischen den Perspektivengruppen ähnlich sind. Das ergibt sich zum einen aus der herausgearbeiteten Ähnlichkeit der Kategoriensysteme, zum anderen aber auch durch die Zielperspektive der Analyse, an der sich die einzelnen Auswertungsschritte orientieren. Aufgrund der Perspektiven auf den Forschungsgegenstand bieten sie durch diese Systematisierung erste Verschränkungen an. Tabelle 5: Inhaltliche Zusammenfassung der Interviews entlang von kategorienzusammenführenden Überschriften kategorienzusammenführende Überschriften für die inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Interviews mit Personen aus dem Publikum

kategorienzusammenführende Überschriften für die inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen

individuelle wissenschaftliche Hintergrundstrukturen

individuelle wissenschaftliche Hintergrundstrukturen

Reflexion der Erwartungen an das Format ›Science Slam‹ und der individuellen inhaltlichen Transformationsprozesse während sowie im Anschluss an die Veranstaltung (II. Ebene von Transformationsprozessen)

individuelle Anregungen und Motive für die Teilnahme an dem Auftrittsformat ›Science Slam‹ mit Blick auf fokussierte Transformationsprozesse (II. Ebene von Transformationsprozessen)

Beschreibung der besuchten Science-Slam-Veranstaltung

Beschreibung des Veranstaltungsformats ›Science Slam‹

Beschreibung der einzelnen Slam-Performances

Beschreibung der eigenen SlamPerformance mit Blick auf die fokussierten Transformationsprozesse (I. Ebene von Transformationsprozessen)

172 | Science Slam

kategorienzusammenführende Überschriften für die inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Interviews mit Personen aus dem Publikum Bedeutung des Veranstaltungsformats als Format der Wissenschaftskommunikation

kategorienzusammenführende Überschriften für die inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen Bedeutung des Veranstaltungsformats als Format der Wissenschaftskommunikation

Quelle: eigene Darstellung

6.2.1 Kategorienzusammenführende und inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Interviews mit Personen aus dem Publikum Anhand der herausgearbeiteten kategorienzusammenführenden und inhaltlich zusammenfassenden Überschriften wird jeweils erläutert, welche Kategorien und Unterkategorien im Zusammenhang gedacht werden. Die Auszüge aus beispielhaft ausgewählten Zusammenfassungen der jeweiligen Interviews illustrieren das Vorgehen. Es handelt sich hierbei um für jedes Interview erstellte Textdokumente vor dem Hintergrund der Zusammenführung von Kategorien. Dabei entstammen die Beispielauszüge dem Textdokument zur jeweiligen kategorienzusammenführenden Überschrift, die jedoch für die illustrative Darstellung noch einmal gekürzt wurden. 1 Eine weiterführende Interpretation findet an dieser Stelle nicht statt, da es lediglich um den transparenten Nachvollzug des Vorgehens geht. Die kategorienzusammenführenden Überschriften sind gegenüber den Zusammenfassungen der Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen gleichbleibend nummeriert, um einen schnelleren Abgleich zu ermöglichen. (a) individuelle wissenschaftliche Hintergrundstrukturen Mit der Kategorie ›Hintergrundstrukturen‹ werden die Unterkategorien ›berufliche Tätigkeit‹ und ›Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen‹ zusammengeführt. Ziel ist es, Beschäftigungsstrategien mit wissenschaftlichen Inhalten und Themen zu erschließen. Gleichzeitig wird es möglich, die Teilnehmer*innengruppe deutlicher zu charakterisieren. Beispielauszug (TN6): TN6 ist Student*in an einer technischen Universität. Ihre*Seine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen wird durch ihr*sein 1

Auslassungen sind mit […] gekennzeichnet.

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 173

Studium sowie ihre*seine Tätigkeit als Werkstudent*in bedingt. Sie*Er formuliert die eigene Zielstellung, »die Hintergründe von technischen Prozessen, die mir in meinem Alltag begegnen, zu hinterfragen« (MS23206/Zeile 18–19), um dadurch eine Verbindung zwischen beruflicher Tätigkeit und alltäglichen Ereignissen herzustellen. Sie*Er assoziiert Wissenschaften mit »Forschen und dem Drang, Hintergründe zu erkennen« (MS23206/Zeile 15–16), wodurch noch einmal ein starker Bezug zu wissenschaftlichen Themen deutlich wird. Neben universitären wissenschaftlichen Formaten zieht sie*er für ihre*seine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen auch Internetrecherchen, Fachzeitschriften und Fachliteratur heran, die jedoch breitgefächert sind und sich selten auf sehr spezielle Themen beziehen. […] (b) Reflexion der Erwartungen an das Format ›Science Slam‹ und der individuellen inhaltlichen Transformationsprozesse während sowie im Anschluss an die Veranstaltung In diese Zusammenführung fließen die Kategorien ›Szenarien der Teilnahme‹ und ›Transformationsprozesse‹ ein. Im Einstieg geht es um die ›Aufmerksamkeitslenkung auf den Science Slam‹ als abendliches Veranstaltungsformat, um daran anknüpfend die im Vorfeld entstandenen ›Erwartungsstrukturen‹ mit der nun besuchten Science-Slam-Veranstaltung abzugleichen. Die im Vorfeld formulierten Erwartungen werden dazu im Interview erneut angeführt, um eine individuelle Stellungnahme bis hin zur Reflexion zu ermöglichen. Dabei können nun also im Anschluss an die Science-Slam-Veranstaltung auch ›Transformationsprozesse‹ beschrieben werden, die nicht nur in den Erwartungsstrukturen verhaftet sind, sondern tatsächlich im Sinne von Auseinandersetzungen und Irritationen erlebt wurden. Beispielauszug (TN7): […] Ihr*Sein Interesse am Besuch einer Science-SlamVeranstaltung entstand durch Berichte von Freund*innen, »weil mir vorher eine wissenschaftliche Abhandlung im Rahmen einer Unterhaltungsveranstaltung nicht, ja nicht besonders geläufig war« (MS22304/Zeile 53–55). […] Sie*Er möchte gerne wissen, wie eine Ausgestaltung stattfindet, »wie sich halt ein vermeintlich trockenes Thema halt unterhaltsam darbringen lässt« (MS22304/Zeile 55–56). Sie*Er ist demnach gelenkt durch bestimmte Zuschreibungen zum wissenschaftlichen Bereich. TN7 erörtert anschließend, dass sie*er »selber ein Bewusstsein für bestimmte Themen bekommen« (MS22304/Zeile 65–66) und sich weiterführend mit einem Thema beschäftigt hat, welches sie*er auch weiter kommuniziert hat. Durch dieses frühe Aufgreifen der thematisch-inhaltlichen Auseinandersetzung im Interview, welches sich in seiner Konzeption noch in einer eher beschreibenden Phase befin-

174 | Science Slam

det, wird die persönliche Bedeutung des Themas an diesem Punkt deutlich. Im Verlauf des Interviews wird auf dieses Slam-Thema immer wieder referiert. […] Verbunden wurde die inhaltliche Ausrichtung mit dem Wunsch nach Unterhaltungsmomenten, die in den einzelnen Slam-Performances jedoch variierten. Besonders die Überspitzung von Inhalten kritisiert TN7 […]. Neben dieser inhaltlichen Verformung geht Unterhaltsamkeit aus ihrer*seiner Sicht verloren, wenn sich die Slam-Performance auf der anderen Seite der Skala befindet, also »wenn die Wissenschaftler*innen auf der Bühne zu sehr in ihrem, Anführungszeichen, Fachchinesisch oder in ihrer Fachsprache ver-, quasi verwurzelt sind« (MS22304/Zeile 141– 143). In ihrer*seiner Einschätzung haben daher besonders die letzten beiden SlamPerformances mit dem ausgewogenen Einbau von Unterhaltungsmomenten überzeugt. Auch hier greift sie*er als Beispielbeschreibung auf die für sie*ihn thematisch-inhaltlich interessante Slam-Performance zurück, in der Inhalte und Unterhaltungsmomente in ein ausgewogenes Zusammenspiel treten. Durch die Nutzung von Präsentationsmethoden, Alltagssprache und passenden Visualisierungen entstand eine Wechselwirkung, die es ermöglichte, dem Inhalt zu folgen. TN7 erkennt jedoch an, dass es für jedes Thema eine grundlegende Herausforderung ist, diese Bearbeitung in der Spannungslage zwischen Verständlichkeit und Unterhaltungsmomente vorzunehmen. Abschließend werden im Interview noch weiterführende thematisch-inhaltliche Auseinandersetzungen angeführt. Auch hier taucht – wie ein roter Faden – das in vielen Zusammenhängen als Beispiel genutzte Thema der letzten Slam-Performance auf, »weil sich da eine Problematik aufgetan hat, die, die mir halt vorher nicht bewusst war« (MS22304/Zeile 255–256). Neben der Diskussion mit anderen über das Thema »achte [ich] in meiner Umgebung ziemlich, ziemlich STARK darauf« (MS22304/Zeile 267–268). T7 wird sich weiter mit dem Thema auseinandersetzen, indem sie*er sich inhaltlich mit dem Thema befassen und es weiter kommunizieren sowie diskutieren möchte (MS22304/Zeile 276–286). Auch Personen in ihrer*seiner Umgebung sollen sensibilisiert werden, »[ich] finde es WICHTIG, wenn Leute darauf aufmerksam gemacht werden« (MS22304/Zeile 284). […] (c) Beschreibung der besuchten Science-Slam-Veranstaltung Diese Beschreibung konzentriert sich auf das ›Format Science Slam‹ in der Rückbetrachtung. Das heißt, dass die Interviewten im Nachgang zu stattgefundenen Science-Slam-Veranstaltungen Aspekte wie z. B. ›Ort/Atmosphäre‹, ›Präsentationsmethoden‹, ›Slammende‹, ›Inhalte‹ in einer beschreibenden Gesamtbetrachtung des Veranstaltungsformats hervorheben. Diese Aspekte werden nun zusammengeführt. Darüber können Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bedingungsfaktoren der Science-Slam-Veranstaltungen sichtbar gemacht werden.

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 175

Beispielauszug (TN2): Den Einstieg in die Beschreibung des besuchten Science Slams beginnt TN2 mit der Fokussierung des Ortes und der damit einhergehenden Atmosphäre, »weil das war das Erste, was ich mitgekriegt habe« (MS141205/Zeile 56–57). TN2 sieht in dem Veranstaltungsort Vor- und Nachteile, die sie*er gegeneinander abwägt. Zum einen bietet der Club aus ihrer*seiner Sicht Platzmöglichkeiten für eine entsprechende Teilnehmer*innenzahl und eine für die Slam-Performances notwendige technische Ausstattung. Gleichzeitig stellt sie*er fest, dass diese Anforderungen auch durch andere Räumlichkeiten erfüllt werden könnten. Zum anderen werden mit der Wahl des Ortes auch bestimmte Assoziationen konnotiert, »[d]ass man sich so fühlt, als ob man auf eine Party geht und auch so behandelt wird« (MS141205/Zeile 60–61). […] Dabei hebt sie*er Differenzen zwischen einem Club und einem Tagungsraum hervor, »ein leerer Raum […] ohne Schnörkelkram« mit Sitzmöglichkeiten auf »Podesten und Holzbänken« in einem »jugendlichen Club« wird einem »sehr edle[n] Ambiente mit »Konferenzsesseln« (MS141205/Zeile 92–96) gegenübergestellt. Sie*Er geht davon aus, dass die durch die Raumzuschreibungen sich entwickelnde Atmosphäre auch Auswirkungen auf die Personen im Raum hat (MS141205/Zeile 94–95). Es entsteht eine zirkuläre Wechselwirkung. In einem Club werden die Zuschauenden »lockerer«, »ich kann hier machen, was ich will« und mich auf den »Fußboden« setzen (MS141205/Zeile 103–104). Anschließend reißt TN2 Momente des Science-Slam-Abends kurz an, indem sie*er mit einer generellen Einschätzung, »ich fand den gut« (MS141205/Zeile 67), beginnt. Über positive Aufzählungen, die sich auf Moderation und Bewertungssystem beziehen, kommt sie*er zu der Herausstellung von Besonderheiten bei den Slammer*innen. […] (d) Beschreibung der einzelnen Slam-Performances Die Beschreibung der einzelnen ›Science-Slam-Performances‹ führt die Unterkategorien ›Slammende‹, ›Präsentationsmethoden‹ und ›Thema/Inhalt‹ zusammen, die als bedingende Faktoren für die Slam-Performance von den Interviewten ausführlich beschrieben werden. Es soll ein Wechselverhältnis dieser Faktoren für die Slam-Performances herausgearbeitet werden. Beispielauszug (TN10): Die Reihenfolge, in der die einzelnen Slam-Performances beschrieben werden, folgt der individuellen Auseinandersetzung mit den Inhalten unter besonderem Fokus auf die eingesetzten Präsentationsmethoden. Deswegen führt TN10 zunächst jene Slam-Performance an, die sie*er als ein Zusammenspiel von Slammende*r/m, Thema und Präsentationsmethoden empfand. […] Sie*Er hebt die sprachlichen Präsentationsmethoden dieser Slam-Performance hervor, da

176 | Science Slam

die*der Slammer*in zwar die disziplinspezifischen Ansätze und Begriffe benennt, diese jedoch auf andere Begriffe überträgt. Dadurch ermöglicht sie*er Anschlussmöglichkeiten außerhalb des Themenschwerpunktes. Als nächstes schildert TN10 die Slam-Performance, zu der sie*er aufgrund ihres*seines Studiums einen thematisch-inhaltlichen Zugang hatte. Diese Slam-Performance wird kritisiert. […] Anschließend stellt TN10 die Illustrationen in einer anderen Slam-Performance heraus. Hier wurde das entwickelte Forschungsmodell vorgeführt, »[u]nd das war natürlich der Hit, dass sie das auch mitgebracht haben einfach« (MS22404/Zeile 208–209). Für diese Slam-Performance betont sie*er den Vortragsstil der Slammer*innen. […] (e) Bedeutung des Veranstaltungsformats als Form der Wissenschaftskommunikation Für die ›Bedeutung des Formats Science Slam‹ werden Perspektiven auf das Format von der gesellschaftlichen, individuellen und wissenschaftlichen Ebene zusammengeführt. Es handelt sich hierbei um eine individuelle Einschätzung des Veranstaltungsformats im Rahmen der Wissenschaftskommunikation. Beispielauszug (TN12): Die Bedeutung des Veranstaltungsformats Science Slam verortet TN12 auf einer individuellen Ebene in Form eines Unterhaltungsformates. Sie*Er sieht also nicht zwingend die Wissensvermittlung im Vordergrund, »wobei sie sozusagen nebenbei mitpassiert« (MS4606/Zeile 116) und somit auch Lernaspekte im Veranstaltungsformat auszumachen sind. Sie*Er hat Inhalte erfahren, um die sie*er vorher nicht wusste, »[u]nd dann ohne zu merken, dass ich was lerne« (MS4606/Zeile 118). Hierin sieht sie*er einen Effekt dieser Form der Wissensvermittlung, »das[s] man irgendwie was mitnimmt, ohne dass man jetzt das Gefühl hätte, man musste sich jetzt groß anstrengen oder so« (MS4606/Zeile 119–120). Dennoch betont sie*er, dass durch verschiedene Elemente im Science Slam der Fokus auf Unterhaltungsaspekte gelegt wird.

6.2.2 Kategorienzusammenführende und inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen Die hier erarbeiteten kategorienzusammenführenden Überschriften werden genutzt, um strukturiert darzustellen, welche Kategorien und Unterkategorien aus dem ersten Auswertungsschritt in Bezug auf die Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen nun zusammengedacht werden können. Dazu wird deren Zusammenführung begründet und anhand eines Beispielauszugs aus dem Interviewmaterial zu dieser

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 177

jeweiligen kategorienzusammenführenden Überschrift nachvollziehbar dargestellt. Der Beispielauszug verweist somit immer auf das entsprechende Textdokument zur kategorienzusammenführenden Überschrift. Gleichzeitig ist er eine gekürzte Darstellung dieses Textdokuments. 2 Die Interpretationsebene in diesem Auswertungsschritt liegt auf der Zusammenführung der Kategorien, sodass im Text keine weiterführenden Interpretationen vorgenommen werden. (a) individuelle wissenschaftliche Hintergrundstrukturen Unter dieser zusammenführenden Überschrift werden alle Aspekte, die der Kategorie ›Hintergrundstrukturen‹ zugeordnet worden sind, zusammengefasst. Es werden der ›berufliche Werdegang‹ und die aktuelle ›berufliche Tätigkeit‹ in Verbindung gesetzt mit dem ›wissenschaftlichen Thema/Themengebiet‹, also die vorgenommene Zuordnung der interviewten Wissenschaftler*in in eine wissenschaftliche Disziplin. Weiterführend werden diese Hintergrundstrukturen als Grundlage für die ›thematische Verbindungslinie‹ der Slam-Performance angesehen. Diese verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen inhaltlicher Ausrichtung der Slam-Performance und den bisher bearbeiteten wissenschaftlichen Themen im beruflichen Werdegang oder der aktuellen beruflichen Tätigkeit. Beispielauszug (SL4): Als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in ist SL4 in einem Forschungsprojekt, welches thematisch auf ihre*seine Promotionsarbeit aufbaut, an einer Universität angestellt. Zuvor hat sie*er ein sozialwissenschaftliches Studium abgeschlossen. In dem Forschungsprojekt ist SL4 mit einem Teilprojekt eingegliedert, welches die mediale Auseinandersetzung mit dem Forschungsprojektthema untersucht. […] Die Slam-Performance bezieht sich auf eine These ihrer*seiner Promotionsarbeit. Es wird ein zugespitzter Ausschnitt herausgegriffen, anhand dessen das Thema des Forschungsprojektes in einer spezifischen Darstellung im medialen Kontext hinterfragt wird. (b) individuelle Anregungen und Motive für die Teilnahme am Auftrittsformat ›Science Slam‹ mit Blick auf fokussierte Transformationsprozesse In dieser Zusammenführung verbinden sich zwei Kategorien: zum einen die ›Szenarien der Teilnahme‹, zum anderen die Unterkategorie ›II. Ebene‹, die der Kategorie ›Transformationsprozesse‹ zuzuordnen ist. Eine Verbindungslinie zwischen diesen beiden Kategorien ergibt sich aus den Beweggründen zur Teilnahme an einem Science Slam als Slammer*in. Die ›Motive der Teilnahme‹ sind dabei sehr vielfäl2

Auslassungen sind mit […] gekennzeichnet.

178 | Science Slam

tig und werden grundlegend bedingt durch ›Vorerfahrungen mit dem Science Slam‹ als Veranstaltungsformat sowie durch die individuelle ›Teilnahmeanregung‹. In enger Verbindung mit den individuellen Motiven der Teilnahme als Slammer*in an einer Science-Slam-Veranstaltung stehen die damit verbundenen Zielsetzungen. Die Transformationsprozesse auf der II. Ebene spiegeln dann diese Ziele wider, die die auftretenden Wissenschaftler*innen mit Blick auf die anwesenden Personen thematisieren. Beispielauszug (SL15): Ihre*Seine Teilnahme als Slammende*r wurde durch einen Anruf von eine*r/m Science-Slam-Veranstaltenden angestoßen. SL15 hat direkt zugesagt, »warum nicht? Das sind die Sachen, die man den Kindern erzählt, wenn man alt ist. Ich glaube nicht, dass ich später noch Gelegenheit dafür haben werde« (MS7502/Zeile 62–63). […] Die*Der Slammer*in hat bisher einmal als Zuschauer*in an einem Science Slam teilgenommen, um Eindrücke zu sammeln. Die Teilnahme von SL15 am Science Slam ist somit aus einer spontanen, situativen Entscheidung heraus entstanden. Das Veranstaltungsformat kennzeichnet für sie*ihn eine Möglichkeit, die eigene Forschung einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen und darüber auch finanzielle Begründungsstrukturen darzulegen. Da diese Finanzierungsstrukturen im Umkehrschluss nicht nur Forschungsprozesse unterstützen, sondern auch gesellschaftliche, politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungen, wird den Anwesenden über das Veranstaltungsformat dieses Zusammenwirken deutlich. Die Slam-Performance soll ihnen dabei einen Ausschnitt der Wissenschaft zugänglich machen. »Das, das ist das Ziel von einem Vortrag. Nicht nur, dass ich da alles toll darstelle, sondern dass die Leute sagen: ›Okay, das war interessant, es war nett. Wir haben was gelernt.‹« (MS7502/Zeile 238–240). […] (c) Beschreibung des Veranstaltungsformats ›Science Slam‹ Das ›Format Science Slam‹ wird im Vorfeld der stattfindenden Veranstaltung in seinen Facetten von den interviewten Wissenschaftler*innen thematisiert. Dafür greifen sie auf ihre Vorerfahrungen mit dem Science Slam zurück. Innerhalb der Formatbeschreibung werden bestimmte Aspekte des Formats wie u. a. ›Ort/Atmosphäre‹, ›Publikum‹, ›Präsentationsmethoden‹, ›Ablauf des Abends‹ gesondert hervorgehoben, sodass diese Aspekte auch in Unterkategorien festgehalten worden sind. In der Zusammenführung werden sie nun in ihren Zusammenhängen verdeutlicht, um Bedingungsstrukturen herausarbeiten zu können. Beispielauszug (SL1): Für SL1 ist Science Slam konzeptionell die Verbindung von Wissenschafts- mit Öffentlichkeitsarbeit in einem Präsentationsformat, welches

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 179

»eben erfrischend wirklich wissenschaftliche Inhalte rüberbringt« (MS51201/Zeile 492–493). Dabei steht aus ihrer*seiner Sicht der wissenschaftliche Inhalt im Vordergrund. Denn Science Slam »kann wirklich Wissenschaft sein, die man den Leuten dann näherbringt« (MS51201/Zeile 95–96). Hierin liegt der Vorteil des Veranstaltungsformats, welcher eine Abgrenzung zu Wissenschaftssendungen und Formaten des wissenschaftlichen Entertainments möglich macht: »Das ist eben noch ein Unterschied, beim, beim Science Slam steckt eben noch das Wort Science drin und das muss irgendwie auch ein Bestandteil sein« (MS51201/Zeile 524–526), sodass die Anforderung an das Format ist, »harte Wissenschaft in weiche-, in eine weiche Schale irgendwie zu verpacken, dass man es, dass man es dann präsentieren kann, eben nicht nur auf Effekte, auf, auf Zuschauerunterhaltung ausgerichtet zu sein« (MS51201/Zeile 518–520). Das Zusammenspiel zwischen Unterhaltung und Wissenschaften wird durch SL1 verstärkt auf der Seite der Wissenschaften verortet, die Unterhaltungselemente sind nur eine Möglichkeit der Unterstützung. Förderlich wirken hier die Präsentationsmethoden, über die die Inhalte verständlich vermittelt werden. Die Präsentationsmethoden sind dabei durch Vielfältigkeit und ein Allesist-Möglich gekennzeichnet, sodass sie entsprechend den Inhalten angepasst werden können. […] Für die eigene Performance ist ausschlaggebend, dass die*der Slammer*in nicht weiß, wie sich das Publikum jeweils zusammensetzt. Der »Grundsatz […] ›Kenne deine Zielgruppe‹« (MS51201/Zeile 479) kann somit nicht angewandt werden, sodass »eigentlich vom lowest Level an[ge]fangen« (MS51201/Zeile 480– 481) werden muss. SL1 beschreibt das Publikum als ein »gemischtes Publikum« (MS51201/Zeile 207–208) […]. Es handelt sich gleichzeitig um »Wissenschaftsinteressierte« (MS51201/Zeile 135), »fachlich […] Interessierte« (MS5121/ Zeile 212), […] die zunächst einen inhaltlichen Zugang zum jeweiligen wissenschaftlichen Thema erhalten möchten. […] (d) Beschreibung der eigenen Slam-Performance mit Blick auf die fokussierten Transformationsprozesse Die Beschreibung der eigenen ›Science-Slam-Performance‹ wird an dieser Stelle verbunden mit den Ausführungen zu ›Transformationsprozessen‹ auf ›I. Ebene‹, denn in der Beschreibung der Slam-Performance thematisieren die Interviewten im Abgleich zu anderen Präsentationsformaten methodisch-didaktische Veränderungen mit Bezug auf die vermeintlich anwesenden Teilnehmer*innen und die Anforderungen des Veranstaltungsformats. Hervorgehoben werden in diesem Zusammenhang sprachliche und visuelle Aspekte der ›Präsentationsmethoden‹ sowie Aufbau und Kommunikation von ›Thema/Inhalt‹. Diese Unterkategorien finden sich auch detaillierter in der Thematisierung der eigenen Slam-Performance wieder, um somit einen

180 | Science Slam

Vergleich zwischen Slam-Performance und anderen Vortragsformaten auf inhaltlicher sowie methodisch-didaktischer Ebene herauszuarbeiten. Beispielauszug (SL2): […] Thematisch konzentriert sich SL2 bei der Slam-Performance auf die Darstellung einer neuen medizinischen Behandlungsmethode und die darauf bezogene Frage, was aus medizinischer Sicht mit der*dem Patient*innen passiert, wenn diese Methode angewandt wird. Bekannt ist, dass diese Behandlungsmethode Vorteile hat, aber es geht darum, daran anschließend die optimale Therapie zu finden, sodass zunächst das Vorgehen unter Laborbedingungen getestet und optimiert werden soll. […] Daher besteht die Performance aus drei inhaltlichen Schwerpunkten: Darlegung des medizinischen Problems, Vorstellung der möglichen experimentellen Methoden, Ausführung der Ergebnisse im Forschungsprozess. Durch diese punktuellen Ausführungen wird der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt im Projektzusammenhang deutlich. Jeder Teil könnte auch für sich präsentiert werden, aber dann fehlt es an einem Zugang, der deutlich macht, wie die Fragestellung durch die wissenschaftliche Bearbeitung gelöst wird. Die thematische Vermittlung wird daher zu einem inhaltlichen Zusammenhangsverständnis weitergeführt. Genutzt wird dafür die persönliche Ansprache der Anwesenden: »Wo ist das Problem? Warum betrifft es jetzt auch die Leute im Publikum? Die Zuschauer persönlich?« (MS51202/Zeile 229–230). Hierin sieht SL2 eine Differenz zu wissenschaftlichen Vorträgen, in welchen der Fokus auf den Ergebnissen und nicht vorwiegend der Problemdefinition liegt, die in der Slam-Performance jedoch deutlich machen soll, warum Forschung in diesem Fall eine Notwendigkeit darstellt. In der Beschreibung der eigenen Slam-Performance findet sich auch das Motiv der Unterhaltung wieder. Ganz deutlich wird hervorgehoben, dass die Unterhaltung dabei charakterisiert ist durch den Anspruch, dass »ein ordentlicher roter Faden da sein [muss], und man muss die Mühe [in der Umsetzung des wissenschaftlichen Themas], die muss man schon spüren« (MS51202/Zeile 185–186). Somit versteht sich SL2 als Unterhalter*in, jedoch im vermittelnden Sinne […]. Wissenschaften bleiben weiterhin das »Vehikel« (MS51202/Zeile 78) der eigenen Performance. Dazu bedient sich SL2 diverser Präsentationsmethoden. Eine Interaktion mit dem Publikum erfolgt zwar nur über rhetorische Fragen, aber es wird ein Experiment während der Performance als objektive Illustration eingesetzt, »was eine sehr vereinfachte Version von dem ist, was wir tatsächlich gemacht haben« (MS51202/Zeile 288–289), wodurch der Forschungsprozess hin zum Erkenntnisgewinn deutlich wird. Dabei wird das Experiment, in der Form, wie es auf der Bühne während der Performance dargestellt wird, übersteigert. Das heißt, es werden für diese vereinfachte Experimentversion Labormaßnahmen ergriffen, die

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 181

in diesem Fall nicht notwendig wären. Gleichzeitig dient das Experiment als inhaltlicher Rahmen. Am Beginn der Performance erfolgt der Versuchsaufbau, während des Hauptteils der Performance wird das Experiment verhangen sein und »am Ende lüfte ich dann sozusagen das Geheimnis. Was ist denn tatsächlich dort passiert?« (MS51202/Zeile 392–393). Das Experiment erfüllt in dieser Performance also verschiedene Funktionen. […] Daneben wird SL2 Messbilder einblenden, die zum einen die Aussage des vereinfachten, vorgeführten Experiments stützen, zum anderen aber auch dazu dienen, die zentralen Forschungsergebnisse zu verdeutlichen. Dennoch sind »die Ergebnisse, die ich vorstelle, die sind sehr viel allgemeiner gefasst als jetzt im, im wissenschaftlichen Vortrag« (MS51202/Zeile 245–246) […] Aufgrund dieser Illustrationen und Visualisierungen wird daher kaum Schriftsprache in der PowerPoint-Präsentation genutzt. Es werden zentrale Fachwörter eingeblendet, die die Anwesenden nicht zwingend kennen oder die zentralen Ankerpunkte für das Verstehen des Inhalts sind. Bewusst hat sich SL2 für diese reduzierte Schriftsprache entschieden […]. Neben den zentralen Fachwörtern wird SL2 sprachlich eher auf Bekanntes abheben. »Ich versuche so als, als Hintergrund eben das zu nutzen, was im Publikum schon vorliegt und da meinen, meinen Stempel draufzusetzen« (MS51202/Zeile 300–301). Gleichzeitig »muss [es] nicht so präzise sein, jedes Wo-, nicht jedes Wort muss abgewogen werden« (MS51202/Zeile 222–223), da es gilt, für die Anwesenden einen ersten grundlegend inhaltlichen Zugang zu schaffen. Hier zeigt sich der veränderte Kommunikationsanspruch, den SL2 auch als ein Motiv der Teilnahme formuliert hat. Sie*Er kann in einem anderen Kontext austesten, wie sich die bearbeiteten wissenschaftlichen Inhalte für unterschiedliche Zielgruppen kommunizieren lassen. (e) Bedeutung des Veranstaltungsformats als Form der Wissenschaftskommunikation In der Darstellung der ›Bedeutung des Formats Science Slam‹ verbinden sich die drei thematisierten Ebenen individuell, thematisch/disziplinär und wissenschaftlich. Diese Beschreibung thematisiert eine generelle Perspektive auf das Veranstaltungsformat Science Slam. Beispielauszug (SL7): Aufgrund der eingebrachten Teilnahmemotive wird die individuelle Verantwortung der Wissenschaftler*innen, welche SL7 ihnen zuspricht, deutlich. Das Veranstaltungsformat bietet eine Möglichkeit, diese Verantwortung wahrzunehmen. Die Verantwortung sieht SL7 vor allem in den Finanzierungsstrukturen von Wissenschaften begründet. Diese gesellschaftliche Finanzierung kann dann über die Darlegung von Forschungserkenntnissen begründet werden, »sozusagen die Wissenschaftskommunikation als Verpflichtung gegenüber den Leuten,

182 | Science Slam

die bezahlt haben« (MS3203/Zeile 220–221). Dabei kann die Begründung zum einen natürlich auf disziplinwissenschaftlichem Niveau erfolgen, zum anderen können Plattformen wie Science Slam genutzt werden, die die Möglichkeit bieten, Inhalte für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Vermittlung über Slam-Performances beschreibt SL7 als »Gerechtigkeit« (MS3203/Zeile 806) gegenüber der Gesellschaft […]. Daher sieht SL7 die Teilnahme an Veranstaltungsformaten dieser Form als eine individuelle Verpflichtung der Wissenschaftler*innen an, die jedoch von ihnen in der eingeforderten Form nicht wahrgenommen wird. Gleichzeitig ermöglicht das Veranstaltungsformat, dass die*der einzelne Wissenschaftler*in sichtbar wird, aber auch andere Wissenschaftler*innen und ihre Themen wahrnimmt. Insgesamt bietet das eine Plattform, gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber Wissenschaftler*innen entgegenzuwirken. […] Das heißt, dass zum einen die*der Slammer*in als Wissenschaftler*in anerkannt wird, weitergehend aber auch die Gesellschaft zum anderen erkennt, dass die wissenschaftliche Tätigkeit dazu beiträgt, gesellschaftlich relevante Fragestellungen zu lösen, sodass die gesellschaftliche Rolle der Wissenschaftler*innen aufgewertet und Zuschreibungen zum Typ Wissenschaftler*in entgegengewirkt wird. Auf einer thematischen Ebene sieht SL7 die Möglichkeit, über Science Slam mit anderen Forscher*innen in Kontakt zu kommen, Themen und Ideen zu verbinden. Dabei geht es nicht darum, dass diese Verbindungslinien nur in universitären Kontexten entstehen. Über die Sichtbarmachung von Randthemen oder Themen außerhalb von universitären Forschungseinrichtungen wird eine thematische Bandbreite deutlich, die Synergieeffekte verstärkt. Science Slam als Treffpunkt vieler Ideen und Möglichkeiten im wissenschaftlichen Raum: »Und in diesem Sinne hat Science Slam enormes Potenzial, sagen wir mal, Forschungsinitiativen zu starten, Forschungsfelder zu entdecken oder neue Projekte zu initiieren oder irgendwie sowas« (MS3203/Zeile 707–709). Auf wissenschaftlicher Ebene wird durch Science Slam ein genereller Zugang zu Wissenschaften und ihren Themen ermöglicht. Wissenschaftskommunikation ist daher eine Notwendigkeit für Wissenschaften als Vermittlungsmöglichkeit und Erschließung von Finanzierungsmitteln, eine »[g]eniale Idee sozusagen, Wissenschaft aus dieser (4) gekapselten Sphäre sozusagen rauszubekommen« (MS3203/ Zeile 756–757).

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 183

6.3 INTERPRETATION ENTLANG DER AUSWERTUNGSKATEGORIEN Die Interpretation greift nun nicht mehr auf die einzelnen Interviewtranskripte zurück, sondern nutzt alle Interviewtranskripte aus der jeweiligen Perspektivengruppe entlang der erarbeiteten Kategorien zur Auswertung. Die erschlossenen Kategorien geben die Struktur der Darstellung innerhalb der folgenden Unterkapitel vor, um so einerseits den identifizierten kommunikativen Sinngehalt aus den Interviews heraus darzustellen und anderseits diesen Sinngehalt in einen erweiterten Bezugskontext zu setzen. Es geht nicht mehr um eine Einzeldarstellung, sondern um die Zusammenführung des Sinngehalts in Perspektivengruppen. Unter Perspektivengruppen werden dabei einerseits Personen aus dem Publikum und andererseits auftretende Wissenschaftler*innen gefasst. Die Sinngehalte, welche sich aus den jeweiligen Intervieweinheiten herauskristallisieren lassen, werden unter den Oberkategorien zusammengeführt und entlang der Unterkategorien ausdifferenziert. 3 Grundlage dafür sind zum einen die Entwicklung der Auswertungskategorie (Kapitel 6.1), die für diese Auswertung eine Struktur vorgeben, zum anderen die inhaltlichen Zusammenfassungen (Kapitel 6.2). Diese inhaltlichen Zusammenfassungen fungieren als Basistexte, die Spannungsfelder und Varianzen aus dem einzelnen Interviewtranskript heraus für die jeweilige Perspektivengruppe sichtbar machen. Diese Spannungsfelder und Varianzen werden nun in der Interpretation unter den Auswertungskategorien für die jeweilige Perspektivengruppe zusammengeführt. In der Stringenz wird sich daher an den zuvor herausgearbeiteten Oberkategorien orientiert, die in der Darstellung für jede Perspektivengruppe gleich sind. Die im Detail formulierte Interpretation wird ähnlich der Darstellung der inhaltlichen Zusammenfassung als zu großen Teilen gesamtes Textdokument zur Illustration und zum Nachvollziehen des Vorgehens eingearbeitet, 4 um so den Übertrag für die anschließende perspektivenverschränkende Interpretation deutlicher zu machen (vgl. Kapitel 7). Für beide Perspektivengruppen werden über Zusammenfassungen jedoch Essenzen dieser Interpretation herausgearbeitet. 3

In den folgenden Ausführungen werden die erarbeiteten Auswertungskategorien ›Hintergrundstrukturen‹ und ›Szenarien der Teilnahme‹ mit ihren Unterkategorien ›Häufigkeit der Teilnahme am Science Slam‹ und ›Aufmerksamkeitslenkung auf den Science Slam‹ nicht in die Darstellung mit aufgenommen. Sie dienen vielmehr der Beschreibung des Samples der jeweiligen Perspektivengruppe und der Zugangsstrukturen zum Science Slam aus Sicht der jeweiligen Perspektivengruppe (vgl. Kapitel 5.2).

4

Auslassungen sind mit […] gekennzeichnet.

184 | Science Slam

6.3.1 Interpretation der Interviews mit Personen aus dem Publikum entlang der Auswertungskategorien Es erfolgt mit der Interpretation eine Übersetzung des primären Basistextes für die Einzelinterviews (Kapitel 6.2) in den Kontext der Perspektivengruppe. Dies ist möglich, weil die rekonstruierenden Basistexte der Zusammenfassung auf inhaltlicher Ebene die Binnensicht der Interviewten als Teilnehmende im Forschungssetting reformulieren. Die Darstellung ist nun nicht nur entlang der für die Forschungsfragen relevanten Auswertungsoberkategorien aufgebaut, sondern auch im Sinne einer Visualisierung der herausgearbeiteten Sinngehalte in diesem Kontext. Im Verlauf der Interpretation entlang der Auswertungskategorie entsteht eine Visualisierung. Sie greift pointiert die Erkenntnisse auf und verbindet die vorhergehenden Abbildungen miteinander. Daraus ergeben sich erste Zugänge für die perspektivenverschränkende Interpretation aus Sicht dieser Perspektivengruppe. (a) Auswertungskategorie: ›Szenarien der Teilnahme‹ Über die Unterkategorie ›Erwartungsstrukturen‹ lassen sich Differenzierungen zwischen den Aussagen aus dem Vorabinterview und dem fokussierten Interview im Nachgang zur Science-Slam-Veranstaltung herausarbeiten. […] Dazu werden die eingebrachten Erwartungen aus dem entsprechenden Vorabinterview in das fokussierte Interview über Fragen eingeführt. Die ›Erwartungsstrukturen‹ an die Veranstaltung sind durch die jeweilige Aufmerksamkeitslenkung auf den Science Slam über mediale Berichterstattung, Empfehlungen oder Erfahrungen mit ähnlichen Veranstaltungsformaten beeinflusst. Dabei sind bei jenen, die den Science Slam zum ersten Mal besuchen, die Erwartungen durch Empfehlungen und_oder mediale Berichterstattung überlagert. Die Beschreibung ihrer Erwartungen wird davon gelenkt. Andere, die den Science Slam schon mehrmals als Veranstaltungsangebot besucht haben, können ihre Erwartungen an die entsprechende Veranstaltung detaillierter formulieren und begründen. ›Im Vorfeld‹ der jeweiligen Science-Slam-Veranstaltung werden als Erwartungen die Themen der einzelnen Slams, die Konzeption des Veranstaltungsformats sowie das daran anknüpfende Zusammenspiel von Unterhaltungsmomenten und wissenschaftlichen Inhalten hervorgehoben. Die ›Themen‹ der einzelnen Slam-Performances werden nicht benannt, sondern die Erwartungen beziehen sich generell darauf, »interessante Sachen […] [zu hören], mit denen man sich sonst nicht so beschäftigt und ein bisschen über den Tellerrand« (MS3605/Zeile 120–121) zu schauen. Es wird also nicht ein spezifischer inhaltlicher Informations- und Wissenserhalt angestrebt, sondern grundsätzlich geht es um Forschungsthemen und Ein-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 185

blicke in disziplinäre Themenbereiche. Diese Erwartungen lassen sich auch an das ›Veranstaltungsformat‹ binden, welches mit dem Angebot breit gestreuter wissenschaftlicher Themen und dem allgemeinen inhaltlichen Zugang wirbt. Gleichzeitig wird ein ›Zusammenspiel von Unterhalten und wissenschaftlichen Inhalten‹ eingefordert, »Entertainment mit, mit interessanten Inhalten, aber also nicht bloß oberflächlich. Ich möchte was lernen« (MS51205/Zeile 18–19). Die pointierte Feststellung »Ich möchte was lernen« (MS51205/Zeile 18–19) lässt erkennen, dass mit der wissenschaftlichen Slam-Performance mehr verknüpft wird als nur der abendliche Unterhaltungsaspekt, bei dem Themen und Inhalte kurzweilig in andere Zusammenhänge gebracht werden. Hier jedoch geht es um eine Verknüpfung beider Aspekte bedingt durch die Anlage des Veranstaltungsformats. Es geht darum, einen Einblick in »interessante Theorien, interessante Projekte, Forschungs-, ja Forschungsprojekte […], mit denen man sich vorher noch nicht beschäftigt hat« (MS5304/Zeile 19–21), zu erhalten. Über diesen Informationsaspekt zu den wissenschaftlichen Themen hinausgehend »ist es beim Science Slam mehr noch, dass ich erwarte, dass ich noch was lerne« (MS2403/Zeile 12–13). Es lässt sich somit, explizit formuliert, der Lernanspruch der Teilnehmer*innen erkennen. Dabei fordert besonders die Kürze der Slam-Performances – Wissenschaften in zehn Minuten – eine thematische Prägnanz ein. […] Bei der Auswertung der Aussagen aus den ›im Nachhinein‹ geführten Interviews ergibt sich eine Verschiebung der zunächst formulierten Erwartungsstrukturen. Der Fokus liegt in den Interviews nach der Veranstaltung auf der einzelnen Betrachtung der Aspekte ›Unterhalten‹ und ›Wissen‹. ›Unterhalten‹ wird dabei als ein generelles Bewertungskriterium für den gesamten Abend genutzt: »[I]ch fand es insgesamt einfach einen sehr unterhaltsamen Abend« (MS4606/Zeile 106–107). Der Veranstaltung wird somit ein Allgemeinplatz eingeräumt, der nicht weiter ausgeführt wird. Für ›Wissen‹ wird hingegen erläutert, in welcher Form thematischinhaltliche Impulse über die Slam-Performances gesetzt wurden. Diese verstärkte Separierung der Aspekte ›Unterhalten‹ und ›Wissen‹ in den fokussierten Interviews nach der jeweiligen Science-Slam-Veranstaltung macht deutlich, dass das Veranstaltungsformat auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden kann. Auf der einen Seite stellen die Interviewten die Unterhaltung als Ablenkung vom Alltäglichen in den Vordergrund, auf der anderen Seite kann das Veranstaltungsformat aber auch Impulse zur Beschäftigung mit wissenschaftlichen Themen und Inhalten bieten. Durch die Slam-Performances wird deutlich, dass innerhalb dieser nicht ein Entweder-Oder zwischen beiden Aspekten zielführend ist, sondern die Slam-Performance beide Aspekte aufgreifen und verbinden sollte, um den Ansprüchen an Formatstruktur und individuelle Erwartungen zu entsprechen.

186 | Science Slam

Bei der Besprechung des ›Veranstaltungsformats‹ in den fokussierten Interviews wird nicht mehr das Gesamtkonzept als Erwartungsstruktur – wie in der Vorabbefragung – eingebracht, sondern es wird die Art der Vermittlung von Wissen innerhalb der Slam-Performance beschrieben: Wie haben die Slammer*innen die Vermittlung methodisch umgesetzt? Es wird die thematisch-inhaltliche Übertragungsleistung innerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung thematisiert. Was im Vorfeld hypothetisch darauf befragt wurde, wie Themen transformiert und vermittelt werden, wird nun bewertet: »Und das war auch meine Erwartung. Das, das die wissenschaftliche Themen zwar behandeln und darstellen, aber so runterbrechen, dass das Publikum dem folgen kann und das eben verstehen können irgendwie« (MS20404/Zeile 121–123), »[so]dass man ihnen auf jeden Fall folgen konnte und man, man auch rausgekriegt hat, mit welchen Fragen sie sich auseinandersetzen und, und was sie da eigentlich untersuchen« (MS161206/Zeile 83–85). Hieran lässt sich auch die Besprechung der einzelnen ›Themen‹ anschließen, die nicht einzeln aufgeführt werden, sondern es geht um die unterschiedlich aufbereiteten thematisch-inhaltlichen Vermittlungsangebote. Der im Vorfeld formulierten grundlegenden Erwartung an das Veranstaltungsformat nach Themenvielfalt, thematischinhaltlichem Neuigkeitswert und Erweiterung sowie Ergänzungen zu wissenschaftlichen Themengebieten und Forschungsbereichen entsprechen bestimmte Vermittlungsangebote. Es wird insgesamt deutlich, dass vor allem das Veranstaltungsformat und das dahinterliegende Konzept der Wissenstransformation die Erwartungsstrukturen lenken. Da Transformationsprozesse auf verschiedenen Ebenen dem Veranstaltungsformat inhärent sind, tauchen diese jeweils im Vorfeld und im Nachhinein der Science-Slam-Veranstaltung mit unterschiedlicher Akzentuierung auf. Im Vorfeld werden die Transformationsprozesse zunächst fragend formuliert: Wie werden die wissenschaftlichen Inhalte von den Slammer*innen in einer Slam-Performance für Teilnehmende vermittelt? Dabei wird deutlich, dass durch die disziplinäre Themenvielfalt unterschiedliche Anforderungen an die Slam-Performances und damit die thematisch-inhaltliche Transformation gestellt werden. Im Nachhinein reflektieren die Interviewten, wie das wissenschaftliche Wissen vermittelt wurde. Gleichzeitig ist ersichtlich, dass die antizipierte und vom Veranstaltungsformat hervorgehobene Spannung zwischen Unterhaltungselementen und wissenschaftlichen Inhalten in der Slam-Performance nicht in Gänze aufgelöst werden kann. Diese konzeptionelle Anforderung bestimmt in vielfältiger Weise die Erwartungsstrukturen der Interviewten. Diese Spannungslage fördert die Vielschichtigkeit jeder einzelnen SlamPerformance und erfordert unterschiedliche inhaltliche Transformationsprozesse, ausgerichtet an Thema, Inhalt und Teilnehmer*innen.

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 187

(b) Auswertungskategorie: ›Bedeutung des Formats Science Slam‹ Es kann zunächst eine Differenzierung zwischen individueller, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene getroffen werden. Die ›gesellschaftliche Ebene‹ wird in der Beschreibung eines kommunikativen Austauschs zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten berührt. […] Es geht in dieser Kommunikation darum, die Forschungsergebnisse und -erkenntnisse nicht nur zu veröffentlichen, sondern auch aufzuzeigen, welche Verbindungslinien sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gesellschaftlichen Fragestellungen anbieten. Diesem Aspekt wohnt ein grundlegender Begründungszusammenhang der Wissenschaften inne: Welchen gesellschaftlichen (Mehr-)Wert haben Wissenschaften? Wie können wissenschaftliche Ergebnisse eine Gesellschaft unterstützen? Es geht somit um die rahmende gesellschaftliche Legitimation von Wissenschaften durch dieses Kommunikationsformat. Gleichzeitig wird mit der Konzeption des Veranstaltungsformats eine populäre Plattform der Wissenschaftskommunikation für eine interessierte Öffentlichkeit geschaffen. Über das spezifische Format werden dann spezifische Teilnehmer*innengruppen und ihre Erwartungen angesprochen. […] Es bleibt jedoch zu fragen, ob diese Art der Vermittlung dann eine Konsumhaltung unterstützt […], wissenschaftliche Themen und Inhalte somit zum Vehikel von Unterhaltungsveranstaltungen werden. Hier lässt sich die ›individuelle Ebene‹ der Bedeutungszuschreibung anschließen, indem die Interviewten das Veranstaltungsformat in Bezug zu sich selbst setzen und verdeutlichen, welchen Mehrwert es für sie persönlich hat. Ein zentraler individueller Aspekt ist, dass man »da ja auch gleich Einiges mitnimmt, was man sonst nicht hört und sieht« (MS22205/Zeile 83–84), »Horizonterweiterung« (MS18403/Zeile 199) erfährt. Das zeigt, dass das Veranstaltungsformat eben nicht grundlegend im Unterhaltungssegment verortet wird. Die Veranstaltung avanciert zwar zu einem Moment der individuellen Freizeitgestaltung, bietet jedoch Wissen an, das bewusst eingefordert wird. Die gesellschaftliche und die individuelle Ebene stützen die Bedeutung des Veranstaltungsformats für die ›wissenschaftliche Ebene‹. Der Science Slam lässt sich als Format der Wissenschaftskommunikation verstehen. Das heißt, in der Veranstaltung werden wissenschaftliche Inhalte thematisiert und somit ver-öffentlicht, also gruppenspezifisch und individuell zugänglich gemacht. Über die inhaltliche Thematisierung entsteht dann eine kommunikative Plattform. Gleichzeitig wird durch die über den Science Slam angebotene kommunikative Form der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Inhalten auch ein veränderter inhaltlicher Zugang zu Wissenschaften ermöglicht, »[a]lso es wird halt nicht irgendwie, also es ist quasi, es ist kein Buch und es ist kein, kein Vortrag in dem Sinne, sondern es ist halt eine

188 | Science Slam

neue Form der Abhandlung« (MS22304/Zeile 165–167). Dies fördert auch einen wissenschaftlichen Selbstzweck: Einerseits können Wissenschaftler*innen ihr Wissen einer Öffentlichkeit vortragen und inhaltliche Verbindunglinien herstellen. Damit werden sie als Wissenschaftler*innen, aber auch inhaltliche Ansprechpartner*innen sichtbar. Andererseits werden allgemein Wissenschaften zugänglich. Diese beiden Perspektiven zusammengenommen wirken grundlegenden wissenschaftlichen Klischees entgegen: »[I]ch kann mir vorstellen, dass gerade in der breiten Öffentlichkeit Wissenschaftler irgendwie so als, als Nerds hinter ihren Büchern wahrgenommen werden und keiner eigentlich so genau weiß, was die da eigentlich so treiben« (MS161206/Zeile 120–122). (c) Auswertungskategorie: ›Format Science Slam‹ Differenziert wird bei dieser Auswertungskategorie zum Gesamtformat Science Slam zwischen Zuschreibungen und Beschreibungen. Die Zuschreibungen im Sinne einer Attribution konzentrieren sich dabei auf die ihnen zugrunde liegenden medialen Informationen und persönlichen Empfehlungen, die Beschreibungen bieten eine rückblickende Perspektive auf die besuchte Science-Slam-Veranstaltung an und charakterisieren diese anhand von acht Parametern. Die ›Zuschreibungen‹ beziehen sich auf Vorannahmen und Vermutungen, welche die Interviewten in Bezug auf das Veranstaltungsformat Science Slam haben. Die Zuschreibungen können daher nicht ausdifferenziert werden und verbleiben vielmehr auf einer allgemeinen Betrachtungsebene. Da auch hier das Veranstaltungsformat selbst und seine thematische Ausrichtung eine zentrale Rolle spielen, lassen sich Verbindungslinien zu den im Vorfeld geäußerten Erwartungsstrukturen der Interviewten ziehen. In der Auswertung wird deutlich, dass es sich für die Interviewten um eine neuartige Kommunikationsform der Wissenschaftsvermittlung handelt. […] Den Interviewten ist bewusst, dass es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltungsreihe handelt, in der wissenschaftliche Inhalte mit einem »individuelle[n] Vortragen« (MS2404/Zeile 30) verknüpft werden. Es entsteht dadurch eine jeweils spezifische Slam-Performance. Durch diese individuellen Slam-Performances ist jeder Science-Slam-Abend ein Unikat. Die Rahmenstrukturen des Veranstaltungsformats geben dem Science Slam dennoch eine konzeptionelle Ausrichtung. […] Die ›Beschreibung‹ der Science-Slam-Veranstaltung im Anschluss an den Science-Slam-Abend kann nach den folgenden acht Parametern differenziert werden: Der (1) ›Gesamteindruck‹ wird häufig durch eine kurze Bewertung des Science-Slam-Abends übermittelt. Diese Bewertungen werden bestimmt durch Eigenschaftszuschreibungen zum Veranstaltungsabend, u. a. »unterhaltsam« (MS171207/Zeile 43), »kurzweilig[…]« (MS20404/Zeile 80), »abwechslungsreich«

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 189

(MS20404/Zeile 76) oder »spannend« (MS22304/Zeile 53), aber auch durch eine umfassendere Einordnung des Abends, indem die Science-Slam-Veranstaltung mit anderen Abendveranstaltungen oder wissenschaftlichen Veranstaltungen verglichen wird. Mit dem Einstieg über einen persönlichen Gesamteindruck wird ein erster Zugang zur Beschreibung geschaffen. Statt nur eine bewertende Ebene zu fokussieren, verbinden Interviewte ihren Gesamteindruck zum Veranstaltungsabend direkt mit einer beschreibenden Ebene, indem sie die Slam-Performances betrachten. […] Die Slam-Performances prägen neben der bewertenden Wahrnehmung des gesamten Veranstaltungsabends den individuellen Gesamteindruck. Ein weiterer Einstieg in die Beschreibung des Science-Slam-Abends erfolgt über die Auseinandersetzung mit (2) (Veranstaltungs-) ›Ort/Atmosphäre‹. […] Ort und Atmosphäre werden als Einstieg in die Beschreibung gewählt, weil sie ein kennzeichnendes Merkmal des Veranstaltungsformats sind. Da die wahrgenommene Atmosphäre individuelle Emotionen erzeugt, werden die Erinnerungen an den Veranstaltungsabend über diese generiert. Die Interviewaussagen lassen sich dabei zwei Ebenen zuordnen: Entweder wird (a) die wahrgenommene Veränderung des Veranstaltungsortes für wissenschaftliche Themen herausgegriffen oder (b) die Interviewten beschreiben, was die veränderte Raumkonstruktion auf einer emotionalen Ebene bei ihnen auslöst. (zu a) Die Verschiebung der wissenschaftlichen Angebote in eine fernab der Wissenschaften konnotierte Umgebung hat eine signifikante Bedeutung. Es entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem erwarteten und den tatsächlich genutzten Ort. Generell werden Wissenschaften nicht in erster Instanz mit dem gewählten Veranstaltungsort in Verbindung gesetzt: »[N]ein, ich war sehr verwundert, dass sowas im [Name Veranstaltungsort] stattfindet, wo es so viele, sage ich mal, kleine Bühnen oder Kulturvereine, Clubs oder sonst was gibt, wo sowas vielleicht besser aufgehoben wäre« (MS171207/Zeile 31–33). Denn dieser spezifische Veranstaltungsort fordert bestimmte Verhaltensweisen ein, »[d]ass man sich so fühlt, als ob man auf eine Party geht und auch so behandelt wird« (MS141205/Zeile 60–61). Das Verhalten der Teilnehmer*innen im Veranstaltungsraum ist demnach gelenkt durch die Implikationen, die der jeweilige Veranstaltungsort hervorruft und mit denen er besetzt ist. Der im analysierten Science Slam genutzte Veranstaltungsort ruft neben den einem Club zugeschriebenen Verhaltensweisen aufgrund seiner Entstehungsgeschichte auch politische und kulturelle Zuschreibungen hervor. […] Für das Veranstaltungsformat ergibt sich daraus eine spezifische Grundstimmung, die durch den Veranstaltungsort impliziert wird. Der Besuch des Science Slams in diesem spezifischen Veranstaltungsort provoziert dann nicht nur die Auseinandersetzung mit der örtlichen Verschiebung der wissenschaftlichen Angebote, sondern auch die

190 | Science Slam

inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Veranstaltungsort und seinen Programmatiken. Gleichzeitig vermuten die Interviewten, dass der Veranstaltungsort aufgrund seiner politischen und kulturellen, aber auch sozialräumlichen Ver-Ortung eine bestimmte Zielgruppe anspricht. Kritisiert wird jedoch, dass sich nicht mehr differenzieren lässt, ob die Teilnehmer*innen aus einem Interesse an wissenschaftlichen Auseinandersetzungen heraus anwesend sind oder ob sie einem spezifischen Trend folgen. Hier scheint der größte Reibungspunkt zu liegen. Ist das Veranstaltungsformat nur »kultig« »hip« und »modern« (MS161206/Zeile 45–46), auch bedingt durch diesen spezifischen Veranstaltungsort? […] Zusammenfassend lässt die Herauslösung der wissenschaftlichen Themen und Inhalte aus den ihnen zugeschriebenen Angebotskontexten und damit einhergehenden Ortsstrukturen bei den Interviewten verschiedene Thematisierungen erkennen: Angemessenheit des gewählten Veranstaltungsortes, weiterführende Auseinandersetzungen mit den implizierten Themen des Veranstaltungsortes, grundlegendes Interesse am Veranstaltungsformat, generiert auch durch den Veranstaltungsort. (zu b) Durch die vorhergehende Thematisierung der veränderten Raumkonstruktionen beginnen die Interviewten, sich den Veranstaltungsort losgelöst von seiner bisherigen gesellschaftlichen Konnotation zu erschließen. Die Zuschreibungen, die der Veranstaltungsort mit sich führt, rufen bestimmte Verhaltensweisen hervor. Durch das Aufeinandertreffen von wissenschaftlichen Themen und Veranstaltungsort im Veranstaltungsformat werden diese Verhaltensweisen jedoch hinterfragt und angepasst. Die bisherigen Zuschreibungen zum gewählten Veranstaltungsort werden in einen anderen Kontext gesetzt, indem der Veranstaltungsort nach seiner Bedeutung für wissenschaftliche Vermittlungsangebote überprüft wird und gleichzeitig Wissenschaften auf ihre dortige Verortung hin befragt werden. Mit dem Veranstaltungsort selbst werden dabei alltägliche Zusammenhänge fernab von wissenschaftlichen Ver-Ortungen verknüpft. […] Insgesamt entsteht dadurch ein individuell wahrgenommener Raum. Dieser individuell wahrgenommene Raum ist geprägt von einer sich entwickelnden Atmosphäre. Aus den Interviews wird deutlich, dass diese Beschreibung zum einen über emotionale Äußerungen zur Atmosphäre, zum anderen über die Wiedergabe der Wirkung des Raumes auf die einzelne Person greifbar wird. Die Beschreibung des (3) ›Publikums‹ referiert auf die Altersstrukturen […], aber auch auf die vermuteten beruflichen Anknüpfungspunkte für die wissenschaftlichen Themen […]. Unabhängig von der Publikumsstruktur wird der Publikumsandrang auf das Veranstaltungsformat thematisiert […]. Der Science Slam wird als »Publi-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 191

kumsmagnet« (MS5304/Zeile 12) beschrieben, was für die Interviewten eine überraschende Erkenntnis darstellt. Denn Wissenschaften, so der Grundtenor, haben es schwer, in der Breite zu interessieren. Hier lässt sich eine Verbindungslinie zum Veranstaltungsort ziehen, der aus Sicht der Interviewten diesen Zuspruch stützt. Deutlich wird, dass Veranstaltungsort und Publikumszusammensetzungen in einem zu vermutenden engen Zusammenhang stehen. Neben den zentralen Themen Ort/Atmosphäre sowie Publikum in der Beschreibung des Science-Slam-Formats werden auch die während der Slam-Performance eingesetzten (4) ›Präsentationsmethoden‹ aus einer allgemeinen, nicht spezifisch an einer einzelnen Slam-Performance ausgerichteten Betrachtung heraus reflektiert. Diese Betrachtungen konzentrieren sich auf eine Bewertung der genutzten Präsentationsmethoden und damit auf die Frage, ob die Slam-Performances das Zusammenspiel zwischen Unterhalten und wissenschaftlichen Inhalten eingelöst haben. […] Eine ausschließliche Ausrichtung an Unterhaltungsmomenten wird kritisiert, denn »durch den, diesen starken Akzent auf den Vortragsstil und auf diesen Gimmicks und Knalleffekten [kann] es dann dazu führen […], dass die Inhalte sozusagen ein bisschen verdeckt werden auch davon« (MS4606/Zeile 220–222). Es geht dennoch darum, dass die Themen nicht im wissenschaftlichen Duktus verhaftet erlebt werden: »Und das war auch meine Erwartung. Dass, dass die wissenschaftlichen Themen zwar behandeln und darstellen, aber so runterbrechen, dass das Publikum dem folgen kann und das eben verstehen können« (MS20404/Zeile 121–124), sodass »man auch rausgekriegt hat, mit welchen Fragen sie sich auseinandersetzen und, und was sie da eigentlich untersuchen« (MS161206/Zeile 83–85). Hier lassen sich Anforderungen an die didaktische Aufbereitung über die Präsentationsmethoden herauslesen. Die den Science Slam mit ihren Themen inhaltlich bestimmenden (5) ›Slammer*innen‹ werden in den Beschreibungen des Science-Slam-Formats an den Rand gedrängt, aber auch, weil sie als Personen auf den ersten Blick nicht die Spezifik des Veranstaltungsformats ausmachen. Wissenschaftler*innen, die über wissenschaftliche Themen und Inhalte berichten, gehören zum medialen Alltagsgeschehen. Zudem werden an einem anderen Veranstaltungsabend andere Slammende andere Themen präsentieren, sodass der Science Slam selbst nicht mit bestimmten Personen verbunden wird. Gleichzeitig reflektieren die Interviewten jedoch darüber, welche Bedeutung die*der einzelne Slammende für die Slam-Performance selbst hat. Die Interviewten heben hier den ersten Eindruck hervor, der Auswirkungen auf die Bewertung der Slam-Performance und die individuelle, thematisch-inhaltliche Auseinandersetzung hatte. Das Zusammenspiel zwischen der Persönlichkeit der Slammer*innen und der methodischen Ausgestaltung der Slam-Performance ist zentral für die Wahrnehmung der Inhalte. […] Daher sind auch die dargebotenen (6) ›Inhal-

192 | Science Slam

te‹ für das Zusammenspiel zwischen methodischer Ausgestaltung der Slam-Performance und Slammer*innen relevant. Erst in dieser Dreieckskonstellation lassen sich die einzelnen Slam-Performances als Gesamtes betrachten. […] In der Beschreibung des Veranstaltungsformats werden (7) ›Moderation‹ und (8) ›Ablauf des Abends‹ nur marginal thematisiert. […] In den Reflexionen zur Beschreibung des Science-Slam-Formats nehmen die Interviewten verschiedene Beobachtungsebenen ein. Grundsätzlich lässt sich eine zirkuläre Wechselwirkung – dargestellt in Abbildung 20 – zwischen den in der Beschreibung der Science-Slam-Veranstaltung aufgegriffenen Foki der Interviewten ausmachen. Dabei kann es jedoch zu Widersprüchen führen, wenn ein Aspekt zu stark wahrgenommen wird. Das bezieht sich zum einen auf das Verhältnis zwischen Veranstaltungsort und Veranstaltungsformat und zum anderen auf das Zusammenspiel zwischen dem Inhalt der Slam-Performance und den genutzten Präsentationsmethoden. Hier wird ein Balanceakt notwendig, der durch die Zeitlichkeit des Veranstaltungsformats weiter herausgefordert wird. Abbildung 20 greift sieben der acht in der Beschreibung des Formats Science Slam genutzten Parameter heraus und macht die Zusammenhänge deutlich; im oberen Teil fokussiert auf die einzelne Slam-Performance, im unteren Teil bezogen auf das Veranstaltungsformat aus der allgemeinen Perspektive. Bedingt werden beide Perspektiven durch vorgegebene Zeitstrukturen. Abbildung 20: Wechselverhältnis zwischen Elementen der Beschreibung einer Science-Slam-Veranstaltung

Quelle: eigene Darstellung

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 193

(d) Auswertungskategorie: ›Science-Slam-Performances‹ Die Beschreibung der einzelnen Science-Slam-Performances konzentriert sich auf drei zentrale Aspekte: Die*Der jeweilige Slammende, die Inhalte der Slam-Performance sowie die eingesetzten Präsentationsmethoden beeinflussen die einzelne Slam-Performance. Auch im oberen Ausschnitt von Abbildung 20 wird dieses Bedingungsgefüge zwischen den drei Aspekten deutlich. Daher wird noch eine vierte Kategorie, die das Zusammenspiel dieser drei Aspekte aufgreift, genutzt. Erst in diesem Zusammenspiel zwischen Slammende*r/m, Inhalt und Präsentationsmethoden lässt sich die einzelne Slam-Performance als Einheit betrachten. Die ›Slammer*innen‹ werden über eine persönliche Wahrnehmung eingestuft. Die Erinnerung an die einzelne Slam-Performance richtet sich daran aus, wie sie*er in Erinnerung geblieben ist […]. Woran sich diese Einstufung durch die Interviewten bemisst, bleibt undifferenziert. Grundlegend ist für die Teilnehmer*innen, dass die Persönlichkeit der Slammer*innen fassbar wird, ob es nun »so ein ganz lockerer Typ, den man auch auf so einem Konzert oder so mal treffen könnte« (MS3605/Zeile 160–161), ist oder jemand, der »ein bisschen uncool reagiert hat, als sie nicht gewonnen hat. (Z8 lacht.) Das ist noch ja, aber irgendwie auch verständlich und sehr menschlich« (MS20402/Zeile 224–226). Darüber entstehen erinnerte emotionale Bindungen. Es geht gleichzeitig nicht darum, dass der wissenschaftliche Hintergrund der Slammer*innen negiert wird […]. Genau diese Reibungspunkte zwischen Annahmen, Vorstellungen, Idee und Präsenz der Wissenschaftler*innen als Slammende auf der Bühne sind es, die die Erinnerungen der Teilnehmer*innen lenken. Daneben wird in der Auseinandersetzung die Präsenz von Wissenschaftlerinnen auf der Bühne thematisiert. In der Beschreibung der Slam-Performance wird das Auftreten der Wissenschaftlerinnen mit dem Auftreten der Wissenschaftler durch die Interviewten verglichen. […] Es wird ein Unterschied in der Präsenz der einzelnen Personen auf der Bühne ausgemacht und dieser dann gekoppelt an das jeweils zugeschriebene Geschlecht. Rollenmuster scheinen hier reproduziert zu werden. Provoziert werden jedoch auch individuelle Auseinandersetzungen, wenn Interviewte ihre eigenen Deutungen und Erfahrungen während der Slam- Performance überdenken: »Wo ich dann auch in dem Moment reflektieren musste, okay, wie nehme ich selber Frauen und wie nehme ich Männer auf der Bühne wahr. […] Und habe das dann halt versucht, das für mich so ein bisschen zu behandeln […]. Es hat ziemlich viele Themen in meinem Kopf selber getriggert sozusagen. (..)« (MS22304/Zeile 223–230). Es erfolgt demnach eine kritische Einordnung der vergleichenden Wahrnehmung zwischen Slammerinnen und Slammern, die Reflexionsprozesse über gesellschaftliche Zuschreibungen anstößt. Die thematisch-inhaltliche Ausrichtung der Slam-Performance tritt dann in den Hintergrund, es geht um Auseinandersetzungen mit übergeordneten, aber beeinflussenden Kontextstrukturen.

194 | Science Slam

Die ›Präsentationsmethoden‹ weisen in den Auseinandersetzungen mit den einzelnen Slam-Performances eine große Bandbreite auf. ›Vortragsstil/Rede‹ können methodisch ausgestaltet werden. […] Dabei scheint es relevant, dass die Slammer*innen als Personen wahrgenommen werden. […] Es geht somit für die Slammer*innen darum, mit Vortragsstil/Rede zu bedingen, dass »es mir als Zuhörer er-, deutlich erleichtert [wird], zuzuhören« (MS23206/Zeile 172–173). Der Vortragsstil vermittelt in diesem Sinne einen selbstverständlichen Umgang mit den Inhalten der Slam-Performance. Dadurch bekommen die Teilnehmer*innen den Eindruck, dass die Inhalte generell erschlossen werden können. Vortragsstil/Rede bezieht sich jedoch nicht nur auf die Persönlichkeit und den inhaltlichen Umgang, sondern auch auf das direkte Verhalten auf der Bühne. Dabei geht es zum einen um den Bewegungsradius, den die Slammer*innen auf der Bühne nutzen […]. Die Slammer*innen können die gesamte Bühne als Raum für ihre Slam-Performance erschließen und dadurch eine Präsenz erzeugen, welche ihre Wahrnehmung durch die Teilnehmer*innen einfordert. Die Abkehr von dem Redner*innenpult und die freie Rede symbolisieren gleichzeitig eine Natürlichkeit im Umgang mit Thema und Inhalten. Zum anderen geht es um die Art und Weise des Verhaltens auf der Bühne, wenn von den Slammer*innen gegenüber den Anforderungen des Veranstaltungsformats in der Darstellung der Themen und Inhalte auch im Vortragsstil unerwartete Elemente eingebracht werden. Die ›Interaktion‹ mit dem Publikum wird in den Slam-Performances als Möglichkeit eingesetzt, um die Teilnehmer*innen in die Slam-Performance zu involvieren, ihnen einen thematisch-inhaltlichen Zugang über das eigene Tun zu ermöglichen und sie somit zu Teilnehmer*innen werden zu lassen. Sie werden einerseits von den Slammer*innen nach Ideen und Meinungen befragt. […] Mit dem Aufwerfen einer Problemfragestellung beginnen die Teilnehmer*innen, sich dem Thema anzunähern. Andererseits werden einzelne Personen aus dem Publikum auf die Bühne gebeten, um bei Experimenten und inhaltlichen Darstellungen mitzuwirken. Diese Form der Publikumsinteraktion wird selten genutzt, da die Zeitstrukturen hier einen eingrenzenden Rahmen vorgeben. Daher wird diese Form der Interaktion von den Interviewten nur randständig thematisiert, wenn sie jedoch eingesetzt wurde, auch besprochen […]. Diese Interaktionsform bietet am deutlichsten die Möglichkeit, das Publikum aus seiner Passivität zu lösen […]. Als Präsentationsmethode wird auch das Herstellen ›sprachlicher Alltagszusammenhänge‹ genutzt. Die wissenschaftlichen Begriffe werden zum einen in einen zugeschriebenen lebensweltlichen Kontext eingebettet […]. Zum andern werden Synonyme aus dem alltäglichen Sprachgebrauch für wissenschaftliche Termini eingesetzt. Mit dieser sprachlichen Übertragung zentraler wissenschaftliche Begriffe binden die Slammer*innen die wissenschaftlichen Begriffe an Zitate, Alltags-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 195

gegenstände, Namen bekannter Personen u. Ä. […]. Durch diese Einbettung in lebensweltliche Zusammenhänge wird es einerseits möglich, dass die Teilnehmer*innen den Inhalten »auf jeden Fall folgen konnte[n] und man, man auch rausgekriegt hat, mit welchen Fragen sie [die Slammer*innen; MS] sich auseinandersetzen und, und was sie da eigentlich untersuchen« (MS161206/Zeile 83–85). Durch die Übertragung auf lebensweltliche Zusammenhänge werden andererseits Figuren, Modelle und Alltagsbegriffe genutzt, um das Abstraktionsniveau zu verändern, um den Teilnehmer*innen andere Möglichkeiten der inhaltlichen Verknüpfung zu bieten. Dabei werden inhaltlich passende Übertragungen gewählt […]. Hinzu kommt, dass durch die Nutzung von Einbettung und Übertragungen der wissenschaftlichen Inhalte und Begriffe die Teilnehmer*innen angeregt sind, nachzudenken, »was meint der denn eigentlich damit« (MS22304/Zeile 243). Sie versuchen den Prozess der sprachlichen Einbettung und Übertragung nachzuvollziehen. Dennoch ist die sprachliche Einbettung und Übertragung nicht per se dazu geeignet, alltägliche Zugänge für die Teilnehmer*innen zu schaffen. […] Um Einbettung und Übertragung zu realisieren geht es darum, neben den Inhalten auch über die Zielgruppe der Slam-Performance zu reflektieren, um die inhaltliche Aufbereitung entsprechend anzupassen. ›Objektive Illustrationen‹ meinen in Abgrenzung zu bildlichen Visualisierungen Veranschaulichungen und Darstellungen, die im wissenschaftlichen Kontext entstanden oder entwickelt worden sind. Zum einen können das Experimente sein, die im Forschungskontext genutzt wurden und nun auf der Bühne vorgeführt werden. Das Experiment wird nicht als singulärer Unterhaltungsmoment in die Slam-Performance eingebaut, sondern stellt eine Verbindungslinie zum Inhalt der Slam-Performance her. Dazu werden die Experimente inhaltlich ein- und angeleitet, sodass die Teilnehmer*innen nachvollziehen können, was passiert und wie es passiert. Zum anderen erwähnen die Interviewten, dass die Slammer*innen im Forschungsprozess entwickelte Objekte und Modelle exemplarisch zeigen und darüber verdeutlichen, welche Möglichkeiten sie bieten. […] Die Slammer*innen können mit Objekten und Modellen dann nicht nur das Forschungsergebnis visualisieren, sondern auch erklären, woran weiter geforscht werden kann. Häufiger werden in den Slam-Performances jedoch ›bildliche Visualisierungen‹ genutzt, die außerhalb von wissenschaftlichen Auseinandersetzungen erstellt worden sind. Die Visualisierungen sind durch unterschiedliche Stilelemente gekennzeichnet: selbst erstellte Zeichnungen, Fotos, Bilder und Filme. […] Über diese Nutzung wird ein ähnlicher Effekt wie mit den sprachlichen Alltagszusammenhängen hervorgerufen. Es verändert sich das Abstraktionsniveau und die veränderte Kontexteinbettung stützt Verbindungslinien in die individuelle Lebenswelt. Diese Bilder, Fotos und Skizzen unterstützen als Beispielbilder nicht nur das Gesagte oder

196 | Science Slam

führen es weiter aus, sondern sie transportieren vor allem visuelle Zusammenhänge aus der Lebenswelt. […] Es wird grundlegend der Anspruch deutlich, dass die wissenschaftlichen Inhalte und die lebensweltlichen Visualisierungen eine Einheit bilden und die bildlichen Visualisierungen nicht nur dazu benutzt werden, dem Unterhaltungsaspekt Genüge zu leisten. Die Visualisierungen dienen somit als Hintergrundfolie für den Inhalt. Außerdem lenken sie die Aufmerksamkeit und heben den Inhalt aus einer sprachlichen Abstraktheit heraus. ›Thema/Inhalt‹ werden häufig wertend eingeführt. Dabei wird die inhaltliche Beschreibung der einzelnen Slam-Performances mehrheitlich chronologisch im Rahmen der jeweiligen Science-Slam-Veranstaltung abgehandelt. Eine andere, aber seltene Herangehensweise erfolgt über die Platzierungen in der jeweiligen Science-Slam-Veranstaltung: Wer hat den meisten Applaus erhalten? Wer war Gewinner*in des Abends? Die eigentliche Wiedergabe der jeweiligen Slam-Performance-Inhalte baut sich dann über die Schilderung des Forschungsverlaufs oder über die Darstellung der Forschungsergebnisse bzw. Forschungserkenntnisse auf. Hierüber gelingt ein inhaltlicher Einstieg in die einzelne Slam-Performance. Generell können die Interviewten eine grundlegende Einordnung der Slam-Performances in die wissenschaftlichen Zusammenhänge vornehmen, jedoch nicht immer den inhaltlichen Gesamtverlauf wiedergeben. Das liegt zum einen an fehlenden inhaltlichen Anknüpfungspunkten, die entweder während der Slam-Performance nicht angeboten werden […] oder bei den Teilnehmer*innen keine Resonanz hervorrufen […]. Demgegenüber fühlen sich die Teilnehmer*innen aber auch unterfordert, wenn »beim Urschleim quasi angefangen wurde« (MS3605/Zeile 214– 216). Es geht demnach darum, dass die Slammer*innen einen ausgewogenen inhaltlichen Zugang zu den präsentierten Inhalten schaffen. Dabei spielen vor allem die individuellen Verbindungslinien zum Inhalt eine wichtige Rolle. Für sie muss ein persönlicher Ankerpunkt hergestellt werden, sodass das Thema als persönliches Thema wahrgenommen wird […]. […] Neben der fokussierten thematisch- inhaltlichen Beschreibungen der erinnerten Slam-Performances durch die Interviewten knüpfen diese ihre thematisch-inhaltlichen Beschreibungen auch an die innerhalb der Slam-Performance genutzten objektiven Illustrationen und bildlichen Visualisierungen sowie die individuell wahrgenommene Atmosphäre während der SlamPerformance. Das heißt, dass diese Elemente der Slam-Performance die jeweiligen Inhalte in der individuellen Erinnerung überlagern. Sie bieten jedoch einen Ankerpunkt, über den sich den Inhalten dann wieder angenähert werden kann. Die drei dargestellten zentralen Kategorien ›Slammende‹, ›Präsentationsmethoden‹ und ›Thema/Inhalt‹ zur Beschreibung der einzelnen Slam-Performance machen in ihrem ›Zusammenspiel‹ erst eine analytische Gesamtbetrachtung der SlamPerformances möglich. In diesem Zusammenspiel der drei Elemente ist auch das

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 197

Aufeinandertreffen von Unterhaltungsmomenten und wissenschaftlichen Inhalten ein wichtiger Aushandlungsaspekt für die Interviewten. Wird der Inhalt durch Unterhaltungsmomente überlagert, werden inhaltliche Anschlussmöglichkeiten außen vorgelassen. Die Interviewten sehen diese Verschiebung kritisch. […] Demnach fühlen sich die Teilnehmer*innen nicht als Akteur*innen der Slam- Performance wahrgenommen, wenn die Unterhaltungsmomente in der Slam-Performance als »alles so ein bisschen platt fast« (MS171207/Zeile 92) und mit »flache[n] Witze[n]« (MS3605/Zeile 190) beschrieben werden. […] Wenn unterhaltsame Elemente in der Slam-Performance jedoch ganz außen vorgelassen werden, entsteht eine Slam-Performance, die an einen »relativ konventionelle[n] Vortrag« (MS3605/Zeile 200) erinnert […]In der Zusammenführung geht es dann nicht um die »großen Knalleffekte« (MS4606/Zeile 201), sondern es wird ein ausgewogenes Zusammenspiel […] eingefordert, sodass Unterhaltungsmomente zum Vehikel der wissenschaftlichen Vermittlung werden. Abbildung 21 greift drei zentrale Aspekte der Slam-Performance mit ihren zugehörigen Differenzierungen heraus und stellt sie in einen Zusammenhang. Im Anschluss an die Ausführungen zum Format Science Slam wird hier eine Detaillierung der dort erarbeiteten Abbildung 20 vorgenommen. Abbildung 21: Zusammenhänge der beschriebenen Aspekte einer Science-Slam-Performance

Quelle: eigene Darstellung

198 | Science Slam

(e) Auswertungskategorie: ›Transformationsprozesse‹ Mit der Kategorie ›Transformationsprozesse‹ werden die Verbindunglinien von den Teilnehmer*innen der Science-Slam-Veranstaltung hin zu den einzelnen SlamPerformances und zur Gesamtbetrachtung des Veranstaltungsformats Science Slam aufgegriffen. Dabei werden unterschiedliche Ebenen von Transformationsprozessen angesprochen, von angebotenen Anschlussmöglichkeiten in der Slam-Performance über weiterführende, vor allem kommunikative Auseinandersetzungen bis hin zu reflexiven Irritationen. Dabei geht es zunächst darum, ›Anschlussmöglichkeiten‹ herauszufiltern. Generell werden individuelle Anschlussmöglichkeiten zu den einzelnen Inhalten dadurch beeinflusst, dass es sich um […] eine verständliche inhaltliche Vermittlung handelt. Aufbereitung und Darstellung der Inhalte spielen innerhalb der Slam-Performance neben den Rahmenstrukturen des Veranstaltungsformats eine zentrale Rolle. Die Slam-Performance ist somit ein Gesamtkonzept. Welche Verbindungslinien beschreiben die Interviewten nun zwischen dem von ihnen als zentralen Aspekt für Anschlussmöglichleiten formulierten ›Thema/Inhalt‹ der Slam-Performance und dem individuellen Vorwissen? Schwierigkeiten beim Zugang zu den Inhalten erkennen die Interviewten, wenn Thema/Inhalt als »nicht sehr interessant« (MS23206/Zeile 162) empfunden werden. Dieses thematische Desinteresse wird jedoch sehr selten als fehlende Anschlussmöglichkeit genannt, eher fehlt es an Wissen und Erfahrungen in dem Themengebiet […]. Dabei werden schnell thematische Deutungen und disziplinspezifische Zuschreibungen durch die Interviewten sichtbar, die einen inhaltlichen Zugang weitergehend erschweren: »Physik und Mathematik und sowas und Technik ist für mich immer ein bisschen schwieriger zu verstehen. Da bin ich irgendwie nicht so, weiß ich nicht, (..) naturwissenschaftlich-technisch begabt irgendwie« (MS3605/ Zeile 228–230). Neben dieser kritischen Selbsteinschätzung wird eine individuelle, thematisch-inhaltliche Abkehr erkannt, wenn den Slammer*innen in der Slam-Performance die inhaltliche Übertragung nicht gelingt […]. Das heißt, Anschlussmöglichkeiten werden mit zunehmender inhaltlicher Komplexität erschwert. Zudem wird die einseitige Ausrichtung der Slam-Performance an Unterhaltungsmomenten kritisiert. […] Der Inhalt wird durch Lächerlichkeit und inhaltliche Übersättigung nicht mehr wahrgenommen. Außerdem spielen schon bestehende thematischinhaltliche Verbindungslinien eine Rolle. […] Das eigene Vorwissen führt dann ursächlich dazu, dass die Inhalte, aber auch die Slam-Performance kritischer reflektiert werden. Hier greift das wissenschaftliche Wissen der Teilnehmer*innen. Generell muss dieses individuelle Vorwissen jedoch nicht als wissenschaftliches Wissen deklariert werden.

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 199

Auch wenn zu Thema/Inhalt kein Vorwissen vorhanden ist, kann eine Slam-Performance dennoch Anschlussmöglichkeiten eröffnen. Die Slam-Performance bietet eine Perspektivenerweiterung an. Durch das Herstellen einer inhaltlichen Vorstellungsebene über eine angepasste inhaltliche Abstraktionsebene können für die Teilnehmer*innen individuelle Verbindungslinien entstehen. Es wird durch die Auswertung sichtbar, wann Anschlussmöglichkeiten wahrscheinlich sind, dargestellt durch fünf Bezugspunkte: • Darstellung des Forschungsprozesses bis hin zu den Forschungsergebnissen: Die Teilnehmer*innen können gedanklich Schritt für Schritt mitverfolgen, wie das Forschungsergebnis entstanden ist, sodass sich hier ein Erklärungsprozess einfügt, der hilfreich ist für das Gesamtverständnis. […] • Herstellung von individuellen Bezugnahmen: Wenn die Themen so ausgerichtet sind, dass jede*r die inhaltlichen Erkenntnisse auf sich selbst beziehen kann, entstehen Realitätsbezug und individuelle Gefühlsräume, die den Zugang zu Inhalten erleichtern. Es werden individuelle Verbindungslinien oder ein individuelles Interesse aktiviert. […] • Darstellung eines gesellschaftlichen, ökologischen oder politischen Problemaufrisses anhand der Inhalte: Hierüber fühlen sich die Teilnehmer*innen ebenfalls angesprochen, zwar nicht zwingend auf einer individuellen, sondern eher auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene, die dann eine individuelle Sensibilität erzeugt. Die Teilnehmer*innen werden sich einerseits spezifischer Problemlagen bewusst, die eine weitere Auseinandersetzung einfordern, also zunächst Anschlussmöglichkeiten schaffen. Anderseits kann diese Sensibilisierung dazu führen, dass gesellschaftliche Muster reflektiert werden. […] • Hervorhebung der Innovation von Inhalten, die gesellschaftliche, politische, kulturelle, ökonomische oder ökologische Prozesse betrifft: Über die inhaltliche Innovation wird das Interesse der Teilnehmer*innen geweckt – sie sind angeregt, sich weitergehend mit den erhaltenen Informationen und dem Wissen zu beschäftigen. […] • einführende Darstellung des Themas über individuell-stilistische Ansprache: Es findet eine Verschiebung von einer thematisch-inhaltlichen Ebene hin zu den Präsentationsmethoden statt, die wiederum Anschlussmöglichkeiten zulassen. Über die Präsentationsmethoden nehmen die Teilnehmer*innen ein verstärktes thematisch-inhaltliches Involviert-Sein wahr. Darüber gewinnen sie einen ersten Zugang zum Thema. […] Dabei lassen sich nicht nur Verbindunglinien ausmachen, die vom Thema/Inhalt ausgehen, sondern auch jene, die ›Visualisierungen/Illustrationen‹ als Grundlage

200 | Science Slam

für Anschlussmöglichkeiten nutzen. Auf zwei Ebenen werden hier Anschlussmöglichkeiten von den Interviewten erkannt: zum einen durch die Einbettung wissenschaftlicher Inhalte in lebensweltliche Zusammenhänge. An die genutzten Illustrationen und Visualisierungen innerhalb der Slam-Performance binden sich Erinnerungen, die in einen Zusammenhang mit den Inhalten gesetzt werden. Zum anderen bieten sich auf einer übergeordneten Ebene Anschlussmöglichkeiten, wenn die Interviewten thematisieren, dass sie die inhaltliche Präsentation »als Anregung für [eigene] wissenschaftliche Vorträge« (MS20402/Zeile 146–147) nutzen. Hier geht es dann in der Übertragung um das praktische Handeln im eigenen wissenschaftlichen Kontext. In den Fokus rückt also die Wissenschaftskommunikation selbst. Die Aussagen lassen neben Anschlussmöglichkeiten auch Rückschlüsse auf ›Auseinandersetzungen‹ zu. Die aufgeführten Gründe für fehlende Anschlussmöglichkeiten spielen auch hier hinein. Besteht zum Thema kein thematisch-inhaltlich individueller Zugang, werden die Inhalte nicht entsprechend aufbereitet oder Präsentationsmethoden überlagern die Inhalte und weiterführende Auseinandersetzungen werden nicht angestoßen. Zwischen einer fehlenden und einer bewussten Auseinandersetzung werden Auseinandersetzungen auch als passiver Vorgang beschrieben. […] Dieser passive Vorgang der inhaltlichen Auseinandersetzung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Inhalte eher in einem unbestimmten Kontext auf die Teilnehmer*innen ›treffen‹. In dieser Situation sind sie dann gefordert, selbst aktiv zu werden, indem sie die Inhalte wahrnehmen und die persönlichen, inhaltlichen Schnittmengen reaktiviert werden. Die im Science Slam erfahrenen Informationen und das Wissen sind ein individuelles Hintergrundrauschen, durch das die Teilnehmer*innen auf Themen und Inhalte der Slam-Performances in anderen Kontexten aufmerksam werden. Es handelt sich daher um eine Form der Aufmerksamkeitslenkung. Daneben finden jedoch auch aktive, bewusste Auseinandersetzungen statt. Der Unterschied zur vorhergehenden Auseinandersetzung liegt darin, dass die Teilnehmer*innen nicht irgendwann im Alltag auf die Inhalte ›treffen‹ und dann aktiv werden (können), sondern sie von sich aus beginnen, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen […]. Diese Auseinandersetzungen können entlang einer thematisch-inhaltlichen ›Kommunikation‹, die sich im Anschluss an die Science-SlamVeranstaltung und_oder Slam-Performance ergab, konkretisiert werden. Über eine individuelle Versprachlichung werden Themen und Inhalte für die Teilnehmer*innen verfügbar. Dabei können stufenartig folgende vier Kommunikationsformen unterschieden werden: • Empfehlung der Veranstaltung: Als Reaktion auf die abendliche Veranstaltung wird das Veranstaltungsformat an andere Personen, die nicht anwesend waren,

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 201

weiterempfohlen. Hier geht es um keine Auseinandersetzung mit Themen und Inhalten der Slam-Performances, sondern um eine Auseinandersetzung mit dem Veranstaltungsformat. Es werden wissenschaftliche Veranstaltungsformate als Möglichkeiten der Abendgestaltung und gleichzeitig der thematisch-inhaltlichen Auseinandersetzung anerkannt. Durch die Beschreibung des Veranstaltungsformats greifen die Erzählenden auch Inhalte der Slam-Performances auf, sodass sich Überschneidungen zur folgenden Kommunikationsform ergeben. […] • inhaltliche Erzählungen: Die Interviewten beschreiben die einzelnen Slam-Performances gegenüber Personen, die nicht anwesend waren. Durch diese Wiedergabe rekapitulieren sie die Inhalte. In diesem Zusammenhang steht auch die Thematisierung der inhaltlichen Wiedergabe als Herausforderung. […] Es fehlt dann zur Vermittlung an wissenschaftlichem Prozess- und Hintergrundwissen sowie an informativem Verbindungswissen zwischen den einzelnen Informationen. Für eine weiterführende Auseinandersetzung ist wichtig, dass die Inhalte sprachliche Konsistenz erhalten. Dies erfolgt über die Schaffung von sprachlichen Anschlussmöglichkeiten in der Slam-Performance. […] • informativer Austausch: Direkt im Anschluss an die Science-Slam-Veranstaltung ergeben sich Gespräche über Inhalte der Slam-Performances mit anderen Teilnehmer*innen. Hier geht es um ein gegenseitiges Auf-den-gleichen-Stand-Bringen: Habe ich das richtig verstanden? Wie hast du das verstanden? Dabei sind nicht nur die präsentierten Inhalte Thema, sondern ebenso werden die Slam-Performances als Einheit betrachtet. […] Über diese diskursiven Gespräche und den inhaltlichen Austausch werden Auseinandersetzungen direkt im Anschluss an die Science-Slam-Veranstaltung angestoßen. • Anstoßen von Diskussionen: Die Inhalte der Slam-Performances werden auf einer individuellen und_oder gesellschaftlichen Ebene durch die Teilnehmer*innen als wichtig eingestuft und daher weiterverfolgt, indem sie mit anderen Personen, die nicht zwingend bei der Science-Slam-Veranstaltung anwesend waren, diskutiert werden. Auch diese Personen sollen für die erfahrenen Inhalte sensibilisiert werden. Gleichzeitig geht es um einen Wissensabgleich: Was weißt du zu dem Thema? Was weiß ich? Können die Inhalte so verstanden werden, wie ich sie beim Science Slam aufgegriffen haben? […] Für diese Diskussion bedarf es eines grundlegenden Wissens zu den Inhalten. Aufgrund dessen, dass für Inhalte sensibilisiert werden soll, kann auch angenommen werden, dass die Diskutierenden sich selbst mit den Inhalten fundiert auseinandersetzen und das über die Slam-Performances erhaltene Wissen ergänzen. […] Insgesamt hinterlassen die Momentaufnahmen aus der Science-Slam-Veranstaltung individuelle Eindrücke. Die angeregten ›Irritationen‹ beziehen sich spezifisch auf

202 | Science Slam

Inhalte der Slam-Performances und auf bestimmte Aspekte der jeweiligen Science-Slam-Veranstaltung. Es werden dabei vor allem Inhalte hervorgehoben, die über die ›Darstellung eines gesellschaftlichen, ökologischen oder politischen Problemaufrisses‹ zu weiterreichenden individuellen Reflexionen geführt haben. Sie werden nun im Interview (a) einer gesellschaftlichen Fragestellung zugeführt oder (b) als ein Anstoß zum Darüber-Nachdenken gewertet. (zu a) Der Inhalt der Slam-Performance regt dazu an, ihn in gesellschaftliche Zusammenhänge einzuordnen und ihn damit im Rahmen einer persönlichen Themenerschließung weiterzudenken. Ganz unbewusst wird der Inhalt dann von den Teilnehmer*innen in bisherige individuelle Erfahrungskonzepte und Deutungen eingeordnet. Dadurch ergeben sich Reibungspunkte oder Problemlagen, die nun Irritationen, also ein Nachdenken, Weiterdenken und Mitdenken provozieren. […] (zu b) Es gibt Themen, mit denen die Teilnehmer*innen vor der Science-SlamVeranstaltung keine individuellen Berührungspunkte hatten. Über die Präsentation von Inhalten erfahren sie nun eine individuelle Sensibilisierung, die sie dazu anregt, diese Themen und Inhalte nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich mit den Inhalten weitergehend auseinanderzusetzen. Die Irritation liegt hier im Neuigkeitswert der Thematik, der nun mit bisherigen Erfahrungen und Deutungen verglichen wird. […] Irritation meint neben diesen implizit über die Analyse festgestellten Momenten aber auch jene Lernprozesse oder Bildungsimpulse. Durch die Slam-Performance wird dabei vielmehr ein erster inhaltlicher Zugang geschaffen, Informationen werden an die Teilnehmer*innen vermittelt, durch die sie nun die besprochenen Themen auch wahrnehmen und für sie sensibilisiert sind. So kann ein Bewusstsein für bestimmte gesellschaftliche oder individuelle Problemlagen entstehen. Nicht jedem Thema wird dabei in der individuellen Bezugnahme die gleiche Bedeutung zugesprochen. Die individuellen Anknüpfungspunkte sind abhängig von Erfahrungen, Deutungen, Wissen und Emotionen der*des jeweiligen Teilnehmer*in/s. Dadurch werden Teilnehmende im Anschluss an die Slam-Performance selbst aktiv: Sie recherchieren zu Themen, Inhalten und Slammer*innen, berichten über sie oder belesen sich. Sie führen diese Aktivität auf die Slam-Performance zurück. Hier lassen sich individuelle Irritationen feststellen, die als unterschiedlichste Berührungspunkte zwischen der Slam-Performance und der*dem Teilnehmer*in sichtbar werden. Abbildung 22 greift die Aspekte von der Slam-Performance hin zu individuellen Transformationsprozessen auf. Die Rahmenstrukturen des Veranstaltungsformats, hier im Hintergrund die ausgeführten Parameter mitgedacht, und die Slam-Perfor-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 203

mance, beeinflusst durch die*den Slammende*n, Thema/Inhalt und Präsentationsmethoden, wirken in ihrer Gesamtheit auf die individuellen Anschlussmöglichkeiten. Diese möglichen individuellen Verbindungslinien sind die Grundlage für jeweils weiterführende Auseinandersetzungen und Irritationen. In Abbildung 22 werden jene Aspekte aufgezeigt, die die Auseinandersetzungen und Irritationen der Interviewten prägen. Festzustellen sind hier auf verschiedenen Ebenen mögliche Transformationsprozesse. Abbildung 22: Transformationsprozesse ausgehend von der Science-Slam-Performance

Quelle: eigene Darstellung

Zusammen-Denken der Interpretation für die Perspektivengruppe ›Personen aus dem Publikum‹ Durch die Verschränkung der zusammenfassenden Basistexte geht es in dieser Interpretation zentral um die Herausarbeitung von Anschlussmöglichkeiten und Auseinandersetzungen der Teilnehmer*innen hin zu Aneignungsprozessen. Über die Beschreibung der jeweiligen Science-Slam-Veranstaltung und die Beschreibung einzelner Science-Slam-Performances werden die dafür grundlegenden Transformationenprozesse mit ihren individuellen Bedingungen in Abbildung 22 sichtbar. Verschiedene Aspekte müssen für diese Transformationsprozesse in Zusammenhängen gedacht werden. Der Science Slam ist im Moment der Interviewdurchführung ein sich etablierendes Veranstaltungsformat im Rahmen der Wissenschaftskommunikation. Er bewegt sich dabei außerhalb von bekannten wissenschaftlichen Vermittlungsangebo-

204 | Science Slam

ten und folgt einem Trend des diffusen gesellschaftlichen Interesses an wissenschaftlichen Themen. Daher wird der Science Slam zunächst als Abendprogramm anerkannt. Das heißt auch, dass die Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten in Freizeitaktivitäten integriert wird und die Aneignung von wissenschaftlichen Inhalten in individuelle Alltagspraxen eingebunden wird. Die Wissenschaftler*innen stellen als Slammende ihr Wissen aus Forschungsprozessen interessierten Öffentlichkeiten zur Verfügung, begründen die gesellschaftliche Wertigkeit von wissenschaftlichen Themen und werden gleichzeitig als Wissenschaftler*in sowie thematische Ansprechpartner*in sichtbar. Dadurch gelingt es auch, Zuschreibungen zum Bereich Wissenschaft, seinen Themen und den dort Tätigen aufzubrechen. Dem Veranstaltungsformat werden somit drei Bedeutungen auf der wissenschaftlichen Ebene zugeschrieben: (1) wissenschaftliche Themen und Inhalte verständlich zu kommunizieren, dadurch (2) Wissenschaften interessierten Öffentlichkeiten zugänglich zu machen und (3) neue Zuschreibungen für Wissenschaften zu schaffen. Die Rahmenstrukturen der Science-Slam-Veranstaltung stützen diese Zusammenhänge. Denn über die Ver-Ortung der Veranstaltung in Orten fernab von Wissenschaftsorten wird eine Verschiebung von individuellen Ortszuschreibungen hervorgerufen. Im Zusammenspiel der individuellen Zuschreibungen zum Veranstaltungsort, den Inhalten und den Präsentationsmethoden der Slam-Performances entsteht eine Veranstaltungsatmosphäre, die emotionale Reibungen provoziert. Es verändern sich dadurch nicht nur die individuellen Ortskonstruktionen, sondern auch die Zuschreibungen zum Veranstaltungsort. Dieser wird für die Teilnehmer*innen in seinen Programmausrichtungen zugänglich. Die Herausforderung der Zusammenführung von wissenschaftlichen Inhalten mit Unterhaltungsmomenten im Veranstaltungsformat erhält einen beschreibenden und reflektierenden Charakter: Warum erscheint diese Vermittlungsform von Wissenschaften und dieses Konzept für die Wissenschaftskommunikation interessant? Unterhaltungsmomenten wird dafür ein nicht näher erläuterter Allgemeinplatz zugewiesen. Es geht mehr um eine Orientierung an inhaltlichen Bedürfnissen als an einem Unterhaltungswert. Die Wissenschaftlichkeit der Slam-Performances wird dagegen kritisch befragt, vor allem je mehr Unterhaltungsmomente in der Slam-Performance herausgearbeitet werden. Zielperspektive der Teilnehmer*innen ist es also, unabhängig von den jeweils vermittelten Inhalten, diese verstehend nachvollziehen zu können. Auf der Ebene der einzelnen Slam-Performances wird nun erkennbar, welche Aspekte die individuelle, thematisch-inhaltliche Auseinandersetzung lenken. Diese Aspekte (Slammende, Thema/Inhalt und Präsentationsmethoden) befinden sich in einem zirkulären Wechselverhältnis während der Slam-Performance und führen bei

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 205

gegenseitigen Überlagerungen zu Diskrepanzen in der Wahrnehmung der jeweiligen Slam-Performance. Neben den Slammer*innen, die über ihre Persönlichkeit Beziehungen und über den selbstverständlichen Umgang mit den präsentierten Inhalten Interesse hervorrufen, spielen die Integration der Teilnehmer*innen in die Slam-Performance und die Schaffung einer thematisch-inhaltlichen Vorstellungsebene über Präsentationsmethoden eine zentrale Rolle für individuelle Anschlussmöglichkeiten. Gleichzeitig können emotionale Berührungspunkte, Erfahrungen und Vorwissen Auseinandersetzungen stützen. Die vorwiegend kommunikativen Auseinandersetzungen, die als stufenartig beschrieben werden, und die daraus teilweise resultierenden Irritationen sind Ausgangspunkt für mögliche Lern- und Bildungsimpulse durch die einzelne Slam-Performance. 6.3.2 Interpretation der Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen entlang der Auswertungskategorien Die Auszüge aus der Interpretation fokussieren jene Auswertungskategorien, die für die perspektivenverschränkende Interpretation mit Blick auf die Forschungsfragen Relevanz besitzen. Die Ausführungen werden entlang der erarbeiteten Oberkategorien für die Perspektivengruppe ›auftretende Wissenschaftler*innen‹ systematisiert. Es erfolgt somit eine Übersetzung des primären Basistextes aus der inhaltlichen Zusammenfassung in den Kontext der Perspektivengruppe. Dies ist möglich, weil die rekonstruierenden Basistexte der Zusammenfassung auf inhaltlicher Ebene die Binnensicht der Interviewten als Teilnehmende im Forschungssetting reformulieren. Unter den Kategorien fließen nun die Sinngehalte jeweils zusammen. Pointiert werden die Ausführungen in Visualisierungen gebündelt, die durch die jeweiligen Erkenntnisse aus der Interpretation zusammengeführt werden. (a) Auswertungskategorie: ›Szenarien der Teilnahme‹ Die ›Motive der Teilnahme‹ als Unterkategorie zu den ›Szenarien der Teilnahme‹ sind von zentraler Relevanz, um die Zielansprüche, welche die Wissenschaftler*innen mit ihrer Teilnahme am Science Slam als Slammer*in verfolgen, nachzuvollziehen. Als Motive herauszuheben sind die Vermittlung und die Sensibilisierung für ein differenziertes Bewusstsein und die Offenheit für wissenschaftliche Themen und Inhalte. Dahinter liegend bietet die Möglichkeit des Präsentierens durch die Slam-Performance zunächst Begründungen auf einer individuell wissenschaftlichen Ebene an. Die Slammer*innen wollen ihre »Publikumswirkung« (MS51201/Zeile 174) als

206 | Science Slam

präsentierende Person austesten. […] Der Fokus liegt hier auf der Möglichkeit, die Slam-Performance als Präsentationsformat zu nutzen. Dabei fordert dieses Veranstaltungsformat spezifische Momente im Präsentieren ein, wodurch sich die Wissenschaftler*innen gleichzeitig in der Rolle der*des Slammer*in/s wahrnehmen. Einerseits beschreiben sie diesen Ansatz als Herausforderung, als »eine Form von Mutprobe« (MS91208/Zeile 96–97), anderseits gibt es Wissenschaftler*innen, die »durchaus Spaß [haben] [,] auf der Bühne zu stehen […] [,] in irgendeiner Form etwas darzubieten« (MS5204/Zeile 219–221). Diese beschriebene Selbsterfahrung setzt also aus zwei entgegengesetzten Richtungen an, die auch rückgespiegelt werden können auf die Teilnahmeanregung: Jene, die eigeninitiativ Interesse an einer Slam-Performance signalisieren oder aktiv im Bereich der Wissenschaftskommunikation sind, heben die eigene Freude am Präsentieren hervor […]. Jene, die durch die Anfrage der Science-Slam-Veranstaltenden überzeugt wurden, betonen die Herausforderungen des Veranstaltungsformats. Insgesamt bietet der Science Slam einen individuellen Übungsraum für die Wissenschaftler*innen; auch bezogen auf das Zeitmanagement […] und auf die Kommunikation mit spezifischen Zielgruppen als erstes Hauptmotiv außerhalb der individuellen Ebene: […] »[B]in ich denn überhaupt in der Lage, auch es so allgemein zu machen, dass, dass es eben verständlich wird auch für Leute, die eben nicht im Thema stehen« (MS5302/Zeile 155– 156)? Gleichzeitig erlaubt die zielgruppenspezifische Kommunikation den Slammer*innen, die Inhalte selbst zu befragen und einzuordnen, denn, »wenn ich mich auf so eine Art mit meinem eigenen Thema auseinandersetze, dann lerne ich zu reflektieren, worum es mir geht« (MS7504/Zeile 97–98). Die dezidierte thematischinhaltliche Auseinandersetzung in Vorbereitung der Slam-Performance fördert zum einen die Ausrichtung entlang einer zielgruppenspezifischen Kommunikation, zum anderen jedoch auch die Auseinandersetzung und Reflexion der Zusammenhänge. Die Teilnehmer*innen sollen einerseits für wissenschaftliche Themen und Fragestellungen sensibilisiert werden, besonders für eine differenzierte Wahrnehmung. Die Slam-Performance ermöglicht andererseits, »vor ein großes Publikum zu treten und da viele irgendwie zu erreichen, die da anfangen drüber nachzudenken« (MS1301/ Zeile 198–199). Neben der thematischen Sensibilisierung ist also eine thematisch-inhaltliche Weiterbeschäftigung der Teilnehmer*innen für die Slammer*innen leitend. Sie bieten in ihren Slam-Performances inhaltliche Darstellungen, aber auch inhaltliche Positionierungen an, die es den Teilnehmer*innen erlauben, Perspektivenwechsel zu vollziehen oder wenigstens das Angebot einer anderen Perspektive zu kennen. Der für die thematisch-inhaltliche Kommunikation formulierte Anspruch des Übertrags auf die Lebenswelt ermöglicht den Slammer*innen auch, den Teilnehmer*innen ihre individuelle Verantwortung aufzuzeigen.

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 207

Über die – durch die Slam-Performance – generierte individuelle und thematische Sichtbarkeit wird als zweites Hauptmotiv die Vermittlung von Offenheit für wissenschaftliche Themen und Inhalte deutlich. Diese Offenheit wird durch eine thematische Sichtbarkeit auf verschiedenen Ebenen erzeugt. Im Vordergrund steht die Darstellung der thematischen Relevanz, […] sodass den Teilnehmer*innen der gesellschaftliche Bezugspunkt der Forschung ersichtlich wird. […] Damit einher geht der Anspruch, eine thematische Akzeptanz zu generieren. Durch die differenzierte Wahrnehmung des Themas, welche durch die zielgruppenspezifische Kommunikation gestützt wird, ist es den Slammer*innen möglich, Begründungslogiken aufzubauen und gleichzeitig Themenfelder zu eröffnen. […] Durch diesen Ansatz des Zugänglichmachens von Wissenschaften und des Eröffnens von Themenfeldern sowie Positionierungsmöglichkeiten entsteht eine Offenheit für die Inhalte und Themen, die gleichzeitig Öffentlichkeiten für Wissenschaften generiert. Daran schließt sich die dritte Ebene der thematischen Sichtbarkeit an, die es erlaubt, Finanzierungsstrukturen zu begründen […]. Über das Aufzeigen einer thematischen Relevanz und der sich daraus ergebenden thematischen Akzeptanz generieren sich thematische Rechtfertigung und Begründung für Finanzierungsstrukturen. Neben dieser thematischen Sichtbarkeit, tritt auch die*der Wissenschaftler*in selbst in den Vordergrund. Thema und Wissenschaftler*in werden miteinander verknüpft […] und die*der Wissenschaftler*in als inhaltliche*r Ansprechpartner*in öffentlich sichtbar. Die durch die Slam-Performance erzeugte individuelle Sichtbarkeit der Wissenschaftler*innen fördert den Austausch zwischen den einzelnen Wissenschaftler*innen und mit an wissenschaftlichen Inhalten interessierten Personen, die jedoch nicht zwingend in der Wissenschaft tätig sein müssen. Am Rande dieser zentralen Motive – Übungsraum für Präsentationen sowie Kommunikation, Sensibilisierung, Perspektivenerweiterung, Weiterbeschäftigung sowie thematische und individuelle Sichtbarkeit – wird auch der Wettkampfaspekt des Veranstaltungsformats als Motiv benannt. Dabei formulieren die Slammer*innen ein relatives Gewinninteresse, der Wettkampfansatz des Veranstaltungsformats ist als strukturelles Element wichtig, bedingt ihre Teilnahme als Slammende aber im Gegensatz zu anderen Motiven nicht. (b) Auswertungskategorie: ›Bedeutung des Formats Science Slam‹ Die ›Bedeutung des Formats Science Slam‹ wird auf einer individuellen, thematisch-disziplinären und wissenschaftlichen Ebene herausgearbeitet. Die ›individuelle Ebene‹ überschneidet sich mit Argumentationen bezüglich der ›Motive der Teilnahme‹, da die individuelle Bedeutungszuschreibung auch die Teilnahme als Slammer*in auslösen kann. Das Veranstaltungsformat bietet die

208 | Science Slam

Möglichkeit, die eigene Rolle inhaltlich zu begründen […]. Daher unterstützt die Slam-Performance das Vergegenwärtigen der bearbeiteten Inhalte. Gleichzeitig wird der spezifische wissenschaftliche Diskurs in der Slam-Performance durch Fragen nach der Einordnung der wissenschaftlichen Inhalte in gesellschaftliche, politische, ökonomische und kulturelle Kontexte abgelöst: »Warum macht man das? Was macht man eigentlich genau? Welche Fragen stehen dahinter?« (MS51201/Zeile 149–150). Bezugspunkt ist hier der antizipierte Übertrag auf die Lebenswelt der Teilnehmer*innen. Gleichzeitig ermöglicht diese Argumentationslinie, sich als Wissenschaftler*in mit einem Thema in einen umfassenderen gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. Durch die Wahrnehmung der Wissenschaftler*innen in diesen Kontexten wird die eigene Rolle gestärkt, indem sie eben gerade als Wissenschaftler*innen sichtbar werden. Dieser Schritt hinaus aus den wissenschaftlichen Diskursgemeinschaften fördert somit die eigene wissenschaftliche Legitimation. Dabei schwanken die Aussagen zwischen den Polen »möglicherweise mache ich mich auch vor meinen Kollegen lächerlich« (MS91208/Zeile 411) und dem Erhalt »unheimlich[er] Anerkennung bei, im Fachbereich« (MS3202/Zeile 535–536). Die Einordnung der individuellen Bedeutung der Slam-Performance ist also eng verbunden mit der Wahrnehmung und Beurteilung des Veranstaltungsformats Science Slam bzw. der Relevanz von Wissenschaftskommunikation in der jeweiligen Disziplin. Verstärkt wird aber die positiv besetzte Bedeutung hervorgehoben, die teilweise auch als individuelle Verpflichtung beschrieben wird: »›Leute, ihr habt mich bezahlt und jetzt komme ich zu euch und sage euch, was ich rausgekriegt habe. Da habt ihr auch irgendwo ein Recht drauf.‹« (MS3203/Zeile 212–214). Die individuelle Bedeutung wird hier auf einer anderen Ebene angesetzt, indem eine der eigenen Person als Wissenschaftler*in zugeschriebene Verantwortung gegenüber anderen unterstellt wird […]. […] Der Austausch zwischen den Beteiligten wird insgesamt befördert durch den kommunikativen Übungsraum, der durch das Veranstaltungsformat den Wissenschaftler*innen angeboten wird. Dieser Übungsraum […] lässt sozusagen ein Austesten in der Rolle der*des Präsentierenden innerhalb solcher Kommunikationsformate zu. Die Bedeutung des Veranstaltungsformats auf der individuellen Ebene ist also gekennzeichnet durch die Möglichkeit der inhaltlichen Begründung, die individuelle Wahrnehmung, aber auch durch die selbst zugeschriebene Verantwortung. Gleichzeitig bietet das Veranstaltungsformat einen individuellen kommunikativen Übungsraum, der den thematisch-inhaltlichen Austausch befördert. Für die ›thematische/disziplinäre Ebene‹ werden in der Bedeutungszuschreibung verstärkt die Begründungsmöglichkeiten durch eine Slam-Performance hervorgehoben. Es werden u. a. »ethische Grenzbereiche« (MS51201/Zeile 161) thematisiert, für die eine thematische Akzeptanz notwendig ist. […] Die Erarbeitung

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 209

einer thematischen Akzeptanz führt wiederum zum Entstehen von Unterstützungsstrukturen, die die Relevanz solcher Themen anerkennen. Damit einher geht die Idee, dass durch das Veranstaltungsformat Interesse am Thema und an der spezifischen Disziplin geweckt wird. […] Ganz grundlegend bietet das Veranstaltungsformat durch das Sichtbarmachen von Themen und Disziplinen einen Zugang zum Wissenschaftsbereich an. Dabei ergibt sich auch ein Mehrwert für den thematischen Austausch untereinander, indem inhaltliche Anknüpfungspunkte für andere Wissenschaftler*innen sichtbar werden und das Veranstaltungsformat eine Option ist, »wie […] man untereinander [zwischen Disziplinen; MS] auch Wissenschaft und Information vermitteln [kann], ohne dass das immer nur mehr Zeit raubt und mehr Vorbereitungszeit hat« (MS7501/Zeile 683–684). Es wird betont, dass die Kommunikation innerhalb der eigenen Disziplin in anderen Foren stattfindet, sodass das Veranstaltungsformat verstärkt einen interdisziplinären Austausch anbietet. Die thematisch-disziplinäre Bedeutung des Formats liegt demnach zusammenfassend darin, dass es die Begründung von wissenschaftlicher Rolle und wissenschaftlichen Themen, die Generierung von Interessen und den interdisziplinären Austausch erlaubt. Für die rahmende ›wissenschaftliche Ebene‹, in der Wissenschaftler*innen und Themen/Disziplinen verortet sind, wird die Bedeutung des Veranstaltungsformats aus zwei Perspektiven betont, die durch konträre Positionen geprägt sind. Aus der einen Perspektive bietet das Veranstaltungsformat eine Plattform, […] um Finanzierungsstrategien zu erschließen. Das Veranstaltungsformat bietet unter einer ökonomischen Perspektive die Verwertung der eigenen Erkenntnisse an. Deutlich wird darüber jedoch auch die Position der Wissenschaftler*innen, die Finanzierungsmöglichkeiten akquirieren müssen, um Forschungsprojekte fortführen oder Forschungsideen umsetzen zu können. Sie sind eingebunden in diese Strukturen, um wissenschaftlich tätig sein zu können […]. Eng an das Erschließen von Finanzierungsstrukturen gebunden ist auch der Anspruch, Forschung und Wissenschaften zu veröffentlichen. Denn nur durch Veröffentlichungen lassen sich über die dann entstehende Sichtbarkeit Verwertung und Finanzierung generieren. Jedoch wird mit der Veröffentlichung auch die Personengruppe der Wissenschaftsinteressierten, Studierenden und am Studium Interessierten angesprochen. Die Slammer*innen sehen durch die Verbindung von Unterhaltungselementen und wissenschaftlichen Inhalten in der Konzeption des Science Slams eine grundlegende Möglichkeit, diese Zielgruppen anzusprechen. Daran schließt sich die andere Perspektive der Bedeutung des Veranstaltungsformats auf wissenschaftlicher Ebene an. Zum einen erlangen Wissenschaften über das Veranstaltungsformat Öffentlichkeit(en), sie werden somit zu öffentlichen Wissenschaften. […] Durch diese Ver-Öffentlichung der Wissenschaften entsteht innerhalb des Veranstaltungsformats ein Kontaktraum für

210 | Science Slam

Austausch und Diskussion zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Dieses Vermittlungspotenzial innerhalb des Kontaktraums zwischen den unterschiedlichen Sphären fördert die wissenschaftliche Bildung der Teilnehmer*innen. […] Zum anderen bietet das Veranstaltungsformat die Möglichkeit der gesellschaftlichen »Lobbyarbeit« (MS3203/Zeile 185), die hier außerhalb ökonomischer Aspekte den Anspruch umfasst, »dass Wissenschaft[en] in der Gesellschaft einen viel höheren Standard haben sollten, viel höheren Wert haben sollte[n]« (MS5302/Zeile 113– 114). Es geht hier dann nicht darum, Finanzierungsstrukturen zu generieren, sondern um die Akzeptanz und (Be-) Wertung von Wissenschaften in der öffentlichen Wahrnehmung. Über das Veranstaltungsformat werden Wissenschaften also sowohl öffentlich präsent als auch im öffentlichen Bewusstsein verankert, wodurch die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Wissenschaften deutlich gemacht wird. (c) Auswertungskategorie: ›Format Science Slam‹ Die Auswertungskategorie ›Format Science Slam‹ hebt den Science Slam als Gesamtkonzept hervor, welches dann anhand von sieben prägenden Parametern charakterisiert wird. Dabei haben die Interviewten zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung mit dem Veranstaltungsformat selbst noch nicht als Slammer*in an der Veranstaltung teilgenommen, sondern beschreiben den Science Slam anhand von Vorerfahrungen durch Medienberichte, Teilnahme an anderen Science-SlamVeranstaltungen oder ähnlichen Veranstaltungsformaten und Besuchen von (Science-Slam-)Veranstaltungen. Bei der Auseinandersetzung mit dem Veranstaltungsformat Science Slam spielt das anwesende (1) ›Publikum‹ für die Slammer*innen eine ausschlaggebende Rolle. Die Slammer*innen beschreiben, wie sie sich auf die erwarteten Teilnehmer*innen einstellen, jedoch die Herausforderung bei einem Science Slam zum einen darin besteht, dass die Wissenschaftler*innen in der Vorbereitung der Slam-Performance »gar nicht so genau [wissen], wer da heute jetzt dabei ist« (MS51201/Zeile 479– 480), zum anderen die Inhalte des Veranstaltungsformates eine andere Zielgruppe erwarten lassen als der Veranstaltungsort. Die antizipierten Teilnehmer*innen bestimmen dabei die thematische Tiefe und inhaltliche Darstellung. Der Veranstaltungsort prägt jedoch auch die Zusammensetzung der Teilnehmer*innen. […] In die Charakterisierung des Publikums wird demnach der (2) ›Veranstaltungsort‹ mit aufgenommen. Die Slammer*innen sehen zum einen die Lage und die Umgebung des Veranstaltungsortes als beeinflussenden Aspekt, da diese durch eine spezifische Sozialstruktur charakterisiert zu sein scheint. Diese Charakterisierung der Umgebung des Veranstaltungsortes durch eine spezifische Sozialstruktur bedeutet auch, dass eine Verlagerung an einen anderen Veranstaltungsort eine andere Sozialstruktur bedingt und dadurch auch andere Personengruppen auf die Veranstal-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 211

tung aufmerksam werden. Zum anderen bewirken die medial geprägten, kulturellen und politischen Zuschreibungen zum Veranstaltungsort die Ansprache einer bestimmten Teilnehmer*innengruppe. Es werden Personengruppen angesprochen, die in irgendeiner Weise Bezugspunkte zum Veranstaltungsort haben. Hier wird noch einmal relevant, welche Bedeutung ein inhaltlich besetzter Veranstaltungsort für Veranstaltungen hat. In der Charakterisierung des Veranstaltungsortes entsteht der Eindruck, dass es sich um einen Veranstaltungsort handelt, der nicht mit kommerziellen Interessen verbunden wird. Demnach wird vielmehr die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Inhalten in einem Kontaktraum, der Vermittlungsansprüche und Austauschmöglichkeiten bietet, in den Vordergrund gerückt, Finanzierungstrukturen und -darlegungen werden eher implizit durch die Slammer*innen mitgedacht. Außerdem hat der Veranstaltungsort »nichts mit einer Uni zu tun« und wirkt dadurch auch »einfach bildungsfern« (MS51203/Zeile 114). Daher kann ein lebensweltlicher Charakter auf die wissenschaftlichen Themen projiziert werden. Gleichzeitig könnten über diese Ver-Ortung auch Personengruppen angesprochen werden, die nicht der erwarteten Publikumsstruktur entsprechen. Der Veranstaltungsort ist insgesamt geprägt von einer spezifischen Atmosphäre, die durch die individuellen Zuschreibungen der Teilnehmer*innen und Interaktionen während der Slam-Performances charakterisiert ist. Diese spezifische Atmosphäre unterstützt das Einbringen von zielgruppenspezifischen Vermittlungspraktiken. In einem anderen Kontext würden die Slammer*innen entsprechend andere Vermittlungspraktiken einsetzten. Hier bedingen sich Veranstaltungsort und Veranstaltungsformat und beeinflussen die entstehende Atmosphäre, die jedoch auch in einem Wechselverhältnis mit den Teilnehmer*innen steht, wie Abbildung 23 zeigt. Abbildung 23: Zusammenwirken von Veranstaltungsformat, Veranstaltungsort und Teilnehmer*innen mit Blick auf die Ausbildung von Atmosphäre

Quelle: eigene Darstellung

212 | Science Slam

Gleichzeitig wird über die Abbildung 23 deutlich, wie sich Teilnehmende, Veranstaltungsort und Veranstaltungsformat bedingen. Zwar wurde das Veranstaltungsformat konzipiert, um erst in Anlehnung an das Konzept den Veranstaltungsort auszuwählen, jedoch hat der Veranstaltungsort dadurch eine zentrale Wirkung auf die Wahrnehmung des Veranstaltungsformats. Gleichzeitig bedingt er die Teilnehmer*innenstruktur, welche ebenfalls vom Veranstaltungsformat in seiner öffentlichen Wahrnehmung beeinflusst wird. Indirekt beeinflussen Teilnehmende und Veranstaltungsformat jedoch auch den Veranstaltungsort, in erster Linie zwar nicht bezogen auf die jeweilige Science-Slam-Veranstaltung, sondern bezogen auf das Selbstverständnis des Veranstaltungsortes. Dieser öffnet sich mit dem Veranstaltungsformat Science Slam auch für Zielgruppen, die vorher keine Veranstaltungen des entsprechenden Veranstaltungsortes besucht haben. In Abbildung 23 wird der Dreiklang zwischen Veranstaltungsort, Teilnehmer*innen und Veranstaltungsformat dargestellt. Das Veranstaltungsformat wird unter dem (3) ›Zusammenspiel von Unterhalten und wissenschaftlichen Inhalten‹ kategorisiert. Dabei wird die Balance zwischen diesen beiden Aspekten, der die Slammer *innen entsprechen wollen, herausgearbeitet. […] Im Mittelpunkt stehen im Veranstaltungsformat die wissenschaftlichen Inhalte, eine Akzentsetzung auf Inhalte oder Unterhaltung kann »in unterschiedlichen Abstufungen« (MS1301/Zeile 243) erfolgen. Dadurch ergibt sich während einer Science-Slam-Veranstaltung eine Vielfalt an Slam-Performances. Jene, die stärker den Unterhaltungsaspekt fokussieren, werden jedoch kritisiert, da die wissenschaftlichen Inhalte nicht im Vordergrund stehen und Wissenschaften dadurch einen Bereich bedienen, der nicht zu ihrem Hauptgeschäft gehört. Vielmehr geht es im Veranstaltungsformat darum, […] Unterhaltung zum Vehikel der inhaltlichen Vermittlung werden zu lassen. Die (4) ›Inhalte‹ der Science-Slam-Veranstaltung decken eine »Bandbreite an Themen« (MS1301/Zeile 238) ab, die auch unterschiedliche Zielgruppen anspricht. Das Veranstaltungsformat nimmt keine thematischen Einschränkungen vor, »im Prinzip könnte man jedes wissenschaftliche Thema dort verarbeiten« (MS51202/ Zeile 150). Der Ansatz, dass es sich um »eigene Forschungsergebnisse« (MS3202/ Zeile 119) handeln muss, bietet Ansatzpunkte für die Vermittlung des Forschungsverlauf, der Forschungsergebnisse oder der eingesetzten Erhebungs- und Auswertungsmethoden. Durch das Wissen um den Erkenntnisprozess werden die Slammer*innen gleichzeitig zu inhaltlichen Ansprechpartner*innen. An die Inhalte werden daneben methodisch-didaktische Vermittlungsanforderungen gestellt. […] Genutzt werden dafür (5) ›Präsentationsmethoden‹. Bei ihrem Einsatz ist »alles möglich, es ist Vieles erlaubt« (MS51201/Zeile 508). Durch das Veranstaltungsformat selbst werden somit keine Vorgaben für den Methodeneinsatz gemacht. Eher ist es so, dass der Inhalt die methodische Ausrichtung bestimmt. Mit Blick auf das Zusam-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 213

menspiel von Unterhalten und wissenschaftlichen Inhalten sollte die Slam-Performance ausgewogen agiert werden. Der (6) ›Ablauf des Abends‹ ist für die Slammer*innen geprägt durch den »Wettbewerb«, der »eigentlich ja einfach nur ein schöner Aufhänger für die Veranstaltung« (MS2201/Zeile 185) ist. Die Idee des Wettbewerbs stützt den Unterhaltungsanspruch und fördert gleichzeitig die »Publikumsbeteiligung« (MS3203/Zeile 182). Die Teilnehmer*innen werden als Gruppe aktiv und sind direkt gefordert, sich einzubringen. Es handelt sich also vielmehr um ein methodisches Element der aktiven Partizipation an der Slam-Performance. […] Demnach dient der Wettbewerbsaspekt vorwiegend als Spannungsbogen über den Abend. Die (7) ›Slammer*innen‹ werden in den Beschreibungen der Science-SlamVeranstaltung durch die Interviewten kaum herausgegriffen – wenn doch, dann werden sie aus der Perspektive des teilnehmenden Publikums beschrieben […]. Die auftretenden Personen verändern ihr Rollenverständnis und werden zu Slammer*innen, die nicht nur als Wissenschaftler*innen charakterisiert werden, sondern eben auch als Personen, die auf einer Bühne Inhalte vor einem größeren Publikum […] präsentieren. Da die Interviewten selbst als Slammende aktiv werden, haben sie sich bei der Thematisierung der Science-Slam-Veranstaltung nicht im Blick und setzten bei anderen Parametern des Veranstaltungsformats Relevanzen. (d) Auswertungskategorie: ›Science-Slam-Performance‹ Die Kategorie ›Science-Slam-Performance‹ vereint die Aussagen der Interviewten zu der jeweils eigenen Science-Slam-Performance. Es findet in dieser individuellen Darlegung kein Abgleich mit anderen Slam-Performances statt, da die Interviewten diese zum Zeitpunkt des Interviews nicht kennen. Der Rückbezug auf die eigene Slam-Performance lässt sich in drei Unterkategorien differenzieren: ›Selbstverständnis‹, ›Thema/Inhalt‹ und ›Präsentationsmethoden‹. Der Einstieg in die Beschreibung der eigenen Slam-Performance setzt mit einer Reflexion des ›Selbstverständnisses‹ als Slammer*in ein. Die Wissenschaftler*innen beschreiben, wie sie versuchen, den Ansprüchen des Veranstaltungsformats und den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, indem sie die Rollenerwartungen an sich selbst als Wissenschaftler*in und an die auftretende Person als Unterhalter*in miteinander verknüpfen, sodass sich die Rollenumsetzung als »so ein Ding Dazwischen« (MS91208/Zeile 79) darstellt. Die Rolle der*des Slammer*in/s vereint beide Erwartungen und stellt sich daher als Herausforderung in der Umsetzung dar. Mit dem Selbstverständnis als ›Wissenschaftler*in‹ wird der Anspruch verbunden, dass »wir als Wissenschaftler keine Schauspieler sein [müssen] oder, oder eben keine super Entertainer« (MS7501/Zeile 290). Es geht darum, die als natürlich wahrgenommene, aus der beruflichen Beschäftigung heraus resultierende Zuschrei-

214 | Science Slam

bung ›Wissenschaftler*in‹ beizubehalten, nicht in eine andere Rolle zu wechseln, nur weil es das Format verlangt. Das eigene Verständnis als Wissenschaftler*in ist dabei gelenkt von diesen Zuschreibungen. Die jedoch durch das Veranstaltungsformat hervorgerufene Spannungslage zwischen der Rolle als Wissenschaftler*in und Unterhalter*in wird somit durch ein eindeutiges Selbstverständnis als Wissenschaftler*in aufgehoben […]. Weiterführend wird demnach die vom Veranstaltungsformat und den Teilnehmer*innen vorgenommene Zuschreibung ›Wissenschaftler*in‹ nicht als Rolle empfunden, sondern als selbstverständlicher Teil der eigenen Personenbeschreibung. Dennoch kann das Selbstverständnis als Wissenschaftler*in auch überlagert werden, wenn die Zuschreibungen an die Slam-Performance dem entgegenstehen […]. Hier tritt der Unterhaltungsaspekt in den Vordergrund. Es entsteht der Eindruck, dass die eigenen Inhalte als Vehikel für die Unterhaltung genutzt werden sollen. Es wird dann der inhaltliche Anspruch hin zu Unterhaltungseffekten verschoben. Die Betonung der Rolle der*des Unterhalter*in/s hängt dabei mit den, dem Publikum zugeschriebenen Erwartungen zusammen, auch wenn diese in der Beschreibung des Publikums durch die Interviewten auf andere Annahmen referieren. Das ›Thema/Inhalt‹-Spektrum, das über die Slam-Performances zum Ausdruck kommt, ist facettenreich. Dabei werden zum einen wissenschaftliche Themenbereiche miteinander verbunden. Diese Themenverbindung zielt auf das Aufzeigen von individuellen Möglichkeiten der Teilnehmer*innen und die Hinterfragung von gesellschaftlichen Werten ab, indem beispielweise philosophische Fragestellungen an ökonomische Theorien gerichtet werden. Zudem werden Theorien aus verschiedenen Disziplinen miteinander verknüpft, wodurch bestehende Thesen infrage gestellt werden. Zum anderen werden Naturphänomene herausgegriffen, anhand deren Forschungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Daneben stellen auch medizinische Fragestellungen einen Themenschwerpunkt dar. Es geht einerseits um die Begründung von Forschungsmethoden, indem die gesellschaftliche Relevanz der Forschung mit Blick auf die Erkenntnisse aufgezeigt wird, andererseits wird die Erforschung von Behandlungsmethoden thematisiert, die durch die Erkenntnisse des Forschungsprozesses optimiert werden sollen. Außerdem werden Forschungsergebnisse aus Projekten in Form von medizinischen Entwicklungen vorgestellt, um deren individuellen Mehrwert aufzuzeigen, wenn sie im Anschluss an die Testphase außerhalb von Laborbedingungen eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich um die Darstellung von Wirkungsprozessen. Die kultur-, geistes- und sozialwissenschaftlichen Themen sind breit gestreut und können nicht unter bestimmten Kategorien subsumiert werden. Egal, welcher wissenschaftlichen Disziplin die Themen zugeordnet werden, scheint die Darstellung der Inhalte entweder auf eine individuelle Reflexion vertrauter Phänomene und Ereignisse abzuzielen oder auf die Beschrei-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 215

bung von Forschungsthemen, die nicht selten einen lebensweltlichen Übertrag haben. Der ›Aufbau‹ der Slam-Performances […] orientiert sich entlang von vier herausgearbeiteten Einstiegsszenarien. Die beiden zentralen Einstiegsszenarien binden sich zum einen an theoretische Grundlagen des Forschungsthemas, zum anderen an die Definition des Forschungsproblems. Die (1) theoretischen Grundlagen des Forschungsthemas werden von den Slammer*innen am häufigsten als Einstieg genutzt. […] Es werden verschieden theoretische Zugänge zum Forschungsthema aufgezeigt, um daran zu verdeutlichen, wie das Forschungsthema definiert wird. Anschließend wird vorwiegend die Relevanz des Forschungsthemas begründet. Hier fließen erste thematische Begründungslogiken ein. Der theoretische Einstieg lädt dazu ein, auf die Relevanz des Forschungsthemas abzuheben. Die Interviewten sehen in der inhaltlichen Relevanzsetzung eine zentrale Funktion für die Fremd- und Eigenbestätigung in der Rolle als Wissenschaftler*in. Einige Slam-Performances gehen über diese Ebene im Aufbau daher auch nicht hinaus. Neben der Relevanzsetzung wird entweder die Möglichkeit gewählt, das Forschungsthema in das Forschungsprojekt einzubetten, um den Forschungsansatz deutlich zu machen, oder über die theoretischen Grundlagen zu einer Forschungsthese hinzuleiten. Die Slammer*innen greifen dann nicht auf die gesamten Ansätze ihrer Forschung zurück, sondern fokussieren eine These. Allen drei Anschlussmöglichkeiten – Relevanz des Forschungsthemas, Einbettung in ein Forschungsprojekt oder Herausgreifen einer Forschungsthese – ist gemeinsam, dass auf einer weiteren Ebene die Forschungsergebnisse einfließen. Sie bestätigen anhand von Fakten die Relevanz des Forschungsthemas, zeigen die Erkenntnisse des Forschungsprojektes auf oder belegen bzw. widerlegen die Forschungsthese. Neben den Forschungsergebnissen wird von der Relevanz des Forschungsthemas ausgehend auch auf Forschungsmethoden abgehoben, sodass deutlich wird, wie sich einem relevanten Thema im Forschungssetting angenähert werden kann. Vom Forschungsprojekt erfolgt neben den Forschungsergebnissen auch eine Überleitung auf praktische Beispiele, um so den Übertrag zwischen Ansatz und Anwendung deutlich zu machen. Mit der Forschungsthese wird neben den Forschungsergebnissen auch die Erläuterung von Forschungsproblemen und Herausforderungen eingeleitet. Ausgehend von Forschungsergebnissen und praktischen Beispielen werden abschließend auch Forschungsprobleme und Herausforderungen reflektiert. Hier wird noch einmal diskutiert, womit sich die entsprechende Forschung auseinandersetzen muss, um zielführend zu sein. Forschungsprobleme und Herausforderungen werden dabei selten von den Slammer*innen ungeklärt verhandelt, sondern sie bieten theoretische sowie methodische Lösungsansätze und -strategien aus ihrem jeweiligen Forschungskontext heraus an. Daneben wird von den Forschungsergebnissen auf

216 | Science Slam

eine praktische Umsetzung abgehoben, sodass der Übertrag der Forschung deutlich wird. Der Einstieg über die (2) Definition des Forschungsproblems ist nicht so breit angelegt wie das vorhergehend beschriebene Einstiegsszenario, sondern konzentriert sich explizit schon auf den inhaltlichen Ausschnitt, dem sich die Forschung widmet. Dabei geht es darum, fokussiert zu definieren, was genau die herausgearbeitete Problemstellung ist, welcher sich in der Forschung zugewandt wird. Das Forschungsproblem wird anschließend bearbeitet, indem Forschungsmethoden aufgezeigt werden oder eine Einordnung in das entsprechende Forschungsprojekt vorgenommen wird. Beide Ansätze vermitteln auf unterschiedlichen Ebenen Lösungsstrategien, wie sich mit dem Forschungsproblem auseinandergesetzt wird. Die Darstellung von Forschungsmethoden oder die Einordnung in ein Forschungsprojekt resultieren jeweils in der Vorstellung von Forschungsergebnissen, die wiederum die Möglichkeit bieten, eigene theoretische Lösungsansätze zu entwickeln. Ein anderer Anknüpfungspunkt besteht darin, dass Forschungsproblem zunächst in die praktischen Zusammenhänge zu übertragen, um es außerhalb der wissenschaftlichen Perspektive für die Teilnehmer*innen zugänglich zu machen und somit die Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit dem Forschungsproblem, welches dann durch methodische Lösungsstrategien analytischen Betrachtungen zugeführt wird, aufzuzeigen. Der vom Forschungsproblem ausgehende Transfer auf wissenschaftliche Zusammenhänge verdeutlicht wiederum den Mehrwert für den Forschungsbereich durch die Beschäftigung mit dem Forschungsproblem, wird anschließend aber nicht an andere Momente wie Forschungsergebnisse, Lösungsstrategien oder Forschungsmethoden rückgebunden. Zwei eher zu vernachlässigende Einstiegsmöglichkeiten in die Slam-Performance ergeben sich zum einen durch die (3) Einordnung des Forschungsthemas in praktische Zusammenhänge, über die dann die Relevanz des Forschungsthemas begründet wird. Interessant ist, dass dieser praktische Begründungszusammenhang sehr selten genutzt wird, obwohl doch mit ihm viel deutlicher schon im Einstieg ein breiter lebensweltlicher Bezug für die Teilnehmer*innen hergestellt werden kann. Anschließend an die Darstellung der Relevanz des Forschungsthemas werden wissenschaftliche Fragen fokussiert, indem Forschungsmethoden mit Forschungsproblemen und Herausforderungen dargelegt werden. Durch das Aufzeigen methodischer Lösungsstrategien wird abschließend ein Weg der Auseinandersetzung aufgezeigt. Zum anderen wird der (4) Einstieg über das Forschungsprojekt gewählt, der inhaltliche Zugang ist hier also ganz stark eingeengt auf den beruflichen Kontext der Slammer*innen. Über das Forschungsprojekt wird dann zunächst auf Forschungsmethoden abgehoben, um abschließend die Forschungsergebnisse darzustellen, oder es werden direkt die Forschungsergebnisse thematisiert, um über den

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 217

Rückschluss auf das Forschungsprojekt die Relevanz des Forschungsthemas deutlich zu machen. Beide Einstiegsmöglichkeiten sind durch einen eher praktisch orientierten Zugang zum Thema charakterisiert, der einmal im alltäglichen und einmal im beruflich-wissenschaftlichen Bereich liegt. Insgesamt wird deutlich, dass sich bestimmte Kategorisierungen im Aufbau auf verschiedenen Ebenen im Verlauf der Slam-Performance wiederfinden und gleichzeitig eine Vielfalt von inhaltlichen Anschlussmöglichkeiten gegeben ist. Auf der ersten Ebene ist der Einstieg über die theoretischen Grundlagen des Forschungsthemas zentral. Obwohl die darauffolgende Ebene noch sehr stark ausdifferenziert ist, ist der häufige Bezug auf die Relevanz des Forschungsthemas unübersehbar. Der Fokus auf der dritten Ebene liegt auf den Forschungsergebnissen, die vielfältig ausgedeutet werden. Trotz der Vielfalt der inhaltlichen Anschlussmöglichkeiten kann für die Slam-Performances jeweils ein roter Faden nachgezeichnet werden. Deutlich wird dabei der Fokus auf die wissenschaftliche Einordnung des Forschungsthemas. Zentral für ihre ›Kommunikation‹ ist der Ansatz einer verständlichen Wissenschaft, der unterschiedlich ausgelegt werden kann. Verständliche Wissenschaft kann dann gelingen, wenn bereits in der thematischen Einführung Grundlagen vermittelt werden, sodass ein inhaltliches Verstehen des spezifischen Themas leichter fällt. Daneben ist verständliche Wissenschaft auch dadurch gekennzeichnet, dass sie einen inhaltlichen Überblick gewährt. Sowohl Einführung in ein als auch Überblick über ein Thema sind spezifisch inhaltlich ausgerichtet. Davon unterschieden wird verständliche Wissenschaft auch verstanden als ein allgemeines inhaltliches Verstehen eines Themas, das heißt, dass die inhaltliche Spezialisierung aufgehoben wird und die Darstellung nicht themenspezifisch erfolgt. Die Spezialisierung wird dann beispielhaft mit aufgeführt. Das ›Wie‹ der Kommunikation kann von diesen thematischen Ansätzen ausgehend noch differenzierter betrachtet werden. Es ist geprägt durch Erklärungen von wissenschaftlichen Darstellungen […] und Lösungsstrategien, sodass u. a. Modelle und Grafiken nicht nur eingeblendet bzw. den Teilnehmer*innen präsentiert werden, sondern auch inhaltlich besprochen werden. Der Aspekt des Erklärens findet sich bezogen auf theoretische Aussagen und auf empirische Ergebnisse. Bezogen auf die einzelnen Schritte im Forschungsprozess wird eher auf Aufzählungen und Nennungen zurückgegriffen. Wichtiger ist also die Verbindung zwischen Theorie und Empirie, das Vorgehen im Beforschungsprozess spielt eine untergeordnete Rolle. Dennoch kann »man den Fortschritt nicht so schildern […], dass man sagt: ›Wir haben hier den Vorherzustand und hier haben wir, dann habe ich meine Forschung.‹ Irgendwie Blackbox, keine Ahnung und dann habe ich hier den Nachherzustand. Und ich sage euch das, dann sage ich euch sozusagen den Nachherzustand und dann

218 | Science Slam

müsst ihr aus dem Unterschied selbst schlau werden« (MS3203/Zeile 112–116). Es geht darum, beide Punkte im Entwicklungsprozess durch einen roten Faden im Aufbau erklärend miteinander zu verbinden. Das Hauptaugenmerkt liegt in den Slam-Performances allerdings auf den Forschungsergebnissen. Sie untermauern die Bedeutung des Themas. Die Forschungsrelevanz sowie damit auch die Rolle der Wissenschaftler*innen, bieten jedoch gleichzeitig auch Effektmöglichkeiten für die Slam-Performance. […] Diese Fokussierung gibt für die Slammer*innen eine inhaltliche Richtung vor und bietet für die Teilnehmer*innen dann auch das wesentliche Erkenntnispotenzial. Die Begrenzung der Performance-Zeit auf zehn Minuten spielt bei der Ergebnisfokussierung eine wesentliche Rolle. Ergebnisse meinen dabei auch – mit Blick auf den Aufbau der Slam-Performance – Erkenntnisse aus dem Bearbeitungsprozess. Die Slammer*innen konzentrieren sich dann auf theoretische oder empirische Herausforderungen ihres Forschungsgegenstandes, für die Lösungsansätze vorgestellt werden, die aber mehr Potenzial im Sinne von Hintergrundwissen in sich bergen und den Forschungsprozess deutlicher nachzeichnen. Die Kommunikation arbeitet sich generell an dem Zusammenspiel von wissenschaftlichen Inhalten und Unterhaltungselementen ab. Hier entsteht ein kommunikativer »Drahtseilakt« (MS51201/Zeile 380). […] Es wird deutlich, dass die Unterhaltungsmomente als Vehikel für die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte genutzt werden (können). Als Umsetzung der Kommunikation gliedern sich die ›Präsentationsmethoden‹ in ›Vortragsstil/Rede‹, ›Interaktion‹, ›sprachliche Alltagszusammenhänge‹, ›schriftliche Darstellung‹, ›objektive Illustrationen‹ und ›bildliche Visualisierungen‹. ›Vortragstil/Rede‹ hat eine enge Anbindung an die kommunikative Umsetzung, die sich auf die Art und Weise der Kommunikation von Thema/Inhalt konzentriert. Hier geht es nun darum, ob die Interviewten beschreiben, wie sie auf der Bühne auftreten möchten und was dazu wichtig ist. Die einen gehen hier eher unstrukturiert vor, ohne Überlegungen zu Gestik und Mimik […]. Andere wiederum geben konkret an, dass sie […] einen bestimmten Sprachgestus in ihrer Rolle als Slammende*r wählen […]. Dennoch bleibt diese methodische Aufbereitung nur eine Erwähnung am Rande, die Wissenschaftler*innen stellen ihr Verhalten auf der Bühne nicht in den Vordergrund, sondern die Vermittlung der wissenschaftlichen Inhalte. Dafür sind die ›Interaktionen‹ mit den Teilnehmer*innen ein zentraler Aspekt. Sie fördern deren Aktivität und aktive Beteiligung an der Slam-Performance. Eine Interaktion ist in einem ersten Zugang schon dann gegeben, wenn die Teilnehmer*innen sich mit der Person der*des Slammer*in/s auseinandersetzen müssen, wenn sich die Slammer*innen in ihrer Slam-Performance mit ihrer Persönlichkeit als Reibungsfläche anbieten […]. Es ist dann eine eher provozierende indirekte

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 219

Interaktion, die nicht alle Teilnehmenden mit einbezieht. Ein direkter Interaktionsraum wird geschaffen, wenn zum einen die Slammer*innen und Teilnehmer*innen über ein Wir-Angebot zusammengebracht werden. Die*Der Slammer*in inszeniert sich nicht mehr nur allein, sondern ein gemeinsamer Bezugsrahmen mit den Teilnehmer*innen entsteht. Dieser zusammenführenden Interaktion steht eine problembewusste Interaktion gegenüber, in der die Teilnehmer*innen als Betroffene oder Verursacher*innen direkt angesprochen werden […]. Diese drei Ebenen der Interaktion werden gestützt durch verschiedene methodisch-interaktive Möglichkeiten: angefangen über »ein[en] Kommentar ZUM Publikum hin« (MS28301/Zeile 404– 405), was eine nicht spezifische Ansprache stützt, über »einige rhetorische Fragen« (MS51202/Zeile 315–316), die das Mitdenken der Teilnehmer*innen einfordern, bis hin zu »Gelegenheiten […], an denen ich versuche, sozusagen direkt Fragen an das Publikum zu richten und zu schauen, was ist die Resonanz« (MS5302/Zeile 290– 291). Dann werden die Teilnehmer*innen aufgefordert, Antworten zu geben. Sie werden zu aktiven Teilnehmer*innen. […] Generell geht es bei den Interaktionen um das Herstellen eines emotionalen Involviert-Seins, welches schon in der Darstellung der Ebenen der Interaktion – Slammende*r als Bezugspunkt, gemeinsamer Bezugsrahmen oder individuelles Problembewusstsein – deutlich wird. Das Angebot der eigenen Person als Reibungsfläche bietet hier eher die Spannbreite zwischen Sympathie und Antipathie an, das zusammenführende Wir-Angebot eröffnet einen verbreiterten Gefühlsraum und die direkte Bezugnahme auf die Teilnehmer*innen ermöglicht nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf inhaltlicher Ebene einen Zugang zum Thema. Dabei wird dieses Angebot durch den direkten Einbezug der Teilnehmer*innen als Akteur*innen auf der Bühne im vollen Umfang ausgeschöpft. Zuvor war es möglich, nur mit sich selbst auszumachen, ob das Interaktionsangebot angenommen wird oder nicht, bei einem Involviert-Werden in die Slam-Performance werden die Teilnehmer*innen zum Teil der Performance und tragen zu ihrem Gelingen oder Nicht-Gelingen bei. Über ›sprachliche Alltagszusammenhänge‹ wird die antizipierte Lebenswelt der Teilnehmer*innen mit einbezogen, um darüber eine individuelle, emotionale Bindung zu den Inhalten herzustellen. Dabei ist die Definition der Lebenswelt davon abhängig, welche Teilnehmer*innen die Slammer*innen erwarten […]. Das vermutete Wissen dient als Hintergrundfolie für die Vermittlung der Inhalte in der SlamPerformance. Anschlussmöglichkeiten werden dann über vielfältige sprachliche Transfermöglichkeiten eingebracht: Es werden Beispiele aus der antizipierten Lebenswelt aufgegriffen, auf die das Forschungsthema bezogen wird […]. Dabei wird auch die Möglichkeit genutzt, gesellschaftlich bekannte Personen oder Alltagsgegenstände als Repräsentant*innen des Forschungsgegenstandes oder als Symbol für die Forschungsfrage miteinzubinden. Es sollen inhaltliche Relevanzen

220 | Science Slam

erkannt werden. Es werden Vergleiche zwischen wissenschaftlichen Perspektiven und lebensweltlichen Betrachtungen auf einen Forschungsgegenstand gezogen. Das kann auch bedeuten, dass Wissenschaftssprache in eine angenommene Alltagssprache transferiert wird, »FAST jedes Fremdwort« (MS3202/Zeile 274) wird vermieden. Dem wirkt der Einsatz von Fachwörtern entgegen, die dann erläutert werden, sodass ein wissenschaftlicher Anspruch gewahrt bleibt und die Teilnehmer*innen die Inhalte wissenschaftlich verorten können. Zentral ist den Beispielen, Vergleichen und Übertragungen ein »Analogieprinzip«, mit dem versucht wird, »einen sehr komplexen Zusammenhang runterzubrechen auf ein einfaches Bild« (MS5204/ Zeile 476–477) […]. Über die aus dem Analogieverfahren resultierende sprachliche Verbindungslinie in die Lebenswelt sollen Emotionen aktiviert werden, die die Inhalte in die individuellen Anschlussmöglichkeiten anders einbinden. Die Slammer*innen nutzen die Analogien gleichzeitig als roten Faden durch ihre Slam-Performance, um innerhalb der Slam-Performance eine inhaltliche Einheit zu generieren. Da sich die Slammer*innen auf Visualisierungen und Illustrationen innerhalb der Slam-Performance konzentrieren, wird die ›schriftliche Darstellung‹ der Inhalte während der Slam-Performance sehr reduziert eingesetzt – wenn doch, dann erfolgt sie innerhalb einer PowerPoint-Präsentation. Hier werden vorwiegend Stichworte eingeblendet, bei denen es sich um zentrale Begriffe der Slam-Performance oder Fachbegriffe handelt. […] Durch die Einblendung der Begriffe wird ihre Relevanz für die Slam-Performance untermauert, eine Verbindungslinie zum Forschungsbereich über diese zentralen Begriffe aufgezeigt sowie durch die Kombination von Visualisierung und Sprache auch eine höhere Einprägsamkeit angestrebt. Teilweise werden schriftliche Elemente in einer Slam-Performance auch über Grafiken und Tabellen generiert, die Forschungsergebnisse oder einen Vorher-Nachher-Erkenntnisstand darstellen. Die schriftliche Darstellung kann insgesamt als Kommentarfunktion zum gesprochenen Wort gewertet werden. Gegenüber der schriftlichen Darstellung werden häufiger ›objektive Illustrationen‹ eingesetzt. Sie machen den wissenschaftlichen Bezug innerhalb der SlamPerformance visuell deutlich […]. Dazu werden auf Präsentationsfolien Graphen, Schemata bzw. schematische Zeichnungen, Forschungsmodelle oder Bilder von dem Forschungsgegenstand eingeblendet. An diesen Illustrationen werden Forschungsverläufe, Forschungsergebnisse oder auch die wesentlichen Inhalte des Forschungsprojektes kenntlich gemacht. Sie stehen gleichzeitig für die jeweilige Disziplinspezifik, die der Slam-Performance als Hintergrundfolie dient und bieten somit eine Verbindungslinie zu den wissenschaftlichen Zusammenhängen an. Dabei werden sie nicht nur eingeblendet, sondern auch erklärt. Sie verdeutlichen dann die Zusammenhänge der Forschung […]. Neben den illustrativen Einblendungen nutzen

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 221

die Slammer*innen die Möglichkeit, Gegenstände aus Forschungszusammenhängen auf der Bühne zu präsentieren […]. Die Gegenstände symbolisieren daher nicht nur Gesagtes, sondern es handelt sich auch um das jeweilige Forschungsobjekt oder sogar das Ergebnis der Forschung, ein Forschungsmodell. Neben Einblendungen und Gegenständen werden auch Experimente auf der Bühne vorgeführt. Dabei handelt es sich um »sehr vereinfachte Version[en] von dem […], was wir tatsächlich gemacht haben« (MS51202/Zeile 288–289). Sie illustrieren den Forschungsprozess und Forschungsidee. Es bleibt jedoch unsicher, ob das Experiment auf der Bühne die gewünschten Ergebnisse zur Illustration der Forschungserkenntnisse liefert, da es sich um einen Versuch handelt […], sodass auch deutlich wird, welche Herausforderungen einem Forschungsprozess innewohnen. Ein Experiment ist neben seiner wissenschaftlichen Ausrichtung jedoch auch »effekthascherisch« (MS51202/ Zeile 434). Es bietet eine Möglichkeit, Unterhaltungsmomente zu definieren und einen »Spannungsbogen« (MS51202/Zeile 390) mit wissenschaftlichem Hintergedanken in die Slam-Performance einzubauen. Allen drei Zugängen der objektiven Illustration – Abbildungen auf Präsentationsfolien, präsentierten Forschungsgegenständen auf der Bühne und vorgeführten Experimenten – ist gemeinsam, dass sie Reaktionen auf die Darstellung provozieren wollen, die eine emotionale Einbindung der Teilnehmer*innen hervorrufen. Gleichzeitig belegen sie den wissenschaftlichen Hintergrund der thematisierten Inhalte und rechtfertigen die Slammer*innen somit in ihrer Rolle als Wissenschaftler*in. ›Bildliche Visualisierungen‹ werden als Präsentationsmethode neben allen anderen aufgeführten Möglichkeiten am häufigsten thematisiert. Dabei handelt es sich um Fotos und Skizzierungen, die virtuell oder in anderen Kontexten zugänglich sind, aber auch um eigene Zeichnungen, die einen visuellen roten Faden durch die Slam-Performance kenntlich machen. Neben dem inhaltlichen roten Faden ist der visuelle roter Faden ein zentrales Element in der Slam-Performance. Wenn nicht auf eigene Zeichnungen zurückgegriffen wird, sind es Bilder, die während der Slam-Performance immer wieder aufscheinen oder über die Slam-Performance hinweg im Zusammenhang eine bestimmte Perspektive, eine Botschaft o. Ä. […] ergeben. Bildliche Visualisierungen dienen somit als zentrales Stilmittel während der Slam-Performance. […] Sie visualisieren das gesprochene Wort, jedoch auf einer anderen Ebene als die objektiven Illustrationen. Die Bilder und Skizzierungen zeigen gesellschaftlich bekannte Personen, Symbole und Orte, oder setzen auch nur das gesprochene Wort als Bild um. Dadurch erfolgt eine Übersetzung der Sprache in Visualisierungen, mit der ein antizipierter lebensweltlicher Bezug für die Teilnehmer*innen geschaffen wird. Die Verbindungslinie zu den wissenschaftlichen Inhalten wird dann für die Teilnehmer*innen vorgegeben. Durch die Nutzung von Visualisierungen als Hintergrundfolie zu Themen und Diskursen wird die Möglich-

222 | Science Slam

keit geboten, sich den wissenschaftlichen Inhalten zu nähern. Zentral ist hier die Balance zwischen Inhalten, bildlichen Visualisierungen und objektiven Illustrationen, sodass weiterhin der wissenschaftliche Inhalt im Vordergrund der SlamPerformance steht und diese nicht zu einer Bildpräsentation wird. Abbildung 24 greift die erläuterten Zusammenhänge zwischen Selbstverständnis, Thema/Inhalt und Präsentationsmethoden auf und koppelt sie an die allgemeinen Anforderungen des Veranstaltungsformats. Im Hintergrund der methodisch-didaktischen Ausrichtung des Veranstaltungsformats bewegen sich die durch die Wissenschaftler*innen antizipierten Emotionen, Erfahrungen und Deutungen der Teilnehmer*innen, welche diese in die Veranstaltung mit einbringen. Abbildung 24: Science-Slam-Performance zwischen Einflussfaktoren, Ansprüchen und Zielperspektiven

Quelle: eigene Darstellung

(e) Auswertungskategorie: ›Transformationsprozesse‹ Die ›Transformationsprozesse‹ kennzeichnen zum einen die Veränderungen auf der Präsentationsebene (I. Ebene), das heißt, wie die Wissenschaftler*innen ihre Slam-Performance im Vergleich zu anderen Präsentationen auf u. a. wissenschaftlichen Konferenzen verändern. Es geht dann nicht nur um Präsentationsmethoden, sondern auch um die Inhalte und deren Kommunikation. Begründet ist das in der Annahme, dass dem Science Slam andere Rahmenstrukturen – Veranstaltungsort, Performanceanspruch und Zielgruppe – zugrunde liegen. Zum anderen werden Transformationsprozesse auf einer inhaltlichen Ebene im Abgleich mit der Zielgruppe angedacht (II. Ebene). Dann geht es darum, welche Vermittlungsziele die Wissenschaftler*innen inhaltlich verfolgen und welche Möglichkeiten zur Ausei-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 223

nandersetzung mit den Inhalten der Slam-Performances für die Teilnehmer*innen angeboten werden sollen. Die Transformationsprozesse auf der ›I. Ebene‹ konzentrieren sich zunächst auf die Auseinandersetzung mit dem ›Publikum‹. Die Ausführungen gleichen denen, die in die Beschreibung des Veranstaltungsformats ›Science Slam‹ einfließen, werden hier aber in einen Vergleich zu anderen Gesprächs- und Vortragsformaten gesetzt: »Wenn man normalerweise so im Arbeitsumfeld über das redet, was man macht, macht man das nur mit Leuten, die entweder extrem viel Ahnung auf dem Gebiet haben oder zu mindestens genügend, dass sie von alleine verstehen, wovon man redet. […] Und das alles auf dem Niveau von akademischer Sprache« (MS2201/Zeile 115–120). Das heißt, dass in anderen Vortragskontexten den Teilnehmer*innen ein fachliches Niveau zugeschrieben wird, dass es möglich macht, die spezifischen fachlichen Grundkenntnisse und das entsprechende Vor- und Hintergrundwissen vorauszusetzen, von dem in der Slam-Performance nicht gewusst wird, ob es von den Teilnehmer*innen ›mitgebracht‹ wird. […] Es wird demnach eine Differenz hinsichtlich der Wissenszugänge zwischen den Teilnehmer* innengruppen beschrieben. Die Teilnehmer*innen fordern gleichzeitig eine andere wissenschaftliche Begründungslogik ein, die neben wissenschaftlichen verstärkt auch gesellschaftliche und individuelle Bezugspunkte herstellt. Der Anspruch ist es daher, die Inhalte der Slam-Performance transparent für die Teilnehmer*innen – egal in welchen Zusammenhängen – zu vermitteln, sodass jeweils Präsentationsmethoden und Kommunikation der Inhalte angepasst werden. Daneben bietet die Teilnehmer*innengruppe im Science Slam jedoch auch ein anderes Vortragssetting […]. In der Slam-Performance ist den Slammer*innen die Rolle der*des Wissenschaftler*in/s zugeschrieben. Sie sind jeweils Ansprechpartner*in für die präsentierten Inhalte. Es geht daher in der Slam-Performance nicht um die zentrale Überprüfung ihrer inhaltlichen Erkenntnisse, sondern in einem ersten Zugang zunächst um die Eröffnung von wissenschaftlichen Themenräumen. Die Annahmen zu den Teilnehmer*innen bedingen somit auch die Umsetzung der ›sprachlichen Präsentationsmethoden‹. […] Zentrale Begriffe werden durch Analogien ersetzt oder erläutert, um so den wissenschaftlichen Inhalt zu wahren und ihn dennoch für die Teilnehmer*innen zugänglich zu machen […]. Dieses Prinzip wird auf Fachkonferenzen o. Ä. wiederum kaum umgesetzt, weil davon ausgegangen wird, dass die Konferenzteilnehmenden bestimmte disziplinäre Grundkenntnisse und Fachwissen ›mitbringen‹. Dabei ist es auch bei der Slam-Performance wichtig, den wissenschaftlichen Hintergrund des Themas nicht vollständig auszublenden, sondern die Analogien wissenschaftlich einzubinden, sodass den Teilnehmer*innen Verbindungslinien zwischen wissenschaftlicher Perspektive und lebensweltlicher Betrachtung angeboten werden. […] Neben der Erarbeitung von

224 | Science Slam

Analogien wird in den Slam-Performances sprachlich-methodisch versucht, […] eine Geschichte zu erzählen. Sie stellt Verbindungslinien in antizipierte lebensweltliche Kontexte her und bietet gleichzeitig einen roten Faden innerhalb der Slam-Performance. Als Hintergrund dient nicht das disziplinspezifische Wissen, sondern die aufgezeigten Zusammenhänge zwischen lebensweltlichen Annahmen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. In ihrer Verwobenheit bilden sie dann die Geschichte aus. Die sprachlichen Präsentationsmethoden werden ergänzt durch ›visuelle Präsentationsmethoden‹ […]. Illustrationen und Visualisierungen spielen hier eine zentrale Rolle […]. Sie dienen der Unterstützung des Gesagten und projizieren die Inhalte auf eine andere Ebene […]. Dabei wird unterschieden zwischen objektiven Illustrationen […] und bildlichen Visualisierungen, die ergänzend eingesetzt werden. Die bildlichen Visualisierungen bilden hier einen zentralen Unterschied gegenüber Vorträgen in wissenschaftlichen Kontexten. Aufgrund der beschriebenen Teilnehmer*innen konzentrieren sich ›Thema/ Inhalt‹ der Slam-Performance auf eine Einführung. […]. Zentral ist bei der Ausrichtung der Inhalte die gesellschaftliche und individuelle Relevanz des Forschungsthemas oder die Entwicklung eines inhaltlichen Problembewusstseins. […] Der inhaltliche ›Aufbau‹ der Slam-Performance generiert sich ebenso aus der Annahme, dass eine thematische Einführung grundlegend ist. […] Dabei zentriert sich der Aufbau um den wissenschaftlichen Inhalt. […] Gleichzeitig ist der Aufbau neben einem grundlegenden thematisch-inhaltlichen Zugang jedoch auch daran orientiert »eine Mischung« (MS28301/Zeile 74) zwischen wissenschaftlichem Inhalt und Unterhaltungsmomenten zu erzeugen. Der zentrale Unterschied findet sich somit in dem Zusammenspiel zwischen wissenschaftlichem Inhalt und Unterhaltungselementen. […] Das bedeutet, dass die inhaltliche Vermittlung entlang eines grundlegenden Verstehens für die Teilnehmer*innen aufgebaut wird und dieses wiederum durch Unterhaltungsmomente gestützt wird. Als dritte Komponente wirkt der zeitliche Rahmen auf den Aufbau der Slam-Performance. […] Die Slam-Performance an sich fordert nach einem inhaltlichen Aufbau, der geprägt ist durch einen roten Faden, der sich auch in den Präsentationsmethoden widerspiegelt. Die Zeitbegrenzung fordert dabei zum einen eine inhaltliche Fokussierung, zum anderen eine Reduzierung der Präsentationsmethoden, sodass die Slam-Performance nicht überfrachtet wird. Dies wiederum ermöglicht den Teilnehmer*innen Inhalte auch zu reflektieren. In der ›Kommunikation‹ der Inhalte muss also zwischen einem allgemeinen thematischen Zugang und den wissenschaftlichen Aussagen des Themas eine Balance gehalten werden. […] Das heißt, dass zum einen das Thema breiter gefasst wird, um mehr Verbindungslinien anzubieten, es wird sozusagen aus dem Forschungsfokus herausgezoomt. Gleichzeitig wird aber ein thematisch-inhaltlicher Fokus beibehalten, um Überfrachtungen zu vermeiden. Zum anderen benötigen die

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 225

wissenschaftlichen Ausführungen mehr Detaillierungen, sodass auch hierüber Verbindungslinien angeboten werden. Die Herausforderung liegt in der Balance zwischen thematisch-inhaltlicher Ausdehnung, Fokussierung und Detaillierung. Das bedeutet zum Beispiel, dass Forschungsprozess und Forschungsergebnisse aufgeführt werden, um Aussagen zu stützen, sich die detaillierten Ausführungen aber eher auf Relevanz und Forschungsbegründung sowie die Erkenntnisse aus dem Forschungsprozess konzentrieren. Denn es geht zunächst darum, dass ein erster inhaltlicher Einstieg ermöglicht wird und inhaltliche Verbindungslinien für die Teilnehmer*innen angeboten werden. Es handelt sich somit um eine erklärende, detailreiche Kommunikation, die nicht den Anspruch eines Vortragsformats auf Konferenzen o. Ä. hat, sondern die inhaltliche Vermittlung in den Mittelpunkt rückt. Die Transformationsprozesse auf der ›II. Ebene‹ fokussieren die Vermittlungsziele der Slammer*innen. Dabei wird differenziert zwischen Anschlussmöglichkeiten – Angebote der Slammer*innen, die inhaltliche Anschlüsse für die Teilnehmer*innen bieten –, Auseinandersetzungen – direkte inhaltliche Konfrontationen, über die die Teilnehmer*innen reflektieren sollen, – und Irritationen, mit denen die Slammer*innen Lern- und Bildungsimpulse setzen wollen. Für die ›Anschlussmöglichkeiten‹ steht zunächst die Prämisse im Vordergrund […], eine verständliche Vermittlung wissenschaftlicher Themen und Inhalte vorzubereiten: Ist es den Teilnehmer*innen möglich, den Inhalt in seinen Grundzügen zu verstehen, sodass sie eine Idee […] vom Slam-Performance-Inhalt erhalten und Kernaussagen erkennen […]? Unterhaltungsmomente und Inhalte changieren hier noch in einem starken Wechselverhältnis, denn Interesse kann auf unterschiedlichen Ebenen entstehen. […] Werden die über die Slam-Performance vermittelten Informationen fokussiert, […] impliziert dies noch keine weitergehende Auseinandersetzung […]. Wird ein (inhaltliches) Bewusstsein herausgegriffen, setzen denkbare Anschlussmöglichkeiten an […]. Generell bietet jeder inhaltliche Aspekt Möglichkeiten für die*den einzelne*n Teilnehmer*in, weitere Auseinandersetzungen anzuschließen. Hervorzuheben ist jedoch ein inhaltlicher Bezug zu Forschungsproblemen, Zusammenhängen zwischen lebensweltlichen Themen und wissenschaftlichen Themen sowie ein begriffliches Differenzierungsbewusstsein. Deutlich wird, dass andere Ebenen außerhalb von inhaltlichen Aspekten nicht aufgegriffen werden (u. a. Zugang zum Präsentieren), sondern sich auf die Anschlussmöglichkeiten über Inhalte beschränkt wird. Neben dem Thema soll auch ein Anschluss an Wissenschaften im Allgemeinen ermöglicht werden […]. Es wird damit ein breites Spektrum an Anschlussmöglichkeiten angedacht, welches auch auf einen inhaltlichen Zugang zu wissenschaftlichen Themen bzw. Wissenschaftsbereichen abhebt.

226 | Science Slam

Die ›Auseinandersetzungen‹ beinhalten den Anspruch, die Teilnehmer*innen nicht nur in Kontakt mit Inhalten zu bringen, sondern auch die Interaktion mit diesen Inhalten anzuregen […]. Der »Denkanstoß« (MS51203/Zeile 169) lässt sich auf verschiedenen thematischen Ebenen differenzieren: Über das grundständige Interesse-Wecken in den Anschlussmöglichkeiten hinaus geht es um die Anregung von inhaltlich diskursivem Denken, Umdenken und Andersdenken, sodass ein Bewusstsein für Themen und Inhalte entwickelt wird und dabei auch inhaltliche Akzeptanz entsteht. Den Teilnehmer*innen wird die Möglichkeit gegeben, Zusammenhänge zu erkennen, die nicht nur eine inhaltliche Ebene meinen, sondern auf gesellschaftliche, politische, ökonomische, kulturelle, ökologische und individuelle Wechselverhältnisse abzielen. Darüber generiert sich dann die zu erkennende thematische Relevanz, die die Wissenschaftler*innen häufig für die Slam-Performance in den Fokus rücken. Die Herausforderung dafür liegt in der Balance zwischen der grundlegenden Wissensvermittlung und der Vermittlung von inhaltlichen Interaktionen, denn ohne ein Wissen über Themen und Inhalte, können auch darauf bezogene inhaltliche Interaktionen nicht stattfinden. Diese Herausforderung ist durch den engen Zeitrahmen der Slam-Performance besonders groß, da dieser nur rudimentäre Möglichkeiten bietet, Auseinandersetzungen anzuregen. […] Über eine Ansprache von Emotionen werden Auseinandersetzungen angeregt, die jedoch nicht zwingend während der Slam-Performance stattfinden müssen, sondern sich auch danach ereignen können. Für die angebotenen Auseinandersetzungen werden nicht nur die Themen der Slam-Performance aufgegriffen, sondern auch die Wissenschaften generell thematisiert. Es sollen »Berührungsängste« (MS2201/Zeile 663) gemindert werden, indem der Mehrwert von Wissenschaften als einer der Gesellschaft nützlichen Forschung herausgestellt und dabei gleichzeitig aufgezeigt wird, wie Wissenschaften agieren. […] Mit diesem Ansatz soll ebenfalls deutlich werden, dass es auch wichtige Aspekte außerhalb des individuellen Wahrnehmungs- und Wissensrahmens gibt […]. Es geht darum, dass die Teilnehmer*innen sich mit dem Bereich ›Wissenschaften‹ auseinandersetzen, dabei jedoch nicht nur der Faszination für die Forschungserkenntnisse unterliegen, sondern auch ein kritisches Bewusstsein […] entwickeln. Über die Anregungen zu Interaktionen auf thematischer und wissenschaftlicher Ebene lassen sich auch anvisierte ›Irritationen‹ herausarbeiten, die jedoch eher in einer diffusen Beschreibung verharren. […] Diese undifferenzierte Darstellung verweist auf die Reibungsfläche, die die in der Slam-Performance eingebrachten Unterhaltungsmomente hervorrufen. Die für die Auseinandersetzung thematisierten inhaltlichen Vermittlungsziele können jedoch auf individueller Ebene auch Irritationen hervorrufen, die nicht antizipiert werden. […] Insgesamt wird der zeitliche Rahmen ergänzend zu den Unterhaltungsmomenten möglichen Irritationen ent-

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 227

gegengesetzt. Es wird eher der generelle Zugang zum Bereich der Wissenschaften gewählt, jedoch nicht bezogen auf das einzelne Thema. Zusammen-Denken der Interpretation für die Perspektivengruppe ›auftretende Wissenschaftler*innen‹ Die zentrale Spannungslage, welche auf verschiedenen Ebenen der Slam-Performance Einfluss nimmt, ergibt sich für die Interviewten aus dem Wechselverhältnis zwischen wissenschaftlichem Anspruch sowie den von ihnen eingebrachten Inhalten und Unterhaltungsmomenten: Innerhalb der Slam-Performance sind es Inhalte und Präsentationsmethoden, die davon beeinflusst werden, in der allgemeinen Betrachtung von Slam-Performances sind es das Selbstverständnis der Interviewten und deren individueller Anspruch an die Slam-Performance. Befördert wird die Spannungslage durch die Anforderungen des Veranstaltungsformats sowie des Wissenschaftsbereichs als jeweils individuelle Hintergrundstruktur, aber auch als allgemein einflussnehmende Sphäre. Dabei handeln die Interviewten aus, dass das Veranstaltungsformat zwar einen öffentlichen Zuspruch erfährt, aber gleichzeitig wissenschaftlicher Skepsis unterliegt. Die Wissenschaftler*innen müssen sich also vor allem im Wissenschaftsbereich für ihre Slam-Performance rechtfertigen. Es steht nicht nur das eigene Selbstverständnis als Wissenschaftler*in im Vordergrund, sondern auch der Anspruch, im jeweiligen Wissenschaftsbereich als Wissenschaftler*in wahrgenommen zu werden. Die Slam-Performance ist daher ein Kommunikationsübungsraum, in dem der Balance zwischen den Ansprüchen des Veranstaltungsformats, der Wissenschaften und der Teilnehmer*innen sowie dem eigenen Selbstverständnis entsprochen werden soll. In der Rolle als Slammende sind die Interviewten dann nicht mehr nur Wissenschaftler*innen, die ihre Forschungsthemen und Forschungsergebnisse präsentieren, sondern ebenso Unterhalter*innen, Vermittler*innen und Impulsgeber*innen – bedingt durch die methodisch-didaktische Aufbereitung der Inhalte für Anschlussmöglichkeiten und durch die Anregung von Auseinandersetzungen. Wie sie diese Rollenzuschreibungen, aber auch -erwartungen ausfüllen, wird sehr individuell gelöst. Meist wird versucht, in der Slam-Performance mosaikartig den vielfältigen Selbst- und Fremderwartungen zu entsprechen und dennoch das eigene Selbstverständnis als Wissenschaftler*in in den Fokus zu rücken. Zudem bietet die Slam-Performance die Möglichkeit, sichtbar zu werden und sich als Wissenschaftler*in zu legitimieren. In dieser Form der Ver-Öffentlichung von Wissenschaften entsteht ein Kontaktraum, der die Slammer*innen als inhaltliche Ansprechpartner*innen ausweist. Insofern geht es neben der Erschließung und Begründung von Finanzierungsstrukturen auch um die eigene Sichtbarkeit als Wissenschaftler*in. Kommunikativer Übungsraum und Kontakt-

228 | Science Slam

raum greifen ineinander und vereinen den grundlegenden Anspruch des Veranstaltungsformats. Die durch die Slam-Performance aufgerufene Vermittlungsperspektive unterliegt wissenschaftlichen Kommunikationsprämissen, die durch das Veranstaltungsformat anderen, bis dahin nicht genutzten Ausgestaltungsmöglichkeiten zugeführt werden. Die thematisch-inhaltliche Vermittlung zielt im Idealfall auf wissenschaftliche Bildung für interessierte Öffentlichkeiten, ermöglicht daneben aber auch weitere individuelle Auseinandersetzungsprozesse mit den dargebotenen Themen und Inhalten. Die Zielausrichtung bleibt daher immer die thematisch-inhaltliche Vermittlung. Eine Lehrposition wird von den Slammer*innen weder in der Beschreibung ihres Selbstverständnisses noch in den Ausführungen zum Veranstaltungsformat oder zur eigenen Slam-Performance eingenommen. Die Fokussierung auf die Vermittlungsperspektive macht zum einen die Orientierung der Slammer*innen an den Teilnehmer*innen deutlich. Denn ›vermitteln‹ suggeriert, dass jemandem etwas vermittelt wird. 5 Das heißt, dass die*der Empfänger*in mitgedacht wird, auch wenn sie*er nicht benannt wird. Zum anderen wird über ›vermitteln‹ als transitives Verb kenntlich, dass etwas vermittelt wird, sodass das an die*den Empfänger*in Gegebene miteinbezogen wird. Die thematisch-inhaltliche Vermittlung ist daher als Angebot zu sehen, welches von den Teilnehmer*innen genutzt, nicht genutzt oder darüber hinausgehend genutzt werden kann. Die Vermittlungsziele konzentrieren sich auf eine über das thematisch-inhaltliche Verstehen angeregte Perspektivenerweiterung, die die inhaltliche Auseinandersetzung hin zu einer thematisch-inhaltlichen Reflexion ausweitet. Die Teilnehmer*innen werden somit für ein differenziertes Bewusstsein über wissenschaftliche Themen sowie Inhalte sensibilisiert und entwickeln gleichzeitig eine generelle Offenheit für diverse Wissenschaftsbereiche und ihre Inhalte. Die Teilnehmer*innen werden dabei durch die aktive Integration in die Slam-Performance zu Akteur*innen der Slam-Performance, welche neben der sich unterschiedlich ausgestaltenden Interaktion zwischen den Beteiligten durch weitere zentrale Methoden geprägt ist: • Erklären durch detaillierte Ausführungen und das Herstellen von antizipierten lebensweltlichen Bezügen, • Erläutern durch die Erarbeitung einer thematischen Übersicht,

5

Vermitteln kann neben ›jemandem etwas vermitteln‹ auch als ›sich vermitteln‹ oder ›jemanden vermitteln‹ genutzt werden. Die Kontextsetzung verdeutlicht die erste Verbkonstruktion ›jemandem etwas vermitteln‹.

Empirische Annäherung an die Kontaktfläche | 229

• Nutzen von sprachlichen Alltagszusammenhängen durch Alltagsbeispiele und Vergleiche zwischen wissenschaftlicher Perspektive und Alltagsbetrachtungen, • Übertragen von Fachwörtern und wissenschaftlichen Beschreibungen auf antizipierte lebensweltliche Zusammenhänge durch mithilfe von Analogien, • Erarbeiten eines roten Fadens im Sinne eines Schritt-für-Schritt-Aufbaus oder im Sinne der inhaltlichen Zusammenführung in einer Geschichte hin zu einem logisch-kongruenten Aufbau der Slam-Performance, • Begleiten, Detaillieren oder Begründen des gesprochenen Wortes mithilfe von objektiven Illustrationen und bildlichen Visualisierungen, • Kommentieren durch Schrift sowie • Unterhalten als Moment des Vermittlungsprozesses. Deutlich wird, dass die im Selbst- und Fremdverständnis innerhalb des Science Slams noch gesetzte Rolle der*des Slammer*in/s als Unterhalter*in in der Umsetzung der Slam-Performance eine methodische Bedeutung erhält. Dennoch werden Unterhaltungselemente nur als ein mögliches Vehikel zur thematisch-inhaltlichen Vermittlung neben anderen Präsentationsmethoden beschrieben und spielen in der Umsetzung der Slam-Performance eine untergeordnete Rolle. Gelenkt werden die Methoden verstärkt durch die Zusammenführung von antizipierten lebensweltlichen sowie wissenschaftlichen Begründungslogiken und die Orientierung am Nachweis einer gesellschaftlichen sowie individuellen Relevanz. Die eingebrachten Begründungslogiken richten sich dabei an den antizipierten Teilnehmer*innen aus. Dadurch entsteht für die Teilnehmer*innen möglicherweise ein emotionales Involviert-Sein, welches individuelle Verbindungslinien zur thematisch-inhaltlichen Vermittlung bedingt. Diese Verbindungslinien erzeugen Reibungsflächen zwischen eigenem Vorwissen, individuellen Erfahrungen, Emotionen und Deutungen sowie den Inhalten und Präsentationsmethoden der Slam-Performance.

7

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur Zusammen-Denken einflussnehmender Merkmale

Wurden die Perspektivengruppen in den bisherigen drei Auswertungsschritten parallel dargestellt, werden sie nun in Kapitel 7 mit Blick auf den Forschungsgegenstand ›Science Slam‹ in ihren Spannungsfeldern, Varianzen und Themensträngen zusammengeführt. Diese Zusammenführung richtet ihren Fokus aufgrund des in der vorliegenden Arbeit erhobenen Materials auf die meso- und mikrodidaktische Handlungsebenen. Entlang der Forschungsfragen werden Inszenierungsstrategien Vermittlungspraktiken und Figuren der Überführung thematisiert. Dadurch wird es möglich, die spezifische Kontaktfläche der Wissensstrukturen differenziert zu charakterisieren. Dafür ist die Annahme grundlegend, dass in dem Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ unterschiedliche Wissensstrukturen – wissenschaftliches Wissen und Alltagswissen – zusammenkommen. Demnach kann der Science Slam als Kontaktfläche charakterisiert werden.

7.1 INSZENIERUNGSSTRATEGIEN DES WISSENSCHAFTLICHEN WISSENS Die Inszenierungsstrategien referieren auf das In-Szene-Setzen des wissenschaftlichen Wissens. Dieses wird hier in den Fokus gerückt, da es im Diskurs die Veranstaltungsformate der Wissenschaftskommunikation begründet. Die Inszenierungsstrategien des wissenschaftlichen Wissens lassen sich für das spezifische Veranstaltungsformat auf zwei Ebenen ausdifferenzieren, wobei diese Ebenen auch einen Übertrag für die Vermittlungspraktiken leisten. Die beiden Ebenen unterscheiden sich nach den Inszenierungsstrategien, (a) welche durch die jeweilige Konzeption des Veranstaltungsformats fundiert werden und (b) jene, die von den anwesenden

232 | Science Slam

Personen eingebracht werden und die Slammer*innen in den Fokus rücken. Dabei werden für diese perspektivenverschränkende Interpretation die jeweiligen Perspektivengruppen auf ihre Perspektive zu den Inszenierungsstrategien befragt und in ihren Gemeinsamkeiten sowie Unterschieden zusammengeführt. (a) Inszenierungsstrategien des wissenschaftlichen Wissens durch die Konzeption des Veranstaltungsformats Aus den Thematisierungen der Perspektivengruppen bilden sich drei zentrale Spannungsfelder heraus, die durch den Anspruch des Veranstaltungsformats bedingt werden: Nutzenzuweisung, Ver-Ortung und Darstellung. Die Nutzenzuweisungen nehmen dabei das Veranstaltungsformat in seiner Gesamtkonzeption in den Blick, die beiden anderen Spannungsfelder referieren auf Charakteristika innerhalb des Veranstaltungsformats, die in der jeweiligen Spezifik des Science Slams und der Slam-Performances auch anders ausgestaltet werden könnten. Nutzenzuweisungen zum Veranstaltungsformat Beide Perspektivengruppen fokussieren in ihren Nutzenzuweisungen zum Veranstaltungsformat einen Freizeitaspekt, innerhalb dessen der kommunikative Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit hervorgehoben wird. Ergänzend kann der interdisziplinäre Austausch angeführt werden, der aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen eine Rolle spielt. Dabei handelt es sich bei dem Veranstaltungsformat jedoch weniger um eine Dialogstruktur, die einen kommunikativen Austausch suggeriert, als vielmehr um eine monologische Bezugnahme auf wissenschaftliches Wissen, mit dem Öffentlichkeit erreicht wird. Über die durch das Veranstaltungsformat geschaffene Kommunikationsplattform werden wissenschaftliche Inhalte ver-öffentlicht, also individuell für die Thematisierung und inhaltliche Auseinandersetzung bereitgestellt. Diese kommunikative Form des Angebots von wissenschaftlichem Wissen wird aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum als verändertes Vermitteln und veränderte Wahrnehmung von wissenschaftlichem Wissen deklariert. Die Veränderung kann an den Parametern Präsentationsformen, Inhalte und Slammende festgemacht werden, die jeweils grundlegend beeinflusst werden durch den dem Veranstaltungsformat inhärenten Anspruch der Zusammenführung von wissenschaftlichen Inhalten mit Unterhaltungsmomenten in der Darstellung wissenschaftlichen Wissens sowie der Verschiebung der wissenschaftlichen Ver-Ortung. Auch wenn das Veranstaltungsformat zwar zu einem Moment der individuellen Freizeitgestaltung avanciert, wird aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum Wissen bewusst eingefordert. In der Slam-Performance geht es dann nicht nur darum, Forschungsergebnisse und -erkenntnisse zu ver-öffentlichen, sondern auch aufzuzeigen,

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 233

welche Verbindungslinien sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen hin zu gesellschaftlichen Fragestellungen und individuellen Interessen ergeben. Die auftretenden Wissenschaftler*innen bleiben in ihrer Perspektive jedoch zunächst dem Anspruch verhaftet, Interesse an Themen und spezifischen Disziplinen zu wecken, sodass über die Sichtbarmachung von Themen und Disziplinen ein informativer Zugang zum Wissenschaftsbereich im Gesamten angeboten wird und eine grundlegende Sensibilisierung für wissenschaftliche Inhalte erfolgt. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Inhalten steht dabei nicht im Fokus. Gleichzeitig können Nutzenzuweisungen auch einem Selbstzweck Genüge leisten, da über das Veranstaltungsformat Wissenschaftler*innen als inhaltliche Ansprechpartner*innen sichtbar werden. Diese Zuweisung wird aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum nur am Rande aufgenommen, aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen wird sich damit jedoch dezidiert auseinandergesetzt. Das Veranstaltungsformat bietet Wissenschaftler*innen die Möglichkeit, ihre Rolle inhaltlich zu begründen und sich als Wissenschaftler*in mit einem Thema in einen umfassenderen gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. Durch die öffentliche Wahrnehmung der Wissenschaftler*innen wird diese Rolle gestärkt. Der Schritt hinaus aus den wissenschaftlichen Diskursgemeinschaften fördert somit die wissenschaftliche Legitimation. Diese Legitimation ist eng verbunden mit der Wahrnehmung und Beurteilung des Veranstaltungsformats Science Slam bzw. der Relevanz von Wissenschaftskommunikation in der jeweiligen Disziplin. Daran anschließend bietet das Veranstaltungsformat für die auftretenden Wissenschaftler*innen eine Plattform, für wissenschaftliche Inhalte Finanzierungsstrukturen im Sinne von Fördermitteln zu erschließen. Durch die eigene Sichtbarkeit und VerÖffentlichung der erarbeiteten wissenschaftlichen Inhalte wird eine Akzeptanz gefördert, die die Relevanz der Inhalte stützt und darüber auch Unterstützungsstrukturen generiert. Gleichzeitig wird aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen auch die individuelle Verpflichtung, gegenüber den Öffentlichkeiten Verantwortung zu übernehmen und diese in der Ver-Öffentlichung wissenschaftlicher Inhalte umzusetzen, betont. Das Veranstaltungsformat provoziert in seiner Charakterisierung bestimmte Nutzenzuweisungen, die dazu führen, dass das wissenschaftliche Wissen entsprechend inszeniert wird. In diesem Sinne handelt es sich vielmehr um die grundlegenden Herangehensweisen an Inszenierungsstrategien als um die Inszenierungsstrategien selbst. Es kann also von einer die eigentlichen Inszenierungen bedingenden Vorstufe gesprochen werden. Diese verdeutlicht, entlang welcher Gemengelage sich die Ansprüche an den Nutzen der Inszenierung wissenschaftlichen Wissens im Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ ausrichten. Nutzenzuweisungen, die bestimm-

234 | Science Slam

te Inszenierungsstrategien einfordern, und Inszenierungsstrategien selbst stehen demnach in einem zirkulären Wechselverhältnis. Ver-Ortung des wissenschaftlichen Wissens Zum einen verändern sich durch den Veranstaltungsort die mit den wissenschaftlichen Inhalten einhergehenden sozialen Praktiken. Aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum werden veränderte Verhaltensweisen, die der Veranstaltungsort einfordert, die durch den Veranstaltungsort aber auch vorgegeben sind, betont. Aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen werden Praktiken verschoben, da der Veranstaltungsort aufgrund der mit ihm verbundenen Assoziationen eine andere Form des Präsentierens und Vortragens einfordert. Zum anderen stellt sich aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen aufgrund der mit dem spezifischen Veranstaltungsort verbundenen Assoziationen die Frage der Selbstund Fremdwahrnehmung an diesem Veranstaltungsort. Der Veranstaltungsort bietet für sie einen Rahmen, der durch die politischen und kulturellen Assoziationen einerseits nicht mit kommerziellen Interessen verbunden wird, anderseits aber auch nicht mit der Thematisierung von wissenschaftlichem Wissen verknüpft wird. Die als zentral wahrgenommene Verlagerung des Veranstaltungsortes für die Vermittlung wissenschaftlichen Wissens hat nicht nur Auswirkungen auf die Ver-Ortung der wissenschaftlichen Inhalte, sondern auch auf die Zusammensetzung der antizipierten Publikumsstruktur. Durch die politische, kulturelle und sozialräumliche Ver-Ortung des Veranstaltungsortes wird eine bestimmte Zielgruppe angesprochen. Dieser Aspekt wird perspektivenübergreifend hervorgehoben. Neben Lage und Umgebung des Veranstaltungsortes, welche ein spezifisches soziales Geflecht in der Publikumsstruktur bewirken, prägen auch die kulturellen und politischen Zuschreibungen zu dem Veranstaltungsort selbst die Ansprache bestimmter Personen – unabhängig von Lage und Umgebung. Hier wird ersichtlich, welche Bedeutung ein inhaltlich besetzter Veranstaltungsort für Veranstaltungen hat. Dabei kommt es auch zu Wechselwirkungen mit dem Veranstaltungsformat. Dennoch bleibt das Publikum in seiner Zusammensetzung und sozialen Zugehörigkeit aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen diffus. In der Perspektive der Personen aus dem Publikum verbindet sich die Ver-Ortung auch mit Auswirkungen auf die Atmosphäre innerhalb der Slam-Performances. Hierbei geht es um die ›gespürte‹ Atmosphäre im Moment der SlamPerformance, welche durch den Ort selbst und die mit ihm verbundenen Zuschreibungen geprägt ist. Es ergibt sich demnach eine Innenperspektive. Die Inszenierungsstrategie der Ver-Ortung des wissenschaftlichen Wissens macht deutlich, welche Reibungspunkte der Ort der Vermittlung von Wissen hervorruft. Die mit wissenschaftlichem Wissen verbundenen Orte werden hier durch

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 235

Verschiebungstendenzen hinterfragt und befördern soziale Praktiken, die außerhalb der wissenschaftlichen Ver-Ortung gedacht werden. Diese Inszenierungsstrategie ist dem Veranstaltungsformat inhärent. Sie kann als zentrale Besonderheit dieses Formats der Wissenschaftskommunikation gelten. Darstellung des wissenschaftlichen Wissens Das Veranstaltungsformat fordert wissenschaftliche Inhalte ein, deren Darstellung jedoch dem Anspruch unterliegt, mit diesen Inhalten gleichzeitig zu unterhalten. Dabei wird deutlich, dass mit der wissenschaftlichen Slam-Performance mehr verknüpft wird als der abendliche Unterhaltungsmoment, bei dem erwartet wird, dass Themen und Inhalte kurzweilig in andere Zusammenhänge gebracht werden. In der Zusammenführung geht es somit eher um ein ausgewogenes Zusammenspiel, sodass Unterhaltungsmomente zum Vehikel der wissenschaftlichen Vermittlung werden. ›Unterhalten‹ ist dann vielmehr ein generelles Bewertungskriterium für den gesamten Science-Slam-Abend und weniger gewinnbringend für die Detaillierung der einzelnen Slam-Performance in der Beschreibung. Diese Balance, die gleichzeitig auch eine Herausforderung in der Slam-Performance ist, wird aus beiden Perspektiven betont. Das Veranstaltungsformat verlangt nach einer bestimmten Darstellung des wissenschaftlichen Wissens. Diese Anforderung an die Darstellung gehört zum Grundcharakteristikum und verbindet sich mit den Besonderheiten des Veranstaltungsortes. Bemerkenswert ist, dass sowohl in der Vorbetrachtung als auch in der Nachreflexion der Science-Slam-Veranstaltung ein Zusammenwirken von Unterhaltungsmomenten und wissenschaftlichem Wissen aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum eingefordert wird. Die Fokussierung auf einen der beiden Aspekte entspricht nicht den Erwartungen an eine Slam-Performance. Es entwickelt sich ein Erwartungshorizont. (b) Inszenierungsstrategien des wissenschaftlichen Wissens durch die Slammer*innen Aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum wird die Bedeutung der Slammer*innen für die Inszenierung des wissenschaftlichen Wissens hervorgehoben, die dabei weiterhin in der Rolle der*des Wissenschaftler*in/s agieren sollen. Das Zusammenspiel zwischen der Persönlichkeit der Slammer*innen und der methodischen Ausgestaltung der Slam-Performance ist zentral für die Wahrnehmung der Inhalte. Woran sich diese persönliche Einordnung bemisst, bleibt jedoch undifferenziert. Grundlegend ist, dass die Persönlichkeit der Slammer*innen fassbar wird. Diese Wahrnehmung soll die Distanz zwischen den Personen aus dem Publikum und den Slammer*innen, aber auch zwischen den Personen aus dem Publikum und

236 | Science Slam

den dargestellten Inhalten verringern und ein Gefühl persönlicher sowie inhaltlicher Beziehungen erzeugen. Demgegenüber wird aus Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen, welche selbst als Slammende aktiv sein werden, in der Beschreibung der Science-Slam-Veranstaltung kaum die Bedeutung der Slammer*innen für die Inszenierung des wissenschaftlichen Wissens thematisiert. Hier geht eine für die Personen aus dem Publikum scheinbar zentrale Verbindungslinie zur inhaltlichen Vermittlung verloren. Aus Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen wird vielmehr das eigene Selbstverständnis in den Vordergrund gerückt, welches den Ansprüchen des Veranstaltungsformats und den eigenen, auch wissenschaftlichen, Ansprüchen gerecht werden soll. In diesem Selbstverständnis werden die Rollenerwartungen an Wissenschaftler*innen und an die auftretende Person miteinander verknüpft. Die Rolle der*des Slammer*in/s vereint diese Erwartungen. Mit dem Selbstverständnis als ›Wissenschaftler*in‹ wird der Anspruch verbunden, die als natürlich wahrgenommene, aus der beruflichen Beschäftigung heraus resultierende Zuschreibung als ›Wissenschaftler*in‹ beizubehalten und nicht in eine andere Rolle zu wechseln, nur weil es das Format verlangt. Gleichzeitig ist es gerade das Veranstaltungsformat, welches den Personen diese Rolle zuweist. In dieser Inszenierungsstrategie werden über die Perspektivengruppen unterschiedliche Thematisierungsstränge deutlich. Während aus Perspektive der Personen aus dem Publikum die Bedeutung der Wahrnehmung der Slammer*innen für ihre je spezifische Wahrnehmung des wissenschaftlichen Wissens betont wird, kreist die Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen um die Frage, welchen Ansprüchen sie entsprechen wollen und welche Auswirkungen das auf ihre Wahrnehmung im disziplinären Kontext hat.

7.2 VERMITTLUNGSPRAKTIKEN DES WISSENSCHAFTLICHEN WISSENS Die Vermittlungspraktiken werden von den auftretenden Wissenschaftler*innen in ihrer Slam-Performance eingebracht und können von den Personen aus dem Publikum im Nachgang zur Slam-Performance eingeordnet werden. Für die Erhebung bedeutet das, dass die Vermittlungspraktiken durch die auftretenden Wissenschaftler*innen in den Interviews im Vorfeld der Science-Slam-Veranstaltung angedacht werden, die Handlung selbst jedoch noch nicht stattgefunden hat, und über die teilnehmende Beobachtung verschriftlicht werden. Die Personen aus dem Publikum können sich in ihren Interviews im Nachgang zur Science-Slam-Veranstaltung dann auf diese eingebrachten Handlungen beziehen. Die Darstellung der Vermittlungs-

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 237

praktiken konzentriert sich demnach darauf, wie das wissenschaftliche Wissen durch die Slammer*innen letztlich methodisch-didaktisch angeboten wird. Vor diesem Hintergrund konnten in der vorliegenden Arbeit mithilfe der Perspektivenverschränkung insgesamt sieben für eine Slam-Performance spezifische Vermittlungspraktiken herausgearbeitet werden. In einem ersten Zugang zu den Vermittlungspraktiken ist jedoch herauszuheben, dass diese in Abhängigkeit zu Thema und antizipierten Teilnehmer*innen stehen. Dabei kann das tatsächliche Publikum von den auftretenden Wissenschaftler*innen nur erahnt werden und in Abhängigkeit zum Veranstaltungsort und Veranstaltungsformat gesetzt werden, ohne genaue Kenntnisse über die Publikumsstruktur zu haben. Demnach – hier besteht eine Verbindung zu den Inhalten der jeweiligen Slam-Performance – sind die auftretenden Wissenschaftler*innen dazu angehalten, die aufgrund der Unkenntnis über die angemessene inhaltliche Tiefe ihres Vortrags entstehende Spannungslage in der Slam-Performance auszutarieren. Sie ›besitzen‹ nämlich keinerlei Wissen darüber, welche spezifischen fachlichen Grundkenntnisse und welches Vorwissen- sowie Hintergrundwissen die Personen aus dem Publikum ›mitbringen‹. Demnach wird die inhaltliche Darstellung von vorerst nur antizipierten Teilnehmer*innen abhängig gemacht. Die herausgearbeiteten sieben Vermittlungspraktiken können nun wie folgt beschrieben werden: (a) beziehungsabhängiger Vortragsstil Die individuell wahrgenommene Persönlichkeit der Slammer*innen bildet aus Perspektive der Personen aus dem Publikum einen zentralen Ankerpunkt für die Einordnung der Inhalte der Slam-Performance. Es erfolgt demnach eine Bindung von Inhalten an Personen. Gleichzeitig vermittelt der wahrgenommene Vortragsstil den Umgang der Slammer*innen mit den Inhalten der Slam-Performance. Es wird den Teilnehmer*innen dadurch möglich, den Slammer*innen ein spezifisches wissenschaftliches Wissen zuzuschreiben und sie in ihrer Rolle als Wissenschaftler*in anzuerkennen. An diesen beiden Punkten im Vortragsstil wird die Beziehungsabhängigkeit der Vermittlung in einer Slam-Performance deutlich. Die Ausbildung einer Beziehung zwischen Teilnehmer*innen und Slammer*innen, um die Inhalte in den Fokus zu rücken, wird damit zur Notwendigkeit. Interessanterweise wird aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen diese spezifische Bedeutung der Person nicht in den Vordergrund gerückt.

238 | Science Slam

(b) interaktive Teilnahme Die interaktive Teilnahme gründet sich auf dem Verständnis einer Slam-Performance, Anwesende als aktiv Beteiligte miteinzubeziehen. Dazu werden aus den Perspektivengruppen heraus vier Interaktionsformen unterschieden. Dabei ist nicht jede Interaktionsform für jede*n Teilnehmer*in relevant, jedoch zielen sie jeweils auf das Herauslösen aus der eigenen Passivität: • Die indirekte Interaktion bezieht sich darauf, dass Slammer*innen in ihrem Vortragsstil selbst zur Reibungsfläche der individuellen Auseinandersetzungen der Teilnehmer*innen werden. Die auftretenden Wissenschaftler*innen provozieren mit ihrem Vortragsstil. Aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum werden die Slammer*innen dann in ihrer Rolle beurteilt. Diese indirekte Interaktion ist daher eng verbunden mit dem beziehungsabhängigen Vortragsstil. Die Fokussierung auf den Vortragsstil der*des Slammer*in/s kann dabei zu einer Verschiebung der inhaltlichen Vermittlung führen. Durch die verstärkte Wahrnehmung von Inkongruenz oder Reibung der eigenen Erwartungen am Vortragsstil der Wissenschaftler*innen stellen Inhalte dann nurmehr einen Nebenaspekt der SlamPerformance dar. • Die direkte, kommunikative Interaktion spiegelt sich in einem sprachlichen Wir-Angebot durch die Slammer*innen wider. Sie er-schaffen darüber einen gemeinsamen Bezugsrahmen und stellen sprachliche Beziehungen her. • Die direkte, problembewusste Interaktion verbindet Emotionen und Wissen, die Teilnehmer*innen nehmen sich selbst als Betroffene*r oder Verursacher*in wahr. Dieses Angebot eines inhaltlichen Bezugspunktes hin zu individueller Verantwortung wird aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum nicht nur beschrieben, sondern auch mithilfe der Frage, was dieses Interaktionsformat bewirkt, reflektiert. • Das direkte Involviert-Sein der Teilnehmer*innen in die Slam-Performance über Experimente oder Unterstützungsaufgaben auf der Bühne bietet über das eigene Tun einen zentrierten, thematisch-inhaltlichen Zugang. Die Teilnehmer*innen werden zu sichtbaren Akteur*innen der Slam-Performance. Gestützt werden die Interaktionen durch eine methodisch-didaktische Aufbereitung, die die auftretenden Wissenschaftler*innen andenken: Über rhetorische Fragen, die ein Mitdenken befördern, und direkte Fragen zu Ideen und Meinungen, die Resonanz erzeugen wollen, zielen sie auch auf die Erfahrungswelt und Emotionen der Teilnehmer*innen. Alle Formen der angedachten Beteiligung der Teilnehmer*innen in der Slam-Performance fokussieren dabei das Herstellen eines emotionalen Berührt-Seins und lassen die Personen aus dem Publikum somit zu teilnehmenden

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 239

Interaktionspartner*innen werden, sodass ein individueller Erinnerungs- und Reflexionsanker entsteht. Das Angebot der eigenen Person als Reibungsfläche bietet hier eher die Spannbreite zwischen Sympathie und Antipathie an, das zusammenführende Wir-Angebot eröffnet einen verbreiterten Gefühlsraum und die direkte, problembewusste Bezugnahme auf die Teilnehmer*innen ermöglicht nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf inhaltlicher Ebene einen individuellen Zugang zum Thema. Dabei wird dieses Angebot durch den direkten Einbezug der Teilnehmer*innen als Akteur*innen in die Slam-Performance im vollen Umfang ausgeschöpft. (c) sprachliche Kontextsetzung Über sprachliche Alltagszusammenhänge wird die antizipierte Lebenswelt der Teilnehmer*innen mit einbezogen, sodass individuelle und emotionale Bindungen zu den Inhalten hergestellt werden (können). Dabei ist die Charakterisierung der Lebenswelt davon abhängig, welche Teilnehmer*innen die auftretenden Wissenschaftler*innen für sich antizipieren. Diese Form der sprachlichen Kontextsetzung kann auch als Analogieverfahren beschrieben werden. Dabei werden (a) Beispiele aus der antizipierten Lebenswelt der Teilnehmer*innen miteinbezogen, (b) Vergleiche zwischen wissenschaftlicher und lebensweltlicher Perspektive hergestellt oder (c) Wissenschaftssprache über begriffliche Erläuterungen in Alltagssprache transferiert. Der komplette Verzicht auf Fachbegriffe läuft der wissenschaftlichen Fundierung der Slam-Performance hingegen zuwider. Die Slammer*innen nutzen die Analogien gleichzeitig als roten Faden durch ihre Slam-Performance, um eine inhaltliche Einheit zu generieren. Die Personen aus dem Publikum erfahren diese sprachliche Kontextsetzung dann als Einbettung in sprachliche Alltagszusammenhänge und als Übertragung im Sinne einer Veränderung des Abstraktionsniveaus. Hieran schließen sich auch Reflexionen aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum über die verwendeten Analogien und Abstraktionsniveaus an. Sie versuchen dann, den Prozess der sprachlichen Einbettung und Übertragung nachzuvollziehen. Dennoch sind die Nutzung von Analogien und die Veränderung des Abstraktionsniveaus nicht per se dazu geeignet, lebensweltliche Zugänge zu den wissenschaftlichen Inhalten für die Teilnehmer*innen zu schaffen. Die schriftliche Darstellung von Inhalten während der Slam-Performance kann als eine Kommentarfunktion gedeutet werden. Diese Form der Kontextsetzung von Sprache kommt reduziert zum Einsatz und wird genutzt, um Relevanzen zu betonen. Es werden vorwiegend Stichworte auf Präsentationsfolien eingeblendet, bei denen es sich um zentrale Begriffe der Slam-Performance oder Fachbegriffe handelt. Durch die Einblendung der Begriffe wird ihre thematische Bedeutung untermauert und eine Verbindungslinie in den Forschungsbereich aufgezeigt.

240 | Science Slam

Insgesamt geht es bei den sprachlichen Kontextsetzungen darum, den Teilnehmer*innen die gesellschaftlichen und lebensweltlichen Relevanzen der Themen zu verdeutlichen und dennoch wissenschaftliches Wissen bei gleichzeitiger Wahrung der wissenschaftlichen Inhalte verständlich zu vermitteln. (d) wissenschaftliche Illustration Mithilfe der wissenschaftlichen Illustrationen wird plastisch dargestellt, woran die Wissenschaftler*innen forschen/geforscht haben oder welche Ergebnisse aus ihrem Forschungsprozess erwachsen sind. Dabei werden die wissenschaftlichen Illustrationen nicht nur eingeblendet, gezeigt oder vorgeführt, sondern auch erklärt. Damit bieten diese Illustrationen auch einen Spannungsbogen für die Slam-Performance an, indem zunächst auf sie referiert wird und sie dann eingeblendet oder vorgeführt werden. Aus Perspektive der Personen aus dem Publikum bilden die wissenschaftlichen Illustrationen kein singuläres Unterhaltungsmoment ab, sondern bieten Verbindungslinien in den Forschungsprozess und zu Forschungsergebnissen an. Insofern untermauern Bilder, Gegenstände und Experimente den wissenschaftlichen Charakter, der den Inhalten der jeweiligen Slam-Performance zugeschrieben wird. Da die Illustrationen aus dem Forschungskontext stammen, begründen sie somit einerseits die Rolle der Slammer*innen als Wissenschaftler*innen sowie andererseits die Wissenschaftlichkeit der Inhalte der Slam-Performance. Sie stehen für die jeweilige Disziplinspezifik, die der Slam-Performance als Hintergrundfolie dient. Illustrationen dienen somit nicht nur der Unterstützung des Gesagten, sondern verweisen eben auch auf eine dahinter liegende Ebene. (e) visuelle Kontextsetzung Über visuelle Kontextsetzung wird – im Gegensatz zur sprachlichen Kontextsetzung – den Teilnehmer*innen mithilfe von Fotos, Zeichnungen, Skizzen, Filmen und Ähnlichem eine andere Analogieebene angeboten. Die wissenschaftlichen Inhalte werden über Visualisierungen, die außerhalb von wissenschaftlichen Kontexten stehen, in andere Zusammenhänge eingebettet. Gleichzeitig sind sie ein Angebot, das Abstraktionsniveau auf andere Kontexte zu übertragen. Durch Einbettung und Übertragung dienen die Visualisierungen also der Herstellung von Zusammenhängen und ermöglichen Verbindungen in die antizipierte Lebenswelt der Teilnehmer*innen. Aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum kann mit der Herstellung der inhaltlichen Zusammenhänge vor allem die Loslösung von der sprachlichen Abstraktionsebene betont werden. Daraus ergibt sich eine Transferierung des gesprochenen Wortes in Bildsprache. Gleichzeitig bieten die Visualisierungen ergänzend neben dem inhaltlichen auch einen visuellen roten Faden an, wenn auf

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 241

die entsprechende Visualisierung immer wieder im Verlauf der Slam-Performance zurückgegriffen wird. Dadurch wird ein Mittel zur Aufmerksamkeitslenkung generiert, die jedoch dem Anspruch unterliegen sollte, dass wissenschaftlichen Inhalte und Visualisierungen eine Einheit bilden, sodass diese Form der Kontextsetzung nicht (ausschließlich) dazu benutzt wird, der Unterhaltung der Teilnehmer*innen zu dienen. Die Visualisierungen können aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum dann emotional besetzt sein. (f) schematischer Aufbau Der schematische Ablauf erschließt sich aus der inhaltlichen Darstellung der einzelnen Slam-Performances. Als die beiden zentralen Einstiegsszenarien können auf Grundlage der hier erfolgten empirischen Untersuchung konkreter Slam-Performances die Definition des Forschungsproblems und die Darlegung der theoretischen Grundlagen abgeleitet werden. Beide Einstiegsszenarien beziehen sich auf die Relevanzsetzung und die Entwicklung eines Problembewusstseins im Verlauf der thematisch-inhaltlichen Darstellung. In der Auseinandersetzung mit dem inhaltlichen Aufbau der Slam-Performances wird ersichtlich, dass sich bestimmte inhaltliche Bausteine in den Slam-Performances immer wieder finden, auch wenn sie in der Strukturierung unterschiedlich angelegt sind. Diese inhaltlichen Bausteine werden dann in unterschiedlicher Detaillierung eingebracht und ermöglichen es für jede Slam-Performance, einen roten Faden nachzuzeichnen, der sich um die wissenschaftlichen Inhalte zentriert. (g) verständliche Wissenschaft Der aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen eingebrachte Anspruch auf Verständlichkeit der Wissenschaft ist zentral für die Ausgestaltung der Kommunikation innerhalb der Slam-Performances. Dieser Ansatz lässt sich über die Detaillierungen zur inhaltlichen Kommunikation ableiten und wird daher unterschiedlich gedeutet. Er spiegelt sich dann in den aufgezeigten Vermittlungspraktiken wider. Auf Basis der Einschätzung über die antizipierten Teilnehmer*innen durch die auftretenden Wissenschaftler*innen kann verständliche Wissenschaft dann gelingen, wenn Grundlagen als thematische Einführung vermittelt werden. Daneben ist verständliche Wissenschaft durch eine inhaltliche Überblicksdarstellung gekennzeichnet, mit der) zu einem konkreten Thema informiert wird. Sowohl die Einführung in ein als auch der Überblick zu einem Thema sind spezifisch inhaltlich ausgerichtet. Davon abgegrenzt kann verständliche Wissenschaft auch als ein allgemeiner Zugang zu einem Thema gefasst werden. Das heißt, dass die inhaltliche Spezialisierung aufgehoben wird und die Darstellung verbreitert wird. Alle drei Ansätze –

242 | Science Slam

Einführung, Überblick und allgemeiner Zugang – nehmen nicht die Gesamtheit der Teilnehmer*innen in den Blick. Werden nun alle Ansätze zusammengedacht, zielt das auf verständliche Wissenschaft für eine breitere Teilnehmer*innengruppen. Das heißt, dass zum einen das Thema breiter gefasst wird (allgemeiner Zugang), um mehr inhaltliche Verbindungslinien für die Teilnehmer*innen anzubieten, es wird sozusagen aus dem Forschungsfokus herausgezoomt. Gleichzeitig wird aber ein thematisch-inhaltlicher Fokus beibehalten (Überblick), um inhaltliche Überfrachtungen zu vermeiden. Zum anderen benötigen die wissenschaftlichen Ausführungen mehr Detaillierungen (Einführung), sodass auch hierüber Verbindungslinien angeboten werden. Die Herausforderung liegt in der Balance zwischen thematisch-inhaltlicher Ausdehnung, Fokussierung und Detaillierung.

7.3 FIGUREN DER ÜBERFÜHRUNG Mit den Figuren der Überführung in der spezifischen Kontaktfläche von wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen wird herausgearbeitet, wie an die Vermittlungspraktiken angeschlossen und das vermittelte Wissen in den Diskurs eingebracht wird. Dabei ist für die Kontaktfläche ›Science Slam‹ relevant, dass über die Slam-Performance die Möglichkeit gegeben ist, wissenschaftliches Wissen zu ver-öffentlichen, das Alltagswissen aber in seiner Anonymität verharrt. Der Diskurs wird also aufgrund der Ausrichtung des Veranstaltungsformats nicht geöffnet. Demnach fokussieren die Figuren der Überführung die Thematisierung des angebotenen wissenschaftlichen Wissens, spiegeln aber unterschiedliche Ebenen der Überführung wider. ›Überführung‹ referiert somit zunächst nicht auf eine einseitige Richtungsbetrachtung, sondern kann in unterschiedliche Richtungen, abhängig vom Inhalt der Überführung, erfolgen. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Überführung keinem Eins-zu-Eins-Transfer unterliegt, sondern Transformationen erfolgen. Der Begriff ›Überführung‹ bezieht sich dabei nicht auf den Ausgangspunkt der Überführung, der über die Vermittlungspraktiken beschrieben wird, sondern auf die darüber hinausreichenden möglichen Aneignungsprozesse. Diese werden durch die Vermittlungspraktiken angeboten. Die beide Stränge der Perspektivenverschränkung machen deutlich, dass aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen im Vorfeld der jeweiligen Slam-Performance Zielperspektiven der Überführung definiert werden, aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum im Anschluss an die Slam-Performances die situativ individuelle inhaltliche Kontextsetzung thematisiert wird. Die Figuren der Überführung ergeben sich somit durch die Verbindung von Vermittlungsprakti-

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 243

ken mit den thematisch-inhaltlichen Zielperspektiven der auftretenden Wissenschaftler*innen und den, durch die Personen aus dem Publikum eingebrachten, jeweiligen Situationsperspektiven. Die Differenzierung der Figuren der Überführung auf drei Ebenen resultiert aus der theoretischen Auseinandersetzung sowie der Stufung innerhalb der Ziel- und Situationsperspektiven. Auf der ersten Ebene handelt es sich um die Darlegung der angebotenen inhaltlichen Anschlussmöglichkeiten. Wie diese inhaltlichen Anschlüsse – angeboten über Vermittlungspraktiken – durch die Teilnehmer*innen weiterverfolgt werden, wird auf dieser Ebene nicht thematisiert. Es geht hier zunächst nur um die angebotenen inhaltlichen Verknüpfungen durch die Vermittlungspraktiken. Die darüber hinausführenden Verknüpfungen und Kontextsetzungen finden sich auf der Ebene der Auseinandersetzungen wieder. Hier wird konkret herausgearbeitet, wie sich die Teilnehmer*innen mit den in den Slam-Performances angebotenen Themen und Inhalten weiterbeschäftigen (können) und sich Inhalte angeeignet haben. Daran schließt sich die Ebene der Irritation, welche auf die gezielte Setzung von Lern- und Bildungsimpulsen abhebt. Die Darstellung der Perspektiven aus den einzelnen Perspektivengruppen erfolgt über eine tabellarische Strukturierung. Darüber können die jeweils thematisierten Figuren der Überführungen deutlicher eingebracht werden. Die Zielperspektiven der auftretenden Wissenschaftler*innen werden genauso wie die Situationsperspektiven der Personen aus dem Publikum sichtbar. Dabei können die Spalten zu den jeweiligen Perspektivengruppen im Verlauf gelesen werden, ihre Gegenüberstellung in Zeilen dient nicht der Kontrastierung im eigentlichen Sinne, sondern der Zuordnung zu thematischen Schwerpunkten in der jeweiligen Auseinandersetzung der Perspektivengruppen. (a) Anschlussmöglichkeiten – Detaillierung mit individuell-gesellschaftlicher Ansprache Tabelle 6 greift die Thematisierung der Anschlussmöglichkeiten in den einzelnen Perspektivengruppen auf. Es geht darum, die inhaltlichen Verknüpfungen, welche über die Vermittlungspraktiken hervorgerufen werden, herauszuarbeiten. Unterschieden wird dafür zwischen Zielperspektive und Situationsperspektive.

244 | Science Slam

Tabelle 6: Thematisierung von Anschlussmöglichkeiten über die Slam-Performance in den Perspektivengruppen Zielperspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen Es werden keine anderen Anschlussmöglichkeiten außerhalb von Thema und Inhalt beschrieben. Die Slam-Performance unterliegt dem grundlegenden Ziel, dass ein thematisch-inhaltliches Interesse geweckt wird. Ein individuell entstehendes Interesse speist sich aus dem Vermitteln von Informationen, an welches sich wiederum ein Erkenntnisgewinn knüpfen kann. Ein individuell entstehendes Interesse ist daran gebunden, dass die Inhalte der jeweiligen Slam-Performances in ihren Grundzügen verstanden sowie Kernaussagen durch die Teilnehmer*innen zum jeweiligen Inhalt erkannt werden.

Situationsperspektive der Personen aus dem Publikum Es werden thematisch-inhaltliche und visuelle/illustrative Anschlussmöglichkeiten beschrieben. Die Slam-Performance bietet zielführend eine Perspektivenerweiterung. Anschlussmöglichkeiten werden durch die Aufbereitung und Darstellung der Inhalte innerhalb der Slam-Performance und die Rahmenstrukturen des Veranstaltungsformats geschaffen. Durch das Herstellen einer inhaltlichen Vorstellungsebene über eine angepasste inhaltliche sowie visuelle/illustrative Abstraktionsebene können für die Teilnehmer*innen individuelle Verbindungslinien entstehen. Herausforderungen im inhaltlichen Zugang ergeben sich auf individueller Ebene, wenn (a) Thema/Inhalt individuell als ›nicht interessant‹ eingestuft werden und (b) daran gebunden individuelle thematische Deutungen und disziplinspezifische Zuschreibungen aufgrund von Erfahrungen Einfluss nehmen, (c) fehlendes Wissen Anschlussmöglichkeiten verhindert oder (d) aus der entgegengesetzten Perspektive durch das eigene thematische Vorwissen Inhalte kritischer reflektiert werden. Neben dieser individuellen Ebene greift auch eine strukturelle Ebene, wenn (e) über die Vermittlungspraktiken die

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 245

Zielperspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen

Situationsperspektive der Personen aus dem Publikum inhaltliche Kontextsetzung in lebensweltliche Zusammenhänge nicht gelingt oder (f) Inhalte durch Unterhaltungsmomente in der Slam-Performance überlagert werden.

Anschlussmöglichkeiten ergeben sich aus (a) einem inhaltlichen Bezug zu Forschungsproblemen und (b) einer begrifflichen Differenzierung sowie (c) durch das Herstellen eines Zusammenhangs zwischen lebensweltlichen und wissenschaftlichen Themen. Diese drei Aspekte werden als Anschlussmöglichkeiten hervorgehoben, die durch die eingebrachten Vermittlungspraktiken bedient werden. Letztlich kann jedoch jeder inhaltliche Aspekt innerhalb der Slam-Performance individuelle Anschlussmöglichkeiten bieten.

Anschlussmöglichkeiten ergeben sich aus (a) der Darstellung des Forschungsprozesses bis hin zu den Forschungsergebnissen, sodass die Teilnehmer*innen gedanklich Schritt für Schritt mitverfolgen können, wie das Forschungsergebnis entstanden ist, (b) der Herstellung von individuellen Bezugnahmen, sodass die Teilnehmer*innen sich persönlich angesprochen fühlen, (c) der Darstellung eines gesellschaftlichen, ökologischen oder politischen Problemaufrisses anhand der Inhalte, über den die Teilnehmer*innen zwar nicht zwingend auf einer individuellen, aber auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene angesprochen werden, (d) der Hervorhebung der Innovation von Inhalten, die gesellschaftliche, politische, kulturelle, ökonomische oder ökologische Prozesse betrifft oder (e) der einführenden Darstellung des Themas über eine individuellstilistische Ansprache, durch die eine Verschiebung von einer thematischinhaltlichen Ebene hin zu den Präsentationsmethoden stattfindet. Zudem bieten sich auf einer übergeordneten Ebene Anschlussmöglichkeiten,

246 | Science Slam

Zielperspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen

Situationsperspektive der Personen aus dem Publikum wenn darüber nachgedacht wird, wie eigene wissenschaftliche Inhalte visualisiert werden würden. Hier geht es dann in der Übertragung um das praktische Handeln im eigenen wissenschaftlichen Kontext.

Quelle: eigene Darstellung

Durch die Darstellung der Anschlussmöglichkeiten wird ersichtlich, dass aus Perspektive der Personen aus dem Publikum differenziert darüber reflektiert wird, wann inhaltliche Anschlussmöglichkeiten gegeben sind, jedoch auch, welche Herausforderungen für das generelle Entstehen von Anschlussmöglichkeiten vorhanden sind. Die Anschlussmöglichkeiten werden an die Vermittlungspraktiken gebunden, die hier auch einschränkend wirken können. Gleichzeitig bieten nicht nur Themen und Inhalte Anschlussmöglichkeiten, sondern auch genutzte Visualisierungen und Illustrationen. Die Zielperspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen für die Anschlussmöglichkeiten ist eher zurückhaltend formuliert, da sie über ein Vermitteln von Informationen und ein darüber entstehendes individuelles Interesse nicht weiter ausdifferenziert wird. Anschlussmöglichkeiten ergeben sich zusammengefasst besonders aus einer detaillierten, an den Forschungsprozess gebundenen Darstellung mit individuellen Bezugnahmen und_oder mit gesellschaftlichem Mehrwert. (b) Auseinandersetzungen – kommunikative Interaktionen durch emotionale Rückbindung Tabelle 7 greift die thematisch-inhaltlichen Kontextsetzungen, aber auch individuelle Reflexionen auf. Aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen wird im Vorfeld definiert, welche thematisch-inhaltlichen Auseinandersetzungen durch ihre Slam-Performance hervorgerufen werden sollen/können. Aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum wird in der Rückbetrachtung deutlich, welche thematisch-inhaltlichen Auseinandersetzungen nach der Science-Slam-Veranstaltung erfolgten und welche Kontexte eine Rolle spielten.

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 247

Tabelle 7: Thematisierung von Auseinandersetzungen in den Perspektivengruppen Zielperspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen Neben dem informativen Kontakt mit wissenschaftlichen Inhalten sollen auch Interaktionen mit diesen Inhalten angeregt werden. Diese Interaktionen verweisen auf weiterführende angedachte thematisch-inhaltliche Auseinandersetzungen.

Situationsperspektive der Personen aus dem Publikum Eine aktive, bewusste Auseinandersetzung mit Inhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass die Teilnehmer*innen von sich aus beginnen, sich mit den Inhalten der Slam-Performance(s) zu beschäftigen.

Als Herausforderung wird aus Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen die Balance zwischen der grundlegenden Wissensvermittlung und der Zielvermittlung von inhaltlichen Interaktionen thematisiert, denn ohne das Wissen um Themen und Inhalte können darauf bezogene thematischinhaltliche Interaktionen nicht stattfinden. Diese Herausforderung ist durch den Zeitrahmen der Slam-Performance kritisch eingeengt.

Die aufgeführten sechs Gründe für Herausforderungen im inhaltlichen Zugang für Anschlussmöglichkeiten spielen auch in die thematisch-inhaltliche Auseinandersetzung hinein. Besteht zu dem Thema kein thematisch-inhaltlich individueller Zugang, werden die Inhalte nicht entsprechend über Vermittlungspraktiken aufbereitet oder überlagern Präsentationsmethoden die Inhalte, werden weiterführende Auseinandersetzungen erschwert.

Die mit inhaltlichen Interaktionen verbundenen Auseinandersetzungen sollen in der Zielperspektive zu einer Anregung von inhaltlich diskursivem Denken, Umdenken und Andersdenken führen. Neben dem daran gebundenen

Neben dieser fehlenden Auseinandersetzung wird Auseinandersetzung auch als passiver Vorgang bestimmt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Inhalte eher in einem unbestimmten Kontext auf die Teilnehmer*innen ›treffen‹. Über die Slam-Performance(s) wird somit eine thematischinhaltliche Aufmerksamkeitslenkung in andere Kontexten angeboten. Für die aktive, bewusste Auseinandersetzung können stufenartig folgende vier Formen aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum unterschieden werden: (a) Empfehlung der Veranstaltung als

248 | Science Slam

Zielperspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen

Situationsperspektive der Personen aus dem Publikum

thematisch-inhaltlichen Bewusstsein wird eine kritische, thematisch-inhaltliche Reflexion fokussiert. Den Teilnehmer*innen wird die Möglichkeit gegeben, Zusammenhänge zu erkennen, die nicht nur eine inhaltliche Ebene meinen, sondern auf gesellschaftliche, politische, ökonomische, kulturelle, ökologische und individuelle Wechselverhältnisse abzielen.

Auseinandersetzung mit dem Veranstaltungsformat, (b) inhaltliche Erzählungen im Sinne der Beschreibung einzelner SlamPerformances, (c) informativer Austausch mit anderen Teilnehmer*innen direkt im Anschluss an die Science-Slam-Veranstaltung zu Slam-Performance-Inhalten sowie (d) Anstoßen von Diskussionen, indem die Inhalte der Slam-Performances auf einer individuellen und_oder gesellschaftlichen Ebene durch die Teilnehmer*innen als wichtig eingestuft werden.

Eine emotionale Ansprache soll Auseinandersetzungen anregen.

Inhalte müssen versprachlicht werden können, um eine Auseinandersetzung anzuregen.

Quelle: eigene Darstellung

Die Auseinandersetzung wird fundiert durch wissenschaftliches Prozess- und Hintergrundwissen sowie informatives Verbindungswissen. Für eine weiterführende Auseinandersetzung ist es daher wichtig, dass die Inhalte für die Teilnehmer*innen sprachliche Konsistenz aufweisen. Beide Perspektivengruppen referieren auf diese Herausforderung. Denn für die umfassende Zielperspektive der thematisch-inhaltlichen Reflexion bedarf es eines grundlegenden Wissens zu den Inhalten. Der Zugang zu einer fundierten Versprachlichung der Inhalte durch die Personen aus dem Publikum fördert Auseinandersetzungen. Diese Auseinandersetzungen bewegen sich dabei vor allem auf der Ebene des Austauschs mit anderen Personen. Zusammenführend können die Auseinandersetzungen als kommunikative Interaktionen beschrieben werden, die durch eine emotionale Ansprache hervorgerufen werden sollen. (c) Irritationen – Impuls zum Weiter-Denken eines gesellschaftlichen Problemaufrisses Tabelle 8 greift verschiedene Aspekte auf, mit denen Irritationen um- bzw. beschrieben werden. Ausgegangen wird von der im Vorfeld formulierten Zielperspek-

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 249

tive der auftretenden Wissenschaftler*innen, Lern- und Bildungsimpulse über die Slam-Performance zu setzen, sodass grundlegend ein irritierendes Moment wirken müsste. Die Irritationen verlagern sich dann in andere individuelle Kontexte. Die Situationsperspektive der Personen aus dem Publikum verweist auf explizit benannte und implizit herausgearbeitete Momente der Irritation. Tabelle 8: Thematisierung von Irritationen in den Perspektivengruppen Zielperspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen Die Setzung von Lern- und Bildungsimpulsen verharrt aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen in einer Diffusität. Die für die Auseinandersetzungen thematisierten Vermittlungsziele können jedoch auf individueller Ebene auch Irritationen hervorrufen, die die auftretenden Wissenschaftler*innen zwar nicht implizieren oder antizipieren können, aber andenken könnten. Es wird der generelle Zugang zum Bereich Wissenschaften, also ein Lernimpuls in Richtung der Wahrnehmung von Wissenschaften, jedoch nicht in Bezug auf das einzelne Thema deutlich.

Jedoch wird der zeitliche Rahmen der Slam-Performance ergänzend zu den über das Veranstaltungsformat eingeforderten Unterhaltungsmomenten den Irritationsmöglichkeiten als Einengung entgegengesetzt. Quelle: eigene Darstellung

Situationsperspektive der Personen aus dem Publikum Aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum können inhaltliche Aspekte, durch die bisheriges Wissen ergänzt wird, festgehalten werden.

Irritationen werden vor allem im Zusammenhang mit der angebotenen Anschlussmöglichkeit ›Darstellung eines gesellschaftlichen, ökologischen oder politischen Problemaufrisses‹ deutlich. Dieser Problemaufriss wird (a) einer gesellschaftlichen Fragestellung im Sinne eines Weiterdenkens und Mitdenkens zugeführt oder (b) als ein Anstoß zum Darüber-Nachdenken gewertet, ausgelöst durch eine thematisch-inhaltliche Sensibilisierung. Die individuellen Anknüpfungspunkte sind abhängig von Erfahrungen, Deutungen, Wissen und Emotionen der*des jeweiligen Teilnehmer*in/s.

250 | Science Slam

Können die auftretenden Wissenschaftler*innen aufgrund der Veranstaltungsstrukturen nur sehr vage und damit wenig ausdifferenziert die inhaltlichen Lern- und Bildungsimpulse beschreiben, sie aber eindeutig als Zielperspektive benennen, so lassen sich über die Aussagen der Personen aus dem Publikum individuelle Irritationen feststellen, die als unterschiedlichste Berührungspunkte zwischen den Inhalten der Slam-Performance und dem Wissen der*dem Teilnehmer*in sichtbar werden. Im Zentrum steht dabei die Darstellung eines gesellschaftlichen, ökologischen oder politischen Problemaufrisses, welche in verschiedenster Form Irritationen hervorruft. Anschließende thematisch-inhaltliche Aktivitäten führen die Personen aus dem Publikum auf die thematisch-inhaltliche Darstellung innerhalb der Slam-Performance zurück. Nicht jedem Thema wird dabei in der individuellen Bezugnahme die gleiche Bedeutung zugesprochen. Diese thematisch-inhaltliche Spezifizierung verbleibt bei den auftretenden Wissenschaftler*innen auf einer Ebene der generellen Fokussierung des thematisch-inhaltlichen Zugangs zu Wissenschaften als gesellschaftlichem Bereich. Deutlich wird insgesamt jeweils individuelle Zugang zu Inhalten. Zusammenführend kann der durch einen gesellschaftlichen Problemaufriss erzeugte Impuls zum Weiter-Denken und Darüber-Nachdenken hervorgehoben werden.

ZUSAMMEN-DENKEN: CHARAKTERISIERUNG DER KONTAKTFLÄCHE ›SCIENCE SLAM‹ Das als Kontaktfläche zwischen den Wissensstrukturen wissenschaftliches Wissen und Alltagswissen beschriebene Veranstaltungsformat Science Slam ist beeinflusst durch Inszenierungsstrategien und Vermittlungspraktiken, aus denen sich Figuren der Überführung ergeben. Alle herausgearbeiteten Merkmale sind hier fokussiert auf das wissenschaftliche Wissen, da dieses über das Veranstaltungsformat ver-öffentlicht wird. Das Alltagswissen wird hingegen im Science Slam nicht in einen öffentlichen Diskurs eingebracht. Demnach wird der Fokus bei der Herausarbeitung von Inszenierungsstrategien auf das wissenschaftliche Wissen gelegt, weil dieses im Sinne der Inszenierung im Veranstaltungsformat auf einer Bühne in Szene gesetzt, das heißt, aufgeführt wird. Die Inszenierungsstrategien, welche die Kontaktfläche charakterisieren, werden dabei durch die Konzeption des Veranstaltungsformats und durch die Slammer*innen hervorgerufen. Das Veranstaltungsformat forciert neben spezifischen Veranstaltungsorten und Darstellungsmomenten des wissenschaftlichen Wissens eine grundlegende Nutzenzuweisung, die sich in einem zirkulären Wechselverhältnis mit den Inszenierungsstrategien befindet. Die Slammer*innen bewegen sich als Präsen-

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 251

tierende des wissenschaftlichen Wissens zwischen der Befragung des jeweiligen Selbstverständnisses und der individuellen Wahrnehmung durch die Teilnehmer*innen. Die daran gebundene Bestimmung der eigenen Rolle durch die auftretenden Wissenschaftler*innen bedingt die Inszenierung des wissenschaftlichen Wissens. Hervorgerufen durch den Darstellungsanspruch des wissenschaftlichen Wissens als Inszenierungsstrategie wirken als weitere Aspekte verschiedene Vermittlungspraktiken auf die Kontaktfläche der Wissensstrukturen. Diese Vermittlungspraktiken werden auf das wissenschaftliche Wissen angewandt, welches über die Slam-Performance ver-öffentlicht wird. Grundlegend beeinflusst werden die Vermittlungspraktiken von der durch die auftretenden Wissenschaftler*innen antizipierten Teilnehmer*innenstruktur und durch die einzubringenden Inhalte. Die durch die Slam-Performance aufgerufene Vermittlungsperspektive unterliegt dabei wissenschaftlichen Kommunikationsprämissen, die durch das Veranstaltungsformat anderen Ausgestaltungsmöglichkeiten zugeführt werden. Sieben Vermittlungspraktiken konnten über die Verschränkung der Perspektivengruppen erschlossen werden: beziehungsabhängiger Vortragsstil, interaktive Teilnahme, sprachliche Kontextsetzung, wissenschaftliche Illustration, visuelle Kontextsetzung, schematischer Aufbau und verständliche Wissenschaft. Die Figuren der Überführung sind durch Inszenierungsstrategien und Vermittlungspraktiken grundlegend bedingt, da diese die Ausbildung der Kontaktfläche in ihrer Spezifik hervorrufen und die Kontaktfläche wiederum die spezifischen Figuren der Überführung ausbildet. Die Figuren der Überführungen bilden aus der Perspektive der auftretenden Wissenschaftler*innen eine Zielperspektive der SlamPerformance ab: Was wollen die auftretenden Wissenschaftler*innen bezogen auf die thematisch-inhaltliche Vermittlung erreichen? Welche thematisch-inhaltlichen Verknüpfungen wollen sie für die Teilnehmer*innen herstellen? Aus der Perspektive der Personen aus dem Publikum kann demgegenüber eine Situationsperspektive im Nachgang zur Science-Slam-Veranstaltung charakterisiert werden. Es geht dann nicht mehr nur um die Darstellung von Möglichkeiten im Anschluss an die SlamPerformances, sondern auch um die Nutzung und Kontextsetzung dieser Möglichkeiten unter bestimmten Bedingungen. Unterschieden wird für die Figuren der Überführung zwischen den über die Vermittlungspraktiken generierten Anschlussmöglichkeiten und weiterführenden Auseinandersetzungen sowie Irritationen. Abbildung 25 greift die benannten Merkmale der Charakterisierung der Kontaktfläche ›Science Slam‹ im Zusammenhang auf. Deutlich wird, dass die Kontaktfläche von den Inszenierungsstrategien gerahmt wird. Von innen heraus wirken auf die Kontaktfläche die Vermittlungspraktiken, welche wiederum beeinflusst werden durch die Inszenierungsstrategien. Über diese Merkmale hinweg entstehen die Figuren der Überführung.

252 | Science Slam

Abbildung 25: Merkmale der Charakterisierung der Kontaktfläche ›Science Slam‹

Quelle: eigene Darstellung

Insgesamt besteht zwischen den erschlossenen Merkmalen ein Bedingungsverhältnis, auf welches in besonderer Weise die Balance zwischen den Vermittlungspraktiken und der inhaltlichen Darstellung sowie die Einheit zwischen der auftretenden Person, den Vermittlungspraktiken und den Inhalten wirkt. Die Überformung eines beeinflussenden Aspektes wirkt möglichen Figuren der Überführung entgegen. Zentral ist die Zusammenführung von lebensweltlichen und wissenschaftlichen Begründungslogiken, die sich an der Darlegung einer gesellschaftlichen und individuellen Relevanz orientiert. Die durch die Slammer*innen eingebrachten Begründungslogiken richten sich dabei an den Teilnehmer*innen aus, die nur als antizipierte Teilnehmende von den auftretenden Wissenschaftler*innen erfasst werden können. Für die Personen aus dem Publikum entsteht ein emotionales InvolviertSein, welches individuelle Verbindungslinien hinein in die thematisch-inhaltliche Vermittlung ermöglicht. Diese Verbindungslinien erzeugen Reibungsflächen zwischen Vorwissen, Erfahrungen, Emotionen, Deutungen und den Inhalten, an die sich Aneignungsprozesse anschließen können.

Perspektivenverschränkung zur Ausdifferenzierung der Lernkultur | 253

Dem Veranstaltungsformat werden darüber drei Bedeutungen auf wissenschaftlicher Ebene zugeschrieben: wissenschaftliche Themen und Inhalte verständlich kommunizieren, dadurch Wissenschaften einer interessierten Öffentlichkeit für Auseinandersetzungen und wissenschaftliche Bildung zugänglich machen und andere Zuschreibungen für Wissenschaften schaffen.

8

Zusammenführende Reflexion und Ausblick

Im Hintergrund der folgenden Zusammenführungen stehen die eingangs formulierten Forschungsfragen. Demnach werden vier verschiedene Reflexionsstränge eröffnet, innerhalb derer auch weiterführende Forschungsansätze und Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die umfassende Forschungsfrage, wie sich das Konzept der erwachsenenpädagogischen Lernkulturen theoretisch erfassen und empirisch beschreiben lässt, wird in zwei Reflexionssträngen aufgegriffen. Einerseits wird im Detail entlang der spezifischen Lernkultur ›Science Slam‹ beschrieben, welche empirischen Erkenntnisse vor dem Hintergrund welcher theoretischen Annahmen miteinander verschränkt werden, sodass die Figur des Da-Zwischen sichtbar wird (Reflexionsstrang a). Abbildung 26 visualisiert die Zusammenhänge zwischen theoretisch fundierten Momenten der Lernkultur und empirisch erschlossenen Merkmalen der spezifischen Lernkultur vor dem Hintergrund didaktischer Handlungsebenen. Andererseits werden die theoretischen Annahmen zur Beschreibung von Lernkulturen pointiert dargestellt, um darüber die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Analysemöglichkeit zu begründen (Reflexionsstrang c). Diese Ausführungen beziehen sich nicht mehr auf die spezifische Lernkultur ›Science Slam‹, sondern verdeutlichen theoretische und methodische Ansatzpunkte zu generellen Überlegungen der Konzeption und Erfassung von erwachsenenpädagogischen Lernkulturen. An die umfassende Forschungsfrage wurde eine weiter differenzierende Forschungsfrage mit Unterfragen gebunden: Welche Charakteristika prägen das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Angebot im Rahmen der Wissenschaftskommunikation? Diese Forschungsfrage dient als Unterbau für die zuvor formulierte umfassende Forschungsfrage. Erst über deren detaillierte empirische Erschließung kann die spezifische Lernkultur erfasst werden. Die an Inszenierungsstrategien, Vermittlungspraktiken und Figuren der Überführung gebundene Charakterisierung für das Veranstaltungsformat Science Slam wird zu einer perspektivenverschrän-

256 | Science Slam

kenden Interpretation zusammengeführt. So kann das Veranstaltungsformat in seinen prägenden Merkmalen und aus unterschiedlichen Perspektivengruppen heraus, jedoch auch über deren Verknüpfung beschrieben werden. Für die hier vorliegende Zusammenführung interessiert nun weitergehend eine aus der Charakterisierung resultierende Einordnung des Science Slams zwischen Wissenschaftskommunikation und Erwachsenenbildung (Reflexionsstrang b). Da die Ausarbeitungen vor einem erwachsenenpädagogischen Hintergrund erfolgen, scheint es zudem notwendig, diese Blickrichtung auf den Bereich der Wissenschaftskommunikation anzuwenden (Reflexionsstrang d). Somit steht einerseits die erwachsenenpädagogische Fundierung von Veranstaltungen der Wissenschaftskommunikation im Fokus, aber andererseits auch die Diskussion um ein Bewusstsein für diese Angebote aus erwachsenenpädagogischer Perspektive.

(a) ER-FASSEN DER LERNKULTUR ›SCIENCE SLAM‹ IN DER ›FIGUR DES DA-ZWISCHEN‹ Als erwachsenenpädagogisches Konzept beschreiben Lernkulturen das Ergebnis von Aushandlungsprozessen zwischen und in den didaktischen Handlungsebenen auf Makro-, Meso- und Mikroebene (Fleige & Robak 2017). Demnach sind Lernkulturen in der Beschreibung nicht auf den Lehr- und Lernkontext der Mikroebene beschränkt, sondern verweisen darüber hinaus auf Zusammenhänge mit Handlungen auf der Meso- und Makroebene. Gleichzeitig sind sie eingebettet in gesellschaftlich-historische Kontextualisierungen. In dieser Multidimensionalität ergibt sich eine je einrichtungsspezifische Lernkultur. Das erwachsenenpädagogische Konzept ›Lernkultur‹ wird mit der vorliegenden empirischen Untersuchung nun übertragen auf einen Kontext außerhalb von einrichtungsspezifischen Kontexten. Es geht um die Er-Fassung der Lernkultur ›Science Slam‹, eines Veranstaltungsformats im Bereich der Wissenschaftskommunikation. Grundlage für die Betrachtung von Lernkulturen außerhalb einrichtungsspezifischer Kontexte ist die Befragung der Lernkultur nach ihren Vermittlungsangeboten und Inszenierungen der didaktischen Gestaltung auf den didaktischen Handlungsebenen, unabhängig vom Lernort (Faulstich & Haberzeth 2010). Die Beschreibung von Lernkulturen löst sich dann von den einrichtungsspezifischen Merkmalen und wird auf Zusammenhänge außerhalb von Erwachsenen- und Weiterbildungseinrichtungen übertragen. Dabei kann auch in diesen Kontexten zunächst ein didaktisches Handeln unterstellt werden. Der Fokus der empirischen Analyse liegt auf der Mikroebene, die Einbettung erfolgt darüber hinaus durch das Aufzeigen von Diskurs-

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 257

strängen auf mesodidaktischer Ebene sowie durch den Anschluss an theoretische Auseinandersetzungen in Bezug auf die makrodidaktische Ebene. Die Definition der makrodidaktischen Handlungsebene als Ebene, die implizite didaktische Entscheidungen durch Politikbereiche sowie das Selbst- und Aufgabenverständnis von Trägern und Einrichtungen umfasst (Tietgens 1992), ermöglicht es, dass Wissenschaftskommunikation in Diskurse der Wissenschaftspolitik und in darauf bezogene Gesellschaftsbereiche eingebettet wird. Wissenschaftskommunikation tritt schon an dieser Stelle in ein Wechselverhältnis zu medialen Veröffentlichungsstrategien. Daran knüpft sich dann auch ein Verständnis von Wissenschaftskommunikation und dessen Umsetzung in bestimmten Formatstrukturen an. Aus dieser Gemengelage heraus ergeben sich spezifische (didaktische) Ansätze zur Vermittlung von wissenschaftlichem Wissen (The Public Unterstanding of Science u. Ä.). Hier setzen mesodidaktische Überlegungen an, die die Programmplanung und Veranstaltungsdidaktik in den Blick nehmen (Tietgens 1992). Ein Veranstaltungsformat ist in diesem Zusammenhang der Science Slam, dessen Ausformung an charakteristische Anforderungen gebunden ist. Die Mikroebene umfasst die einzelne Science-Slam-Veranstaltung mit ihren jeweiligen Slam-Performances. In ihrem Zusammenwirken bilden die benannten didaktischen Handlungsebenen eine spezifische Lernkultur aus, die in ihrer Spezifik analytisch erschlossen wird. Als Momente, die auf die Lernkultur einwirken, so die Annahme, fungieren Emotionen und Beziehungen, Erfahrungen und Deutungen sowie Atmosphäre und Raum. Spezifisch in Bezug auf diese Lernkultur wird zudem ein performancetheoretischer Ansatz als Merkmal integriert. Es handelt sich bei den Momenten um eine theoretische Hintergrundfolie zur Beschreibung von Lernkulturen, die in der jeweils spezifischen Lernkultur charakterisiert werden können. Erst das Sichtbarmachen der unterschiedlichen einflussnehmenden Momente in ihrer jeweils spezifischen Ausprägung ermöglicht es, Muster zu erkennen und diese dann als Lernkultur zu spezifizieren. Dazu bedarf es der Zusammenführung in der Figur des Da-Zwischen. Ausgehend von der didaktischen Makroebene wird deutlich, dass Wissenschaftspolitik eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Forschungsprozessen sowie administrativen und ethischen forschungspraktischen Grundlegungen spielt. Wissenschaften werden durch politische Entscheidungen gestützt, begründet und finanziert. Dennoch befinden sich Politik und Wissenschaft auch in einem legitimatorischen Abhängigkeitsgefüge. Diese Zusammenhänge haben demnach Auswirkungen auf die konzeptionelle Ausrichtung von Wissenschaftskommunikation, die vor dem Hintergrund eines intermediären Ver-Mittlungsraumes gefasst werden kann. In diesem intermediären Ver-Mittlungsraum werden akteur*innenspezifische Bedarfe und Bedürfnisse sichtbar und ausgehandelt. Es treffen sich dort u. a. mehrstimmige Nützlichkeitserwartungen, Teilhabeinteressen, Ressourcenbedarfe sowie

258 | Science Slam

Autonomiebestrebungen. Daraus entwickeln sich zum einen mediale Strukturen der Wissenschaftskommunikation, die auf wirtschaftliche Positionierung, politische Einflussnahme und_oder eine öffentliche Kommunikation wissenschaftlichen Wissens unter medialen Operationslogiken abzielen, zum anderen unterschiedliche öffentliche Beteiligungsformate an wissenschaftlichem Wissen, die vorwiegend auf ein kommunikatives Defizitmodell abheben. Implizite oder explizite didaktische Überlegungen werden an dieser Stelle nicht sichtbar. Anknüpfend an diese Zusammenhänge kann nun das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ als Beispiel für die strukturellen Ausformungen der Wissenschaftskommunikation herausgegriffen werden. Das Veranstaltungsformat bewegt sich außerhalb von bekannten wissenschaftlichen Vermittlungsangeboten und folgt dem Trend eines diffusen gesellschaftlichen Interesses an wissenschaftlichen Themen. Es zielt auf die Initiierung eines Dialogs zwischen wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeiten und Wissenschaftler*innen ab. Der Dialog selbst ist außerhalb des Veranstaltungsformats zu verorten, denn innerhalb der Veranstaltung wird nur das wissenschaftliche Wissen ver-öffentlicht. Grundlegendes Merkmal des Formats ist sein Vermittlungsanspruch von wissenschaftlichen Inhalten. Dabei wird der Science Slam aufgrund seiner Formatstrukturen als Möglichkeit der Freizeitgestaltung anerkannt. Das heißt, dass die Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten in Freizeitaktivitäten integriert wird und wissenschaftliches Wissen in individuelle Alltagspraxen eingebunden wird. Auf dieser didaktischen Mesoebene ist das Veranstaltungsformat gekennzeichnet durch ›Inszenierungsstrategien‹ des wissenschaftlichen Wissens, die wiederum Einfluss nehmen auf die Vermittlungspraktiken innerhalb des Veranstaltungsformats. Diese Inszenierungsstrategien beeinflussen jede einzelne Science-SlamVeranstaltung. Differenziert wird zwischen der Inszenierung bestimmter Nutzenzuweisungen des wissenschaftlichen Wissens, der Inszenierung der Ver-Ortung des wissenschaftlichen Wissens, der Inszenierung der Darstellung des wissenschaftlichen Wissens sowie der Inszenierung der Slammer*innen in ver-mittelnder Position zwischen wissenschaftlichen Inhalten und Teilnehmer*innen. Die Inszenierungsstrategien fordern auf der didaktischen Mikroebene ›Vermittlungspraktiken‹ ein, die an die Spezifik des Veranstaltungsformats gebunden sind. Diese Vermittlungspraktiken werden vorwiegend durch die Inszenierung der Darstellung des wissenschaftlichen Wissens und die Inszenierung der Slammer*innen in ihrer ver-mittelnden Position erzeugt, werden aber erst durch die Inszenierung der Nutzenzuweisung und der Ver-Ortung grundsätzlich ermöglicht. In der Analyse des Forschungsgegenstandes ›Science Slam‹ konnten verschiedene Vermittlungspraktiken differenziert beschrieben werden, die die Spezifik der Kontaktfläche zwischen den Wissensstrukturen bedingen: beziehungsabhängiger Vortragsstil, interak-

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 259

tive Teilnahme, sprachliche Kontextsetzung, wissenschaftliche Illustration, visuelle Kontextsetzung, schematischer Aufbau und verständliche Wissenschaft. Deutlich wird, dass vor allem der beziehungsabhängige Vortragsstil eine umfassende Relevanz für die Slam-Performance erhält. Diese persönliche Kopplung der Inhalte kann auf die Formatstrukturen zurückgeführt werden. Die eingebrachten Vermittlungspraktiken bedingen ›Figuren der Überführungen‹. Sie kennzeichnen spezifische ›Anschlussmöglichkeiten‹ an die Vermittlungspraktiken. Es geht darum, die Slam-Performance so zu gestalten, dass für die Teilnehmer*innen thematisch-inhaltliche oder auch visuell-illustrative Verbindungslinien bzw. Verknüpfungspunkte entstehen, die von den Teilnehmer*innen je individuell wahrgenommen und ausgestaltet werden (können). Diese Ausgestaltung wird daran anschließend durch die Figur der Überführung ›Auseinandersetzung‹ beschrieben. Deutlich wird vor allem eine kommunikative Auseinandersetzung der Teilnehmer*innen, der die Herausforderung der inhaltlichen Versprachlichung zugrunde liegt. Weiterführend können an diese Auseinandersetzungen ›Irritationen‹ anschließen. Sie heben Erfahrungen, Erwartungen, alltägliche und selbstverständliche Überzeugungen sowie daran anschließende Antizipationsmuster aus ihrer Latenz heraus. Irritationsfähigkeit bezieht sich somit auf einen bis dahin unreflektierten Wahrnehmungsbereich. Wenn an diesem Punkt Befremdung, Überraschung, Reibung und resonante Echowirkungen zugelassen werden, wird auf Lernmomente und Bildungsimpulse verwiesen. Beide Aspekte bleiben in der analytischen Darstellung abstrakt und unspezifisch, jedoch lassen sich Irritationsfunken über die Figuren der Überführung erkennen. Werden hinter den herausgearbeiteten Inszenierungsstrategien, Vermittlungspraktiken und Figuren der Überführung die theoretisch begründeten Momente der Lernkultur gelegt, wird für den Science Slam deutlich, dass ›Raum und Atmosphäre‹ eine grundlegende Bedeutung für die Ausbildung dieser Lernkultur haben. Als Moment der Lernkultur stehen sie im Wechselverhältnis mit der erschlossenen Inszenierung der Ver-Ortung des wissenschaftlichen Wissens und machen in der Thematisierung Verbindungen zu Erfahrungen und Deutungen sichtbar. In der Auseinandersetzung werden Ortszuschreibungen nach der Bedeutung für die Vermittlung wissenschaftlichen Wissens befragt. Gleichzeitig wird die Ver-Ortung von Wissenschaften reflektiert. Orte werden durch die Verschiebungstendenzen jedoch nicht nur hinterfragt, sondern befördern soziale Praktiken, die außerhalb der wissenschaftlichen Ver-Ortung gedacht werden. Diese gestalten sich durch das Auftreten und Verhalten der Teilnehmer*innen in der jeweiligen Veranstaltung aus. Raumzuschreibungen überlagern sich, und genau diese Überlagerung ruft Reibungspunkte hervor. Gleichzeitig führt eine Ausdifferenzierung der Räume zu einer spezifischen

260 | Science Slam

Atmosphäre, welche in der wechselseitigen Bedingtheit zwischen Entstehen-Lassen und Beeinflussen hervorgerufen wird. Als Inszenierungsstrategie wirkt sich die Ver-Ortung des wissenschaftlichen Wissens auf die ›Performance‹ als Moment der Lernkultur aus. Die Ver-Ortung bedingt eine spezifische Ausgestaltung dieser Performance. Denn durch die Ver-Ortung wird die Veränderung der Rollenzuschreibungen explizit in der Analyse sichtbar und verharrt nicht in den performancetheoretischen Annahmen. Gleichzeitig wird der in der Performance entstehende Zwischen-Raum sichtbar, der die Wahrnehmung herausfordert. Beeinflusst wird diese Wahrnehmung durch die Inszenierung der Nutzenzuweisungen zum Veranstaltungsformat und durch die Beschreibung der Rolle der Slammer*innen in ihrer Ver-Mittlungsposition zwischen Teilnehmer*innen und Inhalten. Detailliert lässt sich das entlang der Inszenierung der Darstellung des wissenschaftlichen Wissens, welche sich durch Vermittlungspraktiken äußert, beschreiben: Deutlich wird die Auflösung der Rollenzuschreibungen über die leibliche Ko-Präsenz der beteiligten Akteur*innen. Sie bewegen sich aufeinander zu, stimmen sich ab, nehmen sich gegenseitig wahr. Rollenzuschreibungen werden verschoben, sodass vertraute Zusammenhänge infrage gestellt werden. Sichtbar werden diese Verschiebungen über die interaktive Teilnahme als Vermittlungspraktik. Beziehungsabhängiger Vortragsstil, sprachliche Kontextsetzungen und visuelle Kontextsetzungen referieren vor allem auf die Emotionen der Teilnehmer*innen und die Gestaltung einer Beziehung zwischen Teilnehmer*innen und Inhalt. Diese Vermittlung wird durch Praktiken der wissenschaftlichen Illustration und durch den schematischen Aufbau der Slam-Performance wieder eingefangen und an den wissenschaftlichen Hintergrund rückgebunden. Die Konzentration auf ›Emotionen und Beziehung‹ als Moment der Lernkultur wird demnach gekoppelt an individuelle ›Erfahrungen und Deutungen‹ als weiteres Moment der Lernkultur. Im Zusammenwirken ermöglichen sie das inhaltliche Nachspüren und die Ausgestaltung der Figuren der Überführung. Über die Erfahrungen des inhaltlich Neuen ergeben sich Anregungen, die ein emotionales In-Bewegung-Bleiben auslösen (können), auch bei negativen Emotionen. Hieraus wird die Dynamik der Figuren der Überführung begründet. Sie stellen mögliche Ankerpunkte für Lernmomente und Bildungsimpulse dar. Abbildung 26 fasst die herausgearbeiteten Merkmale der Lernkultur ›Science Slam‹ aufgrund des erschlossenen Materials auf meso- und mikrodidaktischer Handlungsebene vor dem Hintergrund der theoretisch angelegten Momente der Lernkultur zusammen. Ausgangspunkt sind in der Betrachtung die beiden Perspektivengruppen auftretende Wissenschaftler*innen und Personen aus dem Publikum. Über didaktische Handlungsebenen in und Momente der Lernkultur bildet sich die Figur des Da-Zwischen dieser spezifischen Lernkultur aus. Sie ist geprägt durch die

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 261

eingebrachten Perspektiven, welche über eine Verschränkung die spezifischen Merkmale dieser Lernkultur erkennen lassen. Es wird schon an dieser Stelle die Detaillierungsnotwendigkeit und Komplexität deutlich, um eine Lernkultur erfassen zu können. Noch außer Betracht gelassen wurde die makrodidaktische Handlungsebene, die über empirische Bezüge zu ergänzen wäre, da sich die Gesamtheit der Lernkultur erst über die Verschränkung aller didaktischen Handlungsebenen erschließt. Hier würden durch das Einbeziehen weiterer Akteur*innen Zielstrategien der Wissenschaftskommunikation erarbeitet werden, die wiederum an den Inszenierungsstrategien gespiegelt werden könnten. Gleichzeitig liegt der Fokus zur Er-Fassung dieser Lernkultur auf den Vermittlungspraktiken, die zwischen Inszenierungsstrategien und Figuren der Überführung eingebettet sind. Diese Perspektive ist durch das Veranstaltungsformat selbst bedingt. Daher können Erfahrungen, Deutungen, teilweise auch Emotionen und Beziehungen als Momente der Lernkultur nur theoretisch rückgebunden werden. Um Erfahrungen und Deutungen zu erschließen, sind die Teilnehmer*innen dann nicht nur in der Perspektive auf etwas zu befragen, sondern viel stärker in ihrer Biografie in Bezug auf Wissenschaften und wissenschaftliche Inhalte und die daran gebundenen Erfahrungen und Deutungen zu reflektieren. Hier verschieben sich die Betrachtungen der Lernkultur in eine Tiefenstruktur, die in die Lernkultur von ›außen‹ eingebracht wird. In der weiteren Ausdifferenzierung der Figuren der Überführung bietet es sich daher auch an, nicht nur die thematisierten Möglichkeiten und Formen der Überführung zwischen den Wissensstrukturen zu erschließen, sondern auch weiterführende Grundlegungen zur Genese von Interessen (Grotlüschen 2010) mit aufzunehmen. Diese deuten sich in den Anschlussmöglichkeiten an, würden aber über diesen Ansatz noch feingliedriger sichtbar. So kann noch stärker betont werden, dass die gegenständliche Erstberührung zentral ist für ein Annehmen oder Zurückweisen von Interessen.

262 | Science Slam

Abbildung 26: Lernkultur ›Science Slam‹ in der Figur des Da-Zwischen

Quelle: eigene Darstellung

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 263

(b) BETRACHTUNG DES VERANSTALTUNGSFORMATS ›SCIENCE SLAM‹ ZWISCHEN WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION UND ERWACHSENENBILDUNG Science Slam ist Teil des Ensembles an Veranstaltungsformaten der Wissenschaftskommunikation. Ausgewählt wurde dieses Format für eine nähere Betrachtung, weil durch den expliziten Anspruch des Veranstaltungsformats, Wissenschaften aus den ihnen zugeschriebenen Orten heraus zu verlagern, die Verschiebung von örtlichen Funktionalitätszuschreibungen im Veranstaltungsformat eine zentrale Rolle spielt. Zudem übernehmen im Science Slam Wissenschaftler*innen selbst die Aufgabe der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens. Ihnen wird somit ermöglicht, ein gewähltes wissenschaftliches Thema Öffentlichkeiten zu präsentieren. Wie genau sich die Teilnehmer*innenstruktur an der Science-Slam-Veranstaltung ausgestaltet, ist dabei nicht im Voraus zu bestimmen. Diese zwei konzeptionellen Ansprüche des Veranstaltungsformats belegen Entwicklungen im Bereich der Wissenschaftskommunikation (Weingart 2001, 2005). Wissenschaftskommunikation ist dabei eingespannt zwischen unterschiedlichen Interessenlagen. Demnach bewegt sie sich vor einem intermediären Ver-Mittlungsraum. Verschiedenste Bedarfe und Bedürfnisse werden aus unterschiedlichen Akteur*innenperspektiven eingebracht und müssten in der jeweils spezifisch ausgestalteten Wissenschaftskommunikation ver- und ausgehandelt werden. Dazu dienen Formate der Wissenschaftskommunikation, die durch jeweils unterschiedliche Zielsetzungen und Praktiken gekennzeichnet sind. Einerseits unterliegen sie jedoch häufig Defizitzuschreibungen mit Blick auf die zu adressierenden Öffentlichkeiten, andererseits bekommen sie nicht alle Öffentlichkeiten in den Blick. Daher spielt ein diskursives Format der Wissenschaftskommunikation oder eine den Austausch fokussierende Wissenschaftskommunikation in den aktuell festgestellten Ausrichtungen der Wissenschaftskommunikation kaum eine Rolle. Dieses Format müsste einer kommunikationswissenschaftlichen und (erwachsenen-)pädagogischen Fundierung ebenso wie einer Auflösung der Defizitzuschreibung unterliegen. Eine (erwachsenen-)pädagogische Fundierung verdeutlicht zunächst die grundlegenden Herausforderungen an Vermittlung, was dann darauf verweist, zwischen Lernenden und Lerngegenstand unter dem Anspruch einer erweiterten individuellen Weltverfügung zu vermitteln. Es handelt sich somit um keine einfache Linearitätsoder Transfervorstellung, sondern um einen – komplexen Eigenlogiken folgenden – Transformationsprozess. Gleichzeitig hebt die Fundierung eine einseitige Perspektive auf den Vermittlungsprozess auf und lässt den Prozess des Aneignens mit in die Überlegungen einfließen. Es werden dadurch die zugrunde liegenden biografisch

264 | Science Slam

eingewobenen und kontextbezogenen Erfahrungen, Deutungen und Wissensstrukturen individuell rückgebunden. Gleichzeitig wird die Relevanz der individuellen Eigenleistung betont, wodurch das Angeeignete selbst individuell rückgebunden bleibt. Eine (erwachsenen-)pädagogische Fundierung ermöglicht außerdem das Einziehen einer kritischen Reflexionsinstanz oder ganz grundlegend die Sensibilisierung für Wissenschaften und Verwissenschaftlichungsprozesse. Dieser Zugang fördert einerseits ein Wechselverhältnis zwischen Zentrum und Peripherien (Peters 1993) und hebt andererseits die Bedeutung der Peripherien in der Kommunikation hervor. Deutlich wird darüber, dass nicht nur die Formate der Wissenschaftskommunikation allein wissenschaftliche Bildung stützen, sondern Beratung sowie Erwachsenenund Weiterbildungsangebote mit sichtbaren wissenschaftlichen Inhalten zielgruppenspezifisch platziert werden. Das Veranstaltungsformat ›Science Slam‹ lässt sich zwischen Beteiligungs- und Erlebnisformaten der Wissenschaftskommunikation eingruppieren. Es ergibt sich kein diskursiver, dialogischer Austausch zwischen Akteur*innen aufgrund der Anlage des Veranstaltungsformats, sondern eine Fokussierung der Inszenierung wissenschaftlichen Wissens. In der Analyse wird ergänzend deutlich, dass in den Slam-Performances eingebrachte Unterhaltungsmomente als Vehikel für die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte und Themen charakterisiert werden können. Das lässt zunächst schlussfolgern, dass die Teilnehmer*innen einen Anspruch an die Science-Slam-Veranstaltung formulieren, der sich auf einer informativen Vermittlungsebene bewegt, und somit einen fehlenden diskursiven Austausch annehmen. Entwicklungen des Veranstaltungsformats selbst zeigen zudem, dass der Vortrag im Science Slam zunehmend zu einer multiorchestralen, ganzkörperlichen Kommunikation wird, sodass sich neue Kommunikationsformen und Visualisierungsansprüche hin zu einer Versinnlichung der Slam-Performances herausbilden (Hill 2018). So lässt sich dieses Veranstaltungsformat nicht nur entlang einer Eventorientierung charakterisieren, sondern als performanceorientierte Aktivität einordnen. Diese performanceorientierte Aktivität innerhalb der jeweiligen Slam-Performance wiederum erzeugt eine Interaktionsästhetik (Preckwitz 2002). Über die leibliche Ko-Präsenz zwischen den beteiligten Akteur*innen und der damit einhergehenden veränderten Rollenzuschreibung entsteht ein Ereignis, in das alle Beteiligten involviert sind (Fischer-Lichte 2004). Eine Slam-Performance ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zuschauenden in die Performance miteinbezogen werden und somit zu teilnehmenden Akteur*innen im Prozess der Herstellung einer Performance werden. Daraus lassen sich interaktive, kollektive und individuelle Handlungen ableiten, die einen versinnlichten Kontext der Slam-Performance erzeugen. Diese Wahrnehmungsverschiebungen generieren einen Raum, der durch ein produktives Zusammenwirken gekennzeichnet ist.

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 265

Diese Zuschreibung von Produktivität verdeutlicht, dass über das ›Betreten‹ des erzeugten Raums Vertrautes herausgefordert wird und Reibungsflächen entstehen. Hier schließt die Annahme an, dass im Science Slam, aber auch in anderen Formaten der Wissenschaftskommunikation unterschiedliche Wissensstrukturen miteinander in Kontakt treten. Genau dieser Aspekt betont die Erzeugung der beschriebenen Produktivität innerhalb von Performances. Die Wissensstrukturen werden nicht im Rahmen einer Höherwertigkeitsthese oder eines Homogenitätsmythos beschrieben, sondern in ihren Entstehungskontexten wahrgenommen, sodass auch die Eigenständigkeit der Wissensstrukturen bewahrt wird. Gleichzeitig, und das ist die zentrale Begründungslinie für das Entstehen von Transformationsprozessen, können diese Wissensstrukturen aufeinandertreffen. Bei diesem Zusammentreffen bildet sich eine Kontaktfläche aus, die aufgrund der jeweiligen Kontextierung der Wissensstruktur ein Spannungsfeld eröffnet, welches durch einen Strukturbruch geprägt ist (Schäffter 2001). Irritationen werden erzeugt, indem Erfahrungen und Erwartungen, selbstverständliche Überzeugungen und daran anschließende Antizipationsmuster aus ihrer Latenz herausgehoben werden. Das Vertraute wird dabei infrage gestellt. Es entsteht ein produktiver Prozess, an den sich Lernimpulse und Bildungsmomente binden. Die analytisch erschlossenen ›Figuren der Überführung‹ kennzeichnen daran anschließend mögliche Irritationsfunken. Es wird ein inhaltliches Berührt-Sein sichtbar, welches der Ausgangspunkt einer Interessengenese (Grotlüschen 2010) und daran anknüpfenden Aneignungslogiken (Dinkelaker & Kade 2011) ist. »Interesse ist ein zyklisches Verhältnis eines Akteurs zu einem als relevant und attraktiv bewerteten Gegenstand« (Grotlüschen 2010: 183). Diese Bewertung fußt dabei auf Erlebnissen, Erfahrungen, Anregungen und Umgebungsstrukturen, die in Berührung mit dem Gegenstand treten. Ein Interesse entsteht demnach nicht »diffus aus dem Innern eines Menschen« (Grotlüschen 2010: 188), sondern aus der Berührung. Dieser Berührung, welche als pointiert, kontinuierlich, diffus oder abwägend beschrieben werden kann (Grotlüschen 2010), folgt eine Latenzphase – das Interesse ist noch fragil, es kann sich verschieben, pausieren oder durch weitere Berührungen zu einem stabilen Interesse entwickeln (Grotlüschen 2010: 200). Verschiedene Einflüsse und Beteiligungsstrukturen werden wirksam. Die Slam-Performance bietet hier einen Zwischen-Raum in der Differenzierung zu Bekanntem und Erfahrenem an und ermöglicht darüber eine Ent-Selbstverständlichung. Es handelt sich dabei um keine ganzheitliche Aneignung. Der Science Slam bietet eine informative Vermittlung im Umgang mit Wissen an (Kade 2005; Kade & Seitter 2007a, 2007b). In der informativen Vermittlung wird die Aneignung in der Kommunikation nicht als Problem reflektiert, sondern im Fokus steht die Vermittlung. Die Aneignung des Wissens bleibt den Zuhörer*innen, Zuschauer*innen, Leser*innen oder Teilneh-

266 | Science Slam

mer*innen überlassen. Kennzeichnend dafür sind die Inszenierungsstrategien und Vermittlungspraktiken, die das wissenschaftliche Wissen in den Mittelpunkt rücken und eine Berührung erzeugen können. Weiterführend richtet sich der Science Slam somit nicht daran aus, Gewissheiten zu produzieren, sondern, im Rahmen performancetheoretischer Grundlegungen, Zwischen-Räume zu erzeugen und Irritationsfunken zu setzen.

(c) ERSCHLIESSUNG VON ERWACHSENENPÄDAGOGISCHEN LERNKULTUREN Grundlegend unterscheiden sich Lernkulturen danach, wie sich Merkmale, Begründungslogiken, Einflussgrößen und handelnde Akteur*innen sowie ihre Bezugnahmen zwischen und in didaktischen Handlungsebenen ausgestalten. Zu überlegen ist, welche Aspekte die zu betrachtende Lernkultur bedingen. In diesem Zusammenwirken bildet sich die jeweilige Lernkultur aus. In der Erwachsenenbildung und Weiterbildung lassen sich aufgrund der Trägervielfalt und Einrichtungsheterogenität unterschiedlichste Lernkulturen beschreiben. Als zentrale Momente einer Lernkultur werden in den vorliegenden Ausarbeitungen Emotionen und Beziehungen, Erfahrungen und Deutungsmuster sowie Raum und Atmosphäre erkannt. Sie werden theoretisch rückgebunden und fundieren eine Lernkultur. Da Lernkulturen keine starren Gebilde umreißen, handelt es sich hierbei um bewegliche Aspekte. Die Momente können punktuell aufscheinen oder auch über eine bestimmte Zeitspanne wirken, bilden jedoch keine feststehenden, unveränderlichen Faktoren, sondern kennzeichnen häufig Gewohnheiten. Eine Erstarrung dieser Gewohnheiten führt zu einem Ausschließen von Lern- und Bildungsprozessen, eine Lernkultur in dem hier verstandenen Sinne ist dann nicht mehr existent. Auf die drei Momente wird zurückgegriffen, weil sie durch die jeweils involvierten Akteur*innen eingebracht und definiert sowie in den Akteur*innenkonstellationen ausgehandelt werden. Darüber bilden sich nicht nur Beziehungsgefüge aus, sondern auch andere beeinflussende Momente. Demnach ist eine individuelle Grundlegung für die Lernkultur leitend. Beziehungen, die auf den verschiedenen didaktischen Handlungsebenen in unterschiedlicher Prägnanz und Abhängigkeit ausgebildet werden können, werden nur selten auf mikrodidaktischer Handlungsebene und noch seltener auf meso- und makrodidaktischer Handlungsebene ausreichend in der Erwachsenenbildungswissenschaft (empirisch) rückgespiegelt, obwohl ihnen eine grundlegende Relevanz für Lern- und Bildungsprozesse zugesprochen wird (Gieseke 2007a). Diese Relevanz meint hierbei nicht nur fördernde Auswirkungen auf Lernen und Bildung, son-

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 267

dern auch die Ausbildung von Lernwiderständen und die Tradierung bestehender Beziehungsdeutungen, sodass Lerninhalte im Prozess selbst leicht ›überdeckt‹ werden können. Vor allem auf mikrodidaktischer Ebene sind demnach die Inhalte in den Vordergrund zu stellen und die Personen in ihrem jeweiligen Sein zu akzeptieren, sodass Beziehungen nicht verdeckend wirken. Unzweifelhaft sind hier die Verbindunglinien zu Emotionen, Erfahrungen und Deutungsmustern erkennbar. Emotionen bilden den zentralen Ankerpunkt in Kognitionsprozessen und steuern das Handeln vordergründig, wenn sie nicht von Wissen und Inhalten flankiert werden. Gleichzeitig ermöglichen sie die Besetzung von Erfahrungen mit Emotionen. Diese emotionale Besetzung ermöglicht es, dass Erfahrungen in ähnlichen Kontexten rückerinnert werden und Wirkung entfalten. Sie werden somit neben Deutungen zum Bestandteil des individuellen Alltagswissens (Schütz 2003a [1945]). Menschen greifen bei der Wahrnehmung der Welt und des Selbst auf vorhandene individuelle Kategorien und Typisierungen zurück. Demnach können auch Erfahrungen und Deutungsmuster Lernwiderstände erzeugen. Als stabilisierende Aspekte in der Selbst- und Weltwahrnehmung entfalten sie unhinterfragte Strukturierungen, die nur über eine erarbeitete Offenheit angepasst, vergessen und bearbeitet werden können. Deutlich ist, dass diese Momente immer eingebracht werden, wenn Menschen handeln. (Lern-) Orte sind daneben von verschiedenen Räumen überlagert, innerhalb derer sich in der Konstellation zwischen Akteur*innen, Zuschreibungen, Inhalten und Wechselwirkungen Atmosphären ausbilden, die wiederum er-spürbar werden und emotionale Bindungen erzeugen. Ein solcher Raum entsteht jeweils durch Bewegung, Wahrnehmung sowie soziales und symbolisches Handeln, sodass er nicht nur konkret-materiell, sondern durch Raumvorstellungen und soziale Aushandlungs- sowie Interaktionsprozesse bestimmt wird. Diese Momente der Lernkultur sind grundlegend in alle Lernkulturen eingeschrieben und bilden sich in und zwischen den didaktischen Handlungsebenen aus und werden in diese eingebracht. Wird nun eine spezifische Lernkultur fokussiert, ist danach zu fragen, welche weiteren Momente diese Lernkultur prägen. Für den ausgewählten Forschungsgegenstand werden an dieser Stelle Bezüge zu theoretischen Fundierungen der Performance hergestellt. Sie wird damit zu einem weiteren Moment der Lernkultur. Über Performances generieren sich Rollen- und Wahrnehmungsverschiebungen (Fischer-Lichte 2004), die eine leibliche Ko-Präsenz der Beteiligten einfordern. Diese leibliche Ko-Präsenz bedeutet zunächst, dass sich die Anwesenden spürbar in andere Rollenzuschreibungen begeben, woran die Ausgestaltung der Beziehungen anknüpft. Gleichzeitig entsteht in der Präsenz der Beteiligten ein spezifischer atmosphärischer Zwischen-Raum (Fischer-Lichte 2012).

268 | Science Slam

Anhand dieser Konzeption von Lernkulturen kann eine Figur des Da-Zwischen angenommen werden. Diese Figur sensibilisiert zum einen dafür, dass die erschlossene Lernkultur jeweils eine bestimmte Gestalt annimmt und auf eine spezifische Lernkultur verwiesen wird, die eben als Momentaufnahme verstanden werden muss. Zum anderen wird deutlich, dass sich diese Lernkultur in dem beschriebenen Zusammenwirken ausbildet. Um die Figur des Da-Zwischen für eine Lernkultur beschreiben zu können, scheint es daher sinnvoll, als methodologische Grundlegung auf die Perspektivenverschränkung zurückzugreifen. Diese Verschränkung ermöglicht es, verschiedene Akteur*innen aus der Lernkultur in die empirische Erschließung einzubinden. Wie die Perspektiven dann zusammengebracht werden, ist ein noch weiter methodisch auszudifferenzierender Prozess. Vorgeschlagen wird hier ein qualitatives Erhebungsverfahren, welches auf unterschiedlichen Methoden basiert, um die Perspektiven nicht nur in der Breite, sondern auch in einer bestimmten Tiefe erschließen zu können. Für den vorliegenden Forschungsgegenstand sind fokussierte Interviews und teilnehmende Beobachtungen als zielführende Materialgrundlage definiert worden. Dabei sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass sich die empirische Er-Fassung dieser Lernkultur ›Science Slam‹ auf einer meso- und vor allem mikrodidaktischen Ebene bewegt. Dies macht deutlich, wie umfangreich eine grundlegende Analyse einer Lernkultur angelegt sein muss, um die Figur des Da-Zwischen nicht nur fragmentarisch, sondern im Gesamten erschließen zu können. Die Auswertung wiederum muss eine Offenheit zulassen, über die sich die jeweiligen Wirklichkeitskonstruktionen aus der Zusammenführung der Perspektiven erschließen lassen. Die Perspektiven werden also im Sinne eines AufeinanderZustrebens zusammengeführt, es geht nicht um eine Typisierung innerhalb der Erhebungsperspektiven. Die Perspektiven bündeln sich vielmehr in der analysierten Lernkultur und diese wird dann entsprechend aus den Perspektiven heraus beschrieben. Grundlegend ist hier die Annahme, dass Bedeutungen in kommunikativen Aushandlungsprozessen entstehen (Blumer 2013). Handlung und Struktur werden hier in ihrer Wechselseitigkeit erfasst. Dabei konzentriert sich das in der Arbeit entwickelte vierschrittige Auswertungsverfahren auf die Beschreibung der Figur des Da-Zwischen. Zunächst geht es um eine (1) kategoriale Erschließung und Handhabbarmachung des Datenmaterials, an dessen Ende Auswertungskategorien generiert wurden. Diese Auswertungskategorien sollten im Vorfeld nicht festgeschrieben worden sein, um die entsprechende Lernkultur in einem offenen Suchprozess facettenreich erschließen zu können. Anhand der aus dem Erhebungsmaterial erarbeiteten Auswertungskategorien wird für jede Perspektivengruppe, unter welcher Akteur*innen

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 269

gebündelt werden, denen eine bestimmte Perspektive auf die Lernkultur zugeschrieben wird, ein entsprechendes Kategoriensystem entwickelt. Die jeweiligen Intervieweinheiten der Perspektivengruppen werden nun (2) entlang der jeweils erstellten Auswertungskategorien inhaltlich zusammengefasst. Dadurch entsteht für jedes Erhebungssegment ein zusammenfassender Text. Dabei wird nicht die einzelne Auswertungskategorie resümiert, sondern die Zusammenfassung erfolgt entlang von kategorienzusammenführenden Überschriften, sodass hierdurch Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kategorien erkennbar werden. Durch die Zusammenführung der einzelnen Aussagen unter kategorienzusammenführenden Überschriften werden zum einen bestimmte Spannungsfelder und Thematisierungsstränge innerhalb der Perspektive deutlich, zum anderen wird die Hinwendung zu einer Perspektivengruppe vorangetrieben. (3) Entlang ihrer jeweiligen Auswertungskategorien werden die Perspektivengruppen im Folgenden nun als Einheit ausgewertet, sodass für die jeweiligen Auswertungskategorien differenzierte Analysen vorliegen. Es erfolgt somit eine Übersetzung des Primärtextes in einen anderen Kontext. Erst jetzt setzt die (4) perspektivenverschränkende Interpretation an. Ihr liegt die Annahme einer wechselseitigen Unbestimmtheit der sich gegenseitig ansteuernden Sinnkontexte zugrunde. Diese Sinnkontexte sind über die Perspektivengruppen und ihre Wissensstrukturen ausgestaltet. Die Annahme einer hegemonialen Dominanz einer dieser Sinnkontexte würde die Perspektive für ihre wechselseitige Relationierung und die Entwicklung von neuartigen Bedeutungshorizonten verschließen. Die Sinndomänen bilden demgegenüber Kontaktflächen aus, die sich gegenseitig ansteuernde Prozesse erkennen lassen. Diese vier Auswertungsschritte sind in Beispielen und detailliert am Forschungsgegenstand dargestellt. Aufgezeigt wird demnach an einem beispielhaft ausgewählten Forschungsgegenstand, wie das Konzept der erwachsenenpädagogischen Lernkulturen theoretisch gefasst werden kann. Gleichzeitig wird ein Analyseverfahren entwickelt, das es ermöglicht, Lernkulturen über die Figur des Da-Zwischen empirisch zu beschreiben. Deutlich wird über das Beispiel, in welch enger Verschränkung die herausgearbeiteten Merkmale stehen. Weiterführend und im Abgleich könnten die empirisch erschlossenen Merkmale der Lernkultur an andere Formate der Wissenschaftskommunikation angelegt werden.

270 | Science Slam

(d) NACHDENKEN ÜBER ERWACHSENENPÄDAGOGISCHE WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION Bei Zusammenführung von Diskursen der Erwachsenenbildungswissenschaft mit Auseinandersetzungen zu Wissen und Formaten der Wissenschaftskommunikation wird in beiden möglichen Thematisierungssträngen deutlich, dass Erwachsenenbildungswissenschaft sich theoretisch wie empirisch über verstärkte Relevanzsetzungen einbringen könnte. Fast kann hier von Invisibilisierungsstrategien, auch in den Angebotsstrukturen, gesprochen werden. Warum die Thematisierungsstränge nur am Rand aufgegriffen werden, verdankt sich unterschiedlichen historischen und disziplinären Entwicklungen, die sich im Laufe der Jahrzehnte ineinander verweben. Doch aufgrund der Bedeutungszuschreibungen zum wissenschaftlichen Wissen durch andere gesellschaftliche Bereiche und aufgrund der Entwicklungen im Rahmen von Wissenschaftskommunikation scheint es mehr denn je notwendig, wissenschaftliches Wissen in seiner Bedeutung und Einflussnahme innerhalb von Erwachsenenbildung und Weiterbildung sichtbar zu machen und Wissenschaftskommunikation einer erwachsenenpädagogischen Fundierung zuzuführen. Sonst werden – so könnte Kritik ansetzen – Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Weiterbildung nicht als Institutionen wahrgenommen, die wissenschaftliches Wissen in gesellschaftlichen Kontexten platzieren. Vermittlungsaufgaben werden auch von anderen Einrichtungen übernommen, die Formate ohne bildungswissenschaftliche Rückbindung möglicherweise in einer naiven Strukturlogik belassen. Doch gerade erwachsenenpädagogische Fundierungen stellen den zentralen Aneignungsbezug her, der individuelle Anforderungen der Vermittlung in den Vordergrund rückt. Über die für die Lernkulturen angelegte Heuristik, die die Inszenierung der didaktischen Gestaltung unabhängig vom Institutionalisierungsgrad des Lernortes herausarbeitet, wird es möglich, Formate der Wissenschaftskommunikation zunächst als Lern- und Bildungsangebote zu charakterisieren. Die daran anschließende Herausarbeitung der didaktischen Gestaltung macht Rückschlüsse auf die Fassung als Lern- und Bildungsangebot sichtbar. Das heißt, dass nicht per se Formate der Wissenschaftskommunikation als Lern- und Bildungsangebote eingeordnet werden können. Es geht also nicht darum, Lernen und Bildung den Raum und die Zeit zu nehmen, die sie brauchen, oder sie einem Eventisierungsgedanken zuzuführen, sondern es geht grundlegend darum, herauszuarbeiten, welche Orte Lernen und Bildung besetzen und welche Orte ihnen zur Verfügung stehen/gestellt werden, sodass sie sichtbar und öffentlich werden. In der Analyse der Lernkultur des ausgewählten Formates der Wissenschaftskommunikation wird in ersten Zugängen die didaktische Gestaltung aus der Per-

Zusammenführende Reflexion und Ausblick | 271

spektive der vermittelnden Akteur*innen herausgearbeitet. Dabei wird deutlich, dass es eine diffuse Begründungslage der methodischen, didaktischen und rhetorischen Darstellungselemente gibt, die nicht reflexiv didaktisch rückgebunden werden kann. Das Veranstaltungsformat verbleibt daher aufgrund der fehlenden didaktischmethodischen Orientierung für die Vermittlung der wissenschaftlichen Themen und Inhalte auf einer Ebene, die ungerichtet Irritationsfunken ermöglicht, Wissensvermittlung in der Breite jedoch nicht leisten kann. Hier setzt Erwachsenenbildungswissenschaft an, indem diese Prozesse nicht nur sichtbar, sondern auch reflektiert werden.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ausdifferenzierung des Forschungsgegenstandes in Bezug auf dargelegte Annahmen | 12 Abbildung 2: Konstitutionsverhältnis zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen | 38 Abbildung 3: Bezugspunkte für Wissen im erwachsenenpädagogischen Handeln, hier beispielhaft bezogen auf den Lehr- und Lernkontext | 39 Abbildung 4: Wissensdimensionen und Ausbildung von Wissensstrukturen | 48 Abbildung 5: Einflussfaktoren auf die Kommunikation zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten | 78 Abbildung 6: Inszenierungsgrad von Lernorten | 113 Abbildung 7: Zentralperspektivische Konstruktion (links) und Vexierbild (rechts) | 128 Abbildung 8: Perspektivische Projektion eines Körpers (a) und Perspektiven auf einen Gegenstand (b) | 129 Abbildung 9: Schritte der Erschließung des Forschungsgegenstandes zur Beschreibung der Figur des Da-Zwischen | 134 Abbildung 10: Übersicht über das erhobene Datenmaterial | 139 Abbildung 11: Ablaufmodell der Analyse in Perspektivenverschränkung | 156 Abbildung 12: Übersicht über die Entwicklung der Kategoriensysteme für die Interviews mit Personen aus dem Publikum und die Interviews mit auftretenden Wissenschaftler*innen | 158 Abbildung 13: Kategorie ›Szenarien der Teilnahme‹ mit Unterkategorien | 161 Abbildung 14: Kategorie ›Format Science Slam‹ mit Unterkategorien | 163 Abbildung 15: Kategorie ›Science-Slam-Performance‹ mit Unterkategorien | 164

274 | Science Slam

Abbildung 16: Kategorie ›Transformationsprozesse‹ mit Unterkategorien | 165 Abbildung 17: Kategorien ›Szenarien der Teilnahme‹ mit Unterkategorien | 167 Abbildung 18: Kategorie ›Science-Slam-Performance‹ mit Unterkategorien | 168 Abbildung 19: Kategorie ›Transformationsprozesse‹ mit Unterkategorien | 170 Abbildung 20: Wechselverhältnis zwischen Elementen der Beschreibung einer Science-Slam-Veranstaltung | 192 Abbildung 21: Zusammenhänge der beschriebenen Aspekte einer Science-Slam-Performance | 197 Abbildung 22: Transformationsprozesse ausgehend von der Science-Slam- Performance | 203 Abbildung 23: Zusammenwirken von Veranstaltungsformat, Veranstaltungsort und Teilnehmer*innen mit Blick auf die Ausbildung von Atmosphäre | 211 Abbildung 24: Science-Slam-Performance zwischen Einflussfaktoren, Ansprüchen und Zielperspektiven | 222 Abbildung 25: Merkmale der Charakterisierung der Kontaktfläche ›Science Slam‹ | 252 Abbildung 26: Lernkultur ›Science Slam‹ in der Figur des Da-Zwischen | 262

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8:

Bedeutungselemente zur Beschreibung von Deutungsmustern in verschiedenen Diskursen | 107 Übersicht über das genutzte Transkriptionssystem | 149 Inhaltliche Zusammenfassung der Interviews entlang von kategorienzusammenführenden Überschriften | 153 Übersicht über die herausgearbeiteten Auswertungskategorien für die Perspektivenverschränkung | 160 Inhaltliche Zusammenfassung der Interview entlang von kategorienzusammenführenden Überschriften | 171 Thematisierung von Anschlussmöglichkeiten über die Slam-Performance in den Perspektivengruppen | 244 Thematisierung von Auseinandersetzungen in den Perspektivengruppen | 247 Thematisierung von Irritationen in den Perspektivengruppen | 249

Literatur

Amann, Klaus, & Hirschauer, Stefan (1997). Die Befremdung der eigenen Kultur. Ein Programm. In Klaus Amann & Stefan Hirschauer (Hrsg.), Die Befremdung der eigenen Kultur. Zur ethnographischen Herausforderung soziologischer Empirie (S. 7–52). Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Andres, Petra (2008). Slam Poetry. Stuttgart: Reclam. Antos, Gerd, & Wichter, Sigurd (2005). Vorwort. In Gerd Antos & Sigurd Wichter (Hrsg.), Wissenschaftstransfer durch Sprache als gesellschaftliches Problem (S. IX–XII). Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (2011). Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. https://www.dqr.de/media/content/Der_ Deutsche_Qualifikationsrahmen_fue_leblebenslan_Lernen.pdf. Zugegriffen: 29. August 2019. Arnold, Rolf (1985). Deutungsmuster und pädagogisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Aspekte einer Sozialpsychologie der Erwachsenenbildung und einer erwachsenenpädagogischen Handlungstheorie. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Arnold, Rolf (1999). Deutungsmusteransatz. Grundlagen der Weiterbildung – Praxishilfen (6.30.10), 1–11. Arnold, Rolf, & Schüßler, Ingeborg (2015). Deutungsmuster. In Jörg Dinkelaker & Aiga von Hippel (Hrsg.), Erwachsenenbildung in Grundbegriffen (S. 66–74). Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. Arnold, Rolf, Faulstich, Peter, Mader, Wilhelm, Nuissl von Rhein, Ekkehard, Schlutz, Erhard, & Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (2000). Forschungsmemorandum für die Erwachsenen- und Weiterbildung. http://www. dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Sektionen/Sek09_ErwB/forschungsmem orandum_2000.pdf. Zugegriffen: 25. November 2017. Barth-Weingarten, Dagmar, & Metzger, Markus (2005). Ein problematischer Dialog: Bedingungen für die Kommunikation Wissenschaft – Öffentlichkeit und

278 | Science Slam

ihre Konsequenzen am Beispiel der Linguistik. In Gerd Antos & Sigurd Wichter (Hrsg.), Wissenschaftstransfer durch Sprache als gesellschaftliches Problem (S. 3–26). Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Bauernschmidt, Stefan (2018). Öffentliche Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation & Co. Zur Kartierung zentraler Begriffe in der Wissenschaftskommunikation. In Stefan Selke & Annette Treibel (Hrsg.), Öffentliche Gesellschaftswissenschaften. Grundlagen, Anwendungsfelder und neue Perspektiven (S. 21–42). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Beck, Ulrich (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Beck, Ulrich, Giddens, Anthony, & Lash, Scott (Hrsg.) (1996). Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Beer, Bettina (2003). Systematische Beobachtung. In Bettina Beer (Hrsg.), Methoden und Techniken der Feldforschung (S. 119–141). Berlin: Reimer. Bell, Daniel (1989 [1973]). Die nachindustrielle Gesellschaft. Frankfurt am Main: Campus-Verlag. Bender, Christiane (2013). Die Geburt der Wissensgesellschaft aus dem Geist des Kalten Krieges. Aus Politik und Zeitgeschichte, 63 (18–20), 22–28. Berger, Peter L., & Luckmann, Thomas (2013 [1969]). Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. Bierbaum, Harald, & Euler, Peter (2008). Blickwechsel auf die Naturwissenschaften in der Erwachsenenbildung. REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 31 (3), 9–18. Bittlingmayer, Uwe H., & Tuncer, Hidayet (2010). Die Wissensgesellschaft – Eine folgenschwere Fehldiagnose? In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 347–358). Bielefeld: transcript Verlag. Blumer, Herbert (2013). Symbolischer Interaktionismus. Aufsätze zu einer Wissenschaft der Interpretation. Berlin: Suhrkamp Verlag. Bogner, Alexander (2012). Wissenschaft und Öffentlichkeit: Von Information zu Partizipation. In Sabine Maasen, Mario Kaiser, Martin Reinhart & Barbara Sutter (Hrsg.), Handbuch Wissenschaftssoziologie (S. 379–392). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Bogner, Alexander, & Menz, Wolfgang (2009a). Experteninterviews in der qualitativen Sozialforschung. Zur Einführung in eine sich intensivierende Methodendebatte. In Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Menz (Hrsg.), Experteninterviews. Theorien, Methoden, Anwendungsfelder (S. 7–31). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Literatur | 279

Bogner, Alexander, & Menz, Wolfgang (2009b). Das theoriegenerierende Experteninterview. Erkenntnisinteresse, Wissensformen, Interaktion. In Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Menz (Hrsg.), Experteninterviews. Theorien, Methoden, Anwendungsfelder (S. 61–98). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Bohnsack, Ralf (2014). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen: Verlag Barbara Budrich. Bollnow, Otto Friedrich (1968). Der Erfahrungsbegriff in der Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 14, 221–252. Bortz, Jürgen, & Döring, Nicola (2006). Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer-Verlag. Böschen, Stefan (2010). Wissenschaft: Epistemisches Niemandsland? In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 159–169). Bielefeld: transcript Verlag. Bovenschulte, Marc (2005). Public Understanding of Science. In Gerd Antos & Sigurd Wichter (Hrsg.), Wissenschaftstransfer durch Sprache als gesellschaftliches Problem (S. 27–35). Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Brinkmann, Dieter (2003). Selbstgesteuertes Lernen in der Erlebnisgesellschaft. In Clemens Espe, Udo Witthaus & Wolfgang Wittwer (Hrsg.), Selbstgesteuertes Lernen. Theoretische und praktische Zugänge (S. 163–176). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Brocher, Tobias (1981). Gruppendynamik und Erwachsenenbildung. Zum Problem der Entwicklung von Konformismus oder Autonomie in Arbeitsgruppen. Braunschweig: Georg Westermann Verlag. Brüning, Jochen (1996). Wissenschaft und Öffentlichkeit. In Rektor der Universität Augsburg (Hrsg.), Augsburger Universitätsreden 28. Wissenschaft und Öffentlichkeit. Festvortrag und Ansprachen anläßlich der Verleihung der Ehrensenatorwürde der Universität Augsburg an Ministerialdirigent a. D. Dietrich Bächler im Rahmen der Eröffnung der Tage der Forschung am 20. November 1995 (S. 22–38). https://www.presse.uni-augsburg.de/de/publikationen/unireden/ unireden_pdfs/UR_28_Bruening1996_Oeffentlichkeit.pdf. Zugegriffen: 29. August 2019. Bühring, Gerald (2014). Perspektive. Unsere Weltsicht in Psychologie, Philosophie und Kunst. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung (Hrsg.) (1973). Bildungsgesamtplan. Bonn: Dr. Hans Heger. Burns, Terry W., O’Connor, John, & Stocklmayer, Susan (2003). Science Communication: A Contemporary Definition. Public Understanding of Science, 12 (2), 183–202.

280 | Science Slam

Büttner, Frank (2003). Perspektive. In Ulrich Pfisterer (Hrsg.), Metzler Lexikon Kunstwissenschaften. Ideen, Methoden, Begriffe (S. 265–268). Stuttgart: Verlag J. B. Metzler. Ciompi, Luc (1997). Die emotionalen Grundlagen des Denkens. Entwurf einer fraktalen Affektlogik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Conein, Stefanie (2004). Public Understanding of Science. Entwicklung und aktuelle Tendenzen. In Stefanie Conein, Josef Schrader & Martin Stadler (Hrsg.), Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft. Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (S. 20–31). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Conein, Stefanie, Schrader, Josef, & Stadler, Martin (Hrsg.) (2004). Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft. Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Dähn, Astrid (2011). Feuriger Vortrag. Technology Review – Das Magazin für Innovation, 9, 56–60. Damasion, Antonio (2005). Der Spinoza-Effekt: Wie Gefühle unser Leben bestimmen. Berlin: Ullstein Buchverlage. Damisch, Hubert (2010). Der Ursprung der Perspektive. Zürich: Diaphanes. Denzin, Norman K. (2012). Symbolischer Interaktionismus. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 136–150). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Dernbach, Beatrice, Kleinert, Christian, & Münder, Herbert (2012). Einleitung. Die drei Ebenen der Wissenschaftskommunikation. In Beatrice Dernbach, Christian Kleinert & Herbert Münder (Hrsg.), Handbuch Wissenschaftskommunikation (S. 1–15). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Dewe, Bernd (1988). Wissensverwendung in der Fort- und Weiterbildung: zur Transformation wissenschaftlicher Informationen in Praxisdeutungen. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. Dewe, Bernd (2000). Wissenstransformation und Lernen in der reflexiven Modernisierung. REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 45, 38–54. Die Zeit (2017). ZEIT FORUM Wissenschaft: ›Expertise in der Krise‹. http://www.zeit.de/2017/47/zeit-forum-wissenschaft. Zugegriffen: 28. Dezember 2017. Dinkelaker, Jörg (2008). Kommunikation von (Nicht)Wissen. Eine Fallstudie zum Lernen Erwachsener in hybriden Settings. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Dinkelaker, Jörg, & Kade, Jochen (2011). Wissensvermittlung und Aneignungsorientierung – Antworten der Erwachsenenbildung/Weiterbildung auf den gesell-

Literatur | 281

schaftlichen Wandel des Umgangs mit Wissen und Nicht-Wissen. REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 34 (2), 24–34. Drerup, Heiner, & Keiner, Edwin (Hrsg.) (1999). Popularisierung wissenschaftlichen Wissens in pädagogischen Feldern. Weinheim: Deutscher Studien Verlag. Dresing, Thorsten, & Pehl, Thorsten (2011). Praxishandbuch Transkription. Regelsysteme, Software und praktische Anleitungen für qualitative ForscherInnen. https://www.audiotranskription.de/downloads#praxisbuch. Zugegriffen: 29. August 2019. Drucker, Peter F. (1969). The Age of Diskontinuity. Guidlines to our Changing Society. Oxford: Butterworth-Heinemann Dybowski, Gisela, & Thomssen, Wilke (1982). Praxis und Weiterbildung. Untersuchungen über Voraussetzungen und Bedingungen der Weiterbildung von betrieblichen Interessenvertretern. Bremen: Universität Bremen. Egetenmeyer, Regina (2008). Informal learning in betrieblichen Lernkulturen. Eine interkulturelle Vergleichsstudie. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Egloff, Birte (2012). Ethnografie. In Burkhard Schäffer & Olaf Dörner (Hrsg.), Handbuch Qualitative Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung (S. 263– 276). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Eirmbter-Stolbrink, Eva, & König-Fuchs, Claudia (2005). Die Vorlesung als Methode der Wissensvermittlung wissenschaftlichen Wissens. Aufgabe für eine erziehungswissenschaftliche Betrachtung. In Eva Eirmbter-Stolbrink & Claudia König-Fuchs (Hrsg.), Universität und wissenschaftliches Wissen. Interdisziplinäre Zugänge im Prozeß veränderter Funktionszuweisungen (S. 1–38). Nordhausen: Verlag Traugott Bautz. Eisenbarth, Britta, & Weißkopf, Markus (2012). Science Slam: Wettbewerb für junge Wissenschaftler. In Beatrice Dernbach, Christian Kleinert & Herbert Münder (Hrsg.), Handbuch Wissenschaftskommunikation (S. 155–163). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Engelhardt, Anina, & Kajetzke, Laura (Hrsg.) (2010a). Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme. Bielefeld: transcript Verlag. Engelhardt, Anina, & Kajetzke, Laura (2010b). Resümee: Für eine Wissenssoziologie der Wissensgesellschaft. In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 361–370). Bielefeld: transcript Verlag. Enoch, Clinton (2011). Dimensionen der Wissensvermittlung in Beratungsprozessen. Gesprächsanalysen der beruflichen Beratung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

282 | Science Slam

Enoch, Clinton, & Gieseke, Wiltrud (2011). Wissensstrukturen und Programmforschung. Programmforschung als empirischer Zugang zu Bildungsarbeit der Weiterbildungsinstitutionen. http://www.ifbe.uni-hannover.de/fileadmin/ifbe/ enoch/enoch_gieseke14_Juli2011.pdf. Zugegriffen: 29. August 2019. Enoch, Clinton, & Robak Steffi (2015). Transnationale Lernkulturen in kulturdifferenten Räumen. In Nicole Justen & Babette Möders (Hrsg.), Professionalisierung und Erwachsenenbildung. Selbstverständnis, Entwicklungslinien, Herausforderungen (S. 151–162). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Europäische Kommission (2010). Eurobarometer Spezial 340. Wissenschaft und Technik. http://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/archives/ebs/ebs _340_de.pdf. Zugegriffen: 29. August 2019. Faber, Malte, Manstetten, Reiner, & Proops, John (1992). Humankind and the Environment. An Anatomy of Surprise and Ignorance. Environmental Values, 1 (3), 217–241. Fahrenwald, Claudia (2011). Erzählen im Kontext neuer Lernkulturen. Eine bildungstheoretische Analyse im Spannungsfeld von Wissen, Lernen und Subjekt. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Faulstich, Peter (2011). Aufklärung, Wissenschaft und lebensentfaltende Bildung. Geschichte und Gegenwart einer großen Hoffnung der Moderne. Bielefeld: transcript Verlag. Faulstich, Peter (2014a). Lernen nach dem ›spatial turn‹. In Malte Ebner von Eschenbach, Stephanie Günther & Anja Hauser (Hrsg.), Gesellschaftliches Subjekt. Erwachsenenpädagogische Perspektiven und Zugänge (S. 76–86). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Faulstich, Peter (2014b). Lernen. Erfahrung – Wahrnehmen und Handeln. In Peter Faulstich (Hrsg.), Lerndebatten. Phänomenologische, pragmatistische und kritische Lerntheorien in der Diskussion (S. 35–59). Bielefeld: transcript Verlag. Faulstich, Peter, & Haberzeth, Erik (2010). Aneignung und Vermittlung an lernförderlichen Orten. Theoretische Begründung und exemplarische Analysen an Lernorten. In Christine Zeuner (Hrsg.), Demokratie und Partizipation. Beiträge der Erwachsenenbildung (S. 58–79). Hamburg: Universität Hamburg. Faulstich, Peter, & Trumann, Jana (2016). Wissenschaftsvermittlung, Popularisierung und kollektive Wissensproduktion. Magazin erwachsenenbildung.at, (27), 02/1–02/11. http://www.erwachsenenbildung.at/magazin/16-27/meb16-27.pdf. Zugegriffen: 29. August 2019. Felden, Heide von (2014). Transformationen in Lern- und Bildungsprozessen und Transitionen in Übergängen. In Heide von Felden, Ortfried Schäffter & Hildegard Schicke (Hrsg.), Denken in Übergängen. Weiterbildung in transitorischen Lebenslagen (S. 61–84). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Literatur | 283

Felden, Heide von (2015). Lernwelten und Transitionen: Übergangsforschung als Lernweltforschung. In Sabine Schmidt-Lauff, Heide von Felden & Henning Pätzold (Hrsg.), Transitionen in der Erwachsenenbildung. Gesellschaftliche, institutionelle und individuelle Übergänge (S. SD1–SD3). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Felt, Ulrike (2008). Gestaltungsversuche des Verhältnisses von Naturwissenschaften und Gesellschaft: Leben und implizites Lernen von Bürger/inne/n in der Wissensgesellschaft. REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 31 (3), 32–43. Fischer-Lichte, Erika (2004). Ästhetik des Performativen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Fischer-Lichte, Erika (2012). Performativität. Eine Einführung. Bielefeld: transcript Verlag. Fleige, Marion (2011). Lernkulturen in der öffentlichen Erwachsenenbildung. Theorieentwickelnde und empirische Betrachtungen am Beispiel evangelischer Träger. Münster: Waxmann Verlag. Fleige, Marion, & Robak, Steffi (2017). Lehr-Lernkulturen in der Erwachsenenbildung. In Rudolf Tippelt & Aiga von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (S. 623–641). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Förster, Till (2001). Sehen und Beobachten. Ethnographie nach der Postmoderne. sozialersinn, 2 (3), 459–484. Friebertshäuser, Barbara, & Langer, Antje (2013). Interviewformen und Interviewpraxis. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S. 437–455). Weinheim: Beltz Juventa. Fuchs, Thomas (2010). Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. Fuhr, Reinhard (2003). Struktur und Dynamik der Berater-Klient-Beziehung. In Christina Krause, Bernd Fittkau, Reinhard Fuhr & Heinz-Ulrich Thiel (Hrsg.), Pädagogische Beratung. Grundlagen und Praxisanwendung (S. 32–50). Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh. Gadamer, Hans-Georg (1960). Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen: J. C. B. Mohr. Geißler, Karlheinz A. (2005). Anfangssituationen. Was man tun und besser lassen sollte. Weinheim: Beltz Verlag. Giddens, Anthony (1997). Konsequenzen der Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

284 | Science Slam

Giese, Juliane, & Wittpoth, Jürgen (2014a). Bildung als Randerscheinung? Zum Umgang mit Wissen in Lebenswelten. In Florian von Rosenberg & Alexander Geimer (Hrsg.), Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität (S. 155–178). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Giese, Juliane, & Wittpoth, Jürgen (2014b). »Man müsste sich eigentlich in die Klapse einweisen«. Zum Umgang mit Kontingenz in kleinen sozialen Welten. In Malte Ebner von Eschenbach, Stephanie Günther & Anja Hauser (Hrsg.), Gesellschaftliches Subjekt. Erwachsenenpädagogische Perspektiven und Zugänge (S. 158–168). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Gieseke, Wiltrud (1991). Didaktische Lernforschung: Zum Realisierungsprozeß von Kursplanung im makro- und mikrodidaktischen Handlungsfeld der Weiterbildungsinstitutionen. In Wilhelm Mader (Hrsg.), Zehn Jahre Erwachsenenbildungswissenschaft. Auswahl aus der Dokumentation der Kommission Erwachsenenbildung der DGfE (S. 76–83). Bad Heilbrunn: Verlag Julis Klinkhardt. Gieseke, Wiltrud (1992). Pädagogische Realanalysen durch Perspektivverschränkungen. Ein Beitrag zur lehr- und Lernforschung in Erwachsenenbildungseinrichtungen. Hessische Blätter für Volksbildung, 42 (1), 10–16. Gieseke, Wiltrud (1996). Erfahrungen als behindernde und fördernde Momente im Lernprozess Erwachsener. Antrittsvorlesung 11. Januar 1993. Berlin: Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät IV, Institut für Wirtschaftsund Erwachsenenpädagogik. Gieseke, Wiltrud (Hrsg.) (2000). Programmplanung als Bildungsmanagement? Qualitative Studie in Perspektivverschränkung. Begleituntersuchung des Modellversuchs ›Erprobung eines Berufseinführungskonzeptes für hauptberufliche pädagogische Mitarbeiter, -innen in der konfessionellen Erwachsenenbildung‹. Recklinghausen: Bitter. Gieseke, Wiltrud (2007a). Lebenslanges Lernen und Emotionen. Wirkungen von Emotionen auf Bildungsprozesse aus beziehungstheoretischer Perspektive. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Gieseke, Wiltrud (2007b). Das Forschungsarrangement Perspektivverschränkung. In Wiltrud Gieseke & Ortfried Schäffter (Hrsg.), Qualitative Forschungsverfahren in Perspektivverschränkung. Dokumentation des Kolloquiums anlässlich des 60. Geburtstages von Frau Prof. Dr. Wiltrud Gieseke am 29. Juni 2007 (S. 10–22). Berlin: Humboldt-Universität zu Berlin (Erwachsenenpädagogischer Report, 11). Gieseke, Wiltrud (2009). Organisationstheoretische Überlegungen zur Lernkultur. Der übersehene institutionelle/organisatorische Faktor im Lernkulturdiskurs. In Wiltrud Gieseke & Steffi Robak (Hrsg.), Transkulturelle Perspektiven auf Kulturen des Lernens (S. 76–86). Bielefeld: transcript Verlag.

Literatur | 285

Gieseke, Wiltrud (2010). Atmosphäre in Bildungskontexten – Beziehungstheoretische Überlegungen. In Rudolf Egger & Bernd Hackl (Hrsg.), Sinnliche Bildung? Pädagogische Prozesse zwischen vorprädikativer Situierung und reflexivem Anspruch (S. 57–70). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Girtler, Roland (2001). Methoden der Feldforschung. Stuttgart: UTB. Gläser, Jochen, & Laudel, Grit (2009). Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Göhlich, Michael, & Zirfas, Jörg (2007). Lernen. Ein pädagogischer Grundbegriff. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. Grande, Edgar, Jansen, Dorothea, Jarren, Otfried, Schimank, Uwe, & Weingart, Peter (2013). Die neue Governance der Wissenschaft. Zur Einleitung. In Edgar Grande, Dorothea Jansen, Otfried Jarren, Arie Rip, Uwe Schimank & Peter Weingart (Hrsg.), Neue Governance der Wissenschaft. Reorganisation – externe Anforderungen – Medialisierung (S. 15–45). Bielefeld: transcript Verlag. Grotlüschen, Anke (2010). Erneuerung der Interessengenese. Die Genese von Interessen an Erwachsenen- und Weiterbildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Habermas, Jürgen (1988). Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Habermas, Jürgen (1991). Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Habermas, Jürgen (1992). Faktizität und Geltung: Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Haberzeth, Erik (2010). Thematisierungsstrategien im Vermittlungsprozess. Empirische Analyse zum Umgang mit Wissen im Planungsprozess von Weiterbildungsangeboten. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Hagenhoff, Svenja, Seidenfaden, Lutz, Ortelbach, Björn, & Schumann, Matthias (2007). Neue Formen der Wissenschaftskommunikation. Eine Fallstudienuntersuchung. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen. Hardy, Jörg (2004). Wissen. B. Antike. In Joachim Ritter, Karlfried Gründer & Gottfried Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie (S. 856– 868). Basel: Schwabe. Hardy, Jörg, & Meier-Oeser, Stephan (2004). Wissen. I. – A. Terminologie. In Joachim Ritter, Karlfried Gründer & Gottfried Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie (S. 855–856). Basel: Schwabe.

286 | Science Slam

Helfferich, Cornelia (2009). Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Heller, Agnes (1981), Theorie der Gefühle. Hamburg: VSA Verlag. Hermannstädter, Anita, & Weber, Cornelia (2007). Vorwort. In Anita Hermannstädter, Michael Sonnabend & Cornelia Weber (Hrsg.), Wissenschaft kommunizieren. Die Rolle der Universitäten (S. 6–9). Essen: Stifterverband. Hessische Blätter für Volksbildung 03/2016. Wissen und Lernen. (hrsg. von Hessischer Volkshochschulverband e. V.). Bielefeld. Hierdeis, Helmwart, & Hug Theo (1992). Pädagogische Alltagstheorien und erziehungswissenschaftliche Theorien. Ein Studienbuch zur Einführung. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Hill, Mira (2015). Science Slam und die Geschichte der Kommunikation von wissenschaftlichem Wissen an außeruniversitäre Öffentlichkeiten. In Julia Engelschalt & Arne Maibaum (Hrsg.), Auf der Suche nach den Tatsachen. Proceedings der 1. Tagung des Nachwuchsnetzwerks ›INSIST‹, 22.–23. Oktober 2014, Berlin (S. 127–147). http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/docu ment/45474/ssoar-2015-engelschalt_et_al-Auf_der_Suche_nach_den.pdf?sequ ence=1. Zugegriffen: 29. August 2019. Hill, Mira (2018). Die Versinnbildlichung von Gesellschaftswissenschaft. Herausforderung Science Slam. In Stefan Selke & Annette Treibel (Hrsg.), Öffentliche Gesellschaftswissenschaften. Grundlagen, Anwendungsfelder und neue Perspektiven (S. 169–186). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Hippel, Aiga von, Kulmus, Claudia, & Stimm, Maria (2019). Didaktik der Erwachsenenbildung. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh. Hirschauer, Stefan (2011). Ethnographisches Schreiben und die Schweigsamkeit des Sozialen. Zu einer Methodologie der Beschreibung. Zeitschrift für Soziologie, 30 (6), 429–451. Hitzler, Ronald (1994). Wissen und Wesen des Experten. Ein Annäherungsversuch – zur Einleitung. In Ronald Hitzler, Anne Honer & Christoph Maeder (Hrsg.), Expertenwissen. Die institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit (S. 13–29). Opladen: Westdeutscher Verlag. Hitzler, Ronald (2011). Ethnografie. In Ralf Bohnsack, Winfried Marotzki & Michael Meuser (Hrsg.), Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung (S. 48– 51). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Hof, Christiane (1996). Überlegungen zum Konzept ›Wissen‹ in der Erwachsenenbildung. In Sigrid Nolda (Hrsg.), Erwachsenenbildung in der Wissensgesellschaft (S. 12–30). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Literatur | 287

Hof, Christiane (1999). Zur Konstruktion von Wissen im Popularisierungsprozeß. Historische Erkundigungen zur Volksbildung des 19. Jahrhunderts. In Heiner Drerup & Edwin Keiner (Hrsg.), Popularisierung wissenschaftlichen Wissens in pädagogischen Feldern (S. 147–156). Weinheim: Deutscher Studien Verlag. Hof, Christiane (2001). Konzepte des Wissens. Eine empirische Studie zu den wissenstheoretischen Grundlagen des Unterrichtens. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Hof, Christiane (2002). Wissen als Thema der Erwachsenenbildung. REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, Beiheft, 9–17. Hof, Christiane (2003). Wissensvermittlung. Zur Differenz von personalen, medialen und strukturalen Formen der Wissensvermittlung. In Dieter Nittel & Wolfgang Seitter (Hrsg.), Die Bildung des Erwachsenen. Erziehungs- und Sozialwissenschaftliche Zugänge. Festschrift für Josef Olbrich (S. 25–34). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Hof, Christiane (2005). Popularisierung der Wissenschaft. Weiterbildung – Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends, 16 (3), 12–15. Höffling, Christian, Plaß, Christine, & Schetsche, Michael (2002), Deutungsmusteranalyse in der kriminologischen Forschung. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, 3 (1), Art. 14. http://www. qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/878/1910. Zugegriffen: 29. August 2019. Höhne, Tobias (2004). Pädagogik und das Wissen der Gesellschaft. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf Wissen. https://d-nb.info/97273645x/34/. Zugegriffen: 29. August 2019. Hollstein, Oliver (2011). Vom Verstehen zur Verständigung. Die erziehungswissenschaftliche Beobachtung einer pädagogischen Denkform. Frankfurt am Main: Fachbereich Erziehungswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Holzkamp, Klaus (2004). Wider den Lehr-Lern-Kurzschluß. Interview zum Thema ›Lernen‹. In Peter Faulstich & Joachim Ludwig (Hrsg.), Expansives Lernen (S. 29–38). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Hopf, Christel (1995). Qualitative Interviews in der Sozialforschung. Ein Überblick. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff, Heiner Keupp, Lutz von Rosenstiel & Stephan Wolff (Hrsg.), Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen (S. 177–182). Weinheim: Psychologie-Verlags-Union. Hornung, Antonie (2005). Wissenstransfer versus Wissensvermittlung – eine Annäherung an den Begriff am Beispiel sprachlich-/kulturellen Wissens. In Gerd

288 | Science Slam

Antos & Sigurd Wichter (Hrsg.), Wissenschaftstransfer durch Sprache als gesellschaftliches Problem (S. 391–402). Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Ince, Hüseyin (2009). Willkommen auf der Uni-Showbühne. Spiegel Online. http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/science-slam-willkommen-auf-deruni-showbuehne-a-625410.html. Zugegriffen: 29. August 2019. Izard, Carroll E. (1994). Die Emotionen der Menschen. Eine Einführung in die Grundlagen der Emotionspsychologie. Weinheim: Beltz Verlag. Kade, Jochen (2005). Wissen und Zertifikate. Erwachsenenbildung/Weiterbildung als Wissenskommunikation. Zeitschrift für Pädagogik, 51 (4), 498–512. Kade, Jochen, & Seitter, Wolfgang (1996). Lebenslanges Lernen – Mögliche Bildungswelten. Erwachsenenbildung, Biographie, Alltag. Opladen: Leske + Budrich. Kade, Jochen, & Seitter, Wolfgang (Hrsg.) (2007a). Umgang mit Wissen. Recherchen zur Empirie des Pädagogischen. Bd. Pädagogische Kommunikation. Opladen: Verlag Barbara Budrich. Kade, Jochen, & Seitter, Wolfgang (Hrsg.) (2007b). Umgang mit Wissen. Recherchen zur Empirie des Pädagogischen. Bd. Pädagogisches Wissen. Opladen: Verlag Barbara Budrich. Kade, Jochen, & Seitter, Wolfgang (2007c). Wissensgesellschaft – Umgang mit Wissen – Universalisierung des Pädagogischen. Theoretischer Rahmen und projektbezogener Aufriss. In Jochen Kade & Wolfgang Seitter (Hrsg.), Umgang mit Wissen. Recherchen zur Empirie des Pädagogischen. Bd. Pädagogische Kommunikation (S. 15–42). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Kade, Jochen, & Seitter, Wolfgang (2007d). Umgang mit Wissen zwischen Wissensvermittlung, pädagogischer Kommunikation und sozialweltlich-beruflicher Alltagskommunikation. In Jochen Kade & Wolfgang Seitter (Hrsg.), Umgang mit Wissen. Recherchen zur Empirie des Pädagogischen. Bd. Pädagogische Kommunikation (S. 437–452). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Kade, Jochen, Seitter, Wolfgang, & Dinkelaker, Jörg (2017). Wissen(stheorie) und Erwachsenenbildung/Weiterbildung. In Rudolf Tippelt & Aiga von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (S. 275–294). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Kajetzke, Laura, & Engelhardt, Anina (2010). Einleitung: Die Wissensgesellschaft beobachten. In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 7–17). Bielefeld: transcript Verlag. Kessl, Fabian, & Reutlinger, Christian (2010). Sozialraum. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Literatur | 289

Klingovsky, Ulla (2009). Schöne neue Lernkultur? Transformationen der Macht in der Weiterbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Knoblauch, Hubert (2004). Die Video-Interaktions-Analyse. sozialersinn, 4 (4), 123–138. Knoblauch, Hubert (2014). Wissenssoziologie. Konstanz: UVK. Knoblauch, Hubert (2011). Transkription. In Ralf Bohnsack, Winfried Marotzki & Michael Meuser (Hrsg.), Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung (S. 159– 160). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Knorr Cetina, Karin (2002a). Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Knorr Cetina, Karin (2002b). Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Knorr Cetina, Karin (2006). Sozialität von Objekten. Soziale Beziehungen in post-traditionalen Wissensgesellschaften. In Dirk Tänzler, Hubert Knoblauch & Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), Zur Kritik der Wissensgesellschaft (S. 101–138). Konstanz: UVK. Koch, Gertrud (Hrsg.) (2010). Perspektive. Die Spaltung der Standpunkte. Zur Perspektive in Philosophie, Kunst und Recht. München: Wilhelm Fink Verlag. Koller, Hans-Christoph (2012). Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. Koller, Hans-Christoph (2014). Bildung unter den Bedingungen kultureller Pluralität. Zur Darstellung von Bildungsprozessen in Wolfgang Herrndorfs Roman ›Tschick‹. In Florian von Rosenberg & Alexander Geimer (Hrsg.), Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität (S. 41–57). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Koller, Hans-Christoph (2016). Ist jede Transformation als Bildungsprozess zu begreifen? Zur Frage der Normativität des Konzepts transformatorischer Bildungsprozesse. In Dan Verständig, Jens Holze & Ralf Biermann (Hrsg.), Von der Bildung zur Medienbildung. Neue Konkretisierung des Bildungsbegriffs (S. 149–161). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. König, Gert (1989). Perspektive, Perspektivismus, perspektivisch. In Joachim Ritter & Karlfried Gründer (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. P– Q (S. 363–375), Basel: Schwabe. Körber, Klaus (2004). ›Hands On!‹ Wissenschaft zum Anfassen im Science Center. In Stefanie Conein, Josef Schrader & Martin Stadler (Hrsg.), Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft. Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (S. 171– 192). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.

290 | Science Slam

Körber, Klaus, Kuhlenkamp, Detlef, Peters, Roswitha, Schlutz, Erhard, Schrader, Josef, & Wilckhaus, Fritz (1995). Das Weiterbildungsangebot im Lande Bremen. Strukturen und Entwicklungen in einer städtischen Region. Untersuchung im Auftrag der Strukturkommission Weiterbildung des Senats der Freien Hansestadt Bremen. Bremen: Universität Bremen. Kowal, Sabine, & O’Connell, Daniel (2012). Zur Transkription von Gesprächen. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 437–447). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Kraus, Katrin (2010). Aneignung von Lernorten in der Erwachsenenbildung. REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 33 (2), 46–55. Kübler, Hans-Dieter (2005). Mythos Wissensgesellschaft. Gesellschaftlicher Wandel zwischen Information, Medien und Wissen. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Kuckartz, Udo (2010). Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Lamnek, Siegfried (2010). Qualitative Sozialforschung. Lehrbuch. Weinheim: Beltz Verlag. Langer, Antje (2013). Transkribieren – Grundlagen und Regeln. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S. 515–526). Weinheim: Beltz Juventa. Legewie, Heiner (1995). Feldforschung und teilnehmende Beobachtung. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff, Heiner Keupp, Lutz von Rosenstiel & Stephan Wolff (Hrsg.), Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen (S. 189–193). Weinheim: Psychologie-Verlags-Union. Lehnert, Gertrud (2011). Raum und Gefühl. In Gertrud Lehnert (Hrsg.), Raum und Gefühl. Der Spatial Turn und die neue Emotionsforschung (S. 9–25). Bielefeld: transcript Verlag. Lieber, Wolf-Andreas, & Weitze, Marc-Dennis (2006). Kontroversen als Schlüssel zur Wissenschaft? Wissenskulturen in sprachlicher Interaktion. Bielefeld: transcript Verlag. Lippuner, Roland, & Lossau, Julia (2010). Kritik der Raumkehren. In Stephan Günzel (Hrsg.), Raum. Ein interdisziplinäres Handbuch (S. 110–119). Stuttgart: Verlag J. B. Metzler. Löw, Martina (2001). Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Löw, Martina (2007). Zwischen Handeln und Struktur. Grundlagen einer Soziologie des Raums. In Fabian Kessl & Hans-Uwe Otto (Hrsg.), Territorialisierung des

Literatur | 291

Sozialen. Regieren über soziale Nahräume (S. 81–100). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Lyotard, Jean-Francois (1986). Das postmoderne Wissen: ein Bericht. Graz: Böhlau. Mannheim, Karl (1969). Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk (hrsg. von Kurt H. Wolff). Berlin: Hermann Luchterhand Verlag. Maasen, Sabine (2009). Wissenssoziologie. Bielefeld: transcript Verlag. Maasen, Sabine, & Kaiser, Mario (2010). Karin Knorr Cetina: Postsozialität. In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 87–98). Bielefeld: transcript Verlag. Marcinkowski, Frank, Kohring, Matthias, Friedrichsmeier, Andres, & Fürst, Silke (2013). Neue Governance und die Öffentlichkeit der Hochschulen. In Edgar Grande, Dorothea Jansen, Otfried Jarren, Arie Rip, Uwe Schimank & Peter Weingart (Hrsg.), Neue Governance der Wissenschaft. Reorganisation – externe Anforderungen – Medialisierung (S. 257–288). Bielefeld: transcript Verlag. Martinsen, Renate (2010). Politik: Demokratisierung von Expertise. In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 113–126). Bielefeld: transcript Verlag. Mayring, Philipp (1996). Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Denken. Weinheim: Beltz Verlag. Meier-Oeser, Stephan (2004). Wissen. IV. Frühe Neuzeit. In Joachim Ritter, Karlfried Gründer & Gottfried Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie (S. 881–884). Basel: Schwabe. Merkens, Hans (2012). Auswahlverfahren, Sampling, Fallkonstruktion. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff und Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 286–437). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Merton, Robert K., & Kendall, Patricia L. (1946). The Focused Interview. American Journal of Sociology, 51 (6), 541–557. Merton, Robert K., Fiske, Marjorie, & Kendall, Patricia L. (1956). The Focused Interview. A Manual of Problems and Procedures. New York: The Free Press. Meuser, Michael (2011a). Deutungsmusteranalyse. In Ralf Bohnsack, Winfried Marotzki & Michael Meuser (Hrsg.), Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung (S. 31–33). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Meuser, Michael (2011b). Rekonstruktive Sozialforschung. In Ralf Bohnsack, Winfried Marotzki & Michael Meuser (Hrsg.), Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung (S. 140–142). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Meuser, Michael, & Sackmann, Reinhold (1992). Zur Einführung: Deutungsmusteransatz und empirische Wissenssoziologie. In Michael Meuser & Reinhold

292 | Science Slam

Sackmann (Hrsg.), Analyse sozialer Deutungsmuster. Beiträge zur empirischen Wissenssoziologie (S. 9–37). Pfaffenweiler: Centaurus-Verlagsgesellschaft. Meuser, Michael, & Nagel, Ulrike (2009). Experteninterview und der Wandel der Wissensproduktion. In Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Menz (Hrsg.), Experteninterviews. Theorien, Methoden, Anwendungsfelder (S. 35– 60). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Milde, Jutta (2009). Vermitteln und Verstehen. Zur Verständlichkeit von Wissenschaftsfilmen im Fernsehen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Mittelstraß, Jürgen (1996). Die Sicht des Wissenschaftstheoretikers. In Rektor der Universität Augsburg (Hrsg.), Augsburger Universitätsreden 28. Wissenschaft und Öffentlichkeit. Festvortrag und Ansprachen anläßlich der Verleihung der Ehrensenatorwürde der Universität Augsburg an Ministerialdirigent a. D. Dietrich Bächler im Rahmen der Eröffnung der Tage der Forschung am 20. November 1995 (S. 9–17). https://www.presse.uni-augsburg.de/publikationen/unireden/ unireden_pdfs/UR_28_Bruening1996_Oeffentlichkeit.pdf. Zugegriffen: 29. August 2019. Nägele, Rainer (2005). Da-Zwischen. Der Ab-Ort des Obszönen. Maske und Kothurn, 1 (1), 59–67. Nieke, Wolfgang (2008). Interkulturelle Erziehung und Bildung. Wertorientierung im Alltag. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Nieke, Wolfgang (2016). Lernen aus bildungswissenschaftlicher Sicht. In Jost Schieren (Hrsg.), Handbuch Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft. Standortbestimmung und Entwicklungsperspektiven (S. 350–388). Weinheim: Beltz Juventa. Nikolow, Sybille, & Schirmacher, Arne (2007). Das Verhältnis der Wissenschaft und Öffentlichkeit als Beziehungsgeschichte: Histographische und systematische Perspektiven. In Sybille Nikolow & Arne Schirmacher (Hrsg.), Wissenschaft und Öffentlichkeit als Ressourcen füreinander. Studien zur Wissenschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert (S. 11–36). Frankfurt am Main: Campus-Verlag. Nohl, Arnd-Michael (2014). Lernorientierungen: Empirische Analysen und grundlagentheoretische Reflexion. In Peter Faulstich (Hrsg.), Lerndebatten. Phänomenologische, pragmatische und kritische Lerntheorien in der Diskussion (S. 155–180). Bielefeld: transcript Verlag. Nolda, Sigrid (1996a). Interaktion und Wissen. Eine qualitative Studie zum Lehr-/ Lernverhalten in Veranstaltungen der allgemeinen Erwachsenenbildung. Frankfurt am Main: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung. Nolda, Sigrid (1996b). ›Vulgarisation scientifique‹ und ›scientific literacy‹: Vermittlung wissenschaftlichen Wissens als soziales Phänomen und als andragogi-

Literatur | 293

sche Aufgabe. In Sigrid Nolda (Hrsg.), Erwachsenenbildung in der Wissensgesellschaft (S. 100–119). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Nolda, Sigrid (2001a). Appell und Legitimation, Deskription und Reflexion. Reale und mögliche Verwendungen des Begriffs der Wissensgesellschaft. Hessische Blätter für Volksbildung, 51 (2), 107–118. Nolda, Sigrid (2001b). Vom Verschwinden des Wissens in der Erwachsenenbildung. Zeitschrift für Pädagogik, 47 (1), 101–120. Nolda, Sigrid (2001c). Zur Vermittlung von Bildungswissen im Fernsehen. REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, Beiheft, 90–100. Nolda, Sigrid (2004). Das Verdrängen des Lernens durch das Lernen. Zum Umgang mit Wissen in der Wissensgesellschaft. In Dorothee M. Meister (Hrsg.), OnlineLernen und Weiterbildung (S. 29–42). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Nolda, Sigrid (2015). Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Nuissl, Ekkehard (2010). Anschlusslernen. In Rolf Arnold, Sigrid Nolda & Ekkehard Nuissl (Hrsg.), Wörterbuch Erwachsenenbildung (S. 20–21). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. OECD (Hrsg.) (1996). Lifelong Learning for All. Paris: OECD Publishing. Oester, Kathrin (2008). ›Fokussierte Ethnographie‹: Überlegungen zu den Kernansprüchen der Teilnehmenden Beobachtung. In Bettina Hünersdorf, Christoph Maeder & Burkhard Müller (Hrsg.), Ethnographie und Erziehungswissenschaft. Methodologische Reflexionen und empirische Annäherungen (S. 233–243). München: Juventa Verlag. Oevermann, Ulrich (2001 [1973]). Zur Analyse der Struktur sozialer Deutungsmuster, aktualisierte Version des unveröffentlichten Manuskripts. sozialersinn, 2 (1), 3–33 Oswald, Hans (2010). Was heißt qualitativ forschen? Warnungen, Fehlerquellen, Möglichkeiten. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S. 183–201). München: Juventa Verlag. Pansegrau, Peter, Taubert, Niels, & Weingart, Peter (2011). Wissenschaftskommunikation in Deutschland. Ergebnisse einer Onlinebefragung. Eine Untersuchung im Auftrag des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes (DFJV). https://www.df jv.de/documents/10180/178294/DFJV_Studie_Wissenschaftskommunikation_ in_Deutschland.pdf. Zugegriffen: 29. April 2019. Pekrun, Reinhard (1988). Emotion, Motivation und Persönlichkeit. München: Psychologie-Verlags-Union.

294 | Science Slam

Peters, Bernhard (1993). Die Integration moderner Gesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Preckwitz, Boris (2002). Slam Poetry – Nachhut der Moderne. Eine literarische Bewegung als Anti-Avantgarde. Hamburg: Books on Demand. Preckwitz, Boris (2005). Spoken Word & Poetry Slam. Kleine Schriften zur Interaktionsästhetik. Wien: Passagen Verlag. Reckwitz, Andreas (2003). Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken: Eine sozialtheoretische Perspektive. Zeitschrift für Soziologie, 32 (4), 282–301. Reckwitz, Andreas (2006). Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Reichertz, Jo (2012). Abduktion, Deduktion und Induktion in der qualitativen Forschung. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 276–286). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Reinmann-Rothmeier, Gabi, & Mandl, Heinz (1996). Wissen und Handeln. Verschiedene Perspektiven, Wechselbeziehungen und der Einfluß der Situation. Weiterbildung – Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends, 7 (3), 122–127. Reusser, Kurt, & Reusser-Weyeneth, Marianne (1994). Verstehen als psychologischer Prozess und als didaktische Aufgabe: Einführung und Überblick. In Kurt Reusser und Marianne Reusser-Weyeneth (Hrsg.), Verstehen. Psychologischer Prozess und didaktische Aufgabe (S. 9–35). Bern: Verlag Hans Huber. Robak, Steffi (2015). Anschlusslernen und Lern-Verwertungsinteressen als Untersuchungskategorie für Partizipation an Bildungsurlaub. In Steffi Robak, Horst Rippien, Lena Heidemann & Claudia Pohlmann (Hrsg.), Bildungsurlaub – Planung, Programm und Partizipation. Eine Studie in Perspektivverschränkung (S. 43–65). Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Robak, Steffi, & Rippien, Horst (2015). Einleitung. In Steffi Robak, Horst Rippien, Lena Heidemann & Claudia Pohlmann (Hrsg.), Bildungsurlaub – Planung, Programm und Partizipation. Eine Studie in Perspektivverschränkung (S. 19– 41). Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Robak, Steffi, Rippien, Horst, Heidemann, Lena, & Pohlmann, Claudia (Hrsg.) (2015). Bildungsurlaub – Planung, Programm und Partizipation. Eine Studie in Perspektivverschränkung. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Rogers, Carl R. (1997). Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch-Verlag. Roth, Gerhard (2003). Aus Sicht des Gehirns. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Roth, Gerhard (2015). Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten: Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Stuttgart: Klett-Cotta.

Literatur | 295

Rust, Holger (2002). Am ehesten: Ideengesellschaft. In Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Was kommt nach der Informationsgesellschaft? Elf Antworten (S. 40– 67). Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. Schäfer, Mike S. (2008). Medialisierung der Wissenschaft? Empirische Untersuchung eines wissenssoziologischen Konzepts. Zeitschrift für Soziologie, 37 (3), 205–225. Schäffer, Burkhard (2012). Dokumentarische Methode. Einordnung, Prinzipien und Arbeitsschritte einer praxeologischen Methodologie. In Burkhard Schäffer & Olaf Dörner (Hrsg.), Handbuch Qualitative Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung (S. 196–211). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Schäffter, Ortfried (1997). Irritation als Lernanlaß. Bildung zwischen Helfen, Heilen und Lehren. In Heinz-Hermann Krüger (Hrsg.), Bildung zwischen Markt und Staat (S. 691–708). Opladen: Leske + Budrich. Schäffter, Ortfried (2001). Weiterbildung in der Transformationsgesellschaft. Zur Grundlegung einer Theorie der Institutionalisierung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Schäffter, Ortfried (2014a). Navigieren durch vernetzte Bildungslandschaften. Zum impliziten Erwerb von Übergangskompetenz in Lernbiographien. Heide von Felden, Ortfried Schäffter & Hildegard Schicke (Hrsg.), Denken in Übergängen. Weiterbildung in transitorischen Lebenslagen (S. 38–59). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Schäffter, Ortfried (2014b). Bildungsformate im gesellschaftlichen Strukturwandel. In Heide von Felden, Ortfried Schäffter & Hildegard Schicke (Hrsg.), Denken in Übergängen. Weiterbildung in transitorischen Lebenslagen (S. 111–136). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Schäffter, Ortfried (2015). Übergangszeiten – ›Transitionen‹ und ›Life Trajectories‹. Navigieren durch Bildungslandschaften im Lebensverlauf. In Sabine Schmidt-Lauff, Heide von Felden & Henning Pätzold (Hrsg.), Transitionen in der Erwachsenenbildung. Gesellschaftliche, institutionelle und individuelle Übergänge (S. 19–34). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Scheler, Max (1926). Die Wissensformen und die Gesellschaft. Probleme einer Soziologie des Wissens. Erkenntnis und Arbeit. Leipzig: Der Neue Geist-Verlag. Schetsche, Michael (2000). Wissenssoziologie sozialer Probleme. Grundlegung einer relativistischen Problemtheorie. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Schimank, Uwe (2012). Wissenschaft als gesellschaftliches Teilsystem. In Sabine Maasen, Marion Kaiser, Martin Reinhart & Barbara Sutter (Hrsg.), Handbuch Wissenschaftssoziologie (S. 113–123). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

296 | Science Slam

Schlutz, Erhard (2010). Verstehen – Verständigung. In Rolf Arnold, Sigrid Nolda & Ekkehard Nuissl (Hrsg.), Wörterbuch Erwachsenenbildung (S. 18–19). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Schmidt, Christiane (2013). Auswertungstechniken für Leitfadeninterviews. In Barbara Friebertshäuser, Antje Langer & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S. 473–486). Weinheim: Beltz Juventa. Schmidt-Lellek, Christoph J. (2001). Was heißt ›Dialogische Beziehung‹ in berufsbezogener Beratung (Supervision und Coaching)? Das Modell des Sokratischen Dialogs. Organisationsberatung, Supervision, Coaching (OSC), 3, 199–212. Schmitz, Hermann (2009). Der Leib, der Raum und die Gefühle. Bielefeld und Basel: Aisthesis Verlag. Scholz, Oliver R. (2016). Verstehen = Zusammenhänge erkennen. In Klaus Sachs-Hombach (Hrsg.), Verstehen und Verständigung. Intermediale, multimodale und interkulturelle Aspekte von Kommunikation und Ästhetik (S. 17–32). Köln: Herbert von Halem. Schrader, Josef (2003). Wissensformen in der Weiterbildung. In Wiltrud Gieseke (Hrsg.), Institutionelle Innensichten der Weiterbildung (S. 228–253). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Schrader, Josef (2004). Didaktische Überlegungen zu einer Popularisierung von Wissenschaft durch Erwachsenenbildung. In Stefanie Conein, Josef Schrader & Martin Stadler (Hrsg.), Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft. Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (S. 195–218). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Schroer, Markus (2006). Räume, Orte, Grenzen. Auf dem Weg zu einer Soziologie des Raumes. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Schroer, Markus (2008). Das Ordnen der Dinge. In Stephan Moebius & Andreas Reckwitz (Hrsg.), Poststrukturalistische Sozialwissenschaften (S. 141–157). Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Schroer, Markus (2010). Raum und Wissen. In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 281–291). Bielefeld: transcript Verlag. Schüßler, Ingeborg, & Thurnes, Christian M. (2005). Lernkulturen in der Weiterbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Schulenberg, Wolfgang (1975). Zu den Problemen der Wissensvermittlung bei Erwachsenen. In Wolfgang Schulenberg (Hrsg.), Transformationsprobleme der Weiterbildung (S. 19–35). Braunschweig: Georg Westermann Verlag. Schütz, Alfred (1972). Der gut informierte Bürger. Ein Versuch über die soziale Verteilung des Wissens. In Arvid Brodersen (Hrsg.), Alfred Schütz. Gesammelte

Literatur | 297

Aufsätze. II: Studien zur soziologischen Theorie (S. 85–101). Den Haag: Martinus Nijhoff. Schütz, Alfred (2003a [1945]). Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In Alfred Schütz, Theorie der Lebenswelt. Bd. Die pragmatische Schichtung der Lebenswelt (hrsg. von Martin Endreß und Ilja Srubar) (S. 177–247). Konstanz: UVK. Schütz, Alfred (2003b [1971]). Strukturen der Lebenswelt. In Alfred Schütz, Theorie der Lebenswelt. Bd. Die pragmatische Schichtung der Lebenswelt (hrsg. von Martin Endreß und Ilja Srubar) (S. 325–371). Konstanz: UVK. Schütz, Alfred, & Luckmann, Thomas (2017 [1975/1984]). Strukturen der Lebenswelt. Konstanz: UVK. Schwartz, Morris S., & Green Schwartz, Charlotte (1955). Problems in Participant Observation. American Journal of Sociology, 60 (4), 343–353. Seidler, Christoph (2010). Wie eine Liebesnacht den Raum krümmt. Spiegel Online. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/science-slam-wie-eine-liebes nacht-den-raum-kruemmt-a-675595.html. Zugegriffen: 29. August 2019. Seitz, Hanna (1996). Räume im Dazwischen. Bewegung, Spiel und Inszenierung im Kontext ästhetischer Theorie und Praxis. Grundlegung einer Bewegungsästhetik. Essen: Klartext. Siebert, Horst (2010). Lernen. In Rolf Arnold, Sigrid Nolda, & Ekkehard Nuissl (Hrsg.), Wörterbuch Erwachsenenbildung (S. 190–192). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Smithson, Michael (1989). Ignorance and Uncertainty. Emerging Paradigms. New York: Springer-Verlag. Spivak, Gayatri Chakravorty (2008). Can the Subaltern Speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien: Verlag Turia + Kant. Sprung, Annette (2016). Wissenschaft auf Augenhöhe? Partizipatives Forschen in der Erwachsenenbildung zwischen Affirmation und Kritik. Magazin erwachsenenbildung.at, 27, 04/1–04/9. https://www.pedocs.de/volltexte/2016/11951/ pdf/Erwachsenenbildung_27_2016_Sprung_Wissenschaft_auf_Augenhoehe. pdf. Zugegriffen: 29. August 2019. Srubar, Ilja (2006). Die Unwissensgesellschaft. Moderne nach dem Verlust von Alternativen. In. Dirk Tänzler, Hubert Knoblauch & Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), Zur Kritik der Wissensgesellschaft (S. 139–154). Konstanz: UVK. Stadler, Martin (2004a). Schattendasein. Mathematik, Naturwissenschaften und Technik in der organisierten Erwachsenenbildung. In Stefanie Conein, Josef Schrader & Martin Stadler (Hrsg.), Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft. Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (S. 35–54). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.

298 | Science Slam

Stadler, Martin (2004b). Verbreiterung der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Grundbildung durch Erwachsenenbildung. Handlungsfelder und Handlungsmöglichkeiten. In Stefanie Conein, Josef Schrader & Martin Stadler (Hrsg.), Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft. Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (S. 219–231). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Stadler, Martin (2008). Naturwissenschaften in der Erwachsenenbildung – Was, wie und wozu vermitteln? REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 31 (3), 44–53. Stang, Richard (2016). Lernwelten im Wandel. Entwicklungen und Anforderungen bei der Gestaltung zukünftiger Lernumgebungen. Berlin: Verlag Walter de Gruyter. Stang, Richard, Bernhard, Christian, Kraus, Katrin, & Schreiber-Barsch, Silke (2017). Lernräume in der Erwachsenenbildung. In Rudolf Tippelt & Aiga von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (S. 643–658). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Stehr, Nico (1994). Arbeit, Eigentum und Wissen. Zur Theorie von Wissensgesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Stehr, Nico (2003). Wissenspolitik. Die Überwachung des Wissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Stehr, Nico (2006). Eine Welt aus Wissen. In Reinhard Fatke (Hrsg.), Bildung über die Lebenszeit (S. 97–107). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Stehr, Nico (2013). Wissen und der Mythos vom Nichtwissen. Aus Politik und Zeitgeschichte, 63 (18–20), 48–54. Steinbicker, Jochen (2010a). Peter F. Drucker: Wissensgesellschaft, wissensbasierte Organisation und Wissensarbeiter. In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 21–26). Bielefeld: transcript Verlag. Steinbicker, Jochen (2010b). Daniell Bell: Die post-industrielle Gesellschaft als Wissensgesellschaft. In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 27–33). Bielefeld: transcript Verlag. Stichweh, Rudolf (2004). Wissensgesellschaft und Wissenschaftssystem. Swiss Journal of Sociology, 30 (2), 147–165. Stifter, Christian (2016). Universität und Volksbildung. Anmerkungen zu einem spannungsreichen Verhältnis. Magazin erwachsenenbildung.at, 27, S. 03/1– 03/10. http://www.erwachsenenbildung.at/magazin/16-27/meb16-27. Zugegriffen 29. August 2019.

Literatur | 299

Stimm, Maria (2011). Science Slam – ein Brückenschlag zwischen wissenschaftlichem Wissen und Event. Eine ethnografische Erkundung vor Ort. Unveröffentlichte Masterarbeit im Masterstudiengang Erziehungswissenschaften, Profilbereich Weiterbildung/Lebensbegleitendes Lernen/Berufsbildung. HumboldtUniversität zu Berlin. Stimm, Maria (2016). Ortsraum. Gefühlsraum? Sozialraum! Ein Brückenschlag zwischen Raumbetrachtungsebenen und Bildungsimpulsen am Beispiel des Veranstaltungsformats Science Slam. In Joachim Ludwig, Malte Ebner von Eschenbach & Maria Kondratjuk (Hrsg.), Sozialräumliche Forschungsperspektiven verschiedener Disziplinen (S. 75–89). Opladen: Verlag Barbara Budrich. Stimm, Maria (2018). Erwachsenenpädagogische Betrachtungen des Veranstaltungsformats Science Slam – Möglichkeit der zielgruppenspezifischen Wissenschaftskommunikation. In Stefan Selke & Anette Treibel (Hrsg.), Öffentliche Gesellschaftswissenschaften, Grundlagen – Anwendungsfelder und neue Perspektiven (S. 209–222). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Strassmann, Burkhard (2010). Show macht schlau. Die Zeit, 03.02.2010 (5). http://www.zeit.de/wissen/2010-02/Science-Slam-2010. Zugegriffen: 29. August 2019. Streicher, Barbara (2016). Science Center und ihre Aktivitäten als Schnittstelle zwischen Universität und Erwachsenenbildung. Magazin erwachsenenbildung.at, (27), 08/1–08/9. https://www.pedocs.de/volltexte/2016/11955/pdf/Erwachsen enbildung_27_2016_Streicher_SciencS_Center.pdf. Zugegriffen: 20. November 2017. Strzelewicz, Willy (1986). Popularisierung in der Erwachsenenbildung als soziokulturelles Problem. In Horst Ruprecht & Gerhard-H. Sitzmann (Hrsg.), Erwachsenenbildung als Wissenschaft. Das Prinzip der Popularisierung als grundlagentheoretisches Problem der Erwachsenenbildung (S. 19–41). Weltenburg: Weltenburger Akademie. Tänzler, Dirk, Knoblauch, Hubert, & Soeffner, Hans-Georg (2006). Zur Kritik der Wissensgesellschaft. Einleitende Bemerkungen. In Dirk Tänzler, Hubert Knoblauch & Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), Zur Kritik der Wissensgesellschaft (S. 7–11). Konstanz: UVK. Taschwer, Klaus (1996). Wissen über Wissenschaft. Chancen und Grenzen der Popularisierung von Wissenschaft in der Erwachsenenbildung. In Sigrid Nolda (Hrsg.), Erwachsenenbildung in der Wissensgesellschaft (S. 65–99). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. The Royal Society (1985). The Public Understanding of Science. https:// royalsociety.org/~/media/Royal_Society_Content/policy/publications/1985/ 10700.pdf. Zugegriffen: 29. August 2019.

300 | Science Slam

Thiel, Felicitas (2007). Stichwort: Umgang mit Wissen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10 (2), 153–169. Tietgens, Hans (1983). Teilnehmerorientierung in Vergangenheit und Gegenwart. Frankfurt am Main: Pädagogische Arbeitsstelle, Deutscher Volkshochschul-Verband. Tietgens, Hans (1984). Vorbemerkungen. In Ortfried Schäffter (Hrsg.), Veranstaltungsvorbereitung in der Erwachsenenbildung (S. 7–14). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Tietgens, Hans (1992). Reflexionen zur Erwachsenendidaktik. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Tietgens, Hans (1996). Der Stellenwert von Wissensformen in der Geschichte der Erwachsenenbildung. In Sigrid Nolda (Hrsg.), Erwachsenenbildung in der Wissensgesellschaft (S. 31–64). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Tietgens, Hans (2000). Arten des Wissens und ihre Relevanz für die Erwachsenenbildung. REPORT. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 45, 109–115. Tippelt, Rudolf, & Pietraß, Manuela (2001). Erwachsenenbildung in der ›Erlebnisgesellschaft‹. In Jürgen Wittpoth (Hrsg.), Erwachsenenbildung und Zeitdiagnose. Theoriebeobachtungen (S. 69–90). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Trumann, Jana (2013). Lernen in Bewegung(en). Politische Partizipation und Bildung in Bürgerinitiativen. Bielefeld: transcript Verlag. Ulich, Dieter (1989). Das Gefühl. Eine Einführung in die Emotionspsychologie. München: Psychologie-Verlags-Union. UNESCO (2005). Towards Knowledge Societies. http://unesdoc.unesco.org/ images/0014/001418/141843e.pdf. Zugegriffen: 29. August 2019. Unterstell, Rembert (2013). Science Center: Wissen als Erlebnis. Aus Politik und Zeitgeschichte, 63 (18–20), 35–41. Vendrell Ferran, Ingrid. (2008). Die Emotionen: Gefühle in der realistischen Phänomenologie. Berlin: Verlag Walter de Gruyter. Voigt, Kristin (2012). Informelle Wissenschaftskommunikation und Social Media. Berlin: Frannk & Timme GmbH Verlag. Wehling, Peter (2001). Jenseits des Wissens? Wissenschaftliches Nichtwissen aus soziologischer Perspektive. Zeitschrift für Soziologie, 30 (6), 465–484. Wehling, Peter (2008). Wissen und seine Schattenseite: Die wachsende Bedeutung des Nichtwissens in (vermeintlichen) Wissensgesellschaften. In Thomas Brüsemeister & Klaus-Dieter Eubel (Hrsg.), Evaluation, Wissen und Nicht-Wissen (S. 17–34). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wehling, Peter (2010). Nichtwissen: Entstehungskontexte, Pluralisierung und Politisierung. In Anina Engelhardt & Laura Kajetzke (Hrsg.), Handbuch Wissensge-

Literatur | 301

sellschaft. Theorien, Themen und Probleme (S. 259–270). Bielefeld: transcript Verlag. Wehling, Peter, & Viehöver, Willy (2013). Uneingeladene Partizipation der Zivilgesellschaft. Ein kreatives Element der Governance von Wissenschaft. In Edgar Grande, Dorothea Jansen, Otfried Jarren, Arie Rip, Uwe Schimank & Peter Weingart (Hrsg.), Neue Governance der Wissenschaft. Reorganisation – externe Anforderungen – Medialisierung (S. 213–234). Bielefeld: transcript Verlag. Weinberg, Johannes (1999). Lernkultur – Begriff, Geschichte, Perspektiven. In Arbeitsgemeinschaft Qualitäts-Entwicklungs-Management (Hrsg.), Kompetenzentwicklung '99. Aspekte einer neuen Lernkultur. Argumente, Erfahrungen, Konsequenzen (S. 81–143). Münster: Waxmann Verlag. Weiner, Gerhard (1952). Perspektive. Konstruktionsaufgaben mit einer Einführung in die allgemeinen Grundlagen. Leipzig: Fachbuchverlag. Weingart, Peter (1976). Wissensproduktion und soziale Struktur. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Weingart, Peter (2001). Die Stunde der Wahrheit. Zum Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Weingart, Peter (2003). Wissenschaftssoziologie. Bielefeld: transcript Verlag. Weingart, Peter (2005). Die Wissenschaft der Öffentlichkeit. Essays zum Verhältnis von Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Weingart, Peter, Carrier, Martin, & Krohn, Wolfgang (2007). Nachrichten aus der Wissensgesellschaft. Analysen der Veränderung der Wissenschaft. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Weiß, Johannes (2006). Wissenselite. In Dirk Tänzler, Hubert Knoblauch & Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), Zur Kritik der Wissensgesellschaft (S. 13–29). Konstanz: UVK. Welsch, Wolfgang (1991). Unsere postmoderne Moderne. Weinheim: VCH. Westermayr, Stefanie (2004). Poetry Slam in Deutschland. Theorie und Praxis einer multimedialen Kunstform. Marburg: Tectum Verlag. Wiesner, Giesela, & Wolter, Andrä (Hrsg.) (2005). Die lernende Gesellschaft. Lernkulturen und Kompetenzentwicklung in der Wissensgesellschaft. München: Juventa Verlag. Willke, Helmut (2002). Dystopia. Studien zur Krisis des Wissens in der modernen Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Wimmer, Michael (2002). Bildungsruinen in der Wissensgesellschaft. Anmerkungen zum Diskurs über die Zukunft der Bildung. In Ingrid Lohmann & Rainer Rilling (Hrsg.), Die verkaufte Bildung. Kritik, Kontroversen zur Kommerziali-

302 | Science Slam

sierung von Schule, Weiterbildung, Erziehung und Wissenschaft (S. 45–68). Opladen: Leske + Budrich. Winter, Rainer (2010). Symbolischer Interaktionismus. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (S. 79–93). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wittpoth, Jürgen (2001). Zeitdiagnose nur im Plural. In Jürgen Wittpoth (Hrsg.), Erwachsenenbildung und Zeitdiagnose. Theoriebeobachtungen (S. 155–178). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Wulf, Christoph, & Zirfas, Jörg (2007). Performative Pädagogik und performative Bildungstheorien. Ein neuer Fokus erziehungswissenschaftlicher Forschung. In Christoph Wulf & Jörg Zirfas (Hrsg.), Pädagogik des Performativen. Theorien, Methoden, Perspektiven (S. 7–40). Weinheim: Beltz Verlag. Wyrembek, Christian (2011). Wissenschaft, die Laune macht. TAZ. Die Tageszeitung, 09.11.2011, 24. Zetsche, Indre (Hrsg.) (2004). Wissenschaftskommunikation. Streifzug durch ein ›neues‹ Feld. Bonn: Lemmens Medien.

Pädagogik Anselm Böhmer

Bildung als Integrationstechnologie? Neue Konzepte für die Bildungsarbeit mit Geflüchteten 2016, 120 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3450-1 E-Book: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3450-5 EPUB: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3450-1

Nadja Köffler, Petra Steinmair-Pösel, Thomas Sojer, Peter Stöger (Hg.)

Bildung und Liebe Interdisziplinäre Perspektiven 2018, 412 S., kart., 11 SW-Abbildungen 39,99 € (DE), 978-3-8376-4359-6 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4359-0

Monika Jäckle, Bettina Wuttig, Christian Fuchs (Hg.)

Handbuch Trauma – Pädagogik – Schule 2017, 726 S., kart., 13 SW-Abbildungen 39,99 € (DE), 978-3-8376-2594-3 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2594-7

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Pädagogik Elisabeth Kampmann, Gregor Schwering

Teaching Media Medientheorie für die Schulpraxis – Grundlagen, Beispiele, Perspektiven 2017, 304 S., kart., 5 SW-Abbildungen 24,99 € (DE), 978-3-8376-3053-4 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation, ISBN 978-3-8394-3053-8

Markus Deimann

Open Education Auf dem Weg zu einer offenen Hochschulbildung Januar 2019, 260 S., kart. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4496-8 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4496-2

Stefan Thomas, Madeleine Sauer, Ingmar Zalewski

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete Ihre Lebenssituationen und Perspektiven in Deutschland 2018, 254 S., kart., 26 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4384-8 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation, ISBN 978-3-8394-4384-2

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de